Triviale Personenberichterstattung als Rechtsproblem: Ein Beitrag zur Grenzziehung zwischen Medienfreiheit und Persönlichkeitsschutz [1 ed.] 9783428504640, 9783428104642

Die publizistische Gattung des »Boulevardjournalismus« bewegt sich im Spannungsfeld zwischen öffentlichem Informationsau

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German Pages 429 Year 2001

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Triviale Personenberichterstattung als Rechtsproblem: Ein Beitrag zur Grenzziehung zwischen Medienfreiheit und Persönlichkeitsschutz [1 ed.]
 9783428504640, 9783428104642

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GERALD NEBEN

Triviale Personenberichterstattung als Rechtsproblem

Schriften zum Recht des Informationsverkehrs und der Informationstechnik Herausgegeben von Prof. Dr. Horst Ehmann und Prof. Dr. Rainer Pitschas

Band 22

Triviale Personenberichterstattung als Rechtsproblem Ein Beitrag zur Grenzziehung zwischen Medienfreiheit und Persönlichkeitsschutz

Von

Gerald Neben

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek- CIP-Einheitsaufnahme

Neben, Gerald:

Triviale Personenberichterstattung als Rechtsproblem : ein Beitrag zur Grenzziehung zwischen Medienfreiheit und Persönlichkeitsschutz I Gerald Neben.- Berlin: Duncker und Humblot, 2001 (Schriften zum Recht des Informationsverkehrs und der Informationstechnik ; Bd. 22) Zugl.: Hamburg, Univ., Diss., 2000 ISBN 3-428-10464-1

Alle Rechte vorbehalten

© 2001 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahrne: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0940-1172 ISBN 3-428-10464-1 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706@

Vorwort Die vorliegende Arbeit ist im Wintersemester 1999/2000 von der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Harnburg als Dissertation angenommen worden. Rechtsprechung und Literatur befinden sich auf dem Stand von Januar 2000; jüngere Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs konnten bis einschließlich Dezember 2000 Berücksichtigung finden. Für die Betreuung dieser Arbeit, die Anfertigung der Gutachten sowie vielfältige inhaltliche und organisatorische Unterstützung gebührt mein Dank Herrn Prof. Dr. Reinhard Bork, Herrn Prof. Dr. Bemt Bühnemann sowie Herrn Prof. Dr. Ulrich Karpen. Danken möchte ich darüber hinaus der Universität Harnburg für die großzügige Gewährung eines Promotionsstipendiums, den Mitgliedern des Doktorandenzirkels Medienrecht am Hans-Bredow-Institut Harnburg für deren wertvolle konstruktive Kritik sowie nicht zuletzt Herrn Prof. Dr. Horst Ehrnano und Herrn Prof. Dr. Rainer Pitschas für die Aufnahme der Arbeit in die Schriftenreihe "Recht des Informationsverkehrs und der lnformationstechnik". Aus einer langjährigen freundschaftlichen wie fachlichen Verbundenheit heraus bin ich Herrn Dr. Kai-Uwe Plath, LL.M. zu besonderem Dank verpflichtet, der mir stets mit Ansporn und Anregung zur Seite stand. Die Arbeit ist meinen Eltern gewidmet, deren uneingeschränkter Unterstützung ich mir immer gewiss sein durfte. Hamburg, im Januar 2001

Gerald Neben

Inhaltsverzeichnis Einführung in die Thematik und Gang der Darstellung. . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17

Erster Teil

Triviale Personenberichterstattung in den Massenmedien

21

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 A. Triviale Personenberichterstattung als publizistisches Phänomen . . . . . . . I. Vorüberlegung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Mensch im Fokus der Medien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kategorien des massenmedialen Personenjournalismus...... . ..... . 2. Themen des massenmedialen Personenjournalismus . . . . . . . . . . . . . . . 3. Objekte des massenmedialen Personenjournalismus . . . . . . . . . . . . . . . 4. Darstellungsformen des massenmedialen Personenjournalismus . . . . . a) Tatsachenbetonte Darstellungsformen..... ........... . . . . . . . . . b) Meinungsbetonte Darstellungsformen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Phantasiebetonte Darstellungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Informationsträger des massenmedialen Personenjournalismus. ... . . a) Politische Tageszeitungen und TV-Nachrichtenformate . . . . . . . . . b) Boulevardzeitungen und Boulevard-TV . .... ............. ... . . c) Illustrierte Publikumszeitschriften......... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Unterhaltende Wochenzeitschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Triviale Personenberichterstattung als publizistische Kategorie . . . . . . . . 1. Substantielle und triviale Personenberichterstattung . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Element des Trivialen in Literatur und Publizistik . . . . . . . . . . . . 3. Strategien der Trivialen Personenberichterstattung......... . . . . . . . . 4. Zusammenfassende Definition des Untersuchungsgegenstandes.... . IV. Ausmaß und Tendenzen der Trivialen Personenberichterstattung...... . 1. Untersuchungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Untersuchungsmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Quantitative Untersuchungsergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Personalisierungsgrad BUNTE und STERN 1986/87........... . b) Personalisierungsgrad BUNTE und STERN 1996/97........... . 4. Analyse der Untersuchungsergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Personalisierungsgrad und Personalisierungstendenz . . . . . . . . . . . . b) Einzelbewertung der Untersuchungskategorien. . .. . . . ......... . 5. Zusammenfassung und Anwendung der Ergebnisse............... .

23 23 24 24 25 26 28 28 30 31 31 31 32 34 35 36 38 38 40 42 44 45 45 46 47 47 48 49 49 51 51

8

Inhaltsverzeichnis

B. Triviale Personenberichterstattung als soziologisches Phänomen . . . . . . . I. Vorüberlegung......... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Funktionen der Trivialen Personenberichterstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sozialisation und Orientierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kontrolle und Kritik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Befriedigung kommunikativer Grundbedürfnisse.......... . . . .... . a) Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Identifikation.... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Integration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Rekreation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ursachen der Trivialen Personenberichterstattung . ........... . . . . . . . . 1. Individualisierung und Desintegration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Orientierungsverluste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Partiku1arisierungstendenzen............ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Unterhaltungs- und Erlebnisorientierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Enttabuisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Auswirkungen der Trivialen Personenberichterstattung . . . . . . . . . . . . . . . 1. Auswirkungen auf den politischen Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Auswirkungen auf die soziale Gemeinschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Auswirkungen auf das Individuum........... . .......... . . ..... . a) Öffentliche Darstellung als Kapital und Podium . . . . . . . . . . . . . . . b) Öffentliche Darstellung als Pranger und Instrument der Invasion . V. Zusammenfassende Betrachtung: Die "soziale Wertigkeit" der Trivialen Personenberichterstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

52 52 53 54 54 55 55 56 56 57 58 58 59 60 62 63 63

C. Triviale Personenberichterstattung als ökonomisches Phänomen . . . . . . . I. Vorüberlegung......... ... ...................... . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Kommerzialisierung der Massenmedien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Kommerzialisierung der Persönlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ökonomie und menschliche Persönlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Grundlagen der kommerziellen Persönlichkeitsverwertung . . . . . . . . . 3. Die Triviale Personenberichterstattung im System der kommerziellen Persönlichkeitsverwertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zusammenfassung und Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Ökonomie der Trivialen Personenberichterstattung ... . ..... . . . . . . 1. Ökonomik der Massenmedien, dargestellt am Beispiel der Publikumszeitschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Mikroökonomische Determinanten der Zeitschriftenunternehmung ................................. .. ............. ..... b) Makroökonomische Determinanten der Zeitschriftenunternehmung . . .... ... . .. . . .... .... .. .. .... ... . . . . ... . ..... . . ..... 2. Das wirtschaftliche Potential der Trivialen Personenberichterstattung a) Triviale Personenberichterstattung als Instrument der Auflagensteigerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

75 75 77 79 79 82

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86 89 89 90 90 92 94 94

Inhaltsverzeichnis b) Triviale Personenberichterstattung als Instrument der langfristigen Rezipientenbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Triviale Personenberichterstattung als Instrument der Kostenersparnis............. .. .................................... . 3. Zusammenfassung und Ergebnis............................... . V. Zusammenfassende Betrachtung: Die "Kommerzialität" der Trivialen Personenberichterstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Zweiter Teil Die Triviale Personenberichterstattung im Spannungsfeld zwischen Kommunikationsfreiheit und Persönlichkeitsschutz

99

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 A. Rechtliche Fixierung der kollidierenden Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Verbreitungsfreiheit der Kommunikatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verfassungstheoretische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Individuelle und gesellschaftliche Bedeutung der Medienfreiheit . b) Die Medienfreiheit als subjektives Abwehrrecht und objektives Konstruktionsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Subjektiver und objektiver Gehalt der Medienfreiheit .... ... bb) Rechtliche Konsequenzen der doppelten Gehaltszuweisung . . cc) Kritik und Stellungnahme ........ . .. .......... . .... . . . . . c) Die Konzeption der Medienfreiheit zwischen Meinungsmarkt und Verfassungsvision . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Triviale Personenberichterstattung als Akt grundrechtlich geschützter Freiheitsbetätigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Genereller Schutzumfang der Medienfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Grundgesetzliche Verankerung der Medienfreiheit . . . . . . . . . . bb) Sachlicher Schutzbereich der MedienfreiheiL ........ . .. .. . cc) Persönlicher Schutzbereich der Medienfreiheit . . . . . . . . . . . . . dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Grundrechtsschutz der typischen Erscheinungsformen der Trivialen Personenberichterstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Schutz unwahrer und nicht erweislich wahrer Personeninformationen? .... .. . .... . .. . .............................. (1) Funktionaler Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Individualrechtlicher Ansatz . . .... . ........... .. ..... (3) Vermittelnder Ansatz ............. . .................. (4) Stellungnahme und Ergebnis ..... . . .................. bb) Schutz der Verbreitung fotographischer Personenaufnahmen? (1) Die Behandlung von Fotos durch Rspr. und h.L. . ...... (2) Kritische Stellungnahme: Fotos als visuelle Tatsachenmitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

102 102 103 103 105 105 105 107 108 110 111 111 114 116 117 118 118 118 119 120 122 126 126 127

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Inhaltsverzeichnis (3) Die Behandlung von "gefälschten" Fotos .............. (4) Zusammenfassung und Ergebnis ...................... cc) Schutz publizistischer Angriffe auf die persönliche Ehre? .. . dd) Schutz der Verbreitung privater, intimer und geheimer Personeninformationen?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Schutz "geringwertiger" Inhalte? ......................... (1) Ursprüngliche Beschränkung des Grundrechtsschutzes auf "gesellschaftlich relevante" Inhalte . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Ausdehnung des Grundrechtsschutzes durch Rechtsprechung und h. L ............. . . ......... . ............ (3) Stellungnahme und Ergebnis ......................... ff) Schutz ,,kommerziell motivierter" Publikationen? .......... (1) Bestimmung des Merkmals der "Kommerzialität" ...... (2) Ursprüngliche Schutzbereichsbegrenzung auf nichtkommerzielle Inhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Ausdehnung des Grundrechtsschutzes auf kommerziell motivierte Äußerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Stellungnahme und Ergebnis .. ... .................... 3. Zusammenfassung und Ergebnis ......... .... ................... II. Der Persönlichkeitsschutz der Dargestellten (,,Medienpersönlichkeitsrecht") ................... . ............. .. .. .................... 1. Systematik des rechtlichen Persönlichkeitsschutzes ... . .. . . . ... . .. . a) Verfassungsrechtlicher Persönlichkeitsschutz .... . . . . . .......... b) Einfachrechtlicher Persönlichkeitsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Das Zusammenwirken von verfassungsrechtlichem und einfachrechtlichem Persönlichkeitsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Gewährleistungsbereich des rechtlichen Persönlichkeitsschutzes. 3. Inhalt des "Medienpersönlichkeitsrechts". ... . .. ........... ... ... . a) Schutz des Diskretionsinteresses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schutz des Anonymitätsinteresses ... . ... . . . . . ........ . . . . . . . . c) Schutz des Wahrheitsinteresses ..... . ... .. . ......... . . ... . ... d) Schutz des Selbstbestimmungsinteresses ... . ........... . ...... e) Schutz des Ehrinteresses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Schutz des wirtschaftlichen Verwertungsinteresses ...... ...... .. 4. Zusammenfassung und Ergebnis . . ........... . ............ . ... . .

B. Die Auflösung der Interessenkollision im äußerungsrechtlichen Persönlichkeitsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundsätze des Ausgleichs von "Medienfreiheit" und "Medienpersönlichkeitsrecht". . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Inhaltsneutrale Beschränkungen der Medienfreiheit durch die "Allgemeinen Gesetze" ............... . ......... ... .......... . . .. . . 2. Inhaltsbezogene Beschränkungen der Medienfreiheit durch das "Recht der persönlichen Ehre" und die "verfassungsimmanenten Schranken". . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

128 128 129 131 132 133 133 135 136 136 137 138 139 140 141 141 142 144 149 152 158 158 161 162 165 166 168 169 170 171 171 175

Inhaltsverzeichnis 3. Das "Medienpersönlichkeitsrecht" als Schranke der Medienfreiheit gemäß Art. 5 II GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . li. Entscheidungsmaßstäbe des Ausgleichs zwischen "Medienfreiheit" und "Medienpersönlichkeitsrecht" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Interessenausgleich bei der Verbreitung von Ehrangriffen . . . . . . a) Die Systematik der Kollisionsauflösung im Ehrschutz . . . . . . . . . . b) Entscheidungsmaßstäbe der Kollisionsauflösung im Ehrschutz . . . aa) Unverletzlichkeit der Menschenwürde. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Schutz der Spontaneität der freien Rede ............ . ...... cc) Vermutung der Zulässigkeit der politischen Rede . . . . . . . . . . . dd) Gegenschlagsprinzip .................................... ee) Unzulässigkeit der Schmähkritik ......................... ft) Unzulässigkeit der Formalbeleidigung..................... gg) Vermeidung einer einschüchternden Wirkung auf den Kornmunikationsprozess . .. .. .. . . . . . . . . . .. . . . . . .. . . . . . . . . . . . . hh) Zweck der Äußerung und Motivation des Äußernden . . . . . . . ii) Legitimität des öffentlichen Informationsinteresses . . . . . . . . . jj) Gesellschaftliche Stellung und Funktion des Dargestellten. . . c) Zusammenfassung und Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Interessenausgleich bei der Verbreitung von Bildnissen . . . . . . . . a) Die Systematik der Kollisionsauflösung im Bildnisschutz . . . . . . . aa) Die gesetzlichen Vorgaben der §§ 22, 23 KUG ....... .. . . . bb) Die Rechtsprechung zum Bildnisschutz: Die "Person der Zeitgeschichte" als zentrales Tatbestandsmerkmal . . . . . . . . . . cc) Kritische Stellungnahme: Die Notwendigkeit einer Rückkehr zu Wortlaut und Systematik der§§ 22, 23 KUG ........... b) Entscheidungsmaßstäbe der Kollisionsauflösung im Bildnisschutz ................................................... . aa) Schutzbedürftigkeit der betroffenen Lebenssphäre . . . . . . . . . . bb) Motivation und subjektiver Zweck der Bildnisveröffentlichung ................................................. cc) Art und Weise der Bildnisbeschaffung ............. . ...... dd) Legitimität des öffentlichen Informationsinteresses und Informationswert des Bildnisses ................... .. .... . ee) Sachbezug der Bildnisverbreitung ................. ... ... . ft) Grad der faktischen Anonymität. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . gg) Unverletzlichkeit der Menschenwürde. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . hh) Authentizität der Aufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zusammenfassung und Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der Interessenausgleich bei der Verbreitung von Indiskretionen . .. .. a) Die Systematik der Kollisionsauflösung im Bereich des verbalen Diskretionsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Entscheidungsmaßstäbe der Kollisionsauflösung im verbalen Diskretionsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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177 180 181 182 184 184 186 188 190 193 196 198 199 202 203 204 205 206 206 207 212 219 220 223 225 226 229 230 232 233 234 235 236 237

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Inhaltsverzeichnis aa) Berechtigung und Intensität des Diskretionsinteresses . . . . . . . bb) Legitimität des öffentlichen Informationsinteresses und soziale Dimension der Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Freiwillige Begebung des Geheimhaltungsinteresses ........ dd) Soziale Stellung und Funktion des Betroffenen ........... . . ee) Art und Weise der Informationsbeschaffung ............... ff) Motiv und Zweck der Äußerung ..... ............... . .... gg) Sachbezug der Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zusammenfassung und Ergebnis .... . .. .................... . . 4. Der Interessenausgleich bei der Verbreitung von Unwahrheiten . . . . . a) Die Systematik der Kollisionsauflösung im Wahrheitsschutz .... b) Entscheidungsmaßstäbe der Kollisionsauflösung im Wahrheitsschutz ........................... .. . . . .................... aa) Grad der SorgfaltswidrigkeiL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Bedeutung des Themas für den öffentlichen Meinungsbildungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Intensität der Persönlichkeitsbeeinträchtigung ............ . . c) Zusammenfassung ................... .. ..................... III. Leitgedanken und Werteordnung im äußerungsrechtlichen Persönlichkeitsschutz - Eine kritische Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die ratio des gegenwärtigen Systems der rechtlichen Kollisionsauflösung ................................. .. .................... a) Gewichtung des Abwehrinteresses: Die "Intensität der Rechtsbeeinträchtigung" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Objektive Schutzwürdigkeit des beeinträchtigten Interesses . . bb) Subjektive Schutzbedürftigkeit des Betroffenen ............ cc) Umfänglichkeit des berührten Interessenspektrums ......... dd) Zwischenergebnis . ............... .. .................... b) Gewichtung des Publikationsinteresses: Die "soziale Wertigkeit der Information" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Das Verhältnis von "Intensität der Rechtsbeeinträchtigung" und "sozialer Wertigkeit der Information". . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kritische Stellungnahme - Verstoß der gegenwärtigen Konzeption gegen das verfassungsrechtliche Gebot inhaltlicher Neutralität. . . . . . 3. "Informationsgehalt" statt "Informationswert"- Ein Vorschlag zur Objektivierung des Interessenausgleichs im äußerungsrechtlichen Persönlichkeitsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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C. Zusammenfassende Betrachtung: Zulässigkeit und Grenzen der Trivialen Personenberichterstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271

Inhaltsverzeichnis

13

Dritter Teil Rechtsschutz gegenüber Trivialer Personenberichterstattung

278

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 A. Die staatliche Verpflichtung zur Sicherstellung effektiven Persönlichkeitsschutzes im Äußerungsrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Existenz und Inhalt der staatlichen Schutzpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Umfang und Reichweite der staatlichen Schutzpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rechtmäßigkeitsanforderungen an den staatlichen Umsetzungsakt . ... . IV. Konzeptionelle Anforderungen an den staatlichen Umsetzungsakt . .. .. V. Zusammenfassung und Ergebnis .......... .. . .. . . ............. .....

279 279 280 283 286 289

B. Strukturelle Ineffizienz des nicht-monetären äußerungsrechtlichen Schutzinstrumentariums. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zivilrechtliche Schutzinstrumente .......... . . .. ................ ... . I. Unterlassung .. .... . . . . .. .. . . . . . ..... . . . .. . ... . . .......... .. .. 2. Gegendarstellung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Widerruf und Richtigstellung .......... . . . ................... .. . 4. Urteilsveröffentlichung und Feststellungsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Strafrechtliche Sanktionierung. . . .. . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Öffentlich-rechtliche Schutzmechanismen ..... .... .................. I. Presserechtliche Schutznormen .. . . .. . . . . .. . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . 2. Rundfunkrechtliche Schutznormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Publizistische freiwillige Selbstkontrolle . .... . .... ....... . .......... V. Zusammenfassung und Ergebnis . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

290 291 291 295 297 299 302 306 306 308 310 312

C. Publizistische Persönlichkeitsverletzung und monetäre Sanktion . . . . . . . I. Abstrakte Leistungsmerkmale der monetären zivilrechtliehen Sanktion . II. Konkrete Leistungsfähigkeit des verfügbaren vermögensrechtlichen Instrumentariums (materieller Schadenersetz und Bereicherungsausgleich) .. . .. .. .. ..... .. . . . ..... . . ... . ... . .................. .. ... 1. Persönlichkeitsschutz durch materiellen Schadensersatz? . . . . . . . . . . . a) Die dreifache Schadensberechnung bei der Verletzung von Persönlichkeitsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ausschluss bei unüblichen und unmoralischen Verwertungsformen c) Ausschluss bei der Verletzung unbenannter Persön1ichkeitsrechte. d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Persönlichkeitsschutz durch Bereicherungsausgleich? . ... . ......... 3. Zusammenfassung und Ergebnis .... .. . ... .. ... . . . ..... . . .. . . ... III. Konkrete Leistungsfähigkeit des verfügbaren nicht-vermögensrechtlichen Instrumentariums ("Geldentschädigung bei Persönlichkeitsverletzung") . . . . . ........... . ... .. . . ... ............ . ... . ... ........... I. Entwicklungsgeschichte und rechtliche Gestalt der "Geldentschädigung bei Persönlichkeitsverletzung" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die gesetzliche Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

315 317 320 322 323 324 328 330 332 334 334 335 336

Inhaltsverzeichnis

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b) Die Entwicklung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vom "Herrenreiter" zu den "Pariser Liebestropfen" .... . ...... c) Verfassungsgerichtliche Bestätigung durch den Soraya-Beschluss. d) Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs Carotine von Monaco I- der Beginn einerneuen Ära? ........ . .................... e) Die gegenwärtige Struktur der Geldentschädigung bei Persönlichkeitsverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Anspruchsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Anspruchsvoraussetzungen ...................... .. .. . ... cc) Funktionszuweisungen .... ....... . .. . .. . . ........ . ... ... dd) Bemessungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Entschädigungssummen .............. . ........... . ...... 2. Verfassungsrechtliche Überprüfung der "Geldentschädigung bei Persönlichkeitsverletzung" und Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zur Frage der Anspruchsgrundlage ....... .. ........ . ......... aa) Die Geldentschädigung als verfassungsunmittelbarer Anspruch ... . ..... ........ ... . . ... .. . .. ....... . ... . . ... . . bb) Die Geldentschädigung als einfachgesetzlicher Anspruch .... cc) Die Geldentschädigung als richterrechtlicher Anspruch . . .... b) Zur Frage der Systemkonformität der "unvollkommen-präventiven" Funktionszuweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zur Frage eines Verstoßes gegen die strafrechtlichen Verfahrensgrundsätze des Art. 103 II, III GO . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zur Frage der Wahrung des rechtsstaatliehen Bestimmtheitserfordernisses. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Insbesondere: Zur Frage der präventiven Leistungsfähigkeit der "Geldentschädigung bei Persönlichkeitsverletzung" ............ . . .. 4. Ergebnis.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassende Betrachtung: Die monetäre Sanktionierbarkeit publizistischer Persönlichkeitsverletzungen (de lege lata) . . . . . . . . . . . .

337 344 345 349 349 351 352 353 354 355 355 356 358 360 365 368 372 375 380 382

D. Verfassungskonforme Ausgestaltung des monetären Rechtsfolgeninstrumentariums (de lege ferenda) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 Bisherige Lösungsansätze zur systemimmanenten Optimierung der Geldentschädigung und Kritik. . . . .. . . .. . . . . .. . . . . . .. . . . . . . . . . .. .. . 1. "Symbolische Schmerzensgelder" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anhebung der Entschädigungssummen im bestehenden System . . . . . 3. Das Prinz'sche Tagessatzmodell ............................. . . . 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Lösungsvorschlag: Die parallele Instrumentalisierung vermögensrechtlicher und nicht-vermögensrechtlicher Rechtsbehelfe .. . . . ......... . . . . l. Erster Schritt: Bereicherungsausgleich gemäß §§ 812 I 1 2. HS, 818 li BOB ... . .. ... . .. ......... . . ..... . ..... . . . ............. a) Ausdehnung der Ausgleichsfähigkeit auf "unbenannte Persönlichkeitsrechte" und "unmoralische Verwertungsformen" . . . . . . . .

I.

384 384 385 388 389 389 390 390

Inhaltsverzeichnis

15

b) Umfang des bereicherungsrechtlichen Ausgleichsanspruchs ...... aa) Gewinnabschöpfung bei vorsätzlicher Persönlichkeitsverletzung .. .. .... . . ............... ....... . . ... . .. . .... ..... bb) Fiktiver Lizenzanspruch bei fahrlässiger Persönlichkeitsverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Berechnung von "Gewinnabschöpfung" und "Lizenzanalogie" ........ . . . . . ............. ....... .......... . .. ... . . c) Zusammenfassung . .. .................. .. ................ .. . 2. Zweiter Schritt: Gewohnheitsrechtliches, "kupiertes" Schmerzensgeld ................................. . .. . .. .................. 3. Parallelität der Ansprüche ............... . . . . ................... III. Zusammenfassung und Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

396 397 398 401 403 404 405 406

Zusammenfassung der Ergebnisse ............................. . ........ . 408 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . 412 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 425

Abkürzungsverzeichnis APR Calif. L. Rev. Harv. L. Rev. WIPO

Allgemeines Persönlichkeitsrecht California Law Review Harvard Law Review World Intellectual Property Organization

Alle weiteren Abkürzungen siehe: Kirchner, Hildebert: Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 4. Auflage Berlin/ New York 1993 Duden, Konrad: Die Rechtschreibung der deutschen Sprache, Band l, 21. Auflage, Manoheim/Leipzig/Wien/Zürich 1996.

Einführung in die Thematik und Gang der Darstellung Die Themen der Trivialen Personenberichterstattung, also des offensiven, plakativen, investigativen und profanen "Regenbogen-Journalismus", muten auf den ersten Blick überaus belanglos an. Wen sollte es schon interessieren, ob Prinzessin Soraya Esfandiary regelmäßig Post vom Schah von Persien erhält? 1 Für wen ist es von Belang, womit der "Satl "-Moderator Peter Bond vor 20 Jahren seinen Lebensunterhalt bestritten hat?2 Wem nutzt es, im Bild mitzuerleben, wie der Entertainer Harald Schmidt in der Kölner Innenstadt seine Einkäufe erledige, mit welcher Hingabe ein achtjähriger Fürstenspross Fußball spielt4 , wie sich der Sänger Roy Black rührend um seine Nichte kümmert5 oder auf welche Weise sich die Tochter einer bekannten Violinistin bei ihrer Taufe aufführt6 ? Wer kann schon etwas über einen möglichen Seitensprung des Prinzen Ernst August von Hannove? oder die Eheprobleme Rudi Carrelli wissen wollen? Und wen schließlich interessiert es, ob die monegassische Prinzessin Carotine Heiratsabsichten hegt9 , an einer tückischen Krankheit leidet 10, in einer zärtlichen Romanze involviert ist 11 oder an der Cöte d' Azur über ihr Badehandtuch stolpert12? Wenn aber die Inhalte der Trivialen Personenberichterstattung derart "belanglos" sind, aus welchem Grunde sollte es dann einer rechtswissenschaftliehen Auseinandersetzung mit diesem profanen publizistischen Phänomen bedürfen? Die Antwort auf diese Frage erschließt sich unmittelbar im Wege eines Perspektivenwechsels, denn "belanglos" ist die Triviale Personenberichterstattung allenfalls aus Rezipientensicht Aus Sicht der unmitVgl. BGH in NJW 1965, S. 685 sowie BVerfGE 34, S. 269. Vgl. LG Berlin in NJW 1997, S. 1155. 3 Vgl. LG Köln in AfP 1994, S. 165. 4 Vgl. BGH in NJW 1996, S. 985. 5 Vgl. OLG Harnburg in ZUM 1995, S. 202. 6 Vgl. OLG München in AfP 1995, S. 658. 7 Vgl. BGH in NJW 1999, S. 2893. 8 Vgl. OLG Köln in AfP 1982, S. 181. 9 Vgl. BGH in NJW 1995, S. 861. 10 Vgl. BGH in NJW 1996, S. 984. 11 Vgl. BGH in AfP 196, S. 140. 12 Vgl. OLG Harnburg in AfP 1999, S. 175. 1

2

2 Neben

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Einführung in die Thematik und Gang der Darstellung

telbar Beteiligten hingegen - der Verlage und Fernsehveranstalter auf der einen, der öffentlich Dargestellten auf der anderen Seite - berührt sie hier wie dort Individualinteressen von größtem Gewicht, welche sich freilich diametral entgegenstehen: Das stetig anwachsende, ökonomisch motivierte Publikationsinteresse der Medienunternehmen kollidiert hier typischerweise mit dem auf elementaren Persönlichkeitsschutz gerichteten Abwehrinteresse der Dargestellten. Die juristische Relevanz dieser Interessenkollision entspringt dabei dem Umstand, dass die beiden gegenläufigen Interessen gleichermaßen verfassungsrechtlich bewehrt sind; das verlegerische Publikationsinteresse durch die von Art. 5 Abs. 1 GG gewährleistete Medienfreiheit, das individuelle Abwehrinteresse durch das von Art. 2 Abs. 1 i. V.m. Art. 1 Abs. 1 GG verbürgte Persönlichkeitsrecht Die Triviale Personenberichterstattung birgt aus diesem Grunde ein enormes rechtliches Konfliktpotential in sich - bei keiner anderen Kommunikationsform prallen die gegenläufigen verfassungskräftigen Interessen der Beteiligten ähnlich ungebremst aufeinander, und bei keiner anderen Kommunikationsform ist deshalb die Grenzziehung zwischen individuellem Persönlichkeitsschutz und massenmedialer Äußerungsfreiheit derart diffizil und zugleich von so außergewöhnlicher praktischer Relevanz. Denn für die Medienunternehmen stellt sich die Triviale Personenberichterstattung als äußerst lukrative weil auf eine stetig zunehmende Nachfrage stoßende Form wirtschaftlicher Betätigung dar; für die Dargestellten wiederum sind mit dieser spezifischen Art der Berichterstattung typischerweise besonders intensive Eingriffe in empfindliche Persönlichkeitsgüter wie Ehre, Diskretion und Anonymität verbunden. Seinen deutlich sichtbaren Niederschlag findet das außergewöhnliche rechtliche Konfliktpotential der Trivialen Personenberichterstattung in einer kaum überschaubaren Anzahl gerichtlicher Auseinandersetzungen, in denen sich die "Betroffenen" - meist unter Ausschöpfung des gesamten äußerungsrechtlichen Arsenals -gegen die massenmediale "Vereinnahmung" ihrer Persönlichkeit zur Wehr zu setzen versuchen. Die im Rahmen dieser Auseinandersetzungen aufgeworfenen Rechtsfragen sind dabei ebenso vielfaltig wie komplex und drängen - heute mehr denn je - auf rechtspolitisch sinnvolle und rechtsdogmatisch überzeugende Antworten. 13 Es sind nicht allein 13 Hierum bemüht haben sich in der jüngeren Vergangenheit insbesondere Stürner, GutA 58. DJT 1990, S. A9 ff.; Barton in Afl> 1995, S. 452; Prinz in NJW 1995, S. 817; Minelli in ZUM 1996, S. 73; Steifen in ZRP 1996, S. 366; Seitz in NJW 1996, S. 2848; Prinz in NJW 1996, S. 953; Steifen in NJW 1997, S. 10; Engels/Schulz in AfP 1998, S. 574; Stümer in AfP 1998, S. 1; Gounalakis in Afl> 1998, S. 10; Ullmann in AfP 1999, S. 209 sowie Di Fabio in AfP 1999, S. 126. Die vorliegende Arbeit betritt insofern also keineswegs vollkommenes juristisches Neuland. Gleichwohl fehlt es bislang an einer übergreifenden und umfassenden rechtswissenschaftlichen Behandlung der Trivialen Personenberichterstattung als einem

Einführung in die Thematik und Gang der Darstellung

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die drei Caroline von Monaco-Entscheidungen des Bundesgerichtshofs aus den Jahren 1994 und 1995 14, welche anschaulich das Bedürfnis nach einer Weiterentwicklung des äußerungsrechtlichen Persönlichkeitsschutzes gegenüber massenmedialen Ein- und Übergriffen belegen; auch aus der stetig anwachsenden Anzahl instanzgerichtlicher Entscheidungen geht deutlich die Notwendigkeit einer nachhaltigen Klärung des Verhältnisses zwischen Persönlichkeitsschutz und Medienfreiheit in diesem sensiblen Bereich hervor. 15 Dieser Aufgabe will die vorliegende Arbeit nachkommen. Ihr Anliegen ist es, die Triviale Personenberichterstattung als typisches äußerungsrechtliches Konfliktfeld zu erfassen und ein übergreifendes Modell zur rechtlichen Behandlung dieser publizistischen Gattung zu entwickeln. Dieses Vorhaben wird in drei Schritten anzugehen sein. In einem Ersten Teil sollen die für die angestrebte rechtswissenschaftliehe Auseinandersetzung notwendigen publizistischen, soziologischen und ökonomischen Grundbedingungen der Trivialen Personenberichterstattung ermittelt, dargestellt und analysiert werden: Worum genau handelt es sich bei der Trivialen Personenberichterstattung, in welchen Ausprägungen tritt sie in Erscheinung und worin unterscheidet sie sich von anderen Formen massenmedialer Informationsvermittlung? Welches sind ihre gesellschaftlichen Ursachen, Funktionen und Auswirkungen? Und welche ökonomischen Funktionszusammenhänge liegen ihr zugrunde? Der Zweite Teil der vorliegenden Arbeit wird sich sodann auf Tatbestandsebene mit der Frage nach Zulässigkeil und Grenzen der Trivialen Personenberichterstattung befassen. Das publizistische Phänomen soll in seinen typisierten rechtlichen Auswirkungen dargestellt, die von ihm betroffenen, gegenläufigen Interessen herausgearbeitet und als rechtliche Positionen fixiert sowie schließlich der Prozess des rechtlichen Interessenauseigenständigen rechtstatsächlichen Phänomen. Diese Lücke sucht die vorliegende Arbeit zu schließen. 14 BGH in NJW 1995, S. 861 - Caroline von Monaco I; BGH in NJW 1996, S. 984- Carotine von Monaco II; BGH in AfP 1996, S. 140- Carotine von Monaco 111. 15 Vgl. aus jüngerer Zeit nur LG Köln in AfP 1994, S. 165; OLG Hamm in NJW-RR 1995, S. 1114; OLG Harnburg in NJW-RR 1995, S. 221; OLG Harnburg in ZUM 1995, S. 202; OLG München in AfP 1995, S. 658; LG Krefe1d in NJW-RR 1996, S. 984; AG Berlin-Mitte in AfP 1996, S. 188; OLG Harnburg in NJW 1996, S. 2870; OLG München in NJW-RR 1996, S. 539; OLG Celle in AfP 1997, S. 819; LG Ansbach in NJW-RR 1997, S. 978; LG Berlin in NJW 1997, S. 1155; OLG Köln in VersR 1997, S. 1500; LG Ber1in in NJW 1997, S. 1373; OLG Hamm in AfP 1998, S. 304; OLG Harnburg in ZUM 1998, S. 324; Kammergericht in AfP 1998, S. 223; OLG Harnburg in AfP 1999, S. 68; LG Berlin in NJW-RR 1998, S. 316; OLG Harnburg in AfP 1999, S. 175; sowie die jüngste Entscheidung des BGH aus diesem Bereich in NJW 1999, S. 2893. 2*

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Einführung in die Thematik und Gang der Darstellung

gleichs nachvollzogen, analysiert und kritisch hinterfragt werden: Nach welchen Maßstäben erfolgt die juristische Grenzziehung zwischen zulässiger Informationsverbreitung und unzulässigem Persönlichkeitsrechtsverstoß gegenwärtig, und inwieweit erweist sich das derzeitige System des rechtlichen Interessenausgleichs aus verfassungsrechtlicher ebenso wie aus rechtspolitischer Perspektive als tragfähig? Der Dritte Teil der vorliegenden Arbeit schließlich wird sich den rechtlichen Implikationen der Trivialen Personenberichterstattung auf Rechtsfolgenebene zuwenden. Gegenstand der Untersuchung ist hier das äußerungsrechtliche Abwehrinstrumentarium und dessen Leistungsfähigkeit gegenüber den typischen Verletzungsformen dieser spezifischen publizistischen Gattung: Mit welchen Mitteln kann und muß die Rechtsordnung auf festgestellte, aus der Trivialen Personenberichterstattung resultierende PersönlichkeitsverstöBe reagieren, um den gegenwärtigen rechtspolitischen Anforderungen auf verfassungskonforme Weise genügen zu können? In ihrem Zusammenspiel werden diese drei Teile das Bild eines komplexen und äußerst bedeutsamen gesellschaftlichen Phänomens zeichnen, dessen juristische Behandlung zum gegenwärtigen Zeitpunkt - aus rechtspraktischer wie auch aus rechtstheoretischer Perspektive - eine Vielzahl dringend klärungsbedürftiger Fragen aufwirft. Die vorliegende Arbeit soll ihren Beitrag zu deren rechtspolitisch sinnvollen, verfassungsrechtlich tragfähigen und rechtsdogmatisch überzeugenden Beantwortung leisten.

Erster Teil Triviale Personenberichterstattung in den Massenmedien Einleitung Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit den äußerungsrechtlichen Implikationen des sog. "Regenbogenjournalismus" oder der "yellow press", also des offensiven, plakativen, investigativen und profanen "people"-Journalismus 1; ihr Untersuchungsziel ist die einbeitliche, übergreifende und umfassende Beantwortung der von diesem Phänomen in der Lebenswirklichkeit aufgeworfenen Rechtsfragen. Ein solcher Ansatz erfordert freilich zunächst - als notwendige Basis und als Ausgangspunkt der späteren rechtswissenschaftliehen Analyse - eine gründliche Auseinandersetzung mit dem Untersuchungsgegenstand selbst. Diesem Zweck dient der nun folgende Erste Teil. So erweist es sich zunächst als notwendig, das zwar allseits bekannte, jedoch bislang kaum wissenschaftlich behandelte Phänomen des "Regenbogenjournalismus" überhaupt als eine gesonderte publizistische Gattung zu identifizieren, zu veranschaulichen und gegenüber anderen Formen der massenmedialen Informationsvermittlung abzugrenzen. Dieser Aufgabe ist ein erster, einleitender Abschnitt gewidmet (A.). Sein Anliegen ist es, dem Untersuchungsgegenstand "Triviale Personenberichterstattung" möglichst prägnante Konturen zu verleihen, um diesen für die nachfolgende rechtswissenschaftliche Analyse handhabbar zu machen. In der Beschreibung und Abgrenzung des Untersuchungsgegenstandes können sich die notwendigen rechtstatsächlichen (Vor-)Überlegungen jedoch nicht erschöpfen. Denn die anstehenden rechtswissenschaftliehen Fragestellungen, deren Beantwortung sich die vorliegende Arbeit zum Ziel gesetzt hat, lassen sich ohne ein tieferes Verständnis von den soziologischen und ökonomischen Zusammenhängen, welche dem Phänomen der Trivialen Personenberichterstattung zugrunde liegen, schlechterdings nicht befriedigend bearbeiten. 1 Zum Begriff des "Regenbogenjoumalismus" vgl. Kodron-Lundgren/Kodron, S. 28 ff. ; Nutz, S. 16.

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1. Teil: Triviale Personenberichterstattung in den Massenmedien

So hängt die für den Zweiten Teil der vorliegenden Arbeit maßgebliche Frage nach der grundrechtliehen Schutzfähigkeit und Schutzwürdigkeit der Trivialen Personenberichterstattung ganz entscheidend davon ab, wie man die "soziale Wertigkeit" dieser publizistischen Gattung beurteilt - wie zu zeigen sein wird, lassen Rechtsprechung und Literatur die Publikationen der Trivialen Personenberichterstattung unter Hinweis auf deren vermeintliche soziale und politische "Minderwertigkeit" nur sehr eingeschränkt an der grundrechtliehen Gewährleistung des Art. 5 Abs. 1 GG teilhaben. Es wird die Aufgabe eines zweiten Abschnittes sein, die diesbezüglichen rechtstatsächlichen Prämissen aus soziologischer und politologischer Sicht zu überprüfen und auf diese Weise eine fundierte Grundlage für die anschließende rechtswissenschaftliche Diskussion zu schaffen (B.). Hängt die Bearbeitung der im Zweiten Teil der vorliegenden Arbeit angesiedelten Rechtsprobleme also maßgeblich von einer soziologischen Vorbetrachtung - der Bestimmung der "sozialen Wertigkeit" der Trivialen Personenberichterstattung - ab, so bedarf es zur Beantwortung der zentralen Rechtsfragen des Dritten Teils der vorliegenden Arbeit eines grundlegenden Überblicks über die ökonomischen Aspekte der Trivialen Personenberichterstattung. Denn im Mittelpunkt der dortigen Auseinandersetzung steht das Problem der rechtlichen Sanktionierung massenmedialer Persönlichkeitsverletzungen und damit die Frage, mit welchen Mitteln die Rechtsordnung adäquat auf die typischen Verletzungsformen der Trivialen Personenberichterstattung zu reagieren hat. Von besonderem Interesse ist in diesem Zusammenhang, ob die herkömmlichen "ideellen" Instrumente des Äußerungsrechts wie Widerruf, Gegendarstellung und Unterlassung einen wirksamen und hinreichenden Schutz der Persönlichkeit gewährleisten können, oder ob es zur Abwehr der spezifischen, von der Trivialen Personenberichterstattung ausgehenden Gefährdungen eines ergänzenden "monetären" Rechtsbehelfs bedarf, und wie ein solcher gegebenenfalls auszugestalten wäre. Diese Frage wiederum lässt sich nicht beantworten, ohne den Untersuchungsgegenstand zunächst in seiner ökonomischen Dimension greifbar zu machen wie zu zeigen sein wird, handelt es sich bei der Trivialen Personenberichterstattung um eine Form kommerziell motivierter Persönlichkeitsverwertung und damit um ein ökonomisches Phänomen, auf welches wirkungsvoll auch nur mit "ökonomischen" Mitteln reagiert werden kann. Zur Vorbereitung der anstehenden Auseinandersetzung mit dem Problem des Rechtsschutzes gegenüber Trivialer Personenberichterstattung wird einem dritten Abschnitt daher die Aufgabe zukommen, die grundlegenden wirtschaftlichen Funktionszusammenhänge des Phänomens aufzuzeigen und zu veranschaulichen (C.).

A. Triviale Personenberichterstattung als publizistisches Phänomen

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A. Triviale Personenberichterstattung als publizistisches Phänomen I. Vorüberlegung Bei dem Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit handelt es sich um ein spezifisches journalistisches Genre, welches sich von anderen Formen der massenmedialen Berichterstattung deutlich abgrenzen lässt und - aufgrund seiner vielfältigen journalistischen, soziologischen und ökonomischen Besonderheiten - als eigenständige publizistische Gattung anzusehen ist. Diese Gattung wird gemeinhin mit dem Begriff des "Regenbogenjournalismus" umschrieben; gemeint ist der profane "peop/e"-Journalismus, der mit Klatsch und Tratsch ein vorwiegend an den Lebensschicksalen der Reichen, Schönen und Berühmten interessiertes Publikum unterhält. Bei näherer Betrachtung ergibt sich freilich, dass der Begriff des "Regenbogenjournalismus" in höchstem Maße unpräzise weil konturlos ist, und zudem- aufgrund erheblicher emotionaler Vorbelastung - die Auseinandersetzung mit dem dahinterstehenden Phänomen in einer Weise polarisiert, die einer neutralen wissenschaftlichen Bearbeitung äußerst abträglich ist. Im folgenden soll sich dieser publizistischen Gattung daher - wertfrei - unter der Überschrift der "Trivialen Personenberichterstattung" genähert werden. Ziel dieses ersten Abschnittes ist die Konkretisierung des Untersuchungsgegenstandes - die Triviale Personenberichterstattung soll als publizistische Kategorie benannt, beschrieben und abgegrenzt und auf diesem Wege als klar konturiertes Objekt der nachfolgenden rechtswissenschaftliehen Analyse etabliert werden. Zu diesem Zweck ist zunächst ein Überblick über die gesamte Bandbreite des massenmedialen "Personenjournalismus" zu geben; es wird zu zeigen sein, dass Rundfunk und Printmedien sich des Menschen in vielfliltiger Weise als Objekt ihrer journalistischen Tätigkeit bedienen und dieser immer stärker in den Mittelpunkt des massenmedialen Informationsvermittlungsprozesses rückt. Aus dem breiten Spektrum massenmedialer Personenberichterstattung wird dann der spezifische Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit - das Phänomen der Trivialen Personenberichterstattung - herauszuarbeiten und gegenüber den sonstigen Formen des massenmedialen "Personenjournalismus" abzugrenzen sein. Abschließend sollen dann Ausmaß und Entwicklungstendenzen dieser speziellen publizistischen Gattung anband einer empirischen Untersuchung verdeutlicht und eine Prognose über die künftige Entwicklung dieses Genres vorgenommen werden.

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1. Teil: Triviale Personenberichterstattung in den Massenmedien

II. Der Mensch im Fokus der Medien Im Mittelpunkt der massenmedialen Informationsvermittlung steht der Mensch: Als Kommunikator und Produzent, als Rezipient und Konsument und immer stärker auch als Dargestellter, als "Gegenstand" der Berichterstattung. In vielfaltiger Weise rückt der Mensch in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses, und in vielfältiger Weise bedienen sich die Medien seiner als publizistisches Objekt. Diese Vielfältigkeit gilt es zu systematisieren; es bietet sich zu diesem Zweck eine Darstellung anband der unterschiedlichen Kategorien (l.), Themen (2.), Objekten (3.), Darstellungsformen (4.) und Mediengattungen (5.) des massenmedialen Personenjournalismus an.

1. Kategorien des massenmedialen Personenjournalismus Entsprechend der Intensität der Persönlichkeitsnutzung ist zunächst zwischen inzidentieller und originärer Personenberichterstattung zu unterscheiden. Bei der inzidentiellen Personenberichterstattung handelt es sich um die Verbreitung von Informationen, denen als Anlass ein aktuelles gesellschaftliches oder politisches Ereignis zugrunde liegt, das jedoch unauflöslich mit einer Person verbunden ist, und das sich ohne Bezugnahme auf diese Person schlechterdings nicht darstellen lässt. So beinhaltet der Bericht über sportliche Höchstleistungen auch immer eine persönliche Darstellung der Sportler, die Reportage über ein politisches Gipfeltreffen bedingt die Erwähnung und Abbildung der Teilnehmer und der Bericht über eine Naturkatastrophe erfordert zwingend auch die Beschäftigung mit den Betroffenen. Das berichtenswerte Ereignis hängt hier förmlich an der Person, so dass diese selbst zur Nachricht wird. Eigentlicher Berichtsgegenstand und damit Mittelpunkt der Information ist jedoch das Ereignis selbst. Die inzidentielle Personenberichterstattung lässt sich daher auch als die Verbreitung von Sachinformationen mit Personenbezug begreifen. In diese Kategorie fällt auch die illustrative Personenberichterstattung. Hier sind Sachinformation und Personeninformation zwar gleichgewichtige Elemente des Berichtes, die Sachinformation bleibt jedoch Auslöser und Anlass des konkreten Informationsvermittlungsaktes; vermittelt werden personalisierte Sachinformationen. So kann beispielsweise die Reportage über eine Automobil-Neuentwicklung interessanter gestaltet werden durch die Darstellung prominenter Persönlichkeiten, die diesen Autotyp selbst besitzen und zu dessen Qualitäten befragt werden2 . Von der inzidentiellen Personenberichterstattung deutlich zu unterscheiden ist die originäre Personenberichterstat2 Vgl. "Der Porsche-Club von RTL" in BUNTE Nr. 4011996, S. 78; "Nena ist immer auf Tour" in GALA Nr. 28/1997, S. 62.

A. Triviale Personenberichterstattung als publizistisches Phänomen

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tung. Bei ihr ist die Person selbst Anlass und Inhalt des Berichtes - diese wird in ihrer öffentlichen, privaten oder gar intimen Lebensführung zur eigenständigen Nachricht. Die originäre Personenberichterstattung wird im Zentrum dieser Arbeit stehen, da sie die intensivste Form der medialen Persönlichkeitsnutzung darstellt und dementsprechend aus ihr die meisten persönlichkeitsrechtlichen Problemstellungen resultieren.

2. Themen des massenmedialen Personenjournalismus Inhaltlich ist im Rahmen des massenmedialen Personenjournalismus zwischen öffentlichen, privaten, intimen und geheimen Informationen zu unterscheiden. Aus dem Öffentlichkeitsbereich stammen dabei diejenigen Informationen, von denen jeder ungehindert Kenntnis nehmen kann, indem er die betreffende Person in ihrem "der Öffentlichkeit zugekehrten"3 Auftreten beobachtet. Öffentliche Informationen haben die Art und Weise der Ausübung eines der Öffentlichkeit zugewandten Berufes, eines öffentlichen Amtes oder einer sonstigen gesellschaftlichen Funktion, die öffentliche Stellungnahme zu aktuellen politischen oder gesellschaftlichen Themen oder das Auftreten auf öffentlichen Veranstaltungen zum Gegenstand. 4 Sie zeigen die Person in ihrer Rolle als "Glied der sozialen Gemeinschaft"5 . Als privat anzusehen sind Informationen aus dem "Bereich, zu dem andere nur Zugang haben, soweit er ihnen gestattet wird"6 , also dem häuslichen, familiären, von der Öffentlichkeit abgewandten Bereich privater Lebensführung. Hierunter fallen Berichte über Eheschließungen, Eheprobleme und Scheidungen, Vermögensverhältnisse, religiöse Praktiken, Wohnort und Wohnverhältnisse, Hobbys und Freizeitgestaltung, Urlaubsaufenthalte, Familienverhältnisse sowie fotographische Abbildungen einer Person in ihrer häuslichen Umgebung. Die Person wird hier als "Mensch wie du und ich" betrachtet und in ihrer alltäglichen Lebenswelt dargestellt? Wenzel, Rn. 5.60. Hierunter fallt beispielsweise die Nachrichtenberichterstattung über eine Rede des Bundeskanzlers auf einer Gewerkschaftstagung, die Abbildung und das Interview mit einem Spitzensportler nach einem gewonnenen Wettkampf oder die Reportage über die bei einer Premierenfeier anwesenden Filmschauspieler. 5 Wenzel, Rn. 5.54. 6 Wenzel, Rn. 5.46. 7 Beispielhaft für die publizistische Verwertung privater Informationen sind die sogenannten "homestories", die vorwiegend in Publikumszeitschriften Verwendung finden. Hier werden bekannte Personen aus Politik, Unterhaltung und Sport in ihrer privaten, häuslichen Umgebung dargestellt und abgebildet. Die Gewährung solcher "homestories" dient Prominenten - neben der Erzielung von Aufmerksamkeit - häufig dazu, allzu hartnäckige Fotographen und Reporter ruhig zu stellen und von der Anfertigung ungenehmigter Aufnahmen und der Verbreitung unliebsamer privater 3 4

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1. Teil: Triviale Personenberichterstattung in den Massenmedien

Intime und geheime Personeninformationen schließlich betreffen den letzten unantastbaren Bereich menschlicher Freiheit und sind durch größte Vertraulichkeit und Personalität geprägt. 8 Zu den intimen Personeninformationen zählen Details aus dem Sexual- und Liebesleben, Informationen über Krankheiten und nicht äußerlich wahrnehmbare Gebrechen, fotographische Nacktaufnahmen sowie vertrauliche Äußerungen im engsten Freundes- oder Familienkreis. 9 Als geheime Personeninformationen sind beispielsweise Tagebuchaufzeichnungen anzusehen. Die Person wird durch die Verbreitung intimer und geheimer Informationen von einer Seite dargestellt, die dem Einblick anderer Menschen - mit Ausnahme engster Freunde oder Familienangehöriger - grundsätzlich entzogen sein soll. Die Verbreitung intimer und geheimer Informationen dient aus publizistischer Sicht oftmals dazu, das Bild einer von ihrer öffentlichen und privaten Seite bereits allgemein bekannten Person zu komplettieren und deren Persönlichkeit umfassend darzustellen.

3. Objekte des massenmedialen Personenjournalismus Als Objekte des Personenjournalismus kommen zunächst und vor allem sog. Prominente in Betracht. Der Begriff der Prominenz bezeichnet "hervorragende Personen"; Menschen also, die sich von ihren Mitbürgern abheben. 10 Von dem häufig synonym verwendeten Begriff der "Elite" unterscheidet sich die Prominenz, indem ihr Herausragen nicht leistungsabhängig zu verstehen ist, sondern allein an den faktischen Bekanntheitsgrad der Person anknüpft. Boorstin umschreibt den amerikanischen Parallelbegriff der celebrity daher treffend mit den Worten, "[t]he celebrity is a person who is known for bis well-knownness [... ) He is neither good nor bad, great nor petty. He is the human pseudo-event." 11 Mit Prominenz ist demzufolge keine soziologisch umschreibbare Gruppe, sondern vielmehr ein (vorübergehender) Zustand angesprochen. Die Angehörigen der Prominenz verbindet einzig ein vergleichbar hoher Popularitätsgrad: Sie werden von mehr Leuten gekannt, als sie selbst kennen. 12 oder gar intimer Informationen abzuhalten. Als Beispiel vgl. "Til Schweiger - Halb stark, voll Zweifel" in STERN Nr. 8/1997, S. 35. 8 Vgl. BVerfGE 6, S. 32 (41); BVerfGE 27, S. 1 (6); BVerfGE 32, S. 373, (378). 9 Als Beispiel für die publizistische Verwertung von Intiminformationen sei auf das achtmal im Jahr erscheinende amerikanische Magazin CELEBRITY SKIN verwiesen, das ausschließlich Fotos von Prominenten in verfangliehen Situationen präsentiert; vgl. "Hollywood intim" in TV MOVIE Nr. 20/1997, S. 32. 10 Für eine umfassende Analyse des Phänomens "Prominenz" sei verwiesen auf die gleichnamige Arbeit von Birgit Peters. 11 Boorstin, zit. nach Madow, 81 Calif.L.Rev. S. 127 f. 12 Peters, Prominenz, S. 16.

A. Triviale Personenberichterstattung als publizistisches Phänomen

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Prominenz wird gemeinhin nach gesellschaftlichen Betätigungsfeldern unterteilt. Es kann zwischen Kulturprominenz, politischer Prominenz, Sportprominenz, Wirtschaftsprominenz, Medienprominenz, Wissenschaftsprominenz, Geldprominenz und Adel unterschieden werden. 13 Je nach Gattung und inhaltlicher Ausrichtung einer bestimmten Publikation finden prominente Persönlichkeiten aus den verschiedenen Betätigungsfeldern publizistische Verwendung. Der Nachrichtenwert von prominenzbezogenen Informationen ist dabei groß. 14 Prominente haben einen hohen Wiedererkennungswert, den die Massenmedien publizistisch für sich nutzen können, indem sie die Anziehungskraft des bekannten Gesichts oder des bekannten Namens auf ihr Produkt "umleiten". Der Leser ist am Prominenten interessiert, weil er ihn vermeintlich schon zu kennen glaubt und sein bereits vorhandenes "Wissen" um immer neue Details ergänzen möchte. Hinzu kommt, dass sich Prominente aufgrund des großen öffentlichen Interesses an ihrer Person ideal als Vehikel für sonst schwer vermittelbare Sachinformationen nutzen lassen. Und schließlich bieten Prominente sowohl in ihrem öffentlichen Auftreten (sportliche Erfolge, Mitwirkung an neuer Filmproduktion, politisches Gipfeltreffen) als auch in ihrer privaten Lebensführung (Eheschließungen, Urlaubsaufenthalte, Krankheiten) Anlass zur Berichterstattung. Prominente eignen sich damit gleichermaßen für Sachberichte mit Personenbezug, für personalisierte Sachberichte und für die originäre Personenberichterstattung. In dieser vielfältigen "Einsetzbarkeit" liegt der publizistische Wert der Prominenz. Ähnlich wie sich bestimmte Mediengattungen und mediale Darstellungsformen vorwiegend auf die Prominentenberichterstattung konzentrieren, stellen andere die Privatperson, den nicht-prominenten Alltagsmenschen, in den Mittelpunkt des journalistischen Schaffens. Einzelschicksale werden hier zur Sensation hochstilisiert und in den Rang eines gesellschaftlich bedeutenden Ereignisses gehoben. Diese Art der Berichterstattung stimuliert beim Publikum das Sensationsinteresse und befriedigt gleichzeitig das Identifikationsbedürfnis, denn derartige "menschliche Sensationen" könnten auch dem Rezipienten selbst widerfahren. Das Verhältnis der Verwendung von Prominenten und Privatpersonen in den Massenmedien ist empirisch nicht exakt belegt. Für die Informationsprogramme im Fernsehen - unter Einschluss der sogenannten Boulevardmagazine - ist jedoch nachgewiesen, dass personalisierte Informationen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ARD und ZDF) zu etwa einem Drittel und im privaten Fernsehen (Pro 7 und RTL) zu etwa der Hälfte Privatpersonen betreffen. 15 Peters, Prominenz, S. 56; Meyer, S. 210 f. Vgl. die Systematisierung der sog. Nachrichtenwertfaktoren bei Staab, 216 ff.

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s.

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1. Teil: Triviale Personenberichterstattung in den Massenmedien

4. Darstellungsformen des massenmedialen Personenjournalismus Unter einer journalistischen Darstellungsform ist die formal-charakteristische Art zu verstehen, in der ein zur Veröffentlichung in den Massenmedien bestimmter Stoff gestaltet wird. 16 Zu unterscheiden ist zwischen tatsachenbetonten (a), meinungsbetonten (b) und phantasiebetonten Darstellungsformen (c). Wie zu zeigen sein wird, transportieren sämtliche dieser journalistischen Darstellungsformen - auch oder ausschließlich - persönlichkeitsbezogene Inhalte. a) Tatsachenbetonte Darstellungsformen

Die Nachricht, die Reportage, das Feature und das Interview sowie der fotographische und filmische Bericht bilden die Gruppe der tatsachenbetonten Darstellungsformen. Ihnen ist gemein, dass sie der objektiven Unterrichtung des Publikums über aktuelle Ereignisse dienen. 17 Sie alle sind - in unterschiedlicher Intensität - Instrumente des massenmedialen Personenjournalismus. In der Nachricht, verstanden als knappe und sachliche Information über aktuelle Geschehnisse 18 , finden Personeninformationen vorwiegend in Verbindung mit einem aktuellen Ereignis Verwendung. Die Persönlichkeitsnutzung beschränkt sich hier auf den Umfang, der zur Darstellung des berichtenswerten Sachverhaltes unbedingt notwendig ist. Die Nachricht ist demzufolge die übliche Darstellungsform der inzidentiellen Personenberichterstattung. Anderes gilt für die Reportage und das Feature: Beide haben "Erlebnischarakter" 19 und dienen der Übersetzung abstrakter Lebenssachverhalte ins Konkrete der Alltagserfahrung?0 Dieses Ziel lässt sich besonders effektiv durch die exemplarische Darstellung abstrakter Informationen am Beispiel realer Einzelschicksale erreichen. 21 Beide Darstellungsformen sind deshalb strukturell auf die Verwendung von Personen angewiesen. Vor allem das Feature, das sich tendenziell eher auf farbenfrohe Dauer- und Modethemen als auf aktuelle Ereignisse bezieht22, stellt vielfach (bekannte) Personen in den Mittelpunkt der Berichterstattung. Die Übergänge zwischen Sachinformationen mit Personenbezug und originären Personeninformationen sind hier fließend. 15 Studie des Kölner Instituts für Empirische Medienforschung (IFEM) vom 12. Juni 1997; zit. nach FUNK-Korrespondenz Nr. 25/1997, S. 12. 16 Reumann in Fischer Lexikon Publizistik, S. 91. 17 Reumann in Fischer Lexikon Publizistik, S. 91. 18 Reumann in Fischer Lexikon Publizistik, S. 95. l9 Reumann in Fischer Lexikon Publizistik, S. 103. 20 Haller, S. 76. 21 Jonas in Publizistik Nr. 2/1996, S. 193. 22 Frohner-Meyer/Boele, Kap. VI, S. 16.

A. Triviale Personenberichterstattung als publizistisches Phänomen

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Das Interview stellt unter den tatsachenbetonten Darstellungsformen diejenige mit der intensivsten Persönlichkeitsnutzung dar. Es will .,entweder die Haltung einer Person zu bestimmten Sachfragen ergründen oder die Persönlichkeit eines Menschen darstellen"23 . Die Person steht hier also im Mittelpunkt des Beitrags. Fernsehinterviews vermitteln dem Zuschauer neben konkreten Sachinformationen auch einen unmittelbaren Eindruck von den äußerlichen Charakteristika des Interviewpartners: Erkennbare emotionale Reaktionen, Gestik und Mimik sowie die individuelle Sprechweise ermöglichen es dem Zuschauer, sich ein Bild von dessen Persönlichkeit zu machen und ihn gleichsam als Person .,kennen zu lernen". Das Interview vermittelt demzufolge neben Sachinformationen mit Personenbezug zugleich auch originäre Personeninformationen. Je stärker sich das Interview dabei einem Portrait nähert, desto intensiver wird die Persönlichkeitsnutzung. Die fotographische und filmische Abbildung ist ebenfalls als tatsachenbetonte Darstellungsform anzusehen. Das unverfälschte Foto spiegelt unmittelbar die Realität wider. Hierin unterscheiden sich zugleich die bildliehen von den verbalen Darstellungsformen: Der Wortbericht schildert ein Ereignis notwendigerweise aus der Sicht des Verfassers24, wohingegen das Foto die Wirklichkeit objektiv wiedergibt. Für die Personenberichterstattung ist das Foto die wichtigste journalistische Darstellungsform überhaupt. Es vermittelt zunächst einen unmittelbaren Eindruck von der äußeren Erscheinung des Abgebildeten, es klärt darüber auf, wo sich die Person befindet, womit sie sich im Moment der Aufnahme beschäftigt, mit wem sie zusammen ist. Diese Informationen sind, anders als dies bei der Wortberichterstattung der Fall ist, sofort und unmittelbar erfassbar. Darüber hinaus schafft der Fotobericht beim Betrachter ein Gefühl der Nähe zu der abgebildeten Person. Fotos wecken Assoziationen und Emotionen und sprechen den Betrachter persönlich an?5 Der Fotobericht beseitigt weitgehend die dem Wortbericht immanente Distanz zwischen dem Betrachter und dem Gegenstand der Betrachtung. Er nimmt daher eine Sonderstellung unter den tatsachenbetonten Darstellungsformen ein.

23 ABC des Journalismus (1990), S. 44; zit. nach Reumann in Fischer Lexikon Publizistik, S. 106. 24 Selbst in der Nachricht, der objektivsten journalistischen Darstellungsform, erhält der Tatsachenbericht eine subjektive Prägung: Über die Auswahl der mitzuteilenden Tatsachen, deren Anordnung und die Wortwahl nimmt der Journalist - bewusst oder unbewusst - subjektiv Einfluß auf das von ihm gefertigte Abbild der Realität. 25 So auch Götting, S. 42.

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1. Teil: Triviale Personenberichterstattung in den Massenmedien

b) Meinungsbetonte Darstellungsformen

In Abgrenzung zu Nachricht, Reportage und Interview werden die Glosse, die Karikatur und die Kritik üblicherweise als meinungsbetonte Darstellungsformen bezeichnet. 26 Auch hier ist es oftmals die menschliche Persönlichkeit, die im Mittelpunkt des journalistischen Werkes steht. Einen besonders starken Persönlichkeitsbezug weist dabei die Karikatur als illustrative Unterform der Satire auf. Sie bedient sich der äußeren oder inneren Charakteristika prominenter Personen, indem sie diese im Zusammenhang mit einem aktuellen politischen, kulturellen oder gesellschaftlichen Ereignis überspitzt und pointiert zeichnerisch darstellt. Im Mittelpunkt der Illustration steht in aller Regel die Person selbst, so dass die Karikatur als eine sehr intensive Form der publizistischen Persönlichkeitsnutzung anzusehen ist. Gleiches gilt für die Glosse. Sie widmet sich prägnant und pointiert einem Aspekt des Alltagslebens auf ironische oder satirische Weise. 27 Gegenstand der satirischen Darstellung ist häufig eine prominente Person, an deren Verhalten bissige und überspitzt formulierte Kritik geäußert wird. Anlass der Glosse ist in der Regel ein konkretes, gesellschaftlich bedeutsames Ereignis, so dass vorwiegend Sachinformationen mit Personenbezug vermittelt werden. Je intensiver und vordringlicher sich der Autor jedoch mit der Person des Kritisierten auseinandersetzt, desto mehr tendiert auch die Glosse zur Vermittlung originärer Personeninformationen. Ebenfalls stark persönlichkeitsbezogen kann sich die Kritik darstellen. In allihren Unterformen-der Film-, Theater-, Buch-, Musik- und Fernsehkritik - kommt sie ohne die Wiedergabe personenbezogener Informationen nicht aus: Die Kritik eines Buches ist immer zugleich auch Kritik am Autor, indem sie dessen Ausdrucksstil, Motivation und literarisches Können thematisiert; die Kritik einer Theaterinszenierung ist ohne die Erwähnung der Schauspieler und des Intendanten kaum möglich; die Kritik einer musikalischen Darbietung trifft und betrifft auch immer den Interpreten. Die Intensität des Persönlichkeitsbezuges hängt dabei neben der individuellen Neigung des Journalisten maßgeblich von der Art des zu kritisierenden Ereignisses ab: Individuelle Darbietungen und Leistungen wie beispielsweise die eines Geigenvirtuosen, eines einzelnen Autors oder eines berühmten Filmstars in der Hauptrolle einer Kinoproduktion lassen Werkkritik und Personenkritik ineinander übergehen. Auch hier vermischen sich also sachbezogene und personenbezogene Elemente, wobei letztere häufig überwiegen. 26 27

Reumann in Fischer Lexikon Publizistik, S. 94. Reumann in Fischer Lexikon Publizistik, S. 112.

A. Triviale Personenberichterstattung als publizistisches Phänomen

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c) Phantasiebetonte Darstellungsformen

Neben die tatsachen- und meinungsbetonten Darstellungsformen tritt die dritte Gruppe der phantasiebetonten Darstellungsformen. Hierzu zählen (Fortsetzungs-) Roman und Kurzgeschichte sowie Spielfilm und Fernsehspiel.28 Auch sie sind Instrumente der massenmedialen Personendarstellung. Literarische Darstellungsformen wie (Fortsetzungs-) Roman und Kurzgeschichte thematisieren oder fiktionalisieren häufig das Leben realer, meist prominenter Personen und führen so Lebensgeschichte und Namen der betroffenen Person einer publizistischen Nutzung zu. Die extremste dieser Darstellungsformen ist der biographische Roman, der die Lebensgeschichte eines Menschen nachzeichnet und dessen Persönlichkeit somit unmittelbar publizistisch verwertet. Eine weitere, vergleichbare Form ist der zwar überwiegend fiktive Roman, der jedoch seine Anziehungskraft durch die Beigabe realer Persönlichkeiten und historischer Ereignisse zu steigern sucht.29 Bezüglich des Inhalts von Spielfilm und Fernsehspiel gilt ähnliches; auch hier existieren biographische Verwendungsformen, welche die menschliche Persönlichkeit zum Gegenstand haben. 5. Informationsträger des massenmedialen Personenjournalismus Personenjournalismus wird grundsätzlich von allen Mediengattungen betrieben, wenngleich in unterschiedlicher Form und Intensität. Die folgenden Ausführungen werden sich jedoch auf die besonders relevante politische Tagespresse und die TV-Nachrichtenformate (a)), die Boulevardpresse und die TV-Boulevardformate (b) ), die illustrierten Publikumszeitschriften (c)) sowie die sogenannte Regenbogenpresse (d)) konzentrieren. a) Politische Tageszeitungen und 1V-Nachrichtenformate

Unter einer Tageszeitung ist eine "Druckschrift, die aktuelles Geschehen in kurzer regelmäßiger Folge an eine breite Öffentlichkeit vermittelt"30 zu verstehen. Inhaltlich dominiert bei der Tageszeitung das allgemeine politische Geschehen, die vorherrschende Darstellungsform ist die Nachricht. 31 Hieraus darf jedoch nicht geschlossen werden, dass der Personalisierungsgrad der politischen Tagespresse gering wäre. Wie Zoll/Hennig zutreffend Vgl. Reumflnn in Fischer Lexikon Publizistik, S. 94. McCarthy spricht in diesem Zusammenhang von faction, einem Kunstbegriff, der fiction (Erzählung, Prosa) und fact (Tatsache) zusammenführt; McCarthy, S. 868.2. 30 Pürer/Raabe, S. 24. 31 Pürer/Raabe, S. 24. 28 29

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l. Teil: Triviale Personenberichterstattung in den Massenmedien

feststellen, wird Politik im Wesentlichen über Personen dargestellt und vermittelt. 32 Politische und gesellschaftliche Zusammenhänge werden an handelnde Personen gebunden? 3 Noch stärker als für die politische Tagespresse gilt dies für die TV-Nachrichtenformate. Die ohnehin durch das Bildmedium geförderte Personalisierung von Sachinformationen34 wird noch verstärkt durch die Transformation der klassischen TV-Nachrichtenform in moderne Infotainment-Formate 35 • Diese räumen konkret-individuellen Informationen tendenziell den Vorrang vor abstrakt-generellen ein36, was im Ergebnis zu einer erheblichen Personalisierung des gesamten TVInformationssektors geführt hat. 37 b) Boulevardzeitungen und Boulevard-TV

Boulevardzeitungen bilden das Gegenstück zu den Abonnementszeitungen. Inhalt und Aufmachung dieser Zeitungsgattung sind davon geprägt, dass diese von einer täglich neu zu treffenden Kaufentscheidung ihrer Leser lebt. 38 Die Boulevardzeitung muss daher die Aufmerksamkeit und das Interesse der potentiellen Leser unmittelbar erregen. Sie erreicht dies inhaltlich durch eine ,,Strategie der Emotionalisierung"39 und äußerlich durch eine besonders bunte und auffällige Gestaltung: Boulevard-Journalismus zeichnet sich durch eine sensationelle Aufmachung aus und bedient sich häufig einer ins Vulgäre tendierenden Ausdrucksweise, um Neugier, Sensationshunger und Nervenkitzel permanent zu wecken und zu befriedigen.40 Der Markt der Boulevardpresse ist zwar rückläufig, was auf die Konkurrenz der ähnlich strukturierten TV-Magazine zurückzuführen sein dürfte.41 Dennoch verkaufen sich täglich allein in den alten Bundesländern noch knapp 6 Mio. Exemplare dieser Gattung42 - Marktführerin ist unangefochten die BILDZeitung. Zoll/Hennig, S. 156. Dröge, S. 101. 34 Vgl. hierzu Geiger, S. 12 f. 35 Zum Begriff des Infotainments vgl. Bresser in SPIEGEL Special Nr. 111995, s. 71. 36 So auch Peters, die weitergehend für fast alle Medien eine generelle Bevorzugung personalisierter Informationen gegenüber abstrakten Inhalten konstatiert; Peters, Prominenz, S. 110. 37 Vgl. hierzu Bresser in SPIEGEL special Nr. 1/1995, S. 71 sowie den Beitrag "Studie sieht ,Boulevardisierung' bei Information der Privaten" in FUNK-Korrespondenz Nr. 25/1996, S. 12 f. 38 Büscher, S. 5. 39 Büscher, S. 6.; vgl. zu diesem Begriff auch Nusser, S. 122. 40 Vgl. GangZoff in Agenda Nr. 26/1996, S. 24. 41 Vgl. Custer in Media Spectrum Nr. 2-3/1997, S. 42 ff. 32 33

A. Triviale Personenberichterstattung als publizistisches Phänomen

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Der Personalisierungsgrad der Boulevardpresse ist hoch. Die angesprochene Strategie der Emotionalisierung beinhaltet vor allem die Vermittlung spektakulärer Einzelfalle, die den Leser unmittelbar in ihren Bann ziehen und ein möglichst großes Identifikationspotential aufweisen. Wie Büseher ausführt, gilt dabei der Grundsatz: Je intimer die Akteure dem Leser bekannt gemacht werden, desto größer ist dessen emotionale Anteilnahme.43 Das Schicksal bekannter und unbekannter Menschen dient als Blickfang und als Köder, mittels dessen der Leser zum Kauf der Zeitung animiert werden soll. Die Boulevardpresse lebt demzufolge von der Vermittlung originärer Personeninformationen sowie der intensiven Personalisierung von Sachinformationen. Gleiches gilt für die im Wachstum begriffenen Boulevard-Formate vor allem der privaten Femsehveranstalter.44 Hier haben sich in jüngster Zeit drei Formate herausgebildet, die in extremer Form auf der Darstellung von Einzelschicksalen basieren: Reality-TV, Boulevardmagazine und die sogenannten Talkshows. Reality-TV bietet reale Ereignisse aus dem humaninterest-Bereich, entweder nachgestellt oder live mitgeschnitten.45 Boulevardmagazine46 wiederum präsentieren die private, die emotionale "humaninterest-Story hinter der Nachricht"47. Und das aus den USA importierte48 Genre der "Talkshows"49 erzielt beachtliche Einschaltquoten mit der Selbstdarstellung problembeladener Individuen und der öffentlichen Zurschaustellung ihrer intimsten Probleme und Gefühle.50 Das Boulevard-TV übertrifft Custer in Media Spectrum Nr. 2-3/1997, S. 42. Büscher, S. 260. 44 Zur Wechselbeziehung zwischen Boulevard-TV und Boulevardpresse vgl. Custer in Media Spectrum 2-3/1997, S. 42 ff. 45 Reality-TV berichtet aus der Sicht der Betroffenen über Unfälle und Katastrophen, Verbrechen und spektakuläre Polizeieinsätze. V gl. ausführlich zum Phänomen "Reality-TV" Früh/Kuhlmann/Wirth in Publizistik 1996, S. 428 ff. sowie Jonas in Publizistik 1996, S. 187 ff. 46 Boulevardmagazine konzentrieren sich im allgemeinen auf ProminentenKlatsch sowie auf spektakuläre Einzelschicksale. Als Beispiele können gelten: TAFF (Pro 7, ca. 2 Mio. Zuschauer), EXTRA (RTL, ca. 3,25 Mio. Zuschauer), EXPLOSIV (RTL, ca. 5 Mio. Zuschauer), AKTE 97 (Satl, ca. 3,5 Mio. Zuschauer), BRISANT (ARD, ca. 2,5 Mio. Zuschauer); vgl. GangZoff in Agenda Nr. 26/1996, S. 24 (25 f.) (Stand: 1996). 47 So der Chefredakteur der Sendung "taff', Michael von Dessauer, zit. nach GangZoff in Agenda Nr. 2611996, S. 24. 48 Zu den Inhalten von US-Talkshows vgl. Kilian in SPIEGEL special Nr. 8/ 1995, s. 108. 49 Zu nennen sind hier Bärbel Schäfer (RTL), Ilona Christen (RTL), Hans Meiser (RTL), Arabella Kiesbauer (Pro 7), Johannes B. Kerner (Sat 1), Vera am Mittag (Sat 1), Sonja (Sat 1), Fliege (ARD). 1997 strahlten die deutschen Fernsehsender zusammen etwa 130 Stunden "Talk" pro Woche aus, vgl. "Der Tanz ums goldene Selbst" in DER SPIEGEL Nr. 29/1997, S. 92. 42 43

3 Neben

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1. Teil: Triviale Personenberichterstattung in den Massenmedien

damit den - ohnehin beachtlichen - Personalisierungsgrad der Boulevardpresse noch deutlich. c) Illustrierte Publikumszeitschriften

Als weitere Mediengattung, die traditionell der Personenberichterstattung verpflichtet ist, sind die (illustrierten) Publikumszeitschriften anzusehen.51 Sie sind insbesondere abzugrenzen von den Fach- oder Special-lnterestZeitschriften. Letztere wenden sich mit begrenzten und thematisch anspruchsvollen Inhalten an eine spezielle Leserschaft, wohingegen die Publikumszeitschriften ein möglichst breites Publikum mit aktuellen politischen und gesellschaftlichen Themen informieren und unterhalten wollen. 52 Diese Gattung wird von Zeitschriften wie Stern und Bunte repräsentiert. 53 Ihre Besonderheit liegt darin, dass sie sich sowohl der politischen Berichterstattung als auch der reinen Unterhaltung verschrieben haben. 54 Sie unterscheiden sich damit erheblich von der politischen Tagespresse und den politischen Magazinen wie beispielsweise Spiegel und Focus auf der einen, gleichzeitig aber auch von der - vordergründig - unpolitischen Regenbogenpresse auf der anderen Seite. Hinsichtlich der Personenberichterstattung ergibt sich hieraus eine Zweiteilung: Die informative Komponente der Illustrierten greift vorwiegend auf Sachinformationen mit Personenbezug zurück. Hier wird die Person von ihrer öffentlichen Seite und im Zusammenhang mit relevanten, aktuellen Ereignissen dargestellt. Die unterhaltende Komponente hingegen ist in erheblichem Maße auf originäre Personeninformationen angewiesen. Sie hat während der letzten Jahre gegenüber der inzidentiellen Personenberichterstattung erheblich an Bedeutung gewonnen.55 Bezeichnend hierfür ist die mittlerweile vorherrschende Charakterisierung der Illustrierten als "People"-Magazine. 56 Besondere Relevanz für 50 Zu Struktur und Inhalt der Nachmittagstalkshows vgl. Neumann-Bechstein in FUNK-Korrespondenz Nr. 5/1996, S. 3 ff. sowie Goldner in Journalist Nr. 711996, s. 47 ff. 51 Zur Prominentenberichterstattung in Publikumszeitschriften vgl. die eingehende Untersuchung von Michael Meyer aus dem Jahre 1979. 52 Vgl. Wilke in Fischer Lexikon Publizistik, S. 403 f. 53 Fürstner, S. 136. 54 Der ehemalige Chefredakteur der BUNTEN, Norbert Sakowski, führt dazu aus: ,.,Bunte' will durch Interpretation von Zusammenhängen eine lebenswerte Welt erläutern, wobei weniger die kritische Betrachtung als vielmehr das Aufzeigen funktionierender Abläufe eine Rolle spielt. Wir wollen unterhalten, Rat geben, nicht zerstören [.. .] Wir wollen unterhaltend informieren"; Sakowski, S. 188 f. 55 V gl. hierzu die empirische Untersuchung über Ausmaß und Tendenzen der Personenberichterstattung in Publikumszeitschriften unten Erster Teil, A.IV. 56 Laut im Internet verbreiteter Eigenwerbung zählt sich die Zeitschrift BUNTE zu den "führenden People-Magazinen Europas", zusammen mit Paris Match

A. Triviale Personenberichterstattung als publizistisches Phänomen

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die vorliegende Untersuchung gewinnen die Illustrierten durch ihre vergleichsweise hohe Auflage: Allein Stern und Bunte erreichen zusammen eine wöchentliche Auflage von ca. 2 Mio. Exemplaren.57 d) Unterhaltende Wochenzeitschriften

Die wegen ihrer bunten Titelaufmachung auch als Regenbogenpresse oder yellow-press bezeichneten58 unterhaltenden Wochenzeitschriften zählen äußerlich zu den Illustrierten. Sie sind jedoch durch einen besonders intensiven Personenjournalismus charakterisiert und sollen deshalb im Rahmen der vorliegenden Untersuchung gesondert dargestellt werden. Zu den Titeln der Regenbogenpresse zählen die Neue Posr 9 , Gala oder die Freizeit Revue. Die Regenbogenpresse bietet ihren Lesern schwerpunktmäßig reine Unterhaltung, Entspannung und Alltagsflucht.60 Es dominieren Berichte über Stars und Prominente, insbesondere über den deutschen und europäischen Hochadel61 - der Themenkreis "Gesellschaft" ist zutreffend als das "Zugpferd der Regenbogenpresse"62 bezeichnet worden. Es überwiegen private und intime Inhalte wie Liebe, Hochzeiten, Eheprobleme und Scheidungen, Krankheiten, Unfälle und persönliche .Schicksalsschläge sowie Mitleid, Hass und Eifersucht. 63 Die Berichterstattung konzentriert sich auf verhältnismäßig wenige, ausgewählte Personen des öffentlichen Lebens, deren Lebensgeschichte möglichst detailgetreu und lückenlos nachgezeichnet wird. Sachprobleme und aktuelle Geschehnisse dienen nur als Aufhänger für einen Bericht, der auch ohne diesen Bezug hätte geschrieben werden können. 64 Die Leserschaft der Regenbogenpresse besteht größtenteils aus (Frankreich, Auflage ca. 650.000), Voici (Frankreich, Auflage ca. 750.000), Oggi (Italien, Auflage ca. 700.000) und Hola (Spanien, Auflage ca. 650.000); vgl. im Internet http://www.bunte.insider.de (Stand: 1997). 57 Wilke in Fischer Lexikon Publizistik, S. 404 f. 58 Zum Begriff der Regenbogenpresse vgl. ausführlich Kodron-Lundgren!Kodron, S. 28 f. sowie Nutz, S. 16. 59 Eine umfassende Inhaltsanalyse der NEUEN POST findet sich bei KodronLundgreen/Kodron, S. 34 ff. 60 Jahreszeiten-Funktionsanalyse 197711978, S. 7. Insgesamt existieren in Deutschland gegenwärtig etwa 20 Regenbogenblätter mit einer Gesamtauflage von mehr als 13,5 Mio. Exemplaren wöchentlich (Stand: 1997); vgl. Rosenkranz in STERN Nr. 37/1997, S. 28. 61 Zum Verhältnis zwischen der Regenbogenpresse und dem englischen Königshaus vgl. Glass in SPIEGELspecial Nr. 111995, S. 96. 62 Nutz, S. 19. Zu unterscheiden sind weiter, mit nachrangiger Bedeutung, Romane und Serien, Gerichtsberichterstattung und Lebenshilfe (Leserbriefe und Horoskope). 63 Vgl. Nutz, S. 20. 3*

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1. Teil: Triviale Personenberichterstattung in den Massenmedien

älteren Frauen mit niedrigem Bildungsniveau und geringem Haushaltseinkommen, die ihren niedrigen sozialen Status und ihr vergleichsweise ereignisarmes Leben durch mittelbare Anteilnahme am Leben der "Reichen und Schönen" zu kompensieren suchen.65 Die Regenbogenpresse unterscheidet sich von der Illustrierten Publikumszeitschrift dadurch, dass sie - zumindest vordergründig - keine politische Ausrichtung hat und weitgehend auf Sachberichterstattung verzichtet. Von der Boulevardpresse unterscheidet sie sich, indem sie weniger an Skandalen und Sensationen als an den alltäglichen Problemen und individuellen Schicksalen bekannter und berühmter Personen interessiert ist.66 Inhaltlich steht die Regenbogenpresse damit zwischen dem Trivialroman und der Zeitschrift, denn sie erzählt farbenfrohe Alltagsgeschichten mit Wahrheitsanspruch. 67

6. Zusammenfassung Anband der obigen Ausführungen konnte eine grobe Systematisierung des massenmedialen Personenjournalismus vorgenommen und zugleich ein fundierter Eindruck von der Vielfalt und der Intensität der massenmedialen Persönlichkeitsnutzung insgesamt vermittelt werden. Als Ausgangspunkt der Systematisierung war zunächst eine Unterscheidung zwischen inzidentieller und originärer Personenberichterstattung vorzunehmen: Bei ersterer handelt es sich um die Verbreitung von Informationen, denen als Anlass ein aktuelles gesellschaftliches oder politisches Ereignis zugrunde liegt, das jedoch unauflöslich mit einer Person verbunden ist, und das sich ohne Bezugnahme auf diese Person schlechterdings nicht darstellen lässt; bei letzterer hingegen ist die Person selbst Anlass und Inhalt des Berichtes - diese wird in ihrer öffentlichen, privaten oder gar intimen Lebensführung zur eigenständigen Nachricht. Bei den Themen der massenmedialen Personenberichterstattung sind öffentliche, private und intime Inhalte zu unterscheiden. Als dem Öffentlichkeitsbereich zugehörig sind dabei solche Informationen anzusehen, von Nutz, S. 16. Laut Allensbacher Werbeträger Analyse 1997 ist die Leserschaft der NEUEN POST wie folgt strukturiert: Frauenanteil 81,5%; Durchschnittsalter 54,2 Jahre; Schulbildung (Index 100-700) 197; Haushaltseinkommen 3.577 DM; Gesellschaftlich-wirtschaftlicher Status (Index 40-128) 71,5; vgl. werben und verkaufen (w+v) compact Nr. 8/1997, S. 20. Zur Leserstruktur der Regenbogenpresse allgemein vgl. Kodron-Lundgreen/Kodron, S. 28 ff. 66 Wie Nutz ausführt sind die Geschichten der Regenbogenpresse "so edel und moralisch einwandfrei, dass sie von jedem Kind gelesen werden können"; Nutz, s. 20. 67 So auch Nutz, S. 16. 64 65

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denen jeder ungehindert Kenntnis nehmen kann, indem er die betreffende Person in ihrem der Öffentlichkeit zugekehrten Auftreten beobachtet. Als privat können Personeninformationen aus den Lebensbereichen gelten, zu denen andere nur Zugang haben, soweit er ihnen gestattet wird, also den häuslichen, familiären, von der Öffentlichkeit abgewandten Bereichen individueller Lebensführung. Intime und geheime Personeninformationen schließlich betreffen den letzten unantastbaren Bereich menschlicher Freiheit, der durch größte Vertraulichkeit und Personalität geprägt ist. Wie zu zeigen war, finden im Rahmen der massenmedialen Personenberichterstattung Informationen aus allen drei Themenkreisen gleichermaßen Verwendung. Als Objekte der massenmedialen Personenberichterstattung kommen zunächst Privatpersonen und deren Einzelschicksale in Betracht. Im Mittelpunkt der massenmedialen Personenberichterstattung steht jedoch die Prominenz, also solche Menschen, die von mehr Leuten gekannt werden, als sie selbst kennen. Dies liegt maßgeblich in dem oftmals erheblichen öffentlichen Interesse an diesen - bereits hinlänglich bekannten - Personen und deren Lebensführung begründet, sowie dem daraus resultierenden Wiedererkennungswert, den die Massenmedien vielfach gewinnbringend auf das publizistische Produkt umzuleiten verstehen. Hinsichtlich der unterschiedlichen journalistischen Darstellungsformen konnte gezeigt werden, dass massenmediale Personenberichterstattung in tatsachenbetonten (Nachricht, Reportage, Feature, Interview, Bericht) ebenso wie in meinungsbetonten (Glosse, Karikatur, Kritik) und phantasiebetonten, biografischen Genres (Kurzgeschichte, Fortsetzungsroman, Fernsehspiel, Spielfilm) stattfindet. Als primäre Darstellungsformen der massenmedialen Personenberichterstattung konnten die Reportage, das Feature und das Interview ausgemacht werden. Als für die massenmediale Personenberichterstattung maßgebliche Mediengattungen konnten abschließend die politischen Tageszeitungen und TV-Nachrichtenformate, die Boulevardzeitungen und das Boulevard-TV, die illustrierten Publikumszeitschriften sowie die unterhaltenden Wochenzeitschriften (Regenbogenpresse) benannt werden. Es zeigte sich, dass sich die jeweiligen Gattungen dabei deutlich in der Form der publizistischen Persönlichkeitsnutzung voneinander unterscheiden. Der (politische) Nachrichtenjoumalismus betreibt vorwiegend inzidentielle Personenberichterstattung, stellt überwiegend prominente Entscheidungsträger aus Wirtschaft, Politik und Kultur dar, bedient sich hauptsächlich öffentlicher Personeninformationen und präsentiert diese regelmäßig in tatsachenbetonter Form (Reportage, Bericht, Feature). Die Boulevardzeitung, das TV-Boulevardmagazin und die Illustrierte hingegen beschäftigen sich weitaus intensiver mit privaten Themen und tendieren damit bereits in den Bereich der originären Personenberichterstattung. Zudem stellen sie weitaus häufiger die einfache

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1. Teil: Triviale Personenberichterstattung in den Massenmedien

Privatperson, das spektakuläre Einzelschicksal in den Vordergrund, als dies im Nachrichtenjournalismus der Fall ist. Die Regenbogenpresse schließlich bildet das Gegenstück zum Nachrichtenjournalismus. Hier werden (fast) ausschließlich die privaten und intimen Schicksale eines eingeschränkten Kreises von Prominenten thematisiert. Die Regenbogenpresse praktiziert die reinste Form der originären Personenberichterstattung; sie erzählt "farbenfrohe Alltagsgeschichten mit Wahrheitsanspruch"68 . Die oben aufgestellte Eingangsthese ist damit bestätigt: Der Mensch steht heute in seiner gesamten Persönlichkeit im Mittelpunkt des breiten publizistischen Interesses und wird von den Massenmedien konsequent und in vielfältiger Weise als Objekt des journalistischen Informationsvermittlungsprozesses genutzt.

111. Triviale Personenberichterstattung als publizistische Kategorie Wie die bisherigen Ausführungen deutlich machen, ist mit dem massenmedialen Personenjournalismus ein ubiquitäres und äußerst differenziertes publizistisches Phänomen angesprochen. Die bislang getroffenen Einzelfeststellungen hinsichtlich seiner Verbreitung, Formen und Inhalte sollen nunmehr zu einer übergreifenden Systematisierung zusammengeführt werden, auf deren Grundlage schließlich der konkrete Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit - die Gattung der "Trivialen Personenberichterstattung" - herausgearbeitet werden kann. 1. Substantielle und triviale Personenberichterstattung

Die Kriterien, die zur Einordnung und Bewertung der verschiedenen Erscheinungsformen massenmedialer Personenberichterstattung herangezogen werden, sind vielfältig. So lässt sich Personenberichterstattung positiv beschreiben als informativ69, investigativ und politisch oder gesellschaftlich relevant. 70 Negativ empfundene Formen der Personenberichterstattung Nutz, S. 16. Geiger beispielsweise versteht unter "informativem" Journalismus die "präzise und umfassende, zu sachadäquaten Entscheidungen befähigende" Berichterstattung; Geiger, S. 5. 70 So beschreibt der ehemalige Chefredakteur der FRANKFURTER RUNDSCHAU, Wemer Holzer, den investigativen Journalismus als die Suche nach der "Wirklichkeit hinter den ,Selbstbildnissen' von Personen und Institutionen"; Holzer in AfP 1988, S. 113. Der Vorsitzende Richter am BGH a.D. Erich Steffen spricht in diesem Zusammenhang davon, dass investigative Journalisten "nach den Spuren der Wahrheit suchen, wo sie das Licht zu meiden versucht"; Steffen in AfP 1988, 68

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A. Triviale Personenberichterstattung als publizistisches Phänomen

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werden gemeinhin als Boulevard und Klatsch71 , als sozial geringwertig, unterhaltend und kommerziell 72, als konformistisch73 oder als sensationsorientiert bezeichnet. Diese begrifflichen Kategorien eignen sich jedoch nur bedingt für eine allgemeingültige Systematisierung. Sie stellen entweder auf vorwiegend emotionale Einschätzungen über die soziale Wertigkeit bestimmter Kommunikationsinhalte ab oder beziehen sich zur Abgrenzung auf solche Charakteristika, die bei genauer Betrachtung sämtlichen Formen der Personenberichterstattung zu eigen sind. 74 Eine allgemeingültige Kategorisierung der massenmedialen Personenberichterstattung muss sich jedoch möglichst wertneutraler und zugleich unterscheidungskräftiger Begriffe bedienen. Auf dieser Grundlage bietet sich eine Differenzierung in substantielle und triviale Personenberichterstattung an. Substantielle Personenberichterstattung liefert dem Rezipienten idealtypisch personenbezogene Tatsacheninformationen, die in untrennbarem Zusammenhang zu einem aktuellen, konkreten und bedeutenden gesellschaftlichen oder politischen Thema stehen, und die den Betroffenen ausschließlich von seiner der Öffentlichkeit zugewandten Seite darstellen. Die substantielle Personenberichterstattung stellt sich als inzidentielle Nutzung der Persönlichkeit dar, denn die Person wird hier der Öffentlichkeit anlässlich und bezüglich eines aktuellen Ereignisses präsentiert. Die Berichterstattung beschränkt sich dabei auf öffentliche Informationen, also solche, die S. 117. Als Beispiele für "politisch bedeutsamen", investigativen Personenjournalismus lässt sich die Aufklärungstätigkeit der Medien im Fall Uwe Barsche/ sowie in der sog. Paneispendenaffäre nennen. Für die USA ist der Begriff noch heute geprägt durch die Nachforschungen der WASHINGTON POST in der sog. WatergateAffäre, die den Rücktritt des damaligen Präsidenten Richard Nixon auslösten. 71 Vgl. Dorsch-Jungsberger in Publizistik 1993, S. 391 (403). 72 So qualifiziert der Bundesgerichtshof in der Entscheidung Caroline von Monaco I die Verbreitung intimer Personeninformationen als ,,kommerziell motiviert"; BGH in NJW 1995, S. 861 (865). In der Entscheidung Caroline von Monaco II/ wiederum charakterisiert der BGH den Gegenstand sog. Paparazzi-Aufnahmen als "unterhaltend" und leitet hieraus einen "geringen Informationswert" der Bilder ab; vgl. BGH in NJW 1996, S. 1128 (1130). 73 Nutz beispielsweise bezeichnet die sog. Regenbogenpresse als "Konformpresse"; Nutz, S. 17. 74 So ist das Kriterium der "Unterhaltung" zur Abgrenzung ungeeignet, da selbst der politische Nachrichtenjournalismus eine- wenn auch untergeordnete- Unterhaltungsfunktion wahrnimmt; vgl. Pürer/Raabe, S. 315 f. Das Kriterium der "Kommerzialität" ist ungeeignet, da in einer marktwirtschaftlich strukturierten Medienlandschaft alle Formen der Personenberichterstattung (zumindest auch) der Bewirtschaftung von Gewinnen dienen. Der Informationsbegriff lässt sich ebenfalls nicht instrumentalisieren, da auch der vermeintlich anspruchslose Personenjournalismus Informationen transportiert. Und als "investigativ", also erforschend, ließe sich sowohl der politisch relevante Enthüllungsjournalismus als auch der skandalorientierte Schlüsselloch-Journalismus bezeichnen.

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1. Teil: Triviale Personenberichterstattung in den Massenmedien

die Person in ihrer öffentlichen Rolle oder Funktion betreffen. Die substantielle Personenberichterstattung bedient sich idealtypisch der Nachricht als tatsachenbetonte und sachbezogene Darstellungsform. Sie findet sich vorwiegend in der politischen Tagespresse und im politischen Magazin, eingeschränkt auch in der Publikumszeitschrift Sie informiert über tagespolitische oder gesellschaftlich relevante Zusammenhänge und berichtet über Funktionsträger aus Politik, Wirtschaft und Verbänden (nur) insofern, als diese in besonders engem Zusammenhang zu tagespolitischen Ereignissen stehen. 75 Die substantielle Personenberichterstattung entspricht damit dem klassischen Informationsauftrag der Massenmedien als deren ursprünglichster Funktion.76 Sie bildet das eine, gemeinhin als sozial hochwertig empfundene Extrem der publizistischen Skala. Am anderen Ende dieser Skala steht die Triviale Personenberichterstattung. Sie liefert dem Rezipienten personenbezogene Tatsacheninformationen, die den Dargestellten von seiner der Öffentlichkeit abgewandten, individuellen Seite zeigen und die in keinem unmittelbaren Zusammenhang zu einem relevanten gesellschaftlichen Ereignis stehen. Diese extreme Form der originären Personenberichterstattung, die überwiegend private und intime Details aus der Lebensgeschichte prominenter Personen zum Inhalt hat, findet vor allem in der Regenbogenpresse, den unterhaltenden Publikumszeitschriften und der Boulevardpresse statt. Sie bildet den engeren Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit.

2. Das Element des Trivialen in Literatur und Publizistik Die Kategorie des Trivialen entstammt der Literaturwissenschaft und bezeichnet dort die literarische Darstellung des allgemein Bekannten und Gewöhnlichen auf einfache, unkomplizierte und eingängige Weise. 77 Im Gegensatz zu Parallelbegriffen wie "Kitsch", "Massenliteratur"78 oder "Konsumliteratur"79 zeichnet sich der Begriff der Trivialliteratur dabei durch weitgehende Wertneutralität aus. 80 Die Verwendung des Adjektivs trivial ermöglicht demnach die wertfreie Beschreibung der oben umschriebe75 Ein typisches Beispiel für substantiellen Personenjournalismus liefert das Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL, der im Zusammenhang mit der Frage einer möglichen Kanzlerkandidatur Wolfgang Schäubles die "Kontrahenten" Kohl und Schäuble detailliert in ihrem politischen Wirken, ihren politischen Ansichten und ihrem Verhältnis zueinander darstellt, auf Personeninformationen, die außerhalb des vom Sachtheroa vorgegebenen Rahmens liegen, jedoch gänzlich verzichtet; vgl. "Eine saublöde Panne" in DER SPIEGEL Nr. 511998, S. 22-25. 76 Vgl. Wildenmann!Kaltefleiter, S. 15. 77 Nusser, S. 2 f. 78 Nusser, a. a. 0. 79 Rarenbergs Lexikon der Weltliteratur, Band 5, S. 2887.

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neo publizistischen Gattung, ohne dass hiermit eine qualitative Aussage verbunden wäre. 81 Die Entlehnung des Begriffes "trivial" rechtfertigt sich durch die weitreichenden Parallelen zwischen der klassischen Trivialliteratur82 und der hier zu untersuchenden Form des massenmedialen Personenjoumalismus. 83 So gelten als Kennzeichen der Trivialliteratur die sprachlich-stilistische Primitivität oder Banalität in Wortwahl und Satzbau, die Häufung von Adjektiven und Superlativen sowie den Gebrauch stereotyper Wendungen. 84 Bestimmend für das Triviale sind typisierte Figuren - der Held, die Verlassene, der vom Schicksal Verfolgte - sowie eine extreme personale "Schwarz-Weiß-Malerei"85 . Der Handlungsaufbau der Trivialliteratur zeichnet sich durch eine konstante Rollenverteilung sowie die Austauschbarkeit von Handlungselementen aus.86 Inhaltlich finden vor allem Themen wie Liebe, Schicksal, Leid, familiäre Alltagsprobleme, Abenteuer, Gefahren und deren Bewältigung sowie der Aufstieg sozial Unterprivilegierter Verwendung.87 Diese für den Trivialroman getroffenen Feststellungen lassen sich weitgehend auf die Triviale Personenberichterstattung übertragen. Stilistisch überwiegen in den unterhaltenden Publikumszeitschriften sowie der Boulevardund Regenbogenpresse Schlagwörter, stereotype Redewendungen und "Fünf-Wort-Kurzsätze"88 . Verwendung finden gängige und häufig benutzte Wörter sowie Substantivierungen. 89 Die dargestellten Personen werden oftmals überzeichnend als "gut" oder "böse" kategorisiert und auf eine oder wenige Eigenschaften oder Handlungen reduziert. Auch die "Rollenverteilung" ist ähnlich konstant wie im Trivialroman: Die schutzbedürftige, vom

°

8 Freilich rangiert die Trivialliteratur in der öffentlichen Meinung auf der "Rangskala eines Dreischichtenmodells literarischer Qualität" hinter Hochliteratur und Unterhaltungsliteratur auf der untersten Ebene, vgl. Der Literatur Brockhaus, Dritter Band, S. 544. Dies sollte jedoch einer unvoreingenommenen, sachlichen Analyse dieser - zumindest quantitativ - bedeutenden literarischen Gattung nicht entgegenstehen. 81 Die inhaltliche Bewertung dieser Gattung soll einem späteren Abschnitt dieser Arbeit vorbehalten bleiben. 82 Hierzu zählen vor allem die sog. "Groschenromane" wie Kriminalromane, Liebesromane, Abenteuerromane, Wildwestromane, Science-Fiction-Romane. 83 Auf diese Parallelität weist auch Nusser hin; Nusser, S. 141. 84 Domagalski, S. 8. 85 Nusser, S. 127. 86 Domagalski, S. 8. 87 Vgl. Rarenbergs Lexikon der Weltliteratur, Band 5, S. 2886 f. sowie LiteraturBrockhaus, S. 545. 88 Nusser, S. 143. 89 Nusser, S. 142.

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1. Teil: Triviale Personenberichterstattung in den Massenmedien

Schicksal verfolgte Prinzessin90, der weltgewandte, attraktive Liebhaber9 \ der ewig betrunkene Bürgerschreck92 - alle diese Rollen werden von der Publikums- und Regenbogenpresse mit realen Personen "besetzt". Und auch die Themen sind vergleichbar, denn die originäre Personenberichterstattung ist vorwiegend an privaten und intimen Informationen interessiert. Sie sucht nach emotionalisierenden Details aus dem familiären Bereich, berichtet über Krankheiten, Schicksalsschläge und Intrigen und verfolgt soziale Aufund Abstiege.93 Bereits der phänotypische Vergleich zwischen Trivialliteratur und trivialer Personenberichterstattung ergibt damit eine weitgehende Übereinstimmung der beiden Genres. 3. Strategien der Trivialen Personenberichterstattung

Diese Parallelen treten noch deutlicher hervor, wenn man die Strategien und Wirkungsweisen des Trivialen betrachtet. Vergleichbar der Trivialliteratur beruht auch die Triviale Personenberichterstattung auf der planmäßig kalkulierten Auslösung von Emotionen ("Strategie der Emotionalisierung"94). Dem Rezipienten werden Schicksalsschläge und freudige Ereignisse aus dem Leben prominenter Zeitgenossen dargeboten, die ihn emotional berühren sollen. Hierzu bedarf es einer möglichst weitgehenden Identifikation des Rezipienten mit dem Dargestellten: Der Leser muss dessen Schicksal unmittelbar nachempfinden können. Wie Nusser ausführt, gelingt die Emotionalisierung des Lesers am wirkungsvollsten, wenn Ängste oder Freuden durch eine Identifikationsfigur auf ihn übertragen werden. Dem Rezipienten muss zu diesem Zweck eine Figur angeboten werden, in der er sich zwar einerseits wiedererkennen kann, die sich aber andererseits deutlich genug von ihm unterscheidet, so dass sie sich als "Zielscheibe seiner Projektionen" eignet. 95 Die von der Trivialen Personenberichterstattung aufgegriffenen Themen und Personen entsprechen diesen Anforderungen optimal. Dem Leser oder Zuschauer werden einerseits Privatpersonen dargeboten, die sich durch ein extremes aber im Bereich des Nachvollziehbaren liegendes Schicksal aus90 Vgl. die massenmediale Berichterstattung über Prinzessin Caroline von Monaco, Lady Diana oder - als legendäres Beispiel- Prinzessin Soraya Esfandiary. 91 Vgl. nur die Rolle, die Prinz Ernst August von Hannover in Bezug auf seine Beziehung zu Prinzessin Caroline von Monaco von der Boulevardpresse zugewiesen wird. 92 Vgl. nur die andauernde Berichterstattung über den Schauspieler Harald Juhnke. 93 Vgl. hierzu Nutz, S. 18, S. 19 ff. 94 Nusser, S. 122. 95 Nusser, a. a. 0.

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zeichnen. Der Rezipient kann sich optimal in diese Figuren hineinversetzen (Identifikation) und hofft zugleich, dass ihm deren negatives Schicksal erspart bleibe, respektive ihm dasselbe positive Schicksal widerfahren möge (Projektion). Diese Identifikationsstrategie wird insbesondere von der Boulevardpresse verfolgt. Die Regenbogenpresse und die unterhaltenden Publikumszeitschriften präsentieren demgegenüber Prominente und deren alltägliche Probleme. Hier identifiziert sich der Rezipient nicht mit der Person selbst, sondern mit deren Schicksal: Die Krankheit der Prinzessin oder die Ehekrise des Politikers sind für ihn nachvollziehbare - weil alltägliche Problemlagen. Seine Wünsche und Hoffnungen kann er gleichwohl auf die - ansonsten bewundernswerte - Person projizieren. Ein weiteres Merkmal der Trivialliteratur ist der planvolle Aufbau von Spannung. 96 Hier gilt: Je existentieller das geschilderte Problem, je ausweg-

loser die Situation der Identifikationsfigur und je höher der Identifikationsgrad des Rezipienten, desto stärker die erzeugte Spannung.97 Dieses Ziel verfolgt auch die Triviale Personenberichterstattung. So erklärt sich beispielsweise deren Hang zu Themen wie Krankheiten, Ehebrüchen, Unfällen und sozialem Abstieg. Werden diese Themen im Zusammenhang mit bekannten und beliebten Personen des öffentlichen Lebens dargestellt, so erhöht dies das Spannungspotential des Berichtes nachhaltig und steigert so dessen Unterhaltungswert für das Publikum. Und schließlich ist auch bei der Trivialen Personenberichterstattung eine für die Trivialliteratur nachgewiesene ,,'Zersplitterung kausaler Zusammenhänge"98 zu beobachten. Der Verzicht auf die Erklärung historischer Entwicklungen und ursächlicher Zusammenhänge, der zu einem bloßen Nebeneinander von Reizeffekte erzielenden Fakten führt, ist zu recht als übliche Strategie der Massenpresse insgesamt bezeichnet worden. 99 Für die massenmediale Personenberichterstattung gilt diese Feststellung um so mehr. Hier werden Informationen so aufbereitet, dass gesellschaftliche Probleme vornehmlich als solche von Personen erscheinen. Die hinter der Meinungsäußerung oder der Handlung liegenden ökonomischen und politischen Zusammenhänge bleiben unberücksichtigt; der gesellschaftliche Konflikt wird zur persönlichen Rivalität zwischen den Akteuren degradiert. Die Zersplitterung komplexer Zusammenhänge erleichtert die Rezeption, erhöht damit den Rekreations- und Unterhaltungswert der Information und macht diese attraktiv für ein breites Publikum.

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Nusser, S. 128. Nusser, a. a. 0. Nusser, S. 143. Nusser, a. a. 0.

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1. Teil: Triviale Personenberichterstattung in den Massenmedien

4. Zusammenfassende Definition des Untersuchungsgegenstandes Anband der obigen Ausführungen ist es nunmehr möglich, den Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit - die Gattung der "Trivialen Personenberichterstattung" - konkret zu benennen, gegenüber anderen Formen des massenmedialen Personenjournalismus abzugrenzen und im Ergebnis als eigenständige publizistische Kategorie auszuweisen. Zunächst war die triviale gegenüber der substantiellen Personenberichterstattung abzugrenzen: Während letztere den Menschen ausschließlich von seiner der Öffentlichkeit zugewandten Seite und im untrennbaren Zusammenhang mit einem aktuellen Ereignis präsentiert, an welchem dieser als Inhaber einer öffentlichen Rolle oder Funktion beteiligt ist, stellt für erstere der Mensch selbst das berichtenswerte Ereignis dar mit der Folge, dass dieser in seiner gesamten Persönlichkeit zum Gegenstand der Berichterstattung wird. Dabei konnte gezeigt werden, dass die triviale Personendarstellung in den Massenmedien auf vergleichbaren Mechanismen und Wirkungszusammenhängen wie die - wissenschaftlich weitaus gründlicher erforschte - Trivialliteratur beruht. Die feststellbaren Parallelen begründen eine weitgehende Übertragbarkeit der literaturwissenschaftliehen Erkenntnisse über den Trivialroman auf den Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit und sind zudem als deutlicher Beleg für die publizistische Besonderheit der Trivialen Personenberichterstattung zu werten - diese steht dem Trivialroman zumindest ebenso nahe wie dem aktuellen Nachrichtenjoumalismus. Aus publizistischer Perspektive lässt sich der Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit nach allem wie folgt definieren: Bei der Trivialen Personenberichterstattung handelt es sich um eine eigenständige publizistische Gattung zwischen Trivialroman und Nachrichtenjoumalismus, welche die Rezipienten mit privaten und intimen Details aus dem Leben der "Reichen und Schönen" ebenso wie aus dem Leben der "Menschen wie du und ich" versorgt. Zur optimalen Rezipientenbindung baut die Triviale Personenberichterstattung besondere Identifikationsfiguren auf, deren Lebensgeschichte sie (möglichst) lückenlos verfolgt und dokumentiert, wobei sie weitgehend auf die Schilderung komplexer Zusammenhänge verzichtet und die dargestellten Personen auf wenige, wesentliche Charakteristika reduziert. Inhaltlich konzentriert sie sich dabei auf emotionalisierende Themen mit gesteigertem Identifikationspotential wie soziale Auf- und Abstiege, familiäre Alltagsprobleme, Krankheiten, Hochzeiten, Geburten, Unfalle und Beziehungsprobleme; Verbreitung findet sie vorwiegend in der BoulevardTagespresse, den Boulevardformaten der TV-Anbieter sowie den illustrierten Publikumszeitschriften. Unter Zugrundelegung dieser Definition kann die Triviale Personenberichterstattung nunmehr als eigenständige publizisti-

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sehe Kategorie behandelt und der vorliegenden Arbeit als einheitlicher Untersuchungsgegenstand zugrundegelegt werden.

IV. Ausmaß und Tendenzen der Trivialen Personenberichterstattung Bereits oberflächlicher Medienkonsum legt heute die Vermutung nahe, dass die Massenmedien sich bei der Informationsvermittlung in immer stärkerem Maße personenbezogener Inhalte bedienen. Der nun folgende Abschnitt dient dazu, diese Annahme am Beispiel der Publikumszeitschriften zu verifizieren und das Ausmaß der feststellbaren Personalisierungstendenzen zu quantifizieren. Da statistisches und empirisches Material hierzu nur in begrenztem Umfang vorhanden ist 100, bedurfte es ergänzend einer eigenständigen Untersuchung. Deren Ergebnisse sollen nun dargestellt, erläutert und analysiert werden. 1. Untersuchungsgegenstand

Die vorliegende Untersuchung konzentriert sich auf die Ermittlung des Personalisierungsgrades der illustrierten Publikumszeitschriften BUNTE und STERN. 101 Die Gattung der illustrierten Publikumszeitschriften bietet sich als Untersuchungsgegenstand an, da sie informative mit unterhaltenden Elementen verbindet, aktuelle politische und gesellschaftliche Themen ebenso aufgreift wie schlichten Klatsch, sowohl Bild- als auch Textjournalismus betreibt, aufgrund ihrer Vielfalt ein breites Publikum anspricht und so eine besonders große Leserschaft auf sich vereinigen kann. Die illustrierte Publikumszeitschrift kann somit als aussagekräftiges Querschnittsmedium betrachtet werden. Die für die vorliegende Untersuchung herangezogenen Titel BUNTE und STERN repräsentieren diese Gattung umfassend: Der STERN steht für eher informationsorientierten, politisch-gesellschaftlich ausgerichteten Zeitschriftenjournalismus 102, wohingegen die BUNTE als tendenziell unterhaltungsorientiertes "People"-Magazin den human-interest100 Verwertbare Daten liefern lediglich die Arbeit von Meyer, die JahreszeitenFunktionsanalyse 197711978 sowie das Jahreszeiten-FACTBOOK 94195. 101 Die vorliegende Untersuchung orientiert sich damit an der bereits von Meyer

durchgeführten Gegenüberstellung der beiden auflagenstärksten und thematisch breitgefachertsten Publikumszeitschriften. Hierdurch wird nicht zuletzt ein Vergleich mit den von Meyer für das Jahr 1976 ennittelten Daten ermöglicht. 102 Der STERN ist ein "politisches Magazin, aber mit unterhaltendem Anspruch, kritisch und offen nach allen Richtungen". Seine Leser finden "Woche für Woche eine Mischung aus aktuellen politischen, kulturellen und unterhaltenden Themen"; vgl. Jahreszeiten-FACTBOOK 94195, S. 78 f.

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1. Teil: Triviale Personenberichterstattung in den Massenmedien

Bereich abdeckt 103 . Die auf BUNTE und STERN zutreffenden Feststellungen sind daher weitgehend verallgemeinerungsfähig und können als repräsentativ für die Entwicklung der deutschen Medienlandschaft insgesamt gewertet werden. Für die Untersuchung herangezogen wurden jeweils sechs Hefte eines Titels für die Untersuchungszeiträume 1986/87 und 1996/97. 104 Ausgewertet wurde der gesamte redaktionelle Teil der Zeitschriften. Für die BUNTE 1986/87 wurden insgesamt 594, für die BUNTE 1996/97 insgesamt 505 redaktionelle Seiten untersucht. 105 Für den STERN 1986/87 waren insgesamt 868,5, für den STERN 1996/97 insgesamt 679,5 redaktionelle Seiten zu analysieren. 106 2. Untersuchungsmethode

Die vorgenommene Inhaltsanalyse dient der Ermittlung des Personalisierungsgrades der untersuchten Zeitschriften. Hierunter ist der prozentuale

Anteil personenbezogener Informationen am gesamten Informationsangebot eines bestimmten Informationsträgers zu verstehen. Als personenbezogen wurden bei der Erfassung solche Beiträge angesehen, die eine oder mehrere Personen textlich oder bildlich in die Berichterstattung einbezogen. Zur Ermöglichung differenzierter Aussagen über den Untersuchungsgegenstand war dieser jedoch weiter aufzuspalten. So waren die untersuchten Beiträge als entweder inzidentielle oder originäre Personenberichterstattung zu klassifizieren. Letztere waren weiter zu untergliedern nach öffentlichen, privaten und intimen Inhalten. Schließlich war zwischen der Darstellung von Prominenten und Privatpersonen zu unterscheiden. 103 Die BUNTE versteht sich als "People-Magazin, das über Menschen berichten will, die hinter den aktuellen Ereignissen stehen und diese gestalten", vgl. Jahreszeiten-FACTBOOK 94/95, S. 108 f. Eine detaillierte historische Analyse der BUNTEN ermöglicht die Arbeit von Hilgenstock. 104 Für die am selben Wochentag erscheinenden STERN und BUNTE sind dies die Hefte Nr. 40/86 vom 25.09.1986, Nr. 50/86 vom 04.12.1986, Nr. 8/87 vom 12.02.1987, Nr. 18/87 vom 23.04.1987, Nr. 28/87 vom 02.07.1987 und Nr. 38/87 vom 10.09.1987 sowie Nr. 40/96 vom 26.09.1996, Nr. 50/96 vom 05.12.1996, Nr. 8/97 vom 13.02.1997, Nr. 18/97 vom 24.04.1997, Nr. 28/97 vom 03.07.1997 und Nr. 38/97 vom 11.09.1997. 105 Der Gesamtumfang der einzelnen Hefte lag zwischen 128 und 184 Seiten (1986/87) bzw. zwischen 116 und 132 Seiten (1996/97). Der redaktionelle Umfang lag zwischen 91 und 109,5 Seiten (1986/87) bzw. zwischen 76,5 und 90,5 Seiten (1996/97). 106 Der Gesamtumfang der einzelnen Hefte lag zwischen 156 und 288 Seiten ( 1986/87) bzw. zwischen 136 und 248 Seiten (1996/97). Der redaktionelle Umfang lag zwischen 105 und 167,5 Seiten (1986/87) bzw. zwischen 101 und 129,5 Seiten (1996/97).

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Eine vollkommen wertungsfreie, rein quantitative Messung war vor diesem Hintergrund nicht immer möglich. Auftretende Abgrenzungsschwierigkeiten mussten teilweise durch eine qualitativ-interpretatorische Vorgehensweise gelöst werden. Die Abgrenzung zwischen Prominenten und Privatpersonen erfolgte in Zweifelsfällen entsprechend der zeitschriftseigeneo Klassifizierung: Wurde der Dargestellte im Bericht als "allgemein bekannt" präsentiert, so war er als "Prominenter" zu erfassen. 107 Inzidentielle und originäre Personeninformationen waren durch wertende Betrachtung aus Rezipientensicht voneinander abzugrenzen: Lag der ausschlaggebende Leseanreiz für den Rezipienten in der Person des Dargestellten, so wurde der Bericht als originäre, anderenfalls als inzidentielle Personeninformation erfasst. Die Unterscheidung in öffentliche, private und intime Inhalte erfolgte anband der oben entwickelten Kriterien. Die quantitative Messung erfolgte entsprechend der vorgegebenen Codierung in 114-Seiten. Diese wurden anschließend in Relation zum redaktionellen Gesamtumfang der untersuchten Hefte gesetzt. 3. Quantitative Untersuchungsergebnisse Die ermittelten quantitativen Untersuchungsergebnisse sollen nun für die BUNTE und den STERN nach Jahrgängen getrennt dargestellt werden. a) Personalisierungsgrad BUNTE und STERN /986/87

Für die BUNTE 1986/87 wurden 594 redaktionelle Seiten untersucht. Hiervon enthielten 249,25 Seiten personenbezogene Informationen. Dies entspricht einem Personalisierungsgrad von 41,96%. Nach der Intensität des Personenbezuges ließen sich 32,91% (195,5 S.) des gesamten Informationsangebots als originäre und 9,05% (53,75 S.) als inzidentielle Personenberichterstattung klassifizieren. Originäre und inzidentielle Personenberichterstattung standen also zueinander in einem Verhältnis von 78,44% zu 21,56%. Thematisch enthielten 12,37% (73,5 S.) der redaktionellen Seiten öffentliche, 17,68% (105 S.) private und 2,86% (17 S.) intime Personeninformationen. Die Berichterstattung im Zusammenhang mit Prominenten nahm 32,66% (194 S.) des gesamten redaktionellen Teils ein; Privatpersonen waren mit 9,3% (55,25 S.) vertreten. Das Verhältnis zwischen Prominenten und Privatpersonen entsprach demnach 77,83% zu 22,17%. Für den STERN 1986/87 wurden 868,5 redaktionelle Seiten untersucht. Hiervon enthielten 317 Seiten personenbezogene Informationen. Dies ent107 Die Zeitschriftseigene Klassifizierung ergab sich beispielsweise aus der Rubrik, in der der Beitrag auftauchte, oder aus der - vorhandenen oder fehlenden Vorstellung des Dargestellten.

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I. Teil: Triviale Personenberichterstattung in den Massenmedien

spricht einem Personalisierungsgrad von 36,50%. Nach der Intensität des Personenbezuges ließen sich 28,73% (249,5 S.) des Informationsangebots als originäre und 7,77% (67,5 S.) als inzidentielle Personenberichterstattung klassifizieren. Originäre und inzidentielle Personenberichterstattung standen also zueinander in einem Verhältnis von 78,71% zu 21,29%. Thematisch enthielten 24,81% (215,5 S.) der redaktionellen Seiten öffentliche, 1,50% (13 S.) private und 2,42% (21 S.) intime Personeninformationen. Die Berichterstattung im Zusammenhang mit Prominenten nahm 24,12% (209,5 S.) des gesamten redaktionellen Teils ein; Privatpersonen waren mit 12,38% (107,5 S.) vertreten. Das Verhältnis zwischen Prominenten und Privatpersonen entsprach demnach 66,09% zu 33,91%. Zusammenfassend lässt sich festhalten: 1986/87 betrug der Personalisierungsgrad der Zeitschrift BUNTE 41,96%, der Personalisierungsgrad der Zeitschrift STERN 36,50%. Der Anteil originärer Personeninformationen lag bei der BUNTEN bei 32,91%, beim STERN bei 28,73%. Private und intime Informationen füllten bei der BUNTEN zusammen 20,54% des redaktionellen Teils, beim STERN 3,92 %. b) Personalisierungsgrad BUNTE und STERN 1996/97

Für die BUNTE 1996197 wurden 505 redaktionelle Seiten untersucht. Hiervon enthielten 350,5 Seiten personenbezogene Informationen. Dies entspricht einem Personalisierungsgrad von 69,41%. Nach der Intensität des Personenbezuges ließen sich 57,52% (290,5 S.) des Informationsangebots als originäre und 11,88% (60 S.) als inzidentielle Personenberichterstattung klassifizieren. Originäre und inzidentielle Personenberichterstattung standen also zueinander in einem Verhältnis von 82,88% zu 17,12%. Thematisch enthielten 23,07% (116,5 S.) der redaktionellen Seiten öffentliche, 28,51% (144 S.) private und 5,94% (30 S.) intime Personeninformationen. Die Berichterstattung im Zusammenhang mit Prominenten nahm 66,04% (333,5 S.) des gesamten redaktionellen Teils ein; Privatpersonen waren mit 3,37% (17 S.) vertreten. Das Verhältnis zwischen Prominenten und Privatpersonen entsprach demnach 95,15% zu 4,85%. Für den STERN 1996/97 wurden 679,5 redaktionelle Seiten untersucht. Hiervon enthielten 313 Seiten personenbezogene Informationen. Dies entspricht einem Personalisierungsgrad von 46,06%. Nach der Intensität des Personenbezuges ließen sich 28,91% (196,5 S.) des gesamten Informationsangebots als originäre und 17,15% (116,5 S.) als inzidentielle Personenberichterstattung klassifizieren. Originäre und inzidentielle Personenberichterstattung standen also zueinander in einem Verhältnis von 62,78% zu 37,22%. Thematisch enthielten 19,65% (133,5 S.) der redaktionellen Seiten öffentliche, 9,20% (62,5 S.) private und 0,07% (0,5 S.) intime Personenin-

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formationen. Die Berichterstattung im Zusammenhang mit Prominenten nahm 31,42% (213,5 S.) des gesamten redaktionellen Teils ein; Privatpersonen waren mit 14,64% (99,5 S.) vertreten. Das Verhältnis zwischen Prominenten und Privatpersonen entsprach demnach 68,21% zu 31,79%. Zusammenfassend lässt sich festhalten: 1996/97 betrug der Personalisierungsgrad der Zeitschrift BUNTE 69,41%, der Personalisierungsgrad der Zeitschrift STERN 46,06%. Der Anteil originärer Personeninformationen lag für die BUNTE bei 57,52%, für den STERN bei 28,91%. 108 Private und intime Informationen füllten bei der BUNTEN 34,45% des redaktionellen Teils, beim STERN 9,27%. 4. Analyse der Untersuchungsergebnisse Auf der Grundlage der zuvor ermittelten Daten lassen sich nun Aussagen hinsichtlich des Ausmaßes, der Tendenzen und der Qualität massenmedialer Personenberichterstattung treffen. a) Personalisierungsgrad und Personalisierungstendenz

Das absolute Ausmaß der Personenberichterstattung ist für die beiden untersuchten Zeitschriftentitel festgestellt worden: Die BUNTE veröffentlicht heute etwa zu 70% personenbezogene Informationen, der STERN zu etwa 45%. Der Personalisierungsgrad bleibt jedoch in seiner Aussagekraft beschränkt auf das konkret untersuchte Medium und ist kaum verallgemeinerungsfähig. Ihm kommt vorwiegend exemplarische Bedeutung zu. 109 Verallgemeinerbar ist hingegen die den Zahlen zu entnehmende Entwicklung, die Personalisierungstendenz. Diese ist - anders als der Personalisierungsgrad des einzelnen Mediums - nicht das Ergebnis einer individuellen verlegerischen und journalistischen Entscheidung, sondern Ausdruck einer tiefgreifenden Veränderung des gesellschaftlichen Umfelds, der sich das einzelne Medium - dies gilt zumindest für die auf ein möglichst breites 108 Für die Jahre 1994/95 gelangt eine Analyse des Hamburger Jahreszeitenverlags zu vergleichbaren Ergebnissen. Für den STERN wurde ermittelt, dass 21 % des redaktionellen Themenangebots auf den Bereich "Prominente/Ungewöhnliche Schicksale", weitere 9% auf den Bereich "Sensationelle Unterhaltung" entfallen. Für die BUNTE wurde ermittelt, dass der Bereich "Prominente/Ungewöhnliche Schicksale" mit 46% vertreten ist; vgl. Jahreszeiten-FACTBOOK 94195, S. 78 f., 110 f. 109 Begrenzte Rückschlüsse hinsichtlich des Personalisierungsgrades strukturell benachbarter Medien erscheinen dennoch möglich: Die Regenbogenpresse und die Informations- und Infotainment-Formate der privaten RundfunkanbieteT dürften die BUNTE noch übertreffen, insbesondere auf dem Sektor der originären Personenberichterstattung. 4 Neben

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1. Teil: Triviale Personenberichterstattung in den Massenmedien

Rezipientenspektrum abzielenden Massenmedien - nicht entziehen kann. 110 Die anband der Querschnittsmedien BUNTE und STERN aufzuzeigende Entwicklung lässt daher konkrete Rückschlüsse auf die Entwicklung der publikumsorientierten Massenmedien insgesamt zu. Die Auswertung der BUNTEN ergibt für den Jahrgang 1986/87 einen Personalisierungsgrad von 41,96%. Für den Jahrgang 1996/97 beträgt er 69,41%. Dies bedeutet für die BUNTE eine Steigerungsrate von 65,42% innerhalb von 10 Jahren. Der STERN steigerte den Anteil der personenbezogenen Berichterstattung im seihen Zeitraum von 36,50% (1986/87) auf 46,06% (1996/97). Dies entspricht einer Steigerungsrate von 26,20%. Noch augenfälliger wird die Entwicklung, wenn man den Bereich der originären Personenberichterstattung gesondert betrachtet. Der verzeichnete Zuwachs an personenbezogenen Beiträgen liegt zwar beim STERN maßgeblich im Bereich der inzidentiellen Personenberichterstattung; die originäre Personenberichterstattung stieg zwischen 1986/87 und 1996/97 lediglich um 0,63%. Für die BUNTE ergibt sich jedoch ein deutlicheres Bild: Originäre Personeninformationen nahmen im Jahre 1986/87 einen Umfang von 32,91% ein; zehn Jahre später liegt der Anteil dieser Informationskategorie bei 57,52%, eine Steigerung um 74,78%. Erhebliche Zuwächse im Bereich der originären Personenberichterstattung bestätigen auch die Untersuchungen von Meyer und vom JahreszeitenVerlag aus den Jahren 1976-78. Meyer beziffert für das Jahr 1976 den Anteil der originären Personenberichterstattung in der BUNTEN auf 35,10%, für den STERN auf 15,42%. 111 Legt man die oben genannten Zahlen zugrunde, so errechnet sich für den Zeitraum zwischen 1976 und 1996/97 eine Steigerungsrate von 63,87% bei der BUNTEN und 87,29% beim STERN. Die Funktionsanalyse 1977178 hat für den angegebenen Untersuchungzeitraum den Anteil originärer Personeninformationen bei der BUNTEN auf 33%, beim STERN auf 8% beziffert. Bei Zugrundelegung dieser Zahlen ergäbe sich sogar eine Steigerungsrate von 74,3% für die BUNTE und von 72,33% für den STERN. Die oben formulierte These einer zunehmenden Personalisierung des massenmedialen Informationsangebots hat sich damit bestätigt. Der Personalisierungsgrad der illustrierten Publikumszeitschriften ist während des vergangeneo Jahrzehnts erheblich angestiegen. Überproportionale Zuwächse sind im Bereich der originären Personenberichterstattung - die Form der Berichterstattung, bei der die Person selbst im Mittelpunkt des Interesses 110 Wie an späterer Stelle zu zeigen sein wird, handelt es sich bei Personalisierung und Privatisierung um allgemein beobachtbare gesellschaftliche Entwicklungen, deren Auswirkungen (auch) die Massenmedien betreffen. 111 Meyer, a. a. 0.

A. Triviale Personenberichterstattung als publizistisches Phänomen

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steht - zu verzeichnen. Der Vergleich mit externen Untersuchungen ergibt hier eine Zunahme von fast 75% innerhalb der letzten zwanzig Jahre. Die menschliche Persönlichkeit hat damit für den heutigen Massenjournalismus eine bisher ungekannte Bedeutung erlangt. b) Einzelbewertung der Untersuchungskategorien

Differenziertere Erkenntnisse vermittelt die Analyse der separaten Untersuchungskategorien. So lassen die Zahlen deutlich eine Tendenz zur verstärkten Verwendung von Prominenten erkennen. Der STERN steigerte im Bereich der inzidentiellen Personenberichterstattung den Prominentenanteil von 27,41% (1986/87) auf 35,63% (1996/97). Für die BUNTE lässt sich hier eine Steigerung von 31,6% (1986/87) auf 81,65% (1996/97) feststellen. Im Bereich der originären Personenberichterstattung ist die Tendenz zur bevorzugten Darstellung prominenter Menschen noch ausgeprägter. Der STERN steigerte hier den Prominentenanteil von 76,54% (1986/87) auf 87,55% (1996/97), die BUNTE ihrerseits von 90,06% (1986/87) auf 97,95% (1996/97). Thematisch ist eine Verschiebung der Inhalte vom Öffentlichen zum Privaten zu konstatieren. Die BUNTE steigerte den Anteil der privaten und intimen Personenberichterstattung am gesamten redaktionellen Angebot von 20,54% (1986/87) auf 34,45% (1996/97). Der STERN weitete dieses Themenfeld von 3,92% (1986/87) auf 9,27% (1996/97) aus. Für die BUNTE bedeutet dies eine Steigerungsrate von 67,72% und für den STERN von 136,48%. Und schließlich ist eine merkliche Zunahme der inzidentiellen Personenberichterstattung zu verzeichnen. Die BUNTE steigerte den Anteil dieser Form der Berichterstattung am gesamten redaktionellen Angebot von 9,05% (1986/87) auf 11,88% (1996/97), der STERN von 7,77% (1986/87) auf 17,15% (1996/97). Hieraus lässt sich deutlich eine Tendenz zur Personalisierung sachlicher Inhalte ablesen. 112 5. Zusammenfassung und Anwendung der Ergebnisse

Der oben entwickelten Definition entsprechend ist als "trivial" die am Menschen selbst interessierte, private und intime Themen aufgreifende, emotions- und sensationsorientierte Personenberichterstattung in den Massenmedien zu verstehen. Unter Zugrundelegung dieser Definition lässt sich eine nachhaltige Trivialisierung der massenmedialen Personenberichterstat112 Hierunter fällt beispielsweise die bereits oben dargestellte Tendenz, politische oder wirtschaftliche Informationen verstärkt an die jeweiligen Akteure zu binden. 4*

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1. Teil: Triviale Personenberichterstattung in den Massenmedien

tung feststellen. So konnte sowohl für die BUNTE als auch für den STERN eine verstärkte Verwendung privater und intimer Inhalte nachgewiesen werden. Insbesondere bei der BUNTEN- und in geringerem Umfang auch beim STERN - ist darüber hinaus eine Ausweitung der originären Personenberichterstattung zu verzeichnen. Der Mensch wird also immer stärker zum eigentlichen Gegenstand massenmedialer Berichterstattung. Er taucht nicht mehr vordringlich als Teil einer relevanten Sachinformation auf, sondern wird in seiner privaten Lebensführung zum selbständigen Informationsgut Die substantielle Personenberichterstattung tritt demgegenüber in den Hintergrund: Zwar hat der Anteil der inzidentiellen, also sach- oder ereignisorientierten Personenberichterstattung, sowohl in der BUNTEN als auch im STERN absolut zugenommen. Im Verhältnis zur originären ist die inzidentielle Personenberichterstattung jedoch zumindest bei der BUNTEN rückläufig. 113 Das Triviale in der massenmedialen Personenberichterstattung gewinnt nach allem zunehmend an Bedeutung. Dass diese Entwicklung auf gesellschaftlichen Veränderungen beruht und zugleich selbst gesellschaftliche Veränderungen bewirkt, werden die nun folgenden Ausführungen verdeutlichen.

B. Triviale Personenberichterstattung als soziologisches Phänomen I. Vorüberlegung Das Phänomen der Trivialen Personenberichterstattung existiert nicht im sozialen Vakuum, sondern ist als Spiegel und Motor tiefgreifender gesellschaftlicher Entwicklungen zu verstehen. 114 Zur Verdeutlichung dieser Zusammenhänge soll die Triviale Personenberichterstattung nunmehr in ihren gesellschaftlichen Funktionen, Ursachen und Auswirkungen beschrieben werden. Die auf diese Weise zu gewinnenden rechtstatsächlichen Erkenntnisse sollen dabei nicht beziehungslos nebeneinander stehen bleiben; sie sollen vielmehr zum Abschluss dieses Abschnittes zusammengeführt und zur Beantwortung der grundsätzlichen Frage nach der sozialen Wertigkeit der Trivialen Personenberichterstattung herangezogen werden. Diese Frage ist wie bereits oben angedeutet - von herausragender Bedeutung für die spätere rechtswissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Phänomen der Trivialen Personenberichterstattung, denn ausgehend von deren unterstellter 113 Das Verhältnis von originären zu inzidentiellen Personenberichten entsprach bei der BUNTEN (1986/87) 78,43% zu 21,57%. Im Jahre 1996/97 lag es bei 82,87% zu 17,13%. 114 In diesem Sinne auch Di Fabio in AfP 1999, S. 126.

B. Triviale Personenberichterstattung als soziologisches Phänomen

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Minderwertigkeit räumen Rechtsprechung und Literatur dieser publizistischen Gattung regelmäßig ein nur sehr eingeschränktes Gewicht im Abwägungsprozess mit den entgegenstehenden Persönlichkeitsrechten der Dargestellten ein 115 : Wie im Zweiten Teil der vorliegenden Arbeit zu zeigen sein wird, führt die tief verankerte Skepsis der Gerichte gegenüber der Trivialen Personenberichterstattung in der Rechtswirklichkeit dazu, dass deren Publikationen vielfach allein aufgrund ihrer - vermeintlichen - gattungsspezifischen Minderwertigkeit hinter den gegenläufigen Persönlichkeitsinteressen der Betroffenen zurückstehen müssen 116. Die dieser Entscheidungspraxis zugrundeliegende Prämisse einer "sozialen Minderwertigkeit" der Trivialen Personenberichterstattung gilt es zu hinterfragen, denn - soweit ersichtlich - gründet sie sich bislang auf keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse, sondern allein auf in höchstem Maße emotional geprägte, subjektive Vermutungen. Deren Richtigkeit aber kann sich nicht schon daraus ergeben, dass sie der Überzeugung eines Großteils der Bevölkerung entsprechen. Es bedarf vielmehr einer unvoreingenommenen soziologischen Bewertung der Trivialen Personenberichterstattung, welche in der späteren rechtswissenschaftliehen Diskussion als verlässlicher Orientierungspunkt dienen kann. Dieser Aufgabe widmen sich die nun folgenden Ausführungen.

II. Funktionen der Trivialen Personenberichterstattung Triviale Personeninformationen erfüllen eine Vielzahl unterschiedlicher Funktionen im öffentlichen Kommunikationsprozess. Aus soziologischer Perspektive stellen sich diese Funktionen als beobachtbare Leistungen dar, welche die Medien für die Gesellschaft und ihre Mitglieder erbringen. 117 Der Systematisierung von McQuail 118 und Pürer/Raabe 119 folgend lässt sich eine Untergliederung in soziale, politische und individuelle Leistungen vornehmen.

115 Vgl. nur BGH in AfP 1996, S. 140 (143). Ähnlich auch BVerfGE 34, S. 269 (283)- Soraya; BGHZ 24, S. 200 (208); BGHZ 128, S. 1 (12); OLG Harnburg in AfP 1992, S. 376 (377). 116 Zu dieser Erkenntnis gelangt auch Erman-Ehmann, Anh. zu § 12 Rn. 366. 117 Vgl. Pürer!Raabe, die bei der Beschreibung von Medienfunktionen zwischen empirisch beobachtbaren Leistungen und normativ zugewiesenen Aufgaben differenzieren; Pürer/Raabe, S. 305. 118 McQuail, S. 79 f. 119 Pürer/Raabe, S. 306 ff.

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1. Teil: Triviale Personenberichterstattung in den Massenmedien

1. Sozialisation und Orientierung

Die Personenberichterstattung in Massenmedien erbringt eine wichtige gesellschaftliche Leistung, indem sie der Sozialisation und der sozialen Orientierung dient. 120 Personeninformationen vermitteln gesellschaftliche Normen und Werte. Der Bericht über das Fehlverhalten - den Normverstoß - einer bekannten Person beispielsweise vermittelt dem Rezipienten auf anschauliche Weise einen konkreten Ausschnitt des gesellschaftlichen Wertsystems. Das öffentlich dargestellte normwidrige Verhalten eines Einzelnen dient als abschreckendes Negativbeispiel und vermag so einen belehrenden und lenkenden Einfluss auf die Gesellschaft auszuüben. Gleiches gilt für die positive Erwähnung einer Person in den Medien. Hat eine Veröffentlichung belobigenden Charakter, so erhebt sie den Betroffenen in die Rolle eines Vorbildes, an dessen individueller Verhaltensweise sich die Mitglieder der Gesellschaft orientieren können. 121 Derartige Sozialisationseffekte lassen sich für sämtliche Kategorien massenmedialer Personenberichterstattung feststellen. Ein Bericht über die Bemühungen des Bundeskanzlers zur Beilegung einer sozialen Krise enthält sozialisationsrelevante Informationen ebenso wie der Bericht über den außerehelichen "Fehltritt" eines Filmstars. Pürer/Raabe stellen deshalb zutreffend fest, dass gesellschaftlich sanktionierte Verhaltensweisen sich aus dem Gesamtangebot aller Medien erschließen. 122 Es lässt sich jedoch feststellen, dass originären Personeninformationen aufgrund der unmittelbaren Thematisierung der individuellen Lebensweise einer Person ein besonderes Sozialisationspotential innewohnt. 2. Kontrolle und Kritik

Neben die sozialen treten die politischen Leistungen, die von der massenmedialen Personenberichterstattung insgesamt erbracht werden. 123 Die bedeutendste politische Leistung der Massenmedien generell ist die Herstellung von Öffentlichkeit und die Schaffung von Transparenz - eine für die gesellschaftliche Kontrolle des politischen Prozesses unabdingbare Voraussetzung. 124 Eine bedeutende Rolle kommt hierbei der PersonenberichterstatPürer/Raabe, S. 308. So auch McQuail, S. 360, der hinsichtlich der normvermittelnden und normsetzenden Rolle der Medien feststellt: "The media can teach norms and values by way of symbolic reward and punishment for different kinds of behaviour as represented in the media. [... ] we leam how to behave in certain situations and leam the expectations which go with a given rote or situation in society. Thus the media are continually affering [... ] models of behaviour in advance of actual experience." 122 Pürer/Raabe, S. 308. 123 Diese werden gemeinhin unter dem Begriff der "öffentliche Aufgabe" zusammengefaßt. 120

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B. Triviale Personenberichterstattung als soziologisches Phänomen

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tung über öffentliche Amtsträger und einflussreiche gesellschaftliche Funktionsträger zu, denn die Kontrolle des politischen Prozesses erfordert zwingend die Kontrolle der politischen Entscheidungsträger. So vennitteln Berichte über die Bestechlichkeit eines hohen Beamten oder das Abstimmungsverhalten eines Bundestagsabgeordneten Personeninformationen von größter politischer Relevanz. Derartige politische Sachinformationen mit Personenbezug sind von elementarer Bedeutung für das Funktionieren eines repräsentativen demokratischen Systems und stehen daher im Mittelpunkt der politischen Medienfunktion. Aber auch Aspekte der privaten Lebensführung von politischen Entscheidungsträgern können bedeutsam für den demokratischen Prozess sein oder dazu werden. 125 Auch diese (trivialen) Informationen können also zur Kritik und Kontrolle der Volksvertreter befähigen und sind somit zumindest potentiell von politischem Gewicht. 3. Befriedigung kommunikativer Grundbedürfnisse

Von den sozialen und politischen Funktionen der Personenberichterstattung, die sich als Leistungserbringung für die Gesellschaft als Ganzes darstellen, sind solche Leistungen zu unterscheiden, die vornehmlich dem einzelnen Individuum zugute kommen. Für letztere hat sich in der Kommunikationsforschung der Begriff der uses and gratifications durchgesetzt. 126 Sie sind insofern von besonderer Bedeutung, als sie in einer marktwirtschaftlich strukturierten Medienlandschaft die Nachfrage nach Kommunikationsprodukten bestimmen und somit indirekt Einfluss auf die vorgehaltenen Informationsangebote nehmen. Es lassen sich dabei vier kommunikative Grundbedürfnisse 127 unterscheiden, die durch Triviale Personenberichterstattung befriedigt werden. a) Information An erster Stelle steht das individuelle Bedürfnis nach Information. Hierzu zählt vor allem die Unterrichtung über interessante Personen und die aktuellen Ereignisse, in denen sie eine Rolle spielen, aber auch die bloße Befriedigung von Neugier als Selbstzweck. 128 Die Bedeutung der personenbezogenen Information für den Einzelnen liegt in der Erweiterung seines KenntnisstanPürer/Raabe, S. 308 f. Zu denken wäre hier an die private Affäre eines politischen Entscheidungsträgers, die dessen (politische) Erpressbarkeit nach sich ziehen kann. 126 Schutz stellt dem die Begriffe "Motive, Bedürfnisse, Nutzen und Belohnung" entgegen, vgl. Schutz in Fischer Lexikon Publizistik, S. 164. 127 Schutz in Fischer Lexikon Publizistik, S. 164. 124

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1. Teil: Triviale Personenberichterstattung in den Massenmedien

des im Bereich der Sekundärerfahrungen. 129 Das Individuum ist nicht in der Lage, sein Bedürfnis nach Wissen und Erfahrungen allein aus dem direkten Umgang mit seiner unmittelbaren Umwelt zu gewinnen. Der Mensch ist auf eine Vielzahl von Informationen angewiesen, die außerhalb seiner eigenen Erfahrungswelt liegen. 130 Diese Erfahrungen werden stellvertretend von anderen gemacht und dem Einzelnen dann über die massenmediale Personenberichterstattung vermittelt. 131 Hierin ist die fundamentale Aufgabe der Personenberichterstattung in der modernen Gesellschaft zu sehen. b) Identifikation

Über die Informationsfunktion hinaus wirkt die Triviale Personenberichterstattung identitätsstiftend. Sie hilft dem Einzelnen bei der Suche nach Verhaltensmodellen und befriedigt dessen Bedürfnis nach einer Identifikation mit anderen. 132 Der in den Medien Dargestellte repräsentiert bestimmte Verhaltensmuster und Eigenschaften, in denen der Betrachter sich wiederzuerkennen glaubt oder die er sich gerne zu eigen machen würde. Der Bericht über das Schicksal eines bedauernswerten Menschen beispielsweise erweckt bei dem Rezipienten, der sich in einer vergleichbaren Situation befindet, ein Gefühl der Verbundenheit und der Zusammengehörigkeit. Er erkennt sich wieder und kann aus dem Verhalten des Dargestellten Lehren für die eigene Lebensführung ziehen. Der Bericht über das Mitglied einer Königsfamilie, über einen wohlhabenden Unternehmer oder einen erfolgreichen Sportler wiederum dient mittelbar der Identifikation, wobei hier die Vorbildfunktion in den Mittelpunkt rückt; der - zumeist realitätsferne Wunsch also, sich mit dem Dargestellten identifizieren zu können. c) Integration

Daneben erbringen triviale Personenberichte eine integrative Leistung, indem sie ein "soziales Wir-Gefühl" 133 erzeugen. Der Rezipient erkennt 128 Pürer/Raabe, S. 309. Vor allem der originäre Personenjournalismus dient der Befriedigung dieses elementaren menschlichen Bedürfnisses: Das Interesse an der dargestellten Person ist in aller Regel Selbstzweck. Die Informationsvermittlung findet nur statt, um die bestehende Unwissenheit aufzulösen, der Informationsinhalt ist dabei nebensächlich. 129 Pürer/Raabe, S. 306. 130 Vgl. Burkart, S. 155. 131 McQuail führt diesbezüglich aus: "[.. .] the media are continually affering pictures of life and models of behaviour in advance of actual experience"; McQuail, s. 360. 132 Schutz in Fischer Lexikon Publizistik, S. 164 f.; Pürer/Raabe, S. 309. 133 Pürer/Raabe, S. 309.

B. Triviale Personenberichterstattung als soziologisches Phänomen

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sich in der öffentlich dargestellten Person wieder und entwickelt so sein Gemeinschafts- und Zusammengehörigkeitsgefühl. Personenberichte dienen der Kompensation mangelnder Sozialkontakte, indem sie den Rezipienten in die Lage versetzen, am Leben des Dargestellten teilzuhaben und ihn "persönlich kennenzulemen". Schutz führt in diesem Zusammenhang zutreffend aus, dass die öffentliche Darstellung individueller Schicksale und Lebensgeschichten einen Ersatz für fehlende Geselligkeit und Partnerschaft in einer individualisierten Gesellschaft bildet. 134 d) Rekreation

Schließlich ist auf das Unterhaltungs- und Rekreationsbedürfnis einzugehen, dessen Befriedigung in immer stärkerem Maße von den Massenmedien erwartet und geleistet wird. Triviale Personenberichte dienen der Zerstreuung und Entspannung, der Wirklichkeitsflucht und der Ablenkung von Alltagsproblemen, der Emotionalisierung sowie schlicht der Verminderung von Langeweile. 135 Massenmediale Unterhaltung ist durch den "Spaß an der Rezeption" 136 und den spielerischen Umgang mit Kommunikationsinhalten charakterisiert. Der unterhaltende Charakter von Kommunikationsinhalten schließt jedoch keinesfalls von vornherein aus, dass diese gleichzeitig auch der Vermittlung von Informationen dienen. Unterhaltung und Information stellen keine unvereinbaren Gegensätze dar. 137 Der Enthüllungsbericht über Familienangehörige von Königshäusern beispielsweise dient sicherlich zunächst der Zerstreuung und Ablenkung sowie der Befriedigung eines emotionalen Sensationsbedürfnisses. Gleichzeitig informiert er jedoch über die Lebensweise des Adels, über alltägliche Schicksalsschläge, Krankheiten oder Eheprobleme. Auf der anderen Seite haben auch Nachrichtensendungen bis hin zum politischen Kommentar einen gewissen Unterhaltungswert. Sie unterhalten, indem sie Zeit füllen und von eigenen Problemen ablenken. Pürer/Raabe weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass beispielsweise die tägliche Zeitungslektüre weitgehend als unterhaltsamer Zeitvertreib und nicht als bloßer Akt der Informationsaufnahme angesehen wird. 138 Zu differenzieren ist allerdings zwischen Wort- und Bildbeiträgen, denn dem Bildbericht kommt regelmäßig ein weit größerer Unterhaltungswert zu Schulz in Fischer Lexikon Publizistik, S. 165. Vgl. McQuail, S. 79; Pürer/Raabe, S. 310, 314 ff.; Schulz, S. 165. 136 Pürer/Raabe, S. 315. 137 Modeme Ausprägung der Verbindung von Information und Unterhaltung ist das bereits an anderer Stelle erwähnte Infotainment, das besonders im privaten Rundfunk immer stärker an die Stelle der klassischen Informations- und Nachrichtensendungen tritt. 138 Pürer/Raabe, S. 316. 134

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1. Teil: Triviale Personenberichterstattung in den Massenmedien

als dem Wortbeitrag. Der Grund hierfür ist mit Noelle-Neumann darin zu sehen, dass der gedruckte Text den Emotionsgehalt der Information weitgehend neutralisiert, der Bildbericht dagegen persönliche Nähe und Betroffenheit schafft. 139 Das Bedürfnis nach emotionaler Stimulation wird demzufolge am effektivsten vom Foto- und Filmbericht befriedigt. In diesem Umstand liegt das enorme Unterhaltungspotential des Fernsehens und der illustrierten Zeitschrift begründet.

Ill. Ursachen der Trivialen Personenberichterstattung Die Massenmedien sind mit Recht als "Spiegel sozialer Veränderungen"140 bezeichnet worden. Ihre Marktorientierung zwingt sie, gesellschaftliche Veränderungen schnellstmöglich aufzugreifen und umzusetzen. Dieser Mechanismus erklärt auch die deutliche Zunahme Trivialer Personenberichterstattung. Das Phänomen kommt keineswegs "aus dem Nichts", sondern ist vielmehr Ausdruck und Folge einer sich verändernden Umwelt und moderner Lebensbedingungen. Mit den gesellschaftlichen Umständen, die als Ursache der Trivialen Personenberichterstattung anzusehen sind, befasst sich der nun folgende Abschnitt. Auszumachen sind hier Tendenzen der Individualisierung und Desintegration (1.), der Orientierungslosigkeit (2.), der Partikularisierung (3.), der Unterhaltungs- und Erlebnisorientierung (4.) sowie der Enttabuisierung (5.). 1. Individualisierung und Desintegration

Individualisierung und Desintegration sind vermutlich die markantesten Charakteristika der westlichen Industriegesellschaften zum Ende dieses Jahrhunderts. 141 Seine Ursache findet dies, wie Schulze zutreffend ausführt, in der abnehmenden Sichtbarkeit und der schwindenden Bindungswirkung traditioneller Sozialzusammenhänge wie Schicht und Klasse, Verwandtschaft, Nachbarschaft und religiöser Gemeinschaft. 142 Sinn und Orientierung vermittelnde Instanzen wie Vereine, Parteien und Gewerkschaften verlieren generell an Einfluss. 143 Die heutige Gesellschaft ist gekennzeichnet von der Aufteilung und Spezialisierung ihrer Funktionen, Institutionen und Mitglieder. 144 Noelle-Neumann, Öffentlichkeit, S. 240. Kepplinger, Darstellungseffekte, S. 107. 141 In diesem Sinne auch Schulze, der für die ,,Erlebnisgesellschaft der Gegenwart" die "zunehmende Individualisierung [und] Auflösung gesellschaftlicher Ordnungen" diagnostiziert; Schulze, Erlebnisgesellschaft, S. 75. 142 Schulze, Erlebnisgesellschaft, S. 75. 143 Neumann-Bechstein in FUNK-Korrespondez Nr. 5/1996, S. 3 (6). 139

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B. Triviale Personenberichterstattung als soziologisches Phänomen

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Von besonderer Bedeutung sind in diesem Zusammenhang die Auswirkungen des modernen Arbeitsalltags und die Auflösung traditioneller familiärer Strukturen. Die mit der Industrialisierung und Technisierung einhergehende Arbeitsteilung hat zu einer "Atomisierung der Arbeitsvorgänge" 145 geführt. Die damit verbundene Entfremdung löst bei großen Teilen der arbeitenden Bevölkerung ein Gefühl der Machtlosigkeit und Isolierung aus. 146 Und auch im familiären Bereich lassen sich tiefgreifende Individualisierungstendenzen beobachten. So ist der Anteil der Einpersonenhaushalte147 in der Bundesrepublik innerhalb der letzten vierzig Jahre von 19,39% (1950) auf 34,95% (1990) gestiegen. 148 Die damit verbundene Auflösung und Zersplitterung der Familie und der Wegfall verwandtschaftlicher Bindungen führen zu einem Mangel an Identifikationsfiguren 149, zu gesellschaftlichen Integrations- und Identifikationsdefiziten 150 und zu einer verstärkten "Angst vor dem Alleinsein mit sich selbst" 151 • Auf diese Entwicklung und die aus ihr resultierenden emotionalen und sozialen Defizite reagieren die Massenmedien mit der Trivialen Personenberichterstattung. Sie installieren "eine beschränkte Anzahl von Helden" 152, von übergroßen Persönlichkeiten, die das entstandene soziale Vakuum füllen und als Identifikationsfiguren dienen können. Die Personenberichterstattung mit ihrer integrativen Wirkung tritt an die Stelle untergehender Institutionen der sozialen Bindung wie Familie, Kirche oder betriebliche Gemeinschaft. Sie bietet (sekundäre) Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und (vermeintliche) Einbindung in soziale Strukturen. Die Zunahme der Trivialen Personenberichterstattung ist demnach eine direkte Folge der gegenwärtigen Individualisierungstendenzen in der Gesellschaft. 2. Orientierungsverluste Die kapitalistische Industriegesellschaft zeichnet sich durch Abstraktheil und Anonymität sowie eine zunehmende lntransparenz und Komplexität der sozialen Strukturen und Prozesse aus. 153 Diese Undurchschaubarkelt der gesellschaftlichen Verhältnisse bewirkt bei weiten Kreisen der Bevölkerung 144 145

146 147 148 149 150 151 152 153

Vester, S. 110. Vester, S. 111. Wörterbuch der Soziologie, S. 231 f. Im Verhältnis zur Gesamtzahl aller Privathaushalte der alten Bundesrepublik. Vester, S. 139. Vester, S. 145. Vester, S. 132. Szallies/Wiswede, S. 128. Geiger, S. 17. Holzer, Massenmedien, S. 74.

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1. Teil: Triviale Personenberichterstattung in den Massenmedien

ein Gefühl der Orientierungslosigkeit. Vester bemerkt zutreffend, "in der Postmodeme ist das Gefühl, alles im Griff zu haben, die Dinge kontrollieren zu können, weitgehend abhanden gekommen" 154 . Die Konsequenz dieser subjektiven Kotrollverluste ist ein gesteigertes Bedürfnis nach Orientierung und Halt. 155 Die bestehenden Schwierigkeiten, die Funktionszusammenhänge unserer hochentwickelten und durchrationalisierten Gesellschaft zu durchschauen, lösen nicht den Wunsch nach mehr Information aus, sondern führen zum "Rückzug ins Unkomplizierte" 156. Die immer anspruchsvollere Alltagsbewältigung wird durch einfach zu erlangende Alltagsflucht ersetzt. Darüber hinaus bewirkt die wachsende Realitätsmüdigkeit einen Rückzug ins Private und die verstärkte Beschäftigung mit Einzelschicksalen 157: Das soziale Ganze erscheint unverständlich und undurchschaubar; das Individuell-Private wirkt dagegen vertraut und vermittelt Sicherheit. Dem "resignierten Desinteresse gegenüber komplizierten und undurchsichtigen Strukturen der Wirklichkeit" 158 kommt die Triviale Personenberichterstattung optimal entgegen. Sie erleichtert die Orientierung durch klare Abgrenzungen zwischen "Gut" und "Böse". Sie personifiziert (und verdeutlicht damit) abstrakte Sachverhalte. Sie bietet Vorbilder an, die stellvertretend für den Einzelnen soziale Konflikte "erleben" und Lösungsmöglichkeiten aufzeigen. Sie simplifiziert oder ignoriert komplizierte Zusammenhänge. Und schließlich beschäftigt sie sich vorwiegend mit dem Alltäglichen, dem Bekannten und Vertrauten, dem Familiären. Die Zunahme an Trivialer Personenberichterstattung ist demnach auch als publizistische Reaktion auf die zunehmende Komplexität der modernen Gesellschaft anzusehen. 3. Partikularisierungstendenzen

Neben Individualisierung und wachsender Orientierungslosigkeit lässt sich eine zunehmende Zersplitterung der Gesellschaft konstatieren. Diese wird hervorgerufen durch die Pluralisierung der Existenzformen, zunehmende Wahlfreiheit in allen Lebensgebieten und eine allgemeine Entstandardisierung. 159 Der gesellschaftliche Konsens über das, was als wünschenswert und gut anzusehen ist, schwindet. An seine Stelle tritt die zunehmende Respektierung und Durchsetzung von Partikularinteressen. Die 154

155 156 157 158 159

Vester, S. 182 Nusser, S. 134. Nusser, S. 136. Nusser, a. a. 0. Nusser, S. 136. Schulze, Erlebnisgesellschaft, S. 76 f.

B. Triviale Personenberichterstattung als soziologisches Phänomen

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Folge ist eine hinsichtlich der Wert- und Normvorstellungen äußerst heterogene Gesellschaft. Die Heterogenität der Gesellschaft führt, wie Hondrich aufzeigt, tendenziell zum "Kampf der Wertegemeinschaften" 160 um den Einfluss auf die gesamtgesellschaftliche Normsetzung. Eine typische Folge dieses Kampfes sind öffentlich ausgetragene Wertkonflikte in Form von massenmedialen Enthüllungen und Skandalberichten: "Kollektive Empörung und große Skandale entstehen im Widerstreit von Wertegemeinschaften, [denn] im Widerstreit liegende Werte scharen Wertgemeinden um sich, die auf den nächsten Skandal warten, um der Gegenseite eine Empörungsniederlage zufügen zu können" 161 . Hinzu kommt, dass die zersplitterte Gesellschaft ihre Moral und deren Grenzen nur in Konfrontation mit Unmoral - also im Negativen - zu bestimmen lemt. 162 Die Aufdeckung von moralischen Verfehlungen und Normverstößen dient damit auch der Bestimmung des gesellschaftlichen Wertekanons und der Abgrenzung des Zulässigen vom Unzulässigen. Und schließlich stellt die massenmediale Bloßstellung der Einflussreichen, Bedeutenden und Vermögenden eine Form der Befriedigung von Neid über die "Verfehlung uralter Gleichheitswerte" 163 dar: Das soziale Auseinanderdriften der Gesellschaft führt zu einer immer ungleicheren Verteilung von Macht, Teilhabe und finanziellen Ressourcen. Die Unzufriedenheit niedriger sozialer Schichten mit dieser Entwicklung wird kompensiert durch die schonungslose Aufdeckung des individuellen Fehlverhaltens der oberen Schichten. Hondrich bezeichnet die Prominenten- und Skandalberichte daher zu Recht als "Opfergabe der Emporgekommenen an das Volk" 164 . Die Triviale Personenberichterstattung ist zugleich der Austragungsort latenter Wertkonflikte und das Instrument gesellschaftlicher Normfindung. Der massenmediale Vorstoß ins Private und Intime - eines der Hauptmerkmale der Trivialen Personenberichterstattung - ist demnach für eine zersplitterte Gesellschaft nichts Ungewöhnliches: Je stärker die Zersplitterung der Gesellschaft voranschreitet, desto mehr gewinnt die Triviale Personenberichterstattung an Bedeutung. Auch vor diesem Hintergrund stellt sich die oben konstatierte Zunahme des Trivialen in den Massenmedien als Folge einer beobachtbaren gesellschaftlichen Veränderung dar.

160 161 162 163 164

Hondrich, Hondrich, Hondrich, Hondrich, Hondrich,

S. S. S. S. S.

582. 579. 578. 580. 585.

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1. Teil: Triviale Personenberichterstattung in den Massenmedien

4. Unterhaltungs- und Erlebnisorientierung

Die Triviale Personenberichterstattung ist nicht zuletzt eine konsequente Antwort auf die zunehmende Unterhaltungsorientierung der modernen Gesellschaft. Die Freizeit ist zum beherrschenden Bereich des täglichen Lebens geworden. Ihre Ausfüllung bündelt enorme Mengen an Produktionskapazität, Nachfragepotential, gedanklicher Aktivität und Lebenszeit. Das Bedürfnis nach Entspannung und Ablenkung von den "Leistungszwängen der Arbeit" 165 nimmt zu, insbesondere da der arbeitsteilige Produktionsprozeß an eine Vielzahl der Beschäftigten nur sehr geringe intellektuelle oder emotionale Herausforderungen stellt. Die vorhandenen Bedürfnisse nach Ausgleich und Stimulation müssen daher weitgehend in der Freizeit befriedigt werden. Diese Aufgabe übernimmt zu einem großen Teil die Triviale Personenberichterstattung. Ihr kommt ein besonders großer Erlebniswert bei, auf den die Menschen gerade in Zeiten von Massenarbeitslosigkeit und geringer werdenden Selbstverwirklichungsmöglichkeiten verstärkt zurückgreifen. 166 Die moderne Gesellschaft hat mit der Skandal- und Regenbogenpresse einen "hochgradig kommerzialisierten, professionalisierten und demokratisierten 167 Enthüllungs- und Empörungsmarkt institutionalisiert"168, der dem wachsenden Unterhaltungsbedürfnis optimal gerecht wird. Die Teilhabe am privaten Leben der Mitmenschen, an deren Verfehlungen und Problemen garantiert Spannung und Nervenkitzel. Und das enorme Identifikationspotential der Trivialen Personenberichterstattung ermöglicht zudem die unmittelbare emotionale Stimulation der Rezipienten. Die gesellschaftliche Unterhaltungs- und Erlebnisorientierung führt im Ergebnis also auch zu einer stärkeren Betonung der unterhaltenden Elemente in der massenmedialen Informationsvermittlung. Dies bedeutet vor allem ein Mehr an privaten und intimen Informationen, die stärkere Personalisierung der Berichterstattung, die thematische Konzentration auf Skandalöses und Sensationelles sowie den Ausbau der Bild- gegenüber der Textberichterstattung. Die Zunahme der Trivialen Personenberichterstattung stellt sich demnach als unmittelbare Folge der verstärkten Freizeit-, Erlebnis- und Unterhaltungsorientierung der modernen Gesellschaft dar.

Nusser, S. 141. Szallies/Wiswede, S. 111. 167 Bittorf spricht in diesem Zusammenhang zutreffend von "Geschmacksdemokratie"; Bittorf in SPIEGELspecial Nr. 811995, S. 19 (25). 168 Vgl. Hondrich, S. 578. 165

166

B. Triviale Personenberichterstattung als soziologisches Phänomen

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5. Enttabuisierung

Die fortschrittliche, industrialisierte Gesellschaft ist durch eine allumfassende Enttabuisierung gekennzeichnet. 169 Die "klassischen" Tabuthemen wie beispielsweise Krankheit, Sexualität und Tod 170 sind heute ausnahmslos zu Gegenständen der öffentlichen Diskussion geworden. 171 Duerr konstatiert zutreffend eine in der Kulturgeschichte beispiellose Enttabuisierung und Auflösung des Schamgefühls: Historisch hat es noch keine Gemeinschaft gegeben, in der die Tendenz zur Veröffentlichung von Privatem und Intimem so stark war wie in der heutigen. 172 Die Triviale Personenberichterstattung greift diese Entwicklung auf und macht sie sich publizistisch zunutze: Immer mehr Themen werden für die Medien ansprechbar, ohne dabei eine öffentliche Empörung zu riskieren. Die Triviale Personenberichterstattung kann deshalb auf eine zunehmende Vielfalt an Themen zurückgreifen. Zugleich müssen die Medien zur Erzielung der erwünschten emotionale Stimulierung ihrer Rezipienten immer extremere Themen wählen, denn in einer enttabuisierten Gesellschaft bietet das "Normale" keinen Lese- und Kaufanreiz mehr. Der gesellschaftliche Abbau von Tabuzonen hat demnach erhebliche Bedeutung für die feststellbare Trivialisierung der Massenmedien. Die Triviale Personenberichterstattung erweist sich also auch hier als Spiegel des gesellschaftlichen Wandels.

IV. Auswirkungen der Trivialen Personenberichterstattung Die Personalisierung und Trivialisierung der massenmedialen Informationsvermittlung prägt und verändert die soziale Gemeinschaft und ihre Werteordnung. Die Funktion der Massenmedien erschöpft sich nicht im passiven Transport vorhandener Vorstellungen. Vielmehr begründen, unterstützen oder hindem Massenmedien aktiv unterschiedliche gesellschaftliche Entwicklungen. 173 Aufgrund großer Verbreitung ist ihr tatsächliches EinwirSo auch Werner Betz, zit. nach Wagner, S. 24. Hierzu Wagner, S. 28-32. 171 Zur gegenwärtig zu beobachtenden "politischen Enttabuisierung" vgl. den Beitrag Mohrs in DER SPIEGEL Nr. 39/1999, S. 306. 172 Hans Peter Duerr, zit. nach DER SPIEGEL Nr. 29/1997, S. 94. Zu einem vergleichbaren Ergebnis gelangt der Kulturphilosoph Michael Rutschky, der im Zusammenhang mit einer von ihm durchgeführten Untersuchung ausführt: "Sie können heute auf der Straße Dinge sagen und tun, die wären in den Sechziger Jahren undenkbar gewesen"; Rutschky in DER SPIEGEL Nr. 29/1997, S. 106. 173 In diesem Sinne auch Kepplinger, der davon ausgeht, die Berichterstattung in den Massenmedien bilde zwar nur selten die einzige Ursache von sozialen Konstanten oder Veränderungen. Sie sei jedoch in vielen Fällen als conditio sine qua non zu betrachten: "Ohne die Berichterstattung der Massenmedien würden bestimmte Zu169

170

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1. Teil: Triviale Personenberichterstattung in den Massenmedien

kungspotential dabei besonders hoch einzuschätzen. Die heute beobachtbaren politischen (J.) und sozialen Auswirkungen (2.) der Trivialen Personenberichterstattung sollen im folgenden skizziert werden. Daneben treten die weitreichenden Konsequenzen der Trivialen Personenberichterstattung für den Betroffenen - die öffentlich dargestellte Person - selbst. Die Ermittlung und Darstellung dieser individuellen Auswirkungen ist Gegenstand eines dritten Unterabschnitts (3.).

1. Auswirkungen auf den politischen Prozess Typisches Merkmal der Trivialen Personenberichterstattung ist deren oben festgestellte Privatisierungstendenz. 174 Diese erfasst heute immer öfter auch den politischen Bereich. 175 Das Eheleben, die familiäre Situation, die Lebensgeschichte und viele weitere originäre Personeninformationen über die politischen Akteure füllen die Illustrierten, die Boulevardzeitungen und die TV-Infotainment-Formate. Diese Freilegung von Persönlichkeitsmerkmalen der politischen Entscheidungsträger lässt den Respekt vor ihnen schwinden und führt zu Kompetenzverlusten: Politiker werden zu "guten Nachbarn, über die man intime Kenntnisse zu besitzen glaubt, und sie erscheinen als ebenso gewöhnlich wie die Zuschauer selbst. Deshalb verkörpern sie nicht länger politische Kompetenz". 176 Hinzu kommt, dass die Aufdeckung privater Fehltritte, wie beispielsweise eine außereheliche Affäre, den Betreffenden als unredlich und damit vertrauensunwürdig erscheinen lässt. Dieses Urteil über die Privatperson wird dann auf den politischen Akteur übertragen. Im Ergebnis sinkt daher mit der zunehmenden Privatisierung auch die politische Glaubwürdigkeit der Volksvertreter. 177 Die Triviale Personenberichterstattung zeichnet sich daneben durch eine verstärkte Tendenz zur bildliehen Darstellung aus. 178 Hieraus folgt, dass die optische Erscheinung der Politiker gegenüber den von ihnen vertretenen stände nicht weiterbestehen und bestimmte Entwicklungen nicht eintreten"; Kepplinger in Publizistik 1982, S. 98 (109). 174 In Anlehnung an Geiger soll unter Privatisierung der Mechanismus verstanden werden, "Nachrichten aus der Privatsphäre mit Nachrichten von öffentlichem Belang zu vermischen oder auch nur Nachrichten aus dem privaten Bereich deshalb zu veröffentlichen, weil es sich bei den Handlungsträgern der Nachricht um Personen des öffentlichen Lebens handelt"; vgl. Geiger, S. 15. 175 Dorsch-Jungsberger spricht in diesem Zusammenhang von einer Veralltäglichung der Anlässe für eine "Auseinandersetzung zwischen politischen Machthabern und den professionellen Kontrolleuren"; Dorsch-Jungsberger, S. 394. 176 Mikos in Medium Nr. 311991, S. 72. 177 Dorsch-Jungsberger, S. 394. 178 Zur Wirkung von visuellen Politikerdarstellungen in Presse und Fernsehen vgl. ausführlich Kepplinger, Darstellungseffekte.

B. Triviale Personenberichterstattung als soziologisches Phänomen

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inhaltlichen Positionen an Bedeutung gewinnt: Wer optisch anspricht, erhält mehr Medienpräsenz und wird damit stärker von der Öffentlichkeit beachtet. Dieser Mechanismus hat weitreichende Konsequenzen. Zum einen führt eine "antizipierende Berücksichtigung der Medienwirksamkeit" 179 in den Parteien dazu, dass bei der Kandidatenauswahl für hohe politische Ämter medienwirksame Kandidaten den Vorzug erhalten - unabhängig von ihrer inhaltlichen politischen Kompetenz. Bailey hat beispielsweise für die USA nachgewiesen, dass drei der bedeutendsten Präsidenten mangels "Visualisierbarkeit"180 nicht einmal für die Präsidentenwahlen nominiert worden wären. 181 Die Visualisierungstendenz der Massenmedien hat somit Rückwirkungen auf die Rekrutierung der (politischen) Bereichselite. 182 Zum anderen verlangt auch die (Wahl)Öffentlichkeit selbst verstärkt nach optisch ansprechenden Politikern. Da die Triviale Personenberichterstattung täglich eine Vielzahl strahlender und gutaussehender gesellschaftlicher Eliten (Sportler, Schauspieler, Musiker) präsentiert, wird gutes Aussehen zum Synonym für Erfolg und Durchsetzungsfahigkeit - Charakteristika, die von Politikern in besonderem Maße verlangt werden. Das optische Element nähert sich in seiner Bedeutung für politische Wahlentscheidungen damit dem inhaltlichen Element an: Die Qualität des politischen Programms wird heute maßgeblich anband des Charakters und des Erscheinungsbildes des Spitzenkandidaten beurteilt. 183 Und schließlich ist mit Kepplinger ein reziproker Effekt der Visualisierungstendenz festzustellen. 184 Da nämlich auf Medienpräsenz beruhende Bekanntheit ein notwendiges Kapital für Politiker darstellt 185, müssen diese sich den Gesetzen des Mediums unterwerfen, denn "ins Fernsehen zu kommen heißt, [... ] sich seine Funktionsweise anzueignen" 186. Dies bedeutet konkret, dass Politiker ein ungetrübtes Verhältnis zu Medienvertretern pflegen, positive statt negativer Botschaften vermitteln, sich selbst interessant machen sowie Informationen publikumsgerecht darbieten und simplifizieren müssen. Dass sich hieraus Rückwirkungen auf die politische Kultur insgesamt ergeben, ist evident. Neben den Auswirkungen auf Auswahl und Selbstdarstellung der politischen Elite unterstützt die Triviale Personenberichterstattung bestimmte Peters, Prominenz, S. 117. Peters, Prominenz, S. ll4. 181 Bailey, S. 206. 182 Peters, Prominenz, S. 115. 183 Vester, S. 179. 184 Zu diesem Begriff vgl. Kepplinger in Publizistik 1982, S. 98 (100), der ihn für Verhaltensweisen benutzt, welche erst durch die Anwesenheit der Medien hervorgerufen werden. 185 Peters, Prominenz, S. 117. 186 Karschöldgen/Küppersbusch in SPIEGELspecial Nr. 811995, S. 42. 179 180

5 Neben

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1. Teil: Triviale Personenberichterstattung in den Massenmedien

politische Grundhaltungen bei den Rezipienten selbst. So werden beispielsweise durch die zunehmende massenmediale Darstellung von "Übermenschen", Idolen und Vorbildern autoritative politische Tendenzen gefördert und die Bevorzugung von starken Persönlichkeiten unterstützt. 187 Mit der Zunahme an "konkretisierender Personendarstellung" geht darüber hinaus ein Verzicht der Begründung historischer, politischer, sozioökonomischer und kultureller Zusammenhänge einher. Nusser spricht zutreffend davon, die Realität werde auf ihre bloße Faktizität verkürzt.188 Politische Konflikte werden als persönliche Rivalitäten erlebt und nicht als Ausdruck gegensätzlicher gesellschaftlicher Interessenlagen. Die Triviale Personenberichterstattung fördert dementsprechend die reine Personenkritik und hindert die politische Sach- oder Systemkritik. 189 Sie reduziert damit die gesellschaftliche Erkenntnis- und Veränderungsmöglichkeit 190, bewirkt die Vernachlässigung von Sachfragen und verhindert deren Analyse und Abwägung 191 . Konsequenz dieser Entwicklung ist der politische Kompetenzverlust großer Bevölkerungsteile, dem wiederum ein wachsendes politisches Desinteresse folgt: 50 % der Bevölkerung sehen heute prinzipiell keine Nachrichtensendungen mehr. Der "Klasse der Informierten" steht damit eine wachsende "Klasse der Unterhaltenen" gegenüber. 192 Verstärkt wird dieser Effekt noch durch die bereits oben angeführte Privatisierung der Informationen, der mit Geiger eine grundsätzlich entpolitisierende Wirkung zuzuschreiben ist 193. Die hieraus resultierenden Gefahren für die Demokratie sind unübersehbar. Wie Biedenkop/ 94 zutreffend bemerkt, wird der Fundus geteilter Kommunikation immer geringer, womit sukzessive eine bedeutsame Voraussetzung für zielgerichtetes Gemeinschaftshandeln entfällt.

2. Auswirkungen auf die soziale Gemeinschaft Die außerhalb des Politischen liegenden Folgen der Trivialen Personenberichterstattung195 lassen sich mit den Begriffen "Wertewandel", "Realitätsverlust" und "Nivellierung" zusammenfassen.196 Zunächst ist als mittelVgl. Nutz, S. 106 f. Nusser, S. 135. 189 Nusser, S. 142. 190 Geiger, S. 28. 191 Geiger, S. 13. 192 Bittorf in SPIEGELspecial Nr. 8/1995, S. 19 (26). 193 Geiger, S. 16. 194 Kurt Biedenkopf, zit. nach Bittorf in SPIEGEL special Nr. 811995, S. 19 (26). 195 Mit Kepplinger ist davon auszugehen, dass die Wirkung der Massenmedien auf die Gesellschaft gleich der Summe ihrer Wirkungen auf die Rezipienten ist; Kepplinger in Publizistik 1982, S. 98. Die Analyse der individuellen Rezipientenwirkungen geht daher in der Analyse der gesellschaftlichen Wirkungen auf. 187 188

B. Triviale Personenberichterstattung als soziologisches Phänomen

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bare Auswirkung der Trivialen Personenberichterstattung ein tiefgreifender Wertewandel zu verzeichnen. Die zunehmende Privatisierung der massenmedialen Informationsvermittlung beinhaltet permanente Verstöße gegen die Regeln des Anstands und das Schamgefühl. 197 Hierdurch sinkt die gesellschaftliche Hemmschwelle, denn die Rezipienten empfinden die allgegenwärtigen Vorstöße ins Intime zunehmend als alltäglich. Die Grenzen von Öffentlichkeit und Privatheit verschieben sich und werden immer diffuser.198 Traditionelle Wertsysteme und Umgangsstile werden durch die Triviale Personenberichterstattung aufgeweicht, indem "die Erfahrungen aus dem Medienalltag zu Erfahrungen der alltäglichen Lebenswelt" werden. 199 Daneben bewirkt die Triviale Personenberichterstattung gesellschaftliche Realitätsverluste und die Flucht ins Irreale. Rusr00 führt zutreffend aus, die zwischenmenschlichen Beziehungen verlagerten sich zunehmend in die "Substitute der audiovisuellen Symbolwelten". Hieraus folge die Reduktion primärer Erfahrungen zugunsten vorbereiteter und bedürfnisgerecht strukturierter Musterlösungen für individuelle oder soziale Probleme. Der Ausweg aus einer als unbefriedigend empfundenen Wirklichkeit wird nicht in der aktiven Auseinandersetzung mit der eigenen Situation gesehen, sondern im Rückzug in passive Tagträume.Z01 Diese Entwicklung führt im Ergebnis zu einer nicht-emanzipierten, außengeleiteten Gesellschaft, die zur effektiven Problembewältigung immer weniger fähig ist. 202 Die normsanktionierende Funktion der Personenberichterstattung zieht darüber hinaus gesellschaftliche Konformitätsbestrebungen nach sich. Je konsequenter und lückenloser nämlich individuelle Normverstöße von den Medien "geahndet" werden, desto stärker bemüht sich der Einzelne, der herrschenden Werteordnung zu entsprechen. Dieser Mechanismus führt zu einer Nivellierung der Gesellschaft durch die Ausgrenzung "Komplizierter, Differenzierter und Problematiker"203 . Daneben unterstützt er gängige und für die Leserschaft des Trivialen typische Vorurteile wie Ressentiments gegenüber Fremden, Andersartigen und Abweichlem204 auf der einen, sowie ein hohes Leistungs- und Erfolgsdenken, geschlechtsspezifisches Rol196 Instruktiv zu den sozialen Medienwirkungen: Groebel/Winterhoff-Spurk, S. 151-212 sowie Schenk, S. 305-368. 197 Dorsch-Jungsberger, S. 407. 198 Neumann-Bechstein in FUNK-Korrespondenz Nr. 5/1996, S. 3 (6); Vester, s. 190. 199 Dorsch-Jungsberger, S. 408. 200 Rust, S. 240. 201 Nusser, S. 136. 202 Nusser, S. 139. 203 Nutz, S. 105. 204 Nusser, S. 145.

5*

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1. Teil: Triviale Personenberichterstattung in den Massenmedien

lenverhalten und ein ausgeprägtes Freund-Feind-Denken auf der anderen Seite205 . Die Massenmedien entfernen sich mit der Trivialen Personenberichterstattung zunehmend von ihrer integrativen Funktion und fördern die Aufspaltung und Zersplitterung der Gesellschaft in publizistische "Zielgruppen"206. 3. Auswirkungen auf das Individuum Bezogen auf die dargestellte Person selbst207 lassen sich sowohl positive (a)) wie auch negative Auswirkungen (b)) der Trivialen Personenberichterstattung beschreiben. a) Öffentliche Darstellung als Kapital und Podium Die Triviale Personenberichterstattung stellt sich nach Dorsch-Jungsberger vielfach als Geschäftsbeziehung zwischen Prominenten und Medien dar: Der Dargestellte erlange "Eitelkeitsbefriedigung"208 durch öffentliche Aufmerksamkeit, der Verlag oder der Sender erhalte als Gegenleistung ein "Produkt, das zumindest für eine gewisse Zeit hohe Qualitätsmerkmale aufweist, denn Prominenz ist eng gestreut"209. Betrachtet man die moderne Persönlichkeitsindustrie, so ist dieser These zuzustimmen, denn Prominenz hat heute faktisch einen erheblichen kommerziellen Wert: Im Jahre 1993 wurden im Merchandising210 weltweit 97,8 Mrd. US$ umgesetzt. 211 Die US-Popgruppe "New Kids on the Block" erzielte im Jahr 1990 einen Merchandising-Umsatz von 400 Mio US$. 212 Deramerikanische Basketballspieler Charles Barkley erhielt 1994 allein von seinem Hauptsronsor, der Sportartikelfirma Nike, knappe 3 Mio. US-$ an Werbegeldern. 13 Die jährlichen Werbeeinnahmen seines Kontrahenten Magie Johnson betrugen bereits im Nusser, a. a. 0. Bittorf in SPIEGEL special Nr. 811995, S. 19 (25). 207 Zur Ermöglichung einer unvoreingenommenen Analyse der individuellen Auswirkungen soll auf den Begriff "Opfer" in diesem Zusammenhang bewusst verzichtet werden. 208 Wie Birgit Peters darlegt, bewirkt häufige Medienpräsenz beim Rezipienten den Eindruck, dass es sich beim Dargestellten tatsächlich um eine herausragende und damit bedeutende Person handelt; vgl. Peters, Prominenz, S. 85. 209 Dorsch-Jungsberger, S. 404. 210 Das sogenannte Character-Merchandising, also die wirtschaftliche Verwertung der Identitätskennzeichen bekannter Personen, wird später Gegenstand einer eingehenden Untersuchung sein. 211 Seemann, S. 55. 212 Seemann, S. 56. 213 Jensen in Advertising Age vom 24.01.1994, Westlaw-Cit. 1994 WL 3286672. 205 206

B. Triviale Personenberichterstattung als soziologisches Phänomen

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Jahre 1991 annähernd 10 Mio. US-$? 14 Und der Sportartikelhersteller Fifa hat den Basketball-Jungstar Grant Hilf erst kürzlich mit einem Siebenjahresvertrag an sich gebunden, dessen Volumen auf ca. 80 Mio. US-$ geschätzt wird? 15 Wie Seemann zutreffend bemerkt, wird "Prominenz, Ruhm und Berühmtheit [... ] heute weniger als Privileg und Verpflichtung verstanden, sondern immer mehr als Gegenstand der Vermarktung. Der Grund ist, dass die Attraktionskraft des Namens, des Bildes oder der Stimme eines Prominenten sich immer mehr zur wertvollen ökonomischen Ressource entwickelte, welche [heute] wie andere immaterielle Werte gehandhabt wird."216 Die finanziell also äußerst lukrative allgemeine Bekanntheit (Prominenz) entsteht dabei vorwiegend durch massenmediale Personenberichterstattung, denn erst die Medien produzieren Prominenz und ermöglichen dem Dargestellten so die Vermarktung seiner Person.217 Vor allem für Sportler und Filmschauspieler erweist sich die massenmediale Personenberichterstattung also als unverzichtbares Element ihres wirtschaftlichen Erfolges. Unverzichtbar ist die massenmediale Personenberichterstattung auch für Politiker, denn für deren Wahlerfolg ist der Bekanntheitsgrad "wichtiger als die denkbar höchste Kompetenz'm 8 . Der Zugang zu den Massenmedien entscheidet maßgeblich über das politische Fortkommen einzelner Kandidaten.219 Zudem erhöht massenmediale Präsenz nicht nur den Bekanntheitsgrad, sondern prägt häufig auch einen positiven Eindruck in der Öffentlichkeit. Rager zufolge unterstellt ein Großteil der Öffentlichkeit, dass detjenige, der "auf dem Bildschirm etwas sagt, [... ] auch etwas zu sagen" hat. 220 Daneben wird durch das ständige mediale "Nennen und Zeigen" der für Politiker vorteilhafte Eindruck permanenter Aktivität erweckt. 221 Und schließlich ermöglicht die ständige Medienpräsenz es dem Dargestellten, seine Ansichten einem denkbar großen Publikum mitzuteilen und so um politische Unterstützung zu werben. 222 Mannheimer Morgen vom 03.01.1992, zit. nach Magold, S. 10. Vgl. "Und ewig lauert das Fettnäpfchen" in werben+ verkaufen (w+v) Nr. 42/ 97' s. 94 (98). 216 Seemann, S. 59. 217 Wie Birgit Peters zutreffend ausführt, gibt es keine objektive, real existierende Prominenz: Prominent sind diejenigen, die vermittelt werden und die beim Publikum ankommen; vgl. Peters, Prominenz, S. 85. 21 8 Macho in Merkur 1993, S. 762 (766). 21 9 Vgl. Peters, Prominenz, S. 106. 220 Rager, S. 132. 221 Geiger, S. 14. 222 Eine anschauliche Darstellung der Bedeutung massenmedialer Berichterstattung für den politischen Prozess am Beispiel der Dortmunder Kommunalwahl 1984 findet sich bei Schönbach/Eichhom, S. 43-98. 214 215

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1. Teil: Triviale Personenberichterstattung in den Massenmedien

Für die Privatperson schließlich, die in den Massenmedien öffentliche Erwähnung findet, dient dieser Akt vielfach der Befriedigung von Eitelkeit und Geltungsbedürfnis. Dies wird insbesondere für die Darstellung in den sog. Talkshows zu gelten haben; hier wird dem sonst Unbekannten ein einmaliges Podium zur Selbstdarstellung und damit die Chance eröffnet, aus der alltäglichen Gewöhnlichkeit - wenn auch nur für kurze Zeit - ins Rampenlicht der Fernsehöffentlichkeit zu treten. b) Öffentliche Darstellung als Pranger und Instrument der Invasion Den aus individueller Sicht wünschenswerten Auswirkungen der Trivialen Personenberichterstattung stehen erhebliche negative Effekte gegenüber. Diese haben bislang kaum wissenschaftliche Beachtung gefunden, obgleich sie eine elementare Bedrohung für bedeutende Individual- und Gemeinschaftswerte darstellen. Im folgenden sollen sie unter den Gesichtspunkten der öffentlichen Bloßstellung und der Invasion des Privaten diskutiert werden. Die Triviale Personenberichterstattung beinhaltet vielfach eine gesellschaftliche Bloßstellung. Private und intime Lebensdetails werden zum öffentlichen Diskussionsgegenstand gemacht. Individuelle Eigenschaften, Handlungen, Vorlieben und Einstellungen des Betroffenen werden so für jedermann sichtbar. Sofern diese den gesellschaftlichen Wertvorstellungen nicht entsprechen, stellt sich die öffentliche Berichterstattung damit als moderner Pranger dar. Die Gesellschaft verurteilt die Normabweichung, indem sie den Betroffenen der allgemeinen Missbilligung preisgibt. Das Resultat dieser Bloßstellung ist, vergleichbar der Wirkung des mittelalterlichen Prangers223 , der Ehrverlust des Betroffenen mit der sozialen Folge einer möglichen Beeinträchtigung der familiären und der Nachbarschaftsbeziehungen sowie der Berufs- und Karrieremöglichkeiten.Z24 Sofern sich das öffentlich gemachte Verhalten nicht als normwidrig erweist, stellt sich die Triviale Personenberichterstattung jedenfalls als Invasion der privaten Lebenssphäre dar. Die konsequente Beobachtung durch Fotografen, Reporter und die breite Öffentlichkeit - die sich in Extremfallen als physische Belagerung darstellen kann - beraubt den Betroffenen jeder Rückzugsmöglichkeit außerhalb der eigenen vier Wände und zwingt ihn zu einem ständigen Leben in der Öffentlichkeit. Die Folge ist ein Verlust von Spontaneität in Äußerungen und Handlungen, da sich der Betroffene stets beobachtet fühlen muss. Seine physische und psychische Bewegungsfreiheit werden hierdurch in erheblicher Weise beschnitten. 223 Vgl. dazu BROCKHAUS, Band 4, S. 288, der als Folge der Anprangerung die "Ehrlosigkeit" nennt. 224 Treffer in ZUM 1989, S. 433.

B. Triviale Personenberichterstattung als soziologisches Phänomen

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In extremen Fällen können, wie Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit belegen, Belagerung oder Bloßstellung zu außergewöhnlich heftigen Reaktionen der Betroffenen führen. Von dem japanischen Filmregisseur Juzo ltami sollten im Tokioter Skandalblatt Flash Paparazzi-Aufnahmen erscheinen, die ihn in verfänglicher Zweisamkeit zeigten. Um dem drohenden Ehrverlust zu entgehen, nahm sich Itami kurz vor Veröffentlichung das Leben. 225 Der homosexuelle US-Amerikaner Scott Amedure, der einem heterosexuellen Bekannten in der US-Amerikanischen Talkshow ,Jenny Jones" seine Liebe erklärte, wurde von diesem drei Tage nach Ausstrahlung der Sendung erschossen. Der "Überraschte" fühlte sich durch das Bekenntnis öffentlich gedemütigt. 226 Und nicht zuletzt der tödliche Autounfall der Princess of Wales im Jahre 1997, der sich nach heutigem Erkenntnisstand während einer Flucht vor Paparazzi-Fotografen ereignete, zeigt deutlich, welchen psychischen Belastungen das Opfer einer ununterbrochenen Medienverfolgung ausgesetzt ist, und zu welchen extremen Reaktionen diese führen kann.Z27

V. Zusammenfassende Betrachtung: Die "soziale Wertigkeit" der Trivialen Personenberichterstattung Die vorangegangenen Ausführungen haben sich ausführlich mit den Ursachen, den Funktionen und den Auswirkungen der Trivialen Personenberichterstattung befasst. Die Ergebnisse dieser Untersuchung sollen nun zusammengefasst und bewertet werden. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage nach der sozialen Wertigkeit der Trivialen Personenberichterstattung. Gemeinhin nämlich wird diese publizistische Gattung mit großer Skepsis betrachtet: eine Betrachtungsweise, die sich - wie an späterer Stelle ausführlich zu zeigen sein wird - nicht zuletzt in deren rechtlicher Behandlung widerspiegelt.228 Diese pauschale Qualifizierung wird dem sehr differenzierten publizistischen Phänomen jedoch nur eingeschränkt gerecht. Wie die vorangegangenen Ausführungen deutlich gemacht haben, ist die soziale Wertigkeit der Trivialen Personenberichterstattung tatsächlich höchst ambivalent zu beurteilen. Dies ergibt sich bereits aus einer Betrachtung der gesellschaftlichen Aspekte des Phänomens. Zwar sind hier vielfaltige negative Auswirkungen 225

226

(99).

Vgl. "Wie ein Samurai" in DER SPIEGEL Nr. l/1998, S. 87. Vgl. "Der Tanz ums Goldene Selbst" in DER SPIEGEL Nr. 29/1997, S. 92

227 Vgl. "Die Jagd, die Medien, der Tod" in DIE WOCHE Nr. 3711997, S. 1, 23 ff.; "Schrei nach Bildern" in DER SPIEGEL Nr. 37/1997, S. 228; "Blood on their hands?" in TIME MAGAZINE Nr. 10/1997, S. 36. 228 Dazu unten Zweiter Teil, B.III.2. sowie Zweiter Teil, C.

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I. Teil: Triviale Personenberichterstattung in den Massenmedien

der Trivialen Personenberichterstattung zu konstatieren?29 So führen der Vorstoß ins Private und Intime und die damit verbundenen kontinuierlichen Verletzungen des Anstandes zu einer Absenkung der gesellschaftlichen Hemmschwelle und sind damit Ursache für nachhaltigen Wertewandel und Moralverlust Hinzu kommt, dass die Triviale Personenberichterstattung eine Flucht der Rezipienten ins Irreale bewirkt. Diese flüchten sich in Scheinwelten, in denen die latenten sozialen und ökonomischen Konflikte stellvertretend für sie ausgefochten werden. Verloren geht dabei die eigene Fähigkeit zur effektiven Problembewältigung und zur Ausbildung von individuellen Konfliktlösungsstrategien. Gesellschaftliche Apathie, Verlust an Kritikfahigkeit und - damit verbunden - eine gesteigerte Anfalligkeit für Fremdbestimmung sind die Folge. Die aus der Trivialen Personenberichterstattung resultierende permanente öffentliche Kontrolle und die von ihr bewirkte Standardisierung von Verhaltensmustern wiederum führen zu Konformitätsbestrebungen, die dem Idealbild einer pluralen, toleranten und innovativen Gesellschaft zuwiderlaufen. Und schließlich gilt es zu bedenken, dass mit der Zunahme der Trivialen Personenberichterstattung nicht zuletzt auch die vielfach als bedenklich empfundene Kommerzialisierung der Persönlichkeit vorangetrieben wird, indem langfristig die Nachfrage nach und die gesellschaftliche Akzeptanz von "Persönlichkeitsgütern" stimuliert wird. Den Blick jedoch auf diese negativen Auswirkungen zu beschränken, erwiese sich als kurzsichtig. Denn gleichzeitig - förmlich als Kehrseite der Medaille - erfüllt die Triviale Personenberichterstattung wichtige gesellschaftliche Funktionen. 230 So dient sie zunächst der Sozialisation und Orientierung. 231 Durch die öffentliche Sanktionierung von Fehlverhalten respektive durch die Belohnung von normkonformem Verhalten vermittelt und veranschaulicht sie das gesellschaftliche Wertsystem. Dies ist besonders in Zeiten zunehmender sozialer Isolierung von Bedeutung, da die Rolle der Familie als primärem Vermittler von Werten immer weiter zurücktritt. Den Massenmedien kommt insofern eine bedeutende Auffangfunktion bei. Auch hilft die Triviale Personenberichterstattung beim Aufbrechen von (unzeitgemäßen) Tabus und erweitert so graduell das Spektrum öffentlich diskutierter und diskutierbarer Themen. Sie dient damit unmittelbar dem gesellschaftlichen Kommunikationsprozess. Und schließlich darf nicht verkannt werden, dass die detaillierte und unnachgiebige Berichterstattung über die Reichen, Schönen und Berühmten in gewisser Hinsicht der Herstellung von sozialer Gerechtigkeit dient: Diese "bezahlen" ihre - oftmals nicht auf eigenes Können, sondern allein auf gesellschaftliche Siehe hierzu Erster Teil, B.IV.2. Hierauf weisen in jüngerer Zeit auch Di Fabio in AfP 1999, S. 126 f. sowie Engels/Schulz in AfP 1998, S. 575 (580 f.) hin. 231 Erster Teil, 8.11.1. 22 9

230

B. Triviale Personenberichterstattung als soziologisches Phänomen

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Wertschätzung zurückzuführenden - Privilegien mit dem Verlust von Privatsphäre und der Anonymität. Der gesellschaftliche Wert der Trivialen Personenberichterstattung ist in dieser Hinsicht nicht zu unterschätzen. Ein ähnliches Bild ergibt sich für die politische Bedeutung der Trivialen Personenberichterstattung. Hier ist negativ anzumerken232, dass die immanente Privatisierungstendenz des Genres tendenziell zu Autoritätsverlusten bei Politikern führt, indem diese vielfach in peinlichen und despektierlichen privaten Zusammenhängen dargestellt werden und dadurch an Respekt und Vertrauenswürdigkeit einbüßen. Zugleich wird das Augenmerk der Rezipienten weg von den politischen Inhalten und hin zum sozialen oder gar visuellen Erscheinungsbild der Repräsentanten gelenkt. Als Folge wird die gesellschaftliche Rekrutierung der politischen Eliten immer stärker von emotionalen Kriterien geleitet. 233 Daneben führt die beschriebene Zersplitterung von Sachzusammenhängen zu erheblichen Inhaltsverlusten. Gesellschaftliche Konflikte erscheinen nurmehr als persönliche Streitigkeiten, gesellschaftliche Zusammenhänge gehen verloren und die Realität wird auf ihre bloße Faktizität reduziert?34 Gleichzeitig jedoch erweist sich die Triviale Personenberichterstattung als effektives Instrument der Kontrolle und Kritik, denn sie dient der Herstellung von Öffentlichkeit und der Schaffung von Transparenz. 235 In der repräsentativen "Personendemokratie" ist eine öffentliche Kontrolle der Funktionsträger von elementarer Bedeutung. Die zunehmende Komplexität der gesellschaftlichen, ökonomischen und politischen Zusammenhänge macht ein erhöhtes Maß an Transparenz erforderlich, so dass das investigative Element der Trivialen Personenberichterstattung zumindest aus demokratiestaatlichen Erwägungen heraus durchaus positiv zu bewerten ist. Nicht zuletzt zwingt die latente Gefahr der Entdekkung und öffentlichen Bloßstellung die politischen und gesellschaftlichen Funktionsträger zu Selbstkontrolle und Normkonformität Auch aus politischer Sicht lässt sich also insgesamt eine Ambivalenz der Wertigkeit feststellen. Zu einem sogar überwiegend positiven Ergebnis führt die Bewertung der Trivialen Personenberichterstattung aus Rezipientensicht, denn sie dient der Befriedigung von elementaren kommunikativen Grundbedürfnissen. 236 Zum einen erbringt sie eine wertvolle Informationsleistung und schafft damit die Voraussetzung für gesellschaftliche und auch politische Partizipation, befriedigt die Neugier und den menschlichen Drang nach Wissen und bewirkt eine Erweiterung des Kenntnisstandes im Bereich der Sekundärerfahrun232 233 234 235 236

Erster Teil, B.IV.l. Peters, Prominenz, S. 115. Nusser, S. 135. Erster Teil, B.II.2. Erster Teil, B.II.3.

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1. Teil: Triviale Personenberichterstattung in den Massenmedien

gen. 237 Daneben dient sie der Identifikation und der gesellschaftlichen Integration. Durch das "Vorspielen" von Rollen und Verhaltensmustern und durch die Verdeutlichung und Abgrenzung von sozialen Gruppen erleichtert sie dem Rezipienten die Eingliederung in die Gesellschaft und fördert damit das "soziale Wir-Gefühl"238. Diese Aufgabe ist insbesondere in Zeiten sozialer Vereinsamung von großer Bedeutung. Die medialen Rollenvorbilder füllen das Vakuum, welches aus dem Bedeutungsverlust echter sozialer Bindungen resultiert; sie ersetzen Freunde, Bekannte und Familie und bieten Ausgleich für fehlende Geselligkeit und Partnerschaft. Weiterhin übernimmt die Triviale Personenberichterstattung eine nicht zu unterschätzende Rekreationsfunktion. Sie stimuliert Emotionen und bietet Ablenkung vom vielfach freudlosen Arbeitsalltag. Und schließlich vermitteln ihre immer wiederkehrenden Konstellationen ein Gefühl der Kontinuität, der Verlässlichkeit und der Stabilität. Während die wirkliche Welt zunehmend komplexer und unbegreifbarer wird, flößen die Themen, die Rollen und die Charaktere der Trivialen Personenberichterstattung Vertrauen ein, sind altbekannt und vorhersehbar. Deren sich niemals ändernden Geschichten stellen eine beruhigende Konstante in einer im übrigen von Veränderung geprägten Welt dar. Doch nicht nur für den Rezipienten, auch für den Dargestellten selbst zeitigt die Triviale Personenberichterstattung positive Wirkungen. Für den bekannten Sportler, Schauspieler, Musiker oder Künstler führt die kontinuierliche Medienpräsenz zu einer Steigerung seines Marktwertes und damit zu einer Verbesserung seiner Einnahmemöglichkeiten239; für den dargestellten Politiker schafft die Triviale Personenberichterstattung ein öffentliches Forum. Darüber hinaus wird bloße Medienpräsenz in zunehmendem Maße als eigenständige politische Größe anzusehen sein, denn Medienpräsenz wird in den Augen vieler mit Einfluss, Bedeutung und damit indirekt mit Kompetenz gleichgesetzt.240 Und schließlich befriedigt Medienpräsenz für Bekannte wie Unbekannte gleichermaßen - in erheblichem Umfang persönliche Eitelkeiten. Demgegenüber ist freilich zu bedenken, dass ungewollte Medienpräsenz oftmals als öffentliche Bloßstellung oder gar als Demütigung empfunden wird. Im Extremfall enthüllender, negativer Berichterstattung kann sie zum Verlust von Ehre und Respekt führen und damit eine Potenzierung der Sanktion für einen individuellen und privaten Fehlverstoß bedeuten. Sie führt ebenfalls - und zwar unwiederbringlich zum Verlust der Anonymität. Und schließlich kann sie sich als ständige 237 Pürer/Raabe, S. 306. Zu dieser Erkenntnis ist mittlerweile auch das Bundesverfassungsgericht gelangt; vgl. BVerfG in NJW 2000, S. 1021 (1024). 238 Pürer/Raabe, S. 309. 239 Erster Teil, B.IV.3.a). 240 Erster Teil, B.IV.3.a).

C. Triviale Personenberichterstattung als ökonomisches Phänomen

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Belagerung des Dargestellten darstellen, die erheblichen Einfluss auf dessen private Lebensführung und -gestaltung nimmt. Das Leben mit der Öffentlichkeit kann so - ungewollt und unverschuldet - zu einem veröffentlichten Leben mutieren. 241 Die vielfach proklamierte These von der sozialen "Un-Wertigkeit" der Trivialen Personenberichterstattung kann vor diesem Hintergrund also keinesfalls als gänzlich widerlegt gelten - die negativen Implikationen dieser publizistischen Gattung sind nicht von der Hand zu weisen. Gleichwohl ist zu berücksichtigen, dass die Triviale Personenberichterstattung auch eine Reihe gesellschaftswichtiger Funktionen wahrnimmt. 242 Vergleichbar vielen anderen gesellschaftlichen Phänomenen wird man also von einer Ambivalenz ihrer sozialen Wertigkeit auszugehen haben. Diese grundlegende Erkenntnis wird im Rahmen der späteren, rechtswissenschaftliehen Untersuchung der Trivialen Personenberichterstattung maßgeblich zu berücksichtigen sein; das so beliebte "Argument" von der sozialen Minderwertigkeit der Trivialen Personenberichterstattung wird im Konfliktfalle den Abwägungsprozess mit entgegenstehenden Persönlichkeitsrechten nicht (länger) entscheidend beeinflussen können.

C. Triviale Personenberichterstattung als ökonomisches Phänomen I. Vorüberlegung Die massenmediale Informationsvermittlung steht im Spannungsfeld zwischen der Erfüllung des öffentlichen Informationsauftrages und dem Erfordernis ökonomischer Rentabilität. An welchem dieser beiden Postulate sich das einzelne Medium maßgeblich orientiert, ist individuell höchst unterschiedlich und hängt entscheidend von der konkreten Mediengattung, der allgemeinen wirtschaftlichen Situation des Mediums, seiner spezifischen Leser- oder Zuschauerschaft und nicht zuletzt vom gesamtgesellschaftlichen Umfeld ab. Für die Entwicklung der letzten beiden Jahrzehnte lässt sich jedoch eine grundsätzliche Feststellung treffen: Die Massenmedien insgesamt haben sich tendenziell von der Gemeinwohlverpflichtung gelöst und betonen heute den ökonomischen Aspekt ihrer Tätigkeit stärker als früher?43 Erster Teil, B.IV.3.b). Zu diesem Ergebnis gelangen auch Engels/Schutz in AfP 1998, S. 574 (580 f.), die insbesondere auf die Bedeutung der ,;Unterhaltungspresse" für die individuelle Persönlichkeitsentwicklung der Rezipienten hinweisen. 243 In diesem Sinne auch McQuail, S. 154 sowie Di Fabio in AfP 1999, S. 126 (127). Augenfalligste Folge dieser Schwerpunktverlagerung ist die vielfach beklagte 241

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1. Teil: Triviale Personenberichterstattung in den Massenmedien

Hieraus ergeben sich besonders weitreichende Konsequenzen für die informationeHe Verwendung der Persönlichkeit. Letztere ist von den Massenmedien längst - ähnlich wie von der Werbung - als ein Wirtschaftsgut mit großem ökonomischen Potential entdeckt worden. Persönlichkeitsattribute wie das Bildnis, der Name und vor allem die Lebensgeschichte eignen sich hervorragend zur Absatzsteigerung von Informationsprodukten wie Zeitungen, Zeitschriften und TV-Formaten. Die Triviale Personenberichterstattung muss daher in Ergänzung zum publizistischen und soziologischen auch im ökonomischen Zusammenhang gesehen werden: Triviale Personenberichterstattung ist zugleich auch eine Form kommerzieller Persönlichkeitsverwertung. Diese Erkenntnis ist von besonderer Bedeutung für das anstehende Problem des "Rechtsschutzes gegenüber Trivialer Personenberichterstattung" (Dritter Teil). Wie zu zeigen sein wird, konzentriert sich die Rechtsgemeinschaft in ihrer Reaktion auf unrechtmäßige Personenberichterstattung gegenwärtig auf ideelle Schutzinstrumente wie Widerruf, Gegendarstellung und Unterlassung. Begreift man die Triviale Personenberichterstattung allerdings richtigerweise - wie dies die folgenden Ausführungen belegen werden - als vorwiegend ökonomisch motiviertes Phänomen, so wird unmittelbar deutlich, dass sich die notwendige Absicherung der betroffenen Persönlichkeitsrechte allein mit diesen Mitteln nicht erzielen lässt, es vielmehr eines ökonomisch wirksamen - d. h. monetären - Rechtsschutzinstrumentes bedarf. Die sich an diese Erkenntnis unmittelbar anschließende Frage, wie ein solcher monetärer Rechtsbehelf ausgestaltet sein muss, um den Betroffenen tatsächlich wirksamen Rechtsschutz gewähren zu können, lässt sich freilich nur auf der Basis eines fundierten Verständnisses von den mikro- und makroökonomischen Funktionszusammenhängen der Trivialen Personenberichterstattung beantworten. Dem nun folgenden Abschnitt kommt daher die Aufgabe zu, den wirtschaftlichen Hintergrund des Phänomens herauszuarbeiten und zu beschreiben und damit eine Grundlage für die anstehende Auseinandersetzung mit dem Komplex des Rechtsschutzes gegenüber unrechtmäßiger Personenberichterstattung zu schaffen. Zu diesem Zweck soll in einem ersten Schritt einführend die allgemeine Kommerzialisierungstendenz der Massenmedien nachvollzogen werden, in deren Folge aus dem ehemals öffentlichen Gut Information heute ein marktfahiges Produkt geworden ist. Daran anschließend soll die Triviale Personenberichterstattung als Unterform der kommerTrivialisierung und Boulevardisierung des gesamten Informationsmarktes; vgl. zu dieser Entwicklung Bittorf in SPIEGEL special Nr. 811995, S. 19; Bresser in SPIEGEL special Nr. 111995, S. 71 ; Kilian in SPIEGEL special Nr. 8/1995, S. 108; Schnibben in SPIEGELspecial Nr. 111995, S. 49; GangZoff in Agenda Nr. 2611996, S. 24; Custer in Media Spectrum Nr. 2-3/1997, S. 42.

C. Triviale Personenberichterstattung als ökonomisches Phänomen

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zieHen Persönlichkeitsverwertung dargestellt und ihre strukturelle Nähe zu vergleichbaren Verwertungsformen wie Werbung und Merchandising aufgezeigt werden. Abschließend wird dann eine "Ökonomie der Trivialen Personenberichterstattung" zu entwerfen sein. Am Beispiel der Publikumszeitschriften soll dort das wirtschaftliche Potential trivialer Personeninformationen bestimmt und die Personalisierung von Medieninhalten als ökonomische Strategie beschrieben werden.

II. Die Kommerzialisierung der Massenmedien Der Begriff der Kommerzialisierung bezeichnet einen Prozess, in dem soziale Systeme sich zunehmend nach ökonomischen Regeln organisieren.Z44 Kennzeichnend für ein kommerzialisiertes soziales System sind die Überantwortung des Produktionsprozesses in private Hände (Privatisierung), die Warenform der produzierten Güter und die Profitmaximierung als Handlungsmaxime.Z45 Unter Zugrundelegung dieser Kriterien lässt sich die deutsche Medienlandschaft heute als weitgehend kommerzialisiert bezeichnen. Der ehemals rein öffentlich-rechtlich organisierte Rundfunksektor ist gekennzeichnet von einem Erstarken der privat-kommerziellen Anbieter mit der Folge einer zunehmenden Ausrichtung des gesamten Systems an ökonomischen Vorgaben. 246 Das Pressewesen lag schon immer in privater Hand und war deshalb von jeher auf Profitmaximierung ausgerichtet. Doch auch hier ist seit Beginn der Achtziger Jahre eine neue Dynamik zu verzeichnen, die von Wettbewerbsverschärfung und ökonomischer Konzentration gekennzeichnet ist. 247 Die Ursache dieser Tendenz ist zum einen in der Zulassung privat-kommerzieller Rundfunkveranstalter und dem daraus resultierenden intermediären Wettbewerb um Zuschauer, Leser und Werbewirtschaft zu sehen. Zum anderen hat die Herausbildung eines gesamtdeutschen Medienmarktes seit 1990 das unternehmecisehe Engagement auf diesem Sektor lohnenswerter und zugleich investitionsintensiver gemacht. Hiervon konnten vor allem größere und markterfahrene Unternehmen profitieren (Konzentration), die zugleich jedoch untereinander in einen zunehmenden Wettbewerb traten (Wettbewerbsverschärfung). Die Folgen der Kommerzialisierung für die Qualität der Medienkommunikation sind weitreichend. Mit dem werbefinanzierten privaten Rundfunk Löffelholz/Altmeppen, S. 581. Denis McQuail, zit. nach Löffelholz/Altmeppen, a. a. 0. 246 So auch Prott, S. 503 f. 247 Vgl. dazu Röper in Media-Perspektiven Nr. 5/1997, S. 226 ff. sowie Sjurts, s. 239 ff. 244

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1. Teil: Triviale Personenberichterstattung in den Massenmedien

ist die Einschaltquote zum Gradmesser des publizistisch-ökonomischen Erfolges geworden. Ihr kommt damit dieselbe Funktion wie der Auflagenhöhe im Pressewesen zu. Die Auswahl der vermittelten Inhalte in der kommerzialisierten Medienlandschaft wird infolgedessen nicht primär von der gesellschaftlichen Notwendigkeit, sondern von der vorhandenen Nachfrage bestimmt.248 Die ,journalistische Aussagenproduktion"249 der Massenmedien hat damit Warencharakter angenommen250 : Aus Informationsinhalten, ursprünglich verstanden als öffentliche Güter, sind marktfähige Produkte geworden. 251 Dass diese Entwicklung sich keinesfalls auf den Boulevardmarkt beschränkt, sondern auch die "seriöse" Presse eingeholt hat, verdeutlicht für die USA das Beispiel der Los Angeles Times: Die drittgrößte überregionale Tageszeitung der Vereinigten Staaten ist seit dem Herbst 1997 dazu übergegangen, jedem ihrer journalistischen Ressortleiter einen betriebswirtschaftlichen generat manager beizuordnen, der in einem Wirtschaftsplan festlegt, wie viele neue Leser und Anzeigenkunden in jedem Wirtschaftsjahr hinzuzugewinnen sind. Orientierungsgröße für das inhaltliche Konzept der Zeitung ist eine täglich durchgeführte Leserumfrage, anband derer sich die Bedürfnisse der "Kunden" exakt ermitteln und umsetzen lassen.Z52 Diese Entwicklung zieht notwendigerweise eine inhaltliche Annäherung an den Massengeschmack nach sich, der weniger nach politischen und wirtschaftlichen Nachrichten als nach Themen aus dem human interest-Bereich verlangt. 253 So erwächst aus der Kommerzialisierung ein neuer Medientypus, den McQuail als leicht und unterhaltend beschreibt254 : "Kommerzieller Inhalt ist tendenziell eher oberflächlich, anspruchslos, konformistisch und standardisiert, da sich nur so ein breiter Konsumentenkreis erschließen lässt"255 . Von dieser Tendenz werden sämtliche Mediengattungen erfasst. Selbst der öffentlich-rechtliche Rundfunk, ehedem Inbegriff des anspruchsvollen Journalismus und Produzent von hard news, kopiert heute vielfach die "Erfolgsrezepte der Privaten"256 und orientiert sich mehr und mehr an 248 Zu dieser Erkenntnis gelangen auch Prott, S. 504 sowie Di Fabio in AfP 1999, S. 126 (127): "[ ...] die Käufer votieren am Kiosk". 249 Heinrich, S. 20. 250 Prott, S. 504. 251 Prott, a.a.O. 252 "Ein paar Tränen für die Quote" in SüDDEUTSCHE ZEITUNG vom 8./9. August 1998, Feuilleton-Beilage S. VII. 253 Vgl. McQuail, S. 270. 254 McQuail, S. 16. 255 McQuail, S. 106: "Commercial content is likely [.. . ] to be more oriented to amusement and entertainment, more superficial, undemanding and conformist, more derivative and standardized. These are at least features which are related to success in a large market". 256 Löffelholz/Altmeppen, S. 582.

C. Triviale Personenberichterstattung als ökonomisches Phänomen

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der breiten Nachfrage nach Unterhaltung und Zerstreuung. 257 Der zunehmende Wettbewerb um die Gunst der Rezipienten führt laut Tunstall zu einer "imitative uniformity" der Medien auf dem Niveau massenattraktiver Inhalte. 258 Wie im folgenden zu zeigen sein wird, entspricht die Triviale Personenberichterstattung exakt diesem neuen Anforderungsprofil des kommerzialisierten Medienmarktes und stellt sich somit aus ökonomischer Sicht als konsequente unternehmecisehe Reaktion auf veränderte Marktgegebenheiten dar.

111. Die Kommerzialisierung der Persönlichkeit Die vergangeneo Jahrzehnte haben einen tiefgreifenden Wandel im Verhältnis zwischen Ökonomie und menschlicher Persönlichkeit bewirkt: Aus der menschlichen Persönlichkeit als "Substantialität der Seele"259 hat sich in der postmodernen Informations- und Erlebnisgesellschaft260 ein bedeutendes Wirtschaftsgut entwickelt, dessen universelle Verwertung heute zur gesellschaftlich akzeptierten Realität geworden ist. Die Triviale Personenberichterstattung führt diese Tendenz auf dem Markt der Informationsgüter fort. 1. Ökonomie und menschliche Persönlichkeit

Das überkommene gesellschaftliche Verständnis vom Wesen der menschlichen Persönlichkeit war lange Zeit ausschließlich von ideellen und idealistischen Vorstellungen geprägt und "mit einem gewissen Pathos"261 behaftet. Die menschliche Persönlichkeit wurde als "Gesundheit, Kraft, Schönheit, Temperament, moralischer Charakter, Intelligenz"262 begriffen und als die "durch schöpferische Selbstentfaltung erreichte eigentümliche Verwirklichung des Menschenbildes"263 bezeichnet. Diese Idealisierung des Persönlichkeitsbegriffes spiegelt sich auch im allgemeinen Sprachgebrauch wider. Hier wird der Begriff der "Persönlichkeit" zur Beschreibung der sozialen Wertigkeit eines Menschen verwendet: Unter einer "Persönlichkeit" wird gemeinhin ein Mensch verstanden, der "eine besonders überzeu257 Die Zahl der gesendeten Spielfilme beispielsweise ist in zwei Jahrzehnten von 270 (1966) auf 4565 (1988) angestiegen; 40% davon entfielen auf öffentlich-rechtliche Programme; vgl. FRANKFURTER RUNDSCHAU vom 18.01.1990, S. 20. 258 Tunstall, zit. nach McQuail, S. 161. 259 Nass, S. 15. 260 Seemann, S. 23. 261 Götting, S. 4. 262 Vgl. Nass, S. 18. 263 Hubmann, Persönlichkeitsrecht, S. 61.

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gende Identität besitzt; jemand, der eine besondere Rolle im gesellschaftlichen, öffentlichen Leben spielt"264. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass die kommerzielle Nutzung von Persönlichkeitswerten lange Zeit als missbilligenswert angesehen wurde. Die auf Kant zurückgehenden, idealistischen Wurzeln des Persönlichkeitsverständnisses265 verhinderten jede gedankliche Verbindung von Persönlichkeitswerten und ökonomischen Interessen. So galt es beispielsweise noch zu Beginn des Zwanzigsten Jahrhunderts als ehrenrührig, Bildnis oder Namen entgeltlich zu Werbezwecken zur Verfügung zu stellen?66 Wie Götting darlegt, ließ der "Sittenkodex der besseren Volkskreise" die Vermischung von Persönlichkeit und Kommerz aus moralischen Gründen nicht zu?67 Das Reichsgericht brachte diese Auffassung im Jahre 1910 prägnant zum Ausdruck, als es in der Graf Zeppelin-Entscheidung konstatierte, "einem fein fühlenden Menschen widerstrebt es, wenn sein Name überhaupt mit gewissen Waren in Verbindung gebracht wird"268 . Eine Analyse der aktuellen gesellschaftlichen Verhältnisse lässt die aus dem sittlichen Persönlichkeitsbegriff resultierende Skepsis gegenüber einer wirtschaftlichen Verwertung von Persönlichkeitsattributen jedoch als ein von der gesellschaftlichen Realität überholtes Relikt vergangener Tage erscheinen. Aus der "Substantialität der Seele"269 ist heute faktisch ein teuer gehandeltes Wirtschaftsgut geworden.270 In den Vereinigten Staaten 264 BROCKHAUS, Bd. IV, S. 197. Eine ähnliche Persönlichkeitsdefinition findet sich auch im amerikanischen Sprachgebrauch, der den Begriff "personality" verwendet für eine "person who has strongly marked qualities", Webster's New Encyclopedic Dictionary 1993, S. 750. 265 Siehe dazu Götting, S. 3 f. 266 In den Vereinigten Staaten war diese Ansicht bis etwa zur Jahrhundertwende vorherrschend. So führt Madow aus, dass es unter angesehenen Personen des öffentlichen Lebens noch in den Zwanziger Jahren als hochgradig würdelos galt, den Namen oder das Bildnis kommerziellen Zwecken zur Verfügung zu stellen. Entsprechend wandten sich die Betroffenen in Fällen der unberechtigten werblichen Verwendung ihrer Persönlichkeit auch nicht gegen eine vermeintliche wirtschaftliche Ausbeutung, sondern gegen die Verletzung ihres guten Rufes und die erlittene "Peinlichkeit"; vgl. Madow in 81 Calif. L. Rev., S. 127 (155, 165). 267 Götting, S. 45. 268 RGZ 74,309,311. 269 Nass, S. 15. 270 So auch Magold, S. 2. Die Frage, ob die Vermarktung der Persönlichkeit tatsächlich ein neues Phänomen ist, oder ob auch schon vor Beginn des 20. Jahrhunderts in vergleichbarer Weise mit Persönlichkeitsattributen gehandelt wurde, ist umstritten; vgl. Ropski/Kurer in SMI 1990, 279; Seemann, S. 33; dagegen Magold, S. I f. Jedenfalls steht aber außer Frage, dass erst die moderne Sport- und Unterhaltungsindustrie zum Entstehen eines Massenphänomens mit immenser wirtschaftlicher Bedeutung geführt hat. Zur Geschichte der Persönlichkeitsvermarktung instruktiv Seemann, S. 33 ff.

C. Triviale Personenberichterstattung als ökonomisches Phänomen

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begann sich die Vermarktung der Persönlichkeit - insbesondere in der Produktwerbung - bereits in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts als neue Wirtschaftsform zu etablieren.271 So bediente sich schon in den Fünfziger Jahren ein amerikanischer Zigarettenhersteller zu Werbezwecken der markanten Persönlichkeit des damaligen Schauspielers Ronald Reagan. 212 Spätestens seit Beginn der Achtziger Jahre betreibt die Werbewirtschaft nunmehr umfassend und systematisch die kommerzielle Verwertung prominenter Persönlichkeiten?73 Vor allem bekannte Filmschauspieler und erfolgreiche Sportler werden heute zur Absatzförderung von Konsumgütern eingesetze74. Diese Entwicklung hat längst auch die Bundesrepublik erfasst. So wird beispielsweise die Persönlichkeit des Fußball-Nationalspielers Oliver Bierhoff von insgesamt sieben unterschiedlichen Wirtschaftsunternehmen in bundesweiten Werbestrategien verwertet.275 Und auch die Stimmen, Abbilder und Namen bisher gänzlich unbekannter Personen werden effektiv zum Transport von Werbebotschaften genutzt. 276 Die ehedem geübte Zurückhaltung bei der Eigen- und Fremdvermarktung von Persönlichkeitsattributen ist heute einem mannigfaltigen und allumfassenden Personenmerchandising gewichen?77 Bedenken an dieser Entwicklung werden kaum formuliert. 278 Jedenfalls wird den Beteiligten längst nicht mehr "unfeines" oder gar "unmoralisches" 271 So solllaut Seemann bereits im Jahre 1926 die erste professionelle "Personality Licensing"-Agentur (Famous Names lnc.) ihr Geschäft in Chicago eröffnet haben; Seemann, S. 53 Fn. 128. 272 Miller in Advertising Age vom 28.02.1995, S. 3, Westlaw-Cit. 1995 WL 4293476. 273 Weitere ausführliche Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit finden sich bei Seemann, S. 55 ff. 274 Siehe dazu Miller in Advertising Age vom 28.02.1995, S. 3, Westlaw-Cit. 1995 WL 4293476. 275 Vermittelt durch die Münchener Agentur ISPR hat Bierhoff Verträge abgeschlossen mit Telly Dl Mobilfunk, der Deutschen Bank, dem Sportartikelhersteller Nike, dem Bekleidungsunternehmen fil a fil, der Kampagne Keine Macht den Drogen, dem Musik- und Unterhaltungskonzern BMG-Ariola sowie der Deutschen Gesellschaft für Wertpapiersparen (Stand: 1997); vgl. werben und verkaufen (w+v) Nr. 4211997, S. 94 f. Für weitere Beispiele personalisierter Werbung siehe "Und ewig lauert das Fettnäpfchen" in werben und verkaufen (w+v) Nr. 4211997, S. 94 (95, 100); "Ein neues Spiel" in werben und verkaufen (w+v) News Nr. 3411997, s. 24. 276 Häufig geschieht es jedoch, dass diese ursprünglich unbekannten ,,non-celebrity"-Werbeträger durch die Werbeeinsätze selbst zu Prominenten werden. 277 So kann es heute kaum verwundern, wenn die Schauspielerio Elizabeth Taylor gegenüber der ungenehmigten filmischen Verwertung ihrer persönlichen Lebensgeschichte nicht etwa ethische oder moralische Bedenken zum Ausdruck bringt, sondern ihre Ablehnung ausschließlich ökonomisch begründet: ,J am my own com· modity. I am my own industry" ; zit. nach Lewin in NEW YORK TIMES vom 21.11.1982, s. 22.

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1. Teil: Triviale Personenberichterstattung in den Massenmedien

Handeln vorgeworfen. Es wird heute vielmehr derjenige mit Verwunderung betrachtet, der das "Marktpotential"279 der menschlichen Persönlichkeit nicht möglichst effektiv nutzt. Dieser tiefgreifende Wertewandel findet seinen Ausdruck auch in einer veränderten Terminologie: Nachdem bislang die sittliche Persönlichkeit im Mittelpunkt der Wahrnehmung stand, ist der jüngere Sprachgebrauch vor allem durch die begriffliche Neuentwicklung der Persona als Gesamtheit der wirtschaftlich nutzbaren Persönlichkeitsattribute eines Menschen280 geprägt. Die zunehmende Beachtung, die dieser Begriff in der amerikanischen und deutschen Literatur erfährt281 , ist als Beleg dafür zu werten, dass das wissenschaftliche Bewusstsein nunmehr die tatsächliche Entwicklung der vergangeneo zwei Jahrzehnte aufgegriffen und nachvollzogen hat: Die kommerzielle Verwertung der menschlichen Persönlichkeit ist heute zur beachteten und akzeptierten gesellschaftlichen Realität geworden. 282 2. Grundlagen der kommerziellen Persönlichkeitsverwertung

Die menschliche Persönlichkeit ist eine wertvolle wirtschaftliche Ressource. Genutzt wird sie vor allem von der Werbewirtschaft und der Konsumgüterindustrie, die einzelne Persönlichkeitsattribute und das dahinterstehende Image vorwiegend prominenter Personen kommerziell verwerten. Dabei sind beinahe sämtliche personalen Identitätskennzeichen für die kommerzielle Vermarktung geeignet und werden heute auch tatsächlich in der Produktwerbung und im Merchandising eingesetzt. Besonders häufige Verwendung aber finden der Name, das Bildnis und die Stimme. Die äußere 278 Als einer der wenigen Stimmen sei auf den amerikanischen Rechtswissenschaftler Michael Madow und dessen grundsätzliche Kritik am amerikanischen right of publicity hingewiesen. Jedoch wendet sich Madow nicht in erster Linie gegen die Kommerzialisierung der Persönlichkeit als solcher, sondern hauptsächlich gegen den konkreten wirtschaftlichen Zuweisungsgehalt des kommerziellen Persönlichkeitsrechts; Madow in 81 Calif.L.Rev. S. 127 ff. 279 Oliver Bierhoff in werben und verkaufen (w+v) Nr. 42/l997, S. 94 f. 280 Magold spricht vorn "wirtschaftlichen Wert der persönlichen Identität" (Magold, S. 7). Seemann verwendet den Begriff bedeutungsgleich mit dem der Identität, verstanden als "Gesamtheit der Merkmale [... ] die geeignet sind, eine Person zu identifizieren" (Seemann, S. 31). Götting spricht von "kommerziell verwertbaren Identitätskennzeichen" (Götting, S. 136). 281 Der Begriff entstammt der amerikanischen Rechtswissenschaft und hat dort im Zusammenhang mit der Entwicklung des right of publicity, des kommerziellen Persönlichkeitsrechts, Bedeutung erlangt. Mittlerweile ist er auch von der deutschsprachigen Literatur aufgegriffen worden; vgl. Magold, S. 7; Seemann, S. 31. 282 So auch Götting, S. 137. Seemann spricht in diesem Zusammenhang zutreffend von der "vorn Markt her zu konstatierenden Kommerzialisierung personaler Elemente"; Seemann, S. 30.

C. Triviale Personenberichterstattung als ökonomisches Phänomen

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Gestalt des Menschen - sein Abbild - ist dasjenige Persönlichkeitsmerkmal, das ihn am leichtesten unterscheidbar und individualisierbar macht. Es ist unauflöslich mit der Person verbunden und bewirkt beim Betrachter eine unmittelbare Assoziation. 283 Die kommerzielle Persönlichkeitsverwertung bedient sich daher heute maßgeblich des Abbildes prominenter Personen, vor allem im Rahmen von Print-Werbekampagnen und TV-Werbespots. 284 Aber auch dem Namen kommt wirtschaftlicher Wert bei: Er wird vielfach als Marke und damit zur Benennung von Konsumgütern genutzt. 285 Und die menschliche Stimme findet in der Hörfunkwerbung oder als Untermalung oder zur Kommentierung von TV- und Filmspots kommerzielle Verwendung. 286 Selbst spezifischen Redewendungen kann ein ökonomischer Wert beikommen287, und auch Habitus, Gestik und Mimik, charakteristische Eigenschaften sowie spezifische Tätigkeiten und Funktionen werden als sogenannte Identitätskennzeichen kommerziell genutzt. 288 Götting, S. 12. So lässt sich beispielsweise der Filmschauspieler Til Schweiger für den Bekleidungshersteller Boss in dessen neuer Herrenkollektion abbilden, vgl. "Der ideale Hugo heißt Ti! Schweiger" in werben und verkaufen (w+v) Nr. 28/1997 S. 28; der ehemalige Fußballbundestrainer Hans-Hubert Vogts stellt sein Abbild dem Klimatechnikunternehmen Wolf zur Verfügung, vgl. "Und ewig lauert das Fettnäpfchen" in werben und verkaufen (w+v) Nr. 42/1997, S. 94; Claudia Schiffer posiert für eine Zeitungskampagne neben einem Auto der Marke Citroen, vgl. "Und ewig lauert das Fettnäpfchen" in werben und verkaufen (w+v) Nr. 42/1997, S. 95; Steffi Graf joggt für Rexona am Strand, vgl. "Steffi und Rexona trotzen Schweiß und Müdigkeit" in werben und verkaufen (w+v) Nr. 17/1997, S. 28 (Stand: 1997). 285 Als Beispiel kommerzieller Namensverwertung ist die Vermarktung eines Parfüms des Namens Alain Delon oder eines Sportschuhs mit dem Namen Andre Agassi anzusehen. Zum wirtschaftlichen Wert des Namens vgl. die WIPO-Studie über Charakter Merchandising (WO/INF/93), abgedr. bei Ruijsenaars, S. 309. 286 Die Ford Motor Company nutzte beispielsweise den Wiedererkennungswert der Gesangsstimme von Bette Midler für ihre Fernsehwerbung - freilich auf unzulässige Weise, da sie nicht Bette Midler selbst, sondern ein sogenanntes sound-alike für die Aufnahmen verwendete; vgl. Bette Midler v. Ford Motor Company, 849 F2. 460 (1988). Die markante Stimme des amerikanischen Sängers Tom Waits diente dem Gebäckhersteller Frito-Lay zur Absatzsteigerung, wenngleich dieser ebenfalls keine Einwilligung hierzu erteilt hatte, vgl. Feldman in LOS ANGELES TIMES vom 09.05.1990, S. 4. Ähnliches widerfuhr in Deutschland dem Schauspieler und Komiker Heinz Erhardt, dessen Stimme in einem Hörfunkspot imitiert wurde; vgl. Hanseatisches Oberlandesgericht in GRUR 1989, 666- Heinz Erhardt. 287 So nutzte der oben bereits erwähnte Hörfunkspot nicht nur den Wiedererkennungswert der Stimme Heinz Erhardts, sondern ließ das "sound-alike" ebenfalls Heinz Erhardt-typische Redewendungen rezitieren; vgl. Hanseatisches Oberlandesgericht in GRUR 1989, 666 - Heinz Erhardt. Einen ähnlichen Versuch unternahm ein amerikanischer Sanitärartikelhersteller, der seine Miettoiletten mit dem Slogan "Here's Johnny" bewarb- ein Slogan, mit dem über Jahre der erfolgreiche TV-Entertainer Johnny Carson seine allabendliche Show eröffnete; vgl. Carson v. Here's Johnny Portable Toilets, Inc., 698 F2d. 831 (1983). 283

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Die kommerzielle Verwertung der Persönlichkeit findet in der wirtschaftlichen Realität entweder als Personenmerchandising oder als konkrete Leitbildwerbung statt. Der Begriff des Personenmerchandising bezeichnet das "Merchandising der Identitätsmerkmale natürlicher Personen"289 , wobei unter Merchandising die umfassende, neben die jeweilige Primärverwertung tretende Sekundärvermarktung von populären Erscheinungen außerhalb ihres eigentlichen Betätigungs- und Erscheinungsfeldes zum Zwecke des Absatzes von Waren und Dienstleistungen zu verstehen ist. Das Merchandising ist streng von der klassischen Produktwerbung zu trennen: Merchandising bezeichnet die wirtschaftliche Sekundärverwertung der Persona als eigenes Produkt, als unmittelbares Genussobjekt, und nicht als Verkaufshilfe für andere Produkte, wie dies bei der Produktwerbung der Fall ist. 290 Unter das so verstandene Merchandising fällt beispielsweise der Vertrieb von Postern, T-Shirts, Kaffeebechern oder Mützen mit Namens- oder Bildnisaufdruck.291 Anders verhält es sich bei der konkreten Leitbildwerbung292. Hier wird die Persona nicht selbst als Produkt verkauft, sondern als Verkaufshilfe für fremde Produkte eingesetzt. Regelmäßig tritt die betreffende Person im Zusammenhang mit dem beworbenen Produkt auf, lässt sich mit dem Produkt abbilden oder stellt ihren Namen zu Kennzeichnungszwecken zur Verfügung. Das Merchandising bedient sich der Persönlichkeit vor allem zu Identifikationszwecken. Die Anziehungskraft des Trägerproduktes ergibt sich hier allein aus der Affinität des Konsumenten zum Imagegeber. Jener verschafft sich durch den Kauf und das öffentliche Vorzeigen des Produktes eine vermeintliche emotionale Verbindung zu seinem Idol. Er erklärt sich nach außen als Anhänger dessen, wofür der Imagegeber in der Öffentlichkeit steht, und identifiziert sich so plastisch mit den vom Imagegeber repräsentierten Werten. In Ergänzung hierzu kommt dem Merchandisingobjekt eine Souvenirfunktion bei. Ähnlich wie Souvenirs von Städten, historischen Orten oder Veranstaltungen lösen Souvenirs von Persönlichkeiten - die celebrity memorabilia - eine Erinnerung an bekannte Personen aus. 293 Die Erinnerung an das Idol wird so Bestandteil und Bereicherung des eigenen Lebens. Bedeutsam ist, dass die Persona im Rahmen des Merchandising zu keiner - direkten oder indirekten - Aussage über die Qualität des Produktes 288 Eine ausführliche Darstellung der Formen kommerzieller Persönlichkeitsverwertung findet sich bei Seemann, S. 54-59, sowie bei Magold, S. 15-21. 289 Magold, S. 22. 290 Magold spricht in diesem Zusammenhang von der "Persona als direkt an den Verbraucher absetzbares Wirtschaftsgut"; Magold, S. 18. 291 Vgl. dazu Seemann, S. 54. 29 2 Zum Begriff der konkreten Leitbildwerbung vgl. Henning-Bodewig in BB 1993, s. 605. 293 So auch Magold, S. 18.

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genutzt wird; das Merchandising basiert ausschließlich auf der emotionalen Wertschätzung des Konsumenten für die Persönlichkeit des lmagegebers.Z94 Hieraus ergibt sich, dass das Personenmerchandising die reinste Form der kommerziellen Persönlichkeitsverwertung ist, denn hier ist die Person selbst das Produkt.295 Das vordringlichstes Anliegen der konkreten Leitbildwerbung wiederum ist die Erzielung von Aufmerksamkeit. Der blickfangmäßige Einsatz der (prominenten) Persönlichkeit soll die Resistenz des Verbrauchers gegen die allgegenwärtige Überschwemmung mit Werbebotschaften abbauen und die Beschäftigung mit dem beworbenen Produkt erzwingen296 : 54,7% der deutschen Konsumenten nehmen Werbung stärker wahr, wenn Prominente sich für das Produkt einsetzen.297 Hierzu eignet sich besonders die Verwendung von Bildnissen, da diese den Umworbenen persönlich ansprechen und bei ihm positive Assoziationen und Emotionen wecken. 298 Das beworbene Produkt hebt sich von der Masse der qualitativ und preislich vergleichbaren Konkurrenz ab und verbessert so seine Marktposition.299 Eine Ergänzung zur reinen Aufmerksamkeitswerbung stellt die Verwendung der Persona zur Produktempfehlung dar. Zu dieser Verwertungsform zählen die sogenannten Testimonials oder Endorsements300• Hier wird die (bekannte) Persönlichkeit als tatsächlicher Konsument oder zumindest als Sponsor des beworbenen Produktes ausgegeben und trifft eine möglichst glaubwürdige Qualitätsaussage über das Produkt?01 Die Glaubwürdigkeit des Prominenten wird so in einen Vertrauensvorschuss für das Produkt transformiert. 302 So zutreffend Ruijsenaars, S. 311. Schon im Jahre 1977 bemerkte ein amerikanisches Gericht anläßtich einer Merchandisingverwertung des Sängers Elvis Presley, ,,Presley's identity was not just used to enhance a product, Presley was the product", Factors Etc. lnc, v. Creative Card Co., 444 F.Supp. 279, 283 (SDNY 1977). 296 Henning-Bodewig in BB 1983, S. 605. In diesem Sinne auch Magold, S. 17; Bürger, S. 31. 297 Laut Umfrage des GfK-Markforschungsinstituts in Horizont Nr. 3311997 vom 14.08.1997, s. 28. 298 Götting, S. 42. 299 Götting spricht in diesem Zusammenhang von einer "Präferenzstellung", die dem Produkt durch die verstärkte Aufmerksamkeit verschafft wird; Götting, S. 42. 300 Vgl. "Und ewig lauert das Fettnäpfchen" in werben+verkaufen (w+v) Nr. 42/ 1997, s. 94 ff. 301 Ein bekanntes Beispiel hierfür ist das Eintreten der TV-Moderatorin Ilona Christen für das Waschmittel Arie[ Futur. Der Spot erweckt gezielt den Eindruck, dass Frau Christen selbst überzeugte Konsumentin des Waschmittels sei, indem sie konkret dessen Produktqualität herausstreicht (sog. Testimonial). 302 Für 10,5% der Deutschen erhöht sich das Vertrauen in eine Marke allein dadurch, dass diese von einem Prominenten beworben wird; GfK-Marktforschungsinstitut in Horizont Nr. 33/1997 vom 14.8.1997, S. 28. 294

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1. Teil: Triviale Personenberichterstattung in den Massenmedien

Und schließlich basiert die konkrete Leitbildwerbung auf dem Prinzip des Imagetransfers. 303 Die Verbindung eines Produkts mit dem Bild, dem Namen oder der Stimme einer bekannten und beliebten Person dient dazu, die positiven Assoziationen, die das Publikum mit dem Prominenten verbindet, auf das Produkt zu übertragen. 304 Dem Produkt wird so ein bestimmtes Profil verliehen, welches auf den angesprochenen Konsumentenkreis eine besondere Anziehungskraft ausübt. 305 McAllister hat hierfür den Begriff des referent system geprägt. Seiner Auffassung nach muss die Werbung, um die Unterscheidbarkeit qualitativ vergleichbarer Produkte herzustellen, über die reine Produktanpreisung hinausgehen und sich mit den Bedürfnissen und Wünschen der Konsumenten befassen. Die konkrete Leitbildwerbung ermittelt als Folge dieser Erkenntnis die bevorzugten Wertvorstellungen des angepeilten Kosumentenkreises, um dann einen Prominenten einzusetzen, der diese Werte optimal repräsentiert?06 Die "assoziativen Vorstellungsbilder"307, die sich mit der prominenten Person verbinden, werden idealtypisch im Wege des Imagetransfers auf das beworbene Produkt übertragen, verleihen diesem das gewünschte positive Profil und garantieren dessen Unterscheidbarkeit von der Konkurrenz?08 3. Die Triviale Personenberichterstattung im System der kommerziellen Persönlichkeitsverwertung

Neben der oben erwähnten konkreten Leitbildwerbung und dem Personenmerchandising lässt sich die Triviale Personenberichterstattung als dritte Form der kommerziellen Persönlichkeitsverwertung begreifen. 309 Wie zu zeigen sein wird, unterscheidet sich die Abbildung eines bekannten Filmschauspielers auf dem Titelblatt einer Illustrierten aus ökonomischer Per303 So auch Magold, der in diesem Zusammenhang von assoziativer Verwertung spricht; Magold, S. 14. 304 Magold, S. 15. 305 V gl. Henning-Bodewig in BB 1983, S. 605. 306 McAllister, S. 53. 307 Seemann, S. 54. 308 Als Beispiel nennt McAllister die Werbekampagne des Pepsi Cola-Konzerns mit dem Supermodel Cindy Crawford. Pepsi Cola unterscheide sich weder geschmacklich, qualitativ noch preislich nennenswert vom Konkurrenzprodukt Coca Cola. Wenn jedoch dem Produkt Pepsi über längere Zeit Cindy Crawfo rd als Repräsentantin der Werte "modern" und "sportlich" zugeordnet wird, übernähme das Produkt Pepsi diese Eigenschaften und erhalte so ein modernes, sportliches Profil, das im Ergebnis die Unterscheidbarkeit vom Konkurrenten herstelle; McAllister, S. 53 f. 309 Freilich ist die informationeile Verwertung der Persönlichkeit bislang nur selten aus dieser Perspektive betrachtet worden. Lediglich Magold erwähnt die Veröffentlichung von Interviews und die Verwertung von Lebensereignissen Prominenter als Unterfall der "unmittelbaren Vermarktung fremder Persona", Magold, S. 21.

C. Triviale Personenberichterstattung als ökonomisches Phänomen

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spektive nur geringfügig von dessen Abbildung auf einer Kaffeetasse (Merchandising) oder auf einem Werbeplakat (konkrete Leitbildwerbung): Die eingesetzten Mittel, die verfolgten Ziele und die zugrundeliegenden Funktionszusammenhänge der drei Verwertungsformen sind weitgehend identisch. Die Triviale Personenberichterstattung kann deshalb als Unterfall oder als massenmediale Ausprägung der kommerziellen Persönlichkeitsverwertung angesehen werden. Zunächst lässt sich eine Parallelität hinsichtlich der genutzten Persönlichkeitsattribute feststellen. Wie oben ausgeführt, bedienen sich Leitbildwerbung und Merchandising vor allem des Abbildes, des Namens oder der Stimme des jeweiligen Werbeträgers. Deren Verwendung soll beim Konsumenten eine möglichst direkte Assoziation hinsichtlich der öffentlichen Persönlichkeit (des ,Jmages") der dahinterstehenden Person auslösen. Auch die Triviale Personenberichterstattung bedient sich dieser Persönlichkeitsattribute: Die Visualisierungstendenzen in der massenmedialen Informationsvermittlung haben das menschliche Abbild zum beliebtesten Darstellungsgegenstand in Presse und Rundfunk gemacht. Es findet Verwendung auf den Titelseiten der Illustrierten genauso wie im redaktionellen Teil der Regenbogenpresse und in den TV-Infotainment-Formaten. Als verbales Gegenstück zum Bild nutzt die Triviale Personenberichterstattung ebenfalls den Namen als Identifikationsmerkmal, um beim Rezipienten eine Assoziation mit der dargestellten Person zu bewirken. Und schließlich wird auch die menschliche Stimme von der Trivialen Personenberichterstattung verwertet: Interviews, Stellungnahmen und Kommentare sowohl im Hörfunk als auch im Fernsehen setzen die Stimme der dargestellten Person (auch) zu Identifikationszwecken ein. Während jedoch bei Merchandising und konkreter Leitbildwerbung lediglich das Image zum Konsumgut wird, geht die Triviale Personenberichterstattung weiter: Sie verwertet nicht nur das Image des Dargestellten, sondern dessen Lebensgeschichte. Sie verwertet persönliche Daten, Ereignisse und Äußerungen, und nutzt die Persönlichkeit damit weitergehend und intensiver, als dies bei Merchandising oder Leitbildwerbung der Fall ist. Auch der Kommerzialisierungsgrad der verwendeten Persönlichkeitsattribute ist in beiden Fällen vergleichbar. Wie oben bereits ausgeführt wurde, kommt dem Abbild, dem Namen und der Stimme im Rahmen des Merchandising und der Leitbildwerbung erheblicher kommerzieller Wert bei. Diese Persönlichkeitsattribute werden heute frei gehandelt und erzielen - je nach "Marktwert" der dahinterstehenden Person - Marktpreise in Millionenhöhe. Für die Ressourcen der Trivialen Personenberichterstattung - private Fotos, private Informationen, Interviews - gilt dies nicht minder: Der Bericht über die Hochzeit des Autorennsportlers Michael Schumacher

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l. Teil: Triviale Personenberichterstattung in den Massenmedien

erzielte einen Marktwert von DM 250.000? 10 Dem britischen Fotografen Mark Saunders zufolge lassen sich selbst banale Fotostones von Prominenten wie Lady Diana für bis zu DM 450.000 weltweit verkaufen. 311 Ein spektakuläres Foto der Princess of Wales im Fitnessstudio brachte dem Fotografen insgesamt DM 630.000 ein312; die bildliehe Dokumentation ihres Kusses mit dem ägyptischen Milliardärssohn Dodi al Fayet konnte der Fotograf Mario Brenna für insgesamt 5 Mio. DM verkaufen 313 . Das mittlerweile berühmte Foto von Sarah Ferguson, welches diese in erotischer Aktion mit dem texanischen Finanzmakler lohn Bryan zeigt, soll dem französischen Fotografen Daniel Angeli fast 4 Mio. DM eingebracht haben? 14 Das Foto von der Pop-Ikone Madonna mit ihrem neugeborenen Baby wurde für US-$ 180.000 verkauft? 15 Ein Familienfoto des international wenig bekannten, deutsche Schauspielers Til Schweiger brachte immerhin noch DM 10.000 ein. 316 Die von der Trivialen Personenberichterstattung benötigten Fotos und Geschichten werden von Agenturen gehandelt und international meistbietend verkauft. Triviale Personeninformationen sind damit faktisch ebenso kommerzialisiert wie dies bereits für das Foto zu Werbezwecken oder den Personennamen als Produktmarke oder als Verzierung eines Konsumartikels festgestellt worden ist. Und schließlich ist eine deutliche Parallelität der Funktionsweisen zu bemerken. Merchandising und Leitbildwerbung bedienen sich der Persona maßgeblich zur Erzielung von Aufmerksamkeit, wegen ihres Souvenirwertes, aus Identifikations- und aus Imagegründen. Der Persona des Dargestellten kommen in der Trivialen Personenberichterstattung vergleichbare Funktionen zu. Zunächst soll auch hier der blickfangmässige Einsatz von Persönlichkeitsattributen das Interesse des potentiellen Konsumenten an dem publizistischen Produkt wecken: Der mit einem Bild des Betroffenen auf der Titelseite angekündigte Bericht aus dem Leben eines Prominenten hat Aufmerksamkeitswert und lässt die Zeitschrift aus der Masse der vergleichbaren Konkurrenzprodukte heraustreten. Deren Absatzchancen erhöhen sich damit maßgeblich. Weiterhin erhält das Produkt durch die Personendarstellung Souvenirqualität Vergleichbar dem Merchandising wird das Trägerprodukt durch die Beigabe eines oder mehrerer Persönlichkeitsattribute (Abbild, Name, personenbezoVgl. Biobel in DIE WOCHE vom 22.09.1995, S. 52. Vgl. "Hysterische Gier nach Bildern" in FOCUS Nr. 37/1997, S. 306 (308). 312 Vgl. "Schrei nach Bildern" in DER SPIEGEL Nr. 3711997, S. 228 (229). 313 Vgl. "Schrei nach Bildern" in DER SPIEGEL Nr. 37/1997, S. 228 (229). 314 Vgl. "Dianas Tod in Paris: Die zweifelhafte Liaison zwischen Prominenz und Paparazzi" in DIE ZEIT Nr. 3711997, S. 2; "Hysterische Gier nach Bildern" in FOCUS Nr. 37/1997, S. 306 (308). 315 Vgl. "Schrei nach Bildern" in DER SPIEGEL Nr. 3711997, S. 228. 316 Vgl. "Schrei nach Bildern" in DER SPIEGEL Nr. 3711997, S. 228 (230). 310 311

C. Triviale Personenberichterstattung als ökonomisches Phänomen

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gene Information) emotional aufgewertet und erhält so Erinnerungswert. Mit dem Kauf des Produktes sichert sich der Konsument ein Stück Erinnerung an sein Idol. Ebenfalls dem Merchandising ähnlich ist der Identifikationswert der trivialen Personeninformation. Der Konsument - Leser oder Zuschauer nimmt durch den regelmäßigen Kauf von personenbezogenen Informationen vermeintlich am Leben der dort dargestellten Personen teil. Hierdurch fühlt er sich integriert und baut so eine emotionale - wenngleich einseitige - Verbindung zu dem gesellschaftlichen Vorbild auf.

4. Zusammenfassung und Ergebnis Die aufgezeigte Parallelität von Merchandising, Leitbildwerbung und Trivialer Personenberichterstattung lässt den Schluss zu, dass letztere als (publizistischer) Unterfall der kommerziellen Persönlichkeitsverwertung zu betrachten ist. Die Triviale Personenberichterstattung unterscheidet sich von Leitbildwerbung und Personenmerchandising nicht prinzipiell, sondern allenfalls graduell. Hier wie dort werden Persönlichkeitsattribute zur Absatzsteigerung und damit zu Gewinnzwecken instrumentalisiert. Der vermeintlich entscheidende Funktionsunterschied - hier: Information der Öffentlichkeit; dort: Schaffung von Kaufanreizen - erweist sich bei näherer Betrachtung als nicht erheblich. Denn auch Werbung und Merchandising transportieren Informationen, und von der Trivialen Personenberichterstattung geht ebenfalls ein erheblicher Kaufanreiz aus. Der Umstand, dass die Verwertungshandlung hier in den Medien stattfindet, rechtfertigt alleine keine unterschiedliche Betrachtung und Behandlung der (publizistischen) Verwertungsform. Diese Erkenntnis wird im Rahmen der späteren rechtswissenschaftlichen Untersuchung zu berücksichtigen sein.

IV. Die Ökonomie der Trivialen Personenberichterstattung Nachdem die Triviale Personenberichterstattung als Unterfall der kommerziellen Persönlichkeitsverwertung qualifiziert werden konnte, soll nunmehr deren konkretes wirtschaftliches Potential am Beispiel der illustrierten Publikumszeitschriften erläutert werden? 17 Zu diesem Zweck sind zunächst die wirtschaftlichen Grundlagen und die Marktsituation dieser Mediengattung darzustellen (1.). Auf dieser Grundlage lässt sich die Triviale Personenberichterstattung dann als Faktor des ökonomischen Erfolgs der Verlagsunternehmung "Publikumszeitschrift" beschreiben (2.). 317 Wie bereits oben ausgeführt, handelt es sich bei den illustrierten Publikumszeitschriften um eine Querschnittsgattung von besonderem publizistischen Gewicht. Dieser Umstand ermöglicht die exemplarische Darstellung allgemeiner medienökonomischer Zusammenhänge anband eines besonders aussagekräftigen Mediums.

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1. Teil: Triviale Personenberichterstattung in den Massenmedien

1. Ökonomik der Massenmedien, dargestellt am Beispiel der Publikumszeitschrift Bei der Darstellung der wirtschaftlichen Grundlagen der Zeitschriftenunternehmung ist zwischen mikroökonomischen (a)) und makroökonomischen Zusammenhängen (b)) zu trennen. a) Mikroökonomische Determinanten der Zeitschriftenunternehmung

Die Zeitschriftenunternehmung ist charakterisiert durch das Prinzip der Verbundproduktion. Sie produziert und verkauft zwei Güter gleichzeitig: Informationen für den Lesermarkt sowie "Anzeigenflächen" für den Werbemarkt.318 Hieraus ergibt sich die besondere Umsatzstruktur der Publikumszeitschrift, die sich auf den Vertriebsumsatz, also die Erlöse aus dem Heftverkauf, und den Anzeigenumsatz gründet. Bei den Publikumszeitschriften tragen heute beide Finanzierungsquellen etwa in gleichem Umfang zum Gesamtumsatz bei. 319 Dies hat für die Zeitschriftenunternehmung zur Folge, dass der redaktionelle Teil - die eigentliche Informationsvermittlung - in erheblichem Umfang von den Anzeigenerlösen subventioniert werden muss. 320 Andererseits trägt auch der Heftverkauf maßgeblich zum Gesamtumsatz bei, und eine erhöhte Auflage wird mittelfristig auch erhöhte Anzeigenerlöse nach sich ziehen? 21 Der wirtschaftliche Erfolg der Zeitschriftenunternehmung muss daher im Ergebnis auf zwei Märkten gleichzeitig erzielt werden. Auf dem Lesermarkt wird das journalistische Produkt an den Konsumenten verkauft. 322 Bedeutsam ist, dass Publikumszeitschriften zum weit überwiegenden Teil nicht im Abonnement, sondern im Einzelverkauf vertrieben werden. 323 Hieraus folgt, dass ein Großteil der potentiellen Konsumenten Vgl. Heinrich, S. 283 f. Der Anzeigenumsatzanteil der Publikumszeitschriften liegt seit 1980 relativ konstant bei etwa 42%; der Anzeigenseitenanteil lag 1990 bei 30,6% (1980: 32,8%); der Anzeigenumsatzanteil lag 1990 bei 42,1 % (1980: 42,7%); Heinrich, s. 284 f. 320 Nach einer Schätzung des damaligen stellvertretenden Chefredakteurs Norbert Sakowski würde die Zeitschrift BUNTE bei Wegfall aller Anzeigenerlöse im Einzelverkauf etwa das drei- bis vierfache kosten; Sakowski, S. 180. 321 Sog. ,,Auflagen-Anzeigen-Spirale"; vgl. Schütz in Fischer Lexikon Publizistik, S. 464; Pürer!Raabe, S. 215. 322 Dies erfolgt in der Praxis größtenteils über das Presse-Grosso; vgl. Seufert, S. 137. Zum Pressevertrieb allgemein auch Heinrich, S. 194 ff. 323 Der Abonnementsanteil am Vertrieb aller Zeitschriften lag 1991 bei 21,8%. Speziell für die Publikumszeitschriften dürfte dieser Anteil noch weit geringer sein; vgl. Heinrich, S. 297. 318 319

C. Triviale Personenberichterstattung als ökonomisches Phänomen

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immer aufs neue überzeugt und zum Kauf eines Exemplars animiert werden muss. Als Konsequenz für die "Aufmachung" der Zeitschrift folgt hieraus die Notwendigkeit "größer, [.. .] frecher, [... ] dramatischer [und] aufwendiger"324 zu sein, durch massenattraktive Inhalte und Darstellungsformen Aufmerksamkeit zu erregen und sich von der Konkurrenz optisch wie inhaltlich abzuheben. 325 Eine weitere Besonderheit der Zeitschriftenunternehmung ist, dass ein überproportionaler Verkaufserfolg auf dem Lesermarkt für das Unternehmen nicht unbedingt positiv sein muss, sondern sich sogar als bedrohlich darstellen kann. 326 Der Grund hierfür liegt in dem Dumping der Bezugspreise, welche die Herstellungskosten der Zeitschrift nur zu einem Bruchteil decken. Jede Auflagensteigerung muss daher auch von einer Steigerung des Anzeigenaufkommens begeleitet werden. Strategisch bedeutet dies, dass eine Profitmaximierung durch journalistische Qualitätssteigerung (verbunden mit einer erhöhten Auflage) weniger erfolgversprechend ist als eine Attraktivitätssteigerung des Titels für die Werbekunden (verbunden mit erhöhten Anzeigenerlösen). Diese Tendenz führt langfristig zur Absenkung des journalistischen Standards und zu einer Betonung konformistischer Inhalte, die zu einem optimalen "Werbeurnfeld" beitragen.327 Der Anzeigenmarkt ist zwar eng mit dem Lesermarkt verbunden, folgt jedoch eigenen Gesetzen und muss deshalb gesondert betrachtet werden. Das angebotene Produkt ist hier die "Verbreitungswahrscheinlichkeit von Werbebotschaften"328 . Der Werbetreibende erwirbt von der Zeitschriftenunternehmung den Kontakt zu einer bestimmten Zielgruppe (Leserschaft), der er über das Medium eine Werbebotschaft zukommen lassen kann. Die Einnahmen aus Anzeigenverkäufen werden maßgeblich von der Höhe der zu erwartenden Auflage329 und der Struktur der Leserschaft bestimme30: Je Schneider, S. 102. Vgl. Pürer/Raabe, S. 209. Sakowski führt in diesem Zusammenhang aus, "[alle] Massenblätter dieser Welt [...] wollen in der Abstimmung am Kiosk durch die Gestaltung ihrer Titelblätter möglichst viele Leser [...] ,einfangen"'; Sakowski, s. 178. 326 Dovifat bemerkt dazu: "Man wird lange suchen müssen, bis man ein Unternehmen findet, wo der Ansturm der Käufer den Betrieb ruiniert. Nichts kennzeichnet die Eigengesetzlichkeit der Zeitung und Zeitschrift mehr als diese Tatsache"; zit. nach Nussberger, S. 102. 327 Vgl. Heinrich, S. 149. 328 Heinrich, S. 283 f. 329 Vgl. Schütz in Fischer Lexikon Publizistik, S. 452. 330 Laut dem ehemaligen Stellvertretenden Chefredakteur der BUNTEN, Norbert Sakowski, gilt die Formel: "Je kaufkräftiger die Leser und je konkreter sogenannte Zielgruppen genannt werden können, desto mehr Anzeigenkunden wird man bekommen"; Sakowski, S. 182. Zu den betriebswirtschaftliehen Grundlagen des Anzeigengeschäfts vgl. Nussberger, S. 69 ff., 96 ff. sowie Heinrich, S. 66 ff. 324 325

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1. Teil: Triviale Personenberichterstattung in den Massenmedien

größer die Reichweite und je kaufkräftiger die Leserschaft, desto höher die Anzeigenerlöse. Da die illustrierten Publikumszeitschriften im Vergleich zu den special-interest-Zeitschriften ein tendenziell weniger kaufkräftiges Publikum ansprechen, sind sie zur Steigerung ihrer Werbeerlöse maßgeblich auf weite Verbreitung und damit auf Massenattraktivität angewiesen? 31 Bei den Kosten der Zeitschriftenproduktion ist zwischen fixen und variablen Kosten zu unterscheiden. Die fixen Kosten - wie z. B. die Bezugsgebühren von Agenturen und Bilderdiensten oder die Personalkosten - sind von der Auflage weitgehend unabhängig, wohingegen die variablen Kosten - wie z.B. Papier-, Farb- und Vertriebskosten - proportional zur Auflage ansteigen. 332 Hieraus ergibt sich -rur die Zeitschriftenproduktion der Grundsatz der regressiven Kostenstruktur: Je höher die Auflage, desto niedriger die Stückkosten, denn die Fixkosten können auf eine größere Anzahl Einzelprodukte umgelegt werden. 333 Eine hohe Auflage beinhaltet für das Zeitschriftenuntemehmen daher die Möglichkeit der Senkung des Vertriebspreises und einen damit verbundenen WettbewerbsvorteiL Eine solche lässt sich jedoch nur auf der Basis massenattraktiver Inhalte erzielen. Die Umsatzrendite, also den Gewinn vor Abzug von Steuern im Verhältnis zum Jahresumsatz, liegt bei der Zeitschriftenproduktion mit 5% bis 9% deutlich über dem Durchschnitt aller deutschen Industrieuntemehmen334, was das Unternehmerische Engagement in diesem Bereich als besonders lukrativ erscheinen lässt. Dieser Umstand bewirkt eine verstärkte Marktteilnahme, woraus sich ein intensiver Wettbewerb um Leser und Werbekunden ergibt. Die publizistische Konsequenz hieraus ist wiederum, wie bereits zuvor ausgeführt, eine Kommerzialisierung der journalistischen Inhalte. b) Makroökonomische Determinanten der Zeitschriftenunternehmung

Der Markt der Publikumszeitschriften ist seit Beginn der Achtziger Jahre von einer zunehmenden Wettbewerbsverschärfung gekennzeichnet. Die Zahl der in Deutschland produzierten Zeitschriften insgesamt ist zwischen 1982 und 1990 von 5.918 auf 7.005 Titel um knapp 20% gestiegen.335 Die Zahl 331 Das durchschnittliche monatliche Haushaltseinkommen der BUNTE-Leser lag im Jahr 1997 bei DM 4.099. Zum Vergleich: MANAGER-MAGAZIN DM 5.385, ESSEN UND TRINKEN DM 4.512, AUTO MOTOR UND SPORT DM 4.504; vgl. Allensbacher Werbeträger Analyse (AWA) 1997, abgedr. in werben & verkaufen compact Nr. 811997, S. 20. 332 Der Fixkostenanteil der Zeitschriftenproduktion lag im Jahre 1990 bei durchschnittlich 38,3 %; vgl. Heinrich, S. 287. 333 Pürer/Raabe, S. 207. 334 Heinrich, S. 288. 335 Seufert, S. 130.

C. Triviale Personenberichterstattung als ökonomisches Phänomen

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der Publikumszeitschriften hat sich von 1.332 auf 1.526 Titel erhöht - eine Steigerung von ca. 15%.336 Die Kategorie der Illustrierten und Magazine verzeichnete im selben Zeitraum einen Titelzuwachs von 92 %?37 Die seit 1982 erzielten Umsatzzuwächse der Publikumszeitschriften liegen demgegenüber deutlich unter dem Durchschnitt des gesamten Zeitschriftensektors.338 Die Anzeigenpreise pro Seite sind bei den Publikumszeitschriften von durchschnittlich DM 10.483 (1982) auf DM 10.130 (1990) gesunken, und die Anzeigenumsätze stagnieren. 339 Der Anteil der Publikumszeitschriften am Gesamtwerbeaufkommen340 ist von 16,1% (1982) auf 12,5% (1990) zurückgegangen. 341 Die Gesamtauflage der Publikumszeitschriften stieg zwar von 101,8 Mio. (1982) auf 119,4 Mio. (1990)342 und lag 1996 sogar bei 127,62 Mio. Exemplaren pro Erscheinungstag?43 Diese Zuwächse wurde jedoch nur durch eine überproportionale Steigerung der im Markt befindlichen Titel möglich, so dass sich die Konkurrenz auf dem Lesermarkt insgesamt erheblich verschärft hat. Hinzu kommt die sich stetig intensivierende Marktteilnahme der Femsehanbieter, die sich vielfach an identische Rezipientenkreise und Anzeigenkunden wenden. Noch verschärft wird die Wettbewerbssituation durch eine allgemein angespannte Wirtschaftslage, denn die vom Anzeigengeschäft abhängigen Massenmedien reagieren besonders empfindlich auf jede negative Wirtschaftsentwicklung?44 Das Ergebnis dieser Entwicklung ist ein zunehmender Verdrängungswettbewerb unter den Publikumszeitschriften. Dieser wiederum führt publizistisch zu marktgerechten redaktionellen Konzepten, die möglichst kostengünstig eine möglichst große Leserschaft ansprechen sollen. Als ein solches Konzept stellt sich die Triviale Personenberichterstattung dar.

Seufert, S. 132 f. Seufert, S. 131. 338 Seufert, S. 132; Heinrich, S. 308. 339 Umsätze aus Anzeigen 1982: DM 41,0 Mrd.; 1991: DM 41,6 Mrd.; vgl. Seufert, S. 132. 340 Hierunter sind die Brutto-Werbeaufwendungen für alle Werbeträger zu verstehen, die von der deutschen Wirtschaft innerhalb eines Jahres getätigt werden. Das Gesamtwerbeaufkommen lag für 1996 bei 25,9 Mrd. DM. 341 Pürer/Raabe, S. 222. Diese Entwicklung hat sich von 1992 bis 1996 fortgesetzt: Der Anteil der Publikumszeitschriften an den Bruttowerbeaufwendungen in den klassischen Medien ist in diesem Zeitraum von 30,3% auf 24,1% zurückgegangen; vgl. Heffler/Debus in Media Perspektiven Nr. 6/1997, S. 298 (299). 342 Seufert, S. 131. 343 Vgl. "Mehr Publikumsblätter" in HANDELSBLATT vom 27.01.1997, S. 6. 344 McQuail, S. 160: ,,Media which are heavily dependent on advertising are likely to be more sensitive to the negative impact of general economic downtums". 336

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I. Teil: Triviale Personenberichterstattung in den Massenmedien

2. Das wirtschaftliche Potential der Trivialen Personenberichterstattung Wie oben dargelegt, lösen sich die Massenmedien der Bundesrepublik tendenziell von ihrer ursprünglichen Gemeinwohlverpflichtung und orientieren sich zunehmend an ökonomischen Prinzipien. Dies gilt insbesondere für die Publikumszeitschrift, die seit Jahren einer erheblichen Wettbewerbsverschärfung ausgesetzt ist. Sie ist noch stärker als andere Mediengattungen darauf angewiesen, mit effizienten Mitteln eine breite Leserschaft anzusprechen, für sich zu gewinnen und langfristig an sich zu binden. Wie im folgenden zu zeigen sein wird, eignet sich die Triviale Personenberichterstattung aufgrund ihrer besonderen Anziehungskraft optimal als Instrument zur Verwirklichung dieser ökonomischen Zielsetzung, indem sie zur Auflagensteigerung (a)), zur Rezipientenbindung (b)) und zur Kostenersparnis (c)) beiträgt. a) Triviale Personenberichterstattung als Instrument der Auflagensteigerung

Zunächst dient die Triviale Personenberichterstattung der Erschließung eines denkbar großen Rezipientenspektrums. Sie entspricht dem von McQuail 345 als "Massengeschmack" beschriebenen Interesse an Informationen aus dem human-interest-Bereich. Sie liefert emotional stimulierende Details aus dem Leben der gesellschaftlichen Massenvorbilder und -idole. 346 Sie stillt das in einer individualisierten Gesellschaft zunehmende Bedürfnis nach Identifikation und Integration?47 Sie vereinfacht die Wahrnehmung des sich verkomplizierenden öffentlichen Lebens, der Wirtschaft und der Politik?48 Sie befriedigt das Skandal- und Sensationsbedürfnis in einer zunehmend versachlichten Welt. 349 Sie erleichtert die Orientierung in einer zersplitterten und von Wertedissens geprägten Gesellschaft?50 Und nicht zuletzt bietet sie Unterhaltung, Entspannung und Zerstreuung als vordringliche Lebensinhalte eines stetig anwachsenden Teils der Bevölkerung?51 Die Triviale Personenberichterstattung übt damit inhaltlich eine große Anziehungskraft auf breite Bevölkerungskreise aus. Unterstützt wird diese Wirkung durch die besondere Attraktionskraft der genrespezifischen Präsentationsformen. Die Triviale Personenberichterstat345 346

347 348 349 350 35I

McQuail, S. 270. Vgl. oben Erster Teil Vgl. oben Erster Teil Vgl. oben Erster Teil Vgl. oben Erster Teil Vgl. oben Erster Teil Vgl. oben Erster Teil

A.III.l. B.l1.3.b) und c). B.III.2. A.III.l. und B.II.3.d). B.II.l. und B.III.2. B.II.3.d) und B.III.4.

C. Triviale Personenberichterstattung als ökonomisches Phänomen

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tung bedient sich vor allem des Abbildes prominenter Personen in Form von Fotoberichten, Filmberichten und Titelfotos. Diese bildliehen Darstellungen wecken Assoziationen und Emotionen und sprechen den Betrachter "persönlich" an? 52 Dem Betrachter wird ein Gefühl der Nähe zur dargestellten Person suggeriert. Die Verwendung von Personenaufnahmen lenkt so das Interesse des potentiellen Konsumenten auf das Produkt und hebt es aus der Masse der Konkurrenzprodukte heraus. Die Triviale Personenberichterstattung stellt sich somit als wirksames Instrument zur Absatzsteigerung publizistischer Massenprodukte dar? 53 b) Triviale Personenberichterstattung als Instrument der langfristigen Rezipientenbindung

Weiterhin intensiviert die Triviale Personenberichterstattung die langfristige Bindung der Rezipienten an das Medium. Sie stellt zunächst im Wege der Identifikation eine (freilich einseitige) emotionale Verbindung zwischen Rezipient und Dargestelltem her. Auf dieser emotionalen Basis bewirkt die intensive Schilderung des persönlichen Schicksals der Identifikationsfigur bei dem Rezipienten den Aufbau von Spannung: ähnlich der Funktionsweise eines Fortsetzungsromans steigert jede angebotene Information das Interesse an dem weiteren Fortgang der Lebensgeschichte der Identifikationsfigur. Der so erzeugten (An)spannung wiederum entspricht, wie Nusser zutreffend ausführt, ein Bedürfnis nach Entspannung: "Die Entspannung, die im Mitvollzug des Problemlöseverhaltens der Identifikationsfigur [... ] eintritt, ist [... ] für die Befriedigung des Lesers von ebenso großer Bedeutung wie die Spannung selbst"354. Diese Entspannung aber ist nur durch Götting, S. 42. Deren Auflagenpotential lässt sich exemplarisch an der Berichterstattung über den Tod Lady Dianas belegen - einer Ikone der Trivialen Personenberichterstattung. Die Auflage der einschlägigen, in den Tagen nach dem traurigen Ereignis fast ausschließlich mit diesem Thema befaßten deutschen Publikumszeitschriften erhöhte sich infolge der besonderen Nachfrage um 25% bis 50%. Zudem wurden in Deutschland mehr als 3 Mio. Sonderhefte (Das Goldene Blatt; Die Aktuelle; Frau aktuell; Bunte; Echo der Frau; Frau mit Herz, jeweils mit einer Druckauflage zwischen 300.00 und 700.000 Exemplaren) abgesetzt (vgl. "Arbeitsreiche Volkstrauertage" in w+v werben und verkaufen background, Heft 38/1997, S. 124 f. sowie "Schrei nach Bildern" in DER SPIEGEL Nr. 37/1997, S. 228). Die Auflage der britischen "Sun" stieg am Tag nach dem Unfall um 50%, die des "Daily Express" um 20% (vgl. "Hysterische Gier nach Bildern" in FOCUS 37/1997 vom 08.09.1997, S. 307). Das seriöse britische "Time Magazine" konnte seine Auflage von sonst 128.000 Exemplaren mit dem Titel Death of a Princess auf etwa 800.000 Exemplare steigern (vgl. MSNBC news vom 02.10.1997). Die "Sat-1 Nachrichten" und der Nachrichtensender "n-tv" konnten ihre Marktanteile mit der Lady Di-Berichterstattung verdreifachen (vgl. "Schrei nach Bildern" in DER SPIEGEL Nr. 37I 1997, s. 228). 352 353

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l. Teil: Triviale Personenberichterstattung in den Massenmedien

den Konsum weiterer "Fortsetzungsberichte" zu erlangen. Aus dem Identifikationsaspekt der Trivialen Personenberichterstattung resultiert somit das Bedürfnis der Rezipienten, ihr Idol dauerhaft medial zu begleiten?55 Auf diesem Zyklus basiert die Bindungswirkung der Trivialen Personenberichterstattung. Sie bietet reale Personen als Identifikationsfiguren an, versorgt die Rezipienten mit emotional stimulierenden Informationen und weckt so das Interesse an der Lebensgeschichte der jeweiligen Figur. Je mehr aber über diese Person berichtet wird, desto wichtiger wird sie für den Rezipienten. Dieser will deren Lebensgeschichte immer detaillierter folgen und fragt in zunehmendem Maße Informationen über sein Idol nach. Die Triviale Personenberichterstattung kreiert damit ihre Nachfrage in nicht unerheblichem Umfang selbst. 356 c) Triviale Personenberichterstattung als Instrument der Kostenersparnis

Und schließlich erweist sich die Triviale Personenberichterstattung als vergleichsweise kostengünstiges publizistisches Konzept. Zum einen sind die Berichtsgegenstände der Trivialen Personenberichterstattung zumeist gemeinfrei, arg. Art. 5 I GG. Anders als die werbliche Nutzung der Persönlichkeit, welche regelmäßig die Zahlung einer Lizenzgebühr voraussetzt, ist die publizistische Nutzung der Persönlichkeit grundsätzlich unentgeltlich möglich. Der für die Triviale Personenberichterstattung typische Verzicht auf politische, gesellschaftliche oder ökonomische Hintergründe - die Reduzierung der Nachricht auf das Faktische - erfordert zudem deutlich weniger Aufwand in Recherche und Darstellung. Triviale Personenberichte können daher auch von geringerqualifiziertem und damit kastengünstigerem Personal erstellt werden. Und schließlich ist der triviale Personenjournalismus - anders als der "seriöse" Nachrichtenjournalismus - auf kein kostenintensives Netz von Redaktionsbüros in aller Welt angewiesen: Die notwendigen Informationen und Bilder werden regelmäßig von freien Journalisten oder Agenturen angekauft und können dann an zentraler Stelle redaktionell überarbeitet werden. Triviale Personenberichte lassen sich nach allem also vergleichsweise günstig produzieren.

Nusser, S. 128. So auch Nusser, S. 122 f. 356 Laut DER SPIEGEL schmückte beispielsweise allein Prinzessin Caroline von Monaco im Jahre 1996 weltweit 8450 Titelseiten von Zeitschriften und Zeitungen; vgl. "Aller Wahnsinn dieser Welt" in DER SPIEGEL Nr. 611997 vom 03.02.1997, s. 149. 354 355

C. Triviale Personenberichterstattung als ökonomisches Phänomen

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3. Zusammenfassung und Ergebnis Wie gezeigt werden konnte, erweist sich die Triviale Personenberichterstattung als kostengünstiges Instrument zur Auflagensteigerung und zur Intensivierung der Leser-Blatt-Bindung. Damit eignet sie sich in Zeiten verschärften publizistisch-ökonomischen Wettbewerbs optimal zur Absicherung und zum Ausbau der Marktposition von Informationsprodukten. Ihre deutliche Zunahme während der letzten Jahre stellt nach allem eine unternehmerisch konsequente Reaktion auf nachhaltig veränderte Marktbedingungen dar; die für die nächsten Jahre zu erwartende Wettbewerbsverschärfung auf dem Informationsmarkt wird dem Phänomen der Trivialen Personenberichterstattung noch weiteren Auftrieb verleihen.

V. Zusammenfassende Betrachtung: Die "Kommerzialität" der Trivialen Personenberichterstattung Die vorangegangenen Ausführungen haben die Ausgangsthese bestätigt, derzufolge es sich bei der Trivialen Personenberichterstattung um ein maßgeblich ökonomisches und damit wirtschaftlichen Gesetzmäßigkeilen folgendes Phänomen handelt. Die Triviale Personenberichterstattung ist durch vorwiegend betriebswirtschaftliche Erwägungen motiviert; Ziel der Kornrnunikatoren ist nicht - jedenfalls nicht primär - die Unterrichtung der Rezipienten über ein für wesentlich befundenes Thema, sondern der Vertrieb eines extrem gut verkäuflichen und vergleichsweise günstig herzustellenden Informationsproduktes. Ihre primäre interne Steuerungsgröße ist die Profitmaximierung, ihre primäre externe Steuerungsgröße ist die Nachfrage auf dem Markt der Informationsgüter. In Ansehung dieser Erkenntnis kann die Triviale Personenberichterstattung als Symbol zweier aktueller gesellschaftliche Entwicklungen betrachtet werden: Zum einen ist sie Ausdruck der zunehmenden Kommerzialisierung der Medienlandschaft insgesamt und der damit verbundenen Überführung massenmedialer Informationsinhalte - ehedem verstanden als öffentliche Güter - in marktfähige Produkte; zum anderen ist sie Ausdruck der zunehmend akzeptierten und praktizierten Kommerzialisierung der Persönlichkeit, welche ihren Niederschlag insbesondere im Personenmerchandising und in der konkreten Leitbildwerbung findet. Die Parallelen zwischen Merchandising, Werbung und Trivialer Personenberichterstattung sind dabei unübersehbar: Nahezu deckungsgleich wird das wirtschaftlich wertvolle Image bestimmter Personen zur Erzielung von Aufmerksamkeit, zum Imagetransfer auf das Informationsprodukt oder zur Befriedigung von Souvenir- und Sammelleidenschaft eingesetzt. Der gemeinhin als entscheidend empfundene Funktionsunterschied - hier: Infor7 Neben

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1. Teil: Triviale Personenberichterstattung in den Massenmedien

mation der Öffentlichkeit; dort: Schaffung von Kaufanreizen - erweist sich bei näherer Betrachtung als nicht erheblich. Denn auch Werbung und Merchandising transportieren Informationen, und von der Trivialen Personenberichterstattung geht ebenfalls ein erheblicher Kaufanreiz aus. Die Triviale Personenberichterstattung unterscheidet sich daher von Leitbildwerbung und Personenmerchandising nicht prinzipiell, sondern allenfalls graduell. Die aufgezeigten Parallelen zwischen den "üblichen" Formen der kommerziellen Persönlichkeitsnutzung (Werbung, Merchandising) und der Trivialen Personenberichterstattung haben eine erhebliche Konsequenz für deren rechtliche Bewertung. Zwar ergibt sich hieraus nicht etwa die "Geringerwertigkeit" der Trivialen Personenberichterstattung gegenüber anderen Formen massenmedialer Berichterstattung. Denn wie bereits mehrfach ausgeführt, resultiert aus der Kommerzialität eines sozialen Phänomens keineswegs zwingend dessen geringere soziale Wertigkeit. Hinzu kommt, dass die Triviale Personenberichterstattung in ihrer Kommerzialität nur einen tiefgreifenden gesellschaftlichen Veränderungsprozess widerspiegelt wie aufgezeigt, stellt die Kommerzialisierung sozialer Systeme ein allgegenwärtiges und weitgehend akzeptiertes gesellschaftliches Phänomen dar. Eine rechtliche "Schlechterbehandlung" der Trivialen Personenberichterstattung aufgrund der obigen Erkenntnis ist deshalb weder geboten noch gerechtfertigt. Bedeutung für die rechtswissenschaftliche Analyse gewinnt die obige Erkenntnis allerdings insofern, als die rechtliche Reaktion auf Persönlichkeitsverletzungen, die mit der Trivialen Personenberichterstattung einhergehen, deren kommerziellem Charakter Rechnung tragen müssen die adäquate Sanktion solcher Verstöße muss sich daran orientieren, dass die Triviale Personenberichterstattung - als Unterfall der kommerziellen Persönlichkeitsverwertung - kommerziell motiviert ist und ökonomischen Gesetzmäßigkeilen folgt. Die "Kommerzialität der Trivialen Personenberichterstattung" muss daher die Behandlung dieses Phänomens auf Rechtsfolgenebene maßgeblich leiten, wie die Ausführungen des Dritten Teils der vorliegenden Arbeit zeigen werden. Zunächst allerdings wird sich nun der Frage nach Umfang und Grenzen der rechtlichen Zulässigkeit der Trivialen Personenberichterstattung - und damit der Tatbestandsebene - zuzuwenden sein.

Zweiter Teil

Die Triviale Personenberichterstattung im Spannungsfeld zwischen Kommunikationsfreiheit und Persönlichkeitsschutz Einleitung Die Triviale Personenberichterstattung birgt ein erhebliches Konfliktpotential in sich. Da sie den Verlagen und Fernsehveranstaltern publizistisch-ökonomischen Erfolg garantiert 1 und zugleich dem wachsenden Unterhaltungs- und Informationsbedürfnis einer breiten Öffentlichkeit entspricht2 , ist das vorhandene Interesse an ihrer Verbreitung sowohl auf Seiten der Anbieter wie auch auf Seiten der Rezipienten überaus groß. Zugleich jedoch dringt die Triviale Personenberichterstattung bis in die privatesten Lebensbereiche vor, zerrt den Einzelnen ans Licht der Öffentlichkeit und inszeniert dessen persönliche Lebensgeschichte als gesellschaftliches Spektakel? Typischerweise läuft sie daher den elementaren Anonymitäts-, Diskretions- oder Ehrinteressen der Dargestellten zuwider. 4 Rechtliche Relevanz gewinnt dieser Konflikt aus dem Umstand, dass die beiden betroffenen Positionen gleichermaßen dem Schutz der Rechtsordnung unterstellt sind5 : Das Interesse des Individuums, von den Medien "in Ruhe gelassen zu werden", wird im Rahmen des straf- und vor allem des zivilrechtliehen Persönlichkeitsschutzes gewährleistet (MedienpersönlichSiehe oben Erster Teil, C.IV .2. Siehe oben Erster Teil, B.II.3 und B.III.4. 3 Siehe oben Erster Teil, B.IV.3.b). 4 Wie oben bereits ausgeführt, birgt die Triviale Personenberichterstattung teilweise auch Vorteile für den Betroffenen, vgl. oben Erster Teil, B.IV.3.a). In diesen Fällen - freiwillige Zurverfügungstellung für eine Reportage, Verkauf der Exklusivrechte an privaten Photos, entgeltliche Gewährung eines Exklusivinterviews besteht jedoch regelmäßig eine Interessenübereinstimmung zwischen dem publizierenden Medium und dem Betroffenen. Rechtlich relevante Konflikte resultieren dagegen aus ungenehmigter, dem Willen des Dargestellten zuwiderlaufender Berichterstattung. Nur diese bildet im folgenden den Gegenstand der Betrachtung. 5 Hierauf weist in jüngerer Zeit auch Di Fabio hin, der treffend von einem "rechtlichen Spannungsverhältnis" zwischen Medienfreiheit und Persönlichkeitsschutz spricht; Di Fabio in AfP 1999, S. 126. 1

2

7•

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2. Teil: Die Triviale Personenberichterstattung im Spannungsfeld

keitsrecht); das Verbreitungsinteresse der Medien unterfällt grundsätzlich der verfassungsrechtlichen Gewährleistung des Art. 5 I GG (Medienfreiheit). Diese beiden - gegenläufigen - Interessen müssen von den Gerichten im Konfliktfalle zu einem verhältnismäßigen Ausgleich gebracht werden. 6 In der publizistischen Realität können dabei vier typische Konfliktlagen unterschieden werden, in denen Persönlichkeitsschutz und Kommunikationsfreiheit aufeinandertreffen.7 Als eine erste Fallgruppe läßt sich die massenmedialen Verbreitung von ehrverletzenden Behauptungen ausmachen. Hierunter fallen unmittelbar gegen die Person gerichtete, abfällige Werturteile8 ebenso wie ehrenrührige Tatsachenbehauptungen9 , die den Dargestellten in seinem personalen oder sozialen Geltungsanspruch betreffen. Als eine zweite Fallgruppe kann daneben die massenmediale Verbreitung von Indiskretionen angesehen werden. Hierzu zählen private und intime Details über die private Lebensführung, über Krankheiten 10, Beziehungsprobleme11, religiöse Vorlieben und Praktiken 12, über die persönlichen Vermögensverhältnisse13, die Verwicklung in Straftaten 14 oder das Sexualleben 15 ebenso wie geheime Informationen, Tagebuchaufzeichnungen oder der Inhalt von vertraulichen Telefongesprächen 16. Eine dritte Fallgruppe umfaßt sodann die massenmediale Verbreitung von fotographischen Personenaufnahmen. Von herausragender Bedeutung sind hier die sog. Paparazzi-Aufnahmen, die den Betroffenen zumeist unbemerkt in einer privaten oder intimen Situation festhalten. 17 Daneben fällt in diese Gruppe aber auch die Verwendung von (unverfänglichen) Fotoaufnahmen 6 Instruktiv zur Notwendigkeit einer umfassenden Güter- und Interessenahwägung BGH in NJW 1999, S. 2893 (2894); BGHZ 131, S. 332 (337); BVerfG in NJW 1999, S. 1322 (1324)- Helnwein; Seyfarth in NJW 1999, S. 1287 (1289 f.). 7 Auch Di Fabio arbeitet "verschiedene Fallgruppen typischer Gefährdungslagen" heraus, wählt jedoch einen rein deskriptiven Ansatz; vgl. Di Fabio in AfP 1999, S. 126 (127). Die hier vorgeschlagene Gruppenbildung versucht demgegenüber, sowohl deskriptive wie auch normative Elemente zu vereinigen. 8 Vgl. BVerfG in EuGRZ 1993, S. 146- Bö1l. 9 Vgl. BGH in NJW-RR 1995, S. 301 (304). 10 Vgl. BGH in NJW 1996, S. 984 (985)- Caroline von Monaco II. 11 Vgl. OLG Köln in AfP 1982, S. 181 (183)- Rudi Carell. 12 Vgl. OLG Köln in AfP 1993, S. 759- Scientology. 13 Vgl. OLG Harnburg in AfP 1992, S. 376. 14 Vgl. OLG München in AtP 1997, S. 636. 15 Vgl. LG Berlin in NJW 1997, S. 1155- Pomodarsteller. 16 Vgl. BGH in NJW 1979, S. 647- Kohl/Biedenkopf. 17 Vgl. BGH in AfP 1996, S. 140- Carotine von Monaco III; LG Köln in AfP 1994, S. 165; OLG Harnburg in AtP 1995, S. 512; OLG Harnburg in NJW-RR 1994, s. 990.

Einleitung

101

zur Steigerung des Aufmerksamkeitswertes des publizistischen Produkts 18 sowie die zweckentfremdende, publizistische Zweitverwertung von ursprünglich einvernehmlich angefertigten Aufnahmen 19. Als vierte Fallgruppe schließlich ist die massenmediale Verbreitung von unwahren Personeninformationen zu berücksichtigen. Als praktische Ausprägung dieser Konfliktlage sind insbesondere erfundene oder aus der Phantasie angereicherte Exklusivinterviews20 sowie wissentliche oder unwissentliche Falschmeldungen aus dem Privatbereich des Betroffenen21 anzusehen. In Anlehnung an diese vier typisierten Konfliktlagen soll im folgenden die Triviale Personenberichterstattung als Rechtsproblem erörtert werden. Im Mittelpunkt der Untersuchung steht dabei die Frage nach der Rechtmäßigkeit ("Zulässigkeit und Grenzen") ihrer spezifischen Erscheinungsformen: Bis zu welcher Grenze sind massenmediale Ehrangriffe zulässig? Inwieweit dürfen die Medien private und intime Personeninformationen verbreiten? Wo endet ihre Befugnis zur Verbreitung von fotographischen Personenaufnahmen? Und in welchem Umfang sind sie in ihrer Personendarstellung zur Wahrheit verpflichtet? Die Beantwortung dieser Fragen soll in drei Schritten erfolgen. Zunächst wird die rechtliche Fixierung der gegenläufigen Interessen darzustellen sein. Gegenstand dieses ersten Abschnitts sind Umfang und Grenzen der verfassungsrechtlichen Kommunikationsfreiheit auf der einen sowie des sie beschränkenden Persönlichkeitsschutzes auf der anderen Seite (dazu unter A. ). Daran anschließend soll die rechtliche Auflösung des Aufeinandertreffens von Kommunikationsfreiheit und Persönlichkeitsschutz innerhalb der vier typischen Konfliktlagen beschrieben, erläutert und systematisiert werden. Auf der Grundlage einer ausführlichen Analyse der aktuellen äußerungsrechtlichen Rechtsprechung sollen in diesem Abschnitt die tragenden Prinzipien der rechtlichen Kollisionsauflösung herausgearbeitet und kritisch hinterfragt werden (dazu unter B.). In einem dritten Abschnitt schließlich kann dann - in Anwendung der zuvor gewonnenen Erkenntnisse - die eingangs aufgeworfene Frage nach dem Grenzverlauf zwischen Medienfreiheit und Persönlichkeitsschutz, und damit zugleich die Frage nach Zulässigkeil und Grenzen der Trivialen Personenberichterstattung abschließend beantwortet werden (dazu unter C.).

Vgl. BGH in NJW-RR 1995, S. 789. Vgl. OLG Harnm in NJW-RR 1997, S. 1044; OLG Harnburg in AfP 195, s. 665. 20 Vgl. BGH in NJW 1965, S. 685 - Soraya; BVerfGE 34, S. 269 (283) Soraya; BGH in NJW 1995, S. 861 - Caroline von Monaco I. 21 Vgl. BGH in NJW 1996, S. 984 (985)- Carotine von Monaco II. 18

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2. Teil: Die Triviale Personenberichterstattung im Spannungsfeld

A. Rechtliche Fixierung der kollidierenden Interessen Der nun folgende Abschnitt wird die gegenläufigen Interessen der Kornrnunikatoren auf der einen und der öffentlich Dargestellten auf der anderen Seite in ihrer Ausprägung als rechtlich abgesicherte Positionen beschreiben und den Umfang und die Intensität des ihnen jeweils zukommenden Rechtsschutzes ermitteln.

I. Die Verbreitungsfreiheit der Kommunikatoren Das Interesse an der Verbreitung publizistischer Inhalte durch ein Massenmedium genießt im Rahmen der Medienfreiheit (Art. 5 I 2 GG) umfassenden Grundrechtsschutz. 22 Als Akt massenmedialer Informationsvermittlung fallt die Triviale Personenberichterstattung grundsätzlich in den Gewährleistungsbereich dieses Freiheitsrechts. Die speziellen, im Ersten Teil dieser Arbeit ausführlich dargestellten Erscheinungsformen und Charakteristika der Trivialen Personenberichterstattung wecken jedoch begründete Zweifel, ob diese publizistische Gattung nicht im Einzelfall die Grenzen des grundrechtliehen Schutzbereiches sprengt. Der nun folgende Abschnitt widmet sich daher der Frage, ob sich die Kommunikatoren tatsächlich für die gesamte Bandbreite der Trivialen Personenberichterstattung auf den Schutz der Medienfreiheit des Art. 5 I 2 GG berufen können. Zur Beantwortung dieser Frage bedarf es zunächst eines einführenden Überblicks über die veifassungstheoretischen Grundlagen der Freiheit der Massenkommunikation, denn diese sind in erheblichem Maße vorbestimmend für die konkrete verfassungsrechtliche Beurteilung der Trivialen Personenberichterstattung (1.). Eine solche Beurteilung wird dann- orientiert an den typischen Charakteristika der Trivialen Personenberichterstattung - in einem zweiten Schritt erfolgen, der zugleich einen Beitrag zur grundsätzlichen Schutzbereichsbestimmung des Art. 5 I 2 GG leisten soll (2.). Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse lässt sich dann die eingangs aufgeworfene Frage nach dem konkreten Grundrechtsschutz der Trivialen Personenberichterstattung detailliert beantworten (3. ).

22 Vgl. Hoffmann-Riem, der unter Medienfreiheit die "Freiheit publizistischer Vermittlung durch ein Massenmedium" versteht; Hoffmann-Riem in HdBVerfR, § 7 Rn. 24. Zu Inhalt, Umfang und systematischer Verankerung der Medienfreiheit vgl. unten Zweiter Teil, A.I.2.a).

A. Rechtliche Fixierung der kollidierenden Interessen

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1. Verfassungstheoretische Grundlagen

a) Individuelle und gesellschaftliche Bedeutung der Medienfreiheit Der Medienfreiheit kommt im Gefüge grundrechtlicher Gewährleistungen eine herausragende Bedeutung bei. Diese knüpft zunächst und maßgeblich an die Rolle der massenmedialen Kommunikation in der freiheitlich-demokratischen Staatsordnung an. Bereits die Virginia Bill of Rights - das Ursprungsdokument der modernen Grundrechtskataloge 23 - erkannte die Freiheit der massenmedialen Berichterstattung als "one of the great bulwarks of liberty [which] can never be restraint but by despotic govemment"24. Zu Recht bezeichnet deshalb auch das Bundesverfassungsgericht die freie, nicht von der staatlichen Gewalt gelenkte öffentliche Massenkommunikation als "Wesenselement" des freiheitlichen Staates?5 Ausgangspunkt dieser Überlegung ist die Erkenntnis, dass alle Staatsgewalt vom Volk ausgeht, Art. 20 II I GG. Ausgeübt wird diese primär über Wahlen und Abstimmungen, in denen sich das Volk zu seiner frei gebildeten politischen Meinung bekennen kann. 26 Grundlage und Bedingung des hierfür erforderlichen Meinungsbildungsprozesses ist ein öffentlicher Wettstreit der Meinungen, der dem einzelnen als notwendige Informationsquelle und Orientierungshilfe im Prozess der politischen Willensbildung dient. Die Massenmedien fördern und prägen diesen Prozess, indem sie Informationen beschaffen und weiterleiten, in politischen und gesellschaftlichen Fragen Stellung beziehen und damit als orientierende Kraft in der öffentlichen Auseinandersetzung wirken. 27 Hinsichtlich ihres Demokratiebezuges geht die Bedeutung der Massenkommunikation über die der Individualkommunikation noch hinaus, da Massenmedien nicht nur gleichberechtigte Teilnehmer der geistigen Auseinandersetzung sind, sondern darüber hinaus als Sprachrohr und Verstärker den bereits in der Gesellschaft vorhandenen Meinungen zusätzliches Gewicht und Durchschlagskraft verleihen?8 Der gesteigerte Demokratiebezug ist dabei nicht auf die Behandlung unmittelbar "politischer" Themen beschränkt.29 Die sich im Wahlakt manifestierende politiSo Stern in HdBStR, § 108 Rn. 13, unter Bezugnahme auf Georg Jellinek. Virginia Bill of Rights (1776), Sec. 12. 25 Vgl. für die Presse BVerfGE 20, S. 162 (174). Diese Feststellung hat das Bundesverfassungsgericht ebenfalls für den Rundfunk als zweites, bedeutendes Massenmedium getroffen; vgl. BVerfGE 12, S. 205 (260 f.); BVerfGE 57, S. 295 (319 f.). 26 Vgl. Maunz/Dürig-Herzog, Art. 5 Abs. 1,11 Rn. 4; BVerfGE 14, S. 121 (132); BVerfGE 20, S. 56 (98). 27 So auch BVerfGE 20, S. 162 (174). 28 Das Bundesverfassungsgericht spricht in diesem Zusammenhang davon, die Massenmedien seien "Medium und Faktor" im demokratischen Willensbildungsprozess; BVerfGE 50, S. 290 (340). 23

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2. Teil: Die Triviale Personenberichterstattung im Spannungsfeld

sehe Entscheidung des Bürgers gründet sich auf eine Vielzahl von Erfahrungen und Informationen aus allen Lebensbereichen, die ihm erst von den Massenmedien vermittelt werden.30 Daher ist die massenmediale Informationsvermittlung insgesamt von besonderer Relevanz für das Funktionieren des freiheitlich-demokratischen Systems. 31 Daneben - mit welcher konkreten Gewichtung wird an späterer Stelle zu ermitteln sein - steht das individuelle Interesse des einzelnen an der freien Kundgabe seiner Meinung. Ungehinderte Meinungsäußerung erweist sich als "unverzichtbare Bedingung menschlicher Existenz"32 und ist als "unmittelbarster Ausdruck der menschlichen Persönlichkeit"33 von staatlicher Seite zu achten und zu schützen. Dieser Menschenwürdebezug tritt zwar im Bereich der Massenkommunikation teilweise zurück, denn als Kommunikatoren treten hier eher juristische denn natürliche Personen in Erscheinung. 34 Im gleichen Maße wie sich die individuelle Komponente der Medienfreiheit damit vom Bezugspunkt der Menschenwürde entfernt, erstarkt jedoch deren ökonomischer Gehalt. So ist Medienfreiheit heute (auch) eine spezielle Form von individueller Wirtschaftsfreiheit, bezogen auf den Markt der Kommunikationsinhalte und -güter. 35 Die Freiheit der Massenkommunikation ist nach allem für das Funktionieren des demokratischen Rechtsstaates ebenso bedeutsam wie für essentielle individuelle Freiheitsinteressen. Sie kann daher mit Recht als "für eine freiheitliche demokratische Staatsordnung schlechthin konstituierend" 36 qualifiziert werden.

So auch v. Münch-Wendt, Art. 5 Rn. 2. Dazu oben Erster Teil, B.II.I und B.II.3.a). 31 Vgl. auch Schmidt-Jortzig in HdBStR, § 141 Rn. 6 ff.; v. Münch-Wendt, Art. 5 Rn. 1 f.; Hoffmann-Riem in AK, Art. 5 Abs. 1,2 Rn. 3 ff., 8 f.; ders. in HdBVerfR § 7 Rn. 7, 9; Maunz/Dürig-Herzog, Art. 5 Abs. 1,11 Rn. 4. Auf die grundlegende Bedeutung der Massenkommunikation ist bereits oben Erster Teil, B.II.2. hingewiesen worden. 32 Schmidt-Jortzig in HdBStR, § 141 Rn. 1; Löffler/Ricker, S. 33 f. 33 BVerfGE 7, S. 198 (208)- Lüth. 34 Wie Hoffmann-Riem zutreffend bemerkt, ist die inhaltlich bestimmende Verlegerpersönlichkeit, deren Publikationstätigkeit sich als Akt kommunikativer Persönlichkeitsentfaltung darstellen könnte, heute weitgehend vom vorwiegend betriebswirtschaftlich orientierten Verlagsmanagement abgelöst worden; vgl. HoffmannRiem in AK, Art. 5 Abs. 1,2 Rn. 110. Die neben dem Verleger zu berücksichtigenden Grundrechtsträger werden in der Regel das Kommunikationsprodukt nur äußerst bedingt als eigenes ansehen können. 35 Vgl. hierzu v. Mangoldt/Klein-Starck, Art. 5 Abs. 1,2 Rn. 63, 103. 36 BVerfGE 5, S. 85 (134 f., 205); BVerfGE 7, S. 198 (208); BVerfGE 12, S. 113 (125); BVerfGE 20, S. 56 (97 f.). 29

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A. Rechtliche Fixierung der kollidierenden Interessen

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b) Die Medienfreiheit als subjektives Abwehrrecht und objektives Konstruktionsprinzip Die in Art. 5 I 2 GG verankerte Medienfreiheit zeichnet sich durch eine besondere dogmatische Struktur aus. Rechtsprechung und Literatur haben ihr seit jeher eine doppelte Funktion zugewiesen; die Medienfreiheit wird entsprechend ihrer oben dargestellten gesellschaftlichen und individuellen Bedeutung- zugleich als Individualgrundrecht und als objektives Konstruktionsprinzip der Gesamtrechtsordnung angesehen. aa) Subjektiver und objektiver Gehalt der Medienfreiheit Die Medienfreiheit enthält - wie alle Grundrechte - zunächst ein Abwehrrecht, das sich gegen staatliche Eingriffe in einen bestimmten, schützenswerten Lebensbereich richtet. Diese subjektiv-rechtliche Ausrichtung entspricht der historischen Entwicklung der Grundrechte und stellt deren klassische, "allen Geltungszweifeln entrückte"37 Dimension dar. Die Medienfreiheit ist demzufolge als Individualgrundrecht zu begreifen, welches dem einzelnen Grundrechtsträger (Verleger, Redakteur) einen vor staatlicher Einflussnahme geschützten Freiraum zur Verwirklichung seines individuellen Kommunikationsinteresses garantiert. Von diesem individualrechtlichen Blickwinkel aus wird die Medienfreiheit zunächst als Akt kommunikativer Persönlichkeitsentfaltung geschützt. Aufgrund ihrer politischen und gesellschaftlichen Relevanz ist der Medienfreiheit jedoch ein gesteigerter Sozialbezug beizumessen. 38 Aus diesem wird abgeleitet, dass sich ihre Funktion nicht in der Gewährleistung individueller Freiheit erschöpfen kann. Sie dient vielmehr, wie das Bundesverfassungsgericht mehrfach erklärt hat, der öffentlichen Meinungsbildung ebenso wie der individuellen Interessenverwirklichung?9 Die Medienfreiheit ist deshalb durch das Grundgesetz zum objektiven Prinzip der Gesamtrechtsordnung40 erhoben worden. bb) Rechtliche Konsequenzen der doppelten Gehaltszuweisung Diese Doppelfunktion der Medienfreiheit ist heute unbestritten. Einigkeit herrscht auch darüber, dass deren subjektivrechtliche und objektivrechtliche Elemente einander bedingen und stützen41 , und dass keine der beiden 37

38 39

40

/sensee in HdBStR, § 111 Rn. 21.

Siehe dazu oben Zweiter Teil, A.I.1.a). Vgl. nur BVerfGE 57, S. 295 (319). BVerfGE 7, S. 198 (204 f.); BVerfGE 57, S. 295 (320).

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2. Teil: Die Triviale Personenberichterstattung im Spannungsfeld

Seiten alleinige Geltung beanspruchen kann. Umstritten ist jedoch, welche Folgerungen aus dieser Erkenntnis zu ziehen sind. 42 So wird die objektiv-rechtliche Komponente der Medienfreiheit teilweise zur Begründung besonderer Rechte und Pflichten der Massenmedien herangezogen. Rundfunk und Presse erfüllten eine "öffentliche Aufgabe", aus der sich zum einen besondere Privilegien ergäben, wie beispielsweise gesteigerte Schutzansprüche gegenüber dem Staat43 , Auskunftsansprüche gegenüber Behörden44, die Möglichkeit der Berufung auf den besonderen Rechtfertigungsgrund der "Wahmehmung berechtigter Interessen" i. S. v. § 193 StGB oder die besonderen Zeugnisverweigerungsrechte von Presseangehörigen.45 Auf der anderen Seite wird die "öffentliche Aufgabe" zur Begründung besonderer Pflichtenbindungen und damit zur Rechtfertigung von erheblichen Freiheitsbegrenzungen verwendet. So wird von den Massenmedien z. T. eine Pflicht zur objektiven Berichterstattung oder eine besondere Standesdisziplin unter Berufung auf die gesellschaftliche Bedeutung ihrer Tätigkeit verlangt. 46 Noch über diese bloße Pflichtenbindung hinaus geht die vom Bundesverfassungsgericht durch eine Reihe von Formulierungen begünstigte und maßgeblich von Hoffmann-Riem betriebene Umdeutung der Medienfreiheit in einen an den Gesetzgeber gerichteten Ausgestaltungsauftrag.47 Dieser Ansicht zufolge gibt das Grundgesetz in Art. 5 I 2 GG eine Zielvorgabe, deren gesellschaftliche Erfüllung der Gesetzgeber sicherzustellen hat. Ausgangspunkt dieser Argumentation ist die Annahme, dass ohne staatliche Intervention eine umfassende, ausgewogene und freie öffentliche Meinungsbildung nicht gewährleistet sei, diese jedoch von Art. 5 I 2 nachdrücklich angestrebt werde. Rechtliche Bedeutung kommt dieser Ansicht insofern zu, als sie dem Gesetzgeber besondere Ausgestaltungsbefugnisse zugestehen will, die im Ergebnis außerhalb der Schrankensystematik des Art. 5 II GG liegen sollen.48 Damit einher geht die Abkoppelung der staatlichen Ausgestaltungsmaßnahme vom strikten Gebot der Verhältnismäßigkeit.49 BVerfGE 7, S. 198 (204 f.); BVerfGE 57, S. 295 (320). Vgl. hierzu ausführlich Schmidt-Jortzig in HdBStR, § 141, Rn. 6. 43 BVerfGE 80, S. 124 (133). 44 Vgl. hierzu ausführlich Löffler, LPG § 4. 45 Vgl. hierzu Maunz/Dürig-Herzog, Art. 5 1,11 Rn. 122; Sachs-Bethge, Art. 5 Rn. 72. 46 Vgl. für viele Kriele in NJW 1994, S. 1897 (1902 ff.); zusammenfassend Bullinger in HdBStR, § 142 Rn. 78 ff. 47 Vgl. Hoffmann-Riem in AK, Art. 5 Abs. I ,2 Rn. 135 ff. 48 Vgl. Hoffmann-Riem in AK, Art. 5 Abs. 1,2 Rn. 137. 49 Vgl. für viele Lerche, Übermaß, S. 140 ff.; Hoffmann-Riem, Wirtschaftsrecht, Rn. 19; Engels, S. 147 f., 152. 41

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A. Rechtliche Fixierung der kollidierenden Interessen

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cc) Kritik und Stellungnahme Vor diesem Hintergrund wird deutlich, worin die praktische Bedeutung der Auseinandersetzung um den Gehalt der Medienfreiheit begründet liegt. Betrachtete man die diese zumindest vorwiegend als Individualgrundrecht, so müssten sich alle staatlichen Beschränkungen dieser Freiheit an der Schrankenregelung des Art. 5 II GG und am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz messen lassen. Staatliche Reglementierungen der Medienfreiheit im "öffentlichen Interesse" wären nur in Form von allgemeinen Gesetzen möglich. Ginge man hingegen von einem überwiegenden objektiv-rechtlichen Gehalt der Medienfreiheit aus, so stünde die Tätigkeit der Massenmedien weitgehend außerhalb der üblichen, auf Abwehr staatlicher Beeinträchtigungen ausgerichteten Grundrechtsdogmatik. Aufgrund ihrer besonderen Bedeutung wären die Massenmedien zwar institutionell stärker geschützt (institutionelle Garantie). Der individuelle Grundrechtsträger aber sähe sich weitgehenden, von den besonderen Schutzvorkehrungen des Art. 5 II GG befreiten Einschränkungen seiner kommunikativen Entfaltungsfreiheit ausgesetzt. Letzteres ist mit der grundlegenden individuellen, gesellschaftlichen und politischen Bedeutung der Medienfreiheit unvereinbar. Jede staatliche Intervention im Prozess der öffentlichen Meinungsbildung beinhaltet das Risiko der Unterdrückung unliebsamer oder der Bevorzugung konformer Ansichten. Dieser Gefahr begegnet die Schrankenregelung des Art. 5 II GG, die meinungs- und inhaltsbezogene Eingriffe in die Medienfreiheit ausschließt. 50 Ließe man Reglementierungen dieses elementaren Freiheitsrechts ohne die strikte Bindung an Art. 5 II GG zu, wie dies mit der Anerkennung einer Ausgestaltungsbefugnis einherginge, so wäre einer inhaltlichen Einflußnahme des Staates Tür und Tor geöffnet. Auch wenn die Ausgestaltungskriterien, also die Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen einer staatlichen Ausgestaltungsmaßnahme51 , inhaltsneutral formuliert würden (Ausgewogenheit, Vielfalt), so wäre damit keineswegs gewährleistet, dass inhaltliche Präferenzen bei der konkreten Inanspruchnahme der Ausgestaltungsbefugnis nicht doch eine Rolle spielen. Besonders die geforderte inhaltliche Erstrekkung des Ausgestaltungsgebots auf einen Qualitätsaspekt, demzufolge der Gesetzgeber die Befugnis haben soll, die "Qualität der publizistischen Vermittlung"52 sicherzustellen, verdeutlicht die latente Gefahr einer (zumindest Dazu ausführlich unten Zweiter Teil, B.l.l. Vgl. hierzu Hoffmann-Riem in AK, Art. 5 Abs. 1,2 Rn. 137; speziell für die Rundfunkfreiheit Engels, S. 147 ff. 52 Engels, S. 122. Ähnlich auch Hoffmann-Riem in AK, Art. 5 Abs. 1,2 Rn. 137a ("[ ... ] Berücksichtigung der [("[ .. .] für die Gesellschaft erheblichen Meinungen [.. .]", Hervorhebung d. d. Verf.), 164. 50 51

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2. Teil: Die Triviale Personenberichterstattung im Spannungsfeld

auch) inhaltlichen Orientierung staatlicher Regelungsmacht. 53 Die Gefahren einer von der Schrankenregelung des Art. 5 li GG befreiten Reglementierung der Medienfreiheit überwiegen deren Vorzüge damit bei weitem. Die Herbeiführung einer bestimmten, als wünschenswert erkannten Medienordnung kann und muss daher ausnahmslos im Rahmen der vorgegebenen Schrankenregelung erfolgen. Ein Abweichen von der hergebrachten Grundrechtsdogmatik ist nicht angezeigt. Im Ergebnis bedeutet dies, dass die in Art. 5 I 2 GG normierte Medienfreiheit ein Grundrecht wie jedes andere darstellt: Sie schützt zunächst und zuvörderst gegenüber staatlicher Reglementierung. Dass die Massenmedien insgesamt faktisch eine öffentliche Aufgabe erfüllen, also einen besonderen Beitrag für das Gemeinwesen leisten, ist unbestreitbar. Rechtlich leiten sich hieraus jedoch zunächst keine Konsequenzen ab. Die "öffentliche Aufgabe" ist eine Zustandsbeschreibung, nicht aber eine Legitimation für besondere Rechte und Pflichten der Massenmedien. Jede staatliche Reglementierung der Medienfreiheit ist demzufolge ausnahmslos an der Grundrechtsschranke des Art. 5 II GG zu messen. Die besondere Bedeutung der Medienfreiheit gewinnt erst im Rahmen einer späteren Güterahwägung Relevanz: Hier vermag der objektiv-rechtliche Gehalt der Medienfreiheit dieser im Einzelfall gegenüber kollidierenden Interessen ein Mehr an Gewicht zu verleihen. Auch führt deren Bedeutung zu einer tendenziell extensiven Schutzbereichsbestimmung des Art. 5 I 2 GG und einer restriktiven Auslegung von beschränkenden Gesetzen i.S. v. Art. 5 II GG. Auf die dogmatische Gestalt der Medienfreiheit hat deren faktische Bedeutung für den öffentlichen Meinungsbildungsprozess jedoch keinen Einfluss. c) Die Konzeption der Medienfreiheit zwischen Meinungsmarkt und Verfassungsvision Bei genauer Betrachtung liegen dem Streit um den objektiv-rechtlichen Gehalt der Medienfreiheit jedoch mehr als nur dogmatische Differenzen zugrunde. Dieser ist vielmehr Ausdruck eines tiefgreifenden inhaltlichen Gegensatzes im Verständnis vom Bedeutungsgehalt der Kommunikationsfreiheiten.54 Sowohl die subjektiv-rechtliche als auch die objektiv-rechtliche Deutung der Medienfreiheit fußen zwar auf der gemeinsamen Erkenntnis, dass die Tätigkeit der Massenmedien von grundlegender Bedeutung für das 53 Diese Gefahr sieht auch das Bundesverfassungsgericht, das staatlichen Bewertungen der "Qualität" bestimmter Informationen grundsätzlich für unzulässig erachtet; vgl. BVerfGE 25, S. 296 (307); BVerfGE 35, S. 202 (222). Vgl. auch Maunz/ Dürig-Herzog, Art. 5 Abs. 1,11 Rn. 147. 54 Vgl. zu den unterschiedlichen Konzeptionen der Kommunikationsgrundrechte ausführlich Brugger in EuGRZ 1987, S. 189 ff., 225 ff.

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Funktionieren der freiheitlich-demokratischen Staats- und Gesellschaftsordnung ist. Während die Vertreter der einen die Verantwortung für die Erfüllung dieser "öffentlichen Aufgabe" jedoch weitgehend in gesellschaftliche Hände abgeben wollen und staatliche Intervention tendenziell ablehnen, erklären die Vertreter der anderen die faktische Notwendigkeit einer nach vorgegebenen Kriterien ausgestalteten Medienordnung zum Verfassungsauftrag und wollen den Staat mit dessen Gewährleistung betrauen. Erstere Ansicht basiert auf der Annahme, eine funktionierende Medienordnung zeichne sich durch den weitgehend unreglementierten Austausch aller in der Gesellschaft tatsächlich vorfindbaren Meinungen und Informationen aus. Demgegenüber basiert die entgegengesetzte Auffassung auf der Prämisse, es existiere a priori eine optimale Medienordnung - gleichsam als Verfassungsvision - die zwar von gesellschaftlichen Kräften ausgefüllt werde, den Staat jedoch als aktiven Gestalter benötige, um so das verfassungsrechtlich vorgegebene Ziel erreichen zu können. Beide dargestellten Modelle bergen ein unterschiedliches Gefährdungspotential für den Prozess der öffentlichen Meinungsbildung. Geht man von einer verfassungsrechtlich vorgezeichneten Medienordnung aus, so kommt man nicht umhin, deren konkrete Gestalt von Gesetzgeber und Rechtsprechung, d. h. von staatlichen Organen, definieren zu lassen, denn der Verfassungstext selbst gibt nur sehr spärliche Anhaltspunkte hierfür, die notwendigerweise einer weitergehenden Interpretation bedürfen. Diesen würde damit die Möglichkeit gegeben, weitgehend autonom - allenfalls kontrolliert vom Bundesverfassungsgericht als ebenfalls staatlicher Institution - die grundlegenden Weichenstellungen für den gesellschaftlichen Meinungsbildungsprozess zu treffen. Eine vollkommene oder doch zumindest weitgehende Überantwortung des Prozesses der öffentlichen Meinungsbildung in den gesellschaftlichen Sektor birgt demgegenüber die Gefahr einer Bildung von Meinungsmonopolen, die im Ergebnis zu einer faktischen Unterdrückung bestimmter, in der Regel nicht mehrheitsfähiger Meinungen führen können. Auch ist nicht gewährleistet, dass im freien Spiel der Kräfte die für eine fundierte und wohl erwogene Meinungsbildung notwendigen Informationen tatsächlich an die Öffentlichkeit gelangen und nicht durch "irrelevante", vorwiegend unterhaltende Inhalte verdrängt werden: Wie im Ersten Teil dieser Arbeit deutlich wurde, lässt sich zumindest nicht ausschließen, dass eine unreglementierte, marktwirtschaftliche Medienordnung verstärkt trivialere und banalere Medieninhalte hervorbringt. 55 Zusammenfassend lässt sich also feststellen, dass die freiheitliche Konzeption sich tendenziell Gefahren aus dem gesellschaftlichen Sektor ausgesetzt sieht, wohingegen die interventionistische Konzeption die Gefahr staatlicher Beeinflussung des öffentlichen Meinungsbildungsprozesses birgt. 55

Vgl. oben Erster Teil, C.II.

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2. Teil: Die Triviale Personenberichterstattung im Spannungsfeld

Der Weg des geringeren Risikos für die freie öffentliche Meinungsbildung liegt jedoch trotz der benannten Defizite in der weitestgehenden Übertragung des Informationsvermittlungsprozesses in gesellschaftliche Verantwortung. Die legitime Zielvorstellung von einer mit umfassenden, ausgewogenen und relevanten Informationen versorgten Öffentlichkeit lässt sich nur durch eine weitreichende Gewährleistung individueller Meinungs- und Informationsverbreitungsfreiheit verwirklichen. Jedes andere Modell käme nicht umhin, eine staatliche Auswahl und Festlegung derjenigen Informationen zu erlauben, die dem gesellschaftlichen Meinungsbildungsprozess "dienlich" sind, und deren Vermittlung sicherzustellen ist. Die Auswahl dessen, was als "wertvoll", "ausgewogen", "fair" oder "wahr"56 zu gelten hat, kann jedochdie Funktion der öffentlichen Meinung als kritische Kontrolle staatlicher Gewalt vorausgesetzt - nur auf gesellschaftlicher Ebene getroffen werden, und zwar im Wege des weitgehend unreglementierten Wettstreits der Meinungen. Staatliches Eingreifen darf nur ausnahmsweise dort zulässig sein, wo der gesellschaftliche Meinungsmarkt strukturelle Defizite aufweist, wie dies z. B. bei übermäßiger Monopolbildung der Fall sein kann. Hier ist es dem Staat unbenommen, die politische Zielvorstellung von einer ausgewogenen und vielfältigen Medienordnung im Rahmen der bestehenden Grundrechtsdogmatik und unter strikter Beachtung der Verpflichtung zu inhaltlicher Neutralität zu verfolgen. Die von Art. 5 I 2, II GG vorgegebene, weitgehende Beschränkung staatlicher Beeinflussung des öffentlichen Meinungsbildungsprozesses ist nicht etwa trotz, sondern gerade wegen der konstituierenden Bedeutung der Medienfreiheit zu achten und zu bewahren. Eine überwiegend objektiv-rechtliche Deutung der Medienfreiheit ist mit diesem Grundrechtsverständnis nicht zu vereinbaren. Die objektiv-rechtliche, demokratisch-funktionale Komponente der Medienfreiheit kann nur zur Unterstützung des individualrechtliehen Kerngehalts, zu dessen Interpretation und Amplifikation dienen. 57 Im Ergebnis ist sie jedoch nicht mehr als soziologische Funktionsbeschreibung und politische Zielvorgabe. Rechtliche Bindungswirkung kommt ihr nicht bei. 2. Die Triviale Personenberichterstattung als Akt grundrechtlich geschützter Freiheitsbetätigung

Der nun folgende Abschnitt dient der Ermittlung des Umfanges der verfassungsrechtlichen Freiheitsgewährleistung, welche die Triviale Personenberichterstattung im Rahmen der Medienfreiheit in Anspruch nehmen kann. 56 Zur Ausgestaltungskompetenz des Gesetzgebers hinsichtlich der Statuierung von Wahrheits-, Sorgfalts-, Fairness-, Rücksichts- und Schutzpflichten vgl. Hoffmann-Riem in AK, Art. 5 Abs. 1,2 Rn. 164. 57 So auch BVerfGE 7, S. 198 (205); BVerfGE 50, S. 290 (337).

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Zunächst soll zu diesem Zweck der grundsätzliche Schutzumfang der Medienfreiheit ermittelt und die Triviale Personenberichterstattung als grundsätzlicher Anwendungsfall der Freiheitsgewährleistung des Art. 5 I 2 GG beschrieben werden. Daran anschließend sollen dann die publizistischen, soziologischen und ökonomischen Besonderheiten der Trivialen Personenberichterstattung, wie sie im Ersten Teil der vorliegenden Arbeit ermittelt werden konnten, aufgegriffen und auf ihre verfassungsrechtliche Relevanz hin überprüft werden.

a) Genereller Schutzumfang der Medienfreiheit Im folgenden sollen sachlicher und persönlicher Schutzbereich der in Art. 5 I 2 GG verankerten Medienfreiheit umrissen werden. Die vielfältigen Einzelprobleme, die sich bei der Schutzbereichsbestimmung des Art. 5 I 2 GG ergeben, sollen in diesem Rahmen jedoch nur insoweit angesprochen werden, als sie für die Beurteilung des grundrechtliehen Schutzes gerade der Trivialen Personenberichterstattung von Bedeutung sind. aa) Grundgesetzliche Verankerung der Medienfreiheit Die Freiheit publizistischer Informationsvermittlung durch Massenmedien (Medienfreiheit) stützt sich verfassungssystematisch auf Art. 5 I 2 GG. 58 Diese kommunikationsrechtliche Zentralnorm formuliert: "Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk werden gewährleistet." Daneben sichern jedoch noch weitere grundgesetzliche Gewährleistungen die Freiheit der Medienberichterstattung. So kommen Art. 12 I und 14 I GG für den Schutz der kommerziellen Komponente der Medienfreiheit in Betracht. 59 Weiterhin kann die massenmediale Informationsverbreitung im Einzelfall als künstlerische Betätigung anzusehen und somit dem Schutzbereich des Art. 5 III l GG zuzuordnen sein.60 Letzteres ist vor 58 Zum Konzept einer einheitlichen, in Art. 5 I 2 GG verankerten Medienäußerungsfreiheit vgl. Bullinger in HdBStR, § 142 Rn. 180; Dreier-Schulze-Fielitz, Art. 5 I,ll Rn. 72,79; v. Münch-Wendt, Art. 5 Rn. 1, 9. Hinsichtlich des Verhältnisses zwischen Art. 5 I 1 GG (Meinungsfreiheit) und Art. 5 I 2 GG (Medienfreiheit) gilt: Die Informationsverbreitung durch Massenmedien wird als Lex specialis ausschließlich durch Art. 5 I 2 GG gewährleistet. Hinsichtlich der - im Rahmen der vorliegenden Arbeit allein relevanten - äußerungsrechtlichen Seite des Freiheitsrechts (in Abgrenzung zu dessen organisationsrechtlicher Seite) besteht jedoch inhaltliche Deckungsgleichheit mit der Meinungsäußerungsfreiheit des Art. 5 I 1 GG. Im Ergebnis besteht daher im Rahmen einer äußerungsrechtlichen Analyse kein Anlaß zu einer Differenzierung zwischen den beiden Gewährleistungsbereichen des Art. 5 I GG. 59 Zu dem im einzelnen umstrittenen Verhältnis zwischen Art. 5 I GG und Art. 12 I, 14 I GG vgl. Maunz!Dürig-Herzog Art. 5 Abs. I,ll Rn. 31, 141.

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2. Teil: Die Triviale Personenberichterstattung im Spannungsfeld

allem bei der Verbreitung von Karikaturen und satirischen Artikeln in Betracht zu ziehen.61 Auch kann sie sich als Bekundung einer Glaubensoder Gewissensentscheidung darstellen, die nach Art. 4 I GG geschützt ist. Subsidiär kommt jedenfalls die in Art. 2 I GG normierte allgemeine Handlungsfreiheit als Auffangtatbestand in Betracht.62 Die für die Tätigkeit der Massenmedien bedeutsamen Grundrechte entfalten ihren Schutz jedoch in unterschiedlicher Intensität. So schützt die Kunstfreiheit als "schrankenloses" Grundrecht umfassend vor staatlichen Eingriffen, sofern diese nicht durch verfassungskräftige Rechte Dritter oder andere Werte von Verfassungsrang legitimiert sind (verfassungsimmanente Schranken). Die Kommunikationsgrundrechte des Art. 5 I 2 GG hingegen sind - im Rahmen der Verhältnismäßigkeit - durch alle "allgemeinen Gesetze" sowie durch Vorschriften zum Schutze der Jugend und der persönlichen Ehre einschränkbar, Art. 5 II GG. Der für die kommerzielle Seite der Massenkommunikation bedeutsame Art. 14 GG wiederum ist einer weitgehenden gesetzgebefischen Gestaltungsfreiheit in Form von Inhaltsund Schrankenbestimmungen unterworfen. Und die massenmediale Informationsverbreitung als Akt freier Berufsausübung kann gemäß Art. 12 I 2 GG nach reinen Zweckmäßigkeitserwägungen reglementiert werden. Der durch Art. 2 I GG vermittelte Schutz der Medienfreiheit im Rahmen der allgemeinen Handlungsfreiheit schließlich ist aufgrund der weiten Schrankenregelung (Schrankentrias) dieser Gewährleistung als äußerst begrenzt anzusehen. Wie diese Staffelung zeigt, ist es in Hinblick auf die Schutzintensität der verschiedenen, die Medienfreiheit absiehemden Grundrechte von erheblicher Bedeutung, welcher Norm die informationsvermittelnde Tätigkeit der Massenmedien im konkreten Einzelfall zugeordnet wird. Als Beispiel mag die - hypothetische - landespresserechtliche Normierung einer inhaltlichen Wahrheitspflicht für Tageszeitungsredakteure dienen. 63 Erachtete man eine solche Pflicht als Beschränkung der Medienfreiheit des Art. 5 I 2 GG, so müsste sie den erhöhten Anforderungen des Art. 5 II GG genügen. Insbesondere hätte sie dem Gebot der Meinungs- und Inhaltsneutralität zu entMaunz/Dürig-Herzog, Art. 5 Abs. 1,11 Rn. 80c. Zu diesen publizistischen Darstellungsformen vgl. oben Erster Teil, A.II.4.b); ferner BVerfGE 86, S. 1 (insbes. S. 9). 62 Die Medienfreiheit wird daneben durch Art. 10 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention (MRK) gewährleistet, die in der Bundesrepublik seit dem 1.1.1953 geltendes Recht ist. Zu weiteren die Medienfreiheit sichernden Gewährleistungen vgl. Löffler/Ricker, Kap. 5 Rn. 5 f. 63 Die heutigen Landespressegesetze kennen zwar sämtlich eine auf Wahrheit der Berichterstattung abzielende Sorgfaltspflicht der Presse. Diese verlangt jedoch nur das "Bemühen um Wahrheit", nicht hingegen die absolute Wahrhaftigkeit der Ergebnisse; vgl. Löffler, LPG § 6 Rn. 160. 60 61

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sprechen.64 Ginge man dagegen von einer die Redakteure betreffenden Berufsregelung aus, so wäre als Rechtmäßigkeitsmaßstab Art. 12 I GG anzusehen, demzufolge bereits einfache Zweckmäßigkeitserwägungen zur Eingriffslegitimierung ausreichen und es sich insbesondere um kein "allgemeines", d.h. meinungs- und inhaltsneutrales Gesetz handeln müsste. Das Beispiel macht deutlich, dass die Aufteilung der Medienfreiheit in unterschiedliche Gewährleistungsbereiche zu bedenklichen Ergebnissen führen kann. Sie birgt zum einen die Gefahr einer Umgehung der besonderen Schutzvorkehrungen des Art. 5 II GG, indem der Staat einen Eingriff in die Medienfreiheit als Eigentums- oder Berufsausübungsregelung konstruiert und sich damit einen erweiterten Gestaltungsspielraum eröffnet. Zum anderen resultieren aus einer solchen Aufspaltung erhebliche Unsicherheiten in der konkreten Rechtsanwendung, denn ausschlaggebend für den jeweiligen Rechtmäßigkeitsmaßstab wäre die Intention des Gesetzgebers, die nur schwerlich objektiv zu ermitteln ist. Eine solche, rechtspolitisch wenig wünschenswerte Grundrechtskonkurrenz lässt sich nur vermeiden durch eine extensive Anwendung des Art. 5 I 2 GG als Iex specialis auf alle Lebenssachverhalte, die sich entweder selbst als Akte massenmedialer Informationsvermittlung darstellen oder sich unmittelbar auf einen solchen Akt auswirken. Im Interesse eines möglichst weitgehenden Schutzes der Kommunikationsfreiheiten ist die Gewährleistung des Art. 5 I GG also dahingehend zu interpretieren, dass von ihr auch der wirtschaftliche Aspekt der Massenkommunikation umfasst wird.65 Die medienbezogene Gewerbefreiheit ergibt sich demgemäß nicht aus Art. 12 I, 14 I GG, sondern unmittelbar aus Art. 5 I 2 GG mit der Folge, dass das erschwerte Eingriffserfordernis des Art. 5 li GG auch für die Medienberichterstattung als Akt wirtschaftlicher Betätigung gilt.66 Auch die medienspezifische Berufsfreiheit ist dem Schutzbereich des Art. 5 I 2 GG zuzuordnen, da nur so die inhaltliche Neutralität von kommunikationsrelevanten Berufswahl- und Berufsausübungsregelungen gewährleistet werden kann. Generell muss dieser Vorrang des Art. 5 I 2 GG im Hinblick auf alle diejenigen Grundrechte gelten, deren Gewährleistungsbereiche sich mit der Presse- und Rundfunkfreiheit überschneiden. Die so verstandene Medienfreiheit wird demnach umfassend und ausschließlich durch Art. 5 I 2 GG gewährleistet. Gleichwohl kann es sich im Einzelfall ergeben, dass neben Art. 5 I 2 GG ein (noch) schutzintensiveres Grundrecht einschlägig ist. Für künstlerische 64 Zum Gebot der Meinungs- und Inhaltsneutralität vgl. ausführlich unten Zweiter Teil, B.l.l. 65 In diesem Sinne auch Bullinger in HdBStR, § 142 Rn. 164. 66 Als bedeutsame Konsequenz hieraus ist die Mediengewerbefreiheit als Menschen- und nicht als Deutschenrecht geschützt. 8 Neben

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2. Teil: Die Triviale Personenberichterstattung im Spannungsfeld

Beiträge kann dies Art. 5 III GG sein, für religiöse Beiträge kommt Art. 4 I GG in Betracht.67 Diese Grundrechte sind nur unter erschwerten Voraussetzungen einschränkbar. Die besondere Wertigkeit, die ihnen damit vom Verfassungsgeber beigemessen wird, ist bei der Bestimmung des Gewährleistungsbereichs der Medienfreiheit zu berücksichtigen. Auch der religiöse oder künstlerische Beitrag in einem Massenmedium unterfällt daher zwar dem Schutzbereich des Art. 5 I 2 GG als lex specialis. Die Einschränkbarkeit dieser Beitragsform richtet sich jedoch nach dem erhöhten Eingriffserfordernis der verdrängten Norm. Nur diese Lösung wird der konstituierenden Bedeutung der Medienfreiheit gerecht und trägt zugleich dem Wertungsgefüge des Grundgesetzes optimal Rechnung. Die Freiheit massenmedialer Berichterstattung wird nach allem umfassend von der Spezialnorm des Art. 5 I 2 GG gewährleistet; der von Art. 5 I 2, II GG vermittelte Schutz muss jedoch gegebenenfalls erhöht werden, sofern die massenmediale Informationsvermittlung sich im Einzelfall zugleich als Ausübung einer (noch) intensiver geschützten Freiheitsgewährleistung darstellt. Dies hat durch eine Inkorporation der jeweiligen Schrankensystematik in den Anwendungsbereich des Art. 5 I 2 GG zu erfolgen. bb) Sachlicher Schutzbereich der Medienfreiheit Die Medienfreiheit schützt die Vermittlung publizistischer Inhalte durch ein Massenmedium.68 Zwar sind Presse und Rundfunk in Art. 5 I 2 GG beispielhaft erwähnt, jedoch beschränkt sich dessen Schutz nicht auf die benannten Verbreitungstechniken. Auch untypische und neuartige Formen der Massenkommunikation werden von der Medienfreiheit erfasst, sofern sie sich als vergleichbare Freiheitsbetätigungen darstellen.69 Die Triviale Personenberichterstattung findet heute jedoch, wie zuvor ausführlich dargestellt70, maßgeblich in den "traditionellen" Massenmedien statt, so dass sie bereits den benannten Verbreitungsformen und damit unproblematisch dem sachlichen Schutzbereich des Art. 5 I 2 GG unterfällt Aufgrund der herausragenden gesellschaftlichen und politischen Bedeutung der Medienfreiheit erstreckt sich deren Schutz auf sämtliche wesensmäßig mit der Medienarbeit zusammenhängenden Tätigkeiten.71 Der Gewährleistungsbereich der Medienfreiheit reicht von der anfänglichen 67 In Frage kommen grundsätzlich alle Grundrechte, deren Schutzbereich nach außen gerichtete Ausdrucksformen umfasst, die ihrerseits von Massenmedien vermittelt werden können. 68 Vgl. Hoffmann-Riem in HdBVerfR, § 7 Rn. 24. 69 Hoffmann-Riem in AK, Art. 5 Abs. 1,2 Rn. 124. Vgl. bereits BVerfGE 12, S. 205 (226) für die Ausdehnung des Rundfunkbegriffes auf den Fernsehfunk. 70 Siehe oben Erster Teil, A.II.5.b),c).

A. Rechtliche Fixierung der kollidierenden Interessen

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Informationsbeschaffung bis zum abschließenden publizistischen Vermittlungsakt.72 Die Triviale Personenberichterstattung, verstanden als die massenmediale Verbreitung personenbezogener Inhalte, ist im Kernbereich dieser Gewährleistung angesiedelt und genießt daher als konkrete Handlungsfarm den uneingeschränkten Schutz des Art. 5 I 2 GG?3 Inhaltlich erstreckt sich der Schutz der Medienfreiheit grundsätzlich auf alle Beitragsformen und -gegenstände massenmedialer Informationsvennittlung.74 So besteht heute insbesondere dahingehend Einigkeit, dass neben Meinungen auch reine Tatsachenbehauptungen von Art. 5 I GG geschützt werden, da diese zum einen die Grundlage der öffentlichen Meinungsbildung darstellen75 , zum anderen bereits in der Auswahl und Präsentation mitgeteilter Tatsachen eine wertende Stellungnahme und damit eine Meinungsäußerung liegt76 und schließlich eine Trennung von Meinungsäußerung und Bericht in vielen Fällen tatsächlich kaum möglich erscheint77 . Diese grundsätzliche Deutung des Art. 5 I GG gilt insbesondere für die hier einschlägige Medienfreiheit: Im Rahmen der Pressefreiheit ist der Versuch einer strikten Trennung zwischen Meinungsäußerungen und Tatsachenbehauptungen auf Schutzbereichsebene nie unternommen worden. 78 Das traditionell weite Verständnis der Pressefreiheit beruht vor allem auf deren besonderem Demokratiebezug: Die Verbreitung von Tatsachen ist für den öffentlichen Meinungsbildungsprozess zumindest ebenso bedeutend wie die Verbreitung von bereits bestehenden Ansichten und Meinungen, denn publizistische Tatsachenmitteilungen schaffen erst die notwendige informationeile Grundlage für die Herausbildung individueller Meinungen79 . Eine 71 Vgl. v. Münch-Wendt, Art. 5 Rn. 33,45; Maunz/Dürig-Herzog, Art. 5 Abs. 1,11 Rn. 135 f., 202; v. Mangoldt/Klein-Starck, Art. 5 Abs. 1,2 Rn. 62, 103. 72 BVerfGE 10, S. 118 (121); BVerfGE 12, S. 205 (260). 73 Alle anderen Aspekte der Medienfreiheit, wie z. B. der Zugang zu Medienberufen, das Redaktionsgeheirnnis, die technische Vervielfaltigung sind nur als notwendige Voraussetzung der Verbreitungsfreiheit geschützt; vgl. v. Mangoldt/KleinStarck, Art. 5 Abs. 1,2 Rn. 63, der in diesem Zusammenhang von einem Schutz der Voraussetzungen der Publikation spricht. Für die Rundfunkfreiheit ergibt sich dies bereits aus dem Wortlaut, demzufolge die Berichterstattung, also der konkrete Publikationsakt, die zentrale Gewährleistung darstellt. 74 v. Münch-Wendt, Art. 5 Rn. 31,44; Maunz/Dürig-Herzog, Art. 5 Abs. 1,11 Rn. 128,201 f. 75 BVerfG in AfP 2000, S. 272, 273; BGH in AfP 1998, S. 506 (507) - Stolpe; BVerfGE 61, S. 1 (7 f.); BVerfGE 21, S. 271 (278 f.); BVerfGE 62, S. 230 (243); BVerfGE 35, S. 202 (222); v. Münch-Wendt, Art. 5 Rn. 31,44; Maunz!Dürig-Herzog, Art. 5 Abs. 1,11 Rn. 134,200 f.; Brugger in EuGRZ 1987, S. 189 (192); Hoffmann-Riem in AK, Art. 5 Abs. 1,2 Rn. 21. 76 v. Münch-Wendt, Art. 5 Rn. 9. 77 v. Mangoldt/Klein-Starck, Art. 5 Abs. 1,2 Rn. 100. 78 Maunz/Dürig-Herzog, Art. 5 Abs. 1,11 Rn. 134. 8*

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2. Teil: Die Triviale Personenberichterstattung im Spannungsfeld

Gleichbehandlung von Meinungsäußerungen und Tatsachenbehauptungen ist aber auch im Rahmen der Rundfunkfreiheit zu fordern und wird heute auch überwiegend angenommen. 80 Zwar gewährleistet diese dem Wortlaut nach nur die freie "Berichterstattung" - also die Verbreitung von Tatsachen - durch Rundfunk. Die einheitlich zu interpretierende Äußerungsfreiheit des Art. 5 I GG bezieht jedoch auch den Rundfunk mit ein und schützt somit auch über den Rundfunk verbreitete Meinungsäußerungen. Es ist zudem kein sachlicher Grund ersichtlich, der eine diesbezügliche Ungleichbehandlung von Rundfunk und Presse legitimieren würde.81 Und schließlich sind Bericht und Meinung im Einzelfall kaum voneinander zu trennen, so dass schon aus praktischen Erwägungen eine derartige Differenzierung abzulehnen ist. 82 Der Schutzbereich der Medienfreiheit erstreckt sich daher gleichermaßen auf Meinungen wie auf Tatsachenbehauptungen, sowohl im Rundfunk als auch im Pressebereich. Für die Triviale Personenberichterstattung bedeutet dies, dass sowohl Werturteile über Personen als auch die faktische Berichterstattung über deren Lebensführung grundsätzlich den Schutz der Medienfreiheit genießen. Ob die Information im Einzelfall als eigene "behauptet" oder als fremde "verbreitet" wird, ist dabei unerheblich. Dies ergibt sich aus einer funktionalen Betrachtung der Medienfreiheit Diese dient der öffentlichen Meinungsbildung, indem sie es den Massenmedien ermöglicht, sich als "Medium und Faktor"83 am Meinungsbildungsprozess zu beteiligen. Dieser Funktion können die Massenmedien aber nur entsprechen, wenn sich der ihnen eingeräumte Freiheitsbereich sowohl auf den Transport fremder als auch auf die Aufstellung und Veröffentlichung eigener Meinungen und Tatsachenbehauptungen erstreckt. Die Medienfreiheit schützt deshalb sowohl das "Behaupten" wie auch das "Verbreiten". cc) Persönlicher Schutzbereich der Medienfreiheit Die Medienfreiheit gewährleistet umfassenden Kommunikatorschutz. 84 Als Kommunikatoren sind alle natürlichen und alle inländischen juristiSo auch v. Mangoldt/Klein-Starck, Art. 5 Abs. 1,2 Rn. 100. Maunz!Dürig-Herzog Art. 5 Abs. 1,11 Rn. 201 f.; v. Mangoldt/Klein-Starck, Art. 5 Abs. 1,2 Rn. 100; BVerfGE 31, S. 314 (326); BVerfGE 35, S. 202 (222); BVerfGE 57, S. 295 (319,323); BVerfGE 60, S. 53 (63 f.); BVerfGE 74, S. 297 (332); BVerfGE 77, S. 65 (74); BVerfGE 83, S. 238 (295 f.); a.A. Hesse, Rn. 396. 81 Ausführlich dazu Maunz!Dürig-Herzog, Art. 5 Abs. 1,11 Rn. 201 f. 82 So im Ergebnis auch BVerfGE 12, S. 205 (260); BVerfGE 31, S. 314 (326); BVerfGE 35, S. 202 (222 f.); BVerfGE 57, S. 295 (323); v. Mangoldt/Klein-Starck, Art. 5 Abs. 1,2 Rn. 100; v. Münch-Wendt, Art. 5 Rn. 44. 83 BVerfGE 50, S. 290 (340). 84 Hoffmann-Riem in AK, Art. 5 Abs. 1,2 Rn. 131. 79

80

A. Rechtliche Fixierung der kollidierenden Interessen

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sehen Personen anzusehen, die an der Herstellung, Vervielfältigung und Verbreitung des massenmedialen Produkts mitwirken.85 Auf die Medienfreiheit berufen können sich demnach die verbreitenden Unternehmen wie Verlage oder Veranstalter, Art. 19 III GG, sowie die mitwirkenden Einzelpersonen wie Verleger, Intendanten, Produzenten, Redakteure bis hin zu den journalistischen und technischen Hilfspersonen.86 Eine Grundrechtsträgerschaft auch der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten wird heute zu Recht einhellig bejaht, denn nur so lässt sich die notwendige Staatsfreiheit der im gesellschaftlichen Bereich angesiedelten Rundfunkanstalten effektiv sicherstellen. 87 Ausländische Verlage und Anbieter können sich grundsätzlich nicht auf die Medienfreiheit stützen, arg. Art.l9 III GG, sofern sie die Verbreitung ihrer Produkte nicht als inländische juristische Person betreiben. Gleichwohl können ausländische Verleger, Intendanten oder Journalisten sich individuell auf die als Menschenrecht gewährleistete Medienfreiheit berufen. Die Medienfreiheit gewährt demzufolge allen an der Trivialen Personenberichterstattung beteiligten Personen grundrechtliehen Schutz. Dies gilt sowohl für den freien wie den angestellten Reporter, den freien wie den angestellten Fotografen, die Bildagentur, den verantwortlichen Redakteur, den Verleger, den Herausgeber sowie die unternehmerisch tätige juristische Person (Verlag, Rundfunkveranstalter, Medienkonzern). dd) Zwischenergebnis Die Triviale Personenberichterstattung fällt nach allem als Akt massenmedialer Informationsverbreitung grundsätzlich in den Anwendungsbereich der in Art. 5 I 2 GG verankerten Medienfreiheit Das sich hieraus ergebende Abwehrrecht steht allen am Informationsverbreitungsprozess Beteiligten zu. Von ihm umfasst sind sämtliche journalistische Darstellungsformen ebenso wie sämtliche technische Verbreitungsformen der Information. Zu klären bleibt jedoch, ob die darüber hinausgehenden Besonderheiten der Trivialen Personenberichterstattung als Abweichungen von der grundsätzlich gewährleisteten Freiheitsbetätigung anzusehen und daher möglicherweise vom Schutz der Medienfreiheit ausgenommen sind.

85 BVerfGE 12, S. 205 (260); Maunz!Dürig-Herzog, Art. 5 Abs. 1,11 Rn. 161; Hoffmann-Riem in AK, Art. 5 Abs. 1,2 Rn. 131. 86 Hoffmann-Riem in AK, Art. 5 Abs. 1,2 Rn. 132. Zum sich hieraus ergebenden Problem der sog. inneren Pressefreiheit vgl. Maunz!Dürig-Herzog, Art. 5 Abs. 1,11 Rn. 158 ff. 87 Für viele Maunz!Dürig-Herzog, Art. 5 Abs. 1,11 Rn. 210; Hoffmann-Riem in AK, Art. 5 Abs. 1,2 Rn. 132,29; BVerfGE 31, S. 314 (321 f.); BVerfGE 74, S. 297 (317 f .).

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2. Teil: Die Triviale Personenberichterstattung im Spannungsfeld

b) Grundrechtsschutz der typischen Erscheinungstonnen der Trivialen Personenberichterstattung

Wie zuvor dargelegt, wird die Triviale Personenberichterstattung grundsätzlich vom Schutzbereich der Medienfreiheit umfasst. Dieses Urteil bezieht sich jedoch nur auf die Triviale Personenberichterstattung als allgemeine Form massenmedialer Informationsverbreitung. Inwieweit diese publizistische Gattung auch in allen ihren spezifischen Erscheinungsformen und Ausprägungen am Schutz des Art. 5 I 2 GG partizipieren kann, bedarf einer eingehenderen Prüfung. In Anlehnung an die oben entwickelten Charakteristika der Trivialen Personenberichterstattung88 stellen sich in diesem Zusammenhang folgende Fragen: Fallen unwahre Tatsachenbehauptungen, diffamierende Meinungsäußerungen, die Verbreitung privater und intimer Informationen sowie fotographische und filmische Personendarstellungen uneingeschränkt in den Schutzbereich der Medienfreiheit? Werden auch als "sozial geringwertig" empfundene Inhalte vom Schutzbereich der Medienfreiheit erfasst? Und schließlich: Führt die kommerzielle Ausrichtung der Trivialen Personenberichterstattung möglicherweise zu einer Einschränkung ihrer grundrechtliehen Schutzfähigkeit? Der nun folgende Abschnitt hat die Beantwortung dieser Fragen zum Gegenstand. aa) Schutz unwahrer und nicht erweislich wahrer Personeninformationen? Wie oben ausgeführt, ist als typisches Merkmal der Trivialen Personenberichterstattung die Publikation von Gerüchten, Vermutungen und Spekulationen bis hin zu konkreten Falschmeldungen anzusehen. 89 Rechtlich ist diese Art der Berichterstattung als Verbreitung unwahrer oder nicht erweislich wahrer Tatsachenbehauptungen zu qualifizieren. Die Frage, ob dieses Verhalten dem Schutz der Medienfreiheit unterfallt, ist heftig umstritten. (1) Funktionaler Ansatz

Aus primär objektiv-rechtlicher, funktionaler Perspektive wird die Einbeziehung von unwahren Tatsachenbehauptungen in den Gewährleistungsbereich des Art. 5 I GG grundsätzlich abgelehnt.90 Objektiv unrichtige Informationen dienten nicht dem Erkennen von Tatsachengrundlagen und damit der Möglichkeit zur Bildung rational begründeter Werturteile.91 Die MeiVgl. dazu oben Erster Teil, A.III., B.IV. Vgl. oben Zweiter Teil, Einleitung. 90 In diesem Sinne Di Fabio in AfP 1999, S. 126 (129); Hoffmann-Riem in AK, Art. 5 Abs. 1,2 Rn. 21; Hesse, Rn. 391. 88 89

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nung, die durch eine unwahre Tatsachenbehauptung gebildet werde, müsse notwendig eine unrichtige sein. Der Kommunikator strebe lediglich eine "Pseudooperation der Meinungsbildung"92 an, unterstütze durch sein Verhalten jedoch nicht den Prozess gesellschaftlicher Wahrheitsfindung93 . Unwahre Tatsachenmitteilungen verfehlten die "verfassungsrechtlich vorausgesetzte Aufgabe zutreffender Meinungsbildung"94 . Der (primär funktionale) Grundrechtsschutz des Art. 5 I GG sei ihnen daher versagt. 95 (2) Individualrechtlicher Ansatz

Gegen die Schutzlosstellung unwahrer Tatsachenbehauptungen wenden sich eine Reihe von Autoren, die, einem primär individualrechtliehen Verständnis der Medienfreiheit folgend, alle Tatsachenbehauptungen, auch subjektiv unwahrhaftige und objektiv unwahre, ausnahmslos dem Grundrechtsschutz der Medienfreiheit zuordnen wollen. 96 Eine schutzbereichsbeschränkende Wahrheitspflicht sei dem Verfassungstext weder nach dessen Wortsinn noch nach dessen vorpositivem Begründungszusammenhang zu entnehmen.97 Zudem dürfe es, wenn der Grundrechtsschutz unausgehöhlt bleiben soll, für die Schutzbereichsbestimmung des Art. 5 I GG nicht auf den konkreten Inhalt einer infragestehenden Äußerung ankommen. 98 Die Qualifizierung einer Aussage als "wahr" oder "unwahr" beziehe sich jedoch gerade auf inhaltliche Kategorien und sei deshalb als Abgrenzungskriterium unzulässig. 99 Zur bestmöglichen Wahrung der Freiheitsgewährleistungen des Art. 5 I GG müssten falsche Tatsachenmitteilungen daher prinzipiell in dessen Schutzbereich einbezogen werden. Erst bei einer möglichen Abwägung mit kollidierenden Rechten Dritter sei ihnen gegebenenfalls ein gegen Null tendierendes Gewicht beizumessen.100 91 Hoffmann-Riem in AK, Art. 5 Abs. 1,2 Rn. 21 unter Hinweis auf BVerfGE 61, S. 1 (8); BVerfGE 54, S. 208 (219). 92 Hesse, Rn. 391. 93 Eine Indienstnahme der Kommunikationsfreiheit zum Zwecke der Wahrheitsermittlung findet sich beispielsweise in BVerfGE 42, S. 163 (171) - Deutschlandstiftung. 94 BVerfGE 54, S. 208 (219 f.). 95 So im Ergebnis auch Stark, S. 52 ff. (55 f.); Schmitt Glaeser in JZ 1983, S. 95 (97); Schmitt Glaeser in AöR 113 (1988), S. 52 (77). 96 Thieme in DöV 1980, S. 149 (150); Köhler in NJW 1985, S. 2389 (2390); v. Münch-Wendt, Art. 5 Rn. 10; Schmidt-Jortzig in HdBStR, § 141 Rn. 20; Wenzel, Rn. 2.4.; Dreier-Schulze-Fielitz, Art. 5 1,11 Rn. 47. 97 Köhler in NJW 1985, S. 2389 (2390). 98 Schmidt-Jortzig in HdBStR, § 141 Rn. 20; v. Münch-Wendt, Art. 5 Rn. 10. 99 A.A. Maunz/Dürig-Herzog, Art. 5 Abs. 1,11 Rn. 145, der den Wahrheitsgehalt einer Nachricht nicht als inhaltliche Kategorie verstanden wissen will. 100 Schmidt-Jortzig in HdBStR, § 141 Rn. 20.

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2. Teil: Die Triviale Personenberichterstattung im Spannungsfeld

(3) Vermittelnder Ansatz Auf der Grundlage eines individualistische und funktionalistische Ansätze miteinander zum Ausgleich bringenden Grundrechtsverständnisses wiederum werden eine Reihe differenzierender Sichtweisen vertreten, die im Ergebnis zwischen schützenswerten und nicht schützenswerten Unwahrheiten unterscheiden. 101 So will Starck auf das Kriterium der "offensichtlichen Unwahrheit" abstellen. 102 Nachrichten und Zitate, deren Unwahrheit offen zutage liegt und deshalb einfach festgestellt werden kann, seien von der Gewährleistung des Art. 5 I GG ausgenommen, da weder ein Schützenswertes individuelles noch gesellschaftliches Interesse an ihrer Verbreitung existiere. Alle anderen unwahren Tatsachenbehauptungen hingegen seien von der Medienfreiheit umfasst, da nur so ein angemessener Schutz der oftmals unter erheblichem Zeitdruck arbeitenden Massenmedien zu erreichen sei. Brugger103 folgt dieser Argumentationslinie weitgehend, verwendet jedoch anstelle von "offensichtlicher Unwahrheit" das Abgrenzungskriterum der "totalen Irrationalität". Ihm zufolge sei die Grenze der Schutzwürdigkeit dort zu ziehen, wo eine Tatsachenbehauptung jeder "sinnvollerweise behauptbaren realen Grundlage" entbehre. Andere wollen nach der subjektiven Kenntnis oder dem Verschulden des Kommunikators differenzieren. 104 Demzufolge seien bewusst oder leichtfertig unrichtige Tatsachenbehauptungen vom Schutz der Medienfreiheit ausgenommen, leicht fahrlässige oder unverschuldete Unwahrheiten hingegen nicht. Zur Begründung dieser Position wird ausgeführt, dass weder die individualrechtliche noch die kollektivrechtliche Deutung der Medienfreiheit eine Interpretation decken könne, die einen vorsätzlichen oder leichtfertigen Fehlgebrauch der Freiheitsgewährleistung erfassen ließe. 105 Die notwendige Berücksichtigung der tatsächlichen Gegebenheiten des Medienalltags, wie beispielsweise das Angewiesensein auf Mitteilungen von dritter Seite oder das besondere Aktualitätserfordernis, müsse jedoch zu einer Privilegierung von nur leicht fahrlässigen oder gänzlich unverschuldeten Falschmeldungen führen. 106 Diese, aber auch nur diese, seien dem Schutzbereich der Medienfreiheit zu unterstellen. 107 101 Brugger in EuGRZ 1987, S. 189 (193 f.); Maunz!Dürig-Herzog, Art. 5 Abs. 1,11 Rn. 145 ff.; Thieme in DöV 1980, S. 149 (150); Jarass, Massenmedien, S. 197; BVerfGE 61, S. 1 (8). 102 v. Mangoldt/Klein-Starck, Art. 5 Abs. 1,2 Rn. 67. 103 Brugger in EuGRZ 1987, S. 189 (192). 104 Maunz/Dürig-Herzog Art. 5 Abs. 1,11 Rn. 146 f.; Jarass, Massenmedien, S. 197; BK-Degenhart, Art. 5 Abs. 1 u. 2 Rn. 104 f. 105 Maunz/Dürig-Herzog, Art. 5 Abs. 1,11 Rn. 146. Vgl. auch BVerfGE 54, S. 208 (219 f.).

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Diesen Mittelweg vertritt auch die Verfassungsrechtsprechung, wenngleich sich aus den überwiegend einzelfallbezogenen Stellungnahmen ein recht uneinheitliches Bild ergibt. So führt das Bundesveifassungsgericht in der Schmid-Entscheidung 108 aus, die Presse sei zwar grundsätzlich zur wahrheitsgemäßen Berichterstattung verpflichtet. Das Wahrheitserfordernis dürfe gleichwohl nicht überspannt werden und müsse sich "im Rahmen des Möglichen" halten. Im Ergebnis sei daher (nur) die vorsätzliche oder leichtfertige Verbreitung von unwahren Tatsachenbehauptungen unzulässig. Dieser frühen Stellungnahme ließ sich jedoch nicht zweifelsfrei entnehmen, ob die Verbreitung bewusst oder grob fahrlässiger Unwahrheiten aus dem Schutzbereich des Art. 5 I 2GG herausfallen oder lediglich im Rahmen einer Abwägung mit entgegenstehenden Individualinteressen zurücktreten solle. Erst die Böll-Entscheidung 109 sorgte für Klärung. Die Verbreitung eines unrichtigen Zitats, so heißt es dort, werde als unwahre Tatsachenbehauptung vom Freiheitsbereich des Art. 5 I GG nicht erfasst. In seiner Begründung verweist das Gericht darauf, dass unwahre Tatsachenbehauptungen aus funktional-demokratischen Gründen grundsätzlich außerhalb des Schutzbereichs der Medienfreiheit lägen. Nur dort, wo die Wahrheit besonders schwer zu ermitteln sei, ergäbe sich ein anderes Bild. In diesen Fällen sei aus Gründen der überragenden Bedeutung einer freien und unreglementierten Presse eine Erstreckung des Grundrechtsschutzes auf - so muss die Entscheidung wohl verstanden werden - leicht fahrlässige Falschberichte geboten. Zitate unterfielen diesem Sonderschutz nicht, da sie in aller Regel einfach nachzuprüfen seien. In der Wahlkampfäußerung-Entscheidung 110 formuliert das Bundesverfassungsgericht dann deutlicher: "Die bewusste Behauptung unwahrer Tatsachen ist durch Art. 5 Abs. 1 GG nicht mehr geschützt". Im übrigen bedürfe es einer Differenzierung, die jedoch auf der Ebene der Güter- und Interessenahwägung vorzunehmen sei. Diese Stellungnahme lässt sich dahingehend interpretieren, dass auch grob fahrlässige Falschmeldungen von Art. 5 I 2 GG geschützt werden, auf der Schrankenebene jedoch hinter entgegenstehenden Individualinteressen zurücktreten 106 Maunz!Dürig-Herzog, Art. 5 Abs. I,II Rn. 148, ähnlich auch BK-Degenhart, Art. 5 Abs. 1 u. 2 Rn. 105. 107 Zum selben Ergebnis kommt Jarass, der sich jedoch gänzlich von einem objektiven Schutzwürdigkeitsmaßstab löst und allein die subjektive "Einstellung der Medienmitarbeiter" für ausschlaggebend hält. Der Schutz des Art. 5 I 2 GG sei zwar nicht auf wahre Medieninhalte, wohl aber auf eine "realitätsorientierte Verarbeitung" derselben beschränkt. Deshalb sei der vorsätzlich oder grob fahrlässig auf Quellenorientierung verzichtende Vermittlungsakt nicht mehr von Art. 5 I 2 GG umfasst; Jarass, Massenmedien, S. 197. 108 BVerfGE 12, S. 113 ( 130) - Schrnid. 109 BVerfGE 54, S. 208 (219 f.) - Böll. 110 BVerfGE 61, S. 1 (8)- NPD Europas.

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2. Teil: Die Triviale Personenberichterstattung im Spannungsfeld

müssen. In der Leugnung der Judenveifolgung-Entscheidung 111 wiederum stellt das Gericht auf die ,,historische Evidenz" der Unwahrheit ab. In Anknüpfung an die zum Zitatschutz entwickelten Grundsätze sollen nunmehr auch "erwiesen unwahre" Tatsachenbehauptungen vom Schutzbereich des Art. 5 I GG ausgenommen sein. Im Ergebnis nimmt die Verfassungsrechtsprechung also vorsätzliche und evident unwahre Falschmeldungen kategorisch vom Schutzbereich des Art. 5 I GG aus, wie zuletzt wieder deutlich aus der Helnwein-Entscheidung des Bundesveifassungsgerichts aus dem Jahre 1998 hervorgeht 112• Ob dies auch für grob fahrlässige Falschmeldungen gilt, oder ob diese erst auf der Schrankenebene faktisch schutzlos gestellt werden, bleibt indes unklar. 113 Leicht fahrlässige und gänzlich unverschuldete Falschmeldungen werden hingegen eindeutig dem Schutzbereich des Art. 5 I GG unterstellt. 114 (4) Stellungnahme und Ergebnis

Weder die funktionale noch die vermittelnde Ansicht tragen der herausragenden individuellen und gesellschaftlichen Bedeutung des Art. 5 I GG hinreichend Rechnung, wenn sie bestimmten Tatsachenbehauptungen von vomherein grundrechtliehen Schutz versagen. Auf der Grundlage des hier vertretenen, liberalen Grundrechtsverständnisses ist eine unterschiedslose Einbeziehung sämtlicher Äußerungen in den Schutzbereich des Art. 5 I GG unumgänglich. Dies gilt auch für unwahre Tatsachenbehauptungen. Die Kommunikationsfreiheiten des Art. 5 I GG sind zunächst individualrechtliche Freiheitsgewährleistungen. 115 Sie räumen dem Individuum eine umfassende Äußerungsfreiheit ein. 116 Dies gilt in gleichem Maße für die Medienfreiheit als Unterfall der Kommunikationsfreiheiten: Auch sie schützt einen speziellen, personalen Entfaltungsbereich vor staatlicher Bevormundung. Die (vormalige) Ansicht Starcks, wonach der individualrechtliche Gehalt des Art. 5 I GG darin bestehe, "andere Menschen durch BVerfGE 90, S. 241 (247 f.)- Leugnung der Judenverfolgung. BVerfG in NJW 1999, S. 1322 (1324) - Helnwein. So im Ergebnis auch BVerfG in AtF 2000, S. 351. 113 Gegen eine Vemeinung des Grundrechtsschutzes für grob fahrlässige Falschmeldungen spricht allerdings ein Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1999, in dem es heißt: "Nur diejenige Tatsachenbehauptung, deren Unwahrheit dem sich Äußernden bekannt ist oder bereits im Zeitpunkt der Äußerung feststeht, wird vom Schutzbereich des Grundrechts von vomherein nicht erfasst"; BVerfG in AtF 1999, S. 159 (160). 114 Zusammenfassend BVerfGE 90, S. 241 (247 ff.). 115 Vgl. für viele BK-Degenhart, Art. 5 Abs. 1 u. 2 Rn. 50. 116 Vgl. dazu Schmidt-Jortzig in HdBStR, § 141 Rn. 2 ff.; Wenzel, Rn. 1.4 f. 111

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Nachrichten und Tatsachenmitteilungen zu informieren" 117 , woraus dieser eine Wahrheitspflicht der Medien aus subjektiv-rechtlicher Perspektive zu begründen sucht, vermag nicht zu überzeugen: Hier wird die objektiv-rechtliche mit der subjektiv-rechtlichen Komponente des Grundrechts in unzulässiger Weise vermischt. Äußerungen werden vielmehr - zumindest auch um den Akt des Äußerns selbst willen geschützt. 118 Da der subjektiv oder objektiv unwahren Tatsachenbehauptung unzweifelhaft noch Äußerungsqualität beikommt, muss auch ihr der Schutz des Art. 5 I GG zugebilligt werden. Dieses Ergebnis wird durch eine konsequent angewandte, funktionale Deutung des Art. 5 I 2 GG nicht widerlegt, sondern vielmehr noch unterstützt. Wenn nämlich die Gewährleistung des Art. 5 I 2 GG der umfassenden Meinungsbildung, der Kontrolle des Staatsapparates und der gesellschaftlichen Willenstindung in politischen, sozialen und kulturellen Fragen effektiv dienen soll, so muss eine möglichst große Vielfalt von Ansichten, Meinungen und Stellungnahmen auf dem gesellschaftlichen Meinungsmarkt vertreten sein. Mit dieser Idee ist es jedoch unvereinbar, bestimmte Ansichten - seien es Meinungen oder Tatsachenbehauptungen - aufgrund einer inhaltlichen Wertung (hier: wahr oder falsch) dem öffentlichen Forum zu entziehen. 119 Hinzu kommt, dass Art. 5 I GG grundsätzlich auf Staatsfreiheit des gesellschaftlichen Meinungsbildungsprozesses abzielt. 120 Auch dieser Idee liefe es zuwider, einem staatlichen Organ die Entscheidung über Wahrheit oder Unwahrheit einer Aussage zu übertragen, ohne diesen Entscheidungsprozess zumindest bestmöglich abzusichern. Die diesbezüglich bedeutsamste Sicherung aber liegt in Art. 5 li GG. Entzöge man unwahre Tatsachenbehauptungen nun dem Schutzbereich des Art. 5 I GG, so entfiele damit jedoch auch das erhöhte Eingriffserfordernis der auf Inhaltsneutralität abzielenden Schrankenregelung. Dieses Ergebnis ist mit der "schlechthin konstituierenden" Bedeutung eines freien öffentlichen Meinungsbildungsprozesses kaum vereinbar. Und schließlich ist nicht nachvollziehbar, warum 117 v. Mangoldt/Klein-Starck, 3. Auflage 1985, Art. 5 Abs. 1,2 Rn. 43; diese Ansicht wird von Starck - soweit ersichtlich - nicht mehr vertreten. 118 Dreier-Schulze-Fielitz, Art. 5 1,11 Rn. 45; v. Münch-Wendt, Art. 5 Rn. 9. ll 9 Hinsichtlich reiner Meinungsäußerungen gehört dieser Gedanke längst zur Standardargumentation des Bundesverfassungsgerichts. So heißt es beispielsweise in BVerfGE 54, S. 129 (139): "Die Spontaneität der freien Rede [..] ist Voraussetzung der Kraft und Vielfalt der öffentlichen Diskussion, die ihrerseits Grundbedingung eines freiheitlichen Gemeinwesens ist. Soll diese Kraft und Vielfalt generell erhalten bleiben, dann [muss] im Einzelfall [ein] Gebrauch der Meinungsfreiheit in Kauf genommen werden, der zu sachgemäßer Meinungsbildung nichts beitragen kann."; vgl. auch BVerfGE 34, S. 269 (283) - Soraya. 120 Dreier-Schulze-Fielitz, Art. 5 1,11 Rn. 44; BK-Degenhart, Art. 5 Abs. 1 u. 2 Rn. 43; Hoffmann-Riem in AK, Art. 5 Abs. 1,2 Rn. 120.

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2. Teil: Die Triviale Personenberichterstattung im Spannungsfeld

einerseits jede Meinung, auch die gänzlich abwegige, von Art. 5 I GG geschützt sein soll 121 , andererseits oftmals schwer überprütbaren, im Moment der Entscheidungstindung vermeintlich als "unwahr" erkannten Tatsachenbehauptungen dieser Schutz versagt werden soll. 122 Eine absolute Verweigerung grundrechtliehen Schutzes für unwahre Tatsachenbehauptungen lässt sich nach allem nicht rechtfertigen. Mit den gleichen Argumenten ist aber auch der Schutzlosstellung allein von vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Falschmitteilungen entgegenzutreten. Wenn Herzog konstatiert, die Folgen einer bewusst oder leichtfertig falschen Information der Öffentlichkeit durch die Massenmedien sei im Hinblick auf das Funktionieren des demokratischen Rechtsstaates so "verheerend", dass eine Einbeziehung derartiger Äußerungen in den Schutzbereich der Medienfreiheit als mit Art. 20 I GG schlechterdings unvereinbar erscheine 123 , so ist darauf hinzuweisen, dass diese vermeintlich verheerende Wirkung - wenn überhaupt - von der objektiven Unrichtigkeit der Mitteilung, nicht jedoch vom erhöhten subjektiven Verschuldensgrad des Kommunikators ausgeht. 124 Wenn man also Fehlinformationen für demokratie-staatlich bedenklich hielte, so müsste sich dieses Urteil konsequenterweise auf alle Formen der Falschberichterstattung erstrecken. Der maßgeblich von Herzog propagierte "Mittelweg" 125 , dem auch das Bundesverfassungsgericht anhängt, erscheint vor diesem Hintergrund als pragmatisch orientierter Versuch, die moralische Verwerflichkeit der Lüge 126 (verstanden als die bewusste Aufstellung falscher Tatsachenbehauptungen) einerseits mit den faktischen Gegebenheiten der massenmedialen Informationsproduktion andererseits zu einem handhabbaren Ausgleich zu bringen. Dogmatisch vermag dieser Ansatz aus den oben genannten Gründen jedoch nicht zu überzeugen. Die weiterhin vorgeschlagenen "objektiven" Abgrenzungskriterien ("Wahrheitsstreben der Medienverantwortlichen", "totale Irrationalität", "offensichtliche Unwahrheit") wiederum erweisen sich sämtlich als zu unbestimmt. Ihre Anwendung eröffnete dem Staat eine weitgehende EiDschätzungsprärogative hinsichtlich der Wertigkeit publizistischer Äußerungen, die mit einem offensiv-liberalen Grundrechtsverständnis unvereinbar wäre. Auch die Beschränkung des Grundrechtsschutzes auf leicht fahrläs121 Vgl. BVerfGE 33, S. I (14 f.); BVerfGE 61, S. 1 (7); Maunz/Dürig-Herzog, Art. 5 Abs. I,ll Rn. 55. 122 So im Ergebnis auch Dreier-Schulze-Fielitz, Art. 5 I,II Rn. 47. 123 Maunz/Dürig-Herzog, Art. 5 Abs. 1,11 Rn. 147. 124 Ähnlich auch Schmitt Glaeser in AöR 113 [ 1988], S. 52 (77). 125 Maunz/Dürig-Herzog, Art. 5 Abs. 1,11 Rn. 145 a.E. 126 Zur Unterscheidung von moralischer und rechtlicher Wahrheitspflicht vgl. Köhler in NJW 1985, S. 2389 (2390).

A. Rechtliche Fixierung der kollidierenden Interessen

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sige und unverschuldete Falschmeldungen ist daher abzulehnen. Überzeugen kann allein eine Grundrechtsauslegung, die sämtliche Äußerungen, ob wertvoll oder wertlos, ob politisch oder privat, ob Meinung oder Tatsachenbehauptung, ob wahr oder falsch in den Schutzbereich des Art. 5 I GG einbezieht. 127 Nur so lässt sich gesellschaftlich ein möglichst breites Spektrum an Informationen vorhalten, aus dem der Einzelne frei auswählen kann. Selbst die vermeintlich objektive Feststellung der "offensichtlichen Unwahrheit" einer Aussage durch staatliche Organe birgt Einfalltore für Wertungen, Bevorzugungen und Benachteiligungen aufgrund inhaltlicher Präferenzen. 128 Zumindest die Schutzbereichsbestimmung der bedeutsamen Kommunikationsgrundrechte sollte ohne diese Wertungen auskommen. Was wahr und was unwahr ist, muss sich im Wettstreit der Meinungen zeigen die Leitidee einer objektiven, vorbestimmten und endgültigen Wahrheit geht mit einer freiheitlich-pluralistischen Gesellschaftsordnung nicht konform. Auch vorsätzlich und "erwiesen unwahre" Tatsachenbehauptungen müssen deshalb (zunächst) dem Schutz von Art. 5 I GG unterfallen. 129 Argurnenturn a maiore ad minus ergibt sich dasselbe Ergebnis für nicht erweislich wahre Tatsachenbehauptungen. Gerüchte, d. h. nicht erweislich wahre Tatsachenbehauptungen aus fremder Quelle 130 sind demzufolge ebenso vom Schutzbereich der Medienfreiheit erfasst wie erfundene Interviews 131 , schlecht recherchierte Klatschberichte oder wahrheitswidrige 127 Diese Auslegung entspricht im übrigen dem weiten Tatbestand des vom EuGH in Anlehnung an Art. 10 I EMRK entwickelten gemeinschaftsrechtlichen allgemeinen Rechtsgrundsatzes der Meinungsfreiheit; vgl. dazu Dreier-Schulze-Fielitz, Art. 5 I,Il Rn. 47, 15 m. w.N. sowie EGMR, Urt. v. 1.7.1997, in NJW 1999, s. 1321. 128 In den wenigsten Fällen wird es um die Frage gehen, ob "weiß" gleich "weiß" oder "schwarz" gleich "schwarz" ist. Im Mittelpunkt stehen häufig - und dies sind die bedeutenden Fälle - politische, religiöse, ethische oder philosophische "Wahrheiten". Für einen Atheisten mag die Wiederauferstehung Jesu eine "offensichtliche Unwahrheit" sein, für einen gläubigen Katlioliken wird sich dies anders darstellen. Und noch vor wenigen Jahrhunderten wird die Kopernikanische Erkenntnis, wonach sich die Erde um die Sonne dreht, allgemein als "total irrational" gegolten haben. Fortschritt und gesellschaftliche Erkenntnis bedürfen des weitestgehenden Schutzes auch und gerade abwegiger und nach heutigem Verständnis "offensichtlich unwahrer" Meinungen und Tatsachen. Eine prinzipielle Ausklarnmerung solcher Äußerungen aus dem Schutzbereich der Kommunikations- und Medienfreiheit auf der Basis eines mehrheitsfähigen Wahrheitsverständnisses läuft dem Ideal einer pluralen, innovativen und modernen Gesellschaft zuwider. 129 Für diese Ansicht spricht auch, dass sie die oftmals unmögliche, nach gegenwärtigem Grundrechtsverständnis jedoch notwendige Abgrenzung zwischen Tatsachenbehauptungen und Meinungsäußerungen überflüssig machte. Damit wäre immerhin ein notwendiges Stück Rechtssicherheit im Bereich der "politisch und verfassungsrechtlich brisanten" (Maunz/Dürig-Herzog, Art. 5 Abs. I,II Rn. 128) und damit von Unbestimmtlieit bedrohten Medienfreiheit gewonnen. 130 Dazu ausführlich Soehring, Presserecht, Rn. 16.26 ff.

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2. Teil: Die Triviale Personenberichterstattung im Spannungsfeld

Informationen aus dem privaten Umfeld. Eine Begrenzung der Schutzintensität kann allenfalls auf der Schrankenebene erfolgen. Im Ergebnis bedeutet dies, dass eine isolierte verfassungsrechtliche Wahrheitspflicht der Medien nicht existiert. Erst aus der Beeinträchtigung fremder, schützenswerter Interessen erwächst ggf. die Schutzlosstellung der veröffentlichten Unwahrheit. bb) Schutz der Verbreitung fotographischer Personenaufnahmen? Als zentrales Instrument der Trivialen Personenberichterstattung ist die Verbreitung von Fotoaufnahmen anzusehen, auf denen einzelne Personen in identifizierbarer Weise abgebildet sind. 132 Insbesondere bei isolierten, oder - in Anlehnung an die oben entwickelte Terminologie - originären Personenaufnahmen stellt sich die Frage, ob diese dem Schutz der Medienfreiheit unterfallen. ( 1) Die Behandlung von Fotos durch Rspr. und h. L.

Grundsätzlich umfasst die einheitliche Äußerungsfreiheit des Art. 5 I GG auch den Schutz bildlieber Darstellungen. Dies ergibt sich zunächst aus dem Wortlaut des Art. 5 I 1 GG, demzufolge jedermann das Recht hat, "seine Meinung in Wort, Schrift und Bild (Hervorhebung d. d. Verf.) frei zu äußern und zu verbreiten". Unter den Begriff des Bildes ist unzweifelhaft auch das Foto zu subsumieren.133 Darüber hinaus ergibt sich die Einbeziehung von Fotos auch aus der presse- und rundfunkspezifischen Verbreitungsfreiheit des Art. 5 I 2 GG. Diese erfasst unstreitig den gesamten redaktionellen Teil des publizistischen Produkts und damit auch die bildliehe und insbesondere die fotographische Darstellung. 134 Der grundrechtliche Fotoschutz stellt sich auf der Grundlage der vorherrschenden Auffassung gleichwohl als problematisch dar. So führt das Bundesverfassungsgericht in der Sonnenfreunde-Entscheidung 135 aus, Fotos fielen nur dann in den Schutzbereich des Art. 5 I GG, "wenn in ihnen ein Werturteil, eine Ansicht oder Anschauung bestimmter Art zum Ausdruck kommt." Die Fotoverbreitung wäre demzufolge nicht als geschützt anzusehen, wenn sie sich auf eine bloße Wiedergabe der Wirklichkeit Vgl. BGHZ 128, S. 1 = NJW 1995, S. 861 -Carotine v. Monaco I. Dazu oben Zweiter Teil, Einleitung; vgl. auch Soehring, Presserecht, § 21 Rn. 21.1 zum Konfliktpotential bildlieber Personendarstellungen. 133 v. Münch-Wendt, Art. 5 Rn. 15. 134 So ausdrücklich BVerfG in NJW 2000, S. 1021 (1024); vgl. auch v. MünchWendt, Art. 5 Rn. 30. 135 BVerfGE 30, S. 336 (352). 131

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beschränkt. 136 Isolierte Fotos, d.h. Fotos ohne anmerkende textliche Ergänzungen, wären bei einer solchen Deutung in aller Regel von der Gewährleistung des Art. 5 I GG ausgenommen. Denn das "Werturteil", das einem Foto entnommen werden kann, ergibt sich immer erst aus dem konkreten Zusammenhang der Veröffentlichung und aus ergänzenden oder erklärenden redaktionellen Bemerkungen, das Foto selbst ist hingegen "neutral". Dessen Schutzwürdigkeit jedoch maßgeblich von dem situativen Umfeld seiner Verbreitung abhängig zu machen, wird der Qualität des Fotos als distinkter Informationseinheit nicht gerecht. Das Foto würde so gleichsam als Annex zu einer anderweitig relevanten Meinungsäußerung behandelt, nicht aber mit eigenständigem Grundrechtsschutz ausgestattet. Dies führte dazu, dass ein und dasselbe Foto - je nach Verbreitungskontext - einmal geschützt und einmal ungeschützt sein könnte. Dies wäre der im Kommunikationssektor besonders notwendigen Rechtssicherheit äußerst abträglich. Zudem widerspräche eine solche Betrachtungsweise dem Wortlaut des Art. 5 I 1 GG, der dem "Bild" ausdrücklich eigenständigen Schutz zubilligt. (2) Kritische Stellungnahme: Fotos als visuelle Tatsachenmitteilungen

Fotos können daher schlechterdings nicht als (visuelle) Werturteile betrachtet und in der Konsequenz wie solche behandelt werden. Es handelt sich bei ihnen vielmehr um wertneutrale Abbildungen der Wirklichkeit. Ihre Verbreitung ist daher als (visuelle) Tatsachenmitteilung anzusehen. Wendet man die von der h. L. für den Schutz verbaler Tatsachenmitteilungen entwickelten Grundsätze entsprechend an, so wären Fotoveröffentlichungen demzufolge immer, aber auch nur dann von Art. 5 I GG erfasst, wenn sie Voraussetzung für die Bildung von Meinungen sind, einem individuellen Mitteilungsbedürfnis entspringen oder in ihrer Auswahl und Präsentation eine wertende Stellungnahme zu sehen ist. 137 Wie bereits oben zur Frage des Schutzes verbaler Tatsachenmitteilungen ausgeführt, muss sich der Schutz des Art. 5 I GG jedoch weitergehend auf sämtliche Tatsachenmitteilungen erstrecken. Dies ergibt sich unmittelbar aus dem hier vertretenen, offensiv-liberalen Grundrechtsverständnis, wonach Art. 5 I GG eine umfassende Äußerungsfreiheit gewährleistet. Nach der hier vertretenen, freiheitlichen Auffassung sind Fotographien als visuelle Tatsachenmitteilungen daher ohne Rückgriff auf ihre meinungsbildende Qualität in jedem Falle von der grundrechtliehen Gewährleistung erfasst. Ein Abstellen auf den dargestellten Gegenstand, den "Inhalt" des Fotos, ist weder notwendig noch zulässig, so dass auch originäre Personenfotos ausnahmslos an der 136 137

In diesem Sinne Zippelius, S. 1299. Für viele BK-Degenhart, Art. 5 Abs. 1 u. 2 Rn. 98 f.

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grundrechtliehen Gewährleistung des Art. 5 I GG teilhaben. Doch selbst bei Zugrundelegung des vom Bundesverfassungsgericht vertretenen, restriktiveren Standards wären originäre Personenfotos in aller Regel von Art. 5 I GG erfasst, da sie zumindest als Grundlage für die Bildung von Meinungen über die dargestellten Personen, deren Lebensweise und deren Erscheinungsbild dienen. Die Differenzen zwischen der h. L. und der hier vertretenen Auffassung führen insofern - die Einordnung von Fotoveröffentlichungen als visuelle Tatsachenmitteilungen vorausgesetzt - in der Regel zu keinen divergierenden Ergebnissen. (3) Die Behandlung von "gefälschten" Fotos

Die obigen Ausführungen gelten jedoch nur für "echte", authentische Fotos. Eine interessante Frage werfen in diesem Zusammenhang gefalschte, aber als "echt" ausgegebene Fotos auf. 138 Der Logik der obigen Argumentation folgend wären diese wie unwahre Tatsachenbehauptungen zu behandeln. Da verfalschte Fotos in aller Regel wissentlich - also vorsätzlich hergestellt und verbreitet werden, müsste die h. L. ihnen daher konsequenterweise den Schutz des Art. 5 I GG absprechen. 139 Nach der hier vertretenen Ansicht hingegen fallen auch gefälschte Fotos zunächst in den Schutzbereich von Art. 5 I GG, der im Sinne einer umfassenden Kommunikationsfreiheit die Verbreitung aller verkörperten oder unverkörperten Gedankeninhalte schützt. (4) Zusammenfassung und Ergebnis

Im Ergebnis bedeutet dies für die massenmediale Fotoverbreitung, dass "echte", authentische Foto- und Filmbeiträge dem Schutzbereich der Medienfreiheit zumindest dann unterfallen, wenn sie als Tatsachengrundlage für die Bildung (irgend)einer Meinung anzusehen sind. Diese Voraussetzung wird in Fällen der Trivialen Personenberichterstattung regelmäßig erfüllt sein. Sie entfallt gleichwohl nach der hier vertretenen, liberalen Auffassung, derzufolge alle Fotos unterschiedslos geschützt sind. "Unechte", gefalschte Fotos hingegen sind nach h. M. nicht vom Schutz des Art. 5 I GG umfasst. Richtigerweise wird man jedoch, entsprechend der hier vertretenen Ansicht hinsichtlich unwahrer Tatsachenbehauptungen, den Schutz der Medienfreiheit auch und sogar auf bewusst gefalschte Fotos ausdehnen 138 Vgl. zur diesbezüglichen "Kreativität" der Fotoredaktionen die Zusammenstellung der Titelblätter deutscher Illustrierter in SPIEGELspecial Nr. 111995, S. 152 f. 139 Zur Behandlung unwahrer Tatsachenbehauptungen in Rspr. und Lit. siehe oben Zweiter Teil, A.l.2.b)aa).

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müssen, da hier wie dort eine schutzbereichsbezogene Differenzierung nach inhaltlichen Kriterien nicht angängig ist. cc) Schutz publizistischer Angriffe auf die persönliche Ehre? Ein weiteres Charakteristikum der Trivialen Personenberichterstattung ist die Veröffentlichung von diffamierenden Werturteilen. 140 Auch hier stellt sich die Frage, ob dieses Verhalten dem Schutzbereich der Medienfreiheit unterfällt In Rechtsprechung und Literatur wird diese Frage einhellig beantwortet: Die Aufstellung und Verbreitung beleidigender, abwertender und diffamierender Werturteile wird ausnahmslos der Freiheitsgarantie des Art. 5 I GG zugeordnet. 141 Alle Versuche zur Ausgrenzung bestimmter Meinungen führten zum "staatlichen Meinungsrichtertum" 142, gegen das Art. 5 I GG gerade gerichtet sei. 143 Dem Begriff der Meinung wohne die "Subjektivität der Wertung" inne; gerade diese bilde den eigentlichen Gegenstand des Grundrechtsschutzes. Diese Erkenntnis müsse zu einer vollkommenen Gleichbehandlung aller Meinungen auf Schutzbereichsebene führen. Schranken der Äußerungsfreiheit dürften sich nicht aus einer einengenden Definition der Meinung, sondern allein aus Art. 5 II GG ergeben. Diese Feststellung gelte gleichermaßen für individuelle wie für massenmedial verbreitete Meinungsäußerungen. 144 Vom Standpunkt des hier vertretenen Grundrechtsverständnisses ist diese von Literatur und Rechtsprechung vertretene, freiheitliche Konzeption zu begrüßen. 145 Jede Qualifizierung von Meinungen als "gut" oder "schlecht", "wertvoll" oder "wertlos", "richtig" oder "falsch" ermöglichte die Bevorzugung konformer Meinungen gegenüber solchen, die (momentan) nicht mehrheitsfähig erscheinen und verengte so das Spektrum der im öffentliVgl. oben Zweiter Teil, Einleitung. Dreier-Schulze-Fielitz, Art. 5 I,II Rn. 44; Maunz/Dürig-Herzog, Art. 5 Abs. I,II Rn. 55e; Schmidt-Jortzig in HdBStR, § 141 Rn. 22; Hoffmann-Riem in AK, Art. 5 Abs. 1,2 Rn. 20, 55; Bullinger in HdBStR, § 142 Rn. 16; v. Münch-Wendt, Art. 5 Rn. 8; BVerfGE 33, S. I (15 f.); BVerfGE 54, S. 129 (139); BVerfGE 61, S. I (7 f.). 142 Hoffmann-Riem in AK, Art. 5 Abs. 1,2 Rn. 20. 143 Dreier-Schulze-Fielitz, Art. 5 I,II Rn. 44; Hoffmann-Riem in AK, Art. 5 Abs. 1,2 Rn. 20. 144 Dreier-Schulze-Fielitz, Art. 5 I,II Rn. 44. 145 Dieses weite Verständnis von der Medienfreiheit hat in jüngerer Zeit auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Bezug auf die weitgehend deckungsgleiche Vorschrift des Art. 10 EMRK bestätigt und ausdrücklich betont, dass nicht nur "günstig aufgenornrnene oder als unschädlich oder unwesentlich angesehene Informationen oder Ideen" geschützt seien, sondern auch Äußerungen, "die verletzen, schockieren oder beunruhigen"; vgl. EGMR in NJW 1999, S. 1321. 140 141

9 Neben

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eben Raum verfügbaren Ansichten und Ideen. In Erweiterung einer Feststellung des Bundesverfassungsgerichts aus der Entscheidung GefangenenBrie/46 gilt, dass in einem pluralistisch strukturierten und auf der Konzeption einer freiheitlichen Demokratie beruhenden Staatsgefüge jede Meinung, und insbesondere die von etwa herrschenden Vorstellungen abweichende, schutzwürdig ist. Diese muss jedoch, das liegt in der Natur der Sache, häufig provokanter, deutlicher und hörbarer formuliert werden als die bereits bekannte, akzeptierte und geläufige Meinung, denn nur so kann sie sich von ihrer Außenseiterrolle befreien und tatsächliches Gehör im Kanon der etablierten Ansichten finden. Das Bundesverfassungsgericht trägt dieser Erkenntnis Rechnung wenn es feststellt, dass insbesondere in der öffentlichen Auseinandersetzung auch Kritik hingenommen werden muss, die in "überspitzter und polemischer Form" 147 geäußert wird. Auch die ehrverletzende Äußerung, selbst in ihrer extremsten Form (Schmähkritik, Formalbeleidigung) wird daher zu recht dem Schutzbereich des Art. 5 I GG zugeordnet. 148 Für dieses Ergebnis spricht im übrigen auch die Systematik des Art. 5 I,II GG. Wären nämlich ehrverletzende Äußerungen von vomherein vom Schutz des Art. 5 I GG ausgenommen, so entfiele jeglicher Anwendungsbereich für die Regelung des Art. 5 II GG, derzufolge das "Recht der persönlichen Ehre" dem kommunikativen Freiheitsgebrauch des einzelnen eine Schranke setzt. So begrüßenswert die diesbezügliche Einhelligkeit ist, so sehr muss sie zugleich verwundern. Denn vom Boden einer konsequent vertretenen, primär funktionalen Grundrechtsinterpretation wäre zumindest die Einbeziehung der Schmähkritik in den Schutzbereich des Art. 5 I GG abzulehnen. Die Schmähkritik ist definiert als eine wertende Äußerung über eine Person, bei der nicht die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Verunglimpfung der Person im Vordergrund steht. 149 Das dem öffentlichen Meinungsbildungsprozess dienliche Element der kritischen, inhaltlichen Auseinandersetzung tritt also bei einer solchen Äußerung hinter dem individuellen Interesse des Kommunikators an der Herabsetzung einer bestimmBVerfGE 33, S. 1 (15) - Gefangenen-Brief. BVerfGE 82, S. 272 (282) - Zwangsdemokrat 148 Das Bundesverfassungsgericht ordnet erkennbar auch die Schmähkritik dem Schutzbereich des Art. 5 I GG zu, vgl. nur BVerfGE 85, S. 1 (16 unten), wo es heißt: "Erst wenn bei einer Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Herabsetzung der Person im Vordergrund steht, hat eine solche Äußerung als Schmähung regelmäßig hinter dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen zurückzutreten". Insofern unzutreffend Maunz/Dürig-Herzog, Art. 5 Abs. I,II Rn. 47e, der die Schmähkritik von der Verfassungsrechtsprechung im "grundrechtsfreien Bereich" angesiedelt sieht. 149 Vgl. BVerfGE 82, S. 272 (284); BVerfGE 85, S. 1 (16); Dreier-Schulze-Fielitz, Art. 5 I,II Rn. 50. 146 147

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ten Person zurück. Schmähkritik ist demnach nicht überspitzte, verletzende Kritik, sondern inhaltsleere Kritik, die zum Wettstreit der Meinungen nichts beisteuern kann. Konsequenterweise wäre ihr deshalb unter einer primär funktionalen Grundrechtsinterpretation der Schutz des Art. 5 I GG verschlossen. Bei den Verfechtern einer funktionalen, objektiv-rechtlichen Deutung der Kommunikationsfreiheiten findet sich eine solche Argumentation jedoch nicht. Auch sie wollen ehrverletzende Äußerungen erst im Rahmen einer Abwägung nach Art. 5 II GG beschränken. 150 Der sich hieraus ergebende Wertungswiderspruch zwischen geschützten - wenngleich inhaltsleeren - Werturteilen einerseits und nicht geschützten - weil inhaltsleeren unwahren Tatsachenbehauptungen andererseits verdeutlicht erneut die Notwendigkeit einer konsequenten, auf größtmögliche Freiheit abzielenden Grundrechtsinterpretation. Im Interesse der freien öffentlichen Meinungsbildung müssen sämtliche Äußerungen zunächst vom Schutz des Art. 5 I GG erfasst werden; Differenzierungen können erst auf der Schrankenebene erfolgen. 151 Dies gilt für unwahre Tatsachenbehauptungen ebenso wie für ehrverletzende Meinungsäußerungen. Dieses Ergebnis hat auch für Fälle massenmedial verbreiteter Werturteile Gültigkeit. Zwar weist Kriele zutreffend darauf hin, dass sich die Verbreitung von abfälligen Meinungsäußerungen in Presse und Rundfunk für den Betroffenen stärker auswirkt als die im privaten Kreis getätigte Äußerung. 152 Diese Differenzierung hat jedoch für die Schutzbereichsbestimmung der einheitlichen Äußerungsfreiheit keine Bedeutung. Anderenfalls machte man die prinzipielle Gewährung grundrechtliehen Schutzes von vergleichsweise ungesicherten empirischen Erkenntnissen abhängig, was mit dem Postulat einer konturscharfen Freiheitsgewährleistung nicht zu vereinbaren wäre. Diese Erkenntnisse können daher erst auf der Schrankenebene Wirkung entfalten. dd) Schutz der Verbreitung privater, intimer und geheimer Personeninformationen? Aufbauend auf dem zuvor Gesagten lässt sich nunmehr ohne großen Aufwand die Frage beantworten, ob die Verbreitung von privaten oder intimen Informationen dem Schutzbereich der Medienfreiheit unterfällt Auch hier gelten die zuvor entwickelten Grundsätze: Zum einen ist das kommunikative Eindringen in eine fremde Rechtssphäre alleine kein Grund für eine Schutzbereichsbeschränkung. 153 Selbst Äußerungen, die nachgerade darauf 150 151 152 153

9*

Vgl. nur Hoffmann-Riem in AK, Art. 5 Abs. 1,2 Rn. 55. So auch Grimm in NJW 1995, S. 1697 (1698). Kriele in NJW 1994, S. 1897 (1903). In diesem Sinne auch Maunz/Dürig-Herzog, Art. 5 Abs. I,II Rn. 55e.

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abzielen, in den Rechtsbereich Dritter einzugreifen, unterfallen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zunächst dem Schutz des Art. 5 I GG. 154 Die (potentielle) Kollision mit den Persönlichkeitsrechten der Dargestellten führt demnach zu keiner Schutzbereichsbeschränkung, sondern wirkt sich erst auf der Schrankenebene aus. Und zum anderen gilt, dass Art. 5 I GG ausnahmslos jede berichtende Äußerung umfasst. 155 Wie bereits mehrfach deutlich gemacht wurde, sind wertende und bewertende Beschränkungen der Freiheitsgewährleistung auf Schutzbereichsebene kategorisch abzulehnen. Dies gilt auch für wahre, aber die Rechtssphäre Dritter tangierende Tatsachenberichte. Bei Zugrundelegung dieser beiden Prämissen kann kein Zweifel bestehen, dass eine Ausgrenzung privater und intimer Berichte aus dem Schutzbereich der Medienfreiheit nicht in Betracht kommt. Eine solche Schutzbereichsbeschränkung wird daher auch - soweit ersichtlich - weder in der Literatur noch in der Rechtsprechung vertreten. Für die Triviale Personenberichterstattung bedeutet dies, dass Skandalberichte sowie privater Klatsch und Tratsch zumindest nicht wegen ihrer die Privatsphäre berührenden Ausrichtung vom Schutz der Medienfreiheit ausgenommen sind. Hiervon getrennt ist freilich die Frage zu sehen, ob solche Berichte wegen ihrer vermeintlich geringen sozialen und politischen Wertigkeit dem Anwendungsbereich des Art. 5 I GG entzogen sind. Die grundsätzliche Klärung dieses Problems ist dem nun folgenden Abschnitt vorbehalten. ee) Schutz "geringwertiger" Inhalte? Die Triviale Personenberichterstattung weist, wie oben ausführlich dargestellt, eine besondere Inhaltsstruktur auf. Sie liefert dem Rezipienten personenbezogene Tatsacheninformationen, die den Dargestellten von seiner der Öffentlichkeit abgewandten, individuellen Seite zeigen und die in keinem unmittelbaren Zusammenhang zu einem unmittelbar relevanten gesellschaftlichen Ereignis stehen.156 Sie ist vorwiegend an privaten und intimen Informationen interessiert. Sie sucht nach emotionalisierenden Details aus dem familiären Bereich, berichtet über Krankheiten, Schicksalsschläge und Intrigen und verfolgt soziale Auf- und Abstiege. 157 Die trivialen Personenberichte stehen damit im Gegensatz zu den sog. "seriösen" 158, vor allem poli154 Vgl. BVerfGE 7, S. 198 (212); BVerfGE 25, S. 256 (264 f.) zu sog. Boykottaufrufen. 155 Maunz!Dürig-Herzog, Art. 5 Abs. 1,11 Rn. 55e. 156 Siehe dazu oben Erster Teil, A.III.4. 157 siehe dazu oben Erster Teil, A.III.

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tischen Verbreitungsinhalten und werden gemeinhin als sozial geringwertig betrachtet. Es stellt sich die Frage, ob die Triviale Personenberichterstattung aufgrund dieser für sie typischen Inhaltsstruktur vom Schutzbereich des Art. 5 I GG ausgenommen ist. 159 (I) Ursprüngliche Beschränkung des Grundrechtsschutzes auf "gesellschaftlich relevante" Inhalte

Einer früher vertretenen Ansicht zufolge, die sich vornehmlich auf die sog. Skandal- oder Regenbogenpresse bezog, sollten "Berichte und Kommentare, denen es auf Skandal und Sensation ankommt" 160 von vornherein außerhalb der öffentlichen Aufgaben liegen, um deretwillen die Massenmedien den besonderen Schutz der Verfassung genießen. Eine Berufung der Medien auf Art. 5 I GG sei deshalb bei "sog. Reißern, also [... ] auf die Lust am Skandal und auf Sensation berechneten Erzeugnissen" 161 ausgeschlossen. 162 Von Art. 5 I 2 geschützt sei nur "die Veröffentlichung politisch-kulturell-weltanschaulicher Nachrichten und Stellungnahmen sowie die sonstige sachliche Berichterstattung in Zeitungen und Zeitschriften" 163 . Folgte man diesem Argumentationsgang, so wäre die Triviale Personenberichterstattung grundsätzlich vom Schutz der Medienfreiheit ausgenommen. Grundrechtlicher Schutz käme nur über Art. 2 I GG in Betracht. (2) Ausdehnung des Grundrechtsschutzes durch Rechtsprechung und h.L.

Diese Auffassung, die im Ergebnis auf eine freiheitsfeindliche Unterteilung öffentlicher Kommunikationsinhalte in "wertvolle" und "wertlose" hinausliefe, kann heute jedoch weitestgehend als überwunden gelten. Rechtsprechung und Literatur sehen die Notwendigkeit eines inhaltlich umfassenden Äußerungsschutzes und beziehen deshalb ausdrücklich auch "unseriöse" Publikationen in den Schutzbereich des Art. 5 I GG ein. 164 Auf 158 Diese Terminologie ist auch vom Bundesverfassungsgericht aufgegriffen worden, vgl. nur BVerfGE 34, S. 269 (282) - Soraya; BVerfGE 66, S. 116 (134) Wallraff. 159 Diese verfassungsdogmatische Frage stellt sich unabhängig von der konkreten, rechtstatsächlichen Qualifizierung der "sozialen Wertigkeit" der Trivialen Personenberichterstattung und soll deshalb auch unabhängig von den Erkenntnissen der Ersten Teils erörtert werden. Gleichwohl sei an dieser Stelle noch einmal daran erinnert, dass die "soziale Wertigkeit" der Trivialen Personenberichterstattung tatsächlich höchst ambivalent zu beurteilen ist; vgl. oben Erster Teil, B.V. 160 BGH in NJW 1963, S. 665 (667). 161 BGH in NJW 1963, S. 665 (667). 162 So auch Schneider in NJW 1963, S. 665 f. 163 v. Mangoldt/Klein, Das Bonner Grundgesetz, 2. Auflage 1957, Band 1, S. 245.

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einen Bezug der Berichterstattung zu politischen Gegenständen komme es für die Frage der Schutzwürdigkeit massenmedialer Inhalte nicht an. 165 Die Medienfreiheit sichere die freie und öffentliche Meinungsbildung in einem weiten, "nicht auf bloße Berichterstattung oder die Vermittlung politischer Meinungen beschränkten, sondern jede Vermittlung von Information und Meinung umfassenden Sinne"166. Das verfassungsrechtliche Differenzierungs- und Diskriminierungsverbot verbiete Unterscheidungen zwischen verschiedenen Kommunikationsinhalten auf der Basis von Seriosität, Wertigkeit oder Vernünftigkeit. 167 Dieses prinzipielle Wertungsverbot, das sowohl für die individuelle Meinungsfreiheit wie auch für die Medienfreiheit gelte 168, folge nicht allein aus der individualrechtliehen Gewährleistung des Art. 5 I GG, sondern gleichermaßen aus dessen demokratiestaatlicher Funktion, die zuvörderst auf die Ermöglichung staatsfreier öffentlicher Meinungsbildung abziele. Diese sei wiederum nur gewährleistet, wenn alle Ansichten und Äußerungen gleichermaßen und ohne staatliche Vorauswahl dem Schutzbereich des Art. 5 I GG unterstellt werden. 169 Historisch sei die Kommunikationsfreiheit zwar auf den politischen Prozess bezogen gewesen. Sie habe sich jedoch heute zu einem alle Kommunikationsformen umfassenden Freiheitsrecht entwickelt, das den gesamten Bereich massenmedialer Betätigung erfasse. 170 Massenmediale Informationsvermittlung entfalte Wirkungen in allen Lebensbereichen, nicht nur im unmittelbar politischen. Die Medien wirkten auch mit scheinbar unpolitischen, unterhaltenden Inhalten auf das Orientierungswissen sowie die akzeptierten Werte und die wahrgenommenen Bedürfnisse der Rezipienten ein und müssten deshalb umfassend und in Bezug auf alle denkbaren Inhalte geschützt werden. 171 Jede inhaltliche Beschränkung der Medienfreiheit durch eine einengende 164 BK-Degenhart, Art. 5 Abs. 1 u. 2 Rn. 94, 403, 676; Maunz!Dürig-Herzog, Art. 5 Abs. 1,11 Rn. 55e, 128; v. Münch-Wendt, Art. 5 Rn. 2, 8, 31; Sachs-Bethge, Art. 5 Rn. 69; Dreier-Schulze-Fielitz, Art. 5 1,11 Rn. 44, 72, 79; Hoffmann-Riem in AK, Art. 5 Abs. 1,2 Rn. 20, 22, 127; BVerfGE 34, S. 269 (283)- Soraya; BVerfGE

66, S. 116 (134) - Wallraff. 165 Dreier-Schulze-Fielitz, Art. 5 1,11 Rn. 44, 79 unter Bezugnahme auf BVerfGE 35, S. 202 (222 f.); Hoffmann-Riem in AK, Art. 5 Abs. 1,2 Rn. 22; Maunz/DürigHerzog Art. 5 Abs. 1,11 Rn. 55e. 166 BVerfGE 57, S. 319. 167 Sachs-Bethge, Art. 5 Rn. 69; v. Münch-Wendt, Art. 5 Rn. 2. 168 BK-Degenhart, Art. 5 Abs. 1 u. 2 Rn. 403 für Pressepublikationen, Rn. 676 für Berichterstattung durch Rundfunk. 169 In diesem Sinne auch BK-Degenhart, Art. 5 Abs. 1 u. 2 Rn. 94. 170 Hoffmann-Riem in AK, Art. 5 Abs. 1,2 Rn. 127. 171 So zuletzt BVerfG in NJW 2000, S. 1021 (1024) sowie BVerfGE 97, S. 228 (257); Hoffmann-Riem in AK, Art. 5 Abs. 1,2 Rn. 128; vgl. auch oben Erster Teil, B.ll.l. und 2. sowie Erster Teil, B.V. zu den Wirkungen der Trivialen Personenberichterstattung.

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Schutzbereichsinterpretation käme im Ergebnis einer (verbotenen) Zensur gleich 172 , relativiere jedoch zumindest in unerträglicher Weise den umfassenden Schutzanspruch der grundrechtliehen Freiheitsgarantie 173 . Medienfreiheit sei daher, genau wie individuelle Meinungsfreiheit, formal zu verstehen und gewährleiste demzufolge den Schutz aller Gedankeninhalte, unabhängig von deren sittlicher oder ethischer Qualität. 174 (3) Stellungnahme und Ergebnis Diesen Ausführungen ist uneingeschränkt zuzustimmen. Die freiheitsbedrohende Wirkung einer wertungsabhängigen Schutzbereichsbestimmung im Bereich der (auch) politischen Freiheitsrechte kann kaum überschätzt werden. Selbst wenn die Ausgrenzung allein der "Sensationspresse" mit demokratiestaatlichen Erwägungen zu rechtfertigen wäre - etwa wegen deren mangelnder Relevanz für die politische Willensbildung -, so eröffnete eine an Kriterien wie "sachliche Berichterstattung" oder "politisch-kulturell-weltanschauliche Nachricht" orientierte Schutzbereichsbestimmung dem Staat die Möglichkeit zur weitgehend unkontrollierten Ausgrenzung bestimmter Inhalte aus dem Gewährleistungsbereich des Art. 5 I GG, von der dieser potentiell auch gegenüber unliebsamen oder nur unpopulären Auffassungen Gebrauch machen könnte. Im Ergebnis ist eine Erstreckung des Schutzbereichs von Art. 5 I 2 GG auch auf primär unpolitische, unterhaltende und "sozial geringwertige" Inhalte daher unumgänglich. Ob diese sich als Meinungsäußerung oder aber als Tatsachenbericht präsentieren, ist unerheblich. Das Bundesverfassungsgericht unterstellt Tatsachen insoweit dem Schutz des Art. 5 I GG, als sie die Grundlage für - wiederum uneingeschränkt geschützte - Meinungen bilden. 175 Wenn jedoch irrige, abwegige, unhaltbare, private, irrationale und emotionale Meinungen geschützt werden 176, dann ist nicht begründbar, warum die "wertlosen" - weil unpolitischen - Tatsachenrnitteilungen, die diesen Meinungen zugrunde liegen, keinen grundrechtliehen Schutz erfahren sollten. In Anlehnung an die Soraya-Entscheidung des Bundesverfas172 BVerfG in NJW 2000, S. 1021 (1024); v. Mango1dt/Klein-Starck, Art. 5 Abs. 1,2 Rn. 60; Friauf/Höfling in AtP 1985, S. 249 (252). 173 v. Münch- Wendt, Art. 5 Rn. 8. 174 So zuletzt das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 12.12.2000 (1 BvR 1787/95, 1 BvR 1762/95) - Benetton (unveröffentl.), Ziff. 62; vgl. auch v. MünchWendt, Art. 5 Rn. 8, 32; Bullinger in HdBStR, § 142 Rn. 16 f.; Maunz/Dürig-Herzog, Art. 5 Abs. I,II Rn. 128 f. 175 Vgl. oben Zweiter Teil, A.l.2.a)bb). 176 Dies entspricht der einhelligen Deutung des Art. 5 I 1 GG; vgl. für viele Schmitt Glaeser in AöR 113 [1988], S. 71; Dreier-Schulze-Fielitz, Art. 5 I,II Rn. 44 m.w.N.

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2. Teil: Die Triviale Personenberichterstattung im Spannungsfeld

sungsgerichts 177 ist deshalb festzuhalten: Der Schutzbereich der Medienfreiheit ist weit und formal auszulegen; er kann nicht von einer - an welchen Maßstäben auch immer ausgerichteten - Bewertung des einzelnen Informationserzeugnisses abhängig gemacht werden. Moralische und ethische Bedenken sowie intellektuelle Vorbehalte gegenüber "niederen" publizistischen Inhalten können und dürfen die Schutzbereichsbestimmung dieses bedeutenden Freiheitsrechts nicht beeinflussen. 178 Die Publikationen der Trivialen Personenberichterstattung fallen damit auch inhaltlich-thematisch in den Schutzbereich des Art. 5 I GG und zwar unabhängig davon, wie ihre "soziale Wertigkeit" im Einzelfall zu beurteilen ist.

ff) Schutz "kommerziell motivierter" Publikationen? Schließlich bleibt zu klären, ob die im Ersten Teil dieser Arbeit dargelegte kommerzielle Ausrichtung der Trivialen Personenberichterstattung deren Einbeziehung in den Schutzbereich der Medienfreiheit entgegensteht. (1) Bestimmung des Merkmals der "Kommerzialität"

Bevor die Frage einer verfassungsrechtlichen Relevanz des kommerziellen Elementes der Trivialen Personenberichterstattung erörtert werden kann, bedarf es zunächst einer begrifflichen Konkretisierung dessen, was unter Kommerzialität zu verstehen ist: Als kommerziell werden gemeinhin solche Vorgängen angesehen, die der Wahrnehmung von Geschäftsinteressen dienen und die vorwiegend auf Gewinnerzielung bedacht sind. Entsprechend wird als Kommerzialisierung die Unterordnung ideeller Werte, die eigentlich nicht zum Bereich der Wirtschaft gehören, unter wirtschaftliche Interessen und deren Dienstbarmachung für ein ökonomisches Gewinnstreben bezeichnet. 179 Kommerzialität beschreibt demzufolge eine bestimmte Intention oder Motivation, die sich mit einem konkreten Verhalten verbindet. Übertragen auf den Kommunikationssektor bedeutet dies, dass solche Informationsvermittlungsakte als kommerziell gelten können, die in erster Linie nicht auf die Beeinflussung des öffentlichen Meinungsbildungsprozesses (ideelles Interesse) abzielen, sondern primär der Absatz- und Gewinnsteigerung im individuellen Interesse des Kommunikators (wirtschaftliches Interesse) dienen. Der Nachweis des so verstandenen kommerziellen Charakters der Trivialen Personenberichterstattung konnte im ersten Teil dieser Arbeit geführt BVerfGE 34, S. 269 (283)- Soraya. In diesem Sinne auch v. Mangoldt/Klein-Starck, Art. 5 Abs. 1,2 Rn. 60. 179 Duden Fremdwörterbuch, S. 412. Vgl. auch Brockhaus Enzyklopädie Bd. X, S. 380, wonach Kommerz als "auf Handel oder Gewerbe bezüglich" definiert ist. 177 178

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werden: Die Triviale Personenberichterstattung stellt sich - vergleichbar dem Personenmerchandising oder der konkreten Leitbildwerbung - als Form wirtschaftlicher Betätigung dar. 180 Primäres Ziel der Kommunikatoren (Verlage, Rundfunkveranstalter) ist nicht die inhaltliche Beeinflussung des öffentlichen Meinungsbildungsprozesses, sondern die Absicherung und Verbesserung der eigenen Marktposition im Interesse des größtmöglichen wirtschaftlichen Erfolgs. 181 Die primäre Aussage der Trivialen Personenberichterstattung ist demzufolge auch nicht politisch-kultureller Natur, sondern ökonomischer: Sie fordert zum Kauf des konkreten Informationsproduktes auf und ist damit deutlich in der Nähe der Werbung angesiedelt. Die kommunikative Betätigung wird im Falle der Trivialen Personenberichterstattung zum ökonomisch motivierten Selbstzweck. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob die überwiegend oder ausschließlich ökonomische Nutzbarmachung kommunikativer Prozesse an sich zu einer Schutzbereichsausgrenzung im Hinblick auf Art. 5 I 2 GG führt. 182 (2) Ursprüngliche Schutzbereichsbegrenzung auf nichtkommerzielle Inhalte

Die Frage des grundrechtliehen Schutzes kommerzieller Äußerungen ist bislang vorwiegend im Rahmen der verfassungsrechtlichen Beurteilung der Wirtschaftswerbung behandelt worden. Das Bundesveifassungsgericht hatte diese zunächst gänzlich aus dem Schutzbereich des Art. 5 I GG herausnehmen wollen. In zwei frühen Entscheidungen maß es die vom Beschwerdeführer beanstandeten Werbebeschränkungen allein an Art. 12 I GG und bemerkte, diese stellten sich aus Sicht der Werbewirtschaft als "Regelung der Berufsausübung" dar. 183 Eine Überprüfung anband der Kommunikationsgrundrechte unternahm das Gericht nicht, freilich ohne dies weiter zu begründen. Es folgte mit seinen Entscheidungen jedoch faktisch einer nicht Vgl. oben Erster Teil, C.III.3. und C.IV.2. Die Frage der Kommerzialität ist freilich eine graduelle, denn in einer marktwirtschaftlichen Kommunikationsordnung dient jedwede Form der Massenkommunikation zumindest auch der Erzielung von Gewinnen. Von Kommerzialität kann daher erst gesprochen werden, wenn das Interesse des Kommunikators ersichtlich hinter dessen kommunikativen Partizipations- und Beeinflussungsinteresse zurücktritt. Als Indikatoren hierfür können u. a. die thematische Ausrichtung am Massengeschmack, die konkrete Organisations- und Vertriebsform sowie das verstärkte Angebot von unterhaltenden und zerstreuenden Inhalten gelten. 182 Die mit der Trivialen Personenberichterstattung einhergehenden Besonderheiten wie beispielsweise "sozial geringwertige" Inhalte und Themen oder die Tendenz zur Beeinträchtigung fremder Rechtssphären sind bereits separat behandelt worden. Hier geht es ausschließlich um die Frage, ob die ökonomische Motivation der Trivialen Personenberichterstattung deren Einbeziehung in den Schutz der Medienfreiheit entgegensteht. 183 BVerfGE 40, S. 371 (382); BVerfGE 60, S. 215 (229). 180 181

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unerheblichen Auffassung in der Literatur, derzufolge Veröffentlichungen "in einem bloßen Geschäftsinteresse des Veröffentlichers" 184 vom Schutz des Art. 5 I GG ausgenommen seien.185 Von einem überwiegend funktionalen, demokratiestaatlichen Verständnis ausgehend wurde konstatiert, die Werbemeinung sei keine echte Meinung i. S. d. Art. 5 I GG. 186 Die Verbreitung von Wirtschaftswerbung sei eine reine Tatsachenmitteilung ohne wertenden Charakter und bleibe daher wie diese grundsätzlich ungeschützt. 187 Das "lebensraumschützende Grundrecht" des Art. 5 I GG schütze die gesellschaftliche Kommunikation um ihrer staatskontrollierenden Wirkung wegen. Der spezielle Schutz "gedruckter Gewerbeausübung" sei mit dieser bedeutenden Gewährleistung weder bezweckt noch vereinbar. Art 5 I GG schütze zwar die "Kommunikation als Geschäft", nicht jedoch "das Geschäft als Kommunikation". 188 (3) Ausdehnung des Grundrechtsschutzes auf kommerziell motivierte Äußerungen

Diese äußerst restriktive Ansicht konnte sich jedoch nicht durchsetzen und kann als überholt angesehen werden. Inhaltlich verfahrt das Bundesverfassungsgericht heute mit kommerziellen Werbeäußerungen genau wie mit wahren Tatsachenbehauptungen: Zumindest wenn der Werbebotschaft ein "wertender, meinungsbildender Inhalt" innewohnt, oder sie Angaben enthält, "die der Meinungsbildung dienen", wird sie uneingeschränkt dem Schutzbereich des Art. 5 I GG zugeordnet. 189 Hinsichtlich der dahinterstehenden kommerziellen Motivation führt das Gericht aus, "[d]ie Kundgabe einer Meinung bleibt auch dann Meinungsäußerung, wenn sie wirtschaftliche Vorteile bringen soll". 190 Presseerzeugnisse würden fast immer kommerziell motiviert erstellt und vertrieben; hierin sei dementsprechend kein taugliches Abgrenzungskriterium zu sehen. Gleichwohl ist auch noch neueren Entscheidungen eine gewisse Skepsis gegenüber kommerziell motivierten Grundrechtsbetätigungen zu entnehmen. So hat das Gericht mehrfach deutlich gemacht, dass Äußerungen im "privaten, namentlich im wirtschaftv. Mangoldt/Klein, Das Bonner Grundgesetz, 2. Auflage 1957, Band 1, S. 245. Hamann/Lenz, Art. 5 Bem.B.l (S. 184); v. Mangoldt/Klein, Das Bonner Grundgesetz, 2. Auflage 1957, Band 1, S. 245; Oppermann in Wacke-FS, S. 393; Leisner, S. 84 ff. 186 Oppermann in Wacke-FS, S. 401 f. 187 Hamann/Lenz, Art. 5 Bem.B.l (S. 184). 188 Leisner, S. 84 f. 189 So zuletzt das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 12.12.2000 (1 BvR 1787/95, 1 BvR 1762/95)- Benetton (unveröffentl.), Ziff. 40; BVerfGE 71, S. 162 (175). 190 BVerfGE 30, S. 336 (352 f.). 184 185

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liehen Verkehr und in Verfolgung eigennütziger Ziele" tendenziell weniger schutzwürdig seien als (wirtschaftlich uneigennützige) Beiträge zum öffentlichen Meinungskampf. 191 Auch der Bundesgerichtshof scheint diese Haltung zu teilen. In der Entscheidung Caroline v. Monaco / 192 sah das Gericht die besondere Verwerflichkeit einer unwahren Pressemitteilung darin, dass diese sich für die Klägerin als "rücksichtslose Zwangskommerzialisierung" ihrer Persönlichkeit darstellte. Grundsätzlich dürfte jedoch an der Einbeziehung kommerzieller Inhalte in den Schutzbereich des Art. 5 I GG durch die Rechtsprechung kein Zweifel mehr bestehen. Die Literatur - insbesondere die Vertreter eines liberalen, subjektiv-rechtlichen Grundrechtsverständnisses - folgt der neueren Rechtsprechung im Grundsatz und wendet sich gleichzeitig deutlich gegen jedwede Abwertung kommerzieller Äußerungen gegenüber solchen mit unmittelbar politischer Ausrichtung. Es sei falsch, einer ökonomisch motivierten Inanspruchnahme der Meinungsgrundrechte von vornherein ein geringeres Gewicht beizumessen als einer "öffentlichkeitsbezogenen". 193 Die Motive, die der einzelne Teilnehmer am Kommunikationsprozess konkret verfolgt, könnten nicht zu einer Restriktion des Schutzbereichs führen. Eine Schlechterstellung von kommerziell orientierten Äußerungen stehe im Widerspruch zum generellen Verbot staatlicher Bewertung von Meinungsäußerungen nach deren Motivation, Gegenstand, Inhalt und Form. 194 Insbesondere im Medienbereich sei es unerheblich, ob der Gedankeninhalt zu ideellen Zwecken oder in Gewinnerzielungsabsicht verbreitet wird. 195 Kommerziell motivierte Äußerungen seien daher in vollem Umfang von Art. 5 I GG geschützt. 196

(4) Stellungnahme und Ergebnis Vom Standpunkt eines auf individuelle Freiheitswahrung abzielenden Grundrechtsverständnisses kann kein Zweifel daran bestehen, dass kommerziell motivierte Äußerungen sowohl der Meinungsäußerungsfreiheit als auch der Medienfreiheit des Art. 5 I GG unterfallen müssen. Sowohl dessen subjektiv-rechtliche als auch dessen objektiv-rechtliche Komponente postulieren ein uneingeschränktes Differenzierungsverbot bei der SchutzbereichsBVerfGE 61, S. 1 (11); BVerfGE 66, S. 116 (150 f .). BGHZ 128, S. 1 (16). 193 v. Münch- Wendt, Art. 5 Rn. 2. 194 v. Münch-Wendt, Art. 5 Rn. 11. 195 v. Münch-Wendt, Art. 5 Rn. 31. Ähnlich auch Dreier-Schulze-Fielitz, Art. 5 1,11 Rn. 44. 196 v. Münch-Wendt, Art. 5 Rn. 11; BK-Degenhart, Art. 5 Abs. 1 u. 2 Rn. 121; Schmitt Glaeser in AöR 113 [1988] S. 72; Ho.ffmann-Riem in AK, Art. 5 Abs. 1,2 Rn. 23; Schmidt-Jonzig in HdBStR, § 141 Rn. 21. 191

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2. Teil: Die Triviale Personenberichterstattung im Spannungsfeld

bestimmung der grundrechtliehen Kommunikationsfreiheiten. Dies gilt sowohl inhaltlich-thematisch wie auch in Hinblick auf Intention und Motivation des Kommunikators. Eine Ausgrenzung kommerziell motivierter Kommunikation ist schon von daher unzulässig. Hinzu kommt, dass Massenkommunikation faktisch erst durch deren kommerzielle Komponente ermöglicht wird, denn ohne materiellen Anreiz wäre ein auf Privatinitiative gründendes Kommunikationswesen von vornherein zum Scheitern verurteilt. Die objektiv-rechtliche Seite der Medienfreiheit, die den Massenmedien eine institutionelle Garantie einräumt, erfordert daher nachgerade den Schutz kommerziell motivierter Kommunikationstätigkeit Für die Triviale Personenberichterstattung ergibt sich aus dem zuvor gesagten deutlich, dass ihre kommerzielle Ausrichtung und Motivation keine negativen Auswirkungen auf den ihr zukommenden Grundrechtsschutz aus Art. 5 I 2 GG haben kann. Wenn selbst Wirtschaftswerbung umfassend geschützt ist, so muss die von der kommerziellen Motivation her vergleichbare, gleichwohl noch deutlich stärker am öffentlichen Meinungsbildungsprozess beteiligte Triviale Personenberichterstattung 197 erst recht geschützt sein. 3. Zusammenfassung und Ergebnis Die in Art. 5 I 2 GG verankerte Medienfreiheit schützt den massenmedialen Verbreitungsakt umfassend vor staatlicher Reglementierung. Wie die vorangegangenen Ausführungen deutlich gemacht haben, ist ihr Schutzbereich aufgrund der besonderen individuellen und gesellschaftlichen Bedeutung der Massenkommunikation äußerst weit zu ziehen: In persönlicher Hinsicht steht das sich hieraus ergebende Abwehrrecht allen am Informationsverbreitungsprozess Beteiligten zu, insbesondere aber den Verlagen, Rundfunkveranstaltern und Medienkonzernen; in sachlicher Hinsicht umfasst die Medienfreiheit sämtliche journalistische Darstellungsformen ebenso wie sämtliche technische Verbreitungsformen. Die Triviale Personenberichterstattung ist damit als Akt publizistischer Grundrechtsbetätigung jedenfalls formal in den Schutzbereich der Medienfreiheit einbezogen. Von besonderem Interesse ist jedoch der spezifische inhaltliche Umfang der Freiheitsgarantie. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit stellt sich nämlich die Frage, ob der Trivialen Personenberichterstattung in ihren typischen 197 Wirtschaftswerbung ist geschützt, weil sie Informationen für die individuelle "Investitions- und Konsumentscheidung" (v. Münch-Wendt, Art. 5 Rn. 11) des Verbrauchers liefert. Die Triviale Personenberichterstattung hingegen informiert - wenn auch in stark abgeschwächter Form - über gesellschaftliche Mißstände, gesellschaftliche Ereignisse, Personen des gesellschaftlichen Lebens. Der Informationsgehalt der Trivialen Personenberichterstattung ist damit tendenziell höher als detjenige der schlichten Wirtschaftswerbung; vgl. dazu oben Erster Teil, B.ll.l., B.II.2., B.V.

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inhaltlichen Ausprägungen der uneingeschränkte Schutz der Medienfreiheit zuteil wird, oder ob bestimmte Erscheinungsformen dieser publizistischen Gattung von vomherein außerhalb des grundrechtliehen Gewährleistungsbereichs liegen. Letzteres ist auf der Grundlage der vorangegangenen Untersuchung zu verneinen - die Triviale Personenberichterstattung kann in ihren sämtlichen Erscheinungsformen den Schutz des Art. 5 I 2 GG beanspruchen. Wie festzustellen war, fallt die Veröffentlichung unwahrer Tatsachenbehauptungen, ehrverletzender Meinungsäußerungen sowie privater und intimer Personeninformationen und Fotoaufnahmen ebenso in den Schutzbereich der Medienfreiheit wie die Verbreitung (vermeintlich) "sozial geringwertiger" oder "kommerziell motivierter" Inhalte. Eine Beschränkung der Freiheitsgarantie des Art. 5 I 2 GG auf inhaltlicher Ebene ist weder zulässig noch notwendig. Das Verbreitungsinteresse der Verlage und Rundfunkveranstalter hinsichtlich trivialer Personeninhalte genießt damit - auf Tatbestandsebene - umfassenden Grundrechtsschutz.

II. Der Persönlichkeitsschutz der Dargestellten (,,Medienpersönlichkeitsrecht'') Auf Seiten der öffentlich Dargestellten berührt die Triviale Personenberichterstattung regelmäßig Rechtspositionen, die sich unter dem Begriff der Persönlichkeitsrechte zusammenfassen lassen. Dieser Begriff ist jedoch in höchstem Maße unpräzise: Bis heute konnte für den rechtlichen Persönlichkeitsschutz weder eine einheitliche Terminologie noch eine allgemein anerkannte Systematik entwickelt werden. 198 Bevor also die für die vorliegende Untersuchung relevanten Persönlichkeitsrechte benannt werden können, ist zunächst ein einführender Überblick über das gegenwärtige System des rechtlichen Persönlichkeitsschutzes erforderlich (I.). Anschließend soll der Inhalt (Schutzbereich) des rechtlichen Persönlichkeitsschutzes allgemein bestimmt und der Versuch einer Systematisierung unternommen werden (2.). Hierauf aufbauend lässt sich schließlich ein einheitliches Medienpersönlichkeitsrecht der Betroffenen konstruieren, welches diesen umfassenden Schutz gegenüber massenmedialer Inanspruchnahme gewährt (3.).

1. Systematik des rechtlichen Persönlichkeitsschutzes Die menschliche Persönlichkeit ist ein komplexes, dynamisches und diffuses Lebensgut Sie entbehrt jeder "gegenständlichen Verkörperung" 199 und ist deshalb - anders als das Leben, der Körper oder die Gesundheit 198 199

Vgl. hierzu Helle, S. 8; Baston-Vogt, S. 4. RGZ 58, S. 24 (30).

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2. Teil: Die Triviale Personenberichterstattung im Spannungsfeld

weder vorrechtlich bestimmt noch jemals abschließend bestimmbar. 200 Für die Rechtsgemeinschaft bedeutet dies eine besondere Herausforderung. Sie kann sich im Rahmen des Persönlichkeitsschutzes nicht auf die Benennung eines bereits existenten, als schützenswert erkannten Gutes und die gebotene rechtliche Umsetzung ihres Schutzversprechens beschränken. Sie muss vielmehr den Gegenstand ihrer Bemühungen immer aufs Neue selbst definieren. So kann es auch nicht verwundern, dass der gegenwärtige rechtliche Persönlichkeitsschutz eine kaum überschaubare Materie darstellt, die ständig durch neue Entscheidungen, Veröffentlichungen und (bislang gescheiterte) Versuche gesetzgebenscher Intervention angereichert wird, jedoch bis heute eine einheitliche Struktur vermissen lässt. 201 Diesem Dilemma wird die vorliegende Arbeit nicht abhelfen können, denn sie beschränkt sich, ganz im Sinne der Anregung Steindorffi02 , auf ausgewählte Aspekte des Persönlichkeitsschutzes, soweit diese für eine rechtliche Beurteilung der Trivialen Personenberichterstattung von Bedeutung sind. Auf eine kurze bewertende Darstellung des aktuellen Standes des rechtlichen Persönlichkeitsschutzes kann gleichwohl im Interesse einer umfassenden Bearbeitung nicht verzichtet werden. a) Verfassungsrechtlicher Persönlichkeitsschutz

Der Schutz der menschlichen Persönlichkeit ist auf zwei unterschiedlichen rechtlichen Ebenen verankert. Zu differenzieren ist zwischen verfassungsrechtlichem und einfachrechtlichem Persönlichkeitsschutz?03 Den Ausgangspunkt der Überlegungen bildet dabei das verfassungsrechtliche Schutzversprechen. Die Verfassung gewährt der menschlichen Persönlichkeit in einer Vielzahl von Normen rechtlichen Schutz. Wie Grimm zutreffend ausführt, schützt jedes Grundrecht die menschliche Persönlichkeit in einem bestimmten Aspekt oder Element, in dem sie historisch besonders bedroht erscheint. 204 So ist beispielsweise die grundrechtliche Verankerung 200 Zur Unmöglichkeit einer abschließenden Beschreibung der Persönlichkeit siehe Baston-Vogt, S. 91, 176 f.; Siebert in NJW 1958, S. 1369. 201 So auch Baston-Vogt, S. 2; Helle, S. 8; Stümer, GutA 58. DJT, Bd. I S. A-5 (A-62); Geis in JZ 1991, S. 112. 202 Von Steindoiff stammt die zutreffenden Bemerkung, dass eine erneute Befassung mit dem rechtlichen Persönlichkeitsschutz nur Aussicht auf Erfolg verspricht, wenn sie sich auf ausgewählte Fragen beschränkt Steindorff, S. 9. 203 Diese notwendige Differenzierung ist freilich bislang von Literatur und Rechtsprechung vielfach ignoriert worden; vgl. beispielsweise Wasserburg, S. 50; PaIandt-Thomas, § 823 Rn. 177; v. Münch-Kunig, Art. 2 Rn. 30; Soehring in NJW 1994, S. 16 (18); LG Harnburg in NJW 1989, 1160 (1161). Für eine differenzierende Betrachtung siehe Schwerdtner in Karlsruher Forum, S. 27; Erman-Ehmann, Anhang zu§ 12 Rn. 91; Helle, S. 30; Baston-Vogt, S. 122 ff. 204 Grimm in Karlsruher Forum, S. 3.

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der Meinungsäußerungsfreiheit (Art. 5 I 1 GG), der freien Berufswahl und -ausübung (Art. 12 I GG), der körperlichen Unversehrtheit (Art. 2 II GG) und auch der Eigentumsgarantie (Art. 14 II GG) als ein spezieller, auf bestimmte personale Elemente ausgerichteter Persönlichkeitsschutz anzusehen.Z05 Die (benannten) Einzelgrundrechte haben sich jedoch schon bald nach lokrafttreten des Grundgesetzes in ihrer Gesamtschau als lückenhaft erwiesen: Sie konnten neu auftretenden Bedrohungen, denen die Persönlichkeit in einer sich verändernden Gesellschaft ausgesetzt war, nicht oder nur unzureichend begegnen.206 Der sich hieraus ergebenden Notwendigkeit einer Ergänzung des vorhandenen verfassungsrechtlichen Persönlichkeitsschutzes entsprach das Bundesverfassungsgericht im Jahre 1969 mit der Entwicklung eines staatsgerichteten Allgemeinen Persönlichkeits(grund)rechts.201 Nach der Konzeption des Bundesverfassungsgerichts gründet sich dieses unbenannte Grundrecht auf die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 I GG, erweitert um den Menschenwürdeaspekt des Art. 1 I GG. 208 Die inhaltliche Garantie des grundrechtliehen Allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist deshalb zweigeteilt. So ergibt sich aus der Komponente des Art. 2 I GG eine aktive Entfaltungsfreiheit der Persönlichkeit. 209 Aus dem Aspekt der Menschenwürde wiederum resultiert ein passiver Schutz der Persönlichkeit vor staatlicher Intervention, das sogenannte "Recht in Ruhe gelassen zu werden"210. Das Bundesverfassungsgericht verdeutlicht diese Zweiteilung, indem es heute davon spricht, das Allgemeine Persönlichkeitsgrundrecht schütze "die engere persönliche Lebenssphäre und die Erhaltung ihrer Grundbedingungen"211 . In diesem Sinne auch Wasserburg, S. 51; Baston-Vogt, S. 120 ff. m. w.N. Grimm macht hierfür zutreffend den "wissenschaftlich-technischen Fortschritt" geltend, der die Persönlichkeit immer stärker in bis dahin ungefährdeten Belangen wie Anonymität, freier Lebensgestaltung und Selbstbestimmung in eigenen Angelegenheiten bedrohe; vgl. Grimm in Karlsruher Forum, S. 3. 207 BVerfGE 27, S. 1 (6) - Mikrozensus; BVerfGE 27, S. 344, (350 f.) - Scheidungsakten. Vgl. danach BVerfGE 32, S. 373 (378 f.) - Patientenkartei; BVerfGE 33, S. 367 (376) - Zeugnisverweigerungsrecht; BVerfGE 34, S. 238 (245) - Tonbandaufnahme. Die konkrete Benennung dieses neuen Grundrechts erfolgte später durch BVerfGE 54, S. 208 - Eppler. Das Bundesverfassungsgericht hatte zwar schon im Jahre 1957 grundrechtliehen Schutz für eine "Sphäre privater Lebensgestaltung" gewährt, sich zu deren Begründung jedoch ausschließlich auf die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 I GG gestützt; vgl. BVerfGE 6, S. 32 (41) Elfes. Diese Konstruktion kann als Vorläufer des heutigen Allgemeinen Persönlichkeitsrechts betrachtet werden. 208 BVerfGE 27, S. 1 (6) -Mikrozensus. 209 BVerfG in NJW 1989, S. 891 - Abstammung; BVerfGE 82, S. 45 (50) Krankenakten; BVerfGE 60, S. 123 (134) - Sexuelle Selbstbestimmung. Vgl. auch Erman-Ehmann, Anh. zu§ 12 Rn. 93. 210 Vgl. BVerfGE 27, S. 1 (6) - Mikrozensus; Erman-Ehmann, Anh. zu § 12 Rn. 93. 205

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Die "neue" grundrechtliche Gewährleistung bezog sich zunächst lediglich auf die Privatsphäre als "letzten unantastbaren Bereich menschlicher Freiheit [... ], der der Einwirkung der gesamten öffentlichen Gewalt entzogen ist"212. Später dann weitete das Bundesverfassungsgericht den Schutzbereich in dem Maße aus, in dem sich das ursprüngliche Privatheitskonzept als zu eng für neu auftretende Gefährdungslagen erwies. So wurde das verfassungsrechtliche allgemeine Persönlichkeitsrecht sukzessive zu einem umfassenden Recht auf Selbstbestimmung in persönlichen Angelegenheiten umgedeutet. 213 Im Jahre 1983 erfuhr das allgemeine Persönlichkeitsgrundrecht mit dem Volkszählungsurteil einen erneuten Entwicklungsschub durch das Anerkenntnis eines Rechts auf informationeile Selbstbestimmung.Z 14 Seinen bisherigen Abschluss findet die Ausweitung des Schutzbereichs im konsequenten Ausbau der Verfassungsrechtsprechung zur personalen Identitär15, an dessen Ende die Herausbildung eines Rechts auf Kenntnis der eigenen Abstammung als Voraussetzung für Selbstfindung und Identitätsbildung steht. 216 b) Einfachrechtlicher Persönlichkeitsschutz

Von dem verfassungsrechtlichen ist der einfachrechtliche Persönlichkeitsschutz zu unterscheiden. Normadressat ist hier nicht der Staat, sondern der Bürger; Regelungsgegenstand sind Persönlichkeitsbedrohungen aus der gesellschaftlichen Sphäre. Noch bis zum Ende des vergangenen Jahrhunderts war der einfachrechtliche Persönlichkeitsschutz fast ausschließlich dem Strafrecht zugewiesen. 217 Mit lnkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs begann sich dieses Bild jedoch zu wandeln. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat dann endgültig eine Ablösung des Persönlichkeitsschutzes aus dem Strafrecht und dessen deutliche Verlagerung in das Zivilrecht bewirkt. 218 BVerfGE 72, S. 155 (170); BVerfGE 75, S. 201 (220). Diese bereits von BVerfGE 6, S. 32 (41)- Elfes entwickelte Definition wurde vom Bundesverfassungsgericht später zur Beschreibung des Schutzbereichs des neugeschaffenen Allgemeinen Persönlichkeitsrechts verwandt; vgl. BVerfGE 27, S. 1 (6) - Mikrozensus; BVerfGE 33, S. 367 (376) - Zeugnisverweigerungsrecht; BVerfGE 44, S. 353 (372 f.) - Suchtberatung. 213 Vgl. BVerfGE 34, S. 269 - Soraya; E 35, S. 202 - Lebach; BVerfGE 54, S. 148 - Eppler; BVerfGE 54, S. 208 - Böll. 214 BVerfGE 65, S. 1 -Volkszählung. 215 Vgl. hierzu ausführlich Baston-Vogt, S. 428 ff. 216 BVerfGE 79, S. 256 - Abstammung. 217 Vgl. hierzu Coing in JZ 1958, S. 558. 21s In diesem Sinne auch Helle, S. 4. 211

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Das deutsche Zivilrecht schützt die Persönlichkeit explizit in einer Reihe fest umrissener Tatbestände. 219 Diese werden gemeinhin als besondere Persönlichkeitsrechte bezeichnet.220 Laut Helle handelt es sich bei den besonderen Persönlichkeitsrechten um solche gesetzlichen Regelungen, die den Schutz eines Persönlichkeitsgutes bezwecken, einen fest umschriebenen Tatbestand aufweisen, als eigenständiges subjektives Recht ausgestaltet sind und sich als Ausprägung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts darstellen.221 Zur Vermeidung von Begriffsverwirrungen empfiehlt es sich jedoch, diese Rechte (besser: gesetzlich normierten Tatbestände) als benannte Persönlichkeitsrechte zu bezeichnen.222 Zu den benannten Persönlichkeitsrechten zählen insbesondere das Namensrecht (§ 12 BGB), das Recht am eigenen Bild (§ 22 KUG), das Urheber- und Erfinderpersönlichkeitsrecht (§§ 1 ff., 97 ff. UrhG; §§ 6, 37, 63 PatG) sowie- vermittelt über § 823 II BGB - die strafrechtlich sanktionierten Persönlichkeitsinteressen wie das Recht der persönlichen Ehre. Weiterhin gewährt § 826 BGB Rechtsschutz gegen vorsätzliche und sittenwidrige Persönlichkeitsbeeinträchtigungen223 , und § 824 BGB schützt die sog. Geschäftsehre224 vor rechtswidriger Herabsetzung.225 Von den benannten Persönlichkeitsrechten nicht erfasste Interessen fanden bis zur Mitte dieses Jahrhunderts keine rechtliche Anerkennung. Das Reichsgericht versagte einen von den benannten Rechten unabhängigen Persönlichkeitsschutz mit der Begründung, die mangelnde "gegenständliche Verkörperung" eines unbenannten Persönlichkeitsrechtes führe zu Rechtsunsicherheit und sei im übrigen "dem geltenden bürgerlichen Recht fremd" 226 . Die (gleichwohl praktizierte) generalklauselartige Anwendung des § 826 BGB sowie die Heranziehung des § 823 II BGB i. V. m. §§ 185 ff. StGB konnten jedoch nicht mehr als einen absoluten Mindest219 Auch hier gilt es anzumerken, dass der zivilrechtliche Lebens-, Gesundheits-, Freiheits- und Eigentumsschutz, der maßgeblich in § 823 I BGB niedergelegt ist, strenggenommen auch als Persönlichkeitsschutz i. w. S. angesehen werden muss. Im folgenden sollen die Ausführungen jedoch auf den (immateriellen) Persönlichkeitsschutz im engeren Sinne beschränkt werden. 220 Götting, S. 24; Helle, S. 37 ff.; Erman-Ehmann, Anh. zu § 12 Rn. 21; Ulrich, S. 18 ff.; Baston-Vogt, S. 104 ff.; Staudinger-Schäfer, § 823 Rn. 207. 221 Vgl. Helle, S. 37 bisS. 42. 222 Wie zu zeigen sein wird, wird der Begriff der besonderen Persönlichkeitsrechte nämlich auch zur Umschreibung spezieller, gleichwohl nicht normierter Ausprägungen des zivilrechtliehen Allgemeinen Persönlichkeitsrechts verwandt. 223 Dazu Baston-Vogt, S. 74 ff. 224 Vgl. Staudinger-Schäfer, § 824 Rn. 1, 3. 225 Diese Aufstellung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie dient lediglich der Herausstellung der in der Rechtswirklichkeit maßgeblichen Schutzvorschriften. 226 RGZ 69, S. 401 (403).

10 Neben

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schutz gewährleisten. 227 Insbesondere das Anonymitäts- und Diskretionsinteresse des Einzelnen blieb nach der vom Reichsgericht vertretenen Position gänzlich ungeschützt; ein effektiver Privatsphärenschutz ließ sich anband des benannten persönlichkeitsrechtlichen Instrumentariums nicht konstruieren. Erst die Leserbrief-Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 25.05.1954 läutete die überfällige Wende im zivilrechtliehen Persönlichkeitsschutz ein. 228 Der Bundesgerichtshof anerkannte in dieser Entscheidung erstmals ein aus Art. 2 I GG i. V. m. Art. 1 I GG abgeleitetes, von jedermann zu achtendes Allgemeines Persönlichkeitsrecht (APR), dem als "sonstiges Recht" im Sinne des § 823 I BGB Geltung auch im Zivilrechtsverkehr beikomme.229 Auf eine nähere inhaltliche Bestimmung verzichtete der Bundesgerichtshof bewusst230, um die Offenheit seiner als "Rahmenrecht" ausgestalteten Schöpfung zu gewährleisten.231 Die notwendige Konkretisierung des "neuen" Rechts sollte die Rechtsprechung anband einzelfallbezogener Interessen- und Güterahwägungen vornehmen, um so einen möglichst umfassenden, flexiblen und zukunftsoffenen Schutz der Gesamtpersönlichkeit zu gewährleisten. Sie hat diesem Auftrag bis heute in einer ständig anwachsenden Vielzahl von Fällen entsprochen.232 Mit der Anerkennung und Ausbildung eines allgemeinen Persönlichkeitsrechts hat der Bundesgerichtshof, ungeachtet der dadurch aufgeworfenen Einzelfragen, einen bedeutenden Schritt in Richtung eines effektiven und umfassenden Persönlichkeitsschutzes unternommen. 233 Wenngleich seit nunmehr fast fünf Jahrzehnten immer wieder die Unbestimmtheit, die manIn diesem Sinne auch Schwerdtner in Karlsruher Forum, S. 27 f. Baston-Vogt spricht zutreffend von einer "allgemein als notwendig empfundenen Anpassung des Rechts an tiefgreifende veränderte faktische Verhältnisse"; Baston-Vogt, S. 13. 229 BGHZ 13, S. 334 (insbes. 338) - Leserbrief. Vgl. zu dieser Entscheidung Buhmann, Persönlichkeitsrecht, S. 5 ff.; Erman-Ehmann, Anh. zu § 12, Rn. 5; Baston-Vogt, S. 12 f .; Ulrich, S. 11 f.; Staudinger-Schäfer, § 823 Rn. 198. 230 BGHZ 24, S. 72 (78)- Krankenkassenpapiere. 231 Baston-Vogt, S. 13. 232 Vgl. nur BGHZ 20, S. 345- Paul Dahlke; BGHZ 24, S. 200- Spätheimkehrer; BGHZ 26, S. 349 - Herrenreiter; BGHZ 27, S. 284 - Tonbandaufnahmen; BGHZ 30, S. 7- Catarina Valente; BGHZ 35, S. 363- Ginseng; BGHZ 39, S. 124 - Fernsehansagerin; BGH NJW 1965, S. 685 - Soraya; BGH GRUR 1965, S. 256 Gretna Green; BGH MDR 1968, S. 484- Ligaspieler; BGHZ 50, S. 133- Mephisto; BGH NJW 1974, S. 1947- Nacktaufnahme; BGHZ 73, S. 120- Kohl/Biedenkopf; BGH NJW 1981, S. 1366- Aufmacher II; BGHZ 81, S. 75 - Rennsportgemeinschaft; BGH NJW 1988, S. 1984- Telefonsex; BGH in NJW 1995, S. 861 Caroline von Monaco I, BGH in AfP 1996, S. 140 - Caroline von Monaco III. Siehe ergänzend die Aufstellungen bei Schwerdtner, Persönlichkeitsrecht, S. 7 Fn. 4; Wenzel, S. 813 ff. 233 In diesem Sinne auch Erman-Ehmann, Anh. zu § 12 Rn. 19; Baston-Vogt, s. 13. 227 228

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gelnde Abgrenzbarkeit und die Systemwidrigkeit234 des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gerügt wird235 , so kann jedenfalls die dringende Notwendigkeit einer weitreichenden Wirksamkeitsverbesserung des überkommenen (gesetzlich normierten) Persönlichkeitsschutzes nicht in Abrede gestellt werden. Ihr hat der Bundesgerichtshof mit der Anerkennung des zivilrechtliehen Allgemeinen Persönlichkeitsrechts auf zulässige Weise Rechnung getragen. Die grundsätzliche Anerkennung, die das Allgemeine Persönlichkeitsrecht in Literatur und Rechtsprechung gefunden hat236, bestätigt diese Einschätzung. Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht ist heute nach allem als gewohnheitsrechtlich anerkannter, unverzichtbarer Bestandteil des einfachrechtlichen Persönlichkeitsschutzes anzusehen. 237 Unklarheit besteht jedoch nach wie vor hinsichtlich der Abgrenzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts von den benannten Persönlichkeitsrechten. Die für den Rechtsanwender bedeutsame Frage nach dem Verhältnis der einschlägigen Institute zueinander ist in Literatur und Rechtsprechung heftig umstritten.Z38 So wird vielfach die Ansicht vertreten, beim Allgemeinen Persönlichkeitsrecht handele es sich um ein "Quellrecht"239, in dem die besonderen Persönlichkeitsrechte ihre gemeinsame Wurzel hätten. 240 Letztere seien nicht mehr als abgeleitete Konkretisierungen eines einheitlichen subjektiven Rechtes. 241 Ebenso wie die in Fallgruppen herausgebildeten, vom Allgemeinen Persönlichkeitsrecht umfassten Persönlichkeitsinteressen verhielten sich auch die besonderen Persönlichkeitsrechte zum Allgemeinen Persönlichkeitsrecht wie ein Teil zum Ganzen. 242 Hieraus folge, dass auch im Falle der Anwendbarkeit eines besonderen Persönlichkeitsrechts ein ergänzender Rückgriff auf das Allgemeine Persönlichkeitsrecht zulässig sei. 243 Das normierte Persönlichkeitsrecht zeige lediglich Anhaltspunkte für die Begrenzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts auf, beschränke aber 234 Vgl. für viele Wasserburg, dessen Ansicht zufolge das Allgemeine Persönlichkeitsrecht als Quellrecht das "System der vertypten Unrechtstatbestände, auf die § 823 I BGB zugeschnitten ist, sprengt"; Wasserburg, S. 49. 235 Vgl. Ulrich, S. 11. Zur frühen Kritik an der Rechtsschöpfung siehe Hubmann, Persönlichkeitsrecht, S. 7 f. m. w. N. 236 Vgl. nur die Nachweise bei Hubmann, Persönlichkeitsrecht, S. 5 ff.; Coing in JZ 1954, S. 700; Staudinger-Schäfer, § 823 Rn. 210. 237 Für viele Hubmann in Ufita 70 [1974], S. 75 (76); Soehring, Presserecht, Rn. 12.50. 238 Um die Bestimmung dieses Verhältnisses haben sich in jüngerer Zeit vor allem Ulrich und Baston-Vogt bemüht, vgl. Ulrich, S. 18 ff. sowie Baston-Vogt, s. 104 ff. 239 Vgl. BGHZ 24, S. 72 (78). 240 Staudinger-Schäfer, § 823 Rn. 207; Wronka in Ufita 69 [1973], S. 71, 75; Damm/Kuner, Rn. 16, 97; BGHZ 24, S. 72 (78); BGH GRUR 1987, S. 128. 241 Vgl. zu dieser Ansicht Ulrich, S. 19. 242 Vgl. Baston-Vogt, S. 111. 10*

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dessen Anwendungsbereich nicht. 244 Dieser Auffassung wird allerdings in der jüngeren Literatur zu Recht widersprochen. Besonders überzeugend gelingt dies Baston-Vogt, deren Kritik bereits an der Ausgangsthese ansetzt, wonach es sich beim Allgemeinen Persönlichkeitsrecht um ein "Mutterrecht" oder "Quellrecht" handeln soll. Diese Betrachtung werde der Bedeutung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht gerecht, dieses sei nicht etwa die Quelle, sondern vielmehr ein Teil des durch Art. 2 I i. V. m. Art. 1 I GG vorgezeichneten einfachrechtlichen Persönlichkeitsschutzes?45 Zwischen dem Allgemeinen und den besonderen Persönlichkeitsrechten bestehe deshalb ein ganz normales Spezialitätsverhältnis mit der Folge, dass das Allgemeine Persönlichkeitsrecht dort verdrängt werde, wo der Gesetzgeber spezialgesetzlich eine abschließende Sonderregelung getroffen hat?46 Diese Argumentation überzeugt vor allem, da sie der Entstehungsgeschichte des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts entspricht. Dieses wurde, wie bereits ausgeführt, aus der Notwendigkeit einer Ergänzung des spezialgesetzlich geregelten Persönlichkeitsschutzes geboren. Es sollte als Rahmen- oder Auffangrecht diejenigen Persönlichkeitsinteressen schützen, die vom Gesetzgeber nicht berücksichtigt worden waren?47 Eine Änderung der Regelungsmaterie bezüglich bereits erfasster Persönlichkeitsgüter (Namensrecht, Recht am eigenen Bild) war vom Bundesgerichtshof keinesfalls beabsichtigt. Es wäre ihm kompetenziell auch nicht möglich gewesen, eine bestehende gesetzliche Norm durch abweichendes Richterrecht zu ersetzen. Dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht kommt demzufolge von jeher eine ergänzende Auffangfunktion zu; die normierten Persönlichkeitsrechte gehen ihm grundsätzlich vor. Auf einfachrechtlicher Ebene steht neben dem zivilrechtliehen selbständig - freilich mit vielfachen Überschneidungen248 - der strafrechtliche Persönlichkeitsschutz. Dieser gliedert sich in persönlichkeitsschützende Normen im weiteren und solche im engeren Sinne. So schützen beispielsweise die §§ 211 ff. StGB das Lebensinteresse, die §§ 223 ff. StGB das Interesse an körperlicher Integrität und die §§ 242 ff. StGB das Eigentumsinteresse des Einzelnen und weisen so durchaus Persönlichkeitsbezug auf. 243 BGHZ 24, S. 200 (208); BHZ 49, S. 288; Staudinger-Schäfer, § 823 Rn. 207 m.w. N. 244 Staudinger-Schäfer, § 823 Rn. 207, 232. 245 Baston-Vogt, S. 111, S. 97 ff. 246 Baston-Vogt, S. 112 f., 114. 247 Vgl. nur BGHZ 50, S. 133 (143); BGHZ 80, S. 311 (319); BGHZ 91, S. 233 (238 f.). 248 So vermögen einerseits strafrechtlich relevante Handlungen (§§ 185 ff. StGB) zivilrechtliche Haftungsfolgen zu begründen, § 823 II BGB. Andererseits werden strafrechtliche Normen (§ 193 StGB) auch im Zivilrecht zur Rechtfertigung unerlaubter Handlungen (§§ 823 I, 824 BGB) instrumentalisiert.

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Hierbei handelt es sich jedoch um gegenständlich verkörperte Persönlichkeitsinteressen, die zweckmäßigerweise von den immateriellen Persönlichkeitsinteressen im engeren Sinne abzugrenzen sind. Als solche schützen die §§ 185 ff. StGB die persönliche Ehre, die §§ 201 ff. StGB den persönlichen Lebens- und Geheimbereich, die §§ 166 ff. StGB die religiöse Überzeugung sowie die §§ 174 ff. StGB die sexuelle Selbstbestimmung. Von besonderer Bedeutung für die vorliegende Untersuchung ist der strafrechtliche Schutz der Ehre, da diese - neben der Privatsphäre - besonders von der Trivialen Personenberichterstattung betroffen ist. Der relevante strafrechtliche Ehrschutz gliedert sich in die Beleidigung (§ 185 StGB) als die vorsätzliche Kundgabe der Nicht- oder Mißachtung gegenüber dem Beleidigten oder Dritten, die üble Nachrede (§ 186 StGB) als die vorsätzliche Verbreitung ehrenrühriger, nicht erweislich wahrer Tatsachenbehauptungen, und schließlich die Verleumdung (§ 187 StGB) als die vorsätzliche Verbreitung wissentlich unwahrer, ehrenrühriger Tatsachenbehauptungen. c) Das Zusammenwirken von verfassungsrechtlichem und einfachrechtlichem Persönlichkeitsschutz

Die obigen Ausführungen lassen die verfassungsrechtliche und die einfachrechtliche Ebene des Persönlichkeitsschutzes als zwei separate Rechtskörper erscheinen: Das verfassungsrechtliche Allgemeine Persönlichkeitsrecht bewahrt den Bürger vor Verletzungen seiner Privatsphäre oder seines Selbstbestimmungsrechts durch staatliches Handeln, wohingegen der zivilrechtliche Persönlichkeitsschutz den Bürger im Privatrechtsverkehr und damit gegenüber seinen Rechtsgenossen schützt. Dieser Eindruck trügt jedoch. Wenngleich beide Ebenen begrifflich und gedanklich voneinander zu trennen sind, so stehen sie keinesfalls beziehungslos nebeneinander. So ergibt sich unmittelbar aus dem Allgemeinen Persönlichkeitsgrundrecht, Art. 2 I i. V. m. Art. 1 I GG, eine staatsgerichtete Verpflichtung, die Absicherung der Persönlichkeit auch im Verhältnis der Bürger untereinander sicherzustellen.249 Dieser verfassungsrechtlichen Schutzpflicht entspricht der Staat auf einfachrechtlicher Ebene. Das oben aufgeführte einfachrechtliche Instrumentarium ist als Produkt dieses staatlichen Umsetzungsaktes zu begreifen. 250 Der konkrete Gewährleistungsgehalt des einfachrechtlichen Persönlichkeitsschutzes wird dabei vom Gesetzgeber im Zusammenwirken 249 Vgl. BVerfGE 34, S. 269 (281 f.)- Soraya; BVerfGE 65, S. 1 (44); BVerfGE 73, S. 118 (201)- Gegendarstellung; Jarass in NJW 1989, S. 857 (860); BastonVogt, S. 25 f., 37; Errnan-Ehmann, Anh. zu § 12 Rn. 99. Ausführlich zu Existenz, Inhalt und Umfang der staatlichen Schutzpflicht unten Dritter Teil, A.l. bis A.IV. 250 In diesem Sinne bereits BVerfGE 25, S. 256 (263 ff.) - Blinckfüer; vgl. auch /sensee in HdBStR, § 111 Rn. 129.

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mit den rechtsanwendenden und rechtsgestaltenden Gerichten bestimmt. Inwieweit die verfassungsrechtliche Vorgabe dabei unmittelbar oder mittelbar auf den Gehalt des einfachrechtlichen Persönlichkeitsschutzes einwirkt, wird von Rechtsprechung und Literatur allerdings höchst uneinheitlich beantwortet. Die unterschiedlichen Auffassungen lassen sich dabei maßgeblich auf ein divergierendes Grundrechtsverständnis zurückführen. Auf der Basis einer unmittelbaren Drittwirkung der Grundrechte wären verfassungsrechtliches und zivilrechtliches Persönlichkeitsrecht inhaltlich deckungsgleich. Wirkten die Grundrechte nämlich nicht nur gegenüber dem Staat, sondern auch unmittelbar im Verhältnis der Bürger untereinander, so ließen sich persönlichkeitsrechtliche Ansprüche auch im Zivilrechtsverkehr unmittelbar aus Art. 2 I i. V. m. Art. 1 I GG ableiten. Das verfassungsrechtliche Persönlichkeitsrecht wäre als "sonstiges Recht" i. S. v. § 823 I BGB anzusehen und entfaltete eine unmittelbar den Privatrechtsverkehr regelnde Wirkung. Für ein selbständiges zivilrechtliches Persönlichkeitsrecht bliebe bei einer solchen Konstruktion kein Raum. Der Inhalt des einfachrechtlichen Persönlichkeitsschutzes wäre verfassungsrechtlich abschließend determiniert. Eine solche unmittelbare Drittwirkung der Grundrechte ist jedoch abzulehnen.251 Dies gilt insbesondere im Bereich des Persönlichkeitsschutzes.252 Dieser lebt aufgrund der Unbestimmtheit der zu schützenden Rechtsgüter vom Zusammenspiel zwischen verfassungsrechtlichen Wertvorgaben und deren auf das Verhältnis Bürger-Bürger ausgerichteten Konkretisierung und Aktualisierung durch Gesetzgebung und Rechtsprechung. Zudem unterscheiden sich die vom Staat ausgehenden Bedrohungen der Persönlichkeit von den gesellschaftlichen elementar, so dass eine identische Schutzbereichsdefinition zugleich ineffektiv und unverhältnismäßig wäre?53 Und schließlich erhöbe diese Konstruktion jeden zivilrechtliehen Persönlichkeitskonflikt in den Rang einer Verfassungsstreitigkeit mit dem Ergebnis, dass das Bundesverfassungsgericht in die Rolle einer Superrevisionsinstanz gedrängt würde. Eine unmittelbare Drittwirkung des verfassungsrechtlichen Allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist daher sowohl aus dogmatischen wie auch aus praktischen Gründen abzulehnen. Die gegen dieses Ergebnis gerichtete Ansicht Schwerdtners, wonach nur eine unmittelbare Grund251 So auch die überwiegende Ansicht in Literatur und Rechtsprechung. Der Streitstand kann im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht umfassend dargestellt werden, zur Vertiefung sei auf Sachs-Murswiek, Art. 1 Rn. 104 m. w.N., Hager in JZ 1994, S. 373 f. sowie auf Plath, S. 49 ff. m. w. N. verwiesen. 252 Zustimmend Baston-Vogt, S. 26 ff. 253 Ähnlich auch Ehmann, der durch eine unmittelbare Drittwirkung die bürgerliche Handlungsfreiheit im Übermaß verletzt sähe; Erman-Ehmann, Anh. zu § 12 Rn. 100.

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rechtswirkung der Bedeutung des Persönlichkeitsrechts als "Grundstruktur, die sich auf die Ausgestaltung des gesamten Privatrechts auswirkt"254 gerecht werde, verkennt die Notwendigkeit eines flexiblen, einfachrechtlichen Schutzsystems. Gerade wegen der herausragenden Wertigkeit der menschlichen Persönlichkeit und der Vielfältigkeit der ihr drohenden tatsächlichen Gefahren muss Gesetzgeber und Rechtsprechung die notwendige Gestaltungsmacht zur Entwicklung eines flexiblen, differenzierten und effizienten Instrumentariums eingeräumt werden. Darüber hinaus garantiert das Verfassungsrecht keineswegs zwingend einen weitergehenden und damit "besseren" Persönlichkeitsschutz als das Zivilrecht. Im Gegenteil: Einfachrechtliche Gesetzgebungsakte sowie die Rechtsprechungstätigkeit der Zivilgerichte vermögen weit schneller und effektiver auf neu entstehende Persönlichkeitsbedrohungen zu reagieren, als dies dem starren und nur vom Bundesverfassungsgericht weiterzuentwickelnden Verfassungsrecht strukturell möglich ist. Die hier vertretene konsequente Trennung von verfassungsrechtlichem und einfachrechtlichem Persönlichkeitsschutz ist also nicht nur dogmatisch sauberer55 ; sie trägt darüber hinaus den besonderen Anforderungen des gebotenen Persönlichkeitsschutzes optimal Rechnung. Im Ergebnis bedeutet dies: Das Allgemeine Persönlichkeitsgrundrecht wirkt nicht direkt im Privatrechtsverkehr. Doch beeinflusst es ihn mittelbar, indem es im Einzelfall eine Ausstrahlungswirkung auf die einfachgesetzliche Norm und ihre konkrete Anwendung entfaltet.256 Hierdurch wird gewährleistet, dass die wertsetzende Bedeutung des Grundrechts nicht auf der Gesetzgebungsebene endet, sondern auch auf der Rechtsanwendungsebene zur Geltung kommt?57 Insbesondere die auslegungsbedürftigen Generalklauseln sind Ansatzpunkte für eine Einbeziehung der verfassungsrechtlichen Vorgaben in die konkrete zivilgerichtliche Entscheidung. 258 Die sogenannte Ausstrahlungswirkung des Allgemeinen Persönlichkeitsgrundrechts ist somit Ausfluss der staatlichen Schutzpflicht gegenüber dem Einzelnen. Sie besagt, dass das verfassungsrechtliche Schutzversprechen auch und gerade im Einzelfall durch die Rechtsprechung umzusetzen ist. Der rechtliche Persönlichkeitsschutz lebt also nach allem von dem Zusammenspiel vergleichsweise weiter verfassungsrechtlicher Vorgaben mit diese konkretisierenden, einfachrechtlichen Regelungen. Für die vorliegende Schwerdtner, Persönlichkeitsrecht, S. 128. Hubmann spricht in diesem Zusammenhang zutreffend von der Vermeidung einer "unzulässigen Vermischung der Grenzen zwischen Privatrecht und öffentlichem Recht"; Hubmann in Ufita 70 [1974], S. 77. 256 BVerfGE 7, S. 198 (207) - Lüth; BGHZ 98, S. 32 (33 f.); Jarass in NJW 1989, S. 862; Erman-Ehmann, Anh. zu § 12 Rn. 99; Grimm in Karlsruher Forum, s. 22 f. 257 In diesem Sinne auch Grimm in Karlsruher Forum, S. 23. 258 Vgl. BVerfGE 7, S. 198; Wasserburg, S. 47. 254 255

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Untersuchung ist jedoch nur der einfachrechtliche Persönlichkeitsschutz von unmittelbarer Bedeutung, denn die Triviale Personenberichterstattung stellt sich als gesellschaftliche und nicht als staatliche Persönlichkeitsbedrohung dar. Gegenstand der folgenden Ausführungen ist daher allein die persönlichkeitsrechtliche Gewährleistung gegenüber Eingriffen von privater Seite. 2. Der Gewährleistungsbereich des rechtlichen Persönlichkeitsschutzes Im Anschluss an die Bestimmung der dogmatischen Voraussetzungen soll nun der Versuch einer für die vorliegende Arbeit nutzbringenden Inhaltsbeschreibung des (einfach-)rechtlichen Persönlichkeitsschutzes unternommen werden. Im Mittelpunkt der anzustellenden Überlegungen steht dabei die Frage, welchen Ausprägungen der menschlichen Persönlichkeit heute rechtlicher Schutz gewährt wird, und wie diese sich am überzeugendsten systematisieren lassen. Im Falle der benannten Persönlichkeitsrechte ist eine konkrete Inhaltsbeschreibung unproblematisch möglich. Der Gesetzgeber hat hier den schützenswerten Persönlichkeitsbereich positiv festgelegt. Dieser ist von der Rechtsprechung nur noch mittels der üblichen Auslegungskriterien im Einzelfall zu interpretieren. Im Falle einer Anwendung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts jedoch ist die Rechtsprechung selbst zur Schutzbereichsbestimmung berufen. Sie muss zunächst den konkreten Gehalt des Rahmenrechts ermitteln, um die Tatbestandsmäßigkeit einer in Frage stehenden Beeinträchtigung feststellen zu können. 259 Historisch erfolgte dies zunächst durch eine konkretisierende Anlehnung an die Schutzbereiche der benannten, besonderen Persönlichkeitsrechte. 260 Heute jedoch löst die Rechtsprechung diese Aufgabe durch eine einzelfallbezogene Güter- und Interessenabwägung?61 Konsequent verzichtet sie auf jede inhaltliche Festlegung das Allgemeine Persönlichkeitsrecht sei "von generalklauselartiger Weite und Unbestimmtheit"262 und dessen Inhalt nur anband des Einzelfalles zu ermitteln. Der Schutzbereich des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist, diesem Verständnis zufolge, entweder a priori nicht vorhanden und wird erst durch einen Akt der Rechtsschöpfung im Einzelfall festgelegt, oder er ist von unendlicher Weite und umfasst ausnahmslos jede Beeinträchtigung 259 So auch Baston-Vogt, die zu Recht auf eine strikte Trennung von Tatbestandsmäßigkeit und Rechtswidrigkeit bei der Beurteilung von Persönlichkeitsverletzungen drängt; Baston-Vogt, S. 156, 165. 260 v. Gamm in NJW 1955, S. 1826; vgl. nur BGHZ 24, S. 72 (78). 261 Im Ergebnis wird damit nicht nur die Rechtswidrigkeit, sondern auch die Tatbestandsmäßigkeit durch ein Abwägen der widerstreitenden Interessen festgestellt. 262 BGHZ 24, S. 72 (78) - Krankenkassenpapiere.

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der menschlichen Würde und Entfaltungsfreiheit Eine aus Gründen der Rechtssicherheit dringend notwendige, abstrakt-generelle Schutzbereichsbestimmung ist auf dieser Grundlage nicht möglich. Derselbe Vorwurf muss aber auch der überwiegenden persönlichkeitsrechtlichen Literatur gemacht werden. Deren Systematisierungsversuche263 beschränkten sich lange auf ein bloßes Nachzeichnen der Rechtsprechung und - darauf aufbauend - die Entwicklung von Fallgruppen. So identifizierte Nipperdey als geschützte Persönlichkeitsrechte das Namensrecht, das Recht am eigenen Bilde, das Recht am gesprochenen Wort, das Recht der persönlichen Ehre, das Recht (auf Kenntnis) der blutmässigen Abstammung, das Recht an der Geheimsphäre, das Recht auf Achtung der Privatsphäre, das Recht auf Achtung der persönlichen Gefühlswelt sowie das Urheberund Erfinderpersönlichkeitsrecht. 264 Wenngleich diese Auflistung die von der Rechtsprechung anerkannten Persönlichkeitsrechte zutreffend wiedergibt, vermag sie doch zu einer abstrakt-generellen Schutzbereichsbestimmung kaum etwas beizutragen. Die Benennung der von Gesetzgeber und Rechtsprechung als schützenswert anerkannten Rechtspositionen illustriert zwar den gegenwärtigen Stand des Persönlichkeitsschutzes. Sie greift jedoch insofern zu kurz, als sie auf eine Abstrahierung der zugrundeliegenden Strukturen und Prinzipien verzichtet. Die Reaktion der Rechtsordnung auf zukünftige persönlichkeitsbezogene Konfliktlagen wird damit unvorhersehbar. Gerade in Bereichen, wo der Persönlichkeitsschutz mit anderen bedeutsamen Individual- oder Gemeinschaftsinteressen kollidiert, ist die Vorhersehbarkeit gerichtlicher Entscheidungen jedoch von größter Bedeutung. Eine bloße Zusammenstellung des vorhandenen Fallmaterials kann diesem gesteigerten Bedürfnis nach Rechtssicherheit nicht genügen.265 263 In Ergänzung zu den hier ausführlich wiedergegebenen Auffassungen siehe auch Reinhardt in AcP 153 [1954], S. 548 ff. sowie Medicus, Rn. 1080 ff. 264 Enneccerus/Nipperdey, 15. Auflage, S. 584, 585 ff. 265 Gleichwohl erweist sich die rein fallorientierte Systematisierung auch heute noch als gängigste Herangehensweise. So abstrahiert Wenzel aus der vorhandenen Judikatur fünf "besondere Persönlichkeitsrechte": das Selbstbestimmungsrecht über die Darstellung und Benutzung der Person, den Schutz vor Indiskretion, den Schutz vor Unwahrheit, den Schutz von Ehre und Ruf sowie schließlich den Schutz gegen personengefährdende Darstellungen (Wenzel, Rn. 5.16 f.). Daneben stellt er die benannten Persönlichkeitsrechte wie das Recht am eigenen Bild (vgl. Rn. 7.2 ff.) und das Namensrecht (vgl. Rn. 10.29 ff.). Ähnlich auch Wasserburg, der das Persönlichkeitsrecht als ein "einheitliches, unteilbares Recht, das eine Vielzahl von einzelnen, persönlichen Interessen, von Einzelrechten umfasst" ansieht. Diese Einzelrechte müssten "in der praktischen Anwendung konkretisiert und abgegrenzt" werden. Auch Wasserburg beschränkt sich deshalb auf eine sich an die Fallgruppenbildung der Rechtsprechung anlehnende Aufzählung der bereits benannten (weil bereits judizierten) Güter und Interessen; vgl. Wasserburg, S. 53 ff. Auch Schäfer verzichtet auf eine abstrakt-generelle Bestimmung der zu schützenden Interessen und plädiert für eine "Zusammenfassung in Fallgruppen", vgl. Staudinger-Schäfer, § 823

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Um eine vom Einzelfall gelöste und damit abstrakt-generelle Darstellung der Persönlichkeitsrechte hat sich dagegen Hubmann verdient gemacht. Er unterteilt den Persönlichkeitsschutz in ein Recht auf Entfaltung der Persönlichkeir66, ein Recht an der Persönlichkeir61 sowie ein Recht auf Individualitär68. Der Entfaltungsanspruch umfasse (gegenwärtig) die allgemeine Handlungsfreiheit, die gewerbliche, berufliche, kulturelle und religiöse Betätigung, die Vereinigungsfreiheit, das Recht auf Meinungsäußerung sowie das Recht auf Bildung. Das Recht an der Persönlichkeit schütze das Leben und die Gesundheit (Daseinsschutz), kulturelle, erfinderische und ästhetisch-gewerbliche Leistungen (Geistesschutz), die Willensentschließung, die Integrität des Gefühls- und Seelenlebens sowie die persönlichen Beziehungen. Das Recht auf Individualität schließlich erfasse den Schutz der Identität, des Namens, der Ehre, des Erscheinungs-, Lebens- und Charakterbildes, des gesprochenen und geschriebenen Wortes, des Privatlebens und des Geheimbereichs. Der Schutz dieser Güter sei verschieden intensiv, abhängig davon, ob im Einzelfall eine Beeinträchtigung der Individual-, der Privat- oder der Geheimsphäre vorliegt (sog. Sphärentheorie).Z69 Trotz ihrer unbestreitbaren Bedeutung für die Weiterentwicklung des Persönlichkeitsschutzes kann auch diese Kategorisierung nicht vollends überzeugen. Sie ist zu stark an dem Lebensgut "Persönlichkeit" ausgerichtet. Hubmanns Auffassung zufolge soll nämlich der genaue Umfang des notwendigen Persönlichkeitsschutzes bereits vorrechtlich determiniert sein: Die berechtigten Interessen der Persönlichkeit und deren Grenzen seien bereits durch unsere Kultur aufgezeigt und hinreichend erkennbar. 270 Hiermit geht Hubmann jedoch von einer unzutreffenden Prämisse aus. Der Umfang des notwendigen und damit auch des vorhandenen Persönlichkeitsschutzes wird von der Gesellschaft inuner aufs neue selbst bestinunt. Das geschützte Rechtsgut ist gerade nicht mit dem zugrundeliegenden Lebensgut identisch. 271 Es bedarf daher zur Schutzbereichsbestinunung mehr als nur einer Beschreibung dessen, was die menschliche Persönlichkeit ausmacht, denn die Beschreibung dessen, was schützbar wäre, erlaubt nur bedingte Rückschlüsse darauf, was als schützenswert anzuerkennen ist. Nicht am Lebensgut, sondern an der gesellschaftlichen Funktion des Persönlichkeitsschutzes orientiert sich deshalb zu Recht Schwerdtner. Er favoRn. 211. Der fallorientierten Einteilung mag zwar praktischer Nutzen zukommen. Verallgemeinerungsfähige Aussagen über Ausmaß und Grenzen des rechtlichen Persönlichkeitsschutzes ermöglicht sie jedoch nur äußerst bedingt. 266 Hubmann, Persönlichk:eitsrecht, S. 175 ff. 267 Hubmann, Persönlichkeitsrecht, S. 220 ff. 268 Hubmann, Persönlichkeitsrecht, S. 268 ff. 269 Hubmann, Persönlichkeitsrecht, S. 271. 270 Hubmann, Persönlichkeitsrecht, S. 153. 271 Vgl. Baston-Vogt, S. 176 f., 91.

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nstert eine Zweiteilung des Persönlichkeitsschutzes in einen Achtungsanspruch auf der einen sowie einen Teilhabeanspruch auf der anderen Seite. 272 Der Achtungsanspruch beinhalte den Schutz der Ehre, der Privatsphäre, des gesprochenen und geschriebenen Wortes und des Rechts am eigenen Bild. 273 Den Teilhabeanspruch definiert Schwerdtner als den "Anspruch auf freiheitliche Betätigung im ökonomischen Bereich".274 Dieser diene der Korrektur gesellschaftlicher Ungleichgewichtslagen?75 Eine weitergehende, der Rechtssicherheit förderliche Präzisierung dieser Ansprüche276 liefert Schwerdiner zwar nicht. Zutreffend greift er jedoch die bis dahin weitgehend vernachlässigte Teilung des Persönlichkeitsschutzes in eine aktive (Entfaltungs-) und eine passive (Achtungs-) Komponente auf und leistet damit einen wertvollen Beitrag zur Rückführung des Persönlichkeitsschutzes auf dessen dogmatische Grundlage (Art. 2 I GG i. V. m. Art. 1 I GG)?77 Zur "normativen Leitung"278 der einzelfallorientierten Persönlichkeitsrechtsprechung wiederum schlägt Ehmann eine Unterscheidung verschiedener Schutzbereiche nach der Form der Verletzungshandlung und dem Schutzbedürfnis des Betroffenen vor. 279 Ehmanns Verdienst ist es vor allem, die Gegeninteressen der Normadressaten (vor allem sind dies Presse und Rundfunk) in den Prozess der Schutzbereichsbestimmung einbezogen zu haben: Das Achtungs- und Entfaltungsinteresse des Menschen werde in der sozialen Gemeinschaft durch die Gegeninteressen der anderen begrenzt. 272 Schwerdtner, Persönlichkeitsrecht, S. 94 ff. In jüngerer Zeit wendet sich Schwerdtner freilich von dieser Zweiteilung ab und postuliert nunmehr "definitorische Näherungen" über die Bildung von Fallkategorien; vgl. Schwerdtner in Karlsruher Forum, S. 29; ders. in JuS 1978, S. 289 (290) nunmehr mit dem Vorschlag einer Unterteilung in Ansehen, Privatsphäre, Selbstbestimmung über Persönlichkeitsdetailsund Selbstentfaltung. 273 Schwerdtner, Persönlichkeitsrecht, S. 175 ff., 207 ff. 274 Schwerdtner, Persönlichkeitsrecht, S. 126. 275 Schwerdtner, Persönlichkeitsrecht, S. 126. 276 Diese Bezeichnung erscheint mißverständlich, da Schwerdtner selbst dem von ihm postulierten Teilhabeanspruch die Eigenschaft als subjektives Recht abspricht; vgl. Schwerdtner, Persönlichkeitsrecht, S. 172. 277 Ähnlich auch Schmidt in JZ 1974, S. 241 (244), der zwischen einem "Schutz vor Eindringen in den privaten Lebensbereich" und dem Recht auf "Selbstbestimmung nach außen" unterscheidet - eine Trennung, die sich auch bei Ulrich findet. Dieser schlägt eine Unterteilung in Zuweisungs- und Schutzrechte vor: Die Zuweisungsrechte sollen das (aktive) Interesse des Betroffenen an bestimmten Persönlichkeitsgütem wie dem Namen, dem Bild oder dem gesprochenen Wort erfassen. Die Schutzrechte hingegen dienten dem Schutz vor spezifischen Verletzungshandlungen, die sich gegen (passive) Persönlichkeitsinteressen wie Ehre, Diskretion und Identität richten; vgl. Ulrich, S. 26 ff. 278 Ehmann in JuS 1997, S. 193. 279 Ehmann in JuS 1997, S. 193 (194); Erman-Ehmann, Anh. zu § 12 Rn. 211 ff.

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2. Teil: Die Triviale Personenberichterstattung im Spannungsfeld

Im Falle der Persönlichkeitsrechte erfolge diese notwendige Begrenzung bereits auf Tatbestandsebene; es könne insofern von einem "relativen Rechtsgut" gesprochen werden. Dessen Schutzbereich sei dadurch zu bestimmen, dass typische Persönlichkeitsinteressen und typische Gegeninteressen fallgruppenartig zusammengefasst werden. 280 Der Persönlichkeitsschutz umfasse demnach fünf Schutzbereiche: Den Ehrenschutz, den Identitätsschutz, den Schutz vor der Erhebung personenbezogener Daten (Erhebungsschutz), den Schutz vor der Verbreitung personenbezogener Daten (Verbreitungsschutz) sowie den Entfaltungsschutz. 281 Während die ersten vier Schutzbereiche eine Abwehrfunktion erfüllten, ergäben sich aus dem Entfaltungsschutz positive Ansprüche wie beispielsweise der Anspruch auf Kenntnis der eigenen Abstammung.Z82 Auch hier findet sich demnach die Unterteilung in aktive und passive Schutzelemente wieder; ergänzt wird sie durch eine ausgeprägte Verlagerung des Blickes von den zu schützenden Persönlichkeitsgütern hin zu den schützenswerten Persönlichkeitsinteressen. Hiermit ist ein erster, wesentlicher Schritt in Richtung einer abstrakten Schutzbereichsbestimmung vollzogen. Diesen von Ehmann eingeleiteten Paradigmenwechsel vollendet BastonVogt in ihrer wegweisenden Monographie aus dem Jahre 1997. Sie wendet sich dort gegen die bisherigen "Konturierungsvorschläge"283 mit der Begründung, diese wollten lediglich die praktische Handhabung des Persönlichkeitsschutzes erleichtern, ohne jedoch die geschützte Rechtssphäre begrenzen zu können.Z84 Der notwendige Weg zu einer abstrakt-generellen Inhaltsbestimmung der Persönlichkeitsrechte könne nur über die Herausarbeitung der zu schützenden Individualinteressen erfolgen: Den Inhalt des Persönlichkeitsrechts bildeten keine fest konturierten, sinnlich wahrnehmbaren Güter oder Bereiche, sondern immaterielle Interessen. 285 Als schützenswert anerkannt seien gegenwärtig die Entfaltung im räumlich-gegenständlichen Privatbereich, die Selbstbestimmung in eigenen Angelegenheiten286 , Errnan-Ehmann, Anh. zu § 12, Rn. 37. Ehmann in JuS 1997, S. 193 (194). Eine vergleichbare, wenngleich nur auf Medienübergriffe bezogene Einteilung nimmt Stümer vor. Er unterteilt den Persönlichkeitsschutz in Ehrschutz, Identitätsschutz sowie Anonymitäts- und Vertraulichkeitsschutz hinsichtlich der Ermittlung und Veröffentlichung persönlicher Daten; vgl. Stümer, GutA 58. DJT, Band I S. A-20 ff., A-68 ff. 282 Ehmann in JuS 1997, S. 193 (194). 283 Baston-Vogt, S. 201. 284 Baston-Vogt, S. 201. 285 Baston-Vogt, S. 203. 286 Gemeint ist die Selbstbestimmung über das eigene Leben, den Körper, die Körpersubstanzen, das Keimgut, die genetische Konstitution, personale Daten, das Charakter- und Lebensbild, das Werk, persönliche Beziehungen, die sexuelle Betätigung und die Familienplanung; vgl. Baston-Vogt, S. 214 ff. 280 281

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die Diskretion in persönlichen Angelegenheiten287 , die Achtung der persönlichen Ehre288 , die wahre Darstellung der eigenen Person289 sowie die Kenntnis und Achtung der personalen /dentitär 90• Diese Orientierung an individuellen Persönlichkeitsinteressen vermag zu überzeugen. Nur so ist der (untaugliche) Versuch einer Orientierung des Schutzbereichs an vermeintlich vorbestimmten, objektiv feststehenden Persönlichkeitsgütern zu vermeiden. Zudem lässt sich das gesamte Spektrum des rechtlichen Persönlichkeitsschutzes überschneidungsfrei darstellen, was im Falle der sonst üblichen Vermischung von Gütern und Interessen nicht möglich ist. Die Interessenorientierung macht den Persönlichkeitsschutz damit überschaubar und praktisch handhabbar. Und schließlich ist sie im ausreichenden Maße zukunftsoffen, da sie zwar schützenswerte Interessen definiert, sich hinsichtlich der konkreten Form der Beeinträchtigung dieser Interessen jedoch nicht auf das heute Bekannte beschränken muss. Die interessenorientierte Systematisierung vermag als einzige auch zukünftig auftretende Verletzungsformen zu berücksichtigen. Nach allem lässt sich also feststellen, dass die von Rechtsprechung und Teilen der rechtswissenschaftliehen Literatur praktizierte Fallgruppenbildung dem Erfordernis einer abstrakt-generellen Schutzbereichsbestimmung nicht genügen kann. Es bedarf zur normativen Leitung der Rechtsprechung vielmehr der Herausbildung einer definitorischen Konstanten. Diese kann jedoch nicht in dem vorrechtlich determinierten Lebensgut "Persönlichkeit" gesehen werden, da zwischen diesem und dem zu schützenden Rechtsgut keine notwendige Identität besteht. Auch hat sich die reine Funktionsorientierung, die zu einer Zweiteilung in Achtungs- und Teilhabeansprüche führt, als zu unpräzise erwiesen. Überzeugen kann allein die Orientierung an individuellen, als generell schützenswert anerkannten Persönlichkeitsinteressen. Der gegenwärtige Persönlichkeitsschutz umfasst eine Vielzahl solcher Interessen, die entweder als benannte, "besondere" Persönlichkeitsrechte ausgestaltet sind oder Teilaspekte des zivilrechtliehen Allgemeinen Persönlichkeitsrechts bilden. Der verfassungsrechtlichen Verankerung des Persönlichkeitsschutzes in Art. 2 I i. V. m. Art. I I GG folgend, lassen sich diese als aktive Entfaltungsinteressen oder als passive Abwehrinteressen darstellen. Der aktiven Seite zuzuordnen sind das Handlungs- und Betätigungsinteresse, das Selbstbestimmungsinteresse, das kommerzielle Verwertungsinteresse sowie das (aktive) Identitätsinteresse des Einzelnen. Der passiven 287 288 289

290

fallen.

Baston-Vogt, S. 397. Baston-Vogt, S. 411. Baston-Vogt, S. 423. Hierunter soll vor allem das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung

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2. Teil: Die Triviale Personenberichterstattung im Spannungsfeld

Seite untenallen das Diskretionsinteresse, das Ehrinteresse, das Interesse an einer wahren Darstellung der eigenen Person sowie das (passive) Identitätsinteresse. Die menschliche Persönlichkeit ist damit umfassend gegen Beeinträchtigungen von privater Seite geschützt. Gleichwohl kann sich der heute gewährte Schutz angesichts konstanter gesellschaftlicher Veränderungen schon morgen als unzureichend erweisen. Die Rechtsordnung wird mit den ihr zur Vetfügung stehenden Mitteln angemessen auf diese Herausforderungen zu reagieren haben. Dies kann (auch) die Einbeziehung neuer, bislang nicht wahrgenommener Ausprägungen der benannten Interessen in den Schutzbereich der Persönlichkeitsrechte bedeuten. 3. Inhalt des "Medienpersönlichkeitsrechts"

Aus den vorangegangenen Ausführungen lässt sich nunmehr ableiten, inwieweit der Einzelne persönlichkeitsrechtlichen Schutz gegenüber einer von ihm ungewollten Darstellung in den Medien beanspruchen kann. Die von einer massenmedialen Personenberichterstattung potentiell berührten Einzelgarantien sollen zu diesem Zweck gebündelt und als einheitliches Medienpersönlichkeitsrechr91 dargestellt werden. Dieses setzt sich, wie die oben aufgeführten, typischen Konfliktlagen veranschaulichen292, aus dem Recht auf Diskretion (a)), dem Recht auf Anonymität (b)), dem Recht auf wahrheitsgemäße Darstellung (c)), dem Recht auf Selbstbestimmung über das Lebensbild (d)), dem Recht auf Wahrung der persönlichen Ehre (e)) sowie dem Recht auf wirtschaftliche Verwertung der eigenen Persönlichkeit (j)) zusammen. a) Schutz des Diskretionsinteresses

Von der Trivialen Personenberichterstattung am häufigsten und am intensivsten betroffen ist das Diskretionsinteresse des Dargestellten, denn diese publizistische Gattung lebt von Enthüllungsberichten, Skandalgeschichten und der Verbreitung von privaten und intimen Details. Derartige Berichte berühren die Befugnis des Einzelnen, "selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden"293 • Diskretionsschutz ist dabei nicht mit Geheimnisschutz gleichzusetzen. Während letzterer lediglich objektiv nicht für die Öffentlichkeit bestimmte Informationen betrifft, geht ersterer weiter und umfasst alle persönlichen Informationen, an denen der Berechtigte ein subjektives Geheim291

Die Begriffsentwicklung erfolgt in Anlehnung an Stümer in AfP 1998, S.

(4 ff.). 292 293

Siehe oben Zweiter Teil, Einleitung.

Vgl. Baston-Vogt, S. 400.

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haltungsinteresse hegt. 294 Die Differenzierung zwischen Geheimnis- und Diskretionsschutz rechtfertigt sich aus der unterschiedlichen Zielsetzung der beiden Gewährleistungen. Erstere will den Berechtigten gegenüber der Preisgabe bestimmter, als besonders persönlich empfundener Informationen (Tagebuchaufzeichnungen; vertrauliche Telefongespräche) schützen. Letztere hingegen sichert die gesamte Lebenssphäre des Betroffenen gegenüber ungewollter Öffentlichkeit und verwirklicht damit dessen Anspruch "in Ruhe gelassen zu werden"295 . Der Diskretionsschutz trägt der Notwendigkeit einer von äußeren Einflüssen unbehelligten Sphäre persönlicher Lebensgestaltung, dem ursprünglichen menschlichen Bedürfnis nach Zurückgezogenheit und einem Alleinsein mit sich selbst Rechnung, und ist damit dem passiven Abwehraspekt des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 1 I GG) stärker verbunden als dessen aktivem Entfaltungsaspekt (Art. 2 I GG). Dieser gesteigerte Menschenwürdebezug verleiht dem Diskretionsinteresse ein besonderes Gewicht im Konflikt mit gegenläufigen Veröffentlichungsinteressen. Das so verstandene Diskretionsinteresse des Dargestellten wird vom Schutzbereich des zivilrechtliehen Allgemeinen Persönlichkeitsrechts erfasst. 296 Seine konkrete Schutzwürdigkeit im Einzelfall ergibt sich zwar erst aus einer Abwägung mit den betroffenen Gegeninteressen. Die grundsätzliche Zugehörigkeit des Diskretionsinteresses zum abstrakt-generellen Schutzbereich des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts wird hierdurch aber nicht berührt. Sofern sich also der subjektive Diskretionswille des Betroffenen in einer - wenn auch nur geringfügigen - Absicherung der Information gegenüber unberechtigter Kenntnisnahme manifestiert297, berührt deren Baston-Vogt, S. 400 f. So Baston-Vogt, S. 403, offensichtlich in Anlehnung an die amerikanische Terminologie, die als ursprüngliche Form des Privatsphärenschutzes das right to be Iet alone kennt; vgl. hierzu grundlegend Warren/Brandeis in 4 Harv.L.Rev. 193. 296 Vgl. zuletzt BVerfG in NJW 2000, S. 2189; OLG Hamm in NJW-RR 1995, S. 1114 (1115); LG Berlin in NJW 1997, S. 1155; BGH in NJW 1971, S. 698Pariser Liebestropfen; BGH in NJW-RR 1988, S. 733 -Intime Beziehungen; BGH in AfP 1988, S. 34; BGH in NJW 1954, S. 1404- Leserbrief; BGH in NJW 1987, S. 2667; BGH in NJW 1979, S. 647 - Kohl/Biedenkopf; LG Köln in AfP 1994, S. 167 (168); OLG Köln in AfP 1982, S. 181 (182) - Rudi Carell; BGH GRUR 1965, S. 256- Gretna Green; OLG Köln in AfP 1973, S. 479; OLG Harnburg in AfP 1971, S. 32; OLG Harnburg in UFITA 1977, S. 252; BVerfG in AfP 1998, S. 50 (51); OLG Köln in AfP 1993, S. 759; BVerfG in NJW 1990, S. 1980- Opus Dei; OLG München in NJW 1986, S. 1986; OLG Celle in AfP 1997, S. 819; AG Berlin-Mitte in AfP 1996, S. 188; OLG Harnburg in AfP 1992, S. 376; OLG Bremen in NJW 1996, S. 1000 (1001); LG Berlin in AfP 1997, S. 938 (939); OLG München in AfP 1997, S. 636 (638); OLG Harnburg in NJW-RR 1991, S. 990; Soehring, Presserecht, Rn. 19.24 ff. m. w.N.; Erman-Ehmann, Anh. zu § 12 Rn. 441 f., 504 ff. mit ausführlichen Nachweisen aus der Rechtsprechung. 294

295

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unberechtigte Veröffentlichung immer auch den Gewährleistungsbereich des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Daneben ist das Diskretionsinteresse spezialgesetzlich im einfachrechtlichen Bildnisschutz verankert, § 22 KUG. Zwar wird gemeinhin als dessen Schutzobjekt das Selbstbestimmungsrecht des Abgebildeten in bezug auf die Verbreitung und öffentliche Zurschaustellung seines Bildnisses angesehen.Z98 Mit Recht weist jedoch Müller darauf hin, dass die gesetzgebensehe Regelung ebenso der Absicherung von Geheimnis- und Privatsphäre dient. 299 Hieran kann zumindest bei faktischer Betrachtung kein Zweifel bestehen. Insbesondere im Bereich der Trivialen Personenberichterstattung ist durch die ungenehmigte Veröffentlichung sogenannter Paparazzi-Aufnahmen regelmäßig das (visuelle) Diskretionsinteresse der Betroffenen berührt. Das rechtliche Instrument zu dessen Durchsetzung ist aber der spezialgesetzlich geregelte Bildnisschutz. Dieser unterscheidet sich vom (verbalen) Diskretionsschutz allein durch die einschlägige Darstellungsform. Dass zudem auch Gesetzgeber und Rechtsprechung eine Absicherung des Diskretionsinteresses im Wege des § 22 KUG verfolgen, lässt sich unschwer aus der Entstehungsgeschichte der Norm sowie einer Vielzahl der diesbezüglichen Entscheidungen ablesen. So wird als politischer Auslöser der gesetzlichen Normierung des Bildnisschutzes die Ablichtung der Leiche Bismarcks durch zwei in das Haus des ehemaligen Reichskanzlers eingedrungene Journalisten angesehen. 300 Die allenthalben empfundene Unzulässigkeit einer Verbreitung dieser Bilder beruht jedoch ersichtlich nicht auf der hiermit verbundenen Verletzung von Selbstbestimmungsinteressen, sondern ergibt sich vielmehr aus einer grundsätzlichen Abneigung gegenüber der Ablichtung einer als besonders privat und intim empfundenen Szene nicht die "Anmaßung einer Herrschaft über ein fremdes Persönlichkeitsrecht"301 bildete den Stein des Anstoßes, sondern die eklatante Mißachtung des Diskretionsinteresses (der Familie). Diese Stoßrichtung des Bildnisschutzes lässt sich bis heute aus der einschlägigen Judikatur herauslesen. Der Bildnisschutz wird von den Gerichten regelmäßig gegenüber der Veröffentlichung von Aufnahmen von privaten, familiären und zurückgezogenen Momenten, von Nacktaufnahmen und 297 Baston-Vogt spricht in diesem Zusammenhang anschaulich von einer "lnformationsschranke"; Baston-Vogt, S. 406 f. 298 Vgl. nur Helle, S. 47; Staudinger-Schäfer, § 823 BGB Rn. 212; BGHZ 20, S. 345 (347) - Paul Dahlke; BGH in NJW 1966, S. 2353 - Vor unserer eigenen Tür". 299 Müller, Bildnisveröffentlichung, S. 54; dagegen ausdrücklich Helle, S. 48. 300 Vgl. dazu Helle, S. 45; Hubmnnn, Persönlichkeitsrecht, S. 296; RGZ 45, s. 170. 301 Vgl. BGH in NJW 1974, S. 1947- Nacktaufnahme; Helle, S. 47.

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anderweitig peinlichen oder enthüllenden bildliehen Darstellungen instrumentalisiert. 302 In diesen Fällen jedoch geht es ersichtlich nicht um die Sicherung der Herrschaft an einem - vom Rechtsträger abgelösten - Persönlichkeitsgut, sondern um die Verhinderung des Bekanntwerdens bestimmter, visueller Informationen. Der einfachrechtliche Bildnisschutz verwirklicht damit ganz eindeutig - auch - das Diskretionsinteresse des Betroffenen. b) Schutz des Anonymirätsinteresses

Neben dem Diskretionsinteresse ist auch das Anonymitätsinteresse des Dargestellten persönlichkeitsrechtlich geschützt. Angesprochen ist hiermit das Recht des Einzelnen, in der Öffentlichkeit unbekannt zu bleiben. In Abgrenzung zum Diskretionsschutz ist Schutzgegenstand hier . nicht eine konkrete persönliche Information. Schutzziel ist vielmehr die Bewahrung des Individuums vor jedwedem Zugriff durch die Öffentlichkeit. Dem Einzelnen muss - sofern er dies will - die Möglichkeit gegeben werden, "in der Masse unterzugehen" und selbst zu entscheiden, wem gegenüber er seine Existenz und Identität preisgeben will. Auch der Anonymitätsschutz weist damit einen gesteigerten Menschenwürdebezug auf, denn er wendet sich gegen eine ungewollte Vereinnahmung des Einzelnen durch die Gesellschaft. Seine Verankerung findet auch er primär in der passiven Abwehrkomponente des Art. 1 I GG und nur sekundär in der aktiven Entfaltungskomponente des Art. 2 I GG. Dieser Umstand verleiht dem Anonymitätsinteresse ein besonderes Gewicht im Abwägungsprozess. Die Rechtsprechung hat den persönlichkeitsrechtlichen Anonymitätsschutz maßgeblich anband einer Reihe von Entscheidungen entwickelt, denen überwiegend namentliche Identifikationen von Privatpersonen durch die Presse zugrunde lagen?03 Die systematische Verortung des Anonymitätsschutzes hängt dabei von der konkreten Darstellungsform ab. Sofern die Identifikation durch einen Wortbericht erfolgt, wird der Anonymitätsschutz durch das Allgemeine Persönlichkeitsrecht gewährleistet. 304 Handelt es sich 302 Vgl. BGH in NJW 1965, S. 2148 - Spielgefährtin; BGH in NJW 1985, S. 1617; BGH in AfP 1996, S. 140 (141 f.) - Caroline von Monaco III; OLG München in OLG-Rep. München 1997, S. 182; OLG München in NJW-RR 1996, S. 539; OLG Harnburg in NJW-RR 1995, S. 220; OLG Hamm in NJW-RR 1997, S. 1044. 303 Als typische Fallkonstellationen könne die Gerichtsberichterstattung, die Darstellung von Katastrophenopfern und die namentliche Erwähnung von Mitarbeitern und Opfern des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) gelten. 304 BGHZ 24, S. 200 (209) - Spätheimkehrer; BVerfGE 35, S. 231 f. - Lebach; BGHZ 68, S. 331 ff. - Abgeordnetenbestechung; OLG Celle in AfP 1989, S. 575; OLG Frankfurt/Main in NJW-RR 1990, S. 989; vgl. auch Erman-Ehmann, Anh. zu § 12 Rn. 362, 367 ff.

11 Neben

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hingegen um eine bildliehe "Bekanntmachung", so findet sich in § 22 KUG eine spezialgesetzliche Verankerung des Anonymitätsschutzes. 305 Das Interesse des Einzelnen, in den Medien unerwähnt zu bleiben, ist damit persönlichkeitsrechtlich vollen Umfangs erfasst. c) Schutz des Wahrheitsinteresses

Im Gegensatz zu den bisherigen Aspekten des rechtlichen Persönlichkeitsschutzes besteht in Literatur und Rechtsprechung erhebliche Uneinigkeit hinsichtlich der Frage, ob der Schutz vor Unwahrheit als eigenständiger Unterfall des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts anzuerkennen ist. Dies wird vor allem von Teilen der äußerungsrechtlichen Literatur unter Hinweis auf die praktischen Schwierigkeiten abgelehnt, die sich mit einer umfassenden Ermittlung der Wahrheit durch die Massenmedien verbänden. So vertritt Soehring die Auffassung, zumindest im Recht der Medien stelle die Wahrheit als solche kein Rechtsgut dar?06 Gesetzgeber und Verfassungsrechtsprechung forderten von den Medien lediglich ein Bemühen um Wahrheit, nicht hingegen absolute Wahrheit in der Berichterstattung. Erhöbe man vor diesem Hintergrund die Wahrheit in den Rang eines eigenständigen Rechtsgutes, dessen isolierte Verletzung in der Konsequenz auch sanktionierbar wäre, so ergäbe sich hieraus ein nicht hinnehmbarer Wertungswiderspruch. Der Wahrheitsanspruch des Dargestellten könne deshalb nur so weit gehen, wie die unwahre Berichterstattung zugleich ein anderweitig geschütztes Interesse verletzt. Gegen diese restriktive Auffassung wendet sich Wenzel mit der Begründung, eine solche Betrachtungsweise relativiere die publizistische Wahrheitspflicht und vermittele die falsche Vorstellung, Unwahrheiten über eine Person zu verbreiten sei nicht schon für sich betrachtet, sondern nur in besonderen Fällen unzulässig. Denn tatsächlich führe jede publizierte Unwahrheit zumindest zu einer Verfälschung des vom Allgemeinen Persönlichkeitsrecht umfassten Lebensbildes und sei somit persönlichkeitsrechtlich sanktionierbar?07 Noch weitergehenden Schutz will Baston-Vogt dem individuellen Wahrheitsinteresse gewähren. 308 Ihr zufolge gibt es keinen Grund, den Schutz vor unwahren Personendarstellungen auf Behauptungen zu beschränken, die der Ehre des Betroffenen abträglich sind, sein Privatleben betreffen, sein objektives Lebensbild vernilsehen oder 305 Vgl. LG Köln in AfP 1994, S. 166 (168 f.); LG Köln in AfP 1994, S. 165; Neumann-Duesberg, Anonymität, Seite 138 ff.; Müller, Bildnisveröffentlichung, S. 53. A.A. ausdrücklich Helle, S. 48 f. 306 Soehring, Presserecht, Rn. 18.4. 307 Wenzel, Rn. 5.65: Dies soll freilich nicht für kleinere Vergröberungen, Einseitigkeiten, Übertreibungen und Ausschmückungen gelten, solange diese keine ernsthafte Beeinträchtigung des geschützten Interesses darstellen. 30 8 Baston-Vogt, S. 424.

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auch nur seinen selbst definierten sozialen Geltungsanspruch verletzen. Der einzelne müsse sich vielmehr im Grundsatz bedingungslos gegen jede unwahre Darstellung seiner Person wehren können. Dies sei aber nur möglich, wenn man die Wahrung der Identität des Individuums als eigenständiges Persönlichkeitsrecht anerkenne. Die Rechtsprechung wiederum erweist sich in diesem Punkt als äußerst uneinheitlich. So vertritt der Bundesgerichtshof eine restriktive Auffassung und billigt dem Betroffenen persönlichkeitsrechtlichen Schutz nur gegen solche Unwahrheiten zu, die diesen zugleich in einem anerkannten Schutzgut des allgemeinen Persönlichkeitsrechts verletzen. 309 In der Entscheidung Caroline von Monaco I, die u. a. ein erfundenes Exklusivinterview zum Gegenstand hatte, stützt sich der Senat zunächst auf eine Verletzung des "Anspruchs auf Selbstbestimmung"310 und rekurriert später auf den inhaltlichen Privatsphärenbezug des vermeintlichen Interviews.311 Ähnlich argumentierte der Bundesgerichtshof bereits in der Soraya-Entscheidung312, in der er zwar das personale Selbstbestimmungsrecht heranzog, letztlich jedoch den Privatsphärenbezug der unwahren Äußerungen sowie die erlittene "Minderung des gesellschaftlichen Ansehens" der Klägerin für ausschlaggebend hielt. Demgegenüber geht das OLG Harnburg davon aus, das allgemeine Persönlichkeitsrecht schütze vor der Verbreitung von unwahren Tatsachenbehauptungen "unabhängig davon, ob diese Unwahrheiten einen irgendwie diskriminierenden oder auch nur kritisierenden Einschlag haben"? 13 Das Bundesverfassungsgericht wiederum verfolgt einen Mittelweg. In der Epp/er-Entscheidung314 aus dem Jahre 1980 führt es aus, die Unterstellung einer nicht getanen Äußerung begründe einen unzulässigen Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht, da sie regelmäßig den sozialen Geltungsanspruch des Betroffenen verletze. Der darüber hinausgehenden Beeinträchtigung eines weiteren, anerkannten Persönlichkeitsrechts 309 Vgl. BGH in NJW 1954, S. 1404 - Leserbrief; BGH in NJW 1958, S. 459 (462) - Sher1ock Holmes; BGH in NJW 1968, S. 685 - Soraya; BGH in NJW 1962, S. 1004; BGH in NJW 1979, S. 266, Wenzel, Rn. 5.64. 310 BGH in NJW 1995, S. 861 (862 f.)- Caroline von Monaco I. 311 "Die entstellte Wiedergabe persönlicher Äußerungen und insbesondere die Wiedergabe eines erdichteten Interviews über private Angelegenheiten bedeutet eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Klägerin"; BGH in NJW 1995, S. 862 oben. 312 BGH in NJW 1965, S. 685 (686)- Soraya. 313 OLG Harnburg in AfP 1978, S. 143. Vgl. aus jüngerer Zeit auch OLG Harnburg in AfP 1999, S. 68: Im dritten Leitsatz dieser Entscheidung heißt es nicht ganz unmissverständlich, "auch unwahre Mitteilungen über höchstpersönliche Lebenspläne, die nichts Ehrenrühriges beinhalten, greifen nachhaltig in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen, insbesondere in dessen Anspruch auf Selbstbestimmung über sein Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit, ein." 314 BVerfG in NJW 1980, S. 2070- Eppler. 11*

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bedürfe es in einem solchen Fall nicht. Wie Wenzel zutreffend bemerkt, ist jedoch unklar, ob diese Ausführungen verallgemeinerungsfähig sind, oder ob das Bundesverfassungsgericht sie allein auf den Fall des Unterschiebens nicht getaner Äußerungen bezogen hat. 315 Ein Hinweis auf deren Verallgemeinerbarkeit kann allerdings einer jüngeren Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts entnommen werden. In einem Nichtannahmebeschluss aus dem Jahre 1999 betreffend eine satirisch-kritisierende Plakatkampagne der Umweltschutzorganisation Greenpeace führt der Erste Senat aus, das Allgemeine Persönlichkeitsrecht verleihe dem von der Aktion betroffenen Vorstandsvorsitzenden der Hoechst AG zwar "keinen Anspruch, nur so in der Öffentlichkeit dargestellt zu werden, wie er sich selbst sieht oder von anderen gesehen werden möchte. Wohl aber schützt es ihn gegenüber [... ] verfälschenden Darstellungen". 316 In der Tendenz dürfte das Bundesverfassungsgericht damit einem isolierten Wahrheitsschutz zuneigen. Eine einheitliche Linie der Rechtsprechung ist in dieser Frage freilich nach allem nicht zu erkennen. Einer solchen bedarf es jedoch dringend, da mit dem Wahrheitsschutz ein elementares Persönlichkeitsinteresse angesprochen ist. In den praktisch häufigsten und zugleich eindeutigen Fälle der unwahren Personenberichterstattung - falsche Zitate317, erfundene Interviews318 , Falschmeldungen aufgrund Personenverwechslung319 - ist in aller Regel zwar auch ein weiteres, selbständig geschütztes Persönlichkeitsinteresse mitbetroffen, so dass der Betroffene Rechtsschutz zumindest über diesen Umweg erhält. Wie der Fall Eppler zeigt, sind jedoch durchaus Konstellationen denkbar, in denen weder Ehre noch Privatsphäre des Dargestellten durch die Falschmeldung betroffen sind, dieser aber gleichwohl vor der Verbreitung von ihn betreffenden Unwahrheiten geschützt werden muss. Denn der persönlichkeitsrechtliche Wahrheitsschutz ist unmittelbarer Ausfluss des personalen Selbstbestimmungsrechts und damit der verfassungsrechtlichen Garantie des Art. 2 I GG: Wenn dem Einzelnen schon das Recht zugebilligt wird, grundsätzlich selbst über die Verbreitung von wahren Personeninformationen zu bestimmen320, so muss dies erst recht 315 Ein auf die Eppler-Entscheidung folgender Beschluß des Bundesverfassungsgerichts spricht für eine Beschränkung des "neuen" Persönlichkeitsrechts auf unrichtige Zitate: Das "allgemeine Persönlichkeitsrecht [.. .] schützt den Grundrechtsträger auch dagegen, dass ihm Äußerungen in den Mund gelegt werden, die er nicht getan hat und die seinen von ihm selbst definierten sozialen Geltungsanspruch beeinträchtigen"; BVerfG in NJW 1980, S. 2072. 3 16 BVerfG in AfP 1999, S. 254 (255). 3 17 Vgl. BGH in NJW 1980, S. 2070 - Eppler; BGH in NJW 1980, S. 2072; BGH in NJW 1954, S. 1404- Leserbrief. 318 Vgl. BGH in NJW 1995, S. 861 - Caroline von Monaco I; BGH in NJW 1965, S. 685 - Soraya; BVerfGE 34, S. 269 - Soraya. 319 Vgl. OLG Koblenz in NJW 1997, S. 1375- Schweigen der Hirten.

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für die Verbreitung unwahrer Informationen gelten. Daneben ist zu bedenken, dass der Wahrheitsanspruch als uninittelbarer Ausdruck der personalen Identität des Individuums anzusehen ist. 321 Eine Verfälschung der personalen Identität trifft das Individuum daher unmittelbar in seiner Würde und in seinem natürlichen Achtungsanspruch. Auch deshalb ist ein selbständiger, persönlichkeitsrechtlicher Schutz des Wahrheitsinteresses geboten. Die hiergegen gerichtete Auffassung verkennt, dass es auf der hier angesprochenen Tatbestandsebene allein um die Bestimmung des abstraktgenerellen Umfanges des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts geht. Eine möglicherweise gebotene Einschränkung des Wahrheitsschutzes durch die kollidierenden Verbreitungsinteressen der Kommunikatoren kann und muss einer später vorzunehmenden Güter- und Interessenahwägung vorbehalten bleiben. 322 An der prinzipiellen Zugehörigkeit des Wahrheitsinteresses zum Schutzbereich des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts vermögen die erwähnten, auf die Medienfreiheit gestützten Vorbehalte daher nichts zu ändern. Das individuelle Wahrheitsinteresse genießt selbständigen Rechtsschutz; einer Ankoppelung dieses Rechts an andere, "anerkannte" Persönlichkeitsrechte bedarf es nicht. d) Schutz des Selbstbestimmungsinteresses

Gegen die Verbreitung unwahrer Personeninformationen wendet sich der persönlichkeitsrechtliche Wahrheitsschutz; die Verbreitung wahrer, aber vertraulicher Informationen wird vom Diskretionsschutz erfasst; die Verbreitung ehrenrühriger Personeninformationen wird vom persönlichkeitsrechtlichen Ehrschutz abgedeckt. Von persönlichkeitsrechtlicher Relevanz sind jedoch auch solche Informationen, die weder unwahr noch indiskret noch ehrenrührig sind. Ihre ungenehmigte Verbreitung berührt das Selbstbestimmungsinteresse des Betroffenen. Auch dessen Schutz wird umfassend vom Allgemeinen Persönlichkeitsrecht gewährleistet: Als Ausfluss primär seines Entfaltungsrechts, Art. 2 I GG, ist dem Einzelnen die ausschließliche Befugnis eingeräumt, über die öffentliche Verwendung seines "Lebensbildes" zu entscheiden. 323 Dieser Gedanke ist vom Bundesverfassungsgericht erstmals in der Lebach-Entscheidung formuliert worden. Hier heißt es, ein jeder habe das Recht, selbst und allein zu bestimmen, ob und inwieweit andere sein Lebensbild im ganzen oder bestimmte Vorgänge aus seinem Leben öffent3 20

321

(867).

Im Rahmen des Diskretions- und Anonymitätsschutzes. So auch Baston-Vogt, S. 424; Wenzel, Rn. 5.68; Stümer in JZ 1994, S. 865

In diesem Sinne auch Baston-Vogt, S. 425. Vgl. BVerfGE 35, S. 202 (224)- Lebach; Helle, S. 53 f.; Baston-Vogt, S. 372 m.w.N. 322

323

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lieh darstellen. 324 Baston-Vogt benennt die Komponenten des geschützten Lebensbildes treffend: Umfasst ist der gesamte Lebenslauf sowie einzelne Handlungen, Gedanken und Erlebnisse des Einzelnen, sowie äußere Ereignisse und Zufalle seines persönlichen Lebensschicksals. 325 Der Lebensbildschutz beinhaltet eine passive Abwehrkomponente ebenso wie eine aktive Gestaltungskomponente. Erstere ermöglicht es dem Einzelnen, einer unbefugten Wiedergabe persönlicher Informationen allein der umfassenden Kontrolle über sämtliche Lebensgüter willen entgegenzutreten. Die Lebensgeschichte wird als Teil der dem Individuum zugehörigen Persönlichkeitsgüter angesehen, über deren Verwendung nur das Individuum selbst entscheiden können soll. Im Vordergrund steht jedoch die (aktive) Gestaltungskomponente des Lebensbildschutzes. Diese sichert die Bestimmungsbefugnis des Einzelnen hinsichtlich seines sozialen Geltungsanspruchs 326 : Das Bild des Einzelnen in der Öffentlichkeit soll grundsätzlich von diesem selbst definiert werden können.327 Geschützt ist zwar nur die wahrheitsgemäße Selbstdarstellung.328 Der Selbstdefinitionsanspruch des Betroffenen bezieht sich also lediglich auf die Auswahl der preiszugebenden Informationen, nicht hingegen auf deren Inhalt - niemand kann das Recht beanspruchen, sich der Wahrheit zuwider "ins rechte Licht zu rücken". 329 Von dieser Einschränkung abgesehen ist jedoch auch das Selbstbestimmungsinteresse des Einzelnen umfassend persönlichkeitsrechtlich geschützt. Gegenüber Beeinträchtigungen des Selbstbestimmungsinteresses durch Bildnisveröffentlichungen existiert auch hier spezialgesetzlicher Schutz über § 22 KUG? 30 e) Schutz des Ehrinteresses

Eine weitere, wesentliche Ausprägung des Medienpersönlichkeitsrechts ist in dem Schutz der Ehre 331 zu sehen. Die Vielfaltigkeit der mit dem PhäBVerfGE 35, S. 202 (220) - Lebach. Baston-Vogt, S. 373. 326 Vgl. hierzu BVerfGE 54, S. 148 (155 f.)- Eppler. 327 Vgl. auch Baston-Vogt, S. 375 f., die den selbst definierten sozialen Geltungsanspruch allerdings nur gegenüber unwahren Tatsachenbehauptungen für einschlägig erachtet. 328 Vgl. BVerfG in NJW 1989, S. 3269; Baston-Vogt, S. 377; Erman-Ehmann, Anh. zu§ 12 Rn. 422 m.w.N. 329 Erman-Ehmann, Anh. zu § 12 Rn. 422; in diesem Sinne auch BVerfG in AfP 1999, S. 254 (255). 330 So die einhellige Ansicht zum Schutzgut der §§ 22 ff. KUG; vgl. BGHZ 20, S. 345 (347) - Paul Dahlke; BGH in NJW 1966, S. 2353 - Vor unserer eigenen Tür; BGH in NJW 1974, S. 1947 (1948) - Nacktfoto; Müller, Bildnisveröffentlichung, S. 56 ff.; Helle, S. 47; Hubmann, Persönlichkeitsrecht, S. 298. 331 Vgl. zur historischen Entwicklung, zu Inhalt und Ausprägungen sowie zur kulturellen Bedeutung des Ehrschutzes ausführlich Mackeprang, S. 18 ff.; Schendzielorz, 324 325

A. Rechtliche Fixierung der kollidierenden Interessen

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nomen Ehre verbundenen Assoziationen macht dessen begriffliche Konkretisierung schwierig. So dient der Ehrbegriff gemeinhin als Sammelbecken für "Anerkennung, Ansehen, Wertschätzung, Würde, Sittlichkeit, Ehrenhaftigkeit, Ruf, Name, Sozialprestige, Selbstwertgefühl, Selbstachtung, Geltungsverlangen"332 und vieles mehr. 333 Von diesem weiten Verständnis klar zu trennen ist der rechtliche Ehrbegriff. Dieser umfasst allein diejenigen Aspekte der menschlichen Ehre, die von der Rechtsordnung als bedeutend und schützenswert anerkannt sind. Der rechtliche Ehrbegriff ist zweigeteilt. Er umfasst zum einen den Anspruch des Menschen auf Achtung als Person und damit deren sittlich-personalen Geltungswert? 34 Dieser haftet dem Individuum von Geburt an allein aufgrund seiner Existenz und seines Menschseins an. In Ergänzung hierzu schützt die Rechtsordnung aber auch den erworbenen sozialen Geltungswert des Einzelnen; die Wertschätzung also, die ihm berechtigterweise von der Gesellschaft entgegengebracht wird, und auf deren Entwicklung er aktiv Einfluß nehmen kann.335 Wenngleich diese beiden Komponenten des Ehrbegriffes in untrennbarer Verbindung zueinander stehen und eine Aufspaltung des Ehrphänomens deshalb nicht angängig ist, lässt sich dennoch eine grobe Zuordnung der beiden Aspekte zu den Gewährleistungsbereichen des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts vornehmen. So ist der sittlich-personale Geltungswert aufgrund seines intensiveren Menschenwürdebezugs primär in Art. 1 I GG verwurzelt, wohingegen der erworbene soziale Geltungswert sein Schutzpotential vorwiegend aus Art. 2 I GG herleitet. In praktischer Hinsicht folgt hieraus, dass der rechtliche Ehrschutz in seiner Intensität gestaffelt ist. Tatbestandlieh unterfallen zwar Angriffe auf den sozialen Geltungswert dem Anwendungsbereich des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts respektive den strafrechtlichen Ehrschutznormen der §§ 185 ff. StGB ebenso wie solche auf den sittlich-personalen Geltungswert? 36 Im konkreten Abwägungsvorgang S. 9 ff.; Son, S. 27 ff.; Stark, S. 21 ff., 134 ff. ; Baston-Vogt, S. 411 ff.; Erman-Ehmann, Anh. zu § 12 Rn. 222 ff. 332 Mackeprang, S. 163. 333 Vgl. ausführlich Stark, S. 24 f. 334 Mackeprang, S. 165 ff., S. 181; vgl. auch Erman-Ehmann, Anh. zu § 12 Rn. 224; Son, S. 38; Schendzielorz, S. 12 f.; Stark, S. 25. 335 Mackeprang, S. 168 ff., S. 181; vgl. auch Erman-Ehmann, Anh. zu § 12 Rn. 224; Son, S. 38; Schendzielorz, S. 12 f. ; Stark, S. 25. 336 Aus der Rechtsprechung vgl. hierzu BVerfGE 82, S. 272 (282 ff.) - Strauß; BVerfGE 61, S. 1 (13) - "geb. Mörder"; BVerfGE 54, S. 208 (217 f.) - Böll/Walden; BVerfGE 30, S. 173 (198 f.) - Mephisto; BVerfG in NJW 1994, S. 2943 Soldaten sind Mörder I; BGHZ 39, S. 124 (127 f.) - Fernsehansagerin; BGHZ 30, S. 7 (12)- Caterina Valente; OLG Köln in AfP 1996, S. 398 (400); BGH in GRUR 1995, S. 273; OLG Celle in NStZ 1998, S. 88; LG München I in AfP 1997, S. 827; OLG Frankfurt/Main in NJW-RR 1996, S. 1050; OLG München in NJW 1996, S. 2515 (2516); BGH in NJW-RR 1995, S. 301 (304); OLG Karlsruhe in AfP 1997,

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2. Teil: Die Triviale Personenberichterstattung im Spannungsfeld

jedoch erweist sich das sittlich-personale Ehrinteresse aufgrund seiner besonderen Nähe zum Kernbereich der Menschenwürde als weitaus gewichtiger und damit schutzintensiver als das soziale Ehrinteresse. f) Schutz des wirtschaftlichen Verwertungsinteresses

Wie oben dargelegt, kommt heute beinahe allen Persönlichkeitsgütern (Name, Bild, Stimme, Lebensgeschichte) faktisch ein z. T. bedeutender Vermögenswert bei. 337 An diese Erkenntnis anknüpfend stellt sich die Frage, ob die Möglichkeit der wirtschaftlichen Verwertung dieses Potentials selbständigen persönlichkeitsrechtlichen Schutz genießt. Hierfür haben sich in jüngerer Zeit vor allem Götting und Ullmann ausgesprochen. Sie favorisieren die Einbeziehung eines wirtschaftlichen Verwertungsinteresses in den Schutzbereich des zivilrechtliehen Allgemeinen Persönlichkeitsrechts. 338 Damit knüpfen sie an die Vorschläge Reitmanns und Fikentschers an, die sich schon frühzeitig für die Anerkennung eines eigenständigen "Persönlichkeitsnutzungsrechts"339 respektive eines "wirtschaftlichen Persönlichkeitsrechts"340 eingesetzt haben. Der Bundesgerichtshof hat diesen Gedanken in der Entscheidung Rennsportgemeinschaft aufgegriffen und hieraus ein "Recht auf wirtschaftliche Selbstbestimmung"341 konstruiert. Unabhängig von der Frage nach der konkreten Bezeichnung eines solchen Rechts besteht also dahingehende Einigkeit, dass auch dem wirtschaftliche Verwertungsinteresse des Einzelnen persönlichkeitsrechtlicher Schutz zuteil werden muss. Das wirtschaftliche Verwertungsinteresse steht dabei in unmittelbarem Zusammenhang zu den bereits benannten Persönlichkeitsinteressen und bildet förmlich deren Kehrseite: Während Diskretions-, Anonyrnitäts- und Selbstbestimmungsschutz auf die (passive) Abwehr von äußeren Beeinträchtigungen und damit auf die grundsätzliche Verhinderung der Preisgabe bestimmter, personenbezogener Informationen abzielen, wendet sich der wirtschaftliche Verwertungsschutz nicht gegen die Preisgabe von personenbezogenen Informationen an sich, sondern allein gegen deren kompensationslose Preisgabe. Mit anderen Worten: Der Rechtsträger will den S. 721 - Geistheilerin. Siehe auch Erman-Ehmann, Anh. zu§ 12 Rn. 221 m.w.N.; Baston-Vogt, S. 411 f. m.w.N. 337 So auch Ullmann, der in diesem Zusammenhang zu Recht von "materialisierten Persönlichkeitsdetails" spricht; vgl. Ullmann in AfP 1999, S. 209 (210). 338 Vgl. Götting, S. 136 ff., 138 sowie Ullmann in AfP 1999, S. 209 (211): "Das Selbstbestimmungsrecht ist aber nicht nur ein Verbietungsrecht, sondern es kann auch ein Verwertungsrecht sein." 339 Heitmann, S. 78 ff. 340 Fikentscher, Wirtschaftsrecht, S. 132 ff. 341 BGH in GRUR 1981, S. 846 (847)- Rennsportgemeinschaft

A. Rechtliche Fixierung der kollidierenden Interessen

169

Informationsfluß nicht verhindern, er will ihn lediglich in seinem eigenen (wirtschaftlichen) Interesse steuem.342 Seine dogmatische Verankerung findet das wirtschaftliche Verwertungsinteresse damit vorwiegend in der aktiven Entfaltungskomponente des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts; sein unmittelbarer Menschenwürdebezug ist deshalb auch deutlich geringer als derjenige des eingangs erwähnten, passiven Abwehrinteresses. Nicht zuletzt hierin liegt auch die Notwendigkeit einer selbständigen Berücksichtigung des wirtschaftlichen Verwertungsinteresses begründet. Denn es macht im späteren Abwägungsprozess einen erheblichen Unterschied, ob der Betroffene in seinem - weitaus intensiver geschützten - Abwehrinteresse oder (nur) in seinem - weitaus geringer geschützten - Verwertungsinteresse betroffen ist. 343 Auf Tatbestandsebene jedoch ist das Interesse des Rechtsträgers an einer kommerziell motivierten Steuerung der Verwertung personenbezogener Informationen einschränkungslos dem Schutzbereich des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts zuzuordnen. Das wirtschaftliche Verwertungsinteresse ist dabei unabhängig von der konkreten Darstellungsform (verbal, visuell) geschützt - für die Gewährleistung des Medienpersönlichkeitsrechts ist es unerheblich, ob die vom Berechtigten zu steuernde Verwertung seiner Persona in Textform (namentliche Erwähnung, Beschreibung der konkreten Lebensumstände, Weitergabe privater oder intimer Informationen) oder in Bildform geschieht (Verbreitung von Paparazzi-Aufnahmen). 4. Zusammenfassung und Ergebnis Der Einzelne ist persönlichkeitsrechtlich umfassend gegenüber einer ungewollten Darstellung in den Massenmedien geschützt; seine diesbezüglichen Rechte lassen sich dabei zweckmäßigerweise unter dem Begriff des Medienpersönlichkeitsrechts zusammenfassen. In dessen Gewährleistungsbereich fallen das Diskretions-, Anonymitäts-, Wahrheits-, Selbstbestimmungs- und Ehrinteresse des Dargestellten sowie dessen Interesse an einer wirtschaftlichen Eigenverwertung personenbezogener Informationen. Diese Interessen sind - in Abhängigkeit von der konkreten Form der Beeinträchtigung - entweder als Ausprägung des zivilrechtliehen Allgemeinen Persönlichkeitsrechts oder spezialgesetzlich in den §§ 22 ff. KUG respektive den §§ 185 ff. StGB verankert. Auf Tatbestandsebene erweisen sich die dargestellten Interessen dabei untereinander als gleichwertig - die Schutzgarantie des Medienpersönlichkeitsrechts wird durch die Verletzung mehrerer oder Vgl. BVerfGE 54, S. 148 (155)- Eppler; Götting, S. 137. A.A. wohl Baston-Vogt. Sie ordnet die vermögensrechtlichen Interessen systematisch den regelmäßig mitbetroffenen immateriellen Interessen zu und spricht ihnen somit einen eigenständigen Gehalt ab; Baston-Vogt, S. 251 ff. 342 343

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2. Teil: Die Triviale Personenberichterstattung im Spannungsfeld

auch nur eines der benannten Interessen gleichermaßen ausgelöst. Eine Differenzierung nach deren Wertigkeit oder deren konkreter Schutzwürdigkeit erfolgt erst im Konfliktfall, im Prozess der individuellen Güter- und Interessenabwägung. Bereits an dieser Stelle sei jedoch darauf hingewiesen, dass hier ein deutliches Gefälle von den besonders schutzintensiven zu den nur geringfügig schutzwürdigen Persönlichkeitsinteressen festzustellen ist, welches sich maßgeblich nach der Intensität des unmittelbaren Menschenwürdebezuges des jeweilig betroffenen Interesses bestimmt?44 Auf der hier allein interessierenden Tatbestandsebene hingegen ist eine solche Abstufung nicht angängig und wird auch - von nur wenigen Ausnahmen abgesehen weder von der Literatur noch von der Rechtsprechung praktiziert. Im Ergebnis vermag also die isolierte Beeinträchtigung des vergleichsweise weit vom Menschenwürdekern des Art. 1 I GG entfernten wirtschaftlichen Verwertungsinteresses345 ebenso den persönlichkeitsrechtlichen Schutzanspruch des Betroffenen auszulösen, wie eine drastische Mißachtung seines sittlich-personalen Geltungswertes346• Das so definierte Medienpersönlichkeitsrecht deckt damit die gesamte Bandbreite typischer, massenmedialer Übergriffe in den Persönlichkeitsbereich des Einzelnen ab.

B. Die Auflösung der Interessenkollision im äußerungsrechtlichen Persönlichkeitsschutz Wie die vorangegangenen Ausführungen gezeigt haben, lässt sich die Triviale Personenberichterstattung als typischer Kollisionsfall zwischen Medienfreiheit und Medienpersönlichkeitsrecht begreifen. 347 Der nun folgende Abschnitt widmet sich der Auflösung dieser Kollision rechtlich bewehrter Interessen. Zunächst sollen zu diesem Zweck die grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Mechanismen des Ausgleichs zwischen Medienfreiheit und Medienpersönlichkeitsrecht ermittelt werden (/. ). Hierauf aufbauend kann dann der Ausgleich der beiden Positionen, wie er gegenwärtig von der Rechtsprechung vorgenommen wird, innerhalb der vier für die Triviale Personenberichterstattung typischen Fallgruppen konkret nachgezeichnet und analysiert werden (/1.). Aus dieser einzelfallbezogenen Rechtsprechungsanalyse lassen sich dann die tragenden Prinzipien der rechtlichen Kollisionsauflösung abstrahieren und zu einem theoretischen Modell verAusführlich dazu unten Zweiter Teil, B.III.l.a)aa). Vgl. dazu oben Zweiter Teil B.II.3.f). 346 Vgl. dazu oben Zweiter Teil, B.II.3.e). 347 Vgl. dazu oben Zweiter Teil, Einleitung. Instruktiv zum Aufeinandertreffen von massenmedialer Verbreitungsfreiheit und einfachrechtlichem Persönlichkeitsschutz auch Dreier-Schulze-Fielitz, Art. 5 1,11 Rn. 216. 344 345

B. Auflösung der Interessenkollision

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dichten. Dieses wird abschließend aus verfassungsrechtlicher Sicht zu überprüfen und mit einem eigenen Gegenmodell zu konfrontieren sein (Ili.)

I. Grundsätze des Ausgleichs von "Medienfreiheit" und ,,Medienpersönlichkeitsrecht'' Das Interesse der Verlage und Rundfunkveranstalter an der Verbreitung trivialer Personeninhalte findet im Rahmen der Medienfreiheit rechtliche Anerkennung. Diese wird durch Art. 5 I 2 GG gewährleistet. Das gegenläufige Interesse der Dargestellten, nicht zum Gegenstand trivialer Personenberichte gemacht zu werden, findet als Medienpersönlichkeitsrecht Berücksichtigung. Dieses wiederum wird (vor allem) durch den zivilrechtliehen Persönlichkeitsschutz gewährleistet. Das Verhältnis der beiden Rechtspositionen zueinander lässt sich dabei wie folgt beschreiben: Art. 5 I 2 GG gewährleistet die umfassende kommunikative Freiheitsbetätigung; der einfachrechtliche Persönlichkeitsschutz setzt dieser Freiheitsbetätigung Grenzen in Form staatlich garantierter, individualschützender Eingriffsrechte. Im Ergebnis stellt sich die Verwirklichung der Persönlichkeitsinteressen der Dargestellten damit notwendigerweise als Einschränkung der Medienfreiheit der Verlage und Veranstalter dar. Der Ausgleich dieser gegenläufigen Interessen wird verfassungssystematisch über die Schrankenregelung des Art. 5 II GG hergestellt: Art. 5 II GG statuiert eine gemeinsame Schrankenregelung für sämtliche Kommunikationsgrundrechte. Einschränkungen der Medienfreiheit als Teilschutzgut des Art. 5 I GG sind demgemäß in Form von allgemeinen Gesetzen, zum Schutze der persönlichen Ehre und im Rahmen des Jugendschutzes möglich. Die letztere Alternative ist im Rahmen der Trivialen Personenberichterstattung regelmäßig nicht von Belang. Bedeutsam und zugleich problematisch sind hingegen die Einschränkungsmöglichkeiten der "allgemeinen Gesetze" und des "Rechts der persönlichen Ehre".

1. Inhaltsneutrale Beschränkungen der Medienfreiheit durch die "Allgemeinen Gesetze" Die bedeutendste Einschränkungsmöglichkeit des Art. 5 II GG ist die der "allgemeinen Gesetze". 348 Obgleich diese Formulierung bereits auf Art. 118 I 1 WRV zurückgeht, ist ihre konkrete Bedeutung bis heute unklar. In der 348 Vgl. hierzu ausführlich Starck in Weber-FS, S. 815 ff. (820 ff.); Dreier-Schulze-Fielitz, Art. 5 1,11 Rn. 106 ff.; BK-Degenhart, Art. 5 Abs. 1 u. 2 Rn. 66 ff.; Maunz!Dürig-Herzog, Art. 5 Abs. 1,11 Rn. 249 ff.; v. Münch-Wendt, Art. 5 Rn. 69 ff.; v. Mangoldt/Klein-Starck, Art. 5 Abs. 1,2 Rn. 178; Schmidt-Jortzig in HdBStR, § 141 Rn. 41; Gomig in JuS 1988, S. 274 ff.

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2. Teil: Die Triviale Personenberichterstattung im Spannungsfeld

rechtswissenschaftliehen Literatur hat der Begriff der Allgemeinheit eine Vielzahl unterschiedlicher Interpretationen erfahren. Als "allgemein" sollen solche Gesetze anzusehen sein, die sich in ihrem Inhalt und in ihrer Zielsetzung nicht gegen das Grundrecht der Meinungsfreiheit als solches richten und eine an sich erlaubte Handlung nicht allein wegen ihrer geistigen Zielrichtung verbieten?49 Allgemeine Gesetze müssten dem Schutz eines schlechthin, ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung zu schützenden Rechtsgutes dienen350, das material höherwertig ist als die Meinungsfreiheit selbst. 351 Allgemeine Gesetze dürften nicht die Äußerung selbst, sondern nur die von ihr ausgehenden Wirkungen reglementieren. 352 Einschränkungen der Kommunikationsfreiheiten seien als "allgemeine Gesetze" nur dann zulässig, wenn sie sich nicht ausschließlich im Schutzbereich der Kommunikationsgrundrechte auswirken. 353 Äußerungen dürften nicht in ihrem geistigen Informationsgehalt beschränkt werden; lediglich die Äußerungsmodalitäten könnten durch allgemeine Gesetze geregelt werden. 354 Das Bundesverfassungsgericht kombiniert diese Ansätze in einer bis heute beibehaltenen355 Formulierung aus dem Lüth-Urteil, wonach allgemeine Gesetze solche seien, "die nicht eine Meinung als solche verbieten, die sich nicht gegen die Äußerung einer Meinung als solcher richten, die vielmehr dem Schutze eines schlechthin, ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung zu schützenden Rechtsguts dienen, dem Schutze eines Gemeinschaftswerts, der gegenüber der Betätigung der Meinungsfreiheit den Vorrang hat"356. Bei diesem Definitionsversuch handelt es sich jedoch um nicht mehr als eine Aneinanderreihung von Formeln, die jeweils Verschiedenes - und z. T. sogar Gegensätzliches - aussagen? 57 Diese Vorgehensweise ermöglicht dem Bundesverfassungsgericht in jedem zu entscheidenden Fall eine Betonung des einen oder anderen Elements des "Allgemeinheits"-Erfordemisses, um so zu einzelfallgerechten Ergebnissen gelangen zu können? 58 Der notwendigen Rechtssicherheit ist die Unbe349 Diese Deutung wurde bereits im Zusammenhang mit Art. 118 I 1 WRV entwickelt, der ebenfalls den Begriff des "allgemeinen Gesetzes" kannte; vgl. dazu Starck in Weber-FS, S. 205 ff. m. w.N. 35 K. Rothenbücher, zit. nach Dreier-Schulze-Fielitz, Art. 5 I,II Rn. 109. 351 R. Smend, zit. nach Dreier-Schulze-Fielitz, Art. 5 I,ll Rn. 110. 352 J. A. Frowein, zit. nach Dreier-Schulze-Fielitz, Art. 5 I,II Rn. 111. 353 v. Münch-Wendt, Art. 5 Rn. 71; ähnlich auch Bettennann in JZ 1964, S. 601 (603 f.). 354 v. Mangoldt/Klein-Starck, Art. 5 Abs. 1,2 Rn. 183. 355 Zur diesbezüglichen Kontinuität in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vgl. Schmitt Glaeser in AöR 113 [1988] S. 89 f. 356 BVerfGE 7, S. 198 (209 f.). 357 So auch v. Mangoldt/Klein-Starck, Art. 5 Abs. 1,2 Rn. 178. 358 In diesem Sinne auch Dreier-Schulze-Fielitz, Art. 5 I,ll Rn. 112.

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B. Auflösung der Interessenkollision

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stimmtheit des verfassungsgerichtlichen Prüfungsmaßstabs jedoch äußerst abträglich. Dogmatisch sind nämlich innerhalb der Diskussion um das Allgerneinheitserfordernis mehrere unterschiedliche Ansätze zu unterscheiden, die auf unterschiedlichen Überzeugungen beruhen und deren Anwendung in vielen Fällen zu unterschiedlichen Ergebnissen führt. So enthält die Formel des Bundesverfassungsgerichts zunächst das Verbot staatlicher Beschränkung nur einer bestimmten Äußerung i. S. v. der Äußerung eines bestimmten Kommunikators?59 Diese Erwägung ist in erster Linie eine Gleichheitserwägung und verbietet vor allem die Statuierung von Sonderrecht gegen einen konkreten Meinungsträger oder eine bestimmte vertretene Ansicht (Verbot des Sonderrechts). Weiterhin muss das "allgemeine" Gesetz dem Schutz eines Gemeinschaftsgutes dienen, das unabhängig von der konkreten Meinungsäußerung konkret schutzwürdig erscheint. 360 Hierin liegt ein Verbot staatlicher Eingriffe, die sich zwar nicht gegen eine bestimmte Meinung richten, jedoch ausschließlich gegen die Meinungsfreiheit gerichtet sind oder sich doch zumindest ausschließlich in deren Gewährleistungsbereich auswirken (Verbot der Benachteiligung kommunikativer Freiheitsbetätigung). Sodann beinhaltet die Definition des Bundesverfassungsgerichts ein Abwägungsgebot zwischen den Schutzgütern des Art. 5 I GG und den hinter der konkreten Eingriffsnorm stehenden Rechtsgütern. Als "allgemein" können nur Gesetze gelten, die solche Individual- oder Gemeinschaftswerte zu schützen bestimmt sind, welche im konkreten Fall höherwertiger erscheinen als die Meinungsfreiheit selbst (Gebot der verfassungskonformen Gewichtung der Kommunikationsfreiheit). Und schließlich sollen als "allgemeine" Gesetze nur solche gelten können, die eine Äußerung nicht wegen ihres Inhalts selbst verbieten (Gebot der inhaltlichen Neutralität) .361 Den aufgezeigten Prämissen kommt dabei unterschiedliche Bedeutung für die Absicherung der Kommunikationsfreiheit bei. So erscheinen das Verbot des Sonderrechts und das Verbot der Benachteiligung kommunikativer Freiheitsbetätigung bereits weitgehend von Art. 3 I GG gewährleistet: Die Benachteiligung bestimmter Kommunikatoren oder bestimmter Handlungsformen darf (ohnehin) nicht ohne sachlichen Grund erfolgen. Das Postulat der "Allgemeinheit" hätte demzufolge nur eine eigenständige Bedeutung, wenn es als absolutes Verbot der Ungleichbehandlung interpretiert würde. Dies entspricht jedoch nicht der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, welches bestimmte Formen von "Sonderrecht" im Rahmen von Art. 5 II GG grundsätzlich für zulässig erachtet hat. 362 Das Gebot der verfassungs359 Vgl. BVerfGE 27, S. 104 (110); BVerfGE 21, S. 271 ff.; BVerfG in EuGRZ 1987, S. 261 (271). 360 Vgl. BVerfGE 7, S. 198 (209); BVerfGE 62, S. 230 (244). 361 Vgl. BVerfGE 28, S. 36 ff.

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2. Teil: Die Triviale Personenberichterstattung im Spannungsfeld

konformen Gewichtung wiederum entspricht der im Lüth-Vrteil entwickelten Wechselwirkungslehre, die im Ergebnis auf eine Güterahwägung zwischen Kommunikationsfreiheit und geschütztem Rechtsgut hinausläuft. 363 Es ist daher nicht ersichtlich, welchen eigenständigen Gehalt eine vorgezogene Abwägung im Rahmen des Allgemeinheitserfordernisses haben könnte. Die Bedeutung auch dieser Maxime ist daher gering. Übrig bleibt allein das Gebot der inhaltlichen Neutralität. Hierin ist denn auch der Kerngehalt des Allgemeinheitserfordernisses des Art. 5 II GG zu sehen.364 Dieses sichert das "Desinteresse des Gesetzgebers an der Meinung oder Nachricht als solcher"365 . Damit entspricht es dem demokratiestaatlich begründeten Differenzierungsverbot, welches zu den Grunderfordernissen einer freiheitlichen Kommunikationsordnung gehört. 366 Im Ergebnis ist es dem Staat demgemäß verboten, durch einseitige Parteinahme, durch Bevorzugung oder Benachteiligung bestimmter Meinungen, auf den Prozess der öffentlichen Meinungsbildung einzuwirken.

Fraglich ist jedoch, wie weit das Gebot inhaltlicher Neutralität zu verstehen ist. Eine enge Auslegung verböte es dem Staat lediglich, bestimmte Meinungen i. S. v. politisch-weltanschaulichen Ansichten generell vom öffentlichen Meinungsmarkt zu verbannen. 367 Eine weite Auslegung verböte es ihm hingegen, den Inhalt einer Äußerung überhaupt zum Anknüpfungspunkt für einen gesetzlichen Eingriff zu machen. Das Bundesverfassungsgericht folgt ganz offensichtlich der ersten Auslegungsmöglichkeit, denn es hat mehrfach inhaltsbezogene, gleichwohl aber auffassungsneutrale Beschränkungen als "allgemeine Gesetze" gerechtfertigt. 368 Im Interesse der Gewährleistung einer möglichst umfassenden Kommunikationsfreiheit wird man gleichwohl der letztgenannten Interpretation folgen müssen. Im Einzelfall ist nämlich kaum feststellbar, ob eine staatliche Beschränkung "nur" an dem konkreten Inhalt der Äußerung oder aber an die dahinterstehende Auffassung anknüpft. Hierin liegt die Gefahr, dass der Gesetzgeber Vgl. BVerfG in AfP 1986, S. 40 ff. BVerfGE 7, S. 198 (208 f.); vgl. auch Maunz/Dürig-Herzog, Art. 5 Abs. 1,11 Rn. 258. 364 Gleichwohl entfernt sich das Bundesverfassungsgericht zunehmend von diesem Postulat und wendet sich immer stärker der konkreten Güterahwägung zu; vgl. Maunz/Dürig-Herzog, Art. 5 Abs. 1,11 Rn. 258; Dreier-Schulze-Fielitz, Art. 5 1,11 Rn. 112. 365 v. Mangoldt/Klein-Starck, Art. 5 Abs. 1,2 Rn. 124. 366 Siehe dazu oben Zweiter Teil, A.l.1. 367 Wendt führt als Beispiel hierfür das "Gesetz gegen die Verbreitung der Lehre des Darwinismus" des US-Bundesstaates Arkansas aus dem Jahre 1928 an; vgl. v. Münch- Wendt, Art. 5 Rn. 71. 368 So sind zum Beispiel die inhaltsbezogenen strafrechtlichen Staats- und Verfassungsschutzvorschriften als "allgemeine Gesetze" beurteilt worden; vgl. BVerfGE 47, S. 198 (232); BVerfGE 28, S. 191 (199); BVerfGE 27, S. 7l (86 f.). 362 363

B. Auflösung der Interessenkollision

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meinungsbezogene Eingriffe als vermeintlich meinungsneutrale Inhaltsbeschränkungen konstruiert und so die erschwerten Eingriffsvoraussetzungen des Art. 5 II GG umgeht. Im Ergebnis können daher nur solche einschränkenden Rechtsnormen als "allgemein" gerechtfertigt sein, die eine Äußerung weder ihres konkreten Inhalts, noch ihrer politisch-weltanschaulichen Tendenz, Auffassung oder Ausrichtung wegen verbietet. Oder andersherum formuliert: Als "allgemeine Gesetze" können nur solche Beschränkungen gelten, welche die Äußerungsmodalitäten369 betreffen, also die Art und Weise, die Form und den Ort der Äußerung. Die Abwehr von inhaltlich inakzeptablen Äußerungen muss hingegen grundsätzlich auf gesellschaftlicher Ebene erfolgen; ein staatliches oder staatlich legitimiertes Eingreifen ist in diesen Fällen zumindest mittels "allgemeiner Gesetze" i. S. v. Art. 5 II GG nicht möglich.

2. Inhaltsbezogene Beschränkungen der Medienfreiheit durch das "Recht der persönlichen Ehre" und die "verfassungsimmanenten Schranken" Neben den "allgemeinen", also den inhaltsneutralen Gesetzen bildet das Recht der persönlichen Ehre eine weitere Schranke der Kommunikationsgrundrechte des Art. 5 I GG und damit auch der Medienfreiheit Das Bundesverfassungsgericht misst dieser Beschränkungsmöglichkeit jedoch keine eigenständige Bedeutung bei, sondern ordnet auch ehrschützende Eingriffe den "allgemeinen Gesetzen" unter. Da diese Schranke nach Auffassung des Gerichts faktisch immer dann greift, wenn der Staat den Schutz eines "schlechterdings schützenswerten [höherwertigen, Anm. d. Verf.] Rechtsguts" bezweckt, und die persönliche Ehre ein solches schlechthin Schützenswertes Rechtsgut darstellt, kommt der expliziten Erwähnung des Ehrschutzes in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nurmehr deklaratorische Bedeutung bei. 370 Begründet liegt die faktische Nutzlosigkeit der Ehrschutz-Schranke in der zu weitgehenden Interpretation der "allgemeinen Gesetze" durch das Bundesverfassungsgericht. Erst bei - wie hier vorgeschlagener - restriktiver Auslegung gewinnt die Schranke des "Rechts der persönlichen Ehre" eigenständige Bedeutung. Ehrschützende Eingriffe sind nämlich vom Allgemeinheitserfordemis, d.h. vom Gebot der inhaltlichen Neutralität ausgenommen, So auch v. Mangoldt/Klein-Starck, Art. 5 Abs. 1,2 Rn. 183. Dreier-Schulze-Fielitz, Art. 5 I,II Rn. 120 sowie BK-Degenhart, Art. 5 Abs. 1 u. 2 Rn. 77 unter Hinweis auf BVerfGE 43, S. 130. Vgl. zur diesbezüglichen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zusammenfassend Schmitt Glaeser in AöR 113 [1988] S. 52 (96 f.). 369 370

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2. Teil: Die Triviale Personenberichterstattung im Spannungsfeld

dürfen also inhaltsbezogen wirken. Anders wäre ein wirksamer Ehrschutz auch nicht denkbar, denn der Schutz vor bestimmten Äußerungsinhalten (hier: herabwürdigender Natur) kann schlechterdings nicht "inhaltsneutral" ausgestaltet sein. Die hier vertretene enge Auslegung des Allgemeinheitserfordernisses wird damit nicht zuletzt auch dem Wortlaut des Art. 5 li GG gerecht und verhilft der Ehrschutz-Schranke zu eigenständiger Bedeutung: Diese erlaubt inhaltsbezogene Eingriffe im Interesse des Schutzes der persönlichen Ehre?71 Daneben existiert noch eine weitere Beschränkungsmöglichkeit, die inhaltsbezogene Eingriffe in die Medienfreiheit erlaubt. Es handelt sich hierbei um die sog. verfassungsimmanenten Schranken. Ihre Existenz gründet sich auf die Erkenntnis, dass kein Grundrecht schrankenlos gewährleistet sein kann: Die grundrechtliche Freiheitsbetätigung des einen muss immer dort enden, wo sie mit der grundrechtliehen Freiheitsbetätigung eines anderen kollidiert. Für diejenigen Grundrechte, die keine ausdrücklichen Beschränkungen aufweisen, gelten deshalb die sog. verfassungsimmanenten Schranken, die gesetzliche Eingriffe im Interesse eines anderen, entgegenstehenden Rechtsguts von Verfassungsrang rechtfertigen können. Diese Eingriffsbefugnis dient dazu, die Einheit der Verfassung zu wahren. Im Sinne praktischer Konkordanz müssen in einem solchen Fall die konfligierenden Verfassungsgüter durch gesetzgebensehe Intervention zu einem möglichst schonenden Ausgleich gebracht werden.372 Dieses Prinzip gilt auch bei bereits explizit einschränkbaren Grundrechten, da es sich insoweit nur um einen Sonderfall der systematischen Verfassungsauslegung handelt. 373 Auch Art. 5 I GG und damit die Medienfreiheit sind daher verfassungsimmanenten Schranken unterworfen. Dies bedeutet konkret: Staatliche Eingriffe in den Freiheitsbereich des Art. 5 I GG können auch außerhalb der Regelung des Art. 5 II GG zulässig sein, wenn sie unmittelbar dem Schutz eines konfligierenden Gutes von Verfassungsrang dienen. Voraussetzung der Rechtmäßigkeit eines solchen Eingriffs ist jedoch die Gleich- oder Höherwertigkeit des Schutzgutes, denn die Aufgabe praktischer Konkordanz erfordert die "verhältnismäßige" Zuordnung von Grundrechten und grundrechtsbegrenzenden Rechtsgütem?74 Art. 5 I GG kann also zugunsten gleich- oder höherwertiger Verfassungspositionen beschränkt werden. Es stellt sich jedoch die Frage, welche Güter der "schlechthin konstituierenden", besonders bedeutsamen Meinungs- und Äußerungsfreiheit überhaupt nahekommen oder gar vorgehen können. Als Ansatzpunkt einer Wertung bietet sich hier die Regelung des 371 372 373 374

Ähnlich auch Gomig in JuS 1988, S. 274 (277). Hesse, Rn. 72. Maunz/Dürig-Herzog Art. 5 Abs. I,II Rn. 294. Hesse, Rn. 318, 72.

B. Auflösung der Interessenkollision

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Art. 79 III GG an. Dieser statuiert ein absolutes Änderungsverbot allein für die Art. 1 und 20 GG, mithin also für die Grundpfeiler der freiheitlichdemokratischen Rechtsordnung und die Menschenwürde. Mit dieser Absicherung verdeutlicht der Verfassungsgeber die besondere Wertigkeit dieser Güter von Verfassungsrang. In Konsequenz vermögen diese - aber auch nur diese - die Kommunikationsfreiheiten des Art. 5 I GG zu überwiegen. Daher sind auf verfassungsimmanente Schranken gestützte Eingriffe in Art. 5 I GG dann - und nur dann - zulässig, wenn sie für den Schutz der Menschenwürde oder der freiheitlich-demokratischen Grundordnung unabdingbar sind.

Im Ergebnis ergibt sich also, dass meinungs- und inhaltsbezogene Eingriffe in die Medienfreiheit nur zum Schutz der persönlichen Ehre, der Menschenwürde und des Bestandes der freiheitlich-demokratischen Grundordnung möglich sind; meinungs- und inhaltsneutrale Eingriffe (betreffend die Modalitäten der Äußerung) sind hingegen auch zur Umsetzung aller sonstigen gesetzgebensehen Zwecke zulässig. Die Auswirkungen dieser Erkenntnis für die grundsätzliche Zulässigkeit medienpersönlichkeitsrechtlicher Eingriffe in Art. 5 I GG soll nunmehr zusammenfassend dargestellt werden.

3. Das "Medienpersönlichkeitsrecht" als Schranke der Medienfreiheit gemäß Art. 5 II GG Das Medienpersönlichkeitsrecht findet seine rechtliche Basis im zivilrechtlichen Allgemeinen Persönlichkeitsrecht (§ 823 BGB), in den zivilrechtlichen besonderen Persönlichkeitsrechten (§ 12 BGB; §§ 22, 23 KUG) sowie in den strafrechtlichen Ehrschutzbestimmungen (§§ 185 ff. StGB)?75 Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung stellt sich die Frage, ob diese Nonnen und ihre Anwendung im Einzelfall als zulässige Beschränkungen der Medienfreiheit angesehen werden können. Für das zivilrechtliche Allgemeine Persönlichkeitsrecht wird dies vom Bundesveifassungsgericht angenommen; dieses sei als "allgemeines Gesetz" i. S. v. Art. 5 II GG anzusehen. Es handele sich um ein "Gesetz" im Sinne der Vorschrift, weil es systematisch in § 823 I BGB angesiedelt sei und damit den Charakter geschriebenen Rechts annehme. 376 Weiterhin sei es "allgemein", weil es als zivilrechtliche Vorschrift377 dem Schutz eines Vgl. dazu oben Zweiter Teil, A.II.3. BVerfGE 34, S. 269 (282). 377 Das Bundesverfassungsgericht hält zivilrechtliche Vorschriften grundsätzlich für "allgemein" i. S. v. Art. 5 II GG; ein Überblick über die Anerkennung von einschränkenden Gesetzen als "allgemein" durch das Bundesverfassungsgericht findet 375

376

12 Neben

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2. Teil: Die Triviale Personenberichterstattung im Spannungsfeld

"schlechthin zu schützenden", die Meinungsfreiheit überwiegenden Rechtsguts diene. 378 Gleiches gelte im übrigen auch für die strafrechtlichen Ehrschutzvorschriften; auch diese seien als "allgemeine Gesetze" i. S. v. Art. 5 II GG anzusehen und vermöchten daher die Medienfreiheit wirksam zu beschränken. 379 Hinsichtlich der strafrechtlichen Ehrschutzvorschriften kann dem Bundesverfassungsgericht wenn auch nicht in der Begründung, so doch jedenfalls im Ergebnis gefolgt werden: Die §§ 185 ff. StGB stellen zwar keine "allgemeinen Gesetze" dar, da sie ganz offensichtlich am Inhalt der verbreiteten Äußerung anknüpfen und nicht an der Äußerungsmodalität (von der Formalbeleidigung einmal abgesehen). Sie sind jedoch Ausdruck des "Rechts der persönlichen Ehre" und damit über die zweite Schranke des Art. 5 II GG gerechtfertigt. Hinsichtlich des zivilrechtliehen Persönlichkeitsschutzes gilt es allerdings zu differenzieren. Vor dem Hintergrund der obigen Erkenntnisse ist zu berücksichtigen, dass die konkreten, oben bezeichneten Ausprägungen des zivilrechtliehen Allgemeinen Persönlichkeitsrechts teilweise inhaltsbezogene Verbote statuieren. Dies ist vor allem der Fall für den vom Allgemeinen Persönlichkeitsrecht umfassten Diskretionsschutz: Dieser schützt vor der Veröffentlichung privater und intimer Informationen und begründet somit ein inhaltsbezogenes Verbot - die Verbreitung der Information wird um ihres Aussagegehaltes willen reglementiert. Der persönlichkeitsrechtliche Diskretionsschutz kann insofern nicht als "allgemeines Gesetz", sondern allenfalls als Ausdruck einer verfassungsimmanenten Schranke gerechtfertigt werden. Gleiches gilt für den Wahrheitsschutz und den Schutz des Selbstbestimmungsinteresses380• Auch hier wird die Verbreitungsfreiheit aufgrund des spezifischen Inhaltes der zu verbreitenden Information beschränkt. Nur soweit also der persönlichkeitsrechtliche Schutz dieser Interessen unmittelbar auf Art. 1 I GG zurückgeht (verfassungsimmanente Schranke), oder mit der Verbreitung eine Ehrverletzung verbunden ist (Schranke des Rechts der persönlichen Ehre), vermag dieser die Medienfreiheit wirksam zu begrenzen. Soweit er darüber hinausgeht, ist er hingegen grundsätzlich nicht mit Art. 5 I GG vereinbar. Diese Erkenntnis führt zu einer deutlichen Einschränkung des Diskretions-, Wahrheits- und Selbstbestimmungsschutzes gegenüber den weniger intensiven Eingriffsformen der Trivialen Personenberichterstattung (Verbreitung von Informationen aus der sich bei Dreier-Schulze-Fielitz, Art. 5 1,11 Rn. 115; Maunz!Dürig-Herzog, Art. 5 Abs. 1,11 Rn. 276. 378 BVerfGE 34, S. 269 (282). 379 Vgl. BVerfGE 12, S. 113 ff.; BVerfGE 19, S. 73 ff. ; BVerfGE 24, S. 278 ff.; BVerfGE 47, S. 130 f. 380 Vgl. hierzu Zweiter Teil, A.II.3.c) und d).

B. Auflösung der Interessenkollision

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Öffentlichkeits- oder Sozialsphäre; Verbreitung "unerheblicher" Unwahrheiten; "unerhebliche" Beeinflussung des Bildes des Einzelnen in der Öffentlichkeit), da in diesen Fällen kaum von einem Betroffensein des Menschenwürdekerns des Art. 1 I GG gesprochen werden kann - wie oben zu zeigen war, ist verfassungsrechtlicher Anknüpfungspunkt in diesen Fällen vielmehr die Entfaltungsfreiheit des Art. 2 I GG. Diese aber ist - isoliert - nicht in der Lage, die Medienfreiheit verfassungsgemäß zu beschränken. Für die Rechtspraxis bedeutet dies, dass bei Betroffenheit des Diskretions-, Selbstbestimmungs- oder Wahrheitsinteresses konkret zu fragen ist, ob die Veröffentlichung neben der Entfaltungskomponente des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts auch dessen Menschenwürdeaspekt berührt oder sich als Ehrverletzung darstellt. Wenn dem so ist, so kann die zum Schutze dieses Interesses instrumentalisierte Norm (hier: das Allgemeine Persönlichkeitsrecht) als rechtmäßige Schranke des Art. 5 I GG angesehen werden. Anderenfalls muss die Kollisionsauflösung bereits an dieser Stelle zugunsten der Medienfreiheit ausgehen. Neben dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht und den strafrechtlichen Ehrschutzbestimmungen sehen Bundesverfassungsgericht und Bundesgerichtshof auch die §§ 22, 23 KUG als "allgemeine Gesetze" i. S. v. Art. 5 II GG an? 81 Diese schützten meinungsneutral ein schlechthin Schützenswertes Gemeinschaftsgut, nämlich die Selbstbestimmung des Einzelnen über die Verbreitung seines Abbildes. Nach hier vertretener Ansicht sind jedoch auch "inhaltsbezogene" Verbote der Bildnisverbreitung - also das Verbot eines bestimmten Bildnisthemas - nur im Rahmen verfassungsimmanenter Schranken resp. zum Schutz der persönlichen Ehre zulässig. Nur soweit also die Menschenwürde oder der personale Geltungswert des einzelnen unmittelbar von einer Veröffentlichung berührt wird, ist der persönlichkeitsrechtliche Bildnisschutz als zulässige Schranke des Art. 5 I GG anzusehen. Auch diese Erkenntnis wird im Rahmen der späteren Überlegungen zu berücksichtigen sein. Das Medienpersönlichkeitsrecht kann damit zwar grundsätzlich als zulässige Schranke des Art. 5 I GG gelten. Gleichwohl ist zu differenzieren: Inhaltsneutrale Beschränkungen im Interesse des Persönlichkeitsschutzes sind regelmäßig als "allgemeine Gesetze" zulässig. Inhaltsbezogene Eingriffe hingegen sind nur als "Gesetze zum Schutze der persönlichen Ehre" oder im Wege der verfassungsimmanenten Beschränkung zu rechtfertigen. Letzterenfalls gilt es immer zu bedenken, dass nur ein gesteigerter Menschenwürdebezug eine an inhaltlichen Maßstäben ausgerichtete Beschränkung der Medienfreiheit zu legitimieren vermag. 381 BVerfGE 34, S. 202 (234 f.); BGH in AfP 1996, S. 140 (141) - Caro1ine von Monaco III.

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2. Teil: Die Triviale Personenberichterstattung im Spannungsfeld

Im Ergebnis lässt sich also bezüglich der dogmatischen Grundzüge des Ausgleichs von Medienfreiheit und Medienpersönlichkeitsrecht folgendes festhalten: Art. 5 I GG gewährt den Kommunikatoren eine umfassende VerbreitungsfreiheiL Diese wird - im Interesse der öffentlich Dargestellten wirksam beschränkt durch den teilweise als "allgemeine Gesetze" (soweit inhaltsneutral), teilweise als "Recht der persönlichen Ehre" (soweit inhaltsbezogen) ausgestalteten, einfachrechtlichen Persönlichkeitsschutz. Die Gerichte haben jedoch - dies ist ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts - bei der· Anwendung der individualschützenden Persönlichkeitsrechte wiederum "dem Grundrecht der Meinungsfreiheit Rechnung zu tragen, damit dessen wertsetzende Bedeutung auch auf der Rechtsanwendungsebene gewahrt bleibt"382. Diese sog. "Wechselwirkung" zwischen Persönlichkeitsschutz und Medienfreiheit verlangt im Kollisionsfalle eine Abwägung zwischen den beiderseitigen Grundrechtspositionen, wobei keiner der beiden Positionen ein grundsätzlich größeres Gewicht beikommt. Der Interessenausgleich ist vielmehr unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles herzustellen; eine abstrakt-generelle Vorwegnahme des Abwägungsergebnisses ist nicht angängig. 383 Der Ausgleich zwischen Medienfreiheit und Medienpersönlichkeitsrecht ist also wertend und einzelfallbezogen von dem erkennenden Gericht vorzunehmen. Dies bedeutet freilich nicht, dass keine abstrakt-generellen Kriterien zur Herbeiführung dieses Interessenausgleichs existieren würden. Wie zu zeigen sein wird, existiert sehr wohl ein Kanon von "Entscheidungsmaßstäben", derer sich die Gerichte zur Entscheidungsfindung im Einzelfall bedienen. Diese "Leitkriterien" sind freilich nicht abschließend festgelegt sie verändern sich mit der Zeit und werden von Fall zu Fall in unterschiedlicher Gewichtung von den Gerichten herangezogen. Gleichwohl lässt sich dieser Kanon - im Wege einer juristischen Momentaufnahme - durch eine Analyse der gegenwärtigen äußerungsrechtlichen Rechtsprechung konkret bestimmen. Diese Aufgabe kommt dem nun folgenden Abschnitt der vorliegenden Arbeit zu.

II. Entscheidungsmaßstäbe des Ausgleichs zwischen "Medienfreiheit" und "Medienpersönlichkeitsrecht" Nachdem nunmehr die grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Vorgaben der rechtlichen Kollisionsauflösung herausgearbeitet werden konnten, soll diese jetzt konkret innerhalb der für die Triviale Personenberichterstattung 382 BVerfG in AfP 1999, S. 254 (256); BVerfG in AfP 1999, S. 159 (160); st. Rspr. seit BVerfGE 7, S. 198 (208)- Lüth (sog. "Wechselwirkungslehre"). 383 Vgl. zuletzt BVerfG in AfP 1999, S. 254 (256); BVerfG in AfP 1999, S. 159 (160).

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typischen vier Fallgruppen der Verbreitung von Ehrangriffen (dazu unter 1.), der Verbreitung indiskreter Personeninformationen (dazu unter 2.), der Verbreitung bildlieber Personendarstellungen (dazu unter 3.) sowie schließlich der Verbreitung unwahrer Personeninformationen (dazu unter 4.) dargestellt und analysiert werden. Zentraler Untersuchungsaspekt ist dabei die Frage, anband welcher grundsätzlicher Kriterien die Rechtsordnung den notwendigen Interessenausgleich zwischen Medienfreiheit und Medienpersönlichkeitsrecht konkret vorninunt. Auf der Basis der hieraus zu gewinnenden Erkenntnisse lassen sich dann - an späterer Stelle384 - grundsätzliche, abstrakt-generelle Aussagen hinsichtlich des übergeordneten, theoretischen Ansatzes treffen, welcher dem Ausgleich von Medienfreiheit und individuellem Persönlichkeitsschutz gegenwärtig zugrunde liegt. 1. Der Interessenausgleich bei der Verbreitung von Ehrangriffen Die Auflösung des Konfliktes zwischen Ehrschutz und Äußerungsfreiheit stellt ein heftig umstrittenes Rechtsproblem dar? 85 Der überwiegend im Interesse eines möglichst unbehinderten öffentlichen Meinungsbildungsprozesses argumentierenden Rechtsprechung begegnet die Literatur fast einhellig mit deutlicher Skepsis und harscher Kritik. So bemerkt Stümer mit Blick auf die aktuelle Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, dass es Ehrschutz gegen wertende Äußerungen nur noch rudimentär gäbe. 386 Schmitt Glaeser konstatiert noch weitergehend, zumindest im politischen Bereich finde Ehrschutz im wesentlichen nicht mehr statt. 387 Und Otto hält den nach der gegenwärtigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts "verbleibenden Restbestand" an Ehrschutz für praktisch bedeutungslos.388 Es ist jedoch nicht das Ziel der nun folgenden Ausführungen, diesen vorwiegend von rechtspolitischen und rechtsethischen Argumenten gekennzeichneten Konflikt in die eine oder andere Richtung zu entscheiden. Diese Aufgabe muss einer ausschließlich dem Ehrschutz gewidmeten Monografie vorbehalten bleiben. Im folgenden sollen vielmehr, der Zielsetzung der vorliegenden Arbeit entsprechend, allein die von der Rechtsprechung entwickelten, den rechtlichen Ehrschutz leitenden Abwägungs- und Entscheidungskriterien herausgearbeitet und auf ihre Bedeutung für die rechtliche Beurteilung der Trivialen Personenberichterstattung hin überprüft Dazu ausführlich unten Zweiter Teil, B.III. Zum Streitstand vgl. aus jüngerer Zeit Seyfarth in NJW 1999, S. 1287 ff.; Grimm in NJW 1995, S. 1697 ff.; Schmitt-Glaeser in NJW 1996, S. 873 ff.; Otto in Jura 1997, S. 139 ff.; Möller in AfP 1997, S. 499 ff.; Seitz in NJW 1997, S. 1346 ff. 386 Stümer in JZ 1994, S. 865 (867). 387 Schmitt Glaeser in NJW 1996, S. 873 (874). 388 Otto in Jura 1997, S. 139 (141). 384

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werden?89 Zuvor allerdings bedarf es eines kurzen Überblicks über die Systematik der rechtlichen Kollisionsauflösung im Bereich des Ehrschutzes. a) Die Systematik der Kollisionsauflösung im Ehrschutz

Ehrverletzungen können sich aus abwertenden Meinungsäußerungen wie auch aus unwahren Tatsachenbehauptungen ergeben. Gleichwohl kommt ehrverletzenden Tatsachenbehauptungen in der gerichtlichen Praxis lediglich eine untergeordnete Bedeutung bei. Seine Begründung findet dieser Umstand darin, dass die Rechtsprechung von einem äußerst weiten Meinungsbegriff ausgeht, auf dessen Grundlage abwertende Äußerungen nur in Ausnahmefallen als (reine) Tatsachenbehauptungen eingestuft werden. So formuliert das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung NPD Europas, "der Begriff der ,Meinung' in Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG [ist] grundsätzlich weit zu verstehen: Sofern eine Äußerung durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt ist, fällt sie in den Schutzbereich des Grundrechts. Das muss auch gelten, wenn sich diese Elemente, wie häufig, mit Elementen einer Tatsachenmitteilung oder -behauptung verbinden oder vermischen, jedenfalls dann, wenn beide sich nicht trennen lassen und der tatsächliche Gehalt gegenüber der Wertung in den Hintergrund tritt".390

Die Gerichte gehen demzufolge in äußerungsrechtlichen Streitigkeiten im Zweifelsfall von einer Meinungsäußerung i.S. eines Werturteils aus, um den Grundrechtsschutz der infrage stehenden Äußerung möglichst weit ziehen zu können. 391 Lediglich die reine Faktenwiedergabe wird als Tatsachenbehauptung eingestuft. Da die vollkommen meinungsentkleidete Präsentation von Sachinformationen jedoch in der publizistischen Wirklichkeit eine seltene Ausnahme darstellt, wird in der Praxis der Gerichte die weit überwiegende Anzahl von Ehrverletzungen - zu Recht - als Werturteil behandelt. Wohl aus diesem Grund haben die Gerichte für die Behandlung von ehrverletzenden Tatsachenbehauptungen auch keine eigenständige Dogmatik entwickelt. Sie stützen sich vielmehr in solchen Fällen auf die bereits dargestellten, allgemeinen Grundsätze der äußerungsrechtlichen Behandlung von Tatsachenbehauptungen. Wie bereits ausgeführt, werden diese grundsätzlich für weniger schützenswert erachtet als reine Werturteile. Nur soweit sie als Grundlage von Werturteilen gelten können, wird ihnen verfassungsrechtliches Gewicht beigemessen. 392 389 Der Untersuchung liegt im wesentlichen eine Rechtsprechungsanalyse der Jahre 1995-1999 zugrunde. 390 BVerfGE 61, S. 1 (9) - NPD Europas. 391 In diesem Sinne auch Soehring in NJW 1997, S. 360 (362) sowie Di Fabio in AfP 1999, S. 126 (128).

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Aus dieser Prämisse leitet die Rechtsprechung zugleich eine gegensätzliche Behandlung wahrer und unwahrer Tatsachenbehauptungen her: Unwahre Tatsachenbehauptungen vermöchten zur Bildung begründeter Werturteile nichts beitragen, so dass sie grundsätzlich keinen oder einen nur sehr eingeschränkten Grundrechtsschutz beanspruchen könnten. In der Bölll Waiden-Entscheidung führt das Bundesverfassungsgericht hierzu aus, unrichtige Information sei "unter dem Blickwinkel der Meinungsfreiheit kein Schützenswertes Gut, weil sie der verfassungsrechtlich vorausgesetzten Aufgabe der freien Meinungsbildung nicht dienen kann. "393

Unwahre Tatsachenbehauptungen müssen daher, der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zufolge, regelmäßig hinter dem Abwehrinteresse des Betroffenen zurücktreten. Dies gilt auch und besonders im Falle ehrverletzender Unwahrheiten.394 Insofern gilt für ehrverletzende Unwahrheiten nichts anderes als für wertneutrale Unwahrheiten: In der Abwägung mit widerstreitenden Persönlichkeitsinteressen unterliegen sie regelmäßig. Demgegenüber wird ehrenrührigen aber wahren Tatsachenmitteilungen von der Rechtsprechung ein sehr weitgehender Schutz eingeräumt. Diese werden bis zur Grenze von Formalbeleidigung und Schmähkritik als zulässig angesehen?95 Im Ergebnis lässt sich also festhalten: Wird die Ehre durch das Verbreiten einer unwahren Tatsachenbehauptung berührt, so überwiegt grundsätzlich das Abwehrinteresse des Betroffenen. Dies ergibt sich bereits aus der weitgehenden Schutzlosstellung unwahrer Tatsachenbehauptungen allgemein. Wird die Ehre hingegen durch das Verbreiten einer wahren Tatsachenbehauptung betroffen, so obsiegt regelmäßig das Verbreitungsinteresse des Kommunikators, da wahre Tatsachenbehauptungen einen besonders weitgehenden Grundrechtsschutz genießen. 396 Eine tatsächliche Interessenahwägung im Einzelfall, wie sie Gegenstand der vorliegenden Untersuchung ist, findet im Rahmen des Ehrschutzes daher (fast) ausschließlich bei der VerVgl. dazu ausführlich oben Zweiter Teil, A.I.2.a)bb). BVerfGE 54, S. 208 (219 f.)- Böll/Walden. 394 BVerfGE 54, S. 208 (219 f.) - Böll/Walden; BVerfGE 61, S. l (8) - NPD Europas. 395 Vgl. BVerfG in NJW 1994, S. 2413. Sofern sich die Ehrverletzung nicht aus der Form der Äußerung, sondern aus deren Inhalt ergibt, greift die Rechtsprechung regelmäßig auf den Privatsphärenschutz zUiiick, denn ehrenrührige Tatsachen stammen zumeist aus dem privaten oder intimen Umfeld des Betroffenen und verletzen so (zumindest auch) dessen rechtlich geschütztes Diskretionsinteresse. 396 Dies gilt - wie ausgeführt - freilich nur, sofern nicht neben der Ehre auch noch das Diskretionsinteresse des Dargestellten betroffen und damit der Privat- und Intimsphärenschutz einschlägig ist. 392

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breitung ehrenrühriger Werturteile statt. Die dort relevanten Abwägungskriterien sollen nun ermittelt werden. b) Entscheidungsmaßstäbe der Kollisionsauflösung im Ehrschutz Anband der jüngeren Rechtsprechung lassen sich diejenigen Entscheidungsmaßstäbe bestimmen, die den rechtlichen Ausgleich zwischen Ehrschutz und Äußerungsfreiheit normativ leiten. Diese Prinzipien sollen nun dargestellt, erläutert und einer kritischen Würdigung unterzogen werden. aa) Unverletzlichkeit der Menschenwürde Die in Art. 1 I GG normierte Unverletzlichkeit der Menschenwürde wird von der Rechtsprechung als absolute Begrenzung der Kommunikationsfreiheit angesehen. 397 Das Bundesverfassungsgericht führt diesbezüglich aus: "Soweit das allgemeine Persönlichkeitsrecht [... ] unmittelbarer Ausfluss der Menschenwürde ist, wirkt diese Schranke absolut und ohne die Möglichkeit eines Güterausgleichs." 398

Hiermit ist festgestellt, dass ehrenrührige Äußerungen immer dann hinter den Persönlichkeitsschutz des Betroffenen zurücktreten müssen, wenn sie einen unmittelbaren Angriff auf dessen personalen Geltungswert beinhalten. Richtungsweisend ist in diesem Zusammenhang die Strauß-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts?99 Der damalige Bayerische Ministerpräsident war in einem Satiremagazin als Schwein karikiert worden, das mit anderen Schweinen in Richterroben kopulierte. Das Magazin hatte mit dieser drastischen Darstellung auf eine angenommene Klüngelei zwischen Strauß und der Bayerischen Justiz hinweisen wollen. Das Bundesverfassungsgericht bestätigte die strafrechtliche Verurteilung des Verlegers wegen Beleidigung mit der Begründung, dem Beschwerdeführer "ging es [... ] nicht nur darum, bestimmte Charakterzüge oder die Physiognomie eines Menschen durch die Wahl einer Tiergestalt zu kennzeichnen oder zu überspitzen, beabsichtigt war offenkundig ein Angriff auf die personale Würde des Karikierten". Die Karikatur mißachte Strauß "in einer Weise, die eine Rechtsordnung, welche die Würde des Menschen als obersten Wert anerkennt, mißbilligen muss." 400 Vgl. dazu Grimm in NJW 1995, S. 1697 (1703) m.w. N. BVerfGE 75, S. 369 (380) - Strauß. 399 BVerfGE 75, S. 369 ff. Zwar handelte es sich in diesem Fall um eine der Kunstfreiheit unterfallende Karikatur. Die vom BVerfG statuierte absolute Sperre des Art. I I GG gilt jedoch für sämtliche Grundrechte des Art. 5 GG; vgl. insoweit auch OLG Düsseldorf in NStZ-RR 1996, S. 164 (165). 397 398

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Auch die Fachgerichte anerkennen die Menschenwürde als absolute Begrenzung der Äußerungsfreiheit So führt das OLG Düsseldoif anläßtich einer strafrechtlichen Verurteilung wegen Beleidigung aus, "die Meinungsfreiheit [muss] stets zurücktreten, wenn die Äußerung die Menschenwürde eines anderen antastet. Diese für die Kunstfreiheit ausgesprochenen Grundsätze [... ] beanspruchen auch für die Meinungsfreiheit Geltung, denn die Menschenwürde als Wurzel aller Grundrechte ist mit keinem Einzelgrundrecht abwägungsfähig." 401

Gleichwohl, so fügt der Senat hinzu, bedürfe es stets einer sorgfältigen Begründung, wenn angenommen werden soll, dass der Gebrauch eines Grundrechts auf die unantastbare Menschenwürde durchschlage, denn sämtliche Grundrechte seien - in unterschiedlicher Intensität - Konkretisierungen des Prinzips der Menschenwürde. Die absolute Schranke des Art. 1 I GG greife immer, aber auch nur dann, wenn es sich bei einer inkriminierten Äußerung um einen Eingriff gerade in den Kernbereich der menschlichen Würde handele.402 Sofern also, wie im Falle der Strauß-Karikatur, ein unmittelbarer Angriff auf die Menschenwürde vorliegt, verzichtet die Rechtsprechung von vomherein auf eine Abwägung mit dem Verbreitungsinteresse des Kommunikators oder dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit. Die Unzulässigkeil der Äußerung wird allein aus der Intensität der Verletzung gefolgert. Gleichwohl ist die Schwelle zur Annahme einer unmittelbaren Verletzung der personalen Würde derart hoch, dass - soweit ersichtlich - mit Ausnahme der Strauß-Entscheidung keine straf- oder zivilgerichtliche Verurteilung wegen Beleidigung allein mit einer Verletzung der Menschenwürde und ohne Abwägung mit den gegenläufigen Publikationsinteressen begründet worden wäre. Die unmittelbare praktische Bedeutung dieses (absoluten) Grundsatzes ist daher als eher gering anzusehen. Seine mittelbare Bedeutung ist gleichwohl kaum zu überschätzen, denn der (relative) Menschenwürdebezug der Äußerung dient den Gerichten als wichtigste Orientierungshilfe bei der Bestimmung der Schutzwürdigkeit des konkreten Abwehrinteresses des Dargestellten, und nimmt damit eine zentrale Position im Abwägungsprozess ein. Als besonders verletzungsintensiv - weil von erheblichem Menschenwürdebezug - werden dabei regelmäßig solche Äußerungen angesehen, die den Betroffenen entweder in gedankliche Verbindung mit verbrecherischen Handlungen, Personen oder Organisationen bringen oder solche, die thematisch die Intimsphäre des Betroffenen berühren. So sind beispielsweise die Bezeichnung eines Psychoanalytikers als "Nazi"403 , 400 401 402

403

BVerfGE 75, S. 369 (379 f.) - Strauß. OLG Düsseldorf in NStZ-RR 1996, S. 164 (165). OLG Düsseldorf a. a. 0. Vgl. OLG Frankfurt/Main in NJW-RR 1996, S. 1050.

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der gegen Justizangehörige gerichtete Vorwurf "faschistischer" Verhaltensweisen404, die Unterstellung, ein Oberbürgermeister sei ein "PKK-Gesinnungsgenosse"405 sowie die Qualifizierung eines Pressejournalisten als "Mitglied der journalistischen Totenkopfdivision Joseph Goebbels"406 als besonders verletzend eingestuft worden. Die gegen den Chefredakteur eines Nachrichtenmagazins gerichtete Unterstellung einer "alles andere dominierenden sexuellen Triebhaftigkeit" wiederum wurde mit der Begründung für besonders schwerwiegend befunden, dass die Äußerung in erheblichem Maße in die Intimsphäre des Betroffenen eingreife.407 Und auch die StraußEntscheidung des Bundesverfassungsgerichts stützt sich maßgeblich auf den Umstand, dass die dort streitgegenständliche Karikatur das sexuelle Verhalten des Betroffenen thematisierte: "Gerade die Darstellung sexuellen Verhaltens, das beim Menschen auch heute noch zum schutzwürdigen Kern seines Intimlebens gehört, sollte den Betroffenen als Person entwerten, ihn seiner Würde als Mensch entkleiden."408 Wenngleich also die Unzulässigkeit einer Äußerung nur selten allein mit einem Verstoß gegen den absoluten Kerngehalt der Menschenwürde begründet wird, so findet sich doch eine Vielzahl von Entscheidungen, die den Menschenwürdebezug der Äußerung zum maßgeblichen Abwägungskriterium erheben. bb) Schutz der Spontaneität der freien Rede Übersteigerte Polemik und herabsetzende Kritik müssen - der gegenwärtigen Rechtsprechung zufolge - weitaus eher hingenommen werden, wenn sie in der "Hitze des Gefechts" fallen, als wenn es sich um überlegte und in Ruhe formulierte Äußerungen handelt. Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts ist die Spontaneität der freien Rede "Voraussetzung der Kraft und Vielfalt der öffentlichen Diskussion, die ihrerseits Grundbedingung eines freiheitlichen Gemeinwesens ist. Soll diese Kraft und Vielfalt generell erhalten bleiben, dann müssen im Einzelfall Schärfen und Übersteigerungen des öffentlichen Meinungskampfes oder ein Gebrauch der Meinungsfreiheit in Kauf genommen werden, der zu sachgemäßer Meinungsbildung nichts beitragen kann. [. ..] Die Befürchtung, wegen einer wertenden Äußerung einschneidenden gerichtlichen Sanktionen ausgesetzt zu werden, trägt die Gefahr in sich, jene Diskussion zu lähmen oder einzuengen und damit Wirkungen herbeizuführen, die der Funktion der Freiheit der Meinungsäußerung in der durch das Grundgesetz konstituierten Ordnung zuwiderlaufen [. ..]"409 404 405

406 407 408

Vgl. OLG Düsseldorf in NStZ-RR 1996, S. 164. OLG Celle in NStZ 1998, S. 88. LG München I in AfP 1997, S. 827. LG Berlin in NJW 1997, S. 1371 (1372). BVerfGE 75, S. 369 (380) - Strauß.

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Dieser Grundsatz ist durch zwei Überlegungen gerechtfertigt. Zum einen ist die spontane Äußerung im besonderen Maße Ausdruck des individuellen Bedürfnisses nach Kommunikation, Kontakt und Anteilnahme am sozialen Leben. Sie zu privilegieren heißt demnach, dem besonderen Entfaltungsund Integrationsbedürfnis des Menschen in angemessener Weise Rechnung zu tragen. Zum anderen, und hierauf stützt sich maßgeblich das Bundesverfassungsgericht, lebt die öffentliche Diskussion vom Austausch der Argumente in freier Rede und Gegenrede. Dieser Prozess wäre jedoch empfindlich gestört, wenn der Äußernde jede seiner Verlautbarungen zunächst kritisch auf Wortwahl und Inhalt überprüfen müsste, bevor er sie in die aktuelle öffentliche Diskussion einfließen lassen kann. Aus diesen Überlegungen folgt zugleich im Umkehrschluss, dass an wohlüberlegte Äußerungen, denen das Element des Spontanen fehlt, grundsätzlich höhere Anforderungen gestellt werden können. Wie Stark zutreffend bemerkt, muss demjenigen, der überlegt und berechnend handelt, eine weitergehende Pflicht zur Wahrung des Ehrinteresses des Betroffenen auferlegt werden als demjenigen, der in emotionsgeladener Atmosphäre übersteigerte Bemerkungen von sich gegeben hat.410 Die Gerichte wenden den Grundsatz der besonderen Schutzwürdigkeit spontaner Äußerungen zwar nicht immer konsequent an. So stützt das Bundesverfassungsgericht in der Kunstkritik-Entscheidung die Aufhebung eines Schmerzensgeldurteils darauf, dass hierdurch die Spontaneität der freien Rede gefährdet werde, obgleich die streitgegenständliche Äußerung in einem vorbereiteten und ausformulierten Vortrag gefallen war. 411 Das OLG Frankfurt wiederum versagt in einer jüngeren Entscheidung der auf einer berufsständischen Mitgliederversammlung geäußerten Bezeichnung eines der Anwesenden als "Nazi" den besonderen Schutz der Spontanäußerung, obwohl diese im Rahmen eines hitzigen Zwiegesprächs am Rande der offiziellen Veranstaltung fiel. 412 In diesen Unregelmäßigkeiten zeigt sich jedoch lediglich die praktische Schwierigkeit, im Einzelfall die überlegte von der spontanen Äußerung zu unterscheiden. Die Privilegierung spontaner Äußerungen als leitender Grundsatz bleibt davon unberührt und ist weiterhin zum Kernbestand des rechtlichen Abwägungsinstrumentariums im Bereich des Ehrschutzes zu zählen.

409 BVerfGE 54, S. 129 (139)- Kunstkritiker; vgl. auch BVerfGE 7, S. 198 (212) - Lüth; BVerfGE 34, S. 269 (283) - Soraya; BVerfGE 42, S. 163 (170) m. w.N.; BVerfGE 60, S. 234 (241) - Kredithaie; BVerfGE 61, S. 1 (7 f.) - NPD Europas. 410 Stark, S. 120. 4 11 Vgl. BVerfGE 54, S. 129 (130 f.; 138 f.)- Kunstkritiker. 412 OLG Frankfurt in NJW-RR 1996, S. 1050 f .

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cc) Vermutung der Zulässigkeit der politischen Rede413 Die Rechtsprechung geht im Rahmen des Ehrschutzes von einer besonderen Schutzwürdigkeit politisch und gesellschaftlich "relevanter" Inhalte aus: Der besondere Wertgehalt der Meinungsfreiheit in der freiheitlichen Demokratie führt zu einer grundsätzlichen Vermutung für die Freiheit der Rede insbesondere in öffentlichen Angelegenheiten. 414 In der Wallraff-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts heißt es in diesem Zusammenhang: "Handelt es sich [bei einer herabsetzenden Meinungsäußerung; Anm. d. Verf.] um einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage, dann spricht die Vermutung für die Freiheit der Rede."415

Dass mit "die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Fragen" in erster Linie politische Themen gemeint sind, geht deutlich aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts NPD Europas416 hervor, welche die im Wahlkampf geäußerte Kritik an einer politischen Partei zum Gegenstand hatte: "Im besonderen Maße hat dies [die Vermutung für die Freiheit der Rede, Anm. d. Verf.] zu gelten, wenn es sich [ ... ] um Auseinandersetzungen in einem Wahlkampf handelt, also in einer Situation, in welcher der politische Meinungskampf aufs höchste intensiviert ist". 417

Der Begriff des Politischen wird jedoch von der Rechtsprechung sehr weit verstanden. Die Vermutungsformel erstreckt sich nicht nur auf Beiträge, die unmittelbar der politischen Willensbildung dienen, sondern auf alle "gemeinschaftswichtigen Fragen", wie der Bundesgerichtshof in der Höllenfeuer-Entscheidung ausführt: "Um die freie Diskussion gemeinschaftswichtiger Fragen zu sichern, kann es nach den Umständen des Einzelfalles geboten sein, den Schutz privater Rechtsgüter zurücktreten zu lassen. Gerade in Auseinandersetzungen, die über einzelpersönliche Bezüge hinausgehen und eine Thematik von großer Tragweite für das Gemeinschaftsleben ansprechen, erfordert es die Bedeutung des Art. 5 GG, dass auch in der Art der Meinungsäußerung von Rechts wegen große Freiheit gewährt [... ] wird."418

In einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 1994 heißt es ergänzend, dass "bei Auseinandersetzungen über Fragen, die wesentliche Öffentlichkeitsbelange berühren, auch Kritik hinzunehmen ist, die in überDazu ausführlich Grimm in NJW 1995, S. 1697 (1703). BVerfG in AtP 1999, S. 254 (256); BVerfGE 7, S. 198 (208) - Lüth; BVerfGE 68, S. 226 (231 f.) - Schwarzer Sheriff. 415 BVerfGE 66, S. 116 (150) - Wallraff. 41 6 BVerfGE 61, S. 1 (11 f.)- NPD Europas. 417 BVerfGE 61, S. 1 (11 f.) - NPD Europas. 41 8 BGH in NJW 1966, S. 1617 (1619)- Höllenfeuer. 413 414

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spitzter Form geäußert wird"419 . Und das OLG München führt in einer Entscheidung aus dem Jahre 1996 aus, "[b]ei herabsetzenden Werturteilen kann die Meinungsfreiheit unter Umständen hinter den Ehrenschutz zurücktreten. Das ist eine Frage der Abwägung im einzelnen Fall, wobei in Angelegenheiten, welche die Öffentlichkeit wesentlich berühren, allerdings eine Vermutung zugunsten der Meinungsfreiheit spricht [ ...] ".420

Die Rechtsprechung räumt damit Äußerungen, die gesellschaftlich relevante, insbesondere aber unmittelbar politische Inhalte zum Gegenstand haben, einen besonderen Schutz ein. Derartige Äußerungen setzen sich in aller Regel gegen betroffene Ehrinteressen durch. Für unmittelbar politische Äußerungen, also solche, die beispielsweise einen Amtsinhaber in dessen Amtsführung kritisieren, ist der persönlichkeitsrechtliche Ehrschutz damit faktisch außer Kraft gesetzt. Das OLG München formuliert diese Tendenz in der oben erwähnten Entscheidung sehr deutlich, wenn es ausführt, "[i]m politischen Meinungskampf darf gegen das Äußern einer Meinung nur in äußersten Fällen eingegriffen werden [.. .]"421 .

In konsequenter Anwendung dieses Grundsatzes hat das Bundesverfassungsgericht beispielsweise die Äußerung, die "CSU ist die NPD Europas" für zulässig erachtet.422 Mit der gleichen Argumentation billigte es in einer späteren Entscheidung die Bezeichnung des ehemaligen Bayerischen Ministerpräsidenten Strauß als "Zwangsdemokraten"423 und gestand der öffentlich formulierten Kritik an einer nächtlichen Abschiebung von jugoslawischen Asylbewerbern, welche den ausführenden Beamten "Gestapo-Methoden" und "Behördenwillkür" vorwarf, den uneingeschränkten Schutz der Meinungsfreiheit zu.424 Das LG München entschied, die in einer FOP-Pressemitteilung verbreitete Unterstellung, ein Kommunalpolitiker habe auf einer öffentlichen Versammlung "zur Gewalt aufgerufen", sei als Beitrag zur ,,freien politischen Auseinandersetzung" von der Meinungsfreiheit geschützt.425 Die Qualifizierung der Tätigkeit der Staatsanwaltschaft Duisburg als "Auswüchse im Stil faschistischer Sippenhaft" erachtete das OLG Düsseldorf mit der Begründung für zulässig, die Äußerung betreffe eine "die Öffentlichkeit wesentlich berührende Frage".426 Das OLG SachsenAnhalt schließlich billigte die öffentliche Zurschaustellung eines auf Plakat419 420 421 422 423 424 425 426

BGH in NJW-RR 1995, S. 302 f. OLG München in NJW 1996, S. 2515 f. OLG München in NJW 1996, S. 2515 (2516). BVerfGE 61, S. 1 (7 ff.) - NPD Europas. BVerfGE 82, S. 272 (282 ff.) - Zwangsdemokrat BVerfG in NJW 1992, S. 2815. LG München in NJW-RR 1995, S. 660. OLG Düsseldorf in NStZ-RR 1996, S. 164.

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format vergrößerten Lichtbildes des Bundesministers für Verteidigung in Form eines Steckbriefes mit der Bildunterschrift "Beihilfe zum Völkermord" und "Dringend verdächtig", weil der Anlass dieser Aktion in einer angeblichen Beteiligung des Ministeriums an einer Verkaufsgenehmigung für Kriegsschiffe nach Indonesien zu sehen war und damit einen gesteigerten politischen Bezug aufwies. 427 Die weitgehende Schutzlosstellung von Amtsinhabern und politischen Mandatsträgem, die aus der extensiven Anwendung der Vermutungsformel seitens der Rechtsprechung resultiert, stößt in der Literatur auf erhebliche Kritik.428 Der Ministerpräsident eines deutschen Bundeslandes müsse, so beschreibt Schmitt Glaeser den gegenwärtigen Stand des Ehrschutzes, schon als ein sich sexuell betätigendes Schwein dargestellt werden, um vom Bundesverfassungsgericht Schutz erwarten zu können. Darunter finde Ehrschutz im politischen Bereich im wesentlichen nicht mehr statt.429 Und Stark befürchtet als Folge der von der Rechtsprechung praktizierten Toleranz gegenüber "verbalem Extremismus" eine "Verrohung der politischen Sitten".430 Dieser Kritik ist jedoch entgegenzutreten. Die sog. Vermutungsformel des Bundesverfassungsgerichts beinhaltet nicht mehr als die Formulierung einer verfassungsrechtlichen Selbstverständlichkeit: In einer demokratischen Gesellschaft, deren Funktionieren maßgeblich durch die öffentliche Kontrolle ihrer Repräsentanten gewährleistet wird, muss öffentliche Kritik selbstverständlich im Zweifel zulässig sein. Gleichwohl muss es eine Grenze auch für Kritik in öffentlichen Angelegenheiten geben: Die Achtung des personalen Geltungswertes des Kritisierten ist in jedem Fall zu wahren. Dieses Gebot berücksichtigt jedoch die Rechtsprechung, indem sie - wie oben bereits dargestellt - Verletzungen des Menschenwürdekerns grundsätzlich für unzulässig erklärt. 431 Unterhalb dieser Grenze kann hingegen kein Zweifel daran bestehen, dass aus den oben genannten Gründen für öffentliche Kritik in politischen Fragen die Vermutung der Zulässigkeit streitet. dd) Gegenschlagsprinzip Die Rechtsprechung billigt demjenigen, der von einer öffentlichen Äußerung betroffen wird, grundsätzlich das Recht zu, in gleicher Intensität OLG Sachsen-Anhalt in NZWehrR 1995, S. 40. Schmitt Glaeser in NJW 1996, S. 873 (874 f .); Otto in Jura 1997, S. 139 (140 ff.) m. w.N. 429 Schmitt Glaeser in NJW 1996, S. 873 (875) unter Bezugnahme auf BVerfGE 75, S. 369. 430 Stark, S. 115. 431 Vgl. oben Zweiter Teil, B.II.l.b)aa). 427

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"zurückzuschlagen", auch wenn damit im Einzelfall die sonst geltenden Grenzen der Äußerungsfreiheit überschritten werden: "[D]erjenige, der im öffentlichen Meinungskampf zu einem herabsetzenden Urteil Anlaß gegeben hat, [muss] eine scharfe Reaktion auch dann hinnehmen, wenn sie sein Ansehen mindert. "432

Dieser Grundsatz wird gemeinhin als "Gegenschlagsprinzip" bezeichnet.433 Getragen wird er von dem Gedanken der freiwilligen Begebung der schutzwürdigen Privatsphäre434 und der Bedeutung von Rede und Gegenrede für die Bildung der öffentlichen Meinung435 . Demzufolge werden abwertende Meinungsäußerungen weitergehend für zulässig befunden, wenn sie als adäquate Reaktion auf eine freiwillige, öffentlich geäußerte Kritik anzusehen sind. Etabliert wurde dieser Gedanke vom Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung Schmid/Spiegel. Das beklagte Magazin Der Spiegel hatte einem Richter ideologische Nähe zum Kommunismus unterstellt. Dieser reagierte darauf mit einer öffentlichen Äußerung, die den Spiegel qualitativ auf eine Stufe mit pornographischen Magazinen stellte.436 Diese Reaktion wurde vom Bundesverfassungsgericht unter dem Hinweis auf das Gegenschlagsprinzip für zulässig befunden. Der Richter sei durch die Erstveröffentlichung unmittelbar provoziert worden und habe sich in zulässiger obgleich überspitzter Form zur Wehr gesetzt. Die Anwendbarkeit des Gegenschlagsprinzips bedarf jedoch, wie das OLG Frankfurt/Main in einer Entscheidung aus dem Jahre 1995 betont, keineswegs zwingend einer direkten Beziehung zwischen Erstaussage und Gegenreaktion. 437 Hier hatte sich der Fuldaer Erzbischof Dyba mehrfach öffentlich mit polemischen Stellungnahmen in die Abtreibungsdiskussion eingeschaltet und Abtreibungen als "Kinderholocaust" qualifiziert. Diese Äußerungen nahm das Satiremagazin Titanic zum Anlass, Dyba - wenngleich in einer offenkundig satirischen Einkleidung - als "Kinderschänder" zu bezeichnen. Das Oberlandesgericht verwarf die erstinstanzliehe Verurteilung wegen Beleidigung und führte aus, das Recht zum Gegenschlag bestehe immer schon dann, wenn der Angegriffene durch Erhebung schwerwiegender Vorwürfe, insbesondere im öffentlichen Meinungskampf, Anlass zu einem abwertenden Urteil gegeben hat. Es sei hingegen nicht erforder432 BVerfGE 66, S. 116 (150) - Wallraff. In diesem Sinne auch BVerfGE 12, S. 113 (129 ff.)- Schmid/Spiegel; vgl. auch BVerfGE 24, S. 278 (286)- Tonjäger; BVerfGE 54, S. 129 (138)- Böll/Walden. 433 Dazu Grimm in NJW 1995, S. 1697 (1703). 434 BVerfGE 54, S. 129 (138) - Kunstkritiker; BVerfGE 66, S. 116 (150 f.) Wallraff. 435 Vgl. BVerfGE 12, S. 113 (130). 436 BVerfGE 12, S. 113- Schmid/Spiegel. 437 OLG Frankfurt/Main in JR 1996, S. 250.

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lieh, dass der Äußernde selbst Gegenstand der vorausgehenden Kritik gewesen ist.438 Diese Ansicht wird auch vom Butulesveifassungsgericht vertreten. In der Wallra.ff-Entscheidung führt es in diesem Zusammenhang aus: "[Die] Verknüpfung von Anlass und Reaktion ist nicht auf gegenseitige Beleidigungen beschränkt. Vielmehr ist maßgeblich darauf abzustellen, ob und in welchem Ausmaß der von herabsetzenden Äußerungen Betroffene seinerseits an dem durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Prozess öffentlicher Meinungsbildung teilgenommen, sich damit aus eigenem Entschluss den Bedingungen des Meinungskampfes unterworfen und sich durch dieses Verhalten eines Teils seiner schützenswerten Privatsphäre begeben hat."439

Gleichwohl sollen nur solche Reaktionen zulässig sein, die der vorangegangenen Äußerung in Schärfe und Intensität entsprechen. So hielt das Bundesveifassungsgericht in der oben erwähnten Strauß-Entscheidung eine Berufung auf das Recht zum Gegenschlag deshalb für ausgeschlossen, weil der als kopulierendes Schwein karikierte Bayerische Ministerpräsident sich zwar willentlich ins "Kreuzfeuer des öffentlichen Meinungskampfes" begeben, sich jedoch "nicht einer den Karikaturen vergleichbaren Sprache" bedient habe.440 Mit ähnlicher Begründung versagte das Butulesveifassungsgericht in der "geb. Mörder"-Entscheidung dem Satiremagazin Titanic das Recht zum Gegenschlag. 441 Die Zeitschrift hatte einen Querschnittsgelähmten, der sich um die Teilnahme an einer Wehrübung der Bundeswehr bemühte, als "geb. Mörder" bezeichnet. Diese Veröffentlichung veranlasste den Betroffenen, die Zeitschrift auf Zahlung eines Schmerzensgeldes zu verklagen. Hierauf reagierte die Titanic in einer der folgenden Ausgaben mit einem "Brief an die Leser", in dem der gesamte Vorgang satirisch verarbeitet wurde. Im Zuge dieser Kolumne wurde der Kläger als "Krüppel" tituliert, der "granatenscharf darauf ist, in einer Organisation, nämlich der Bundeswehr, Dienst zu tun, deren Zweck es ist, Menschen zu Krüppeln oder gar totzuschießen [. .. ]".442 Das Bundesveifassungsgericht erachtete diese Äußerung als unzulässig: Obgleich die Erstveröffentlichung der Beklagten ("geb. Mörder") als satirischer Beitrag zu der "lebhaften öffentlichen Diskussion"443 gerechtfertigt sei, der Kläger sich weiterhin freiwillig in der Öffentlichkeit zum Thema geäußert444 und sich darüber hinaus mit der Schmerzensgeldforderung direkt OLG Frankfurt/Main in JR 1996, S. 250 (251). BVerfGE 66, S. 116 (150 f.) - Wallraff, unter Hinweis auf BVerfGE 54, S. 129 (138) und BVerfGE 61, S. 1 (13) - "geb. Mörder". 440 BVerfGE 75, S. 369 (380) - Strauß. 44 1 BVerfGE 86, S. 1 - "geb. Mörder". 442 BVerfGE 86, S. 1 (4)- "geb. Mörder". 443 Gemeint ist hier die bis heute andauernde öffentliche Diskussion um die Frage der Rechtmäßigkeit der Äußerung "Soldaten sind Mörder". 444 Der querschnittsgelähmte Soldat hatte der B/W am Sonntag ein Interview gewährt, in welchem er die Motive seiner Bestrebung darlegte. 438

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gegen die beklagte Zeitschrift gewandt habe, könne diese sich nicht auf das Gegenschlagsrecht berufen, denn der Kläger habe sich den Verlegern gegenüber "mit seinem Verlangen nach einer billigen Entschädigung in Geld nicht eines aggressiven, das Persönlichkeitsrecht berührenden Mittels bedient. Zwar blieb es ihnen unbenommen, hierauf in publizistischer Weise in ihrem Magazin zu antworten. Diese Ebene haben sie aber mit der Anrede des Klägers [...] als ,Krüppel"' verlassen.445 Aus den zitierten Entscheidungen geht deutlich hervor, dass das Recht zum Gegenschlag maßgeblich auf dem Gedanken der Waffengleichheit in der öffentlichen Diskussion fußt. Wer sich selbst in der Öffentlichkeit exponiert, indem er durch scharfe und überspitzte Äußerungen Stellung bezieht, muss dulden, dass hierauf gegebenenfalls mit gleicher Schärfe reagiert wird. Es kann sich daher auf das Gegenschlagsrecht derjenige berufen, der selbst öffentlich kritisiert worden ist. Er darf mit gleichem Kaliber gegen seine Kritiker zurückschieBen. Sein Gegenschlagsrecht wird allein begrenzt durch das Erfordernis der Adäquanz von Reaktion und Gegenreaktion sowie durch den absoluten Schutz der Menschenwürde. ee) Unzulässigkeit der Schmähkritik Als absolute Grenze der Meinungsfreiheit wird von der Rechtsprechung die Schmähkritik angesehen.446 Ehrangriffe sind demgemäß immer dann unzulässig, wenn es dem Äußernden nicht um die Sache selbst, sondern in erster Linie um die vorsätzliche Kränkung des Betroffenen geht447 : "Das berechtigte Interesse der Presse daran, sich an einer Auseinandersetzung der Meinungen zu beteiligen und hierzu mit einer unter Umständen auch scharfen und schonungslosen, sogar ausfälligen Kritik beizutragen, deckt nicht ein dem Betroffenen nachteiliges Werturteil, das in keinem inneren Zusammenhang mit dem erörterten Gegenstand steht und lediglich aus dem äußeren Anlass der Interessenwahrung gemacht ist, in Wirklichkeit aber ausschließlich dazu dient, den Kritisierten zu diffamieren. "448

So eindeutig und nachvollziehbar dieser Grundsatz zunächst erscheinen mag, so problematisch ist doch seine praktische Anwendung. Als schwierig BVerfGE 86, S. 1 (13 f.) - "geb. Mörder". BGH in AfP 2000, S. 463, 464; BVerfG in AfP 1999, S. 254 (256); BVerfGE 93, S. 266 (293 f.); vgl. auch Schmitt Glaeser in NJW 1996, S. 873 (877); Müller in AfP 1997, S. 499 (501 f.); Grimm in NJW 1995, S. 1697 (1703); Otto in Jura 1997, S. 139 (141 ff.); alle mit ausführlichen Rechtsprechungsnachweisen. 447 BVerfG in AfP 1999, S. 254 (256); BVerfGE 61, S. 1 (12.) - NPD Europas, BVerfGE 68, S. 226 (230 ff.) - Schwarzer Sheriff; BVerfGE 82, S. 272 (284) Zwangsdemokrat 448 OLG Köln in AfP 1996, S. 398 (400), unter Hinweis auf BVerfG in NJW 1993, S. 1462; vgl. auch BGH in GRUR 1995, S. 273. 445

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erweist sich insbesondere die Frage, wie eng der "innere Zusammenhang mit dem erörterten Gegenstand" sein muss, um den Vorwurf einer unzulässigen Schmähung auszuschließen. Die Rechtsprechung stellt diesbezüglich nur sehr geringe Anforderungen: Im Interesse möglichst freier und unreglementierter öffentlicher Diskussion sei der Begriff der Schmähung restriktiv auszulegen. 449 Das Bundesveifassungsgericht führt dazu aus, das .,Merkmal der Schmähung ist die das sachliche Anliegen völlig in den Hintergrund drängende persönliche Kränkung". 450

Dies bedeutet bei wortgetreuer Auslegung, dass schon der geringste sachliche Bezug zwischen der personenbezogenen Kritik und einem kritikwürdigen Gegenstand der öffentlichen Diskussion den Vorwurf der Schmähung auszuräumen vermag. So verwundert es nicht, dass bislang nur wenige gerichtliche Entscheidungen abwertende Äußerungen als unzulässige Schmähkritik eingestuft haben. 451 Als Leitentscheidung ist hier ein Beschluss des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1993 anzusehen, dem eine Rezension des Romans "Und sagte kein einziges Wort" des Schriftstellers Heinrich Böll zugrunde lag.452 Im Rahmen der in einem Literaturmagazin erschienenen Besprechung wurde Böll als "steindummer, kenntnisloser und talentfreier Autor" bezeichnet, "einer der verlogensten, ja korruptesten", ein "z. T. pathologischer, z. T. ganz harmloser Knallkopf', dessen Werk "widerwärtiger Dreck" und schlichtweg "blöde" sei. Gegen das zivilrechtliche Unterlassungsurteil wandte sich der Rezensent mit der Verfassungsbeschwerde. Diese wurde vom Bundesveifassungsgericht mangels Aussicht auf Erfolg nicht zur Entscheidung angenommen. In der Begründung heißt es, der Rezensent habe "seine Äußerung über Böll nicht im Rahmen einer inhaltlichen oder ästhetischen Auseinandersetzung mit dessen Werk getan." Die diffamierenden Werturteile hätten keinen "sachlichen Hintergrund", sondern "stehen für sich und erschöpfen sich in dem schmähenden Inhalt".453 Eigentliches Kriterium der Schmähung ist also nicht die besonders ausfällige Form der Kritik, sondern deren fehlender Sachbezug. Gleichwohl muss die gewählte Formulierung eine nicht unerhebliche Verletzungsintensität erreichen, um in der Praxis der Gerichte den Vorwurf der Schmähung BVerfGE 82, S. 272 (284); OLG Sachsen-Anhalt in NZWehrR 1995, S. 40. BVerfG in NJW 1995, S. 3303 (3307)- .,Soldaten sind Mörder". 451 In jüngerer Zeit wurde eine unzulässige Schmähkritik u. a. angenommen von OLG Celle in NStZ 1998, S. 88, LG München in AfP 1997, S. 827 sowie OLG Frankfurt in NJW-RR 1996, S. 1050. Auch in diesen Fällen stützt sich die Argumentation des Gerichts jedoch tatsächlich stärker auf die Intensität der Verletzung als auf den fehlenden Sachbezug der Äußerungen. 452 BVerfG in EuGRZ 1993, S. 146- Böll. 453 BVerfG in EuGRZ 1993, S. 146 (147)- Böll. 449

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auslösen zu können. An beide Kriterien stellt die Rechtsprechung, wie bereits angeführt, hohe Anforderungen. Nicht als Schmähkritik und damit für zulässig befand das OLG Köln die fernsehkritische Äußerung, ein privater Sender produziere eine "Dailysoap aus Blut und Sperma", und der verantwortliche Fernsehreporter fungiere als "Kellner gutverdaulicher Informationen". Der "sachliche Aussagegehalt der Kritik", so das Gericht, sei hier ausreichend, um den Vorwurf der Diffamierungsabsicht zu entkräften.454 Auch in der Kennzeichnung der politischen Grundhaltung einer Partei mit der Metapher, "Menschen werden [... ] in der ÖDP-Sprache zu Heuschrekken, die mit Gewalt dezimiert werden müssen", erblickte das OLG München eine ausreichende Sachnähe, da der Metapher erwiesenermaßen Äußerungen des Parteigründers der kritisierten Partei zugrunde gelegen hätten.455 Im Falle des öffentlichen Vorwurfs "dubioser Geschäftspraktiken" erachtete es der Bundesgerichtshof zur Annahme hinreichender Sachnähe für ausreichend, dass dem Vorwurf "tatsächliche Verdachtsgründe" zugrunde lagen, auch wenn diese "in scharfer, überspitzter und deutlich herabsetzender Form" vorgetragen worden seien.456 Auch die Bezeichnung eines Politikers als "Zwangsdemokrat" sei keine Schmähkritik, solange sie im Zusammenhang steht zu einer allgemeinen Auseinandersetzung mit der "Gefährdung der demokratischen Ordnung durch Personen [... ] die diese Staatsform nur äußerlich anerkennen, innerlich aber ablehnen". 457 Schließlich wurde die Bezeichnung der Durchführung von Schwangerschaftsunterbrechungen durch einen Frauenarzt als "Babycaust" wegen des "unmittelbaren und untrennbaren Zusammenhangs mit dem tatsächlichen Anliegen der dortigen Beklagten" für zulässig erachtet.458 Das Bundesverfassungsgericht wiederum stellt maßgeblich darauf ab, ob "[d]ie herabsetzenden Äußerungen im Rahmen [einer] Sachdiskussion gefallen" sind. Dementsprechend erachtete es in der Entscheidung Kassenärztliche Vereinigung den pauschalen Vorwurf strafbarer Handlungen für zulässig, weil die "Äußerungen von dem Sachanliegen und nicht von der Herabsetzung einzelner Personen" geprägt gewesen seien. 459 Die bereits oben angeführte Bezeichnung eines querschnittsgelähmten Reservisten der Bundeswehr als "geh. Mörder" wurde vom Bundesverfassungsgericht ebenfalls nicht als Schmähung angesehen. Der gesamte Text, in dessen Zusammenhang die Äußerung gefallen war, richte sich nicht nur gegen den Angesprochenen, sondern nehme auch das Verhalten anderer Personen aufs Korn. Zudem sei die Äußerung anlässlich 454 455 456 457 458 459 13*

OLG Köln in AfP 1996, S. 398 (400). OLG München in NJW 1996, S. 2515 (2516). BGH in NJW-RR 1995, S. 301 (304). BVerfGE 82, S. 272 (284) - Zwangsdemokrat BGH in AfP 2000, S. 463, 464. BVerfG in NJW 1994, S. 2413 (2414)- Kassenärztliche Vereinigung.

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und als Beitrag zu einer aktuellen öffentlichen Diskussion gefallen.460 Das OLG Celle schließlich hat die Bezeichnung eines Fußballprofis als "Abkassierer" für zulässig erklärt, weil sie im Zusammenhang mit einem Bericht über dessen schlechte sportliche Leistungen gefallen war. Es handele sich zwar um eine "abträgliche Darstellungsform". Die Äußerung sei jedoch "in einer Auseinandersetzung mit der Sache" gefallen. Eine Schmähung scheide daher aus.461 Werden Schmähungen also von der Rechtsprechung schon dem Grundsatz nach nur äußerst zurückhaltend angenommen, so gilt dies um so mehr, wenn politische Äußerungen in Frage stehen. In diesen Fällen grenzt die von der Rechtsprechung entwickelte Vermutungsformel den Anwendungsbereich des Verbots der Schmähkritik noch weiter ein. Das Bundesveifassungsgericht führt hierzu in einer jüngeren Entscheidung aus: "[ .. .] Schmähkritik [wird] bei Äußerungen in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage nur ausnahmsweise vorliegen und im übrigen eher auf die sog. Privatfehde beschränkt bleiben."462

Sofern also politische Themen i.w.S. von der Äußerung berührt werden oder deren auch nur entfernten Anlass bilden, bleibt für die Annahme einer unzulässigen Schmähkritik faktisch kein Raum mehr. In diesen Fällen wird allein der Menschenwürde-Gedanke zu einer Begrenzung der Meinungsfreiheit im Interesse des Ehrschutzes herangezogen werden können. ft) Unzulässigkeit der Formalbeleidigung Die Rechtsprechung erstreckt den Schutz der freien Rede nicht nur auf den jeweiligen Inhalt, sondern grundsätzlich auch auf die Form der Äußerung. Es sei mit der Bedeutung, die das Grundgesetz der freien Rede zuerkenne, nicht in Einklang zu bringen, wenn dem Einzelnen vorgeschrieben würde, in welcher Form er seine gedanklichen Beiträge angemessen auszudrücken habe. Der Bundesgerichtshof bemerkt hierzu: "Gerade in Auseinandersetzungen, die über einzelpersönliche Bezüge hinausgehen und eine Thematik von großer Tragweite für das Gemeinschaftsleben ansprechen, erfordert es die Bedeutung des Art. 5 GG, dass auch in der Art der Meinungsäußerung von Rechts wegen große Freiheit gewährt[... ] wird."463

BVerfGE 86, S. I (12) - "geh. Mörder". OLG Celle in AfP 1997, S. 819. 462 BVerfGE 93, S. 266 (294). 463 BGH in NJW 1966, S. 1617 (1619)- Höllenfeuer. Vgl. auch OLG Kar1sruhe in AfP 1997, S. 721 - Geistheilerin: "Da es der Sinn jeder zur Meinungsbildung beitragenden öffentlichen Äußerung ist, Aufmerksamkeit zu erregen, sind angesichts der heutigen Reizüberflutungen aller Art einprägsame, auch starke Formulierungen 460

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Gleichwohl habe der Äußernde auch in der Art und Weise seines Vorbringens bestimme Grenzen einzuhalten: "Obwohl [dem Äußernden] um der Meinungsfreiheit willen in der Darstellungsweise seiner Kritik ein breiter Gestaltungsraum eingeräumt wird, ihm vor allem erlaubt sein muss, seinen Standpunkt möglichst wirkungsvoll zu vertreten, muss er seine Äußerung auch in der Form noch in einem vertretbaren Verhältnis zu seinem sachlichen Anliegen und zu den belastenden Auswirkungen für [den Betroffenen] halten."464

Ein Überschreiten dieser Grenze wird von der Rechtsprechung als grundsätzlich unzulässige Formalbeleidigung angesehen.465 Sie orientiert sich damit an der Vorschrift des § 192 StGB, derzufolge die Behauptung oder Verbreitung einer erweislich wahren Tatsache ausnahmsweise eine Ehrverletzung begründen kann, wenn das Vorhandensein einer Beleidigung aus der Form oder den Umständen der Äußerung hervorgeht.466 Auf die Verbreitung abfälliger Werturteile übertragen bedeutet dies, dass neben der inhaltlichen Aussage auch deren spezifische sprachliche Einkleidung die Unzulässigkeil der Äußerung begründen kann. Das Bundesverfassungsgericht definiert die Formalbeleidigung mit den Worten: "Kennzeichen der Formalbeleidigung ist es, dass sich die Kränkung bereits aus der Form der Äußerung ohne Rücksicht auf ihren Inhalt ergibt. "467

Als unzulässige Formalbeleidigung hat das Bundesverfassungsgericht die oben bereits angeführte Bezeichnung eines Querschnittsgelähmten als "Krüppel" angesehen. 468 Mit der Bezeichnung "Krüppel", so führt das Gericht aus, sei "nicht nur der in seiner Bewegungsfähigkeit auf Dauer behinderte Mensch mit Mißbildungen oder fehlenden Gliedmaßen gemeint". Vielmehr werde heute "die Anrede eines Menschen mit dem Wort ,Krüppel' als Demütigung verstanden. Er wird damit zum minderwertigen Menschen gestempelt."469 Den Aussagekern der streitgegenständlichen Veröffentlichung billigte das Gericht; beanstandet wurde lediglich die konkrete Wortwahl. Die Autoren des fraglichen Beitrags hätten also durchaus die Behinderung des Betroffenen erwähnen dürfen. Sie hätten sich hinzunehmen. Dies gilt auch für übersteigert polemisch vorgetragene oder ironisch formulierte, scharfe und abwertende Kritik." 464 BGHZ 91, S. 117 (122) - Mordoro. 465 BVerfG, 1. Kammer des Ersten Senats, Beschluss vom 24.9.1993 in NJW 1994, S. 2413- Kassenärztliche Vereinigung; vgl. auch BVerfG in AfP 1999, S. 254 (255); BVerfGE 93, S. 266 (293 f.). Zur Behandlung der Formalbeleidigung durch die Rechtsprechung vgl. Grimm in NJW 1995, S. 1697 (1703); Schmitt Glaeser in NJW 1996, S. 873 (876 f.). 466 Vgl. Schönke/Schröder-Lenckner, § 192 Rn. 1. 467 BVerfG in NJW-RR 1995, S. 2413- Kassenärztliche Vereinigung. 46 8 BVerfGE 86, S. 1 (13) - "geb. Mörder". 469 BVerfGE 86, S. 1 (13)- "geb. Mörder".

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jedoch einer anderen, der Form nach neutraleren Bezeichnung bedienen müssen. Das OLG Celle wiederum sah in der in einem offenen Brief an den Oberbürgermeister der Stadt Hannover Schmalstieg verwendeten Grußformel "Werter Genosse Schmalspur" sowie dem Schlusssatz "Mit dem Ihnen gebührenden Respekt. .. " eine Formalbeleidigung: Der Verfasser habe in seinem Brief scharfe inhaltliche Kritik an der Amtsführung des Oberbürgermeisters geübt. Die beiden beanstandeten Sätze könnten deshalb nur als ironische "Verballhornung" des Adressaten verstanden werden.470 Die zivil- oder strafrechtliche Verurteilung wegen Formalbeleidigung ist aus verfassungsrechtlicher Sicht deshalb unproblematisch, weil sie nicht an den Inhalt der Äußerung, sondern allein an deren Form anknüpft.471 Sie wendet sich nicht dagegen, was der Äußernde gesagt hat, sondern wie er es gesagt hat. Ihm verbleibt damit immer noch die Möglichkeit, denselben Aussageinhalt in anderer Form in die öffentliche Diskussion einfließen zu lassen. Die notwendige Abgrenzung zwischen inhaltlich und formal begründeter Ehrverletzung erweist sich zwar in der Praxis häufig als schwierig und wird von den Gerichten nicht immer sauber durchgeführt. 472 Gleichwohl wird man die Unzulässigkeit von Formalbeleidigungen als praktisch bedeutenden Grundsatz bei der Beurteilung von ehrverletzenden Werturteilen zu berücksichtigen haben. gg) Vermeidung einer einschüchternden Wirkung auf den Kommunikationsprozess473 Die Rechtsprechung stellt bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen nicht allein auf die Beteiligten des jeweiligen Rechtsstreits ab. Sie berücksichtigt im Bereich der Kommunikationsfreiheiten immer auch die mittelbaren Auswirkungen der Einzelentscheidung auf den Kommunikationsprozess insgesamt.474 Anlässlich einer strafrechtlichen Verurteilung OLG Celle in NStZ 1998, S. 88 (89). Zur weitergehenden Einschränkbarkeit der Medienfreiheit durch inhaltsneutrale Regelungen vgl. oben Zweiter Teil, B.I.3. 472 Vgl. nur BVerfG in NJW 1994, S. 2413 - Kassenärztliche Vereinigung. Hier hatte das Berufungsgericht den (inhaltlichen) Vorwurf der Begehung strafbarer Handlungen falschlieh als Formalbeleidigung eingestuft. Umgekehrt geht das Bundesverfassungsgericht in der Strauß-Entscheidung nicht weiter auf das Vorliegen einer Formalbeleidigung ein, obwohl die Unzulässigkeit der streitgegenständlichen Kritik ganz offensichtlich nicht aus deren inhaltlicher Aussage (,,Strauß klüngelt mit der Bayerischen Justiz"), sondern aus deren Verpackung (Strauß als kopulierendes Schwein) resultierte; vgl. BVerfGE 75, S. 369 - Strauß. 473 Ausführlich dazu Schmitt Glaeser in NJW 1996, S. 873 (876). 474 Vgl. BVerfGE 54, S. 129 (139); BVerfGE 83, S. 130 (145 f.); BVerfGE 86, S. 1 (10). Dazu Schmitt Glaeser in NJW 1996, S. 873 (876). 47o 471

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wegen "politischer übler Nachrede" führt das Bundesveifassungsgericht hierzu aus: "Über die Beeinträchtigung der individuellen Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers hinaus würden die negativen Wirkungen [einer Verurteilung, Anm. d. Verf.] auf die generelle Ausübung des Grundrechts der Meinungsfreiheit von erheblicher Tragweite sein [... ]. Denn ein solches Vorgehen staatlicher Gewalt würde, nicht zuletzt wegen seiner einschüchternden Wirkung, freie Rede, freie Information und freie Meinungsbildung empfindlich berühren und damit die Meinungsfreiheit in ihrer Substanz treffen."475

Auch in der "Soldaten sind Mörder"-Entscheidung des Bundesveifassungsgerichts aus dem Jahre 1995 findet sich dieser Gedanke. Hier heißt es, Art. 5 I GG verbiete eine Auslegung und Anwendung der Ehrschutzvorschriften, "von der ein abschreckender Effekt auf den Gebrauch des Grundrechts ausgeht, der dazu führt, dass aus Furcht vor Sanktionen auch zulässige Kritik unterbleibt. "476

Dieser Gedanke kann im Einzelfall eine aus individueller Sicht im Interesse des Ehrschutzes an sich gebotene Beschränkung der Kommunikationsfreiheit aus übergeordneten Gründen als unzulässig erscheinen lassen. Besondere Berücksichtigung müssen die möglichen generalpräventiven Auswirkungen der Einzelfallentscheidung immer dann finden, wenn die Äußerung in keine der absoluten Kategorien wie Schmähkritik, Fonna/beleidigung oder Verletzung der Menschenwürde fällt, sondern deren Rechtswidrigkeit sich allein aus der einzelfallorientierten Gewichtung der widerstreitenden Interessen ergibt. Ebenfalls von großer Bedeutung ist dieser Grundsatz im Hinblick auf die zu verhängenden Rechtsfolgen der Ehrverletzung: Wo allein ein Unterlassungsanspruch in Rede steht, wird weniger mit einer bedenklichen generalpräventiven Wirkung zu rechnen sein als in Fällen der Zubilligung einer möglicherweise erheblichen Geldentschädigung. Auf der Tatbestandsebene jedoch kommt dem Abschreckungsgedanken eher die Funktion eines Korrektivs in Extremfällen als die eines in jedem Falle zu berücksichtigenden Abwägungskriteriums bei. hh) Zweck der Äußerung und Motivation des Äußernden Auswirkungen auf das Abwägungsergebnis haben weiterhin der mit der Äußerung verfolgte Zweck und die dahinterstehende Motivation des Äußernden. Das Bundesveifassungsgericht führt hierzu in der Entscheidung NPD Europas aus: 475 BVerfGE 43, S. 130 (136); vgl. auch BVerfGE 42, S. 143 (156) - abw. Meinung; BVerfG in NJW 1995, S. 3303. 476 BVerfG in NJW 1995, S. 3303- "Soldaten sind Mörder".

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"Maßgeblich [... ] ist vor allem der Zweck der Meinungsäußerung. Wird von dem Grundrecht nicht zum Zwecke privater Auseinandersetzung Gebrauch gemacht, sondern will der Äußernde in erster Linie zur Bildung der öffentlichen Meinung beitragen, dann sind die Auswirkungen seiner Äußerung auf den Rechtskreis Dritter zwar unvermeidliche Folge, nicht aber eigentliches Ziel der Äußerung. Der Schutz des betroffenen Rechtsguts kann und muss um so mehr zurücktreten, je weniger es sich um eine unmittelbar gegen dieses Rechtsgut gerichtete Äußerung im privaten, namentlich im wirtschaftlichen Verkehr und in Verfolgung eigennütziger Ziele handelt, sondern um einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage durch einen dazu Legitimierten [... ]".477

Entscheidend soll also sein, welches Ziel der Äußernde mit seinem Beitrag verfolgt. Das Kriterium des Äußerungszwecks stellt damit das subjektive Pendant zur objektiv ausgerichteten Vermutungsformel dar: Während diese auf die äußere, objektive Wertigkeit der Äußerung abstellt, berücksichtigt jene die subjektive, innere Wertigkeit der Äußerung. Als besonders schützenswert werden in diesem Zusammenhang politisch motivierte, also unmittelbar auf die Beeinflussung des öffentlichen Meinungsbildungsprozesses abzielende Äußerungen angesehen. Kaum schützenswert sollen hingegen solche Äußerungen sein, die einer eigennützigen Motivation entspringen. Das OLG Düsseldorf führt hierzu aus, "[es] ist bei der Abwägung zu berücksichtigen, ob es sich um eine private Auseinandersetzung handelt, in der allein eigennützige Zwecke [... ] verfolgt werden, oder um [. .. ] einen uneigennützigen Beitrag zum öffentlichen Meinungsstreit [.

0

.]."478

Eine ähnliche Aussage findet sich auch in der Soldaten sind Mörder-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1995. 479 Hier führt das Gericht aus, die Annahme einer unzulässigen Schmähung sei in "die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Fragen" nur ausnahmsweise möglich. Eine weitergehende Einschränkung der Redefreiheit unter Berufung auf das Vorliegen einer Schmähung komme nur in Betracht in Fällen, die eine sog. "Privatfehde" zum Gegenstand haben.480 Auch hieraus geht deutlich hervor, dass die eigennützig motivierte Ehrverletzung grundsätzlich weniger Schutz genießt als diejenige, die "im öffentlichen Interesse" erfolgt.481 Als "eigennützig"- und damit besonders geringwertig- werden von der Rechtsprechung dabei vor allem solche Äußerungen behandelt, die ausschließlich 477 BVerfGE 61, S. 1 (11)- NPD Europas, in Anlehnung an BVerfGE 7, S. 198 (212) welche ausdrücklich die Bedeutung des Verhältnisses von "Zweck und Mittel" der Äußerung betont. 478 OLG Düsseldorf in NStZ-RR 1996, S. 164 (166). 479 BVerfG in NJW 1995, S. 3303- "Soldaten sind Mörder". 480 BVerfG in NJW 1995, S. 3303 (3304)- Soldaten sind Mörder. 481 In diesem Sinne auch LG Berlin in NJW 1997, S. 1371 (1373).

B. Auflösung der Interessenkollision

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kommerziell motiviert sind. Der Bundesgerichtshof formuliert diesen Gedanken in der Caterina-Valente-Entscheidung kategorisch: "Wer eigenmächtig den Ruf eines anderen, sein Ansehen und die ihm in der Öffentlichkeit entgegengebrachte Wertschätzung zur Förderung seiner eigenen materiellen Interessen vor der Allgemeinheit ausnutzt, überschreitet [die Grenze des von Art. 5 GG Geschützten]."482 Die dargestellte Berücksichtigung der primären Motivation des Äußernden im Rahmen der Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer ehrenrührigen Äußerung erweist sich jedoch als äußerst problematisch. Zum einen ist die tatsächliche Motivation des Äußernden als innere Tatsache nur schwer feststellbar. Verließe man sich allein auf die Einlassung des Äußernden selbst, so eröffnete man ihm eine Rechtfertigungsmöglichkeit von fast grenzenloser Weite. Andernfalls aber müsste man dem Gericht die Aufgabe zuweisen, die primäre Motivation des Äußernden anband externer Kriterien festzustellen. Diese Aufgabenzuweisung überforderte die Gerichte jedoch nicht nur. Sie eröffnete diesen zugleich die Möglichkeit einer Beurteilung ehrenrühriger Äußerungen auf der Grundlage subjektiver Präferenzen, was mit dem verfassungsrechtlichen Leitbild inhaltlicher Neutralität483 unvereinbar wäre. Und zudem lässt sich die Einbeziehung individueller Beweggründe in den Abwägungsvorgang weder aus subjektiv-rechtlicher noch aus objektivrechtlicher Sicht überzeugend begründen. Subjektiv-rechtlich nämlich stellen sich private Beweggründe als mindestens ebenso schützenswert dar wie selbstlose, denn sie sind im besonderen Maße Ausdruck des persönlichen Entfaltungsbedürfnisses des Kommunikators. Aus objektiv-rechtlicher Sicht wiederum kann es nicht darauf ankommen, ob der Beitrag dem öffentlichen Kommunikationsprozess dienen soll, sondern allein darauf, ü'b er ihm auch tatsächlich dient. Und schließlich ist zu bedenken, dass sich die Motivation des Äußernden nur in den seltensten Fällen eindeutig bestimmen lässt; vielmehr fallen eigennützige und ideelle Beweggründe regelmäßig zusammen. Die Motivation des Äußernden stellt sich damit als untaugliches Abwägungskriterium dar. Gleichwohl findet sie, wie die obigen Beispiele zeigen, durchaus häufige Verwendung in der äußerungsrechtlichen Rechtsprechung und ist daher auch im Rahmen der vorliegenden Analyse zu berücksichtigen.

482 BGHZ 30, S. 7 (12) - Caterina Valente; vgl. auch BGHZ 91, S. 117 (122,126)- Mordoro. 483 Vgl. hierzu ausführlich Zweiter Teil, A.I.l.b) sowie Zweiter Teil, B.I.l . und 3.

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2. Teil: Die Triviale Personenberichterstattung im Spannungsfeld

ii) Legitimität des öffentlichen Informationsinteresses Im Rahmen der Abwägung zwischen Ehrschutz und Äußerungsfreiheit wird weiterhin danach unterschieden, ob an der Mitteilung ein "legitimes Informationsinteresse" der Öffentlichkeit besteht, oder ob diese (lediglich) der profanen Unterhaltung des Publikums dient: "Bei der Abwägung zwischen der Pressefreiheit und anderen verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgütern kann berücksichtigt werden, ob die Presse im konkreten Fall eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse ernsthaft und sachbezogen erörtert, damit den Informationsanspruch des Publikums erfüllt und zur Bildung der öffentlichen Meinung beiträgt, oder ob sie lediglich das Bedürfnis einer mehr oder minder breiten Leserschicht nach oberflächlicher Unterhaltung befriedigt". 484

Abfallige Werturteile im Rahmen von Klatsch- oder Sensationsberichten sind deshalb nicht oder nur äußerst gering geschützt. Dies stellte der Bundesgerichtshof bereits in der frühen F ernsehansagerin-Entscheidung485 fest. Die beklagte Zeitschrift hatte über eine Fernsehansagerin des SFB behauptet, diese passe "in ein zweitklassiges Tingeltangel auf der Reeperbahn" und sehe aus "wie eine ausgemolkene Ziege, bei deren Anblick den Zuschauern die Milch sauer" werde. Der Bundesgerichtshof hielt diese Äußerung für unzulässig und führte zur Begründung aus: "Die Berufung [des Beklagten, Anm. d. Verf.] auf das Grundrecht der Pressefreiheit ist fehl am Platz. Dieses Grundrecht wird in seinem Wesen verkannt, wenn ihm die von einer Verantwortung entbundene Freiheit entnommen wird, Klatsch zu verbreiten und die Berichterstattung auf Kosten der Ehre anderer zugkräftig zu machen. "486

Der Gesellschafts- und Unterhaltungspresse, so der Bundesgerichtshof weiter, verbleibe auch dann genügender Raum für ihre Betätigung, wenn sie bei der Berichterstattung den privaten Bereich des Menschen und seine persönliche Ehre achte. 487 So zutreffend diese letzte Feststellung auch sein mag, so zweifelhaft erscheint grundsätzlich eine Ausrichtung des Abwägungsvorgangs an der Natur des Informationsinteresses der Rezipienten. Ob sich der Leser oder Zuschauer von einer bestimmten Äußerung informieren oder unterhalten lassen will, ist für den Richter im Einzelfall kaum feststellbar. Wie bereits oben dargelegt, kann Unterhaltung ebenso informativ sein, wie umgekehrt auch Information zu unterhalten vermag. 488 Die Gerichte sähen sich also in die Pflicht genommen, entweder das "wirkliche" Inte484 BVerfGE 34, S. 269 (283)- Soraya; vgl. auch BVerfG in NJW 1966, S. 1617 (1619)- Höllenfeuer; BGH in JZ 1965, S. 411 (413)- Gretna Green. 485 BGHZ 39, S. 124 - Fernsehansagerin. 486 BGHZ 39, S. 124 (128 f.) -Fernsehansagerin. 487 BGH in JZ 1965, S. 411 (413)- Gretna Green. 48 8 Vgl. dazu oben Erster Teil, B.ll.3.a) und d).

B. Auflösung der Interessenkollision

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resse der tatsächlichen Rezipienten zu erforschen oder aber der abstrakten Gruppe der Rezipienten ein "objektives" Interesse zu unterstellen. Ersteres erscheint praktisch kaum durchführbar, letzteres erwiese sich als unkontrollierbarer Akt hoheitlicher Einflussnahme auf den gesellschaftlichen Kommunikationsprozess. In jedem Fall ist also die Orientierung an der "Ernsthaftigkeit des Informationsinteresses" abzulehnen. Sie findet sich in jüngeren Entscheidungen denn auch weniger als eigenständige Kategorie, sondern scheint in dem Kriterium der (objektivierten) politischen und gesellschaftlichen Relevanz der Äußerung ("Vermutungsformel") aufzugehen. jj) Gesellschaftliche Stellung und Funktion des Dargestellten Als abschließendes Abwägungskriterium im medienrechtlichen Ehrschutz ist die gesellschaftliche Stellung und Funktion des Dargestellten zu nennen. Der von einer ehrenrührigen Äußerung Betroffene ist der Rechtsprechung zufolge weniger geschützt, wenn und soweit er selbst freiwillig am Prozess der öffentlichen Meinungsbildung teilnimmt. Es sei, so das Bundesverfassungsgericht in der Wal/raff-Entscheidung, "maßgeblich darauf abzustellen, ob und in welchem Ausmaß der von herabsetzenden Äußerungen Betroffene seinerseits an dem von Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Prozess öffentlicher Meinungsbildung teilgenommen [und] sich damit aus eigenem Entschluss den Bedingungen des Meinungskampfes unterworfen" hat.489

Dies bedeutet eine erhebliche Einschränkung des Ehrschutzes für alle Personen des öffentlichen Lebens, sofern diese freiwillig in den öffentlichen Kommunikationsprozess eingegriffen haben.490 Besonders weitgehend wird dieser Grundsatz auf Amtsträger angewandt491 : Werden diese in ihrer öffentlichen Funktion und anlässlich ihrer öffentlichen Aufgabenerfüllung angegriffen, so unterfällt diese Kritik grundsätzlich der o. g. "Vermutungsformel", derzufolge politisch oder gesellschaftlich relevante Äußerungen den (fast) uneingeschränkten Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG genießen. 492 Die Berücksichtigung der Stellung und Funktion des Betroffenen knüpft nach allem nicht - wie dies etwa bei der "absoluten Person der Zeitgeschichte" im Bildnisschutz der Fall ist - an das mit seiner Person verbundene öffentliche Interesse an. Vielmehr steht der Gedanke der freiwilligen Beteiligung am öffentlichen Meinungskampf im Vordergrund: Wer selbst das Rampenlicht eines öffentlichen Forums sucht, um auf den öffentlichen 489 BVerfGE 66, S. 116 (150 f.)- Wallraff Ähnlich auch BVerfGE 61, S. 1 (13) - NPD Europas; BVerfGE 54, S. 129 (138) -Kunstkritik. 490 Vgl. zuletzt BVerfG in AfP 1999, S. 254 (256). 491 OLG Düsseldorf in NStZ-RR 1996, S. 164. 49 2 Vgl. OLG Düsseldorf in NStZ-RR 1996, S. 164 (165 f.).

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2. Teil: Die Triviale Personenberichterstattung im Spannungsfeld

Meinungsbildungsprozess einzuwirken, der soll damit konkludent auf das Recht verzichten, sich in gleicher Weise gegen ehrbeeinträchtigende Kritik zu wehren, wie dies einer zurückgezogenen Privatperson möglich wäre. Diese Argumentation birgt eine nicht unerhebliche Gefahr in sich. Denn wie Schmitt Glaeser zutreffend ausführt, kann auch von einer Überbetonung der Äußerungsfreiheit eine "einschüchternde Wirkung" auf den Kornmunikationsprozess ausgehen; wenn nämlich Äußerungen nicht an die Öffentlichkeit gelangen, weil der Äußernde - aus Angst, sich dadurch weitgehend seines Ehrschutzes zu begeben - auf die Artikulierung eines Gedankens verzichtet. 493 Gleichwohl wird man der Rechtsprechung insoweit zustimmen müssen, als dass derjenige, der sich freiwillig den Gesetzen des öffentlichen Meinungskampfes unterwirft, indem er sich selbst öffentlich exponiert, zumindest mit einer adäquaten Gegenreaktion rechnen muss. Dieser Gedanke jedoch geht bereits in dem o. g. "Gegenschlagsprinzip" auf. Für die selbständige Berücksichtigung der Stellung und Funktion des Betroffenen verbleibt also nur ein geringer Raum. Sie wird jedoch im Einzelfall von den Gerichten durchaus zur Erzielung eines angemessenen Abwägungsergebnisses herangezogen. c) Zusammenfassung und Ergebnis

Die vorausgegangene Rechtsprechungsanalyse hat eine Reihe von selbständigen, gleichwohl nicht gänzlich unverbundenen Prinzipien zu Tage gefördert, anband derer die Gerichte gegenwärtig den rechtlichen Ausgleich zwischen Medienfreiheit und Ehrschutzinteresse vornehmen. Mit Blick auf den Kommunikationsprozess insgesamt gewährleisten die Gerichte den "Schutz der Spontaneität der freien Rede", berücksichtigen die "Vermutung der Zulässigkeit der freien Rede" und bemühen sich um die "Vermeidung einer einschüchternden Wirkung auf den Kommunikationsprozess". Mit Blick auf den Betroffenen- den öffentlich Dargestellten sichern sie die "Unverletzlichkeit der Menschenwürde" und schützen diesen vor substanzanner "Schmähkritik" ebenso wie vor herabwürdigender "Formalbeleidigung", wobei sie maßgeblich dessen "gesellschaftliche Stellung und Funktion" berücksichtigen. Mit Blick auf die Rezipienten der infrage stehenden Veröffentlichung bewerten sie die "Legitimität des öffentlichen Informationsinteresses"; mit Blick auf den Kommunikator schließlich berücksichtigen sie "Zweck der Äußerung und Motivation des Äußernden" und gewähren diesem ein "Recht zum Gegenschlag". Freilich ist die individuelle Gewichtung dieser Kriterien höchst unterschiedlich, und von Gericht zu Gericht ebenso verschieden wie von Fall zu 493

Schmitt Glaeser in NJW 1996, S. 873 (878).

B. Auflösung der Interessenkollision

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Fall. Gleichwohl lässt sich aus dem oben skizzierten Raster eine zusammenfassende Tendenz für den gegenwärtigen Stand des rechtlichen Ehrschutzes herauslesen. So ist festzustellen, dass der Ehrschutz sich immer dann gegenüber dem Publikationsinteresse durchsetzt, wenn die streitgegenständliche Äußerung den Betroffenen im Kernbereich seiner Menschenwürde betrifft. Der Ehrschutz obsiegt ebenfalls regelmäßig, wenn die herabwürdigende Äußerung zu nichts weiter dient, als den Dargestellten zu verletzen und ihn aus eigennütziger Motivation zu demütigen. Schließlich obsiegt der Ehrschutz immer dann, wenn der an sich zulässige - wenngleich abwertende - Aussagegehalt in unnötig überzogener und verletzender Form präsentiert wird. Festgestellt werden kann weiterhin, dass die gesellschaftliche Stellung des Betroffenen erheblichen Einfluss auf das Ergebnis des Abwägungsprozesses hat; je "prominenter" dessen gesellschaftliche Rolle ist, desto eher muss er sich auch abfallige Kritik gefallen lassen. Dies gilt umso mehr, wenn der Betroffene sich selbst aktiv in den öffentlichen Meinungsbildungsprozess eingemischt hat oder gar ein öffentliches Amt bekleidet.494 Diese Wertungsgrundsätze werden ergänzt von dem beinahe als dramatisch zu bezeichnenden Gewicht, welches der politischen Stellungnahme beigemessen wird: Sofern sich die streitgegenständliche Veröffentlichung auch nur entfernt auf ein aktuelles politisches Thema bezieht und zur diesbezüglichen öffentlichen Diskussion beiträgt, gewähren die Gerichte faktisch umeglementierte Äußerungsfreiheit; als einzig wirksames Korrektiv verbleibt allenfalls der bereits benannte, absolute Schutz des Menschenwürdekerns.495 2. Der Interessenausgleich bei der Verbreitung von Bildnissen Der nun folgende Abschnitt hat die Kollisionsauflösung zwischen Medienfreiheit und Medienpersönlichkeitsrecht im Bereich der Bildnisverbreitung zum Gegenstand. Zunächst soll hierzu der rechtssystematische Hintergrund erläutert werden, wie er von den §§ 22, 23 KUG vorgegeben und von der Rechtsprechung umgesetzt wird (a)). Darauf aufbauend können dann die praktisch relevanten Entscheidungsmaßstäbe der Rechtsprechung herausgearbeitet werden (b)). 494 Die grundsätzliche Einschränkung des Persönlichkeitsschutzes von öffentlichen Funktionsträgern hat mittlerweile der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) explizit in Bezug auf Art. 10 EMRK betont: "Die Grenzen der Freiheit der Meinungsäußerung (Art. 10 II EMRK) sind weiter, wenn ein Politiker betroffen ist, der als Person des öffentlichen Lebens handelt, als gegenüber einer Privatperson"; vgl. EGMR in NJW 1999, S. 1321 (3. Leitsatz). 495 V gl. zu den Abwägungskriterien der Rechtsprechung im Ehrschutz auch Seyfarth, der im wesentlichen zu einer vergleichbaren Kategorisierung gelangt; Seyfarth in NJW 1999, S. 1287 (1289 f .).

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2. Teil: Die Triviale Personenberichterstattung im Spannungsfeld

a) Die Systematik der Kollisionsauflösung im Bildnisschutz

Die Kollisionsauflösung im Bildnisschutz ist gegenwärtig von einem eklatanten Auseinanderfallen von gesetzlicher Vorgabe und gerichtlicher Entscheidungspraxis gekennzeichnet. Im folgenden soll dieser Zustand kurz skizziert und im Anschluss daran ein Vorschlag zur Auflösung dieses Dilemmas entwickelt werden. aa) Die gesetzlichen Vorgaben der§§ 22, 23 KUG Der Gesetzgeber hat den Bildnisschutz im Kunsturhebergesetz von 1907 spezialgesetzlich geregelt.496 In § 22 S. 1 KUG heißt es: "Bildnisse dürfen nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden."

Das Selbstbestimmungsrecht über die Verwendung von Personenaufnahmen ist damit dem Abgebildeten selbst zugewiesen.497 Ohne dessen Einwilligung ist jede Veröffentlichung grundsätzlich rechtswidrig. Eine Einschränkung dieses Grundsatzes findet sich jedoch in § 23 I KUG. So dürfen Bildnisse dann einwilligungslos verbreitet werden, wenn sie die Person nur als "Beiwerk neben einer Landschaft"(§ 23 I Nr. 2 KUG) oder als Teilnehmer einer Versammlung oder eines Aufzuges (§ 23 I Nr. 3 KUG) zeigen, oder ihre Zurschaustellung "einem höheren Interesse der Kunst dient" (§ 23 I Nr. 4 KUG). Für die Beurteilung der Trivialen Personenberichterstattung sind diese Ausnahmetatbestände jedoch ohne Bedeutung, denn die abgebildete Person steht bei dieser Art der Berichterstattung thematisch gerade im Mittelpunkt der bildliehen Darstellung498 und ist damit mehr als nur "Beiwerk" oder "Teil eines Aufzuges". Auch ist ein besonderer künstlerischer Wert der Bildnisverbreitung in Publikumszeitschriften im Regelfall nicht anzunehmen. Von großer praktischer Bedeutung für diese publizistische Kategorie ist jedoch die Ausnahmeregelung des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG. Dort heißt es: "Ohne die nach § 22 erforderliche Einwilligung dürfen verbreitet und zur Schau gestellt werden: [... ] Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte."

Gleichwohl dürfen nicht alle zeitgeschichtlich relevanten Bildnisse einwilligungslos veröffentlicht werden. Eine Einschränkung des oben zitierten Ausnahmetatbestandes findet sich in § 23 Abs. 2 KUG: 496 Das Gesetz wurde zwar durch§ 141 UrhG mit Wirkung vom 1.1.1966 aufgehoben. Die für den Bildnisschutz relevanten Normen, insbesondere die §§ 22, 23 KUG, blieben jedoch in Kraft. 497 So auch Helle, der freilich zu kurz greift, wenn er die "Freiheit der Selbstdarstellung" als einziges Schutzgut des Rechts am eigenen Bild benennt; vgl. Helle, S. 130 sowie- zur Kritik an dieser Verkürzung - oben Zweiter Teil, A.II.3.a) und b). 498 Vgl. oben Erster Teil, A.III.l. und 4.

B. Auflösung der Interessenkollision

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"Die Befugnis erstreckt sich jedoch nicht auf eine Verbreitung und Schaustellung, durch die ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten [...] verletzt wird."

Zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit von Personenaufnahmen wäre der Gesetzessystematik entsprechend also zunächst festzustellen, ob die grundsätzlich einwilligungsbedürftige Personenaufnahme als "Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte" anzusehen ist. In einem zweiten Schritt wäre dann zu fragen, ob der Verbreitung des Bildnisses gleichwohl ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten entgegensteht. Bejahendenfalls höben sich die beiden Ausnahmetatbestände gegenseitig auf, so dass schließlich der Grundsatz des § 22 KUG wieder auflebte, es also im Ergebnis einer Einwilligung des Betroffenen bedürfte. Nur sofern es sich bei der Aufnahme um ein zeitgeschichtliches Bildnis handelt, und keine berechtigten Interessen des Abgebildeten entgegenstehen, dürfte das Foto auch ohne oder gegen dessen Willen verbreitet werden. bb) Die Rechtsprechung zum Bildnisschutz: Die "Person der Zeitgeschichte" als zentrales Tatbestandsmerkmal Die Rechtsprechung zum Bildnisschutz ist von der Systematik und den Begrifflichkeiten der §§ 22, 23 KUG tatsächlich jedoch weit entfernt. § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG statuiert eine Ausnahme vom Einwilligungserfordernis für "Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte". Gleichwohl spielt dieser Begriff in der Rechtsprechung zum Bildnisschutz nur eine untergeordnete Rolle. Die Gerichte bedienen sich vielmehr einer Wortschöpfung, die auf die Motive zum KUG zurückgeht und insbesondere von NeumannDuesberl99 in die wissenschaftliche Diskussion eingeführt wurde. Die Rechtmäßigkeit der Bildnisveröffentlichung soll demzufolge primär davon abhängen, ob der Abgebildete als Person der Zeitgeschichte anzusehen ist, da eine solche die Bildnisveröffentlichung grundsätzlich dulden müsse.500 Als Personen der Zeitgeschichte erachtet die Rechtsprechung solche Menschen, die "im öffentlichen Leben"501 stehen und sich deshalb "im Blickpunkt des allgemeinen Interesses"502 befinden. Unterschieden wird Neumann-Duesberg in JZ 1960, S. 114. BGHZ 20, S. 345 (349 ff.); BGH in NJW 1985, S. 1617 - Nacktfoto; LG Köln in AtP 1994, S. 167; OLG Harnburg in AtP 1995, S. 665; BGH in NJW 1996, S. 593 (594); LG Berlin in NJW 1997, S. 1373 (1374); LG Köln in AtP 1994, S. 165; BGH in AtP 1996, S. 140 (141). Vgl. hierzu Wenzel, Rn. 8.4; Soehring in NJW 1997, S. 360 (365); Helle, S. 130 f.; Müller, Bildnisveröffentlichung, S. 125 ff. 501 Vgl. bereits die Begründung des Regierungsentwurfs des KUG in Stenographische Berichte des Reichstags, Vhdlg. 11 Legislaturperiode, II Session, 2. Anlagenband, Aktenstück Nr. 30, S. 1540. 502 BGH in NJW 1985, S. 1617 (1618); ähnlich auch BGH in NJW 1979, s. 2203. 499

500

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2. Teil: Die Triviale Personenberichterstattung im Spannungsfeld

zwischen absoluten und relativen Personen der Zeitgeschichte. 503 Als absolute Personen der Zeitgeschichte werden solche Personen bezeichnet, "bei denen ein Interesse der Öffentlichkeit an allen Vorgängen besteht, die ihre Teilnahme am öffentlichen Leben ausmachen"504. Maßgebend soll sein, dass die öffentliche Meinung das Bildnis "um der dargestellten Person willen der Beachtung wert findet" 505 . Dies sei i. d. R. anzunehmen, wenn die abgebildete Persönlichkeit "aufgrund ihrer Stellung in der Gesellschaft oder durch hervorragende Leistungen aus dem Kreis ihrer Mitmenschen herausgetreten"506 ist. Als absolute Personen der Zeitgeschichte angesehen werden beispielsweise Politiker507, Angehörige von Adelsfamilien508, Popstars509, Spieler der Fußballbundesliga510, ausübende Künstler5u, Femsehmoderatoren512 und Schauspieler513 . Unter relativen Personen der Zeitgeschichte werden hingegen solche Menschen verstanden, die "nur in bezug auf bestimmte Geschehnisse (oder Personen) für die Öffentlichkeit (zeitweise) von Interesse sind"514. Hierzu zählen beispielsweise die öffentlich hervortretenden Lebenspartner von absoluten Personen der Zeitgeschichte515 , Straftäter, Verbrechens- und Unfallopfer516 oder auch der Rechtsanwalt, der in einem aufsehenerregenden Gerichtsverfahren tätig wird517 . Die aus § 23 I 1 KUG abgeleitete Duldungspflicht der Person der Zeitgeschichte soll allerdings nicht unbegrenzt sein. So wird vor allem in jünge503 Zu dieser Unterscheidung ausführlich Engels/Schu[z in AtP 1998, S. 574 (576 f.). 504 Vgl. nur LG Köln in AfP 1994, S. 165. 505 BGH in AtP 1996, S. 140 (141). 506 OLG Harnburg in AtP 1995, S. 665. 507 LG Berlin in NJW 1996, S. 1142 (1143) - Schalck-Golodtkowski; BGH in NJW 1996, S. 593 (594)- Willy Brandt; OLG München in UFITA 1964, S. 322Kanzlerkandidat. 508 OLG Harnburg in AfP 1996, S. 140 (141) - Caroline v. Monaco III. 509 BGH in AtP 1997, S. 475 - Bob Dylan. 510 BGH in NJW 1968, S. 1091 - Ligaspieler; BGH in NJW 1979, S. 2203 Fußballkalender. 511 OLG Harnburg in AtP 1991, S. 437 - Roy Black; OLG München in AtP 1995, s. 658 (660). 512 LG Köln in AtP 1994, S. 167 (168)- Harald Schmidt. 513 BGH in NJW 1961, S. 558- Familie Schölermann; BGH in NJW-RR 1995, s. 789. 5 14 LG Köln in AtP 1994, S. 165. 515 OLG Harnburg in NJW-RR 1990, S. 1001; LG Köln in AtP 1994, S. 167 (168); OLG Harnburg in AtP 1991, S. 438 - Roy Black. Dies gilt nicht- oder nur sehr eingeschränkt - für deren Kinder, vgl. OLG Harnburg in AtP 1997, S. 535 (537); OLG München in AtP 1995, S. 658 (660). 516 LG Köln in AtP 1991, S. 757. 5 17 OLG Harnburg in AtP 1982, S. 177.

B. Auflösung der Interessenkollision

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ren Entscheidungen bei der Prüfung des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG verstärkt auf den zeitgeschichtlichen Bezug des Bildnisthemas abgestellt.518 Der Schutzzweck des Ausnahmetatbestandes erfasse nur solche Bildnisveröffent· lichungen, an denen ein "schutzwürdiges Interesse der Allgemeinheit" anzu· erkennen sei.519 In der Rechtspraxis resultiert hieraus eine erhebliche Ein· schränkung des Ausnahmetatbestands des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG. So soll die bildliehe Darstellung einer relativen Person der Zeitgeschichte nach Auffassung des OLG Harnburg nur insoweit privilegiert sein, als "eine Ver· knüpfung zwischen der abgebildeten Person und einem bestimmten zeitgeschichtlichen Ereignis besteht, über das berichtet werden und zu dessen Veranschaulichung das Foto dienen soll."520 Da der Rechtsverlust der relativen Person der Zeitgeschichte auf deren Verbindung zu einem zeitgeschichtlichen Ereignis beruhe, seien auch thematisch nur solche Aufnahmen von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG erfasst, die einen sachlichen Bezug zu diesem Ereignis aufweisen. Demzufolge wird zwar die Veröffentlichung eines Bildes als zulässig erachtet, das einen verurteilten Straftäter im Gerichtsgebäude bei der Urteilsverkündung zeigt. 521 Unzulässig wäre hingegen die Aufnahme, die denselben Straftäter beim nachmittäglichen Einkaufsbummel in einer Fußgängerzone abbildet. Diese Tatbestandsreduktion wendet die Rechtsprechung auch auf Bildnisse von absoluten Personen der Zeitgeschichte an. So werden beispielsweise Fotos aus dem Privat- und Familienbereich kategorisch von der Privilegierung des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG ausgenommen.522 Diese Einschränkung soll sich aus einer bereits im Rahmen des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG vorzunehmenden Abwägung des "allgemeinen Publikationsinteresses" mit dem "Interesse des Abgebildeten, vor einem übermäßigen Zugriff der Öffentlichkeit auf seine Person bewahrt zu werden"523 ergeben. Des weiteren soll die Privilegierung des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG allein "für Informationszwecke" in Anspruch genommen werden können. 524 Nur wenn die Bildnisverbreitung im Einzelfall in ein 518 Vgl. BGH in NJW 1996, S. 593 (594); OLG Harnburg in AfP 1996, S. 69 (70); OLG Frankfurt arn Main in ZUM 1995, S. 215 (216); LG Köln in AfP 1994, S. 166 (167); anders OLG Harnburg in AfP 1995, S. 665: "Ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte liegt vor, wenn der Abbildungsgegenstand eine Person der Zeitgeschichte ist." 51 9 BGH in NJW 1996, S. 593 (594)- Willy Brandt; BGH in AfP 1997, S. 475Bob Dylan. 520 OLG Harnburg in AfP 1995, S. 665 (666). 521 OLG Schleswig in ArchPR 1969, S. 65. 522 Vgl. OLG München in AfP 1995, S. 658 (660); LG Köln in AfP 1994, S. 166 (168); OLG Harnburg in AfP 1997, S. 535 (537); LG Köln in AfP 1994, S. 165; alle bezugnehmend auf Neumann-Duesberg in JZ 1960, S. 114 ff. 523 BGH in NJW 1979, S. 2203 - Fußballkalender; ähnlich auch BGH in AfP 1997, S. 475 (476)- Bob Dylan. 524 OLG Harnburg in AfP 1995, S. 665 (666).

14 Neben

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2. Teil: Die Triviale Personenberichterstattung im Spannungsfeld

"informationelles Konzept einbezogen"525 ist und primär dem "Informationsbedürfnis der Allgemeinheit dient"526, sei diese auch ohne die Einwilligung des Betroffenen zulässig. Die Verwertung eines Bildnisses ausschließlich zu Geschäfts- oder Werbezwecken wird demzufolge grundsätzlich für unzulässig befunden527 : Auf den Ausnahmetatbestand des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG könne sich nicht berufen, "wer nicht einem schutzwürdigen Informationsinteresse der Allgemeinheit nachkommt, sondern durch Verwertung des Bildnisses eines anderen zu Werbezwecken allein sein Geschäftsinteresse befriedigen will. " 528 Freilich erweist sich die Rechtsprechung in diesem Punkt als äußerst uneinheitlich; die Ausgrenzung bestimmter Bildnisse aus dem Anwendungsbereich des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG erfolgt in der Spruchpraxis der Gerichte auf höchst unterschiedliche Weise. So finden sich eine Reihe von Entscheidungen, die im Rahmen des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG auf den "objektiven Informationswert" der Aufnahme oder ein die Veröffentlichung legitimierendes "anzuerkennendes Informationsbedürfnis"529 der Öffentlichkeit abstellen, eine Abwägung mit den gegenläufigen Interessen des Abgebildeten jedoch erst bei § 23 Abs. 2 KUG vornehmen. Anderen Entscheidungen zufolge soll bereits "die Abgrenzung, welche Person nun als Person der Zeitgeschichte anzusehen ist, ihrerseits wieder auf der Grundlage einer Interessenabwägung" erfolgen.530 Und teilweise wird auf eine rechtssystematische Zuordnung des Abwägungsvorgangs gänzlich verzichtet: Das "Erfordernis einer Abwägung der verfassungsrechtlich geschützten Interessen der Parteien [ergibt] sich aus § 23 KunstUrhG, wobei es im Ergebnis ohne Bedeutung ist, ob sie allein dem § 23 II KunstUrhG vorbehalten oder schon bei dem Tatbestandselement des § 23 I Nr. 1 KunstUrhG vorzunehmen ist."531 Im Ergebnis lässt sich lediglich die Tendenz feststellen, den Ausnahmetatbestand des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG restriktiv zu interpretieren und "unerwünschten" Personenaufnahmen - namentlich solchen aus dem Privatbereich sowie solchen, die zu Werbezwecken verbreitet werden - bereits die Qualität eines "Bildnisses aus dem Bereich der Zeitgeschichte" abzusprechen. OLG Harnburg in ZUM 1995, S. 214 (215). BGH in NJW 1968, S. 1091. 527 Vgl. BGH in NJW 1968, S. 1091 - Ligaspieler; BGH in AfP 1997, S. 475 (476); BGH in VersR 1993, S. 66 (67); LG München I in AfP 1997, S. 554 (555); OLG Harnburg in AfP 1995, S. 665 (666); OLG Harnburg in ZUM 1995, S. 214; LG Berlin in NJW 1996, S. 1142; BGH in NJW 1996, S. 593 (594); BGH in NJWRR 1995, S. 789. 528 BGH in AfP 1997, S. 475 (476). 529 Vgl. nur OLG Harnburg in NJW-RR 1995, S. 790. 530 Vgl. nur LG Köln in AfP 1994, S. 166 (168). 531 BGH in NJW 1985, S. 1617 (1618) unter Hinweis auf BVerfGE 35, S. 202 (224 f.) sowie BGH in NJW 1979, S. 2203. 525

526

B. Auflösung der

~nteressenkollision

211

Einhelligkeit besteht erst wieder, wenn die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG im konkreten Fall zu bejahen sind. Das festgestellte "publizistische Anrecht der Allgemeinheit"532 wird jetzt mit dem "berechtigten Interesse" des Abgebildeten abgewogen, § 23 Abs. 2 KUG. 533 Hierbei kann keine der beiden Rechtspositionen grundsätzlichen Vorrang beanspruchen, denn im Rahmen der §§ 22, 23 KUG treffen Verfassungsgüter von grundsätzlich gleicher Bedeutung und gleichem Gewicht aufeinander.534 Gleichwohl ist bei der Abwägung die vom Gesetzgeber vorgegebene Wertung zu berücksichtigen, wie sie in § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG zum Ausdruck kommt: Für die Verbreitung von "Bildnissen aus dem Bereich der Zeitgeschichte" streitet der gesetzlichen Systematik zufolge eine Vermutung der Zulässigkeit.535 Aus den Materialien zum KUG geht dabei deutlich hervor, welche Interessen des Betroffenen der historische Gesetzgeber im Abwägungsvorgang berücksichtigt wissen wollte. Namentlich solle durch die Vorschrift des § 23 Abs. 2 KUG verhütet werden, dass "die Vorgänge des persönlichen, häuslichen und Familienlebens an die Öffentlichkeit gezogen werden und dass das Bildnis für Zwecke verwendet wird, mit denen, ohne dass der Fall einer strafrechtlichen Beleidigung vorliegt, doch eine Verletzung der dem Abgebildeten schuldigen Achtung oder eine Kränkung oder die Gefahr einer sonstigen Benachteiligung verbunden ist. "536 Als abzuwägende Interessen berücksichtigt die Rechtsprechung auf Seiten des Abgebildeten dementsprechend dessen Anonymitäts-, Diskretions-, Wahrheits-, Selbstbestimmungs-und Ehrinteresse. 537 Auf der anderen Seite findet maßgeblich das "anzuerkennende Informationsbedürfnis" der Öffentlichkeit Berücksichtigung.538 Inwieweit auch das individuelle Publi532

Helle, S. 179.

Zwar spricht § 23 Abs. 2 KUG nicht explizit von einer Abwägung, sondern verlangt - dem Wortlaut nach - lediglich die einseitige Prüfung des entgegenstehenden Interesses des Abgebildeten. Wie Helle jedoch zutreffend bemerkt, lässt sich die "Berechtigung" des Gegeninteresses nur unter gleichzeitiger Berücksichtigung des Publikationsinteresses und damit durch einen Abwägungsvorgang ermitteln; vgl. Helle, S. 179. 534 BVerfGE 35, S. 202 (225) - Lebach. 535 Vgl. nur BGH in AfP 1997, S. 475 (476)- Bob Dylan. 536 Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Deutschen Reichstags, 11. Legislaturperiode, II. Sess., 2. Anlagenbd., S. 1541. 537 Vgl. BGHZ 24, S. 200 (209)- Spätheimkehrer; BGH in NJW 1968, S. 1091; BGH in NJW 1985, S. 1617 (1618); LG Köln in AfP 1994, S. 167 (168); OLG Harnburg in AfP 1996, S. 69 (70); BGH in AfP 1996, S. 140 (141)- Caroline von Monaco III; BGH in AfP 1997, S. 475 (476); OLG Harnburg in AfP 1995, S. 665; BGH in NJW 1996, S. 593 (595); BVerfG in NJW 2000, S. 2194; siehe dazu auch Wenzel, Rn. 8.29 ff.; Müller, Bildnisveröffentlichung, S. 52 ff.; Helle, S. 180 ff. 538 OLG Harnburg in NJW-RR 1995, S. 790. 533

14*

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2. Teil: Die Triviale Personenberichterstattung im Spannungsfeld

kationsinteresse des Abbildenden in den Abwägungsvorgang einfließen kann oder muss, bleibt hingegen unklar. So spricht der Bundesgerichtshof in einer jüngeren Entscheidung zwar vom "schutzwürdigen Publikationsinteresse", welches bei der Abwägung zu berücksichtigen sei. 539 Ob aber hiermit tatsächlich das Individualinteresse des Publizierenden gemeint ist, erscheint aufgrund der grundsätzlich objektiv-rechtlichen Orientierung der Rechtsprechung im Bereich der Kommunikationsfreiheiten eher fraglich. cc) Kritische Stellungnahme: Die Notwendigkeit einer Rückkehr zu Wortlaut und Systematik der§§ 22, 23 KUG Im Ergebnis ist festzustellen, dass sich die Rechtsprechung in bedenklicher Weise von den gesetzgebensehen Vorgaben der §§ 22, 23 KUG entfernt hat. 540 Die gesetzlichen Tatbestände dienen ihr nurmehr als lose Orientierungspunkte und sind materiell bereits gänzlich durch eigens entwickelte Rechtmäßigkeitskriterien ersetzt worden. So muss aus diesem Grund vor allem die Konstruktion der Person der Zeitgeschichte auf erhebliche Bedenken stoßen. Der Gesetzeswortlaut nimmt "Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte" vom Einwilligungserfordernis des § 22 KUG aus. Selbst wenn man mit Helle davon ausginge, dass der Gesetzgeber mit dem Begriff des Bildnisses allein die "Darstellung einer Person" gemeint hat541 , so rechtfertigte dies keinesfalls die von der Rechtsprechung praktizierte Gleichsetzung der beiden Begrifflichkeiten: Die gesetzgebensehe Lösung knüpft ersichtlich an die Qualität des Bildnisses an, wohingegen die Rechtsprechung die Eigenschaft des Abgebildeten zum Entscheidungskriterium erhebt. Die praktischen Probleme, die sich aus der Verwendung dieser Hilfskonstruktion ergeben, sind erheblich. So würde eine konsequente Anwendung des personenbezogenen Maßstabes der Rechtsprechung dazu führen, dass eine Fotoaufnahme allein deshalb in den Genuss der Privilegierung des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG käme, weil und soweit sie eine Person der Zeitgeschichte zum Gegenstand hat. Eine Ausgrenzung von Privat- und Intimaufnahmen oder der Verwendung des Bildnisses zu Werbezwecken ließe sich vor diesem Hintergrund nicht rechtfertigen. Thematisch fiele jede Aufnahme, die eine Person der Zeitgeschichte zeigt, unter den gesetzlichen Ausnahmetatbestand. Um dieses - rechtspolitisch unerwünschte - Ergebnis zu vermeiden, nimmt die Rechtsprechung dann jedoch solche Bildnisse vom Anwendungsbereich der Norm aus, die nicht dem BGH in NJW 1996, S. 593 (595). So auch Müller, der von einem "Auseinanderfallen von Gesetz und Gesetzesanwendung" spricht; Müller, Bildnisveröffentlichung, S. 107. 541 Vgl. Helle, S. 91, 138. 539

540

B. Auflösung der Interessenkollision

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berechtigten Informationsinteresse der Öffentlichkeit dienen. Damit aber wird die Konstruktion der Person der Zeitgeschichte im Ergebnis zu einer Leerformel, der allein der Wert einer widerlegliehen Vermutung beikommt: Der zeitgeschichtliche Bezug des Bildnisses, das eine Person der Zeitgeschichte zum Gegenstand hat, wird vermutet, sofern nicht im Einzelfall der konkreten Aufnahme ein berechtigtes Informationsinteresse der Öffentlichkeit abzusprechen ist. Durch diese Vorgehensweise kehrt die Rechtsprechung im Ergebnis die Beweislast zuungunsten des Abgebildeten um. Muss nämlich - der gesetzlichen Systematik zufolge - der Abbildende die zeitgeschichtliche Relevanz der Aufnahme beweisen, um in den Genuss der Privilegierung zu kommen, so obliegt es nunmehr der abgebildeten Person der Zeitgeschichte, die von der Rechtsprechung aufgestellte Zulässigkeitsvermutung zu widerlegen. Der geringe praktische Nutzen der von der Rechtsprechung eingeführten Hilfskonstruktion, die hierzu erforderliche Überdehnung des Gesetzeswortlauts sowie schließlich die damit einhergehende Beweislastumkehr contra Legern begründen nach allem erhebliche Zweifel an der gegenwärtigen Rechtsprechung zum Bildnisschutz. Die Anwendbarkeit von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG kann sich richtigerweise nur aus Thema und Inhalt des Bildnisses, nicht aber aus der Eigenschaft des Abgebildeten ergeben. Die Rechtmäßigkeit der Bildnisveröffentlichung muss von der zeitgeschichtlichen Relevanz der Aufnahme als solcher abhängen. Die zentrale Frage des Bildnisschutzes lautet also demgemäß: Wodurch wird eine Personenaufnahme zum zeitgeschichtlichen Bildnis i. S. d. § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG? Die in Literatur und Rechtsprechung vorzufindenden Ansätze zur Bestimmung des zeitgeschichtlichen Charakters von Personenaufnahmen sind vielschichtig. So wird teilweise eine Orientierung an der konkreten Wortbedeutung des Begriffs "Zeitgeschichte" vorgeschlagen und auf die historische Bedeutung des Bildnisses abgestellt. Als (zeit-)geschichtlich sollen demnach nur "Vorgänge von andauernder Bedeutsamkeit im Hinblick auf sich anschließende Abläufe"542 anzusehen sein. Die Zulässigkeit der Verbreitung einer Personenaufnahme hänge von der geschichtlichen Relevanz des Betroffenen in der konkreten Situation ab. 543 Andere interpretieren "Zeitgeschichte" als "Zeitgeschehen" und stützen sich maßgeblich auf den Aktualitätsbezug der Aufnahme. Dieser Ansicht zufolge soll allein über das "aktuelle Tagesgeschehen"544 frei berichtet werden dürfen. Eine Orientierung an Gegenstand und Zweckbestimmung der Aufnahme schlägt v. Gamm vor und will solche Bildnisse als zeitgeschichtlich einstufen, die nach Inhalt 542 543 544

Rothfels in Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 1953, S. 1 (2). Müller, Bildnisveröffentlichung, S. 108. Hirsch Ballin in Ufita 19 (1955), S. 290.

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2. Teil: Die Triviale Personenberichterstattung im Spannungsfeld

und Charakter der Darstellung objektiv geeignet und bestimmt sind, als "Dokumentation des Zeitgeschehens" zu dienen. 545 Keiner dieser Interpretationsansätze vermag jedoch zu überzeugen, da lediglich der eine wertungsund interpretationsbedürftige Begriff (,,Zeitgeschichte") durch einen anderen ("Dokumentation des Zeitgeschehens", "Vorgänge von andauernder Bedeutsamkeit", "Zugehörigkeit zum aktuellen Tagesgeschehen") ersetzt wird, ohne dass hierdurch die notwendige Konkretisierung des Tatbestandsmerkmals ermöglicht würde. Ebenfalls nicht überzeugen kann die vorgeschlagene Anknüpfung am Öffentlichkeitsbezug der Aufnahme. Zeitgeschichtlich sollen demnach allein solche Aufnahmen sein, die den Abgebildeten in der Öffentlichkeit zeigen, wobei Öffentlichkeit verstanden wird als "Zustand möglicher Wahmehmbarkeit und Zugänglichkeil eines Geschehens für die Allgemeinheit"546. Aufnahmen aus dem Privatbereich würden nach dieser Definition von vomherein nicht unter § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG fallen. Für diese Ansicht spricht, dass sie den rechtspolitisch unerwünschten Schlüsselloch-Journalismus von der Privilegierung des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG ausnimmt. Es ist jedoch zu bedenken, dass es gerade Aufnahmen nicht-öffentlicher Situationen sein können, denen ein besonderer zeitgeschichtlicher Wert beikommt. So wäre ein Foto, das einen hohen Regierungsbeamten bei der heimlichen Entgegennahme von "Schmiergeldern" zeigt, sicherlich von großer zeitgeschichtlicher Bedeutung. Gleichwohl entstammte es, sofern die Übergabe versteckt erfolgt, gerade nicht dem öffentlichen Raum. Zudem ergibt sich aus den Motiven zum KUG unzweifelhaft, dass auch private Aufnahmen als "Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte" in Betracht kommen. So heißt es dort, durch die Vorschrift des § 23 Abs. 2 KUG solle verhindert werden, dass "die Vorgänge des persönlichen, häuslichen und Familienlebens an die Öffentlichkeit gezogen werden." 547 Wären aber private Aufnahmen dem Willen des Gesetzgebers nach schon nicht unter § 23 Abs. 1 Nr. l KUG zu subsumieren, so hätte es der oben zitierten Erklärung hinsichtlich der Abwägungsregel des § 23 Abs. 2 KUG nicht bedurft. Auch private Aufnahmen sind daher grundsätzlich in den Anwendungsbereich des § 23 Abs. 1 Nr. l KUG mit einzubeziehen. Eine Beschränkung des Zeitgeschichtlichen auf öffentliche Vorgänge ist abzulehnen. Wiederum andere sehen das maßgebliche Abgrenzungskriterium in der Person des Abgebildeten und stellen darauf ab, ob dieser freiwillig auf Anonymität und Privatsphäre verzichtet hat, ob also die "Abbildung kraft eigener Veranlassung des Abgebildeten" erfolgt ist. 548 Hierbei handelt es v. Gamm, Urheberrecht, Ein f. Rn. 118 f. Ablehnend Helle, S. 135. Rehbinder, S. 44. 547 Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Deutschen Reichstages 190511906, Anl. Bd. II, S. 1526, 1541. 545

546

B. Auflösung der Interessenkollision

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sich dem Grunde nach um die Nutzbarmachung des Einwilligungsgedankens: Wer sich freiwillig in die Öffentlichkeit begibt, verzichtet konkludent auf seinen Bildnisschutz. Die Prüfung einer Einwilligung - auch einer konkludenten oder sozialtypischen - ist jedoch gesetzessystematisch in § 22 KUG angesiedelt und kann nicht erneut zur Auslegung des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG herangezogen werden. Die dargestellten Ansätze ermöglichen nach allem keine überzeugende Interpretation des Tatbestandsmerkmals "Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte". Eine solche lässt sich allein aus der gesetzgebensehen Intention ableiten, die sich mit § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG verbindet. Wenngleich hierzu nur wenig Material vorliegt, so findet sich zumindest eine aufschlussreiche Passage in der Begründung des Regierungsentwurfs zum KUG, in der es heißt, "[d]ie Veröffentlichung des Bildnisses von Personen, die im öffentlichen Leben stehen oder in Kunst und Wissenschaft ein allgemeines Interesse hervorrufen, wird daher auch künftig nicht verwehrt sein." 549

Aus dieser Formulierung geht ganz deutlich das Abgrenzungskriterium hervor, auf das es im Rahmen des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG ankommen soll: Das allgemeine öffentliche Interesse an dem konkreten Bildnis.550 Als "Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte" sind also solche Personenaufnahmen anzusehen, die auf ein gesteigertes öffentliches Anschauungsbedürfnis treffen. Es stellt sich allerdings die Frage, ob das "öffentliche Anschauungsbedürfnis" normativ oder empirisch zu bestimmen ist.551 Bei Zugrundelegung einer empirischen Betrachtungsweise entschiede über die zeitgeschichtliche Qualität der Personenaufnahme das tatsächlich vorhandene, empirisch feststellbare öffentliche Interesse an dem Bildnis.552 Zur Zeitgeschichte gehörte demnach alles, woran gegenwärtig ein allgemeines Interesse besteht.553 Wer faktisch "im Blickpunkt des öffentlichen Interesses"554 steht, würde allein dadurch zum zeitgeschichtlichen Ereignis. In einer älteren Entscheidung des Bundesgerichtshofs heißt es diesbezüglich, Müller, Bildnisveröffentlichung, S. 116. Begründung des Regierungsentwurfs in Stenographische Berichte des Reichstages, 1905/1906, Anl. Bd. II, S. 1540. 550 Helle beschreibt dieses Interesse treffend als "Anschauungsbedürfnis"; Helle, s. 143. m Mit dieser Frage setzen sich ausführlich auch Engels/Schulz in AfP 1998, S. 574 (578, 581 f.) auseinander. 552 Dazu Helle, S. 135 f.; Müller, Bildnisveröffentlichung, S. 120 f. Für die Rechtsprechung vgl. nur BGH in NJW 1968, S. 1091 - Ligaspieler. 553 Wenzel, Rn. 8.3; Helle, S. 131; LG Köln in AfP 1994, S. 166 (167)- Harald Schmidt. 554 BGH in NJW 1985, S. 1617 (1618)- Nacktfoto. 548 549

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2. Teil: Die Triviale Personenberichterstattung im Spannungsfeld

eine Personenaufnahme sei als zeitgeschichtlich anzusehen, "weil und soweit die Öffentlichkeit sie als der Beachtung besonders wert empfindet." 555 Und auch in der jüngeren Rechtsprechung finden sich Anklänge an eine faktische Betrachtungsweise. So begründet das OLG Frankfurt!Main die Zulässigkeit von Filmaufnahmen von Mitgliedern der Glaubensgemeinschaft "Universelles Leben" damit, dass diese "Gegenstand allgemeinen Interesses" sei und der Filmbericht das "lnfonnationsbedürfnis der Allgemeinheit" befriedige. 556 Überwiegend wird das "öffentliche Interesse" jedoch nonnativ bestimmt. Im Mittelpunkt dieses Ansatzes steht nicht das faktisch vorhandene, sondern das berechtigte Informationsinteresse der Allgemeinheit. Die Vielzahl der verwendeten ausfüllungs- und wertungsbedürftigen Begriffe sei hier nur zusammenfassend erwähnt. 557 So wird vielfach ein "echtes Informationsbedürfnis"558, ein "anzuerkennendes lnformationsinteresse"559 oder ein "schutzwürdiges Interesse der Allgemeinheit"560 an der konkreten Darstellung verlangt. Über die Privilegierung einer Personenaufnahme entscheide das billigenswerte "Bedürfnis der Allgemeinheit an einer sachgerechten bildmäßigen Unterrichtung über Persönlichkeiten und Geschehnisse der Zeitgeschichte"561 . § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG diene dem legitimen öffentlichen "lnformationsinteresse, zu dessen Befriedigung die Träger der Publizistik berufen sind"562. Der Ausnahmetatbestand umfasse allein das "Spektrum, auf das sich das Interesse der Öffentlichkeit richten darf' 563. Empirischer und normativer Ansatz führen dabei zu deutlich voneinander abweichenden Ergebnissen. So lassen sich mittels einer bewertenden Feststellung des öffentlichen Interesses rechtspolitisch unerwünschte Bildnisse beispielsweise aus dem Privat- und Intimbereich -bereits auf der Stufe des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG ausgrenzen. Bei faktischer Betrachtungsweise wird BGH in NJW 1979, S. 2203- Fußballkalender. OLG Frankfurt/Main in ZUM 1995, S. 215 (216). 557 Zur Terminologie der älteren Rechtsprechung und Literatur vgl. zusammenfassend Müller, Bildnisveröffentlichung, S. 129. 558 BGHZ 24, S. 200 (208) - Spätheirnkehrer; BGH in AfP 1996, S. 140 (141). Vgl. auch Helle, S. 139 ff.; Müller, Bildnisveröffentlichung, S. 128 ff. 559 BGH in NJW 1996, S. 985 (986); OLG Harnburg in AfP 1996, S. 69 (70); OLG Harnburg in AfP 1995, S. 512 (513); insofern unklar OLG Harnburg in AfP 1999, S. 175 (176): "ein durch ein Informationsbedürfnis gerechtfertigtes Interesse an der bildliehen Darstellung [... ]". 560 BGH in NJW 1979, S. 2203 - Fußballkalender; BGH in AfP 1997, S. 475 Bob Dylan; LG Berlin in NJW 1996, S. 1142 (1143); BGH in NJW 1996, S. 593 (594) - Willy Brandt. 561 BGH in NJW 1968, S. 1091 - Ligaspieler. 562 Neumann-Duesberg in JZ 1960, S. 114. 563 OLG Harnburg in AfP 1995, S. 512 (513). 555

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B. Auflösung der Interessenkollision

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man hingegen zu dem Ergebnis kommen, dass gerade an solchen Aufnahmen ein besonders großes tatsächliches öffentliches Interesse besteht. Dies belegt bereits die Untersuchung im Ersten Teil dieser Arbeit.564 Die Entscheidung zwischen den beiden Interpretationsansätzen bestimmt daher den Umfang des materiellen Bildnisschutzes auf elementare Weise. Gegen eine empirische Betrachtungsweise wird vor allem angeführt, diese stelle den Bildnisschutz zur Disposition einer konkreten Mehrheitsentscheidung, was mit dem verfassungsrechtlich verbürgten Persönlichkeitsschutz nicht zu vereinbaren sei. 565 Zudem werde bei einem solchen Vorgehen die Urteilsbefugnis der Judikative in unzulässiger Weise auf die Allgemeinheit abgeschoben. 566 Das öffentliche Interesse sei daher mittels einer wertenden Entscheidung zu bestimmen, die sich an einem "von subjektiven Elementen losgelösten Maßstab" zu orientieren habe. 567 Die Kritiker der empirischen Lösung verkennen jedoch, dass die Bestimmung des "öffentlichen Interesses" aufgrund wertender Betrachtung gerade nicht zur Objektivierung des Tatbestandsmerkmals beiträgt. Sie ermöglicht den Gerichten vielmehr eine rein subjektive Bestimmung, welche visuellen Informationen die Öffentlichkeit etwas angehen, diese also interessieren dürfen, und welche nicht. Damit wird ein bedeutender Teil des gesamtgesellschaftlichen Informationsflusses zur Disposition der Gerichte gestellt. Dies ist mit dem Leitgedanken des Art. 5 GG, der die inhaltliche Neutralität des Staates im gesellschaftlichen Kommunikationsprozess sicherstellen will, unvereinbar. Dieser Gedanke aber ist im Rahmen der Tatbestandsauslegung des § 23 I KUG von besonderem Gewicht, da diese Norm als unmittelbare einfachrechtliche Ausprägung der grundrechtliehen Kommunikations- und Informationsfreiheit anzusehen ist.568 Aus diesem Grunde ist eine normative Bestimmung des "öffentlichen Interesses" abzulehnen. Vielmehr kann es im Rahmen des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG allein darauf ankommen, ob das Bildnis ein tatsächlich vorhandenes öffentliches Interesse befriedigt. Die Feststellung dieses Interesses muss dabei grundsätzlich - arg. Art. 5 GG - von gesellschaftlicher Seite erfolgen.569 Demoskopische Gutachten zur Feststellung des faktischen öffentlichen Interesses, wie sie Helle als Konsequenz eines empirischen Ansatzes befürchtet570, sind jedoch ebenso ungeeignet wie überflüssig.571 In einer kommerzialisierten Medienlandschaft572 wird man vielmehr davon ausge564 565 566 567 568 569 570

Vgl. oben Erster Teil, B.III.4. und 5. Helle, S. 136. Holldack, zit. nach Müller, Bildnisveröffentlichung, S. 121 (Fn. 4). Helle, S. 136. So auch Franke in NJW 1981, S. 2033 (2035) sowie Helle, S. 131. So auch Wolf, S. 195. Helle, S. 135.

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2. Teil: Die Triviale Personenberichterstattung im Spannungsfeld

hen können, dass Angebot und Nachfrage auf dem Kommunikationsmarkt einander weitgehend entsprechen und die Medien daher als Vermittler des faktischen "öffentlichen Interesses" angesehen werden können: Die Massenmedien sind aus wirtschaftlichen Gründen darauf angewiesen, auf die Bedürfnisse und Wünsche ihrer Konsumenten bestmöglich einzugehen. Da sie ihre Produkte täglich neu konzipieren und auf den Markt abstimmen, sind sie ein optimaler Gradmesser für das faktische Informationsinteresse der Allgemeinheit. 573 In der gegenwärtigen Medienordnung spricht also eine Vermutung dafür, dass diejenigen Informationen, die sich in den Medien wiederfinden, das tatsächlich vorhandene öffentliche Interesse widerspiegeln.574 Dieser Gedanke wird sich dem Vorwurf ausgesetzt sehen, die Medien könnten damit selbst über die Rechtmäßigkeit ihres Handeins entscheiden. Diese Kritik griffe jedoch zu kurz. Denn zum einen hat der Gesetzgeber in § 23 Abs. 2 KUG eine äußerst wirkungsvolle Beschränkung der Publikationsbefugnis verankert, so dass die Medien selbst lediglich über die Qualifizierung eines Bildnisses als "zeitgeschichtlich", nicht jedoch über die Rechtmäßigkeit des Verbreitungsvorgangs entscheiden können. Und zum anderen wird man sich der Erkenntnis schlechterdings nicht verschließen können, dass das "öffentliche Interesse" an einer Personenaufnahme und damit deren zeitgeschichtliche Relevanz notwendigerweise von einem oder mehreren Individuen oder Institutionen bestimmt werden muss. Vor dem Hintergrund des Art. 5 GG ist es jedoch unumgänglich, diesen Bestimmungsakt in gesellschaftliche Hände zu legen und staatlichen Zugriffen weitest möglich zu entziehen. Es erscheint daher in jedem Fall sinnvoller und der ratio der Kommunikationsfreiheiten eher entsprechend, die Bestimmung der zeitgeschichtlichen Relevanz einer Personenaufnahme den im gesellschaftlichen Raum verwurzelten Medien und nicht den staatlichen Gerichten zu übertragen. Diesen Ansatz vertritt in einer jüngeren Entscheidung nunmehr auch explizit das Bundesveifassungsgericht, wenn es ausführt,

"[e]s trägt der Bedeutung und Tragweite der Pressefreiheit Rechnung, ohne den Persönlichkeitsschutz unverhältnismäßig zu beschneiden, dass der Begriff der 571 Diese können lediglich Auskunft über das "öffentliche Interesse" nach der Veröffentlichung geben. Hinsichtlich des "öffentlichen Interesses" zum Zeitpunkt der Bildnisverbreitung haben sie hingegen keine Aussagekraft. 572 Vgl. hierzu oben Erster Teil, C.II. 573 Ähnlich auch Ulrich, S. 121. Paradigmatisch ist das Vorgehen der Los Angeles Times, die im Herbst 1997 damit begonnen hat, ihre redaktionellen hilialte mittels täglich durchgeführter Leserbefragungen optimal auf die Bedürfnisse ihrer "Kunden" abzustimmen; vgl. "Ein paar Tränen für die Quote" in SÜDDEUTSCHE ZEITUNG vom 8./9. August 1998, Feuilleton-Beilage S. VII. 574 Zu diesem Ergebnis gelangen auch Engels/Schulz in AfP 1998, S. 574 (579).

B. Auflösung der Interessenkollision

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Zeitgeschichte in § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG nicht nach Maßgabe einer richterlichen Inhaltsbestimmung etwa allein Vorgänge von historischer oder politischer Bedeutung erfasst, sondern vom Informationsinteresse der Öffentlichkeit her bestimmt wird [. . .]. Zum Kern der Presse- und Meinungsbildungsfreiheit gehört es, dass die Presse innerhalb der gesetzlichen Grenzen einen ausreichenden Spielraum besitzt, in dem sie nach ihren publizistischen Kriterien entscheiden kann, was öffentliches Interesse beansprucht, und dass sich im Meinungsbildungsprozess herausstellt, was eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse ist" (BVerfG in ZUM 2000, S. 149, 158).

Im Ergebnis ist also davon auszugehen, dass alles, was von den Medien in einer gewissen Breite und Regelmäßigkeit dargestellt wird, per se von öffentlichem Interesse und damit von zeitgeschichtlicher Relevanz ist und somit dem Ausnahmetatbestand des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG unterfällt Eine wertende Beschränkung der (massenmedialen) Publikationsbefugnis kann erst im Rahmen der Güter- und Interessenahwägung des § 23 Abs. 2 KUG erfolgen. b) Entscheidungsmaßstäbe der Kollisionsauflösung im Bildnisschutz

Aus den obigen Ausführungen ergibt sich deutlich, dass die Rechtsprechung den Konflikt zwischen Medienfreiheit und Medienpersönlichkeitsrecht auch im Bereiche des Bildnisschutzes methodisch durch eine weitgehend unstrukturierte Gesamtabwägung der widerstreitenden Interessen löst. So erfolgt bereits die im Rahmen des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG vorzunehmende Qualifizierung des Abgebildeten als Person der Zeitgeschichte im Wege einer Interessenabwägung. 575 Gleiches gilt für die anschließende Feststellung des zeitgeschichtlichen Bezuges des konkreten Bildnisses.576 Und schließlich wird im Rahmen des § 23 Abs. 2 KUG das legitime Publikationsinteresse mit den entgegenstehenden Belangen des Abgebildeten zum Ausgleich gebracht.577 Die einzelnen Abwägungsvorgänge gleichen sich dabei hinsichtlich der zu berücksichtigenden Interessen so sehr, dass überwiegend davon ausgegangen wird, es komme für die Einzelfallentscheidung nicht darauf an, ob die Abwägung erst im Rahmen des § 23 Abs. 2 KUG oder schon bei dem Tatbestandselement des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG vorzunehmen ist.578 Die Rechtsprechung gliedert den Bildnisschutz damit konsequent in den übrigen Persönlichkeitsschutz ein, der - wie bereits dargelegt - insgesamt von einzelfallorientierten Güter- und Interessenahwägungen Vgl. nur LG Köln in AfP 1994, S. 166 (168). BGH in NJW 1979, S. 2203 - Fußballkalender; ähnlich auch BGH in AfP 1997, S. 475 (476)- Bob Dylan. 577 Vgl. auch BGH in AfP 1997, S. 475 (476)- Bob Dylan. 578 BGH in NJW 1985, S. 1617 (1618). In diesem Sinne auch BVerfGE 35, S. 202 (224 f.); BGH in NJW 1979, S. 2203; OLG Harnburg in AfP 1995, S. 665 (666). 575

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2. Teil: Die Triviale Personenberichterstattung im Spannungsfeld

geprägt ist. 579 Im Rahmen dieser Interessenahwägung berücksichtigt die Rechtsprechung dabei eigenständige und anband einer Vielzahl von Einzelfallentscheidungen entwickelte Leitkriterien, welche im folgenden herausgearbeitet, dargestellt und analysiert werden sollen. aa) Schutzbedürftigkeit der betroffenen Lebenssphäre Die Ausübung der Publikationsbefugnis nach § 23 I KUG darf keinen unzulässigen Eingriff in die Intim- oder Privatsphäre des Betroffenen bewirken.580 Dies ergibt sich schon aus den Motiven des Gesetzgebers zu § 23 Abs. 2 KUG, in denen es heißt, mit der Vorschrift solle "namentlich verhindert werden, dass die Vorgänge des persönlichen, häuslichen und Familienlebens in die Öffentlichkeit gezogen werden"581 . Bei der Abwägung der beiderseitigen Rechtspositionen misst die Rechtsprechung dem Schutz der Privatsphäre und insbesondere dem "Recht, für sich zu sein, sich selber zu gehören"582 daher einen besonderen Stellenwert bei.583 Zwar müsse eine Person der Zeitgeschichte grundsätzlich "gewisse mit [ihrem] Bekanntheitsgrad verbundene Einschränkungen in [ihrem] Lebensbereich in Kauf nehmen"584 und daher auch Bildaufnahmen dulden, die "sie nicht bei der Wahrnehmung einer öffentlichen Funktion zeigen, sondern ihr Privatleben im weiteren Sinn betreffen"585 . Gleichwohl verzichte sie mit dem Schritt in die Öffentlichkeit nicht von vornherein auf jegliches Privatleben. 586 Selbst die absolute Person der Zeitgeschichte könne sich grundsätzlich auf ein Recht auf Achtung ihrer Privatsphäre berufen. 587 Sie brauche es jedenfalls nicht zu dulden, dass Aufnahmen verbreitet werden, die sie im "Kembereich der Privatsphäre"588 betreffen. Von diesem Grundsatz dürfe nur aus579 Freilich missachtet sie damit die vom Gesetzgeber vorgegebene Systematik, derzufolge die Berücksichtigung entgegenstehender Interessen allein dem § 23 Abs. 2 KUG vorbehalten ist. 580 BVerfGE 35, S. 202 (232) - Lebach; BGHZ 24, S. 200 (208) - Spätheirnkehrer; BGH in NJW 1968, S. 1091- Ligaspieler; LG Köln in AfP 1994, S. 166 (168); OLG Harnburg in AfP 1996, S. 69 (71); BGH in AfP 1996, S. 140 (141 f.); OLG Harnburg in AfP 1997, S. 535 (537); BGH in NJW 1996, S. 593 (595) - Willy Brandt; vgl. auch Wenzel, Rn. 8.28. 581 Vgl. GRUR 1906, S. 11 (25). 582 BGH in AfP 1996, S. 140 (141)- Caroline von Monaco III. 583 BGH in AfP 1996, S. 140 (141)- Caroline von Monaco III. 584 LG Köln in AtP 1994, S. 166 (168). 585 BGH in AtP 1996, S. 140- Caroline von Monaco III. 586 LG Köln in AfP 1994, S. 166 (168). 587 BGH in AfP 1996, S. 140 (141); OLG Harnburg in AfP 1999, S. 175 (176). 588 BGH in AfP 1996, S. 140 (141 f.); vgl. auch BGH in NJW 1965, S. 2148 Spielgefährtin sowie OLG München in OLG-Rep. München 1997, S. 182.

B. Auflösung der Interessenkollision

221

nahmsweise abgewichen werden, wenn nämlich überwiegende öffentliche Interessen einen solchen Eingriff rechtfertigen. 589 Die Rechtsprechung zeigt sich hinsichtlich des ,.Ob" des Privatsphärenschutzes damit sehr einheitlich. Dass auch Personen der Zeitgeschichte grundsätzlichen Anspruch auf Achtung ihrer Privatsphäre haben, ist unbestritten. Problematisch erscheint allein die Bestimmung dessen, was thematisch der geschützten Privatsphäre zugehören und damit der Publikationsbefugnis der Medien entzogen sein soll. In dieser Frage stellten die Gerichte lange Zeit allein auf den Ort des aufgenommenen Geschehens ab. Entscheidend sollte sein, ob sich das fotografierte Ereignis in einer "der Öffentlichkeit verschlossenen Räumlichkeit innerhalb des eigenen Hauses"590 des Abgebildeten zugetragen hatte. Nur dann habe dieser sich in einer - räumlich verstandenen - Privatsphäre befunden und sei damit vor einer Veröffentlichung geschützt.591 Auf der Grundlage dieser Interpretation wurde die Person der Zeitgeschichte außerhalb ihrer eigenen vier Wände zum "Freiwild für Fotoreporter"592 und musste die Veröffentlichung jedweder Aufnahme - freilich im Rahmen der sonstigen rechtlichen Beschränkungen dulden. Dieser äußerst restriktiven Handhabung des Privatsphärenschutzes, die von Teilen der Literatur seit langem kritisiert worden war593 , ist der Bundesgerichtshof in der Entscheidung Caroline von Monaco /li aus dem Jahre 1995 entgegengetreten594 . Hier war die Klägerin-in den Kategorien der Rechtsprechung unzweifelhaft eine absolute Person der Zeitgeschichte zusammen mit ihrem Begleiter in einem ,.unvollkommen beleuchteten"595 , gleichwohl öffentlich zugänglichen Gartenlokal heimlich fotografiert worden. Der Bundesgerichtshof entschied, die Verbreitung dieses Fotos sei unzulässig, da die Klägerin wie jedermann das Recht habe, sich "an Orten außerhalb des eigenen Hauses zurückzuziehen, an denen sie für sich allein oder jedenfalls von einer breiten Öffentlichkeit abgeschieden sein will. Sie kann dies auch an Orten tun, die für jedermann frei zugänglich, also öffentlich sind."596

In einem solchen Falle nehme der Betroffene seine Privatsphäre gewissermaßen an einen Ort außerhalb des eigenen Hauses mit. Voraussetzung BGH in AfP 1996, S. 140 (142). BGH in AfP 1996, S. 140 (142) m. w.N. für diese Ansicht. 591 Vgl. bereits AG Ahrensböck in DJZ 1920, S. 569- Ebert/Noske; OLG Harnburg in AfP 1996, S. 69 (71); Wenzel, Rn. 5.46, 5.60; Hubmann, Persönlichkeitsrecht, S. 322. 592 Helle, S. 180. 593 Helle, S. 180 f. m. w. N. 594 BGH in AfP 1996, S. 140- Caroline von Monaco III. 595 BGH a.a.O. S. 140. 596 BGH a. a. 0. S. 142. 589

590

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2. Teil: Die Triviale Personenberichterstattung im Spannungsfeld

sei jedoch, dass dieser sich in eine "von der breiten Öffentlichkeit abgeschiedene Örtlichkeit" zurückgezogen habe, der aufgenommenen Situation objektiv erkennbar ein "typisch privater Charakter" anhafte und zur Anfertigung der Aufnahme die "Arglosigkeit des Betreffenden" bewusst ausgenutzt werde.597 Diese Entscheidung ist vom Bundesverfassungsgericht gebilligt worden: Die Privatsphäre, so der Erste Senat in seiner ausführlichen Urteilsbegründung, sei zweigeteilt: Ihr komme eine sowohl räumliche wie auch thematische Dimension bei. Thematisch umfasse der Privatsphärenschutz Angelegenheiten, die wegen ihres Informationsinhalts typischerweise als "privat" eingestuft würden, weil ihre öffentliche Erörterung oder Zurschaustellung als unschicklich gelte, das Bekanntwerden als peinlich empfunden werde oder nachteilige Reaktionen der Umwelt auslöse. 598 In räumlicher Hinsicht erstrecke sich der Schutz auf einen Bereich, in dem der Einzelne zu sich kommen, sich entspannen oder auch gehen lassen kann. 599 Die hiermit verbundene Ausdehnung des Privatsphärenschutzes ist nachdrücklich zu begrüßen. Das Konzept der "Privatheit" ist nicht räumlichgegenständlich zu verstehen, sondern final: Dem Individuum soll durch den Privatsphärenschutz die Möglichkeit gegeben werden, sich von der Gesellschaft unbeobachtet und unbeeinflusst in seiner Persönlichkeit zu entfalten. So spricht auch schon der historische Gesetzgeber nicht etwa von der Unzulässigkeit von Aufnahmen, die den Betroffenen in dessen "häuslichem Bereich" zeigen, sondern vielmehr von "Vorgängen des persönlichen Lebens"600, die dem Zugriff der Öffentlichkeit entzogen sein sollen. Die Beschränkung des Privatsphärenschutzes auf den häuslichen Bereich mag praktische Vorteile haben, indem sie die Abgrenzbarkeit der geschützten Sphäre erleichtert. Sie verkennt jedoch Sinn und Zweck des rechtlichen Privatsphärenschutzes. Die Probleme, die sich in der Rechtspraxis aus dieser Erweiterung des Privatsphärenschutzes601 ergeben werden, sind zwar nicht von der Hand zu weisen. Ob einer bestimmten Situation ein "typisch privater Charakter" anhaftet, der zudem jedermann offenbar wird, und ob es sich bei dem Ort der Aufnahme um eine "örtliche Abgeschiedenheit" handelt, werden die Gerichte im Einzelfall wertend feststellen müssen. BundesgeBGH a. a. O. S. 142. BVerfG in ZUM 2000, S. 149, 155. 599 BVerfG in ZUM 2000, S. 149, 155. 600 Stenographische Berichte des Reichstags, Vhdlg. 11 Legislaturperiode, II Session, 2. Anlagenband, Aktenstück Nr. 30, S. 1541. 601 Eine solche Erweiterung ist mit der hier zitierten Entscheidung unzweifelhaft einhergegangen. Wenn Soehring in NJW 1997, S. 360 (365) meint, es handele sich hierbei allenfalls um eine "Klarstellung aus gegebenem Anlass", so verkennt er die Tragweite der Entscheidung: Der Privatsphärenschutz ist nicht länger räumlich begrenzt, was im Ergebnis zu einer völlig neuen Qualität des rechtlichen Bildnisschutzes führt. 597

598

B. Auflösung der Interessenkollision

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richtshof und Bundesverfassungsgericht haben den Untergerichten mit ihren Entscheidungen jedenfalls deutlich konturierte Kriterien zur Bestimmung von Umfang und Grenzen des rechtlichen Privatsphärenschutzes an die Hand gegeben.

Die nach den aufgezeigten Grundsätzen festgestellte Beeinträchtigung der Privatsphäre ist zwar regelmäßig602, jedoch keinesfalls immer rechtswidrig. So berücksichtigt die Rechtsprechung auch das entgegenstehende Publikations- und Informationsinteresse und wägt dieses mit dem Privatsphärenschutz des Betroffenen ab. Der Gedanke des Privatsphärenschutzes konstituiert also keinesfalls ein absolutes Publikationsverbot. Die Anforderungen an das öffentliche Informationsinteresse werden lediglich desto höher, je stärker die Aufnahme den privaten Lebensbereich des Betroffenen berührt. Eine absolute Grenze ist erst bei Eingriffen in die Intimsphäre gegeben. Der in solchen Fällen einschlägige Schutz des Kernbereichs der Menschenwürde erlaubt dann keine Abwägung mit den gegenläufigen Interessen mehr. bb) Motivation und subjektiver Zweck der Bildnisveröffentlichung Im Rahmen der Abwägung berücksichtigt die Rechtsprechung weiterhin die Motivation des Abbildenden sowie dessen subjektive Zielsetzung. 603 Das positive Ende der hier geltenden Skala stellt ein vom Abbildenden verfolgter "Informationszweck"604 dar: Einer Bildnisveröffentlichung, welche der öffentlichen Aufklärung in einer aktuellen Frage dienen soll, kommt im Abwägungsprozess ein gesteigertes Gewicht bei. Eigennützigen Motiven hingegen wird ein äußerst geringes Gewicht beigemessen. So finden sich am negativen Ende der Skala insbesondere solche Fotoveröffentlichungen, die vorwiegend oder ausschließlich der Befriedigung kommerzieller Interessen des Abbildenden zu dienen bestimmt sind605 : 602 Dies gilt insbesondere für Aufnahmen von Minderjährigen. Hier erfährt die Gewichtung des Diskretions- und Anonymitätsinteresses eine deutliche Steigerung mit der Begründung, dass Kinder hinsichtlich der Gefahren, die von einer Berichterstattung der Medien ausgehen, eines besonderen Schutzes bedürfen; vgl. BVerfG in ZUM 2000, S. 149, 156; BVerfG in AfP 2000, S. 347; BVerfG in NJW 2000, S. 2191 sowie BVerfG in NJW 2000, S. 2191, 2192. 603 Vgl. nur BGH in NJW 1979, S. 2203 (2204) - Fußbal1ka1ender; OLG Harnburg in AfP 1996, S. 69 (71); BGH in AfP 1997, S. 475 (476); LG München I in AfP 1997, S. 554 (555); OLG Harnburg in AfP 1995, S. 665 (666); OLG Harnburg in ZUM 1995, S. 214; BGH in NJW 1996, S. 1142 (1143); BGH in NJW 1996, s. 593 (594). 604 OLG Harnburg in AfP 1995, S. 665 (666); vgl. auch Wenzel, Rn. 8.15. 605 Vgl. OLG Harnburg in AfP 1995, S. 665 (666); BGH in AfP 1997, S. 475 (476)- Bob Dylan m. w.N.; LG München I in AfP 1997, S. 554 (555).

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2. Teil: Die Triviale Personenberichterstattung im Spannungsfeld

"Auf § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG kann sich nicht berufen, wer nicht einem schutzwürdigen Informationsinteresse der Allgemeinheit nachkommt, sondern durch Verwertung des Bildnisses eines anderen [... ] allein sein Geschäftsinteresse befriedigen will."606

Problematisch an dieser Rechtsprechung, die als rechtspolitisches Ziel die Ausgrenzung von Werbeaufnahmen aus dem Publikationsprivileg des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG bezweckt, ist deren Anknüpfung an eine innere Tatsache, deren Vorliegen sich praktisch nicht oder nur sehr begrenzt feststellen lässt. Informative und kommerzielle Zweckbestimmungen sind häufig untrennbar miteinander verbunden. So hat der Bundesgerichtshof schon in der Entscheidung Fußballkalender607 zutreffend festgestellt, dass sich auch die Presse durch die Verbreitung von Bildnissen eine Verkaufsförderung erhoffe, gleichwohl deren Tätigkeit zweifelsfrei dem Publikationsprivileg des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG unterfalle. Zumindest eine "auch-kommerzielle" Motivation kann deshalb nicht den Ausschlag bei der Interessenabwägung geben. Diese Erkenntnis findet sich auch in einigen jüngeren Entscheidungen wieder, die damit vorsichtig Abstand von der bisherigen Rechtsprechung nehmen. So führt das OLG Harnburg in einem Urteil aus dem Jahr 1994 aus, der Umstand, "dass mit den Publikationen [...] ein Gewinnstreben verfolgt wird, ändert an der Verbreitungsbefugnis grundsätzlich nichts [... ]. Würde hierauf abgehoben, wäre die Verwirklichung der Vergünstigung des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG weitgehend unmöglich, zumal Presseunternehmen zur Erfüllung ihrer Funktion nicht verwehrt werden kann, sich marktgerecht und auch gewinnorientiert zu verhalten."608

Zutreffend heißt es dort weiter, die Zulässigkeit der Veröffentlichung einer Personenaufnahme entscheide sich nicht nach den dahinterstehenden (wirtschaftlichen) Interessen des Abbildenden, sondern vielmehr "nach dem Gewicht des Informationsinteresses, das der Veröffentlichende jeweils für sich in Anspruch nehmen kann." 609 Ähnlich argumentiert auch das LG Berlin in einem Urteil aus dem Jahr 1995 wenn es feststellt, es könne "trotz auch gewerblicher Nutzung eines Bildnisses die Publikationsfreiheit gegeben sein, weil das Bild als solches [... ] Informationen enthält, an denen die Allgemeinheit ein Interesse hat. "61 0

Ob hierin jedoch eine generelle Abkehr von dem Kriterium der Veröffentlichungsmotivation zu sehen ist, erscheint zweifelhaft. Es ist vielmehr 606 BGH in AfP 1997, S. 475 (476) - Bob Dylan; BGH in NJW 1996, S593 (594)- Willy Brandt; BGHZ 20, S. 345- Paul Dahlke. 607 BGH in NJW 1979, S. 2203 (2204). Ähnlich auch OLG Harnburg in AfP 1996, S. 69 (71). 608 OLG Harnburg in AfP 1996, S. 69 (70 f.). 609 OLG Harnburg in ZUM 1995, S. 214 f. 610 LG Berlin in NJW 1996, S. 1142 (1143).

B. Auflösung der Interessenkollision

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davon auszugehen, dass die grundsätzliche Skepsis der Gerichte gegenüber einer kommerziellen Grundrechtsbetätigung im Bereich der Kommunikationsfreiheiten vermutlich auch in Zukunft einen erheblichen Einfluss auf das Ergebnis des Abwägungsprozesses haben wird. 611 cc) Art und Weise der Bildnisbeschaffung Als weiteres Abwägungskriterium dient der Rechtsprechung die Art und Weise der Bildnisherstellung bzw. der Erlangung des zu veröffentlichenden Foto- oder Filmmaterials. Die Problematik der rechtswidrigen Bildnisherstellung wurde zwar bislang vorwiegend im Zusammenhang mit dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht diskutiert. 612 Hier ist seit langem anerkannt, dass in der unbefugten Anfertigung von Bildnissen unter bestimmten Voraussetzungen eine eigenständige Persönlichkeitsverletzung liegen kann. Dies soll insbesondere gelten für Fälle der sog. Bildniserschleichung, also der Anfertigung eines Fotos unter Ausnutzung der Ahnungslosigkeit des Abgebildeten. 613 Wie Helle jedoch zutreffend bemerkt, muss sich das Rechtswidrigkeitsurteil über die Herstellung des Bildnisses auch auf dessen Veröffentlichungsbefugnis auswirken. 614 Das Verbot der rechtswidrigen Herstellung erwiese sich als stumpfes Schwert, wenn dem Täter zwar die Anfertigung der Aufnahme untersagt, er im Falle eines Verstoßes jedoch nicht an der Verbreitung derselben gehindert würde. Der Bundesgerichtshof hat diesen Gedanken in der Entscheidung Caroline v. Monaco III aufgegriffen und die Rechtswidrigkeit der dort streitgegenständlichen Aufnahmen unter anderem damit begründet, dass diese "versteckt und für die Klägerin unbemerkt aus großer Entfernung mit weitreichenden Teleobjektiven" angefertigt worden seien und damit "belauschenden Charakter" hätten. 615 Eine rechtswidrige Bildniserschleichung, so der Bundesgerichtshof in diesem Zusammenhang, liege immer dann vor, wenn der Fotograf "die Arglosigkeit des Betreffenden, der sich unbeobachtet wähnt, für seine Zwecke ausnutzt. Das ist dann der Fall, wenn er den Betreffenden gleichsam durch das Schlüsselloch beobachtet und ihn auf diese Weise heimlich mit der Anfertigung von Bildnissen überrascht. Das gleiche gilt, wenn die Bildaufnahme In diesem Sinne auch Helle, S. 186. Vgl. nur BGHZ 24, S. 200 (208 f.) - Spätheimkehrer; BGH in NJW 1966, S. 2353 - Vor unserer eigenen Tür. 613 BGHZ 24, S. 200 (208) - Spätheirnkehrer; OLG Frankfurt in NJW 1987, S. 1087. 614 Helle, S. 189. 615 BGH in AfP 1996, S. 140 (143): Die Heimlichkeit der Aufnahmen habe bewusst dazu gedient, die fehlende Einwilligung der Klägerin zu unterlaufen und deren Arglosigkeit und Unbefangenheit auszunutzen, um gerade dadurch persönlichste Regungen zu erhaschen. 611

612

15 Neben

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2. Teil: Die Triviale Personenberichterstattung im Spannungsfeld

zwar offen, aber so überrumpelnd geschieht, dass sich der Betreffende darauf nicht mehr einrichten kann."616

Ob eine solche Bildniserschleichung ausnahmslos die Rechtswidrigkeit der Veröffentlichung nach sich ziehen soll, oder ob erschlichene Bildnisse unter bestimmten Voraussetzungen doch veröffentlicht werden dürfen, lässt sich dieser Entscheidung freilich nicht entnehmen. In einer früheren Entscheidung ging der Bundesgerichtshof allerdings davon aus, die Bildniserschleichung könne im Einzelfall durch ein überragendes Informationsinteresse der Allgemeinheit gerechtfertigt werden.617 Man wird die Art und Weise der Bildnisherstellung daher lediglich als eines von mehreren zu berücksichtigenden Abwägungskriterien betrachten können, das jedenfalls nicht den alleinigen Ausschlag geben kann. Gleichwohl sollte - aus den aufgeführten Gründen- zumindest eine starke Vermutung für die Unzulässigkeit der Verbreitung rechtswidrig erlangter Aufnahmen sprechen. dd) Legitimität des öffentlichen Informationsinteresses und Informationswert des Bildnisses Ein äußerst bedeutendes Abwägungskriterium im Bereich des Bildnisschutzes ist das Ausmaß des öffentlichen Interesses an der konkreten Bildnisverbreitung. Maßgeblich soll zu berücksichtigen sein, inwieweit mit der konkreten Bildnisveröffentlichung "dem Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit über die bloße Vermittlung des Bildes hinaus Rechnung getragen wird"618 • Wie schon oben ausgeführt619, wird dieses Merkmal allerdings überwiegend normativ und nicht faktisch verstanden. 620 Zu berücksichtigen sei allein das "anerkennenswerte"621 und "berechtigte"622, nicht hingegen das faktische Informationsinteresse der Öffentlichkeit. In der jüngeren Judikatur hat sich zur Umschreibung des so verstandenen, legitimen öffentlichen Informationsinteresses der Begriff des "Informationswertes" der Aufnahme etabliert. Der Bundesgerichtshof führt hierzu in der Entscheidung Caroline v. Monaco III aus, bei der beiderseitigen Interessenahwägung im Rahmen des § 23 Abs. 2 KUG spiele BGH in AfP 1996, S. 140 (142). BGHZ 24, S. 200 (208) - Spätheimkehrer. 6 18 OLG Harnburg in ZUM 1995, S. 214 (215). 619 Dazu und zur Kritik an der herrschenden Meinung vgl. oben Zweiter Teil, B.II.2.a)cc). 620 Unklar oder abweichend jedoch LG Köln in AfP 1994, S. 166 (169)- Harald Schmidt; OLG Harnburg in ZUM 1995, S. 214 (215); LG Köln in AfP 1994, S. 165 (166). 621 BGH in NJW 1996, S. 985 (986). Ähnlich auch OLG München, AfP 1995, S. 658 (660); BGH in NJW 1996, S. 1142 (1143). 622 So beispielsweise LG Berlin in NJW 1997, S. 1373 (1374). 616

617

B. Auflösung der Interessenkollision

227

"der Informationswert des abgebildeten Vorgangs eine erhebliche Rolle. Je größer das Informationsinteresse der Öffentlichkeit ist, desto mehr muss das Schutzinteresse einer Person der Zeitgeschichte hinter den Informationsbelangen der Öffentlichkeit zurücktreten. Umgekehrt wiegt aber auch der Schutz der Persönlichkeit des Betroffenen um so schwerer, je geringer der Informationswert der Abbildung für die Allgemeinheit ist."623

Dieser Gedanke einer thematisch-gegenständlichen Bewertung des Bildnisses findet sich in einer Vielzahl von Entscheidungen.624 Der Bundesgerichtshof selbst spricht in einem anderen Zusammenhang von der Notwendigkeit einer Berücksichtigung des "Öffentlichkeitswertes" der Aufnahme625, das OLG Harnburg wiederum stützt sich in einem Urteil aus dem Jahre 1995 auf den "zeitgeschichtlichen Nachrichtenwert" des streitgegenständlichen Bildnisses626. Weitgehende Übereinstimmung besteht dabei hinsichtlich der Frage, worin ein besonders hoher respektive ein besonders niedriger Informationswert zu sehen ist. So soll solchen Aufnahmen, die auf Seiten der Allgemeinheit lediglich "bloße Neugier und Sensationslust sowie ein bloßes Interesse an Unterhaltung" befriedigen, ein sehr geringer Informationswert beikommen. 627 Dies trifft regelmäßig für Aufnahmen aus dem Privatbereich zu, mit denen allein voyeuristische Bedürfnisse des Betrachters angesprochen werden. 628 Als besonders hochwertig werden demgegenüber Bildnisse angesehen, die den Abgebildeten in einem deutlichen Zusammenhang mit den Leistungen darstellen, derentwegen er der Öffentlichkeit bekannt ist. 629 Der Bundesgerichtshof bemerkt hierzu, "der Öffentlichkeitswert des Bildnisses [wird] noch erhöht, wenn es den Abgebildeten im Rahmen der Tätigkeit zeigt, durch welche er das Publikum auf sich besonders aufmerksam gemacht hat." 630

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe sind in jüngerer Zeit von der Rechtsprechung für unrechtmäßig - weil von nur geringem Informationswert - befunden worden: Die Abbildung Prinzessin Caroline v. Monacos mit einem Begleiter in einem Gartenlokal631 , die Aufnahme des Kindes BGH in AfP 1996, S. 140 (143). Vgl. nur OLG Harnburg in AfP 1997, S. 535 (537); LG Berlin in NJW 1996, S. 1142 (1143): "Informationswert". 625 BGH in AfP 1997, S. 475 (476) -Bob Dylan; BGH in NJW 1996, S. 593 (594) - Willy Brandt. 626 OLG Harnburg in AfP 1995, S. 665 (667). 627 BGH in AfP 1996, S. 140 (143). Ähnlich auch BVerfGE 34, S. 269 (283) Soraya; BGHZ 24, S. 200 (208); BGHZ 128, S. 1 (12); OLG Harnburg in AfP 1992, S. 376 (377); OLG München, S. 658 (660). 628 Vgl. nur OLG Harnburg in AfP 1997, S. 535 (537); OLG Harnburg in AfP 1995, s. 665 (667). 629 Vgl. BGH in NJW 1996, S. 593 (594); BGH in AfP 1997, S. 475 (476). 630 BGH in AfP 1997, S. 475 (476). 623

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15*

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2. Teil: Die Triviale Personenberichterstattung im Spannungsfeld

einer absoluten Person der Zeitgeschichte beim Einkaufsbummel und anschließendem Spaziergang632, ein Foto der Lebensgefährtin des Fernsehmoderators Harald Schmidt, welches diese in Köln beim Einkaufsbummel zeigt633 , der Abdruck eines Nacktfotos der Schauspielerio Esther Schweins634 , die Ablichtung der Tochter einer absoluten Person der Zeitgeschichte bei deren Taufe635 sowie die Verwendung des Portraitfotos eines bekannten Politikers zu Werbezwecken.636 Demgegenüber wurde ein ausreichender Informationswert bejaht für die Verwendung von Konzertfotos des amerikanischen Popmusikers Bob Dylan zur Bebilderung einer gewerblich vertriebenen CD. Dieser sei, so der Bundesgerichtshof, "in Aktion" und "in Konzerthaltung" abgebildet worden. Den Aufnahmen komme daher "ein gewisser, wenn auch nicht sehr bedeutender Informationswert für die Verbraucher zu". 637 Die von der Rechtsprechung praktizierte Orientierung am Informationswert des Bildnisses ist abzulehnen. Sie führt zu nicht nachvollziehbaren und z. T. widersprüchlichen, stark subjektiv geprägten und damit der Rechtssicherheit abträglichen Ergebnissen. So ist schwerlich einsehbar, warum die Verwendung der Portraitaufnahme eines Politikers mangels Informationswertes unzulässig sein soll, den Konzert(moment-)aufnahmen eines Popstars hingegen ein solcher Informationswert zugebilligt wird. 638 Zudem findet der offensichtlich beabsichtigte Schutz der Privatsphäre im Rahmen der Abwägung ohnehin Berücksichtigung639, ohne dass es eines Rückgriffes auf den "Informationswert" der konkreten Aufnahme bedürfte. Und schließlich muss auch hier gelten, dass die Bewertung eines Fotos als visuelle Informationseinheit grundsätzlich nicht von staatlichen Organen vorgenommen werden darf, arg. Art. 5 GG (Grundsatz der inhaltlichen Neutralität). Der Informationswert der Aufnahme erweist sich daher als ungeeignetes Abwägungskriterium bei der Bestimmung der Rechtmäßigkeit von Bildnisveröffentlichungen. Gleichwohl kommt ihm in der gerichtlichen Praxis eine herausragende Bedeutung bei.640 BGH AfP 1996, S. 140 (143)- Caroline von Monaco III. BGH in AfP 1997, S. 535 (537). 633 LG Köln in AfP 1994, S. 165 (166). 634 OLG Harnburg in AfP 1995, S. 665 (667). 635 OLG München in AfP 1995, S. 658 (660). 636 LG Berlin in NJW 1996, S. 1142 (1143). 637 BGH in AfP 1997, S. 475 (476) -Bob Dylan. 638 Das OLG Harnburg wiederum verneinte in einem ähnlichen Fall den Informationswert von Konzertfotos; vgl. OLG Harnburg in ZUM 1995, S. 214 (215). 639 Vgl. oben Zweiter Teil, B.II.2.b)aa). 640 Zur Kritik an diesem Abwägungskriterium der Rechtsprechung vgl. ausführlich unten Zweiter Teil, B.III.2. 631

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ee) Sachbezug der Bildnisverbreitung Von Bedeutung für die Interessenahwägung im Rahmen des § 23 Abs. 2 KUG ist weiterhin der Sachbezug der Bildnisverbreitung. So sollen Aufnahmen, denen kein selbständiger Informationsgehalt innewohnt, nur dann verbreitet werden dürfen, wenn sie auf den Inhalt eines begleitenden redaktionellen Textes hinweisen und diesen veranschaulichen oder belegen.641 Berücksichtigung findet damit neben dem originären auch der derivative Informationswert der Aufnahme. So billigte das OLG Frankfurt/Main die Verbreitung von Filmaufnahmen von Mitgliedern einer Glaubensgemeinschaft mit der Begründung, die Veröffentlichung entspreche und diene dem "informationellen Gesamtanliegen" der Sendung.642 Auf der anderen Seite hielt das OLG Harnburg die Veröffentlichung eines Nacktfotos in einer Illustrierten für unzulässig, weil es sich bei dem weitgehend unkommentiert abgedruckten Foto einer prominenten Schauspielerio lediglich um einen sog. "eyecatcher" gehandelt habe, dessen Zweck sich darin erschöpfe, einen Blickfang für die Zeitung zu schaffen, dem jedoch weder eigener noch abgeleiteter Informationswert beikomme.643 Keine Voraussetzung einer Annahme hinreichenden Sachbezugs ist nach Auffassung der Gerichte, dass die jeweilige Bildnisverwendung sich aus publizistischer Sicht als unverzichtbar darstellt: Es widerspräche dem Grundgedanken des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG, wenn dem Abbildenden auferlegt würde zu beweisen, dass sich die beabsichtigte Informationsvermittlung ohne Hinzunahme des Bildnisses nicht hätte verwirklichen lassen. Vielmehr sei zumindest bei der Bildnisverbreitung im redaktionellen Teil einer Zeitung in der Regel davon auszugehen, dass diese der Information diene und damit einen hinreichenden Sachbezug aufweise. 644 Erst eine Bildnisveröffentlichung, die sich als vollkommen bezugloses "Zur-Schau-Stellen"645 des Abgebildeten darstelle, sei mangels Sachbezug als rechtswidrig anzusehen. Das Sachbezugskriterium führt zu zwei bedeutsamen praktischen Konsequenzen. Zum einen erhöht es die Zulässigkeitsschwelle für die Veröffentlichung unkommentierter Fotos. Diese müssen aus sich heraus einen gewissen Informations- oder Nachrichtenwert aufweisen, um auch ohne Einwilligung des Betroffenen verbreitet werden zu dürfen. Zum anderen zieht es die Grenzen auch für kommentierte und kommentierende Fotos enger: Diese müssen zwar nicht aus sich heraus informieren. Sie müssen aber thematisch einen hinreichend engen Bezug zum redaktionellen Inhalt der Publikation 641 642 643 644

645

OLG OLG OLG OLG OLG

Harnburg in AfP 1995, S. 665 (667). Frankfurt/Main in ZUM 1995, S. 215 (216). Harnburg in AfP 1995, S. 665 (667). Harnburg in AfP 1995, S. 665 (666). Harnburg in AfP 1995, S. 665 (667).

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2. Teil: Die Triviale Personenberichterstattung im Spannungsfeld

aufweisen. Da jedoch keine Unabdingbarkeil der Bildnispublikation für das redaktionelle Konzept erforderlich ist, führt das Sachbezugskriterium gleichwohl nicht zu einer nennenswerten Beschränkung des Publikationsprivilegs: Ein hinreichender Sachbezug der Abbildung wird sich in der überwiegenden Anzahl der Fällen darlegen lassen, und gänzlich "inhaltsleere" Aufnahmen werden ohnehin aufgrund ihres nur geringen Informationswertes regelmäßig schon nach den bisher dargestellten Abwägungsprinzipien hinter den berechtigten Interessen des Abgebildeten zurücktreten müssen. ft) Grad der faktischen Anonymität Der rechtliche Bildnisschutz will neben dem Diskretionsinteresse auch dem Anonymitätsinteresse des Abgebildeten Rechnung tragen. 646 Dieses wird von der Rechtsprechung daher als berechtigtes Individualinteresse in den Abwägungsprozess miteinbezogen.647 Freilich gilt dies nicht für die sog. absoluten Personen der Zeitgeschichte, welche der Öffentlichkeit ja bereits qua status bekannt sind. Ein Verbleiben in Anonymität ist ihnen damit faktisch unmöglich. Anders verhält es sich jedoch bei relativen Personen der Zeitgeschichte. Diese werden erst im Zusammenhang mit einem zeitgeschichtlichen Ereignis bekannt und treten mit der Verbreitung ihres Bildnisses erstmalig aus ihrer (bisherigen) Anonymität ins Licht der Öffentlichkeit. Hier ist das Interesse des Betroffenen, auch weiterhin ein von der Öffentlichkeit unbeobachtetes Leben führen zu können, mit dem Publikationsinteresse des Veröffentlichenden sowie dem Informationsinteresse der Allgemeinheit abzuwägen. Unerheblich ist dabei, in welcher Weise, in welcher Situation und an welchem Ort der Betroffene fotografiert wird. Die öffentliche Darstellung einer banalen Alltagssituation vermag das Anonymitätsinteresse des Abgebildeten ebenso stark zu verletzen wie die Wiedergabe einer privaten oder intimen Szene. Auf den Inhalt und das Thema des Bildnisses kommt es daher nicht an. Entscheidend ist allein, inwieweit sich der Betroffene vor der fraglichen Veröffentlichung tatsächlich im Zustand öffentlicher Unbekanntheil (faktische Anonymität) befunden hat. Die von den Gerichten vorgenommene Anonymitätsprüfung unterscheidet sich dabei wesentlich von dem benachbarten Einwilligungsgedanken: Es kommt hier nicht darauf an, ob sich der Betroffene freiwillig seiner Anonymität begeben hat. 648 Vielmehr kann die faktische Anonymität auch ohne oder gegen dessen Willen von Dritten beseitigt und damit die Schutzlosigkeit des Betroffenen bewirkt werden. So entschied das LG Köln im Jahre 646 BGHZ 24, S. 200 (209) - Spätheimkehrer; vgl. dazu ausführlich oben Zweiter Teil, A.Il.3.b. 647 Vgl. LG Köln in AfP 1994, S. 166 (168 f.); LG Köln in AfP 1994, S. 165. 648 Vgl. hierzu insbesondere OLG Köln in AfP 1982, S. 181 - Rudi Carrell.

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1994, die Lebensgefahrtin des bekannten Fernsehmoderators Harald Schmidt müsse die Verbreitung von Aufnahmen dulden, welche sie zusam-

men mit ihrem prominenten Freund beim Einkaufsbummel in der Kölner Innenstadt zeigen, da die "grundsätzlich schützenswerte Anonymität der Antragstellerio durch [... ] von ihrem LebensgefahrteD veranlaßte Presseveröffentlichungen [...] schon beseitigt worden ist"649 Dieser hatte sich in der Öffentlichkeit über seine Beziehung sowie den Namen und die Lebensumstände seiner Freundin geäußert. Obwohl es das Gericht als erwiesen ansah, dass seine Lebensgefahrtin selbst sich konsequent um die Wahrung ihrer Privatsphäre und Anonymität bemüht hatte, entschied es, dass eine Fotoveröffentlichung jedenfalls ab dem Moment zulässig sei, an dem "die Verbindung zwischen der Antragstellerio und dem Fernsehmoderator Schmidt gleichgültig aus welchen Gründen- bekannt geworden ist"650. Dieser faktische Betrachtungsweise ist grundsätzlich zuzustimmen. Ein berechtigtes Anonymitätsinteresse kann schlechterdings nur detjenige geltend machen, der in der breiten Öffentlichkeit auch tatsächlich noch nicht bekannt ist. Gleichwohl ergibt sich hieraus ein nicht unerhebliches Problem. So würden die Medien bei Zugrundelegung einer rein faktischen Betrachtungsweise in die Lage versetzt, das Anonymitätsinteresse des Betroffenen durch eine - möglicherweise rechtswidrige - Erstveröffentlichung selbst zu beseitigen. Die Rechtsprechung sieht dieses Problem zwar, löst es jedoch dogmatisch unbefriedigend im Wege einer Ausnahmeregelung: Das Erscheinen einer Person in den Medien allein soll deren Anonymitätsinteresse nicht beseitigen können. 651 Überzeugender erscheint demgegenüber die Nutzbarmachung des Gedankens der Rechtsmissbräuchlichkeit. So wird sich zumindest dasjenige Medium, welches den Betroffenen zunächst ans Licht der Öffentlichkeit gezerrt hat, im Rahmen der Beurteilung einer späteren Folgeveröffentlichung nicht darauf berufen können, dessen Anonymitätsinteresse sei bei der Abwägung des § 23 Abs. 2 KUG nun nicht mehr zu berücksichtigen. Eine rechtswidrige Erstveröffentlichung wird das Anonymitätsinteresse im Hinblick auf spätere Bildnisverbreitungen durch das identische Medium daher unberührt lassen. Rechtmäßige Erstveröffentlichungen hingegen führen regelmäßig dazu, dass der Betroffene sich gegen spätere Bildnisverbreitungen jedenfalls nicht mehr unter Berufung auf sein Anonymitätsinteresse zur Wehr setzen kann.

649 650 65t

LG Köln in AfP 1994, S. 166 (168). LG Köln a. a. 0 . Vgl. LG Köln in AfP 1994, S. 165.

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2. Teil: Die Triviale Personenberichterstattung im Spannungsfeld

gg) Unverletzlichkeit der Menschenwürde Auch visuelle Personendarstellungen können den Betroffenen unmittelbar in seinem personalen Geltungsanspruch betreffen. Der Grundsatz der Unverletzlichkeit der Menschenwürde findet daher auch im Rahmen der Interessenahwägung des § 23 Abs. 2 KUG Berücksichtigung.652 Hiermit entspricht die Rechtsprechung dem erklärten Willen des historischen Gesetzgebers, der durch die Normierung des Bildnisschutzes namentlich verhindem wollte, dass "das Bildnis für Zwecke verwendet wird, mit denen, ohne dass der Fall einer strafrechtlichen Beleidigung vorliegt, doch eine Verletzung der dem Abgebildeten schuldige Achtung oder eine Kränkung [... ] verbunden ist."653 Die berechtigten Interessen des Dargestellten i. S. v. § 23 Abs. 2 KUG können zunächst durch solche Bildnisveröffentlichungen verletzt werden, die diesen in seinem öffentlichen Ruf oder Respekt herabsetzen. Als wohl berühmtester historischer Fall einer solchen visuellen Ehrverletzung kann die - nach damaligem Verständnis höchst despektierliche - Abbildung Eberts und Noskes im Badeanzug am Strand gelten.654 Auch heute wird die Verbreitung von Personenaufnahmen, welche den Dargestellten in vergleichbarer Weise der Lächerlichkeit preisgeben, grundsätzlich für unzulässig befunden655 . Daneben führt die Unverletzlichkeit des Kernbereichs der Menschenwürde dazu, dass die einwilligungslose Verbreitung von Nacktoder Intimaufnahmen grundsätzlich für unzulässig befunden wird. 656 Die Veröffentlichung von Fotos dieser Art sei typischerweise dazu geeignet, "die abgebildete Person in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen"657 und stelle sich daher regelmäßig als unzulässiger Eingriff in den besonders 652 Vgl. AG Ahrensböck in DJZ 1920, S. 596 - Noske/Ebert; BGH in NJW 1985, S. 1617 - Nacktfoto; BGHZ 24, S. 200 (209 f.) - Spätheimkehrer; BGH in NJW 1966, S. 2353 -Vor unserer eigenen Tür; LG Baden-Baden in ArchPR 1971, S. 138; OLG Harnburg in ArchPR 1972, S. 150; LG Köln in AfP 1994, S. 166 (168); OLG Harnburg in AfP 1996, S. 69 (71); BGH in NJW 1996, S. 1142 (1143); BGH in NJW 1996, S. 593 (595); OLG Harnburg in NJW-RR 1995, S. 220 (221 f.); OLG Hamm in NJW-RR 1997, S. 1044. 653 Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Deutschen Reichstags, 11. Legislaturperiode, II. Sess., 2. Anlagenbd., S. 1541. 654 Das AG Ahrensböck verneinte hier zwar eine Ehrverletzung, stellte sich damit jedoch, wie Helle zutreffend bemerkt, in Widerspruch zum erklärten Willen des Gesetzgebers, der die Abbildung eines Staatsmannes im Badekostüm in den Materialien zum KUG ausdrücklich als Anwendungsfall des § 23 Abs. 2 KUG benannt hatte; vgl. Helle, S. I 77 Fn. 293. 655 Vgl. dazu Wenzel, Rn. 8.31; Helle, S. 177 m. w. N. aus der Rechtsprechung. 656 BGH in NJW 1985, S. 1617; OLG München in NJW-RR 1996, S. 539; OLG Harnburg in NJW-RR 1995, S. 220; OLG Hamm in NJW-RR 1997, S. 1044. 657 OLG Hamm in NJW-RR 1997, S. 1044.

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geschützten Intimbereich des Betroffenen dar. 658 Und schließlich instrumentalisiert die Rechtsprechung den Gedanken des Menschenwürdeschutzes, indem sie solche Aufnahmen von dem Publikationsprivileg des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG ausnimmt, deren Veröffentlichung den Betroffenen zum "Objekt wirtschaftlicher Interessen" degradiert. 659 Könne der Betroffene sich durch die Veröffentlichung "als Ware oder Werbemittel missbraucht fühlen", so das OLG Harnburg in einer Entscheidung aus dem Jahre 1994, dann müsse die Interessenahwägung des § 23 Abs. 2 KUG regelmäßig zu seinen Gunsten ausgehen. 660 Mit der dargestellten Instrumentalisierung des Menschenwürdeschutzes setzt die Rechtsprechung das Verfassungsgebot des Art. 1 I GG um und stellt sicher, dass zumindest der Kernbereich der personalen Würde des Einzelnen auch im Bereich der visuellen Informationsverbreitung respektiert wird. Die Besonderheit des Würdeschutzes liegt auch im Bereich der Bildnisverbreitung in seiner grundsätzlichen Abwägungsunfähigkeit. Eingriffe in den Kernbereich der Menschenwürde können auch hier nicht durch die Wahrnehmung von Informationsinteressen gerechtfertigt werden. 661 Es gilt, wie bereits im Bereich der verbalen Informationsverbreitung festgestellt, dass die Qualifizierung einer Veröffentlichung als Eingriff in den Kernbereich der Menschenwürde grundsätzlich und ausnahmslos zu deren Rechtswidrigkeit führt. Der Schutz des Menschenwürdekerns stellt damit auch bei der Beurteilung von Bildnisveröffentlichungen ein absolutes und praktisch damit äußerst bedeutsames Kriterium dar. hh) Authentizität der Aufnahme Das Interesse des Betroffenen an einer wahrheitsgemäßen öffentlichen Darstellung der eigenen Person ist auch im Rahmen des Bildnisschutzes zu berücksichtigen. Es findet über § 23 Abs. 2 KUG Eingang in den gerichtlichen Abwägungsprozess. 662 Das Wahrheitsinteresse des Abgebildeten ist immer dann berührt, wenn das veröffentlichte Bildnis mit technischen Mitteln bearbeitet wird, also durch Hinzufügung (Fotomontage) oder Entfernung (Retusche) von Details der Originalaufnahme. Das Bildnis wird damit unwahr. Daneben kann aber auch das unbearbeitete Einzelbildnis aus dem konkreten Zusammenhang seiner Veröffentlichung heraus einen entstellenden oder verfalschenden Eindruck erwecken. Hier ergibt sich die WahrOLG Harnburg in NJW-RR 1995, S. 220 (221 f.). Vgl. BGH in AfP 1997, S. 475 (476 f.); OLG Harnburg in ZUM 1995, S. 214. 660 OLG Harnburg in ZUM 1995, S. 219. 661 A.A. Wenzel, Rn. 8.31. 662 Vgl. BGHZ 24, S. 200 (208)- Spätheirnkehrer; BGHZ 26, S. 52 (67)- Sherlock Holmes; OLG Karlsruhe in GRUR 1989, S. 823. 658 659

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heitswidrigkeit aus einer Zusammenschau des veröffentlichten Bildnisses, des begleitenden Textes, der Bildunterschriften sowie der Position des Bildes im redaktionellen Gesamtkonzept. Bei Filmsequenzen wiederum kann sich die Wahrheitswidrigkeit aus einer irreführenden Vertauschung der Bilderfolge ergeben.663 Von einer Verletzung des Wahrheitsinteresses wird man jedoch nur dann ausgehen können, wenn dem Betrachter die Veränderung, Entstellung oder Bearbeitung nicht ohne weiteres als solche erkennbar ist. Bei humoristischen Fotomontagen beispielsweise soll die Verfälschung dem Betrachter gerade bewusst werden und ist in aller Regel auch nicht zu übersehen. Hiergegen wird der Betroffene eine Verletzung seines Wahrheitsinteresses nicht geltend machen können. Im übrigen jedoch ist das verfälschte Foto genauso wie die verbale Unwahrheit zu behandeln: Jedenfalls dessen vorsätzliche Verbreitung wird als rechtswidrig anzusehen sein.664 c) Zusammenfassung und Ergebnis

Die vorausgegangene Rechtsprechungsanalyse hat - ebenso wie bereits zuvor für den Ehrschutz - die Benennung derjenigen Leitprinzipien ermöglicht, welche in der gegenwärtigen Rechtspraxis den Ausgleich zwischen Medienfreiheit und Bildrechtsschutz bestimmen. Es konnte gezeigt werden, dass die Gerichte die Kollisionsauflösung im Bildnisschutz vor allem mit Blick auf die Belange des Betroffenen vornehmen. So berücksichtigen sie - neben der bereits den Ehrschutz leitenden "Unverletzlichkeit der Menschenwürde" - maßgeblich die "Schutzbedürftigkeit der betroffenen Lebenssphäre" und den "Grad der faktischen Anonymität" des Dargestellten. Von Bedeutung für den Prozess der Interessenabwägung sind daneben die "Authentizität der Aufnahme" sowie der "Sachbezug der Bildnisverbreitung". Mit Blick auf den Kommunikator entscheiden die "Motivation und der subjektive Zweck der Bildnisveröffentlichung" sowie die "Art und Weise der Bildbeschaffung"; mit Blick auf die Rezipienten sind die "Legitimität des öffentlichen Informationsinteresses" sowie der "Informationswert des Bildes" von Bedeutung. Aus dieser Aufzählung geht hervor, dass zwischen Ehrschutz und Bildnisschutz deutliche Parallelen bestehen - hier wie dort bildet der "Schutz des Menschenwürdekerns" eine absolute Berichterstattungsgrenze; hier wie dort finden die Motivation des Äußernden und die Legitimität des öffentlichen Informationsinteresses Berücksichtigung. Im Unterschied zum Ehrschutz, dessen maßgebliche Orientierungsgröße ja die gesellschaftliche 663

So der Fall, der BGHZ 26, S. 52 - Sherlock Holmes zugrunde lag, vgl. dazu

Wenzel Rn. 8.30. 664

Vgl. ausführlich dazu unten Zweiter Teil, B.II.4.a).

B. Auflösung der Interessenkollision

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Relevanz der Äußerung darstellt, ist der Bildnisschutz allerdings entscheidend von der Frage nach der individuellen Schutzwürdigkeit des Dargestellten geprägt. Dieser Umstand ist die unmittelbare Folge eines entgegengesetzten Regel-Ausnahme-Verhältnisses: Während ehrverletzende Äußerungen tendenziell zulässig sind, sofern nicht eine der geschilderten Ausnahmekonstellationen einschlägig ist, ist im Bildnisschutz von der grundsätzlichen Unzulässigkeil einer einwilligungslosen Bildnisveröffentlichung auszugehen, sofern nicht im Einzelfall das besondere öffentliche Informationsinteresse eine gegenteilige Entscheidung erfordert. Dieser elementare Unterschied zwischen Ehrschutz und Bildnisschutz kann insofern nicht verwundern, als die visuelle Personeninformation grundsätzlich dem Betroffenen zugewiesen ist (arg. § 22 KUG), wohingegen die verbale Personeninformation prinzipiell gemeinfrei ist und daher im Grundsatz der freien und allgemeinen Nutzung offensteht (arg. Art. 5 I GG). In der Rechtspraxis führt diese Gegensätzlichkeit zu deutlich voneinander abweichenden Ergebnissen - während im Ehrschutz eine zunehmende "Liberalisierung" zu beobachten ist, agiert die Rechtsprechung im Bereich des Bildnisschutzes zunehmend restriktiver und dehnt die Rechte der Betroffenen kontinuierlich aus665 •

3. Der Interessenausgleich bei der Verbreitung von Indiskretionen Ein dritter Komplex der Trivialen Personenberichterstattung, der die Frage nach dem rechtlichen Ausgleich der widerstreitenden Interessen aufwirft, ist die massenmediale Verbreitung von wahren aber indiskreten Personeninformationen; von solchen Tatsachen also, deren öffentliches Bekanntwerden dem Diskretions- und Geheimhaltungsinteresse des Betroffenen zuwiderläuft. 666 Bei der Auflösung des Konfliktes zwischen Diskretionsund Publikationsinteresse wendet die Rechtsprechung dabei - wie zu zeigen sein wird - weitgehend dieselben Maßstäbe an wie im Bereich des Bildnisschutzes. Dies verwundert nicht, denn die zugrundeliegende Problematik ist nahezu identisch: in beiden Fällen werden persönliche Informationen gegen den Willen des Betroffenen preisgegeben, sei es verbal oder visuell. Gleichwohl ist der Abwägungsvorgang hier in ein anderes dogmatisches Gerüst eingefügt als im Bereich des Bildnisschutzes.

665 Als anschauliches Beispiel möge die sog. "15-Watt-Entscheidung" des Bundesgerichtshofs gelten; vgl. BGH in AfP 1996, 140- Caroline von Monaco III. 666 Vgl. Baston-Vogt, S. 403.

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a) Die Systematik der Kollisionsauflösung im Bereich des verbalen Diskretionsschutzes Die Zulässigkeil der Verbreitung personenbezogener Informationen hängt der Rechtsprechung zufolge maßgeblich von der Schutzwürdigkeit des konkreten Lebensbereiches ab, welchem die verbreitete Information zuzuordnen ist. Unterschieden werden fünf Sphären unterschiedlicher Schutzintensität Die Intimsphäre, die Geheimsphäre, die Privatsphäre, die Sozialsphäre und die Öffentlichkeitssphäre. 667 Das individuelle Diskretionsinteresse soll dabei am schutzwürdigsten hinsichtlich solcher Informationen sein, die der Intimsphäre entstammen, am wenigsten schutzwürdig bezüglich solcher aus der Öffentlichkeitssphäre.668 Die Zuordnung einer Personeninformation zu einer der fünf Sphären nimmt damit entscheidenden Einfluss auf das spätere Abwägungsergebnis. Je schutzwürdiger nämlich das Geheimhaltungsinteresse des Betroffenen ist, desto gewichtiger muss das dagegen stehende Publikationsinteresse sein, um die Veröffentlichung rechtfertigen zu können. Denn es ist unbestritten, dass die Verbreitung personenbezogener Informationen grundsätzlich der alleinigen Entscheidungsbefugnis des Betroffenen unterliegt: "Die Nennung und Darstellung einer Person in einer Druckschrift und die damit erfolgte Mitteilung von Umständen über sie an die Öffentlichkeit ist ohne ihre Einwilligung grundsätzlich eine widerrechtliche Verletzung ihres durch Art. 2 GG geschützten Persönlichkeitsrechtes [...], weil das Persönlichkeitsrecht auch [die Mitteilung wahrer Informationen] der Disposition der betroffenen Personen unterstellt. Deshalb liegt eine rechtswidrige Verletzung der Person durch ihre Darstellung in der Öffentlichkeit ohne ihre Einwilligung nur dann nicht vor, wenn für die Mitteilung über die Person ein berechtigtes Interesse besteht, das dem Schutz des Persönlichkeitsrechtes vorgeht. "669 Das Sphärendenken der Rechtsprechung sieht sich in jüngerer Zeit jedoch zunehmend der Kritik ausgesetzt, die Bereichseinteilung habe bei dem Bemühen um eine freiheitswahrende Konturierung des persönlichkeitsrechtlichen Diskretionsschutzes mehr Verwirrung gestiftet als Klarheit geschaffen.670 Diese Kritik ist insofern berechtigt, als im Bereich des Diskretionsschutzes eine erhebliche begriffliche Ungenauigkeit konstatiert werden muss. Die Bezeichnung und Abgrenzung der einzelnen Sphären erfolgt alles andere als einheitlich.671 Darüber hinaus erscheint die Einteilung in Persönlichkeitssphä667 Vgl. Wenzel, Rn. 5.29 ff., insbes. 5.32; Soehring, Presserecht, Rn. 19.4 ff. mit ausführlichen Nachweisen aus der Rechtsprechung. 668 Wenzel, Rn. 5.32. 669 KG in AfP 1988, S. 137. Ähnlich auch OLG Köln in AfP 1982, S. 181 (182) - Rudi Carell; BVerfGE 35, S. 202 (220) - Lebach; BVerfG in NJW 1980, S. 2070 (2071)- Eppler; LG Berlin in AfP 1997, S. 938 (939).

670

Baston-Vogt, S. 399.

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ren als der von vomherein untaugliche Versuch, eine an sich stufenlose Skala672 in randscharf voneinander abgrenzbare Kategorien zu unterteilen. Gleichwohl lässt sich der praktische Nutzen der vorgenommenen Einteilung kaum abstreiten. Sie ermöglicht es den Gerichten, den Abwägungsvorgang an einer zumindest ansatzweise objektivierbaren Größe zu orientieren und dient damit nicht zuletzt der Vorhersehbarkeit gerichtlicher Entscheidungen. Eine Abkehr vom Sphärendenken steht daher nicht zu erwarten. Für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung jedoch ist eine sphärenorientierte Vorgehensweise wenig hilfreich. Zwar wird die fallbezogene Interessenahwägung durch die Zuordnung der Information zu einer der fünf Persönlichkeitssphären erheblich beeinflusst. Sie wird aber keinesfalls durch diesen Zuordnungsvorgang ersetzt, denn auch innerhalb der einzelnen Sphären bedarf es unzweifelhaft des verhältnismäßigen Ausgleichs von Informationsinteresse und Diskretionsschutz. Der Einteilung in Sphären kommt damit lediglich eine Leitfunktion bei; die tatsächlich entscheidungserheblichen Abwägungskriterien sind unabhängig davon zu bestimmen. b) Entscheidungsmaßstäbe der Kollisionsauflösung im verbalen Diskretionsschutz

Das OLG München faßt die im verbalen Diskretionsschutz geltenden Entscheidungsmaßstäbe in einer Entscheidung aus dem Jahre 1995 prägnant folgt zusammen: "Maßgebliche Kriterien für die Abwägung bilden vor allem die Schwere des Eingriffs, die Abstufung des Persönlichkeitsschutzes nach Persönlichkeitssphären, das eigene Verhalten des Betroffenen in der Öffentlichkeit, das - u. a. dadurch bedingte - öffentliche Interesse an Information, und zwar in allen gesellschaftlichen - nicht nur politischen - Bereichen, sowie Motiv und Zweck der Äußerung."673

Diese Aufstellung haben die Gerichte um eine Reihe weiterer, zum Teil dem Bildnisschutz entlehnter Kriterien ergänzt. Diese sollen im folgenden herausgearbeitet, dargestellt und analysiert werden. 671 Insbesondere der Begriff der Privatsphäre wird vielschichtig verwendet und umfasst teilweise, worauf Baston-Vogt hinweist, Aspekte der allgemeinen Selbstbestimmung, der Verfälschung des Lebensbildes und der Ehre; Baston-Vogt, S. 399. Aber auch im übrigen besteht Unklarheit. So unterscheidet Wenzel beispielsweise scharf zwischen Sozial- und Öffentlichkeitssphäre (Rn. 5.54, 5.60), wohingegen Soehring beide Begriffe als gleichbedeutend behandelt (Rn. 19.39). Und auch in der Rechtsprechung findet sich keine einheitliche Terminologie. Das AG Berlin-Mitte beispielsweise verwendet in einer jüngeren Entscheidung den Begriff der Individualsphäre, meint damit aber ganz offensichtlich die Privatsphäre, vgl. AG Berlin-Mitte in AfP 1996, S. 188. 6n So auch Wenzel, Rn. 5.30. 673 OLG München in AfP 1997, S. 636 (637).

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aa) Berechtigung und Intensität des Diskretionsinteresses Von besonderer Bedeutung für das Ergebnis des Abwägungsvorgangs ist die Schutzwürdigkeit des Diskretionsinteresses auf Seiten des Dargestellten. Hierin ist die zu seinen Gunsten maßgeblich zu berücksichtigende Abwägungsgröße zu sehen. Sie findet ihren Ausdruck in der Zuordnung des betreffenden Lebensvorganges zu einer der fünf bereits benannten Sphären, denen jeweils ein bestimmtes Diskretions- oder Geheimhaltungsinteresse korrespondiert. Das Gewicht dieses Geheimhaltungsinteresses wird dabei nicht aus Sicht des Betroffenen, sondern vielmehr aus Sicht eines objektiven Dritten bestimmt: Die Zuordnung eines Lebensvorganges zu einer der fünf Sphären erfolgt weitgehend auf der Grundlage gesellschaftlich akzeptierter Wertvorstellungen und ist damit, wie Baston-Vogt zutreffend bemerkt, von Moral und Sitte vorbestimmt.674 Für besonders geheimhaltungswürdig werden hiernach Vorgänge aus der Intim- und Geheimsphäre erachtet.675 Die Intimsphäre beschreibt dabei den engsten Bereich der menschlichen Persönlichkeit676, den letzten unantastbaren Bereich menschlicher Freiheit677 . Thematisch zählt die Rechtsprechung hierzu Informationen betreffend das Sexualleben des Einzelnen678, gesundheitliche Daten679 sowie höchstpersönliche Details aus dem Ehe- und Familienleben680. Die Geheimsphäre dagegen betrifft den Bereich des menschlichen Lebens, der der Öffentlichkeit bei verständiger Würdigung nicht preisgegeben werden soll.681 Ihre Schutzwürdigkeit rechtfertigt sich weniger aus 674 Baston-Vogt, S. 405; vgl. auch Erman-Ehmann, Anh. zu § 12 BGB, Rn. 441. Verwiesen sei beispielhaft auf eine Entscheidung des AG Berlin-Mitte aus dem Jahre 1995, in der Informationen über das Gehalt eines Fußballspielers dessen Privatsphäre zugeordnet wurden. Zur Begründung verweist das Gericht darauf, bei der konkreten Gehaltshöhe handele es sich nach allgemeiner Anschauung um "eine Tatsache, die allenfalls besten Freunden mitgeteilt wird"; vgl. AG Berlin-Mitte in AfP 1996, S. 188. Ähnlich auch die Argumentation des LG Berlin in einem Urteil aus dem Jahre 1996, in dem Informationen über die frühere Tätigkeit des Klägers als Pornodarsteller als der Intimsphäre zugehörig erachtet werden: Eine "gesellschaftliche Tolerierung oder Anerkennung dieser Branche" sei nicht festzustellen, eine Tätigkeit in diesem Bereich gelte nach wie vor als "anrüchig". Daher berühre ein Bericht über diesen Teil der privaten Lebensführung des Klägers dessen Intimsphäre; LG Berlin in NJW 1997, S. 1155. 675 Vgl. zuletzt BVerfG in NJW 2000, S. 2189: "Intimsphäre [ist] absolut geschützt". 676 Soehring, Presserecht, Rn. 19.4; Wenzel, Rn. 5.39. 677 BVerfGE 6, S. 32 (41); BVerfGE 32, S. 373 (378). 678 OLG Hamm in NJW-RR 1995, S. 1114 (1115); LG Berlin in NJW 1997, S. 1155; BGHSt 11, S. 67 (71); BGH in NJW 1971, S. 698- Pariser Liebestropfen; BGH in NJW-RR 1988, S. 733- Intime Beziehungen. 679 OLG Harnburg in UFITA 1978, S. 278 (286). 68o BGH in AfP 1988, S. 34.

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dem Inhalt der Information als aus dem typischen und gesellschaftlich respektierten Geheimhaltungswillen des Betroffenen, der sich vor allem in der Form der Informationsaufzeichnung manifestiert682. In die Geheimsphäre fallen schriftliche Aufzeichnungen wie Tagebücher und Briefe683 , Tonbandaufzeichnungen684 und private Telefongespräche685 oder vertrauliche anwaltliehe Aktenvermerke686. Informationen aus Intim- und Geheimsphäre dürfen ohne Einwilligung des Betroffenen grundsätzlich nicht verbreitet werden. Vor allem der Schutz der Intimsphäre wird vielfach als "absolut" bezeichnet. 687 Es finden sich jedoch immer wieder Entscheidungen, in denen auch der Schutz der Intimsphäre mit dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit abgewogen wird. 688 Wenngleich an das legitimierende Informationsbedürfnis in einem solchen Fall besonders hohe Anforderungen gestellt werden, kann von einem absoluten Schutz der Intimsphäre vor diesem Hintergrund nicht gesprochen werden. 689 Dies erscheint insofern problematisch, als der Schutz der Intimsphäre als unmittelbarer Ausfluss von Art. 1 I GG anzusehen, und der sich unmittelbar aus Art. 1 I GG ableitende Schutzanspruch des Einzelnen unantastbar und damit absolut ausgestaltet ist. Freilich bedeutet dies nicht, dass tatsächlich alle Lebensvorgänge, die gegenwärtig der Intimsphäre zugeordnet werden, auch tatsächlich den hiermit angesprochenen Kernbereich der menschlichen Würde beträfen. Hier wird im Einzelfall zu differenzieren sein. Im Interesse einer notwendigen Konkretisierung des Persönlichkeitsschutzes empfiehlt es sich, nur solche Informationen als intim zu bezeichnen, die auch tatsächlich diesem Kernbereich entstammen.690 Der Schutz der so definierten Intimsphäre wäre dann in der Tat absolut und einer Abwägung nicht zugänglich. Wenzel, Rn. 5.33; Soehring, Presserecht, Rn. 19.9. Wenzel, Rn. 5.35; Soehring, Presserecht, Rn. 19.9; Baston-Vogt, S. 400 f. Die Zugehörigkeit zur Geheimsphäre kann sich allerdings auch aus einer konkreten Rechts- oder Vertrauensbeziehung zwischen Geheimnisträger und Offenbarendem ergeben, vgl. dazu OLG Bremen in NJW 1996, S. 1000 (1001) - Willi Lemke. 683 BGH in NJW 1954, S. 1404- Leserbrief. 684 BGH in NJW 1987, S. 2667. 685 BGH in NJW 1979, S. 647 - Koh1/Biedenk:opf. Vgl. hierzu Peter Lerche in AfP 1975, S. 822. 686 LG Harnburg in AfP 1988, S. 170. 687 BVerfG in NJW 2000, S. 2189; BGH in NJW 1988, S. 1884; BGH in NJWRR 1988, S. 733; BGH in NJW 1979, S. 647; BGH in NJW 1981, S. 1366- Wallraff. 688 Vgl. aus jüngerer Zeit OLG Harnburg in AfP 1991, S. 533- Graf. 689 So auch Soehring, Presserecht, Rn. 19.6. 690 Wolf zufolge soll hierzu die eheliche Privatsphäre, die Sexualbeziehungen sowie die Religionsausübung abseits der Öffentlichkeit zählen; Wolf, S. 217 f. 681

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Von großer praktischer Bedeutung ist weiterhin der Schutz der Privatsphäre.691 Diese soll den Bereich umfassen, zu dem andere nur Zugang haben, soweit er ihnen vom Berechtigten gestattet wird. 692 Geschützt ist insbesondere der familiäre und häusliche Lebensbereich des Einzelnen693 . Die Privatsphäre umfasst thematisch den Familienstand694, äußerlich erkennbare gesundheitliche Probleme695 , das religiöse Bekenntnis696, die persönlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse697 , die berufliche Tätigkeit698 oder die Verwicklung in Ermittlungs- oder Strafverfahren699 . Anders als die Intimsphäre ist die Privatsphäre nicht absolut geschützt. Sofern das öffentliche Informationsinteresse die persönlichen Belange des Betroffenen überwiegt, kann die Verbreitung privater Informationen zulässig sein.700 Individuelles Geheimhaltungsinteresse und öffentliches Informationsinteresse sind in diesem Bereich grundsätzlich gleichwertig.701 Das schwächste Geheimhaltungsinteresse wird schließlich solchen Informationen beigemessen, die der Sozial- und Öffentlichkeitssphäre entstammen.702 Hierbei handelt es sich um den jenseits des Privaten liegenden Bereich, der nach außen so in Erscheinung tritt, dass er grundsätzlich von jedermann wahrgenommen werden kann. 703 Sozial- und Öffentlichkeitssphäre unterscheiden sich danach, ob die Öffentlichkeit lediglich Kenntnis von der Tatsache nehmen kann (Sozialsphäre) oder ob diese KenntnisDazu Wenzel, Rn. 5.46 ff.; Soehring, Presserecht, Rn. 19.12 ff. Wenzel, Rn. 5.46. 693 Soehring, Presserecht, Rn. 19.14; Wenzel, Rn. 5.46. 694 Zuletzt BVerfG in NJW 2000, S. 2190; LG Köln in AfP 1994, S. 167 (168); OLG Köln in AfP 1982, S. 181 (182)- Rudi Carell; BGH GRUR 1965, S. 256Gretna Green; OLG Köln in AfP 1973, S. 479; OLG Harnburg in AfP 1971, S. 32. 695 OLG Harnburg in UFITA 1977, S. 252. 696 BVerfG in AfP 1998, S. 50 (51); OLG Köln in AfP 1993, S. 759; BVerfG in NJW 1990, S. 1980 - Opus Dei; OLG München in NJW 1986, S. 1986. 697 OLG Celle in AfP 1997, S. 819; AG Berlin-Mitte in AfP 1996, S. 188; OLG Harnburg in AfP 1992, S. 376. 698 OLG Bremen in NJW 1996, S. 1000 (1001); LG Berlin in AfP 1997, S. 938 (939). 699 OLG München in AfP 1997, S. 636 (638); OLG Harnburg in NJW-RR 1991, S. 990; Soehring, Presserecht, Rn. 19.24 ff. m. w. N. 700 BVerfGE 35, S. 202 (221); BGHZ 27, S. 284 (289); BGHZ 73, S. 120 Kohl/Biedenkopf; Wenzel, Rn. 5.51. 701 Vgl. BGH in NJW 1981, S. 1366. Ein gesteigerter Schutz wird freilich Minderjährigen zugebilligt. Diese bedürften, so das Bundesverfassungsgericht, auch gegenüber Wortberichterstattung eines "besonderen Schutzes", da ihre Persönlichkeitsentfaltung durch die Berichterstattung in Medien empfindlicher gestört werde, als dies bei Erwachsenen der Fall sei; vgl. BVerfG in NJW 2000, S. 2191, 2192. 702 Wenzel, Rn. 5.54 ff., 5.60 ff.; Soehring, Presserecht, Rn. 19.39 ff. 703 Wenzel, Rn. 5.54. 691

692

B. Auflösung der Interessenkollision

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nahme vom Betroffenen sogar gewollt ist (Öffentlichkeitssphäre). In diesem Bereich, der jede öffentlichkeitsbezogene Berufstätigkeit704, das öffentliche Auftreten von Politikern, Schauspielern und Sportlern sowie alle anderen "nach außen gekehrten" Aktivitäten umfasst, wird dem Diskretionsinteresse des Einzelnen ein gegen Null tendierendes Gewicht beigemessen. 705 Das öffentliche Informationsinteresse genießt hier grundsätzlich Vorrang, sofern neben dem Geheimhaltungs- und Diskretionsinteresse keine weiteren geschützten Positionen des Dargestellten betroffen sind (Ehre, Wahrheit, wirtschaftliches Verwertungsinteresse). Die den Persönlichkeitssphären korrespondierende Intensität des Diskretionsinteresses entscheidet nach allem maßgeblich über die Schutzwürdigkeit des Lebensvorganges, über den öffentlich berichtet wird, und präjudiziert damit das Ergebnis der lnteressenabwägung. Daneben kommen jedoch mit Korrektivfunktion weitere Abwägungskriterien zum Tragen. Diese sind insbesondere bei Eingriffen in die Privatsphäre von Bedeutung, da hier eine grundsätzliche Gleichwertigkeit von öffentlichem Informations- und privatem Diskretionsinteresse anzunehmen ist. bb) Legitimität des öffentlichen Informationsinteresses und soziale Dimension der Information Das Anonymitäts-, Diskretions- und Geheimhaltungsinteresse des Dargestellten wird durch das Informationsinteresse der Öffentlichkeit begrenzt.706 Wie schon im Rahmen des Bildnisschutzes707 stellt die Rechtsprechung jedoch auch hier nicht auf das faktisch bestehende, sondern auf das sog. legitime Informationsinteresse der Allgemeinheit ab?08 Auch im Bereich des verbalen Diskretionsschutzes entscheidet also maßgeblich der objektivierte Informationswert über die Veröffentlichungsbefugnis. Ein berechtigtes Informationsinteresse der Öffentlichkeit ist in jüngerer Zeit bejaht OLG Celle in AfP 1997, S. 819; Soehring, Presserecht, Rn. 19.40. Soehring, Presserecht, Rn. 19.39. 706 Vgl. BVerfG in AfP 1998, S. SO (51); OLG Köln in AfP 1993, S. 759 (760); OLG Celle in AfP 1997, S. 819; OLG München in AfP 1997, S. 636 (637). In diesem Sinne auch Baston-Vogt, S. 398. 707 Siehe oben Zweiter Teil, B.II.2.b)dd). 708 OLG Harnburg in AfP 1992, S. 376 (377): "ernsthaftes Informationsinteresse der Öffentlichkeit"; KG in AfP 1988, S. 137: "berechtigtes Interesse"; LG Harnburg in AfP 1996, S. 185 (186): "anerkennenswertes Interesse"; OLG Köln in AfP 1993, S. 759: "erhebliches Interesse der Öffentlichkeit"; OLG Harnburg in AfP 1992, S. 376 (377): "berechtigtes Informationsinteresse der Öffentlichkeit"; LG Berlin in NJW 1997, S. 1155: "anerkennenswertes Bedürfnis der Allgemeinheit an einer informierenden Berichterstattung". In diesem Sinne auch Soehring, Presserecht, Rn. 19.16 und 19.11. 704

705

16 Neben

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2. Teil: Die Triviale Personenberichterstattung im Spannungsfeld

worden bezüglich der Verbindung von Privatpersonen zu religiösen Sekten709, des Einkommens von Berufsfußballem710 sowie des gegen Ärzte erhobenen Verdachtes des sexuellen Missbrauchs von Patientinnen711 . Verneint wurde ein legitimes öffentliches Informationsinteresse hinsichtlich des Vermögensverfalls des Mitgliedes einer Adelsfamilie712, der 20 Jahre zurückliegende Tätigkeit eines Fernsehmoderators als Pomodarsteller713 sowie der Veröffentlichung der Privatanschrift einer Schauspielerin zu Autogrammzwecken714. Aus den zitierten Entscheidungen geht deutlich hervor, in welchen Fällen die Gerichte von einem anerkennenswerten Informationsinteresse der Öffentlichkeit ausgehen. Es sind dies vor allem Berichte über aktuelle, gesellschaftlich "relevante" Themen, deren Personenbezug sich allein daraus ergibt, dass die Betroffenen als Akteure in das an sich berichtenswerte Geschehen verwickelt sind. In Anlehnung an die oben eingeführte Terminologie715 lassen sich diese Berichte als inzidentielle Personenberichte qualifizieren. Originären Personenberichten hingegen wird ein deutlich geringerer Wert beigemessen. Das legitime öffentliche Informationsinteresse soll vor allem dann ausgeschlossen sein, wenn der Bericht allein auf die Befriedigung von "Neugier und Sensationslust sowie ein bloßes Interesse an Unterhaltung"716 ausgerichtet ist. Es lässt sich daher zusammenfassend feststellen, dass nur solchen Tatsachen ein legitimes öffentliches Informationsinteresse zugebilligt wird, die einen sachlichen Bezug zu einem Thema aufweisen, welches von tatsächlicher Bedeutung für eine größere Anzahl von Personen und nicht nur für den Dargestellten selbst ist. 717 Abgestellt wird damit auf die soziale Dimension718 der betreffenden Information. Eine solche Dimension gewinnen persönliche Lebensvorgänge jedenfalls dann, wenn sie sich unmittelbar auf Position und Funktion einer im öffentlichen Leben stehenden Person auswirken. 719 Im Falle der Bericht709 OLG Köln in AfP 1993, S. 759- Scientology; dagegen BVerfG in AfP 1998, S. 50 (51) sowie LG Berlin in AfP 1997, S. 938. 710 OLG Celle in AfP 1997, S. 819; dagegen AG Berlin-Mitte in AfP 1996, s. 188. 711 OLG München in AfP 1997, S. 636 (638). 712 OLG Harnburg in AfP 1992, S. 376 (377). 713 LG Berlin in NJW 1997, S. 1155 (1156). 714 LG Harnburg in AfP 1996, S. 185 (186). 715 Siehe oben Erster Teil, A.II.l. 716 LG Berlin in NJW 1997, S. 1155 (1156); in diesem Sinne auch BGH in NJW 1996, S. 1128 (1130), KG in NJW 1989, S. 397 (398); OLG Harnburg in AfP 1992, s. 376 (377). 717 So ausdrücklich das BayObLG in BayVerwBl. 1973, S. 343. 718 Wenzel, Rn. 5.44. 71 9 Soehring, Presserecht, Rn. 19.16.

B. Auflösung der Interessenkollision

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erstattung über Privatpersonen ergibt sich die soziale Dimension dagegen aus der (möglicherweise auch nur symbolischen720) Bedeutung des die Berichterstattung auslösenden Vorganges für die breite Öffentlichkeit.721 Die soziale Dimension des Berichtsgegenstandes entscheidet maßgeblich über die Berechtigung des Publikations- und Informationsinteresses und stellt mithin den zweiten bedeutenden Abwägungsfaktor im Bereich des Diskretionsschutzes dar. cc) Freiwillige Begebung des Geheimhaltungsinteresses Die Gerichte berücksichtigen weiterhin, inwieweit der Betroffene durch sein Vorverhalten selbst Anlass zur öffentlichen Berichterstattung über seine Person gegeben und sich damit freiwillig eines Teils seiner schützenswerten Privatsphäre begeben hat. 722 So befand das OLG Köln einen extensiven Boulevardbericht über den Showmaster Rudi Carell für zulässig, weil dieser ohnehin "seine gesamte Persönlichkeit, seine Intimsphäre sowie private Gewohnheiten aus Publizitätsgründen der Öffentlichkeit kundtut und damit eine großzügige Definition seines Persönlichkeitsrechts erkennen lässt".723 Carell, der sich in der Vergangenheit "dem Fernsehpublikum unbekleidet in einem Schaumbad sitzend präsentierte, die Geburt des gemeinsamen Kindes [... ] im Fernsehen als freudiges Ereignis ankündigte, der einer Journalistin ein Interview gab, bei dem er gemeinsam mit der Journalistin unbekleidet in der Badewanne saß"724 könne sich zumindest bezüglich eines banalen Ehestreits nicht (mehr) auf ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse berufen. Etwas anderes soll freilich gelten, wenn der Betroffene zwar selbst in der Öffentlichkeit zu seinen privaten Lebensverhältnissen Stellung nimmt, aus den Gesamtumständen jedoch deutlich wird, dass er das öffentliche Interesse dadurch nicht verstärken, sondern vielmehr einen "Schlussstrich" unter die öffentliche Diskussion ziehen 720 Vgl. dazu OLG München in AfP 1997, S. 636 (638), wonach es der Presse grundsätzlich freistehen soll, ein gesellschaftlich bedeutsames Problem anhand von Einzelfallen zu verdeutlichen. 721 In diesem Zusammenhang ist besonders auf die Fallgruppe der Berichterstattung über Ermittlungs- und Strafverfahren hinzuweisen. Nach Ansicht Soehrings ergibt sich bereits aus dem Prinzip der Öffentlichkeit des Verfahrens, dass zumindest eine Verurteilung wegen einer begangeneil Straftat "niemals ausschließlich Privatsache" sein kann; Soehring, Presserecht, Rn. 19.24. 722 BVerfG in ZUM 2000, S. 149, 156; OLG Harnburg in AfP 1992, S. 376 Emanuel von Hohenzollem; OLG Köln in AfP 1982, S. 181 (182 f.)- Rudi Carell; OLG München in AfP 1997, S. 636 (637); LG Köln in AfP 1994, S. 166 (167 f.)Harald Schmidt, BVerfG in AfP 1980, S. 147 (149) - Kunstkritik. Vgl. dazu Soehring, Presserecht, Rn. 19.8; Wenzel, Rn. 5.43. 723 OLG Köln in AfP 1982, S. 181 (183) - Rudi Carell. 724 OLG Köln a. a. 0. 16*

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2. Teil: Die Triviale Personenberichterstattung im Spannungsfeld

wi11. 725 In einem solchen Fall gebe der Betroffene seinem Persönlichkeitsrecht einen neuen - restriktiven - Inhalt, der allseits zu respektieren sei. 726 Der Geheimhaltungsschutz kann, wie das OLG Harnburg feststellt, vor allem auch dadurch verstärkt werden, dass der Betroffene öffentlichen Mitteilungen über seine Person von Anfang an nachdrücklich entgegentritt.727 Im Vordergrund des hier diskutierten Gedankens steht mithin der (erkennbare) Wille des Betroffenen: Der Umfang des rechtlichen Geheimhaltungsschutzes wird maßgeblich durch den nach außen kundgetanen Geheimhaltungswillen des öffentlich Dargestellten determiniert. 728 Dieser Ansatz kann jedoch nicht überzeugen. Er reduziert den verbalen Diskretionsschutz in unzulässiger Weise auf das Geheimhaltungs- und Anonymitätsinteresse des Betroffenen und vernachlässigt dessen weiterreichendes Selbstbestimmungsrecht. Wer freiwillig bestimmte persönliche Informationen an die Öffentlichkeit gibt, mag damit zwar einen grundsätzlich eingeschränkten Geheimhaltungswillen zum Ausdruck bringen. Auf sein Selbstbestimmungsrecht hinsichtlich zukünftiger Veröffentlichungen verzichtet er damit jedoch keineswegs, denn grundsätzlich steht es dem Betroffenen frei zu entscheiden, welche Informationen über ihn zu welchem Zeitpunkt und in welcher Form an die Öffentlichkeit gelangen sollen.729 Hieraus ergibt sich, dass der Gedanke des Verzichts oder der konkludenten Einwilligung in diesen Fällen nicht trägt. Man wird dem Dargestellten allenfalls unter dem Gesichtspunkt des venire contra factum proprium die Berufung auf Selbstbestimmungsrecht und Geheimhaltungsinteresse versagen können, wenn er sein Intim- und Privatleben bereits selbst zu Publicityzwecken instrumentalisiert hat. 730 725

(939).

Vgl. LG Berlin in NJW 1997, S. 1155 (1156); LG Berlin in AfP 1997, S. 938

LG Berlin in AfP 1997, S. 938 (939). OLG Harnburg in AfP 1991, S. 533; vgl. auch Wenzel, Rn. 5.45. 728 Dieses Konzept wird von Baston-Vogt aufgegriffen und weiterentwickelt; sie will den Diskretionsschutz in grundsätzlicher Abkehr vom Sphärendenken allein an dem manifestierten Geheimhaltungswillen des Betroffenen orientieren; vgl. BastonVogt, S. 405 ff. 729 Vgl. BVerfGE 35, S. 202 (222)- Lebach. 730 Von Interesse ist in diesem Zusammenhang die Frage, ob anderweitige, unfreiwillige Vorveröffentlichungen zu einer Aushöhlung des Diskretionsinteresses des Dargestellten führen können. Hier galt lange Zeit der Grundsatz, dass allein die Tatsache einer Vorberichterstattung keinen Einfluss auf das berechtigte Abwehrinteresse haben könne; vgl. nur OLG Karlsruhe in NJW 1980, S. 1708 sowie Wenzel, Rn. 8.9. Diese - vornehmlich dem Bildnisschutz entstammende - Auffassung hat das Bundesverfassungsgericht in jüngster Zeit in Frage gestellt: Aus verfassungsrechtlicher Sicht sei es grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn die Gerichte unter dem Aspekt des Privatsphärenschutzes berücksichtigen, inwieweit die betreffende 726

727

B. Auflösung der Interessenkollision

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dd) Soziale Stellung und Funktion des Betroffenen Ähnlich wie im Bildnisschutz731 berücksichtigen die Gerichte auch im verbalen Diskretionsschutz die soziale Stellung des Betroffenen als Abwägungsfaktor.732 Das allgemeine Persönlichkeitsrecht gewähre zwar einen autonomen Bereich eigener Lebensgestaltung, in dem der einzelne seine Individualität unter Ausschluß anderer entwickeln und auf dessen Schutz sich jedermann, unabhängig von Stellung, Funktion und Beruf berufen könne. 733 Gleichwohl wird bei allgemein bekannten Personen regelmäßig eine Einschränkung des Diskretionsschutzes vorgenommen: Ein Prominenter, so formuliert es das LG Köln, müsse grundsätzlich "gewisse mit seinem Bekanntheitsgrad verbundene Einschränkungen in seinem Lebensbereich in Kauf nehmen"734 . Rechtstechnisch erfolgt diese Einschränkung regelmäßig über den Gedanken der freiwilligen Begebung des Anonyrnitätsinteresses durch öffentliches Auftreten735 bzw. des konkludenten Verzichts auf das Diskretionsinteresse durch die freiwillige Preisgabe persönlicher Informationen736. Einen anderen Ansatz wählt hingegen das Bundesverfassungsgericht in einer Entscheidung aus dem Jahr 1997.737 Hier heißt es, die notwendige Abwägung zwischen öffentlichem Informationsinteresse einerseits und individuellem Geheimhaltungsinteresse andererseits müsse sich maßgeblich danach entscheiden, ob es sich bei dem Betroffenen um eine "Person der Zeitgeschichte" handele, die "ständig oder vorübergehend im Blickpunkt zumindest eines Teils der Öffentlichkeit steht'm8 . Mit dieser Argumentation orientiert sich das Gericht deutlich an der zum Bildnisschutz entwickelten Terminologie und billigt so die Abgrenzung einer Personengruppe, deren Angehörigeper se weitergehende Eingriffe in ihre private Lebensführung dulden müssen als andere. Diese Angleichung von Bildnisschutz und Diskretionsschutz ist konsequent, da beiden eine weitgehend vergleichbare Problematik zugrunde liegt. Jedoch sieht sich die Argumentation des Bundesverfassungsgerichts damit derselben grundsätzlichen Kritik ausgesetzt, die bereits zuvor gegen das bildrechtliche Institut der "Person der Zeitgeschichte" geltend gemacht wurde? 39 Auch hier gilt, dass die Zulässigkeit Information bereits rechtmäßigerweise vorveröffentlicht worden ist; vgl. BVerfG in NJW 2000, S. 2189, 2190. 731 Vgl. hierzu oben Zweiter Teil, B.II.2.a)bb) sowie Zweiter Teil, B.II.2.b)aa) und dd). 732 Dazu Soehring, Presserecht, Rn. 19.13; Wenzel, Rn. 5.52. 733 BGH in AfP 1996, S. 140 (141)- Carotine von Monaco III. 734 LG Köln in AfP 1994, S. 167 (168)- Harald Schmidt. 735 LG Köln in AfP 1994, S. 167 (168) - Harald Schmidt. 736 OLG Köln in AfP 1982, S. 181 (182 f.)- Rudi Carell. 737 BVerfG in AfP 1998, S. 50- Scientology. 738 BVerfG a. a. 0., S. 52.

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2. Teil: Die Triviale Personenberichterstattung im Spannungsfeld

einer Publikation allein von der Qualität der verbreiteten Information und nicht von der sozialen Stellung des Dargestellten abhängen kann. Letztere kann allenfalls ein Indiz für den Grad des Geheimhaltungsinteresses sowie das Gewicht des öffentlichen Informationsinteresses darstellen?40 ee) Art und Weise der Informationsbeschaffung Neben Inhalt, Thema und Verbreitungsmodalität der Information entscheidet auch die Art und Weise der Informationsbeschaffung über das Ergebnis des Abwägungsvorgangs. 741 So erklärte der Bundesgerichtshof die Verbreitung eines unrechtmäßig aufgezeichneten Telefongesprächs zwischen Parteivorsitzendem und Generalsekretär der CDU durch die Illustrierte Stern für unzulässig, obgleich der Inhalt des Gesprächs ausschließlich berufliche (und damit öffentliche) Belange der beiden Spitzenpolitiker betraf.742 Hieraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass die Veröffentlichung rechtswidrig erlangter Informationen generell unzulässig wäre. 743 Vielmehr führt der Bundesgerichtshof in derselben Entscheidung - wenngleich obiter dieturn aus, dass ausnahmsweise auch illegal gewonnene Informationen verbreitet werden dürfen, sofern damit "in einer die Öffentlichkeit interessierenden Frage" zur Meinungsbildung beigetragen wird. Voraussetzung sei allerdings, dass der "Öffentlichkeitswert" der Information die "schutzwürdigen Belange der persönlichen Eigensphäre" übersteigt. Nicht erforderlich sei jedoch, dass die Allgemeinheit ein "elementares" Interesse an der Unterrichtung habe; ein "einfaches" Informationsinteresse reiche grundsätzlich aus, sofern sich dieses im Einzelfall als gewichtiger erweise als das Diskretionsinteresse des Betroffenen. 744 Im Fall Riedenkopf/Kohl habe an dem aufgezeichneten Gespräch nur ein untergeordnetes öffentliches Interesse bestanden. Demgegenüber sei zu berücksichtigen, so der Bundesgerichtshof, dass das persönliche Telefonat besonders schützenswert ist, denn gerade im Bereich der Individualkommunikation müsse jedermann "vor Kontrolle und Zensur durch die Öffentlichkeit sicher sein"?45 739 Oben Zweiter Teil, B.II.2.a)cc). Grundlegende Kritik findet sich auch bei Wolf, S. 175 ff. 740 So im Ergebnis auch Wolf, S. 180, der die Übertragung der Rechtsfigur der "Person der Zeitgeschichte" in den verbalen Diskretionsschutz zureffend als überflüssige "Problemverlagerung" bezeichnet, da eine einzelfallbezogene Interessenabwägung hierdurch nicht ersetzt werden könne. 741 Vgl. BGH in NJW 1979, S. 647 - Kohl/Biedenkopf; Soehring, Presserecht, Rn. 19.11; Wenzel, Rn. 5.38; Wolf, S. 186 ff. 742 BGH in NJW 1979, S. 647- Kohl/Biedenkopf. 743 Vgl. hierzu auch Erman-Ehmann, Anh. zu§ 12 Rn. 301. 744 BGH in NJW 1979, S. 647 - Kohl/Biedenkopf; vgl. auch BGHZ 80, S. 25 (39) - Wallraff.

B. Auflösung der Interessenkollision

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Die Gerichte prüfen also im Einzelfall, ob die Art der Informationsgewinnung selbst einen besonders schweren Eingriff in das Diskretions- und Selbstbestimmungsinteresse des Betroffenen darstellt. Dieser Eingriff wird dann mit der Bedeutung der erlangten Information für den öffentlichen Meinungsbildungsprozess abgewogen. Ähnlich wie im Bildnisschutz ist jedoch davon auszugehen, dass eine rechtswidrige Informationsgewinnung im Regelfall auch zur Rechtswidrigkeit der Informationsverbreitung führt?46 Nur so nämlich lässt sich der- bereits an sich unerwünschte- Akt der illegalen Informationsgewinnung wie beispielsweise das Abhören von Telefongesprächen oder das Brechen des Briefgeheimnisses wirkungsvoll sanktionieren. ff) Motiv und Zweck der Äußerung Motiv und subjektive Zweckrichtung des Äußernden werden auch im Rahmen des verbalen Diskretionsschutzes von der Rechtsprechung berücksichtigt.747 So befand das OLG Harnburg einen Bericht über die Vermögenslosigkeit des Angehörigen eines deutschen Adelshauses mit der Begründung für unzulässig, der Artikel wolle allein die "Neugier und Schadenfreude der Leserschaft befriedigen".748 Dagegen erklärte das OLG München einen Beitrag des Fernsehmagazins "Report" über einen des sexuellen Mißbrauchs verdächtigen Psychotherapeuten deshalb für zulässig, weil Motiv und Zweck der Veröffentlichung "ersichtlich das Aufgreifen von Mißständen" gewesen sei. Der Beitrag habe sich mit dem Problem des sexuellen Mißbrauchs von Patientinnen im Rahmen der psychotherapeutischen Behandlung "ernsthaft und nicht etwa nur zur Befriedigung der Sensationslust" auseinandergesetzt 749 Dieses Abwägungskriterium begegnet erheblichen Bedenken. Zum einen ist die Motivation des Äußernden als innere Tatsache nur sehr schwer feststellbar. Zum anderen wird in aller Regel mehr als nur ein alleiniger Veröffentlichungszweck vorliegen. So vermischen sich gerade im Bereich der Trivialen Personenberichterstattung regelmäßig kommerzielle, informative BGH in NJW 1979, S. 647- Kohl/Biedenkopf. Weitergehend Wolf, welcher die vom Publikationsorgan selbst illegal erlangte Information bereits aus dem Schutzbereich des Art. 5 I GG herausnehmen will und lediglich die Veröffentlichung einer von einem Informanten zugespielten Information für abwägungsfähig hält; Wolf, S. 186. 747 Ausführlich hierzu im Rahmen des Bildnisschutzes oben Zweiter Teil, B.ll.2.b)bb). 748 OLG Harnburg in AfP 1992, S. 376 (377). Ähnlich auch LG Berlin in NJW 1997, s. 1155 (1156). 749 OLG München in AfP 1997, S. 636 (638). 745

746

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2. Teil: Die Triviale Personenberichterstattung im Spannungsfeld

und unterhaltende Zielsetzungen, so dass ein alleiniges Motiv oder doch zumindest ein primäres Motiv kaum auszumachen ist. Und schließlich ist nicht einzusehen, warum die subjektive Motivation des Äußernden überhaupt eine Rolle bei der Abwägung spielen sollte. Denn für das öffentliche Informationsbedürfnis ist es unerheblich, warum eine bestimmte Information publiziert wird. Hier kann es nur darauf ankommen, um welche Information es sich handelt. Die aufgezeigte Zweckorientierung der Gerichte erweist sich daher als äußerst bedenklich. gg) Sachbezug der Information Schließlich würdigen die Gerichte, ähnlich wie im Bereich des Bildnisschutzes, den Sachbezug der konkreten Information. So stützt sich das LG Berlin in einer Entscheidung aus dem Jahre 1996 maßgeblich auf die "mangelnde Erforderlichkeit" der dort streitgegenständlichen Information. Die beklagte Zeitschrift hatte über den Kläger, einen Moderator des Fernsehsenders Sat 1, im Rahmen einer sogenannten homestory berichtet, dieser habe "vor über 20 Jahren Pornos" gedreht.750 Die Verbreitung dieser unstreitig wahren Tatsache untersagte das Gericht u. a. mit der Begründung, die Äußerung sei zum Verständnis des Artikels ebensowenig wie zur Illustration der "bewegten Vergangenheit" des Klägers erforderlich. 751 Anknüpfend an das oben zum Bildnisschutz Ausgeführte752 ist dieses Kriterium jedoch äußerst kritisch zu beurteilen. Es kann nicht Aufgabe der Gerichte sein, ex post die journalistische Notwendigkeit einer bestimmten Information festzustellen. Zum einen überforderte dies die Gerichte in ihrer fachlichen Kompetenz. Zum anderen, und dies ist weitaus bedeutsamer, griffen diese auf unzulässige Weise in die freie journalistische Ermessensentscheidung über die konkrete Aufmachung, den Umfang, die Schwerpunktsetzung und den notwendigen Detailreichtum einer Veröffentlichung ein. Eine so weitreichende Inhaltskontrolle ist mit Art. 5 I 2 GG schlechterdings nicht zu vereinbaren. Eine Eiforderlichkeitsüberprüfung durch die Gerichte ist daher abzulehnen; berücksichtigt werden kann allein, ob die Information einen Mindestbezug zum redaktionellen Anliegen des Gesamtberichts aufweist.

LG Berlin in NJW 1997, S. 1155 (1156). Ein ähnlicher Gedanke findet sich bei Wenzel, Rn. 5.59, der die Zulässigkeit der Berichterstattung unter Namensnennung davon abhängig machen will, ob "es auf die betroffene Person ankommt". 752 Siehe oben Zweiter Teil, B.II.2.b)ee). 750 751

B. Auflösung der Interessenkollision

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c) Zusammenfassung und Ergebnis

Der gerichtlichen Entscheidungstindung im verbalen Diskretionsschutz wird teilweise eine übermäßig starre Sphärenorientierung vorgeworfen: Personeninformationen aus der Sozial- und Öffentlichkeitssphäre dürften immer einwilligungslos verbreitet werden, wohingegen Personeninformationen aus der privat- und Intimsphäre grundsätzlich der ausschließlichen Verfügungsbefugnis des Betroffenen unterworfen würden. Wie jedoch gezeigt werden konnte, ist die Entscheidungspraxis der Gerichte differenzierter, als dies auf den ersten Blick erscheinen mag. So berücksichtigen diese neben der dem Sphärengedanken zugrunde liegenden "Berechtigung und Intensität des Diskretionsinteresses" durchaus eine Reihe weiterer Abwägungskriterien. Im Hinblick auf den Dargestellten sind dies die "freiwillige Begebung des Geheimhaltungsinteresses" sowie die "soziale Stellung des Betroffenen". Mit Blick auf die Rezipienten und den öffentlichen Meinungsbildungsprozess finden - erneut - die "Legitimität des öffentlichen Informationsinteresses und soziale Dimension der Information" sowie der "Sachbezug der Information" mit Blick auf den Kommunikator "Motiv und Zweck der Äußerung" sowie "Art und Weise der Informationsbeschaffung" Berücksichtigung. Im Ergebnis ergibt sich aus der Anwendung dieser Leitkriterien im verbalen Diskretionsschutz die folgende Tendenz: Eingriffe in die Intimsphäre sind ebenso wie Eingriffe in die engste Privatsphäre grundsätzlich unzulässig. Grund hierfür ist, dass beide Positionen einen gesteigerten Menschenwürdebezug aufweisen, und dass privaten und intimen Informationen typischerweise keine gesellschaftlichen Relevanz beigemessen wird. Demgegenüber wird ein legitimes öffentliches Interesse an Informationen aus der Öffentlichkeits- oder Sozialsphäre grundsätzlich bejaht. Da zugleich das individuelle Abwehrinteresse in diesen Bereichen für weniger schutzwürdig befunden wird, können solche Informationen in vielen Fällen auch einwilligungslos verbreitet werden. Diese Verbreitungsbefugnis wird noch erweitert für die Berichterstattung über solche Personen, die aktiv am öffentlichen Leben teilnehmen oder sich anderweitig ihrer Diskretionsberechtigung begeben haben. Zwar verhindert Art. 1 I GG auch hier ein Vordringen in deren Intimsphäre; diese Personen müssen jedoch deutlich weitergehende Einschränkungen ihrer Privatsphäre hinnehmen. Der verbale Diskretionsschutz ist damit in seiner Schutzintensität zwischen Ehrschutz und Bildnisschutz angesiedelt - er bewahrt das Individuum weitergehend vor Persönlichkeitsbeeinträchtigungen als der "liberale" Ehrschutz, reicht jedoch in seiner Schutzintensität keinesfalls so weit wie der "restriktive" Bildnisschutz.

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2. Teil: Die Triviale Personenberichterstattung im Spannungsfeld

4. Der Interessenausgleich bei der Verbreitung von Unwahrheiten Als vierte und letzte Kategorie der Trivialen Personenberichterstattung ist nunmehr auf die Verbreitung unwahrer Personeninformationen einzugehen.753 a) Die Systematik der Kollisionsauflösung im Wahrheitsschutz

Wie oben bereits ausgeführt, berührt die Verbreitung unwahrer Personeninformationen das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen unabhängig davon, ob die Unwahrheit zugleich eine Ehrverletzung oder einen Eingriff in dessen Privat- oder Intimsphäre beinhaltet.754 Auf der anderen Seite wird man davon ausgehen müssen, dass auch unwahre Tatsachenbehauptungen grundsätzlich dem Schutz der Medienfreiheit unterfallen. Die Verfassungsrechtsprechung nimmt dies zumindest für fahrlässige und gänzlich unverschuldete Falschmeldungen an. 755 Nach der hier vertretenen Ansicht wird der Schutzbereich des Art. 5 I 2 GG darüber hinaus auf grob fahrlässige und sogar auf vorsätzliche Falschmeldungen zu erstrecken sein. 756 Auch im Bereich des Wahrheitsschutzes ist deshalb eine Abwägung der widerstreitenden Interessen im Einzelfall erforderlich. Freilich ergibt sich hier kein annähernd so ausdifferenziertes Bild wie im Bereich des Ehr-, Bildnis- und Diskretionsschutzes. Dies liegt in dem Umstand begründet, dass aufgrund der von der Rechtsprechung vorgenommenen Ausklammerung grob fahrlässiger und vorsätzlicher Unwahrheiten aus dem Schutzbereich des Art. 5 I GG sowie des nur eingeschränkten selbständigen Schutzes des individuellen Wahrheitsinteresses in diesem Bereich ein weitaus geringeres Fallspektrum vorzufinden ist. Gleichwohl lassen sich zumindest drei tragende Abwägungskriterien aus der einschlägigen Judikatur herausarbeiten.

753 Vgl. hierzu BVerfG in NJW 1999, S. 1322 (1324 f.); BGH in NJW 1996, S. 984- Caroline von Monaco II; BGH in NJW 1995, S. 861- Carotine von Monaco I; BGH in NJW 1965, S. 685 - Soraya; BVerfG in NJW 1980, S. 2070 Eppler; BVerfG in NJW 1980, S. 2072- Böll sowie zusammenfassend Baston-Vogt, S. 423 ff.; Soehring, Presserecht, Rn. 18.1 ff.; Wenzel, Rn. 5.63 ff. 754 Siehe oben Zweiter Teil, A.II.3.c). 755 Vgl. nur BVerfG in NJW 1999, S. 1322 (1324)- Helnwein, sowie- mit weiteren Nachweisen - oben Zweiter Teil, A.l.2.b.aa)(3). 756 Siehe oben Zweiter Teil, A.I.2.b.aa)(4).

B. Auflösung der Interessenkollision

251

b) Entscheidungsmaßstäbe der Kollisionsauflösung im Wahrheitsschutz

Als Abwägungskriterien im Bereich des Wahrheitsschutzes dienen der Grad der Sorgfaltswidrigkeit auf Seiten des Komrnunikators, die Bedeutung des betreffenden Themas für den öffentlichen Meinungsbildungsprozess sowie die Intensität der erlittenen Persönlichkeitsbeeinträchtigung. aa) Grad der Sorgfaltswidrigkeit Die Gerichte berücksichtigen im Rahmen der Güter- und Interessenahwägung maßgeblich den Grad der Pflichtwidrigkeit, die auf Seiten des Äußernden zur Verbreitung der unwahren Personeninformation geführt hat. Wie oben bereits dargelegt, führen die vorsätzliche und die grob fahrlässige Verbreitung von Unwahrheiten nach h. L. und Rechtsprechung bereits zur Ausgrenzung des Informationsvermittlungsaktes aus dem Schutzbereich des Art. 5 I GG mit der Folge, dass eine Rechtfertigung der bewirkten Persönlichkeitsbeeinträchtigung von vornherein ausscheidet. Kannte also der Äußernde die Unwahrheit der Mitteilung oder kannte er sie aufgrund eines groben Verstoßes gegen die ihm obliegende Sorgfaltspflicht nicht, so steht die Rechtswidrigkeit der Verbreitung fest, ohne dass es einer Güter- und Interessenahwägung bedarf.757 Etwas anderes gilt für fahrlässige und unverschuldete Falschmeldungen. Sie können im Einzelfall gerechtfertigt sein, da ihre Verbreitung prinzipiell dem Anwendungsbereich des Art. 5 I GG unterfällt.758 Kannte also der Äußernde die Unwahrheit infolge eines nur leichten Pflichtverstoßes nicht, oder durfte er im Zeitpunkt der Verbreitung sogar von der Wahrheit der Äußerung ausgehen, so bedarf es einer Abwägung des Publikations- und Informationsinteresses mit dem Wahrheitsinteresse des Betroffenen. Hierbei spielt der Grad des subjektiven Pflichtverstoßes eine entscheidende Rolle: Je intensiver sich der Äußernde um die Erforschung der Wahrheit bemüht hat, desto eher ist die objektiv unwahre Mitteilung gerechtfertigt.759 Als Maßstab zur Feststellung der Vorwerfbarkeit einer objektiv unwahren Berichterstattung hat sich in der Judikatur der Begriff der publizistischen Sorgfalt160 etabliert.761 Hierbei handelt es sich um eine tätigkeitsspezifische Konkretisierung der "im Verkehr erforderlichen Sorgfalt" nach § 276 I 2 757 Das gleiche soll gelten für Fälle "evidenter Unwahrheit", vgl. BVerfGE 90, S. 241 (253)- Auschwitzlüge. 758 So zuletzt BVerfG in AfP 2000, S. 351. 759 Vgl. nur BVerfG in AfP 2000, S. 272, 274. 760 Vgl. hierzu ausführlich Peters in NJW 1997, S. 1334 m. w.N. 761 Peters führt den Begriff auf das Urteil OLG Köln in NJW 1963, S. 1934 zurück; Peters in NJW 1997, S. 1334 (1335).

252

2. Teil: Die Triviale Personenberichterstattung im Spannungsfeld

BGB, die den besonderen Anforderungen des massenmedialen Informationsvermittlungsprozesses Rechnung trägt. 762 Die publizistische Sorgfalt erfordert vor allem eine umfassende Recherche763 und das Zusammentragen eines "Mindestbestands an Beweistatsachen"764, die Vollständigkeit der Mitteilung durch Berücksichtigung aller bekannten Tatsachen765 sowie das Einholen einer Stellungnahme des Betroffenen vor Veröffentlichung766• Hat der Äußernde diese Grundsätze umfassend beachtet, so ist prinzipiell von der Rechtmäßigkeit der infragestehenden Verbreitung auszugehen. Anderenfalls bedarf es einer Qualifizierung des Schweregrades der Pflichtwidrigkeit So hat der Bundesgerichtshof die missverständliche Formulierung "Caroline tapfer kämpft sie gegen Brustkrebs" auf dem Titelblatt einer Illustrierten als erhebliche Pflichtverletzung eingestuft, weil hierdurch wahrheitswidrig suggeriert wurde, die daneben abgebildete Prinzessin Caroline von Monaco leide selbst unter Brustkrebs, obwohl sie - wie sich erst aus dem Artikel im Heftionern ergab - lediglich als Schirmherrin einer diesbezüglichen gemeinnützigen Initiative fungierte. 767 Ebenfalls einen erheblichen Pflichtverstoß erblickte das LG Berlin in der unterlassenen Anhörung eines Studiendirektors, dem die Bild-Zeitung wahrheitswidrig vorwarf, er habe eine Langzeiterkrankung nur vorgespiegelt, um unter fortlaufender Inanspruchnahme der Bezüge an seiner Dissertation zu arbeiten. 768 Die allein auf Gerüchte gestützte Bezeichnung eines Immobilienmaklers als "Rotlichtfürst" und den damit verbundenen unzutreffenden Vorwurf "zuhälterischer Aktivitäten" befand das OLG Saarbrücken für grob sorgfaltswidrig, da die veröffentlichende Zeitung keine weiteren Beweistatsachen zur Verifizierung der Behauptung ermittelt hatte?69 Das OLG Koblenz schließlich sah in der Verwechslung eines Fotos, durch dessen Veröffentlichung in einer Illustrierten ein unbescholtener Pfarrer in Zusammenhang mit den sexuellen Verfehlungen katholischer Priester gebracht wurde, einen groben Verstoß gegen die publizistische Sorgfaltspflicht.770 In allen zitierten Entscheidungen 762 Vgl. auch die diesbezügliche Formulierung in den Landespressegesetzen. In § 6 des HambPresseG heißt es beispielsweise: "Die Presse hat alle Nachrichten mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf Wahrheit, Inhalt und Herkunft zu überprüfen". 763 BGH in NJW-RR 1988, S. 733; OLG Stuttgart in ArchPR 1971, S. 104; dazu Peters in NJW 1997, S. 1334 (1335 f.). 764 OLG Saarbrücken in NJW 1997, S. 1376 (1378)- Rotlichtfürst 765 BGH in NJW 1997, S. 1148 (1149). 766 OLG Harnburg in AfP 1997, S. 477 (478): LG Berlin in NJW 1997, S. 1373 - gierigster Lehrer. 767 BGH in NJW 1996, S. 984 (985) - Caroline von Monaco II. 768 LG Berlin in NJW 1997, S. 1373 (1374)- gierigster Lehrer. 769 OLG Saarbrücken in NJW 1997, S. 1376 (1378)- Rotlichtfürst 770 OLG Koblenz in NJW 1997, S. 1375 (1376)- Schweigen der Hirten.

B. Auflösung der Interessenkollision

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führte der Vorwurf der Sorgfaltswidrigkeit zur Rechtswidrigkeit der Veröffentlichung. Hieraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass jeder Sorgfaltspflichtverstoß zwingend auch die Rechtswidrigkeit der Mitteilung nach sich zöge. Insbesondere im Bereich leichter Sorgfaltswidrigkeit sind daneben weitere, unmittelbar auf Art. 5 I GG zurückgehende Abwägungskriterien zu berücksichtigen. bb) Bedeutung des Themas für den öffentlichen Meinungsbildungsprozess Berücksichtigung findet neben dem Grad des Pflichtverstoßes auch die Bedeutung des von der Falschmitteilung berührten Themas für den öffentlichen Meinungsbildungsprozess. Zwar steht fest, dass an der Verbreitung einer unwahren Tatsachenbehauptung selbst "nie, auch nicht im Blick auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit ein schutzwürdiges Interesse bestehen" kann. 771 Es ist jedoch ebenfalls anerkannt, dass von der rechtlichen Sanktionierung einer unzulässigen Äußerung keine abschreckende Wirkung auf den Kommunikationsprozess insgesamt ausgehen darf. 772 In der "Soldaten sind Mörder"-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1995 heißt es, Art. 5 I GG verbiete eine Auslegung und Anwendung der persönlichkeitsschützenden Normen, "von der ein abschreckender Effekt auf den Gebrauch des Grundrechts ausgeht, der dazu führt, dass aus Furcht vor Sanktionen auch zulässige Kritik unterbleibt. "773

Die Vermeidung dieses sog. chilling effect ist dabei besonders ernst zu nehmen, wenn es um Themen von besonderer politischer oder gesellschaftlicher Bedeutung geht, denn gerade hier bedarf es aus Demokratiegründen einer besonders lebhaften und unreglementierten öffentlichen Diskussion. Dies spiegelt sich nicht zuletzt in der Wertung des § 193 StGB wider, demzufolge nicht erweislich wahre (ehrenrührige) Tatsachenbehauptungen um so eher gerechtfertigt sind, je mehr Gewicht die fragliche Angelegenheit für die Allgemeinheit hat. 774 Je bedeutender also das von der Unwahrheit berührte Thema für den Prozess der öffentlichen Meinungsbildung ist, desto eher wird eine (nur) fahrlässige Falschmeldung gerechtfertigt sein, da anderenfalls eine Abschreckung weiterer Berichte zu diesem Thema zu befürchten steht. 771 BGH in NJW 1982, S. 2246 - Klinikdirektoren. Vgl. auch Soehring, Presserecht, Rn. 18.2. 772 Vgl. BVerfG in NJW 1999, S. 1322 (1324) - Helnwein; BGH in AfP 1998, S. 506 (508)- Stolpe; BVerfGE 85, S. 1 (21) -Kritische Bayer-Aktionäre. 773 BVerfG in NJW 1995, S. 3303 - "Soldaten sind Mörder". 774 Schönke/Schröder-Lenckner, § 193 Rn. 17m. w. N.

254

2. Teil: Die Triviale Personenberichterstattung im Spannungsfeld

cc) Intensität der Persönlichkeitsbeeinträchtigung Schließlich ist im Rahmen der Güter- und Interessenahwägung die Intensität der durch die unwahre Berichterstattung verursachten Persönlichkeitsbeeinträchtigung zu berücksichtigen. Hierbei lassen sich drei Intensitätsstufen unterscheiden. Eine erste Stufe umfasst unwahre Informationen, durch die allein das persönlichkeitsrechtlich geschützte Wahrheitsinteresse des Betroffenen beeinträchtigt wird. Als Beispiel kann hier die Behauptung dienen, ein Filmschauspieler habe seinen Urlaub auf Madeira verbracht, während er sich in Wirklichkeit auf Mallorca aufhielt. 775 Auch der EpplerEntscheidung des Bundesverfassungsgericht/16 lag ein solcher Sachverhalt zugrunde. Dem damaligen SPD- Vorsitzenden des Landes Baden-Württemberg wurde fälschlich unterstellt, er habe öffentlich geäußert, man wolle "die Belastbarkeit der Wirtschaft" testen. Das Bundesverfassungsgericht entschied, dass hierdurch weder die Privat-, Geheim- oder Intimsphäre Epplers noch dessen persönliche Ehre berührt seien.777 Derartige "neutrale Unwahrheiten"778, die außer dem isolierten Wahrheitsinteresse des Betroffenen keine weiteren rechtlich geschützten Positionen beeinträchtigen, können sich im Abwägungsvorgang vergleichsweise leicht behaupten. Auf der zweiten Stufe finden sich demgegenüber solche Falschmeldungen, die neben dem Wahrheitsinteresse noch weitere rechtlich geschützte Interessen des Betroffenen berühren. lnfrage kommen insbesondere unwahre Tatsachenbehauptungen, die entweder ehrenrührig sind oder thematisch der geschützten Persönlichkeitssphäre des Betroffenen zugehören. Daneben können aber auch die Kreditwürdigkeit, der soziale Geltungsanspruch, das Selbstbestimmungsinteresse oder das kommerzielle Verwertungsinteressen des Betroffenen in Betracht kommen. So betrifft die wahrheitswidrige Berichterstattung über den Gesundheitszustand einer Person neben deren Wahrheitsinteresse zugleich auch deren Privatsphäre.779 Das gleiche gilt für die fälschliehe Unterstellung von Heiratsabsichten.780 Und die in der Titelzeile "Berlins gierigster Lehrer - er machte 3 Jahre krank, baute seinen Doktor und will jetzt mehr Gehalt" enthaltene unwahre Behauptung, der Betroffene habe aus selbstsüchtigen Motiven eine Dauerkrankheit vorgespiegelt, verletzt diesen sowohl in seinem Wahrheitsanspruch als auch in seiner persönlichen Ehre. 781 Eine solche Kumulation von Soehring, Presserecht, Rn. 18.5. BVerfG in NJW 1980, S. 2070- Epp1er. 777 BVerfG in NJW 1980, S. 2070 (2071)- Eppler. 778 Wenzel, Rn. 5.68. 779 BGH in NJW 1996, S. 984 (985)- Caro1ine von Monaco II. 780 Vgl. BGH in NJW 1965, S. 685 (686)- Soraya; BGH in NJW 1995, S. 861 (863) - Caroline von Monaco I. 775

776

B. Auflösung der Interessenkollision

255

Interessensverletzungen führt dabei tendenziell zur Rechtswidrigkeit der fraglichen Mitteilung, denn mit jedem zusätzlichen Interesse, das durch den konkreten Eingriff berührt wird, wächst auch die Schwere der Rechtsbeeinträchtigung782. Die dritte und letzte Stufe der Persönlichkeitsbeeinträchtigung schließlich umfasst unwahre Tatsachenbehauptungen, durch die der Betroffene im Kern seiner Menschenwürde verletzt wird. Denkbar ist dies insbesondere im Falle von Falschmeldungen, die den Betroffenen in seinem sittlich-personalen Geltungswert oder in seiner Intimsphäre betreffen. So haben sich die Gerichte immer wieder mit unwahren Veröffentlichungen zu beschäftigen, die das Sexualverhalten oder das Intimleben des Betroffenen zum Gegenstand haben. 783 Aufgrund des absoluten Schutzes des Menschenwürdekerns ist in solchen Fällen eine Abwägung der widerstreitenden Interessen nicht möglich. Vielmehr ist hier kategorisch von der Unzulässigkeil der Falschmeldung auszugehen. c) Zusammenfassung

Die Kollisionsauflösung im Wahrheitsschutz orientiert sich an drei Kriterien: Dem "Grad der Sorgfaltswidrigkeit" des Kommunikators, der "Bedeutung des Themas für den öffentlichen Kommunikationsprozess" und der "Intensität der Persönlichkeitsbeeinträchtigung". Dabei gilt: Da unwahre Personeninformationen zur öffentlichen Meinungsbildung nichts beitragen können, werden sie grundsätzlich für unzulässig befunden. Nur ausnahmsweise können sie aus übergeordneten Erwägungen heraus gerechtfertigt sein; so beispielsweise bei - relativer - Unvermeidbarkeit oder zur Verhinderung einer abschreckenden Wirkung auf den Prozess des gesellschaftlichen lnformationsaustausches. Trotz· seiner vergleichsweise schwachen persönlichkeitsrechtlichen Verankerung wird dem individuellen Wahrheitsinteresse damit im Ergebnis ein recht weitgehender äußerungsrechtlicher Schutz zugebilligt.

LG Berlin in NJW 1997, S. 1373 (1374)- gierigster Lehrer. Baston-Vogt, S. 426. 783 Vgl. OLG Koblenz in NJW 1997, S. 1375 - Schweigen der Hirten; OLG Harnburg in NJW 1995, S. 220- Frühlingsgefühle; OLG München in NJW 1996, S. 539 - Telefonsex. 781

7 82

256

2. Teil: Die Triviale Personenberichterstattung im Spannungsfeld

111. Leitgedanken und Werteordnung im äußerungsrechtlichen Persönlichkeitsschutz Eine kritische Analyse Die vorangegangenen Ausführungen haben aufgezeigt, anband welcher Kriterien die Gerichte den für die Triviale Personenberichterstattung typischen Konflikt zwischen Persönlichkeitsschutz und Kommunikationsfreiheit im Einzelfall entscheiden. Die so ermittelten Einzelkriterien sollen nunmehr geordnet, analysiert und zu einem einheitlichen theoretischen Modell zusammengeführt werden (1.). Das so zu entwickelnde, übergeordnete Konzept der Rechtsprechung wird dann einer eingehenden verfassungsrechtlichen Überprüfung zu unterziehen sein (2.). Aufbauend auf der hieraus resultierenden, grundsätzlichen Kritik an dem gegenwärtigen Abwägungsmodell soll im Anschluss hieran ein verfassungskonformes Gegenmodell entworfen und in seiner praktischen Bedeutung für die Kollisionsauflösung zwischen Kommunikationsfreiheit und Persönlichkeitsschutz erläutert werden (3.). 1. Die ratio des gegenwärtigen Systems der rechtlichen Kollisionsauflösung

Im Rahmen der vorangegangenen Rechtsprechungsanalyse konnten die wesentlichen Kriterien der rechtlichen Kollisionsauflösung im Einzelfall herausgearbeitet werden. Wie zu zeigen war, orientiert sich die Abwägung innerhalb der beschriebenen Konfliktlagen an spezifischen Entscheidungsmaßstäben, die den Besonderheiten des zugrundeliegenden Lebenssachverhaltes Rechnung tragen. Bei genauer Betrachtung sind allerdings deutliche Überschneidungen festzustellen. So lässt sich eine Orientierung der Gerichte am Grundsatz der Unverletzlichkeit der Menschenwürde 184 , am Zweck der Äußerung und der Motivation des Äußernden185 , an der Legitimität des öffentlichen lnformationsinteresses186, an der sozialen Stellung und Funktion des Dargestellten181 sowie an Ausmaß und Intensität der Verletzungshandlung788 gleichermaßen im Ehrschutz wie auch im Bildnis-, Wahrheits- und Diskretionsschutz nachweisen. Diese Parallelität ist kein Zufall. Vielmehr verdeutlicht sie, dass die Kollisionsauflösung zwischen Medienfreiheit und Persönlichkeitsschutz nach übergeordneten und verallgemeinerbaren Grundsätzen 784 785 786

787 788

Dazu Dazu Dazu Dazu Dazu

oben Zweiter Teil, oben Zweiter Teil, oben Zweiter Teil, oben Zweiter Teil, oben Zweiter Teil,

B.II.l.b)aa); B.Il.2.b)gg); B.II.3.b)aa); B.II.4.b)cc). B.II.l.b)hh); B.II.2.b)bb); B.II.3.b)ff). B.II.l.b)ii); B.II.2.b)dd); B.II.3.b)bb); B.II.4.b)bb). B.II.l.b)jj); B.II.2.a)bb); B.II.3.b)dd). B.II.2.b)aa); B.II.3.b)cc); B.II.4.b)cc).

B. Auflösung der Interessenkollision

257

erfolgt. Bei genauer Betrachtung lässt sich die Gesamtheit der oben dargestellten Abwägungskriterien denn auch auf zwei bestimmende Kategorien zurückführen, welche - unabhängig von der jeweiligen Kollisionslage - die Einzelfallentscheidungen der Gerichte normativ leiten. Auf Seiten des Dargestellten ist dies die Intensität der subjektiven Rechtsbeeinträchtigung, auf Seiten des Kommunikators die objektive Wertigkeit der Information. a) Gewichtung des Abwehrinteresses: Die " Intensität der Rechtsbeeinträchtigung"

Den Ausgangspunkt der gerichtlichen Entscheidungstindung bildet die Intensität der Rechtsbeeinträchtigung auf Verletztenseite: Wie stark, so die Ausgangsfrage des gerichtlichen Entscheidungsfindungsprozesses, betrifft die streitgegenständliche Publikation den Dargestellten in seiner Persönlichkeit? Diese Frage beantwortet die Rechtsprechung anband von drei separaten Faktoren: Der objektiven Schutzwürdigkeit des beeinträchtigten Interesses, der subjektiven Schutzbedürftigkeit des Betroffenen sowie der Umfänglichkeil des berührten Interessenspektrums. aa) Objektive Schutzwürdigkeit des beeinträchtigten Interesses Zur Bestimmung der Intensität der Rechtsverletzung orientieren die Gerichte sich zunächst an der Schutzwürdigkeit des betroffenen Persönlichkeitsinteresses. Abgeleitet wird diese aus der Nähe des betroffenen Interesses zum Menschenwürdekern des Art. 1 I GG. Der Grundsatz der Unverletzlichkeit des Menschenwürde, der für alle vier Fallkonstellationen prägend ist789, repräsentiert die extreme Form dieses Gedankens: Es gibt - so dessen innere Logik - Persönlichkeitsinteressen, die aufgrund ihres gesteigerten Menschenwürdebezuges grundsätzlich nicht mit dem gegenläufigen Veröffentlichungsinteresse des Kommunikators abwägungsfähig sind (Schutz der Intimsphäre, Schutz des personalen Geltungswerts); ihre Verletzung betrifft den Dargestellten derart intensiv in seiner Persönlichkeit, dass die beeinträchtigende Handlung schon allein deshalb als rechtswidrig anzusehen ist. Diesem Grundsatz liegt ganz offensichtlich die Annahme einer gestaffelten Schutzwürdigkeit der vom Medienpersönlichkeitsrecht umfassten Interessen zugrunde, denn anderen Persönlichkeitsinteressen wird diese absolute Schutzgarantie nicht zugebilligt (Wahrheitsinteresse; Selbstbestimmungsinteresse; wirtschaftliches Verwertungsinteresse). Bestimmend für die Intensität der Rechtsbeeinträchtigung ist also primär der Menschenwürdebezug des betroffenen Persönlichkeitsinteresses. Auch 789

Dazu oben Zweiter Teil, B.II.l.b)aa); B.II.2.b)gg); B.II.3.b)aa); B.II.4.b)cc).

17 Neben

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2. Teil: Die Triviale Personenberichterstattung im Spannungsfeld

in der oben nachgewiesenen Orientierung der Gerichte am Zweck der Verbreitungshandlung190 findet dieser Gedanke seinen Niederschlag: Besonders kritisch hat die Rechtsprechung in diesem Zusammenhang immer wieder die eigennützige, kommerzielle Verwertung der Persönlichkeit beurteilt.791 Der Grund hierfür kann jedoch nicht allein in einer vermeintlichen "verwerflichen" Gesinnung des Verletzers gesehen werden. Denn zum einen ist diese Kategorie dem zivilrechtliehen Rechtsgüterschutz grundsätzlich fremd: Anknüpfungspunkt des Deliktsrechts ist grundsätzlich nicht die Motivation des Täters, sondern der von ihm verursachte Schaden. Und zum anderen kann dem "Handeln in Gewinnerzielungsabsicht" in einer kapitalistischen Gesellschaftsordnung nur schwerlich ein grundsätzlicher Makel der Verwerflichkeit anhaften. Vielmehr spricht aus dem - insoweit nur vordergründig subjektiven - Grundsatz der "Zweckorientierung" die Erkenntnis, dass die kommerziell motivierte Persönlichkeitsverwertung objektiv einen besonders schweren Eingriff in die Rechtssphäre des Betroffenen bewirkt, indem sie diesen nämlich zum Objekt wirtschaftlicher Interessen des Verletzers degradiert und ihn damit unmittelbar im Kern seiner personalen Würde betrifft. Auch der Abwägungsgrundsatz der Zweckorientierung gründet sich also - zumindest auch - auf die besondere Schutzbedürftigkeit der Menschenwürde. Auch er bringt damit eine Abstufung der unterschiedlichen Persönlichkeitsinteressen in Abhängigkeit von ihrer Nähe zu diesem absoluten Schutzgut zum Ausdruck. Gleiches gilt im übrigen auch für die Orientierung der Rechtsprechung am Grad der Sorgfaltswidrigkeit im Bereich des Wahrheitsschutzes792 . Vordergründig sanktionieren die Gerichte zwar auch hier die "verwerfliche Gesinnung" des Verletzers, der böswillig (entweder bewusst oder zumindest ohne die notwendige Rücksichtnahme) über die personale Integrität des Opfers verfügt. Daneben ist jedoch ausschlaggebend, dass gerade die vorsätzliche Persönlichkeitsverletzung den Betroffenen zu eigennützigen (materiellen oder ideellen) Zwecken instrumentalisiert, ihm damit Objektqualität zuweist und sich im Ergebnis als unmittelbarer Eingriff in den Kernbereich seiner menschlichen Würde darstellt. Und schließlich lässt sich die aufgezeigte Orientierung der Rechtsprechung besonders deutlich anhand des den Bildnis- und Diskretionsschutz dominierenden Sphärengedankens193 nachweisen: Die Beurteilung der Schutzwürdigkeit der betroffenen Interessen anhand von Sphären ist unmittelbarer Ausdruck einer abgestuften Wertigkeit der unterschiedlichen PerDazu oben Zweiter Teil, B.II.l.b)hh); B.ll.2.b)bb); B.II.3.b)ff). Vgl. BGHZ 30, S. 7 (12)- Caterina Valente; BGHZ 91, S. 117 (122,126)Mordoro; BGH in NJW 1995, S. 861 (865)- Carotine von Monaco I. 792 Dazu oben Zweiter Teil, B.II.4.b)aa). 793 Dazu oben Zweiter Teil, B.II.2.b)aa); B.II.3.b)aa). 790

79 1

B. Auflösung der Interessenkollision

259

sönlichkeitsinteressen in Abhängigkeit von ihrem Menschenwürdebezug. So ist der Schutz der Öffentlichkeitssphäre nur gering, der Schutz der Privatsphäre intensiver und der Schutz der Intim- und Geheimsphäre umfassend ausgestaltet. Erneut gilt: Je näher das betroffene Interesse am Menschenwürdekern des Art. 1 I GG liegt, desto größer seine (objektive) Schutzwürdigkeit.794 Es kann daher nach allem festgestellt werden, dass sich die "opferbezogenen" Entscheidungsmaßstäbe der Kollisionsauflösung maßgeblich auf die Schutzwürdigkeit des von der Veröffentlichung betroffenen Interesses gründen, wobei die Nähe des jeweiligen Persönlichkeitsinteresses zum absolut geschützten Kern der Menschenwürde den zentralen Orientierungswert darstellt. Entsprechend stehen am unteren Ende der Wertigkeitsskala das isolierte Wahrheitsinteresse795, das Selbstdarstellungsinteresse in öffentlichen Angelegenheiten796 sowie das kommerzielle Persönlichkeitsinteresse des Betroffenen797 . Ihnen kommt im Abwägungsprozess regelmäßig nur ein abgeschwächtes Gewicht bei, da ihr Menschenwürdegehalt als nur gering eingestuft wird. Auf einer zweiten, schutzintensiveren Stufe finden sich dann das Diskretionsinteresse in privaten Angelegenheiten798, das Anonymitätsinteresse799 sowie das (einfache) Ehrinteresse800. Diesen Positionen wird grundsätzlich eine gesteigerte Schutzwürdigkeit aufgrund deutlicheren Menschenwürdebezugs beigemessen. Und schließlich ist eine dritte Wertigkeitsstufe auszumachen. Sie umfasst diejenigen Persönlichkeitsinteressen, die in unmittelbarer Nähe zum personalen Geltungswert des Einzelnen stehen. Hierunter fallen das (qualifizierte) Ehrinteresse801 sowie das Diskretionsinteresse in intimen und geheimen Angelegenheiten802 . Aufgrund ihres besonderen Menschenwürdebezugs sind diese Interessen mit (fast) absolutem Schutz ausgestattet. Anband dieser Skala nimmt die Rechtsprechung freilich nicht ohne Abweichungen im Einzelfall - eine erste Qualifizierung des individuellen Abwehrinteresses vor.

794 Zur Nähe der hier angesprochenen Ausprägungen des Diskretionsinteresses zum Menschenwürdekern des Art. 1 I GG vgl. oben Zweiter Teil, A.II.3.a). 795 Ausführlich hierzu oben Zweiter Teil, A.II.3.c). 7% Ausführlich hierzu oben Zweiter Teil, A.II.3.d). 797 Ausführlich hierzu oben Zweiter Teil, A.II.3.f). 798 Ausführlich hierzu oben Zweiter Teil, A.II.3.a). 799 Ausführlich hierzu oben Zweiter Teil, A.II.3.b). 800 "Sozialer Geltungswert"; ausführlich hierzu oben Zweiter Teil, A.II.3.e). 80 1 Ausführlich hierzu oben Zweiter Teil, A.II.3.e). 802 Ausführlich hierzu oben Zweiter Teil, A.II.3.a). 17*

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2. Teil: Die Triviale Personenberichterstattung im Spannungsfeld

bb) Subjektive Schutzbedürftigkeit des Betroffenen Die so ermittelte "objektive Wertigkeit" des betroffenen Persönlichkeitsgutes entscheidet jedoch noch nicht endgültig über die Gewichtigkeit des individuellen Abwehrinteresses im Abwägungsprozess. Die Rechtsprechung berücksichtigt daneben die subjektive Schutzbedürftigkeit des Betroffenen als Korrektiv im Einzelfall. Dies geht besonders deutlich aus der von den Gerichten praktizierten Einschränkung des Persönlichkeitsschutzes für Personen des öffentlichen Lebens 803 hervor: Deren Selbstdarstellungs-, Diskretions- und Ehrinteressen werden grundsätzlich für weniger schutzwürdig befunden als die identischen Interessen von unbekannten Privatpersonen. Im Ehrschutz findet dieses Prinzip seinen Ausdruck in der Berücksichtigung der gesellschaftlichen Stellung und Funktion des Dargestellten804 . Begründet wird die dargestellte Beschränkung dort mit einem angeblichen Rechtsverzicht der Betroffenen durch freiwilliges öffentliches Auftreten; Personen des öffentlichen Lebens gäben freiwillig und bewusst Anlass zur Berichterstattung über ihre persönlichen Verhältnisse und ließen damit eine "großzügige Definition" ihres Persönlichkeitsrechts erkennen. 805 Auf derselben Argumentation basiert auch das Abwägungskriterium der Freiwilligen Begebung des Geheimhaltungsinteresses806 im Diskretionsschutz sowie im Bildnisschutz die Orientierung am Grad der faktischen Anonymität801 . Und schließlich verwirklicht auch das im Ehrschutz entwickelte Gegenschlagsprinzip808 diesen Gedanken: Wer sich freiwillig am öffentlichen Meinungskampf beteiligt, so dessen ratio, der verzichte jedenfalls graduell auf den ihm grundsätzlich zustehenden Persönlichkeitsschutz. 809 Hinter der hiermit angesprochenen, praktisch äußerst bedeutsamen Beschränkung des Persönlichkeitsschutzes verbirgt sich die Vorstellung, eine objektiv vergleichbare Handlung - beispielsweise die Berichterstattung über eine intime Beziehung - könne sich subjektiv in unterschiedlicher Intensität auswirken, abhängig von der Schutzbedürftigkeit, die der Betroffene selbst der beeinträchtigten Rechtsposition beimisst oder die ihr vernünftigerweise beizumessen ist. Tragender Gedanke ist demnach auch hier die Intensität der Rechtsbeeinträchtigung, wenngleich in subjektiver Ausprägung. Dazu oben Zweiter Teil, B.Il.l.b)jj); B.II.2.a)bb); B.II.3.b)dd). Vgl. oben Zweiter Teil, B.II.l.b)jj) 805 OLG Köln in AfP 1982, S. 181 (183)- Rudi Carell. 806 Vgl. oben Zweiter Teil, B.II.3.b)cc). 807 Vgl. oben Zweiter Teil, B.II.2.b)ff). 808 Vgl. oben Zweiter Teil, B.Il.l.b)dd). 809 Vgl. BVerfGE 66, S. 116 (150 f.) - Wallraff; BVerfGE 54, S. 129 (138); BVerfGE 61, S. 1 (13) - "geb. Mörder". 8°3

804

B. Auflösung der Interessenkollision

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cc) Umfänglichkeit des berührten Interessenspektrums Als zweites Korrektiv bei der Beurteilung der Gewichtigkeit des individuellen Abwehrinteresses dient der Rechtsprechung die Umfänglichkeif des berührten Interessenspektrums. Hier gilt: Die kumulative Verletzung mehrerer Persönlichkeitsinteressen durch eine einheitliche Handlung führt regelmäßig zu einer stärkeren Gewichtung des Abwehrinteresses des Betroffenen. Besonders deutlich wird dieser Grundsatz im Bereich des Wahrheitsschutzes. 810 Hier konnte festgestellt werden, dass sog. "neutrale Unwahrheiten"811 , die außer dem isolierten Wahrheitsinteresse des Betroffenen keine weiteren rechtlich geschützten Positionen beeinträchtigen, sich im Abwägungsvorgang vergleichsweise leicht behaupten können, wohingegen eine Kumulation von Interessensverletzungen tendenziell zur Rechtswidrigkeit der fraglichen Mitteilung führt, da mit jedem zusätzlichen Einzelinteresse, welches durch den konkreten Eingriff berührt wird, die Intensität der Rechtsbeeinträchtigung wächst812 . Dieser Gedanke findet sich ebenfalls im Bildnis- und im Diskretionsschutz. Hier ist anerkannt, dass bei Rechtswidrigkeit der Materialerlangung eine starke Vermutung auch für die Rechtswidrigkeit des Verbreitungsaktes spricht und zwar unabhängig vom Inhalt der konkreten Information.813 Begründen lässt sich dieser Grundsatz damit, dass in einem solchen Fall neben die eigentlich streitgegenständliche Informationsverbreitung eine weitere Persönlichkeitsverletzung tritt, nämlich das Eindringen in die geschützte Privat- oder Intimsphäre bzw. das Erschleichen von Informationen durch Täuschung oder Vertrauensbruch auch hier resultiert aus der Kumulation von Interessenverletzungen eine Verstärkung des individuellen Abwehrinteresses. dd) Zwischenergebnis Wie zu zeigen war, besteht der erste, von der Rechtsprechung vorgenommene gedankliche Schritt zur Gewichtung des individuellen Abwehranspruchs in einer Bewertung der objektiven Schutzwürdigkeit des betroffenen Persönlichkeitsinteresses. Hier lässt sich eine Wertigkeitsskala ausmachen, die sich an dem Menschenwürdebezug des konkret betroffenen Interesses orientiert. Die sich hieraus ergebende, grundsätzliche Qualifizierung des individuellen Abwehrinteresses wird jedoch gegebenenfalls durch zwei ergänzende Erwägungen korrigiert. Zum einen ist dies die subjektive Schutzbedüiftigkeit des Betroffenen. Hier gilt: Je weitergehend sich dieser 810 811 8 12 813

Vgl. oben Zweiter Teil, B.II.4.b)cc). Wenzel, Rn. 5.68. So die zutreffende Argumentation Baston-Vogts, S. 426. Vgl. oben Zweiter Teil, B.II.2.b)cc); B.II.3.b)ee).

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2. Teil: Die Triviale Personenberichterstattung im Spannungsfeld

selbst in der Öffentlichkeit exponiert hat, desto deutlicher schwächt sich auch sein persönlichkeitsrechtlicher Schutzanspruch ab. Schutzverstärkend hingegen wirkt sich eine Kumulation der von der Publikation betroffenen Interessen aus. Hier gilt: Je umfassender die Persönlichkeit des Dargestellten berührt wird, desto intensiver ist dessen Schutzanspruch ausgestaltet, und zwar unabhängig von der individuellen Wertigkeit der betroffenen Einzelinteressen. Dem auf diese Weise ermittelten und gewichteten individuellen Abwehrinteresse des Dargestellten stellt die Rechtsprechung nun in einem zweiten Schritt das Publikationsinteresse des Kommunikators gegenüber. b) Gewichtung des Publikationsinteresses: Die "soziale Wertigkeit der Information"

Die Gewichtigkeit des gegenläufigen Publikationsinteresses bemisst die Rechtsprechung maßgeblich anhand der sozialen Wertigkeit der veröffentlichten lnformation814, wie sich bereits aus einer oberflächlichen Betrachtung der oben zusammengestellten Abwägungskriterien ergibt. Seinen unmittelbaren Ausdruck findet dieser Leitgedanke in der im Ehrschutz geltenden Vermutung der Zulässigkeif der politischen Rede815 ; daneben ist er in den sowohl im Bildnis-816 und Diskretionsschutz817 wie auch im Ehrschutz maßgebenden Kriterien der Zweckbestimmung und Motivation des Äußernden818 sowie der Legitimität des öffentlichen lnformationsinteresses819 wiederzufinden. Dabei kann die im Ehrschutz geltende Vermutungsformel als deutlichster Hinweis auf die von der Rechtsprechung vorgenommene Privilegierung "wertvoller" Informationen gewertet werden: Handelt es sich bei einer Veröffentlichung um einen "Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage"820, und hat der Kommunikator "im konkreten Fall eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse ernsthaft und sachbezogen erörtert"821 , dann geht die Rechtsprechung regelmä814 Zu diesem Ergebnis gelangen auch Friauf/Höjling in AfP 1985, S. 249 (255 f.). 815 Vgl. oben Zweiter Teil, B.II.l.b)cc). 816 Vgl. oben Zweiter Teil, B.II.2.b)bb) und dd). 817 Vgl. oben Zweiter Teil, B.II.3.bb) und ff). 818 Vgl. oben Zweiter Teil, B.II.l.b)hh). 819 Vgl. oben Zweiter Teil, B.II.l.b)ii). 820 St. Rspr. seit BVerfGE 66, S. 116 (150) - Wallraff. 821 BVerfGE 34, S. 269 (283)- Soraya; vgl. auch BVerfG in NJW 1966, S. 1617 (1619)- Höllenfeuer; BGH in JZ 1965, S. 411 (413)- Gretna Green.

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ßig von einer- faktisch kaum zu widerlegenden- Vermutung für die Freiheit der Rede aus. Nachweisen lässt sich das Prinzip der Privilegierung "wertvoller" Informationen auch im Rahmen der Berücksichtigung von Zweck und Motivation des Kommunikators, wie sie im Bildnis-, Diskretions- und Ehrschutz praktiziert wird. 822 Wird nämlich von dem Grundrecht der Kommunikationsfreiheit nicht zum Zwecke privater Auseinandersetzung Gebrauch gemacht, sondern will der Äußernde in erster Linie zur Bildung der öffentlichen Meinung beitragen, dann sollen die Auswirkungen seiner Äußerung auf den Rechtskreis Dritter in den Augen der Rechtsprechung regelmäßig hinzunehmen sein. Der Schutz des betroffenen Rechtsguts, so das Bundesverfassungsgericht, kann und muss um so mehr zurücktreten, ,je weniger es sich um eine Äußerung im privaten, namentlich im wirtschaftlichen Verkehr und in Verfolgung eigennütziger Ziele handelt, sondern um einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage". 823 Derselbe Gedanke findet sich auch im Bildnisschutz wieder: Das positive Ende der Wertigkeitsskala stellt dort ein vom Abbildenden verfolgter "lnformationszweck"824 dar. Entsprechend wird der Bildnisveröffentlichung, die der Aufklärung der Öffentlichkeit in einer aktuellen Frage dienen soll, im Abwägungsprozess ein besonders großes, der Bildnisverbreitung aus eigennützigen Motiven hingegen nur ein sehr geringes Gewicht beigemessen. 825 Auf den Ausnahmetatbestand des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG soll sich deshalb auch nur derjenige berufen können, der einem "schutzwürdigen Informationsinteresse der Allgemeinheit" nachkommt. 826 Und schließlich kommt dieser Gedanke auch im Diskretionsschutz zum Tragen. 827 Exemplarisch sei hier auf die Formulierung des OLG München verwiesen, welches den Fernsehbeitrag über einen des sexuellen Mißbrauchs verdächtigen Psychotherapeuten - trotz erheblichen Eingriffs in dessen Intimsphäre - deshalb für zulässig befand, weil Motiv und Zweck der Veröffentlichung "ersichtlich das Aufgreifen von Mißständen" gewesen sei; der Beitrag habe sich mit dem angesprochenen Problem "ernsthaft und nicht etwa nur zur Befriedigung der Sensationslust" auseinandergesetzt 828 Dazu oben Zweiter Teil, B.II.l .b)hh); B.ll.2.b)bb); B.ll.3.b)ff). BVerfGE 61, S. 1 (11) - NPD Europas, in Anlehnung an BVerfGE 7, S. 198 (212,) welche ausdrücklich die Bedeutung des Verhältnisses von ,,Zweck und Mittel" der Äußerung betont. 824 OLG Harnburg in AfP 1995, S. 665 (666). Vgl. auch Wenzel, Rn. 8.15. 825 Vgl. OLG Harnburg in AfP 1995, S. 665 (666); BGH in AfP 1997, S. 475 (476)- Bob Dylan m. w. N.; LG München I in AfP 1997, S. 554 (555). 826 Vgl. BGH in AfP 1997, S. 475 (476) - Bob Dylan; BGH in NJW 1996, S593 (594)- Willy Brandt; BGHZ 20, S. 345- Paul Dahlke. 827 Ausführlich hierzu oben Zweiter Teil, B.ll.3.b)bb) und ff). 828 OLG München in AfP 1997, S. 636 (638). 822 823

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2. Teil: Die Triviale Personenberichterstattung im Spannungsfeld

Bei der Beurteilung der Motivation des Äußernden wird also zwischen "wertvollen" und "wertlosen" Intentionen unterschieden - hierin ist das subjektive Pendant zum objektiven lnfonnationswert der Veröffentlichung selbst zu sehen. Diese subjektive Ausprägung des Wertigkeitsprinzips ist ebenfalls in dem Abwägungskriterium der Legitimität des öffentlichen lnfonnationsinteresses verkörpert, welches den Bildnis-, Diskretions- und Ehrschutz leitet. 829 Bei der Auflösung der Interessenkollision im Ehrschutz beispielsweise wird regelmäßig berücksichtigt, "ob die Presse im konkreten Fall eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse ernsthaft und sachbezogen erörtert, damit den Informationsanspruch des Publikums erfüllt und zur Bildung der öffentlichen Meinung beiträgt, oder ob sie lediglich das Bedürfnis einer mehr oder minder breiten Leserschicht nach oberflächlicher Unterhaltung befriedigt".830 Im Bildnisschutz wiederum wird berücksichtigt, inwieweit mit der konkreten Bildnisveröffentlichung "dem Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit über die bloße Vermittlung des Bildes hinaus Rechnung getragen wird"831 . In einer Vielzahl von Entscheidungen zum Recht am eigenen Bild rekurrieren die Gerichte sogar explizit auf den "Informationswert"832, den "Öffentlichkeitswert"833 oder den "zeitgeschichtlichen Nachrichtenwert" des streitgegenständlichen Bildnisses834 . Im verbalen Diskretionsschutz gilt ähnliches - auch hier entscheidet maßgeblich der objektivierte lnfonnationswert der Mitteilung über die Veröffentlichungsbefugnis. 835 Dazu oben Zweiter Teil, B.II.l.b)ii); B.II.2.b)dd); B.II.3.b)bb); B.II.4.b)bb). BVerfGE 34, S. 269 (283)- Soraya; vgl. auch BVerfG in NJW 1966, S. 1617 (1619)- Höllenfeuer; BGH in JZ 1965, S. 411 (413)- Gretna Green. 83 1 OLG Harnburg in ZUM 1995, S. 214 (215). 832 Der Bundesgerichtshof führt in der Entscheidung Caroline v. Monaco III aus, bei der beiderseitigen Interessenahwägung im Rahmen des § 23 Abs. 2 KUG spiele "der Informationswert des abgebildeten Vorgangs eine erhebliche Rolle. Je größer das Informationsinteresse der Öffentlichkeit ist, desto mehr muss das Schutzinteresse einer Person der Zeitgeschichte hinter den Informationsbelangen der Öffentlichkeit zurücktreten. Umgekehrt wiegt aber auch der Schutz der Persönlichkeit des Betroffenen um so schwerer, je geringer der Informationswert der Abbildung für die Allgemeinheit ist"; vgl. BGH in AfP 1996, S. 140 (143). 833 BGH in AfP 1997, S. 475 (476) - Bob Dylan; BGH in NJW 1996, S. 593 (594) - Willy Brandt. 834 OLG Harnburg in AfP 1995, S. 665 (667). 835 Vgl. OLG Harnburg in AfP 1992, S. 376 (377): "ernsthaftes Informationsinteresse der Öffentlichkeit"; KG in AfP 1988, S. 137: "berechtigtes Interesse"; LG Harnburg in AfP 1996, S. 185 (186): "anerkennenswertes Interesse"; OLG Köln in AfP 1993, S. 759: "erhebliches Interesse der Öffentlichkeit"; OLG Harnburg in AfP 1992, S. 376 (377): "berechtigtes Informationsinteresse der Öffentlichkeit"; LG Ber1in in NJW 1997, S. 1155: "anerkennenswertes Bedürfnis der Allgemeinheit an einer informierenden Berichterstattung". In diesem Sinne auch Soehring, Presserecht, Rn. 19.16 und 19.11. 829

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B. Auflösung der Interessenkollision

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Das Wertigkeitsprinzip lässt sich daneben noch in einer Reihe weiterer Abwägungskriterien wiederfinden. So bestimmt sich im Diskretionsschutz die Intensität des Geheimhaltungsinteresses836 nach dem Öffentlichkeitsbezug der Mitteilung: Informationen aus der Intim- und Geheimsphäre sind stärker geschützt als solche aus der Sozial- und Öffentlichkeitssphäre, und zwar - zumindest auch - deshalb, weil ihnen eine geringere Relevanz für den öffentlichen Meinungsbildungsprozess zugesprochen wird. 837 Dieselbe Privilegierung "wertvoller" Verbreitungsinhalte gegenüber "wertlosen" zeigt sich mit großer Deutlichkeit auch im Wahrheitsschutz. Hier wird die Abwägung entscheidend von der Bedeutung des von der Information berührten Themenkomplexes für den öffentlichen Meinungsbildungsprozess 838 beeinflusst: Berührt die Information Sachkomplexe von grundsätzlicher öffentlicher Bedeutung, so werden unvorsätzliche Falschmeldungen weitaus eher gerechtfertigt, als wenn es sich um vorwiegend unterhaltende Inhalte handelt. 839 Im Ergebnis bestätigt sich damit die Ausgangsthese: Das Gewicht, welches dem Publikationsinteresse des Kommunikators im Abwägungsprozess beigemessen wird, bestimmt sich heute maßgeblich nach der Wertigkeit der veröffentlichten Information. 840 Als Orientierungsgröße dient den Gerichten der Grad, in dem der konkrete Informationsakt als "Beitrag zum Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage" 841 anzusehen ist. Dass als "wesentlich" vornehmlich politische Inhalte angesehen werden, ergibt sich deutlich aus den bereits zitierten Entscheidungen. 842 Zweiter Teil, B.II.3.b)aa). Dies ergibt sich aus einer Betrachtung der einschlägigen Entscheidungen. Im Bereich des Intimsphärenschutzes argumentieren die Gerichte nämlich keinesfalls ausschließlich mit der besonderen Verletzungsempfindlichkeit dieser Sphäre. Es wird vielmehr immer wieder darauf hingewiesen, dass Informationen aus der Intimsphäre die breite Öffentlichkeit "nichts angehen", an ihnen also kein berechtigtes öffentliches Informationsinteresse besteht; vgl. die Zusammenstellung oben Zweiter Teil B.II.3.b)aa) und bb.; B.II.2.b)dd). 838 Vgl. oben Zweiter Teil, B.II.4.b)bb). 839 Vgl. dazu BGH in NJW 1995, S. 861 - Caroline von Monaco I; BVerfG in NJW 1980, S. 2070- Eppler. 840 Zu diesem Ergebnis gelangen auch Müller, Bildnisveröffentlichung, S. 175 und Wolf, S. 197; vgl. auch Erman-Ehmann, Anh. zu § 12 Rn. 51. 841 BVerfGE 66, S. 116 (150) - Wallraff 842 Dass mit "die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Fragen" in erster Linie politische Themen gemeint sind, geht besonders anschaulich aus der Entscheidung NPD Europas des Bundesverfassungsgerichts hervor, BVerfGE 61, S. 1 (11 f.), welche die im Wahlkampf geäußerte Kritik an einer politischen Partei zum Gegenstand hatte. Dort heißt es: "Im besonderen Maße hat dies [die Vermutung für die Freiheit der Rede, Anm. d. Verf.] zu gelten, wenn es sich [... ] um Auseinandersetzungen in einem Wahlkampf handelt, also in einer Situation, in welcher der politische Meinungskampf aufs höchste intensiviert ist". 836 837

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2. Teil: Die Triviale Personenberichterstattung im Spannungsfeld

Auf der obersten Stufe der Werteskala stehen demgemäß solche Inhalte, denen eine unmittelbare Bedeutung für den politischen Willensbildungsprozess zuerkannt wird. 843 Hierzu zählen Sachinformationen über öffentlich diskutierte Themen des politischen Tagesgeschehens ebenso wie Personeninformationen über politische Entscheidungsträger. Eine zweite Stufe umfasst dann solche Informationen, denen eine (nur) mittelbare politische Bedeutung zuerkannt wird. Hier finden sich Themen von gesellschaftlicher, ökonomischer und kultureller Bedeutung. Den Abschluss bilden auf einer dritten Stufe schließlich solche Informationen, denen allein eine rein gesellschaftliche oder gar nur unterhaltend-individuelle Bedeutung zugebilligt und gleichzeitig jegliche politische Relevanz abgesprochen wird. Hier werden u. a. die Erscheinungsformen der Trivialen Personenberichterstattung angesiedelt. c) Das Verhältnis von "Intensität der Rechtsbeeinträchtigung" und "sozialer Wertigkeit der Information" Während also die Wertigkeit des betroffenen Persönlichkeitsinteresses in Abhängigkeit von dessen Menschenwürdebezug bestimmt wird, bemisst sich die Wertigkeit der publizierten Information nach deren Relevanz für den politischen Willensbildungsprozess. Die so ermittelten Wertigkeiten der gegenläufigen Interessen setzen die Gerichte nunmehr in Relation zueinander, wobei sich das höherwertige Interesse gegenüber dem geringerwertigen durchsetzt. Diese Vorgehensweise ist solange unproblematisch, wie sich die gegenläufigen Interessen in ihrer Wertigkeit deutlich voneinander abgrenzen lassen: Ein die Intimsphäre berührender Sensationsbericht844 bereitet insofern genauso wenig Probleme wie ein politischer Beitrag über das öffentliche Auftreten eines Politikers845 . In beiden Fällen geht der Abwägungsprozess eindeutig zugunsten des jeweils weit überwiegenden Interesses aus. Interessant sind dagegen die Fälle, in denen auf beiden Seiten ein besonders "hochwertiges" - oder ein besonders "geringwertiges" - Interesse vorzufinden ist. Anband dieser Fälle lässt sich nämlich feststellen, welcher der beiden gegenläufigen Positionen von der Rechtsprechung grundsätzlich das größere Gewicht beigemessen wird. Mit abschließender Sicherheit lässt sich diese Frage zwar nicht beantworten. Dazu ist der Abwägungsvorgang zu sehr vom Einzelfall bestimmt, sind die ihn konkret leitenden Erwägungen So auch Wolf, S. 197. Vgl. OLG Ramm in NJW-RR 1995, S. 1114 (1115); LG Berlin in NJW 1997, S. 1155; BGHSt 11, S. 67 (71); BGH in NJW 1971, S. 698- Pariser Liebestropfen; BGH in NJW-RR 1988, S. 733- Intime Beziehungen. 845 Vgl. nur LG München in NJW-RR 1995, S. 660. 843

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B. Auflösung der Interessenkollision

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in den Entscheidungsgründen zu wenig offengelegt und handelt es sich bei der Interessenahwägung nicht zuletzt auch um einen zu stark von irrationalen Momenten geprägten Prozess. Gleichwohl lassen die untersuchten Entscheidungen eine deutliche Tendenz erkennen. Denn immer wieder haben die Gerichte die Publikation von besonders "relevanten" Inhalten trotz der mit ihnen verbundenen, intensiven Beeinträchtigung auch höchstwertiger Persönlichkeitsinteressen für zulässig befunden. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht klargestellt: "Soweit das allgemeine Persönlichkeitsrecht [... ] unmittelbarer Ausfluss der Menschenwürde ist, wirkt diese Schranke absolut und ohne die Möglichkeit eines Güterausgleichs"846. Diese absolute Schranke greift jedoch nur dann, wenn es sich bei einer inkriminierten Äußerung um einen Eingriff in den Kernbereich der Menschenwürde handelt. 847 Dieser aber wird von den Gerichten äußerst eng interpretiert. Daher finden sich trotz des vermeintlich "absoluten" Schutzes der Menschenwürde immer wieder Entscheidungen, in denen diese faktisch mit dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit abgewogen wird und hinter diesem zurücktreten muss. 848 Im Ergebnis kann daher von einem absoluten Schutz der Menschenwürde oder auch nur von einem grundsätzlichen überwiegen des persönlichkeitsrechtlichen Abwehrinteresses keinesfalls gesprochen werden. 849 Vielmehr liegt der Schwerpunkt der gerichtlichen Einzelfallentscheidung heute auf der Wertigkeit der veröffentlichten lnfonnation. Ist diese - in den Augen der Gerichte - von elementarer Bedeutung für den Prozess der öffentlichen Meinungsbildung, so vermag sie im Extremfall (fast) jede mit ihrer Veröffentlichung verbundene Persönlichkeitsverletzung zu rechtfertigen. 2. Kritische Stellungnahme - Verstoß der gegenwärtigen Konzeption gegen das verfassungsrechtliche Gebot inhaltlicher Neutralität Die aufgezeigte primäre Orientierung des Abwägungsvorgangs an der Wertigkeit der veröffentlichten lnfonnation muss äußerst kritisch betrachtet werden. Denn wie oben ausführlich dargestellt850, verbietet Art. 5 I GG die staatliche Bewertung von Äußerungen auf inhaltlicher Grundlage: Die Kommunikationsfreiheiten sind subjektiv-rechtlich darauf angelegt, dem Kommunikator die Äußerung derjenigen Inhalte zu ermöglichen, die er BVerfGE 75, S. 369 (380) - Strauß. Vgl. beispielsweise OLG Düsseldorf in NStZ-RR 1996, S. 164 (165). 848 Vgl. aus jüngerer Zeit OLG Harnburg in AfP 1991, S. 533- Graf; OLG Köln in AfP 1993, S. 759- Scientology; OLG München in AfP 1997, S. 636 (638). 849 So auch Soehring, Presserecht, Rn. 19.6. 850 Dazu oben Zweiter Teil, B.l.l.; vgl. auch v. Münch-Wendt, Art. 5 Rn. 76 m.w. N. 846 847

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2. Teil: Die Triviale Personenberichterstattung im Spannungsfeld

individuell für bedeutend hält. Aus objektiv-rechtlicher Sicht zielen die Kommunikationsfreiheiten darauf ab, ein möglichst breites Spektrum an Informationen öffentlich zugänglich zu machen und den Einzelnen so bei der Bildung einer fundierten und ausgewogenen Meinung zu unterstützen. Die demokratiestaatliche Funktion der Kommunikationsfreiheiten schließlich liegt in der Ermöglichung einer umfassenden Kontrolle des repräsentativen Staatswesens durch das Volk. Aus diesen Funktionszuweisungen folgt unmittelbar die Unzulässigkeit einer Abstufung des Grundrechtsschutzes nach der sozialen Wertigkeit der Information. 851 Denn aus individualrechtlicher Sicht kann die Entscheidung über die Bedeutung einer bestimmten Äußerung nur dem Kommunikator selbst zustehen. Der Informationsakt ist nicht nur als Mitteilung an die Öffentlichkeit, sondern zugleich auch als kommunikative Persönlichkeitsentfaltung anzusehen. So kann sich die Mitteilung einer "unpolitischen", privaten Information aus der subjektiven Sicht des Kommunikators als weitaus bedeutender und damit "wertvoller" als ein Beitrag zum politischen oder gesellschaftlichen Geschehen darstellen. Aus objektiv-rechtlicher Sicht wiederum spricht gegen eine Orientierung am Informationswert der Mitteilung die Unvereinbarkeit einer solchen Vorgehensweise mit dem Postulat eines möglichst unreglementierten und vielfältigen Meinungsmarktes. Denn eine Abstufung der Informationsinhalte nach deren Wertigkeit führt tendenziell dazu, dass bestimmte Kategorien von Kommunikationsinhalten dem öffentlichen Forum von vornherein entzogen werden. Damit aber wird der Gesellschaft die Kompetenz genommen, über die Bedeutung dieser Kommunikationsinhalte selbst zu befinden. Diese Bedenken werden ergänzt durch eine demokratiestaatliche Erwägung. Überträgt man nämlich die Entscheidung über die Relevanz öffentlicher Äußerungen dem Staat, so ist eine effektive Kontrolle staatlichen Handeins nicht länger gewährleistet. Der Staat wird vielmehr in die Lage versetzt, unliebsame Äußerungen für "wertlos" zu erklären und deren Grundrechtsschutz damit erheblich einzuschränken. In einem optimal funktionierenden demokratischen Rechtsstaat mag diese Sorge möglicherweise unbegründet und übertrieben erscheinen. Eine Verfassungsinterpretation kann jedoch den politischen status quo nicht als unveränderbar voraussetzen; sie muss potentiellen politischen und gesellschaftlichen Wandel berücksichtigen und sich auch unter veränderten tatsächlichen Gegebenheiten bewähren können. Dies ist aber im Falle einer Anhindung der Kommunikationsgrundrechte an das subjektive Wertempfinden des Richters nicht gewährleistet. Dass die Wertorientierung der Gerichte dem öffentlichen Meinungsbildungsprozess und dem demokratischen Gemeinwesen gegenwärtig eher zuträglich sein mag, vermag an dieser grundsätzlichen Kritik nichts zu ändern. Denn festzuhalten bleibt, 851

In diesem Sinne auch Müller, Bildnisveröffentlichung, S. 177.

B. Auflösung der Interessenkollision

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dass eine Orientierung am (interpretationsbedürftigen) Informationswert der Äußerung den Gerichten als staatlichen Organen einen über das zulässige Maß hinausgehenden Einfluss auf die Zusammensetzung des gesellschaftlich vorgehaltenen Informationsspektrums ermöglicht und mit der verfassungsrechtlichen Vorgabe eines inhaltsneutralen Schutzes der Kommunikationsfreiheiten nicht zu vereinbaren ist. 852 Die gegenwärtige gerichtliche Praxis muss daher vor dem Hintergrund der freiheitssichemden Funktion des Art. 5 I GG als äußerst bedenklich angesehen werden. 3. "Informationsgehalt" statt "Informationswert" Ein Vorschlag zur Objektivierung des Interessenausgleichs im äußerungsrechtlichen Persönlichkeitsschutz Die zuvor formulierte Kritik an der gegenwärtigen Rechtsprechung ist grundsätzlicher Natur. Es konnte verdeutlicht werden, dass der Konflikt zwischen Publikationsinteresse und Persönlichkeitsschutz in keinem Falle nach der wie auch immer zu ermittelnden "Wertigkeit" der streitgegenständlichen Information entschieden werden darf - eine Erkenntnis, die vollkommen unabhängig von der Frage gilt, welche Kommunikationsinhalte denn im einzelnen für "wertvoll", und welche für "wertlos" zu halten sind. 853 Diese grundsätzliche Kritik hinterlässt zunächst ein Vakuum, denn sie stellt die Eckpfeiler des gegenwärtigen Systems der rechtlichen Kollisionsauflösung in Frage. Wie zu zeigen sein wird, lässt sich die wegfallende Orientierungsgröße Informationswert jedoch vergleichsweise unproblematisch durch eine neue, den verfassungsrechtlichen Anforderungen weitaus besser entsprechende Größe ersetzen, ohne dass es im Ergebnis einer vollkommenen Neubestimmung des äußerungsrechtlichen Persönlichkeitsschutzes bedürfte. Die Gewichtung des Publikationsinteresses, das haben die obigen Ausführungen gezeigt, muss anband einer objektiven und inhaltlich neutralen Größe erfolgen. Nach der hier vertretenen Ansicht ist diese Größe in dem Informationsgehalt der streitgegenständlichen Äußerung zu sehen. Während sich der Informationswert an der Qualität der Veröffentlichung orientiert, bestimmt sich der Informationsgehalt eines kommunikativen Aktes nach der Quantität der in ihm enthaltenen Information. Die entscheidende Frage sollte also nicht lauten: Worüber informiert die Veröffentlichung? sondern vielmehr: Wie informativ ist sie? Im Zentrum dieses Gedankens steht der Begriff der Information. Die Kommunikationswissenschaft definiert diesen als die Verminderung des 852 So im Ergebnis auch Müller, Bildnisveröffentlichung, S. 176 f.; Wolf, S. 202; Mackeprang, S. 144 ff., 223 f.; Stark, S. 123 f. 853 Für die Triviale Personenberichterstattung ist dieser Frage im Ersten Teil dieser Arbeit nachgegangen worden; vgl. oben Erster Teil, B.V.

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2. Teil: Die Triviale Personenberichterstattung im Spannungsfeld

Kenntnisgefälles zwischen Kommunikator und Rezipient; der Akt der Information wird demgemäß verstanden als die "Beseitigung von Ungewissheit" auf Seiten des Rezipienten. 854 Der Informationsgehalt einer Publikation lässt sich also danach bestimmen, in welchem Umfang diese zur Reduzierung einer beim Empfänger bestehenden Ungewissheit führt. 855 Auf welchem Sachgebiet und zu welchem Thema dies erfolgt, ist unerheblich. Ausschlaggebend ist allein, wieviel Unkenntnis beseitigt wird. In dieser thematisch-inhaltlichen Neutralität liegt der entscheidende Vorteil des Informationsgehaltes als Orientierungsgröße. 856 Auf welche Weise aber lässt sich der Informationsgehalt einer Publikation quantifizieren? Die Antwort auf diese Frage ergibt sich unmittelbar aus dem Informationsbegriff. Wenn nämlich Information als Beseitigung von Ungewissheit zu verstehen ist, so muss die Ausgangsüberlegung zur Quantifizierung des Informationsgehaltes in der Frage liegen, inwieweit vor dem Veröffentlichungsakt tatsächliche Ungewissheit hinsichtlich der mitgeteilten Information bestand, und inwieweit diese Ungewissheit durch den konkreten Informationsakt aufgehoben wird. Bestimmende Faktoren zur Feststellung des Informationsgehaltes einer Publikation sind demgemäß erstens der vorhandene, lückenhafte Wissensstand des Rezipienten, zweitens das vorhandene, faktische Interesse des Rezipienten an dem angesprochenen Themenkomplex857 und drittens die Eignung der Publikation zur Beseitigung dieser Ungewissheit. Es gilt also: Je umfassender die Publikation ein faktisch bestehendes, öffentliches Informationsinteresse befriedigt, desto größer ist ihr Informationsgehalt zu veranschlagen. Diese Größe - und nicht der Informationswert der Äußerung - sollte im Konfliktfalle über das Gewicht des Publikationsinteresses entscheiden und dem betroffenen Persönlichkeitsinteresse im Abwägungsprozess gegenübergestellt werden. Vgl. Schulz in Fischer Lexikon Publizistik, S. 148 f. Einen ähnlichen Ansatz verfolgt Wolf, der den Informationsgehalt einer Publikation danach bestimmen will, inwieweit der Rezipient durch die Mitteilung in die Lage versetzt wird, "Konsequenzen zu ziehen". Freilich vermag auch Wolf sich nicht völlig von einer wertenden Betrachtung zu lösen: Seiner Auffassung zufolge soll nämlich der "gesellschaftliche Orientierungswert" der Mitteilung über ihre Schutzwürdigkeit entscheiden; vgl. Wolf, S. 200 f. 856 Dieser Gedanke ist der gegenwärtigen Rechtsprechung im übrigen nicht völlig ungeläufig. So hat der Bundesgerichtshof bereits in einer älteren Entscheidung die dort streitgegenständliche Publikation nicht wegen ihres geringen Wertes, sondern ausdrücklich wegen ihrer Substanzarmut im Abwägungsprozess unterliegen lassen; vgl. BGHZ 45, S. 296 (304). 857 Denn Ungewissheit ist mehr als nur Unwissenheit; von Ungewissheit lässt sich nur sprechen, wenn auf Seiten des Rezipienten bereits eine Bewusstseinsbildung hinsichtlich der Existenz und Bedeutung des betroffenen Themenkomplexes stattgefunden hat. 854 855

C. Zusammenfassende Betrachtung

271

Die Anwendung dieses Grundsatzes führt im Einzelfall durchaus zu Abwägungsergebnissen, die von der gegenwärtigen Rechtsprechungspraxis abweichen. Im Ehrschutz werden Äußerungen nicht länger - allein - unter Hinweis auf die besondere politische Bedeutung ihres thematischen Bezuges zu rechtfertigen sein. Die Verbreitung privater Informationen wiederum kann nicht länger - allein - mit dem Argument für unzulässig erklärt werden, diese seien nur von untergeordneter sozialer Relevanz und deshalb per se weniger schutzwürdig. Und im Bildnisschutz wird die Wertigkeit des Bildnisthemas nicht länger Anknüpfungspunkt der Entscheidung sein können. Hier wird vielmehr zu berücksichtigen sein, ob dem Bild als visueller Informationseinheit ein tatsächlicher Informationsgehalt innewohnt, oder ob sich seine Funktion in der Erzielung von Aufmerksamkeit erschöpft. Im Wahrheitsschutz schließlich führt der hier vertretenen Ansatz zu deutlich abweichenden Ergebnissen: Aufgrund der mangelnden Eignung unwahrer Informationen zur "Beseitigung von Unwissenheit" werden diese regelmäßig, und zwar unabhängig von dem von ihnen berührten Themenbereich, im Abwägungsprozess unterliegen müssen. Im Ergebnis mögen die praktischen Unterschiede zwischen Wertorientierung und Gehaltorientierung gering erscheinen. Eine Neuorientierung der Rechtsprechung nach dem vorgeschlagenen Modell bedeutete jedoch die Objektivierung des Abwägungsprozesses im Einzelfall und könnte dazu beitragen, dem in Art. 5 i. V. m. Art. 20 I GG verankerten Prinzip staatlicher Neutralität im gesellschaftlichen Kommunikationsprozess zur Durchsetzung zu verhelfen. Hierin, und nicht allein in der rechtspolitischen Optimierung der konkreten Abwägungsergebnisse, liegt die eigentliche Bedeutung des hier entwickelten Modells.

C. Zusammenfassende Betrachtung: Zulässigkeit und Grenzen der Trivialen Personenberichterstattung Die bisher gewonnenen Erkenntnisse können nunmehr zusammengefasst und konkret zur Beantwortung der eingangs des Zweiten Teils aufgeworfenen Frage herangezogen werden: Wie weit darf die Triviale Personenberichterstattung (gegenwärtig) gehen, wo liegen (gegenwärtig) ihre rechtlichen Grenzen und auf welche Weise werden diese (gegenwärtig) bestimmt? Und weiter: Wo sollten die rechtlichen Grenzen dieser publizistischen Gattung (sinnvollerweise) liegen, und wie sollten diese (sinnvollerweise) bestimmt werden? Den Ausgangspunkt dieser Überlegungen bildet die Erkenntnis, dass den Publikationen der Trivialen Personenberichterstattung im rechtlichen Kon-

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2. Teil: Die Triviale Personenberichterstattung im Spannungsfeld

flikt mit den gegenläufigen Persönlichkeitsinteressen der Dargestellten strukturell eine unterlegene Position zukommt. Zwar wird ihnen - zunächst - der Schutz des Art. 5 I GG ebenso zugebilligt wie allen anderen Formen massenmedialer Informationsverbreitung auch: Wie gezeigt werden konnte, fallt die Triviale Personenberichterstattung in all ihren typischen Erscheinungsformen in den Gewährleistungsbereich der Medienfreiheit; eine Differenzierung auf Schutzbereichsebene wird heute nicht (mehr) vorgenommen. 858 Im konkreten Prozess der Interessen- und Güterahwägung jedoch zeichnet sich ein anderes Bild ab. Hier führt die Anwendung der einschlägigen Abwägungskriterien, zu einer erheblichen Schlechterbehandlung der Informationsprodukte des "Regenbogenjoumalismus". Der Bundesgerichtshof fasst diese grundsätzliche Tendenz prägnant in der Entscheidung Abgeordnetenbestechung zusammen: "An der Verbreitung bloßer Sensationsnachrichten (,Knüller') mag die Presse allenfalls ein rein gewerbliches Interesse haben; insoweit kann aber eine Persönlichkeitsrechtsverletzung niemals gerechtfertigt sein". 859

Dies mag zunächst verwundern, weil doch tragende Abwägungskriterien der Rechtsprechung wie die "gesellschaftliche Stellung und Funktion des Dargestellten"860 oder die "freiwillige Begebung seines Geheimhaltungsund Anonymitätsinteresses"861 eigentlich dafür sprächen, die typischerweise mit dem Leben sogenannter "Prominenter" befasste Triviale Personenberichterstattung gegenüber anderen publizistischen Gattungen eher noch zu privilegieren, da diese doch vorwiegend solche Personen in den Mittelpunkt ihrer Darstellung rückt, die ohnehin - und zumeist aus eigenem Antrieb im Rampenlicht der Öffentlichkeit stehen. Der Grund für die prinzipielle Schlechterstellung der Trivialen Personenberichterstattung erschließt sich jedoch unmittelbar, wenn man das Augenmerk auf das gewichtigste und damit wirklich maßgebende Abwägungskriterium der Rechtsprechung richtet - die soziale und insbesondere politische "Wertigkeit" der mitgeteilten Information. 862 Wie gezeigt werden konnte, entscheiden die Gerichte den Abwägungsprozess zwischen Medienfreiheit und Medienpersönlichkeitsrecht unter Zugrundelegung einer überwiegend objektiv-rechtlichen Interpretation der Kommunikationsgrundrechte. Deren zentrale Funktionszuweisung, so die vorherrschende Lesart, sei die Förderung des öffentlichen Meinungsbildungsprozesses in "gesellschaftswichtigen Fragen" und die Ermöglichung der hierauf fußenden politischen Willensbildung des (Wahl-) Volkes. Aus 858 859 860 861 862

Vgl. oben Zweiter Teil, A.J.2. und 3. BGH in NJW 1977, S. 1288 (1289)- Abgeordnetenbestechung. Vgl. oben Zweiter Teil, B.II.l.b)jj) und Zweiter Teil, B.II.2.b)ff). Vgl. oben Zweiter Teil, B.Il.3.b)cc). Vgl. oben Zweiter Teil, B.III.l.b).

C. Zusammenfassende Betrachtung

273

dieser verfassungsdogmatischen Grundüberzeugung erklärt sich unmittelbar die dargestellte Wertorientierung der Gerichte. Wenn nämlich die Aufgabe und Funktion der Medienfreiheit primär in der Förderung des öffentlichen Meinungs- und Willensbildungsprozesses gesehen wird, dann liegt in der Tat nichts näher als der Gedanke, das Maß des grundrechtliehen Schutzes einer jeden streitbefangenen Publikation in Abhängigkeit davon zu bestimmen, inwieweit diese individuell dazu geeignet ist, dem Prozess der Meinungsbildung zugute zu kommen. Die logische Konsequenz dieser Überlegung ist dann - wie gezeigt - eine strikte Orientierung des Abwägungsprozesses an der gesellschaftlichen "Wertigkeit" und "Bedeutung" der Information. Die Einstufung - die "Be-wertung" - des konkreten Informationsaktes erfolgt dabei maßgeblich unter Hinblick auf dessen Eignung zur Förderung des politischen Meinungs- und Willensbildungsprozesses863 ; diese politische Ausrichtung der Werteskala korrespondiert unmittelbar mit dem - von der Rechtsprechung stark betonten - demokratie-staatlichen Element der MedienfreiheiL Für besonders wertvoll werden demgemäß alle diejenigen Informationen gehalten, die von unmittelbarer Bedeutung für die demokratische Mitwirkung im repräsentativen Staatswesen sind. Für die Triviale Personenberichterstattung freilich wirkt sich diese "Wertorientierung" der Gerichte grundsätzlich negativ aus. Ihre Inhalte und Themen seien - so die übliche Einschätzung - nicht von politischer Relevanz, weshalb ihren Publikationen auch nur ein eingeschränkter grundrechtlieber Schutz und damit ein vermindertes Gewicht im Abwägungsprozess beigemessen werden könne. 864 Noch verstärkt wird diese kategorische Minderbewertung durch den Umstand, dass die Triviale Personenberichterstattung primär den kommerziellen Individualinteressen der Kommunikatoren dient865 , Rekreation und Zerstreuung eher fördert als rationale Wissensmehrung866, und schließlich die Art der spezifischen Informationsbeschaffung vielfach auf "dubiose" Weise erfolgt (Paparazzi-Aufnahmen; Aufgreifen von Gerüchten und Spekulationen; systematisches "Nachstellen")867. Aus diesen Charakteristika der Trivialen Personenberichterstattung wird per saldo deren mangelnde "soziale Wertigkeit" hergeleitet. 868 Diese inhaltlichVgl. oben Zweiter Teil, B.III.l.b) und B.III.2. Der Bundesgerichtshof hat unmissverständlich die Überzeugung geäußert, bei trivialen Personenberichten überwögen Neugier und Sensationslust sowie ein bloßes Interesse an Unterhaltung, dieses aber sei per se nicht schutzwürdig; vgl. nur BGHZ 131, s. 332 (342). 865 Vgl. oben Erster Teil, C.IV.2. und 3. 866 Vgl. oben Erster Teil, B.II.3.d) sowie B.V. 867 Vgl. oben Erster Teil, B.IV.3.b) sowie B.V. 868 Zu einer vergleichbaren Einschätzung gelangt auch Di Fabio in AfP 1999, S. 126 (127): "Deutsche Richter reichen der Befriedigung banaler Gelüste offenbar nicht die Hand." 863

864

18 Neben

274

2. Teil: Die Triviale Personenberichterstattung im Spannungsfeld

thematische Qualifizierung der Trivialen Personenberichterstattung und deren daraus resultierende Positionierung im Prozess der Güter- und Interessenabwägung begegnet allerdings durchgreifenden Bedenken sowohl verfassungsrechtlicher wie auch rechtstatsächlicher Art. Aus verfassungsdogmatischer Sicht ist nämlich bereits an der Ausgangsprämisse der Rechtsprechung - der überwiegend objektiv-rechtlichen Interpretation des Art. 5 I GG- anzusetzen. 869 Wie ausgeführt, kann die objektiv-rechtliche Komponente der Medienfreiheit allenfalls zur Verstärkung deren subjektiven Gewährleistungsgehaltes herangezogen werden; diesen weitestgehend zu verdrängen vermag sie bereits aufgrund der historischen Funktion der Grundrechte als Abwehrrechte gegen den Staat nicht. Auch die Medienfreiheit ist zunächst und zuvörderst ein individuelles Freiheitsrecht, so dass schon von daher eine Bewertung von Informationen anband der ihnen zukommenden demokratie-staatlichen "Bedeutung" nicht angängig ist. Doch selbst wenn man maßgeblich auf die objektiv-rechtliche Komponente des Art. 5 I GG abstellen wollte, so folgte aus einer solchen Betrachtung keinesfalls die Zulässigkeit oder gar Notwendigkeit der dargestellten gerichtlichen "Bewertungs"-praxis. Denn aus dem Demokratiebezug des Art. 5 I GG - die Kommunikationsfreiheit verstanden als unabdingbare Voraussetzung für die permanente Kontrolle der staatlichen Organe durch das Volk - folgt unmittelbar das Gebot staatlicher Inhaltsneutralität und damit - als Kehrseite der Medaille - auch das Verbot (wertender) staatlicher Einflussnahme auf den gesellschaftlichen Kommunikationsprozess.870 Die gegenwärtig vorzufindende Klassifizierung gesellschaftlicher Informationsakte als "wertvoll" oder "wertlos" durch die staatlichen Gerichte läuft der demokratie-staatlichen Konzeption des Art. 5 I GG also eklatant zuwider. Neben diese beiden verfassungsdogmatischen Aspekte tritt noch ein gewichtiger rechtstatsächlicher Gesichtspunkt, der mit Nachdruck gegen die gegenwärtige gerichtliche Behandlung der Trivialen Personenberichterstattung anzuführen ist. Denn wie die Ausführungen im Ersten Teil dieser Arbeit deutlich gemacht haben, ist die "soziale Wertigkeit" der Trivialen Personenberichterstattung tatsächlich - entgegen der zentralen Prämisse der gegenwärtigen Rechtsprechung - höchst ambivalent und keinesfalls ausschließlich negativ zu beurteilen. 871 Zwar lassen sich vielfaltige negative Auswirkungen dieses Phänomens feststellen: Absenkung der gesellschaftlichen Hemmschwelle und Moralverlust, Flucht der Rezipienten in Irreale 869 870 871

Ausführlich hierzu oben Zweiter Teil, A.I.l.b)cc). Vgl. oben Zweiter Teil, B.l.l. sowie B.III.2. Hierzu ausführlich oben Erster Teil, B.V.

C. Zusammenfassende Betrachtung

275

und daraus resultierende Tendenz zur gesellschaftlichen Apathie, Verlust an eigener Kritikfähigkeit, Förderung gesellschaftlicher Konfonnitätsbestrebungen, Emotionalisierung des politischen Prozesses, Verstärkung der Kommerzialisierung von Persönlichkeitswerten und mehr. 872 Daneben übernimmt die Triviale Personenberichterstattung jedoch unabweisbar auch bedeutsame gesellschaftliche Funktionen. Vor allem dient sie der Sozialisation und Orientierung des Einzelnen, indem sie wesentlich zur Vermittlung des gesellschaftlichen Wertekanons beiträgt. 873 Daneben erweist sie sich als notwendiges Instrument öffentlicher Kontrolle und Kritik, schafft Transparenz und zwingt die gesellschaftlichen und politischen Funktionsträger zur ständigen Selbstkontrolle und Normkonformität Und schließlich dient sie der gesellschaftlichen Integration und Identifikation, fördert das soziale "WirGefühl" und befriedigt das elementare menschliche Bedürfnis nach Wissen und (informationeller) Teilhabe. 874 Aus gesellschaftlicher Sicht ebenso wie aus individueller Sicht der Rezipienten kommt der Trivialen Personenberichterstattung damit ein Kanon überaus positiver Eigenschaften zu. Daneben gilt es aus "politischer" Perspektive anzumerken, dass sich der gesellschaftliche Willensbildungsprozess, wie er sich vor allem im wiederkehrenden demokratischen Wahlakt manifestiert, auf einer breiten Basis unterschiedlicher Informationen vollzieht und keineswegs nur von unmittelbar "politischen" Informationen gespeist wird. Auch vordergrundig "unpolitische" Informationen - dies haben die Ausführungen im Ersten Teil der vorliegenden Arbeit gezeigt - beeinflussen den Bürger und Wähler in seiner persönlichen politischen Entscheidungsfindung, indem sie ihm die Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Problemen, sozialen Rollen und bedeutsamen Einzelereignissen ermöglicht. 875 Die Themen der Trivialen Personenberichterstattung können vor diesem Hintergrund jedenfalls nicht per se als politisch irrelevant betrachtet werden. Allein aus der inhaltlichen Ausrichtung der Trivialen Personenberichterstattung lässt sich deren angenommene Minderwertigkeit also nicht folgern. Und der moralisierende Vorwurf ihrer "Kommerzialität" erweist sich in einer kapitalistisch-materialistischen Gesellschaftsordnung876 als scheinheilig und damit ebenfalls ungeeignet zur Begrundung einer angeblichen Unwertigkeit - die "Kommerzialisierung" sozialer Systeme stellt gegenwärtig nicht den missbilligenswerten Ausnahme-, sondern vielmehr den typiVgl. oben Erster Teil, B.V. Hierauf weisen auch Di Fabio in AfP 1999, S. 126 f. sowie Engels/Schutz in AfP 1998, S. 575 (580 f.) hin. 874 Vgl. oben Erster Teil, B.V. 875 So auch Engels/Schutz in AfP 1998, S. 574 (581). 876 Mohr spricht in diesem Zusammenhang zutreffend von der "ökonomistischprofanen Massendemokratie westlichen Zuschnitts"; vgl. Mohr in DER SPIEGEL Nr. 3911999, S. 306. 872 873

18*

276

2. Teil: Die Triviale Personenberichterstattung im Spannungsfeld

sehen Regelfall dar und es ist kein Grund ersichtlich, warum diese allgemeine gesellschaftliche Entwicklung gerade auf dem Informationsmarkt inakzeptabel sein sollte. Und auch die "Unterhaltungsorientierung" der Trivialen Personenberichterstattung rechtfertigt keine Schlechterstellung per se, denn wie gezeigt werden konnte, kommt auch dem als "seriös" empfundenen politischen Nachrichtenjournalismus durchaus eine unterhaltende Funktion bei, ohne dass dieses Moment dort zu einer Minderbewertung führen würde. Und schließlich vermag das Argument der "dubiosen" Informationsbeschaffung nicht zu greifen, denn auch der demokratie-staatlich so bedeutsame investigative Nachrichtenjournalismus lebt von verdeckter Informationsbeschaffung und von der Verbreitung solcher Informationen, deren Aufdeckung von den Betroffenen grundsätzlich nicht gewünscht wird. Die kategorische Minderbewertung der Trivialen Personenberichterstattung gegenüber anderen Formen massenmedialer Informationsvermittlung erweist sich also nach allem als nicht gerechtfertigt. Angezeigt ist vielmehr - sowohl aus rechtstheoretischen wie auch aus rechtstatsächlichen Gründen - eine prinzipielle Gleichbehandlung der Trivialen Personenberichterstattung mit allen anderen Formen kommunikativer Grundrechtsbetätigung. Die Auswirkungen dieser Erkenntnis für die praktische Auflösung des Konfliktes zwischen Medienfreiheit und Medienpersönlichkeitsrecht sind nicht unerheblich. Das im Rahmen dieser Arbeit entwickelte Gegenmodell zu der gegenwärtigen gerichtlichen Praxis führt zu einer deutlichen Stärkung der Trivialen Personenberichterstattung im Abwägungsprozess, da die Gewichtung des Publikationsinteresses - wie aufgezeigt - nicht länger unter Rückgriff auf deren vermeintlich geringen "Informationswert" bestimmt werden kann, sondern vielmehr unter Berücksichtigung des objektiven "Informationsgehaltes" der konkreten Mitteilung vorzunehmen ist. 877 Im Konfliktfalle wird also zunächst zu fragen sein, in welchem Umfang die streitgegenständliche Publikation der "Beseitigung von Unwissenheit" dient, und zwar gänzlich unabhängig davon, auf welchem Themengebiet dies erfolgt. Dem so ermittelten "Informationsgehalt" der Äußerung ist sodann die mit ihrer Veröffentlichung bewirkte Persönlichkeitsbeeinträchtigung gegenüberzustellen. Diese beiden Positionen sind anschließend zu einem verhältnismäßigen Ausgleich zu bringen, ohne dass es hierbei eines Rückgriffes auf die Inhalte und Themen der streitgegenständlichen Publikation oder deren Zugehörigkeit zu einer bestimmten publizistischen Kategorie ankäme. Die Triviale Personenberichterstattung wird damit im Ergebnis wie jede andere publizistische Gattung auch zu behandeln sein. Ob eine von ihr 877

Vgl. oben Zweiter Teil, 8 .111.3.

C. Zusammenfassende Betrachtung

277

bewirkte Persönlichkeitsbeeinträchtigung im Einzelfall zulässig ist oder nicht, muss sich allein danach entscheiden, wie "informativ" der Beitrag auf der einen und wie "verletzend" er auf der anderen Seite ist. 878 Die gegenwärtig praktizierte, kategorische Schlechterstellung der Trivialen Personenberichterstattung gegenüber anderen Kommunikationsformen kann aus den aufgezeigten Gründen nicht länger beibehalten werden. 879

878 Die Notwendigkeit einer an Publikationsinteresse und persönlichkeitsrechtlichem Abwehrinteresse ausgerichteten, einzelfallbezogenen Interessen- und Güterabwägung hat das Bundesverfassungsgericht in einer jüngeren Entscheidung erneut unterstrichen: ,,Im einzelnen kommt es auf die Einbußen an, die einerseits der Meinungsfreiheit durch ein Verbot der Äußerung, andererseits dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht durch die Pflicht zur Duldung der Äußerung drohen"; BVerfG in AfP 1999, s. 254 (256). 879 Inwieweit die Publikationen der Trivialen Personenberichterstattung im Einzelfall einen hinreichenden "Informationsgehalt" aufweisen, und mit welcher Intensität sie den Dargestellten in dessen Persönlichkeitsinteressen berühren, wird freilich im konkreten Konfliktfall durch das erkennende Gericht entschieden werden müssen. Tendenziell aber dürfte die verfassungskonforme Optimierung des Abwägungsvorganges anband der oben entwickelten Grundsätze zu einer merklichen Stärkung der Trivialen Personenberichterstattung als publizistischer Gattung führen.

Dritter Teil

Rechtsschutz gegenüber Trivialer Personenberichterstattung Einleitung Im Ersten Teil der vorliegenden Arbeit konnte die Triviale Personenberichterstattung als publizistisches, soziologisches und ökonomisches Phänomen dargestellt und abgegrenzt werden. Im Mittelpunkt des Zweiten Teils der Arbeit stand dann die Frage nach den Grenzen der rechtlichen Zulässigkeil dieser speziellen publizistischen Kategorie. Der Dritte Teil der Arbeit wird sich nunmehr mit der rechtlichen Sanktionierung von publizistischen Persönlichkeitsverletzungen befassen. Seine zentrale Fragestellung lautet: Wie sollte die Rechtsordnung auf festgestellte, aus Trivialer Personenberichterstattung resultierende Normverstöße in angemessener Weise reagieren? Den logischen Ausgangspunkt dieser Überlegungen bildet die in Art. 2 I i. V. m. Art 1 I GG verankerte, staatliche Verpflichtung zur Gewährung effektiven Persönlichkeitsschutzes gegenüber umechtmäßiger Personenberichterstattung. Deren Existenz und Umfang sowie die sich aus ihr ergebenden Anforderungen an die Ausgestaltung des persönlichkeitsrechtlichen Sanktionssystems sind Gegenstand eines ersten Abschnitts (A. ). Hierauf aufbauend wird in einem zweiten Abschnitt zu prüfen sein, inwieweit das "traditionelle" äußerungsrechtliche Instrumentarium - Unterlassungs-, Widerrufs- und Gegendarstellungsanspruch, strafrechtlicher Ehrschutz, presse- und rundfunkrechtliche Abwehransprüche sowie publizistische freiwillige Selbstkontrolle - in der Lage ist, den zuvor definierten verfassungsrechtlichen Schutzauftrag mit hirneichender Effektivität umzusetzen (B. ). Die in dieser Analyse hervortretenden, strukturellen Defizite der "traditionellen", nicht-monetären Rechtsbehelfe führen dann unmittelbar zur der Erkenntnis, dass es gegenüber den mit der Trivialen Personenberichterstattung potentiell verbundenen Rechtsverstößen zwingend eines effektiven monetären Rechtsbehelfs bedarf. Wie jedoch zu zeigen sein wird, vermögen die vorhandenen zivilrechtliehen Institute - materieller Schadenersatz, Bereicherungsausgleich, immaterieller Schadenersatz jedenfalls in ihrer heutigen Ausprägung aus einer Vielzahl von Gründen

A. Die staatliche Verpflichtung im Äußerungsrecht

279

den notwendigen monetären Persönlichkeitsschutz nicht in verfassungskonformer Weise zu gewährleisten. Insbesondere ist der immaterielle Schadenersatz ("Geldentschädigung bei Persönlichkeitsverletzung") mit seiner gegenwärtigen Aufgabenzuweisung deutlich überfordert (C.). Es bedarf daher zur Gewährleistung des verfassungsrechtlich notwendigen Minimalstandards einer Fortentwicklung des monetären Sanktionssystems insgesamt. Ein diesbezügliches Modell soll abschließend entwickelt und diskutiert werden (D. ).

A. Die staatliche Verpflichtung zur Sicherstellung effektiven Persönlichkeitsschutzes im Äußerungsrecht Der folgende Abschnitt dient der Herausarbeitung der staatlichen Schutzpflicht im Äußerungsrecht Wie zu zeigen sein wird, ergibt sich aus Art. 2 I i. V. m. Art. 1 I GG die Verpflichtung aller staatlichen Organe, die menschliche Persönlichkeit effektiv gegenüber unrechtmäßiger, kommerzieller Verwertung durch Massenmedien abzusichern. Im folgenden wird dabei nicht die tatbestandliehe Absicherung im Vordergrund stehen; diese war bereits Gegenstand des vorangegangenen Teils der vorliegenden Arbeit. Hier geht es vielmehr um die Frage, mit welchen Sanktionsmitteln die Rechtsordnung auf festgestellte Verstöße zu reagieren hat. Angesprochen sind damit die Auswirkungen der staatlichen Schutzverpflichtung auf Rechtsfolgenebene. Wie, so lautet der Ansatz der folgenden Überlegungen, muss das System des äußerungsrechtlichen Persönlichkeitsschutzes in Bezug auf die vorzuhaltenden Rechtsbehelfe ausgestaltet sein, um den verfassungsrechtlichen Vorgaben genügen zu können?

I. Existenz und Inhalt der staatlichen Schutzpflicht Das aus Art. 2 I i. V. m. Art. 1 I GG abgeleitete Allgemeine Persönlichkeitsgrundrecht stellt zunächst - wie alle Grundrechte - ein klassisches Abwehrrecht gegenüber staatlichen Eingriffen in den von Gesetzgeber und Rechtsprechung determinierten Schutzbereich dar. 1 In dieser Funktion schützt es den Bürger beispielsweise vor heimlichen polizeilichen Tonbandmitschnitten von privaten Telefongesprächen oder vor dem Erlass eines zur Selbstoffenbarung zwingenden Gesetzes2 . Neben dem Schutz vor dem Staat fordert es jedoch nach zutreffender Ansicht auch Schutz durch 1

2

Zu Schutzbereichsinhalt und -umfangsiehe oben Zweiter Teil, A.II.l.a). Vgl. beispielsweise BVerfGE 56, S. 37.

280

3. Teil: Rechtsschutz gegenüber Trivialer Personenberichterstattung

den StaaP. Das Allgemeine Persönlichkeitsgrundrecht kann also auch verletzt werden, indem der Staat untätig bleibt und dem einfachrechtlichen Persönlichkeitsschutz nicht in angemessenem Umfang Sorge trägt. 4 Dem Staat und seinen Organen (Art.l III GG) obliegt mit anderen Worten die Umsetzung einer sich aus Art. 2 I i. V.m. Art. I I GG ergebenden Schutzpflicht.

Der Inhalt dieser Schutzpflicht ergibt sich unmittelbar aus dem Gehalt der Basisnormen des Allgemeinen Persönlichkeitsgrundrechts, also Art. 2 I GG und Art. 1 I GG, sowie der sie konkretisierenden verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung. Seine inhaltlichen Eckpunkte sind durch den Schutz der Menschenwürde und das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit charakterisiert: Dem Einzelnen muss durch staatliche Intervention die Möglichkeit gegeben werden, seinen Eigenwert zu entwickeln und sein Leben autonom gestalten zu können, soweit dies mit dem Gemeinwohl vereinbar ist.5 Der Gewährleistungsgehalt der persönlichkeitsrechtlichen Schutzpflicht ist hinsichtlich der zu schützenden Interessen deckungsgleich mit dem abwehrrechtlichen Gehalt des allgemeinen Persönlichkeitsgrundrechts; Schutzziel ist die faktische Verwirklichung der unter Art. 2 I i. V. m. Art. 1 I GG fallenden Interessen durch die Abwehr von rechtswidrigen Eingriffen Dritter. Ebenso wie es dem Staat also verboten ist, selbst die Persönlichkeitsrechte seiner Bürger zu verletzten, darf er es grundsätzlich auch nicht zulassen, dass Dritte dies tun.

II. Umfang und Reichweite der staatlichen Schutzpflicht Schwieriger zu bestimmen als Existenz und Inhalt der Schutzpflicht ist deren Umfang. Die abwehrrechtliche Garantie des Allgemeinen Persönlichkeitsgrundrechts wird unproblematisch immer dann ausgelöst, wenn der Staat durch einen konkreten Hoheitsakt in den Schutzbereich des Grundrechts eingreift, er also eines (oder mehrere) der geschützten Interessen in rechtswidriger Weise beeinträchtigt. Hinsichtlich der grundrechtliehen Schutzpflicht verhält sich dies anders. Voraussetzung ist zwar auch hier, dass ein grundrechtlieh geschütztes Interesse (von dritter Seite) beeinträchtigt wird. Daneben bedarf es jedoch weitergebender Erfordernisse, um eine Rechtspflicht des Staates zum Einschreiten annehmen zu können. Diese Erfordernisse sind in überzeugender Weise von /sensee herausgearbeitet worden. 6 Ihm zufolge 3 BVerfGE 34, S. 269 (281 f.); BVerfGE 65, S. 1 (44); BVerfGE 73, S. 118 (201) - Gegendarstellung; Jarass in NJW 1989, S. 857 (860); Baston-Vogt, S. 25 f., 37; Ennan-Ehmann, Anh. zu § 12 Rn. 99. 4 So auch Jarass in NJW 1989, S. 860. 5 BVerfGE 27, S. 1 (6), BVerfGE 35, S. 202 (220), BVerfGE 75, S. 155 (173); Baston-Vogt, S. 34.

A. Die staatliche Verpflichtung im Äußerungsrecht

281

hängt die Schutzbedürftigkeit des Grundrechtsträgers, und damit die Auslösung einer - notfalls einklagbaren - Schutzverpflichtung des Staates, von der Sensibilität des betroffenen Schutzgutes, der Art, Intensität und Reichweite des infrage stehenden Übergriffs sowie der faktischen Möglichkeit der Abhilfe durch den Grundrechtsträger selbst ab. 7 Anband dieser Kriterien lässt sich auch der Umfang der staatlichen Schutzpflicht im Bereich des äußerungsrechtlichen Persönlichkeitsschutzes ermitteln. Gewährleistungsverstärkend wirkt sich in diesem Bereich zunächst die besondere Wertigkeit und Empfindlichkeit der betroffenen Rechtsgüter aus. Die vom Allgemeinen Persönlichkeitsgrundrecht umfassten Interessen stehen sämtlich in engem Bezug zur Menschenwürde. Aus deren in Art. 1 I GG postulierter Unverletzlichkeit resultiert die Notwendigkeit eines besonders intensiven staatlichen Engagements zugunsten der betroffenen Grundrechtsträger. 8 Daneben ist als zweites Kriterium die Intensität der konkreten Gefährdungslage zu berücksichtigen. Diese lässt sich aus dem bereits dargestellten Verletzungspotential der massenmedialen Personenberichterstattung herleiten. Die hierfür erforderlichen Feststellungen sind faktischer Natur und können auf der Grundlage der ausführlichen empirischen Untersuchungen des Ersten Teils getroffen werden. Quantitativ war dort für den gesamten Medienmarkt eine erhebliche Zunahme der Personenberichterstattung gegenüber der Sach- oder Ereignisberichterstattung zu konstatieren. 9 In qualitativer Hinsicht konnte festgestellt werden, dass sich die Personenberichterstattung weitgehend trivialisiert, d.h. auf private und intime Themen verlagert, der "enthüllende" Bildjournalismus den "seriösen" Textjournalismus im Volumen abgelöst hat und der Ton der öffentlichen Berichterstattung rauher und tabuloser geworden ist. 10 Aus diesen Erkenntnissen lässt sich eine erhebliche Gefährdungslage für die betroffenen Persönlichkeitsrechte der Dargestellten folgern, die im Ergebnis eine besonders umfassende staatliche Schutzpflicht begründet. Dies gilt insbesondere unter Berücksichtigung der vielfältigen sozialen, psychischen und finanziellen Folgen, die für den Betroffenen aus einer unrechtmäßigen öffentlichen Darstellung erwachsen können. 11 Diese weitreichende Verpflichtung steht jedoch unter dem Vorbehalt der Subsidiarität. 12 Entscheidendes Kriterium zur Annahme einer staatlichen /sensee in HdBStR, § 111 Rn. 90. lsensee in HdBStR, § 111 Rn. 90, 141. 8 Auf die besondere Schutzbedürftigkeit der Persönlichkeitsrechte weisen auch Götting, S. 54, und Schiechtriern in Hefermehl-FS, S. 445 (456 f.) hin. 9 Siehe oben Erster Teil, A.IV.4.a). 10 Siehe oben Erster Teil, A.III.3. und 4., A.IV.4.b), A.IV.5. 11 Siehe oben Erster Teil, B.IV.3.b). 12 /sensee in HdBStR, § 111 Rn. 90. 6 7

282

3. Teil: Rechtsschutz gegenüber Trivialer Personenberichterstattung

Schutzpflicht ist die auf Seiten des Betroffenen fehlende Möglichkeit privatautonomen Selbstschutzes. 13 Denn nur dort, wo der Bürger sich nicht aus eigener Kraft selbst helfen kann, kann ein - sich auf Adressatenseite freiheitsbeschränkend auswirkendes - Eingreifen des Staates gegenüber dem Störer zulässig sein. Zu fragen ist daher zunächst nach der Erforderlichkeil staatlichen Handelns. Dieser Grundsatz ist allerdings einer Reihe von Beschränkungen unterworfen. So findet er seine Grenze zunächst am staatlichen Gewaltmonopol, denn die Annahme einer Schutzpflicht verfolgt gerade das Ziel, gewaltsame Selbsthilfe entbehrlich zu machen. 14 Die Möglichkeit gewaltsamen, d. h. rechtsbedrohenden Selbstschutzes muss also für die Subsidiaritätserwägungen außer Betracht bleiben. Weiterhin kann dem Bürger nur ein zurnutbares Maß an Eigenvorsorge und Eigensicherung abverlangt werden. Der Staat kann sich seiner grundgesetzliehen Schutzverpflichtung schlechterdings nicht dadurch entziehen, dass er vom Betroffenen die Hergabe aller Kräfte und Ressourcen zur Gefahrabwendung verlangt. Allein die Nichtergreifung von gefahrabwendenden Maßnahmen, die dem Betroffenen im Rahmen seiner persönlichen Lebensführung individuell zuzumuten sind, vermag daher die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips zu begründen. Und schließlich ist zu beachten, dass vom Staat selbst geschaffene, d. h. rechtliche Instrumente zur Gefahrenabwehr für die Anwendbarkeit des Subsidiaritätsgedankens keine Rolle spielen können: Als Umsetzungsakte einer bereits feststehenden staatlichen Schutzpflicht können sie denklogisch nicht zu deren Definition herangezogen werden. Als "Möglichkeiten privatautonomen Selbstschutzes" kommen daher nur faktische Abwehrmechanismen in Betracht. Zusammenfassend lässt sich der Subsidiaritätsgrundsatz also dahingehend präzisieren, dass die staatliche Schutzpflicht nur, aber auch immer dann eingreift, wenn dem in seinen Grundrechten Bedrohten keine zumutbaren, faktischen und gewaltlosen Mittel der Gefahrenabwehr oder -Vermeidung zur Verfügung stehen. Im Fall der hier zu untersuchenden Trivialen Personenberichterstattung besteht für die Betroffenen allerdings regelmäßig keine diesen Anforderungen entsprechende Abwehrmöglichkeit mit der Folge, dass die oben formulierte staatliche Schutzpflicht hier im vollen Umfange greift: Unrechtmäßigen Ehrangriffen, unwahren Tatsachenrnitteilungen, persönlichkeitsverletzenden Bildnisverbreitungen und der Veröffentlichung intimer Informationen kann der Einzelne ohne staatliche Hilfe nicht wirkungsvoll begegnen. Als einzig effektives Mittel käme der vollkommene Rückzug aus der Öffentlichkeit sowie die Einschränkung der privaten und öffentlichen Kommunikation auf ein absolutes Mindestmaß in Betracht. Dass dies unter keinen Umständen als zurnutbare Abwehrstrategie gegen unrechtmäßige 13 14

Vgl. Unruh, S. 74 (Fn. 245). /sensee in HdBStR, § 111 Rn. 143.

A. Die staatliche Verpflichtung im Äußerungsrecht

283

Informationserlangung gelten kann, bedarf keiner weiteren Ausführung:

Der Mensch ist als soziales Wesen elementar auf den Kontakt zu seinen Mitmenschen angewiesen; der physische und soziale Rückzug in die Abgeschiedenheit kann von ihm schlechterdings nicht verlangt werden. Und auch gegen die unrechtmäßige Informationsverbreitung existieren keine privatautonomen Schutzmöglichkeiten. So wird dem von einer unrechtmäßigen Berichterstattung Betroffenen in aller Regel keine Möglichkeit zum "publizistischen Gegenschlag" zur Verfügung stehen. Zwar mag es prominenten Medienopfern in Einzelfällen möglich sein, durch enge persönliche oder berufliche Kontakte die bevorstehende Berichterstattung abzuwenden oder eine richtigstellende (Gegen-)Berichterstattung in einem anderen Medium zu erwirken. Hiervon kann als Regelfall jedoch keineswegs ausgegangen werden. Darüber hinaus ist dieser Weg betroffenen Privatpersonen grundsätzlich verschlossen. Der Einzelne ist also, um die Ergebnisse der Untersuchung zusammenzufassen, in elementarer Weise auf staatlichen Schutz angewiesen. Seine aus der Menschenwürde abgeleiteten und daher besonders empfindlichen Schutzinteressen sehen sich zunehmend einer intensiven Bedrohung durch die massenmediale Personenberichterstattung ausgesetzt. Die ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten privatautonomen Selbstschutzes sind dabei äußerst begrenzt; ein gänzlicher Rückzug aus der Öffentlichkeit kann ihm nicht zugemutet werden. Der Staat ist daher gehalten, die betroffenen Persönlichkeitsinteressen gegenüber den von der Trivialen Personenberichterstattung ausgehenden Gefahren abzusichern. Ihm obliegt insofern eine umfassende Schutzpflicht gegenüber den öffentlich Dargestellten.

111. Rechtmäßigkeitsanforderungen an den staatlichen Umsetzungsakt Adressat dieser Schutzpflicht ist der Staat; ihre konkrete Umsetzung obliegt allen staatlichen Organen. In erster Linie wird dies der Gesetzgeber sein; ergänzend ist jedoch auch die Rechtsprechung zur Wahrung und gegebenenfalls zur Institutionalisierung des verfassungsrechtlich vorgegebenen Standards aufgerufen. 15 Bei der Umsetzung der verfassungsrechtlichen Vorgabe haben die staatlichen Organe weitgehend freies Ermessen, wenngleich in Ausnahmefallen eine Ermessensreduzierung auf Null denkbar ist mit der Folge, dass der Schutzpflicht nur durch eine einzige Maßnahme Genüge getan werden kann. 16 Im Rahmen seines Auswahlermessens ist dem Staat insbesondere freigestellt, ob er die ihm obliegende Pflicht mit zivil-, strafoder verwaltungsrechtlichen Mitteln umsetzt. 17 Gleichwohl ist zu beachten, 15 16

So auch Klein in DVBI. 1994, S. 484 (494). Klein in DVBI. 1994, S. 484 (495). Vgl. auch BVerfGE 77, S. 170 (215).

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3. Teil: Rechtsschutz gegenüber Trivialer Personenberichterstattung

dass der Umsetzungsakt sich in aller Regel als Grundrechtseingriff auf Seiten des Normadressaten darstellt. Hieraus folgt eine strikte Bindung des Grundrechtsverpflichteten an den Erforderlichkeitsgrundsatz. Da strafrechtliche Sanktionen einen weitergehenden Grundrechtseingriff als zivilrechtliehe bedeuten, können erstere also nur als ultima ratio in Betracht kommen. Der Schwerpunkt des staatlichen Umsetzungsaktes wird daher auf dem Gebiet des Zivilrechts liegen müssen; insbesondere kommen bürgerlichrechtliche Unterlassungs- und Ersatzansprüche in Betracht. 18 Ist - wie hinsichtlich des vorliegenden Untersuchungsgegenstandes - die staatliche Schutzpflicht einmal ausgelöst, so steht dem Grundrechtsverpflichteten kein Entscheidungsermessen hinsichtlich der Frage zu, ob er einschreitet. Er kann im Rahmen seines Auswahlermessens lediglich darüber entscheiden, wie er das vorzuhaltende Schutzsystem konkret ausgestalten will. Doch auch hierbei ist er nicht völlig ungebunden. Begrenzt wird die staatliche Schutzpflicht zunächst durch das Übermaßverbot. 19 Wie bereits ausgeführt, ergibt sich aus jeder privatrechtliehen Schutzmaßnahme für den jeweiligen Normadressaten eine Begrenzung seiner grundrechtlich gewährleisteten Handlungs- und Entfaltungsfreiheit.20 Dieses entgegenstehende Interesse hat der Gesetzgeber bei der Umsetzung der grundrechtliehen Vorgabe zu berücksichtigen. Er ist hierbei an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebunden21 , hat also zur Erfüllung seiner Schutzpflicht geeignete, erforderliche, angemessene und im einzelnen zurnutbare Mittel zu wählen. 17 Erman-Ehmann, Anh. zu § 12 Rn. 99; Jarass in NJW 1989, S. 858; Schwerdtner in JuS 1978, S. 291. 18 Isensee in HdBStR, § 111 Rn. 139; Stümer, GutA 58. DJT, Band I S. A18. Noch weitergehend Deutsch, demzufolge es sogar als verfassungswidrig anzusehen wäre, Verletzungen des Persönlichkeitsrechts zivilrechtlich nicht zu sanktionieren; Deutsch, UH, Rn. 467. 19 Hierzu ausführlich Baston-Vogt, S. 37 ff.; vgl. auch Erman-Ehmann, Anh. zu § 12 Rn. 99. 20 Die rechtliche Absicherung der betroffenen Interessen stellt sich regelmäßig als Begrenzung der verfassungsrechtlich gewährleisteten Medienfreiheit dar. Jedenfalls aber wird auf Seiten des Normadressaten das Auffanggrundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit, Art. 2 I GG, berührt sein. 21 Vgl. nur BVerfGE 39, S. 1 (47) - Schwangerschaftsabbruch I; BVerfGE 35, S. 202 (221) - Lebach; BVerfGE 49, S. 24 (58) - Kontaktsperre; BVerfGE 63, S. 131 (144) - Gegendarstellung; Baston-Vogt, S. 63 f. Rspr. und Lit. sind hier jedoch uneinheitlich. Vielfach wird ein Interessenausgleich im Wege der praktischen Konkordanz für ausreichend befunden. Der Gesetzgeber werde bei der Umsetzung grundrechtlicher Wertentscheidungen lediglich vennittelnd und nicht eingreifend tätig, daher sei er nicht an das strikte Verhältnismäßigkeitsprinzip gebunden; vgl. BVerfGE 31, S. 194 (208); BVerfGE 58, S. 363 (382 f.). Es ist jedoch kein Grund dafür ersichtlich, das sich faktisch als Eingriff darstellende Handeln des Gesetzgebers anders zu beurteilen als "gewöhnliche" Grundrechtseingriffe; vgl. dazu BastonVogt, S. 43 f., 63.

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Die Schutzpflicht steht damit unter dem Vorbehalt des faktisch und verfassungsrechtlich Möglichen22, der Grundrechtsverpflichtete hat insbesondere konkurrierende öffentliche und private Interessen zu berücksichtigen.Z3 Daneben sind die staatlichen Gewalten zur Gewährleistung eines ausdifferenzierten Persönlichkeitsschutzes verpflichtet. 24 Die Ausgestaltung der rechtlichen Absicherung hat sich an dem faktisch vorhandenen Schutzbedürfnis der individuell betroffenen Interessen und an den Besonderheiten der konkreten Gefahrdungslage zu orientieren. Wie Baston-Vogt zutreffend bemerkt, ist die Umsetzung der Grundrechte keine Aufgabe, die mittels einer einzigen Schutznorm zu bewältigen wäre. 25 Gerade auf dem Gebiet des Persönlichkeitsschutzes, der eine besonders extensive Bandbreite schützenswerter Interessen umfasst26, sind Gesetzgeber und Rechtsprechung also gehalten, ein abgeschichtetes, vielseitiges und flexibles Rechtsinstrumentarium vorzuhalten. Schutzpflichten sind Prinzipien und keine Rechtsregeln. Als solche handelt es sich bei ihnen um Normen, die gebieten, dass etwas in einem relativ zu den rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten möglichst hohen Maße realisiert wird. 27 Bei der persönlichkeitsrechtlichen Schutzpflicht handelt es sich insofern um ein Optimierungsgebot.28 Entsprechend lässt sich der Verfassung kein konkretes Schutzziel entnehmen; vielmehr ist dem Schutzverpflichteten für sein Handeln ein relativ weiter Rahmen vorgegeben.Z9 Der Gesetzgeber - oder an seiner Stelle die Rechtsprechung - muss lediglich ein "System des Persönlichkeitsschutzes"30 bereitstellen, das den verfassungsrechtlichen Grundanforderungen genügt. 31 Der Grundrechtsverpflichtete hat aber in jedem Fall das verfassungsrechtliche Schutzminimum zu gewährleisten?2 Diese Grenze ist absolut und darf nicht unterschritten werden. 33 Das verfassungsrechtliche Schutzminimum lässt sich jedoch nicht /sensee in HdBStR, § 111 Rn. 90. Klein in DVBI. 1994, S. 484 (495). 24 Dazu ausführlich Baston-Vogt, S. 71 f. 25 Baston-Vogt, S. 71. 26 So auch Hubmann in Ufita 1974 [70], S. 75 (85). 27 Unruh, S. 74. 28 Klein in DVBI. 1994, S. 484 (495). 29 Jarass in NJW 1989, S. 858. 30 Schwerdtner in JuS 1978, S. 289 (291). 31 /sensee weist zutreffend darauf hin, dass die staatliche Schutzpflicht keinen Anspruch auf absolute Sicherheit gewährt. Der Staat darf, ja er muss sogar begrenzte Restrisiken hinnehmen, um die Freiheit aller nicht ganz aufzuheben; vgl. Isensee in HdBStR, § 111 Rn. 90, 145. 32 Baston-Vogt, S, 67. 33 Errnan-Ehmann, Anh. zu § 12 BGB, Rn. 99.; Baston-Vogt, S. 65 mit ausführlichen Rechtsprechungsnachweisen (Fn. 259). 22

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statisch formulieren, sondern wandelt sich mit den gesellschaftlichen, technischen und kulturellen Veränderungen und wird durch die Verfassungsrechtsprechung fortlaufend konkretisiert und ergänzt. Dies gilt insbesondere im Persönlichkeitsschutz, der zu Recht als "dynamischer Rechtsgüterschutz" bezeichnet wird. 34 Gleichwohl bedarf es im Rahmen der vorliegenden Untersuchung zwingend einer möglichst konkreten Festlegung dessen, was hinsichtlich des Schutzes vor unrechtmäßiger Personenberichterstattung als absolute Minimalverpflichtung des Staates anzusehen ist. Ausgangspunkt einer solchen Bestimmung ist die Erkenntnis, dass es zur Erfüllung des "Schutzminimums" nicht ausreicht, dass überhaupt rechtliche Instrumentarien zur Abwehr der drohenden Gefahren vorhanden sind. Es müssen vielmehr solche Schutzvorkehrungen getroffen werden, die eine effektive oder wirksame Absicherung der grundrechtliehen Gewährleistung ermöglichen. 35 Dies beinhaltet auch die Aufgabe des Staates, bei Änderungen der Verhältnisse die bereits vorhandenen Instrumente auf ihre Wirksamkeit hin zu überprüfen und sie gegebenenfalls nachzubessern und den neuartigen Gefährdungen anzupassen?6 Bei seiner Analyse hat der Staat sich dabei nach richtiger Ansicht nicht an dem theoretischen Abwehrpotential des verfügbaren Instrumentariums ("law in the books"), sondern an der Rechtswirklichkeit zu orientieren ("law in action"). 37 Hinsichtlich des Minimums der persönlichkeitsrechtlichen Schutzverpflichtung gilt also: Der Staat hat ein zur Absicherung des persönlichkeitsrechtlichen Mindeststandards geeignetes, wirksames und ausreichendes Rechtsfolgeninstrumentarium vorzuhalten, welches den Betroffenen die effektive Abwehr der durch die Triviale Personenberichterstattung hervorgerufenen Gefahren ermöglicht.

IV. Konzeptionelle Anforderungen an den staatlichen Umsetzungsakt

Die konkrete Ausgestaltung des notwendigen Rechtsfolgeninstrumentariums - hierauf ist bereits an anderer Stelle hingewiesen worden - unterfällt grundsätzlich dem staatlichen Auswahlermessen. Gleichwohl können aus dem Effektivitätserfordernis bestimmte Anforderungen an die Wirkungsweise der vorzuhaltenden Instrumente abgeleitet werden. Bislang ist weitgehend undifferenziert von der staatlichen Verpflichtung zum "Schutz" oder /sensee in HdBStR, § 111 Rn. 154. Vgl. BVerfGE 77, S. 170 (215); BVerfGE 77, S. 381 (405); BVerfGE 88, S. 203 (254); Klein in DVBL 1994, S. 484 (495); /sensee in HdBStR, § 111 Rn. 90, 138, 165; Erman-Ehmann, Anh. zu § 12 BGB, Rn. 99; Jarass in NJW 1989, s. 861 f. 36 /sensee in HdBStR, § 111 Rn. 90. 37 /sensee in HdBStR, § 111 Rn. 166. 34

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A. Die staatliche Verpflichtung im Äußerungsrecht

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zur "Absicherung" der betroffenen Persönlichkeitsrechte gesprochen worden. Unklar ist dabei geblieben, wo dieser Schutz anzusetzen hat. So ist Schutz gegen rechtswidrige Übergriffe grundsätzlich durch voneinander unabhängige, einander sogar entgegenstehende Konzepte zu erreichen. Zum einen kann staatlicher (Rechts-)schutz darin bestehen, nach einem erfolgten Rechtsverstoß dafür Sorge zu tragen, dass das Opfer so gestellt wird, als hätte der Eingriff in dessen Sphäre nie stattgefunden. Hierbei handelte es sich um ein restitutives Schutzkonzept 38 Daneben lässt sich die staatliche Schutzpflicht auch kompensatorisch umsetzen. Bei einem solchen Verständnis ginge es nicht darum, den ursprünglichen, schadensfreien Zustand wiederherzustellen, sondern vielmehr darum, dem Opfer auf andere Art und Weise Wiedergutmachung zu verschaffen. Die Kompensation drängt nicht auf Schadensbeseitigung, sondern auf Wiederherstellung des Rechtsfriedens durch Besänftigung des Opfers.39 Dessen Genugtuung kann vor allem durch symbolische oder faktische Belastungen des Täters erfolgen; so beispielsweise durch Bestrafung oder durch Entziehung von Vorteilen. Und schließlich existiert ein Schutzkonzept, welches der ursprünglichen Begriffsbedeutung des Terminus "Schutz" besonders nahe kommt: Es ist dies das präventive Konzept. 40 Der Staat wird hier abwehrend und damit tatsächlich "schützend" tätig, indem er bevorstehende Rechtsverstöße verhindert und nicht abwartet, um darauf erst später mit den Mitteln der Kompensation oder der Restitution zu reagieren. Die Frage, welches dieser drei Schutzkonzepte der Staat im Bereich des äußerungsrechtlichen Persönlichkeitsschutzes zu verfolgen hat, lässt sich auf der Grundlage der oben getroffenen Feststellungen beantworten. So folgt aus dem Übermaßverbot, dass der Staat grundsätzlich den mildesten Eingriff in die entgegenstehenden (Grund)-Rechte der Kommunikatoren zu wählen hat. Als mildester Eingriff erweisen sich dabei restitutive Rechtsfolgeninstrumente, da diese nicht mehr von dem Verletzer verlangen, als den ohnehin zuvor bestehenden Zustand wiederherzustellen. Einen deutlich schwerwiegenderen Eingriff stellen kompensatorische Instrumente dar. Neben der Schadenswiedergutmachung sollen sie - maßgeblich im Persönlichkeitsschutz - dem Betroffenen auf Kosten des Verletzers Genugtuung verschaffen. Darüber hinaus beinhalten sie eine Unrechtsfeststellung. Als intensivste Eingriffe in die Position des Verletzers aber erweisen sich präventive Schutzinstrumente. Dies gilt besonders im Kommunikationswesen. Instrumente der Prävention, wie beispielsweise der Unterlassungsanspruch, 38 Ausführlich zum Wesen der Restitution Stoll, Haftungsfolgen, S. 151 ff.; Deutsch, UH, Rn. 474. 39 Vgl. Stoll, Haftungsfolgen, S178 f., 199 ff.; Deutsch, UH, Rn. 475.; Stoll, GutA 45. DJT, S. 149, 152. 40 Vgl. dazu StolZ, Haftungsfolgen, S. 210 ff.

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3. Teil: Rechtsschutz gegenüber Trivialer Personenberichterstattung

aber auch general- und spezialpräventiv wirkende strafrechtliche Verurteilungen, verhindern - unmittelbar oder mittelbar - einen bestimmten Kornmunikationsakt Sie nehmen dem Kommunikator damit die Freiheit, sich im eigenen Interesse am gesellschaftlichen Kommunikationsprozess zu beteiligen. Hierdurch schmälern sie zugleich das veröffentlichte Meinungsund Informationsspektrum und beeinträchtigen so den gesellschaftlichen Kommunikationsprozess insgesamt. Sie stehen damit - sowohl nach objektiv-rechtlichen als auch nach subjektiv-rechtlichen Gesichtspunkten - am oberen Ende der Eingriffsskala und dürfen grundsätzlich nur als ultima ratio eingesetzt werden; d. h. nur dann, wenn sich mit restitutiven und kompensatorischen Mitteln die erforderliche Schutzintensität nicht erzielen lässt. Ein unmittelbarer Zusammenhang besteht dabei zwischen der Bedeutung des gefährdeten Rechtsguts und dem zu seiner Absicherung zu wählenden Schutzkonzept Im Grundsatz gilt hier, dass eingriffsintensivere Instrumente desto eher zur Anwendung kommen müssen, je stärker die abzuwehrende Beeinträchtigung den durch Art. 1 I GG absolut geschützten Kern des Persönlichkeitsrechts betrifft. Einer bloßen Verletzung des isolierten Wahrheitsinteresses beispielsweise kann sicherlich allein mit restitutiven Mitteln begegnet werden. Zur Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht genügte es, die Rechtsverletzung zunächst abzuwarten, um den Verletzer dann zur Wiederherstellung in Form eines Widerrufs oder einer Richtigstellung zu veranlassen. Eine Absicherung des isolierten Wahrheitsinteresses mit den generat- und spezialpräventiven Mitteln des Strafrechts erwiese sich dagegen als deutlich unverhältnismäßig. Die erhebliche Bedrohung der Intimsphäre oder der menschlichen Würde hingegen erfordert ein gänzlich anderes Schutzkonzept. Hier kann sich der Grundrechtsverpflichtete nicht darauf beschränken, den Betroffenen auf "nachträgliche" Schutzmaßnahmen zu verweisen. Vielmehr muss er für diese Gefährdungslage ein wirksames präventives Instrumentarium vorhalten, das bevorstehende oder potentielle Rechtsverletzungen zu verhindern oder jedenfalls zu begrenzen vermag. 41 In seiner Entscheidung über das zu implementierende Schutzkonzept muss sich der Grundrechtsverpflichtete also von drei Überlegungen leiten lassen. Zum einen darf er keine unverhältnismäßig einschneidenden Mittel vorhalten, muss sich also an das Erforderlichkeitsprinzip halten (Übermaßverbot). Auf der anderen Seite muss er die Wertigkeit des gefährdeten Rechtsguts und die Intensität der ihm drohenden Beeinträchtigung berücksichtigen und ein Schutzkonzept wählen, das beiden Kriterien hinreichend Rechnung trägt (Untermaßverbot). Dabei gilt: Je stärker die Persönlichkeitsbeeinträchtigung sich im Bereich der absolut geschützten Menschenwürde auswirkt, desto stärker ist der Staat gefordert, ein präventives, vorbeugendes Schutzkonzept 41

In diesem Sinne bereits Kaufmann in JuS 1963, S. 373 (380 f.).

A. Die staatliche Verpflichtung im Äußerungsrecht

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vorzuhalten. Aus dem Differenzierungsgebot schließlich folgt, dass der Grundrechtsverpflichtete im Bereich des Persönlichkeitsschutzes Rechtsfolgeninstrumente vorzuhalten hat, mit denen sich alle drei Schutzkonzepte alternativ oder kumulativ - verwirklichen lassen. Denn gerade im äußerungsrechtlichen Persönlichkeitsschutz existieren Gefahrdungslagen von unterschiedlicher Qualität und Intensität, auf die der Staat in möglichst flexibler Weise reagieren muss. Nur so kann er in seiner Reaktion zugleich dem Erforderlichkeits- und dem Effektivitätsprinzip entsprechen. Speziell für das Phänomen der Trivialen Personenberichterstattung ergibt sich hieraus folgende Erkenntnis: Gegenüber der Trivialen Personenberichterstattung, welche typischerweise mit erheblichen Eingriffen in besonders schützenswerte - weil dem Kernbereich der Menschenwürde zugehörige Individualinteressen (personaler Geltungswert, Diskretion, Anonymität) verbunden ist, muss der Staat ein ausdifferenziertes Rechtsfolgeninstrumentarium vorhalten, welches nicht nur eine restitutive oder kompensatorische, sondern auch eine präventive Absicherung der betroffenen Rechtsgüter ermöglicht. Diese grundsätzliche Erforderlichkelt (auch) präventiver Schutzinstrumente wird noch deutlich verstärkt in Fällen, in denen die Persönlichkeitsrechte der Dargestellten vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt werden. Denn in einem solchen Fall (der Bundesgerichtshof spricht zutreffend von Fällen der "Zwangskommerzialisierung") werden die Persönlichkeitsrechte des Betroffenen zielgerichtet für die kommerziellen Individualinteressen des Kommunikators ausgenutzt und dieser damit zum "Objekt" wirtschaftlicher Betätigung herabgewürdigt. Dies aber ist mit der absoluten Schutzaussage des Art. 1 I GG nicht zu vereinbaren~ der Staat ist gehalten, einem solchen Verhalten effektiv vorzubeugen.

V. Zusammenfassung und Ergebnis Wie zu zeigen war, obliegt dem Staat eine weitreichende persönlichkeitsrechtliche Schutzpflicht gegenüber den von der Trivialen Personenberichterstattung Betroffenen. Ausgelöst wird diese Pflicht durch eine verschärfte Gefährdungs- und Verletzungslage im Bereich der massenmedialen Personenberichterstattung, derer sich der Einzelne selbst immer weniger aus eigener Kraft erwehren kann. Es bedarf daher der Zurverfügungstellung von geeigneten, effektiven und ausreichenden Schutzinstrumentarien zur Sicherung des verfassungsrechtlich vorgegebenen Mindeststandards, wie er durch Art. 1 I i. V. m. Art. 2 I GG vorgegeben und durch die Rechtsprechung konkretisiert ist. Der Grundrechtsverpflichtete hat dabei die kollidierenden Rechte Dritter zu beachten und ist insbesondere an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sowie an das Differenzierungsgebot gebunden. In der Frage, ob restitutive, kompensatorische oder präventive Instrumente vorzuhalten 19 Neben

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3. Teil: Rechtsschutz gegenüber Trivialer Personenberichterstattung

sind, hat sich der Grundrechtsverpflichtete maßgeblich an der Wertigkeit des konkret bedrohten Rechtsguts sowie an der Intensität dessen konkreter Bedrohung zu orientieren. Für die Triviale Personenberichterstattung lässt sich dabei festhalten: Jedenfalls bei der vorsätzlichen oder zumindest grob fahrlässigen Instrumentalisierung von Persönlichkeitsrechten zu Geschäftszwecken (,,Zwangskommerzialisierung") ist regelmäßig der Menschenwürdeaspekt der Persönlichkeitsrechte berührt mit der Folge, dass zu deren Verhinderung (auch) präventiv wirkende Schutzinstrumente vorzuhalten sind. Nach dieser abstrakten Ermittlung der staatlichen Schutzpflicht auf dem Gebiet des äußerungsrechtlichen Persönlichkeitsschutzes stellt sich die Frage, ob das gegenwärtig vorgehaltene, äußerungsrechtliche Rechtsfolgeninstrumentarium den soeben entwickelten Anforderungen genügt. Die Beantwortung dieser Frage ist Gegenstand der nun folgenden Untersuchung. Zunächst soll zu diesem Zweck das äußerungsrechtliche Rechtsfolgeninstrumentarium betrachtet werden, welches einen rein ideellen - im Gegensatz zu einem monetären - Ansatz verfolgt: Die Verhinderung, der Ausgleich oder die Wiedergutmachung von publizistischen Beeinträchtigungen soll hier (ebenfalls) mit publizistischen Mitteln bewirkt werden. Wie zu zeigen sein wird, versagt das nicht-monetäre Schutzkonzept jedoch aus strukturellen Gründen weitgehend gegenüber den typischen Erscheinungsformen der Trivialen Personenberichterstattung.

B. Strukturelle Ineffizienz des nicht-monetären äußerungsrechtlichen Schutzinstrumentariums Das von der Verfassung vorgegebene Verwirklichungsziel auf dem Gebiet des Persönlichkeitsschutzes verlangt, dass die Gesamtheit der vorhandenen Abwehrinstrumente ausreichend sein muss, um die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen wirksam gegen rechtswidrige Übergriffe zu schützen.42 Bei der nunmehr vorzunehmenden Ermittlung und Bewertung der persönlichkeitsrechtlichen Schutzdichte müssen daher sämtliche äußerungsrechtlich relevanten Schutzinstrumente berücksichtigt und in ihrer Wirksamkeit gegenüber den typischen Erscheinungsformen rechtswidriger Personenberichterstattung analysiert werden.43 Auf zivilrechtlichem Gebiet (/.) sind So auch Mackeprang, S. 207; Klass, S. 189. Ähnlich auch Gelbhaar, S. 76 f., der zutreffend ausführt, zur Bestimmung der Wirksamkeit eines spezifischen rechtlichen Instruments sei zu prüfen, "ob und inwiefern das normative Arrangement grundsätzlich geeignet ist, zur Realisierung [des] zuvor benannten Zieles beizutragen". Vgl. zur aktuellen Diskussion um die 42 43

B. Strukturelle Ineffizienz des Schutzinstrumentariums

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dies der Unterlassungsanspruch, der Gegendarstellungsanspruch, der Beseitigungsanspruch gerichtet auf Widerruf oder Richtigstellung, der Anspruch auf Veröffentlichung des Urteilstenors sowie der persönlichkeitsrechtliche Feststellungsanspruch. Daneben ist das strafrechtliche Sanktionssystem zu berücksichtigen, wie es über die Vorschriften des Vierzehnten und Fünfzehnten Abschnitts des StGB zu Anwendung kommt (II.). Ebenfalls an dieser Stelle zu untersuchen sind persönlichkeitsschützende öffentlich-rechtliche Instrumente, wie sie in den Landespressegesetzen, den Landesmediengesetzen und dem Rundfunkstaatsvertrag ihren Niederschlag gefunden haben (III.). Und schließlich bedarf es der Untersuchung des persönlichkeitsrechtlichen Schutzpotentials der publizistischen freiwilligen Selbstkontrolle (IV.).

I. Zivilrechtliche Schutzinstrumente Das Zivilrecht steht heute unumstritten im Mittelpunkt des äußerungsrechtlichen Persönlichkeitsschutzes.44 Dies resultiert unmittelbar aus dem rechtsstaatliehen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, demzufolge strafrechtliche Sanktionsformen aufgrund ihrer besonderen Eingriffsintensität dem Staat grundsätzlich nur als ultima ratio zur Verfügung stehen.45 Unterstützt wird die Schutzverlagerung ins Zivilrecht zudem durch die besondere Sensibilität der öffentlichen Massenkommunikation und deren Bedeutung für das demokratische Gemeinwesen: Das scharfe Schwert des Strafrechts darf aufgrund seiner besonderen Präventionswirkung nur äußerst restriktiv zur Sanktionierung rechtswidriger Medieninhalte eingesetzt werden. So sind denn auch im folgenden zunächst die zivilrechtliehen Schutzinstrumente zu analysieren, durch die der Staat dem Betroffenen eine Handhabe gegenüber rechtswidrigen Persönlichkeitsbeeinträchtigungen gewährt. 1. Unterlassung

Die drohende Verletzung des Medienpersönlichkeitsrechts begründet zunächst einen Unterlassungsanspruch des Betroffenen analog §§ 12, 862, 1004 BGB.46 Als zukunftsgerichteter Anspruch setzt dieser neben der Frage nach der Effektivität des "traditionellen" äußerungsrechtlichen Instrumentariums auch die Beiträge von Damm, Stümer und Engelschall anlässlich der 82. Tagung des Studienkreises für Presserecht und Pressefreiheit in Frankfurt am Main 1997, abgedr. in AfP 1998, S. 46 (48). 44 Vgl. Mackeprang, S. 43; Klass, S. 204. 45 StolZ, Haftungsfolgen, S. 83; Stümer, GutA 58. DJT, Band I S. A19. 46 Dazu umfassend Seyfarth in NJW 1999, S. 1287 (1288 ff.); Erman-Ehmann, Anh. zu§ 12 Rn. 711.; Soehring, Presserecht, Rn. 30.1 ff.; Klass, S. 23 ff. 19*

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Rechtswidrigkeit der Persönlichkeitsbeeinträchtigung eine Erstbegehungsoder Wiederholungsgefahr voraus, die vom Betroffenen zu beweisen bzw. im Verfügungsverfahren glaubhaft zu machen ist. Der Nachweis der Wiederholungsgefahr ist dabei einfach zu führen, da im Falle einer bereits erfolgten Verletzung eine Wiederholungsvermutung für den Betroffenen streitet. Die Erstbegehungsgefahr hingegen ist positiv zu begründen; es muss also anband von tatsächlichen Anhaltspunkten die konkrete Gefahr einer drohenden Rechtsverletzung dargelegt werden. Die Effektivität dieses Rechtsbehelfs als Abwehrinstrument gegenüber unrechtmäßiger Berichterstattung erscheint auf den ersten Blick sehr groß. 47 Als präventives Abwehrinstrument ermöglicht der Unterlassungsanspruch dem Betroffenen die unmittelbare Verhinderung drohender Rechtsverletzungen. Dieser ist, anders als bei allen anderen Instrumenten, nicht darauf angewiesen, die Verletzungshandlung zunächst abzuwarten um dann die Wiederherstellung des ursprünglichen, schadensfreien Zustandes geltend zu machen, sondern kann die Unversehrtheit seiner rechtlich geschützten Sphäre effektiv vor einer drohenden Verletzung bewahren. Dies gilt umso mehr, als die Unterlassung regelmäßig im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes geltend gemacht und somit eine tatsächliche Verhinderung der bevorstehenden Tat bewirkt werden kann. Hinzu kommt, dass der Unterlassungsanspruch nicht auf verletzende Tatsachenbehauptungen beschränkt ist, sondern sämtliche rechtswidrigen Darstellungsformen erfasst. Er ermöglicht dem Betroffenen damit ein Vorgehen auch gegenüber rechtswidrigen Meinungsäußerungen und Bildnisverbreitungen und deckt somit das gesamte Spektrum der Trivialen Personenberichterstattung ab. Dem aus Art. 2 I i. V. m. Art. 1 I GG abgeleiteten Schutzgedanken entspricht der Unterlassungsanspruch damit in der theoretischen Betrachtung nahezu optimal. Wie bereits zuvor ausgeführt, kann sich die Effizienzanalyse jedoch nicht auf eine Betrachtung des law in the books beschränken. Maßstab muss vielmehr das Recht in seiner tatsächlichen Anwendung und in seiner faktischen Durchsetzbarkeit sein. Hier jedoch erweist sich der Unterlassungsanspruch gegenüber dem Phänomen der Trivialen Personenberichterstattung, verstanden als der bewussten publizistischen Instrumentalisierung von Persönlichkeitsattributen zu Gewinnmaximierungszwecken, als nur bedingt taugliches Abwehrinstrument. Dies liegt zum einen darin begründet, dass der Unterlassungsanspruch grundsätzlich auf die konkrete Verletzungsform beschränkt ist. 48 Der Betroffene kann zwar ausnahmsweise neben der tatsächlich angegriffenen auch inhaltlich oder formal gleichwer47 So im Ergebnis auch Klass, der davon ausgeht, der Unterlassungsanspruch gewährleiste "gegenüber Verletzungshandlungen durch die Massenmedien einen effektiven Rechtsschutz"; Klass, S. 54. 48 Vgl. Erman-Ehmann, Anh. zu § 12 Rn. 716.

B. Strukturelle Ineffizienz des Schutzinstrumentariums

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tige Äußerungen in den Verbotstenor mit aufnehmen lassen, sofern auch in diesen das Charakteristische der konkreten Verletzungsform zum Ausdruck kommt. 49 Die grundlegende Bedeutung der Äußerungsfreiheit verbietet jedoch jede darüber hinausgehende Erstreckung des Verbotes auf bloß ähnliche oder vergleichbare Formulierungen; im Falle ehrverletzender Meinungsäußerungen kann sogar nur die wörtliche Wiederholung der beanstandeten Äußerung untersagt werden50. Hieraus erwächst eine nicht zu unterschätzende Umgehungsgefahr: Der Betroffene ist gezwungen, die beanstandete Äußerung so konkret wie möglich zu benennen, um dem Vorwurf der Unbestimmtheit und unzulässigen Weite seines Antrags zu entgehen. Der Verletzer kann demgegenüber auf der Grundlage des vorliegenden Tenors nach Möglichkeiten suchen, die betreffende Information in einer Art und Weise zu präsentieren, welche von dessen Verbotswirkung nicht mehr umfasst ist. Dies wird zwar nicht in jedem Fall möglich sein. Zumindest bei abwertenden Meinungsäußerungen und bei privaten und intimen Informationen wird sich aber in aller Regel eine in der Aussage vergleichbare, dem Verbotstenor jedoch nicht zuwiderlaufende (Um-)Formulierung finden lassen. Bei sog. Paparazzi-Fotos lässt sich in aller Regel sogar nur das konkrete streitgegenständliche Foto verbieten, so dass die Verbreitung ähnlicher Fotos - möglicherweise aus derselben Serie, aufgenommen vom selben Fotografen arn selben Ort - nicht erfasst werden kann. 51 Zum Nachteil des Betroffenen wirkt sich aus, dass dieser mit der Formulierung seines Antrags den Streitgegenstand positiv bestimmen muss, der Verletzer sich hingegen lediglich negativ abzugrenzen braucht, wofür ihm der gesamte existente Sprach- und Formulierungsschatz zur Verfügung steht. Den (kommerziell motivierten) Willen des Verletzers zur "Umgehung" des Verbots unterstellt, befindet sich der Betroffene also bereits hierdurch strukturell in einer schwächeren Position. Der Unterlassungsanspruch begegnet daneben einem weiteren, praktischen Problem. So muss der Betroffene zur Verhinderung einer erstmaligen Veröffentlichung überhaupt Kenntnis von der bevorstehenden Rechtsverletzung erlangen. Wie Soehring zutreffend bemerkt, wird dies jedoch in der Praxis allein in den seltenen Fällen der redaktionellen Indiskretion gegeben sein. 52 Im Falle einer bloßen Vermutung des Betroffenen hingegen - beispielsweise ausgelöst durch eine ihn erreichende Recherchemaßnahme gewähren die Gerichte grundsätzlich keine Unterlassungsansprüche.53 Unbe49

Erman-Ehmann, Anh. zu§ 12 Rn. 716 m.w.N.

5o BVerfGE 42, S. 143 (151).

Gounalakis in AfP 1998, S. 10 (22); vgl. auch BGH in NJW 1996, S. 985. Soehring, Presserecht, Rn. 30.12. 53 Vgl. nur OLG Harnburg in AfP 1992, S. 279; LG Frankfurt/Main in AfP 1991, s. 545. 51

52

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3. Teil: Rechtsschutz gegenüber Trivialer Personenberichterstattung

stimmte, präventive Veröffentlichungsverbote werden als von vornherein mit Art. 5 I GG unvereinbar angesehen. 54 Im Ergebnis bedeutet dies die praktische Wirkungslosigkeit des Unterlassungsanspruchs zur Verhinderung von rechtswidrigen Erstveröffentlichungen. Ein anderes Bild ergibt sich zwar für den auf Wiederholungsgefahr gestützten Anspruch, denn im Äußerungsrecht gilt zugunsten des darlegungspflichtigen Betroffenen eine Wiederholungsvermutung nach bereits erfolgter Erstveröffentlichung.55 Die Triviale Personenberichterstattung lebt jedoch vorwiegend von exklusiven und aktuellen Personengeschichten. 56 Der spezifische publizistisch-ökonomische Wert der hier typischen Personeninformation liegt daher vorwiegend in deren Erstverbreitung begründet. Eine erneute Verbreitung der konkreten, streitgegenständlichen Äußerung durch dasselbe publizistische Organ wird daher im Regelfall nicht zu befürchten stehen, so dass der auf die Verhinderung von Wiederholungen abzielende Aspekt des Unterlassungsanspruchs praktisch ins Leere läuft. 57 Zu bedenken ist weiter die für Massenmedien typische, besonders hohe Veröffentlichungsfrequenz der Publikationsorgane. Die einschlägigen Mediengattungen58 erscheinen z. T. täglich (Boulevardzeitungen, TV-Magazine), anderenfalls wöchentlich (Publikumszeitschriften) und äußerstenfalls vierzehntägig (Regenbogenpresse). Berücksichtigt man daneben das oben beschriebene Aktualitätserfordernis, welches dazu führt, dass vor jeder Veröffentlichung ein nur sehr kurzer Planungs- und Recherchezeitraum liegen kann, so ergibt sich hieraus für den Betroffenen ein extrem enger Zeitrahmen, in dem er präventive Abwehrmaßnahmen erwägen, einleiten und durchsetzen muss. Auch dieser Umstand schwächt die faktische Wirksamkeit des Unterlassungsanspruchs als präventives Schutzinstrument erheblich. Läuft jedoch die präventive Wirkkraft des Unterlassungsanspruchs ins Leere, so steht damit dessen gesamte Bedeutung als äußerungsrechtliches Abwehrinstrument in Frage, denn eine rückwirkende Rechtsbereinigung lässt sich durch ihn schon strukturell nicht erzielen. 59 Nach allem wird die faktische Effizienz des Unterlassungsanspruchs gegenüber der hier besprochenen spezifischen Form der Persönlichkeitsverletzung also eher gering einzuschätzen sein.60 54 Anders nur in Ausnahmekonstellationen; vgl. dazu Soehring, Presserecht, Rn. 30.14 m. w.N. 55 Soehring, Presserecht, Rn. 30.7; Wenzel, Rn. 12.8; BGH in NJW 1994, S. 1281 - Bilanzanalyse. 56 Vgl. oben Erster Teil, A.II.2., A.II.3., A.II.5.cH). A.III.l. 57 Ähnlich auch Soehring, Presserecht, Rn. 30.8. Dies gilt insbesondere für Fotoveröffentlichungen. Hier werden die Rechte ohnehin vielfach nur zur einmaligen Veröffentlichung erworben. 58 Dazu oben Erster Teil, A.II.5. 59 Vgl. hierzu BGH in NJW 1971, S. 698 f. -Pariser Liebestropfen; Stall, GutA 45. DIT, S. 140; Klass S. 52.

B. Strukturelle Ineffizienz des Schutzinstrumentariums

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2. Gegendarstellung

Landespressegesetze sowie Rundfunkstaatsvertrag und Landesmediengesetze gewähren dem in den Massenmedien Dargestellten einen Anspruch auf Gegendarstellung. 61 Ihm wird die Möglichkeit gegeben, an gleicher Stelle, mit derselben Publizität und vor demselben Forum mit seiner eigenen Darstellung zu Wort zu kommen. 62 Die Anspruchsvoraussetzungen der jeweiligen landesrechtliehen Regelungen unterscheiden sich zwar marginal voneinander, doch lässt sich zusammenfassend feststellen, dass demjenigen ein Gegendarstellungsanspruch zusteht, dessen Persönlichkeitsrecht von einer in den Medien verbreiteten Tatsachenbehauptung berührt wird. 63 Der Berechtigte kann den Abdruck oder die Ausstrahlung einer selbstformulierten Stellungnahme an derselben oder an gleichwertiger Stelle, in derselben Form und mit demselben Umfang wie die beanstandete Erstveröffentlichung verlangen. Die grundsätzliche Wirksamkeit eines solchen Rechtsbehelfs steht außer Frage. Das Bundesveifassungsgericht hat den Gegendarstellungsanspruch zu Recht als unverzichtbaren Bestandteil des äußerungsrechtlichen Schutzinstrumentariums bezeichnet.64 Als besonders effektiv erweist sich zum einen die ausnahmslose Durchsetzung des Anspruchs im Verfügungsverfahren.65 Damit wird der Betroffene in die Lage versetzt, einer ihn betreffenden Äußerung unverzüglich entgegenzutreten. Einen besonderen Verfügungsgrund braucht er, in Abweichung vom Grundsatz der §§ 935, 940 ZPO, nicht nachzuweisen.66 Dem Betroffenen wird es so ermöglicht, eine veröffentlichte Behauptung zu bestreiten und richtig zu stellen, während diese sich noch in der öffentlichen Diskussion befindet und die öffentliche Meinung sich noch nicht abschließend gebildet hat. Zum anderen bedarf die Geltendmachung des Anspruchs nicht des Nachweises der Unwahrheit der Erstmitteilung. Und auch die inhaltliche Richtigkeit der Gegendarstellung selbst bleibt - von Fällen evidenter Unwahrheit abgesehen67 - ungeprüft. 60 So i.E. auch Stümer in AfP 1998, S. 1 (6); Schiechtriern in Hefermeh1-FS, S. 445 (456): .,Durchsetzung oder vorläufige Sicherung eines Unterlassungsanspruchs [...] können gegenüber einem juristisch versierten und zu Rechtsbrüchen entschlossenen Geschäftsmann zu spät kommen". 61 Zu diesem Anspruch umfassend Seitz/Schmidt/Schoener; Di Fabio in AfP 1999, S. 126 (129 f.); Klass, S. 130 ff.; Soehring, Presserecht, Rn. 29.1 ff.; Übersichten und Textfassungen der Landespresse- bzw. Landesmediengesetze finden sich bei Wenzel, Rn. 11.9 ff. und Rn. 11.247 ff. sowie bei Wasserburg, S. 379 ff. 62 Klass, S. 131; BGHZ 66, S. 182 (195)- Panorama. 63 Vgl. Erman-Ehmann, Anh. § 12 Rn. 524. 64 BVerfGE 73, S. 118 (201); BVerfGE 63, S. 131 (142). 65 Anders nur in Bayern, vgl. Erman-Ehmann, Anh. § 12 Rn. 555. 66 Vgl. Erman-Ehmann, Anh. § 12 Rn. 555.

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3. Teil: Rechtsschutz gegenüber Trivialer Personenberichterstattung

Der Betroffene kann damit gegen jede Tatsachenbehauptung vorgehen, die ihn in seinen Persönlichkeitsinteressen berührt. Als Abwehrinstrument speziell gegen die Triviale Personenberichterstattung erweist sich die Gegendarstellung jedoch als nur eingeschränkt tauglich.68 So lässt sich die Gegendarstellung nur gegen Tatsachenmitteilungen instrumentalisieren. Abwertende Meinungsäußerungen69 sowie Bildberichte70 sind ihrem Anwendungsbereich per se entzogen. Weiterhin kann sie nur zur Berichtigung einer vermeintlich unwahren Äußerung herangezogen werden und bietet demgemäß keinen Schutz gegenüber wahren aber indiskreten Informationen. Bereits tatbestandlieh scheidet sie damit für drei von vier Fallgruppen der Trivialen Personenberichterstattung aus. Darüber hinaus kommt ihr weder restitutive noch kompensatorische oder gar präventive Wirkung bei. 71 Ihr Schutzpotential besteht allein darin, den öffentlichen Meinungsbildungsprozess entsprechend dem Grundsatz audiatur et altera pars um eine aus Sicht des Betroffenen "richtige" Ansicht zu ergänzen; der vermeintlichen Fehlinformation des Mediums also eine - potentiell jedoch ebenfalls unrichtige - Eigeninformation des Betroffenen gegenüberzustellen. Mit dem Abdruck der Gegendarstellung verbindet sich für die Rezipienten daher keine öffentliche Missbilligung der Erstmitteilung, so dass Genugtuung und Wiederherstellung für den Betroffenen ausscheiden. Das präventive Potential der Gegendarstellung ist ebenfalls verschwindend gering. Denn ihr Erlass hindert den Verletzer nicht daran, dieselbe Tatsache erneut zu behaupten. In einigen Fällen kann die Gegendarstellung sogar kontraproduktiv wirken, denn sie aktualisiert und thematisiert den beanstandeten Sachverhalt aufs Neue und vermag so das öffentliche Interesse an der angegriffenen Erstmitteilung noch zu verstärken.72 Gefördert wird dies Vgl. BGH in NJW 1964, S. 1134; BGH in NJW 1967, S. 562. Ähnlich auch Klass: "[ ... ] regelmäßig zur Beseitigung der schädlichen Folgen einer Persönlichkeitsverletzung oder zu einer Wiedergutmachung des eingetretenen Schadens ungeeignet", S. 173 sowie Stümer in AfP 1998, S. I (6): "Die Gegendarstellung mit ihren beschränkten Möglichkeiten ähnelt [...] der Steinschleuder Davids gegen den Mediengoliath". 69 Eine Minderheitsansicht in der Literatur erwägt zwar, auch Meinungsäußerungen dem Anwendungsbereich des Gegendarstellungsrechts zu unterwerfen. In Anbetracht der bestehenden Gesetzeslage wäre eine solche Ausweitung des Gegendarstellungsrechts jedoch contra legem und damit unzulässig. Zum Streitstand vgl. ErrnanEhmann, Anh. § 12 Rn. 529 f. 70 Die Rechtsprechung hat in wenigen Ausnahmefallen eine sog. Bildgegendarstellung anerkannt, vgl. OLG Harnburg in AfP 1976, S. 55 sowie OLG Harnburg in AfP 1984, S. 115. Als Regelfall kann hiervon jedoch mitnichten ausgegangen werden. 71 In diesem Sinne auch Klass, S. 136; a. A. hingegen Di Fabio in AfP 1999, S. 126 (129), welcher der Gegendarstellung auch eine präventive Wirkung beimisst. 72 In diesem Sinne auch Klass, S. 134 sowie Di Fabio in AfP 1999, S. 126 (129). 67

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B. Strukturelle Ineffizienz des Schutzinstrumentariums

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durch das gesetzliche Erfordernis, wonach der Betroffene die beanstandeten Tatsachen in seiner Gegendarstellung konkret angeben und benennen muss73 . Zu beachten ist weiterhin, dass das Gesetz an die inhaltliche Ausgestaltung der Gegendarstellung hohe Anforderungen stellt. Sie kann daher regelmäßig nicht vom juristischen Laien selbst verfasst werden; dieser muss zur Durchsetzung seines Anspruchs einen Rechtsanwalt beauftragen. 74 Weigern sich Verlag oder Sender, die gewünschte Gegendarstellung zu veröffentlichen, kommt erschwerend hinzu, dass diese - anders als alle anderen äußerungsrechtlichen Ansprüche, für die gemäß § 32 ZPO der fliegende Gerichtsstand gilt - am Erscheinungsort der Publikation und durch einen dort zugelassenen Rechtsanwalt geltend gemacht werden muss. Daneben ist zu bedenken, dass sich der Betroffene mit der gerichtlichen Geltendmachung seines Anspruchs dem Haftungsrisiko des § 945 ZPO aussetzt für den Fall, dass die zunächst erlassene und veröffentlichte Gegendarstellung im Rechtsmittelverfahren aufgehoben wird. 75 Diese Hürden des geltenden Gegendarstellungsrechts entfalten für den Betroffenen eine deutlich abschreckende Wirkung, welche die faktische Effektivität der Rechtsverwirklichung erheblich beschränken dürfte. Auch der Gegendarstellungsanspruch erweist sich daher in seiner praktischen Anwendung als verhältnismäßig stumpfes Schwert gegenüber der Trivialen Personenberichterstattung. 3. Widerruf und Richtigstellung

Gegen eine bereits eingetretene und noch fortwirkende Persönlichkeitsverletzung steht dem Betroffenen analog §§ 12, 862, 1004 BGB ein verschuldeosunabhängiger Beseitigungsanspruch zu. 76 Sein Ziel - die Wiederherstellung des schadensfreien Zustandes - wird durch die Abgabe einer Widerrufs-, Richtigstellungs- oder Ergänzungserklärung durch den Verletzer erreicht. Dieser ist verpflichtet, sich unter Bezugnahme auf die Erstmitteilung an vergleichbarer Stelle und in vergleichbarer Form an dasselbe Forum zu wenden und die rechtswidrige Erstmitteilung zu korrigieren. Der Widerrue7 stellt ein deutlich stärkeres Abwehrmittel dar als die Gegendarstellung. Denn die Erstmitteilung wird durch den Widerruf inhaltlich aufgehoben, durch die als richtig erkannte Tatsache ersetzt und der Dazu Errnan-Ehmann, Anh. § 12 Rn. 547. Stürner beschreibt die gerichtliche Durchsetzung einer Gegendarstellung mit Recht als rechtlichen "Hindemislaur'; Stürner in AfP 1998, S. 1 (6 a.E.). 75 Vgl. BGHZ 62, S. 7; Errnan-Ehmann, Anh. § 12 Rn. 556; Wasserburg, S. 505; Klass, S. 167. 76 Errnan-Ehmann, Anh. § 12 Rn. 448; ausführlich auch Seyfarth in NJW 1999, S. 1287 (1293 f.) sowie Klass, S. 57 ff. 73

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3. Teil: Rechtsschutz gegenüber Trivialer Personenberichterstattung

Äußernde zudem öffentlich als Fehlinformant hingestellt. Darüber hinaus ist die richtigstellende Erklärung vom Verletzer als eigene abzugeben, was diesen weit schwerer belastet als die bloße Veröffentlichung einer fremden Gegenansicht: Der Widerruf beinhaltet das nach außen erklärte Anerkenntnis des Verletzers, eine rechtswidrige Handlung begangen zu haben und zieht damit zugleich dessen Vertrauenswürdigkeit hinsichtlich zukünftiger Äußerungen in Zweifel. Den präventiven Unterlassungsanspruch ergänzt der Widerruf insofern wirksam, als er dem Betroffenen ein restitutives Instrument gegen im Vorwege nicht zu verhindernde Rechtsverletzungen an die Hand gibt. Gleichwohl vermag auch der Widerrufsanspruch keinen effektiven Schutz vor den rechtswidrigen Erscheinungsformen der Trivialen Personenberichterstattung zu gewährleisten. Zunächst lässt er sich nur gegen unwahre Talsachenbehauptungen einsetzen. Unrechtmäßige Fotoveröffentlichungen und indiskrete aber zutreffende Privatinformationen können durch eine Erklärung des Verletzers schlechterdings nicht aus der Welt geschafft werden. 78 Und auch gegen ehrverletzende Meinungsäußerungen kann der Widerrufsanspruch - aus verfassungsrechtlichen Gründen79 - nicht geltend gemacht werden80, so dass nur eine von vier typischen Fallgruppen der Trivialen Personenberichterstattung diesem Abwehrinstrument überhaupt zugänglich ist. Daneben ist zu berücksichtigen, dass die in jedem Einzelfall vorzunehmende Abgrenzung zwischen (erfassten) Tatsachenmitteilungen und (nicht erfassten) Meinungsäußerungen dem Betroffenen ein sehr hohes Prozessrisiko aufbürdet, da in diesem Bereich eine sichere Prognose über eine gerichtliche Entscheidung kaum möglich ist. 81 Hinzu kommt die dem Betroffenen ungünstige Beweislastverteilung, nach der er die Unwahrheit der aufgestellten Behauptung beweisen muss. 82 Um aber seiner Beweispflicht genügen zu können, wird er oftmals gezwungen sein, persönliche 77 Im folgenden soll unter Widerruf sowohl der uneingeschränkte Widerruf. der eingeschränkte Widerruf, die Richtigstellung und die Ergänzung als Ausprägungen des Beseitigungsanspruchs zusammengefasst werden. 78 OLG Köln in AfP 1975, S. 866; LG München in AfP 1975, S. 58; ErmanEhmann, Anh. § 12 Rn. 449; Klass, S. 97. Sofern sich die Unwahrheit allerdings aus dem Bild selbst (Retusche) oder aus der Verbindung von Text und Bild ergibt, kann in Ausnahmefällen auch ein Anspruch auf "Bildnisberichtigung" gegeben sein; vgl. Wenzel, Rn. 13.47. 79 Vgl. nur BGH in NJW 1982, S. 2246. 80 Dies entspricht der ganz überwiegenden Meinung in Lit. und Rspr.; vgl. die Nachweise bei Erman-Ehmann, Anh. § 12 Rn. 450 f. sowie bei Klass, S. 97. 81 So auch Klass, S. 97. Zu den zugrundeliegenden Abgrenzungsschwierigkeiten vgl. Erman-Ehmann, Anh. § 12 Rn. 125 ff. 82 Dies gilt zumindest für den uneingeschränkten Widerruf; vgl. BGHZ 37, S. 187; BGHZ 69, S. 181. Im Falle eines non liquet kommt lediglich ein eingeschränkter Widerruf in Betracht, vgl. Erman-Ehmann, Anh. § 12 Rn. 461.

B. Strukturelle Ineffizienz des Schutzinstrumentariums

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oder sogar intime Informationen in einem öffentlichen Gerichtsverfahren preiszugeben. 83 Hiervon geht eine hemmende Wirkung aus, welche die praktische Wirksamkeit des Widerrufsanspruchs erheblich mindert.84 Und schließlich wird der Widerruf nur unter der bedeutsamen Einschränkung gewährt, dass seine Veröffentlichung zur Beseitigung der Rechtsverletzung unbedingt erforderlich ist85 und nicht zu einer Demütigung des Verletzers führt 86. Mit diesen Voraussetzungen freilich wird dem Widerrufsanspruch jegliche kompensatorische Funktion genommen, denn es soll gerade verhindert werden, dass seine Durchsetzung dem Betroffenen Genugtuung gegenüber dem Verletzer verschafft. Daneben wird aber auch die restitutive Funktion des Anspruchs deutlich eingeschränkt, denn das Erforderlichkeitskriterium führt im Zusammenspiel mit der besonderen gesellschaftlichen Bedeutung der Äußerungsfreiheiten zu einer im Umfang äußerst restriktiven Gewährung von Widerrufsansprüchen, so dass tendenziell mit einem "Überhang" der durch die unwahre Erstmitteilung verursachten Persönlichkeitsverletzung gegenüber dem gewährten Inhalt des Widerrufs zu rechnen ist. Im Ergebnis erweisen sich somit auch die äußerungsrechtlichen Beseitigungsansprüche als strukturell ungeeignet zur Absicherung der Persönlichkeit gegenüber den Verletzungsformen der Trivialen Personenberichterstattung.87 4. Urteilsveröffentlichung und Feststellungsklage

Erstreitet der Betroffene ein Unterlassungsurteil gegen den Verletzer, oder gibt dieser freiwillig eine Unterlassungserklärung ab, so ist anerkannt, dass der Betroffene analog §§ 23 II UWG, 200 StGB die Veröffentlichung des Urteilstenors bzw. der Verpflichtungserklärung verlangen kann. 88 Bei diesem Anspruch handelt es sich um ein originär restitutives Instrument; seine Zielsetzung ist es, die noch andauernde Rechtsverletzung zu beenden In diesem Sinne auch Schwerdtner, S. 323 f. So auch Klass, S. 97. 85 BGH in NJW 1958, S. 1043 - Blankoermächtigung; BGH in NJW 1984, s. 1104. 86 BVerfGE 28, S. 1 (9) - Strauß/Augstein; Wenzel, Rn. 13.27 ff.; ErmanEhmann, Anh. § 12 Rn. 453; Klass, S. 98. 87 So i.E. auch Schwerdtner in JZ 1990, S. 769 (772) sowie Stümer in AfP 1998, S. 1 (6), der zutreffend darauf hinweist, dass im Rahmen des Widerrufsanspruches nicht zwischen "handwerklichem Versehen und kühl kalkulierender Falschbehauptung" differenziert werde. A. A. jedoch Gounalakis in AfP 1998, S. 10 (20), der sich vom Zusammenwirken von Widerrufs- und Gegendarstellungsanspruch einen "wirksamen Abschreckungseffekt" verspricht. 88 BGH in NJW 1982, S. 2246 (2247); BGH in NJW 1987, S. 1400; Wasserburg, S. 288 ff.; Wenzel, Rn. 13.107, 13.116; Klass, S. 31, 38; Soehring, Presserecht, Rn. 31.15; Erman-Ehmann, Anh. zu § 12 Rn. 447; Helle, S. 216. 83

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3. Teil: Rechtsschutz gegenüber Trivialer Personenberichterstattung

oder die Folgen einer bereits beendeten Rechtsverletzung rückgängig zu machen. Der Veröffentlichungsanspruch steht damit dem Berichtigungsanspruch weitaus näher als dem Unterlassungsanspruch. 89 Im Falle rechtswidriger Tatsachenbehauptungen kann die Veröffentlichung verlangt werden, wenn dies zur Wiederherstellung des schadensfreien Zustandes erforderlich ist und keine überwiegenden Belange des Verletzers entgegenstehen.90 Nach vorherrschender Ansicht in Rechtsprechung und Literatur soll der Anspruch darüber hinaus auch gegen rechtswidrige Werturteile geltend gemacht werden können. 91 Vor dem Hintergrund des oben zur rechtlichen Qualifizierung von Bildnissen als visuelle Tatsachenbehauptungen Ausgeführten92 kann weiterhin kein Zweifel daran bestehen, dass auch das Verbot einer Bildnisverbreitung dem Veröffentlichungsbegehren zugänglich sein muss. Als Gegenstand des Veröffentlichungsanspruchs soll weiterhin, einer Entscheidung des OLG Köln zufolge, auch der Tenor eines Geldentschädigungsurteils in Betracht kommen, wenn die Beeinträchtigung des Betroffenen trotz Zubilligung der Entschädigungsleistung fortdauert. 93 Die Veröffentlichung von Verurteilungen zum Widerruf, zur Richtigstellung oder zur Einschränkung kann indes nicht verlangt werden. Dies ergibt sich unmittelbar aus dem restitutiven Charakter des Veröffentlichungsanspruchs: In den oben bezeichneten Fällen wird der rechtswidrige Zustand bereits durch die öffentliche Korrektur der falschen Erstmitteilung beseitigt, so dass es an der Erforderlichkeil einer weitergehenden Urteilsveröffentlichung mangelt. Im Falle der Verurteilung zum Abdruck einer Gegendarstellung besteht ebenfalls kein Veröffentlichungsanspruch, da es in einem solchen Falle bereits an der Feststellung eines rechtswidrigen Zustandes fehlt; der Gegendarstellungsanspruch ist insofern neutral, als er weder die Erstmitteilung noch die Gegendarstellung inhaltlich sanktioniert. Diesem Gedanken liefe es zuwider, dem Anspruchsgegner die Veröffentlichung seiner Verpflichtung aufzuerlegen, da sich hiermit zumindest in den Augen der breiten Öffentlichkeit zwangsläufig auch ein Unwerturteil verbindet. Gleichwohl stellt der Veröffentlichungsanspruch einen bedeutenden äußerungsrechtlichen Abwehran89 So auch BGH in NJW 1987, S. 1400; Prinz in NJW 1995, S. 817; Wasserburg, S. 288; Klass, S. 32. 90 Vgl. OLG Köln in AfP 1985, S. 223; OLG Kob1enz in AfP 1992, S. 365; Soehring, Presserecht, Rn. 31.15; Wenzel, Rn. 13.109; Klass, S. 39 ff. 91 OLG Düsseldorf in NJW 1986, S. 1262 (1264); BGH in NJW 1987, S. 1400: Klass, S. 44; Wasserburg, S. 288, 290; Ennan-Ehmann, Anh. zu § 12 Rn. 447; Mackeprang, S. 60; Damm/Kuner, Rn. 241, 252; a.A. wohl Soehring, Presserecht, Rn. 31.15, der als Anspruchsvoraussetzung die "positive Feststellung der Unwahrheit der angegriffenen Behauptung" nennt und damit Werturteile aus dem Anwendungsbereich ausgrenzt. 92 Oben Zweiter Teil, A.l.2.b)bb)(2). 93 OLG Köln in AfP 1980, S. 227 (231); dazu Wenzel, Rn. 13.107.

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spruch dar. Er schließt, wie Reicholcf4 zutreffend formuliert, eine "offene Flanke" des Persönlichkeitsschutzes. Denn es ist allein dieser Anspruch, der dem Betroffenen ein restitutives Instrument gegenüber rechtswidrigen Meinungsäußerungen eröffnet, nachdem der Widerrufsanspruch - wie ausgeführt - aus verfassungsrechtlichen Gründen auf unwahre Tatsachenbehauptungen beschränkt ist. In seiner tatsächlichen Anwendung jedoch stellt sich der Veröffentlichungsanspruch als wirkungslos gegenüber den rechtswidrigen Erscheinungsformen der Trivialen Personenberichterstattung dar. Zunächst einmal lässt sich dieser, wie Klass zutreffend ausführt, nur im Falle von Unterlassungsurteilen geltend machen, die gegen eine erneute, d.h. wiederholte Rechtsverletzung gerichtet sind.95 Nur in diesen Fällen nämlich ist es bereits zu einem Normverstoß gekommen, dessen noch andauernde Folgen überhaupt mit Hilfe eines restitutiven Rechtsbehelfs beseitigt werden können. Vorbeugende Unterlassungsurteile hingegen antizipieren lediglich eine bevorstehende Rechtsverletzung. In einem solchen Fall kann sachlogisch allein ein präventives, nicht jedoch ein restitutives Instrument zur Anwendung kommen, so dass der Veröffentlichungsanspruch ausgeschlossen ist. Im Bereich der Trivialen Personenberichterstattung liegt, wie oben ausgeführt, das schwerpunktmäßige Interesse der Betroffenen aber gerade in der Verhinderung rechtswidriger Erstveröffentlichungen, so dass der Veröffentlichungsanspruchhier praktisch leerläuft Daneben ist zu berücksichtigen, dass der Veröffentlichungsanspruch - ähnlich wie der Widerrufsanspruch - keinesfalls zu einer "Demütigung" oder "Diskriminierung" des Verletzers führen darf. 96 Hieraus folgt, dass der Betroffene zum einen keine Genugtuung durch die Veröffentlichung erlangen kann97, zum anderen die Zubilligung des Veröffentlichungsanspruchs durch die Gerichte eher restriktiv zu handhaben ist, damit der schmähliche Eindruck einer "öffentlichen Unterwerfung" 98 vermieden wird. Und schließlich sieht sich auch dieser Anspruch der Kritik ausgesetzt, dass seine Durchsetzung, also die Veröffentlichung des Tenors, das öffentliche Interesse an der Person des Betroffenen noch weiter zu steigern vermag und diesen erneut in den Mittelpunkt rückt, obwohl er sich mit seinem ursprünglichen Unterlassungsbegehren gerade hiergegen gewehrt hat. Der Veröffentlichungsanspruch kann daher nach allem nur als "Notbehelf'99 des Äußerungsrechts verstanden werden, Reichold in NJW 1987, S. 1402. Klass, S. 45, 56. 96 BGH in NJW 1987, S. 1400; Reichold in NJW 1987, S. 1402; Klass, S. 48. 97 Der Bundesgerichtshof spricht insofern davon, der Anspruch dürfe nicht allein zur "Satisfaktion des Betroffenen" geltend gemacht werden; BGH in NJW 1987, s. 1400 (1401). 98 Reichold in NJW 1987, S. 1400 (1402). 94

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dessen Funktion sich weitgehend im Symbolischen erschöpft. Seine tatsächliche Wirksamkeit insbesondere gegenüber der Trivialen Personenberichterstattung ist äußerst gering. Mit der gleichen Argumentation ist im übrigen auch dem insbesondere von Klass 100 in die Diskussion eingebrachten Vorschlag einer persönlichkeitsrechtlichen Feststellungsklage zu begegnen. Abgesehen davon, dass ein solcher Anspruch de lege lata wegen § 256 ZPO nicht zur Verfügung steht 101 , käme auch dem persönlichkeitsrechtlichen Feststellungsurteil - selbst wenn man regelmäßig seine Veröffentlichung zuließe - lediglich symbolische Funktion bei. Wirklichen Rechtsschutz gegenüber der bewussten Kommerzialisierung von Persönlichkeitsrechten böte auch ein solcher Anspruch nicht.

II. Strafrechtliche Sanktionierung Neben dem oben dargestellten zivilrechtliehen Schutzinstrumentarium steht die strafrechtliche Absicherung der Persönlichkeitsrechte. Sie ist tatbestandlieh verbürgt durch die Vorschriften des Vierzehnten und Fünfzehnten Abschnitts des StGB, welche die Beleidigung (§ 185 StGB), die üble N~ch­ rede (§ 186 StGB), die Verleumdung (§ 187 StGB), die politische üble Nachrede und Verleumdung (§ 188 StGB), die Formalbeleidigung (§ 192 StGB) sowie die Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes (§ 201 StGB) als Vergehen ausgestalten und mit Freiheitsentzug oder Geldstrafe bedrohen. Da die staatliche Schutzpflicht im Bereich der Persönlichkeitsrechte grundsätzlich durch sämtliche dem Staat zur Verfügung stehenden Mittel erfüllt werden kann 102, bedarf auch das System der strafrechtlichen Medieninhaltsdelikte103 einer näheren Betrachtung im Hinblick auf seine Wirksamkeit gegenüber unrechtmäßigen Personendarstellungen. Die strafrechtliche Absicherung von Individualrechtsgütern als Akt staatlicher Schutzpflichterfüllung ist zweifelsohne unverzichtbar. Ohne strafrechtliche Reaktionsmittel wäre ein geordnetes und gedeihliches Zusammenleben in menschlicher Gemeinschaft undenkbar. 104 Seine besondere Bedeutung für den Rechtsgüterschutz gewinnt das Strafrecht dabei aus der Doppelfunktion seiner Sanktionsmittel: Die Strafe dient gleichermaßen als Reaktion auf begangenes Unrecht wie auch zur Abschreckung künftiger Rechtsverstöße. 105 Sie kompensiert damit bereits begangene und verhindert Klass, S. 57. Klass, S. 236 ff. 101 Vgl. BGHZ 68, S. 331 (334)- Abgeordnetenbestechung. 102 Siehe oben Dritter Teil, A.III. 103 Vgl. zu dieser Terminologie Soehring, Presserecht, Rn. 26.3; Löffler/Ricker, Kap.l7 Rn. 7. 104 Schönke/Schröder-Stree, Vorbem. §§ 38 ff. StGB, Rn. 1. 99

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zugleich im Wege der Spezial- und Generalprävention zukünftige Normverstöße.106 Freiheits- bzw. Geldstrafen sind dabei als empfindliches Übel besonders geeignet, dem Täter die Verwerflichkeit seines Handeins vor Augen zu führen und ihn zukünftig in die Bahnen des Rechts zu zwingen. Daneben kann die strafrechtliche Sanktion besonders flexibel und einzelfallorientiert eingesetzt werden, da sich das Gesetz - zumindest im Falle der Medieninhaltsdelikte - darauf beschränkt, einen relativ weiten Strafrahmen zu eröffnen, der vom Richter im Verletzungsfall tat- und schuldangemessen auszufüllen ist. In seiner rechtstatsächlichen Anwendung erweist sich das Strafrecht jedoch als weitgehend ungeeignet zur Umsetzung der staatlichen Schutzpflicht gegenüber rechtswidriger Personenberichterstattung. Dies liegt bereits auf Tatbestandsebene begründet, denn die oben bezeichneten Straftatbestände erfassen überhaupt nur einen Ausschnitt der spezifischen Verletzungsformen der Trivialen Personenberichterstattung. Schutzgut der Beleidigungsdelikte ist allein die menschliche Ehre.107 In deren Anwendungsbereich fällt daher auch nur die Verbreitung ehrenrühriger Werturteile (§ 185 StGB), weiterhin die Verbreitung ehrenrühriger unwahrer oder nicht erweislich wahrer Tatsachenbehauptungen (§§ 186, 187 StGB) sowie die Verbreitung wahrer, jedoch der Form nach ehrverletzender Äußerungen (§ 192 StGB). § 201 StGB gewährt daneben zwar Diskretionsschutz, indem er die Vertraulichkeit des Wortes absichert. Der Schutzbereich dieser Norm ist jedoch auf das Abhören und Weiterverbreiten nichtöffentlicher Äußerungen beschränkt. Sämtliche anderen Formen der indiskreten Informationsgewinnung und -Verbreitung hingegen sind strafrechtlich irrelevant. Im Ergebnis bedeutet dies, dass die Verbreitung wahrer aber indiskreter Tatsachen (sofern diese nicht durch rechtswidriges "Abhören" erlangt wurden) und die Verbreitung unwahrer aber nicht ehrverletzender Tatsachen strafrechtlich nicht sanktionierbar sind. 108 Die vorsätzliche Verletzung des Rechts am eigenen Bild (§§ 22, 23 KUG) wiederum ist zwar in § 33 KUG mit Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bis zu einem Jahr bedroht. Diese Vorschrift ist jedoch von keiner praktischen Relevanz. 109 Angesichts der tatbestandliehen Unsicherheiten, die sich mit der Bestimmung der Rechtswidrigkeit von Bildnisveröffentlichungen verbinden 110, wird die von § 33 KUG vorausgesetzte Vorsätzlichkeil des Rechtverstoßes in kaum einem Fall von den Gerichten angenommen werden können. Schönke/Schröder-Stree, Vorbem. §§ 38 ff. StOB, Rn. 2, 5. Schönke/Schröder-Stree, Vorbem. §§ 38 ff. StOB, Rn. 12, 15. 107 Schönke/Schröder-Stree, Vorbem. §§ 185 ff. StOB, Rn. 1. 1os Vgl. dazu Schönke/Schröder-Stree, § 185 StOB, Rn. 3a. 109 So auch Gounalakis in AfP 1998, S. 10 (23). 110 Vgl. dazu ausführlich oben Zweiter Teil, B.II.2. 105

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3. Teil: Rechtsschutz gegenüber Trivialer Personenberichterstattung

Ein weiteres Problem stellt sich im Bereich der täterschaftliehen Zurechnung von Medieninhaltsdelikten. 111 Zwar lässt sich strafrechtliche Verantwortung theoretisch für eine Vielzahl der am Veröffentlichungsprozess Beteiligten begründen. So kommen neben dem Verfasser des verletzenden Beitrags auch Chefredakteur und Herausgeber sowie Verleger und verantwortlicher Redakteur 112 als Täter oder doch zumindest als Gehilfen in Betracht. Gleichwohl erweist sich in der Praxis ein strafrechtliches Einschreiten als wenig erfolgversprechend. Zum einen ist der Verfasser als Haupttäter nur dann zu ermitteln, wenn er namentlich für den Beitrag verantwortlich zeichnet. Ist dies nicht der Fall, so ist der Betroffene ebenso wie die Staatsanwaltschaft auf die freiwillige Preisgabe von dessen Identität durch den Verlag oder den Sender angewiesen. Einer zwangsweisen Identitätsermittlung steht das weitreichende Zeugnisverweigerungsrecht der Presse- und Rundfunkmitarbeiter gern. § 53 Abs. 1 Nr. 5 StPO entgegen. 113 Die Täterschaft der leichter zu ermittelnden verlegerischen Funktionsträger hingegen bedarf des Nachweises eines konkreten Tatbeitrags, der nicht allein aus deren organisatorischer Stellung geschlossen werden kann, sondern eine positiven Feststellung im Einzelfall erfordert. 114 Hierzu bedarf es insbesondere des Nachweises, dass der Betreffende die Veröffentlichung in Kenntnis ihrer Strafbarkeit gebilligt oder zumindest geduldet hat, denn bei allen Medieninhaltsdelikten handelt es sich um Vorsatzdelikte, so dass fahrlässige Unkenntnis allein eine Strafbarkeit nicht zu begründen vermag. 115 Dieser Nachweis wird jedoch in der Praxis kaum zu führen sein; insbesondere, weil weder von Chefredakteur noch Verleger die gründliche Überprüfung eines jeden einzelnen Beitrags verlangt werden kann. Gerade im Bereich des von Abwägungen und wertenden Entscheidungen geprägten Persönlichkeitsschutzes werden sich die Funktionsträger also in aller Regel mit Erfolg darauf zurückziehen können, der betreffende Beitrag sei allenfalls kurz überflogen worden, und bei kursorischer Überprüfung sei zumindest kein evidenter Rechtsverstoß zu bemerken gewesen. Diese Argumentation dürfte der Verurteilung aus einem Vorsatzdelikt regelmäßig entgegenstehen. So auch BGH in NJW 1990, S. 2828. Dieser unterliegt neben der allgemeinen strafrechtlichen Haftung zusätzlich einer presserechtliehen Sonderverantwortung, die ihm unter Strafandrohung die Überprüfung und Freihaltung des Druckwerks auferlegen; vgl. Löffler, LPG § 20 mit Hinweisen auf die diesbezüglichen Iandesrechtlichen Vorschriften. 113 Soehring, Presserecht, Rn. 26.5. 114 Soehring, Presserecht, Rn. 26.6. 115 Lediglich für den verantwortlichen Redakteur statuieren die Landespressegesetze eine Fahrlässigkeitshaftung. Diesem ist jedoch die weitreichende Exkulpationsmöglichkeit der Wahrung der pressemäßigen Sorgfalt eröffnet, die von ihm lediglich eine kritische Lektüre des Beitrags sowie ggf. Rücksprache mit dem Verfasser verlangt; vgl. auch Soehring, Presserecht, Rn. 26.10. 111

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B. Strukturelle Ineffizienz des Schutzinstrumentariums

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Weiterhin zu berücksichtigen sind verfahrensrechtliche Besonderheiten bei der Verfolgung von Medieninhaltsdelikten. Diese sind nämlich nicht nur als Antragsdelikte ausgestaltet, §§ 194, 205 StOB. Bei den hier maßgeblichen Beleidigungsdelikten handelt es sich zudem auch um Privatklagedelikte, § 374 I Nr. 2 StPO. Sofern also die Strafverfolgungsbehörden nicht im Einzelfall ein öffentliches Verfolgungsinteresse i. S. v. § 376 StPO bejahen, muss der Betroffene die Rechtsverfolgung als Privatkläger selbst betreiben. Im Bereich der Medieninhaltsdelikte wird ein öffentliches Verfolgungsinteresse jedoch nur in den seltensten Fällen angenommen. Mit Soehring ist davon auszugehen, dass die Staatsanwaltschaften im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung .der Medienfreiheit dazu tendieren, den Begriff des "öffentlichen Interesses" i. S. v. § 376 StPO restriktiv auszulegen. 116 Zudem betreffen Persönlichkeitsverletzungen in aller Regel nur das individuelle Opfer, beeinträchtigen hingegen nicht "den Rechtsfrieden über den Lebenskreis des Verletzten hinaus" 117 und lassen die Strafverfolgung daher auch nicht als "gegenwärtiges Anliegen der Allgemeinheit" 118 erscheinen. In aller Regel wird sich das Opfer eines Medieninhaltsdelikts daher auf den Privatklageweg verwiesen sehen. Wird der Betroffene jedoch in die Privatklage gezwungen, so verbinden sich hiermit eine Reihe von Schwierigkeiten, die ihn vielfach von der Rechtsverfolgung abhalten werden. So muss er dem Beschuldigten auf dessen Antrag hin eine Prozesskostensicherheit erbringen (§ 379 StPO), hat einen Gebührenvorschuss zu entrichten (§ 379a StPO), wird in aller Regel einen Rechtsanwalt beauftragen müssen 119 und trägt vor allem das Kostenrisiko einer Klageabweisung oder eines Freispruchs (§ 471 II StPO). Bedenkt man schließlich, dass der Betroffene regelmäßig gezwungen sein wird, als oftmals einziger Zeuge im öffentlichen Strafverfahren Tatsachen über seine privaten oder intimen Verhältnisse preiszugeben, um so zur Ermöglichung einer Verurteilung beizutragen 120, und dass er sich weiterhin - sei es als Privatkläger, sei es als Zeuge - einem besonders langwierigen Verfahren (Ermittlung durch die Strafverfolgungsbehörden, Beschreiten des Privatklageweges oder Erhebung der öffentlichen Klage, Hauptverhandlung mit Beweisaufnahme, prinzipielle Eröffnung von Berufung und ggf. Revision) aussetzen muss 121 , so wird deutlich, dass die tatsächliche Wirksamkeit des strafrechtlichen Persönlichkeitsschutzes nur verschwindend gering ist. Es kann daher auch nicht verwundern, dass es in der Rechtswirklichkeit 116 117 118

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Soehring, Presserecht, Rn. 26.17; ähnlich auch Klass, S. 203. Vgl. RiStBV Nr. 86. Vgl. RiStBV Nr. 86. So auch Klass, S. 204; Mackeprang, S. 258. Klass, S. 202. Klass, S. 201.

20 Neben

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3. Teil: Rechtsschutz gegenüber Trivialer Personenberichterstattung

nur äußerst selten zur strafrechtlichen Verurteilung von Medienverantwortlichen kommt. 122 Die Absicherung der Persönlichkeit mit den Mitteln des Strafrechts erweist sich nach allem als unzureichend zur Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht aus Art. 1 I i. V. m. Art. 2 I GG.123

111. Öffentlich-rechtliche Schutzmechanismen Die benannten zivilrechtliehen Schutzinstrumente sind dem Betroffenen zur eigenen Rechtsverfolgung und damit zum staatlich vermittelten Selbstschutz eingeräumt. Die strafrechtlichen Instrumente verwirklichen demgegenüber zwar grundsätzlich das Gewaltmonopol und den daraus resultierenden Strafanspruch des Staates. Im Bereich der Medieninhaltsdelikte jedoch führt die regelmäßige Verweisung des Betroffenen auf den Privatklageweg dazu, dass dieser die Ahndung von gegen ihn gerichteten Rechtsverletzungen ebenfalls selbsttätig betreiben kann und muss. Neben diesen beiden Gruppen steht eine dritte Kategorie von Schutzmechanismen, die sich von den beiden erstgenannten maßgeblich dadurch unterscheiden, dass sie dem Betroffenen selbst keine unmittelbare Sanktionsmöglichkeit einräumen, sondern die Rechtswahrung allein in öffentliche Hände legen. Diese Schutzinstrumente sind gleichwohl im Rahmen der hier angestellten Effektivitätsanalyse zu berücksichtigen, da auch sie - zumindest potentiell - zur faktischen Absicherung der betroffenen Persönlichkeitsrechte beitragen. Unter dieser Überschrift zu diskutieren sind die persönlichkeitsschützenden Regelungen der Landespressegesetze, des Rundfunkstaatsvertrages und der Landesmediengesetze. 1. Presserechtliche Schutznormen

Die Landespressegesetze statuieren sämtlich eine spezielle Sorgfaltspflicht der Presse. 124 Schutzgegenstand dieser Sorgfaltspflicht sind insbesondere die Persönlichkeitsrechte der öffentlich Dargestellten. 125 Die Presse ist damit spezialgesetzlich verpflichtet, den Schutz von Individualrechtsgütern in ihrer konkreten redaktionellen Arbeit zu beachten und umzusetzen. Vgl. Mackeprang, S. 251. So im Ergebnis auch Stall, der bezweifelt, "ob die strafrechtlichen Bestimmungen über die Beleidigung und die üble Nachrede in Deutschland jemals die ihnen zugedachte Schutzfunktion effizient zu erfüllen vermochten"; Stall, Haftungsfolgen, S. 84. · 124 Vgl. Löffler, LPG § 6 mit Nachweisen für die jeweiligen landesrechtliehen Regelungen. 12s Löffler, LPG § 6 Rn. 54 ff. 122

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B. Strukturelle Ineffizienz des Schutzinstrumentariums

307

Die tatsächliche Schutzwirkung dieser Rechtspflicht ist jedoch nur sehr gering. Zum einen nämlich richtet sich die spezialgesetzliche Sorgfaltspflicht der Presse inhaltlich am bestehenden zivil- und strafrechtlichen Individualrechtsgüterschutz aus und geht damit nicht über die ohnehin von den allgemeinen Vorschriften gewährte Schutzdichte hinaus. 126 Mit anderen Worten: Der tatbestandliehe Schutz des Betroffenen vor Verletzungen seiner Persönlichkeit gerade durch eine Presseveröffentlichung wird auch durch die landesrechtliehen Spezialvorschriften nicht weiter gefasst als detjenige, der zivil- und strafrechtlich gegenüber sonstigen Verletzungsformen gewährt wird. Tatsächlich verhält es sich sogar umgekehrt, denn die Presse ist aufgrund ihrer herausgehobenen Stellung gegenüber "normalen" Verletzern privilegiert. Sie ist nicht an den für jedermann geltenden Sorgfaltsmaßstab gebunden, sondern hat zur Wahrung der betroffenen Persönlichkeitsgüter nur die "pressemäßige Sorgfalt" aufzuwenden. Diese jedoch weist, wie bereits ausgeführt, eine Reihe von Erleichterungen gegenüber dem allgemeinen Maßstab auf, die mit den tatsächlichen Gegebenheiten der aktuellen Informationsvermittlung gerechtfertigt werden. Im Ergebnis liegt daher der tatbestandliehe Schutz, den die landespresserechtlichen Sorgfaltsvorschriften vermitteln, sogar noch unter dem allgemeinen Standard. Daneben beschränken sich die landesrechtliehen Vorschriften weit überwiegend auf die Absicherung wahrheitsgemiißer Berichterstattung.127 Demgemäß werden wahre aber ehrverletzende oder die Privatsphäre berührende Veröffentlichungen sowie Eingriffe in das Recht am eigenen Bild schon tatbestandlieh nicht erfasst. Noch weitaus bedeutsamer aber ist, dass an eine Verletzung der presserechtlichen Sorgfaltspflicht keine unmittelbaren Sanktionen geknüpft sind. 128 Die Landesgesetze überlassen die Ahndung von presserechtliehen Verstößen ·gegen Individualrechtsgüter den allgemeinen Regeln der Zivilund Strafrechtsordnung. Da jedoch die presserechtliehen Sondervorschriften nicht als Schutzgesetze i. S. v. § 823 II BGB verstanden werden, löst die Missachtung der gesetzlichen Sorgfaltspflicht keine selbständige Rechtsfolge aus. Die hier zu untersuchenden landesrechtliehen Vorschriften sind daher zu Recht als sanktionslose Normen bezeichnet worden. 129 UnmittelLöffler, LPG § 6 Rn. 12, 54. Vgl. Löffler, LPG § 6 mit Nachweisen für die jeweiligen landesrechtliehen Regelungen. Begründet liegt dies darin, dass die Landespressegesetze in erster Linie die Wahrnehmung der "öffentlichen Aufgabe" der Presse sicherstellen wollen, die in einer umfassenden und vor allem wahrheitsgemäßen Berichterstattung gesehen wird. Eine den Schutzbereich erweiternde Ausnahme stellt allein die Regelung des § 5 S. 3 LPG Mecklenburg-Vorpommern dar, in der es ergänzend heißt: "Die Presse trägt eine besondere Verantwortung für die Privatsphäre des Betroffenen". 128 Löffler, LPG § 6 Rn. 230. 129 Löffler, LPG § 6 Rn. 11. 126 127

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3. Teil: Rechtsschutz gegenüber Trivialer Personenberichterstattung

bar kommt ihnen damit allein eine Appellfunktion bei. Mittelbar können sie zwar zur Auslegung wertungsbedürftiger Tatbestände wie beispielsweise die "Wahrnehmung berechtigter Interessen" i. S. v. § 193 StGB herangezogen werden. Da sie jedoch tatbestandlieh hinter den allgemeinen Vorschriften zurückbleiben und im Verletzungsfall keine eigenständige Rechtsfolge auslösen, sind sie für den Schutz der Persönlichkeit gegenüber unzulässiger Medienberichterstattung praktisch irrelevant. 2. Rundfunkrechtliche Schutznormen

Persönlichkeitsschützende Normen finden sich für den Rundfunksektor im Rundfunkstaatsvertrag und in den Landesmediengesetzen. So definiert § 3 RfStV eine Reihe von unzulässigen Sendungen, deren Ausstrahlung gern. § 49 RfStV als Ordnungswidrigkeit geahndet werden kann. Hierunter fällt insbesondere das Verbot der Pornografie (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 RfStV), das Verbot der Ausstrahlung offensichtlich jugendgefährdender Inhalte (§ 3 Abs. 1 Nr. 5 RfStV) sowie das Verbot der unwürdigen Darstellung von toten oder sterbenden Menschen(§ 3 Abs. 1 Nr. 6 RfStV). Wenngleich eine Anwendung dieser Vorschrift auf spezielle Formen der Trivialen Personenberichterstattung auch im Einzelfall in Betracht kommen kann 130, so sind deren übliche Darstellungsformen und -inhalte regelmäßig nicht von einer solchen Qualität, dass § 3 I RfStV tatbestandlieh ausgelöst wird. Die Bedeutung der Vorschrift im Bereich der massenmedialen Personenberichterstattung ist daher gering. Für die Veranstaltung privaten Rundfunks 131 gelten darüber hinaus eine Reihe von (auch) persönlichkeitsbezogenen Programmgrundsätzen, die in § 41 RfStV zusammengefasst sind. So hat sich die Rundfunkveranstaltung im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung zu halten (§ 41 Abs. 1 S. 1 RfStV), die Würde des Menschen zu respektieren (§ 41 Abs. 1 S. 2 RfStV) und die allgemeinen Gesetze zu beachten. Daneben muss die Berichterstattung durch Rundfunk den "anerkannten journalistischen Grundsätzen" entsprechen (§ 41 Abs. 3 S. 1 RfStV). Insbesondere sind Nachrichten im Rahmen der "nach den Umständen gebotenen Sorgfalt" auf Wahrheit zu überprüfen (§ 41 Abs. 3 S. 3 RfStV). Zumindest der Wahrheits- und Ehrschutz sind damit spezialgesetzlich für den Rundfunksektor verankert. 130 Zu denken wäre hier beispielsweise an die Verbreitung unrechtmäßig erlangter Foto- oder Filmaufnahmen, die den Betroffenen bei der Vornahme sexueller Handlungen zeigen. In einem solchen Fall könnte § 3 Abs. 1 Nr. oder Nr. 5 RfStV zur Anwendung kommen. 131 Die noch weitaus engeren Grenzen des Individualrechtsschutzes im öffentlichrechtlichen Rundfunk zeigt Stümer auf; vgl. Stümer, GutA 58. DJT, Band I S. A29 f.

B. Strukturelle Ineffizienz des Schutzinstrumentariums

309

Die Vorschrift des § 41 RfStV wiederholt jedoch lediglich die inhaltlichen Anforderungen, die sich bereits nach den allgemeinen Gesetzen für die Informationsverbreitung durch Rundfunk ergeben. Vergleichbar den Landespressegesetzen hat sie somit allein deklaratorische Wirkung. Einen über die allgemeinen Gesetze hinausgehenden Persönlichkeitsschutz gewährt sie zumindest tatbestandlieh nicht. Der Verstoß gegen § 41 RfStV kann jedoch besondere rundfunkrechtliche Sanktionen auslösen. So können die Landesmedienanstalten im Falle des Verstoßes gegen die o. g. Programmgrundsätze von ihrem Beanstandungsrecht Gebrauch machenY 2 Diese Beanstandung muss auf Betreiben der Anstalt vom Verletzer veröffentlicht werdenP3 Hierbei handelt es sich jedoch erneut nur um eine deklaratorische Maßnahme, die weder zukünftige Rechtsverletzungen zu verhindern noch bereits begangene auszugleichen vermag. Sie ermahnt den Verletzer zwar und stellt den begangenen Rechtsverstoß öffentlich fest. Da sich an diese Feststellung jedoch unmittelbar keine weiteren rechtlichen Konsequenzen knüpfen, erweist sich die Beanstandung jedenfalls gegenüber vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Rechtsverstößen als stumpfes Schwert.134 Dem Betroffenen selbst eröffnet der RfStV zwar ein Beschwerderecht gegenüber der zuständigen Landesmedienanstalt 135 Hierbei handelt es sich jedoch der Sache nach um nicht mehr als eine Anregung an die Landesmedienanstalt, ihrer Aufsichtspflicht zu entsprechen; restitutive, kompensatorische oder präventive Wirkung entfaltet auch dieses Instrument nicht. Weitergehende Sanktionen jedoch eröffnet das Rundfunkrecht nicht; insbesondere ist der Verstoß gegen § 41 RfStV nicht als Ordnungswidrigkeit ausgestaltet. Für weitergehenden Rechtsschutz ist der Betroffene daher auf die allgemeinen zivil- und strafrechtlichen Instrumente angewiesen. Die rundfunkrechtlichen Vorschriften vermögen nach allem keinen nennenswerten Schutz gegenüber den Erscheinungsformen der Trivialen Personenberichterstattung zu vermitteln.

Ring, RfStV § 41 Rn. 30. m § 49 IV RfStV. 134 Das in einigen Landesgesetzen vorgesehene Weisungsrecht auf Unterlassung und Wiedergutmachung (vgl. nur § 60 Abs. 1 HambMedienG) gewährt zwar weitergehenden Individualrechtsschutz. Die Ergreifung dieser Aufsichtsmaßnahme ist jedoch in das Ermessen der zuständigen Landesmedienanstalt gestellt. Der Betroffene kann sich also nicht selbst gegen den ihn betreffenden Verstoß wehren. Es handelt sich insofern um einen Fall des vermittelten lndividualschutzes, dem grundsätzlich eine nur sehr geringe Effektivität beikommt. 135 Vgl. nur§ 12 II HambMedienG. 132

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3. Teil: Rechtsschutz gegenüber Trivialer Personenberichterstattung

IV. Publizistische freiwillige Selbstkontrolle Abschließend ist nun auf das System der publizistischen freiwilligen Selbstkontrolle einzugehen, wobei deren Effektivität am Beispiel der PresseSelbstkontrolle exemplarisch ermittelt und dargestellt werden soll. 136 Im Gegensatz zu staatlich eingerichteten und überwachten Berufsorganisationen hat sich im Jahre 1956 der Deutsche Presserat als staatsunabhängiges und standesübergreifendes Aufsichtsorgan für das Pressewesen gebildet. 137 Getragen wird er sowohl von den Interessenverbänden der Verleger sowie den Interessenverbänden der Journalisten. Gemäß § 1 seiner Satzung dient er dem Zweck, "für die Pressefreiheit in der Bundesrepublik einzutreten und das Ansehen der deutschen Presse zu wahren". Hierzu ist 1973 erstmalig ein Katalog publizistischer Grundsätze aufgestellt worden, der sog. Pressekodex, der insgesamt 16 Standesregeln für das Pressewesen formuliert. 138 Über die Einhaltung dieser Grundsätze wacht als bedeutsamstes Gremium des Presserats dessen Beschwerdeausschuss, der zu gleichen Teilen aus Verlegern und Journalisten gebildet wird und dem die Entgegennahme, Aufklärung, Beurteilung und Sanktionierung von Verstößen gegen den Pressekodex obliegtY9 Der Pressekodex normiert eine ganze Anzahl von persönlichkeitsrelevanten Grundsätzen. So verpflichtet er zur Achtung der Wahrheit 140 sowie zur Aufwendung der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt bei deren Errnittlung141, zur Diskretion gegenüber Informanten 142, daneben zur grundsätzlichen Respektierung des Privatlebens und der Intimsphäre des Menschen, solange die konkrete Information keine öffentlichen Interessen berührt 143 sowie schließlich zur Vermeidung unbegründeter Ehrverletzungen 144. Tatbestandlieh erfasst der Pressekodex also sämtliche Formen der unrechtmäßigen Trivialen Personenberichterstattung und entspricht damit weitgehend den einschlägigen zivil- und strafrechtlichen Vorschriften. Im Falle eines Verstoßes gegen diese Grundsätze steht dem Betroffenen gemäß § 1 Abs. 1 der Beschwerdeordnung (BeschwO) das Recht zu, sich 136 Ausführlich zur externen Presseselbstkontrolle Di Fabio in AfP 1999, S. 126 (130 f.) sowie Stümer, GutA 58. DIT, Band I S. A33 ff. 137 Ausführlich zur Entstehungsgeschichte, Struktur und Organisation des Presserats Löffler, LPG BT StandesR, Rn. I . 138 Pressekodex vom 12.12.1973 i. d. F. vom 23.11.1994; abgedruckt bei Löffler, LPG BT StandesR, Anhang A (S. 1072 f.). 139 Vgl. die Beschwerdeordnung des Deutschen Presserats vom 25.02.1985 i. d.F. vom 18.02.1994, abgedruckt bei Löffler, LPG BT StandesR, Anhang B (S. 1074 ff.). 140 Pressekodex des Deutschen Presserats, Ziff.1 . 141 Pressekodex des Deutschen Presserats, Ziff.2 S. 1. 142 Pressekodex des Deutschen Presserats, Ziff.S, Ziff.6. 143 Pressekodex des Deutschen Presserats, Ziff.S. 144 Pressekodex des Deutschen Presserats, Ziff.9.

B. Strukturelle Ineffizienz des Schutzinstrumentariums

311

beim Deutschen Presserat zu beschweren. Dessen Beschwerdeausschuss berät dann mündlich über das Vorbringen, hört gegebenenfalls Zeugen und trifft gemäß § 10 BeschwO eine Entscheidung. Hält er die Beschwerde für begründet, so stehen ihm als Sanktionsmittel der einfache Hinweis, die Missbilligung oder die förmliche Rüge zur Verfügung, § I 0 Abs. 2 BeschwO. Bei der Wahl des Sanktionsmittels berücksichtigt der Ausschuss insbesondere die Schwere des Verstoßes, die Folgen für den Betroffenen sowie eventuelle Schadensminderungsbemühungen des Verletzers, § 11 BeschwO. Die Entscheidung wird den Beteiligten bekannt gegeben; im Falle einer Rüge wird diese zudem von den Trägerorganisationen des Presserats in deren Verbandsorganen veröffentlicht, § 12 Abs. 2 BeschwO. Daneben sind Rügen gemäß § 13 Abs. I BeschwO auch vom Verletzer selbst zu veröffentlichen. Die Fixierung standesethischer Grundsätze und die Einrichtung eines staatsunabhängigen Kontrollgremiums ist zweifellos eine verdienstvolle Leistung des deutschen Pressewesens. Das konkret geschaffene Beschwerdesystem weist jedoch eine Reihe von Strukturmängeln auf, die seine Effektivität als Instrument des Persönlichkeitsschutzes erheblich mindern. 145 Die Wirksamkeit dieses Systems wird vor allem dadurch in Frage gestellt, dass dem Presserat keine wirklichen Sanktionsmöglichkeiten eingeräumt sind. Hinweis, Missbilligung und Rüge haben ausschließlich Appellfunktion. Einzig die Abdruckverpflichtung aus § 13 BeschwO entfaltet Außenwirkung. Ihr kommt damit in geringem Umfang eine kompensatorische Wirkung bei, denn sie stellt den Rechtsverstoß positiv fest und macht diese Feststellung öffentlich bekannt. Wie Löffler zutreffend ausführt, ist der Presserat jedoch gegen eine bewusste Missachtung der Abdruckverpflichtung machtlos, da ihm keine Vollstreckungsmittel zur Verfügung stehen.146 Der Verletzer kann somit selbst über die Durchsetzung der gegen ihn verhängten Sanktion entscheiden. Hinzu kommt, dass sich der Presserat - und damit auch der Beschwerdeausschuss - aus Vertretern von Verleger- und Journalistenverbänden zusammensetzt. Die Beurteilung einer jeden Beanstandung erfolgt daher tendenziell aus Verletzerund nicht aus Betroffenensicht. 147 Wenn auch der Beschwerdeausschuss um Objektivität bemüht sein mag, so werden seinen Mitgliedern zwangsläufig die Probleme des journalistischen Tagesgeschäfts vertrauter sein als die Persönlichkeitsbeeinträchtigungen, die sich für den Betroffenen aus einer Missachtung der publizistischen Grundsätze ergeben können. Im In diesem Sinne auch Löffler, LPG BT StandesR, Rn. 5. Vgl. Löffler, LPG BT StandesR, Rn. 5. 147 So i.E. auch Stürner in AfP 1998, S. 1 (7), der in der Nichteinbeziehung der Betroffenen in den Beanstandungsprozess des Presserats dessen größtes Versäumnis sieht. 145

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3. Teil: Rechtsschutz gegenüber Trivialer Personenberichterstattung

Ergebnis ist davon auszugehen, dass dieser Umstand zu einer eher restriktive Spruchpraxis des Presserats führt. 148 Da ein Verstoß gegen den Pressekodex auch keine weitergehenden zivil- oder strafrechtlichen Sanktionen auszulösen vermag, erweist sich das Beschwerdesystem des Presserats als faktisch ungeeignet zur notwendigen Absicherung von Persönlichkeitsrechten. Diese Ungeeignetheil ist strukturell bedingt: Im Pressewesen ist bewusst auf eine mit hoheitlicher Gewalt ausgestattete Berufsgerichtsbarkeit verzichtet worden; das gewählte System der freiwilligen Selbstkontrolle beruht maßgeblich auf der freiwilligen Mitwirkung und Unterordnung der Normadressaten. Gegenüber der Trivialen Personenberichterstattung, welche die Persönlichkeitswerte der Betroffenen als Wirtschaftsgüter begreift und sich ihrer zu Zwecken der Gewinnmaximierung bedient, vermögen Pressekodex und Presserat nur wenig auszurichten.

V. Zusammenfassung und Ergebnis Das oben analysierte nicht-monetäre Schutzinstrumentarium in seiner Gesamtheit wird dem Verfassungsauftrag zur Absicherung der menschlichen Persönlichkeit gegenüber den typischen Verletzungsformen der Trivialen Personenberichterstattung nicht gerecht. Die zivilrechtliehen Instrumente des Widerrufs, der Gegendarstellung, des Unterlassungsanspruchs und der feststellenden Urteilsveröffentlichung weisen teils materiellrechtliche, teils verfahrensrechtliche Defizite auf, welche einer effektiven Abwehr der für die Triviale Personenberichterstattung typischen Verletzungshandlungen elementar entgegenstehen. Als besonders problematisch erweist sich, dass sämtliche zivilrechtliche Instrumente zwar gegenüber unwahren Tatsachenbehauptungen eingesetzt werden können, die Verbreitung von Indiskretionen, von rechtswidrigen Bildnissen und von ehrverletzenden Meinungsäußerungen hingegen nur sehr eingeschränkt sanktionierbar ist: Gegendarstellung, Widerruf und Urteilsveröffentlichung sind nach herrschender Rechtsprechung in diesen Fällen von vomherein unanwendbar oder vermögen jedenfalls dem Interesse des Betroffenen nicht gerecht zu werden. Gegenüber diesen typischen Verletzungsformen kommt daher allein der Unterlassungsanspruch zur Anwendung, der sich zwar als wirksames Instrument gegenüber wiederholten, gleichartigen Rechtsverletzungen erweist. Gegenüber rechtswidrigen Erstveröffentlichungen aber, die faktisch den Mittelpunkt der von der Trivialen Personenberichterstattung ausgehenden Gefährdungslage bilden, kann er in der Rechtswirklichkeit kaum etwas aus148 Nach Löffler hatte der Beschwerdeausschuss im Jahre 1994 insgesamt 342 Eingaben zu prüfen. In nur insgesamt 11 Fällen wurden öffentliche Rügen ausgesprochen, wobei deren Abdruck noch in vier Fällen verweigert wurde; Löffler, LPG BT StandesR, Rn. 4.

B. Strukturelle Ineffizienz des Schutzinstrumentariums

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richten, da der Betroffene nur in den wenigsten Fällen rechtzeitig Kenntnis von einer bevorstehenden Rechtsverletzung erlangen kann. Gleiches gilt im Ergebnis auch für die strafrechtliche Absicherung der betroffenen Persönlichkeitsinteressen. Zum Nachteil des Betroffenen wirkt sich hier insbesondere die Ausgestaltung der Medieninhaltsdelikte als Privatklagedelikte sowie die im Medienbereich besonders schwierige Beweisbarkeit der Täterschaft einzelner Verantwortlicher aus. Zudem beschränkt sich der strafrechtliche Persönlichkeitsschutz auf die Absicherung des Rechtsguts Ehre mit der Folge, dass isolierte Wahrheits-, Bildnis- und Diskretionsverletzungen bereits tatbestandlieh nicht erfasst werden. Die presse- und rundfunkrechtlich vorgehaltenen Instrumente können ihrerseits keine über die Schutzdichte der allgemeinen Gesetze hinausgehende Absicherung von Persönlichkeitsinteressen gewährleisten; sie bleiben tatbestandlieh sogar hinter diesen zurück. Den spezifischen Sanktionsmitteln kommt zudem ausschließlich Appell- und Deklarationsfunktion bei; zur Verhinderung, Beseitigung und Wiedergutmachung von konkreten Rechtsverletzungen können sie kaum etwas beitragen. Dies gilt im übrigen auch für die Instrumente der freiwilligen Selbstkontrolle, deren Wirkungsweise sich in der Feststellung von Verstößen und der Ermahnung des Verletzers erschöpft. Zudem gewähren die medienspezifischen Schutzsysteme dem Betroffenen keine Möglichkeit der selbständigen Rechtsverfolgung; er ist vielmehr regelmäßig auf ein Einschreiten der zuständigen Kontrollinstitutionen zu seinen Gunsten angewiesen. Im Ergebnis muss daher konstatiert werden, dass das bestehende System des nicht-monetären Persönlichkeitsschutzes strukturell nicht in der Lage ist, den Schutz des Einzelnen vor den typischen Gefahrdungen der Trivialen Personenberichterstattung mit hinreichender Effizienz zu gewährleisten. Eine Optimierung des vorhandenen nicht-monetäre Abwehrinstrumentariums jedoch erscheint ausgeschlossen. So finden sich zwar in der Literatur immer wieder Vorschläge zu dessen Ausdifferenzierung oder Weiterentwicklung. Bezogen auf die typischen Erscheinungsformen der massenmedialen Personenberichterstattung hat sich hierum in jüngerer Zeit vor allem Gounalakis bemüht. 149 Er schlägt vor, durch eine teilweise Beweislastumkehr zugunsten der Betroffenen, eine erweiternde Auslegungspraxis des Begriffs der Tatsachenbehauptung 150, eine großzügige Handhabung der 149 Dieser empfahl anlässlich der 82. Tagung des Studienkreises für Presserecht und Pressefreiheit am 7./8.11.1997 eine Weiterentwicklung des "herkömmlichen" pressespezifischen Rechtsfolgeninstrumentariums, die zwar notwendig, aber auch ausreichend zur Absicherung der Persönlichkeit gegenüber rechtswidrigen Medienübergriffen sei; vgl. Gounalakis in AfP 1998, S. 10 (19 ff.). Zu nennen ist in diesem Zusammenhang auch der Vorschlag von Klass, der für die Anerkennung einer persönlichkeitsrechtlichen Feststellungsklage eintritt; vgl. Klass, S. 225 ff.

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3. Teil: Rechtsschutz gegenüber Trivialer Personenberichterstattung

Wiederholungsgefahr sowie eine vorsichtige Abkehr vom unbedingten Bestimmtheitsgebot bei der Tenorierung von Unterlassungsurteilen 151 zu einem effektiveren Persönlichkeitsschutz zu gelangen. Diese Vorschläge vermögen das Problem jedoch nicht befriedigend zu lösen. Sie gehen zum einen zu weit, da der erwünschte Zuwachs an Persönlichkeitsschutz auf Kosten der Bestimmtheit der äußerungsrechtlichen Regeln verwirklicht und damit die Rechtssicherheit im Kommunikationswesen noch weiter in Frage gestellt würde, als dies ohnehin bereits der Fall ist. Die sich hieraus ergebenden, negativen Konsequenzen für den gesellschaftlichen Kommunikationsprozess wären erheblich: Zum einen wäre der Grundsatz der inhaltlichen Neutralität des Staates im gesellschaftlichen Kommunikationsprozess gefährdet, da den Gerichten ein noch weitergehendes Ermessen bei der Beurteilung potentieller Rechtsverstöße eingeräumt würde. Zum anderen führte jeder Verlust an Rechtssicherheit zwangsläufig zu einer Einschüchterung der Kommunikatoren, da die Rechtmäßigkeit einer beabsichtigten Äußerung sich im Vorwege nicht (mehr) mit Bestimmtheit feststellen ließe. Mit jeder Äußerung verbände sich somit ein unkalkulierbares Risiko für den Äußernden, später wegen der wertend festgestellten Unrechtmäßigkeit der Verbreitung in Anspruch genommen zu werden. Im Zweifel wird er sich vor diesem Hintergrund gegen die Verbreitung der Äußerung entscheiden. In der Tendenz würde diese Entwicklung unweigerlich zu einer Verengung des gesellschaftlichen Informationsspektrums führen und liefe somit nicht nur dem subjektiven, sondern auch und gerade dem objektiven Gehalt des Art. 5 I GG zuwider. Eine solche "Ausdehnung" des oben dargestellten Instrumentariums kommt daher schon verfassungsrechtlich nicht in Betracht. Zudem verkennt Gounalakis, dass die nicht-monetären Instrumente strukturell nicht in der Lage sind, den dargestellten Gefährdungen effektiv zu begegnen. Wie bereits mehrfach erwähnt, beruht die Triviale Personenberichterstattung auf der bewussten Nutzbarmachung von Persönlichkeitswerten. Der hieraus erwachsenden Gefährdungslage für das Individuum können Rechtsbehelfe mit ausschließlichem Appell- und Deklarationscharakter152 von vornherein nicht wirksam begegnen. Mit den restitutiven und kompensatorischen Instrumenten wie Widerruf, Richtigstellung und Ergänzung hingegen kann zwar dem Wahrheitsinteresse des Betroffenen zur Durchsetzung verholfen werden. Ist jedoch dessen Diskretionsinteresse betroffen, sei es durch wörtliche oder durch bildliehe Darstellung in der Öffentlichkeit, so kommt allein der präventive Unterlassungsanspruch in Betracht. Dieser aber vermag gegen die typischen, "enthüllenden" Erstveröffentlichungen prakGounalakis in AfP 1998, S. 10 (21). Gounalakis in AfP 1998, S. 10 (23). 152 Dies gilt für die presse- und rundfunkrechtlichen Instrumente ebenso wie für die Urteilsveröffentlichung und die Feststellungsklage. 150 151

C. Publizistische Persönlichkeitsverletzung und monetäre Sanktion

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tisch nichts auszurichten. Hinzu kommt, dass sämtliche Instrumente, die auf eine inhaltliche Berichtigung gerichtet sind, den Betroffenen erneut in die Öffentlichkeit zwingen und damit auch das öffentliche Interesse an seiner Person weiter verstärken. Im Ergebnis erweisen sich die beschriebenen Instrumente damit schon vom Ansatz her als nur eingeschränkt tauglich. Hieran kann weder deren tatbestandliehe Erweiterung noch die Einführung verfahrensrechtlicher Erleichterungen etwas ändern. Nach allem bleibt festzuhalten: Allein durch die Bereitstellung der oben analysierten Instrumente vermag der Staat seiner aus Art. 1 I 1 i. V. m. Art. 2 I GG resultierenden Schutzpflicht nicht zu genügen. Zur Absicherung des persönlichkeitsrechtlichen Schutzminimums bedarf es ergänzender und effektiverer Rechtsfolgeninstrumente. Nach hier vertretener Ansicht kann die aufgezeigte Rechtsschutzlücke des "traditionellen" Instrumentariums dabei strukturell nur durch die Gewährung monetärer Schutzansprüche geschlossen werden.

C. Publizistische Persönlichkeitsverletzung und monetäre Sanktion Mit der Trivialen Personenberichterstattung geht eine besonders intensive Bedrohung besonders schutzbedürftiger Rechtsgüter einher. Die Bedrohung ist deshalb als besonders intensiv anzusehen, weil es sich bei ihr um keine zufällige und vereinzelte, sondern um eine soziologisch und ökonomisch bedingte, gesellschaftstypische Gefährdungslage handelt, die über die letzten 10 Jahre deutlich zugenommen hat und deren Entwicklung aller Voraussicht nach heute noch nicht abgeschlossen ist. 153 Von ihr bedroht wird die gesamte immaterielle Persönlichkeit der Betroffenen; die Triviale Personenberichterstattung tangiert deren Wahrheits-, Diskretions-, Ehr-, Anonymitäts- und Selbstbestimmungsinteressen. Gefährdet erscheint dabei in zunehmendem Maße die Persönlichkeit in ihrem menschenwürdebezogenen Kerngehalt: Ehrverletzende Äußerungen, indiskrete Informationen oder heimlich angefertigte Bildnisse stellen den Dargestellten oftmals bloß, präsentieren ihn in entwürdigender Weise oder geben ihn der Lächerlichkeit preis. Zugleich sieht sich der Betroffene zum Objekt fremder wirtschaftlicher Belange herabgewürdigt: Mit seinem Abbild, mit den Informationen aus seinem Privat- und Intimleben und mit seinem Ruf treibt die Triviale Personenberichterstattung gewinnbringend Handel. Innerhalb der Grenzen des rechtlich Zulässigen muss der Betroffene dies hinnehmen und sich um privatautonomen Selbstschutz bemühen: Soweit er sein Leben und seine Persönlichkeit der Öffentlichkeit nicht offenbaren will, muss er sich zurückzieISJ

Vgl. oben Erster Teil, A.IV.5.

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3. Teil: Rechtsschutz gegenüber Trivialer Personenberichterstattung

hen und im Stillen wirken. Überschreitet das öffentliche Interesse jedoch die Grenzen, die der massenmedialen Informationserlangung und -Verbreitung im Interesse des Individuums gesetzt sind, so endet damit dessen Duldungspflicht. Der Staat als Inhaber des Gewaltmonopols hat im Interesse des Betroffenen auf solche Normverstöße zu reagieren. Dabei kann er sich nicht darauf beschränken, den Normverstoß missbilligend zur Kenntnis zu nehmen. Er muss vielmehr spezifische Rechtsfolgeninstrumente schaffen, die dem Betroffenen Schutz vor derartigen Verletzungshandlungen bieten. Diese Instrumente müssen effektiv, d.h. tatsächlich wirksam sein. Sie müssen, unter gleichzeitiger Berücksichtigung entgegenstehender öffentlicher und individueller Interessen, in möglichst hohem Maße zur Vermeidung oder zum Ausgleich der spezifischen Rechtsverletzungen beitragen. Dabei gilt: Je intensiver die Gefahrdung und je höherwertiger das betroffene Rechtsgut, desto eher wird der Staat auch präventive Abwehrvorkehrungen treffen müssen. Gegenüber der Trivialen Personenberichterstattung, die vielfach den Kernbereich der immateriellen Persönlichkeit bedroht, müssen dem Betroffenen daher auch Instrumente zur Verhinderung zukünftiger Rechtsverstöße an die Hand gegeben werden. Das vorhandene, "traditionelle" Rechtsfolgeninstrumentarium vermag dieser Aufgabe nicht in ausreichendem Maße gerecht zu werden: Wie zu zeigen war, lassen sich jedenfalls bewusst kalkulierte oder in Kauf genommene Rechtsverstöße heute nur unzureichend sanktionieren, geschweige denn verhindern. Das nicht-monetäre, äußerungsrechtliche Instrumentarium bedarf daher einer effektiven Ergänzung. Diese ist, wie ausgeführt, auf dem Gebiet des Zivilrechts zu suchen, da eine weitergehende strafrechtliche Absicherung von Persönlichkeitswerten einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Medienfreiheit bedeuten würde und zugleich strukturell ungeeignet zur effektiven Eingriffsabwehr wäre. Ein Ausbau der "traditionellen" äußerungsrechtlichen Sanktionsmittel scheidet allerdings aus, denn gegenüber den typischen Erscheinungsformen der Trivialen Personenberichterstattung vermögen Unterlassungsanspruch, Widerrufsanspruch, Urteilsveröffentlichung und Gegendarstellung auch bei tatbestandlieber Erweiterung und verfahrensrechtlicher Vereinfachung nur wenig auszurichten. In Betracht kommt daher allein die Institutionalisierung eines monetären zivilrechtliehen Rechtsbehelfs. 154

154

In diesem Sinne auch Gottwald, S. 203.

C. Publizistische Persönlichkeitsverletzung und monetäre Sanktion

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I. Abstrakte Leistungsmerkmale der monetären zivilrechtliehen Sanktion Im folgenden sollen die abstrakten Leistungsmerkmale der monetären zivilrechtliehen Sanktion aufgezeigt werden. Ziel der Darstellung ist die Verdeutlichung der Wirkungsweise einer solchen Sanktion, ihrer strukturellen Eignung zur Umsetzung der staatlichen Schutzpflicht sowie ihrer grundsätzlichen Entsprechung aller weiteren Anforderungen, welche von Verfassungs wegen an einen äußerungsrechtlichen Rechtsbehelf zu stellen sind. Die besonderen Effektivität monetärer Instrumente gründet sich auf die Erkenntnis, dass die Triviale Personenberichterstattung zuvörderst als ein ökonomisches Phänomen zu begreifen ist. Es handelt sich um eine spezielle wirtschaftliche Betätigungsform auf dem Markt der Publizistik, als deren Güter visuelle und verbale Personeninformationen fungieren und deren Dienstleistung in der entgeltlichen Vermittlung dieser Informationen an einen möglichst breiten Kreis von Abnehmern besteht. Die Akteure in diesem Prozess - die Verlage, Sender und Anstalten - handeln und entscheiden als Wirtschaftssubjekte rational und nach ökonomischen Kriterien. Diesem Entscheidungsmuster unterfallt auch die publizistische Instrumentalisierung von Persönlichkeitswerten und der damit potentiell verbundene Normverstoß: Für Verlage und Sender als Adressaten persönlichkeitsschützender Normen gilt die Hypothese nutzenmaximierenden Verhaltens. 155 Diese besagt, dass wirtschaftlich denkende und handelnde Einheiten die Entscheidung über das Befolgen oder Verletzen einer bestimmten Norm davon abhängig machen, ob der aus einer Verletzungshandlung resultierende Nutzenzuwachs größer ist als die aus einer Sanktion resultierenden Nachteile. 156 Einbußen wie Nutzen können dabei sowohl materieller als auch immaterieller Natur sein, denn das rationale Individuum erwägt grundsätzlich neben den finanziellen auch die ethischen, moralischen und sozialen Folgen seines Handelns. Im Falle der Trivialen Personenberichterstattung gilt letzteres jedoch nur eingeschränkt. Die Adressaten der spezifischen persönlichkeitsschützenden Normen sind hier zumeist Kapital- oder Personengesellschaften, die durch ihre Organe und Vertreter handeln. Die Unternehmensentscheidungen, die von diesen getroffen werden, orientieren sich nicht vordringlich an moralisch-ethischen Kategorien. 157 Da das Unter155 Für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gilt die Hypothese nutzenmaximierenden Verhaltens i.Ü. ebenso wie für privatwirtschaftliche Wirtschaftssubjekte. Der alleinige Unterschied besteht darin, dass die Anstalten weitergehenden internen Begrenzungen ihrer (wirtschaftlichen) Betätigungsfreiheit unterliegen. 156 Gelbhaar, S. 81 f. 157 Mit dieser Erkenntnis ist freilich keineswegs ein moralisches Unwerturteil verbunden: Die Unternehmen sind, wie alle Mitglieder der postmodernen Industriege-

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3. Teil: Rechtsschutz gegenüber Trivialer Personenberichterstattung

nehmen als solches- im Gegensatz zum Individuum- weder soziale Stellung noch gesellschaftlichen Ruf oder Wertschätzung genießen kann, fallen diese immateriellen Größen bei der Unternehmerischen Nutzenbewertung auch nicht nennenswert ins Gewicht. 158 Vielmehr wägen die massenmedialen Akteure als einzelwirtschaftliche Nutzenmaximierer die materiellen Vorteile ihres Handeins ausschließlich - oder doch weit überwiegend - mit den daraus resultierenden materiellen Nachteilen ab. 159 Die Hypothese outzenmaximierenden Verhaltens zugrundegelegt, lässt sich demnach folgende Erkenntnis formulieren: Kommerziell motivierten Überschreitungen der rechtlichen Grenzen der Medienfreiheit ist (allein) dadurch effektiv zu begegnen, dass die aus einer Persönlichkeitsrechtsverletzung resultierenden materiellen Einbußen des Verletzers den daraus zu erzielenden materiellen Nutzenzuwachs zumindest aufwiegen. Die im Bereich der Trivialen Personenberichterstattung verfassungsrechtlich gefordert Präventionswirkung lässt sich - bei Zugrundelegung der Hypothese nutzenmaximierenden Verhaltens - mittels eines monetären Instruments optimal steuern. Je stärker nämlich die zu erwartenden Nachteile die zu erzielenden Vorteile überwiegen, desto effektiver wird sich der Entscheidungsträger von der bewussten Inkaufoahme eines Normverstoßes abhalten lassen. Seine Entscheidung wird dabei von zwei Parametern geleitet: Dem Ausmaß oder der Höhe des zu erwartenden materiellen Nachteils einerseits und der subjektiven Sanktionswahrscheinlichkeit andererseits. 160 Die erste Größe lässt sich unmittelbar über die Bemessung der monetären Sanktion beeinflussen; Präventionswirkung entfaltet diese, sobald sie die zu erwartenden materiellen Vorteile einer Missachtung des Normbefehls übersteigt. Und auch die zweite Größe lässt sich, wenngleich nur mittelbar, über die Bemessung der monetären Sanktion steuern. Geht man nämlich davon aus, dass die monetäre Sanktion als zivilrechtliches Instrument ausgestaltet ist, so käme der materielle Nachteil des Verletzers unmittelbar dem Betroffenen zugute. Dann aber gilt: Je höher die materielle Sanktion bemessen wird, desto größer ist auch der Ameiz des aus ihr Begünstigten, sein Recht geltend zu machen. Im Ergebnis führt dieser Zusammenhang zu einer zunehmenden (zivilrechtlichen) Sanktionswahrscheinlichkeit, aus der sellschaften, vom ökonomischen Utilitarismus des ausgehenden 20. Jahrhunderts geprägt. Hierbei handelt es sich, wie Stümer in AfP 1998, S. 1 (7) zutreffend bemerkt, um ein allgemeines kulturelles Phänomen. Die maßgebliche Orientierung an ökonomischen Größen stellt insofern keine gesellschaftliche Besonderheit dar. 158 Zwar sind auch Unternehmen an der Wahrung ihres wirtschaftlichen Rufes interessiert. Hierbei handelt es sich aber um keine immaterielle Größe; der Ruf eines Unternehmens ("goodwill") ist allein aus ökonomischen Gründen schützenswert. 159 Hieraus ergibt sich nicht zuletzt die strukturelle Wirkungslosigkeit appellatorischer Rechtsbehelfe; vgl. dazu oben Dritter Teil, B.l.4. sowie Dritter Teil, B.IV. 160 Gelbhaar, S. 82.

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schließlich eine Steigerung der Präventionswirkung resultiert. Die monetäre Sanktion ist daher als optimales Instrument zur präventiven Verhaltenssteuerung von Wirtschaftssubjekten anzusehen. 161 Daneben entfaltet der zivilrechtliche monetäre Rechtsbehelf auch kompensatorische Wirkung, indem er - wie ausgeführt - dem Betroffenen unmittelbar zugute kommt, ihm Genugtuung verschafft, ihn besänftigt und damit den Rechtsfrieden wiederherstellt. Sofern kommerzielle Persönlichkeitsinteressen von dem Normverstoß bertihrt werden, dient die monetäre Sanktion auch restitutiven Zielen. Sind allein immaterielle Interessen betroffen, so ist eine Wiederherstellung des schadensfreien Zustandes durch monetäre Leistungen zwar nicht möglich. In diesen Fällen lässt sich eine Wiederherstellung jedoch regelmäßig auch mit anderen Mitteln nicht bewirken: Ist das private Foto, die intime Information oder die ehrverletzende Meinungsäußerung erst einmal veröffentlicht, so lässt sich der dadurch angerichtete (immaterielle) Schaden durch nichts wieder ruckgängig machen, denn Anonymität, Geheimhaltungsinteresse und Ehre sind unwiderruflich verletzt. Eine Ausnahme stellt allein die Verbreitung unwahrer Tatsachenbehauptungen dar. Hier lässt sich Restitution jedoch bereits heute verhältnismäßig effektiv mit Hilfe des Widerrufs- oder Berichtigungsanspruchs bewirken. 162 Die mangelnde Restitutionswirkung monetärer Instrumente kann daher nicht als Argument gegen deren Effektivität angeführt werden. Im Ergebnis lässt sich also feststellen: Gegenüber den typischen Gefährdungslagen der Trivialen Personenberichterstattung erweist sich die monetäre zivilrechtliche Sanktion als ein höchst effektives Instrument, da sie zugleich den Zielen der Prävention, der Kompensation und teilweise auch der Restitution zur Durchsetzung verhelfen kann. Vor dem Hintergrund der strukturellen Wirkungslosigkeit des "traditionellen" äußerungsrechtlichen Instrumentariums erweist sie sich daher als unverzichtbar zur Abdeckung der aufgezeigten Rechtsschutzlücke, deren Existenz mit dem staatlichen Schutzauftrag aus Art. 1 I i. V. m. Art. 2 I GG unvereinbar ist. Neben ihrer besonderen Effektivität verwirklicht die monetäre Sanktion zugleich auch die übrigen Anforderungen an einen ergänzenden äußerungsrechtlichen Rechtsbehelf, da sie im höchsten Maße flexibel ist, Einzelfallgerechtigkeit verwirklichen kann, inhaltsneutral wirkt und -bei verhältnismäßiger Ausgestaltung - einen nur geringen Eingriff in den subjektiven und objektiven Gewährleistungsgehalt der Medienfreiheit bedeutet. Sie entspricht zunächst den Grundsätzen der Flexibilität und Einzelfallgerechtigkeit, weil sie sich dem individuellen Verstoß angemessen dosieren lässt. 163 Sie dient weiterhin dem aus Art. 5 I GG resultierenden Gebot staatlicher 161 162 163

Ähnlich auch Stümer in AfP 1998, S. 1 (7). Vgl. dazu Dritter Teil, B.l.3. So auch Gelbhaar, S. 131.

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Inhalts- und Meinungsneutralität und trägt der besonderen objektiven und subjektiven Wertigkeit der Medienfreiheit Rechnung (Übermaßverbot), denn anders als der Unterlassungsanspruch wirkt sie zwar präventiv, beinhaltet jedoch keine staatliche Inhaltskontrolle vor der Informationsveröffentlichung. Ihre Präventionswirkung ist nur eine mittelbare, die den individuellen Kommunikationsakt nicht unmöglich macht, sondern lediglich das (wirtschaftliche) Interesse des potentiellen Verletzers an normkonformem Verhalten fördert. Anders als Widerrufs- und Gegendarstellungsanspruch zwingt sie den Verletzer zudem nicht zur Veröffentlichung einer missliebigen Äußerung und wahrt so auch die negative Seite der Kommunikationsfreiheit Im Gegensatz zu den möglichen Erweiterungen des "traditionellen" Instrumentariums genügt sie weiterhin dem Bestimmtheitserfordernis, da sie nach einem konkreten Berechnungsschlüssel ermittelt und festgesetzt werden kann. Ihre Ansiedlung im Zivilrecht trägt schließlich dem Subsidiaritätsgedanken Rechnung und vermeidet eine unnötige und unverhältnismäßige Ausdehnung des strafrechtlichen Persönlichkeitsschutzes und eine damit verbundene Kriminalisierung journalistischer Tätigkeit. 164 Die Ergänzung des "traditionellen" äußerungsrechtlichen Rechtsfolgeninstrumentariums um einen zivilrechtliehen monetären Rechtsbehelf erweist sich nach allem als ebenso geeignet wie erforderlich zur Schließung der verfassungsrechtlich inakzeptablen Schutzlücke, die den Einzelnen weitgehend wehrlos gegenüber den typischen Verletzungsformen der Trivialen Personenberichterstattung lässt. Vor diesem Hintergrund soll nunmehr das vorhandene monetäre Rechtsfolgeninstrumentarium dargestellt und auf seine tatsächliche, in der Rechtswirklichkeit feststellbare Leistungsfähigkeit hin überprüft werden.

II. Konkrete Leistungsfähigkeit des verfügbaren vermögensrechtlichen Instrumentariums (materieller Schadenersatz und Bereicherungsausgleich) Das zivilrechtliche monetäre Rechtsfolgeninstrumentarium teilt sich systematisch in zwei Kategorien. In die erste fallen solche Rechtsbehelfe, die den monetären Ausgleich von Vermögensschäden bzw. ungerechtfertigten Vermögenszuwächsen zum Gegenstand haben (materieller Schadenersatz und Bereicherungsausgleich). Sie knüpfen an die Verletzung materieller Interessen an. Die zweite Kategorie umfasst dagegen den monetären Ausgleich von Nichtvermögensschäden (immaterieller Schadenersatz oder 164 Zutreffend weist Stümer darauf hin, dass ein strafrechtliches, hoheitliches Regelungsmuster falsche Zeichen setzen würde; eine Kriminalisierung journalistischen Verhaltens gelte es gerade zu verhindern; Stümer in AfP 1998, S. 1 (8).

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Schmerzensgeld). Anknüpfungspunkt ist hier die Verletzung immaterieller Interessen. Gegenstand der nun folgenden Untersuchung sollen zunächst die vermögensrechtlich orientierten Rechtsbehelfe sein. Denn die (rechtswidrige) Verwertung von Persönlichkeitsattributen durch Massenmedien lässt sich (auch) als vermögensrechtliches Problem begreifen. Für die VerletzerseHe wurde dies bereits ausführlich dargestellt 165 : Die Medienunternehmen betreiben die Personenberichterstattung aus kommerziellem Interesse; die zur Verbreitung tauglichen - weil auf eine große Nachfrage stoßenden Personeninformationen haben für sie unmittelbaren wirtschaftlichen Wert. Auf Seiten des Verletzten gilt jedoch nichts anderes. Wenngleich das wirkliche Interesse des Betroffenen vielfach auf Verhinderung der Berichterstattung über seine Person abzielen mag, so darf gleichwohl nicht verkannt werden, dass die betreffende Information faktisch (aufgrund des vorhandenen wirtschaftlichen Interesses an ihrer Verbreitung) ein Wirtschaftsgut darstellt, dessen ökonomische Verwertbarkeit dem Vermögen des Betroffenen zugewiesen ist. 166 Dass der Betroffene eine Verwertung im Ergebnis nicht will, d.h. sie weder aktiv betreibt noch passiv duldet, steht dieser Erkenntnis nicht entgegen, denn das Vermögen umfasst alle einer Person zugeordneten, geldwerten Materialgüter und stellt damit allein auf deren potentielle Verwertbarkeit ab. 167 Dieser vermögensrechtliche Aspekt der Trivialen Personenberichterstattung legt die Frage nahe, ob und inwieweit sich vermögensrechtliche Ansprüche zur monetären Sanktionierung rechtswidriger Personenberichterstattung heranziehen lassen. Infrage kommen in diesem Zusammenhang drei Anspruchsgrundlagen: Der materielle Schadenersatz gemäß § 823 I BGB bzw. § 823 II BGB i. V. m. §§ 22, 23 KUG, 185 ff. StGB in Form des Vgl. oben Erster Teil, C.III.3., C.IV.2. Vgl. zur doppelten Schutzrichtung des ailgemeinen Persönlichkeitsrechts BGH in NJW 2000, S. 2195 (2197) sowie Ullmann in AtP 1999, S. 209. 167 Vgl. Deutsch, Haftungsrecht, Rn. 801. Eine Verengung des zivilrechtliehen Vermögensbegriffs auf übertragbare, verkehrsfähige Rechte, wie dies beispielsweise von Forke/, S. 199 und Sohm in ArchBürgR 28 (1906), S. 173, 179 gefordert wird, welche im Ergebnis zu einer Ausgrenzung der unübertragbaren Persönlichkeitsrechte aus dem Vermögen führen müsste, ist abzulehnen. Wie Götting zutreffend bemerkt, können auch unübertragbare Rechte einen Geldwert besitzen, da der Rechtsinhaber dem Interessenten eine Nutzungsbefugnis gegen Geld einräumen kann, ohne jedoch das Recht übertragen zu müssen (vgl. Götting, S. 8 f., 142; vgl. auch BVerfG in JZ 1991, S. 774 (776)). Die Konstruktion der Liziensierung absoluter Rechte, die dem gesamten gewerblichen Rechtsschutz zugrunde liegt und sich i.ü. auch im zivilrechtliehen Nießbrauch (§ 1059 BGB) wiederfindet, lässt sich auf alle tatsächlich und rechtlich verkehrsfähigen Persönlichkeitsattribute anwenden. Diese sind damit unzweifelhaft als Teil des subjektiven Vermögens des jeweiligen Rechtsträgers anzusehen. 165

166

2 1 Neben

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3. Teil: Rechtsschutz gegenüber Trivialer Personenberichterstattung

Geldersatzes, der Bereicherungsausgleich gemäß §§ 812 I 1 2.HS, 818 I,II BGB in Form des Wertersatzes sowie der Herausgabeanspruch aus unechter Geschäftsführung ohne Auftrag gemäߧ§ 687 li, 681 S. 2, 667 BGB. 1. Persönlichkeitsschutz durch materiellen Schadensersatz?

Die Verletzung eines besonderen Persönlichkeitsrechts (Name, Recht am eigenen Bild) oder des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Diskretion, Ehre, Wahrheit, Selbstbestimmung) führt im Verschuldensfalle gemäß § 823 BGB zur Schadenersatzpflicht des Täters. Dabei ist der Ersatzanspruch des Opfers gemäß § 249 BGB grundsätzlich auf Wiederherstellung des Zustandes gerichtet, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. 168 Der Betroffene ist daher zunächst darauf verwiesen, den Ausgleich der erfolgten Interessenverletzung im Wege der Naturalrestitution zu suchen. Soweit dies nicht möglich ist, kann er zum Ausgleich seiner Vermögensschäden Geldersatz verlangen, § 251 I BGB. Neben seinen konkreten, auf die Persönlichkeitsverletzung kausal zurückzuführenden materiellen Einbußen kann der Betroffene auch den ihm entgangenen Gewinn liquidieren, § 252 S. 1 BGB. Führt die rechtswidrige Personenberichterstattung beispielsweise dazu, dass dem Betroffenen aufgrund der erlittenen Ansehensminderung zukünftige Erwerbsmöglichkeiten verschlossen bleiben, so kann er hierfür Geldersatz verlangen. Diese Ersatzmöglichkeit ist in praktischer Hinsicht nicht unbedeutend. So ist es durchaus denkbar, dass die Verbreitung eines ehrenrührigen Werturteils, einer peinlichen Indiskretion oder eines enthüllenden Fotos gerade bei prominenten Opfern zu einer Verminderung ihres Werbe- oder Öffentlichkeitswertes führt. 169 Sofern der Verletzte darlegen kann, dass es ohne das schädigende Ereignis zu einem Vertragsabschluss gekommen wäre, kann er die entgangenen Einnahmen vom Schädiger ersetzt verlangen (konkrete Schadensberechnung). Die in diesem Bereich oftmals schwierige Beweislage erleichtert § 252 S. 2 BGB: Der Verletzte kann diejenigen entgangenen Gewinne liquidieren, deren Eintritt nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnten.

168 Der Vorrang der Naturalrestitution gilt auch und insbesondere im Falle unrechtmäßiger Personenberichterstattung, vgl. BVerfG in NJW 1973, S. 1221 (1224) - Soraya. 169 Das massenmediale Outing eines Schauspielers als homosexuell beispielsweise könnte seinem Engagement für eine zukünftige, als besonders "männlich" empfundene Filmrolle entgegenstehen; ebenso könnte das Erscheinen ungenehmigter Nacktaufnahmen eines Fotomodells deren Eignung als Werbeträgerio für konservative Damenmode mindern.

C. Publizistische Persönlichkeitsverletzung und monetäre Sanktion

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a) Die dreifache Schadensberechnung bei der Verletzung von Persönlichkeitsrechten

Diese in §§ 249 ff. BGB gesetzlich normierten Berechnungsmöglichkeiten des materiellen Ersatzanspruchs hat die Rechtsprechung für eine Reihe von Fällen der Persönlichkeitsverletzung ausgeweitet und ergänzt. In Anlehnung an die im gewerblichen Rechtsschutz geltende sog. dreifache Schadensberechnungsmethode170 wird dem Verletzten regelmäßig ein Wahlrecht zugebilligt: Er soll - neben dem Ersatz seiner konkreten wirtschaftlichen Schäden - die Zahlung einer angemessenen, fiktiven Lizenzgebühr oder dies gilt zumindest im Falle eines vorsätzlichen Eingriffs - die Herausgabe der mit der rechtswidrigen Handlung erzielten Verletzergewinne verlangen können (abstrakte Schadensberechnung). 171 Dieser Anspruch soll dem Betroffenen jedenfalls bei der Verletzung besonderer, d.h. gesetzlich normierter Persönlichkeitsrechte zustehen. 172 In concreto betrifft dies Fälle der rechtswidrigen Verwertung von Namen 173 und Bildnis 174 einer Person. In der insoweit maßgeblichen Paul Dahlke-Entscheidung175 hatte der Bundesgerichtshof einem bekannten Theater- und Filmschauspieler, dessen Bildnis ohne seine Einwilligung zu Werbezwecken verwertet worden war, Scha170 Vgl. § 97 UrhO. Zur dreifachen Schadensberechnungsmethode im gewerblichen Rechtsschutz vgl. BOHZ 57, S. 116 - Wandsteckdose Il m. w. N.; PalandtHeinrichs, Vorbem. vor§ 249 BOB Rn. 52; Palandt-Thomas, §§ 823 BOB Rn. 161. 171 BOHZ 20, S. 345 - Paul Dahlke; BOHZ 26, S. 349 - Herrenreiter; BOHZ 30, S. 7 - Caterina Valente; BOHZ 60, S. 206 - Miss Petite; BOH in ORUR 1979, S. 732 - Fußballtorwart; OLO München in AfP 1995, S. 658 - Taufbild; MünchKomm-Schwerdtner, § 12 Rn. 277 m. w.N.; ausführlich dazu Gottwald, S. 200 f. Zwar finden sich keine höchstrichterlichen Entscheidungen, in denen dem Verletzten tatsächlich eine Gewinnabschöpfung zugebilligt worden wäre; die Gewährung einer fiktiven Lizenzgebühr steht insofern im Mittelpunkt der einschlägigen Judikatur. Dies dürfte jedoch vorwiegend praktische Gründe haben, denn die Ermittlung der kausal auf die rechtswidrige Verwertungshandlung zurückzuführenden Gewinne wird sich regelmäßig als schwieriges Unterfangen darstellen, so dass die Betroffenen selbst dazu neigen werden, den einfacheren Weg der Lizenzanalogie einzuschlagen. Ein rechtsdogmatischer Grund zur Differenzierung zwischen den beiden Methoden ist gleichwohl nicht ersichtlich und wird auch im gewerblichen Rechtsschutz nicht praktiziert; Lizenzanalogie und Gewinnabschöpfung stehen hier grundsätzlich gleichberechtigt nebeneinander und können - jedenfalls im Falle der schuldhaften Rechtsverletzung - unter denselben Voraussetzungen geltend gemacht werden. 172 Dazu MünchKomm-Schwerdtner, § 12 Rn. 281. 173 BOHZ 30, S. 7 (17) - Caterina Valente; BGHZ 60, S. 206 (209) - Miss Petite. 174 BOHZ 20, S. 345 (353) - Paul Dahlke; aus jüngerer Zeit OLG München in AfP 1995, S. 658 - Taufbild; LG Berlin in NJW 1996, S. 1142 - Schalck-Oolodtkowski; LG Düsseldorf in NJW-RR 1998, S. 747 - Berti Vogts; OLG Karlsruhe in AfP 1998, S. 326. 175 BOHZ 20, S. 345 - Paul Dahlke. 21*

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densersatz in Höhe der "üblichen Vergütung" zugesprochen: Bei der Verletzung von vermögenswerten Ausschließlichkeitsrechten spreche ein praktisches Bedürfnis für die Anwendung dieser aus dem gewerblichen Rechtsschutz bekannten Berechnungsmethode. Das Recht am eigenen Bild, so der Bundesgerichtshof, sei ein solches Recht, da seine Nutzung zu gewerblichen Zwecken üblicherweise nur gegen Entgelt gestattet werde. Der Kläger könne daher als Schadensersatz diejenige Summe verlangen, die er nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge als angemessene Lizenzgebühr erhalten hätte. 176 Diese Rechtsprechung verfestigte sich später in den Entscheidungen Herrenreiter 111 und Caterina Valente 118 , insbesondere aber auch in der Entscheidung Miss Petite 119 . In letzterer hatte der Bundesgerichtshof über eine nach § 12 BGB rechtswidrige Namensverwendung zu Werbezwecken zu entscheiden. In seiner Begründung bekräftigte der I. Zivilsenat die grundsätzliche Anwendbarkeit der dreifachen Schadensberechnungsmethode auf alle Fälle der Verletzung von Persönlichkeitsrechten, solange diese sich als vermögenswerte Ausschließlichkeitsrechte darstellen. 180 Die Verallgemeinerbarkeit des im gewerblichen Rechtsschutz verwurzelten Instituts ergebe sich zum einen aus der besonderen Verletzlichkeit aller Immaterialgüter, der daraus resultierenden besonderen Schutzbedürftigkeit der jeweiligen Betroffenen und schließlich aus den erheblichen Schwierigkeiten, die sich hier wie dort mit dem Nachweis eines konkret eingetretenen Schadens verbänden. Was für die Schadensberechnung im Patent-, Gebrauchsmusterund Urheberrecht gelte, müsse daher auch Anwendung auf die in ähnlicher Weise kommerzialisierten Persönlichkeitsgüter wie Name und Bildnis finden. b) Ausschluss bei unüblichen und unmoralischen Verwertungsformen

In gewisser Weise konträr zu dieser Verfestigung des abstrakten Schadenersatzanspruchs wurde die neue Rechtsprechung durch die Entscheidungen Herrenreiter 181 und Caterina Valente 182 einer erheblichen Einschränkung unterworfen. So machte der Bundesgerichtshof deutlich, dass eine angemessene Lizenzgebühr als Schadensersatz immer dann ausscheide, wenn ein Lizenzvertrag über die konkrete Nutzung des betroffenen Persönlichkeitsrechts unter keinen Umständen zustande gekommen wäre. 183 Im Falle Cate176 177 178 179 180 181 182

BGHZ 20, S. 345 (353 f.) - Paul Dahlke. BGHZ 26, S. 349 - Herrenreiter. BGHZ 30, S. 7- Caterina Valente. BGHZ 60, S. 206 (209) - Miss Petite. BGHZ 60, S. 206 (209) - Miss Petite. BGH a. a. 0. BGH a. a. 0.

C. Publizistische Persönlichkeitsverletzung und monetäre Sanktion

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rina Valente hatte die Klägerin, mit deren Namen für Zahnprothesen geworben worden war, erklärt, für sie komme eine werbliche Nutzung ihres Namens grundsätzlich nicht in Betracht. Nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge, so der Bundesgerichtshof, sei deshalb für sie auch kein Gewinn aus einer möglichen Lizenzierung ihres Namens zu erwarten gewesen, so dass die Voraussetzungen für eine Ersatzleistung in Form einer Lizenzanalogie nicht vorlägen. Bei einer solchen Konstellation, so führt der IV. Senat aus, entfalle bereits der erforderliche Vermögensschaden auf Seiten des Betroffenen: Die dreifache Schadensberechnungsmethode diene allein der Beweiserleichterung, könne jedoch nicht die Feststellung eines adäquat-kausalen Schadenseintritts entbehrlich machen. 184

Noch weiter ging der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in der Entscheidung Herrenreiter. 185 Hier hatte der Kläger, ein bekannter Turnierreiter, dessen Bildnis ebenfalls zu Werbezwecken missbraucht worden war, ausdrücklich erklärt, er hätte diese Nutzung - wenn überhaupt - nur gegen Zahlung eines angemessenen Entgelts gestattet und verlangte Schadensersatz in Form eines fiktiven Honorars. In diesem Fall war also keineswegs eindeutig, dass ein Lizenzvertrag von vornherein nicht zustande gekommen wäre. 186 Gleichwohl versagte der Bundesgerichtshof dem Kläger die geltend gemachte Lizenzgebühr. In seiner Begründung stellt der Senat maßgeblich darauf ab, dass das Foto des Klägers für ein Potenzmittel verwandt worden war und der Kläger hierdurch in eine demütigende und lächerliche Lage gebracht worden sei. Die Zubilligung eines Schadensersatzanspruches auf Grund der Fiktion eines abgeschlossenen Lizenzvertrages beinhalte in einem solchen Fall die Unterstellung, dass der Betroffene sich für viel Geld freiwillig für die unwürdige und demütigende Werbekampagne hergegeben hätte. In einer solchen Unterstellung aber müsse eine erneute Persönlichkeitsbeeinträchtigung gesehen werden. Dem Begehren des Klägers könne daher nicht entsprochen werden. 187 Mit dieser Argumentation statuiert der Bundesgerichtshof eine äußerst weitgehende Einschränkung der dreifachen Schadensberechnungsmethode: In Fällen der unmoralischen oder sonstwie missbilligenswerten Nutzung von Persönlichkeitsattributen kann der Betroffene grundsätzlich keinen Schadensersatz nach der Lizenzanalogie verlangen, da ihm sonst unterstellt werden müsse, er hätte sich seine moralische Integrität möglicherweise durch ein genügend hohes Entgelt abkaufen lassen. Vgl. BGHZ 30, S. 7 (16 f.). BGHZ 30, S. 7 (17) - Caterina Valente. Vgl. aus jüngerer Zeit OLG Harnburg in ZUM 1995, S. 202 (204) - Roy Black. 185 BGHZ 26, S. 349 - Herrenreiter. 186 Vgl. hierzu auch MünchKomm-Schwerdtner, § 12 Rn. 278. 187 BGHZ 26, S. 349 (353) - Herrenreiter. 183

184

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3. Teil: Rechtsschutz gegenüber Trivialer Personenberichterstattung

Die beiden vom Bundesgerichtshof vorgenommenen Einschränkungen führen zu dem Ergebnis, dass der Betroffene in Fällen, in denen er (subjektiv) dem Verletzer die Nutzung des verwerteten Persönlichkeitsattributs auch gegen ein angemessenes Entgelt nicht gestattet hätte oder aber eine solche Gestattung sich (objektiv) als unüblich und unmoralisch darstellen würde, seinen Schaden nicht in Form einer angemessenen Lizenzgebühr ersetzt verlangen kann. Andersherum ausgedrückt: Die Geltendmachung einer angemessenen Lizenzgebühr kommt nur dann in Betracht, wenn das betroffene Persönlichkeitsgut auch üblicherweise von dem Betroffenen kommerziell in vergleichbarer Form genutzt wird oder eine solche Nutzung zumindest nicht von vornherein als ausgeschlossen erscheint. Die dargestellten Beschränkungen des abstrakten Schadensersatzes sind bislang vom Bundesgerichtshof zwar ausdrücklich nur auf die Geltendmachung von fiktiven Lizenzgebühren bezogen worden. Gleichwohl ist davon auszugehen, dass sie in gleicher Weise auch für die Geltendmachung des Verletzergewinns zu gelten haben. Aus der Argumentation des Bundesgerichtshofs in der Herrenreiter-Entscheidung ergibt sich dies zwar nicht. Denn zu einer "erneuten Demütigung" des Betroffenen durch die Unterstellung, dieser sei zum Abschluss eines Lizenzvertrages und damit bereit gewesen, sich gegen Geld in eine unwürdige Lage bringen zu lassen, kommt es im Falle der Gewinnabschöpfung nicht: Gedanklicher Ausgangspunkt der Gewinnabschöpfung ist allein der Umstand, dass der Verletzer unter rechtswidriger Inanspruchnahme eines fremden Ausschließlichkeitsrechts einen wirtschaftlichen Vorteil erzielen konnte. Vor diesem Hintergrund scheint die vom Bundesgerichtshof vorgenommene Einschränkung nur für die Schadensberechnung im Wege der Lizenzanalogie zu gelten. Zu einem anderen Ergebnis gelangt man jedoch, wenn man die Argumentation des Bundesgerichtshofs in der Caterina Va/ente-Entscheidung 188 betrachtet. Hier stützt der Senat den Ausschluss eines materiellen Ersatzanspruches nicht auf die vermeintliche "erneute Demütigung", die mit dessen Gewährung verbunden wäre, sondern vielmehr auf das grundsätzliche Fehlen eines Vermögensschadens in derartigen Fällen. Dieser Argumentationsgang ist in späteren Entscheidungen des Bundesgerichtshofs und der Instanzgerichte aufgegriffen und verfeinert worden. So hat das Oberlandesgericht Harnburg in jüngerer Zeit unter Hinweis auf die Fußballtorwart-Entscheidung 189 des Bundesgerichtshofs ausgeführt, dass in denjenigen Fällen, in denen der Betroffene seinen Namen oder sein Bildnis selbst nicht vermarktet hätte, dem fraglichen Persönlichkeitsattribut bereits die Qualität eines vermögenswerten Ausschließlichkeitsrechts abzusprechen sei. Hieraus wird gefolgert, dass es in diesen Fallkonstellationen schon am Vorliegen eines ersatzfahigen Ver188 189

BGHZ 30, S. 7 (17) - Caterina Valente. BGH in GRUR 1979, S. 732- Fußballtorwart

C. Publizistische Persönlichkeitsverletzung und monetäre Sanktion

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mögensschadens fehle. Wo aber von vornherein kein Vermögensschaden feststellbar sei, bleibe auch kein Raum für die dreifache Schadensberechnungsmethode.190 Aus dieser Argumentation geht deutlich hervor, dass die vom Bundesgerichtshof statuierten Beschränkungen nicht allein für die Schadensberechnung in Form der Lizenzanalogie, sondern ebenso für die Abschöpfung des Verletzergewinns gelten müssen. Zusammenfassend lässt sich daher feststellen: Wenn die entgeltliche Nutzung des verletzten Persönlichkeitsrechts in der konkreten, streitgegenständlichen Verwendungsform generell oder individuell - unüblich ist, so scheidet sowohl die Geltendmachung einer fiktiven Lizenzgebühr wie auch die Abschöpfung des Verletzergewinns von vornherein aus. 191 Diese Rechtsprechung führt in den Fällen der Trivialen Personenberichterstattung zu einer erheblichen Einschränkung des verfügbaren monetären Rechtsschutzes. Zwar können die Betroffenen grundsätzlich bei rechtswidriger Verwendung ihres Namens oder ihres Bildes durch ein Massenmedium einen materiellen Ersatzanspruch nach der dreifachen Schadensberechnung geltend machen. Die oben genannten Beschränkungen führen jedoch dazu, dass dieser theoretisch verfügbare Anspruch in der Praxis fast immer ausgeschlossen sein wird. Denn die typischen Erscheinungsformen der Trivialen Personenberichterstattung (Paparazzi-Aufnahmen; Skandalberichte) zeichnen sich dadurch aus, dass der Dargestellte seine Persönlichkeit gerade nicht - zumindest jedoch nicht in der von ihm angegriffenen Form - kommerziell genutzt wissen will. Sein Interesse zielt regelmäßig auf Verhinderung derartiger Berichterstattung und nicht auf deren, wenngleich entgeltliche, Veranlassung oder Förderung. Er wird sich also wahrheitsgemäß im Verletzungsprozess dahingehend einlassen müssen, dass er die konkrete mediale Nutzung seiner Persönlichkeit unter keinen Umständen gebilligt hätte. Mit dieser Einlassung aber entfallen, der Caterina-Va/ente-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zufolge, die o. g. materiellen Ersatzansprüche des Betroffenen mit Ausnahme der Geltendmachung konkreter Vermögensschäden. Doch selbst wenn der Betroffene darlegen kann, dass er mit einer Verwertung seiner Persönlichkeit grundsätzlich einverstanden wäre, sofern er dafür ein angemessenes Entgelt erhält, versagt ihm die Rechtsprechung OLG Harnburg in ZUM 1995, S. 202 (204)- Roy Black. Diese Auffassung entspricht der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Gleichwohl finden sich auch abweichende Entscheidungen. So hat sich insbesondere das OLG München von dieser Einschränkung gelöst. Seiner Auffassung nach spielt es für die Geltendmachung von Ersatzansprüchen regelmäßig keine Rolle, ob der Betroffene sein Persönlichkeitsattribut selbst vermarktet hätte oder nicht; der Verletzer müsse sich im Rahmen der §§ 823, 249 ff. BGB an der von ihm geschaffenen Lage in jedem Falle festhalten lassen; vgl. OLG München in AtP 1995, S. 658 (661) Taufbild. Eine Auseinandersetzung mit dieser divergierenden Ansicht wird an späterer Stelle erfolgen. 190 191

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3. Teil: Rechtsschutz gegenüber Trivialer Personenberichterstattung

den monetären Rechtsschutz nach §§ 823, 249 ff. BGB, wenn die konkrete Nutzungsform sich als unüblich oder unmoralisch darstellt. Die Triviale Personenberichterstattung lebt aber gerade von der Darstellung anrüchiger, enthüllender und damit vielfach auch "unmoralischer" Sachverhalte, so dass auch aus diesem Grunde ein materieller Schadensersatzanspruch vielfach ausscheiden wird. Freilich sind die Übergänge hier fließend; was sich heute noch als unmoralisch darstellt, kann schon morgen zur akzeptierten Alltäglichkeit werden. Gleichwohl lässt sich aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine rechtspolitisch durchaus fragwürdige Tendenz herauslesen. Je dreister, verletzender, intimer und drastischer nämlich der Verstoß gegen die geschützten Persönlichkeitsinteressen ist, desto schwieriger wird es für den Betroffenen vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Rechtsprechung, materiellen Schadensersatz in Form von Gewinnabschöpfung oder Lizenzanalogie geltend zu machen. Der monetäre Schutz bereits der besonderen, gesetzlich abgesicherten Persönlichkeitsinteressen (Bildnis, Name) gegenüber den besonders verletzungsintensiven Erscheinungsformen der Trivialen Personenberichterstattung muss daher nach allem als äußerst unzureichend bezeichnet werden. c) Ausschluss bei der Verletzung unbenannter Persönlichkeitsrechte

Ein noch deutlicheres Ergebnis ist für die Fälle der massenmedialen Verletzung der sonstigen, unbenannten Persönlichkeitsrechte zu konstatieren. Geht es dem Betroffenen nämlich um den Ausgleich einer Beeinträchtigung seines Wahrheits-, Anonymitäts-, Ehr- oder Diskretionsinteresses, so versagt der monetäre Rechtsschutz nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gänzlich. Zwar hat der Bundesgerichtshof in der Entscheidung Marlene Dietrich 192 ausgeführt, dass "[d]as von § 823 I BGB geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht und seine besonderen Erscheinungsformen wie das Recht am eigenen Bild und das Namensrecht [... ] nicht nur dem Schutz ideeller, sondern auch vermögenswerter Interessen der Persönlichkeit [dienen]"

und damit erstmalig auch die unbenannten Persönlichkeitsinteressen ausdrücklich einem vermögensrechtlichen Ausgleich zugänglich gemacht 193 . Für den Sachbereich der Trivialen Personenberichterstattung indes bedeutet diese Entscheidung keine grundsätzliche Neuerung. Denn eine Anwendung BGH in NJW 2000, S. 2195 (2197). Der Bundesgerichtshof folgt damit im Ergebnis einer wachsenden Tendenz in der Literatur, welche insoweit eine grundsätzliche Gleichbehandlung benannter und unbenannter Persönlichkeitsrechte befürwortet; vgl. beispielsweise Erman-Ehmann, Anh. zu § 12 Rn. 795, der davon ausgeht, Name und Bildnis seien "insbesondere", nicht jedoch ausschließlich einem materiellen Ersatzanspruch zugänglich. t92

193

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329

von §§ 823 I, 249 BGB kommt nach wie vor nur dann in Betracht, wenn das betroffene Rechtsgut - hier: Persönlichkeitsinteresse - faktisch kommerzialisiert ist. Dies wird jedoch im Rahmen der Abwehr von Persönlichkeitsbeeinträchtigungen, welche typischerweise aus den Publikationsformen der Trivialen Personenberichterstattung resultieren, regelmäßig nicht gegeben sein. Denn die insoweit Betracht kommenden, dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht unterfallenden Interessen sind schlechterdings nicht als "üblicherweise kommerzialisiert" oder auch nur als - der herrschenden Moralvorstellung entsprechend - zulässigerweise "kommerzialisierbar" anzusehen. Dies gilt zumindest für die besonders verletzungsintensiven Darstellungsformen wie abwertende Ehrangriffe oder Indiskretionen, welche die Intim- und hier vor allem die Sexualsphäre betreffen. Trotz sich wandelnder Moralvorstellungen 194 kann nicht davon ausgegangen werden, dass derartige Eingriffe heute üblicherweise gegen Entgelt gestattet oder eine derartige Nutzung von der großen Mehrheit der Bevölkerung moralisch gebilligt würde. Bei ihnen ist daher - von der Entscheidung Marlene Dietrich195 unberührt - eindeutig, dass der Bundesgerichtshof dem Verletzten keinen materiellen Schadenersatz zusprechen würde. Als unsicherer erweist sich zwar die Beurteilung weniger intensiver Eingriffsformen wie beispielsweise die Berichterstattung aus der Privatsphäre oder die isolierte Beeinträchtigungen des individuellen Wahrheitsinteresses. Hier spricht zwar faktisch vieles für eine weitergehende gesellschaftliche Akzeptanz solcher Darstellungsformen. 196 Bedenkt man jedoch, dass der Bundesgerichtshof in der Herrenreiter-Entscheidung bereits die (harmlose) werbliche Nutzung der Persönlichkeit für ein Potenzmittel als unmoralischen Akt qualifiziert hat, so muss daraus geschlossen werden, dass die Kommerzialisierung des Diskretions- und Wahrheitsinteresses ebenfalls diesem Verdikt unterfallen dürfte mit der Folge, dass auch in solchen Fällen ein materieller Schadenersatz ausgeschlossen wäre. Zu bedenken ist daneben, dass mit der Anerkennung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts keine Persönlichkeitsnutzungsrechte geschaffen werden sollten, sondern allein die verfassungsrechtlich gebotene Absicherung der menschlichen Persönlichkeit gegenüber unrechtmäßigen Beeinträchtigungen beabsichtigt war. 197 Auch diese Erkenntnis unterstützt die Annahme, dass auch Verletzungen der Privatsphäre sowie des isolierten Wahrheitsinteresses - nach Auffassung der Rechtsprechung - grundsätzlich nicht zu materiellen Schadensersatzansprüchen auf Verletztenseite führen dürften. 198 Wenn nämlich das allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht zumindest auch als Vermögenswertes Ausschließ194

195 196 197

Dazu oben Erster Teil, B.III.5., C.III.l . BGH in NJW 2000, S. 2195 (2197). Dazu oben Erster Teil, B.III.5., B.IV.3.a). Ausführlich dazu MünchKonun-Schwerdtner, § 12 Rn. 281.

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lichkeitsrecht verstanden wird, so kann aus dessen Verletzung schlechterdings kein Vermögensschaden resultieren mit der Folge, dass eine Anwendung von §§ 823, 249 ff. BGB von vornherein ausscheidet. Das Bundesverfassungsgericht macht diese generelle Tendenz sehr deutlich wenn es in der Entscheidung Caroline von Monaco formuliert: "Der verfassungsrechtliche Privatsphärenschutz aus Art. 2 I i. V. m. Art. 1 I GG ist nicht im Interesse einer Kommerzialisierung der eigenen Person gewährleistet." 199

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der terminologisch etwas unklaren jüngeren Rechtsprechung des OLG München. 200 In dessen Entscheidung Taufbilder heißt es zwar wörtlich, bei Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts könne der Verletzte seinen Schaden uneingeschränkt nach der dreifachen Schadensberechnungsmethode geltend machen. 201 Tatsächlich lag dieser Entscheidung jedoch eine (moralisch unbedenkliche) Bildrechtsverletzung zugrunde, deren Rechtswidrigkeit der Senat auf Tatbestandsebene auch anband der §§ 22, 23 KUG und nicht anband des allgemeinen Persönlichkeitsrechts beurteilt hat. Dem Umstand, dass in der Entscheidung auf Rechtsfolgenebene dennoch begrifflich auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht rekurriert wird, kann daher nicht entnommen werden, die Rechtsprechung zur Lizenzanalogie solle nunmehr über das Spektrum der besonderen Persönlichkeitsrechte hinaus auch auf die hier in Frage stehenden Persönlichkeitsinteressen ausgedehnt werden. Hierbei scheint es sich vielmehr um eine Begriffsverwirrung zu handeln, die maßgeblich durch die nach wie vor bestehenden Unklarheiten im Verhältnis des allgemeinen zu den besonderen Persönlichkeitsrechten verursacht sein dürfte.Z02 Eine dogmatische Trendwende lässt sich hieraus jedenfalls nicht ablesen. d) Zwischenergebnis

Im Ergebnis bleibt also festzuhalten: Der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zufolge kann der von einer rechtswidrigen Personenberichterstattung Betroffene als konkreten Schadensersatz gemäß §§ 823, 249 ff. BGB zwar diejenigen materiellen Einbußen geltend machen, die kausal auf die streitgegenständliche Berichterstattung zurückzuführen sind. Entgehen ihm 198 Dies gilt freilich nicht für die Geltendmachung konkreter Vermögensschäden, die unmittelbar aus der Verletzungshandlung resultieren, sondern nur für die Geltendmachung von Lizenz- oder Gewinnabschöpfungsansprüchen. 199 BVerfG in NJW 2000, S. 1021 (1023). 200 Vgl. OLG München in AfP 1995, S. 658 (660 f.)- Tautbilder. 20 1 OLG München a. a. 0., 4. Leitsatz. 202 Zu diesem Problem vgl. oben Zweiter Teil, A.II.l.c).

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also dadurch künftige Einnahmemöglichkeiten, dass er öffentlich in abfälliger Weise dargestellt worden ist, so kann er diese Einbußen als entgangenen Gewinn beim Verletzer liquidieren, sofern er Verletzungshandlung, Kausalität und Schadenseintritt bzw. Schadenswahrscheinlichkeit (§ 251 S. 2 BOB) beweisen kann. Dem konkreten Schadensersatz kommt in der Realität jedoch nur eine untergeordnete Bedeutung bei. Denn der notwendige Kausalzusammenhang zwischen Verletzungshandlung und späterem Einnahmeverlust ist vom Verletzten kaum darzulegen: Die unmittelbare Folge der rechtswidrigen Berichterstattung ist regelmäßig ein nicht quantifizierbarer Imageverlust, der sich wirtschaftlich nur indirekt und zumeist erheblich zeitverzögert auswirkt. Jedenfalls wird es äußerst schwierig nachzuweisen sein, dass ein potentieller Vertragsabschluss - beispielsweise über den Einsatz in einer Werbekampagne - gerade wegen der abträglichen Berichterstattung nicht zustande kommt. Nur in besonders evidenten Fällen wird diese Form des Schadensersatzes daher durchgreifen können.203 Interessanter für den Betroffenen weil einfacher durchsetzbar ist demgegenüber die Geltendmachung von fiktiven Lizenzgebühren oder die Abschöpfung des Verletzergewinns. Hier gilt jedoch: Auf Fälle der Verletzung unbenannter Persönlichkeitsinteressen finden diese Formen des abstrakten Schadensersatzes grundsätzlich keine Anwendung, da es sich insoweit nicht um zulässigerweise kommerzialisierte Ausschließlichkeitsrechte handelt. Die Geltendmachung materieller Ansprüche im Verletzungsfalle scheitert dieser Argumentation zufolge daher bereits am Fehlen eines ersatzfähigen Vermögensschadens. Werden hingegen benannte Persönlichkeitsrechte wie der Name oder das Recht am eigenen Bild verletzt, so kommt die dreifache Schadensberechnungsmethode zwar grundsätzlich zur Anwendung. Die vom Bundesgerichtshof in den Entscheidungen Herrenreite?04 und Caterina Valente 205 entwickelten Einschränkungen führen jedoch in der Realität zur weitgehenden Entwertung dieses Rechtsbehelfs. Denn ausgeschlossen sollen Gewinnabschöpfung und Lizenzanalogie immer dann sein, wenn die streitgegenständliche Verwendungsform unüblich oder "unmoralisch" ist, oder der Betroffene einer wirtschaftlichen Verwertung seiner Persona unter keinen Umständen zugestimmt hätte. Hieraus ergibt sich aber: Je "unmoralischer" und damit verletzungsintensiver sich der Eingriff in das betroffene Persönlichkeitsrecht darstellt, desto weniger kann der Verletzte hierauf mit materiellen Ersatzansprüchen reagieren. Die vergleichsweise verletzungsintensiven Erscheinungsformen der Trivialen Personenberichterstattung fallen 203 Zu denken ist etwa an Fälle, in denen ein bereits bestehendes Vertragsverhältnis ausdrücklich unter Bezugnahme auf die erfolgte, abträgliche Berichterstattung gekündigt oder nicht verlängert wird. 204 BGHZ 26, S. 349 - Herrenreiter. 205 BGHZ 30, S. 7- Caterina Valente.

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damit regelmäßig aus dem Anwendungsbereich der dreifachen Schadensberechnung heraus mit der Folge, dass dem Betroffenen die Geltendmachung von abstrakten Ersatzansprüchen verwehrt und ihm damit die Möglichkeit effektiven monetären Rechtsschutzes genommen wird.

2. Persönlichkeitsschutz durch Bereicherungsausgleich? Neben den oben dargestellten schadensersatzrechtlichen Ansprüchen kommt - jedenfalls theoretisch - auch ein monetärer Ausgleich nach den Grundsätzen der Eingriffskondiktion in Betracht.206 So hatte der Bundesgerichtshof bereits in der oben erwähnten Paul Dahlke-Entscheidung den Anspruch des Klägers auf Zahlung einer angemessenen Lizenzgebühr sowohl auf Delikts- als auch auf Bereicherungsrecht gestützt. Der Kläger hätte entsprechend der herrschenden Übung unter Künstlern seine Einwilligung in die werbliche Nutzung seines Bildes von einer Honorarzahlung abhängig machen können. Diese Vergütung habe die Beklagte durch ihr rechtswidriges Vorgehen auf Kosten des Klägers eingespart. Dieser sei berechtigt, die unrechtmäßig ersparten Aufwendungen im Wege der Lizenzanalogie zu kondizieren.Z07 Diese Argumentation hat sich einhellig durchgesetzt und wird bis heute sowohl vom Bundesgerichtshofwie auch von den Instanzgerichten vertreten. 208 In jüngerer Zeit wird als Bereicherungsgegenstand zwar nicht länger die Aufwendungsersparnis, sondern die tatsächlich erlangte Nutzungsmöglichkeit an dem konkreten Persönlichkeitsattribut angesehen. 209 Mit diesem Begründungswandel ist jedoch keine sachliche Änderung hinsichtlich der Voraussetzungen des Bereicherungsanspruchs verbunden. Der Betroffene kann nach Bereicherungsgrundsätzen daher unzweifelhaft zumindest die Zahlung einer angemessenen Lizenzgebühr verlangen.Z 10 206 Vgl. nur BGHZ 20, S. 345 (355) - Paul Dahlke; BGHZ 81, S. 75 (81) Carrera; BGH in NJW 1979, S. 2205 - Fußballtorwart; BGH in NJW-RR 1987, S. 231 (232} - Nena; OLG Frankfurt in NJW 1985, S. 1649 - Firrnenemblem; LG Berlin in NJW 1996, S. 1142 (1143) - Schalck-Golodtkowski; OLG München in NJW-RR 1996, S. 539- Telefonsex; MünchKomm-Schwerdtner, § 12 Rn. 277; Erman-Ehmann, Anh. zu § 12 Rn. 771 ; Wenzel, Rn. 14.6 ff. 207 BGHZ 20, S. 345 (355) - Paul Dahlke. 208 Vgl. zuletzt BGH in NJW-RR 1987, S. 231- Nena; OLG München in NJWRR 1996, S. 539- Telefonsex sowie bereits BGH in NJW 1979, S. 2205; BGHZ 81, S. 75; OLG Karlsruhe in NJW 1989, S. 401; BGH in NJW 1992, S. 2084. 209 Vgl. nur OLG München in NJW-RR 1996, S. 539 (540}- Telefonsex. 210 Die Frage, ob der Verletzte darüber hinaus den Verletzergewinn abschöpfen kann, ist von der Rechtsprechung bislang nicht beantwortet worden; vgl. dazu Schiechtriern in Heferrnehl-FS, S. 459 ("Soweit die deutsche Judikatur Bereicherungsansprüche wegen unbefugter Bildnisverwertung zu beurteilen gehabt hat, ist Gewinnabschöpfung nie ernstlich erwogen worden"). Sie wird an späterer Stelle ausführlich zu diskutieren sein; vgl. unten Dritter Teil, D.II.l.b).

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Jedoch unterliegt auch der bereicherungsrechtliche Ausgleichsanspruch zumindest teilweise den vom Bundesgerichtshof für den materiellen Schadensersatz entwickelten Einschränkungen. So hat die Rechtsprechung bislang noch in keinem Fall einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht für ausgleichsfähig befunden. Gegenstand der stattgebenden Entscheidungen waren - wie auch im Bereich des Schadensersatzrechts Verletzungen des Namensrechts2 11 oder des Rechtes am eigenen Bild2 12• Es ist daher davon auszugehen, dass die rechtswidrige Verwertung unbenannter Persönlichkeitsrechte grundsätzlich keinen Bereicherungsanspruch des Verletzten zu begründen vermag. Auf der Grundlage der oben geschilderten Argumentation des Bundesgerichtshofs erscheint dieses Ergebnis nur konsequent, denn wenn man das Diskretions-, Ehr- und Wahrheitsinteresse grundsätzlich als nicht kommerzialisiert und nicht kommerzialisierbar betrachtet, so wird man ihm schlechterdings auch keinen wirtschaftlichen Zuweisungsgehalt zusprechen können. Dessen Bejahung jedoch ist nach vorherrschender Ansicht Voraussetzung für die Zubilligung eines bereicherungsrechtlichen Anspruchs aus Eingriffskondiktion. 2 13 Im Ergebnis gilt also auch hier, dass Lizenzanalogie und Gewinnabschöpfung der gegenwärtigen Rechtsprechung zufolge nur in Fällen der Verletzung von Bild- und Namenrechten gewährt werden können. Ähnlich verhält es sich auch mit der zuvor erwähnten Anspruchsbeschränkung auf moralisch einwandfreie Verwertungsformen. Zwar soll unerheblich sein, ob der Verletzte einer entgeltlichen Verwertung des betroffenen Rechts im Einzelfall auch tatsächlich zugestimmt hätte. Sofern jedoch ein Lizenzvertrag prinzipiell nicht hätte zustande kommen können - wie dies bei "unmoralischen" Verwertungsformen mangels "Lizenzbereitschaft"214 des Betroffenen regelmäßig der Fall sein dürfte scheidet ein Bereicherungsanspruch nach Auffassung der Gerichte von vomherein aus. 215 Konkret ergibt sich also aus der gegenwärtigen Rechtsprechung, dass dem Betroffenen der bereicherungsrechtliche Ausgleichsanspruch gegenüber den besonders verletzungsintensiven - weil "unmoralischen" - Verwertungsformen von Bildnis und Namen jedenfalls nicht uneingeschränkt zur 211 BGHZ 81, S. 75 - Carrera; OLG Frankfurt/Main in NJW 1985, S. 1649 Firmenemblem; vgl. auch Errnan-Ehmann, Anh. zu § 12 Rn. 771 ; Wenzel, Rn. 14.8. 212 Vgl. BGHZ 20, S. 345 - Paul Dahlke; BGH in NJW 1979, S. 2205 - Fußballtorwart; BGH in NJW 1992, S. 2084 - Brillenwerbung; OLG München in NJW-RR 1996, S. 539- Telefonsex; vgl. auch Errnan-Ehmann, Anh. zu § 12 Rn. 771; Wenzel Rn. 14.8. 213 Errnan-Westennann, § 812 BGB Rn. 65 m.w.N.; MünchKomm-Lieb, § 812 BGB Rn. 204 ff. m. w. N.; Fikentscher, Schuldrecht, § 99 II I. a); StaudingerLorenz, § 812 BGB, Rn. 23m. w.N.; Soerge!-Mühl, § 81 2 BGB, Rn. 132 f . 214 Ullmann in AfP 1999, S. 209 (212). 215 Vgl. nur BGHZ 26, S. 349 (350)- Herrenreiter.

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Seite steht. Und isolierte Beeinträchtigungen des Ehr-, Anonymitäts-, Diskretions- und Wahrheitsinteresses werden von der Rechtsprechung grundsätzlich als nicht ausgleichsfähig angesehen. Im Ergebnis deckt sich der bereicherungsrechtliche Ausgleichs- also weitgehend mit dem schadensersatzrechtlichen Ersatzanspruch, soweit es um die Reaktion auf publizistische Verletzungshandlungen geht: Je intensiver die Verletzungshandlung, desto geringer deren monetäre SanktionierbarkeiL

3. Zusammenfassung und Ergebnis Als Ergebnis der vorangegangenen Untersuchung lässt sich nach allem formulieren: Bereicherungsrechtliche oder schadensersatzrechtliche Rechtsbehelfe stehen dem Betroffenen nach der gegenwärtigen Rechtsprechung allein gegenüber Bildrechts- und Namensrechtsverletzungen zu, und auch dort nur mit der Maßgabe, dass die konkrete Nutzungsform vom Betroffenen zumindest potentiell gebilligt wird und nicht gegen das allgemeine Moral- oder Anstandsgefühl verstößt. Und auf die Beeinträchtigung der üblicherweise (mit-)betroffenen unbenannten Persönlichkeitsrechte kann Schadensersatz- oder bereicherungsrechtlich überhaupt nicht reagiert werden; diese Ansprüche scheitern bereits daran, dass die Rechtsprechung insoweit den wirtschaftlichen Zuweisungsgehalt des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes (Bereicherungsausgleich) respektive dessen Qualität als vermögenswertes Ausschließlichkeitsrecht (Schadensersatz) verneint. Im Ergebnis bedeutet dies: Je intensiver der Dargestellte in seiner Persönlichkeit betroffen wird, desto geringer sind seine Möglichkeiten einer monetären Sanktionierung. Dem von Trivialer Personenberichterstattung Betroffenen gewährt die Rechtsprechung nach allem ein nur rudimentäres materielles Ersatz- und Ausgleichssystem; dieser ist damit in elementarer Weise auf ergänzenden monetären Rechtsschutz angewiesen. Diese Aufgabe kommt im gegenwärtigen System des äußerungsrechtlichen Persönlichkeitsschutzes dem immateriellen Schadensersatz zu, welchen die Gerichte in Form der "Geldentschädigung bei Persönlichkeitsverletzung" zusprechen.

111. Konkrete Leistungsfähigkeit des verfügbaren nicht-vermögensrechtlichen Instrumentariums ("Geldentschädigung bei Persönlichkeitsverletzung") Wie ausgeführt, bedarf es zur Absicherung der Persönlichkeit gegenüber den rechtswidrigen Formen der Trivialen Personenberichterstattung eines effektiven monetären Schutzinstruments. Nachdem materielle Schadensersatz- und Bereicherungsansprüche - in Ansehung der gegenwärtigen Recht-

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sprechung des Bundesgerichtshofs- gerade gegenüber den besonders verletzungsintensiven Beeinträchtigungen ausscheiden, muss diese Aufgabe allein vom immateriellen Schadensersatz, der Geldentschädigung bei Persönlichkeitsverletzung, geleistet werden. Es stellt sich allerdings die Frage, ob dieses Institut in seiner gegenwärtigen Gestalt überhaupt in der Lage ist, dieser anspruchsvollen Schutzverpflichtung in verfassungskonformer Weise zu entsprechen. Zur Beantwortung dieser Frage soll die Geldentschädigung bei Persönlichkeitsverletzung zunächst in ihrer historischen Entwicklung und in ihrer gegenwärtigen Gestalt skizziert werden. Hierbei wird insbesondere auf die dogmatischen Neuerungen einzugehen sein, die sich aus der jüngeren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ergeben haben ("Caroline von Monaco 1-111''). Daran anschließend soll der Rechtsbehelf auf seine Verfassungsgemäßheil hin überprüft werden. Besondere Berücksichtigung wird hierbei die Frage finden, inwieweit die Geldentschädigung bei Persönlichkeitsverletzung in ihrer rechtspraktischen Anwendung durch die Gerichte den ihr von Verfassungs wegen zugewiesenen Schutzauftrag mit hinreichender Effektivität umzusetzen vermag. 1. Entwicklungsgeschichte und rechtliche Gestalt der "Geldentschädigung bei Persönlichkeitsverletzung"

Der folgende Abschnitt soll einen Überblick über die rechtlichen Konturen der Geldentschädigung bei Persönlichkeitsverletzung vermitteln. 216 Insbesondere die jüngere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat hier für erhebliche Unklarheit gesorgt. Ausgehend von der gesetzlichen Ausgangslage (a)) wird daher die historische Entwicklung des Instituts durch den Bundesgerichtshof (b)) und dessen grundsätzliche Bestätigung durch das Bundesverfassungsgericht (c)) nachzuzeichnen sein. In diesen Rahmen sollen dann die vom Bundesgerichtshof mit der Carotine von MonacoRechtsprechung begründeten Neuerungen eingefügt werden (d)). Hierauf aufbauend kann schließlich das Institut der Geldentschädigung in seiner gegenwärtigen rechtlichen Gestalt zusammenfassend dargestellt werden (e)).

216 Vertiefende Darstellungen zur Entwicklung dieses Rechtsinstituts finden sich bei Gottwald, S. 200 ff.; Klass, S. 99 ff.; Wenzel, Rn. 14.82 ff.; MünchKommSchwerdtner, § 12 Rn. 285; Erman-Ehmann, Anh. zu § 12 Rn. 798 ff.; Stürner in AfP 1998, S. I ff.; Gounalakis in AfP 1998, S. 10 ff.; Steifen in NJW 1997, S. 10 f.; Seitz in NJW 1996, S. 2848; Prinz in NJW 1996, S. 953 ff.

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a) Die gesetzliche Ausgangslage

Seinem Wortlaut nach gewährt das Bürgerliche Gesetzbuch keinen inunateriellen Schadensersatz für die Verletzung von Persönlichkeitsrechten.Z 17 § 823 I BGB umfasst zwar als "sonstiges Recht" auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht, ermöglicht einen Ausgleich in Geld jedoch lediglich im Falle von materiellen Einbußen. § 847 BGB auf der anderen Seite gewährt zwar in Gestalt des Schmerzensgeldes grundsätzlich Ersatz für immaterielle Schäden, umfasst jedoch tatbestandlieh nur Gesundheits-, Freiheits- und Körperverletzungen, nicht hingegen Persönlichkeitsverletzungen. Doch fehlt es nicht nur an einer ausdrücklich anspruchsbegründenden Norm. Der Gesetzgeber hat weitergehend in § 253 BGB ein kategorisches Analogieverbot statuiert: Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann eine Geldentschädigung nur in den gesetzlich normierten Fällen - vor allem meint dies den § 847 BGB - verlangt werden. Diese Entscheidung des historischen Gesetzgebers, das Schmerzensgeld explizit auf einen eng begrenzten Katalog von Rechtsgütern zu beschränken, beruhte insbesondere auf drei Erwägungen. Zum einen sollte das Schadensersatzrecht mittels des in § 253 BGB statuierten Enumerationsprinzips konsequent auf den Schutz des Vermögens beschränkt werden. 218 Die Gewährung eines Ersatzes für Nichtvermögensschäden durch § 847 BGB steht insofern nicht im Gegensatz zu diesem Anliegen, als es sich - der Auffassung des historischen Gesetzgebers zufolge - in den dort benannten Fällen um Verletzungsformen handelt, die sehr wohl vermögensrechtliche Konsequenzen zeitigen können. Allein der zu befürchtende Vermögensschaden sei in diesen Fällen regelmäßig nicht konkret bezifferbar.Z 19 Wie Gottwald bemerkt, kam dem Schmerzensgeld damit die ursprüngliche Aufgabe zu, abstrakte Vermögensschäden in pauschalierter Weise auszugleichen.Z20 Daneben scheute sich der historische Gesetzgeber davor, dem Tatrichter eine "dem deutschen Recht fremde Souveränität" einzuräumen, indem dieser mit der Zubilligung nur schwer bezifferbarer, immaterieller Entschädigungsleistungen betraut würde. 221 Und schließlich kam für Fälle einer Verletzung von Ehre und Ruf hinzu, dass der historische Gesetzgeber davon ausging, es sei "nach allgemeiner Volksansicht [... ] nicht ehrenvoll, sich Beleidigungen durch Geld abkaufen zu lassen, und derjenige habe wenig Ehre zu verlieren, der die Verletzung 217 Zur Entstehungsgeschichte dieser restriktiven gesetzgebensehen Lösung vgl. ausführlich StolZ, GutA 45. DJT, Teil 1 S. 51 ff., 58 ff. 21 8 Gottwald, S. 215; Simon, S. 166. 219 So wurde angenommen, das Schmerzensgeld bei Körper- und Gesundheitsverletzungen solle einen Ausgleich dafür schaffen, dass dem Betroffenen die "Aussicht auf ein besseres Fortkommen" genommen sei; vgl. Mugdan, Motive Bd.2, S. 446 f. 220 Gottwald, S. 216. 22 1 Schwerdtner, Persönlichkeitsrecht, S. 261; Gottwald, S. 215.

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derselben durch eine Klage auf Geld zu reparieren sucht"222 . Eine Schmerzensgeldgewährung für Fälle der Persönlichkeitsverletzung - sei es auf gesetzlicher Grundlage, sei es im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung - sollte daher grundsätzlich ausgeschlossen sein. Über diese bewusste gesetzgebensehe Beschränkung setzt sich der Bundesgerichtshof - rechtspolitisch aus den bereits bezeichneten Gründen höchst verdienstvoll, rechtsdogmatisch gleichwohl in äußerst diskussionswürdiger Weise223 - seit der Entscheidung Herrenreite?24 vom 14. Februar 1958 in ständiger Rechtsprechung hinweg. b) Die Entwicklung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs - vom "Herrenreiter" zu den "Pariser Liebestropfen " In der Entscheidung Paul Dahlke225 vom 8.5.1956 freilich wurde dem klägerischen Schauspieler, dessen Bildnis als unfreiwillige Verkaufshilfe für einen Motorroller verwandt worden war, die Geltendmachung eines Schmerzensgeldanspruches unter Berufung auf die eindeutige Gesetzeslage noch versagt. Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes bemerkte dort lapidar: "Ein Schaden [... ], der nicht Vermögensschaden ist, kann nach geltendem Recht nicht zu einem Ersatzanspruch führen, weil hier keiner der Fälle vorliegt, in denen das Gesetz den Anspruch darauf erstreckt". 226

Keine zwei Jahre später jedoch hatte sich die Auffassung des I. Senats bereits entscheidend gewandelt. In der Herrenreiter-Entscheidung vom 14.2.1958227 - Streitgegenstand war hier die ungenehmigte werbliche Nutzung des Bildes eines bekannten Turnierreiters für ein als Potenzmittel bekanntes Präparat - erkannte der Senat dem Kläger unter ausdrücklicher Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung einen Anspruch auf Schmerzensgeld in analoger respektive extensiver Anwendung des § 847 BGB zu.Z28 Nachdem das Grundgesetz nunmehr einen umfassenden Schutz der Persönlichkeit in Form des allgemeinen Persönlichkeitsrechts garantiere229, würde Mugdan, Motive Bd.2, S. 1297. Diese Diskussion wird an späterer Stelle zu führen sein. Zunächst soll allein die richterrechtliche Herausbildung des Instituts und seine historische Entwicklung Gegenstand der Darstellung sein. 224 BGHZ 26, S. 349 - Herrenreiter. 22s BGHZ 20, S. 345 - Paul Dahlke. 226 BGHZ 20, S. 345 (352 f.)- Paul Dahlke. 227 BGHZ 26, S. 349 - Herrenreiter. Eine detaillierte Darstellung des Falles und seiner tatsächlichen Umstände findet sich bei Gottwald, S. 206 ff. 228 BGHZ 26, S. 349 (356 ff.) - Herrenreiter. 229 Als wegbereitende Entscheidung sei in diesem Zusammenhang auf BGHZ 13, S. 334 - Leserbrief hingewiesen. 222

223

22 Neben

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es eine unerträgliche Missachtung dieses Rechtes bedeuten, wenn man demjenigen, der - wie der Kläger - in der Freiheit der Selbstentschließung über seinen persönlichen Lebensbereich verletzt werde, einen Anspruch auf Ersatz des hierdurch hervorgerufenen immateriellen Schadens versagen wollte. Rechtsdogmatisch ergäbe sich dieser Anspruch aus einer Analogie zu § 847 BGB; es handele sich bei der erfolgten Beeinträchtigung des klägerischen Selbstbestimmungsrechts um eine Freiheitsberaubung im Geistigen, die der von § 847 BGB unmittelbar erfassten körperlichen Freiheitsberaubung vergleichbar sei. Wie in den explizit in § 847 BGB aufgeführten Fällen könne derjenige, in dessen Persönlichkeitsrecht widerrechtlich eingegriffen werde, daher eine billige Entschädigung in Geld verlangen. 230 Dieser Rechtsprechung schloss sich am 18.3.1959 mit der Entscheidung Caterina Valente 231 auch der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs an. Zwar wurde der dortigen Klägerin, mit deren Künstlernamen für ein Reinigungsmittel für Zahnprothesen geworben worden war, im konkreten Fall ein Schmerzensgeld nicht zugebilligt; diese hatte es schlicht versäumt, einen immateriellen Entschädigungsanspruch mit der genügenden Deutlichkeit geltend zu machen. Zweifel an der grundsätzlichen Existenz eines solchen Anspruchs ließ der Senat gleichwohl nicht aufkommen und billigte die vom I. Senat eingeleitete Entwicklung ohne Einschränkung. 232 Mit einem vergleichbaren Fall hatte sich wenig später auch der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs zu befassen. In der Ginseng-Entscheidung vom 19.9.1961 233 ging es erneut um die ungenehmigte werbliche Nutzung eines Persönlichkeitsattributs. Hier war ein Rechtsprofessor der juristischen Fakultät der Universität Gießen in einem Werbeprospekt als Experte für die gesundheits- und insbesondere potenzfördernde Wirkung der asiatischen Ginseng-Wurzel benannt worden. Der VI. Senat sah zwischen diesem und dem der Herrenreiter-Entscheidung zugrundeliegenden Fall deutliche Parallelen und billigte dem Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von DM 8.000,zu. Dieser werde in der Öffentlichkeit lächerlich gemacht, sein wissenschaftlicher Ruf sei gefährdet und ihm werde eine empfindliche Kränkung beigefügt. Zum Ausgleich hierfür sei ihm eine Genugtuungsleistung in Form einer Geldentschädigung zuzubilligen. Die Anspruchsgrundlage hierfür erblickte der VI. Senat jedoch nicht - in Abweichung von den vorherigen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs - in einer Analogie zu § 847 BGB. Vielmehr sah er die Gewährung immateriellen Geldersatzes als eine unmittelbar verfassungsrechtlich vorgegebene Notwendigkeit an: Die unter 230 231 232 233

BGHZ 26, S. 349 (356) - Herrenreiter. BGHZ 30, S. 7- Caterina Valente. BGH a.a.O., S. 17. BGHZ 35, S. 363- Ginseng.

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dem Einfluss des Grundgesetzes erfolgte Ausbildung des zivilrechtliehen Persönlichkeitsschutzes wäre lückenhaft und unzureichend, so die Argumentation des VI. Senates, wenn eine Verletzung des Persönlichkeitsrechtes keine der ideellen Beeinträchtigung adäquate Sanktion auslösen würde. 234 Im Gegensatz zu den vorangegangenen Entscheidungen des I. und des IV. Senates verzichtete der VI. Senat damit gänzlich auf den Anschein einer einfachgesetzlichen Verankerung eines solchen Anspruchs. Diese argumentative Wende befreite den immateriellen Ersatzanspruch zugleich aus dem dogmatischen Korsett des § 847 BGB und gab dem Senat damit die Möglichkeit, nicht nur die Herleitung, sondern auch die Konturen dieses nunmehr originär richterrechtlichen Konstrukts neu zu bestimmen. Diese Freiheit nutzte der Senat zu einer Reihe tatbestandlieber Einschränkungen. Zum einen sei der Anspruch, in Abweichung von der für § 847 BGB geltenden Dogmatik, nur dann begründet, wenn eine besonders intensive Verletzungshandlung vorliegt oder den Verletzer ein besonders schweres Verschulden trifft. Anderenfalls bestünde die Gefahr, dass bereits unbedeutende Verletzungen als willkommene Verdienstquelle ausgenutzt würden. Auch stehe bei dem ideellen Ausgleich von Persönlichkeitsverletzungen nicht der Gedanke des Ausgleichs, sondern derjenige der Genugtuung im Vordergrund. Eine solche sei aber nur dann erforderlich, wenn der Betroffene entweder eine besonders schwere Beeinträchtigung seiner Rechtsposition erlitten habe oder den Verletzer ein gesteigerter Schuldvorwurf treffe. Zum zweiten, wenngleich auch nur obiter dictum, fand mit der Entscheidung des VI. Senats der Subsidiaritätsgedanke Eingang in die Rechtsprechung des Bundesgerichtshojs?35 Die Zubilligung einer Geldentschädigung kommt der Argumentation des VI. Senats zufolge nur dann in Betracht, wenn ein anderweitiger Ausgleich der erlittenen Beeinträchtigung ausgeschlossen ist. Vorrangig sei der Betroffene auf den Weg der Naturalrestitution verwiesen; er müsse also zunächst versuchen, die erlittene Unbill im Wege des Widerrufs- oder Richtigstellungsverlangens auszugleichen. Erst wenn ihm dies unmöglich sei, können er eine immaterielle Geldentschädigung verlangen. Die nunmehr von drei Senaten getragene Anerkennung des immateriellen Geldentschädigungsanspruchs verfestigte der VI. Senat weiter mit der Entscheidung Doppelmörder vom 5.1.1962236 • Unter Hinweis auf die in der Ginseng-Entscheidung entwickelten Grundsätze billigte er dem Kläger, einem zu Unrecht mit einem Mordfall in Verbindung gebrachten Seemann, BGH a. a. 0 ., S. 368 f. BGH a. a. 0., S. 369: "Daher wird stets zu prüfen sein, ob es nach Art der Verletzung des Persönlichkeitsrechts erforderlich ist, dem Betroffenen, dessen Einbuße auf andere Art nicht auszugleichen ist, eine Genugtuung für die erlittene Unbill zuzusprechen." 236 BGH in NJW 1962, S. 1004 (1005)- Doppelmörder. 234 235

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aus Genugtuungsgründen eine Geldentschädigung in Höhe von DM 2.000,zu. Aus dogmatischer Sicht beachtenswert ist an dieser Entscheidung, dass der Bundesgerichtshof in seiner Urteilsbegründung ausdrücklich auf das gegen die rechtsfortbildende Anerkennung eines Geldentschädigungsanspruches gerichtete Argument eingeht, wonach das - in diesem Falle einschlägige - Kunsturhebergesetz die Haftungsfolgen einer Bildrechtsverletzung abschließend und endgültig geregelt habe, ohne jedoch einen immateriellen Ausgleichsanspruch vorzusehen. Der Bundesgerichtshof tritt dieser Argumentation mit der scharfen Bemerkung entgegen, diese verkenne die "Tragweite der Rechtsfortbildung, wie sie sich auf dem Gebiete des Persönlichkeitsschutzes unter dem Einfluss der Wertentscheidungen des [Grundgesetzes] vollzogen" habe. 237 Der VI. Senat machte hiermit erneut deutlich, dass er die rechtspolitische Begründung und die rechtsdogmatische Verankerung des neugeschaffenen Anspruches unmittelbar in der Verfassung sieht; ein Argumentationsgang, mit dem auch künftig (fast) allen dogmatischen Anfechtungen begegnet werden sollte. Die von der Zeitschrift STERN verbreitete, ehrverletzende Charakterisierung einer Fernsehansagerin des Sender Freies Berlin (SFB) als "ausgemolkene Ziege", bei deren Anblick den Zuschauern "die Milch sauer" werde, gab dem VI. Senat sodann erneut die Gelegenheit, sich auf die Zivilklage der betroffenen Ansagetin hin mit dem neugeschaffenen Institut zu befassen. In der Entscheidung Fernsehansagerin vom 5.3.1963 238 konkretisierte er die Voraussetzungen des immateriellen Schadensersatzes und hielt an seiner Rechtsprechung ausdrücklich "gegenüber den im Schrifttum erhobenen Angriffen" fest. 239 In einer Urteilsbegründung, die eher einer wissenschaftlichen Abhandlung denn einer Einzelfallentscheidung gleicht, setzt sich der Senat ausführlich mit den gegen die neue Rechtsprechung vorgebrachten Argumenten auseinander und rechtfertigt den mit der Ginseng-Entscheidung eingeschlagenen Weg. Unter Berufung auf "tiefgreifende technische und soziale Entwicklungen" seit lokrafttreten des BGB, aus denen "ganz neue, für den Gesetzgeber schlechthin unvorhersehbare Möglichkeiten einer Verletzung von Persönlichkeitsgütern" sowie besonders "nachhaltige Auswirkung[en] von Persönlichkeitsverletzungen" resultierten, sucht der Senat sein Hinwegsetzen über die Schranke des § 253 BGB zu legitimieren. Das Grundgesetz habe, so führt er aus, eine von der Konzeption des Gesetzgebers grundsätzlich abweichende Auffassung über den PriBGH a.a. O., S. 1005 re. Sp. BGHZ 39, S. 124- Fernsehansagerin. 239 Hervorzuheben sind hier die - teilweise scharf formulierten - Stellungnahmen von Larenz in NJW 1958, S. 827; Löffler in NJW 1962, S. 225; Löffler, GutA; Hartmann in NJW 1962, S. 12; Nörr in AcP 158 (1959), S. 1. Zum damaligen Stand der Diskussion vgl. ausführlich Gottwald, S. 253 ff. 237 238

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vatrechtsschutz ideeller Werte etabliert. Wolle man diese ernstnehmen, so müsse man jedenfalls für schwerwiegende Persönlichkeitsverletzungen einen immateriellen Ersatzanspruch anerkennen. Anderenfalls müsste der verfassungsrechtlich notwendige Schutz der Persönlichkeit "von vornherein verkümmer[n]". Eine Bedrohung der Pressefreiheit sei dadurch ausgeschlossen, dass der immaterielle Schadensersatzanspruch ausdrücklich auf schwerwiegende Übergriffe der Medien beschränkt werde; zudem sei kein Grund ersichtlich, "die Presse im Sinne einer einseitigen Privilegierung von ihrer privatrechtliehen Verantwortung zu entlasten". Vielmehr erfordere es "die Gerechtigkeit, dass [die Presse] demjenigen eine Genugtuung zahlt, dessen Persönlichkeitsrecht sie schuldhaft in tiefgreifender und sonst nicht behebbarer Weise beeinträchtigt hat. "240 Die höchstrichterliche Anerkennung eines unmittelbar verfassungsrechtlich gebotenen, immateriellen Ersatzanspruchs bei der Verletzung von Persönlichkeitsrechten stand damit endgültig außer Frage.241 Auch dessen Voraussetzungen waren nunmehr geklärt. Der Bundesgerichtshof fasste diese in der Soraya-Entscheidung vom 8.12.1964242 abschließend zusammen: "Der Senat hält an seiner Rechtsprechung fest, dass bei schweren Persönlichkeitsverletzungen eine Genugtuung gefordert werden kann, wenn nur so eine dem Angriff angemessene Wiedergutmachung des ideellen Schadens zu erreichen ist."243

Der VI. Senat nutzte diese Entscheidung zudem zu einer weitergehenden Konkretisierung der Anspruchsvoraussetzung des "schwerwiegenden Eingriffs". Anlass des Rechtsstreits war ein angebliches Exklusivinterview mit der geschiedenen Ehefrau des damaligen Schahs von Persien Soraya Esfandiary. Der beklagte Verlag hatte unter der Überschrift: "SORAYA - Der Schah schrieb mir nicht mehr" ein frei erfundenes Interview zu privaten Themen abgedruckt und mit einer Auflage von 900.000 Exemplaren verbreitet. Die Klägerin begehrte Genugtuung durch Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes. In seiner stattgebenden Begründung stellt der VI. Senat maßgeblich darauf ab, dass der Verlag "mit dem Hinwegsetzen über die Rechte der Klägerin und der Missachtung ihrer Person erwerbswirtschaftliche Ziele" verfolgt habe. 244 Hierin sei ein besonders schwerer EinBGH a.a.O., S. 131 ff. Damit soll keinesfalls gesagt werden, die Diskussion um dieses richterrechtliche Konstrukt sei abrupt verstummt. Der Bundesgerichtshof hatte jedoch spätestens mit der Fernsehansagerin-Entscheidung deutlich gemacht, dass er die grundsätzliche Kritik an dem Produkt seiner Rechtsschöpfung für nicht tragfähig erachtet. Die einzige Unsicherheit lag damit zu diesem Zeitpunkt in der noch ausstehenden Beurteilung der neuen Rechtsprechung durch das Bundesverfassungsgericht. 242 BGH in NJW 1965, S. 685- Soraya. 243 BGH a. a. 0., S. 686. 244 BGH a. a. 0 ., S. 686. 240

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griff in deren Persönlichkeitsrechte zu sehen. In dieser Entscheidung findet sich damit erstmalig der ausdrückliche Hinweis auf die kommerzielle Intention des Verletzers zur Begründung der besonderen Schwere des Eingriffs. Mit der Frage nach der Schwere der Persönlichkeitsverletzung befasste sich der VI. Senat danach erneut in der Entscheidung Gretna Green vom 26.1.1965 245 • Die reißecisehe Darstellung eines privaten Familiendramas in der Boulevardpresse stelle einen schweren, die Zubilligung einer Geldentschädigung rechtfertigenden Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen dar. Dies ergebe sich zum einen aus der herabwürdigenden und ehrkränkenden Art der Reportage, des weiteren aus dem Umfang ihrer Verbreitung sowie schließlich aus der Intention des beklagten Verlages, der sich allein in der Absicht des Gewinnstrebens über die Bitten der Familie um Schonung hinweggesetzt habe. 246 Dieser Kriterienkatalog wurde weiter ergänzt durch die Entscheidung Wo ist mein Kind? vom 25.5.1965 247• Hier war unter Namensnennung über einen Vater berichtet worden, der im Zusammenhang mit einem Ehestreit das gemeinsame Kind ohne Wissen der Mutter in einem Internat untergebracht hatte. Der Bundesgerichtshof verweigerte die Zubilligung einer Geldentschädigung mit der Begründung, ein hinreichend schwerer Eingriff in die Rechte des Vaters liege nicht vor. Zur Beurteilung dieser Frage stellte der Senat auf die durchaus billigenswerten Motive des beklagten Verlages, der darlegen konnte, dass er der Mutter in ihrer Suche habe helfen wollen, auf die konkrete Art der Berichterstattung, die vorliegend durch keinerlei "Entstellungen" des Sachverhaltes geprägt gewesen sei, und schließlich auf die Tatsache ab, dass dem Verlag zumindest kein "unlauteres Gewinnstreben" unterstellt werden könne. 248 Auch hier taucht also wieder - wenngleich unter umgekehrten Vorzeichen - der Gedanke des eingriffsintensivierenden Gewinnstrebens auf; ein Gedanke, auf den der Bundesgerichtshof später in seiner Carotine von Monaco-Rechtsprechung249 maßgeblich zurückgreifen sollte. Nachdem die Voraussetzungen und Grenzen des neuen Rechtsbehelfs nunmehr abgesteckt erschienen, führte die Entscheidung Mörder unter uns vom 12.10.1965250 noch einmal zu vorübergehender Verwirrung? 51 Der BGH in MDR 1965, S. 371 - Gretna Green. BGH a. a. 0., S. 372. 247 BGH in MDR 1965, S. 735- Wo ist mein Kind? 248 BGH a. a. 0. 249 Dazu unten Dritter Teil, C.lll.1.d). 250 BGH in MDR 1966, S. 137- Mörder unter uns. 251 In der Sache ging es hier um einen ehemaligen NS-Gauleiter, der in einem Gewerkschaftspamphlet zu Unrecht als unmittelbar oder mittelbar verantwortlich für die Verbrechen des Naziregimes herausgestellt worden war. 245

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VI. Senat spricht in dieser Entscheidung zwar zum erstenmal davon, der Betroffene könne "nach der ständigen Rechtsprechung" des Bundesgerichtshofs einen Ausgleich für seinen immateriellen Schaden verlangen. Verwundem muss jedoch die Begründung des Senates, dieser Anspruch sei "entsprechend der Regelung des§ 847 BGB" gegeben. 252 Ob hiermit eine Rückkehr zu der Argumentation des I. Senates in der Herrenreiter-Entscheidung beabsichtigt war, erscheint gleichwohl zweifelhaft. Denn zum einen wendet der Senat auch in dieser Entscheidung die spezifischen, mit § 847 BGB nicht zu vereinbarenden Anspruchsbeschränkungen auf das Geldentschädigungsverlangen des Klägers an. Und zum zweiten handelt es sich bei dieser Formulierung - soweit ersichtlich - um einen einmaligen Rückfall, denn bereits in der folgenden Entscheidung Spielgefährtin vom 7.1.1969253 findet der VI. Senat wieder zu seiner ursprünglichen Linie zurück und verzichtet - wie bereits in den vorangegangenen Entscheidungen- gänzlich auf eine Erwähnung des § 847 BGB. Gleichwohl dürfte sich aus dieser wohl nur beiläufigen Bemerkung eine fortdauernde Unschlüssigkeit auch des Bundesgerichtshofs über die tatsächliche dogmatische Verankerung des von ihm neugeschaffenen Anspruches herauslesen lassen.Z54 Dass eine grundsätzliche Infragestellung der bisherigen Linie keinesfalls gewollt war, ergibt sich schließlich mit aller Deutlichkeit aus der Entscheidung Pariser Liebestropfen vom 26.1.1971 255 , die zugleich den vorläufigen Abschluss der höchstrichterlichen Rechtsfortbildung darstellt. Wieder ging es um die einwilligungslose Verwendung eines Bildnisses zu Werbezwecken; beworben wurde wiederum ein Sexualpräparat. Der VI. Senat führt in seiner stattgebenden Urteilsbegründung aus, es entspreche mittlerweile "ständiger und gefestigter Rechtsprechung", dass derjenige, dessen Persönlichkeitsrecht in schwerer Weise schuldhaft verletzt worden ist, vom Schädiger einen Ausgleich in Geld für den erlittenen immateriellen Schaden verlangen kann, wenn sich die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend ausgleichen lässt.Z56 Ob die erforderliche Schwere des Eingriffs gegeben sei, so der erkennende Senat ergänzend, sei aufgrund der gesamten BGH a. a. 0. BGH in MDR 1969, S. 472 - Spielgefährtin. 254 Für eine gewisse Unschlüssigkeit spricht ebenfalls die Hochzeitsbild-Entscheidung des I. Zivilsenats vom 10.11.1961. Obgleich der VI. Senat in der wenige Monate zuvor ergangenen Ginseng-Entscheidung Abstand von der Analogie zu § 847 BGB genommen hatte, rekurrierte der I. Senat wiederum auf die ,.Freiheitsberaubung im Bereich der Willensentschließung" (vgl. BGH in GRUR 1962, S. 211 (213 li. Sp.)) und geht von einer Analogie zu § 847 BGB aus. Auf diese Widersprüchlichkeit wird an späterer Stelle einzugehen sein. 255 BGH in MDR 1971, S. 382- Pariser Liebestropfen. 256 BGH a. a. 0., S. 383. 252 253

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Umstände des Einzelfalles zu beurteilen. Im vorliegenden Fall seien die Intensität der erfolgten Ehrverletzung, die weite Verbreitung der streitgegenständlichen Anzeige, die eigennützige, gewerbliche Motivation des Verletzers und das Fehlen eines schutzwürdigen Informationsbedürfnisses an dem konkreten Bericht ausschlaggebend zu berücksichtigen, weswegen dem Anspruch der Klägerin stattzugeben sei. Mit diesem Urteil kam der Streit um die Rechtmäßigkeit des vom Bundesgerichtshof geschaffenen Instituts zunächst einmal zur Ruhe. Es konnte zum damaligen Zeitpunkt zum ersten Mal von einer tatsächlich gefestigten und ständigen Rechtsprechung des federführenden VI. Senates gesprochen werden. c) Verfassungsgerichtliche Bestätigung durch den "Soraya "-Beschluss

Was zum damaligen Zeitpunkt noch ausstand, war die verfassungsgerichtliche Beschäftigung mit der neuen höchstrichterlichen Rechtsprechung. Die - wie viele Kritiker meinten - Rechtsfortbildung contra legem hatte zwar eine Reihe von Verfassungsbeschwerden provoziert. Diese blieben jedoch jahrelang unbeschieden. 257 Es war schließlich die bereits zitierte Soraya-Entscheidung des Bundesgerichtshofs, die das Bundesverfassungsgericht zur grundsätzlichen Stellungnahme bewegte. Auf die Verfassungsbeschwerde des in allen drei Instanzen unterlegenen Verlages hin verwarf der Erste Senat mit Beschluss vom 14.2.1973 die gegen die SchmerzensgeldRechtsprechung des Bundesgerichtshof erhobenen Einwände und erklärte unmissverständlich, "dass gegen die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs [... ] verfassungsrechtliche Bedenken nicht zu erheben sind."258 Hierbei stützte sich das Bundesverfassungsgericht maßgeblich auf die Argumentationslinie, die bereits der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs anlässlich der Fernsehansagerin-Entscheidung zur Rechtfertigung seiner Rechtsprechung entwickelt hatte: Die Ausfüllung der gemeinhin als unerträglich empfundenen, durch §§ 847, 253 BGB begründeten Rechtsschutzlücke durch den Bundesgerichtshof sei aufgrund der diesbezüglichen gesetzgebensehen Untätigkeit259 zwingend erforderlich gewesen. Der Bundesgerichtshof habe sich vom geschriebenen Recht nur in dem "zur Rechtsverwirklichung im Vgl. Wenzel, Rn. 14.88; Klass, S. 101. BVerfGE 34, S. 269 (285)- Soraya. 259 Sowohl 1958/59 (sog. Schäffer'scher Entwurf) als auch 1967/68 (sog. Beinemann 'sehe Entwurf) waren entsprechende Gesetzesvorhaben zum Ausbau des zivilrechtlichen Persönlichkeitsschutzes von der Bundesregierung in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht worden. Beide scheiterten, jedoch ohne dass hieraus der Wille des Gesetzgebers erkennbar geworden wäre, es bei dem damaligen Rechtszustand zu belassen; vgl. BVerfGE 34, S. 269 (291 f.); Gottwald, S. 266 ff., 283 ff., 288 ff., 304 ff. 257 258

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konkreten Fall unerlässlichen Maß" entfernt. Insbesondere habe er das Gefüge des Schadensersatzrechts unberührt gelassen und lediglich den Katalog derjenigen Rechtsgüter erweitert, deren Verletzung einen immateriellen Ersatzanspruch auszulösen vermag. Diese Entscheidung sei durch die Verfassung, Art. 2 I i. V. m. Art. 1 I GG, als ius superveniens zwingend vorgegeben gewesen. Der Bundesgerichtshof habe also lediglich "Grundgedanken der von der Verfassung geprägten Rechtsordnung mit systemimmanenten Mitteln" weiterentwickelt.260. Unzweifelhaft sei zwar der Richter, so die Essenz der verfassungsgerichtlichen Diktion, an Gesetz und Recht gebunden. Der vom Bundesgerichtshof entwickelte Anspruch aber sei eben solches "Recht" im Sinne des Art. 20 III GG "- nicht als Gegensatz, sondern als Ergänzung und Weiterführung des geschriebenen Rechts." 261 Mit dieser Entscheidung verstummte die grundsätzliche Kritik an dem Institut der Geldentschädigung bei Persönlichkeitsverletzungen bis auf weiteres.262 Über mehr als 20 Jahre hinweg konnte sich der neue Rechtsbehelf etablieren und erstarkte zusehends zu einem selbstverständlichen und bedeutsamen Instrument im Arsenal des äußerungsrechtlichen Persönlichkeitsschutzes. Diese rechtstheoretische und rechtspraktische Normalität wurde erst - förmlich aus heiterem Himmel - am 15.11.1994 durch eine neuerliche Entscheidung des bis dahin in grundsätzlichen Fragen zur Geldentschädigung nicht mehr angerufenen VI. Zivilsenates jäh gestört. 263 Mit der Entscheidung Carotine von Monaco P64 entbrannte der Streit um dieses längst zum gesicherten Bestand des Zivilrechts zählende Institut erneut. d) Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs .. Carotine von Monaco /" der Beginn einerneuen Ära?

Die Parallelen in der Fallgestaltung zwischen diesem Rechtsstreit und dem Soraya-Fall, der etwa ein Vierteljahrhundert zuvor erst dem Bundesgerichtshof und dann dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegen BVerfGE 34, S. 269 (292). BVerfGE 34, S. 269 (291). 262 Vgl. Wenzel, Rn. 14.93; Klass, S. 101. 263 Freilich gab es auch nach 1971 eine Reihe von Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (sämtlich des VI. Zivi1senats), die zumindest auch die Gewährung einer Geldentschädigung zum Gegenstand hatten; vgl. nur BGH in AfP 1971, S. 132; BGH in MDR 1972, S. 505; BGH in AfP 1975, S. 756; BGH in NJW 1974, S. 1371; BGH in VersR 1975, S. 332; BGHZ 68, S. 331; BGH in JZ 1979, S. 351; BGH in NJW 1982, S. 635; BGH in NJW 1985, S. 1617; BGH in NJW 1986, S. 2502; BGH in NJW-RR 1988, S. 733. In keiner dieser Entscheidungen waren jedoch die grundsätzliche Existenz dieses Anspruchs Gegenstand der Auseinandersetzung. 264 BGHZ 128, S. 1 = BGH in NJW 1995, S. 861 - Caroline von Monaco I. 260

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hatte, sind frappierend. Anlass des Rechtsstreits war auch hier die Veröffentlichung eines rundheraus erfundenen, von einem freien Mitarbeiter an den beklagten Verlag verkauften Interviews. Das "Opfer" dieses journalistischen Fehltritts war die in der Welt der Regenbogenpresse wohl unumstrittene Nachfolgerio der Prinzessin Soraya Esfandiary, die monegassische Fürstentochter Carotine. Über sie hieß es auf der Titelseite der Zeitschrift BUNTE vom 19.3.1992: "Exklusiv- Caroline spricht zum 1. Mal- Von Traurigkeit, Hass auf die Welt, Glückssuche." Im Heftionern folgte dann ein vermeintliches Exklusivinterview, das eine Reihe privater Themen zum Gegenstand hatte. 265 Hier wie da war der Klage auf Geldentschädigung ein erfolgreiches Gegendarstellungs- bzw. Widerrufsbegehren der Betroffenen vorausgegangen, das jedoch nach Auffassung der entscheidenden Gerichte nicht ausreichte, um die erlittenen Beeinträchtigungen vollen Umfangs auszugleichen. Das Landgericht Harnburg billigte der Klägerin eine Geldentschädigung in Höhe von DM 30.000,- zu; das Hanseatische Oberlandesgericht bestätigte dieses Urteil. Der beklagte Verlag wandte sich mit seiner Revision gegen die Verurteilung zur Zahlung einer Geldentschädigung überhaupt; die Klägerin selbst begehrte ebenfalls im Revisionswege die Gewährung einer deutlich höheren Geldentschädigung. Der Bundesgerichtshof hob die Entscheidung, soweit sie die Geldentschädigung betraf, auf und verwies die Sache zurück an das Hanseatische Oberlandesgericht mit der Begründung, die zuerkannte Geldentschädigung sei zu niedrig bemessen worden. Die vom erkennenden Senat angestellten Erwägungen würden der Zweckbestimmung der Geldentschädigung nicht gerecht. Der Fall sei dadurch gekennzeichnet, dass der beklagte Verlag unter vorsätzlichem Rechtsbruch die Persönlichkeit der Klägerin als Mittel zur Auflagensteigerung und damit zur Verfolgung eigener kommerzieller Interessen eingesetzt habe. Ohne eine für die Beklagte fühlbare Geldentschädigung sei die Klägerin einer solchen rücksichtslosen Zwangskommerzialisierung ihrer Persönlichkeit weitgehend schutzlos ausgeliefert, da sie mittels Widerruf und Gegendarstellung in der vorliegenden Fallkonstellation nur einen unzureichenden Schutz erreichen könne. Bis hierher gleicht die Begründung des VI. Senats detailgetreu der aus der Soraya-Entscheidung bekannten Argumentationslinie266. Der Senat fahrt jedoch fort: "Eine Verurteilung zur Geldentschädigung ist aber nur dann geeignet, den aus dem Persönlichkeitsrecht gebotenen Präventionszweck zu erreichen, wenn die 265 Daneben wandte sich die Klägerin gegen zwei weitere Verletzungshandlungen desselben Verlages. Dieser hatte, ebenfalls in der BUNTEN, eine angeblich aus dem Familienalbum der Klägerin stammende Fotoaufnahme verbreitet sowie in der Zeitschrift GLÜCKSREVUE die unzutreffende Behauptung aufgestellt, die Klägerin beabsichtige, in kürze zu heiraten. 266 Vgl. BGH in NJW 1964, S. 685 (686)- Soraya.

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Entschädigung der Höhe nach ein Gegenstück auch dazu bildet, dass [... ] die Persönlichkeitsrechte zur Gewinnerzielung verletzt worden sind. Das heißt zwar nicht, dass in solchen Fällen rücksichtsloser Kommerzialisierung der Persönlichkeit eine ,Gewinnabschöpfung' vorzunehmen ist, wohl aber, dass die Erzielung von Gewinnen aus der Rechtsverletzung als Bemessungsfaktor in die Entscheidung über die Höhe der Geldentschädigung einzubeziehen ist. Von der Höhe der Geldentschädigung muss deshalb ein echter Hemmungseffekt auch für solche Vermarktung der Persönlichkeit ausgehen."267

Mit dieser Argumentation verbinden sich drei nicht zu unterschätzende Neuerungen sowohl rechtsdogmatischer wie auch rechtspraktischer Art. Zum einen begründet die Entscheidung des VI. Senats eine zumindest mittelbare Beziehung zwischen der Höhe der konkreten Geldentschädigung und dem kommerziellen Nutzen, den der Verletzer aus der Verletzungshandlung zieht. Zum zweiten ergänzt der VI. Senat die traditionellen Funktionszuweisungen der Geldentschädigung - Ausgleich und, mit besonderem Gewicht, Genugtuung268 - explizit um den Aspekt der Prävention?69 Und zum dritten schuf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs eine neue, selbständige Fallgruppe innerhalb der Persönlichkeitsrechtsprechung, die vom VI. Senat selbst mit dem Begriff der Zwangskommerzialisierung belegt wurde, und deren Beurteilung ganz offenbar eigenen Regeln folgen sol1. 270 Das Hanseatische Oberlandesgericht, das noch in seiner Berufungsentscheidung ausgeführt hatte, ein Präventionszweck käme der Geldentschädigung nicht bei, griff nunmehr die vom Bundesgerichtshof entwickelten Gedanken in seiner Entscheidung vom 25.7.199627 1 auf und sprach der Klägerin eine Entschädigung von insgesamt DM 180.000,- zu?72 Als erste und augenfälligste Konsequenz der Carotine von Monaco-Rechtsprechung erfolgte also eine merkliche Anhebung der Entschädigungssummen - bis BGH in NJW 1995, S. 861 (865 Ii. Sp.)- Caroline von Monaco I. Seit den Entscheidungen BGH GrZS in NJW 1955, S. 1675 = BGHZ 18, S. 149 sowie BGHZ 26, S. 349- Herrenreiter ist anerkannt, dass die Genugtuungsfunktion insbesondere beim Ausgleich von immateriellen Schäden, die durch die Verletzung von Persönlichkeitsrechten hervorgerufen werden, im Vordergrund steht; vgl. zuletzt BGH in AfP 1997, S. 700 - Ärztlicher Kunstfehler. 269 Dieser Gedanke findet sich zwar bereits in BGH in NJW 1985, S. 1617 (1619) - Nacktfoto sowie in BGH in NJW 1966, S. 2353 (2354) - Vor unserer eigenen Tür, ist jedoch dem Geldentschädigungsanspruch bis zur Caroline von Monaco-Entscheidung nicht als selbständige Funktion zugewiesen worden. 270 Vgl. BGH in NJW 1995, S. 861 (865)- Caroline von Monaco I; aufgegriffen vom OLG Harnburg in NJW 1996, S. 2870 (2872). 271 OLG Harnburg in NJW 1996, S. 2870 (2872 ff.). 272 Zu beachten ist zwar, dass der Entscheidung Caroline von Monaco I genaugenommen drei Einzelverletzungen zugrunde lagen. Das Hanseatische Oberlandesgericht stellte jedoch in seiner Begründung einen Zusammenhang zwischen ihnen her und sprach deshalb eine einheitliche Entschädigungssumme zu; vgl. OLG Harnburg a.a.O., S. 2872 re. Sp. 26?

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zum damaligen Zeitpunkt lag die höchste je zugesprochene Geldentschädigung bei DM 50.000,-.273 Die Reaktionen der Literatur auf diese offensichtliche Verschärfung der höchstrichterlichen Persönlichkeitsrechtsprechung gingen weit auseinander und erinnerten in ihrer Schärfe oftmals an die Stellungnahmen zur grundsätzlichen Anerkennung dieses Instituts mehr als 25 Jahre zuvor. Die Befürworter der Entscheidung verwiesen vornehmlich auf die rechtspolitische Notwendigkeit von Entschädigungssummen, denen auch tatsächlich eine abschreckende Wirkung beikommt. Die Verlage seien mit anderen Mitteln nicht davon abzuhalten, die Persönlichkeitswerte Einzelner planvoll zur eigenen Profitmehrung auszunutzen?74 Die Gegner hingegen kritisierten vor allem die vermeintliche Systemwidrigkeit des Präventionsgedankens im Zivilrecht und befürchteten als Folge der Entscheidung eine übermäßige Einschränkung der Pressefreiheit durch unkalkulierbar hohe Entschädigungssummen. 275 Der Bundesgerichtshof zeigte sich von diesen Anfechtungen unberührt. In drei Folgeentscheidungen bestätigte und präzisierte er seine Rechtsprechung. In der Entscheidung Caroline von Monaco 1/276, der die unwahre Behauptung zugrunde lag, die Klägerin sei an Brustkrebs erkrankt, betont der VI. Senat, dass bei der Bemessung der Geldentschädigung dem Präventionsgedanken besondere Bedeutung zukomme; dieser trete gegenüber dem Ausgleichsgedanken sogar in den Vordergrund?77 Diese Rechtsauffassung bekräftigte der VI. Senat in der am 05.12.1995 ergangenen Entscheidung betreffend den Sohn Caroline von Monacos 278 sowie in der Entscheidung Ärztlicher Kunstfehler vom 26.11.1996279• Die Instanzgerichte begannen 273 OLG Harnburg in Ufita 1972 (67), S. 271; BGH in NJW 1977, S. 1288 - Abgeordnetenbestechung. 274 Vgl. Pfeifer in JR 1996, S. 419 (420 ff.); Prinz in NJW 1995, S. 817 (820); Prinz in NJW 1996, S. 953 ff.; Steifen in ZRP 1996, S. 366 f.; Steifen in NJW 1997, S. 10 ff.; Seitz in NJW 1996, S. 2848 (2850). 275 Ehmann in JuS 1997, S. 193 (202); Barton in AfP 1995, S. 452 (456); Gounalakis in AfP 1998, S. 10 (14 ff.); Soehring in AfP 1997, S. 360 (372 f.). 276 BGH in NJW 1996, S. 984- Carotine von Monaco II. 277 BGH a. a. 0., S. 985. 278 BGH in NJW 1996, S. 985. Dieser Entscheidung lagen mehrere, den Sohn Caroline von Monacos betreffende Bildrechtsverletzungen zugrunde, für welche dieser u. a. eine angemessene Geldentschädigung verlangte. Der Bundesgerichtshof machte in seiner stattgebenden Urteilsbegründung deutlich, dass sich die notwendige Schwere der Beeinträchtigung auch aus der kommerziell motivierten Kumulation von Einzelrechtsverletzungen ergeben könne, die - jeweils für sich genommen diese Schwelle nicht überschreiten würden. Zudem führt er aus, dass ein Anspruch auf Geldentschädigung bei Bildrechtsverletzungen unter weniger strengen Voraussetzungen gegeben sei, da die Bildrechtsverletzung grundsätzlich auf andere Weise nicht ausgeglichen werden könne.

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ihrerseits unverzüglich, die vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätze zu implementieren. 280 Die Diskussion um die neue Gestalt des altbekannten Rechtsinstituts konnte gleichwohl bislang zu keinem befriedigenden Abschluss gebracht werden. Alte, längst beigelegt geglaubte Streitpunkte, wie beispielsweise die Frage nach der Zulässigkeit einer derart weitgehenden richterlichen Rechtsschöpfung sowie die damit verbundene Frage nach einer tragfähigen Anspruchsgrundlage des Instituts, sind wieder aufgebrochen und drängen mit neuer Virulenz auf dogmatisch überzeugende Antworten. Daneben hat die vom Bundesgerichtshof mit den Carofine-Entscheidungen vorgenommene Weiterentwicklung des Geldentschädigungsanspruchs neue Probleme aufgeworfen - ungeklärt ist bislang vor allem die Frage nach der Systemkonformität des nunmehr mit präventiver Wirkung ausgestatteten, zivilrechtlichen Rechtsbehelfs. Bevor sich der nun folgende Teil der Arbeit der Beantwortung dieser Fragen widmen kann, soll jedoch die heutige Gestalt des zu untersuchenden Anspruchs zusammenfassend skizziert und so der sich anschließenden Analyse zugänglich gemacht werden. e) Die gegenwärtige Struktur der Geldentschädigung bei Persönlichkeitsverletzung

aa) Anspruchsgrundlage Ausgangspunkt der dogmatischen Herleitung der Geldentschädigung bei Persönlichkeitsverletzungen stellte zunächst die immateriellen Schadensersatz gewährende Norm des § 847 BGB dar. In der Herrenreiter-Entscheidung führte der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs aus, die Verwertung einer Personenaufnahme zu Werbezwecken gegen den Willen des Betroffenen käme einer "Freiheitsberaubung im Geistigen" gleich, so dass § 847 BGB im Wege der extensiven Normauslegung als unmittelbare AnspruchsBGH in AfP 1997, S. 700 (703)- Ärztlicher Kunstfehler. Vgl. LG Berlin in NJW-RR 1998, S. 316, wenngleich mit einer deutlichen Beschränkung des Präventionsgedankens auf bewusste und zielgerichtete Rechtsverletzungen; LG Ansbach in NJW-RR 1997, S. 978 - Kinderschänder; OLG Hamm in AfP 1998, S. 304 (305)- Nacktfoto II; OLG Koblenz in NJW 1997, S. 1375 (1376) - Schweigen der Hirten; OLG Saarbrücken in NJW 1997, S. 1376 - Rotlichtfürst; LG Berlin in NJW 1997, S. 1373 (1375) - Gierigster Lehrer; OLG München in NJW-RR 1996, S. 1365 (1367) - Scientology-Anwalt; OLG Harnburg in NJW 1996, S. 2870 (2872 ff.) - Caroline von Monaco; OLG Bremen in NJW 1996, S. 1000 (1001) - Willi Lemke; LG Krefeld in NJW-RR 1996, S. 984 (985 f.); OLG Harnburg in NJW-RR 1996, S. 90 (91 f.); AG Berlin-Mitte in AfP 1996, S. 188 Fußballergehalt; OLG Harnm in NJW-RR 1995, S. 1114 (1115) - Charakterschwein; OLG München in NJW-RR 1996, S. 539 (541)- Telefonsex. 279 280

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3. Teil: Rechtsschutz gegenüber Trivialer Personenberichterstattung

grundlage in Betracht komme. 281 Jedenfalls aber - der Bundesgerichtshof stützte sich zur Absicherung der eigenen Position auf zwei parallele Argumentationslinien - lasse sich die gewünschte Rechtsfolge aus einer analogen Anwendung des § 847 BGB herleiten. 282 Mit der Ginseng-Entscheidung des VI. Senats löste sich der Bundesgerichtshof jedoch von diesem Begründungsmuster.283 Zum zentralen Anknüpfungspunkt wurde nunmehr die verfassungsrechtliche Vorgabe des Art. 1 I i. V. m. Art. 2 I GG, der vom Bundesgerichtshof bereits mit der Leserbrief-Entscheidung284 unmittelbare zivilrechtliche Bedeutung zuerkannt worden war?85 Unklar blieb allerdings, ob die Berufung auf die Verfassung allein zur Ausschaltung des Analogieverbots des § 253 BGB dienen sollte, oder ob der Bundesgerichtshof in der Geldentschädigung bei Persönlichkeitsverletzungen einen gänzlich vom geschriebenen Recht gelösten, unmittelbar auf die Verfassung zurückgehenden Anspruch erblickte. Für eine Fortgeltung des Analogiegedankens sprach zwar die Formulierung des VI. Senats in der wenig später ergangenen Entscheidung Mörder unter uns?86 Der dort geltend gemachte Entschädigungsanspruch sei "entsprechend der Regelung des § 847 BGB" gegeben, führte der Senat aus. Ob sich hinter diesem Nebensatz eine dogmatische Absicht des Bundesgerichtshofs verbarg, erscheint allerdings höchst fraglich; man wird wohl mit Recht von einem terminologischen Fehlgriff ausgehen können. 287 Sämtliche hiermit verbundenen Spekulationen sind jedoch spätestens seit den Carotine-Entscheidungen hinfällig. In der Ausgangsentscheidung Carotine von Monaco P88 heißt es zur Frage der Anspruchsgrundlage, bei der Geldentschädigung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts handele es sich nicht um ein Schmerzensgeld nach § 847 BGB, sondern um einen Rechtsbehelf, der unmittelbar auf den Schutzauftrag aus Art.1 und Art. 2 GG zurückgehe.289 Noch deutlicher formuliert der Bundesgerichtshof in der Anschlussentscheidung Carotine von Monaco l/290: Das Bundesverfassungsgericht habe in der Soraya-Entscheidung die rechtliche Grundlage für den Geldentschädigungsanspruch in Art. 1 und Art. 2 GG erblickt; in Parallele hierzu leite der Bundesgerichtshof diesen Anspruch nunmehr aus § 823 BGB i. V. m. Art. 1 und Art. 2 GG BGHZ 26, S. 349 (356) - Herrenreiter. BGH a. a. 0. 283 BGHZ 35, S. 363 - Ginseng. 284 BGHZ 13, S. 334- Leserbrief. 285 BGHZ 35, S. 363 (367 f.).- Ginseng. 286 BGH in MDR 1966, S. 137- Mörder unter uns. 287 Dazu oben Dritter Teil, C.III.l.b). 288 BGH in NJW 1995, S. 861 - Caroline von Monaco I. 289 BGH a. a. 0., S. 864 unter Hinweis auf BVerfGE 34, S. 269 (282/292) Soraya. 290 BGH in NJW 1996, S. 984 (985)- Caroline von Monaco li. 281 282

C. Publizistische Persönlichkeitsverletzung und monetäre Sanktion

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her.Z91 Die dogmatische Gestalt des Anspruchs ist damit eindeutig. Es handelt sich nach Auffassung des Bundesgerichtshofs um ein richterrechtlich begründetes Institut, dessen Entwicklung in Wahrnehmung der staatlichen Schutzverpflichtung gegenüber der menschlichen Persönlichkeit erfolgt ist. Zum Schmerzensgeld des § 847 BGB weist dieses Institut keine unmittelbare oder mittelbare Verbindung mehr auf.Z92 Die Geldentschädigung bei Persönlichkeitsverletzung wird vielmehr als verfassungs-privatrechtlicher Entschädigungsanspruch eigener Art angesehen. 293 bb) Anspruchsvoraussetzungen Aus der tatbestandliehen Verselbständigung der Geldentschädigung, die vom Bundesgerichtshof nunmehr endgültig vollzogen wurde, resultieren zugleich eigenständige Anspruchsvoraussetzungen, über die heute weitgehende Einigkeit besteht. So bedarf es zunächst einer schweren Persönlichkeitsverletzung; geringfügige Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht vermögen keinen Entschädigungsanspruch auszulösen. 294 Zu berücksichtigende Kriterien sind hier Art und Intensität des Eingriffs, der Anlass der Verletzungshandlung, der Beweggrund des Handelnden sowie dessen Verschuldensgrad295. Die besondere Schwere des Eingriffs kann sich schließlich, dies hat der Bundesgerichtshof ausdrücklich in seiner Entscheidung vom 12.12.1995 betreffend den Sohn Caroline von Monacoi 96 ausgesprochen, auch aus einer wiederholten und hartnäckigen Verletzung eines Persönlichkeitsrechts ergeben, auch wenn die Einzelverletzung für sich genommen die notwendige Intensität nicht erreicht (Kumulationsgedanke). Die anspruchsWortgleich auch BGH in NJW 1996, S. 985 (987). Dies macht der Bundesgerichtshof in der Entscheidung Carotine von Monaco II/ unmissverständlich klar, indem er formuliert: "Das Ber.Ger. verfehlt indes den entscheidenden rechtlichen Ansatzpunkt, wenn es sich für die Bestimmung der Höhe dieser Geldentschädigung an den in BGHZ 18, 149 ff. [... ] für die Schmerzensgeldbemessung entwickelten Grundsätzen der Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion orientiert"; BGH in NJW 1996, S. 985 - Caroline von Monaco II. 293 So zuletzt BGH in NJW 2000, S. 2195 (2197): "[ein] Rechtsbehelf, der unmittelbar auf den Schutzauftrag aus Art. 1 und 2 I GG zurückgeht". 294 BGHZ 35, S. 363 (368) -Ginseng; BGH in NJW 1985, S. 1617 (1619)Nacktfoto; BGH in NJW 1995, S. 861 (864)- Caroline von Monaco I. Ausführlich zum Erfordernis der Schwere der Persönlichkeitsverletzung Klass, S. 102 ff.; Wenzel, Rn. 14.96 ff. 295 Nicht ganz eindeutig ist, ob der Verschuldeosgrad ein selbständiges Kriterium darstellt oder ob er in die Prüfung der Eingriffsintensität einzuordnen ist. In jüngeren Entscheidungen scheint der BGH jedoch letzterem zuzuneigen; vgl. BGH in NJW 1985, S. 1617 (1619) - Nacktfoto; BGH in NJW 1995, S. 861 (864 m. w.N.) - Caroline von Monaco I. 296 BGH in NJW 1996, S. 985. 29 1 292

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3. Teil: Rechtsschutz gegenüber Trivialer Personenberichterstattung

begründende Eingriffsintensität kann schließlich auch daraus resultieren, dass sich der Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Dargestellten als Fall der "rücksichtslosen Zwangskommerzialisierung der Persönlichkeit"297 darstellt, die Persönlichkeit des Betroffenen also förmlich zum Objekt wirtschaftlicher Verwertung herabgewürdigt wird. Sodann muss der Verletzer überhaupt schuldhaft und rechtswidrig gehandelt haben298 , wobei dieses Kriterium nicht mehr als eine schadensersatzrechtliche Selbstverständlichkeit darstellt. Zur Begründung eines Entschädigungsanspruchs kann dabei auch schon leichte Fahrlässigkeit genügen, sofern die Schwere der Verletzung im übrigen die Zubilligung einer Entschädigung als geboten erscheinen lässt. Aus dem Subsidiärcharakter der Geldentschädigung folgt weiterhin, dass ein solcher Anspruch nur dann besteht, wenn die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise - also insbesondere durch Widerruf oder Gegendarstellung - befriedigend aufgefangen werden kann.Z99 Ob daneben ein unabwendbares Bedürfnis für die Gewährung einer Geldentschädigung festgestellt werden muss, wird uneinheitlich beurteilt. 300 Dies kann jedoch in praktischer Hinsicht dahinstehen, da dieses Kriterium regelmäßig in der Prüfung der Schwere der Rechtsverletzung aufgeht. In neueren Entscheidungen wird auf diese Anspruchsbeschränkung daher mit Recht verzichtet. cc) Funktionszuweisungen Die Funktionszuweisung der Geldentschädigung, die sich insbesondere auf die Bemessung der Entschädigungssumme auswirkt, ist nach heutigem Verständnis dreigeteilt. So soll das Institut zunächst dem Ausgleich der erlittenen immateriellen Schäden dienen. Es ist jedoch evident, dass der Ausgleich immaterieller Schäden in Geld nur schwerlich zu bewerkstelligen ist. Bereits in der Entscheidung des Großen Senates in Zivilsachen (GrZS) des Bundesgerichtshofs zu § 847 BGB aus dem Jahre 1955301 -der magna charta des Schmerzensgeldrechts - heißt es deshalb, das Schmerzensgeld solle dem Geschädigten zwar einen angemessenen Ausgleich für diejenigen Schäden bieten, die nichtvermögensrechtlicher Art sind. Da es sich jedoch um die Verletzung von solchen Gütern handele, die nicht in Geld messbar BGH in NJW 1995, S. 861 (864 f.)- Caroline von Monaco I. Grundsätzlich lässt der Bundesgerichtshof auch fahrlässiges Verhalten genügen; vgl. BGH in NJW 1965, S. 904 (905) -Dreckschleuder; BGH in NJW 1977, S. 626 (628) -Editorial. 299 BGH in NJW 1996, S. 985 (986). Ausführlich zum Subsidiaritätsgrundsatz Klass, S. 106 ff.; Wenzel, Rn. 14.113 ff. 300 Dafür spricht sich vor allem Wenzel aus; vgl. Wenzel, Rn. 14.120. 301 BGH GrZS in BGHZ 18, S. 144 = NJW 1955, S. 1675. 297 298

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seien, könne die Summe, die zur Wiederherstellung erforderlich ist, niemals rein rechnerisch bestimmt werden. Diese Erkenntnis gilt auch und gerade für die Verletzung von Persönlichkeitsrechten. Es ist deshalb anerkannt, dass dem Restitutionsgedanke im Rahmen der Geldentschädigung nur eine untergeordnete Funktion zukommt?02 In den Mittelpunkt der Geldentschädigung rückte deshalb für lange Zeit die Kompensationsfunktion: Dem Opfer soll ein adäquater Ausgleich für die erlittene seelische Beeinträchtigung gewährt, und gleichzeitig soll es besänftigt und sein Vertrauen in die Rechtsordnung wiederhergestellt werden. 303 Die Geldentschädigung zielte damit zunächst maßgeblich auf die Genugtuung des Opfers ab. Mit der Entscheidung Carotine von Monaco I allerdings erlebte dann der Präventionsgedanke als dritte Funktionszuweisung eine Renaissance. 304 Nunmehr soll die Geldentschädigung neben der Genugtuung des Opfers auch die Verhinderung weiterer Verletzungshandlungen zum Gegenstand haben. 305 Das Verhältnis der beiden Hauptfunktionen zueinander ist ungeklärt. Die zumindest historische Anhindung des Geldentschädigungsanspruchs an das Schadenersatzrecht spricht jedoch nach wie vor für ein Überwiegen der Genugtuungskomponente. Dementsprechend formuliert auch der Bundesgerichtshof, bei der Geldentschädigung wegen Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts stehe "der Gesichtspunkt der Genugtuung des Opfers im Vordergrund. Außerdem soll er der Prävention dienen. " 306 dd) Bemessungskriterien Aus diesem Dreiklang der Funktionen ergeben sich unmittelbar die für die Zubilligung der Geldentschädigung heranzuziehenden Bemessungskriterien. Aus Restitutionsgründen wird auf die Verletzungswirkung beim Opfer abgestellt, auf die Intensität der erlittenen immateriellen Beeinträchtigung und die daraus resultierenden (immateriellen) Folgen. Kompensatorische Kriterien sind demgegenüber sowohl opfer- als auch täterbezogen: Auch hier ist die Intensität der Verletzung zugrunde zu legen, da die notwendige 302 BGHZ 35, S. 363 (369); BGHZ 39, S. 124 (133); zuletzt BGH in NJW 1996, S. 984 (985)- Caroline von Monaco Il. 303 Vgl. Staudinger-Schäfer, § 847 Rn. 8; Stoll, GutA 45. DJT, S. 149. 304 Der Präventionsgedanke tauchte bereits in der Entscheidung BGH in NJW 1985, S. 1617 (1619)- Nacktfoto sowie sogar schon in BGH in NJW 1966, S. 2353 (2354) - Vor unserer eigenen Tür auf (" ...einem Missbrauch des leichter verletzten Persönlichkeitsrechts vorzubeugen..."), war jedoch bis zu den Carotine-Entscheidungen nie explizit in den Kanon der Funktionszuweisungen aufgenommen worden. 305 Vgl. nur BGH in NJW 1995, S. 861 (865)- Caroline von Monaco I; BGH in NJW 1996, S. 984 (985) - Caroline von Monaco li; BGH in NJW 1996, S. 985 (987); OLG Karlsruhe in AfP 1998, S. 639 (640). 306 BGH in NJW 1996, S. 985 (987). 23 Neben

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Genugtuungsleistung ihr angemessen sein muss. Daneben ist auf den Verschuldensgrad des Verletzers abzustellen, auf dessen vor- und nachtatliebes Verhalten und dessen Solvenz307. Unklar ist bislang jedoch, welche Bemessungskriterien sich aus der Präventionsfunktion der Geldentschädigung ergeben. Prinz schlägt in diesem Zusammenhang vor, die Verletzerintention, eine möglicherweise bestehende Wiederholungsgefahr sowie die aus dem rechtswidrigen Eingriff resultierenden Verletzergewinne zu berücksichtigen?08 In der bisherigen Rechtsprechungspraxis finden sich diese Kriterien jedoch nur teilweise wieder. So stellen die Gerichte sehr wohl auf die Verletzerintention und die damit verbundene Gefahr einer erneuten Rechtsverletzung ab. 309 Die Verletzergewinne selbst sollen jedoch nach Auffassung des Bundesgerichtshofs und der Instanzgerichte gerade nicht unmittelbar in die Bemessung der Geldentschädigung einfließen. Allein der Umstand der Gewinnerzielungsabsicht, so formuliert es der Bundesgerichtshof in der Entscheidung Caroline von Monaco I, soll zu einer - nicht näher quantifizierten - Erhöhung der Entschädigungsbeträge führen ("Präventionsaufschlag"). Eine gesonderte Ausweisung der sich aus den jeweiligen Einzelfunktionen ergebenden Beträge lehnt die Rechtsprechung seit jeher ab? 10 ee) Entschädigungssummen Hinsichtlich der ausgeurteilten Entschädigungssummen lässt sich - nach wie vor - ein äußerst inflexibler Rahmen ausmachen, der im unteren Bereich bei DM 500,-311 , im oberen Bereich bei DM 75.000,-312 liegt. Die im Falle Caroline von Monaco I vom Hanseatischen Oberlandesgericht zugesprochenen DM 180.000,- fallen insofern nicht aus diesem Rahmen, als es sich in dieser Entscheidung um drei Einzelverletzungen handelte, von denen - zumindest rechnerisch - jede einzelne mit DM 60.000,- zu bewerten sein dürfte. Eine deutliche Anhebung der Entschädigungssummen ist daher nach wie vor nicht zu konstatieren.

Vgl. BGHZ 18, S. 149 (159 f.); BGH in NJW 1993, S. 1531; Prinz in NJW s. 953 (955). 308 Prinz in NJW 1996, S. 953 (955 f.). 309 Vgl. beispielsweise BGH in NJW 1995, S. 861 (865)- Caroline von Monaco 1: "rücksichtslose Zwangskommerzialisierung", "Verletzung der Persönlichkeitsrechte der Klägerin zum Zwecke der Gewinnerzielung", "Notwendigkeit eines echten Hemmungseffekts" (Hervorh. d. d. Verf.). 310 Grundlegend hierzu BGH in VersR 1961, S. 164. 311 AG Kaufheuren in AfP 1988, S. 273. 312 LG Ansbach in NJW-RR 1997, S. 978. 307

1996,

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2. Verfassungsrechtliche Überprüfung der "Geldentschädigung bei Persönlichkeitsverletzung" und Kritik

Der Geldentschädigung bei Persönlichkeitsverletzung ist im Zusammenspiel des äußerungsrechtlichen Persönlichkeitsschutzes eine bedeutsame Aufgabe zugewiesen. Als vielfach einzig verfügbares Abwehrinstrument muss sie die von Verfassungs wegen zu schützenden Persönlichkeitsinteressen des Einzelnen gegenüber den in Umfang und Intensität deutlich zunehmenden publizistischen Verwertungsformen wirkungsvoll absichern und verteidigen. Dies ist die erste und zugleich wesentlichste Anforderung, die von der Verfassung an dieses Rechtsinstitut gestellt wird. Zugleich formuliert die Verfassung aber auch beschränkende, negative Vorgaben. Diese resultieren aus dem Umstand, dass sich die Gewährung eines immateriellen Entschädigungsanspruchs bei massenmedialen Persönlichkeitsverletzungen regelmäßig als Eingriff in die kollidierenden Grundrechtspositionen der betroffenen Verlage und Veranstalter darstellt, und das Institut daher selbstverständlich - den allgemeinen Rechtmäßigkeitserfordemissen genügen muss, um als grundrechtsbeschränkende Norm rechtlichen Bestand beanspruchen zu können. Der verfassungsrechtlichen Überprüfung der Geldentschädigung bei Persönlichkeitsverletzungen in ihrem heutigen Erscheinungsbild dient der nun folgende Abschnitt. Hierbei stellen sich folgende Fragen: Erweist sich die von der Rechtsprechung herangezogene Anspruchsgrundlage aus verfassungsrechtlicher Sicht als tragfähig? Genügt das Institut in seiner heutigen Gestalt dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot? Verwischt die ausdrückliche Zuweisung einer Präventivfunktion die Trennung von zivil- und strafrechtlichen Sanktionen und liegt in der Gewährung präventiver Entschädigungen möglicherweise ein Verstoß gegen den Grundsatz nulla poena sine lege? Und schließlich, als zentraler Aspekt der vorliegenden Untersuchung, die Frage: Vermag die Geldentschädigung bei Persönlichkeitsverletzung dem verfassungsrechtlichen Schutzauftrag zu entsprechen und ist sie in ihrer heutigen Gestalt - in der Lage, einen hinreichend effektiven Präventivschutz gegenüber unrechtmäßiger Personenberichterstattung zu gewährleisten? a) Zur Frage der Anspruchsgrundlage

Der zentrale Ansatzpunkt verfassungsrechtlicher Kritik an dem Institut der Geldentschädigung war und ist die Frage nach dessen positiv-rechtlicher Verankerung. Die Rechtsprechung selbst hat diesbezüglich - wie oben ausgeführt - im Laufe der Jahre einen deutlichen Begründungswandel voll23*

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zogen. 313 Im Folgenden wird zu prüfen sein, ob der gegenwärtig gewählte Begründungsansatz sich aus verfassungsrechtlicher Sicht als tragfähig erweist, oder ob zur rechtlichen Verankerung des Instituts alternative Anspruchsgrundlagen notwendig und ggf. verfügbar sind. aa) Die Geldentschädigung als verfassungsunmittelbarer Anspruch In seiner neueren Rechtsprechung stützt der Bundesgerichtshof die Gewährung von Geldentschädigungen ausdrücklich auf § 823 I BGB i. V.m. Art. 1 I, 2 I GG. 314 So konkret diese Benennung einer Anspruchsgrundlage auch zu sein scheint, so wenig eindeutig ist die Aussage des VI. Senates bei näherer Betrachtung. Eindeutig ist nur, dass der Bundesgerichtshof offensichtlich auf eine gesetzliche, d. h. dem geschriebenen Recht zu entnehmende Anspruchsgrundlage rekurriert. Die angeführte Verbindung von Verfassungs- und einfachem Zivilrecht315 erscheint indes rätselhaft. Aus welcher der beiden vom Bundesgerichtshof herangezogenen Normen, so die sich aufdrängende Frage, soll sich die begehrte Rechtsfolge konkret ergeben? Aus § 823 I BGB selbst lässt sie sich unzweifelhaft nicht ziehen, denn der in § 823 BGB statuierte, deliktische Anspruch gewährt Ersatz allein für Vermögensschäden, nicht hingegen für immaterielle Einbußen? 16 Der Benennung des § 823 I BGB kann damit Bedeutung nur auf Tatbestandsebene beikommen: Der Bundesgerichtshof macht deutlich, dass der Anspruch auf Geldentschädigung durch die Verletzung des zivilrechtliehen allgemeinen Persönlichkeitsrechts - das ja als "sonstiges Recht" in § 823 I BGB verwurzelt ist - ausgelöst wird. Für die Rechtsfolgenebene hingegen gibt die Benennung von § 823 I BGB nichts her. Nimmt man den Bundesgerichtshof beim Wort, so muss die begehrte Rechtsfolge - die Gewährung einer immateriellen Entschädigung bei schweren Persönlichkeitsverletzungen - sich also unmittelbar aus der Verfassung ergeben, Art. 2 I i. V. m. Art. 1 I GG. Anders lässt sich die vom VI. Senat angeführte Normenkette schlechterdings nicht interpretieren? 17 Dazu oben Dritter Teil, C.III.l.e)aa). BGH in NJW 1996, S. 984 (985)- Carotine von Monaco li. Vgl. zur aktuellen Diskussion um die Frage nach der Anspruchsgrundlage der Geldentschädigung auch die Beiträge von Nolte, Knies, Gounalakis, Stümer, Lange, Rüther, Eberle sowie Wulf anlässtich der 82. Tagung des Studienkreises für Presserecht und Pressefreiheit in Frankfurt am Main 1997, abgedr. in AfP 1998, S. 46 (47 f.). 315 Gounalakis bezeichnet die Geldentschädigung daher zu Recht als "verfassungsprivatrechtlichen Anspruch eigener Art"; Gounalakis in AfP 1998, S. 10 (13). 316 Vgl. Erman-Drees (7. Auflage1981), vor § 823 Rn. 50, 53. 317 In zunehmendem Maße folgen auch die Instanzgerichte diesem Ansatz; vgl. nur LG Ansbach in NJW-RR 1997, S. 978 (979)- Kinderschänder, demzufolge die Geldentschädigung "unmittelbar auf Art. 1, 21 GG zurückgeht". 313 314

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Diese Konstruktion jedoch erscheint verfassungsdogmatisch höchst bedenklich. Sie hätte zwar den Vorteil, dass die ebenfalls nicht unproblematische Umgehung des § 253 BGB entfiele: Betrachtete man Art. 2 I i. V. m. Art. 1 I GG als unmittelbare Anspruchsgrundlage für einen immateriellen Entschädigungsanspruch, so beruhte dieser unzweifelhaft auf einem "Gesetz" i. S. v. § 253 BGB; ein Hinwegsetzen über das dort statuierte Analogieverbot würde damit entbehrlich? 18 Wie Schwerdtner zutreffend bemerkt, führte eine solche Instrumentalisierung der Verfassung jedoch zu einer bedrohlichen Zementierung des Zivilrechts. 319 Zivilgesetzgeber und Zivilrechtsprechung wären ihrer Fähigkeit beraubt, die verfassungsrechtlichen Rahmenvorgaben mit den ihnen zustehenden Möglichkeiten und unter Inanspruchnahme des ihnen von Verfassungs wegen zugebilligten Ermessensspielraums umzusetzen. Hiermit aber ginge ein - besonders im Persönlichkeitsschutz - unverzichtbares Stück Flexibilität verloren. Es liefe zudem dem ganz überwiegenden Verfassungsverständnis zuwider, die Grundrechte als unmittelbare Anspruchsgrundlagen im Verhältnis der Bürger untereinander zu interpretieren. Wie bereits oben ausgeführt, ist eine unmittelbare Drittwirkung der Grundrechte abzulehnen. 320 Wenn die Grundrechte jedoch dem Bürger schon keine unmittelbaren Abwehransprüche gegen andere Bürger gewähren, so kann dieser erst recht keine unmittelbaren Leistungsansprüche aus ihnen herleiten. Selbst gegenüber dem Staat als unmittelbar Grundrechtsverpflichtetem sind direkte Leistungsansprüche nur in Ausnahmefällen von der Rechtsprechung anerkannt.321 Man wird aber den Bürger, der höchstens mittelbar durch die Grundrechte gebunden ist, nicht stärker in die Pflicht nehmen können als den Staat. Eine solche Grundrechtsinterpretation verkehrte nicht zuletzt auch die historische Punktionszuweisung der Grundrechte in ihr exaktes Gegenteil. Denn die Grundrechte waren ursprünglich als reine Abwehrrechte gegen den Staat konzipiert. Ließe man nunmehr zu, dass sich die Gerichte als staatliche Organe der Grundrechte bedienen, um mit der Gewährung eines Leistungsanspruchs (Geldentschädigung) in den Freiheitsbereich des beklagten Verlages oder Rundfunkveranstalters einzugreifen, so würde im Ergebnis eine ursprünglich den staatlichen Einfluss begrenzende Norm zu einer eben diesen staatlichen Einfluss legitimierenden Norm umgedeutet. Eine solche 318 So beispielsweise die Argumentation Kaufmanns in JuS 1963, S. 373 (383), der zu Recht unter Berufung auf Art. 2 EGBGB darauf hinweist, dass unter "Gesetz" jede Rechtsnorm - also auch die Verfassungsnorm - zu verstehen ist. 319 Schwerdtner, Persönlichkeitsrecht, S. 257. 320 Zweiter Teil, A.II.l.c). 32 1 Zu denken ist hier etwa an den unmittelbar aus der Verfassung abgeleiteten Anspruch auf Sicherstellung des Existenzminimums. Vgl. zur Frage der Grundrechte als Leistungs- und Teilhabeansprüche BVerfGE 33, S. 303 (330 ff.); BVerfGE 35, S. 79 (120); Klein in NJW 1989, S. 1633.

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3. Teil: Rechtsschutz gegenüber Trivialer Personenberichterstattung

dramatische Wende in der Grundrechtsdogmatik kann der Bundesgerichtshof schlechterdings nicht mit der Caroline-Rechtsprechung herbeigeführt haben wollen. Daher können seine diesbezüglichen Ausführungen nicht so interpretiert werden, dass die Geldentschädigung auf eine verfassungsunmittelbare Anspruchsgrundlage zurückgeht. Wenn jedoch sowohl § 823 BGB als auch Art. 2 I i. V. m. Art. 1 I GG als unmittelbar anspruchsbegründende Normen ausscheiden, ist die vom Bundesgerichtshof vordergrundig so detailliert beantwortete Frage nach der Anspruchsgrundlage der Geldentschädigung nach wie vor offen. Aus verfassungsrechtlicher Sicht bedarf es aber zwingend einer tragfähigen Anspruchsgrundlage; anderenfalls nämlich erwiese sich die Zubilligung von Geldentschädigungen per se als verfassungswidrig. Die in Betracht kommenden, potentiellen Lösungswege sollen im folgenden diskutiert werden. bb) Die Geldentschädigung als einfachgesetzlicher Anspruch Zum einen könnte auf die ursprünglich auch vom Bundesgerichtshof angeführte extensive Auslegung des § 847 I BGB zurückgegriffen werden. Für einen solchen Schritt spräche, dass sich mit ihm die geringsten dogmatischen Folgeprobleme verbänden; es würde sich insofern um die "sauberste" Lösung handeln, mit der sich die vorgegebene zivilrechtliche Struktur am ehesten wahren ließe. Gleichwohl erscheint dieser Weg als nicht gangbar. Denn selbst bei weitestgehender Auslegung des Tatbestandsmerkmals "Freiheitsentziehung" ließen sich nicht alle Fallgruppen der schweren Persönlichkeitsverletzung in dessen Anwendungsbereich miteinbeziehen. Der Bundesgerichtshof hat in der Herrenreiter-Entscheidung den einzig denkbaren Argumentationsgang aufgezeigt: Der in § 847 BGB erwähnten körperlichen Freiheitsentziehung müsste die Beeinträchtigung der "Freiheit der Selbstentschließung über den persönlichen Lebensbereich" gleichgestellt werden. 322 Unter diesen extensiven Tatbestand ließen sich dann zwar Bildrechtsverletzungen und die Verbreitung von Indiskretionen subsumieren, denn in diesen Fällen wird dem Betroffenen die Freiheit (die Einwirkungsmöglichkeit) genommen, über die Verwendung der ihm zugeordneten Persönlichkeitsgüter (Bildnis, Information) zu entscheiden. Fälle der Ehrverletzung oder der Verletzung des Wahrheitsinteresses hingegen passen nicht hierunter; bei ihnen handelt es sich nämlich nicht um die unrechtmäßige Verwertung vom Individuum ablösbarer, in gewisser Weise vergegenständlichter Informationseinheiten, sondern vielmehr um die Verletzung des individuellen Selbst. In einem solchen Fall aber wird nicht das aktive Freiheitsinteresse des Betroffenen, sondern allein dessen passives Abwehrinteresse 322

BGHZ 26, S. 349 (356) - Herrenreiter.

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beeinträchtigt. Bereits hieran scheitert die direkte Anwendung des § 847 I BGB. Zudem hätte eine unmittelbare Anhindung der Geldentschädigung an § 847 I BGB zwingend zur Folge, dass der Anspruch in das schmerzensgeldrechtliche Strukturgefüge dieser Norm einzuordnen wäre. Unter dieser Prämisse aber ließen sich die besonderen Tatbestandsvoraussetzungen der Geldentschädigung, die der Bundesgerichtshof über Jahrzehnte herausgearbeitet hat, nicht aufrechterhalten: Die Beschränkung des Anspruchs auf besonders schwerwiegende Verletzungsformen, die Betonung des Genugtuungs- und jetzt des Präventionsgedankens gegenüber dem Ausgleichsgedanken und der Subsidiaritätsgrundsatz ließen sich so nur schwerlich beibehalten. Eine unmittelbare Anwendung des § 847 BGB im Wege der extensiven Auslegung scheidet daher aus. Und auch eine analoge Anwendung des § 847 BGB kommt nicht in Betracht. Denn es fehlt bereits am Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke; wie bereits ausgeführt, hat der Gesetzgeber bewusst auf eine schrnerzensgeldbegründende Norm für Fälle der Ehr- und Persönlichkeitsverletzung verzichtet. 323 Weiterhin handelt es sich - bei genauer Betrachtung bei dem Schmerzensgeld des § 847 BGB und der Geldentschädigung keinesfalls um deckungsgleiche Tatbestände. Während ersteres von der gesetzgeberischen Intention her die ~uschale Abgeltung nur schwer bezifferbarer Vermögensschäden bezweckt3 , dient letztere dem Ausgleich vermögensrechtlich irrelevanter Verletzungshandlungen. Und schließlich statuiert § 253 BGB ein ausdrückliches und uneingeschränktes Analogieverbot, dem sich auch die höchstrichterliche Rechtsprechung nicht ohne weiteres entziehen kann. Desgleichen vermag auch der von Hubmann vorgeschlagene Weg über § 251 I BGB nicht zu überzeugen.325 Zwar ist zutreffend, dass § 251 I

BGB eine Geldentschädigungspflicht statuiert. Diese Norm regelt jedoch nur die Natur des zu gewährenden Ersatzes. Sie beantwortet hingegen nicht die Frage, ob eine spezifische Schadensart (hier: ein immaterieller Schaden) überhaupt zu einem Ersatzanspruch führen kann. Als Anspruchsgrundlage scheidet sie daher von vomherein aus. Da weitere Anspruchsnormen nicht ersichtlich sind, verbleibt es bei dem Ergebnis, dass die Geldentschädigung bei Persönlichkeitsverletzungen keine gesetzliche Verankerung findet. Der Ansatz des Bundesgerichtshofs, den Anspruch unmittelbar aus § 823 BGB i. V. m. Art. 2 I, 1 I GG herzuleiten, muss als der zwar rechtspolitisch sinnvolle aber untaugliche Versuch gelten, 323

Vgl. oben Dritter Teil, C.III.l.a); in diesem Sinne auch Knieper in ZRP 1974,

324

Vgl. MünchKomm-Schwerdtner, § 12 Rn. 291. Vgl. Hubmann, Persönlichkeitsrecht, S. 355.

s. 137 (138). 325

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3. Teil: Rechtsschutz gegenüber Trivialer Personenberichterstattung

dem nach wie vor dogmatisch zweifelhaften Rechtsbehelf mit der Überzeugungskraft des geschriebenen Rechts zur Seite zu treten. Eine tragfähige Lösung des Problems hingegen bietet er nicht. Die Suche nach einer Anspruchsgrundlage muss sich daher in das ungeschriebene Recht verlagern. In Betracht kommen hier ein richterrechtlicher sowie ein gewohnheitsrechtlicher Begründungsansatz. cc) Die Geldentschädigung als richterrechtlicher Anspruch Bei der Geldentschädigung bei Persönlichkeitsverletzung könnte es sich um ein im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung geschaffenes Institut handeln; als (ungeschriebene) Anspruchsgrundlage käme dann originäres Richterrecht in Betracht. Dass Rechtsnormen generell nicht nur durch den primär zuständigen Gesetzgeber, sondern auch auf anderem Wege geschaffen werden können, ergibt sich unmittelbar aus Art. 20 III GG. Mit der Formulierung "Gesetz und Recht" macht der Verfassungsgeber deutlich, dass neben das geschriebene Recht noch weitere, nicht-formale Rechtsquellen treten können. Eine dieser Quellen ist das Richterrecht, also das von der Rechtsprechung im Rahmen ihrer verfassungsmäßigen Kompetenz geschaffene Recht. 326 Die richterliche Tätigkeit besteht nach zutreffender Ansicht nicht nur im Erkennen und Aussprechen von Entscheidungen des Gesetzgebers327, denn der Richter ist, um mit den Worten Sterns zu sprechen, kein Subsumtionsapparat.328 Da jede Rechtsordnung zwangsläufig lückenhaft ist, bedarf es vielmehr der richterlichen Befugnis und Aufgabe zur schöpferischen Rechtsfindung. 329 Dieser muss die bestehenden Lücken im geschriebenen Recht im Interesse der materiellen Gerechtigkeit schließen, indem er das geschriebene Recht fortbildet. Die Schaffung von Richterrecht ist insofern zutreffend als "systemstabilisierende Notwendigkeit eines funktionierenden Rechtsstaates" bezeichnet worden. 330 Diesen Argumentationsweg beschritt auch das Bundesverfassungsgericht, als es in seinem Soraya-Beschluss die Geldentschädigungsrechtsprechung 326 Dazu ausführlich Stern, Staatsrecht, S. 581 ff.; Staudinger-Merten, Art. 2 EGBGB Rn. 38 ff.; Dreier-Stettner, Art. 70 Rn. 47 f., Art 20 [Demokratie] Rn. 132; Schmidt-Beibtreu/Klein, Art. 20 Rn. 41; Sachs-Degenhart, Art. 70 Rn. 21; Redeker in NJW 1972, S. 409 ff.; Langenbucher, S. 40 ff.; Müller, Heidelberg-FS, S. 65 ff.; grundlegend für die diesbezügliche Verfassungsrechtsprechung BVerfGE 34, S. 269 (288 ff.) - Soraya. 327 BVerfGE 34, S. 269 (287) - Soraya. 328 Stern, Staatsrecht, S. 582. 329 BVerfGE 34, S. 269 (287) - Soraya. 330 Stern, Staatsrecht, S. 583.

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des Bundesgerichtshofs billigte. Gesetz und Recht, so der Erste Senat, deckten sich nicht notwendigerweise. Sofern "fundierte allgemeine Gerechtigkeitsvorstellungen der Gemeinschaft" dies erforderten, müsse der Richter auch rechtssetzend und damit das geschrieben Recht ergänzend tätig werden? 31 Vor dem Hintergrund einer andauernden gesetzgebensehen Untätigkeit, eines tiefgreifend veränderten sozialen und technischen Umfeldes und eines drängenden Gerechtigkeitsbedürfnisses der Gesellschaft sei die Zivilrechtsprechung im Persönlichkeitsschutz dazu befugt und angehalten gewesen, gesetzesergänzend tätig zu werden. Dieser Aufgabe sei der Bundesgerichtshof mit der Anerkennung eines immateriellen Entschädigungsanspruchs in rechtmäßiger Weise nachgekommen. 332 Das Bundesverfassungsgericht hat zwar in dieser Entscheidung die tragenden Gesichtspunkte zur Zulässigkeil richterrechtlicher Rechtsfortbildung überzeugend benannt. Gleichwohl kann der Entscheidung des Ersten Senats im Ergebnis nicht beigepflichtet werden. Sie beruht, wie bereits Stem333 zutreffend ausführt, auf einem einfachen Subsumtionsfehler. Denn bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung richterlicher Rechtsfortbildung ist zu differenzieren. Deren Verfassungsmäßigkeit bestimmt sich nach zutreffender Ansicht danach, ob die Rechtsschöpfung praeter legem (gesetzesergänzend), extra legem (gesetzesvertretend) oder contra legem (gesetzeskorrigierend) erfolgt?34 Als vergleichsweise unproblematisch erweisen sich Rechtsschöpfungen praeter legem und extra legem. Von ersteren kann dann gesprochen werden, wenn der Richter eine unbeabsichtigte, begrenzte Regelungslosigkeit des Gesetzgebers im Wege der Lückenfüllung ausgleicht. Diese originäre Form der Rechtsfortbildung ist grundsätzlich zulässig, sofern sich der Richter nicht in Widerspruch zur Gesamtrechtsordnung setzt. 335 Um eine Rechtsschöpfung extra legem handelt es sich hingegen, wenn der Gesetzgeber in Kenntnis der Regelungsbedürftigkeit eines gesamten Sozialbereichs gleichwohl die Wahrnehmung seiner Regelungskompetenz unterlässt; sei es aus mangelnder politischer Konsensfähigkeit oder aus anderen Gründen. 336 Auch hier ist der richterlichen Gestaltungsakt grundsätzlich zulässig, sofern sich die gesetzesvertretende Regelung im Rahmen der Gesamtrechtsordnung hält. Anders verhält es sich jedoch mit der Rechtsschöpfung contra legem. Eine solche liegt vor, wenn der Richter BVerfGE 34, S. 269 (286 f.) - Soraya. BVerfG a. a. 0., S. 288 ff. 333 Stern, Staatsrecht, S. 585. 334 Ausführlich Stern, Staatsrecht, S. 583 ff.; vgl. ebenfalls Larenz/Canaris, s. 245 ff. 335 Stern, Staatsrecht, S. 584 f. 336 Als Beispiel hierfür kann die Entwicklung des Arbeitskampfrechts durch das Bundesarbeitsgericht gelten, vgl. dazu Stern, Staatsrecht, S. 585. 331

332

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3. Teil: Rechtsschutz gegenüber Trivialer Personenberichterstattung

einen Rechtsgrundsatz aufstellt, der Wortlaut und Zweck des Gesetzes zuwiderläuft. Diese Form des Richterrechts verstößt gegen die Bindung des Richters an das Gesetz, Art. 97 I GG, sowie gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung, Art. 20 III GG, und ist damit grundsätzlich verfassungswidrig.337 In seinem Soraya-Beschluss ging der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts ersichtlich davon aus, mit der Entwicklung des Geldentschädigungsanspruchs habe der Bundesgerichtshof eine zulässige Rechtsfortbildung praeter Iegern vorgenommen. Anders kann die mehrfache Bezugnahme des Bundesverfassungsgerichts auf die "Lückenhaftigkeit"338 des

geschriebenen Rechts und die Befugnis des Richters zur "Weiterführung des geschriebenen Rechts"339 nicht verstanden werden. Dieser Annahme liegt jedoch eine evidente Fehlinterpretation der normativen Ausgangslage zugrunde. Das Gesetz ist eben nicht lückenhaft bezüglich der Gewährung immaterieller Entschädigungsansprüche, sondern hält mit den § § 847, 253 BGB eine lückenlose Regelung vor; allein dass diese Regelung dem vom Bundesgerichtshof entwickelten Anspruch diametral entgegensteht. Die rechtspolitische Notwendigkeit einer Ergänzung des zivilrechtliehen Persönlichkeitsschutzes, auf die sich das Bundesverfassungsgericht in seiner Begründung zurückzieht, ist unbestritten. Der gewandelte Zeitgeist und das veränderte Rechtsempfinden müssen jedoch notwendigerweise ihren Ausdruck in einer neuen oder geänderten gesetzlichen Regelung finden. Der Kompetenzordnung des Grundgesetzes entsprechend hat zunächst der demokratisch legitimierte Gesetzgeber das Recht und die Pflicht, das Gemeinwohl verbindlich zu formulieren. Wenn er dieser Aufgabe nachkommt und genau dies ist mit Inkraftsetzen des Bürgerlichen Gesetzbuches und damit des § 253 BGB geschehen -, kann der Richter sich nicht über dessen einmal erklärten Willen hinwegsetzen. Rechtsstaatlichkeit und Demokratieprinzip lassen eine solche Vorgehensweise schlechterdings nicht zu. 340 In einem solchen Fall bleiben dem erkennenden Richter nur zwei Möglichkeiten: Er kann versuchen, ein in seinen Augen "gerechtes" Ergebnis im Wege der erweiternden oder begrenzenden Normauslegung zu erreichen. Ist dies nicht möglich, so muss er den Normbefehl uneingeschränkt umsetzen, auch wenn das damit verbundene Ergebnis seinem subjektiven Gerechtigkeitsempfinden zuwiderläuft. Nur in einer besonderen Konstellation ergibt sich für den Richter eine weitere Handlungsalternative. Hält er die Norm nämlich nicht nur für schlicht ungerecht oder unzeitgemäß, sondern darüber hinaus für verfassungswidrig, 337 338

339 340

Stern, Staatsrecht, S. 584 m. w.N. Vgl. etwa BVerfGE 34, S. 269 (287, 290)- Soraya. BVerfGE 34, S. 269 (291)- Soraya. So im Ergebnis auch Rennertin NJW 1991, S. 12 (17).

C. Publizistische Persönlichkeitsverletzung und monetäre Sanktion

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so hat er das Verfahren gemäß Art. 100 I GG auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen. Handelt es sich bei der betreffenden Norm allerdings um ein vorkonstitutionelles Gesetz, so bedarf es dieser Vorlage nicht; der Richter kann sie dann für den konkreten Akt der Rechtsfindung schlicht außer Betracht lassen. Da es sich bei § 253 BGB um eine solche vorkonstitutionelle Norm handelt, wäre der Bundesgerichtshof also befugt gewesen, diese unter Berufung auf den aus ihrer Anwendung resultierenden Verstoß gegen die verfassungsrechtliche Schutzpflicht des Staates unbeachtet zu lassen. Diesen Weg ist die Rechtsprechung jedoch bis heute nicht gegangen. Im Gegenteil: Das Bundesverfassungsgericht weist zwar ausdrücklich auf die verfassungsrechtliche Notwendigkeit einer Überwindung des § 253 BGB hin, betont jedoch zugleich im Soraya-Beschluss zutreffend, der Bundesgerichtshof habe den § 253 BGB "weder im ganzen als nicht mehr bindendes Recht betrachtet noch gar als verfassungswidrig kennzeichnen wollen"341 • Hätte der Bundesgerichtshof von Beginn an mit der Verfassungswidrigkeit des § 253 BGB argumentiert, so hätte er damit den Weg für eine zulässige richterliche Rechtsfortbildung geschaffen, und der Geldentschädigungsanspruch hätte sich als verfassungsmäßiges Richterrecht etablieren können. Auf der Grundlage des tatsächlichen Argumentationsganges des Bundesgerichtshofs aber stellt sich die Schaffung des Entschädigungsanspruchs in der Herrenreiter-Entscheidung als verfassungswidriger Akt richterlicher Rechtsschöpfung contra Iegern dar. Den einzig ersichtlichen Ausweg aus diesem dogmatischen Dilemma weist § 253 BGB selbst. Die Vorschrift lässt Geldersatz für Nichtvermögensschäden bekanntlich in "den durch das Gesetz bestimmten Fällen" zu. § 253 BGB wäre demnach dann gewahrt, wenn es sich bei der richterrechtlichen Neuschöpfung um ein "Gesetz" im Sinne dieser Norm handelte. Gesetz im Sinne der Vorschriften des BGB ist jede Rechtsnorm, Art. 2 EGBGB, also jede Rechtsregel normativen Charakters unabhängig davon, ob sie in einem förmlichen Verfahren zustande gekommen ist oder nicht?42 Richterrechtliche Normen fallen damit also nicht von vornherein aus dem Gesetzesbegriff des § 253 BGB heraus. Die notwendige normative Qualität gewinnt der richterliche Schöpfungsakt jedoch erst dadurch, dass er sich gewohnheitsrechtlich verfestigt. 343 Mit anderen Worten: Durch die Erstarkung zum Gewohnheitsrecht wird der richterliche Schöpfungsakt zum Gesetz i.S. v § 253 BGB mit der konkreten Folge, dass die Anerkennung der Geldentschädigung bei Persönlichkeitsverletzung sich nicht länger als eine Rechtsfortbildung contra legem, sondern als tragfähige, richterrechtliBVerfGE 34, S. 269 (292) - Soraya. Staudinger-Merlen, Art. 2 EGBGB Rn. 3. 343 Staudinger-Merlen, Art. 2 EGBGB Rn. 38 f., 92; Stern, Staatsrecht, S. 586; Sachs-Degenharl, Art. 70 Rn. 21. 341

342

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ehe Anspruchsgrundlage darstellen würde. In diesem Zusammenhang stellen sich zwei Fragen. Zum einen: Erfüllt das Institut der Geldentschädigung bei Persönlichkeitsverletzung die Voraussetzungen, die generell für eine Annahme von Gewohnheitsrecht erfüllt sein müssen? Und zum zweiten: Kann sich aus - wie gezeigt - ursprünglich verfassungswidrigem Richterrecht überhaupt verfassungsgemäßes Gewohnheitsrecht entwickeln? Unproblematisch bedarf es zum grundsätzlichen Entstehen von Gewohnheitsrecht einer längeren tatsächlichen Übung, die eine dauernde, ständige, gleichmäßige und allgemeine ist und von den Beteiligten als verbindliche Rechtsregel anerkannt wird.344 Diese Voraussetzungen sind für das Institut der Geldentschädigung gegeben, denn seit der Herrenreiter-Entscheidung im Jahre 1958 ist die Existenz dieses Rechtsbehelfs weitgehend unangefochten; die heftigen Auseinandersetzungen der ersten Stunde hatten überwiegend das "Wie" und nicht das "Ob" eines solchen Anspruchs zum Gegenstand und sind zudem auch kurze Zeit nach der vom Bundesgerichtshof gegebenen Initialzündung fast gänzlich verstummt. Seither hat sich eine kontinuierliche und allgemeine Übung der erkennenden Gerichte durchgesetzt, die sämtlich dem Bundesgerichtshof folgen und bei Vorliegen der spezifischen Tatbestandsvoraussetzungen derartige Entschädigungsleistungen regelmäßig zusprechen. Da sich diese Übung seit mittlerweile mehr als vierzig Jahren entwickeln konnte, ist davon auszugehen, dass sich das Institut gewohnheitsrechtlich verfestigt hat. Bedenken bestehen allein insofern, als sich dieses Gewohnheitsrecht aus einer zunächst verfassungswidrigen Rechtsfortbildung entwickelt hat. Zwar kann sich Gewohnheitsrecht grundsätzlich auch contra legem entwickeln. Dies gilt jedoch nur, wenn das entgegenstehende Gesetzesrecht langdauernd nicht angewendet wird, und unter den Rechtsgenossen die Überzeugung besteht, dass diese Nichtanwendung rechtens ist.345 Im Falle der Geldentschädigung verhält es sich zwar so, dass die Sperrklausel des § 253 BGB in Bezug auf die konkrete Fallgestaltung über einen längeren Zeitraum nicht angewandt worden ist - die Rechtsprechung hat die Norm schlichtweg ignoriert. Angesichts zum Teil scharfer und weitverbreiteter Kritik an dem vom Bundesgerichtshof dogmatisch eingeschlagenen Weg erscheint es jedoch höchst zweifelhaft, ob davon ausgegangen werden kann, dass auch nur die weit überwiegende Mehrheit der Rechtsgenossen während dieser Zeit von der Rechtmäßigkeit der technischen Vorgehensweise des Bundesgerichtshofs überzeugt war. Es lässt sich daher allenfalls unter erheblichen Bedenken von einer gewohnheitsrechtliehen Verfestigung dieses Instituts sprechen. Jedenfalls aber kann eine gewohnheitsrechtliche Anspruchsbegründung nicht für die neue Gestalt 344 BVerfGE 34, S. 293 (303 f.); BGHZ 34, S. 64 (69); Dreier-Stettner, Art. 70 Rn. 47; Stern, Staatsrecht, S. 579 f. 345 Staudinger-Merten, Art. 2 EGBGB Rn. 96 m.w.N.

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angenommen werden, die der Bundesgerichtshof dem Rechtsinstitut mit der Caroline-Rechtsprechung verliehen hat. Denn dessen ausdrückliche Ergänzung um eine präventive Komponente 346 sowie die Miteinbeziehung der Gewinnerzielungsabsicht in die Bemessung der Entschädigungssumme stellt eine erhebliche Neuerung dar, die dem Anspruch eine gänzlich veränderte Gestalt verliehen hat. 347 Die kurze Zeitspanne von nunmehr erst sieben Jahren348 seit Caroline von Monaco I sowie die nach wie vor andauernden wissenschaftlichen Auseinandersetzungen um die neue Gestalt des Anspruchs haben ein diesbezügliches Gewohnheitsrecht unter keinen Umständen entstehen lassen. Jedenfalls für die Weiter- oder Neuentwicklung des Instituts gilt also nach wie vor: § 253 BGB steht der allein auf Richterrecht fußenden Zuerkennung von Geldentschädigungen entgegen mit der Folge, dass sich der Anspruch auf keine wirksame Rechtsgrundlage stützen lässt. Im Ergebnis erweist sich die Zubilligung jedenfalls von "unvollkommen-präventiven" Geldentschädigungen zum gegenwärtigen Zeitpunkt als verfassungsrechtlich in höchstem Maße bedenklich. b) Zur Frage der Systemkonformität der "unvollkommen-präventiven" Funktionszuweisung

Wie oben ausführlich dargestellt, hat der Bundesgerichtshof dem Institut der Geldentschädigung mit der Caroline-Rechtsprechung eine neue Gestalt verliehen. Diese soll nunmehr nicht nur dem Ausgleich und der Genugtuung, sondern - zumindest in Fällen des bewussten und kommerziell motivierten Rechtsverstoßes - auch der Prävention dienen. Diese dogmatische Erweiterung der Geldentschädigung um ein präventives Element ist in der Literatur teilweise heftig kritisiert worden. 349 Es bereite Unbehagen, so Gounalakis, wie selbstverständlich der Bundesgerichtshof strafrechtliches Gedankengut in das Zivilrecht einführe. Die For346 Zwar klingt bereits in BGH NJW 1985, S. 1617 (1619)- Nacktfoto der Präventionsgedanke an. Eine ausd.riickliche Einbeziehung dieses Gesichtspunktes in die Gewährung von Geldentschädigungen hat vor der Entscheidung Caroline von Monaco I jedoch nicht stattgefunden. 347 Es ließe sich sogar darüber hinausgehend die Ansicht vertreten, der Bundesgerichtshof habe mit den Caroline-Entscheidungen ein gänzlich neues Institut geschaffen, nämlich den Strafschadensersatz bei Zwangskommerzialisierung der Persönlichkeit; in diesem Sinne beispielsweise Stümer in AfP 1998, S. 1. 348 Das Bundesverfassungsgericht hat in BVerfGE 34, S. 293 (304) die Ansicht vertreten, eine drei Jahre andauernde Übung sei "erheblich zu kurz" zur Begründung von Gewohnheitsrecht. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass eine siebenjährige Übung hierfür genügen kann. 349 Vgl. nur Gounalakis in AfP 1998, S. 10 ff. ; Barton in AfP 1995, S. 452 (456); Soehring in NJW 1997, S. 360 (372); Seitz in NJW 1996, S. 2848 f.

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derung nach "fühlbaren" Entschädigungssummen verleihe dem ursprünglich schadensersatzrechtlich konzipierten Institut eine generalpräventive Ausrichtung, die dem Zivilrecht eigentlich fremd sei. Bereits die bisherige Ausrichtung der Geldentschädigung am Genugtuungsgedanken als "verfeinerter Sühne" habe eine Anlehnung an das Strafrecht erkennen lassen; mit der offenen Anerkennung des Präventionsgedankens sei die Orientierung an den Strafzwecken nunmehr endgültig vollzogen.350 Das Ergebnis sei die offenkundige Systemwidrigkeit der Geldentschädigung. In dieselbe Kerbe schlägt auch Soehring, der an den jüngeren Entscheidungen des Bundesgerichtshofs die Einführung des "dogmatisch kaum zu begründenden Präventionsgedankens" bemängelt. 351 Und auch Seitz sieht durch die Carotine-Rechtsprechung die Grenzen zwischen Deliktsrecht und Kriminalunrecht verwischt; ein Unterschied zwischen den Zwecken des Strafrechts und denen der Geldentschädigung bei vorsätzlichem Rechtsbruch sei kaum mehr zu erkennen. Mit den Carotine-Entscheidungen habe ein Zivilsenat des Bundesgerichtshofs effektives Strafrecht geschöpft. 352 Ob diese weitgehend polemisch vorgetragene Kritik der vom Bundesgerichtshof vorgenommenen Rechtsfortbildung tatsächlich entgegensteht, muss jedoch bezweifelt werden. Anzusetzen ist bereits bei der Annahme, der Präventionsgedanke stelle im Zivilrecht grundsätzlich einen systemwidrigen Fremdkörper dar. So hat schon Stoll im Gutachten zum 45. Deutschen Juristentag zutreffend darauf hingewiesen, dass die Präventionsaufgabe zwar enge pönale Bezüge aufweist, diese dem Zivilrecht jedoch keineswegs fremd sind. 353 So können als Zivilrechtsnormen mit Strafwirkung der Verlust des Erbrechts bei Erbunwürdigkeit, §§ 2339 f. BGB und der Ausschluss des Finderlohnes wegen Unredlichkeit des Finders, § 971 II BGB, angesehen werden - in beiden Fällen wird missbilligenswertes Verhalten durch finanzielle Einbußen sanktioniert. Als zivilrechtliche Norm mit unmittelbar präventivem Einschlag sei zudem auf§ 61la II BGB hingewiesen: Im Falle der Diskriminierung eines Arbeitnehmers wegen seines Geschlechts kann dieser vom Arbeitgeber nicht nur den ihm entstandenen Vertrauensschaden, sondern darüber hinaus eine angemessene Entschädigung im Umfang von maximal drei Monatsgehältern verlangen, womit der Gesetzgeber explizit eine abschreckende Entschädigungsleistung gewährt erklärtes rechtspolitisches Ziel ist die präventive Verhaltenssteuerung des Arbeitgebers?54 Zudem entfaltet bereits jeder deliktische Ersatz- oder EntGounalakis in AfP 1998, S. 10 (14 f.). Soehring in NJW 1997, S. 360 (372). 352 Seitz in NJW 1996, S. 2848. 353 Stoll, GutA 45. DJT, S. 139. 354 Rosengarten in NJW 1996, S. 1935 (1937); Pa1andt-Putzo (55. Auflage 1996), § 611a BGB, Rn. 17. A.A. Gounalakis in AfP 1998, S. 10 (15), der diese Norm 350 35!

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Schädigungsanspruch faktisch eine präventive Wirkung? 55 Diese mag zwar möglicherweise dogmatisch nur schwer begründbar sein, stellt aber jedenfalls einen "erwünschten Nebeneffekt"356 zum Wiederherstellungs- und Ausgleichsgedanken dar. Diese Feststellung kann ausgedehnt werden auf andere zivilrechtliche Institute wie die Gegendarstellung und den Widerruf, denen ebenfalls - wenn auch nur in geringerem Unfang - eine Präventivwirkung beikommt, indem diese den Verletzer in seiner publizistischen Gestaltungsfreiheit einschränken und so sein Verhalten für die Zukunft jedenfalls indirekt steuern.357 Zumindest als Sekundärzweck ist die Prävention damit kein absoluter Fremdkörper im System des Zivilrechts?58 Wie Stümer ausführt, gibt es eben keine scharfe Grenze zwischen zivilrechtliehen und strafrechtlichen Regelungszwecken - die Einheit der Rechtsordnung führt vielmehr notwendigerweise zu einer Vielzahl von Überschneidungen. 359 Es stellt sich daher allein die Frage, ob die vom Bundesgerichtshof nunmehr vorgenommene "Verselbständigung"360 des Präventionsgedanken den Rahmen des Zivilrechts sprengt. Davon ist jedoch nicht auszugehen. Denn zum einen drängt das präventive Moment nur im Falle besonders verletzungsintensiver Eingriffe, nämlich bei "rücksichtsloser Zwangskommerzialisierung" der Persönlichkeit, in den Vordergrund. In allen anderen Fällen verbleibt es bei der Genugtuungsfunktion der Geldentschädigung. Und zum anderen hat die Rechtsprechung mit der Entscheidung Carotine I jedenfalls kein originär präventives Institut geschaffen. Anderenfalls wäre der Präventionsgedanke nicht als einer von mehreren in die Bemessung der Geldentschädigung eingeflossen, sondern hätte vom Bundesgerichtshof als tragende Erwägung formuliert werden müssen. Dies ist aber gerade nicht geschehen. Faktisch ist die Rechtsprechung vielmehr wie an späterer Stelle noch ausführlich zu zeigen sein wird - von tatsächwegen ihres europarechtlichen Bezuges - sie dient der Umsetzung der europäischen Gleichbehandlungsrichtlinie - für nicht verallgemeinerbar hält. 355 In diesem Sinne Rosengarten in NJW 1996, S. 1935 (1937); Stall, GutA 45. DJT, S. 152; Bentert, S. 83 f.; Kern in AcP 191 (1991), S. 247 (261 f.); Ott/Schäfer in JZ 1990, S. 563 (566). 356 Stall, GutA 45. DJT, S. 152. 357 So auch Pfeifer in JZ 1996, S. 422. 358 Zu einem anderen Ergebnis gelangt auch nicht der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung zur Vollstreckbarkeit amerikanischer punitive damages-Urteile, BGHZ 118, S. 312- punitive damages. Zwar hält er diese grundsätzlich für unvereinbar mit dem deutschen ordre public. In seiner Begründung erkennt der IX. Senat jedoch an, dass dem deutschen Privatrecht "in gewissem Umfang" auch präventive Elemente innewohnen; allein eine unmittelbare Straffunktion könnten zivilrechtliche Instrumente nicht übernehmen; BGH a. a. 0., S. 339. 359 Stümer in AfP 1998, S. 1 (8). 360 Zur vermeintlichen Unzulässigkeit einer Verselbständigung des Präventivgedankens vgl. Schwerdtner, Persönlichkeitsrecht, S. 289.

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lieh präventiv wirkenden Entschädigungen noch weit entfernt; dies ergibt sich nicht zuletzt aus der Formulierung des VI. Senats, wonach eine "Gewinnabschöpfung" als wirkungsvollstes Präventionsmittel gerade nicht vorzunehmen sein soll?61 Die eingangs aufgeführte These von der Systemwidrigkeit des vom Bundesgerichtshof beschrittenen Weges erweist sich damit als nicht haltbar. Und ohnehin hätte dieser Einwand allein rechtspolitisches Gewicht. Denn selbst wenn man eine "systemwidrige" Pönalisierung des Zivilrechts annähme, so wäre diese - als solche - verfassungsrechtlich irrelevant. Die tatsächliche Brisanz des Konflikts um die Systemkonformität des Instituts liegt vielmehr anderenorts begründet; in der Frage nämlich, ob die Gewährung präventiver Geldentschädigungen möglicherweise den Verfahrensgrundsätzen des Art. 103 II,III GG zuwiderläuft. c) Zur Frage eines Verstoßes gegen die strafrechtlichen Veifahrensgrundsätze des Art. 103 II, III GG Art. 103 GG beinhaltet zwei elementare, strafrechtliche Verfahrensgrundrechte: Den Grundsatz nulla poena sine lege (Art. 103 II GG) sowie den Grundsatz ne bis in idem (Art. 103 III GG). Ersterer stellt sicher, dass eine staatliche Strafsanktion nur auf der Grundlage eines formellen Gesetzes verhängt wird - unmittelbare Folge des in Art. 103 II GG enthaltenen Analogieverbotes ist die grundsätzliche verfassungsrechtliche Unzulässigkeit jeder Form von Gewohnheitsstrafrecht. 362 Und zweiterer wendet sich gegen die strafrechtliche Doppelverfolgung wegen derselben Tat (Doppelbestrafungsverbot). Betrachtete man nun das vom Bundesgerichtshof geschaffene Institut der Geldentschädigung als "Strafe" i. S. d. Art. 103 II,III GG, so resultierte hieraus zwangsläufig deren Verfassungswidrigkeit Denn zum einen beruht die Zubilligung von Geldentschädigungen gerade nicht auf einem Gesetz, sondern auf einem Akt richterlicher Rechtsfortbildung? 63 Zum anderen besteht zumindest theoretisch die Möglichkeit, dass neben die Verurteilung zur Zahlung einer Geldentschädigung wegen rechtswidriger und schuldhafter Persönlichkeitsverletzung im Einzelfall auch noch eine strafrechtliche Verurteilung aus den §§ 185 ff. StGB tritt, worin dann ein Verstoß gegen das Doppelbestrafungsverbot gesehen werden müsste? 64 Und schließlich ist anerkannt, dass der nulla poena-Grundsatz die allgemeinen BGH in NJW 1995, S. 861 (865)- Caroline von Monaco I. Sachs-Degenhart, Art. 103 Rn. 60; Maunz!Dürig-Schmidt-Aßmann, Art. 103 Abs. li Rn. 222. 363 Zu diesem Ergebnis gelangt auch Bentert, S. 8, 67 ff. 364 V gl. auch Bentert, S. 7. 361

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Rechtsstaatsprinzipien noch verstärkt, zu denen insbesondere das Bestimmtheitsgebot zählt. 365 Einem derart intensivierten Bestimmtheitserfordemis aber vermag die weitgehend orientierungslose Zubilligung "unvollkommenpräventiver" Entschädigungssummen kaum zu genügen. Es ist daher von entscheidender Bedeutung, ob das mit der Carotine von Monaco-Rechtsprechung vom Bundesgerichtshof weiterentwickelte Rechtsinstitut der "Geldentschädigung bei Persönlichkeitsverletzung" als Strafsanktion im Sinne der benannten grundgesetzliehen Vorschriften anzusehen ist. Als eine Strafsanktion wird gemeinhin jede missbilligende hoheitliche Reaktion auf Schuldhaftes Verhalten angesehen, die ein Übel wegen rechtswidriger Tat verhängt. 366 Hierunter sollen neben der Kriminalstrafe auch ehrengerichtliche Strafen, Disziplinarstrafen und grundsätzlich auch Geldbußen fallen 367, nicht hingegen bloß strafähnliche Ahndungen, wie z. B. das OrdnungsmitteL 368 Ein maßgeblicher Anhaltspunkt zur Abgrenzung der Strafe von der strafähnlichen Ahndung ist die Zweckrichtung der verhängten Sanktion.369 Ohne den umfangreichen Streitstand um die sog. Strafzwecktheorien ausführlich darlegen zu müssen, lässt sich - auf dem Boden der heute wohl herrschenden Vereinigungstheorie - zusammenfassend feststellen, dass der Zweck der Verhängung von Kriminalstrafe darin besteht, Vergeltung und Sühne im Sinne eines Schuldausgleichs für begangenes Unrecht zu üben, den individuellen Täter zu resozialisieren und zugleich von einer erneuten Straffälligkeit abzuhalten (Spezialprävention) sowie eine Abschreckung potentieller Täter von der Begehung ähnlicher Straftaten zu bewirken (Generalprävention)?70 Die zweckbezogenen Unterschiede zwischen zivilrechtlieber und strafrechtlicher Sanktion hat in jüngerer Zeit vor allem Benterf71 verdeutlicht: Bei der zivilrechtliehen Sanktion steht die Wiederherstellung der verletzten Rechtssphäre des Opfers im Vordergrund, wohingegen die strafrechtliche Sanktion vordringlich der Einwirkung auf den Täter dient. 365 Sachs-Degenhart, Art. 103 Rn. 50. Maunz/Dürig-Schmidt-Aßmann, Art. 103 II Rn. 194. 366 Vgl. Maunz/Dürig-Schmidt-Aßmann, Art. 103 II Rn. 191, 194; Sachs-Degenhart, Art. 103 Rn. 52; BVerfGE 26, S. 168 (204); v. Münch-Kunig, Art. 103 Rn. 19; Hili in HdBStR, § 156 Rn. 58; Bentert, S. 4 ff.; Volk in ZStW 83 (1971), S. 404 (416 ff.). 367 BVerfGE 42, S. 261 (262). 368 Sachs-Degenhart, Art. 103 Rn. 54. Volk weist allerdings zu Recht darauf hin, dass der Unterschied zwischen beiden lediglich ein gradueller ist - allein dem Ordnungsmittel haftet kein ethischer Schuldvorwurf an; vgl. Volk in ZStW 83 (1971), S. 404 (431). 369 In diesem Sinne auch Bentert, S. 4, 6. 370 Vgl. hierzu Maunz/Dürig-Scholz, Art. 102 Rn. 11 ; Bentert, S. 4 f. m. w. N.; BVerfGE 45, S. 187 (253 f.) - Lebenslange Freiheitsstrafe; BVerfGE 20, S. 323 (331); BVerfGE 9, S. 137 (144). 371 Bentert, S. 6 f. 24 Neben

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3. Teil: Rechtsschutz gegenüber Trivialer Personenberichterstattung

Die Überpriifung der Geldentschädigung anband der benannten Kriterien verdeutlicht die außerordentliche Nähe, die dieses zivilrechtliche Institut in seiner heutigen Gestalt zum strafrechtlichen Sanktionskatalog aufweist. So kann zunächst kein Zweifel daran bestehen, dass die Geldentschädigung bei Persönlichkeitsverletzungen eine missbilligende staatliche Sanktion darstellt. So wie jede Kriminalstrafe ein "mit staatlicher Autorität versehenes, sozial-ethisches Unwerturteil über die von ihr pönalisierte Handlungsweise"372 beinhaltet, verbindet sich auch mit der Zubilligung einer Geldentschädigung ein besonderes UnwerturteiL Dies ergibt sich zum einen daraus, dass dieser Anspruch schon dem Grunde nach nur bei "besonders schweren Verletzungshandlungen" respektive bei "besonders schwerem Verletzerverschulden" gewährt wird. 373 Mit der Gewährung der Entschädigung geht also automatisch die Feststellung einher, dass es sich bei dem zugrundeliegenden Eingriff um ein besonders verwerfliches Verhalten handelt. Zudem scheuen sich die Gerichte nicht, ihrer Missbilligung auch in den Urteilsgriinden deutlichen Ausdruck zu verleihen. So hat beispielsweise der Bundesgerichtshof in der Entscheidung Carotine von Monaco I die streitgegenständliche Verletzungshandlung explizit als "riicksichtslos" qualifiziert?74 Das verhängte Übel ist im Falle der Geldentschädigung - anders als die typischerweise auf Freiheitsentzug gerichtete Kriminalstrafe - zwar monetärer Natur. Insofern unterscheidet sich diese Sanktionsform jedoch nicht von der Geldbuße oder der im Kriminalstrafrecht üblichen Geldstrafe, welche ihrerseits unproblematisch als Strafsanktionen i. S. d. Art. 103 II, lli GG anzusehen sind. Auch knüpft die Verhängung dieses "Übels" unmittelbar an die Begehung einer rechtswidrigen, schuldhaften Tat an - Anspruchsvoraussetzung der Geldentschädigung ist in jedem Falle das Vorliegen einer deliktischen Handlung i. S. d. § 823 I BGB. Und auch hinsichtlich der Zweckrichtung der Sanktionsformen bestehen deutliche Überschneidungen. So ist die Kriminalstrafe zunächst dadurch gekennzeichnet, dass sie auf Repression und Vergeltung für ein rechtlich verbotenes Verhalten abzielt. 375 Dies gilt jedoch auch für die Geldentschädigung, die mit ihrer Genugtuungsfunktion eben diese Ziele verfolgt. 376 Der strafrechtliche Aspekt des Schuldausgleichs für begangenes Unrecht wiederum geht sowohl in der Kompensationsfunktion wie auch in der Genugtuungsfunktion der Geldentschädigung aur.J77 Strafrechtliche Elemente waren der Geldentschädigung daher von vornherein nicht fremd.378 Allein der typischste der Strafzwecke, die Spe372 373 374 375

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BVerfGE 27, S. 18 (29). Vgl. oben Dritter Teil, C.III.l.e)bb). BGH in NJW 1995, S. 861 (865) - Caroline von Monaco I. BVerfGE 20, S. 323 (331). Zur Genugtuungsfunktion vgl. oben Dritter Teil, A.IV. Zur Kompensationsfunktion vgl. oben Dritter Teil, A.IV.

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zial- und Generalprävention, hatte bislang kein Pendant in der zivilrechtliehen Geldentschädigung gefunden. Dies hat sich, wie oben ausgeführt, jedoch mit der Entscheidung Carotine von Monaco I geändert. Nunmehr tritt der Präventionszweck, jedenfalls in Fällen der "bewussten Zwangskommerzialisierung", ausdrücklich neben die ursprünglichen Funktionen der Geldentschädigung-inder Entscheidung Caroline von Monaco li führt der Bundesgerichtshof sogar aus, der herkömmliche Ausgleichsgedanke müsse "zugunsten des Präventionsgedankens in den Hintergrund treten", letzterem komme in derartigen Fällen eine "besondere Bedeutung" zu?79 Hiemtit wird deutlich, dass die Einwirkung auf den Täter zumindest gleichberechtigt neben den Ausgleich und die Wiederherstellung der verletzten Sphäre des Opfers tritt. Die Grenze zur Kriminalstrafe ist damit jedenfalls erreicht; überschritten dürfte sie zum gegenwärtigen Zeitpunkt allerdings noch nicht sein. Gegen eine Qualifizierung der Geldentschädigung als Strafsanktion i. S. d. Art. 103 GG sprechen zunächst formale Erwägungen. So wird die Geldentschädigung im Zivilrechtsverfahren und nicht vom Strafgericht verhängt. Beteiligte sind allein die beiden Parteien, und diese sind Herren des Verfahrens. Weiterhin, und hierin ist ein sehr starkes Argument gegen den Strafcharakter der Geldentschädigung zu sehen, kommt die Entschädigungsleistung unmittelbar dem Opfer zugute und fällt nicht an den Staat, wie dies etwa auf den strafrechtlichen Verfall zuträfe. Den Ausschlag aber gibt ein genauer Blick auf das präventive Element der Geldentschädigung zum jetzigen Zeitpunkt. Denn noch hat sich der Präventionszweck nicht verselbständigt. Er ist nach wie vor an die Genugtuungs- und Ausgleichsfunktion gekoppelt und wird von dieser beschränkt. Dies zeigt sich ganz deutlich in der Aussage des Bundesgerichtshofs, eine "Gewinnabschöpfung" als originär präventivem Gedanken finde nicht statt. Maßgeblicher Orientierungspunkt ist damit auch nach wie vor die Opfer- und nicht die Täterseite. Die Weigerung des Bundesgerichtshofs, sich in der Bemessung der Geldentschädigung unmittelbar an den Verletzergewinnen zu orientieren, lässt diesen Rechtsbehelf daher allenfalls als unvollkommen-präventiv erscheinen. Damit aber erreicht er nicht den Grad, der zur Annahme einer tatsächlich strafrechtlichen Sanktion i.S. v. Art. 103 II, III GG erforderlich wäre. Wie Bentert zutreffend ausführt, ist die Prävention im Deliktsrecht immer ein erwünschter Nebeneffekt 380 Die Grenze zur strafrechtlichen Sanktion wird 378 Diese allein haben die Geldentschädigung jedoch nicht zum strafrechtlichen Instrument gemacht, wie bereits das Bundesverfassungsgericht in der Soraya-Entscheidung festgestellt hat; vgl. BVerfGE 34, S. 269 (293) - Soraya. Zu diesem Ergebnis gelangen auch Sachs-Degenhart, Art. 103 Rn. 56 sowie Maunz!DürigSchmidt-Aßmann, Art. 103 ll Rn. 195. 379 BGH in NJW 1996, S. 984 f.- Caroline von Monaco ll. 24*

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dementsprechend erst dann überschritten, wenn diese zum Hauptzweck wird. Wie bereits das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat, sind pönale Elemente dem Zivilrecht nicht fremd und demgemäß verfassungsrechtlich unbedenklich. 381 Erst deren Heraushebung aus dem Kanon der deliktsrechtlichen Funktionszuweisungen aktiviert die Schutzschranke des Art. 103 II, III GG. Die Geldentschädigung in ihrer heutigen Verfassung dürfte diese Grenze erreicht, aber noch nicht überschritten haben. Diese Erkenntnis zugrundegelegt, scheidet nicht nur eine Verletzung des nulla poena-Grundsatzes, sondern ebenso eine Verletzung des Grundsatzes ne bis in idem aus, denn auch letzterer gilt nur für Strafsanktionen im oben beschriebenen Sinne. Zudem handelte es sich bei der Verurteilung zur Geldentschädigung allenfalls um eine Nebenstrafe. Auf eine solche aber findet Art. 103 III GG von vornherein keine Anwendung? 82 Eine Verletzung des Art. 103 III GG ist in der Zubilligung "unvollkommen-präventiver" Geldentschädigungen daher nicht zu sehen. Die Verfahrensgrundrechte sind damit von der Geldentschädigung in ihrem gegenwärtigen Entwicklungsstadium (noch) nicht berührt. d) Zur Frage der Wahrung des rechtsstaatliehen Bestimmtheilserfordernisses

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Geldentschädigung in ihrer heutigen Verfassung ergeben sich jedoch aus ihrer - seit Caroline von Monaco I noch verstärkten - Unbestimmtheit hinsichtlich der Berechnung der konkreten Entschädigungssummen. Das sog. Bestimmtheilsgebot ist als Ausprägung des allgemeinen rechtsstaatlichen Gebots der Rechtssicherheit in Art. 20 III GG verankert.383 Es erstreckt sich auf alle materiellen Rechtsnormen und findet damit nicht nur auf formelle Gesetze, sondern auch auf gewohnheitsrechtliche und richterrechtliche Normen Anwendung? 84 Seine inhaltliche Konturierung gewinnt es aus der Nähe zum Gebot der Rechtssicherheit: Das Bestimmtheitsgebot verpflichtet den Normgeber, eine belastende Norm so präzise zu formulieren, dass der Normadressat sein Handeln kalkulieren kann, weil dessen rechtliche Folgen für ihn voraussehbar und berechenbar sind. 385 Von besonBentert, S. 5. BVerfGE 34, S. 269 (293) - Soraya. 382 So bereits StolZ, GutA 45. DJT, S. 157. 383 BVerfGE 49, S. 168 (181); Dreier-Schultze-Fielitz, Art. 20 [Rechtsstaat] Rn. 117. 384 Dreier-Schultze-Fielitz, Art. 20 [Rechtsstaat] Rn. 120. 385 BVerfGE 83, S. 130 (145); BVerfGE 92, S. 196 (207); Schmidt-Bleibtreu/ Klein, Art. 2 Rn. 18; Dreier-Schultze-Fielitz, Art. 20 [Rechtsstaat] Rn. 117. 380 381

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derem Gewicht ist das Bestimmtheitsgebot bei grundrechtsbeschränkenden Normen. Hier ist dem Normgeber eine gesteigerte Präzisionspflicht auferlegt. 386 Da sich die zi viirechtliche Verurteilung zur Zahlung einer Geldentschädigung jedenfalls als Eingriff in Art. 2 I GG darstellt und in einer Vielzahl von Fällen auch den Schutzbereich des Art. 5 I 2 GG berühren wird, sind an die Bestimmtheit dieses zivilrechtliehen Instituts daher besonders hohe Anforderungen zu stellen. Ob die Geldentschädigung in ihrer heutigen Verfassung diesen erhöhten Anforderungen gerecht werden kann, erscheint freilich zweifelhaft. Dabei richtet sich die Kritik nicht gegen deren Tatbestandsvoraussetzungen. Diese sind zwar zumindest teilweise wertungsabhängig und ausfüllungsbedürftig, und damit bis zu einem gewissen Grade unbestimmt. In diesem Zusammenhang ist jedoch zu berücksichtigen, dass das Bestimmtheitsgebot lediglich als Optimierungsgebot387 zu verstehen ist: Es besagt nur, dass Rechtsnormen so genau zu fassen sind, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte und mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist. 388 So sind denn auch Generalklauseln oder unbestimmte, wertausfüllungsbedürftige Begriffe verfassungsrechtlich solange nicht zu beanstanden, wie sich mit Hilfe der üblichen Auslegungsmethoden eine hinreichende Grundlage für die Auslegung und Anwendung der Norm gewinnen lässt.389 Auf Tatbestandsebene ist eine solche "hinreichende Grundlage" zur Konkretisierung der unbestimmten Rechtsbegriffe unproblematisch vorhanden. Die ausfüllungsbedürftigen Tatbestandsmerkmale "Schwere des Eingriffs" sowie "mangelnder anderweitiger Ausgleich" sind von den Gerichten über Jahrzehnte weiterentwickelt und konkretisiert worden. Ob ein Persönlichkeitseingriff eine Geldentschädigungsverpflichtung nach sich ziehen wird, kann der Normadressat daher heute mit hinreichender Sicherheit abschätzen. Was hingegen nicht mit der von Verfassungs wegen geforderten Sicherheit vorherzusehen ist, ist die Höhe der zu erwartenden Entschädigungsverpflichtung. Bis zur Entscheidung Carotine von Monaco I mag diese Vorhersehbarkeit möglicherweise noch in ausreichendem Maße gewährleistet gewesen sein. Die konkrete Summe wurde vom Richter durch wertende Betrachtung der Schwere der Verletzungshandlung, des Verschuldeosgrads des Verletzers, der Intensität der Verletzungsfolgen und deren Dauer sowie des nachtatliehen Verletzerverhaltens ermittelt. Eine jahrzehntelange Judikatur, die in Dreier-Schultze-Fielitz, Art. 20 [Rechtsstaat] Rn. 117. Dreier-Schulze-Fielitz, Art. 20 [Rechtsstaat], Rn. 118. 388 BVerfGE 87, S. 234 (263); BVerfGE 89, S. 69 (84); Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 2 Rn. 18; Dreier-Schulze-Fielitz, Art. 20 [Rechtsstaat] Rn. 117. 389 BVerfGE 47, S. 385 f.; Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 2 Rn. 18; Dreier-Schulze-Fielitz, Art. 20 [Rechtsstaat] Rn. 121. 386 387

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eigenen "Schmerzensgeldtabellen"390 dokumentiert wurde, hat für eine Vielzahl von konkreten Präzedenzen gesorgt, die zumindest eine ungefähre Vorhersehbarkeit der zu erwartenden Entschädigungssummen ermöglicht haben. 391 Mit der Erweiterung der Geldentschädigung um den Aspekt der Prävention kann diese Einschätzung jedoch nicht länger aufrecht erhalten werden. Die vom Bundesgerichtshof bislang getroffenen Aussagen zur Berechnung der "unvollkommen-präventiven" Entschädigung lassen keine konkrete Orientierungsgröße zur Bestimmung des präventiven Entschädigungselementes erkennen. So ist insbesondere eine Zugrundelegung der einzig verlässlichen Größe - dem konkret erwirtschafteten Verletzergewinn - ausdrücklich verworfen worden. Der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zufolge führt die "Erzielung von Gewinnen aus der Rechtsverletzung" lediglich zu einem Präventionsaufschlag, der in seinen Voraussetzungen weitgehend unbestimmt und in seiner Bemessung ohne verlässlichen Anhaltspunkt ist. 392 Die "unvollkommen-präventive" Geldentschädigung liegt, soviel wird allein deutlich, im Niemandsland zwischen der üblichen, sich aus Ausgleichs- und Genugtuungsaspekten ergebenden Entschädigungssumme als Untergrenze und den tatsächlich erzielten, betriebswirtschaftlich zu ermittelnden Verletzergewinnen als Obergrenze. Innerhalb dieses Spielraums wird das richterliche Ermessen lediglich geleitet von dem Gebot, keine "die Pressefreiheit unverhältnismäßig einschränkenden"393 Summen zuzusprechen. Auch die seit Caroline von Monaco I ergangenen Entscheidungen der Instanzgerichte geben keinen Aufschluss darüber, woran die Bemessung des Präventionsaufschlages zu orientieren ist; einer diesbezüglichen Analyse der Entscheidungen steht insbesondere entgegen, dass eine funktionsbezogene Aufspaltung der ausgeurteilten Entschädigungssummen nach vorherrschender Ansicht nicht angängig sein soll und deshalb auch nicht praktiziert wird394. Der Adressat einer staatlichen Sanktion muss aber, dies verlangt das Gebot der Rechtssicherheit, konkrete Beurteilungsmaßstäbe für die Normanwendung im Einzelfall erkennen Vgl. beispielsweise die Zusammenstellung von Schulze/Stippler-Birk. Zwar ist Prinz insofern zuzustimmen, dass im Einzelfall das "Begründungsdurcheinander [der Gerichte] zu widersprüchlichen Entscheidungen" geführt haben mag, vgl. Prinz in NJW 1996, S. 953 (954) mit vielfältigen Beispielen aus der Rechtsprechung. Gleichwohl hat die Rechtsprechung über die Jahre ein funktionierendes Koordinatensystem aus Bemessungskriterien entwickelt, das im Zusammenspiel mit der durch eine Vielzahl von Entscheidungen bewirkten Selbstbindung der Gerichte zumindest dem verfassungsrechtlichen Minimalstandard entsprochen haben dürfte. 392 So auch Pfeifer in JR 1996, S. 420 (422). 393 BGH in NJW 1995, S. 861 (865)- Caroline von Monaco I. 394 Vgl. Staudinger-Schäfer, § 847 Rn. 11; BGH in VersR 1961, S. 164. 390

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können. 395 Das Fehlen solcher konkreten Beurteilungsmaßstäbe im Bereich der Geldentschädigung erweist sich insbesondere deshalb als bedenklich, weil deren Zubilligung sich im besonders empfindlichen Schutzbereich der Meinungs-, Presse- und Rundfunkfreiheit auswirkt. Mit der gesteigerten Grundrechtsrelevanz eines staatlichen Eingriffs verbindet sich jedoch - wie bereits ausgeführt - auch eine gesteigerte Konkretisierungs- und Präzisierungspflicht des Normgebers?96 Jedenfalls dieser erhöhten verfassungsrechtlichen Anforderung aber vermag das Institut der Geldentschädigung in seiner heutigen Gestalt nicht gerecht zu werden. Die konstatierte Unkalkulierbarkeit der Entschädigungssummen hat zwar unabweisbare rechtspolitische Vorteile. So unterstützt sie - vorausgesetzt, die Entschädigungssummen erreichen eine ausreichende Höhe - zweifellos die Präventionswirkung des Anspruchs: Die Gewährung von unkalkulierbaren Entschädigungssummen - nachgerade im Wege einer flexible response - machte es den Verlagen und Sendern jedenfalls unmöglich, die zu erwartenden Entschädigungsleistungen als Rechnungsposten in eine betriebswirtschaftliche Kalkulation aufzunehmen, den zu erwartenden Erlösen gegenüberzustellen und im Wege einer Kosten-Nutzen-Relation die Lukrativität eines Rechtsverstoßes im Vorwege zu ermitteln. Diese rechtspolitische Überlegung kann jedoch keinesfalls die in Art. 20 III GG niedergelegten rechtsstaatliehen Grundsätze aushebeln. Vielmehr ist auch und gerade im Bereich der massenmedialen Personenberichterstattung davon auszugehen, dass für die Adressaten einer belastenden Norm die eintretenden Rechtsfolgen zuverlässig zu erkennen sein müssen, damit diese ihr Verhalten danach einrichten können. Dieser Anforderung jedoch kann die "unvollkommenpräventive" Geldentschädigung in ihrer gegenwärtigen Gestalt nicht gerecht werden. 3. Insbesondere: Zur Frage der präventiven Leistungsfähigkeit der "Geldentschädigung bei Persönlichkeitsverletzung" Die bisherige Untersuchung hat bereits eine Reihe verfassungsrechtlicher Bedenken gegenüber der Geldentschädigung als "unvollkommen-präventivem" Rechtsbehelf hervorgebracht: Zwar steht ein Verstoß gegen die Grundsätze des Art. 103 II, III GG (noch) nicht zu befürchten, und auch das vielfach vorgebrachte Argument der "Systemwidrigkeit" des Präventionsgedankens im Zivilrecht vermag- aus den oben geschilderten Gründen - nicht durchzugreifen. Die Geldentschädigung erweist sich jedoch insofern 395 Dreier-Schulze-Fielitz, Art. 20 [Rechtsstaat] Rn. 121; BVerfGE 88, S. 366 (380 f .); BVerfGE 63, S. 312 (323 f.). 396 Vgl. BVerfGE 86, S. 288 (311); BVerfGE 84, S. 133 (149 f.); Dreier-SchulzeFielitz, Art. 20 [Rechtsstaat] Rn. 123.

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als bedenklich, als sie sich in ihrer gegenwärtigen rechtlichen Gestalt auf keine tragfähige Anspruchsgrundlage stützen kann und zudem dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitserfordernis zuwiderläuft. Mit diesen Erkenntnissen ist die verfassungsrechtliche Analyse freilich noch nicht abgeschlossen - den zentralen Aspekt einer verfassungsrechtlichen Überprüfung der Geldentschädigung muss die Beurteilung ihrer Effektivität bilden, also ihrer tatsächlichen Wirksamkeit zur Erfüllung der sich aus Art. 2 I i. V. m. Art. I I GG ergebenden Schutzpflicht Denn allein die Geldentschädigung ist jedenfalls potentiell dazu in der Lage, die präventive Schutzpflicht des Staates gegenüber kommerziell motivierten Persönlichkeitsverletzungen effektiv umzusetzen. Da andere monetäre Rechtsbehelfe zur Umsetzung dieser Schutzpflicht nicht verfügbar sind, steht und fällt die Erfüllung des staatlichen Schutzauftrages insgesamt also mit der tatsächlichen präventiven Wirksamkeit der Geldentschädigung bei Persönlichkeitsverletzung. Ob das Institut dieser anspruchsvollen Aufgabenzuweisung gerecht werden kann, soll im folgenden ermittelt werden. In diesem Zusammenhang ist zunächst auf die prinzipielle Unverzichtbarkeit der Geldentschädigung bei Persönlichkeitsverletzungen hinzuweisen. Diese steht heute gänzlich außer Frage. Die Geldentschädigung füllt eine durch die Unzulänglichkeit des übrigen monetären und nicht-monetären Schutzinstrumentariums gerissene Lücke, die den Rechtsschutz des Einzelnen gegenüber der rechtswidrigen medialen Verwertung seiner Persönlichkeit in rechtspolitisch und verfassungsrechtlich nicht hinnehmbarer Weise verkürzt. Ohne das Institut der Geldentschädigung blieben Verletzungen des Ehr-, Wahrheits-, Diskretions- und Anonymitätsinteresses vielfach ungeahndet. Die Geldentschädigung vermag in diesen Fällen als einziges Instrument für die Genugtuung des Verletzten zu sorgen; ihre Gewährung besänftigt dessen berechtigten Zorn und stärkt sein Vertrauen in die Rechtsordnung. Daneben verdeutlicht sie dem Verletzer die Unrechtmäßigkeit seines Handeln und ermahnt diesen zur Verhaltenskorrektur. Und nicht zuletzt erweist sich die Geldentschädigung als hinreichend flexible Sanktionsform, da sie sich an der Intensität des Rechtsverstoßes, der Gewichtigkeit der betroffenen Interessen, dem Verschuldeosgrad des Verletzers sowie den aus der Verletzung resultierenden Folgen individuell ausrichten lässt und somit ein Höchstmaß an Einzelfallgerechtigkeit verwirklichen kann. Gleichwohl führt eine genauere Effektivitätsanalyse zu dem Ergebnis, dass die Geldentschädigung ihrer zentralen Aufgabenstellung heute nicht gerecht werden kann. Sie vermag den notwendigen Schutz des Einzelnen gegenüber unrechtmäßiger Personenberichterstattung auch nicht annähernd in dem von Verfassungs wegen geforderten Umfang zu gewährleisten. In diesem Zusammenhang sei an den Grundpfeiler der staatlichen Schutzpflicht gegenüber den Erscheinungsformen der Trivialen Personenberichter-

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stattung erinnert: Die besondere Eingriffsintensität der Trivialen Personenberichterstattung und die besondere Wertigkeit der typischerweise betroffenen Rechtsgüter erfordert die staatliche Gewährleistung eines präventiven Schutzkonzeptes; eines Abwehrmechanismus also, der auf die Verhinderung zukünftiger Beeinträchtigungen gerichtet ist. 397 Eine diesen Anforderungen genügende Präventionswirkung kommt der Geldentschädigung in ihrer gegenwärtigen rechtspraktischen Ausgestaltung jedoch nicht bei. Ausgangspunkt dieser Erkenntnis ist, dass es sich bei der Trivialen Personenberichterstattung um ein ökonomisch motiviertes Phänomen handelt. In der Folge sind daher auch die Rechtsverstöße, die aus dieser Form der Berichterstattung resultieren, ökonomisch motiviert. Prävention gegenüber Trivialer Personenberichterstattung kann daher nur bedeuten, den ökonomischen Anreiz für mögliche Rechtsverstöße zu reduzieren und im Extremfall zu eliminieren. 398 Mit der Geldentschädigung, die gegenwärtig als einziges Instrument potentiell in der Lage wäre, diese Anreizminderung auszuüben, lässt sich dieses Ziel jedoch nicht erreichen. Der Bundesgerichtshof hat die Präventivfunktion der Geldentschädigung wie folgt ausgestaltet: "Eine Verurteilung zur Geldentschädigung ist [... ] nur dann geeignet, den aus dem Persönlichkeitsrecht gebotenen Präventionszweck zu erreichen, wenn die Entschädigung der Höhe nach ein Gegenstück auch dazu bildet, dass [... ] die Persönlichkeitsrechte zur Gewinnerzielung verletzt worden sind. Das heißt zwar nicht, dass in solchen Fällen rücksichtsloser Kommerzialisierung der Persönlichkeit eine ,Gewinnabschöpfung' vorzunehmen ist, wohl aber, dass die Erzielung von Gewinnen aus der Rechtsverletzung als Bemessungsfaktor in die Entscheidung über die Höhe der Geldentschädigung einzubeziehen ist. Von der Höhe der Geldentschädigung muss deshalb ein echter Hemmungseffekt auch für solche Vermarktung der Persönlichkeit ausgehen. "399 Den Worten des Bundesgerichtshofs zufolge gebietet das Präventionsgebot demnach zwar die Gewährung fühlbarer Entschädigungssummen, denen ein "echter Hemmungseffekt" beikommt. Als Orientierungsgröße soll jedoch nicht der tatsächliche wirtschaftliche Vorteil gelten, den der Verletzer aus der Verletzungshandlung gezogen hat. Im Gegenteil: Eine unmittelbare Gewinnorientierung im Sinne einer "Gewinnabschöpfung" wird explizit abgelehnt. Damit aber steht fest, dass die Geldentschädigung selbst im extremen Fall einer "vorsätzlichen Zwangskommerzialisierung der Persönlichkeit" jedenfalls keine vollkommene Eliminierung des wirtschaftlichen Anreizes durch die unmittelbare Bindung der Entschädigungssumme an die Höhe der vom Verletzer erzielten ökonomischen Vorteile ermöglicht. Vor397 Vgl. dazu oben Dritter Teil, A.IV. Auf die besondere Verletzungsempfindlichkeit der Persönlichkeitsrechte weisen auch Götting, S. 54, sowie Schiechtriern in Hefermehl-FS, S. 445 (456 f.) hin. 398 Dazu oben Dritter Teil, C.l. 399 BGH in NJW 1995, S. 861 (865 li. Sp.)- Caroline von Monaco I.

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gesehen ist allein die Aufstockung der nach wie vor anband von restitutiven und kompensatorischen Kriterien zu ermittelnden Entschädigungssummen um einen "Präventionsaufschlag". Da dieser von den Gerichten nicht separat ausgewiesen wird400, können Aussagen über dessen konkreten Umfang nur anband einer einzelfallbezogenen Betrachtung der nach Caroline von Monaco I tatsächlich ausgeurteilten, nunmehr "unvollkommen-präventiven" Summen, getroffen werden. Eine solche ergibt jedoch unmittelbar, dass eine wirkliche Trendwende die Höhe der Entschädigungsleistungen betreffend nicht stattgefunden hat.401 So lag die höchste Entschädigungssumme für eine massenmediale Persönlichkeitsverletzung vor der Entscheidung Caroline von Monaco I bei DM 60.000,-.402 Auf den ersten Blick scheint die Caroline-Rechtsprechung hier zwar eine erhebliche Anhebung bewirkt zu haben: Das OLG Harnburg hat auf die erfolgreiche Revision der Klägerin im Fall Caroline von Monaco I eine Entschädigung von immerhin DM 180.000,- zugesprochen.403 Dieser Entscheidung lagen jedoch drei Einzelverletzungen zugrunde, die gemeinsam abgegolten wurden. Bei unterstellter Gleichwertigkeit der Verletzungen verbleiben also DM 60.000,- pro Eingriff. Eine erhebliche Anhebung der sonst gewährten Summen ist hierin nicht zu sehen. Diesen Eindruck bestätigen auch die in der Folgezeit ergangenen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs und der Instanzgerichte. So findet sich bislang als maximale Entschädigungssumme die Zubilligung von DM 75.000,- an einen von einer bundesweit vertriebenen Illustrierten fälschlich als Kinderschänder bezeichneten Familienvater.404 Im übrigen resultieren auch weiterhin aus z. T. schwersten Persönlichkeitsverletzungen Entschädigungen von maximal DM 50.000,-.405 Der vom Bundesgerichtshof eingeführte "Präventionsaufschlag" hat also in der Spruchpraxis der Gerichte (noch) zu keiner merklichen Anhebung der maximalen Entschädigungssummen geführt. Diese bewegen sich auch weiterhin statisch, d.h. unabhängig von der Solvenz des Verletzers und den von ihm erwirtschafteten Gewinnen, in einer Größenordnung zwischen DM 50.000,- und 75.000,-. Der ehemalige Vorsitzende Richter am Bundesgerichtshof Steffen bemerkt in einer Anmerkung zur Caroline-Rechtsprechung seines Senates zutreffend, Zahlungsverpflichtungen von lediglich 400 Die bereits in BGH in VersR 1961, S. 164 postulierte "Einheitlichkeit des Entschädigungsanspruchs" steht einer separaten, funktionsbezogenen Ausweisung von Teilsummen nach wie vor entgegen. 401 So auch die Einschätzung von Soehring in NJW 1997, S. 360 (373). 402 OLG Karlsruhe in NJW 1994, S. 1963- Steffi Graf. 403 OLG Harnburg in NJW 1996, S. 2870. 404 LG Ansbach in NJW 1997, S. 978- Kinderschänder. 405 Vgl. BGH in AtP 1997, S. 700- ärztlicher Kunstfehler; BGH in NJW 1996, S. 984- Caroline von Monaco II; OLG Harnburg in NJW-RR 1996, S. 90- DrogenkartelL

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10.000,- bis 20.000,- DM könnten "den Verleger oder Fernsehboss von einer wirtschaftlichen Ausschlachtung des Attraktionspotentials Prominenter für seine Konsumenten" nicht abhalten.406 Ebenso deutlich liegt aber auf der Hand, dass auch von den nunmehr als präventiv ausgewiesenen Entschädigungssummen von DM 50.000,- bis DM 75.000,- kein "echter Hemmungseffekt" ausgehen kann. Um dies zu erkennen, bedarf es nicht einmal der vom Prozessvertreter Caroline von Monacos entwickelten Rechenmodelle.407 Vielmehr genügt es bereits, sich den gängigen Marktwert der in Rede stehenden Personeninformationen zu vergegenwärtigen. So können für Exklusivfotos und Exklusivinterviews von besonders gefragten Personen Spitzenpreise in regelmäßig sechs- und in Extremfallen sogar siebeosteiliger Höhe verlangt werden.408 Wenn jedoch der rechtswidrigen Verwertung einer derart "wertvollen" Information eine monetäre Sanktion von maximal DM 75.000,- gegenübersteht, so kann von letzterer schlechterdings keine effektive Präventionswirkung ausgehen. Eine solche ließe sich allein mit zumindest potentiell wesentlich höheren Entschädigungssummen erreichen, als sie die Gerichte heute zusprechen409 : Wenn der Sache nach Ziele der Prävention verfolgt werden, so müssen die Entschädigungssummen wenigstens den möglichen Verletzergewinn umfassen können. 410 Dies aber ist gegenwärtig nicht der Fall. Zumindest gegenüber den besonders verletzungsintensiven weil in großer Auflage verbreiteten, inhaltlich besonders reißefischen und daher auf eine besonders große Nachfrage stoßenden Personenberichten kann die Geldentschädigung in ihrer heutigen Gestalt nichts ausrichten. 411 Damit aber verfehlt sie das verfassungsrechtlich vorgegebene Ziel, die Persönlichkeit gerade gegenüber den besonders schwerwiegenden Verletzungsformen effektiv zu schützen.412

406

Steifen in NJW 1997, S. 10 (12).

Abgedruckt in OLG Harnburg in NJW 1996, S. 2870 ff. Vgl. oben Erster Teil, C.l//.3. für eine ausführliche Dokumentation der heute "üblichen" Summen. 409 Zu diesem Ergebnis gelangt auch Schiechtriern in Hefermehi-FS, S. 445 (455), der die zu erwartenden Schadensersatzbelastungen im Vergleich zum möglichen Gewinn als "geringfügigen Posten in der Unkostenrechnung der Verlage" bezeichnet. 410 Esser/Weyers weisen darauf hin, dass neben der vollständigen Abschöpfung des Verletzergewinns sogar noch ein "Präventionsaufschlag" erforderlich wäre, um die Verletzungshandlung tatsächlich wirtschaftlich unrentabel zu machen; vgl. Esser/Weyers, § 61 II 3. 411 So im Ergebnis auch Schiei'IUlnn in DZWir 1995, S. 202 (204); Pfeifer in JR 1996, S. 422; Prinz in NJW 1995, S. 817 (820); Prinz in NJW 1996, S. 953 (957 f.); Nordei'IUlnn in ZUM 1991, S. 554. 412 Vgl. hierzu auch Schiechtriern in Hefermehl-FS, S. 445 (456). 407

408

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3. Teil: Rechtsschutz gegenüber Trivialer Personenberichterstattung

4. Ergebnis Die vorstehenden Ausführungen begründen erhebliche Zweifel an der Verfassungsgemässheit der Geldentschädigung bei Persönlichkeitsverletzungen in ihrem gegenwärtigen Erscheinungsbild und damit an ihrer grundsätzlichen Eignung zur Umsetzung der staatlichen Schutzpflicht im Bereiche des äußerungsrechtlichen Persönlichkeitsschutzes. Zunächst und vor allem mangelt es ihr an einer tragfähigen Anspruchsgrundlage. Der Bundesgerichtshof hat den Entschädigungsanspruch auf § 823 I BGB i. V. m. Art. 2 I, 1 I GG gestützt und damit als Verfassungsprivatrechtlichen Anspruch eigener Art ausgestaltet. Die unmittelbare Herleitung privatrechtlicher Ansprüche aus der Verfassung ist jedoch nicht angängig; eine solche Vorgehensweise verkehrte die Grundrechte, die historisch allein als Abwehrrechte gegen den Staat konstruiert worden sind, in ihr exaktes Gegenteil. Zudem führte sie zu einer rechtspolitisch ebenso wie rechtsdogmatisch wenig wünschenswerten Zementierung des Zivilrechts, welche Zivilgesetzgeber und Zivilrechtsprechung ihrer - gerade im Persönlichkeitsschutz - notwendigen Gestaltungsmöglichkeit berauben würde. Der Ansatz der Rechtsprechung zur unmittelbaren Herleitung des Geldentschädigungsanspruchs aus den Grundrechten erweist sich daher als äußerst problematisch. Alternative Begründungsmodelle scheiden jedoch ebenfalls aus. Eine extensive Auslegung des § 847 I BGB scheitert am insoweit eindeutigen Wortlaut der Norm, und einer analogen Anwendung der Vorschrift steht § 253 BGB unüberbrückbar entgegen mit der Folge, dass eine einfachgesetzliche Verankerung ebenfalls ausgeschlossen ist. Eine richterrechtliche respektive gewohnheitsrechtliche Verankerung der Geldentschädigung in ihrer heutigen, von der Caroline von Monaco-Rechtsprechung geschaffenen Ausprägung als "unvollkommen-präventiver" Rechtsbehelf wiederum begegnet deutlichen verfassungsrechtlichen Bedenken. Denn vor dem Hintergrund des Analogieverbots des § 253 BGB stellt sich die richterliche Einführung eines immateriellen Entschädigungsanspruchs als Rechtsfortbildung contra Iegern dar. Zwar mag diese ursprünglich verfassungswidrige Rechtsfortbildung durch langjährige, allgemeine Übung zu rechtmäßigem Gewohnheitsrecht erstarkt sein. Für die vom Bundesgerichtshof im Jahre 1994 vorgenommene Erweiterung des Anspruchs um ein "unvollkommenpräventives" Element jedoch kann dies nicht gelten - gegen eine diesbezügliche Annahme von Gewohnheitsrecht sprechen der erst sehr kurze Zeitraum seit Begründung des Instituts ebenso wie die erhebliche Kritik der rechtswissenschaftliehen Literatur. Im Ergebnis bedeutet dies, dass sich die Geldentschädigung jedenfalls in ihrer "unvollkommen-präventiven" Ausprägung gegenwärtig auf keine tragfähige Anspruchsgrundlage stützen lässt. Die Zubilligung "unvollkommen-präventiver" Entschädigungsleistungen, welche sich ja als unmittelbarer Grundrechtseingriff auf Seiten des

C. Publizistische Persönlichkeitsverletzung und monetäre Sanktion

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Anspruchsverpflichteten darstellen, erscheint daher zum gegenwärtigen Zeitpunkt aus verfassungsrechtlicher Sicht als zumindest äußerst bedenklich. Diese Kritik wird noch verstärkt durch die Erkenntnis der mangelnden Bestimmtheit des Rechtbehelfs. Die Neustrukturierung der Geldentschädigung durch den Bundesgerichtshof hat zwar nicht die Tatbestandsvoraussetzungen des Anspruchs, wohl aber dessen traditionelle Bemessungskriterien verändert. Nachdem die Entschädigungssummen über Jahrzehnte hinweg anband nachvollziehbarer Größen (Intensität der Verletzungshandlung, Verletzerverschulden, Auswirkungen beim Betroffenen) festgelegt wurden, soll in Fällen der "Zwangskommerzialisierung" nunmehr zusätzlich ein "Präventionsaufschlag" gewährt werden. Dessen Bemessung muss jedoch gänzlich ohne Orientierungsgröße erfolgen, denn der Bundesgerichtshof hat explizit eine Orientierung der präventiven Geldentschädigung an den erzielten Verletzergewinnen abgelehnt, und damit das einzig bestimmte oder bestimmbare Bemessungskriterium verworfen. Die Folge hieraus ist eine Unkalkulierbarkeit der "unvollkommen-präventiven" Entschädigungssummen und damit ein Verstoß gegen das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot des Art. 20 III GG. Nicht durchzugreifen vermag zwar das vielfach angeführte Argument, die Zubilligung präventiver Geldentschädigungen bedeute eine Pönalisierung des Zivilrechts und sei deshalb als systemwidrig zu verwerfen. Diese Kritik mag möglicherweise auf einen vorwiegend oder gar ausschließlich präventiven Rechtsbehelf zutreffen - die "unvollkommen-präventive" Geldentschädigung gegenwärtiger Gestalt jedenfalls entfaltet kaum stärkere Präventionswirkung als der Widerruf oder die Richtigstellung mit der Folge, dass sie genau wie diese - zumindest keinen absoluten Fremdkörper im Zivilrecht darstellt. Und ebenso muss auch die sich hieran unmittelbar anschließende Frage nach der verfassungsrechtlichen Beständigkeit des Instituts in Ansehung der Verfahrensgrundrechte des Art. 103 II, III GG beantwortet werden: Die "unvollkommen-präventive" Geldentschädigung hat sich (noch) nicht weit genug von ihren schadensersatzrechtlichen Wurzeln entfernt, und sie betont das pönale Element (noch) nicht stark genug, als dass von einer Strafsanktion i. S. d. Art. 103 II, III GG auszugehen wäre. Als Konsequenz hieraus finden die Grundsätze nulla poena sine lege und ne bis in idem (noch) keine Anwendung auf die Gewährung von Geldentschädigungen; erst eine deutliche Verselbständigung des präventiven Elements würde diese Garantien auslösen. Doch eben aus dieser Erkenntnis erwächst ein weiterer, schwerwiegender Kritikpunkt: Gerade weil nämlich die Geldentschädigung nach wie vor keine wirkliche Präventionswirkung entfaltet und den originär zivilrechtliehen Gedanken der Restitution und der Kompensation so deutlich verhaftet

382

3. Teil: Rechtsschutz gegenüber Trivialer Personenberichterstattung

ist, versagt sie nach wie vor auch in der Umsetzung des staatlichen Schutzauftrages aus Art. 2 I i. V. m. Art. 1 I GG. Die äußerst unvollkommene Orientierung der Entschädigungsleistungen am Gedanken der Prävention führt dazu, dass die Persönlichkeit der Betroffenen nicht mit hinreichender, den verfassungsrechtlichen Vorgaben entsprechender Effektivität vor massenmedialen Eingriffen geschützt wird. Insbesondere hierin liegt die grundsätzliche, verfassungsrechtliche Kritik an der gegenwärtigen Ausgestaltung dieses Rechtsinstituts begründet.

IV. Zusammenfassende Betrachtung: Die monetäre Sanktionierbarkeil publizistischer Persönlichkeitsverletzungen (de lege lata) Die Ergebnisse der vorstehenden Untersuchung lassen sich wie folgt skizzieren: Aus Art. 2 I i. V. m. Art. 1 I GG resultiert die staatliche Verpflichtung, die menschliche Persönlichkeit präventiv gegenüber den besonders verletzungsintensiven Ausprägungen der Trivialen Personenberichterstattung abzusichern. Da es sich bei der Trivialen Personenberichterstattung um ein kommerziell motiviertes Phänomen handelt, kann wirkliche Prävention jedoch nur erzielt werden, indem der ökonomische Anreiz derartiger Persönlichkeitsverletzungen gemindert oder aufgehoben wird. Zur präventiven Absicherung der Persönlichkeit bedarf es also eines wirkungsvollen monetären Rechtsbehelfs. Die Überprüfung des verfügbaren zivilrechtliehen Instrumentariums ergibt jedoch, dass ein solcher Rechtsbehelf den Betroffenen gegenwärtig nicht zur Verfügung steht. Denn materieller Schadensersatz und Bereicherungsausgleich werden in den hier maßgeblichen Fällen (Ehrverletzung, Verletzung der Privat- und Intimsphäre, Verletzung des Anonymitätsinteresses, Verletzung des Wahrheitsinteresses) von der Rechtsprechung für unanwendbar gehalten. Die Aufgabe einer monetären Reaktion auf publizistische Persönlichkeitsverletzungen wird damit - faktisch - allein dem Institut der "Geldentschädigung", also dem immateriellen Schadensersatz überantwortet. Dieses Institut ist indes mit einer solchen Aufgabenzuweisung deutlich überfordert. Zwar soll die Geldentschädigung - nach dem erklärten Willen des Bundesgerichtshofs - nunmehr auch der Prävention dienen; von ihr soll ein "wirklicher Hemmungseffekt" ausgehen. Aus dieser neuen Funktionszuweisung resultieren jedoch nicht unerhebliche verfassungsrechtliche Bedenken; problematisch ist vor allem die Frage nach einer tragfähigen Anspruchsgrundlage dieses "unvollkommen-präventiven" Instituts. Hinzu kommt, dass die Rechtsprechung mit der Fortentwicklung des immateriellen Schadensersatzes auf halbem Weg stehen bleibt, denn wirkliche Prävention lässt sich mit der Geldentschädigung in ihrer gegenwärtigen Gestalt effektiv nicht bewirken - die tatsächlich ausgeworfenen

D. Verfassungskonforme Ausgestaltung des Rechtsfolgeninstrumentariums 383

Summen sind nach wie vor nicht geeignet, die äußerst lukrative publizistische Persönlichkeitsverwertung ökonomisch uninteressant zu machen. Einer wirklichen Präventionswirkung steht vor allem entgegen, dass der Bundesgerichtshof eine Gewinnabschöpfung selbst in Fällen vorsätzlicher Persönlichkeitsverletzung ("bewusste Zwangskommerzialisierung der Persönlichkeit") explizit ablehnt. Das Institut der Geldentschädigung und mit ihm das gesamte präventive Schutzkonzept sind damit - jedenfalls in Bezug auf die typischen Gefährdungslagen der Trivialen Personenberichterstattung - zum Scheitern verurteilt; die verfassungsrechtlich notwendige, präventive Absicherung der Persönlichkeit kann von dem gegenwärtig verfügbaren Rechtsfolgeninstrumentarium nicht mit hinreichender Effektivität geleistet werden. Die staatliche Schutzpflicht aus Art. 2 I i. V. m. Art. 1 I GG bleibt damit zu einem Gutteil unerfüllt. Zur (Wieder-)Herstellung eines verfassungsrechtlich akzeptablen Zustandes bedarf es also nach allem der Ergänzung oder Weiterentwicklung des gegenwärtigen Rechtsfolgeninstrumentariums. Dass das Zuwarten auf ein gesetzgeberisches Einschreiten sich in diesem Zusammenhang als müßig erweisen dürfte, lehrt die Vergangenheit. Im folgenden soll daher der Versuch unternommen werden, eine Schließung der "offenen Flanke" des Persönlichkeitsschutzes mit den Mitteln und auf der Grundlage des bereits vorhandenen Rechtsfolgeninstrumentariums zu bewirken.

D. Verfassungskonforme Ausgestaltung des monetären Rechtsfolgeninstrumentariums (de lege ferenda) Vor dem Hintergrund der festgestellten Lückenhaftigkeit des gegenwärtigen äußerungsrechtlichen Persönlichkeitsschutzes stellt sich die Frage, ob und gegebenenfalls wie sich das vorhandene monetäre Rechtsfolgeninstrumentarium weiterentwickeln lässt, damit auf verfassungskonforme Weise die Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht sichergestellt werden kann. Zur Beantwortung dieser Frage sollen zunächst die bislang diskutierten Ansätze zur Weiterentwicklung der "Geldentschädigung bei Persönlichkeitsverletzungen" dargestellt und bewertet werden. Wie jedoch zu zeigen sein wird, ist dieses Institut in seiner Ausbaufahigkeit strukturell begrenzt mit der Folge, dass ein tatsächlich wirksamer Persönlichkeitsschutz allein durch die (erweiterte) Zubilligung von immateriellen Entschädigungsleistungen grundsätzlich nicht erzielt werden kann. Angezeigt ist vielmehr die Weiterentwicklung des monetären Rechtsfolgeninstrumentariums insgesamt. Die vorliegende Arbeit wird dementsprechend mit der Entwicklung eines eigenen Lösungsmodells abschließen, welches immaterielle und materielle Rechtsbehelfe zu integrieren und damit die notwendige Effektivierung des äuße-

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3. Teil: Rechtsschutz gegenüber Trivialer Personenberichterstattung

rungsrechtlichen Persönlichkeitsschutzes auf verfassungskonforme Weise herbeizuführen sucht.

I. Bisherige Lösungsansätze zur systemimmanenten Optimierung der Geldentschädigung und Kritik In der aktuellen Diskussion um die Geldentschädigung bei Persönlichkeitsverletzung haben sich eine Reihe von Autoren um die effektivere Ausgestaltung dieses äußerungsrechtlichen Abwehrinstruments bemüht. Die vielfältigen Vorschläge reichen von der Gewährung symbolischer Schmerzensgelder über eine deutliche Anhebung der Entschädigungssummen bis zu der Forderung nach vollständiger Gewinnabschöpfung oder gar der Anerkennung eines Strafschadenersatzes mit originär abschreckender Wirkung. Wie zu zeigen sein wird, erweisen sich diese Vorschläge jedoch sämtlich als ungeeignet, um den dargestellten Herausforderungen in verfassungskonformer Weise begegnen zu können. 1. "Symbolische Schmerzensgelder"

Als Alternative zur gegenwärtigen Entschädigungspraxis wird in der Literatur zum einen die Möglichkeit der Gewährung symbolischer Schmerzensgelder diskutiert41 3 , und auch die Gerichte haben in vereinzelten Entscheidungen symbolhafte Wiedergutmachungsleistungen zugesprochen. 414 Es handelt sich hierbei regelmäßig um geringe - Klass415 spricht von "nominellen" - Schadenersatzbeträge, deren Höhe unabhängig von den üblichen Bemessungskriterien festgelegt wird und deren vordringliche Funktion darin besteht, ein Unwerturteil hinsichtlich der infragestehenden Rechtsverletzung auszusprechen.416 Das symbolische Schmerzensgeld steht damit dem Feststellungsurteil wesentlich näher als dem Schadensersatzanspruch; eine restitutive Wirkung kommt ihm nicht bei. Und auch seine kompensatorische Leistungsfähigkeit ist beschränkt - die Verurteilung des Verletzers zu einer nur verschwindend geringen Entschädigungssumme kann sogar, wie Hubmann417 zutreffend bemerkt, zu einer erneuten Kränkung des Verletzten führen. Hinsichtlich des präventiven Potentials einer symbolischen Entschädigung schließlich kann auf die Ausführungen zur persönlichkeitsrechtKlass, S. 121, 123; RGRK-Dunz, § 823 Anh. I, Rn. 142; Wiese, S. 51. Vgl. BGH in NJW 1977, S. 626 (628)- Editorial; zum symbolischen Schmerzensgeld bei Körperverletzungen BGH in NJW 1976, S. 1147 sowie BGH in NJW 1982, s. 2123. 415 Klass, S. 123. 416 Wiese, S. 54; Klass, S. 121. 417 Hubmann in NJW 1975, S. 917 (918). 413 414

D. Verfassungskonforme Ausgestaltung des Rechtsfolgeninstrumentariums 385

liehen Feststellungsklage verwiesen werden418 : Hier wie dort erschöpft sich die Wirkung des Rechtsbehelfs in einer Ermahnung des Verletzers, in einem Appell an dessen Gewissen und einem Aufruf zur Verhaltensänderung. Die mangelnde Empfänglichkeit wirtschaftlicher Einheiten für derartige symbolische Akte ist bereits an anderer Stelle hinreichend dargelegt worden. 419 Ein symbolisches Schmerzensgeld, verstanden als unrechtsfeststellende Minimalsumme,. kann daher dem Schutzerfordernis der Art. 2 I i. V. m. Art. I I GG im Hinblick auf die Triviale Personenberichterstattung nicht gerecht werden. Eine effektivere Ausgestaltung symbolischer Schmerzensgelder durch die Gewährung standardisierter Entschädigungssummen in tatsächlich "fühlbarer" Höhe hingegen wäre kaum mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu vereinbaren. Daneben ist zu bedenken, dass symbolische Schmerzensgelder dem Bestimmtheitserfordernis zuwiderliefen, da für die Festlegung ihrer konkreten Höhe keine verlässliche Orientierungsgröße existiert. Nicht praktikabel erscheint in diesem Zusammenhang auch der auf Götting zurückgehenden Vorschlag, die Entschädigungssumme in Fällen schweren Verschuldeos zu verdreifachen, wie dies der Übung im amerikanischen Recht entspricht. 420 Dies würde zwar den Präventionseffekt der Geltentschädigung verbessern. Solange aber die zugebilligten Entschädigungssummen unabhängig von den mit der Rechtsverletzung erzielten Gewinnen berechnet werden, lässt sich auch mit dieser Methode eine effektive Präventionswirkung nicht sicher herstellen. Zudem sieht sich auch dieser Vorschlag dem Vorwurf der Unbestimmtheit ausgesetzt. Die Verdreifachung einer auf kaum nachvollziehbare Weise ermittelten Geldentschädigung bei "besonders schwerem Verschulden" führt kaum zu mehr Rechtssicherheit, sondern verdreifacht lediglich die ohnehin bestehenden Unsicherheiten. Im Ergebnis stellen symbolische oder standardisierte Schmerzensgelder also keine tragfähige Alternative zu der gegenwärtigen Praxis dar.421 2. Anhebung der Entschädigungssummen im bestehenden System Gleiches gilt auch für die vielfach diskutierte Anhebung der Entschädigungssummen innerhalb des bestehenden Systems.422 Denn eine Steigerung Oben Dritter Teil, B.I.4. Oben Dritter Teil, B.l.4. sowie Dritter Teil, C.I. 420 Vgl. Götting, S. 283 unten. 421 So im Ergebnis auch Klass, S. 123 f.; MünchKomm-Schwerdtner, § 12 Rn. 305; Steffen in ZRP 1994, S. 196 (198); Hubmann in NJW 1975, S. 917 f. 422 Dieser Vorschlag wird in jüngerer Zeit diskutiert von Prinz in NJW 1995, S. 817 (820); Prinz in NJW 1996, S. 953 (957 f.); Steffen in ZRP 1994, S. 196 f.; Steffen in NJW 1997, S. 10 (13); Schiemann in DZWir 1995, S. 202 (204); Pfeifer 4 18

419

25 Neben

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3. Teil: Rechtsschutz gegenüber Trivialer Personenberichterstattung

der Entschädigungssummen auf ein Niveau, das einen tatsächlichen Hemmungseffekt auszulösen vermöchte, erscheint verfassungsrechtlich undurchführbar. Dies liegt zwar nicht etwa in dem Umstand begründet, dass deutlich angehobene Entschädigungssummen die Medienfreiheit der Verlage und Sender per se unverhältnismäßig einschränken würden. 423 Denn wie der Bundesgerichtshof zutreffend in der Entscheidung Carotine von Monaco f 24 ausführt, kann von einer unverhältnismäßigen Einschränkung des Art. 5 I GG jedenfalls dann nicht gesprochen werden, wenn Anlass und Gegenstand der Entschädigungsleistung die kalkulierte Ausbeutung von Persönlichkeitsrechten - also eine vorsätzliche rechtswidrige Handlung - ist. Und ebenfalls nicht durchgreifen kann das Argument, eine Erhöhung der Entschädigungssummen leiste der Kommerzialisierung der menschlichen Persönlichkeit Vorschub.425 Denn wie ausführlich dargelegt, ist die Persönlichkeit ohnehin in ihren meisten Aspekten (Name, Bildnis, Lebensgeschichte) bereits umfassend kommerzialisiert. Hinsichtlich ihrer besonders schutzbedürftigen Ausprägungen wie Ehre und Diskretion gilt dies zwar grundsätzlich nicht. Es ist hier jedoch zu beachten, dass mit der ökonomisch motivierten Verletzung dieser Interessen gleichwohl eine faktische Kommerzialisierung im Einzelfall eintritt, nur dass diese vom Verletzer initiiert wird und nicht vom eigentlich Berechtigten. Dieser Form der ungewollten, der "Zwangs"-kommerzialisierung, lässt sich aber nur dadurch wirkungsvoll begegnen, dass ihr der ökonomische Anreiz genommen wird. Erhöhte Entschädigungssummen würden also der befürchteten Kommerzialisierung ideeller Interessen gerade entgegenwirken. Zudem ist unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten kaum nachzuvollziehen, warum man dem kommerziell handelnden Rechtsverletzer die Früchte seines Verstoßes mit dem Argument belassen sollte, das Opfer trage anderenfalls selbst zur weiteren Kommerzialisierung des betroffenen Rechtsgutes bei.426 Und schließlich greift auch der Einwand nicht, eine deutliche Anhebung der Entschädigungssummen ließe eine unvertretbare Diskrepanz zu den Schmerzensgeldem bei Körperverletzung entstehen427 . Denn zum einen werden in besonders schweren Fällen heute schon Schmerzensgelder von DM 500.000,- und mehr zugesprochen428 - eine Größenordnung, von der die Geldentschädigungen bei in JR 1996, S. 422; Rosenganen in NJW 1996, S. 1935 (1936); Herrmann, S. K8 (K40); Seitz in NJW 1996, S. 2848 (2850). 423 So aber Gounalakis in AfP 1998, S. 10 (18). 424 BGH in NJW 1995, S. 861 (865). 425 So aber die Argumentation von Gounalakis in AfP 1998, S. 10 (16). 426 In diesem Sinne auch Schwerdtner, Persönlichkeitsrecht, S. 266; Schiechtriern Hefermehl-FS, S. 445 (457); Kleinheyer in JZ 1970, S. 471 (476). 427 Zu diesem Argument vgl. Gounalakis in AfP 1998, S. 10 (16 f.).

D. Verfassungskonforme Ausgestaltung des Rechtsfolgeninstrumentariums 387

Persönlichkeitsverletzung noch weit entfernt sind. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass Schmerzensgelder bei Körperverletzungen in den überwiegenden Fällen für fahrlässige Verletzungshandlungen ausgeworfen werden. Jedenfalls aber betreffen diese kaum einmal die vorsätzliche Begehung aus rein kommerziellem Interesse. Weiterhin werden Schmerzensgelder bei Körperverletzungen regelmäßig von Privathaftpflichtversicherungen aufgefangen mit der Folge, dass eine Präventionswirkung sich hier schlechterdings nicht erreichen lässt und die zugesprochenen Summen daher allein nach Ausgleichs- und Genugtuungsgesichtspunkten zu bemessen sind. Daneben gilt es zu bedenken, dass der präventive Schutz gegenüber physischen Beeinträchtigungen weitaus besser und effektiver ausgestaltet ist, als dies für Persönlichkeitsverletzungen gilt.429 Gegenüber letzteren stellt die Geldentschädigung häufig das einzig wirksame Schutzinstrument dar, wohingegen körperliche Beeinträchtigungen im Wege der Selbstverteidigung (Notwehr) abgewehrt oder nachträglich im Wege der Naturalrestitution (Heilungskosten) ausgeglichen werden können. Und schließlich ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der Geldentschädigung bei Persönlichkeitsverletzung eben nicht um ein Schmerzensgeld im eigentlichen Sinne handelt, sondern um einen Verfassungs-privatrechtlichen Anspruch eigener Art. Die Vergleichbarkeit der beiden Leistungsformen ist daher äußerst begrenzt. Ein deutliches Auseinanderfallen der zuzusprechenden Entschädigungssummen könnte deshalb durchaus hingenommen werden. Aus diesen üblicherweise angeführten Argumenten ergibt sich die Unzulässigkeil einer deutlichen Anhebung der Entschädigungssummen also nicht. Die wirkliche Kritik gründet sich vielmehr auf einen systematischen Einwand. Denn eine Anhebung der Summen auf das zur Abschreckung notwendige Niveau würde bedeuten, die Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion des Anspruchs gänzlich in den Hintergrund treten zu lassen und auf diese Weise die Verselbständigung des präventiven Elementes zu betreiben. Hiermit aber würde die Geldentschädigung ihrer zivilrechtliehen Verankerung beraubt und tatsächlich zu einem quasi-strafenden Rechtsbehelf.430 In diesem Moment jedoch lebten die oben diskutierten verfassungsrechtlichen Bedenken auf, denn die staatliche Verhängung von Strafen bedarf aus verfassungsrechtlicher Sicht jedenfalls einer hinreichend bestimmten, formalgesetzlichen Grundlage. Im Ergebnis bedeutet dies: Die ausschließliche oder doch überwiegende Orientierung der Geldentschädigung am Normziel 428 Vgl. hierzu beispielsweise LG Marburg in NJW-RR 1996, S. 216; zu diesem Argument auch Steffen in NJW 1997, S. 10 (12). 429 Auf die besondere Verletzungsempfindlichkeit der Persönlichkeitsrechte weisen auch Götting, S. 54 sowie Schiechtriern in Hefermehl-FS, S. 445 (456 f.), hin. 430 So im Ergebnis auch Gounalakis in AfP 1998, S. 10 (15); Barton in AfP 1995, S. 452 (456); Schwerdtner, Persönlichkeitsrecht, S. 272. 25*

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3. Teil: Rechtsschutz gegenüber Trivialer Personenberichterstattung

der Spezial- oder Generalprävention sprengte den Rahmen der zulässigen zivilrechtliehen Rechtsfortbildung und erwiese sich damit als verfassungswidrig. Die von Verfassungs wegen geforderte Minimierung des ökonomischen Anreizes von Persönlichkeitsverletzungen lässt sich daher nicht über die bloße Anhebung der zivilrechtliehen Entschädigungssummen auf ein "fühlbares" Niveau verwirklichen. 3. Das Prinz'sche Tagessatzmodell Eine Optimierung der Geldentschädigung bei Persönlichkeitsverletzung lässt sich auch nicht durch das von Prini31 vorgeschlagene Berechnungsmodell nach Tagessätzen erreichen. In Anlehnung an die Verhängung von Geldstrafen nach Tagessätzen schlägt dieser vor, die Geldentschädigung unmittelbar an den monatlichen Konzernumsatz des verletzenden Medienunternehmens zu koppeln. Die Tagessatzhöhe soll sich aus dem durch 365 geteilten, pauschalierten Jahresgewinn errechnen. Über die Tagessatzanzahl wiederum soll - dem Einzelfall angemessen - flexibel entschieden werden können; als Anhaltspunkte nennt Prinz die auch bislang der Entschädigungsberechnung zugrundeliegenden Kriterien wie Intention des Verletzers, Verschuldensgrad, Verbreitungsdichte, Intensität der Verletzung anband von betroffener Schutzsphäre sowie das Verhalten des Verletzers vor und nach der Tat. 432 So interessant dieser Vorschlag aus rechtspolitischer Sicht erscheint, so wenig lässt auch er sich in die Systematik des Geldentschädigungsanspruchs einfügen. Denn die Umsetzung dieses Berechnungsmodells führte zu einer vollkommenen Aufgabe der bisherigen zivilrechtliehen Verankerung der Geldentschädigung und kreierte in der Folge ein ausschließlich auf Präventionswirkung abzielendes, neuartiges Rechtsinstitut mit unmittelbar strafrechtlicher Ausrichtung. 433 Die ursprüngliche, entschädigungsrechtliche Fragestellung, welcher Betrag zum Ausgleich des erlittenen Unrechts und zur Besänftigung des Opfers erforderlich ist, träte gänzlich hinter die Frage zurück, welcher Betrag zur sicheren Verhinderung erneuter Rechtsverletzungen erforderlich wäre. Auch dieses Rechenmodell sprengte daher den Rahmen eines primär auf Ausgleich und Genugtuung gerichteten, zivilrechtliehen Rechtsbehelfs. Ein solcher Anspruch ließe sich allenfalls mittels eines legislativen Aktes etablieren. Im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung kann dies - wie bereits dargelegt - nicht erfolgen. Prinz in NJW 1996, S. 953 (956 f.). Prinz in NJW 1996, S. 953 (957). 433 Zur Frage der Systemwidrigkeit einer überwiegend präventiv ausgestalteten Geldentschädigung siehe Schwerdtner, Persönlichkeitsrecht, S. 272 sowie oben Dritter Teil, C.III.2.b),c). 43 1

432

D. Verfassungskonforme Ausgestaltung des Rechtsfolgeninstrumentariums 389

4. Ergebnis

Nach allem ist festzuhalten: Einer "Optimierung" des zivilrechtliehen Geldentschädigungsanspruchs sind systematische Grenzen gesetzt, innerhalb derer sich das von der Verfassung vorgegebene Schutzziel schlechterdings nicht erreichen lässt. Es stellt sich daher die Frage, auf welche Weise der Staat - aufgrund der auch weiterhin zu befürchtenden Untätigkeit des Gesetzgebers vordringlich die Gerichte - als Adressat dieser Schutzpflicht eine effektivere Absicherung der betroffenen Persönlichkeitsrechte erreichen kann.

II. Lösungsvorschlag: Die parallele lnstrumentalisierung vermögensrechtlicher und nichtvermögensrechtlicher Rechtsbehelfe Die bei der Entwicklung eines tragfähigen Lösungsvorschlags zu berücksichtigende Ausgangssituation stellt sich wie folgt dar: Die staatliche Schutzpflicht aus Art. 2 I i. V. m. Art. 1 I GG verlangt die Zurverfügungstellung eines präventiven Schutzinstruments, mittels dessen dem kommerziell motivierten, publizistischen Missbrauch von Persönlichkeitswerten effektiv vorgebeugt werden kann. Aufgrund der strukturellen Besonderheiten der Trivialen Personenberichterstattung muss die Funktionsweise dieses Abwehrinstruments auf die Minderung des mit der Persönlichkeitsverletzung potentiell verbundenen wirtschaftlichen Vorteils ausgerichtet sein. Nur ein den materiellen Anreiz minderndes oder diesen gänzlich entziehendes Instrument vermag tatsächliche Präventionswirkung zu entfalten. Das gesetzlich normierte, monetäre Instrumentarium jedoch kann diese Aufgabe gegenwärtig nicht erfüllen; materieller Schadensersatz und bereicherungsrechtliche Ausgleichsansprüche versagen jedenfalls bei den besonders verletzungsintensiven Nutzungsformen, die das Anonymitäts-, Diskretionsoder Ehrinteresse des Dargestellten betreffen. Die Umsetzung der staatlichen Schutzpflicht ist damit faktisch dem ungeschriebenen Institut der Geldentschädigung bei Persönlichkeitsverletzung zugewiesen. Die Geldentschädigung wird jedoch aus systematischen Gründen mit dieser Aufgabenzuweisung überfordert: In ihrer heutigen Gestalt kann sie dem Effektivitätserfordernis nicht genügen, da den gegenwärtig ausgeworfenen Entschädigungssummen im Regelfall keine oder doch nur eine verschwindend geringe Hemmungswirkung beikommt. Eine Weiterentwicklung des Anspruchs aber stößt schnell an systematische und verfassungsrechtliche Grenzen, denn eine Umformung der Geldentschädigung zu einem primär präventiven Rechtsbehelf löste diesen gänzlich aus seiner zivilrechtliehen Verankerung. Ob eine solche Fortentwicklung verfassungsrechtlich über-

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3. Teil: Rechtsschutz gegenüber Trivialer Personenberichterstattung

haupt zulässig wäre, erscheint zweifelhaft; jedenfalls aber bedürfte es hierzu eines gesetzgebensehen Aktes. Ein tragfahiges Lösungsmodell muss also folgenden Anforderungen genügen: Es muss die effektive Verminderung der mit der Rechtsverletzung zu erzielenden Gewinne ermöglichen, um einen tatsächlichen Hemmungseffekt zu bewirken. Zugleich muss es den (einschränkenden) verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen, die an einen derart einschneidenden Rechtsbehelf zu stellen sind. Hierzu gehört zunächst und vor allem die Gründung des Anspruchs auf eine gesetzliche Grundlage; eine vorwiegend auf Prävention ausgerichtete (und damit strafnahe) Sanktion kann nicht durch richterliche Rechtsfortbildung geschaffen werden. Daneben gilt es, dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sowie dem Bestimmtheitserfordemis zu entsprechen. Der hier vertretene Lösungsansatz wird diesen vielfältigen Anforderungen optimal gerecht; die verfassungsgemäße Absicherung der menschlichen Persönlichkeit gegenüber dem mit der Trivialen Personenberichterstattung einhergehenden Bedrohungspotential lässt sich nur im Wege des im folgenden zu entwickelnden dualen Modells verwirklichen dessen Implementierung wie zu zeigen sein wird - ohne weiteres durch die konsequente Ausschöpfung des existenten zivilrechtliehen Anspruchssystems erreicht werden kann. 1. Erster Schritt: Bereicherungsausgleich gemäß §§ 812 I 1 2. HS, 818 II BGB

Der erste Schritt des hier vorgeschlagenen dualen Modells besteht in der Gewährung eines bereicherungsrechtlichen Ausgleichsanspruchs auch und gerade gegenüber den besonders verletzungsintensiven Verwertungsformen, also in Fällen der Missachtung des Ehr-, Diskretions- und Anonymitätsinteresses des Dargestellten.434 a) Ausdehnung der Ausgleichsfähigkeit auf "unbenannte Persönlichkeitsrechte" und "unmoralische Venvertungsformen"

Wie oben ausgeführt, verwehrt die Rechtsprechung in den besonders verletzungsintensiven Fällen publizistischer Persönlichkeitsbeeinträchtigung bislang einen Anspruch aus Eingriffskondiktion. Ein Bereicherungsausgleich wird nur dann durchgeführt, wenn ein "üblicherweise kommerzialisiertes" Persönlichkeitsrecht wie das Recht am eigenen Bild oder das Namensrecht 434 Ein solcher wird in jüngerer Zeit auch von Ullmann propagiert; vgl. Ullmann in AfP 1999, S. 209 (212).

D. Verfassungskonforme Ausgestaltung des Rechtsfolgeninstrumentariums 391

von der Verwertungshandlung betroffen ist und sich die konkrete Verwertungshandlung nicht als unmoralisch oder ungesetzlich darstellt. 435 Die Literatur wiederum beurteilt die Ausgleichsfähigkeit derartiger Eingriffe uneinheitlich. Die vertretenen Auffassungen reichen von einer gänzlichen Versagung bereicherungsrechtlicher Ansprüche bei der Verletzung benannter wie unbenannter Persönlichkeitsrechte436 bis hin zum anderen Extrem, der Annahme einer grundsätzlichen bereicherungsrechtlichen Ausgleichsfähigkeit aller rechtlich verbürgten Persönlichkeitsinteressen437• Die überwiegende Anzahl der Autoren vertritt jedoch eine differenzierende Ansicht. Auf der Grundlage der im Recht der Eingriffskondiktion vorherrschenden Lehre438 soll sich die Ausgleichsfahigkeit von unzulässigen Persönlichkeitsverwertungen danach bestimmen, ob die jeweils betroffene Rechtsposition dem Bereicherungsgläubiger zur ausschließlichen wirtschaftlichen Nutzung zugewiesen ist. Nur wenn dem verletzten Recht ein wirtschaftlicher Zuweisungsgehalt beikomme, so die vorherrschende Argumentation, könne der Betroffene Wertersatz gemäß §§ 812 I 1 2. HS, 818 II BGB verlangen. 439 Fraglich ist jedoch, für welche rechtlich verbürgten Persönlichkeitsinteressen ein solcher Zuweisungsgehalt anzunehmen ist. In dieser Frage besteht Einigkeit allein hinsichtlich der "üblicherweise kommerzialisierten" Persönlichkeitswerte, die schon seit jeher von Rechtsprechung und Literatur als ausgleichsfähig angesehen werden (Bildnis, Name, Stimme). Ob daneben auch den unbenannten Persönlichkeitsinteressen (Ehre, Diskretion, Anonymität, Wahrheit) ein wirtschaftlicher Zuweisungsgehalt beikommt, ist umstritten. Allerdings lässt sich die Tendenz erkennen, die bereicherungsrechtliche Ausgleichsfahigkeit vorsichtig über die bislang anerkannten Rechtsgüter hinaus auch auf weitere Persönlichkeitsinteressen auszudehnen. Hierbei wird üblicherweise auf das Kriterium der "ausschließlichen kommerziellen Verwertungsmöglichkeit"440 der betroffenen Position abgestellt: Eine Persönlichkeitsverletzung soll immer dann bereicherungsrechtlich ausgleichsfähig sein, wenn dem Rechtsinhaber erstens die Untersagung einer Fremdverwertung des geschützten Rechts und zweitens die Möglichkeit der entgeltlichen Gestattung einer solchen Verwertung gegeben war. 441 Dazu ausführlich oben Dritter Teil, C.II.2. So beispielsweise Mestmäcker in JZ 1958, S. 521 ff. 437 So vor allem Kleinheyer in JZ 1970, S. 471 (474). 438 Zu den unterschiedlichen Auffassungen von der Eingriffskondiktion und deren historischer Entwicklung vgl. ausführlich Rümker, S. 10 ff. sowie wewenheim, s. 80 ff. 439 Schiechtriern in Hefermehl-FS, S. 445 (448, 449 ff.); Larenz, Schuldrecht BT, § 69 I 1 b); Staudinger-wrenz, Vorbem. zu §§ 812 ff. Rn. 62 sowie § 812 Rn. 23; wewenheim, S. 84 ff.; vgl. auch BGHZ 107, S. 117 (121)- Forschungskosten. 440 Vgl. wewenheim, S. 84 m. w.N. 441 Vgl. wewenheim, S. 84 f. m. w. N. 435

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3. Teil: Rechtsschutz gegenüber Trivialer Personenberichterstattung

Die erste dieser beiden Voraussetzungen erfüllen die unbenannten Persönlichkeitsinteressen (Ehre, Diskretion, Anonymität, Wahrheit) ohne weiteres, denn seit Anerkennung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts kann der Rechtsträger im Wege des zivilrechtliehen Unterlassungsanspruchs einer unberechtigte Verwertung auch dieser Persönlichkeitsattribute entgegentreten. Als problematisch erweist sich jedoch die zweite der genannten Voraussetzungen. Hier nämlich bedarf es einer wertenden Bestimmung dessen, was unter der "Möglichkeit einer entgeltlichen Verwertungsgestattung" zu verstehen ist. Die h. L. interpretiert diesen Begriff zunächst faktisch. Entsprechend wird danach gefragt, ob zur Zeit der Verletzungshandlung ein Markt für das konkret verwertete Persönlichkeitsattribut vorhanden war. In dieser Stufe geht es nicht um die Frage, ob der Betroffene individuell einer Verwertung zugestimmt hätte, und ob die konkrete Verwertungsform moralisch akzeptabel ist oder nicht. Entscheidend ist allein, ob ein tatsächlich verwertbares Immaterialgut betroffen wurde. 442 Schiechtriern bemerkt hierzu prägnant, über die Bestimmung des wirtschaftlichen Zuweisungsgehalts eines jeden Rechtsgutes - und auch des Persönlichkeitsrechts - entscheide "nicht der Gesetzgeber, sondern der Markt"443 . Auf dieser Basis gelangt man unschwer zu dem Ergebnis, dass sämtliche von der Trivialen Personenberichterstattung betroffenen Persönlichkeitsrechte einem Bereicherungsausgleich grundsätzlich zugänglich sein müssen. Denn wie Kleinheyer zutreffend ausführt, macht bereits der bloße Umstand, dass diese Rechte in einem ökonomischen Prozess Verwertung gefunden haben, deutlich, dass es sich bei ihnen um faktisch kommerzialisierte Güter handelt.444 So wird denn auch die kommerzielle Verwertung von schriftlichen Aufzeichnungen, Tagebuchnotizen, der privaten Buchführung, von Verbaläußerungen, Transkripten illegaler Tonbandaufnahmen des gesprochenen Wortes, der Lebensgeschichte und ihrer Details, des persönlichen Schicksals sowie aller "in Bild, Schrift, elektronischer Aufzeichnung etc. materialisierten Persönlichkeitsdetails"445 jedenfalls von Teilen der Literatur als bereicherungsrechtlich ausgleichsfähig angesehen. 446 442 Loewenheirn, S. 90 f.: "Wo eine wirtschaftliche Nachfrage und damit ein Marktwert für bestimmte Persönlichkeitsinformationen besteht, sollte der Berechtigte gegen die unbefugte Verwertung auch bereicherungsrechtlich geschützt werden"; in diesem Sinne auch BGHZ 60, S. 206 (211)- Miss Petite. 443 Schiechtriern in Hefermehl-FS, S. 445 (453). In diesem Sinne auch Kleinheyer in JZ 1970, S. 471 (474): "Ob ein Rechtsgut Vermögenswert hat, richtet sich [... ] allein danach, ob es geeignet ist, zur Gewinnerzielung eingesetzt zu werden [...] Dies ist bei den Persönlichkeitsgütern prinzipiell gegeben". 444 Kleinheyer in JZ 1970, S. 471 (476). 445 Schiechtriern in Hefermehl-FS, S. 445 (454). 446 Vgl. VIImann in AfP 1999, S. 209 (210); Schiechtriern in Hefermehl-FS, S. 445 (454 f.); Staudinger-Lorenz, Vorbem. zu §§ 812 ff., Rn. 62; Götting, S. 66, 130 f., 134 f., 136; Kleinheyer in JZ 1970, S. 471 (476 f.): "Es lassen sich [... ] be-

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Die so verstandene "Möglichkeit einer entgeltlichen Verwertungsgestattung" wird jedoch einer bedeutenden, normativen Begrenzung unterworfen. So besteht Einigkeit, dass nicht ausnahmslos jede faktisch mögliche kommerzielle Verwertung von Persönlichkeitsgütern zu einem Bereicherungsanspruch des Rechtsinhabers führen könne. Vielmehr soll der wirtschaftliche Zuweisungsgehalt des genutzten Rechtsgutes immer dann entfallen, wenn die konkrete Verwertungsform gegen die Rechtsordnung oder . gegen "bestimmte Gebote der Sittlichkeit"447 verstößt.448 Gerade im Gebiet der Vermarktung von Persönlichkeitsdetails, so führt Schiechtriern aus, dürfe man trotz der atemberaubenden Schnelligkeit, mit der in den letzten Jahren das Anstandsgefühl aller gerecht und billig Denkenden fortgeschritten sei, auch heute noch an die Existenz eines Restbestandes allgemein akzeptierter einschränkender Anschauungen glauben.449 In Fällen einer grob sittenwidrigen oder gar rechtswidrigen Verwertungshandlung - zu denken wäre hier wohl an pornographische, gewaltverherrlichende oder anderweitig jugendgefährdende Darstellungen sowie die Preisgabe besonders intimer Informationen - müsse dem genutzten Rechtsgut der wirtschaftliche Zuweisungsgehalt abgesprochen werden mit der Folge, dass ein Bereicherungsausgleich nicht in Betracht komme. 450 Im Ergebnis will damit auch die h. L. den bereicherungsrechtlichen Ausgleichsanspruch einer erheblichen Einschränkung unterwerfen. Zwar hält sie - anders als die noch restriktivere Rechtsprechung - auch Eingriffe in unbenannte Persönlichkeitsrechte für grundsätzlich ausgleichsfähig. Der Rechtsprechung vergleichbar nimmt jedoch auch sie diejenigen Verwertungshandlungen vom Anwendungsbereich der EiDgriffskondiktion aus, die sich für den Dargestellten als besonders verletzungsintensiv erweisen nämlich die als "unsittlich", "unmoralisch" oder ungesetzlich zu bewertenden Nutzungsformen. Dieses Ergebnis ist aus rechtspolitischen wie auch aus rechtsdogmatischen Erwägungen abzulehnen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass jede reicherungsrechtlich insbesondere auch jene Geschäfte mit der Intimsphäre erfassen, die durch die Entwicklung der modernen Massenmedien begünstigt werden [... ]. Das Ansehen oder die Prominenz der betreffenden Person, ein in der Massengesellschaft sehr seltenes, gerade darum aber kommerziell so bedeutsames Gut, macht eine alltägliche Nachricht zu Sensation; viele Meldungen [...] lassen sich dadurch besser verkaufen. Die so erzielte Bereicherung geht ,auf Kosten' des Verletzten; sie gründet sich auf dessen Ansehen, seine Prominenz [... ]". 447 Schiechtriern in Hefermehl-FS, S. 445 (464). 448 Staudinger-Lorenz, Vorbem. §§ 812 ff., Rn. 62; Schiechtriern in HefermehlFS, S. 445 (464); Loewenheirn, S. 90; Kleinheyer in JZ 1970, S. 471 (474, 476). 449 Schiechtriern in Hefermehl-FS, S. 445 (464). 45 Kleinheyer zufolge scheiden bereicherungsrechtliche Ansprüche dann aus, "wenn der Verletzte bei einem entsprechenden freiwilligen Einsatz seines Rechtsgutes wegen Gesetzesverletzung oder Sittenverstoß ebenfalls keinen Anspruch hätte erwerben können"; Kleinheyer in JZ 1970, S. 471 (476).

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Form der unberechtigten Verwertung von Persönlichkeitsgütern einem bereicherungsrechtlichen Ausgleich zugänglich ist. Dies ergibt sich unproblematisch auf dem Boden der sog. Rechtswidrigkeitstheorien. Deren Ansatz zufolge führt der Eingriff in ein - benanntes oder unbenanntes - Persönlichkeitsrecht immer dann zu einem Kondiktionsanspruch des Betroffenen, wenn sich die Verletzungshandlung als widerrechtlich darstellt. 451 Doch auch unter Zugrundelegung der heute herrschenden Zuweisungstheorie wird man - entgegen der überwiegenden Auffassung in der Literatur - zu diesem Ergebnis gelangen müssen.452 Gefolgt werden kann der h. L. noch insoweit, als sie sämtliche Persönlichkeitsrechte grundsätzlich für ausgleichsfahig erachtet. Es existiert schlechterdings kein einsichtiger Grund, warum ein wirtschaftlicher Zuweisungsgehalt ausschließlich den benannten Persönlichkeitsrechten beikommen soll.453 Zwar mag der Bundesgerichtshof dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht ursprünglich keinen ökonomischen Wert beigemessen haben.454 Vor dem Hintergrund der oben dargestellten, wirtschaftlichen Realität der modernen Informations- und Konsumgesellschaft jedoch ist diese ausschließlich ideelle Ausrichtung als nicht mehr zeitgemäß zu verwerfen. Der Markt und die technische Innovation ermöglichen die umfassende Persönlichkeitsverwertung, und eine Vielzahl von Rechtsträgem bedient sich dieser lukrativen Einnahmequelle und gibt ihre Persönlichkeitsinteressen gegen Entgelt zur Verwertung frei. 455 Den Blick weiterhin auf den Namen und das Bildnis als die einzigen wirtschaftlich bedeutsamen Persönlichkeitsattribute zu beschränken, wäre deshalb in höchstem Maße realitätsfem. Sämtliche vom Allgemeinen Persönlichkeitsrecht umfassten Interessen lassen sich zumindest potentiell wirtschaftlich verwerten. 456 Dieses wirtschaftliche Potential realisiert sich, auch wenn der Rechtsträger selbst keinen 451 Zu den - heute wohl als überholt anzusehenden - Rechtswidrigkeitstheorien vgl. ausführlich Loewenheim, S. 80 ff.; AK-BGB-Joerges, vor§§ 812 ff. Rn. 22 ff. 452 Die rechtmäßige publizistische Nutzung von Persönlichkeitsrechten führt freilich auch nach der Zuweisungstheorie nicht zu einem Bereicherungsausgleich des Betroffenen. Denn in diesem Fall ist die betreffende Information und das von ihr betroffene Persönlichkeitstattribut gemeinfrei, d.h. den ihm innewohnenden wirtschaftlichen Wert kann von jedermann realisiert werden. Dem Betroffenen ist bereicherungsrechtlich nur das zugewiesen, was er Dritten mit den Mitteln des Rechts untersagen kann. Insofern überschneiden sich Rechtswidrigkeits- und Zuweisungstheorie: Um einen Kondiktionsanspruch auszulösen, muss der bereichernde Eingriff zumindest rechtswidrig gewesen sein. 453 So aber die gegenwärtige Rechtsprechung. 454 Vgl. MünchKomm-Schwerdtner, § 12 Rn. 281. Anders bereits BGH in NJW 2000, s. 2195 (2197). 455 Vgl. oben Erster Teil, C.III. 456 Götting hält - zu Recht - sämtliche Identitätskennzeichen wegen der in ihnen "verkörperten Popularität" für faktisch kommerzialisiert; vgl. Götting, S. 136, 66, 130 ff. Siehe dazu auch ausführlich oben Erster Teil, C.III.2. und Erster Teil, C.III.3.

D. Verfassungskonforme Ausgestaltung des Rechtsfolgeninstrumentariums 395

Gebrauch hiervon gemacht hätte, jedenfalls mit dem konkreten Verletzungsfall - spätestens mit der rechtswidrigen, ökonomisch motivierten Verwertung eines Persönlichkeitsattributes wird dessen wirtschaftliche Werthaltigkeit evident.457 Zu berücksichtigen ist daneben, dass die Rechtsordnung die fortschreitende Kommerzialisierung der Persönlichkeit grundsätzlich billigt. Wie Esser-Weyers zutreffend ausführen, müssten anderenfalls sämtliche Verwertungsverträge, die andere Persönlichkeitsattribute als Bildnis oder Namen zum Gegenstand haben, als sittenwidrig verworfen werden, was der gegenwärtigen Rechtspraxis jedoch nicht entspricht.458 Das Recht anerkennt also die kommerzielle Nutzung der Persönlichkeit im Grundsatz und entspricht damit den tiefgreifenden gesellschaftlichen und ökonomischen Veränderungen der vergangeneo Jahrzehnte. Man wird sich deshalb der Erkenntnis nicht länger verschließen können, dass auch dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht ein kommerzieller Verwertungsaspekt innewohnt. 459 Vor diesem Hintergrund aber erschiene es widersinnig, den "wirtschaftlichen Zuweisungsgehalt" der unbenannten Persönlichkeitsrechte im Bereicherungsrecht zu verneinen. Es handelt sich bei ihnen um ökonomisch wertvolle, absolute Rechte, deren Nutzung allein dem Rechtsträger zugewiesen ist. Der Eingriff in ein solches Ausschließlichkeitsrecht muss daher grundsätzlich zu einem Kondiktionsanspruch des Betroffenen führen. Dies wird von der h. L. - wie ausgeführt - auch zutreffend gesehen. Nicht überzeugen kann demgegenüber der oben dargestellte Ansatz, die grundsätzliche Kondiktionsfahigkeit aller Persönlichkeitsrechte - wie von der h. L. propagiert - in Fällen der rechts- oder sittenwidrigen Verwertung auszuschließen. Die im Falle der §§ 823 I, 249 ff. BGB zutreffende Argumentation, der Betroffene erleide keine Vermögenseinbuße, da er die konkrete Verwertungshandlung selbst nicht hätte durchführen wollen oder dürfen, greift im Bereicherungsrecht nicht; der Bundesgerichtshof hat bereits in der Paul Dah/ke-Entscheidung festgestellt, dass § 812 I BGB nicht eine Vermögensminderung beim Betroffenen, sondern einen ungerechtfertigten Vermögenszuwachs beim Bereicherten ausgleichen soll.460 Daneben greift gegen die Beschränkung der Ausgleichsansprüche auf sittlich und rechtlich einwandfreie Verwertungsformen ein weiterer, systematischer Einwand. Die h. L. orientiert sich hierbei nämlich argumentativ an dem Bereicherungsvorgang selbst. Dieser jedoch stellt gerade nicht den So auch Kleinheyer in JZ 1970, S. 471 (476). Esser!Weyers, § 61 II 3. 459 So bereits Heitmann, S. 78 f.; Fikentscher, Wirtschaftsrecht, S. 112; in jüngerer Zeit Götting, S. 137 f. 460 BGHZ 20, S. 345 (355)- Paul Dahlke; vgl. auch Götting, S. 50; StaudingerLorenz, § 818 Rn. 29. 457

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maßgeblichen Anknüpfungspunkt zur Beurteilung der Ausgleichsfähigkeit einer vermögensmehrenden Handlung dar. 461 Denn es ist heute anerkannt, dass das Kondiktionsrecht nicht nach dem Vorgang der Bereicherung, sondern allein nach der Legitimität des Behaltens fragt. 462 Es kann nun aber schlechterdings nicht sein, dass die tatsächlich erwirtschafteten Vorteile beim Verletzer verbleiben und dieser somit - zumindest bei ökonomischer Betrachtung - zu weiteren Verletzungshandlungen geradezu herausgefordert wird. 463 Die propagierte Beschränkung des Bereicherungsanspruchs auf billigenswerte Verwertungsformen läuft also - wenn man sie nicht schon aus der bereicherungsrechtlichen Dogmatik heraus ablehnen will - jedenfalls der aus Art. 2 I i. V. m. Art. 1 I GG folgenden staatlichen Schutzverpflichtung gegenüber der Persönlichkeit zuwider. Eine verfassungskonforme Anwendung des Rechts der Eingriffskondiktion erfordert vielmehr zwingend, dass gerade die besonders verletzungsintensiven Verwertungsformen erfasst und dem Verletzer die daraus resultierenden, ihm aber nicht gebührenden Vorteile genommen werden.464 Die Ausdehnung des Kondiktionsanspruchs auf sämtliche Formen der rechtswidrigen Persönlichkeitsverwertung erscheint nach allem nicht nur möglich - sie erweist sich vielmehr als verfassungsrechtlich geboten. Die rechtswidrige Verwertung eines benannten oder unbenannten Persönlichkeitsrechts muss in jedem Falle einen Kondiktionsanspruch des Dargestellten auslösen, sofern aus der Verwertungshandlung ein Vermögenszuwachs auf Seiten des Verletzers resultiert. Fraglich ist allein, wie dieser Kondiktionsanspruch zu bemessen ist. b) Umfang des bereicherungsrechtlichen Ausgleichsanspruchs Der bereicherungsrechtliche Ausgleichsanspruch ist gemäß § 818 II BGB auf Wertersatz gerichtet, da eine gegenständliche Herausgabe bei der Inanspruchnahme immaterieller Rechtspositionen ausscheidet. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wie der Wertersatz im Falle der publizistischen Persönlichkeitsverwertung zu berechnen ist und insbesondere, ob der Verletzte auf die Geltendmachung einer angemessenen Lizenzgebühr beschränkt ist, oder ob er darüber hinausgehend auch die Herausgabe des 461 Spätestens mit Überwindung der sog. Rechtswidrigkeitstheorien ist dieser Wandel offensichtlich geworden. 462 Esser/Weyers, § 61 II 3. 463 So aber die heutige Situation, die von Schiechtriern dahingehend charakterisiert wird, dass der Erlös aus der "Vermarktung privaten Schicksals" heute oftmals bei "dem am schnellsten Zugreifenden" verbleibe; Schiechtriern in Hefermehl-FS, s. 452 (456). 464 Die Notwendigkeit einer Ausdehnung des bereicherungsrechtlichen Ausgleichsanspruchs gerade aus präventiven Erwägungen heraus betont auch Ullmann in AfP 1999, S. 209 (212).

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Verletzergewinns verlangen kann. Diese Frage ist von gesteigerter praktischer Relevanz, für Verlage und Rundfunkveranstalter ebenso wie für die Betroffenen. Denn ersterenfalls könnte das "Opfer" einer unrechtmäßigen Personenberichterstattung "nur" die üblicherweise für einen derartigen Bericht zu zahlende Vergütung verlangen; der möglicherweise überschießende Erlös aus der rechtswidrigen Verbreitung jedoch verbliebe beim Verletzer. Letzterenfalls hingegen wäre es dem Betroffenen möglich, den gesamten Ertrag abzuschöpfen, welchen der Verlag/Veranstalter unter Inanspruchnahme des streitgegenständlichen Persönlichkeitsdetails erwirtschaftet hat - wenngleich auch bislang keine verlässlichen Modelle zur exakten Berechung dieser Größe existieren, so ist zweifellos davon auszugehen, dass dieser "Ertrag" zumindest in den spektakulären Fällen (großflächige Bildrechtsverletzung auf Titelseite; auflagenstarke Verbreitung besonders delikater Informationen über allseits bekannten Prominenten) die übliche Lizenzgebühr um ein Vielfaches übersteigen dürfte. 465 aa) Gewinnabschöpfung bei vorsätzlicher Persönlichkeitsverletzung Die Beantwortung der oben aufgeworfenen Frage kann nicht einheitlich erfolgen. Zu differenzieren ist vielmehr danach, ob die konkrete Persönlichkeitsverletzung vorsätzlich oder unvorsätzlich erfolgt ist. Im Falle einer vorsätzlichen Rechtsverletzung nämlich ist ein "Gewinnabschöpfungsanspruch" unproblematisch gegeben: Selbst wenn man den grundlegenden Streit über den Umfang des Ausgleichsanspruchs im Rahmen von §§ 812 I 1 2. HS, 818 II BGB im Sinne der - insoweit restriktiveren - Lehre vom "objektiven Wertersatz" entschiede, und damit den Anspruchsumfang auf den üblichen Verkehrswert des genutzten Rechtes begrenzte, so wäre eine Abschöpfung der unter Verwendung des konkreten Persönlichkeitsdetails erzielten Erträge jedenfalls im Wege der angernaSten Eigengeschäftsführung möglich, §§ 687 II, 681 S. 2, 667 BGB.466 Denn mit der kommerziell-publizistischen Persönlichkeitsverwertung besorgt der Verlag/Veranstalter ein Geschäft, welches unzweifelhaft dem Rechts- und Interessenkreis des Dargestellten selbst zugehört, ohne hierzu beauftragt oder sonst berechtigt zu sein. Handelt er zudem in positiver Kenntnis seiner fehlenden Berechtigung (mit "Fremdgeschäftsführungsbewusstsein") und damit vorsätzlich, so ist er dem Dargestellten gemäß § 667 BGB zur Herausgabe dessen verpflichtet, "was er aus der Geschäftsbesorgung erlangt" hat. Hierunter jedoch fällt ganz eindeutig der aus der Rechtsverwertung gezogene Gewinn. Sofern also der Betroffene im Verletzungsprozess nachweisen kann, dass der Verlag/ Zu diesem Ergebnis gelangt auch Ullmann in AfP 1999, S. 209 (213, Fn. 54). Vgl. auch MünchKomm-Lieb, § 818 Rn. 16; MünchKomm-Seiler, § 687 Rn. 22, 24. 465

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Veranstalter vorsätzlich - d.h. in Kenntnis der Rechtswidrigkeit der Verbreitung - gehandelt hat, so steht ihm jedenfalls im Wege der "Geschäftsführung ohne Auftrag" ein Gewinnabschöpfungsanspruch zur Verfügung. Auf die Frage, ob ein solcher Anspruch sich auch aus §§ 812, 818 II BGB ergibt, kommt es in diesem Falle nicht an. bb) Fiktiver Lizenzanspruch bei fahrlässiger Persönlichkeitsverletzung Schwieriger zu beantworten ist freilich die Frage, ob eine Gewinnabschöpfung auch dann in Betracht kommt, wenn der Verlag/Veranstalter bloß fahrlässig oder gar schuldlos gehandelt hat. Denn in einem solchen Fall scheidet der Anspruch aus angemaßter Eigengeschäftsführung aus; dieser greift nur bei vorsätzlicher Verletzung fremder Rechte. 467 Hier kommt es also entscheidend darauf an, wie der gemäß § 818 II BGB geschuldete Wertersatz bemessen werden soll - eine Frage freilich, die nach wie vor heftig umstritten ist und bislang weder von der bereicherungsrechtlichen Literatur noch von der Rechtsprechung zufriedenstellend beantwortet werden konnte. 468 So wird auf der einen Seite die Ansicht vertreten, der Wertersatzanspruch des § 818 li BGB beziehe sich allein auf den "objektiven Wert" des genutzten Rechtes; ersetzt werden müsse nur dessen aktueller oder potentieller Verkehrswert und damit auch nur derjenige Betrag, welchen der Rechtsinhaber selbst mit der betreffenden Position - durch deren "Verkauf am Markt" - hätte erzielen können.469 Im Ergebnis bedeutet dies eine Beschränkung des Wertersatzanspruchs auf die übliche Vergütung (Lizenzgebühr). Die gegensätzliche Auffassung geht wiederum davon aus, die vordringliche Aufgabe des Bereicherungsrechts sei es, den Gesamtbetrag der beim Bereicherungsschuldner eingetretenen Vermögensmehrung abzuschöpfen.470 Orientierungspunkt des Wertausgleichs sei also nicht der "objektive Verkehrswert" des Bereicherungsgegenstandes, sondern der Wert, welcher Vgl. MünchKomm-Seiler, § 687 Rn. 8. Ausführlich zum Streitstand MünchKomm-Lieb, § 818 Rn. 16, 18 ff.; ErmanWestermann, § 181 Rn. 18 ff. 469 So beispielsweise Götting, S. 55, 282; Schiechtriern in Hefermehl-FS, S. 457 ff. (460); Staudinger-Lorenz, § 818 Rn. 29; Ullmann in AfP 1999, S. 209 (212): "Eine Herausgabe des Verletzergewinns kommt über die Eingriffskondiktion nicht in Betracht: Der mit den Fähigkeiten oder Betriebseinrichtungen des Verletzers erzielte Gewinn ist der Nutzung des Persönlichkeitsrechts nicht immanent." 470 Vgl. BGHZ 20, S. 345 (354) - Paul Dahlke: "Der Bereicherungsanspruch soll nicht eine Vermögensminderung im Vermögen des Benachteiligten, sondern einen grundlosen Vermögenszuwachs im Vermögen des Bereicherten ausgleichen." 467

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diesem gerade in den Händen und aus der Sicht des Bereicherungsschuldners zukomme ("subjektiver Wert"). 471 Aus dieser Perspektive ergäbe sich eine Gewinnabschöpfung auch bei unvorsätzlichen Persönlichkeitsverletzungen, da der erzielte Gewinn eben gerade die Realisierung des "subjektiven" Wertes des genutzten Rechts darstellt und insofern über §§ 812 I 1 2. HS, 818 II BGB herauszugeben wäre. Eine Lösung dieses Konfliktes erscheint mit rechtsdogmatischen Mitteln allein kaum möglich; Wortlaut und Systematik der Norm geben keine Antwort vor. Für eine Gewinnabschöpfung spricht zwar, dass der Bereicherungsgläubiger gemäß § 818 I BGB sämtliche gezogenen Nutzungen vom Bereicherungsschuldner herausverlangen kann, wozu auch die vom Bereicherungsschuldner unter Verwertung des Bereicherungsgegenstandes erzielten Gewinne gehören dürften (wie sich aus § 100 BGB ergibt). 472 Vor diesem Hintergrund wäre dann aber kaum einsichtig, warum der Wertersatzanspruch hinter dem gegenständlichen Herausgabeanspruch zurückstehen sollte. Indes spricht gegen eine Gewinnabschöpfung, dass eine solche in §§ 687 II, 667 BGB ausdrücklich (nur) für den Fall einer vorsätzlichen Rechtsverwertung geregelt ist und von diesem Umstand zumindest die Vermutung ausgehen dürfte, der Gesetzgeber habe auch nur in diesen Fällen eine Gewinnabschöpfung zulassen wollen. Aufgrund mangelnder dogmatischer Klarheit ist die Auslegung des § 818 II BGB also grundsätzlich offen und damit einer - ebenso verfassungsrechtlich wie rechtspolitisch geleiteten - Interpretation zugänglich. Es ist daher richtigerweise zu fragen, was mit dem Rechtsinstitut des bereicherungsrechtlichen Wertausgleichs bezweckt wird, bezweckt werden sollte und bezweckt werden darf. Diese Interpretation kann freilich nicht abstrakt für alle denkbaren Anwendungsfalle des § 818 li BGB vorgenommen·werden, sondern ist konkret auf den jeweils einschlägigen Anwendungsbereich zu beziehen. Für die hier vorliegende Konstellation ergibt sich das Ergebnis einer solchen Interpretation zwanglos aus den zuvor angestellten verfassungsrechtlichen und rechtspolitischen Erwägungen. So konnte zunächst festgestellt werden, dass Art. 2 I i. V. m. Art. 1 I GG eine präventive Absicherung der Persönlichkeit gegenüber den besonders intensiven, von der Trivialen Personenberichterstattung ausgehenden Bedrohungen verlangt. 473 Und weiter konnte festgestellt werden, dass eine solche Präventionswirkung nur von einem wirksamen monetären Rechtsbehelf ausgehen kann, mit dessen Hilfe sich die ökonomische Attraktivität derartiger Persönlichkeitsverstöße vermindern oder gar aufheben lässt. 474 Dem sich aus 471 472 473

So beispielsweise Erman-Westennann, § 818 Rn. 18; Esser-Weyers, §51 I 3 e. Dieses Argument wird u.a. von Wenzel vorgebracht; vgl. Wenzel, Rn. 14.17. Siehe dazu oben Dritter Teil, A.l.

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diesen Prämissen ergebenden verfassungsrechtlichen Postulat der "Gewinnminimierung in schweren Fällen"475 ist jedoch bereits insofern Genüge getan, als in Fällen vorsätzlicher und damit besonders intensiver Persönlichkeitsverletzung eine Gewinnabschöpfung - wie gezeigt - unproblematisch möglich ist, nämlich jedenfalls im Wege der Geschäftsführung ohne Auftrag. Hinzu kommt, dass wirkliche Prävention überhaupt nur dort möglich ist und damit auch nur erforderlich sein kann, wo Persönlichkeitsrechte bewusst (hier: zu kommerziellen Zwecken) verletzt werden. Gegenüber gänzlich schuldlosen Verletzungshandlungen jedenfalls bedarf es keiner besonderen präventiven Vorkehrungen; fraglich könnte allenfalls der Bereich der fahrlässigen Rechtsverletzungen sein. In diesen Fällen aber zwingt das Gewicht, welches der Medienfreiheit im demokratischen Staatswesen zukommt, zu einer Beschränkung des Ausgleichsanspruchs auf die Zubilligung der entgangenen Lizenzgebühr. Denn wie das Bundesverfassungsgericht in st. Rspr. ausführt, darf von einer äußerungsrechtlichen Sanktion keinesfalls keine übermäßige Hemmwirkung ("chilling effect") auf den Kommunikationsprozess insgesamt ausgehen. 476 Die "drohende" Zubilligung eines Gewinnabschöpfungsanspruchs und die damit jedenfalls latent verbundene Notwendigkeit einer Aufdeckung der verlagsinternen betriebswirtschaftlichen Eckdaten im Prozess könnten jedoch durchaus dazu geeignet sein, das Medium im Einzelfall auch von einer an sich rechtmäßigen Veröffentlichung abzuhalten und könnte damit eine - vor dem Hintergrund des Art. 5 I GG - untragbare "Selbstzensur" bewirken. Die verfassungskonforme Interpretation des § 818 II BGB führt also in den hier zu untersuchenden Fällen dazu, eine Gewinnabschöpfung zwar für die Fälle einer vorsätzlichen Persönlichkeitsverletzung zuzulassen, den Ausgleichsanspruch jedoch in Fällen bloß fahrlässiger Verletzung auf die Herausgabe der vom Verlag ersparten Lizenzgebühr zu beschränken. In Fällen gänzlich unverschuldeter Persönlichkeitsverletzungen schließlich kommt ein bereicherungsrechtlicher Ausgleichsanspruch prinzipiell nicht in Betracht. Eine quasi zufällige, unvermeidbare Rechtsverletzung477 mit der Zubilligung einer Lizenzgebühr zu "ahnden", würde ebenfalls einen vor dem Hintergrund des Art. 5 I GG untragbaren Hemmungseffekt bewirken: Wenn die Publikationsorgane sich trotz bestmöglicher Recherche einem latenten finanziellen Ausgleichsanspruch ausgesetzt sähen, so würde Siehe dazu oben Dritter Teil, C.I. Auf die aus persönlichkeitsrechtlicher Sicht bestehende Notwendigkeit einer Gewinnabschöpfung weist auch Joerges hin; vgl. AK-BGB-Joerges, § 818 Rn. 45. 476 Siehe dazu oben Zweiter Teil, B.II.l.b)gg). 477 Als Beispiel mag der Fall dienen, dass die gegenüber einem Fotografen erteilte Einwilligung zur unbeschränkten Bildnisveröffentlichung für die Redaktion unerkannt und unerkennbar widerrufen worden ist. 474 475

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dies zu einer übermäßigen und mit der herausragenden Bedeutung der Medienfreiheit schlechterdings unvereinbaren Selbstbeschränkung in der Berichterstattung führen. In der Folge würden damit tendenziell auch rechtmäßige Informationen - aus Gründen des Selbstschutzes der Medien - dem öffentlichen Forum entzogen, allein weil in manchen Bereichen der journalistischen Arbeit (insbes. der Bildberichterstattung) eine absolut sichere Prognose über die Rechtmäßigkeit einer Veröffentlichung im Vorwege nur schwer zu treffen ist. In verfassungskonformer Interpretation von § 818 II BGB wird man hier also keinen Bereicherungsausgleich durchführen können; die Anwendung des Bereicherungsrechts setzt zumindest fahrlässiges Verhalten auf Seiten des Publikationsorgans voraus. cc) Berechnung von "Gewinnabschöpfung" und "Lizenzanalogie" Aus rechtspraktischer Sicht stellt sich nunmehr die Frage, wie die soeben bezeichneten Ausgleichsansprüche "Gewinnabschöpfung" und "Lizenzanalogie" im konkreten Verletzungsfalle berechnet werden können. Sofern der Betroffene einen "Gewinnabschöpfungsanspruch" geltend machen kann, wird zunächst zu fragen sein, welchen konkreten Ertrag der Verletzer aus der unrechtmäßigen Personenberichterstattung gezogen hat. In Anlehnung an die verfassungsrechtlichen Vorgaben gilt, dass hierbei neben den unmittelbaren auch die mittelbaren geldwerten Vorteile des Verwertungsaktes zu berücksichtigen sind.478 Die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der behaupteten "Gewinne" wird dabei grundsätzlich beim Betroffenen liegen. Da die zur Konkretisierung des Anspruchs notwendigen Informationen jedoch sämtlich aus der Sphäre des beklagten Verlages/ Veranstalters stammen und in aller Regel dem Betroffenen nicht ohne weiteres zugänglich sein dürften, wird man freilich eine Mitwirkungspflicht des Beklagten annehmen müssen - gegebenenfalls ergänzt durch einen materiell-rechtlichen Auskunftsanspruch des Betroffenen. Dass die Gewinnermittlung sich gleichwohl in der gerichtlichen Praxis - insbesondere mangels erprobter Bemessungskriterien479 - als schwierig erweisen mag, kann die 478 Neben die unmittelbaren Erlöse aus der Rechtsverwertung treten mittelbare, geldwerte Vorteile wie die Intensivierung der Rezipientenbindung an das publizistische Produkt (vgl. oben Erster Teil, C.IV.2.a)) sowie daraus resultierende, mittelfristige Vorteile auf dem Anzeigen- und Leser- bzw. Zuschauermarkt (vgl. oben Erster Teil, C.IV.2.b)). 479 Prinz hat zur Ermittlung des Verletzergewinns eine Reihe interessanter Berechnungsmodelle entwickelt, die ausführlich in der Entscheidung des OLG Harnburg vom 25.07.1996 referiert sind, deren Anwendung im Rahmen der Geldentschädigung vom Dritten Senat jedoch kategorisch abgelehnt wurde; vgl. OLG Harnburg in NJW 1996, S. 2870 (2871). Dem Senat vorgeschlagen wurde - bezogen auf eine Persönlichkeitsverletzung durch Printmedien - die Orientierung an der feststellbaren

26 Neben

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3. Teil: Rechtsschutz gegenüber Trivialer Personenberichterstattung

grundsätzliche Legitimität des Anspruchs nicht in Frage stellen: Auch in vielen anderen Fällen lässt sich der Umfang zivilrechtlicher Ansprüche nur unter erheblichem Aufwand und nicht mit letzter Sicherheit feststellen - zu denken ist etwa an die Bezifferung "entgangener Gewinne" im Rahmen des § 252 BGB - ohne dass dies der prinzipiellen Berechtigung eines solchen Anspruchs entgegenstünde. Zudem steht den Gerichten im Einzelfall der Weg über § 287 I 1 ZPO offen, so dass der Gewinnabschöpfungsanspruch keinesfalls an den möglicherweise auftretenden Berechnungsschwierigkeiten scheitern muss. Von dem dergestalt ermittelten "Verletzergewinn" sind sodann die Kosten, die dem Verletzer durch die Realisierung des dem Rechtsgut innewohnenden wirtschaftlichen Wertes entstanden sind, abzuziehen480; die Differenz dieser beiden Positionen ist schließlich an den Betroffenen herauszugeben. Diesem sollte jedoch - in Anlehnung an die übliche Praxis im Immaterialgüterrecht - eine W abimöglichkeit eingeräumt werden: Sofern die geldwetten (Netto-)Vorteile des Verletzers hinter der "angemessenen Lizenzgebühr" zurückbleiben, sollte der Dargestellte letztere geltend machen können. Durch diese verfassungskonforme Anwendung der Eingriffskondiktion wäre gewährleistet, dass dem Bereicherungsgläubiger sämtliche unrechtmäßig erwirtschafteten Gewinne, jedenfalls aber die von ihm ersparte Lizenzgebühr entzogen werden. Hierdurch wäre dem Präventionsgebot des Art. 2 I i. V. m. Art. 1 I GG hinreichend und zudem auf bestehender gesetzlicher Grundlage Rechnung getragen. Sollte der Betroffene in Ausübung seines W abirechts den Ausgleich im Wege der Lizenzanalogie suchen, oder sollte er - mangels Vorsatzes auf Verletzerseite - von vomherein auf diesen Weg beschränkt sein, so obläge es ihm im Prozess, den Marktwert der rechtswidrig vereinnahmten Position bestmöglich zu konkretisieren; ergänzend wird das erkennende Gericht von seiner Kompetenz aus § 287 I 1 ZPO Gebrauch machen können. Als Bezugspunkt können hierbei die Preise dienen, die üblicherVerkaufssteigerung der streitgegenständlichen Ausgabe gegenüber der durchschnittlichen Auflage der betreffenden Publikation, dem Anzeigenverdrängungswen des streitgegenständlichen Beitrags sowie den Preisen, die für den rechtmäßigen Erwerb einer vergleichbaren Information oder eines vergleichbaren Fotos zu bezahlen gewesen wären. Ob diese Vorschläge sich im Rahmen des bereicherungsrechtlichen Ausgleichsanspruchs instrumentalisieren lassen, oder auf welche Weise die Berechnung des Verletzergewinns sonst zu erfolgen hat, ist jedoch eine rein betriebswirtschaftliehe Frage, deren Beantwortung den Rahmen der vorliegenden Arbeit sprengte, und die von den Gerichten im Einzelfall - notfalls unter Inanspruchnahme wirtschaftswissenschaftlicher Sachverständiger - vorzunehmen sein wird. 480 Lieb spricht in diesem Zusammenhang zutreffend von der Notwendigkeit, "den Eigenbehalt des Bereicherungsschuldners gebührend zu berücksichtigen"; vgl. MünchKomm-Lieb, § 818 II Rn. 21.

D. Verfassungskonforme Ausgestaltung des Rechtsfolgeninstrumentariums 403

weise für den Ankauf vergleichbarer Informationen gezahlt werden ("wie viel hätte der Betroffene für das Exklusivinterview/die Exklusivrechte an der privaten Geschichte/die Zurverfügungstellung von privaten Fotos verlangen können?"). Ergänzend kann auch auf im Umfang und in der Verbreitungsdichte vergleichbare Werbeverträge abgestellt werden ("wie viel hätte der Betroffene für eine ähnlich umfängliche Werbekampagne in einer ähnlichen Publikation verlangen können?"). Diese Daten sind unproblematisch durch Urkunds- oder Sachverständigenbeweis zu ermitteln und können der gerichtlichen Entscheidung als verlässliche Anhaltspunkte zugrundegelegt werden. c) Zusammenfassung

In einem ersten Schritt sollte es nach allem dem Betroffenen möglich sein, die vom Verletzer unter Inanspruchnahme seines Persönlichkeitsdetails erzielten wirtschaftlichen Vorteile zu kondizieren und zwar unabhängig davon, in welcher Weise dieser sie genutzt hat, ob der Betroffene selbst einer solchen Nutzung zugestimmt hätte und ob die konkrete Nutzung moralisch und rechtlich unbedenklich ist. Dabei bestimmt sich der konkrete Umfang des Ausgleichsanspruchs danach, ob der Verletzer vorsätzlich oder bloß fahrlässig gehandelt hat: Ersterenfalls kann der Betroffene - wahlweise - die Herausgabe der erwirtschafteten Gewinne verlangen; letzterenfalls ist der Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Lizenzgebühr beschränkt. Damit ist der verfassungsrechtlichen Vorgabe, die bewusste rechtswidrige Verwertung von Persönlichkeitsrechten ökonomisch unattraktiv zu machen, in hinreichendem Maße entsprochen: Die Entziehung des wirtschaftlichen Vorteils bewirkt auf effektive Weise die von Art. 2 I i. V. m. Art 1 I GG geforderte Prävention. Die grundrechtlich verbürgte Medienfreiheit beeinträchtigt diese Maßnahme nicht in unverhältnismäßiger Weise, denn dem Verletzer wird allein das genommen, was er unrechtmäßig erwirtschaftet hat. Die Funktionsfähigkeit seiner rechtmäßigen Tätigkeit bleibt hiervon unberührt. Die hier vorgeschlagene Ausweitung des Kondiktionsanspruchs genügt überdies dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitserfordemis, denn die im Einzelfall kondizierbare Summe kann - unter Vorlage der notwendigen Geschäftsunterlagen bzw. unter Berücksichtigung der Preise vergleichbarer Informationen - konkret ermittelt werden.481 Und schließlich stützt sich der Kondiktionsanspruch - anders als beispielsweise der Geldentschädigungsanspruch - auf eine hinreichend tragfähige Rechts481 Freilich wird der Richter vielfach auf seine Befugnis aus § 287 ZPO zurückgreifen müssen. Gleichwohl bieten sich ihm hier noch immer mehr konkrete Anhaltspunkte zur Ermittlung des Wertersatzes, als dies für die Berechnung der herkömmlichen, nunmehr "unvollkommen-präventiven" Geldentschädigung der Fall ist. 26*

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3. Teil: Rechtsschutz gegenüber Trivialer Personenberichterstattung

grundlage: Es bedarf lediglich der verfassungskonformen Auslegung der bereicherungsrechtlichen Vorschriften, um zu dem rechtspolitisch wünschenswerten und verfassungsrechtlich anzustrebenden Ergebnis zu gelangen. Das hier vorgeschlagene Modell vereint damit die oben entwickelten verfassungsrechtlichen Vorgaben auf optimale Weise. 482 2. Zweiter Schritt: Gewohnheitsrechtliches, "kupiertes" Schmerzensgeld

Die Abschöpfung bzw. die Minimierung des vom Verletzer erzielten wirtschaftlichen Vorteils stellt in einem ersten Schritt die verfassungsrechtlich geforderte Präventionswirkung her. Keine Berücksichtigung finden hingegen Kompensations- und Restitutionserwägungen. 483 Um auch diesen gerecht werden zu können, bedarf es deshalb der (ergänzenden) Zubilligung eines vom Bereicherungsausgleich unabhängigen ,,Schmerzensgeldes". Von der zivilrechtsdogmatisch und verfassungsrechtlich bedenklichen Erweiterung um ein präventives Element befreit, kann ein solches nunmehr unproblematisch auf richterliches Gewohnheitsrecht gestützt werden. 484 In seinen Voraussetzungen sollte es den für die "Geldentschädigung" entwickelten Eckpfeilern entsprechen: Es wäre demnach nur im Falle eines schweren Eingriffs zu gewähren und auch nur dann, wenn alle anderen restitutiven und kompensatorischen Mechanismen wie Unterlassung, Widerruf, Urteilsveröffentlichung und Gegendarstellung versagen. Die Bemessung dieses "Schmerzensgeldes" erfolgte allein nach den bislang von der Rechtsprechung entwickelten restitutiven und kompensatorischen Kriterien: Intensität des Eingriffs, Schwere des Verschuldens, Intensität und Dauer der Verletzungsfolgen, Verhalten des Schädigers vor und nach der Verletzungshandlung sowie Solvenz von Verletzer und Verletztem.485 Der insoweit zurück482 Der naheliegende Vorwurf, der hier propagierte duale Ansatz führe zu einer Bevorzugung prominenter Medienopfer, da diese vermutlich Bereicherungsansprüche in erheblichem Umfang geltend machen könnten, vermag nicht durchzugreifen. Denn der bei Prominenten tendenziell höhere Bereicherungsausgleich liegt allein darin begründet, dass deren Persona faktisch ein höherer Marktwert innewohnt als derjenigen einer in der Öffentlichkeit unbekannten Privatperson. Dies mag man aus gesellschaftspolitischen oder moralischen Gründen für missbilligenswert erachten. Auf dieses nachvollziehbare Urteil kann sich jedoch keinesfalls die Forderung gründen, das Recht müsse die "ungerechten" tatsächlichen Gegebenheiten ignorieren. Über den wirtschaftlichen Wert eines zulässigerweise handelbaren Gutes entscheidet allein der Markt. Die Aufgabe des Bereicherungsrechts kann es nur sein, den tatsächlichen wirtschaftlichen Wert des Gutes dem Berechtigten zuzuweisen. Genau dies aber wird auf der ersten Stufe des hier vorgeschlagenen Modells erreicht. 483 Vgl. zur funktionalen Dreiteilung der staatlichen Schutzpflicht oben Dritter Teil, A.IV. 484 Vgl. oben Dritter Teil, C.III.2.a)cc).

D. Verfassungskonforme Ausgestaltung des Rechtsfolgeninstrumentariums 405

geführte oder "kupierte" Schmerzensgeldanspruch fügt sich ohne weiteres in die deliktsrechtliche Systematik ein: die bislang entwickelten und in der Rechtspraxis verfestigten Bemessungskriterien verleihen ihm eine hinreichende Bestimmtheit; als verfassungsrechtlich tragfähige Anspruchsgrundlage dient das richterrechtlich entwickelte und seit mehreren Jahrzehnten gewohnheitsrechtlich verfestigte Institut der Geldentschädigung bei Persönlichkeitsverletzung. Alle weiteren verfassungsrechtlichen Bedenken gegenüber diesem lnstitut486 verflüchtigen sich mit dessen Freistellung von dem Erfordernis, eine jedenfalls "unvollkommen-präventive" Wirkung herbeiführen zu müssen. Das Schmerzensgeld kann damit effektiv seiner ursprünglichen Aufgabe nachkommen und (allein) für den "Ausgleich seelischer Beeinträchtigungen" sorgen. 3. Parallelität der Ansprüche

Die beiden Ansprüche sind vom Verletzten parallel zu verfolgen und von den Gerichten separat zu berechnen und unabhängig voneinander zuzusprechen.487 Eine solche Anspruchskumulation bereitet insofern keine dogmatischen Probleme, als der bereicherungsrechtliche Ausgleich eben nicht auf der Unterstellung basiert, der Verletzte habe eine derartige Nutzung selbst betreiben wollen (fiktiver Lizenzvertrag), sondern lediglich eine der Rechtsordnung entsprechende Güterzuweisung vomimmt. 488 Mit dem Kondiktionsanspruch verfolgt der Verletzte allein das Ziel, einen dem Verletzer nicht gebührenden Vermögensvorteil abzuschöpfen. Mit dem Schmerzensgeldanspruch hingegen begehrt er den Ausgleich seiner immateriellen Schäden, sofern sich solche aus der vorgenommenen Verletzungshandlung ergeben. Denkbar ist also, dass der Verletzte sowohl den auf seine Kosten erwirtschafteten Gewinn als auch ein Schmerzensgeld zum Ausgleich des erheblichen Eingriffs in eines oder mehrere seiner benannten oder unbenannten Persönlichkeitsrechte geltend machen kann. Denkbar ist aber auch, dass der unrechtmäßig Dargestellte zwar einen erheblichen Bereicherungsanspruch geltend machen kann, da sich seine Persönlichkeit gewinnbringend vermarkten lässt, er jedoch gleichzeitig mangels Eingriffsintensität der Verwertungshandlung kein zusätzliches Schmerzensgeld verlangen kann. Und schließlich besteht die Möglichkeit, dass der Verletzte zwar mangels tat485 Zu den kompensatorischen und restitutiven Bemessungskriterien der Geldentschädigung vgl. ausführlich Prinz in NJW 1996, S. 953 (955 f.). 486 Siehe dazu oben Dritter Teil, C.III.2. 487 Die parallele Zubilligung von Bereicherungs- und Entschädigungsansprüchen wird schon heute im Falle der werblichen Nutzung von Fotoaufnahmen praktiziert; vgl. OLG München in NJW-RR 1996, S. 539 (540) - Telefonsex. 488 In diesem Sinne auch Ullmann in AtP 1999, S. 209 (213) sowie Götting, S. 282 f.

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3. Teil: Rechtsschutz gegenüber Trivialer Personenberichterstattung

sächlich erzielter wirtschaftlicher Vorteile keinen Bereicherungsanspruch, wegen der besonderen Eingriffsintensität der Verwertungshandlung jedoch ein erhebliches Schmerzensgeld zugesprochen erhält. Da beide Ansprüche zwar in Geld sind, jedoch gänzlich unterschiedliche Folgen der einheitlichen Verletzungshandlung auszugleichen suchen, wären die jeweiligen Summen nicht aufeinander anzurechnen, sondern kumulativ tJnd unabhängig voneinander zuzusprechen.

111. Zusammenfassung und Ergebnis Der optimale, verfassungskonforme Weg zur Umsetzung des staatlichen Schutzauftrages gegenüber den rechtswidrigen Erscheinungsformen der Trivialen Personenberichterstattung besteht in dem Ausbau und der Weiterentwicklung des zivilrechtliehen monetären Rechtsfolgeninstrumentariums insgesamt. Nach dem hier entwickelten dualen Ansatz sollte auf kommerziell motivierte, schuldhafte publizistische Persönlichkeitsverletzungen demgemäß wie folgt reagiert werden: In einem ersten Schritt sind dem Verletzer die von ihm erzielten, kausal auf die Verletzungshandlung zurückgehenden wirtschaftlichen Vorteile im Wege einer bereicherungsrechtlichen "Gewinnabschöpfung" respektive im Wege einer "fiktiven Lizenzgebühr" zu entziehen und dem Verletzten zuzuweisen. Hierzu bedarf es (lediglich) einer verfassungskonformen Interpretation der bereicherungsrechtlichen Eingriffskondiktion und insbesondere der Überwindung der - in höchstem Maße unzeitgemäßen - Auffassung, den unbenannten Persönlichkeitsrechten käme kein wirtschaftlicher Zuweisungsgehalt bei und "unmoralische" Verwertungsformen seien von vornherein einem Bereicherungsausgleich nicht zugänglich. Daneben, und zwar vollkommen unabhängig von der Frage des materiellen Bereicherungsausgleichs, steht in einem zweiten Schritt der Anspruch auf Schmerzensgeld. Hier gilt es, den immateriellen Schadensersatz (wieder) auf diejenigen Funktionszuweisungen zurückzuführen, die vor der Caroline von Monaco-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bestanden haben: Wirkliche Prävention ist mit den Mitteln des Schmerzensgeldes schlechterdings nicht in verfassungskonformer Weise zu erreichen und kann diesem Rechtsinstitut daher nicht als Aufgabe zugewiesen werden; das Schmerzensgeld als gewohnheitsrechtlich etablierter Rechtsbehelf kann und soll lediglich der Kompensation und der Restitution dienen. Auf dieser Ebene kann der Verletzte also parallel zu einem möglichen Bereicherungsausgleich Ersatz für seine "seelischen Beeinträchtigungen" nach den überkommenen Berechnungskriterien verlangen, sofern die notwendigen Voraussetzungen hierfür vorliegen: Schwere Persönlichkeitsverletzung und schweres Verletzerverschulden sowie Versagen der übrigen, nicht-monetären

D. Verfassungskonforme Ausgestaltung des Rechtsfolgeninstrumentariums 407

Rechtsbehelfe wie insbesondere Widerruf, Gegendarstellung und Unterlassungsanspruch. Mit dem hier vorgeschlagenen Modell ließe sich nach allem - allein durch den konsequenten Einsatz des vorhandenen zivilrechtliehen Instrumentariums und ohne die Notwendigkeit eines gesetzgebensehen Tätigwerdens - in rechtspolitisch gebotener ebenso wie verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise auf die spezifischen Herausforderungen der Extremformen der Trivialen Personenberichterstattung reagieren.

Zusammenfassung der Ergebnisse 1. Bei der Trivialen Personenberichterstattung handelt es sich um eine eigenständige publizistische Kategorie, welche spezifischen journalistischen, soziologischen und ökonomischen Gesetzmäßigkeiten unterliegt. Deren Kenntnis und Berücksichtigung ist von entscheidender Bedeutung für die juristische Auseinandersetzung mit der Trivialen Personenberichterstattung; nur auf ihrer Grundlage lassen sich rechtspolitisch sinnvolle Lösungsansätze zur rechtlichen Behandlung dieses konfliktträchtigen publizistischen Phänomens entwickeln.

2. Aus soziologischer Sicht ist eine Ambivalenz der gesellschaftlichen Wertigkeit der Trivialen Personenberichterstattung zu konstatieren. Zwar gehen von ihr durchaus negative Auswirkungen auf Gesellschaft und Individuum aus; zugleich aber nimmt sie - neben der reinen Informationsfunktion - gesellschaftswichtige Integrations-, Identifikations-, Orientierungsund Rekreationsaufgaben wahr und dient damit der Persönlichkeitsentfaltung der Rezipienten. 3. Die Triviale Personenberichterstattung ist - vergleichbar dem Personenmerchandising und der konkreten Leitbildwerbung - als spezielle Erscheinungsform wirtschaftlicher Persönlichkeitsverwertung zu begreifen. Als kostengünstiges Instrument der langfristigen Rezipientenbindung trifft sie auf eine breite und kontinuierlich ansteigende Nachfrage und erweist sich somit als äußerst lukrative Variante ökonomisch-publizistischer Betätigung. Den typischerweise in diese Form der Berichterstattung einbezogenen Persönlichkeitsattributen wie Bildnis und Lebensgeschichte kommt Warencharakter bei. 4. Die Triviale Personenberichterstattung wird in ihren sämtlichen Erscheinungsformen vom Schutzbereich der Medienfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S.2 GG) erfasst; eine Einschränkung auf Gewährleistungsebene aufgrund der Kommerzialität, Banalität oder Verletzungsträchtigkeit ihrer Publikationen ist nicht angängig. Zugleich sind die gegenläufigen Interessen der Dargestellten, von den Massenmedien "in Ruhe gelassen zu werden", über das in Art. 2 Abs I i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG verankerte Medienpersönlichkeitsrecht umfassend abgesichert. 5. Die Auflösung der hieraus resultierenden, verfassungsrechtlichen Kollisionslage wird von den Gerichten im Wege einer einzelfallbezogenen Güter- und Interessenahwägung vorgenommen. In diesem Prozess kommen

Zusammenfassung der Ergebnisse

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typisierte Entscheidungshilfen in Form von allgemeingültigen Abwägungskriterien zur Anwendung. Deren Analyse ergibt, dass die Gerichte den Interessenkonflikt zwischen Medienfreiheit und Persönlichkeitsschutz maßgeblich unter Rückgriff auf die "Wertigkeit" der verbreiteten Information entscheiden. Die Publikationen der Trivialen Personenberichterstattung werden dabei regelmäßig am unteren Ende der Wertigkeitsskala verortet, woraus deren kategorische Schlechterstellung gegenüber anderen Formen massenmedialer Informationsverbreitung resultiert. 6. Diese Schlechterstellung ist sowohl aus verfassungsrechtlichen wie auch aus rechtstatsächlichen Gründen abzulehnen. Art. 5 Abs. 1, 2 i. V.m. Art. 20 Abs. 1 GG verpflichten den Staat und seine Organe zu inhaltlicher Neutralität gegenüber dem gesellschaftlichen Kommunikationsprozess; die Gewichtung des einer Äußerung zuzubilligenden Grundrechtsschutzes anband ihres "Informationswertes" läuft diesem Grundsatz elementar zuwider. Zudem gründet sich die derzeitige Entscheidungspraxis der Gerichte auf eine nicht verifizierbare Unterstellung; die "soziale Wertigkeit" der Trivialen Personenberichterstattung ist tatsächlich höchst differenziert zu beurteilen und berechtigt jedenfalls nicht zu einer kategorischen Minderbewertung dieser Gattung. 7. Die Auflösung der festgestellten verfassungsrechtlichen Schieflage lässt sich nur durch eine Abkehr vom Konzept des "Informationswertes" erreichen; an seine Stelle muss das Kriterium des "Informationsgehaltes" treten. Im Abwägungsprozess mit den Persönlichkeitsinteressen der Dargestellten kann das Gewicht, welches dem Verbreitungsinteresse der Kommunikatoren beizumessen ist, nur anband der objektiven Eignung der streitbefangenen Publikation zur "Beseitigung von Unwissenheit" bestimmt werden. Die Frage, auf welchem inhaltlich-thematischen Gebiet sich der konkrete Informationsakt vollzieht, hat gänzlich außer Betracht zu bleiben. Diese Erkenntnis wird in rechtspraktischer Hinsicht zu einer deutlichen Stärkung der Trivialen Personenberichterstattung auf Tatbestandsebene führen müssen. 8. Auf Rechtsfolgenebene gilt demgegenüber: Die rechtswidrigen Übergriffe der Trivialen Personenberichterstattung sind gegenwärtig nicht mit hinreichender Effektivität sanktionierbar; es bedarf einer nachhaltigen Optimierung des vorhandenen äußerungsrechtlichen Instrumentariums, um den spezifischen, von der Trivialen Personenberichterstattung ausgehenden Persönlichkeitsbedrohungen im Interesse der Betroffenen wirksam begegnen zu können. 9. Ausgangspunkt dieser Erkenntnis ist die sich aus Art. 2 Abs. 1 i. V.m. Art. 1 Abs. 1 GG ergebende Schutzpflicht des Staates, welche diesen zur

effektiven Absicherung der menschlichen Persönlichkeit gegenüber massen-

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Zusammenfassung der Ergebnisse

medialen Übergriffen verpflichtet. Dabei gilt: Aufgrund des gesteigerten Verletzungspotentials der Trivialen Personenberichterstattung muss der Staat neben restitutiven und kompensatorischen auch präventive Schutzinstrumente vorhalten; in ihrem Zusammenspiel müssen diese Instrumente insgesamt eine hinreichende Schutzintensität gegenüber dem spezifischen Gefahrdungspotential der Trivialen Personenberichterstattung entfalten. 10. Diese notwendige Schutzdichte wird gegenwärtig nicht erreicht. Jedenfalls gegenüber vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Persönlichkeitsverletzungen ("bewusste Zwangskommerzialisierung der Persönlichkeit") erweist sich das "ideelle" äußerungsrechtliche Instrumentarium - Widerruf, Gegendarstellung, Unterlassungsanspruch - aus strukturellen Gründen als weitgehend ineffektiv. Allein ein monetärer Rechtsbehelf vermag die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen wirksam gegenüber kommerziell motivierten Verletzungshandlungen abzusichern; insbesondere ist nur ein solcher in der Lage, die verfassungsrechtlich angestrebte Präventionswirkung zu entfalten. 11. Da sich Bereicherungsausgleich und materieller Schadensersatz gerade gegenüber den besonders verletzungsintensiven Erscheinungsformen der Trivialen Personenberichterstattung nicht oder nur äußerst eingeschränkt instrumentalisieren lassen, obliegt die Erfüllung des persönlichkeitsrechtlichen Schutzversprechens zum gegenwärtigen Zeitpunkt allein dem immateriellen Schadensersatz, der Geldentschädigung bei Persönlichkeitsverletzung. 12. Die Geldentschädigung ist jedoch mit dieser anspruchsvollen Aufgabenzuweisung vollkommen überfordert. In ihrer gegenwärtigen Gestalt als "unvollkommen-präventiver" Rechtsbehelf, mittels dessen eine konkrete Gewinnorientierung oder gar eine Gewinnabschöpfung ausdrücklich nicht erreicht werden soll, vermag sie jedenfalls kalkulierten Persönlichkeitsrechtsverletzungen nicht effektiv vorzubeugen. Und ein Ausbau dieses Instituts zu einem tatsächlich wirksamen Rechtsbehelf erscheint aus verfassungsrechtlichen Gründen unmöglich: Die Zubilligung originär präventiver Geldentschädigungen verstieße jedenfalls gegen den Vorbehalt des Gesetzes sowie gegen die Verfahrensgrundrechte des Art. 103 Abs. 2, 3 GG. 13. Die notwendige monetäre Sanktionierbarkeit kommerziell motivierter Persönlichkeitsverstöße erweist sich deshalb gegenwärtig als unzureichend; die Umsetzung des staatlichen Schutzversprechens bleibt deutlich hinter den Vorgaben der Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG zurück. Als Ausweg aus diesem Dilemma bietet sich allein die verfassungskonforme Optimierung des vorhandenen monetären Instrumentariums insgesamt an; ein Zuwarten auf gesetzgebensehe Maßnahmen erwiese sich aufgrund der jahrzehntelangen, bewussten Untätigkeit der Legislative als illusorisch.

Zusammenfassung der Ergebnisse

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14. Nur durch ein Zusammenwirken der vorhandenen monetären Rechtsbehelfe lässt sich das Phänomen der "publizistischen Zwangskommerzialisierung" effektiv und zugleich auf verfassungskonforme Weise sanktionieren ("dualer Ansatz"). Zu diesem Zweck wird dem Verletzten in einem ersten Schritt die Möglichkeit eines bereicherungsrechtlichen Ausgleichs einzuräumen sein; und zwar unabhängig davon, ob dieser das betroffene Persönlichkeitsattribut aus eigener Motivation kommerziell genutzt hätte, und ob eine solche Nutzung moralisch vertretbar oder auch nur rechtlich zulässig gewesen wäre. Daneben ist dem Verletzten in einem zweiten Schritt für eventuell erlittene, immaterielle Beeinträchtigungen ein "Schmerzensgeld" im traditionellen Sinne zu gewähren. 15. Mit der Gewährung eines Bereicherungsausgleichs lässt sich dem Präventionsbedürfnis des Betroffenen angemessen Rechnung tragen: In Fällen der vorsätzlichen Rechtsverletzung geht der geschuldete Wertersatz auf Herausgabe der unrechtmäßig erzielten Gewinne; in Fällen bloß fahrlässiger Rechtsverletzung kann eine fiktive Lizenzgebühr verlangt werden. Hierdurch wird der "publizistischen Zwangskommerzialisierung" auf effektive Weise der ökonomische Anreiz genommen. Das - gegebenenfalls kumulativ zuzusprechende "Schmerzensgeld" wiederum kann auf seine ursprünglichen Funktionszuweisungen zurückgeführt werden und dem Restitutions- und Kompensationsbedürfnis des Betroffenen Rechnung tragen.

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Stichwortverzeichnis Allgemeine Gesetze 171, 177, 179 Allgemeines Persönlichkeitsrecht - als "allgemeines Gesetz" 177 - als Quellrecht 147 - als "sonstiges Recht" 146 - Schutzbereich 152 - Verhältnis zu den besonderen Persönlichkeitsrechten 148 Anzeigen-Auflagen-Spirale 90 Anonymität 161 Ausgestaltungsbefugnis, verfassungsrechtliche 106 Beanstandung siehe Presserat Begebung des Persönlichkeitsschutzes 243, 245 Begleiterrechtsprechung 208 Bereicherungsausgleich 322, 390, 393 Bestimmtheitsgrundsatz 372 Biedenkopf/Kohl-Entscheidung 246 BILD-Zeitung 32 Bob Dylan-Entscheidung 216, 223, 228 Böll/Walden-Entscheidung 121, 183, 194 Boulevardjournalismus 27, 32, 36 BUNTE 45, 346 Caroline von Monaco-Entscheidung - Caroline I 139, 163, 252, 345 f., 350, 353, 370, 378 - Caroline II 371 - Caroline III 221, 226, 351 Caterina Valente-Entscheidung 201, 324, 338 chilling effect 253, 400 DER SPIEGEL 34, 191

Diskretion 158, 178, 235, 237 ff., 259 ff. Doppelmörder-Entscheidung 339 Duales Sanktionsmodell 389 Ebert/Noske-Entscheidung 232 Ehre 129, 166, 181 Endorsements 85 Enttabuisierung 63 Eppler-Entscheidung 163, 254 Esther Schweins 228 Feature 28 202, Fernsehansagerin-Entscheidung 340 Feststellungsklage, persönlichkeitsrechtliche 299, 302 FOCUS 34 Formalbeleidigung 130, 196 Fotografie 126, 205, 233, 293 FREIZEIT-REVUE 35 GALA 35 Gefangenenbrief-Entscheidung 130 Gegendarstellung 295 Gegenschlagsprinzip 190, 260 Geheimsphäre 239 Geldentschädigung - Bemessung 353 - Beträge 354, 378 - Funktionen 352 - Rechtsgrundlage 349, 355 - symbolisches Schmerzensgeld 384 Gewinnabschöpfung 331, 368, 397, 399,401

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Stichwortverzeichnis

Ginseng-Entscheidung 338 f., 350 Glosse 30 Harald Schmidt 228, 231 Hemmungseffekt 347, 377, 379 Herrenreiter-Entscheidung 325, 329, 337,349,358 Hypothese nutzenmaximierenden Verhaltens 317 Identifikationsfunktion 42, 56, 95 Illustrierte 34 Image 82, 86 f. Individualisierung, gesellschaftliche 58 Information - als kommunikatives Grundbedürfnis 55 - Begriff 269 f. Informationelle Selbstbestimmung 144 Informationsauftrag der Medien 40 Informationsbeschaffung 246 Informationswert 202, 226, 248, 253 Integrationsfunktion 56 f. Interessenahwägung 173, 299 - im Bildnisschutz 209, 211, 219 - Prozess der 180 Interview 29, 125, 163 Intimsphäre 223, 238 f. Karikatur 30 Kommerzialisierung 77 ff., 97 ff. Kommunikative Grundbedürfnisse 55 ff. Kompensation 287, 353, 370 Kunstkritik-Entscheidung 187 Lady Diana 88 Leitbildwerbung 84 f. Leser-Blatt-Bindung 95 Leserbrief-Entscheidung 146, 350 Lizenzanalogie 323, 325, 331, 401 f. Lüge 124

Marlene Dietrich-Entscheidung 328 Massenmedien - Funktionen 63 - "öffentliche Aufgabe" 106 f. Medienfreiheit - als Abwehrrecht 105 - gesellschaftlich-politische Bedeutung 103 f. - objektiv-rechtlicher Gehalt 105 - Schranken 171 ff., 177 - Schutzbereich 114, 116 Medieninhaltsdelikte 302 Medienpersönlichkeitsrecht - Schutzumfang 158 ff. - verfassungsrechtliche Verankerung 142, 149 f. Meinungsäußerung 103, 115, 135, 182, 293, 298 Meinungsmarkt 110, 123, 268 Menschenwürde 143, 167, 177, 184, 190,232,255,257,281 Merchandising 68, 84 Michael Schumacher 88 Miss PetHe-Entscheidung 324 Monetäre Sanktion - Ausgestaltung 389 ff. - verfassungsrechtliche Notwendigkeit 315 f. - Wirkungsweise 317 ff. Mörder unter uns-Entscheidung 242, 350 Nachricht 28, 31 f., 39 Ne bis in idem-Grundsatz 368 f. NEUE POST 35 Neutralitätsgebot 110, 173 f., 228, 274, 314 NPD Europas-Entscheidung 182, 188 f., 199 f. Nulla poena sine Iege-Grundsatz 368 f., 381 Öffentlichkeitssphäre 236, 240 Orientierungsverlust 59 f.

Stichwortverzeichnis Paparazzi-Aufnahmen 71, 100, 160, 273, 293 Pariser Liebestropfen-Entscheidung 343 Partiku1arisierung, gesellschaftliche 60 f. Paul Dahlke-Entscheidung 323, 337, 395 Person der Zeitgeschichte 207 f., 212 f., 221, 245 f. Persona 82, 84 f., 169, 331 Personalisierungsgrad der Massenmedien 31, 33, 47 ff. Personalisierungstendenz der Massenmedien 49 ff. Personenjournalismus - Darstellungsformen 28 ff. - inzidentieller 24 - Kategorien 24 f. - Objekte 26 f. - originärer 24 - substantieller 39 - Themen 25 f. Persönlichkeitsrechte - spezielle 145 - unbenannte 145 ff. - Verhältnis spezielle zu unbenannten 149 ff. Persönlichkeitsverwertung, kommerzielle 75 f., 79 ff., 82 ff., 258, 394, 397 Prangerwirkung öffentlicher Darstellung 70 f. Prävention - als Bemessungsfaktor bei Geldentschädigung 354 - Notwendigkeit im Äußerungsrecht 287, 312 f. - Systemkonformität 365 ff. - Verfassungsgemäßheit 368 ff. Präventionsaufschlag 354 Pressekodex 310 ff. Presserat 310 Privatsphäre 220, 236, 240

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Prograrnmgrundsätze, rundfunkrechtliche 308 Prominenz 26, 68 f. Publikumszeitschrift 34, 90 ff. Publizistische Sorgfalt 251 f. Recht am eigenen Bild 160, 179, 206 ff. Regenbogenpresse 35, 294 Rekreation als kommunikatives Grundbedürfnis 57 f. Reportage 28 Restitution 319, 353, 404 Richtigstellung 297 ff. Rotlichtfürst-Entscheidung 252 Rudi Carell-Entscheidung 243 Rundfunkstaatsvertrag 308 f. Sarah Ferguson 88 Schadensersatz - Berechnung 401 f. - immaterieller 334 ff. - materieller 322 ff. Schmähkritik 130, 183, 193 ff. Schmerzensgeld siehe Geldentschädigung Schmid/Spiegel-Entscheidung 191 Schutzpflicht, staatliche 279 ff. Selbstbestimmung, persönlichkeitsrechtliehe 144, 156, 165 f., 168 Selbstkontrolle, publizistische 310 f. Soldaten sind Mörder-Entscheidung 200, 253 Sonnenfreunde-Entscheidung 126 Soraya-Entscheidung 135, 163, 341, 344 f., 350, 362 Sorgfaltspflicht siehe publizistische Sorgfalt Soziale Stellung als Abwägungskriterium 203 f., 207 ff., 245 Sozialsphäre 178 f., 236, 240 Spielgefährtin-Entscheidung 343 Spontaneität der freien Rede 186 ff. STERN 45, 340 Strauß-Entscheidung 184, 189, 192

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Stichwortverzeichnis

Tagessatzmodell 388 Talkshows 33 Tatsachenbehauptungen, grundrechtlicher Schutz - unwahre 118 ff. -wahre 115 Til Schweiger 88 Triviale Personenberichterstattung, Begriff 44 Trivialliteratur 40 f. TV-Nachrichten 31 f. Übermaßverbot 284, 287 Üble Nachrede 149, 302 Unmittelbare Drittwirkung der Grundrechte 150, 357 Unterhaltung 55, 57, 202, 227, 264 Unterlassungsanspruch 291 ff. Untermaßverbot 285 f., 288

Urteilsveröffentlichung 299 f. uses and gratifications 55 Verleumdung 149, 303 Vermutungsformel 188 f., 196, 262 Veröffentlichungsmotivation als Abwägungskriterium 199 f., 223 f., 247 f. Wahrheit 118 ff., 122, 162 f. , 251, 310 Wallraff-Entscheidung 188, 192, 203 Werbung 81 , 84 ff. Widerruf 297 f. Zeitgeschichte 213 ff. Zuweisungsgehalt von Persönlichkeitsrechten 333, 391 ff. Zwangskommerzialisierung der Persönlichkeit 139, 347, 378