TransAtlantik. Hans Magnus Enzensberger, Gaston Salvatore und ihre Zeitschrift für das westliche Deutschland [1. ed.] 9783835351257, 9783835349575, 9783835349582


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German Pages 219 [220] Year 2022

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Table of contents :
Umschlag
Titel
Impressum
Inhalt
BRD Blanc: Vorbemerkung
1. Ein ›New Yorker‹ für Deutschland: Planungen
2. Feuerländisches, Hannover: Das erste Heft
3. Verfrühte Eleganz? Resonanzen
4. Zweierlei Luxusliner: Relationen
5. Abschied vom Prinzipiellen: Voraussetzungen
6. Kaffeetrinken mit Gaston Salvatore: Innenansichten
7. Loslabern mit Rainald Goetz: Literarisches
8. Münchener Freiheit? Liberalität
9. Abstürzende Möwen: Anschlüsse, Abgrenzungen
10. Alle lächeln: Abschied von ›TransAtlantik‹
Amerikanisches Licht: Schlussbemerkung
Anmerkungen
Dokumente
Literatur und Quellen
Bildnachweise
Personenregister
Dank
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TransAtlantik. Hans Magnus Enzensberger, Gaston Salvatore und ihre Zeitschrift für das westliche Deutschland [1. ed.]
 9783835351257, 9783835349575, 9783835349582

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Kai Sina TransAtlantik

Kai Sina TransAtlantik Hans Magnus Enzensberger, Gaston Salvatore und ihre Zeitschrift für das westliche Deutschland

Die Arbeit an diesem Buch und die Drucklegung wurden unterstützt durch Mittel der VolkswagenStiftung.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: // dnb.d-nb.de abrufbar. © Wallstein Verlag, Göttingen 2022

www.wallstein-verlag.de Vom Verlag gesetzt aus der Stempel Garamond Umschlag: Susanne Gerhards, Düsseldorf ISBN (Print) 978-3-8353-5125-7 ISBN (E-Book, pdf) 978-3-8353-4957-5 ISBN (E-Book, epub) 978-3-8353-4958-2

Inhalt

BRD Blanche: Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . 7

1. Ein New Yorker für Deutschland: Planungen . . . . . 17 2. Feuerländisches, Hannover: Das erste Heft . . . . . . 38 3. Verfrühte Eleganz? Resonanzen . . . . . . . . . . . . 59 4. Zweierlei Luxusliner: Relationen . . . . . . . . . . . . 70 5. Abschied vom Prinzipiellen: Voraussetzungen . . . . 79 6. Kaffeetrinken mit Gaston Salvatore:  Innenansichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 7. Loslabern mit Rainald Goetz: Literarisches . . . . . . 108 8. Münchener Freiheit? Liberalität . . . . . . . . . . . . 121 9. Abstürzende Möwen:  Anschlüsse, Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . 132 10. Alle lächeln: Abschied von TransAtlantik . . . . . . 141 Amerikanisches Licht: Schlussbemerkung . . . . . . . 149

Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 Dokumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 Literatur und Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 Bildnachweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 Dank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219

»Es ist wirklich etwas besser geworden.« Jürgen Habermas, Die Neue Unübersichtlichkeit, 1985

BRD Blanche: Vorbemerkung

Im Jahr 2011 veröffentlichte Hans Magnus Enzensberger eine Sammlung seiner persönlichen Lieblings-Flops. Es handelt sich um einen Katalog an Vorhaben, die er einst mit Enthusiasmus erdacht oder sogar betrieben hatte, bevor sie aus irgendeinem Grund im Sande verlaufen, misslungen, gescheitert waren. Es ist ein Blick ins Panoptikum des Unerfüllten, aber ohne alle Koketterie oder Larmoyanz. Eher scheint Enzensberger, der bereits über achtzig Jahre alt war, als er seine Sammlung veröffentlichte, mit gelassenem Witz und aufrichtigem Interesse auf die Fehlschläge und Misserfolge seines Lebens als Dichter und Schriftsteller, Intellektueller und Publizist zurückzuschauen. Mehr noch, seine Flops seien ihm, liest man im kurzen Vorwort, »im Lauf der Jahre immer mehr ans Herz gewachsen«. Wenigen Erfahrungen verdanke er so viel wie ihnen, und daraus könnten vielleicht auch die Leserinnen und Leser seines Buches einigen Nutzen ziehen: »Triumphe halten keine Lehren bereit, Mißerfolge dagegen befördern die Erkenntnis auf mannigfaltige Art. Sie gewähren Einblick in die Produktionsbedingungen, Manieren und Usancen der relevanten Industrien und helfen dem Ahnungslosen, die Fallstricke, Minenfelder und Selbstschußanlagen einzuschätzen, mit denen er auf diesem Terrain zu rechnen hat.«1 Im Anschluss an diese »Prämisse« präsentiert der Band nacheinander geordnet »Meine Kino-Flops«, »Meine Opern-Flops«, »Meine Theater-Flops«, »Meine verlegerischen Flops« – und so weiter. Unter den »verlegerischen Flops« findet sich auch ein Projekt, das man aus heutiger Sicht zumindest nicht rundheraus als Misserfolg bewerten mag: Von der Zeitschrift T ­ ransAtlantik, die Hans Magnus Enzensberger gemeinsam mit seinem Freund Gaston Salvatore Ende der Siebzigerjahre entwickelte und gründete, liegen immerhin mehr als zwei Jahrgänge vor. Monatsweise erschienen sind die Hefte zwischen Oktober 1980 und Dezember 1982. In ungezwungener Orientierung am 7

großen Vorbild des New Yorker wollte TransAtlantik seinem Publikum politische Essays und literarische Reportagen auf höchstem Niveau bieten. Nicht ohne Stolz zählt Enzensberger die Namen der Autorinnen und Autoren auf, die in seiner Zeitschrift gedruckt worden seien und von denen die bundesrepublikanische Öffentlichkeit hier teils zum ersten Mal habe lesen können: Rainald Goetz und Irene Dische, Martin M ­ osebach und Christoph Ransmayr werden von ihm unter anderen genannt, als internationale Beiträger etwa Tom Wolfe, Isaiah Berlin, Jane Kramer, Joseph Brodsky. Der intellektuellen Weltläufigkeit im Inneren entsprach die wohlüberlegte Gestaltung der Zeitschrift im Äußeren. Mit ihrem Understatement und ihrer Eleganz beruhte sie auf einer ästhetischen Haltung, die auf dem westdeutschen Zeitschriftenmarkt der frühen Achtzigerjahre vollkommen unbekannt gewesen sei, behauptet Enzensberger. Gezielt habe man auf »fette Schlagzeilen« auf der Titelseite verzichtet, man hätte sie als »vulgär« empfunden. Stattdessen und ganz bewusst war der gesamte redaktionelle Teil in Schwarz-Weiß gehalten. Alles Farbige war den Werbeanzeigen vorbehalten. Auf dem grellbunten Zeitschriftenmarkt sollte TransAtlantik ein »Augentrost« sein.2

* Das Unbehagen, aus dem heraus Enzensberger und Salvatore ihr Vorhaben entwickelten, ging über den Bereich der zeitgenössischen Publizistik allerdings deutlich hinaus. »Weil uns damals […] der Zeitgeist besonders zum Hals heraushing, faßten wir einen Plan«, mit dieser erzählerischen Geste hebt der Rückblick in den Lieblings-Flops an. Oder nein, eigentlich beginnt er mit Versen, die ihm als Motto vorangestellt sind: »Also was die siebziger Jahre betrifft,  / kann ich mich kurz fassen. […] / Widerstandslos, im großen und ganzen, haben sie sich selbst verschluckt, / die siebziger Jahre«. Es handelt sich um einen Auszug aus Enzensbergers Gedicht »Andenken«, das vollständig in dem ebenfalls 1980 erschienenen Band Die Furie 8

des Verschwindens abgedruckt worden ist. Die neue Zeitschrift stand, so betrachtet, an einer Zeitenschwelle, am Umbruch eines zu vernachlässigenden alten in ein vielversprechendes neues Jahrzehnt. Getragen war TransAtlantik von einem epochalen Aus- und Aufbruchswillen, der sich reizvoll abhebt von dem, was der Schriftsteller Frank Witzel und der Zeithistoriker Philipp Felsch als BRD Noir beschrieben haben, als ein für die bundesrepublikanische Gesellschaft charakteristisches Verharren in »provinziellem Leerlauf«.3 In präziser Abgrenzung dazu versteht sich TransAtlantik als neues, erfrischtes und erfrischendes Ausdrucksmedium einer BRD Blanche.4 Auf breite Gegenliebe beim Publikum stieß der publizistische Neuanfang, den Enzensberger und Salvatore im Sinn hatten, allerdings nicht, eher im Gegenteil: Bereits der Absatz des ersten Heftes habe deutlich gezeigt, dass die Leserschaft im Allgemeinen »ungeneigt« gewesen sei. Nicht als erquickender, von Westen her kommender Wind auf dem Zeitschriftenmarkt sei TransAtlantik wahrgenommen worden, sondern vielmehr als Provokation. Dies habe unter anderem daran gelegen, dass das Magazin einem »verabscheuungswürdigen Laster« zugeneigt gewesen sei, und zwar der Welt des exklusiven Konsums. Eine gleich am Anfang jedes Heftes gedruckte Rubrik trug die Überschrift »Journal des Luxus und der Moden«, und obwohl dieser Bezug auf einen »ehrwürdigen Titel der Goethe­ zeit« spielerisch gewählt worden sei, trug er der Zeitschrift den – bis heute nachhallenden – Vorwurf des Snobismus ein. Der Haupttitel sei allerdings »noch ungünstiger«, nämlich als poli­tisches Statement aufgenommen worden: »Wie konnten wir unser Blatt TransAtlantik nennen, während tapfere Friedenskämpfer auf der Mutlanger Heide gegen die Stationierung amerikanischer Pershing-II-Raketen demonstrierten?«5 Die Folge dieser doppelt nachteiligen Rezeptionsbedingungen war ein »lang sich hinziehendes Siechtum«, das allerdings von einer merkwürdigen Dialektik bestimmt gewesen sei: »Je besser die Zeitschrift aussah, desto betrüblicher ging es mit der verkauften Auflage bergab.«6 In Schönheit und Anmut vor sich hin sterben: Wenn TransAtlantik wirklich ein Flop war, dann war es ein durch und durch poetischer Flop. Und 9

ein interessanter zumal: Über das »mörderische Geschäft am Zeitungskiosk« habe man im Laufe der Zeit einiges gelernt, bilanziert Enzensberger, ebenso über den »trickreichen Umgang mit Auflagenzahlen, Grossovertrieben und Werbeagenturen«. Nach zweieinhalb Jahren habe er sich deshalb »ohne Groll« aus dem Projekt verabschiedet.7 Spätestens an dieser Stelle muss allerdings hinzugesagt werden, dass das »Siechtum« der Zeitschrift im Dezember 1982 nur vermeintlich beendet war. Nachdem Salvatores und Enzensbergers Vertrag nach heftigen Auseinandersetzungen mit dem Verlag nicht verlängert worden war und daraufhin die gesamte Redaktion gekündigt hatte (in dieser Hinsicht gab es also schon einigen »Groll«), erschien die Zeitschrift noch bis zum Jahr 1991, zunächst weiterhin im ursprünglichen NewMag-­Verlag, ab 1989 dann im Spiegel-Verlag, der die Publikation aber rasch einstellte. Vom Anfangsteam war nur die Herausgeberin ­Marianne Schmidt übriggeblieben. Aber auch sonst hatte die neue mit der ursprünglichen Zeitschrift nur wenig gemein: Erdacht als publizistischer »Traum« wurde sie zu einem schnöden Imitat ihrer selbst – so zumindest die abschätzige Bewertung Gundolf S. Freyermuths, der seinerseits Mitglied der ersten Redaktionsgarde gewesen war.8

* Transatlantisch angelegt war die Zeitschrift nicht nur in programmatischer Hinsicht, sondern auch in Bezug auf die beteiligten Personen. Es trafen sich in diesem Vorhaben in leitender Funktion: ein kosmopolitisch gesinnter, polyglotter Dichter und Essayist, Medientheoretiker und Publizist, der bereits seit den frühen Sechzigerjahren eine Hauptfigur des bundesrepublikanischen Kultur- und Literaturbetriebs war; und ein aus Chile stammender Dichter, Erzähler, Regisseur, Dramatiker und Journalist, der seit 1965 in Westberlin ansässig und als enger Freund Rudi Dutschkes zu einer charismatischen Gründungsfigur der Studentenbewegung geworden war.9 Die beiden Zeitschriftengründer bildeten damit eine Art trans­atlantisches 10

Tandem, und es ist nicht auszuschließen, dass auch dieser Gedanke bei der Titelgebung ihres Magazins eine Rolle gespielt hat. Wer den ersten Impuls zu der Unternehmung gab, ist hingegen nicht eindeutig zu bestimmen. Folgt man den Erinnerungen Katharina Enzensbergers, vormals Kaever, die als Redakteurin an TransAtlantik mitgewirkt hat, so war es Salvatore, auf den die Idee ursprünglich zurückging. Ihm, als seinem engen und langjährigen Freund, habe ihr heutiger Mann die Bitte um Mitwirkung an dem Projekt nicht abschlagen können.10 Freyermuth hingegen, der im Oktober 1981 zur Redaktion hinzustieß, verweist auf Marianne Schmidt, die ihre Vision einer deutschen Kulturzeitschrift nach dem Vorbild des New Yorker habe verwirklichen wollen.11 Ob nun Salvatore, Schmidt oder, was ja auch denkbar wäre, beide im Einklang: In keiner dieser Ursprungsgeschichten wird der Name Enzensbergers an erster Stelle erwähnt. Die Idee war offenbar schon in der Welt, als er sie sich angeeignet hat. Und angeeignet hat er sie sich wirklich, und zwar so weitgehend, dass der Name Salvatores im Rückblick mitunter ganz unter den Tisch gefallen ist.12 Auch wenn man Enzensberger nicht vorschnell zum »führenden Kopf«13 des ganzen Unternehmens ernennen möchte, kommt man nicht um die Feststellung herum, dass es in programmatischer Hinsicht unverkennbar seine Handschrift trägt. Dies zeigt sich bereits in einem langen Konzeptpapier vom Juni 1979, das im Anhang dieses Buches zum ersten Mal abgedruckt wird. Streckenweise liest sich das Exposé wie eine kultursoziologische Abhandlung aus dem Kursbuch, dessen Redaktion Enzensberger nur wenige Jahre vorher, nämlich 1975, verlassen hatte. Auch stammen von niemand anderem als ihm jene großen Essays in TransAtlantik, die metakommunikativ Aufschluss geben über die grundsätz­liche Ausrichtung der Zeitschrift und das ihr zugrunde liegende Gesellschaftsverständnis; zu nennen ist beispielhaft seine Abhandlung über »Das Ende der Konsequenz«, die im Mai 1981 erschienen ist. Liest man TransAtlantik schließlich im Kontext von Enzensbergers literarischem Werk, so ist die Zeitschrift gewiss als Reflex auf jenes 1978 erschienene Versepos zu verstehen, das immer wieder und ganz zu Recht als Abschied von der sozialistischen Utopie gelesen worden ist: Der Untergang der Titanic. 11

Dennoch lässt sich die Frage nach dem jeweiligen Anteil Enzensbergers und Salvatores an der Programmatik von TransAtlantik nicht ganz ohne Vorbehalt beantworten. Seinen Grund hat dies in einer scharf divergierenden Forschungslage. Im Falle Enzensbergers liegen bereits eine Fülle an biografischen, ideenhistorischen und literaturwissenschaftlichen Beiträgen vor, außerdem sind Teile seines persönlichen Archivs über das Deutsche Literaturarchiv in Marbach zugänglich. Eine substanzielle Bewertung seiner Tätigkeit als Zeitschriftenmacher ist auf dieser Grundlage durchaus möglich. Ganz anders im Falle Salvatores. Solange sein literarisches, essayistisches und journalistisches Werk nicht erforscht, seine Biografie nicht geschrieben und, dies vor allem, sein Nachlass nicht für die Wissenschaft erschlossen ist, lassen sich hinsichtlich seines Einflusses auf die grundsätzliche Ausrichtung der Zeitschrift allenfalls vorläufige Aussagen formulieren. Ebenso geringfügig wie mit dem Leben und Wirken ­ihres Mitgründers Salvatore hat sich die Forschung bislang mit Trans­ Atlantik selbst auseinandergesetzt – und dies obwohl die Zeitschrift für eine ideenhistorische Betrachtung von nicht unerheb­ licher Relevanz zu sein scheint, wie sich nach den ersten Anmerkungen bereits abzeichnet. Worauf ist dieses Desinteresse zurückzuführen? Vielleicht darauf, dass sich der erwähnte Vorwurf des Snobismus zu einem Rezeptionsklischee erhärtet und man die Zeitschrift entsprechend rasch abgetan hat. Als ein zentrales Medium des intellektuellen und kulturellen Diskurses in Westdeutschland galt sie eigentlich zu keinem Zeitpunkt. Weniger aufschlussreich ist das Magazin deswegen aber nicht, im Gegenteil, denn in ihm überkreuzen sich auf spannungsreiche Weise gleich mehrere intellektuelle und politische, soziale und ästhetische Tendenzen der Zeit: der Wille und die Lust, aus e­ inem als stickig empfundenen geistigen Klima der Siebzigerjahre auszubrechen; eine emphatische kulturelle West­ orientierung, die aufseiten eines politischen Milieus, das den Vereinigten Staaten mit notorischer Skepsis gegenüberstand, heftige Abwehrreaktionen hervorrufen musste; schließlich eine bejahende Neigung zu Eleganz und Luxus, die zu Beginn des neuen Jahrzehnts noch keine gesamtgesellschaftliche Ent12

https://doi.org/10.5771/9783835349575

sprechung hatte: Erst im Verlauf der Achtzigerjahre, so zeigt die historische Konsumforschung, gewann eine »materiellhedonistische Lebenseinstellung« in der BRD zunehmend an Popularität.14 Diese möglichst prägnant zu haltende Abhandlung setzt sich zweierlei zum Ziel: Einerseits will sie ein Porträt von Trans­ Atlantik unter der Ägide von Enzensberger und Salvatore zeichnen, beginnend bei den ambitionierten Planungen der Zeitschriftengründer über die konkrete Umsetzung bis hin zu den kritischen Reaktionen in der Presse und den sozialen Dynamiken innerhalb der Redaktion. Andererseits, und im Zuge des Porträtierens, möchte sie den distinkten Ort der Zeitschrift innerhalb der bundesrepublikanischen Ideengeschichte nach 1945 möglichst genau bestimmen.15 Inspiriert ist das Buch von einigen neueren Studien, die sich um eine Historisierung derjenigen Jahrzehnte bemühen, die man vor wenigen Jahren noch einer ›breit‹ ausgelegten Gegenwart zugerechnet hätte: der späten Siebziger- und Achtzigerjahre.16 Die Studie teilt die vom Historiker Ulrich Herbert formulierte Beobachtung, dass die Kultur im Laufe der Achtzigerjahre »­liberaler, auch selbstbewusster, entspannter und weltoffener« wurde – und eben nicht »restriktiver«, wie von der Linken nach dem Beginn der Kanzlerschaft Helmut Kohls im Jahr 1982 befürchtet worden war. Die Achtziger stehen für Herbert im Zeichen der »Akzeptanz pluraler individueller Orientierungen«,17 und eben hierauf zielt auch jener Satz von Jürgen Habermas von 1985, der dieser Studie als Motto vorangestellt wurde: »Es ist wirklich etwas besser geworden.«18 TransAtlantik ist Ausdruck genau dieses gesellschaftlichen Wandels, ja er spitzt sich in ihr möglicherweise sogar zu.

* Die kulturwissenschaftliche Zeitschriftenforschung  – insbesondere jene, die an Zeitschriften als »Spiegel intellektueller Milieus« interessiert ist – wird seit einigen Jahren mit großer Intensität betrieben.19 In diesem Zusammenhang ist vor allem 13

auf einige neuere Arbeiten zum Kursbuch, zur Alternative und zu Tempo zu verweisen.20 Ihren Gegenstand sieht die Zeitschriftenforschung idealtypisch dort realisiert, so definiert die Germanistin Hedwig Pompe, »wo viele unterschiedene Texte (und Bilder) der Rahmung durch die periodisch erfolgende Veröffentlichung unterliegen«. Im Unterschied zur Tagesoder Wochenzeitung komme dabei eine gewisse »Affinität zu literarischen und wissenschaftlichen Formen der Buchkultur« zum Tragen. Äußerst weit gefasst ist dieser Bestimmungsversuch nicht ohne Grund: Im Zuge des um 1800 einsetzenden gesellschaftlichen Modernisierungsprozesses hat sich das Zeitschriftenwesen hochdynamisch entwickelt und stark ausdifferenziert. Deutlich ablesen lässt sich dies an der zunehmenden Anzahl von Subtypen, angefangen beim ›Journal‹ über das ›Magazin‹ bis zur ›Illustrierten‹.21 Etwas konkreter und auf den Gegenstand dieser Studie bezogen zeigt sich diese Ausdifferenzierung auch im Bereich der deutschsprachigen Literatur- und Kulturzeitschriften der 1980er-Jahre, deren »unheimliche Vitalität« trotz häufig »miserablem Absatz« in einem Beitrag von 1994 so beschrieben wurde: »Es entstehen unabläßlich neue, zum größten Teil eben nur kurzfristige Blätter, die die Lebendigkeit des Phänomens jedoch immer wieder demonstrieren und zugleich zeigen, unter welchen Bedingungen die Zeitschriften entstehen.« TransAtlantik wird in diesem Zusammenhang neben beispielsweise dem Tintenfisch oder Westermanns Monatsheften zu jenen »renommierten und überregional bekannten Zeitschriften« gezählt, die seit 1980 ihr Erscheinen eingestellt hätten (was so, wie soeben erwähnt, nicht ganz zutrifft).22 Kein Wunder daher, dass auch in den mir vorliegenden Quellen immer wieder die Rede ist von ökonomischen Aspekten, die teils scharf mit ästhetischen und inhaltlichen Fragen konfligierten. Wie nun aber Zeitschriften wissenschaftlich lesen? Sicher jedenfalls ist, dass sie sich im Modus einer autorzentrierten Hermeneutik kaum angemessen erschließen lassen. Der Herstellungsprozess einer Zeitschrift ist schließlich in hohem Maße arbeitsteilig und zudem stark von äußeren, unter anderem technischen und ökonomischen Faktoren bestimmt. Jenseits 14

basaler konzeptueller Entscheidungen lassen sich spezifische Intentionen wohl aber in Einzelfällen ausmachen. So ist es, um nur ein Beispiel zu nennen, ganz sicher kein Zufall, wenn Enzensberger ausgerechnet im ersten Heft von TransAtlantik kritisch über globale Tendenzen der Verwestlichung nachdenkt; man kommt nicht umhin, seinen Essay »Eurozentrismus wider Willen« als eine metareflexive Kommentierung der erstmals vorliegenden Zeitschrift und ihres für linkspolitisierte Leserinnen und Leser provozierenden Titels zu verstehen. In anderen Bereichen – man denke beispielsweise an die Auswahl von Beiträgerinnen und Beiträgern, die Illustrationen von Artikeln, die Titelgestaltung – sind dagegen immer schon kollektive Beratungs- und Entscheidungsprozesse vorauszusetzen. Statt einer allenfalls punktuell ergiebigen Hermeneutik zu folgen, liegt es eher nahe, die Perspektive eines aufmerksamen, kritisch beobachtenden Lesers einzunehmen. Das Ziel dieses Lesers sollte darin bestehen, wie der Zeitschriften­forscher Philipp Pabst formuliert, »die Lektüresteuerung nachzuvollziehen«, die ihm eine Zeitschrift anbietet, zum Beispiel über »thematische, lexematische oder visuelle Äquiva­ lenzbildungen« zwischen verschiedenen Artikeln oder über mehrere Ausgaben hinweg. Eine aussagekräftige Werbeanzeige kann in dieser Logik ebenso bedeutsam sein wie eine starke These, eine auffallende Typographie wie ein vielsagender Rubrikentitel. Zeitschriften, erklärt Pabst grundlegend, »operieren im Modus semiotischer Nebenordnungen« und weisen daher »kein festgefügtes Zentrum auf.« Der Ausgangspunkt »der textuellen Relationierung im Rahmen einer Analyse« sei daher »je nach Fragestellung und Heuristik« ein anderer.23 Ergänzen lässt sich diese auf dem fernsehwissenschaftlichen Ansatz des »Flows« beruhende Heuristik24 durch weitere Perspektiven, um so über die reine Materialebene der jeweils zu analysierenden Zeitschrift hinauszukommen. Im Falle dieses Buches sind dies zum Beispiel die Betrachtung der konzeptuellen Planung, der organisatorischen und redaktionellen Praktiken, der Bezüge zu anderen publizistischen und literarischen Unternehmungen der Zeit und nicht zuletzt der kritischen Resonanz in anderen Medien. 15

Ähnlich wie das Medium der Zeitschrift folgt meine Untersuchung  – und eigentlich bereits diese ensemblehafte Einleitung  – einem mittleren Strukturprinzip. Sie beginnt mit den Plänen der Zeitschriftengründer von 1979, blickt von dort aus weiter auf die erste Ausgabe von TransAtlantik, ­schildert sodann die kritischen Reaktionen im Feuilleton und die Voraussetzungen in Enzensbergers literarischem Werk. Den Schluss bildet die Lektüre des letzten Heftes, das in der Ära ­Enzensberger / Salvatore erschienen ist, und die Schilderung der Geschehnisse im Zuge der Redaktionsauflösung im Dezember 1982. Dazwischen werde ich in mehreren einzelnen Schlaglichtern zu erhellen versuchen, was TransAtlantik ausmachte, von den gesellschaftstheoretischen Prämissen über die konkrete Redaktionsarbeit bis zur charakteristischen Literarizität und Liberalität der Zeitschrift. Inhaltlich werden meine Ausführungen dabei insofern zusammengehalten, als sie immer wieder – mal eher beiläufig, dann wieder fokussierter  – nach Entwürfen des ­Transatlantischen fragen. Auf dieser Grundlage wird ganz am Ende der ideen­ historische Rahmen über die Gegenwart der späten Siebziger- und frühen Achtzigerjahre bis in die Nachkriegszeit zu erweitern sein: Als selbsterklärtes Medium der kulturellen West­bindung wirkt TransAtlantik wie ein letzter Schritt im langen, sich weit über die unmittelbare Nachkriegszeit und konkrete politische Maßnahmen hinausstreckenden Prozess der Re-Education.

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1. Ein New Yorker für Deutschland: Planungen Am ausführlichsten und detailliertesten schildern Hans ­Magnus Enzensberger und Gaston Salvatore ihren Plan für die neu zu gründende Zeitschrift TransAtlantik in einem 29 Seiten umfassenden, engzeilig getippten Konzeptpapier vom Juni 1979, das sich heute im Deutschen Literaturarchiv in Marbach befindet. Es handelt sich um eine höchst aufschlussreiche Quelle, die überdies von großer Lust am Projektieren zeugt. Sie enthält weitreichende Beobachtungen über die Mentalität der Westdeutschen an der Schwelle zum neuen Jahrzehnt, die gegenwärtige kulturelle, im engeren Sinne publizistische Gesamtsituation – und liest sich streckenweise eher wie ein pointierter, mitunter auch polemischer Essay denn als ein streng sachbezogenes, nüchternes Exposé. Vor dem Hintergrund ihrer allgemeinen Kulturdiagnose wiederum legen die Verfasser konkret und äußerst kleinteilig die Zielsetzung und die Anforderungen, die Blickwinkel und Schreibweisen, die Gestaltung und Vermarktung des von ihnen geplanten Magazins dar, wobei eigentlich jede Zeile von dem Anspruch durchdrungen ist, die Sache groß zu denken: »Oben ist immer noch Platz« – dies sei der »Wahlspruch« gewesen, erinnert sich Rainald Goetz aus der rückwärtigen Perspektive des Jahres 1999, unter dem TransAtlantik dereinst angetreten sei.25 Zumindest Enzensberger konnte bei der Erarbeitung des Konzeptpapiers bereits auf beträchtliche Erfahrungen und einiges Vorwissen zurückgreifen. Nicht nur hatte er 1965 die Zeitschrift Kursbuch gegründet (gemeinsam mit Karl Markus Michel, der ebenfalls der Redaktion von TransAtlantik angehören sollte) und über zehn Jahre herausgegeben.26 Darüber hinaus war er als minutiöser Beobachter der bundesdeutschen Medienlandschaft und zudem als Medientheoretiker bekannt. Bereits in den Fünfziger- und Sechzigerjahren hatte er unter anderem den Spiegel und die Frankfurter Allgemeine Zeitung kritischen Analysen unterzogen,27 während er 1970 der Öffentlichkeit einen an Bertolt Brecht anknüpfenden »Baukasten zu einer Theorie der Medien« präsentierte. Ohne je einer schlich17

https://doi.org/10.5771/9783835349575

ten »Manipulationstheorie«28 das Wort zu reden, waren diese Arbeiten geprägt von Impulsen der Kritischen Theorie – was sich mit dem neuen Projekt, für viele provozierend, fundamental ändern sollte.29

Für das westliche Deutschland »TRANSATLANTIK. Projekt einer Zeitschrift für das west­ liche Deutschland«: Schon der Titel des Papiers ist in seiner konkreten Wortwahl bedenkenswert. Das ›westliche Deutschland‹ ist schließlich nicht gleichzusetzen mit der politischen Einheit ›Westdeutschland‹. Gerade im Zusammenhang mit dem in Großbuchstaben getippten Obertitel wird ersichtlich: Das Adjektiv ›westlich‹ wird hier im Sinne einer politischkulturellen Grundorientierung verstanden, ja konkreter noch als Ausrichtung an einer US-amerikanischen Ausdrucksform und Denkweise. Dass die Verfasser des Papiers eine solche in Deutschland zumindest in Ansätzen bereits realisiert sehen, deutet sich im Untertitel, in der Zueignung »für das westliche Deutschland«, bereits an. Der auf diese Weise gleichzeitig erhobene Anspruch auf Repräsentativität wird gestützt durch die assoziative Nähe der Formulierung zu einem der bundesrepublikanischen Leitmedien schlechthin, nämlich der Frankfurter Allgemeinen, deren Selbstverständnis in ihrem Untertitel unmissverständlich zum Ausdruck gebracht wird: Zeitung für Deutschland. Was im Titel TransAtlantik anklingt, macht die Präambel des Papiers explizit. »Eine Zeitschrift, die fehlt«, gelte es nun ins Leben zu rufen, dies stellt gleich der erste Satz fest, und zwar auf der Grundlage »einer Analyse der gesellschaftlichen und kulturellen Situation der Bundesrepublik«. Nicht, was aus Deutschland werden solle, sondern was es bereits sei, bildet demnach die Ausgangsbasis der Zeitschriftenplaner. Auf ein »exaktes, statistisches Kalkül« könne man sich dabei zwar nicht berufen, das wäre nichts anderes als »Hochstapelei«. Man verlasse sich vielmehr auf die eigenen »Beobachtungen und Vermutungen«, denn, so folgert man im eher alltagspraktischen 18

Die journalistische Lage überblickend: Gaston Salvatore und Hans Magnus Enzensberger auf einer Fotografie von Isolde Ohlbaum

Sinn, »Wünsche werden nicht errechnet, sondern (mit einigem Glück) erraten«.30 Hervorgehoben durch Unterstreichungen der Kernwörter folgen auf die Eingangspassage einige Charaktermerkmale, die Enzensberger und Salvatore den ›westlichen Deutschen‹ zuschreiben. So betonen sie an erster Stelle die gehobene Anspruchshaltung der Bewohnerinnen und Bewohner der BRD, und zwar nicht nur im Blick auf ihre »Konsum- und Reisegewohnheiten« und andere Aspekte des Ökonomischen. Aufgrund eines nunmehr »über dreißigjährigen Friedens«, »enorm gewachsenen gesellschaftlichen Reichtums« und »­eines zunehmenden Selbstbewußtseins« suche die »Nation von Aufsteigern« nach einer »kulturellen Identität«.31 Dies zeige sich darin, dass der Neureiche  – man spricht distinguiert vom nouveau riche – aufgehört habe neu zu sein und nunmehr höhere Bedürfnisse in sich entdecke. Der zwar wohlhabende und selbstbewusste, aber noch kultur- und identitätslose Westdeutsche 19

wolle den Kleinbürger der Nachkriegszeit in sich überwinden, die »innere Unsicherheit«, die »Lächerlichkeit«, die »Banalität«, den »kleinkarierten Zuschnitt« seines Daseins.32 Es folgen einige milieuspezifische Beobachtungen: Vor allem in der »upper middle class« (eine genuine »upper class« habe es in Deutschland nie gegeben) sei man, trotz einer gewissen »inneren Unsicherheit« eifrig darum bemüht, »ein bißchen mehr Weltkenntnis und Lebensart zu erwerben«. Der deutsche Stiernacken sei nunmehr ein Relikt der Vergangenheit, ja vollkommen »out«.33 Der Befund ist ideenhistorisch signifikant: Die Formlosigkeit, die Provinzialität und der Stilmangel der Bundesrepublik, die Intellektuelle wie Karl Heinz Bohrer noch Mitte der Achtzigerjahre wortreich beklagen,34 sehen Enzensberger und Salvatore im Jahr 1979 bereits nahezu überwunden. Man gebe sich in Westdeutschland »urbaner, ironischer, zivilisierter denn je zuvor«, was sich auch in einem sich zunehmend steigernden Interesse an der Kultur spiegele – einer Kultur, die erfreulicherweise gar nichts mehr habe von bildungsbürger­ licher Verstockt- und Verstaubtheit, die weit über die öde Trias »Staatsoper / Beethoven / Bundespresseball« hinausreiche. Eine Zeitschrift allerdings, die genau diesen neuen Ansprüchen und Bedürfnissen gerecht werde, die sie »aufgreifen« und  – darauf kommt es besonders an – »entwickeln« könne, gebe es in Deutschland bisher nicht.35 Die Lücke, die TransAtlantik publizistisch füllen will, wird von den Verfassern des Papiers sodann genau umrissen, ohne dabei allerdings zu versäumen, die publizistische Gesamtsituation scharf abzuwerten. Magazine wie Madame oder Der Herr seien lediglich »dilettantische Kopien eines nicht vorhandenen Originals«, sie imitierten nur das, was sie für einen internationalen Stil, für weltläufige Eleganz hielten. Tatsächlich atmeten die genannten Zeitschriften aber »die Bonner Kleinstadtluft«, es seien Geburten aus dem Geist eines »verschwitzten Strebertums« und »kulturellen Kretinismus«. Unterhalten könnten sie nur »heruntergekommene Herrenreiter« – in die Jahre gekommene Nazis, so lässt sich assoziieren – und ihre »hilflosen Gattinnen«. Jeder intellektuelle Anspruch sei ihnen fremd, und ein individueller Ton gehe ihnen völlig ab.36 20

Eher schon entsprächen dem konstatierten Gesellschaftszustand Druckerzeugnisse wie Geo, Essen und Trinken, ­Schöner Wohnen oder sogenannte Männermagazine wie Lui oder Playboy. Aber es gelinge ihnen nur durch »Spezialisierung« die jeweilige Leerstelle im Zeitschriftensegment zu füllen: »Die Suche nach der Marktlücke führt zur Sektorialisierung der Kultur; vorhandene Zielgruppen sollen möglichst risikolos dingfest gemacht und bedient werden.« Was dabei aus dem Blick gerate, seien »neue, noch nicht definierte Bedürfnisse« – also gerade das, so darf man schließen, was TransAtlantik bei seinem Publikum zwar ebenfalls ›aufgreifen‹, aber zugleich auch ›weiterentwickeln‹ möchte. Aus wirtschaftlichen Erwägungen heraus vermieden es die Spezialjournale für Kunstliebhaber, Theaterbesucher, Bücherfreunde und so weiter, mutig ins Offene zu gehen.37 Was aber ist mit den großen Publikumszeitschriften, den überregionalen Tages- und Wochenzeitungen? Sie werden im Konzeptpapier ebenfalls berücksichtigt. Zwar sei auch in ihnen momentan ein Ausbau der Kulturberichterstattung zu bemerken (genannt werden die expandierenden Kulturteile des Stern, des Spiegel, der F. A. Z. und der Zeit), dieser sei aber vornehmlich aufs Quantitative beschränkt. Verantwortlich dafür sei ein beschränkter, zu enger und vor allem zu traditioneller Kulturbegriff, der sich in einem »Übergewicht der Rezensionen« und einer gewissen »Betriebsblindheit von Berufskritikern« niederschlage. Der »neuen Lage« der bundesdeutschen Mentalität könne man so ebenfalls nicht gerecht werden, man laufe den »Zielgruppen« lediglich hinterher, anstatt risikofreudig eigene Impulse zu setzen.38 Durch die klare Abgrenzung von einer bloß marktorientier­ ten, eine internationale Ausrichtung nur vortäuschenden, gefahrlos und langweilig den Leserinnen und Lesern hinterher schreibenden Publizistik ist rhetorisch die Bühne für den Auftritt des eigenen Zeitschriftenprojekts vorbereitet. Die Zeit sei nunmehr gegeben für »eine großstädtische, intelligente ­Publi­kums­zeitschrift«, die den »historisch neuen Ansprüchen der Bundesrepublik« Rechnung tragen solle. Hierzu aber sei ein neues, eigenständiges Konzept nötig, das vor allem klären 21

müsse, welche »Haltung« einzunehmen, welche »Schreibweisen« zu verfolgen, welcher »Ton« anzuschlagen sei.39 Was sich hinter diesen Schlagwörtern verbirgt, wird daraufhin im Einzelnen ausgeführt, und zwar zunächst in einer Auflistung, die neben den erhofften die zu vermeidenden Eigen­ schaften der Zeitschrift nennt: Überlegen (aber nicht arrogant) Intelligent (aber nicht akademisch) Böse (aber nicht hämisch) Elegant (aber nicht selbstgefällig) Sophisticated (aber nicht esoterisch) Kritisch (ohne Besserwisserei) Ironisch (aber nicht patzig)40 So schwierig es ist, sich diese abstrakten Merkmale in konkreter journalistischer Gestalt vorzustellen, so eindeutig sind Enzensberger und Salvatore in der Benennung ihres Vorbilds, das nirgendwo anders als in der »Metropole der westlichen Welt« zu Hause ist. Auch wenn es nicht darum gehen könne, den New Yorker mit seiner ganz eigenen Tradition und spezifischen kulturellen Verortung lediglich zu imitieren, seien doch »die souveräne, überlegene Haltung, der Sinn für Qualität, der großstädtische Humor« des Magazins unbedingt nachahmenswert.41 Vorbildlich sei ferner, so legen die Verfasser des Papiers in einer weiteren Auflistung dar, die Orientierung auf das geschriebene Wort, die zentrale Rolle der Autoren, der große Raum, der den einzelnen Beiträgen eingeräumt wird, und die hohe Sachkenntnis, von der sie zeugen; die äußere Gestalt, die kühle, zurückgenommene Aufmachung, das künstlerische Titelblatt, die Bevorzugung der Grafik; der Verzicht auf üppiges Layout, großformatige Fotografie, Farbe, Überwältigung durch artwork; Die universelle Thematik, der ein weitgespannter Kulturbegriff zugrundeliegt; Haltung und Ton dem Publikum gegenüber: die Weigerung, sich in irgendeiner Form anzubiedern: keine Lebenshilfe, 22

Der »urbane Aristokrat« als Zeitschrift: Titel des New Yorker vom 11. Juni 1979

keine Tips, keine Geschenk-Boutique, keine Hausmitteilungen, keine Tests, keine Rätsel, keine »Einlauftexte«, keine Zwischenüberschriften, keine »Lesehilfen«, keine Leserbriefe, keine plumpen Anreden an den »Lieben Leser«; dafür die elementare Höflichkeit, einen mündigen Leser vorauszusetzen (das heißt aber auch, zu finden, zu gewinnen, ja sogar zu ermöglichen).42 Der Zentralbegriff in dieser Passage ist unterstrichen, der Begriff des »mündigen Lesers«, der die Prämisse des Magazins bildet. Was mit dem Charakteristikum der ›Mündigkeit‹ konkret bezeichnet ist, wird zwar nicht ausdrücklich geklärt, aber es lässt sich aus dem Gesamtzusammenhang erschließen: eine gewisse Anstrengungsbereitschaft und Offenheit gegenüber dem Ungewohnten und Schwierigen; die Fähigkeit, sich in einer auf moderierende Elemente verzichtenden Publikation selbst zu orientieren; die intellektuelle Kompetenz, das Relevante vom weniger Relevanten zu unterscheiden; sich überhaupt mitdenkend und eigenständig zum Gedruckten verhalten zu können. Auf reine Unterhaltungselemente und Gesten der ästhetischen Überwältigung insbesondere durch groß aufgezogene Fotografien wolle eine so begriffene Leserschaft ebenso verzichten wie auf pseudopersönliche Anreden und lebenspraktische Ratschläge. Der »mündige Leser« will nicht ›abgeholt‹, an die Hand genommen und auf den richtigen Weg geführt werden. Was ihm überkuratiert erscheint, und zwar gestalterisch wie intellektuell, lehnt er reflexhaft ab. Ebenfalls in Entsprechung zum New Yorker könne sich eine solche Zeitschrift nur in einer Metropole entwickeln, also »im ökonomischen und politischen Zentrum einer Zivilisation«. Erwartbar ist damit allerdings nicht München gemeint, wo die TransAtlantik-Redaktion ihre Arbeit aufnehmen sollte und von deren urbanem Esprit die Zeitschrift in vielerlei Hinsicht geprägt war (ich komme darauf zurück). Vielmehr wird die Bundesrepublik im Ganzen als »sekundäre Metropole« aufgefasst, »abhängig« zwar von den Vereinigten Staaten, aber doch, »ob sie will oder nicht«, die »Nummer eins in Europa«. 24

Eben dies wolle der Titel zum Ausdruck bringen: die Zeitschrift als ein transatlantischer Flügelschlag in die USA, der nach der politischen und wirtschaftlichen nun auch eine kulturelle Westbindung befördern soll. Entsprechend sind die »mitspielenden Momente und Assoziationen« des »international verständlichen« Titels unter anderem diese: »Luxus, Großzügigkeit, Zugang zur Welt« und die »Tradition der mythischen Transatlantikschiffe«.43

Schreibweisen, Blickwinkel Die konzeptuellen Überlegungen der Zeitschriftenmacher gehen über diese allgemeinen Erwägungen allerdings deutlich hinaus, nämlich bis in die gewünschten »Schreibperspektiven und Blickwinkel« hinein. Prinzipiell solle es darum gehen, halten Enzensberger und Salvatore fest, »systematisch abweichende Sehweisen« auszuprobieren und einzuüben, also im Vokabular des Formalismus gesprochen: die Wahrnehmung der Wirklichkeit und Gegenwart zu ›verfremden‹ und dadurch zu ›entautomatisieren‹. Wie aber soll dies erreicht werden? Vor allem dadurch, dass man die konventionellen Redaktionssparten zu durchbrechen versucht, also etwa ein Sportthema gerade nicht durch einen »Sportsachverständigen« behandeln lässt, sondern die Sache von einem »schrägen, seitigen, nicht orthodoxen Gesichtswinkel« aus betrachtet; nur so ließen sich »wirkliche Einblicke gewinnen«. Konkret solle ein Thema wie zum Beispiel das Risiko der Radioaktivität nicht durch eine Reportage aus Harrisburg oder Gorleben abgehandelt werden; das wäre das Konventionellste und mithin »das Verkehrteste«. Viel reizvoller sei es stattdessen, eine Reportage über die Folgen der Strahlentests auf der Insel Bikini schreiben zu lassen und zu fragen, »welche Lebewesen starke Dosen von Strahlen überleben würden«  – nämlich, wie man weiß, »Käfer und Schachtelhalme«.44 Weiterhin ließe sich die Entautomatisierung der Gegenwartswahrnehmung durch folgende insgesamt elf Prinzipien erreichen: indem man (a) »die ›falschen‹ Leute an das richtige 25

Thema« setze (etwa: der Bankier Poullain schildert seine Eindrücke bei der Lektüre eines Handke-Romans); indem man (b) von Autoren gerade das verlange, »was sie nicht zu schrei­ ben gewohnt sind« (etwa: die Beschreibung eines Vulkanausbruchs durch den literarischen Eheanalytiker John Updike oder die Nahaufnahme einer Bonner P ­ rominentenbar durch den »linksradikalen« Lyriker Erich Fried); indem man sich (c) auf »Sittenschilderungen« konzentriere, auf die »Verkehrsformen dieses Landes«, und zwar »in ihrer ganzen Komik« (etwa: »der Ton, der bei teuren Friseuren herrscht« oder »die Rituale auf der Straße nach einem Blechschaden«); indem man (d) nach weltliterarischen Modellen zu arbeiten versuche (etwa: die absurden Studien von Flauberts Bouvard und ­Pécuchet bezogen auf die Verhältnisse in der Bundesrepublik); indem man (e) auf die »Insider-Story« setze (etwa: »ein frustrierter Fernsehredakteur über den absurden Drahtverhau, der in den Anstalten jede Produktivität im Keim erstickt«); indem man (f) Ausgrabungen oder Wiederholungen präsentiere (etwa: eine Reise auf den Spuren von Joseph Conrads Heart of Darkness den Kongo hinauf;); indem man (g) »Expeditionen in das Landesinnere« unternehme (etwa: eine Analyse »unserer Gewohnheiten, Rituale und Mythen, als wären es die eines fernen Indianerstammes«); indem man (h) semifiktional »­politische Stoffe« aufbereite (etwa im Sinne einer »Polit-­Fiction«); indem man (i) Rezensionen von Romanen und Filmen konsequent vermeide und stattdessen »Nacherzählungen« auch von nichtprofessionellen Leserinnen und Lesern präsentiere (denn: durch die Nacherzählung entstehe »eine implizite Kritik, die vernichtender sein kann als jeder Verriß«); indem man (j) Prophezeiungen entwickelt (etwa: »Reportagen aus der Zukunft, die allerdings ebenso minutiös recherchiert sein müssen wie Berichte über Ereignisse, die bereits stattgefunden haben«); indem man (k) deutsche Lebensläufe erzähle (denn: jeder habe in seiner Familie einen Onkel oder einen Schwiegervater, dessen Abenteuer »Schweiksche oder Grosz’sche Qualität« aufweise).45 So ideenreich und vielseitig sich diese Liste ausnimmt, so unvollständig und unsystematisch sei sie zugleich, räumen die 26

Verfasser ein. Die »Zahl der produktiven Perspektiven« sei »praktisch unbegrenzt«, und außerdem könnten »die entsprechenden Schreibweisen« gewollt »ineinander übergehen«.46 ­Eines aber wird bereits in dieser kursorischen Übersicht mehr als deutlich. Das Vorhaben einer publizistischen Weltöffnung und kulturellen Westbindung, der Stilbeförderung und Entautomatisierung von Perspektiven verbindet sich für die Zeitschriftenplaner offenkundig mit dem unbedingten Willen, eines auf jeden Fall zu vermeiden: Erwartbarkeit und Langeweile.

Prosaformen Realisiert werden sollen die genannten Ansätze in fünf sogenannten »Großen Formen«. An erster Stelle gehört dazu die Reportage, die von Enzensberger und Salvatore explizit als eine »literarische Form« begriffen wird. In der Bundesrepublik sei diese Gattung auch deshalb »unterentwickelt«, weil man sich der einseitigen publizistischen Forderung nach Headlines und Enthüllungen allzu willentlich unterwerfe. Der Verfasserin oder dem Verfasser einer Reportage müsse es stattdessen darum gehen, durch »Phantasie« und »schriftstellerische Technik« jedem nur denkbaren Gegenstand »etwas Unbekanntes und Überraschendes« abzugewinnen. 47 Unterentwickelt sei die Reportage in Deutschland zudem wegen fehlender »Produktionsmittel«.48 »Reportagen kosten viel Arbeit, Zeit und Geld«, weshalb sie wiederum für einen Verleger ein hohes Risiko darstellten. Für Reportagen müsse man ausführlich recherchieren, woran hiesige Journalisten nicht gewöhnt seien, außerdem müsse man die eigene Meinung zurückstellen, um sich stattdessen dem »aufmerksamen, geduldigen Aufnehmen« von Details zu widmen. Auch in diesem Punkt schlagen die Verfasser vor, »besonders von den Amerikanern zu lernen«. Inhaltlich werde jede Ausgabe von TransAtlantik eine große Reportage zu einem »deutschen Thema« enthalten. Begleitet werden solle sie durch zwei oder mehrere kleine Reportagen, die gegebenenfalls aus dem Ausland importiert werden könnten.49 27

Die zweite der von den Verfassern angestrebten Formen ist das Porträt, also »Bildnisse in Prosa«, die eine »tiefgreifendere, subtilere« Darstellung von Personen ermöglichen solle als das klassische Interview. Diese »Prosaform« solle sich auf der Grenze zwischen Reportage und Story bewegen.50 Drittens werde die Zeitschrift Erzählungen im engeren Sinne bieten, die allerdings nicht bloß spannend, unterhaltend oder ästhetisch anspruchsvoll sein sollten, sondern zugleich »Einblicke, Informationen, Kritik, Polemik« bieten müssten, dies aber wohlgemerkt im Modus der Fiktion. Nur solche Geschichten kämen in Betracht, aus denen man etwas Interessantes, Neues, Überraschendes erfahren könne, die also einen höheren Erkenntniswert besäßen. Wer nach Beispielen für solch ein Geschichtenerzählen suche, finde sie in der europäischen Weltliteratur, bei Swift, Diderot oder Balzac.51 Viertens solle TransAtlantik sogenannte »Innenansichten« eröffnen, die in formaler Nähe zum Essay »bestimmte gesellschaftliche Bereiche und Institutionen« vorstellen wollen. Die Perspektive müsse die »eines anonymen Helden« sein, der ebenso als »Fachmann« wie als »Opfer« seiner Arbeit in Erscheinung tritt.52 Schließlich und fünftens solle der Essay als »größere Prosaform« regelmäßig in der Zeitschrift zu finden sein. Die »grassierende Publizistik der Studienräte« gelte es dabei unbedingt zu vermeiden, sie sei »öde und unproduktiv«, ebenso wie der »akademische Stil«, der nichts anderes sei als »eine Form der Sprachlosigkeit«. Vom Essay verlangen Enzensberger und ­Salvatore: ein Thema, auf das sie gespannt seien; eine Perspektive, die einen »neuen Blick« verspreche; eine »federnde ­Sprache«; »einen gewissen, eher bösartigen Humor«; eine »erzählerische Dramaturgie« des Textes. Es müsse sich kurzum »etwas bewegen« im Essay, und dies sei nicht nur »eine These« oder »ein Beweisgang«. Vorbildlich hierfür sei ein Repräsentant der deutschen Literaturgeschichte, nämlich der von Enzensberger als Ironiker hochgeschätzte Heinrich Heine.53 Andere, nicht eigens genannte literarische Formen könnten in festen Rubriken Platz finden oder auch gelegentlich in der Zeitschrift auftauchen. Gedichte etwa gelte es nicht gänzlich 28

auszuschließen, soweit sie über eine »überlegene Perspektive« verfügten: »Ein Gedicht über den Handel mit Auto-Zubehör könnten wir uns durchaus vorstellen, es müßte nur amüsant und lehrreich sein.«54 Wie man in der Gesamtschau sieht, orientieren sich sämtliche der Formen, die man für die Zeitschrift vorsieht, an lite­ rarischen Schreibweisen im engeren Sinne. Dies zu betonen ist insofern wichtig, als es etwas aussagt über den schillernden Charakter der Zeitschrift, die einen sehr konkreten Gesellschaftsbezug und dezidierte Zeitgeistdiagnosen verbindet mit freien, teils sogar experimentellen Textformen. Wer nicht bloß in der US-amerikanischen, sondern auch in der deutschsprachigen Literatur und Publizistik nach Traditionen sucht, an die TransAtlantik anknüpfen will, muss über die Jahre 1933 bis 1945 hinaus in die Zeitschriftenkultur der Weimarer Republik blicken, wie Enzensberger in anderem Zusammenhang selbst festgestellt hat – ich komme darauf später zu sprechen. Strukturiert werden sollen die Hefte, so die Planung, durch wiederkehrende Rubriken. Im Einzelnen ist gewünscht: ein »Brief aus New York«, der die Trends von morgen in ihrer »Latenzphase« nach Deutschland vermeldet, also »frühzeitig und auf Verdacht hin, bevor sie sich zu passiven Entwicklungen verdichtet haben«. Thematisch erstrebenswert sei eine Mix­tur aus Mode und Philosophie sowie »Sturmzeichen und bloßen Launen des gesellschaftlichen Prozesses«. Nicht ohne Selbstbewusstsein fällt der Name einer Starintellektuellen, die man sich am besten als Autorin für diese Rubrik vorstellen kann, nämlich Susan Sontag.55 Daneben solle es als wiederkehrendes redaktionelles E ­ lement das »Journal des Luxus und der Moden« geben, wobei Enzensberger und Salvatore es nicht versäumen, den historischen Hinter­grund ihrer Titelwahl gleich mitzuliefern  – also den Hinweis auf die Modezeitschrift des Weimarer Verlegers Friedrich Justin Bertuch aus der Epoche um 1800. Was hat es mit dieser Bezugnahme auf sich? Die mit dem Titel oberflächlich aufgerufenen Erwartungen gelte es gerade zu enttäuschen, keinerlei »nützliche Hinweise« solle es unter der Rubrik geben, sondern eine Kommentierung 29

Weimar Reverenz erweisen: Journal des Luxus und der Moden

von »Schickeria und ›Luxus‹konsum« mit »leisem Hohn«. Der Ton der Rubrik müsse »warenorientiert, kalt, böse« ausfallen. Ähnlich wie einst in Bertuchs Zeitschrift »Mode und Luxus« als »komplexe Kulturthemen« in »aufklärerischer Manier« be­ handelt wurden,56 gelte es heute in TransAtlantik, die Lächer­ lichkeiten der Konsumwelt aufzuspüren und die Leserschaft indirekt vor ihnen zu warnen. So entschieden sich die Zeitschrift also den produktförmigen Reizen des Kapitalismus öffnete, so unzweifelhaft war dies an eine kritische Grundhaltung gebunden. Die Inspiration für diesen Ansatz lieferte über Bertuchs Journal hinaus wiederum der New Yorker, der die Technik des »Tongue-in-cheek« zur Vollendung gebracht habe. Außerdem nennt Gundolf Freyermuth im Gespräch die Zeitschrift ­Vanity Fair als wichtige Einflussgröße.57 Denkbare Themen bleibt das Konzeptpapier ebenfalls nicht schuldig, darunter: »Über die Schwierigkeit, Trinkgeld zu geben«, »Psychomaschinen, überflüssige Maschinen, Wunschmaschinen«, »Gegen die Architektenfarben«.58 30

Neben die genannten Rubriken träten zusätzlich eine komische Kolumne, die allerdings nur dann zustande kommen könne, wenn man einen geeigneten Autor fände, denn »das ganze bemühte Witzeln à la Pardon« scheide von vornherein aus; dann ein sogenanntes »Fresko«, also »durchkomponierte Federzeichnungen«, auf denen bekannte Politiker, Künstler, Geschäftsleute in »merkwürdigen, zum Teil vertrackten, zum Teil lächerlichen Situationen« abgebildet sind, im Sinne eines »Such- und Vexierbildes«; schließlich eine Sammlung von ultra­kurzen Buch-, Film- und Ausstellungsbesprechungen (nach dem Muster der »Goings On About Town« im New Yorker), die möglichst scharf und lakonisch, aber auch kenntnisreich urteilen sollen. Zuletzt wird der an Nabokovs witzigen Philologen-Roman Pale Fire erinnernde Plan vorgestellt, die Artikel mit Fußnoten zu versehen. Sie müssten so beschaffen sein, dass sie »schon beim ersten Durchblättern mit einer gewissen Gier zur Kenntnis genommen werden«. Mehr oder wenig unabhängig vom Fließtext sollten den Lesern »Anekdoten, aufgeschnappte Bemerkungen vom Nebentisch, Personality Stories« präsentiert werden, also inoffizielle und damit umso interessantere Nebeninformationen. Der Wahrheitsgehalt sei dabei, man kann es sich denken, weniger relevant als der schlichte Unterhaltungswert.59

Liberale Listen Unter der Zwischenüberschrift »(Beinah) 100 Themen« schließen Enzensberger und Salvatore ihren Ausführungen eine umfassende Liste mit denkbaren Artikeln an. (Tatsächlich stehen nur 99 Themenvorschläge auf der Liste, gerade so, als wollten die Verfasser den Eindruck der Rundung und Ganzheit gezielt vermeiden.) Neben den Titeln ist jeweils die in Betracht kommende »Prosaform«, in einigen Fällen auch ein denkbarer Autor, eine mögliche Autorin mit angegeben. Weil es bei der Liste gerade auf die Vielfalt und Heterogenität ankommt, wäre eine ausschnitthafte Wiedergabe verfälschend; im Ganzen überschauen lässt sie sich im Anhang dieses Buches. Einige 31

allgemeine Eindrücke lassen sich aber bereits an dieser Stelle festhalten: Enzensberger und Salvatore wollen offensichtlich den Eindruck vermeiden, TransAtlantik sei eine Art prowestliches Meinungsorgan, ohne zugleich ihre Neigung zum kulturellen Westen zu verleugnen. Gleich die ersten beiden Titelvorschläge bemühen sich um diese Balance: Nach einer »Zukunfts-­ Reportage« über die Gefährdungen des kapitalistischen Systems unter der erdachten Überschrift »Die galoppierende Inflation. Ein Szenario aus Angst, Öl, Gold und Euro-Dollars« folgt der ironisch überzeichnete Titel »Was am Westen so unwiderstehlich ist«. Dabei wird ausgerechnet für dieses Thema ein osteuropäischer Intellektueller und Brückenbauer in Zeiten des Kalten Kriegs in Erwägung gezogen, nämlich der ungarische Essayist und Schriftsteller György Konrád. An der Liste sticht außerdem der inter- und transnationale Zuschnitt ins Auge. Sogar die konventionelle Eingrenzung des transatlantischen Raums – Westeuropa und Nordamerika – wird durch die punktuelle Berücksichtigung des globalen Südens und des europäischen Ostens erweitert. Gleichwohl weisen die Themenvorschläge immer wieder Bezüge zu Deutschland auf: »Law and order als Export­artikel. Über die DDR-Polizei in Äthiopien«, »Dienstreise. Besuch einer Delegation von Mitgliedern des Bundestages in Abu Dhabi«, »Basaglia in Mozambique. Befreite Psychiatrie in Schwarzafrika« – und so weiter. In der Gesamtsicht ergibt sich dadurch tatsächlich ein ziemlich umfassendes Bild der transatlantischen Sphäre, und auch dies muss nicht zuletzt als ein Versuch interpretiert werden, dem erwartbaren Vorwurf einer politisch gefärbten Eindimensionalität entgegenzuwirken. Zuletzt schlägt sich die Bemühung um Ausgewogenheit in der Perspektive nieder, mit der hier auf die Länder der west­lichen Welt geblickt wird. Gleich einer der ersten Deutschland-Texte auf der Liste soll sich dem Problem der Verschwendung »von der Steckdose bis zum Groß-Klinikum« widmen, die USA geraten in Gestalt von »armen Amerikanern« in den Blick, und zwar in einer Reportage über in Mannheim stationierte GIs. Neben der kritischen Betrachtung ist der im Konzeptpapier erwähnte »schräge, seitige, nicht orthodoxe Gesichtswinkel« bestimmend 32

für die Auseinandersetzung gerade mit den USA und Deutschland: Mit den »Graffiti in der New Yorker U-Bahn« soll sich eine bestenfalls vom Soziologen Nathan Glazer verfasste EssayReportage beschäftigen; unter dem Titel »Bunter Abend« steht eine »Sittenschilderung« der bundesrepublikanischen Feierkultur, »vom Ball der Steuerberater bis zum Firmenjubiläum«.60 Was zeichnet das Transatlantische aus Sicht derjenigen, die diese Liste erstellt haben, somit aus – und woraus resultiert sein Reiz? Die Pluralität und Polyphonie der Liste erweist sich in dieser Hinsicht als zeichenhaft, denn sie korreliert mit der Auffassung von der freien Welt als einer unendlich vielfältigen und deshalb unendlich interessanten Kultur. TransAtlantik versteht sich, so wird nun deutlich, als ein Publikationsorgan der offenen Gesellschaft, das nicht unkritisch oder gar blind affirmativ, sondern durch und durch liberal ausgerichtet ist.61 Dass dieses Projekt mit der Auswahl der Autorinnen und Autoren steht und fällt – dies ist den Konzipierenden natürlich bewusst. Die Auswahl werde entsprechend, schreiben sie, »viel Spürsinn, Geduld, Takt – und Geld erfordern«. Besonders wichtig sei es zudem, dass man neben deutschsprachigen Schriftstellern (und darunter nicht nur die erwartbaren »Standard-Autoren«) auch internationale Beiträger zu gewinnen versuche. Es folgt erneut eine bewusst heterogen anmutende Liste, die sich wiederum in Gänze im Anhang überblicken lässt. ­Einige Schwerpunkte lassen sich in der kursorischen Übersicht aber doch festhalten: Enzensberger und Salvatore beschränken sich weitgehend auf europäische, vor allem deutsche, und USamerikanische Autoren (die Regel bestätigende Ausnahmen bilden etwa der kubanische Schriftsteller Miguel Barnet oder der Mexikaner Octavio Paz). Weltstars des intellektuellen Lebens wie Roland Barthes, Gabriel García Márquez und Gore Vidal treten dabei neben europäische und deutsche Schriftsteller der ersten, zweiten und auch dritten Reihe. Darüber hinaus werden einige Filmemacher, Schauspieler und Vertreter der Bildenden Kunst genannt. Die Liste der im Heft vertretenen Beiträger steht mit der Liste der Themen in einem zentralen Punkt also im Zusammenhang: Hier wie dort regiert das Prinzip der vielstimmigen Unterschiedlichkeit, der publizistischen Liberalität.62 33

Was ist eine Lektüre-Zeitschrift? Wie detailliert die Planer der Zeitschrift in ihrem Konzeptpapier vorgehen, zeigen die Überlegungen zur äußeren Gestalt des Magazins. Von besonderer Relevanz scheint dabei die Wahl des Papiers zu sein: Es möge »weiß (nicht gelblich) sein, aber ohne Kunstdruck-Charakter (keine glänzende Oberfläche, nicht der Eindruck des Dicken, Satinierten, aber auch keine Assozia­tion an Zeitungspapier«). Der gleichsam mittlere Charakter des Papiers zwischen Hochglanzmagazin und Tageszeitung ist konzeptuell: Nicht ephemer, aber auch nicht saturiert, sondern im besten Sinne leicht soll die Zeitschrift wirken, vergleichbar erneut dem New Yorker oder auch, wenngleich im Umfang »etwas schmäler«, dem Spiegel.63 Entscheidend ist die schon äußerlich sichtbare Distinktion der Zeitschrift. Von allen Druckerzeugnissen, die am Kiosk zu finden seien, müsse sich TransAtlantik auf den ersten Blick unterscheiden. In Anlehnung an das amerikanische Vorbild solle der ­Titel bestimmt werden durch »eine graphische oder malerische Auftragsarbeit«, die eine »Sittenschilderung« zum Gegenstand habe, eine bestimmte, klar perspektivierte »Ansicht von Deutschland«: »Das deutsche (bundesrepublikanische, gelegentlich auch Ostberliner) Milieu in all seinen Details, gesehen durch ein künstlerisches Temperament« und bestimmt durch einen »kühlen, trockenen Witz«. Land und Leute sollten auf diesen Zeichnungen oder Gemälden »mit einer Art von Überraschung« erkennbar sein. Aufmerksamkeitsheischende Elemente  – Einrahmungen, Signalfarben, Querstreifen und so weiter – seien dagegen unbedingt zu vermeiden. Selbst Überschriften – die Namen der Beiträgerinnen und Beiträger, darunter die Titel ihrer Texte in kleiner Schrift – wären als »Konzessionen« zu b ­ etrachten. Auch der New ­Yorker, »ganz urbaner Aristokrat«, habe schließ­lich nur den eigenen Namen, das Datum und den Vermerk »One Dollar fifty« auf dem Cover. Was aber für den Titel gelte, solle auch bestimmend für das Heftinnere sein: »Alles Aufgeplusterte, Bunte, Pop-Artige, Unruhige« sei zu vermeiden, um den »Charakter einer Lektüre-Zeitschrift« nicht zu stören. Von 34

»Auflockerung« halte man gar nichts, selbst die Verwendung verschiedener Schriftarten lehne man ab. Überschriften seien alle aus dem gleichen Grad zu setzen, »und zwar so klein wie möglich«. In sämtlichen Details sei die Vorstellung eines »understatement« leitend, das sich herausnimmt, sich dem »Wettbewerb mit dem hierzulande üblichen Layout« zu entziehen. Man strebe – im angloamerikanischen Sinne des Adjektivs noble – genau das Gegenteil des publizistisch Üblichen an.64 Der Verzicht auf Farbe im redaktionellen Teil fügt sich in dieses Bestreben; er soll komplett in Schwarz-Weiß gehalten, aber in besonders guter Qualität aufs Papier gebracht werden. Nur die Werbeanzeigen seien von dem ausgeschlossen, was aber voraussetze, dass sie »bogenweise separat« gedruckt werden müssten.65 Die fachliche Versiertheit der beiden Konzipierenden erweist sich nicht zuletzt in technischen Details wie diesen. Ergänzt werden soll der in allem dominante Text durch ­einige illustrative Elemente, darunter Cartoons, bei denen »Sophistication […] das wichtigste Auswahlkriterium« sei.66 Eher in Kauf zu nehmen sei, dass man eine Pointe nicht verstehe, als dass sie plump daherkomme. Textillustrationen seien nicht als Wiederholungen, sondern als indirekte Kommentierungen des Gesagten zu verstehen – es sei denn, sie vermöchten durch ihre »autonome graphische Qualität« einen genuinen Beitrag zum Text zu leisten. Die gegebenenfalls ironische Beziehung von Text und Bild sollten die Leserinnen und Leser jeweils selbst herstellen, entsprechend sei auf Unterschriften generell zu verzichten. Als Sonderfälle seien lediglich Porträts, die allerdings unbedingt gezeichnet sein müssten, oder Vignetten etwa für das »Journal des Luxus und der Moden« vorgesehen.67 Insgesamt gehe es beim Layout darum, ganz bewusst jeden »optischen Radau« zu vermeiden, was sich noch im stets aufgeräumten, durchgehend zweispaltigen Satz der Seiten widerspiegeln werde: Das anspruchsvolle Publikum, das man im Blick habe, werde »beim Betrachten solcher Seiten aufatmen, ähnlich dem Hungrigen, der ein Lokal betritt, in dem die Tischdecken weiß, die Wände nicht mit Folklore bedeckt und die Atmosphäre von Lautsprechern ungetrübt sind.«68 35

Aber erübrigt sich der nachdrückliche Akzent auf dem Gestalterischen wirklich in der avisierten Wirkung der Zeitschrift? Nein, denn auch jenseits der konkreten Bezugnahme auf den New Yorker sind gerade die Überlegungen zur Gestaltung als eine Geste der Westorientierung zu verstehen. Das avancierte Magazindesign ist in den Achtzigerjahren, sieht man von wenigen Ausnahmen ab, eine US-amerikanische, genauer noch eine New Yorker Angelegenheit.69 In diesem Zusammenhang betont der von Enzensberger und Salvatore erklärte Verzicht auf solche gestalterischen Elemente, die der vermeintlichen Lesefreundlichkeit dienen sollen, den Nexus von Politik und Design: Die programmatisch adressierte ›Mündigkeit‹ der Leserschaft erweist sich ja gerade in ihrer Fähigkeit, sich eigenständig mitdenkend in der Zeitschrift zurechtzufinden. Die Magazinlektüre wird so zu einer kleinen Übung im Umgang mit einem komplexen journalistischen Gegenstand – und auf diesem Wege, so darf man ableiten, mit der liberalen Moderne westlichen Zuschnitts insgesamt.70

Unberechenbare Aussichten Nach einer Darstellung des Aufbaus einer typischen Trans­ Atlantik-Ausgabe von der ersten bis zur letzten Seite folgen im Konzeptpapier einige Angaben zur Zusammensetzung und Arbeitsweise der künftigen Redaktion. An erster Stelle wird die Journalistin Marianne Schmidt genannt, die als Herausgeberin der Zeitschrift fungieren soll, während sich an zweiter Stelle Enzensberger und Salvatore selbst nennen. Ihnen fallen »Konzeption und Beratung« zu. Etwas handfester werden die Aufgaben der beiden im Verlagsvertrag definiert, der sich ebenfalls im Marbacher Archiv einsehen lässt: Neben die »Konzeption« und an die Stelle der »Beratung« tritt nun ein auf inhaltliche und gestalterische, aber auch personalrechtliche Fragen bezogenes »Vetorecht«, das auch im Impressum der Zeitschrift zu verzeichnen sei (wozu es später tatsächlich kam).71 Für den Posten des Art Directors wird mit einem gewissen Karlheinz Wendt bereits ein konkreter Name gehandelt. Die Stelle des 36

Chefredakteurs, den man genauer als »executive editor« bezeichnen könne, bleibt dagegen noch unbestimmt. Sicher ist man sich nur über die Erwartungen, die man an einen künftigen Stelleninhaber habe, nämlich »professionelle Erfahrung« und ein Verfügen über die für diesen Job unerlässlichen »kulturellen Instrumente«.72 Zur Arbeitsweise der Redaktion formulieren die Planer ebenfalls ein paar Stichworte. Ein »erhebliches Maß an Lektorats­arbeit« müsse eingeplant werden, weil es hierzulande, wie zuvor schon beklagt, nur »ungenügende Erfahrungen« mit der literarischen Reportage gebe. Auf Ankäufe, zum Teil aus dem Ausland, sei man auf jeden Fall angewiesen, weshalb man den internationalen Zeitschriftenmarkt stets im Blick behalten müsse. Mit dem New Yorker gelte es – man denkt auch in dieser Hinsicht groß – ein »Optionsabkommen« abzuschließen. Darüber hinaus sei ein auf dem Feld der Grafik bewanderter Mitarbeiter damit zu betrauen, Arbeitsproben von Zeichnern und Malern zu sammeln und den »Cartoon-Markt« genau zu beobachten.73 Ein erstes Heft werde im Herbst 1980 auf den Markt kommen. Auf »Vorausbewerbung und Vorankündigungen« gelte es allerdings zu verzichten, sie widersprächen der »Eigenart des Projektes«. Nur durch die »Qualität des Produktes« solle die Öffentlichkeit überzeugt werden, mehr noch: »Je weniger vor dem Erscheinen der ersten Nummer verlautet, desto besser; wir sollten uns eher geheimnisvoll als redselig geben.« Erst auf der Buchmesse solle ein Treffen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arrangiert werden, dann auch »mit der entsprechenden Publizität«. Außerdem müsse ein »gewisses Auslandsecho« organisiert werden, denn »Feedback aus New York, London und Mailand wäre nützlich für unsere Image-Werbung.«74 Daraufhin schließt das Papier mit einem ebenso kurzen wie hochmütigen Satz, der aus dem Risiko des Projekts, das es aus dem hochdifferenzierten Feld der bundesrepublikanischen Medienlandschaft herausheben soll, keinen Hehl macht: »Die Erfolgsaussichten für Transatlantik sind nicht berechenbar.«75

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2. Feuerländisches, Hannover: Das erste Heft Wie sich Gaston Salvatore und Hans Magnus Enzensberger ihre Zeitschrift gestalterisch und inhaltlich vorstellten, geht aus ihrem Konzeptpapier von 1979 en détail hervor. Die Aufmerksamkeit soll nun der Umsetzung gelten, also ganz konkret dem im Oktober 1980 erschienenen ersten Heft von Trans­Atlantik, das ich einer ausführlichen Lektüre vom Titelblatt über die Einzelbeiträge bis zur Rückseite unterziehen werde. Mit besonderer Aufmerksamkeit gilt es dabei, insbesondere die teils latenten und assoziativen, teils plakativen und expliziten Beziehungsstrukturen innerhalb des komplexen Zeichengefüges zu bedenken, also beispielsweise die Konvergenz- oder Kontrast­ relationen von Werbeanzeigen und redaktionellen Beiträgen, Titelbildern, Heftinhalten, typografischen Elementen  – und so weiter.

In den Wind geschlagen Der erste Eindruck ergibt sich aus der Titelgestaltung  – und die fällt bei dieser Zeitschrift denkbar zurückhaltend aus. Man sieht: den aus einer serifenlosen Schrift kursiv gesetzten Titel TransAtlantik, der zwischen der ersten und zweiten Silbe grafisch unterbrochen wird durch zwei Vögel, Möwen vermutlich, und so die Qualität eines Logos gewinnt (entsprechend findet man es im Heftinneren auf jeder Seite neben der jeweiligen Seitennummerierung). Erblickte man den Schriftzug außerhalb des Zeitschriftenkontextes, würde man ihn vielleicht einer transatlantisch operierenden Reederei oder Fluglinie zuordnen. Links darunter findet sich das formal eigenwillig angegebene Datum der Ausgabe (»Oktober 10 /80«), auf der rechten Seite der ausgeschriebene Preis (»Acht Mark«), beides gesetzt aus einer klassisch anmutenden Serifenschrift. Im Inneren der Zeitschrift, deren kostspieliges76 typografisches Gesamtkonzept auf den Gestalter Karl-Josef Brockmann zurückgeht, der für seine betont sachliche Herangehensweise bekannt ist,77 finden 38

sich die auf dem Titel etablierten Schriften wieder: serifenlos die Überschriften, serifenbetont die Haupttexte. Die Anlehnung an den New Yorker, dessen Titel ebenfalls nie mehr Informationen als der von TransAtlantik enthält, ist unmittelbar ersichtlich. Dies gilt allerdings nicht für die Preisgestaltung, mit der sich die neue Zeitschrift unweigerlich an eine finanziell gutgestellte Zielgruppe richtet, während der New Yorker jahrzehntelang gerade dafür bekannt war, mehr als preiswert zu sein: »Das Heft war billig, und die Anzeigenkunden zahlten dafür, dass sie unsere Leser erreichten«, so umreißt David Remnick, der heutige Chefredakteur, das über lange Jahre hinweg stabile Finanzierungsmodell des New ­Yorker. Erst im Zuge der Digitalisierung habe es sich als unhaltbar erwiesen.78 Durch den gestalterischen Minimalismus von TransAtlantik wird der Akzent ganz auf das Titelbild gelenkt, und dabei fällt zunächst auf, dass es im Inhaltsverzeichnis – außergewöhnlich im Zeitschriftenwesen  – mit eigener Seitenangabe aufgeführt wird. Es ist also weit mehr als nur illustratives Beiwerk, das in erster Linie der Vermarktung am Zeitschriftenstand diente, nämlich ein inte­graler Bestandteil des Heftes. Gestaltet wurde es von Hans Hillmann, einem der stilprägenden Plakatkünstler, Designer und Illustratoren der Nachkriegszeit,79 dessen Schüler Bernd Bexte zunächst als Bildredakteur, später als Art Director an TransAtlantik mitwirkte. Was zeigt nun aber das Titelbild? Auf den ersten Blick ziemlich wenig: einen Bürgersteig, Teile einer Straße, eine blassrosa eingefärbte Wand. Auf dem Trottoir: ein mittelalter Mann, bürgerlich in einen Anzug gekleidet, mit ausrasiertem Stiernacken. Einige Rezensenten fühlten sich nicht zu Unrecht an Franz Josef Strauß erinnert.80 Sein Blick ist auf die Wand, auf seinen vermeintlichen Schatten gerichtet. Was sich ihm dort aber in Wirklichkeit zeigt, ist ein deutlich jüngerer Mann in einem gestreiften Shirt und mit mittellangen Haaren, grimmig, vielleicht sogar wütend dreinblickend, die Hände in den Hosen­taschen, darüber eine Lederjacke. Das Bild entzieht sich einer schlichten, einsinnigen Deutung. So wäre es beispielsweise denkbar, den Schatten als das jüngere, 39

noch nicht ins Korsett des bürgerlichen Lebens eingeschnürte Selbst des älteren Mannes zu identifizieren. Die beiden Männer betrachten einander, abschätzig der jüngere den älteren, ohne sichtbare Gefühlsregungen, kalt und distanziert der ältere den jüngeren. Was gegen diese Interpretation des Titelbildes als Darstellung einer Konfrontation zweier Lebensalter eines Menschen spricht: Der junge Mann, der sich als Schatten zeigt, pflegt den Radical Chic der Sechziger- oder Siebzigerjahre, während die Jugend des älteren Mannes wohl eher in den Vierzigeroder Fünfzigerjahren anzusiedeln ist. In Kleidung und Haartracht der beiden Männer manifestiert sich der Bruch zweier Generationen. Betrachtet man es so, stellt sich allerdings die Frage, warum Hillmann die Konfrontation der beiden Männer als Schattenwurf inszeniert. Möglicherweise stellt das Bild die stumme Begegnung zweier gesellschaftlicher Teilgruppen dar, die zugleich untrennbar  – eben als Objekt und Schatten  – miteinander verbunden sind: Ohne den angefetteten Bürger als Feindbild kommt der wütende junge Mann ebensowenig aus wie der Vertreter des Establishments ohne den Steine werfenden Gegner der herrschenden Ordnung. Ihre gesellschaftlichen Positionen erhärten sich in der wechselseitigen Betrachtung, die von Misstrauen und Ablehnung geprägt ist. Wer nun, angelockt vom mehrdeutigen, zu vielerlei Assoziationen einladenden Titelbild, die Zeitschrift aufschlägt, macht zunächst eine Kontrasterfahrung: Links, auf der Rückseite des vorderen Umschlags, findet sich eine in strahlenden Farben gedruckte Bierwerbung (hier zu finden auf S. 43). Sie zeigt, neben zwei perfekt gezapften Gläsern Pils, eine durch und durch bürgerliche Szenerie, die überdies als Spiegelung in ­ einem ­polierten Silber- oder Gold­gefäß zu sehen ist. Ein tadellos gescheitelter Mann in einem roten, also durchaus extra­vaganten Jackett spricht, selbst stehend, zu drei beieinander sitzenden ­Menschen, zwei Frauen, ein Mann. Sie alle haben ein gefülltes Bierglas in der Hand, es wirkt, als brächte der Mann in Rot gerade einen Toast aus. Das Foto, »Krombacher Gastfreundschaft« überschrieben, zeigt ein abendliches, zwangloses Treffen zweier befreundeter Ehepaare mittleren Alters. 40

Projektion und Gegenprojektion: Titel der ersten Ausgabe

Stellt man die Werbung in einen lockeren Zusammenhang mit dem Titelbild von Hans Hillmann, so liegt die Pointe durchaus auf der Hand – und gleichzeitig die Provokation in Richtung der politischen Linken, für die Warenästhetik nichts anderes ist als ein bürgerlicher Verblendungszusammenhang: ›Seht mal, es lebt sich doch ziemlich komfortabel, wenn man seine Ideale erst einmal in den Wind geschlagen hat!‹ Man kann es aber auch anders wenden: Die in der Werbung abgebildeten Personen haben schließlich gar nichts mehr von der biederen Stier­nackigkeit des auf dem Titel abgebildeten Bürgers. An seine Stelle ist der elegante, stilbewusste, betont lässige Bonvivant getreten. Die vorliegende Zeitschrift, so ließe sich daraus folgern, überschreitet die eingefahrenen Konfliktlinien der Vergangenheit. Diese Zeitschrift gehört einer neuen, postideologischen Epoche an, für die feste Positionen und unverrückbare Überzeugungen weniger zentral sind als ein ausgesuchter, kultivierter Lebensstil. Ob die kontrastive Aufeinanderfolge von Titelbild und Bier­werbung redaktionell beabsichtigt war, lässt sich dabei nicht zweifelsfrei bestimmen. Dass sie exakt der Zeitschriften­ philosophie entspricht, wie sie im Konzeptpapier entwickelt wird, liegt hingegen auf der Hand: An die Stelle einer verspießerten, stickigen Bürgerlichkeit auf der einen und ihrer alles Bürgerliche ablehnenden Gegner auf der anderen Seite tritt die zivilisierte, urbane Lebensart einer neuen »upper middle class«.

Heterogenität als Programm Das Inhaltsverzeichnis lässt eine erstaunliche Vielfalt an Themen und Perspektiven erkennen  – und vor allem, dies ist zu betonen, keine ausdrückliche politisch-ideologische Tendenz. In der Tat, ein frischer Windzug weht durch diese insgesamt 112 Seiten, von denen übrigens 28 mit Werbeanzeigen bedruckt sind. Auf ein »Notstandslibretto«, das von der »Verbunkerung der Bundesrepublik« berichtet, folgt eine »Visite in Katar«. Daraufhin widmet man sich den »Abenteuern und Wechselfällen eines deutschen Raketenbauers«. Schließlich wird eine »Netz42

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Bonvivant im Silberspiegel: Bierwerbung und Warenästhetik

karte für die gesamtdeutsche Literatur« gezogen und über den »Euro­zentrismus wider Willen« nachgedacht. Ergänzt werden die Essays und Reportagen durch m ­ ehrere kleinere Stücke, darunter auch jene, in denen der im Zeitschriftentitel angekündigte Amerika-Bezug und überhaupt ein entschiedener Wille zum Kosmopolitismus zum Tragen kommt: Es findet sich im Heft ein »Brief aus New York« neben einem Report über die »neuen Geheimnisse von Paris«, ein »Bericht zur Lage der amerikanischen Nation« neben »Feuerländischen Fragmenten«. Bevor nun auf der übernächsten Seite 5 das »Journal des Luxus und der Moden« folgt, erblickt man noch eine w ­ eitere, wiederum ganzseitige Werbung: Auf einem weitgehend unbedruckten Blatt, versehen mit nur wenig Schrift und einem kleinen Autorenporträt, wirbt der Suhrkamp-Verlag für P ­ eter Handkes Erzählung Die Lehre der Sainte-Victoire. Ins Gesamtgefüge von TransAtlantik passt diese Werbung hervorragend. Sie versieht die Zeitschrift zum einen mit hochkulturellem Glanz und legt zum anderen eine gewisse Nähe zum Literarischen nahe – einer Literatur zumal, die sich energisch darum bemüht, die Grenzen des Nationalen kulturell zu überschreiten: Handkes Erzählung ist ästhetisch orientiert an der Malerei Paul Cézannes, insbesondere an seinen Gemälden der südfranzösischen Landschaft, eben um das Bergmassiv SainteVictoire – womit, nebenher, ein schöner Kontrast entsteht zum unweigerlich provinziellen Krombach mit seinem wenige Seiten zuvor beworbenen gleichnamigen Pilsner. Nach all dem erst – der Titelillustration, der Bierwerbung, dem Inhaltsverzeichnis, der Suhrkamp-Anzeige  – stoßen die Leserinnen und Leser auf den ersten redaktionellen Beitrag der Zeitschrift. Unter einem horizontalen Balken, der einen bestirnten Nachthimmel zeigt, befindet sich der Rubrikentitel, gesetzt aus derselben Schrift wie das Zeitschriften-Logo auf der Titelseite. Auf eine einführende Bemerkung, worauf man sich bei der Lektüre der Rubrik oder der Zeitschrift insgesamt einstellen darf, wird gänzlich verzichtet. Der Leserschaft wird eine unmittelbare Konfrontation mit dem »Luxus« und den »Moden« zugemutet – und zugetraut. 44

Abglanz der Suhrkamp-Kultur: Verlagswerbung mit Autorenporträt

Das »Journal« ist eine Sammlung von elf kurzen Texteinheiten, die jeweils mit einer Unterüberschrift versehen sind. Auto­ renangaben fehlen in dieser Rubrik; das Impressum gibt nur summarisch Auskunft über diejenigen, die an ihr mitgeschrieben haben. Genannt werden unter anderem Hans ­Magnus Enzensberger, Rainald Goetz, Karl Markus Michel, Katharina Kaever und Michael Rutschky. Welcher Beitrag von welcher Beiträgerin oder welchem Beiträger stammt, lässt sich nur im Ausnahmefall ermitteln, so etwa im Falle des 1980 von der Schweizer Sängerin Paola beim »Grand Prix« vorgetragenen Chansons »Cinema«, dessen naiver Liedtext vermutlich aus satirischen Gründen, vielleicht auch als Würdigung einer betont schlichten, nicht auf Reflexion, sondern Unterhaltung zielenden Kunstform ins Heft aufgenommen wurde: »Cinema, cinema / uns’re bunte Kinowelt / cinema, cinema / jeder träumt, was ihm gefällt«.81 Das thematische Spektrum der im Durchschnitt zwei bis drei Spalten umfassenden Beiträge reicht von Gedanken zur eigenwilligen Beschilderung deutscher Fußgängerzonen bis zu einer »Nacherzählung« des Gedichtbandes Schwere Erde, Rauch von Jürgen Theobaldy. Inhaltlich zusammengehalten wird die heterogene Sammlung einerseits durch den Bezug auf Dinge des Konsums: Unter der Überschrift »Leckereien« geht es um Langnese-Eis, Kaugummi der Marke Stimorol und die ihnen zugehörigen Reklamen;82 ein kurzer »Nachruf auf ein Porzellan« befasst sich mit der Kaffeekanne und ihrem gegenwärtig zu beobachtenden Verschwinden aus bundesdeutschen Geschirrschränken;83 ein weiteres Aperçu widmet sich dem Erdal-Frosch, einem Werbe-Gimmick aus alten Tagen.84 Andererseits stiftet der Fokus auf gegenwärtige »Moden« – hier im stärker traditionellen Wortsinne verstanden als Bräuche, Sitten, Gepflogenheiten – eine gewisse Kohärenz: So geht es um den unter Feuilletonisten bemerkbaren Trend, sich gegenseitig ein »Theoriedefizit« zu bescheinigen, darin aber offenbar kein »Manko«, sondern vielmehr eine »Tugend« zu sehen;85 um das ehemalige Wohnhaus der Kunstmäzenin Peggy ­Guggenheim in Venedig und seine heutige museale Nutzung;86 oder um die aus den Vereinigten Staaten importierte Verwendung des Elektroschocks als einer psychiatrischen Heilmethode.87 46

Für grafische Auflockerungen im dreispaltigen Satz sorgen florale Muster in zurückhaltenden Grautönen. Vielleicht handelt es sich um eine dezent ironische Anspielung auf die im Verschwinden begriffenen Kaffeekannen und ihre üblichen Verzierungen? Hinzukommen Werbespalten am rechten und linken Textrand – allesamt Verlagsanzeigen, darunter bemerkenswert viele linke Verlage wie Stroemfeld, Wagenbach und Rotbuch – sowie eine ganzseitige Werbung für den Buchhandel Zweitausendeins und eine doppelseitige Werbe­anzeige für eine hochwertige HiFi-Anlage aus der Serie »Braun atelier 1«. Das von Dieter Rams geprägte Design der Marke Braun fügt sich bruchlos in die schlicht-elegante Gestaltung der Zeitschrift. Wie ein Abschluss des »Journals« wirkt schließlich die rechts gegenüber der letzten Seite platzierte ganzseitige Werbung für den Verlag NewMag, »aus dem die Zeitschriften der 80er Jahre kommen«. Unter Abdruck der Logos werden im Einzelnen angeführt:

Wesentlich an dieser Anzeige ist, in welche Reihe Trans­ Atlantik und damit unweigerlich das vorliegende Heft gestellt wird, genauer noch, worin die angeführten Magazine charakteristisch, ja sogar repräsentativ sein mögen für die »80er Jahre«. Ganz im Sinne der postmodernen Bestrebung, den Graben zwischen Hoch- und Trivialkultur, Unterhaltung und Anspruch zu schließen, versammelt NewMag unter seinem Dach ein Erotik-Magazin, ein Organ für Liebhaber der Fotografie und eine Zeitschrift für intellektuelle, kulturinteressierte Leserinnen und Leser. Der in der Anzeige behauptete Zusammenhang besteht demnach in einer programmatischen Heterogenität, die offenkundig als werbewirksamer Vorteil und überdies als zeittypisches Charakteristikum begriffen wird. Der NewMag-Verlag, so scheint es, macht wirklich Ernst mit Leslie Fiedlers epoche­machender Forderung: »Cross the Border – Close the Gap«. 47

Bunker und Raketen Den so nicht ausgewiesenen, aber durch seine Stellung als solchen wahrnehmbaren Leitartikel des Heftes liefert der Schriftsteller Ulrich Enzensberger, der Bruder des Zeitschriftengründers. Auf nicht weniger als elf Textseiten berichtet er von seinen Recherchen über das deutsche Bunkerwesen und dessen Funktion im Rahmen des nationalen Katastrophenschutzes. Der spezielle Reiz der unter dem Titel »Notstandslibretto« stehenden Reportage, die Einblick gewährt in die verborgenen und normalerweise unzugänglichen Unterwelten westdeutscher Großstädte, liegt auf der Hand, und der Verfasser trägt dazu auch erzählerisch bei, indem er die Leserschaft auf seinem Weg hinab sozusagen mitnimmt, in diesem Beispiel in eine gerade fertiggestellte Anlage in Köln. »Wir«, gemeint sind der Besucher und sein Führer, besichtigen die Waschrinnen und Aborte, die mir ebenso winzig vorkommen wie die Küche mit ihren zwei Kochplatten. »Komprimierte Verpflegung, kalorienmäßig ausgelegt, das ist dann gar nicht so viel.« Wenn die Kanalisation zerstört ist, wird der Dreck über eine Froschklappe direkt auf die Straße geflutet. Mir wird klar, daß alle organischen Verrichtungen hier absolut durchorganisiert verlaufen müssen. Vorbei an einer Meßuhr, für den Überdruck, der dann im Bunker herrscht, damit durch Risse keine Außenluft eindringen kann. Dann ist der Hall in unseren Stimmen fort. Der Raum mit dem Notstromaggregat ist schallgedämpft.88 Ergänzt wird diese konsequent im Präsens gehaltene und dadurch szenisch anmutende Recherche mit Hintergrundinformationen, seien diese juristischer oder politischer, administrieller oder technischer Natur. Man gewinnt den Eindruck einer Wechselwirkung: Die spannenden Einblicke, die der Artikel gewährt, erzeugen die Bereitschaft, sogar den Willen, sich auch mit den eher trockenen Detailfragen auseinanderzusetzen. Handwerklich ausgezeichnet umgesetzt, liefert das »Notstandslibretto« bestes Infotainment. 48

Illustriert ist die Reportage mit dem, was sich im Zuge der Recherchen an Materialien angesammelt hat, Ausschnitte aus einem Fernschreiben des Bundesinnenministeriums etwa, die Abbildung einer sogenannten Verletztenbegleitkarte, die grafische Erläuterung eines Atompilzes. Im Verhältnis zu dieser sachlichen Bebilderung, vor allem aber zum wenig erbaulichen Gegenstand des Artikels, wirken die aufwendig gestalteten, zum Teil mit starken Farben operierenden Werbeanzeigen fast schon ironisch. Namentlich finden sich Anzeigen für die Business Class der Lufthansa (versehen mit dem Slogan: »Es lohnt sich erstklassige Mitarbeiter entsprechend zu befördern«), einen edlen französischen Kräuter-Likör und eine neue Limousine der Marke Ford, die sich unter anderem durch ihr »konsequentes Styling« auszeichnet. Wie mögen die hier beworbenen Produkte der gehobenen Konsumkultur auf jene Leserinnen und Leser wirken, die sich parallel mit den kanalisatorischen Einzelheiten einer Bunkeranlage in Köln-Kalk befassen, zumal die geopolitische Bedrohungslage in Zeiten des Kalten Kriegs nur allzu real war? Enjoy it while it lasts, so könnte ihre Schlussfolgerung lauten, fatalistisch und lebensbejahend zugleich. Es folgt ein Bericht des britischen Journalisten und Reiseschriftstellers Jonathan Raban über einen Besuch in Katar. Der Autor porträtiert einen nach der westlichen Moderne schielenden, sich wirtschaftlich hochdynamisch entwickelnden Öl­staat, dem es, »von der Angst erfüllt, seine Vergangenheit zu verlieren«, nach »einer eigenen Kultur« verlangt.89 Die Reportage ist ein übersetzter Auszug aus Rabans Buch Arabia. A Journey through the Labyrinth von 1979 und geht erzählerisch ähnlich vor wie der voranstehende Bunker-Artikel von Ulrich Enzensberger, nämlich als eine in der Ich-Form gestaltete Reise­erzählung: »Der Bus, der uns über das Flugfeld zu der Maschine nach Doha brachte, war voller Frauen und Kinder« – mit dieser Szene steigt Raban in seine Erzählung ein.90 In die Wüste wie die Reportage aus Katar und ins Geheime wie das Stück über deutsche Bunker führt daraufhin das elf­ seitige »Otrag-Dossier« von Gaston Salvatore. Geschildert wird darin ein Besuch im afrikanischen Entwicklungszentrum der »Orbital Transport- und Raketen Aktiengesellschaft«, eines 49

nicht staatlichen deutschen Raumfahrtunternehmens, das, unsichtbar für die »Erdbeobachtungssatelliten der Großmächte«, an der Entwicklung einer Weltraumrakete arbeitet.91 Zugleich ist der Text ein Porträt des Unternehmensvorsitzenden Lutz Kayser, einem ebenso charismatischen wie zwielichtigen Geschäftsmann, dessen opportunistische Grundhaltung sich unter anderem in der partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit dem korrupten Gewaltherrscher Mobutu niederschlägt, wie man im Artikel erfährt. Mehrere Bildstrecken des weißbehemdeten, sonnengebräunten Unternehmers, der mit raumgreifender Geste sein ehrgeiziges Projekt erläutert, begleiten die Reportage, die wiederum getragen ist von der subjektiven Wahrnehmung des Berichtenden. Bisweilen drückt sich diese sogar im Modus der erlebten Rede aus: »Da ich seit Jahren nicht mehr in der Sonne gewesen war, wurde meine Haut rot und wund. Ich mußte mich in ein riesiges Handtuch hüllen. Kayser sonnte sich mit Genuß. Ich kam mir vor wie der arme Verwandte.«92 In der Gesamtschau sind es allesamt spektakuläre, zugleich aufregende und informative, die nationale, ja sogar die west­ liche Sphäre weit überschreitende und zudem gekonnt mit lite­ rarischen Mitteln arbeitende Reportagen, die den Leserinnen und Lesern in der ersten Ausgabe von TransAtlantik geboten werden. Sie gruppieren sich um ein in der Heftmitte abgedrucktes sogenanntes »Fresko«, das von dem Grafiker Dieter Klama gezeichnet wurde. Es zeigt einen schweren, überbreiten schwarzen Mercedes mit verdunkelten Scheiben, langen Antennen auf dem Dach, einem Deutschlandwimpel auf der Motorhaube. Auf beiden Seiten neben der Staatskarosse laufen nicht die zu erwartenden Personenschützer, auch gibt es keine nebenherfahrenden Motorräder der Polizei, sondern neun Schäfer­hunde. Der deutsche Staat, zeichenhaft repräsentiert in der Staatskarosse, wird in diesem »Fresko« als eine anonyme, bedrohliche, dunkle Macht dargestellt, der man sich auf gar keinen Fall in den Weg stellen sollte. Die Schäferhunde – ikonografisch fest assoziiert mit dem Nationalsozialismus, H ­ itler persönlich und den Konzentrationslagern – unterstreichen diesen Eindruck: Wer sich dieser Staatsgewalt widersetzt, muss mit sofortigem Angriff, womöglich mit Zerfleischung rechnen. 50

Wie aber fügt sich diese Zeichnung in eine Zeitschrift, die sich im Titel einer transatlantischen Weltöffnung verschrieben hat und diese auch selbst vollzieht? Sie verleiht der Zeitschrift eine staatskritische Note. Deutschland, als Staat begriffen, erscheint in ihr als eine Gefahr, weshalb es, so lässt sich zumindest asso­ziativ schließen, der Anbindung an die Welt, insbesondere an den Westen, umso dringlicher bedarf, und dies beileibe nicht nur um seiner selbst willen. TransAtlantik versteht sich offenkundig als Vollzugsorgan dieser nicht zuletzt historisch bedingten Unerlässlichkeit.

Der Westen und seine Freaks Ausdrücklich und eingehend, historisch und gegenwartsbezogen reflektiert wird die Idee des Westens in Enzensbergers Essay über den alten und neuen Eurozentrismus. Abgedruckt in einer Zeitschrift namens TransAtlantik, zumal in deren erster Ausgabe, verdient dieser Beitrag, der im Kontext umfangreicher und ausdauernder Europa-Reflexionen des Autors steht,93 unbedingt genauere Betrachtung. Ausgangspunkt für Enzensbergers Argumentation ist die Beschreibung einer basalen »Verwerflichkeit«, die er so umreißt: Es ist den Europäern ja schon ziemlich früh aufgefallen, daß sie nicht allein auf der Welt sind; und ziemlich früh haben sie sich diesen Umstand zunutze gemacht. Die Geschichte unserer »Entdeckungen« bestand, wie man weiß, darin, die Bewohner anderer Kontinente zu kolonisieren, und das heißt, sie zu unterwerfen und auszuplündern.94 Im Anschluss an diese Feststellung erörtert der Essayist, auf welchen wissenschaftlichen, ideologischen und philosophischen Grundlagen das eurozentrische Weltbild beruht und welche Gräuel es aus historischer Sicht über die Welt gebracht hat. Aber auch nach dem Zeitalter der europäischen Kolonial­ herrschaft sei der Euro­zentrismus ein global ausstrahlendes 51

Problem, weil er auf andere Kulturen und Länder, ungeachtet ihrer jeweiligen Eigenständigkeit und Unverwechselbarkeit, stets unter der Prämisse des »Mangels« blicke: »Irgendetwas fehlte diesen Leuten, sei es Geschichte oder Entwicklung, ein Gott oder ein Staat.«95 Charakteristisch sei diese Perspektive neben Europa auch für Nordamerika, ja für den Westen insgesamt, den Enzensberger – dieser Punkt ist wichtig – nicht im essenzialistischen, vielleicht sogar normativen Sinne, sondern als einen diskursiven Effekt, eben als Konzept begreift.96 Nach dem Scheitern des letzten großen welthistorischen Alter­nativprojekts, also der proletarischen Kulturrevolution von Mao Tse-Tung, habe sich die Lage fundamental geändert, wenn auch nicht verbessert. Seither nämlich seien »die Völker Asiens, Afrikas und Lateinamerikas […] einem universellen Cargo-Kult verfallen«. Enzensberger führt dazu weiter aus: »Alles Neue kommt, im Guten und im Bösen, aus den Industrieländern, und alles Alte muß diesem Neuen zum Opfer gebracht werden.« Global betrachtet herrsche eine »massive Zustimmung« zur westlichen Zivilisation vor, was aber gleichzeitig zu einer massiven Einebnung der kulturellen Vielfalt führe.97 Die Illustrationen, die den Essay begleiten, führen dies grafisch vor Augen: Sie zeigen platt auf Flächen, in einem Fall auf einen Würfel aufgezogene Weltkarten in Schwarz-Weiß. Der Verlust globaler Vielfalt im Äußeren hat allerdings ebenso Folgen, nämlich das Einziehen des »Wilden Fernen Far­bigen«98 ins Innere der westlichen Welt, vor allem in ihre Großstädte, die sich heute aus einem »unübersehbaren Wirrwarr« an »ethnischen Minoritäten, Subkulturen, politischen und religiösen Sekten« zusammensetzten. Wie kommt es dazu? Weil es kein »kulturelles Außen« mehr gebe, der Eurozentrismus aber zugleich vom Prinzip der sozialen Abwertung lebe, »produzieren wir eben unsere eigenen Wilden«, also »Freaks« aller Art: »technologische Freaks, politische Freaks, psychische Freaks, kulturelle Freaks, moralische Freaks, religiöse Freaks«.99 Die zunehmende Heterogenität der europäischen und nordamerikanischen Metropolen kompensiert in dieser Logik den Verlust einer als kulturell fremd, anders und niedriger wahrgenommenen Außenwelt – und hält so den Glauben 52

Eingeebnete Differenzen: Illustration zu »Eurozentrismus wider Willen«

an die vermeintliche Außerordentlichkeit, Überlegenheit und Zivilisiertheit der westlichen Mehrheitskultur aufrecht. Dieser Prozess schließt die Abkehr vom »Internationalismus der Linken« notwendigerweise mit ein. Die »revolutionäre Hoffnung, die in den Industrieländern gescheitert ist, immer weiter in die Ferne [zu verlagern], nach Rußland zuerst und nach Zentralasien, dann nach China und in die sogenannte Dritte Welt« – diese Exportbemühungen seien nichts anderes als eine große Überheblichkeit, die wiederum und nur allzu durchsichtig kompensatorische Züge trage: »Was uns das eigene, industrialisierte Dasein verweigerte, Begierden, Verheißungen, Utopien, das dachten wir jenen anderen zu.« Fatalerweise sei diese Sichtweise in der westlichen Tradition tief verwurzelt, ja sei ihrerseits geprägt von einer durch und durch eurozentrischen Weltsicht.100 Nach der Lektüre des Essays zeigt sich: Der Begriff des Transatlantischen, des Westens zumal, den Enzensberger ver­ tritt, ist historisch informiert und kritisch akzentuiert. Er ist problemlos zu verbinden mit heutigen Ansätzen der Post­ colonial Studies. Indem er ihn im ersten Heft der von ihm mit53

verantworteten Zeitschrift entfaltet, erhält er programmatische Qualität. TransAtlantik, so wird deutlich, ist keiner festen und eindeutigen Meinung oder Haltung verpflichtet; eine womöglich zustimmende Positionierung zu hitzig diskutierten Fragen der Weltpolitik wie dem Nato-Doppelbeschluss von 1979 sucht man in der Zeitschrift vergebens. Vielmehr ist sie getragen von der globalhistorischen Annahme einer, wie Enzensberger schreibt, »sich in alle Himmelsrichtungen« ausbreitenden westlichen, namentlich europäischen und nordamerikanischen Kultur.101 Diesen Prozess abzubilden, die regional und kulturell diversen Spielarten der Verwestlichung zu dokumentieren und zu reflektieren  – darin besteht, liest man Enzensbergers Essay in metakommunikativer Hinsicht, das Vorhaben von TransAtlantik. Im Heft finden sich die Überlegungen zum »Eurozentrismus wider Willen« zwischen einem Artikel über die Lage der Gegenwartsliteratur in Ost- und Westdeutschland aus der Sicht des französischen Übersetzers Alain Wilcock und einem von der amerikanischen Schriftstellerin Marion Knox verschickten »Brief aus New York« mit Alltagsbetrachtungen aus dem Central Park. Wohl ganz bewusst so arrangiert, spiegelt die französisch-deutsch-amerikanische Folge das, was die Abhandlung über den Eurozentrismus als Hauptthese entwickelt: dass der Westen als Denkhaltung und Lebensform heute nicht nur global tonangebend, sondern eigentlich unausweichlich ist, und zwar im Guten wie im Schlechten. Und auch im Zusammenhang mit den beiden erwähnten Reportagen aus Katar und Zaire mutet Enzensberger wie ein Metakommentar an, handeln sie doch beide vom Eindringen des Westens in den globalen Süden, einmal in Form eines ambivalenten Modernisierungsprozesses, im anderen Fall in Gestalt eines politisch fragwürdigen Economic Endeavour, das sich ausdrücklich, wie man im »Otrag-Dossier« nachlesen kann, dem Vorwurf des Neokolonialismus ausgesetzt sah.102 Die Reportagen von Raban und Salvatore veranschaulichen genau das, was Enzensberger in seinem Essay über den Eurozentrismus thesenhaft entwickelt. 54

Ein unemphatisches Ja Im letzten Drittel der Zeitschrift kommt dem »Bericht zur Lage der amerikanischen Nation« von Gore Vidal eine herausragende Bedeutung zu. Allein die Tatsache, diesen amerikanischen Großautor und profiliertesten Gesellschaftskritiker der USA unter den Beiträgern führen zu können, unterstreicht den Anspruch der Zeitschrift als Leitorgan »für das westliche Deutschland«. Eher als um einen nüchternen »Bericht« handelt es sich bei seinem Text allerdings um eine teils polemische, teils satirische Abrechnung mit dem politischen System der Vereinigten Staaten und der amerikanischen Gesellschaft im Ganzen, mit dem schädigenden Einfluss der großen Banken auf die Gesetzgebung, der moralischen Bigotterie, der korrupten Polizei – und so weiter. Am Ende der Lektüre bleibt der ungeschönte Eindruck von Amerika als einem Failed State, der illustrativ noch unterstützt wird: In einer Serie von vier Fotografien sieht man einen Zirkel, der keinen Kreis, sondern ein Viereck zeichnet. Die Erwartung (an den Zirkel, also an die USA) und die Wirklichkeit (des Vierecks, also der gesellschaftlichen Zustände in Amerika) stehen in einem Verhältnis gänzlicher Inkongruenz, ganz im Sinne der sprichwörtlichen Quadratur des Kreises. Im Kontext einer TransAtlantik betitelten Zeitschrift ist diese essayistische Zustandsbeschreibung in hohem Maße signifikant, zumal Vidals Essay aus dem Esquire vom August 1980 in Übersetzung übernommen, also ganz bewusst in die Erstausgabe integriert worden ist. Der Eindruck, man blicke unkritisch auf die USA oder pflege gar ein Bild der Vereinigten Staaten als einer verklärten City Upon a Hill, soll offensichtlich unbedingt vermieden werden. Wie Enzensbergers Abhandlung über den Eurozentrismus übernimmt Vidals Essay im Zeitschriftenganzen eine metakommunikative Funktion. Nach der hierauf folgenden »Ersten Lieferung« einer Geschichte aus dem Leben von Waldemar Müller – eines durch und durch mittelmäßigen Deutschen, der für die Macher von TransAtlantik ebenso »out« ist wie der gutbürgerliche »Stiernacken«, aber immerhin nützlich ist als Gegenstand der satiri55

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schen Abgrenzung –, nach dieser Geschichte schließt das erste Heft mit den bereits erwähnten »Feuerländischen Fragmenten« von Bruce Chatwin. Es handelt sich um einen auszugsweisen Nachdruck aus dem im Rowohlt Verlag erschienenen Roman In Patagonien, wodurch die transatlantische Perspektive erneut weit ausgedehnt wird. Von hier aus geht es im letzten Beitrag zurück nach Deutschland, namentlich in die NiedersachsenMetropole Hannover, deren »Alphabet« der Kritiker Fritz J. Raddatz vorbuchstabiert, von »A« wie »Albrecht, Ernst« über »S« wie »Sprengel« bis Z wie »Zeitung« – gemeint ist in diesem Fall die Hannoversche Allgemeine Zeitung. Man gewinnt den Eindruck, im Nebeneinander gerade dieser beiden Artikel von Chatwin und Raddatz sollen die geografischen Koordinaten des Transatlantischen – und damit der Gegenstandsbereich der vorliegenden Zeitschrift – abschließend noch einmal vermessen werden. Über die politische Sphäre des sogenannten Westens hinaus reicht der transatlantische Raum buchstäblich von der Südspitze Südamerikas bis in die mittelnorddeutsche Provinz. Nicht weniger als vier Werbeanzeigen begleiten die Abschlusskadenz des Heftes; sie nehmen die Neigung der Zeitschrift zu Kosmopolitismus und Luxuskonsum, zu den USA und zur literarischen Hochkultur ein letztes Mal auf. Sie alle präsentieren Western Promises, um mit dem Popkulturforscher Moritz Baßler zu sprechen.103 Der Verlag Rogner & Bernhard annonciert den Band »42nd Street Studio« von Joyce ­Baronio, ein Bildband, der New York als »Babylon des billigen Sexes« vorstellt. Man sieht im ganzseitigen Querformat: eine halbnackte Frau an einem Fenster, das den Blick auf die New Yorker Hochhaus-Architektur freigibt. Zwei Seiten weiter wirbt die Europäische Verlagsgesellschaft für die ersten Bände der Reihe Europäische Bibliothek, darunter der Band Nach Nietzsche von Giorgio Colli, von Roland Barthes die Studie über Michelet und der Besuch bei Rousseau und Voltaire von James Boswell. Es folgt, nun schon auf der Innenseite des Rück­umschlags, eine Werbung für die Edelkarossen von Jaguar und, auf der Außenseite, eine Reklame für die Zigarettenmarke Benson & Hedges, die zweifellos eine Marke der Distinktion ist. Bebildert ist die Anzeige mit einem Paar in schönster Hügellandschaft, das sich 56

ein opulentes Picknick zubereitet hat, einschließlich gekühltem Champagner. Unter dem Bild der Werbeslogan »Wer auf diesen Geschmack kommt, hat seinen Stil gefunden.« Man darf diesen Satz zugleich als Kommentar auf die soeben abgeschlossene Erstbegegnung mit T ­ ransAtlantik beziehen.

* Von diesem Schlusspunkt aus lässt sich das beobachtende Durchblättern in einigen Stichworten resümieren. Als was für eine Zeitschrift präsentiert sich TransAtlantik der bundesrepublikanischen Öffentlichkeit im Oktober 1980? Als eine betont zurückhaltend, dabei äußerst bedacht gestaltete Zeitschrift, deren Akzent nicht auf intellektueller Positionierung, sondern auf lebensweltlicher Kultivierung liegt; die sich verspielt und bejahend den Praktiken und Produkten, dem »Luxus« und den »Moden« einer durch und durch pluralen, in hohem Maße ausdifferenzierten, nicht zuletzt kapitalistisch durchformten (Welt-)Gesellschaft widmet; die investigativ, erzählerisch und einlässlich die kompliziertesten Phänomene der Gegenwart in Kultur, Politik, Wirtschaft aufarbeitet; die im Bestreben, den Eurozentrismus zu überwinden, den transatlantischen Raum breiter fasst, also über Nordamerika und Europa hinaus auch Afrika sowie Mittel- und Südamerika mit in die Betrachtung einbezieht; die ausdrücklich kritisch auf Deutschland, die USA und den Westen blickt, ohne gleichzeitig zu leugnen, wie unerlässlich die kulturelle Westorientierung, insbesondere an den Vereinigten Staaten, für die Bundesrepublik ist. Bei all dem ist die Zeitschrift getragen von einem, um mit dem Philosophen Odo Marquard zu sprechen, »unemphatischen Ja«104 zur Moderne und zur westlichen Zivilisation; einem Ja, das die große Anziehungskraft des Westens, seine unermessliche Interessantheit eigentlich in jedem einzelnen Satz herausstellt, ohne ihn gleichzeitig zu überhöhen, eher im Gegenteil, wie sich besonders deutlich in der kritischen Thema­ tisierung des Kolonialismus und Eurozentrismus beobachten lässt. Der Zeitschrift ein »generelles Einverständnis mit der 57

Gesellschaft, wie sie nun einmal ist«, unterstellen zu wollen, wäre demnach in der Tat »ein grobes Missverständnis«.105 Es handelt sich vielmehr um ein betont ausbalanciertes Bild des Westens, das TransAtlantik zeichnet, ein Bild, das eigentlich nur denjenigen provozieren sollte, der sich dem Programm der linken Kulturkritik – antiamerikanisch, antikapitalistisch, anti­liberalistisch – aufs Allerstrengste verpflichtet sieht. Aber dies, also die kritische Wahrnehmung der Zeitschrift, die sich vor allem an der öffentlichen Figur Enzensberger und seinen politischen-intellektuellen Wandlungen seit den Sechzigerjahren festmacht, ergibt, etwas später in dieser Studie, ein Kapitel für sich.

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3. Verfrühte Eleganz? Resonanzen Im Oktober 1980 mit einer Startauflage von 150.000 Exemplaren erstmals veröffentlicht, war TransAtlantik der Versuch, um eine Formulierung des Literaturwissenschaftlers Dirk von Petersdorff aufzugreifen, »mit dem Modell der liberalen Gesellschaft einen Frieden zu machen«, ganz im Sinne einer publizistischen »Lockerungsübung«.106 In der medialen und insbesondere linksintellektuellen Öffentlichkeit stieß dieses Vorhaben allerdings mehrheitlich auf Skepsis, bisweilen sogar auf Widerstand. Die Rezeption der Zeitschrift macht exemplarisch erkennbar, dass ihr keineswegs unkritisches, aber doch klar vernehmbares Einverständnis mit den bundesrepublikanischen Gegebenheiten nichts Geringeres als ein »Tabubruch« war. Es war die bewusste Abweichung von der unter kritischen Intellektuellen wie selbstverständlich vorausgesetzten Grundannahme, »dass alles immer schlechter wird«.107 Folglich wurde in den Rezensionen und Kommentaren allenfalls kursorisch und punktuell auf konkrete Inhalte und individuelle Beiträge der Zeitschrift Bezug genommen. Ebenso geringe Aufmerksamkeit schenkte man ihrer aufwendigen Gestaltung, von der Materialität bis zur Typografie.108 Stattdessen hing sich die Kritik vornehmlich an der generellen Haltung der Zeitschrift auf, wie man sie unter anderem den an die Presse versandten Informationen des Verlags entnehmen konnte  – und ganz besonders an den beteiligten Personen. Dies bezeugen gleich mehrere Artikel, die zum Teil schon erschienen waren, bevor das erste Heft überhaupt vorlag, ja die Redaktion »noch auf dem blanken Fußboden saß«, wie der Spiegel bei Erscheinen des ersten Heftes metajournalistisch bemängelte.109 Anlass für diese Intervention war in erster Linie ein im Mai, also fast ein halbes Jahr vor dem Erscheinen des Zeitschriftendebuts veröffentlichter Artikel des Journalisten Hermann L. Gremliza in der Zeitschrift konkret. Sein Gegenstand war der behauptete Verrat des öffentlichen Intellektuellen Hans Magnus Enzensberger und des ehemaligen APO-Vertreters Gaston Salvatore an den Idealen und Zielen der politischen Linken. 59

Gremliza schrieb mit einer Mischung aus Enttäuschung und Missbilligung: »Der Enzensberger […], der uns in den frühen Sechzigern die Köpfe erhellte«, sei heute bloß noch ein »Harlekin«, der sich »im Innersten« nichts anderem verpflichtet sehe als der schnöden »Konjunktur«.110 Salvatore warf der Journalist darüber hinaus einen persönlichen Treuebuch vor: Er habe ihn in Berlin einst als den »chilenischen Genossen« kennengelernt, der stets in der »ersten Reihe« vorangeschritten sei, »Bildmitte, auf allen Fotos der großen Vietnam-Demonstrationen«.111 Dementsprechend ist der Artikel mit einem groß aufgezogenen Foto Salvatores neben einem enthusiasmierten Rudi Dutschke aus dem Jahr 1968 bebildert. Betrachtet man es gemeinsam mit der Artikelüberschrift, die abschätzig auf das »Journal des Luxus und der Moden« Bezug nimmt, so wird nicht bloß ein ideologischer Bruch angezeigt, sondern zudem ein stummer Vorwurf zum Ausdruck gebracht: ›Genosse, was soll das? Wie konnte es so weit kommen?‹ Das ›faschistische‹, durch und durch ›imperialistische‹ System der Bundesrepublik, so liest man weiter, sei schließlich keineswegs überwunden, sondern allenfalls neu übertüncht worden: »Alles ist, wie es war, falsch aber originell, absurd aber federnd, wertlos aber glänzend, und wer hineintritt, merkt: Kacke mit Glasur.«112 Allein der raubeinige Sound dieser Aussage macht deutlich, dass Gremliza für Trans­ Atlantik und das aus ihr sprechende Gesellschaftsverständnis nichts als Verachtung übrig hat. Folglich ist das zentrale Schimpfwort, um das sein Artikel kreist, das der »Konjunktur«. Bezogen auf Salvatore und Enzensberger war es für ihn insofern unvermeidlich, als sich die beiden für ihr Zeitschriftenprojekt mit dem Verleger Heinz van Nouhuys eingelassen hatten.113 Dieser war unter anderem durch die deutsche Lizenzausgabe des französischen Sexmagazins Lui reich geworden. Aber damit nicht genug. Skandalöser noch kam für Gremliza hinzu, dass der gebürtige Niederländer seit Jahren unter dem Verdacht stand, ein Agent des Bundesnachrichtendienstes, möglicherweise sogar ein Doppelagent von Bundesrepublik und DDR gewesen zu sein. In die Welt gesetzt worden war dieses Gerücht Anfang der Siebzigerjahre durch den Stern, allerdings hatte das Münchener Landgericht 60

Genosse, was soll das? Titelseite des konkret-Artikels von Hermann L. Gremliza

dem Magazin bereits 1975 untersagt, es weiter zu verbreiten.114 Für Gremliza war der Sachverhalt aber offensichtlich zu spektakulär, als dass er auf den richterlichen Beschluss hätte Rücksicht nehmen können. »Enzensberger, der Verräter an der reinen linken Lehre, im Verein mit einem vom Staatsschutz finanzierten Pornographen« – auf diesen Versuch, den Verleger, mit ihm die Zeitschrift und deren Erfinder unmöglich zu machen, wie Jörg Lau in seiner Enzensberger-Biografie zusammenfasst, wollte Gremliza mit seinem Kommentar letztlich hinaus.115 Die Zeit, die im Oktober 1980 ein großes Porträt von Heinz van Nouhuys veröffentlichte, formulierte ihr Urteil noch unumwundener. Der Mann sei nichts anderes als »ein Kotzbrocken«, heißt es da gleich zu Beginn, und weiter: »Könnte man unseriös ins Unendliche steigern, jener Herr […] würde auch dies noch auf seine Person beziehen dürfen«.116 Woran aber machte sich dieser Eindruck für den Journalisten der Zeit fest? Einmal am neureichen Habitus des Verlegers (erwähnt werden sein Mercedes, das Treffen beim Edelitaliener, seine Vorliebe für Trüffelpasta), dann an seinem Aufsteigertum (zunächst als Schreiber unter anderem für die Zeitschriften Jasmin und Playboy, dann als Redaktionsleiter für die Illustrierte Quick, später als Verleger von Lui) und schließlich an seiner politischen Haltung: Den Vorwurf der Rechtslastigkeit hatte sich van Nouhuys insbesondere wegen seiner Positionierung gegen die Ostverträge der sozialliberalen Regierung unter Willy Brandt, seiner Parteinahme für die CSU und namentlich für Franz ­Josef Strauß eingehandelt. Öffentlichen Ausdruck fand Letzteres unter anderem bei der Präsentation der ersten deutschsprachigen Ausgabe von Lui im März 1977 in München: Die aus heutiger Sicht undenkbare Zurschaustellung von Macht, Sex und Männlichkeit, die weniger von transatlantischer Frische als von bundesdeutscher Stickigkeit zeugt, ist auf einem Pressefoto dokumentiert. Als Fritz J. Raddatz in einem Interview mit Enzensberger, ebenfalls im Oktober 1980 in der Zeit erschienen, die Frage aufwarf, wie man ausgerechnet auf den zweifelhaften Heinz van Nouhuys als »Geldgeber« gekommen sei, klang all dies mit: »Ist es Ihnen egal, woher das Geld kommt?« (Dass Raddatz das 62

Heinz van Nouhuys, Franz Josef Strauß, im Hintergrund das Titelbild der ersten deutschen Ausgabe von Lui

Honorar für sein Hannoveraner »Alphabet« in der ersten Ausgabe von TransAtlantik von demselben »Geldgeber« erhalten haben wird, bleibt dabei selbstredend unerwähnt.) Ohne sich auf moralische Debatten einzulassen, antwortete der Befragte mit dem Hinweis auf den pragmatischen Sinn der Verlegerwahl: Ich glaube, daß ein Projekt wie »Transatlantik« in einem Großkonzern nicht verwirklicht werden kann. Der Verleger muß ein Outsider sein. Jemand, der das Risiko liebt. Vor allem brauchen wir einen Verleger, der darauf verzichtet, sich redaktionell einzumischen. Heinz van Nouhuys ist ein solcher Verleger. Im Lauf von zwölf Monaten habe ich es kein einziges Mal erlebt, daß er uns dreingeredet hätte.117 Dass ein ökonomisch geleiteter Arbeitspragmatismus wie dieser in den Augen eines linken Publikums keineswegs unschuldig ist, ja dass TransAtlantik aus solch einer Perspektive als eine kultur63

industrielle Ware im Sinne Adornos und Horkheimers erscheinen musste – dies wird Enzensberger und Salvatore, beide theoriegeschult und medienkundig, natürlich bewusst gewesen sein. Die Provokation war mitgedacht, vielleicht sogar einkalkuliert. In diesem Sinne blies auch der Stern in das Horn der poli­ tisch-moralischen Diskreditierung, und zwar ebenfalls Monate vor der Veröffentlichung der Erstausgabe, indem er die Verbindung des »linken Lyrikers« und »rechten Verlegers« an ihrem konträren Verhältnis zur CSU und insbesondere zur Reiz­ figur Franz Josef Strauß festmachte: »Der eine, Hans M ­ agnus Enzensberger, galt bislang als linker Literat. Schließlich hatte ihn ein CSU-Politiker einmal einen ›Scheißhaus-Lyriker‹ genannt. Der andere, Heinz van Nouhuys galt bislang als rechter Journalist. […] Seit kurzem machen beide gemeinsame Sache.« Dazu habe es nur kommen können durch einen folgenreichen Verlust an »Ideologie« und »politischer Richtung«, so gibt die Zeitschrift eine Aussage Enzensbergers wieder, der darin allerdings nicht wie seine Kritiker einen Nachteil, sondern vielmehr gerade einen Vorzug seines Vorhabens zu erkennen scheint, ja geradezu die Bedingung für einen unvoreingenommenen, offenen Weltzugang.118 Es besteht kein Zweifel daran, dass sowohl konkret als auch die Zeit und der Stern nach dem Prinzip der Kontaktschuld argumentierten. Sich überhaupt mit einer Person wie van Nouhuys eingelassen zu haben, rückte für die Kritiker die neue Zeitschrift und ihre Gründer ins »Zwielicht«, wie auch die Frankfurter Rundschau befand.119 Selbst die Tatsache, dass in TransAtlantik »beispielhaft recherchierte Reportagen« zu finden seien und die Zeitschrift »ein intellektueller Genuß« für die Leser sei, wie die Zeit zwar offen, aber ohne Nennung eines Beispiels einräumte – selbst das machte die schmutzige Mesalliance nicht wett, aus der sie hervorgegangen war. Frei von jedem beruflichen Ethos, von jeder höheren Idee von Kultur und Kunst, ginge es van Nouhuys, dem Parvenü, lediglich darum, vor den »Nannens und Augsteins«, den »Bertelsmännern und Suhrkämpern« unter Beweis zu stellen, »daß er mithalten kann in der gehobenen Klasse des seriösen linken KulturzeitschriftenJournalismus«.120 64

Wenn alles interessant ist Trotz der lauten, sogar tonangebenden Zurückweisung aufseiten der Linken: Die Resonanz auf das Debüt von ­TransAtlantik erschöpfte sich nicht in den genannten Stimmen. Kritisch Bezug auf sie nahm vor allem Harald Wieser im Spiegel.121 Für ihn war das Erscheinen von TransAtlantik rundheraus ein »Ereignis, welches die vorschnelle moralische Kritik blamiert.« Die Zeitschrift versammle »politische Essays, flanierende Reise­berichte und detektivische Reportagen, die die selten gewordene Eigenschaft haben, schön und dennoch genau, radikal und dennoch heiter zu sein.« Die in konkret, Zeit und Stern aufgeworfene Frage, warum Enzensberger und Salvatore gemeinsame Sache mit dem zweifelhaften Verleger von Lui gemacht hätten, kehrt Wieser rhetorisch gewitzt um: Warum habe sich der Geschäftsmann van Nouhuys auf ein aus ökonomischer Sicht so äußerst risikoreiches Projekt wie TransAtlantik eingelassen? Die Antwort: Weil er offenkundig »ein Spieler« sei, nur so lasse es sich erklären,»daß aus dem Boß der verspießert-rechten ›Quick‹ der Mäzen der metropolitanischaufgeklärten ›Transatlantik‹ geworden ist«.122 Und doch fällt das Gesamturteil des Spiegel, das anders als das der meisten anderen Journalisten auf einlässlicher Heftlektüre beruhte, in letzter Instanz eher gemischt aus. Der in der neuen Zeitschrift vollzogene »Abschied von der Empörung« – der Gestus der unemphatischen Bejahung, der gelassenen Zu­stimmung, um es andersherum zu formulieren – sei eine »Medaille mit zwei Seiten«: »Er schützt vor blind machenden ideologischen Identifikationen, aber er läßt die Zeitschrift auch manchmal wie einen Salon aussehen, in dem nichts mehr wichtig, aber alles interessant ist.«123 Diese Bewertung ist ideen­ geschichtlich insofern bedeutsam, als sie eine Schwelle markiert: Einerseits hallt in ihrem Relativismus-Verdacht (»nichts mehr wichtig«) der kritische Dezisionismus der Sechzigerund Siebzigerjahre nach, deren Grundfrage Pete Seeger einst in ­einem Song formulierte: »Which side are you on, boys?« Andererseits artikuliert sich in ihr ein neues Bewusstsein dafür, dass die Wahrnehmung der Wirklichkeit ohne ein allzu fest ge65

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zurrtes ideologisches Korsett reicher und reizvoller ist, ja dass buchstäblich »alles interessant« erscheint. Sehr zu seinem Vorteil wird diese Unentschiedenheit in der Bewertung bis zum Ende des Artikels hin nicht aufgelöst. Ein ähnlich komplexitäts- und ambiguitätstolerantes ­Niveau wurde in der kritischen Auseinandersetzung mit Trans­Atlantik eigentlich nie wieder erreicht, eher im Gegenteil, der verbreiteten Ablehnung der neuen Zeitschrift vermochten die zurückhaltenden, zum Teil auch nur lauwarmen Worte der Anerkennung in weniger reichweitenstarken Zeitungen (»gar nicht so übel«, befand etwa die Stuttgarter Zeitung)124 kaum etwas entgegenzusetzen. Eine mögliche Antwort auf die Frage, worauf die bemerkenswert kritische Wahrnehmung von TransAtlantik zurückzuführen sein könnte, stammt vom ehemaligen Redaktionsmitglied Michael Rutschky. Ausformuliert findet sie sich in einem längeren Artikel, den die Frankfurter Rundschau im Oktober 2000 veröffentlicht hat, also genau zwanzig Jahre nach Erscheinen des ersten Heftes. Dort schrieb Rutschky, dass die westdeutsche Gesellschaft im Laufe der Achtzigerjahre ihr »postmodernes Eleganzprogramm für die Herrenmode und die Konversation, den Speisezettel und den Städtebau« zwar eingelöst habe. TransAtlantik habe man bei dieser »Kehre« aber »verschmäht«.125 Wie lässt sich das erklären? Rutschky vermutet eine Asynchronie von Zeitschrift und Zeitgeist: Mit ihrer publizistischen Unternehmung seien Enzensberger und Salvatore möglicherweise »zu früh« gewesen. Der geschilderte Rückgriff auf das neomarxistische Theorieund Begriffsinventar aufseiten der Kritik  – der Vorwurf, auf der Seite des schmutzigen Kapitals, des konservativen Establishments, der politischen Indifferenz zu stehen – wäre demnach als eine epochenspezifische Abwehrgeste zu interpretieren. Mit Rutschky entspräche die Resonanz auf TransAtlantik einem letzten Aufbäumen der Kritischen Theorie gegen eine journalistische Haltung, die von jedem politischen »Revolutionarismus« Abschied genommen und sich stattdessen einer relativistischen »Postmoderne« verschrieben habe. Rutschky erklärte damit retrospektiv, was ähnlich schon in Wiesers Be66

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sprechung zum Ausdruck gebracht wurde: Das Erscheinen von Trans­Atlantik ereignet sich in einer historischen Zwischenphase, in der sich eine neue, unvoreingenommene und im Prinzip bejahende Sicht auf die Wirklichkeit abzeichnet, ohne dass die Raster und Termini der alten Kulturkritik und der damit verbundene Gestus der Verneinung ihre Gültigkeit bereits in Gänze verloren hätten.

Fliegender Robert Aber damit ist noch nicht alles über die Voraussetzungen gesagt, die in der Betrachtung der neuen Zeitschrift zum Tragen kamen. Deutlich wird in den Besprechungen außerdem, dass die Kritik insbesondere an der Person Hans Magnus Enzensberger, der nun auch TransAtlantik ausgesetzt war, ein längeres Vorspiel hatte. Sie reichte ungefähr bis zu dessen Austritt aus der Kursbuch-Redaktion im Jahr 1975 zurück, dem einst wichtigsten Organ der Außerparlamentarischen Opposition und Studentenbewegung.126 Den bereits dort von ihm eingeschlagenen »Weg der Revisionen«,127 der sich unter anderem darin artikuliert hatte, dass er die Leistungen und Vorzüge des Kleinbürgertums gegenüber den überzogenen Selbstansprüchen des intellektuellen Milieus hervorgehoben und verteidigt hatte (so geschehen im Kursbuch 45), setzte er in den folgenden Jahren auf forcierte Weise fort. Mannigfaltige Denkhaltungen und Schreibweisen waren für seine Arbeit seither kennzeichnend – und sollten es fortan bleiben. Der Wandel, der dieser entschiedenen Nicht-Festlegung zugrunde liegt, wurde in der Literatur häufig beschrieben: Enzensberger, der seine Publizistik der Sechzigerjahre noch dem »gigantischen Projekt« ­einer »politischen Alphabetisierung Deutschlands« verschrieben hatte,128 erkundete in seiner politischen Essayistik nun Wirklichkeiten, »die im Koordinatensystem revolutionärer Analyse nicht oder nur als bloße Formel vorkamen. Details, periphere Themen […] haben […] alle Versuche ersetzt, vom ›Ganzen‹ der Wirklichkeit und vom Telos didaktisch gewendeter Geschichte noch ein verlässliches Bild zu geben.«129 67

Ob man diesen Wandel als Folge einer »Epoche lädierter Utopien«130 erklären will, sei an dieser Stelle zunächst dahingestellt. Fest hingegen steht, dass die Abkehr von unverrückbaren Standpunkten und geschlossenen Weltbildern, die mit einer programmatischen Hinwendung zu einem prinzipienlosen Denken und Schreiben einherging, zwar die Aufmerksamkeit einer dauererregten Öffentlichkeit zu erzeugen vermochte.131 Zugleich zog sie allerdings Enttäuschung und –  wie soeben gesehen – den Vorwurf des Verrats nach sich: Enzensberger, der sich nun mit einer Märchenfigur aus dem Struwwelpeter, dem »Fliegenden Robert«, zu identifizieren begann, begegnete einem »zunehmend ratlosen linken Publikum«,132 das ihn abschätzig zum »Dandy der westdeutschen Linken«133 erklärte, während ausgerechnet Armin Mohler, der ehemalige Privatsekretär Ernst Jüngers und Impulsgeber der Neuen Rechten, eine Nähe zum konservativen Spektrum konstatierte.134 Vor dem Hintergrund all dessen wird erkennbar, dass sich insbesondere linke Kritiker durch TransAtlantik in ihren länger schon bestehenden Vorbehalten gegen Enzensberger nur bestätigt sehen konnten: von der Verdächtigung des Relativismus über die Fixierung auf die »Konjunktur« bis hin zum Paktieren mit einer charakterlich so fragwürdigen Persönlichkeit wie Heinz van Nouhuys. Die Zeitschrift wurde seitens der Kritik eingefügt in einen Rezeptionsrahmen, dessen Koordinaten schon festgelegt waren, bevor die erste Ausgabe an den Kiosken überhaupt erhältlich war. Die Kognitionspsychologie hat für solche Reaktionsmuster einen eigenen Begriff: Confirmation Bias, Bestätigungsfehler. Die Redaktion selbst entschied sich indessen zu einem möglichst offensiven Umgang mit der Kritik. So veröffentlichte sie im Oktober-Heft des Jahres 1981 einen mehrseitigen Rückblick auf den ersten TransAtlantik-Jahrgang. Zusammengestellt wurden dafür kurze Ausschnitte aus einzelnen Artikeln und als Randbemerkungen dazu vielerlei Pressestimmen – und zwar neben positiven Äußerungen ganz bewusst auch solche, die sich klar negativ, teils polemisch über die »verdächtig schicke« Zeitschrift äußerten: Zitiert werden unter anderem ihr Verriss als »Organ der blasierten Nach-Revolutionäre« sowie 68

die Klage über eine »kulinarisch« gewordene Linke und ihren Verzicht auf »eingreifendes Denken«. Die kleine Retrospektive zeugt zum einen davon, dass man den kritischen Diskurs ausdrücklich begrüßte und ihm souverän begegnete: Warum sonst hätte die Redaktion selbst die ablehnenden Stimmen im eigenen Heft zu Wort kommen lassen? Darüber hinaus wird durch die in den Rückblick eingebundenen wohlwollenden und ungeneigten Pressemeinungen der Eindruck erweckt, die umstrittene Zeitschrift stehe im Brennpunkt der öffentlichen Debatte  – eine Dramatisierung, die wohl nicht zuletzt im aufmerksamkeitsökonomischen Sinne zu interpretieren ist. Das Pressestatement, mit dem die Rückschau schließt, dient jedenfalls unverhohlen als Cliffhanger: »Wie sich die Zeitschrift weiter entwickeln wird, bleibt abzuwarten.«135

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4. Zweierlei Luxusliner: Relationen Der denk- und schreibbiografische Wandel, Bruch oder, wie Gremliza behaupten würde, Verrat an der politischen Linken schlägt sich nicht allein in Enzensbergers politischer Essayistik nieder, sondern auch in seinem literarischen Schaffen. Das entscheidende Dokument ist in dieser Hinsicht das Langgedicht Der Untergang der Titanic von 1978, das kontraintuitiv Eine Komödie untertitelt und freundschaftlich »Gastón« zugeeignet ist.136 Wie aber verhalten sich die Zeitschrift TransAtlantik, die sich ihrerseits, wie es im nur ein Jahr später entstandenen Konzept­papier ausdrücklich heißt, in der »Tradition der mythischen Transatlantikschiffe«137 sieht, und das nach dem Modell der Göttlichen Komödie in »Gesänge« unterteilte Vers­ epos, das sich der zum Mythos überformten Schiffskatastrophe widmet, genau zueinander? Am besten nähert man sich der Beantwortung dieser Frage über ein hermeneutisch erprobtes Verfahren. Demnach ließe sich das Gedicht versuchsweise als Formulierung eines Problems verstehen, das die Zeitschrift einer zumindest probeweisen Lösung zuzuführen versucht.138

Aus anderem Stoff Der Untergang der Titanic – dieser Titel bezieht sich, so erschließt sich im Zuge der Lektüre, nicht bloß auf eines, sondern auf zwei Gedichte: zum einen nämlich auf den vorliegenden Text aus dem Jahr 1977, der im geteilten Berlin, »wo Europa am häßlichsten ist«, verfasst worden ist; und zum anderen auf einen Ursprungstext, der »vor ein paar armseligen Jahren« im nachrevolutionären Kuba des Jahres 1969 entstanden, dann aber auf dem Postweg von Havanna nach Paris verlorengegangen ist.139 Entsprechend findet sich auf der letzten Seite des Bandes, unter dem dreiunddreißigsten Gesang, eine doppelte Orts- und Jahresangabe als Gedichtunterschrift: »La Habana 1969 – Berlin 1977«.140 Einordnen lassen sich diese Zeit- und Ortsangaben zunächst in biografischer Hinsicht. Enzensberger hatte im März 1968 70

Eisberge auf Augenhöhe: Die Erstausgabe von 1978

aus Protest gegen den Vietnamkrieg ein Stipendium der Wesleyan University im Bundesstaat Connecticut zurückgewiesen, und zwar in einem offenen Brief, der sowohl in der New York Review of Books wie in der Zeit erschienen war. In ihm hatte er außerdem verkündet, »für eine längere Zeit« nach Kuba gehen zu wollen, »wo die Vereinigten Staaten seit sieben Jahren versuchen, die […] Revolution auszuhungern.« Sicher könne er »den Kubanern von größerem Nutzen sein […] als den Studenten der Wesleyan University«.141 Die Ernüchterung ließ dort aber nicht lange auf sich warten. Der kubanische Sozialismus präsentierte sich Enzensberger vornehmlich in Gestalt von »Mangel, Korruption und Ineffizienz«, ja einer »durch Inkompetenz und Schlamperei verursach71

ten Armut«, die einherging mit einem »von der Partei geschürten, alles ergreifenden Opportunismus«.142 Zurück in Berlin stellte er eine Kuba gewidmete Ausgabe des Kursbuch zusammen, die Ende 1969 erschien. Er selbst lieferte dazu ein Porträt der Kommunistischen Partei, in dem er darlegte, »wieweit das marxistische Denken in Cuba auf den Hund gekommen ist«.143 Nun ist Der Untergang der Titanic weit mehr als der literarische Reflex auf eine Zäsur im politischen Denken Enzensbergers; sein Referenzrahmen ist größer, ja er umfasst buchstäblich die gesamte Epoche. Ein »Archiv der katastrophalen Fortschrittsgeschichte« sei das Gedicht, so erläuterte seinerzeit Nicolas Born der Leserschaft des Spiegel, das in der Tat ein »weitverzweigtes und kompliziertes Assoziationssystem« darstellt.144 Die titelgebende Schiffskatastrophe im April des Jahres 1912, die bis heute als das Exempel schlechthin für mensch­liche Hybris und verblendeten Technikglauben dient, steht dabei zwar im Vordergrund. Das Kuba am Ende der Sechzigerjahre, schreibt Born, sei allerdings ebenso eine Titanic, nur eben »aus anderem Stoff«: Untergegangen und durch »realen Sozialismus« ersetzt worden sei auf Kuba die »konkrete Utopie«.145 Demgegenüber habe Berlin, so eine dritte Bedeutungsebene des Titanic-Motivs, seinen Untergang schon lange hinter sich, womit im Gedicht ebenso auf den Krieg, dessen Spuren noch allerorten sichtbar sind, wie auf die Teilung der Stadt angespielt wird.

Schwimmen und Heulen Nicht weniger bedeutsam als die weitreichenden biografischen und historischen Implikationen, die sich mit dem TitanicMotiv verbinden, ist die Verschaltung der beiden Textversionen aus den Jahren 1969 und 1977 im Gedicht. So ist die spätere Berliner-Fassung der Versuch einer Rekonstruktion der früheren Havanna-Fassung, die allerdings immer wieder von Störungen geprägt ist. Der Schreib- und zugleich Erinnerungsprozess wird deshalb beständig selbst zum Thema, besonders ausgeprägt im vierten Gesang, der die Untergangskatastrophe 72

zunächst auditiv wahrnehmbar machen will, dabei jedoch, nach einem betont selbstgewissen Auftakt, rasch ins Stocken und Tasten gerät: Ich erinnere mich genau, wie es anfing, mit einem Geräusch. »Ein Scharren«, schrieb ich, »ein stockendes Scharren.« Nein, das war es nicht. »Ein schwaches Klirren«, »Das Klirren des Tafelsilbers.« Ja, ich glaube, so fing es an, so oder so ähnlich. Ich zitiere aus dem Gedächtnis. Wie es weiterging, weiß ich nicht mehr.146 Zurückzuführen sind diese Störungen nicht zuletzt darauf, dass sich das erinnernde Berliner Ich vom erinnerten Ich auf Kuba mittlerweile vollkommen entfremdet hat. Sich aus der Berliner Gegenwart heraus vor Augen zu führen, was den Kuba-Besucher in den »sonderbar leichten Tagen der Euphorie« bewegt und er in diesem Zustand aufs Papier gebracht hat, scheint insofern kaum möglich, als dem Ich heute klar ist, dass sein damaliger Zustand, mithin sein Schreiben und folglich sein daraus hervorgegangenes Gedicht auf einem Trugbild beruhten: Damals dachten wir alle: Morgen wird es besser sein, und wenn nicht morgen, dann übermorgen. Naja – vielleicht nicht unbedingt besser, aber doch anders, vollkommen anders, auf jeden Fall. Alles wird anders sein. Ein wunderbares Gefühl. Ich erinnere mich. […] Es schien uns, als stünde etwas bevor, etwas von uns zu Erfindendes. Wir wußten nicht, daß das Fest längst zu Ende, und alles Übrige eine Sache war 73

für die Abteilungsleiter der Weltbank und die Genossen von der Staatssicherheit, genau wie bei uns und überall sonst auch.147 Die revolutionäre Aktion und die sozialistische Utopie gehören nicht bloß der Vergangenheit an, sondern wurden darüber hinaus für alle Zeit unmöglich gemacht, denn am Ende siegen ohnehin die Finanzmärkte und die Staatsgewalt: Eben dies war dem Kuba-Besucher von 1969 zumindest nicht vollends bewusst, während es dem Berliner Dichter im Jahr 1977 vollkommen einsichtig ist. Dies wiederum bedingt einerseits das Gefühl einer biografischen Selbstentfremdung und andererseits die Unmöglichkeit, sich die Havanna-Fassung des Titanic-­ Gedichts aus der Gegenwart heraus ungebrochen in Erinnerung zu rufen. Zwischen dem heutigen und dem früheren Ich tut sich – auch dies passend zum titelgebenden Motiv des Vers­epos – ein kognitiver Riss auf. Was das Ich bereits während seines Kuba-Aufenthaltes empfunden zu haben scheint, war allerdings eine gewisse Unsicherheit hinsichtlich der näheren Zukunft: »Morgen wird es besser sein, und wenn nicht / morgen, dann übermorgen«, »vielleicht nicht unbedingt besser, / aber doch anders« – und so fort. Später im Gedicht ist diese Unsicherheit zwar überwunden, was an ihre Stelle tritt, ist aber kein neues Vertrauen in den Geschichtsverlauf; das Gegenteil ist eher der Fall: Jetzt, wo die Hubschrauber fort sind, wo nichts mehr schwelt oder heult, jetzt, wo das Schlimmste vorbei ist, wo wir nichts mehr wissen wollen, kann alles von vorn anfangen.148 Nach der verlorenen Revolution, die Sirenen aufheulen und Hubschrauber hat aufsteigen lassen, bleibt nichts als intellektuelle Resignation (»nichts mehr wissen wollen«) und die Einsicht in die Wiederkehr des Immergleichen (»kann alles von vorn anfangen«). Daraus aber ergibt sich noch eine weitere und vielleicht noch weitreichendere Konsequenz für das Ich. Ge74

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fangen in dumpfer Zirkularität wird alles Bescheidwissen über den Gang der historischen Dinge und damit verbunden das intellektuelle Einwirkenwollen auf den geschichtlichen Prozess zu einer tragischen Farce. Am Ende erblicken wir das Ich als einen Überlebenden im Wasser, dem nichts anderes übrigbleibt, als wie alle anderen ums eigene Leben zu schwimmen. Im dreiunddreißigsten, letzten Gesang und dort wiederum in der letzten Strophe liest man: Ich schwimme und heule. Alles, heule ich, wie gehabt, alles schlingert, alles unter Kontrolle, alles läuft, die Personen vermutlich ertrunken im schrägen Regen, schade, macht nichts, zum Heulen, auch gut, undeutlich, schwer zu sagen, warum, heule und schwimme ich weiter.149 »Alles andere als erhaben« ist dieser stotternde Auftritt in der Tat, vor allem aber präsentiert sich das Ich nicht als »Prophet« oder »Rechthaber«, sondern als einer, »der es auch nicht besser weiß als die […], die sich ängstlich an ihre Koffer klammern«.150 Die Perspektive des Ich ist jene der (hier auf S. 71 abgedruckten) Titel­abbildung, die sich außerdem, auf Doppel­seiten aufgezogen, auf dem vorderen und hinteren Vorsatz­papier der Erstausgabe findet. Es bringt eine bedrohlich dunkle Kulisse aus Wasser und Eis in Normalsicht, das heißt auf Augenhöhe zur Anschauung  – und nicht etwa, was ja auch denkbar gewesen wäre, aus einer Übersicht oder Vogelschau. Dem Ich fehlen die Übersicht und der Abstand, wodurch ihm jede abstrakte Wirklichkeitsdeutung, jede intellektuelle Souveränitätsgeste unmöglich ist. Man darf in dieser Positionierung und Perspektivierung, die frei ist von jeder politischen oder rhetorischen Selbsterhöhung, eine Geste der Bescheidenheit, vielleicht sogar den Ausdruck eines demokratischen Bewusstseins erkennen. Das Scheitern von Utopie und Revolution sowie der aus ihm resultierende Verlust des Geschichts- und Sprachvertrauens hat 75

darüber hinaus tiefgreifende Konsequenzen für die Literatur und die Ansprüche, die sich realistischerweise mit ihr verbinden lassen. Anstatt vergeblich einer operativen Literatur anzuhängen, die Enzensberger im legendären Kursbuch 15 vom November 1968 unter dem oft missverstandenen Schlagwort vom »Tod der Literatur« selbst eingefordert hatte,151 reiht sich Der Untergang der Titanic in die Tradition der modernen Sprachkritik ein. Markant zum Ausdruck kommt dies in dem poetologischen Teilgedicht »Weitere Gründe, warum die Dichter lügen«, dessen Grundlagen möglicherweise in der Romantik und namentlich bei Clemens Brentano zu finden sind, über dessen Werk Enzensberger in den Fünfzigerjahren eine Promotionsarbeit vorgelegt hatte:152 Weil der Augenblick, in dem das Wort glücklich ausgesprochen wird, niemals der glückliche Augenblick ist. Weil der Verdurstende seinen Durst nicht über die Lippen bringt. Weil im Munde der Arbeiterklasse das Wort Arbeiterklasse nicht vorkommt. Weil, wer verzweifelt, nicht Lust hat, zu sagen: »Ich bin ein Verzweifelnder.« Weil Orgasmus und Orgasmus nicht miteinander vereinbar sind. […] Weil die Wörter zu spät kommen, oder zu früh. Weil es also ein anderer ist, immer ein anderer, der da redet, und weil der, von dem da die Rede ist, schweigt.153

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Dass der Zusammenhang von Sprache und Wirklichkeit nicht qua Naturgesetz gegeben ist, sondern auf sprachgemeinschaftlichen Konventionen beruht – dieser Befund ist aus linguistischer Sicht eher trivial. Interessanter sind die Konsequenzen, die sich hieraus ergeben. Der Abgrund, der zwischen res und verba klafft, macht schließlich nicht nur die literarische Repräsentation von Realität unmöglich, sondern auch das Sprechen in ihrem Namen, womöglich gar in einem revolutionären Sinne, worauf im eben angeführten Zitat mit dem marxistischen Begriff der »Arbeiterklasse« angespielt wird. Zum verwandelten Sprach- und Literaturverständnis, das sich im Untergang der Titanic artikuliert, schreibt Jörg Lau treffend: »Zehn Jahre nach der Revolte wird der Blaumann des kulturrevolutionären Seeleningenieurs abgelegt, und darunter kommt das alteuropäische Künstlersubjekt wieder zum Vorschein, das aus dem Zweifel an sich selbst, seiner Kunst und ihrem Medium, der Sprache, Funken zu schlagen versteht.«154

Jenseits des BRD Noir Der Untergang der Titanic enthält selbst allerdings kein positives Gegenbild, das den großen Verlusterfahrungen infolge des Kuba-Erlebnisses entgegengesetzt werden könnte. Für das Verständnis des ein Jahr nach Erscheinen des Versepos entworfenen Zeitschriftenvorhabens ist gerade dieser Befund von höchster Relevanz, ja konkreter noch: TransAtlantik setzt präzise dort an, wo das Langgedicht aufhört, indem es eine Antwort gibt auf die Frage, welche Spielräume und Reize sich aus dem Verlust von Revolution und Utopie ergeben könnten. Ein Neuanfang ist TransAtlantik also in der Tat. Seine Planungen setzen zu einem Zeitpunkt ein, um noch einmal auf die bereits zitierten Verse zurückzukommen, »wo die Hubschrauber fort sind, / wo nichts mehr schwelt oder heult, / […] wo das Schlimmste vorbei ist«.155 Im Jahr 1979, in dem Enzensberger und ­Salvatore mit ihren Planungen beginnen, evoziert diese Bildsprache unweigerlich auch die Erinnerungen an den Deutschen Herbst des Jahres 1977, der nichts anderes markierte als 77

das endgültige Scheitern der Revolution in Gewalt und Mord. Wie befreiend muss es gewesen sein, sich in dieser Situation der großen Weltneugier hinzugeben, also ein neues, eigenes Transatlantikschiff, einen frisch gestrichenen Luxusliner auf den Weg zu bringen – einen Luxusliner zumal, der sein Ziel auch tatsächlich zu erreichen versprach! In gewisser Weise stellte TransAtlantik damit den Gegensatz zu dem Gemeinschaftsfilm Deutschland im Herbst von 1978 dar, an dem insgesamt elf verschiedene Regisseure, unter ihnen Alexander Kluge, Rainer Werner Fassbinder und ­Volker Schlöndorff, beteiligt waren: An die Stelle der national beschränkten, aus heutiger Sicht nicht anders als depressiv zu bezeichnenden Rückschau auf die Zustände und Ereignisse von 1977, die zweifellos dem ästhetisch-ideologischen Genre der BRD Noir angehört, tritt bei Hans Magnus Enzensberger und Gaston Salvatore der international ausgerichtete Blick auf eine intellektuell ganz und gar offene, von allen ideologischen und politischen Festlegungen befreite Gegenwart.156

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5. Abschied vom Prinzipiellen: Voraussetzungen Für die Programmatik, die den publizistischen Neuanfang tragen sollte, war in erster Linie Enzensberger zuständig  – während Salvatore mit insgesamt nur drei größeren und thematisch überdies eher unspezifischen Arbeiten in der Zeitschrift vertreten ist: Neben dem erwähnten »Otrag-Dossier« im ersten Heft sind dies Porträts des Bürgermeisters und Innensenators von West-Berlin Heinrich Lummer (erschienen im April 1982) und der aufstrebenden Politikerin Ingrid Matthäus-Maier (in der Ausgabe vom September 1982). Nicht zu vernachlässigen sind allerdings seine in jeder Ausgabe, aber stets ohne Verfasser­angabe abgedruckten Erzählungen über Waldemar Müller. Liest man diese satirischen Kurzerzählungen über einen durchweg mediokren Deutschen im Zusammenhang mit der Zeitschrift und ihrer Programmatik, so wird erkennbar, dass ihnen ein Gestus der sozialen Distinktion innewohnt: Sie markieren präzise jene ›feinen Unterschiede‹ zwischen einem ›legitimen Geschmack‹, der für ein Milieu mit hohem kulturellem Kapital kennzeichnend ist, und dem ›prätentiösen Geschmack‹ der Mittelklasse – um es in der Terminologie des Soziologen Pierre Bourdieu zu formulieren. Ihren Reiz beziehen die Erzählungen indes weniger aus der heute allzu plakativ wirkenden satirischen Überzeichnung, die sich bereits im kalauernden Namen des Titelhelden widerspiegelt. Entscheidender ist vielmehr Salvatores Perspektive als eines literarischen Immigranten, worauf Enzensberger im Vorwort zu einer Buchausgabe der gesammelten WaldemarMüller-Geschichten in der Anderen Bibliothek hingewiesen hat: »Ein Ausländer natürlich! Das hat uns gerade noch gefehlt, daß es ein Ausländer ist, der uns den wahren Deutschen zeigt, und zwar auf deutsch. […] Statt daß er sich […], wie andere literarische Immigranten, an die herkömmliche Rolle des Exilschriftstellers hielte, statt daß er sich damit begnügte, uns über die Missstände in seiner Heimat aufzuklären, hat er sich sonderbarerweise von Anfang an mit Deutschen befasst.«157 So betrachtet erweisen sich die Geschichten des gebürtigen Chile79

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nen über einen deutschen Spießbürger par excellence als durch und durch transatlantisch. Betrachtet man demgegenüber und vergleichend Enzensbergers Beiträge für TransAtlantik, so ist in ihnen das Bemühen unübersehbar, der Zeitschrift einen reflexiven Rahmen zu verleihen. Dies deutet sich bereits im ersten Heft an, namentlich in seiner Abhandlung über den »Eurozentrismus wider Willen«, von der hier bereits die Rede war. Zu nennen sind an dieser Stelle außerdem und insbesondere sein pamphlethafter Essay »Das Ende der Konsequenz«, der im Maiheft 1981 zu lesen war, und seine Überlegungen zur »Unregierbarkeit«, »Notizen aus dem Kanzleramt« untertitelt, die genau ein Jahr später, im fünften Heft des Jahres 1982, erschienen sind.158 In wissenschaftlichen Kommentaren und Analysen wird der ursprüngliche Publikationskontext der beiden Essays in aller Regel übergangen. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Enzensberger hat sie beide nach der Erstveröffentlichung in seine 1982 bei Suhrkamp erschienene Essaysammlung Politische Brosamen übernommen und damit aus dem ephemeren Medium der Zeitschrift in einen buchförmigen Werkzusammen­hang überführt, womit eine zeitüberdauernde und niedrigschwellige Zugänglichkeit sichergestellt wurde, etwa in wissenschaftlichen Bibliotheken. Aus dem Blick geraten musste dabei zwangsläufig, dass die genannten Essays im Kontext von TransAtlantik als Metakommentare dienten: In ihnen reflektiert Enzensberger über die gesellschaftlichen Bedingungen eben derjenigen Zeitschrift, in der sie veröffentlicht wurden – und demonstriert dabei selbst jene »andere Form«, jenen »anderen Ton«, der sich von den eingespielten Mustern der »heute üblichen Meinungsproduktion« so nachdrücklich unterscheiden will.159

Geschwiegen, immerhin »Das Ende der Konsequenz« hebt mit einer Anekdote an  – und allein dieser erzählerische, betont subjektive Gestus ist bezeichnend. Ein Ich-Erzähler, den man getrost mit dem 80

fasser des Essays gleichsetzen darf, stellt sich uns zunächst als Teilnehmer an einer Diskussionsrunde vor: Ich war in eine jener Veranstaltungen geraten, für die unser Land berüchtigt ist und die, offenbar in Unkenntnis dessen, was dieses Wort bedeutet, als »Diskussion« bezeichnet werden. Wie die Sendung hieß, habe ich vergessen: KulturKlappe? Denk-Disco? Sozio-Flipper? Auch weiß ich nicht mehr, worum es an diesem Abend ging. Sicher bin ich nur, dass es eine jener bangen Fragen war, die jedem Moderator zwischen Kiel und Konstanz auf der Seele brennen. Sind wir eine verspätete Nation? Stehen wir vor einer neuen Jugendrevolte? Brauchen wir mehr (oder weniger) Staat? Sind unsere Universitäten noch zu retten? Haben die Rebellen resigniert?160 Eine vollkommen unverbindliche, ausschließlich um sich selbst kreisende Debatten-Unkultur, die nichts als »allgemeines Gebrabbel« zustande bringt und »beliebige Ansichten über beliebige Gegenstände vervielfältigt«, vertritt hier die Stelle einer »demokratischen Öffentlichkeit« im emphatischen Sinne. Auf die Frage eines beim anschließenden Empfang anwesenden »›Kommunikationsexperten‹«, der sich »auch nur« als einer jener »meinungsbildenden Kritiker« erweist, auf die Frage also, warum nicht zumindest er, also Enzensberger, einen »eindeutigen Standpunkt« bezogen habe, »um diesem lächerlichen Geschwafel« ein Ende zu bereiten, weiß dieser nur dies anzumerken: »Immerhin habe ich kein einziges Mal den Mund aufgetan.« Der Text entwirft damit gleich zu Beginn eine ziemlich vielschichtige Konstellation. Der Intellektuelle schweigt entschiedenermaßen und entzieht sich damit einer Öffentlichkeit, die von ihm verlangt, er möge sich durch überlegene Deutungen und letztverbindliche Antworten in den Diskurs einbringen. Eine solche Haltung aber, die sich traditionellerweise auf Größen wie die Wahrheit, die Vernunft oder die Geschichte berufen konnte,161 scheint dem Erzähler ebenso unmöglich wie ein klassischer Nonkonformismus, der auf einer vermeintlichen 81

Außenseiterposition bei gleichzeitiger Teilhabe an den politischen Debatten und gesellschaftlichen Prozessen beharrt.162 Derweil rührt die Öffentlichkeit ein »Püree« an Meinungen und Ansichten zusammen,163 was auch in der witzigen und bösen Illustration des Essays von Pellegrino Ritter zum Ausdruck kommt: Sie zeigt auf der Titelzeile fröhlich umherspringende Schweine, die zum Schluss, auf der letzten Seite also, ein mit Pampe oder Matsch  – dem versinnbildlichten Diskursbrei  – gefüllter Futtertrog erwartet. Ausgehend von der anekdotischen Eingangskonstellation wird das kollektive Verlangen, der Intellektuelle möge die Wirklichkeit stellvertretend für die Öffentlichkeit deuten, einer generellen Destruktion unterzogen. Enzensberger rekurriert in diesem Zusammenhang zunächst auf ein Zitat des Mitbegründers der Black-Panther-Bewegung: »Von Eldrige Cleaver, einem schwarzen Revolutionär aus den USA […], stammt ein Satz, der in den Sechzigerjahren zum geflügelten Wort wurde: ›Baby‹, sagte der Schwarze Panther, ›your’re either part of the problem, or you’re part of the solution.‹ – Inzwischen hat sich herausgestellt, daß das nicht zutrifft.«164 Kurzerhand werden die dichotomen Weltbilder, die auch in Deutschland die Streit- und Protestkultur der Sechzigerjahre  – »Macht kaputt, was euch kaputt macht« (Ton Steine Scherben) – ebenso wie den Terror der Siebzigerjahre – »Der Typ in Uniform ist ein Schwein und kein Mensch« (Ulrike Meinhof)  – gekennzeichnet hatten, für überholt erklärt. Die Begründung für diese Verabschiedung liest sich wie ein Gemeinplatz der Systemtheorie, wonach es keine Außen- und Gesamtperspektive auf die Gesellschaft geben kann, weil diese als System höherer Ordnung sämtliche Systeme immer schon umfasst – also auch die sogenannte Gegenkultur, die traditionellerweise eben jenen abgehobenen Blick auf das Ganze für sich beansprucht.165 Enzensberger schreibt direkt im Anschluss an das Cleaver-­Zitat: »Je weniger eine ›Lösung‹ in Sicht ist, desto offenkundiger dürfte die Tatsache geworden sein, daß es niemanden gibt, der nicht Teil eines Problems wäre.«166 Dass sich die Einsicht in die perspektivische Bedingt- und Beschränktheit, die auch einen markanten Bruch mit eigenen 82

früheren Positionen darstellt,167 vor dem zeitgeschichtlichen Hintergrund der internationalen Protestbewegungen und des revolutionären Terrors ergibt, liegt zwar nahe. Tatsächlich geht Enzensberger aber von einem noch allgemeineren Phänomen aus. Zur Debatte steht für ihn eine Grundsätzlichkeit, ja nichts Geringeres als die Quintessenz aus der Gewalt- und Zerstörungsgeschichte der modernen Zivilisation. Er listet auf: Die »ökonomische Doktrin« habe den Zusammenbruch des Wirtschaftssystems zur Folge; der »konsequente« Kapitalismus bringe den Faschismus hervor; der politische Kampf »mit allen Mitteln« führe zum Terrorismus; der Kommunismus »ohne Wenn und Aber« bedinge die sozialistischen Lager; die »Konsequenz« aus dem globalen Wettrüsten sei die atomare Zerstörung der Zivilisation. Die ebenso logische wie simple Schlussfolgerung: »Die gute Sache, jede gute Sache wird falsch, sobald wir sie zu Ende denken.«168 Es ist die konsequente Umsetzung der Theorie in die Praxis, die den Kern allen Unheils bildet. Die gegenwärtige Situation, wie sie zu Beginn des Essays beschrieben wird, ist vor dem Hintergrund dieses Umsetzungsmechanismus als »ziemlich gefährlich« einzustufen.169 Entsprächen die Intellektuellen nämlich der öffentlichen Forderung nach »Prinzipienfestigkeit, Radikalität, Unbestechlichkeit«,170 so entspräche dies einem ersten theoretischen Schritt, dessen anschließende praktische Umsetzung, so Enzensberger in einem Interview, notwendigerweise zu »ZK« oder »KZ« führen würde.171 Es sind grelle Chiffren, die hintergründig darauf hindeuten sollen, wie unerlässlich es ist, dass sich Intellektuelle den an sie herangetragenen Deutungsbedürfnissen der Gesellschaft entziehen – ebenso wie es der Erzähler bei jener eingangs geschilderten Podiumsveranstaltung selbst getan hat: Sein entschiedenes Schweigen entspricht in dieser Logik einer Tat, oder, wenn man so will, einer Nicht-Tat von historischer Bedeutsamkeit. Das Schweigen unterbricht den Kurzschluss theoretischer Deutungen und ihrer praktischen Verwirklichung, der bis zu diesem Zeitpunkt in der Geschichte nichts als Gewalt und Zerstörung zur Folge hatte. Das im Titel angekündigte Ende der Konsequenz ist auf der Folie einer desaströsen Geschichte der Konsequenz und zu verhindernden Zukunft der Konsequenz zu lesen. 83

Die Schweine und ihr Diskursbrei

Erste und letzte Seite des »Konsequenz«-Essays

Kanzler in der Krise Eingehender noch als in »Das Ende der Konsequenz« erläutert Enzensberger seine gesellschaftstheoretischen Grundsätze in seinem Essay »Unregierbarkeit. Notizen aus dem Kanzleramt« vom Mai 1982. Auch wenn es sich bei diesem Text um einen Essay handelt, entspricht auch er strukturell einer Erzählung, was sich vordringlich in der Vermittlung zwischen einer fiktional entworfenen Welt und der Leserschaft durch einen Ich-Erzähler zeigt. Bereits der erste Satz weist auf diesen subjektiv-narrativen – und damit wiederum gerade nicht objektiv-theoretischen – Modus der Vermittlung unmissverständlich hin: »Dienstag. – Der Chef war heute wieder unausstehlich.«172 Mit diesem Satz werden die Leserinnen und Leser ohne Umschweife in die Ausgangssituation der Erzählung hineingeworfen. Aus der Perspektive eines hohen Staatsbeamten wird ein Bundeskanzler in der Krise geschildert; die von Ralf Weide und Monika Neubacher stammende Illustration des Essays identifiziert ihn leicht erkennbar als Helmut Schmidt, der, den an der Wand befestigten Bundesadler nachstrickend, auf der ansonsten verwaisten Regierungsbank sitzt. Berichtet wird, dass der Regierungschef in letzter Zeit reizbar, antriebslos und frustriert ist. Auf seinen Wunsch hin wird ein Treffen mit einem Spezialisten auf dem Gebiet der Theoretischen Biologie von der Universität Göttingen arrangiert, einem Professor namens Schack. Seine Forschungsschwerpunkte: Evolutionsprozesse, Fehlerfrequenz-Schwankungen bei der DNSSynthese, Stochastische Replikationsmuster bei Makromolekülen. Der krisengeschüttelte Kanzler formuliert gegenüber dem Experten jenen Zweifel, der für seinen Missmut verantwortlich ist: »Warum in der Politik jedes überhaupt nennenswerte Ziel unerreichbar ist, beziehungsweise es verwandelt sich, sobald man sich ihm nähert, bis zur Unkenntlichkeit.«173 Schack holt aus und erläutert die Struktureigenschaft hyperkomplexer Systeme. Dies ist die Pointe seiner Ausführungen: In jedem genügend reichhaltigen System treten unkon­ trollierbare Turbulenzen auf, und zwar unabhängig vom 86

Verhalten einzelner Elemente. Das ist einfach eine Frage der Komplexität. Sie nimmt mit wachsendem Stoffwechsel, beziehungsweise Energie- und Informationsfluß diskontinuierlich zu. […] Unter diesem Gesichtspunkt unterscheiden wir subkritische, kritische und hyperkritische Systeme; und Sie, Herr Bundeskanzler, operieren eben in einem hyperkritischen System, das ist alles.174 Unangemessenerweise verhalte sich der Regierungschef nun aber so, als wäre das bundesrepublikanische Gemeinwesen stets noch nicht hinreichend entwickelt, damit es fehlerfrei funktioniere. Dem Kanzler zufolge bedürfe es immer neuer Pläne, fortschrittlicherer Theorien und verfeinerterer Steuerungsmechanismen, um die prinzipiell nicht-determinierbaren Vorgänge innerhalb des Systems zu kontrollieren. Diese perfekte Organisation sei im Zustand der Hyperkomplexität jedoch niemals zu erreichen. Die unendlich vielgestaltigen Wechselwirkungen der Elemente innerhalb des Systems seien keineswegs überschaubar. Von der Vorstellung einer umfassenden Kontrolle der gesellschaftlichen Prozesse müsse man sich also zwangsläufig verabschieden, was gleichwohl nicht bedeute, so erklärt Schack, dass der Bundeskanzler seiner Arbeit umsonst nachgehe, wie dieser zunächst aus den Ausführungen des Professors schließt. »Ein hyperkomplexes System ist schließlich und endlich ein System und kein Müllhaufen«, betont der Biologe, »das bedeutet, daß es notwendigerweise zusammenbricht, sobald Sie die Elemente entfernen, die es strukturieren, auch wenn diese Elemente sich nie und nimmer ohne Rest durchsetzen können.«175

Der Traum ist aus Die im Prinzip einfachen und sehr allgemeinen Gedanken, die in den »Notizen aus dem Kanzleramt« auf breitem Raum wissenschaftlich erläutert werden, bringt der »Konsequenz«Essay ohne jeden Schnörkel auf den Punkt. »In den letzten Jahrzehnten haben die meisten Völker […] verstanden«, so 87

Gefangener Bundesadler, vereinsamter Regierungschef

Die »Notizen aus dem Kanzleramt« und ihre Illustrationen

erklärt Enzensberger, »daß ihre einzige Überlebenschance im Kuddelmuddel, im Durcheinander, im zähen, unübersichtlichen, immer nur vorläufigen Ausprobieren besteht.«176 Diese Botschaft bedeutet, hält man sich die Folie der revolutionären Proteste der vorangegangenen zwei Dekaden vor Augen, eine große Ernüchterung: Hinzunehmen ist, dass der Zustand der Hyperkomplexität unhintergehbar ist; dass kein Politiker die ultimative Strategie, kein Intellektueller eine universelle Antwort finden wird; ja dass es insgesamt keine zentralistische Steuerung der gesellschaftlichen Prozesse geben kann. Der Hinweis, dass ähnliche Ansichten und Statements woanders und von anderen in der Tat bereits Jahre zuvor verkündet wurden, wie Enzensberger andeutet, lässt sich dabei leicht bestätigen: »The dream is over«, sang John Lennon bereits 1970, also ungefähr zehn Jahre vor Enzensberger in seiner Anti-Hymne »God« auf seinem ersten Solo-Album nach der Auflösung der Beatles.177 »And so dear friends / you just have to carry on / the dream is over.« Lennons entschiedene Absage an Sinn- und Mythenstifter aller Art – »I don’t believe in Jesus / I don’t believe in Kennedy / I don’t believe in Buddha«, »I don’t believe in Elvis, / I don’t believe in Zimmerman«, also Bob Dylan – entspricht dabei in nuce Enzensbergers kritischer Betrachtung von »Charles Manson und Erich Fromm, John Cage und Ulrike Meinhof, Chiang Ch’ing und Arno Schmidt« als Heiligenfiguren politischer und künstlerischer Radikalität, denen in der »Walhalla der Kompromißlosigkeit« gehuldigt werde.178 Die historische Diagnose, die Enzensberger verkündet, ist gekoppelt an die Empfehlung, nunmehr den »Rückzug von unhaltbaren Positionen« anzutreten und sich von der »Sehnsucht nach den heroischen Zeiten« endgültig zu verabschieden.179 Die Zeit dafür sei schon längst reif. Linke wie rechte Kulturkritiker erscheinen Enzensberger heute nur noch als Witzfiguren – so zum Beispiel »Bernhard«, der für Enzensberger typische linksrevolutionäre Student: »Zart ist er, lieb, wir kennen doch unseren Bernhard, eine von diesen grünen Uniformjacken hat er an, obwohl er die Bundeswehr nicht ausstehen kann«.180 Aber auch die von Enzensberger mit konservativen Leit­figuren 90

wie Carl Schmitt, Ernst Jünger und Martin Heidegger verbundene Idee autoritärer Entschlossenheit sei mittlerweile nur noch als schwaches Echo im bundesrepublikanischen Einzelhandel zu hören, eine Profanisierung, an der sich das nationalistische Pathos zwangsläufig bricht: »Wir führen prinzipiell keine Massenware.«181 Die Leserinnen und Leser werden durch diese Passagen unter der Hand zum Verbündeten des Autors (»wir«), eine in der Tiefenstruktur des Textes angelegte, suggestive Überzeugungsarbeit – denn zu diesen peinlichen Verwaltern kulturkritischer Rest- und Altbestände will schließlich niemand gerechnet werden. Was auf den ersten Blick ausschließlich als negative Botschaft erscheint, wird von Enzensberger aber zugleich in eine positive Aussage umgemünzt, die die moderne Haltung eines negativ bewerteten Zerfalls in das nicht anders als postmodern zu bezeichnende Paradigma einer zu begrüßenden Vielheit überführt. Eben dies ist die Haltung, die Enzensberger mit seinem Essay vermitteln will: Die Verabschiedung vom ideologischen Dogmatismus geht mit dem Gewinn gedanklicher Freiheit einher, mit der »Freiheit, sich ungehindert zu bewegen«, dem »Vergnügen an der Phantasie«.182 Das Ende der Utopie und die Krise der Kritik sind auf dieser Folie unbedingt als eine Befreiung zu verstehen. Das argumentative Verfahren leuchtet bis zu diesem Punkt ein – von der Verweigerung der aktiven Teilhabe an einer voll­ kommen indifferenten öffentlichen Debatte über die Verabschiedung gefährlich vereinfachender Weltbilder und die Verdeutlichung einer hyperkomplexen Gesellschaft bis hin zur Verkündigung eines prinzipien- und positionslosen Denkens als angemessener Reaktion auf das Ende der Utopien und Ideologien. Ein Punkt bleibt jedoch offen. Es handelt sich um die Spannung zwischen dem Sprecher und seiner Kritik an intellektueller Deutungs- und Erklärungsvollmacht sowie dem Gesprochenen und dem darin greifbaren Anspruch, Aussagen von letzt- und allgemeinverbindlicher Gültigkeit verkünden zu wollen.

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Burn After Reading Nun, gewiss: Zwischen dem dogmatisierenden Welterklärungs­ habitus, den Enzensberger mit Blick auf eine politisch radika­ lisierte Vergangenheit verwirft, und dem essayistischen Plädoyer für ein Denken ohne Konsequenzen liegen Welten, nicht nur mit Blick auf den Akt der Vermittlung, sondern auch hinsichtlich des Vermittelten. Den genannten Widerspruch löst dies jedoch nicht auf: Die Tatsache, dass in diesem Text durchaus der Blick auf das Ganze geworfen wird, dass hier sehr wohl ein Intellektueller beansprucht, sich jenseits des allgemeinen Geredes und vereinfachender Weltbilder zu bewegen, zeitigt einen traditionellen Anspruch auf Distanz und Autorität, der mit der Kritik an eben diesem Anspruch konfligiert. Der Einwand, der sich aufdrängt, zielt in den Kern der Argumentation. Ebenso wie Jürgen Habermas Michel Foucault vorgehalten hat, »einen Sonderdiskurs in Gang zu setzen, der beansprucht, sich außerhalb des Horizontes der Vernunft abzuspielen, ohne doch ganz und gar unvernünftig zu sein«,183 ließe sich Enzensberger entgegnen, er wolle zwar den Intellektuellen in seiner hegemonialen Deutungs- und Erklärungsfunktion verabschieden, ohne sich dabei jedoch selbst mit einzubeziehen. Oder zugespitzter noch: Hält Enzensberger nicht auch dort noch an dem klassischen Paradigma der »Weltsicht«184 des Intellektuellen fest, wo er eben dieses aufkündigen will? Verkündet er nicht weiterhin die »Wahrnehmungs- und Bewertungskategorien von Welt, die Konstruktionsprinzipien von sozialer Welt, die Definition dessen, was wesentlich und was unwesentlich ist, was würdig ist, repräsentiert, dargestellt zu werden, und was nicht«?185 Enzensberger scheitert zweifellos an seinen eigenen Ansprüchen – nur scheitert er besser, weil er sich der Paradoxie seines Vorhabens bewusst ist, weil er dem Widerspruch zwischen dem proklamierten Verzicht auf Auktorialität und der Botschaft im Modus einer solchen Auktorialität eine argumentative Funktion zuweist. Welche Inhalte vermittelt der Intellektuelle mit seiner Rede? Keine letzte Wahrheit, die als Gegenstand einer Botschaft an die Erleuchteten dienen könnte, steht zur Debatte, sondern das Plädoyer für eine Haltung der fantasievollen Un92

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gebundenheit, die auf letzte Wahrheiten nicht mehr angewiesen ist. Die Pointe besteht also darin, dass der Intellektuelle noch ein letztes Mal den klassischen Modus der Distanz und Autorität bedient, um dadurch eine Haltung an die Leserschaft zu vermitteln, die eben diesen Modus im gleichen Atemzug unterläuft und zukünftig obsolet werden lässt. Ein Verfahren also, durch das sich zukünftige Bedürfnisse und Bestrebungen intellektueller Sinnstiftung bestenfalls erübrigen. Burn after reading. Der Hinweis auf jenen »Hauch Heine«, den Enzensberger seinen Leser anempfiehlt und den er sich überdies als »idealen Autor für Transatlantik« vorstellen könnte, wie er gegenüber Fritz Raddatz äußerte,186 erweist sich vor diesem Hintergrund als einschlägig. »Ein neues Lied, ein besseres Lied« verkündigt der Dichter seinen Lesern im emphatischen Hymnenton gleich zu Beginn seiner versepischen Satire Deutschland. Ein Wintermärchen.187 In diesem »Lied« werden religiöse, werden mythische und mythologische Modelle der Sinnstiftung nun aber so gründlich destruiert (»Das Eiapopeia vom Himmel«),188 dass lediglich das Hier und Jetzt als Ort einer nicht mehr sinnhaften, sondern bloß noch sinnlichen Erfüllung besungen werden kann: »Ja, Zuckererbsen für jedermann, / Sobald die Schoten platzen! / Den Himmel überlassen wir / Den Engeln und den Spatzen.«189 Der hymnenhafte Modus der Verkündigung wird in diesem Fall also dazu verwendet, das Modell kunstreligiöser Sinnstiftung durch die Dichtung und den Dichter – und zwar im Vollzug  – zu verabschieden. An die Stelle des geweihten Klopstock will Heine entsprechend ausdrücklich nicht treten. Er entzieht sich der Weihe durch sein Publikum, auch wenn sein »Bildnis« bereits »Lorbeer« umkränzt,190 und erwehrt sich damit hartnäckig jeglicher Form der Festschreibung.

* Gewendet auf den Modus intellektueller Sinnstiftung lässt sich festhalten: Dies gilt nicht minder für Enzensberger selbst und folglich auch für die Zeitschrift TransAtlantik. Sie ist das Medium eines Denkens und Schreibens, das sich von allen un93

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zulässig vereinfachenden Dichotomisierungen befreit hat; das sich von der Konsequenz als intellektuellem Maßstab ebenso losgesagt hat wie vom Bestreben, der intellektuellen Arbeit zwangsläufig auch Taten folgen zu lassen; das die erzählerische und essayistische Vermittlung an die Stelle der manifestartigen Verkündigung stellt; das sich in einem sehr grundsätzlichen Sinne als postideologisch versteht. Am wichtigsten aber scheint die prinzipielle Akzeptanz, die nüchterne Bejahung des gesellschaftlichen Ist-Zustandes, resultierend aus der Einsicht, dass sich hyperkomplexe Systeme einer grundsätzlichen und absichtsvollen, also revolutionären Veränderbarkeit immer schon entziehen. Auf die Grundierung dieser Ansichten durch Niklas Luhmanns Systemtheorie wurde bereits hingedeutet. Der zweite Theoretiker, dessen Schriften Enzensberger in dieser Phase seiner intellektuellen Biografie anhaltend studiert,191 wurde in diesem Buch ebenfalls genannt, nämlich Odo Marquard. Dessen 1981 bei Reclam erschienener Essayband trägt einen Titel, der Enzensbergers Position Ende der Siebziger-, Anfang der Achtzigerjahre und das Programm der Zeitschrift Trans­ Atlantik besonders treffend auf den Punkt bringt. Er lautet: Abschied vom Prinzipiellen.

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6. Kaffeetrinken mit Gaston Salvatore: Innenansichten Eine Fotostrecke, die bisher nur teilweise veröffentlicht wurde, gibt Einblick in den Arbeitsalltag der TransAtlantik-Redaktion und in ihre Räumlichkeiten, die sich in einem Bau aus den Fünfzigerjahren in der Scheinerstraße im Stadtteil Bogenhausen befanden. Aufgenommen wurden die Fotos von der ebenfalls in München ansässigen Fotografin Isolde Ohlbaum, die berühmt geworden ist durch ihre Porträtaufnahmen deutscher und internationaler Autorinnen und Autoren. Auf den Fotos sieht man eine größere Anzahl von Personen, die sich, darauf zumindest weisen die vor ihnen liegenden Materialien hin, über Fragen der Bildgestaltung unterhalten. Auf einem (auf der folgenden Doppelseite links oben abgedruckten) Bild ist die Redaktion fast vollständig anwesend. Von links nach rechts sieht man zunächst Hans Magnus Enzensberger, den Redakteur Michael Rutschky und die Herausgeberin ­Marianne Schmidt, die übrigens, was für die soziale Dynamik innerhalb der Redaktion vermutlich nicht unerheblich war, die Ehefrau des Verlegers Heinz van Nouhuys war. Neben ­Enzensberger, Rutschky und Schmidt stehen die Redakteurin Katharina Kaever, der Bildredakteur Bernd Bexte und der Redakteur Karl Markus Michel. Der einzige, der auf dieser Abbildung fehlt, ist Gaston Salvatore, der allerdings auf allen anderen mir vorliegenden Ohlbaum-Fotografien zu sehen ist. Eine klare Hierarchie unter den Mitarbeitenden ist auf den Fotos nicht zu erkennen, die Stimmung scheint ungezwungen, teilweise heiter, wenngleich durch und durch professionell. Die Kleidung der Fotografierten spiegelt dies wider: Die meisten tragen eine moderne Bürokleidung, die eine gewisse Lockerheit nahelegt, aber zugleich dem beruflichen Kontext unzweideutig Rechnung trägt. Blusen, Sakkos, offene Hemden, aber keine Kostüme, Anzüge und Krawatten. In der Redaktion der Frankfurter Allgemeinen sah dies Anfang der Achtzigerjahre vermutlich anders aus. 95

Szenen aus dem Innenraum der Redaktion

Fotostrecke von Isolde Ohlbaum

Ein gewisser Fokus liegt im Bildarrangement der meisten Fotos auf den Zeitschriftengründern und dabei insbesondere auf Enzensberger: Mehrfach ist er mittig als agierender Part in Szene gesetzt. Er spricht an, bewertet, kommentiert, während die anderen präsentieren, zuhören, danebenstehen. Welchen Eindruck vermitteln die Fotografien in der Zusammenschau? Zweifellos den eines kooperativen Arbeitsklimas, eines nicht un-, aber doch flachhierarchischen Teamworks. Den Aufnahmen von Ohlbaum ist eine weitere Quelle als Kontrast an die Seite zu stellen. Der 2015 erschienene Band Mitgeschrieben von Michael Rutschky enthält Aufzeichnungen aus seiner Zeit bei TransAtlantik – und ist für diese Abhandlung von großem Wert, denn Rutschky ermöglicht einen ebenso subjektiven wie unverstellten Blick in den redaktionellen Betriebsraum der Zeitschrift. Vor allem schildert er die informellen Strukturen zwischen den Mitwirkenden, den Alltag des Zeitschriftenmachens und die wesentlichen Konfliktlinien zwischen den Zeitschriftengründern, der Herausgeberin und anderen am Redaktionsprozess beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Dabei zeigt sich: So gelassen und gemeinschaftlich wie auf den Fotos von Ohlbaum gestaltete sich die redaktionelle Zusammenarbeit nicht immer, und sicher ist es nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass Rutschkys Name im April 1982 aus dem Impressum verschwand (und durch den Gundolf S. Freyermuths ersetzt wurde).

Warum nur so depressiv? Die Konfliktlinien innerhalb des Redaktionsteams zeigen sich beispielhaft in Rutschkys Einträgen vom März 1981. Es geht um »Enzensbergers Essay wider die Konsequenz«, von dem hier bereits die Rede war, genauer um dessen Lektorat. Enzensberger beginne seinen Essay, schreibt Rutschky, der übrigens in seinem Buch von sich selbst ausschließlich als »R.« spricht, mit einigen wörtlichen Reden. Sie verschwanden aber im Satz; die Apostrophe am Satzanfang […] hätten die Heraus98

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geberin gestört, Augenpulver. Doch muss man die wörtliche Rede markieren, sonst verwirrt sich der Text. Im Vollgefühl dieser Wahrheit ruft R. die Herausgeberin an  – und ist plötzlich heiser. Worauf sie sich räuspert.192 Wer tritt in dieser Szene auf? Zunächst ein mit Lektorats- und Korrekturarbeiten befasster Redakteur, der sich dem ihm anvertrauten Text, seiner inneren Logik und Kohärenz zuallererst verpflichtet fühlt; und dann eine, wie es scheint, unabgesprochen in die Redaktionsarbeit eingreifende Herausgeberin, deren Augenmerk vor allem der äußeren Textgestalt und der Lesefreundlichkeit gilt. Die Konstellation ist schwierig. Eine konstruktive Abstimmung zwischen den Beteiligten scheint nicht möglich. Der Redakteur verfällt bei seinem Protestanruf in Heiserkeit, er kann das »Vollgefühl« der »Wahrheit«, das ihn kurz zuvor noch durchdrang, nicht artikulieren, während die Herausgeberin nichts anderes als ein eher genervtes als verlegenes Räuspern hervorbringt. Das typografische Problem, das eigentlich zu lösen gewesen wäre, wird nicht einmal angesprochen. Einerseits wird eine konstruktive Zusammenarbeit durch ein Machtgefälle verhindert, das sowohl im autoritären Hineinredigieren der Herausgeberin als auch im Sprachverlust des Redakteurs zum Ausdruck kommt. Andererseits bestehen zwischen den Beteiligten auseinandergehende Auffassungen darüber, was einen gelungenen Text ausmacht: seine typografische Lesefreund­ lichkeit oder seine formale Korrektheit und argumentative Stringenz. Bezeichnend ist diese Szene insofern, als sie den Charakter der Redaktionsarbeit, wie ihn Rutschky in seinem Buch schildert, en miniature zur Anschauung bringt. Wer die Notate im Ganzen liest, wird schnell bemerken, dass die an TransAtlantik Mitwirkenden eigentlich nie an einem Strang ziehen. Spricht man mit der ehemaligen Redakteurin Katharina Kaever, heutige Enzensberger, ist unumwunden die Rede von einem »Kulturkampf«.193 In diesem Kampf vertritt die Herausgeberin vornehmlich die ökonomische Seite und nimmt entsprechenden Einfluss auf die Inhalte und die Gestaltung der Zeitschrift. 99

Dies zeigt sich eklatant in der Degradierung des Art Directors Bernd Bexte im Januar 1982, die laut Rutschky damit begründet worden sei, dass die von ihm beschafften Titelbilder allzu »depressiv« anmuteten. Darüber hinaus und jenseits der Ästhetik gehe ihm bezogen auf das Münchener Gesellschaftsleben jeder Einsatz ab: Bei einem gemeinsamen Besuch in Harry’s New York Bar hätten die Herausgeberin und der Verleger ihm verkündet, berichtet der frisch Entlassene, dass in ihr »alles« stattfinde, »was für die Zeitschrift wichtig ist«. Die trotzige Reaktion des Geschassten gibt Rutschky ebenfalls wieder: »Wenn das der Preis ist, schimpft Bexte, diese regelmäßigen, ewig währenden Bar-Besuche, dann ist er ihm zu hoch!«194 Diese Äußerung ist weniger nebensächlich, als es auf den ersten Blick scheint. Sie deutet darauf hin, dass Harryʼs New York Bar als eine Art erweiterter Redaktionsraum diente, mehr noch, dass Bar und Zeitschrift in einem besonders engen, wenn auch nicht konkret bestimmten Verhältnis zueinander standen – so zumindest sehen es Herausgeberin und Verleger. Ganz allgemein scheint es ihnen um die urbane Atmosphäre der Bar, um ihre vielstimmige Lebendigkeit zu gehen. In dieser Hinsicht mag gerade Harry’s New York Bar in der Falkenturmstraße von besonderer Anziehungskraft gewesen sein: 1974 von einem ehemaligen US-Soldaten und Moderator eines Militärsenders namens Bill Deck gegründet, handelt es sich um die erste klassische American Bar in München. Elegant und kosmopolitisch erscheint sie wie die gastronomische Entsprechung der Zeitschrift TransAtlantik. Dazu nur als Randnotiz: Einer der in Harry’s New York Bar angestellten Barkeeper war Charles Schumann, der seinerseits 1982 eine Bar eröffnete, die bis heute besteht und schon längst zur Münchener Legende geworden ist: das Schumann’s. Wie eng auch dieser Ort mit TransAtlantik verbunden war, lässt sich einem Interview entnehmen, das der Inhaber im Jahr 2016 anlässlich seines 75. Geburtstags der Welt gegeben hat: »Bei uns verkehrten Heinz van Nouhuys, Hans Magnus Enzensberger und Marianne Schmidt von der Zeitschrift ›Trans­Atlantik‹. Das waren tolle Gäste.«195 Außerdem lässt sich aus einem 2011 unter dem Titel Hommage an einen Chef veröffentlichten Band 100

Wo alles geschieht: Harry’s New York Bar in der Münchener Falkenturmstraße

erschließen, wie bedeutsam die Bar insbesondere für Enzensberger werden sollte, und zwar weit über die Jahre bei Trans­ Atlantik hinaus. Unter vielen anderen persönlichen Lobpreisungen zum Beispiel vom Hanser-Verleger Michael Krüger oder vom Filmkritiker Michael Althen findet sich darin unter dem Titel »Mehr oder Weniger« ein von Enzensberger verfasstes Gelegenheitsgedicht: »Die Autobahn ist wieder frei. / Die Gäste gehen.  / Der Barkeeper darf endlich ins Bett.  / Noch mehr, noch weniger  / verspricht nur der Buddha:  / die vollkommene Leere.«196 Diese auf den ersten Blick nur anekdotisch wirkenden Befunde lassen sich ideenhistorisch kontextualisieren, denn die Relevanz der Bar ist für das intellektuelle Leben gerade in den frühen Achtzigerjahren nicht zu unterschätzen. Während die politisierten Sechziger- und Siebzigerjahre die Wohnungen zum »Labor der Kollektive, Kommunen und Wohngemeinschaften« erhoben und darin eine »Antizipation der befreiten Gesellschaft« zu erkennen meinten, beginnt ab den späten 101

Siebzigerjahren unter Intellektuellen »die Zeit des großen Nachtlebens«  – so zumindest schildert es Philipp Felsch in Bezug auf Berlin, aber es lässt sich auf die Münchener Szene im Prinzip übertragen. Auch dort haben sich, wie sich Rutschkys Schilderungen entnehmen lässt, die Grenzen »zwischen Ausgehen und Arbeiten« erkennbar verwischt. Auf die kulturellen Voraussetzungen dieser Entwicklung geht Felsch in seinen Ausführungen ebenfalls ein: Die »Ausgehfreude« sei möglicherweise »eine Kompensation für das Gefühl, am Ende der Geschichte angelangt zu sein«. Man genießt seine Drinks sozusagen auf dem »Trümmer verlorener Gewissheiten«.197 Ob diese Aussage auf den Verleger, die Herausgeberin, die Redaktion von TransAtlantik zutrifft, muss dahingestellt bleiben; mit Enzensbergers intellektueller Position nach dem Untergang der Titanic scheint sie immerhin gut zusammenzustimmen. Doch geht es Felsch nicht in erster Linie um bewusste Praktiken und konkrete Individuen. So gesehen lässt sich zumindest eines mit Gewissheit festhalten: Wenn Rutschky die Aussage wiedergibt, dass in Harry’s New York Bar »alles« stattfinde, »was für die Zeitschrift wichtig ist«, so gehören dazu sicher keine Hegel-Lektüre und neomarxistische Theoriearbeit.

Plaudern, seufzen, rauchen Wie bereits gesehen, ist die Herausgeberin eng in das operative Redaktionsgeschäft eingebunden. Im Kontrast dazu treten die mit einem »Vetorecht« ausgestatteten Zeitschriftengründer bei Rutschky als die »hohen Herren« in Erscheinung, die der Redaktion nur eher selten ihre Aufwartung machen und deren Anwesenheit stets wenig förderlich ist.198 Im Juli 1981 schildert Rutschky die Situation in einem vertraulichen Gespräch mit seinem Freund Rainald Goetz, der selbst zum erweiterten Mitarbeiterkreis von TransAtlantik gehört: »Gestern und vorgestern«, erzählt R., »machten mich die Konferenzen wieder richtig krank.«  – »Warum?«, fragt Goetz.  – »Ich weiß auch nicht, es muss das Phantasieren 102

sein, das wir andauernd betreiben, Tagträume, Größenideen. Gaston Salvatore liest von seinem Notizblock mit dem Hilton-Logo die Themen ab, die ihm so eingefallen sind und die jetzt die Autoren gefälligst zu bearbeiten hätten. Enzensberger und Salvatore halten nichts von der Herausgeberin, die schweigend zuhört, und die Herausgeberin hält nichts von Enzensberger und Salvatore als Blattmacher.« – »Weil sich die Zeitschrift nicht verkauft.« – »So ist es.«199 Nein, hier greift kein Rad in das andere: Enzensberger und Salvatore schildern ihre Einfälle und Ideen, ohne sich um jene wirtschaftlichen Belange zu sorgen, die wiederum für die Herausgeberin von drängender – und offenbar allzu berechtigter – Relevanz sind. Von den schlechten, bald sogar bedrohlich schlechten Verkaufszahlen und daher umso notwendigeren Sparmaßnahmen ist in Mitgeschrieben immer wieder die Rede. Derweil stehen die übrigen Redaktionsmitglieder, die irgendwie umsetzen sollen, was sich die Zeitschriftengründer vage erdacht haben, frustriert zwischen den beiden Parteien. Überhaupt seien die Redakteure, so bemerkt Rutschky, »die einzigen, die richtige Arbeit haben«, während die »Herren« nichts Besseres zu tun haben, als sie bei ihrem Tun zu behindern: Gaston Salvatore sitzt herum, telefoniert ein bisschen, blättert in Zeitschriften, plaudert mit Frau K. [Katharina Kaever, K. S.], raucht, seufzt, geht nach oben in das Zimmer von Elli Ettlich [die der im selben Gebäude untergebrachten Redaktion von Photo angehört, K. S.], trinkt dort Kaffee, plaudert, seufzt, raucht, blättert in Zeitschriften. Dann dasselbe wieder unten. Am Nachmittag, Elli Ettlich bringt R. sein Englisch-Wörterbuch zurück, kommt er in dessen Zimmer, legt Elli Ettlich den Arm um die Schultern und fragt weich-gequält: »Elli? Gehen wir nach oben? Kaffee trinken?«200 Der komische Effekt dieser Schilderung sollte über die machtbetonte Geste nicht hinwegtäuschen: Wer darf es sich 103

nehmen, wen so von der Arbeit abzuhalten? Rutschky protokolliert das Verhalten eines Vorgesetzen gegenüber abhängig beschäftigen Mitarbeitern, nein, ausdrücklich gegenüber Mitarbeiterinnen, denn natürlich spielt das Geschlechterverhältnis eine nicht unbedeutende Rolle bei der geschilderten Konstellation. Verschärft wird die Arbeitsbehinderung noch dadurch, dass jene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unter dem ständigen »Druck des Redaktionsschlusses«201 stehen, wie Rutschky betont, während die Zeitschriftengründer offenbar über eine sehr viel größere Zeitflexibilität verfügen – und höchstwahrscheinlich über ein ganz anderes Gehalt.202 Die schwierigen Machtverhältnisse und persönlichen Unstimmigkeiten innerhalb der Redaktion spiegeln sich bereits in den Anredeformeln wider, die »anhaltend ungeklärt« seien, wie Rutschky bemerkt. Er geht auf diesen symptomatischen Aspekt ausführlich ein: Im Allgemeinen gilt – das hatte wohl Enzensberger eingeführt – Vorname und »Sie«, der angloamerikanische Brauch. Frau K. freilich hat dafür gesorgt, dass sie sich mit allen duzt –, außer mit R. –, auch mit der Herausgeberin, dem Verleger und Elli Ettlich, der Redakteurin von Photo. Ausgenommen ist Jürgen Fels (ebenfalls Photo), mit dem Frau K. ausdauernd einen Kabbelflirt unterhält; und Christel Doppler, die Redaktionssekretärin, bei der sie sich, wie bei R., an die Grundregel hält. Daran hält sich auch Karl Markus Michel – ausgenommen bei Frau K. und, natürlich, bei seinem alten Freund Enzensberger – Michel, den wie diese »Carlos« zu nennen R. strikt vermeidet. […] Und wieso trägt R. zur Verunklarung bei? Indem er sich sowohl gegenüber Frau K. als auch gegenüber Michel weigert, von »Magnus« zu sprechen – wie der Usus gebietet –, und anhaltend »Enzensberger« sagt.203 Die generelle Regel, der zu einer Zeitschrift namens Trans­ Atlantik passende »angloamerikanische Brauch«, taugt offenbar nicht viel. Er wird durchkreuzt von Duzbeziehungen, die entweder schon vor Einführung der Regel bestanden oder 104

später in die Wege geleitet wurden, was mit entsprechenden, zum Teil wohl auch beabsichtigten Ausschlusseffekten einhergeht. Auch Rutschkys Festhalten am eigentlich unverfänglichen »Enzensberger«, wo die Regel ein »Magnus« verlangt, ist in der Gesamtkonstellation zeichenhaft: Unzweifelhaft geht es ihm um eine klar artikulierte Ablehnung der verordneten Halb­intimität, die sich mit der erbetenen Anredeform verbindet, und sicher auch um eine persönliche Abgrenzung von seinem Vorgesetzen, der in Mitgeschrieben insgesamt nicht gut wegkommt. In seinem Rückblick aus dem Jahr 2000 geht Rutschky sogar so weit, ihm vorzuwerfen, durch sein übergroßes Ego eine erfolgreiche Arbeit im Kollektiv verhindert und dadurch das Scheitern der Zeitschrift befördert zu haben: »TransAtlantik sollte die Westdeutschen dahingehend schulen, dass sie Enzensberger ähnlich wurden, weltläufig, ironisch, zivilisiert, urban. Das Problem in der Redaktion war nur, dass hier ausschließlich Enzensberger wie Enzensberger war und sich entsprechend verhalten konnte.«204 Nun sollte man Aufzeichnungen wie die in Rutschkys Mitgeschrieben hermeneutisch gewiss nicht überstrapazieren, zumal davon auszugehen ist, dass es für die Publikation nachträgliche Bearbeitungen, Ergänzungen und Streichungen gegeben hat. So perspektiviert handelt es sich nicht um einen authentischen Augenzeugenbericht, sondern um ein Erinnerungsbuch aus dem Jahr 2015, das auf der Grundlage von Notaten aus den frühen Achtzigerjahren entstanden ist. Und in hohem Maße subjektiv sind die Journale obendrein: Spricht man heute mit Katharina Enzensberger oder Gundolf Freyermuth, der als Rutschkys Nachfolger in die Redaktion eintrat, verschweigen sie die Spannungen im Redaktionsalltag zwar ebenfalls nicht. Aufs Ganze gesehen fallen ihre Erinnerungen aber deutlich positiver, zum Teil auch konträr aus, was etwa die Rolle Salvatores betrifft: Entgegen dem von Rutschky gezeichneten Bild beschreibt etwa Freyermuth ihn als die treibende Kraft im Hinter­grund, als denjenigen, der Autoren und Autorinnen akquiriert, die oft schwierige Kommunikation mit dem Verlag organisiert und sogar Enzensberger zum Schreiben seiner Essays animiert hat. Zurückzuführen sei der negative Zug in Rutsch105

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kys Schilderungen wohl nicht zuletzt darauf, so Freyermuth, dass dieser bei TransAtlantik »tragisch gescheitert«205 sei. Und doch, das heißt trotz dieser Vorbehalte, ist Rutschkys Buch für diese Abhandlung ein zentrales Dokument, weil es einen zumindest punktuellen Einblick in das gewährt, was sich der wissenschaftlichen Beobachtung meist verschließt: in den Alltag des Redaktionsbetriebs, die Organisationsstrukturen, in Machtverhältnisse und informelle Umgangsformen, das Verhältnis von Programmatik, Ökonomie und journalistischer Praxis.

* Neben Rutschkys Aufzeichnungen von 2015 gibt es noch ­einige weitere hochkarätige Quellen, die ebenfalls am ›postumen‹ Image von Trans­Atlantik mitgeschrieben haben (und ja, es ist gut vorstellbar, dass Rutschky selbst die Mehrdeutigkeit seines Titels einkalkuliert hat). Ich will sie in den folgenden drei Abschnitten vorstellen, um so den Ansatz und die Ausrichtung der Zeitschrift noch etwas genauer zu entschlüsseln. Außerdem geht es mir darum, drei erste Bausteine für eine künftig zu schreibende umfassende Wirkungsgeschichte der Zeitschrift in Literatur und Journalismus zu präsentieren. Erschienen sind die ausgewählten Dokumente, als TransAtlantik bereits Geschichte war – oder zumindest kurz davor stand, es zu werden. Im Einzelnen handelt es sich um den Bericht einer teilnehmenden Beobachtung am Kulturherbst des Jahres 2008, den Rainald Goetz unter dem Titel loslabern unter ausdrücklicher Bezugnahme auf eine seiner Arbeiten in TransAtlantik veröffentlicht hat; dann um eine 2009 in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung abgedruckte Moralische Geschichte von Maxim Biller, die sich polemisch mit einer TransAtlantik-Reportage von Irene Dische befasst; schließlich um einen Nachruf auf TransAtlantik, den Gundolf Freyermuth 1991, also unmittelbar vor Erscheinen der allerletzten Ausgabe, für die Zeitschrift Tempo geschrieben hat. Aufschlussreich sind diese Quellen, die in den folgenden Ausführungen jeweils ganz oder teilweise zitiert werden, aber 106

noch in anderer Hinsicht. Aus drei unterschiedlichen Perspektiven – der involvierten Sicht des ehemaligen Redaktionsmitglieds, der mittleren Distanz eines früheren Beiträgers und der außenstehenden Beobachtung eines Kritikers – thematisieren sie Aspekte, die für die Zeitschrift jeweils im Ganzen symptomatisch sind: Während Freyermuth den publizistischen Zeitgeist-Charakter hervorhebt, deutet Goetz’ Reminiszenz auf die Funktion der Zeitschrift in gegenwartsliterarischem Kontext hin. Biller hingegen befragt die programmatische Liberalität der Zeitschrift, um ihr, erzählerisch gebrochen, einen Mangel an moralischer Bodenhaftung zu attestieren.

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7. Loslabern mit Rainald Goetz: Literarisches Die Nähe zum Literarischen, die Orientierung an literarischen Schreibweisen, ist für TransAtlantik konstitutiv. Der Essay, die Reportage, das Porträt, die Glosse werden von den Zeitschriftengründern, so lässt sich ihrem Konzeptpapier von 1979 entnehmen, ausdrücklich als »Prosaformen« begriffen. Entsprechend gehörten neben teils etablierten, teils aufstrebenden Journalisten (von Hellmuth Karasek, Ulrich Greiner und Vera Graaf bis Angelika Overath, Michael Sontheimer und Tilman Spengler) besonders viele Autorinnen und Autoren zum Mitarbeiterkreis, die sich im unscharfen Grenzbereich von Literatur und Journalismus bewegten. Dies zeigt eine nur ausschnitthafte Nennung einiger Beiträger, die teilweise noch heute zu den Protagonisten der Gegenwartsliteratur gehören; ihren Namen füge ich in Auswahl die Titel ihrer Beiträge für TransAtlantik bei: Lars Gustafsson: »Audienz beim Regenkönig«, 12 /80; Adolf Muschg: »Die australischen Krawalle. Eine Rede an die Züricher Bürger«, 3 /81; Peter Schneider: »Die Botschaft des Pferdekopfs. Eine brasilianische Reise«, 5 /81; Irene Dische: »Brief von den Azoren«, 10 /81; »Raketen auf der Weide. Über die Friedensbewegung im Wilden Westen«, 2 /82; Wilhelm Genazino: »Brief aus Kairo«, 6 /81; »Alphabet: In Frankfurt«, 10 /81; Hanns-Josef Ortheil: »Erkundungen im Landesinneren«, 7 /81; Rainald Goetz: »Reise durch das deutsche Feuilleton«, 8 /81; Bodo Kirchhoff: »Skat in Addis Abeda. Eine gesamtdeutsche Auftragsarbeit«, 8 /81; 108

Eva Demski: »Nähen für Deutschland. Ein Fabrikbesuch in Singapur«, 9 /81; Jörg Fauser: »Sahne! Zucker! Rock! Ab geht die Post mit Achim Reichel«, 5 /82; Christoph Ransmayr: »Kaiserin Zitas Weg in die Kapuziner­ gruft«, 11 /82; Martin Mosebach: »Advokaten. Fünf Frankfurter Karrieren«, 12 /82. Die damaligen Großautoren der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur sucht man in dieser Liste vergeblich; allenfalls wenige der Genannten dürften der zeitgenössischen Leserschaft von TransAtlantik bereits ein Begriff gewesen sein. Zu ihnen gehörten vermutlich Peter Schneider (seine zum Kultbuch gewordene Erzählung Lenz war bereits 1973 erschienen), Lars Gustafsson (dessen ursprünglich auf Schwedisch verfasster Gedichtband Die Maschinen in einer von Enzensberger besorgten Übersetzung 1967 in Deutschland herausgekommen war), Adolf Muschg (der Mitte der Sechzigerjahre mit seinem Roman Im Sommer des Hasen debütiert hatte) oder Wilhelm Genazino (der mit seiner Abschaffel-Trilogie zwischen 1977 und 1979 literarisch in Erscheinung getreten war). Jörg Fauser war Anfang der Achtzigerjahre nicht nur Autor bei der benachbarten Lui, sondern zudem eine Art Household Name für Underground-Literatur: Seine legendäre Biografie über Marlon Brando war 1978 erschienen. Eine größere Zahl der literaturnahen Autorinnen und ­Autoren aber, die man für TransAtlantik gewinnen konnte, war Anfang der Achtzigerjahre eher unbekannt. Rainald Goetz etwa veröffentlichte einen seiner ersten Texte überhaupt in TransAtlantik (der Debüt­roman Irre erschien dann 1983, in genau dem Jahr also, in dem er sich auf der Bühne des Ingeborg-BachmannPreises die Stirn aufschnitt und daraufhin vom Spiegel zum »medialen Sieger von Klagenfurt«206 erkoren worden war). Ebenfalls 1983 kam mit Das Bett der Debütroman von Martin Mosebach heraus. Christoph Ransmayr hingegen wurde einer breiteren Öffentlichkeit erst mit dem Roman Die Schrecken 109

des Eises und der Finsternis von 1984 als literarischer Autor im starken Sinne bekannt. Bodo Kirchhoff hatte 1979 bei Suhrkamp sein Debüt, die Novelle Ohne Eifer, ohne Zorn, veröffentlicht. In eben jenem Jahr war auch Eva Demskis Erstlingsroman Goldkind erschienen. Hanns-Josef Ortheil hingegen war bereits als Wissenschaftler und Journalist tätig, bevor er seinen ersten Beitrag für TransAtlantik schrieb, aber ebenfalls erst 1979 mit seinem Roman Fermer literarisch hervorgetreten. Wenn Enzensbergers und Salvatores Zeitschrift in epochaler Hinsicht ein Aufbruch und Neuanfang sein sollte, so war er es in personeller Hinsicht also allemal. Anders als die Zeitschriftengründer selbst, deren publizistische Biografien bis in die sechziger, im Falle Enzensbergers sogar bis in die späten Fünfzigerjahre zurückreichten, waren die von ihnen ausgewählten Beiträgerinnen und Beiträger noch weitgehend unbeschriebene Blätter, sowohl journalistisch als auch literarisch und nicht zuletzt politisch. Hält man sich überdies das bemerkenswerte Standing vor Augen, das viele von ihnen in späteren Jahren erlangen sollten (erwähnt seien nur die Auszeichnungen ­Wilhelm Genazinos, Martin Mosebachs und Rainald Goetz’ mit dem höchsten deutschen Literatur-, also dem Georg-Büchner-Preis), so gewinnt man den Eindruck von TransAtlantik als einem wichtigen publizistischen Entwicklungsort für Gegenwartsliteratur. Für niemanden unter den Genannten gilt dies allerdings so entschieden wie für Rainald Goetz. Hervor geht das aus seinem fast dreißig Jahre später unter dem Titel loslabern veröffentlichten Bericht über den Kulturherbst des Jahres 2008. Ausdrücklich als ›Wiederholung‹ dessen, was er für TransAtlantik einst getan habe, beschreibt Goetz sein aktuelles Vorhaben. Wie damals unternehme er heute eine »Reise durch das deutsche Feuilleton«, liest man da, nur dass sie ihn anders als damals nicht durch die großen Kulturredaktionen des ganzen Landes führt. loslabern protokolliert neben der Buchmesse einen Empfang der Frankfurter Allgemeinen in Berlin und ein Abendessen für den befreundeten Künstler Albert Oehlen. Was für ein Anliegen verbindet Goetz damit? Als zweiter Band des über110

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greifenden Buchprojekts Schlucht ist loslabern der Versuch, zu erkunden, so liest man im Klappentext, »was die Nullerjahre für eine Zeit gewesen waren«. Dies ist der Abschnitt, in dem von Goetz’ Besuch auf der Buchmesse und explizit von TransAtlantik die Rede ist: Es war wie früher, wie immer, EUPHORIN pur. Ich dachte seit langem zum ersten Mal wieder an meine erste Buchmesse, wo die Enzensberger-Zeitschrift Trans-Atlantik und der für mich zuständige Redakteur Michael Rutschky meine Anlaufpunkte waren, meine Reise durch das Deutsche Feuilleton, die ich hier jetzt ja quasi am Wiederholen war, war noch in Arbeit oder schon erschienen, keine Ahnung, Fauser stand irgendwo in der jetzt jüngst wieder überall reportierten Grimmigkeit des harten Trinkers und echten Mannes an eine dicke Säule gelehnt, daneben Gaston Salvatore, das maximale Gegenteil dazu, Enzensberger war ein junger Mann von Anfang 50 vielleicht, und ich war der Knabe, o ja, da ich ein Knabe war, gerettet, Hölderlin, Moment, ich musste meine Buchmesseneintrittskarte herausfummeln […].207 Goetz vollzieht mit diesen Zeilen eine Kontextualisierung seines Berichts im werkbiografischen Zusammenhang. Wer erfahren will, wie er zu dem Autor wurde, zu dem er 2008 geworden war, muss demnach in TransAtlantik hineinblättern, genauer in die Augustausgabe von 1981, in dem die in loslabern erwähnte »Reise durch das deutsche Feuilleton« erschienen ist. Beachtenswert im Rahmen meiner Abhandlung ist dabei besonders, wie sich die Reportage zur Programmatik der Zeitschrift verhält – und wie sie in Goetz’ Schreiben fortwirken sollte.

In heiligen Bezirken Zu Beginn seiner Reportage beschreibt sich Goetz als den größten Fan des deutschen Feuilletons. Es ist eine ob ihrer ausgestellten Kleinheit fast anrührende Geste: ›Wer bin ich, Rainald Goetz, schon gegen einen Fritz J. Raddatz, einen J­ oachim 111

Wolfram Schütte (l.) und Wolfgang Ignée (r.)

Kaiser, einen Marcel Reich-Ranicki gar?‹ Die Reise, die er von Frankfurt aus unternehmen wird, soll dennoch mehr sein als ein bloßes Meet & Greet. Er wolle sie »persönlich kennenlernen«, jene »Herren«, »denen er, seit er denken kann, seine Orientierung verdankt: welche Bücher gelesen werden müssen, welche Schriftsteller der Bewunderung wert sind, daß überhaupt die Literatur ein heiliger Bezirk ist«.208 Die erzählerische Fallhöhe für das Kommende ist damit erzeugt: Welcher der Kritiker – es sind tatsächlich ausschließlich Männer – wird der Bewunderung des Besuchers standhalten? Und welche persönlichen Enttäuschungen wird die Reise mit sich bringen? Goetz’ erste Station ist die Feuilleton-Redaktion der Frankfurter Rundschau, wo er den Literaturkritiker Wolfram Schütte trifft. Der Berichterstatter zitiert ausführlich aus dessen langen, bierernsten Monologen, in denen sich eine »rückhaltlose Verachtung alles Modischen« artikuliere. O-Ton Schütte: »Die 112

Karikaturen von Hans Hillmann

Utopievorstellungen sind am Ende. Das gehört zum modischen Klimawandel. Die Blochsche Philosophie steht in lächerlichem Ruf. Da gibt es nur zwei Möglichkeiten: mitmachen oder nicht. Es gilt, linke Positionen zu halten.« Der ­Besucher ist verwundert und desillusioniert: Was ist bloß aus den Achtundsechzigern geworden? »Nur das verbissene Festhalten kritischer Posi­tionen?« Eine Karikatur von Hans Hillmann auf derselben Seite zeigt Schütte als Aufziehmännchen, darüber sein zinnsoldatiger Satz: »Es gilt, linke Positionen zu halten.« Es ist ein böser Witz – und eigentlich eine regelrechte Verhöhnung.209 Was für Goetz nach dem Besuch bei der Frankfurter Rundschau bleibt, ist ein Gefühl des Gequältwordenseins, und zwar »durch das Pessimistisch-Miesepetrige« einer aus der Zeit gefallenen »linken Attitüde«.210Außerdem regen sich in ihm erste Zweifel am Sinn und Zweck seines Vorhabens: »Ist denn das Feuilleton, das er jahrelang gierig und gläubig gelesen hatte, überhaupt noch sein Thema?«211 113

Es folgt ein Besuch bei der Stuttgarter Zeitung, der ebenfalls nicht dazu angetan ist, der aufkeimenden Skepsis entgegenzuwirken. Der Kulturredakteur der Zeitung, Wolfgang Ignée sein Name, ist ein redseliger Mann, der, so gibt er freimütig zu, für eine Universitätskarriere nicht ehrgeizig und für eine Schriftstellerexistenz nicht mutig genug gewesen sei. Eine durch und durch mediokre Existenz also. Als der Befragte das »Unbehagen« spürt, das sich in seinem Besucher ausbreitet, kommt er auf seine berufliche Sendung zu sprechen: »Ich will die Welt von meinen Über­zeugungen überzeu­gen«. Dass es sich dabei um ein vergebliches Unterfangen handelt, räumt er allerdings im selben Atemzug ein: »Ich glaube nicht, daß ich irgend etwas – nun ja, sicherlich, wir haben eine Wirkung, aber wir können die Wirkung nicht berechnen. Wir bringen auch nicht die Wahrheit aufs Tapet« – und so weiter.212 Wiederum fungiert eine Karikatur Hillmanns als witziger und desavouierender Kommentar: Wir sehen Ignée hinter einem auf einem flachen Podest aufgestellten Schreibtisch. Alles ist am Zerbrechen und Zerfallen, so auch der versteinerte Kritiker selbst. Darunter sein im Zusammenhang mit der Zeichnung bloß noch albern wirkender Satz: »Ich will die Welt von meinen Überzeugungen überzeugen.« Auf der Weiterfahrt im Zug denkt Goetz über seinen Besuch bei Ignée nach: »Ist dieser Mann einfach eine lächerliche Figur? Woher kommt es, daß er sich, Ende vierzig, schon mit halber Seele auf sein Altenteil zurückgezogen hat?«213 Es folgt jener Besuch auf der Frankfurter Buchmesse, von dem Jahrzehnte später in loslabern die Rede sein wird. Zwar reagiert Goetz zunächst euphorisch: »Hätte er nur mehr Zeit als diesen einen Tag; was er hier alles entdecken könnte!«214 Der begeisterte Ersteindruck erübrigt sich allerdings schnell. Goetz begegnet kleinkrämerischem Kritikergerede und indiskretem Betriebsgelaber, bemerkt exzessiven Alkoholkonsum und chauvinistisches Herumgegrabbel. Am Ende ist der Besucher überzeugt: »Auf der Buchmesse hat sich ihm der Literaturbetrieb von seiner wahren Seite gezeigt. Etwas höchst Abstoßendes ist zum Vorschein gekommen, ekelhafte, kaputte, miese Typen.« Für den Rest seiner Reise gelte es, »vorsichtig« zu sein; er habe nun schließlich »hinter die glänzende Fassade geblickt«.215 114

Scharf leben Eine gewisse, zumindest punktuelle Versöhnung mit dem Literaturbetrieb stellt sich während seines Gesprächs mit dem Feuilleton-Chef der Zeit ein. Sich vor seinem Besucher vergnüglich selbst in Szene setzend, dabei lebendig, witzig und gänzlich unverbissen monologisierend bildet Fritz J. Raddatz den exakten Gegensatz zu Schütte und Ignée, ja selbst dem Gerede und Gebaren auf der Buchmesse, das auf Goetz so abstoßend wirkte, begegnet er als gelassener »Routinier«: »Das nehme ich nicht so ernst«, gibt er Raddatz wieder, »das soll sogar so sein. Literaten lieben es eben, zu klatschen und zu intrigieren. Wer hat gestern mit wem geschlafen, das ist das Schönste  – oder nicht geschlafen, das ist noch viel schöner.« Der Besucher fühlt sich in Raddatz’ Gegenwart, wie er schreibt, »heiter und leicht«.216 Besonders die lustvolle Weltgewandtheit und der zweckdienliche Hedonismus des Kritikers scheinen Goetz zu imponieren. Wieder zitiert er sein Gegenüber: »Ich kann ja morgen nach Paris fliegen und mich mit jemanden über die Nouvelle Droite unterhalten, oder morgen nach New York oder was weiß ich. Das ist ja auch für einen selbst, nicht nur für die Zeitung, eine tolle Sache.« Die Arbeit steht für Raddatz im Kontext dessen, was er nicht ohne Stolz sein »scharfes Leben« nennt. Der Besucher, von sich selbst in der dritten Person sprechend, fühlt sich geradezu »entwaffnet«: »Daß sich offene Eitelkeit als Selbstironie darstellen kann, gefällt ihm sehr.«217 Deutlich schwieriger erweist sich demgegenüber der Besuch bei Marcel Reich-Ranicki, der Goetz in seiner Wohnung, also nicht in den Redaktionsräumen der Frankfurter Allgemeinen empfängt. Der mürrische Kritiker begegnet seinem Gast mit »Kälte«,218 mehr noch, er scheint ihn einer »Prüfung«219 unterziehen zu wollen. Eingeschüchtert zieht sich Goetz auf die Rolle eines »konventionellen Interviewers« zurück, »der genau die Fragen stellt, die der Kritiker schon unzählige Male beantwortet hat«.220 Entsprechend absehbar verläuft das Gespräch. Lange geht es um Reich-Ranickis Lebensweg, aber auch um seine Wahrnehmung als Journalist in Deutschland 115

und seine »kritischen Positionen«. Zum Teil reagiert der Befragte hochemotional, so etwa auf die Frage, ob er eigentlich niemals »seine Qualitätsmaßstäbe« hinterfrage, wie ihm seine Kritiker vorwürfen: »Das ist totaler Blödsinn, ein kompletter Blödsinn. Ich meine, entschuldigen Sie bitte, das ist absoluter Quatsch.«221 Der Interviewer sitzt nach diesem Ausbruch erst einmal »sprachlos und betreten im Sessel«, schließlich »wollte er den Kritiker doch gar nicht provozieren«. Am Ende und zum Erstaunen des Besuchers fällt die Verabschiedung dennoch »freundlich, fast herzlich« aus.222 Eine gewisse, wenn auch nur stumme, sich allein durch Gesten artikulierende Sympathie scheint Reich-Ranicki für seinen Gast also doch empfunden zu haben. Die Reise endet in München bei einer weiteren Eminenz des westdeutschen Feuilletons, und zwar bei Joachim Kaiser von der Süddeutschen Zeitung, der seinen Besucher ebenfalls bei sich zu Hause, »in einem eleganten Bungalow im Münchener Norden«, zur Audienz empfängt. Distinguiert bis in die Fingerspitzen versetzt Kaiser Goetz mit seinen langen biografischen Ausführungen in einen Zustand des »bewundernden Zuhörens und Zuschauens«. Die brillant erzählten »Success-Stories« reihen sich nur so aneinander, was dem Besucher aber »bei weitem sympathischer« ist »als die verquälten S­ elbstzweifel von Wolfram Schütte oder die forcierte Bescheidenheit von Wolfgang Ignée«.223 Sympathisch ist Goetz auch Kaisers diskrete Kritik am Kulturjournalismus, der aus seiner Sicht allzu leicht »zu einer Art Insider-Beschäftigung« werde: »Da möchte der Baumgart dem Habermas imponieren, und der Enzensberger schreibt so, daß es Augstein gefällt«. Als Kritiker gelte es zudem stets im Blick zu behalten, dass er, anders als die Künstler, für seine Fehler »nicht so einstehen müsse«. Kaiser führt aus: »Wenn ein Journalist unvorbereitet oder flapsig oder dumm, nur einigermaßen sich absichernd, törichtes Zeug schreibt, wird ihm in der Regel gar nichts passieren«. Ein Plädoyer für sachliche Kompetenz und eine gewisse Demut lässt sich aus diesen Sätzen durchaus herauslesen.224 Nach dem Gespräch hat der Kritiker seinen Gast »durch seine Argumente und seine Selbstironie, durch seine Erzähl116

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kunst und seine Professionalität« im Prinzip überzeugt, auch wenn ein diffuses Gefühl der Verwirrung bleibt: Was hat es mit Kaisers doppeldeutigem Gesichtsausdruck auf sich, der »Zuwendung signalisiert, während gleichzeitig die Augen sich immer wieder nach oben wegdrehen«? Die Frage bleibt unbeantwortet.225 Goetz’ Reisebericht endet mit einem kurzen Fazit, in dessen Zentrum ein Romantitel von Balzac steht: Verlorene Illu­sionen. Auch wenn es gewisse Momente der Aufmunterung gab, namentlich in den Begegnungen mit Raddatz und Kaiser – seine »Skrupel« und seine »Zweifel« betreffen am Ende sogar den nach der Reise zu verfassenden, uns nunmehr vorliegenden Text für TransAtlantik. Nachdem er dem für ihn zuständigen Redakteur von seinen Erfahrungen berichtet hat, stellt dieser nur trocken fest: »Ja, ein wenig anders hatten wir uns das schon vorgestellt.« Gemünzt ist dies nicht nur auf die erwartete Reportage, sondern auch, vielleicht zuvorderst, auf deren Gegenstand.226

Der macht seinen Weg Welche Schlüsse lassen sich aus Goetz’ Bericht aus deutschen Kulturredaktionen ziehen? Unverkennbar ist seine Ablehnung der ideologischen Verbissenheit Schüttes und der bürgerlichen Arretiertheit Ignées. Dagegen liegen die Sympathien eindeutig bei Raddatz, der für Worldliness, Gelassenheit, Ironie und einen angenehm unverstellten Hedonismus steht. Der stil- und selbstbewusste Kaiser vermag Goetz’ kritischer Bewertung mit einigen Abstrichen ebenfalls standzuhalten. Reich-Ranicki hingegen, innerlich und äußerlich gepanzert, bleibt ihm dagegen ein Rätsel. Entscheidend ist nun, dass das, wofür insbesondere Raddatz aus Goetz’ Sicht steht, ziemlich genau dem Selbstbild jener Zeitschrift entspricht, in der seine Feuilleton-Reportage erscheint. Offensichtlich wird dies in der Frage des Hedonismus. So findet man gleich auf den ersten Seiten des vorliegenden TransAtlantik-Heftes eine ganzseitige Anzeige für einen Sportwagen der Marke Jaguar, die das namensgebende Tier auf dem 117

mit hellem Leder bezogenen Fahrersitz zeigt. Die Reklame mutet an wie eine Bebilderung eben jenes Hedonismus, den Goetz an Raddatz so ausdrücklich schätzt. Wie Enzensbergers Essays über den Eurozentrismus oder »Das Ende der Konsequenz« kommt der »Reise durch das deutsche Feuilleton« somit eine auf die Zeitschrift im Ganzen bezogene implizite Kommentarfunktion zu: Das seltene Gute und Erfreuliche des deutschen Feuilletons  – in TransAtlantik kommt es zu sich selbst. Ihr gegenüber wirken die meisten anderen Kulturteile, was Goetz’ Desillusionierung ja gerade bedingt, vertrocknet, verstaubt, kurzum aus der Zeit gefallen. Von hier aus lässt sich erneut zurückblicken auf das Konzeptpapier von Enzensberger und Salvatore. Über die »große Reportage«, die im Zentrum eines jeden Heftes stehen solle, schreiben sie: Wir denken an die Reportage als eine literarische Form. Ein Reporter in diesem Sinn ist nicht auf headlines, auf das Spektakuläre, auf die Enthüllung und den Coup angewiesen; mit Hilfe seiner Neugier, seiner Phantasie und seiner schriftstellerischen Technik muß er prinzipiell in der Lage sein, jedem Gegenstand etwas Unbekanntes und Überraschendes abzugewinnen. Es gehört zur Crux des deutschen Journalismus und der deutschen Literatur, daß diese literarische Form bei uns unterentwickelt ist. Transatlantik ist (unter anderm) ein Versuch, sie zum Leben zu erwecken.227 Goetz erfüllt diese Vorgaben des Zeitschriftenkonzepts mustergültig und nimmt damit zugleich eine wichtige Etappe in der Entwicklung seines eigenen Schreibprogramms. Sein Beitrag für TransAtlantik repräsentiert eine Mittelstellung zwischen dem 1978 im Kursbuch veröffentlichten Essay »Der macht seinen Weg«, der »noch deutlich von der ›Betroffenheitskultur‹ der 70er Jahre geprägt ist« und überdies von einem »ruhigen, fast schon betulichen Ton«,228 und dem 1981 beim Klagenfurter Wettlesen vorgestellten Text »Subito« mit seinem stakkatohaften, additiven, apodiktischen Nominalstil: 118

Wir brauchen noch mehr Reize, noch viel mehr Werbung Tempo Autos Modehedonismen Pop und nochmal Pop. Mehr vom Blauen Bock, mehr vom Hardcoreschwachsinn der Titel Thesen Temperamente Und Akzente Sendungen. Das bringt uns allabendlich in beste Trinklaune. Nichts ist schlimm, nur die Dummheit und die Langeweiler müssen noch vernichtet werden. So übernehmen wir die Weltherrschaft.229 Gewiss, ein Jahr zuvor in TransAtlantik schreibt Goetz noch deutlich gemäßigter. Nur ganz punktuell finden sich dort Ansätze, die bereits auf den Stil von »Subito« hindeuten: In den kleinen Salzumschlägen, sinniert der Erzähler im Flugzeug, »könnte ja auch Koks drin sein, speedy, speedy Manager, ist alles wichtig«.230 Bedeutsamer allerdings ist der inhaltliche Zusammenhang: Wenn Goetz in »Subito« mit gezielter Übertreibung schreibt, »die Langweiler« müssten »vernichtet« werden, so spitzt er polemisch zu, was er in TransAtlantik über die Kritiker Ignée und Schütte unverklausuliert geschrieben hat; und wenn er den »Modehedonismus« lobt, mögen ihm nicht zuletzt Raddatz’ edle »Seidensocken«231 vor Augen gestanden haben. Die Pointe von »Subito« ist letztlich aber eine andere. Mit »sarkastischem Ton« greift Goetz in ihm die Kulturinstitutionen an, wobei er seine Bezüge außerordentlich »präzise« auswählt: »Volkstümliche Unterhaltung (›Zum Blauen Bock‹) und (kritisches) Hochkulturfernsehen (›Titel, Thesen, Temperamente‹) landen in einem Topf, die Differenzen werden ausgeblendet, um den ›Hardcoreschwachsinn‹ in toto abzuqualifizieren.« In seinem nur ein Jahr vorher publizierten Artikel war das noch anders: Einerseits beschränkte er sich dort auf den Bereich des Kulturjournalismus, und andererseits erschien TransAtlantik als die entscheidende Alternative zum stockfleckigen deutschen Feuilleton. Solcherlei kulturspezifische Differenzierungen innerhalb eines in sich mehr oder weniger abgeschlossenen publizistischen Segments werden in »Subito« zugunsten einer bewusst pauschalisierenden und zugleich ironisierenden »Affirmation des Schlechten« aufgegeben.232 119

Legt man also den Reisebericht von 1981 und den ­KlagenfurtBeitrag von 1983 vergleichend nebeneinander, so zeigt sich, dass Goetz’ TransAtlantik-Reportage mehr war als nur ein weiterer journalistischer Job, nämlich ein integraler Bestandteil seiner Schreibentwicklung – und die Zeitschrift, viel­leicht nicht nur in diesem Fall, tatsächlich ein Inkubator gegenwartsliterarischen Schreibens.

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8. Münchener Freiheit? Liberalität Maxim Billers Moralische Geschichten, die zwischen 2001 und 2019 als regelmäßige Kolumne in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung erschienen sind, oszillieren auf eigenwillige und kunstvolle Weise zwischen Fakten und Fiktionen, Realistischem und Groteskem.233 Dies zeigt sich beispielhaft in seiner im November 2009 gedruckten Miniaturerzählung »Enzensberger«, die hier zunächst in Gänze wiedergegeben sei: Als die Redaktion von »Chochem«, dem Magazin für verkannte Asphaltliteraten, Kohn anrief und ihn fragte, ob er Lust habe, Hans Magnus Enzensberger zum 80. Geburtstag zu gratulieren, sagte er, natürlich habe er keine Lust – aber warum nicht, er habe ja auch keine Lust, jeden Freitagabend bei seinen Eltern in der Küche auf seinem alten Kinderstuhl zu sitzen, Haferbrei zu essen und sich anzuhören, er rede denselben Unsinn wie mit vier. »An unsere erste Begegnung«, schrieb Kohn, »erinnere ich mich genau. Es war bei der letzten Tagung der Gruppe 47 in der Pulvermühle. Wir hatten lange darüber diskutiert, ob wir HME’s Aufruf zur Abschaffung der Literatur unterschreiben sollten. Als ich sagte, er verkünde das Ende der Literatur nur darum, weil er selbst keine Romane schreiben könne, guckten alle zur Seite, und er schlug vor, zuerst darüber abzustimmen, ob ich wieder aus der Gruppe rausfliegen solle. Von den 87 Anwesenden waren 156 dafür. Ich habe ihn erst Jahre später wiedergesehen, auf der Toilette von ›Harry’s New York Bar‹. Er hatte gerade in München die Zeitschrift ›Transatlantik‹ gegründet und suchte jemanden, der eine Reportage ›über die reichen Juden von Frankfurt‹ schreiben könne, wie er mir durch die Toilettentür zurief. Nachdem Fassbinder und Jünger abgesagt hatten, erklärte er, sei ich seine letzte Rettung. Ich war sofort einverstanden, aber er erwiderte, während er rauskam und die Hände an seiner Hose abwischte: ›Reingelegt! Ich wollte nur sehen, wie unappetitlich und charakterschwach Sie sind, Kohn‹, 121

und danach bekam Irene Dische den Job. ›Transatlantik‹ gibt es nicht mehr, HME schon. Ich gratuliere dem vielseitigsten Denker des Landes zum Geburtstag, hoffentlich werde ich auch so alt, reich und anständig wie er.« Als Kohn ein paar Tage später wieder bei seinen Eltern war, war die Stimmung noch schlechter als sonst. Seine Mutter Balalaika knallte den Teller mit dem Haferbrei vor ihn auf den Tisch und sagte: »Wir haben deinen Artikel in ›Chochem‹ gelesen. Du bist ja nur neidisch auf ihn.« »Echt? Hat man das gemerkt?«, sagte Kohn. »Und wieso hast du meinen neuen Roman nicht erwähnt?« »Immer musst du dir Feinde machen, du Dummkopf«, sagte Kohns Vater Herschel. »Immer musst du alle mit deiner überspannten Kritik gegen dich aufbringen.« »Und sitz gerade!«, sagte Balalaika. »Ich will keinen Haferbrei«, sagte Kohn. »Seit fünfzig Jahren bekomm’ ich hier immer nur Haferbrei. Ich will lieber ein Steak. Oder ein Schnitzel. Oder erst ein Schnitzel und dann ein Steak.« »Siehst du«, sagte Herschel und guckte mit seinem traurigen Eulenblick zu Balalaika. »Er fängt schon wieder an. Nie ist er mit etwas zufrieden.«234 In Billers Erzählung berichtet der fiktive Kohn, der gewisse Ähnlichkeiten mit dem Kolumnenschreiber aufweist (beide sind Schriftsteller und Juden, und beide neigen dazu, sich durch »überspannte Kritik« immer neue Feinde zu machen), wie er einen Gratulationsartikel zum achtzigsten Geburtstag des empirischen Autors und Publizisten Hans Magnus Enzensberger verfasst. Darüber hinaus findet die Zeitschrift TransAtlantik ausdrücklich Erwähnung und ihr zweiter Redaktionsraum, also Harry’s New York Bar, die Biller in seiner Zeit als Münchener Germanistikstudent selbst besucht hatte.235 Keineswegs fiktiv sind auch die namentlich erwähnte Schrift­ stellerin Irene Dische und die von ihr verfasste Reportage über »Die reichen Juden in Deutschland«, auf die Biller bzw. Kohn anspielt. Erschienen ist sie, was in der Kolumne nicht erwähnt wird, im Juniheft des Jahres 1981. Wie Dische zu diesem Auf122

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trag kam, ist wiederum Gegenstand der fiktionalen Gestaltung: Um zu überprüfen, wie »unappetitlich und charakterschwach« Kohn sei, habe ihm Enzensberger per Zuruf die genannte Reportage angeboten. »Unappetitlich und charakterschwach« vor allem deshalb, weil das Stichwort ›reiche Juden‹ zum Grundrepertoire des Antisemitismus gehört. Selbst Rainer Werner Fassbinder habe sich nicht darauf eingelassen, obwohl dieser mit dem Skandalstück Der Müll, die Stadt und der Tod von 1974 seinerseits das hetzerische Stereotyp vom ›reichen Juden‹ auf die Bühne gebracht hatte. In Billers Miniaturerzählung geht es Enzensberger um nichts anderes als eine trickreiche Entlarvung, die ihrerseits durch seine ungewaschenen Hände als schmutziger Akt gekennzeichnet wird – ebenso schmutzig wie schon der von ihm bewirkte Rausschmiss Kohns aus der Gruppe 47 auf der Grundlage eines gezinkten Wahlergebnisses: ›Schaut her, die allergrößten Antisemiten, das sind immer noch die Juden selbst!‹ In dieser Hinsicht ist es zweitrangig, ob Kohn selbst die Reportage schreibt oder die als Tochter jüdischer Emigranten in New York geborene Schriftstellerin Irene Dische.236 Der Vorwurf, den die Kolumne unter dem Deckmantel des Halbfiktionalen erhebt, ist auf den ersten Blick schwerwiegend und adressiert möglicherweise einen problematischen Grundzug von TransAtlantik. Liest man ihn vor dem Hintergrund der Zeitschriftenprogrammatik, lautet er als Frage pointiert in etwa so: Treibt Enzensberger es mit dem Abschied vom Prinzipiellen und der postideologischen Liberalität so weit, dass sogar Antisemitismus als eine mögliche Position im vielstimmigen Spektrum der Ansichten und Meinungen erscheint? Diese Frage lässt sich nur auf einem Weg beantworten, nämlich durch die genaue Lektüre desjenigen Beitrags, an dem Biller seine erzählerische Kritik aufhängt.

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Wieder oben? Enzensberger und Salvatore muss das Thema besonders wichtig gewesen sein; bereits im Konzeptpapier von 1979 findet sich auf der Liste mit »Beinahe 100 Themen« für TransAtlantik unter Punkt 25 der Titelvorschlag: »Wieder oben. Erfolgs-Stories deutscher Juden nach 1945«.237 Als in Klammern dahinter gesetzter Autor war zu dieser Zeit noch der populäre Sachbuchautor Bernt Engelmann angedacht, was aus gleich mehreren Gründen nahegelegen haben dürfte: Während des Zweiten Weltkriegs war dieser zunächst Mitglied in einer Wider­ standsgruppe und später wegen sogenannter Juden­begünstigung unter anderem in den Konzentrationslagern Flossenbürg und Dachau inhaftiert gewesen. Man hätte also erwarten dürfen, dass er sich dem brisanten Thema mit der nötigen Sensibilität und vor allem frei von allem Ressentiment gewidmet hätte. Darüber hinaus wäre er auch in fachlicher Hinsicht prädestiniert gewesen. Nicht nur hatte er mit seinem Buch Deutschland ohne Juden von 1970 kritisch bilanziert, welche Verluste Deutschland in den Bereichen Kultur und Wissenschaft infolge des jüdischen Exodus zwischen 1933 und 1945 sowie der Shoah zu verzeichnen hatte. Außerdem war er ein genauer Beobachter der wirtschaftlichen Eliten im Nachkriegsdeutschland; beispielhaft sei nur sein 1972 erschienenes Buch Das Reich zerfiel, die Reichen blieben genannt. Dass die Wahl schließlich nicht auf Engelmann, sondern auf Dische fiel, ist aber kaum weniger naheliegend. Geboren als Tochter aus Deutschland geflohener Juden, von ihrer Großmutter allerdings katholisch erzogen, ist sie in New York aufgewachsen, bevor sie für ihr Studium an die Harvard University gegangen war. In den Siebzigerjahren wurde sie durch Reportagen im New Yorker und in The Nation einer größeren Öffentlichkeit bekannt. Seit 1977 hatte sie außer in Rhinebeck im Bundesstaat New York auch einen Wohnsitz in Berlin. Aufgrund ihrer transatlantischen Biografie, ihrer deutsch-­ amerikanischen, jüdisch-katholischen Familiengeschichte und ihrer professionellen Erfahrungen als Autorin war Irene D ­ ische für die geplante Reportage also eine überzeugende Wahl – was 124

möglicherweise auch erklärt, weshalb man in diesem Fall bereit war, besonders hohe Kosten in Kauf zu nehmen: Allein für das Lektorat der als Entwurf vorliegenden Reportage, so berichtet Rutschky in seinem Journal, habe man die Autorin aus den Vereinigten Staaten einfliegen lassen.238 Dische widmet sich einem durch und durch kritischen Vorhaben. Ihr Ziel ist es, ein seinerzeit verbreitetes und zweifellos antisemitisches Wahrnehmungsmuster offenzulegen und zugleich eine historisch und psychologisch reflektierte Erklärung dafür zu geben, wie zumindest einigen Juden etwas ganz Unwahrscheinliches gelungen ist: sich im Land der Täter nicht nur eine neue und erfolgreiche Existenz, sondern auch ein immenses Vermögen aufzubauen. Frankfurt, und dort wiederum die Bau- und Immobilienbranche, ist der Hauptschauplatz der Reportage, weil die historisch schwer belastete stereotypische Konstellation »Juden und Geld« gerade hier, wie Dische berichtet, »zu einem besonderen Reizthema« geworden sei. Anders als vielleicht zu erwarten ging es dabei jedoch nicht um ökonomische, sondern vielmehr um habituelle, zum Teil nur stilistische Fragen: Der Grund ist, daß mehrere Kollegen Roths [gemeint ist der jüdische Immobilienunternehmer Rafael Roth, K. S.] im Immobiliengeschäft aufgefallen sind: sie folgten nicht seinem Prinzip, immer »doppelt korrekt« zu sein; sie protzten weitaus auffälliger als bloß mit großen Bar-Mizwas, sie gaben nicht nur viel mehr Geld aus, kunkelten nicht nur mit Beamten, prahlten nicht nur mit Bauunternehmern, fuhren nicht nur dicke Wagen  – nein, sie verdienten ihr Geld sichtbar, greifbar, indem sie in die malerischen Straßen der Wohnviertel große Gebäude quetschten: ihre Geschäfte selbst waren auf eine Art protzig.239 Die Folgen, die sich aus den geschilderten »Protzproblemen« ergeben, sind überraschend schwerwiegend. Denn obwohl es im Milieu der Frankfurter Bauunternehmer und Immobilien­ makler »höchstens ein Dutzend jüdischer Geschäftsleute« gibt, werden in »bestimmten Kreisen« wieder gewisse »Ver­ 125

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allgemeinerungen« laut, was die Autorin an entsprechenden Pressezeugnissen belegen kann: Man fand die Juden peinlich und faszinierend. Man hatte irgendwie gedacht, daß die Juden vorsichtiger sein würden, um nicht wieder den alten Klischees zu entsprechen. Nach Jahren taktvoller Zurückhaltung sprachen es auch die Zeitungen langsam wieder aus […]. Nach einer Weile war das Wort »Spekulant« schon so gleichbedeutend mit »Jude« geworden, daß der Stern auch den rührigsten privaten Grundbesitzer in Frankfurt, Ali Selmi, als Juden mitzählte (er ist Perser), während die [Frankfurter] Rundschau die fröhliche Stimmung einer Menschenmenge, die dem Brand in einem von Selmis Hochhäusern zuschaute, als »KristallnachtStimmung« beschrieb.240 Dische identifiziert eine grundzynische Haltung aufseiten der nichtjüdischen deutschen Mehrheitsbevölkerung, der ehemaligen Täter also. Ihnen zufolge seien die Juden selbst für die antisemitischen Anfeindungen und Ausgrenzungen verantwortlich, die ihnen zuteilwerden: ›Wären sie doch dezenter, wären sie korrekter!‹ Es ist die alte Logik, dass sich Angehörige einer Minderheit den Respekt der Mehrheit allererst verdienen müssen, indem sie die allgemeinen gesellschaftlichen Normen übererfüllen  – und zwar freiwillig. Als vergiftet erweist sich in dieser Hinsicht der genannte Artikel über Ali Selmi: Wer ein Jude ist, das entscheidet im Zweifelsfall die Redaktion des Stern, womit sie sich unweigerlich in der Nachfolge Hermann Görings bewegt. Im Anschluss an die Schilderung der aktuellen Lage fragt Dische nach der biografischen Prägung jener Geschäftsleute und Juden, die heute erneut den alten Vorurteilen und Anfeindungen ausgesetzt sind. Die »Spekulanten« seien eine »erstaunliche homogene Gruppe«, führt sie aus, und hebt an zu einem kollektivbiografischen Psychogramm: Sie alle sind polnischer Herkunft, und sie sind – mit ein oder zwei Ausnahmen  – im Ghetto und im KZ aufgewachsen. 126

[…] Sie stammen aus einer Generation von Kindern, die fähig waren, die feindlichste Umwelt zu ertragen, die ohne Illusionen, ohne Erziehung und ohne die üblichen Gespräche über die Zukunft lebten; sie lernten, aus allem das Beste zu machen: Kinder, deren Spielplatz das KZ war.241 Nach Kriegsende seien die abgeklärten, illusionsfreien, leidensfähigen Kinder in Waisenhäusern gelandet oder in Lagern für Displaced Persons, die, da sie nicht unter die Polizeiaufsicht fielen, »Zentren des schwarzen Marktes« waren. In diesem Umfeld erlernten die Heranwachsenden ein Spiel, bei dem es »schon einmal hart zugehen« konnte. Später konnten die sogenannten DPs nur selten auf dem Arbeitsmarkt vermittelt werden, auch weil sie nie Deutsch lesen und schreiben gelernt hatten. In der Folge betrieben sie »die Ausbeutung ihrer Umwelt« einfach weiter. Dass sie dabei keine moralischen Skrupel kannten, sei allerdings auch darauf zurückzuführen, erklärt Dische, dass ihnen die Nachkriegsgesellschaft mit »schamloser Selbstgerechtigkeit« begegnet sei. Warum also hätten sie ihr mit ausgesuchter Freundlichkeit und betonter Rechtschaffenheit begegnen sollen? Dische zitiert aus Zeitungsartikeln der späten Vierzigerjahre, die einer Täter-Opfer-Umkehr unverhohlen das Wort reden: »Während ihres Aufenthaltes haben sie« – gemeint sind die Bewohnerinnen und Bewohner der DPCamps – »nur die eine Absicht: die Deutschen auszuplündern und sich auf ihre Kosten gewissenlos zu bereichern … Warum gehen sie nicht in ihre Heimat zurück?«242 Unterfüttert sind Disches ausführliche Darlegungen mit psychologischen Studien zum »KZ-Streß«243 und seinen Nachwirkungen, die noch zwanzig Jahre nach dem Krieg aufgetreten seien. Außerdem zeichnet sie einlässliche Porträts ihrer Pro­ tagonisten, darunter des späteren Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Ignatz Bubis.244 Beachtenswert ist dabei, dass erst zwei Jahre zuvor die US-amerikanische Serie Holocaust, das entscheidende Initialmoment für die ShoahAufarbeitung in der BRD, ausgestrahlt worden war – und zwar unter heftigem Protest vonseiten des rechtskonservativen und nationalistischen Lagers. Die Leistungen, die Dische mit ihrer 127

engagierten Reportage erbracht hat, sind auch vor diesem Hintergrund nicht zu unterschätzen: Sie geht an gegen öffentliche antisemitische Verleumdungen, klärt auf über die Abgründe der jüngsten deutschen Zeitgeschichte und erläutert vor ihrem Hintergrund das Verhalten einiger harter und erfolgreicher Geschäftsleute, das keineswegs durch ihre jüdische Herkunft geprägt wurde, sondern durch extreme Gewalterfahrungen, die ihnen durch nichtjüdische Deutsche physisch und psychisch zugefügt worden sind.

Angstloses Anderssein Vor diesem Hintergrund gibt einem die Kritik, auf die Enzensberger, Dische und ihr Artikel bei Maxim Biller gestoßen sind, zunächst Rätsel auf. Auch wenn die Überschrift »Die reichen Juden in Deutschland« fraglos provoziert und eigentlich falsch gewählt ist, weil sie genau das Klischee reproduziert, das im Artikel entlarvt und kritisiert werden soll  – der Vorwurf, das Thema sei »unappetitlich« und die Autorin »charakterschwach«, erweist sich nach der Lektüre als unbegründet. In der Erzähllogik der Moralischen Geschichten wird er aller­dings auch selbst relativiert. Dem Verdacht, er sei wohl »nur neidisch« auf ihn, also auf Enzensberger, stimmt Kohn schließlich unumwunden zu: »Echt? Hat man das gemerkt?« Sein heftiger Anwurf gegen den Jubilar erscheint dadurch als eine Übersprungshandlung. Darüber hinaus wird Kohn von Biller als ein ewiges Kind gezeichnet, das stets unzufrieden ist und zu übertriebener Empfindlichkeit neigt. Der im ersten Teil der Geschichte wiedergegebene Gratulationsartikel an Enzensberger erscheint dadurch in einem etwas anderen Licht, nämlich als Hervorbringung eines Infantilen, dessen Wirklichkeitswahrnehmung verzerrt ist. Dies deutet sich bereits im Titel der Zeitschrift an, »Chochem«, in der Kohns Beitrag erscheint: Im Jiddischen bezeichnet ‫( םכח‬khokhem)‎ zugleich den weisen, gelehrten Mann, aber eben auch den Besserwisser oder Schlaumeier. Durch solcherlei satirische Brechungen wird der in der Geschichte erhobene Vorwurf zwar 128

nicht aufgehoben, aber doch unzweideutig unter Vorbehalt gestellt. Wertschätzen kann man Billers erzählerische Polemik aber noch in weiterer Hinsicht, weil sie nämlich die Gelegenheit eröffnet, weiter über das Liberalitätsverständnis von Trans­ Atlantik nachzudenken. Ein geeigneter Anknüpfungspunkt ist dafür wiederum Odo Marquard, der Anfang der Achtzigerjahre ein wichtiger Impulsgeber für Hans Magnus Enzensberger war,245 aber auch für seinen Kritiker Maxim Biller – was überraschen mag  – einer der wenigen positiven Referenzpunkte in der bundesrepublikanischen Ideengeschichte ist: In einem Essay lobte er ihn, in Abgrenzung zu Figuren wie Ernst Jünger und Martin Heidegger, als einen »der besonders lässigen Deutschen«.246 In seinen Überlegungen über den Sinn oder Unsinn eines »Pluralistischen Manifests« betont Marquard, dass der Pluralismus nicht als Gegenstand für Sonntagsreden oder gar Manifeste taugt; die Frage nach ihm stelle sich nämlich »gar nicht prinzipiell, sondern in bestimmten Situationen«.247 Es sei für ihn schlichtweg eine alltagspraktische Erfahrung, »daß […] die buntere Konstellation die bessere ist.« Eine »absolute Position« sei der Pluralismus dadurch aber nicht, was ja nur der Logik entspricht, »denn man kann nicht zur absoluten Position machen, daß es keine absolute Position gibt«.248 Weniger zustimmungsfähig sei der Pluralismus deswegen aber keineswegs, wie Marquard mit Abgrenzung zur modernen Geschichtsphilosophie betont: Nichts Geringeres als die »Menschlichkeit« hänge an den »Sondergeschichten«, die in der Vergangenheit nur allzu oft der »Einheitsgeschichte des emanzipatorischen Fortschritts« geopfert werden mussten; der »Pluralismus der Geschichten« werde so zum »­Widerstand gegen die repressive Gleichschaltung der Geschichte«. Über die gezielte Verwendung von Buzzwords in seinen Formulierungen spielt Marquard zugleich auf das sozialistische Master­ narrativ (»emanzipatorischer Fortschritt«) und auf das nationalsozialistische Deutschland (»Gleichschaltung«) an.249 Schließlich bringt er den so verstandenen nicht-absoluten Pluralismus auf eine Formel – und zwar »extrem w ­ aghalsig«, 129

wie er einräumt.250 Nicht nur in seinen skeptischen Erwägungen hinsichtlich eines pluralistischen Manifests, sondern an mehreren Stellen seiner Schriften spricht er vom »angstlosen Andersseindürfen für alle«, das allerdings nicht ohne »institutionelle Garantien« auskomme; konkret bezieht er sich damit auf das »universelle Menschenrecht«.251 Von diesem Punkt aus lässt sich zurück auf Disches Reportage in TransAtlantik blicken, und zwar konkret auf einige hier bereits angeführte Sätze. So informiert die Autorin, dass es »unter den großen Spekulanten« allenfalls »ein Dutzend jüdischer Geschäftsleute« gebe. Doch schon diese vergleichsweise geringe Zahl reiche aus, »um in bestimmten Kreisen wieder Verallgemeinerungen laut werden zu lassen und die Juden wieder zum Symbol negativen Fortschritts zu machen, zum Symbol von Macht, die sich nicht auf Amt und Auftrag stützt, sondern auf Geld«.252 Wieder die alten Generalisierungen, wieder die überkommen geglaubten Stigmata: Dische konstatiert die Renaissance eines nach 1945 nur scheinbar überwundenen Mindsets. Oder mit Marquard gesprochen: Sie beschreibt, wie über die individuellen Sondergeschichten (der wenigen jüdischen Geschäftsleute) eine repressive und ressentimentgeladene Einheitsgeschichte (die Juden, das Geld, die Macht) gelegt wird. Die Reportage hat vor diesem Hintergrund nur eine Funktion, nämlich die antisemitische Einheitsgeschichte zu dekonstruieren, indem sie ihr die vielen individuellen Einzelgeschichten entgegensetzt. Ohne die biografischen Gemeinsamkeiten zu übertünchen, beschreibt Dische, wie die Hauptfiguren ihrer Reportage zu denjenigen wurden, die sie sind, und entzieht sie damit der kollektivierenden Vereinnahmung. In einer Situation, die sehr wohl grausam ist, hält man sich nur die erwähnte »Kristallnacht-Stimmung« vor Augen, die sich beim Brand des vermeintlich unter jüdischem Besitz stehenden Hochhauses unter den »fröhlichen« Zuschauern eingestellt hat – in dieser Situation tritt Dische engagiert für ein »angstloses Andersseindürfen für alle« ein. Was lässt sich daraus nun für die Zeitschrift im Ganzen ableiten, gerade vor dem Hintergrund, dass Enzensberger und 130

Salvatore die von Dische verfasste Reportage offenbar schon in der Planungsphase ein besonderes Anliegen war? Exemplarisch wird an diesem Beitrag erkennbar, dass der liberale Pluralismus nicht missverstanden werden darf mit »totaler Beliebigkeit«, um wiederum Marquard anzuführen. Nur weil der Pluralismus den »Verbindlichkeitsstandard« nicht »auf die Höhe des Absoluten schraubt«, kennt er sehr wohl »Verbindlichkeiten«.253 Die wichtigste dieser Verbindlichkeiten lautet: Die bunte Verschiedenartigkeit der Menschen darf nicht getilgt, sondern muss vielmehr kultiviert werden. Während das eine – die Tilgung – bekämpft werden muss, muss das andere – die Kultivierung – befördert werden. Genau diesem Programm ist TransAtlantik verpflichtet.

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9. Abstürzende Möwen: Anschlüsse, Abgrenzungen Ohne sich wie Rainald Goetz und Maxim Biller auf individuelle Beiträge in TransAtlantik zu beziehen, erzählt Gundolf Freyermuth in seinem 1991 in Tempo erschienenen Artikel, der sarkastisch als Nachruf übertitelt ist, die Geschichte eines als »Traum« entstandenen Zeitschriftenprojekts: Was, zum Teufel, mag sich der Uneingeweihte fragen, hat es mit dieser »TransAtlantik« auf sich? Warum so viel Theater um ein Blättchen, das kaum Käufer fand? Und genau das ist der Punkt: »TransAtlantik« war kein schnödes Print­ medienobjekt. »TransAtlantik« war ein Traum. Seit die Mitglieder entwickelter Gesellschaften aus Raumund Zeitgründen nicht mehr nur direkt, sondern über die Medien miteinander in Kontakt treten; seit es Presse und deren Freiheit gibt, träumt jede Generation einen solchen Traum. Und manchmal erfüllt sich die Sehnsucht vom Ende der intellektuellen Einsamkeit. Manchmal werden Zeitschriften, für kurze historische Augen­ blicke, zu Sprachrohren einer verstreuten Avant­ garde­­ gemeinschaft, deren Interessen, Behauptungen und Gelüsten die Zukunft gehört. Dann scheinen diese Blätter plötzlich aus mehr als Papier zu bestehen. Um sie ranken sich Anekdoten und Mythen, und ihre Namen werden noch nach Jahrzehnten mit Ehrfurcht genannt. In ihnen gelingt die Selbstverständigung einer Generation, sie betreiben die Fortsetzung der öffentlichen Diskussion mit anderen Mitteln. Als während der Französischen Revolution binnen vier Monaten nicht nur 450 Debattierclubs entstanden, sondern auch 200 Periodika, zeigte sich das Bedürfnis überdeutlich. Seitdem reißen die Versuche nicht ab, Zeitschriften zu begründen, die mehr sind als Nachrichtenübermittelung, mehr auch als verlagsstrategisch für Hinz und Kunz platzierte Zeit-ohne-Geist-Produkte. 132

Die »Fackel« war, im Wien der Wende zum 20.  Jahrhundert, ein solches Zentralorgan der Epoche. Die 20er Jahre kamen dann auf den Seiten der Berliner »Weltbühne« oder des »Querschnitts« zu sich selbst. Und was die wilden 60er angeht, streiten sich, auf sehr verschiedenem Level, »Twen«, »Konkret« und das »Kursbuch« um die Ehre. Als deren Zeit abgelaufen ist, tritt »TransAtlantik« an, begründet von den Schriftstellern Gaston Salvatore und Hans Magnus Enzensberger, der schon besagtes »Kursbuch« auf seinem Herausgeberkonto hat, und den Journalisten Heinz van Nouhuys und Marianne Schmidt, die ihr Geld mit dem fleischrosigen »lui« verdienen. Gemeinsam verkünden sie im Oktober 1980 »das Ende der Bescheidenheit«. Die Republik sei erwachsen genug, sich ein Magazin für den mündigen Leser leisten zu können, der »seiner inneren Unsicherheit, der Lächerlichkeit, der Banalität, dem kleinkarierten Zuschnitt seines Lebens entrinnen« wolle. Notwendig für ein solches Unternehmen sei es, zwei isolierte »Kasten« zusammenzubringen: »die Journalisten, die Schwierigkeiten beim Schreiben haben, und die Autoren, die Probleme beim Recherchieren haben«. Dieser Teil des Unternehmens gelingt, zum ersten Mal seit dem kulturkonservativen Desaster der Nazizeit.254 Zunächst rechnet Freyermuth TransAtlantik einem bestimmten Typus von Zeitschrift zu, der »die Sehnsucht vom Ende der intellektuellen Einsamkeit« stillt und eine »AvantgardeGemeinschaft«, eine »Generation« hervorbringt. Die »Interessen, Behauptungen und Gelüste« der jeweiligen Leserschaft seien Gegenstand der publizistischen Selbstverständigung. Medienhistorisch geht er dabei zurück bis zur Französischen Revolution. In dieser welthistorischen Entscheidungsphase sei erstmals und in kurzer Zeit eine größere Zahl an Periodika entstanden, die mehr sein wollten als nur Unterhaltungsmedien oder Nachrichtenorgane. Die Französische Revolution hat, Freyermuth zufolge, das hervorgebracht, was man, in Abgrenzung zum »Zeit-ohne-Geist-Produkt«, als Zeitgeistmedien bezeichnen kann. Weit gesprungen in die erste Hälfte 133

des 20. Jahrhunderts gehören für ihn auch die Fackel, die Weltbühne oder der Querschnitt zu dieser Gattung. Als Beispiele für die Epoche nach 1945 und konkret für die Sechzigerjahre werden von ihm Twen, Konkret und das Kursbuch angeführt. Der Beitrag mündet in eine Charakterisierung von Trans­ Atlantik. Er zitiert einige der zentralen, auch in dieser Studie bereits referierten Stichworte aus dem Programm der Zeitschriftengründer, so etwa das vom »mündigen Leser«, der »dem kleinkarierten Zuschnitt seines Lebens entrinnen wolle«. Besonders wichtig scheint dem Autor aber noch etwas anderes zu sein, nämlich das Anliegen der Zeitschrift, zwei getrennte »Kasten« zusammenzubringen: die Journalisten und die Schrift­steller. Gerade darin sei die Zeitschrift erfolgreich gewesen, und zwar »zum ersten Mal seit dem kulturkonservativen Desaster der Nazizeit«. Dieser nicht weiter kommentierte Zusatz ist wichtig, weil er eine historische Kontextualisierung vornimmt, die sich in den sonstigen Quellen nur vereinzelt findet.

What fell apart Wenige Sätze vor seinem Hinweis auf die kulturelle Zäsur des Nationalsozialismus geht Freyermuth auf die Zeitschriftenkultur der Weimarer Republik ein. Entsprechende Andeutungen finden sich auch in einem Interview, das Enzensberger 1987 der germanistischen Zeitschrift New German Critique gegeben hat. Erwähnt wird dort etwa Joseph Roth, der sich in seinem umfangreichen feuilletonistischen Werk ausdrücklich dem Ziel verpflichtet sah, »das Gesicht der Zeit«255 zu porträtieren, wozu er journalistische und literarische Techniken miteinander verbunden hat. Außerdem wird Alfred Döblin von Enzensberger genannt, der nicht nur selbst als Journalist tätig war, sondern auch seine Romane an den Darstellungsweisen der Reportage orientiert habe. Diese große und reiche Tradition aber, so Enzensberger in dem auf Englisch abgedruckten Gespräch, »fell apart«.256 Auch für ihn erscheint TransAtlantik somit als der Versuch, über den historischen Bruch der Nazizeit hinweg an die Publizistik der Zwanzigerjahre anzuschließen. 134

Besonders einschlägig ist in Freyermuths Kommentar aller­dings die Bezugnahme auf die im Unterschied zur Weltbühne und zur Fackel heute weniger geläufige Zeitschrift Der Querschnitt, die sich im Untertitel ironisch als Magazin der aktuellen Ewigkeitswerte bezeichnete. Die Zeitschriftenforscherin Julia Bertschik bezeichnet sie, ähnlich wie Freyermuth TransAtlantik, als eine »Zeitgeist-Zeitschrift«, die »ein breites Spektrum von Themen aus der zeitgenössischen Alltagskultur, Kunst und Literatur, aber auch ­elitär-mondäne Phänomene« berücksichtigt habe.257 Erschienen im Ullstein Verlag erreichte das Magazin in seiner besten Zeit, in den Jahren 1928 /29, eine Auflage von 20.000 Exemplaren. Es lassen mindestens vier Aspekte, die Bertschik erwähnt, an das Programm von TransAtlantik denken: Erstens der kosmopolitische Zug (hier konkret in Gestalt einer »HabsburgNostalgie«, die den »untergegangenen Vielvölkerstaat […] im utopischen Sinne […] mit paneuropäischer bzw. weltbürgerlicher Ausrichtung« beschwor); zweitens der Hang zu einem gewissen Snobismus (in diesem Fall gerichtet an »alte und neue Eliten, Aristokraten ebenso wie neureiche Millionäre und Kunstsammler der Zwischenkriegszeit«); drittens die auf­wendige und im programmatischen Sinne zu verstehende Gestaltung (die sich in einer »kaleidoskopischen Kombination des Heterogenen« artikulierte und für die Künstler wie George Grosz gewonnen werden konnten); und viertens, entscheidend für Freyermuths Rekurs, die Verbindung von journalistischen und literarischen Schreibweisen (unter anderem in Artikeln von meist österreichischen Autorinnen und Autoren wie B ­ illie ­Wilder, Joe Lederer, Leo Lania oder Lili Körber, die Berichte »in den bekannten Alltags‑, Lifestyle‑, Geschlechter‑, Amerika- und Russland-Kontexten der Neuen Sachlichkeit« lieferten).258 Weil die Zeitschrift progressive Strömungen ihrer Gegenwart und Tendenzen des Konservatismus miteinander verband, also in der Gesamtsicht eine zentristische Position vertrat, stand sie nach 1933 nicht sogleich auf den Schwarzen L ­ isten der Nationalsozialisten. Nach den Olympischen ­Spielen 1936 änderte sich dies allerdings rasch. It fell apart. Auch vor diesem 135

Hintergrund müssen TransAtlantik und ihr von Freyermuth angedeuteter kultureller Auftrag also verstanden werden.

Abschüssige Wege des Feuilletons Freyermuths Nachruf ordnet Enzensbergers und Salvatores Zeitschrift nun aber nicht allein in diachroner Hinsicht ein. Hält man sich den Ort vor Augen, an dem sein Artikel erschienen ist, so impliziert dies auch eine synchrone Verortung: Die 1986 gegründete Zeitschrift Tempo wird in der neueren Forschung etwa von Kristin Steenbock als Synonym für einen neuen deutschen »Zeitgeistjournalismus«259 begriffen. Es wird sogar behauptet, mit ihr habe der New Journalism eines Tom Wolfe oder Hunter S. Thompson erstmals in Deutschland Einzug gehalten. Tempo markiert, so zumindest die landläufige Sicht, eine journalistisch-literarische Epochenschwelle. Aus Freyermuths Perspektive ist die Behauptung klar zu relativieren. Sucht man nach Vorläufern von Tempo im deutschsprachigen Raum, so muss neben Magazinen wie Twen unbedingt auch TransAtlantik genannt werden – was in der Forschung allerdings stets ausbleibt.260 Versteht man den ›Zeitgeist‹ begriffsgeschichtlich als eine »Mischung aus Stilen, Verhaltensweisen und Ansichten«, die sich mit der Behauptung verbinden, »daß diese Mixtur für eine Zeit – für diese Zeit, in der wir leben – charakteristisch sei«,261 so entspricht das Programm von TransAtlantik dem nicht weniger als der Selbstanspruch von Tempo. Auch die Behauptung, Tempo komme hinsichtlich seiner »transatlantischen Adaptation« des New Journalism eine Vorreiterrolle zu, ist, mit Freyermuth betrachtet, deutlich einzuschränken. Wofür steht der New Journalism? In Anlehnung an Wolfe nennt Steenbock vier konkrete Aspekte: 1. eine »scene-by-scene-construction« der Texte; 2. die »Wiedergabe von direkter Rede durch (quasi-)realistische Dialoge«; 3. die »personale Erzählweise«; 4. »das detailreiche Abbilden der die Menschen umgebenden Gegenstände, ihrer Gesten, Styles, Posen und Gepflogenheiten«.262 136

Bezieht man lediglich die in den vorangegangenen zwei Abschnitten angeführten Reportagen von Irene Dische und Rainald Goetz in die Betrachtung ein, so muss festgehalten werden: Ausnahmslos treffen diese Merkmale auf diese beiden Artikel zu. Aber es ließen sich leicht weitere Beispiele in ­TransAtlantik, ja selbst nur unter den in dieser Studie bereits genannten Beiträgen finden (denken ließe sich etwa an die Stücke über die »Verbunkerung der Bundesrepublik« von Ulrich Enzensberger oder das »Otrag-Dossier« von Gaston Salvatore). Ein Zufall aber ist auch das insofern nicht, als einer der wichtigsten Orte in der amerikanischen Publizistik für den New Journalism eben dasjenige Magazin ist, das für Enzensberger und Salvatore das wichtigste Vorbild war, also der New Yorker. Eine der wesentlichen Differenzen zwischen Tempo und TransAtlantik liegt dagegen im Themenspektrum. Vergleichbar in ihrem Interesse an Konsumphänomenen unterscheiden sich die Magazine grundsätzlich in ihrer Haltung zur Populär­ kultur. Während Tempo die traditionelle Grenzziehung von High- und Lowbrow überwinden will, was unter anderem bedeutet, die Popkultur in all ihren Spielformen ernst zu nehmen, ja sie bewusst zu affirmieren, ist TransAtlantik zumindest in dieser Hinsicht getragen vom Willen zur Distinktion. Vielleicht lässt sich der Wandel der ästhetischen Orientierung »from snobbish exclusion to omnivorous appropriation«,263 den die Soziologen Richard A. Peterson und Roger M. Kern im Verlauf der achtziger und neunziger Jahre innerhalb der kulturellen Eliten beobachtet haben, an diesem Fall besonders gut studieren. Es beginnt ja schon beim Titellayout: Tempo arbeitet mit einem in roten Versalien gesetzten Logo, groß aufgezogenen Porträtfotos von Models, Pop- oder Filmstars und fett gedruckten Schlagzeilen. Um die Aufmerksamkeit und das Interesse der Leserinnen und Leser zu erregen, ist sich die Redaktion für kaum ein Mittel zu fein. TransAtlantik setzt demgegenüber, wie bereits geschildert, auf Minimalismus und Eleganz, Sophistication und Zurückhaltung, um so ganz bewusst keine große, sondern eine ausgewählte Leserschaft anzusprechen. Äußerlich betrachtet liegen zwischen den beiden Magazinen Welten, was 137

Abstürzende Möwen

Freyermuths Nachruf in Tempo im Layout von TransAtlantik

allerdings über die erwähnten Gemeinsamkeiten  – vor allem bezüglich der Schreibweisen und der ausdrücklichen Zeitgeist­ orientierung – nicht hinwegtäuschen sollte. Warum nun erscheint Freyermuths Nachruf ausgerechnet in Tempo? Die Redaktion sollte an und für sich kein Interesse daran haben, wertschätzend auf eine andere und in mehrerlei Hinsicht vergleichbare Zeitschrift zu verweisen und so die eigene kulturelle Relevanz zu untergraben. Entscheidend ist allerdings das Datum: Freyermuths Artikel wird unmittelbar mit dem Erscheinen der letzten Ausgabe von TransAtlantik im März 1991 veröffentlicht, einer Zeitschrift, die vor mehr als einem Jahrzehnt, wie er schreibt, zwar als »Traum« gegründet wurde, aber nach dem Weggang der beiden Gründer »auf den abschüssigen Weg des deutschen Feuilletons« geraten sei: »Hohe Ansprüche, bombastische Gesten, geringe Leistungsfähigkeit. Dröges und Ödes, eine schüttere Emphase verdrängte die spöttische Leichtfüßigkeit.« Deshalb also lässt sich die nunmehr am Boden liegende »Zombiezeitschrift«264 aus Sicht der Tempo-Redaktion würdigen, ohne Negativfolgen für das eigene Image befürchten zu müssen. Freyermuths Nachruf gilt einer entfernten Verwandten, die in der Vergangenheit zwar Großes und Impulsgebendes für den Literaturjournalismus in Deutschland geleistet habe, daran in späteren Jahren aber nie wieder anknüpfen konnte. Die Geschichte von TransAtlantik wird als eine Niedergangsgeschichte erzählt, was sich auch in der maliziösen Gestaltung und Illustration des Artikels widerspiegelt: Nicht nur hat man sich im Satz und im Layout eng an der Zeitschrift orientiert, der sich der Nachruf widmet. Außerdem hat man aus dem liebevoll gestalteten Zeitschriften-Logo die Möwen herausgelöst, sie groß aufgezogen – und auf der letzten Seite des Artikels zum Absturz gebracht.

140

10. Alle lächeln: Abschied von TransAtlantik

So groß und weit der Raum dessen war, was in Enzensbergers und Salvatores Zeitschrift gedacht, geschrieben und gedruckt werden konnte, so galt dies zumindest mit einer klaren Einschränkung, wie man in Michael Rutschkys Aufzeichnungen nachlesen kann: »TransAtlantik kommt in TransAtlantik nicht vor.«265 Eben deswegen nehmen jene metakommunikativen Essays, von denen hier die Rede war, eine so zentrale Stellung ein: Sie geben Auskunft über die Voraussetzungen, den Ansatz und die Ziele der Zeitschrift, ohne vom konzeptuellen Verzicht auf »Hausmitteilungen«, »Einlauftexte« und »Lesehilfen« abweichen zu müssen. Selbst das letzte Heft, das unter der Ägide der Zeitschriftengründer erscheint, also die Ausgabe vom Dezember 1982, kommt ohne jeden Kommentar in eigener Sache daher. Es findet sich in ihm kein einziges Wort zur Nichtverlängerung des Vertrags mit Enzensberger / Salvatore, mit der aus heutiger Sicht das Ende der Zeitschrift eingeläutet wurde. Stattdessen liest man ein Heft, das sich allenfalls in einzelnen, vor allem gestalterischen Details von der im Oktober 1980 erschienenen Erstausgabe unterscheidet: So gibt es nicht nur einige farbige Textillustrationen (etwa in dem Artikel »Die Rock & RollMaschine«), sondern auch eine größere Anzahl an Fotografien als noch im ersten Heft (unter der Überschrift »Nach Christo« ist sogar eine ganze Fotostrecke abgedruckt). Am Ende des Heftes findet sich zudem eine mehrseitige Rubrik unter dem Titel »Ventil«, die in der Ausgabe vom November 1981 zum ersten Mal erschienen war. Es handelt sich um eine Serie von politisch bewusst inkorrekten, aus heutiger Sicht allzu bemüht anmutenden Polemiken, die sich zum Beispiel mit »Krüppeln« (»Kranke mag ich nicht leiden, und Rollstuhlfahrer kann ich auf den Tod nicht ausstehen«) oder »Psycholeuten« (»Das Schicksal hat mich gezeichnet. Es hat gewollt, daß ich mich mit Therapeuten einließ«) befassen.266 141

Ansonsten gewinnt man, sowohl hinsichtlich der Gestaltung wie auch der Themen, eher den Eindruck von Kontinuität: Die Gestaltung des Covers fügt sich bruchlos ein in den etablierten Stil; am Anfang des Heftes steht wie in allen vorherigen Heften das »Journal des Luxus und der Moden«; die Essays führen zugleich ins Weite und ins Nahe (»Kein Wunder in Mailand. Roberto Calvi und seine Brüder«, »Neon-Bohème und PlüschAvantgarde. Ein Spaziergang durch Berliner Caféhäuser«); die großen Anzeigen bewerben wie schon in der Debütausgabe Verlagsprogramme (zum Beispiel die von Luchterhand und Hanser) sowie Produkte des gehobenen Konsums (etwa ein »Jacomo« benanntes Parfum), wobei sich merkwürdigerweise ein Schwerpunkt im Bereich des Cognacs (der Marken Hennessy, Remy Martin und Camus) feststellen lässt. Auch der im Zeitschriftentitel benannten transatlantischen Ausrichtung wird das Heft gerecht. So findet sich neben e­ inem Kurztext zum Thema »Antiamerikanismus« im »Journal des Luxus und der Moden« eine längere Reportage vom austroamerikanischen Schriftsteller Peter Stephan Jungk, die unter dem Titel »Messias jetzt!« ins Brooklyn der chassidischen J­uden hineinführt. Damit knüpft das letzte Heft an jene Grundorientierung der Zeitschrift an, von der man in den vorangegangenen zwei Jahrgängen nie abgewichen war. Ich nenne nur einige Titel, die nicht allein von der Kontinuität der Auseinandersetzung, sondern auch von der geografischen und kulturellen Weite des Transatlantischen zeugen – wobei unbedingt dazugesagt werden muss, dass die Zeitschrift immer wieder über die ohnehin weit gefassten Umgrenzungen hinausblickt, nach Afrika, China oder in die Sowjetunion etwa: Nikolaus Meienberg: »Die Eingeschlossenen von Mannheim. Ein amerikanischer Traum«, 11 /1980; Gundolf S. Freyermuth: »Ermittlung gegen die deutsche Seele. Geschichten aus der amerikanischen Emigration«, 4 /81; Peter Schneider: »Die Botschaft des Pferdekopfs. Eine brasilianische Reise«, 5 /81; 142

In gestalterischer Kontinuität: Das letzte Heft

Jean-François Bizot: »Megalo Coppola. Ein Unternehmerporträt aus Hollywood«, 7 /81; Guillermo Cabrera Infante: »Der Biß des bärtigen Krokodils. Eine Nachrede auf die kubanische Kultur«, 11 /81; Hans Christoph Buch: »Wo der Pfeffer wächst. Abenteuer in Cayenne«, 4 /82; Uwe Wesel: »Apo-Kalypso in der Karibik. Grenada ohne Gewähr«, 7 /82; Bodo Kirchhoff: »Der Mantel des schönen Konsuls. Neue Flüchtlingsgespräche in Asunción«, 10 /82; Irene Dische: »Das Vierte Reich verkrümelt sich. Deutsche Emigranten in Washington Heights«, 11 /82. Hinzukommt der als Rubrik in jeder Ausgabe zu findende »Brief«, welcher immer wieder aus New York (10 /80, 12 /80, 2 /81, 4 /81, 7 /81), bisweilen aber auch von der karibischen Union Island (8 /81), aus San Francisco (11 /81), Texas (5 /82) oder Los Angeles (8 /82) an die Münchener Redaktion geschickt worden ist. Und auch dabei wird der Raum des Transatlantischen immer wieder ins Weltganze überschritten, zum Beispiel in einem Brief aus »Fernost« (1 /82), einem Schreiben aus Bali (6 /82), einem aus Schanghai (9 /82) – und so fort. Bemerkenswert ist der Kontinuitätsbefund vor dem Hintergrund der ökonomischen Situation, von der nicht nur Rutschky in Mitgeschrieben, sondern auch Enzensberger in seinen Lieblings-Flops berichtet. Trotz bedrohlich rückläufiger Verkaufszahlen hat man zwar offensichtlich darauf Wert gelegt, dass die Zeitschrift immer »besser […] aussah«,267 also vor allem kosmetisch nachgearbeitet; dies spiegelt sich nicht zuletzt in personeller Hinsicht wieder, also in der bereits geschilderten Absetzung des Art Directors Bernd Bexte, dessen Stelle sogleich an Rainer Wörtmann, den ehemaligen Chefredakteur des Playboy, vergeben wurde, vermutlich in der Hoffnung auf ein marktgerechteres Layout. Am ursprünglichen Konzept und an der inhaltlichen Ausrichtung wurde dagegen konsequent festgehalten; vermutlich kam in dieser Hinsicht das ver144

https://doi.org/10.5771/9783835349575

traglich gesicherte »Vetorecht« der Zeitschriftengründer zum Tragen. Welche immense Sprengkraft sich daraus in der Zusammenarbeit von Verlag, Herausgeberin und den beiden Zeitschriftengründern ergeben haben muss, lässt sich am besten vom dramatischen Ende her bewerten, konkret: vom Showdown in der Münchener Wohnung von Gaston Salvatore.

Pfingstwunder und Anwaltsbrief Wenn auch nicht in der Zeitschrift selbst, so konnte man in der Tagespresse erfahren, unter welch schwierigen und konfliktreichen Voraussetzungen die letzte von Enzensberger und Salvatore verantwortete Ausgabe entstanden war, namentlich in einem Artikel in der Süddeutschen Zeitung vom 11./12. Dezember. In ihm berichtet die Journalistin Ursula von Kardorff detailliert von einem weinreichen »Leichenbegräbnis« in Salvatores Wohnung, an dem neben den Redaktionsmitgliedern zahlreiche »Autoren, Künstler, Juristen, Intellektuelle« wie auch einige »hübsche Mädchen« teilgenommen hätten. Das Fehlen einer Person vermerkt die Journalistin indessen ausdrücklich: das der Herausgeberin Marianne Schmidt. Die Stimmung unter den Feiernden war von heiterer Zwiespältigkeit: »Alle lächeln, manche traurig, manche zynisch.«268 Die Reporterin gibt zunächst eine kurze Abschiedsrede wieder, die Enzensberger für die anwesenden Redaktionsmitglieder gehalten hat. Auch sie findet sich im Anhang dieses Buches abgedruckt. Darin betont er zunächst das Erfreuliche, Befriedigende: Man sei an die Öffentlichkeit mit dem Versprechen herangetreten, TransAtlantik, »so wie wir es konzipiert haben«, mindestens zwei Jahre lang erscheinen zu lassen. Dieses Versprechen habe man immerhin einlösen können. »Warum aber geht es nicht weiter«?, fragt die Chronistin rhetorisch, »warum soll TransAtlantik sterben?« Der Grund sei »banal«, woraufhin ein Referat der nackten Zahlen erfolgt, die sich so auch in Enzensbergers Rede finden: »Das Blatt […] machte Verluste, laut NewMag Verlag, in dem es erscheint, 2 bis 3,6 Millionen 145

Mark, und so habe sich, wie Enzensberger sagt, der Verlag nicht mehr in der Lage gesehen, die ›im Vertrag vorgesehene Verlängerungsoption‹ auszuüben.« Die Lage sei aber nicht nur eindeutig, sondern auch spannungsreich. Das Problem liege in der geplanten Weiterführung der Zeitschrift durch Marianne Schmidt und Heinz van Nouhuys. Diese sei nämlich schlichtweg unmöglich, so Enzensberger in seiner Rede, schließlich stehe im Impressum unter seinem und dem Namen Salvatores der Vermerk »Konzeption und Vetorecht«. Sie hätten dadurch weiterhin die volle Entscheidungsgewalt über die »Erscheinungsweise«, die »graphische Gestalt«, den »Inhalt«, die »Zusammensetzung der Redaktion«, und zwar so lange, betont der Redner, wie TransAtlantik überhaupt existiert. Sollte die Zeitschrift künftig weiter erscheinen, so entspräche dies nichts Geringerem als dem »Pfingstwunder aus dem Neuen Testament«.269 Zum Schluss seiner Rede liest Enzensberger aus einem von Verlagsseite initiierten und direkt vor dem Beginn der Feier per Boten zugestellten Anwaltsbrief vor, der, soweit ich sehe, nicht überliefert ist. Sein Inhalt wird von Ursula von Kardorff allerdings im Wortlaut wiedergegeben: Die Zeitschriften­gründer habe man darin zu einer Erklärung aufgefordert, in der sie sich verpflichten sollten, niemals »wörtlich und /oder sinngemäß« über TransAtlantik zu behaupten beziehungsweise behaupten zu lassen, die Zeitschrift sei »am Ende«, »man feiere das Ableben« oder sie sei »ohne Mitarbeit der Herren Dr. Enzensberger und Gaston Salvatore tot«. Unter den Anwesenden, so liest man im Zeitungsbericht, hätten diese Worte gelöste »Heiterkeit« erregt.

Redaktion und Emulsion Dankenswerterweise hat die Journalistin es nicht versäumt, im Anschluss an die Feier auch Marianne Schmidt nach dem juristischen Schreiben zu befragen. Ja, räumt diese ihr gegenüber ein, vielleicht habe sie überreagiert, aber schließlich sei die Lage »furchtbar«. Schon seit drei Monaten verkehrten Redaktion 146

und Verlag nur noch per Anwaltsbrief miteinander. Enzensberger und Salvatore hätten einen weiteren Einjahresvertrag gefordert und angekündigt, falls sie diesen nicht erhielten, das »stolze Schiff« ganz einfach untergehen zu lassen. Ihr Verhalten sei, so formuliert Schmidt ausdrücklich, von »Kälte und Bosheit« durchdrungen, dabei sei das »Vetorecht« der beiden, wie ihr ein Urheberrechtsanwalt bestätigt habe, mittlerweile ausgelaufen. Sie selbst tue jedenfalls alles dafür, dass die Zeitschrift weiter erscheinen könne. Die nahe Zukunft der Zeitschrift TransAtlantik  – Anfang Dezember 1982 war sie offenbar noch unentschieden. Auch Freyermuth berichtet in seinem Tempo-Artikel von der Abschiedsfeier in der Schwabinger Tengstraße; er beruft sich dabei nicht nur auf seine eigenen Erinnerungen, sondern ebenfalls auf den Artikel in der Süddeutschen. Wesentlicher aber noch enthält sein Artikel zumindest eine sporadische Angabe über die profane Beilegung des »juristischen Erbstreits«: »Geld heilte, wie bei Auseinandersetzungen zwischen Autoren und Verlegern üblich, alle Wunden.« Das Heft selbst hingegen, schreibt Freyermuth, »dümpelte von Ausgabe zu Ausgabe, mit wechselnden Redaktionen […]. Die Auflage fiel unter 10000 Exemplare.«270 Nach der Entlassung der Zeitschriftengründer hatte die Redaktion geschlossen ihre Kündigung beim Verlag eingereicht, und ihre Mitglieder verstreuten sich in alle Winde. Einige Hinweise auf ihre anschließenden Anstellungen und Aktivitäten erwähnt die Berichterstatterin der Süddeutschen am Ende ihres Artikels: Karl Markus Michel sei bereits zurück nach Berlin gegangen, wo er weiterhin als Herausgeber des Kursbuch tätig sein wolle (er hatte diese Position seit 1975 in der Nachfolge Enzensbergers inne und sie während seiner Jahre bei TransAtlantik nicht aufgegeben); Freyermuth wie Salvatore hätten beim Stern unterschrieben; Enzensberger plane indessen, als freier Autor in München zu bleiben. Eine umfassende wirkungsgeschichtliche Rekonstruktion der persönlichen Netzwerke und der von ihnen ausgehenden Impulse auf die Literatur und den Journalismus im deutschsprachigen Raum könnte an dieser Stelle ansetzen. 147

Betrachtet man TransAtlantik mit Rutschky nicht nur als ein journalistisches, sondern auch als soziologisches Experiment, gewinnt man in der Tat den Eindruck, das »Redaktionskollektiv« sei »eine Emulsion« gewesen, »deren Elemente sich im Ruhezustand sofort wieder trennten«.271 Dies aber gilt nicht allein auf personeller Ebene. Was mit dem Ende der Zeitschrift erster Generation außerdem und erneut voneinander getrennt wurde, war die für die Zeitschrift so kennzeichnende Verbindung von Literatur und Journalismus. Es dauert Jahre, vielleicht bis zur Gründung von Tempo im Jahr 1986 (man denke an die mög­ licherweise von der »Ventil«-Kolumne in TransAtlantik inspirierte legendäre Reihe »100 Zeilen Hass« von Maxim Biller), bis sie in der deutschsprachigen Publizistik wieder einen festen Ort finden sollte.272

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Amerikanisches Licht: Schlussbemerkung

In gleich mehreren Essays und Gesprächen der vergangenen Jahre hat sich der im kalifornischen Stanford lehrende Literaturwissenschaftler Hans Ulrich Gumbrecht als »a product of reeducation« bezeichnet.273 Er nimmt damit Bezug auf eine gleichlautende Aussage, mit der sich Jürgen Habermas einst in einem Interview selbst charakterisiert hatte. Während sich dieser mit seinem bekenntnishaften Satz allerdings vordringlich auf Fragen der staatlichen Verfassung bezog (er habe nach dem Krieg von den westalliierten Besatzern gelernt, »daß der bürgerliche Verfassungsstaat in seiner französischen oder amerikanischen oder englischen Ausprägung eine historische Errungenschaft ist«),274 geht es Gumbrecht um ein deutlich weiteres, den Bereich der Kunst und Kultur ausdrücklich mit einschließendes Verständnis von Re-Education, das außerdem über die früheste Nachkriegszeit hinausreicht: Fast zwanzig Jahre jünger als Habermas wurde Gumbrecht im Jahr 1948 geboren.275 Besonders klar geht dies aus seinem autobiografischen Buch California Graffiti hervor, das, so heißt es im Untertitel, Bilder vom westlichen Ende der Welt versammelt. Darin kommt Gumbrecht auf ein mythisches »Imperium« zu sprechen, das er als Kind zunächst in Gestalt von »Coca-Cola, powdered milk und Kaugummi« kennengelernt habe – und in dem er heute lebt, ja dessen stolzer Bürger er sogar geworden ist: Vielleicht spüre ich noch das Nachhallen einer Energie und fast jugendlichen Selbstgewissheit aus dem Land, das sich am Ende des Zweiten Weltkriegs plötzlich in der Rolle einer Weltmacht fand, und die besiegten  – und zugleich bewunderten – Nationen Europas und Asiens im Ernst und mit Großzügigkeit auf den Weg einer re-education bringen wollte. Ich glaube, dass ich dieselbe Energie in J­ackson 149

­ollocks Bild-Explosionen und in dem monumentalen P Zwielicht der Gemälde von Edward Hopper finden kann.276 »A product of reeducation« – für Hans Magnus Enzensberger, der wie Habermas dem Jahrgang 1929 angehört, gilt dies nicht weniger.277 Und wie im Falle Gumbrechts geht sein Begriff deutlich hinaus über politische Fragen oder die Begegnung mit lässigen, unbekümmerten GIs, die nicht nur Panzer und Waffen, sondern auch Kaugummi und Comics mit sich brachten. Nachlesen lässt sich dies unter anderem in seinem Essay »Wie ich fünfzig Jahre lang versuchte, Amerika zu entdecken« aus dem Jahr 1997.278 Amerika sei nach 1945, schreibt er da, zum »Hüter und Vormund eines altersschwachen, ausgelaugten Deutschland« geworden. Seine riesenhafte Herausforderung habe darin bestanden, das Land »nach dem langen kulturellen Blackout unter den Nazis« zu »resozialisieren«. Zumindest in der sehnsüchtigen Imagination der Jungen wurden die USA rasch zu einem »Paradies aus Jazz, Freiheit und unbeschwerter Moral«.279 Bei der explizit als kindlich-naiv ausgewiesenen Sicht auf die Vereinigten Staaten blieb es im weiteren Lebensverlauf aller­ dings nicht. Während Gumbrecht in seinem Buch bewegt davon berichtet, wie er im Jahr 2000 endlich seinen alten deutschen gegen einen neuen amerikanischen Pass eintauschen durfte, erzählt Enzensberger von kulturellen Verständnisschwierig­ keiten während eines Studienaufenthaltes in den fünfziger Jahren; vom »plötzlichen Verblassen des amerikanischen Traums« unter den Studierenden der Sechzigerjahre, die sich ironischerweise zugleich für amerikanische Western und Jack Kerouac begeisterten;280 von seinem (auch hier bereits erwähnten) Fellowship an einem amerikanischen College, das er aus Protest gegen den Vietnam-Krieg zurückgewiesen hatte; von seinen zahlreichen Besuchen in den Vereinigten Staaten in den Achtzigerjahren, wo er stets mit »Wohlwollen« empfangen worden sei, auch wenn ihn die zunehmende Überhöhung des »Erfolgs […] zum absoluten Muß« zunächst verwundert, später schlicht gelangweilt habe; schließlich von einer gewissen Normalisierung der transatlantischen Verhältnisse nach dem Ende des Kalten Kriegs: »Die Bundesrepublik Deutschland war nun – 150

nicht ohne ein gewisses Widerstreben – tatsächlich erwachsen geworden.«281 Auf TransAtlantik kommt Enzensberger in diesem Zusammenhang selbstverständlich auch zu sprechen – und zwar, dies sei zumindest am Rande vermerkt, ohne den Namen Gaston Salvatores auch nur ein einziges Mal zu erwähnen: 1980 gründete ich eine Monatszeitschrift mit dem Titel TransAtlantik […]. Ich wollte die verlorene Kunst der anspruchsvollen Reportage wiederbeleben, ein Genre, in dem amerikanische und britische Autoren Großes geleistet haben. Fasziniert von den Arbeiten Norman Mailers, Tom Wolfes, Norman Lewis’ und Bruce Chatwins, glaubte ich, die Zeit sei reif für eine deutsche Zeitschrift, die es mit dem New Yorker, mit Harper’s und dem Atlantic aufzunehmen versuchte und dabei auch The Nation und die New York Review of Books nicht aus dem Auge ließ. Ich hatte mich geirrt. Die Zeitschrift ging nach ein paar Jahren ein, sie hatte aber immerhin eine Gruppe von Autoren versammelt, die weitermachten und im deutschen Journalismus neue Maßstäbe setzten.282 Entscheidend ist zunächst der Kontext der Aussage. Liest man sie im Gesamtzusammenhang des Essays, so schildert sie eine Station in einem langen, suchenden Prozess der kulturellen Annäherung. Begonnen hatte sie mit der »Literatur der Welt«, die von den Besatzern nach Kriegsende »zentnerweise aus den USA herbeigeschafft und kostenlos verteilt« worden sei; neben den Klassikern der amerikanischen Literatur befanden sich darunter auch, und zwar in Übersetzung, einige Hauptwerke der modernen deutschsprachigen Literatur, Thomas Manns The Magic Mountain etwa. Es war »eine unschätzbare Lichtquelle«, deren Strahlen  – darin besteht eine Pointe des Essays – über die Jahrzehnte und vielerlei Irritationen hinweg bis zu TransAtlantik reichten.283 Ein spätes Produkt der Re-Education, das »Nachhallen einer Energie«, wie es bei Gumbrecht in einer verblüffend ähnlichen Wortwahl heißt, ist die Zeitschrift damit zweifellos. Aber sie steht 151

nicht nur in einer genealogischen Beziehung zur amerikanischen Literatur- und Kulturpolitik der frühen Nachkriegszeit, sondern will in gewisser Weise auch selbst Re-Education betreiben, was sich auf mehreren Ebenen zeigt: im entschiedenen Versuch, nach der politischen nun auch eine kulturelle Westbindung zu vollziehen; in der publizistischen und gestalterischen Orientierung an den Vereinigten Staaten; in der programmatischen Ansprache einer aufgeklärten und kritischen, eben ›mündigen‹ Leserschaft, die nirgendwo anders als in den liberalen Demokratien des politischen und kulturellen Westens zu Hause ist.284 In dieser re-edukativen Hinsicht allerdings scheint das Projekt von einem ausgeprägten »Möglichkeitssinn« getragen zu sein, wie ihn Robert Musil in seinem Mann ohne Eigenschaften als Signum des modernen Daseins umrissen hat: »Der Möglichkeitssinn [ließe sich] geradezu als Fähigkeit definieren, alles, was ebensogut sein könnte, zu denken und das, was ist, nicht wichtiger zu nehmen als das, was nicht ist.«285 Aufs Ganze gesehen gewinnt man den Eindruck, TransAtlantik habe sich einen bestimmten Intellektuellen-Typus, einen spezifischen Modus von Intellektualität erdenken wollen, weltläufig und urban, ironisch und elegant, für den die Zeit in Westdeutschland Anfang der Achtziger reif zu sein schien. Das Magazin fungiert in diesem Sinne als einer jener publizistischen »Imaginationsräume«, die einen in der gesellschaftlichen Empirie wahrgenommenen Denk- und Lebensstil »nicht lediglich abzubilden« sich vornehmen, »sondern diesen vielmehr erst durch das Medium zu stimulieren« versuchen.286 Der entscheidende Akzent liegt indes auf dem zweiten Konjunktiv, denn die erdachte Möglichkeit erwies sich mit dem Scheitern der Zeitschrift als bloßes Wunschbild. Dies war sicher eine der folgenreichsten Einsichten, die Enzensberger und Salvatore aus ihrem Projekt mitgenommen haben dürften: So leicht wird der New Yorker Intellektuelle in Berlin oder München, Köln oder Hamburg eben doch nicht heimisch, nein, man scheint ihn dort nicht einmal zu vermissen.

Anmerkungen

1 Enzensberger: Meine Lieblings-Flops, S. 7 f. 2 Ebd., S. 129. Beispielhaft lässt sich die Ästhetik, von der sich Enzensberger und Salvatore abgrenzen, am Umgang mit Fotografien in Zeitschriften ab 1970 beobachten. Nachvollziehen lässt sich dies in dem vom Stuttgarter Institut für Auslandsbeziehungen herausgegebenen Katalog Fotografie in deutschen Zeitschriften 1946-1984, S. 60-89. Abgebildet finden sich dort Beispiele aus dem Stern, der Quick, dem ZEITmagazin, aus Geo, dem Frankfurter Allgemeine Magazin und Konkret. 3 Felsch / Witzel: BRD Noir, S. 16. 4 Zu einer anderen Einschätzung der Siebzigerjahre kommt der Kritiker Helmut Böttiger in seiner jüngst erschienenen Studie Die Jahre der wahren Empfindung, in der er die Dekade als die »Blütezeit der deutschen Literatur« charakterisiert, als eine Phase also, die sich durch eine ungemeine Pluralität und Polyphonie der literarischen Ausdrucksformen kennzeichnet. Ob man dieser Einschätzung folgt oder nicht: Enzensbergers und Salvatores individuelle Wahrnehmung der Siebziger ist dadurch keineswegs widerlegt, zumal sie sich nicht allein auf die Literatur beschränkt, sondern die Gesellschaft, Politik und Kultur im Ganzen in den Blick nimmt. 5 Enzensberger: Meine Lieblings-Flops, S. 129. 6 Ebd., S. 130. 7 Ebd. 8 Freyermuth: Traumschläger, S. 87. Die fundierte Überprüfung der Einschätzung Freyermuths am konkreten Quellenmaterial müsste freilich Gegenstand einer individuellen Untersuchung sein. 9 Zur Wahrnehmung Salvatores, der schon zu APO-Zeiten »eine Schleppe von Legenden« hinter sich hergezogen habe, siehe Enzensberger: Tumult, S. 153 f. 10 Gespräch mit Katharina Enzensberger, 30. 9. 2021. 11 Gespräch mit Gundolf S. Freyermuth, 15. 2. 2022. 12 Siehe etwa Hans Magnus Enzensberger: Wie ich fünfzig Jahre lang versuchte, Amerika zu entdecken, S. 107. Im Abschlussteil Näheres zu diesem Essay. 13 Meier: TransAtlantik, S. 341. 14 Alexander Schug: Werbung und die Kultur des Kapitalismus, S. 360. 153

15 Wenn ich von ›Ideen‹ spreche, schließt das für mich stets die konkreten Ausdrucksformen mit ein, in denen sie sich realisieren und konkretisieren. Auf Aspekten der Materialität und sozialen Praktiken liegt entsprechend ein gewisser Fokus dieser Studie. Siehe zu dieser neueren Tendenz im Kontext der Geschichte der ideenhistorischen Forschung Grafton: The History of Ideas, S. 29. Vgl. zu den Themenfelder ›Materialität‹ und ›Praxis‹ in der ideenhistorischen Debatte außerdem Goering: Einleitung, S. 50 f. 16 Namentlich nennen will ich hier in erster Linie Felsch: Der lange Sommer der Theorie, sowie Raulff: Wiedersehen mit den Siebzigern. 17 Herbert: Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert, S. 1008. 18 Habermas: Die Neue Unübersichtlichkeit, S. 203. Mit seinem Satz bezieht sich Habermas auf den gesamten Prozess der westdeutschen Nachkriegsgeschichte, die »Erfahrung 1945 und danach«. 19 Bock / Grunewald: Zeitschriften als Spiegel intellektueller Milieus. 20 Henning Marmulla: Enzensbergers Kursbuch; Steenbock: Zeitgeistjournalismus; Neuffer: Die journalistische Form der Theorie. 21 Pompe: Zeitung / Zeitschrift, S. 295 f. 22 Delabar: Nicht Leben, sondern Überleben, S. 623. 23 Ich danke meinem Münsteraner Kollegen Philipp Pabst dafür, aus seinem derzeit im Erscheinen begriffenen Aufsatz »Populäre Zeitschriften im Seminar: Ein kommentierter Syllabus« zitieren zu dürfen. 24 Pabst lässt sich hierbei seinerseits inspirieren von Kaminski /  Ruchatz: Journalliteratur. 25 Goetz: Abfall für alle, S. 579. 26 Zum Kursbuch unter Enzensbergers Federführung siehe eingehend die Studie von Marmulla. 27 Siehe zu Enzensbergers Auseinandersetzung mit den Medien und seinen eigenen medientheoretischen Überlegungen sowie für weitere Literaturhinweise den Überblick von Schlösser: Hans Magnus Enzensberger, S. 34-48. 28 Schroer: Gesellschaft und Eigensinn, S. 25. 29 Zu TransAtlantik im Kontext der Medienreflexionen und -aktivitäten Enzensbergers Mamprin: Ein Nomade im Regal, S. 133-140. 30 Enzensberger / Salvatore: TRANSATLANTIK, S. 1. 31 Dass damit etwas vollkommen anderes gemeint ist, als die rechtsnational akzentuierte Rede von der ›selbstbewussten Nation‹ in den 1990er-Jahren, nämlich die Orientierung gerade nicht an einem – womöglich als essenzialistisch verstandenen – deutschen, sondern an einem westlich-liberalen, an den Vereinigten Staaten orientierten Kulturverständnis, erschließt sich aus dem 154

menhang und sei hier nur zur Vermeidung von Missverständnissen am Rande erwähnt. 32 Enzensberger / Salvatore: TRANSATLANTIK, S. 1. 33 Ebd. 34 Vgl. zum Kontext der Kritik Bohrers die Ausführungen bei H ­ acke: Staatsbilder, S. 70. 35 Enzensberger / Salvatore: TRANSATLANTIK, S. 1. 36 Ebd., S. 2. 37 Ebd. 38 Ebd., S. 3. 39 Ebd. 40 Ebd. 41 Ebd., S. 4. 42 Ebd. 43 Ebd., S. 4. 44 Ebd., S. 6. 45 Ebd., S. 6 ff. 46 Ebd., S. 8. 47 Ebd. 48 Der marxistische Begriff »Produktionsmittel« mutet an dieser Stelle wie ein terminologischer Restbestand aus vergangenen Zeiten an. 49 Enzensberger / Salvatore: TRANSATLANTIK, S. 9. 50 Ebd. 51 Ebd., S. 9 f. 52 Ebd., S. 10. 53 Ebd.  – Zu Enzensbergers Heine-Rezeption vgl. Jordan: Hans ­Magnus Enzensberger und Heinrich Heine. 54 Enzensberger / Salvatore: TRANSATLANTIK, S. 10. 55 Ebd., S. 11. Kurioserweise etabliert der New Yorker ab 1981 seinerseits die Rubrik »Letter from Europe«, geschrieben von Jane Kramer, der Europa-Korrespondentin der Zeitschrift. Dass es sich um mehr als eine schlichte Koinzidenz handelt, ist nicht unbedingt wahrscheinlich, aber doch zumindest denkbar. 56 Bertschik: Mode und Moderne, S. 39 f. 57 Gespräch mit Gundolf S. Freyermuth am 15. Februar 2022. Einschränkend muss hinzugesagt werden, dass in den mir vorliegenden Quellen aus der Entstehungszeit der Zeitschrift sich dieser fraglos naheliegende Bezug nicht findet. 58 Enzensberger / Salvatore: TRANSATLANTIK, S. 12. 59 Ebd., S. 12 ff. 60 Ebd., S. 14-19. 61 Insofern steht die Zeitschrift im Kontext dessen, was ich an anderer Stelle als »Kollektivpoetik« zu beschreiben versucht habe und 155

nerseits auf einer transatlantischen literar- und ideenhistorischen Genese beruht (Sina: Kollektivpoetik, dort bereits der Hinweis auf Hans Magnus Enzensberger und die Zeitschrift TransAtlantik auf S. 264). 62 Enzensberger / Salvatore: TRANSATLANTIK, S. 20 ff. 63 Ebd., S. 22. 64 Ebd., S. 22 f. 65 Ebd., S. 23. 66 Diesbezüglich ist in der jüngeren Forschung von einer »Verfeinerung des Geschmacks und der Kritik« die Rede, die in der Popkultur der Achtzigerjahre zutage getreten sei (Geer: Sophistication, S. 10). Bezogen auf TransAtlantik deutet sich an, dass dieser Befund auf das Zeitschriftenwesen übertragbar sein könnte. 67 Enzensberger / Salvatore: TRANSATLANTIK, S. 24 f. 68 Ebd., S. 25. 69 Anschaulich wird dies beim Durchblättern des reich illustrierten Bandes von Wilson: Modern Magazine Design. 70 Ich lege ein Moderneverständnis zugrunde, wie es umrissen wird von Gloy: Komplexität.  – Die Anregung, Design und Politik (auch) im Zeitschriftenbereich zusammenzudenken, verdanke ich einem Gespräch mit Uwe J. Reinhardt am 19. April 2022. 71 Enzensberger / Salvatore / NewMag-Verlagsgesellschaft: [Beglaubigte und unterschriebene Vertragsabschrift], S. 3. 72 Enzensberger / Salvatore: TRANSATLANTIK, S. 26. 73 Ebd., S. 27. 74 Ebd., S. 27 f. 75 Ebd., S. 28. 76 Hierüber und über die daraus entstehenden Konflikte zwischen Verlag, Herausgeberin und den beiden Zeitschriftengründern, die ein besonderes Gewicht auf die typografische Gestaltung legten, informierte mich Katharina Enzensberger im Gespräch vom 27. April 2022. 77 Brockmanns ästhetisch wegweisende Arbeiten werden gewürdigt in Müller: Josef Müller-Brockmann. – Anzumerken bleibt, dass just 1981 Müller-Brockmanns wegweisende Arbeit über Grid Systems in Graphic Design / Rastersysteme für die visuelle Gestaltung erscheint. Inwieweit dieser Ansatz in TransAtlantik bereits zum Tragen kommt, die Zeitschrift in dieser Hinsicht also ein Pionierprojekt wäre, ließe sich weiterführend untersuchen. Für diese Anregung danke ich Florian Glück (Berlin). 78 Zitiert in Amend: Der New Yorker. 79 Einen Überblick auf sein Schaffen bieten Ulrich / Gilke: Hans Hillmann. 156

80 Vollmann: Herr Heine, bitte melden. – Madler: Von der inneren Wildnis des Tennisspielers. 81 TransAtlantik 10 /1980, S. 10. Genannt werden in diesem Fall als Urheber die Schweizer Liedermacher Peter Reber und Veronique Müller, daneben als deutscher Texter der Sänger und Komponist Rolf Zuckowski, der zu diesem Zeitpunkt bereits auf dem Weg zum Star des westdeutschen Kinderlieds war. 82 TransAtlantik 10 /1980, S. 10. 83 Ebd., S. 6. 84 Ebd., S. 16. 85 Ebd., S. 11. 86 Ebd., S. 15 f. 87 Ebd., S. 7 f. 88 Ebd., S. 24. 89 Ebd., S. 37. 90 Ebd., S. 36. 91 Ebd., S. 44. 92 Ebd., S. 54. 93 In diesem Rahmen analysiert Sara Mamprin den Essay (»Was also bleibt ist der Westen, der sich in alle Himmelsrichtungen ausbreitet«, hierzu insbesondere S. 86 ff.). 94 TransAtlantik 10 /1980, S. 62. 95 Ebd., S. 63. 96 Dies im Einklang mit der neueren Forschung, etwa in Osterhammel: Was war und ist »der Westen«?. 97 TransAtlantik 10 /1980, S. 66. 98 Die Formulierung reproduziert unweigerlich eine Exotisierung und wird von Enzensberger gerade deshalb an dieser Stelle aufgerufen. Es geht ihm um eine Markierung der rassistischen Konnotationen, die mit dem Eurozentrismus traditionell einhergehen. 99 TransAtlantik 10 /1980, S. 67. 100 Ebd. 101 Ebd. 102 Vgl. ebd., S. 47. 103 Baßler: Western Promises. 104 Marquard: Einheit und Vielheit, S. 3. 105 Schroer: Gesellschaft und Eigensinn, S. 15, bezieht diese Aussage auf Enzensbergers Essayistik der Achtzigerjahre. Sie lässt sich auf das Medium, in dem einige seiner wichtigsten Beiträge aus dieser Werkphase erscheinen, also auf TransAtlantik, aber bruchlos übertragen. 106 Petersdorff: Literaturgeschichte der Bundesrepublik Deutschland, S. 80. Bezogen ist diese Äußerung nicht explizit auf 157

Atlantik, sondern auf einige allgemeine Tendenzen im Übergang von den Siebzigern in die Achtzigerjahre. 107 Schroer: Gesellschaft und Eigensinn, S. 14, dort auch Hinweise auf Enzensbergers Reflexion eines intellektuellentypischen Pessimismus. 108 Zumindest einige Ansätze in diese Richtung finden sich bei Klunker: Frühreife Spätlese. 109 Wieser: Heinrich Heine im Alfa Romeo, S. 245. 110 Gremliza: »Journal des Luxus und der Moden«, S. 7. 111 Ebd., S. 6 f. 112 Ebd., S. 8. 113 Vermittelt wurde dieser Kontakt wohl über den Schriftsteller Wolf Wondratschek (vgl. Lau: Hans Magnus Enzensberger, S. 317). 114 Ich entnehme diese Information dem namentlich nicht gezeichneten Artikel »Kalte Ente« aus dem Spiegel vom 20.  Juli 1975, S. 104 ff. 115 Lau: Hans Magnus Enzensberger, S. 320. 116 Kuenheim: Mann mit vielen Eigenschaften. 117 Enzensberger / Raddatz: Die Wahrheit ist immer riskant. 118 Schönemann: Kurswechsel mit Folgen. 119 Schütte: Utopien? Gewiß, aber wo?. 120 Kuenheim: Mann mit vielen Eigenschaften. 121 Wobei man hinzusagen muss, dass Wieser nicht wirklich als unbeteiligter Beobachter gelten kann: Zwischen 1974 und 1980 war er gemeinsam mit zwei Protagonisten von TransAtlantik, nämlich Enzensberger (zumindest für das Jahr 1974) und Karl Markus Michel (von 1974 bis 1980), Mitherausgeber des Kursbuch gewesen. Sein Artikel im Spiegel verteidigt mithin nicht nur das neue Magazin, sondern zugleich das Projekt zweier Kollegen und Mitstreiter. 122 Wieser: Heinrich Heine im Alfa Romeo, S. 245. 123 Ebd., S. 247. 124 Vollmann: Herr Heine, bitte melden. 125 Rutschky: TransAtlantik – ein soziologisches Experiment. – Auf Rutschkys 2015 veröffentlichten Bericht aus dem Innenraum der TransAtlantik-Redaktion komme ich in einem späteren Abschnitt noch zu sprechen. 126 Dazu eingehend Marmulla: Enzensbergers Kursbuch, vor allem S. 118-145. 127 Kraushaar: Vexierbild, S. 59. 128 Enzensberger: Gemeinplätze, die Neueste Literatur betreffend, S. 53. 129 So resümiert Hermann Korte im Kritischen Lexikon zur deutschsprachigen Gegenwartsliteratur. 158

130 Ebd. 131 Ausführlicher zu diesem medienstrategischen Verfahren Joch: Anreger und Aufreger. 132 Lau: Hans Magnus Enzensberger, S. 305. 133 Schütte: Eigensinn & Konsequenz. 134 Mohler: Die Bundesrepublik ist doch bewohnbar. – Diese Position wurde in Bezug auf TransAtlantik bereits vorweggenommen: Der Abschied vom utopischen Denken gehe bei Enzensberger einher mit »einem Rückzug auf härtere Positionen des Konservatismus«, auch wenn dieses Wort bei ihm »natürlich« unausgesprochen bleibe. Den Bezugspunkt für diese Behauptung bildet Enzensbergers hier bereits resümierter Essay »Eurozentrismus wider Willen« in der ersten Ausgabe von TransAtlantik, der vermeintlich an eine »Wildnis in uns selbst« appelliere und damit Positionen von Ernst Jünger und Carl Schmitt reformuliere – was so abwegig ist, wenn man sich nur den antizivilisatorischen und gegenmodernen Zug der genannten Vergleichsautoren vor Augen führt, dass es hier nicht weiter kommentiert werden muss (Madler: Von der inneren Wildnis des Tennisspielers). 1982 erneuerte die Welt diese Kritik, indem sie Enzensberger und Salvatore unterstellte, »Tabu-Themen« aufzugreifen, »an die sich konservative Organe nicht wagen können, wenn sie nicht gleich unter internationalen Beschuß geraten wollen« (Madler: Als Drohne nach Bali). Diese zugleich beleidigte und feindselig anmutende Kritik erscheint mir, zumindest aufs Ganze der Zeitschrift gesehen, vollkommen unhaltbar. 135 TransAtlantik 10 /81, S. 13-21. 136 Erstaunlicherweise unerwähnt bleibt diese naheliegende Verbindung im Kapitel zum Untergang der Titanic in Marmulla: Enzensbergers Kursbuch, S. 247-259; erstaunlich zumal, weil dort das Langgedicht nicht bloß als Schilderung »verlorener Ideologien und untergegangener Utopien«, sondern auch als Reflexion darüber gelesen wird, »wie Geschichte weitergehen kann« (S. 258 f.). Auch in der übrigen Forschung bleibt diese werkgenetische Beziehung, soweit ich sehe, unberücksichtigt. 137 Enzensberger / Salvatore: TRANSATLANTIK, S. 4. 138 Hier im Sinne von Marquard: Frage nach der Frage, auf die die Hermeneutik die Antwort ist. – Gelassen hinzunehmen ist dabei der unvermeidliche Einwand, dass in der hier eingenommenen Perspektive nur ein Teilaspekt des überaus vielschichtigen Versepos in den Blick gerät. Wer sich genauer für die werkgeschichtlichen Implikationen und Voraussetzungen, die implizite Poetik und die intertextuellen Verweisstrukturen des Gedichts 159

interessiert, sei daher verwiesen auf Alena Diedrichs Arbeit über Melancholie und Ironie in Enzensbergers Titanic-Gedicht. 139 Enzensberger: Der Untergang der Titanic, S. 20 f. 140 Ebd., S. 115. 141 Enzensberger: Warum ich Amerika verlassen habe. 142 Lau: Hans Magnus Enzensberger, S. 257 f. 143 Enzensberger: Bildnis einer Partei, S. 211. 144 Born: Riß im Rumpf des Fortschritts, S. 236. 145 Ebd., S. 238. 146 Enzensberger: Der Untergang der Titanic, S. 20. 147 Ebd., S. 14 f. 148 Ebd., S. 103. 149 Ebd., S. 115. 150 Lau: Hans Magnus Enzensberger, S. 315. 151 Wie komplex und langwierig sich diese im Kursbuch explizit und implizit geführte Debatte tatsächlich gestaltete, zeigt Marmulla: Enzensbergers Kursbuch, S. 176-198. 152 Lau bezieht sich auf das Auseinanderklaffen von »innerer« und »äußerer« Sprache, von dem Brentano spricht, vom Kreisen der Poesie um ein »Unsagbares« (Lau: Hans Magnus Enzensberger, S. 311). 153 Enzensberger: Der Untergang der Titanic, S. 61. 154 Lau: Hans Magnus Enzensberger, S. 311. 155 Enzensberger: Der Untergang der Titanic, S. 103. 156 Dass die inter- und transnationale Perspektivierung bereits für das Kursbuch von entscheidender Bedeutung gewesen ist, insbesondere mit Blick auf den sogenannten globalen Süden, also Südostasien, Afrika und Lateinamerika, zeigt Marmulla: Enzensbergers Kursbuch, S. 94-105. 157 Salvatore: Waldemar Müller, S. 7 – Lediglich am Rande sei vermerkt, dass zumindest zwei der Waldemar Müller-Geschichte nicht von Gaston Salvatore, sondern von Michael Krüger und Gundolf Freyermuth verfasst worden sind (Gespräch mit Gundolf S. Freyermuth, 11. 7. 2022). 158 Das vorliegende Kapitel beruht in wesentlichen Teilen auf meinem Aufsatz »Ein neues Lied, ein besseres Lied. Strategien der Selbstlegitimation in der politischen Essayistik Hans Magnus Enzensbergers«, der 2010 in der Zeitschrift Text + Kritik erschienen ist. 159 So Enzensberger in einem Gespräch mit dem Literaturkritiker Hanjo Kesting im Jahr 1975, hier zitiert nach Lau: Hans Magnus Enzensberger, S. 301. 160 TransAtlantik 5 /1981, S. 16. 160

161 Zum Ausgangspunkt seiner Überlegungen dient dieser Paradigmenwechsel der Kulturkritik nach 1968 Konersmann: Kultur­ kritik, S. 7 f. 162 Wie wirksam Enzensberger zu Beginn seiner professionellen Autorschaft eben diese zeitgenössischen Forderungen des Nonkonformismus an die Literatur affirmiert und zugleich öffentlichkeitswirksam revidiert, zeigt Lau: Hans Magnus Enzensberger, S. 35-63. 163 TransAtlantik 5 /1981, S. 16. 164 Ebd., S. 17. 165 Vgl. stichpunkthaft zur Rezeption und Bedeutung Luhmanns für Enzensberger Lau: Hans Magnus Enzensberger, S. 326 f. sowie 344 f., außerdem Schroer: Gesellschaft und Eigensinn, S. 19 f. 166 TransAtlantik 5 /1981, S. 17. 167 Einschlägig für das dichotome Weltbild, das Enzensberger noch in den Sechzigern propagiert, ist die Äußerung in Times Literary Supplement vom Mai 1967: »Das politische System der Bundesrepublik ist jenseits aller Reparatur. Man kann ihm zustimmen, oder man muß es durch ein neues ersetzen. Tertium non dabitur« (zitiert nach Lau: Hans Magnus Enzensberger, S. 233). 168 TransAtlantik 5 /1981, S. 19. 169 Ebd. 170 Ebd., S. 16. 171 Das Interview anlässlich der Publikation der Politischen Brosamen ist dokumentiert auf der DVD Hans Magnus Enzensberger. Ich bin keiner von uns. Filme, Porträts, Interviews aus dem Jahr 2009. 172 TransAtlantik 5 /1982, S. 13. 173 Ebd. 174 Ebd., S. 14. 175 Ebd., S. 18. 176 TransAtlantik 5 /1981, S. 19. 177 John Lennon: »God«, auf: Plastic Ono Band, Apple / EMI 1970. 178 TransAtlantik 5 /1981, S. 17. 179 Ebd., S. 22. 180 Ebd., S. 18. 181 Ebd. 182 Ebd., S. 22. 183 Habermas: Der philosophische Diskurs der Moderne, S. 359. 184 Bourdieu: Das intellektuelle Feld, S. 165. 185 Ebd., S. 165. 186 Enzensberger / Raddatz: Die Wahrheit ist immer riskant. 187 Heine: Deutschland. Ein Wintermärchen, S. 418. 161

188 189 190 191 192 193 194

Ebd., S. 417. Ebd., S. 418. Ebd., S. 468. Lau: Hans Magnus Enzensberger, S. 344. Rutschky: Mitgeschrieben, S. 10. Gespräch mit Katharina Enzensberger, 30. 9. 2021. Rutschky: Mitgeschrieben, S. 104. Zu einer vollständigen Absetzung ist es dann aber doch nicht gekommen, sondern vielmehr zu einer Um- und Neubesetzung. Seit der Oktober-Ausgabe 1981 wurde Bexte als »Art Director« im Impressum geführt. Im Mai 1982 trat an seine Stelle der Journalist und Gestalter Rainer Wörtmann. Bexte übernahm stattdessen bis zum vorläufigen Ende der Zeitschrift die sogenannte Bildredaktion Frankfurt. Einige Erinnerungen an die Zusammenarbeit mit ihm schildert Enzensberger in seinem ebenfalls mit Illustrationen Bextes versehenen Notizbuch Fallobst von 2019 (Enzensberger: Fallobst, S. 367 f.). Bextes gestalterisches Schaffen wird eigens resümiert in einem von der Hochschule für Künste Bremen herausgegebenen Kunstbuch (darin zu den Arbeiten für TransAtlantik S. 116 ff.). 195 Parkin / Schumann: Was man bei Charles Schumann nicht bestellen sollte. 196 Schumann: Hommage an einen Chef, S. 27. 197 Felsch: Der lange Sommer der Theorie, S. 217. 198 Rutschky: Mitgeschrieben, S. 14. Rutschky zitiert seinerseits eine Formulierung von Karl Markus Michel. 199 Ebd., S. 51 f. 200 Ebd., S. 14. 201 Ebd., S. 20. 202 Festgehalten ist es unter Angabe konkreter Zahlen im Verlagsvertrag (vgl. Enzensberger / Salvatore / NewMag-Verlagsgesellschaft: [Beglaubigte und unterschriebene Vertragsabschrift], S. 7). 203 Rutschky: Mitgeschrieben, S. 11 f. 204 Rutschky: TransAtlantik – ein soziologisches Experiment. 205 Gespräch mit Gundolf S. Freyermuth, 11. 7. 2022. 206 Schultz-Gerstein: Der rasende Mitläufer. 207 Goetz: loslabern, S. 33.  – Ebenfalls auf seine Reise und seinen Artikel kommt Goetz in Abfall für alle zu sprechen (auf S. 15 und S. 482). 208 TransAtlantik 8 /1981, S. 12. 209 Ebd., 12 f. 210 Ebd., S. 13. 211 Ebd., S. 13 f. 212 Ebd., S. 14. 162

213 Ebd. 214 Ebd., S. 15. 215 Ebd., S. 16. 216 Ebd., S. 17. 217 Ebd. 218 Ebd., S. 19. 219 Ebd., S. 18. 220 Ebd., S. 19. 221 Ebd. 222 Ebd., S. 20. 223 Ebd., S. 22. 224 Ebd. 225 Ebd., S. 23. 226 Ebd. 227 Enzensberger / Salvatore: TRANSATLANTIK, S. 8. 228 Rauen: Kulturalisierung als Potenzierung der Kritik, S. 200 ff., hier S. 200. 229 Goetz: Subito, S. 21 f. 230 TransAtlantik 8 /1981, S. 20. 231 Ebd., S. 17. 232 Rauen: Kulturalisierung als Potenzierung der Kritik, S. 201. 233 Die bisher einzige literaturwissenschaftliche Auseinandersetzung mit diesen überaus komplexen Erzählgebilden stammt von Böttcher: »Der gehässigste Kerl weit und breit«. 234 Biller: Enzensberger. 235 Nachhören lässt sich dies im Zeit-Podcast »Maxim Biller, warum suchen Sie Streit?« vom 10. Februar 2022 (https://www.zeit.de/ gesellschaft/2022-02/maxim-biller-interviewpodcast-alles-gesagt). 236 Auf das letzte Drittel der Kurzerzählung, den witzigen Dialog Kohns mit seinen Eltern, komme ich später noch zu sprechen. 237 Enzensberger / Salvatore: TRANSATLANTIK, S. 16. 238 Rutschky: Mitgeschrieben, S. 20. 239 TransAtlantik 6 /1981, S. 15. 240 Ebd., S. 15 f. 241 Ebd., S. 16. 242 Ebd. 243 Ebd., S. 19 244 Ebd., S. 20 ff. 245 Entsprechende Berührungspunkte werden u. a. beschrieben bei Petersdorff: Im Nachhall der Systeme, S. 35 ff. und S. 43 ff., sowie Hacke: Ironiker in der Bundesrepublik. 246 Maxim Biller: Warum Ernst Jünger?, hier S. 201. Neben Marquard nennt Biller, in einer durchaus idiosynkratisch zu 163

nenden Reihe, »Helmut Dietl, Jakob Arjouni, Henryk M. Broder, Giovanni di Lorenzo und noch ein paar andere«. 247 Marquard: Das pluralistische Manifest?, S. 115. 248 Ebd., S. 117. 249 Ebd., S. 119. 250 Ebd., S. 121. 251 Mit dem Rekurs auf das universelle Menschenrecht findet sich die Formel in Marquard: Philosophie des Stattdessen, S. 43; ohne diesen Bezug auch in Marquard: Das pluralistische Manifest?, S. 121. 252 TransAtlantik 6 /1981, S. 15. 253 Marquard: Das pluralistische Manifest?, S. 120. 254 Freyermuth: Traumschläger, S. 86. 255 Dieses Zitat dient als Titel der von Helmuth Nürnberger herausgegebenen und kommentierten Sammlung an Essays, Reportagen und Feuilletons von Joseph Roth. 256 Osterle: Interview with Hans Magnus Enzensberger, S. 141. 257 Bertschik: Der Querschnitt. – Entstanden ist Bertschiks Überblicksartikel im Rahmen des Klagenfurter Forschungsprojekts »Transdisziplinäre Konstellationen in der österreichischen Literatur, Kunst und Kultur der Zwischenkriegszeit«. 258 Ebd. 259 Steenbock: Zeitgeistjournalismus. 260 Wiederum sei beispielhaft sei auf die derzeit einschlägige Studie Zeitgeistjournalismus von Steenblock verwiesen. 261 Konersmann: Kulturelle Tatsachen, S. 75. 262 Steenbock: Zeitgeistjournalismus, S. 47 f. 263 Peterson / Kern: Changing Highbrow Taste, S. 900. 264 Freyermuth: Traumschläger, S. 87. 265 Rutschky: Mitgeschrieben, S. 28. 266 Die Zitate stammen aus den Heften 11 /1981 (S. 93) und 12 /1982 (S. 91). 267 Enzensberger: Meine Lieblings-Flops, S. 130. 268 Kardorff: Torpedos gegen das eigene Schiff. – Soweit nicht anders vermerkt und nachgewiesen, stammen im Folgenden sämt­ liche Zitate aus diesem Artikel. 269 Enzensberger: Kleine Abschiedsrede, S. 2. 270 Freyermuth: Traumschläger, S. 87. 271 Rutschky: TransAtlantik – ein soziologisches Experiment. 272 Vgl. zu diesem publizistischen Kontext, allerdings ohne einen eigenen Beitrag zu TransAtlantik, aber mit punktuellen Erwähnungen, v. a. bezogen auf Goetz’ frühe Werkentwicklung, Thomalla: Literarischer Journalismus, S. 126-139.  – Auf die 164

liche Beziehung der »100 Zeilen Hass« zur »Ventil«-Kolumne hat mich im Gespräch vom 11.  Juli 2022 Gundolf Freyermuth hingewiesen. 273 Unfried: Sein eigener Mann in Stanford. 274 Habermas: Interview mit Detlef Horster und Willem van Reijen, S. 513. 275 Gumbrecht bewegt sich damit im Trend der neueren Forschung, vgl. etwa Kreis: Nach der »amerikanischen Kulturoffensive«. 276 Gumbrecht: California Graffiti, S. 184. 277 Zu diesem für Enzensberger triftigen Generationszusammenhang Enzensberger / Bürger / Petersdorff: Zwischen Wölfen und Wolken, S. 190 f. 278 Dazu und zu den Aporien des autobiografischen Schreibens bei Enzensberger insgesamt Bürger: Titanic und Tumult, S. 434. 279 Enzensberger: Wie ich fünfzig Jahre lang versuchte, Amerika zu entdecken, S. 101 f. Von einer »allerersten transatlantischen Unterhaltung« sprach Enzensberger auch in seiner 2018 unter dem Titel Eine Handvoll Anekdoten, auch Opus Incertum erschienenen fragmentarischen Kindheitsgeschichte (Enzensberger: Eine Handvoll Anekdoten, S. 141 f.) Der vielleicht früheste Beleg dieser autobiografischen Initiationserzählung ist seine Bewerbung für ein Stipendium der Studienstiftung des deutschen Volkes vom Sommer 1951 (hierzu Bürger: Titanic und Tumult, S. 431). 280 Enzensberger: Wie ich fünfzig Jahre lang versuchte, Amerika zu entdecken, S. 105. 281 Ebd., S. 108. 282 Ebd., S. 107. 283 Ebd., S. 101. 284 Den Begriff der »Re-Education« bringt auch Kraushaar ins Spiel, bezieht ihn aber lediglich auf die »68er«: Das »Lob der Inkonsequenz, der Nicht-Linearität und des gleitenden Übergangs« sei ein an sie gerichtetes »Umerziehungsprogramm« gewesen (Kraushaar: Vexierbild, S. 61). Die von mir genannten Quellen deuten hingegen darauf hin, dass diese historische Referenzia­ lisierung zu kurz greift. 285 Musil: Der Mann ohne Eigenschaften, S. 16. 286 Pabst: Zur Öffentlichkeit populärer Zeitschriften, S. 6. Pabst bezieht sich mit dem Begriff des Imaginationsraums auf einen Begriff von Sabina Fazli und Oliver Scheiding.

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Dokumente

1. Konzeptpapier, Juni 1979 Handschriftliche Einfügungen in das Typoskript sind durch Winkelklammern kenntlich gemacht. Offensichtliche Schreibversehen oder Tippfehler wurden stillschweigend korrigiert. Im Falle von Eigennamen, deren Falschschreibung nicht eindeutig auszumachen war, wurde nicht eingegriffen. TRANSATLANTIK

Projekt einer Zeitschrift für das westliche Deutschland Von Hans Magnus Enzensberger und Gaston Salvatore I







Eine Zeitschrift, die fehlt. Wir gründen unser Projekt nicht auf ein Programm, sondern auf eine Analyse der gesellschaftlichen und kulturellen Situation der Bundesrepublik. Auf die Frage, was diesem Land fehlt, antworten wir nicht mit einem exakten, statistischen Kalkül. Das wäre Hochstapelei. Wir verlassen uns auf unsere Beobachtungen und Vermutungen: Wünsche werden nicht errechnet, sondern (mit einigem Glück) erraten. Fest steht, daß die Westdeutschen anspruchsvoller geworden sind. Das gilt nicht nur im Hinblick auf ihre Konsum- und Reisegewohnheiten. Es ist nicht nur eine ökonomische, sondern auch eine kulturelle Tatsache. Wir sehen darin die Folge eines über dreißigjährigen Friedens, des enorm gewachsenen gesellschaftlichen Reichtums und eines zunehmenden Selbstbewußtseins, das, wenn auch zögernd, den objektiven Tatsachen folgt. Eine Nation von Aufsteigern sucht nach ihrer kulturellen Identität. Nach dreißig Jahren hört der nouveau riche allmählich auf, nouveau zu sein; er entdeckt neue, »höhere« Bedürfnisse. Er möchte seiner inneren Unsicherheit, der Lächerlichkeit, der Banalität, dem kleinkarierten Zuschnitt seines Lebens entrinnen. Dieser Prozeß ist auf allen Ebenen zu beobachten, am deutlichsten aber »oben«. (Da in Westdeutschland eine 169

prägende traditionelle upper class nicht existiert, heißt »oben«: im Milieu der upper middle class.) Von der alten Verlegenheit, dem linkischen Leiden an sich selber, der inneren Unsicherheit ist viel geblieben, aber umso eifriger ist man bestrebt, ein bißchen mehr Weltkenntnis und Lebensart zu erwerben. Tatsächlich geben provinzlerische Borniertheit und plumpes Hinterwäldlertum schon lange nicht mehr den Ton an (wenn sie auch nach wie vor recht verbreitet sind). Der Stiernacken ist out. Man gibt sich in Westdeutschland urbaner, ironischer, zivi­lisierter denn je zuvor. Dem entspricht das kontinuierlich zunehmende Interesse an »Kultur«, und zwar in einem Sinn, der über die traditionelle Repräsentation (im Sinn von S­ taats­oper / Beethoven / Bundespresseball) weit hinausreicht. Eine Zeitschrift, die fähig wäre, diese neuen Bedürfnisse und Ansprüche aufzugreifen und zu entwickeln, gibt es nicht. II





Mangel an Konkurrenz. Warum gibt es in der Bundesrepublik keine Zeitschrift, die so etwas wie »Gesellschaft« auszudrücken verstünde? Die Tatsache ist als Symptom an und für sich bereits interessant genug. Wir haben das Angebot analysiert und fassen den Befund zusammen. Publikationen wie Madame, Der Herr, Esquire können allenfalls als dilettantische Kopien eines nicht vorhandenen Originals gelten. Verheerender Mangel an Eleganz, verschwitztes Strebertum, kultureller Kretinismus, Klein-Moritz-Attitüde, Bonner Kleinstadtluft. Im besten Fall gelingt es diesen Zeitschriften, heruntergekommene Herrenreiter und hilflose Gattinnen zu unterhalten. Sie sind nicht in der Lage, irgend etwas zu problematisieren, und wäre es nur das Design des Aschbechers auf dem Tisch. Ihre Bewußtlosigkeit erlaubt es ihnen nicht, einen Ton zu finden, geschweige denn, den Ton anzugeben. Dagegen haben die Druck-Medien, die in der Bundesrepublik eine Rolle spielen, die Leerstelle (oder das Bedürfnis), von denen wir sprechen, zwar erkannt, doch 170







waren sie bisher nicht in der Lage, darauf verlegerisch und redaktionell angemessen zu antworten. Zum einen haben die großen Pressekonzerne versucht, die »Lücke« durch Spezialisierung zu füllen: Merian und Geo für Tourismus und Kosmopolitentum, Essen und Trinken für den Gourmet, Schöner Wohnen (usw) für den Haus- oder Wohnungsbesitzer, Lui und Playboy für den »Mann«, ganz zu schweigen von Zeitschriften für Sammler, Kunstfreunde, Theaterbesucher, Bücherfreunde usw. usw. Das erratene Bedürfnis wird sozusagen wie ein Kuchen in immer kleinere Stücke aufgeteilt. Die Suche nach der Marktlücke führt zur Sektorialisierung der Kultur; vorhandene Zielgruppen sollen möglichst risikolos dingfest gemacht und bedient werden. Neue, noch nicht definierte Bedürfnisse werden auf bekannte zurückgeführt. Andere, große Publikationszeitschriften reagieren auf die wachsenden kulturellen Ansprüche des westdeutschen Publikums mit einer Erweiterung ihrer Kulturbericht­ erstattung. (Der Kulturteil des Stern, früher so gut wie inexistent, hat bereits ein gewisses Gewicht erreicht. Noch deutlicher ist das beim Spiegel, der auch über einige Gesellschafts-Reporter verfügt. Auch für F. A. Z. und Zeit stellt sich das Feuilleton als Wachstumssparte dar.) In diesen Fällen haben Verlage und Redaktionen mehr oder weniger deutlich einen »Trend« erkannt, aber daraus ziemlich oberflächliche Schlüsse gezogen: sie haben sich auf eine quantitative Erweiterung ihres Angebots beschränkt. Das hängt damit zusammen, daß ihr Kulturbegriff zu eng und zu traditionell ist (Übergewicht der Rezension, Premierenkalender, Betriebsblindheit von Berufskritikern). Die existierenden Apparate reagieren also, typischerweise, entweder durch Spezialisierung oder durch quantitative Erweiterung auf die neue Lage des »bundesdeutschen Bewußtseins«. Keine dieser beiden Antworten ist schöpferisch. Risikovermeidung ist ihr gemeinsamer Nenner. Sie versuchen, nach 171



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ter Marketing-Manier, bereits vorhandenen Zielgruppen hinterherzulaufen. Eine großstädtische, intelligente Publikumszeitschrift für die historisch neuen Ansprüche der Bundesrepublik hingegen müßte ihr eigenes Publikum erst erzeugen oder wenigstens herauskristallisieren. Hierzu ist aber ein neues und eigenständiges Konzept nötig. Das ist vor allem eine Frage der Haltung, des Tons und der Schreibweisen. Haltung Vorbild Titel. Überlegen (aber nicht arrogant) Intelligent (aber nicht akademisch) Böse (aber nicht hämisch) Elegant (aber nicht selbstgefällig) Sophisticated (aber nicht esoterisch) Kritisch (aber ohne Besserwisserei) Ironisch (aber nicht patzig) –







Es ist kein Kunststück, eine Liste von Vorzügen hinzuschreiben, die wir uns für dieses Vorhaben wünschen. Unsere Lieblingslaster wären: eine Spur von Blasiertheit, ein Hauch von (unzeitgemäßem) Dandytum, eine Scheu, das Offensichtliche auszusprechen. Für diese Haltung gibt es, soviel wir wissen, auf der ganzen Welt nur ein Vorbild: den New Yorker. Natürlich ist es kein Zufall, daß diese Zeitschrift in der Metropole der westlichen Welt gemacht wird. Eine bloße Imitation kommt schon deshalb nicht in Frage. Unwiederholbar sind im übrigen auch die Tradition dieser Zeitschrift und ihr lokaler Aspekt. Vorbildlich und nachahmenswert erscheinen uns dagegen die souveräne überlegene Haltung, der Sinn für Qualität, der eigentümlich großstädtische Humor; ferner die Orientierung auf das geschriebene Wort, die zentrale Rolle der Autoren, der große Raum, der den einzelnen Beiträgen eingeräumt wird, und die hohe 172







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Sachkenntnis, von der sie zeugen; die äußere Gestalt, die kühle, zurückgenommene Aufmachung, das künstlerische Titelblatt, die Bevorzugung der Graphik; der Verzicht auf üppiges Layout, großformatige Fotografie, Farbe, Überwältigung durch artwork; Die universelle Thematik, der ein weitgespannter Kulturbegriff zugrundeliegt; Haltung und Ton dem Publikum gegenüber: die Weigerung, sich in irgendeiner Form anzubiedern: keine Lebenshilfe, keine Tips, keine Geschenk-Boutique, keine Hausmitteilungen, keine Tests, keine Rätsel, keine »Einlauftexte«, keine Zwischenüberschriften, keine »Lese­ hilfen«, keine Leserbriefe, keine plumpen Anreden an den »Lieben Leser«; dafür die elementare Höflichkeit, einen mündigen Leser vorauszusetzen (das heißt aber auch, zu finden, zu gewinnen, ja sogar zu ermöglichen). Das Bewußtsein (und Selbstbewußtsein) einer solchen Publikation kann sich nur in der Metropole entwickeln, im ökonomischen und politischen Zentrum einer Zivilisation. Die Bundesrepublik ist heute so etwas wie eine sekundäre Metropole: abhängig von den Vereinigten Staaten, aber, ob sie will oder nicht, »Nummer eins in Europa«. Der Titel Transatlantik drückt (unterschwellig) etwas von dieser Lage aus. Andere mitspielende Momente und Assoziationen sind: Luxus, Großzügigkeit, Zugang zur Welt, Tradition (der mythischen Transatlantikschiffe, im Gegensatz zur kantinenhaften Atmosphäre heutiger Verkehrsflugzeuge). Im übrigen aber hat dieser Titel den Vorteil, daß er kein Programm angibt und keine Linie festlegt: er kann deshalb nicht zur Fessel werden. Er ist außerdem zitierbar, lakonisch, international verständlich, leicht auszusprechen und von seiner Phonetik her suggestiv. Periodizität. Die einzig richtige Erscheinungsweise für diese Zeitschrift ist die monatliche. Dafür sprechen nicht nur ökonomische und verlegerische Gründe, sondern 173



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auch inhaltliche. Publikationen wie Der Spiegel, aber auch The New Yorker, die es darauf abgesehen haben, wirklich gelesen zu werden, überfordern mit ihrem Umfang und ihrem wöchentlichen Erscheinen die Geduld und die Zeitökonomie ihres Publikums. Transatlantik soll eine Lebensdauer »auf dem Tisch« von mehreren Wochen haben. Wir denken an eine langfristige Aktualität. Von der ganzen Konzeption her verbietet sich ein Anhängen an den momentanen Trend. Das in Deutschland übliche Abkupfern (Geschichten aus Time oder Scientific American tauchen regelmäßig 14 Tage später im Spiegel auf, erfolgreiche Fernsehsendungen werden kurzfristig im Stern oder in der Zeit dupliziert) kommt für uns nicht in Frage. Das bedeutet, daß sich Herausgeber und Redaktion auf eine Art von präventiven Journalismus einstellen müssen. Das ist weniger eine Frage der Themenwahl als der Perspektive und des Gesichtspunktes. Die Haltbarkeit der Beiträge über Monate hinweg muß durch den Stil und den angle garantiert sein. Schreibperspektiven und Blickwinkel. Der alltägliche Journalismus kommt fast ohne Reflexion auf seine eigene Sehweise aus. Seine Perspektive ist frontal: er baut sich vor seinem Gegenstand auf und bildet ihn ab. Das Offensichtliche, Prominente, gegebenenfalls Sensationelle wird immer ins Zentrum des Bildes gerückt. Der so entstandene Text wird dann koloriert, mit Farbtupfern versehen und mit dem Leichentuch des Kommentars zugedeckt. Dieses Verfahren ist naiv. Entdeckungen lassen sich auf diese Art und Weise nicht mehr machen, seitdem die weißen Flecken auf den Landkarten verschwunden sind. In einer total verfilmten Welt kann nur der etwas Neues und Überraschendes ausfindig machen und mitteilen, der systematisch abweichende Sehweisen ausprobiert und einübt. Das beginnt damit, daß man die im Journalismus üblichen Sparten strategisch durchbricht. Für Transatlantik gibt es 174









keine »Welt der Frau«, keine »Motor-Welt«, keine Sportredaktion, die Sportsachverständige dazu auffordert, über Sport zu schreiben. Umgekehrt: nur durch einen »schrägen«, seitlichen, nicht orthodoxen Gesichtswinkel lassen sich wirkliche Einblicke gewinnen. Die Wahl dieser Sicht- und Schreibweisen ist sogar die eigentliche Leistung der Redaktion. Zwei Beispiele: Wenn wir einen Beitrag über die Risiken der Radioaktivität bringen wollen, wäre es das Verkehrteste, jemanden nach Harrisburg oder nach Gorleben zu schicken. Richtiger wären folgende Ansatzpunkte: Eine Reportage von der Insel Bikini, 26 Jahre nach den Testserien. Eine Untersuchung darüber, welche Lebewesen starke Dosen von Strahlung überleben würden (Käfer und Schachtelhalme), und der Versuch, eine post-atomare Biosphäre zu beschreiben. 〈Oder〉 das Planspiel eines deutschen Strahlenmediziners in Form eines Szenarios. Einige der Seh- und Schreibweisen, an die wir denken, lassen sich kategorisieren: a)

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Das Prinzip, die »falschen« Leute an das richtige Thema zu setzen. Idealbeispiel: Einstein über Mode. Einladung an Poullain, den Bankier, über seine Eindrücke bei der Lektüre eines Romans von Handke zu schreiben. Ein (intelligenter) Sportler erzählt Cineasten-Filme nach. 〈Usw.〉 Das Prinzip, von Autoren das zu verlangen, was sie nicht zu schreiben gewohnt sind. John Updike z. B. könnte, statt eine weitere Ehegeschichte aus dem amerikanischen Mittelstand zu liefern, über einen Vulkanausbruch berichten; 〈von〉 Erich Fried wollen wir keine linksradikalen, wortspielerischen Gedichte, sondern die Nahaufnahme einer Bonner Prominentenkneipe lesen (bei Ria Alzen verkehren vor allem Abgeordnete und Lobbyisten). Das Prinzip der Sittenschilderung: Statt einer soziologischen oder ideologischen Diskussion über 175

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»die Deutschen«, wie sie allenthalben bis zur Erschöpfung geführt wird, die Verkehrsformen dieses Landes im Detail, in ihrer ganzen Komik: der Ton, der bei teuren Friseuren herrscht, die Rituale auf der Straße nach einem Blechschaden, die Brautmoden, die händereibenden Verkehrssitten der Steuerberater usw. Das Prinzip, nach Modellen der Weltliteratur zu arbeiten, beispielsweise das Gastmahl des Trimalchio des Petronius, die Studien von Bouvard und Pécuchet, die Unterhaltungen Diderots »nachzustellen«, auf Verhältnisse der Bundesrepublik anzuwenden. Das Prinzip der Insider-Story: Anonyme Darstellungen von Betroffenen, die sich endlich risikound hemmungslos Luft machen und der Last ihrer spezifischen Erfahrungen entledigen können. Beispiele: ein verzweifelter Profi über das Innenleben einer Werbeagentur; ein Bundeswehr-General über den Muff und die Widersprüche seines Milieus; ein frustrierter Fernsehredakteur über den absurden Drahtverhau, der in den Anstalten jede Produktivität im Keim erstickt. Voraussetzungen sind hierbei: die Zusicherung strikter Diskretion und eine sorgfältige, unauffällige Hilfe bei der Formulierung solcher Texte. Das Prinzip der »Nachschau« oder der Ausgrabung bzw. Wiederholung. Beispiele: ein Autor folgt den Spuren des Erzählers aus The Heart of Darkness von Joseph Conrad und fährt mit einem Flußdampfer kongoaufwärts; ein Reporter macht den Lehrer ausfindig, der Ulrike Meinhof an die Polizei verraten hat, und befragt ihn nach seinen Gefühlen, Erfahrungen und Schlußfolgerungen. Das ethnologische Prinzip der »Expedition in das Landesinnere«. Während das Exotische als Exotisches für Transatlantik uninteressant ist (ein Häuserblock in New York sagt uns mehr als alle 176

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heimnisse der Südsee), halten wir die Sichtweise des Völkerkundlers und Anthropologen für produktiv, der sein Augenmerk auf unsere eigenen Verhältnisse richtet; der unsere eigenen Gewohnheiten, Rituale, Mythen so beschreibt, als wären es die eines fernen Indianerstammes. Beispiel: M. Rutschky hat kürzlich im Merkur die »Alternativ-Szene« von West-Berlin auf diese Weise analysiert und beschrieben und Vergleiche mit den Agni (und den Dogon), zwei westafrikanischen Stämmen, gezogen. Das Prinzip der Semi-Fiction. Wir denken hierbei an Stories mit erfundener Handlung, in der jedoch wirkliche Personen auftreten. Dieses Prinzip eignet sich vor allem für politische Stoffe (PolitFiction). Das Prinzip der Nacherzählung an Stelle der Rezension. Es wäre amüsant, Bestseller-Romane oder Filme nacherzählen zu lassen, sei es von Autoren, sei es von nicht-professionellen Lesern und Zuschauern; dabei wird die Haltung des Kritikers liquidiert, und es entsteht eine implizite Kritik, die vernichtender sein kann als jeder Verriß. Das Prinzip der Prophezeiung. Wir denken hierbei an Reportagen aus der Zukunft, die allerdings ebenso minutiös recherchiert sein müssen wie Berichte über Ereignisse, die bereits stattgefunden haben; der Reporter tritt aber nicht als Chronist, sondern als Kassandra auf. Hierfür bietet sich die Form des Szenarios an. Es sind verschiedene Tonlagen denkbar, von der kaltblütigen Ausarbeitung des Undenkbaren bis zum »lustigen Horror«. Beispiel: Schilderung eines Türkenaufstandes in einer westdeutschen Großstadt im Jahre 1988. Das Prinzip des »Deutschen Lebenslaufes«. Hier denken wir an Biographien von der Länge einer short story, verfaßt von Schriftstellern auf Grund eingehender Befragung. Die Helden dieser Ge177

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schichten sollten Unbekannte sein, die der Autor 〈persönlich〉 kennt. Auf diese Weise wäre der deutschen Geschichte aus einer neuen Perspektive beizukommen. Beispiel: Jeder hat in seiner eigenen Familie irgendeinen Onkel oder Schwiegervater, dessen Abenteuer Schweiksche oder Grosz’sche Qualität aufweisen. Diese Aufzählung ist unvollständig und unsystematisch, da die Zahl der produktiven Perspektiven praktisch unbegrenzt ist, und da die entsprechenden Schreibweisen ineinander übergehen. VI

Die vier Großen Formen. Die vier tragenden Säulen des redaktionellen Teils sind: die Reportage, der Essay, die Story, das Porträt. Dabei liegt das Hauptgewicht auf den Reportagen. Mit ihrer Qualität steht und fällt die Zeitschrift. a)





Bei dem Stichwort Reportage denken wir nicht an die Sonderkorrespondenten der Tagespresse, die sich auf Kriegsschauplätzen, bei Olympiaden und Staatsbesuchen scharenweise einfinden, um die Nachrichten mit Background-Informationen und Lokalkolorit aufzufüllen; auf den Personenkreis dieser Profis an der Bar werden wir nur in Ausnahmefällen zurückgreifen können. Wir denken an die Reportage als eine literarische Form. Ein Reporter in diesem Sinn ist nicht auf headlines, auf das Spektakuläre, auf die Enthüllung und den Coup angewiesen; mit Hilfe seiner Neugier, seiner Phantasie und seiner schriftstellerischen Technik muß er prinzipiell in der Lage sein, jedem Gegenstand etwas Unbekanntes und Überraschendes abzugewinnen. Es gehört zur Crux des deutschen Journalismus und der deutschen Literatur, daß diese literarische Form bei uns unterentwickelt ist. Transatlantik 178









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ist (unter anderm) ein Versuch, sie zum Leben zu erwecken. Die Gründe für das Fehlen der großen Reportage liegen einerseits in unserer literarischen Tradition (die einem Autor wie Heine seine großartigen Reportagen bis auf den heutigen Tag verübelt), andererseits aber im Fehlen von Produktionsmitteln. Reportagen kosten viel Arbeit, Zeit und Geld. Die Verleger scheuen den Aufwand und das Risiko. Die Autoren sind oft nicht daran gewöhnt, sorgfältig zu recherchieren; allzuviele glauben, es sei mit Phantasie und Sprachfertigkeit getan. Anderen liegt zu viel an ihrer Meinung; sie haben keine Übung im Zuhören, im aufmerksamen, geduldigen Aufnehmen des Details. In dieser Hinsicht ist besonders von den Amerikanern zu lernen. Wir vermuten allerdings, daß es in Deutschland ein entwicklungsfähiges Potential von Autoren gibt, die sich für solche Aufgaben interessieren würden, sofern die materiellen Bedingungen es ihnen erlauben. (Wir kommen auf diese Frage im Kapitel Mitarbeiter zurück.) Das Kernstück eines jeden Heftes wäre also eine große Reportage, die sich in der Regel mit einem deutschen Thema beschäftigen sollte. Zwei kleinere Reportagen mit freier Themenwahl pro Heft wären mindestens vorzusehen, je nach Umfang auch mehr. (Diese »kleineren« Reportagen müßten nicht unbedingt Auftragsarbeiten sein, sie könnten auch aus dem Ausland importiert werden.) Eine besondere Form der Reportage ist in unseren Augen das Porträt. Transatlantik sollte keine Interviews, sondern Bildnisse in Prosa bringen. Diese Form ermöglicht eine tiefgreifendere, subtilere Darstellung von Personen. Wir denken, daß jedes zweite Heft ein solches, ziemlich umfangreiches Porträt bringen sollte. Während sich das Porträt so gut wie ausnahmslos mit bekannten Personen 179

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der Zeitgeschichte befaßt, werden die Helden der Lebensläufe in der Regel Unbekannte sein. Diese Prosaform (die in der Zeitschrift mit der des Porträts alternieren könnte) bewegt sich auf der Grenze zwischen Reportage und Story. Wir haben nicht im Sinn, »die gute Kurzgeschichte« zu pflegen, d. h. dem Leser einfach spannende, unterhaltende oder literarisch ambitionierte Stories anzubieten; stattdessen interessieren uns Formen der Fiktion, die zugleich Einblicke, Informationen, Kritik, Polemik, mit einem Wort, ein fortschreitendes Bewußtsein erzeugen. (Beispiele im Sinn der Polit-Fiction oder des Zukunfts-Szenarios wurden bereits angeführt.) Es kommen also nur Geschichten in Betracht, aus denen man »etwas erfährt«; insofern halten wir auch auf dem Gebiet der Fiktion am Grundcharakter der Reportage fest. Natürlich ist die literarische Tradition voll von Beispielen für eine solche Art, Geschichten zu erzählen: man denke nur an Swift, Diderot oder an den Balzac der »Physiologien«. Die Form der Innenansichten (oder insider-Stories) nähert sich bereits dem Essay; es wird zwar von den Abenteuern eines anonymen Helden gesprochen, aber diese Odysseen dienen dazu, bestimmte gesellschaftliche Bereiche und Institutionen zu charakterisieren, wobei der Erzähler teils Fachmann (also Herr), teils Opfer seiner Arbeit sein wird. Als letzte regelmäßig auftretende größere Prosaform fassen wir den Essay ins Auge. Aber auch hier denken wir nicht daran, die üblichen Definitionen zu übernehmen. Für die grassierende Publizistik der Studienräte haben wir nicht das geringste übrig. Wir halten sie für öde und unproduktiv. Der akademische Stil (der nichts weiter ist als eine Form der Sprachlosigkeit) muß unter allen Umständen boykottiert werden. Theorie ohne Anschauung hat in dieser Zeitschrift keinen Platz; in diesem Punkte 180

wird sich Transatlantik von sämtlichen deutschen Kulturzeitschriften unterscheiden. Wir verlangen von einem Essay erstens: ein Thema, auf das wir gespannt sind, zweitens: ein Perspektive, die einen »neuen Blick« verspricht, drittens: eine federnde Sprache, viertens: einen gewissen, eher bösartigen Humor, und fünftens: eine gewissermaßen erzählerische 〈Dramaturgie〉 des Textes. Es muß sich etwas bewegen, und zwar nicht bloß eine These oder ein Beweisgang. Das (kaum einzuholende) Vorbild einer solchen Essayistik ist Heine.



Es braucht wohl nicht eigens gesagt zu werden, daß die Zeitschrift keine Serien bringen wird. Die breitgewalzten Bandwürmer, die im Spiegel zu finden sind, können nur abschreckend wirken. Andere literarische Formen, die hier nicht eigens aufgeführt sind, finden in festen Rubriken Platz, oder sie tauchen nur gelegentlich in der Zeitschrift auf. Gedichte beispielsweise sollen nicht ausgeschlossen werden; aber auch hier muß die Forderung nach einer überlegenen Perspektive gestellt werden. Ein Gedicht über den Handel mit Auto-Zubehör könnten wir uns durchaus vorstellen, er müßte nur amüsant und lehrreich sein.

VII Rubriken, wiederkehrende Elemente im redaktionellen



Teil. Dem »metropolitanischen« Grundkonzept (und auch dem Titel) entsprechend wünschen wir uns einen regelmäßig wiederkehrenden a)

Brief aus New York. Es ist eine Tatsache, daß die Trends, die unsere Zivilisation bestimmen, meist mit einer gewissen Verspätung aus den Vereinigten Staaten kommen. Der Brief aus New York soll sie in ihrer Latenzphase melden, das heißt, frühzeitig und auf Verdacht hin, bevor sie sich zu massiven Entwicklungen verdichtet haben. Eine gewisse Un181

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verbindlichkeit wird dabei nicht schaden, man kann sich auch über das Bevorstehende lustig machen. Natürlich denken wir auch hier nicht an die üb­ lichen Hofberichte aus Washington, sondern an ein Konglomerat von Mode und Philosophie, Sturmzeichen und bloßen Launen des gesellschaftlichen Prozesses. Wir haben an Susan Sontag als Autorin gedacht. Ihre Kompetenz steht außer Frage. Ungewiß ist, ob sie eine solche Aufgabe übernehmen würde, und ob sie das Quäntchen Frivolität aufbrächte, das uns wünschenswert schiene. Gelegentlich kann der Brief aus New York auch eine andere dateline tragen, sagen wir Denver, Colorado oder auch Katmandu; allerdings sollten diese Ausnahmen Ausnahmen bleiben. Eine weitere wichtige Rubrik ist das Journal des Luxus und der Moden. Hier denken wir an eine kleine Zeitung in der Zeitung im Umfang von 3 bis höchstens 4 Seiten. (Der Titel ist übrigens ein Zitat, im frühen 19.  Jahrhundert gab es eine berühmte Zeitschrift für den guten Geschmack, die so hieß.) Das Journal wird aus kleinen Texten bestehen (Glossen, Nachrichten, Vermischtes), die in einem betont subjektiven Ton gehalten sind. Wir denken daran, die einzelnen Items durch kleine, gezeichnete Vignetten zu gliedern. Das Journal ist auch die einzige Stelle, wo ein redaktionelles »Wir« spricht; die Beiträge sind nicht gezeichnet. Dieses etwas süffisante »Wir« soll aber nicht aufgebläht, sondern durchaus beiläufig daherkommen. Die Erwartungen, die der Titel der Rubrik wecken dürfte, werden natürlich enttäuscht – getreu unserm perspektivischen Prinzip. Wir 〈liefern〉 keinerlei »nützliche Hinweise«, keinerlei Rat darüber, was »in« und »out« ist, sondern geben uns warenorientiert, kalt, böse, eventuell im Ton einer gespielten Naivetät: »Was uns aufgefallen ist, als wir neulich in Hamburg waren.« Grundprinzip: Hier wird nichts 182









bewundert. Schickeria und »Luxus«konsum 〈werden〉 nur mit leisem Hohn bedacht. Der Leser muß das Gefühl haben, daß er dem immer strebenden Kleinbürger jeweils soweit voraus ist, daß er sich an dem Affentheater gar nicht mehr zu beteiligen braucht; und wenn er es doch tut, dann nicht aus der Neurose des Aufsteigers heraus, sondern um sich zu amüsieren. Der Luxus ist Nebensache, und Mode kann alles oder nichts sein. In den sechziger Jahren hatte die italienische Zeitschrift L’Espresso eine derartige Rubrik. Sie war von Camilla Cederna entwickelt und geschrieben und nannte sich Il lato debole, die schwache Seite. Ihre Beliebtheit war enorm, und ganz Italien versuchte, die Lächerlichkeiten zu vermeiden, die die Cederna aufspürte und preisgab  – was immerhin den erzieherischen Effekt einer Schreibweise verdeutlicht, die 〈sich〉 von aller Pädagogik 〈freihält〉. Auch im New Yorker finden sich zuweilen Texte dieser Art, und zwar zu Anfang des redaktionellen Teils; hier wird die Technik des tongue in cheek in Vollendung vorgeführt. Es versteht sich, daß das Journal des Luxus und der Moden sich der Sittenschilderung nähert, und es wird seine Technik sein, an minimalen Symptomen, und so gut wie kommentarlos, die Absurdität der Sehnsüchte darzutun, die uns bewegen, eine Rubrik unter diesem Titel zu lesen. Beispiele: Die Rückkehr des Messerbänkchens. Warum entsalztes Salz teurer als Salz ist. Die Wucherungen des Telephons (über Telephonzubehör). Über die Schwierigkeit, Trinkgeld zu geben. Der Casablanca-Kult. Psychomaschinen, überflüssige Maschinen, Wunschmaschinen. Einige Schwierigkeiten mit der Hydrokultur. Gegen die Architektenfarben. Ein Begonien-Freak. Wir denken nicht an einen Autor, sondern an mehrere Zulieferanten für diese Rubrik, wobei die 183

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Texte redaktionell verändert werden können. Eine hervorragende Mitarbeiterin wäre Vittoria Alliata, die ähnliche Marginalien für Tempo und L’Uomo Vogue geschrieben hat. Eine dritte Rubrik, die uns wünschenswert schiene, wäre eine komische Kolumne. Ihre Einrichtung sollte jedoch ausschließlich davon abhängen, ob wir einen Autor finden, der in der Lage ist, den Ton der Zeitschrift zu treffen. Humoristen wie Ebert, Venske usw scheiden selbstverständlich aus, überhaupt das ganze bemühte Witzeln à la Pardon. Selbst ein Art Buchwald wäre uns etwas zu bieder – der Name deutet aber immerhin an, welchen Reiz ein solches Unternehmen hätte. Wir kennen zumindest zwei Autoren, mit denen wir einen Versuch riskieren würden, d. h. die wir gerne um Arbeitsproben bäten. Eine vierte feste Einrichtung möchten wir vorläufig Das Fresko nennen. Damit meinen wir eine Doppelseite, für die ein Zeichner gesucht werden muß. Gedacht ist an eine durchkomponierte Federzeichnung, auf der eine größere Anzahl von Leuten in merkwürdigen, zum Teil vertrackten, zum Teil lächerlichen Situationen abgebildet ist. Diese Personen sind teils Typen (im Sinne von George Grosz), teils erkennbar karikierte Zeitgenossen, Politiker, Künstler, Geschäftsleute, Terroristen usw. Die Szene kann die Fußgängerzone einer westdeutschen Großstadt sein, aber auch ein Theaterfoyer, ein Kongreß, ein Einkaufszentrum usw. Die Personen werden in Situationen verwickelt, die ein grelles Licht auf sie werfen: Strauß als Ladendieb, Schmidt als Ladendetektiv, Kohl in winziger Gestalt, 〈wie ihn〉 eine Hausfrau im Einkaufswagen vor sich herschiebt – der Phantasie und der Bös­ artigkeit sind keinerlei Grenzen gesetzt. Der Vorzug dieser Darstellungsweise liegt darin, daß niemand gegen sie vor Gericht gehen kann, 184

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ohne dem Fresko zur nationalen Berühmtheit zu verhelfen und sich selbst noch lächerlicher als zuvor zu machen  – denn natürlich würde er in der nächsten Nummer als Putzfrau im Justizpalast dargestellt, wie er dort Papierkörbe durchwühlt. Und so weiter. Ein weiteres Vergnügen für den Betrachter liegt darin, daß das Fresko weder Über- noch Unterschriften hat und insofern als Such- oder Vexierbild fungiert. 〈Der Leser muß〉 die Personen 〈selbst〉 identifizieren und die Geschichten mit seiner eigenen Phantasie beleben – es ist immer noch etwas darauf zu finden und zu erraten. Eine fünfte Rubrik hätte an die Stelle der üblichen Buch-, Theater-, Ausstellungs- und Filmbesprechungen zu treten. Wir denken an zwei Seiten, die fast den Eindruck von Kleinanzeigen machen sollten (Vergleichsbeispiel: Goings-on about Town im New Yorker). Auch hier haben wir nicht die Absicht, uns an die Spielregeln zu halten. Zunächst einmal möchten wir auf jede Ordnung verzichten. Konzerte, Bücher, Medienereignisse, Bücher werden durcheinander stehen. Es muß der Eindruck eines 〈gezielten〉 Chaos erzeugt werden, auch in der Auswahl. Eine gewisse, fast unverschämte Willkür wäre schön. Die »Kritiken« sollten lakonisch sein und aus höchstens drei Sätzen bestehen und mehr die Form der Behauptung als die der Argumentation haben. Jede Gutmütigkeit wäre fehl am Platze. Umso geschliffener müssen allerdings die Formulierungen sein, umso mehr Witz und Kenntnis sind vonnöten. Diese Rubrik muß jeden, der sie liest, in einen Eingeweihten verwandeln. Selbstverständlich sind diese Urteile nicht gezeichnet (was ihrer Schärfe nur zugute kommen kann). Es liegt in der Natur der Sache, daß Lob seltener sein wird als Vernichtung – gerade deshalb wird ein bewundernder Satz Gewicht haben. Diese Rubrik wird viel Arbeit machen und viel Geld kosten; hier kommt 185

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man nicht mit Zeilenhonoraren aus. Dafür kann jeder Mitarbeiter hier ausdrücken, was er wirklich denkt und empfindet, ohne Rücksicht auf die im Kulturbetrieb üblichen Rücksichten. Schließlich denken wir daran, Fußnoten zum festen Bestandteil der Zeitschrift zu machen. Es gibt einen Literaturalmanach namens Tintenfisch, der es sich zur Gewohnheit gemacht hat, typographische Lücken am Ende von Beiträgen, die nicht »auslaufen«, mit skurrilen Zitaten zu füllen. Im New Yorker findet man am Ende längerer Artikel meist einen Druckfehler, der aus anderen Zeitungen zitiert und mit unnachahmlicher Trockenheit kommentiert wird. In einer Publikation, die dem Leser Lektüre anbietet und zumutet, sind solche Einsprengsel eine wahre Wohltat, sie schaffen Luft und Vergnügen, und es ist unsere eigene Leseerfahrung, daß sie schon beim ersten Durchblättern mit einer gewissen Gier zur Kenntnis genommen werden. Wir möchten uns allerdings nicht auf einen bestimmten Typ von Fußnoten festlegen, sondern frei unter Anekdoten, Aufgeschnappten Bemerkungen vom Nebentisch, Personality Stories, gaffes, Druckfehlern, Zitaten, Gerüchten, Mißverständnissen, Graffitis und Stimmen aus dem Untergrund wählen, ganz egal ob diese Äußerungen wahr – oder erfunden sind.

VIII (Beinah) 100 Themen

Da Transatlantik keine Zeitschrift »für« etwas oder jemand ist (z. B. »für« die Frauen, »für« die Reichen, »für« die Konsumenten, »für« die Männer, »für« die Linken, »für« die Reiselustigen, »für« die Briefmarkensammler usw. usw.), gibt es im Prinzip keine Themen, die ausgeschlossen wären. Die folgende Themenliste ist also keineswegs erschöpfend. Zu allen hier aufgeführten Themen haben wir uns Gedanken über Perspektive und Schreibweise gemacht; schon aus Raumgründen lassen sich diese 186

»methodischen« Überlegungen nur andeuten, nicht entwickeln. Angegeben wird jeweils die Prosaform, die für das Thema in Betracht kommt. Wo wir an bestimmte Autoren gedacht haben, führen wir die Namen in Klammern an. Wir haben nicht versucht, die Liste zu gliedern. 1. Die galoppierende Inflation. Ein Szenario aus Angst, Öl, Gold und Euro-Dollars (Große Zukunfts-Reportage) 2. Was am Westen so unwiderstehlich ist. Bekenntnisse eines osteuropäischen Intellektuellen (Essay. György Konrad) 3. Bikini dreißig Jahre nach dem Untergang. (Reportage) 4. Nieder mit dem Bauhaus. Eine Abrechnung. (Essay) 5. Die Entstehung einer Oper. Produktionsbeschreibung. (Reportage. P. Koegler) 6. Ein chinesisches Gastarbeiter-Camp. (Reportage) 7. Dynamit im Keller. Über Mentalität und Arbeitsweise der Archive (Oder: Die Wühlmäuse der Geschichte. Beispiele: Bundesarchiv Koblenz. Der Vatikan. Reportage) 8. Bunter Abend. (Vom Ball der Steuerberater bis zum Firmenjubiläum. Sittenschilderung) 9. Innenansicht einer Werbeagentur. (Insider-Story. Ralph Pflock) 10. Die Erbschaft. Beschreibung einer bürgerlichen Katastrophe. (Sittenschilderung, Reportage von ­einer Erbauseinandersetzung mit allen Details) 11. Der Tod des Fluchthelfers in Zürich. (Lebenslauf) 12. Bakterien als Facharbeiter. Die Zukunft der Biotechnik. (Wissenschafts-Reportage) 13. Verschwendung in Deutschland. Von der Steckdose bis zum Groß-Klinikum. (Große Reportage) 14. Die Graffiti in der New Yorker U-Bahn. (EssayReportage. Nathan Glazer) 187

15. Die Rückseite eines Staatsbesuches. (Reportage. Alexander Kluge) 16. Ein Guru der Avantgarde: Bob Wilson. (Porträt) 17. Die armen Amerikaner. GIs in Mannheim (Reportage. Gaston Salvatore) 18. Der Chef der BIZ. (Porträt des Präsidenten der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in Basel. Auch als Reportage möglich) 19. Die Invasion aus der DDR, oder die Vermehrung der Biermänner. (Essay über die literarische Einwanderung aus der DDR) 20. Der Mann, der die Führungskräfte zum Brunnen führt. Porträt eines Stellenberaters für Manager (auch als Reportage oder Sittenschilderung möglich) 21. Frau Wirtin hat auch zwei Minister. Reportage über die Bonner Kneipe der Ria Alzen. (Erich Fried) 22. Bücher als Wodka. Der Schwarze Markt mit Büchern in der UdSSR. (Quelle: New York Review of Books). Lev Liftshitz-Losev. 23. Der stille Zorn des Finanzbeamten. (Insider-Story) 24. Der Schwarze Orden. Die Zöglinge der Napolas und ihre Karrieren. (Reportage. Christa Wolf / Gerhard Bauer) 25. Wieder oben. Erfolgs-Stories deutscher Juden nach 1945. (Reportage. Bernt Engelmann) 26. Colonia Dignidad. Faschismus im Faschismus. (Reportage aus dem heutigen Chile) 27. Wie man tausend Filme macht, ohne eine Kamera zu benützen. Porträt des Produzenten Carlo Ponti. 28. Manöver-Kritik. Ein Schriftsteller begleitet Prinz Charles beim Truppenbesuch. (Reportage) 29. Die Universität als Nekropole. Am Beispiel Bielefeld (Reportage / Essay. Wolfgang Fietkau?) 30. Über die Verpackungs-Industrie. (Essay. Christo) 31. Law and order als Exportartikel. Über die DDRPolizei in Äthiopien. (Reportage) 188

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Martin Walsers Feind. Ein Porträt des Fürsten von Waldburg-Zeil. (Martin Walser) Dienstreise. Besuch einer Delegation von Mitgliedern des Bundestags in Abu Dhabi. (Reportage) Die schwachsinnigen Kinder und die bösen Nachbarn. Schilderung eines kleinstädtischen Kleinkriegs. (Reportage) Der Querulant. (Porträt oder Lebenslauf) Gibt es noch Heiratsschwindler? (Sittenschilderung oder Gerichtsreportage) Der Tod des Stern-Reporters im Ashram. (Reportage. Gaston Salvatore) Seelenchemie. Erfahrungen mit 〈Psychopharmaka〉. (Reportage) Ein Politiker, der denken kann. Der Berliner Bildungssenator Glotz. (Porträt) Das Veralten des Reisens. (Essay. Hans Magnus Enzensberger) Der Reichsadler auf dem Palmendach. Deutsche Kolonien in der Südsee. (Archäologische Reportage) Die vier Wände einer Volkspartei. Eine Innenansicht der SPD. (Große Reportage über die SPD, möglicherweise zur Bundestagswahl. Jörg Schröder) Politik als Paranoia. Über den New Yorker Guru Lyndon H. Larouche und seine internationale Arbeiterpartei. (Essay 〈 / Reportage.〉 Hans Magnus Enzensberger) Die Großunternehmerin. Bildnis von Liselott Linsenhoff, Eignerin der VDO, Schindling, Schwalbach. (Porträt). Narrenparadies und Narrenhölle. Schriftsteller zwischen Preisen, Pressionen, Risiken und Renten (Reportage / Essay) Puntila und die Avantgarde. Eine Reise durch die Kunst. (Halbfiktive Geschichte eines potentiellen Käufers, der die neuen Kleider der Avantgarde besichtigt. Reportage / Story über den Kunstmarkt) 189

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Jugend im Ghetto. Aus dem Innenleben eines Sozialhelfers. (Insider-Story. Uwe Gluntz) Wer hat Angst vor Horst Mahler? Porträt eines ehemaligen Terroristen. Expedition. Reportage von einem Hilfsschiff des Deutschen Roten Kreuzes oder von einer meeresbiologischen Expedition. Das Meta-Packet. Über das Millionengeschäft mit der Literaturwissenschaft. (Essay) Warentermin. Der Mittelstand als Spekulant und seine Bärenführer. (Reportage) Die neuen Grenzen der Astronomie. Skylab und Padioteleskopie. (Wissenschaftsreportage) Da draußen im Lande, oder Ik nix deutsch sprechen. Über die Sprache der deutschen Politik. (Essay) Heinrich Mann Revisited. Eine kleine Stadt, ein Menschenalter später. (Reportage) Ein grand old man der deutschen Malerei. Franz Radziwill. (Porträt) Reportage aus dem Jahre 1294. Aus einem Ketzerdorf in den Pyrenäen. (Nach den Forschungen von Emmanuel Le Roy Ladurie von Madeleine Gustafsson) Striptease in Deggendorf. Über die Imitation der Großstadt auf dem flachen Lande. (Reportage / Sittenschilderung) Wer war eigentlich Filbinger? Ein Besuch bei einem Vergessenen. (Reportage / Porträt) Bei den Indianern. Forschungsreise in eine Reservation. (Reportage über die Berliner Alternativler, mit essayistischen Elementen. M. Rutschky) Basaglia in Mozambique. Befreite Psychiatrie in Schwarzafrika. (Reportage. Gaston Salvatore) Lurgi. Knowhow als Milliardengeschäft. Eine Science-fiction-Firma. (Reportage) Der Linksradikale und der Wucherer. Die beiden Seiten des Kurt Groenevold. (Porträt) 190

63. Die Öko-Religion. Eine Hochrechnung. (Essay. Hans Magnus Enzensberger) 64. Aus dem Leben der Polizisten. (Sittenschilderung) 65. Eine Messe für das Buch. Bericht von einer Buchmesse, die noch gar nicht stattgefunden hat (Fiktive Reportage) 66. Deutsche auf Montage. Aus dem Alltag des Exports. (Reportage von einer Baustelle in Indien oder anderswo) 67. Eine Wurzel des Antiamerikanismus unter den deutschen Gebildeten  – die Emigration der kritischen Kritiker. (Adorno, Brecht und andere. Essay. Urs Troeller) 68. Ein Abteil voller Verbrecher, Irrer und Terroristen. (Polit-Fiction-Geschichte über die ComputerFahndung) 69. Nachruf bei Lebzeiten auf Niki Lauda. (Porträt) 70. Der Tanzlehrer-Kongreß. (Sittenschilderung / Reportage) 71. Zurück zum Hauslehrer. Ein durchaus ernstgemeinter Vorschlag zur Behebung der Schulmisere. (Essay. H. M. Enzensberger) 72. Die bewaffneten Deutschen. Schützenvereine, Wikingerbünde, Privatpolizeien. (Reportage) 73. Ein Plädoyer für die Kunstfälscher. (Reportage) 74. Der Raketen-Manager. Kaiser und die Otrag. (Porträt / Reportage. Gaston Salvatore) 75. Supertanker. Schiffstagebuch. (Reportage. Ernst Schnabel) 76. Ein Abgeschossener: Herr Poullains Wehmut. (Porträt) 77. Wissenschaft als Märchen. Über Black holes, Cargo-Kulte, und andere Fiktionen der wissenschaftlichen Phantasie. (Essay) 78. Der Mann mit den Männchen. Otl Aicher und sein Beitrag zur »visuellen Kommunikation«. (Porträt / Essay) 191

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Deklassierung in England und anderswo, oder Wo kommen die Lose der Auktionshäuser her? Über die sozialen Quellen eines Booms. (Reportage) Delgado und das manipulierte Gehirn. Ein Frankenstein der Neurologie. (Wissenschaftsreportage / Porträt. Gaston Salvatore) Der Sozialanwalt als Sozialfall. Über die Karriere des 〈armen〉 Herren Weigand. (Reportage / Porträt) Demokratie – Glasperlen für die Wilden? Über den Export demokratischer Rituale in die Dritte Welt, oder die Perücke des Lord Justice von Uganda. (Reportage) Medien-Herzöge und ihre Stellvertreter. (Porträt von Springer, Mohn oder Holtzbrinck unter Verwendung von Insider-Informationen. Auch Bauerns Generalbevollmächtigter käme in Betracht) Aus den Memoiren eines Charter-Piloten. (InsiderStory) Ein schlecht bezahlter Beruf. (Insider-Story eines Spions) Ein Kredithai. (Lebenslauf oder Porträt) Hinteransicht eines Luxus-Restaurants. (InsiderStory, mit einem Aide-mémoire von George Orwell) Dracula in Dachau. Eine Sekte von Nekromanen und ihre allerchristlichsten Beobachter. (Reportage) Die Wurstfabrik. Ein Beitrag zur Humanisierung der Arbeiter von Wol〈f〉 Vostell und der Herta GmbH. (Reportage) Das Ende der Wiebelei. Funkhäuser von innen, oder warum das Privatfernsehen nicht mehr aufzuhalten ist. (Reportage / Essay 〈oder Insider-Story〉) Der Aufstand der jungen Türken. Ein Kreuzberger Kriegsbericht. (Polit-Fiction / Szenario) Totengräberstreik. England, Frühjahr 1979. (Reportage. Karl Heinz Bohrer) 192

93. Das Herz der Dunkelheit. Wiederholung der Kongo-Reise Joseph Conrads. (Reportage / Story. V. S . Naipaul) 94. Ein Land macht blau. Über den Untergang der Arbeitsmoral in der Bundesrepublik. (Reportage / Essay) 95. Der Allesbeschaffer. Porträt eines universellen Requisiteurs. 96. Knast-Lotto. Erfahrungen eines Laienrichters. (Insider-Story) 97. Schäbiger Luxus. Über die Unfähigkeit der Deutschen, ein splendides Leben zu führen. (Essay) 98. Von der Abtreibung der Ideen. Institutionelle Barrikaden gegen Innovation. (Essay) 99. Warenekel. Zwischen Puritanismus und Fetischismus. (Essay) IX

Autoren. Unser Zeitschriftenprojekt steht und fällt mit der Gewinnung von hochqualifizierten Autoren und mit deren Bereitschaft, auf die Schreib- und Sehweisen einzugehen, die das Gesicht der Publikation prägen sollen. Das wird viel Spürsinn, Geduld, Takt – und Geld erfordern. Wir denken von vornherein an einen internationalen Kreis von Mitarbeitern (was übrigens bedeutet, daß wir sehr gute und zuverlässige Übersetzer brauchen). Der Anteil von Übernahmen und Auftragsarbeiten aus dem Ausland sollte aber 50 % nicht übersteigen. Wir werden uns also besonders um deutsche Schriftsteller bemühen müssen. Dabei denken wir keineswegs nur an die bekannten Standard-Autoren. Die folgende Liste kann schon aus diesem Grund nur als erste Anregung und als eine Art von Absichtserklärung gelten. Alexander Kluge (Frankfurt und München) Gore Vidal (Rom) Friedrich Dürrenmatt (Neuchatel) Paul Feyerabend (Zürich) 193

Lars Gustafsson (Västeraas) Madeleine Gustafsson (Västeraas) Bruce Chatwick (London) Alfred Andersch (Berzona) Jörg Schröder (Hessen) Neal Asherson (Edinburgh) Wolfgang Bauer (Wien) Helga Nowak (Frankfurt) Reinhard Lettau (San Diego) Hans Jürgen Syberberg (München) Erich Fried (London) Kathrin von Hutten (New York) Martin Walser (Nußdorf) Giorgio Manganelli (Rom) Friedrich Wilhelm Korff (Hannover) Gabriele Goettle (Berlin) Botho Strauß (Berlin) Susan Sontag (New York) -ky [i. e. Horst Bosetzky, K. S.] (Hamburg) Barbara Sukova (Hamburg) Ulrich Enzensberger (München) Hans Magnus Enzensberger (München) Gaston Salvatore (Venedig) Camilla Cederna (Mailand) Donald Barthelme (New York) V. S . Naipaul (London) Peter Handke (Paris) Wolfgang Koeppen (München) Elias Canetti (Wien) Marie-Luise Scherer (Hamburg) G. Terziani (Rom) Bernt Engelmann (Bayern) Tom Wolfe (New York) Sophie von Baer (Berlin) Roland Barthes (Paris) Wolf〈g〉ang Limmer Magnus Linklighter Harry Mulisch (Amsterdam) 194

Ernst Schnabel (Berlin) Manuel Puig (Buenos Aires) Gabriel García Márquez (Barcelona) Urs Troller (Köln) Woody Allen (New York) Lietta Tornabuoni (Mailand) Vittoria Alliata di Villafranca (Alexandria) Dieter Kühn (Hessen) Niklaus Meienberg (Zürich) Alexander Sinoviev (München) György Konrad (Budapest) Gerald Brenan (Malaga) Jörgen Bonde Jensen (Kopenhagen) Georg Johannesen (Oslo) Simon Leys (Amsterdam) Nicolas Born (Dannenberg) Hans Christoph Buch (Langendorf) Kurt Bartsch (Berlin) Karl Heinz Bohrer (London) Miguel Barnet (Habana) Heberto Padilla (Habana) Cesare Cases (Turin) Peer Raben (München) Jorge Edwards (Barcelona) Vera Graaf (New York) Luis Goytisolo (Barcelona) Wolfgang Hildesheimer (Poschiavo) Jon Halliday (London) Claudio Magris (Triest) Octavio Paz (Mexiko) Henning Ritter (Berlin) Klaus Rifbjerg (Kopenhagen) Peter Rühmkorf (Hamburg) John Simon (New York) Wieland Schulz-Keil (New York) Klaus Staeck (Heidelberg) Hans Wollschläger (Bamberg) Hugh Kenner (Bloomington) 195

Caroline Neubaur (Berlin) Barbara W. Tuchman (New York) Karl Heinz Roth (Hamburg) Uwe Gluntz (Berlin) Nathan Glazer (New York) Michael Rutschky (München) Horst Koegler (Köln) X

Äußere Gestalt. Bilder. Typographie. Mise en page. Wir denken an ein Magazin-Format, ähnlich wie The New Yorker oder Der Spiegel; das Heft soll optisch etwas schmäler wirken. (Natürlich ist die Formatwahl abhängig von den Papiernormen.) Das Papier soll weiß (nicht gelblich) sein, aber ohne Kunstdruck-Charakter (keine glänzende Oberfläche, nicht der Eindruck des Dicken, Satinierten, aber auch keine Assoziation an Zeitungspapier). Umfang mindestens 72 Seiten redaktioneller Teil, dazu Anzeigen. Klammerheftung. Das Cover sollte sich von allen Zeitschriften, die am Kiosk zu finden sind, grundlegend unterscheiden. Wir möchten auch hier den New Yorker zum Vorbild nennen. Das heißt, der Titel sollte stets eine graphische oder malerische Auftragsarbeit sein. Techniken: Lithographie, Siebdruck, Farbstiftzeichnung, Aquarell, Gouache, eventuell Aquatinta. Wir möchten inhaltlich auch hier auf das Prinzip der Sittenschilderung zurückkommen: Jedes Cover sollte eine »Ansicht« von Deutschland bringen. Ein kühler, trockener Witz sollte dabei vorherrschen. Liebevolle Beobachtung, die aber stets einen neuralgischen Punkt treffen müsste. Das deutsche (bundesrepublikanische, gelegentlich auch Ostberliner) Milieu in all seinen Details, gesehen durch ein künstlerisches Temperament. Der Spielraum reicht von der Idylle (vermutlich meist einer falschen Idylle) bis zum photorealistisch bösen Blick. In der Regel aber kein Cartoon und keine Pointe, sondern Betrachtung, understatement statt Aufgeregtheit und Suche nach gags. Man 196

sollte auf diesen Bildern das Land und die Leute mit einer Art von Überraschung wiedererkennen. Keine Einrahmung, keine Signalfarben, keine gelben Querstreifen, kein Text, allenfalls in kleiner Schrift Autorennamen und Themen – schon das wäre eine Konzession. A〈m〉 besten wäre es, auch hier dem New Yorker zu folgen, der, ganz urbaner Aristokrat, nur den eigenen Namen trägt, das Datum und den Vermerk »One Dollar fifty«. Auch im Innern des Heftes hätten wir gern alles Aufgeplusterte, Bunte, Pop-Artige, Unruhige vermieden. Der Charakter einer Lektüre-Zeitschrift muß durchgehalten werden. Wir halten nichts von »Auflockerung« und ­Magazin-Charakter. Am liebsten sähen wir die ganze Zeitschrift (vielleicht mit Ausnahme der Rubriken) aus ein und derselben Schrift gesetzt. Ein etwas altmodischer Schnitt ist zu bevorzugen. (Vgl. auch hier den New Yorker!) Die Überschriften alle aus dem gleichen Grad, und zwar so klein wie möglich. Auch hier understatement, keinerlei Wettbewerb mit dem hierzulande üblichen Layout, der sich an die Normen der Werbung hält. Wir streben genau das Gegenteil an. Es versteht sich von selbst, daß sämtliche Beiträge, auch die umfangreichsten, durchlaufend umbrochen werden. Man wird in dieser Zeitschrift nie auf den Vermerk stoßen: Bitte lesen Sie weiter auf Seite x. Der ganze redaktionelle Teil (mit Ausnahme des Cover) wird ausschließlich Schwarz / Weiß gedruckt. (Farbanzeigen sollen nicht ausgeschlossen sein; sie müssen aber im Umbruch derartig eingefügt werden, daß sie bogenweise separat gedruckt werden können – ein schwieriges Dispositionsproblem für die Herstellung.) Der Verzicht auf die Farbe unterscheidet die Publikation auf den ersten Blick von der Konkurrenz am Kiosk. Er wird auch einen gewissen Kostenvorteil bringen. Allerdings sollte der Schwarz-Weiß-Druck von besonders guter Qualität sein, damit die Illustrationen perfekt reproduziert werden. 197

Wir denken an folgende illustrative Elemente: Cartoons (darunter, als Auftragsarbeit, das in jeder Nummer wiederkehrende Fresko). Es ist klar, daß hier eine besonders scharfe Auswahl getroffen werden muß. Plumpheiten, wie sie in der deutschen Presse die Regel sind, kommen nicht in Frage. Sophistication ist das wichtigste Auswahlkriterium. Wir nehmen es eher in Kauf, daß jemand die Pointe »nicht versteht«, als daß sie ihm platt vorkommt. (Auch hier ist an den New Yorker zu denken). Es gibt einen großen Weltmarkt für Cartoons, aber wir werden nicht ohne eigene Mitarbeiter auskommen – auch das wird eine langwierige Suche geben. Textillustrationen. Für sie gilt das, was wir über die Frage der Perspektive dargelegt haben. Die direkte, frontale Abbildung, die das im Text Gesagte einfach im Bild wiederholt, lehnen wir ab. Die Illustrationen müssen einen eigenen Beitrag zum Thema leisten, sei es infolge ihrer autonomen graphischen Qualität, sei es dadurch, daß sie den Text indirekt kommentieren und dadurch in ein anderes Licht rücken. Ein Lebenslauf kann z. B. durch Amateurfotos aus dem Familienalbum, durch ein Jugend-Gedicht des Porträtierten (Faksimile), durch ein Dokument, von dem im Text nicht die Rede ist, ergänzt werden. Die Illustrationen sollen keine Unterschriften tragen  – der Leser muß die Beziehung aufs Thema selber herstellen. Gelegentlich werden wir auf die Klassiker der Fotografie zurückgreifen (ein Artikel über Katastrophen-Theorie könnte zum Beispiel durch eine Serie von Fotos illustriert werden, die Eisenbahnunglücke aus dem 19. Jahrhundert zeigen, und zwar kommentarlos). Uns interessiert gerade das Hilflose und Veraltete vieler Bilddokumente oder die ironische Beziehung zwischen Text und Bild (wie sie in der New York Review of Books seit Jahren systematisch angewendet, allerdings auch 〈zu〉 geritten worden ist). Ein Sonderfall direkter Illustration wäre das Porträt. Hier sollte in jedem Fall ein Zeichner an die Arbeit gehen. Wir denken dabei an durchaus realistische Lösungen, etwa in der Art, wie Angeklagte und Zeugen bei Gerichtsver198

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handlungen dargestellt werden, wenn der Vorsitzende das Fotografieren verbietet. Allerdings darf ein gewisses künstlerisches Niveau nicht unterschritten werden. (Beispiel für einen kompetenten Zeichner: Horst Janssen.) Ein weiterer Sonderfall der Illustration sind die Vignetten für das Journal des Luxus und der Moden. Hier stellen wir uns eine Art boshafter Rokoko-〈Kritzeleien〉 vor. Ein weiteres formales Moment, das die Unverwechselbarkeit der Zeitschrift auch äußerlich demonstriert, ist die mise-en-page, das Layout der Seiten. Hier plädieren wir für ein ebenso festes und klares wie auch vielfältig variables Schema. Wir schlagen durchgehend zweispaltigen Satz vor, bei großzügig bemessenen weißen Rändern. Keinerlei Randlinien und Einfassungen. Die Überschriften werden grundsätzlich auf Mittelachse gesetzt. Eine typische Textseite sähe folgendermaßen aus (A). Alle Bildelemente werden ebenfalls auf Mittelachse eingebracht (Illustrationen, Porträts, Cartoons, auch Text»käs­ten« mit Zitaten und andere Dokumente sind möglich). Das führt zu den Varianten B, C und D.

Jeder Art Director wird über einen solchen Seiten-Aufbau die Hände über den Kopf zusammenschlagen und über die Monotonie des Layout klagen. In der Tat wird hier bewußt darauf verzichtet, optischen Rad〈au〉 zu schlagen. Wir sind nicht der Ansicht, daß dies die Attraktion der Zeitschrift mindert; wir glauben, daß es dem Charakter des Blattes entspricht; wir glauben außerdem, daß anspruchsvolle Leser beim Betrachten solcher Seiten 199

aufatmen, ähnlich dem Hungrigen, der ein Lokal betritt, in dem die Tischdecken weiß, die Wände nicht mit Folklore bedeckt und die Atmosphäre von Lautsprecherlärm ungetrübt 〈sind.〉 XI

Aufbau einer typischen Transatlantik-Nummer. Seite 1: Cover Seite 3: Inhalt Seite 4-7: Journal des Luxus und der Moden Seite 8-22: Große Reportage Seite 23-32: Porträt Seite 33-40: Kleine Reportage Seite 41-48: Essay Seite 49-55: Story Seite 56-63: Kleine Reportage Seite 64: Komische Kolumne Seite 65-68: Brief aus New York Seite 69-72: Kritisches Mosaik Seite 73: Vorschau auf das nächste Heft Bei diesem Schema sind die Anzeigen nicht berücksichtigt. Der Textumfang ist durch die Illustrationen vermindert zu denken. Die »Fußnoten« bleiben bei diesem Schema außer Betracht.

XII Zusammensetzung und Arbeitsweise der Redaktion.

In einem Stadium der ersten Konzeption und der ersten Sondierungen ist es vielleicht verfrüht, sich Gedanken über das Impressum einer Zeitschrift zu machen. Die folgende kleine Liste ist in erster Linie dazu da, unsere Wünsche auszudrücken: Herausgeberin: Konzeption und Beratung: Chefredakteur:

Marianne Schmidt Hans Magnus Enzensberger, Gaston Salvatore XY 200

Art Director: Assistent(in) des Chefredakteurs: Redaktionssekretariat:

Karl-Heinz Wendlandt YZ ZX .

Von der Zahl der internen Mitarbeiter her gesehen, wäre das eine Minimalbesetzung. Eine Schlüsselfrage ist natürlich, wer der Chefredakteur (Titel sind Schall und Rauch, eigentlich wäre er mit executive editor genauer bezeichnet) sein soll. Er muß zwei Bedingungen erfüllen, die selten gleichzeitig gegeben sind: er muß erstens professionelle Erfahrung haben, und er muß zweitens über die kulturellen Instrumente verfügen, die er für diese Arbeit braucht. (Ein erster Test wird in jedem Fall darin bestehen, ob der Kandidat eigentlich versteht, was hier geplant wird, und ob er sich unsere »Perspektive« zu eigen machen kann.) Bei unseren Überlegungen sind bisher nur wenige Namen aufgetaucht, darunter immer wieder der von M. Bissinger. Er schiene uns kompetent doch ist kaum anzunehmen, daß er seine politischen Ambitionen zurückstellt; außerdem ist er vermutlich unbezahlbar … (G. S. nannte ferner die Namen Werner Schmidmayer und Petra Schmitt  – wer ist das?) Zur Arbeitsweise der Redaktion nur einige Stichworte (eine Arbeitsplatzbeschreibung zu versuchen schiene uns nicht aussichtsreich). Bei der problematischen Lage auf dem literarischen Markt in Deutschland und bei den ungenügenden Erfahrungen unserer Schriftsteller mit der Form der literarischen Reportage werden wir zu einem guten Teil auf Ankäufe angewiesen sein. Das bedeutet ein erhebliches Maß an Lektoratsarbeit. Es ist eine Liste von Publikationen zu erstellen, die wir abonnieren und prüfen müßten. Mit dem New Yorker sollte ein Optionsabkommen geschlossen werden. Ein Mitarbeiter, der sich auf dem Feld der Graphik auskennt, müßte Arbeitsproben von Zeich201

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nern und Malern sammeln und den Cartoon-Markt für unsere Zwecke studieren. In der Anlaufsphase müssen wir damit rechnen, daß ein gewisser Prozentsatz von Auftragsarbeiten unbrauchbar ist. Damit stellt sich die Frage nach Ausfallshonoraren. Mit einem gewissen Fall-out für Lui ist zu rechnen. Eine 〈bestimmte〉 Zahl von Beiträgen ist auf Eis zu legen; wir kommen nicht ohne Vorratshaltung aus. Probleme sehen wir in der Ungeduld vieler Autoren und in ihrem Drang zu Buchpublikationen. (Vorabdrucke aus Büchern, deren Veröffentlichung unmittelbar bevorsteht, müssen wir vermeiden.) Ein wesentlicher Teil der redaktionellen Arbeit ist die Betreuung der Übersetzungen. Hierfür und für den Kontakt mit Autoren, die nicht deutsch sprechen, sind Fremdsprachen­kenntnisse unbedingt erforderlich. XIII Anlaufzeit und Promotion.

Wir halten den Herbst 1980 für den besten Starttermin. Die Eigenart des Projektes läßt Vorausbewerbung und Vorankündigungen nicht als sinnvoll erscheinen. Wir können die Öffentlichkeit nur durch die Qualität des Produktes erzeugen, nicht durch noch so triftige Statements. Je weniger vor dem Erscheinen der ersten Nummer verlautet, desto besser; wir sollten uns eher geheimnisvoll als redselig geben. Aus diesen Gründen ist auch die Herstellung einer Null-Nummer nicht angezeigt. Das erste Heft sollte Anfang September 1980 vorliegen. Zur Buchmesse ließe sich ein Treffen der Mitarbeiter denken, die wir bis dahin gewonnenen haben〈, mit der entsprechenden Publizität.〉 Die Werbung für Transatlantik sollte von der Werbung für andere Verlagserzeugnisse getrennt sein. Ein gewisses Auslandsecho ließe sich organisieren. Feedback aus New York, London und Mailand wäre nützlich für unsere Image-Werbung. Auf weitere Sicht könnte man besonders gelungene Covers in Plakatgröße oder als Portfolio zur Abonnenten202

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werbung verwenden. Auch die »Freskos« können, in Mappenform, als Werbeträger dienen. In der dritten oder vierten Nummer könnte ein gut dotiertes Preisausschreiben uns zu neuen Mitarbeitern verhelfen; dabei ginge es selbstverständlich um einen Wettbewerb, 〈der〉 die besten literarischen Reportagen 〈zu prämieren hätte.〉 XIV Chancen und Risiken.

Die Erfolgsaussichten für Transatlantik sind nicht berechenbar. München, im Juni 1979 Hans Magnus Enzensberger Gaston Salvatore

Hans Magnus Enzensberger / Gaston Salvatore: TRANS­ATLANTIK. Projekt einer Zeitschrift für das westliche Deutschland, Juni 1979, Deutsches Literaturarchiv Marbach, A: Enzensberger, Hans Magnus, mschr., 29 pag. Seiten.

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2. Abschiedsrede, Dezember 1982 Liebe Freunde, es wird Ihnen nicht entgangen sein, daß wir beide, Gaston Salvatore und ich, Sie heute abend eingeladen haben, um einen Abschied zu feiern; und zwar verabschieden wir uns von den folgenden Mitgliedern der TransAtlantik-Redaktion: Karl Markus Michel, der unser Chefredakteur gewesen ist, auch wenn er sich gegen diesen Titel verzweifelt gesträubt hat; Gundolf Freyermuth, der vor gut einem Jahr zu uns gestoßen ist; Bernd Bexte, der lange Zeit das war, was man im MedienDeutschen einen Art Director nennt, und der seitdem die »Bildredaktion Frankfurt« besorgt hat; Katharina Kaever und Monika Dobler. Wir bedanken uns bei ihnen allen, auch bei Michael Rutschky, der die Redaktion schon früher verlassen hat. Ohne sie hätte es TransAtlantik ganz einfach nicht gegeben. Genau so emphatisch danken wir den Autoren, die für uns geschrieben haben – zu unserer großen Freude sind viele von ihnen hier – und den Lesern, die TransAtlantik gefunden hat. Schließlich haben wir, Gaston und ich, die paradoxe Aufgabe, uns selbst zu verabschieden, wenn auch nur zu einem Teil. Unsere aktive redaktionelle Mitarbeit bei TransAtlantik ist ebenfalls zu Ende. (Auf den anderen Teilaspekt unserer Mitwirkung werde ich noch zu sprechen kommen.) Zu guter Letzt ein Wort des Dankes an unsere Herausgeberin Marianne Schmidt. Wir sind zu Anfang dieses Unternehmens mit dem Versprechen an die Öffentlichkeit getreten, daß TransAtlantik, so wie wir es konzipiert hatten, mindestens zwei Jahre lang erscheinen würde. Wir sind froh, daß wir dieses Versprechen, auch angesichts zunehmender Schwierigkeiten, einlösen konnten. Diesen kleinen Triumph haben wir nicht zuletzt Marianne Schmidt zu verdanken. Ein Abschied wie der, den wir halten, wird manche Leute munter, andere wird er traurig stimmen. In jedem Falle aber wirft er 204

ein paar Fragen auf. Zwei davon möchte ich, so gut ich kann, zu beantworten versuchen. Die erste Frage lautet: Warum konnte unsere Arbeit nicht einfach so weitergehen wie bisher? Das hat einen ebenso banalen wie schlagenden Grund. TransAtlantik hat seine selbstgesteckten Ziele auf dem Markt nicht erreicht. Es gibt bei Zeitschriften eine magische Schwelle, die man den break-even point nennt. Wer diese Schwelle nicht überschreitet, macht Verluste. Ich kann Ihnen die Höhe dieser Verluste nicht mathematisch genau angeben. Nach Angaben des Verlages liegen sie zwischen 2 und 3,6 Millionen Mark. Auf Grund dieser Zahlen sah sich der Verlag, nachdem die ersten beiden Erscheinungsjahre abgelaufen waren, nicht in der Lage, die im Vertrag vorgesehene Verlängerungsoption auszuüben. Wir haben das bedauert, wir haben es aber auch eingesehen. Die zweite Frage, die uns immer wieder gestellt wird, lautet: Wie soll es nun weitergehen? Eine lapidare Antwort auf diese Frage kann ich Ihnen nicht geben. Wir könnten uns die Sache leicht machen und sagen, das sei nicht unser Problem, wenn wir es nicht im Falle von TransAtlantik mit einer Konstruktion zu tun hätten, die in der deutschen Presse ziemlich einzigartig ist. Sie werden bemerkt haben, daß wir beide, Gaston Salvatore und ich, im Impressum der Zeitschrift stehen unter dem Vermerk: »Konzeption und Vetorecht«. Dieses Vetorecht erstreckt sich auf alle wesentlichen Aspekte der Publikation: auf ihre Erscheinungsweise, auf ihre graphische Gestalt, und den redaktionellen Inhalt und auf die personelle Zusammensetzung der Redaktion. Es besteht nach dem Wortlaut unserer Verträge solange fort, wie die Zeitschrift existiert. Natürlich bringt ein solches Recht auch eine Verpflichtung der Öffentlichkeit gegenüber mit sich. Wir halten sowohl an unseren vertraglichen Rechten wie auch an dieser Verantwortung fest. Der Verlag hat uns gegenüber die Absicht geäußert, Trans­ Atlantik auch in Zukunft fortzuführen. Wie das, nach dem Abschied der Redaktion, geschehen soll, darüber weiß ich nichts. Eine neue Redaktion ist uns bisher nicht benannt worden. Da ich annehme, daß sich der Verlag vertragstreu verhält, kann ich 205

daraus nur schließen, daß an die Einstellung einer neuen Redaktion nicht gedacht ist. Wir hätten es dann mit einem Novum in der deutschen Pressegeschichte zu tun, nämlich mit einer Zeitschrift ohne Redaktion. Mir fällt dazu nur ein einziger, allerdings weit entfernter Präzedenzfall ein: das Pfingstwunder aus dem Neuen Testament. Zum Schluß möchte ich es nicht versäumen, Sie mit einem Brief bekanntzumachen, der uns soeben zugegangen ist, und der sich auf unser kleines Abschiedsfest bezieht. Ein Kommentar zu diesem Brief scheint mir nicht nötig zu sein. Er bedarf keiner Antwort. Er spricht für sich selbst.

Hans Magnus Enzensberger: Kleine Abschiedsrede, 8. 12. 1982, Deutsches Literaturarchiv Marbach, A: Enzensberger, Hans Magnus, mschr., 2 unpag. Seiten.

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Literatur und Quellen

Quellen aus dem Deutschen Literaturarchiv in Marbach am Neckar sind mit der Kürzel »DLA« gekennzeichnet. Die Ausgaben der Zeitschrift TransAtlantik, aus denen in der Studie zitiert wird, sind nicht im Einzelnen angeführt. Sämtliche der genannten Internetquellen wurden zuletzt am 1.  Mai 2022 aufgerufen. Amend Christoph: Der New Yorker, in: ZEITmagazin, 18. 10. 2017, URL: https://www.zeit.de/zeit-magazin/2017/43/david-remnicknew-yorker-erfolg. Baßler, Moritz: Western Promises. Pop-Musik und Markennamen, Bielefeld 2019. Bertschik, Julia: Mode und Moderne. Kleidung als Spiegel des Zeitgeistes in der deutschsprachigen Literatur (1770-1945), Köln u. a. 2005. Bertschik, Julia: Der Querschnitt. Illustrierte Monatszeitschrift 19211936, September 2015, URL: https://litkult1920er.aau.at/themenfelder/der-querschnitt/. Biller, Maxim: Enzensberger, in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 15. 11. 2009, S. 32. Maxim Biller: Warum Ernst Jünger?, in: M. B.: Wer nichts glaubt, schreibt. Essays über Deutschland und die Literatur, Stuttgart 2020, S. 181-203. Bock, Hans Manfred / Grunewald, Michel: Zeitschriften als Spiegel intellektueller Milieus. Vorbemerkungen zur Analyse eines ungeklärten Verhältnisses, in: Das linke Intellektuellenmilieu in Deutschland, seine Presse und seine Netzwerke (1890-1960 ), hg. von dens., Bern u. a. 2002, S. 21-34. Born, Nicolas: Riß im Rumpf des Fortschritts, in: Der Spiegel, 22. 10. 1978, S. 236-241. Böttcher, Philipp: »Der gehässigste Kerl weit und breit«. Über die »Moralischen Geschichten«, in: Im Kopf von Maxim Biller. Essays zum Werk, hg. von Kai Sina, Köln 2020, S. 291-323. Böttiger, Helmut: Die wahren Jahre der Empfindung. Die 70er – eine wilde Blütezeit der deutschen Literatur, Göttingen 2021. Bourdieu, Pierre: Das intellektuelle Feld. Eine Welt für sich, in: P. B.: Rede und Antwort, Frankfurt a. M. 1992, S. 155-166. 207

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* An Audioquellen bzw. audiovisuellen Quellen wurden die DVD Hans Magnus Enzensberger. Ich bin keiner von uns. Filme, Porträts, Interviews (Frankfurt a. M. 2009) und die Folge »Maxim Biller, warum suchen Sie Streit« des Zeit-Podcasts vom 10. Februar 2022 herangezogen. 213

Zurückgegriffen wurde auf eine von Katharina Golke und Shagning Postel erstellte detaillierte Inhalts- und Titelübersicht der Zeitschrift TransAtlantik aus dem Jahr 2007. Sie war ursprünglich als digitales Dokument auf den Seiten des Instituts für Germanistische und Allgemeine Literaturwissenschaft an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen abgelegt. Aktuell ist der Zugriff über das »Internet Archive« möglich (https://web.archive.org/ web/20090617061817/http://enzensberger.germlit.rwth-aachen.de/ transatlantik.html). Zu Recherchezwecken wurden Gespräche mit folgenden Personen geführt: Claudius Seidl (am 26. 8. 2021), Katharina Enzensberger (am 30. 9. 2021 und 27. 4. 2022), Gundolf S. Freyermuth (am 15. 2. und 11. 7. 2022) sowie Uwe J. Reinhardt (am 19. 4. 2022). Die Dokumente – das Konzeptpapier von 1979 und die Abschiedsrede von 1982 - werden mit Genehmigung von Hans Magnus Enzensberger abgedruckt. Maxim Biller hat die Erlaubnis erteilt, seine Moralische Geschichte (hier auf S. 121 f.) in Gänze wiederzugeben.

214

Bildnachweise

S. 19 S. 23 S. 30

S. 41 S. 43 S. 45 S. 47 S. 53 S. 61

S. 63

S. 71 S. 84 /85 S. 88 /89 S. 96 /97 S. 101 S. 112 /113 S. 138 /139 S. 143

Fotografie und © Isolde Ohlbaum. Titel des New Yorker vom 11. Juni 1979. Journal des Luxus und der Moden, Nr. 9, Weimar 1807, Fotografie: Münchner Stadtmuseum, Patricia Fliegauf. Verfügbar unter der Lizenz CC BY-SA 4.0 auf https:// sammlungonline.muenchner-stadtmuseum.de/objekt/ zeitschrift-journal-des-luxus-und-der-moden-weimar-1807-h-9-10218657.html. TransAtlantik 10 /80, S. [1]. TransAtlantik 10 /80, S. [2]. TransAtlantik 10 /80, S. [4]. TransAtlantik 10 /80, S. [17]. TransAtlantik 10 /80, S. 67. Erste Seite des in der Zeitschrift konkret (5 /1980) erschienenen Artikels »Journal des Luxus und der Moden« von Hermann L. Gremliza. Heinz van Nouhuys und Franz Josef Strauß bei der Präsentation der ersten deutschen Ausgabe von Lui im März 1977, Fotografie: Heinz Gebhardt, © IMAGO. Der Untergang der Titanic, Titel der Erstausgabe von 1978. TransAtlantik 5 /1981, S. 16 und S. 23. TransAtlantik 5 /1982, S. 13 und S. 15. Fotografie und © Isolde Ohlbaum. Harry’s New York Bar München, Fotografie: Roger Fritz. TransAtlantik 8 /81, S. 13 und 15. Erste und letzte Seite des Artikels »Traumschläger« von Gundolf S. Freyermuth, erschienen in Tempo 3 /1991. TransAtlantik 12 /82, S. 1.

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Personenregister

Das Register enthält sämtliche im Fließtext – nicht aber in den Zitaten und Dokumenten – erwähnten Personen. Die Namen Enzensbergers und Salvatores wurden nicht in das Register aufgenommen. Namen aus dem Anmerkungsapparat sind nur dann verzeichnet, wenn ihre Nennungen im Zusammenhang mit inhaltlich relevanten, über das Bibliografische hinausgehenden Ausführungen stehen.

Adorno, Theodor W. 64 Althen, Michael 101

Bubis, Ignatz 127 Buch, Hans Christoph 144

Balzac, Honoré de 28, 117 Barnet, Miguel 33 Baronio, Joyce 56 Barthes, Roland 33, 56 Baßler, Moritz 56 Berlin, Isaiah 8 Bertschik, Julia 135 Bertuch, Friedrich Justin 29 f. Bexte, Bernd 39, 95, 100, 144, 162 Biller, Maxim 106 f., 121 ff., 128 f., 132, 148 Bizot, Jean-François 144 Bohrer, Karl Heinz 20 Born, Nicolas 72 Boswell, James 56 Böttiger, Helmut 153 Bourdieu, Pierre 79 Brando, Marlon 109 Brandt, Willy 62 Brecht, Bertolt 17 Brentano, Clemens 76 Brockmann, Karl-Josef 38, 156 Brodsky, Joseph 8

Cézanne, Paul 44 Chatwin, Bruce 56 Cleaver, Eldrige 82 Colli, Giorgio 56 Conrad, Joseph 26 Deck, Bill 100 Demski, Eva 109 f. Diderot, Denis 28 Dische, Irene 8, 106, 108, 122131, 137, 144 Döblin, Alfred 134 Dutschke, Rudi 10, 60 Engelmann, Bernt 124 Enzensberger (vormals Kaever), Katharina 11, 46, 95, 99, 105, 156 Enzensberger, Ulrich 48 f., 137 Fassbinder, Rainer Werner 78, 123 Fauser, Jörg 109 Felsch, Philipp 9, 102 216

Fiedler, Leslie 47 Flaubert, Gustave 26 Foucault, Michel 92 Freyermuth, Gundolf 10 f., 30, 98, 105 ff., 132-140, 142, 147, 160 Fried, Erich 26 Genazino, Wilhelm 108 ff. Goetz, Rainald 8, 17, 46, 102, 106-120, 132, 137 Göring, Hermann 126 Glazer, Nathan 33 Graaf, Vera 108 Greiner, Ulrich 108 Gremliza, Hermann L. 59 f. 62, 70 Grosz, George 135 Guggenheim, Peggy 46 Gumbrecht, Hans Ulrich 149 ff. Gustafsson, Lars 108 f. Habermas, Jürgen 13, 92, 149 Handke, Peter 26, 44 Heidegger, Martin 91, 129 Heine, Heinrich 28, 93 Herbert, Ulrich 13 Hillmann, Hans 39 f., 42, 113 f. Hitler, Adolf 50 Horkheimer, Max 64 Ignée, Wolfgang 112-117, 119 Infante, Guillermo Cabrera 144 Jünger, Ernst 68, 91, 129 Jungk, Peter Stephan 142 Kaever, Katharina → Enzensberger, Katharina Kaiser, Joachim 112., 116 f. Karasek, Hellmuth 108 Kardorff, Ursula von 145 f. Kayser, Lutz 50

Kern, Roger M. 137 Kerouac, Jack 150 Kirchhoff, Bodo 108, 110, 144 Klama, Dieter 50 Klopstock, Friedrich Gottlieb 93 Kluge, Alexander 78 Knox, Marion 54 Kohl, Helmut 13 Konrád, György 32 Körber, Lili 135 Kramer, Jane 8, 155 Krüger, Michael 101, 160 Lania, Leo 135 Lau, Jörg 62, 77 Lederer, Joe 135 Lennon, John 90 Luhmann, Niklas 94 Lummer, Heinrich 79 Mann, Thomas 151 Mao Tse-Tung 52 Marquard, Odo 57, 94, 129 ff. Márquez, Gabriel García 33 Matthäus-Maier, Ingrid 79 Meienberg, Nikolaus 142 Meinhof, Ulrike 82 Michel, Karl Markus 17, 46, 95, 147, 158 Mobutu, Sese Seko 50 Mohler, Armin 68 Mosebach, Martin 8, 109 f. Müller, Veronique 157 Muschg, Adolf 108 f. Musil, Robert 152 Nabokov, Vladmir 31 Neubacher, Monika 86 Nouhuys, Heinz van 60, 62-65, 68, 95, 146 Oehlen, Albert 110 Ohlbaum, Isolde 19, 95 ff.

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Ortheil, Hanns-Josef 108, 110 Overath, Angelika 108 Pabst, Philipp 15 Paola [Felix] 46 Paz, Octavio 33 Petersdorff, Dirk von 59 Peterson, Richard A. 137 Pompe, Hedwig 14 Poullain, Ludwig [?] 26 Raban, Jonathan 49, 54 Raddatz, Fritz J. 56, 62, 93, 111, 115, 117 ff. Rams, Dieter 47 Ransmayr, Christoph 8, 109 Reber, Peter 157 Reich-Ranicki, Marcel 112, 115 ff. Remnick, David 39 Ritter, Pellegrino 82 Roth, Joseph 134 Rutschky, Michael 46, 66, 95, 98-106, 125, 141, 144, 148 Schlöndorff, Volker 78 Schmidt, Helmut 86 Schmidt, Marianne 10 f., 36, 95, 145 ff. Schmitt, Carl 91 Schneider, Peter 108 f., 142

Schumann, Charles 100 Schütte, Wolfram 112 f., 115 ff., 119 Seeger, Pete 65 Selmi, Ali 126 Sontag, Susan 29 Sontheimer, Michael 108 Spengler, Tilman 108 Steenbock, Kristin 136 Strauß, Franz Josef 39, 62 ff. Swift, Jonathan 28 Theobaldy, Jürgen 46 Thompson, Hunter S. 136 Updike, John 26 Vidal, Gore 33, 55 Weide, Ralf 86 Wendt, Karlheinz 36 Wesel, Uwe 144 Wieser, Harald 65 f., 158 Wilcock, Alain 54 Wilder, Billie 135 Witzel, Frank 9 Wolfe, Tom 8, 136 Wondratschek, Wolf 158 Wörtmann, Rainer 144, 162 Zuckowski, Rolf 157

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Dank

Entscheidenden Anteil an der Entstehung dieses Buches hatte ein beflügelndes Münsteraner TransAtlantik-Seminar im Wintersemester 2021 /22. Von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern will ich stellvertretend nur Fabian Rüther nennen, der zudem einzelne Kapitel des im Entstehen befindlichen Textes für mich gegengelesen und kommentiert hat. Darüber hinaus haben mehrere Kolleginnen und Kollegen wichtige Impulse gegeben, darunter Moritz Baßler, Jan Bürger, Florian Glück, Tanita Kraaz, Philipp Pabst, Roman Seebeck, Tom Kindt, Jan Wiele und Dirk von Petersdorff. Für Gespräche über ­TransAtlantik und die ›Zweite Münchener Moderne‹ Anfang der 80er Jahre standen mir, teils mehrfach, Katharina Enzensberger, Gundolf S. Freyermuth und Claudius Seidl zur Verfügung. Ihre Bereitschaft, sich offen auf meine vielen und manchmal kleinteiligen Fragen einzulassen, war für den Fortgang der Arbeit von unschätzbarem Wert. Dankbar bin ich außerdem Uwe J. Reinhardt, der mich gesprächsweise in die Wunderwelt der Typografie eingeführt hat. Laura Bartels war mir bei der Erstellung der Druckfassung behilflich, der sich wiederum ­Rahel Simon beim Wallstein Verlag mit bemerkenswerter Geduld und kritischer Aufmerksamkeit angenommen hat. Von Beginn an hat Maren Ermisch den Entstehungsprozess dieses Buches begleitet. Angesichts ihrer gedanklichen Anteilnahme und praktischen Mühen wirkt jedes Dankeswort floskelhaft. I owe you.

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