Torhüter zur Verwaltungsgerichtsbarkeit: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht der Europäischen Union unter dem Einfluss der Århus-Konvention [1 ed.] 9783428558735, 9783428158737

Die Aarhus-Konvention hat zu einigen Umwälzungen im mitgliedstaatlichen Umweltrechtsschutz geführt. Vor diesem Hintergru

129 20 4MB

German Pages 408 Year 2020

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Recommend Papers

Torhüter zur Verwaltungsgerichtsbarkeit: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht der Europäischen Union unter dem Einfluss der Århus-Konvention [1 ed.]
 9783428558735, 9783428158737

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

Schriften zum Europäischen Recht Band 191

Torhüter zur Verwaltungsgerichtsbarkeit Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht der Europäischen Union unter dem Einfluss der Århus-Konvention

Von Nicolas Grundhewer

Duncker & Humblot · Berlin

NICOLAS GRUNDHEWER

Torhüter zur Verwaltungsgerichtsbarkeit

Schriften zum Europäischen Recht Herausgegeben von

Siegfried Magiera · Detlef Merten Matthias Niedobitek · Karl-Peter Sommermann

Band 191

Torhüter zur Verwaltungsgerichtsbarkeit Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht der Europäischen Union unter dem Einfluss der Århus-Konvention

Von Nicolas Grundhewer

Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn hat diese Arbeit im Jahr 2019 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

D5 Alle Rechte vorbehalten © 2020 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: TextFormA(r)t, Daniela Weiland, Göttingen Druck: CPI buchbücher.de GmbH, Birkach Printed in Germany ISSN 0937-6305 ISBN 978-3-428-15873-7 (Print) ISBN 978-3-428-55873-5 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Jahr 2019 von der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn als Dissertation angenommen. Sie entstand dort zwischen Januar 2016 und März 2019 in meiner Zeit als Wissenschaftlicher Mitarbeiter. Die Arbeit befindet sich auf dem Stand der Einreichung vom März 2019. Zunächst möchte ich Prof. Dr. Heiko Sauer danken. Er hat die Entstehung der Arbeit durch engagierte Betreuung und konstruktive Anregungen begleitet und durch meine Beschäftigung an seinem Lehrstuhl ermöglicht. Mein Dank gilt ebenso Prof. Dr. Dr. Wolfgang Durner, der nicht nur das Zweitvotum erstellt hat, sondern mir von Beginn meines Studiums an mit Rat und Tat zur Seite stand und durch seine Förderung ganz wesentlichen Anteil an meinem akademischen Werdegang hat. Zudem danke ich den Herausgebern für die Aufnahme der Arbeit in die „Schriften zum Europäischen Recht“ und der Konrad-Redeker-Stiftung für die Förderung der Publikation durch einen Druckkostenzuschuss. Eine Dissertation entsteht nicht ohne den Rückhalt von FreundInnen und KollegInnen. Mein Dank gilt deshalb auch all denen, die mich auf diesem Weg begleitet haben. Ihnen allen bin ich auf vielfältige Weise verbunden. Meine tiefe Dankbarkeit gebührt schließlich meiner Familie für die stete und unersetzbare Unterstützung und einen endlosen Geduldsfaden. Dies gilt in besonderer Weise für meinen Cousin Dr. Lukas Petrikowski, meinen Onkel Dr. Herbert Grundhewer und meine Tante Margarete Große-Rhode und nicht zuletzt für meine Eltern Joachim Grundhewer und Dorothea Oetz-Grundhewer. Berlin, im Herbst 2019

Nicolas Grundhewer

Inhaltsübersicht Einleitung

23

A. Gegenstand der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 B. Erkenntnisinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 C. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30

Teil 1

Grundlagen des Rechtsschutzzugangs und die Behandlung von Allgemeininteressen

31

Kapitel 1

Klage- und Kontrollmodelle

31

A. Doppelfunktionalität der Klagebefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 B. Bezugspunkte: Recht und Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 C. Subjektiver Rechtsschutz und objektive Rechtskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54

Kapitel 2

Klagemodelle und Allgemeininteressen

55

A. Allgemein- und Individualinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 B. Umweltbelange im Verletzten- und Interessentenklagemodell . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 C. Verwaltungskontrolle und Stellung der Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94

Teil 2

Vereinbarkeit des Rechtsschutzes im Unionseigenverwaltungsrecht mit der Århus-Konvention

96

Kapitel 3

Rechtsschutzvorgaben der Århus-Konvention

96

A. Leitbilder und Regelungsinhalte der Århus-Konvention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96

8

Inhaltsübersicht

B. Maßstäbe der Århus-Konvention für den Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 C. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131

Kapitel 4

Vereinbarkeit des Gerichtszugangs im Primärrecht mit den Vorgaben der Århus-Konvention

132

A. Rechtsschutz in Umweltangelegenheiten durch Art. 263 Abs. 4 Var. 2 AEUV . . . . . 133 B. (Fehlende) Kompensation durch alternative Rechtsschutzoptionen . . . . . . . . . . . . . 162 C. Wirkung der Rechtsschutzvorgaben der Århus-Konvention auf den primärrechtlichen Gerichtszugang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232

Kapitel 5

Vereinbarkeit des Rechtsschutzes nach der Århus-VO mit dem Primärrecht und den Vorgaben der Århus-Konvention

233

A. Regelungssystematik und Anwendungsbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 B. Vereinbarkeit der Århus-VO mit dem Primärrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 C. Vereinbarkeit der Århus-VO mit den Vorgaben der Århus-Konvention . . . . . . . . . . . 289 D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329

Schlussbemerkungen

331

A. Eine Vorschrift, zwei Maßstäbe – Art. 9 Abs. 3 ÅK in der Rechtsprechung des Gerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 B. Rechtsschutz durch die Århus-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 C. Funktionsäquivalente Torhüter: Plaumann-Formel und Schutznormlehre . . . . . . . . 337 D. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 E. Zusammenfassung in Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349

Synopse zu Art. 9 ÅK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404

Inhaltsverzeichnis Einleitung

23

A. Gegenstand der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 B. Erkenntnisinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 C. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30

Teil 1 Grundlagen des Rechtsschutzzugangs und die Behandlung von Allgemeininteressen



31

Kapitel 1

Klage- und Kontrollmodelle

31

A. Doppelfunktionalität der Klagebefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 I.

Popularklagemodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33

II.

Funktionen der Klagebefugnis anhand der Ablehnung der Popularklage . . . . . 33

III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 B. Bezugspunkte: Recht und Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 I.

Interesse als Rechtsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36

II.

Interesse als Element des subjektiven öffentlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . 37

III. Recht und Interesse als prozessuale Filter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 IV. Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 C. Subjektiver Rechtsschutz und objektive Rechtskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 I.

Historische Kontroverse im deutschen Spätkonstitutionalismus . . . . . . . . . . . 43

II.

Alternative Ansätze zur Reichweite verwaltungsgerichtlicher Kontrolle . . . . . 45 1. Zielrichtung: Objektive Rechtskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 2. Zielrichtung: Subjektiver Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 3. Funktionsüberschneidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48

III. Tradierte Verbindungen von Klage- und Kontrollmodellen . . . . . . . . . . . . . . . 49 IV. Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54

10

Inhaltsverzeichnis Kapitel 2



Klagemodelle und Allgemeininteressen

55

A. Allgemein- und Individualinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 I.

Problematik der Trennung von Allgemein- und Individualinteressen . . . . . . . 55

II.

Umweltbelange als Allgemeininteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 1. Kollektivgut Umwelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 2. Vollzugsschwierigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59

B. Umweltbelange im Verletzten- und Interessentenklagemodell . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 I.

Umweltbelange in der deutschen Verletztenklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 1. Subjektives öffentliches Recht als Kristallisationspunkt . . . . . . . . . . . . . . . 62 2. Schutznormtheorie und Umweltbelange . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 3. Anpassungsherausforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 a) Verbandsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 aa) Bedarf für Verbandsrechtsbehelfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 bb) Verfassungsrechtliche Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 cc) Dogmatische Anbindung im Verwaltungsprozessrecht . . . . . . . . . 71 b) Einfluss des Unionsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 aa) Grundsätze und Mobilisierungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 bb) Materiellrechtlicher Ansatzpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 cc) Verfahrensrechtlicher Ansatzpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 dd) Funktionale Subjektivierung und status procuratoris . . . . . . . . . . 81 c) Gemeinsamkeit: Zuweisung klagbarer Positionen durch den Gesetzgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84

II.

Umweltbelange in der französischen Interessentenklage . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 1. Intérêt pour agir durch Geltendmachung von Umweltbelangen . . . . . . . . 85 2. Verbandsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 3. Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89

III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 C. Verwaltungskontrolle und Stellung der Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 I.

Individuen und Gemeinwesen durch die Brille der Klagebefugnis . . . . . . . . . 90

II.

Verletztenklage: Leitbild des bourgeois . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92

III. Interessentenklage: Leitbild des citoyen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94

Inhaltsverzeichnis

11

Teil 2 Vereinbarkeit des Rechtsschutzes im Unionseigenverwaltungsrecht mit der Århus-Konvention



96

Kapitel 3

Rechtsschutzvorgaben der Århus-Konvention

96

A. Leitbilder und Regelungsinhalte der Århus-Konvention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 I.

Leitbilder der Århus-Konvention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98

II.

Regelungsinhalte der Århus-Konvention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 1. Recht auf eine gesunde Umwelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 2. Säulenarchitektur im Stufenverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 3. Anspruchsberechtigte und -gegner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 a) „Öffentlichkeit“ und „betroffene Öffentlichkeit“ als Anspruchsberechtigte 104 b) „Behörden“ als Anspruchsgegner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106

III. Aarhus Convention Compliance Committee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 1. Verfahren und Entscheidungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 2. Bedeutung der Entscheidungen des Compliance Committees . . . . . . . . . . 109 B. Maßstäbe der Århus-Konvention für den Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 I.

Rechtsschutz nach Art. 9 Abs. 1 ÅK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 1. Sicherung des Rechts aus Art. 4 ÅK durch das Überprüfungsverfahren . . . 111 2. Beschaffenheit des Überprüfungsverfahrens und der ausführenden Stellen 112

II.

Rechtsschutz nach Art. 9 Abs. 2 ÅK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 1. Sicherung des Rechts aus Art. 6 ÅK durch das Überprüfungsverfahren . . . 114 2. Beschaffenheit des Überprüfungsverfahrens und der ausführenden Stellen 117

III. Rechtsschutz nach Art. 9 Abs. 3 ÅK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 1. Überprüfungsverfahren bei Verstoß gegen sonstiges Umweltrecht . . . . . . . 119 2. Beschaffenheit des Überprüfungsverfahrens und der ausführenden Stellen 123 IV. Absicherung durch Art. 9 Abs. 4 und 5 ÅK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 1. Angemessenheit und Effektivität des Rechtsschutzes nach Art. 9 Abs. 4 Satz 1 Hs. 1 ÅK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 2. Fairness und Gerechtigkeit der Überprüfungsverfahren nach Art. 9 Abs. 4 Satz 1 Hs. 2 ÅK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 3. Weitere Sicherungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 V.

Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 1. Präzision der Verpflichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 2. „Privatisierung des Gemeinwohls“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127

C. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131

12

Inhaltsverzeichnis Kapitel 4 Vereinbarkeit des Gerichtszugangs im Primärrecht mit den Vorgaben der Århus-Konvention



132

A. Rechtsschutz in Umweltangelegenheiten durch Art. 263 Abs. 4 Var. 2 AEUV . . . . . 133 I.

Individualnichtigkeitsklage im Spiegel der Klagemodelle . . . . . . . . . . . . . . . . 134

II.

Auslegung von Art. 263 Abs. 4 Var. 2 AEUV durch den Gerichtshof . . . . . . . . 140 1. Betroffenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 2. Qualifikation durch das Merkmal „unmittelbar“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 3. Qualifikation durch das Merkmal „individuell“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 a) Tatbestandsmerkmale der Plaumann-Formel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 b) Fallgruppen individueller Betroffenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149

III. Anwendung der Plaumann-Formel in Umweltstreitigkeiten . . . . . . . . . . . . . . 150 1. Modellfälle Danielsson und Greenpeace . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 2. Anwendbarkeit der Plaumann-Formel in Umweltstreitigkeiten . . . . . . . . . 151 3. Anwendung in den Modellfällen Danielsson und Greenpeace . . . . . . . . . . 152 4. Effekt der Plaumann-Formel in Umweltstreitigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . 154 IV. Beharren des Gerichtshofs und Verwerfen alternativer Deutungsangebote . . . 158 V.

Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160

B. (Fehlende) Kompensation durch alternative Rechtsschutzoptionen . . . . . . . . . . . . . 162 I.

Rechtsschutz durch Art. 263 Abs. 4 Var. 3 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 1. Privilegierung durch Entfallen der individuellen Betroffenheit . . . . . . . . . 163 2. Urteil des Gerichtshofs im Fall Inuit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 3. Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165

II.

Rechtsschutz im Verwaltungsverbund nach Art. 19 Abs. 1 UAbs. 2 EUV . . . . 166 1. Zusammenspiel von direktem und indirektem Rechtsschutz . . . . . . . . . . . 167 2. Indirekte Rechtsschutzoptionen als Argument in den Modellfällen . . . . . . 169 3. Rolle der mitgliedstaatlichen Gerichte und ihre Grenze . . . . . . . . . . . . . . . 171 a) Kontrolle von Maßnahmen der Unionseigenverwaltung durch mitgliedstaatliche Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 b) Grenzen der Heranziehung mitgliedstaatlicher Gerichte für Maßnahmen des Eigenverwaltungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 4. Unzulänglichkeit des Vorabentscheidungsverfahrens als Individualrechtsbehelf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 5. Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178

III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 C. Wirkung der Rechtsschutzvorgaben der Århus-Konvention auf den primärrechtlichen Gerichtszugang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180

Inhaltsverzeichnis I.

13

Rechtsschutzbestimmungen der Århus-Konvention als Prüfungsmaßstab . . . . 180 1. Begriffsklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 2. Unmittelbare Geltung der Århus-Konvention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 a) Anforderungen an die unmittelbare Geltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 aa) Völkervertragsrecht und Unionsrechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . 182 bb) Monismus und Dualismus im Unionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 b) Århus-Konvention als gemischtes Abkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 aa) Völkerrechtliche Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 bb) Unionsrechtliche Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 3. Unmittelbare Anwendbarkeit der Rechtsschutzvorgaben . . . . . . . . . . . . . . 190 a) Anforderungen an die unmittelbare Anwendbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . 190 b) Problem der Bestimmtheit der dritten Säule der Århus-Konvention . . . 191 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194

II.

Möglichkeit völkerrechtsfreundlicher Auslegung des primärrechtlichen Gerichtszugangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 1. Völkerrechtswidrigkeit der primärrechtlichen Zugangsrestriktionen . . . . . 195 a) Totalausfall des Umweltrechtsschutzes im Primärrecht . . . . . . . . . . . . 195 b) Einordnung der Plaumann-Rechtsprechung durch das Compliance ­Committee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 2. Normativer Anknüpfungspunkt und Grundzüge der völkerrechtsfreund­ lichen Auslegung des Unionsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 3. Implikationen aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Unionsverwaltungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 a) Urteil Slowakischer Braunbär . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 b) Urteil Protect . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 c) Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 4. Ansätze zur völkerrechtsfreundlichen Auslegung von Art. 263 Abs. 4 Var. 2 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 a) Auslegung von Art. 263 Abs. 4 Var. 2 AEUV im Lichte von Art. 9 Abs. 3 ÅK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 aa) Rang von Art. 9 Abs. 3 ÅK als Übertragbarkeitsproblem . . . . . . . 207 bb) Keine völkerrechtsfreundliche Auslegung von Primärrecht . . . . . 210 b) Auslegung von Art. 263 Abs. 4 Var. 2 AEUV im Lichte von Art. 47 GRCh i. V. m. Art. 9 Abs. 3 ÅK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 aa) Grundzüge des Rechts auf effektiven Rechtsschutz . . . . . . . . . . . 213 bb) Verhältnis von Art. 47 GRCh zu Art. 263 AEUV . . . . . . . . . . . . . . 214 cc) Ungenutzte Auslegungsreserven in Art. 263 Abs. 4 Var. 2 AEUV . 217 dd) Art. 47 GRCh als Hebel für Art. 9 Abs. 3 ÅK . . . . . . . . . . . . . . . . 220 (1) Konturenlosigkeit der Klagebefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221

14

Inhaltsverzeichnis (2) Eingriff in die Aufgaben des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . 222 (3) Untauglichkeit von Art. 9 Abs. 3 ÅK für eine Aufladung von Art. 47 GRCh . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 ee) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 III. Alternative Ansätze zur Begegnung der Völkerrechtswidrigkeit . . . . . . . . . . . 226 1. Verweis auf Art. 19 Abs. 1 UAbs. 2 EUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 2. Modifizierung von Art. 263 Abs. 4 AEUV durch die Århus-Konvention als lex posterior . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 3. Völkerrechtliche Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Änderung von Art. 263 Abs. 4 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230

D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232

Kapitel 5 Vereinbarkeit des Rechtsschutzes nach der Århus-VO mit dem Primärrecht und den Vorgaben der Århus-Konvention



233

A. Regelungssystematik und Anwendungsbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 I.

Internes Überprüfungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 1. Antragsberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 a) Allgemeines und Zweck der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 b) Voraussetzungen im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 2. Gegenstand des Überprüfungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 a) Organ oder Einrichtung der Union als Antragsgegner . . . . . . . . . . . . . 241 b) Verwaltungsakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 aa) Verwaltungsakt als Handlungsform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 bb) Voraussetzungen im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 (1) Rechtsverbindlichkeit und Außenwirksamkeit . . . . . . . . . . . 243 (2) Regelung eines Einzelfalls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 (3) Im Bereich des Umweltrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 cc) Ausnahmeregelung in Art. 2 Abs. 2 Århus-VO . . . . . . . . . . . . . . . 252 dd) Ausschlussfrist in Art. 10 Abs. 2 Århus-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 c) Folgerungen für den Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 3. Reichweite der Überprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 a) Prüfungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 b) Prüfungsdichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 c) Abhilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 4. Abschluss durch eine Antwort gem. Art. 10 Abs. 2 Århus-VO . . . . . . . . . . 262

Inhaltsverzeichnis II.

15

Gerichtliches Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 1. Klageberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 a) Negative Bescheidung des Überprüfungsersuchens . . . . . . . . . . . . . . . 264 b) Zugang „gemäß den einschlägigen Bestimmungen“ . . . . . . . . . . . . . . . 265 2. Gegenstand des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 3. Reichweite der Überprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 a) Prüfungsmaßstab und -umfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 b) Prüfungsdichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 4. Entscheidungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 a) Fehler betrifft nur das interne Überprüfungsverfahren . . . . . . . . . . . . . 273 b) Fehler geht auf die ursprüngliche Maßnahme zurück . . . . . . . . . . . . . . 274 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275

III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 B. Vereinbarkeit der Århus-VO mit dem Primärrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 I.

Grundsätzliche Zulässigkeit der Rechtsschutzgewährung durch Sekundärrecht 277 1. Umfassender effektiver Rechtsschutz als Anliegen der Union . . . . . . . . . . 277 2. Ermächtigungsklauseln für sekundärrechtlich begründeten Rechtsschutz . 278 3. Vorverfahren im Eigenverwaltungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279

II.

Zulässigkeit des Rechtsschutzmodells der Århus-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 1. Vorwurf der Umgehung des Primärrechts durch die Århus-VO . . . . . . . . . 281 2. Gründe für die Zulässigkeit des Regelungsmodells der Århus-VO . . . . . . . 282 a) Unabhängigkeit des internen Überprüfungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . 283 b) Keine Befreiung von der Erfüllung der primärrechtlichen Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 c) Ausgestaltungsbefugnisse des Sekundärrechtsgebers . . . . . . . . . . . . . . 284 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285

III. Rückschlüsse für die Rechtsschutzgewährung durch Sekundärrecht als Modell 285 1. Keine direkte Aufhebung einer Zulässigkeitsvoraussetzung . . . . . . . . . . . . 286 2. Möglichkeit der gezielten Erfüllung der Zulässigkeitskriterien durch Sekundärrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 3. Zuweisungsgehalte als Aufnahmestrategie: Funktionale Betroffenheit . . . 288 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 C. Vereinbarkeit der Århus-VO mit den Vorgaben der Århus-Konvention . . . . . . . . . . . 289 I.

Unbeachtlichkeit von Art. 9 Abs. 1 und Abs. 2 ÅK als Maßstäbe für die Århus-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 1. Art. 9 Abs. 1 ÅK als Maßstab für die Århus-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 2. Art. 9 Abs. 2 ÅK als Maßstab für die Århus-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 a) Umsetzungspflicht aus Art. 6 Abs. 1 lit. a ÅK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293

16

Inhaltsverzeichnis b) Umsetzungspflicht aus Art. 6 Abs. 1 lit. b ÅK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 c) Umsetzungspflicht aus Art. 6 bis ÅK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 d) Umsetzungspflicht aus sonstigen Bestimmungen der Århus-Konvention 296 e) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 II.

Vereinbarkeit mit Art. 9 Abs. 3 ÅK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 1. Art. 9 Abs. 3 ÅK als Prüfungsmaßstab für das Unionssekundärrecht . . . . . 298 a) Anwendbarkeit der Fediol- und Nakajima-Rechtsprechung auf die Århus-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 aa) Grundzüge der Fediol- und Nakajima-Rechtsprechung . . . . . . . . 298 bb) Århus-VO als Umsetzung der Vorgaben der Århus-Konvention . . 299 (1) Verweis der Århus-VO auf Art. 9 Abs. 3 ÅK im Sinne der ­Fediol-Doktrin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 (2) Umsetzung von Art. 9 Abs. 3 ÅK im Sinne der Nakajima-­ Doktrin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 cc) Restriktion des Implementierungsgrundsatzes auf das Welthandelsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 b) Zielverbindlichkeit von Art. 9 Abs. 3 ÅK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 aa) Ansatz Generalanwalt Jääskinens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 bb) Beschränkung der Kontrolle auf das Überschreiten der äußeren Grenze des Gestaltungsspielraums von Art. 9 Abs. 3 ÅK . . . . . . . 309 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 2. Definitionsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 a) Antragsberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 aa) Begrenzung des internen Überprüfungsverfahrens auf Verbände . . 312 bb) Restriktionen in den Kriterien zur Antragsberechtigung für Verbände 314 b) Gegenstand des Überprüfungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 aa) Begriff des Verwaltungsakts gem. Art. 2 Abs. 1 lit. g Århus-VO . . 315 (1) Rechtsverbindlichkeit und Außenwirksamkeit . . . . . . . . . . . 316 (2) Regelung eines Einzelfalles . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 (3) Im Bereich des Umweltrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 bb) Ausnahmeregelung des Art. 2 Abs. 2 Århus-VO . . . . . . . . . . . . . . 320 3. Verfahrensfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 a) Internes Überprüfungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 aa) Unzureichender Devolutiveffekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 bb) Kürze der Beanstandungsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 cc) Ausschluss nach Art. 10 Abs. 3 Århus-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 dd) Fehlender Prüfungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 ee) Folgerung: Internes Überprüfungsverfahren genügt nicht zur Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325

Inhaltsverzeichnis

17

b) Gerichtliches Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 III. Ergebnis und Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329

Schlussbemerkungen

331

A. Eine Vorschrift, zwei Maßstäbe – Art. 9 Abs. 3 ÅK in der Rechtsprechung des Gerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 I.

Plädoyer für einen einheitlichen Maßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332

II.

Kritik an den Rechtsschutzvorgaben der Århus-Konvention . . . . . . . . . . . . . . 333

B. Rechtsschutz durch die Århus-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 I.

Århus-VO öffnet das Tor – aber nur einen Spalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334

II.

Ausblick: Reaktion der Union auf die Kritik des Compliance Committees . . . 335

C. Funktionsäquivalente Torhüter: Plaumann-Formel und Schutznormlehre . . . . . . . . 337 I.

Primärrechtliche Betroffenenklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338

II.

Elastizität und Statik der Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341

D. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 E. Zusammenfassung in Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349

Synopse zu Art. 9 ÅK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404

Abkürzungsverzeichnis ABl. Amtsblatt Abs. Absatz Archiv für die civilistische Praxis AcP am Ende aE Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union AEUV alte Fassung a. F. American Journal of International Law AJIL ÅK Århus-Konvention Alt. Alternative American University International Law Review Am. U. Int’l L. Rev. Archiv des öffentlichen Rechts AöR Art.  Artikel Aufl. Auflage Archiv des Völkerrechts AVR Bayrische Verwaltungsblätter BayVBl Verfassung des Freistaates Bayern BayVerf Gesetz über den Bayerischen Verfassungsgerichtshof BayVfGHG Bd. Band Beschl. Beschluss BNatSchG Bundesnaturschutzgesetz Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (Sammlung) BVerfGE Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (Sammlung) BVerwGE bzw. beziehungsweise Cahiers de Droit Européen C. D. E. Columbia Journal of European Law CJEL Cambridge Law Journal C. L. J. Common Market Law Review CML Rev. Columbia Journal of European Law Colum. J. Eur. L. Croatian Yearbook of European Law and Policy CYELP Cambridge Yearbook of European Legal Studies CYELS Die Öffentliche Verwaltung DÖV Deutsches Verwaltungsblatt DVBl Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft EAGV European Business Law Review EBL Rev. EELR European Environmental Law Review European Food and Feed Law Review EFFL Europäische Gemeinschaft EG Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für EGKSV Kohle und Stahl Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft EGV European Journal of International Law EJIL

Abkürzungsverzeichnis

19

EJRR European Journal of Risk Regulation EL Ergänzungslieferung European Law Journal ELJ elni Review Environmental Law Network International Review European Law Review E.L. Rev. Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und EMRK Grundfreiheiten Envtl. L. Rev. Environmental Law Review Envtl. Pol’y & L. Environmental Policy and Law European Public Law EPL EU Europäische Union Europäisches Gericht erster Instanz EuG EuGH Europäischer Gerichtshof EuGRZ Zeitschrift für Europäische Grundrechte EuR Europarecht EuR-Beih. Europarecht Beiheft Eur. Energy & Envtl. L. Rev. European Energy and Environmental Law Review Zeitschrift für Europäisches Umwelt- und Planungsrecht EurUP EUV Vertrag über die Europäische Union EuZW Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht EVV Europäischer Verfassungsvertrag Europäische Wirtschaftsgemeinschaft EWG Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft EWGV EWS Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht f. folgende ff. fortfolgende FG Festgabe Fordham International Law Journal Fordham Int’l L. J. FS Festschrift GATT Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen German Law Journal German L. J. German Yearbook of International Law German Y. B.Int’l L. GewArch Gewerbearchiv GG Grundgesetz Charta der Grundrechte der Europäischen Union GRCh GS Gedächtnisschrift Handbuch des Staatsrechts HbdStR Hrsg. Herausgeber International & Comparative Law Quarterly ICLQ im Ergebnis iE Indiana Journal of Global Legal Studies IJGLS International Legal Materials ILM IPE Ius Publicum Europaeum i. S. d. im Sinne des / der in Verbindung mit i. V. m. Journal of Contemporary European Research JCER Journal de Droit Européen J. D. E. Journal for European Environmental & Planning Law JEEPL

20

Abkürzungsverzeichnis

J. Envtl. L. Journal of Environmental Law Journal of International Economic Law J. Int’l Econ. L. Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart (Neue Folge) JöR n. F. J. P. L. Journal of Planning & Environment Law Journal für Rechtspolitik JRP JZ Juristenzeitung lit.  Buchstabe Zeitschrift für Landes- und Kommunalrecht Hessen, RheinlandLKRZ Pfalz und das Saarland Michigan Journal of International Law Mich. J. lnt’I L. MJ Maastricht Journal of European and Comparative Law Max Planck Encyclopedia of Public International Law MPEPIL m. w. N. mit weiteren Nachweisen NdsVBl Niedersächsische Verwaltungsblätter n. F. neue Fassung NILR Netherlands International Law Review NJW Neue Juristische Wochenschrift Nordisk Miljörättslig Tidskrift NMT Nordic J. Int’l L. Nordic Journal of International Law Nr.  Nummer NuR Natur und Recht Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht NVwZ Oxford Journal of Legal Studies Oxford J. Legal Stud. P. L. Public Law Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht RabelsZ R. A. E. Revue des Affaires Européennes Recht der Umwelt RdU Review of European Administrative Law REALaw Review of European Community and International Environmental RECIEL Law La Revue Administrative Rev. Adm. Rivista Trimestrale di Diritto Pubblico Riv. Trimestr. Dir. Pubbl. Revue Juridique de l’Environnement R. J. E. Rn. Randnummer Rs. Rechtssache RTD Eur. Revue Trimestrielle de Droit Européen s. siehe S. Seite Southern California Law Review S. Cal. L. Rev. Sammlung des Gerichtshofs und des Gerichts Erster Instanz Slg. Stanford Law Review Stan. L. Rev. Zeitschrift für Stoffrecht StoffR TELJ Tulane Environmental Law Journal u. a. und andere UmwRG Umweltrechtsbehelfsgesetz Umwelt- und Planungsrecht UPR Urt. Urteil Jahrbuch des Umwelt- und Technikrechts UTR

Abkürzungsverzeichnis

21

Utrecht J. Int. Eur. Law Utrecht Journal of International and European Law Utrecht Law Review Utrecht L. Rev. von / vom v. Var. Variante Verwaltungsblätter für Baden-Württemberg VBlBW verbundene Rechtsachen verb. Rs. VerwArch Verwaltungsarchiv VO Verordnung VVDStRL Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer VwGO Verwaltungsgerichtsordnung Windsor Y. B. Access Just. Windsor Yearbook of Access to Justice WTO Word Trade Organization WVKIO Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge zwischen Staaten und internationalen Organisationen oder zwischen internationalen Organisationen WVRK Wiener Konvention über das Recht der Verträge Yearbook of European Environmental Law YbEEL YEL Yearbook of European Law ZaöRV Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht z. B. zum Beispiel Zeitschrift für Europarechtliche Studien ZEuS Zeitschrift für Rechtsvergleichung ZfRV ZG Zeitschrift für Gesetzgebung Zeitschrift für öffentliches Recht ZÖR ZUR Zeitschrift für Umweltrecht

Einleitung Ein Mann erbittet Eingang zum Gesetz. Doch vor dem Gesetz steht ein Torhüter. Dieser verwehrt dem Mann den Eingang. Der Mann wartet jahrelang verzweifelt vor dem Gesetz, jedoch vergeblich. Er erhält keinen Eingang. Dieses Bild des Torhüters stammt aus dem Prosastück „Vor dem Gesetz“ von F. Kafka, welches auch Teil seines Romans „Der Prozeß“ ist.1 Der Einfluss dieser auch als Torhüter-Parabel bekannten Sequenz weist über das Literarische hinaus. So wird F. Kafkas Torhüter immer wieder bemüht, wenn es darum geht, ein Bild für den Zugang zu verwaltungsgerichtlichem Rechtsschutz in Umweltangelegenheiten zu finden.2 Gerichte werden nicht von sich aus tätig, sondern bedürfen der Initiative eines Klägers3.4 Wem soll aber unter welchen Voraussetzungen eine solche Initiativberechtigung zukommen? Diese Entscheidung wird von der Klagebefugnis als zentralem Torhüter zur Verwaltungsgerichtsbarkeit getroffen. Ebenjener Torhüter erweist sich im Umweltrecht traditionell als ähnlich unüberwindbar wie derjenige aus F. Kafkas Parabel. Die Regeln über den Zugang zu Rechtsschutz in Umweltangelegenheiten galten lange Zeit als frei von äußeren Einflüssen.5 Unter den Begriffen der Europäisierung6

1

F. Kafka, Der Prozeß, in: Sämtliche Werke, 2008, S. 238 (399 f.). S. etwa Generalanwältin Kokott, Schlussanträge v. 30.06.2016, Lesoochranárske zoskupenie, Rs. C-243/15, EU:C:2016:491, Rn. 1 f.; R. Klinger, Anmerkung zu EuGH, Urt. v. 20.12.2017, Rs. C-664/15, NVwZ 2018, 231 (231); H. Schoukens, Access to Justice in Environmental Cases After the Rulings of the Court of Justice of 13 January 2015, Utrecht J. Int. Eur. Law 31 (2015), 46 (46). 3 Selbstredend wird der Begriff „Kläger“ geschlechtsunspezifisch gebraucht. Dies gilt auch für alle ähnlichen Begriffe und Fälle in dieser Arbeit. 4 C. Möllers, Individuelle Legitimation, in: Geis u. a. (Hrsg.), Der Aufstieg der Legitimitätspolitik, 2012, S. 398 (401). 5 A. Epiney / K. Sollberger, Zugang zu Gerichten und gerichtliche Kontrolle im Umweltrecht, 2002, S. 17. Dies gilt im Grundsatz auch für das Verwaltungsverfahrensrecht. S. zu der so genannten Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten bei der Durchführung von Unionsrecht und deren Grenzen F. Schoch, Die Europäisierung des Verwaltungsprozessrechts, in: Schmidt-­ Aßmann u. a. (Hrsg.), FG BVerwG, 2003, S. 507 (508 ff.); T. von Danwitz, Europäisches Verwaltungsrecht, 2008, S. 302 ff.; J. Schwarze, Europäische Rahmenbedingungen für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, NVwZ 2000, 241 (244); M. Ludwigs, Die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten, NVwZ 2018, 1417 (1420 ff.). 6 Zum Begriff E. Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 2006, S. 31 ff.; F.  Schoch, Die Europäisierung des Verwaltungsprozessrechts, in: Schmidt-­ Aßmann u. a. (Hrsg.), FG BVerwG, 2003, S. 507; R. Wahl, Die zweite Phase des Öffentlichen Rechts in Deutschland, Der Staat 38 (1999), 495 ff. 2

24

Einleitung

und der Internationalisierung7 werden jedoch schon seit geraumer Zeit Phänomene diskutiert, die an der Autonomie der Hoheitsträger zur Ausgestaltung des verwaltungsrechtlichen Verhältnisses zu ihren Bürgern rütteln.8 Auch das Umweltverwaltungsrecht ist in weiten Teilen von der Internationalisierung erfasst.9 Eine besonders weitreichende Dynamisierungswirkung für das Umweltverwaltungsrecht entfaltet die Århus-Konvention.10 Die Århus-Konvention wurde im Rahmen der United Nations Economic Commission for Europe am 25. Juni 1998 beschlossen. Ziel der Århus-Konvention ist eine verstärkte Einbindung der Öffentlichkeit zur Durchsetzung des Umweltrechts.11 Entsprechend verpflichtet die Konvention gerade nicht zur Erreichung bestimmter Umweltziele, sondern macht ihren Vertragsparteien Vorgaben für die Gestaltung ihrer Rechtsordnungen.12 Damit vollzieht die Konvention einen „Paradigmenwechsel“13 im Umweltvölkerrecht. Insbesondere sieht die Konvention die Schaffung von (Individual-)Rechten vor.14 Diese dienen der Mobilisierung der Bürger zur Durchsetzung des Umweltrechts.15 Zu dieser Mobilisierung sollen wesentlich Verbesserungen im Zugang zu Umweltrechtsschutz beitragen.16 Dies nimmt die vorliegende Arbeit zum Anlass und fragt, inwieweit die Århus-Konvention zur Überwindung der Klagebefugnis als Torhüter zur Verwaltungsgerichtsbarkeit in Umweltangelegenheiten beiträgt. 7

Zum Begriff M. Kment, Grenzüberschreitendes Verwaltungshandeln, 2010, S. 17 ff. W.  Durner, Internationales Umweltverwaltungsrecht, in: Möllers u. a. (Hrsg.), Inter­ nationales Verwaltungsrecht, 2007, S. 121 (123); s. auch C. Tietje, Internationalisiertes Verwaltungshandeln, Rechtstheorie 39 (2008), 255 (255). 9 C.  Tietje, Internationalisiertes Verwaltungshandeln, 2001, S. 422. Was vordergründig in den Mitgliedstaaten als Europäisierung wahrgenommen wird, erweist sich bei genauerer Betrachtung als Internationalisierung, da die europäischen Sekundärrechtsakte selbst häufig völkerrechtlich vorgeprägt sind, s. W. Durner, Internationales Umweltverwaltungsrecht, in: Möllers u. a. (Hrsg.), Internationales Verwaltungsrecht, 2007, S. 121 (132 f.). 10 Convention on Access to Information, Public Participation in Decision-Making and ­Access to Justice in Environmental Matters, ILM 38 (1999), S. 517 ff. 11 T. von Danwitz, Aarhus-Konvention, NVwZ 2004, 272 (273). 12 W. Durner, Internationales Umweltverwaltungsrecht, in: Möllers u. a. (Hrsg.), Interna­ tionales Verwaltungsrecht, 2007, S. 121 (131). 13 C. Walter, Internationalisierung des deutschen und Europäischen Verwaltungsverfahrensund Verwaltungsprozessrechts, EuR 2005, 302 (306); dem folgend E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband I, 2018, S. 216. 14 C.  Walter, Internationalisierung des deutschen und Europäischen Verwaltungsverfahrens- und Verwaltungsprozessrechts, EuR 2005, 302 (306); A. Epiney / K. Sollberger, Zugang zu Gerichten und gerichtliche Kontrolle im Umweltrecht, 2002, S. 312. 15 W. Durner, Internationales Umweltverwaltungsrecht, in: Möllers u. a. (Hrsg.), Internationales Verwaltungsrecht, 2007, S. 121 (132). Dies spielt natürlich auf die Dissertation von J. Masing, Die Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, 1997, an. In eine ähnliche Richtung geht das Konzept bei M. Ruffert, Subjektive Rechte im Umweltrecht der Europäischen Gemeinschaft, 1996, S. 162, der den Begriff der „funktionalen Subjektivierung“ prägt. 16 Nach A. Epiney / K. Sollberger, Zugang zu Gerichten und gerichtliche Kontrolle im Umweltrecht, 2002, S. 312 findet sich mit der Århus-Konvention zum ersten Mal im Rahmen eines umweltvölkerrechtlichen Vertrages eine rechtlich bindende Verpflichtung, Rechtsschutzmöglichkeiten in Umweltangelegenheiten zu schaffen. 8

Einleitung

25

A. Gegenstand der Untersuchung Die Wirkungen der Århus-Konvention auf den Rechtsschutz werden im Rahmen der vorliegenden Arbeit anhand des Eigenverwaltungsrechts der Union untersucht. Neben ihren Mitgliedstaaten gehört auch die Union selbst zu den Vertragsparteien der Århus-Konvention.17 Damit wurde die Århus-Konvention gem. Art. 216 Abs. 2 AEUV für die Union auch unionsrechtlich verbindlich. Im Rahmen der Zuständigkeitsverteilung zwischen der Union und den Mitgliedstaaten18 sieht es die Union als ihre Aufgabe an, die Umsetzung der Konventionsverpflichtungen für die Mitgliedstaaten über den „Transmissionsriemen des Unionsrechts“19 vorzunehmen.20 Als Vertragspartei ist die Union jedoch ebenso verpflichtet, die Vorgaben der Konvention für ihre eigenen Organe und Institutionen umzusetzen.21 An diesem Punkt setzt die Arbeit an. Der Begriff des Eigenverwaltungsrechts bestimmt wesentlich die Reichweite der Untersuchung. Er ist deshalb für die Zwecke der Untersuchung zu konkretisieren.

17 Damals noch als Europäische Gemeinschaft, s. Beschluss 2005/370/EG des Rates vom 17. Februar 2005 über den Abschluss des Übereinkommens über den Zugang zu Informatio­ nen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten im Namen der Europäischen Gemeinschaft, ABl. L  124 v. 17.05.2005, S. 1 ff. sowie EuGH, Urt. v. 08.03.2011, Lesoochranárske zoskupenie, Rs. C-240/09, EU:C:2011:125, Slg. 2011 I-1285, Rn. 31. 18 M. Breuer / S . Riegger, Die Reichweite der Pflicht der EU zur Umsetzung der AarhusKonvention, EurUP 2014, 293 (302) weisen zutreffend darauf hin, dass Art. 216 Abs. 2 AEUV für die Situation von gemischten Abkommen nicht wirklich passt. Schließlich trifft die Mitgliedstaaten hier auch eine eigene Umsetzungspflicht. 19 J. Berkemann, Vollkontrolle der Umweltverbandsklage!, DVBl 2015, 389 (226). 20 Zur Umsetzung in den Mitgliedstaaten erließ die Union zahlreiche Umsetzungsakte in Richtlinienform. Regelungen für den Bereich des Gerichtszugangs enthalten etwa die Richtlinie 2003/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen und zur Aufhebung der Richtlinie 90/313/ EWG des Rates, ABl. L 41 v. 14.02.2003, S. 26 ff. sowie die Richtlinie 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme und zur Änderung der Richtlinien 85/337/EWG und 96/61/EG des Rates in Bezug auf die Öffentlichkeitsbeteiligung und den Zugang zu Gerichten, ABl. L 156 v. 25.06.2003, S. 17 ff. Dagegen wurde der Vorschlag für eine Richtlinie KOM(2003) 624 endg. v. 24.10.2003 nicht weiterverfolgt. Zum Ganzen ausführlich A. Schwerdtfeger, Der deutsche Verwaltungsrechtsschutz unter dem Einfluss der Aarhus-Konvention, 2010, S. 36 ff.; S. Pernice-Warnke, Effektiver Zugang zu Gericht, 2009, S. 146 ff. Zur Umsetzung durch die Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten, ABl. L 26 v. 28.01.2012, S. 1 ff. s. etwa J. Berkemann, Rechtsschutz im Naturschutzrecht, EurUP 2014, 148 (150 f.). 21 S. Pernice-Warnke, Effektiver Zugang zu Gericht, 2009, S. 146; A. Schwerdtfeger, Der deutsche Verwaltungsrechtsschutz unter dem Einfluss der Aarhus-Konvention, 2010, S. 40 f.; W. Durner, Internationales Umweltverwaltungsrecht, in: Möllers u. a. (Hrsg.), Internationales Verwaltungsrecht, 2007, S. 121 (124).

26

Einleitung

Die Union kennt keine klassische Gewaltenteilung,22 sondern folgt dem Prinzip des institutionellen Gleichgewichts.23 Diese Aufgabenverteilung entspricht nicht zwangsläufig den Kategorien Exekutive, Judikative und Legislative.24 Für die Zwecke der vorliegenden Arbeit soll deshalb folgendes Verständnis für den Begriff von Verwaltung in der Union zu Grunde gelegt werden: Es geht um die Verwirklichungsdimension der Verwaltung als Umsetzung des Verwaltungsrechts in die Praxis.25 Mit der Union und ihren Mitgliedstaaten kommen dafür grundsätzlich zwei unterschiedliche Ebenen in Frage. Die Union ist im Sinne eines „Vollzugsföderalismus“26 organisiert, der sich nach dem Trennungsmodell grundsätzlich dualistisch darstellt.27 Die Verwaltungstätigkeit der Union ist die Anwendung des Unionsrechts im Einzelfall durch ein Organ oder eine sonstige Institution der Union.28 Dieser Vollzug durch die Organe, Institutionen und sonstigen Verwaltungsstellen der Union wird Eigenverwaltung genannt, während der Vollzug von Unionsrecht durch die Mitgliedstaaten als Unionsverwaltung bezeichnet wird.29 Das Eigenverwaltungsrecht regelt damit den Vollzug des Unionsrechts auf der supranationalen 22

H. P. Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, 1972, S. 319; J. Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, 2005, S. 22; C. D. Classen, Europäisierung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1996, S. 23; S. Schreiber, Verwaltungskompetenzen der Europäischen Gemeinschaft, 1997, S. 20. 23 B. Wegener, in: Calliess / Ruffert (Hrsg.), EUV / A EUV, 5. Aufl. 2016, Art. 19 EUV Rn. 35; T. Siegel, Das Gleichgewicht der Gewalten in der Bundesrepublik Deutschland und in der Europäischen Gemeinschaft, DÖV 2010, 1 (1 ff.); S. Magiera, Verwaltungsrechtsschutz in der Europäischen Union, in: Sommermann / Schaffarzik (Hrsg.), Handbuch der Geschichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit, 2019, S. 1885 (1888). 24 E. Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 2006, S. 379. 25 S. Hegels, EG-Eigenverwaltungsrecht und Gemeinschaftsverwaltungsrecht, 2001, S. 26. 26 G. Sydow, Vollzug des europäischen Unionsrechts im Wege der Kooperation nationaler und europäischer Behörden, DÖV 2006, 66 (67); im Anschluss W. Kahl, Der Europäische Verwaltungsverbund, Der Staat 50 (2011), 352 (352). 27 J.  Hofmann, Rechtsschutz und Haftung im Europäischen Verwaltungsverbund, in: Schmidt-Aßmann / Schöndorf-Haubold (Hrsg.), Der Europäische Verwaltungsverbund, 2005, S. 353 (354); O. Dörr / C . Lenz, Europäischer Verwaltungsrechtsschutz, Rn. 360. Differenzierend E. Schmidt-Aßmann, Einleitung, in: Schmidt-Aßmann / Schöndorf-Haubold (Hrsg.), Der Europäische Verwaltungsverbund, 2005, S. 1 (2); S. Augsberg, Europäisches Verwaltungsorganisationsrecht und Vollzugsformen, in: Terhechte (Hrsg.), VwR der EU, 2011, § 6, Rn. 50 ff. 28 S. J. Schwarze, Europäisches Verwaltungsrecht, 2005, S. 22; U. Everling, Elemente eines europäischen Verwaltungsrechts, DVBl 1983, 649; H.-W. Rengeling, Rechtsgrundsätze beim Verwaltungsvollzug des europäischen Gemeinschaftsrechts, 1977, S. 8 f.; S. Schreiber, Verwaltungskompetenzen der Europäischen Gemeinschaft, 1997, S. 21. Eine ähnliche Umschreibung von Verwaltung in der Union findet sich bei K. F. Gärditz, Die Verwaltungsdimension des Lissabon-Vertrags, DÖV 2010, 453 mit Verweis auf C. Möllers, Die drei Gewalten, 2008, S. 108. 29 E.  Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 2006, S. 385 ff.; S. Hegels, EG-Eigenverwaltungsrecht und Gemeinschaftsverwaltungsrecht, 2001, S. 1. Ein anderes Begriffspaar unterscheidet zwischen direktem und indirektem Vollzug, meint aber das Gleiche, s. etwa H.-W. Rengeling, Rechtsgrundsätze beim Verwaltungsvollzug des europäischen Gemeinschaftsrechts, 1977, S. 9 ff.; A. Weber, Das Verwaltungsverfahren, in: Schweitzer (Hrsg.), Europäisches Verwaltungsrecht, 1991, S. 55 (59 ff.); S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 18.

Einleitung

27

Ebene.30 Diese Verwaltungstätigkeit der Union entfaltet eine Durchgriffswirkung auf die Rechtspositionen der Einzelnen und betrifft diese unmittelbar.31 Gegenstand der Untersuchung sind damit Vollzugsmaßnahmen der Organe und Institutionen der Union. Vollzug und Rechtsschutzauftrag korrespondieren im Unionsrecht. Die duale Vollzugsstruktur findet ihre Entsprechung in einem dualen Rechtsschutzauftrag.32 Dieser richtet sich grundsätzlich an die Unionsgerichte für Maßnahmen der Eigenverwaltung und an die mitgliedstaatlichen Gerichte für Maßnahmen des Unionsverwaltungsrechts.33 Vor diesem Hintergrund konzentriert sich die Untersuchung auf den Einfluss der Århus-Konvention auf den Rechtsschutz durch die originären Unionsgerichte. Welchen Einfluss die Århus-Konvention auf den Rechtsschutz vor den mitgliedstaatlichen Verwaltungsgerichten ausübt, bleibt dagegen außer Betracht.34 Ebenfalls nicht behandelt werden die komplexen Mischformen der verwaltungsbehördlichen Kooperation durch Zusammenwirken nationaler und europäischer Behörden und die sich hier stellenden Rechtsschutzprobleme.35 Diese Zusammenarbeit beim Vollzug des Unionsrechts wird unter dem Begriff des europäischen Verwaltungsverbundes diskutiert, soll im Rahmen dieser Arbeit aber nicht weiter vertieft werden.36 30 J. Saurer, Der Einzelne im europäischen Verwaltungsrecht, 2014, S. 200. S. auch T. von Danwitz, Europäisches Verwaltungsrecht, 2008, S. 312 f.; K. F.  Gärditz, Die Verwaltungs­ dimension des Lissabon-Vertrags, DÖV 2010, 453 (454). 31 Grundlegend EuGH, Urt. v. 05.02.1963, Van Gend en Loos / Administratie der Belastingen Rs. 26/62, EU:C:1963:1, Slg. 1963, 3 (25). 32 O. Dörr / C . Lenz, Europäischer Verwaltungsrechtsschutz, Rn. 361; T. von Danwitz, Europäisches Verwaltungsrecht, 2008, S. 274; F. Schoch, Die Europäisierung des verwaltungs­ gerichtlichen Rechtsschutzes, 2000, S. 16 Fn. 41; H.-W. Rengeling, Zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes im Europäischen Verwaltungsrecht, in: Krautzberger u. a. (Hrsg.), FS Stüer, 2013, S. 51 (52); G. C. Rodríguez Iglesias, L’évolution de l’architecture juridictionnelle de l’Union européenne, in: Rosas u. a. (Hrsg.), The Court of Justice and the Construction of Europe, 2013, S. 37 (38). Ausführlich zum „prozessualen Trennungsprinzip“ J.  Hofmann, Rechtsschutz und Haftung im Europäischen Verwaltungsverbund, 2004, S. 163 ff. 33 S. O. Dörr / C . Lenz, Europäischer Verwaltungsrechtsschutz, Rn. 361. 34 Zu dieser Frage liegen bereits umfassende Arbeiten vor. Hingewiesen sei hier nur auf A.  Schwerdtfeger, Der deutsche Verwaltungsrechtsschutz unter dem Einfluss der AarhusKonvention, 2010 sowie S. Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz, 2008. 35 Zu Formen der Kooperation von nationaler und Unionsverwaltung s. etwa G. Sydow, Verwaltungskooperation in der Europäischen Union, 2004; G. Sydow, Vollzug des europäischen Unionsrechts im Wege der Kooperation nationaler und europäischer Behörden, DÖV 2006, 66 ff.; J. Hofmann, Rechtsschutz und Haftung im Europäischen Verwaltungsverbund, 2004, S. 55 ff.; A. Glaser, Die Entwicklung des europäischen Verwaltungsrechts aus der Perspektive der Handlungsformenlehre, 2013, S. 529 ff.; T. Siegel, Entscheidungsfindung im Verwaltungsverbund, 2009, S. 11. 36 Zu Begriff und Ausformungen des europäischen Verwaltungsverbunds s. etwa W. Kahl, Der Europäische Verwaltungsverbund, Der Staat 50 (2011), 352 ff.; W. Weiß, Der Europäische Verwaltungsverbund, 2010; E.  Schmidt-Aßmann, Einleitung, in: Schmidt-Aßmann / Schöndorf-Haubold (Hrsg.), Der Europäische Verwaltungsverbund, 2005, S. 1 ff.; M. Ruffert, Verwaltungsrecht im Europäischen Verwaltungsverbund, Die Verwaltung 48 (2015), 547 ff.;

28

Einleitung

B. Erkenntnisinteressen Die Auseinandersetzung mit den Regeln und Bedingungen des Zugangs zu verwaltungsgerichtlichem Rechtsschutz bildet den Rahmen der Untersuchung. Zen­ trales Erkenntnisinteresse der Arbeit ist die Frage, welchen Einfluss die Vorgaben der Århus-Konvention auf den Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht der Union ausüben. Entfaltet die Århus-Konvention eine ähnliche Dynamisierungswirkung auf den Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht wie auf den Rechtsschutz im Unionsverwaltungsrecht? Ziel der Arbeit ist es herauszufinden, welche Impulse von der Århus-Konvention auf den Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht der Union ausgehen und wie sie von der Union verarbeitet werden. Anpassungsherausforderungen für den Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht sollen dazu identifiziert und der Umgang mit ihnen durch die Union untersucht werden. Die Arbeit wählt einen Zugriff über die Unterscheidung zwischen dem Interessenten- und Verletztenklagemodell. Interessenten- und Verletztenklage sind zwei Idealtypen, die als Vorbild für die Ausgestaltung des verwaltungsgerichtlichen Zugangs dienen.37 Insbesondere Frankreich und Deutschland wird eine Orientierung am Interessenten- beziehungsweise Verletztenklagemodell nachgesagt.38 Gleichzeitig werden dem Verwaltungsrechtsschutz vor dem Hintergrund anhaltenden europäischen und internationalen Einflusses auch regelmäßig Konvergenztendenzen attestiert.39 Dies nimmt die Untersuchung zum Anlass, die Unterscheidung zwischen den idealtypischen Klagemodellen zu hinterfragen. Die Untersuchung der Zugangsmodelle richtet einen besonderen Fokus auf die Behandlung von Allgemeininteressen. Denn gerade der Umgang mit Allgemeininte­ ressen ist Brennglas und Prüfstein für die Reichweite und die Funktionsgrenzen des E. Schmidt-Aßmann, Verfassungsprinzipen für den Europäischen Verwaltungsverbund, in: Hoffmann-Riem u. a. (Hrsg.), GVwR I, 2012, § 5, Rn. 16 ff.; T. Siegel, Entscheidungsfindung im Verwaltungsverbund, 2009, S. 11 ff.; J. Hofmann, Rechtsschutz und Haftung im Europäischen Verwaltungsverbund, 2004, S. 23 ff. Speziell zu der Bedeutung des Vorabentscheidungsverfahrens für den europäischen Verwaltungsverbund R. Wernsmann, Das Vorabentscheidungsverfahren im europäischen Verwaltungsverbund, in: Schenke / Suerbaum (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Europäischen Union, 2016, S. 147 ff. 37 S. nur W. Skouris, Verletztenklagen und Interessentenklagen, 1979, S. 10 ff. 38 S. etwa S. Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz, 2008, S. 5 ff.; M. Fromont, L’influence du droit français et du droit allemand sur les conditions de recevabilité du recours en annulation devant la Cour de justice des Communautés européennes, RTD Eur. 1966, 47 (49 f.). 39 S. etwa T. Groß, Konvergenzen des Verwaltungsrechtsschutzes in der Europäischen Union, Die Verwaltung 33 (2000), 415 ff.; C. Calliess, Kohärenz und Konvergenz beim europäischen Individualrechtsschutz, NJW 2002, 3577 ff.; M. Fromont, La convergence des systèmes de justice administrative en Europe, Riv. Trimestr. Dir. Pubbl. 2001, 125 ff.; M. Ludwigs, Die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten, NVwZ 2018, 1417 (1422); K.-P. Sommermann, Konvergenzen im Verwaltungsverfahrens- und Verwaltungsprozeßrecht europäischer Staaten, DÖV 2002, 133 (141 ff.); jüngst abermals K.-P. Sommermann, Entwicklungsperspektiven der Verwaltungsgerichtsbarkeit, in: Sommermann / Schaffarzik (Hrsg.), Handbuch der Geschichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit, 2019, S. 1991 (1993 ff.).

Einleitung

29

verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes. Die Arbeit wählt dazu Umweltbelange als besonders prägnanten Bereich der Allgemeininteressen. Welche Position eröffnet im Verletztenklagemodell den Zugang zur Verwaltungsgerichtsbarkeit, welche im Interessentenklagemodell? Worin liegen etwaige Unterschiede? Gerade für die Beantwortung dieser Fragen bietet der Umweltrechtsschutz einen guten Ansatzpunkt: Während etwa außer Frage steht, dass auf wirtschaftliche Betätigung gerichtete subjektive Positionen wehrfähig sind, erscheinen Umweltbelange häufig als „diffus“40. Als Folge wird eine Asymmetrie bei der Durchsetzung von Umweltbelangen konstatiert41 und dem Umweltrecht ein Vollzugsdefizit nachgesagt.42 Gerade dieser Grenzbereich soll beleuchtet werden, um daraus Rückschlüsse für die Natur der Klagesysteme ziehen zu können. Anhand dessen kann dann bewertet werden, ob sich die Modelle tatsächlich trennscharf unterscheiden lassen oder sich nicht ohnehin weitgehend in ihren Funktionen überschneiden. Die Erwägungen zu den Kontrollmodellen bilden die Grundlage für die Untersuchung des Umweltrechtsschutzes im Eigenverwaltungsrecht der Union. Zunächst ist hier der primärrechtliche Rechtsschutz in den Blick zu nehmen, der maßgeblich durch die Individualnichtigkeitsklage nach Art. 263 Abs. 4 AEUV bestimmt wird. Erörterungsbedürftig ist in diesem Zusammenhang, inwieweit die Individual­ nichtigkeitsklage die Durchsetzbarkeit von Umweltbelangen erlaubt. Dies ist nicht nur für die Vereinbarkeit des primärrechtlichen Gerichtszugangs mit den Vorgaben der Århus-Konvention von Interesse, sondern ebenso vor dem Hintergrund seiner Einordnung vor der Vergleichsfolie der Klagemodelle. Der Blick der Arbeit beschränkt sich nicht auf das Primärrecht, sondern geht auch ausführlich auf das Sekundärrecht ein. Denn die Union hat auch eine Verordnung geschaffen, die sich mit den Rechtsschutzvorgaben der Århus-Konvention für das Eigenverwaltungsrecht auseinandersetzt.43 Diese Verordnung, die im Folgenden Århus-VO genannt werden soll, sieht eine Kombination aus behördeninternem und gerichtlichem Rechtsschutz vor. Die Regelungstechnik dieses sekundärrechtlichen Rechtsschutzinstruments wirft einige Fragen auf. Neben der Evaluierung des Beitrags, den die Århus-VO zur Umsetzung der Rechtsschutzvorgaben der Århus-Konvention leistet, stellt sich auch das ganz grundsätzliche 40 B. Wegener, Rechtsschutz für gesetzlich geschützte Gemeinwohlbelange als Forderung des Demokratieprinzips?, in: Bertschi u. a. (Hrsg.), Demokratie und Freiheit, 1999, S. 19 (21). 41 S. etwa C. Sailer, Subjektives Recht und Umweltschutz, DVBl 1976, 521 (522); B. Wegener, Rechte des Einzelnen, 1998, S. 101 f.; F. Schoch, Individualrechtsschutz im deutschen Umweltrecht unter dem Einfluß des Gemeinschaftsrechts, NVwZ 1999, 457 (458). 42 Zum Vollzugsdefizit s. etwa M. Ruffert, Subjektive Rechte im Umweltrecht der Europäischen Gemeinschaft, 1996, S. 5 ff.; G. Lübbe-Wolff, Vollzugsprobleme der Umweltverwaltung, NuR 1993, 217 (228). 43 Verordnung (EG) Nr. 1367/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. September 2006 über die Anwendung der Bestimmungen des Übereinkommens von Århus über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten auf Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft, ABl. L 264 v. 25.09.2006, S. 13 ff.

30

Einleitung

unionsrechtliche Problem des Verhältnisses primärrechtlicher und sekundärrechtlicher Rechtsschutzoptionen. Die genaue Analyse des Zusammenspiels von Århus-VO und Primärrecht im Lichte der Århus-Konvention ermöglicht es schließlich, den Blick zu weiten und die zu den Kontrollmodellen erlangten Erkenntnisse anhand dieses Beispiels zu hinterfragen.

C. Gang der Untersuchung Die Untersuchung gliedert sich in zwei Teile. Der erste Teil analysiert die Grundlagen des Zugangs zur Verwaltungsgerichtsbarkeit und die Behandlung von Allgemeininteressen. Dazu setzt sich die Arbeit zunächst mit den Kontrollmodellen der Interessenten- und Verletztenklage auseinander (Kapitel 1). Vor diesem Hintergrund untersucht die Arbeit den Umgang der Kontrollmodelle mit Allgemeininteressen (Kapitel 2). Dies erläutert die Arbeit anhand der Möglichkeiten, Zugang zur Verwaltungsgerichtsbarkeit in Umweltangelegenheiten zu erlangen. Auf dieser Grundlage baut die Untersuchung im zweiten Teil auf. Hier geht die Untersuchung genauer auf die Verpflichtungen der Union aus der Århus-Konvention ein. Dazu werden zunächst die Maßstäbe der Århus-Konvention im Bereich des Rechtsschutzes bestimmt (Kapitel 3). Die Arbeit erläutert die Grundlagen des Rechtsschutzes im Unionsprimärrecht und klärt die Möglichkeiten, Umweltbelange geltend zu machen. Der primärrechtliche Rechtsschutz in Umweltangelegenheiten wird in diesem Rahmen auf seine Vereinbarkeit mit den Vorgaben der Århus-Konvention überprüft (Kapitel 4). Das letzte Kapitel der Arbeit widmet sich der Århus-VO. Ausgehend von einer Analyse der Funktionsweise der Århus-VO wird diese auf die Vereinbarkeit mit den Vorgaben der Århus-Konvention wie auch des Primärrechts hin überprüft (Kapitel 5). Am Ende stehen Schlussbetrachtungen, die noch einmal die Fäden der Arbeit, Kontrollmodelle einerseits und den Einfluss der Århus-Konvention auf den Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht der Union andererseits, zusammenführen. Anhand der Anpassungsherausforderungen, die sich für den Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht der Union durch die Vorgaben der Århus-Konvention ergeben, werden hier noch einmal Gewissheiten zu den Kontrollmodellen hinterfragt.

Teil 1

Grundlagen des Rechtsschutzzugangs und die Behandlung von Allgemeininteressen

Kapitel 1

Klage- und Kontrollmodelle Rechtskontrolle durch unabhängige Gerichte ist ein unveräußerliches Kernstück der Rechtsstaatlichkeit.1 Diese Aussage gilt uneingeschränkt für alle Rechtsstreitigkeiten, erlangt aber besondere Bedeutung im verwaltungsrechtlichen Staat-Bürger-Verhältnis. Rechtsschutz durch eine unabhängige Verwaltungsgerichtsbarkeit ist ein zentraler „Ausdruck des Respekts vor individuellen Bürgerrechten“2 in einem Rechtsstaat. In diesem Sinne ist das berühmte Diktum R. Thomas zu verstehen, der den von Art. 19 Abs. 4 GG geprägten verwaltungsgerichtlichen Individualrechtsschutz als „Schlußstein im Gewölbe des Rechtsstaats“3 bezeichnete. Ebenso klar ist aber auch, dass verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz nicht unbegrenzt gewährt werden kann. Die Kassation einer Verwaltungsentscheidung, mag sie auch eine rechtswidrige Maßnahme betreffen, greift in das Vertrauen auf den Bestand von Exekutiventscheidungen ein.4 Dazu kommt noch die ganz praktische Erwägung, dass die Ressourcen der Verwaltungsgerichte begrenzt sind und sie sich daher nicht allen Anliegen annehmen können, die an sie herangetragen wer 1

J. Ipsen, Gefahren für den Rechtsstaat?, NdsVBl 1999, 225. C. Möllers, Die drei Gewalten, 2008, S. 184. 3 R. Thoma, Über die Grundrechte im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, in: Wandersleb (Hrsg.), Recht – Staat – Wirtschaft, Bd. 3, 1951, S. 9. Die Bezeichnung der Verwaltungsgerichtsbarkeit als Schlussstein des Rechtsstaates findet sich prominent schon vor R. Thoma bei G. Radbruch, Einführung in die Rechtswissenschaft, 1910, S. 90. Dieser bezog sich damit jedoch noch auf die Verwaltungsgerichtsbarkeit des Kaiserreichs, der eine mit Art. 19 Abs. 4 GG vergleichbare Vorschrift noch unbekannt war. Die besondere Qualität des Verwaltungsrechtsschutzes unter Maßgabe des Art. 19 Abs. 4 GG rechtfertigt und verstärkt die von G. Radbruch gefundene Formel. Dazu auch L. Brocker, Verwaltungs- und Verfassungsgerichtsbarkeit zwischen Individualrechtsschutz und bürgerschaftlicher Teilhabe, LKRZ 2012, 437; B. Schindler, Verwaltungsermessen, 2010, S. 63 Fn. 362. 4 Aus diesem Grund ist etwa die Anfechtungsklage im deutschen Verwaltungsprozessrecht gem. § 74 Abs. 1 VwGO fristgebunden. Ist die Klagefrist verstrichen, erwächst auch ein rechtswidriger Verwaltungsakt in Bestandskraft. S. dazu etwa C. Meissner / W. Schenk, in: Schoch u. a. (Hrsg.), VwGO, § 74 (September 2018) Rn. 2 f. 2

32

Teil 1: Rechtsschutzzugang und Behandlung von Allgemeininteressen

den.5 Der Zugang zur Verwaltungsgerichtsbarkeit für die Einzelnen unterliegt deshalb notwendig Restriktionen. Verwaltungsgerichtliche Klagesysteme kennen verschiedene Restriktionsmöglichkeiten, etwa die Klagefrist,6 die der Rechts­sicherheit und der Effektivität des Verwaltungshandelns dient.7 Wesentliche Stellschraube ist aber die Klagebefugnis: Anhand der Beziehungen zwischen den Klägern und dem Gegenstand des Verfahrens entscheidet die Klagebefugnis über die Legitimation zur Anfechtung einer bestimmten Exekutiventscheidung. Die Klagebefugnis ist das Instrument der Prozessordnungen, das über die Verteilung des Zugangs zur Verwaltungsgerichtsbarkeit bestimmt. Die folgende Untersuchung des Zugangs zur Verwaltungsgerichtsbarkeit verwendet die Folien des Verletzten- und Interessentenklagemodells. Bei der Verletztenund Interessentenklage handelt es sich um typisierte Modelle der Ausgestaltung des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, die jedoch – das sei an dieser Stelle schon konzediert – in ihrer Reinform wohl nirgends verwirklicht worden sind.8 Im Ausgangspunkt beschäftigen sich beide mit der Frage, welche Merkmale Kläger erfüllen müssen, um Zugang zur Verwaltungsgerichtsbarkeit zu erhalten. Verletzten- und Interessentenklage haben sich in der Praxis als die am Weitesten verbreiteten Modelle der Ausgestaltung des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes erwiesen.9 Im Folgenden soll der Zugang zu verwaltungsgerichtlichem Rechtsschutz mit Fokus auf diese beiden Modelle nachvollzogen werden.

5 A. Bleckmann, Das schutzwürdige Interesse als Bedingung der Klagebefugnis am Beispiel des französischen Verwaltungsrechts, VerwArch 49 (1958), 213 (230 f.); s. auch E. Eyer­ mann, Wider die Aufblähung der Klagebefugnis im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, BayVBl 1974, 237 (243). 6 K. Schiemann, Locus standi, P. L. 1990, 342 (342). 7 BVerfGE 60, 253 (269 f.); W.-R. Schenke, in: Kopp / Schenke (Hrsg.), VwGO, Kommentar, 24. Aufl. 2018, § 74 Rn. 1. 8 A.  Epiney, Primär- und Sekundärrechtsschutz im Öffentlichen Recht, VVDStRL 61 (2001), 362 (384); S. Gerstner, Die Drittschutzdogmatik im Spiegel des französischen und britischen Verwaltungsgerichtsverfahrens, 1995, S. 27; aus einer die Rechtslage in Frankreich und Deutschland vergleichenden Perspektive auch W. Cuno, Einstweiliger Rechtsschutz durch die Verwaltungsgerichte in Frankreich und Deutschland, 2015, S. 72 ff. 9 Eine Popularklage bleibt eine seltene Ausnahme, wie rechtsvergleichend schon A. Bleckmann, Das Ziel des gerichtlichen Rechtsschutzes, in: Mosler (Hrsg.), Gerichtsschutz gegen die Exekutive, Bd. 3, 1971, S. 21 (21 f.) festgestellt hat. Vereinzelt ist sie jedoch anzutreffen, etwa im bayerischen Landesrecht in Art. 98 Satz 4 BayVerf i. V. m. Art. 2 Nr. 7, 55 BayVfGHG, s. P. M. Huber, Die verfassungsrechtliche Prägung des Verwaltungsrechtsschutzes, in: Sommermann / Schaffarzik (Hrsg.), Handbuch der Geschichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit, 2019, S. 1771 (1812).

Kap. 1: Klage- und Kontrollmodelle

33

A. Doppelfunktionalität der Klagebefugnis Die Gegenüberstellung des Verletzten- und Interessentenklagemodells dient zwar vornehmlich dem Herausstellen von Unterschieden. Beide Modelle weisen jedoch eine entscheidende Gemeinsamkeit auf: die Ablehnung der Popularklage. Sinnbild dieser Ablehnung ist die Vorschaltung des prozessualen Filters der Klagebefugnis vor eine Befassung in der Sache durch die Verwaltungsgerichte. Dieser prozessuale Filter erfüllt eine doppelte Funktion. I. Popularklagemodell Die Popularklage ist das radikalste Modell der Organisation des verwaltungsgerichtlichen Zugangs – radikal in seiner Anforderungslosigkeit. Ist der Gerichtszugang nach dem Modell der Popularklage organisiert, kann jeder alles rügen. Eine besondere Nähe zum Anfechtungsgegenstand, die als Legitimation für die Überprüfung und gegebenenfalls Aufhebung der Exekutivmaßnahme durch die Verwaltungsgerichte dienen könnte, ist nicht erforderlich.10 Richtigerweise bedeutet das nicht, dass auf Seiten der Kläger überhaupt kein Motiv für das Anstrengen ­eines Rechtsstreits vorhanden ist, sondern nur, dass dieses Motiv vom Gericht nicht überprüft wird.11 Weder die Nähe der Kläger zum Anfechtungsgegenstand noch ihre Motivlage begrenzen damit den Zugang zur Verwaltungsgerichtsbarkeit. Die Radikalität dieser Konzeption hat zur Folge, dass die Popularklage allgemein als untauglich für die Organisation des Zugangs zur Verwaltungsgerichtsbarkeit abgelehnt wird.12 II. Funktionen der Klagebefugnis anhand der Ablehnung der Popularklage Die Popularklage darf jedoch nicht unreflektiert zum Schreckgespenst verdammt werden, worauf schon W. Skouris zutreffend hingewiesen hat: Schließlich besteht ein valides rechtsstaatliches Interesse an der Überprüfung und Kassation rechtswidriger Hoheitsakte.13 Diesem rechtsstaatlichen Interesse entspricht die 10

Zum Ganzen W. Skouris, Verletztenklagen und Interessentenklagen, 1979, S. 7 f. A. Halfmeier, Popularklagen im Privatrecht, 2006, S. 199 f. 12 Als Begründung für die Existenz von § 42 Abs. 2 VwGO wird regelmäßig der Ausschluss der Popularklage angeführt, s. etwa M. Ruffert, Subjektive Rechte im Umweltrecht der Europäischen Gemeinschaft, 1996, S. 91; D. Ehlers, Die Klagebefugnis nach deutschem, europäischem Gemeinschafts- und U. S.-amerikanischem Recht, VerwArch 84 (1993), 139 (141 f.); J. Martens, Der verwaltungsrechtliche Nachbarschutz, NJW 1985, 2302 (2308 Fn. 104). 13 W. Skouris, Verletztenklagen und Interessentenklagen, 1979, S. 9 f.; s. auch A. Bleckmann, Das schutzwürdige Interesse als Bedingung der Klagebefugnis am Beispiel des französischen Verwaltungsrechts, VerwArch 49 (1958), 213 (230). A. Arnull, Private Applicants and the Ac 11

34

Teil 1: Rechtsschutzzugang und Behandlung von Allgemeininteressen

Popularklage in besonderer Weise, da sie weitgehende Chancen eröffnet, gegen rechtswidriges Verwaltungshandeln vorzugehen. Dabei wird auch der Aspekt der Rechtssicherheit nicht vernachlässigt, da dieser durch das Institut der Bestandskraft immer noch Rechnung getragen wird. Eine Begrenzung des gerichtlichen Zugangs ist dagegen mit der Wertung verbunden, dass dem Bestand eines potenziell rechtswidrigen Hoheitsaktes der Vorzug vor der Anfechtung durch die ausgeschlossenen Kläger eingeräumt wird.14 Das Popularklagemodell kann jedoch kontraproduktive Effekte erzeugen und sich selbst lähmen. Zwar erhöht der voraussetzungslose Zugang zunächst die Chancen, dass rechtswidriges Verwaltungshandeln aufgehoben wird; die zu erwartende Vielzahl an Verfahren kann diesen Vorteil des Popularklagemodells aber auch wieder zunichte machen und sogar ins Gegenteil verkehren. Denn es ist sicher richtig, dass mit dem voraussetzungslosen Zugang nach dem Popularklagemodell eine Flut von Verfahren und damit eine Überlastung der Verwaltungsgerichte droht.15 Die Wirksamkeit verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes hängt maßgeblich von seiner Fähigkeit zur Konfliktlösung ab. Je mehr Fälle zu bearbeiten sind, desto eher wird diese Fähigkeit in Frage gestellt, entweder weil Verfahren länger dauern oder weil die Sorgfalt unter hohem Zeitdruck leidet. Zudem würde die Gewaltenteilung in ein Ungleichgewicht zugunsten der Judikative geraten.16 Die Klagebefugnis wirkt wie ein prozessualer Filter für die Beziehungen zwischen Klägern und Anfechtungsgegenstand. Dieser Filter arbeitet nach vom Gesetzgeber abstrakt bestimmten Kriterien. Dadurch lassen sich erwünschte von unerwünschten Rechtsschutzbegehren trennen. Existenz und Ausgestaltung der Klagebefugnis markieren einen Kompromiss zwischen Ermöglichung und Begrenzung des verwaltungsgerichtlichen Zugangs.17 Die Ermöglichung des Zugangs dient dazu, das Verwaltungshandeln einer gerichtlichen Kontrolle zuzuführen und rechtswidrige Hoheitsakte aufzuheben. Gleichzeitig schützt die Begrenzung des

tion for Annulment under Article 173 of the EC Treaty, CML Rev. 32 (1995), 7 (7) rückt das Popularklagemodell in die Nähe einer weitgefassten Interessentenklage, wenn er davon spricht, dass jeder Bürger ein Interesse daran habe, dass die Behörden innerhalb ihrer Kompetenzen handelten. Diese Verbindung ist nicht abwegig, schließlich wird bei der Popularklage das „Spektrum der rechtlich geschützten Interessen und der rechtlich relevanten Betroffenheit“ (A. Halfmeier, Popularklagen im Privatrecht, 2006, S. 200) weitest möglich ausgedehnt. 14 K. Schiemann, Locus standi, P. L. 1990, 342 (342). 15 S. A.  Bleckmann, Das schutzwürdige Interesse als Bedingung der Klagebefugnis am Beispiel des französischen Verwaltungsrechts, VerwArch 49 (1958), 213 (231); E. Eyermann, Wider die Aufblähung der Klagebefugnis im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, BayVBl 1974, 237 (243). 16 F. Ekardt, Information, Partizipation, Rechtsschutz, 2010, S. 178. 17 S. K. Schiemann, Locus standi, P. L. 1990, 342 (349); A. Vincze, Die Europäisierung der verwaltungsgerichtlichen Klagebefugnis, in: Fakultät für Vergleichende Staats- und Rechtswissenschaften der Andrássy Universität Budapest u. a. (Hrsg.), Jahrbuch für Vergleichende Staats- und Rechtswissenschaften – 2014/2015, 2016, S. 55 (57).

Kap. 1: Klage- und Kontrollmodelle

35

Zugangs die Funktionsfähigkeit der Verwaltungsgerichte. Der prozessuale Filter der Klagebefugnis reduziert die Anzahl der Fälle, die eine aufwändige Überprüfung in der Sache erfordern.18 Diese Folge ist nicht nur für die Funktionsfähigkeit der Gerichte wünschenswert, sondern auch im Sinne der Kläger, die zur Durchsetzung ihrer Rechtspositionen auf die Gerichte angewiesen sind.19 Schließlich bedeutet effektiver Rechtsschutz aus Sicht der Kläger nicht zuletzt auch zeitnaher Rechtsschutz.20 III. Ergebnis Der kurze Abriss zur Popularklage hat die Wechselbeziehungen zwischen Begrenzung und Ermöglichung des Zugangs zur Verwaltungsgerichtsbarkeit offengelegt. Dass eine Klagebefugnis grundsätzlich gefordert und damit das Popularklagemodell ausgeschlossen wird, lässt sich mit den angestellten Überlegungen gut begründen. So führte auch Generalanwalt F. Capotorti zur Popularklage aus: „[Eine Popularklage] widerspräche […] den allen Mitgliedstaaten gemeinsamen Rechtstraditionen und würde überdies die Gefahr schwerwiegender praktischer Nachteile für das Funktionieren der Rechtspflege bergen.“21

Die Ablehnung des Popularklagemodells sagt noch nichts darüber aus, welche Beziehung zwischen Klägern und Anfechtungsgestand gefordert werden sollte.22 Die angestellten Überlegungen lassen jedoch schon eine Losung für die Ausgestal­tung der Klagebefugnis zu: So viel Begrenzung wie nötig, aber so wenig wie möglich.

B. Bezugspunkte: Recht und Interesse Verletzten- und Interessentenklagemodell unterscheiden sich in ihren Bezugspunkten: Während beim Verletztenklagemodell das subjektive Recht die Achse des Systems bildet, ist es beim Interessentenklagemodell das Interesse. Diese beiden 18

Für das deutsche Verwaltungsprozessrecht bemängelt H. H. Rupp, Kritische Bemerkungen zur Klagebefugnis im Verwaltungsprozeß, DVBl 1982, 144 (146) jedoch, dass die Prüfung der Möglichkeit einer Verletzung subjektiver Rechte im Rahmen der Klagebefugnis schon zu einem wesentlichen Teil der Begründetheit vorgreife. 19 A. Thiele, Individualrechtsschutz vor dem Europäischen Gerichtshof durch die Nichtigkeitsklage, 2006, S. 204. Das Belastungsargument darf jedoch nicht dazu missbraucht werden, legitime Klagebegehren auszuschließen, s. F. Jacobs, The Influence of European Community Law on Public Law in the United Kingdom, CYELS 2 (1999), 1 (11 f.). 20 S. E.  Schmidt-Aßmann, Verfassungsprinzipen für den Europäischen Verwaltungsverbund, in: Hoffmann-Riem u. a. (Hrsg.), GVwR I, 2012, § 5, Rn. 73. 21 Generalanwalt Capotorti, Schlussanträge v. 18.03.1981, Rewe  /  Hauptzollamt Kiel, Rs. 158/80, EU:C:1981:71, Slg. 1981, 1805 (1850). 22 Zutreffend A. Bleckmann, Das Ziel des gerichtlichen Rechtsschutzes, in: Mosler (Hrsg.), Gerichtsschutz gegen die Exekutive, Bd. 3, 1971, S. 21 (21).

36

Teil 1: Rechtsschutzzugang und Behandlung von Allgemeininteressen

Begriffe bestimmen die Beziehung zwischen Klägern und Anfechtungsgegenstand. Zwar ließe sich auf den ersten Blick vermuten, dass damit die Unterscheidung zwischen Verletzten- und Interessentenklage schon vorgezeichnet ist. Ein genauerer Blick zeigt jedoch, dass subjektives Recht und Interesse eng miteinander verbunden sind. I. Interesse als Rechtsbegriff Die Bedeutung des Interessenbegriffs lässt sich kaum überschätzen.23 Dabei reichen die grundlegenden Diskussionen schon weit zurück: Das Interesse als juristischer Begriff ist eine Schöpfung der Diskussionen des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts.24 Pionierarbeit leistete R. v. Jhering, der dem Interesse eine sehr weitreichende Bedeutung zumaß: „Zwei Momente sind es, die den Begriff des Rechts constituieren, ein substantielles, in dem der praktische Zweck desselben liegt, nämlich der Nutzen, Vortheil, Gewinn, der durch das Recht gewährleistet werden soll und ein formales, welches sich zu jenem Zweck bloß als Mittel verhält, nämlich der Rechtsschutz, die Klage. Ersteres ist der Kern, letzteres die schützende Schale des Rechts. […] Der Begriff des Rechts beruht auf der rechtlichen Sicherheit des Genusses, Rechte sind rechtlich geschützte Interessen.“25

Damit setzt R. v. Jhering Rechte mit von der Rechtsordnung anerkannten Interessen gleich.26 Die Diskussion um den Begriff des Interesses setzte sich in der Folgezeit fort. So nahm insbesondere auch G. Jellinek den Begriff des Interesses auf und umschrieb ihn folgendermaßen: „Ein Interesse ist ein Gut nach der subjektiven Wertschätzung für menschliche Zwecke.“27 Bis heute wird der Interessenbegriff im Wesentlichen in diesem Sinne verwendet.28 Die Problematik der Versuche, den Begriff des Interesses zu bestimmen, liegt in der mangelnden Kontur der Formeln. Sie umschreiben das Interesse; was ein rechtlich anerkanntes Interesse jedoch letztlich ist, vermögen sie im Einzelfall nicht wirklich aufzuklären. Letztlich wird der „Rechtsanwender […] auf die allge-

23

E. Schmidt-Aßmann, Zur Reform des Allgemeinen Verwaltungsrechts, in: HoffmannRiem u. a. (Hrsg.), Reform des allgemeinen Verwaltungsrechts, 1993, S. 11 (37): „Wenn […] die Anwendung offener Gesetzestatbestände immer wieder zu offenen Interessenabwägungen veranlaßt […] und wenn das subjektive Recht als der zweite Schlüsselbegriff der überkommenen Dogmatik sich zum rechtlich anerkannten Interesse erweitert hat, wenn also die Rechtspraxis fortgesetzt auf Interessen Bezug nimmt, dann muß sich auch das allgemeine Verwaltungsrecht grundlegend mit dem Interessenbegriff auseinandersetzen.“ 24 J. Krüper, Gemeinwohl im Prozess, 2009, S. 131. 25 R. von Jhering, Geist des römischen Rechts, Bd. 3, Erste Abteilung, 1877, S. 327 f. 26 M. Reiling, Interesse als Rechtsbegriff?, DÖV 2004, 181 (181). 27 G. Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, 2. Aufl., 1905, S. 43. 28 M. Reiling, Zu individuellen Rechten im deutschen und im Gemeinschaftsrecht, 2004, S. 192 f.

Kap. 1: Klage- und Kontrollmodelle

37

meinen sprachlichen Bestimmungen als Anteilnahme, Aufmerksamkeit, Vorliebe oder Vorteil [zurückgeworfen]“29. Der Begriff des Interesses ist daher einiger Kritik ausgesetzt: So wurde der Begriff des Interesses als „blasser, juristisch gehaltloser Blankettbegriff“30 abgelehnt und ihm eine „schillernde Natur“31 zugeschrieben. Ungeachtet dieser Angriffe scheint es jedoch verfehlt, den Begriff des Interesses rundheraus abzulehnen. Die Bedeutung des Interesses als „Grundkategorie menschlicher Existenz in der Rechtsgemeinschaft“32 lässt sich auch nicht durch die Definitionsprobleme hinwegdiskutieren. Zudem bedeutet eine nicht sonderlich griffige Definition nicht, dass es sich bei dem Begriff des Interesses zwangsläufig um eine Leerformel handelt. Vielmehr führt die „Forderung nach der Definition eines jeden Begriffs durch einen neuen zu einem infiniten Regress“33. Deshalb ist trotz allem am Interessenbegriff festzuhalten, da ihm ein „Element von Kalkulierbarkeit und Rationalität“34 innewohnt, auf das in der Rechtsordnung nicht verzichtet werden kann. Wegen der im Einzelfall jedoch nicht immer zielführenden Definitionen wird der Interessenbegriff durch weitere Kontextualisierungen konkretisiert, etwa durch die Trennung von privaten und öffentlichen Interessen.35 In diesen Kontextualisierungen liegt der Schlüssel zum Verständnis des Interessenbegriffs: Denn letztlich geht es dabei um die Beschreibung einer Relation zwischen einer Person und einem Lebenssachverhalt. II. Interesse als Element des subjektiven öffentlichen Rechts Zwischen subjektivem Recht und Interesse besteht eine enge Verbindung. Dies lässt sich anhand der Entwicklung des subjektiven öffentlichen Rechts in Deutschland demonstrieren. Das Denken in Interessen ist wichtiger Teil der theoretischen Fundierung der Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht. Diese baut auf den grundlegenden Arbeiten von G. Jellinek und O. Bühler aus der Zeit des Spätkonstitutionalismus

29

J. Krüper, Gemeinwohl im Prozess, 2009, S. 132. Ähnlich E. Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 2006, S. 146 Rn. 63: „Recht schützt Interessen, bewertet Interessen und ordnet durch Verfahrensregeln den Ausgleich von Interessen. Das Interesse ist folglich ein zentraler Gegenstand juristischen Denkens. Es ist selbst jedoch kein normativer Begriff.“ 30 H. Bauer, Altes und Neues zur Schutznormtheorie, AöR 113 (1988), 582 (594). 31 R. Dubischar, Grundbegriffe des Rechts, 1968, S. 42. 32 M. Reiling, Zu individuellen Rechten im deutschen und im Gemeinschaftsrecht, 2004, S. 193. 33 M. Reiling, Zu individuellen Rechten im deutschen und im Gemeinschaftsrecht, 2004, S. 194; zustimmend J. Krüper, Gemeinwohl im Prozess, 2009, S. 132. 34 M. Reiling, Zu individuellen Rechten im deutschen und im Gemeinschaftsrecht, 2004, S. 195. 35 J. Krüper, Gemeinwohl im Prozess, 2009, S. 132 f.

38

Teil 1: Rechtsschutzzugang und Behandlung von Allgemeininteressen

auf.36 Zunächst war es G. Jellinek, der die beiden damals widerstreitenden Ansätze zur Begründung subjektiver Rechte vereinte: die Interessentheorie R. v. ­Jherings und die Willenstheorie B. Windscheids.37 Damit legte G. Jellinek den Grundstein für die noch heute vertretene Kombinationstheorie von Interesse und Willen bei der Begründung subjektiver Rechte.38 Darauf aufbauend entwickelte O. Bühler die Lehre des subjektiven öffentlichen Rechts mit Blick auf ihren Anwendungsbezug weiter.39 Das subjektive öffentliche Recht wird nach O. Bühler in einer dreistufigen Prüfung ermittelt:40 „Subjektives öffentliches Recht ist diejenige Stellung des Untertanen zum Staat, in der er auf Grund eines Rechtsgeschäfts oder eines zwingenden, zum Schutz seiner Individualinteressen erlassenen Rechtssatzes, auf den er sich der Verwaltung gegenüber soll berufen können, vom Staat etwas verlangen kann oder ihm gegenüber etwas tun darf.“41

An dieser Dreiteilung wird auch heute noch grundsätzlich festgehalten.42 Gleichwohl wird die Prüfung auf den Schutz der Interessen Einzelner beschränkt.43 Der Wegfall des Kriteriums des zwingenden Rechtssatzes geht auf O. Bachof zurück: Auch eine Ermessensnorm erfülle die Anforderungen eines zwingenden Rechtssatzes, da sie von der Verwaltung nicht zu überschreitende Grenzen enthalte, die der

36

M. Nettesheim, Subjektive Rechte im Unionsrecht, AöR 132 (2007), 333 (344). Umfassend zur geschichtlichen Entstehung des subjektiven öffentlichen Rechts als Kompromiss zwischen monarchischer Staatsform und Erstarken des Bürgertums J. Masing, Die Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, 1997, S. 56 ff.; H. Bauer, Geschichtliche Grundlagen der Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht, 1986, S. 43 ff. 37 G.  Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, 2. Aufl., 1905, S. 45: „Die Willensmacht ist das formale, das Gut oder Interesse das materiale Element im subjektiven Rechte.“ Dazu auch J. Masing, Die Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, 1997, S. 64; J. Buchheim, Actio, Anspruch, subjektives Recht, 2017, S. 67 f. 38 J. Krüper, Gemeinwohl im Prozess, 2009, S. 132; zur Kombinationstheorie auch G. Wagner, Rudolph von Jherings Theorie des subjektiven Rechts und der berechtigenden Reflexwirkungen, AcP 193 (1993), 319 (340); E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband I, 2018, S. 35; B. Schilcher, Starke und schwache Rechte, in: Rummel / Koziol (Hrsg.), FS Bydlinski, 2002, S. 353 (354); E. Schulev-Steindl, Subjektive Rechte, 2008, S. 12, die die Kombinationstheorie als „synthetischen Kompromiss von Willens- und Interessentheorie“ bezeichnet. 39 J. Buchheim, Actio, Anspruch, subjektives Recht, 2017, S. 68; s. auch A. I. Scharl, Die Schutznormlehre, 2018, S. 52. 40 R. Bartelsperger, Das subjektive öffentliche Recht als Apriori des Verfassungsstaates, in: Baumeister u. a. (Hrsg.), FS Schenke, 2011, S. 17 (36); M. Schmidt-Preuß, Die Konfliktschlichtungsformel, in: Baumeister u. a. (Hrsg.), FS Schenke, 2011, S. 1167 (1168). 41 O. Bühler, Die subjektiven öffentlichen Rechte, 1914, S. 224. 42 M. Ruffert, Dogmatik und Praxis des subjektiv-öffentlichen Rechts unter dem Einfluß des Gemeinschaftsrechts, DVBl 1998, 69 (69); C. Franzius, Modernisierung des subjektiven öffentlichen Rechts, UPR 2016, 281 (282); E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband I, 2018, S. 45 ff. 43 M.  Schmidt-Preuß, Die Konfliktschlichtungsformel, in: Baumeister u. a. (Hrsg.), FS Schenke, 2011, S. 1167 (1168); J. Krüper, Gemeinwohl im Prozess, 2009, S. 129.

Kap. 1: Klage- und Kontrollmodelle

39

Norm insoweit einen zwingenden Charakter gäben.44 Und auch das Erfordernis der Rechtsmacht hat im modernen Verfassungsstaat seine Bedeutung verloren.45 Die Durchsetzbarkeit eines subjektiven öffentlichen Rechts muss hier nicht mehr durch das Kriterium der Rechtsmacht gesichert werden.46 O. Bachof erklärt dies mit der Fundamentalnorm des Art. 19 Abs. 4 GG und einer durch das Grundgesetz vorausgesetzten „Freiheitssphäre“ der Einzelnen.47 Diese bewirkten, dass ein rechtlich geschütztes Interesse immer durchsetzbar sein müsse.48 Die eigenständige Prüfung des Rechtsmachtkriteriums wird dadurch überflüssig. Das subjektive öffentliche Recht wird daher auch als „eingliedrige Interessenschutzformel“49 bezeichnet. Als zentraler Baustein des deutschen Verwaltungs(prozess)rechts wird das subjektive öffentliche Recht maßgeblich durch die Figur des Interesses geprägt.50 Subjektive Rechte heben sich danach aus dem gesamten Normbestand einer Rechtsordnung – dem objektiven Recht – dadurch hervor, dass sie dem „Träger eines Interesses die Willensmacht zur Durchsetzung dieses Interesses“51 vermitteln. Der Unterschied zum reinen Interesse liegt dann darin, dass die Übertragung der Willensmacht an Voraussetzungen geknüpft ist, die für das subjektive Recht erfüllt sein müssen.52 Bei dem subjektiven Recht handelt es sich damit um besonders qualifizierte Interessen.

44

O. Bachof, Reflexwirkungen und subjektive Rechte im öffentlichen Recht, in: Bachof u. a. (Hrsg.), GS Jellinek, 1955, S. 287 (295); O. Bachof, Begriff und Wesen des sozialen Rechtsstaates, VVDStRL 12 (1954), 37 (76). 45 S. Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz, 2008, S. 76; A. I. Scharl, Die Schutznormlehre, 2018, S. 143 ff. 46 J. Krüper, Gemeinwohl im Prozess, 2009, S. 129 f. Dies ändert jedoch nichts daran, dass die Rechtsmacht ein subjektives Recht wesentlich charakterisiert, indem es aus dem gesamten objektiven Recht herausgehoben wird, s. K. F. Gärditz, in: Gärditz (Hrsg.), VwGO, 2. Aufl. 2018, § 42 Rn. 53. 47 O. Bachof, Reflexwirkungen und subjektive Rechte im öffentlichen Recht, in: Bachof u. a. (Hrsg.), GS Jellinek, 1955, S. 287 (301). 48 S. O. Bachof, Begriff und Wesen des sozialen Rechtsstaates, VVDStRL 12 (1954), 37 (73). 49 M.  Schmidt-Preuß, Die Konfliktschlichtungsformel, in: Baumeister u. a. (Hrsg.), FS Schenke, 2011, S. 1167 (1168). Zur schrittweisen Aufgabe der anderen Voraussetzungen s. auch A. I. Scharl, Die Schutznormlehre, 2018, S. 140 ff. 50 D. Steiger, Entgrenzte Gerichte?, VerwArch 107 (2016), 497 (504). Für W. Skouris, Verletztenklagen und Interessentenklagen, 1979, S. 16 ist das subjektive öffentliche Recht ein „Mittel zur Verwirklichung von Interessen“. 51 O. Bachof, Begriff und Wesen des sozialen Rechtsstaates, VVDStRL 12 (1954), 37 (73); s. auch K. F. Gärditz, in: Gärditz (Hrsg.), VwGO, 2. Aufl. 2018, § 42 Rn. 53; A. I. Scharl, Die Schutznormlehre, 2018, S. 23 f. 52 O. Bachof, Begriff und Wesen des sozialen Rechtsstaates, VVDStRL 12 (1954), 37 (73). Zu diesen Voraussetzungen genauer unten unter Teil 1. Kapitel 2. B. I. (S. 62 ff.).

40

Teil 1: Rechtsschutzzugang und Behandlung von Allgemeininteressen

III. Recht und Interesse als prozessuale Filter In Abgrenzung zur Popularklage sehen sowohl das Verletzten- wie auch das Interessentenklagemodell die Klagebefugnis als prozessualen Filter vor. Der maßgebliche Unterschied liegt in dem Kriterium der Zugangsrestriktion. Dieses bestimmt die Ausformung des Kompromisses zwischen der Ermöglichung und Begrenzung des Zugangs zu verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Die Arithmetik dieses Kompromisses wird durch die vorausgesetzte Beziehung zwischen Klägern und Anfechtungsgegenstand reguliert.53 Die Aufgabe besteht darin, einen „angemessenen Mittelweg zwischen den Extremen der Popularklage und der Rechtsschutzlosigkeit zu finden“54. Als Basis dient dazu sowohl dem Verletzten- als auch dem Interessentenklagemodell ein bestimmtes Interesse der Kläger an der Eröffnung verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes.55 Die maßgebliche Unterscheidung liegt darin, ob ein schlichtes Interesse ausreicht oder das Interesse als subjektives Recht anerkannt sein muss. Maßgeblich für beide Klagemodelle ist also das Bestehen eines bestimmten Interesses. Die Anforderung, die an die Qualität des Interesses gestellt wird, kalibriert den prozessualen Filter Klagebefugnis. Das Verletztenklagemodell, das etwa dem deutschen Verwaltungsprozessrecht zu Grunde liegt,56 setzt für den Zugang ein subjektives öffentliches Recht voraus.57 Damit wird eine enge Beziehung zwischen Klägern und Klagegegenstand gefordert.58 Der Kreis potenzieller Kläger wird verhältnismäßig stark dadurch begrenzt, dass nur als subjektive öffentliche Rechte besonders qualifizierte Interessenpositionen durchsetzbar sind. In diesem Punkt erweist sich das Interessentenklagemodell weniger streng, da hier die Interessenposition des Klägers keiner besonderen Qualifizierung unterliegt. Als Beispiel lässt sich das französische Verwaltungsprozessrecht nennen,59 das von Klägern lediglich den Nachweis eines intérêt pour 53

S. P. Reimer, Verfahrenstheorie, 2015, S. 462. H.-W. Daig, Zum Klagerecht von Privatpersonen, in: Aubin u. a. (Hrsg.), FS Riese, 1964, S. 187 (188). 55 K.-P. Sommermann, Entwicklungsperspektiven der Verwaltungsgerichtsbarkeit, in: Sommermann / Schaffarzik (Hrsg.), Handbuch der Geschichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit, 2019, S. 1991 (1993). Dies zeigt sich auch anhand der überkommenen Schutznormformel, die im deutschen Verletztenklagesystem zur Bestimmung von Rechten eingesetzt wird und den Gerichtszugang dann eröffnet, wenn eine Norm „nicht nur öffentlichen Interessen, sondern zumindest auch Individualinteressen derart zu dienen bestimmt ist, dass die Träger der Interessen ermächtigt werden, die Einhaltung des Rechtssatzes zu verlangen“ (s. nur K. F. Gärditz, in: Gärditz (Hrsg.), VwGO, 2. Aufl. 2018, § 42 Rn. 42 und ff.). Hier wird der Schutz des Interesses – weitergehend – von seiner rechtlichen Anerkennung als subjektives Recht abhängig gemacht. 56 S. nur C. Calliess, Der deutsche Individualrechtsschutz im Wandel, in: Nowak / Cremer (Hrsg.), Individualrechtsschutz in der EG und der WTO, 2002, S. 81 (81); B. Wegener, Rechtsschutz für gesetzlich geschützte Gemeinwohlbelange als Forderung des Demokratieprinzips?, in: Bertschi u. a. (Hrsg.), Demokratie und Freiheit, 1999, S. 19 (20). 57 W. Skouris, Verletztenklagen und Interessentenklagen, 1979, S. 10. 58 W. Skouris, Verletztenklagen und Interessentenklagen, 1979, S. 10. 59 B. Wegener, Rechtsschutz für gesetzlich geschützte Gemeinwohlbelange als Forderung des Demokratieprinzips?, in: Bertschi u. a. (Hrsg.), Demokratie und Freiheit, 1999, S. 19 (20). 54

Kap. 1: Klage- und Kontrollmodelle

41

agir verlangt. Dieses muss nicht einmal rechtlicher Natur sein.60 Der Kreis der Kläger ist bei der Interessentenklage damit zwar weiter gefasst, aber immer noch im Vergleich zur Popularklage begrenzt. Verfehlt wäre es deshalb, die Klagebefugnis alleine mit einem Ausschluss der Interessentenklage in Verbindung zu bringen.61 Denn die Architektur der Zugangsbegrenzungen ist nicht binär codiert, sondern lässt vielfältige Abstufungen zu. Sowohl das Verletzten- als auch das Interessentenklagemodell begrenzen den Zugang, um eine Überlastung der Verwaltungsgerichte zu verhindern. Dabei ist jedoch Vorsicht geboten: Das Argument der Überlastung der Verwaltungs­ gerichtsbarkeit kann insoweit nicht greifen, als geschützte Interessen oder Rechte ansonsten schutzlos blieben.62 Für den deutschen Verwaltungsprozess ergibt sich dies etwa aus Art. 19 Abs. 4 GG und für die Union aus Art. 47 GRCh. Gleiches gilt für die Begründung von Zugangsrestriktionen mit der Rechtssicherheit: Zunächst ist daran zu erinnern, dass grundsätzlich ein rechtsstaatliches Interesse an der Aufhebung rechtswidrigen Verwaltungshandelns besteht. Der Rechtssicherheit wird dagegen durch das Institut der Bestandskraft Rechnung getragen. Zudem bedeutet selbst eine Beschäftigung der Verwaltungsgerichte in der Sache nicht, dass am Ende auch zwangsläufig eine Aufhebung der Verwaltungsentscheidung steht. Überhaupt ist die Aufhebung weniger eine Frage des Prozessrechts als vielmehr des materiellen Rechts.63

Zum intérêt pour agir im französischen recours pour excès de pouvoir C. D. Classen, Europäisierung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1996, S. 59 ff.; A. Epiney, Primär- und Sekundärrechtsschutz im Öffentlichen Recht, VVDStRL 61 (2001), 362 (372 ff.); P. Becker, Der Einfluß des französischen Verwaltungsrechts auf den Rechtsschutz in den Europäischen Gemeinschaften, 1963, S. 30 f.; J. Masing, Die Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, 1997, S. 199 ff. J. Masing weist in diesem Zusammenhang auch darauf hin, dass der Anstoß eines recours pour excès de pouvoir gleichsam durch Bürger und Behörden möglich sei. Da auch eine Behörde dazu ein intérêt pour agir nachweisen müsse, könne es sich dabei nicht um subjektive Rechte nach deutschem Verständnis handeln. 60 Für Frankreich M. Fromont, Le système français de protection juridictionnelle du citoyen contre l’administration, in: Erichsen u. a. (Hrsg.), FS Menger, 1985, S. 887 (892); J.-M. Woehr­ ling, Die französische Verwaltungsgerichtsbarkeit im Vergleich mit der deutschen, NVwZ 1985, 21 (23); M. Ludwigs, Die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten, NVwZ 2018, 1417 (1419); s. auch N. Marsch, Subjektivierung der gerichtlichen Verwaltungskontrolle in Frankreich, 2011, S. 52 f. 61 In diese Richtung aber wohl R. Halfmann, Entwicklungen des Verwaltungsrechtsschutzes in Deutschland, Frankreich und Europa, VerwArch 91 (2000), 74 (76); D. Ehlers, Die Klagebefugnis nach deutschem, europäischem Gemeinschafts- und U. S.-amerikanischem Recht, VerwArch 84 (1993), 139 (141). Dies mag aus der Perspektive von § 42 Abs. 2 VwGO stimmen; die Verbindung von Klagebefugnis und einem Ausschluss von Popular- und Interessentenklage ist jedoch zu pauschal. 62 H.-W. Daig, Zum Klagerecht von Privatpersonen, in: Aubin u. a. (Hrsg.), FS Riese, 1964, S. 187 (189). 63 H.-W. Daig, Zum Klagerecht von Privatpersonen, in: Aubin u. a. (Hrsg.), FS Riese, 1964, S. 187 (189).

42

Teil 1: Rechtsschutzzugang und Behandlung von Allgemeininteressen

IV. Folgerungen Die Gegenüberstellung von Recht und Interesse hat gezeigt, dass die Unterschiede nicht so grundsätzlich sind, wie man auf den ersten Blick vielleicht annehmen könnte. Vielmehr ist das Interesse nicht nur ein Teilelement des subjektiven öffentlichen Rechts, sondern das entscheidende. Daher ist zweifelhaft, ob eine scharfe Trennung zwischen Recht und Interesse überhaupt sinnvoll ist. Das Interesse ist nach und nach in den Fokus bei der Bestimmung subjektiver öffentlicher Rechte gerückt. Subjektive öffentliche Rechte sind besonders qualifizierte Interessen. Die Qualifikation besteht in der Anerkennung bestimmter Interessen als Rechte durch die jeweilige Rechtsordnung.64 Hieraus ergibt sich für die Unterscheidung von Verletzten- und Interessentenklagemodell: Je großzügiger ein Verletztenklagemodell bestimmte Interessen als Rechte anerkennt, desto mehr nähert es sich dem Interessentenklagemodell an.65 Je enger andererseits ein Interessentenklagemodell die Klagebefugnis an geschützte, personale Interessen koppelt, desto mehr nähert es sich dem Verletztenklagemodell an. Die Begriffe Interesse und Recht können damit ebenso zu einer Trennung der Modelle der Organisation verwaltungsgerichtlichen Zugangs beitragen wie zu der Nivellierung ihrer Unterschiede.

C. Subjektiver Rechtsschutz und objektive Rechtskontrolle Verletzten- und Interessentenklagemodell verfolgen hinsichtlich der Vorausset­ zungen der Zugangseröffnung unterschiedliche Konzepte. Doch auch nach der Zugangseröffnung lassen sich unterschiedliche Ansätze erkennen. Der Prüfungsumfang kann einerseits auf zugangeröffnende Rechte oder Interessen beschränkt werden. In diesem Fall beeinflusst das gewählte Klagemodell weitgehend auch die materiellrechtliche Kontrolle in der Sache. Die Zugangsbeschränkung wirkt dann wie ein Trichter auf den Prüfungsumfang. Andererseits kann sich die Bedeutung der Zugangsbeschränkung auch in der Kontrolleröffnung erschöpfen. Ist die Zugangshürde überwunden, folgt in diesem Fall eine Prüfung anhand des gesamten objektiven Rechts. Die Wahl entweder eines subjektiven oder eines objektiven Kontrollansatzes im Rahmen der Begründetheitsprüfung ist vom Modell der Kontrolleröffnung zunächst unabhängig. Es scheint zumindest auf den ersten Blick nicht zwangsläufig, dass das Verletztenklagemodell mit einem auf subjektive Rechte beschränkten Prüfungsumfang einhergeht und das Interessentenklagesystem immer einen objektiven Kontrollansatz verfolgt. Dass dies bei den im Folgenden näher betrachteten Ausprägungen des Verletzten- und Interessentenklagemodells in Deutschland und Frank 64 S. W. Skouris, Verletztenklagen und Interessentenklagen, 1979, S. 16; s. auch E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband I, 2018, S. 43. 65 W. Skouris, Verletztenklagen und Interessentenklagen, 1979, S. 16 f.

Kap. 1: Klage- und Kontrollmodelle

43

reich dennoch so ist, soll im Folgenden erläutert werden. Wesentlichen Anteil haben daran tradierte Entwicklungslinien, die ebenfalls nachgezeichnet werden sollen. I. Historische Kontroverse im deutschen Spätkonstitutionalismus In Deutschland lassen sich die Wurzeln der Auseinandersetzung zwischen einer auf objektive Rechtskontrolle oder subjektiven Rechtsschutz ausgerichteten Verwaltungsgerichtsbarkeit bis ins 19. Jahrhundert zurückverfolgen.66 Hintergrund war die Diskussion, ob öffentliche Rechte unter Rückgriff auf das Privatrecht konstruiert werden sollten67 und die damit verbundene Frage, ob Verwaltungsrechtsschutz entweder durch die ordentlichen Gerichte oder eigenständige unabhängige Gerichte gewährleistet werden sollte.68 Die bekanntesten Opponenten in dieser Diskussion waren R. v. Gneist auf der einen Seite und O. Bähr sowie O. v. Sarwey auf der anderen Seite.69 Nach der Auffassung R. v. Gneists lag die Rolle der Verwaltungskontrolle vornehmlich in der Sicherung des objektiven Rechts.70 Zwar erkannte 66 Eine umfangreiche Auseinandersetzung findet sich etwa bei S. Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz, 2008, S. 30 ff.; A. Niesler, Individualrechtsschutz im Verwaltungsprozess, 2012, S. 81 ff.; E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband I, 2018, S. 32 ff.; s. auch H. H. Rupp, Unsicherheiten zum Thema des subjektiven öffentlichen Rechts, in: Brenner u. a. (Hrsg.), FS Badura, 2004, S. 995 (1000 ff.). 67 S. dazu S. Gerstner, Die Drittschutzdogmatik im Spiegel des französischen und britischen Verwaltungsgerichtsverfahrens, 1995, S. 125 f.; J. Masing, Die Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, 1997, S. 70 ff.; A. I. Scharl, Die Schutznormlehre, 2018, S. 123 ff. Danach berief sich O. v. Sarwey auf die zivilrechtliche Theorie R. v. Jherings, während der norddeutschen bzw. preußischen Ansatz R. v. Gneists die Eigenständigkeit öffentlicher Rechte betonte. Zur historischen Entwicklung der Trennung von Privatrecht und Öffentlichem Recht im modernen Staat D. Grimm, Das Öffentliche Recht vor der Frage nach seiner Identität, 2012, S. 5 ff. 68 Deutlich werden die Unterschiede etwa bei O.  Bähr, Der Rechtsstaat, 1864, S. 71 auf der einen Seite und R. v. Gneist, Der Rechtsstaat und die Verwaltungsgerichte in Deutschland, 1879, S. 237 f. auf der anderen Seite. Zudem kennzeichnete den objektiven Ansatz eine Präferenz für verwaltungsinternen Rechtsschutz, während das subjektive Modell mit seiner Fixierung auf den Schutz von Rechten unabhängige Gerichte bevorzugte, s. dazu D. Lorenz, Verwaltungsprozessrecht, 2000, § 2 Rn. 4 f. 69 Es wäre verkürzt, die Diskussion als Kontroverse nur zwischen R. v. Gneist und O. Bähr anzusehen, worauf von einigen Autoren hingewiesen wurde, s. etwa G. Sydow, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit des ausgehenden 19. Jahrhunderts, 2000, S. 45 ff.; C. F. Menger, Zur Geschichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Deutschland, DÖV 1963, 726 (726). 70 R. v. Gneist, Der Rechtsstaat und die Verwaltungsgerichte in Deutschland, 1879, S. 270 f.; ebenso C. Bornhak, Preußisches Staatsrecht, Bd. 2, 1889, S. 415. Diese Position vertritt nicht zuletzt auch O. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Erster Band, 1969, S. 132: „[D]ie Verwaltungsrechtspflege kann auch bloß dem objektiven Rechte dienen, der aufrecht zu erhaltenden Rechtsordnung, und dadurch mittelbar den durch diese geschützten Interessen, die nicht notwendig die bestimmte Form von subjektiven Rechten an sich tragen.“ Darin äußert sich ein an Frankreich angelehntes Verständnis O. Mayers von der „Verwaltungsrechtspflege“, s. dazu J. Masing, Die Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, 1997, S. 79 Fn. 115. Ähnlich mit Bezug auf R. v. Gneist äußert sich H. H. Rupp, Unsicherheiten zum Thema des subjektiven öffentlichen Rechts, in: Brenner u. a. (Hrsg.), FS Badura, 2004, S. 995 (1003).

44

Teil 1: Rechtsschutzzugang und Behandlung von Allgemeininteressen

auch R. v. Gneist die Bedeutung einer – gesetzlich verliehenen71 – Klagebefugnis zur Strukturierung des Prozessstoffs an, als Individualrecht hatte es für ihn im Prozess jedoch keine Bedeutung.72 Nach dieser Konzeption ist der Rechtsschutz der Einzelnen nur der Auslöser eines „staatsinternen Kontrollmechanismus“73. Die Strömung um O. Bähr und O. v. Sarwey stellte dagegen die Sicherung von Individualrechten ins Zentrum des Verwaltungsrechtsschutzes.74 Die Durchsetzung von Individualrechten würde gleichzeitig zur Korrektur rechtswidriger Verwaltungsentscheidungen beitragen.75 Gerade O. v. Sarwey zielte damit auf einen Ausgleich zwischen der Freiheitssphäre der Einzelnen und der spätkonstitutionalistischen Exekutivmacht.76 Rechtsschutz zur Durchsetzung rein öffentlicher Belange war nach dieser Konzeption nicht vorgesehen.77 Darin offenbart sich der eigentliche Unterschied der Ansätze: Beide wurden vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Verhältnisse des Spätkonstitutionalismus entworfen, jedoch in „genau umgekehrter Stoßrichtung“78: Für den objektiven Ansatz R. v. Gneists waren „alle Controllen der Staatsverwaltung gleichzeitig zum Schutz der Gesamtheit wie des Einzelnen bestimmt“79. Dies zielte auf eine Partizipation der Bürger am Staat. Der subjektive Ansatz trennte Gesellschaft und Staat. Die Bürger waren auf den Bereich des Privaten verwiesen.80

71 Zur Unterscheidung zum süddeutschen Modell in diesem Punkt W. Henke, Subjektives Öffentliches Recht, 1968, S. 142; S. Gerstner, Die Drittschutzdogmatik im Spiegel des französischen und britischen Verwaltungsgerichtsverfahrens, 1995, S. 125 f. 72 S. R. v. Gneist, Der Rechtsstaat und die Verwaltungsgerichte in Deutschland, 1879, S. 271; R. v. Gneist, Ueber die rechtliche Natur, die Zuständigkeit und die Verhandlungsform der Verwaltungsjurisdiction, in: Schriftführer-Amt der ständigen Deputation des deutschen Juristentages (Hrsg.), Verhandlungen des zwölften deutschen Juristentages, Bd. 1, 1874, S. 221 (233 f.). Dazu auch D. Lorenz, Verwaltungsprozessrecht, 2000, § 2 Rn. 4. 73 So W. Henke, Subjektives Öffentliches Recht, 1968, S. 31. R. v. Gneist, Ueber die rechtliche Natur, die Zuständigkeit und die Verhandlungsform der Verwaltungsjurisdiction, in: Schriftführer-Amt der ständigen Deputation des deutschen Juristentages (Hrsg.), Verhandlungen des zwölften deutschen Juristentages, Bd. 1, 1874, S. 221 (233) selbst spricht von einer „Initiative zu einer Correctur der Behördenthätigkeit, welche geeignetenfalls auch von Amtswegen eintreten könnte und sollte“. 74 O. Bähr, Der Rechtsstaat, 1864, S. 35 f., 49 ff.; O. von Sarwey, Das öffentliche Recht und die Verwaltungsrechtspflege, 1880, S. 405 f. 75 S. dazu zusammenfassend A. K.  Mangold, The Persistence of National Peculiarities, IJGLS 21 (2014), 223 (229). 76 O. von Sarwey, Das öffentliche Recht und die Verwaltungsrechtspflege, 1880, S. 120 f. So auch die Deutung von J. Masing, Die Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, 1997, S. 73. 77 O. von Sarwey, Das öffentliche Recht und die Verwaltungsrechtspflege, 1880, S. 131 f. 78 J. Masing, Die Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, 1997, S. 79. 79 R. v. Gneist, Der Rechtsstaat und die Verwaltungsgerichte in Deutschland, 1879, S. 270. 80 Zum Ganzen J. Masing, Die Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, 1997, S. 79; s. dazu auch S. Gerstner, Die Drittschutzdogmatik im Spiegel des französischen und britischen Verwaltungsgerichtsverfahrens, 1995, S. 125.

Kap. 1: Klage- und Kontrollmodelle

45

Der Gegensatz dieser beiden Ansätze blieb auch noch mit der sukzessiven Einrichtung einer unabhängigen Verwaltungsgerichtsbarkeit ausgehend von Baden 186381 bestehen. Er setzte sich in der Unterscheidung zwischen dem nord- (unter dem Einfluss R. v. Gneists) und süddeutschen (unter dem Einfluss O. v. Sarweys) Modell82 der Verwaltungsgerichtsbarkeit fort.83 Vor allem die wirkmächtige Theoriebildung subjektiver öffentlicher Rechte durch G. Jellinek und O. Bühler hat dann aber dazu beigetragen, dass sich in Deutschland eine auf subjektive Kontrolle gerichtete Verwaltungsgerichtsbarkeit durchgesetzt hat.84 Obwohl dieser Widerstreit unter den spezifischen Bedingungen des deutschen Spätkonstitutionalismus geführt wurde, treten hier doch grundlegende Annahmen hervor, die auch heute noch die Diskussion prägen. Darauf soll im Folgenden näher eingegangen werden. II. Alternative Ansätze zur Reichweite verwaltungsgerichtlicher Kontrolle Bei der Reichweite verwaltungsgerichtlicher Überprüfung wird klassisch zwischen einer subjektiven (contentieux subjectif) und einer objektiven (contentieux objectif) Kontrolle unterschieden.85 Obwohl beide Kontrollmodelle unterschiedliche Ziele verfolgen, weisen sie doch in der Sache einige Überschneidungspunkte auf. 81

G.  Sydow, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit des ausgehenden 19. Jahrhunderts, 2000, S. 55 ff. 82 Dazu etwa G. Sydow, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit des ausgehenden 19. Jahrhunderts, 2000, S. 225 ff.; C. F.  Menger, Zur Geschichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Deutschland, DÖV 1963, 726 (727); A. Niesler, Individualrechtsschutz im Verwaltungsprozess, 2012, S. 83 ff., 88 ff.; K.-P.  Sommermann, Entwicklungspfade europäischer Verwaltungsgerichtsbarkeit, in: Sommermann / Schaffarzik (Hrsg.), Handbuch der Geschichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit, 2019, S. 1735 (1747). 83 S. Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz, 2008, S. 38 ff., die aber auch darauf hinweist, dass sich gewisse Elemente der beiden Modelle durchaus mischten. Für überzeichnet halten den Gegensatz W. Henke, Subjektives Öffentliches Recht, 1968, S. 31 f.; R. Wahl, in: Schoch u. a. (Hrsg.), VwGO, VwGO vor § 42 Abs. 2 (Grundwerk) Rn. 11; I. Kraft, Die Konzeption des subjektiven öffentlichen Rechts nach deutschem Recht, in: Kluth / Rennert (Hrsg.), Entwicklungen im Verwaltungsprozessrecht, 2009, S. 13 (15); in eine ähnliche Richtung auch A. Niesler, Individualrechtsschutz im Verwaltungsprozess, 2012, S. 86, 92. 84 S. Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz, 2008, S. 42 f.; s. auch A. K. Mangold, The Persistence of National Peculiarities, IJGLS 21 (2014), 223 (229). S. dazu auch schon oben unter Teil 1. Kapitel 1. B. II. (S. 37 ff). Zur (beendeten) Diskussion der Ausrichtung des Verwaltungsrechtsschutzes unter dem Grundgesetz m. w. N. R. Wahl, in: Schoch u. a. (Hrsg.), VwGO, VwGO vor § 42 Abs. 2 (Grundwerk) Rn. 13. 85 Diese Unterscheidung soll auf L.  Duguit, Traité de droit constitutionnel, Bd. 2, 1928, S. 435 f. zurückgehen. Dazu S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 379 ff.; M. Degen, Klageverfahren und Klagegründe im französischen Verwaltungsprozess, Verwaltung 14 (1981), 157 (162 f.); E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband I, 2018, S. 27; s. zur Unterscheidung ebenso G. Bebr, Development of Judicial Control of the European Communities, 1981, S. 19 ff.

46

Teil 1: Rechtsschutzzugang und Behandlung von Allgemeininteressen

1. Zielrichtung: Objektive Rechtskontrolle Ist das verwaltungsgerichtliche Verfahren auf objektive Rechtskontrolle ausgerichtet, dient es der Wahrung der Legalität des Verwaltungshandelns.86 Maßstab der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle ist dann das gesamte objektive Recht, das auch der ursprünglichen Entscheidung der Verwaltung zu Grunde liegt.87 Jeder Rechtsfehler führt daher grundsätzlich zu einer Aufhebung des Verwaltungshandelns. Dies übt einen starken Disziplinierungseffekt auf die Verwaltung aus, um den es dem Modell objektiver Rechtskontrolle gerade auch geht.88 Dabei besteht jedoch ebenso die Gefahr einer Verschiebung in der Gewaltenteilung hin zur Judikative wie auch der Überlastung der Verwaltungsgerichte.89 Dem Charakter des objektiven Kontrollmodells entspricht es, dass die Initiative, die es zur Eröffnung der Kontrolle bedurfte, bei der Überprüfung ihre Bedeutung verliert. Die Beschränkung des Zugangs durch das Klagemodell setzt sich im Rahmen der Kontrolle nicht fort. Letztlich dient die Initiative lediglich der Ausübung einer möglichst effektiven Kontrolle:90 Nicht jede Entscheidung der Verwaltung soll einer verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterzogen werden können. Neben der Gewaltenteilung streitet hierfür auch die begrenzte Kapazität verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes. Der Kläger übernimmt daher die Rolle eines Hinweisgebers für zu untersuchendes Verwaltungshandeln oder, wie es häufig heißt, eines „Funktionärs der Verwaltungskontrolle“91. Folgerichtig gehört es auch zu den Wesensmerkmalen des objektiven Kontrollmodells, dass dem Kläger nach Eröffnung der Kontrolle die Dispositionsfähigkeit über das Verfahren weitgehend entzogen ist.92

86

W.  Krebs, Subjektiver Rechtsschutz und objektive Rechtskontrolle, in: Erichsen u. a. (Hrsg.), FS Menger, 1985, S. 191 (192); S. Gerstner, Die Drittschutzdogmatik im Spiegel des französischen und britischen Verwaltungsgerichtsverfahrens, 1995, S. 26; s. auch M. Sachs, Grundsatzfragen der Effektivität des Rechtsschutzes, in: Erbguth (Hrsg.), Effektiver Rechtsschutz im Umweltrecht?, 2005, S. 15 (19). 87 W.  Krebs, Subjektiver Rechtsschutz und objektive Rechtskontrolle, in: Erichsen u. a. (Hrsg.), FS Menger, 1985, S. 191 (192); A. Niesler, Individualrechtsschutz im Verwaltungsprozess, 2012, S. 23. 88 S. E.  Garcia de Enterria, Le contrôle de l’administration, Rev. Adm. 53 (2000), 125 (126). 89 W.  Krebs, Subjektiver Rechtsschutz und objektive Rechtskontrolle, in: Erichsen u. a. (Hrsg.), FS Menger, 1985, S. 191 (193). 90 W.  Krebs, Subjektiver Rechtsschutz und objektive Rechtskontrolle, in: Erichsen u. a. (Hrsg.), FS Menger, 1985, S. 191 (192). 91 W.  Krebs, Subjektiver Rechtsschutz und objektive Rechtskontrolle, in: Erichsen u. a. (Hrsg.), FS Menger, 1985, S. 191 (193); E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband I, 2018, S. 29; A. Niesler, Individualrechtsschutz im Verwaltungsprozess, 2012, S. 23; s. auch R. Wahl, in: Schoch u. a. (Hrsg.), VwGO, VwGO vor § 42 Abs. 2 (Grundwerk) Rn. 32. 92 A. Bleckmann, Das Ziel des gerichtlichen Rechtsschutzes, in: Mosler (Hrsg.), Gerichtsschutz gegen die Exekutive, Bd. 3, 1971, S. 21 (22); ähnlich W. Krebs, Subjektiver Rechtsschutz und objektive Rechtskontrolle, in: Erichsen u. a. (Hrsg.), FS Menger, 1985, S. 191 (193).

Kap. 1: Klage- und Kontrollmodelle

47

Die Klage fungiert damit nur als Auslöser einer umfassenden Überprüfung des Verwaltungshandelns.93 2. Zielrichtung: Subjektiver Rechtsschutz Im Modell des subjektiven Rechtsschutzes ist die Kontrolltätigkeit der Verwaltungsgerichte auf die Verletzung subjektiver Rechte oder Interessen beschränkt.94 Ein Rechtsverstoß ist deshalb nur relevant, wenn in ihm die Verletzung eines subjektiven Rechts oder Interesses liegt.95 Verstöße gegen objektives Recht ohne subjektiven Bezug bleiben daher grundsätzlich folgenlos.96 Die Engführung der Klagebefugnis setzt sich damit im Kontrollauftrag der Verwaltungsgerichte fort.97 Letztlich handelt es sich daher um einen Ansatz der „doppelte[n] Subjektivierung“98. Damit wird das Ziel des subjektiven Rechtsschutzmodells deutlich: Hier geht es nicht um die Legalitätskontrolle des Verwaltungshandelns an sich, sondern um den Schutz der Belange der Kläger.99 Im Modell des subjektiven Rechtsschutzes sind die Kläger nicht nur Anlassgeber für die Kontrolle wie im objektiven Kontrollmodell, sondern dessen Dreh- und Angelpunkt.100 Hier steht der Kläger als eigenständige Partei der Verwaltung gegenüber. Deshalb steht den Klägern das Verfahren typischerweise auch in größerem Maße zur Disposition als beim objektiven Kontrollmodell.101 93 A. Bleckmann, Das Ziel des gerichtlichen Rechtsschutzes, in: Mosler (Hrsg.), Gerichtsschutz gegen die Exekutive, Bd. 3, 1971, S. 21 (22); A.  Epiney, Verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz im Umweltrecht im Rechtsvergleich, NVwZ 2014, 465 (468); M.  Fromont, Rechtsschutz gegenüber der Verwaltung, 1967, S. 204; J. Schwarze, Grundlinien und neuere Entwicklungen des Verwaltungsrechtsschutzes in Frankreich und Deutschland, NVwZ 1996, 22 (23); A. Niesler, Individualrechtsschutz im Verwaltungsprozess, 2012, S. 23. 94 W.  Krebs, Subjektiver Rechtsschutz und objektive Rechtskontrolle, in: Erichsen u. a. (Hrsg.), FS Menger, 1985, S. 191 (193 f.). 95 W.  Krebs, Subjektiver Rechtsschutz und objektive Rechtskontrolle, in: Erichsen u. a. (Hrsg.), FS Menger, 1985, S. 191 (194); s. auch E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband II, 2018, S. 29. 96 Dies schließt natürlich nicht aus, dass daneben noch andere Kontrollverfahren existieren, die diese Verstöße erfassen. 97 S. W. Krebs, Subjektiver Rechtsschutz und objektive Rechtskontrolle, in: Erichsen u. a. (Hrsg.), FS Menger, 1985, S. 191 (193); E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband I, 2018, S. 29. 98 A. Bleckmann, Das Ziel des gerichtlichen Rechtsschutzes, in: Mosler (Hrsg.), Gerichtsschutz gegen die Exekutive, Bd. 3, 1971, S. 21 (37). 99 A. Niesler, Individualrechtsschutz im Verwaltungsprozess, 2012, S. 22; A. Bleckmann, Das Ziel des gerichtlichen Rechtsschutzes, in: Mosler (Hrsg.), Gerichtsschutz gegen die Exekutive, Bd. 3, 1971, S. 21 (29). 100 W.  Krebs, Subjektiver Rechtsschutz und objektive Rechtskontrolle, in: Erichsen u. a. (Hrsg.), FS Menger, 1985, S. 191 (194). 101 W.  Krebs, Subjektiver Rechtsschutz und objektive Rechtskontrolle, in: Erichsen u. a. (Hrsg.), FS Menger, 1985, S. 191 (194).

48

Teil 1: Rechtsschutzzugang und Behandlung von Allgemeininteressen

3. Funktionsüberschneidungen Trotz der festgestellten Unterschiede griffe ein schlichter Kontrast von objektiver und subjektiver Kontrolle zu kurz. Die Kontrollwirkungen schließen sich nur auf den ersten Blick gegenseitig aus: Mit der Prüfung des Vorliegens einer Rechtsverletzung wird im subjektiven System genauso auch die Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns an sich überprüft, wie bei einem objektiven Ansatz die Rechte der Einzelnen Teil der Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns sind.102 Ein Einebnen der Unterscheidung zwischen subjektivem und objektivem Kon­ trollsystem ist dennoch nicht angezeigt. Schließlich erfolgt auch die Überprüfung des nicht im Fokus liegenden Kontrollzwecks rein reflexhaft.103 Ebenso bleiben, trotz einer gewissen Überschneidung der verwaltungsgerichtlichen Funktionen, Differenzen im Prüfungsumfang. So steht die Überprüfung des Verwaltungshandelns im subjektiven Kontrollsystem immer unter dem Vorbehalt, dass eine

102 E. Schmidt-Aßmann, in: Herzog u. a. (Hrsg.), Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 GG (Juli 2014) Rn. 9; U. Everling, Das Verfahren der Gerichte der EG im Spiegel der verwaltungsgerichtlichen Verfahren der Mitgliedstaaten, in: Grote u. a. (Hrsg.), FS Starck, 2007, S. 535 (539); D. Lorenz, Der Rechtsschutz des Bürgers und die Rechtsweggarantie, 1973, S. 130; C. Franzius, Modernisierung des subjektiven öffentlichen Rechts, UPR 2016, 281 (286); A. Vincze, Die Europäisierung der verwaltungsgerichtlichen Klagebefugnis, in: Fakultät für Vergleichende Staats- und Rechtswissenschaften der Andrássy Universität Budapest u. a. (Hrsg.), Jahrbuch für Vergleichende Staats- und Rechtswissenschaften – 2014/2015, 2016, S. 55 (56 f.); E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband I, 2018, S. 30; A. K. Mangold / R . Wahl, Das europäisierte deutsche Rechtsschutzkonzept, Die Verwaltung 48 (2015), 1 (17) sprechen von einer Doppelfunktionalität der Systeme und sehen den Unterschied lediglich in einer expliziten und einer latenten Funktion; aus Weimarer Zeit W. Jellinek, Der Schutz des öffentlichen Rechts durch ordentliche und durch Verwaltungsgerichte, VVDStRL 2 (1925), 8 (48). Für M. Fromont, L’influence du droit français et du droit allemand sur les conditions de recevabilité du recours en annulation devant la Cour de justice des Communautés européennes, RTD Eur. 1966, 47 (55) stehen die Funktionen in Frankreich nebeneinander: „La justice administrative française correspond à une conception mixte, mi-objective, mi-subjective; elle a deux missions, celle de veiller au respect du droit objectif par l’administration et celle d’assurer la protection des administrés.“ S. aus übergreifender Perspektive auch P. Reimer, Verfahrenstheorie, 2015, S. 197 f. 103 K. F. Gärditz, Funktionswandel der Verwaltungsgerichtsbarkeit unter dem Einfluss des Unionsrechts, Gutachten D zum 71. Deutschen Juristentag, D 15; P. M. Huber, Die verfassungsrechtliche Prägung des Verwaltungsrechtsschutzes, in: Sommermann / Schaffarzik (Hrsg.), Handbuch der Geschichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit, 2019, S. 1771 (1787). Allgemein wird aber davon ausgegangen, dass die beiden Zwecke der gerichtlichen Kontrolle im Einklang verfolgt werden, s. etwa V. Mehde, Verwaltungskontrolle als Daueraufgabe der Verwaltungsgerichtsbarkeit, Die Verwaltung 43 (2010), 379 (381); W. Brohm, Zum Funktionswandel der Verwaltungsgerichtsbarkeit, NJW 1984, 8 (8). Das Problem eines Rechtsreflexes beschäftigt insbesondere die Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht schon lange, s. dazu O. Bachof, Reflexwirkungen und subjektive Rechte im öffentlichen Recht, in: Bachof u. a. (Hrsg.), GS Jellinek, 1955, S. 287.

Kap. 1: Klage- und Kontrollmodelle

49

individualschützende Norm betroffen ist. Andere Vorschriften werden in diesem Prozess typischerweise gar nicht erst geprüft. Dies kann zu unterschiedlichen Ergebnissen in der Sache führen, gerade dann, wenn ein Rechtsfehler der Verwaltung keinen subjektiven Bezug aufweist, sondern nur gegen objektives Recht verstößt. Mit der Begrenzung des Verwaltungsprozesses auf die Prüfung subjektiver Rechte erschöpft sich ihre Rolle nicht in der eines Türöffners für die Klagebefugnis; sie rücken vielmehr ins Zentrum der Prüfung.1 III. Tradierte Verbindungen von Klage- und Kontrollmodellen In Reinform findet sich wohl keines dieser Modelle verwirklicht, vielmehr sind Elemente beider in der Regel kombiniert.2 Dennoch lassen sich zwischen Verletztenklage und subjektivem Rechtsschutz sowie Interessentenklage und objektiver Rechtskontrolle enge Verbindungslinien feststellen, was hier beispielhaft für Deutschland und Frankreich nachvollzogen werden soll. Diese Verbindungslinien resultieren nicht zuletzt aus historisch gewachsenen Auffassungen zur Position von Einzelnen, Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit.

Zutreffend H. H.  Rupp, Kritische Bemerkungen zur Klagebefugnis im Verwaltungs­ prozeß, DVBl 1982, 144 (145): „War früher eine gewisse Sachnähe des Klägers, seine Eigenbetroffenheit, der subjektive Interessenbezug, als kontrollbegrenzende Klagevoraussetzung noch notwendig, um neben den behördlichen Beanstandungsklagen das Tor zur Nachprüfung der Verwaltung am objektiven Gesetzmäßigkeitsprinzip zu öffnen, so hat sich diese Funktion der besonderen Klagebefugnis in dem Augenblick erledigt, in dem die prozessuale Vorfrage zur materiellen Hauptsache des Prozesses wurde und sich das ‚subjektive Recht‘ des Klägers von der Voraussetzung zum Gegenstand der verwaltungsgerichtlichen Kon­ trolle wandelte.“ [Hervorhebung im Original] S. auch P.  Reimer, Verfahrenstheorie, 2015, S. 463. 2 A.  Epiney, Primär- und Sekundärrechtsschutz im Öffentlichen Recht, VVDStRL 61 (2001), 362 (384); N.  Marsch, Subjektivierung der gerichtlichen Verwaltungskontrolle in Frankreich, 2011, S. 45; W. Cuno, Einstweiliger Rechtsschutz durch die Verwaltungsgerichte in Frankreich und Deutschland, 2015, S. 72 ff. Auch in Deutschland finden sich etwa mit dem Normenkontrollverfahren in § 47 VwGO objektive Kontrollelemente (s. A. Vincze, Die Europäisierung der verwaltungsgerichtlichen Klagebefugnis, in: Fakultät für Vergleichende Staats- und Rechtswissenschaften der Andrássy Universität Budapest u. a. (Hrsg.), Jahrbuch für Vergleichende Staats- und Rechtswissenschaften – 2014/2015, 2016, S. 55 (75 Fn. 11); differenzierend N. Marsch, Subjektivierung der gerichtlichen Verwaltungskontrolle in Frankreich, 2011, S. 65 ff.) und in Frankreich mit dem recours de pleine jurisdiction Elemente subjektiven Rechtsschutzes (s. A. Epiney / K. Sollberger, Zugang zu Gerichten und gerichtliche Kontrolle im Umweltrecht, 2002, S. 96; A. Bleckmann, Das Ziel des gerichtlichen Rechtsschutzes, in: Mosler (Hrsg.), Gerichtsschutz gegen die Exekutive, Bd. 3, 1971, S. 21 (35); J.-M. Woehrling, Die französische Verwaltungsgerichtsbarkeit im Vergleich mit der deutschen, NVwZ 1985, 21 (25); N. Marsch, Subjektivierung der gerichtlichen Verwaltungskontrolle in Frankreich, 2011, S. 40 f.; J. Ziller, Verwaltungsgerichtsbarkeit in Frankreich, in: Bogdandy u. a. (Hrsg.), Handbuch IPE, 2019, § 130, Rn. 31). 1

50

Teil 1: Rechtsschutzzugang und Behandlung von Allgemeininteressen

Die Interessentenklage französischen Zuschnitts setzt auf ein objektives Kontrollkonzept.3 So dient der französische recours pour excès de pouvoir der objektiven Kontrolle von Verwaltungshandeln.4 Es geht also um die Sicherung der Legalität des Verwaltungshandelns.5 Ist die Zulässigkeitshürde der Klagebefugnis durch das Darlegen eines intérêt pour agir genommen,6 erfolgt eine Vollkontrolle des Verwaltungshandelns.7 Die Klage ist dann begründet, wenn das Verwaltungshandeln gegen objektives Recht verstößt.8 Der Schutz der Rechte der Kläger ist dagegen nur Nebenfunktion.9 Eine Begrenzung der Kontrolle auf das geltend gemachte Interesse findet nicht statt. Stattdessen begegnet der französische Verwaltungsrechtsschutz 3

S. etwa A. Epiney, Primär- und Sekundärrechtsschutz im Öffentlichen Recht, VVDStRL 61 (2001), 362 (385). Zur historischen Einordnung J.-L. Mestre, Staat, Verwaltung und Verwaltungsrecht: Frankreich, in: Bogdandy u. a. (Hrsg.), Handbuch IPE, 2010, § 43, Rn. 51 ff. 4 S. etwa L. Duguit, Traité de droit constitutionnel, Bd. 2, 1928, S. 500; J.-M. Woehrling, Die deutsche und die französische Verwaltungsgerichtsbarkeit an der Schwelle zum 21. Jahrhundert, NVwZ 1998, 462 (463); V.  Götz, Verwaltungsrechtsschutz durch Entscheidung über einzelne schriftlich vorgebrachte Klagegründe, in: Eberle u. a. (Hrsg.), FS Brohm, 2002, S. 69 (77); C.  Leeb, Wann kann Nichtigkeitsklage erhoben werden?, ZfRV 2014, 196 (203). Zu Subjektivierungstendenzen in Frankreich W.  Cuno, Einstweiliger Rechtsschutz durch die Verwaltungsgerichte in Frankreich und Deutschland, 2015, S. 72 ff., 227 ff.; N.  Marsch, Subjektivierung der gerichtlichen Verwaltungskontrolle in Frankreich, 2011, S. 95 ff., 367 ff. 5 E. Garcia de Enterria, Le contrôle de l’administration, Rev. Adm. 53 (2000), 125 (125 f.); A. Epiney, Verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz im Umweltrecht im Rechtsvergleich, NVwZ 2014, 465 (468); M. Fromont, La convergence des systèmes de justice administrative en Europe, Riv. Trimestr. Dir. Pubbl. 2001, 125 (125); G. Sydow, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit des ausgehenden 19. Jahrhunderts, 2000, S. 231; E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband I, 2018, S. 28; A. Gaillet, Der Einzelne gegen den Staat, Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Germanistische Abteilung 129 (2012), 109 (141); J.-M. Woehrling, Die deutsche und die französische Verwaltungsgerichtsbarkeit an der Schwelle zum 21. Jahrhundert, NVwZ 1998, 462 (463). 6 S. M.  Fromont, Le système français de protection juridictionnelle du citoyen contre l’administration, in: Erichsen u. a. (Hrsg.), FS Menger, 1985, S. 887 (892). 7 Zulässigkeit und Begründetheit sind hier klar getrennt, s. auch M.-J. Seibert, Die gerichtliche Kontrolle von Verfahrensvorschriften nach § 4 UmwRG, NVwZ 2019, 337 (338). 8 M. Fromont, L’influence du droit français et du droit allemand sur les conditions de recevabilité du recours en annulation devant la Cour de justice des Communautés européennes, RTD Eur. 1966, 47 (49); C. D. Classen, Europäisierung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1996, S. 58; J. Ziller, Verwaltungsgerichtsbarkeit in Frankreich, in: Bogdandy u. a. (Hrsg.), Handbuch IPE, 2019, § 130, Rn. 33. J. Pietzcker, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit als Kontrollinstanz, in: Schmidt-Aßmann / Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, 2001, S. 89 (99 f.) stellt einen interessanten Unterschied zwischen dem französischen und dem deutschen Klagesystem heraus: Das französische System weise durch die Eingrenzung der Überprüfung auf die Rügen der Kläger einen subjektiven Bezug auf, während das deutsche System nach der Überwindung der Zulässigkeitshürde nach dem Amtsermittlungsgrundsatz verfahre. Ins Wanken bringt dies die Unterscheidung beider Systeme jedoch nicht. Der Amtsermittlungsgrundsatz des deutschen Verwaltungsprozessrechts ändert nichts daran, dass die Begründetheit der Klage die Verletzung subjektiver Rechte voraussetzt. 9 J.-M. Woehrling, Die deutsche und die französische Verwaltungsgerichtsbarkeit an der Schwelle zum 21. Jahrhundert, NVwZ 1998, 462 (463).

Kap. 1: Klage- und Kontrollmodelle

51

der Gefahr einer weitreichendenden Verschiebung in der Gewaltenteilung zu den Verwaltungsgerichten, einem gouvernement des juges,10 durch eine Begrenzung der Prüfung auf festgelegte Fehlerkategorien.11 Anders verhält sich dies nach dem subjektiven Kontrollmodell des deutschen Verwaltungsprozessrechts.12 Das Zulässigkeitserfordernis der Möglichkeit einer Verletzung in subjektiven Rechten korrespondiert hier mit der Begrenzung der Kontrolle auf eben jene Rechte.13 Die Klage ist hier nicht nur Auslöser für eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle. Sie bestimmt vielmehr auch maßgeblich deren Umfang. Die Kläger initiieren nicht bloß das Verfahren, sondern spielen auch nach Kontrolleröffnung eine entscheidende Rolle.14 Die Bedeutung subjektiver öffentlicher Rechte erschöpft sich nicht im Prozessualen, sondern bestimmt auch die materielle Kontrolle. Die Differenzen zwischen den beiden Ausprägungen der Kontrollmodelle wurzeln in unterschiedlichen Verständnissen der Stellung von Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit im Institutionengefüge. In Frankreich liegen die Ursprünge der Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Verwaltung selbst.15 Das Motto lautet: „Juger

10 S. B.  Pacteau, Le contrôle de l’administration, Rev. Adm. 53 (2000), 105 (100); J­ .-M. Woehr­ling, Le contrôle juridictionnel du pouvoir discrétionnaire en France, Rev. Adm. 52 (1999), 75 (95). Dazu N. Marsch, Subjektivierung der gerichtlichen Verwaltungskontrolle in Frankreich, 2011, S. 37; W. Krebs, Subjektiver Rechtsschutz und objektive Rechtskontrolle, in: Erichsen u. a. (Hrsg.), FS Menger, 1985, S. 191 (193). 11 Dazu M.  Fromont, Le système français de protection juridictionnelle du citoyen contre l’administration, in: Erichsen u. a. (Hrsg.), FS Menger, 1985, S. 887 (892); A.  Epiney, Primär- und Sekundärrechtsschutz im Öffentlichen Recht, VVDStRL 61 (2001), 362 (374 f.); N.  Marsch, Subjektivierung der gerichtlichen Verwaltungskontrolle in Frankreich, 2011, S. 70 ff. 12 S. nur J.  Pietzcker, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit als Kontrollinstanz, in: Schmidt-­ Aßmann / Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, 2001, S. 89 (98 ff.); M.  Fromont, L’influence du droit français et du droit allemand sur les conditions de recevabilité du recours en annulation devant la Cour de justice des Communautés européennes, RTD Eur. 1966, 47 (56); C.-F.  Menger, Rechtssatz, Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit, DÖV 1955, 587 (591); V.  Götz, Verwaltungsrechtsschutz durch Entscheidung über einzelne schriftlich vorgebrachte Klagegründe, in: Eberle u. a. (Hrsg.), FS Brohm, 2002, S. 69 (77); H. H. Rupp, Kritische Bemerkungen zur Klagebefugnis im Verwaltungsprozeß, DVBl 1982, 144 (145); E. Schmidt-Aßmann, Funktionen der Verwaltungsgerichtsbarkeit, in: Erichsen u. a. (Hrsg.), FS Menger, 1985, S. 107 (108 ff.). 13 Zum Zusammenhang von § 42 Abs. 2 VwGO und § 113 Abs. 1 VwGO S. Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz, 2008, S. 71 ff.; M.-J. Seibert, Die gerichtliche Kontrolle von Verfahrensvorschriften nach § 4 UmwRG, NVwZ 2019, 337 (338). 14 A. Niesler, Individualrechtsschutz im Verwaltungsprozess, 2012, S. 23. 15 S. M.  Fromont, Le système français de protection juridictionnelle du citoyen contre l’administration, in: Erichsen u. a. (Hrsg.), FS Menger, 1985, S. 887 (888 f.); A. Gaillet, Der Einzelne gegen den Staat, Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Germanistische Abteilung 129 (2012), 109 (141); J.-M. Woehrling, Die französische Verwaltungsgerichtsbarkeit im Vergleich mit der deutschen, NVwZ 1985, 21 (22); N.  Marsch, Subjektivierung der gerichtlichen Verwaltungskontrolle in Frankreich, 2011, S. 37 f. Umfassend zur Einord-

52

Teil 1: Rechtsschutzzugang und Behandlung von Allgemeininteressen

l’administration, c’est encore administrer.“16 Dem Ziel, die Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns umfassend zu sichern, korrespondiert damit auch die niedrige Schwelle zur Verwaltungsgerichtsbarkeit und deren weitreichende Kontrollbefugnis. Die Sicherung der Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns steht im Vordergrund, nicht der Schutz der Rechte der Bürger.17 Dagegen liegt der Fokus des deutschen Kontrollmodells weniger auf der Sicherung der Legalität des Verwaltungshandeln als vielmehr auf der Sicherung der Rechte der Bürger.18 So heißt es bei C.-F. Menger – gewissermaßen in unmittelbarem Kontrast –, „daß die Tätigkeit der Verwaltungsgerichte gerade nicht Fortsetzung der Verwaltungstätigkeit ist, sondern Schranke und Korrektiv für solches Verwaltungshandeln, welches Jemanden in seinen Rechten beeinträchtigt, weil es rechtswidrig ist“19. Dies ist Folge des subjektiven Kontrollansatzes, der die Kläger nicht nur als Hinweisgeber für eine Selbstkontrolle der Verwaltung, sondern als eigenständige Prozesspartei gegenüber der Verwaltung ansieht und daher eine klare Trennung von Verwaltung und Verwaltungsgericht fordert.20 Im deutschen Verletztenklagesystem sind die Einzelnen damit auf die Durchsetzung ihrer subjektiven Rechte beschränkt  – einen allgemeinen Gesetzesvollziehungsanspruch gibt es dagegen nicht.21

nung P. Gonod, Grundzüge des Verwaltungsrechts in gemeineuropäischer Perspektive: Frankreich, in: Bogdandy u. a. (Hrsg.), Handbuch IPE, 2014, § 75, Rn. 5 ff. Es handelt sich nach U.  Everling, Das Verfahren der Gerichte der EG im Spiegel der verwaltungsgerichtlichen Verfahren der Mitgliedstaaten, in: Grote u. a. (Hrsg.), FS Starck, 2007, S. 535 (538) gewissermaßen um eine Selbstkontrolle der Verwaltung. S. auch K. F. Gärditz, Europäisierter Umweltrechtsschutz als Laboratorium des Verwaltungsprozessrechts, EurUP 2015, 196 (205); K.-P. Sommer­mann, Entwicklungspfade europäischer Verwaltungsgerichtsbarkeit, in: Sommermann / ​Schaffarzik (Hrsg.), Handbuch der Geschichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit, 2019, S. 1735 (1746). 16 Dieses Zitat wird gemeinhin P.-P. N. Henrion De Pansey zugeschrieben und soll aus dem Werk De l’autorité judiciaire en France, 1830 stammen; zur historischen Entwicklung von Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit in Frankreich im Vergleich zu Deutschland J. Masing, Die Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, 1997, S. 83 ff. 17 A. Epiney, Verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz im Umweltrecht im Rechtsvergleich, NVwZ 2014, 465 (468). 18 Es ist eine der Paradoxien dieser Gegenüberstellung, dass die Interessentenklage durch niedrige Schwellen zur Verwaltungsgerichtsbarkeit gerade den Individualschutz stärkt, s. A. K.  Mangold / R .  Wahl, Das europäisierte deutsche Rechtsschutzkonzept, Die Verwaltung 48 (2015), 1 (15). 19 C.-F. Menger, System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, 1954, S. 61 f. 20 N. Marsch, Subjektivierung der gerichtlichen Verwaltungskontrolle in Frankreich, 2011, S. 45 f. 21 C.-F. Menger, Rechtssatz, Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit, DÖV 1955, 587 (591); E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband I, 2018, S. 17.

Kap. 1: Klage- und Kontrollmodelle

53

IV. Folgerungen Es zeigt sich, dass die Rollen im Dreieck Einzelne, Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit unterschiedlich verteilt sind: Im objektiven Kontrollmodell erschöpft sich die Rolle der Einzelnen in der eines Hinweisgebers für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit des gesamten Verwaltungshandelns. Ihr Schutz ist lediglich „Reflex aus der Legalitätskontrolle“22. Beim subjektiven Modell stehen die Einzelnen dagegen im Zentrum. Hier geht es primär um die Sicherung von Individualrechten; die Legalität des Verwaltungshandelns spielt dagegen nur eine untergeordnete Rolle. Anders gewendet: „Die Kontrolle der Verwaltung auf Wahrung der objektiven Rechtsordnung ist lediglich eine – erwünschte – Nebenfolge dieser [subjektiv geprägten, Anm. des Verf.] Verwaltungsprozesse, so wie die Wahrung der Rechtsordnung neben der Rechtsschutzgewährung ja eine Sekundärfunktion jedes Prozesses ist.“23

Die Verwaltung ist in einem objektiven Kontrollsystem einer sehr weitgehenden Kontrolle durch die Verwaltungsgerichtsbarkeit unterworfen, im französischen Beispiel nur abgeschwächt durch eine Enumeration von Fehlern. Dieser Befund relativiert sich jedoch, wenn die Verwaltungsgerichtsbarkeit als Teil der Verwaltung verstanden wird, wie das französische Beispiel nahelegt. Dagegen markiert in einem subjektiven Kontrollmodell die Verletzung subjektiver Rechte auch eine organisationsrechtliche Grenze:24 Die Verwaltung ist nur insoweit einer Überprüfung durch die Verwaltungsgerichte unterworfen wie sich ein Kläger findet, der eine Verletzung eigener subjektiver Rechte geltend machen kann.25 Andererseits zeugt die Ausrichtung des subjektiven Rechtsschutzmodells aber auch von einer 22

U. Everling, Überlegungen zum Verfahren vor den Gerichten der Europäischen Gemeinschaften, in: Colneric u. a. (Hrsg.), FS Iglesias, 2003, S. 537 (538). 23 C.-F. Menger, Rechtssatz, Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit, DÖV 1955, 587 (591 f.); ähnlich E. Schmidt-Aßmann, Funktionen der Verwaltungsgerichtsbarkeit, in: Erichsen u. a. (Hrsg.), FS Menger, 1985, S. 107 (109); die Funktion der Verwaltungsgerichte zur Wahrung des Rechts betonend M. Beckmann, Funktionswandel der Verwaltungsgerichtsbarkeit unter dem Einfluss des Unionsrechts, Referat N zum 71. Deutschen Juristentag, N 82; M. Beckmann, Strukturprinzipien des deutschen Verwaltungsprozesses, Rechtstheorie 45 (2014), 141 (142). 24 Dieser Zusammenhang wurde auch schon im deutschen Richtungsstreit zur Verwaltungskontrolle im Spätkonstitutionalismus gesehen. Hier stand die Frage im Mittelpunkt, ob eine Kontrolle von Verwaltungsentscheidungen auch Ermessensspielräume der Verwaltung umfassen solle oder nicht. Sieht man den Sinn der Verwaltungskontrolle in einer umfassenden Legalitätssicherung, ist es nur folgerichtig, auch Ermessensspielräume einer Überprüfung zu unterwerfen. In einem System subjektiver Kontrolle können Ermessensspielräume dagegen nur insoweit überprüft werden, wie subjektive Rechte betroffen sind. In dieser Abgrenzung spiegeln sich unterschiedliche Positionen zur Stellung der Verwaltung wider: Im objektiven System ist sie einer umfassenden Kontrolle unterworfen, während ihr das subjektive System größere Freiräume gewährt. Dazu J. Masing, Die Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, 1997, S. 79, hier v. a. Rn. 116; A. Niesler, Individualrechtsschutz im Verwaltungsprozess, 2012, S. 83, 87. 25 A. Niesler, Individualrechtsschutz im Verwaltungsprozess, 2012, S. 28 f.

54

Teil 1: Rechtsschutzzugang und Behandlung von Allgemeininteressen

Skepsis gegenüber der Verwaltung, was den Schutz subjektiver Rechte anbelangt. Soweit Kläger eine Betroffenheit in ihren subjektiven Rechten geltend machen können, unterliegt die Verwaltung daher einer umfassenden Kontrolle durch die unabhängige Verwaltungsgerichtsbarkeit. Im Übrigen scheint die Verwaltung im Modell subjektiven Rechtsschutzes jedoch – vorbehaltlich alternativer Kontrollinstrumente – einen Vertrauensvorschuss zu genießen.26 Die Funktionen von objektivem und subjektivem Kontrollmodell überschneiden sich, wodurch sie in gewissem Maße verschwimmen und ihre Trennung an Aussagekraft einbüßt. Bei genauerem Hinsehen fällt allerdings auf, dass die Grundannahmen, die mit der Entscheidung für ein solches System einhergehen, doch einen Unterschied in der Kontrolle ausmachen. Dies trifft für die Beispielrechtsordnungen vor allem hinsichtlich des Prüfungsumfanges und des zentralen Anliegens der Kontrolle zu. Ein Negieren der Unterschiede zwischen objektiver und subjektiver Ausgestaltung des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes ist deshalb nicht angezeigt. Jedoch lässt sich auch feststellen, dass die Elemente, die die Unterscheidung ausmachen, nicht zwangsläufig entweder dem einen oder dem anderen Klagemodell inhärent sind. Vielmehr ist deren Vorliegen häufig das Ergebnis tradierter Verständnisse. Dies bietet für die bestehenden Systeme auch die Möglichkeit des Überdenkens eingeschlagener Pfade.

D. Ergebnis Verletzten- und Interessentenklagemodell grenzen sich von der Popularklage durch den prozessualen Filter der Klagebefugnis ab. Die Klagebefugnis bestimmt über die Verteilung des Zugangs zur Verwaltungsgerichtsbarkeit, indem sie Voraussetzungen an das Klagebegehren stellt. Sie wirkt damit begrenzend und eröffnend auf den Zugang zur Verwaltungsgerichtsbarkeit. Verletzten- und Interessentenklage filtern dabei unterschiedlich: Während bei der Verletztenklage ein subjektives Recht erforderlich ist, reicht bei der Interessentenklage ein einfaches Interesse zur Eröffnung des Zugangs aus. Der Unterschied hat sich jedoch als nicht so trennscharf erwiesen, wie er zunächst wirkt. Schließlich ist das Interesse das entscheidende Element bei der Bestimmung subjektiver Rechte. Subjektive Rechte sind durch die Rechtsordnung anerkannte und damit besonders qualifizierte Interessenpositionen, die den Einzelnen ihre Durchsetzung ermöglichen. In diesem Sinne handelt es sich bei beiden Klagemodellen um unterschiedlich graduierte Interessentenklagen. Auch für die Prüfung in der Sache lassen sich unterschiedliche Modelle feststellen. So kann der Verwaltungsrechtsschutz entweder auf die Einhaltung der Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns zielen oder auf den Schutz der subjek­

26

S. L.  De Lucia, Locus Standi and distrust of the public administration, REALaw 10 (2017), 7 (18).

Kap. 2: Klagemodelle und Allgemeininteressen

55

tiven Belange der Kläger. Aber auch hier hat eine Überschneidung zwischen beiden Zielrichtungen verwaltungsgerichtlicher Kontrolle gezeigt. Die nicht im Zentrum des jeweiligen Kontrollmodells stehende Funktion wird jedenfalls reflexhaft mitverwirklicht. Für Deutschland und Frankreich lassen sich – jedenfalls im Grundsatz – Verbindungen von Verletztenklage und subjektivem Rechtsschutz respektive Interessentenklage und objektiver Kontrolle nachweisen. Diese Verbindungen sind das Ergebnis historischer Entwicklungen, in denen unterschiedliche Positionen zur Stellung von Einzelnen, Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit ineinanderfließen. Kapitel 2

Klagemodelle und Allgemeininteressen Die bisherige Auseinandersetzung mit den Klagemodellen hat einige Unterschiede, aber auch Gemeinsamkeiten zu Tage befördert. Um die Charakteristiken der einzelnen Modelle noch deutlicher herauszuarbeiten, soll in diesem Kapitel speziell auf den Umgang der Klagemodelle mit Allgemeininteressen eingegangen werden. Während Individualbelange in beiden Systemen weniger Probleme bereiten, weil sie subjektive Rechte gewähren bzw. ein (individuelles) Interesse auf der Hand liegt, so offenbart sich der Charakter der Modelle vor allem in den Fällen, in denen Kläger Allgemeininteressen durchsetzen möchten. Mit Blick auf den Untersuchungsgegenstand der Århus-Konvention liegt der Fokus an dieser Stelle auf Umweltbelangen.

A. Allgemein- und Individualinteressen Vor der Auseinandersetzung mit dem Umgang der Kontrollmodelle mit Allgemein- und Individualinteressen steht die Einordung, was diese Kategorien von Interessen überhaupt ausmacht. Auf dieser Grundlage sind dann die Umweltbelange einzuordnen. I. Problematik der Trennung von Allgemein- und Individualinteressen Der Interessenbegriff ist schwer zu fassen. Dies hat Anlass zu verschiedenen Konkretisierungsversuchen gegeben. So soll der Begriff des Interesses etwa anhand von Adjektiven „koloriert“ werden und so deutlichere Konturen gewinnen.27

27

M. Reiling, Zu individuellen Rechten im deutschen und im Gemeinschaftsrecht, 2004, S. 194 f.

56

Teil 1: Rechtsschutzzugang und Behandlung von Allgemeininteressen

Insoweit lässt sich auch von einer Kontextualisierung des Interesses sprechen, die sich auch in der grundlegenden Unterscheidung zwischen Allgemein- und Individualinteressen, bzw. öffentlichen und privaten Interessen äußert.28 Aber auch diese Unterscheidung ist nicht unproblematisch, bestehen doch zwischen Allgemein- und Individualinteressen vielfältige Wechselbeziehungen, die eine trennscharfe Abgrenzung erschweren. Dies wird etwa dadurch sinnbildlich, dass P. Häberle den Begriff des privaten Interesses als „Gegen- oder Ergänzungsbegriff, als eigenständigen Begriff oder als immanenten Bestandteil des öff. Interesses bzw. Gemeinwohls“29 untersuchen möchte. Der Versuch einer Trennung von öffentlichen und privaten Interessen wurde schon vielfach unternommen und fast ebenso häufig wurde die Problematik dieses Vorhabens beschrieben: Die Trennung von öffentlichen und privaten Interessen erweist sich als schwierig und in vielen Fällen als wenig aussichtsreich.30 So bemerkte schon O. Bachof, dass zwar die Normen des öffentlich Rechts vorwiegend dem Gemeininteresse dienten, dass sich Individualinteresse und Gemeininteresse jedoch einander nicht ausschlössen.31 Vielmehr stellt sich das Verhältnis für O. ­Bachof folgendermaßen dar: „Individualinteressen finden rechtliche Anerkennung nur insoweit, als sie nicht dem Gemeininteresse zuwiderlaufen, und umgekehrt würde ein Gemeininteresse diesen Namen nicht verdienen, wenn seine Befriedigung nicht mittelbar auch im Interesse der die Gemeinschaft bildenden Individuen läge.“32

Vor diesem Hintergrund fragt auch E. Schmidt-Aßmann: „Ist dieser überkommene Dualismus von Individualinteresse und Allgemeininteresse wirklich heute noch das richtige Konzept in einer dem Gemeinwohl insgesamt verpflichteten Verfassungsordnung?“33

Dass zwischen privaten und öffentlichen Interessen ein enger Zusammenhang besteht, ist keine neue Erkenntnis. So weist J. Krüper darauf hin, dass die zur Kon-

28

J. Krüper, Gemeinwohl im Prozess, 2009, S. 132 f. P. Häberle, Öffentliches Interesse als juristisches Problem, 1970, S. 60 f. 30 Dazu kritisch F. Ekardt, Verfassungs- und verwaltungsrechtliche Gründe für eine liberalere Klagebefugnis, Der Staat 44 (2005), 622 (631 ff.). 31 O. Bachof, Reflexwirkungen und subjektive Rechte im öffentlichen Recht, in: Bachof u. a. (Hrsg.), GS Jellinek, 1955, S. 287 (290). 32 O. Bachof, Reflexwirkungen und subjektive Rechte im öffentlichen Recht, in: Bachof u. a. (Hrsg.), GS Jellinek, 1955, S. 287 (290) mit Verweis auf G. Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, 2. Aufl., 1905, S. 53 und O. Bühler, Die subjektiven öffentlichen Rechte, 1914, S. 44 ff. 33 E. Schmidt-Aßmann, „Gemeinwohl im Prozess“, in: Anderheiden u. a. (Hrsg.), GS Brugger, 2013, S. 411 (412) [Hervorhebung im Original]. Damit erscheint bei E. Schmidt-Aßmann das Gemeinwohl als übergeordnete Kategorie, gewissermaßen als abgewogene Interessengesamtheit. Zu dem Streit um die Begrifflichkeiten R. Uerpmann-Wittzack, Das öffentliche Interesse, 1999, S. 23 ff. 29

Kap. 2: Klagemodelle und Allgemeininteressen

57

fliktlösung berufenen staatlichen Stellen regelmäßig ein ganzes Bündel an privaten und öffentlichen Interessen zu berücksichtigen hätten, die nicht selten auch gleichgerichtet sein könnten.34 Es kommt zu einer Aggregation von Interessen: Eine Vielzahl von gleichgerichteten Individualinteressen kann danach kollektiviert als öffentliches Interesse zusammengefasst werden.35 Oftmals hilft es in solchen Fällen nur, auf eine Einordnung von Interessen in die Kategorien privat und öffentlich zu verzichten und stattdessen die Zuweisung des Gesetzgebers als Kriterium heranzuziehen.36 Dies alles verdeutlicht die Problematik der Operation mit dem Begriff des Interesses und die Unschärfen, die notwendigerweise mit der Qualifizierung eines Interesses als privat oder öffentlich einhergehen.37 II. Umweltbelange als Allgemeininteressen Die Schwierigkeiten der Trennung von Interessen in privat und öffentlich betrifft auch die Einordnung von Umweltbelangen. Der Schutz der Umwelt ist in vielen Fällen kaum von dem Schutz von Rechtsgütern Einzelner zu trennen.38 Im Folgenden soll darauf eingegangen werden, warum Umweltbelange dennoch in der Regel als Allgemeininteressen gewertet werden. In der Einordnung der Umwelt als Kollektivgut ist auch ein Grund für die Vollzugsproblematik des Umweltrechts zu sehen. 1. Kollektivgut Umwelt Schon der Begriff eines Kollektivgutes ist nicht leicht zu fassen.39 Jedenfalls ist es deutlich leichter, Beispiele für Kollektivgüter zu finden, als zu beschreiben, was

34 J. Krüper, Gemeinwohl im Prozess, 2009, S. 136 f.; früher schon W. Leisner, Privatinte­ ressen als öffentliches Interesse, DÖV 1970, 217 ff. S. auch E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband I, 2018, S. 53; R. Wahl, in: Schoch u. a. (Hrsg.), VwGO, VwGO vor § 42 Abs. 2 (Grundwerk) Rn. 56. 35 M. Reiling, Zu individuellen Rechten im deutschen und im Gemeinschaftsrecht, 2004, S. 198 f.; R.  Wahl, in: Schoch u. a. (Hrsg.), VwGO, VwGO vor § 42 Abs. 2 (Grundwerk) Rn. 57. 36 Dazu M. Reiling, Zu individuellen Rechten im deutschen und im Gemeinschaftsrecht, 2004, S. 201 ff.; J. Krüper, Gemeinwohl im Prozess, 2009, S. 138 ff.; B. Schilcher, Starke und schwache Rechte, in: Rummel / Koziol (Hrsg.), FS Bydlinski, 2002, S. 353 (364 f.). Ausführlich dazu noch unten unter Teil 1. Kapitel 2. B. I. 3. c) (S. 83 ff.). 37 S. H. Bauer, Altes und Neues zur Schutznormtheorie, AöR 113 (1988), 582 (594 ff.). 38 E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband I, 2018, S. 53 f. 39 Umfassend zum Begriff des Kollekivgutes C. Engel, Das Recht der Gemeinschaftsgüter, Die Verwaltung 30 (1997), 429 ff.; M. Anderheiden, Gemeinwohl, 2006, S. 110 ff. M. Anderheiden, Gemeinwohl, 2006, S. 116 schlägt folgende Definition vor: „Kollektive Güter sind solche Güter, die nicht für einen Menschen angeboten werden können, ohne für alle oder doch eine große Zahl von Menschen angeboten zu werden.“

58

Teil 1: Rechtsschutzzugang und Behandlung von Allgemeininteressen

ein solches ausmacht.40 Eines dieser Beispiele ist die Umwelt:41 „Umweltgüter sind öffentliche Güter bzw. Kollektivgüter.“42 Diese Aussage dürfte wenig Widerspruch hervorrufen. Richtet man den Blick dann auf einzelne Aspekte von Umweltgütern, wie etwa die Luftreinheit oder die Herstellung und Aufrechterhaltung eines guten Zustands von Gewässerkörpern, so ist auch schnell ersichtlich, warum. Im Gegensatz zu privaten Gütern ist es bei öffentlichen Gütern nicht möglich, andere von deren Nutzung auszuschließen, entweder mangels Befugnis oder schlicht aus praktischen Gründen.43 In der Terminologie von R. Alexy besitzen öffentliche Güter deshalb einen nicht distributiven Charakter, der sich dadurch auszeichnet, dass es „begrifflich, tatsächlich oder rechtlich unmöglich ist, das Gut in Teile zu zerlegen und diese den Individuen als Anteile zuzuordnen“44. Für die Luftqualität und die Reinheit von Gewässerkörpern lässt sich dies leicht nachvollziehen: Schon rein faktisch kann niemand eine besondere Qualität dieser Güter für sich reklamieren. Die Qualität dieser Umweltmedien betrifft alle, die ihnen ausgesetzt sind, gleichermaßen. Da sie niemandem in besonderem Maße zur Nutzung übertragen sind, entscheidet der Staat über die Verteilung der Güter.45 Unabhängig davon, welche Schwierigkeiten im Einzelnen bestehen, Individualund Allgemeininteressen auseinanderzuhalten, so kann doch kein Zweifel daran bestehen, dass an dem Schutz von Umweltgütern ein öffentliches bzw. allgemeines Interesse besteht. Der Zustand der Umwelt betrifft eben nicht nur bestimmte Individuen. Es besteht mit anderen Worten kein (rein) individuelles Interesse an einem bestimmten Zustand der Umwelt, sondern immer ein allgemeines. Umweltbelange sind daher nicht nur ein Beispiel für Kollektivgüter, sondern auch eines für Allgemeininteressen.46

40 R. Alexy, Individuelle Rechte und kollektive Güter, in: Recht, Vernunft, Diskurs, 1995, S. 232 (239). Freilich schlägt dieser im Folgenden dann eine dreigliedrige Definition vor, bestehend aus dem distributiven Charakter des Gemeinschaftsguts, dessen Status als erstrebensbzw. schützenswert sowie dessen Absicherung in Normen des Gemeinwesens. 41 M. Anderheiden, Gemeinwohl, 2006, S. 308 behandelt die Umwelt dann auch beispielhaft als Kollektivgut. 42 C. Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, 2001, S. 80. 43 C. Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, 2001, S. 80. 44 R. Alexy, Individuelle Rechte und kollektive Güter, in: Recht, Vernunft, Diskurs, 1995, S. 232 (239 f.). 45 C. Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, 2001, S. 80. 46 A. K. Mangold, The Persistence of National Peculiarities, IJGLS 21 (2014), 223 (235). S. auch die Definition in Mitteilung 2017/C 275/01 der Kommission über den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten, ABl. C 275 v. 18.08.2017, S. 1 (Rn. 32): „Allgemein sind diese öffentlichen Interessen, weil das Wohl der Gesellschaft davon abhängt.“

Kap. 2: Klagemodelle und Allgemeininteressen

59

2. Vollzugsschwierigkeiten Das Umweltrecht gilt als Rechtsgebiet, das prototypisch für die „mangelhafte Implementation der normativen Gebote in der Rechtswirklichkeit“47 steht. Dass Vollzugsschwierigkeiten bei der Umsetzung des Umweltrechts bestehen,48 kann schon fast als „Gemeinplatz“49 in der juristischen Diskussion angesehen werden. Für die Schwierigkeiten bei der Durchsetzung des Umweltrechts werden verschiedene Gründe genannt, auf die im Folgenden kurz eingegangen werden soll.50 Zunächst weisen Umweltgesichtspunkte eine Repräsentationsschwäche im Verwaltungsverfahren auf. Während sich etwa für wirtschaftliche Belange fast immer Individuen mit anerkannten Eigeninteressen finden,51 fehlen diese in Umwelt­ angelegenheiten in der Regel.52 Im Gegensatz zur klassischen verwaltungsrecht­ lichen Konstellation mit einer Behörde auf der einen und einer abgrenzbaren Gruppe von Individuen mit teilweise gleichlaufenden oder widerstreitenden Interessen auf der anderen Seite

47

J. Krüper, Gemeinwohl im Prozess, 2009, S. 255; ähnlich M. Ruffert, Subjektive Rechte im Umweltrecht der Europäischen Gemeinschaft, 1996, S. 5; R.  Sparwasser, Gerichtlicher Rechtsschutz im Umweltrecht, in: Dolde (Hrsg.), Umweltrecht im Wandel, 2001, S. 1017 (1021 f.). 48 S. dazu nur M. Ruffert, Subjektive Rechte im Umweltrecht der Europäischen Gemeinschaft, 1996, S. 5 ff.; S. Albin, Die Vollzugskontrolle des europäischen Umweltrechts, 1999, S. 73; B. Wegener, Rechte des Einzelnen, 1998, S. 17 ff.; U. Giera, Individualrechte im europäischen Umweltrecht, 2015, S. 32 ff.; E. Rehbinder / H.-G. Burgbacher / R . Knieper, Bürgerklage im Umweltrecht, 1972, S. 15 ff. Freilich ist darauf hinzuweisen, dass systematische Auswertungen der Existenz eines Vollzugsdefizits weitestgehend fehlen. S. dazu J. Krüper, Gemeinwohl im Prozess, 2009, S. 256 f.; B. Wegener, Rechte des Einzelnen, 1998, S. 17. Kritisch W. Skouris, Verletztenklagen und Interessentenklagen, 1979, S. 245 f., der neben der mangelnden empirischen Grundlage für die Annahme von Vollzugsdefiziten bezweifelt, dass die Fehlerquote beim Vollzug des Umweltrechts höher liegt als bei anderen Materien. 49 M. Ruffert, Subjektive Rechte im Umweltrecht der Europäischen Gemeinschaft, 1996, S. 5. 50 E. Rehbinder, Das Vollzugsdefizit im Umweltrecht und das Umwelthaftungsrecht, 1996, S. 11 hält das Vollzugsdefizit für eine „vielschichtige, in seinen Ausmaßen und Ursachen umstrittene Erscheinung, für dessen Abbau es daher auch kein Allheilmittel gibt“. 51 Darüber hinaus sind Umweltschutzmaßnahmen rein betriebswirtschaftlich zunächst ein Verlustgeschäft, was motivationshemmend wirkt, s. dazu J. Krüper, Gemeinwohl im Prozess, 2009, S. 257; umfassend G. Lübbe-Wolff, Vollzugsprobleme der Umweltverwaltung, NuR 1993, 217 (218 f.). 52 R. Macrory, The Enforcement of Community Environmental Laws, CML Rev. 29 (1992), 347 (350); C. Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, 2001, S. 362 f.; ähnlich auch D. Murswiek, Freiheit und Freiwilligkeit im Umweltrecht, JZ 1988, 985 (986), der betont, dass die mit einer Erlaubnis zur Nutzung der Umwelt einhergehende Freiheitsbetätigung wiederum freiheitsbeschränkend für die von der Umweltnutzung Betroffenen wirkt; in diese Richtung auch A. Blankenagel, Klagefähige Rechtspositionen im Umweltrecht, Die Verwaltung 26 (1993), 1 (1 f.); U. Giera, Individualrechte im europäischen Umweltrecht, 2015, S. 33.

60

Teil 1: Rechtsschutzzugang und Behandlung von Allgemeininteressen „findet sich [für verletzte Umweltgüter] nicht ohne Weiteres ein originär Betroffener, dessen Interessenlage kongruent mit dem objektiven Interesse an der Wahrung der Rechtsordnung ist“53.

Als Folge lässt sich ein „fehlender Vollzugsdruck von außen“54 konstatieren. Die zu berücksichtigenden vielgestaltigen Individualinteressen sind auch geeignet, den Einsatz der Behörden für Umweltbelange zu hemmen. Dies zeichnet ein Gesamtbild „vollzugsungünstiger Motivationslagen“55. Neben diesem Hauptproblem lassen sich noch weitere Schwachstellen identi­ fizieren, die die Situation verschärfen.56 Umweltrechtliche Maßnahmen weisen eine hohe Komplexität auf, die auf die häufig mangelnde Vorhersehbarkeit der Auswirkungen einer Entscheidung auf die Umwelt zurückzuführen ist.57 Entscheidungen im Umweltrecht sind geprägt durch schwer zu überblickende Kausalverläufe, die den betroffenen Behörden die Entscheidungsfindung nicht gerade erleichtern. Umweltrechtliche Entscheidungen müssen häufig vor dem Hintergrund von Nichtwissen oder jedenfalls unsicherem Wissen getroffen werden.58 Dazu kommt auf normativer Ebene noch eine „gewisse Häufung von unbestimmten, jedenfalls neuartigen Rechtsbegriffen“59. Insgesamt lässt sich festhalten, dass der Vollzug des Umweltrechts durch die Konfrontation diffuser Partikularinteressen an der Erhaltung von Umweltgütern auf der einen Seite mit handfesten ökonomisch gesicherten Interessen an der Nutzung

53 J. Saurer, Neue Entwicklungen bei der Vollzugskontrolle im europäischen Umweltrecht, EurUP 2016, 78 (78); ähnlich, aber spezifisch aus der Perspektive des deutschen Verwaltungsrechts K. F.  Gärditz, Funktionswandel der Verwaltungsgerichtsbarkeit unter dem Einfluss des Unionsrechts, Gutachten D zum 71. Deutschen Juristentag, D 43; T. Groß, Konvergenzen des Verwaltungsrechtsschutzes in der Europäischen Union, Die Verwaltung 33 (2000), 415 (371 f.); K. Rennert, Funktionswandel der Verwaltungsgerichtsbarkeit?, DVBl 2015, 793 (795); allgemeiner L. Krämer, Focus on European Environmental Law, 1992, S. 209: „Environment legislation affects each one of us; but at the same time, no group has a vested interest in seeing environmental standards actually applied.“ In eine ähnliche Richtung auch E. Forsthoff, Der Staat der Industriegesellschaft, 1971, S. 26, der eine mangelnde Durchsetzungskraft des durch den Staat vertretenen allgemeinen Interesses gegenüber „partikularen Interessen“ beklagt. Grundlegend zu Überlegungen für Eigenrechte der Natur C. D.  Stone, Should Trees Have Standing, S. Cal. L. Rev. 45 (1972), 450 ff. 54 G. Lübbe-Wolff, Vollzugsprobleme der Umweltverwaltung, NuR 1993, 217 (228); s. auch E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband I, 2018, S. 62 f. 55 G. Lübbe-Wolff, Modernisierung des Umweltordnungsrechts, 1996, S. 7. 56 Zu möglichen weiteren Ursachen s. auch L. Krämer, Defizite im Vollzug des EG-Umweltrechts, in: Lübbe-Wolff (Hrsg.), Der Vollzug des europäischen Umweltrechts, 1996, S. 7 (28 ff.); U. Giera, Individualrechte im europäischen Umweltrecht, 2015, S. 33 f. 57 J. Saurer, Neue Entwicklungen bei der Vollzugskontrolle im europäischen Umweltrecht, EurUP 2016, 78 (78 f.). 58 S. zum Risiko als „ungewisse Möglichkeit“ O. Lepsius, Risikosteuerung durch Verwaltungsrecht, VVDStRL 63 (2004), 264 (277 ff.). 59 J.  Berkemann, Sinn und Funktionsgrenzen des Rechtsschutzes im Umweltrecht, in: Kloep­fer (Hrsg.), Rechtsschutz im Umweltrecht, 2014, S. 13 (15).

Kap. 2: Klagemodelle und Allgemeininteressen

61

der Umwelt auf der anderen Seite erschwert wird. Staatliche Stellen, die als „Sachwalter der Allgemeinheit“60 zur Verklammerung und Durchsetzung des gestreuten Partikularinteresses auf Erhaltung von Umweltgütern berufen sind, sehen sich nicht unerheblichen Hindernissen ausgesetzt. Diese können schon rein personellorganisatorisch begründet sein,61 jedoch auch normativ durch die Struktur umweltrechtlicher Vorschriften und faktisch durch die Ungewissheit der Auswirkungen getroffener Entscheidungen. Daraus resultierende Vollzugsdefizite führen zu einem „Verlust an Steuerungsfähigkeit für den Gesetzgeber und damit zu einer latenten Beeinträchtigung des Demokratieprinzips“62. Zwar konzentrieren sich die Darstellungen in der Regel auf den Vollzug des Umweltrechts durch die Mitgliedstaaten,63 die auch für den Großteil des Vollzuges des unionsrechtlichen Umweltrechts verantwortlich sind,64 jedoch lassen sich diese Erwägungen auch auf das Eigenverwaltungsrecht der Union übertragen.65 Die angestellten Erwägungen sind nicht spezifisch auf die Situation des mitgliedstaatlichen Vollzugs des Umweltrechts gemünzt, sondern betreffen ebenso die Vollzugstätigkeit durch Institutionen der Union.

B. Umweltbelange im Verletzten- und Interessentenklagemodell Verletzten- und Interessentenklagesystem behandeln Allgemeininteressen unterschiedlich. Dies soll hier am Beispiel von Umweltbelangen demonstriert werden. Dabei kommt es entscheidend auf den Umgang mit Nichtadressatenklagen an.

60

C. Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, 2001, S. 80; ähnlich E. Forsthoff, Der Staat der Industriegesellschaft, 1971, S. 26; A. K. Mangold, The Persistence of National Peculiarities, IJGLS 21 (2014), 223 (235); E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband I, 2018, S. 58. 61 S. G.  Lübbe-Wolff, Modernisierung des Umweltordnungsrechts, 1996, S. 5, 10 ff.; zur „knappen Ressource Vollzug“ auch C. Engel, Das Recht der Gemeinschaftsgüter, Die Verwaltung 30 (1997), 429 (465). 62 M. Beckmann, Funktionswandel der Verwaltungsgerichtsbarkeit unter dem Einfluss des Unionsrechts, Referat N zum 71. Deutschen Juristentag, N 83. 63 So etwa bei S. Albin, Die Vollzugskontrolle des europäischen Umweltrechts, 1999, S. 73 ff. Wird unionsrechtlich initiiertes Umweltrecht durch nationale Behörden vollzogen kommt dazu noch die allgemeine Problematik des wirkungsvollen Vollzugs des Unionsrechts. Hier wird deshalb auch von einem doppelt begründeten Vollzugsdefizit gesprochen, s. dazu M. Ruffert, Subjektive Rechte im Umweltrecht der Europäischen Gemeinschaft, 1996, S. 5 ff.; J. Saurer, Neue Entwicklungen bei der Vollzugskontrolle im europäischen Umweltrecht, EurUP 2016, 78 (78 ff.); allgemein zu Vollzugsproblemen des Unionsrechts durch mitgliedstaatliche Behörden W. Pühs, Der Vollzug von Gemeinschaftsrecht, 1997, S. 110 ff. 64 Dazu G. Winter, Kompetenzen der Europäischen Gemeinschaft im Verwaltungsvollzug, in: Lübbe-Wolff (Hrsg.), Der Vollzug des europäischen Umweltrechts, 1996, S. 107 ff. 65 S. dazu G. Lübbe-Wolff, Vollzugsprobleme der Umweltverwaltung, NuR 1993, 217 (228 f.); H. Kirchhoff, Individualrechtsschutz im Europäischen Gemeinschaftsrecht, 2005, S. 192; S. Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz, 2008, S. 530 f.

62

Teil 1: Rechtsschutzzugang und Behandlung von Allgemeininteressen

I. Umweltbelange in der deutschen Verletztenklage Die Problematik des Umgangs mit Umweltbelangen im Verletztenklagemodell soll hier am Beispiel des deutschen Verwaltungsrechtsschutzes erläutert werden. Die deutsche Verletztenklage trennt in verschiedene Interessensphären. Hintergrund ist die Ausrichtung des deutschen Verletztenklagesystems auf die Kontrolle der Verletzung subjektiver öffentlicher Rechte. Doch gerade in Umweltangelegenheiten bereitet es Probleme, subjektive öffentliche Rechte festzustellen. Zum Auffinden subjektiver öffentlicher Rechte bedient sich das deutsche Verwaltungsprozessrecht eines Hilfsmittels, der Schutznormlehre. 1. Subjektives öffentliches Recht als Kristallisationspunkt Dem Rechtsschutz im deutschen Verwaltungsrecht wird gemeinhin eine „Systementscheidung für den Individualrechtsschutz“66 nachgesagt. Diese Ausrichtung auf den Individualrechtsschutz war zwar in der Entwicklung des deutschen Verwaltungsrechtsschutzes nicht von vornherein vorgezeichnet,67 ist aber spätestens mit der Geltung von Art. 19 Abs. 4 GG konstitutiv.68 Nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG muss der Rechtsweg in Fällen einer Verletzung eigener Rechte eröffnet sein. Der Rechtsschutz im deutschen Verwaltungsrecht dient damit dem Schutz der subjekti 66

E.  Schmidt-Aßmann, in: Herzog u. a. (Hrsg.), Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 GG (Juli 2014) Rn. 8; ebenso R.  Wahl, in: Schoch u. a. (Hrsg.), VwGO, VwGO vor § 42 Abs. 2 (Grundwerk) Rn. 2; K. F.  Gärditz, Funktionswandel der Verwaltungsgerichtsbarkeit unter dem Einfluss des Unionsrechts, Gutachten D zum 71. Deutschen Juristentag, D 9; C. Franzius, Modernisierung des subjektiven öffentlichen Rechts, UPR 2016, 281 (281); K. Rennert, Funktionswandel der Verwaltungsgerichtsbarkeit unter dem Einfluss des Unionsrechts, Referat N zum 71. Deutschen Juristentag, N 129; s. auch BVerwGE 147, 312 (Rn. 18). 67 S. dazu schon oben unter Teil 1. Kapitel 1. C. I. (S. 43 ff). Ausführlich zum Widerstreit der je nach Terminologie so genannten preußischen und württembergischen bzw. nord- und süddeutschen Modelle W. Krebs, Subjektiver Rechtsschutz und objektive Rechtskontrolle, in: Erichsen u. a. (Hrsg.), FS Menger, 1985, S. 191 (195 ff.); S. Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz, 2008, S. 32 ff.; G. Sydow, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit des ausgehenden 19. Jahrhunderts, 2000, S. 220 ff.; C.-F. Menger, System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, 1954, S. 17 ff.; O. Bühler, Die subjektiven öffentlichen Rechte, 1914, S. 261 ff.; J. Masing, Die Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, 1997, S. 80 ff.; W. Brohm, Zum Funktionswandel der Verwaltungsgerichtsbarkeit, NJW 1984, 8 (8 f.); A. Gaillet, Der Einzelne gegen den Staat, Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Germanistische Abteilung 129 (2012), 109 (142). Noch O. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Erster Band, 1969, S. 124 ging davon aus, die Verwaltungsrechtspflege könne „dem objektiven Rechte dienen, der aufrechtzuerhaltenden Rechtsordnung, und dadurch mittelbar den durch diese geschützten Interessen, die nicht notwendig die bestimmte Form von subjektiven Rechte an sich tragen“. 68 M. Breuer, Die Klagebefugnis von Umweltverbänden unter Anpassungsdruck des Völker- und Europarechts, Die Verwaltung 45 (2012), 171 (186); F. Schoch, Verwaltungsgerichtsbarkeit, quo vadis?, VBlBW 2013, 361 (364); C. D. Classen, Europäisierung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1996, S. 10. Das Bundesverwaltungsgericht legte sich schon früh fest, s. BVerwGE 1, 159 (161 f.).

Kap. 2: Klagemodelle und Allgemeininteressen

63

ven Rechte von Individuen.69 Vermittelt durch das subjektive öffentliche Recht fokussiert der deutsche Verwaltungsrechtsschutz auf die Sicherung der individuellen Selbstbestimmung der Einzelnen.70 Die Bedeutung von Art. 19 Abs. 4 GG weist dabei über die Ausgestaltung des verwaltungsgerichtlichen Zugangs hinaus und bildet den Kern für die Konstruktion der gesamten verwaltungsrechtlichen Dogmatik.71 Diese fundamentale Weichenstellung des deutschen Verwaltungsprozessrechts wird im einfachen Recht von § 42 Abs. 2 VwGO aufgegriffen und ausgestaltet.72 Die Bedeutung der möglichen Rechtsverletzung erschöpft sich nicht in der Eröffnung des verwaltungsgerichtlichen Zugangs. Vielmehr spiegelt sich das Erfordernis in den Begründetheitsanforderungen von § 113 Abs. 1 VwGO für die Anfechtungsklage und § 113 Abs. 5 VwGO für die Verpflichtungsklage wider.73 Das subjektive öffentliche Recht nimmt damit eine zentrale Stellung im verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz in Deutschland ein. Zu einer „Systementscheidung“, verstanden als Integration von Einzellösungen in einen Gesamtkontext,74 wird diese Ausrichtung auf das subjektive öffentliche Recht dadurch, dass das Kriterium der Klagebefugnis aus § 42 Abs. 2 VwGO, das nach Wortlaut und Stellung nur auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklage bezogen ist, auf die anderen Klagearten der Verwaltungsgerichtsordnung in Form einer Analogie ausgeweitet wird.75 Dies ist zwar nicht überzeugend,76 verdeutlicht jedoch die herausgehobene Stellung, die das subjektive Recht im deutschen Verwaltungs 69

E. Schmidt-Aßmann, in: Herzog u. a. (Hrsg.), Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 GG (Juli 2014) Rn. 8. 70 D. Steiger, Entgrenzte Gerichte?, VerwArch 107 (2016), 497 (504) unter Rückgriff auf die Abgrenzung individueller und kollektiver Selbstbestimmung bei C. Möllers. S. dazu etwa C. Möllers, Die drei Gewalten, 2008, S. 71 ff.; C. Möllers, Individuelle Legitimation, in: Geis u. a. (Hrsg.), Der Aufstieg der Legitimitätspolitik, 2012, S. 398 ff. 71 K. F. Gärditz, Funktionswandel der Verwaltungsgerichtsbarkeit unter dem Einfluss des Unionsrechts, Gutachten D zum 71. Deutschen Juristentag, D 10. 72 R. Wahl, in: Schoch u. a. (Hrsg.), VwGO, VwGO vor § 42 Abs. 2 (Grundwerk) Rn. 1; ähnlich F. Schoch, Verwaltungsgerichtsbarkeit, quo vadis?, VBlBW 2013, 361 (364); A. I. Scharl, Die Schutznormlehre, 2018, S. 26 ff. 73 Dazu etwa C. D. Classen, Europäisierung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1996, S. 39; A. Guckelberger, Deutsches Verwaltungsprozessrecht unter unionsrechtlichem Anpassungsdruck, 2017, S. 207 ff. 74 R. Wahl, in: Schoch u. a. (Hrsg.), VwGO, VwGO vor § 42 Abs. 2 (Grundwerk) Rn. 4. 75 Dazu R. Wahl / P. Schütz, in: Schoch u. a. (Hrsg.), VwGO, VwGO § 42 Abs. 2 (Grundwerk) Rn. 4, 21 ff.; A. I. Scharl, Die Schutznormlehre, 2018, S. 28 f. S. auch BVerwGE 147, 312 (Rn. 18) wonach „in § 42 Abs. 2 VwGO […] ein allgemeines Strukturprinzip des Verwaltungsrechtsschutzes zum Ausdruck“ kommt. 76 Zu Recht weist W.  Durner, Reformbedarf in der Verwaltungsgerichtsordnung, NVwZ 2015, 841 (843) darauf hin, dass die Existenz von § 47 Abs. 2 VwGO, der positiv eine Klagebefugnis für Normenkontrollanträge Privater fordert, methodisch eher einen Umkehrschluss nahelegt. Vor diesem Hintergrund lässt sich jedenfalls die erforderliche Planwidrigkeit der Regelungslücke in Zweifel ziehen. Ebenfalls kritisch H.-W.  Laubinger, Feststellungsklage und Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO), VerwArch 82 (1991), 459, der den Umgang mit dem Instrument der Analogie als „etwas gar zu sorglos“ moniert.

64

Teil 1: Rechtsschutzzugang und Behandlung von Allgemeininteressen

rechtsschutz einnimmt. Das deutsche Verwaltungsprozessrecht transportiert das subjektive öffentliche Recht in den verwaltungsgerichtlichen Kontext.77 2. Schutznormtheorie und Umweltbelange Mit der zentralen Stellung des subjektiven öffentlichen Rechts im Verletztenklagesystem ist jedoch noch nichts darüber gesagt, wann ein solches vorliegt. Die Klagbarkeit ist keine Voraussetzung für ein subjektives Recht, sondern vielmehr dessen Folge.78 Daran ändert auch Art. 19 Abs. 4 GG nichts, der ebenfalls keine subjektiven Rechte begründet, sondern ihr Bestehen voraussetzt.79 Rechtsschutz dient der Durchsetzung von Rechten, nicht deren Begründung.80 Ausgehend von dem Gedanken des status negativus als grundsätzlich gewährtem Freiheitsbereich der Einzelnen kann jedenfalls immer dann vom Bestehen eines subjektiven Rechts ausgegangen werden, wenn Einzelne Adressaten eines hoheitlichen Ge- oder Verbots sind.81 Für das Grundgesetz wurde diese Vorstellung durch das Elfes-Urteil aktualisiert, in dem das Bundesverfassungsgericht Art. 2 Abs. 1 GG als Gewährleistung einer umfassenden Freiheitsgarantie anerkannte.82 Dies bewirkt, dass der Adressat eines belastenden Verwaltungshandelns immer eine potenzielle Verletzung seiner allgemeinen Handlungsfreiheit rügen kann.83 Typisch ist die Konstellation, dass sich Adressaten mit Verweis auf ihre Wirtschaftsrechte gegen Maßnahmen des Umweltrechts zur Wehr setzen. Diese Fälle verlaufen in den gängigen dogmatischen Bahnen. Schwierigkeiten treten jedoch in 77 D. Steiger, Entgrenzte Gerichte?, VerwArch 107 (2016), 497 (504), der von einem „Transmissionsriemen“ spricht. Zur Funktion der Durchsetzung subjektiver Rechte im deutschen Verfahrensrecht P. Reimer, Verfahrenstheorie, 2015, S. 193 ff. 78 A. Funke, Perspektiven subjektiv-rechtlicher Analyse im öffentlichen Recht, JZ 2015, 369 (369); O. Bachof, Reflexwirkungen und subjektive Rechte im öffentlichen Recht, in: Bachof u. a. (Hrsg.), GS Jellinek, 1955, S. 287 (300). 79 A. Scherzberg, Grundlagen und Typologie des subjektiv-öffentlichen Rechts, DVBl 1988, 129 (132); O.  Bachof, Reflexwirkungen und subjektive Rechte im öffentlichen Recht, in: Bachof u. a. (Hrsg.), GS Jellinek, 1955, S. 287 (300); E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband I, 2018, S. 82; H. Jarass, Drittschutz im Umweltrecht, in: Leßmann u. a. (Hrsg.), FS Lukes, 1989, S. 57 (68). 80 A.  Funke, Perspektiven subjektiv-rechtlicher Analyse im öffentlichen Recht, JZ 2015, 369 (369); R. Alexy, Theorie der Grundrechte, 2015, S. 166 f.; so schon G. Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, 2. Aufl., 1905, S. 349 ff. 81 Der Gedanke des status negativus geht auf G. Jellinek zurück, der formulierte: „Alle Freiheit ist einfach Freiheit von gesetzwidrigem Zwange.“ (G. Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, 2. Aufl., 1905, S. 103). Die Übertragung ins einfache Recht wurde, unter Betonung des Prinzips der Gesetzmäßigkeit maßgeblich von O. Bühler geleistet, s. O. Bühler, Die subjektiven öffentlichen Rechte, 1914, S. 87, 224. Zum Ganzen U. Ramsauer, Wohin treibt das subjektive öffentliche Recht?, in: Ewer u. a. (Hrsg.), FS Koch, 2014, S. 145 (146 ff.). S. dazu noch unten unter Teil 1. Kapitel 2. B. I. 3. b) dd) (S. 81 ff.). 82 S. BVerfGE 6, 32 (Leitsatz 4). 83 S. nur K. F. Gärditz, in: Gärditz (Hrsg.), VwGO, 2. Aufl. 2018, § 42 Rn. 76.

Kap. 2: Klagemodelle und Allgemeininteressen

65

Dreieckskonstellationen auf. Beispielhaft seien hier Fälle genannt, in denen Einzelne den Staat in Umweltangelegenheiten auf ein bestimmtes Handeln verpflich­ ten wollen oder gegen Nutzungen der Umwelt bzw. umweltschädigendes Verhalten vorgehen möchten. In diesen Fällen bereitet die Herleitung subjektiver Rechte Probleme, weshalb es eines Hilfsmittels bedarf. In der deutschen Verwaltungsrechtsdogmatik ist dies die Schutznormlehre.84 Ihr Anwendungsfeld sind gerade die Fälle, in denen das Vorliegen eines subjektiven öffentlichen Rechts nicht ohne weiteres offensichtlich ist.85 Bei der Schutznormlehre handelt es sich um eine „Sammelbezeichnung für einen Kanon von Methoden und Regeln, nach denen der subjektiv-rechtliche Gehalt eines Rechtssatzes erschlossen werden soll“86. Nach der Standarddefinition der Schutznormlehre besitzt eine subjektive Rechtsposition –  und damit eine Klagebefugnis –, wer „die Verletzung einer Vorschrift rügt, die nicht nur im Allgemeininteresse besteht, sondern zumindest auch den Schutz seiner Individualinteressen bezweckt“87. Unmittelbar subsumtionsfähig ist diese Definition nicht. Ein Aspekt sticht jedoch hervor: Die Schutznormlehre ist auf die strikte Trennung von Individual- und Allgemeininteressen bzw. eines privaten Freiheitsraums und eines öffentlichen Bereichs ausgelegt; sie verfolgt ein „dualistisches Konzept“88 getrennter Interessensphären.89 Die binäre Codierung von Interessenpositionen durch die Schutznormlehre erweist sich in vielen Fällen als problematisch.90 Dies gilt insbesondere für Sach­ verhalte mit Umweltbezug.91 Als Beispiel kann das deutsche Naturschutzrecht die 84

Die heutige Schutznormlehre beruht wesentlich auf der Arbeit von O. Bühler, s. O. Bühler, Die subjektiven öffentlichen Rechte, 1914, S. 21. Dazu H. Bauer, Geschichtliche Grundlagen der Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht, 1986, S. 80 ff. 85 E. Schulev-Steindl, Subjektive Rechte, 2008, S. 74; E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband I, 2018, S. 52 f.; J.  Held, Umweltrechtliche Verfahrensfehler im Lichte der neuesten Rechtsprechung, DVBl 2016, 12 (13). 86 E.  Schmidt-Aßmann, in: Herzog u. a. (Hrsg.), Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 GG (Juli 2014) Rn. 128; ähnlich J. Krüper, Gemeinwohl im Prozess, 2009, S. 129. Der Begriff der Schutznormtheorie ist deshalb etwas zu hoch gegriffen, wie J. Pietzcker, Die Schutznormlehre, in: Depenheuer u. a. (Hrsg.), FS Isensee, 2007, S. 577 (577) zu Recht feststellt. 87 So formuliert bei U. Storost, Zur Ableitbarkeit von Individualrechten aus EU-Richtlinien zum Umweltschutz, in: Ewer u. a. (Hrsg.), FS Koch, 2014, S. 167 (167); ähnlich C. D. Classen, Europäisierung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1996, S. 40. 88 E. Schmidt-Aßmann, „Gemeinwohl im Prozess“, in: Anderheiden u. a. (Hrsg.), GS Brugger, 2013, S. 411 (412); ähnlich K. Rennert, Verwaltungsrechtsschutz auf dem Prüfstand, DVBl 2017, 69 (70). 89 S. K.  Rennert, Funktionswandel der Verwaltungsgerichtsbarkeit unter dem Einfluss des Unionsrechts, Referat N zum 71. Deutschen Juristentag, N 129; E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband I, 2018, S. 46; A. I. Scharl, Die Schutznormlehre, 2018, S. 31, 84. 90 S. dazu schon oben unter Teil 1. Kapitel 2. A. (S. 55 ff.). 91 Dazu B. Wegener, Rechte des Einzelnen, 1998, S. 100 ff.; F. Ekardt, Information, Partizipation, Rechtsschutz, 2010, S. 176; früh zu diesem Punkt schon C. Sailer, Subjektives Recht und Umweltschutz, DVBl 1976, 521 ff.

66

Teil 1: Rechtsschutzzugang und Behandlung von Allgemeininteressen

nen: Nach den Kategorien der Schutznormlehre liegt dessen Einhaltung lediglich im öffentlichen Interesse.92 Niemand kann etwa aus individuellem Interesse die Durchsetzung von Habitats- oder Artenschutzvorschriften einfordern. Der Erhalt bestimmter Habitate oder Arten liegt (lediglich) im allgemeinen Interesse.93 Nach den Kriterien der Schutznormlehre sind wirtschaftliche Individualinteressen an der Nutzung von Naturräumen dagegen zweifellos klagbar. Solche Interessen wissen etwa die Berufsfreiheit aus Art. 12 GG auf ihrer Seite. Die Verwaltung ist natürlich trotz allem auch zur Beachtung von Allgemeininteressen dienenden Gesetzen verpflichtet. Konturieren sich jedoch „konkrete Gegeninteressen, insbesondere wirtschaftliche oder regionalpolitische Interessen […], verliert der Gesetzesbefehl schnell an Wirkkraft“94. Es entsteht ein Ungleichgewicht zwischen Umweltnutzern und Dritten, deren Anliegen der Umweltschutz ist oder diesen jedenfalls reflexhaft bedingt.95 Der Umwelt fehlt ein Anwalt.96 Dazu tritt im deutschen Umweltrecht eine „Gefahr-Vorsorge-Dichotomie“97. Umweltrechtliche Vorschriften werden danach kategorisiert, ob sie entweder der Abwehr eines mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eintretenden Schadensereignisses oder nur der Eindämmung eines Risikos ohne greifbare Eintrittswahrschein-

92

M. Beckmann, Strukturprinzipien des deutschen Verwaltungsprozesses, Rechtstheorie 45 (2014), 141 (143); C. Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, 2001, S. 481; allgemein J. Held, Umweltrechtliche Verfahrensfehler im Lichte der neuesten Rechtsprechung, DVBl 2016, 12 (13); E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband I, 2018, S. 17 f. 93 K. Rennert, Funktionswandel der Verwaltungsgerichtsbarkeit?, DVBl 2015, 793 (795); s. auch R. Steinberg, Fortentwicklung des verwaltungsgerichtlichen Umweltschutzes, ZUR 1999, 126 (127). 94 I. Pernice, Umweltvölker- und europarechtliche Vorgaben zum Verbandsklagerecht und das System des deutschen Verwaltungsrechtsschutzes, JZ 2015, 967 (968). 95 A. Schwerdtfeger, Der deutsche Verwaltungsrechtsschutz unter dem Einfluss der ­Aarhus-​ Konvention, 2010, S. 96; A. Epiney / K. Sollberger, Zugang zu Gerichten und gerichtliche Kon­ trolle im Umweltrecht, 2002, S. 85; G. Lübbe-Wolff, Stand und Instrumente der Implementation des Umweltrechts in Deutschland, in: Lübbe-Wolff (Hrsg.), Der Vollzug des europäischen Umweltrechts, 1996, S. 77 (103); F. Schoch, Individualrechtsschutz im deutschen Umweltrecht unter dem Einfluß des Gemeinschaftsrechts, NVwZ 1999, 457 (458); E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband I, 2018, S. 64 ff., 79. 96 M.-J. Seibert, Verbandsklagen im Umweltrecht, NVwZ 2013, 1040 (1042) zitiert Generalanwältin E. Sharpston in der mündlichen Verhandlung des Trianel-Verfahrens (EuGH, Urt. v. 12.05.2011, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Rs. C-115/09, EU:C:2011:289, Slg. 2011 I-3673) mit den Worten: „Fish cannot walk into court.“ Aus der Perspektive des amerikanischen Rechtsystems dazu C. D. Stone, Should Trees Have Standing, S. Cal. L. Rev. 45 (1972), 450 (464 ff.). 97 F.  Ekardt, Verfassungs- und verwaltungsrechtliche Gründe für eine liberalere Klagebefugnis, Der Staat 44 (2005), 622 (623), der dieser Unterteilung kritisch gegenübersteht. Dazu auch E.  Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband I, 2018, S. 114 ff.; A. Vincze, Die Europäisierung der verwaltungsgerichtlichen Klagebefugnis, in: Fakultät für Vergleichende Staats- und Rechtswissenschaften der Andrássy Universität Budapest u. a. (Hrsg.), Jahrbuch für Vergleichende Staats- und Rechtswissenschaften  – 2014/2015, 2016, S. 55 (65).

Kap. 2: Klagemodelle und Allgemeininteressen

67

lichkeit dienen.98 In dieser Trennung offenbart sich der historische Ursprung des Umweltrechts im Ordnungsrecht,99 der dem modernen Umweltrecht jedoch nicht mehr gerecht wird.100 Während nach der traditionellen Schutznormdogmatik an der Abwehr einer konkreten Gefahr ein individuelles Interesse bestehen kann, liegt die Vorsorge lediglich im Allgemeininteresse.101 Denn im Angesicht einer Gefahr ist in der Regel die Betroffenheit eines konkret zurechenbaren Individualrechtsguts feststellbar, wogegen sich bei Vorsorgeanliegen wegen des unklaren Schadenseintritts nicht eindeutig sagen lässt, welche Personen betroffen sein werden.102 Dies führt zu einer weiteren Einschränkung der Klagerechte.103 Die erläuterten Stellschrauben illustrieren symptomatisch den Umgang des deutschen Verletztenklagemodells mit der Klagbarkeit von Allgemeinbelangen.104 In einem System, das pointiert auf den Schutz von Individualrechten ausgerichtet ist, werden allgemeine Interessen gegenüber Individualinteressen strukturell benachteiligt;105 die Geltendmachung von Individualbelangen ist ein „blinder Fleck“106. Konsequent angewendet führt das Modell der Schutznormlehre mit der Ausrichtung auf ein personales Substrat zu einem vollständigen Ausfall der gerichtlichen 98 A. Schwerdtfeger, Der deutsche Verwaltungsrechtsschutz unter dem Einfluss der Aarhus-Konvention, 2010, S. 70 f.; R.  Wahl / P.  Schütz, in: Schoch u. a. (Hrsg.), VwGO, VwGO § 42 Abs. 2 (Grundwerk) Rn. 151 ff. Beispielhaft lässt sich die Unterscheidung zwischen Gefahrenabwehr und Vorsorge vor allem im Immissionsschutzrecht nachvollziehen, s. dazu etwa BVerwGE 65, 313 (320); BVerwGE 119, 329 (332); G. Lübbe-Wolff, Sind die Grenzwerte der 17. BImSchV für krebserzeugende Stoffe drittschützend?, NuR 2000, 19 (21); A. Schwerdt­ feger, Der deutsche Verwaltungsrechtsschutz unter dem Einfluss der Aarhus-Konvention, 2010, S. 70 ff. Umfassend J. Krüper, Gemeinwohl im Prozess, 2009, S. 24 ff. 99 Das Ordnungsrecht ist freilich nur eine Wurzel des deutschen Umweltrechts. S. dazu E. Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 2006, S. 113 f. Rn. 6. Umfassend M. Kloepfer, Zur Geschichte des deutschen Umweltrechts, 1994. 100 M. Eifert, Umweltschutzrecht, in: Schoch (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 2018, Rn. 188. 101 F.  Ekardt, Verfassungs- und verwaltungsrechtliche Gründe für eine liberalere Klage­ befugnis, Der Staat 44 (2005), 622 (623); A. Schwerdtfeger, Der deutsche Verwaltungsrechtsschutz unter dem Einfluss der Aarhus-Konvention, 2010, S. 71. 102 Erläuternd K. F. Gärditz, in: Gärditz (Hrsg.), VwGO, 2. Aufl. 2018, § 42 Rn. 96 ff. 103 Kritisch M. Beckmann, Funktionswandel der Verwaltungsgerichtsbarkeit unter dem Einfluss des Unionsrechts, Referat N zum 71. Deutschen Juristentag, N 87 f. 104 Dazu auch G. Lübbe-Wolff, Stand und Instrumente der Implementation des Umweltrechts in Deutschland, in: Lübbe-Wolff (Hrsg.), Der Vollzug des europäischen Umweltrechts, 1996, S. 77 (103). Plastisch beschreibt Generalanwältin Sharpston, Schlussanträge v. 16.10.2010, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Rs.  C-115/09, EU:C:2010:773, Slg.  2011 I-3673, Rn. 77 den deutschen Verwaltungsrechtsschutz in Umweltfragen mit Blick auf die hohe Kontrolldichte bei restriktivem Gerichtszugang als „Ferrari mit verschlossenen Türen“. 105 L. Michael, Fordert § 61 BNatSchG eine neue Dogmatik der Verbandsklagen?, Die Verwaltung 37 (2004), 35 (39); G. Lübbe-Wolff, Europäisches und nationales Verfassungsrecht, VVDStRL 60 (2001), 246 (278 f.); H. H. von Arnim, Gemeinwohl und Gruppeninteressen, 1977, S. 303 ff. 106 A. K. Mangold / R . Wahl, Das europäisierte deutsche Rechtsschutzkonzept, Die Verwaltung 48 (2015), 1 (18): Daraus folge „im deutschen System ein Vakuum und gänzlicher Ausfall der Überprüfung objektiver Rechtmäßigkeit“.

68

Teil 1: Rechtsschutzzugang und Behandlung von Allgemeininteressen

Kontrolle im Umweltrecht.107 Wegen ihrer restriktiven Auswirkungen auf den Zugang zur Verwaltungsgerichtsbarkeit sieht sich die Schutznormtheorie vielfältiger Angriffe ausgesetzt.108 3. Anpassungsherausforderungen Zwei Entwicklungen tragen jedoch dazu bei, dass der deutsche Verwaltungsrechtsschutz nicht mehr uneingeschränkt an dem klassischen Ausschluss jeglicher Klagbarkeit von Allgemeininteressen festhält. Zum einen liegt dies an der zunehmenden Einführung von Verbandsrechtsbehelfen. Zum anderen bewirken externe Einflüsse – hier sei vor allem das Unionsrecht hervorgehoben – erhebliche Verschiebungen in der traditionellen Dogmatik. a) Verbandsklage Verbandsrechtsbehelfe stellen Verletztenklagesysteme wie den deutschen Verwaltungsrechtsschutz vor besondere Herausforderungen. Ausgehend vom Bedarf für Verbandsrechtsbehelfe soll im Folgenden die Diskussion zur verfassungsrecht­ lichen Zulässigkeit und die Einpassung in die Rechtsschutzdogmatik nachgezeichnet werden. aa) Bedarf für Verbandsrechtsbehelfe Für das Umweltrecht lässt sich – wie gesehen – eine Vielzahl von Vollzugsschwie­ rigkeiten feststellen.109 Die Durchsetzung des Umweltrechts ist dadurch häufig gehemmt. Dazu trägt auch die Engführung der Klagebefugnis in Umweltangelegen 107

J.  Pietzcker, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit als Kontrollinstanz, in: Schmidt-Aßmann / Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, 2001, S. 89 (101); K. F. Gärditz, Funktionswandel der Verwaltungsgerichtsbarkeit unter dem Einfluss des Unionsrechts, Gutachten D zum 71. Deutschen Juristentag, D 43; ähnlich F. Schoch, Individualrechtsschutz im deutschen Umweltrecht unter dem Einfluß des Gemeinschaftsrechts, NVwZ 1999, 457 (458); M. Sachs, Grundsatzfragen der Effektivität des Rechtsschutzes, in: Erbguth (Hrsg.), Effektiver Rechtsschutz im Umweltrecht?, 2005, S. 15 (27 f.). G. Lübbe-Wolff, Europäisches und nationales Verfassungsrecht, VVDStRL 60 (2001), 246 (278 f.) bedauert, dass daraus ein Bild des Bürgers als Querulant entstehe, der „die Justiz nicht für die Durchsetzung parlamentsbeschlossener Gesetze, sondern für persönliche Marotten zu instrumentalisieren“ versuche. 108 So etwa bei E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband I, 2018, S. 60 ff.; A. Blankenagel, Klagefähige Rechtspositionen im Umweltrecht, Die Verwaltung 26 (1993), 1 ff.; S. König, Drittschutz, 1993, S. 101 ff.; G. Oestreich, Individualrechtsschutz im Umweltrecht nach dem Inkrafttreten der Aarhus-Konvention und dem Erlass der Aarhus-Richtlinie, Die Verwaltung 39 (2006), 29 (33 f.). 109 S. dazu schon oben unter Teil 1. Kapitel 2. A. II. 2. (S. 59 ff.).

Kap. 2: Klagemodelle und Allgemeininteressen

69

heiten im deutschen Verletztenklagesystem bei. Die Fokussierung des deutschen Verwaltungsrechtsschutzes auf die Durchsetzung von subjektiven Rechten bewirkt, dass Allgemeininteressen von einer Klagbarkeit ausgenommen sind.110 Umwelt­ belange fallen damit aus dem Raster des deutschen Verwaltungsrechtsschutzes. Dadurch versagt auch die Doppelfunktionalität des subjektiven Rechtsschutzmodells in diesem Punkt: Zwar dient subjektiver Rechtsschutz mittelbar auch der Durchsetzung objektiven Rechts.111 Die reflexhafte Durchsetzung des objektiven Rechts ist jedoch von der subjektiven Durchsetzbarkeit abhängig. Die Akzessorietät des Rechtsschutzes von der Verletzung subjektiver Rechte führt dazu, dass bei einem Fehlen subjektiver Bezüge auch die Mitverwirklichung einer objektiven Rechtskontrolle ausfällt. Beispielhaft lässt sich hierfür auf das Naturschutzrecht verweisen.112 Daraus folgt, dass Verwaltungshandeln, das Allgemeinbelangen dient, einer Überprüfung durch die Verwaltungsgerichte faktisch entzogen ist.113 Als potenzielle Abhilfe wird in Deutschland seit den 1970er Jahren über die Einführung von Verbandsrechtsbehelfen diskutiert.114 Verbandsklagen sollen die offenen Flanken des Verletztenklagesystems bei der Behandlung von Allgemeininteressen schließen.115 Damit soll der Vollzugsproblematik des Umweltrechts begegnet werden.116 Dies reduziert die Abhängigkeit vom Vertrauen auf die Gesetzesbindung der Verwaltung durch das Hinzutreten der gerichtlichen Kontrolle durch die Verbandsklage.117 Zudem erfüllt die Verbandsklage eine demokratische Funktion, indem sie dem vom Gesetzgeber geschaffenen Recht zur Durchsetzung verhilft.118 Die Einführung von Verbandsrechtsbehelfen soll also eine Kontrolle 110

S. dazu oben unter Teil 1. Kapitel 2. B. I. 2. (S. 64 ff.). S. dazu oben unter Teil 1. Kapitel 1. C. II. 3. (S. 48 ff.). 112 S. dazu oben unter Teil 1. Kapitel 2. B. I. 2. (S. 64 ff.). 113 S. zusammenfassend zur Argumentation pro Verbandsklage H.-J. Koch, Die Verbandsklage im Umweltrecht, NVwZ 2007, 369 (370 ff.). 114 Dafür E. Rehbinder / H.-G. Burgbacher / R . Knieper, Bürgerklage im Umweltrecht, 1972, S. 45 f., 117 f., 152 f.; ablehnend G. Hammer, Bedenken gegen die Verbandsklage im öffentlichen Recht, GewArch 1978, 14 ff.; F. Weyreuther, Verwaltungskontrolle durch Verbände?, 1975, S. 89; skeptisch auch W.  Skouris, Verletztenklagen und Interessentenklagen, 1979, S. 245 ff. Eine Übersicht über die Argumentationslinien pro und contra Verbandsklage findet sich bei H.-J. Koch, Die Verbandsklage im Umweltrecht, NVwZ 2007, 369 (370 ff.). 115 Sachverständigenrat für Umweltfragen, Rechtsschutz für die Umwelt, 2005, Rn. 1. 116 R. Breuer, Entwicklungen des Rechtsschutzes im Umweltrecht, in: Franzius u. a. (Hrsg.), FS Kloepfer, 2013, S. 315 (328); S. Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz, 2008, S. 482 ff.; C. Franzius, Möglichkeiten und Grenzen der richterlichen Rechtsfortbildung zur Bestimmung der Klagebefugnis im Umweltrecht, DVBl 2014, 543 (548). 117 K. F. Gärditz, Funktionswandel der Verwaltungsgerichtsbarkeit unter dem Einfluss des Unionsrechts, Gutachten D zum 71. Deutschen Juristentag, D 44; S. Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz, 2008, S. 494; kritisch zu diesem Punkt dagegen W. Skouris, Verletztenklagen und Interessentenklagen, 1979, S. 246. 118 L. Michael, Fordert § 61 BNatSchG eine neue Dogmatik der Verbandsklagen?, Die Verwaltung 37 (2004), 35 (38 ff.); G. Lübbe-Wolff, Europäisches und nationales Verfassungsrecht, VVDStRL 60 (2001), 246 (279); vorsichtig C. Franzius, Möglichkeiten und Grenzen der richterlichen Rechtsfortbildung zur Bestimmung der Klagebefugnis im Umweltrecht, DVBl 2014, 111

70

Teil 1: Rechtsschutzzugang und Behandlung von Allgemeininteressen

von Verwaltungsentscheidungen im Allgemeininteresse ermöglichen, ohne die Grundausrichtung des deutschen Verletztenklagemodells zu ändern.119 bb) Verfassungsrechtliche Zulässigkeit In der grundlegenden Eigenschaft des Verbandsrechtsbehelfs als Instrument objektiver Rechtskontrolle liegt jedoch gleichzeitig auch seine verfassungsrechtliche Problematik. Denn die Entscheidung für das Modell des Individualrechtsschutzes ist mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG verfassungsrechtlich fundiert.120 Vor diesem Hintergrund wurde argumentiert, dass Verbandsrechtsbehelfe verfassungsrechtlich unzulässig seien, weil sie sich außerhalb des Individualschutzmodells bewegten.121 Diese Argumentation erliegt jedoch einem Missverständnis über Inhalt und Reichweite von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG. Vielmehr wirkt Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG nur als Mindestgarantie für die Verletztenklage, begrenzt den Gesetzgeber jedoch nicht auf subjektive Rechtsbehelfe.122 Anders gewendet fordert Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG lediglich, dass in allen Fällen potenzieller Verletzung subjektiver Rechte ein Rechtsbehelf existieren muss. Dies schließt jedoch nicht aus, dass daneben weitere Rechtsschutzoptionen bestehen. Die Grenze der Einführung alternativer Rechtsschutzelemente wie der Verbandsklage liegt in der Fähigkeit der deutschen Verwaltungsgerichtsbarkeit zum wirkungsvollen Schutz subjektiver Rechte: Die 543 (548 f.); T. Groß, Die Klagebefugnis als gesetzliches Regulativ des Kontrollzugangs, Die Verwaltung 43 (2010), 349 (370 f.). Dagegen befürchtet J. Ipsen, Gefahren für den Rechtsstaat?, NdsVBl 1999, 225 (227 f.) eine „Privatisierung des Gemeinwohls“. Dem tritt J. Krüper, Gemeinwohl im Prozess, 2009, S. 159 f. zu Recht entgegen, schließlich ist die Ausübung der Kontrolle durch die Gerichte von der Initiierung getrennt. S. zu diesem Punkt im Rahmen der Århus-Konvention noch ausführlich unten unter Teil 2. Kapitel 3. B. V. 2. (S. 127 ff.). 119 S. S. Schlacke, in: Gärditz (Hrsg.), VwGO, 2. Aufl. 2018, Nach § 42 VwGO Überindividueller Rechtsschutz im Verwaltungsprozess Rn. 1. 120 S. dazu oben unter Teil 1. Kapitel 2. B. I. 1. (S. 62 ff.). 121 F. Weyreuther, Verwaltungskontrolle durch Verbände?, 1975, S. 82 ff.; G. Hammer, Bedenken gegen die Verbandsklage im öffentlichen Recht, GewArch 1978, 14 (14 f.). 122 M. Breuer, Die Klagebefugnis von Umweltverbänden unter Anpassungsdruck des Völker- und Europarechts, Die Verwaltung 45 (2012), 171 (186); K. F. Gärditz, Funktionswandel der Verwaltungsgerichtsbarkeit unter dem Einfluss des Unionsrechts, Gutachten D zum 71. Deutschen Juristentag, D 42; S. Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz, 2008, S. 61; C. Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, 2001, S. 531; W. Skouris, Verletztenklagen und Interessentenklagen, 1979, S. 248; L. Michael, Fordert § 61 BNatSchG eine neue Dogmatik der Verbandsklagen?, Die Verwaltung 37 (2004), 35 (37); F. Ekardt, Information, Partizipation, Rechtsschutz, 2010, S. 201; A. Vincze, Die Europäisierung der verwaltungsgerichtlichen Klagebefugnis, in: Fakultät für Vergleichende Staats- und Rechtswissenschaften der Andrássy Universität Budapest u. a. (Hrsg.), Jahrbuch für Vergleichende Staats- und Rechtswissenschaften – 2014/2015, 2016, S. 55 (62); S. Pernice-Warnke, Die Europäisierung des Verwaltungsprozessrechts, in: Broemel u. a. (Hrsg.), Prozessrecht in nationaler, europäischer und globaler Perspektive, 2017, S. 289 (302); E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband I, 2018, S. 95 f.; dagegen F. Weyreuther, Verwaltungskontrolle durch Verbände?, 1975, S. 67 ff.; R. Scholz, Individualer oder kollektiver Rechtsschutz?, ZG 2003, 248 (263).

Kap. 2: Klagemodelle und Allgemeininteressen

71

Einführung objektiver Rechtsschutzmöglichkeiten darf wegen der Grundsatzentscheidung in Art. 19 Abs. 4 GG nicht zu einer Schlechterstellung des Individualrechtsschutzes führen.123 Mit E. Schmidt-Aßmann lässt sich daher festhalten: „Der Individualrechtsschutz des Art. 19 Abs. 4 GG kann durch andere Gerichtsverfahren wohl faktisch entlastet, aber nicht rechtlich substituiert werden.“124

„Überindividueller Rechtsschutz“125 ist daher als Ergänzung zum von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gewährleisteten Individualrechtsschutz möglich, bleibt in seiner Grundrichtung jedoch systemfremd.126 cc) Dogmatische Anbindung im Verwaltungsprozessrecht In das deutsche Verwaltungsprozessrecht fügen sich Elemente objektiver Rechtskontrolle wie etwa Verbandsrechtsbehelfe friktionsfrei ein: Auf Grundlage der Öffnungsklausel in § 42 Abs. 2 Alt. 1 VwGO kann der Gesetzgeber auch Klagerechte einführen, die auf eine objektive Rechtskontrolle gerichtet sind.127 Diese Klagerechte stehen neben dem durch § 42 Abs. 2 Alt. 2 VwGO vermittelten subjektiven Rechtsschutz, ersetzten diesen jedoch nicht und ändern auch nicht die grundsätzliche Ausrichtung des deutschen Verwaltungsrechtsschutzes. § 42 Abs. 2 VwGO gewährleistet damit den von Art. 19 Abs. 4 GG geforderten Individualrechtsschutz, ermöglicht dem Gesetzgeber durch die Öffnungsklausel jedoch auch die Einfüh-

123 W. Durner, SUP-pflichtige Fachpläne in der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle, EurUP 2018, 142 (156); P. M. Huber, Die verfassungsrechtliche Prägung des Verwaltungsrechtsschutzes, in: Sommermann / Schaffarzik (Hrsg.), Handbuch der Geschichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit, 2019, S. 1771 (1788). 124 E. Schmidt-Aßmann, in: Herzog u. a. (Hrsg.), Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 GG (Juli 2014) Rn. 9 [Hervorhebung im Original]. 125 So die Terminologie von S. Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz, 2008. 126 S. L. Michael, Fordert § 61 BNatSchG eine neue Dogmatik der Verbandsklagen?, Die Verwaltung 37 (2004), 35 (43); C. Steinbeiß-Winkelmann, Europäisierung des Verwaltungsrechtsschutzes, NJW 2010, 1233 (1238); F. Fellenberg / G. Schiller, in: Beckmann u. a. (Hrsg.), Landmann / Rohmer, Umweltrecht, UmwRG vor § 1 (April 2018) Rn. 3 ff.; ähnlich P. M. Huber, Die verfassungsrechtliche Prägung des Verwaltungsrechtsschutzes, in: Sommermann / Schaffarzik (Hrsg.), Handbuch der Geschichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit, 2019, S. 1771 (1787). Nach W. Durner, Reformbedarf in der Verwaltungsgerichtsordnung, NVwZ 2015, 841 (843 f.) existiert damit „neben dem traditionell vorherrschenden System des Individualrechtsschutzes ein weiteres System überindividueller Klagerechte. 127 K. F.  Gärditz, Funktionswandel der Verwaltungsgerichtsbarkeit unter dem Einfluss des Unionsrechts, Gutachten D zum 71. Deutschen Juristentag, D 42; M. Breuer, Die Klage­ befugnis von Umweltverbänden unter Anpassungsdruck des Völker- und Europarechts, Die Verwaltung 45 (2012), 171 (186); E.  Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband I, 2018, S. 87 f.; E. Schmidt-Aßmann, Kohärenz und Konsistenz des Verwaltungsrechtsschutzes, 2015, S. 22; S. Schlacke, Zur fortschreitenden Europäisierung des (Umwelt-)Rechtsschutzes, NVwZ 2014, 11 (16). S. zur Einordnung auch P. Reimer, Verfahrenstheorie, 2015, S. 464 f.

72

Teil 1: Rechtsschutzzugang und Behandlung von Allgemeininteressen

rung alternativer Kontrollelemente. Auf Bundesebene mündete diese Diskussion im Jahr 2002 in der Einführung der naturschutzrechtlichen Verbandsklage in § 64 BNatSchG.128 b) Einfluss des Unionsrechts Die Wirkungen des Unionsrechts auf die deutsche Rechtsordnung haben auch vor dem Verwaltungsrecht nicht Halt gemacht.129 Inzwischen ist der Einfluss des Unionsrechts auch auf das Verwaltungsverfahrens- und Verwaltungsprozessrecht unbestritten, obwohl die Union in diesem Bereich eigentlich kaum Kompetenzen besitzt.130 Tradierte Gewissheiten sind dadurch ins Wanken geraten. Das Unionsrecht unterwirft Interessenpositionen einem Deutungswandel. Dieser Deutungswandel betrifft sowohl das Verfahrensrecht als auch das materielle Recht. aa) Grundsätze und Mobilisierungswirkung Die Durchsetzung des Unionsrechts ist, wie sich aus Art. 291 Abs. 1 AEUV ergibt, in weiten Teilen Aufgabe der Mitgliedstaaten.131 Für die Union ist es daher wesentlich, dass die mitgliedstaatlichen Verwaltungen und Gerichte das Unionsrecht effektiv umsetzen. Dazu sind die Mitgliedstaaten schon durch das Gebot der loyalen Zusammenarbeit aus Art. 4 Abs. 3 EUV verpflichtet.132 In der Frage, wie sie dem Unionsrecht zur Durchsetzung verhelfen, sind die Mitgliedstaaten grundsätzlich frei. Das Unionsrecht gewährt ihnen Verfahrensautonomie.133 Diese unterliegt jedoch nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Einschränkung durch die Grundsätze der Äquivalenz und Effektivität: Die Durchsetzung des Unionsrechts muss durch gleichwertige Regeln erfolgen wie der Vollzug des nationalen

128

Im Landesrecht lassen sich dagegen schon Ende der 1970er Jahre entsprechende Verbandsrechtsbehelfe nachweisen, s. T. Siegel, Europäisierung des Öffentlichen Rechts, 2012, Rn. 446. Als Überblick zur Geschichte der Verbandsklage im deutschen Umweltrecht S. Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz, 2008, S. 162 ff. 129 Dabei wurde anfangs noch konstatiert, dass das Verwaltungsrecht weitgehend resistent gegenüber außerstaatlich induzierten Veränderungen sei, s. U.  Scheuner, Der Einfluß des französischen Verwaltungsrechts auf die deutsche Rechtsentwicklung, DÖV 1963, 714 (714). 130 Dazu A. K. Mangold / R . Wahl, Das europäisierte deutsche Rechtsschutzkonzept, Die Verwaltung 48 (2015), 1 (5 f.). 131 S. nur M. Ruffert, in: Calliess / Ruffert (Hrsg.), EUV / A EUV, 5. Aufl. 2016, Art. 291 AEUV Rn. 2. 132 R. Streinz, in: Streinz (Hrsg.), EUV / A EUV, 3. Aufl. 2018, Art. 4 EUV Rn. 32; C. Calliess / W. Kahl / A . Puttler, in: Calliess / Ruffert (Hrsg.), EUV / A EUV, 5. Aufl. 2016, Art. 4 EUV Rn. 35. 133 Dazu umfassend M. Ludwigs, Die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten, NVwZ 2018, 1417 (1419 ff.).

Kap. 2: Klagemodelle und Allgemeininteressen

73

Rechts (Äquivalenz); diese Regeln müssen zudem eine wirksame Verwirklichung des Unionsrechts sicherstellen (Effektivität).134 Der Gerichtshof hat in seiner Rechtsprechung jedoch schon früh noch weitergehende Maßnahmen zur Vollzugskontrolle des Unionsrechts ergriffen. Besondere Bedeutung entfaltet dabei seine Rechtsprechung zum Verhältnis der Einzelnen zum Unionsrecht.135 Im wegweisenden Urteil van Gend hat der Gerichtshof deutlich gemacht, dass das Unionsrecht nicht nur die Mitgliedstaaten betrifft, sondern unmittelbar die Einzelnen.136 Dies ermöglicht es den Einzelnen, sich vor mitgliedstaatlichen Gerichten unmittelbar auf Unionsrecht zu berufen. Zusammen mit der Rechtsprechung im Urteil Costa / E . N. E. L., wonach sich das Unionsrecht im Falle einer Normkollision gegenüber dem mitgliedstaatlichen Recht durchsetzt,137 stärkte der Gerichtshof damit die Position des Unionsrechts gegenüber dem mitgliedstaatlichen Recht. Als Begründung für die unmittelbare Anwendbarkeit des Unionsrechts führte der Gerichtshof im Urteil van Gend die „Wachsamkeit der an der Wahrung ihrer Rechte interessierten Einzelnen“138 an. Die unmittelbare Anwendbarkeit des Unionsrechts besitzt damit zwei Elemente, den Schutz der Rechte Einzelner sowie die Sicherung der Effektivität des Unionsrechts.139 Diese beiden Elemente stehen gleichberechtigt nebeneinander, ihre Verwirklichung ist nicht trennbar. Werden die Einzelnen aktiv und bemühen sich neben der Kommission oder den Mitgliedstaaten um die Durchsetzung des Unionsrechts,140 effektivieren sie mit ihren eigenen Unionsrechtspositionen auch das Unionsrecht als solches. Dieses Phänomen wurde von J. Masing als Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts beschrieben.141 J. Masing geht jedoch noch einen Schritt weiter und spricht pointiert 134

S. nur EuGH, Urt. v. 08.03.2011, Lesoochranárske zoskupenie, Rs.  C-240/09, EU:C:​ 2011:125, Slg.  2011 I-1285, Rn. 48; EuGH, Urt. v. 07.01.2004, Wells, Rs.  C-201/02, EU:C:​ 2004:12, Slg. 2004 I-723, Rn. 67. Dazu T. Jaeger, Gerichtsorganisation und EU-Recht, EuR 2018, 611 (617 f.); C. D. Classen, in: Grabitz u. a. (Hrsg.), EUV / A EUV, Art. 197 AEUV (Januar 2015) Rn. 23 f.; A. Epiney, Primär- und Sekundärrechtsschutz im Öffentlichen Recht, VVDStRL 61 (2001), 362 (390 f.). 135 S. dazu auch G. Oestreich, Individualrechtsschutz im Umweltrecht nach dem Inkrafttreten der Aarhus-Konvention und dem Erlass der Aarhus-Richtlinie, Die Verwaltung 39 (2006), 29 (45 ff.). 136 EuGH, Urt. v. 05.02.1963, Van Gend en Loos / Administratie der Belastingen Rs. 26/62, EU:C:1963:1, Slg. 1963, 3 (25). 137 EuGH, Urt. v. 15.07.1963, Costa / E. N. E. L., Rs.  6/64, EU:C:1964:66, Slg.  1964, 1141 (1270 f.). 138 EuGH, Urt. v. 05.02.1963, Van Gend en Loos / Administratie der Belastingen Rs. 26/62, EU:C:1963:1, Slg. 1963, 3 (26). 139 S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 58. 140 So EuGH, Urt. v. 05.02.1963, Van Gend en Loos / Administratie der Belastingen Rs. 26/62, EU:C:1963:1, Slg. 1963, 3 (26). 141 J. Masing, Die Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, 1997, S. 13 spricht davon, dass durch die „Verleihung individueller Befugnisse […] die Bürger dazu befähigt [werden], vor den staatlichen Behörden und Gerichten unmittelbar auf die Beachtung

74

Teil 1: Rechtsschutzzugang und Behandlung von Allgemeininteressen

von einer „Instrumentalisierung der Gemeinschaftsbürger“142, bei der die Durchsetzung ihrer Rechtspositionen nur eine untergeordnete Rolle spiele. Dies hat ihm die Kritik eingebracht, dass die Einzelnen so zu willfährigen Handlangern der Union degradiert würden.143 Jedoch schließen sich beide Sichtweisen nicht aus; vielmehr bedingen sich das Durchsetzungsinteresse der Union und die Rechte der Einzelnen gegenseitig. Eine Verengung des Blicks auf nur eine dieser beiden Seiten derselben Medaille vermag die Entwicklung dagegen nicht in Gänze zu erfassen. Aus der Sicht der Einzelnen geht es vornehmlich um die Durchsetzung ihrer eigenen Rechtsposition; übergeordnete Aspekte der Durchsetzung des (objektiven) Unionsrechts dürften für sie nicht handlungsleitend sein. Aus der Sicht der Union steht dagegen die richtige Anwendung des Unionsrechts im Zentrum. Dazu kommt das rechtsstaatliche Interesse an der Wahrung der Rechtspositionen der Einzelnen. Insgesamt ergibt sich damit das Bild, dass die Durchsetzung von Rechtspositionen der Einzelnen zwar ein Hebel für die Effektivitätssicherung des Unionsrechts darstellt, die Rechtspositionen jedoch ebenso als Eigenwert durch die Union geschützt sind. Die „dezentrale Rechtsanwendungskontrolle“144 steht gleichberechtigt neben den Rechtspositionen der Einzelnen. Darin liegt gerade die Stärke dieses Ansatzes. Zwischen den Interessen der Union und denen der Einzelnen besteht kein Nullsummenspiel. Vielmehr profitieren beide, die Unionsrechtsordnung durch ihre Effektivierung und die Einzelnen durch die Möglichkeit der wirksamen Durchsetzung ihrer Interessen. Die Gerichte spielen für die Durchsetzung des Unionsrechts durch die Einzelnen eine wesentliche Rolle. Denn die Gerichte eröffnen den Einzelnen die Möglichkeit, das Unionsrecht gegenüber der mitgliedstaatlichen Verwaltung geltend zu machen. Dazu muss das Unionsrecht den Einzelnen durchsetzungsfähige Rechtspositionen vermitteln. Im deutschen Verletztenklagesystem bedeutet dies, wie gesehen, subjektive öffentliche Rechte, die sich durch einen Schutz von Individualinteressen auszeichnen. Die Mobilisierungswirkung des Unionsrechts bei der Ausweitung von Klagebefugnissen setzt genau hier an: Das Unionsrecht fasst den Schutz von Individualinteressen weiter als das deutsche Verwaltungsrecht.145 Dadurch übernimmt des europäischen Rechts zu pochen, um so dessen Umsetzungsschwächen und Vollzugsdefizite zu mindern“. Die Einzelnen seien „wirkmächtige Anwälte und Vollstrecker der gemeinschaftlichen Interessen bei der Durchsetzung des Rechts“. S. allgemein die Einordnung bei C. Waldhoff, Staat und Zwang, 2008, S. 34 ff. 142 J. Masing, Die Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, 1997, S. 50. 143 Kritisch etwa M. Nettesheim, Subjektive Rechte im Unionsrecht, AöR 132 (2007), 333 (388 f.), der konstatiert, „dass die öffentliche Aufgabe der Sicherung des Rechts mit dem Ziel des einzelnen an der Durchsetzung seiner Interessen parallel laufen kann“ und „Individualrechtspositionen […] multifunktional“ seien. Ähnlich K. F. Gärditz, Funktionswandel der Verwaltungsgerichtsbarkeit unter dem Einfluss des Unionsrechts, Gutachten D zum 71. Deutschen Juristentag, D 22. 144 M. Ruffert, Subjektive Rechte im Umweltrecht der Europäischen Gemeinschaft, 1996, S. 162. 145 S. dazu S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 385 f.

Kap. 2: Klagemodelle und Allgemeininteressen

75

das Unionsrecht innerhalb seines Anwendungsbereichs in der Sache die Entscheidung darüber, was eine Schutznorm ist.146 Folge ist eine Ausweitung durchsetzbarer Rechtspositionen für die Einzelnen in vom Unionsrecht erfassten Bereichen. Die unterschiedlichen Wertungen von Unionsrecht und deutschem Verwaltungsrecht sollen im Folgenden anhand zweier Beispiele nachvollzogen werden. bb) Materiellrechtlicher Ansatzpunkt Während die deutsche Schutznormtheorie eine Trennung der Interessensphären von Allgemeinheit und Einzelnen vornimmt, kann im Unionsrecht „ein rechtlich geschütztes Interesse des Einzelnen auch dann vorliegen […], wenn beliebig viele Personen in gleicher Weise betroffen sind“147. Damit verfährt das Unionsrecht großzügiger bei der Zuerkennung durchsetzungsfähiger Individualinteressen als die deutsche Schutznormlehre.148 Eine strenge Trennung in Interessensphären existiert im Unionsrecht also nicht.149 Vielmehr reicht die „Typisierung von Interessen einer Gesamtheit“150, ohne dass diese auf konkrete Individualinteressen zurückgeführt werden müssten. Im Unionsrecht steht damit weniger der Schutz bestimmter, abgegrenzter Interessen im Vordergrund als vielmehr der Schutz personaler Rechtsgüter.151

146 S. A. K. Mangold / R . Wahl, Das europäisierte deutsche Rechtsschutzkonzept, Die Verwaltung 48 (2015), 1 (7, 26 ff.). 147 A.  Epiney, Gemeinschaftsrecht und Verbandsklage, NVwZ 1999, 485 (487). S. auch J.  Saurer, Neue Entwicklungen bei der Vollzugskontrolle im europäischen Umweltrecht, ­EurUP 2016, 78 (80); ähnlich S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, 1999, S. 370 f. 148 S. D. Steiger, Entgrenzte Gerichte?, VerwArch 107 (2016), 497 (512 f.); A. Schwerdtfeger, Der deutsche Verwaltungsrechtsschutz unter dem Einfluss der Aarhus-Konvention, 2010, S. 184 f. 149 B.  Wegener, Vollzugskontrolle durch Klagerechte vor mitgliedstaatlichen Gerichten, in: Lübbe-Wolff (Hrsg.), Der Vollzug des europäischen Umweltrechts, 1996, S. 145 (160 f.); M. Reiling, Zu individuellen Rechten im deutschen und im Gemeinschaftsrecht, 2004, S. 407; J.  Greim, Rechtsschutz bei Verfahrensfehlern im Umweltrecht, 2013, S. 152; E.  Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband II, 2018, S. 876 f.; C. Calliess, Feinstaub im Rechtsschutz deutscher Verwaltungsgerichte, NVwZ 2006, 1 (3). 150 F. Schoch, Individualrechtsschutz im deutschen Umweltrecht unter dem Einfluß des Gemeinschaftsrechts, NVwZ 1999, 457 (464); ebenso T. von Danwitz, Europäisches Verwaltungsrecht, 2008, S. 514. 151 M. Nettesheim, Subjektive Rechte im Unionsrecht, AöR 132 (2007), 333 (358 f.); F. Schoch, Gerichtliche Verwaltungskontrollen, in: Hoffmann-Riem u. a. (Hrsg.), GVwR III, 2013, § 50, Rn. 155; E. Schmidt-Aßmann, Verwaltungsrechtliche Dogmatik, 2013, S. 113; M. Ludwigs, Die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten, NVwZ 2018, 1417 (1421); K. F. Gärditz, Europäisierter Umweltrechtsschutz als Laboratorium des Verwaltungsprozessrechts, EurUP 2015, 196 (208); E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband II, 2018, S. 879 ff. D. Couzinet, Die Schutznormtheorie in Zeiten des Feinstaubs, DVBl 2008, 754 (761) geht davon aus, dass nach den Maßstäben des Unionsrechts „auch der Schutz von Allgemeininteressen ausreichen kann, sofern nur zugleich auch der Rechtskreis des Einzelnen berührt ist“.

76

Teil 1: Rechtsschutzzugang und Behandlung von Allgemeininteressen

Daher genügt es, wenn Individuen so durch den Schutzzweck einer Vorschrift erfasst werden, dass daraus ein Interesse an deren Einhaltung resultiert.152 Dies lässt sich anhand des Gesundheitsschutzes illustrieren. Im Fall Janecek befasste sich der Gerichtshof mit Bestimmungen einer Richtlinie zur Luftreinhaltung. Inhaltlich ging es in dem Verfahren um die Frage, ob Einzelne das Aufstellen von Aktionsplänen zur Luftreinhaltung verlangen können.153 Zur Beantwortung dieser Frage stützt sich der Gerichtshof maßgeblich auf die Ziele der Richtlinie. Der Gerichtshof ist der Ansicht, „dass die Betroffenen in allen Fällen, in denen die Nichtbeachtung der Maßnahmen, die in Richtlinien über die Qualität der Luft und des Trinkwassers zum Zweck des Schutzes der öffentlichen Gesundheit vorgegeben werden, die Gesundheit von Personen gefährden könnte, in der Lage sein müssen, sich auf die in diesen Richtlinien enthaltenen zwingenden Vorschriften zu berufen […]. Daraus folgt, dass natürliche oder juristische Personen, die unmittelbar von der Gefahr einer Überschreitung der Grenzwerte oder der Alarmschwellen betroffen sind, bei den zuständigen Behörden  – gegebenenfalls unter Anrufung der zuständigen Gerichte  – erwirken können müssen, dass beim Vorliegen einer solchen Gefahr ein Aktionsplan erstellt wird.“154

Aus den Ausführungen des Gerichtshofs ergibt sich, dass alleine das Ziel des Gesundheitsschutzes in der Richtlinie zur Ableitung von Rechten für die Einzelnen ausreicht.155 Das Interesse der Einzelnen muss also normativ angeknüpft sein.156 Dafür reicht jedoch schon eine „pauschalierte Interessen- und Interessentenbeschreibung“157 aus. Zwar handelt es sich bei der Gesundheit prinzipiell um ein Schutzgut mit personalem Substrat, für die Anerkennung als unionsrechtlich begründetes Recht reicht jedoch „sein Schutz als Allgemeininteresse und damit der Schutz des Interesses eines potenziell unbegrenzten Personenkreises“158. Anders als das deutsche Recht trennt das Unionsrecht damit nicht zwischen dem Schutz von Einzelnen als Teil der Allgemeinheit und dem Schutz von aus der Allgemeinheit besonders hervorgehobenen Einzelnen.159 Über die normative Anknüpfbarkeit des 152

E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband II, 2018, S. 878, 918 f. S. EuGH, Urt. v. 25.07.2008, Janecek, Rs. C-237/07, EU:C:2008:447, Slg. 2008 I-6221, Rn. 2. 154 EuGH, Urt. v. 25.07.2008, Janecek, Rs.  C-237/07, EU:C:2008:447, Slg.  2008 I-6221, Rn. 38 f. S. in diesem Zusammenhang auch EuGH, Urt. v. 07.01.2004, Wells, Rs. C-201/02, EU:C:2004:12, Slg. 2004 I-723, Rn. 57 ff., in dem der Gerichtshof der Klägerin eine Berufung auf die UVP-Richtlinie zugestand. 155 S. BVerwGE 147, 312 (Rn. 41). 156 A.  Epiney, Primär- und Sekundärrechtsschutz im Öffentlichen Recht, VVDStRL 61 (2001), 362 (397) bezeichnet das als „normative Interessentenklage“. 157 C. Calliess, Feinstaub im Rechtsschutz deutscher Verwaltungsgerichte, NVwZ 2006, 1 (3). 158 A. Schwerdtfeger, Der deutsche Verwaltungsrechtsschutz unter dem Einfluss der Aarhus-​ Konvention, 2010, S. 185. 159 G. Oestreich, Individualrechtsschutz im Umweltrecht nach dem Inkrafttreten der Aarhus-​ Konvention und dem Erlass der Aarhus-Richtlinie, Die Verwaltung 39 (2006), 29 (52); ähnlich A. Epiney / K. Sollberger, Zugang zu Gerichten und gerichtliche Kontrolle im Umweltrecht, 2002, S. 368. 153

Kap. 2: Klagemodelle und Allgemeininteressen

77

Interesses hinaus genügt für ein durchsetzbares Recht eine faktische Betroffenheit der Einzelnen.160 Dies bedeutet hier die Feststellung einer tatsächlichen Gesundheitsgefahr.161 Auf die nach traditioneller deutscher Dogmatik für die Aufstellung von Plänen wohl notwendige Abgrenzung zwischen Gefahr und Vorsorge162 kommt es nach der Konzeption des Gerichtshofs nicht an.163 Der Schutz des Gemeinwohls –  Gesundheit der Bevölkerung  – ist damit als Bündelung des Schutzes der Rechtsgüter Einzelner – persönliche Gesundheit jedes Einzelnen – zu verstehen.164 Dies kommt der in der deutschen Dogmatik bekannten Figur der aggregierten Interessen nahe.165 Bei der Aggregation werden ursprünglich individuelle Interessen gebündelt, was im deutschen Recht jedoch einen qualitativen Umschwung ins öffentliche Interesse nach sich zieht.166 Aggregierten Interessen fehlt es nach traditionellem deutschen Verständnis an dem Individualinteressen kennzeichnenden personalen Substrat, weshalb sie nicht einklagbar sind.167 Das deutsche Recht wertet in diesem Punkt also genau gegensätzlich zum europäischen. Im Ergebnis ergibt sich damit folgendes Bild: Im Gegensatz zur deutschen Verwaltungsrechtsdogmatik liegt dem Unionsrecht keine Trennung von öffentlichen und privaten Rechten zugrunde.168 Es reicht vielmehr, dass eine Norm überhaupt einen Individualbezug aufweist,169 der etwa durch typisierende Betrachtung hergestellt werden kann. Für die Individualisierung legt das Unionsrecht geringere 160 A.  Epiney, Primär- und Sekundärrechtsschutz im Öffentlichen Recht, VVDStRL 61 (2001), 362 (405 ff.); C. Steinbeiß-Winkelmann, Europäisierung des Verwaltungsrechtsschutzes, NJW 2010, 1233 (1235). 161 A. Schwerdtfeger, Der deutsche Verwaltungsrechtsschutz unter dem Einfluss der Aarhus-Konvention, 2010, S. 179. 162 S. zur Abgrenzung von Gefahr und Vorsorge oben unter Teil 1. Kapitel 2. B. I. 2. (S. 64 ff.). 163 S. K. F. Gärditz, Funktionswandel der Verwaltungsgerichtsbarkeit unter dem Einfluss des Unionsrechts, Gutachten D zum 71. Deutschen Juristentag, D 24; C. Calliess, Feinstaub im Rechtsschutz deutscher Verwaltungsgerichte, NVwZ 2006, 1; A. Schwerdtfeger, Der deutsche Verwaltungsrechtsschutz unter dem Einfluss der Aarhus-Konvention, 2010, S. 178 f.; G. Oest­ reich, Individualrechtsschutz im Umweltrecht nach dem Inkrafttreten der Aarhus-Konvention und dem Erlass der Aarhus-Richtlinie, Die Verwaltung 39 (2006), 29 (52 ff.). 164 S. A.  Schwerdtfeger, Der deutsche Verwaltungsrechtsschutz unter dem Einfluss der ­Aarhus-Konvention, 2010, S. 185. 165 F. Schoch, Gerichtliche Verwaltungskontrollen, in: Hoffmann-Riem u. a. (Hrsg.), GVwR III, 2013, § 50, Rn. 160; F. Schoch, Verwaltungsgerichtsbarkeit, quo vadis?, VBlBW 2013, 361 (365). 166 R. Wahl, in: Schoch u. a. (Hrsg.), VwGO, VwGO vor § 42 Abs. 2 (Grundwerk) Rn. 56 f.; M. Reiling, Zu individuellen Rechten im deutschen und im Gemeinschaftsrecht, 2004, S. 201. 167 S. F.  Schoch, Gerichtliche Verwaltungskontrollen, in: Hoffmann-Riem u. a. (Hrsg.), GVwR III, 2013, § 50, Rn. 160; ähnlich M. Reiling, Zu individuellen Rechten im deutschen und im Gemeinschaftsrecht, 2004, S. 200; ebenso (mit abweichender Terminologie) G. Winter, Individualrechtsschutz im deutschen Umweltrecht unter dem Einfluß des Gemeinschaftsrechts, NVwZ 1999, 467 (470). 168 C. Franzius, Modernisierung des subjektiven öffentlichen Rechts, UPR 2016, 281 (288). 169 M. Reiling, Zu individuellen Rechten im deutschen und im Gemeinschaftsrecht, 2004, S. 389, 405.

78

Teil 1: Rechtsschutzzugang und Behandlung von Allgemeininteressen

Maßstäbe an und lässt eine faktische Betroffenheit der Einzelnen ausreichen.170 Betroffen ist danach – ohne Rücksicht auf eine mögliche Vielzahl anderer in der gleichen Situation –, wessen eigene Interessen (etwa: die eigene Gesundheit) tatsächlich nachteilig erfasst sind.171 Die Folge ist eine unionsrechtlich vermittelte quantitative Erweiterung klagefähiger Rechtspositionen.172 Die Schutznormtheorie wird unionsrechtlich aufgeladen.173 Daneben zeigt die Entwicklung auch, dass die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten nicht sonderlich weit reicht.174 Als Grundsatz ist sie weitreichenden Relativierungen unterworfen. Dazu muss das Unionsrecht nicht einmal unmittelbar auf das Verfahrensrecht zugreifen. Vielmehr nimmt das Unionsrecht über das Vehikel des materiellen Rechts auch umfassenden Einfluss auf das Prozessrecht.175 Zwar mag etwa das Verwaltungsprozessrecht der Kompetenz der Mitgliedstaaten entspringen, jedoch bestimmt das Unionsrecht in seinem Anwendungsbereich durch die Definition subjektiver Rechte maßgeblich auch über den Zugang zu den Verwaltungsgerichten und damit über das Prozessrecht.176

170 EuGH, Urt. v. 25.07.2008, Janecek, Rs.  C-237/07, EU:C:2008:447, Slg.  2008 I-6221, Rn. 37 ff.; J. Ziekow, Europa und der deutsche Verwaltungsprozess, NVwZ 2010, 793 (794); D. Steiger, Entgrenzte Gerichte?, VerwArch 107 (2016), 497 (512); T. von Danwitz, Europäisches Verwaltungsrecht, 2008, S. 514; J. Kokott / C . Sobotta, Rechtsschutz im Umweltrecht, DVBl 2014, 132 (133). 171 G. Oestreich, Individualrechtsschutz im Umweltrecht nach dem Inkrafttreten der ­Aarhus-​ Konvention und dem Erlass der Aarhus-Richtlinie, Die Verwaltung 39 (2006), 29 (54); A. Epiney, Primär- und Sekundärrechtsschutz im Öffentlichen Recht, VVDStRL 61 (2001), 362 (405). 172 F. Schoch, Gerichtliche Verwaltungskontrollen, in: Hoffmann-Riem u. a. (Hrsg.), GVwR III, 2013, § 50, Rn. 155. 173 D. Ehlers, Die Europäisierung des Verwaltungsprozessrechts, DVBl 2004, 1441 (1445); T. Siegel, Europäisierung des Öffentlichen Rechts, 2012, S. 76 Rn. 219. G. Winter, Individualrechtsschutz im deutschen Umweltrecht unter dem Einfluß des Gemeinschaftsrechts, NVwZ 1999, 467 (470) spricht von einer „generalisierenden Schutznormtheorie“ im Unionsverwaltungsrecht. 174 Kritisch auch E. Hofmann, Der Abschied von der (ohnehin meist falsch verstandenen) Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten?, EuR 2016, 188 (196); zurückhaltender dagegen das Resümee von M. Ludwigs, Die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten, NVwZ 2018, 1417 (1422). Paradigmatisch ist in diesem Zusammenhang ebenso EuGH, Urt. v. 15.10.2015, Kommission / Deutschland, Rs. C-137/14, EU:C:2015:683, Rn. 28 ff., in dem der Gerichtshof über die Zulässigkeit der Beschränkung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle in § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO auf die Verletzung subjektiver öffentlicher Rechte entschied. 175 S. F. Schoch, Die Europäisierung des Verwaltungsprozessrechts, in: Schmidt-Aßmann u. a. (Hrsg.), FG BVerwG, 2003, S. 507 (518). 176 S. zu diesem Zusammenhang auch G. Oestreich, Individualrechtsschutz im Umweltrecht nach dem Inkrafttreten der Aarhus-Konvention und dem Erlass der Aarhus-Richtlinie, Die Verwaltung 39 (2006), 29 (46 f.).

Kap. 2: Klagemodelle und Allgemeininteressen

79

cc) Verfahrensrechtlicher Ansatzpunkt Ähnliches lässt sich auch für das Verfahrensrecht feststellen. Die deutsche Verwaltungsrechtsdogmatik geht davon aus, dass die richtige Durchführung des Verwaltungsverfahrens im öffentlichen Interesse liegt.177 Es kommt danach entscheidend auf das Verfahrensergebnis an, während das Verfahren dazu lediglich den Weg bereitet.178 Das Verfahrensrecht richtet sich nicht an die Einzelnen, sondern an die Behörde, die im Allgemeininteresse zu einem richtigen Verfahrensergebnis gelangen soll.179 Dem Verwaltungsverfahren wird damit eine rein „dienende Funktion“180 bescheinigt und dem materiellen Recht untergeordnet.181 Dies findet unter anderem Ausdruck in weitgehenden Heilungsmöglichkeiten182 und der teilweisen Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern in § 46 VwVfG183 sowie der Kausalitätsrechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts184.185 Fehler im Verwaltungsverfahren sind damit nur dann rügefähig, wenn gleichzeitig durch den Verfahrensfehler ein materielles subjektives Recht beeinträchtigt wurde.186 177

BVerwGE 44, 236 (240); A.  Guckelberger, Deutsches Verwaltungsprozessrecht unter unionsrechtlichem Anpassungsdruck, 2017, S. 158 f.; E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband I, 2018, S. 198. Damit fehlt es an einem subjektiven öffentlichen Recht, s. J. Greim, Das Urteil des EuGH in der Rechtssache Altrip, NuR 2014, 81 (84). 178 M.  Schmidt-Preuß, Gegenwart und Zukunft des Verfahrensrechts, NVwZ 2005, 489 (489 f.); umfassend A.-M. Schlecht, Die Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern im deutschen Umweltrecht, 2010, S. 70 ff. 179 S. M. Appel, Subjektivierung von UVP-Fehlern durch das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz?, NVwZ 2010, 473 (473): „Die meisten Verfahrensvorschriften schützen das Verfahren indes nicht um seiner selbst willen, sondern das hinter dem Verfahrensrecht stehende Ziel, der Behörde im öffentlichen Interesse den Weg zu einer ordnungsgemäßen Sachentscheidung zu ermöglichen.“ 180 BVerwGE 92, 254 (261); BVerwGE 105, 348 (354); E.  Schmidt-Aßmann, in: Herzog u. a. (Hrsg.), Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 GG (Juli 2014) Rn. 158; M. Schmidt-Preuß, Gegenwart und Zukunft des Verfahrensrechts, NVwZ 2005, 489 (490); E. Schmidt-Aßmann, Verwaltungsverfahren und Verwaltungskultur, NVwZ 2007, 40 (41); K.-P.  Dolde, Verwaltungsverfahren und Deregulierung, NVwZ 2006, 857 (858); M. Burgi, Die dienende Funktion des Verwaltungsverfahrens, DVBl 2011, 1317 (1317 f.); J. Greim, Das Urteil des EuGH in der Rechtssache Altrip, NuR 2014, 81 (84). 181 E. Schmidt-Aßmann, Verwaltungsverfahren und Verwaltungskultur, NVwZ 2007, 40 (41); F. Schoch, Die Europäisierung des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, 2000, S. 38; s. zum Ganzen ausführlich auch E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband I, 2018, S. 174 ff.; J. Greim, Rechtsschutz bei Verfahrensfehlern im Umweltrecht, 2013, S. 72 ff. 182 J. Greim, Rechtsschutz bei Verfahrensfehlern im Umweltrecht, 2013, S. 179 ff. 183 Dazu E. Schmidt-Aßmann, in: Herzog u. a. (Hrsg.), Maunz / Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 GG (Juli 2014) Rn. 158; A.-M. Schlecht, Die Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern im deutschen Umweltrecht, 2010, S. 37 ff.; M.  Ludwigs, Die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten, NVwZ 2018, 1417 (1418 f.). 184 S. etwa BVerwGE 130, 83 (Rn. 38) m. w. N. 185 Kritisch dazu A.-M. Schlecht, Die Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern im deutschen Umweltrecht, 2010, S. 80 f. 186 BVerwGE 44, 236 (240); BVerwGE 61, 256 (275); G. Oestreich, Individualrechtsschutz im Umweltrecht nach dem Inkrafttreten der Aarhus-Konvention und dem Erlass der Aarhus-​

80

Teil 1: Rechtsschutzzugang und Behandlung von Allgemeininteressen

Im Unionsrecht hat das Verwaltungsverfahren dagegen deutlich größeres Gewicht.187 Dem Unionsrecht kommt es weniger auf ein bestimmtes richtiges Ergebnis an, sondern vielmehr auf die Richtigkeit des Verfahrens selbst.188 Diese Überlegung wird auf das unionsrechtlich grundierte mitgliedstaatliche Verfahrensrecht übertragen: Das Verfahrensrecht tritt aus dem Schatten des materiellen Rechts und spendet den Ergebnissen des Verfahrens Legitimation.189 Für das Unionsrecht ist es zur eigenen Effektivitätssicherung deshalb konsequent, Verfahrenspositionen auch durch die Klagbarkeit vor mitgliedstaatlichen Gerichten zu stärken. Denn ohne die Einräumung einer Klagemöglichkeit „läge es letztlich im Belieben mitgliedstaatlicher Verwaltungen, ob sie die Regeln über Öffentlichkeitsbeteiligung einhalten oder nicht  – wo kein Kläger, da kein Gericht(surteil)“190. Aus diesem Grund verknüpft das Unionsrecht Verfahrensrechte mit personalen Rechtsgütern: Es ist gerade ein Merkmal unionsrechtlich veranlassten Umweltrechts, dass Verfahrensrechte Einzelnen zugeordnet und damit klagbar werden.191 Dazu gehören zum Beispiel Verfahrensvorschriften aus dem Bereich der Umweltverträglichkeitsprüfung, die dem Schutz der Gesundheit oder des Eigentums dienen.192 Dadurch Richtlinie, Die Verwaltung 39 (2006), 29 (33); J. Held, Umweltrechtliche Verfahrensfehler im Lichte der neuesten Rechtsprechung, DVBl 2016, 12 (14). Zu der Ausnahme für so genannte absolute Verfahrensrechte s. R.  Wahl / P.  Schütz, in: Schoch u. a. (Hrsg.), VwGO, VwGO § 42 Abs. 2 (Grundwerk) Rn. 73; A.  Schwerdtfeger, Der deutsche Verwaltungsrechtsschutz unter dem Einfluss der Aarhus-Konvention, 2010, S. 73 ff.; J. Greim, Das Urteil des EuGH in der Rechtssache Altrip, NuR 2014, 81 (84 f.); M. Appel, Subjektivierung von UVP-Fehlern durch das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz?, NVwZ 2010, 473 (473 f.); A.  Guckelberger, Deutsches Verwaltungsprozessrecht unter unionsrechtlichem Anpassungsdruck, 2017, S. 158 ff.; ­M.-J. ­Seibert, Die gerichtliche Kontrolle von Verfahrensvorschriften nach § 4 UmwRG, NVwZ 2019, 337 (337 f.). 187 J.  Greim, Rechtsschutz bei Verfahrensfehlern im Umweltrecht, 2013, S. 29 ff., 81 ff.; A.  Schwerdtfeger, Der deutsche Verwaltungsrechtsschutz unter dem Einfluss der Aarhus-​ Konvention, 2010, S. 93; D. Steiger, Entgrenzte Gerichte?, VerwArch 107 (2016), 497 (516); B. Wegener, Vollzugskontrolle durch Klagerechte vor mitgliedstaatlichen Gerichten, in: Lübbe-Wolff (Hrsg.), Der Vollzug des europäischen Umweltrechts, 1996, S. 145 (167 f.); s. auch A. Guckelberger, Deutsches Verwaltungsprozessrecht unter unionsrechtlichem Anpassungsdruck, 2017, S. 162 ff. 188 F. Schoch, Die Europäisierung des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, 2000, S. 38; R. Wahl, Das Verhältnis von Verwaltungsverfahren und Verwaltungsprozessrecht in europäischer Sicht, DVBl 2003, 1285 (1290). Zu den unterschiedlichen Leitbildern des Verfahrensrechts J. Saurer, Der Einzelne im europäischen Verwaltungsrecht, 2014, S. 318 ff. 189 S. Schlacke, Zur fortschreitenden Europäisierung des (Umwelt-)Rechtsschutzes, NVwZ 2014, 11 (17). 190 A. K. Mangold / R . Wahl, Das europäisierte deutsche Rechtsschutzkonzept, Die Verwaltung 48 (2015), 1 (11). 191 J. Saurer, Der Einzelne im europäischen Verwaltungsrecht, 2014, S. 335. S. EuGH, Urt. v. 28.02.1991, Kommission / Deutschland, Rs. C-131/88, EU:C:1991:87, Slg. 1991 I-825, Rn. 61: „Die Verfahrensbestimmungen der Richtlinie enthalten, um den wirksamen Schutz des Grundwassers zu gewährleisten, genaue und detaillierte Vorschriften, die Rechte und Pflichten des einzelnen begründen sollen.“ 192 EuGH, Urt. v. 07.01.2004, Wells, Rs. C-201/02, EU:C:2004:12, Slg. 2004 I-723, Rn. 57; K. F. Gärditz, Verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz im Umweltrecht, NVwZ 2014, 1 (3).

Kap. 2: Klagemodelle und Allgemeininteressen

81

werden Verfahrenspositionen für die Einzelnen durchsetzbar. Die Folge ist eine Prozeduralisierung des Rechts,193 die Ausdruck einer Akzentverschiebung ist: Der Schutz der Einzelnen wird durch ein richtiges Verfahren gewährleistet, nicht erst durch das Verfahrensergebnis.194 Der Bedeutungsgewinn des Verfahrensrechts ist damit ein Beispiel für zu erbringenden Anpassungsleistungen des deutschen Verwaltungsrechtsschutzes. dd) Funktionale Subjektivierung und status procuratoris Das Unionsrecht hat für eine Ausweitung der Klagerechte der Einzelnen in seinem Anwendungsbereich gesorgt.195 Diese Klagerechte werden den Einzelnen zur effektiven Durchsetzung des Unionrechts zuerkannt – sie dienen der Mobilisierung der Bürger für die Durchsetzung des Rechts.196 Dabei beschränken sich die durch das Unionrecht veranlassten Klagemöglichkeiten nicht auf Rechtspositionen, die nach der klassischen Dichotomie den Individualinteressen zugerechnet werden, sondern gehen darüber hinaus. Damit kommt es mit den Worten von M. Ruffert zu einer „funktionalen Subjektivierung“197 traditionell objektiven, dem Gemeinwohl verpflichteten Rechts. Die Zuerkennung klagbarer Rechtspositionen dient dem effet utile des Unionsrechts und soll Vollzugshemmnisse beseitigen.198 Dadurch verschwimmt auch die Abgrenzung zwischen Verletzten- und Interessentenklagemodell.199 Denn mit der großzügigen Anerkennung von Interessenpositionen 193 Zum Begriff M. Fehling, Eigenwert des Verfahrens im Verwaltungsrecht, VVDStRL 70 (2011), 278 ff.; C. Franzius, Aktuelle Probleme des Umweltrechtsschutzes, in: Franzius u. a. (Hrsg.), FS Kloepfer, 2013, S. 377 (386 f.); K. F. Gärditz, Funktionswandel der Verwaltungsgerichtsbarkeit unter dem Einfluss des Unionsrechts, Gutachten D zum 71. Deutschen Juristentag, D 83 ff. 194 K. F. Gärditz, Verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz im Umweltrecht, NVwZ 2014, 1 (3 f.): „Verfahrensrecht dient nicht schlicht der materiellen ‚Richtigkeit‘ der Verfahrensergebnisse, sondern stellt diese erst her; ein anderes Verfahren kann also zu anderen ‚richtigen‘ Ergebnissen führen.“ Ähnlich C. Franzius, Modernisierung des subjektiven öffentlichen Rechts, UPR 2016, 281 (286). 195 Dazu K. F. Gärditz, in: Gärditz (Hrsg.), VwGO, 2. Aufl. 2018, § 42 Rn. 70 ff. 196 S. J.  Masing, Die Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, 1997; J.  Masing, Der Rechtsstatus des Einzelnen im Verwaltungsrecht, in: Hoffmann-Riem u. a. (Hrsg.), GVwR I, 2012, § 7; E. Schmidt-Aßmann, Deutsches und europäisches Verwaltungsrecht, DVBl 1993, 924 (934); kritisch K. F. Gärditz, Funktionswandel der Verwaltungsgerichtsbarkeit unter dem Einfluss des Unionsrechts, Gutachten D zum 71. Deutschen Juristentag, D 25 ff.; M. Nettesheim, Subjektive Rechte im Unionsrecht, AöR 132 (2007), 333 (389). 197 M. Ruffert, Subjektive Rechte im Umweltrecht der Europäischen Gemeinschaft, 1996, S. 162 f., 220 ff. 198 M. Ruffert, Europäisiertes Allgemeines Verwaltungsrecht im Verwaltungsverbund, Die Verwaltung 41 (2008), 543 (561); F.  Schoch, Die Europäisierung des Verwaltungsprozessrechts, in: Schmidt-Aßmann u. a. (Hrsg.), FG BVerwG, 2003, S. 507 (517 f.). 199 S.  Schlacke, (Auf)Brüche des Öffentlichen Rechts, DVBl 2015, 929 (936); s. auch M. Hong, Subjektive Rechte und Schutznormtheorie im europäischen Verwaltungsrechtsraum, JZ 2012, 380 (382).

82

Teil 1: Rechtsschutzzugang und Behandlung von Allgemeininteressen

als subjektive Rechte kommt es zu einer weitgehenden Überschneidung mit der Interessentenklage. Die Entwicklung funktionaler subjektiver Rechte modifiziert das Verhältnis der Einzelnen zum Staat.200 Als besonders wirkmächtige Beschreibung der Dimensionen dieses Verhältnisses hat sich die Statuslehre G. Jellineks erwiesen, die die Beziehung von Einzelnen und Staat in einem Kanon von Status zusammenfasst. G. Jellinek unterscheidet vier Dimensionen:201 Neben dem Grundverhältnis einer Pflichtenstellung zum Staat (status subiectionis)202 wird den Einzelnen ein grundlegender Freiheitsbereich gegenüber hoheitlichen Eingriffen gewährt (status libertatis)203. Dazu kommt die Fähigkeit der Einzelnen, Leistungen vom Staat verlangen zu können (status civitatis)204 sowie an dessen politischer Gestaltung teilzuhaben (status activus)205. Funktionale Rechte in beschriebenem Sinne passen nicht in eine dieser klassischen Kategorien:206 Eine Zuordnung zum status libertatis (bzw. status negativus) scheidet aus, da sich funktionale subjektive Rechte nicht auf den Schutz der Freiheit der Einzelnen begrenzen lassen, sondern eine auf das Gemeinwohl gerichtete Stoßrichtung aufweisen.207 Es geht eben nicht um die berühmte Sicherung der „Freiheit von gesetzeswidrigem Zwange“208 im Sinne G. Jellineks, sondern um eine Indienstnahme der Einzelnen im Gemeinsinne, in gewisser Weise also einer Zusammenarbeit zwischen Einzelnen und Staat. Funktionale subjektive Rechte lassen sich aber auch nicht einfach unter den status activus fassen. Dies läge zwar nahe, da funktionale Rechte auch der Mitwirkung an der Gestaltung des Gemeinwesens dienen, würde jedoch über das Begriffsverständnis G. Jellineks hinausgehen, der unter den status activus vor allem politische Teil­ haberechte, wie etwa das Wahlrecht, fasst.209 Die Stellung der Einzelnen zum Staat wird durch die Zuerkennung funktionaler Rechte durch eine Facette erweitert: Bei den funktionalen Rechten handelt es sich um „gemeinbezogene Individual­

200 S. dazu T. Sheplyakova, Das Klagerecht und die Prozeduralisierung des Rechts, in: Sheplya­kova (Hrsg.), Prozeduralisierung des Rechts, 2018, S. 191 (212 ff.). 201 G.  Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, 2. Aufl., 1905, S. 87 f.; dazu J. Kersten, Georg Jellineks System. Eine Einleitung, in: Kersten (Hrsg.), System der subjektiven öffentlichen Rechte, 2011, S. *7 (*37 ff.); W. Brugger, Georg Jellineks Statuslehre: national und international, AöR 136 (2011), 1 (41). 202 G. Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, 2. Aufl., 1905, S. 84 ff., 197 ff. 203 G. Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, 2. Aufl., 1905, S. 94 ff. 204 G. Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, 2. Aufl., 1905, S. 114 ff. 205 G. Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, 2. Aufl., 1905, S. 136 ff. 206 Umfassend zur Einordnung J. Krüper, Gemeinwohl im Prozess, 2009, S. 314 ff. 207 J. Krüper, Gemeinwohl im Prozess, 2009, S. 314 f. 208 G. Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, 2. Aufl., 1905, S. 103. 209 G. Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, 2. Aufl., 1905, S. 87, 159; zu diesem Punkt J. Krüper, Neudefinition des „subjektiven öffentlichen Rechts“, in: Kloepfer (Hrsg.), Rechtsschutz im Umweltrecht, 2014, S. 163 (182); J. Masing, Die Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, 1997, S. 227 f.

Kap. 2: Klagemodelle und Allgemeininteressen

83

befugnisse oder […] prokuratorische Befugnisse“210. Sie bilden einen neuen Status, den status procuratoris211 bzw. status activus cooperationis212. c) Gemeinsamkeit: Zuweisung klagbarer Positionen durch den Gesetzgeber Sowohl die Einführung von Verbandsrechtsbehelfen als auch die Einwirkung des Unionsrechts stellen die deutsche Rechtsschutzdogmatik vor Anpassungsherausforderungen. Obwohl ihre Ausgangspunkte und ihre dogmatische Anknüpfung unterschiedlich sind, stehen beide Phänomene in einem übergreifenden Zusammenhang: Durch sie werden Positionen durchsetzbar, die nach traditioneller Dogmatik von einer Klagbarkeit ausgeschlossen wären. Zentrale Gemeinsamkeit beider Entwicklungen ist ihr Wirkmodus, der auf der ausdrücklichen Zuerkennung klagbarer Positionen durch den Gesetzgeber beruht.213 Deutlich wurde das für die Verbandsrechtsbehelfe. Verbände, die Umweltschutzbelange geltend machen, können nach traditioneller Dogmatik kein Klagerecht nachweisen. Ihnen fehlt das notwendige subjektive öffentliche Recht, da Bestimmungen etwa aus dem Naturschutzrecht der Allgemeinheit dienen und nicht dem Verband oder seinen Mitgliedern.214 Dass für anerkannte Verbände dennoch Naturschutzbestimmungen klagbar sind, folgt aus der Zuweisung eines entsprechenden Klagerechts durch den Gesetzgeber, in diesem Fall etwa § 64 BNatSchG. Darin liegt eine andere gesetzliche Bestimmung im Sinne von § 42 Abs. 2 Alt. 1 VwGO, die explizit nicht an eine Verletzung in eigenen Rechten anknüpft. Durch ausdrückliche Anordnung wird dem Verband ein Klagerecht zuteil, das ihm normalerweise verschlossen wäre. Der Gesetzgeber zieht damit den Verband als Helfer heran, um dem Umweltrecht zur Durchsetzung zu verhelfen. Gleiches gilt für die Entwicklung funktionaler Rechte im Unionsrecht: Im Anwendungsbereich des Unionsrechts ist es der Unionsgesetzgeber, der bestimmt, wer welche Positionen geltend machen kann. Die Verknüpfung von unmittelbarer An 210

J. Masing, Die Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, 1997, S. 226. J. Masing, Die Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, 1997, S. 225 ff.; E. Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 2006, S. 83 f. Rn. 74; K.-P. Sommermann, Entwicklungsperspektiven der Verwaltungsgerichtsbarkeit, in: Sommermann / Schaffarzik (Hrsg.), Handbuch der Geschichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit, 2019, S. 1991 (1997 f.). 212 J.  Krüper, Neudefinition des „subjektiven öffentlichen Rechts“, in: Kloepfer (Hrsg.), Rechtsschutz im Umweltrecht, 2014, S. 163 (182 f.) in Anknüpfung unter anderem an den status activus processualis bei P. Häberle, Grundrechte im Leistungsstaat, VVDStRL 30 (1972), 43 (86 ff.). 213 Zur zentralen Bedeutung von gesetzgeberischen Interessenzuweisungen schon J. Krüper, Gemeinwohl im Prozess, 2009, S. 138 ff.; M. Reiling, Zu individuellen Rechten im deutschen und im Gemeinschaftsrecht, 2004, S. 201 ff.; J. Saurer, Der Einzelne im europäischen Verwaltungsrecht, 2014, S. 74. 214 S. dazu schon oben unter Teil 1. Kapitel 2. B. I. 2. (S. 64 ff.). 211

84

Teil 1: Rechtsschutzzugang und Behandlung von Allgemeininteressen

wendbarkeit und Vorrang des Unionsrechts vermittelt dem Unionsgesetzgeber die Fähigkeit, eine solche Bestimmung auch entgegen etwaiger dogmatischer Linien des deutschen Verwaltungsrechts vorzunehmen. Dies gilt etwa für die angeführten Beispiele des Luftreinhalte- und des Verfahrensrechts. Ihre Klagbarkeit resultiert aus der Entscheidung des Unionsgesetzgebers, der damit für den Anwendungs­ bereich des Unionsrechts entgegenstehende Wertungen des deutschen Verwaltungsrechts überschreibt. Mit der Verleihung prokuratorischer Rechtspositionen zieht der Unionsgesetzgeber die Einzelnen als Helfer zur effektiven Durchsetzung des Unionsrechts heran. Damit verschiebt sich der Blickwinkel: Die Trennung von Interessensphären verliert ihre bestimmende Bedeutung für den Zugang zur verwaltungsgerichtlichen Durchsetzung. Für den traditionellen Ansatz der Schutznormlehre ist es von entscheidender Bedeutung, ob eine bestimmte Position entweder dem individuellen oder dem allgemeinen Interesse zugeordnet werden kann. Diese zentrale Stellung der Interessenqualifikation wird durch die jeweilige gesetzgeberische Zuordnungsentscheidung abgelöst. Hat sich der Gesetzgeber kraft seiner demokratischen Legitimation dazu entschieden, eine bestimmte Position klagbar zu machen, kommt es nicht mehr darauf an, ob die dahinter liegenden Interessen als individuell oder allgemein einzuordnen sind. Denn letztlich bestimmt der Gesetzgeber über die Trägerschaft von Interessenpositionen, die damit über solche mit erkennbarem persönlichem Substrat hinausgehen können,215 und verteilt damit die Rechtsmacht zu deren Durchsetzung. Ein durchsetzbares subjektives öffentliches Recht kann daher einerseits (traditionell) durch den Schutz personaler Rechtsgüter und Interessen begründet sein, andererseits aber auch durch gesetzgeberische Zuordnung anderer Belange.216 4. Ergebnis Das deutsche Verletztenklagesystem trennt subjektive Individualrechte und objektives Recht. Die deutsche Verwaltungsrechtsdogmatik operationalisiert diese Unterscheidung durch die Kategorisierung von Interessen in Individualinteressen auf der einen Seite und Allgemeininteressen auf der anderen Seite. Mit der restriktiven Schutznormtheorie fällt eine Geltendmachung von Umweltbelangen aus. Diese werden von der Schutznormtheorie als Allgemeininteressen klassifiziert und von der Klagbarkeit ausgenommen. Dagegen setzt das Unionsverwaltungsrecht auf den Schutz von Rechtsgütern und überwindet damit innerhalb seines Anwendungsbereichs die Restriktionen der Schutznormtheorie. Mit der Verbandsklage wurden im deutschen Verwaltungsrecht auch überindividuelle Klagemöglichkeiten zur Durchsetzung von Allgemeininte 215 216

S. J. Krüper, Gemeinwohl im Prozess, 2009, S. 138. E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband I, 2018, S. 48 f.

Kap. 2: Klagemodelle und Allgemeininteressen

85

ressen geschaffen. Die damit einhergehenden Anpassungsherausforderungen resultieren aus seiner Ausrichtung auf den Schutz von Individualrechten als Regel. Zwischen den Entwicklungen im Unionsverwaltungsrecht und der Verbandsklage besteht ein Zusammenhang, der in der Zuordnung klagbarer Positionen durch den Gesetzgeber liegt. In beiden Fällen dienen Klagerechte der Beseitigung von Vollzugsdefiziten. Diese klagefähigen Positionen sind das Ergebnis gesetzgeberischer Zuordnung in Form funktionaler Rechte oder Verbandsrechtsbehelfen. Einzelne und Verbände werden mit Klagerechten ausgestattet, ohne dass es auf die Trennung von Interessenpositionen in individuell oder allgemein ankäme. II. Umweltbelange in der französischen Interessentenklage Im Interessentenklagemodell müssen die Interessen nicht den Anforderungen subjektiver öffentlicher Rechte genügen. Damit geht auch ein Verzicht auf Hilfsmittel wie die Schutznormtheorie einher, die einen restriktiven Einfluss auf den Zugang zur Verwaltungsgerichtsbarkeit ausüben. Dies erleichtert die Geltendmachung von Umweltbelangen im Interessentenklagemodell. Als Referenz soll der französische Verwaltungsrechtsschutz dienen. 1. Intérêt pour agir durch Geltendmachung von Umweltbelangen Auch das Interessentenklagemodell gewährt keinen Zugang ex populo.217 Anders als bei der Verletztenklage genügt im Interessentenklagemodell jedoch die Darlegung eines Interesses an der Aufhebung des angegriffenen Rechtsaktes.218 Im französischen Verwaltungsrecht handelt es sich bei diesem Interesse um ein intérêt pour agir.219 Dessen Konturen unterliegen – wie der recours pour excès de pouvoir im Allgemeinen – weitgehend der Ausformung durch die Rechtsprechung, letztlich also durch den Conseil d’État.220 Im Gegensatz zum Verletztenklagemodell stellt die französische Interessentenklage lediglich niedrige Anforderungen an die Qualität der Klagebefugnis. So muss das Interesse im französischen recours pour excès de pouvoir nicht besonders qualifiziert sein, etwa als besonderes rechtliches Aufhebungsinteresse: Es 217

S. dazu schon oben unter Teil 1. Kapitel 1. A. (S. 33 ff.). Für Frankreich M. Fromont, Le système français de protection juridictionnelle du citoyen contre l’administration, in: Erichsen u. a. (Hrsg.), FS Menger, 1985, S. 887 (892). 219 J.  Raymond, En matière de défense de l’environnement, R. J. E. 16 (1991), 453 (454). S. dazu schon oben unter Teil 1. Kapitel 1. C. III. (S. 49 ff.). 220 J. Koch, Die Verfahrensarten im französischen Verwaltungsprozess, VerwArch 89 (1998), 560 (563); A. Epiney, Primär- und Sekundärrechtsschutz im Öffentlichen Recht, VVDStRL 61 (2001), 362 (372); S. Neidhardt, Nationale Rechtsinstitute als Bausteine europäischen Verwaltungsrechts, 2008, S. 52; J. Ziller, Verwaltungsgerichtsbarkeit in Frankreich, in: Bogdandy u. a. (Hrsg.), Handbuch IPE, 2019, § 130, Rn. 83. 218

86

Teil 1: Rechtsschutzzugang und Behandlung von Allgemeininteressen

reicht vielmehr ein einfaches Interesse an der Aufhebung, das auch immateriell bzw. ideell sein kann.221 Ein solches Interesse kann beispielsweise auch in der Bewahrung eines Landschaftsbildes liegen.222 Dies illustriert, wie weit das Interesse im französischen Interessentenklagesystem gefasst ist. Zusätzlich verlangt das französische Recht, dass das Interesse direct und person­ nel sein muss.223 Dies bedeutet insbesondere, dass der Kläger von dem angegriffenen Hoheitshandeln als Angehöriger einer bestimmbaren Gruppe betroffen sein muss.224 Zu einem solchen Kreis von Betroffenen gehört ein Kläger schon dann, wenn er in räumlicher Nähe zu einem beeinflussenden Vorhaben oder einer Anlage wohnt.225 Bei S. Gerstner findet sich dazu das illustrative Beispiel einer Eigen­ tümerin, deren Ferienhaus etwa 750 Meter von einer geplanten Ferienhaussiedlung entfernt liegt, die aber dennoch – abweichend von der deutschen Drittschutzdogmatik – das Vorhaben nicht nur überhaupt, sondern in einer Vollkontrolle auf jegliche Fehler hin überprüfen lassen kann.226 Das französische Interessentenklagesystem hält damit auch für Nichtadressatenklagen die Hindernisse niedrig.227 221

M. Fromont, Le système français de protection juridictionnelle du citoyen contre l’administration, in: Erichsen u. a. (Hrsg.), FS Menger, 1985, S. 887 (892); J.-H. Stahl, La saisine du juge administratif, Rev. Adm. 52 (1999), 98 (100 f.); A. Epiney, Primär- und Sekundärrechtsschutz im Öffentlichen Recht, VVDStRL 61 (2001), 362 (372); J.-M. Woehrling, Umweltschutz und Umweltrecht in Frankreich, DVBl 1992, 884 (891). S. etwa aus der Rechtsprechung die Berücksichtigung des ideellen Interesses eines Vaters, dass sein Sohn seinen Nachnamen behält Conseil d’État, Urt. v. 09.12.1983, M. X., N° 43407, FR:CESJS:1983:43407.19831209. 222 Conseil d’État, Urt. v. 04.03.1987, Regroupement des organismes de sauvegarde de l’Oise, N° 44301, FR:CESSR:1987:44301.19870304; s. dazu A. Epiney, Primär- und Sekundärrechtsschutz im Öffentlichen Recht, VVDStRL 61 (2001), 362 (372). 223 J.-L. Gallet, L’accès à la justice dans les traditions constitutionnelles nationales, ERA Forum 7 (2006), 502 (505); J.-M. Woehrling, Die französische Verwaltungsgerichtsbarkeit im Vergleich mit der deutschen, NVwZ 1985, 21 (23). Auch diese Merkmale werden nicht sonderlich restriktiv gehandhabt, s. A. Abaquesne de Parfouru, Locus Standi of Private Applicants under the Article 230 EC Action for Annulment, MJ 14 (2007), 361 (381 f.). 224 A.  Epiney, Primär- und Sekundärrechtsschutz im Öffentlichen Recht, VVDStRL 61 (2001), 362 (372); M. Fromont, Rechtsschutz gegenüber der Verwaltung, 1967, S. 211 f.; s. auch H. Trudeau, Légalité Administrative et Environnement, Windsor Y. B. Access Just. 17 (1999), 102 (125 f.); J.-H. Stahl, La saisine du juge administratif, Rev. Adm. 52 (1999), 98 (101). S. dazu die Einschätzung von Commisaire du Gouvernement Mosset, abgedruckt bei M. Fromont, Rechtsschutz gegenüber der Verwaltung, 1967, S. 210. 225 S. etwa Conseil d’État, Urt. v. 25.03.1981, Lochet, N° 20227 22837, FR:CESSR:1981:​ 20227.19810325; J.-M. Woehrling, Rechtsschutz im Umweltrecht in Frankreich, NVwZ 1999, 502 (502). Auch dieses Kriterium wird großzügig ausgelegt, s. M. Fromont, Rechtsschutz im französischen Umweltrecht, UPR 1983, 186 (187 f.). 226 S. Gerstner, Die Drittschutzdogmatik im Spiegel des französischen und britischen Verwaltungsgerichtsverfahrens, 1995, S. 72 unter Bezug auf Conseil d’État, Urt. v. 15.04.1983, Commune de Menet, N° 28555, FR:CESSR:1983:28555.19830415. 227 S. M.  Fromont, Rechtsschutz gegenüber der Verwaltung, 1967, S. 212; A.  Bleckmann, Das schutzwürdige Interesse als Bedingung der Klagebefugnis am Beispiel des französischen Verwaltungsrechts, VerwArch 49 (1958), 213 (217 ff.). Umfassend rechtsvergleichend für den Umweltrechtsschutz hat dies S. Gerstner, Die Drittschutzdogmatik im Spiegel des französischen und britischen Verwaltungsgerichtsverfahrens, 1995, S. 69 ff. herausgearbeitet.

Kap. 2: Klagemodelle und Allgemeininteressen

87

Auf die Situation einer Nichtadressatenklage mit umweltrechtlichem Hintergrund gewendet bedeutet dies, dass sich alleine mit Hinweis auf ein fehlendes personales Substrat kein Klageantrag abweisen lässt. Alle Interessenpositionen werden gleichbehandelt, unterschiedslos, ob es sich um individuelle Interessen handelt oder um Allgemeininteressen wie etwa Umweltbelange. Der Kläger muss nur von negativen Auswirkungen eines hoheitlichen Handelns auf die Umwelt erfasst werden. Zugang wird also nicht beliebigen Einzelnen gewährt, wohl aber schlicht nachteilig Betroffenen.228 Insgesamt verfährt das französische Interessentenklagesystem damit großzügig bei der Anerkennung von den Gerichtszugang eröffnenden Interessen.229 2. Verbandsklage Für die Verbandsklage setzt sich die Tendenz niedriger Hürden fort.230 Auch für Verbände gilt der Grundsatz, dass sie ein Interesse an der Aufhebung des angegriffenen Verwaltungshandelns nachweisen müssen, ein intérêt collectif.231 Anknüpfungspunkt für die Bestimmung des intérêt collectif ist das (satzungsmäßige) Ziel eines Verbandes.232 Ein intérêt collectif besteht schon dann, wenn sich das Verwaltungshandeln negativ auf dieses satzungsmäßige Interesse des Verbandes auswirkt.233 So kann etwa ein Umweltschutzverband auch gegen eine Baugenehmigung vorgehen.234 228 S. A. K. Mangold / R . Wahl, Das europäisierte deutsche Rechtsschutzkonzept, Die Verwaltung 48 (2015), 1 (15). 229 S. E.  Garcia de Enterria, Le contrôle de l’administration, Rev. Adm. 53 (2000), 125 (125); J.-H. Stahl, La saisine du juge administratif, Rev. Adm. 52 (1999), 98 (100); J. Koch, Die Verfahrensarten im französischen Verwaltungsprozess, VerwArch 89 (1998), 560 (566 f.); C. D. Classen, Europäisierung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1996, S. 59; A. Abaquesne de Parfouru, Locus Standi of Private Applicants under the Article 230 EC Action for Annulment, MJ 14 (2007), 361 (371); J. Ziller, Verwaltungsgerichtsbarkeit in Frankreich, in: Bogdandy u. a. (Hrsg.), Handbuch IPE, 2019, § 130, Rn. 30; P.  Gonod, Grundzüge des Verwaltungsrechts in gemeineuropäischer Perspektive: Frankreich, in: Bogdandy u. a. (Hrsg.), Handbuch IPE, 2014, § 75, Rn. 126. 230 S. H. Trudeau, Légalité Administrative et Environnement, Windsor Y. B. Access Just. 17 (1999), 102 (130); J. Ziller, Verwaltungsgerichtsbarkeit in Frankreich, in: Bogdandy u. a. (Hrsg.), Handbuch IPE, 2019, § 130, Rn. 84. 231 J.-L. Gallet, L’accès à la justice dans les traditions constitutionnelles nationales, ERA Forum 7 (2006), 502 (513); H. Trudeau, Légalité Administrative et Environnement, Windsor Y. B. Access Just. 17 (1999), 102 (130 f.); D. Löden, Zur Klagebefugnis von Natur- und Umweltschutzverbänden nach französischem Recht, DVBl 1978, 676 (676 f.). 232 J.-L. Gallet, L’accès à la justice dans les traditions constitutionnelles nationales, ERA Forum 7 (2006), 502 (513). 233 S. etwa Conseil d’État, Urt. v. 13.03.2002, Union fédérale des consommateurs, N° 177509, FR:CESSR:2002:177509.20020313. 234 J.-M. Woehrling, Die französische Verwaltungsgerichtsbarkeit im Vergleich mit der deutschen, NVwZ 1985, 21 (23); s. auch J.-H. Stahl, La saisine du juge administratif, Rev. Adm. 52 (1999), 98 (101).

88

Teil 1: Rechtsschutzzugang und Behandlung von Allgemeininteressen

Doch auch für Verbände wird mit dem critère de proximité einschränkend eine gewisse Nähebeziehung zum angefochtenen Verwaltungshandeln gefordert:235 Damit der Gerichtszugang nicht zu weit geöffnet wird, müssen Verbandsziel und räumlicher Tätigkeitsbereich einen Bezug zu dem angefochtenen Verwaltungshandeln aufweisen.236 Diese Grenze wird pragmatisch gehandhabt237 und ist letztlich die einzige Hürde zur Popularklage.238 Selbst diese Hürde ist relativ leicht zu nehmen: So wird die Klage eines Verbandes gegen ein bestimmtes Projekt für möglich erachtet, der nur zu diesem Zweck gegründet wurde.239 Und auch der lokale Bezug lässt sich durch Gründung von regionalen Untergliederungen herstellen.240 Angesichts dieser niedrigen Hürden nimmt es nicht wunder, dass die Verbandsklage eine erhebliche Bedeutung im französischen Verwaltungsrechtsschutz einnimmt.241 Dies gilt insbesondere auch für das Umweltrecht.242 Zugegebenermaßen 235 J. Morand-Deviller, Où va le droit de l’urbanisme et de l’environnement?, Rev. Adm. 51 (1998), 151 (160); s. auch J. Raymond, En matière de défense de l’environnement, R. J. E. 16 (1991), 453; H. Trudeau, Légalité Administrative et Environnement, Windsor Y. B.  Access Just. 17 (1999), 102 (142). 236 S. als Beispiel für ein zu weites Ziel und eine zu weite Tätigkeit Conseil d’État, Urt. v. 29.01.2003, Union des propriétaires pour la défense des Arcs, N° 199692 und dazu H. Trudeau, Légalité Administrative et Environnement, Windsor Y. B. Access Just. 17 (1999), 102 (143 f.) sowie kritisch R. Hostiou, Conseil d’État, 26 juillet 1985. Union régionale pour la défense de l’environnement, de la nature, de la vie et de la qualité de la vie en Franche-Comté (U. R. D. E.N.), Commentaire, R. J. E. 10 (1985), 473 (474). Ebenfalls als zu unspezifisch abgelehnt bei Conseil d’État, Urt. v. 29.01.2003, Union des propriétaires pour la défense des Arcs, N° 199692. Anerkannt etwa bei Conseil d’État, Urt. v. 05.11.2003, Association Convention Vie et Nature pour une Ecologie Radicale et Association pour la Protection des Animaux Sauvages, N° 258777, FR:CESEC:2003:258777.20031105 und Conseil d’État, Urt. v. 10.02.1997, Association de défense, de protection et de valorisation du patrimoine naturel et historique de la Corse, N° 140841, FR:CESSR:1997:140841.19970210. S. insgesamt zu diesem Punkt J.-M. Woehrling, Rechtsschutz im Umweltrecht in Frankreich, NVwZ 1999, 502 (503); H. Trudeau, Légalité Administrative et Environnement, Windsor Y. B. Access Just. 17 (1999), 102 (142 ff.); J. Raymond, En matière de défense de l’environnement, R. J. E. 16 (1991), 453 (457 ff.); C. D.  Classen, Europäisierung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1996, S. 62 f.; D. Löden, Zur Klagebefugnis von Natur- und Umweltschutzverbänden nach französischem Recht, DVBl 1978, 676 (677 f.). 237 R. Hostiou, Conseil d’État, 26 juillet 1985. Union régionale pour la défense de l’environnement, de la nature, de la vie et de la qualité de la vie en Franche-Comté (U. R. D. E.N.), Commentaire, R. J. E. 10 (1985), 473 (475). 238 J.-L. Gallet, L’accès à la justice dans les traditions constitutionnelles nationales, ERA Forum 7 (2006), 502 (575). 239 J.-M. Woehrling, Rechtsschutz im Umweltrecht in Frankreich, NVwZ 1999, 502 (502). 240 J.-M. Woehrling, Rechtsschutz im Umweltrecht in Frankreich, NVwZ 1999, 502 (503). S. zudem zur Möglichkeit der Anerkennung eines Verbandes, die das critère de proximité gänzlich entfallen lässt J. Morand-Deviller, Où va le droit de l’urbanisme et de l’environnement?, Rev. Adm. 51 (1998), 151 (160). 241 J.-L. Gallet, L’accès à la justice dans les traditions constitutionnelles nationales, ERA Forum 7 (2006), 502 (515); J.-M. Woehrling, Rechtsschutz im Umweltrecht in Frankreich, NVwZ 1999, 502 (502). 242 S. Gerstner, Die Drittschutzdogmatik im Spiegel des französischen und britischen Verwaltungsgerichtsverfahrens, 1995, S. 73.

Kap. 2: Klagemodelle und Allgemeininteressen

89

besteht so die Gefahr, dass der Zugang zur Verwaltungsgerichtsbarkeit sehr weit geöffnet wird und sich einer Popularklage annähert.243 Doch der Pragmatismus bei der Festlegung von Kriterien bei der Zugangsbeschränkung entspricht gerade der auf umfassende Legalitätskontrolle angelegten Zielrichtung des Prozesses.244 Der Umgang mit Verbandsklagen verdeutlicht, dass sich alternative Initiativen zu Klagen von Einzelnen nicht nur unproblematisch ins französische Verwaltungsprozessrecht einfügen,245 sondern zudem im Sinne einer umfassenden Legalitätskontrolle höchst willkommen sind.246 3. Folgerungen Im Vergleich mit dem deutschen Verwaltungsrechtsschutz zeigt sich das französische Interessentenklagemodell offener für die Anerkennung einer auf Umweltbelangen gründenden Klagebefugnis. Dies liegt daran, dass im französischen Verwaltungsprozessrecht von vornherein keine Trennung von Interessenpositionen in individuell oder allgemein angelegt ist. Denn ungeachtet dieser Einordnung muss ein potenzieller Kläger lediglich seine Nähe zum geltend gemachten Belang nachweisen. Hierfür reicht schon eine faktische Betroffenheit aus, sodass der Gerichtszugang weit geöffnet ist. Verbandsrechtsbehelfe sind fester Bestandteil des französischen Verwaltungsrechtsschutz. Sie sind kein dogmatischer Fremdkörper wie im deutschen Verletztenklagemodell. Der französische Verwaltungsrechtsschutz bedient sich vielmehr bewusst der Verbände zur Durchsetzung des Gemeinwohls. Dies gilt gerade in Fällen, in denen der Vollzugsdruck gering ist und Einzelne fehlen, die sich für die Durchsetzung des Rechts einsetzen. Im französischen Interessentenklagesystem ist die prokuratorische Durchsetzung des Rechts damit keine neue Entwicklung. In diesem Sinne bewegt sich der deutsche Verwaltungsrechtsschutz durch Aufnahme prokuratorischer und überindividueller Elemente auf das französische Interessentenklagesystem zu.247 243

Zum Verwaltungsrechtsschutz in Frankreich B. Wegener, Rechte des Einzelnen, 1998, S. 142; A. Arnull, Private Applicants and the Action for Annulment under Article 173 of the EC Treaty, CML Rev. 32 (1995), 7 (9); S. Gerstner, Die Drittschutzdogmatik im Spiegel des französischen und britischen Verwaltungsgerichtsverfahrens, 1995, S. 65; anders C.  D.  ­Classen, Europäisierung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1996, S. 84. S. zu diesem Zusammenhang schon oben unter Teil 1. Kapitel 1. A. I. (S. 33 ff.). 244 J. Masing, Die Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, 1997, S. 203. 245 S. W. Krebs, Subjektiver Rechtsschutz und objektive Rechtskontrolle, in: Erichsen u. a. (Hrsg.), FS Menger, 1985, S. 191 (193). 246 J.-M. Woehrling, Rechtsschutz im Umweltrecht in Frankreich, NVwZ 1999, 502 (502) attestiert der Verbandsklage eine „positive Rolle“. 247 S. andererseits zu Ansätzen einer Subjektivierung der französischen Verwaltungskon­ trolle N. Marsch, Subjektivierung der gerichtlichen Verwaltungskontrolle in Frankreich, 2011, S. 95 ff., 194 ff., 217 ff. sowie das Resümee bei W. Cuno, Einstweiliger Rechtsschutz durch die Verwaltungsgerichte in Frankreich und Deutschland, 2015, S. 227 ff.

90

Teil 1: Rechtsschutzzugang und Behandlung von Allgemeininteressen

III. Ergebnis Die Gegenüberstellung von Verletzten- und Interessentenklagemodell offenbart deutliche Unterschiede im Umgang mit Umweltbelangen. Das Verletztenklagemodell trennt zwischen klagbaren Individualinteressen und nicht-klagbaren Allgemeininteressen, zu denen auch Umweltbelange gezählt werden. Die Folge ist ein Ausschluss der Klagbarkeit von Umweltbelangen im Verletztenklagemodell, was zu den Vollzugsdefiziten im Umweltrecht beiträgt. Die Einführung prokuratorischer und überindividueller Rechtsschutzelemente dient insoweit der Kompensation der Folgen der Systementscheidung für den Individualrechtsschutz für die Klagbarkeit von Umweltbelangen. Im Gegensatz dazu verzichtet die französische Verwaltungskontrolle von vornherein auf die Trennung in Interessensphären. Das französische Interessentenklagemodell erweist sich vor diesem Hintergrund für die Durchsetzung von Umweltbelangen als wesentlich aufgeschlossener als das deutsche Verletztenklagesystem. Dies gilt insbesondere auch für die weitreichende Anerkennung von Verbandsrechtsbehelfen in Frankreich. Während prokuratorische und überindividuelle Rechtsbehelfe den Grundannahmen des deutschen Verletztenklagesystems entgegenlaufen und für einige Anpassungsherausforderungen sorgen, sind sie traditionell fester Bestandteil der französischen Verwaltungskontrolle.

C. Verwaltungskontrolle und Stellung der Einzelnen In der Entscheidung für eines der Kontrollmodelle äußert sich nicht nur ein spezifisches Verständnis des Verhältnisses von Verwaltung, Gerichten und Gesetzgeber. Die Wahl eines der Organisationsmodelle des verwaltungsgerichtlichen Zugangs sagt auch viel über grundsätzliche Annahmen zur Stellung der Einzelnen im Gemeinwesen aus.248 I. Individuen und Gemeinwesen durch die Brille der Klagebefugnis Gerichte werden nicht von sich tätig. Es bedarf eines Klägers oder Antragsstellers um ein gerichtliches Verfahren zu initiieren. Die Klagebefugnis dient als Filter, wer in welcher Angelegenheit das Gericht dazu bewegen kann, in der Sache zu entscheiden. Sie setzt eine besondere Beziehung zwischen Kläger und Anfech­ tungsgegenstand voraus. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass es unabhängig von den Einzelheiten der beiden Zugangsmodelle Belange gibt, die nicht von dem spezifischen Kläger bzw. gar nicht gerügt werden können. Denn anderenfalls müsste 248 M. van Wolferen, The Limits to the CJEU’s Interpretation of Locus Standi, a Theoretical Framework, JCER 12 (2016), 914 (921) zum Zugang zur Verwaltungsgerichtsbarkeit: „More than any other single point of law, it can tell the story of a state’s DNA.“

Kap. 2: Klagemodelle und Allgemeininteressen

91

man von einer Popularklage sprechen. Die Klagebefugnis definiert damit eine Sphäre, in der die Einzelnen Belange gegenüber dem Hoheitsträger, aber auch gegenüber Dritten durchsetzen können. Dass bestimmte Bereiche von einer Klagemöglichkeit ausgeschlossen sind, bedeutet aber nicht, dass die Einzelnen hier überhaupt keine Mitsprache mehr hätten. Dies würde schon dem Grundprinzip eines demokratisch verfassten Gemeinwesens widersprechen. In diesem Bereich, in dem die Einzelnen keine gerichtliche Entscheidung anregen können, findet die Gestaltung vielmehr in einem anderen Modus statt, nämlich kollektiv. Die Einzelnen partizipieren an der demokratischen Willensbildung des Staates, deren Umsetzung in konkrete Entscheidungen der Exekutive obliegt. Die Klagebefugnis ordnet die Sphären der Mit- und Einwirkungsmöglichkeiten der Einzelnen. An diesem Punkt entscheidet sich, ob die Einzelnen bestimmte Belange individuell vor den Verwaltungsgerichten oder nur kollektiv im demokratischen Prozess verfolgen können.249 Die Trennung in individuelle und kollektive Beteiligungsformen ist nicht absolut. Denn mittelbar dient auch die Durchsetzung der Belange Einzelner in einem gerichtlichen Verfahren der Verwirklichung demokratisch legitimierter Entscheidungen.250 So verstanden verleiht die Klagebefugnis auch ein demokratisches Mitspracherecht. Schließlich bedürfen auch diese Belange für ihre gerichtliche Durchsetzbarkeit der vorherigen Anerkennung in demokratischen Verfahren. Die individuelle Durchsetzung bestimmter Belange ist damit von einer kollektiven Anerkennung, vor allem der Fassung in Gesetzesform, abhängig.251 Dies zeigt die enge Verflechtung von Einzelnen und Gemeinwesen, die über die Trennung von Einflusssphären durch die Klagebefugnis nicht vergessen werden darf. Letztlich bleiben die Einzelnen immer Teil des verfassten Gemeinwesens und agieren auch bei der Durchsetzung ihrer Belange in dessen Rahmen.252 249

S. hierzu das von C. Möllers entwickelte Konzept der Trennung von individueller und kollektiver Selbstbestimmung bzw. Legitimation, C. Möllers, Die drei Gewalten, 2008, S. 71 ff.; C. Möllers, Gewaltengliederung, 2005, S. 40 ff. 250 S. dazu auch oben Teil 1. Kapitel 1. C. II. 3. (S. 48 ff.). 251 So sind nach H. Kelsen alle subjektiven Rechte rechtssatzabhängig, insoweit also Teil des objektiven Rechts, das im Rechtserzeugungszusammenhang steht, H. Kelsen, Reine Rechtslehre, 1934, S. 43 f. 252 G. Jellinek beschreibt in seiner Statuslehre den status negativus (bzw. status libertatis), als „Freiheit von gesetzeswidrigem Zwang“ (G. Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, 2. Aufl., 1905, S. 103). Dabei geht G. Jellinek von einem geschützten Freiheitsraum des Individuums aus (dazu U. Ramsauer, Wohin treibt das subjektive öffentliche Recht?, in: Ewer u. a. (Hrsg.), FS Koch, 2014, S. 145 (147)). Hieraus spricht das klassische Verständnis eines „übergreifenden Grundverhältnis[ses] zwischen dem Einzelnen und dem Staat“ (J. Masing, Der Rechtsstatus des Einzelnen im Verwaltungsrecht, in: Hoffmann-Riem u. a. (Hrsg.), GVwR I, 2012, § 7, Rn. 1). Doch schon G. Jellinek bleibt an diesem Punkt nicht stehen, sondern erweist sich in seiner Analyse differenzierter. So ist für G. Jellinek das Individuum gleichzeitig auch „Glied des Gemeinwesens“ (G. Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, 2. Aufl., 1905, S. 53; dazu W. Brugger, Georg Jellineks Statuslehre: national und international, AöR 136 (2011), 1 (5)), dem in dieser Eigenschaft Rechte zugebilligt werden. Für

92

Teil 1: Rechtsschutzzugang und Behandlung von Allgemeininteressen

II. Verletztenklage: Leitbild des bourgeois Das Verständnis der Rolle der Einzelnen im deutschen Verletztenklagesystem ist von seiner Entwicklung im Spätkonstitutionalismus geprägt.253 Die Beschränkung auf den Schutz subjektiv-öffentlicher Rechte der Bürger ist Ausdruck eines Kompromisses aus dieser Zeit: Zwar wurde den Bürgern die politische Beteiligung am Gemeinwesen weitgehend verweigert – dafür wurde ihnen jedoch ein wirkungsvoller Schutz ihres privaten Freiheitsraumes zugestanden.254 Im Kon­trast zur Entwicklung im postrevolutionären Frankreich wurde der Einzelne damit nicht als citoyen anerkannt, sondern lediglich als bourgeois.255 Den Rechten der Bürger und den dahinter stehenden individuellen Interessen wird durch die Schutznormlehre ein wirkungsvoller Schutz gewährt; von der Einhaltung des objektiven Rechts, und damit der Geltendmachung von Allgemeininteressen, sind sie jedoch ausgeschlossen.256 Die Bürger sind auf die Sicherung ihrer Privatheit beschränkt und von einer darüber hinausgehenden Überwachung des ordnungsgemäßen Funktionierens des Gemeinwesens ausgeschlossen.257 Verwaltungsgerichte wahren den individuellen Freiheitsbereich der Einzelnen durch den Schutz ihrer subjektiven Rechte.258 Gemeinwohlbelange werden – vorbehaltlich unionsrechtlich induzierter Öffnungen – dagegen grundsätzlich dem Bereich der Mitbestimmung in demokradie materielle Rechtsstellung des Individuums ist daher entscheidend, aus welchem Interesse heraus ihm ein Recht zugebilligt wird. Rechte des öffentlichen Rechts haben danach einen im Gemeininteresse liegenden Kern (G. Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, 2. Aufl., 1905, S. 53). Individualrechte sind damit immer auch gemeinschaftsgebunden. Zum Gegensatz von Liberalismus und Kommunitarismus J. Krüper, Neudefinition des „subjektiven öffentlichen Rechts“, in: Kloepfer (Hrsg.), Rechtsschutz im Umweltrecht, 2014, S. 163 (184 f.); zum Kommunitarismus in der Lehre G. Jellineks W. Brugger, Georg Jellinek als Sozialtheoretiker und Kommunitarist, Der Staat 49 (2010), 405 ff. 253 C. Franzius, Modernisierung des subjektiven öffentlichen Rechts, UPR 2016, 281 (281); F. Ekardt, Verfassungs- und verwaltungsrechtliche Gründe für eine liberalere Klagebefugnis, Der Staat 44 (2005), 622 (627); umfassend J. Masing, Die Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, 1997, S. 83 ff.; G. Sydow, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit des ausgehenden 19. Jahrhunderts, 2000, S. 205 ff. 254 J. Masing, Die Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, 1997, S. 83; A.  Gaillet, Der Einzelne gegen den Staat, Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Germanistische Abteilung 129 (2012), 109 (148 f.); G. Sydow, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit des ausgehenden 19. Jahrhunderts, 2000, S. 206; E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband I, 2018, S. 36 f. 255 J. Masing, Die Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, 1997, S. 84, 87 f.; C.  Franzius, Modernisierung des subjektiven öffentlichen Rechts, UPR 2016, 281 (281); A. Gaillet, Der Einzelne gegen den Staat, Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Germanistische Abteilung 129 (2012), 109 (133); s. auch P. M. Huber, Die verfassungsrechtliche Prägung des Verwaltungsrechtsschutzes, in: Sommermann / Schaffarzik (Hrsg.), Handbuch der Geschichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit, 2019, S. 1771 (1809). 256 C. Franzius, Modernisierung des subjektiven öffentlichen Rechts, UPR 2016, 281 (281); E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband II, 2018, S. 1131. 257 C. Franzius, Modernisierung des subjektiven öffentlichen Rechts, UPR 2016, 281 (281). 258 D. Steiger, Entgrenzte Gerichte?, VerwArch 107 (2016), 497 (524).

Kap. 2: Klagemodelle und Allgemeininteressen

93

tischen Verfahren zugerechnet und finden lediglich reflexhaft Berücksichtigung.259 In der klassischen deutschen Verwaltungsrechtsdogmatik bleibt die Wahrung von Allgemeininteressen wie Umweltbelangen den demokratisch legitimierten Institutionen der Legislative und Exekutive vorbehalten.260 Staat und Gesellschaft sind klar getrennt.261 Aus dieser Perspektive erklärt sich die strikte Trennung der Interessensphären in privat und öffentlich, die zu einem weitgehenden Ausschluss der Bürger von der klageweisen Durchsetzung des Umweltrechts führt. Alles andere wäre aus der Sicht der traditionellen deutschen Verwaltungsrechtsdogmatik ein Versuch, sich zum „unberufenen Hüter des Gemeinwohls aufzuschwingen“262. Das Beharren auf dieser Annahme mag heute erstaunen, wurde der illiberale Konstitutionalismus doch durch eine liberale Verfassungsordnung überwunden.263 Hierin zeigt sich, wie wirkmächtig Kontinuitäten sind: „Eine Grundstruktur des 19. Jahrhunderts gerann zu verwaltungsrechtlicher Dogmatik“264. III. Interessentenklage: Leitbild des citoyen Die Lage im Interessentenklagesystem stellt sich grundlegend anders dar. Eine Kategorisierung von Interessenpositionen in individuell und allgemein findet nicht statt. Dies bedeutet auch einen Verzicht auf die Trennung von Gesellschaft und 259

D. Steiger, Entgrenzte Gerichte?, VerwArch 107 (2016), 497 (524). D. Steiger, Entgrenzte Gerichte?, VerwArch 107 (2016), 497 (524). 261 Dazu J. Krüper, Gemeinwohl im Prozess, 2009, S. 229 ff.; P. M. Huber, Die verfassungsrechtliche Prägung des Verwaltungsrechtsschutzes, in: Sommermann / Schaffarzik (Hrsg.), Handbuch der Geschichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit, 2019, S. 1771 (1809). 262 C. Calliess, Rechtsstaat und Umweltstaat, 2001, S. 481; ebenso F. Ekardt, Verfassungsund verwaltungsrechtliche Gründe für eine liberalere Klagebefugnis, Der Staat 44 (2005), 622 (627); C. Franzius, Modernisierung des subjektiven öffentlichen Rechts, UPR 2016, 281 (281); J. Kokott, Europäisierung des Verwaltungsprozeßrechts, Die Verwaltung 31 (1998), 335 (336); A. Vincze, Die Europäisierung der verwaltungsgerichtlichen Klagebefugnis, in: Fakultät für Vergleichende Staats- und Rechtswissenschaften der Andrássy Universität Budapest u. a. (Hrsg.), Jahrbuch für Vergleichende Staats- und Rechtswissenschaften – 2014/2015, 2016, S. 55 (64); E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband I, 2018, S. 49; ähnlich P. M. Huber, Die verfassungsrechtliche Prägung des Verwaltungsrechtsschutzes, in: Sommermann / Schaffarzik (Hrsg.), Handbuch der Geschichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit, 2019, S. 1771 (1809). 263 Kritisch auch F. Ekardt, Verfassungs- und verwaltungsrechtliche Gründe für eine libera­ lere Klagebefugnis, Der Staat 44 (2005), 622 (627); C. Franzius, Modernisierung des subjektiven öffentlichen Rechts, UPR 2016, 281 (282 f.). Dagegen konstatiert A. I.  Scharl, Die Schutznormlehre, 2018, S. 193 ff. ausgehend von 1945 eine „Aufwertung vom Untertanen zum Bürger“. 264 J. Masing, Die Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, 1997, S. 15. Dieser Befund scheint das berühmte Diktum „Verfassungsrecht vergeht, Verwaltungsrecht besteht“, das sich im Vorwort zur dritten Auflage von O. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Erster Band, 1969 findet, zu bestätigen. 260

94

Teil 1: Rechtsschutzzugang und Behandlung von Allgemeininteressen

Staat, wie sie das Verletztenklagesystem kennzeichnet. Die Einzelnen sind nicht auf den begrenzten Raum der Privatheit verwiesen, sondern können auch Allgemeinbelange rügen. Das Interessentenklagesystem folgt dem Leitbild des citoyen.265 Dies spiegelt sich auch darin wider, dass auf das Überwinden der Zulässigkeitshürde eine Vollkontrolle des Verwaltungshandelns folgt: Mit ihrer Klage können die Einzelnen dafür sorgen, dass die gesamte Verwaltungsentscheidung kontrolliert wird und nicht nur ein bestimmter Ausschnitt. Die Einzelnen sind im Interessentenklagesystem nicht auf ihre eigene Freiheitssphäre und damit ihre Privatheit beschränkt, sie agieren vielmehr als „surveillants de l’administration“266. Zwar mag ihre Antriebsfeder ein persönliches Interesse an einer bestimmten Sache sein, gleichzeitig setzen sie aber auch das öffentliche Interesse an einem gesetzmäßigen Handeln der Verwaltung durch.267 Damit wird auch verständlich, warum die (altruistische) Verbandsklage im Interessentenklagemodell keinen so grundlegenden Bedenken ausgesetzt ist wie im Verletztenklagemodell:268 Ob nun ein Allgemeininteresse von interessierten Einzelnen oder von einem interessierten Verband verfolgt wird, ist nach der Konzeption des Interessentenklagesystems letztlich unerheblich.269

D. Ergebnis Die Unterschiede zwischen Verletzten- und Interessentenklage werden bei ihrem Umgang mit Allgemeininteressen wie etwa Umweltbelangen besonders deutlich. Während das Verletztenklagemodell zwischen Individual- und Allgemeininteressen unterscheidet und letztere von der Klagbarkeit ausschließt, kennt das Interessentenklagemodell eine solche Trennung nicht. Das Interessentenklagemodell zeigt sich damit deutlich offener für die Geltendmachung von Umweltbelangen und beschränkt sich im Wesentlichen auf die Abgrenzung von der Popularklage durch den Einsatz von Hilfskriterien. Hinter den unterschiedlichen Akzenten der Kontrollmodelle im Umgang mit Allgemeininteressen steht ein bestimmtes Verständnis des Verhältnisses von Einzelnen und Gemeinwesen. Im Verletztenklagemodell sind die Einzelnen auf die 265 Im Gegensatz zum bourgeois des Verletztenklagesystems, s. J.  Masing, Der Rechtsstatus des Einzelnen im Verwaltungsrecht, in: Hoffmann-Riem u. a. (Hrsg.), GVwR I, 2012, § 7, Rn. 35; L. De Lucia, Locus Standi and distrust of the public administration, REALaw 10 (2017), 7 (14); E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband I, 2018, S. 37 f. 266 M. Hauriou, Note sous Conseil d’État, 8 décembre 1899 et 15 décembre 1899, in: Sirey (Hrsg.), Récueil général des lois et des arrêts III, 1900, S. 73 (74); ähnlich E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband I, 2018, S. 29. 267 Hierzu noch einmal M. Hauriou, Note sous Conseil d’État, 8 décembre 1899 et 15 décembre 1899, in: Sirey (Hrsg.), Récueil général des lois et des arrêts III, 1900, S. 73 (74). 268 J. Masing, Die Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, 1997, S. 205. 269 S. J.  Masing, Die Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, 1997, S. 206.

Kap. 2: Klagemodelle und Allgemeininteressen

95

Sicherung des Kernbereichs ihrer Privatheit beschränkt. Die Artikulation von Allgemeininteressen wird kollektiven demokratischen Prozessen zugeordnet. Im Interessentenklagemodell existiert diese Trennung nicht: Für die Einzelnen sind neben ihren Individual- auch Allgemeininteressen klagbar. Die Einzelnen nehmen damit im Interessentenklagemodell eine stärkere Aufsichtsposition ein. Dieser Unterschied zwischen den Systemen setzt sich in der Sachprüfung der Verwaltungsgerichte fort: Während im Verletztenklagesystem lediglich eine Verletzung subjektiver Rechte zur Aufhebung einer rechtswidrigen Verwaltungsentscheidung führen kann, genügt im Interessentenklagesystem ein Verstoß gegen objektives Recht zur Aufhebung rechtswidrigen Verwaltungshandelns. Auf diese Unterschiede wird bei der Analyse des Umweltrechtsschutzes im Eigenverwaltungsrecht der Union und dessen Beeinflussung durch die Århus-Konvention zurückzukommen sein.

Teil 2

Vereinbarkeit des Rechtsschutzes im Unionseigenverwaltungsrecht mit der Århus-Konvention Kapitel 3

Rechtsschutzvorgaben der Århus-Konvention Die Århus-Konvention fußt auf den drei Säulen Zugang zu Umweltinformationen, Partizipation in umweltrelevanten Entscheidungen und Rechtsschutz im Umweltbereich.1 Die vorliegende Untersuchung behandelt die Umsetzung der dritten Säule im Eigenverwaltungsrecht der Union. Dieses Kapitel dient zunächst der Klärung der Maßstäbe, die die Århus-Konvention im Bereich des Rechtsschutzes an ihre Parteien und damit auch an die Union und ihr Eigenverwaltungsrecht stellt.

A. Leitbilder und Regelungsinhalte der Århus-Konvention Die Århus-Konvention steht am vorläufigen Ende einer längeren Entwicklungslinie des Umweltvölkerrechts.2 Dies zeigt schon die ausdrückliche Bezugnahme auf Vorgängerregelungen in den Erwägungsgründen der Konvention.3 Die Konvention 1

S. nur A. Schwerdtfeger, Der deutsche Verwaltungsrechtsschutz unter dem Einfluss der Aarhus-Konvention, 2010, S. 27 ff.; M.  Scheyli, Aarhus-Konvention über Informationszugang, Öffentlichkeitsbeteiligung und Rechtsschutz in Umweltbelangen, AVR 38 (2000), 217 (228); N. Wiesinger, Innovation im Verwaltungsrecht durch Internationalisierung, 2013, S. 41; A. Epiney / S . Diezig / B. Pirker / S . Reitemeyer, Aarhus-Konvention, Handkommentar, Einführung, Rn. 5. 2 Zu Vorläufern und Entwicklungsgeschichte der Århus-Konvention A.  Epiney / S .  Diezig / B.  Pirker / S .  Reitemeyer, Aarhus-Konvention, Handkommentar, Einführung, Rn. 6 ff.; A. Schwerdtfeger, Der deutsche Verwaltungsrechtsschutz unter dem Einfluss der Aarhus-Konvention, 2010, S. 6 ff.; N. Wiesinger, Innovation im Verwaltungsrecht durch Internationalisierung, 2013, S. 31 ff.; T. Bunge, Einleitung, in: Schlacke u. a. (Hrsg.), Aarhus-Handbuch, 2010, Rn. 5 ff.; M. Scheyli, Aarhus-Konvention über Informationszugang, Öffentlichkeitsbeteiligung und Rechtsschutz in Umweltbelangen, AVR 38 (2000), 217 (222 ff.); A. Wetzel, The Influence of International Institutions on Access to Justice in Environmental Matters, in: Costa / Jørgensen (Hrsg.), The Influence of International Institutions on the EU, 2012, S. 76 (82 ff.). 3 S. Erwägungsgründe 1 bis 4 der Århus-Konvention.

Kap. 3: Rechtsschutzvorgaben der Århus-Konvention

97

nimmt diese Grundsätze auf und entwickelt sie fort.4 Besonders deutlich ist die Verbindung zu Principle 10 der Rio-Deklaration5, auf das der zweite Erwägungsgrund zur Århus-Konvention verweist.6 Schon in Principle 10 der Rio-­Deklaration werden die Elemente der späteren Säulenstruktur der Århus-Konvention genannt.7 Aber erst mit der Århus-Konvention wurde aus soft law verbindliches Umweltvölkerrecht.8 Gänzlich neu sind die Ideen der Århus-Konvention also nicht; die Konvention ist vielmehr Teil einer Entwicklung im Umweltvölkerrecht, die die Einbeziehung der Bevölkerung als wesentliches Element des Umweltschutzes versteht.9 Ihr Innovationspotential entfaltet die Århus-Konvention dadurch, dass ihre Adressaten hauptsächlich gerade nicht die Vertragsparteien sind, sondern Individuen.10 Die Konvention bewirkt eine Neuausrichtung der Beziehungen von Staat und Bürgern in Umweltangelegenheiten.11 In ihrem ersten Artikel erkennt die Konvention ein Recht auf Leben in einer der Gesundheit zuträglichen Umwelt an, was auch zukünftige Generationen einschließt. Zu dessen Sicherung dienen die durch die Konvention gewährten Rechte. Erstmals werden den Einzelnen damit verbindlich Rechte gegenüber den Unterzeichnern in einem umweltvölkerrechtlichen 4 A.-M. Schlecht, Die Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern im deutschen Umweltrecht, 2010, S. 138. 5 Rio Declaration on Environment and Development, A / CONF.151/26 (Vol. I), ILM 31 (1992), 876. 6 M. Hedemann-Robinson, EU Implementation of the Aarhus Convention’s Third Pillar – Part 1, Eur. Energy & Envtl. L. Rev. 23 (2014), 102 (103); A. K. Mangold, The Persistence of National Peculiarities, IJGLS 21 (2014), 223 (239); s. auch W.  Durner, in: Beckmann u. a. (Hrsg.), Landmann / Rohmer, Umweltrecht, Umweltvölkerrecht (Mai 2015) Rn. 75. 7 Principle 10 der Rio-Deklaration: „Environmental issues are best handled with the participation of all concerned citizens, at the relevant level. At the national level, each individual shall have appropriate access to information concerning the environment that is held by public authorities, including information on hazardous materials and activities in their communities, and the opportunity to participate in decision-making processes. States shall facilitate and encourage public awareness and participation by making information widely available. Effective access to judicial and administrative proceedings, including redress and remedy, shall be provided.“ Dazu M. Scheyli, Aarhus-Konvention über Informationszugang, Öffentlichkeitsbeteiligung und Rechtsschutz in Umweltbelangen, AVR 38 (2000), 217 (223). 8 A.-M. Schlecht, Die Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern im deutschen Umweltrecht, 2010, S. 139 f.; F. Ekardt / K. Pöhlmann, Europäische Klagebefugnis, NVwZ 2005, 532 (532); A. Epiney, in: Fluck u. a. (Hrsg.), IFG / UIG / VIG / GeoZG, F II.1 Aarhus-Konvention, Einleitung (Mai 2003) Rn. 4. Zu den Wirkungen von soft law im Umweltvölkerrecht etwa P.-M. Dupuy, Soft Law and the International Law of the Environment, Mich. J. lnt’I L. 12 (1990), 420 (431 ff.). 9 N. Wiesinger, Innovation im Verwaltungsrecht durch Internationalisierung, 2013, S. 34 f.; s. auch M. Bothe, Die Entwicklung des Umweltvölkerrechts 1972/2002, in: Dolde (Hrsg.), Umweltrecht im Wandel, 2001, S. 51 (64); M. Zschiesche, Die Aarhus-Konvention, ZUR 2001, 177 (177); W. Durner, in: Beckmann u. a. (Hrsg.), Landmann / Rohmer, Umweltrecht, Umweltvölkerrecht (Mai 2015) Rn. 74. 10 U. Beyerlin / T. Marauhn, International Environmental Law, 2011, S. 239; B. Dette, Access to Justice in Environmental Matters before the European Court of Justice, elni Review 2004, 20 (20 f.); A. Boyle, Human Rights and the Environment, EJIL 23 (2012), 613 (623). 11 M. Hedemann-Robinson, EU Implementation of the Aarhus Convention’s Third Pillar – Part 1, Eur. Energy & Envtl. L. Rev. 23 (2014), 102 (103).

98

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

Vertrag gewährt.12 Bei diesen Rechten handelt es sich um Mindeststandards, die ausschließlich der Verbesserung der Lage der Einzelnen dienen.13 Die Konvention markiert damit eine „neue Stufe in der Entwicklung des Umweltrechts, die auf eine verstärkte Rolle der Öffentlichkeit in der praktischen Durchsetzung des Umweltschutzes gerichtet ist“14. I. Leitbilder der Århus-Konvention Die Århus-Konvention folgt verschiedenen Leitbildern, die nicht unverbunden nebeneinanderstehen, sondern vielmehr eng verschränkt sind.15 Um das in Art. 1 ÅK angelegte Ziel einer für die Menschen gesunden Umwelt zu erreichen, setzt die Konvention nicht auf Vorgaben für bestimmte Umweltstandards, sondern gewährt den Einzelnen prozedurale Rechte.16 Die Århus-Konvention folgt damit dem Leitbild von „Umweltschutz durch Verfahren“17. Die Konven 12

J. Jendrośka, Aarhus Convention and Community Law, JEEPL 2 (2005), 12 (12); B. Werres, Information und Partizipation der Öffentlichkeit in Umweltangelegenheiten nach den Richtlinien 2003/4/EG und 2003/35/EG, DVBl 2005, 611 (612); L. Knopp, Öffentlichkeitsbeteiligungsgesetz und Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz, ZUR 2005, 281 (281); T. von Danwitz, ­Aarhus-​Konvention, NVwZ 2004, 272 (273); A. Schwerdtfeger, Der deutsche Verwaltungsrechtsschutz unter dem Einfluss der Aarhus-Konvention, 2010, S. 22; M.  Scheyli, Aarhus-​ Konvention über Informationszugang, Öffentlichkeitsbeteiligung und Rechtsschutz in Umwelt­ belangen, AVR 38 (2000), 217 (227); U. Seifert, Fortschritte beim Rechtsschutz in Umweltangelegenheiten nach Art. 9 Abs. 3 Aarhus-Konvention?, ZEuS 2016, 49 (53). 13 S.  Art. 3 Abs. 5,  6 ÅK; M.  Scheyli, Aarhus-Konvention über Informationszugang, Öffentlichkeitsbeteiligung und Rechtsschutz in Umweltbelangen, AVR 38 (2000), 217 (248); K. Brady, New Convention on Access to Information and Public Participation in Environmental Matters, Envtl. Pol’y & L. 28 (1998), 69 (69); J. Wates, The Aarhus Convention, JEEPL 2 (2005), 2 (12); B. Werres, Information und Partizipation der Öffentlichkeit in Umweltangelegenheiten nach den Richtlinien 2003/4/EG und 2003/35/EG, DVBl 2005, 611 (613); A. Epiney / S .  Diezig / B.  Pirker / S .  Reitemeyer, Aarhus-Konvention, Handkommentar, Einführung, Rn. 46; M. Zschiesche, Die Aarhus-Konvention, ZUR 2001, 177 (177). 14 T. von Danwitz, Aarhus-Konvention, NVwZ 2004, 272 (273). 15 S. A. Fisahn, Effektive Beteiligung solange noch alle Optionen offen sind, ZUR 2004, 136 (136). 16 A. Fisahn, Effektive Beteiligung solange noch alle Optionen offen sind, ZUR 2004, 136 (136); A. Schwerdtfeger, Der deutsche Verwaltungsrechtsschutz unter dem Einfluss der Aarhus-Konvention, 2010, S. 32 f.; N.  Wiesinger, Innovation im Verwaltungsrecht durch Inter­ nationalisierung, 2013, S. 41; T. Bunge, Einleitung, in: Schlacke u. a. (Hrsg.), Aarhus-Handbuch, 2010, Rn. 12; M. Pallemaerts, Introduction, in: Pallemaerts (Hrsg.), The Aarhus Convention at Ten, 2011, S. 1 (3); C. Poncelet, Access to Justice in Environmental Matters, J. Envtl. L. 24 (2012), 287 (288); U. Giera, Individualrechte im europäischen Umweltrecht, 2015, S. 38; s. auch A. K. Mangold, The Persistence of National Peculiarities, IJGLS 21 (2014), 223 (243); A. Boyle, Human Rights and the Environment, EJIL 23 (2012), 613 (622); S. R. Laskowski, Demokratisierung des Umweltrechts, ZUR 2010, 171 (173); C. Vajda / M. Rhimes, Greening the Law, Colum. J. Eur. L. 24 (2017), 455 (480). 17 A.  Fischer-Lescano, Transnationales Verwaltungsrecht, JZ 2008, 373 (374); s. auch T. Bunge, Einleitung, in: Schlacke u. a. (Hrsg.), Aarhus-Handbuch, 2010, Rn. 4; J. Wates, The

Kap. 3: Rechtsschutzvorgaben der Århus-Konvention

99

tionsrechte unterstützen die Durchsetzung des materiellen Umweltrechts der Vertragsparteien.18 Mit der Gewährung von Verfahrensrechten intendiert die Konvention die Stärkung des demokratischen Prozesses und der Legitimität von Verwaltungsentschei­ dungen mit Umweltbezug.19 Leitbilder der Konvention sind die informierte Öffentlichkeit, wie sie auch im Unionsrecht bekannt ist,20 sowie eine Stärkung der Öffentlichkeitsbeteiligung.21 Der Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen erhöht die Transparenz von Verwaltungsentscheidungen; ihre Beteiligung ist Ausdruck partizipativer Demokratie.22 Information der Öffentlichkeit und Transparenz des Entscheidungsverfahrens sind wiederum kein Selbstzweck. Mit ihnen verbindet sich das Leitbild der dezentralen Vollzugskontrolle des Umweltrechts.23 Auch die dezentrale Vollzugskontrolle ist kein neues Konzept, sondern als Mobilisierung der Bürger für die Durchsetzung des Unionsrechts in den Mitgliedstaaten schon länger umfassend

Aarhus Convention, JEEPL 2 (2005), 2 (2); A. Epiney / S. Diezig / B. Pirker / S. Reitemeyer, AarhusKonvention, Handkommentar, Einführung, Rn. 45. 18 C. Vajda / M. Rhimes, Greening the Law, Colum. J. Eur. L. 24 (2017), 455 (480); A. Epiney / S .  Diezig / B.  Pirker / S .  Reitemeyer, Aarhus-Konvention, Handkommentar, Einführung, Rn. 45; ähnlich M. Bothe, Vollzugsdefizit im Völkerrecht, in: Cremer u. a. (Hrsg.), FS Steinberger, 2002, S. 83 (94). 19 M. Pallemaerts, Introduction, in: Pallemaerts (Hrsg.), The Aarhus Convention at Ten, 2011, S. 1 (4); N. Wiesinger, Innovation im Verwaltungsrecht durch Internationalisierung, 2013, S. 37. 20 N. Wiesinger, Innovation im Verwaltungsrecht durch Internationalisierung, 2013, S. 37; T. Bunge, Einleitung, in: Schlacke u. a. (Hrsg.), Aarhus-Handbuch, 2010, Rn. 4; A. Schwerdtfeger, Der deutsche Verwaltungsrechtsschutz unter dem Einfluss der Aarhus-Konvention, 2010, S. 26 f. Zur informierten Öffentlichkeit s. auch R. Gröschner, Transparente Verwaltung, VVDStRL 63 (2004), 344 (362 f.). 21 T. von Danwitz, Aarhus-Konvention, NVwZ 2004, 272 (273 f.). 22 S. dazu die Erwägungsgründe 10 und 11 zur Konvention; A. Schwerdtfeger, Der deutsche Verwaltungsrechtsschutz unter dem Einfluss der Aarhus-Konvention, 2010, S. 25 f.; s. auch N.  Wiesinger, Innovation im Verwaltungsrecht durch Internationalisierung, 2013, S. 37 ff.; C. Walter, Internationalisierung des deutschen und Europäischen Verwaltungsverfahrens- und Verwaltungsprozessrechts, EuR 2005, 302 (306); J. Jendrośka, Aarhus Convention and Community Law, JEEPL 2 (2005), 12 (12). Zur partizipativen Demokratie im Umweltrecht unter besonderer Berücksichtigung der Århus-Konvention s. C. Fraenkel-Haeberle, Participatory Democracy and the Global Approach in Environmental Legislation, in: Lohse / Poto (Hrsg.), Participatory Rights in the Environmental Decision-Making Process and the Implementation of the Aarhus Convention, 2015, S. 33 (38 ff.). 23 S. A. Schwerdtfeger, Der deutsche Verwaltungsrechtsschutz unter dem Einfluss der Aarhus-Konvention, 2010, S. 26; T. von Danwitz, Aarhus-Konvention, NVwZ 2004, 272 (273); R. Macrory / S . Turner, Participatory Rights, Transboundary Environmental Governance and EC Law, CML Rev. 39 (2002), 489 (490); in Bezug auf Unionssekundärrecht auch M. Schröder, Postulate und Konzepte zur Durchsetzbarkeit und Durchsetzung der EG-Umweltpolitik, NVwZ 2006, 389 (393); M. Bothe, Vollzugsdefizit im Völkerrecht, in: Cremer u. a. (Hrsg.), FS Steinberger, 2002, S. 83 (92 ff.).

100

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

aufgearbeitet.24 Darauf greift die Konvention zurück:25 Auch aus der Konvention spricht die Idee, dass eine Interessenverfolgung Einzelner zum Gemeinwohl beiträgt.26 Die von den gesellschaftlichen Akteuren angestoßenen Kontrollen sollen dem Vollzugsdefizit des Umweltrechts entgegenwirken.27 Vor diesem Hintergrund lässt sich die Århus-Konvention kaum zweifelsfrei entweder als vornehmliches Instrument des Schutzes der Umwelt oder der Wahrung der Interessen Einzelner deuten. Es ist sicherlich richtig, dass ein wesentliches Ziel der Konvention der Schutz der Umwelt ist, jedoch besitzt dieser Schutz ausweislich von Art. 1 ÅK eine anthropozentrische Ausrichtung. Beide Zwecke schließen sich deshalb nicht aus, sondern stehen in einem engen Zusammenhang, bei dem keiner Funktion ein Vorrang eingeräumt wird.28 Die Einbeziehung der Öffentlichkeit hat auch einen Effekt auf das Handeln der Verwaltung. Durch den Einfluss der Öffentlichkeit soll das Verwaltungshandeln 24

S. J.  Masing, Die Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, 1997, S. 19 ff.; M. Ruffert, Subjektive Rechte im Umweltrecht der Europäischen Gemeinschaft, 1996, S. 162; B. Wegener, Rechte des Einzelnen, 1998, S. 25 ff.; C. Calliess, Feinstaub im Rechtsschutz deutscher Verwaltungsgerichte, NVwZ 2006, 1 (6); F. Schoch, Individualrechtsschutz im deutschen Umweltrecht unter dem Einfluß des Gemeinschaftsrechts, NVwZ 1999, 457 (459); M. Schmidt-Preuß, Gegenwart und Zukunft des Verfahrensrechts, NVwZ 2005, 489 (492); R. Streinz, Primär- und Sekundärrechtsschutz im Öffentlichen Recht, VVDStRL 61 (2001), 300 (341 f.); A.  Epiney, Primär- und Sekundärrechtsschutz im Öffentlichen Recht, VVDStRL 61 (2001), 362 (391 ff.); U. Giera, Individualrechte im europäischen Umweltrecht, 2015, S. 45 ff.; kritisch etwa M.  Nettesheim, Subjektive Rechte im Unionsrecht, AöR 132 (2007), 333 (388 f.); K. F. Gärditz, Funktionswandel der Verwaltungsgerichtsbarkeit unter dem Einfluss des Unionsrechts, Gutachten D zum 71. Deutschen Juristentag, D 22. S. zum Ganzen schon oben unter Teil 1. Kapitel 2. B. I. 3. b) (S. 72 ff.). 25 A. Schwerdtfeger, Der deutsche Verwaltungsrechtsschutz unter dem Einfluss der Aarhus-​ Konvention, 2010, S. 24; S. Pernice-Warnke, Der Zugang zu Gericht in Umweltangelegenheiten für Individualkläger und Verbände gemäß Art. 9 Abs. 3 Aarhus-Konvention und seine Umsetzung durch die europäische Gemeinschaft, EuR 2008, 410 (134); R.  Müller-Terpitz, Beteiligungs- und Handlungsmöglichkeiten nichtstaatlicher Organisationen im aktuellen Völker- und Gemeinschaftsrecht, AVR 43 (2005), 466 (473); B.  Werres, Information und Partizipation der Öffentlichkeit in Umweltangelegenheiten nach den Richtlinien 2003/4/EG und 2003/35/EG, DVBl 2005, 611 (612); W. Durner, Rechtspolitische Spielräume im Bereich der dritten Säule, in: Durner / Walter (Hrsg.), Rechtspolitische Spielräume, 2005, S. 64 (68); W. Durner, in: Beckmann u. a. (Hrsg.), Landmann / Rohmer, Umweltrecht, Umweltvölkerrecht (Mai 2015) Rn. 74. 26 J.  Masing, Der Rechtsstatus des Einzelnen im Verwaltungsrecht, in: Hoffmann-Riem u. a. (Hrsg.), GVwR I, 2012, § 7, Rn. 22; N. Wiesinger, Innovation im Verwaltungsrecht durch Internationalisierung, 2013, S. 38. 27 Den Instrumentalisierungsgedanken betonend etwa N. Wiesinger, Innovation im Verwaltungsrecht durch Internationalisierung, 2013, S. 37 mit unklarem Verweis auf die Präambel der Konvention, der sich vermutlich auf den siebten Erwägungsgrund bezieht; s. auch J. Ebbesson / H. Gaugitsch / J. Jendrośka / F. Marshall / S . Stec, The Aarhus Convention, 2014, S. 187; dagegen S. Pernice-Warnke, Effektiver Zugang zu Gericht, 2009, S. 135. 28 Dagegen wohl E. J. Lohse, Access to Justice, in: Lohse / Poto (Hrsg.), Participatory Rights in the Environmental Decision-Making Process and the Implementation of the Aarhus Convention, 2015, S. 159 (161), die den Schutz der Umwelt in den Vordergrund rückt.

Kap. 3: Rechtsschutzvorgaben der Århus-Konvention

101

nicht nur transparenter, sondern auch effektiver werden.29 Umweltrechtliche Entscheidungen zeichnen sich durch ein hohes Maß an Komplexität aus. Durch die Einbeziehung der Öffentlichkeit können mögliche Probleme frühzeitig erkannt und gelöst werden.30 Dies erhöht auch die Akzeptanz der getroffenen Entscheidung.31 II. Regelungsinhalte der Århus-Konvention Die Århus-Konvention zeichnet sich durch zwei Elemente aus: Sie gewährt ein Recht auf eine der menschlichen Gesundheit zuträglichen Umwelt. Zu dessen Durchsetzung dienen die prozeduralen Rechte der Säulenstruktur der Konvention. 1. Recht auf eine gesunde Umwelt In Art. 1 ÅK gewährt die Århus-Konvention ein Recht auf eine gesunde Umwelt. Dieses Recht bildet den Rahmen der Konvention. Hervorzuheben ist aber, dass der Umweltschutz in Art. 1 ÅK kein Selbstzweck ist, sondern der Gesundheit und dem Wohlbefinden der Menschen und zukünftiger Generationen dient.32 Der Umweltschutz der Århus-Konvention besitzt damit eine anthropozentrische Zielrichtung. Genauso verhält es sich aber umgekehrt: Die den Einzelnen gewährten prozeduralen Rechte dienen letztlich dem Umweltschutz.33 Trotz des Wortlauts handelt es sich hier nicht um ein konkret durchsetzbares Recht.34 Art. 1 ÅK markiert vielmehr eine Zielbestimmung der Konvention.35 Es geht Art. 1 ÅK also nicht um die Statuierung eines materiellen Rechts auf einen bestimmten Umweltzustand.36 Art. 1 ÅK ist vielmehr im Kontext des prozeduralen 29 N. Wiesinger, Innovation im Verwaltungsrecht durch Internationalisierung, 2013, S. 40; T. von Danwitz, Aarhus-Konvention, NVwZ 2004, 272 (273). 30 T. von Danwitz, Aarhus-Konvention, NVwZ 2004, 272 (273). 31 N. Wiesinger, Innovation im Verwaltungsrecht durch Internationalisierung, 2013, S. 40; T. von Danwitz, Aarhus-Konvention, NVwZ 2004, 272 (274); M. Pallemaerts, Introduction, in: Pallemaerts (Hrsg.), The Aarhus Convention at Ten, 2011, S. 1 (3). 32 S. auch A. Schwerdtfeger, Der deutsche Verwaltungsrechtsschutz unter dem Einfluss der Aarhus-Konvention, 2010, S. 31. 33 A. Epiney, in: Fluck u. a. (Hrsg.), IFG / U IG / VIG / GeoZG, F II.1 Aarhus-Konvention, Einleitung (Mai 2003) Rn. 4. 34 A. Epiney, in: Fluck u. a. (Hrsg.), IFG / U IG / VIG / GeoZG, F II.1 Aarhus-Konvention, Einleitung (Mai 2003) Rn. 3 f. hält schon den Wortlaut für nicht präzise genug für ein Individualrecht. 35 So auch A. Schwerdtfeger, Der deutsche Verwaltungsrechtsschutz unter dem Einfluss der Aarhus-Konvention, 2010, S. 32; A. Epiney / S . Diezig / B. Pirker / S . Reitemeyer, Aarhus-Konvention, Handkommentar, Art. 1, Rn. 4. 36 Um die Einführung eines Umweltgrundrechts rankt sich eine Kontroverse, die in ähnlicher Weise etwa auch bei der Einführung von Art. 37 GRCh eine Rolle gespielt hat. Auch bei Art. 37 GRCh handelt es sich nicht um ein echtes, materielles Umweltgrundrecht, sondern vielmehr um eine Staatszielbestimmung. S. dazu C.  Calliess, in: Calliess / Ruffert (Hrsg.),

102

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

Ansatzes der Konvention einzuordnen: Die in den Säulen der Konvention gewährten Rechte dienen der Erreichung des Ziels aus Art. 1 ÅK.37 Mit anderen Worten lässt sich Art. 1 ÅK lediglich ein prozedurales Umweltgrundrecht entnehmen,38 dessen Reichweite und Ausgestaltung den einzelnen Säulen unterliegt. 2. Säulenarchitektur im Stufenverhältnis Den Kern der Konvention, die Säulenarchitektur, bilden die Art. 4 bis 9 ÅK.39 Die Vorschriften der ersten Säule über den Zugang zu Umweltinformationen finden sich in Art. 4 und 5 ÅK. Während Art. 4 ÅK passive Informationspflichten regelt, lassen sich Art. 5 ÅK aktive Informationspflichten der Behörden entnehmen.40 Die passive Informationspflicht nach Art. 4 ÅK verlangt von der Behörde, Zugang zu existierenden Informationen auf Antrag hin zu gewähren, während die aktive Informationspflicht nach Art. 5 ÅK von der Behörde das Sammeln und Veröffentlichen von Umweltinformationen in Eigeninitiative einfordert.41 Wichtigstes Element der ersten Säule ist der Umweltinformationsanspruch, der nach Art. 4 Abs. 1 lit. a ÅK als Popularanspruch ausgestaltet ist.42

EUV / A EUV, 5. Aufl. 2016, Art. 37 GRCh Rn. 1 ff.; A. Voßkuhle, Umweltschutz und Grundgesetz, NVwZ 2013, 1 (2). Allgemein zur Diskussion um ein Umweltgrundrecht D. Shelton, Human Rights, Environmental Rights, and the Right to Environment, Stanford J. lnt’I L. 28 (1991), 103 (121 ff.). 37 A.  Epiney / S .  Diezig / B.  Pirker / S .  Reitemeyer, Aarhus-Konvention, Handkommentar, Art. 1, Rn. 4; s. dazu auch die Erklärung des Vereinigten Königreichs bei der Unterzeichnung der Konvention, abgedruckt bei K. Brady, Aarhus Convention Signed, Envtl. Pol’y & L. 28 (1998), 171 (187). 38 S. allgemein W. Kahl, in: Streinz (Hrsg.), EUV / A EUV, 3. Aufl. 2018, Art. 191 AEUV Rn. 28; J. Kokott, Europäisierung des Verwaltungsprozeßrechts, Die Verwaltung 31 (1998), 335 (361 f.); C. Sartoretti, The Aarhus-Convention Between Protection of Human Rights and Protection of the Environment, in: Lohse / Poto (Hrsg.), Participatory Rights in the Environmental Decision-Making Process and the Implementation of the Aarhus Convention, 2015, S. 45 (49 f.). 39 A. Schwerdtfeger, Der deutsche Verwaltungsrechtsschutz unter dem Einfluss der Aarhus-​ Konvention, 2010, S. 27 m. w. N. 40 A. Epiney / S . Diezig / B. Pirker / S . Reitemeyer, Aarhus-Konvention, Handkommentar, vor Art. 4–5, Rn. 1; M.  Hedemann-Robinson, EU Implementation of the Aarhus Convention’s Third Pillar – Part 1, Eur. Energy & Envtl. L. Rev. 23 (2014), 102 (103); U. Beyerlin / T. Marauhn, International Environmental Law, 2011, S. 237. 41 J. Ebbesson / H. Gaugitsch / J. Jendrośka / F. Marshall / S . Stec, The Aarhus Convention, 2014, S. 74. 42 A.  Epiney / S .  Diezig / B.  Pirker / S .  Reitemeyer, Aarhus-Konvention, Handkommentar, Art. 4, Rn. 3; A. Epiney, in: Fluck u. a. (Hrsg.), IFG / U IG / VIG / GeoZG, F II.1 Aarhus-Konvention, Art. 4–5 (Mai 2003) Rn. 3; U. Seifert, Fortschritte beim Rechtsschutz in Umweltangelegenheiten nach Art. 9 Abs. 3 Aarhus-Konvention?, ZEuS 2016, 49 (53); s. auch M. Fitzmaurice, Environmental Justice Through International complaint procedures?, in: Ebbesson / Okowa (Hrsg.), Environmental Law and Justice in Context, 2009, S. 211 (213).

Kap. 3: Rechtsschutzvorgaben der Århus-Konvention

103

Die zweite Säule der Konvention bilden die Art. 6 bis 8 ÅK. Die Vorschriften verpflichten die Vertragsparteien zur Beteiligung der Öffentlichkeit in verschiedenen Konstellationen: Art. 6 ÅK regelt Beteiligungsrechte im Vorfeld von konkret-individuellen Hoheitsakten, während Art. 8 ÅK auf die Beteiligung bei der Erzeugung abstrakt-genereller Normen gerichtet ist. Art. 7 ÅK bezieht sich mit Plänen, Programmen und Politiken auf Rechtsakte, denen Außenwirkung oder Rechtsverbindlichkeit fehlt.43 Art. 9 ÅK bildet die dritte Säule der Konvention und vermittelt in den ersten drei Absätzen drei verschiedene Rechte, Überprüfungsverfahren anzustrengen. Art. 9 Abs. 1 ÅK bezieht sich auf die erste Säule der Konvention und sichert den Informationszugangsanspruch ab. Art. 9 Abs. 2 ÅK regelt den Zugang zu Überprüfungsverfahren im Rahmen der zweiten Säule der Konvention. Mit dem dritten Absatz von Art. 9 ÅK geht die Konvention schließlich über die reine Absicherung der Säulenstruktur hinaus und verpflichtet die Unterzeichner zur Einführung eines Überprüfungsverfahrens im nationalen Umweltrecht.44 Die Säulenstruktur der Århus-Konvention verfolgt einen bestimmten Zweck. Eine effektive Einbeziehung der Öffentlichkeit, die die von der Konvention gewünschte Mobilisierungswirkung hervorbringt, bedarf aller drei Säulenelemente: den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen, die Beteiligung an umweltrelevanten Entscheidungsverfahren, sowie die Absicherung dieser Rechte über den Zugang zu Überprüfungsverfahren.45 Die drei Säulen stehen daher nicht unverbunden nebeneinander, sondern bauen aufeinander auf, weshalb jede dieser drei Säulen wichtig für die jeweils anderen beiden ist. Erst durch die Zugänglichkeit von Umweltinformationen kann sich eine Öffentlichkeit bilden, die effektiv ihre Beteiligungsrechte bei umweltrelevanten Entscheidungen ausüben kann.46 Über die dritte Säule, den Zugang zu Überprüfungsverfahren, werden die Rechte aus den ersten beiden Säulen wehrhaft gemacht und abgesichert.47 Mit dem der Durchsetzung des innerstaatlichen Umweltrechts dienenden Art. 9 Abs. 3 ÅK geht die Konvention über die Absicherung ihrer eigenen Partizipationsrechte hinaus,

43

M.  Scheyli, Aarhus-Konvention über Informationszugang, Öffentlichkeitsbeteiligung und Rechtsschutz in Umweltbelangen, AVR 38 (2000), 217 (240 f.); A. Epiney / S . Diezig / B. Pir­ ker / S . Reitemeyer, Aarhus-Konvention, Handkommentar, vor Art. 6–8, Rn. 3. 44 A. Schwerdtfeger, Der deutsche Verwaltungsrechtsschutz unter dem Einfluss der ­Aarhus-​ Konvention, 2010, S. 33; J. Wates, The Aarhus Convention, JEEPL 2 (2005), 2 (6). 45 N. Wiesinger, Innovation im Verwaltungsrecht durch Internationalisierung, 2013, S. 32; U. Beyerlin / T. Marauhn, International Environmental Law, 2011, S. 234, 237. 46 S. T. Bunge, Einleitung, in: Schlacke u. a. (Hrsg.), Aarhus-Handbuch, 2010, Rn. 1; A. Epiney / S . Diezig / B. Pirker / S . Reitemeyer, Aarhus-Konvention, Handkommentar, vor Art. 4–5, Rn. 2; V. Rodenhoff, The Aarhus Convention and its Implications for the ‚Institutions‘ of the European Community, RECIEL 11 (2002), 343 (345); J. Ebbesson, Public Participation in Environmental Matters (Dezember 2009), in: Wolfrum (Hrsg.), MPEPIL, Rn. 3. 47 R. Müller-Terpitz, Beteiligungs- und Handlungsmöglichkeiten nichtstaatlicher Organisationen im aktuellen Völker- und Gemeinschaftsrecht, AVR 43 (2005), 466 (472 f.).

104

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

weshalb darin eine weitere Stufe erblickt werden kann.48 Art. 9 ÅK ist so mehr als ein reiner Annex zu den ersten beiden Säulen.49 Dieser Aufbau rechtfertigt es, die Säulenstruktur der Konvention in einem Stufenverhältnis zu sehen.50 3. Anspruchsberechtigte und -gegner Zum Verständnis von Struktur und Funktionsweise der Konvention ist es wichtig, die Regelungen der Konvention zur Aktiv- und Passivlegitimation einer genaueren Untersuchung zu unterziehen. Die Konvention enthält dazu Legaldefinitio­ nen, die erste Schlussfolgerungen über die Reichweite der Konvention zulassen. a) „Öffentlichkeit“ und „betroffene Öffentlichkeit“ als Anspruchsberechtigte Die Århus-Konvention verwendet zur Kennzeichnung des Kreises der Anspruchs­ berechtigten überwiegend die Begriffe der „Öffentlichkeit“ bzw. der „betroffenen Öffentlichkeit“.51 Die Unterscheidung dieser Begriffe ist zentral zur Bestimmung des Berechtigtenkreises der Konventionsrechte: So regelt Art. 4 Abs. 1 ÅK den Informationsanspruch der „Öffentlichkeit“, worauf Art. 9 Abs. 1 ÅK Bezug nimmt. Art. 9 Abs. 2 ÅK, der sich auf die zweite Säule der Konvention bezieht, gewährt den Zugang zu Überprüfungsverfahren der „betroffenen Öffentlichkeit“. Anspruchsberechtigt ist in Art. 9 Abs. 3 ÅK wiederum die „Öffentlichkeit“. Die Begriffe der „Öffentlichkeit“ und der „betroffenen Öffentlichkeit“ sind in Art. 2 Nr. 4 bzw. 5 ÅK legaldefiniert. Die Definition der Öffentlichkeit in Art. 2 Nr. 4 ÅK ist denkbar weit angelegt.52 Sie umfasst alle natürlichen und juristischen 48

A. Schwerdtfeger, Der deutsche Verwaltungsrechtsschutz unter dem Einfluss der Aarhus-​ Konvention, 2010, S. 33; J. Wates, The Aarhus Convention, JEEPL 2 (2005), 2 (6); s. auch U. Seifert, Fortschritte beim Rechtsschutz in Umweltangelegenheiten nach Art. 9 Abs. 3 AarhusKonvention?, ZEuS 2016, 49 (54). 49 Hierfür spricht auch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift: Zunächst waren die Rechtsschutzbestimmungen in die Bestimmungen der ersten und zweiten Säule integriert, wurden dann aber gebündelt in Art. 9 ÅK zusammengefasst. Dazu A.  Epiney / S .  Diezig /  B.  Pirker / S .  Reitemeyer, Aarhus-Konvention, Handkommentar, Art. 9, Rn. 6. Dagegen M. Karge, Das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz im System des deutschen Verwaltungsprozessrechts, 2010, S. 23 f. 50 A. Schwerdtfeger, Der deutsche Verwaltungsrechtsschutz unter dem Einfluss der Aarhus-​ Konvention, 2010, S. 34 f.; s. auch M. Schröder, Postulate und Konzepte zur Durchsetzbarkeit und Durchsetzung der EG-Umweltpolitik, NVwZ 2006, 389 (393). 51 Beim Begriff der Öffentlichkeit handelt es sich um einen voraussetzungsvollen Begriff, s. etwa M. Scheyli, Aarhus-Konvention über Informationszugang, Öffentlichkeitsbeteiligung und Rechtsschutz in Umweltbelangen, AVR 38 (2000), 217 (228 f.). Hier soll nur auf den Begriff der Öffentlichkeit im Sinne der Århus-Konvention eingegangen werden. 52 A.  Epiney / S .  Diezig / B.  Pirker / S .  Reitemeyer, Aarhus-Konvention, Handkommentar, Art. 2, Rn. 27; M.  Karge, Das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz im System des deutschen Ver-

Kap. 3: Rechtsschutzvorgaben der Århus-Konvention

105

Personen sowie nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts Vereinigungen, Organisationen und Gruppen. Der Kreis der Öffentlichkeit i. S. v. Art. 2 Nr. 4 ÅK ist nicht durch bestimmte Kriterien begrenzt, sondern bezieht sich potenziell umfassend auf alle Mitglieder der Gesellschaft.53 Der Begriff der „betroffenen Öffentlichkeit“ i. S. v. Art. 2 Nr. 5 ÅK beschreibt eine Teilmenge der „Öffentlichkeit“.54 Als Abgrenzungsmerkmal dient die Betroffenheit dieses Teils der Öffentlichkeit. Wie sich aus Art. 2 Nr. 5 Hs. 1 ÅK ergibt, zählt zu der „betroffenen Öffentlichkeit“, wer ein – nicht notwendigerweise rechtliches55 – Interesse an der Maßnahme geltend machen kann.56 An dieser Stelle setzt der zweite Halbsatz von Art. 2 Nr. 5 ÅK an, der für durch das innerstaatliche Recht anerkannte Umweltschutzverbände ein Interesse fingiert.57 Verbände sind von der Darlegung eines entsprechenden Interesses befreit und zählen damit immer zur „betroffenen Öffentlichkeit“.58 Damit unterstreicht die Konvention die besondere Bedeutung der Verbände für den Umweltschutz.59

waltungsprozessrechts, 2010, S. 21; s. auch J. Ebbesson / H. Gaugitsch / J. Jendrośka / F. Marshall / S . Stec, The Aarhus Convention, 2014, S. 55 f. 53 M.  Scheyli, Aarhus-Konvention über Informationszugang, Öffentlichkeitsbeteiligung und Rechtsschutz in Umweltbelangen, AVR 38 (2000), 217 (230); A.  Epiney / S .  Diezig / ​ B.  Pirker / S .  Reitemeyer, Aarhus-Konvention, Handkommentar, Art. 2, Rn. 28; S. Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz, 2008, S. 237; E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband I, 2018, S. 600; V. Rodenhoff, The Aarhus Convention and its Implications for the ‚Institutions‘ of the European Community, RECIEL 11 (2002), 343 (344). 54 S. Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz, 2008, S. 237; J. Ebbesson / H. Gaugitsch / ​ J. Jendrośka / F. Marshall / S . Stec, The Aarhus Convention, 2014, S. 57; P. Jeder, Neue Entwicklungen im Umweltrecht vor dem Hintergrund der Åarhus-Konvention, UTR 62 (2002), 145 (150). 55 J. Ebbesson / H. Gaugitsch / J. Jendrośka / F. Marshall / S . Stec, The Aarhus Convention, 2014, S. 57. 56 A.  Epiney, in: Fluck u. a. (Hrsg.), IFG / U IG / VIG / GeoZG, F II.1 Aarhus-Konvention, Art. 1–3 (Mai 2003) Rn. 22. 57 S. Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz, 2008, S. 237; C. Walter, Beteiligungsrechte im Verwaltungsverfahren und Zugang zu Gerichten, in: Durner / Walter (Hrsg.), Rechtspolitische Spielräume, 2005, S. 7 (24 f.); M. Zschiesche, Die Aarhus-Konvention, ZUR 2001, 177 (181); P. Jeder, Neue Entwicklungen im Umweltrecht vor dem Hintergrund der Åarhus-Konvention, UTR 62 (2002), 145 (150). 58 S.  Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz, 2008, S. 237; A.  Epiney, in: Fluck u. a. (Hrsg.), IFG / U IG / VIG / GeoZG, F II.1 Aarhus-Konvention, Art. 1–3 (Mai 2003) Rn. 22. 59 V. Rodenhoff, The Aarhus Convention and its Implications for the ‚Institutions‘ of the European Community, RECIEL 11 (2002), 343 (345); s. auch P. Oliver, Access to Information and to Justice in EU Environmental Law: The Aarhus Convention, Fordham Int’l L. J. 36 (2013), 1423 (1431 f.); A. K.  Mangold, The Persistence of National Peculiarities, IJGLS 21 (2014), 223 (239).

106

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

b) „Behörden“ als Anspruchsgegner Die Anspruchsgegner werden von der Konvention als Behörde bezeichnet.60 So muss eine Behörde Zugang zu Umweltinformationen i. S. d. Art. 4 Abs. 1 ÅK gewähren oder gem. Art. 8 ÅK die Öffentlichkeit in die Vorbereitung von Exekutivhandlungen einbeziehen. Der Begriff der Behörde ist für die Konvention in Art. 2 Nr. 2 ÅK legaldefiniert. Art. 2 Nr. 2 ÅK nennt verschiedene Konstellationen, in denen nach der Konvention eine Behördentätigkeit vorliegt. Deren Darstellung soll auf einige, für die Untersuchung zentrale Punkte beschränkt werden.61 Wichtig ist zunächst, dass Art. 2 Nr. 2 aE ÅK gerichtliche und gesetzgeberische Tätigkeiten von dem Behördenbegriff und damit aus dem Anwendungsbereich der Konvention ausnimmt.62 Daraus lässt sich im Umkehrschluss für alle Varianten der Behördentätigkeit annehmen, dass es sich hier um Exekutivtätigkeiten handeln muss.63 Damit erfordert die Konvention eine – im Einzelfall nicht selten schwierige – Abgrenzung zwischen Legislative, Exekutive und Judikative.64 Gleichzeitig wird aber auch deutlich, dass der Konvention ein funktionales Verständnis der Behördentätigkeit zugrunde liegt.65 Im Einzelnen umfassen die Varianten von Art. 2 Nr. 2 ÅK Stellen der öffentlichen Verwaltung66 sowie Private, die hoheitliche Aufgaben wahrnehmen67 oder unter der Kontrolle einer Behörde nicht-hoheitliche Tätigkeiten durchführen.68 Die 60

J. Ebbesson / H. Gaugitsch / J. Jendrośka / F. Marshall / S . Stec, The Aarhus Convention, 2014, S. 46. 61 Eine umfangreiche Darstellung findet sich bei A. Epiney / S . Diezig / B. Pirker / S . Reite­ meyer, Aarhus-Konvention, Handkommentar, Art. 2, Rn. 7. 62 In Erwägungsgrund 11 zur Konvention findet sich jedoch die ausdrückliche Aufforderung an die Parteien, die Grundsätze der Konvention auch auf ihre Legislative anzuwenden, s. auch K. Brady, New Convention on Access to Information and Public Participation in Environmental Matters, Envtl. Pol’y & L. 28 (1998), 69 (70); J. Ebbesson / H. Gaugitsch / J. Jendrośka / F. Marshall / S . Stec, The Aarhus Convention, 2014, S. 32. Freilich ist diese Aufforderung nicht verbindlich. 63 A.  Epiney / S .  Diezig / B.  Pirker / S .  Reitemeyer, Aarhus-Konvention, Handkommentar, Art. 2, Rn. 9; M. Scheyli, Aarhus-Konvention über Informationszugang, Öffentlichkeitsbeteiligung und Rechtsschutz in Umweltbelangen, AVR 38 (2000), 217 (230); J. Ebbesson / H. Gaugitsch / J. Jendrośka / F. Marshall / S . Stec, The Aarhus Convention, 2014, S. 46. 64 P. Jeder, Neue Entwicklungen im Umweltrecht vor dem Hintergrund der Åarhus-Konvention, UTR 62 (2002), 145 (151). Darüber hinaus weisen M. Scheyli, Aarhus-Konvention über Informationszugang, Öffentlichkeitsbeteiligung und Rechtsschutz in Umweltbelangen, AVR 38 (2000), 217 (231) und A. Epiney / S . Diezig / B. Pirker / S . Reitemeyer, Aarhus-Konvention, Handkommentar, Art. 2, Rn. 9 darauf hin, dass die Trennung in drei Gewalten in einem modernen Staatsaufbau nicht immer eindeutig möglich ist. 65 A.  Epiney / S .  Diezig / B.  Pirker / S .  Reitemeyer, Aarhus-Konvention, Handkommentar, Art. 2, Rn. 10; A. Fischer-Lescano, Transnationales Verwaltungsrecht, JZ 2008, 373 (376). 66 Art. 2 Nr. 2 lit. a ÅK. 67 Art. 2 Nr. 2 lit. b ÅK. 68 Art. 2 Nr. 2 lit. c ÅK. Insbesondere zur Unterscheidung zwischen lit. b und lit. c A. Epiney / ​S . Diezig / B. Pirker / S . Reitemeyer, Aarhus-Konvention, Handkommentar, Art. 2, Rn. 15 f.

Kap. 3: Rechtsschutzvorgaben der Århus-Konvention

107

Institutionen und Organe der Union sind über den Verweis in Art. 17 ÅK ausdrücklich einbezogen.69 Ungeachtet der Details zu den einzelnen Varianten lässt sich der Konvention damit ein weiter Behördenbegriff entnehmen.70 Mit dem weiten Behördenbegriff geht eine umfassende Verpflichtung einher.71 III. Aarhus Convention Compliance Committee Die Århus-Konvention sieht in Art. 15 Satz 1 „eine freiwillige, nichtstreitig angelegte, außergerichtliche und auf Konsultationen beruhende Überprüfung der Einhaltung der Bestimmungen“ vor, deren Ausformung die Tagung der Vertragsparteien einstimmig regelt. Auf dieser Grundlage hat die Vertragsstaatenkonferenz durch die Decision I/7 das Aarhus Convention Compliance Committee geschaffen.72 Zusammen mit der Vertragsstaatenkonferenz ist das Compliance Committee das zentrale Organ der Konvention, um die Einhaltung der Verpflichtungen zu sichern.73 Das Compliance Committee besteht aus neun gewählten, unabhängigen Mitgliedern unterschiedlicher Nationalität.74 Im Wesentlichen erfüllt es drei Aufgaben: Es entscheidet auf Antrag über die Einhaltung der Konvention durch die Vertragsparteien, bereitet für die Vertragsstaatenkonferenz Berichte über die Einhaltung der Verpflichtungen durch die Vertragsparteien vor und überprüft und bewertet die Berichterstattung der Vertragsparteien nach Art. 10 Abs. 2 ÅK.75 Ein Verfahren

69

Art. 2 Nr. 2 lit. d ÅK. J. Ebbesson / H. Gaugitsch / J. Jendrośka / F. Marshall / S . Stec, The Aarhus Convention, 2014, S. 46; V. Rodenhoff, The Aarhus Convention and its Implications for the ‚Institutions‘ of the European Community, RECIEL 11 (2002), 343 (345). 71 A.  Epiney / S .  Diezig / B.  Pirker / S .  Reitemeyer, Aarhus-Konvention, Handkommentar, Art. 2, Rn. 22. 72 Report of the First Meeting of the Parties, Addendum, Decision I/7 Review of Compliance, adopted at the first meeting of the Parties held in Lucca, Italy, on 21–23 October 2002, ECE / MP.PP/2/Add.8. Zu den Rechtsgrundlagen J. Jendrośka, Aarhus Convention Compliance Committee, JEEPL 8 (2011), 301 (304 ff.). 73 J. Ebbesson, Acces to Justice at the National Level., in: Pallemaerts (Hrsg.), The Aarhus Convention at Ten, 2011, S. 245 (250). 74 S. zu den Mitgliedern Decision I/7, Annex, Nr. 1 ff. sowie die Ergänzung der Mitgliederzahl durch Report of the Second Meeting of the Parties, Addendum, Decision II/5 General Issues of Compliance, adopted at the second meeting of the Parties held in Almaty, Kazakhstan, on 25–27 May 2005, ECE / MP.PP/2005/2/Add.6, Nr. 12. Für Einzelheiten zur Zusammensetzung s. etwa J. Jendrośka, Aarhus Convention Compliance Committee, JEEPL 8 (2011), 301 (305 ff.); A. Epiney / S . Diezig / B. Pirker / S . Reitemeyer, Aarhus-Konvention, Handkommentar, Art. 15, Rn. 2; J. Ebbesson / H. Gaugitsch / J. Jendrośka / F. Marshall / S . Stec, The Aarhus Convention, 2014, S. 223; V. Koester, Review of Compliance under the Aarhus Convention, JEEPL 2 (2005), 31 (35). 75 Decision I/7, Annex, Nr. 13. Dazu J. Ebbesson / H. Gaugitsch / J. Jendrośka / F. Marshall / ​ S. Stec, The Aarhus Convention, 2014, S. 223 f.; A. Epiney / S . Diezig / B. Pirker / S . Reitemeyer, Aarhus-Konvention, Handkommentar, Art. 15, Rn. 3. 70

108

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

kann also durch den Antrag einer Vertragspartei, eines Mitglieds der Öffentlichkeit sowie durch das Konventionssekretariat eingeleitet werden.76 1. Verfahren und Entscheidungswirkung Die Entscheidungen des Compliance Committees zeichnen sich wesentlich dadurch aus, dass sie nicht rechtlich verbindlich sind.77 Dies wird in Art. 15 Satz 1 ÅK dadurch unterstrichen, dass die Verfahren auf Konsultationen beruhen sollen.78 Überhaupt geht es bei Verfahren des Compliance Committees im Wesentlichen nicht darum, eine Vertragspartei für eine Verletzung der Konvention zu verurteilen, sondern konstruktiv mit ihr an einer Verbesserung der Umsetzung zu arbeiten.79 Dieser Ansatz wird besonders dadurch deutlich, dass die Verfahren des Compliance Committees nicht-gerichtlich sowie nicht-streitig angelegt sind.80 Es geht vielmehr um die Herstellung eines Konsenses.81 Die Ergebnisse des Verfahrens leitet das Compliance Committee der Vertragsstaatenkonferenz zu.82 Bei Feststellung einer Nichtvereinbarkeit kann das Compliance Committee aufgrund des freiwilligen und konsensualen Charakters des Verfahrens nur in Rücksprache mit der Vertragspartei Hilfestellungen anbieten und nur mit deren Zustimmung Empfehlungen aussprechen oder die Ausarbeitung einer Strategie zur Verbesserung verlangen.83 Die Vertragsstaatenkonferenz kann 76

J. Ebbesson / H. Gaugitsch / J. Jendrośka / F. Marshall / S . Stec, The Aarhus Convention, 2014, S. 224; E. Fasoli / A . McGlone, The Non-Compliance Mechanism Under the Aarhus Convention as ‚Soft‘ Enforcement of International Environmental Law, NILR 65 (2018), 27 (34). M. Fitzmaurice, Environmental Justice Through International complaint procedures?, in: Ebbesson / Okowa (Hrsg.), Environmental Law and Justice in Context, 2009, S. 211 (214) hebt hervor, dass hier zum ersten Mal auch Mitglieder der Öffentlichkeit Beschwerden einreichen können. 77 J. Ebbesson / H. Gaugitsch / J. Jendrośka / F. Marshall / S . Stec, The Aarhus Convention, 2014, S. 224. 78 E. Fasoli / A . McGlone, The Non-Compliance Mechanism Under the Aarhus Convention as ‚Soft‘ Enforcement of International Environmental Law, NILR 65 (2018), 27 (33). 79 J. Ebbesson / H. Gaugitsch / J. Jendrośka / F. Marshall / S . Stec, The Aarhus Convention, 2014, S. 222. 80 E. Fasoli / A . McGlone, The Non-Compliance Mechanism Under the Aarhus Convention as ‚Soft‘ Enforcement of International Environmental Law, NILR 65 (2018), 27 (33). 81 A.  Epiney / S .  Diezig / B.  Pirker / S .  Reitemeyer, Aarhus-Konvention, Handkommentar, Art. 15, Rn. 4. 82 S. Decision I/7, Annex, Nr. 36. Dazu J. Ebbesson / H. Gaugitsch / J. Jendrośka / F. Mar­ shall / S . Stec, The Aarhus Convention, 2014, S. 224; J. Maurici / R . Moules, The influence of the Aarhus Convention on EU Environmental Law: Part 1, J. P. L. (2013), 1496 (1500). 83 Decision I/7, Annex, Nr. 36 lit. a mit Verweis auf Nr. 37 lit. a sowie Nr. 36 lit. b mit Verweis auf Nr. 37 lit. b, c und d. S. dazu M. Fitzmaurice, Environmental Justice Through International complaint procedures?, in: Ebbesson / Okowa (Hrsg.), Environmental Law and Justice in Context, 2009, S. 211 (216); A. Epiney / S . Diezig / B. Pirker / S . Reitemeyer, Aarhus-Konvention, Handkommentar, Art. 15, Rn. 7; J. Jendrośka, Aarhus Convention Compliance Committee, JEEPL 8 (2011), 301 (312 f.).

Kap. 3: Rechtsschutzvorgaben der Århus-Konvention

109

die Ergebnisse des Compliance Committees aufgreifen und nur sie kann Maßnahmen verhängen, ohne auf den Konsens mit der betreffenden Vertragspartei angewiesen zu sein.84 Dies verdeutlicht die untergeordnete Rolle des Compliance Committees im Verhältnis zur Vertragsstaatenkonferenz.85 2. Bedeutung der Entscheidungen des Compliance Committees Aus dieser kurzen Übersicht zum Compliance Committee ergibt sich vor allem der nicht-bindende, konsultative Charakter der Entscheidungen. Deren Bedeutung ist dennoch nicht zu unterschätzen. Es ist gängige Praxis der Vertragsstaatenkonferenz, die Entscheidungen und Empfehlungen des Compliance Committees anzunehmen.86 Im Fall einer Unvereinbarkeit geschieht dies mit der Formel „to endorse“.87. Dies wertet die Entscheidungen und Empfehlungen des Compliance Committees auf: Die Annahme durch die Vertragsparteien verleiht der Auslegung der Konvention durch das Compliance Committee einen autoritativen Charakter.88 Durch diesen Mechanismus macht sich die Vertragsstaatenkonferenz die Entscheidungen des Compliance Committees zu eigen, worin eine auslegungsrelevante Übung im Sinne von Art. 31 Abs. 3 lit. b WVRK liegt.89 Dies führt zu 84 S. Decision I/7, Annex, Nr. 37. Zur Rolle der Vertragsstaatenkonferenz E. Morgera, An Update on the Aarhus Convention and its Continued Global Relevance, RECIEL 14 (2005), 138 (141); J. Ebbesson, Acces to Justice at the National Level., in: Pallemaerts (Hrsg.), The Aarhus Convention at Ten, 2011, S. 245 (250). 85 E. Fasoli / A . McGlone, The Non-Compliance Mechanism Under the Aarhus Convention as ‚Soft‘ Enforcement of International Environmental Law, NILR 65 (2018), 27 (35 f.). 86 J. Ebbesson / H. Gaugitsch / J. Jendrośka / F. Marshall / S . Stec, The Aarhus Convention, 2014, S. 224; E.  Fasoli / A .  McGlone, The Non-Compliance Mechanism Under the Aarhus Convention as ‚Soft‘ Enforcement of International Environmental Law, NILR 65 (2018), 27 (41). Zum – erstmals – problematischen Fall der Europäischen Union s. unten Teil 2. Kapitel 5.  B. II. (S. 335 ff.). 87 Dazu ausführlich E. Fasoli / A . McGlone, The Non-Compliance Mechanism Under the Aarhus Convention as ‚Soft‘ Enforcement of International Environmental Law, NILR 65 (2018), 27 (37 ff.). 88 A.  Epiney / S .  Diezig / B.  Pirker / S .  Reitemeyer, Aarhus-Konvention, Handkommentar, Art. 15, Rn. 7. Das Bundesverwaltungsgericht formuliert in BVerwGE 147, 312 Rn. 33: „Auch wenn sich das Compliance Committee mit Empfehlungen begnügt, kommt den darin geäußerten Rechtsansichten gleichwohl bedeutendes Gewicht zu; das folgt nicht zuletzt daraus, dass bislang alle Feststellungen des Compliance Committee über die Konventionswidrigkeit der Rechtslage in einem Vertragsstaat in den Zusammenkünften der Vertragsparteien […] gebilligt worden sind“. Kritisch dazu W. Durner, SUP-pflichtige Fachpläne in der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle, EurUP 2018, 142 (143 Fn. 5). 89 M. Hedemann-Robinson, EU Implementation of the Aarhus Convention’s Third Pillar – Part 1, Eur. Energy & Envtl. L. Rev. 23 (2014), 102 (109 Fn. 63); A. Tanzi / C . Pitea, The Interplay between EU Law and International Law Procedures in Controlling Compliance with the Aarhus Convention by EU Member States, in: Pallemaerts (Hrsg.), The Aarhus Convention at Ten, 2011, S. 367 (380); E. Fasoli / A . McGlone, The Non-Compliance Mechanism Under the Aarhus Convention as ‚Soft‘ Enforcement of International Environmental Law, NILR 65 (2018), 27 (38 ff.), die sich daneben auch auf Art. 31 Abs. 3 lit. a WVRK stützen; s. auch J. Eb-

110

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

einem „hohen persuasiven Wert“90 der Entscheidungen des Compliance Committees. Dadurch entwickelt die Auslegung der Konvention durch das Compliance Committee über den konkreten Fall hinaus eine Ausstrahlungswirkung: Sie dient allen Vertragsparteien als Leitlinie, wie die Konventionsbestimmungen auszulegen und umzusetzen sind.91

B. Maßstäbe der Århus-Konvention für den Rechtsschutz Die Wirksamkeit eines Rechts bestimmt sich maßgeblich nach dessen Durchsetzbarkeit.92 Daher gibt Art. 9 ÅK den Vertragsparteien auf, die von der Konvention gewährten Rechte wehrhaft zu machen. Art. 9 ÅK verklammert in seinen ersten beiden Absätzen die Rechte der ersten und zweiten Säule mit entsprechenden Rechtsschutzmöglichkeiten und geht mit dem dritten Absatz sogar über die reine Sicherung der Konventionsrechte hinaus. Die Rechtsschutzmöglichkeiten runden das Funktionskonzept der Konvention ab. Anders als es sich aus der deutschen Übersetzung der Konvention ergibt, fordert Art. 9 ÅK jedoch keinen Zugang zu Gericht, sondern lediglich den zu Überprüfungsverfahren, die nicht unbedingt gerichtlicher Natur sein müssen.93 Entgegen der deutschen Übersetzung des Titels von Art. 9 ÅK („Zugang zu Gerichten“) sind die verbindlichen94 englischen („Access to Justice“) und französischen („Accès à la justice“) Wortlaute weiter gefasst.95 Zudem lassen die ersten beiden Absätze von Art. 9 ÅK den Vertragsparteien die Wahl zwischen dem Zugang zu Gericht oder „einer anderen auf gesetzlicher Grundlage geschaffenen unabhängigen und unparteiischen Stelle“, während Art. 9 Abs. 3 ÅK auch ein verwaltungsbehördliches Verfahren ausreichen lässt. Die Rechtsschutzmöglichkeiten sind nicht nur für die innere Stimmigkeit des Regelungskonzepts der Konvention entscheidend, sondern ebenso für ihre Gesamtbesson, Acces to Justice at the National Level, in: Pallemaerts (Hrsg.), The Aarhus Convention at Ten, 2011, S. 245 (251). Dies ist freilich nicht unumstritten, s. dazu m. w. N. W. Durner, SUP-pflichtige Fachpläne in der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle, EurUP 2018, 142 (143 Fn. 5). S. allgemein R. R. Churchill / G. Ulfstein, Autonomous Institutional Arrangements in Multilateral Environmental Agreements, AJIL 94 (2000), 623 (641); K.  Berner, Authentic Interpretation in Public International Law, ZaöRV 76 (2016), 845 (864 ff.). 90 M. Breuer / S . Riegger, Die Reichweite der Pflicht der EU zur Umsetzung der Aarhus-Konvention, EurUP 2014, 293 (298), die im Übrigen der Argumentation mit Art. 31 Abs. 3 WVRK aber vorsichtig gegenüberstehen. 91 J. Ebbesson / H. Gaugitsch / J. Jendrośka / F. Marshall / S . Stec, The Aarhus Convention, 2014, S. 224 f. 92 S. C. Waldhoff, Staat und Zwang, 2008, S. 13. 93 A. Schwerdtfeger, Der deutsche Verwaltungsrechtsschutz unter dem Einfluss der Aarhus-Konvention, 2010, S. 28; S. Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz, 2008, S. 240 Fn. 493; J. Falke, Die Aarhus-Konvention und der Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten, in: Falke / Schlacke (Hrsg.), Information, Beteiligung, Rechtsschutz, 2003, S. 99 (105). 94 Gem. Art. 22 ÅK sind nur die englische, französische und russische Fassung verbindlich. 95 S. zum Vergleich die Synopse zu Art. 9 ÅK (S. 351 ff.).

Kap. 3: Rechtsschutzvorgaben der Århus-Konvention

111

wirkung: Nur durch effektive Rechtsschutzmöglichkeiten kann dem Vollzugsdefizit des Umweltrechts entgegengewirkt werden.96 Bei dem Zugang zu Überprüfungsverfahren handelt es sich damit um das wirkmächtigste Instrument der Konvention zum Schutz der Umwelt und um den Höhepunkt der Entwicklung.97 I. Rechtsschutz nach Art. 9 Abs. 1 ÅK Der erste Absatz von Art. 9 ÅK gewährt Rechtsschutz im Anwendungsbereich der ersten Säule der Konvention. Damit sichert Art. 9 Abs. 1 ÅK den Informationsanspruch der Öffentlichkeit in Umweltangelegenheiten. 1. Sicherung des Rechts aus Art. 4 ÅK durch das Überprüfungsverfahren Nach Art. 9 Abs. 1 ÅK müssen die Vertragsparteien der Konvention ein Überprüfungsverfahren für den Fall einer Verletzung des Rechts aus Art. 4 ÅK einrichten. Art. 9 Abs. 1 ÅK nennt als mögliche Varianten der Verletzung, dass der Informationsantrag ignoriert, fälschlicherweise ganz oder teilweise abgelehnt oder nicht im Sinne von Art. 4 ÅK bearbeitet wird. Aus der Systematik von Art. 4 ÅK lässt sich schließen, dass eine fälschliche Ablehnung jedenfalls immer dann vorliegt, wenn ein Informationsbegehren abgelehnt wird, obwohl kein Versagungsgrund nach Art. 4 Abs. 3 und 4 ÅK erfüllt ist.98 Im Übrigen ist die Aufzählung nicht abschließend.99 Ein Antrag kann auch „auf andere Weise nicht in Übereinstimmung“ mit Art. 4 ÅK behandelt worden sein, worin letztlich ein Auffangtatbestand liegt.100 Der Kreis der Rechtsschutzberechtigten in Art. 9 Abs. 1 ÅK wird nicht durch bestimmte Kriterien begrenzt und ist daher voraussetzungslos.101 Anspruchsberech 96

N. Wiesinger, Innovation im Verwaltungsrecht durch Internationalisierung, 2013, S. 57; Sachverständigenrat für Umweltfragen, Rechtsschutz für die Umwelt, 2005, Rn. 5 ff. 97 A. Schwerdtfeger, Der deutsche Verwaltungsrechtsschutz unter dem Einfluss der AarhusKonvention, 2010, S. 34. Ähnlich P. Oliver, Access to Information and to Justice in EU Envi­ ronmental Law: The Aarhus Convention, Fordham Int’l L. J. 36 (2013), 1423 (1442), der in Bezug auf den Zugang zu Überprüfungsverfahren von einem „pièce de résistance“ spricht. 98 M. Scheyli, Aarhus-Konvention über Informationszugang, Öffentlichkeitsbeteiligung und Rechtsschutz in Umweltbelangen, AVR 38 (2000), 217 (243). 99 So auch A. Epiney / S . Diezig / B. Pirker / S . Reitemeyer, Aarhus-Konvention, Handkommentar, Art. 9, Rn. 4; M. Scheyli, Aarhus-Konvention über Informationszugang, Öffentlichkeitsbeteiligung und Rechtsschutz in Umweltbelangen, AVR 38 (2000), 217 (243); N. Wiesinger, Innovation im Verwaltungsrecht durch Internationalisierung, 2013, S. 58. 100 A.  Epiney / S .  Diezig / B.  Pirker / S .  Reitemeyer, Aarhus-Konvention, Handkommentar, Art. 9, Rn. 13. 101 M. Scheyli, Aarhus-Konvention über Informationszugang, Öffentlichkeitsbeteiligung und Rechtsschutz in Umweltbelangen, AVR 38 (2000), 217 (243); T. von Danwitz, Aarhus-Konvention, NVwZ 2004, 272 (276); A. Epiney / K. Sollberger, Zugang zu Gerichten und gerichtliche

112

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

tigt ist jede Person, die einen Informationsanspruch nach Art. 4 ÅK gestellt hat.102 Weitere Voraussetzungen ergeben sich aus Art. 9 Abs. 1 ÅK für den Kreis der Anspruchsberechtigten nicht. Vielmehr handelt es sich bei Art. 9 Abs. 1 ÅK um einen Popularanspruch.103 Angesichts des ebenfalls als Popularanspruch ausgestalteten Informationszugangsrechts ist dies nur folgerichtig.104 Die Konvention definiert den Terminus „Person“ nicht weiter.105 Da Art. 9 Abs. 1 ÅK jedoch an den Anspruch aus Art. 4 Abs. 1 ÅK anknüpft, ist davon auszugehen, dass der Kreis der Anspruchsberechtigten von Art. 9 Abs. 1 ÅK ebenso weit reicht wie der dort verwendete Begriff der Öffentlichkeit. Art. 9 Abs. 1 ÅK umfasst damit neben natürlichen auch juristische Personen.106 Dass Art. 9 Abs. 1 ÅK den Begriff der Öffentlichkeit selbst nicht verwendet, lässt sich damit erklären, dass Rechtsschutz denjenigen zu gewähren ist, die vorher einen Antrag nach Art. 4 Abs. 1 ÅK gestellt haben.107 Eine eigene Einschränkung ergibt sich aus dem Begriff der „Person“ aber nicht. 2. Beschaffenheit des Überprüfungsverfahrens und der ausführenden Stellen Art. 9 Abs. 1 UAbs. 1 ÅK sieht ein Überprüfungsverfahren durch ein ordentliches Gericht oder eine andere auf gesetzlicher Grundlage geschaffene unabhängige und unparteiische Stelle vor. Damit stellt die Konvention klar, dass die Vertragsparteien im Rahmen von Art. 9 Abs. 1 ÅK nicht unbedingt ein gerichtliches Verfahren vorsehen müssen, um den Anforderungen der Konvention zu genügen.

Kontrolle im Umweltrecht, 2002, S. 323; A. Epiney, Zu den Anforderungen der Aarhus-Konvention an das europäische Gemeinschaftsrecht, ZUR 2003, 176 (178); A.  Schwerdtfeger, Der deutsche Verwaltungsrechtsschutz unter dem Einfluss der Aarhus-Konvention, 2010, S. 29; N. Wiesinger, Innovation im Verwaltungsrecht durch Internationalisierung, 2013, S. 58; P. Jeder, Neue Entwicklungen im Umweltrecht vor dem Hintergrund der Åarhus-Konvention, UTR 62 (2002), 145 (167). 102 J. Ebbesson / H. Gaugitsch / J. Jendrośka / F. Marshall / S . Stec, The Aarhus Convention, 2014, S. 191; M. Karge, Das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz im System des deutschen Verwaltungsprozessrechts, 2010, S. 28; s. auch V.  Rodenhoff, The Aarhus Convention and its Implications for the ‚Institutions‘ of the European Community, RECIEL 11 (2002), 343 (348); A.  Schwerdtfeger, Der deutsche Verwaltungsrechtsschutz unter dem Einfluss der AarhusKonvention, 2010, S. 29; E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband I, 2018, S. 217. 103 M. Scheyli, Aarhus-Konvention über Informationszugang, Öffentlichkeitsbeteiligung und Rechtsschutz in Umweltbelangen, AVR 38 (2000), 217 (243); S. Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz, 2008, S. 241. 104 A. Epiney, Zu den Anforderungen der Aarhus-Konvention an das europäische Gemeinschaftsrecht, ZUR 2003, 176 (176). 105 S. Pernice-Warnke, Effektiver Zugang zu Gericht, 2009, S. 136. 106 S.  Pernice-Warnke, Effektiver Zugang zu Gericht, 2009, S. 136; A.  Epiney / S .  Diezig / ​ B. Pirker / S . Reitemeyer, Aarhus-Konvention, Handkommentar, Art. 9, Rn. 14. 107 A.  Epiney / S .  Diezig / B.  Pirker / S .  Reitemeyer, Aarhus-Konvention, Handkommentar, Art. 9, Rn. 14.

Kap. 3: Rechtsschutzvorgaben der Århus-Konvention

113

Da aber nur unabhängige und unparteiliche Verfahren Art. 9 Abs. 1 ÅK gerecht werden, dürfte die alternative Stelle einem Gericht ähneln.108 So lässt sich davon ausgehen, dass eine unparteiliche Prüfung Interessenkonflikte des Organs ausschließt.109 Die Voraussetzung der Unabhängigkeit des Organs dürfte vor allem dann von Bedeutung sein, wenn eine verwaltungsinterne Stelle mit der Überprüfung betraut wird.110 Im Fall der Eingliederung der Stelle in die Verwaltungs­ hierarchie müssen institutionelle Sicherungsmaßnahmen ergriffen werden.111 Aus der Vergleichbarkeit der Stelle mit einem Gericht lässt sich auch schließen, dass nur die Befugnis zu einer verbindlichen Entscheidung ausreicht.112 Dies ergibt sich im Übrigen aus Art. 9 Abs. 1 UAbs. 3 ÅK. Sind Gerichte für die Durchführung des Überprüfungsverfahrens verantwortlich, sind die Vertragsparteien nach Art. 9 Abs. 1 UAbs. 2 ÅK überdies verpflichtet, auf gesetzlicher Grundlage ein zusätzliches Verfahren zu einer anderen Stelle vorzusehen, welches schnell und kostengünstig ist. So soll Betroffenen die Möglichkeit eröffnet werden, Rechtsschutz auch außerhalb eines häufig langwierigen und teuren gerichtlichen Verfahrens zu erlangen.113 II. Rechtsschutz nach Art. 9 Abs. 2 ÅK Art. 9 Abs. 2 ÅK bezieht sich auf die Vorgaben der zweiten Säule der Konvention. Im Zentrum steht dabei die Sicherung des Rechts auf Öffentlichkeitsbeteiligung aus Art. 6 ÅK.

108

J. Ebbesson / H. Gaugitsch / J. Jendrośka / F. Marshall / S . Stec, The Aarhus Convention, 2014, S. 191. V. Rodenhoff, The Aarhus Convention and its Implications for the ‚Institutions‘ of the European Community, RECIEL 11 (2002), 343 (348 f.) plädiert angesichts des gleichen Wortlauts dafür, zur Auslegung der Begriffe die Grundsätze aus Art. 6 Abs. 1 EMRK heranzuziehen. Zustimmend A.  Epiney / S .  Diezig / B.  Pirker / S .  Reitemeyer, Aarhus-Konvention, Handkommentar, Art. 9, Rn. 16. 109 M. Scheyli, Aarhus-Konvention über Informationszugang, Öffentlichkeitsbeteiligung und Rechtsschutz in Umweltbelangen, AVR 38 (2000), 217 (243). 110 S. Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz, 2008, S. 241; A. Epiney / K. Sollberger, Zugang zu Gerichten und gerichtliche Kontrolle im Umweltrecht, 2002, S. 323 f. 111 M.  Scheyli, Aarhus-Konvention über Informationszugang, Öffentlichkeitsbeteiligung und Rechtsschutz in Umweltbelangen, AVR 38 (2000), 217 (244); A.  Epiney / S .  Diezig / ​ B. Pirker / S . Reitemeyer, Aarhus-Konvention, Handkommentar, Art. 9, Rn. 16. 112 J. Ebbesson / H. Gaugitsch / J. Jendrośka / F. Marshall / S . Stec, The Aarhus Convention, 2014, S. 191. Dies ist insbesondere entscheidend dafür, ob ein Ombudsmann den Vorgaben der Konvention genügt, s. dazu V. Rodenhoff, The Aarhus Convention and its Implications for the ‚Institutions‘ of the European Community, RECIEL 11 (2002), 343 (349). 113 J. Ebbesson / H. Gaugitsch / J. Jendrośka / F. Marshall / S . Stec, The Aarhus Convention, 2014, S. 192; s. auch A. Epiney / S . Diezig / B. Pirker / S . Reitemeyer, Aarhus-Konvention, Handkommentar, Art. 9, Rn. 16.

114

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

1. Sicherung des Rechts aus Art. 6 ÅK durch das Überprüfungsverfahren Nach Art. 9 Abs. 2 ÅK haben die Vertragsparteien Mitgliedern der betroffenen Öffentlichkeit Zugang zu Überprüfungsverfahren für Entscheidungen nach Art. 6 ÅK zu gewähren. Art. 6 ÅK erfasst im Wesentlichen Vorhaben, welche sich durch Errichtung oder Betrieb erheblich auf die Umwelt auswirken.114 Im Rahmen von Art. 9 Abs. 2 ÅK müssen die Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit ein Interesse oder alternativ eine Rechtsverletzung darlegen. Die Prüfung bezieht sich explizit auf die gesamte unter Art. 6 ÅK fallende Entscheidung, also nicht nur auf die prozedurale, sondern auch auf die materielle Richtigkeit. Gegenstand von Art. 9 Abs. 2 UAbs. 1 ÅK sind Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen, für die entweder Art. 6 ÅK gilt oder die im Anwendungsbereich des Abkommens liegen.115 Im Rahmen von Art. 6 Abs. 1 ÅK zählen dazu vor allem Maßnahmen, die in Anhang I der Konvention aufgeführt sind (lit. a) sowie nach innerstaatlichem Recht bestimmte andere Maßnahmen, die „erhebliche Auswirkungen“ auf die Umwelt haben können (lit.  b). Im Ergebnis fallen daher alle in Anlage I aufgeführte Tätigkeiten unter Art. 9 Abs. 2 UAbs. 1 ÅK. Für andere Entscheidungen mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt nach Art. 6 Abs. 1 lit. b ÅK besteht jedoch durch den Verweis auf das innerstaatliche Recht einiger Gestaltungsspielraum für die Vertragsstaaten.116 Wenn sie allerdings Überprüfungsverfahren vorsehen, sind sie an den Mindeststandard der Konvention gebunden.117 Der Verweis auf das nationale Recht darf freilich nicht zum allgemeinen Ausschluss einer Überprüfung genutzt werden, schließlich ist nach Art. 9 Abs. 2 UAbs. 2 ÅK ein weiter Zugang zu Überprüfungsverfahren zu gewährleisten.118 Daneben können die Vertragsparteien in ihrem innerstaatlichen Recht bestimmen, dass auch andere Entscheidungen einbezogen werden, für die „sonstige einschlägige Bestimmungen“ der Konvention gelten. Auch in diesem Bereich besteht 114

M.  Karge, Das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz im System des deutschen Verwaltungs­ prozessrechts, 2010, S. 31. 115 S. S. Pernice-Warnke, Verwaltungsprozessrecht unter Reformdruck, DÖV 2017, 846 (846 f.); A. Beier, Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz – kein Ende in Sicht?, UPR 2018, 161 (161). Zu eng R. Müller-Terpitz, Beteiligungs- und Handlungsmöglichkeiten nichtstaatlicher Organisationen im aktuellen Völker- und Gemeinschaftsrecht, AVR 43 (2005), 466 (485), der nur von Maßnahmen spricht, die unter Art. 6 ÅK fallen. 116 A. Epiney, in: Fluck u. a. (Hrsg.), IFG / UIG / VIG / GeoZG, F II.1 Aarhus-Konvention, Art. 9 (Mai 2003) Rn. 11; A. Epiney / S . Diezig / B. Pirker / S . Reitemeyer, Aarhus-Konvention, Handkommentar, Art. 9, Rn. 26. 117 M. Scheyli, Aarhus-Konvention über Informationszugang, Öffentlichkeitsbeteiligung und Rechtsschutz in Umweltbelangen, AVR 38 (2000), 217 (245). 118 Generalanwältin Sharpston, Schlussanträge v. 16.10.2010, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Rs. C-115/09, EU:C:2010:773, Slg. 2011 I-3673, Rn. 70; A. Epiney, Zu den Anforderungen der Aarhus-Konvention an das europäische Gemeinschaftsrecht, ZUR 2003, 176 (178); Sachverständigenrat für Umweltfragen, Rechtsschutz für die Umwelt, 2005, Rn. 16 Fn. 42.

Kap. 3: Rechtsschutzvorgaben der Århus-Konvention

115

ein Gestaltungsspielraum für die Vertragsparteien: Ihnen bleibt die Wahl, ob sie für diese Entscheidungen Rechtsschutzmöglichkeiten eröffnen. Wenn sie davon Gebrauch machen, sind sie aber nach Art. 9 Abs. 2 UAbs. 1 ÅK gebunden.119 Im Vergleich zu Art. 9 Abs. 1 ÅK ist der Kreis der Aktivberechtigten in Art. 9 Abs. 2 ÅK stärker eingegrenzt. Der Zugang nach Art. 9 Abs. 2 ÅK ist nämlich nicht voraussetzungslos gewährleistet, sondern von der Darlegung einer besonderen Schutzwürdigkeit abhängig.120 Hierfür sind zwei Stellschrauben vorgesehen:121 Zunächst ergibt sich eine Beschränkung des Klägerkreises schon aus der Bezugnahme von Art. 9 Abs. 2 UAbs. 1 ÅK auf die Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit.122 Damit verweist Art. 9 Abs. 2 UAbs. 1 ÅK auf die Legaldefinition der betroffenen Öffentlichkeit in Art. 2 Nr. 5 ÅK, die insbesondere ein Interesse an der umweltrelevanten Maßnahme fordert. Zusätzlich müssen die Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit dann entweder nach Art. 9 Abs. 2 UAbs. 1 lit. a ÅK ein ausreichendes Interesse oder nach Art. 9 Abs. 2 UAbs. 1 lit. b ÅK eine Rechtsverletzung nachweisen. Das „ausreichende Interesse“ in Art. 9 Abs. 2 UAbs. 1 lit. a ÅK geht dabei über das ohnehin schon erforderliche Interesse zur Erfüllung des Merkmals der betroffenen Öffentlichkeit hinaus, denn ansonsten handelte es sich um eine bloße Doppelung ohne eigene Aussagekraft.123 Im Unterschied zu Art. 9 Abs. 1 ÅK ist hier eine Klagebefugnis notwendig.124 Durch die Wahlmöglichkeit der Vertragsparteien zwischen der Voraussetzung eines ausreichenden Interesses oder einer Rechtsverletzung stellt die Konvention die Umsetzbarkeit im Interessenten- und Verletztenklagemodell sicher.125 Zudem legt die Konvention die Ausgestaltung des 119 A.  Epiney / S .  Diezig / B.  Pirker / S .  Reitemeyer, Aarhus-Konvention, Handkommentar, Art. 9, Rn. 27; M.  Scheyli, Aarhus-Konvention über Informationszugang, Öffentlichkeits­ beteiligung und Rechtsschutz in Umweltbelangen, AVR 38 (2000), 217 (245); P. Jeder, Neue Entwicklungen im Umweltrecht vor dem Hintergrund der Åarhus-Konvention, UTR 62 (2002), 145 (169). 120 M. Scheyli, Aarhus-Konvention über Informationszugang, Öffentlichkeitsbeteiligung und Rechtsschutz in Umweltbelangen, AVR 38 (2000), 217 (244); P. Jeder, Neue Entwicklungen im Umweltrecht vor dem Hintergrund der Åarhus-Konvention, UTR 62 (2002), 145 (168); zu weitgehend dagegen I. Pernice, Umweltvölker- und europarechtliche Vorgaben zum Verbandsklagerecht und das System des deutschen Verwaltungsrechtsschutzes, JZ 2015, 967 (971). 121 M. Scheyli, Aarhus-Konvention über Informationszugang, Öffentlichkeitsbeteiligung und Rechtsschutz in Umweltbelangen, AVR 38 (2000), 217 (245). 122 P. Jeder, Neue Entwicklungen im Umweltrecht vor dem Hintergrund der Åarhus-Konvention, UTR 62 (2002), 145 (168). 123 A.  Epiney / S .  Diezig / B.  Pirker / S .  Reitemeyer, Aarhus-Konvention, Handkommentar, Art. 9, Rn. 20. In diese Richtung auch J. Wates, The Aarhus Convention, JEEPL 2 (2005), 2 (6): „The scope of persons entitled to pursue such an appeal is similar to, but slightly narrower than, the ‚public concerned‘, involving a requirement to have a ‚sufficient interest‘ or maintain impairment of a right […].“ 124 T. von Danwitz, Aarhus-Konvention, NVwZ 2004, 272 (276). 125 A.  Epiney / S .  Diezig / B.  Pirker / S .  Reitemeyer, Aarhus-Konvention, Handkommentar, Art. 9, Rn. 21; A. Epiney, Zu den Anforderungen der Aarhus-Konvention an das europäische Gemeinschaftsrecht, ZUR 2003, 176 (177); T. von Danwitz, Aarhus-Konvention, NVwZ 2004, 272 (276); S. Pernice-Warnke, Effektiver Zugang zu Gericht, 2009, S. 137; N. Wiesinger, In-

116

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

Inhalts von Interesse und Rechtsverletzung in Art. 9 Abs. 2 UAbs. 3 ÅK in die Verantwortung der Vertragsparteien, was diesen einen erheblichen Gestaltungsspielraum einräumt. Dies alles soll den Vertragsparteien ermöglichen, ihre tradierten Rechtsschutzsysteme beizubehalten.126 Freilich kann dies aber auch in Konflikt mit der Anordnung in Art. 9 Abs. 2 UAbs. 3 ÅK geraten, dass ein weiter Zugang zu Überprüfungsverfahren zu gewährleisten ist.127 Durch die ausdrückliche Nennung der Rechtsverletzung ist jedenfalls auch die deutsche Schutznormtheorie grundsätzlich mit Art. 9 Abs. 2 UAbs. 1 ÅK vereinbar.128 Für Verbände schränkt die Konvention den Gestaltungsspielraum der Vertragsparteien im Bereich der Klagebefugnis aber wieder ein. Nach Art. 9 Abs. 2 UAbs. 2 Sätze 2 und 3 ÅK wird für sie ein Interesse bzw. eine Rechtsverletzung fingiert.129 novation im Verwaltungsrecht durch Internationalisierung, 2013, S. 59 f.; M. Karge, Das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz im System des deutschen Verwaltungsprozessrechts, 2010, S. 36; C.  Calliess, Europarechtliche Vorgaben für ein Umweltgesetzbuch, NuR 2006, 601 (613); A. K. Mangold, The Persistence of National Peculiarities, IJGLS 21 (2014), 223 (240); P. Jeder, Neue Entwicklungen im Umweltrecht vor dem Hintergrund der Åarhus-Konvention, UTR 62 (2002), 145 (168 f.). Speziell zum deutschen Verwaltungsrechtsschutz R. Alleweldt, Verbandsklage und gerichtliche Kontrolle von Verfahrensfehlern, DVBl 2006, 621 (625); W. Durner, Direktwirkung europäischer Verbandsklagerechte?, ZUR 2005, 285 (287). 126 A. Epiney, in: Fluck u. a. (Hrsg.), IFG / UIG / VIG / GeoZG, F II.1 Aarhus-Konvention, Art. 9 (Mai 2003) Rn. 16 Fn. 3 hält dies für eine „erhebliche Relativierung der Reichweite“ der Konvention. Vor allem die deutsche Delegation forcierte die Aufnahme von Aufweichungen und unbestimmten Formulierungen, s. M. Zschiesche, Die Aarhus-Konvention, ZUR 2001, 177 (181). Auch die Existenz von Art. 9 Abs. 2 UAbs. 1 lit. b ÅK geht auf die deutsche Delegation zurück, K. Brady, New Convention on Access to Information and Public Participation in Environmental Matters, Envtl. Pol’y & L. 28 (1998), 69 (73 Fn. 23). Die Rolle der deutschen Delegation in den Verhandlungen wird daher häufig als wenig konstruktiv und hilfreich kritisiert, s. A.  Schwerdtfeger, Der deutsche Verwaltungsrechtsschutz unter dem Einfluss der ­Aarhus-Konvention, 2010, S. 16; K. Brady, Aarhus Convention Signed, Envtl. Pol’y & L. 28 (1998), 171 (180 f.). 127 A.  Epiney / S .  Diezig / B.  Pirker / S .  Reitemeyer, Aarhus-Konvention, Handkommentar, Art. 9, Rn. 21. S. Pernice-Warnke, Effektiver Zugang zu Gericht, 2009, S. 138 kritisiert die Formulierung des weiten Zugangs zu Recht als „vage“. 128 C. Walter, Beteiligungsrechte im Verwaltungsverfahren und Zugang zu Gerichten, in: Durner / Walter (Hrsg.), Rechtspolitische Spielräume, 2005, S. 7 (72); A. Epiney / K. Sollberger, Zugang zu Gerichten und gerichtliche Kontrolle im Umweltrecht, 2002, S. 325 f.; J. Ziekow, Strategien zur Umsetzung der Arhus-Konvention in Deutschland, EurUP 2005, 154 (156). 129 T. von Danwitz, Aarhus-Konvention, NVwZ 2004, 272 (276); R. Müller-Terpitz, Beteiligungs- und Handlungsmöglichkeiten nichtstaatlicher Organisationen im aktuellen Völker- und Gemeinschaftsrecht, AVR 43 (2005), 466 (486, 487); W. Durner, Direktwirkung europäischer Verbandsklagerechte?, ZUR 2005, 285 (288); C. Calliess, Europarechtliche Vorgaben für ein Umweltgesetzbuch, NuR 2006, 601 (613); F. Ekardt / K. Pöhlmann, Europäische Klagebefugnis, NVwZ 2005, 532 (532); A. Fischer-Lescano, Transnationales Verwaltungsrecht, JZ 2008, 373 (378, 379); K. Rennert, Funktionswandel der Verwaltungsgerichtsbarkeit unter dem Einfluss des Unionsrechts, Referat N zum 71. Deutschen Juristentag, N 131; E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband I, 2018, S. 218; iE auch S. Pernice-Warnke, Effektiver Zugang zu Gericht, 2009, S. 139 ff.; M. Karge, Das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz im System des deutschen Verwaltungsprozessrechts, 2010, S. 36; A. Beier, Umwelt-Rechts­behelfsgesetz – kein Ende in Sicht?, UPR 2018, 161 (162).

Kap. 3: Rechtsschutzvorgaben der Århus-Konvention

117

Damit geht eine weitreichende Privilegierung der Verbände einher:130 Verbände werden vom Nachweis eines Interesses (bzw. einer Betroffenheit in eigenen Rechten) freigestellt. Denn die Konvention fingiert nicht nur das Interesse bzw. die Betroffenheit in eigenen Rechten im Rahmen von Art. 9 Abs. 2 UAbs. 2 Sätze 2 und 3 ÅK, sondern nach Art. 2 Nr. 5 Hs. 2 ÅK auch das Interesse, um als Teil der betroffenen Öffentlichkeit zu gelten. Für Verbände wird dadurch ein Gleichlauf der Anforderungen in Verletzten- wie Interessentenklagesystemen erreicht.131 2. Beschaffenheit des Überprüfungsverfahrens und der ausführenden Stellen Nach Art. 9 Abs. 2 UAbs.  1 ÅK ist die „materiell-rechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen“ Gegenstand der Überprüfung. Dies bedeutet zunächst, dass die Öffentlichkeitsbeteiligung selbst Gegenstand der Überprüfung ist. Als Sicherungselement der zweiten Säule ist dies nur folgerichtig. Deshalb bedeutet die Formulierung auch, dass die gesamte Rechtmäßigkeit der Maßnahme Gegenstand der Überprüfung sein muss und nicht nur die korrekte Durchführung der Öffentlichkeitsbeteiligung.132 Ein konkreter Prüfungsumfang lässt sich jedoch auch aus dem Wortlaut von Art. 9 Abs. 2 UAbs. 1 ÅK nicht entnehmen.133 Da jedoch die Klagebefugnis von einem Interesse oder einer Rechtsverletzung abhängig gemacht werden kann, liegt es

130 R. Müller-Terpitz, Beteiligungs- und Handlungsmöglichkeiten nichtstaatlicher Organisationen im aktuellen Völker- und Gemeinschaftsrecht, AVR 43 (2005), 466 (488); s. auch M. Hedemann-Robinson, EU Implementation of the Aarhus Convention’s Third Pillar – Part 1, Eur. Energy & Envtl. L. Rev. 23 (2014), 102 (104); dagegen S. Pernice-Warnke, Die Europäisierung des Verwaltungsprozessrechts, in: Broemel u. a. (Hrsg.), Prozessrecht in nationaler, europäischer und globaler Perspektive, 2017, S. 289 (292 f.). 131 S. Pernice-Warnke, Effektiver Zugang zu Gericht, 2009, S. 142, 144; zurückhaltender M. Karge, Das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz im System des deutschen Verwaltungsprozessrechts, 2010, S. 39 f. 132 S.  Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz, 2008, S. 241 f.; A.  Epiney / S .  Diezig / ​ B.  Pirker / S .  Reitemeyer, Aarhus-Konvention, Handkommentar, Art. 9, Rn. 29; W.  Durner, Rechtspolitische Spielräume im Bereich der dritten Säule, in: Durner / Walter (Hrsg.), Rechtspolitische Spielräume, 2005, S. 64 (72); J. Wates, The Aarhus Convention, JEEPL 2 (2005), 2 (6); N. Wiesinger, Innovation im Verwaltungsrecht durch Internationalisierung, 2013, S. 59; T. Bunge, Einleitung, in: Schlacke u. a. (Hrsg.), Aarhus-Handbuch, 2010, Rn. 36; Sachverständigenrat für Umweltfragen, Rechtsschutz für die Umwelt, 2005, Rn. 17; P. Jeder, Neue Entwicklungen im Umweltrecht vor dem Hintergrund der Åarhus-Konvention, UTR 62 (2002), 145 (168). 133 W. Durner, Rechtspolitische Spielräume im Bereich der dritten Säule, in: Durner / Walter (Hrsg.), Rechtspolitische Spielräume, 2005, S. 64 (82); A. Schwerdtfeger, Der deutsche Verwaltungsrechtsschutz unter dem Einfluss der Aarhus-Konvention, 2010, S. 238. Zu eng ist es jedoch wie T. von Danwitz, Aarhus-Konvention, NVwZ 2004, 272 (276) davon auszugehen, dass die Konvention gar keinen Mindestumfang vorschreibt.

118

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

nahe, den Prüfungsumfang spiegelbildlich einzuschränken.134 Da die Konvention die verschiedenen Modelle verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes akzeptiert, trägt sie auch die Konsequenz aus der Beschränkung der Aktivlegitimation mit, nämlich die Begrenzung des Kontrollumfanges. Dies ist zwar im Rahmen des Interessentenklagesystems nicht zwingend vorgesehen; die Klagen haben hier nur eine Auslöserfunktion für die Prüfung anhand des objektiven Rechts.135 Für ein Verletztenklagesystem wäre es jedoch untypisch, zwar die Klagebefugnis auf eine Rechtsverletzung zu begrenzen, dann aber eine umfängliche Prüfung des objektiven Rechts vorzunehmen.136 Aus der Begrenzung der Klagebefugnis ergibt sich daher auch die Möglichkeit, den Prüfungsumfang zurückzunehmen. Anders verhält sich dies aber für Klagen von Verbänden: Die Privilegierung der Verbände, die von der Darlegung eines Interesses oder einer Rechtsverletzung durch Art. 9 Abs. 2 UAbs. 2 Sätze 2 und 3 ÅK befreit sind, verpflichtet die Vertragsparteien zur Installation eines umfassenden Überprüfungsverfahrens.137 Als Überprüfungsorgane sieht Art. 9 Abs. 2 UAbs. 1 ÅK Gerichte oder andere auf gesetzlicher Grundlage geschaffene unabhängige und unparteiische Stellen vor. Diese Vorgaben decken sich mit den Anforderungen aus Art. 9 Abs. 1 ÅK an das Überprüfungsorgan, sodass in diesem Punkt ein Gleichlauf zwischen dem

134

A.  Epiney / S .  Diezig / B.  Pirker / S .  Reitemeyer, Aarhus-Konvention, Handkommentar, Art. 9, Rn. 30; A. Epiney / K. Sollberger, Zugang zu Gerichten und gerichtliche Kontrolle im Umweltrecht, 2002, S. 327; A.  Epiney, Zu den Anforderungen der Aarhus-Konvention an das europäische Gemeinschaftsrecht, ZUR 2003, 176 (179); S. Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz, 2008, S. 243; A. Schwerdtfeger, Der deutsche Verwaltungsrechtsschutz unter dem Einfluss der Aarhus-Konvention, 2010, S. 237 f.; W.  Durner, Rechtspolitische Spielräume im Bereich der dritten Säule, in: Durner / Walter (Hrsg.), Rechtspolitische Spielräume, 2005, S. 64 (82); M. Karge, Das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz im System des deutschen Verwaltungsprozessrechts, 2010, S. 39; dagegen U.  Giera, Individualrechte im europäischen Umweltrecht, 2015, S. 142 f.; K. Schenderlein, Rechtsschutz und Partizipation im Umweltrecht, 2013, S. 208 ff.; F.  Ekardt, Die nationale Klagebefugnis nach der Aarhus-Konvention, NVwZ 2006, 55 (55); wohl auch dagegen T. Bunge, Rechtsschutz bei der UVP nach der Richtlinie 2003/35/EG, ZUR 2004, 141 (144) (mit Blick auf die Richtlinienumsetzung der Union). 135 S. oben unter Teil 1. Kapitel 1. C. II. 1. (S. 46 ff.). 136 So auch A. Schwerdtfeger, Der deutsche Verwaltungsrechtsschutz unter dem Einfluss der Aarhus-Konvention, 2010, S. 238. 137 A.  Epiney / S .  Diezig / B.  Pirker / S .  Reitemeyer, Aarhus-Konvention, Handkommentar, Art. 9, Rn. 31; im Ergebnis auch M. Grunow / N. Salzborn, Zum Prüfungsumfang der Umweltverbandsklage, ZUR 2015, 156. W. Durner, Rechtspolitische Spielräume im Bereich der dritten Säule, in: Durner / Walter (Hrsg.), Rechtspolitische Spielräume, 2005, S. 64 (82) spricht sich für eine Begrenzung der Rügemöglichkeiten der Verbände auf Vorschriften aus, die dem Umweltschutz dienen. So etwa auch M.-J. Seibert, Verbandsklagen im Umweltrecht, NVwZ 2013, 1040 (1044); R. Alleweldt, Verbandsklage und gerichtliche Kontrolle von Verfahrensfehlern, DVBl 2006, 621 (626); M. Gellermann, Europäisierte Klagerechte anerkannter Umweltverbände, NVwZ 2006, 7 (9). Dagegen aber Sachverständigenrat für Umweltfragen, Rechtsschutz für die Umwelt, 2005, Rn. 18.

Kap. 3: Rechtsschutzvorgaben der Århus-Konvention

119

Schutz der ersten und zweiten Säule besteht.138 Darüber hinaus sieht Art. 9 Abs. 2 UAbs. 3 ÅK vor, dass der Überprüfung auch ein behördeninternes Verfahren vorgeschaltet werden kann. Damit kommt die Konvention vor allem Rechtsordnungen wie der deutschen entgegen, die ein Vorverfahren vorsehen.139 Dieses Vorverfahren kann zusätzlich zu der von Art. 9 Abs. 2 UAbs. 1 ÅK geforderten Überprüfung bestehen, ersetzt sie aber nicht.140 Auch die Möglichkeit eines Vorverfahrens dient dazu, den verschiedenen Rechtsordnungen der Vertragsparteien gerecht zu werden.141 Zudem läge es der Konvention fern, eine zusätzliche, in der Regel schnelle und kostengünstige Rechtsschutzoption zu verhindern.142 III. Rechtsschutz nach Art. 9 Abs. 3 ÅK Art.  9 Abs. 3 ÅK geht über die Sicherung der ersten und zweiten Säule der Konvention hinaus. Einerseits besitzt Art. 9 Abs. 3 ÅK einen sehr weitgehenden Anwendungsbereich, der andererseits aber durch Gestaltungsspielräume der Vertragsparteien wieder abgeschwächt wird. Aus diesem Grund führte die Vorschrift trotz ihrer potenziell weitreichenden Wirkungen lange ein Schattendasein.143 1. Überprüfungsverfahren bei Verstoß gegen sonstiges Umweltrecht Art. 9 Abs. 3 ÅK sieht ein Überprüfungsverfahren in allen Fällen des innerstaatlichen Umweltrechts vor, das Mitgliedern der Öffentlichkeit offensteht, sofern diese etwaige nach dem innerstaatlichen Recht festgelegte Kriterien erfüllen. Dieses Überprüfungsverfahren versteht sich „zusätzlich und unbeschadet“ zu den Rechtsschutzvorgaben der ersten beiden Absätze. Art. 9 Abs. 3 ÅK geht über die reine Sicherung der Säulenstruktur hinaus, indem sich das Überprüfungsverfahren auf das gesamte innerstaatliche Umweltrecht bezieht. Damit besitzt das geforderte Überprüfungsverfahren einen sehr breiten 138

Zu den Anforderungen an das Überprüfungsorgan unter Art. 9 Abs. 1 ÅK s. oben unter Teil 2. Kapitel 3. B. I. 2. (S. 112 ff.). 139 A. Schwerdtfeger, Der deutsche Verwaltungsrechtsschutz unter dem Einfluss der Aarhus-​ Konvention, 2010, S. 30 Fn. 98. 140 J. Ebbesson / H. Gaugitsch / J. Jendrośka / F. Marshall / S . Stec, The Aarhus Convention, 2014, S. 196; M. Karge, Das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz im System des deutschen Verwaltungsprozessrechts, 2010, S. 40 macht deutlich, dass damit keine Pflicht zur Vorschaltung eines behördlichen Überprüfungsverfahrens statuiert ist. 141 A.  Epiney / S .  Diezig / B.  Pirker / S .  Reitemeyer, Aarhus-Konvention, Handkommentar, Art. 9, Rn. 34. 142 J. Ebbesson / H. Gaugitsch / J. Jendrośka / F. Marshall / S . Stec, The Aarhus Convention, 2014, S. 196. 143 F. de Lange, Beyond Greenpeace, Courtesy of the Aarhus Convention, YbEEL 3 (2004), 227 (241).

120

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

Anwendungsbereich, der grundsätzlich sowohl materiell- als auch verfahrensrechtliche Bestimmungen einschließt.144 Durch die ausdrückliche Anordnung, dass das Überprüfungsverfahren „zusätzlich und unbeschadet“ der ersten beiden Absätze von Art. 9 ÅK vorgesehen werden soll, wird deutlich, dass das Überprüfungsverfahren nach Art. 9 Abs. 3 ÅK die Sicherungen der ersten und zweiten Säule der Konvention nicht ersetzt, sondern ergänzt.145 Deshalb darf sich die Existenz dieses zusätzlichen Verfahrens auch nicht negativ auf den Rechtsschutz nach Art. 9 Abs. 1 und 2 ÅK auswirken.146 Aus diesem Grund handelt es sich bei Art. 9 Abs. 3 ÅK auch um eine eigenständige Verpflichtung, die nicht als reiner Auffangtatbestand für die ersten beiden Absätze von Art. 9 ÅK dient.147 So umfassend der Anwendungsbereich, so vage sind die Vorgaben für das Überprüfungsverfahren in Art. 9 Abs. 3 ÅK.148 Art. 9 Abs. 3 ÅK überlässt vieles der Ausgestaltung durch die Vertragsparteien.149 Insbesondere knüpft Art. 9 Abs. 3 ÅK keine besonderen Voraussetzungen an das Verfahren, im Unterschied etwa zu Art. 9 Abs. 2 ÅK. Dies bedeutet aber nicht, dass die Vorschrift damit konturenund bedeutungslos würde.150 Vielmehr können der Vorschrift gewisse Minimal­ anforderungen entnommen werden.151 In diesem Zusammenhang ist zunächst daran zu erinnern, dass es das Ziel der Konvention ist, einen weiten Zugang zu Rechtsschutz in Umweltangelegenheiten zu gewährleisten.152 Diesem Ziel hat auch die 144

M. Hedemann-Robinson, EU Implementation of the Aarhus Convention’s Third Pillar – Part 1, Eur. Energy & Envtl. L. Rev. 23 (2014), 102 (105); S. Pernice-Warnke, Effektiver Zugang zu Gericht, 2009, S. 142. 145 So auch A. Epiney / S . Diezig / B. Pirker / S . Reitemeyer, Aarhus-Konvention, Handkommentar, Art. 9, Rn. 35 speziell zum Verhältnis zu Art. 9 Abs. 2 ÅK. 146 M.  Scheyli, Aarhus-Konvention über Informationszugang, Öffentlichkeitsbeteiligung und Rechtsschutz in Umweltbelangen, AVR 38 (2000), 217 (246); A.  Epiney / S .  Diezig / ​ B. Pirker / S . Reitemeyer, Aarhus-Konvention, Handkommentar, Art. 9, Rn. 35; P. Jeder, Neue Entwicklungen im Umweltrecht vor dem Hintergrund der Åarhus-Konvention, UTR 62 (2002), 145 (169). 147 Ähnlich S. Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz, 2008, S. 245; S. Pernice-Warnke, Effektiver Zugang zu Gericht, 2009, S. 143; E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband I, 2018, S. 599 ff. 148 A.  Epiney / S .  Diezig / B.  Pirker / S .  Reitemeyer, Aarhus-Konvention, Handkommentar, Art. 9, Rn. 38; s. auch J. Ebbesson / H. Gaugitsch / ​​J. Jendrośka / ​​F. Marshall / ​​S . Stec, The Aarhus Convention, 2014, S. 197; A. K. Mangold / ​R . Wahl, Das europäisierte deutsche Rechtsschutzkonzept, Die Verwaltung 48 (2015), 1 (23). 149 S. Pernice-Warnke, Effektiver Zugang zu Gericht, 2009, S. 143; U. Giera, Individualrechte im europäischen Umweltrecht, 2015, S. 40. 150 Dagegen (noch) A.  Epiney, in: Fluck u. a. (Hrsg.), IFG / ​UIG / ​VIG / ​GeoZG, F II.1 Aarhus-Konvention, Art. 9 (Mai 2003) Rn. 20. 151 A.  Epiney / ​S .  Diezig / ​B .  Pirker / ​S .  Reitemeyer, Aarhus-Konvention, Handkommentar, Art. 9, Rn. 37; s. auch V. Rodenhoff, The Aarhus Convention and its Implications for the ‚Institutions‘ of the European Community, RECIEL 11 (2002), 343 (349). 152 J. Ebbesson / ​H. Gaugitsch / ​J. Jendrośka / ​F. Marshall / ​S . Stec, The Aarhus Convention, 2014, S. 198. Auch im Rahmen von Art. 9 Abs. 3 ÅK haben die Vertragsparteien die Präambel zu beachten und sind an die allgemeinen Art. 1 und 3 ÅK gebunden, s. ACCC / ​C/2005/11 (Belgien), ECE / ​MP.PP / ​C.1/2006/4/Add.2, Rn.  34; P. Černý, Practical application of Article 9

Kap. 3: Rechtsschutzvorgaben der Århus-Konvention

121

Auslegung von Art. 9 Abs. 3 ÅK Rechnung zu tragen. Aus Art. 9 Abs. 3 ÅK ergibt sich, dass die Vertragsparteien ein Verfahren zur Überprüfung von Maßnahmen ihres innerstaatlichen Umweltrechts vorhalten müssen.153 Nicht mit der Konvention vereinbar ist es deshalb, wenn die Zugangsrestriktionen des Verfahrens eine Überprüfung faktisch unmöglich machen.154 Im Übrigen überlässt die Konvention den Vertragsparteien, „etwaige in ihrem innerstaatlichen Recht festgelegte Kriterien“ für die Mitglieder der Öffentlichkeit zu benennen.155 Dies bedeutet zunächst, dass die Konvention von ihren Vertragsparteien nicht die Einführung einer „ultimativen Popularklage in Umweltangelegenheiten“156 fordert. Denn mit der Möglichkeit, das Überprüfungsverfahren von Kriterien des innerstaatlichen Rechts abhängig zu machen, überlässt die Konvention ihren Vertragsparteien die Ausgestaltung der Aktivlegitimation.157 Gänzlich frei sind die Parteien dabei jedoch nicht, schließlich of the Aarhus Convention in EU countries, elni Review 2009, 74 (75). Dies ergibt sich im Übrigen auch aus Art. 31 Abs. 1 WVRK. Anders als in Art. 9 Abs. 2 ÅK fehlt aber im Wortlaut von Art. 9 Abs. 3 ÅK der Zusatz der Gewährung eines weiten Zugangs, worauf S. Pernice-Warnke, Die Europäisierung des Verwaltungsprozessrechts, in: Broemel u. a. (Hrsg.), Prozessrecht in nationaler, europäischer und globaler Perspektive, 2017, S. 289 (294) hinweist. 153 S. Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz, 2008, S. 245; A. Epiney / ​S . Diezig / ​B. Pirker / ​ S. Reitemeyer, Aarhus-Konvention, Handkommentar, Art. 9, Rn. 36; M. Scheyli, Aarhus-Konvention über Informationszugang, Öffentlichkeitsbeteiligung und Rechtsschutz in Umweltbelangen, AVR 38 (2000), 217 (247); E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband I, 2018, S. 221 f.; P. Jeder, Neue Entwicklungen im Umweltrecht vor dem Hintergrund der Åarhus-Konvention, UTR 62 (2002), 145 (169), nach der sich der Gehalt der Vorschrift aber in dieser Anordnung erschöpfen soll. 154 EuGH, Urt. v. 20.12.2017, Protect Natur-, Arten- und Landschaftschutz Umweltorganisation, Rs. C-664/15, EU:C:2017:987, Rn. 46, 48; ACCC / ​C/2005/11 (Belgien), ECE / ​MP.PP / ​ C.1/2006/4/Add.2, Rn. 35; A.  Epiney / ​S .  Diezig / ​B.  Pirker / ​S .  Reitemeyer, Aarhus-Konvention, Handkommentar, Art. 9, Rn. 37. Nach Generalanwältin Sharpston, Schlussanträge v. 12.10.2017, Protect Natur-, Arten- und Landschaftschutz Umweltorganisation, Rs. C-664/15, EU:C:2017:760, Rn. 89 wäre dies auch mit Art. 47 GRCh unvereinbar. 155 Nach M. Zschiesche, Die Aarhus-Konvention, ZUR 2001, 177 (182) wurde Art. 9 Abs. 3 ÅK in den Verhandlungen stark abgeschwächt. S. dazu auch J. Jendrośka, Aarhus Convention and Community Law, JEEPL 2 (2005), 12 (19). 156 R. Müller-Terpitz, Beteiligungs- und Handlungsmöglichkeiten nichtstaatlicher Organisationen im aktuellen Völker- und Gemeinschaftsrecht, AVR 43 (2005), 466 (489), der diese Idee aber auch verwirft; ebenso ACCC / ​C/2005/11 (Belgien), ECE / ​MP.PP / ​C.1/2006/4/Add.2, Rn. 35; M. Hedemann-Robinson, EU Implementation of the Aarhus Convention’s Third Pillar – Part 1, Eur. Energy & Envtl. L. Rev. 23 (2014), 102 (105); A. Boyle, Human Rights and the Environment, EJIL 23 (2012), 613 (625); K. F. Gärditz, Verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz im Umweltrecht, NVwZ 2014, 1 (5); A. Beier, Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz – kein Ende in Sicht?, UPR 2018, 161 (162). 157 M. Scheyli, Aarhus-Konvention über Informationszugang, Öffentlichkeitsbeteiligung und Rechtsschutz in Umweltbelangen, AVR 38 (2000), 217 (246); T. von Danwitz, Aarhus-Konvention, NVwZ 2004, 272 (276); S. Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz, 2008, S. 245; A. Epiney, Zu den Anforderungen der Aarhus-Konvention an das europäische Gemeinschaftsrecht, ZUR 2003, 176 (179); R. Seelig / ​B. Gündling, Die Verbandsklage im Umweltrecht, NVwZ 2002, 1033 (1040); M. Hedemann-Robinson, EU Implementation of the Aarhus Convention’s Third Pillar – Part 1, Eur. Energy & Envtl. L. Rev. 23 (2014), 102 (105); E. Dikaios, Über­ individueller Umweltrechtsschutz, Teilband I, 2018, S. 619.

122

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

gebietet der Telos der Konvention einen weiten Zugang zu Überprüfungsverfahren des Umweltrechts.158 Der Zugang zu einem Überprüfungsverfahren soll damit die Regel sein und nicht die Ausnahme.159 Unterstützt wird diese Einschränkung des Gestaltungsspielraums der Vertragsparteien durch die Vorgabe eines „angemessenen und effektiven Rechtsschutzes“ in Art. 9 Abs. 4 Satz 1 Hs. 1 ÅK.160 Dass es der Konvention mit Art. 9 Abs. 3 um die Vereinfachung des Zugangs zu Rechtsschutz in Umweltangelegenheiten geht, zeigt sich darüber hinaus auch an der Formulierung „etwaige“, die eine gewisse Öffnung des Zugangs nahelegt.161 Verstärkend können auch der siebte und achte Erwägungsgrund der Konvention herangezogen werden, die die Rechtsgewährung in den Kontext einer Pflicht zur Durchsetzung des Umweltrechts rücken.162 Das Überprüfungsverfahren muss Handlungen und Unterlassungen erfassen, die „gegen umweltbezogene Bestimmungen ihres innerstaatlichen Rechts verstoßen“. Diese Formulierung ist nicht eng aufzufassen. Insbesondere der Telos spricht für ein weites Verständnis. Was zum Umweltrecht gehört, ist nach formalen Kriterien häufig nicht trennscharf abgrenzbar.163 Wegen der Eigenschaft des Umweltrechts als Querschnittsmaterie ist der Begriff des innerstaatlichen Umweltrechts i. S. v. Art. 9 Abs. 3 ÅK weit zu verstehen.164 Dem Telos von Art. 9 Abs. 3 ÅK würde es auch widersprechen, wenn etwa objektiv-rechtliche Bestimmungen des Umweltrechts aus dem Überprüfungsverfahren ausgegrenzt würden.165 Nach Art. 9 Abs. 3 ÅK ist vielmehr für die Einhaltung allen Umweltrechts ein Rechtsschutzverfahren vorzusehen.166 Den Vertragsparteien kommt in dieser Frage auch kein Gestaltungsspielraum zu,167 denn die Möglichkeit der Ausgestaltung des Zugangs durch innerstaatliches Recht bezieht sich lediglich auf die Aktivlegitimation, nicht jedoch auf

158

C. Calliess, Europarechtliche Vorgaben für ein Umweltgesetzbuch, NuR 2006, 601 (613); Sachverständigenrat für Umweltfragen, Rechtsschutz für die Umwelt, 2005, Rn. 20. Zu den Leitbildern der Konvention schon oben unter Teil 2. Kapitel 3. A. I. (S. 98 ff.). 159 ACCC / ​C/2005/11 (Belgien), ECE / ​MP.PP / ​C.1/2006/4/Add.2, Rn.  36. 160 M. Dross, Access to Justice in EU Member States, JEEPL 2 (2005), 22 (23). Dagegen geht S. Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz, 2008, S. 245 nicht ganz nachvollziehbar davon aus, dass sich Einschränkungen für die Vertragsparteien im Rahmen von Art. 9 Abs. 3 ÅK „weder aus dem Sinn und Zweck noch aus der Systematik der Århus-Konvention“ ergäben. 161 M. Hedemann-Robinson, EU Implementation of the Aarhus Convention’s Third Pillar – Part 1, Eur. Energy & Envtl. L. Rev. 23 (2014), 102 (105). 162 J. Kokott / ​C . Sobotta, Rechtsschutz im Umweltrecht, DVBl 2014, 132 (136). 163 J. Ebbesson / ​H. Gaugitsch / ​J. Jendrośka / ​F. Marshall / ​S . Stec, The Aarhus Convention, 2014, S. 197. 164 A.  Epiney / ​S .  Diezig / ​B .  Pirker / ​S .  Reitemeyer, Aarhus-Konvention, Handkommentar, Art. 9, Rn. 37. 165 T. Bunge, Der Rechtsschutz in Umweltangelegenheiten in Deutschland, ZUR 2015, 531 (539). 166 A.  Epiney / ​S .  Diezig / ​B .  Pirker / ​S .  Reitemeyer, Aarhus-Konvention, Handkommentar, Art. 9, Rn. 37. 167 ACCC / ​C/2008/32 (Part II) (Europäische Union), ECE / ​MP.PP / ​C.1/2017/7, Rn. 52, 78.

Kap. 3: Rechtsschutzvorgaben der Århus-Konvention

123

den Überprüfungsgegenstand. Zudem erfasst Art. 9 Abs. 3 ÅK nicht nur die Handlungen und Unterlassungen von Behörden, sondern auch die von Privatpersonen.168 2. Beschaffenheit des Überprüfungsverfahrens und der ausführenden Stellen Zur Beschaffenheit des Überprüfungsverfahrens lassen sich Art. 9 Abs. 3 ÅK keine Vorgaben entnehmen. Daraus ist zu schließen, dass die Vertragsparteien in der Ausgestaltung des Verfahrens frei sind. Das Fehlen expliziter Vorgaben bedeutet im Umkehrschluss aber auch, dass sich der Prüfungsumfang auf die verfahrens- wie materiellrechtliche Beurteilung der Handlung oder Unterlassung bezieht.169 Überdies überlässt die Konvention ihren Vertragsparteien, ob Rechtsschutz von einem Gericht oder einer Verwaltungsbehörde gewährt wird. Auch in der Frage, welche Art von Überprüfungsverfahren gewählt wird, kommt den Vertragsparteien damit ein Gestaltungsspielraum zu.170 Das Überprüfungsverfahren muss jedoch in einem „klaren, transparenten und einheitlichen Rahmen“ gem. Art. 3 Abs. 1 ÅK stattfinden.171 Zudem ist Art. 9 Abs. 4 ÅK zu beachten, der fairen und gerechten Rechtsschutz und damit die Unparteilichkeit und Unabhängigkeit des Überprüfungsverfahrens fordert.172 IV. Absicherung durch Art. 9 Abs. 4 und 5 ÅK Die letzten beiden Absätze von Art. 9 ÅK beziehen sich auf die gesamte Vorschrift.173 Sie enthalten Sicherungsmaßnahmen für die Überprüfungsverfahren der ersten drei Absätze und dienen der Effektivität der Überprüfungsverfahren.174 168

Dazu F. Ekardt / ​K. Pöhlmann, Europäische Klagebefugnis, NVwZ 2005, 532 (534). J. Ebbesson / ​H. Gaugitsch / ​J. Jendrośka / ​F. Marshall / ​S . Stec, The Aarhus Convention, 2014, S. 199. 170 J. Ebbesson / ​H. Gaugitsch / ​J. Jendrośka / ​F. Marshall / ​S . Stec, The Aarhus Convention, 2014, S. 198. 171 J. Ebbesson / ​H. Gaugitsch / ​J. Jendrośka / ​F. Marshall / ​S . Stec, The Aarhus Convention, 2014, S. 198. 172 A.  Epiney / ​S .  Diezig / ​B.  Pirker / ​S .  Reitemeyer, Aarhus-Konvention, Handkommentar, Art. 9, Rn. 37. 173 A. Schwerdtfeger, Der deutsche Verwaltungsrechtsschutz unter dem Einfluss der Aarhus-​ Konvention, 2010, S. 31; J.  Ebbesson / ​H.  Gaugitsch / ​J.  Jendrośka / ​F.  Marshall / ​S .  Stec, The Aarhus Convention, 2014, S. 199; M. Hedemann-Robinson, EU Implementation of the Aarhus Convention’s Third Pillar – Part 1, Eur. Energy & Envtl. L. Rev. 23 (2014), 102 (105). 174 A. Schwerdtfeger, Der deutsche Verwaltungsrechtsschutz unter dem Einfluss der Aarhus-​ Konvention, 2010, S. 31; A. Epiney / ​S . Diezig / ​B. Pirker / ​S . Reitemeyer, Aarhus-Konvention, Handkommentar, Art. 9, Rn. 40; E.  Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband I, 2018, S. 223. 169

124

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

Die Rechte aus Art. 9 Abs. 4 und 5 ÅK sind daher akzessorisch zu den Rechten aus den Überprüfungsverfahren.175 Einige der in den beiden Absätzen verwendeten Begriffe sind unbestimmt und ausfüllungsbedürftig.176 Zusammengenommen fungieren sie jedoch als wichtige Stütze der Rechte aus den ersten drei Absätzen von Art. 9 ÅK im Umsetzungs- und Anwendungsprozess.177 1. Angemessenheit und Effektivität des Rechtsschutzes nach Art. 9 Abs. 4 Satz 1 Hs. 1 ÅK Nach Art. 9 Abs. 4 ÅK müssen die Überprüfungsverfahren der ersten drei Absätze einem gewissen Minimalstandard genügen.178 Dazu gehört, dass die Verfahren angemessen und effektiv sein müssen. Die Überprüfungsverfahren müssen geeignet sein, den umweltbeeinträchtigen Maßnahmen tatsächlich abzuhelfen.179 Angemessen ist das Überprüfungsverfahren dann, wenn es seine angestrebte Wirkung auch tatsächlich erreichen kann.180 Dies kann auch die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes erfordern.181 Effektiv ist ein Überprüfungsverfahren nur dann, wenn es die Durchsetzung des Umweltrechts tatsächlich fördert.182 Dazu gehört auch, dass potenzielle Zugangshindernisse zu Überprüfungsverfahren reduziert werden.183 Insbesondere dürfen die Kriterien, von denen der Zugang zu den Über 175 A.  Epiney / ​S .  Diezig / ​B .  Pirker / ​S .  Reitemeyer, Aarhus-Konvention, Handkommentar, Art. 9, Rn. 40. 176 A.  Epiney / ​S .  Diezig / ​B .  Pirker / ​S .  Reitemeyer, Aarhus-Konvention, Handkommentar, Art. 9, Rn. 40 sind der Ansicht, dass die „normative Dichte einiger dieser Pflichten nicht sehr weit geht, so dass sie eher auf einer Postulationsebene verharren“. Abgesehen von dem eher unklaren Bezug dürfte diese Aussage jedenfalls für den Effektivitätsgrundsatz in Art. 9 Abs. 4 Satz 1 ÅK nicht zutreffen. Denn der Konkretisierungsgrad dieser Vorschrift weicht nicht erheblich von anderen Effektivitätsgrundsätzen wie etwa Art. 19 Abs. 4 GG oder Art. 47 GRCh ab. Dass mit unbestimmten Begriffen gearbeitet wird, bedeutet noch nicht, dass sich der Gehalt einer Norm in einem Postulationscharakter erschöpft. 177 M. Hedemann-Robinson, EU Implementation of the Aarhus Convention’s Third Pillar – Part 1, Eur. Energy & Envtl. L. Rev. 23 (2014), 102 (105). 178 J. Ebbesson / ​H. Gaugitsch / ​J. Jendrośka / ​F. Marshall / ​S . Stec, The Aarhus Convention, 2014, S. 199; M. Hedemann-Robinson, EU Implementation of the Aarhus Convention’s Third Pillar – Part 1, Eur. Energy & Envtl. L. Rev. 23 (2014), 102 (105). 179 J. Ebbesson / ​H. Gaugitsch / ​J. Jendrośka / ​F. Marshall / ​S . Stec, The Aarhus Convention, 2014, S. 200. 180 A.  Epiney / ​S .  Diezig / ​B .  Pirker / ​S .  Reitemeyer, Aarhus-Konvention, Handkommentar, Art. 9, Rn. 41; J. Ebbesson / ​H. Gaugitsch / ​J. Jendrośka / ​F. Marshall / ​S . Stec, The Aarhus Convention, 2014, S. 200. 181 A.  Epiney / ​S .  Diezig / ​B .  Pirker / ​S .  Reitemeyer, Aarhus-Konvention, Handkommentar, Art. 9, Rn. 41; J. Ebbesson / ​H. Gaugitsch / ​J. Jendrośka / ​F. Marshall / ​S . Stec, The Aarhus Convention, 2014, S. 200 ff. 182 J. Ebbesson / ​H. Gaugitsch / ​J. Jendrośka / ​F. Marshall / ​S . Stec, The Aarhus Convention, 2014, S. 200. 183 J. Ebbesson / ​H. Gaugitsch / ​J. Jendrośka / ​F. Marshall / ​S . Stec, The Aarhus Convention, 2014, S. 200.

Kap. 3: Rechtsschutzvorgaben der Århus-Konvention

125

prüfungsverfahren abhängig gemacht werden kann, nicht so ausgestaltet werden, dass der Zugang zu Rechtsschutz faktisch unmöglich wird.184 Davon umfasst ist auch, dass ein systematisches Zurückweisen von Überprüfungsbegehren nicht mit Art. 9 Abs. 4 ÅK vereinbar ist.185 2. Fairness und Gerechtigkeit der Überprüfungsverfahren nach Art. 9 Abs. 4 Satz 1 Hs. 2 ÅK Die Überprüfung muss überdies fair und gerecht sein. Das mit dem Verfahren betraute Organ muss daher unparteiisch, unvoreingenommen und ohne Eigen­ interesse entscheiden.186 Für gerichtliche Verfahren dürften diese Anforderungen rechtsstaatlicher Standard sein, weshalb die Unabhängigkeit vor allem für behördliche Überprüfungsverfahren Bedeutung erlangt. Dies gilt insbesondere im Anwendungsbereich von Art. 9 Abs. 3 ÅK, der auch ein administratives Überprüfungsverfahren ausreichen lässt.187 3. Weitere Sicherungsmaßnahmen Darüber hinaus sieht die Konvention weitere flankierende Rechte für die Überprüfungsverfahren der ersten drei Absätze vor. So sollen die Verfahren nach Art. 9 Abs. 4 Satz 1 Hs. 2 ÅK zügig und nicht übermäßig teuer sein.188 Die Entscheidungen des Überprüfungsorgans ergehen nach Art. 9 Abs. 4 Sätze 2 und 3 ÅK schriftlich und sind zu veröffentlichen, was der Transparenz des Überprüfungsverfahrens dient.189 Ferner fordert Art. 9 Abs. 5 ÅK, dass die Öffentlichkeit über den Zugang zu Überprüfungsverfahren informiert wird und Unterstützung bei der Antragstellung erhält. Damit soll die Öffentlichkeit zum Einleiten von Überprüfungsverfahren ermuntert und die Effektivität der Verfahren gesteigert werden.190 184

S. ACCC / ​C/2005/11 (Belgien), ECE / ​MP.PP / ​C.1/2006/4/Add.2, Rn.  40; ACCC / ​C/2008/24 (Spanien), ECE / ​MP.PP / ​C.1/2009/8/Add.1, Rn.  105, 112. 185 ACCC / ​C/2008/31 (Deutschland), ECE / ​MP.PP / ​C.1/2014/8, Rn.  83. 186 J. Ebbesson / ​H. Gaugitsch / ​J. Jendrośka / ​F. Marshall / ​S . Stec, The Aarhus Convention, 2014, S. 201; A. Epiney / ​S . Diezig / ​B. Pirker / ​S . Reitemeyer, Aarhus-Konvention, Handkommen­ tar, Art. 9, Rn. 42. 187 J. Ebbesson / ​H. Gaugitsch / ​J. Jendrośka / ​F. Marshall / ​S . Stec, The Aarhus Convention, 2014, S. 201. 188 Näheres hierzu bei A.  Epiney / ​S .  Diezig / ​B.  Pirker / ​S .  Reitemeyer, Aarhus-Konvention, Handkommentar, Art. 9, Rn. 42; J. Ebbesson / ​H. Gaugitsch / ​J. Jendrośka / ​F. Marshall / ​S . Stec, The Aarhus Convention, 2014, S. 201 ff. 189 Zu dieser Verpflichtung s. etwa A. Epiney / ​S . Diezig / ​B. Pirker / ​S . Reitemeyer, Aarhus-​ Konvention, Handkommentar, Art. 9, Rn. 43 ff. 190 S. dazu A. Epiney / ​S . Diezig / ​B. Pirker / ​S . Reitemeyer, Aarhus-Konvention, Handkommentar, Art. 9, Rn. 46 f.; J. Ebbesson / ​H. Gaugitsch / ​J. Jendrośka / ​F. Marshall / ​S . Stec, The Aarhus Convention, 2014, S. 205 ff.

126

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

V. Bewertung Die Århus-Konvention hebt die Partizipation der Öffentlichkeit im Umweltrecht und deren Zugang zu Überprüfungsverfahren auf eine neue Stufe.191 Es ist eine besondere Leistung der Konvention, ihre Vertragsparteien zur Einhaltung konkreter und rechtsverbindlicher Mindeststandards für die Beteiligung der Öffentlichkeit an umweltrelevanten Entscheidungen zu verpflichten.192 Mit dem Zugang zu Überprüfungsverfahren nimmt sich die Konvention überdies einem besonders problematischen Bereich des Umweltschutzes an. In diesem Bereich ist die Konvention der bislang bedeutendste Versuch, Principle 10 der Rio-Deklaration verbindlich umzusetzen.193 Doch trotz ihrer wegweisenden Bedeutung sind auch die Maßstäbe der Konvention nicht über jeden Zweifel erhaben. Zum einen ist Skepsis angesichts der Präzision der Verpflichtungen angebracht. Zum anderen kann vor allem mit Blick auf die dritte Säule gefragt werden, ob die Konvention nicht einer Privatisierung des Gemeinwohls Vorschub leistet. 1. Präzision der Verpflichtungen Das qualitativ Neue der Konvention sind die verbindlichen Vorgaben für den Rechtsschutz. Mit der Verbindlichkeit der Vorgaben ist jedoch noch nichts über deren Präzision gesagt. Denn die Konvention kann ihre Ziele nur erreichen, wenn sich aus ihr auch konkrete Anforderungen an die Rechtsordnungen ihrer Vertragsparteien entnehmen lassen. Gerade dies ist mit Blick auf die dritte Säule der Konvention aber zweifelhaft: Die Untersuchung hat einige Unschärfen der Maßstäbe offengelegt, beispielsweise, wie weit Art. 9 Abs. 2 UAbs. 1 ÅK zur Überprüfung der materiell- und verfahrensrechtlichen Rechtmäßigkeit verpflichtet.194 Weitere Unschärfen ergeben sich durch die zahlreichen Verweise auf Vorgaben des innerstaatlichen Rechts, wie etwa in Art. 9 Abs. 2 UAbs. 2 ÅK oder noch prominenter in Art. 9 Abs. 3 ÅK. Hier eröffnen sich den Vertragsparteien teilweise weite Gestaltungsspielräume. Dadurch ist die Konvention auf die Bereitschaft der Vertragsparteien zur Umsetzung angewiesen, denn die

191 T. von Danwitz, Aarhus-Konvention, NVwZ 2004, 272 (273); M. Scheyli, Aarhus-Konvention über Informationszugang, Öffentlichkeitsbeteiligung und Rechtsschutz in Umweltbelangen, AVR 38 (2000), 217 (248). 192 S. auch M. Scheyli, Aarhus-Konvention über Informationszugang, Öffentlichkeitsbeteiligung und Rechtsschutz in Umweltbelangen, AVR 38 (2000), 217 (248). 193 N. Wiesinger, Innovation im Verwaltungsrecht durch Internationalisierung, 2013, S. 61; E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband I, 2018, S. 215. 194 S. dazu oben unter Teil 2. Kapitel 3. B. II. 2. (S. 117 ff.).

Kap. 3: Rechtsschutzvorgaben der Århus-Konvention

127

„Wahrscheinlichkeit der Verwirklichung der in einem völkerrechtlichen Dokument formu­ lierten Zielsetzungen [ist] untrennbar mit der normativen Qualität der entsprechenden Bestimmungen verknüpft“195.

Unscharfe Maßstäbe sind nun kein Spezifikum umweltvölkerrechtlicher Vertragswerke. Gerade bei der Århus-Konvention kommen jedoch einige Faktoren zusammen, die deren Entstehen begünstigt haben: Zum einen handelt es sich bei der Konvention um ein Verhandlungsergebnis einer Vielzahl von Parteien mit unterschiedlichen Interessen und Vorstellungen. Nicht immer ist es in einer solchen Konstellation möglich, Übereinstimmungen und damit präzise Ergebnisse zu erzielen. Dazu kommt noch, dass das Verhalten einiger Parteien nicht unbedingt als konstruktiv eingeschätzt wurde.196 Überdies dürfte die Komplexität des Regelungsvorhabens der Konvention eine Rolle gespielt haben: Dadurch, dass die Konvention nicht lediglich Zielverpflichtungen für bestimmte Umweltzustände enthält, sondern den Parteien gerade Vorgaben zur Ausgestaltung ihrer Rechtsordnungen macht, ist die Regelungsmaterie ungleich voraussetzungsvoller. Denn damit treffen die verschiedenen verwaltungsrechtlichen Traditionen der Parteien aufeinander, denen die Vorgaben der Konvention gerecht werden müssen. Insgesamt handelt es sich bei der Konvention also um ein ambitioniertes Projekt für einen zeitgemäßen Umweltschutz. Angesichts des Zusammentreffens verschiedener Problemlagen, die sich auf die Präzision der Maßstäbe der Konvention auswirken, nimmt es jedoch nicht wunder, dass die Konvention ihren hochgesteckten Zielen nicht vollends gerecht wird.197 2. „Privatisierung des Gemeinwohls“ Umweltschutzverbände nehmen in der Konzeption der Århus-Konvention eine bedeutende Rolle ein, die sich insbesondere in ihren Klagemöglichkeiten äußert.198 Verbände werden durch die Konvention in vielerlei Hinsicht privilegiert:199 Beson-

195

M. Scheyli, Aarhus-Konvention über Informationszugang, Öffentlichkeitsbeteiligung und Rechtsschutz in Umweltbelangen, AVR 38 (2000), 217 (252). 196 S. insbesondere zur Rolle Deutschlands A. Schwerdtfeger, Der deutsche Verwaltungsrechtsschutz unter dem Einfluss der Aarhus-Konvention, 2010, S. 16; K. Brady, Aarhus Convention Signed, Envtl. Pol’y & L. 28 (1998), 171 (180 f.). 197 Ähnliche Einschätzung bei M.  Scheyli, Aarhus-Konvention über Informationszugang, Öffentlichkeitsbeteiligung und Rechtsschutz in Umweltbelangen, AVR 38 (2000), 217 (252); S. Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz, 2008, S. 245 ff.; S. Pernice-Warnke, Effektiver Zugang zu Gericht, 2009, S. 145. 198 P. Oliver, Access to Information and to Justice in EU Environmental Law: The Aarhus Convention, Fordham Int’l L. J. 36 (2013), 1423 (1431 f., 1442). 199 S. Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz, 2008, S. 249; R. Alleweldt, Verbandsklage und gerichtliche Kontrolle von Verfahrensfehlern, DVBl 2006, 621 (626); kritisch dazu S. Pernice-Warnke, Verwaltungsprozessrecht unter Reformdruck, DÖV 2017, 846 (847).

128

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

ders deutlich wird dies durch die Fiktion eines Interesses oder einer Rechtsverletzung in Art. 9 Abs. 2 UAbs. 2 ÅK. Die Einführung von Verbandsklagen ist eine Reaktion auf die mangelnde Durchsetzbarkeit von Gemeinwohlbelangen durch Klagen von Individuen200 und der daraus folgenden Asymmetrie der Rechtsschutzmöglichkeiten von Umweltnutzern und -schützern.201 Die Kritik an der zentralen Stellung der Verbände ist so alt wie die Idee selbst, diese zur effektiven Durchsetzung von Gemeinwohlbelangen zu mobilisieren. Im deutschen Verwaltungsrecht lässt sich die Diskussion etwa bis in die 1970er Jahre zurückverfolgen.202 Befürchtet wurde eine „Privatisierung des Gemeinwohls“203 durch Private ohne demokratische Legitimation, eine Fehl­ allokation der knappen Ressource Verwaltungsrechtsschutz204 sowie ein Eingriff in die Rechtssicherheit und das Vertrauen in den Bestand von Verwaltungsentscheidungen durch breitere Anfechtungsmöglichkeiten.205 Die vorliegende Arbeit sieht es nicht als ihre Aufgabe, die Sinnhaftigkeit von Verbandsklagebefugnissen grundsätzlich zu diskutieren.206 Ohnehin ist die Diskussion um die Einführung von Verbandsklagebefugnissen mehr eine rechtspolitische.207 An dieser Stelle sollen daher einige Bemerkungen genügen: Die Einführung von Verbandsklagen nach der Århus-Konvention ist nicht darauf gerichtet, 200

R. Breuer, Entwicklungen des Rechtsschutzes im Umweltrecht, in: Franzius u. a. (Hrsg.), FS Kloepfer, 2013, S. 315 (325); S. Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz, 2008, S. 482 ff. 201 H.-J. Koch, Die Verbandsklage im Umweltrecht, NVwZ 2007, 369 (371); F. Heß, Aktivierung der Umweltverbandsklage, ZUR 2018, 686 (687). S. dazu schon oben unter Teil 1. Kapitel 2. B. I. 2.  (S. 64 ff.). 202 S. etwa G. Hammer, Bedenken gegen die Verbandsklage im öffentlichen Recht, GewArch 1978, 14 ff.; F. Weyreuther, Verwaltungskontrolle durch Verbände?, 1975, S. 442 ff.; aus jüngerer Zeit kritisch zu Verbandsklagerechten K. F. Gärditz, Funktionswandel der Verwaltungsgerichtsbarkeit unter dem Einfluss des Unionsrechts, Gutachten D zum 71. Deutschen Juristentag, D 44 ff.; R. Scholz, Individualer oder kollektiver Rechtsschutz?, ZG 2003, 248 (256 ff.); J. Ipsen, Gefahren für den Rechtsstaat?, NdsVBl 1999, 225 (227 f.). S. dazu schon oben unter Teil 1. Kapitel 2. B. I. 3. a) aa) (S. 68 ff.). 203 J. Ipsen, Gefahren für den Rechtsstaat?, NdsVBl 1999, 225 (227); dagegen etwa L. ­Michael, Fordert § 61 BNatSchG eine neue Dogmatik der Verbandsklagen?, Die Verwaltung 37 (2004), 35 (38 f.). 204 Dazu K. F. Gärditz, Funktionswandel der Verwaltungsgerichtsbarkeit unter dem Einfluss des Unionsrechts, Gutachten D zum 71. Deutschen Juristentag, D 47; anders Generalanwältin Sharpston, Schlussanträge v. 16.10.2010, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Rs. C-115/09, EU:C:2010:773, Slg. 2011 I-3673, Rn. 79; S. Pernice-Warnke, Effektiver Zugang zu Gericht, 2009, S. 178. 205 Dazu K. F. Gärditz, Funktionswandel der Verwaltungsgerichtsbarkeit unter dem Einfluss des Unionsrechts, Gutachten D zum 71. Deutschen Juristentag, D 46 f. 206 Eine umfassende Auseinandersetzung mit den Argumenten findet sich etwa bei ­H.-J. Koch, Die Verbandsklage im Umweltrecht, NVwZ 2007, 369 (370–372). 207 So schon zutreffend R. Müller-Terpitz, Beteiligungs- und Handlungsmöglichkeiten nichtstaatlicher Organisationen im aktuellen Völker- und Gemeinschaftsrecht, AVR 43 (2005), 466 (490). Zur rechtlichen Zulässigkeit in Deutschland s. oben unter Teil 1. Kapitel 2. B. I. 3. a) bb) (S. 70 ff.).

Kap. 3: Rechtsschutzvorgaben der Århus-Konvention

129

den Staat aus seiner Gemeinwohlverantwortung zu entlassen. Vielmehr dürfte das Gegenteil richtig sein, nämlich, dass der Staat umso mehr auf Gemeinwohlbelange und Kollektivgüter Rücksicht nimmt. Eine „Privatisierung des Gemeinwohls“ ist darin jedenfalls nicht zu erkennen. Verbandsklagen, wie sie auch von der Århus-Konvention vorgesehen sind, ersetzen auch nicht Rechtsbehelfe von Einzelklägern, sondern stehen neben ihnen. Durch Verbandsklagen werden Individualklagen weder abgeschafft noch faktisch unmöglich gemacht. Die Verbandsklagen ergänzen vielmehr das Arsenal der Rechtsdurchsetzungsmechanismen in Bereichen, in denen Rechtsschutz für Individuen nur schwer zu erlangen ist und wo deshalb auch Vollzugsdefizite zu befürchten sind. Dies gilt vor allem für das Umweltrecht, zu dessen Effektivierung die Århus-Konvention beitragen soll. Überdies benötigen Verbände auch keine besondere demokratische Legitimation.208 Die Verbände müssen zur Ausübung eines ihnen durch den Gesetzgeber gewährten Klagerechts nicht in besonderer Weise legitimiert sein – jedenfalls auch nicht mehr, als es Einzelpersonen bei der Ausübung eines ihnen gewährten Klagerechts sein müssen.209 In beiden Fällen folgt die Berechtigung zur Klage aus einer Entscheidung des demokratisch legitimierten Gesetzgebers.210 Zudem bleibt die Entscheidungsbefugnis bei den Gerichten, die das aus demokratischen Verfahren hervorgegangene (Umwelt-)Recht anwenden.211 Die Verbandsklage führt eben „nicht zu einer Erosion staatlicher Letztverantwortlichkeit“212 und daher auch nicht zu einer „Privatisierung des Gemeinwohls“. Vielmehr ist mit G. Lübbe-Wolff die „Möglichkeit, sei es individuell oder über Verbände Klagen auch im öffentlichen Interesse zu erheben […] funktionsnotwendiges, und angesichts der bestehenden Funktionsprobleme immer notwendigeres, Element der demokratischen Legitimationskette“213. 208

So auch L. Michael, Fordert § 61 BNatSchG eine neue Dogmatik der Verbandsklagen?, Die Verwaltung 37 (2004), 35 (38 ff.). 209 Ähnlich schon C. Möllers, Die drei Gewalten, 2008, S. 151. B. Wegener, Nein, nein, nein!?, JZ 2016, 829 (831) weist zutreffend darauf hin, dass (abgesehen natürlich von einer etwaigen grundrechtlich geschützten Rechtsposition) auch ein Vorhabenträger und Umweltnutzer keine besondere demokratische Legitimation besitzt. 210 B. Wegener, Nein, nein, nein!?, JZ 2016, 829 (831); F. Heß, Aktivierung der Umweltverbandsklage, ZUR 2018, 686 (687). S. zur Technik der Zuordnung klagefähiger Positionen durch den Gesetzgeber schon oben unter Teil 1. Kapitel 2. B. I. 3. c) (S. 83 ff.). 211 So auch T. von Danwitz, Aarhus-Konvention, NVwZ 2004, 272 (274); L. Michael, Fordert § 61 BNatSchG eine neue Dogmatik der Verbandsklagen?, Die Verwaltung 37 (2004), 35 (39); H.-J. Koch, Die Verbandsklage im Umweltrecht, NVwZ 2007, 369 (371); S. Pernice-Warnke, Die Europäisierung des Verwaltungsprozessrechts, in: Broemel u. a. (Hrsg.), Prozessrecht in nationaler, europäischer und globaler Perspektive, 2017, S. 289 (304); skeptisch K. F. Gärditz, Europäisierter Umweltrechtsschutz als Laboratorium des Verwaltungsprozessrechts, EurUP 2015, 196 (205); F. Heß, Aktivierung der Umweltverbandsklage, ZUR 2018, 686 (687). 212 R. Müller-Terpitz, Beteiligungs- und Handlungsmöglichkeiten nichtstaatlicher Organisationen im aktuellen Völker- und Gemeinschaftsrecht, AVR 43 (2005), 466 (491). 213 G. Lübbe-Wolff, Europäisches und nationales Verfassungsrecht, VVDStRL 60 (2001), 246 (279) (Hervorhebung im Original).

130

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

Erweiterte Klagemöglichkeiten gegen Vorhaben können freilich einen längeren Zeitraum der Rechtsunsicherheit mit sich bringen.214 Jedoch dauert auch dieser Zustand nicht unendlich: Das Institut der Bestandskraft wird auch durch Verbandsklagemöglichkeiten nicht außer Kraft gesetzt. Gerade bei Vorhaben mit weitreichendem Einfluss auf die Umwelt kann es aber – auch für den Vorhabenträger selbst – sinnvoll sein, Zweifel an der Rechtmäßigkeit zu klären, bevor mit dessen Verwirklichung begonnen wird. Zwar erweitern Verbandsrechtsbehelfe den Kreis potenzieller Kläger; dieser kann jedoch durch qualitative Kriterien oder die Vorschaltung eines Anerkennungsverfahrens kontrolliert und beeinflusst werden.215 Diese Möglichkeiten bestehen auch nach der Århus-Konvention. Wie umfangreich die Klagemöglichkeiten im Rahmen des von der Konvention Erlaubten ausgestaltet werden und wie weit damit der Zeitraum der Rechtsunsicherheit für Vorhabenträger ausgedehnt wird, ist dann ebenso eine rechtspolitische Entscheidung wie die Frage der richtigen Allokation der knappen Ressource verwaltungsgerichtlicher Kontrolle. Wichtig zum Verständnis der Konvention ist aber auch, dass der Blick nicht einseitig auf Verbandsklagen verengt werden darf.216 Denn die Konvention fordert nicht nur die Schaffung von Verbandsrechtsbehelfen, sondern auch die Verbesserung des Rechtsschutzes von Individuen.217 Zwar hebt die Konvention die Verbände an einigen Stellen besonders hervor, Ziel ist jedoch ebenso die Verbesserung des Gerichtszugangs für Einzelpersonen. Das in Art. 9 Abs. 2 UAbs. 1 ÅK gewährte Klagerecht richtet sich etwa an die „Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit“, die nach Art. 2 Nr. 5 ÅK als Teilmenge der „Öffentlichkeit“ aus Art. 2 Nr. 4 ÅK nicht nur Verbände, sondern genauso Einzelpersonen umfasst.218 Gleiches gilt für Art. 9 Abs. 3 ÅK, der den Begriff der „Öffentlichkeit“ verwendet, worunter auch Einzelpersonen fallen.219 214

Bedenken in diese Richtung äußert M. Beckmann, Funktionswandel der Verwaltungs­ gerichtsbarkeit unter dem Einfluss des Unionsrechts, Referat N zum 71. Deutschen Juristentag, N 89 f. Skeptisch auch E. Hien, Quo Vadis Umweltrechtsschutz?, DVBl 2018, 1029 (1030 f.). 215 K. F. Gärditz, Funktionswandel der Verwaltungsgerichtsbarkeit unter dem Einfluss des Unionsrechts, Gutachten D zum 71. Deutschen Juristentag, D 45; A. K. Mangold / ​R . Wahl, Das europäisierte deutsche Rechtsschutzkonzept, Die Verwaltung 48 (2015), 1 (18). 216 Kritisch aus der Perspektive des mitgliedstaatlichen Rechts C.  Franzius, Genügt die Novelle des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes den unionsrechtlichen Vorgaben?, NVwZ 2018, 219 (221). 217 S. S. Pernice-Warnke, Verwaltungsprozessrecht unter Reformdruck, DÖV 2017, 846 (846 f.). 218 Hierauf weist I. Pernice, Umweltvölker- und europarechtliche Vorgaben zum Verbandsklagerecht und das System des deutschen Verwaltungsrechtsschutzes, JZ 2015, 967 (971) hin. S. indes E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband I, 2018, S. 601, der davon ausgeht, dass sich die Verbandsprivilegierung von Art. 9 Abs. 2 ÅK in Art. 9 Abs. 3 ÅK fortsetzt. 219 Dazu S. Pernice-Warnke, Effektiver Zugang zu Gericht, 2009, S. 143; S. Pernice-Warnke, Die Europäisierung des Verwaltungsprozessrechts, in: Broemel u. a. (Hrsg.), Prozessrecht in nationaler, europäischer und globaler Perspektive, 2017, S. 289 (298); angedeutet auch bei K. Rennert, Funktionswandel der Verwaltungsgerichtsbarkeit unter dem Einfluss des Unions-

Kap. 3: Rechtsschutzvorgaben der Århus-Konvention

131

C. Ergebnis Die Århus-Konvention präsentiert sich als ambitionierter Versuch, den Umweltschutz durch Mobilisierung der Bürger zu verbessern. Dazu bedient sich die Konvention eines Spektrums an Maßnahmen: Mit den drei Säulen Information, Öffentlichkeitsbeteiligung und Zugang zu Rechtsschutzverfahren schafft die Konvention ein umfassendes System der Einbindung der Öffentlichkeit in Umweltfragen. Die drei Säulen stehen nicht unverbunden nebeneinander, sondern bauen durch enge Verbindungen und Bezüge aufeinander auf. Um mit dem ehemaligen General­ sekretär der Vereinten Nationen Ban K.-M. zu sprechen, ist die Århus-Konvention „the most ambitious venture in the field of environmental democracy under the auspices of the United Nations“220. Die Analyse der Vorgaben der Århus-Konvention hat aber auch Schwachstellen offenbart. Dies gilt vor allem für die dritte Säule, auf die sich die Untersuchung fokussiert. Das Zusammentreffen verschiedener Traditionen der Vertragsparteien bei der Gestaltung verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes führt dazu, dass insbesondere die dritte Säule eine Vielzahl unbestimmter Formulierungen und Verweise auf das innerstaatliche Recht aufweist. Daraus folgen weite Gestaltungsspiel­räumen der Vertragsparteien. Dadurch entsteht Unsicherheit, wie weit die Verpflichtungen der Konvention reichen. Die Unschärfen der Konvention sind daher kritisch zu sehen:221 An sich sind Gestaltungsspielräume kein Problem, vermitteln sie den Vertragsparteien doch die notwendige Flexibilität, um ihre unterschiedlichen Rechtsordnungen an den Zielen der Konvention auszurichten. Problematisch sind Gestaltungsspielräume jedoch dann, wenn sie dazu genutzt werden können, das Erreichen der Konventionsziele zu erschweren oder gar zu konterkarieren.

rechts, Referat N zum 71. Deutschen Juristentag, N 131; K. F. Gärditz, Verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz im Umweltrecht, NVwZ 2014, 1 (5). 220 Diese Aussage stammt aus dem Vorwort von Ban K.-M. zur zweiten Auflage des Implementation Guides, J. Ebbesson / ​H. Gaugitsch / ​J. Jendrośka / ​F. Marshall / ​S . Stec, The Aarhus Convention, 2014, S. 3. Generell zum Umgang mit dem Implementation Guide als zwar nicht rechtlich bindender, aber doch bedeutsamer Auslegungsrichtlinie G. Garçon, The Rights of Access to Justice in Environmental Matters in the EU, EFFL 2013, 78 (88 f.). 221 In diesem Sinne auch A.  Schwerdtfeger, Der deutsche Verwaltungsrechtsschutz unter dem Einfluss der Aarhus-Konvention, 2010, S. 34 f.; M. Scheyli, Aarhus-Konvention über Informationszugang, Öffentlichkeitsbeteiligung und Rechtsschutz in Umweltbelangen, AVR 38 (2000), 217 (252); s. ebenso die Position von J. Wates, wiedergegeben bei K. Brady, Aarhus Convention Signed, Envtl. Pol’y & L. 28 (1998), 171 (184).

132

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

Kapitel 4

Vereinbarkeit des Gerichtszugangs im Primärrecht mit den Vorgaben der Århus-Konvention Die Århus-Konvention zielt auf eine weitreichende Mobilisierung der Einzelnen zur Durchsetzung des Umweltrechts. Zentrales Element dazu ist die Verbesserung des Umweltrechtsschutzes. Als Partei der Konvention richtet sich dieses Anliegen auch an die Union und ihr Eigenverwaltungsrecht. Der Rechtsschutzzugang für Einzelne im Eigenverwaltungsrecht der Union wird maßgeblich durch das Primärrecht bestimmt. Die Union bekennt sich in Art. 2 Satz 1 EUV zur Rechtsstaatlichkeit.222 Dieser Grundsatz wird für die Unions­ gerichtsbarkeit noch einmal ausdrücklich aufgegriffen: Zentrale Aufgabe der Unions­gerichtsbarkeit ist nach Art. 19 Abs. 1 UAbs. 1 Satz 2 AEUV die „Wahrung des Rechts“.223 Dazu gehört auch die Gewährung von Individualrechtsschutz. Zwar standen die Einzelnen zunächst nicht im Mittelpunkt des Einigungsprozesses,224 Regelungen zum Individualrechtsschutz waren jedoch von Anfang an in den Verträgen enthalten.225 Inzwischen verdeutlicht Art. 47 GRCh als weitere bedeutsame Ausprägung des Grundsatzes der Rechtsstaatlichkeit,226 dass die Durchsetzung der Rechte der Einzelnen ein wichtiges Anliegen der Union ist. Umweltrechtsschutz in der Union ist also nicht zuletzt eine Frage des Primärrechts. Vor diesem Hintergrund soll im Folgenden analysiert werden, ob der primärrechtliche Umweltrechtsschutz den Vorgaben der Århus-Konvention ausreichend Rechnung trägt.

222

Neben der Erwähnung im Kanon der grundlegenden Werte der Union in Art. 2 Satz 1 EUV findet sich dieser Grundsatz auch in der Formel der Schaffung eines „Raum[s] der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“ als Ziel der Union wieder, Art. 3 Abs. 2 EUV. 223 Dies ist eine der wichtigsten Ausprägungen des Grundsatzes der Rechtsstaatlichkeit in den Verträgen, s. B. Wegener, in: Calliess / ​Ruffert (Hrsg.), EUV / ​A EUV, 5. Aufl. 2016, Art. 19 EUV Rn. 1. 224 In diese Richtung schon J. Masing, Der Rechtsstatus des Einzelnen im Verwaltungsrecht, in: Hoffmann-Riem u. a. (Hrsg.), GVwR I, 2012, § 7, Rn. 88. 225 E.  Schmidt-Aßmann, Kohärenz und Konsistenz des Verwaltungsrechtsschutzes, 2015, S. 44. Indes war der Gerichtshof ursprünglich insbesondere zur Klärung von Konflikten zwischen den der Hohen Behörde und den Mitgliedstaaten gedacht, s. A. Boerger-De Smedt, La Cour de Justice dans les négociations du traité de Paris instituant la CECA, Journal of European Integration History 14 (2008), 7 (13); A. Farahat / ​C . Krenn, Der Europäische Gerichtshof in der Eurokrise, Der Staat 57 (2018), 375 (366). 226 H.-W.  Rengeling, Effektiver Rechtsschutz in der Europäischen Union, in: Becker u. a. (Hrsg.), FS Schwarze, 2014, S. 735.

Kap. 4: Gerichtszugang im Primärrecht

133

A. Rechtsschutz in Umweltangelegenheiten durch Art. 263 Abs. 4 Var. 2 AEUV Die Nichtigkeitsklage nach Art. 263 Abs. 4 AEUV ist von zentraler Bedeutung für den Rechtsschutz in Umweltangelegenheiten. Sie ist gewissermaßen der primär­ rechtliche Brennpunkt.227 Unter den drei Varianten von Art. 263 Abs. 4 AEUV sticht die zweite besonders hervor. Nach Art. 263 Abs. 4 Var. 2 AEUV ist klagebefugt, wer eine unmittelbare und individuelle Betroffenheit durch eine Handlung der Union geltend machen kann. Diese Klagemöglichkeit umfasst anders als die erste, adressatenbezogene Variante auch Drittanfechtungssituationen. Sie knüpft stattdessen an die unmittelbare und individuelle Betroffenheit der Kläger an. Und anders als die dritte Variante stellt Art. 263 Abs. 4 Var. 2 AEUV keine Anforderungen an die Form des Klagegegenstands. Mit Art. 263 Abs. 4 Var. 2 AEUV sind alle „Handlungen“ überprüfbar; der Anwendungsbereich ist nicht auf bestimmte Rechtsakte beschränkt.228 Entscheidend für die Reichweite des Rechtsschutzes ist daher die Auslegung der Merkmale der unmittelbaren und individuellen Betroffenheit durch die Unionsgerichte. Schon seit jeher wird Auslegung und Reichweite dieser Begriffe eine große Aufmerksamkeit zuteil. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass die europäischen Gerichte die zweite Variante von Art. 263 Abs. 4 AEUV traditionell restriktiv auslegen. Vor allem das Merkmal der individuellen Betroffenheit erweist sich dabei als Nadelöhr, das maßgeblich über die Zulässigkeit der Klage entscheidet.229

227 Dies bestätigt die empirische Untersuchung von L. Krämer, Statistics on Environmental Judgments by the EC Court of Justice, J. Envtl. L. 18 (2006), 407 (409 Table 3). Direkter Rechtsschutz durch die Unionsgerichte in Umweltangelegenheiten stützt sich danach maßgeblich auf die Nichtigkeitsklage. 228 EuGH, Urt. v. 17.07.2008, Athinaïki Techniki / ​Kommission, Rs. C-521/06 P, EU:C:2008: 422, Slg. 2008 I-5829, Rn. 43. Dazu auch H. P. Nehl, Das EU-Rechtsschutzsystem, in: Fastenrath / ​Nowak (Hrsg.), Der Lissabonner Reformvertrag, 2009, S. 149 (162). Terminologisch handelt es sich um eine Neuerung des Vertrages von Lissabon, die eine frühere Rechtsprechung des Gerichtshofs nachzeichnet, s. J. Bast, New Categories of Acts After The Lisbon Reform, CML Rev. 49 (2012), 885 (888 f.); M. Kotzur, Neuerungen auf dem Gebiet des Rechtsschutzes durch den Vertrag von Lissabon, EuR-Beih. (1) 2012, 7 (17); E. Schmidt-Aßmann, Kohärenz und Konsistenz des Verwaltungsrechtsschutzes, 2015, S. 69. Vor diesem Hintergrund wird auch von der „Formenneutralität des Rechtsschutzes“ gesprochen, s. J. Bast, Handlungsformen und Rechtsschutz, in: von Bogdandy / ​Bast (Hrsg.), Europäisches Verfassungsrecht, 2009, S. 489 (525); M. Kottmann, Plaumanns Ende, ZaöRV 2010, 547 (550); ähnlich H. C. Röhl, Die anfechtbare Entscheidung nach Art. 230 Abs. 4 EGV, ZaöRV 2000, 331 (354 f.); M. Nettesheim, Effektive Rechtsschutzgewährleistung im arbeitsteiligen System europäischen Rechtsschutzes, JZ 2002, 928 (930): „Handlungsformenlehre und Rechtsschutzdogmatik haben sich voneinander gelöst.“ 229 S. auch J. Saurer, Der Einzelne im europäischen Verwaltungsrecht, 2014, S. 166.

134

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

I. Individualnichtigkeitsklage im Spiegel der Klagemodelle Der erste und augenscheinlichste Befund ist, dass auch der direkte Zugang zur europäischen Gerichtsbarkeit für Individualkläger nicht dem Modell der Popularklage folgt.230 Dies ergibt sich schon daraus, dass der Zugang zur europäischen Gerichtsbarkeit für Individualkläger nicht unbegrenzt möglich ist, sondern nur unter den in Art. 263 Abs. 4 AEUV genannten Voraussetzungen. Die weitaus interessantere Frage ist aber, welchem Rechtsschutzmodell Art. 263 AEUV stattdessen folgt. Es fällt zunächst auf, dass die Enumeration von Gründen in Art. 263 Abs. 2 AEUV, die zu einer Aufhebung eines Rechtsaktes führen, dem deutschen System fremd ist. Vielmehr wird hier eine Parallele zum französischen Modell sichtbar, das ebenfalls mit fixen Klagegründen arbeitet.231 Ihre Adaption im Primärrecht stellt damit einen eindeutigen Bezug zu der französischen Tradition des Verwaltungsrechtsschutzes her.232 Zwar scheint die Festlegung bestimmter 230 Im Ergebnis ebenso C.  Weber, Grundsatz der Effektivität des Rechtsschutzes, 2008, S. 164 ff.; s. auch zu Art. 33 EGKS-Vertrag H.-J. Schlochauer, Die Gerichtsbarkeit der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, AVR 3 (1952), 385 (401); G. Bebr, Development of Judicial Control of the European Communities, 1981, S. 21; A. Arnull, Judicial Review in the European Union, in: Arnull / ​Chalmers (Hrsg.), The Oxford Handbook of European Union Law, 2015, S. 376 (387). Sofern der Rechtsschutz der privilegierten Kläger nach Art. 263 Abs. 2 AEUV durch das Fehlen begrenzender Anforderungen als Popularklage bezeichnet wird (A. Bleckmann, Zur Klagebefugnis für die Individualklage vor dem Europäischen Gerichtshof, in: Erichsen u. a. (Hrsg.), FS Menger, 1985, S. 871 (872)), so ist dem jedenfalls insoweit zuzustimmen, als die Kategorien verschwimmen: Mit der Begründung, dass für die dort aufgelisteten Kläger schon rein institutionell immer ein Interesse bestehe (M. Canedo, ­L’intérêt à agir dans le recours en annulation du droit communautaire, RTD Eur. 2000, 451 (478); U. ­Ehricke, in: Streinz (Hrsg.), EUV / ​A EUV, 3. Aufl. 2018, Art. 263 AEUV Rn. 26; C. Gaita­ nides, in: von der Groeben u. a. (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl. 2015, Art. 263 AEUV Rn. 37; J. Schwarze / ​P. Voet van Vormizeele, in: Becker u. a. (Hrsg.), EU-Kommentar, 4. Aufl. 2019, Art. 263 AEUV Rn. 36), kommt man einer Popularklage faktisch tatsächlich sehr nahe. Dennoch handelt es sich hier nicht um eine Popularklage: Zwar mag die Zugangshürde einer Darlegung eines bestimmten Aufhebungsinteresses wegfallen, jedoch bedeutet das nicht, dass dadurch der Kreis der Kläger unbeschränkt wäre. Diese Funktion übernimmt die Enumeration der Klägerinstitutionen in Art. 263 Abs. 2 AEUV, die die Verbindung von (fingiertem oder institutionell bestehenden) Interesse und Klagelegitimation herstellt. 231 So auch A. Epiney, Primär- und Sekundärrechtsschutz im Öffentlichen Recht, VVDStRL 61 (2001), 362 (373); J. Koch, Verwaltungsrechtsschutz in Frankreich, 1998, S. 161 f.; J. Mertens de Wilmars, Annulation et Appréciation de Validité dans le Traité CEE, in: Grewe u. a. (Hrsg.), FS Kutscher, 1981, S. 283 (285); R. Knöpfle, Das Klagerecht Privater vor dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, NJW 1959, 553 (554); E. Steindorff, Die Nichtigkeitsklage, 1952, S. 53 ff. 232 Für Art. 33 EGKS Generalanwalt Lagrange, Schlussanträge v. 11.02.1955, Assider / ​Hohe Behörde, 3/54, EU:C:1954:6, Slg. 1954, 123 (158) mit Hinweis auf die französischen und deutschen Zustimmungsrechtsakte zum EGKS-Vertrag; M. Wegmann, Die Nichtigkeitsklage Privater gegen Normativakte der Europäischen Gemeinschaften, 1976, S. 19; U. Everling, Das Verfahren der Gerichte der EG im Spiegel der verwaltungsgerichtlichen Verfahren der Mitgliedstaaten, in: Grote u. a. (Hrsg.), FS Starck, 2007, S. 535 (537); T. von Danwitz, Verwaltungsrechtliches System und europäische Integration, 1996, S. 236; B. Börner, Die Entscheidungen

Kap. 4: Gerichtszugang im Primärrecht

135

Klagegründe den Zugang auf den ersten Blick erheblich zu beschränken;233 es darf jedoch nicht übersehen werden, dass mit der „Verletzung der Verträge“ in Art. 263 Abs. 2 AEUV ein weitreichender Auffangtatbestand existiert.234 Art. 263 Abs. 4 AEUV enthält auch keine Formulierung wie § 42 Abs. 2 VwGO, wonach die Kläger eine Verletzung ihrer Rechte geltend machen müssen. Daraus ist zu schließen, dass die Nichtigkeitsklage nicht auf das Vorliegen einer Rechtsverletzung abstellt.235 Dies spricht dafür, dass der Rechtsschutz der Nichtigkeitsklage nicht dem Verletztenklagemodell folgt.236 Andererseits stellt Art. 263 AEUV nirgendwo explizit die Voraussetzung eines bestimmten Interesses auf, das auf ein Interessentenklagemodell schließen ließe.237 Dass Kläger selbst betroffen sein müssen sagt erst einmal nichts darüber aus, ob dies eine Rechts- oder Interessen­ betroffenheit meint. Auf den ersten Blick ist der Wortlaut von Art. 263 Abs. 4 AEUV deshalb neutral. Aus dem Wortlaut ist lediglich abzuleiten, dass damit eine Popularklage ausgeschlossen ist. Bei unvoreingenommener Betrachtung ist aber weder eine klare Hinwendung zum deutschen noch zum französischen Modell festzustellen.238 Nichtsdestotrotz kann mit guten Gründen davon ausgegangen werden, dass die „Betroffenheit“ in Art. 263 Abs. 4 AEUV letztlich ein intérêt pour agir meint.239 der Hohen Behörde, 1965, S. 143; J. Bast, Handlungsformen und Rechtsschutz, in: von Bogdandy / ​Bast (Hrsg.), Europäisches Verfassungsrecht, 2009, S. 489 (493). 233 U. Everling, Überlegungen zum Verfahren vor den Gerichten der Europäischen Gemeinschaften, in: Colneric u. a. (Hrsg.), FS Iglesias, 2003, S. 537 (539). 234 J. Schwarze / ​P. Voet van Vormizeele, in: Becker u. a. (Hrsg.), EU-Kommentar, 4. Aufl. 2019, Art. 263 AEUV Rn. 80; U.  Ehricke, in: Streinz (Hrsg.), EUV / ​AEUV, 3. Aufl. 2018, Art. 263 AEUV Rn. 84; W. Cremer, in: Calliess / ​Ruffert (Hrsg.), EUV / ​AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 263 AEUV Rn. 95. 235 Generalanwalt Roemer, Schlussanträge v. 28.10.1969, Eridania Zuccherifici u. a. / ​Kommission, Verb. Rs. 10 bis 18/68, EU:C:1969:50, Slg. 1969, 459; C. Last, Garantie wirksamen Rechtsschutzes gegen Maßnahmen der Europäischen Union, 2008, S. 180; S. Beljin, Dogmatik und Ermittlung der Unionsrechte, Der Staat 46 (2007), 489 (499); J. Schwarze / ​P. Voet van Vormizeele, in: Becker u. a. (Hrsg.), EU-Kommentar, 4. Aufl. 2019, Art. 263 AEUV Rn. 8. 236 So auch A. Bleckmann, Zur Klagebefugnis für die Individualklage vor dem Europäischen Gerichtshof, in: Erichsen u. a. (Hrsg.), FS Menger, 1985, S. 871 (882); D. Ehlers, Die Klagebefugnis nach deutschem, europäischem Gemeinschafts- und U. S.-amerikanischem Recht, VerwArch 84 (1993), 139 (156); C. D. Classen, Europäisierung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1996, S. 66; J. C. Moitinho de Almeida, Le recours en annulation des particuliers, in: Due u. a. (Hrsg.), FS Everling Band I, 1995, S. 849 (849 Fn. 3); M. Ottaviano, Der Anspruch auf rechtzeitigen Rechtsschutz im Gemeinschaftsprozessrecht, 2009, S. 171. 237 M. Canedo, L’intérêt à agir dans le recours en annulation du droit communautaire, RTD Eur. 2000, 451 (454); P. Becker, Der Einfluß des französischen Verwaltungsrechts auf den Rechtsschutz in den Europäischen Gemeinschaften, 1963, S. 116. 238 M. Fromont, L’influence du droit français et du droit allemand sur les conditions de rece­ vabilité du recours en annulation devant la Cour de justice des Communautés européennes, RTD Eur. 1966, 47 (59). 239 H.-W. Daig, Zum Klagerecht von Privatpersonen, in: Aubin u. a. (Hrsg.), FS Riese, 1964, S. 187 (203); A.  Thiele, Individualrechtsschutz vor dem Europäischen Gerichtshof durch die Nichtigkeitsklage, 2006, S. 215; I.  Dervisopoulos, Nichtigkeitsklagen, in: Rengeling u. a. (Hrsg.), Handbuch des Rechtsschutzes in der Europäischen Union, 2014, § 7, Rn. 56;

136

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

Deutlich wird dies vor allem bei der ersten Variante, bei der die Adressateneigenschaft ein typisiertes Aufhebungsinteresse begründet.240 Noch klarer gilt dies aber für die zweite und die dritte Variante: Hier ist mit Betroffenheit das Berühren von Interessenpositionen gemeint, ohne dass diese erkennbar zu einem subjektiven Recht kumulieren müssten.241 Bei dem in Art. 263 Abs. 4 AEUV verwendeten Begriff des Betreffens deutet nichts darauf hin, dass dieser im Sinne eines Rechts verstanden werden soll – er umfasst damit vielmehr auch reine Interessen.242 Der durch Art. 263 Abs. 4 AEUV vermittelte Zugang zur europäischen Verwaltungsgerichtsbarkeit für Individualkläger verlangt zwar weniger als das Verletztenklagemodell, aber mehr als ein reines Interessentenklagesystem. Viel spricht dafür, von einer Vorbildfunktion des französisch geprägten objektiven Rechtsschutz­ modells auszugehen,243 das aber durch seine Zugangsrestriktionen auch Parallelen zum deutschen Zugangsmodell aufweist.244 Die Systeme scheinen gemischt,245 J. Schwarze, Der Rechtsschutz Privater vor dem Europäischen Gerichtshof, DVBl 2002, 1297 (1301); J. Schwarze / ​P. Voet van Vormizeele, in: Becker u. a. (Hrsg.), EU-Kommentar, 4. Aufl. 2019, Art. 263 AEUV Rn. 39. Davon geht auch der Gerichtshof aus, wenn er etwa in EuGH, Urt. v. 09.06.1964, Acciaierie Fonderie Ferriere di Modena / Hohe Behörde, Verb. Rs. 55/63 bis 59/63 und 61/63 bis 63/63, EU:C:1964:37, Slg. 1964, 455 (493) in Bezug auf Art. 33 EGKS-Vertrag explizit auf eine Interessen­beeinträchtigung abstellt. 240 Zu dieser Verbindung auch J. Schwarze, Der Rechtsschutz Privater vor dem Europäischen Gerichtshof, DVBl 2002, 1297 (1301). Die erste Variante wäre sogar mit einem Verletztenklagesystem kompatibel. Hier ist die Adressateneigenschaft ein Indiz für die Betroffenheit in subjektiven Rechten. S. zur Adressatentheorie im Rahmen von § 42 Abs. 2 VwGO nur K. F. Gärditz, in: Gärditz (Hrsg.), VwGO, 2. Aufl. 2018, § 42 Rn. 76; R. Wahl / ​P. Schütz, in: Schoch u. a. (Hrsg.), VwGO, VwGO § 42 Abs. 2 (Grundwerk) Rn. 70; N. Achterberg, Die Klagebefugnis – eine entbehrliche Sachurteilsvoraussetzung?, DVBl 1981, 278 (278 f.). 241 Ebenso E. Steindorff, Die Nichtigkeitsklage, 1952, S. 29. 242 H.-W. Daig, Zum Klagerecht von Privatpersonen, in: Aubin u. a. (Hrsg.), FS Riese, 1964, S. 187 (203). 243 J. Pietzcker, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit als Kontrollinstanz, in: Schmidt-Aßmann / ​ Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, 2001, S. 89 (98); M. Canedo, L’intérêt à agir dans le recours en annulation du droit communautaire, RTD Eur. 2000, 451 (453); O. Dörr, in: Grabitz u. a. (Hrsg.), EUV / ​AEUV, Art. 263 AEUV (November 2012) Rn. 1; U. Everling, Zur Funktion des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften als Verwaltungsgericht, in: Bender u. a. (Hrsg.), FS Redeker, 1993, S. 293 (296); J. Mertens de Wilmars, Annulation et Appréciation de Validité dans le Traité CEE, in: Grewe u. a. (Hrsg.), FS Kutscher, 1981, S. 283 (284); E. Steindorff, Die Nichtigkeitsklage, 1952, S. 13; A. Bleckmann, Zur Klagebefugnis für die Individualklage vor dem Europäischen Gerichtshof, in: Erichsen u. a. (Hrsg.), FS Menger, 1985, S. 871 (883); J. Schwarze / ​P. Voet van Vormizeele, in: Becker u. a. (Hrsg.), EU-Kommentar, 4. Aufl. 2019, Art. 263 AEUV Rn. 8; J. Ziller, Verwaltungsgerichtsbarkeit in Frankreich, in: Bogdandy u. a. (Hrsg.), Handbuch IPE, 2019, § 130, Rn. 30, 128. 244 M. Ruffert, Subjektive Rechte im Umweltrecht der Europäischen Gemeinschaft, 1996, S. 341; E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband II, 2018, S. 864; A. Bleckmann, Zur Klagebefugnis für die Individualklage vor dem Europäischen Gerichtshof, in: Erichsen u. a. (Hrsg.), FS Menger, 1985, S. 871 (873). 245 So im Ergebnis auch M. Fromont, L’influence du droit français et du droit allemand sur les conditions de recevabilité du recours en annulation devant la Cour de justice des Communautés européennes, RTD Eur. 1966, 47 (64); M. Ruffert, Subjektive Rechte im Umweltrecht

Kap. 4: Gerichtszugang im Primärrecht

137

wenn auch die Elemente der französischen Linie überwiegen.246 Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Klage nach Art. 263 Abs. 4 AEUV ist ein durch die besonderen Anforderungen der Adressateneigenschaft oder der Betroffenheit qualifiziertes Interesse.247 Dieses Ergebnis kann auch auf den Vergleich von Art. 33 Abs. 2 EGKSV und Art. 263 Abs. 4 AEUV gestützt werden, die sich in entscheidender Weise unterscheiden:248 Die Verschärfung des Wortlauts durch das Ersetzen eines lediglich als individuell qualifizierten Rechtsakts durch die individuelle Betroffenheit führte zu einer Verengung des Zugangs. Der Begriff „individuell“ wechselte sein Bezugsobjekt vom Rechtsakt (was etwa für einen Beschluss relativ einfach darzulegen wäre) zu den Personen der Kläger (wodurch der Begriff ungleich schwieriger zu fassen ist).249 Sofern dies aber als Abkehr von dem französischen der Europäischen Gemeinschaft, 1996, S. 341; J. Mertens de Wilmars, Annulation et Appréciation de Validité dans le Traité CEE, in: Grewe u. a. (Hrsg.), FS Kutscher, 1981, S. 283 (288) spricht von einer „double paternité“. 246 C. H. Ule, Der Gerichtshof der Montangemeinschaft als europäisches Verwaltungsgericht, DVBl 1952, 65 (68); E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband II, 2018, S. 883. 247 In diese Richtung auch D.  Ehlers, Die Klagebefugnis nach deutschem, europäischem Gemeinschafts- und U. S.-amerikanischem Recht, VerwArch 84 (1993), 139 (156). 248 Dazu Generalanwalt Lagrange, Schlussanträge v. 20.11.1962, Confédération nationale des producteurs de fruits et légumes u. a. / ​Rat, Verb. Rs. 16/62 & 17/62, EU:C:1962:40, Slg. 1962, 985 (987 ff.); E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband II, 2018, S. 912 f. 249 Die deutsche Sprachfassung weicht von der authentischen französischen (Art.  100 EGKSV; dazu F. C.  Mayer, Europäisches Sprachenverfassungsrecht, Der Staat 44 (2005), 367 (369)) ab. Die deutsche Fassung spricht in Art. 33 Abs. 2 EGKSV von „individuell betreffenden Entscheidungen“ und hält es in Art. 173 Abs. 4 EWGV mit Entscheidungen, die die Kläger „individuell betreffen“, ganz ähnlich. Die französische Sprachfassung unterscheidet sich davon deutlich: Während die Formulierung in Art. 173 Abs. 4 EWGV mit „décisions qui […] la concernent directement et individuellement“ ihrem deutschen Pendant sehr nahekommt, heißt es in der französischen Fassung von Art. 33 Abs. 2 EGKSV jedoch „décisions et recommandations individuelles les concernant“ (dazu M. Wegmann, Die Nichtigkeitsklage Privater gegen Normativakte der Europäischen Gemeinschaften, 1976, S. 56; B. Ahrens, Die Klagebefugnis von Verbänden im Europäischen Gemeinschaftsrecht, 2002, S. 74; E. Drewes, Entstehen und Entwicklung des Rechtsschutzes vor den Gerichten der Europäischen Gemeinschaften, 2000, S. 80 f.; B.  Börner, Empfiehlt es sich, die Bestimmungen des europäischen Gemeinschaftsrechts über den Rechtsschutz zu ändern oder zu ergänzen?, Referat beim 46. Deutschen Juristentag, G 13 Fn. 11; W. Skouris, Verletztenklagen und Interessentenklagen, 1979, S. 135 f.; E. Stein / ​G. J. Vining, Citizen Acces to Judicial Review of Administrative Action, in: Jacobs (Hrsg.), European Law and the Individual, 1976, S. 113 (117 Fn. 10); s. dazu auch F. Berrod, Case C-321/95 P, Stichting Greenpeace Council (Greenpeace International) and others v. Commission, Judgment of 2 April 1998, ECR [1998] I-1651. Order of the Court of First Instance in Case T-585/93, Stichting Greenpeace Council and others v. Commission, [1995] ECR II-2205, CML Rev. 36 (1999), 635 (647 ff.)). Die deutsche Übersetzung ist daher unglücklich gewählt, ergibt sich doch aus der Synopse der französischen Fassungen eine deutliche Verschärfung der Anforderungen vom EGKS-Vertrag zum EWG-Vertrag (M. Wegmann, Die Nichtigkeitsklage Privater gegen Normativakte der Europäischen Gemeinschaften, 1976, S. 56). Denn während „individuell“ im EGKS-Vertrag noch die Entscheidung meint, bezieht sich das Merkmal im EWG-Vertrag auf die Betroffenheit. Im EGKS-Vertrag bedeutet „individuell“ daher lediglich, dass es sich um eine Einzelfallentscheidung handeln muss (B. Ahrens, Die Klagebefugnis von Verbänden im Europäischen Gemeinschaftsrecht, 2002, S. 74). Mit dem Wechsel des Bezugs-

138

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

Interessentenklagesystem und Übernahme des deutschen Verletztenklagesystems verstanden wird,250 so ist dem zu widersprechen: Zwar mag es auf den ersten Blick plausibel erscheinen, Zugangsverschärfungen als Ausdruck eines Systemwechsels zur Verletztenklage zu deuten. Der Wortlaut spiegelt dies jedoch nicht wider – eine Verletzung in eigenen Rechten wird eben nicht gefordert. Eine Verengung der Klagebefugnis bedeutet noch nicht direkt einen Systemwechsel.251 Es ist stattdessen anzunehmen, dass zwar am französischen Modell der Interessentenklage festgehalten wurde, das notwendige Interesse jedoch durch die Änderungen qualifiziert wurde. Dieses Ergebnis trägt auch mit Blick auf die Begründetheitsmaßstäbe in Art. 263 AEUV. Denn dem Wortlaut von Art. 263 Abs. 4 AEUV ist nicht zu entnehmen, dass eine Verletzung in eigenen Rechten wie etwa in § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO erforderlich wäre.252 Die Begründetheitsmaßstäbe ergeben sich vielmehr aus der Auflistung von Klagegründen in Art. 263 Abs. 2 AEUV. Vor allem der Auffangtatbestand „Verletzung der Verträge“ macht deutlich, dass der Maßstab bei der Nichtigkeitsklage deutlich von dem Verletztenklagemodell abweicht. Denn hier genügt im Ergebnis eben eine Unionsrechtswidrigkeit, ohne dass diese mit einer Verletzung in eigenen Rechten zusammenfallen müsste. Hier zeigt sich besonders deutlich, dass die Prüfung nicht auf subjektive Rechte beschränkt ist, sondern der Maßstab das gesamte objektive Unionsrecht ist.253 Dies deckt sich im Übrigen mit der Aufgabenzuweisung an die europäische Gerichtsbarkeit in Art. 19 Abs. 1 UAbs. 1 Satz 2 EUV, wo mit der „Wahrung des Rechts“ ein rein objektiver Maßstab gewählt wird.254 An dieser Stelle zeigt sich die Vorbildfunktion des französischen objekts des Merkmals auf die Betroffenheit im EWG-Vertrag geht daher eine Verschärfung einher. Diese wurde in den folgenden Fassungen der Nichtigkeitsklage bis heute beibehalten. 250 T. von Danwitz, Verwaltungsrechtliches System und europäische Integration, 1996, S. 239 f.; T. von Danwitz, Zur Grundlegung einer Theorie der subjektiv-öffentlichen Gemeinschaftsrechte, DÖV 1996, 481 (486); M. Fromont, L’influence du droit français et du droit allemand sur les conditions de recevabilité du recours en annulation devant la Cour de justice des Communautés européennes, RTD Eur. 1966, 47 (64); in diese Richtung auch K. Schmidt, Klagebefugnis und Beschwerdebefugnis verfahrensbeteiligter Dritter im europäischen und nationalen Kartellrecht, in: Baur u. a. (Hrsg.), FS Steindorff, 1990, S. 1085 (1095), der auf Grundlage einer funktionellen Betrachtung davon ausgeht, dass es auch bei der Nichtigkeitsklage um die „Geltendmachung subjektiver Rechte“ geht. 251 Anders T. von Danwitz, Verwaltungsrechtliches System und europäische Integration, 1996, S. 243, der eine Differenzierung vornimmt: „Die Nichtigkeitsklage Privater zeigt mit wünschenswerter Deutlichkeit, daß ihre Zulässigkeit dem Muster des deutschen Verwaltungsprozessrechts folgt, während die Begründetheit nach dem Modell der Klagegründe des französischen recours pour excès de pouvoir nachempfunden ist.“ 252 E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband II, 2018, S. 865; A. Guckelberger, Deutsches Verwaltungsprozessrecht unter unionsrechtlichem Anpassungsdruck, 2017, S. 209. 253 G. Winter, Individualrechtsschutz im deutschen Umweltrecht unter dem Einfluß des Gemeinschaftsrechts, NVwZ 1999, 467 (471). 254 J. Schwarze, Die Wahrung des Rechts als Aufgabe und Verantwortlichkeit des Europäischen Gerichtshofs, in: Bohnert u. a. (Hrsg.), FS Hollerbach, 2001, S. 169 (171); J. Schwarze  / ​ N. Wunderlich, in: Becker u. a. (Hrsg.), EU-Kommentar, 4. Aufl. 2019, Art. 19 EUV Rn. 13.

Kap. 4: Gerichtszugang im Primärrecht

139

Verständnisses von Verwaltungskontrolle besonders deutlich. Ist die Zulässigkeitshürde überwunden, wird die Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns von den Unionsgerichten vollständig überprüft. Die Klage hat damit lediglich die schon für das französische Verwaltungsprozessrecht herausgearbeitete Auslöserfunktion.255 Damit geht es dem europäischen Rechtsschutzmodell mehr um die Sicherung der Rechtmäßigkeit des Unionshandelns denn um den Schutz der Rechte der Kläger.256 Insgesamt lässt sich damit festhalten, dass das Unionsrecht mit der Nichtigkeitsklage dem objektiven Kontrollmodell folgt, das die Sicherung der Rechtmäßigkeit des Unionshandelns zum Gegenstand hat. Das Primärrecht knüpft vor allem an die französische Tradition an,257 ohne diese aber vollständig zu rezipieren. Für die Zulässigkeit ist ein Interesse an der Feststellung der Nichtigkeit erforderlich, aber kein subjektives Recht. Jedoch reicht nicht jedes Interesse zur Überwindung der Zulässigkeitshürde aus. Vielmehr eröffnen nur besonders qualifizierte Interessen den Zugang. Diese eigenständige prozessrechtliche Lösung des Unionsrechts zeigt aber auch, dass es sich bei Interessenten- und Verletztenklagesystem nicht um zwei scharf abgrenzbare Pole handelt, sondern die Übergänge fließend sein können.258 255

M. Borowski, Die Nichtigkeitsklage gem. Art. 230 Abs. 4 EGV, EuR 2004, 879 (880). U. Everling, Das Verfahren der Gerichte der EG im Spiegel der verwaltungsgerichtlichen Verfahren der Mitgliedstaaten, in: Grote u. a. (Hrsg.), FS Starck, 2007, S. 535 (535); anders wohl T. von Danwitz, Verwaltungsrechtliches System und europäische Integration, 1996, S. 240, für den „das Gemeinschaftsrecht keineswegs von einer objektiv-rechtlichen Rechtsschutzgewähr Privater nach dem Vorbild des französischen recours pour excès de pouvoir, sondern von einer subjektiv-rechtlichen Ausgestaltung der Rechtsschutzmöglichkeiten ausgeht und auf diese Weise dem deutschen Verwaltungsrechtsschutz entspricht“. Nach der hier vertretenen Auffassung ist deshalb auch verständlich, warum Versuche, subjektive Rechte im Unionsrecht aus Art. 263 Abs. 4 AEUV herleiten zu wollen (so etwa S. Albin, Die Vollzugskontrolle des europäischen Umweltrechts, 1999, S. 169 ff.; G. Winter, Rechtsschutz gegen Behörden, die Umweltrichtlinien der EG nicht beachten, NuR 1991, 453 (455 Fn. 25)), scheitern müssen. Denn subjektive Rechte sind in Art. 263 Abs. 4 AEUV kein Thema, weder als Zulässigkeitshürde noch als Begründetheitsmaßstab. Wie hier B. Wegener, Rechte des Einzelnen, 1998, S. 160; A. Epiney, Primär- und Sekundärrechtsschutz im Öffentlichen Recht, VVDStRL 61 (2001), 362 (396 Fn. 162); F. Schoch, Individualrechtsschutz im deutschen Umweltrecht unter dem Einfluß des Gemeinschaftsrechts, NVwZ 1999, 457 (463); M. Nettesheim, Subjektive Rechte im Unionsrecht, AöR 132 (2007), 333 (376 Fn. 165); T. von Danwitz, Normkonkre­ tisierende Verwaltungsvorschriften und Gemeinschaftsrecht, VerwArch 84 (1993), 73 (88). 257 Neben den erörterten Verbindungslinien zwischen dem französischen und dem europäischen Modell des verwaltungsgerichtlichen Zugangs lassen sich noch weitere Gemeinsamkeiten ausmachen, auf die hier nicht näher eingegangen werden soll. Dazu zählen die Tatsachfeststellung, die gerichtliche Kontrolldichte, die Verteilung von Vortragsobliegenheiten sowie die Urteilswirkungen. Umfassend dazu V. Götz, Verwaltungsrechtsschutz durch Entscheidung über einzelne schriftlich vorgebrachte Klagegründe, in: Eberle u. a. (Hrsg.), FS Brohm, 2002, S. 69 (69 ff.); U. Everling, Überlegungen zum Verfahren vor den Gerichten der Europäischen Gemeinschaften, in: Colneric u. a. (Hrsg.), FS Iglesias, 2003, S. 537 (537 ff.); P. Becker, Der Einfluß des französischen Verwaltungsrechts auf den Rechtsschutz in den Europäischen Gemeinschaften, 1963, S. 65 ff., 77 ff.; E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband II, 2018, S. 894 ff. 258 M. Ruffert, Subjektive Rechte im Umweltrecht der Europäischen Gemeinschaft, 1996, S. 192 f. 256

140

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

II. Auslegung von Art. 263 Abs. 4 Var. 2 AEUV durch den Gerichtshof Die Reichweite der Nichtigkeitsklage nach Art. 263 Abs. 4 Var. 2 AEUV hängt entscheidend von der Auslegung der Merkmale der individuellen und unmittelbaren Betroffenheit ab. Angesichts der Handlungsformenneutralität handelt es sich bei diesen Merkmalen um die relevanten Hürden der zweiten Variante. Es verwundert daher kaum, dass hier der Schwerpunkt der Diskussion liegt.259 1. Betroffenheit Der Wortlaut von Art. 263 Abs. 4 Var. 2 AEUV fordert zunächst eine Betroffenheit der Kläger. Betroffenheit im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV meint grundsätzlich das Interesse an der Aufhebung des angegriffenen Sekundärrechtsakts.260 Die Bedeutung dieses Tatbestandsmerkmals bleibt jedoch zweifelhaft. Eine eigenständige Prüfung der Betroffenheit wird von der Rechtsprechung im Grunde nicht vorgenommen, sondern gleich nach der unmittelbaren und individuellen Betroffenheit der Kläger gefragt.261 Eine isolierte Prüfung der Betroffenheit durch europäischen Gerichte lässt sich nur in seltenen Fällen nachweisen.262 Die Einlassungen der Gerichte lassen sich auf eine kurze Formel bringen: Betroffen von einem Sekundärrechtsakt ist, wer von ihm erfasst263 bzw. berührt264 wird. Dabei handelt es sich lediglich um eine Paraphrasierung des Begriffs der Betroffenheit, die diesen kaum präzisiert. Die Unionsgerichte verstehen den Begriff der Betrof-

259

S. M. Kottmann, Plaumanns Ende, ZaöRV 2010, 547 (550). Generalanwalt Roemer, Schlussanträge v. 28.10.1969, Eridania Zuccherifici u. a. / ​Kommission, Verb. Rs. 10 bis 18/68, EU:C:1969:50, Slg. 1969, 459 (492); H.-W. Daig, Nichtigkeitsund Untätigkeitsklagen im Recht der Europäischen Gemeinschaften, 1985, S. 96 Rn. 123. Dazu schon oben Teil 2. Kapitel 4. A. I. (S. 134 ff.). 261 A. Thiele, Individualrechtsschutz vor dem Europäischen Gerichtshof durch die Nichtigkeitsklage, 2006, S. 216; B. Ahrens, Die Klagebefugnis von Verbänden im Europäischen Gemeinschaftsrecht, 2002, S. 105; F. von Burchard, Der Rechtsschutz natürlicher und juristischer Personen gegen EG-Richtlinien gemäß Artikel 173 Abs. 2 EWGV, EuR 1991, 140 (146); ähnlich D. Ehle, Nichtigkeitsklage privater Personen nach dem EWG-Vertrag, NJW 1963, 2193 (2195). 262 B.  Ahrens, Die Klagebefugnis von Verbänden im Europäischen Gemeinschaftsrecht, 2002, S. 105; A. Thiele, Individualrechtsschutz vor dem Europäischen Gerichtshof durch die Nichtigkeitsklage, 2006, S. 216; C. Last, Garantie wirksamen Rechtsschutzes gegen Maßnahmen der Europäischen Union, 2008, S. 182. 263 EuGH, Urt. v. 23.11.1971, Bock / ​Kommission, Rs. 62/70, EU:C:1971:108, Slg. 1971, 897 Rn. 5. 264 EuG, Urt. v. 11.02.1999, Arbeitsgemeinschaft Deutscher Luftfahrt-Unternehmen und ­Hapag Lloyd Fluggesellschaft / ​Kommission Rs.  T-86/96, EU:T:1999:25, Slg.  1999 II-179 Rn. 43. 260

Kap. 4: Gerichtszugang im Primärrecht

141

fenheit damit offensichtlich denkbar weit.265 Notwendig scheint eine Beschwer zu sein,266 die in einer Interessenbeeinträchtigung liegt.267 Im Ergebnis geht es dem Begriff der Betroffenheit lediglich um den Ausschluss von Klägern, die zum angegriffenen Sekundärrechtsakt in gar keinem Zusammenhang stehen.268 Damit ist die Bedeutung der Betroffenheit auf die Wirkung als „Grobfilter“269 beschränkt. Die entscheidenden Weichen werden durch die Prüfung des unmittelbaren und individuellen Charakters der Betroffenheit gestellt.270 Diese wirken qualifizierend auf das nachzuweisende Interesse und entfalten dadurch ihre besondere Bedeutung für die Eröffnung des Gerichtszugangs.271 Die Betroffenheit ist damit zwar notwendige Voraussetzung der zweiten Variante, jedoch keinesfalls hinreichend zur Zugangseröffnung. Darin zeigt sich die spezifisch unionsrechtliche Modifizierung des Interessentenklagesystems im Vergleich mit dem zugrundeliegenden französischen Modell.

265

A. Thiele, Individualrechtsschutz vor dem Europäischen Gerichtshof durch die Nichtigkeitsklage, 2006, S. 218; H.-W. Daig, Nichtigkeits- und Untätigkeitsklagen im Recht der Europäischen Gemeinschaften, 1985, S. 97 Rn. 123; B. Ahrens, Die Klagebefugnis von Verbänden im Europäischen Gemeinschaftsrecht, 2002, S. 104 f.; I. Dervisopoulos, Nichtigkeitsklagen, in: Rengeling u. a. (Hrsg.), Handbuch des Rechtsschutzes in der Europäischen Union, 2014, § 7, Rn. 56. 266 EuG, Urt. v. 11.02.1999, Arbeitsgemeinschaft Deutscher Luftfahrt-Unternehmen und ­Hapag Lloyd Fluggesellschaft / ​Kommission Rs.  T-86/96, EU:T:1999:25, Slg.  1999 II-179 Rn. 85 f.; W. Cremer, in: Calliess / ​Ruffert (Hrsg.), EUV / ​A EUV, 5. Aufl. 2016, Art. 263 AEUV Rn. 35; U. Ehricke, in: Streinz (Hrsg.), EUV / ​AEUV, 3. Aufl. 2018, Art. 263 AEUV Rn. 58; C. Calliess, Kohärenz und Konvergenz beim europäischen Individualrechtsschutz, NJW 2002, 3577 (3579); unklar A. Thiele, Individualrechtsschutz vor dem Europäischen Gerichtshof durch die Nichtigkeitsklage, 2006, S. 219. 267 B.  Ahrens, Die Klagebefugnis von Verbänden im Europäischen Gemeinschaftsrecht, 2002, S. 104 f.; A.  Thiele, Individualrechtsschutz vor dem Europäischen Gerichtshof durch die Nichtigkeitsklage, 2006, S. 219; H.-W.  Daig, Nichtigkeits- und Untätigkeitsklagen im Recht der Europäischen Gemeinschaften, 1985, S. 96 Rn. 122; U. Ehricke, in: Streinz (Hrsg.), EUV / ​A EUV, 3. Aufl. 2018, Art. 263 AEUV Rn. 58; M. Borowski, Die Nichtigkeitsklage gem. Art. 230 Abs. 4 EGV, EuR 2004, 879 (889). 268 F. von Burchard, Der Rechtsschutz natürlicher und juristischer Personen gegen EG-Richtlinien gemäß Artikel 173 Abs. 2 EWGV, EuR 1991, 140 (147); dem folgend A. Thiele, Individualrechtsschutz vor dem Europäischen Gerichtshof durch die Nichtigkeitsklage, 2006, S. 220; U. Ehricke, in: Streinz (Hrsg.), EUV / ​AEUV, 3. Aufl. 2018, Art. 263 AEUV Rn. 58. 269 A. Thiele, Individualrechtsschutz vor dem Europäischen Gerichtshof durch die Nichtigkeitsklage, 2006, S. 223. 270 A. Thiele, Individualrechtsschutz vor dem Europäischen Gerichtshof durch die Nichtigkeitsklage, 2006, S. 223. 271 U. Ehricke, in: Streinz (Hrsg.), EUV / ​AEUV, 3. Aufl. 2018, Art. 263 AEUV Rn. 58.

142

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

2. Qualifikation durch das Merkmal „unmittelbar“ Das Merkmal der Unmittelbarkeit ist ein Kriterium der „Verantwortungszurechnung“272. Geprüft wird der Zurechnungszusammenhang zwischen einer Handlung der Union und einer Beeinträchtigung auf Seiten der Kläger.273 Es geht dabei weniger um die Frage des „Ob“ als vielmehr um die des „Wo“ des Rechtsschutzes:274 Als „Ausfluß des föderalen Charakters der Rechtssetzung und Verwaltung der Gemeinschaft“275 entscheidet das Merkmal der Unmittelbarkeit insbesondere darüber, ob sich die Klage gegen die Union oder die Mitgliedstaaten richten muss.276 Das Merkmal der Unmittelbarkeit schützt so den Mitgliedstaaten verbleibende Umsetzungsspielräume.277 Auf der Seite der Kläger schließt es Fälle rein potenzieller Betroffenheit aus.278 Unmittelbare Betroffenheit ist sowohl formell als auch materiell denkbar:279 Zunächst ist ein Kläger in der Rechtsprechung des Gerichtshofs dann unmittelbar betroffen, wenn für eine Interessenbeeinträchtigung nicht noch ein weiterer Durchführungsrechtsakt erforderlich ist.280 In diesem Fall wird auch von formeller

272

M. Kottmann, Plaumanns Ende, ZaöRV 2010, 547 (563). A. Thiele, Individualrechtsschutz vor dem Europäischen Gerichtshof durch die Nichtigkeitsklage, 2006, S. 224; K. Lenaerts, Le traité de Lisbonne et la protection juridictionnelle des particuliers en droit de l’Union, C. D. E. 2009, 711 (718). 274 A. Thiele, Individualrechtsschutz vor dem Europäischen Gerichtshof durch die Nichtigkeitsklage, 2006, S. 224. 275 B. Börner, Empfiehlt es sich, die Bestimmungen des europäischen Gemeinschaftsrechts über den Rechtsschutz zu ändern oder zu ergänzen?, Referat beim 46. Deutschen Juristentag, G 13. 276 B. Börner, Empfiehlt es sich, die Bestimmungen des europäischen Gemeinschaftsrechts über den Rechtsschutz zu ändern oder zu ergänzen?, Referat beim 46. Deutschen Juristentag, G 14. 277 E. Stein / ​G. J. Vining, Citizen Acces to Judicial Review of Administrative Action, in: Jacobs (Hrsg.), European Law and the Individual, 1976, S. 113 (121). 278 W.  Cremer, in: Calliess / ​Ruffert (Hrsg.), EUV / ​AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 263 AEUV Rn. 36; A. Thiele, Individualrechtsschutz vor dem Europäischen Gerichtshof durch die Nichtigkeitsklage, 2006, S. 224; C. Last, Garantie wirksamen Rechtsschutzes gegen Maßnahmen der Europäischen Union, 2008, S. 182; M. Reiling, Zu individuellen Rechten im deutschen und im Gemeinschaftsrecht, 2004, S. 447; C. Calliess, Kohärenz und Konvergenz beim europäischen Individualrechtsschutz, NJW 2002, 3577 (3579); N. Böcker, Wirksame Rechtsbehelfe zum Schutz der Grundrechte der Europäischen Union, 2005, S. 58. 279 Zur Terminologie s. nur H.-W. Daig, Zum Klagerecht von Privatpersonen, in: Aubin u. a. (Hrsg.), FS Riese, 1964, S. 187 (204 f.); A. Thiele, Individualrechtsschutz vor dem Europäischen Gerichtshof durch die Nichtigkeitsklage, 2006, S. 225 ff.; O. Dörr, in: Grabitz u. a. (Hrsg.), EUV / ​AEUV, Art. 263 AEUV (November 2012) Rn. 63 ff. 280 S. etwa EuGH, Urt. v. 17.01.1985, Piraiki-Patraiki / ​Kommission, Rs. 11/82, EU:C:1985:18, Slg. 1985, 207 Rn. 6 ff.; in diese Richtung auch A. Van Waeyenberge / ​P. Pecho, L’arrêt Unibet et la traité de Lisbonne, C. D. E. 2008, 123 (131); W. Cremer, Der EuGH bleibt sich treu – Die Nichtigkeitsklage Privater 50 Jahre nach Plaumann, ZG 2014, 82 (92). 273

Kap. 4: Gerichtszugang im Primärrecht

143

Unmittel­barkeit gesprochen.281 In der Rechtsprechung des Gerichtshofs sind darüber hinaus auch Konstellationen anerkannt, in denen zwar noch ein Durchführungsakt erforderlich ist, die Betroffenheit des Klägers aber hinreichend wahrscheinlich ist, insbesondere weil den Mitgliedstaaten kein Umsetzungsspielraum verbleibt.282 Dabei handelt es sich um eine materielle Unmittelbarkeit.283 Hintergrund für diese großzügige Handhabung der Unmittelbarkeit ist, dass Mitgliedstaaten, die über keinen Umsetzungsspielraum verfügen, faktisch nur „verlängerter Arm“284 der Union sind. Letztlich erfordert die Unmittelbarkeit also eine „ipso facto“285-Interessenbeeinträchtigung durch den Unionsrechtsakt. Das Kriterium der Unmittelbarkeit ist ein „Gebot juristischer Vernunft“286, welches eine rein prophylaktische Überprüfung von Rechtsakten ausschließt.287 Zudem stellt das Merkmal den Zusammenhang zwischen einer Interessenbeeinträchtigung und der verantwortlichen Vollzugsebene her. Damit entspricht das Unmittelbarkeitskriterium auch dem unionsrechtlichen Grundsatz der Subsidiarität aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 EUV. Im Vergleich zu dem Merkmal der Individualität, auf das im Folgenden einzugehen sein wird, erweist sich das Unmittelbarkeitskriterium damit als die deutlich weniger problematische Zugangsbeschränkung.288

281

H.-W. Daig, Zum Klagerecht von Privatpersonen, in: Aubin u. a. (Hrsg.), FS Riese, 1964, S. 187 (204 f.); E. Schulte, Individualrechtsschutz gegen Normen im Gemeinschaftsrecht, 2005, S. 62; L. Allkemper, Rechtsschutz des einzelnen nach dem EG-Vertrag, 1995, S. 77. 282 EuGH, Urt. v. 05.05.1998, Dreyfus / ​Kommission, Rs. C-386/96 P, EU:C:1998:193, Slg. 1998 I-2309, Rn. 43; EuGH, Urt. v. 29.03.1979, NTN Toyo Bearing / ​Rat, Rs. 113/77, EU:C:1979:91, Slg. 1979, 1185, Rn. 11; EuGH, Urt. v. 29.03.1979, Koyo Seiko / ​Rat und Kommission, Rs. 120/77, EU:C:1979:94, Slg. 1979, 1337, Rn. 25. 283 L. Allkemper, Rechtsschutz des einzelnen nach dem EG-Vertrag, 1995, S. 77 ff.; A. Thiele, Individualrechtsschutz vor dem Europäischen Gerichtshof durch die Nichtigkeitsklage, 2006, S. 226 ff. 284 A. Lengauer, Nichtigkeitsklage vor dem EuGH, 1998, S. 102. 285 Generalanwalt Lenz, Schlussanträge v. 05.12.1986, Deutsche Lebensmittelwerke / ​Kommission, Rs. C-97/85, EU:C:1986:468, Slg. 1987, 2265 (2279); C. Gaitanides, in: von der Groeben u. a. (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl. 2015, Art. 263 AEUV Rn. 60; W.  Cremer, in: Calliess / ​Ruffert (Hrsg.), EUV / ​AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 263 AEUV Rn. 36; R. Stotz, in: Dauses / ​Ludwigs (Hrsg.), Hdb. EU-WirtschaftsR, P. I. Direkte Klagen (April 2013) Rn. 103; E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband II, 2018, S. 885. 286 H.-W. Daig, Nichtigkeits- und Untätigkeitsklagen im Recht der Europäischen Gemeinschaften, 1985, S. 98 Rn. 126. 287 H.-W. Daig, Zum Klagerecht von Privatpersonen, in: Aubin u. a. (Hrsg.), FS Riese, 1964, S. 187 (205). Darüber hinaus dürfte die Arbeitsbelastung des Gerichtshofs eine Rolle gespielt haben, s. A. Thiele, Individualrechtsschutz vor dem Europäischen Gerichtshof durch die Nichtigkeitsklage, 2006, S. 224. 288 A. Arnull, Private applicants and the action for annulment since Codorniu, CML Rev. 38 (2001), 7 (25); E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband II, 2018, S. 888; A. Van Waeyenberge / ​P. Pecho, L’arrêt Unibet et la traité de Lisbonne, C. D. E. 2008, 123 (131).

144

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

3. Qualifikation durch das Merkmal „individuell“ In der Zusammenschau der Voraussetzungen der zweiten Variante von Art. 263 Abs. 4 AEUV nimmt das Merkmal der Individualität eine herausgehobene Stellung ein: Während Klagen kaum an der Betroffenheit scheitern289 und sich mit der Unmittelbarkeit im Wesentlichen der Ort der Rechtsschutzgewährung – Unionsgericht oder nationales Gericht – entscheidet, ist das Kriterium der Individualität die eigentliche Hürde für den Zugang zu den Unionsgerichten.290 So verwundert es nicht, dass die Frage der Unmittelbarkeit im Verhältnis zur Individualität zunehmend in den Hintergrund gerückt ist.291 Die Prüfung der individuellen Betroffenheit ermöglicht dem Gerichtshof, den Kreis der Klageberechtigten einzugrenzen und überschaubar zu halten.292 Letztlich ist es also das Kriterium der individuellen Betroffenheit, das eine Popularklagebefugnis ausschließt293 und den Charakter der Individualnichtigkeitsklage maßgeblich prägt. Für die Reichweite des Zugangs zu den Unionsgerichten ist das Kriterium der individuellen Betroffenheit damit der „neuralgische Punkt“294. Im Laufe der Jahrzehnte hat sich in der Rechtsprechung eine verzweigte und nicht immer widerspruchsfreie Kasuistik entwickelt.295 289 Dies gilt schon alleine deswegen, weil dieses Merkmal typischerweise nicht isoliert geprüft wird. 290 A. Thiele, Individualrechtsschutz vor dem Europäischen Gerichtshof durch die Nichtigkeitsklage, 2006, S. 250. 291 F. C. Mayer, Individualrechtsschutz im Europäischen Verfassungsrecht, DVBl 2004, 606 (608). 292 H.-W. Daig, Nichtigkeits- und Untätigkeitsklagen im Recht der Europäischen Gemeinschaften, 1985, S. 98 Fn. 125. 293 B.  Ahrens, Die Klagebefugnis von Verbänden im Europäischen Gemeinschaftsrecht, 2002, S. 108; D.  Ehle, Nichtigkeitsklage privater Personen nach dem EWG-Vertrag, NJW 1963, 2193 (2196); J. Scherer / ​M. Zuleeg, Verwaltungsgerichtsbarkeit, in: Schweitzer (Hrsg.), Europäisches Verwaltungsrecht, 1991, S. 197 (211); J. Schwarze / ​P. Voet van Vormizeele, in: Becker u. a. (Hrsg.), EU-Kommentar, 4. Aufl. 2019, Art. 263 AEUV Rn. 39; s. dazu auch T. von Danwitz, Die Garantie effektiven Rechtsschutzes im Recht der Europäischen Gemeinschaft, NJW 1993, 1108 (1115). 294 B.  Ahrens, Die Klagebefugnis von Verbänden im Europäischen Gemeinschaftsrecht, 2002, S. 108. 295 L.  Malferrari / ​C .  Lerche, Zulässigkeit der Nichtigkeitsklage von Privatpersonen nach Art. 230 EG, EWS 2003, 254 (257); E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband II, 2018, S. 920; M. Nettesheim, Effektive Rechtsschutzgewährleistung im arbeitsteiligen System europäischen Rechtsschutzes, JZ 2002, 928 (930); J. Schwarze, Der Rechtsschutz Privater vor dem Europäischen Gerichtshof, DVBl 2002, 1297 (1302); C. Schönberger, Normenkontrollen im EG-Föderalismus, EuR 2003, 600 (607); H. P.  Nehl, Wechselwirkungen zwischen verwaltungsverfahrensrechtlichem und gerichtlichem Individualrechtsschutz in der EG, in: Nowak / ​Cremer (Hrsg.), Individualrechtsschutz in der EG und der WTO, 2002, S. 135 (147) meint, es fehle „ein dogmatisch stringentes und Rechtssicherheit schaffendes Konzept der Klagebefugnis“. Für eine ausführliche Aufarbeitung der Rechtsprechung zur individuellen Betroffenheit s. nur A. Thiele, Individualrechtsschutz vor dem Europäischen Gerichtshof durch die Nichtigkeitsklage, 2006, S. 253 ff.

Kap. 4: Gerichtszugang im Primärrecht

145

a) Tatbestandsmerkmale der Plaumann-Formel Der Bedeutungsgehalt der individuellen Betroffenheit steht für den Gerichtshof seit seiner Entscheidung in der Rechtssache Plaumann in ständiger Rechtspre­ chung296 fest: „Wer nicht Adressat einer Entscheidung ist, kann nur dann geltend machen, von ihr individuell betroffen zu sein, wenn die Entscheidung ihn wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften in besonderer, ihn aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände berührt, und ihn daher in ähnlicher Weise individualisiert wie einen Adressaten.“297

Mit der Handlungsformenneutralität des Vertrages von Lissabon reduzieren sich die Anforderungen an diese als Plaumann-Formel bekannte Passage auf zwei Voraussetzungen:298 Die Kläger müssen bestimmte persönliche Eigenschaften aufweisen, die sie aus dem Kreis aller übrigen Personen herausheben. Dadurch müssen die Kläger vergleichbar mit Adressaten sein. Die erste Voraussetzung der Plaumann-Formel besteht wiederum aus zwei Elementen: Während die Forderung nach bestimmten Eigenschaften die persönliche Ebene der Kläger betrifft, bezieht sich das Herausheben auf den der Klage zugrundeliegenden Sachverhalt. Der Gerichtshof scheint dagegen die persönlichen Eigenschaften nicht als „inhärente Qualitäten“299 zu verstehen:300 Im Fall Plaumann führt der Gerichtshof aus, die Klägerin sei „lediglich in ihrer Eigenschaft als Importeur von Clementinen betroffen, also im Hinblick auf eine kaufmännische Tätigkeit, die jederzeit durch jemand anderen ausgeübt werden kann“301. Hier klingt eine Austauschbarkeit an, die ein eigenständiges personales Substrat nicht erkennen lässt. Doch abgesehen von diesem Fall dürfte es potenziell jedem Kläger, der durch einen Unionsrechtsakt in seinen Interessen berührt wird, möglich sein, eine dafür in seinen persönlichen Eigenschaften liegende Ursache zu benennen.302 An 296 S. nur EuGH, Urt. v. 03.10.2013, Inuit Tapiriit Kanatami u. a. / ​Parlament und Rat, Rs.  C-583/11 P, EU:C:2013:625, Rn. 72 ff.; EuGH, Urt. v. 29.04.2004, Italien / ​Kommission, Rs. C-298/00 P, EU:C:2004:240, Slg. 2004 I-4087, Rn. 36; EuGH, Beschl. v. 21.06.1993, Chiquita Banana Company / ​Rat, Rs. C-276/93, EU:C:1993:251, Slg. 1993, I-3345, Rn. 9; s. auch A. Barav, Direct and Individual Concern, CML Rev. 11 (1974), 191 (195). 297 EuGH, Urt. v. 15.07.1963, Plaumann / ​Kommission, Rs. 25/62, EU:C:1963:17, Slg. 1963, 199 (238 f.). Zu Ähnlichkeiten zur deutschen Schutznormtheorie sowie zum griechischen Verwaltungsrechtsschutz E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband II, 2018, S. 889. 298 Eine ähnliche Differenzierung nimmt A. Thiele, Individualrechtsschutz vor dem Europäischen Gerichtshof durch die Nichtigkeitsklage, 2006, S. 251 ff. vor. 299 So aber Generalanwalt Roemer, Schlussanträge v. 13.06.1968, Zuckerfabrik Watenstedt / ​ Rat, Rs. 6/68, EU:C:1968:34, Slg. 1968, 595 (629). 300 H.-W. Daig, Nichtigkeits- und Untätigkeitsklagen im Recht der Europäischen Gemeinschaften, 1985, S. 108 Rn. 140; im Anschluss A. Lengauer, Nichtigkeitsklage vor dem EuGH, 1998, S. 110. 301 EuGH, Urt. v. 15.07.1963, Plaumann / ​Kommission, Rs. 25/62, EU:C:1963:17, Slg. 1963, 199 (239). 302 Darauf weist A. Lengauer, Nichtigkeitsklage vor dem EuGH, 1998, S. 110 hin.

146

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

gesichts dieser Problematik verwundert es kaum, dass der Gerichtshof das Vorliegen persönlicher Eigenschaften in der Regel gar nicht erst prüft, sondern sogleich auf heraushebende Umstände abstellt.303 Dabei kommt es vor allem darauf an, dass die Kläger klar konturiert aus einer großen Anzahl potenziell Betroffener hervortreten und gewissermaßen „einzigartig unter vielen“304 sind. Die Feststellung heraushebender Umstände scheint dem Gerichtshof für die Annahme der individuellen Betroffenheit zu genügen. Denn die zweite Voraussetzung, namentlich der Vergleich mit einem Adressaten, taucht in der Prüfung des Gerichtshofs erst gar nicht auf.305 Dies ist – jedenfalls für den neuen Art. 263 Abs. 4 Var. 2 AEUV – auch nur zu verständlich, knüpft die Adressatengleichheit doch an die überkommene Handlungsform der Entscheidung an.306 Diese Beschränkung wurde vom Gerichtshof schon für die noch auf die Entscheidung abstellenden Vorgängerregelungen zu Art. 263 Abs. 4 AEUV aufgeben: Nach dem Gerichtshof konnten auch Verordnungen Gegenstand einer Individualnichtigkeitsklage sein, wenn sie sich an einen abgeschlossenen Personenkreis richteten und damit wie eine Entscheidung wirkten.307 Dem Unionsgesetzgeber sollte damit die Möglichkeit genommen werden, durch Wahl einer bestimmten Handlungsform den Rechtsschutz auszuschließen.308 Letztlich hat sich dieses Problem durch die Anerkennung handlungsformenneutralen Rechtsschutzes ohnehin erledigt;309 der auf die Adressatenvergleichbarkeit abstellende Teil der Plaumann-Formel wurde in diesem Zuge endgültig dysfunktional. Die Prüfung der heraushebenden Umstände scheint daher alle anderen Elemente der Plaumann-Formel zu absorbieren.310 303 Generalanwalt Colomer, Schlussanträge v. 09.11.1999, Comité d’entreprise de la Société française de production u. a. / ​Kommission, Rs. C-106/98 P, EU:C:1999:545, Slg. 2000, I-3659 Rn. 16. Dies führt A. Thiele, Individualrechtsschutz vor dem Europäischen Gerichtshof durch die Nichtigkeitsklage, 2006, S. 252 zu der Einschätzung, dass es sich bei den persönlichen Umständen um einen Unterfall der heraushebenden Umstände handelt. 304 A. Thiele, Individualrechtsschutz vor dem Europäischen Gerichtshof durch die Nichtigkeitsklage, 2006, S. 252. 305 A. Thiele, Individualrechtsschutz vor dem Europäischen Gerichtshof durch die Nichtigkeitsklage, 2006, S. 253. 306 F. C. Mayer, Wer soll Hüter der europäischen Verfassung sein?, AöR 129 (2004), 411 (427). 307 EuGH, Urt. v. 14.12.1962, Confédération nationale des producteurs de fruits et légumes u. a. / ​Rat, Verb. Rs. 16 und 17/62, EU:C:1962:47, Slg. 1962, 901 (977 ff.). Umfassend zum Problem der „Scheinverordnung“ etwa A. Thiele, Individualrechtsschutz vor dem Europäischen Gerichtshof durch die Nichtigkeitsklage, 2006, S. 120 ff. 308 EuGH, Urt. v. 17.06.1980, Calpak / ​Kommission, Verb. Rs. 789 und 790/79, EU:C:1980:159, Slg. 1980, 1949, Rn. 7; P. Baumeister, Effektiver Individualrechtsschutz im Gemeinschaftsrecht, EuR 2005, 1 (10). 309 W. Cremer, in: Calliess / ​Ruffert (Hrsg.), EUV / ​AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 263 AEUV Rn. 29. 310 J.-D.  Braun / ​M.  Kettner, Die Absage des EuGH an eine richterrechtliche Reform des EG-Rechtsschutzsystems, DÖV 2003, 58 (60): „Die Plaumann-Formel führt zur Konsequenz, daß sich die Diskussion von der ‚individuellen Betroffenheit‘ zum Begriff der ‚besonderen Umstände‘ hin verlagert. Große Teile des Klägervorbringens bestehen regelmäßig aus Ausführungen, durch welche ‚besonderen Umstände‘ der Kläger sich im jeweiligen Fall aus der Masse der potentiell Betroffenen heraushebt.“

Kap. 4: Gerichtszugang im Primärrecht

147

b) Fallgruppen individueller Betroffenheit Es ist kaum ein konsistentes Bild in der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu erkennen, wann ein Kläger individuell betroffen ist. Nicht ohne Grund wurde die Rechtsprechung des Gerichtshofs als „sometimes unsettled and wavering“311 kritisiert. Im Folgenden soll daher anhand typisierender Fallgruppen ein Überblick darüber gegeben werden, wann der Gerichtshof die individuelle Betroffenheit bejaht.312 Eine erste Fallgruppe ist die Zugehörigkeit zu einem nach Zahl und Umfang feststehenden Personenkreis zum Erlasszeitpunkt.313 Bei dieser Fallgruppe handelt es sich um den traditionellen Ansatz des Gerichtshofs für die Bestimmung des Begriffs der individuellen Betroffenheit nach der Plaumann-Formel.314 Daneben hat sich als zweite Fallgruppe die Beteiligung an einem vorangegangen Verwaltungsverfahren etabliert, wobei inzwischen eine rein tatsächliche Beteiligung ausreichen soll.315 Als dritte Fallgruppe lässt sich der Eingriff in spezifische Rechte ausmachen.316 In der Kasuistik des Gerichtshofs sind diese Rechte ausnahmslos wirtschaftlicher Natur.317 Zwar hat die Herstellung eines Zusammenhangs 311

G. Bebr, Development of Judicial Control of the European Communities, 1981, S. 65. Dabei wird im Wesentlichen auf die Fallgruppen bei W.  Cremer, in: Calliess / ​Ruffert (Hrsg.), EUV / ​AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 263 AEUV Rn. 42 ff.; A. Thiele, Individualrechtsschutz vor dem Europäischen Gerichtshof durch die Nichtigkeitsklage, 2006, S. 253 ff.; J. Schwarze / ​P. Voet van Vormizeele, in: Becker u. a. (Hrsg.), EU-Kommentar, 4. Aufl. 2019, Art. 263 AEUV Rn. 47 ff. zurückgegriffen. 313 EuGH, Urt. v. 01.07.1965, Toepfer / ​Kommission, Verb. Rs. 106 und 107/63, EU:C:1965:65, Slg. 1965, 525 (556); EuGH, Urt. v. 14.12.1962, Confédération nationale des producteurs de fruits et légumes u. a. / ​Rat, Verb. Rs. 16 und 17/62, EU:C:1962:47, Slg. 1962, 901, Rn. 16/22. S. dazu A. Albors-Llorens, Sealing the Fate of Private Parties in Annulment Proceedings? The General Court and the New Standing Test in Article 263(4) TFEU, C. L. J. 71 (2012), 52 (514); J. C. Moitinho de Almeida, Le recours en annulation des particuliers, in: Due u. a. (Hrsg.), FS Everling Band I, 1995, S. 849 (851); grundsätzlich zustimmend auch A. Arnull, Private applicants and the action for annulment since Codorniu, CML Rev. 38 (2001), 7 (34), für den jedoch noch hinzukommen muss, dass der Unionsinstitution die Wirkung ihres Rechtsaktes auf den betroffenen Kreis von vorneherein bewusst ist. 314 A. Abaquesne de Parfouru, Locus Standi of Private Applicants under the Article 230 EC Action for Annulment, MJ 14 (2007), 361 (383 ff.). 315 S. EuGH, Urt. v. 21.02.1984, Allied Corporation u. a. / ​Kommission, Verb. Rs. 239 und 275/82, EU:C:1984:68, Slg. 1984, 1005, Rn. 12; dazu J. Schwarze / ​P. Voet van Vormizeele, in: Becker u. a. (Hrsg.), EU-Kommentar, 4. Aufl. 2019, Art. 263 AEUV Rn. 48; A. Thiele, Individualrechtsschutz vor dem Europäischen Gerichtshof durch die Nichtigkeitsklage, 2006, S. 254 ff. 316 J. Schwarze / ​P. Voet van Vormizeele, in: Becker u. a. (Hrsg.), EU-Kommentar, 4. Aufl. 2019, Art. 263 AEUV Rn. 49; A. Thiele, Individualrechtsschutz vor dem Europäischen Gerichtshof durch die Nichtigkeitsklage, 2006, S. 256 ff. 317 S. nur EuGH, Urt. v. 16.05.1991, Extramet Industrie / ​Rat, Rs. C-358/89, EU:C:1991:214, Slg. 1991 I-2501, Rn. 17; EuGH, Urt. v. 18.04.1994, Codorníu / ​Rat, Rs. C-309/89, EU:C:1994:197, Slg. 1994 I-1853, Rn. 21 f.; dazu U. Ehricke, in: Streinz (Hrsg.), EUV / ​AEUV, 3. Aufl. 2018, Art. 263 AEUV Rn. 64. 312

148

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

zwischen den Urteilen Codorníu und SMW Winzersekt318 Hoffnungen geweckt, der Gerichts­hof könnte zur Bestimmung der Individualität eine Betroffenheit in Unionsgrundrechten ausreichen lassen.319 Diese Hoffnungen wurden allerdings enttäuscht  – ein über den Einzelfall hinausreichendes Signal blieb aus.320 Eine Grundrechtsbetroffenheit führt danach nicht zu einer Individualisierung in der Kasuistik des Gerichtshofs.321 Verbände werden in der Rechtsprechung des Gerichtshofs gesondert behandelt.322 Es haben sich insbesondere zwei Fallgruppen zur individuellen Betroffenheit von Verbänden herauskristallisiert. Zunächst kann ein Verbandsmitglied das Kriterium der individuellen Betroffenheit erfüllen.323 Für den Verband handelt es sich dabei um eine abgeleitete Klageberechtigung von seinen Mitgliedern.324 Daneben besteht auch die Möglichkeit, dass Verbände eine eigene individuelle Betroffenheit nachweisen. Die ist etwa der Fall, wenn der Verband in das zugrundeliegende 318

In EuGH, Urt. v. 18.04.1994, Codorníu / ​Rat, Rs.  C-309/89, EU:C:1994:197, Slg.  1994 I-1853, Rn. 21 f. stellte der Gerichtshof fest, dass Markenrechte zur Individualisierung ausreichen, ohne allerdings die Unionsgrundrechte zu erwähnen. Im ebenfalls Markenrechte betreffenden Vorabentscheidungsverfahren EuGH, Urt. v. 13.12.1994, SMW Winzersekt / ​Land Rheinland-Pfalz, Rs. C-306/93, EU:C:1994:407, Slg. 1994 I-5555, Rn. 24 ging der Gerichtshof dagegen ausdrücklich auf die Unionsgrundrechte ein. 319 So etwa bei W. Cremer, Nichtigkeitsklagen einzelner gegen Rechtsakte der Gemeinschaft, EWS 1999, 48 (52); in Bezug auf die Rechtssache Codorníu A. Arnull, Private Applicants and the Action for Annulment under Article 173 of the EC Treaty, CML Rev. 32 (1995), 7 (39 f.); D. Waelbroeck / ​A .-M. Verheyden, Les conditions de recevabilité des recours en annulation des particuliers contre les actes normatifs communautaires, C. D. E. 1995, 399 (441). Dazu auch U. Schuster, Das Kohärenzprinzip in der Europäischen Union, 2017, S. 163 f. 320 W.  Cremer, in: Calliess / ​Ruffert (Hrsg.), EUV / ​AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 263 AEUV Rn. 45; C. Nowak, Zentraler und dezentraler Individualrechtsschutz in der EG, in: Nowak / ​ Cremer (Hrsg.), Individualrechtsschutz in der EG und der WTO, 2002, S. 47 (56 f.); E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband II, 2018, S. 909; ähnlich M. Nettesheim, Subjektive Rechte im Unionsrecht, AöR 132 (2007), 333 (352); U. Haltern, Europarecht und das Politische, 2005, S. 322 f. 321 S. dazu N. Böcker, Wirksame Rechtsbehelfe zum Schutz der Grundrechte der Europäischen Union, 2005, S. 66 ff.; kritisch A. Thiele, Individualrechtsschutz vor dem Europäischen Gerichtshof durch die Nichtigkeitsklage, 2006, S. 259. S. zu einer Untersuchung eines möglichen Bedeutungsgewinns der Grundrechte im Rahmen der Nichtigkeitsklage O. Mader, Erleichterter Rechtsschutz bei Grundrechtsverletzungen?, EuR 2018, 339 (346 ff.). 322 Instruktiv und zusammenfassend zum Ganzen B. Ahrens, Die Klagebefugnis von Verbänden im Europäischen Gemeinschaftsrecht, 2002, S. 125 ff.; s. auch S. Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz, 2008, S. 393 ff.; M.  Eliantonio / ​C . W.  Backes / ​C . H.  van Rhee / ​ T. N. B. M. Spronken / ​A . Berlee, Standing up for your right(s) in Europe, 2013, S. 36 f.; E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband II, 2018, S. 923 ff. 323 EuGH, Urt. v. 22.12.2006, British Aggregates / ​Kommission, Rs. C-487/06 P, EU:C:2008: 757, Slg.  2008 I-10515, Rn. 39; EuGH, Beschl. v. 18.12.1997, Sveriges Betodlares Centralförening und Henrikson / ​Kommission, Rs.  C-409/96 P, EU:C:1997:635, Slg.  1997 I-7531, Rn. 46 f.; EuGH, Urt. v. 22.06.2006, Belgien / ​Kommission, Verb. Rs. C-182/03 und C-217/03, EU:C:2006:416, Slg. 2006 I-5479, Rn. 56. 324 M. Pechstein / ​N. Görlitz, in: Pechstein u. a. (Hrsg.), Frankfurter Kommentar EUV / ​GRC / ​ AEUV, 2017, Art. 263 AEUV Rn. 130.

Kap. 4: Gerichtszugang im Primärrecht

149

Verwaltungsverfahren einbezogen war.325 Der Verband ist hier selbst individuell betroffen und besitzt eine originäre Klageberechtigung.326 Allerdings besteht diese Klagemöglichkeit nur dann, wenn die Verbandsbeteiligung im Verwaltungsverfahren obligatorisch war, nicht jedoch, wenn der Verband sich selbst in ein Verfahren eingeschaltet hat.327 4. Ergebnis Die relevante Zugangshürde in Art. 263 Abs. 4 Var. 2 AEUV liegt in der individuellen Betroffenheit. Die Rechtsprechung des Gerichtshofs zu diesem Merkmal wirft viele Fragen auf. Dies beginnt schon mit der Plaumann-Formel, deren einzelne Elemente den Bedeutungsinhalt der individuellen Betroffenheit kaum erhellen, sondern vielmehr verschleiern. Dazu kommt, dass der Gerichtshof nicht alle Voraussetzungen seiner eigenen Formel prüft, sondern sich im Wesentlichen darauf beschränkt, heraushebende Umstände festzustellen. Dies ist alles andere als verwunderlich, wurde die Plaumann-Formel doch trotz mehrerer Vertragsänderungen nicht angepasst. Das Ergebnis ist ein widersprüchlicher Flickenteppich von Kasuistik, der es Klägern extrem erschwert, ihre Chancen einzuschätzen.328 Dies ist aber nicht nur ein Problem für Klageinteressierte, sondern auch für die euro­ päischen Gerichte selbst: Diese müssen sich immer wieder in Einzelfallbetrachtungen durch die eigene Kasuistik schlagen. Mangelnde Vorhersehbarkeit kann auch dazu verleiten, Klagen prophylaktisch (selbst mit geringen Erfolgsaussichten) zu erheben,329 nur um sich später nicht dem Vorwurf der Verfristung ausgesetzt zu sehen. Dies setzt die Unionsgerichte nicht unerheblichen Belastungen aus.

325

EuGH, Urt. v. 2.2.1988, Van der Kooy / ​Kommission Verb. Rs. 67, EU:C:1988:38, Slg. 1988, 219, Rn. 22 ff.; EuGH, Urt. v. 24.03.1993, CIRFS u. a. / ​Kommission, Rs. C-313/90, EU:C:1993:​ 111, Slg.  1993 I-1125, Rn. 29 f.; EuGH, Urt. v. 20.03.1985, Timex / ​Rat und Kommission Rs. 264/82, EU:C:1985:119, Slg. 1985, 849, Rn. 13 ff. 326 M. Pechstein / ​N. Görlitz, in: Pechstein u. a. (Hrsg.), Frankfurter Kommentar EUV / ​GRC / ​ AEUV, 2017, Art. 263 AEUV Rn. 130. 327 EuG, Beschl. v. 09.08.1995, Greenpeace u. a. / ​Kommission, Rs. T-585/93, EU:T:1995:147, Slg. 1995 II-2205, Rn. 56; EuG, Beschl. v. 03.07.1997, Merck u. a. / ​Kommission, Rs. T-60/96, EU:T:1997:81, Slg. 1997 II-849, Rn. 73. 328 S. A. Albors-Llorens, The Standing of Private Parties to Challenge Community Measures, C. L. J. 62 (2003), 72 (81). 329 So auch C.  Calliess, Kohärenz und Konvergenz beim europäischen Individualrechtsschutz, NJW 2002, 3577 (3579 f.) mit dem berechtigten Hinweis, dass die Unsicherheit nicht zu weniger, sondern im Gegenteil zu mehr Klagen führen dürfte, da einige potenzielle Kläger sich in solchen Zweifelsfällen zur Sicherheit für eine Klage entscheiden dürften.

150

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

III. Anwendung der Plaumann-Formel in Umweltstreitigkeiten Bei der Beschäftigung mit der Wirkung der Plaumann-Formel in Umweltange­ legenheiten wird vor allem auf zwei Punkte einzugehen sein: Schon ihre Anwendbarkeit in Umweltstreitigkeiten kann in Zweifel gezogen werden. Ist sie jedoch anwendbar, so sind ihre Effekte auf den Umweltrechtsschutz zu betrachten. Zur Untersuchung der Klagemöglichkeiten von Umweltbelangen stützt sich die Arbeit auf zwei prägnante Beispiele aus der Rechtsprechung der Unionsgerichte. Die hier gewählten Rechtssachen Greenpeace und Danielsson stehen modellhaft für den Umgang der Unionsgerichte mit Umweltbelangen im primärrechtlichen Prozessrecht. 1. Modellfälle Danielsson und Greenpeace Gegenstand der Rechtssache Danielsson waren französische Atomtests auf Atollen im Überseegebiet.330 Art. 34 EAGV sah dazu vor, dass Mitgliedstaaten bei gefährlichen Versuchen Vorkehrungen zum Gesundheitsschutz treffen und eine Stellungnahme der Kommission einholen müssen. Die Kommission kam nach eigenen Untersuchungen zu dem Ergebnis, dass von den geplanten französischen Tests keine entsprechende Gefahr ausginge und stellte deshalb fest, dass Art. 34 EAGV keine Anwendung finde.331 Gegen diese Entscheidung wendeten sich die Kläger.332 Sie beriefen sich darauf, dass die Entscheidung333 der Kommission die Auswirkungen der Atomtests auf ihre Gesundheit nicht ausreichend berücksichtigt habe, obwohl sie zu der Bevölkerung i. S. v. Art. 30 EAGV gehörten, deren Schutz durch Art. 34 EAGV gewährleistet werden sollte.334 330

EuG, Beschl. v. 22.12.1995, Danielsson u. a. / ​Kommission, Rs. T-219/95 R, EU:T:1995:219, Slg. 1995 II-3051, Rn. 1–3. 331 EuG, Beschl. v. 22.12.1995, Danielsson u. a. / ​Kommission, Rs. T-219/95 R, EU:T:1995:219, Slg. 1995 II-3051, Rn. 12 f. 332 EuG, Beschl. v. 22.12.1995, Danielsson u. a. / ​Kommission, Rs. T-219/95 R, EU:T:1995:219, Slg. 1995 II-3051, Rn. 15, 59. Zum Zeitpunkt der Entscheidung kannte der EAG-Vertrag mit Art. 146 Abs. 4 eine eigene Nichtigkeitsklage, die aber in ihren Voraussetzungen mit Art. 173 EGV übereinstimmte. Art. 146 EAGV wurde inzwischen aufgehoben. Über den Verweis in Art. 106a Abs. 1 EAGV wäre heute Art. 263 AEUV anwendbar. 333 EuG, Beschl. v. 22.12.1995, Danielsson u. a. / ​Kommission, Rs. T-219/95 R, EU:T:1995:219, Slg. 1995 II-3051, Rn. 64 f. Im Fall Danielsson handelte es sich zwar dem Wortlaut nach um eine Stellungnahme, was auf den ersten Blick nach Art. 249 Abs. 5 EGV (bzw. Art. 288 Abs. 5 AEUV) auf eine Nichtverbindlichkeit schließen lässt. Vor dem Hintergrund, dass die Kommission abschließend über die Notwendigkeit von Maßnahmen nach Art. 34 EAGV befand, misst das Gericht dieser Stellungnahme jedoch Entscheidungscharakter zu. Die Entscheidung nach Art. 249 Abs. 4 EGV ist die Vorgängerhandlungsform zum Beschluss nach Art. 288 Abs. 4 AEUV, s. J. Gundel, in: Pechstein u. a. (Hrsg.), Frankfurter Kommentar EUV / ​GRC / ​AEUV, 2017, Art. 288 AEUV Rn. 82; J. Bast, New Categories of Acts After The Lisbon Reform, CML Rev. 49 (2012), 885 (886). 334 EuG, Beschl. v. 22.12.1995, Danielsson u. a. / ​Kommission, Rs. T-219/95 R, EU:T:1995:219, Slg. 1995 II-3051, Rn. 25, 69.

Kap. 4: Gerichtszugang im Primärrecht

151

Im Fall Greenpeace gingen die Umweltschutzorganisation Greenpeace sowie einige Individualkläger, darunter Ortsansässige, lokale Landwirte und Fischer335 gegen eine Entscheidung der Kommission vor.336 Die Kommission hatte Spanien finanzielle Unterstützung durch den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung gewährt. Damit sollte die Errichtung zweier Elektrizitätswerke auf den Inseln Gran Canaria und Teneriffa gefördert werden. Die Kläger monierten die fehlende Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung für die beiden Kraftwerke.337 Darüber hinaus verwiesen die Kläger auf Art. 7 Abs. 1 der der Finanzierungs­ entscheidung zugrundeliegenden Verordnung 2052/88338, wonach „die Aktionen, die Gegenstand einer Finanzierung durch die Strukturfonds […] oder eines sonstigen vorhandenen Finanzinstruments sind, […] den Bestimmungen der Verträge und der aufgrund der Verträge erlassenen Rechtsakte sowie den Gemeinschaftspolitiken, insbesondere hinsichtlich […] des Umweltschutzes, entsprechen“

mussten. 2. Anwendbarkeit der Plaumann-Formel in Umweltstreitigkeiten In der Rechtssache Greenpeace argumentierten die Kläger, dass die Unionsgerichte in Umweltstreitigkeiten auf die Anwendung der Plaumann-Formel verzichten sollten, da diese im Hinblick auf rein wirtschaftsbezogene Gegenstände entwickelt worden sei.339 Dies klingt zunächst auch überzeugend, schließlich liegen die Ursprünge der Plaumann-Rechtsprechung in den 1960er Jahren tatsächlich in einem Wirtschaftskontext. Eine Anwendung in Umweltangelegenheiten war wohl weder an diesem Punkt der Integration noch zu dieser Zeit überhaupt ein Thema, das in die Überlegungen zur Ausformung der Plaumann-Rechtsprechung einbezogen wurde.340 Zwar gab das Gericht zu, dass die meisten Urteile „in Rechtssachen ergangen sind, die im wesentlichen wirtschaftliche Interessen

335

EuG, Beschl. v. 09.08.1995, Greenpeace u. a. / ​Kommission, Rs. T-585/93, EU:T:1995:147, Slg. 1995 II-2205, Rn. 54. 336 S. EuGH, Urt. v. 02.04.1998, Greenpeace u. a. / ​Kommission, Rs. C-321/95 P, EU:C:1998:153, Slg. 1998 I-1651, Rn. 2. 337 EuGH, Urt. v. 02.04.1998, Greenpeace u. a. / ​Kommission, Rs. C-321/95 P, EU:C:1998:153, Slg. 1998 I-1651, Rn. 2. 338 Verordnung (EWG) Nr. 2052/88 des Rates vom 24. Juni 1988 über Aufgaben und Effizienz der Strukturfonds und über die Koordinierung ihrer Interventionen untereinander sowie mit denen der Europäischen Entwicklungsbank und der anderen vorhandenen Finanzinstrumente, ABl. L 185 v. 24.06.1988, S. 9 ff. Diese Verordnung ist seit dem 31.12.1999 außer Kraft. 339 EuG, Beschl. v. 09.08.1995, Greenpeace u. a. / ​Kommission, Rs. T-585/93, EU:T:1995:147, Slg. 1995 II-2205, Rn. 32 ff.; ebenso L. Gale, Access to Environmental Justice before the European Court of Justice, EBL Rev. 8 (1997), 132 (134). 340 S. B. Dette, Access to Justice in Environmental Matters before the European Court of Justice, elni Review 2004, 20 (22); kritisch dazu E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband II, 2018, S. 1027 f.

152

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

betrafen“341. Jedoch folgte das Gericht diesem Argument nicht weiter, sondern wendete die Plaumann-Kriterien an.342 Der Gerichtshof ging im Rechtsmittel­verfahren auf diesen Punkt nicht einmal mehr ein. So kritikwürdig die Plaumann-Rechtsprechung inhaltlich auch sein mag, so konsequent ist die Ablehnung der Argumentation der Kläger durch die Unions­gerichte. Die Kläger mögen zwar Recht haben mit ihrer Beobachtung, jedoch wäre es nicht sinnvoll, wenn hier ein weiterer Sonderfall geschaffen worden wäre. Zudem ist der Ausgangspunkt des Arguments falsch gewählt: Die Bestimmung des Bedeutungsgehalts einer Vertragsbestimmung wie Art. 263 Abs. 4 Var. 2 AEUV nimmt ihren Ausgangspunkt nicht in möglichen Anwendungsfällen, sondern im Wortlaut der Verträge.343 Aus der Sicht der Unionsgerichte, für die die Plaumann-Formel dem Wortlaut der Verträge entspringt, ist die Anwendung daher nachvollziehbar. Die Plaumann-Formel findet daher auch im Umweltrechtsschutz unterschiedslos Anwendung.344 3. Anwendung in den Modellfällen Danielsson und Greenpeace Die Anwendung der Plaumann-Formel hatte in beiden Modellfällen die Unzu­ lässigkeit der Klage zur Folge. Beide Fälle zeigen dabei sehr plastisch, wie die Plaumann-Formel im Umweltbereich wirkt. Im Fall Danielsson führte der Präsident des Gerichts aus, die Atomtests beträfen die Kläger „nur in ihrer objektiven Eigenschaft als Einwohner von Tahiti in gleicher Weise wie alle anderen in Polynesien wohnhaften Personen“345. Diesen Gedanken unterstrich der Präsident des Gerichts noch einmal mit der Erwägung, dass „[s]elbst wenn man unterstellt, daß die Antragsteller gegebenenfalls im Zusammenhang mit angeblich verhängnisvollen Folgen der fraglichen Atomtests für die Umwelt oder für die Gesundheit der Bevölkerung einen persönlichen Schaden erleiden könnten, würde dieser Umstand alleine nicht ausreichen, sie in ähnlicher Weise wie den Adressaten der streitigen

341

EuG, Beschl. v. 09.08.1995, Greenpeace u. a. / ​Kommission, Rs. T-585/93, EU:T:1995:147, Slg. 1995 II-2205, Rn. 50. 342 EuG, Beschl. v. 09.08.1995, Greenpeace u. a. / ​Kommission, Rs. T-585/93, EU:T:1995:147, Slg. 1995 II-2205, Rn. 50 ff. 343 Ähnlich F. Berrod, Case C-321/95 P, Stichting Greenpeace Council (Greenpeace International) and others v. Commission, Judgment of 2 April 1998, ECR [1998] I-1651. Order of the Court of First Instance in Case T-585/93, Stichting Greenpeace Council and others v. Commission, [1995] ECR II-2205, CML Rev. 36 (1999), 635 (649). 344 K.  Lenaerts / ​J. A.  Gutiérrez-Fons, The General System of EU Environmental Law Enforce­ment, YEL 30 (2011), 3 (13); s. auch J. Jans / ​A.-K. von der Heide, Lückenhafter Individualrechtsschutz im Europäischen Umweltrecht, ZUR 2003, 390 (391). 345 EuG, Beschl. v. 22.12.1995, Danielsson u. a. / ​Kommission, Rs. T-219/95 R, EU:T:1995:219, Slg. 1995 II-3051, Rn. 70.

Kap. 4: Gerichtszugang im Primärrecht

153

Entscheidung zu individualisieren, […] da ein Schaden der von ihnen geltend gemachten Art unterschiedslos alle in dem betreffenden Gebiet wohnenden Personen betreffen kann“346.

In ganz ähnlicher Weise argumentierten die Unionsgerichte in der Rechtssache Greenpeace, die in zwei Instanzen zunächst vom Gericht entschieden und dann vom Gerichtshof bestätigt wurde. Das erstinstanzliche Gericht führte aus: „Die Kläger sind sechzehn Einzelpersonen, die sich entweder nur auf ihre objektive Eigenschaft als ‚Ortsansässiger‘, ‚Fischer‘ oder ‚Landwirt‘ berufen oder aber auf ihre Eigenschaft als Personen, die wegen der möglichen Folgen der Errichtung zweier Elektrizitätswerke für den örtlichen Fremdenverkehr, die Gesundheit der Bewohner der Kanarischen Inseln und die Umwelt besorgt sind. Die Kläger berufen sich also nicht auf eine Eigenschaft, die sich von der aller Personen, die in dem betreffenden Gebiet wohnen oder eine Tätigkeit ausüben, wesentlich unterscheidet, so daß sich die angefochtene Entscheidung, soweit mit ihr eine finanzielle Unterstützung für die Errichtung zweier Elektrizitätswerke auf Gran Canaria und Teneriffa gewährt wird, ihnen gegenüber als Maßnahme darstellt, deren Wirkungen objektiv, allgemein und abstrakt mehrere Gruppen von Bürgern und letztlich jede Person treffen können, die in den betroffenen Gebieten wohnt oder sich dort aufhält“347.

Dadurch seien die Kläger durch die Finanzierungsentscheidung der Kommission „nur in gleicher Weise betroffen wie jeder andere Einwohner, Fischer, Landwirt oder Tourist, der sich tatsächlich oder potenziell in der gleichen Situation befindet“348. Letztlich genügten die von den Klägern vorgetragenen Umstände dem Gericht daher nicht, sie aus dem Kreis aller übrigen Personen herauszuheben.349 Der Gerichtshof stellte sich in seiner Rechtsmittelentscheidung uneingeschränkt hinter die Ausführungen des Gerichts.350 Daneben ergänzte der Gerichtshof, dass sich die Finanzierungsentscheidung der Kommission nur mittelbar auf die vorgetragenen Rechte auswirke, die vornehmlich durch die nationale Entscheidung über den Bau der Kraftwerke betroffen seien.351 Hierbei bezog sich der Gerichtshof auf die von den Klägern vorgetragene unterbliebene Umweltverträglichkeitsprüfung. Die sich daraus ergebenen Rechte der Kläger würden, so der Gerichtshof, „in vollem Umfang durch die nationalen Gerichte geschützt“352.

346

EuG, Beschl. v. 22.12.1995, Danielsson u. a. / ​Kommission, Rs. T-219/95 R, EU:T:1995:219, Slg. 1995 II-3051, Rn. 71. 347 EuG, Beschl. v. 09.08.1995, Greenpeace u. a. / ​Kommission, Rs. T-585/93, EU:T:1995:147, Slg. 1995 II-2205, Rn. 54. 348 EuG, Beschl. v. 09.08.1995, Greenpeace u. a. / ​Kommission, Rs. T-585/93, EU:T:1995:147, Slg. 1995 II-2205, Rn. 55. 349 EuG, Beschl. v. 09.08.1995, Greenpeace u. a. / ​Kommission, Rs. T-585/93, EU:T:1995:147, Slg. 1995 II-2205, Rn. 57. 350 EuGH, Urt. v. 02.04.1998, Greenpeace u. a. / ​Kommission, Rs. C-321/95 P, EU:C:1998:153, Slg. 1998 I-1651, Rn. 34. 351 EuGH, Urt. v. 02.04.1998, Greenpeace u. a. / ​Kommission, Rs. C-321/95 P, EU:C:1998:153, Slg. 1998 I-1651, Rn. 30 f. 352 EuGH, Urt. v. 02.04.1998, Greenpeace u. a. / ​Kommission, Rs. C-321/95 P, EU:C:1998:153, Slg. 1998 I-1651, Rn. 33.

154

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

4. Effekt der Plaumann-Formel in Umweltstreitigkeiten Die beiden Fälle verdeutlichen die Wirkungsweise der Plaumann-Formel in Umweltstreitigkeiten. Kurzgefasst: Je größer der Kreis potenzieller Kläger, desto geringer die Chancen, die Kriterien für die individuelle Betroffenheit erfüllen zu können.353 Diese Folge der Plaumann-Formel kann kaum anders als paradox beschrieben werden.354 Schließlich führt sie dazu, dass je weiträumiger und gravierender eine Maßnahme der Union wirkt – wie etwa der Atomtest im Fall D ­ anielsson –, desto eher die Unzulässigkeit droht. Anders gewendet: Je weniger Personen eine Entscheidung betrifft, umso eher sind sie individuell betroffen. Dies ist schon bemerkenswert, bleibt die mögliche Schwere der Folgen für die Einzelnen doch gleich, unabhängig davon, ob es nun wenige oder viele Betroffene gibt.355 Damit erweist sich die Herangehensweise der Plaumann-Formel als „fundamentally antithetical to the environment“356. Denn die Umwelt als Gemeingut betrifft typischerweise eine Vielzahl von Personen und fügt sich daher nicht in einen Ansatz wie die Plaumann-Formel ein.357 Damit kommt es im Vergleich mit individualbezoge 353 Generalanwalt Jacobs, Schlussanträge v. 21.03.2002, Unión de Pequeños Agricultores / ​ Rat, Rs. C-50/00 P, EU:C:2002:197, Slg. 2002, I-6681, Rn. 59; M. E. Hall, Environmental Law in the European Union, TELJ 20 (2006–2007), 277 (301); S. Schikhof, Direct and Individual Concern in Environmental Cases, EELR 1998, 276 (277); E. Rehbinder, Rechtsschutz gegen Handlungen und Unterlassungen der Organe und Einrichtungen der Europäischen Gemeinschaft in: Gaitanides u. a. (Hrsg.), FS Zuleeg, 2005, S. 650 (660); D. McGillivray / ​J. Holder, Locating EC Environmental Law, YEL 20 (2001), 139 (167 f.); N.  Wiesinger, Innovation im Verwaltungsrecht durch Internationalisierung, 2013, S. 91; B.  Dette, Access to Justice in Environmental Matters before the European Court of Justice, elni Review 2004, 20 (22); M. Eliantonio / ​C . W. Backes / ​C . H.  van Rhee / ​T. N. B. M. Spronken / ​A . Berlee, Standing up for your right(s) in Europe, 2013, S. 33; B. Dette, Access to Justice in Environmental Matters before the European Court of Justice, elni Review 2004, 20 (22); J. Jans / ​H. Vedder, European Environmental Law, 2012, S. 241; E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband II, 2018, S. 1121. Kritisch auch Generalanwalt Cosmas, Schlussanträge v. 23.09.1997, Greenpeace u. a. / ​Kommission, Rs. C-321/95 P, EU:C:1997:421, Slg. 1998 I-1651, Rn. 104. Damit weist die Plaumann-Formel auch eine bemerkenswerte Gemeinsamkeit mit der deutschen Schutznormlehre auf, s. E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband I, 2018, S. 62. 354 S. Schikhof, Direct and Individual Concern in Environmental Cases, EELR 1998, 276 (277); ebenso J. Jans / ​H. Vedder, European Environmental Law, 2012, S. 241. 355 C. Last, Garantie wirksamen Rechtsschutzes gegen Maßnahmen der Europäischen Union, 2008, S. 185 Fn. 174. 356 N. Gérard, Access to Justice on Environmental Matters, J. Envtl. L. 8 (1996), 139 (152); s. auch S. Pernice-Warnke, Der Zugang zu Gericht in Umweltangelegenheiten für Individualkläger und Verbände gemäß Art. 9 Abs. 3 Aarhus-Konvention und seine Umsetzung durch die europäische Gemeinschaft, EuR 2008, 410 (413); H. Schoukens, Articles 9(3) and 9(4) of the Aarhus Convention and Access to Justice before EU Courts in Environmental Cases, Eur. Energy & Envtl. L. Rev. 25 (2016), 178 (180). 357 M. Pallemaerts, Access to Environmental Justice at EU Level, in: Pallemaerts (Hrsg.), The Aarhus Convention at Ten, 2011, S. 271 (300); N. de Sadeleer / ​C . Poncelet, Protection against Acts Harmful to Human Health and the Environment Adopted by the EU Institutions, CYELS 14 (2011–2012), 177 (180); s. auch Generalanwalt Cosmas, Schlussanträge v.

Kap. 4: Gerichtszugang im Primärrecht

155

nen Wirtschaftsinteressen zu einer strukturellen Diskriminierung von allgemeingerichteten Umweltinteressen.358 Der – insbesondere im Vergleich zum deutschen Schutznorm-Ansatz – großzügigen Anerkennung von Umweltrechten durch das Unionsrecht359 steht ein bemerkenswerter Ausfall ihrer Klagbarkeit im Eigen­ verwaltungsrecht gegenüber.360 Ein wesentliches Hindernis liegt dabei in dem closed-class-Ansatz der Unionsgerichte: Es dürfte letztlich ausgeschlossen sein, gleichzeitig die Zugehörigkeit zu einer geschlossenen Gruppe geltend zu machen und dies mit einer umweltbeeinflussenden Maßnahme zu begründen, die typischerweise auf eine unbestimmte Vielzahl an Personen wirkt.361 Aus gutem Grund verzichtet selbst der sehr restriktive Ansatz des deutschen Verwaltungsrechtsschutzes darauf, die Zugehörigkeit zu einem abgrenzbaren Personenkreis zu verlangen.362 Vor dem Hintergrund des Ansatzes der Unionsgerichte geht Generalanwalt G. Cosmas daher in den Schlussanträgen zum Fall Greenpeace auch davon aus, dass die konsequente Anwendung der Plaumann-Formel der Individualnichtigkeitsklage die praktische Wirksamkeit nehme und zu einer reductio ad absurdum führe.363 Damit dokumentiert der Generalanwalt erhebliche Zweifel an der traditionellen Auslegung des Merkmals der individuellen Betroffenheit.364

23.09.1997, Greenpeace u. a. / ​Kommission, Rs. C-321/95 P, EU:C:1997:421, Slg. 1998 I-1651, Rn. 102; S. Bogojević, Judicial Protection of Individual Applicants Revisited, YEL 34 (2015), 5 (9); L. Krämer, The EU Courts and Access to Environmental Justice, in: Boer (Hrsg.), Environmental Law Dimensions of Human Rights, 2015, S. 107; M. Eliantonio / ​C . W. Backes / ​ C. H.  van Rhee / ​T. N. B. M. Spronken / ​A . Berlee, Standing up for your right(s) in Europe, 2013, S. 33. 358 A.  Guckelberger, Die EG-Verordnung zur Umsetzung der Aarhus-Konvention auf der Gemeinschaftsebene, NuR 2008, 78 (86); s. auch E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband II, 2018, S. 963 ff., 1032 f., 1121; J. Jans / ​A.-K. von der Heide, Lückenhafter Individualrechtsschutz im Europäischen Umweltrecht, ZUR 2003, 390 (392); J. Schwarze  / ​ P. Voet van Vormizeele, in: Becker u. a. (Hrsg.), EU-Kommentar, 4. Aufl. 2019, Art. 263 AEUV Rn. 59. S. dazu schon allgemein oben unter Teil 1. Kapitel 2. A. II. 2. (S. 59 ff.). 359 S. dazu oben unter Teil 1. Kapitel 2. B. I. 3. b) (S. 72 ff.). 360 E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband II, 2018, S. 1029. 361 S. Pernice-Warnke, Effektiver Zugang zu Gericht, 2009, S. 113. Zu vom Gerichtshof nicht aufgegriffenen Überlegungen, eine geschlossene Gruppe durch den Einwirkungsbereich der Maßnahme zu bestimmen Generalanwalt Cosmas, Schlussanträge v. 23.09.1997, Greenpeace u. a. / ​Kommission, Rs. C-321/95 P, EU:C:1997:421, Slg. 1998 I-1651, Rn. 104; dazu B. Wegener, Keine Klagebefugnis für Greenpeace und 18 andere, ZUR 1998, 131 (134). 362 E.  Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband I, 2018, S. 202 ff., 228; F. Schoch, Individualrechtsschutz im deutschen Umweltrecht unter dem Einfluß des Gemeinschaftsrechts, NVwZ 1999, 457 (465). 363 Generalanwalt Cosmas, Schlussanträge v. 23.09.1997, Greenpeace u. a. / ​Kommission, Rs. C-321/95 P, EU:C:1997:421, Slg. 1998 I-1651, Rn. 76 Fn. 65. 364 S. Generalanwalt Cosmas, Schlussanträge v. 23.09.1997, Greenpeace u. a. / ​Kommission, Rs. C-321/95 P, EU:C:1997:421, Slg. 1998 I-1651, Rn. 113 Fn. 128; dazu B. Wegener, Keine Klagebefugnis für Greenpeace und 18 andere, ZUR 1998, 131 (132).

156

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

Die Lage für Verbände ist darüber hinaus noch prekärer als die von Einzelpersonen.365 Letztlich bleibt Verbänden nur die Möglichkeit, stellvertretend die individuelle Betroffenheit von Mitgliedern geltend zu machen oder eine eigene individuelle Betroffenheit aus einer Verfahrensbeteiligung abzuleiten. Doch auch hier sind die Chancen gering,366 hat das Gericht im Fall Greenpeace doch deutlich gemacht, dass nur eine eher seltene verpflichtende Verfahrensbeteiligung zur Individualisierung ausreicht.367 Und selbst in diesem Fall könnte der Verband nur dann die Zulässigkeitshürde überwinden, wenn er Fehler bei seiner Verfahrens­ beteiligung anführen kann.368 Es ist daher letztlich fast unmöglich, eine individuelle Betroffenheit durch ein Interesse am Umweltschutz darzulegen.369 Damit erweist sich die Plaumann-Formel in Umweltstreitigkeiten weniger als Filter, sondern vielmehr als unüberwindbare Barriere möglicher Klagen.370 Fallen Einzelpersonen und Verbände als Kläger in Umweltangelegenheiten faktisch aus, bleiben nur die Mitgliedstaaten als privilegierte Kläger nach Art. 263 Abs. 2 AEUV übrig, um das Handeln der Unionsorgane und -institutionen im Um-

365 S. dazu auch E.  Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband II, 2018, S. 926 ff. 366 H. Roer-Eide / ​M. Eliantonio, The Meaning of Regulatory Act Explained, German L. J. 14 (2014), 1851 (1864). 367 EuG, Beschl. v. 09.08.1995, Greenpeace u. a. / ​Kommission, Rs. T-585/93, EU:T:1995:147, Slg. 1995 II-2205, Rn. 63. B. Wegener, Keine Klagebefugnis für Greenpeace und 18 andere, ZUR 1998, 131 (133) sieht die Verbände damit sogar „doppelt diskriminiert“, da sie keinen Einfluss auf das Verwaltungsverfahren nehmen könnten und damit dann das Fehlen einer Klagebefugnis gerechtfertigt werde. 368 EuGH, Urt. v. 25.10.1977, Metro / ​Kommission, Rs. 26/76, EU:C:1977:167, Slg. 1977, 1875, Rn. 13; K.  Lenaerts / ​J. A.  Gutiérrez-Fons, The General System of EU Environmental Law ­Enforcement, YEL 30 (2011), 3 (13). 369 L. Krämer, Environmental Justice in the European Court of Justice, in: Ebbesson / ​Okowa (Hrsg.), Environmental Law and Justice in Context, 2009, S. 195 (209); S. Schikhof, Direct and Individual Concern in Environmental Cases, EELR 1998, 276 (279); M. Hedemann-Robinson, Enforcement of EU Environmental Law, Eur. Energy & Envtl. L. Rev. 24 (2015), 115 (122 f.); S. Pernice-Warnke, Effektiver Zugang zu Gericht, 2009, S. 114; J. Jans / ​H. Vedder, European Environmental Law, 2012, S. 243; N. Wiesinger, Innovation im Verwaltungsrecht durch Internationalisierung, 2013, S. 91; E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband II, 2018, S. 899; s. auch E. Rehbinder, Rechtsschutz gegen Handlungen und Unterlassungen der Organe und Einrichtungen der Europäischen Gemeinschaft in: Gaitanides u. a. (Hrsg.), FS Zuleeg, 2005, S. 650 (660); H.  Roer-Eide / ​M. Eliantonio, The Meaning of Regulatory Act Explained, German L. J. 14 (2014), 1851 (1864); F. de Lange, Beyond Greenpeace, Courtesy of the Aarhus Convention, YbEEL 3 (2004), 227 (237); E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband II, 2018, S. 960 ff. 370 S. C. Herman, Lisbon and Access to Justice for Environmental NGOs: A Watershed, JEEPL 7 (2010), 391 (393); L. Krämer, The EU Courts and Access to Environmental Justice, in: Boer (Hrsg.), Environmental Law Dimensions of Human Rights, 2015, S. 107 (132). So großzügig das Unionsrecht bei der Zuerkennung von umweltbezogenen Rechten ist, so restriktiv gestalten sich die Klagemöglichkeiten vor den Unionsgerichten, E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband II, 2018, S. 883.

Kap. 4: Gerichtszugang im Primärrecht

157

weltbereich einer Kontrolle durch die Unionsgerichte zuzuführen.371 Klagen von Mitgliedstaaten, etwa gegen Finanzierungsentscheidungen der Kommission zugunsten anderer Mitgliedstaaten, dürften aber aufgrund ihrer heiklen politischen Implikationen eine Ausnahme bleiben.372 Im Ergebnis läuft dies darauf hinaus, dass umweltbezogene Maßnahmen der Unionsorgane und -institutionen überhaupt nicht von den Unionsgerichten überprüft werden. Aus dem Zugangsdefizit für nicht-privilegierte Kläger entwickelt sich so ein Kontroll- und Vollzugsdefizit des Umweltrechts im Eigenverwaltungsrecht der Union.373 Möglicherweise möchten die Unionsgerichte durch die restriktive Ausgestaltung des Zugangs vermeiden, dass sie in einem Politikbereich, der wie das Umweltrecht von komplexen Ermessensentscheidungen dominiert ist, in der Sache entscheiden müssen. Denn dort laufen sie immer Gefahr, in die Ermessenserwägungen des entscheidenden Organs einzugreifen.374 Erstaunlich ist die Restriktion aber dennoch, da die Unionsgerichte ansonsten sehr um die Durchsetzung des Unionsrechts bemüht sind. Auf der einen Seite stärkt der Gerichtshof die effektive Durchsetzung des Unionsrechts durch Individuen gegenüber den Mitgliedstaaten,375 auf der anderen Seite verweigert er ihnen im Eigenverwaltungsrecht der Union quasi jegliche Mitwirkung an der Vollzugskontrolle.376 In der skizzierten Lage scheint es

371

L. Krämer, The environmental complaint in EU law, JEEPL 6 (2009), 13 (16); R. Williams, Enforcing European Environmental Law, YbEEL 2 (2002), 271 (276 f.). Die anderen privilegierten Kläger, insbesondere das Europäische Parlament, dürften kaum tätig werden, s. N. Gérard, Access to Justice on Environmental Matters, J. Envtl. L. 8 (1996), 139 (155). Klagen von Gemeinden oder anderen gebietskörperschaftlichen Untergliederungen von Mitgliedstaaten haben kaum Chancen, wie die vom EuG als unzulässig abgewiesene Nichtigkeitsklage der Région de Bruxelles-Capitale gegen die Verlängerung der Zulassung von Glyphosat beweist, s. EuG, Beschl. v. 28.02.2019, Région de Bruxelles-Capitale / ​Kommission, Rs. T-178/18, EU:T:2019:130, Rn. 38 ff. 372 N. Gérard, Access to Justice on Environmental Matters, J. Envtl. L. 8 (1996), 139 (155); S. Schikhof, Direct and Individual Concern in Environmental Cases, EELR 1998, 276 (279); s. auch L. Krämer, Public Interest Litigation in Environmental Matters Before European Courts, J. Envtl. L. 8 (1996), 1 (9). 373 S. Schikhof, Direct and Individual Concern in Environmental Cases, EELR 1998, 276 (279); D. L. Torrens, Locus Standi for Environmental Associations under EC Law, RECIEL 8 (1999), 336 (343); N. de Sadeleer / ​C . Poncelet, Protection against Acts Harmful to Human Health and the Environment Adopted by the EU Institutions, CYELS 14 (2011–2012), 177 (183); allgemein auch C. Godt, Enforcement of Environmental Law by Individuals and Interest Groups, Journal of Consumer Policy 23 (2000), 79 (92 f.). 374 S. U.  Haltern, Europarecht und das Politische, 2005, S. 332 f., der dies jedoch wieder verwirft, da die Beschränkung des direkten Rechtsschutzes lediglich eine Umlenkung des Prozessaufkommens in den indirekten Rechtsschutz bedeute; zur Idee der Analyse von Zugangsregelungen anhand von Politikbereichen S. L. Winter, The Metaphor of Standing, Stan. L. Rev. 40 (1987), 1371 (1392 f.). 375 S. dazu schon oben unter Teil 1. Kapitel 2. B. I. 3. b)  (S. 72 ff.). Umfassend dazu etwa J. Masing, Die Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, 1997, S. 19 ff. 376 N. Gérard, Access to Justice on Environmental Matters, J. Envtl. L. 8 (1996), 139 (157); ähnlich B. Wegener, Keine Klagebefugnis für Greenpeace und 18 andere, ZUR 1998, 131 (135);

158

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

kontraproduktiv, auf Einzelne und Verbände als Wächter für die Einhaltung des Unionsrechts zu verzichten.377 IV. Beharren des Gerichtshofs und Verwerfen alternativer Deutungsangebote Es verwundert kaum, dass die Plaumann-Formel über die Jahrzehnte auf vielfältige Ablehnung gestoßen ist.378 Ihre Wirkung auf den Zugang zu den Unionsgerichten wird als zu restriktiv,379 „detached from economic reality“380 und gar als „blot on the landscape of Community law“381 kritisiert. Ebenso zahlreich finden sich daher auch Forderungen nach einer generellen Abschaffung des Kriteriums.382 Insbesondere wurde hervorgehoben, dass sich der Gerichtshof selbst in s. auch A. Cygan, Protecting the Interests of Civil Society in Community Decision-Making, ICLQ 52 (2003), 995 (1008). 377 D. L. Torrens, Locus Standi for Environmental Associations under EC Law, RECIEL 8 (1999), 336 (345); ähnlich S. Pernice-Warnke, Effektiver Zugang zu Gericht, 2009, S. 120; s. auch E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband II, 2018, S. 1028. 378 S. nur A. Arnull, Private applicants and the action for annulment since Codorniu, CML Rev. 38 (2001), 7 (25): „major obstacle“; R. Kovar / ​A . Barav, Variations nouvelles sur un thème ancien: Les conditions du recours individuel en annulation dans la CEE, C. D. E. 12 (1976), 73 (75): „barrière quasi infranchisable“; A. Albors-Llorens, Sealing the Fate of Private Parties in Annulment Proceedings? The General Court and the New Standing Test in Article 263(4) TFEU, C. L. J. 71 (2012), 52 (520): „formidable barrier“; H.-W. Daig, Nichtigkeits- und Untätigkeitsklagen im Recht der Europäischen Gemeinschaften, 1985, S. 75 Rn. 91: „unhaltbar“; D. Ehle, Nichtigkeitsklage privater Personen nach dem EWG-Vertrag, NJW 1963, 2193 (2197): „unzulänglich“. 379 A. Arnull, Private applicants and the action for annulment since Codorniu, CML Rev. 38 (2001), 7 (7); A. Bleckmann, Zur Klagebefugnis für die Individualklage vor dem Europäischen Gerichtshof, in: Erichsen u. a. (Hrsg.), FS Menger, 1985, S. 871 (872); J. C. Moitinho de Almeida, Le recours en annulation des particuliers, in: Due u. a. (Hrsg.), FS Everling Band I, 1995, S. 849 (857); W.  Skouris, Verletztenklagen und Interessentenklagen, 1979, S. 136; J. Kokott, Europäisierung des Verwaltungsprozeßrechts, Die Verwaltung 31 (1998), 335 (362); M. Dougan, The Treaty of Lisbon 2007, CML Rev. 45 (2008), 617 (676); W. Van Gerven, The Legal Protection of Private Parties in the Law of the European Economic Community, in: Jacobs (Hrsg.), European Law and the Individual, 1976, S. 1 (1). 380 T. Tridimas / ​S . Poli, Locus Standi of Individuals under Article 230 (4), in: Arnull u. a. (Hrsg.), Continuity and Change in EU Law, 2008, S. 70 (74). 381 A. Arnull, Private applicants and the action for annulment since Codorniu, CML Rev. 38 (2001), 7 (52). 382 M. Lagrange, Empfiehlt es sich, Bestimmungen über den Rechtsschutz zu ändern?, in: Institut für das Recht der Europäischen Gemeinschaften der Universität Köln (Hrsg.), Zehn Jahre Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, 1965, S. 606 (610); K. Zweigert, Empfiehlt es sich, Bestimmungen über den Rechtsschutz zu ändern?, in: Institut für das Recht der Europäischen Gemeinschaften der Universität Köln (Hrsg.), Zehn Jahre Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, 1965, S. 580 (596); O. Riese, Über den Rechtsschutz innerhalb der Europäischen Gemeinschaften, EuR 1966, 24 (46); G. Bebr, Development of Judicial Control of the European Communities, 1981, S. 65; H.-W. Daig, Zum Klagerecht von Privatpersonen, in: Aubin u. a. (Hrsg.), FS Riese, 1964, S. 187 (209).

Kap. 4: Gerichtszugang im Primärrecht

159

Widersprüche verstrickt:383 Im Fall Plaumann hatte der Gerichtshof noch betont, dass „die Bestimmungen des Vertrages über das Klagerecht nicht restriktiv interpretiert werden“384 dürften. Dies hat sich indes in der Rechtsprechung bislang nicht niedergeschlagen. Die Kritik an der Plaumann-Rechtsprechung blieb nicht auf die Literatur beschränkt, sondern wurde auch innerhalb der Luxemburger Institutionen laut:385 Besondere Beachtung fanden die Vorschläge zu einer Neubestimmung der individuellen Betroffenheit durch Generalanwalt F. Jacobs in den Schlussanträgen zum Fall Unión de Pequeños Agricultores386 und das Urteil des Gerichts im Fall Jégo-Quéré387. Nach Generalanwalt F. Jacobs sollte ein Kläger individuell betroffen sein, „wenn die Handlung aufgrund seiner besonderen persönlichen Umstände erhebliche nachteilige Auswirkungen auf seine Interessen hat oder haben kann“388. Der vom Gericht formulierte Vorschlag erkannte eine individuelle Betroffenheit der Kläger an, „wenn diese Bestimmung ihre Rechtsposition unzweifelhaft und gegenwärtig beeinträchtigt, indem sie ihre Rechte einschränkt oder ihr Pflichten auferlegt“389. Unabhängig von den Unterschieden dieser Alternativen390 lässt sich 383 G. Bebr, Development of Judicial Control of the European Communities, 1981, S. 64; ähnlich T. von Danwitz, Die Garantie effektiven Rechtsschutzes im Recht der Europäischen Gemeinschaft, NJW 1993, 1108 (1115). 384 EuGH, Urt. v. 15.07.1963, Plaumann / ​Kommission, Rs. 25/62, EU:C:1963:17, Slg. 1963, 199 (237). Ähnlich früher EuGH, Urt. v. 16.12.1960, Humblet / ​Belgischer Staat, Rs.  6/60, EU:C:1960:48, Slg. 1960, 1125 (1189). 385 Frühe Anklänge finden sich schon bei Generalanwalt Roemer, Schlussanträge v. 16.12.1963, Internationale Crediet- en Handelsvereniging Rotterdam u. a. / ​Minister van Landbouw en Visserij, Verb. Rs. 73 & 74/63, EU:C:1963:62, Slg. 1964, 1 (47), der eine „unbefriedigende Einschränkung des Rechtsschutzes nach Artikel Art. 173 [dem jetzigen Art. 263 AEUV]“ moniert. 386 Generalanwalt Jacobs, Schlussanträge v. 21.03.2002, Unión de Pequeños Agricultores / ​ Rat, Rs. C-50/00 P, EU:C:2002:197, Slg. 2002, I-6681. 387 EuG, Urt. v. 03.05.2002, Jégo-Quéré / ​Kommission, Rs. T-177/01, EU:T:2002:112, Slg. 2002 II-2368. 388 Generalanwalt Jacobs, Schlussanträge v. 21.03.2002, Unión de Pequeños Agricultores / ​ Rat, Rs. C-50/00 P, EU:C:2002:197, Slg. 2002, I-6681, Rn. 103. 389 EuG, Urt. v. 03.05.2002, Jégo-Quéré / ​Kommission, Rs. T-177/01, EU:T:2002:112, Slg. 2002 II-2368, Rn. 51. 390 Der Vorschlag von F. Jacobs übernimmt das Element der „besonderen persönlichen Umstände“, stellt im Weiteren aber auf das Vorliegen erheblicher nachteiliger Auswirkungen auf die Klägerinteressen ab. Dies suggeriert ein (liberales) Interessentenklagesystem. Dagegen scheint bei dem Vorschlag des Gerichts mit dem Kriterium der Einschränkung von Rechten gar ein Wandel zu einem Verletztenklagesystem durch. Zum eingehenden Vergleich der beiden Vorschläge s. M. Borowski, Die Nichtigkeitsklage gem. Art. 230 Abs. 4 EGV, EuR 2004, 879 (905 ff.); C. Calliess, Kohärenz und Konvergenz beim europäischen Individualrechtsschutz, NJW 2002, 3577 (3582); K. Lenaerts, Le traité de Lisbonne et la protection juridictionnelle des particuliers en droit de l’Union, C. D. E. 2009, 711 (720 ff.); L. Malferrari / ​C . Lerche, Zulässigkeit der Nichtigkeitsklage von Privatpersonen nach Art. 230 EG, EWS 2003, 254 (260 ff.); M. Nettesheim, Effektive Rechtsschutzgewährleistung im arbeitsteiligen System europäischen Rechtsschutzes, JZ 2002, 928 (932 f.); T.  Tridimas / ​S . Poli, Locus Standi of Individuals under Article 230 (4), in: Arnull u. a. (Hrsg.), Continuity and Change in EU Law, 2008, S. 70 (79 ff.).

160

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

doch eine wesentliche Gemeinsamkeit festhalten: Beide hätten einen grundlegenden Wandel für den Zugang von Individualklägern zu den Unionsgerichten bedeutet. Schließlich stellen beide Vorschläge auf die Betroffenheit der Kläger in ihren Interessen bzw. Rechten ab. Nicht mehr erforderlich wäre es hingegen, eine herausgehobene Position im Vergleich zu allen übrigen Personen darzulegen. Der Gerichtshof verwarf jedoch sowohl den Vorschlag F. Jacobs’391 als auch den des Gerichts392 mit Hinweis auf den „eindeutig engen Wortlaut von Art. 173 [dem jetzi­ gen Art. 263 AEUV]“393. Für eine Änderung sieht der Gerichtshof die Mitgliedstaaten als europäische Vertragsgeber in der Pflicht.394 Auch Hoffnungen auf eine Neuinterpretation der individuellen Betroffenheit, die durch die Änderung des Wortlauts vom handlungsformenspezifischen Begriff der „Entscheidung“ hin zum offenen Begriff der „Handlung“ im Lissabonner Vertrag geweckt wurden,395 enttäuschte der Gerichtshof mit Verweis auf den ansonsten gleichgebliebenen Wortlaut und die Diskussionen im Rahmen der Erarbeitung des Verfassungsvertrages.396 Im Übrigen wurde die (weitgehend) unveränderte Übernahme der zweiten Variante von Art. 263 Abs. 4 AEUV im Vertrag von Lissabon dahin gedeutet, dass auch die Mitgliedstaaten die Plaumann-Formel nicht antasten wollten.397 V. Bewertung Die Plaumann-Formel des Gerichtshofs zur Bestimmung der individuellen Betroffenheit stellt eine erhebliche Hürde für Klagevorbringen, insbesondere im Umweltbereich, dar. Die schwer durchschaubare Kasuistik des Gerichtshofs zur Plaumann-Formel nimmt den Klägern fast jede Berechenbarkeit hinsichtlich der 391 EuGH, Urt. v. 25.07.2002, Unión de Pequeños Agricultores / ​Rat, Rs. C-50/00 P, EU:C:​ 2002:462, Slg. 2002 I-6619, Rn. 34 ff. 392 EuGH, Urt. v. 01.04.2004, Kommission / ​Jégo-Quéré, Rs.  C-263/02 P, EU:C:2004:210, Slg. 2004 I-3425, Rn. 47 ff. 393 EuGH, Urt. v. 1.04.1965, Scarlata / ​Kommission, Rs. 40/64, EU:C:1965:36, Slg. 1965, 279 (312). 394 EuGH, Urt. v. 25.07.2002, Unión de Pequeños Agricultores / ​Rat, Rs. C-50/00 P, EU:C:​ 2002:462, Slg. 2002 I-6619, Rn. 45. Zu möglichen Motiven, namentlich dem Verhindern einer Klageflut sowie dem Ausschluss von Klagen gegen Normativakte, E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband II, 2018, S. 910 f. 395 F. C.  Mayer, Wer soll Hüter der europäischen Verfassung sein?, AöR 129 (2004), 411 (427 f.); F. C. Mayer, Individualrechtsschutz im Europäischen Verfassungsrecht, DVBl 2004, 606 (610); dagegen W. Cremer, Zum Rechtsschutz des Einzelnen gegen abgeleitetes Unionsrecht nach dem Vertrag von Lissabon, DÖV 2010, 58 (60); I. Karper, Reformen des europäischen Gerichts- und Rechtsschutzsystems, 2011, S. 134; E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband II, 2018, S. 978 f. 396 EuGH, Urt. v. 03.10.2013, Inuit Tapiriit Kanatami u. a. / ​Parlament und Rat, Rs. C-583/11 P, EU:C:2013:625, Rn. 70. 397 J. Saurer, Der Einzelne im europäischen Verwaltungsrecht, 2014, S. 167.

Kap. 4: Gerichtszugang im Primärrecht

161

Erfolgsaussichten ihres Klagevorhabens. Neben dieser Kritik scheint vor allem ein Punkt wesentlich gegen die Plaumann-Rechtsprechung des Gerichtshofs zu sprechen: ihre Ausgangsperspektive. Zur Bestimmung der individuellen Betroffenheit wird nicht von einer individuellen Perspektive ausgegangen, sondern vielmehr von einer generellen,398 nämlich wie sich die Kläger zu allen anderen möglicherweise Betroffenen verhalten. Das Beharren des Gerichtshofs auf seiner Rechtsprechung ist umso erstaunlicher, als diese aus einer Zeit stammt, in der wesentliche Grundpfeiler der Unionsrechtsordnung noch nicht vollständig entwickelt waren.399 Von der Anerkennung von Unionsgrundrechten in der Rechtssache Stauder400 bis hin zur Kodifizierung in der Grundrechtecharta und deren Verbindlichkeit durch Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 EUV haben die Grundrechte in der Union erheblich an Bedeutung gewonnen. Dass die Grundrechtsbetroffenheit für die Zulässigkeit von Individualklagen nur eine geringe Relevanz erlangt hat, mag angesichts der Perspektive der Plaumann-Formel zwar konsequent sein, ist aber wenig überzeugend. Gleiches gilt nicht zuletzt mit Blick auf die Bedeutung des Umweltschutzes in der Unionsrechtsordnung.401 Deshalb ist L. Krämer zuzustimmen: „[I]t is over-conservative to maintain an interpretation of Article 263(4) TFEU with regard to the environment, which argues as if the world and the EU still were the same as in 1958“402.

Insbesondere in Bezug auf die Klagbarkeit von Allgemeininteressen wirkt sich die Plaumann-Formel negativ aus. Sie bevorzugt einseitig die Durchsetzung greifbarer Interessen, etwa wirtschaftlicher Natur, gegenüber Umweltbelangen.403 Da sich im Übrigen selten privilegierte Kläger zur Durchsetzung des Umweltrechts bereitfinden, kommt es zu einem weitreichenden Kontroll- und Vollzugsdefizit des Umweltrechts im Eigenverwaltungsrecht der Union. Es ist überaus fraglich, ob die Union auf die Mobilisierung der Einzelnen für die Durchsetzung des Umweltrechts im Eigenverwaltungsrecht verzichten sollte. Zwar lässt sich für den Verzicht anführen, dass die Kommission gerade im Eigenverwaltungsrecht die Rolle als Hüterin der Verträge einnimmt.404 Dieser Einwand greift aber zu kurz: Denn anders als im 398 B. Börner, Empfiehlt es sich, die Bestimmungen des europäischen Gemeinschaftsrechts über den Rechtsschutz zu ändern oder zu ergänzen?, Referat beim 46. Deutschen Juristentag, G 30. 399 A. Thiele, Individualrechtsschutz vor dem Europäischen Gerichtshof durch die Nichtigkeitsklage, 2006, S. 250 Fn. 266; A. Thiele, Das Rechtsschutzsystem nach dem Vertrag von Lissabon, EuR 2010, 30 (41); L. Krämer, Seal Killing, the Inuit and European Union Law, RECIEL 21 (2012), 291 (296). 400 EuGH, Urt. v. 12.11.1969, Stauder / ​Stadt Ulm Rs. 29/69, EU:C:1969:57, Slg. 1969, 419, Rn. 7. 401 S. nur Art. 3 Abs. 3 Satz 2 EUV, Art. 37 GRCh sowie die Art. 191 ff. AEUV. Zur Rolle des Umweltschutzes im Unionsrecht schon Generalanwalt Cosmas, Schlussanträge v. 23.09.1997, Greenpeace u. a. / ​Kommission, Rs. C-321/95 P, EU:C:1997:421, Slg. 1998 I-1651, Rn. 51 ff. Dazu ausführlich auch E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband II, 2018, S. 835 ff. 402 L. Krämer, Access to Environmental Justice, JEEPL 14 (2017), 159 (183). 403 B. Wegener, Keine Klagebefugnis für Greenpeace und 18 andere, ZUR 1998, 131 (135). 404 S. J. Kokott, Europäisierung des Verwaltungsprozeßrechts, Die Verwaltung 31 (1998), 335 (362 f.).

162

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

Unionsverwaltungsrecht tritt die Kommission im Eigenverwaltungsrecht selbst als Verwaltungsbehörde auf. Zur Überwachung ihrer eigenen Entscheidungen ist die Kommission daher nicht geeignet.405

B. (Fehlende) Kompensation durch alternative Rechtsschutzoptionen Der Gerichtshof sah sich durch seinen Umgang mit der Individualnichtigkeitsklage immer wieder dem Vorwurf eines „déni de justice“406 ausgesetzt. Und tatsächlich hat die Untersuchung gezeigt, dass der Zugang für Individualkläger deutlich beschränkt ist. Dies gilt insbesondere für den Umweltrechtsschutz. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob die Restriktionen der Plaumann-Formel durch alternative Rechtsschutzinstrumente ausgeglichen werden. In Betracht kommt dazu insbesondere die neue dritte Variante der Individualnichtigkeitsklage, die Kläger von der Darlegung einer individuellen Betroffenheit befreit. Daneben könnte der fehlende Zugang zu den Unionsgerichten auch durch Rechtsschutz vor mitgliedstaatlichen Gerichten ausgeglichen werden. I. Rechtsschutz durch Art. 263 Abs. 4 Var. 3 AEUV Als alternative Rechtsschutzoptionen kommen die erste und dritte Variante der Nichtigkeitsklage in Betracht.407 Zunächst ist da die Adressatenklagemöglichkeit nach Art. 263 Abs. 4 Var.  1 AEUV, die als rechtsstaatliche Selbstverständlichkeit gelten kann.408 Die Adressatenstellung ist vergleichsweise leicht zweifelsfrei zu bestimmen und vermittelt immer ein potenzielles Aufhebungsinteresse. Für den Rechtsschutz in Umweltangelegenheiten spielt diese Variante letztlich jedoch

405

R. Williams, Enforcing European Environmental Law, YbEEL 2 (2002), 271 (277). Generalanwalt Jacobs, Schlussanträge v. 21.03.2002, Unión de Pequeños Agricultores / ​ Rat, Rs. C-50/00 P, EU:C:2002:197, Slg. 2002, I-6681, Rn. 62, 43; G. Rasquin / ​R .-M. Chevallier, L’article 173, alinéa 2 du Traité C. E. E., RTD Eur. 1966, 31 (44). 407 Die Inzidentrüge nach Art. 277 AEUV besitzt dagegen keine eigene Bedeutung. Es handelt sich hierbei nicht um einen speziellen Rechtsbehelf gegen Rechtsakte mit allgemeiner Geltung, der neben Art. 263 Abs. 4 Var. 3 AEUV stehen würde; vielmehr kann Art. 277 AEUV nur in einem schon zulässigen Klageverfahren geltend gemacht werden, EuGH, Urt. v. 14.12.1962, Wöhrmann / ​Kommission, Verb. Rs. 31 und 32/62, EU:C:1962:49, Slg. 1962, 965 (1042); H.-W. Daig, Nichtigkeits- und Untätigkeitsklagen im Recht der Europäischen Gemeinschaften, 1985, S. 179 Rn. 236. Außerhalb eines ohnehin schon zulässigen Verfahrens kann Art. 277 AEUV keine Wirkung entfalten, weshalb im Falle einer Nichtigkeitsklage gegen einen drittgerichteten Beschluss zunächst einmal eine individuelle und unmittelbare Betroffenheit gem. Art. 263 Abs. 4 Var. 2 AEUV dargelegt werden müsste. 408 Ähnlich A. Thiele, Individualrechtsschutz vor dem Europäischen Gerichtshof durch die Nichtigkeitsklage, 2006, S. 208. 406

Kap. 4: Gerichtszugang im Primärrecht

163

keine Rolle, da sie nicht auf die typischen Drittanfechtungskonstellationen passt.409 Damit könnte sich lediglich durch die im Vertrag von Lissabon eingeführte dritte Variante von Art. 263 Abs. 4 AEUV etwas anderes ergeben. 1. Privilegierung durch Entfallen der individuellen Betroffenheit Nach der dritten Variante ist klagebefugt, wer von einem Rechtsakt mit Verordnungscharakter, der keine Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht, unmittelbar betroffen ist. Art. 263 Abs. 4 Var. 3 AEUV ist als Privilegierung zur zweiten Variante zu verstehen, da hier der Nachweis einer individuellen Betroffenheit nicht erforderlich ist.410 Damit fällt die wohl höchste und unberechenbarste Hürde für die Zulässigkeit von Individualklagen weg. Die Reichweite des neuen Art. 263 Abs. 4 Var. 3 AEUV – und damit der Privilegierung – hängt von der Auslegung des Merkmals „Rechtsakte mit Verordnungscharakter“ ab. An dieser Frage entzündete sich ein heftiger Streit: Aufhänger der Kontroverse war, dass der Lissabonner Vertrag die Handlungsformenkategorie „Rechtsakte mit Verordnungscharakter“ nicht kennt.411 Im Wesentlichen standen sich zwei Positionen gegenüber: Teilweise wurde die Formulierung weit verstanden, mit der Folge, dass auch die nach Art. 289 Abs. 3 AEUV mit Gesetzescharakter ausgestatteten Rechtsakte unter diese Variante subsumiert werden konnten.412 Die 409

S. auch E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband II, 2018, S. 976. W.  Cremer, in: Calliess / ​Ruffert (Hrsg.), EUV / ​AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 263 AEUV Rn. 54. Für E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband II, 2018, S. 981 offenbart sich in Art. 263 Abs. 4 Var. 3 AEUV ein weites, dem französischen intérêt pour agir ähnliches Verständnis. 411 Deshalb wurde Fassung auch als verunglückt kritisiert, s. A. Thiele, Das Rechtsschutzsystem nach dem Vertrag von Lissabon, EuR 2010, 30 (45); U. Everling, Klagerecht Privater gegen Rechtsakte der EU mit allgemeiner Geltung, EuZW 2012, 376; J. Gundel, Die neue Gestalt der Nichtigkeitsklage nach dem Vertrag von Lissabon, EWS 2012, 65 (68); B. Wegener, Rechtsstaatliche Vorzüge und Mängel der Verfahren vor den Gemeinschaftsgerichten, EuRBeih. (3) 2008, 45. 412 Generalanwalt Wathelet, Schlussanträge v. 29.05.2013, Stichting Woonlinie u. a. / ​Kommission, Rs. C-133/12 P, EU:C:2013:336, Rn. 38; S. Balthasar, Locus Standi Rules for Challenges to Regulatory Acts by Private Applicants, E. L.Rev. 35 (2010), 542 (550); J.  Bast, Handlungsformen und Rechtsschutz, in: von Bogdandy / ​Bast (Hrsg.), Europäisches Verfassungsrecht, 2009, S. 489 (556 f.); J. Bast, New Categories of Acts After The Lisbon Reform, CML Rev. 49 (2012), 885 (904 ff.); U. Everling, Rechtsschutz in der Europäischen Union nach dem Vertrag von Lissabon, EuR-Beih. 2009, 71 (74); U.  Everling, Lissabon-Vertrag regelt Dauerstreit über Nichtigkeitsklage Privater, EuZW 2010, 572 (575); M. Dougan, The Treaty of Lisbon 2007, CML Rev. 45 (2008), 617 (677 ff.); W. Frenz / ​A .-M. Distelrath, Klagegegenstand und Klagebefugnis von Individualnichtigkeitsklagen nach Art. 263 IV AEUV, NVwZ 2010, 162 (165); N. Görlitz / ​P. Kubicki, Rechtsakte „mit schwierigem Charakter“, EuZW 2011, 248 (250 f.); M. Kottmann, Plaumanns Ende, ZaöRV 2010, 547 (559); I. Pernice, Die Zukunft der Unionsgerichtsbarkeit, EuR 2011, 151 (151 Fn. 1); wohl auch R. Barents, The Court of Justice After the Treaty of Lisbon, CML Rev. 47 (2010), 709 (725), der die Folgen der Gegenansicht für „absurd“ hält. 410

164

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

Gegenansicht vertrat dagegen ein enges Verständnis, das im Ergebnis darauf hinauslief, Rechtsakte mit Verordnungscharakter mit Rechtsakten ohne Gesetzescharakter gleichzusetzen.413 2. Urteil des Gerichtshofs im Fall Inuit Der Gerichtshof befasste sich mit der Auslegung des Begriffs der Rechtsakte mit Verordnungscharakter in der Rechtssache Inuit414 und stützte sich in seinen Erwägungen vor allem auf die Systematik und die Entstehungsgeschichte. Im Vergleich mit dem weiten Begriff der Handlung bezeichneten Rechtsakte mit Verordnungscharakter nach dem Gerichtshof eine engere Kategorie.415 Auf dieser Grundlage konkretisierte der Gerichtshof den Begriff weiter unter Rekurs auf die Entstehungsgeschichte des mit Art. 263 Abs. 4 AEUV wortgleichen Art. III-365 Abs. 4 EVV. Aus den Materialien ergebe sich, dass zwar der Rechtsschutz für Rechtsakte ohne Gesetzescharakter im Verhältnis zu Art. 230 Abs. 4 EGV gelockert werden, es jedoch für alle anderen Rechtsakte bei der restriktiven Grundhaltung bleiben sollte.416 Damit kommt der Gerichtshof zum Ergebnis, dass die Privilegierung der dritten Variante für alle „Handlungen mit allgemeiner Geltung unter Ausschluss von Gesetzgebungsakten“417 gelte. Dies entspricht der engen Interpretation.

413 Generalanwältin Kokott, Schlussanträge v. 17.01.2013, Inuit Tapiriit Kanatami u. a. / ​ Parlament und Rat, Rs. C-583/11 P, EU:C:2013:625, Rn. 47; A. Hatje / ​A . Kindt, Der Vertrag von Lissabon, NJW 2008, 1761 (1767); W. Cremer, Zum Rechtsschutz des Einzelnen gegen abgeleitetes Unionsrecht nach dem Vertrag von Lissabon, DÖV 2010, 58 (64); C. Herrmann, Individualrechtsschutz gegen Rechtsakte der EU „mit Verordnungscharakter“ nach dem Vertrag von Lissabon, NVwZ 2011, 1352 (1357); M. Schröder, Neuerungen im Rechtsschutz der Europäischen Union durch den Vertrag von Lissabon, DÖV 2009, 61 (63 f.); C. Last, Garantie wirksamen Rechtsschutzes gegen Maßnahmen der Europäischen Union, 2008, S. 155 ff.; A. Thiele, Das Rechtsschutzsystem nach dem Vertrag von Lissabon, EuR 2010, 30 (43 ff.); E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband II, 2018, S. 990 ff.; C. Werkmeister / ​S . Pötters / ​J. Traut, Regulatory Acts within Article 263(4) TFEU, CYELS 13 (2010–2011), 311 (330 f.); K. Pabel, The Right to an Effective Remedy Pursuant to Article II-107 Paragraph 1 of the Constitutional Treaty, German L. J. 6 (2005), 1601 (1610 f.). 414 EuGH, Urt. v. 03.10.2013, Inuit Tapiriit Kanatami u. a. / ​Parlament und Rat, Rs. C-583/11 P, EU:C:2013:625. 415 EuGH, Urt. v. 03.10.2013, Inuit Tapiriit Kanatami u. a. / ​Parlament und Rat, Rs. C-583/11 P, EU:C:2013:625, Rn. 58. 416 EuGH, Urt. v. 03.10.2013, Inuit Tapiriit Kanatami u. a. / ​Parlament und Rat, Rs. C-583/11 P, EU:C:2013:625, Rn. 59. Der Gerichtshof bezieht sich auf Sekretariat des Europäischen Konvents, Schlussbericht des Arbeitskreises über die Arbeitsweise des Gerichtshofs, CONV 636/03 v. 25.03.2003, Rn. 22 und Sekretariat des Europäischen Konvents, Übermittlungsvermerk des Präsidiums des Konvents, CONV 734/03 v. 02.05.2003, S. 1 (20). 417 EuGH, Urt. v. 03.10.2013, Inuit Tapiriit Kanatami u. a. / ​Parlament und Rat, Rs. C-583/11 P, EU:C:2013:625, Rn. 60.

Kap. 4: Gerichtszugang im Primärrecht

165

3. Folgerungen Die Folgen der Rechtsprechung des Gerichtshofs lassen sich plastisch an den Konstellationen der Fälle Jégo-Quéré und Unión de Pequeños Agricultores darstellen. Während es sich bei dem Gegenstand im Fall Jégo-Quéré um eine von der Kommission erlassene Durchführungsverordnung handelte,418 wurde in der Rechtssache Unión de Pequeños Agricultores eine Verordnung angegriffen,419 die unter dem Vertrag von Lissabon im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren ergangen wäre.420 Die Durchführungsverordnung des Falls Jégo-Quéré wäre damit ein Rechtsakt mit Verordnungscharakter,421 während die als Jacobs Gap422 berühmt gewordene Konstellation des Falles Unión de Pequeños Agricultores weiterhin bestehen bleiben würde.423 Das Auseinanderfallen dieser beiden Konstellationen wurde daher auch als „pour le moins quasi paradoxale“424 und „absurd“425 kritisiert. Vor dem Hintergrund der Wahlmöglichkeiten zwischen dem Erlass eines Rechtsaktes mit oder ohne Gesetzescharakter,426 bietet diese Rechtsprechung ein Einfallstor für den willkürlichen Ausschluss des Direktzugangs für Individualkläger. Der enge Begriff der Rechtsakte mit Verordnungscharakter passt jedoch zur restriktiven Haltung des Gerichtshofs in Bezug auf den Zugang von Individualklägern. Aus der Sicht des Gerichtshofs, der in der Rechtssache Inuit auch noch einmal die 418

Verordnung (EG) Nr. 1162/2001 der Kommission vom 14. Juni 2001 mit Maßnahmen zur Wiederauffüllung des Seehechtbestands in den ICES-Gebieten III, IV, V, VI und VII sowie VIII a, b, d, e und Vorschriften zur Überwachung der dort tätigen Fischereifahrzeuge, ABl. L 159 v. 15.06.2001, S. 4 ff. 419 Verordnung (EG) Nr. 1638/98 des Rates vom 20. Juli 1998 zur Änderung der Verordnung Nr. 136/66/EWG über die Errichtung einer gemeinsamen Marktorganisation für Fette, ABl. L 210 v. 28.07.1998, S. 32 ff. 420 Generalanwältin Kokott, Schlussanträge v. 17.01.2013, Inuit Tapiriit Kanatami u. a. / ​Parlament und Rat, Rs. C-583/11 P, EU:C:2013:625, Rn. 59 f. 421 K. Lenaerts, Le traité de Lisbonne et la protection juridictionnelle des particuliers en droit de l’Union, C. D. E. 2009, 711 (724); J. Wildemeersch / ​M. Wathelet, Recours en annulation, J. D. E. 3 (2012), 75 (79); s. auch E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband II, 2018, S. 1029 f. 422 Zum Begriff H. A. Petzold, Individualrechtsschutz an der Schnittstelle zwischen deutschem und Gemeinschaftsrecht, 2008, S. 19 ff. 423 C. Leeb, Alle Rechtsschutzlücken geschlossen?, ZfRV 2015, 4 (6); A. Kornezov, Locus Standi of Private Parties in Actions for Annulment, C. L. J. 73 (2014), 25 (263); L. Fromont  / ​ A. Van Waeyenberge, La protection juridictionnelle effective en Europe ou l’histoire d’une procession d’Echternach, C. D. E. 2015, 113 (122); schon zum Verfassungsvertrag H. Haukeland Fredriksen, Individualklagemöglichkeiten vor den Gerichten der EU nach dem Vertrag über eine Verfassung für Europa, ZEuS 2005, 99 (122). 424 J. Wildemeersch / ​M. Wathelet, Recours en annulation, J. D. E. 3 (2012), 75 (79). 425 R. Barents, The Court of Justice After the Treaty of Lisbon, CML Rev. 47 (2010), 709 (725). 426 W.  Cremer, in: Calliess / ​Ruffert (Hrsg.), EUV / ​AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 263 AEUV Rn. 59; J. Bast, New Categories of Acts After The Lisbon Reform, CML Rev. 49 (2012), 885 (888); M.  Geismann, in: von der Groeben u. a. (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl. 2015, Art. 288 AEUV Rn. 5.

166

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

Geltung der Plaumann-Formel bekräftigt, ist die Auslegung konsequent: Würde eine direkte Klagemöglichkeit gegen Verordnungen über Art. 263 Abs. 4 Var. 3 AEUV zugelassen, ohne dass die Kläger eine individuelle Betroffenheit nach den Plaumann-Kriterien nachweisen müssten, käme es zu einem erheblichen Ungleichgewicht im Verhältnis zur Anfechtbarkeit etwa eines drittgerichteten Beschlusses. Denn für diese konkret-individuelle Handlungsform wären Kläger immer noch auf Art. 263 Abs. 4 Var. 2 AEUV verwiesen und müssten eine individuelle Betroffenheit darlegen, während sie für Verordnungen davon befreit wären. Die Erweiterung des Zugangs nach Art. 263 Abs. 4 Var.  3 AEUV ist damit deutlich begrenzt.427 Insbesondere für im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren ergangene Verordnungen bleibt es beim „status quo“428. Zudem spielt die neue Variante für die hier untersuchten Umweltstreitigkeiten keine besondere Rolle, da sie von vornherein nur abstrakt-generelle Regelungen umfasst.429 Die Interpretation dieser Variante durch den Gerichtshof ist überdies so eng, dass von ihr auch keine Ausstrahlungswirkung auf die anderen Varianten der Nichtigkeitsklage nicht-privilegierter Kläger ausgeht. Insbesondere wären die Fälle Greenpeace und Danielsson auch unter Geltung des Lissabonner Vertrages nicht anders entschieden worden.430 II. Rechtsschutz im Verwaltungsverbund nach Art. 19 Abs. 1 UAbs. 2 EUV Art. 19 EUV ist eine in vielerlei Hinsicht grundlegende Bestimmung für den Rechtsschutz in der Union.431 Neben der „Wahrung des Rechts“ als zentraler Aufgabenzuweisung für die Unionsgerichte in Art. 19 Abs. 1 UAbs. 1 EUV, regelt Art. 19 427

In diesem Sinne J. Wildemeersch / ​M. Wathelet, Recours en annulation, J. D. E. 3 (2012), 75 (79). Sofern E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband II, 2018, S. 1023 ff., 1123 darin ohne Weiteres einen Verstoß gegen Art. 47 GRCh erblickt, übersieht er die Pro­ blematik der Ranggleichheit der beiden Vorschriften. Dagegen K. Lenaerts, Le traité de Lisbonne et la protection juridictionnelle des particuliers en droit de l’Union, C. D. E. 2009, 711 (728): „En tout de cause, et indépendamment de l’approche que la Cour décidera de suivre à l’avenir, il est indéniable que l’article 263, quatrième alinéa, TFUE contribue à l’amélioration de la protection juridictionnelle des particuliers.“ 428 K. Lenaerts, Le traité de Lisbonne et la protection juridictionnelle des particuliers en droit de l’Union, C. D. E. 2009, 711 (728); J. Wildemeersch / ​M. Wathelet, Recours en annulation, J. D. E. 3 (2012), 75 (79). 429 S. M.  Hedemann-Robinson, Enforcement of EU Environmental Law, Eur. Energy & Envtl. L. Rev. 24 (2015), 115 (123); iE auch E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband II, 2018, S. 998, 1027. 430 K. Lenaerts / ​J. A. Gutiérrez-Fons, The General System of EU Environmental Law Enforce­ ment, YEL 30 (2011), 3 (20); J. Jans / ​H. Vedder, European Environmental Law, 2012, S. 246; J. H.  Jans / ​J. Scott, The Convention on the Future of Europe, J. Envtl. L. 15 (2003), 323 (336). 431 M. Pechstein / ​P. Kubicki, in: Pechstein u. a. (Hrsg.), Frankfurter Kommentar EUV / ​GRC / ​ AEUV, 2017, Art. 19 EUV Rn. 1.

Kap. 4: Gerichtszugang im Primärrecht

167

Abs. 1 UAbs. 2 EUV das Verhältnis von Unionsgerichten und mitgliedstaatlichen Gerichten. Letztere sind Unionsgerichte im funktionalen Sinn.432 Mitgliedstaatliche und originäre Unionsgerichte stehen nicht unverbunden nebeneinander. Dreh- und Angelpunkt der Verbindung zwischen beiden Ebenen ist das Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV. Danach können (bzw. im Fall des Art. 267 Abs. 3 AEUV: müssen) die nationalen Gerichte den Unionsgerichten Fragen mit Unionsrechtsbezug vorlegen. Damit stehen beide Ebenen in einem Austauschverhältnis wie kommunizierende Röhren.433 Das Vorabentscheidungsverfahren ist ein „Instrument der Zusammenarbeit auf dem gemeinschaftlichen Parkett“434. Das durch Art. 19 Abs. 1 UAbs. 2 EUV gesteuerte Verhältnis der mitgliedstaatlichen und der europäischen Gerichte dient dem Gerichtshof als Argument in der Diskussion um die Plaumann-Rechtsprechung. 1. Zusammenspiel von direktem und indirektem Rechtsschutz Der Verweis auf Rechtsschutz durch die Mitgliedstaaten ist keine neue Erfindung des Lissabonner Vertragswerks. Ähnliche Formulierungen lassen sich schon früher in der Rechtsprechung des Gerichtshofs nachweisen.435 Bei Art. 19 Abs. 1 UAbs. 2 EUV handelt es sich damit um eine Kodifizierung der Rechtsprechung des Gerichtshofs.436 432

S. nur M. A. Dauses, Empfiehlt es sich, das System des Rechtsschutzes und der Gerichtsbarkeit in der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere die Aufgaben der Gemeinschaftsgerichte und der nationalen Gerichte, weiterzuentwickeln?, Gutachten D für den 60. Deutschen Juristentag, D 13; F. Schoch, Verwaltungsgerichtsbarkeit, quo vadis?, VBlBW 2013, 361 (369); C. Nowak, Rechtsschutz im europäischen Verwaltungsrecht, in: Terhechte (Hrsg.), VwR der EU, 2011, § 13, Rn. 24; A. Haratsch, Die kooperative Sicherung der Rechtsstaatlichkeit durch die mitgliedstaatlichen Gerichte und die Gemeinschaftsgerichte aus mitgliedstaatlicher Sicht, EuR-Beih. (3) 2008, 81 (83); K. Lenaerts, The Rule of Law and the Coherence of the Judicial System of the European Union, CML Rev. 44 (2007), 1625 (1645); dazu auch N. Fennelly, The National Judge as Judge of the European Union, in: Rosas u. a. (Hrsg.), The Court of Justice and the Construction of Europe, 2013, S. 61 ff.; T. Jaeger, Gerichtsorganisation und EU-Recht, EuR 2018, 611 (616). 433 K. Lenaerts, The Legal Protection of Private Parties Under the EC Treaty, in: Seminario giuridico della Università di Bologna (Hrsg.), FS Mancini, Volume II, 1998, S. 591 (595); dieses Bild findet sich auch etwa bei C. Calliess, Kohärenz und Konvergenz beim europäischen Individualrechtsschutz, NJW 2002, 3577 (3578); M. Nettesheim, Effektive Rechtsschutzgewährleistung im arbeitsteiligen System europäischen Rechtsschutzes, JZ 2002, 928 (932). 434 Generalanwalt Colomer, Schlussanträge v. 2.06.2009, Acoset, Rs. C-196/08, EU:C:2009:​ 332, Slg. 2009 I-9913, Rn. 41 Fn. 24. 435 EuGH, Urt. v. 25.07.2002, Unión de Pequeños Agricultores / ​Rat, Rs. C-50/00 P, EU:C:​ 2002:462, Slg.  2002 I-6619, Rn. 41; EuGH, Urt. v. 01.04.2004, Kommission / ​Jégo-Quéré, Rs. C-263/02 P, EU:C:2004:210, Slg. 2004 I-3425, Rn. 31. 436 Davon scheint der Gerichtshof selbst auszugehen, s. EuGH, Urt. v. 03.10.2013, Inuit Tapi­r iit Kanatami u. a. / ​Parlament und Rat, Rs. C-583/11 P, EU:C:2013:625, Rn. 101. Ebenso Generalanwalt Wathelet, Schlussanträge v. 29.05.2013, Stichting Woonlinie u. a. / ​Kommission, Rs.  C-133/12 P, EU:C:2013:336, Rn. 33; F. C.  Mayer, in: Grabitz u. a. (Hrsg.), EUV / ​

168

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

In der Union existiert in den Worten des Gerichtshofs ein „umfassendes Rechtsschutzsystem“437. Dieses setzt sich aus Direktklagen und dem Rechtsschutz durch die mitgliedstaatlichen Gerichte zusammen, wobei der Gerichtshof hier durch das Vorabentscheidungsverfahren einbezogen ist.438 Aus der Sicht des Gerichtshofs ist die „Wahrung des Rechts“ daher gemeinsame Aufgabe der mitgliedstaatlichen und originären Unionsgerichte.439 Zur Rechtsschutzgewährung sieht der Gerichtshof vornehmlich die mitgliedstaatlichen Gerichte in der Pflicht.440 Diese gestalten den Individualrechtsschutz in Unionsangelegenheiten über das nationale Verwaltungsprozessrecht.441 Damit spiegelt sich die dualistische Vollzugsstruktur des Unionsrechts über Art. 19 Abs. 1 UAbs. 2 EUV in der Aufteilung der gerichtlichen Zuständigkeiten bei der Gewährung von Individualrechtsschutz.442 Zugleich handelt es sich bei Art. 19 Abs. 1 UAbs. 2 EUV um eine spezielle Ausformung des Loyalitätsgrundsatzes aus Art. 4 Abs. 3 EUV für die mitgliedstaatlichen Gerichte.443 Die Nichtigkeitsklage übernimmt in diesem Zusammenhang die Rolle als „Schaltzentrale im Rechtsschutzverbund“444. Ihre hohen Zulässigkeitshürden fühAEUV, Art. 19 EUV (Juli 2010) Rn. 12; F. Schoch, Gerichtliche Verwaltungskontrollen, in: Hoffmann-Riem u. a. (Hrsg.), GVwR III, 2013, § 50, Rn. 372; P.  Thomy, Individualrechtsschutz durch das Vorabentscheidungsverfahren, 2009, S. 238; A.-M. Van den Bossche, Private Enforce­ment, Procedural Autonomy and Article 19(1) TEU, YEL 33 (2014), 41 (44); M. Berger, Unionsrechtliche Anforderungen an einen effektiven gerichtlichen Rechtsschutz für die Grundrechtsträger, ZÖR 2013, 563 (571); F. K.  Brockmann, Effektiver Rechtsschutz, 2014, S. 217; K. F. Gärditz, Europäisierter Umweltrechtsschutz als Laboratorium des Verwaltungsprozessrechts, EurUP 2015, 196 (204); J. Schwarze / ​N. Wunderlich, in: Becker u. a. (Hrsg.), EU-Kommentar, 4. Aufl. 2019, Art. 19 EUV Rn. 48. 437 EuGH, Urt. v. 23.04.1986, Les Verts / ​Parlament, Rs. 294/83, EU:C:1986:166, Slg. 1986, 1339, Rn. 23. Dazu B. Wegener, in: Calliess / ​Ruffert (Hrsg.), EUV / ​A EUV, 5. Aufl. 2016, Art. 19 EUV Rn. 42. 438 EuGH, Urt. v. 23.04.1986, Les Verts / ​Parlament, Rs. 294/83, EU:C:1986:166, Slg. 1986, 1339, Rn. 23. 439 EuGH, Gutachten v. 08.03.2011, Schaffung eines einheitlichen Patentgerichtssystems, 1/09, EU:C:2011:123, Slg. 2011 I-1137, Rn. 66; EuGH, Urt. v. 03.10.2013, Inuit Tapiriit Kanatami u. a. / ​Parlament und Rat, Rs. C-583/11 P, EU:C:2013:625, Rn. 99. S. dazu auch T. Jaeger, Gerichtsorganisation und EU-Recht, EuR 2018, 611 (615 ff.). 440 EuGH, Urt. v. 03.10.2013, Inuit Tapiriit Kanatami u. a. / ​Parlament und Rat, Rs. C-583/11 P, EU:C:2013:625, Rn. 102 ff. 441 Zu den Folgen für das deutsche Verwaltungsprozessrecht instruktiv W. Michl, Verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz in der Jacobs gap nach Maßgabe des Art. 19 I UAbs. 2 EUV, NVwZ 2014, 841 ff.; s. dazu auch T.  Giegerich / ​S . Lauer, Der Justizgewährleistungsanspruch in Europa, ZEuS 2014, 461 (472 ff.). 442 E.  Schmidt-Aßmann, Kohärenz und Konsistenz des Verwaltungsrechtsschutzes, 2015, S. 43; ähnlich C. Lacchi, Multilevel Judicial Protection in the EU and Preliminary References, CML Rev. 53 (2016), 679 (680). 443 EuGH, Urt. v. 01.04.2004, Kommission / ​Jégo-Quéré, Rs.  C-263/02 P, EU:C:2004:210, Slg. 2004 I-3425, Rn. 33; I. Pernice, The Right to Effective Judicial Protection and Remedies in the EU, in: Rosas u. a. (Hrsg.), The Court of Justice and the Construction of Europe, 2013, S. 381 (389); dazu auch C. Nowak, Rechtsschutz im europäischen Verwaltungsrecht, in: Terhechte (Hrsg.), VwR der EU, 2011, § 13, Rn. 24. 444 J. Saurer, Der Einzelne im europäischen Verwaltungsrecht, 2014, S. 165.

Kap. 4: Gerichtszugang im Primärrecht

169

ren dazu, dass der Großteil der Fälle zu den mitgliedstaatlichen Gerichten geleitet wird.445 Die Plaumann-Formel wirkt so wie „ein Trichter von Art. 263 Abs. 4 AEUV zu Art. 267 Abs. 1 lit. b AEUV“446. Vollständig außen vor ist der Gerichtshof also nicht, denn über das Vorabentscheidungsverfahren behält er die Zügel weiterhin in der Hand.447 Er sichert die Einheitlichkeit des Unionsrechts über das Vorabentscheidungsverfahren.448 Die Erklärungsversuche für die in Art. 19 Abs. 1 UAbs. 2 EUV aufgegangene Rechtsprechungslinie des Gerichtshofs sind vielfältig.449 Der Gerichtshof scheint eine Stellung als Obergericht in Unionsangelegenheiten in Anspruch zu nehmen.450 Ebenso wie das Gericht sind die mitgliedstaatlichen Gerichte damit Eingangsinstanz für Individualrechtsschutz. Der Gerichtshof braucht sich nicht mehr mit der Tatsachenfeststellung zu beschäftigen, sondern kann sich auf Rechtsfragen konzentrieren. 2. Indirekte Rechtsschutzoptionen als Argument in den Modellfällen Der Gerichtshof argumentierte auch im Fall Greenpeace mit dem Rechtsschutz durch die mitgliedstaatlichen Gerichte. Die Unzulässigkeit der Klage begründete der Gerichtshof doppelt: Neben der schon erörterten strikten Anwendung der Plaumann-Kriterien verwies der Gerichtshof auf das von den Klägern angestrengte Verfahren gegen die Baugenehmigung der Kraftwerke vor den spanischen Gerichten

445

J. Saurer, Der Einzelne im europäischen Verwaltungsrecht, 2014, S. 165; ähnlich M. Kottmann, Plaumanns Ende, ZaöRV 2010, 547 (554), der von einer „Kanalisierungsfunktion“ spricht. 446 U. Haltern, Europarecht, Band II, 2017, § 7 Rn. 512; s. auch E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband II, 2018, S. 862. 447 S. H. P. Nehl, Das EU-Rechtsschutzsystem, in: Fastenrath / ​Nowak (Hrsg.), Der Lissabonner Reformvertrag, 2009, S. 149 (158 f.). 448 K. Lenaerts, The Rule of Law and the Coherence of the Judicial System of the European Union, CML Rev. 44 (2007), 1625 (1642); V.  Skouris, Stellung und Bedeutung des Vorabentschei­dungsverfahrens im europäischen Rechtsschutzsystem, EuGRZ 2008, 343 (348); J. Schwarze / ​N. Wunderlich, in: Becker u. a. (Hrsg.), EU-Kommentar, 4. Aufl. 2019, Art. 267 AEUV Rn. 3. 449 Der Gerichtshof selbst hat sich dazu noch nicht verhalten, M. Eliantonio / ​C . W. Backes / ​ C. H.  van Rhee / ​T. N. B. M. Spronken / ​A . Berlee, Standing up for your right(s) in Europe, 2013, S. 39. Eine Übersicht möglicher Motive findet sich etwa bei U. Haltern, Europarecht, Band II, 2017, S. 509 ff.; C. Schönberger, Normenkontrollen im EG-Föderalismus, EuR 2003, 600 (608 ff.). 450 So schon H. Rasmussen, Why is Article 173 Interpreted against Private Plaintiffs?, E. L. Rev. 5 (1980), 112 (126): „[T]he European Court may well be shaping a European system of appellate jurisdiction, or something very like it“. In eine ähnliche Richtung E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband II, 2018, S. 862 f.; K. Lenaerts, The Rule of Law and the Coherence of the Judicial System of the European Union, CML Rev. 44 (2007), 1625 (1651). Dagegen U. Haltern, Europarecht und das Politische, 2005, S. 332.

170

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

wegen der fehlenden Umweltverträglichkeitsprüfung.451 Der Gerichtshof vertrat die Ansicht, dass, obwohl es sich bei der Baugenehmigung der nationalen Behörden und der Finanzierungsentscheidung der Kommission um zwei verschiedene Gegenstände handele, sich diese auf die gleichen Rechte stützten, die im vollen Umfang durch die nationalen Gerichte geschützt würden.452 Damit zog sich der Gerichtshof auf ein mögliches Vorabentscheidungsersuchen zurück.453 Im Ergebnis läuft die Haltung des Gerichtshofs darauf hinaus, dass der direkte Weg zu den Unionsgerichten über die Nichtigkeitsklage nur dann eröffnet ist, wenn kein Rechtsschutz durch die mitgliedstaatlichen Gerichte erlangt werden kann. Die Unmöglichkeit mitgliedstaatlichen Rechtsschutzes wird so zur ungeschrie­ benen Zulässigkeitsvoraussetzung der Nichtigkeitsklage.454 Damit setzt sich der Gerichtshof über die grundsätzliche Kritik von Generalanwalt G.  Cosmas hinweg, für den die „Möglichkeit, Rechtshilfe bei den nationalen Gerichten zu suchen, die Möglichkeit nicht ausschließt, die Rechtmäßigkeit einer Entscheidung eines Gemeinschaftsorgans unmittelbar vor dem Gemeinschaftsrichter in Frage zu stellen, wenn die Prozeßvoraussetzungen nach Art. 173 Absatz 4 des Vertrages [dem heutigen Art. 263 Abs. 4 AEUV] erfüllt sind“455.

Auch im Fall Danielsson spielte der Verweis auf indirekte Rechtsschutzoptionen eine Rolle. Die Kläger machten geltend, dass sie gegen die Gefahreneinschätzung der Kommission bezüglich der französischen Atomtests keinen Rechtsschutz vor den mitgliedstaatlichen Gerichten erlangen könnten.456 Dies wird von den Klägern im Beschluss des Gerichts nicht weiter begründet. Würde ihnen die Klagebefugnis abgesprochen, so die Kläger, sei ihr Recht auf rechtliches Gehör und eine wirksame Beschwerde verletzt.457 Das Gericht ließ diesen Einwand jedoch nicht gelten und wies darauf hin, dass eine Befassung der Gemeinschaftsgerichte nicht nur durch eine Direktklage möglich sei, sondern auch durch ein Vorabentscheidungsersuchen eines mitgliedstaatlichen Gerichts.458 Ganz offensichtlich ging das Gericht also

451

EuGH, Urt. v. 02.04.1998, Greenpeace u. a. / ​Kommission, Rs. C-321/95 P, EU:C:1998:153, Slg. 1998 I-1651, Rn. 32. 452 EuGH, Urt. v. 02.04.1998, Greenpeace u. a. / ​Kommission, Rs. C-321/95 P, EU:C:1998:153, Slg. 1998 I-1651, Rn. 33. 453 EuGH, Urt. v. 02.04.1998, Greenpeace u. a. / ​Kommission, Rs. C-321/95 P, EU:C:1998:153, Slg. 1998 I-1651, Rn. 33. 454 B. Wegener, Keine Klagebefugnis für Greenpeace und 18 andere, ZUR 1998, 131 (134). 455 Generalanwalt Cosmas, Schlussanträge v. 23.09.1997, Greenpeace u. a. / ​Kommission, Rs. C-321/95 P, EU:C:1997:421, Slg. 1998 I-1651, Rn. 71. 456 EuG, Beschl. v. 22.12.1995, Danielsson u. a. / ​Kommission, Rs. T-219/95 R, EU:T:1995:219, Slg. 1995 II-3051, Rn. 26. 457 EuG, Beschl. v. 22.12.1995, Danielsson u. a. / ​Kommission, Rs. T-219/95 R, EU:T:1995:219, Slg. 1995 II-3051, Rn. 27. 458 EuG, Beschl. v. 22.12.1995, Danielsson u. a. / ​Kommission, Rs. T-219/95 R, EU:T:1995:219, Slg. 1995 II-3051, Rn. 77. Das Gericht erwähnte in diesem Zusammenhang das Vorabentschei­ dungsverfahren nach Art. 150 EAGV.

Kap. 4: Gerichtszugang im Primärrecht

171

davon aus, dass eine Befassung der mitgliedstaatlichen Gerichte entgegen dem Vorbringen der Kläger nicht unmöglich war. 3. Rolle der mitgliedstaatlichen Gerichte und ihre Grenze Der Gerichtshof nimmt die mitgliedstaatlichen Gerichte über Art. 19 Abs. 1 UAbs. 2 EUV sehr weitgehend in die Pflicht. Dies kann auch Konstellationen des Eigenverwaltungsrechts umfassen. Im Folgenden sollen die funktionalen Grenzen der Heranziehung der mitgliedstaatlichen Gerichte herausgearbeitet werden. a) Kontrolle von Maßnahmen der Unionseigenverwaltung durch mitgliedstaatliche Gerichte Die mitgliedstaatlichen Richter sind „juge de droit commun“459. Parallel zur Vollzugstruktur des Unionsrechts tragen sie die Hauptlast der Rechtsschutz­ gewährung.460 Für mitgliedstaatliche Maßnahmen der Durchführung von Unionsrecht sind die nationalen Gerichte damit erste Anlaufstelle für die Erlangung von Rechtsschutz. Dies entspricht der parallelen Aufteilung von Verwaltungszuständigkeiten nach dem Trennungsprinzip und einer daran gekoppelten Rechtsprechungszuständigkeit.461 Hierbei handelt es sich jedoch lediglich um eine „Faustformel“462. Interessant sind vor allem die Fälle, in denen es zu einem Auseinanderfallen von Vollzug und Rechtsschutzgewährung kommt. Gemeint ist damit eine Maßnahme der Unionseigenverwaltung, die keines mitgliedstaatlichen Ausführungsrechtsakts bedarf, für die jedoch die sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergebenden Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Nichtigkeitsklage nicht erfüllt sind. Dies war etwa bei der schon besprochenen Finanzierungsentscheidung der Kommission in der Rechtssache Greenpeace der Fall. Und so lag auch die Rechtssachte Inuit, wo ein mitgliedstaatlicher Durchführungsrechtsakt nicht erforderlich war, die Zulässigkeit der Nichtigkeitsklage von den Unionsgerichten gleichwohl abgelehnt wurde.463 Das Auseinanderfallen von Vollzugsakt und Rechtsschutzzuständigkeit ist insoweit unschädlich, als Art. 19 Abs. 1 UAbs. 2 EUV die mitgliedstaatlichen Verwaltungsgerichte zur Gewährung von Rechtsschutz verpflichtet. Damit finden sich die mitgliedstaatlichen Gerichte in einer Situation wieder, in der sie Rechts 459 K. Lenaerts, The Rule of Law and the Coherence of the Judicial System of the European Union, CML Rev. 44 (2007), 1625 (1645). 460 J. Saurer, Der Einzelne im europäischen Verwaltungsrecht, 2014, S. 175. 461 T. Rademacher, Realakte im Rechtsschutzsystem der Europäischen Union, 2014, S. 311 f. S. auch C. Schönberger, Normenkontrollen im EG-Föderalismus, EuR 2003, 600 (612 f.). 462 A. Guckelberger, Effektiver Rechtsschutz nach Art. 47 GRCh, in: Jochum u. a. (Hrsg.), FS Wendt, 2015, S. 1165 (1173). 463 S. dazu oben Teil 2. Kapitel 4. B. I. 2. (S. 164 ff.).

172

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

schutz unmittelbar gegen Unionsrechtsakte gewähren müssen.464 Für den Vollzug von Unionsrecht durch deutsche Behörden ist vor diesem Hintergrund etwa eine erweiterte Auslegung der Feststellungsklage nach § 43 VwGO anerkannt.465 Handelt es sich um einen Unionsrechtsakt, der auch von der Unionsexekutive vollzogen wird, muss das nationale Gericht als Konsequenz von Art. 19 Abs. 1 UAbs. 2 EUV mangels Direktklagemöglichkeit auch in eigentlich rein unionsinternen Angelegenheiten entscheiden. Angesichts des klaren Wortlauts von Art. 19 Abs. 1 UAbs. 2 EUV lässt sich nicht argumentieren, dass den mitgliedstaatlichen Gerichten in diesen Fällen die Zuständigkeit fehle.466 Ausnahmen lässt Art. 19 Abs. 1 UAbs. 2 EUV erkennbar nicht zu.467 b) Grenzen der Heranziehung mitgliedstaatlicher Gerichte für Maßnahmen des Eigenverwaltungsrechts In einem Verbund mehrerer gerichtlicher Ebenen kommt es entscheidend auf die Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung an. Die Wahrung der Rechts­ einheit ist daher auch zentrales Motiv für die Existenz des Vorabentscheidungsverfahrens.468 Der Gerichtshof beansprucht die alleinige Entscheidungsbefugnis über die letztgültige Auslegung und Geltung des Unionsrechts für sich. Deshalb ist es

464

T. Rademacher, Realakte im Rechtsschutzsystem der Europäischen Union, 2014, S. 314. So etwa J.-D. Braun / ​M. Kettner, Die Absage des EuGH an eine richterrechtliche Reform des EG-Rechtsschutzsystems, DÖV 2003, 58 (65); W. Cremer, Gemeinschaftsrecht und deutsches Verwaltungsprozessrecht, Die Verwaltung 37 (2004), 165 (182); M. Köngeter, Erweiterte Klageberechtigung bei Individualnichtigkeitsklagen gegen EG-Verordnungen?, NJW 2002, 2216 (2217). Zum Problem, dass eventuell nicht alle Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten so flexible Rechtsbehelfe wie die deutsche Feststellungsklage kennen E. Schulte, Individualrechtsschutz gegen Normen im Gemeinschaftsrecht, 2005, S. 188 f. 466 S. zu diesem Argument etwa W.  Cremer, Gemeinschaftsrecht und deutsches Verwaltungsprozessrecht, Die Verwaltung 37 (2004), 165 (183); P. Thomy, Individualrechtsschutz durch das Vorabentscheidungsverfahren, 2009, S. 136. Deutlich dagegen E. Schmidt-Aßmann, Verfassungsprinzipen für den Europäischen Verwaltungsverbund, in: Hoffmann-Riem u. a. (Hrsg.), GVwR I, 2012, § 5, Rn. 82 nach dem im Eigenverwaltungsrecht der Union ein „Rückverweis an das mitgliedstaatliche Recht von vornherein nicht in Betracht kommt“. Ähnlich J. Saurer, Individualrechtsschutz gegen das Handeln der Europäischen Agenturen, EuR 2010, 51 (52). 467 So auch T. Rademacher, Realakte im Rechtsschutzsystem der Europäischen Union, 2014, S. 314 f. 468 EuGH, Urt. v. 16.01.1974, Rheinmühlen Düsseldorf / ​Einfuhr- und Vorratsstelle für Getreide und Futtermittel, Rs. 166/73, EU:C:1974:3, Slg. 1974, 33, Rn. 2; EuGH, Urt. v. 24.03.1977, Hoffmann-La Roche / ​Centrafarm Rs. 107/76, EU:C:1977:89, Slg. 1977, 957, Rn. 5; J. Kokott, § 103 Zusammenwirken der Gerichte in Europa, in: Kube u. a. (Hrsg.), FS Kirchhof, 2013, S. 1097 (1099 Rn. 7). Zur (abweichenden) Funktion des konkreten Normenkontrollverfahrens nach Art. 100 GG R. Wernsmann, Das Vorabentscheidungsverfahren im europäischen Verwaltungsverbund, in: Schenke / ​Suerbaum (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Europäischen Union, 2016, S. 147 (149 f.). 465

Kap. 4: Gerichtszugang im Primärrecht

173

„aus Gründen der Rechtseinheit den mitgliedstaatlichen Gerichten grundsätzlich verwehrt […], einen EG-Hoheitsakt aufzuheben oder in einem konkreten Verfahren nicht anzuwenden“469.

Diese Linie des Gerichtshofs ist nach dem gleichnamigen Urteil als Foto-​ Frost-Doktrin bekannt.470 Einschränkungen nimmt der Gerichtshof lediglich für den Fall eines acte éclairé 471, also eines gleichgelagerten Parallelfalls, und für einen acte clair472 hin. Diese Ausnahmen gelten nur für Auslegungsfragen nach Art. 267 Abs. 1 lit. a AEUV,473 nicht jedoch für die Gültigkeitsfragen nach Art. 267 Abs. 1 lit. b AEUV.474 Damit besteht jedenfalls in Gültigkeitsfragen eine faktische Pflicht zur Vorlage für alle mitgliedstaatlichen Gerichte.475 Dies verdeutlicht die systemimmanenten Probleme des Vorabentscheidungsverfahrens:476 Insbesondere in Gültigkeitsfragen lässt sich ein Verweis auf die mitgliedstaatlichen Gerichte kaum rechtfertigen.477 Ohne nationale Ausführungsrechtsakte gerät das mitgliedstaatliche Verfahren zu einem „Vehikel zur Justizia­bilisierung“478. In diesen Fällen fehlt jeder Bezug zur mitgliedstaatlichen Rechtsordnung und da 469

E. Schmidt-Aßmann, Empfiehlt es sich, das System des Rechtsschutzes und der Gerichtsbarkeit in der Europäischen Gemeinschaft weiterzuentwickeln?, JZ 1994, 832 (836) [Hervorhebung im Original]. 470 EuGH, Urt. v. 22.10.1987, Foto-Frost / ​Hauptzollamt Lübeck-Ost, Rs.  314/85, EU:C:​ 1987:452, Slg. 1987, 4199, Rn. 15 ff. 471 EuGH, Urt. v. 27.03.1963, Da Costa en Schaake NV u. a. / ​Administratie der Belastingen Verb. Rs. 28 bis 30/62, EU:C:1963:6, Slg. 1963, 61 (80 f.); EuGH, Urt. v. 06.10.1982, CILFIT / ​ Ministero della Sanità Rs. 283/81, EU:C:1982:335, Slg. 1982, 3415, Rn. 13 f. 472 EuGH, Urt. v. 06.10.1982, CILFIT / ​Ministero della Sanità Rs. 283/81, EU:C:1982:335, Slg. 1982, 3415, Rn. 16. 473 Generalanwalt Jacobs, Schlussanträge v. 21.03.2002, Unión de Pequeños Agricultores / ​ Rat, Rs. C-50/00 P, EU:C:2002:197, Slg. 2002, I-6681, Rn. 41; anders wohl B. Wegener, in: Calliess / ​Ruffert (Hrsg.), EUV / ​AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 267 AEUV Rn. 33. 474 S.  EuGH, Urt. v. 22.10.1987, Foto-Frost / ​Hauptzollamt Lübeck-Ost, Rs.  314/85, EU:C:​ 1987:452, Slg. 1987, 4199, Rn. 17 ff. 475 L. Allkemper, Rechtsschutz des einzelnen nach dem EG-Vertrag, 1995, S. 170; M. Nettesheim, Effektive Rechtsschutzgewährleistung im arbeitsteiligen System europäischen Rechtsschutzes, JZ 2002, 928 (933 f.); E. Schmidt-Aßmann, Kohärenz und Konsistenz des Verwaltungsrechtsschutzes, 2015, S. 120. 476 Kritisch zum Vorabentscheidungsverfahren auch I. Karper, Reformen des europäischen Gerichts- und Rechtsschutzsystems, 2011, S. 92 f.; M. Eliantonio / ​C . W. Backes / ​C . H.  van Rhee / ​ T. N. B. M. Spronken / ​A . Berlee, Standing up for your right(s) in Europe, 2013, S. 25 ff. 477 Generalanwalt Jacobs, Schlussanträge v. 21.03.2002, Unión de Pequeños Agricultores / ​ Rat, Rs. C-50/00 P, EU:C:2002:197, Slg. 2002, I-6681, Rn. 41; kritisch auch L. Fromont / ​A . Van Waeyenberge, La protection juridictionnelle effective en Europe ou l’histoire d’une procession d’Echternach, C. D. E. 2015, 113 (126). 478 T. Rademacher, Realakte im Rechtsschutzsystem der Europäischen Union, 2014, S. 315. Die Provokation eines nationalen Verbotsakts durch Zuwiderhandeln herbeizuführen ist für die Einzelnen nicht zumutbar, Generalanwalt Jacobs, Schlussanträge v. 21.03.2002, Unión de Pequeños Agricultores / ​Rat, Rs.  C-50/00 P, EU:C:2002:197, Slg.  2002, I-6681, Rn. 43; M. Nettesheim, Effektive Rechtsschutzgewährleistung im arbeitsteiligen System europäischen Rechtsschutzes, JZ 2002, 928 (933).

174

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

mit der Anknüpfungspunkt für eine Befassung der mitgliedstaatlichen Gerichte.479 Das mitgliedstaatliche Gericht besitzt fast keinen Handlungsspielraum, sondern ist darauf beschränkt, Prozessmaterial für ein Vorabentscheidungsersuchen aufzubereiten. Der Gang zum nationalen Verwaltungsgericht wird damit zum überflüssigen Umweg, der geeignet ist, Vorurteile gegenüber einer bürgerfernen Union zu bestätigen.480 Die ganze Problematik offenbart sich auch im Modellfall Greenpeace. Der Gerichtshof verkennt hier, dass die von den nationalen Behörden erteilte Baugenehmigung klar von der Finanzierungsentscheidung der Kommission, um die es den Klägern im Verfahren vor den Unionsgerichten eigentlich ging, zu trennen ist.481 Für eine Befassung der mitgliedstaatlichen Gerichte mit der Finanzierungs­ entscheidung der Kommission fehlt jeder Bezug zum nationalen Recht.482 Gerade die Foto-Frost-Doktrin führt nämlich dazu, dass dem nationalen Gericht keine andere Möglichkeit bleibt, als die Sache umgehend dem Gerichtshof vorzulegen.483 Der Fall Greenpeace steht damit paradigmatisch für die Notwendigkeit direkten Rechtsschutzes durch die Unionsgerichte im Eigenverwaltungsrecht.484 Zudem ist es wenig sinnvoll, die Prüfung einer Maßnahme des Eigenverwaltungsrechts vom mitgliedstaatlichen Prozessrecht abhängig zu machen.485 Dennoch wird die Kombination von restriktivem Direktzugang und Vorab­ entscheidungsverfahren als Muster von „judicial subsidiarity“486 gelobt. Entscheidungen würden so näher bei den Bürgern getroffen.487 Gerade für Maßnahmen der

479 S. E.  Storskrubb / ​J.  Ziller, Access to Justice in European Comparative Law, in: Francioni (Hrsg.), Access to Justice, 2007, S. 177 (196); T.  Giegerich / ​S . Lauer, Der Justizgewährleistungsanspruch in Europa, ZEuS 2014, 461 (468); V. Götz, Individuelle Betroffenheit als Klage­voraussetzung gegen EG-VO, DVBl 2002, 1348 (1351). 480 In diese Richtung schon C. Calliess, Kohärenz und Konvergenz beim europäischen Individualrechtsschutz, NJW 2002, 3577 (3581). 481 F. Berrod, Case C-321/95 P, Stichting Greenpeace Council (Greenpeace International) and others v. Commission, Judgment of 2 April 1998, ECR [1998] I-1651. Order of the Court of First Instance in Case T-585/93, Stichting Greenpeace Council and others v. Commission, [1995] ECR II-2205, CML Rev. 36 (1999), 635 (134). 482 Generalanwalt Cosmas, Schlussanträge v. 23.09.1997, Greenpeace u. a. / ​Kommission, Rs. C-321/95 P, EU:C:1997:421, Slg. 1998 I-1651, Rn. 74; ebenso R. Williams, Enforcing European Environmental Law, YbEEL 2 (2002), 271 (277). 483 A.  Ward, Judicial Review and the Rights of Private Parties in EU Law, 2007, S. 328; s. auch S. Schikhof, Direct and Individual Concern in Environmental Cases, EELR 1998, 276 (279). 484 S. B. Wegener, Keine Klagebefugnis für Greenpeace und 18 andere, ZUR 1998, 131 (134). 485 S. Pernice-Warnke, Effektiver Zugang zu Gericht, 2009, S. 126; s. auch A. Arnull, Private applicants and the action for annulment since Codorniu, CML Rev. 38 (2001), 7 (51). 486 S. Bogojević, Judicial Protection of Individual Applicants Revisited, YEL 34 (2015), 5 (20). Zum Begriff P. Gilliaux, L’arrêt Unión de Pequeños Agricultores, C. D. E. 2003, 177 (183 ff.). 487 Dagegen G.  Vandersanden, Pour un élargissement du droit des particuliers d’agir en annulation contre des actes autres que les décisions qui leur sont adressées, C. D. E. 1995, 535 (548).

Kap. 4: Gerichtszugang im Primärrecht

175

Unionseigenverwaltung trifft dies jedoch nicht zu: Der Gedanke der Subsidiarität, der in Art. 5 Abs. 3 EUV Niederschlag gefunden hat, besitzt nämlich eine Kehrseite, die allzu häufig unterschlagen wird. Das Prä für die Mitgliedstaaten gilt nur, soweit diese die Ziele besser erreichen können als die Unionsebene.488 Für Maßnahmen des Eigenverwaltungsrechts trifft dies gerade nicht zu, da den mitgliedstaatlichen Gerichten wegen der Foto-Frost-Doktrin nichts anderes übrigbleibt, als die Sache dem Gerichtshof vorzulegen. Hier streitet das Subsidiaritätsprinzip im Gegenteil für eine direkte Befassung der Unionsgerichte.489 4. Unzulänglichkeit des Vorabentscheidungsverfahrens als Individualrechtsbehelf Das Vorabentscheidungsverfahren dient in erster Linie der Sicherung der Rechtseinheit und damit objektiven Kontrollzwecken.490 Daneben tritt die individualschützende Funktion des Vorabentscheidungsverfahrens.491 Prüfungsmaßstab für das durch ein Vorabentscheidungsersuchen ausgelöste Zwischenverfahren vor dem Gerichtshof ist das gesamte Unionsrecht.492 Seinen individualrechtsschützenden Charakter erhält das Vorabentscheidungsverfahren, ähnlich der Nichtigkeitsklage, durch die implizite Überprüfung individualschützender Rechte als Nebeneffekt der objektiven Rechtskontrolle. Sollte dies jedoch richtig sein und das Vorabentscheidungsverfahren als Ausgleich für den restriktiven Direktzugang dienen, zeigen

488 C. Bickenbach, Das Subsidiaritätsprinzip in Art. 5 EUV und seine Kontrolle, EuR 2013, 523 (527); A.-M. Van den Bossche, Private Enforcement, Procedural Autonomy and Article 19(1) TEU, YEL 33 (2014), 41 (42). 489 Ebenso C.-D.  Munding, Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz, 2010, S. 547 f.; da­ gegen I. Karper, Reformen des europäischen Gerichts- und Rechtsschutzsystems, 2011, S. 136; D. Waelbroeck / ​A .-M. Verheyden, Les conditions de recevabilité des recours en annulation des particuliers contre les actes normatifs communautaires, C. D. E. 1995, 399 (435); s. auch H. Kirchhoff, Individualrechtsschutz im Europäischen Gemeinschaftsrecht, 2005, S. 194. Anders auch P. Nihoul, La recevabilité des recours en annulation introduits par un particulier à l’encontre d’un acte communautaire de portée générale, RTD Eur. 30 (1994), 171 (194): „Il est en effet plus facile pour le particulier de saisir le juge national, qui demandera la coopération de la Cour s’il a besoin de l’interprétation ou de l’appréciation de validité d’une règle com­ munautaire pour trancher le litige.“ 490 S. J.  Schwarze, Der Rechtsschutz Privater vor dem Europäischen Gerichtshof, DVBl 2002, 1297 (1303) für den die Rechtsschutzgewährleistung als Funktion neben die objektive Rechtskontrolle tritt. 491 V. Skouris, Stellung und Bedeutung des Vorabentscheidungsverfahrens im europäischen Rechtsschutzsystem, EuGRZ 2008, 343 (343); P. Thomy, Individualrechtsschutz durch das Vorabentscheidungsverfahren, 2009, S. 48; J. Schwarze / ​N. Wunderlich, in: Becker u. a. (Hrsg.), EU-Kommentar, 4. Aufl. 2019, Art. 267 AEUV Rn. 5; dagegen M.  Pechstein  / ​P.  ­Kubicki, in: Pechstein u. a. (Hrsg.), Frankfurter Kommentar EUV / ​GRC / ​AEUV, 2017, Art. 19 EUV Rn. 17. 492 B.  Wegener, in: Calliess / ​Ruffert (Hrsg.), EUV / ​AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 267 AEUV Rn. 14.

176

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

sich gerade hier Unzulänglichkeiten:493 Die Vorlage an den Gerichtshof ist für die Einzelnen – jedenfalls unionsrechtlich494 – nicht einklagbar.495 Die Vorlagepflicht der mitgliedstaatlichen Gerichte liegt nicht im individuellen Interesse,496 sondern, der Natur des Verfahrens entsprechend, in der Wahrung der Rechtseinheit. Ohne die Möglichkeit der Einzelnen, eine Vorlage an den Gerichtshof zu erwirken, taugt das Vorabentscheidungsverfahren nicht als Ausgleich der Restriktionen der Nichtigkeitsklage.497 Daneben zeugt auch die Natur des Vorabentscheidungsverfahrens von seiner Unzulänglichkeit: Es handelt sich hierbei lediglich um ein Zwischenverfahren im mitgliedstaatlichen Verwaltungsprozess,498 das der Kooperation der mitgliedstaatlichen Gerichte mit den Unionsgerichten dient.499 Dadurch zieht sich das Verfahren insgesamt in die Länge.500 Eine längere Verfahrensdauer ist nicht an sich 493

In diesem Sinne auch E.  Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband II, 2018, S. 913 ff., 1121. 494 Über das deutsche Verfassungsrecht besteht die Möglichkeit, bei einer Unterlassung der Vorlage eine Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG zu rügen, s. BVerfGE 4, 7 (366 ff.); BVerfGE 82, 159 (192 ff.). S. dazu P. Thomy, Individualrechtsschutz durch das Vorabentscheidungsverfahren, 2009, S. 142 ff. 495 M. Pechstein / ​P. Kubicki, in: Pechstein u. a. (Hrsg.), Frankfurter Kommentar EUV / ​GRC / ​ AEUV, 2017, Art. 19 EUV Rn. 17; R. Streinz, Individualrechtsschutz im Kooperationsverhältnis, EuZW 2014, 17 (21); T.  Giegerich / ​S . Lauer, Der Justizgewährleistungsanspruch in Europa, ZEuS 2014, 461 (471 f.); C. Lacchi, Multilevel Judicial Protection in the EU and Preliminary References, CML Rev. 53 (2016), 679 (680); L.  Fromont / ​A .  Van Waeyenberge, La protection juridictionnelle effective en Europe ou l’histoire d’une procession d’Echternach, C. D. E. 2015, 113 (127); B. de Witte, The Past and Future Role of the European Court of Justice in the Protection of Human Rights, in: Alston (Hrsg.), The EU and Human Rights, 1999, S. 859 (877); R. Mastroianni / ​A . Pezza, Striking the Right Balance, Am. U. Int’l L. Rev. 30 (2015), 743 (774 ff.). Kritisch Generalanwalt Jacobs, Schlussanträge v. 21.03.2002, Unión de Pequeños Agricultores / ​Rat, Rs. C-50/00 P, EU:C:2002:197, Slg. 2002, I-6681, Rn. 43; F. Jacobs, Access to justice as a fundamental right in European law, in: Rodriguez Iglesias u. a. (Hrsg.), FS Schockweiler, 1999, S. 197 (205); H. Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, 3. Aufl. 2013, Art. 19 IV Rn. 23. 496 M. Pechstein / ​P. Kubicki, in: Pechstein u. a. (Hrsg.), Frankfurter Kommentar EUV / ​GRC / ​ AEUV, 2017, Art. 19 EUV Rn. 18 Fn. 29, die aber darauf verweisen, dass eine Rechtsbetroffenheit Einzelner für einen staatshaftungsrechtlichen Anspruch bedeutsam sein kann, s. EuGH, Urt. v. 30.10.2003, Köbler, Rs. C-224/01, EU:C:2003:513, Slg. 2003 I-10239, Rn. 51. 497 R. Mastroianni / ​A . Pezza, Striking the Right Balance, Am. U. Int’l L. Rev. 30 (2015), 743 (772 ff.); anders J. Gundel, Rechtsschutzlücken im Gemeinschaftsrecht?, VerwArch 92 (2001), 81 (104 f.). 498 P. Thomy, Individualrechtsschutz durch das Vorabentscheidungsverfahren, 2009, S. 51; R. Wernsmann, Das Vorabentscheidungsverfahren im europäischen Verwaltungsverbund, in: Schenke / ​Suerbaum (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Europäischen Union, 2016, S. 147 (149). 499 R. Mastroianni / ​A . Pezza, Striking the Right Balance, Am. U. Int’l L. Rev. 30 (2015), 743 (780). 500 Kritisch dazu auch T. von Danwitz, Die Garantie effektiven Rechtsschutzes im Recht der Europäischen Gemeinschaft, NJW 1993, 1108 (1113); M. Brenner, Allgemeine Prinzipien des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes in Europa, Die Verwaltung 31 (1998), 1 (19).

Kap. 4: Gerichtszugang im Primärrecht

177

problematisch. Anders liegt der Fall jedoch, wenn die längere Verfahrensdauer aus einem Umweg über ein Verfahren vor den mitgliedstaatlichen Gerichten mit zweifelhafter Funktion resultiert.501 Dazu kommt noch, dass die Pflicht zur Vorlage gem. Art. 267 Abs. 3 AEUV erst die letztinstanzlichen mitgliedstaatlichen Gerichte trifft. Im Extremfall müssen die Einzelnen den gesamten Instanzenzug ausschöpfen, bevor es zu einer Vorlage kommt.502 Dies belastet sie zusätzlich mit einem hohen Kostenrisiko.503 Das Vorabentscheidungsersuchen kann zudem präkludiert sein. Dies ist nach dem Gerichtshof dann der Fall, wenn es den Klägern zweifellos möglich gewesen wäre, gegen den Rechtsakt der Union mit einer Nichtigkeitsklage vorzugehen.504 Wurde dies trotz Kenntnis des Rechtsakts versäumt, erwächst dieser mit Ablauf der Klagefrist von Art. 263 Abs. 6 AEUV in Bestandskraft und fällt als Gegenstand eines Vorabentscheidungsersuchens aus.505 Diese Rechtsprechung mag ihre Rechtfertigung im Gesichtspunkt der Rechtsicherheit finden,506 überträgt aber den Klägern die höchst undankbare Aufgabe, abzuschätzen, ob eine Nichtigkeitsklage zulässig wäre.507 Daran ändert auch die Ausnahme des Gerichtshofs für Fälle, in denen Zweifel an der Zulässigkeit bestehen,508 wenig. Denn das Risiko bleibt selbst unter Berücksichtigung dieses Zugeständnisses bei den Einzelnen.509 Damit werden die Einzelnen verleitet, präventiv beide Wege zu beschreiten, um dem Vorhalt der Präklusion zu entgehen.510 501 Anders M. Ottaviano, Der Anspruch auf rechtzeitigen Rechtsschutz im Gemeinschaftsprozessrecht, 2009, S. 175 ff.; J. Gundel, Rechtsschutzlücken im Gemeinschaftsrecht?, VerwArch 92 (2001), 81 (101 ff.). 502 A. Bleckmann, Zur Klagebefugnis für die Individualklage vor dem Europäischen Gerichtshof, in: Erichsen u. a. (Hrsg.), FS Menger, 1985, S. 871 (873). 503 Generalanwalt Jacobs, Schlussanträge v. 21.03.2002, Unión de Pequeños Agricultores / ​ Rat, Rs.  C-50/00 P, EU:C:2002:197, Slg.  2002, I-6681, Rn. 44; D.  Waelbroeck / ​A .-M.  Ver­ heyden, Les conditions de recevabilité des recours en annulation des particuliers contre les actes normatifs communautaires, C. D. E. 1995, 399 (435); in diese Richtung auch G. Vandersanden, Pour un élargissement du droit des particuliers d’agir en annulation contre des actes autres que les décisions qui leur sont adressées, C. D. E. 1995, 535 (549 f.). 504 EuGH, Urt. v. 09.03.1994, TWD / ​Bundesrepublik Deutschland, Rs.  C-188/92, EU:C:​ 1994:90, Slg. 1994 I-833, Rn. 24. 505 EuGH, Urt. v. 09.03.1994, TWD / ​Bundesrepublik Deutschland, Rs.  C-188/92, EU:C:​ 1994:90, Slg. 1994 I-833, Rn. 25 f. 506 EuGH, Urt. v. 09.03.1994, TWD / ​Bundesrepublik Deutschland, Rs.  C-188/92, EU:C:​ 1994:90, Slg. 1994 I-833, Rn. 25. 507 S. H. A. Petzold / ​N. Schmidt-Carstens, Immer noch: Offene Fragen zu Art. 263 Abs. 4 AEUV? – Anmerkung zum Urteil des EuGH v. 6.11.2018, verb. Rs. C-622/16 P bis C-624/16 P, EuR 2019, 132 (145 f.). 508 EuGH, Urt. v. 08.03.2007, Roquette Frères, Rs.  C-441/05, EU:C:2007:150, Slg.  2007 I-1993, Rn. 48. 509 Anders J. Gundel, Rechtsschutzlücken im Gemeinschaftsrecht?, VerwArch 92 (2001), 81 (97 f.). 510 Dies raten etwa H. A.  Petzold / ​N.  Schmidt-Carstens, Immer noch: Offene Fragen zu Art. 263 Abs. 4 AEUV? – Anmerkung zum Urteil des EuGH v. 6.11.2018, verb. Rs. C-622/16 P bis C-624/16 P, EuR 2019, 132 (145 f.).

178

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

5. Folgerungen Art. 19 Abs. 1 UAbs. 2 EUV trägt den Mitgliedstaaten die Schaffung von Rechtsbehelfen in vom Unionsrecht erfassten Bereichen auf. Damit ist aber nicht gemeint, dass die Mitgliedstaaten allein zuständig wären. Vielmehr trifft die Union und die Mitgliedstaaten die gemeinsame Verantwortung zur Gewährung von Rechtsschutz.511 Das schließt eine pauschale Übertragung der Verantwortung auf die Mitgliedstaaten aus.512 Sicherlich spricht einiges dafür, dass sich zunächst nationale Gerichte mit mitgliedstaatlichen Vollzugsmaßnahmen befassen. Schließlich können auch schon rein nationale Gründe für eine Aufhebung bestehen. In einem solchen Fall dezentraler Prüfung übernimmt das Vorabentscheidungsverfahren die wichtige Aufgabe der Sicherung der kohärenten Anwendung des Unionsrechts. Hier trifft deshalb auch die Argumentation mit dem Subsidiaritätsprinzip den entscheidenden Punkt. Gerade für Maßnahmen der Unionseigenverwaltung geht der Verweis auf Art. 19 Abs. 1 UAbs. 2 EUV aber fehl. Wegen der notwendigen, da Kohärenz sichernden Foto-Frost-Doktrin erweist sich der Gang vor die mitgliedstaatlichen Verwaltungsgerichte als bloßer Umweg, der mit zusätzlichen prozessualen Hürden gespickt ist. Ganz nebenbei begibt sich die Union damit in eine Abhängigkeit von einem funktionierenden Rechtsschutzsystem in den Mitgliedstaaten.513 Die Befassung mitgliedstaatlicher Gerichte mit Maßnahmen des Eigenverwaltungsgerichts entlastet die Unionsgerichte nicht wesentlich. Die unionsrechtlichen Streitpunkte werden dem Gerichtshof bloß nicht im Gewand einer Nichtigkeitsklage angetragen, sondern eingekleidet in ein Vorabentscheidungsersuchen. Nicht ohne Grund wurde schon mit Blick auf die Vielzahl der Ersuchen festgestellt, dass das Vorabentscheidungsverfahren „Opfer seines eigenen Erfolges“514 wurde. Zudem wird der Instanzenzug aus Gericht und Gerichtshof ausgehöhlt: Während für Nichtigkeitsklagen nichtprivilegierter Kläger gem. Art. 256 Abs. 1 Satz 1 AEUV zunächst das Gericht zuständig ist, sind Vorabentscheidungsverfahren dem Gerichts-

511

S. K.-P.  Sommermann, Entwicklungsperspektiven der Verwaltungsgerichtsbarkeit, in: Sommermann / ​Schaffarzik (Hrsg.), Handbuch der Geschichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit, 2019, S. 1991 (2002). 512 Hervorgehoben auch von E. Schmidt-Aßmann, Kohärenz und Konsistenz des Verwaltungsrechtsschutzes, 2015, S. 47 f. 513 F. Jacobs, Access to justice as a fundamental right in European law, in: Rodriguez Iglesias u. a. (Hrsg.), FS Schockweiler, 1999, S. 197 (205); U. Everling, Rechtsschutz im europäischen Wirtschaftsrecht, in: Schwarze (Hrsg.), Der Verfassungsentwurf des Europäischen Konvents, 2004, S. 363 (370); I.  Karper, Reformen des europäischen Gerichts- und Rechtsschutzsystems, 2011, S. 99. Gerade im Umweltrechtsschutz würde das bedeuten, auf den seinerseits sehr restriktiven deutschen Ansatz zu setzen, E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband II, 2018, S. 967. 514 J. Schwarze, Der Rechtsschutz Privater vor dem Europäischen Gerichtshof, DVBl 2002, 1297 (1304).

Kap. 4: Gerichtszugang im Primärrecht

179

hof zugeordnet. Dies trägt weder zu einer sinnvollen Verteilung der begrenzten Rechtsprechungskapazitäten noch zu einer zügigen Entscheidung bei. Dabei liegt diese ebenso im Interesse der klagenden Einzelnen wie auch der Unionsgerichte selbst. Gerade, wenn es der Union vornehmlich um eine objektive Verwaltungskontrolle geht, sind die Restriktionen des direkten Rechtsschutzes und die zeit- und ressourcenraubenden Umwege beim Rechtsschutz gegen Maßnahmen des Eigenverwaltungsrechts wenig verständlich.515 Dies gilt umso mehr als effektiver Rechtsschutz kein Selbstzweck ist. Schließlich dient effektiver Rechtsschutz nicht zuletzt auch der Sicherung einer effektiven Anwendung des Unionsrechts.516 Während es also durchaus sinnvoll ist, dass mitgliedstaatliche Maßnahmen mit Unionsbezug primär durch nationale Gerichte überprüft werden und sich der Gerichtshof auf Kohärenzsicherung konzentriert, überzeugt diese Verteilung der Rechtsschutzgewährung für das Eigenverwaltungsrecht nicht.517 Vielmehr liefert sie Munition für Verdruss über das vermeintlich „ferne Brüssel“.518 III. Ergebnis Die Restriktionen der Plaumann-Formel werden kaum durch alternative Rechtsschutzoptionen kompensiert. Art. 263 Abs. 4 Var.  3 AEUV erlässt nichtprivile­ gierten Klägern die Darlegung einer individuellen Betroffenheit. Der Anwendungsbereich dieser Variante ist jedoch überschaubar. So bleibt die Bedeutung der Plaumann-Formel weitgehend ungeschmälert. Auch indirekte Rechtsschutzmöglichkeiten verbessern die Situation nicht signifikant. Rechtsschutz durch mitgliedstaatliche Gerichte ist nur dann angezeigt, wenn eine mitgliedstaatliche Umsetzungsmaßnahme mit Unionsrechtsbezug existiert. Dann gewährleistet der Gerichtshof über das Vorabentscheidungsverfahren die Kohärenz bei der Auslegung und Anwendung des Unionsrechts. Für Maßnahmen

515

Ebenso D.  Waelbroeck / ​A .-M.  Verheyden, Les conditions de recevabilité des recours en annulation des particuliers contre les actes normatifs communautaires, C. D. E. 1995, 399 (434). 516 H. D.  Jarass, Bedeutung der EU-Rechtsschutzgewährleistung für nationale und EUGerichte, NJW 2011, 1393 (1393); M. Safjan / ​D. Düsterhaus, A Union of Effective Judicial Protection, YEL 33 (2014), 3 (37); angedeutet in EuGH, Urt. v. 5.03.1996, Brasserie du pêcheur / ​ Deutschland und The Queen / ​Factortame u. a., Verb. Rs. C-46/93 und C-48/93, EU:C:1996:79, Slg. 1996 I-1029, Rn. 39, 72. 517 So auch T. Rademacher, Realakte im Rechtsschutzsystem der Europäischen Union, 2014, S. 206 f.; ähnlich E. Schulte, Individualrechtsschutz gegen Normen im Gemeinschaftsrecht, 2005, S. 170; s. auch H. Kirchhoff, Individualrechtsschutz im Europäischen Gemeinschaftsrecht, 2005, S. 194. 518 Scharfe Kritik schon bei B. Börner, Empfiehlt es sich, die Bestimmungen des europäischen Gemeinschaftsrechts über den Rechtsschutz zu ändern oder zu ergänzen?, Referat beim 46. Deutschen Juristentag, G 27.

180

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

des Eigenverwaltungsrechts bedeutet Rechtsschutz durch mitgliedstaatliche Gerichte dagegen einen bloßen Umweg, der mit prozessualen Fallstricken gespickt ist. Die Restriktionen der Plaumann-Formel lassen sich auch durch indirekten Rechtsschutz nicht ausgleichen. Rechtsschutz für nichtprivilegierte Kläger kann daher absehbar nur durch Impulse von außen verbessert werden.

C. Wirkung der Rechtsschutzvorgaben der Århus-Konvention auf den primärrechtlichen Gerichtszugang Ein solcher externer Impuls zur Erweiterung des primärrechtlichen Gerichtszugangs in Umweltstreitigkeiten könnte von der Århus-Konvention ausgehen, schließlich ist die Verbesserung des Rechtsschutzes in Umweltangelegenheiten gerade eines der Hauptziele der Konvention. Dazu ist zunächst der Frage nachzugehen, welche Wirkungen die Århus-Konvention im Unionsrecht entfaltet. Dies hat entscheidenden Einfluss darauf, ob der primärrechtliche Gerichtszugang den Rechtsschutzvorgaben der Århus-Konvention entspricht. I. Rechtsschutzbestimmungen der Århus-Konvention als Prüfungsmaßstab Die Århus-Konvention wurde am 25. Juni 1998 unter anderem von der Union und ihren Mitgliedstaaten unterzeichnet und trat am 30. Oktober 2001 in Kraft.519 Damit wurden sowohl die Union als auch deren Mitgliedstaaten Parteien des Abkommens. Der Rat genehmigte die Århus-Konvention mit dem Beschluss 2005/370/ EG.520 Dies sagt jedoch noch nichts über die Wirkungen der Århus-Konvention in der Unionsrechtsordnung aus. Zu deren näheren Konkretisierung greift die Untersuchung auf die Begriffe der unmittelbaren Geltung und unmittelbaren Anwendbarkeit zurück. Anhand derer ist zu bestimmen, ob die Rechtsschutzbestimmungen der Århus-Konvention überhaupt als Prüfungsmaßstab für das Unionsrecht in Frage kommen.

519

C. Walter, Internationalisierung des deutschen und Europäischen Verwaltungsverfahrensund Verwaltungsprozessrechts, EuR 2005, 302 (304). 520 Beschluss 2005/370/EG des Rates vom 17. Februar 2005 über den Abschluss des Übereinkommens über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten im Namen der Europäischen Gemeinschaft, ABl. L 124 v. 17.05.2005, S. 1 ff.

Kap. 4: Gerichtszugang im Primärrecht

181

1. Begriffsklärung Zur Beschreibung der Wirkungen von Völkervertragsrecht in der Unionsrechtsordnung hat sich eine Vielzahl von Begriffen und Abgrenzungen herausgebildet.521 Dies macht es erforderlich, das hier zugrundeliegende Verständnis von unmittelbarer Geltung und unmittelbarer Anwendbarkeit offen zu legen.522 Damit ein völkerrechtlicher Vertrag Rechtswirkungen in der Unionsrechts­ ordnung entfalten kann, muss er zunächst unmittelbare Geltung besitzen. Unmittelbare Geltung bedeutet, dass der völkerrechtliche Vertrag Bestandteil der Unionsrechtsordnung geworden ist.523 Die unmittelbare Geltung des völkerrechtlichen Vertrages ist Voraussetzung für dessen unmittelbare Anwendbarkeit. Unmittelbar anwendbar ist eine Vorschrift aus einem völkerrechtlichen Vertrag dann, wenn sie inhaltlich so bestimmt ist, dass sie als Maßstab das Handeln der Unionsorgane und -institutionen determinieren kann.524 Sie lässt sich auch mit dem Begriff der Anwendungsfähigkeit der Vorschrift umschreiben.525 Die unmittelbare Anwendbarkeit betrifft zunächst einmal nur die objektiv-rechtliche Seite der völkerrechtlichen Verpflichtung, nämlich inwieweit diese das Handeln der Unionsorgane und -institutionen zu bestimmen vermag. Sollen sich Einzelne auf die völkerrechtliche Vorschrift berufen können, was hier Einklagbarkeit genannt werden soll, bedarf es darüber hinaus der Feststellung subjektiv-rechtlicher Gehalte.526 Die unmittelbare Geltung ist damit Voraussetzung für die unmittelbare Anwendbarkeit einer völkerrechtlichen Vorschrift.527 Die unmittelbare Anwendbarkeit ist wiederum Bedingung für eine Einklagbarkeit der Vorschrift.528

521

Dazu T. von Danwitz, Der EuGH und das Wirtschaftsvölkerrecht, JZ 2001, 721 (722). Begriffsverständnis anlehnend an H. Sauer, Jurisdiktionskonflikte in Mehrebenensystemen, 2008, S. 209 ff. 523 H. Sauer, Jurisdiktionskonflikte in Mehrebenensystemen, 2008, S. 210; T. von Danwitz, Der EuGH und das Wirtschaftsvölkerrecht, JZ 2001, 721 (722); K. Schmalenbach, in: Calliess / ​ Ruffert (Hrsg.), EUV / ​AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 216 AEUV Rn. 28; K.  Lachmayer / ​S . von Förster, in: von der Groeben u. a. (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl. 2015, Art. 216 AEUV Rn. 18. 524 H. Sauer, Jurisdiktionskonflikte in Mehrebenensystemen, 2008, S. 210; M. Zuleeg, Die innerstaatliche Anwendbarkeit völkerrechtlicher Verträge, ZaöRV 35 (1975), 341 (349). 525 M.  Zuleeg, Die innerstaatliche Anwendbarkeit völkerrechtlicher Verträge, ZaöRV 35 (1975), 341 (349); T. von Danwitz, Der EuGH und das Wirtschaftsvölkerrecht, JZ 2001, 721 (722). 526 H. Sauer, Jurisdiktionskonflikte in Mehrebenensystemen, 2008, S. 210; T. von Danwitz, Der EuGH und das Wirtschaftsvölkerrecht, JZ 2001, 721 (722). Unmittelbare Anwendbarkeit und Einklagbarkeit sind zwingend auseinanderzuhalten, da sie unterschiedliche Gegenstände betreffen, s. K. Lenaerts, Direct Applicability and Direct Effect of International Law in the EU Legal Order, in: Govaere u. a. (Hrsg.), FS Maresceau, 2014, S. 45 (45 f.). 527 M.  Zuleeg, Die innerstaatliche Anwendbarkeit völkerrechtlicher Verträge, ZaöRV 35 (1975), 341 (347). 528 H. Sauer, Jurisdiktionskonflikte in Mehrebenensystemen, 2008, S. 211 f. 522

182

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

Mindestvoraussetzung für die Tauglichkeit einer völkerrechtlichen Vorschrift als Prüfungsmaßstab für das Unionsrecht ist damit neben ihrer unmittelbaren Geltung die unmittelbare Anwendbarkeit. In diesem Sinne ist auch für den Gerichtshof die unmittelbare Anwendbarkeit Voraussetzung zur Prüfung von Unionsrecht anhand des Völkerrechts.529 Anders gewendet: Ist eine völkerrechtliche Norm nicht unmittelbar anwendbar, bedeutet dies nicht nur, dass Einzelnen die Einklagbarkeit verwehrt ist. Zudem mangelt es in diesem Fall auch an der (objektiv-rechtlichen) Tauglichkeit als Prüfungsmaßstab. 2. Unmittelbare Geltung der Århus-Konvention Aus dem Gesagten ergibt sich, dass zunächst die unmittelbare Geltung der ­ rhus-Konvention festgestellt werden muss. Die Konvention muss also BestandÅ teil der Unionsrechtsordnung geworden sein. Nur dann kann sie Rechtswirkungen in der Unionsrechtsordnung entfalten. a) Anforderungen an die unmittelbare Geltung Die unmittelbare Geltung des Unionsrechts wird maßgeblich durch Art. 216 Abs. 2 AEUV bestimmt. Nach Art. 216 Abs. 2 AEUV binden die von der Union geschlossenen Übereinkünfte die Union und die Mitgliedstaaten. aa) Völkervertragsrecht und Unionsrechtsordnung Nimmt die Union an einem völkerrechtlichen Abkommen teil, trifft sie eine doppelte Bindungswirkung. Die Union ist dann sowohl völkerrechtlich als auch unionsrechtlich verpflichtet.530 Aus der Perspektive des Völkerrechts ist die Bindungs­ wirkung klar: Auch für die Union gilt das Prinzip pacta sunt servanda.531 Wird die 529

EuGH, Urt. v. 03.06.2008, Intertanko u. a., Rs.  C-308/06, EU:C:2008:312, Slg.  2008 I-4057, Rn. 45; EuGH, Urt. v. 14.12.2000, Dior u. a., Verb. Rs.  C-300/98 und C-392/98, EU:C:2000:688, Slg. 2000 I-11307, Rn. 42 ff. Zu der fehlenden Trennung der unmittelbaren Anwendbarkeit einer völkerrechtlichen Bestimmung und ihrer Maßstäblichkeit für Sekundärrecht P. Eeckhout, Case C-308/06, The Queen on the application of Intertanko and Others v Secretary of State for Transport, CML Rev. 46 (2009), 2041 (2053 f.). 530 S. EuGH, Urt. v. 12.12.1972, International Fruit Company u. a. / ​Produktschap voor Groenten en Fruit, Verb. Rs. 21 bis 24/72, EU:C:1972:115, Slg. 1972, 1219, Rn. 14/18; R. Mögele, in: Streinz (Hrsg.), EUV / ​AEUV, 3. Aufl. 2018, Art. 216 AEUV Rn. 50; R. Uerpmann-Wittzack, Völkerrechtliche Verfassungselemente, in: von Bogdandy / ​Bast (Hrsg.), Europäisches erfassungsrecht, 2009, S. 177 (186); K. Lachmayer / ​S . von Förster, in: von der Groeben u. a. (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl. 2015, Art. 216 AEUV Rn. 17. 531 C. Höpfner, Die systemkonforme Auslegung, 2008, S. 370; F. Müller / ​R . Christensen, Juristische Methodik, Band II, 2012, S. 146 f.; H. Sauer, Die innergemeinschaftlichen Wirkungen

Kap. 4: Gerichtszugang im Primärrecht

183

Union Partei eines völkerrechtlichen Abkommens, treffen die Union aus völkerrechtlicher Sicht alle Verpflichtungen aus dem Abkommen. Damit ist aber noch nichts über die innerunionale Bindungswirkung des Abkommens gesagt. Die spezifische unionsrechtliche Bindung an Völkervertragsrecht findet in Art. 216 Abs. 2 AEUV ihren Ausdruck.532 In ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs werden Abkommen durch die Bindungsanordnung in Art. 216 Abs. 2 AEUV „integrierende Bestandteile der Gemeinschaftsrechtsordnung“533. bb) Monismus und Dualismus im Unionsrecht Als klassische Erklärungsmodelle für die Einbeziehung von Völkervertragsrecht in eine Rechtsordnung haben sich Monismus und Dualismus herausgebildet.534 Diese Modelle werden auch für die Wirkungen von Völkervertragsrecht in der Unionsrechtsordnung herangezogen. Es besteht Uneinigkeit darüber, ob die Union einem monistischen oder einem dualistischen Ansatz folgt.535 Dies rührt nicht zuletzt aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, die eine klare Positionierung vermissen lässt: Die Annahme des Gerichtshofs aus dem Urteil Haegeman, Abkommen würden integrierende Bestandteile der Unionsrechtsordnung, lässt darauf schließen, dass dem Unionsrecht ein monistischer Ansatz zu Grunde liegt.536 Ein von WTO-Streitbeilegungsentscheidungen, EuR 2004, 463 (464); P.  Eeckhout, EU External Relations Law, 2012, S. 325. Der Gerichtshof stellt dies zur Geltung des Völkergewohnheitsrechts und in Bezugnahme auf Art. 26 WVRK fest, s. EuGH, Urt. v. 16.06.1998, Racke / ​ Hauptzollamt Mainz, Rs. C-162/96, EU:C:1998:293, Slg. 1998 I-3655, Rn. 49. Dazu M. Breuer  / ​ S. Riegger, Die Reichweite der Pflicht der EU zur Umsetzung der Aarhus-Konvention, EurUP 2014, 293 (294); K. Schmalenbach, in: Calliess / ​Ruffert (Hrsg.), EUV / ​AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 216 AEUV Rn. 25; V. Rodenhoff, Die EG und ihre Mitgliedstaaten als völkerrechtliche Einheit bei umweltvölkerrechtlichen Übereinkommen, 2008, S. 230 f. Allgemein zum Grundsatz pacta sunt servanda im Völkerrecht C. Binder, Die Grenzen der Vertragstreue im Völkerrecht, 2013, S. 17 ff. 532 R. Uerpmann-Wittzack, Völkerrechtliche Verfassungselemente, in: von Bogdandy / ​Bast (Hrsg.), Europäisches Verfassungsrecht, 2009, S. 177 (186); S. Gáspár-Szilágyi, The Relationship between EU Law and International Agreements, CML Rev. 52 (2015), 1059 (1077). 533 EuGH, Urt. v. 30.04.1974, Haegeman / ​Belgischer Staat, Rs.  181/73, EU:C:1974:41, Slg. 1974, 449, Rn. 2/6 (ständige Rechtsprechung); EuGH, Urt. v. 26.10.1982, Hauptzollamt Mainz / ​Kupferberg & Cie., Rs. 104/81, EU:C:1982:362, Slg. 1982, 3641, Rn. 13; EuGH, Urt. v. 14.11.1989, Griechenland / ​Kommission, Rs. 30/88, EU:C:1989:422, Slg. 1989, 3711, Rn. 12. „Integraler Bestandteil“ wäre wohl eine bessere Formulierung für das, was der Gerichtshof ausdrücken will, worauf auch H. Sauer, Jurisdiktionskonflikte in Mehrebenensystemen, 2008, S. 212 Fn. 17 zutreffend hinweist. 534 Dazu umfassend etwa J. Crawford, Brownlie’s Principles of Public International Law, 2012, S. 48 ff. 535 Dazu m. w. N. K. Schmalenbach, in: Calliess / ​Ruffert (Hrsg.), EUV / ​A EUV, 5. Aufl. 2016, Art. 216 AEUV Rn. 31; Generalanwalt Jääskinen, Schlussanträge v. 08.05.2014, Rat u. a. / ​Vereniging Milieudefensie und Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht, Verb. Rs. C-401/12 P bis C-403/12 P, EU:C:2014:310, Rn. 30 Fn. 23. 536 J. Kokott, in: Streinz (Hrsg.), EUV / ​AEUV, 3. Aufl. 2018, Art. 47 EUV Rn. 12.

184

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

weiterer Transformationsakt scheint danach nicht notwendig zu sein.537 In diesem Licht ist auch Art. 216 Abs. 2 AEUV zu lesen, der davon ausgeht, dass die Abkommen die Organe der Union und ihre Mitgliedstaaten binden.538 Der Haegeman-Grundsatz wurde mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu den GATT- und WTO-Verträgen in Zweifel gezogen.539 Sinnbildlich stehen dafür vor allem die Urteile Deutschland / ​Rat540 zum GATT 1947 sowie Portugal / ​Rat541 zum WTO-Recht. Der Gerichtshof macht eine Überprüfung hier von im Anschluss ergangen Unionsrechtsakten abhängig.542 Damit käme es doch auf einen Transformationsakt der Union an, was für eine dualistische Ausrichtung des Unionsrechts spräche. Insbesondere das Urteil Deutschland / ​Rat wurde deshalb als Bruch mit dem Grundsatz des Haegeman-Urteils kritisiert.543 Ausdrücklich aufgegeben hat der Gerichtshof seine Haegeman-Rechtsprechung jedoch nicht. Vielmehr stellte der Gerichtshof in der späteren Rechtssache Racke fest, dass das Völker(gewohnheits)recht Teil der Unionsrechtsordnung ist.544 Damit bestätigte er seinen Ansatz aus der Rechtssache Haegeman. Im Ergebnis spricht daher immer noch viel für den monistischen Ansatz.545

537 K. Lenaerts, Direct Applicability and Direct Effect of International Law in the EU Legal Order, in: Govaere u. a. (Hrsg.), FS Maresceau, 2014, S. 45 (45). 538 K.  Schmalenbach, in: Calliess / ​Ruffert (Hrsg.), EUV / ​AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 216 AEUV Rn. 25; anders wohl R. Uerpmann-Wittzack, Völkerrechtliche Verfassungselemente, in: von Bogdandy / ​Bast (Hrsg.), Europäisches Verfassungsrecht, 2009, S. 177 (198 f.), der für eine dem Dualismus folgende Uminterpretation der Vorschrift eintritt. 539 Etwa bei K.  Schmalenbach, in: Calliess / ​Ruffert (Hrsg.), EUV / ​AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 216 AEUV Rn. 29 f. Umfassend zum Verhältnis von Unionsrecht und WTO-Recht H. Sauer, Jurisdiktionskonflikte in Mehrebenensystemen, 2008, S. 215 ff. 540 EuGH, Urt. v. 05.10.1994, Deutschland / ​Rat, Rs.  C-280/93, EU:C:1994:367, Slg.  1994 I-4973, Rn. 103 ff. 541 EuGH, Urt. v. 23.11.1999, Portugal / ​Rat, Rs. C-149/96, EU:C:1999:574, Slg. 1999 I-8395, Rn. 34 ff. 542 EuGH, Urt. v. 05.10.1994, Deutschland / ​Rat, Rs.  C-280/93, EU:C:1994:367, Slg.  1994 I-4973, Rn. 111; EuGH, Urt. v. 23.11.1999, Portugal / ​Rat, Rs.  C-149/96, EU:C:1999:574, Slg. 1999 I-8395, Rn. 49. 543 S. etwa P. Eeckhout, The Domestic Legal Status of the WTO Agreement, CML Rev. 34 (1997), 11 (28 f.). 544 EuGH, Urt. v. 16.06.1998, Racke / ​Hauptzollamt Mainz, Rs. C-162/96, EU:C:1998:293, Slg. 1998 I-3655, Rn. 46. 545 Generalanwalt Jääskinen, Schlussanträge v. 08.05.2014, Rat u. a. / ​Vereniging Milieu­ defensie und Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht, Verb. Rs. C-401/12 P bis C-403/12 P, EU:C:2014:310, Rn. 29; K. Schmalenbach, in: Calliess / ​Ruffert (Hrsg.), EUV / ​A EUV, 5. Aufl. 2016, Art. 216 AEUV Rn. 32; P. J. Kuijper / ​M. Bronckers, WTO Law in the European Court of Justice, CML Rev. 42 (2005), 1313 (1314); dagegen einen Dualismus erkennend R. Uerp­mannWittzack, Völkerrechtliche Verfassungselemente, in: von Bogdandy / ​Bast (Hrsg.), Europäisches Verfassungsrecht, 2009, S. 177 (199).

Kap. 4: Gerichtszugang im Primärrecht

185

Wirklich weiter führt diese Unterscheidung jedoch nicht.546 Der Gerichtshof hat sich, wie gesehen, nicht abschließend positioniert.547 Unabhängig davon, welcher Sichtweise man nun folgen möchte, führen beide in Bezug auf die Århus-Konvention zum gleichen Ergebnis: Unterstellt man der Unionsrechtsordnung eine monistische Grundhaltung, ist die Århus-Konvention – vorbehaltlich der speziellen Problematik gemischter Abkommen, auf die gleich noch einzugehen ist548 – mit ihrer völkerrechtlichen Verbindlichkeit gleichzeitig integraler Bestandteil der Unionsrechtsordnung geworden. Geht man dagegen von einem dualistischen Ansatz aus, ergibt sich kein anderes Bild. In diesem Fall bedarf es eines Rechtsanwendungsbefehls, für den mehrere Akte in Frage kommen. Zunächst ist es möglich in Art. 216 Abs. 2 AEUV selbst den Vollzugsbefehl für das Abkommen zu erblicken.549 Daneben kommt auch der nach Art. 218 Abs. 6 AEUV erlassene Ratsbeschluss 2005/370/EG in Betracht. Die Unterscheidung zwischen Monismus und Dualismus soll daher hier nicht weiter vertieft werden. b) Århus-Konvention als gemischtes Abkommen Die Bestimmung der unmittelbaren Geltung bereitet bei der Århus-Konvention besondere Probleme. Dies liegt daran, dass die Union und die Mitgliedstaaten gemeinsam Parteien der Konvention sind. Zur Klärung der unmittelbaren Geltung sind im Folgenden die völkerrechtliche und die unionsrechtliche Ebene auseinander zu halten. aa) Völkerrechtliche Aspekte Mit der Union und den Mitgliedstaaten als Parteien handelt es sich bei der Å ­ rhus-​ Konvention um ein so genanntes gemischtes Abkommen.550 Gemischte Abkommen zeichnen sich dadurch aus, dass sowohl die Union als auch ihre Mitgliedstaaten selbstständige Parteien sind.551 Grund für diese doch recht eigenwillige Technik 546

So auch H. Sauer, Jurisdiktionskonflikte in Mehrebenensystemen, 2008, der auf eine Einordnung der Unionsrechtsordnung gänzlich verzichten möchte. Kritisch zur Unterscheidung zwischen Monismus und Dualismus auch M. Jestaedt, Vom Nutzen der Rechtstheorie in der Europäischen Integration, in: Herzig u. a. (Hrsg.), Europarecht und Rechtstheorie, 2017, S. 1 (14 f.). 547 H. Sauer, Jurisdiktionskonflikte in Mehrebenensystemen, 2008, S. 209 Fn. 8. 548 S. unten Teil 2. Kapitel 4. C. I. 2. b) (S. 185 ff.). 549 R. Mögele, in: Streinz (Hrsg.), EUV / ​AEUV, 3. Aufl. 2018, Art. 216 AEUV Rn. 50. 550 C. Walter, Internationalisierung des deutschen und Europäischen Verwaltungsverfahrensund Verwaltungsprozessrechts, EuR 2005, 302 (307); M. Breuer / ​S . Riegger, Die Reichweite der Pflicht der EU zur Umsetzung der Aarhus-Konvention, EurUP 2014, 293 (293); U. Giera, Individualrechte im europäischen Umweltrecht, 2015, S. 38; S. Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz, 2008, S. 250. 551 A. Schwerdtfeger, Der deutsche Verwaltungsrechtsschutz unter dem Einfluss der Aarhus-Konvention, 2010, S. 17, 303.

186

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

sind in der Regel Schwierigkeiten bei der internen Kompetenzverteilung zwischen Union und Mitgliedstaaten:552 Der Vertragsschluss als gemischtes Abkommen sendet den anderen Vertragsparteien (auf völkerrechtlicher Ebene) das Signal, dass die Union und ihre Mitgliedstaaten, ungeachtet ihrer internen Kompetenzverteilung, umfassend für die Verpflichtungen aus dem Abkommen einstehen.553 Aus der Perspektive des völkerrechtlichen Grundsatzes pacta sunt servanda bindet die Århus-Konvention ihre Vertragsparteien grundsätzlich vollumfänglich. Daran ändert auch erst einmal ihr Charakter als gemischtes Abkommen nichts. Denn etwaige interne Kompetenzaufteilungen zwischen der Union und den Mitgliedstaaten spielen im völkerrechtlichen Außenverhältnis keine Rolle.554 Dies wäre jedoch anders zu bewerten, wenn die Kompetenzverteilung zwischen der Union und ihren Mitgliedstaaten für die anderen Vertragsparteien offen läge. Wären nur die Mitgliedstaaten für eine bestimmte Regelung zuständig, könnte sich die Union darauf berufen, dass das Abkommen in diesem Punkt für sie keine Verpflichtung enthält. Damit entfiele auch die unmittelbare Geltung des Abkommens für die entsprechende Regelung. Nach Art. 19 Abs. 4 Satz 2 ÅK „entscheiden die Organisation und ihre Mitgliedstaaten über ihre jeweiligen Verantwortlichkeiten hinsichtlich der Erfüllung ihrer Verpflichtungen aus dem Übereinkommen“. Mit dieser Bestimmung geht noch keine Möglichkeit der Bindungsrücknahme der Århus-Konvention für die Union einher. Art. 19 Abs. 4 Satz 2 ÅK setzt vielmehr eine Verpflichtung der Union voraus.555 Dieses Ergebnis lässt sich mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 Satz 1 ÅK stützen, der für den Fall, dass die internationale Organisation ohne ihre Mitgliedstaaten Unterzeichnerin der Århus-Konvention ist, diese in vollem Umfang an das Abkommen gebunden sieht. Es geht in Art. 19 Abs. 4 Satz 2 ÅK deshalb lediglich darum, zu bestimmen, welche Ebene für die Umsetzung der Verpflichtung verantwortlich ist, während sich an der Verpflichtung selbst jedoch nichts ändert.556 Art. 19 Abs. 4 Satz 2 ÅK stellt damit kein Hindernis für eine umfassende völkerrechtliche 552

W. Durner, Internationales Umweltverwaltungsrecht, in: Möllers u. a. (Hrsg.), Internationales Verwaltungsrecht, 2007, S. 121 (133); K. Schmalenbach, in: Calliess / ​Ruffert (Hrsg.), EUV / ​AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 216 AEUV Rn. 5. 553 S. M. Breuer / ​S . Riegger, Die Reichweite der Pflicht der EU zur Umsetzung der Aarhus-​ Konvention, EurUP 2014, 293 (293); s. auch M. Bothe, Die EU in internationalen Umweltabkommen, in: Gaitanides u. a. (Hrsg.), FS Zuleeg, 2005, S. 668 (672). 554 M. Breuer / ​S . Riegger, Die Reichweite der Pflicht der EU zur Umsetzung der AarhusKonvention, EurUP 2014, 293 (294 f.); A. Epiney, Zu den Anforderungen der Aarhus-Konvention an das europäische Gemeinschaftsrecht, in: Falke / ​Schlacke (Hrsg.), Information, Beteiligung, Rechtsschutz, 2003, S. 9 (26 f.); E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband I, 2018, S. 593 f.; s. auch M. Bothe, Die EU in internationalen Umweltabkommen, in: Gaitanides u. a. (Hrsg.), FS Zuleeg, 2005, S. 668 (672). 555 M. Breuer / ​S . Riegger, Die Reichweite der Pflicht der EU zur Umsetzung der AarhusKonvention, EurUP 2014, 293 (296). 556 M. Breuer / ​S . Riegger, Die Reichweite der Pflicht der EU zur Umsetzung der AarhusKonvention, EurUP 2014, 293 (296).

Kap. 4: Gerichtszugang im Primärrecht

187

Verpflichtung der Union dar.557 Eine andere Lösung als eine umfassende völkerrechtliche Verpflichtung der Union wäre vielmehr mit dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht vereinbar.558 Darüber hinaus hat die Union von der in Art. 19 Abs. 5 ÅK vorgesehenen Möglichkeit einer Zuständigkeitserklärung Gebrauch gemacht. Diese ist dem Genehmigungsbeschluss 2005/370/EG beigefügt. Darin erklärt die Union, dass sie für mitgliedstaatliche Handlungen, die in den Anwendungsbereich von Art. 9 Abs. 3 ÅK fallen, nicht zuständig sei.559 Zum Eigenverwaltungsrecht verhält sich die Union jedoch nicht. Vielmehr versichert die Union, dass „die Organe der Gemeinschaft das Übereinkommen im Rahmen ihrer bestehenden und künftigen Vorschriften […] anwenden wollen“. Daneben erklärt sich die Union „verantwortlich, für die Erfüllung der aus dem Übereinkommen erwachsenden Verpflichtungen, die unter geltendes Gemeinschaftsrecht fallen, zu sorgen“. Ausweislich dieser Ausführungen geht die Union damit selbst von einer Bindung aus. Die Union ist also völker­ rechtlich in vollem Umfang an die Århus-Konvention gebunden.560 Aus dieser Perspektive steht der unmittelbaren Geltung der Rechtsschutzbestimmungen der Århus-Konvention nichts im Wege. bb) Unionsrechtliche Aspekte Die unionsrechtliche Problematik gemischter Abkommen liegt darin, die Reichweite ihrer innerunionalen Geltung zu bestimmen. Mit anderen Worten betrifft das die Frage, inwieweit ein gemischtes Abkommen über Art. 216 Abs. 2 AEUV integrierender Bestandteil der Unionsrechtsordnung wird. Denn Bestimmungen in gemischten Abkommen, die der ausschließlichen Kompetenz der Mitgliedstaaten zuzurechnen sind, können mangels einer entsprechenden Kompetenz der Union auch nicht unmittelbare Geltung in der Unionsrechtsordnung entfalten.561 Wegen ihrer Pauschalität verbietet sich für gemischte Abkommen wie die Århus-Konvention auf

557 M. Breuer / ​S . Riegger, Die Reichweite der Pflicht der EU zur Umsetzung der AarhusKonvention, EurUP 2014, 293 (296). 558 S. V. Rodenhoff, Die EG und ihre Mitgliedstaaten als völkerrechtliche Einheit bei umweltvölkerrechtlichen Übereinkommen, 2008, S. 250. 559 S. dazu M.  Breuer / ​S .  Riegger, Die Reichweite der Pflicht der EU zur Umsetzung der ­Aarhus-​Konvention, EurUP 2014, 293 (296 f.); umfassend zur Kompetenzproblematik S. Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz, 2008, S. 250 ff. 560 M. Breuer / ​S . Riegger, Die Reichweite der Pflicht der EU zur Umsetzung der Aarhus-Konvention, EurUP 2014, 293 (297); s. auch M. Hedemann-Robinson, EU Implementation of the Aarhus Convention’s Third Pillar – Part 1, Eur. Energy & Envtl. L. Rev. 23 (2014), 102 (108). 561 K.  Schmalenbach, in: Calliess / ​Ruffert (Hrsg.), EUV / ​AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 216 AEUV Rn. 43; S.  Vöneky / ​B .  Beylage-Haarmann, in: Grabitz u. a. (Hrsg.), EUV / ​AEUV, Art. 216 AEUV (Oktober 2016) Rn. 32 f.; R. Mögele, in: Streinz (Hrsg.), EUV / ​A EUV, 3. Aufl. 2018, Art. 216 AEUV Rn. 74 f.; M. Breuer / ​S . Riegger, Die Reichweite der Pflicht der EU zur Umsetzung der Aarhus-Konvention, EurUP 2014, 293 (302).

188

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

die Haegeman-Rechtsprechung abzustellen.562 Sie ist erkennbar nicht auf die Situa­ tion gemischter Abkommen zugeschnitten und für diese Frage deshalb schlicht zu undifferenziert. Gleiches gilt für einen Verweis auf Art. 216 Abs. 2 AEUV, da dieser auf die Kompetenzaufteilung, um deren Willen gemischte Abkommen gerade geschlossen werden, nicht eingeht.563 Bestimmungen aus gemischten Abkommen werden daher nur dann Bestandteil des Unionsrechts, wenn sie in den Kompetenzbereich der Union fallen und nicht in die ausschließliche Zuständigkeit der Mitgliedstaaten.564 Dies entspricht insbesondere auch der Linie des Gerichtshofs. Danach haben „gemischte Abkommen, die von der Gemeinschaft, ihren Mitgliedstaaten und Drittländern abgeschlossen wurden, in der Gemeinschaftsrechtsordnung denselben Status wie rein gemeinschaftsrechtliche Abkommen […], soweit es um Bestimmungen geht, die in die Zuständigkeit der Gemeinschaft fallen“565.

Daraus folgt, dass die Rechtsschutzbestimmungen der Århus-Konvention dann unmittelbare Geltung entfalten, wenn sie (zumindest auch) in den Kompetenz­ bereich der Union fallen. In der Rechtssache Slowakischer Braunbär weist der Gerichtshof zunächst auf Art. 300 Abs. 7 EG (heute: Art. 216 Abs. 2 AEUV) hin.566 Mit Unterzeichnung der Århus-Konvention und dem Ratsbeschluss 2005/370/EG seien „die Vorschriften dieses Übereinkommens fortan integraler Bestandteil der Unionsrechtsordnung“567. Wie gesehen, ist die Frage der unmittelbaren Geltung damit aber noch nicht beantwortet. Dies scheint auch der Gerichtshof so zu sehen, da er im Folgenden zu Art. 9 Abs. 3 ÅK die Feststellung für notwendig erachtet, „dass eine spezielle Frage, zu der noch keine Rechtsvorschriften ergangen sind, dem Unions­ recht unterliegt, wenn sie in Übereinkommen geregelt wird, die von der Union und ihren Mitglied­staaten geschlossen wurden, und einen weitgehend vom Unionsrecht erfassten Bereich betrifft“568. 562

Zusammenfassend zur Kritik K.  Schmalenbach, in: Calliess / ​Ruffert (Hrsg.), EUV / ​ AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 216 AEUV Rn. 43; s. auch A. Epiney, Zur Stellung des Völkerrechts in der EU, EuZW 1999, 5 (7). 563 M. Breuer / ​S . Riegger, Die Reichweite der Pflicht der EU zur Umsetzung der AarhusKonvention, EurUP 2014, 293 (302). 564 M. Breuer / ​S . Riegger, Die Reichweite der Pflicht der EU zur Umsetzung der AarhusKonvention, EurUP 2014, 293 (303). 565 EuGH, Urt. v. 19.03.2002, Kommission / ​I rland, C-13/00, EU:C:2002:184, Slg. 2002 I-2943, Rn. 14; EuGH, Urt. v. 7.10.2004, Kommission / ​Frankreich, Rs.  C-239/03, EU:C:2004:598, Slg. 2004 I-9325, Rn. 25. 566 EuGH, Urt. v. 08.03.2011, Lesoochranárske zoskupenie, Rs. C-240/09, EU:C:2011:125, Slg. 2011 I-1285, Rn. 29. 567 EuGH, Urt. v. 08.03.2011, Lesoochranárske zoskupenie, Rs. C-240/09, EU:C:2011:125, Slg. 2011 I-1285, Rn. 30. Ebenso Generalanwältin Sharpston, Schlussanträge v. 15.07.2010, Leso­ ochranárske zoskupenie, Rs. C-240/09, EU:C:2010:436, Slg. 2011 I-1255, Rn. 15, 76; Generalanwalt Jääskinen, Schlussanträge v. 08.05.2014, Rat u. a. / ​Vereniging Milieudefensie und Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht, Verb. Rs. C-401/12 P bis C-403/12 P, EU:C:2014:310, Rn. 121. 568 EuGH, Urt. v. 08.03.2011, Lesoochranárske zoskupenie, Rs. C-240/09, EU:C:2011:125, Slg. 2011 I-1285, Rn. 36.

Kap. 4: Gerichtszugang im Primärrecht

189

Es muss also immer noch herausgefunden werden, ob ein weitgehend vom Unionsrecht erfasster Bereich betroffen ist, was letztlich eine Kompetenzabgrenzung bedeutet.569 Die Rechtsschutzbestimmungen der Århus-Konvention dürfen damit nicht alleine in den Bereich der Mitgliedstaaten fallen. Insbesondere mit Blick auf den Gegenstand dieser Untersuchung lässt sich dies verneinen. Im Gegenteil kommt nur die Union selbst in Frage: Zur Regelung ihres Eigenverwaltungsrechts besitzt die Union die ausschließliche Zuständigkeit im Sinne von Art. 2 Abs. 1 AEUV.570 Dies gilt, obwohl das Eigenverwaltungsrecht nicht explizit in Art. 3 AEUV genannt ist.571 Letztlich dürfte es sich dabei um eine Unionszuständigkeit „kraft Natur der Sache“ handeln.572 Damit ist auch von einer unmittelbaren Geltung der Rechtsschutzbestimmungen im Unionsrecht auszugehen. An dieser Einschätzung ändert auch die Zuständigkeitserklärung der Union nichts.573 Denn darin erklärt die Union lediglich, dass sie nicht die Kompetenz zur Umsetzung von Art. 9 Abs. 3 ÅK für das mitgliedstaatliche Unionsverwaltungs­ recht besitzt.574 Es geht ihr in dieser Erklärung um Rechtsschutz gegen die Handlungen von „Privatpersonen und von den Einrichtungen […], bei denen es sich nicht um die Organe der Europäischen Union handelt“575. Die Zuständigkeitserklärung betrifft also gerade nicht das Eigenverwaltungsrecht. Daher bestehen im Ergebnis an der unmittelbaren Geltung der Rechtsschutzbestimmungen der Århus-Konvention keine Zweifel.

569 M. Breuer / ​S . Riegger, Die Reichweite der Pflicht der EU zur Umsetzung der Aarhus-­ Konvention, EurUP 2014, 293 (302 f.). 570 S. dazu M.  Breuer / ​S .  Riegger, Die Reichweite der Pflicht der EU zur Umsetzung der Aarhus-Konvention, EurUP 2014, 293 (303 f.). 571 M.  Ruffert, in: Calliess / ​Ruffert (Hrsg.), EUV / ​AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 298 AEUV Rn. 12. 572 M. Nettesheim, in: Grabitz u. a. (Hrsg.), EUV / ​A EUV, Art. 3 AEUV (Januar 2014) Rn. 7. 573 M. Breuer / ​S . Riegger, Die Reichweite der Pflicht der EU zur Umsetzung der Aarhus-Konvention, EurUP 2014, 293 (303). 574 Beschluss 2005/370/EG des Rates vom 17. Februar 2005 über den Abschluss des Übereinkommens über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten im Namen der Europäischen Gemeinschaft, ABl. L 124 v. 17.05.2005, S. 1, S. 3. Daraus folgert General­ anwältin Sharpston, Schlussanträge v. 15.07.2010, Lesoochranárske zoskupenie, Rs. C-240/09, EU:C:2010:436, Slg. 2011 I-1255, Rn. 79 für den Rechtsschutz im Unionsverwaltungsrecht, „dass Art. 9 Abs. 3 nicht zu einem Bereich gehört, der dem Gemeinschaftsrecht unterliegt“. 575 Beschluss 2005/370/EG des Rates vom 17. Februar 2005 über den Abschluss des Übereinkommens über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten im Namen der Europäischen Gemeinschaft, ABl. L 124 v. 17.05.2005, S. 1, S. 3 (Hervorhebung durch den Verf.). Dies ist auch das Argument von M. Breuer, Die Klagebefugnis von Umweltverbänden unter Anpassungsdruck des Völker- und Europarechts, Die Verwaltung 45 (2012), 171 (196).

190

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

3. Unmittelbare Anwendbarkeit der Rechtsschutzvorgaben Auf Grundlage der unmittelbaren Geltung der Århus-Konvention kann nach der unmittelbaren Anwendbarkeit der Rechtsschutzvorgaben der Århus-Konvention gefragt werden. Dazu sind zunächst die Kriterien des Gerichtshofs zur unmittelbaren Anwendbarkeit herauszuarbeiten. An ihnen sind die Rechtsschutzvorgaben der Århus-Konvention zu messen. Im Vergleich zur unmittelbaren Geltung der Århus-Konvention erweist sich die unmittelbare Anwendbarkeit ihrer Rechtsschutzvorgaben als deutlich problematischer. a) Anforderungen an die unmittelbare Anwendbarkeit Eine Vorschrift des Völkervertragsrechts ist unmittelbar anwendbar, wenn sie inhaltlich unbedingt und klar gefasst ist.576 Sie besitzt dann einen self-executingCharakter.577 Zur Bestimmung der unmittelbaren Anwendbarkeit ist die Vorschrift nach ihrem Sinn und Zweck, Art und Struktur zu analysieren.578 Insbesondere dürfen die Wirkungen nicht von dem Erlass eines weiteren Rechtsakts abhängen.579 Dies dient der Abgrenzung der Gewalten – die Gerichte sollen nicht dem Gesetzgeber vorgreifen.580 576

EuGH, Urt. v. 26.10.1982, Hauptzollamt Mainz / ​Kupferberg & Cie., Rs. 104/81, EU:C:​ 1982:362, Slg. 1982, 3641, Rn. 23; EuGH, Urt. v. 14.12.2000, Dior u. a., Verb. Rs. C-300/98 und C-392/98, EU:C:2000:688, Slg. 2000 I-11307, Rn. 42; EuGH, Urt. v. 08.03.2011, Lesoochranárske zoskupenie, Rs. C-240/09, EU:C:2011:125, Slg. 2011 I-1285, Rn. 44; EuGH, Urt. v. 18.03.2014, Z., Rs. C-363/12, EU:C:2014:159, Rn. 85; T. Giegerich, in: Pechstein u. a. (Hrsg.), Frankfurter Kommentar EUV / ​GRC / ​AEUV, 2017, Art. 216 AEUV Rn. 231; J. Dutheil de la Rochère, L’effet direct des accords internationaux, in: Rosas u. a. (Hrsg.), The Court of Justice and the Construction of Europe, 2013, S. 637 (652 f.). Die Kriterien für eine unmittelbare Anwendbarkeit von Völkerrecht in der Unionsrechtsordnung sind damit restriktiver als die, die für Einzelne gelten, die sich auf Unionsrecht berufen möchten, s. M. Prek / ​S . Lefèvre, La dimension „subjective“ de l’invocabilité des accords internationaux, in: Neframi / ​Gatti (Hrsg.), Constitutional Issues of EU External Relations Law, 2018, S. 231 (234 ff.); Generalanwalt Darmon, Schlussanträge v. 19.05.1987, Demirel / ​Stadt Schwäbisch Gmünd, Rs. 12/86, EU:C:1987:232, Slg. 1987, 3719, Rn. 18. 577 H. Sauer, Jurisdiktionskonflikte in Mehrebenensystemen, 2008, S. 213; R. Uerpmann-​ Wittzack, Völkerrechtliche Verfassungselemente, in: von Bogdandy / ​Bast (Hrsg.), Europäisches Verfassungsrecht, 2009, S. 177 (188). 578 EuGH, Urt. v. 18.03.2014, Z., Rs.  C-363/12, EU:C:2014:159, Rn. 85; EuGH, Urt. v. 26.10.1982, Hauptzollamt Mainz / ​Kupferberg & Cie., Rs. 104/81, EU:C:1982:362, Slg. 1982, 3641, Rn. 23; EuGH, Urt. v. 30.09.1987, Demirel / ​Stadt Schwäbisch Gmünd, Rs.  12/86, EU:C:1987:400, Slg. 1987, 3719, Rn. 14. 579 EuGH, Urt. v. 18.03.2014, Z., Rs.  C-363/12, EU:C:2014:159, Rn. 86; EuGH, Urt. v. 30.09.1987, Demirel / ​Stadt Schwäbisch Gmünd Rs.  12/86, EU:C:1987:400, Slg.  1987, 3719, Rn. 14; Generalanwalt Jääskinen, Schlussanträge v. 08.05.2014, Rat u. a. / ​Vereniging Milieu­ defensie und Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht, Verb. Rs. C-401/12 P bis C-403/12 P, EU:C:​2014:310, Rn. 59. 580 R. Uerpmann-Wittzack, Völkerrechtliche Verfassungselemente, in: von Bogdandy / ​Bast (Hrsg.), Europäisches Verfassungsrecht, 2009, S. 177 (189).

Kap. 4: Gerichtszugang im Primärrecht

191

b) Problem der Bestimmtheit der dritten Säule der Århus-Konvention Bei der Umsetzung von Art. 9 Abs. 1 bis 3 ÅK besitzen die Vertragsparteien weite Ausgestaltungsspielräume.581 So können die Vertragsparteien bei der Einrichtung von Überprüfungsmöglichkeiten im Rahmen von Art. 9 Abs. 1 ÅK zwischen gerichtlichen Rechtsbehelfen oder solchen vor einer unabhängigen oder unparteiischen Stelle wählen. Das Überprüfungsverfahren gem. Art. 9 Abs. 2 ÅK steht unter dem Vorbehalt einer Anknüpfung entweder an ein ausreichendes Interesse oder eine Rechtsverletzung der Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit. Zudem steht es den Vertragsparteien im Rahmen von Art. 9 Abs. 2 ÅK frei, ein über die Sicherung der Rechte aus Art. 6 ÅK hinausgehendes Überprüfungsverfahren zu installieren. Sowohl Art. 9 Abs. 1 als auch Abs. 2 ÅK stehen darüber hinaus unter dem Vorbehalt einer Ausgestaltung durch innerstaatliches Recht. Eine unbedingte und hinreichend klare Verpflichtung lässt sich diesen beiden Absätzen damit nicht entnehmen.582 Auch Art. 9 Abs. 3 ÅK eröffnet weite Gestaltungsspielräume.583 Dabei ist weniger der Begriff der Handlung ein Problem, da dieser zwar nicht in der Konvention definiert wird,584 aber nach dem Ziel und der Systematik der Konvention weit zu verstehen ist585 und nicht-legislative Handlungen der Behörden umfasst.586 Der zentrale Punkt ist vielmehr, dass der Kreis potenzieller Kläger und die Kriterien der Aktivlegitimation einer Ausgestaltung durch etwaige im innerstaatlichen Recht festgelegte Kriterien unterworfen sind. Gerade für Art. 9 Abs. 3 ÅK besteht daher

581

S. dazu oben unter Teil 2. Kapitel 3. B. V. 1. (S. 126 ff.). EuGH, Urt. v. 28.07.2016, Ordre des barreaux francophones und germanophone u.a, Rs.  C-543/14, EU:C:2016:605, Rn. 50, 52; Generalanwältin Sharpston, Schlussanträge v. 10.03.2016, Ordre des barreaux francophones und germanophone u. a., Rs.  C-543/14, EU:C:2016:157, Rn. 92; zu Art. 9 Abs. 2 ÅK auch W.  Durner, Direktwirkung europäischer Verbandsklagerechte?, ZUR 2005, 285 (288); R. Seelig / ​B. Gündling, Die Verbandsklage im Umweltrecht, NVwZ 2002, 1033 (1033). S. aber E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband I, 2018, S. 585, der davon ausgeht, dass zumindest Art. 9 Abs. 2 UAbs.  2 Satz 2 und 3 ÅK keinen Gestaltungsspielraum gewähren und damit hinreichend präzise sind. Jedenfalls inhaltlich kommt Art. 9 Abs. 2 ÅK jedoch nicht als Prüfungsmaßstab in Betracht, s. dazu ausführlich unten unter Teil 2. Kapitel 5. C. I. 2. (S. 292 ff.). 583 Die Spielräume sind hier noch weiter als bei Art. 9 Abs. 2 ÅK, s. F. Fellenberg / ​G. Schiller, in: Beckmann u. a. (Hrsg.), Landmann / ​Rohmer, Umweltrecht, UmwRG vor § 1 (April 2018) Rn. 24. 584 EuG, Urt. v. 14.07.2012, Vereniging Milieudefensie und Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht / ​Kommission, Rs. T-396/09, EU:T:2012:301, Rn. 61. 585 EuG, Urt. v. 14.07.2012, Vereniging Milieudefensie und Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht / ​Kommission, Rs. T-396/09, EU:T:2012:301, Rn. 61 ff.; M.-J. Seibert, Verbandsklagen im Umweltrecht, NVwZ 2013, 1040 (1042 f.). 586 Generalanwalt Jääskinen, Schlussanträge v. 08.05.2014, Rat u. a. / ​Vereniging Milieudefensie und Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht, Verb. Rs. C-401/12 P bis C-403/12 P, EU:C:​2014:310, Rn.  94. 582

192

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

ein weiter Spielraum für die Vertragsstaaten.587 Eine unbedingte und klare Verpflichtung, die ohne ein Tätigwerden des Gesetzgebers eine Anwendung erlauben würde, ergibt sich aus dieser Vorschrift auf den ersten Blick daher nicht.588 Dies sah auch der Gerichtshof im Fall Slowakischer Braunbär so589 und schloss sich damit den Schlussanträgen der Generalanwältin E.  Sharpston an.590 Angesichts der Kriterien zur Bestimmung der unmittelbaren Anwendbarkeit und des Wortlauts der Vorschrift ist dieses Ergebnis des Gerichtshofs wenig überraschend.591 Ganz so eindeutig lässt sich Art. 9 Abs. 3 ÅK allerdings nicht klassifizieren, schließlich ist Art. 9 Abs. 3 ÅK zumindest eine klare Zielvorgabe zu entnehmen. So ist das Compliance Committee der Ansicht, dass zwar ein gewisser Spielraum bei der Auswahl der Aktivlegitimierten bestehe, die Kriterien jedoch nicht so streng sein dürften, dass nahezu alle Anträge ausgeschlossen wären.592 Der Verweis auf das innerstaatliche Recht bezieht sich danach lediglich auf die Bedingungen der Aktivlegitimation, erlaubt es den Vertragsparteien aber nicht, jegliche Form von Überprüfungen auszuschließen.593 Damit lässt sich aus Art. 9 Abs. 3 ÅK trotz seiner weiten Spielräume zumindest das Ziel eines Überprüfungsverfahrens heraus-

587

W. Durner, Rechtspolitische Spielräume im Bereich der dritten Säule, in: Durner / ​Walter (Hrsg.), Rechtspolitische Spielräume, 2005, S. 64 (77); A. Epiney, Zu den Anforderungen der Aarhus-Konvention an das europäische Gemeinschaftsrecht, ZUR 2003, 176 (179 f.); S. Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz, 2008, S. 244 f. 588 A. K. Mangold / ​R . Wahl, Das europäisierte deutsche Rechtsschutzkonzept, Die Verwaltung 48 (2015), 1 (23); K. F. Gärditz, Verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz im Umweltrecht, NVwZ 2014, 1 (5); R. Seelig / ​B. Gündling, Die Verbandsklage im Umweltrecht, NVwZ 2002, 1033 (1033); A. Schink, Der slowakische Braunbär und der deutsche Verwaltungsprozess, DÖV 2012, 622 (624 f.); H. Schoukens, Access to Justice in Environmental Matters on the EU Level after the Judgements of the General Court of 14 June 2012, NMT 2014, 7 (11 f.); J. Jans, Who is the Referee? Access to Justice in a Globalised Legal Order, REALaw 4 (2011), 87 (96); ­M.-J. Seibert, Verbandsklagen im Umweltrecht, NVwZ 2013, 1040 (1043); E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband I, 2018, S. 598. 589 EuGH, Urt. v. 08.03.2011, Lesoochranárske zoskupenie, Rs. C-240/09, EU:C:2011:125, Slg. 2011 I-1285, Rn. 45; dem folgend etwa BVerwGE 147, 312 (Rn. 37); BVerwGE 150, 294 (Rn. 21). S. ebenfalls Conseil d’État, Urt. v. 05.04.2006, Mme A, M. B. u. a., N° 275742, FR:​ CESSR:2006:275742.20060405; dazu J. Bétaille, The direct effect of the Aarhus Convention as seen by the French ‚Conseil d’Etat‘, elni Review 2009, 63 (68 ff.). 590 Generalanwältin Sharpston, Schlussanträge v. 15.07.2010, Lesoochranárske zoskupenie, Rs. C-240/09, EU:C:2010:436, Slg. 2011 I-1255, Rn. 83 ff. 591 S. W. Durner, in: Beckmann u. a. (Hrsg.), Landmann / ​Rohmer, Umweltrecht, Umweltvölkerrecht (Mai 2015) Rn. 84; M. Eliantonio, Case C-240/09, Lesoochranárske zoskupenie VLK v. Ministerstvo životného prostredia Slovenskej republiky, CML Rev. 49 (2012), 767 (783); M. Mendez, The Legal Effects of EU Agreements, 2013, S. 254; J. Berkemann, Die unionsrechtliche Umweltverbandsklage des EuGH, DVBl 2011, 1253 (1256). 592 ACCC / ​C/2005/11 (Belgien), ECE / ​MP.PP / ​C.1/2006/4/Add.2, Rn.  35; s. dazu BVerwGE 147, 312 (Rn. 34). 593 M. Breuer, Die Klagebefugnis von Umweltverbänden unter Anpassungsdruck des Völkerund Europarechts, Die Verwaltung 45 (2012), 171 (188).

Kap. 4: Gerichtszugang im Primärrecht

193

lesen.594 In diese Richtung ist auch Generalanwalt N. Jääskinen in den Schluss­ anträgen zum Fall Vereniging Milieudefensie zu verstehen, für den aus Art. 9 Abs. 3 ÅK jedenfalls das klare Ziel der Gewährleistung eines Zugangs zu Überprüfungsverfahren hervorgeht.595 Eine solche nuancierte Betrachtung ist auch angezeigt, da sonst ein Vakuum entstehen würde: Weder könnten Einzelne auf die Einhaltung von Art. 9 Abs. 3 ÅK dringen, noch wäre überhaupt eine Überprüfung des Unionsrechts anhand von Art. 9 Abs. 3 ÅK möglich. Art. 9 Abs. 3 ÅK wäre damit ein stumpfes Schwert. Dies wird dem Charakter der Vorschrift aber nicht gerecht.596 Art. 9 Abs. 3 ÅK bewegt sich in einem Graubereich, der es schwierig macht, seinen Charakter eindeutig festzulegen. Daher ist eine nuancierte Bewertung angebracht: Art. 9 Abs. 3 ÅK lässt sich eine konkrete Zielverpflichtung entnehmen.597 Das Gesamtbild wird zwar durch die weiten Gestaltungsspielräume der Vertragsparteien dominiert. Diese Gestaltungsspielräume dürfen jedoch nicht dazu genutzt werden, den Zugang zu Überprüfungsverfahren vollständig auszuschließen. Insoweit lässt sich Art. 9 Abs. 3 ÅK ein Mindeststandard entnehmen. Darin liegt jedenfalls partiell eine klare und bestimmte Verpflichtung, die jedoch nicht dazu führt, dass der Charakter der Bestimmung insgesamt umschlägt. Auch wenn also ersichtlich ist, dass ein vollständiger Ausfall des Umweltrechtsschutzes dem Ziel von Art. 9 Abs. 3 ÅK entgegenliefe, bleibt es mit Blick auf die gesamte Vorschrift bei der fehlenden unmittelbaren Anwendbarkeit. Denn die weiten Spielräume eröffnen vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten, um diesem Mindeststandard gerecht zu werden, die von Art. 9 Abs. 3 ÅK nicht determiniert werden. Auf dieser Grundlage ist Art. 9 Abs. 3 ÅK zwar bei einer Gesamtbetrachtung als nicht unmittelbar anwendbar einzuordnen, jedoch mit einer partiellen Nuancierung, die sich aus dem klar erkennbaren und bestimmten Ziel ergibt.598

594

L. Coutron, Révolution dans le contentieux de l’environnement: feue la jurisprudence Plaumann!, RTD Eur. 2012, 607 (611); in eine ähnliche Richtung C. Calliess, Integrierte Vorhabengenehmigung und Rechtsschutz im aktuellen Entwurf des UGB I, ZUR 2008, 343 (350). Auch das Compliance Committee liest aus Art. 9 Abs. 3 ÅK keine Verpflichtung zur Einführung einer Popularklage, s. ACCC / ​C/2005/11 (Belgien), ECE / ​MP.PP / ​C.1/2006/4/Add.2, Rn. 36. L. Krämer, Access to Environmental Justice, JEEPL 14 (2017), 159 (180) hebt dagegen hervor, dass die Einführung von Kriterien nur eine Möglichkeit sei. 595 Generalanwalt Jääskinen, Schlussanträge v. 08.05.2014, Rat u. a. / ​Vereniging Milieudefensie und Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht, Verb. Rs. C-401/12 P bis C-403/12 P, EU:C:​2014:310, Rn. 94. Darauf wird im Kontext der Århus-VO noch eingehend zurückzukommen sein, s. unten unter Teil 2. Kapitel 5. C. II. 1. b) aa) (S. 306 ff.). 596 S. auch dazu noch unten unter Teil 2. Kapitel 5. C. II. 1. b) aa) (S. 306 ff.). 597 S. B. Pirker, Access to Justice in Environmental Matters and the Aarhus Convention’s Effects in the EU Legal Order, RECIEL 25 (2016), 81 (89 f.). 598 Diese Differenzierung wird insbesondere für die Århus-VO noch von Bedeutung sein, s. unten unter Teil 2. Kapitel 5. C. II. 1. b) bb) (S. 309 ff.).

194

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

4. Ergebnis Die Union ist durch die Ratifizierung völkerrechtlich an die Århus-Konvention gebunden. Nach Art. 216 Abs. 2 AEUV wird die Århus-Konvention damit zum inte­ gralen Bestandteil des Unionsrechts. Daraus ergibt sich sowohl eine völkerrechtliche als auch eine unionsrechtliche Bindung der Union an die Konvention.599 An der unmittelbaren Geltung der Århus-Konvention für die Union bestehen keine Zweifel. Ein anderes Bild ergibt sich für die unmittelbare Anwendbarkeit der Vorschriften der dritten Säule der Århus-Konvention. Hier mangelt es im Gesamtbild an unbedingten und klaren Vorgaben. Der weitgehende Verweis auf Ausformungen im innerstaatlichen Recht spricht gegen einen self-executing-Charakter der dritten Säule, insbesondere im Hinblick auf Art. 9 Abs. 3 ÅK. Die Gestaltungsspielräume von Art. 9 Abs. 3 ÅK reichen jedoch nicht so weit, dass ein Ausschluss jeglichen Umweltrechtsschutzes möglich wäre. Insoweit lässt sich zumindest für einen eng begrenzten Bereich eine partielle Klarheit von Art. 9 Abs. 3 ÅK feststellen. Da Art. 9 Abs. 3 ÅK die Vertragsparteien jedoch nicht zu einer bestimmten Gestaltung der Überprüfungsverfahren determiniert, fehlt es im Gesamtbild an einer unmittelbaren Anwendbarkeit. Wirklich überraschend ist die fehlende unmittelbare Anwendbarkeit der Regelungen der dritten Säule nicht, da es sich dabei mehr um die Regel als um die Ausnahme im Umweltvölkerrecht handelt.600 Die Århus-Konvention ist damit auch ein Beispiel dafür, welche Folgen die Aufweichung von Maßstäben in Verhandlungen zu völkerrechtlichen Abkommen hat. II. Möglichkeit völkerrechtsfreundlicher Auslegung des primärrechtlichen Gerichtszugangs Die Rechtsschutzbestimmungen der Århus-Konvention mögen nicht unmittelbar anwendbar sein, völkerrechtlich ist die Union dennoch an sie gebunden. Denn die fehlende unmittelbare Anwendbarkeit im Unionsrecht berührt den völkerrecht­ lichen Verpflichtungsgrund nicht. Dies gilt auch im Fall der Århus-Konvention, die

599 M. Hedemann-Robinson, EU Implementation of the Aarhus Convention’s Third Pillar – Part 1, Eur. Energy & Envtl. L. Rev. 23 (2014), 102 (108). 600 W. Durner, in: Beckmann u. a. (Hrsg.), Landmann / ​Rohmer, Umweltrecht, Umweltvölkerrecht (Mai 2015) Rn. 40; C. Zengerling, Greening International Jurisprudence, 2013, S. 56. S. in diesem Sinne zu Bestimmungen des Seerechtsübereinkommens auch EuGH, Urt. v. 03.06.2008, Intertanko u. a., Rs. C-308/06, EU:C:2008:312, Slg. 2008 I-4057, Rn. 53 ff. Anders jedoch zu Vorschriften des Protokolls über den Schutz des Mittelmeeres gegen Verschmutzungen vom Lande aus EuGH, Urt. v. 15.07.2004, Pêcheurs de l’étang de Berre, Rs. C-213/03, EU:C:2004:464, Slg. 2004 I-7357, Rn. 31 ff. und dazu M. Mendez, Enforcement of EU Agreements, CML Rev. 47 (2010), 1719 (1736 f.).

Kap. 4: Gerichtszugang im Primärrecht

195

unionsrechtlich zumindest unmittelbare Geltung beansprucht.601 In einem solchen Fall dient der Grundsatz der völkerrechtsfreundlichen Auslegung zur Vermeidung völkerrechtswidrigen Handelns. Denn die Möglichkeit völkerrechtsfreundlicher Auslegung besteht gerade dann, wenn eine völkervertragsrechtliche Vorschrift nicht unmittelbar anwendbar ist.602 Für den Fall, dass der primärrechtliche Gerichtszugang auf völkerrechtlicher Ebene nicht mit den Rechtsschutzvorgaben der Århus-Konvention vereinbar ist, sind also die Möglichkeiten einer völkerrechtsfreundlichen Auslegung zu sondieren. 1. Völkerrechtswidrigkeit der primärrechtlichen Zugangsrestriktionen Die Notwendigkeit zu Überlegungen zu einer völkerrechtsfreundlichen Auslegung besteht nur dann, wenn anderenfalls eine Völkerrechtswidrigkeit im Raum steht. Gewendet auf den Gegenstand der Untersuchung ist damit zunächst festzustellen, wie der primärrechtliche Gerichtszugang im Lichte der Århus-Konvention zu bewerten ist. a) Totalausfall des Umweltrechtsschutzes im Primärrecht Die Analyse des Zugangs zu den Unionsgerichten hat ergeben, dass eine Geltendmachung von Allgemeininteressen an der Auslegung des Kriteriums der individuellen Betroffenheit durch den Gerichtshof scheitert.603 Hierdurch kommt es faktisch zu einem Totalausfall der Kontrolle von Maßnahmen mit Umweltbezug im Eigenverwaltungsrecht der Union.604 Dem Geist der Konvention, nachdem die 601

S. dazu unter Teil 2. Kapitel 4. C. I. 2. (S. 182 ff.). EuGH, Urt. v. 11.11.2007, Merck Genéricos Produtos Farmacêuticos, Rs.  C-431/05, EU:C:2007:496, Slg. 2007 I-7001, Rn. 35; EuGH, Urt. v. 16.06.1998, Hermès International / ​ FHT Marketing Choice, Rs. C-53/96, EU:C:1998:292, Slg. 1998 I-3603, Rn. 35; T. Giegerich, in: Pechstein u. a. (Hrsg.), Frankfurter Kommentar EUV / ​GRC / ​AEUV, 2017, Art. 216 AEUV Rn. 240; K. Schmalenbach, in: Calliess / ​Ruffert (Hrsg.), EUV / ​A EUV, 5. Aufl. 2016, Art. 216 AEUV Rn. 33; s. K. Lenaerts / ​J. A. Gutiérrez-Fons, To Say What the Law of the EU Is, CJEL 20 (2013–2014), 3 (42); P. Eeckhout, EU External Relations Law, 2012, S. 356; C. Höpfner, Die systemkonforme Auslegung, 2008, S. 372. 603 S. oben unter Teil 2. Kapitel 4. A. III. (S. 150 ff.). S. auch E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband II, 2018, S. 1026; S. Pernice-Warnke, Effektiver Zugang zu Gericht, 2009, S. 171; N. de Sadeleer / ​C . Poncelet, Protection against Acts Harmful to Human Health and the Environment Adopted by the EU Institutions, CYELS 14 (2011–2012), 177 (183). 604 S. Pernice-Warnke, Der Zugang zu Gericht in Umweltangelegenheiten für Individualkläger und Verbände gemäß Art. 9 Abs. 3 Aarhus-Konvention und seine Umsetzung durch die europäische Gemeinschaft, EuR 2008, 410 (418); C. Poncelet, Access to Justice in Environmental Matters, J. Envtl. L. 24 (2012), 287 (300). S. auch ACCC / ​C/2008/32 (Part I) (Europäische Gemeinschaft), ECE / ​MP.PP / ​C.1/2011/4/Add.1, Rn. 86: „The consequences of applying the Plaumann test to environmental and health issues is that in effect no member of the public is ever able to challenge a decision or a regulation in such case before the ECJ.“ 602

196

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

„Öffentlichkeit, einschließlich Organisationen, Zugang zu wirkungsvollen gericht­ lichen Maßnahmen haben soll, damit ihre berechtigten Interessen geschützt werden und das Recht durchgesetzt wird“605, entspricht der primärrechtliche Direktzugang zu den Unionsgerichten jedenfalls nicht. Auch das Argument, dass mit der Forderung nach einer individuellen Betroffenheit lediglich die in Art. 9 Abs. 3 ÅK eröffnete Möglichkeit zur Festlegung von Kriterien im innerstaatlichen Recht ausgefüllt werde,606 überzeugt aus Sicht der Konvention nicht: Denn das Compliance Committee hat festgehalten, dass diese Kriterien jedenfalls nicht so restriktiv sein dürfen, dass ein Zugang zu Überprüfungsverfahren quasi ausgeschlossen ist.607 Dies ist jedoch gerade die Wirkung der Plaumann-Formel im Umweltrecht. Vor dem Hintergrund dieser Erwägungen lässt sich folgern, dass der maßgeblich durch die Plaumann-Formel bestimmte Zugang zu den Unionsgerichten selbst den spärlichen konkreten Anforderungen der dritten Säule der Århus-Konvention nicht genügt.608 b) Einordnung der Plaumann-Rechtsprechung durch das Compliance Committee Auch das Compliance Committee beschäftigte sich im Jahr 2011 im Rahmen des Verfahrens zur Europäischen Union mit der Frage der Vereinbarkeit der ­Plaumann-Rechtsprechung mit Art. 9 Abs. 3 ÅK. Aus der Analyse der Rechtsprechung des Gerichtshofs zieht das Compliance Committee das eindeutige Fazit: „[I]t is clear to the Committee that this jurisprudence established by the ECJ is too strict to meet the criteria of the Convention.“609

605

So der 18. Erwägungsgrund der Århus-Konvention. EuG, Urt. v. 01.07.2008, Região autónoma dos Açores / ​Rat, Rs. T-37/04, EU:T:2008:236, Slg. 2008 II-103, Rn. 93; EuG, Beschl. v. 28.09.2016, PAN Europe u. a. / ​Kommission, Rs. T-600/​ 15, EU:T:2016:601, Rn. 60. 607 ACCC / ​C/2005/11 (Belgien), ECE / ​MP.PP / ​C.1/2006/4/Add.2, Rn.  35 f. S.  dazu schon oben unter Teil 2. Kapitel 4. C. I. 3. b) (S. 191 ff.). 608 So auch H.  Roer-Eide / ​M. Eliantonio, The Meaning of Regulatory Act Explained, German L. J. 14 (2014), 1851 (1864); M. Eliantonio / ​C . W. Backes / ​C . H.  van Rhee / ​T. N. B. M. Spronken / ​A . Berlee, Standing up for your right(s) in Europe, 2013, S. 43; C. W. Backes / ​M. Eliantonio, Access to Courts for Environmental NGOs at the European and National Level, in: de Visser / ​van der Mei (Hrsg.), The Treaty on European Union 1993–2013, 2013, S. 557 (571); J. F. Delile, L’invocabilité des accords internationaux devant le juge de la légalité des actes de l’Union européenne, C. D. E. 2015, 151 (168 f.); J. Guiorguieff, Les règles de recevabilité concernant les actions des particuliers et la convention d’Aarhus, R. A. E. 2012, 629 (632); E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband II, 2018, S. 968 ff., 1122; s. auch E. J. Lohse, Access to Justice, in: Lohse / ​Poto (Hrsg.), Participatory Rights in the Environmental Decision-Making Process and the Implementation of the Aarhus Convention, 2015, S. 159 (165); anders wohl A. Epiney, Zu den Anforderungen der Aarhus-Konvention an das europäische Gemeinschaftsrecht, ZUR 2003, 176 (180). 609 ACCC / ​C/2008/32 (Part I) (Europäische Gemeinschaft), ECE / ​MP.PP / ​C.1/2011/4/Add.1, Rn. 87. 606

Kap. 4: Gerichtszugang im Primärrecht

197

Dennoch stellt das Compliance Committee im Ergebnis zunächst keine Unvereinbarkeit des Gerichtszugangs mit den Vorgaben des Århus-Konvention fest.610 Diese Zurückhaltung erklärt sich maßgeblich mit dem Zeitpunkt der Entscheidung des Compliance Committees. So erging ein Großteil des analysierten case law der Unionsgerichte vor dem Inkrafttreten der Konvention, weshalb das Compliance Committee erst noch abwarten wollte, ob sich die Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht noch ändern würde.611 Zudem war die Reichweite der damals noch neuen Änderungen durch den Vertrag von Lissabon zum Zeitpunkt der Entscheidung des Compliance Committees noch nicht gänzlich einschätzbar.612 Ungeachtet dessen fordert das Compliance Committee eine Neuausrichtung der Rechtsprechung der Unionsgerichte, um deren Vereinbarkeit mit der Århus-Konvention zu gewährleisten.613 Im zweiten Teil des Verfahrens zur Europäischen Union im Jahr 2017 evaluierte das Compliance Committee den Direktzugang zu den Unionsgerichten erneut und stellte ernüchtert fest, dass keine neue Richtung der Rechtsprechung zu verzeichnen sei.614 Vielmehr kam das Compliance Committee nun endgültig zum Ergebnis, dass die Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht mit den Vorgaben der Århus-Konvention vereinbar sei.615 Damit liegt das Compliance Committee auf einer Linie mit vielen kritischen Stimmen aus der Literatur, die den Ausfall jeglicher Direktklagemöglichkeiten als unvereinbar mit den Vorgaben der Konvention monieren.616 Der primärrechtliche Gerichtszugang ist danach nicht mit Art. 9 610

ACCC / ​C/2008/32 (Part I) (Europäische Gemeinschaft), ECE / ​MP.PP / ​C.1/2011/4/Add.1, Rn. 95. Dies löste auf Seiten Union Verwirrung aus und führte zu einer spitzen Nachfrage der Kommission beim Compliance Committee: „Since no breach has been established, the Commission does not understand how steps need to be taken to ensure compliance in the future.“ (Brief der Kommission vom 20. Juli 2011, ENV A.2/JFBR / ​Ares(2011)793506). 611 ACCC / ​C/2008/32 (Part I) (Europäische Gemeinschaft), ECE / ​MP.PP / ​C.1/2011/4/Add.1, Rn. 95. 612 S. R. Mastroianni / ​A . Pezza, Striking the Right Balance, Am. U. Int’l L. Rev. 30 (2015), 743 (783). 613 ACCC / ​C/2008/32 (Part I) (Europäische Gemeinschaft), ECE / ​MP.PP / ​C.1/2011/4/Add.1, Rn. 97. 614 ACCC / ​C/2008/32 (Part II) (Europäische Union), ECE / ​MP.PP / ​C.1/2017/7, Rn. 79, 121. 615 ACCC / ​C/2008/32 (Part II) (Europäische Union), ECE / ​MP.PP / ​C.1/2017/7, Rn.  121. 616 M. Eliantonio, Case C-240/09, Lesoochranárske zoskupenie VLK v. Ministerstvo životného prostredia Slovenskej republiky, CML Rev. 49 (2012), 767 (787); R.  Mastroianni  / ​ A. Pezza, Striking the Right Balance, Am. U. Int’l L. Rev. 30 (2015), 743 (786); M. Palle­ maerts, Access to Environmental Justice at EU Level, in: Pallemaerts (Hrsg.), The Aarhus Convention at Ten, 2011, S. 271 (304); C. Poncelet, Access to Justice in Environmental Matters, J. Envtl. L. 24 (2012), 287 (299); N. de Sadeleer / ​C . Poncelet, Protection against Acts Harmful to Human Health and the Environment Adopted by the EU Institutions, CYELS 14 (2011–2012), 177 (185); T. Weber, Die Umsetzung der Aarhus-Konvention beim direkten Vollzug von Unionsrecht, JRP 20 (2012), 137 (149, 152); kritisch auch S. Pernice-Warnke, Der Zugang zu Gericht in Umweltangelegenheiten für Individualkläger und Verbände gemäß Art. 9 Abs. 3 Aarhus-Konvention und seine Umsetzung durch die europäische Gemeinschaft, EuR 2008, 410 (418); G. Monédiarie, L’accès à la justice communautaire en matière d’environnement au mirroir de la convention d’Aarhus, R. J. E. numéro spécial (1999), 63 (74); R. Lanceiro,

198

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

Abs. 3 ÅK vereinbar, da er ungeachtet der Gestaltungsspielräume nicht einmal dem Mindeststandard genügt. c) Ergebnis Angesichts des Totalausfalls des Rechtsschutzes verwundert es nicht, dass der primärrechtliche Gerichtszugang nicht den Anforderungen der Århus-Konvention genügt. Die Union muss sich den Vorwurf der Völkerrechtswidrigkeit des primärrechtlichen Umweltrechtsschutzes gefallen lassen. Vor diesem Hintergrund besteht die Notwendigkeit für Überlegungen zu einer möglichen völkerrechtsfreundlichen Auslegung des Primärrechts. 2. Normativer Anknüpfungspunkt und Grundzüge der völkerrechtsfreundlichen Auslegung des Unionsrechts Der Grundsatz der völkerrechtsfreundlichen Auslegung des Unionsrechts ist etabliert617 und in der Rechtsprechung des Gerichtshofs anerkannt.618 Grundlage findet er im „völkerrechtsfreundlichen Tenor“619 des Unionsrechts. Der Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit wird im Unionsrecht, vergleichbar mit dem deutschen Verfassungsrecht,620 aus einer Gesamtschau verschiedener primärrechtlicher The Review of Compliance with the Aarhus Convention of the European Union, in: Chiti / ​ Mattarella (Hrsg.), Global Administrative Law and EU Administrative Law, 2011, S. 359 (370); H. Schoukens, Access to Justice in Environmental Cases After the Rulings of the Court of Justice of 13 January 2015, Utrecht J. Int. Eur. Law 31 (2015), 46 (50). 617 J.-P. Hix, Zur Rechtfertigung der Auslegung des EU-Rechts im Lichte des Völkervertragsrechts, in: Becker u. a. (Hrsg.), FS Schwarze, 2014, S. 141 (142). Zur völkerrechtskonformen Auslegung im deutschen Recht M.  Payandeh, Völkerrechtsfreundlichkeit als Verfassungsprinzip, JöR n. F. 57 (2009), 465 (485 f.). 618 S. nur EuGH, Urt. v. 10.11.1996, Kommission / ​Deutschland, Rs. C-61/94, EU:C:1996:313, Slg. 1996 I-3989, Rn. 52; EuGH, Urt. v. 24.11.1992, Anklagemindigheden / ​Poulsen und Diva Navigation, Rs. C-286/90, EU:C:1992:453, Slg. 1992 I-6019, Rn. 9; EuGH, Urt. v. 03.11.2008, Al Barakaat International Foundation / ​Rat und Kommission, Verb. Rs.  C-402/05 P und C-415/05 P, EU:C:2008:30, Slg. 2008 I-6351, Rn. 291; EuGH, Urt. v. 03.06.2008, Intertanko u. a., Rs. C-308/06, EU:C:2008:312, Slg. 2008 I-4057, Rn. 52; EuGH, Urt. v. 16.06.1998, Hermès International / ​FHT Marketing Choice, Rs.  C-53/96, EU:C:1998:292, Slg.  1998 I-3603, Rn. 28, 35. 619 H. Keller, Rezeption des Völkerrechts, 2003, S. 253; im Anschluss M. Knauff, Der Regelungsverbund, 2010, S. 142. Zur völkerrechtsunfreundlichen Rechtsprechungslinie des Gerichtshofs zum Welthandelsrecht kritisch H. Sauer, Jurisdiktionskonflikte in Mehrebenensystemen, 2008, S. 234 ff.; F. Snyder, The Gatekeepers: The European Courts and WTO Law, CML Rev. 40 (2003), 313 (325 ff.). 620 S. dazu etwa M. Payandeh, Völkerrechtsfreundlichkeit als Verfassungsprinzip, JöR n. F. 57 (2009), 465 (467 ff.); C. Tomuschat, Staatsrechtliche Entscheidung für die internationale Offenheit, in: Isensee / ​K irchhof (Hrsg.), HbdStR Bd. XI, 2013, § 226, Rn. 36 ff.; S.-P. Hwang, Trägt die (begrenzte)  Völkerrechtsfreundlichkeit als Verfassungsprinzip zum Ausgleich

Kap. 4: Gerichtszugang im Primärrecht

199

Vorschriften gewonnen.621 Zu nennen ist zunächst Art. 3 Abs. 5 Satz 2 EUV, der die Union an prominenter Stelle in den Verträgen „zur strikten Einhaltung und Weiterentwicklung des Völkerrechts“ verpflichtet. Speziell für den Bereich der europäischen Außenpolitik wird dieser Grundsatz in Art. 21 Abs. 1 UAbs. 1 EUV noch einmal wiederholt. Daneben kann auch Art. 216 Abs. 2 AEUV eine prinzipielle Aufgeschlossenheit der Unionsrechtsordnung gegenüber dem Völkerrecht entnommen werden.622 Eine Sonderstellung nehmen die Grundrechte der EMRK ein, die in Art. 6 Abs. 3 EUV zu allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts erhoben werden. Der Grundsatz der völkerrechtskonformen Auslegung operationalisiert die Völkerrechtsfreundlichkeit. Er wird als Ausdruck des Selbstverständnisses der Union als Teil der Völkerrechtsgemeinschaft gesehen.623 Die völkerrechtskonforme Auslegung des Unionsrechts wird von einem Rücksichtnahmegedanken getragen624 und zielt auf die Vermeidung völkerrechtswidrigen Handelns.625 Über das Gebot der völkerrechtskonformen Auslegung kann so auch das Umweltvölkerrecht als Auslegungshilfe herangezogen werden.626 Die völkerrechtskonforme Auslegung ist von der unmittelbaren Anwendbarkeit abzugrenzen. Die völkerrechtskonforme Auslegung führt überwiegend zu ähn­ lichen Ergebnissen wie die unmittelbare Anwendbarkeit,627 jedoch handelt es sich um unterschiedliche dogmatische Kategorien.628 Zum einen kann eine unmittelbar zwischen internationaler Zusammenarbeit und nationaler Souveränität bei?, AVR 55 (2017), 349 (351 ff.); H. Sauer, Die neue Schlagkraft der gemeineuropäischen Grundrechtsjudikatur, ­ZaöRV 2005, 35 (46 ff.). 621 H. Sauer, Das Recht der Vereinten Nationen in der Europäischen Union, in: Binder u. a. (Hrsg.), Völkerrecht im innerstaatlichen Bereich, 2010, S. 19 (35); s. auch H. P. Aust, Eine völkerrechtsfreundliche Union?, EuR 2017, 106 (109 f.). 622 S. zusammenfassend zu den primärrechtlichen Anknüpfungspunkten der Völkerrechtsfreundlichkeit H. P. Aust, Eine völkerrechtsfreundliche Union?, EuR 2017, 106 (109 ff.); T. Giegerich, in: Pechstein u. a. (Hrsg.), Frankfurter Kommentar EUV / ​GRC / ​AEUV, 2017, Art. 216 AEUV Rn. 240. 623 R.  Geiger, in: Geiger u. a. (Hrsg.), EUV / ​AEUV, 6. Aufl. 2017, Art. 47 EUV Rn. 12; s. auch F. Casolari, Giving Indirect Effect to International Law Within the EU Legal Order, in: Cannizzaro u. a. (Hrsg.), International Law as Law of the European Union, 2012, S. 395 (405). 624 H. Sauer, Jurisdiktionskonflikte in Mehrebenensystemen, 2008, S. 357 f. 625 S. R. Uerpmann-Wittzack, Völkerrechtliche Verfassungselemente, in: von Bogdandy / ​Bast (Hrsg.), Europäisches Verfassungsrecht, 2009, S. 177 (197). 626 W. Durner, in: Beckmann u. a. (Hrsg.), Landmann / ​Rohmer, Umweltrecht, Umweltvölkerrecht (Mai 2015) Rn. 35. 627 So kritisieren etwa P. J.  Kuijper / ​M.  Bronckers, WTO Law in the European Court of Justice, CML Rev. 42 (2005), 1313 (1326), die mit der völkerrechtskonformen Auslegung erreichten Ergebnisse seien kaum von der unmittelbaren Anwendbarkeit zu unterscheiden. 628 H. Sauer, Jurisdiktionskonflikte in Mehrebenensystemen, 2008, S. 237 f.; A. von Bogdandy, Die Überlagerung der ZPO durch WTO-Recht, NJW 1999, 2088 (2089); G. Betlem, The Doctrine of Consistent Interpretation, Oxford J. Legal Stud. 22 (2002), 397 (398); J. Dut­ heil de la Rochère, L’effet direct des accords internationaux, in: Rosas u. a. (Hrsg.), The Court of Justice and the Construction of Europe, 2013, S. 637 (655).

200

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

anwendbare völkervertragliche Vorschrift selbst herangezogen werden, während sie bei der völkerrechtskonformen Auslegung einer normativen Anknüpfung bedarf.629 Zudem ist die völkerrechtskonforme Auslegung von der Auslegungsfähigkeit ihrer normativen Anknüpfung abhängig,630 deren absolute Grenze durch den Wortlaut gezogen wird.631 3. Implikationen aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Unionsverwaltungsrecht Mit den Wirkungen von Art. 9 Abs. 3 ÅK hat sich der Gerichtshof schon für das mitgliedstaatliche Prozessrecht auseinandergesetzt. Aufschlussreiche Hinweise lassen sich den Urteilen des Gerichtshofs in den Fällen Slowakischer Braunbär und Protect entnehmen. Diese Urteile stehen paradigmatisch für die weitreichende Effektuierung von Art. 9 Abs. 3 ÅK durch den Gerichtshof im Verhältnis zum mitgliedstaatlichen Prozessrecht. a) Urteil Slowakischer Braunbär Der Gerichtshof blieb im Fall Slowakischer Braunbär nicht bei der fehlenden unmittelbaren Anwendbarkeit von Art. 9 Abs. 3 ÅK stehen. Vielmehr aktivierte er Art. 9 Abs. 3 ÅK in weitreichender und bemerkenswerter Weise für das mitgliedstaatliche Prozessrecht. Zunächst eröffnet der Gerichtshof den Anwendungs­bereich des Unionsrechts, indem er mit Verweis auf den Fall Étang de Berre632 feststellt, dass die Fallkonstellation trotz fehlender sekundärrechtlicher Umsetzung von Art. 9 Abs. 3 ÅK für das mitgliedstaatliche Prozessrecht633 inhaltlich einen weitgehend vom Unionsrecht erfassten Bereich –  konkret: den Habitatschutz  – betreffe.634 Dies ermöglicht dem Gerichtshof, die unionsrechtlichen Grundsätze der

629

H. Sauer, Jurisdiktionskonflikte in Mehrebenensystemen, 2008, S. 238. H. Sauer, Jurisdiktionskonflikte in Mehrebenensystemen, 2008, S. 238; s. auch G. Betlem, The Doctrine of Consistent Interpretation, Oxford J. Legal Stud. 22 (2002), 397 (398). 631 A. von Bogdandy, Die Überlagerung der ZPO durch WTO-Recht, NJW 1999, 2088 (2089); s. auch C. Tomuschat, Staatsrechtliche Entscheidung für die internationale Offenheit, in: Isensee / ​Kirchhof (Hrsg.), HbdStR Bd. XI, 2013, § 226, Rn. 36. 632 EuGH, Urt. v. 7.10.2004, Kommission / ​ Frankreich, Rs.  C-239/03, EU:C:2004:598, Slg. 2004 I-9325, Rn. 31. 633 Der Vorschlag für eine Richtlinie KOM(2003) 624 endg. v. 24.10.2003 wurde nicht weiterverfolgt. Dazu S. Schlacke, Stärkung überindividuellen Rechtsschutzes zur Durchsetzung des Umweltrechts, ZUR 2011, 312 (313). 634 EuGH, Urt. v. 08.03.2011, Lesoochranárske zoskupenie, Rs. C-240/09, EU:C:2011:125, Slg.  2011 I-1285, Rn. 36 ff.; dezidiert anders Generalanwältin Sharpston, Schlussanträge v. 15.07.2010, Lesoochranárske zoskupenie, Rs.  C-240/09, EU:C:2010:436, Slg.  2011 I-1255, Rn. 75 ff. Kritisch zu der Ausdehnung des Anwendungsbereichs des Unionsrechts durch den 630

Kap. 4: Gerichtszugang im Primärrecht

201

Effektivität und Äquivalenz auf Art. 9 Abs. 3 ÅK anzuwenden.635 Der Gerichtshof zieht den Schluss, „dass der nationale Richter, dann, wenn eine mit dem Unionsrecht und insbesondere mit der Habitatrichtlinie geschützte Art betroffen ist, sein nationales Recht im Hinblick auf die Gewährung eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes in den vom Umweltrecht der Union erfassten Bereichen so auszulegen hat, dass es so weit wie möglich im Einklang mit den in Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus festgelegten Zielen steht“636.

Um die Deutung von Bedeutung und Reichweite der Ausführungen des Gerichtshofs entspann sich in der Folge eine nachhaltige Kontroverse.637 Eine Wirkung lässt sich dem Urteil in jedem Fall konstatieren: Art. 9 Abs. 3 ÅK trat aus dem Schatten von Art. 9 Abs. 2 ÅK heraus und rückte deutlich mehr ins Zentrum der Aufmerksamkeit.638 Der Gerichtshof instrumentalisiert den nicht unmittelbar anwendbaren Art. 9 Abs. 3 ÅK, indem er ihn über das Effektivitätsgebot aus Art. 4 Abs. 3 EUV unionsrechtlich auflädt.639 Auf dieser Grundlage fordert der Gerichtshof von den Mitgliedstaaten die Auslegung ihres Prozessrechts im Sinne von Art. 9 Abs. 3 ÅK. Der Gerichtshof verstärkt die Wirkung von Art. 9 Abs. 3 ÅK gegenüber dem mitgliedstaatlichen Prozessrecht, indem er die Vorschrift durch die unionsrechtliche Aufladung am Vorrang des Unionsrechts teilhaben lässt. Letztendlich läuft das Judikat des Gerichtshofs darauf hinaus, dass die mitgliedstaatlichen Gerichte ihr Prozessrecht im Wege einer Konforminterpretation im Licht von Art. 9 Abs. 3

Gerichtshof etwa U. Seifert, Fortschritte beim Rechtsschutz in Umweltangelegenheiten nach Art. 9 Abs. 3 Aarhus-Konvention?, ZEuS 2016, 49 (61 ff.); M. Klamert, Dark matter: Competence, jurisdiction and „the area largely covered by EU law“, E. L.Rev. 37 (2012), 340 (347 f.); D. Krawczyk, The Slovak Brown Bear Case, Envtl. L. Rev. 14 (2012), 53 (57 ff.). 635 EuGH, Urt. v. 08.03.2011, Lesoochranárske zoskupenie, Rs. C-240/09, EU:C:2011:125, Slg. 2011 I-1285, Rn. 48. 636 EuGH, Urt. v. 08.03.2011, Lesoochranárske zoskupenie, Rs. C-240/09, EU:C:2011:125, Slg. 2011 I-1285, Rn. 50. 637 Kritisch etwa K. F.  Gärditz, Verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz im Umweltrecht, NVwZ 2014, 1 (5 f.); K. F. Gärditz, Europäisierter Umweltrechtsschutz als Laboratorium des Verwaltungsprozessrechts, EurUP 2015, 196 (209); J. Greim, Die Verbandsklage nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz, BayVBl 2014, 517 (518 f.); A. Schink, Der slowakische Braunbär und der deutsche Verwaltungsprozess, DÖV 2012, 622 (624 ff.); B. Wegener, Die europäische Umweltverbandsklage, ZUR 2011, 363 (366); W. Durner, in: Beckmann u. a. (Hrsg.), Landmann / ​Rohmer, Umweltrecht, Umweltvölkerrecht (Mai 2015) Rn. 84; F. Schoch, Verwaltungsgerichtsbarkeit, quo vadis?, VBlBW 2013, 361 (367); dagegen befürwortend S. Schlacke, Zur fortschreitenden Europäisierung des (Umwelt-)Rechtsschutzes, NVwZ 2014, 11 (12). 638 S. J. Berkemann, Der slowakische Braunbär im deutschen Prozessrecht, DVBl 2013, 1137 (1141); K. F. Gärditz, Verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz im Umweltrecht, NVwZ 2014, 1 (5); M. Breuer, Die Klagebefugnis von Umweltverbänden unter Anpassungsdruck des Völker- und Europarechts, Die Verwaltung 45 (2012), 171 (187). 639 K. F. Gärditz, Europäisierter Umweltrechtsschutz als Laboratorium des Verwaltungsprozessrechts, EurUP 2015, 196 (209); s. auch J. Jans / ​H. Vedder, European Environmental Law, 2012, S. 237.

202

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

ÅK auslegen müssen.640 Das Recht aus Art. 9 Abs. 3 ÅK steht dabei in engem Zusammenhang mit dem Recht auf effektiven Rechtsschutz.641 Drei Motive scheinen hinter der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu stehen. Zunächst spricht aus dem Urteil Slowakischer Braunbär das bekannte Muster, die Öffentlichkeit zur Durchsetzung des Umweltrechts zu mobilisieren.642 Der Gerichtshof stärkt durch seine Rechtsprechung die Möglichkeiten der Umweltschutzverbände, das Umweltrecht der Union vor den nationalen Gerichten durchsetzen zu können. Damit mildert er auch die negativen Auswirkungen für den Rechtsschutz im Umweltrecht ab, die aus der Untätigkeit des europäischen Gesetzgebers resultieren.643 Daneben verschafft der Gerichtshof Art. 9 Abs. 3 ÅK die Durchsetzungskraft, die ihm durch das Compliance Committee beigemessen wird und sichert damit, dass der mitgliedstaatliche Rechtsschutz den völkerrechtlichen Verpflichtungen nachkommt.644 Schließlich ist dem Gerichtshof erkennbar an der einheitlichen Auslegung des Unionsumweltrechts gelegen, wozu er offenbar auch das seiner Durchsetzung dienende mitgliedstaatliche Prozessrecht rechnet.645 b) Urteil Protect Die Bedeutung der Rechtsprechung im Fall Slowakischer Braunbär wurde vom Gerichtshof im Urteil Protect unterstrichen. Hier zeigt sich zum einen, dass es dem Gerichtshof mit seinem Ansatz zu Art. 9 Abs. 3 ÅK ernst ist, zum anderen lässt sich auch eine Weiterentwicklung erkennen. 640

S. die Anpassungsbemühungen in BVerwGE 147, 312 (Rn. 20 ff.) sowie BVerwGE 150, 294 (Rn. 18 ff.) und dazu U.  Seifert, Fortschritte beim Rechtsschutz in Umweltangelegenheiten nach Art. 9 Abs. 3 Aarhus-Konvention?, ZEuS 2016, 49 (71 ff.); S. Schlacke, Klage­ befugnis anerkannter Umweltverbände gegen Flugroutenfestlegung, NVwZ 2015, 563 (563 ff.); S. Schlacke, Zur fortschreitenden Europäisierung des (Umwelt-)Rechtsschutzes, NVwZ 2014, 11 (12 ff.); E.  Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband I, 2018, S. 631 ff.; C.  Franzius, Das Bundesverwaltungsgericht auf dem richtigen Weg?, in: Kloepfer (Hrsg.), Rechtsschutz im Umweltrecht, 2014, S. 145 (148 ff.). 641 EuGH, Urt. v. 08.03.2011, Lesoochranárske zoskupenie, Rs. C-240/09, EU:C:2011:125, Slg. 2011 I-1285, Rn. 52; K. Lenaerts / ​J. A. Gutiérrez-Fons, To Say What the Law of the EU Is, CJEL 20 (2013–2014), 3 (44). 642 J. Berkemann, Die unionsrechtliche Umweltverbandsklage des EuGH, DVBl 2011, 1253 (1256); L. Radespiel, Zur unmittelbaren Wirkung von Art. 9 Abs. 3 der Aarhus-Konvention im Unionsrecht sowie zur Auslegung dieser Norm im Sinne eines effktiven gerichtlichen Rechtsschutzes, EurUP 2011, 238 (240). 643 K. Lenaerts, Direct Applicability and Direct Effect of International Law in the EU Legal Order, in: Govaere u. a. (Hrsg.), FS Maresceau, 2014, S. 45 (63). 644 Ohne, dass der Gerichtshof das Compliance Committee ausdrücklich zitieren würde verweist die Formulierung in EuGH, Urt. v. 08.03.2011, Lesoochranárske zoskupenie, Rs. C-240/09, EU:C:2011:125, Slg. 2011 I-1285, Rn. 49 recht deutlich auf ACCC / ​C/2005/11 (Belgien), ECE / ​MP.PP / ​C.1/2006/4/Add.2, Rn.  35. 645 J. Berkemann, Die unionsrechtliche Umweltverbandsklage des EuGH, DVBl 2011, 1253 (1256 f.).

Kap. 4: Gerichtszugang im Primärrecht

203

Gegenstand des Urteils Protect war ein Vorabentscheidungsersuchen des österreichischen Verwaltungsgerichtshofs, das unter anderem die Frage betraf, ob ein Umweltverband einen Verstoß gegen das wasserrechtliche Verschlechterungsverbot aus Art. 4 der Wasserrahmenrichtlinie646 rügen können sollte.647 Schon aus dieser Ausgangslage wird die Verbindung zum Fall Slowakischer Braunbär deutlich: Hier wie dort ging es um Vorschriften, die keine individuellen Rechte vermitteln, sondern alleine der Allgemeinheit dienen.648 Der Gerichtshof bekräftigte zunächst seine Rechtsprechung aus dem Fall Slowakischer Braunbär, indem er zwar die unmittelbare Anwendbarkeit von Art. 9 Abs. 3 ÅK verneinte, die mitgliedstaatlichen Gerichte jedoch zu einer Auslegung ihres Prozessrechts im Sinne der Vorschrift verpflichtete.649 Hierbei stützte sich der Gerichtshof – und dies ist die entscheidende Weiterentwicklung – auf eine Verbindung von Art. 9 Abs. 3 ÅK und Art. 47 GRCh.650 Aus der Zusammenschau dieser beiden Normen folgerte der Gerichtshof, gestützt auf seine Simmenthal-Rechtsprechung,651 dass eine dem Zugang zu Überprüfungsverfahren entgegenstehende Vorschrift des mitgliedstaatlichen Prozessrechts außer Anwendung bleiben müsse, sofern sie nicht unionsrechtskonform ausgelegt werden könne.652 Damit geht der Gerichtshof über die Auslegungsmaßgabe des Urteils Slowakischer Braunbär hinaus, indem er die mitgliedstaatlichen Gerichte explizit unter Verweis auf die Simmenthal-Rechtsprechung auffordert, dem Zugang zu Überprüfungsverfahren entgegenstehendes Prozessrecht außer Anwendung zu lassen.653 Dies erklärt auch, was der Gerichtshof im Urteil Slowakischer Braunbär mit seiner Aufforderung, das Prozessrecht sei soweit wie möglich in Einklang mit Art. 9 Abs. 3 ÅK auszulegen, meinte: In letzter Konsequenz

646 Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik, Abl. L 327 v. 22.12.2000, S. 1 ff. 647 EuGH, Urt. v. 20.12.2017, Protect Natur-, Arten- und Landschaftschutz Umweltorganisation, Rs. C-664/15, EU:C:2017:987, Rn. 30 ff. 648 Zum Fall Protect B. Wegener, Der Braunbär lernt schwimmen, ZUR 2018, 217 (220). 649 EuGH, Urt. v. 20.12.2017, Protect Natur-, Arten- und Landschaftschutz Umweltorganisation, Rs. C-664/15, EU:C:2017:987, Rn. 45, 54. 650 EuGH, Urt. v. 20.12.2017, Protect Natur-, Arten- und Landschaftschutz Umweltorganisation, Rs. C-664/15, EU:C:2017:987, Rn 52; so auch Generalanwältin Sharpston, Schlussanträge v. 12.10.2017, Protect Natur-, Arten- und Landschaftschutz Umweltorganisation, Rs. C-664/15, EU:C:2017:760, Rn. 94. Eine ähnliche Argumentation verfolgte der Gerichtshof auch im Fall Slowakischer Braunbär II, in dem er Art. 9 Abs. 2 ÅK in Verbindung mit Art. 47 GRCh heranzog, s. EuGH, Urt. v. 08.11.2016, Lesoochranárske zoskupenie, Rs. C-243/15, EU:C:2016:838, Rn. 73. 651 EuGH, Urt. v. 09.03.1978, Amministrazione delle finanze dello Stato / ​Simmenthal, Rs. 106/77, EU:C:1978:49, Slg. 1978, 629, Rn. 21/23 f. 652 EuGH, Urt. v. 20.12.2017, Protect Natur-, Arten- und Landschaftschutz Umweltorganisation, Rs. C-664/15, EU:C:2017:987, Rn. 55 ff. 653 R. Klinger, Anmerkung zu EuGH, Urt. v. 20.12.2017, Rs. C-664/15, NVwZ 2018, 231 (232); A. Epiney, Zur Rechtsprechung des EuGH im Umweltrecht im Jahr 2017, EurUP 2018, 204 (206).

204

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

muss entgegenstehendes Prozessrecht unangewendet bleiben.654 Jedenfalls aus der Sicht eines Verletztenklagesystems verkehrt der Gerichtshof damit die klassische Dogmatik ins Gegenteil, dient das von ihm geforderte Klagerecht doch gerade der Durchsetzung von Vorschriften, die im Allgemeininteresse stehen.655 Denn das streitgegenständliche wasserrechtliche Verschlechterungsverbot aus Art. 4 Abs. 1 lit. a der Wasserrahmenrichtlinie besitzt keinerlei Individualbezug und dient rein allgemeinen Interessen. Verallgemeinert bedeutet dies, dass auf Grundlage der Protect-Rechtsprechung im Ergebnis jede Vorschrift des europäischen Umweltrechts rügefähig ist.656 Entscheidend wirkt sich auch die Verstärkung von Art. 9 Abs. 3 ÅK durch Art. 47 GRCh aus. Das Völkerrecht wird durch die Verbindung mit Art. 47 GRCh unionsrechtlich aufgeladen – und zwar nicht mehr nur mit dem allgemeinen Grundsatz der Effektivität des Unionsrechts wie im Urteil Slowakischer Braunbär, sondern mit dem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz. Die daraus erzielte Wirkung nähert sich weitgehend der unmittelbaren Anwendbarkeit an,657 zumal der Gerichtshof noch einmal auf die Beschränkung des Umsetzungsspielraums in Art. 9 Abs. 3 ÅK hinweist.658 c) Folgerungen Art. 9 Abs. 3 ÅK wird durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs weitreichend effektuiert. Der Gerichtshof verlangt von den mitgliedstaatlichen Gerichten mehr als eine völkerrechtsfreundliche Auslegung des Prozessrechts, die vermittelt durch den Grundsatz des effet utile gleichsam eine europarechtsfreundliche Auslegung ist. Denn der Gerichtshof nimmt schon im Fall Slowakischer Braunbär das Ergebnis der Auslegung weitestgehend vorweg, nämlich, dass klagenden Umweltverbänden ein Zugang zu Überprüfungsverfahren gewährt wird.659 Damit substituiert der

654 R. Klinger, Anmerkung zu EuGH, Urt. v. 20.12.2017, Rs. C-664/15, NVwZ 2018, 231 (232). 655 B. Wegener, Der Braunbär lernt schwimmen, ZUR 2018, 217 (220, 221). 656 B. Wegener, Der Braunbär lernt schwimmen, ZUR 2018, 217 (221); R. Klinger, Anmerkung zu EuGH, Urt. v. 20.12.2017, Rs. C-664/15, NVwZ 2018, 231 (232). 657 C. Sobotta, Anmerkung zu EuGH, Urt. v. 20.12.2017, Rs. C-664/15, EuZW 2018, 158 (166); B. Wegener, Der Braunbär lernt schwimmen, ZUR 2018, 217 (219), der von einer „vermittelten unmittelbaren Wirkung“ spricht. Kritisch F. Fellenberg / ​G. Schiller, in: Beckmann u. a. (Hrsg.), Landmann / ​Rohmer, Umweltrecht, UmwRG vor § 1 (April 2018) Rn. 44. 658 EuGH, Urt. v. 20.12.2017, Protect Natur-, Arten- und Landschaftschutz Umweltorganisation, Rs. C-664/15, EU:C:2017:987, Rn. 46 ff. 659 So die auch die Deutung bei M. Eliantonio, Case C-240/09, Lesoochranárske zoskupenie VLK v. Ministerstvo životného prostredia Slovenskej republiky, CML Rev. 49 (2012), 767 (783) von EuGH, Urt. v. 08.03.2011, Lesoochranárske zoskupenie, Rs. C-240/09, EU:C:2011:125, Slg. 2011 I-1285, Rn. 52.

Kap. 4: Gerichtszugang im Primärrecht

205

Gerichtshof den fehlenden direct effect von Art. 9 Abs. 3 ÅK durch einen indirect effect, der im Gewande einer Konformauslegung daherkommt.660 Diese Rechtsprechung führt der Gerichtshof im Fall Protect ausdrücklich weiter fort. Das Urteil lässt sich nicht nur als Bekräftigung der Rechtsprechung aus Slowakischer Braunbär lesen, sondern darüber hinaus als Klarstellung und Erweiterung. Während aus dem Fall Slowakischer Braunbär nicht wirklich deutlich wurde, wie weit der Effekt von Art. 9 Abs. 3 ÅK reicht, ist dies nun mit dem Urteil Protect geklärt: Die Wirkung von Art. 9 Abs. 3 ÅK erschöpft sich nicht in einer reinen Berücksichtigungspflicht, die von den mitgliedstaatlichen Gerichten nur eine Auslegung ihres Prozessrechts im Sinne von Art. 9 Abs. 3 ÅK verlangt, soweit dies möglich ist. Mit Verweis auf seine Simmenthal-Rechtsprechung greift der Gerichtshof vielmehr weitreichend in das mitgliedstaatliche Prozessrecht ein: Ist eine Auslegung des mitgliedstaatlichen Prozessrechts im Sinne von Art. 9 Abs. 3 ÅK nach dem Urteil Slowakischer Braunbär nicht möglich, ist mit dem Urteil Protect nun klar, dass das entgegenstehende mitgliedstaatliche Prozessrecht unangewendet bleiben muss. Damit relativiert der Gerichtshof die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten erheblich.661 Aus der Zusammenschau der beiden Urteile Slowakischer Braunbär und Protect ergibt sich zudem, dass die Effektuierung von Art. 9 Abs. 3 ÅK gerade der Durchsetzbarkeit des objektiven Umweltrechts dient. Denn in beiden Fällen wiesen die streitgegenständlichen Vorschriften des Habitatschutz- und Wasserrechts keinerlei individuelle Zielrichtung auf. Dies entspricht im Übrigen dem Ansatz der Århus-Konvention, die gerade den Vollzugshindernissen des Umweltrechts begegnen will. Die bedeutendste Weiterentwicklung des Urteils Protect liegt jedoch im unionsrechtlichen Anknüpfungspunkt der Effektivierung von Art. 9 Abs. 3 ÅK. Im Fall Slowakischer Braunbär hatte der Gerichtshof noch recht allgemein auf den effet utile des Unionsrechts abgestellt. Dies hätte auch im Fall Protect zur Erzielung des vom Gerichtshof gewünschten Effekts ebenfalls ausgereicht. Dennoch hat der 660

M. Eliantonio, Case C-240/09, Lesoochranárske zoskupenie VLK v. Ministerstvo životného prostredia Slovenskej republiky, CML Rev. 49 (2012), 767 (784). Allgemein zur Figur des indirect effect bzw. der consistent interpretation A. Peters, The Position of International Law within the European Community Legal Order, German Y. B.Int’l L. 40 (1997), 9 (71 ff.); F. Casolari, Giving Indirect Effect to International Law Within the EU Legal Order, in: Cannizzaro u. a. (Hrsg.), International Law as Law of the European Union, 2012, S. 395 (402 ff.). Im Hinblick auf Richtlinienrecht s. auch S. Drake, Twenty years after Von Colson, E. L.Rev. 2005, 329 ff.; G.  Betlem, The Doctrine of Consistent Interpretation, Oxford J.  Legal Stud. 22 (2002), 397 ff.; G. Betlem / ​A . Nollkaemper, Giving Effect to Public International Law and European Community Law before Domestic Courts, EJIL 14 (2003), 569 ff.; M. Amstutz, In – Between Worlds: Marleasing and the Emergence of Interlegality in Legal Reasoning, ELJ 11 (2005), 766 ff. 661 Zur Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten schon oben unter Teil 1. Kapitel 2. B. I. ​ 3. b) bb) (S. 75 ff.).

206

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

Gerichtshof diesen Weg nicht gewählt. Die Verbindung mit dem Grundrecht auf effektiven Rechtsbehelf aus Art. 47 GRCh hebt Art. 9 Abs. 3 ÅK durch unionsgrundrechtliche Aufladung auf eine neue Stufe. Der Gerichtshof beschränkt sich damit nicht nur auf die Bestätigung seiner Rechtsprechung im Fall Slowakischer Braunbär, sondern geht noch deutlich darüber hinaus. Das dogmatische Spagat des Gerichtshofs offenbart die Schwierigkeiten, den Charakter von Art. 9 Abs. 3 ÅK zu erfassen.662 Dies geht so weit, dass es gerechtfertigt ist, von einer „unmittelbare[n] Anwendbarkeit durch die Hintertür“663 zu sprechen. 4. Ansätze zur völkerrechtsfreundlichen Auslegung von Art. 263 Abs. 4 Var. 2 AEUV Vor dem Hintergrund des Totalausfalls der Kontrolle und der Völkerrechtswidrigkeit des primärrechtlichen Gerichtszugangs wird gefordert, dass die dort für das mitgliedstaatliche Prozessrecht angewandten Prinzipien ebenso für das primärrechtliche Prozessrecht der Unionseigenverwaltung gelten müssten.664 Schließlich besteht auch nach dem Gerichtshof selbst ein „klares Interesse daran, dass die Vorschrift [Art.  9 Abs. 3 ÅK] unabhängig davon, unter welchen Voraussetzungen sie angewandt werden soll, einheitlich ausgelegt wird“665. Das Compliance Committee scheint jedenfalls wie selbstverständlich von der Möglichkeit einer völkerrechtsfreundlichen Auslegung auszugehen.666 In diesem Zuge werden dem Gerichtshof Doppelstandards bei der Behandlung von Art. 9 Abs. 3 ÅK im Unions-

662

S. dazu schon oben unter Teil 2. Kapitel 4. C. I. 3. b) (S. 191 ff.). W. Durner, in: Beckmann u. a. (Hrsg.), Landmann / ​Rohmer, Umweltrecht, Umweltvölkerrecht (Mai 2015) Rn. 43. 664 P. Oliver, Access to Information and to Justice in EU Environmental Law: The Aarhus Convention, Fordham Int’l L. J. 36 (2013), 1423 (1461); F.  Ekardt, Verbandsklage vor dem EuGH: Mitgliedstaaten verklagen, EU-Institutionen verschonen?, NVwZ 2015, 772 (775); J.  Jans, Who is the Referee? Access to Justice in  a Globalised Legal Order, REALaw 4 (2011), 87 (98 f.); M. Pallemaerts, Access to Environmental Justice at EU Level, in: Pallemaerts (Hrsg.), The Aarhus Convention at Ten, 2011, S. 271 (311); C. Poncelet, Access to Justice in Environmental Matters, J. Envtl. L. 24 (2012), 287 (299); L. Krämer, The EU Courts and Access to Environmental Justice, in: Boer (Hrsg.), Environmental Law Dimensions of Human Rights, 2015, S. 107 (130); E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband II, 2018, S. 1032. In diese Richtung auch ACCC / ​C/2008/32 (Part II) (Europäische Union), ECE / ​ MP.PP / ​C.1/2017/7, Rn. 80 f. sowie Generalanwältin Kokott, Schlussanträge v. 30.06.2016, Lesoochranárske zoskupenie, Rs. C-243/15, EU:C:2016:491, Rn. 50. 665 EuGH, Urt. v. 08.03.2011, Lesoochranárske zoskupenie, Rs. C-240/09, EU:C:2011:125, Slg. 2011 I-1285, Rn. 42. 666 S. ACCC / ​C/2008/32 (Part I) (Europäische Gemeinschaft), ECE / ​MP.PP / ​C.1/2011/4/Add.1, Rn. 97 f. sowie ACCC / ​C/2008/32 (Part II) (Europäische Union), ECE / ​MP.PP / ​C.1/2017/7, Rn. 123 lit. (c) (ii). 663

Kap. 4: Gerichtszugang im Primärrecht

207

und Eigenverwaltungsrecht vorgeworfen:667 Einerseits verlange der Gerichtshof mit seiner Slowakischer Braunbär- und Protect-Rechtsprechung eine weitgehende Anpassung des mitgliedstaatlichen Prozessrechts an die Vorgaben der Århus-Konvention, halte andererseits aber an der restriktiven Plaumann-Formel fest. Dies zeichnet das Bild einer gravierenden Schieflage in der Rechtsprechung des Gerichtshofs. Man kann sich also fragen: Gibt es überhaupt einen guten Grund an diesem Schluss zu zweifeln?668 Der Vorwurf eines unionsrechtlichen Doppelstandards geht von der Prämisse der Übertragbarkeit der Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Unionsverwaltungsrecht auf das primärrechtliche Prozessrecht aus. Die Übertragbarkeit der Erwägungen aus den Urteilen Slowakischer Braunbär und Protect darf jedoch nicht einfach angenommen werden; sie bedarf vielmehr der Erörterung und Überprüfung. Und selbst, wenn eine Übertragbarkeit grundsätzlich möglich erschiene, muss immer noch hinterfragt werden, ob dies überhaupt angebracht und wünschenswert wäre. a) Auslegung von Art. 263 Abs. 4 Var. 2 AEUV im Lichte von Art. 9 Abs. 3 ÅK Zunächst ist zu überlegen, ob eine Auslegung von Art. 263 Abs. 4 Var. 2 AEUV im Lichte von Art. 9 Abs. 3 ÅK überhaupt erfolgversprechend ist. Doch im Vergleich zum mitgliedstaatlichen Prozessrecht besteht hier ein entscheidender Unterschied, der an der Übertragbarkeit zweifeln lässt. aa) Rang von Art. 9 Abs. 3 ÅK als Übertragbarkeitsproblem Schon ein Vergleich des Verhältnisses von Art. 9 Abs. 3 ÅK zum mitgliedstaatlichen respektive primärrechtlichen Prozessrecht fördert deutliche Unterschiede zu Tage, die an einer Übertragbarkeit zweifeln lassen. Diese Zweifel liegen in der Normenhierarchie des Unionsrechts begründet.669 Die Übertragung der Erwägungen des Gerichtshofs zum Unionsverwaltungsrecht setzt die unionsrechtliche 667

So etwa D. Krawczyk, The Slovak Brown Bear Case, Envtl. L. Rev. 14 (2012), 53 (64); L. Krämer, Access to Environmental Justice, JEEPL 14 (2017), 159 (182); F. Ekardt, Verbandsklage vor dem EuGH: Mitgliedstaaten verklagen, EU-Institutionen verschonen?, NVwZ 2015, 772 (774 f.); E.  Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband II, 2018, S. 970; M. Mendez, The Legal Effects of EU Agreements, 2013, S. 284 f.; P. Wennerås, The Enforcement of EC Environmental Law, 2007, S. 320; K. Hamenstädt / ​T. Ehnert, Case C-240/09 Lesoochranárske Zoskupenie VLK v. Ministerstvo Zivotného Prostredia Slovenskej Republiky, MJ 18 (2011), 359 (365 f.). 668 J. Jans, Who is the Referee? Access to Justice in a Globalised Legal Order, REALaw 4 (2011), 87 (98 f.); J. Jans / ​H. Vedder, European Environmental Law, 2012, S. 244. 669 Allgemein zum Stufenbau der Rechtsordnung s. nur den wegweisenden Beitrag von A.  Merkl, Prolegomena einer Theorie des rechtlichen Stufenbaus, in: Verdross (Hrsg.), FS Kelsen, 1931, S. 252 ff. sowie H. Kelsen, Reine Rechtslehre, 1960, S. 228 ff.

208

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

Vergleichbarkeit der Situationen des mitgliedstaatlichen und des primärrechtlichen Prozessrechts voraus. Völkerrecht, das integraler Bestandteil des Unionsrechts ist, hat Teil an dessen Vorrang gegenüber dem mitgliedstaatlichen Recht.670 Gerade in dieser unionsrechtlichen Vermittlung von Art. 9 Abs. 3 ÅK liegt die Wirkung der Rechtsprechung des Gerichtshofs im Fall Slowakischer Braunbär auf das mitgliedstaatliche Prozessrecht begründet: Die Durchschlagskraft von Art. 9 Abs. 3 ÅK gegenüber dem mitgliedstaatlichen Prozessrecht resultiert aus seiner Inkorporation in das Unionsrecht, die die Teilhabe am effet utile nach sich zieht.671 Damit wirkt Art. 9 Abs. 3 ÅK als Unionsrecht mit dessen Vorranganspruch auf das mitgliedstaatliche Prozessrecht ein. Im Verhältnis zum primärrechtlichen Prozessrecht kann die Århus-Konvention jedoch keinen Vorrang beanspruchen. Dies ergibt sich aus Art. 216 Abs. 2 AEUV. Zwar geht mit der Anordnung der Bindung der Organe der Union an geschlossene Abkommen ein Vorrang dieser Abkommen vor den sekundärrechtlichen Handlungen dieser Organe einher,672 freilich aber kein Vorrang des Völkervertragsrechts vor dem Primärrecht.673 Hierfür lassen sich im Wesentlichen drei Gründe ins Feld führen: Zunächst leitet sich die unionsrechtliche Bindungswirkung des Völkervertragsrechts aus dem primärrechtlichen Art. 216 Abs. 2 AEUV ab.674 Eine völkervertragsrechtliche Norm kann daher keinen höheren Rang beanspru 670

K. Lachmayer / ​S . von Förster, in: von der Groeben u. a. (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl. 2015, Art. 216 AEUV Rn. 23; s. auch S.  Vöneky / ​B. Beylage-Haarmann, in: Grabitz u. a. (Hrsg.), EUV / ​AEUV, Art. 216 AEUV (Oktober 2016) Rn. 48. 671 S. EuGH, Urt. v. 08.03.2011, Lesoochranárske zoskupenie, Rs. C-240/09, EU:C:2011:125, Slg. 2011 I-1285, Rn. 48. 672 EuGH, Urt. v. 10.11.1996, Kommission / ​Deutschland, Rs.  C-61/94, EU:C:1996:313, Slg.  1996 I-3989, Rn. 52; EuGH, Urt. v. 03.06.2008, Intertanko u. a., Rs.  C-308/06, EU:C:​ 2008:312, Slg. 2008 I-4057, Rn. 42; EuGH, Urt. v. 03.11.2008, Al Barakaat International Foundation / ​Rat und Kommission, Verb. Rs. C-402/05 P und C-415/05 P, EU:C:2008:30, Slg. 2008 I-6351, Rn. 307; M. Breuer / ​S . Riegger, Die Reichweite der Pflicht der EU zur Umsetzung der Aarhus-Konvention, EurUP 2014, 293 (302); S. Gáspár-Szilágyi, The „Primacy“ and „Direct Effect“ of EU International Agreements, EPL 21 (2015), 343 (349); J. Berkemann, NGO scheitern mit umweltrechtlicher Nichtigkeitsklage vor dem EuGH, ZUR 2015, 221 (226); A. Epiney, Zur Stellung des Völkerrechts in der EU, EuZW 1999, 5 (7); A. Epiney, Die Bindung der Europäischen Union an das allgemeine Völkerrecht, EuR-Beih. (2) 2012, 25 (38); M. Prek  / ​ S. Lefèvre, La dimension „subjective“ de l’invocabilité des accords internationaux, in: Neframi / ​Gatti (Hrsg.), Constitutional Issues of EU External Relations Law, 2018, S. 231 (232 f.). 673 S.  Gáspár-Szilágyi, The „Primacy“ and „Direct Effect“ of EU International Agreements, EPL 21 (2015), 343 (349 f.) mit Verweis auf Art. 351 AEUV; A. Epiney, Zur Stellung des Völkerrechts in der EU, EuZW 1999, 5 (11); H. Keller, Rezeption des Völkerrechts, 2003, S. 257. S. auch den Verweis auf die Normenhierarchie in EuG, Beschl. v. 28.11.2005, EEB und Stichting Natuur en Milieu / ​Kommission, Verb. Rs. T-236/04 und T-241/04, EU:T:2005:426, Slg. 2005 II-4945, Rn. 71. 674 R. Uerpmann-Wittzack, Völkerrechtliche Verfassungselemente, in: von Bogdandy / ​Bast (Hrsg.), Europäisches Verfassungsrecht, 2009, S. 177 (186 f.); K. Lachmayer / ​S . von Förster, in: von der Groeben u. a. (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl. 2015, Art. 216 AEUV

Kap. 4: Gerichtszugang im Primärrecht

209

chen als die Vorschrift, die sie in die Unionsrechtsordnung einbezieht. Überdies kann der Gerichtshof nach Art. 218 Abs. 11 AEUV um eine Begutachtung der Vereinbarkeit eines völkerrechtlichen Abkommens mit dem Primärrecht ersucht werden.675 Prüfungsmaßstab kann das Primärrecht aber nur deshalb sein, weil es in der Normenhierarchie über dem Völkervertragsrecht steht. Schließlich können die Unionsorgane auch nicht über den Abschluss völkerrechtlicher Abkommen das Primärrecht ändern.676 Alles andere wäre eine Umgehung des in Art. 48 EUV niedergelegten Vertragsänderungsverfahrens.677 Das Völkervertragsrecht nimmt damit einen Zwischenrang über dem Sekundärrecht, aber unter dem Primärrecht ein.678 Aus der Sicht des Unionsrechts kann die Rechtmäßigkeit von Primärrecht nicht unter Verweis auf Völkervertragsrecht angegriffen werden.679 Aus dieser normhierarchischen Überlegung ergibt sich, dass Art. 9 Abs. 3 ÅK im Verhältnis zu Art. 263 Abs. 4 AEUV nicht dieselbe Durchschlagskraft besitzt wie im Verhältnis zum mitgliedstaatlichen Prozessrecht.680

Rn. 24. Noch deutlicher ergab sich dies aus der Vorgängervorschrift Art. 300 Abs. 7 EGV, die von der Verbindlichkeit der „nach Maßgabe dieses Artikels geschlossenen Abkommen“ sprach. 675 H.  Sauer, Jurisdiktionskonflikte in Mehrebenensystemen, 2008, S. 213; T. Giegerich, in: Pechstein u. a. (Hrsg.), Frankfurter Kommentar EUV / ​GRC / ​AEUV, 2017, Art. 216 AEUV Rn. 213; A. Epiney, Die Bindung der Europäischen Union an das allgemeine Völkerrecht, EuRBeih. (2) 2012, 25 (39); M. Knauff, Der Regelungsverbund, 2010, S. 143; J. Bétaille, Accès à la justice de l’union européenne, R. J. E. 36 (2011), 547 (551 f.); M. Prek / ​S . Lefèvre, La dimension „subjective“ de l’invocabilité des accords internationaux, in: Neframi / ​Gatti (Hrsg.), Constitutional Issues of EU External Relations Law, 2018, S. 231 (233). 676 H.  Sauer, Jurisdiktionskonflikte in Mehrebenensystemen, 2008, S. 213; T. Giegerich, in: Pechstein u. a. (Hrsg.), Frankfurter Kommentar EUV / ​GRC / ​AEUV, 2017, Art. 216 AEUV Rn. 213. H. Keller, Rezeption des Völkerrechts, 2003, S. 258 weist zutreffend darauf hin, dass der Gerichtshof natürlich nur den Ratifikationsakt, nicht jedoch den völkerrechtlichen Vertrag selbst prüft. 677 T. Giegerich, in: Pechstein u. a. (Hrsg.), Frankfurter Kommentar EUV / ​GRC / ​A EUV, 2017, Art. 216 AEUV Rn. 213; K. Schmalenbach, in: Calliess / ​Ruffert (Hrsg.), EUV / ​A EUV, 5. Aufl. 2016, Art. 216 AEUV Rn. 50; K. Lachmayer / ​S . von Förster, in: von der Groeben u. a. (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl. 2015, Art. 216 AEUV Rn. 24. 678 S. nur H. Sauer, Jurisdiktionskonflikte in Mehrebenensystemen, 2008, S. 212; R. Uerpmann-Wittzack, Völkerrechtliche Verfassungselemente, in: von Bogdandy / ​Bast (Hrsg.), Europäisches Verfassungsrecht, 2009, S. 177 (187); K. Lachmayer / ​S . von Förster, in: von der ­Groeben u. a. (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl. 2015, Art. 216 AEUV Rn. 24; T. Giegerich, in: Pechstein u. a. (Hrsg.), Frankfurter Kommentar EUV / ​GRC / ​AEUV, 2017, Art. 216 AEUV Rn. 213; A. Epiney, Die Bindung der Europäischen Union an das allgemeine Völkerrecht, EuR-Beih. (2) 2012, 25 (39); kritisch jedoch M. Knauff, Der Regelungsverbund, 2010, S. 143 ff. 679 S. Vöneky / ​B. Beylage-Haarmann, in: Grabitz u. a. (Hrsg.), EUV / ​A EUV, Art. 216 AEUV (Oktober 2016) Rn. 40. 680 S. J. Guiorguieff, Les règles de recevabilité concernant les actions des particuliers et la convention d’Aarhus, R. A. E. 2012, 629 (639 f.). Zum Verhältnis von Art. 9 Abs. 3 ÅK und Art. 263 Abs. 4 AEUV auch EuG, Beschl. v. 28.09.2016, PAN Europe u. a. / ​Kommission, Rs. T-600/15, EU:T:2016:601, Rn. 56.

210

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

bb) Keine völkerrechtsfreundliche Auslegung von Primärrecht Für eine Einwirkung von Art. 9 Abs. 3 ÅK auf Art. 263 Abs. 4 Var. 2 AEUV müsste man eine völkerrechtsfreundliche Auslegung von Primärrecht für möglich halten. Für eine völkerrechtsfreundliche Auslegung des Primärrechts spricht zunächst, dass damit Konflikte zwischen dem Völkerrecht und dem Unionsrecht vermieden werden können.681 Denn auch die Argumentation mit der Normenhierarchie kann die grundsätzliche Bindung der Union an die von ihr eingegangenen Verpflichtungen nicht in Frage stellen.682 Obwohl für eine völkerrechtsfreundliche Auslegung auch des Primärrechts aufgrund seiner ausgleichenden Funktion also einiges spricht, ist sie abzulehnen.683 Denn eine solche Auslegung trennt den völkerrechtlichen Verpflichtungsgrund nicht ausreichend von der unionsrechtlichen Anknüpfung des Grundsatzes. Es ist zwar richtig, dass die Union dem Grundsatz pacta sunt servanda verpflichtet ist, jedoch „folgt das Gebot der Konformauslegung grundsätzlich aus einer hier-

681

Für eine völkerrechtskonforme Auslegung auch des Primärrechts etwa S.  Vöneky / ​B. Bey­ lage-Haarmann, in: Grabitz u. a. (Hrsg.), EUV / ​A EUV, Art. 216 AEUV (Oktober 2016) Rn. 46; M.  Nettesheim, Normenhierarchien im EU-Recht, EuR 2006, 737 (761 f.); C.  Vedder, Die Außenbeziehungen der EU und die Mitgliedstaaten, EuR-Beih. 2007, 57 (86); T.  Cottier  / ​ K. Nadakavukaren Schefer, The Relationship between World Trade Organization Law, National and Regional Law, J. Int’l Econ. L. 1 (1998), 83 (89); E. Rehbinder, Die Aarhus-Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs und die Verbandsklage gegen Rechtsakte der Europäischen Union, EurUP 2012, 23 (29); S. Subramanian, EU Obligation to the TRIPS Agreement, EJIL 21 (2010), 997 (1010 f.), die aber anders als hier von einer „primacy of international law“ ausgeht; M. Mendez, Enforcement of EU Agreements, CML Rev. 47 (2010), 1719 (1753); N. de Sadeleer / ​C . Poncelet, Protection against Acts Harmful to Human Health and the Environment Adopted by the EU Institutions, CYELS 14 (2011–2012), 177 (184 f.). 682 M. Mendez, Enforcement of EU Agreements, CML Rev. 47 (2010), 1719 (1753); A. Epiney, Zur Stellung des Völkerrechts in der EU, EuZW 1999, 5 (8), die zudem hervorhebt, dass auch das völkergewohnheitsrechtliche Prinzip pacta sunt servanda zu den integralen Bestandteilen der Unionsrechtsordnung gehört. 683 Gegen eine völkerrechtskonforme Auslegung des Primärrechts etwa EuG, Urt. v. 17.11.2007, Microsoft / ​Kommission, Rs. T-201/04, EU:T:2007:289, Slg. 2007 II-3601, Rn. 798; EuG, Beschl. v. 06.11.2011, Inuit Tapiriit Kanatami u. a. / ​Parlament und Rat, Rs.  T-18/10, EU:T:2011:419, Slg. 2011 II-5599, Rn. 52 ff.; F. Müller / ​R . Christensen, Juristische Methodik, Band II, 2012, S. 147 f.; B. Pirker, Access to Justice in Environmental Matters and the Aarhus Convention’s Effects in the EU Legal Order, RECIEL 25 (2016), 81 (82); R. Stotz, Die Rechtsprechung des EuGH, in: Riesenhuber (Hrsg.), Europäische Methodenlehre, 2015, § 22, Rn. 22; E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband I, 2018, S. 595; wohl auch K. Lenaerts / ​J. A. Gutiérrez-Fons, To Say What the Law of the EU Is, CJEL 20 (2013–2014), 3 (42 ff.); J. Dutheil de la Rochère, L’effet direct des accords internationaux, in: Rosas u. a. (Hrsg.), The Court of Justice and the Construction of Europe, 2013, S. 637 (655); generell gegen die Methode der Konformauslegung M. Jestaedt, Vom Nutzen der Rechtstheorie in der Europäischen Integration, in: Herzig u. a. (Hrsg.), Europarecht und Rechtstheorie, 2017, S. 1 (16 f.).

Kap. 4: Gerichtszugang im Primärrecht

211

archischen Beziehung zweier Rechtsquellen“684. Während im Verhältnis zum Sekundärrecht eine völkerrechtsfreundliche Auslegung mit dem höheren Rang des Völkervertragsrechts in der Unionsrechtsordnung begründet werden kann,685 fällt im Verhältnis zum Primärrecht eine solche Rechtfertigung aus. Auch ein Rückgriff auf den primärrechtlichen Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit hilft hier nicht weiter: Der Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit wird induktiv aus verschiedenen Vorschriften des Primärrechts gewonnen.686 Dies erklärt aber gerade nicht, welche rechtliche Qualität diesem Grundsatz zukommt. Sicherlich lässt sich durch die Zusammenschau von Vorschriften deskriptiv eine Aufgeschlossenheit des Unionsrechts für das Völkerrecht ableiten. Dies mag die Begründung dafür liefern, warum rangniedrigere Sekundärrechtsakte im Lichte des höherrangigen Völkerrechts ausgelegt werden sollten, um Konflikte zu vermeiden. Es ist jedoch problematisch, einen solchen Grundsatz zu einem „Verfassungsprinzip zu erheben, das unabhängig von den positivierten Einzelbestimmungen, die Ausgangspunkt waren, normativen Deduktionen zugänglich ist“687. Aus der Verdichtung ganz verschiedener Vorschriften des Primärrechts zu einem Grundsatz wie dem der Völkerrechtsfreundlichkeit lässt sich kaum auf eine konkrete Wirkung schließen.688 Jedenfalls dürfen die Rechtswirkungen eines solchen Grundsatzes nicht über die Reichweite der ihm zugrundeliegenden Bestimmungen hinausgehen.689 Für die Völkerrechtsfreundlichkeit des Unionsrechts bedeutet dies, dass sie nicht dazu herangezogen werden kann, das Problem des unionsrechtlichen Rangs des Völkerrechts zu überspielen.690 Zudem schreibt das Völkerrecht grundsätzlich nicht den Modus seiner Umsetzung vor. Aus der völkerrechtlichen Verpflichtung ergibt sich daher keine Harmonisierungspflicht gerade des Primärrechts mit dem Völkervertragsrecht durch Auslegung. Die Union ist vielmehr frei in der Wahl der Mittel, ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen.

684

F. Müller / ​R . Christensen, Juristische Methodik, Band II, 2012, S. 147; E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband I, 2018, S. 595. 685 M. Breuer, Die Klagebefugnis von Umweltverbänden unter Anpassungsdruck des Völkerund Europarechts, Die Verwaltung 45 (2012), 171 (193); M. Knauff, Der Regelungsverbund, 2010, S. 145. 686 S. oben unter Teil 2. Kapitel 4. C. II. 2. (S. 198 ff.). 687 So zum Grundgesetz K.-P. Sommermann, Völkerrechtlich garantierte Menschenrechte als Maßstab der Verfassungskonkretisierung, AöR 114 (1989), 391 (415). 688 S. H. Sauer, Das Recht der Vereinten Nationen in der Europäischen Union, in: Binder u. a. (Hrsg.), Völkerrecht im innerstaatlichen Bereich, 2010, S. 19 (36 f.). Für das deutsche Verfassungsrecht M. Payandeh, Völkerrechtsfreundlichkeit als Verfassungsprinzip, JöR n. F. 57 (2009), 465 (483). 689 K.-P. Sommermann, Völkerrechtlich garantierte Menschenrechte als Maßstab der Verfassungskonkretisierung, AöR 114 (1989), 391 (415). 690 S. jedoch zum Parallelproblem der Heranziehung der Grundrechte der EMRK als Auslegungshilfe für die Grundrechte des Grundgesetzes durch das Bundesverfassungsgericht L.  Viellechner, Berücksichtigungspflicht als Kollisionsregel, in: Matz-Lück / ​Hong (Hrsg.), Grundrechte und Grundfreiheiten im Mehrebenensystem, 2012, S. 109 (123 f.).

212

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

Im Ergebnis ist damit – entgegen einer Vielzahl von Stimmen691 – nicht von einer Pflicht der Union zu einer die Vorgaben der Århus-Konvention berücksichtigenden Auslegung von Art. 263 Abs. 4 ÅK auszugehen. b) Auslegung von Art. 263 Abs. 4 Var. 2 AEUV im Lichte von Art. 47 GRCh i. V. m. Art. 9 Abs. 3 ÅK Etwas anderes könnte sich jedoch mit Blick auf die Weiterentwicklung der Rechtsprechungslinie im Urteil Protect ergeben. Die Verbindung von Art. 9 Abs. 3 ÅK und Art. 47 GRCh durch den Gerichtshof lässt die Überlegung zu, dass die Normenkollision nicht alleine durch Art. 9 Abs. 3 ÅK bewirkt wird, sondern durch Art. 47 GRCh. Die Gehalte von Art. 9 Abs. 3 ÅK werden damit gewissermaßen in Art. 47 GRCh hineingelesen, sodass Art. 9 Abs. 3 ÅK im Gewande von Art. 47 GRCh auftritt. Streng genommen handelt es sich in diesem Fall dann schon nicht mehr um eine völkerrechtsfreundliche Auslegung von Art. 263 Abs. 4 AEUV im Lichte von Art. 9 Abs. 3 ÅK, sondern um eine innerunionsrechtliche Kollision zwischen Art. 263 Abs. 4 AEUV und dem Recht auf effektiven Rechtsschutz.

691 In diesem Sinne etwa ACCC / ​C/2008/32 (Part I) (Europäische Gemeinschaft), ECE / ​ MP.PP / ​C.1/2011/4/Add.1, Rn.  78; R. Mastroianni / ​A . Pezza, Striking the Right Balance, Am. U. Int’l L. Rev. 30 (2015), 743 (785); E. Rehbinder, Die Aarhus-Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs und die Verbandsklage gegen Rechtsakte der Europäischen Union, EurUP 2012, 23 (29 f.); C. Walter, Internationalisierung des deutschen und Europäischen Verwaltungsverfahrens- und Verwaltungsprozessrechts, EuR 2005, 302 (321); M. Pallemaerts, Access to Environmental Justice at EU Level, in: Pallemaerts (Hrsg.), The Aarhus Convention at Ten, 2011, S. 271 (311); M. Eliantonio, Case C-240/09, Lesoochranárske zoskupenie VLK v. Ministerstvo životného prostredia Slovenskej republiky, CML Rev. 49 (2012), 767 (791); S. Marsden, Direct Public Access to EU Courts, Nordic J. Int’l L. 81 (2012), 175 (203); C. Poncelet, Access to Justice in Environmental Matters, J. Envtl. L. 24 (2012), 287 (300, 308); M. Eliantonio  / ​ C. W. Backes / ​C . H.  van Rhee / ​T. N. B. M. Spronken / ​A . Berlee, Standing up for your right(s) in Europe, 2013, S. 45 f.; C. W. Backes / ​M. Eliantonio, Access to Courts for Environmental NGOs at the European and National Level, in: de Visser / ​van der Mei (Hrsg.), The Treaty on European Union 1993–2013, 2013, S. 557 (577); A. Keessen, Reducing the Judicial Deficit in Multilevel Environmental Regulation, in: Føllesdal u. a. (Hrsg.), Multilevel Regulation and the EU, 2008, S. 323 (334 ff.); F. de Lange, Beyond Greenpeace, Courtesy of the Aarhus Convention, YbEEL 3 (2004), 227 (246 ff.); N. de Sadeleer / ​C . Poncelet, Contestation des actes des institutions de l’Union européenne à l’épreuve de la Convention d’Århus, RTD Eur. 2013, 7 (34); H. Schoukens, Articles 9(3) and 9(4) of the Aarhus Convention and Access to Justice before EU Courts in Environmental Cases, Eur. Energy & Envtl. L. Rev. 25 (2016), 178 (194); S. Schlacke, in: Gärditz (Hrsg.), VwGO, 2. Aufl. 2018, Nach § 42 VwGO Überindividueller Rechtsschutz im Verwaltungsprozess Rn. 30; s. auch J. Guiorguieff, Les règles de recevabilité concernant les actions des particuliers et la convention d’Aarhus, R. A. E. 2012, 629 (641 f.).

Kap. 4: Gerichtszugang im Primärrecht

213

aa) Grundzüge des Rechts auf effektiven Rechtsschutz Die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes lässt sich für das Unionsrecht in vielfacher Weise herleiten. Sie findet sich in Art. 6 und 13 EMRK, die über Art. 6 Abs. 3 EUV in die Unionsrechtsordnung einbezogen sind.692 Daneben ist sie als allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts in der Rechtsprechung des Gerichtshofs anerkannt.693 Ihre positivrechtliche Verankerung hat sie in Art. 47 GRCh gefunden,694 dessen wesentlicher Gewährleistungsgehalt das Recht auf Zugang zu Gericht ist.695 Art. 47 GRCh verdeutlicht den Charakter der Union als „Rechtsgemeinschaft“696. Diese Vorschrift ist auch Sinnbild dafür, dass es beim Rechtsschutz im Unionsrecht trotz seines historischen Ausgangspunktes als „Zweckverband funktioneller Integration“697 nicht nur um die objektive Wahrung des Rechts geht, wie es Art. 19 692 EuGH, Urt. v. 15.05.1986, Johnston / ​Chief Constable of the Royal Ulster Constabulary, Rs. 222/84, EU:C:1986:206, Slg. 1986, 1651, Rn. 18; Generalanwalt Jacobs, Schlussanträge v. 21.03.2002, Unión de Pequeños Agricultores / ​Rat, Rs. C-50/00 P, EU:C:2002:197, Slg. 2002, I-6681, Rn. 39. Dazu C.  Last, Garantie wirksamen Rechtsschutzes gegen Maßnahmen der Europäischen Union, 2008, S. 7 ff.; M. Tonne, Effektiver Rechtsschutz, 1997, S. 147 ff. 693 S. nur EuGH, Urt. v. 15.05.1986, Johnston / ​Chief Constable of the Royal Ulster Consta­ bulary, Rs. 222/84, EU:C:1986:206, Slg. 1986, 1651, Rn. 18. Umfassend zum effektiven Rechtsschutz als allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts T. Rademacher, Realakte im Rechtsschutzsystem der Europäischen Union, 2014, S. 208 ff.; C. Last, Garantie wirksamen Rechtsschutzes gegen Maßnahmen der Europäischen Union, 2008, S. 19 ff.; M. Tonne, Effektiver Rechtsschutz, 1997, S. 200 ff. 694 E. Schmidt-Aßmann, Der Kohärenzgedanke in den EU-Verträgen, in: Appel u. a. (Hrsg.), FS Wahl, 2011, S. 819 (832). Vorbild war Art. 13 EMRK, s. EuGH, Urt. v. 28.02.2013, Réexamen Arango Jaramillo u. a. / ​EIB, Rs. C-334/12 RX-II, EU:C:2013:134, Rn. 42; A. Guckelberger, Effektiver Rechtsschutz nach Art. 47 GRCh, in: Jochum u. a. (Hrsg.), FS Wendt, 2015, S. 1165 (1167); s. auch Erläuterungen 2007/C 303/02 zur Charta der Grundrechte Abl. C 303 vom 14.12.2007, S. 17 ff. 695 E. Schmidt-Aßmann, Verfassungsprinzipen für den Europäischen Verwaltungsverbund, in: Hoffmann-Riem u. a. (Hrsg.), GVwR I, 2012, § 5, Rn. 71. Damit geht Art. 47 GRCh über das von Art. 13 EMRK geforderte hinaus, s. M. Berger, Unionsrechtliche Anforderungen an einen effektiven gerichtlichen Rechtsschutz für die Grundrechtsträger, ZÖR 2013, 563 (568); A. Guckelberger, Effektiver Rechtsschutz nach Art. 47 GRCh, in: Jochum u. a. (Hrsg.), FS Wendt, 2015, S. 1165 (1167); H. P. Nehl, in: Pechstein u. a. (Hrsg.), Frankfurter Kommentar EUV / ​GRC / ​ AEUV, 2017, Art. 47 GRC Rn. 9; C. Nowak, Recht auf effektiven Rechtsschutz, in: Heselhaus / ​ Nowak (Hrsg.), Hdb. EU-Grundrechte, 2006, § 51, Rn. 29. Zur Frage, ob Art. 47 GRCh ein einheitliches Grundrecht enthält H. D. Jarass, Bedeutung der EU-Rechtsschutz­gewährleistung für nationale und EU-Gerichte, NJW 2011, 1393 (1393 f.); A. W. Heringa / ​L . Verhey, The EU Charter, MJ 8 (2001), 11 (27); H.-J. Blanke, in: Calliess / ​Ruffert (Hrsg.), EUV / ​A EUV, 5. Aufl. 2016, Art. 47 GRCh Rn. 2; E. Schmidt-Aßmann, Kohärenz und Konsistenz des Verwaltungsrechtsschutzes, 2015, S. 52. 696 EuGH, Urt. v. 23.04.1986, Les Verts / ​Parlament, Rs. 294/83, EU:C:1986:166, Slg. 1986, 1339, Rn. 23. 697 H. P.  Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, 1972, S. 197 ff.; s. auch G.  Erler, Das Grundgesetz und die öffentliche Gewalt internationaler Staatengemeinschaften, VVDStRL 18 (1960), 7 (27); umfassend S. Kadelbach, Autonomie und Bindung der Rechtsetzung in gestuften Rechtsordnungen, VVDStRL 66 (2007), 7 (25 ff.).

214

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

Abs. 1 UAbs. 1 EUV als Aufgabe des Unionsrechts festlegt.698 Die Existenz von Art. 47 GRCh macht deutlich, dass der Schutz der Rechte der Einzelnen ebenso Anliegen des Rechtsschutzes im Unionsrecht ist.699 Dies geht über eine Rechtsgewährung aus rein funktionellen Gründen hinaus.700 bb) Verhältnis von Art. 47 GRCh zu Art. 263 AEUV Das Recht auf wirksamen Rechtsschutz ist ein ausgestaltungsbedürftiges Grundrecht, das durch Prozessrecht realisiert wird701 und daher einen „normgeprägten Schutzbereich“ 702 aufweist. Diese Aktualisierung erfolgt durch das primärrecht­ liche Prozessrecht, also auch durch Art. 263 Abs. 4 AEUV.703 Insoweit besteht eine Ähnlichkeit zum Verhältnis von Art. 19 Abs. 4 GG und § 42 Abs. 2 VwGO. Der entscheidende Unterschied zum deutschen Verwaltungsprozessrecht liegt jedoch in der Gleichrangigkeit von Rechtsschutzgarantie und primärrechtlichem Prozessrecht:704 Der Vertrag von Lissabon stellt die Grundrechtecharta nach Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 Hs. 2 EUV dem Primärrecht gleich.705 Diese Gleichrangigkeit hat

698 S. J. Schwarze / ​N. Wunderlich, in: Becker u. a. (Hrsg.), EU-Kommentar, 4. Aufl. 2019, Art. 19 EUV Rn. 13. 699 T. Rademacher, Realakte im Rechtsschutzsystem der Europäischen Union, 2014, S. 152 f.; C.  Last, Garantie wirksamen Rechtsschutzes gegen Maßnahmen der Europäischen Union, 2008, S. 146; zum allgemeinen Grundsatz auch U. Everling, Das Verfahren der Gerichte der EG im Spiegel der verwaltungsgerichtlichen Verfahren der Mitgliedstaaten, in: Grote u. a. (Hrsg.), FS Starck, 2007, S. 535 (548 ff.). 700 Dagegen richteten sich J.  Coppel / ​A . O’Neill, The European Court of Justice: Taking Rights Seriously?, CML Rev. 29 (1992), 669 (670): „It is the argument of this paper that the Court has employed fundamental rights instrumentally, so as to accelerate the process of ­legal integration in the Community. It has not protected these fundamental rights for their own sake. It has not taken these rights seriously.“ Unmittelbaren Widerspruch erfuhr diese Position vor allem durch die beiden Aufsätze J. H. H. Weiler / ​N. J. S. Lockhart, „Taking Rights Seriously“ Seriously – Part I, CML Rev. 32 (1995), 51 ff. und J. H. H. Weiler / ​N. J. S. Lockhart, „Taking Rights Seriously“ Seriously – Part II, CML Rev. 32 (1995), 579 ff. Vor allem vor dem Hintergrund der Entwicklung der Grundrechtecharta lässt sich die These von J. Coppel und A. O’Neill wohl nicht mehr vertreten. 701 A. Guckelberger, Effektiver Rechtsschutz nach Art. 47 GRCh, in: Jochum u. a. (Hrsg.), FS Wendt, 2015, S. 1165 (1173); T. Rademacher, Realakte im Rechtsschutzsystem der Europäischen Union, 2014, S. 156; C. Last, Garantie wirksamen Rechtsschutzes gegen Maßnahmen der Europäischen Union, 2008, S. 110 ff. 702 E.  Schmidt-Aßmann, Kohärenz und Konsistenz des Verwaltungsrechtsschutzes, 2015, S. 56. 703 C. Last, Garantie wirksamen Rechtsschutzes gegen Maßnahmen der Europäischen Union, 2008, S. 113. 704 T. Rademacher, Realakte im Rechtsschutzsystem der Europäischen Union, 2014, S. 154. 705 Daraus folgt auch die Rechtsverbindlichkeit der Grundrechtecharta, s. C. Last, Garantie wirksamen Rechtsschutzes gegen Maßnahmen der Europäischen Union, 2008, S. 1 f.; J. Schwarze, Die Neuerungen auf dem Gebiet des Europäischen Verwaltungsrechts durch den Vertrag von Lissabon, in: Appel u. a. (Hrsg.), FS Wahl, 2011, S. 837 (844).

Kap. 4: Gerichtszugang im Primärrecht

215

zunächst zur Konsequenz, dass eine Unionsverfassungswidrigkeit von Art. 263 Abs. 4 AEUV nicht mit Art. 47 GRCh begründet werden kann.706 Damit ist aber noch nichts darüber gesagt, welche Wirkungen Art. 47 GRCh entfaltet. Ausgangspunkt für eine Antwort auf diese Frage bildet ein Blick in die Erläuterungen zur Charta der Grundrechte. Die Grundrechte der Charta sind gem. Art. 6 Abs. 1 UAbs. 2 EUV „unter gebührender Berücksichtigung der in der Charta angeführten Erläuterungen“ auszulegen und anzuwenden.707 Dies bedeutet insbesondere, dass die Erläuterungen nicht strikt binden.708 Zu Art. 47 GRCh heißt es in den Erläuterungen: „Die Übernahme dieser Rechtsprechung [zu einem Recht auf einen wirksamen Rechts­ behelf bei einem Gericht als allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts] des Gerichtshofs in die Charta zielte nicht darauf ab, das in den Verträgen vorgesehene Rechtsschutzsystem und insbesondere nicht die Bestimmungen über die Zulässigkeit direkter Klagen beim Gerichtshof der Europäischen Union zu ändern. Der Europäische Konvent hat sich mit dem System des gerichtlichen Rechtsschutzes der Union, einschließlich der Zulässigkeitsvorschriften, befasst und hat es mit einigen Änderungen, die in die Artikel 251 bis 281 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union und insbesondere in Artikel 263 Absatz 4 eingeflossen sind, bestätigt.“709

Zunächst bestätigen die Erläuterungen die Einschätzung, dass Art. 47 GRCh nicht dazu herangezogen werden kann, in Art. 263 Abs. 4 AEUV ausdrücklich aufgestellte Voraussetzungen zu ändern. Insoweit verdeutlicht der Hinweis in den Erläuterungen, Art. 47 GRCh ändere die Zulässigkeitsvoraussetzungen nicht, lediglich die Ranggleichheit mit dem primärrechtlichen Prozessrecht. Das Gleiche ergibt sich aus Art. 51 Abs. 2 GRCh und Art. 6 Abs. 1 UAbs. 2 EUV, die den Grundsatz, dass die Zuständigkeiten aus den Verträgen nicht verändert werden sollten, noch einmal wiederholen. Zwar kann über Art. 47 GRCh keine Änderung der primärrechtlichen Zuläs­ sigkeitsbestimmungen erfolgen, seine Bedeutung erschöpft sich jedoch auch nicht in einer schlichten Bestätigung der Ausgestaltung des primärrechtlichen Rechts-

706

C. Last, Garantie wirksamen Rechtsschutzes gegen Maßnahmen der Europäischen Union, 2008, S. 122; T. Rademacher, Realakte im Rechtsschutzsystem der Europäischen Union, 2014, S. 156; unklar und ohne Begründung, wohl aber dafür J. Coppel / ​A . O’Neill, The European Court of Justice: Taking Rights Seriously?, CML Rev. 29 (1992), 669 (681 f.). 707 Dazu K. Lenaerts, Die EU-Grundrechtecharta, EuR 2012, 3 (16 f.); C. Koch, Locus Standi of Private Applicants under the EU Constitution, E. L.Rev. 30 (2005), 511 (517 f.). S. auch die Entsprechung in Art. 52 Abs. 7 GRCh. 708 S. C.  Last, Garantie wirksamen Rechtsschutzes gegen Maßnahmen der Europäischen Union, 2008, S. 40 ff. Für E. Schmidt-Aßmann, Kohärenz und Konsistenz des Verwaltungsrechtsschutzes, 2015, S. 57 nimmt die Bedeutung der Erläuterungen aufgrund verstrichener Zeit und neuer Rechtsschutzbedürfnisse zunehmend ab. 709 Erläuterungen 2007/C 303/02 zur Charta der Grundrechte Abl. C 303 vom 14.12.2007, S. 17 ff.

216

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

schutzes.710 Eine solche Einschränkung würde der Gleichrangigkeit von Art. 47 GRCh mit dem primärrechtlichen Prozessrecht nicht gerecht: Denn dann würde aus einer Ranggleichheit eine faktische Rangungleichheit, bei der das primärrechtliche Prozessrecht die Rechtsschutzgarantie überragte.711 Dies bedeutet, dass Art. 47 GRCh im Verhältnis zum primärrechtlichen Prozessrecht nicht die Hände gebunden sind. Zwar mögen „die äußeren Grenzen des Rechtsschutzes […] mit dem Wortlaut der Artt.  263 ff. AEUV vorgegeben“712 sein. Gerade innerhalb dieser Grenzen liegt jedoch das Aktionsgebiet von Art. 47 GRCh: Im Verhältnis zum primärrechtlichen Prozessrecht entfaltet Art. 47 GRCh seine Wirkung innerhalb der Auslegungsgrenzen.713 In dieser Hinsicht ist Art. 47 GRCh also prozessrechtsabhängig.714 Zulässigkeitsvoraussetzungen, die sich aus dem Prozessrecht ergeben, lassen sich nicht mit Verweis auf Art. 47 GRCh aushebeln.715 Dagegen sind Auslegungsreserven des primärrechtlichen Prozessrechts im Sinne wirksamen Rechtsschutzes zu nutzen.716 Dieses Ergebnis trägt auch im Hinblick auf die Erläuterungen zur Grundrechtecharta:717 Denn eine Auslegung innerhalb der Wortlautgrenzen des primärrechtlichen Prozessrechts erweitert 710 T. Rademacher, Realakte im Rechtsschutzsystem der Europäischen Union, 2014, S. 168 Fn. 90 weist zutreffend darauf hin, dass sonst die geschriebene Rechtsschutzgarantie des Art. 47 GRCh eine geringere Reichweite hätte als die ungeschriebene. Denn für diese würde die Einschränkung der Erläuterungen nicht gelten. 711 In diese Richtung auch E. Schmidt-Aßmann, Kohärenz und Konsistenz des Verwaltungsrechtsschutzes, 2015, S. 57. 712 C. Last, Garantie wirksamen Rechtsschutzes gegen Maßnahmen der Europäischen Union, 2008, S. 122. 713 I.  Pernice, The Right to Effective Judicial Protection and Remedies in the EU, in: ­Rosas u. a. (Hrsg.), The Court of Justice and the Construction of Europe, 2013, S. 381 (387); E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband II, 2018, S. 857. 714 Dafür C. Last, Garantie wirksamen Rechtsschutzes gegen Maßnahmen der Europäischen Union, 2008, S. 121 f.; K. Pabel, The Right to an Effective Remedy Pursuant to Article II-107 Paragraph 1 of the Constitutional Treaty, German L. J. 6 (2005), 1601 (1613 f.). Dafür setzt sich wohl auch R. P. Schenke, Der Rechtsschutz gegen Europol auf dem Prüfstein des Art. 47 GRCh, in: Hilgendorf / ​Eckert (Hrsg.), FG Knemeyer, 2012, S. 365 (378 f.) ein, obwohl dieser zuvor noch dafür eintritt, Art. 47 GRCh „nicht auf einen letztlich überflüssigen, weil ohnehin selbstverständlichen Anspruch auf Befolgung des geltenden Verfahrensrechts zu reduzieren“. Weitergehend T. Rademacher, Realakte im Rechtsschutzsystem der Europäischen Union, 2014, S. 173, der resümiert: „Art. 47 GRCh kann daher (zumindest theoretisch) unabhängig vom bestehenden primären Prozessrecht ausgelegt werden. Dessen Grenzen sind nicht zugleich die Grenzen der Rechtsschutzgarantie.“ 715 S. EuGH, Urt. v. 03.10.2013, Inuit Tapiriit Kanatami u. a. / ​Parlament und Rat, Rs. C-583/11 P, EU:C:2013:625, Rn. 98; EuGH, Urt. v. 25.07.2002, Unión de Pequeños Agricultores / ​Rat, Rs. C-50/00 P, EU:C:2002:462, Slg. 2002 I-6619, Rn. 44; EuGH, Urt. v. 01.04.2004, Kommission / ​Jégo-Quéré, Rs. C-263/02 P, EU:C:2004:210, Slg. 2004 I-3425, Rn. 36. 716 Auch C. Last, Garantie wirksamen Rechtsschutzes gegen Maßnahmen der Europäischen Union, 2008, S. 147 ff. plädiert für eine „rechtsschutzfreundliche Gestaltung“ des primärrechtlichen Prozessrechts. 717 J. Vondung, Die Architektur des europäischen Grundrechtsschutzes nach dem Beitritt der EU zur EMRK, 2012, S. 72 f.

Kap. 4: Gerichtszugang im Primärrecht

217

gerade nicht die Zuständigkeiten und Aufgaben über das von den Verträgen Vorgesehene. Darüber hinaus steht dieses Ergebnis grundsätzlich im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs, in der anerkannt ist, dass die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Nichtigkeitsklage im Lichte des Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz auszulegen sind.718 cc) Ungenutzte Auslegungsreserven in Art. 263 Abs. 4 Var. 2 AEUV Damit kommt es darauf an, welche Auslegungsreserven Art. 263 Abs. 4 AEUV bereit hält. Denn grundlegende Voraussetzung für eine völkerrechtsfreund­ liche Auslegung ist die Auslegungsfähigkeit der betreffenden Unionsrechts­ bestimmung.719 Der Gerichtshof sieht der Auslegungsfähigkeit von Art. 263 Abs. 4 Var. 2 AEUV so enge Grenzen gesetzt, dass eine völkerrechtsfreundliche Auslegung von Art. 263 Abs. 4 AEUV aus seiner Perspektive schon an diesem Punkt scheitert. Der Gerichtshof hat mehrfach betont, dass jede Änderung der Auslegung des Merkmals der individuellen Betroffenheit aus seiner Sicht einen Wegfall des Zulassungskriteriums bedeuten würde. Seine Position fasst der Gerichtshof im Fall Inuit so zusammen: „Somit sind die in Art. 263 Abs. 4 AEUV vorgesehenen Zulässigkeitsvoraussetzungen im Licht des Grundrechts auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz auszulegen, ohne dass dies den Wegfall der in diesem Vertrag ausdrücklich vorgesehenen Voraussetzungen zur Folge hätte […].“720

Dass Art. 263 Abs. 4 AEUV nach dem Gerichtshof soweit wie möglich im Sinne von Art. 47 GRCh ausgelegt werden muss, entspricht im Kern der hier vertretenen Ansicht.721 Der entscheidende Zusatz des Gerichtshofs ist jedoch, dass eine solche Auslegung nicht zum Wegfall einer im Vertrag vorgesehenen Voraussetzung führen dürfe. Aus der Sicht des Gerichtshofs würde eine Änderung der Auslegung der individuellen Betroffenheit genau das bedeuten. Zur Begründung verweist der Gerichtshof regelmäßig auf den aus seiner Sicht eindeutigen Wortlaut von Art. 263 Abs. 4 Var. 2 AEUV.722 Gerade wegen dieser Überzeugung konnte das Recht auf

718 EuGH, Urt. v. 25.07.2002, Unión de Pequeños Agricultores / ​ Rat, Rs.  C-50/00 P, EU:C:2002:462, Slg. 2002 I-6619, Rn. 44. 719 S. oben unter Teil 2. Kapitel 4. C. II. 2. (S. 198 ff.). 720 EuGH, Urt. v. 03.10.2013, Inuit Tapiriit Kanatami u. a. / ​Parlament und Rat, Rs. C-583/11 P, EU:C:2013:625, Rn. 98; ähnlich EuGH, Urt. v. 25.07.2002, Unión de Pequeños Agricultores / ​ Rat, Rs. C-50/00 P, EU:C:2002:462, Slg. 2002 I-6619, Rn. 44. 721 S. dazu oben unter Teil 2. Kapitel 4. C. II. 4. b) bb) (S. 214 ff.). 722 EuGH, Urt. v. 01.04.2004, Kommission / ​Jégo-Quéré, Rs.  C-263/02 P, EU:C:2004:210, Slg.  2004 I-3425, Rn. 36; EuGH, Urt. v. 25.07.2002, Unión de Pequeños Agricultores / ​Rat, Rs. C-50/00 P, EU:C:2002:462, Slg. 2002 I-6619, Rn. 44.

218

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

effektiven Rechtsschutz in der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Art. 263 Abs. 4 AEUV bislang nur eine begrenzte Wirkung entfalten.723 Diese Ansicht des Gerichtshofs muss man nicht teilen. Im Ausgangspunkt hat der Gerichtshof gar nicht unrecht, denn es wäre verfehlt, Art. 47 GRCh zur Begründung der Unionsverfassungswidrigkeit von Art. 263 Abs. 4 AEUV heranziehen zu wollen. Die Frage nach der Möglichkeit verfassungswidrigen Verfassungsrechts stellt sich deshalb schon gar nicht.724 Das meint der Gerichtshof mit seiner Aussage aber auch nicht: Der Gerichtshof ist vielmehr so zu verstehen, dass schon jede Änderung der Auslegung der individuellen Betroffenheit den Wegfall eines in den Verträgen vorgesehenen Zulässigkeitskriteriums bedeuten würde. Dies läuft im Ergebnis darauf hinaus, den Wortlaut von Art. 263 Abs. 4 Var. 2 AEUV mit der Auslegung durch den Gerichtshof gleichzusetzen. Damit vermischt der Gerichtshof den Wortlaut von Art. 263 Abs. 4 Var. 2 AEUV mit seiner eigenen Interpretation. Dies verkennt, dass der Wortlaut von Art. 263 Abs. 4 Var. 2 AEUV und die Auslegung des Wortlauts nicht identisch sind. Der Ursprung – und damit auch die Verantwortung – für die restriktive Auslegung der individuellen Betroffenheit liegt nicht bei den europäischen Vertragsgebern, sondern beim Gerichtshof.725 Der Gerichtshof könnte daher von seiner eigenen Rechtsprechung abweichen.726 Jedenfalls überzeugt das Argument des Gerichtshofs nicht, eine andere Interpretation von Art. 263 Abs. 4 Var. 2 AEUV sei durch den Wortlaut gesperrt.727 Schließlich handelt es sich bei der Plaumann-​ 723 Zur Durchsetzungsschwäche des Rechts auf effektiven Rechtsschutz in der Rechtsprechung des Gerichtshofs M.  Eliantonio / ​C . W.  Backes / ​C . H.  van Rhee / ​T. N. B. M.  Spronken / ​ A. Berlee, Standing up for your right(s) in Europe, 2013, S. 39 f. 724 T. Rademacher, Realakte im Rechtsschutzsystem der Europäischen Union, 2014, S. 156; C.  Last, Garantie wirksamen Rechtsschutzes gegen Maßnahmen der Europäischen Union, 2008, S. 97 ff., 122. 725 H. MacLeod-Kilmurray, Stichting Greenpeace and Environmental Public Interest Standing Before the Community Judicature, CYELS 1998, 269 (284); L. W. Gormley, Public Interest Litigation, in: O’Keeffe (Hrsg.), Liber Amicorum in Honour of Lord Slynn of Hadley, 2000, S. 191 (195 f.); H. Kirchhoff, Individualrechtsschutz im Europäischen Gemeinschaftsrecht, 2005, S. 215; J. Guiorguieff, Les règles de recevabilité concernant les actions des particuliers et la convention d’Aarhus, R. A. E. 2012, 629 (633); U. Haltern, Europarecht und das Politische, 2005, S. 331. S. auch G. Bebr, Development of Judicial Control of the European Communities, 1981, S. 82 zur unmittelbaren und individuellen Betroffenheit: „The meaning of these requirements is, however, general and vague so that only the jurisprudence of the Court can make them meaningful.“ Ähnlich auch G. Rasquin / ​R .-M. Chevallier, L’article 173, alinéa 2 du Traité C. E. E., RTD Eur. 1966, 31 (41), nach denen Art. 263 Abs. 4 AEUV nicht von seiner Interpretation durch den Gerichtshof getrennt werden kann. 726 B. Börner, Empfiehlt es sich, die Bestimmungen des europäischen Gemeinschaftsrechts über den Rechtsschutz zu ändern oder zu ergänzen?, Referat beim 46. Deutschen Juristentag, G  31; grds. auch M.  Nettesheim, Effektive Rechtsschutzgewährleistung im arbeitsteiligen System europäischen Rechtsschutzes, JZ 2002, 928 (932), der zwar eine Änderung der Rechtsprechungspraxis zur individuellen Betroffenheit als „zulässige Rechtsfortbildung“ ansieht, hinsichtlich ihrer Gebotenheit jedoch skeptisch ist. 727 U. Haltern, Europarecht und das Politische, 2005, S. 331.

Kap. 4: Gerichtszugang im Primärrecht

219

Formel nicht um einen den Verträgen inhärenten Bestandteil, sondern vielmehr um einen Fall von „judicial choice“728. So beweist der Gerichtshof durch seine häufig genug mäandernde Rechtsprechung, dass der Bedeutungsinhalt der individuellen Betroffenheit alles ist, nur nicht eindeutig.729 Wie in dieser Untersuchung schon festgestellt wurde, lässt sich allein aus dem Wortlaut von Art. 263 Abs. 4 Var. 2 AEUV nicht einmal auf den ersten Blick erkennen, ob eher die Betroffenheit in Interessen oder in Rechten gemeint ist.730 Individuell betroffen kann ein Kläger eben in seinen Interessen sein, aber auch in seinen Rechten. Wenn sich nicht einmal ganz grundsätzliche Anforderungen an die Klagebefugnis aus dem Wortlaut von Art. 263 Abs. 4 Var. 2 AEUV ableiten lassen, dann erst recht nicht, dass unter individueller Betroffenheit gerade eine Situation zu verstehen ist, in der der Kläger durch besondere Umstände adressatengleich herausgehoben sein muss. Dessen war sich der Gerichtshof im Urteil Plaumann offenbar noch bewusst: „Artikel 173 Absatz 2 des Vertrages [gemeint ist der EWG-Vertrag; Art. 263 Abs. 4 AEUV a. F.] läßt jedoch ganz allgemein Klagen von Privatpersonen gegen solche Entscheidungen zu, die sie unmittelbar und individuell betreffen, obwohl sie an eine ‚andere Person‘ gerichtet sind. Die Bedeutung dieses Ausdrucks wird in der Vorschrift weder näher umschrieben noch eingeschränkt. Wortlaut und grammatikalischer Sinn rechtfertigen die weiteste Auslegung. Im übrigen dürfen die Bestimmungen des Vertrages über das Klagerecht nicht restriktiv interpretiert werden. Angesichts des Schweigens des Vertrages kann der genannten Vorschrift daher kein einschränkender Sinn beigelegt werden.“731

Diese Aussage scheint in der Folge in Vergessenheit geraten zu sein. Wirklich zu überzeugen vermag die Engführung des Wortlauts durch den Gerichtshof also nicht. 728

E.  Stein / ​G. J.  Vining, Citizen Acces to Judicial Review of Administrative Action, in: Jacobs (Hrsg.), European Law and the Individual, 1976, S. 113 (130) [Hervorhebung im Original]; A. Arnull, Judicial Review in the European Union, in: Arnull / ​Chalmers (Hrsg.), The Oxford Handbook of European Union Law, 2015, S. 376 (387); E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband II, 2018, S. 909; in eine ähnliche Richtung M. Kotzur, Neuerungen auf dem Gebiet des Rechtsschutzes durch den Vertrag von Lissabon, EuR-Beih. (1) 2012, 7 (18); dagegen I. Karper, Reformen des europäischen Gerichts- und Rechtsschutzsystems, 2011, S. 134 f. 729 Gegen die Eindeutigkeit des Wortlauts auch EuG, Urt. v. 03.05.2002, Jégo-Quéré / ​Kommission, Rs. T-177/01, EU:T:2002:112, Slg. 2002 II-2368, Rn. 49; Generalanwalt ­Jacobs, Schlussanträge v. 21.03.2002, Unión de Pequeños Agricultores / ​Rat, Rs. C-50/00 P, EU:C:2002:197, Slg. 2002, I-6681, Rn. 59, 105 Punkt 5 Spiegelstr. 1; A. Bleckmann, Zur Klagebefugnis für die Individualklage vor dem Europäischen Gerichtshof, in: Erichsen u. a. (Hrsg.), FS Menger, 1985, S. 871 (872); B. Börner, Empfiehlt es sich, die Bestimmungen des europäischen Gemeinschaftsrechts über den Rechtsschutz zu ändern oder zu ergänzen?, Referat beim 46. Deutschen Juristentag, G  29; F. C.  Mayer, Individualrechtsschutz im Europäischen Verfassungsrecht, DVBl 2004, 606 (609); A. Abaquesne de Parfouru, Locus Standi of Private Applicants under the Article 230 EC Action for Annulment, MJ 14 (2007), 361 (387 f.); L. W. Gormley, Public Interest Litigation, in: O’Keeffe (Hrsg.), Liber Amicorum in Honour of Lord Slynn of Hadley, 2000, S. 191 (195). 730 S. oben unter Teil 2. Kapitel 4. A. I. (S. 134 ff.). 731 EuGH, Urt. v. 15.07.1963, Plaumann / ​Kommission, Rs. 25/62, EU:C:1963:17, Slg. 1963, 199 (237) (Hervorhebung des Verfassers).

220

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

Auch ein Fingerzeig auf die Mitgliedstaaten entlässt den Gerichtshof nicht aus seiner Verantwortung. Die Plaumann-Formel gehört seit Jahrzehnten zur ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs.732 In dieser Zeit haben die Mitgliedstaaten als Verantwortliche für die Verträge nie ausdrücklich erkennen lassen, dass sie von dieser Interpretation der Verträge abweichen wollten. Sie haben dazu mehrere Gelegenheiten verstreichen lassen, zuletzt beim Vertrag von Lissabon. Die Einführung von Art. 263 Abs. 4 Var. 3 AEUV mit dem Vertrag von Lissabon plausibilisiert eher den gegenteiligen Schluss: Viel spricht dafür, aus der (weitgehend733) unveränderten Übernahme der zweiten Variante bei gleichzeitiger Einführung einer partiellen Lockerung durch die dritte Variante im Vertrag von Lissabon auf eine implizite Akzeptanz der Auslegung des Gerichtshofs durch die Mitgliedstaaten zu schließen.734 Die Untätigkeit der Mitgliedstaaten in Bezug auf Art. 263 Abs. 4 Var. 2 AEUV entlässt den Gerichtshof jedoch nicht aus seiner Verantwortung. Denn die Mitgliedstaaten haben die Plaumann-Rechtsprechung auch nicht explizit in den Wortlaut der Verträge aufgenommen, wie sie es an anderer Stelle etwa mit Art. 19 Abs. 1 UAbs. 2 EUV praktiziert haben.735 Zudem erklärt dies alles nicht, warum bestehende Auslegungsreserven in Art. 263 Abs. 4 Var. 2 AEUV nicht zugunsten eines effektiven Rechtsschutzes genutzt werden sollten. dd) Art. 47 GRCh als Hebel für Art. 9 Abs. 3 ÅK Auf dieser Grundlage lässt sich der Blick zurück zu der Ausgangsfrage wenden: Was kann die Rechtsprechung des Gerichtshofs im Fall Protect für eine mög­ liche Effektuierung von Art. 9 Abs. 3 ÅK für das primärrechtliche Prozessrecht bedeuten? Der Versuch einer Übertragung der Protect-Rechtsprechung auf Art. 9 Abs. 3 ÅK würde im Ergebnis darauf hinauslaufen, dass die Gehalte von Art. 9 Abs. 3 ÅK in Art. 47 GRCh hineingelesen werden würden. Art. 47 GRCh würde dann zu einem Grundrecht auf effektiven Umweltrechtsbehelf ausgebaut, das den Ge 732

S. EuGH, Urt. v. 03.10.2013, Inuit Tapiriit Kanatami u. a. / ​Parlament und Rat, Rs. C-583/11 P, EU:C:2013:625, Rn. 71. 733 S. aber F. C. Mayer, Wer soll Hüter der europäischen Verfassung sein?, AöR 129 (2004), 411 (427), der in der Änderung von „Entscheidung“ zu „Handlungen“ einen solchen Willen erkennen wollte. Solchen Überlegungen hat der Gerichtshof jedoch eine klare Absage erteilt, s. EuGH, Urt. v. 03.10.2013, Inuit Tapiriit Kanatami u. a. / ​Parlament und Rat, Rs. C-583/11 P, EU:C:2013:625, Rn. 70. Zur Bedeutung der historischen Auslegung im Unionsrecht s. etwa M. Wendel, Renaissance der historischen Auslegungsmethode?, ZaöRV 68 (2008), 803 (807 ff.). 734 P.  Thalmann, Nichtigkeitsklagen gegen Rechtsakte mit Verordnungscharakter, 2011, S. 107; W. Cremer, Der EuGH bleibt sich treu – Die Nichtigkeitsklage Privater 50 Jahre nach Plaumann, ZG 2014, 82 (94 Fn. 58); J. Saurer, Der Einzelne im europäischen Verwaltungsrecht, 2014, S. 167; A. Thiele, Das Rechtsschutzsystem nach dem Vertrag von Lissabon, EuR 2010, 30 (42 f.). 735 S. dazu oben unter Teil 2. Kapitel 4. B. II. 1. (S. 167 ff.).

Kap. 4: Gerichtszugang im Primärrecht

221

richtshof zur Korrektur seiner Plaumann-Rechtsprechung bereichsspezifisch für den Umweltrechtsschutz verpflichten würde. Schon dies zeigt jedoch, mit welchen Unsicherheiten ein solcher dogmatischer Drahtseilakt einhergehen würde. Gegen die Übertragbarkeit der Konstruktion des Gerichtshofs aus dem Urteil Protect besteht eine Reihe schwerwiegender Bedenken. (1) Konturenlosigkeit der Klagebefugnis Zunächst zeichnet sich die Gefahr einer konturenlos werdenden Klagebefugnis ab. Es ist völlig unklar, wann ein Kläger eine Klagebefugnis aus Art. 47 GRCh und Art. 9 Abs. 3 ÅK herleiten können soll und wann nicht. Aus dem Urteil Protect lässt sich lediglich erkennen, dass eine Umweltorganisation dann klage­befugt sein soll, wenn ihr der Zugang zu einem Überprüfungsverfahren gänzlich verwehrt wird.736 Unklar bleibt aber, wie eine Klage von Individualklägern einzuschätzen wäre, die ebenfalls zur Öffentlichkeit nach Art. 2 Nr. 4 ÅK gehören. Selbst wenn man sie dazu zählte, bliebe offen, nach welchen weiteren Kriterien dann ausgewählt werden sollte, welche Verbände oder Einzelpersonen also klagebefugt wären und welche nicht. Angesprochen ist damit die Grenze einer solchen Klagebefugnis. Aus der Protect-Konstruktion kann eine solche Grenze jedenfalls nicht herausgelesen werden. In der Zusammenschau des doch weitgehend unbestimmten Kreises an Klägern mit der Einklagbarkeit jeglichen, auch objektiven Umweltrechts scheinen vielmehr die Tore zur Popularklage weit geöffnet. Selbst die Konvention, die nach Kräften die effektive Durchsetzung des Umweltrechts forciert, fordert keine Einführung einer solchen Popularklagebefugnis.737 Damit würde das Extrem der restriktiven Plaumann-Formel ins Gegenteil umschlagen. Abstufungen oder Schattierungen sind nicht erkennbar. Wenn sich schon die Plaumann-Rechtsprechung den Vorwurf der fehlenden Konturenschärfe gefallen lassen muss, dann trifft dies auf eine Verbindung von Art. 47 GRCh mit Art. 9 Abs. 3 ÅK über die Protect-Konstruktion erst recht zu. Es ist überdies auch ganz grundsätzlich zweifelhaft, ob eine völkerrechtskonforme Auslegung des primärrechtlichen Gerichtszugangs über die ÅrhusKonven­tion überhaupt wünschenswert wäre.738 Denn dann würde die allgemeine Gerichtszugangsregelung der Nichtigkeitsklage einer bereichsspezifischen völkervertraglichen Regelung unterworfen, was mit hoher Wahrscheinlichkeit Un­ 736

EuGH, Urt. v. 20.12.2017, Protect Natur-, Arten- und Landschaftschutz Umweltorganisation, Rs. C-664/15, EU:C:2017:987, Rn. 46, 48. 737 ACCC / ​C/2005/11 (Belgien), ECE / ​MP.PP / ​C.1/2006/4/Add.2, Rn.  35; A. Beier, Umwelt-​ Rechtsbehelfsgesetz – kein Ende in Sicht?, UPR 2018, 161 (162). 738 B. Wegener, Die europäische Umweltverbandsklage, ZUR 2011, 363 (367); s. auch M. Pallemaerts, Access to Environmental Justice at EU Level, in: Pallemaerts (Hrsg.), The Aarhus Convention at Ten, 2011, S. 271 (312). Für eine modifizierte Auslegung von Art. 263 Abs. 4 Var. 2 AEUV unter Berücksichtigung von Umweltgesichtspunkten jedoch E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband II, 2018, S. 1034 ff., 1122.

222

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

stimmigkeiten und Friktionen in anderen Anwendungsbereichen nach sich ziehen würde. (2) Eingriff in die Aufgaben des Gesetzgebers Die Aufladung von Art. 47 GRCh mit den Gehalten von Art. 9 Abs. 3 ÅK führt darüber hinaus zu einer faktischen Aufgabe des Konzepts der unmittelbaren Anwendbarkeit. Was im Urteil Slowakischer Braunbär noch etwas „kryptisch“739 daherkommt, wird durch die Bekräftigung im Urteil Protect nun sehr deutlich: Schon mit dem Urteil Slowakischer Braunbär verwischte der Gerichtshof die Unterscheidung zwischen den Kategorien der unmittelbaren Anwendbarkeit und der völkerrechtsfreundlichen Auslegung.740 Damit gerät die Argumentation des Gerichtshofs in gefährliche Nähe zur Zirkularität.741 Durch die Bekräftigung im Urteil Protect und das ausdrückliche Abstellen auf die Simmenthal-Rechtsprechung muss sich nun vielmehr gefragt werden, ob der Gerichtshof die Unterscheidung jedenfalls für Art. 9 Abs. 3 ÅK vollständig aufgegeben hat. Dass der Gerichtshof in beiden Urteilen aber zunächst die fehlende unmittelbare Anwendbarkeit von Art. 9 Abs. 3 ÅK betont,742 erscheint mindestens widersprüchlich.743 Dies hat gravierende Folgen für das Verhältnis von Gerichtshof und Gesetzgeber. Denn der Sinn des Konzepts der unmittelbaren Anwendbarkeit liegt gerade darin, dass die Gerichte nicht dem Gesetzgeber vorgreifen.744 Gerade dies droht jedoch in diesem Fall: Der Ausgestaltungsvorbehalt in Art. 9 Abs. 3 ÅK, der auch für das Eigenverwaltungsrecht gilt, wird durch die Protect-Rechtsprechung unionsgrundrechtlich überspielt und der Gesetzgeber seines Gestaltungsspielraums beraubt. Dies kann nicht mit Art. 9 Abs. 3 ÅK gerechtfertigt werden: Eine völkerrechtsfreundliche Auslegung alleine anhand des Mindeststandards von Art. 9 Abs. 3 ÅK würde dem Charakter der gesamten Vorschrift nicht gerecht. 739

W. Durner, in: Beckmann u. a. (Hrsg.), Landmann / ​Rohmer, Umweltrecht, Umweltvölkerrecht (Mai 2015) Rn. 84; F. Schoch, Verwaltungsgerichtsbarkeit, quo vadis?, VBlBW 2013, 361 (232); K. F. Gärditz, Europäisierter Umweltrechtsschutz als Laboratorium des Verwaltungsprozessrechts, EurUP 2015, 196 (209). 740 J. Jans, Who is the Referee? Access to Justice in a Globalised Legal Order, REALaw 4 (2011), 87 (98); M. Eliantonio, Case C-240/09, Lesoochranárske zoskupenie VLK v. Ministerstvo životného prostredia Slovenskej republiky, CML Rev. 49 (2012), 767 (784); M. Mendez, The Legal Effects of EU Agreements, 2013, S. 253. 741 J. Berkemann, Die unionsrechtliche Umweltverbandsklage des EuGH, DVBl 2011, 1253 (1256); s. auch BVerwGE 147, 312, Rn. 37. 742 EuGH, Urt. v. 08.03.2011, Lesoochranárske zoskupenie, Rs. C-240/09, EU:C:2011:125, Slg. 2011 I-1285, Rn. 45, 51; EuGH, Urt. v. 20.12.2017, Protect Natur-, Arten- und Landschaftschutz Umweltorganisation, Rs. C-664/15, EU:C:2017:987, Rn. 45 f. 743 F. Fellenberg / ​G. Schiller, in: Beckmann u. a. (Hrsg.), Landmann / ​Rohmer, Umweltrecht, UmwRG vor § 1 (April 2018) Rn. 44. 744 R. Uerpmann-Wittzack, Völkerrechtliche Verfassungselemente, in: von Bogdandy / ​Bast (Hrsg.), Europäisches Verfassungsrecht, 2009, S. 177 (189).

Kap. 4: Gerichtszugang im Primärrecht

223

Denn Art. 9 Abs. 3 ÅK ist gerade auf eine Vervollständigung durch den Gesetzgeber angelegt.745 Angesichts des weitreichenden Ausgestaltungsvorbehalts des Gesetzgebers scheint eine völkerrechtsfreundliche Auslegung des primärrecht­ lichen Gerichtszugangs vielmehr nicht der richtige Ansatzpunkt zu sein, um eine Vereinbarkeit des Rechtsschutzes im Eigenverwaltungsrecht der Union mit Art. 9 Abs. 3 ÅK zu erreichen. (3) Untauglichkeit von Art. 9 Abs. 3 ÅK für eine Aufladung von Art. 47 GRCh Ob gerade eine Aufladung von Art. 47 GRCh mit Art. 9 Abs. 3 ÅK der richtige Ansatz zur Öffnung der primärrechtlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen ist, ist höchst zweifelhaft. Dies liegt in der Struktur von Art. 47 GRCh begründet. Art. 47 GRCh schafft selbst keine Rechte, sondern setzt die Verletzung unionsrechtlicher Rechte voraus.746 Dies ergibt sich aus Art. 47 Abs. 1 GRCh, der „durch das Recht der Union garantierte Rechte oder Freiheiten“ unter Schutz stellt. Art. 47 GRCh ist also als „akzessorisches Annexgrundrecht“747 ausgestaltet. Ein solches Recht kann im Unionsrecht auch aus einer Allgemeinbelange schützenden Norm folgen.748 Damit lässt sich Art. 47 GRCh grundsätzlich auch für einen wirksamen Umweltrechtsschutz in Stellung bringen. Das entscheidende Problem der Kons­truktion des Urteils Protect liegt jedoch gerade in der Verbindung mit Art. 9 Abs. 3 ÅK:749 Der Gerichtshof versucht, Art. 9 Abs. 3 ÅK als Recht im Sinne von Art. 47 GRCh in Stellung zu bringen und die Durchsetzungsfähigkeit von Art. 9 Abs. 3 ÅK damit zu erhöhen. Dafür müsste Art. 9 Abs. 3 ÅK jedoch ein unionsrechtliches Recht sein, das von dem Schutzschirm von Art. 47 GRCh erfasst wird. Voraussetzung hierfür ist, dass sich Einzelne auf diese Vorschrift berufen können, was in dieser Arbeit Einklagbarkeit genannt wird.750 Die Einklagbarkeit setzt jedoch voraus, dass die völkerrechtliche Vorschrift im Unionsrecht unmittelbar anwendbar ist. An dieser Stelle dreht sich die Argumentation im Kreis: Die Protect-Rechtsprechung des 745

S. Generalanwalt Jääskinen, Schlussanträge v. 08.05.2014, Rat u. a. / ​Vereniging Milieu­ defensie und Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht, Verb. Rs. C-401/12 P bis C-403/12 P, EU:C:2014:310, Rn. 97. 746 H.-J.  Blanke, in: Calliess / ​Ruffert (Hrsg.), EUV / ​AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 47 GRCh Rn. 6; H. D. Jarass, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Kommentar, Art. 47 GRCh, Rn. 6; A. Eser, in: Meyer (Hrsg.), GRCh, 4. Aufl. 2014, Art. 47 GRCh Rn. 16. Dies ist eine Parallele von Art. 47 GRCh zu Art. 19 Abs. 4 GG, s. E. Schmidt-Aßmann, in: Herzog u. a. (Hrsg.), Maunz / ​Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 GG (Juli 2014) Rn. 119. 747 C.  Nowak, Recht auf effektiven Rechtsschutz, in: Heselhaus / ​Nowak (Hrsg.), Hdb. EU-Grundrechte, 2006, § 51, Rn. 9. 748 S. dazu umfassend oben unter Teil 1. Kapitel 2. B. I. 3. b) (S. 72 ff.). 749 F. Fellenberg / ​G. Schiller, in: Beckmann u. a. (Hrsg.), Landmann / ​Rohmer, Umweltrecht, UmwRG vor § 1 (April 2018) Rn. 44. 750 S. dazu oben unter Teil 2. Kapitel 4. C. I. 1. (S. 181 ff.).

224

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

Gerichtshofs läuft gerade darauf hinaus, dass Art. 9 Abs. 3 ÅK eine der unmittelbaren Anwendbarkeit vergleichbare Wirkung erzielt. Dazu wählt der Gerichtshof jedoch eine Konstruktion, die die unmittelbare Anwendbarkeit von Art. 9 Abs. 3 ÅK eigentlich voraussetzt.751 Wenn schon die Indienstnahme des effet utile im Urteil Slowakischer Braunbär methodisch bedenklich war,752 dann ist es die Verbindung von Art. 47 GRCh und Art. 9 Abs. 3 ÅK erst recht. Eine Hebelwirkung der Verbindung von Art. 47 GRCh und Art. 9 Abs. 3 ÅK gegenüber den Restriktionen von Art. 263 Abs. 4 AEUV wäre daher in höchstem Maße konstruiert und vom gewünschten Ergebnis hergedacht. Letztlich läge darin nur der Versuch, das Problem zu umgehen, dass Art. 9 Abs. 3 ÅK im Verhältnis zu Art. 263 Abs. 4 AEUV rangniedriger ist. Einer solchen Umgehung soll hier nicht das Wort geredet werden, schon gar nicht über eine dogmatisch zweifelhafte Konstruktion. ee) Zwischenergebnis Aus dem Gesagten ergibt sich, dass eine Rangaufwertung von Art. 9 Abs. 3 ÅK durch Art. 47 GRCh im Sinne der Protect-Rechtsprechung abzulehnen ist. Gegen eine Hebelwirkung von Art. 47 GRCh sprechen insbesondere die vielfältigen methodischen Bedenken, die damit einhergehen. c) Ergebnis Es lässt sich festhalten, dass eine Übertragung der Erwägungen des Gerichtshofs in den Fällen Slowakischer Braunbär und Protect unmöglich, jedenfalls aber methodisch fragwürdig wäre. Eine einfache Übertragung der Erwägungen aus dem Urteil Slowakischer Braunbär auf das primärrechtliche Prozessrecht fällt dabei schon wegen der qualitativ anderen Situation aus: Im Fall Slowakischer Braunbär wirkt Art. 9 Abs. 3 ÅK mit dem Vorrang des Unionsrechts auf das mitgliedstaatliche Prozessrecht ein. Dies verleiht ihm seine Direktionskraft gegenüber dem mitgliedstaatlichen Prozessrecht. Im Verhältnis zum primärrechtlichen Prozessrecht ist Art. 9 Abs. 3 ÅK jedoch rangniedriger und kann daher nicht zu einer Öffnung verpflichten. 751

S. in diesem Sinne zur Verbindung von Art. 9 Abs. 2 ÅK und Art. 47 GRCh Generalanwältin Kokott, Schlussanträge v. 30.06.2016, Lesoochranárske zoskupenie, Rs. C-243/15, EU:C:2016:491, Rn. 59. F. Fellenberg / ​G. Schiller, in: Beckmann u. a. (Hrsg.), Landmann / ​Rohmer, Umweltrecht, UmwRG vor § 1 (April 2018) Rn. 44 kritisieren die Protect-Konstruktion daher zurecht als „in methodischer Hinsicht nachgerade abenteuerlich“. 752 K. F. Gärditz, Europäisierter Umweltrechtsschutz als Laboratorium des Verwaltungsprozessrechts, EurUP 2015, 196 (209); W. Durner, in: Beckmann u. a. (Hrsg.), Landmann / ​Rohmer, Umweltrecht, Umweltvölkerrecht (Mai 2015) Rn. 85 ff.; s. auch J. Greim, Rechtsschutz bei Verfahrensfehlern im Umweltrecht, 2013, S. 177.

Kap. 4: Gerichtszugang im Primärrecht

225

Daran ändert auch die Protect-Rechtsprechung des Gerichtshofs nichts. Die Heranziehung von Art. 47 GRCh überzeugt insbesondere methodisch nicht, da Art. 9 Abs. 3 ÅK gerade aufgrund der fehlenden unmittelbaren Anwendbarkeit kein Recht ist, das eine solche Erweiterung rechtfertigen würde. Dies offenbart die ganze Fragwürdigkeit der Protect-Rechtsprechung, der durch eine Übertragung auf das Eigenverwaltungsrecht nicht weiter das Wort geredet werden soll. Eine Verbesserung des primärrechtlichen Umweltrechtsschutzes sollte nicht mit dem Makel der methodischen Fragwürdigkeit behaftet sein. Im Ergebnis ist die Wirkung der Rechtsprechungslinie aus den Urteilen Slowakischer Braunbär und Protect auf das primärrechtliche Prozessrecht eingeschränkt. Damit ist auch der Vorwurf eines Doppelstandards, jedenfalls in dieser Hinsicht, abzulehnen. Selbst wenn man eine völkerrechtsfreundliche Auslegung der Zulässigkeitsvoraussetzungen von Art. 263 Abs. 4 AEUV im Lichte von Art. 9 Abs. 3 ÅK grundsätzlich für möglich hielte, würde sie jedoch beim Gerichtshof keine Akzeptanz finden. Zwar ist das Beharren des Gerichtshofs auf dem Wortlaut von Art. 263 Abs. 4 Var. 2 AEUV nicht überzeugend, jedoch ist seine Auslegung auch von den Mitgliedstaaten bislang nicht ins Wanken gebracht worden. Die Plaumann-Formel bleibt so auf absehbare Zeit das „Maß der Dinge“753. 5. Ergebnis Durch den Totalausfall der gerichtlichen Kontrolle im Umweltrecht genügt der primärrechtliche Gerichtszugang nicht den Anforderungen der Århus-Konvention. Die Union erfüllt damit insbesondere nicht den Mindeststandard aus Art. 9 Abs. 3 ÅK. Die Untersuchung hat jedoch ergeben, dass eine völkerrechtsfreundliche Auslegung von Art. 263 Abs. 4 AEUV im Lichte von Art. 9 Abs. 3 ÅK nicht möglich ist, da damit der Rangunterschied von Art. 9 Abs. 3 ÅK zu Art. 263 Abs. 4 AEUV ignoriert würde. Die Anwendung der Protect-Rechtsprechung auf das Eigenverwaltungsrecht ist ebenfalls abzulehnen. Es sprechen schon erhebliche methodische Bedenken gegen die Konstruktion der Verbindung von Art. 47 GRCh und Art. 9 Abs. 3 ÅK. Die Wirkungen der Rechtsprechungslinie aus den Urteilen Slowakischer Braunbär und Protect auf das primärrechtliche Prozessrecht ist damit beschränkt. Und selbst wenn man eine solche völkerrechtsfreundliche Auslegung entgegen der hier vorgetragenen Bedenken in Betracht zöge, würde sie vom Gerichtshof nicht akzeptiert. Denn für den Gerichtshof ergeben sich die Restriktionen seiner Plaumann-Rechtsprechung aus dem Wortlaut der Verträge selbst. Auslegungsspielräume bestehen für den Gerichtshof deshalb schon nicht, was auch

753

O. Dörr, in: Grabitz u. a. (Hrsg.), EUV / ​A EUV, Art. 263 AEUV (November 2012) Rn. 76.

226

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

eine völkerrechtsfreundliche Auslegung aus seiner Sicht grundsätzlich unmöglich macht. Im Ergebnis lässt sich damit eine Durchsetzungsschwäche der Århus-Konvention gegenüber dem primärrechtlichen Gerichtszu­gang feststellen. III. Alternative Ansätze zur Begegnung der Völkerrechtswidrigkeit Aus der Sicht des Völkervertragsrechts spielt die interne Funktionsweise der Rechtsordnungen der Vertragsparteien keine Rolle.754 Kommt die Union ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen nicht nach, ist es also unerheblich, ob sie dies mit der Funktionsweise des Unionsrechts begründen kann. Dies ergibt sich überdies aus Art. 27 WVRK. Danach ist es der Partei eines völkerrechtlichen Vertrages verwehrt, die Nichterfüllung ihrer Verpflichtungen mit entgegenstehendem innerstaatlichen Recht zu rechtfertigen. Im Folgenden sollen daher alternative Ansätze ausgelotet werden, um den primärrechtlichen Gerichtszugang mit den völkerrechtlichen Verpflichtungen aus der Århus-Konvention in Einklang zu bringen. 1. Verweis auf Art. 19 Abs. 1 UAbs. 2 EUV Denkbar wäre ein Ansatz, der die Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Art. 19 Abs. 1 UAbs. 2 EUV aufnimmt und damit das komplementäre Zusammenwirken zwischen direktem und indirektem Rechtsschutz auf Unionsebene hervorhebt. Der Gerichtshof ist der Ansicht, dass die Restriktionen im Direktzugang durch die Inanspruchnahme der mitgliedstaatlichen Unionsgerichte im funktionellen Sinne aufgefangen werden und begründet dies mit Art. 19 Abs. 1 UAbs. 2 EUV.755 Auf dieser Grundlage lässt sich argumentieren, dass die Restriktionen im Rahmen von Art. 263 Abs. 4 AEUV insoweit kein Problem darstellen, wie sie durch die Gewährung von Rechtsschutz durch die mitgliedstaatlichen Gerichte aufgefangen werden. Die mitgliedstaatlichen Gerichte erfüllen dann als Unionsgerichte im funktionellen Sinne die Verpflichtungen der Union aus der dritten Säule der ­Å rhus-​Konvention, indem sie auch Maßnahmen der Eigenverwaltung kontrollieren. Hier ließe sich auch die Rechtsprechung der Fälle Slowakischer Braunbär und Protect nahtlos in das Argumentationsmuster einpassen: Die mitgliedstaatlichen Gerichte sind zu einer weiten Auslegung des verwaltungsgerichtlichen Zugangs verpflichtet, was gerade für eine Vereinbarkeit mit der Århus-Konvention auch in Bezug auf Maßnahmen der Unionseigenverwaltung sprechen würde. Überdies hätte diese Variante den Vorzug, dass sie sich auf dem Boden der Rechtsprechung der Unionsgerichte bewegt.

754 S. A. Peters, The Position of International Law within the European Community Legal Order, German Y. B.Int’l L. 40 (1997), 9 (35). 755 Umfassend dazu oben unter Teil 2. Kapitel 4. B. II. (S. 166 ff.).

Kap. 4: Gerichtszugang im Primärrecht

227

Wirklich zu überzeugen vermag jedoch auch diese Lösung nicht.756 Denn der Verweis auf die mitgliedstaatlichen Gerichte ist – wie schon gesehen757 – gerade nicht dazu geeignet, die originären Unionsgerichte für Maßnahmen der Eigenverwaltung aus ihrer Verantwortung zu entlassen. An dieser Stelle sollen deshalb nur noch einmal die wesentlichen Argumente in Erinnerung gerufen werden: Die Inanspruchnahme der mitgliedstaatlichen Gerichte zur Kontrolle von Maßnahmen der Eigenverwaltung erweist sich als bloßer Umweg, da sich der Gerichtshof nach der prinzipiell sinnvollen und kohärenzsichernden Foto-Frost-Doktrin die Entscheidung über die Gültigkeit von Unionsrechtsakten vorbehält. Die Union begibt sich damit in eine weitgehende Abhängigkeit vom mitgliedstaatlichen Prozessrecht, zumal es kein aus dem Unionsrecht fließendes Recht auf Durchsetzung eines Vorabentscheidungsersuchens gibt. Schon diese kurze Rekapitulation zeigt, dass der Verweis auf Art. 19 Abs. 1 UAbs. 2 EUV nicht ausreicht, um die Problematik der Restriktion von Art. 263 Abs. 4 AEUV auszuräumen. Vielmehr entspricht dieser Weg auch nicht den Effektivitätsanforderungen von Art. 9 Abs. 4 ÅK. Zudem ist Union selbst Partei der Århus-Konvention und kann sich ihrer Verpflichtung daher nicht durch Verweis auf die Mitgliedstaaten entziehen.758 Sie muss die Vereinbarkeit ihres Eigenverwaltungsrechts mit den Vorgaben der Konvention selbst sicherstellen.759 Die Kontrolle von Maßnahmen der Eigenverwaltung im Anwendungsbereich der Århus-Konvention muss daher auch von den originären Unionsgerichten geleistet werden und darf nicht pauschal auf die mitgliedstaat 756

So auch Generalanwalt Jääskinen, Schlussanträge v. 08.05.2014, Rat u. a. / ​Vereniging Milieudefensie und Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht, Verb. Rs. C-401/12 P bis C-403/12 P, EU:C:2014:310, Rn. 120; M. Breuer, Die Klagebefugnis von Umweltverbänden unter Anpassungsdruck des Völker- und Europarechts, Die Verwaltung 45 (2012), 171 (195 f.); S. Pernice-Warnke, Der Zugang zu Gericht in Umweltangelegenheiten für Individualkläger und Verbände gemäß Art. 9 Abs. 3 Aarhus-Konvention und seine Umsetzung durch die europäische Gemeinschaft, EuR 2008, 410 (414 f.); T. Weber, Die Umsetzung der Aarhus-Konvention beim direkten Vollzug von Unionsrecht, JRP 20 (2012), 137 (153); N. de Sadeleer / ​C . Poncelet, Protection against Acts Harmful to Human Health and the Environment Adopted by the EU Institutions, CYELS 14 (2011–2012), 177 (186 f.); N. de Sadeleer, Commentaire J. Mégret: Environnement et marché intérieur, 2010, S. 192; M. Eliantonio, Case C-240/09, Lesoochranárske zoskupenie VLK v. Ministerstvo životného prostredia Slovenskej republiky, CML Rev. 49 (2012), 767 (788); B. Goby, Anmerkung zu EuGH, Urt. v. 13.1.2015, Verb. Rs. C.404/12 P und C-405/12 P, RdU 2015, 75 (78); H. Schoukens, Articles 9(3) and 9(4) of the Aarhus Convention and Access to Justice before EU Courts in Environmental Cases, Eur. Energy & Envtl. L. Rev. 25 (2016), 178 (193); zweifelnd E. Rehbinder, Zum Rechtsschutz Dritter im europäischen Chemikalienrecht, in: Ipsen / ​Stüer (Hrsg.), FS Rengeling, 2008, S. 383 (396). 757 S. dazu schon umfassend oben unter Teil 2. Kapitel 4. B. II. 3. b) (S. 172 ff.). 758 M. Breuer, Die Klagebefugnis von Umweltverbänden unter Anpassungsdruck des Völkerund Europarechts, Die Verwaltung 45 (2012), 171 (196 f.). 759 S. Gáspár-Szilágyi, The Relationship between EU Law and International Agreements, CML Rev. 52 (2015), 1059 (1075); s. auch N. Wiesinger, Innovation im Verwaltungsrecht durch Internationalisierung, 2013, S. 62; A. Epiney, Zu den Anforderungen der Aarhus-Konvention an das europäische Gemeinschaftsrecht, in: Falke / ​Schlacke (Hrsg.), Information, Beteiligung, Rechtsschutz, 2003, S. 9 (22).

228

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

lichen Gerichte abgewälzt werden.760 Dieser Sichtweise hat sich auch das Compliance Committee nachdrücklich angeschlossen.761 Der Verweis auf Art. 19 Abs. 1 UAbs.  2 EUV ist damit nicht geeignet, der Völkerrechtswidrigkeit des primärrechtlichen Gerichtszugangs abzuhelfen. 2. Modifizierung von Art. 263 Abs. 4 AEUV durch die Århus-Konvention als lex posterior Die Århus-Konvention könnte als lex posterior den Gerichtszugang nach Art. 263 Abs. 4 AEUV modifizieren.762 Nach diesem Grundsatz derogiert das spätere Gesetz das frühere.763 Gewendet auf Art. 263 Abs. 4 AEUV und die Århus-Konvention würde dies folgendes bedeuten: Die Århus-Konvention wurde durch den Rats­ beschluss 2005/370/EG genehmigt und dadurch verbindlich. Das Merkmal der individuellen Betroffenheit und die entsprechende Rechtsprechung des Gerichtshofs sind jedoch deutlich älter.764 Daraus ließe sich folgern, dass die Århus-Konvention das Merkmal der individuellen Betroffenheit mitsamt ihrer restriktiven Interpre­ tation durch die Unionsgerichte verdrängt. Die Århus-Konvention als späteres Gesetz würde damit das frühere Gesetz, nämlich insbesondere die individuelle Betroffenheit nach Art. 263 Abs. 4 AEUV in ihrem Anwendungsbereich derogieren. Diese Lösung vermag jedoch kaum zu überzeugen. Ihr stehen gewichtige Argumente entgegen. Zunächst ist daran zu erinnern, dass eine Änderung der Verträge dem Verfahren von Art. 48 EUV und damit dem Gebot der Textänderung unterliegt. Wegen des Charakters als gemischtes Abkommen sind zwar die Mitgliedstaaten auch Vertragsparteien der Århus-Konvention, dies entbindet sie jedoch nicht von der Einhaltung des Verfahrens aus Art. 48 EUV. Auch der Gerichtshof betont in ständiger Rechtsprechung, dass eine Änderung der Voraussetzungen von Art. 263 Abs. 4 AEUV nur im Rahmen des Verfahrens von Art. 48 EUV denkbar 760

S. Pernice-Warnke, Der Zugang zu Gericht in Umweltangelegenheiten für Individualkläger und Verbände gemäß Art. 9 Abs. 3 Aarhus-Konvention und seine Umsetzung durch die europäische Gemeinschaft, EuR 2008, 410 (415); L. Krämer, The EU Courts and Access to Environmental Justice, in: Boer (Hrsg.), Environmental Law Dimensions of Human Rights, 2015, S. 107 (126). 761 ACCC / ​C/2008/32 (Part I) (Europäische Gemeinschaft), ECE / ​MP.PP / ​C.1/2011/4/Add.1, Rn. 90, bestätigt in ACCC / ​C/2008/32 (Part II) (Europäische Union), ECE / ​MP.PP / ​C.1/2017/7, Rn. 57. 762 Dagegen M. Breuer, Die Klagebefugnis von Umweltverbänden unter Anpassungsdruck des Völker- und Europarechts, Die Verwaltung 45 (2012), 171 (193); E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband II, 2018, S. 1122, jedoch ohne Begründung; s. auch J. Bétaille, Accès à la justice de l’union européenne, R. J. E. 36 (2011), 547 (551). 763 S. nur A. Merkl, Die Rechtseinheit des österreichischen Staates, AöR 37 (1918), 56 (69). 764 Das Urteil Plaumann erging am 15.07.1963 zu Art. 173 Abs. 2 EWG, der auch damals schon das Merkmal der individuellen Betroffenheit kannte, so wie es heute noch in Art. 263 Abs. 4 AEUV zu finden ist. Der Ratsbeschluss zur Genehmigung der Århus-Konvention datiert auf den 17.05.2005.

Kap. 4: Gerichtszugang im Primärrecht

229

ist.765 Das in Art. 48 EUV vorgesehene Vertragsänderungsverfahren entfaltet damit eine Sperrwirkung für andere Formen der Vertragsänderung.766 Dafür spricht auch Art. 218 Abs. 11 Satz 2 AEUV, wonach ein nicht mit dem Primärrecht vereinbares völkerrechtliches Abkommen nur dann in Kraft treten kann, wenn vorher die Verträge geändert werden.767 Darüber hinaus begrenzt auch der Rang völkerrechtlicher Verträge in der Unionsrechtsordnung ihre Wirkung als lex posterior. Bei lex posterior handelt es sich um eine Kollisionsregel für rein temporale Normkonflikte.768 Ihre Wirkung ist auf Konflikte von Normen gleichen Ranges beschränkt.769 Im Falle einer Kollision von Normen unterschiedlicher Rangstufen ist eine Lösung über die rein zeitliche lex posterior daher nicht möglich, vielmehr greift hier die Regel lex superior.770 Während bei horizontalen Konflikten von Normen gleicher Rangstufe eine Lösung über die Regeln lex posterior und lex specialis gesucht werden kann, ist im Falle eines vertikalen Konflikts von Normen unterschiedlicher Rangstufen die Regel lex superior anzuwenden.771 Für das Verhältnis von Art. 263 Abs. 4 AEUV und Århus-Konvention ergibt sich daraus Folgendes: In der Unionsrechtsordnung rangiert die Århus-Konvention als Völkervertragsrecht zwischen Primär- und Sekundärrecht. Damit steht sie im Rang unter dem primärrechtlichen Art. 263 Abs. 4 AEUV. Ein Normkonflikt zwischen der Århus-Konvention und Art. 263 Abs. 4 AEUV ist wegen dieses Rangunterschieds nicht durch die Regel lex posterior zu lösen.772 Vielmehr setzt sich der primärrechtliche Art. 263 Abs. 4 AEUV als lex superior gegenüber den Bestimmungen der Århus-Konvention durch. Schließlich ist die Idee einer Änderung von Art. 263 Abs. 4 AEUV durch die Århus-Konvention als lex posterior auch deshalb verfehlt, weil es sich bei der Århus-Konvention schon nicht um ein späteres Gesetz handelt. Der Vertrag von Lissabon trat am 01.12.2009 in Kraft und ist damit im Verhältnis zur Århus-Konvention das spätere Gesetz. Mit der unveränderten Übernahme des Merkmals der 765

S. nur EuGH, Urt. v. 25.07.2002, Unión de Pequeños Agricultores / ​Rat, Rs. C-50/00 P, EU:C:2002:462, Slg. 2002 I-6619, Rn. 45. 766 S. C. Ohler, in: Grabitz u. a. (Hrsg.), EUV / ​AEUV, Art. 48 EUV (Juli 2017) Rn. 26. 767 Dazu M. Pechstein, in: Streinz (Hrsg.), EUV / ​A EUV, 3. Aufl. 2018, Art. 48 EUV Rn. 11. 768 L. Renck, Zum Anwendungsbereich des Satzes „lex posterior derogat legi priori“, JZ 1970, 770 (770). 769 L. Renck, Zum Anwendungsbereich des Satzes „lex posterior derogat legi priori“, JZ 1970, 770 (770). 770 L. Renck, Zum Anwendungsbereich des Satzes „lex posterior derogat legi priori“, JZ 1970, 770 (770 f.); s. auch H. Sauer, Die neue Schlagkraft der gemeineuropäischen Grundrechtsjudikatur, ZaöRV 2005, 35 (39); E. Vranes, Lex Superior, Lex Specialis, Lex Posterior, ZaöRV 2005, 391 (403). 771 S. M. Jestaedt, Selbstand und Offenheit der Verfassung gegenüber nationalem, supranationalem und internationalem Recht, in: Isensee / ​Kirchhof (Hrsg.), HbdStR Bd. XII, 2014, § 264, Rn. 41. 772 IE ebenso E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband I, 2018, S. 593.

230

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

individuellen Betroffenheit aktualisierten die Mitgliedstaaten ihren Willen zu dessen Fortgeltung. 3. Völkerrechtliche Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Änderung von Art. 263 Abs. 4 AEUV Eine weitere Überlegung geht dahin, eine Pflicht der Mitgliedstaaten zur Änderung von Art. 263 Abs. 4 AEUV anzunehmen.773 Hintergrund ist folgende Erwägung: Als gemischtes Abkommen zählt die Århus-Konvention sowohl die Union als auch die Mitgliedstaaten zu ihren Vertragsparteien. Mit den Mitgliedstaaten sind damit auch die „Herren der Verträge“774 die Verpflichtungen aus der Århus-Konvention eingegangen. Vor diesem Hintergrund könnte von den Mitgliedstaaten verlangt werden, Art. 263 Abs. 4 AEUV so anzupassen, dass er mit den Vorgaben der Århus-Konvention in Einklang steht. Unterstützend ließe sich der Grundsatz pacta sunt servanda anführen, sowie das Verbot, sich auf bestehendes Recht zur Begründung für eine Unvereinbarkeit zu berufen.775 Es ist nicht abwegig, eine solche Pflicht anzunehmen. Dafür spricht der Grundsatz der Staatenverantwortlichkeit.776 Dieser Grundsatz ist Teil des Völkergewohnheitsrechts, dessen Ausprägungen Eingang in den Entwurf der International Law Commission zur Staatenverantwortlichkeit gefunden haben.777 Zunächst ist die Union als internationale Organisation mit Rechtspersönlichkeit nach Art. 47 EUV für ihr völkerrechtswidriges Handeln selbst verantwortlich.778 Doch dies ist hier nicht der entscheidende Punkt: Es geht gerade um die Verantwortlichkeit der Mitgliedstaaten für das Handeln der Union als internationale Organisation. Das Einstehen von Mitgliedstaaten einer internationalen Organisation für deren völ-

773

S. M. Pallemaerts, Access to Environmental Justice at EU Level, in: Pallemaerts (Hrsg.), The Aarhus Convention at Ten, 2011, S. 271 (311 f.); M. Eliantonio, Towards an Ever Dirtier Europe, CYELP 7 (2011), 69 (85); T. Weber, Die Umsetzung der Aarhus-Konvention beim direkten Vollzug von Unionsrecht, JRP 20 (2012), 137. 774 So etwa das Bundesverfassungsgericht an verschiedenen Stellen im Lissabon-Urteil, s. BVerfGE 123, 267 (349 f., 368, 381, 398). 775 S. Art. 26, 27 WVRK sowie die nicht in Kraft getretenen Art. 26, 27 Abs. 2 WVKIO. 776 S. dazu allgemein J.  Crawford, State Responsibility (September 2006), in: Wolfrum (Hrsg.), MPEPIL, Rn. 1 ff. 777 S. Hobe, Einführung in das Völkerrecht, 2014, S. 312 f. Der Entwurf findet sich abgedruckt im Yearbook of the International Law Commission, Volume II Part 2 (2001), Report of the Commission to the General Assembly on the work of its fifty-third session, A / ​CN.4/ SER.A/2001/Add.1 (Part 2), S. 1 ff. Allgemein zur Kodifikation etwa D. D. Caron, The ILC Articles on State Responsibility, AJIL 96 (2002), 857 (859 ff.). 778 O. Dörr, in: Grabitz u. a. (Hrsg.), EUV / ​A EUV, Art. 47 EUV (Mai 2011) Rn. 65 f.; J. ­Kokott, in: Streinz (Hrsg.), EUV / ​A EUV, 3. Aufl. 2018, Art. 47 EUV Rn. 33; s. auch M. Hartwig, International Organizations or Institutions, Responsibility and Liability (May 2011), in: Wolfrum (Hrsg.), MPEPIL, Rn. 16.

Kap. 4: Gerichtszugang im Primärrecht

231

kerrechtswidriges Handeln ist ein Problem der Staatenverantwortlichkeit.779 Denn auch durch Gründung einer internationalen Organisation sollen sich ihre Mitgliedstaaten nicht ihrer Verantwortlichkeit entledigen können.780 Darüber, wie weit die Mitverantwortung von Staaten für das Handeln einer internationalen Organisation allerdings geht, besteht einige Unsicherheit.781 Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte nimmt jedenfalls eine grundsätzliche Verantwortung der Mitgliedstaaten für Verstöße der Union gegen die Europäische Menschenrechtskonvention an.782 Allerdings lässt sich aus dem Entwurf zur Verantwortlichkeit von internationalen Organisationen des International Law Committees schließen, dass eine bloße Mitgliedschaft in der internationalen Organisation noch nicht ausreicht, um eine Verantwortlichkeit auszulösen.783 Doch die Mitgliedstaaten sind nicht nur einfache Mitglieder der Union, sondern für deren verfassungsmäßige Ordnung in Form der Verträge verantwortlich.784 Durch die Gestaltung der Verträge haben die Mitgliedstaaten auch Einfluss auf die Ausgestaltung des primärrechtlichen Gerichtszugangs. Ihnen ist also auch eine Abhilfehandlung potenziell möglich. Doch selbst, wenn man eine Verantwortung der Mitgliedstaaten für den Völkerrechtsverstoß der Union annähme, ist es fraglich, ob daraus eine Pflicht zur Änderung des Primärrechts ergeben würde. Eine Verantwortlichkeit zieht zunächst einmal nur die Pflicht zur Ausräumung der Völkerrechtswidrigkeit nach sich.785 Dies sagt allerdings noch nichts darüber aus, welche Abhilfe erforderlich ist. Mit 779 M.  Hartwig, International Organizations or Institutions, Responsibility and Liability (May 2011), in: Wolfrum (Hrsg.), MPEPIL, Rn. 24. 780 C. Ryngaert / ​H. Buchanan, Member State responsibility for the acts of international organizations, Utrecht L. Rev. 7 (2011), 131 (132); M. Hartwig, International Organizations or Institutions, Responsibility and Liability (May 2011), in: Wolfrum (Hrsg.), MPEPIL, Rn. 25. 781 M.  Hartwig, International Organizations or Institutions, Responsibility and Liability (May 2011), in: Wolfrum (Hrsg.), MPEPIL, Rn. 25 ff.; K. Schmalenbach, International Organizations or Institutions, General Aspects (July 2014), in: Wolfrum (Hrsg.), MPEPIL, Rn. 118. 782 S. EGMR, Urt. v. 30.06.2005, Bosphorus Hava Yolları Turizm ve Ticaret Anonim Şirketi / ​Ireland, Rs. 45036/98, Rn. 154 f.; s. auch M. Hartwig, International Organizations or Institutions, Responsibility and Liability (May 2011), in: Wolfrum (Hrsg.), MPEPIL, Rn. 29; K. Schmalenbach, International Organizations or Institutions, General Aspects (July 2014), in: Wolfrum (Hrsg.), MPEPIL, Rn. 118; C. Ryngaert, The Responsibility of Member States in Connection with Acts of International Organizations, ICLQ 60 (2011), 997 (1001 ff.). 783 S. insbesondere Art. 62 des Entwurfs. Der Entwurf findet sich abgedruckt im Yearbook of the International Law Commission, Volume II Part 2 (2011), Report of the Commission to the General Assembly on the work of its sixty-third session A / ​CN.4/SER.A/2011/Add.1 (Part 2), S. 1 ff. S. zum Ganzen M. Hartwig, International Organizations or Institutions, Responsibility and Liability (May 2011), in: Wolfrum (Hrsg.), MPEPIL, Rn. 32, 34; C. Ryngaert / ​H. Buchanan, Member State responsibility for the acts of international organizations, Utrecht L. Rev. 7 (2011), 131 (136 ff.). 784 Dies könnte mit einem weiten Verständnis etwa Art. 59 des Entwurfs zur Verantwortlichkeit internationaler Organisationen erfüllen, der eine Verantwortlichkeit für den Fall vorsieht, dass der Mitgliedstaat das Handeln der internationalen Organisation leitet und kontrolliert. S. zu Art. 59 des Entwurfs C. Ryngaert / ​H. Buchanan, Member State responsibility for the acts of international organizations, Utrecht L. Rev. 7 (2011), 131 (139 f.). 785 S. Art. 29 des Entwurfs zur Staatenverantwortlichkeit der International Law Commission.

232

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

anderen Worten: Aus einer Pflicht zum Handeln ergibt sich nicht automatisch eine Pflicht zur Änderung des Primärrechts. Dass es der Århus-Konvention spezifisch auf eine Änderung des Primärrechts ankäme, lässt sich jedenfalls nicht feststellen. Die Konvention verlangt vielmehr nur ganz allgemein, Rechtsschutz nach Maßgabe ihrer dritten Säule zu gewähren. Damit ist zwar ein Ziel vorgegeben, jedoch nicht das Mittel. Wie die Vertragsparteien die Vereinbarkeit gewährleisten, liegt außerhalb des Blickfelds der Århus-Konvention als völkerrechtlichem Vertrag. Ob die Mitgliedstaaten deshalb das Primärrecht ändern oder andere Maßnahmen ergreifen, um eine Vereinbarkeit mit den Vorgaben der Århus-Konvention herzustellen, bleibt ihnen überlassen. Eine Pflicht zur Änderung des Primärrechts ergibt sich nach dem Gesagten deshalb nicht.

D. Ergebnis Die Analyse der primärrechtlichen Rechtsschutzmöglichkeiten hat Vereinbarkeitsdefizite mit den Vorgaben der Århus-Konvention offenbart. Verantwortlich ist hierfür insbesondere die Plaumann-Rechtsprechung des Gerichtshofs, die einen Rechtsschutz in Umweltangelegenheiten für Individualkläger weitgehend ausschließt. Die Restriktionen des Direktzugangs werden auch nicht durch alternative Rechtsschutzmöglichkeiten aufgefangen. Der mit dem Vertrag von Lissabon eingeführte Art. 263 Abs. 4 Var. 3 AEUV erweitert den Direktzugang wegen seines engen Anwendungsbereichs nur minimal. Auch der Verweis auf Rechtsschutz vor den mitgliedstaatlichen Gerichten vermag die Restriktionen des Direktzugangs nicht auszugleichen. Dies liegt nicht zuletzt an den Unzulänglichkeiten des Vorabentscheidungsverfahrens als Individualrechtsbehelf. Die Rechtssprechungslinie des Gerichtshofs in den Fällen Slowakischer Braunbär und Protect zum mitgliedstaatlichen Unionsverwaltungsrecht legt auf den ersten Blick eine Århus-konforme Auslegung des Primärrechts nahe. Diese ist jedoch abzulehnen. Zunächst lässt sich die Rechtsprechung aus dem Fall Slowakischer Braunbär nicht auf die Situation des primärrechtlichen Gerichtszugangs übertragen. Dies liegt daran, dass Art. 9 Abs. 3 ÅK im Verhältnis zu Art. 263 Abs. 4 AEUV rangniedriger ist. Auch eine Übertragung der Protect-Rechtsprechung fällt aus. Dagegen sprechen insbesondere methodische Bedenken einer Verbindung von Art. 47 GRCh und Art. 9 Abs. 3 ÅK. Doch selbst wenn man dennoch eine völkerrechtsfreundliche Auslegung des primärrechtlichen Gerichtszugangs annehmen wollte, würde sie kaum vom Gerichtshof akzeptiert werden. Denn der Gerichtshof sieht sich – wenig überzeugend – durch den Wortlaut von Art. 263 Abs. 4 Var. 2 AEUV an einem Abweichen von seiner Plaumann-Rechtsprechung gehindert. Die Chancen der Akzeptanz einer völkerrechtsfreundlichen Auslegung von Art. 263 Abs. 4 Var.  2 AEUV durch den Gerichtshof sind daher gering. Auch andere denkbare Varianten, wie etwa der Verweis auf Art. 19 Abs. 1 UAbs. 2 EUV, das Heranziehen der Århus-Konvention als lex posterior sowie die

Kap. 5: Rechtsschutz nach der Århus-VO

233

Konstruktion einer Pflicht der Mitgliedstaaten zur Änderung von Art. 263 Abs. 4 AEUV können nicht überzeugen. Dass sich die Mitgliedstaaten auf eine Änderung von Art. 263 Abs. 4 AEUV eini­ gen, ist derzeit nicht zu erwarten.786 Gleiches dürfte angesichts der bisherigen Zurückhaltung bei der Einrichtung von Fachgerichten nach Art. 257 AEUV auch für die Idee eines speziellen Umweltgerichts gelten.787 Der Befund zu den primärrechtlichen Rechtsschutzmöglichkeiten ist also ernüchternd. Angesichts der beschriebenen Schwierigkeiten ist es auch unwahrscheinlich, dass die Århus-Konvention etwas an der unbefriedigenden Ausgestaltung des Rechtsschutzes im Primärrecht ändern wird, allen Mahnungen des Compliance Committees zum Trotz.788 Kapitel 5

Vereinbarkeit des Rechtsschutzes nach der Århus-VO mit dem Primärrecht und den Vorgaben der Århus-Konvention In Anbetracht der begrenzten Wirkungen der Århus-Konvention auf den primärrechtlichen Gerichtszugang musste die Union eine alternative Lösung entwickeln, um ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen trotz der Plaumann-Restriktionen gerecht zu werden. Dabei stand die Union unter erheblichem Druck: Das Compliance Committee drohte im ersten Teil des Verfahrens zur Europäischen Union 2011 damit, die Unvereinbarkeit des Unionsrechts mit Art. 9 Abs. 3 und Abs. 4 ÅK festzustellen, wenn die Restriktionen des primärrechtlichen Gerichtszugangs nicht vollständig durch entsprechende administrative Überprüfungsverfahren kompensiert würden.789 In diesem Sinne erließ die Union, gestützt auf die

786

So auch M. Pallemaerts, Access to Environmental Justice at EU Level, in: Pallemaerts (Hrsg.), The Aarhus Convention at Ten, 2011, S. 271 (312); H. Schoukens, Access to Justice in Environmental Cases After the Rulings of the Court of Justice of 13 January 2015, Utrecht J. Int. Eur. Law 31 (2015), 46 (65); J. Bétaille, Accès à la justice de l’union européenne, R. J. E. 36 (2011), 547 (561). 787 Dafür M.  Pallemaerts, Access to Environmental Justice at EU Level, in: Pallemaerts (Hrsg.), The Aarhus Convention at Ten, 2011, S. 271 (312); C. Herman, Lisbon and Access to Justice for Environmental NGOs: A Watershed, JEEPL 7 (2010), 391 (408); M. Eliantonio, Towards an Ever Dirtier Europe, CYELP 7 (2011), 69 (85); M. Eliantonio / ​C . W. Backes / ​C . H.  van Rhee / ​T. N. B. M. Spronken / ​A . Berlee, Standing up for your right(s) in Europe, 2013, S. 46. Allgemein zur Möglichkeit der Errichtung von Fachgerichten etwa T. Rademacher, Realakte im Rechtsschutzsystem der Europäischen Union, 2014, S. 162 f. 788 S. ACCC / ​C/2008/32 (Part I) (Europäische Gemeinschaft), ECE / ​M P.PP / ​C.1/2011/4/ Add.1, Rn. 86 f. 789 ACCC / ​C/2008/32 (Part I) (Europäische Gemeinschaft), ECE / ​MP.PP / ​C.1/2011/4/Add.1, Rn. 94.

234

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

Kompetenzgrundlage des Art. 175 Abs. 1 EGV (des jetzigen Art. 192 AEUV),790 die Århus-VO, deren Titel IV eine pragmatische Kombination von vorgeschalteter interner Überprüfung und nachfolgendem gerichtlichen Verfahren vorsieht.791 Die Vorschriften des Titels IV der Århus-VO dienen dazu, das Unionsrecht an die Bestimmungen der Århus-Konvention über den Zugang zu Überprüfungsverfahren anzupassen.792 Die Union möchte sich damit ihren Verpflichtungen aus der Århus-Konvention stellen,793 ohne das Primärrecht ändern zu müssen.794 Letztlich geht es darum, das Ungleichgewicht von individualbezogenen Wirtschaftsinteressen und allgemeinbezogenen Umweltinteressen durch eine prozessuale Stärkung der Durchsetzbarkeit des materiellen Umweltrechts abzumildern.795 Gleichzeitig dient die Verordnung auch der Demonstration, dass sich die Union für ihr Eigenverwaltungsrecht den gleichen Maßstäben unterwirft wie die Mitgliedstaaten.796 Die Eröffnung von Verbandsklagemöglichkeiten im Eigenverwaltungsrecht der Union spiegelt damit – ihrerseits weitgehend durch das Unionsrecht katalysierte – Entwicklungen auf mitgliedstaatlicher Ebene wider.797

A. Regelungssystematik und Anwendungsbereiche Die Rechtsschutzbestimmungen der Århus-VO sind das Ergebnis eines Dilemmas. Auf der einen Seite muss die Union ihren Verpflichtungen aus der Århus-­ Konvention nachkommen, auf der anderen Seite schränkt die Plaumann-Formel den Rechtsschutz gerade in Umweltangelegenheiten stark ein.798 Der Sekundär 790

Vorschlag für eine Verordnung KOM(2003) 622 endg. v. 24.10.2003, S. 4; S. Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz, 2008, S. 397. 791 H. Schoukens, Articles 9(3) and 9(4) of the Aarhus Convention and Access to Justice before EU Courts in Environmental Cases, Eur. Energy & Envtl. L. Rev. 25 (2016), 178 (182). 792 Vorschlag für eine Verordnung KOM(2003) 622 endg. v. 24.10.2003, S. 17. 793 Vorschlag für eine Verordnung KOM(2003) 622 endg. v. 24.10.2003, S. 4; A. Guckelberger, Die EG-Verordnung zur Umsetzung der Aarhus-Konvention auf der Gemeinschaftsebene, NuR 2008, 78 (78). 794 S. Vorschlag für eine Verordnung KOM(2003) 622 endg. v. 24.10.2003, S. 17. 795 A.  Guckelberger, Die EG-Verordnung zur Umsetzung der Aarhus-Konvention auf der Gemeinschaftsebene, NuR 2008, 78 (86); s. auch allgemein A. Thiele, Individualrechtsschutz vor dem Europäischen Gerichtshof durch die Nichtigkeitsklage, 2006, S. 277; H. Kirchhoff, Individualrechtsschutz im Europäischen Gemeinschaftsrecht, 2005, S. 167 f. 796 Vorschlag für eine Verordnung KOM(2003) 622 endg. v. 24.10.2003, S. 4; A. Guckelberger, Die EG-Verordnung zur Umsetzung der Aarhus-Konvention auf der Gemeinschaftsebene, NuR 2008, 78 (78). Die Verordnung ist im Zusammenhang mit dem – letztlich nicht weiter verfolgten – Richtlinienvorschlag Vorschlag für eine Richtlinie KOM(2003) 624 endg. v. 24.10.2003 zu sehen. 797 S. Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz, 2008, S. 533; s. auch A. Guckelberger, Die EG-Verordnung zur Umsetzung der Aarhus-Konvention auf der Gemeinschaftsebene, NuR 2008, 78 (86). 798 K.  Lenaerts / ​J. A.  Gutiérrez-Fons, The General System of EU Environmental Law Enforce­ment, YEL 30 (2011), 3 (23).

Kap. 5: Rechtsschutz nach der Århus-VO

235

rechtgeber stand daher vor der Aufgabe, eine Situation zu schaffen, in der die Plaumann-Formel letztlich nicht zur Anwendung kommt.799 Das Ergebnis dieser Bemühungen lässt sich in Titel IV der Århus-VO begutachten, der darauf zielt, die Zulässigkeitshürden zu den Unionsgerichten zu beseitigen.800 Anerkannten Umweltverbänden wird durch die Verordnung eine Überprüfungsmöglichkeit eingeräumt, ohne dass der Nachweis eines Interesses oder einer Rechtsverletzung notwendig wäre.801 Dies soll durch ein für die Union eher untypisches internes Überprüfungsverfahren erreicht werden,802 das dem gerichtlichen Verfahren vorausgeht und die nötige Betroffenheit herstellt. In der Sache erinnert diese Konstruktion an das aus dem deutschen Verwaltungsrecht bekannte Widerspruchsverfahren der §§ 68 ff. VwGO.803 Dieser Vergleich ist auf den ersten Blick einleuchtend, jedoch besteht ein qualitativer Unterschied zwischen beiden Überprüfungsverfahren: Während das erfolglose Widerspruchsverfahren im deutschen Verwaltungsprozessrecht grundsätzlich eine Sachurteilsvoraussetzung im Rahmen einer Anfechtungs- bzw. Verpflichtungsklage ist, besitzt das interne Überprüfungsverfahren eine darüber hinausgehende prozessuale Bedeutung. Denn das erfolglose interne Widerspruchsverfahren schafft erst eine ansonsten nicht bestehende Klagebefugnis, während die Klagebefugnis im deutschen Verwaltungsprozessrecht von der Durchführung des Widerspruchverfahrens unabhängig ist. Dieser Vergleich illus­ triert die Funktionsweise der mit der Århus-VO gewählten Konstruktion, die einige Bewunderung erfahren hat.804

799

K. Lenaerts / ​J. A. Gutiérrez-Fons, The General System of EU Environmental Law Enforcement, YEL 30 (2011), 3 (23). 800 C. Poncelet, Access to Justice in Environmental Matters, J. Envtl. L. 24 (2012), 287 (303); s. auch Generalanwalt Szpunar, Schlussanträge v. 17.10.2018, TestBioTech u. a. / ​Kommission, Rs. C-82/17, EU:C:2018:837, Rn. 36; V. Paskalev, Losing the Battle, but Winning the War?, EJRR 8 (2017), 580 (582). 801 S. Schlacke, Rechtsbehelfe im Umweltrecht, in: Schlacke u. a. (Hrsg.), Aarhus-Handbuch, 2010, § 3, Rn. 199. 802 S. zu den seltenen, aber zunehmend an Bedeutung gewinnenden Elementen verwaltungsinternen Rechtsschutzes im Eigenverwaltungsrecht der Union G. Sydow / ​S . Neidhardt, Verwaltungsinterner Rechtsschutz, 2007, S. 117 ff. Grundsätzlich lässt sich jedoch mit O. ­Streckert, Verwaltungsinterner Unionsrechtsschutz, 2016, S. 11 f. festhalten, dass im Unionsrecht Rechtsschutz immer noch vornehmlich durch die Gerichte gewährleistet wird. S. dazu noch unter Teil 2. Kapitel 5. B. I. 3. (S. 279 ff.). 803 E. Rehbinder, Die Aarhus-Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs und die Verbandsklage gegen Rechtsakte der Europäischen Union, EurUP 2012, 23 (24); E. Rehbinder, Zum Rechtsschutz Dritter im europäischen Chemikalienrecht, in: Ipsen / ​Stüer (Hrsg.), FS Rengeling, 2008, S. 383 (385); S. Schlacke, in: Gärditz (Hrsg.), VwGO, 2. Aufl. 2018, Nach § 42 VwGO Überindividueller Rechtsschutz im Verwaltungsprozess Rn. 27. 804 M. Breuer, Die Klagebefugnis von Umweltverbänden unter Anpassungsdruck des Völker- und Europarechts, Die Verwaltung 45 (2012), 171 (202): „elegantes Verfahren“; J. Falke, Die Aarhus-Konvention und der Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten, in: Falke / ​ Schlacke (Hrsg.), Information, Beteiligung, Rechtsschutz, 2003, S. 99 (117): „Rafinesse“; S. Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz, 2008, S. 523: „sekundärrechtlicher Kniff“; s. aber auch C. Walter, Beteiligungsrechte im Verwaltungsverfahren und Zugang zu Gerichten,

236

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

I. Internes Überprüfungsverfahren Das interne Überprüfungsverfahren eröffnet den Unionsinstitutionen die Möglichkeit, ihre Entscheidungen zu überdenken.805 Insoweit trägt auch der Vergleich mit dem Widerspruchsverfahren des deutschen Prozessrechts.806 Neben der Selbstkontrolle dient das interne Überprüfungsverfahren der Århus-VO so auch der Entlastung der Unionsgerichte.807 Schließlich kann die zur Überprüfung aufgeforderte Unionsinstitution der Beschwer direkt abhelfen, ohne dass es eines gerichtlichen Verfahrens bedürfte. Das interne Überprüfungsverfahren ermöglicht anerkannten Umweltschutzverbänden, umweltrelevante Maßnahmen einer Überprüfung zuzuführen.808 Zwar wird ein Überprüfungsinteresse gerade nicht gefordert; eine nicht unerhebliche Filterwirkung geht jedoch von den Regelungen zum persönlichen und sachlichen Anwendungsbereich aus. Mit diesen Restriktionen versucht der Verordnungsgeber einen Spagat zwischen einem interessenunabhängigen Zugang zu Untersuchungsverfahren auf der einen Seite und einer klaren Grenzziehung zu einer Überprüfung ex populo auf der anderen Seite. Die Analyse der Voraussetzungen, Reichweite und Anwendungsbereiche des internen Überprüfungsverfahrens stützt sich auf eine Auswertung der Bescheidungspraxis der Kommission.809 Dies ist deshalb geboten, weil sich die Effektivität des internen Überprüfungsverfahrens nicht alleine durch einen Blick auf die einzelnen Vorschriften der Verordnung ermessen lässt, sondern ganz entscheidend von der Entscheidungspraxis abhängt. in: Durner / ​Walter (Hrsg.), Rechtspolitische Spielräume, 2005, S. 7 (17): „Trick“; B.  Goby, Anmerkung zu EuGH, Urt. v. 13.1.2015, Verb. Rs. C.404/12 P und C-405/12 P, RdU 2015, 75 (76): „Trick“. 805 So der Erwägungsgrund 19 der Århus-VO. S. auch A.  Keessen, Reducing the Judicial Deficit in Multilevel Environmental Regulation, in: Føllesdal u. a. (Hrsg.), Multilevel Regulation and the EU, 2008, S. 323 (337); A. Guckelberger, Die EG-Verordnung zur Umsetzung der Aarhus-Konvention auf der Gemeinschaftsebene, NuR 2008, 78 (85); C. Poncelet, Access to Justice in Environmental Matters, J. Envtl. L. 24 (2012), 287 (303); G. Garçon, The Aarhus Rights in the EU: Internal Review and Access to Justice, StoffR 2012, 134 (135). Für Generalanwalt Szpunar, Schlussanträge v. 17.10.2018, TestBioTech u. a. / ​Kommission, Rs. C-82/17, EU:C:2018:837, Rn. 42 geht es darum, „Gefahren aufzudecken, die im Laufe des Zulassungsverfahrens nicht entdeckt werden konnten“. 806 S. Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz, 2008, S. 401. 807 S. Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz, 2008, S. 417; A. Guckelberger, Die EG-Verordnung zur Umsetzung der Aarhus-Konvention auf der Gemeinschaftsebene, NuR 2008, 78 (85). Allgemein zur Entlastungswirkung möglicher Widerspruchsverfahren im Unionsrecht O. Streckert, Verwaltungsinterner Unionsrechtsschutz, 2016, S. 163. 808 S. Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz, 2008, S. 398. 809 Alle Schreiben der Kommission, auf die im Folgenden verwiesen wird, sind online zugänglich. Unter http://ec.europa.eu/environment/aarhus/requests.htm (zuletzt aufgerufen am 20.03.2019) hat die Kommission eine umfangreiche Dokumentation von Anträgen auf interne Überprüfung und die entsprechenden Antwortschreiben veröffentlicht.

Kap. 5: Rechtsschutz nach der Århus-VO

237

1. Antragsberechtigung Der persönliche Anwendungsbereich der Århus-VO wird wesentlich von Art. 11 Århus-VO bestimmt.810 Dieser dient dazu, die Legitimation der Antragssteller festzustellen811 und so einem Missbrauch des Überprüfungsverfahrens vorzubeugen.812 Die in Art. 11 Abs. 1 lit. a bis d Århus-VO aufgeführten Kriterien sind von den Antragsstellern kumulativ zu erfüllen. a) Allgemeines und Zweck der Vorschrift Mit dem Erlass von Art. 11 Århus-VO füllt die Union den vor allem in Art. 9 Abs. 3 ÅK gewährten Umsetzungsspielraum aus, der es den Vertragsparteien ermöglicht, den Zugang zu Überprüfungsverfahren für Mitglieder der Öffentlichkeit von Kriterien des innerstaatlichen Rechts abhängig zu machen.813 Die von der Verordnung aufgestellten Bedingungen sind rein institutioneller Natur,814 beziehen sich also auf bestimmte organisatorische Eigenschaften der Antragssteller. Art. 11 Århus-VO begrenzt den Zugang zum internen Überprüfungsverfahren auf qualifizierte Umweltschutzverbände.815 In persönlicher Hinsicht ist nur die Erfüllung dieser qualifizierenden Eigenschaften notwendig, nicht aber der Nachweis eines bestimmten Interesses.816 Ob diese Eigenschaften in dem Verband vorliegen, ist Gegenstand der Prüfung durch die jeweilige Unionsinstitution.817 Die Kommission wird in Art. 11 Abs. 2 Århus-VO dazu ermächtigt, Bestimmungen zur transparenten und kohärenten Anwendung der in Art. 11 Abs. 1 Århus-VO 810 Für eine ausführliche Entstehungsgeschichte zu dieser Vorschrift s. T.  Moolenaar  / ​ S. Nóbrega, Access to Justice, elni Review 2016, 76 (77 ff.); A. Guckelberger, Die EG-Verordnung zur Umsetzung der Aarhus-Konvention auf der Gemeinschaftsebene, NuR 2008, 78 (85). 811 S. Schlacke, Rechtsbehelfe im Umweltrecht, in: Schlacke u. a. (Hrsg.), Aarhus-Handbuch, 2010, § 3, Rn. 241. 812 S. Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz, 2008, S. 527. 813 B. Dette, Access to Justice in Environmental Matters before the European Court of Justice, elni Review 2004, 20 (24); E. Rehbinder, Die Aarhus-Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs und die Verbandsklage gegen Rechtsakte der Europäischen Union, EurUP 2012, 23 (24); M. Pallemaerts, Access to Environmental Justice at EU Level, in: Pallemaerts (Hrsg.), The Aarhus Convention at Ten, 2011, S. 271 (276 f.). 814 E. Rehbinder, Zum Rechtsschutz Dritter im europäischen Chemikalienrecht, in: Ipsen / ​ Stüer (Hrsg.), FS Rengeling, 2008, S. 383 (385); E. Rehbinder, Die Aarhus-Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs und die Verbandsklage gegen Rechtsakte der Europäischen Union, EurUP 2012, 23 (24). 815 J. Jans, Did Baron von Munchhausen ever Visit Aarhus?, in: Macrory (Hrsg.), Reflections on 30 Years of EU Environmental Law, 2005, S. 475 (478). 816 S. Pernice-Warnke, Der Zugang zu Gericht in Umweltangelegenheiten für Individualkläger und Verbände gemäß Art. 9 Abs. 3 Aarhus-Konvention und seine Umsetzung durch die europäische Gemeinschaft, EuR 2008, 410 (419). 817 S. Schlacke, Rechtsbehelfe im Umweltrecht, in: Schlacke u. a. (Hrsg.), Aarhus-Handbuch, 2010, § 3, Rn. 201.

238

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

genannten Kriterien zu erlassen. Diese Möglichkeit hat die Kommission mit dem Beschluss 2008/50/EG genutzt.818 Darin geht es vor allem um Fragen des Verfahrens und der benötigten Unterlagen zur Prüfung. Ein gesondertes Anerkennungsverfahren für Verbände ist jedoch nicht vorgesehen.819 Der Beschluss der Kommission gab dennoch Anlass zu Kritik, da die Kommission so maßgeblich über den Umgang mit den Kriterien zur Antragsberechtigung zu einem Überprüfungsverfahren entscheidet, dessen Gegenstand vor allem ihre eigenen Maßnahmen sind.820 Diese Beobachtung stimmt zwar, jedoch stehen Verbände im Falle einer Ablehnung nicht schutzlos da. Die ablehnende Entscheidung der Kommission kann als adressatengerichtete Handlung selbst zum Gegenstand einer Nichtigkeitsklage gemacht werden. b) Voraussetzungen im Einzelnen Nach Art. 11 Abs. 1 lit.  a Århus-VO ist die Antragsberechtigung auf „unabhängige juristische Personen ohne Erwerbscharakter gemäß den innerstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten eines Mitgliedstaates“ beschränkt. Damit verweist die Århus-VO auf den Status als juristische Person in den Mitgliedstaaten, setzt also an dieser Stelle keinen unionseigenen Begriff von juristischen Personen voraus.821 Zwingend im Rahmen der Århus-Verordnung ist jedoch, dass der Verband Rechtspersönlichkeit besitzt, selbst wenn das nach dem innerstaatlichen Recht nicht zwingend notwendig ist.822 Die Beschränkung auf Verbände erfolgt in der Annahme, dass diese durch ihre Qualifikation und fachlichen Ressourcen in 818

Beschluss 2008/50/EG der Kommission vom 13. Dezember 2007 mit Durchführungsvorschriften zur Verordnung (EG) Nr. 1367/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates über das Übereinkommen von Århus hinsichtlich der Anträge auf interne Überprüfung von Verwaltungsakten, ABl. L 13 v. 16.01.2008, S. 24 ff. 819 J. Jans, Did Baron von Munchhausen ever Visit Aarhus?, in: Macrory (Hrsg.), Reflec­ tions on 30 Years of EU Environmental Law, 2005, S. 475 (479); S. Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz, 2008, S. 399. Die Ausgestaltung der Antragsberechtigung der Verordnung ist damit liberaler als im Kommissionsentwurf, S. Pernice-Warnke, Effektiver Zugang zu Gericht, 2009, S. 173. Die Befürchtung von A. Keessen, Reducing the Judicial Deficit in Multilevel Environmental Regulation, in: Føllesdal u. a. (Hrsg.), Multilevel Regulation and the EU, 2008, S. 323 (339), dass über die Ermächtigung in Art. 11 Abs. 2 Århus-VO wieder ein Anerkennungsverfahren durch die Kommission, wie es noch in Art. 13 des Kommissionsvorschlages vorgesehen war, eingeführt werden könnte, hat sich damit nicht bewahrheitet. 820 P. Wennerås, The Enforcement of EC Environmental Law, 2007, S. 299. 821 Anders S. Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz, 2008, S. 400 sowie E.  Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband II, 2018, S. 1058, die den Begriff der juristischen Person unionsrechtsautonom verstanden wissen möchten. Dass Begriffe im Unionsrecht unionsrechtsautonom zu verstehen sind, stimmt im Grundsatz natürlich. In diesem speziellen Fall ignoriert dies jedoch den ausdrücklichen Verweis auf das mitgliedstaatliche Recht. Dies ergibt sich auch aus EuG, Beschl. v. 21.01.2014, EPAW / ​Kommission, Rs. T-168/13, EU:T:2014:47, Rn. 22 ff. 822 T. Moolenaar / ​S . Nóbrega, Access to Justice, elni Review 2016, 76 (81).

Kap. 5: Rechtsschutz nach der Århus-VO

239

besonderer Weise der Effektivität der Durchsetzung des Umweltrechts dienen.823 Durch die Betonung der Unabhängigkeit und den Ausschluss der Erwerbstätigkeit soll sichergestellt werden, dass nur gemeinnützige Umweltverbände Zugang zum internen Überprüfungsverfahren erhalten.824 Nach Art. 11 Abs. 1 lit. b Århus-VO muss das vorrangige Ziel des Verbandes die Förderung des Umweltschutzes im Rahmen des Umweltrechts sein. Aus der Satzung des Verbandes muss daher der Schutz der Umwelt als Daseinsberechtigung hervorgehen.825 Der Begriff des Umweltrechts wird in Art. 2 Abs. 1 lit. f Århus-VO als „Rechtsvorschriften der Gemeinschaft, die unabhängig von ihrer Rechtsgrundlage zur Verfolgung der im Vertrag niedergelegten Ziele der gemeinschaftlichen Umweltpolitik beitragen“ legaldefiniert. Durch die Betonung, dass der Umweltschutz das erklärte satzungsmäßige Ziel des Verbandes sein muss, wird deutlich, dass es dafür auf den Verband selbst ankommt und nicht auf seine Mitglieder.826 Die Formulierung, dass der Umweltschutz das vorrangige Ziel des Verbandes sein muss, ist so zu verstehen, dass der satzungsmäßige Schwerpunkt der Interessen des Verbandes auf dem Umweltschutz liegen muss.827 Aus dem systematischen Zusammenhang mit Art. 11 Abs. 1 lit. d Århus-VO ergibt sich überdies, dass zur Bestimmung des Interessenschwerpunktes auch die tatsächlichen Tätigkeiten des Verbandes herangezogen werden können,828 auch wenn dies aus dem Wortlaut von lit. b so nicht hervorgeht. Relevant wurde dieses Kriterium etwa im Falle eines Antrages des Landesvorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft e. V., der von der Kommission mit der Begründung als unzulässig verworfen wurde, dem Verband gehe es ausweislich seiner Satzung um Agrarpolitik und nicht um den Schutz der Umwelt.829 Der Verband muss nach Art.11 Abs. 1 lit. c Århus-VO seit mehr als zwei Jahren bestehen und das Ziel des Umweltschutzes verfolgen. Die Forderung nach einem mindestens zweijährigen Bestehen dient der Prüfung der Ernsthaftigkeit und Beständigkeit des Verbandes. Zudem lässt sich darüber feststellen, ob der Verband wirklich aktiv ist.830 Ob die Formulierung im Präsens, dass der Verband sein „Ziel […] aktiv verfolgt“, suggerieren soll, dass der Verband dieses Ziel nicht zwangs-

823 Vorschlag für eine Verordnung KOM(2003) 622 endg. v. 24.10.2003, S. 19; A. Guckel­ berger, Die EG-Verordnung zur Umsetzung der Aarhus-Konvention auf der Gemeinschaftsebene, NuR 2008, 78 (85). 824 S. Erwägungsgrund 20 zur Århus-VO sowie A. Guckelberger, Die EG-Verordnung zur Umsetzung der Aarhus-Konvention auf der Gemeinschaftsebene, NuR 2008, 78 (85). Kritisch zu diesem Kriterium P. Wennerås, The Enforcement of EC Environmental Law, 2007, S. 228. 825 P. Wennerås, The Enforcement of EC Environmental Law, 2007, S. 228. 826 T. Moolenaar / ​S . Nóbrega, Access to Justice, elni Review 2016, 76 (82). 827 S. Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz, 2008, S. 400. 828 S. Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz, 2008, S. 400. 829 Europäische Kommission, Antwort v. 31.08.2015, Ref. Ares(2015)3580024. 830 T. Moolenaar / ​S . Nóbrega, Access to Justice, elni Review 2016, 76 (82).

240

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

läufig über sein gesamtes zweijähriges Bestehen verfolgt haben muss,831 ist doch eher zweifelhaft. Eine solche Auslegung widerspricht sowohl der inneren Systematik der Vorschrift wie deren Telos, die beide für eine ebenso lange Zielverfolgung streiten.832 Nicht erforderlich ist, dass der Verband in diesen zwei Jahren in einem bestimmten Mitgliedstaat bestanden hat; dies wäre angesichts der Funktion der Århus-VO, das Umweltrecht auf der Unionsebene zu stärken, auch nicht nachvollziehbar.833 Problematisch wirkt sich das Kriterium eines mindestens zweijährigen Bestehens allerdings auf ad-hoc-Gründungen aus, die sich etwa aus einem aktuellen Anlass heraus formieren.834 Als letztes Kriterium sieht Art. 11 Abs. 1 lit. d Århus-VO schließlich vor, dass der Gegenstand der internen Überprüfung mit dem Ziel und der Tätigkeit des Verbandes korreliert. Mit diesem Merkmal wird eine Verbindung zwischen Verband und Streitgegenstand hergestellt.835 Das Kriterium einer Tätigkeit auf Gemeinschaftsebene, das sich noch im Kommissionsentwurf fand,836 wurde in der Verordnung nicht übernommen, sodass auch rein national bzw. lokal tätige Verbände die Voraussetzungen der Århus-VO erfüllen können.837 Dies ist auch nur richtig, da es im Kern nicht um den Aktionsradius des Verbandes geht, sondern um das unionsrechtliche Problem, welches auch auf rein lokaler Ebene virulent werden kann. Letztlich ist das Kriterium im Sinne des Telos des Überprüfungsverfahrens so zu verstehen, dass ein auf einen bestimmten Teilbereich spezialisierter Verband nicht außerhalb dieses Bereichs tätig werden soll. Dies dürfte von der Vorstellung getragen sein, dass der Verband hier nicht über die notwendige Expertise verfügt.838 Andererseits ist diese Vorschrift nicht dahingehend auszulegen, dass Verbände, die 831

P. Wennerås, The Enforcement of EC Environmental Law, 2007, S. 28. Im Vergleich mit dem Kommissionsentwurf ist die Vorschrift aber entschärft worden, als sie keine zweijährige Zielverfolgung auf Unionsebene fordert, s. Art. 12 lit. b und c Vorschlag für eine Verordnung KOM(2003) 622 endg. v. 24.10.2003. Dazu A. Guckelberger, Die EG-Verordnung zur Umsetzung der Aarhus-Konvention auf der Gemeinschaftsebene, NuR 2008, 78 (85); P. Wennerås, The Enforcement of EC Environmental Law, 2007, S. 228. 833 T. Moolenaar / ​S . Nóbrega, Access to Justice, elni Review 2016, 76 (82 f.) lesen dieses Erfordernis aber aus EuG, Beschl. v. 12.03.2014, PAN Europe / ​Kommission, Rs. T-192/12, EU:T:2014:152, Rn. 18 ff. und kritisieren dies eingehend. Aus dem Beschluss des EuG ergibt sich jedoch vielmehr, dass der Verband lediglich nicht hinreichend klar nachweisen konnte, dass seine (unterschiedlich lang bestehenden) Untergliederungen in verschiedenen Mitgliedstaaten zusammengehören. Dies bedeutet aber nicht, dass der Verband zwingend in einem Mitgliedstaat über zwei Jahre existiert haben müsste. 834 J. Darpö, Article 9.2 of the Aarhus Convention and EU Law, JEEPL 11 (2014), 367 (383); T.  Moolenaar / ​S . Nóbrega, Access to Justice, elni Review 2016, 76 (83). Dagegen wurden im Kommissionsvorschlag ad-hoc gegründete Verbände noch explizit berücksichtigt, s. Vorschlag für eine Verordnung KOM(2003) 622 endg. v. 24.10.2003, S. 19 f. 835 E. Rehbinder, Die Aarhus-Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs und die Verbandsklage gegen Rechtsakte der Europäischen Union, EurUP 2012, 23 (24); S. Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz, 2008, S. 400. 836 S. Art. 12 Abs. 2 Vorschlag für eine Verordnung KOM(2003) 622 endg. v. 24.10.2003. 837 S. Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz, 2008, S. 401. 838 P. Wennerås, The Enforcement of EC Environmental Law, 2007, S. 229. 832

Kap. 5: Rechtsschutz nach der Århus-VO

241

sich ganz allgemein dem Umweltschutz verschrieben haben, mit dem Argument, ihr Ziel und ihre Tätigkeit seien nicht spezifisch genug ausgerichtet, pauschal von einer Antragsstellung ausgeschlossen werden sollen.839 2. Gegenstand des Überprüfungsverfahrens Der sachliche Anwendungsbereich der Århus-VO bestimmt entscheidend über die Reichweite des internen Überprüfungsverfahrens. Bei Art. 10 Århus-VO handelt es sich gewissermaßen um den Kern des behördlichen Überprüfungsver­ fahrens. Die Verbindung von Art. 10 Abs. 1 UAbs.  1 Århus-VO und der Legaldefinition des Verwaltungsakts in Art. 2 Abs. 1 lit.  g Århus-VO bestimmt ganz wesentlich den Mehrwehrt des internen Überprüfungsverfahrens für den Umweltrechtsschutz.840 Anders gewendet: Jede Restriktion des sachlichen Anwendungsbereichs schränkt nicht nur den Zugang zur internen Überprüfung ein, sondern gleichzeitig auch den zum anschließenden gerichtlichen Verfahren.841 Der Zugang zum Überprüfungsverfahren wird damit zwar nicht durch ein nachzuweisendes Interesse, wohl aber – gewissermaßen ausgleichend – durch einen eng gezogenen sachlichen Anwendungsbereich reguliert.842 a) Organ oder Einrichtung der Union als Antragsgegner Nach Art. 10 Abs. 1 UAbs. 1 Århus-VO kommen Organe und Einrichtungen der Union als Antragsgegner des internen Überprüfungsverfahrens in Frage. Antragsgegner ist das jeweilige Organ oder die Einrichtung, die die Maßnahme oder das Unterlassen zu verantworten haben. Der Begriff der Organe und Einrichtungen wird in Art. 2 Abs. 1 lit. c Århus-VO legaldefiniert. Umfasst sind „alle öffentlichen Organe, Einrichtungen, Stellen oder Agenturen, die durch den Vertrag oder auf dessen Grundlage geschaffen wurden, es sei denn, sie handeln in ihrer Eigenschaft als Gericht oder Gesetzgeber“. Damit fallen nicht nur die Kommission oder der Rat unter den Begriff der Organe und Einrichtungen,843 sondern auch die inzwischen zahlreichen Agenturen des Unionsrechts.844 Es handelt sich damit um einen sehr 839 P. Wennerås, The Enforcement of EC Environmental Law, 2007, S. 229 fügt hier in systematischer Hinsicht an, dass anderenfalls die Feststellung des Zieles Umweltschutz in Art. 11 Abs. 1 lit. b Århus-VO seine Funktion verlieren würde. 840 H. Schoukens, Articles 9(3) and 9(4) of the Aarhus Convention and Access to Justice before EU Courts in Environmental Cases, Eur. Energy & Envtl. L. Rev. 25 (2016), 178 (182). 841 S. P. Wennerås, The Enforcement of EC Environmental Law, 2007, S. 227. 842 S. P. Wennerås, The Enforcement of EC Environmental Law, 2007, S. 234. 843 E. Rehbinder, Die Aarhus-Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs und die Verbandsklage gegen Rechtsakte der Europäischen Union, EurUP 2012, 23 (24 Fn. 8). 844 Dazu zählen etwa die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) (E.  Rehbinder, Zum Rechtsschutz Dritter im europäischen Chemikalienrecht, in: Ipsen / ​Stüer (Hrsg.), FS Rengeling, 2008, S. 383 (384); N. de Sadeleer, Commentaire J. Mégret: Environnement et marché

242

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

weiten Begriff,845 der dem umfassenden Behördenbegriff der Århus-Konvention Rechnung tragen soll.846 Im Sinne der Århus-Konvention soll der Begriff der Organe und Einrichtungen der Århus-VO alle Bereiche administrativen Handelns im Eigenverwaltungsrecht der Union umfassen. Eine –  ihrerseits der Århus-Konvention entspringende  – Ausnahme besteht für Handeln in legislativer Eigenschaft.847 Jedoch birgt der Ausschluss der Legislativtätigkeit einige Unklarheiten.848 Denn gerade weil das Unionsrecht eine Gewaltenteilung im klassischen staatsorganisationsrechtlichen Sinne nicht kennt, bereitet es Probleme, Legislativtätigkeiten hier eindeutig zu bestimmen und abzugrenzen.849 Anhaltspunkte lassen sich jedoch in den Verträgen ausmachen. So definiert Art. 289 Abs. 3 AEUV Gesetzgebungsakte als „Rechtsakte, die gemäß einem Gesetzgebungsverfahren angenommen werden“.850 Dagegen handelt die Kommission beim Erlass ergänzender Rechtsakte nach Art. 290 Abs. 1 AEUV ausdrücklich nicht als Gesetzgeber. b) Verwaltungsakt Der Begriff des Verwaltungsakts steht im Zentrum der Århus-VO. Er bestimmt ganz maßgeblich ihren Anwendungsbereich und bildet gleichzeitig die größte Hürde des internen Überprüfungsverfahrens.851 Nach der Legaldefinition in Art. 2 Abs. 1 lit. g Århus-VO ist ein Verwaltungsakt „jede Maßnahme des Umweltrechts

intérieur, 2010, S. 193) oder die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) (N. de Sadeleer / ​C . Poncelet, Contestation des actes des institutions de l’Union européenne à l’épreuve de la Convention d’Århus, RTD Eur. 2013, 7 (27)). 845 P. Wennerås, The Enforcement of EC Environmental Law, 2007, S. 278; M. Pallemaerts, Access to Environmental Justice at EU Level, in: Pallemaerts (Hrsg.), The Aarhus Convention at Ten, 2011, S. 271 (231); s. auch A. Guckelberger, Die EG-Verordnung zur Umsetzung der Aarhus-Konvention auf der Gemeinschaftsebene, NuR 2008, 78 (80). 846 Vorschlag für eine Verordnung KOM(2003) 622 endg. v. 24.10.2003, S. 9. S. dazu ergänzend die Legaldefinition der Behörde in Art. 2 Nr. 2 ÅK. 847 J. Falke, Die Aarhus-Konvention und der Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten, in: Falke / ​Schlacke (Hrsg.), Information, Beteiligung, Rechtsschutz, 2003, S. 99 (117 f.). S. dazu Art. 2 Nr. 2 aE ÅK. 848 J. Jans / ​H. Vedder, European Environmental Law, 2012, S. 247. 849 Kritisch daher M. Pallemaerts, Access to Environmental Justice at EU Level, in: Pallemaerts (Hrsg.), The Aarhus Convention at Ten, 2011, S. 271 (279). 850 S. dazu auch EuGH, Urt. v. 03.10.2013, Inuit Tapiriit Kanatami u. a. / ​Parlament und Rat, Rs. C-583/11 P, EU:C:2013:625, Rn. 60 f. Dort stellte der Gerichtshof fest, dass der Begriff der „Rechtsakte mit Verordnungscharakter“ in Art. 263 Abs. 4 Var. 3 AEUV gerade Rechtsakte ausschließt, die in einem Gesetzgebungsverfahren angenommen wurden. 851 A. Keessen, Reducing the Judicial Deficit in Multilevel Environmental Regulation, in: Føllesdal u. a. (Hrsg.), Multilevel Regulation and the EU, 2008, S. 323 (344); H. Schoukens, Articles 9(3) and 9(4) of the Aarhus Convention and Access to Justice before EU Courts in Environmental Cases, Eur. Energy & Envtl. L. Rev. 25 (2016), 178 (182).

Kap. 5: Rechtsschutz nach der Århus-VO

243

zur Regelung eines Einzelfalls, die von einem Organ oder einer Einrichtung der Gemeinschaft getroffen wird, rechtsverbindlich ist und Außen­wirkung hat“. Davon sind aufsichtsbehördliche Tätigkeiten nach Art. 2 Abs. 2 Århus-VO ausgenommen. Diese kumulativen Voraussetzungen begrenzen den sachlichen Anwendungsbereich des internen Überprüfungsverfahrens spürbar.852 aa) Verwaltungsakt als Handlungsform Der Verwaltungsaktbegriff der Århus-VO ist unionsautonom zu verstehen. Auch wenn sich begriffliche und definitorische Ähnlichkeiten zum deutschen Verwaltungsrecht aufdrängen, sollte mit Rückschlüssen vorsichtig umgegangen werden.853 Der Verwaltungsakt findet sich als Handlungsform nicht in Art. 288 AEUV. Ob die Liste rechtsverbindlicher Handlungsformen in Art. 288 AEUV abschließend ist, ist Gegenstand einer Kontroverse, auf die hier nicht weiter eingegangen werden soll.854 Denn der Sinn des Verwaltungsaktbegriffs ist nicht, die Rechtssetzung der Unionsorgane und -institutionen zu steuern, sondern aus allen Handlungen die­jenigen herauszufiltern, die Gegenstand eines internen Überprüfungsverfahrens sein können. Mit anderen Worten handelt es sich beim Verwaltungsakt der ­Å rhus-VO nicht um eine neue Handlungsform des Unionsrechts, sondern vielmehr um einen Sammelbegriff potenziell ganz unterschiedlicher Maßnahmen. bb) Voraussetzungen im Einzelnen Im Folgenden soll auf die Tatbestandsmerkmale des Verwaltungsakts eingegangen werden. In diesem Zusammenhang wird vor allem dem Merkmal der Einzelfallregelung Beachtung zu schenken sein. Dieses Merkmal begrenzt den sachlichen Anwendungsbereich maßgeblich. (1) Rechtsverbindlichkeit und Außenwirksamkeit Rechtsverbindlichkeit und Außenwirkung sind als Merkmale aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Anfechtbarkeit von Handlungen im Rahmen der

852 N. de Sadeleer / ​C . Poncelet, Protection against Acts Harmful to Human Health and the Environment Adopted by the EU Institutions, CYELS 14 (2011–2012), 177 (203 f.); N. de ­Sadeleer, Commentaire J. Mégret: Environnement et marché intérieur, 2010, S. 195. 853 A.  Guckelberger, Die EG-Verordnung zur Umsetzung der Aarhus-Konvention auf der Gemeinschaftsebene, NuR 2008, 78 (85); S. Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz, 2008, S. 402, 406; J. Jans / ​H. Vedder, European Environmental Law, 2012, S. 247. 854 S. J. Gundel, in: Pechstein u. a. (Hrsg.), Frankfurter Kommentar EUV / ​GRC / ​A EUV, 2017, Art. 288 AEUV Rn. 3 m. w. N.

244

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

Nichtigkeitsklage bekannt.855 Zweck ist der Ausschluss von Maßnahmen, denen es an einer gewissen Erheblichkeit mangelt.856 Nur solche Maßnahmen sollen Gegenstand eines internen Überprüfungsverfahrens sein, die tatsächlich (umweltrelevante) Effekte zeitigen. Nicht zuletzt geht es darum, die umweltpolitischen Handlungsspielräume der Organe und Institutionen zu schützen und die Tätigkeit der Umweltverbände auf die effektive Durchsetzung des bestehenden Umweltrechts zu beschränken.857 Durch das Merkmal der Außenwirksamkeit werden Akte ausgeschlossen, die lediglich für das interne Funktionieren der Unionsorgane und -institutionen oder deren Abstimmung untereinander von Bedeutung sind.858 Dies betrifft vor allem rein interne bzw. vorbereitende Maßnahmen.859 Überdies werden mit dem Kriterium der Rechtserheblichkeit auch Empfehlungen und Stellungnahmen gem. Art. 288 Abs. 4 AEUV sowie reine Meinungsäußerungen von dem internen Überprüfungsverfahren ausgenommen.860 Dies meint unter anderem auch Stellungnahmen der Kommission im Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 258 AEUV.861 Ebenso hat die Kommission etwa einen Antrag auf Überprüfung einer von ihr erstellten Liste mit Kandidaten für den Posten des Direktors der Europäischen Chemikalienagentur mit der Begründung fehlender Außenwirkung abgelehnt.862 Gleiches 855

K. Lenaerts / ​J. A. Gutiérrez-Fons, The General System of EU Environmental Law Enforce­ ment, YEL 30 (2011), 3 (24); A. Keessen, Reducing the Judicial Deficit in Multilevel Environmental Regulation, in: Føllesdal u. a. (Hrsg.), Multilevel Regulation and the EU, 2008, S. 323 (340); M. Pallemaerts, Access to Environmental Justice at EU Level, in: Pallemaerts (Hrsg.), The Aarhus Convention at Ten, 2011, S. 271 (280); T.  Crossen / ​V. Niessen, NGO Standing in the European Court of Justice, RECIEL 16 (2007), 332 (336). S. dazu aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs nur EuGH, Urt. v. 11.11.1981, IBM / ​Kommission, Rs. 60/81, EU:C:1981:264, Slg. 1981, 2639, Rn. 9 ff. 856 S. N. de Sadeleer / ​C . Poncelet, Contestation des actes des institutions de l’Union européenne à l’épreuve de la Convention d’Århus, RTD Eur. 2013, 7 (8). 857 J. Falke, Die Aarhus-Konvention und der Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten, in: Falke / ​Schlacke (Hrsg.), Information, Beteiligung, Rechtsschutz, 2003, S. 99 (118). 858 P. Wennerås, The Enforcement of EC Environmental Law, 2007, S. 233. 859 J.  Falke, Die Aarhus-Konvention und der Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten, in: Falke / ​Schlacke (Hrsg.), Information, Beteiligung, Rechtsschutz, 2003, S. 99 (118); A.  Guckelberger, Die EG-Verordnung zur Umsetzung der Aarhus-Konvention auf der Gemeinschaftsebene, NuR 2008, 78 (85); S. Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz, 2008, S. 406. 860 T.  Crossen / ​V.  Niessen, NGO Standing in the European Court of Justice, RECIEL 16 (2007), 332 (336); K. Lenaerts / ​J. A. Gutiérrez-Fons, The General System of EU Environmental Law Enforcement, YEL 30 (2011), 3 (24); N. de Sadeleer / ​C . Poncelet, Protection against Acts Harmful to Human Health and the Environment Adopted by the EU Institutions, CYELS 14 (2011–2012), 177 (199); S. Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz, 2008, S. 405. 861 N. de Sadeleer / ​C . Poncelet, Contestation des actes des institutions de l’Union européenne à l’épreuve de la Convention d’Århus, RTD Eur. 2013, 7 (30); P. Wennerås, The Enforcement of EC Environmental Law, 2007, S. 232. S. dazu die Rechtsprechung des Gerichtshofs, EuGH, Urt. v. 14.02.1989, Star Fruit / ​Kommission, Rs. 247/87, EU:C:1989:58, Slg. 1989, 291, Rn. 12; EuGH, Urt. v. 01.03.1966, Lütticke / ​Kommission, Rs. 48/65, EU:C:1966:8, Slg. 1966, 27 (39). 862 Europäische Kommission, Antwort v. 12.12.2007, D(2007)23239.

Kap. 5: Rechtsschutz nach der Århus-VO

245

gilt für einen Antrag auf Überprüfung einer Entscheidung der Kommission über die Zustimmung zu einem von Tschechien vorgelegten „Operational Programme Transport 2007–2013“ unter dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung. Zur Begründung führte die Kommission aus, dass die Entscheidung lediglich an den Mitgliedstaat gerichtet sei und nicht die Finanzierung konkreter Projekte zum Gegenstand habe.863 (2) Regelung eines Einzelfalls Schließlich zeichnet sich der Verwaltungsakt der Århus-VO durch die Regelung eines Einzelfalls aus. Die Århus-VO definiert diesen Begriff jedoch nicht weiter. Als Ausgangspunkt einer Klärung bietet sich eine Betrachtung ausgehend von den Handlungsformen in Art. 288 AEUV an. Auf die bloße Benennung eines Rechtsakts darf sich jedoch nicht verlassen werden, gilt doch auch in diesem Zusammenhang der Grundsatz, dass es nicht auf den Namen eines Rechtsaktes ankommt, sondern auf dessen Inhalt.864 So ist nicht ausgeschlossen, dass auch ein als Verordnung ergangener Rechtsakt Regelungen enthalten kann, die sich unter den Begriff des Einzelfalles subsumieren lassen. Ebenso ist aber auch denkbar, dass ein Beschluss allgemeine Geltung besitzt. Es kommt damit immer auf den Regelungsgehalt im Einzelfall an. Für ein genaueres Analyseraster soll auf die Begriffspaare konkret / ​ abstrakt sowie individuell / ​generell zurückgegriffen werden.865 Die Unterscheidung zwischen den Begriffen konkret und abstrakt meint die Regelung eines konkreten Sachverhalts respektive einer Vielzahl von Sachverhalten. Dagegen beschreibt der Begriff individuell eine adressatengerichtete Regelung, während der Begriff generell für einen unbestimmten Adressatenkreis steht. Zunächst dürfte klar sein, dass sich konkret-individuelle Maßnahmen unter den Begriff der Einzelfallregelung subsumieren lassen. Dies betrifft vor allem adressatengerichtete Beschlüsse nach Art. 288 Abs. 4 Satz 1 AEUV. Solche konkret-individuellen Maßnahmen trifft die Kommission vor allem bei der Marktzulassung gentechnisch veränderter Organismen. So wurden an die jeweiligen antragsstellenden Unternehmen gerichtete Zulassungsentscheidungen von gentechnisch ver-

863

Europäische Kommission, Antwort v. 06.08.2008, Regio B.3/DP / ​DP / ​eg D(2008) 630747. EuGH, Urt. v. 14.12.1962, Confédération nationale des producteurs de fruits et légumes u. a. / ​Rat, Verb. Rs. 16 und 17/62, EU:C:1962:47, Slg. 1962, 901 (978); EuG, Beschl. v. 29.06.2015, Frank Bold Society / ​Kommission, Rs.  T-19/13, EU:T:2015:520, Rn. 36; s. auch E. Rehbinder, Die Aarhus-Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs und die Verbandsklage gegen Rechtsakte der Europäischen Union, EurUP 2012, 23 (24); M.  Pallemaerts, Access to Environmental Justice at EU Level, in: Pallemaerts (Hrsg.), The Aarhus Convention at Ten, 2011, S. 271 (284); S. Schlacke, Rechtsbehelfe im Umweltrecht, in: Schlacke u. a. (Hrsg.), Aarhus-Handbuch, 2010, § 3, Rn. 211. 865 S. dazu nur U. Stelkens, in: Stelkens u. a. (Hrsg.), VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 35 VwVfG Rn. 206 ff. 864

246

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

änderten Mais-866, Kartoffel-867 oder Sojabohnensorten868 von der Kommission als den Einzelfall regelnde Verwaltungsakte anerkannt. Zudem ist es nachvollziehbar, dass abstrakt-generellen Regelungen der Einzelfallcharakter fehlt und diese damit außerhalb des Anwendungsbereichs der ­Å rhus-VO fallen.869 Dies deckt sich mit dem Ausschluss von Legislativakten in Art. 2 Nr. 2 aE ÅK. Damit sind Verordnungen, die in Art. 288 Abs. 2 Satz 1 AEUV schon ihrer Definition nach mit allgemeiner Geltung ausgestattet sind, von dem Anwendungsbereich der Århus-VO ausgenommen. Gleiches gilt vor diesem Hintergrund für Richtlinien nach Art. 288 Abs. 3 AEUV. So hat die Kommission etwa einen Antrag auf Überprüfung einer Richtlinie, die die Zulassung bestimmter Pflanzenschutzmittel vorsieht,870 mit der Begründung abgelehnt, es handele sich hierbei um keine Einzelfallregelung. Neben Maßnahmen eindeutig konkret-individueller oder abstrakt-genereller Natur existieren jedoch auch Rechtsakte, die zwischen diesen Polen liegen. Genau bei diesen Zwischentönen beginnt die Unsicherheit. Problematisch ist insbesondere, ob konkret-generelle Regelungen vom Begriff des Einzelfalles erfasst werden.871 Illustrieren lässt sich dies an einem von der Kommission abgelehnten Antrag auf Überprüfung einer Durchführungsverordnung zur Genehmigung eines Wirkstoffs 866

Entscheidung 2007/701/EG der Kommission vom 24. Oktober 2007 über die Zulassung des Inverkehrbringens von aus der genetisch veränderten Maissorte NK603xMON810 (MONØØ6Ø3–6xMON-ØØ81Ø-6) bestehenden, diese enthaltenden oder aus dieser gewonnenen Erzeugnissen gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. L 285 v. 31.10.2007, S. 37 ff. und dazu Europäische Kommission, Antwort v. 26.05.2008, SANCO / ​E1/CV / ​al D(2008) 510302. 867 Beschluss 2010/135/EU der Kommission vom 2. März 2010 über das Inverkehrbringen eines genetisch veränderten Kartoffelerzeugnisses (Solanum tuberosum L. Linie EH92-527-1) mit erhöhtem Amylopectingehalt in der Stärke gemäß der Richtlinie 2001/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. L 53 v. 04.03.2010, S. 11 ff. und dazu Europäische Kommission, Antwort v. 06.07.2010, C(2010) 4632. 868 Durchführungsbeschluss (EU) 2015/686 der Kommission vom 24. April 2015 über die Zulassung des Inverkehrbringens von Erzeugnissen, die genetisch veränderte Sojabohnen der Sorte MON 87769 (MON-87769-7) enthalten, aus ihnen bestehen oder aus ihnen gewonnen werden, gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. L 112 v. 30.04.2015, S. 16 ff. und dazu Europäische Kommission, Antwort v. 16.11.2015, Ref. Ares(2015)5145741. 869 S. Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz, 2008, S. 404; N. de Sadeleer, Commentaire J. Mégret: Environnement et marché intérieur, 2010, S. 194; G. Garçon, The Aarhus Rights in the EU: Internal Review and Access to Justice, StoffR 2012, 134 (138). 870 Richtlinie 2008/116/EG der Kommission vom 15. Dezember 2008 zur Änderung der Richtlinie 91/414/EWG des Rates zwecks Aufnahme der Wirkstoffe Aclonifen, Imidacloprid und Metazachlor, ABl. L 337 v. 16.12.2008, S. 86 ff. und dazu Europäische Kommission, Antwort v. 21.04.2009, SANCO / ​E3/FA / ​bp (2009) D/530234. 871 S. zu dieser Frage auch E. Rehbinder, Die Aarhus-Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs und die Verbandsklage gegen Rechtsakte der Europäischen Union, EurUP 2012, 23 (24 f.); E. Rehbinder, Zum Rechtsschutz Dritter im europäischen Chemikalienrecht, in: Ipsen / ​ Stüer (Hrsg.), FS Rengeling, 2008, S. 383 (385 f.).

Kap. 5: Rechtsschutz nach der Århus-VO

247

in Bioziden.872 Gegenstand der Verordnung ist die Genehmigung eines konkreten Wirkstoffes, jedoch für unbestimmt viele Fälle.873 Gleiches gilt für eine Verordnung der Kommission, die bestimmte Höchstgrenzen von Rückständen von Pestiziden in Lebens- oder Futtermitteln festlegt.874 Gerade in diesen Fällen stellt sich die Frage, ob die Konkretheit der Wirkstoffgenehmigung oder eher die Allgemeinheit des Adressatenkreises ausschlaggebend für die Einordnung sind.875 Es drängt sich ein Vergleich mit der Allgemeinverfügung nach § 35 Satz 2 VwVfG auf, bei der es sich um eine spezielle Form einer Einzelfallregelung handelt.876 Ausweislich von Art. 288 Abs. 4 Satz 2 AEUV kennt auch das Unionsrecht mit dem adressatenlosen Beschluss eine Handlungsform mit ganz ähnlicher Wirkung. Den gewissermaßen umgekehrten, aber auch nicht weniger problematischen Fall betraf eine an die Niederlande gerichtete Entscheidung der Kommission, die einen Aufschub für die Verbindlichkeit von Grenzwerten für Stickstoffdioxidemissionen gewährte.877 Hier gab es zwar einen konkreten Adressaten, die Kommission verweigerte aber auch in diesem Fall die Überprüfung mit der Begründung des fehlenden Einzelfallcharakters.878 Um dieses unübersichtliche Bild zu strukturieren, soll die Problematik auf zwei unterschiedliche Interpretationen des Merkmals der Einzelfallregelung heruntergebrochen werden:879 Legt man eine weite Lesart zu Grunde, erschöpft sich der Bedeutungsgehalt im Ausschluss von Legislativakten.880 Dies dürfte bedeuten, dass nur echte Richtlinien und Verordnungen, die Regelungen abstrakt-genereller Natur enthalten, durch das Kriterium der Einzelfallregelung von dem Anwendungsbereich der Århus-VO ausgeschlossen sind. Konkret-generelle Regelungen, wie 872 Durchführungsverordnung (EU) Nr. 408/2014 der Kommission vom 23. April 2014 zur Genehmigung von synthetischem amorphem Siliciumdioxid als alten Wirkstoff zur Verwendung in Biozidprodukten der Produktart 18, ABl. L 121 v. 24.04.2014, S. 17 ff. und dazu Europäische Kommission, Antwort v. 01.08.2014, Ref. Ares(2014)2559021. 873 Zu einem ähnlich gelagerten Fall EuG, Urt. v. 27.09.2018, Mellifera / ​Kommission, Rs. T-12/17, EU:T:2018:616, Rn. 60 ff. 874 Verordnung (EG) Nr. 149/2008 der Kommission vom 29. Januar 2008 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 396/2005 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der Anhänge II, III und IV mit Rückstandshöchstgehalten für die unter Anhang I der genannten Verordnung fallenden Erzeugnisse, ABl. L 58 v. 01.03.2008, S. 1 ff. und dazu Europäische Kommission, Antwort v. 01.07.2008, SANCO / ​E3/FA / ​bp (2008) D/530585. 875 E. Rehbinder, Die Aarhus-Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs und die Verbandsklage gegen Rechtsakte der Europäischen Union, EurUP 2012, 23 (25). 876 U. Stelkens, in: Stelkens u. a. (Hrsg.), VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 35 VwVfG Rn. 267. 877 Die Entscheidung C(2009) 2560 final vom 07.04.2009 ist wiedergegeben in EuG, Urt. v. 14.07.2012, Vereniging Milieudefensie und Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht / ​ Kommission, Rs. T-396/09, EU:T:2012:301, Rn. 3 ff. 878 Europäische Kommission, Antwort v. 28.07.2009, SG-Grefe(2009)4657, C(2009)6121. 879 K. Lenaerts / ​J. A. Gutiérrez-Fons, The General System of EU Environmental Law Enforce­ ment, YEL 30 (2011), 3 (24); s. auch P. Wennerås, The Enforcement of EC Environmental Law, 2007, S. 237. 880 P. Wennerås, The Enforcement of EC Environmental Law, 2007, S. 235.

248

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

etwa ein adressatenloser Beschluss, wären jedoch erfasst. Dagegen spricht aber die Systematik der Århus-VO, da das Merkmal des Einzelfallcharakters so nur eine Doppelung des ohnehin schon angeordneten Ausschlusses von Legislativakten wäre. Damit hätte das Merkmal keinen eigenen Bedeutungsgehalt.881 Eine restriktive Interpretation schließt dagegen jede Maßnahme mit allgemeiner Geltung aus.882 Dies bedeutet letztlich eine Verengung des Anwendungsbereichs der Århus-VO auf adressatengerichtete Beschlüsse, parallel zur Definition in Art. 288 Abs. 4 Satz 1 AEUV.883 Im Ergebnis würde die Århus-VO damit nur Maßnahmen mit konkret-individueller Wirkung erfassen.884 Die Praxis der Unionsinstitutionen und -gerichte folgt der restriktiven Auslegungsvariante.885 In einer nicht die Århus-VO betreffenden Streitigkeit hat der Gerichtshof zu der Frage Stellung genommen, wann eine Maßnahme allgemeine Geltung besitzt. Danach ist selbst eine an einen Mitgliedstaat gerichtete Entscheidung von allgemeiner Geltung, wenn sie „für objektiv bestimmte Situationen gilt und Rechtswirkungen gegenüber allgemein und abstrakt umschriebenen Personengruppen entfaltet“886. Diese Rechtsprechung wurde von dem Gericht in mehreren Fällen zur Bestimmung des Merkmals der Einzelfallregelung in der Århus-VO rezipiert.887 Letztlich fallen damit alle Maßnahmen, die nicht konkret-individueller Natur sind, aus dem Anwendungsbereich der Århus-VO.

881

T.  Crossen / ​V.  Niessen, NGO Standing in the European Court of Justice, RECIEL 16 (2007), 332 (336). 882 T.  Crossen / ​V.  Niessen, NGO Standing in the European Court of Justice, RECIEL 16 (2007), 332 (336); G. Garçon, Limits of NGO Rights to Invoke Access to Justice under the Aarhus Convention, EJRR 6 (2015), 458 (460). 883 K. Lenaerts / ​J. A. Gutiérrez-Fons, The General System of EU Environmental Law Enforcement, YEL 30 (2011), 3 (24); T.  Crossen / ​V. Niessen, NGO Standing in the European Court of Justice, RECIEL 16 (2007), 332 (336); A. Keessen, Reducing the Judicial Deficit in Multilevel Environmental Regulation, in: Føllesdal u. a. (Hrsg.), Multilevel Regulation and the EU, 2008, S. 323 (340 f.); s. auch J. Jans, Did Baron von Munchhausen ever Visit Aarhus?, in: Macrory (Hrsg.), Reflections on 30 Years of EU Environmental Law, 2005, S. 475 (480). 884 Nach dieser Interpretation fallen insbesondere auch konkret-generelle Maßnahmen aus dem Anwendungsbereich, s. G. Garçon, Limits of NGO Rights to Invoke Access to Justice under the Aarhus Convention, EJRR 6 (2015), 458 (460). 885 So auch die Einschätzung von E. Rehbinder, Die Aarhus-Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs und die Verbandsklage gegen Rechtsakte der Europäischen Union, EurUP 2012, 23 (25); s. auch E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband II, 2018, S. 1068. 886 EuGH, Beschl. v. 08.04.2008, Saint-Gobain Glass Deutschland / ​Kommission, Rs. C-503/​ 07 P, EU:C:2008:207, Slg. 2008 I-2217, Rn. 36. 887 EuG, Beschl. v. 29.06.2015, Frank Bold Society / ​Kommission, Rs. T-19/13, EU:T:2015:520, Rn. 36; EuG, Urt. v. 14.07.2012, Vereniging Milieudefensie und Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht / ​Kommission, Rs. T-396/09, EU:T:2012:301, Rn. 36; EuG, Beschl. v. 17.07.2015, EEB / ​Kommission, Rs. T-565/14, EU:T:2015:559, Rn. 40; EuG, Urt. v. 27.09.2018, Mellifera / ​ Kommission, Rs. T-12/17, EU:T:2018:616, Rn. 55. Kritisch dazu E. Hofmann, Ausgewählte Probleme des Allgemeinen Umweltrechts, Die Verwaltung 50 (2017), 247 (259).

Kap. 5: Rechtsschutz nach der Århus-VO

249

Zudem gehen die Unionsgerichte davon aus, dass ein auf der Grundlage eines abstrakt-generellen Rechtsakts erlassener Ausführungsrechtsakt dessen Rechtsnatur teilt.888 Dies bedeutet, dass auch ein adressatengerichteter Beschluss der Kommission, der eine Ausnahme von einer Richtlinie oder Verordnung vorsieht, deren abstrakt-generelle Natur teilt. Dies erklärt, warum die auf Grundlage einer Richtlinie erlassene und an die Niederlande gerichtete Entscheidung der Kommission, die einen Aufschub bei der Einhaltung von Stickstoffdioxid-Grenzwerten erlaubte, nicht als Einzelfallregelung eingeordnet wurde.889 Gleiches lässt sich von einem ebenfalls auf eine Richtlinie gestützten adressatengerichteten Beschluss sagen, der Tschechien abweichend von dem Emissionshandelsregime eine kostenlose Zuteilung von Emissionszertifikaten gewährte.890 Aus diesem Zusammenhang wird auch klar, warum die Durchführungsverordnung zur Zulassung eines Biozids sowie die Richtlinie, die die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln betraf, nicht als Einzelfall eingeordnet wurden. Denn durch die Zulassungsentscheidungen werden die betreffenden Substanzen als Annex in das zugrundeliegende allgemeine Gefahrenstoffregime aufgenommen, das sich an alle mit den Substanzen operierenden Unternehmen richtet.891 Die Zulassungsentscheidungen teilen damit den abstrakt-generellen Charakter des zugrundeliegenden Rechtsakts.892 Als Ergebnis lässt sich festhalten, dass der Begriff der Einzelfallregelung in der Århus-VO nur konkret-individuelle Rechtsakte erfasst.893 Nimmt man noch die Rechtsprechung hinzu, nach der gewisse Ausführungsmaßnahmen den Charakter ihres zugrundeliegenden Rechtsakts teilen, fallen viele Maßnahmen des Eigen­verwaltungsrechts außerhalb des Anwendungsbereichs der Århus-VO. Letztlich kommen lediglich adressatengerichtete Beschlüsse als Einzelfallregelung in Frage.894 Damit begrenzt das Merkmal der Einzelfallregelung den Anwendungsbe 888

EuG, Beschl. v. 16.02.2005, Fost Plus / ​Kommission, Rs. T-142/03, EU:T:2005:51, Slg. 2005 II-589, Rn. 47; EuG, Beschl. v. 17.07.2015, EEB / ​Kommission, Rs. T-565/14, EU:T:2015:559, Rn. 41. 889 S. EuG, Urt. v. 14.07.2012, Vereniging Milieudefensie und Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht / ​Kommission, Rs. T-396/09, EU:T:2012:301, Rn. 33. 890 EuG, Beschl. v. 29.06.2015, Frank Bold Society / ​Kommission, Rs. T-19/13, EU:T:2015:520, Rn. 49. 891 Nach EuG, Urt. v. 27.09.2018, Mellifera / ​Kommission, Rs. T-12/17, EU:T:2018:616, Rn. 60 erzeugt etwa die Genehmigung eines Wirkstoffs zum Pflanzenschutz „Rechtswirkungen nicht nur gegenüber demjenigen, der diese Genehmigung beantragt hat, sondern auch gegenüber jedem Wirtschaftsteilnehmer, für dessen Tätigkeit diese Genehmigung erforderlich ist, ins­ besondere den Herstellern von Pflanzenschutzmitteln, die diesen Wirkstoff enthalten und jeder zuständigen Behörde, insbesondere den Behörden der Mitgliedstaaten, denen die Zulassung dieser Mittel obliegt“. 892 G. Garçon, The Rights of Access to Justice in Environmental Matters in the EU, EFFL 2013, 78 (86). 893 S. Schlacke, Rechtsbehelfe im Umweltrecht, in: Schlacke u. a. (Hrsg.), Aarhus-Handbuch, 2010, § 3, Rn. 211. 894 J. Jans, Did Baron von Munchhausen ever Visit Aarhus?, in: Macrory (Hrsg.), Reflections on 30 Years of EU Environmental Law, 2005, S. 475 (480). Die Adressatengerichtetheit betonend EuG, Urt. v. 27.09.2018, Mellifera / ​Kommission, Rs. T-12/17, EU:T:2018:616, Rn. 69.

250

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

reich der Århus-VO signifikant.895 Dies erinnert an die Einschränkung der adressatengleichen Betroffenheit nach der Plaumann-Formel, die durch die Århus-VO eigentlich bereichsspezifisch überwunden werden sollte.896 (3) Im Bereich des Umweltrechts Bei einem Verwaltungsakt im Sinne der Århus-VO handelt es sich um eine Maßnahme des Umweltrechts. Wie schon im Rahmen der Antragsberechtigung verweist dieser Begriff auf die Legaldefinition in Art. 2 Abs. 1 lit. f Århus-VO. Danach zählen alle Rechtsvorschriften der Union zum Umweltrecht im Sinne der Århus-VO, „die unabhängig von ihrer Rechtsgrundlage zur Verfolgung der im Vertrag niedergelegten Ziele der gemeinschaftlichen Umweltpolitik beitragen“. Darauf folgt eine Aufzählung dieser Ziele, namentlich: „Erhaltung und Schutz der Umwelt, sowie Verbesserung ihrer Qualität, Schutz der menschlichen Gesundheit, umsichtige und rationelle Verwendung der natürlichen Ressourcen sowie Förderung von Maßnahmen auf internationaler Ebene zur Bewältigung regionaler und globaler Umweltprobleme“. Der Begriff des Umweltrechts ist damit in der Århus-VO weit definiert.897 Insbesondere durch die Aufzählung der Ziele verweist die Århus-VO auf Art. 191 Abs. 1 AEUV.898 Die Definition macht aber genauso deutlich, dass der Anwendungsbereich der Århus-VO nicht auf Rechtsakte beschränkt ist, die ihre Ermächtigungsgrundlage im Titel XX des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

895

P. Wennerås, The Enforcement of EC Environmental Law, 2007, S. 234; kritisch auch A. Keessen, Reducing the Judicial Deficit in Multilevel Environmental Regulation, in: Føllesdal u. a. (Hrsg.), Multilevel Regulation and the EU, 2008, S. 323 (341); N. de Sadeleer, Commentaire J. Mégret: Environnement et marché intérieur, 2010, S. 194. 896 S. P. Wennerås, The Enforcement of EC Environmental Law, 2007, S. 235; N. de Sadeleer / ​ C. Poncelet, Protection against Acts Harmful to Human Health and the Environment Adopted by the EU Institutions, CYELS 14 (2011–2012), 177 (201). 897 E. Rehbinder, Zum Rechtsschutz Dritter im europäischen Chemikalienrecht, in: Ipsen / ​ Stüer (Hrsg.), FS Rengeling, 2008, S. 383 (386); K. Lenaerts / ​J. A. Gutiérrez-Fons, The General System of EU Environmental Law Enforcement, YEL 30 (2011), 3 (24); J. Falke, Die ­Aarhus-Konvention und der Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten, in: Falke / ​Schlacke (Hrsg.), Information, Beteiligung, Rechtsschutz, 2003, S. 99 (118); T.  Crossen / ​V. Niessen, NGO Standing in the European Court of Justice, RECIEL 16 (2007), 332 (335); A. Keessen, Reducing the Judicial Deficit in Multilevel Environmental Regulation, in: Føllesdal u. a. (Hrsg.), Multilevel Regulation and the EU, 2008, S. 323 (340); N. de Sadeleer / ​C . Poncelet, Contestation des actes des institutions de l’Union européenne à l’épreuve de la Convention d’Århus, RTD Eur. 2013, 7 (31); anders J. Jans / ​H. Vedder, European Environmental Law, 2012, S. 247; E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband II, 2018, S. 1060. 898 S. Schlacke, Rechtsbehelfe im Umweltrecht, in: Schlacke u. a. (Hrsg.), Aarhus-Handbuch, 2010, § 3, Rn. 208. Ausführlich zu den Umweltzielen in Art. 191 ff. AEUV E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband II, 2018, S. 847 ff.

Kap. 5: Rechtsschutz nach der Århus-VO

251

haben.899 Es kommt daher darauf an, welche Ziele eine Maßnahme verfolgt, unabhängig davon, auf welcher Ermächtigungsgrundlage sie beruht.900 Damit wurde dem dynamischen Charakter des Umweltrechts Rechnung getragen901 und eine Enumeration bestimmter Materien bewusst vermieden.902 Anhand des Ziels eines Rechtsakts zu bestimmen, ob dieser dem Umweltrecht unterfällt, hat eine Kehrseite: Unklarheit entsteht gerade dann, wenn ein Rechtsakt mit erheblichen Umweltauswirkungen mehrere Ziele verfolgt, von denen der Schutz der Umwelt unter Umständen nur eine untergeordnete Rolle spielt.903 Genau einen solchen Fall betraf der Antrag eines Verbandes auf interne Überprüfung eines Durchführungsbeschlusses der Kommission, der die Zulassung einer Sorte gentechnisch veränderter Sojabohnen zum Gegenstand hatte.904 Die Kommission lehnte den Gesundheitsrisiken anführenden Antrag des Verbandes unter anderem mit der Begründung ab, dass der angefochtene Durchführungsbeschluss nicht unter den Begriff des Umweltrechts falle.905 Dabei unterschied die Kommission anhand der dem Durchführungsbeschluss zu Grunde liegenden VO 1829/2003906 zwischen Gesundheitsschutz und Risiken, die für die Umwelt von einer solchen Zulassung ausgehen können. Dieser Einschätzung trat das von dem Verband angerufene Gericht entgegen. Der Begriff des Umweltrechts muss nach dem Gericht weit interpretiert werden, was sich aus Art. 192 Abs. 2 AEUV ableite, wo etwa Maßnahmen fiskalischer Natur genauso unter den Begriff des Umweltrechts fielen wie etwa Bestimmungen über die Raumordnung oder Ressourcenbewirtschaftung.907 Wenn der Begriff des Umweltrechts dagegen eng verstanden würde, bedürfte es zudem nicht mehr der Ausnahmen aufsichtsbehördlicher Tätigkeiten in Art. 2 Abs. 2 ­Å rhus-VO.908 Mit Blick auf die der Entscheidung zugrundeliegende VO 1829/2003 899

K. Lenaerts / ​J. A. Gutiérrez-Fons, The General System of EU Environmental Law Enforce­ ment, YEL 30 (2011), 3 (24); E. Rehbinder, Die Aarhus-Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs und die Verbandsklage gegen Rechtsakte der Europäischen Union, EurUP 2012, 23 (24). 900 E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband II, 2018, S. 1060. 901 S. Erwägungsgrund 10 zur Århus-VO. 902 Vorschlag für eine Verordnung KOM(2003) 622 endg. v. 24.10.2003, S. 11; J. Falke, Die Aarhus-Konvention und der Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten, in: Falke / ​Schlacke (Hrsg.), Information, Beteiligung, Rechtsschutz, 2003, S. 99 (118). 903 N. de Sadeleer / ​C . Poncelet, Protection against Acts Harmful to Human Health and the Environment Adopted by the EU Institutions, CYELS 14 (2011–2012), 177 (203). 904 Durchführungsbeschluss (EU) 2015/686 der Kommission vom 24. April 2015 über die Zulassung des Inverkehrbringens von Erzeugnissen, die genetisch veränderte Sojabohnen der Sorte MON 87769 (MON-87769-7) enthalten, aus ihnen bestehen oder aus ihnen gewonnen werden, gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. L 112 v. 30.04.2015, S. 16 ff. 905 Europäische Kommission, Antwort v. 16.11.2015, Ref. Ares(2015)5145741. 906 Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Sep­tember 2003 über genetisch veränderte Lebensmittel und Futtermittel, ABl. L 268 v. 18.10.2003, S. 1 ff. 907 EuG, Urt. v. 14.03.2018, TestBioTech / ​Kommission, Rs. T-33/16, EU:T:2018:135, Rn. 44 f. 908 EuG, Urt. v. 14.03.2018, TestBioTech / ​Kommission, Rs. T-33/16, EU:T:2018:135, Rn. 46.

252

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

führt das Gericht dann aus, dass der von der Kommission unternommene Versuch, die Bereiche von Gesundheits- und Umweltrisiken voneinander zu separieren, artifiziell sei, da beide eng miteinander verflochten seien.909 Die Ansicht des Gerichts lässt sich noch durch weitere Argumente stützen. So heißt es in Art. 2 Abs. 1 lit. f Århus-VO, dass die Rechtsakte zum Schutz der Umwelt „beitragen“ müssen, was suggeriert, dass sich ihre Zielsetzung nicht darin erschöpfen muss.910 Zudem wird in der an Art. 191 Abs. 1 AEUV angelehnten Aufzählung der Gesundheitsschutz ebenso ausdrücklich genannt911 wie im ersten Erwägungsgrund zur Århus-VO.912 Damit lässt sich festhalten, dass auch Rechtsakte, bei denen der Schutz der Umwelt unter Umständen nur ein untergeordnetes Ziel darstellt, eine Maßnahme des Umweltrechts im Sinne der Århus-VO sind.913 cc) Ausnahmeregelung in Art. 2 Abs. 2 Århus-VO Von der Überprüfung sind nach Art. 2 Abs. 2 Århus-VO Verwaltungsakte ausgenommen, die eine Unionsinstitution oder ein -organ in der Eigenschaft als Aufsichtsbehörde erlässt. Dazu zählen nach Art. 2 Abs. 2 lit. a bis d Århus-VO „etwa“ Verwaltungsakte im Rahmen der Wettbewerbsaufsicht, der Entscheidung über staatliche Beihilfen, des Vertragsverletzungsverfahrens, des Bürgerbeauftragten sowie des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF). Auf Grundlage von Art. 2 Abs. 2 lit. a Århus-VO hat die Kommission die Überprüfung ihrer wettbewerbsrechtlichen „Leitlinien für staatliche Umweltschutz- und Energiebeihilfen 2014–2020“914 abgelehnt.915 Ebenso nahm die Kommission einen Antrag über die Einstellung eines Vertragsverletzungsverfahrens zu einem portugiesischen Staudammprojekt mit Verweis auf Art. 2 Abs. 2 lit. b Århus-VO nicht zur Entscheidung an.916 909

EuG, Urt. v. 14.03.2018, TestBioTech / ​Kommission, Rs. T-33/16, EU:T:2018:135, Rn. 63 ff. S. Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz, 2008, S. 403. 911 E. Rehbinder, Zum Rechtsschutz Dritter im europäischen Chemikalienrecht, in: Ipsen / ​ Stüer (Hrsg.), FS Rengeling, 2008, S. 383 (386). 912 EuG, Urt. v. 15.12.2016, TestBioTech u. a. / ​Kommission, Rs.  T-177/13, EU:T:2016:736, Rn. 62. 913 S. E. Rehbinder, Zum Rechtsschutz Dritter im europäischen Chemikalienrecht, in: Ipsen / ​ Stüer (Hrsg.), FS Rengeling, 2008, S. 383 (386); S. Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz, 2008, S. 403. 914 Mitteilung 2014/C 200/01 der Kommission, Leitlinien für staatliche Umweltschutz- und Energiebeihilfen 2014–2020, ABl. C 200 v. 28.06.2014, S. 1 ff. 915 Europäische Kommission, Antwort v. 23.10.2014, B.2 JHM / ​RVV / ​mkl D*2014/104829. 916 Europäische Kommission, Antwort v. 23.10.2008, SG-Greffe(2008) D/206459, C(2008)​ 6295. Dass die Handlungen im Vertragsverletzungsverfahren noch einmal explizit vom Anwendungsbereich der Århus-VO ausgenommen sind, erscheint redundant, da sie schon nicht rechtsverbindlich und außenwirksam sind, s. J. Jans, Did Baron von Munchhausen ever Visit Aarhus?, in: Macrory (Hrsg.), Reflections on 30 Years of EU Environmental Law, 2005, S. 475 (481). Zur fehlenden Einklagbarkeit der Einleitung und Durchführung eines Vertragsverlet 910

Kap. 5: Rechtsschutz nach der Århus-VO

253

Der Verordnungsgeber äußert sich zu diesem Ausschluss in Erwägungsgrund 11 zur Århus-VO. Danach soll die Ausnahme der Überprüfung gerichtlicher oder gesetzgebender Tätigkeiten auch für aufsichtsbehördliche Untersuchungsverfahren gelten. Der Kommissionsvorschlag begründet die Ausnahme der gelisteten Verfahren aus dem Anwendungsbereich der internen Überprüfung zudem damit, dass „deren Ablauf ernsthaft behindert würde, wenn sie Gegenstand einer gerichtlichen Prüfung würden“917. Die Liste ist nicht abschließend, sondern aufgrund des Wortlauts („etwa“) nur beispielhaft zu verstehen.918 Dies eröffnet der Kommission die Möglichkeit, weitere Maßnahmen unter den Ausnahmetatbestand des Handelns als Aufsichtsbehörde zu fassen. dd) Ausschlussfrist in Art. 10 Abs. 2 Århus-VO Die Århus-VO begrenzt den zeitlichen Anwendungsbereich der Überprüfbarkeit. Nach Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Århus-VO können Verwaltungsakte durch schriftlichen Antrag nur sechs Wochen ab dem Zeitpunkt ihres Erlasses, ihrer Bekanntgabe oder ihrer Veröffentlichung zum Gegenstand eines internen Überprüfungsverfahrens gemacht werden, je nachdem was davon als letztes erfolgte. Damit dürfte es auf die Bekanntgabe oder die Veröffentlichung ankommen. Für Unterlassungen gilt der Zeitpunkt, in dem der Verwaltungsakt hätte erlassen werden müssen. Über die Länge der Ausschlussfrist wurde im Rechtssetzungsverfahren eingehend gestritten.919 Im Ergebnis hat sich die sechswöchige Frist durchgesetzt, die kürzer als die zweimonatige Frist in Art. 263 Abs. 6 AEUV ist. Obwohl es sich bei dem Verwaltungsakt, wie schon festgestellt, nicht um eine eigene, neue Handlungsform des Unionsrechts handelt, wirkt die Ausschlussfrist in etwa so wie die Bestandskraft im deutschen Verwaltungsrecht. So ist auch die Ausschlussfrist das Ergebnis einer Abwägung zwischen der durch Unanfechtbarkeit gewonnenen Rechtssicherheit auf

zungsverfahrens s. EuGH, Urt. v. 01.03.1966, Lütticke / ​Kommission, Rs. 48/65, EU:C:1966:8, Slg. 1966, 27 (39); EuGH, Urt. v. 14.02.1989, Star Fruit / ​Kommission, Rs. 247/87, EU:C:1989:58, Slg. 1989, 291, Rn. 11 ff. 917 Vorschlag für eine Verordnung KOM(2003) 622 endg. v. 24.10.2003, S. 11; s. auch S. Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz, 2008, S. 404; A. Guckelberger, Die EG-Verordnung zur Umsetzung der Aarhus-Konvention auf der Gemeinschaftsebene, NuR 2008, 78 (85). 918 Kritisch daher J. Jans / ​H. Vedder, European Environmental Law, 2012, S. 247; M. Palle­ maerts, Access to Environmental Justice at EU Level, in: Pallemaerts (Hrsg.), The Aarhus Convention at Ten, 2011, S. 271 (280 f.); C.  Poncelet, Access to Justice in Environmental ­Matters, J.  Envtl. L. 24 (2012), 287 (304); T. Weber, Die Umsetzung der Aarhus-Konvention beim direkten Vollzug von Unionsrecht, JRP 20 (2012), 137 (145); anders J. Falke, Die ­Aarhus-Konvention und der Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten, in: Falke / ​Schlacke (Hrsg.), Information, Beteiligung, Rechtsschutz, 2003, S. 99 (119); A. Guckelberger, Die EG-Verordnung zur Umsetzung der Aarhus-Konvention auf der Gemeinschaftsebene, NuR 2008, 78 (85). 919 Eingehend dazu P. Wennerås, The Enforcement of EC Environmental Law, 2007, S. 230.

254

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

der einen Seite und einer möglichst weitgehenden Rechtmäßigkeitskontrolle auf der anderen Seite.920 c) Folgerungen für den Anwendungsbereich Der Begriff des Verwaltungsakts schränkt den Anwendungsbereich der ­ rhus-VO deutlich ein. Die bedeutendste Restriktion liegt im Merkmal der EinÅ zelfallregelung. So nimmt es kaum wunder, dass sich aus der Dokumentation der Kommission ergibt, dass die meisten Anträge auf interne Überprüfung schon unzulässig sind, weil es an einem tauglichen Antragsgegenstand fehlt.921 In ihrer bisherigen Praxis hat die Kommission lediglich Anträge auf Überprüfung adressatengerichteter Beschlüsse für zulässig erachtet. Der Anwendungsbereich der Århus-VO erfasst damit nur konkret-individuelle Maßnahmen. Dies bedeutet eine starke Einschränkung der Reichweite des internen Überprüfungsverfahrens, wie auch Generalanwalt N. Jääskinen im Fall Vereniging Milieudefensie treffend analysiert: „Die Kommission hat den sehr begrenzten Umfang der Anfechtungen von Umweltrechtsverstößen nach Art. 10 der Århus-Verordnung in der mündlichen Verhandlung bestätigt und konnte – nicht ohne Schwierigkeiten – ein einziges konkretes Anwendungsbeispiel für das Überprüfungsverfahren nennen, nämlich die Genehmigung für das Inverkehrbringen eines GVO [gentechnisch veränderten Organismus, Anm. d. Verf.]. Außerdem scheinen der Bereich der GVO sowie das Inverkehrbringen chemischer Produkte nach der REACH-Verordnung der Hauptbereich zu sein, in dem das Überprüfungsverfahren tatsächlich Anwendung findet. Die Praxis der Kommission bestätigt somit die restriktive Auslegung der ÅrhusVerordnung.“922

Damit fallen lediglich die wenigen adressatengerichteten Zulassungsentscheidungen des Eigenverwaltungsrechts in den Anwendungsbereich der Århus-VO.923 Wie von der Kommission angeführt, meint dies etwa Beschlüsse zur Marktzulas-

920 S. A. Guckelberger, Die EG-Verordnung zur Umsetzung der Aarhus-Konvention auf der Gemeinschaftsebene, NuR 2008, 78 (85). 921 Von 40 hier untersuchten Maßnahmen aus der Dokumentation der Kommission bis Anfang 2019 wurden alleine 30 als unzulässig abgewiesen, weil ein tauglicher Antragsgegenstand fehlte. S. dazu auch H. Schoukens, Access to Justice in Environmental Cases After the Rulings of the Court of Justice of 13 January 2015, Utrecht J. Int. Eur. Law 31 (2015), 46 (51); L. De Lucia, Locus Standi and distrust of the public administration, REALaw 10 (2017), 7 (22); E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband II, 2018, S. 1068 f., 1077. 922 Generalanwalt Jääskinen, Schlussanträge v. 08.05.2014, Rat u. a. / ​Vereniging Milieu­ defensie und Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht, Verb. Rs. C-401/12 P bis C-403/12 P, EU:C:2014:310, Rn. 129. 923 S. auch M. Pallemaerts, Access to Environmental Justice at EU Level, in: Pallemaerts (Hrsg.), The Aarhus Convention at Ten, 2011, S. 271 (284 f.); N. de Sadeleer / ​C .  Poncelet, Protection against Acts Harmful to Human Health and the Environment Adopted by the EU Institutions, CYELS 14 (2011–2012), 177 (203 f.).

Kap. 5: Rechtsschutz nach der Århus-VO

255

sung gentechnisch veränderter Organismen924 oder zur Verwendung bestimmter chemischer Stoffe nach der REACH-VO.925 Als Verwaltungsakt im Sinne der Århus-VO kommen ebenfalls abgelehnte Anträge auf Zugang zu Umweltinformationen in Frage.926 Hier stellt sich jedoch die Frage nach dem Verhältnis zur VO 1049/2001927 (im Folgenden: Transparenz-VO). Die Århus-VO verweist in ihrem zweiten Titel weitreichend auf die Transparenz-VO. Der Zugang zu Umweltinformationen richtet sich damit nach der allgemeinen Transparenz-VO, die durch die Århus-VO als Spezialregelung für die Anwendung auf den Umweltbereich modifiziert wird.928 Für den Fall eines abgelehnten Zweitantrags auf Umweltinformationen dürfte vor diesem Hintergrund kein Anlass für die Einleitung eines internen Überprüfungsverfahrens nach der Århus-VO bestehen, da der Verband unmittelbar gem. Art. 263 Abs. 4 Var. 1 AEUV vorgehen kann.929

924

S. schon oben unter Teil 2. Kapitel 5. A. I. 2. b) bb) (2) (S. 245 ff.). S. etwa Zusammenfassung der Beschlüsse C(2016)3549 der Europäischen Kommission über Zulassungen für eine Verwendung von Stoffen, die in Anhang XIV der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH) aufgeführt sind (Veröffentlicht gemäß Artikel 64 Absatz 9 der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006), ABl. C 225 v. 22.06.2016, S. 3 ff. und dazu Europäische Kommission, Antwort v. 07.12.2016), C(2016) 8454 final. Zur Anwendung der Århus-VO im Rahmen der REACH-VO auch T. Weber, Die Umsetzung der Aarhus-Konvention beim direkten Vollzug von Unionsrecht, JRP 20 (2012), 137 (148); M. Bronckers / ​Y. Van Gerven, Legal Remedies under the EC’s New Chemicals Legislation Reach, CML Rev. 46 (2009), 1823 (1848 f.); E. Rehbinder, Zum Rechtsschutz Dritter im europäischen Chemikalienrecht, in: Ipsen / ​Stüer (Hrsg.), FS Rengeling, 2008, S. 383 (386 f.). 926 E. Rehbinder, Zum Rechtsschutz Dritter im europäischen Chemikalienrecht, in: Ipsen / ​ Stüer (Hrsg.), FS Rengeling, 2008, S. 383 (389). 927 Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission, ABl. L 145 v. 31.05.2001, S. 43 ff. 928 EuG, Urt. v. 09.11.2011, LPN / ​Kommission, Rs.  T-29/08, EU:T:2011:448, Slg.  2011 II-06021, Rn. 105 ff.; A. Epiney, in: Fluck u. a. (Hrsg.), IFG / ​UIG / ​VIG / ​GeoZG, D III.2.2 VO 1049/2001 (Oktober 2014) Rn. 4; s. auch K. Lenaerts / ​J. A. Gutiérrez-Fons, The General System of EU Environmental Law Enforcement, YEL 30 (2011), 3 (21 f.); P. Oliver, Access to Information and to Justice in EU Environmental Law: The Aarhus Convention, Fordham Int’l L. J. 36 (2013), 1423 (1439 f.); S. Pernice-Warnke, Effektiver Zugang zu Gericht, 2009, S. 168 ff. 929 So auch E. Rehbinder, Zum Rechtsschutz Dritter im europäischen Chemikalienrecht, in: Ipsen / ​Stüer (Hrsg.), FS Rengeling, 2008, S. 383 (389 f.), der als einzigen Grund für den Einsatz des internen Überprüfungsverfahrens die Weiterverfolgung eines Informationsantrages eines Dritten sieht. In diesem Fall dürfte der Verband aber kaum den mühsamen Weg des internen Überprüfungsverfahrens wählen, sondern selbst einen Informationsantrag stellen, der ihn, im Falle einer Ablehnung, zur Klage nach Art. 263 Abs. 4 Var. 1 AEUV ermächtigt. Umfassend zum Rechtsschutz im Rahmen der Transparenz-VO A. Epiney, in: Fluck u. a. (Hrsg.), IFG / ​ UIG / ​VIG / ​GeoZG, D III.2.2 VO 1049/2001 (Oktober 2014) Rn. 90 ff.; S. Schlacke, Rechtsschutz durch europäische und nationale Gerichte unter Einschluss des Europäischen Bürgerbeauftragten in seiner Funktion zur Sicherung des Informationszugangs, UTR 108 (2011), 271 (288 ff.). 925

256

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

Die große Mehrzahl umweltrelevanter Maßnahmen im Eigenverwaltungsrecht der Union ist dagegen von einer internen Überprüfung nach der Århus-VO ausgenommen, was vor allem am Merkmal der Einzelfallregelung liegt.930 So ist die jährliche Festlegung von Fischfangquoten nicht vom Anwendungsbereich der Århus-VO erfasst, da diese in Form von mit allgemeiner Wirkung ausgestatteten Verordnungen ergehen.931 Gleiches gilt für Maßnahmen der Kommission im Luftqualitätsrecht932 oder für umweltbezogene Programme und Pläne.933 Daneben können auch die bedeutsamen Listenentscheidungen nicht zum Gegenstand einer internen Überprüfung gemacht werden. Solche konkret-­generellen Regelungen würden wegen ihres zwar nicht bestimmten, aber bestimmbaren Adressatenkreises nach den Maßstäben des deutschen Verwaltungsrechts in der Regel als Verwaltungsakte eingeordnet.934 Das Unionsrecht wertet hier jedoch anders. So ergehen etwa die Entscheidungen zur Zulassung von Pflanzenschutzmitteln oder Bioziden in Form von Verordnungen oder Richtlinien, wodurch die betreffenden Stoffe in den Annex der Grundverordnungen aufgenommen werden. Die einzelnen Zulassungsentscheidungen teilen dann die Rechtsnatur des Grundrechtsakts.935 Damit haben diese Entscheidungen allgemeine Wirkung und fallen außerhalb des Anwendungsbereichs der Århus-VO.936 Dies gilt auch für die Aufnahme eines 930 B. Goby, Anmerkung zu EuGH, Urt. v. 13.1.2015, Verb. Rs. C.404/12 P und C-405/12 P, RdU 2015, 75 (76). 931 T.  Markus, Individual- und Verbandsklagebefugnisse gegen Rechtsakte der Gemein­ samen Europäischen Fischereipolitik, ZUR 2009, 194 (199); T. Weber, Die Umsetzung der ­Aarhus-Konvention beim direkten Vollzug von Unionsrecht, JRP 20 (2012), 137 (148); H. Schoukens, Access to Justice in Environmental Cases After the Rulings of the Court of Justice of 13 January 2015, Utrecht J. Int. Eur. Law 31 (2015), 46 (51). S. dazu die grundlegende Verordnung (EU) Nr. 1380/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2013 über die Gemeinsame Fischereipolitik und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 1954/2003 und (EG) Nr. 1224/2009 des Rates sowie zur Aufhebung der Verordnungen (EG) Nr. 2371/2002 und (EG) Nr. 639/2004 des Rates und des Beschlusses 2004/585/EG des Rates, ABl. L 354 v. 28.12.2013, S. 22 ff. sowie dazu beispielsweise die Festlegung von Fangquoten für bestimmte Fischbestände in der Ostsee für 2018, Verordnung (EU) 2017/1970 des Rates vom 27. Oktober 2017 zur Festsetzung der Fangmöglichkeiten für bestimmte Fisch­bestände und Bestandsgruppen in der Ostsee für 2018 und zur Änderung der Verordnung (EU) 2017/127, ABl. L 281 v. 31.10.2017, S. 1 ff. 932 S. oben unter Teil 2. Kapitel 5. A. I. 2. b) bb) (2) (S. 245 ff.). 933 S. Schlacke, Rechtsbehelfe im Umweltrecht, in: Schlacke u. a. (Hrsg.), Aarhus-Handbuch, 2010, § 3, Rn. 242. 934 E. Rehbinder, Zum Rechtsschutz Dritter im europäischen Chemikalienrecht, in: Ipsen / ​ Stüer (Hrsg.), FS Rengeling, 2008, S. 383 (387 f.) m. w. N. 935 Dazu umfassend oben unter Teil 2. Kapitel 5. A. I. 2. b) bb) (2) (S. 245 ff.). 936 Anders A. Keessen, Reducing the Judicial Deficit in Multilevel Environmental Regulation, in: Føllesdal u. a. (Hrsg.), Multilevel Regulation and the EU, 2008, S. 323 (341 f.). Ergeht die Zulassung eines Pflanzenschutzwirkstoffs als Durchführungsverordnung, könnte natürlich auch eine Anfechtung nach Art. 263 Abs. 3 Var. 3 AEUV in Betracht kommen. Jedoch müsste dafür zumindest eine unmittelbare Betroffenheit gegeben sein. Dies ist jedoch nicht der Fall, da die Entscheidung, ob der Wirkstoff in einem Pflanzenschutzprodukt in den Verkehr gebracht werden darf, von einer nachgelagerten mitgliedstaatlichen Genehmigung abhängig ist, EuG,

Kap. 5: Rechtsschutz nach der Århus-VO

257

FFH-Gebiets in die Kommissionsliste zum Natura 2000-Netz. Diese Entscheidung besitzt zwar, jedenfalls gegenüber dem betroffenen Mitgliedsstaat, Rechtserheblichkeit und Außenwirksamkeit;937 jedoch fehlt es auch hier an der erforderlichen Regelung eines Einzelfalles.938 Handlungen von Agenturen dürften sich ebenfalls kaum im internen Überprüfungsverfahren der Århus-VO überprüfen lassen. Denn ihre Aufgaben beschränken sich in der Regel auf vorbereitende Maßnahmen im Rechtssetzungsprozess oder die Erarbeitung unverbindlicher Leitlinien bzw. Leitfäden.939 Eine Überprüfung in diesen Fällen scheitert an den Voraussetzungen der Rechtsverbindlichkeit und Außenwirkung. Dies gilt beispielsweise für wissenschaftliche Empfehlungen oder Stellungnahmen der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA).940 Werden Agenturen im Rahmen delegierter Rechtssetzung oder bei der Durchführungsrechtssetzung nach Art. 290 und 291 AEUV tätig,941 fehlt es jedenfalls an der notwendigen Einzelfallregelung, falls nicht schon der Ausschluss von Legislativtätigkeiten in Art. 2 Abs. 2 Århus-VO greift. Insgesamt weist der Verwaltungsaktbegriff also einige Gemeinsamkeiten mit dem Beschluss gem. Art. 288 Abs. 3 AEUV auf.942 Dies gilt insbesondere für die Merkmale des Einzelfallcharakters und der Verbindlichkeit.943 Neben diesen Gemeinsamkeiten bestehen jedoch auch einige Unterschiede: So ist der Begriff des Verwaltungsakts auf Maßnahmen des Umweltrechtsrechts begrenzt. Zudem sind auch adressatenlose Beschlüsse möglich, was über das enge Begriffsverständnis des Verwaltungsakts der Unionsinstitutionen hinausgeht. Das Verhältnis von Beschluss und Verwaltungsakt lässt sich deshalb mit S. Schlacke treffend so umschrei-

Beschl. v. 28.09.2016, PAN Europe u. a. / ​Kommission, Rs. T-600/15, EU:T:2016:601, Rn. 33. S. dazu auch E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband II, 2018, S. 1030 f. 937 S. Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz, 2008, S. 406; folgend E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband II, 2018, S. 1063. S. dazu EuGH, Urt. v. 13.01.2005, Dragaggi u. a., Rs. C-117/03, EU:C:2005:16, Slg. 2005 I-167, Rn. 25. 938 Die Unionsgerichte gehen davon aus, dass dieser Entscheidung allgemeine Geltung zukommt, s. EuGH, Urt. v. 23.04.2009, Sahlstedt u. a. / ​Kommission, Rs.  C-362/06 P, EU:C:2009:243, Slg. 2009 I-2903, Rn. 28; EuG, Beschl. v. 22.06.2006, Freiherr von Cramer-​ Klett und Rechtlerverband Pfronten / ​Kommission, Rs.  T-136/04, EU:T:2006:170, Slg.  2006 II-1805, Rn. 47. So auch die Einschätzung bei E. Rehbinder, Die Aarhus-Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs und die Verbandsklage gegen Rechtsakte der Europäischen Union, EurUP 2012, 23 (26). 939 W. Weiß, Dezentrale Agenturen in der EU-Rechtsetzung, EuR 2016, 631 (633 f.). 940 Zu deren Unverbindlichkeit A. Alemanno / ​S . Mahieu, The European Food Safety Authority before European Courts, EFFL 2008, 320 (325). 941 Auch dazu W.  Weiß, Dezentrale Agenturen in der EU-Rechtsetzung, EuR 2016, 631 (641 ff.). 942 E. Rehbinder, Die Aarhus-Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs und die Verbandsklage gegen Rechtsakte der Europäischen Union, EurUP 2012, 23 (24); S. Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz, 2008, S. 406. 943 S. Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz, 2008, S. 402.

258

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

ben, dass jeder Verwaltungsakt ein Beschluss ist, nicht notwendig jeder Beschluss aber auch die Merkmale eines Verwaltungsakts erfüllt.944 3. Reichweite der Überprüfung Hat ein Antrag auf interne Überprüfung die Zulässigkeitshürde überwunden, fragt sich, welche Pflichten sich für das Unionsorgan oder die -institution bei der Behandlung des Antrages aus der Århus-VO ergeben. Hier sind zwei Bereiche zu trennen: Zunächst ist zu fragen, welcher Prüfungsmaßstab angelegt werden muss. Für den Fall eines begründeten Antrags stellt sich dann die Frage, welche Abhilfe die Århus-VO vorsieht. a) Prüfungsmaßstab Die Aussagen der Århus-VO zu Maßstab und Reichweite der Überprüfung im internen Überprüfungsverfahren sind denkbar dürftig. Die Århus-VO verhält sich dazu lediglich in Art. 10 Abs. 2 Satz 1. Dort heißt es, die „Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft prüfen jeden derartigen Antrag [meint: Antrag nach Art. 10 Abs. 1 Århus-VO, Anm. d. Verf.], sofern dieser nicht offensichtlich unbegründet ist“. Auch durch Hinzuziehen von Erwägungsgrund 19 zur Århus-VO klärt sich das Bild nicht entscheidend. Denn dieser weist lediglich darauf hin, dass die „Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft, deren Handlung angefochten werden soll oder die – im Falle einer behaupteten Unterlassung – nicht tätig geworden sind, Gelegenheit erhalten, ihre ursprüngliche Entscheidung zu überprüfen oder im Falle einer Unterlassung tätig zu werden“. Der Blick auf den Wortlaut der Århus-VO ist damit ernüchternd. Ein wirklicher Prüfungsmaßstab ergibt sich aus der Verordnung nicht.945 Die Århus-VO schweigt nicht nur darüber, wann ein Antrag offensichtlich unbegründet ist, sondern auch darüber, wann ein Antrag begründet ist.946 Dies ist ein erhebliches Defizit in der

944 S. Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz, 2008, S. 403; S. Schlacke, Rechtsbehelfe im Umweltrecht, in: Schlacke u. a. (Hrsg.), Aarhus-Handbuch, 2010, § 3, Rn. 207. S. Schlacke bezieht sich dabei noch auf die alte Handlungsform der Entscheidung gem. Art. 249 Abs. 4 EGV, die vom Beschluss im Vertrag von Lissabon abgelöst wurde. 945 Generalanwalt Szpunar, Schlussanträge v. 17.10.2018, TestBioTech u. a. / ​Kommission, Rs. C-82/17, EU:C:2018:837, Rn. 26; E. Rehbinder, Die Aarhus-Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs und die Verbandsklage gegen Rechtsakte der Europäischen Union, EurUP 2012, 23 (26); J. Jans, Did Baron von Munchhausen ever Visit Aarhus?, in: Macrory (Hrsg.), Reflections on 30 Years of EU Environmental Law, 2005, S. 475 (482); J. Jans / ​H. Vedder, European Environmental Law, 2012, S. 248. 946 S. Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz, 2008, S. 407.

Kap. 5: Rechtsschutz nach der Århus-VO

259

Århus-VO.947 Das Fehlen jeglichen Überprüfungsmaßstabs scheint den Unionsorganen und -institutionen einen Freibrief einzuräumen, Anträge als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.948 Die Pflicht zur Überprüfung der Anträge gerät so in Gefahr, als Leerformel zu enden.949 Es ist jedoch auch eine andere Deutung möglich: Fehlt es an jeglichen Maßstäben für die Überprüfung, ist an die Grundzüge des Rechtsschutzes im Unionsrecht zu erinnern. Die Hauptfunktion des Rechtsschutzes im Unionsrecht ist die Sicherung des objektiven Rechts.950 Aus dem Fehlen eines speziellen Prüfungsmaßstabes der Århus-VO ließe sich vor diesem Hintergrund schließen, dass auf einen zulässigen Antrag eines Verbandes eine objektive Rechtskontrolle folgt.951 Dafür spricht, dass das interne Überprüfungsverfahren einer möglichen Nichtigkeitsklage vorgeschaltet ist, die auf objektive Rechtskontrolle ausgelegt ist. Das interne Überprüfungsverfahren dient auch der Entlastung der Unionsgerichte, was nur dann funktioniert, wenn der Prüfungsmaßstab identisch ist. In diese Richtung weist auch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift: Während aus Art. 9 Abs. 1 UAbs. 1, Abs. 1 UAbs. 2 Satz 2 und Abs. 2 Satz 2 des Kommissionsvorschlags952 noch recht deutlich hervorging, dass der Verwaltungsakt nur auf Verstöße des Umweltrechts überprüft wird, fehlt diese Begrenzung in der Århus-VO.953 Dies könnte im Umkehrschluss auf einen umfassenden Prüfungsmaßstab hindeuten. Eine vollständige objektive Rechtskontrolle mag folgerichtig und vielleicht auch wünschenswert sein, aus der Praxis ergibt sich dies indes nicht. Zunächst spricht schon Art. 1 Nr. 1 des Beschlusses 2008/50/EG, der Durchführungsvorschriften für das Überprüfungsverfahren nach der Århus-VO enthält, gegen eine objektive Rechtskontrolle. Denn die Verbände müssen danach in ihrem Antrag auf interne Überprüfung „die Vorschriften mitteilen, die ihrer Ansicht nach nicht eingehalten wurden“. Dies suggeriert, dass nur Verletzungen des Umweltrechts vorgetragen werden können und andere Vorschriften nicht überprüft werden.954 Dem entspricht auch die Haltung der Kommission, die nur Einwände gelten lässt, die

947 E. Rehbinder, Die Aarhus-Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs und die Verbandsklage gegen Rechtsakte der Europäischen Union, EurUP 2012, 23 (26). 948 J. Jans, Did Baron von Munchhausen ever Visit Aarhus?, in: Macrory (Hrsg.), Reflections on 30 Years of EU Environmental Law, 2005, S. 475 (482). 949 J. Jans / ​H. Vedder, European Environmental Law, 2012, S. 248. 950 S. dazu umfassend oben unter Teil 2. Kapitel 4. A. I. (S. 134 ff.). 951 S. Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz, 2008, S. 408, 520; N. de Sadeleer, Commentaire J. Mégret: Environnement et marché intérieur, 2010, S. 195 f.; C. Poncelet, Access to Justice in Environmental Matters, J. Envtl. L. 24 (2012), 287 (306); P. Wennerås, The Enforce­ ment of EC Environmental Law, 2007, S. 237; B. Dette, Access to Justice in Environmental Matters before the European Court of Justice, elni Review 2004, 20 (25). 952 Vorschlag für eine Verordnung KOM(2003) 622 endg. v. 24.10.2003, S. 32. 953 J. Jans / ​H. Vedder, European Environmental Law, 2012, S. 248. 954 M. Pallemaerts, Access to Environmental Justice at EU Level, in: Pallemaerts (Hrsg.), The Aarhus Convention at Ten, 2011, S. 271 (276).

260

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

Verstöße gegen das Umweltrecht zum Gegenstand haben.955 Zudem versteht die Kommission den Begriff des Umweltrechts eng. Im Rahmen der Überprüfung eines Antrages, der die Zulassungsentscheidung für gentechnisch veränderte Soja­ bohnen zum Gegenstand hatte, wies die Kommission die von dem Verband vorgetragenen Argumente mit der Begründung zurück, diese beträfen lediglich Gesundheitsaspekte im Rahmen des Verzehrs, nicht aber das Umweltrecht im Sinne der Århus-VO.956 Das von dem Verband angerufene Gericht bestätigte die Position der Kommission, dass nur Verstöße gegen das Umweltrecht Gegenstand des internen Überprüfungsverfahrens sein können.957 Zwar ergebe sich dies nicht aus dem Wortlaut von Art. 10 Århus-VO, jedoch aus den Erwägungsgründen 5 und 18 zur Århus-VO, sowie deren Titel, die allesamt auf das Umweltrecht und entsprechende Verstöße Bezug nähmen.958 Der Prüfungsmaßstab des internen Überprüfungsverfahrens ist also nicht der einer objektiven Rechtskontrolle wie bei der Nichtigkeitsklage, sondern beschränkt sich auf das Umweltrecht im Sinne der Århus-VO. Der Begriff des Umweltrechts ist nach dem Gericht dagegen weit zu verstehen und umfasst auch die von dem Verband vorgetragenen Gesundheitsrisiken.959 Damit fallen auch Tätigkeiten, wie etwa das Ausbringen gentechnisch veränderter Organismen, unter den Umweltbegriff der Århus-VO. b) Prüfungsdichte Im Rahmen des Umweltrechts muss das Unionsorgan oder die -institution jedes von den Antragsstellern vorgetragene Argument prüfen.960 Die Antragssteller trifft eine Beibringungspflicht, Fakten oder rechtliche Argumente vorzutragen, die schwerwiegende Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Entscheidung des Organs oder der Institution schüren.961 Gelingt dies, trifft die Institution oder das Organ

955

So auch die Einschätzung von E. Rehbinder, Die Aarhus-Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs und die Verbandsklage gegen Rechtsakte der Europäischen Union, EurUP 2012, 23 (24). 956 Europäische Kommission, Antwort v. 16.11.2015, Ref. Ares(2015)5145741. 957 EuG, Urt. v. 14.03.2018, TestBioTech / ​Kommission, Rs. T-33/16, EU:T:2018:135, Rn. 47 ff. 958 EuG, Urt. v. 14.03.2018, TestBioTech / ​Kommission, Rs. T-33/16, EU:T:2018:135, Rn. 48. 959 EuG, Urt. v. 14.03.2018, TestBioTech / ​Kommission, Rs. T-33/16, EU:T:2018:135, Rn. 44, 69; EuG, Urt. v. 15.12.2016, TestBioTech u. a. / ​Kommission, Rs.  T-177/13, EU:T:2016:736, Rn. 62. S. dazu schon umfassend oben unter Teil 2. Kapitel 5. A. I. 2. b) bb) (3) (S. 250 ff.). 960 EuG, Urt. v. 14.03.2018, TestBioTech / ​Kommission, Rs. T-33/16, EU:T:2018:135, Rn. 78; Generalanwalt Szpunar, Schlussanträge v. 17.10.2018, TestBioTech u. a. / ​Kommission, Rs. C-82/​ 17, EU:C:2018:837, Rn. 47, 49. 961 EuG, Urt. v. 15.12.2016, TestBioTech u. a. / ​Kommission, Rs.  T-177/13, EU:T:2016:736, Rn. 83. Nach Generalanwalt Szpunar, Schlussanträge v. 17.10.2018, TestBioTech u. a. / ​Kommission, Rs. C-82/17, EU:C:2018:837, Rn. 52 bedürfe es zwar keines vollen Beweises, Spekulationen reichten jedoch auch nicht.

Kap. 5: Rechtsschutz nach der Århus-VO

261

über die vorgetragenen Argumente hinaus eine Amtsermittlungspflicht, die Proble­ matik umfassend aufzuklären.962 Vor allem bei der Kontrolle von Risikoeinschätzungen in komplexen Umweltangelegenheiten kommt den Organen und Institutionen jedoch ein weiter Ermessensspielraum zu, der nur einer eingeschränkten Überprüfbarkeit unterliegt.963 Das Organ oder die Institution müssen aber strikt die Verfahrensrechte der Antragssteller beachten, was vor allem eine faire und unparteiische Behandlung des Antrages, eine Auseinandersetzung mit allen vorgetragenen Argumenten sowie eine umfassende Begründung bedeutet.964 c) Abhilfe Stellt das prüfende Organ oder die Institution einen Verstoß gegen das euro­ päische Umweltrecht fest, fragt sich, welche Folgen die Århus-VO daran knüpft. Aus Art. 10 Abs. 1 UAbs. 2 Satz 1 Århus-VO ergibt sich lediglich eine Überprüfungspflicht. Zu den möglichen Folgen einer festgestellten Umweltrechtswidrigkeit schweigt die Århus-VO.965 Aus dem 19. Erwägungsgrund zur Århus-VO lässt sich jedoch ableiten, dass es um eine Abhilfe geht.966 Denn dort heißt es nicht nur, dass die Organe und Institutionen „Gelegenheit erhalten, ihre ursprüngliche Entscheidung zu überprüfen“, sondern, dass sie im Falle einer Unterlassung die Möglichkeit haben sollen „tätig zu werden“. Dies folgt auch aus der Überlegung, dass das interne Überprüfungsverfahren, ähnlich wie das Widerspruchsverfahren des deutschen Verwaltungsrechts, dazu dient, eine Rechtswidrigkeit auszuräumen, bevor es zu einem gerichtlichen Verfahren kommt. Das interne Überprüfungsverfahren muss also der Rechts­ widrigkeit in gleicher Weise abhelfen wie eine erfolgreiche Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV.967 Vor diesem Hintergrund gilt Folgendes: Das interne Überprüfungsverfahren besitzt selbst keine Gestaltungswirkung. Es erschöpft sich in der Feststellung der Rechtswidrigkeit oder Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes. 962

EuG, Urt. v. 15.12.2016, TestBioTech u. a. / ​Kommission, Rs.  T-177/13, EU:T:2016:736, Rn. 85. 963 EuG, Urt. v. 15.12.2016, TestBioTech u. a. / ​Kommission, Rs.  T-177/13, EU:T:2016:736, Rn. 77 ff., 109; EuGH, Urt. v. 21.01.1999, Upjohn, Rs. C-120/97, EU:C:1999:14, Slg. 1999 I-223, Rn. 34. 964 EuG, Urt. v. 15.12.2016, TestBioTech u. a. / ​Kommission, Rs.  T-177/13, EU:T:2016:736, Rn. 80; EuGH, Urt. v. 21.11.1991, Technische Universität München / ​Hauptzollamt München-​ Mitte, Rs. C-269/90, EU:C:1991:438, Slg. 1991 I-5469, Rn. 14. 965 Kritisch daher etwa E.  Rehbinder, Die Aarhus-Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs und die Verbandsklage gegen Rechtsakte der Europäischen Union, EurUP 2012, 23 (26); T. Weber, Die Umsetzung der Aarhus-Konvention beim direkten Vollzug von Unionsrecht, JRP 20 (2012), 137 (147). 966 S. Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz, 2008, S. 401. 967 P. Wennerås, The Enforcement of EC Environmental Law, 2007, S. 238.

262

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

Ein begründeter Antrag im internen Überprüfungsverfahren führt nicht zur Nichtigkeit der angefochtenen Maßnahme, sondern verpflichtet das Organ oder die Institution lediglich zum Tätigwerden.968 Diese Pflicht umfasst bei einem materiellen Fehler die Änderung oder Aufhebung der angegriffenen Maßnahme, während es bei einem Verfahrensfehler ausreicht, wenn die Maßnahme in einem ordnungsgemäßen Verfahren neu erlassen wird.969 Dieses Ergebnis entspricht auch der Rechtsprechung des Gerichts. Zweck des internen Überprüfungsverfahrens ist nach dem Gericht zu entscheiden, ob eine Maßnahme rechtmäßig oder rechtswidrig ist.970 Auch das Gericht geht damit von einer Feststellungswirkung des internen Überprüfungsverfahrens aus. Im Falle einer festgestellten Rechtswidrigkeit müssten das Organ oder die Institution die notwendigen Schritte, wie etwa Änderung oder Aufhebung, ergreifen.971 Welche Abhilfemaßnahme im Falle einer Rechtswidrigkeit ergriffen werde, liege alleine im Ermessen des Organs oder der Institution; der antragstellende Verband habe hierauf keinen Einfluss.972 4. Abschluss durch eine Antwort gem. Art. 10 Abs. 2 Århus-VO Das interne Überprüfungsverfahren endet nach Art. 10 Abs. 2 Satz 2 Århus-VO damit, dass das Organ oder die Institution „in einer schriftlichen Antwort ihre Gründe dar[legt]“. Die Antwort beendet das interne Überprüfungsverfahren, unabhängig davon, ob der Antrag begründet oder unbegründet ist.973 Eine wirkliche Bedeutung erlangt die Antwort jedoch nur im Fall der Unbegründetheit. Denn dann ist sie der Schlüssel zum Verfahren vor dem Gerichtshof, während die Unionsinstitutionen bei einer stattgebenden Antwort ohnehin zum Handeln verpflichtet sind.974 Auch bei der Antwort handelt es sich nicht um eine der bekannten unionsrechtlichen Handlungsformen. Eine Parallele zur Antwort lässt sich in der Stellungnahme nach Art. 265 Abs. 2 Satz  2 AEUV im Vorverfahren zur Untätigkeitsklage erblicken,975 die nicht mit der unverbindlichen Stellungnahme nach Art. 288 968

N. de Sadeleer, Commentaire J. Mégret: Environnement et marché intérieur, 2010, S. 196. P. Wennerås, The Enforcement of EC Environmental Law, 2007, S. 238. 970 EuG, Urt. v. 15.12.2016, TestBioTech u. a. / ​Kommission, Rs.  T-177/13, EU:T:2016:736, Rn. 56. 971 EuG, Urt. v. 15.12.2016, TestBioTech u. a. / ​Kommission, Rs.  T-177/13, EU:T:2016:736, Rn. 52; Generalanwalt Szpunar, Schlussanträge v. 17.10.2018, TestBioTech u. a. / ​Kommission, Rs. C-82/17, EU:C:2018:837, Rn. 39. 972 EuG, Urt. v. 15.12.2016, TestBioTech u. a. / ​Kommission, Rs.  T-177/13, EU:T:2016:736, Rn. 55; Generalanwalt Szpunar, Schlussanträge v. 17.10.2018, TestBioTech u. a. / ​Kommission, Rs. C-82/17, EU:C:2018:837, Rn. 53. 973 S. N. de Sadeleer / ​C . Poncelet, Protection against Acts Harmful to Human Health and the Environment Adopted by the EU Institutions, CYELS 14 (2011–2012), 177 (205). 974 S. dazu oben unter Teil 2. Kapitel 5. A. I. 3. c) (S. 261 ff.). 975 S. Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz, 2008, S. 406 f. 969

Kap. 5: Rechtsschutz nach der Århus-VO

263

Abs. 5 AEUV identisch ist.976 Wirklich weiter hilft diese Ähnlichkeit jedoch nicht. Die Einordnung in das unionsrechtliche Handlungsformensystem muss vielmehr von der Funktion der Antwort als Schlüssel für den Zugang zu den Unionsgerichten ausgehen. Vor diesem Hintergrund ist es naheliegend, die Antwort als adressatengerichteten Beschluss nach Art. 288 Abs. 4 Satz 2 AEUV zu charakterisieren.977 Denn für die Anfechtbarkeit im Rahmen der Nichtigkeitsklage ist es entscheidend, dass die Antwort rechtsverbindlichen Charakter besitzt.978 Dies lässt sich mit einem zusätzlichen Argument untermauern: So enthielt der Kommissionsvorschlag noch den Begriff „schriftliche Entscheidung“ statt der „schriftlichen Antwort“ der Århus-VO.979 Erst durch den Rat wurde der Wortlaut zur schriftlichen Antwort geändert.980 Damit ging aber keine Änderung des Charakters dieser Maßnahme einher. Vielmehr sollte lediglich ein Gleichlauf mit der entsprechenden Formulierung in der Transparenz-VO hergestellt werden.981 Für die Transparenz-VO ist anerkannt, dass es sich bei einer ablehnenden Bescheidung um einen anfechtbaren Beschluss handelt.982

976

U. Ehricke, in: Streinz (Hrsg.), EUV / ​AEUV, 3. Aufl. 2018, Art. 265 AEUV Rn. 11. T.  Crossen / ​V.  Niessen, NGO Standing in the European Court of Justice, RECIEL 16 (2007), 332 (337 f.); P. Wennerås, The Enforcement of EC Environmental Law, 2007, S. 239; M.  Pallemaerts, Access to Environmental Justice at EU Level, in: Pallemaerts (Hrsg.), The Aarhus Convention at Ten, 2011, S. 271 (295); anders E. Rehbinder, Zum Rechtsschutz Dritter im europäischen Chemikalienrecht, in: Ipsen / ​Stüer (Hrsg.), FS Rengeling, 2008, S. 383; E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband II, 2018, S. 1067, was jedoch in Widerspruch zu seiner Ansicht steht, der Zugang zu den Unionsgerichten sei wegen der Adressatenstellung des Verbandes eröffnet. 978 Zum Erfordernis der Rechtsverbindlichkeit im Rahmen von Art. 263 AEUV s. nur U. Ehricke, in: Streinz (Hrsg.), EUV / ​AEUV, 3. Aufl. 2018, Art. 263 AEUV Rn. 21 ff. 979 Art. 9 Abs. 2 des Kommissionsvorschlags, Vorschlag für eine Verordnung KOM(2003) 622 endg. v. 24.10.2003, S. 32. Tatsächlich wurde etwa die Antwort im Fall Vereniging ­Milieudefensie durch das Gericht ausdrücklich als „angefochtene Entscheidung“ qualifiziert, s. EuG, Urt. v. 14.07.2012, Vereniging Milieudefensie und Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht / ​Kommission, Rs. T-396/09, EU:T:2012:301, Rn. 8. 980 Art. 10 Abs. 2 Satz 2 des Gemeinsamen Standpunkts des Rates, im Hinblick auf den Erlass der Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Anwendung der Bestimmungen des Übereinkommens von Århus über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten auf Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft, 6273/05 v. 20.04.2005, S. 1, S. 22 ff. Dazu P. Wennerås, The Enforcement of EC Environmental Law, 2007, S. 239; M. Pallemaerts, Access to Environmental Justice at EU Level, in: Pallemaerts (Hrsg.), The Aarhus Convention at Ten, 2011, S. 271 (295). 981 T.  Crossen / ​V.  Niessen, NGO Standing in the European Court of Justice, RECIEL 16 (2007), 332 (338 f.); P. Wennerås, The Enforcement of EC Environmental Law, 2007, S. 238. S. dazu Art. 7 Abs. 1 Satz 2 sowie Abs. 2 der Transparenz-VO. 982 S.  EuGH, Urt. v. 02.10.2014, Strack / ​Kommission, Rs.  C-127/13 P, EU:C:2014:2250, Rn. 36; EuGH, Beschl. v. 15.02.2012, Internationaler Hilfsfonds / ​Kommission, Rs. C-208/11 P, EU:C:2012:76, Rn. 30. Anfechtbar ist nach dieser Rechtsprechung allerdings nur der Zweitantrag nach Art. 8 Transparenz-VO, dazu A. Epiney, in: Fluck u. a. (Hrsg.), IFG / ​U IG / ​VIG / ​ GeoZG, D III.2.2 VO 1049/2001 (Oktober 2014) Rn. 90. 977

264

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

II. Gerichtliches Verfahren Nach Abschluss des internen Überprüfungsverfahrens kann der Verband nach Art. 12 Århus-VO bei den Unionsgerichten Klage erheben. Dies ist der eigentliche Kernpunkt der Århus-VO: Das interne Überprüfungsverfahren ermöglicht eine altruistische Verbandsklage, die ansonsten im Unionsrecht nicht vorgesehen ist.983 Mit dem vorgeschalteten internen Überprüfungsverfahren überwindet der Verordnungsgeber insbesondere die Hürde der individuellen Betroffenheit.984 Gleichzeitig hebt sich das Modell auch von der Popularklage ab, da der Zugang zu den Unionsgerichten lediglich den besonders qualifizierten Umweltverbänden aus dem internen Überprüfungsverfahren gewährt wird.985 1. Klageberechtigung Die Klageberechtigung des Verbandes ist an zwei Bedingungen geknüpft. Zunächst muss der Antrag des Verbandes auf interne Überprüfung abgelehnt worden sein. Für einen solchen erfolglosen Antrag richtet sich der Zugang dann „gemäß den einschlägigen Bestimmungen“ des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union. a) Negative Bescheidung des Überprüfungsersuchens Der Zugang zum gerichtlichen Verfahren ist nur dann eröffnet, wenn vorher ein Überprüfungsverfahren erfolglos abgeschlossen wurde. Nach Art. 12 Abs. 1 Århus-VO kann ein Verband, der „den Antrag auf interne Überprüfung nach Art. 10 gestellt hat, […] gemäß den einschlägigen Bestimmungen des Vertrages Klage vor dem Gerichtshof erheben“. Der Wortlaut könnte auch so verstanden werden, dass eine bloße Antragsstellung ausreicht. Dies widerspräche jedoch der Systematik der Verordnung und dem Telos des Überprüfungsverfahrens. Das Organ oder die Institution soll – wie schon gesehen – durch das Überprüfungsverfahren die Möglichkeit erhalten, die Entscheidung zu überdenken und der Beschwerde abzuhelfen. Ein vorher eingeleitetes Gerichtsverfahren würde der internen Überprüfung den Sinn nehmen. Zudem reicht die bloße Antragstellung nach der Rechtsprechung des 983

S. S. Pernice-Warnke, Der Zugang zu Gericht in Umweltangelegenheiten für Individualkläger und Verbände gemäß Art. 9 Abs. 3 Aarhus-Konvention und seine Umsetzung durch die europäische Gemeinschaft, EuR 2008, 410 (420). 984 S.  Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz, 2008, S. 416; S. Schlacke, Rechtsschutz durch europäische und nationale Gerichte unter Einschluss des Europäischen Bürgerbeauftragten in seiner Funktion zur Sicherung des Informationszugangs, UTR 108 (2011), 271 (292 f.). 985 A.  Guckelberger, Die EG-Verordnung zur Umsetzung der Aarhus-Konvention auf der Gemeinschaftsebene, NuR 2008, 78 (86); S. Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz, 2008, S. 422.

Kap. 5: Rechtsschutz nach der Århus-VO

265

Gerichtshofs noch nicht dazu aus, einen Verband hinreichend zu individualisieren und so den Zugang zur Nichtigkeitsklage zu eröffnen.986 Deshalb eröffnet erst ein mit einer negativen Antwort abgeschlossenes internes Überprüfungsverfahren dem antragstellenden Verband den Zugang zu den Unionsgerichten.987 Warum der Antrag auf interne Überprüfung abschlägig beschieden wurde, spielt dagegen keine Rolle. Insbesondere ist unerheblich, ob der Antrag als unzulässig oder unbegründet abgelehnt wurde.988 b) Zugang „gemäß den einschlägigen Bestimmungen“ Der Verband erhält Zugang zu den Unionsgerichten „gemäß den einschlägigen Bestimmungen des Vertrags“.989 Mit den „einschlägigen Bestimmungen des Vertrags“ ist in Art. 12 Abs. 1 Århus-VO die Individualnichtigkeitsklage nach Art. 263 Abs. 4 AEUV gemeint respektive in Art. 12 Abs. 2 Århus-VO die Untätigkeitsklage nach Art. 265 Abs. 3 AEUV. Damit verweist die Århus-VO auf das Primärrecht und normiert keine eigene Klageart.990 Bei Art. 12 Abs. 1 und 2 Århus-VO handelt es sich damit um eine Rechtsgrund- und nicht um eine reine Rechtsfolgenverweisung.991 986

S. zur Individualisierung aus Verfahrensbeteiligung Teil 2. Kapitel 4. A. II. 3. b), S. 147 ff. S. Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz, 2008, S. 398 f.; S. Schlacke, Rechtsbehelfe im Umweltrecht, in: Schlacke u. a. (Hrsg.), Aarhus-Handbuch, 2010, § 3, Rn. 200. 988 Dies ergibt sich aus Art. 6 des Anhangs zum Beschluss 2008/401/EG: „Gegen eine Antwort, in der der Nichtregierungsorganisation mitgeteilt wird, dass ihr Antrag ganz oder teilweise unzulässig ist oder dass der Verwaltungsakt, dessen Überprüfung beantragt wird oder die behauptete Unterlassung nicht gegen das Umweltrecht verstoßen, kann die Nichtregierungsorganisation unter den Bedingungen der Artikel 230 und 195 des EG-Vertrags die ihr offen stehenden Rechtsbehelfe – Klage gegen die Kommission, Beschwerde beim Bürgerbeauftragten oder beides – einlegen.“ (Hervorhebung des Verfassers). 989 Nach Art. 12 Abs. 1 und 2 Århus-VO soll der Gerichtshof für die Klagen zuständig sein. Dies entspricht aber weder der Systematik der Zuständigkeitsverteilung bei der Nichtigkeitsklage noch der Praxis der Unionsgerichte. Denn bei der Klage der Umweltverbände handelt es sich um eine Nichtigkeitsklage nach Art. 263 Abs. 4 AEUV, für die in erster Instanz das Gericht gem. Art. 256 Abs. 1 Satz 1 AEUV zuständig ist. Auch aus der Praxis der Århus-VO ergibt sich, dass das Gericht als Eingangsinstanz fungiert, ohne, dass der abweichende Wortlaut in Art. 12 Abs. 1 und 2 Århus-VO auch nur thematisiert würde, s. etwa EuG, Urt. v. 14.07.2012, Vereniging Milieudefensie und Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht / ​Kommission, Rs. T-396/09, EU:T:2012:301 oder EuG, Beschl. v. 29.06.2015, Frank Bold Society / ​Kommission, Rs. T-19/13, EU:T:2015:520. 990 S. Schlacke, Rechtsschutz durch europäische und nationale Gerichte unter Einschluss des Europäischen Bürgerbeauftragten in seiner Funktion zur Sicherung des Informationszugangs, UTR 108 (2011), 271 (292); wohl auch E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband II, 2018, S. 1066. S. dazu auch EuG, Urt. v. 14.07.2012, Vereniging Milieudefensie und Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht / ​Kommission, Rs. T-396/09, EU:T:2012:301, Rn. 72. Ausführlich zum Verhältnis von primärrechtlichem und sekundärrechtlichem Rechtsschutz noch unten unter Teil 2. Kapitel 5. B. (S. 276 ff.). 991 E. Rehbinder, Zum Rechtsschutz Dritter im europäischen Chemikalienrecht, in: Ipsen / ​ Stüer (Hrsg.), FS Rengeling, 2008, S. 383 (391); E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband II, 2018, S. 1066. 987

266

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

Welche Variante von Art. 263 Abs. 4 AEUV zur Anwendung kommt, wird von der Århus-VO nicht weiter konkretisiert. Insbesondere zwei Möglichkeiten sind denkbar: Einerseits könnte sich die Zulässigkeit über die erste Variante durch die Adressatenstellung des Verbandes ergeben oder andererseits über die zweite Variante durch die unmittelbare und individuelle Betroffenheit des Verbandes. Zwingend ist der Weg über Art. 263 Abs. 4 Var. 2 AEUV insbesondere dann, wenn man die Antwort – anders als hier992 – als bloße, unverbindliche Mitteilung des Ergebnisses des Überprüfungsverfahrens wertet, da eine Anfechtung über Art. 263 Abs. 4 Var. 1 AEUV dann nicht möglich wäre.993 In diesem Fall griffe Art. 263 Abs. 4 Var. 2 AEUV über die qualifizierte Beteiligung des Verbandes an dem internen Überprüfungsverfahren.994 Dann würde sich die Århus-VO eine von dem Gerichtshof schon im Fall Greenpeace angesprochene Möglichkeit zu Nutze machen, Umweltverbänden ein Klagerecht für im Allgemeininteresse stehende Umweltbelange über eine Verfahrensbeteiligung einzuräumen.995 Der Weg über Art. 263 Abs. 4 Var. 2 AEUV ist grundsätzlich auch dann möglich, wenn man die Antwort zutreffend als Beschluss auffasst, durch den die Antragsteller des internen Überprüfungsverfahrens unmittelbar und individuell betroffen sind.996 Konsequent und überzeugend ist dies jedoch nicht. Denn in diesem Fall wird der Antwort einerseits unterstellt, ein anfechtbarer Rechtsakt zu sein, ohne dann aber folgerichtig den Schluss zu ziehen, die Antwort als adressatengerichte 992

Dazu, dass dies nicht zutrifft, oben unter Teil 2. Kapitel 5. A. I. 4. (S. 262 ff.). In diesem Sinne E. Rehbinder, Die Aarhus-Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs und die Verbandsklage gegen Rechtsakte der Europäischen Union, EurUP 2012, 23 (27); s. auch E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband II, 2018, S. 1067. 994 E. Rehbinder, Die Aarhus-Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs und die Verbandsklage gegen Rechtsakte der Europäischen Union, EurUP 2012, 23 (27 f.); E. Rehbinder, Zum Rechtsschutz Dritter im europäischen Chemikalienrecht, in: Ipsen / ​Stüer (Hrsg.), FS Rengeling, 2008, S. 383 (393 f.); S. Schlacke, in: Gärditz (Hrsg.), VwGO, 2. Aufl. 2018, Nach § 42 VwGO Überindividueller Rechtsschutz im Verwaltungsprozess Rn. 29; T.  Crossen  / ​ V. Niessen, NGO Standing in the European Court of Justice, RECIEL 16 (2007), 332 (339); L. De Lucia, Locus Standi and distrust of the public administration, REALaw 10 (2017), 7 (22). S. allgemein zu dieser Fallgruppe A. Thiele, Individualrechtsschutz vor dem Europäischen Gerichtshof durch die Nichtigkeitsklage, 2006, S. 254 ff.; W. Cremer, in: Calliess / ​Ruffert (Hrsg.), EUV / ​AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 263 AEUV Rn. 42; H. P. Nehl, Wechselwirkungen zwischen verwaltungsverfahrensrechtlichem und gerichtlichem Individualrechtsschutz in der EG, in: ­Nowak / ​Cremer (Hrsg.), Individualrechtsschutz in der EG und der WTO, 2002, S. 135 (146 ff.); R. Stotz, Rechtsschutz vor europäischen Gerichten, in: Rengeling (Hrsg.), EUDUR, 2003, § 45, Rn. 84 f. 995 EuGH, Urt. v. 02.04.1998, Greenpeace u. a. / ​Kommission, Rs. C-321/95 P, EU:C:1998:153, Slg. 1998 I-1651, Rn. 15. 996 So aber insbesondere S. Pernice-Warnke, Effektiver Zugang zu Gericht, 2009, S. 175; S. Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz, 2008, S. 416; B. Goby, Anmerkung zu EuGH, Urt. v. 13.1.2015, Verb. Rs. C.404/12 P und C-405/12 P, RdU 2015, 75 (76). S. auch EuG, Urt. v. 14.07.2012, Vereniging Milieudefensie und Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht / ​ Kommission, Rs. T-396/09, EU:T:2012:301, Rn. 71 ff. sowie Generalanwalt Szpunar, Schlussanträge v. 17.10.2018, TestBioTech u. a. / ​Kommission, Rs. C-82/17, EU:C:2018:837, Rn. 36. 993

Kap. 5: Rechtsschutz nach der Århus-VO

267

ten Beschluss unter die erste Variante von Art. 263 Abs. 4 AEUV zu fassen. Schon aus Effizienzgründen sollte deshalb auf eine Beschäftigung mit den komplizierten Plaumann-Kriterien in diesem Fall verzichtet werden. Es kann also festgehalten werden, dass sich der Zugang für die Antwort – wie hier verstanden als adressatengerichteter Beschluss997  – über Art. 263 Abs. 4 Var. 1 AEUV ergibt.998 Dies ist auch die Position des Gerichts, wie sie im Urteil ­TestBioTech zum Ausdruck gekommen ist.999 Die Plaumann-Kriterien spielen dann keine Rolle mehr für den Zugang des Verbandes zu den Unionsgerichten. Neben der Folgerichtigkeit spricht im Übrigen der Gleichlauf mit dem Zugang zu den Unionsgerichten nach der Transparenz-VO für die hier angenommene Lösung.1000 Angesichts der vielfältigen Referenzen im Kommissionsvorschlag und in der ­Å rhus-VO auf die Transparenz-VO ist es plausibel, dass eine Abstimmung und Harmonisierung dieser beiden Instrumente bei der Schaffung der Århus-VO gerade gewünscht war.1001 2. Gegenstand des Verfahrens Auch zu der Frage des Gegenstandes des gerichtlichen Verfahrens schweigt die Århus-VO. So geht aus der Verordnung nicht hervor, ob die Antwort oder die Maßnahme, für die eine interne Überprüfung beantragt wurde, Gegenstand des Verfahrens ist.1002 Dies ist eine erstaunliche Lücke, da es sich hierbei um eine ganz wesentliche Frage handelt: Die Urteilswirkung hängt schließlich von dem 997

S. oben unter Teil 2. Kapitel 5. A. I. 4. (S. 262 ff.). So auch Generalanwalt Jääskinen, Schlussanträge v. 08.05.2014, Rat u. a. / ​Vereniging Milieudefensie und Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht, Verb. Rs. C-401/12 P bis C-403/12 P, EU:C:2014:310, Rn. 124; T. Rademacher, Realakte im Rechtsschutzsystem der Europäischen Union, 2014, S. 161; A. Guckelberger, Die EG-Verordnung zur Umsetzung der Aarhus-Konvention auf der Gemeinschaftsebene, NuR 2008, 78 (86); T. Weber, Die Umsetzung der Aarhus-Konvention beim direkten Vollzug von Unionsrecht, JRP 20 (2012), 137 (148 Fn. 113); B. Dette, Access to Justice in Environmental Matters before the European Court of Justice, elni Review 2004, 20 (24); wohl auch T.  Crossen / ​V. Niessen, NGO Standing in the European Court of Justice, RECIEL 16 (2007), 332 (339); L. De Lucia, Locus Standi and distrust of the public administration, REALaw 10 (2017), 7 (22). 999 EuG, Urt. v. 15.12.2016, TestBioTech u. a. / ​Kommission, Rs. T-177/13, EU:T:2016:736, Rn. 53: „Where there has been a decision to reject a request for internal review made pursuant to Regulation No 1367/2006 as unfounded, the non-governmental organisation to which that decision is addressed may bring an action for annulment against that decision, as provided for in the first situation covered by the fourth paragraph of Article 263 TFEU.“ (Hervorhebung des Verfassers). 1000 B. Dette, Access to Justice in Environmental Matters before the European Court of Justice, elni Review 2004, 20 (24). 1001 S. nur Vorschlag für eine Verordnung KOM(2003) 622 endg. v. 24.10.2003, S. 1 sowie die Erwägungsgründe 12 bis 15 zur Århus-VO. 1002 J. Jans, Did Baron von Munchhausen ever Visit Aarhus?, in: Macrory (Hrsg.), Reflections on 30 Years of EU Environmental Law, 2005, S. 475 (483). 998

268

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

Verfahrensgegenstand ab. Beschränkt sich die Kontrolle auf die Antwort, bliebe der Verwaltungsakt erst einmal unberührt. Dies dürfte auf den ersten Blick weder im Sinn der Umweltverbände sein noch dem Anliegen der Århus-VO entsprechen. An dieser Stelle wäre es verfehlt, Analogien zum deutschen Verwaltungsverfah­ rensrecht zu ziehen. Man könnte hier etwa an einen Zweitbescheid im Rahmen eines Wiederaufgreifens des Verfahrens nach § 51 VwVfG denken, der eine „selbstständige Regelung des zugrundeliegenden Sachverhalts“1003 enthält. Ebenso möglich wäre eine Referenz zu § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO, nach dem der Klagegegenstand der Anfechtungsklage bei vorangegangenem Widerspruchsverfahren „der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat“ ist. Damit betrachtet § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO den ursprünglichen Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid als „prozessuale Einheit“1004. Würde man diese Idee auf das Verhältnis von Verwaltungsakt und Antwort des internen Überprüfungsverfahrens übertragen, könnte man schließen, dass neben der Antwort auch der Verwaltungsakt Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens ist. Die Rechtsprechung nimmt hier eine ausdrückliche Trennung vor. So wird etwa im Urteil Vereniging Milieudefensie vom Gericht einzig und ausdrücklich die Antwort als angefochtene Entscheidung angeführt.1005 Auch für Generalanwalt M. Szpunar bezieht sich die Klage „nicht auf die Zulassungsentscheidung, sondern auf die Antwort, die das Organ oder die Einrichtung, bei der der Antrag auf interne Überprüfung gestellt wurde, versandt hat“1006. Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens ist also nur die Antwort, nicht der Verwaltungsakt.1007

1003

M. Sachs, in: Stelkens u. a. (Hrsg.), VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 51 VwVfG Rn. 40. J. Pietzcker, in: Schoch u. a. (Hrsg.), VwGO, VwGO § 79 (Oktober 2008) Rn. 3. 1005 EuG, Urt. v. 14.07.2012, Vereniging Milieudefensie und Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht / ​Kommission, Rs. T-396/09, EU:T:2012:301, Rn. 9. 1006 Generalanwalt Szpunar, Schlussanträge v. 17.10.2018, TestBioTech u. a. / ​Kommission, Rs. C-82/17, EU:C:2018:837, Rn. 31 Fn. 11. 1007 So die ganz überwiegende und zutreffende Ansicht, s. K. Lenaerts / ​J. A. Gutiérrez-Fons, The General System of EU Environmental Law Enforcement, YEL 30 (2011), 3 (26); P. Wennerås, The Enforcement of EC Environmental Law, 2007, S. 238; J. Berkemann, NGO scheitern mit umweltrechtlicher Nichtigkeitsklage vor dem EuGH, ZUR 2015, 221 (229); L. De Lucia, Locus Standi and distrust of the public administration, REALaw 10 (2017), 7 (22); H. Schoukens, Access to Justice in Environmental Cases After the Rulings of the Court of Justice of 13 January 2015, Utrecht J. Int. Eur. Law 31 (2015), 46 (66); P. Oliver, Access to Information and to Justice in EU Environmental Law: The Aarhus Convention, Fordham Int’l L. J. 36 (2013), 1423 (1466); N. de Sadeleer / ​C. Poncelet, Protection against Acts Harmful to Human Health and the Environment Adopted by the EU Institutions, CYELS 14 (2011–2012), 177 (205); M.  Pallemaerts, Access to Environmental Justice at EU Level, in: Pallemaerts (Hrsg.), The Aarhus Convention at Ten, 2011, S. 271 (295); S. Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz, 2008, S. 408, 417; B.  Pirker, Access to Justice in Environmental Matters and the Aarhus Convention’s Effects in the EU Legal Order, RECIEL 25 (2016), 81 (86); V. Paskalev, Losing the Battle, but Winning the War?, EJRR 8 (2017), 580 (582); E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband II, 2018, S. 1054, 1065. 1004

Kap. 5: Rechtsschutz nach der Århus-VO

269

Dies beantwortet aber noch nicht die Frage, ob nicht eine – zumindest prozessuale  – Einheit zwischen der Antwort und dem Verwaltungsakt angenommen werden muss. Mit anderen Worten meint dies, ob nicht die Antwort als erneute Entscheidung, etwa über die Zulassung einer bestimmten Maßnahme, einzuordnen ist. Dann würde eine Identität zwischen beiden bestehen, die die ursprüngliche Entscheidung jedenfalls indirekt mit zum Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens machen würde. Beim internen Überprüfungsverfahren der Århus-VO handelt es sich jedoch um ein neues, eigenständiges Verwaltungsverfahren, das von dem Verfahren, aus dem der zu überprüfende Verwaltungsakt hervorging, unabhängig ist. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Zielsetzung beider Verfahren unterschiedlich ist: Während es bei dem einen Verfahren um das Zustandekommen einer Maßnahme geht, ist das interne Überprüfungsverfahren auf die durch das Vorbringen der Antragssteller begrenzte Kontrolle der Maßnahme gerichtet. Im internen Überprüfungsverfahren entscheidet die Unionsinstitution oder das -organ nicht erneut über die Zulässigkeit der Maßnahme, sondern setzt sich lediglich mit den Argumenten der Antragsteller auseinander. Dies lässt sich aus der bei Generalanwalt M. Szpunar wiedergegebenen Einschätzung der Kommission ableiten: „Allerdings hat die Kommission zu Recht darauf hingewiesen, dass ein grundsätzlicher Unterschied zwischen dem Zulassungsverfahren, das zur Zulassungsentscheidung führt, und dem Überprüfungsverfahren besteht, dessen Folgen in der Wiedereröffnung des Zulassungsverfahrens bestehen können, aber nicht notwendigerweise müssen.“1008

Diese Einschätzung wird auch von dem Gericht im Fall TestBioTech geteilt, das feststellte, dass der Sinn des internen Überprüfungsverfahrens gerade nicht in einer Neubewertung des ursprünglichen Verwaltungsakts liege.1009 Dies verdeutlicht den Charakter des gerichtlichen Verfahrens als „Informationsklage“1010, bei der es um die begrenzte Auseinandersetzung der Unionsgerichte mit den von den Klägern gegen die Antwort vorgetragenen Argumenten geht. Konsequent hält das Gericht auch nur Anträge der Kläger für zulässig, die sich gegen die Antwort richten und nicht direkt gegen den Verwaltungsakt.1011 Dies bekräftigt das Gericht in der 1008

Generalanwalt Szpunar, Schlussanträge v. 17.10.2018, TestBioTech u. a. / ​Kommission, Rs. C-82/17, EU:C:2018:837 Rn. 67 (Hervorhebung im Original). 1009 EuG, Urt. v. 15.12.2016, TestBioTech u. a. / ​Kommission, Rs. T-177/13, EU:T:2016:736, Rn. 51. 1010 J. Berkemann, NGO scheitern mit umweltrechtlicher Nichtigkeitsklage vor dem EuGH, ZUR 2015, 221 (229). 1011 EuG, Urt. v. 15.12.2016, TestBioTech u. a. / ​Kommission, Rs. T-177/13, EU:T:2016:736, Rn. 56: „It is of course inherent in a request for internal review of an administrative act that the party requesting the review is challenging the lawfulness or merits of the measure, in this case the authorisation decision. The purpose of the internal review procedure is therefore to obtain a finding that the authorisation decision is unlawful or unfounded. Pursuant to Article 12 of Regulation No 1367/2006, read in conjunction with Article 10 thereof, the party requesting the review may institute proceedings against the decision rejecting the request for internal review as unfounded before the EU Courts, and may allege lack of powers, infringement of essential

270

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

Rechtssache Mellifera, wonach es einem Kläger nicht erlaubt sein soll, „im Rahmen seiner gegen die Verweigerung der Überprüfung erhobenen Nichtigkeitsklage Argumente geltend zu machen, die unmittelbar die Rechtmäßigkeit und die Begründetheit des fraglichen Rechtsakts [des Verwaltungsakts] bestreiten“1012. Damit lässt sich festhalten, dass lediglich die Antwort Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens ist, nicht jedoch die ursprüngliche Maßnahme. Es besteht auch insbesondere keine Einheit zwischen der Antwort und der ursprünglichen Verwaltungsentscheidung. Die Antwort ist keine neue Entscheidung in der Sache, sondern lediglich eine Auseinandersetzung mit den Argumenten der Antragsteller. 3. Reichweite der Überprüfung Wie für das interne Überprüfungsverfahren stellt sich auch für das gerichtliche Verfahren die Frage nach der Reichweite der Überprüfung. Durch die Anwendung von Art. 263 und 265 AEUV sind die Maßstäbe hier klarer als bei der adminis­ trativen Überprüfung. Einschränkungen können sich hier jedoch durch den Verfahrensgegenstand ergeben. a) Prüfungsmaßstab und -umfang Der Prüfungsmaßstab des gerichtlichen Überprüfungsverfahrens richtet sich nach den Maßstäben der Nichtigkeitsklage. Grundsätzlich umfasst der Prüfungsmaßstab also das gesamte Unionsrecht.1013 Damit können sich die Kläger im Sinne von Art. 263 Abs. 2 AEUV auf Unzuständigkeit, Verletzung wesentlicher Formvorschriften oder die Verletzung der Verträge stützen.1014 Eine Eingrenzung des Prüfungsumfangs ergibt sich jedoch aus dem Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens, also der Antwort und den dort vorgetragenen Gründen. Dazu Generalanwalt M. Szpunar: procedural requirements, infringement of the Treaties or of any legal rule relating to their application, or misuse of powers. That does not mean that the party making the request is entitled, in the course of those proceedings, to put forward arguments directly challenging the lawfulness or merits of the authorisation decision. In the present case, therefore, the first applicant may only ask the Court to declare that the first contested decision [gemeint ist die Antwort, Anm. d. Verfassers] referred to in the request for internal review is unlawful, even if it based on the ­authorisation decision being unlawful or unfounded.“ (Hervorhebung des Verfassers). 1012 EuG, Urt. v. 27.09.2018, Mellifera / ​Kommission, Rs. T-12/17, EU:T:2018:616, Rn. 35. 1013 S. Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz, 2008, S. 418, 520; M. Pallemaerts, Access to Environmental Justice at EU Level, in: Pallemaerts (Hrsg.), The Aarhus Convention at Ten, 2011, S. 271 (287, 292). 1014 S. EuG, Urt. v. 15.12.2016, TestBioTech u. a. / ​Kommission, Rs. T-177/13, EU:T:2016:736, Rn. 56; Generalanwalt Szpunar, Schlussanträge v. 17.10.2018, TestBioTech u. a. / ​Kommission, Rs. C-82/17, EU:C:2018:837, Rn. 56.

Kap. 5: Rechtsschutz nach der Århus-VO

271

„Meines Erachtens liefe es der ordnungsgemäßen Rechtspflege zuwider, wäre ein Antragsteller berechtigt, im Verfahren vor dem Gerichtshof der Europäischen Union Gründe für die interne Überprüfung hinzuzufügen oder zu präzisieren. Wer eine interne Überprüfung beantragt, muss daher alle Gründe hierfür bereits in dem Antrag selbst detailliert angeben.“1015

Soweit es um die materielle Rechtmäßigkeit der Antwort geht, sind den Klägern damit im Wesentlichen nur die Argumente erlaubt, die sie schon im internen Überprüfungsverfahren vorgetragen haben.1016 Der Prüfungsumfang richtet sich damit nach dem Streitgegenstand des internen Überprüfungsverfahrens.1017 Dies bedeutet keine Einschränkung des primärrechtlichen Prüfungsmaßstabs, sondern bringt lediglich den Zweck des gerichtlichen Verfahrens zum Ausdruck, der in der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Antwort liegt. Da der Gegenstand des Vorverfahrens der Verwaltungsakt war, sind die Gründe seiner Rechtmäßigkeit damit indirekt insoweit Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens zur Antwort, als die Antragsteller im Überprüfungsverfahren dagegen Einwände vorgetragen haben.1018 Befürchtungen, die Gerichte könnten versucht sein, ihre Kontrolle auf die ordnungsgemäße Beteiligung der Antragsteller im internen Überprüfungsverfahren zu beschränken,1019 haben sich damit nicht bewahrheitet. Anlass für diese Befürchtungen war das – ohnehin schon nicht zur Århus-VO ergangene – Urteil WWF-UK, worin der Gerichtshof festhielt, dass ein Verfahrensrecht nicht zur Rüge einer materiellen Rechtsverletzung berechtigen solle.1020 Diese Rechtsprechung passt aber nicht zum Regelungskonzept der Århus-VO. So geht schon aus dem Kommis 1015 Generalanwalt Szpunar, Schlussanträge v. 17.10.2018, TestBioTech u. a. / ​Kommission, Rs. C-82/17, EU:C:2018:837, Rn. 28. 1016 EuG, Urt. v. 15.12.2016, TestBioTech u. a. / ​Kommission, Rs. T-177/13, EU:T:2016:736, Rn. 57. 1017 S. als Parallele im europäischen Beamtenrecht, das ebenfalls ein Vorverfahren kennt, EuGH, Urt. v. 20.03.1984, Razzouk u. a. / ​Kommission, Verb. Rs. 75 und 117/82, ECLI:EU:C:1984:116, Slg. 1984, 1509, Rn. 9. Danach begrenzt das dortige Vorverfahren das gerichtliche Verfahren nicht, „solange nur die in diesem Stadium gestellten Anträge weder den Grund noch den Gegenstand der Beschwerde ändern“. Für B. Wegener, in: Calliess / ​Ruffert (Hrsg.), EUV / ​AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 270 AEUV Rn. 7 ist das ein Ausdruck einer Streitgegenstandsidentität, nach der der Klageantrag nicht über die Beschwerde des Vorverfahrens hinausgehen dürfe. Allgemein zum Nachschieben von Gründen im europäischen Eigenverwaltungsrecht s. L. Hering, Eine Fehlerfolgenlehre für das europäische Eigenverwaltungsrecht, Der Staat 57 (2018), 601 (611 ff.). 1018 EuG, Urt. v. 15.12.2016, TestBioTech u. a. / ​Kommission, Rs. T-177/13, EU:T:2016:736, Rn. 57, 60. 1019 Dazu E. Rehbinder, Die Aarhus-Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs und die Verbandsklage gegen Rechtsakte der Europäischen Union, EurUP 2012, 23 (29). Eine ähnliche Befürchtung äußern J.  Jans / ​H. Vedder, European Environmental Law, 2012, S. 249 f. sowie S. Schlacke, in: Gärditz (Hrsg.), VwGO, 2. Aufl. 2018, Nach § 42 VwGO Überindividueller Rechtsschutz im Verwaltungsprozess Rn. 29. Kritisch auch E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband II, 2018, S. 1099 f. 1020 EuGH, Beschl. v. 05.05.2009, WWF-UK / ​Rat Rs. C-355/08 P, EU:C:2009:286, Slg. 2009 I-73, Rn. 44.

272

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

sionsentwurf zur Århus-VO hervor, dass das gerichtliche Verfahren gerade dazu dient, „um die materiell- und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit der genannten Entscheidung [der Antwort, Anm. d. Verf.] der Einrichtung oder des Organs der Gemeinschaft anzufechten“1021. b) Prüfungsdichte Während das gesamte Unionsrecht Prüfungsmaßstab der gerichtlichen Überprüfung ist, kann es durchaus zu Einschränkungen der Prüfungsdichte kommen. Im Wesentlichen kann hier auf die Ausführungen zur Prüfungsdichte durch die Unionsbehörden verwiesen werden.1022 Ein Großteil der Maßnahmen, die in den Anwendungsbereich der Århus-VO fallen, beruht auf komplexen umweltrechtlichen Folgenabschätzungen der Unionsorgane und -institutionen. Dies gilt etwa für die Frage, welche Folgen die Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen hat.1023 In solchen Fällen billigen die Unionsgerichte den Organen und Institutionen einen weiten Ermessensspielraum zu.1024 Beibringungs- und Amtsermittlungsgrundsatz sind kombiniert:1025 Durch den Vortrag des Verbandes müssen sich ernsthafte Zweifel an der Risikoeinschätzung des Unionsorgans oder der -institution ergeben, denen dann aber im Wege der Amtsermittlung nachgegangen wird.1026 Die Weite des Ermessens­spielraums bei der materiell-rechtlichen Bewertung korrespondiert einer strikten Kontrolle der Verfahrensrechte des Verbandes.1027

1021 Vorschlag für eine Verordnung KOM(2003) 622 endg. v. 24.10.2003, S. 19. Nach E. Rehbinder, Die Aarhus-Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs und die Verbandsklage gegen Rechtsakte der Europäischen Union, EurUP 2012, 23 (29) spricht zudem Erwägungsgrund 19 zur Århus-VO gegen eine solche Einschränkung. 1022 S. oben unter Teil 2. Kapitel 5. A. I. 3. b) (S. 260 ff.). 1023 Für die Maßstäbe in diesem Fall s. EuG, Urt. v. 15.12.2016, TestBioTech u. a. / ​Kommission, Rs. T-177/13, EU:T:2016:736, Rn. 103 ff. 1024 EuG, Urt. v. 15.12.2016, TestBioTech u. a. / ​Kommission, Rs. T-177/13, EU:T:2016:736, Rn. 77; Generalanwalt Szpunar, Schlussanträge v. 17.10.2018, TestBioTech u. a. / ​Kommission, Rs. C-82/17, EU:C:2018:837, Rn. 55; E. Rehbinder, Zum Rechtsschutz Dritter im europäischen Chemikalienrecht, in: Ipsen / ​Stüer (Hrsg.), FS Rengeling, 2008, S. 383 (394 f.). 1025 S. Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz, 2008, S. 410 f. 1026 EuG, Urt. v. 15.12.2016, TestBioTech u. a. / ​Kommission, Rs. T-177/13, EU:T:2016:736, Rn. 83 f. 1027 EuG, Urt. v. 15.12.2016, TestBioTech u. a. / ​Kommission, Rs. T-177/13, EU:T:2016:736, Rn. 80; S. Schlacke, Rechtsbehelfe im Umweltrecht, in: Schlacke u. a. (Hrsg.), Aarhus-Handbuch, 2010, § 3, Rn. 231 ff.

Kap. 5: Rechtsschutz nach der Århus-VO

273

4. Entscheidungswirkung Im Fall der Begründetheit der Klage erklärt das Unionsgericht die Antwort nach Art. 264 Abs. 1 AEUV für nichtig.1028 Fraglich und klärungsbedürftig ist jedoch, welche Auswirkungen diese Entscheidung auf die ursprüngliche Maßnahme hat. Hier sind zwei Konstellationen zu unterscheiden: Zum einen kann ein Fehler alleine das interne Überprüfungsverfahren betreffen, zum anderen kann ein Fehler auch auf die ursprüngliche Maßnahme zurückgehen. a) Fehler betrifft nur das interne Überprüfungsverfahren Zunächst kann ein Fehler alleine das interne Überprüfungsverfahren betreffen. Denkbar ist zum Beispiel, dass den Unionsbehörden einen Verfahrensfehler unterläuft, indem sie etwa die Argumente der Antragsteller nicht ausreichend berücksichtigen oder Tatbestandsmerkmale der Århus-VO falsch auslegen.1029 Letzteres ist Gegenstand eines Urteils des Gerichts im Fall TestBioTech. Anlass des Streits war die Reichweite des Begriffs des Umweltrechts der Århus-VO.1030 Es ging damit alleine um eine Frage, die das interne Überprüfungsverfahren der Århus-VO betraf, unabhängig von dem zugrundeliegenden Verwaltungsakt. Im Ergebnis bewertete das Gericht die Auslegung des Umweltbegriffs der Århus-VO durch die Kommission als zu eng.1031 Aus diesem Grund hob das Gericht die Antwort der Kommission auf.1032 Betrifft ein Fehler, wie im angesprochenen Fall, lediglich das interne Überprüfungsverfahren kann auch nur die Antwort aufgehoben werden. Auf den Verwaltungsakt hat dies nachvollziehbar keine Auswirkungen, da es im Kern des gerichtlichen Verfahrens auch nicht um seine Rechtmäßigkeit ging. Dieses Ergebnis lässt sich auch auf etwaige Verfahrensfehler im internen Überprüfungsverfahren übertragen. Eine Aufhebung der Antwort durch das Gericht lässt auch in diesem Fall die ursprüngliche umweltrechtliche Maßnahme unberührt.1033

1028 S. Schlacke, Rechtsbehelfe im Umweltrecht, in: Schlacke u. a. (Hrsg.), Aarhus-Handbuch, 2010, § 3, Rn. 239. 1029 S. umfassend zur Bedeutung von Verfahrensfehlern im Eigenverwaltungsrecht L. Hering, Eine Fehlerfolgenlehre für das europäische Eigenverwaltungsrecht, Der Staat 57 (2018), 601 (609 ff.). 1030 EuG, Urt. v. 14.03.2018, TestBioTech / ​Kommission, Rs. T-33/16, EU:T:2018:135, Rn. 61 ff. 1031 EuG, Urt. v. 14.03.2018, TestBioTech / ​Kommission, Rs. T-33/16, EU:T:2018:135, Rn. 89. 1032 EuG, Urt. v. 14.03.2018, TestBioTech / ​Kommission, Rs. T-33/16, EU:T:2018:135, Rn. 89. 1033 In diesem Fall dürfte es sogar ausreichen, wenn die Unionsinstitution oder das -organ als Abhilfe eine neue, verfahrensfehlerfreie Antwort erlässt, s. P. Wennerås, The Enforcement of EC Environmental Law, 2007, S. 243; B. Pirker, Access to Justice in Environmental Matters and the Aarhus Convention’s Effects in the EU Legal Order, RECIEL 25 (2016), 81 (86); N. de Sadeleer, Commentaire J. Mégret: Environnement et marché intérieur, 2010, S. 196.

274

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

b) Fehler geht auf die ursprüngliche Maßnahme zurück Für den Fall, dass der festgestellte Fehler auf den Verwaltungsakt und damit auf die ursprüngliche Maßnahme zurückgeht, gibt es keine Präzedenzentscheidung der Unionsgerichte. Aus dem bisher zur Trennung von Antwort und Verwaltungsakt Gesagten ist jedoch zu schließen, dass eine Nichtigerklärung nur die Antwort betrifft, die eigentliche Maßnahme jedoch unberührt lässt.1034 Wirkungen für den Verwaltungsakt können sich daher lediglich auf indirektem Wege ergeben. Zunächst ist an die Einrede der Rechtswidrigkeit nach Art. 277 AEUV zu denken.1035 Der Einwand der Rechtswidrigkeit spielte im Fall Vereniging Milieudefensie eine Rolle. Hier richtete sich der Einwand jedoch nicht gegen den Verwaltungsakt des internen Überprüfungsverfahrens, sondern gegen Art. 10 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 lit. g der Århus-VO selbst.1036 Gegen einen Verwaltungsakt ist der Einwand der Rechtswidrigkeit dagegen nicht zulässig. Denn angesichts des Wortlauts von Art. 277 AEUV ist die Einrede der Rechtswidrigkeit lediglich gegen Rechtsakte mit allgemeiner Geltung zulässig, während es sich beim Verwaltungsakt der Århus-VO explizit um einen Rechtsakt mit individueller Wirkung handelt. Zwar mag die Einrede der Rechtswidrigkeit auf dem allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts beruhen, dass auch die Rechtmäßigkeit der Rechtsgrundlage einer Handlung Gegenstand einer Rüge sein kann,1037 jedoch rechtfertigt dies noch nicht ein Übergehen des Wortlauts von Art. 277 AEUV. Adressatengerichtete Beschlüsse fallen aus dem Anwendungsbereich von Art. 277 AEUV.1038 Damit ist dem Verband die Einrede der Rechtswidrigkeit gegenüber dem Verwaltungsakt verwehrt. Unbeachtlich sind Fehler des Verwaltungsakts dennoch nicht. Denn es ist daran zu erinnern, dass nicht nur der Tenor, sondern auch die Urteilsbegründung der Unionsgerichte von den Unionsinstitutionen und -organen beachtet werden muss.1039 1034

S. dazu schon oben unter Teil 2. Kapitel 5. A. II. 2. (S. 267 ff.). Ebenso K. Lenaerts / ​J. A. Gutiérrez-Fons, The General System of EU Environmental Law Enforcement, YEL 30 (2011), 3 (26); J.  Berkemann, NGO scheitern mit umweltrechtlicher Nichtigkeitsklage vor dem EuGH, ZUR 2015, 221 (229); H. Schoukens, Access to Justice in Environmental Cases After the Rulings of the Court of Justice of 13 January 2015, Utrecht J. Int. Eur. Law 31 (2015), 46 (66); E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband II, 2018, S. 1054 f. 1036 EuGH, Urt. v. 13.01.2015, Rat u. a. / ​Vereniging Milieudefensie und Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht, Verb. Rs. C-401/12 P bis C-403/12 P, EU:C:2015:4, Rn. 44 ff. 1037 W.  Cremer, in: Calliess / ​Ruffert (Hrsg.), EUV / ​AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 277 AEUV Rn. 1, 6. 1038 EuGH, Urt. v. 10.06.1993, Kommission / ​Griechenland, Rs.  C-183/91, EU:C:1993:233, Slg. 1993 I-3131, Rn. 10; U. Ehricke, in: Streinz (Hrsg.), EUV / ​AEUV, 3. Aufl. 2018, Art. 277 AEUV Rn. 11; C.  Gaitanides, in: von der Groeben u. a. (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl. 2015, Art. 277 AEUV Rn. 9; P.-T. Stoll / ​B. Rigod, in: Grabitz u. a. (Hrsg.), EUV / ​AEUV, Art. 277 AEUV (Mai 2013) Rn. 11; anders W. Cremer, in: Calliess / ​Ruffert (Hrsg.), EUV / ​AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 277 AEUV Rn. 6. 1039 EuGH, Urt. v. 26.04.1988, Asteris / ​Kommission, Verb. Rs. 97, EU:C:1988:199, Slg. 1988, 2181, Rn. 27; P. Wennerås, The Enforcement of EC Environmental Law, 2007, S. 243. 1035

Kap. 5: Rechtsschutz nach der Århus-VO

275

Deshalb erstreckt sich die Berücksichtigungspflicht nicht nur auf eine etwaige Nichtigerklärung der Antwort, sondern auch auf die zugrundeliegenden Erwägungen. Wenn die Unionsgerichte also feststellen, dass die Antwort Fehler enthält, die auf den Verwaltungsakt zurückzuführen sind, ist dies für die Unionsorgane und -institutionen beachtlich. In diesem Fall verpflichtet Art. 266 Abs. 1 AEUV dazu, auch den Verwaltungsakt aufzuheben.1040 Dies gebietet im Übrigen der Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit der Union. c) Ergebnis Die Nichtigerklärung betrifft nur die Antwort. Eine direkte Wirkung für den Verwaltungsakt besteht nicht. Die Erwägungen, die zur Nichtigerklärung der Antwort führen, können jedoch auf den Verwaltungsakt zurückweisen. In diesem Fall muss das Unionsorgan oder die -institution nach Art. 266 Abs. 1 AEUV tätig werden und die Maßnahme ändern oder gegebenenfalls sogar aufheben.1041 III. Ergebnis Die Kombination von interner Überprüfung und anschließendem gerichtlichen Verfahren verbessert die Durchsetzung des materiellen Umweltrechts.1042 Das interne Überprüfungsverfahren erfüllt dabei eine Doppelrolle: Zum einen besteht schon auf administrativer Ebene die Möglichkeit, einem Umweltrechtsverstoß abzuhelfen und so die Unionsgerichte zu entlasten. Zum anderen öffnet das interne Überprüfungsverfahren dem Umweltverband den Weg zu den Unionsgerichten, falls das behördliche Verfahren keine Abhilfe leistet. Über die Einführung des internen Überprüfungsverfahrens hat der Verordnungsgeber damit letztlich eine verhältnismäßig voraussetzungsarme Interessentenklage für Verbände zur Durchsetzung von Umweltbelangen geschaffen.1043 Durch die Vorschaltung des internen Überprüfungsverfahrens wird der antragstellende Umweltverband Adressat einer Antwort, bei der es sich letztlich um einen Beschluss handelt. Dieser Beschluss ermöglicht es dem Umweltverband nach Art. 263 Abs. 4 Var.  1 AEUV Nichtigkeitsklage vor den Unionsgerichten zu erheben. Gegenstand dieses Verfahrens ist dann die Antwort. Aus dem Urteil 1040

E. Rehbinder, Die Aarhus-Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs und die Verbandsklage gegen Rechtsakte der Europäischen Union, EurUP 2012, 23 (27); s. auch S. Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz, 2008, S. 408; N. de Sadeleer, Commentaire J.  Mégret: Environnement et marché intérieur, 2010, S. 196. S. auch EuG, Urt. v. 27.09.2018, Mellifera / ​ Kommission, Rs. T-12/17, EU:T:2018:616, Rn. 33. 1041 S. auch E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband II, 2018, S. 1066. 1042 A. Guckelberger, Die EG-Verordnung zur Umsetzung der Aarhus-Konvention auf der Gemeinschaftsebene, NuR 2008, 78 (86). 1043 S. Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz, 2008, S. 523.

276

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

können sich jedoch auch weiterreichende Handlungspflichten für das betreffende Unionsorgan oder die -institution ergeben. Rührt ein vom Unionsgericht festgestellter Fehler von dem zugrundeliegenden Verwaltungsakt her, muss auch dieser von dem Organ oder der Institution aufgehoben oder geändert werden. Die Reichweite der Interessentenklage zur Durchsetzung von Umweltbelangen hängt entscheidend von der Reichweite des internen Überprüfungsverfahrens ab.1044 In der Analyse konnten einige Restriktionen herausgearbeitet werden. Insbesondere der enge Begriff des Verwaltungsakts beschränkt den sachlichen Anwendungsbereich des internen Überprüfungsverfahrens signifikant. Diese Zugangsrestriktion des internen Überprüfungsverfahrens schlägt auf die Reichweite der Klage durch. Denn die gerichtliche Überprüfung ist von dem internen Überprüfungsverfahren abhängig. An dem tatsächlichen Beitrag der Århus-VO zur Durchsetzung des Umweltrechts sind deshalb Zweifel angebracht.1045

B. Vereinbarkeit der Århus-VO mit dem Primärrecht Die Århus-VO erweitert die Möglichkeiten für Umweltverbände, Zugang zu den Unionsgerichten in Umweltangelegenheiten zu erhalten. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob die partielle Lockerung des Zugangs mit den primärrechtlichen Restriktionen vereinbar ist. Insbesondere steht der Vorwurf im Raum, der Sekundärrechtsgeber umgehe mit der Århus-VO die Restriktionen des primärrechtlichen Zugangs.1046 Ausgehend von Überlegungen zur grundsätzlichen Zulässigkeit einer Rechtsschutzgewährung durch Sekundärrecht soll im Folgenden das Rechtsschutzmodell der Århus-VO auf seine Vereinbarkeit mit dem Primärrecht untersucht werden. Daraus können dann allgemeine Schlüsse für ein Modell der Rechtsschutzgewährung durch Sekundärrecht gezogen werden.

1044 S. Generalanwalt Szpunar, Schlussanträge v. 17.10.2018, TestBioTech u. a. / ​Kommission, Rs. C-82/17, EU:C:2018:837, Rn. 37. 1045 S. auch N. de Sadeleer / ​C. Poncelet, Protection against Acts Harmful to Human Health and the Environment Adopted by the EU Institutions, CYELS 14 (2011–2012), 177 (206); H. Schoukens, Articles 9(3) and 9(4) of the Aarhus Convention and Access to Justice before EU Courts in Environmental Cases, Eur. Energy & Envtl. L. Rev. 25 (2016), 178 (178). 1046 Kritisch etwa M. Breuer, Die Klagebefugnis von Umweltverbänden unter Anpassungsdruck des Völker- und Europarechts, Die Verwaltung 45 (2012), 171 (202 f.); C. Walter, Beteiligungsrechte im Verwaltungsverfahren und Zugang zu Gerichten, in: Durner / ​Walter (Hrsg.), Rechtspolitische Spielräume, 2005, S. 7 (18); T. Rademacher, Realakte im Rechtsschutzsystem der Europäischen Union, 2014, S. 161.

Kap. 5: Rechtsschutz nach der Århus-VO

277

I. Grundsätzliche Zulässigkeit der Rechtsschutzgewährung durch Sekundärrecht Erster Anlaufpunkt für Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht der Union ist das Primärrecht, das etwa mit der Individualnichtigkeitsklage in Art. 263 Abs. 4 AEUV, der dazu spiegelbildlichen Untätigkeitsklage in Art. 265 Abs. 3 AEUV sowie der Schadensersatzklage nach Art. 268 AEUV Rechtsschutzmöglichkeiten für die Einzelnen eröffnet. Daraus kann jedoch nicht der Schluss gezogen werden, dass eine Rechtsschutzgewährung durch das Sekundärrecht prinzipiell schon deshalb ausfiele, einfach weil sie nicht der „bisherigen Regelungssystematik“1047 entspreche. Mit anderen Worten ist dem Primärrecht keine grundsätzliche Sperrwirkung gegenüber sekundärrechtlich begründetem Rechtsschutz zu entnehmen. Dazu sollen im Folgenden einige Gründe angeführt werden. 1. Umfassender effektiver Rechtsschutz als Anliegen der Union Die grundsätzliche Zulässigkeit auch sekundärrechtlich begründeten Rechtsschutzes lässt sich daran erkennen, dass aus den Verträgen die Gewährung umfassenden effektiven Rechtsschutzes als Anliegen der Union klar hervorgeht. Prominenteste Ausprägung des Rechts auf effektiven Rechtsschutz in der Union ist Art. 47 GRCh.1048 Die Wirkung der Rechtsschutzgarantie ist nicht auf das primärrechtliche Prozessrecht beschränkt, sondern gilt für den gesamten Rechtsschutzverbund.1049 Für Art. 47 GRCh ist es deshalb zunächst irrelevant, ob Rechtsschutz über primär- oder sekundärrechtliches Prozessrecht oder gar die mitgliedstaatlichen Gerichte gewährt wird –  es zählt nur das Ergebnis.1050 In diesem Sinne ist auch der Gerichtshof zu verstehen, der zur Rechtfertigung von Beschränkungen im primärrechtlichen Prozessrecht regelmäßig auf die Verantwortung der Mitgliedstaaten zur Gewährung von Rechtsschutz

1047

C. Last, Garantie wirksamen Rechtsschutzes gegen Maßnahmen der Europäischen Union, 2008, S. 84. 1048 S. dazu schon oben unter Teil 2. Kapitel 4. C. II. 4. b) aa) (S. 213 ff.). 1049 Auch die mitgliedstaatlichen Gerichte sind bei der Durchführung des Unionsrechts gem. Art. 51 Abs. 1 GRCh an die Charta und damit an Art. 47 GRCh gebunden. Indes nennt E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband II, 2018, S. 857 in diesem Zusammenhang nur die Direktklagen, was zu kurz greift. 1050 T. Rademacher, Realakte im Rechtsschutzsystem der Europäischen Union, 2014, S. 173; für die Einbeziehung sekundärrechtlichen Prozessrechts ebenso H. Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, 3. Aufl. 2013, Art. 19 IV Rn. 27; unter der Voraussetzung, dass die Union (speziell) zum Erlass sekundärrechtlichen Prozessrechts ermächtigt ist auch M. Schröder, Neuerungen im Rechtsschutz der Europäischen Union durch den Vertrag von Lissabon, DÖV 2009, 61 (62); J. Vondung, Die Architektur des europäischen Grundrechtsschutzes nach dem Beitritt der EU zur EMRK, 2012, S. 73.

278

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

verweist.1051 Schon Art. 47 GRCh spricht damit gegen eine Beschränkung der Rechtsschutzgewährung auf primärrechtliches Prozessrecht. Vielmehr nimmt er eine ganzheitliche Perspektive ein, die offen für verschiedene Formen der Rechtsschutzgewährung ist. Die Reichweite von Art. 47 GRCh ist auf die Garantie gerichtlichen Rechtsschutzes beschränkt.1052 Dies schmälert das Argument jedoch nicht, schließlich gelten über Art. 6 Abs. 3 EUV auch Art. 6 und 13 EMRK als allgemeine Grundsätze des Unionsrechts. Ihre Reichweite geht über den reinen Gerichtsschutz hinaus.1053 Umfassender effektiver Rechtsschutz als Anliegen der Union spricht damit gegen einen grundsätzlichen Ausschluss sekundärrechtlicher Rechtsschutzgewährung. 2. Ermächtigungsklauseln für sekundärrechtlich begründeten Rechtsschutz Ein weiteres Argument gegen eine vermeintliche Sperrwirkung des primärrechtlichen Rechtsschutzes liefern ausdrücklich in den Verträgen vorgesehene Öffnungsklauseln für sekundärrechtlichen Rechtsschutz. Zunächst sieht Art. 263 Abs. 5 AEUV vor, dass Gründungsverordnungen europäischer Einrichtungen oder sonstiger Stellen auch Rechtsschutzbestimmungen für Individualklagen vorsehen können.1054 Damit ermöglicht Art. 263 Abs. 5 AEUV sogar ein Abweichen von den Kriterien von Art. 263 Abs. 4 AEUV kraft sekundärrechtlicher Anordnung.1055 Dies zeugt von einem sehr umfassenden Aktionsradius des Verordnungsgebers bei der Ausgestaltung sekundärrechtlichen Rechtsschutzes, insbesondere vor dem Hintergrund der Restriktionen des Art. 263 Abs. 4 AEUV. Ihre Rechtfertigung finden die weitreichenden Kompetenzen des Verordnungsgebers in diesem Fall über die ausdrückliche primärrechtliche Öffnungsklausel.

1051 S. EuGH, Urt. v. 01.04.2004, Kommission / ​Jégo-Quéré, Rs. C-263/02 P, EU:C:2004:210, Slg. 2004 I-3425, Rn. 31 f.; so auch schon in EuGH, Urt. v. 25.07.2002, Unión de Pequeños Agricultores / ​Rat, Rs. C-50/00 P, EU:C:2002:462, Slg. 2002 I-6619, Rn. 41 f.; bestätigt durch EuGH, Urt. v. 03.10.2013, Inuit Tapiriit Kanatami u. a. / ​Parlament und Rat, Rs.  C-583/11 P, EU:C:2013:625, Rn. 100 ff. 1052 S. nur R. Streinz, in: Streinz (Hrsg.), EUV / ​AEUV, 3. Aufl. 2018, Art. 47 GRCh Rn. 1; S. Lemke, in: Groeben u. a. (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl. 2015, Art. 47 GRCh Rn. 4. 1053 T. Rademacher, Realakte im Rechtsschutzsystem der Europäischen Union, 2014, S. 171; s. auch A. Eser, in: Meyer (Hrsg.), GRCh, 4. Aufl. 2014, Art. 47 GRCh Rn. 3. 1054 Für T. Rademacher, Realakte im Rechtsschutzsystem der Europäischen Union, 2014, S. 328 handelt es sich bei Art. 263 Abs. 5 AEUV um eine „veritable Öffnungsklausel für sekundärrechtliches Prozessrecht“. 1055 W.  Cremer, in: Calliess / ​Ruffert (Hrsg.), EUV / ​AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 263 AEUV Rn. 77. S. dazu die Beispiele bei O. Dörr, in: Grabitz u. a. (Hrsg.), EUV / ​AEUV, Art. 263 AEUV (November 2012) Rn. 114 Fn. 6, die veranschaulichen, dass teilweise eine einfache Beschwer, wie etwa ein abgelehnter Antrag, ausreicht.

Kap. 5: Rechtsschutz nach der Århus-VO

279

Ein weiteres Beispiel einer primärrechtlichen Öffnungsklausel für sekundärrechtliches Prozessrecht lässt sich in Art. 270 AEUV für Klagen von Beamten der Union in dienstrechtlichen Angelegenheiten finden. Die Rechtstellung der Beamten wird maßgeblich durch das Beamtenstatut1056 bestimmt, das nach Art. 336 AEUV den Charakter einer Verordnung besitzt. Auf diese Verordnung nimmt Art. 270 AEUV Bezug und ordnet die Zuständigkeit des Gerichtshofs für alle Klagen von Unionsbeamten und Bediensteten „innerhalb der Grenzen und nach Maßgaben der Bedingungen“ des Beamtenstatuts an. Es geht hier nicht um die Details zu diesen Öffnungsklauseln, sondern ums Grundsätzliche: Die Einführung sekundärrechtlicher Rechtsschutzmöglichkeiten ist auch den Verträgen nicht unbekannt. 3. Vorverfahren im Eigenverwaltungsrecht Rechtsschutz gegen Verwaltungshandeln muss nicht allein die Aufgabe von Gerichten sein. Er kann auch vorgelagert durch die Verwaltungsträger selbst erfolgen, wie es der deutsche Verwaltungsrechtsschutz jedenfalls im Grundsatz in den §§ 68 ff. VwGO für Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen vorsieht.1057 Gleiches ist für den Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht der Union denkbar. Auch hier ist behördeninterne Rechtsschutzgewährung nicht gänzlich unbekannt.1058 Im Lissabonner Vertrag findet sich behördeninterner Rechtsschutz jedoch nur vereinzelt. So verpflichtet Art. 259 Abs. 2 AEUV die Mitgliedstaaten, vor einem Vertragsverletzungsverfahren gegen einen anderen Mitgliedstaat ein Vorverfahren anzuregen. Ähnliches gilt für die Anstrengung eines Vertragsverletzungsverfahrens durch die Kommission nach Art. 258 AEUV. Dieser verpflichtet die Kommission vor einer Klage zur Übermittlung einer Stellungnahme an den betreffenden Mitgliedstaat, um diesem innerhalb einer Frist zu ermöglichen, den Forderungen der Kommission nachzukommen. Für Individualkläger ist im Primärrecht jedoch lediglich das Vorverfahren im Rahmen der Untätigkeitsklage nach Art. 265 Abs. 2 AEUV obligatorisch.1059 Dies zeigt, dass verwaltungsinterner Rechtsschutz für Indivi-

1056 Verordnung (EWG, Euratom, EGKS) Nr. 259/68 des Rates vom 29. Februar 1968 zur Festlegung des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften und der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten dieser Gemeinschaften sowie zur Einführung von Sondermaßnahmen, die vorübergehend auf die Beamten der Kommission anwendbar sind (Statut der Beamten), ABl. L 56 v. 04.03.1968, S. 1 ff. 1057 S. dazu etwa G. Sydow / ​S. Neidhardt, Verwaltungsinterner Rechtsschutz, 2007, S. 21 ff. 1058 Schon in den Vorentwürfen zum EGKS-Vertrag wurde erwogen, die Zuständigkeit zur Rechtsschutzgewährung der Hohen Behörde zu überantworten, was letztlich auf eine Form von behördeninternem Rechtsschutz hinausgelaufen wäre, s. dazu T. Tohidipur, Europäische Gerichtsbarkeit im Institutionensystem der EU, 2008, S. 18 f. 1059 C. Nowak, Rechtsschutz im europäischen Verwaltungsrecht, in: Terhechte (Hrsg.), VwR der EU, 2011, § 13, Rn. 38.

280

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

dualkläger im Unionsprimärrecht nicht wirklich ausgeprägt ist.1060 Das Unionsrecht folgt vielmehr dem „Gerichtsmodell“1061 ohne vorangehende behördeninterne Überprüfung. Das Fehlen nennenswerter Vorverfahren im Primärrecht bedeutet jedoch nicht, dass ihre Einführung über das Sekundärrecht ausgeschlossen wäre.1062 Beispiele für sekundärrechtlich eingeführte Vorverfahren finden sich für europäische Dienststreitigkeiten in Art. 90 Abs. 2 des schon angesprochenen Beamtenstatuts1063 oder der Einrichtung einer Widerspruchskammer in Art. 90 ff. der REACH-VO1064. Ein grundsätzlicher Ausschluss verwaltungsinternen Rechtsschutzes lässt sich dem Primärrecht nicht entnehmen. Gerade im Sekundärrecht lässt sich eine Bedeutungs­ zunahme von Vorverfahren feststellen.1065 Auch diese Entwicklung spricht dafür, dass eine Rechtsschutzgewährung durch Sekundärrecht nicht grundsätzlich gesperrt ist. In diese Entwicklungslinie reiht sich auch die Århus-VO ein. II. Zulässigkeit des Rechtsschutzmodells der Århus-VO Die grundsätzliche Zulässigkeit sekundärrechtlichen Rechtsschutzes sagt jedoch noch nichts über mögliche Grenzen aus. Probleme können sich insbesondere dann ergeben, wenn die Einführung sekundärrechtlichen Rechtsschutzes dazu dient, Voraussetzungen des Primärrechts außer Kraft zu setzen.1066 Bedenken in dieser Hinsicht bestehen auch für die Wirkungsweise der Århus-VO durch die Erweiterung des Zugangs zu den Unionsgerichten. Dadurch gerät die Århus-VO in eine Konfliktlage zu dem restriktiven Zugang im Primärrecht unter Maßgabe der Plaumann-Rechtsprechung des Gerichtshofs. 1060

In diese Richtung auch T. Groß, Konvergenzen des Verwaltungsrechtsschutzes in der Europäischen Union, Die Verwaltung 33 (2000), 415 (424 f.). Zur Herleitung eines Gebots zur Gewährung verwaltungsinternen Rechtsschutzes gegenüber Handlungen von Agenturen zur Kommission G. Sydow / ​S. Neidhardt, Verwaltungsinterner Rechtsschutz, 2007, S. 121 ff. Allgemeine Überlegungen zu behördeninternem Rechtsschutz gegen das Handeln der Kommission bei O. Streckert, Verwaltungsinterner Unionsrechtsschutz, 2016, S. 126 ff. 1061 G. Sydow / ​S. Neidhardt, Verwaltungsinterner Rechtsschutz, 2007, S. 149. 1062 G. Sydow / ​S. Neidhardt, Verwaltungsinterner Rechtsschutz, 2007, S. 121. 1063 S. T. Groß, Konvergenzen des Verwaltungsrechtsschutzes in der Europäischen Union, Die Verwaltung 33 (2000), 415 (424 f.); G. Sydow / ​S. Neidhardt, Verwaltungsinterner Rechtsschutz, 2007, S. 123 ff. 1064 Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH), zur Schaffung einer Europäischen Agentur für chemische Stoffe, zur Änderung der Richtlinie 1999/45/EG und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 793/93 des Rates, der Verordnung (EG) Nr. 1488/94 der Kommission, der Richtlinie 76/769/EWG des Rates sowie der Richtlinien 91/155/EWG, 93/67/EWG, 93/105/EG und 2000/21/EG der Kommission, ABl. L 396 v. 30.12.2006, S. 1 ff. 1065 S. dazu G. Sydow / ​S. Neidhardt, Verwaltungsinterner Rechtsschutz, 2007, S. 117; T. Rademacher, Realakte im Rechtsschutzsystem der Europäischen Union, 2014, S. 326. 1066 S. T. Rademacher, Realakte im Rechtsschutzsystem der Europäischen Union, 2014, S. 328.

Kap. 5: Rechtsschutz nach der Århus-VO

281

1. Vorwurf der Umgehung des Primärrechts durch die Århus-VO Zunächst lässt sich ein Konflikt auf rein normhierarchischer Ebene fest­stellen. Als Sekundärrecht nimmt die Århus-VO nicht nur einen Rang unterhalb des Völker­vertragsrechts, sondern auch unterhalb des Primärrechts ein.1067 Die sich daraus ergebende Problematik hat das Gericht im Beschluss EEB folgender­maßen beschrieben: „Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass es die Grundsätze der Normenhierarchie […] nicht zulassen, dass eine Maßnahme des abgeleiteten Rechts Einzelnen, die nicht die Erfordernisse des Artikels 230 Absatz 4 EG erfüllen, eine Klagebefugnis verleiht.“1068

In der Tat bewirkt die Århus-VO aber auf den ersten Blick genau das: eine Erweiterung der Klagebefugnis. Die Århus-VO, so kann man meinen, verschafft den Umweltverbänden einen Zugang zu den Unionsgerichten in Fällen, in denen sie normalerweise an der Zugangshürde der Plaumann-Formel scheitern würden.1069 Vor diesem Hintergrund muss das Regelungskonzept der Århus-VO skeptisch stimmen.1070 Die Kommission scheint sich dieser Problemlage bewusst gewesen zu sein, als sie den Verordnungsvorschlag zur Århus-VO entwarf. Denn dort stellt die Kommission fest: „Für die Angleichung des Gemeinschaftsrechts an die Bestimmungen von Artikel 9 Absatz 3 des Übereinkommens betreffend den Zugang zu den Gerichten wurde es nicht als sinnvolle Option erachtet, ein Recht auf Zugang zu den Gerichten in Umweltangelegenheiten für jede natürliche und juristische Person einzuführen. Dies würde eine Änderung der Artikel 230 und  232 des EG-Vertrags implizieren, was nicht durch sekundäre Rechtsvorschriften erfolgen kann. Der jetzige Vorschlag sieht eine Begrenzung der Klagebefugnis auf Umweltorganisationen auf europäischer Ebene vor, die eine Reihe von Bedingungen erfüllen: die ‚qualifizierten Einrichtungen‘.“1071 1067

S. nur M. Nettesheim, Normenhierarchien im EU-Recht, EuR 2006, 737 (746); M. Ruffert, in: Calliess / ​Ruffert (Hrsg.), EUV / ​AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 288 AEUV Rn. 8; M. Geismann, in: von der Groeben u. a. (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl. 2015, Art. 288 AEUV Rn. 25; F. Müller / ​R. Christensen, Juristische Methodik, Band II, 2012, S. 440 f. (Rn. 542). 1068 EuG, Beschl. v. 28.11.2005, EEB u. a. / ​Kommission, T-94/04, EU:T:2005:425, Slg. 2005 II-4919, Rn. 67. 1069 S. etwa Generalanwalt Szpunar, Schlussanträge v. 17.10.2018, TestBioTech u. a. / ​Kommission, Rs. C-82/17, EU:C:2018:837, Rn. 36. 1070 Kritisch M.  Breuer, Die Klagebefugnis von Umweltverbänden unter Anpassungsdruck des Völker- und Europarechts, Die Verwaltung 45 (2012), 171 (202 f.); J. Jans, Did Baron von Munchhausen ever Visit Aarhus?, in: Macrory (Hrsg.), Reflections on 30 Years of EU Environmental Law, 2005, S. 475 (483 f.); L. Coutron, Révolution dans le contentieux de l’environnement: feue la jurisprudence Plaumann!, RTD Eur. 2012, 607 (613 f.); E. Rehbinder, Rechtsschutz gegen Handlungen und Unterlassungen der Organe und Einrichtungen der Europäischen Gemeinschaft in: Gaitanides u. a. (Hrsg.), FS Zuleeg, 2005, S. 650 (663 f.); s. auch J. Bétaille, Accès à la justice de l’union européenne, R. J. E. 36 (2011), 547 (559); P. Wennerås, The Enforcement of EC Environmental Law, 2007, S. 215. 1071 Vorschlag für eine Verordnung KOM(2003) 622 endg. v. 24.10.2003, S. 17.

282

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

Diese Begründung trägt jedoch nicht. Wenn die Prämisse der Kommission ist, dass ein Abweichen vom Primärrecht nicht möglich ist, dann gilt dies auch für ein teilweises Abweichen.1072 Es entsteht jedoch der Eindruck, dass die Vorschaltung des internen Überprüfungsverfahrens nur dem Zweck dient, den Umweltverbänden die ansonsten fehlende Klagebefugnis zu verschaffen und so die primärrechtlichen Restriktionen gezielt zu umgehen.1073 Dies soll auch für Bedenken beim juristischen Dienst des Rates im Rechtssetzungsverfahren gesorgt haben.1074 2. Gründe für die Zulässigkeit des Regelungsmodells der Århus-VO Auf den ersten Blick spricht viel für einen Konflikt zwischen der Århus-VO und dem primärrechtlichen Prozessrecht. Dies belegen schon die Ausführungen der Kommission, die ganz offensichtlich einen Weg suchte, die Anforderungen der Århus-Konvention an den Rechtsschutz mit dem primärrechtlichen Prozessrecht kompatibel zu machen. Es ist jedoch zweifelhaft, ob die Annahme einer unzulässigen Umgehung, die die Unionsrechtswidrigkeit der entsprechenden Bestimmungen der Århus-VO zur Folge hätte, wirklich zutrifft. Schon rechtspolitisch wäre sie nicht wünschenswert, würde sie doch den Versuch konterkarieren, den Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht mit den Vorgaben der Århus-Konvention zu harmonisieren. Abgesehen davon sprechen jedoch gute Gründe für die Zulässigkeit des Regelungsmodells der Århus-VO. 1072 M. Breuer, Die Klagebefugnis von Umweltverbänden unter Anpassungsdruck des Völkerund Europarechts, Die Verwaltung 45 (2012), 171 (203). Deshalb überzeugt auch die Erklärung bei S. Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz, 2008, S. 528 und ähnlich bei A. Keessen, Reducing the Judicial Deficit in Multilevel Environmental Regulation, in: Føllesdal u. a. (Hrsg.), Multilevel Regulation and the EU, 2008, S. 323 (338) sowie E. Rehbinder, Rechtsschutz gegen Handlungen und Unterlassungen der Organe und Einrichtungen der Europäischen Gemeinschaft in: Gaitanides u. a. (Hrsg.), FS Zuleeg, 2005, S. 650 (664) nicht, die schon deswegen keinen Grund für Bedenken sehen, weil die Århus-VO den Kreis der Antragssteller nur punktuell ausweite. Gleiches gilt für A. Guckelberger, Die EG-Verordnung zur Umsetzung der AarhusKonvention auf der Gemeinschaftsebene, NuR 2008, 78 (86), die sich darauf zurückzieht, dass die Århus-VO nicht generell die Unterscheidung zwischen privilegierten und nicht-privilegierten Klägern aushebele. Anders als hier wohl auch E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband II, 2018, S. 1057. 1073 S. C. Walter, Beteiligungsrechte im Verwaltungsverfahren und Zugang zu Gerichten, in: Durner / ​Walter (Hrsg.), Rechtspolitische Spielräume, 2005, S. 7 (18); T. Rademacher, Realakte im Rechtsschutzsystem der Europäischen Union, 2014, S. 161; dagegen A. Guckelberger, Die EG-Verordnung zur Umsetzung der Aarhus-Konvention auf der Gemeinschaftsebene, NuR 2008, 78 (86); S. Pernice-Warnke, Effektiver Zugang zu Gericht, 2009, S. 174; S. Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz, 2008, S. 417; J. Ruthig, Die Konzeption des subjektiven öffentlichen Rechts im Gemeinschaftsrecht, in: Kluth / ​Rennert (Hrsg.), Entwicklungen im Verwaltungs­ prozessrecht, 2009, S. 35 (49 Fn. 71). 1074 Davon berichten M. Pallemaerts, Access to Environmental Justice at EU Level, in: Palle­ maerts (Hrsg.), The Aarhus Convention at Ten, 2011, S. 271 (289) und H. Schoukens, Articles 9(3) and 9(4) of the Aarhus Convention and Access to Justice before EU Courts in Environmental Cases, Eur. Energy & Envtl. L. Rev. 25 (2016), 178 (194).

Kap. 5: Rechtsschutz nach der Århus-VO

283

a) Unabhängigkeit des internen Überprüfungsverfahrens Der Vorwurf der Umgehung setzt die Identität des nicht unmittelbar nach Art. 263 Abs. 4 AEUV angreifbaren und des schließlich durch die Århus-VO zu den Unionsgerichten gelangenden Rechtsaktes voraus. Dies verkennt jedoch die Regelungssystematik der Århus-VO. So schafft die Århus-VO zunächst nur ein behördliches Rechtsschutzverfahren. Diese behördeninterne Überprüfung tangiert das Primärrecht nicht. Gegenstand des von Art. 12 Århus-VO vorgesehenen gerichtlichen Verfahrens ist der das interne Überprüfungsverfahren abschließende Beschluss.1075 Damit besteht keine Identität zwischen der ursprünglichen Maßnahme und der von den Unionsgerichten überprüften. Das Verfahren zum Erlass des Verwaltungsakts ist vom Widerspruchsverfahren getrennt.1076 Die Trennung setzt sich im Ergebnis des gerichtlichen Verfahrens fort: Eine potenzielle Nichtigerklärung betrifft nur den das interne Überprüfungsverfahren abschließenden Beschluss, nicht jedoch die ursprüngliche Maßnahme. Die Århus-VO schafft damit keinen Zugang zu den Unionsgerichten für einen Rechtsakt, dessen Überprüfung nach dem Primärrecht nicht möglich ist.1077 Aus diesem Grund handelt es sich auch nicht um eine Umgehung des primärrechtlichen Prozessrechts. b) Keine Befreiung von der Erfüllung der primärrechtlichen Voraussetzungen Eine Umgehung läge darin, die Umweltverbände durch die Århus-VO von der Darlegung der Voraussetzungen von Art. 263 Abs. 4 AEUV zu entbinden. Dies würde einem Aushebeln der primärrechtlichen Voraussetzungen gleichkommen. Eine solche Wirkung entfaltet die Århus-VO jedoch nicht. Art. 12 Århus-VO wirkt nicht konstitutiv für die Eröffnung des Gerichtszugangs. Bei Art. 12 Århus-VO handelt es sich lediglich um eine Rechtsgrundverweisung auf Art. 263 Abs. 4 AEUV bzw. Art. 265 Abs. 3 AEUV.1078 Die Århus-VO befreit daher die Verbände nicht davon, die primärrechtlichen Voraussetzungen zu erfüllen.1079

1075

S. dazu oben unter Teil 2. Kapitel 5. A. II. 2. (S. 267 ff.). S. dazu ebenfalls oben unter Teil 2. Kapitel 5. A. II. 2. (S. 267 ff.). Dagegen E. Reh­binder, Zum Rechtsschutz Dritter im europäischen Chemikalienrecht, in: Ipsen / ​Stüer (Hrsg.), FS Rengeling, 2008, S. 383 (394). 1077 V. Paskalev, Losing the Battle, but Winning the War?, EJRR 8 (2017), 580 (584 f.) weist zutreffend darauf hin, dass es im gerichtlichen Verfahren um eine Überprüfung der der ursprünglichen Entscheidung zugrundeliegenden Gründe geht, nicht jedoch um eine Überprüfung der ursprünglichen Entscheidung selbst. 1078 S. oben unter Teil 2. Kapitel 5. A. II. 1. b) (S. 265 ff.). 1079 So auch J. Ruthig, Die Konzeption des subjektiven öffentlichen Rechts im Gemeinschaftsrecht, in: Kluth / ​Rennert (Hrsg.), Entwicklungen im Verwaltungsprozessrecht, 2009, S. 35 (49 Rn. 71); S. Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz, 2008, S. 524; s. auch E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband II, 2018, S. 1057. 1076

284

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

Sieht man den Verband, wie hier, als Adressaten eines Beschlusses an, ergibt sich die Klagebefugnis aus Art. 263 Abs. 4 Var. 1 AEUV.1080 Hält man dagegen das interne Überprüfungsverfahren für einen Teil des ursprünglichen Verwaltungsverfahrens, das zu dem Erlass des angefochtenen Verwaltungsakts geführt hat, folgt die Klagebefugnis aus Art. 263 Abs. 4 Var. 2 AEUV.1081 In diesem Fall macht sich der Verordnungsgeber die etablierte Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Individualisierung durch Verfahrensbeteiligung zunutze.1082 Für beide Alternativen gilt, dass der Umweltverband nicht davon befreit ist, die Erfüllung der Voraussetzungen der Nichtigkeitsklage darzulegen. Damit fügt sich die Århus-VO in das primärrechtliche Rechtsschutzsystem ein, ohne dessen Voraussetzungen zu konterkarieren.1083 Dies wahrt die Normenhierarchie des Unionsrechts.1084 c) Ausgestaltungsbefugnisse des Sekundärrechtsgebers Es mag sein, dass durch die spezifische Konstruktion des behördeninternen Überprüfungsverfahrens die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Individualnichtigkeitsklage erfüllt werden. Doch damit ist der Vorwurf einer möglichen Umgehung noch nicht ausgeräumt. Schließlich gründet der Vorwurf der Umgehung gerade darauf, dass die mit der Århus-VO gewählte Konstruktion nur dem Zweck dient, die Zulässigkeitsvoraussetzungen gezielt zu erfüllen. Ohne die Einführung des internen Überprüfungsverfahrens durch die Århus-VO wäre den Umweltverbänden ein Zugang zu den Unionsgerichten verwehrt. Die Ausgestaltung des Sekundärrechts beeinflusst in diesem Fall ganz entscheidend die Reichweite des primärrechtlich bestimmten Zugangs zu den Unionsgerichten. Dabei handelt es sich jedoch nicht um ein Problem. Der primärrechtliche Zugang zu den Unionsgerichten ist im Gegenteil ohne die Ausgestaltung durch das Sekun 1080 S. oben unter Teil 2. Kapitel 5. A. II. 1. b)  (S. 265 ff.). Dagegen sieht E.  Rehbinder, Rechtsschutz gegen Handlungen und Unterlassungen der Organe und Einrichtungen der Europäischen Gemeinschaft in: Gaitanides u. a. (Hrsg.), FS Zuleeg, 2005, S. 650 (663) gerade hier eine Umgehungsproblematik, da es sich bei der Klagebefugnis aufgrund der Adressateneigenschaft nach Art. 263 Abs. 4 Var. 1 AEUV um eine typisierte Form der unmittelbaren und individuellen Betroffenheit handele. Die hier vertretene Ansicht geht jedoch davon aus, dass nicht der ursprüngliche Verwaltungsakt, sondern die Antwort Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens ist. Vor diesem Hintergrund bestehen keine Bedenken vor einer Klagebefugnis des Verbandes, auch nicht auf Basis der Annahme einer typisierten Betroffenheit. 1081 So etwa E. Rehbinder, Zum Rechtsschutz Dritter im europäischen Chemikalienrecht, in: Ipsen / ​Stüer (Hrsg.), FS Rengeling, 2008, S. 383 (393). Zu dieser Frage ausführlich oben unter Teil 2. Kapitel 5. A. II. 1. b) (S. 265 ff.) sowie Teil 2. Kapitel 5. A. II. 2. (S. 267 ff.). 1082 S. S. Schlacke, in: Gärditz (Hrsg.), VwGO, 2. Aufl. 2018, Nach § 42 VwGO Überindividueller Rechtsschutz im Verwaltungsprozess Rn. 25, 29. 1083 S. Schlacke, in: Gärditz (Hrsg.), VwGO, 2. Aufl. 2018, Nach § 42 VwGO Überindividueller Rechtsschutz im Verwaltungsprozess Rn. 31. 1084 S. Pernice-Warnke, Effektiver Zugang zu Gericht, 2009, S. 174; S. Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz, 2008, S. 528.

Kap. 5: Rechtsschutz nach der Århus-VO

285

därrecht gar nicht denkbar. Dies wird mit Blick auf die drei Varianten von Art. 263 Abs. 4 AEUV deutlich: Prüfungsgegenstand der Nichtigkeitsklage kann schon rein normlogisch nur Sekundärrecht sein. Die Nichtigkeitsklage nach Art. 263 Abs. 4 AEUV setzt damit immer Sekundärrechtsakte voraus, etwa solche, die eine Adressateneigenschaft verleihen, den Kläger unmittelbar und individuell betreffen oder solche mit Verordnungscharakter. Der Sekundärrechtsgeber hat es also letztlich immer in der Hand, den Kreis der Kläger zu bestimmen, die nach Art. 263 Abs. 4 AEUV klagebefugt sein sollen. Dies ist nicht verwerflich, sondern illustriert das gängige Zusammenspiel von Primär- und Sekundärrecht bei der Klagebefugnis.1085 Überlegungen zum Kreis der Kläger dürften für den Sekundärrechtsgeber immer eine Rolle im Rechtsetzungsprozess spielen. Nichts anderes ist auch im Fall der Århus-VO geschehen. Eine Rechtfertigung für den Vorwurf der Umgehung erwächst daraus nicht. 3. Ergebnis Das Regelungskonzept der Århus-VO ist mit dem Primärrecht vereinbar. Insbesondere trifft der Vorwurf einer Umgehung der Restriktionen des primärrechtlichen Gerichtszugangs nicht zu. III. Rückschlüsse für die Rechtsschutzgewährung durch Sekundärrecht als Modell Aus den Hinweisen zur grundsätzlichen Zulässigkeit sekundärrechtlicher Rechtsschutzgewährung und der speziellen Konzeption der Århus-VO lassen sich einige allgemeine Schlüsse über Grenzen und Ausgestaltungsmöglichkeiten sekundärrechtlichen Prozessrechts ableiten. 1085

E. Rehbinder, Zum Rechtsschutz Dritter im europäischen Chemikalienrecht, in: Ipsen / ​ Stüer (Hrsg.), FS Rengeling, 2008, S. 383 (391); M. Breuer, Die Klagebefugnis von Umweltverbänden unter Anpassungsdruck des Völker- und Europarechts, Die Verwaltung 45 (2012), 171 (203); s. auch C. Walter, Internationalisierung des deutschen und Europäischen Verwaltungsverfahrens- und Verwaltungsprozessrechts, EuR 2005, 302 (319 ff.); T. Rademacher, Realakte im Rechtsschutzsystem der Europäischen Union, 2014, S. 161 f., 325 ff.; s. auch E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband II, 2018, S. 1055. So verstanden stimmt es auch, wenn S. Schlacke, Rechtsschutz durch europäische und nationale Gerichte unter Einschluss des Europäischen Bürgerbeauftragten in seiner Funktion zur Sicherung des Informationszugangs, UTR 108 (2011), 271 (293) davon spricht, der Sekundärrechtsgeber habe die Befugnis, die „Entwicklungsoffenheit des Primärrechts sekundärrechtlich [auszugestalten]“. Gleiches gilt für die Aussage von A. Guckelberger, Die EG-Verordnung zur Umsetzung der Aarhus-Konvention auf der Gemeinschaftsebene, NuR 2008, 78 (86), das Primärrecht sei in gewissem Maße entwicklungsoffen angelegt. Allgemein für die Zulässigkeit einer solchen Herangehensweise S. Schikhof, Direct and Individual Concern in Environmental Cases, EELR 1998, 276 (280 f.); B. Ahrens, Die Klagebefugnis von Verbänden im Europäischen Gemeinschaftsrecht, 2002, S. 210 f.

286

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

1. Keine direkte Aufhebung einer Zulässigkeitsvoraussetzung Zunächst darf sekundärrechtliches Prozessrecht nicht dazu dienen, eine sich aus den Verträgen ergebende Zulässigkeitsvoraussetzung direkt aufzuheben. Eine Verordnung, die etwa die Erhebung einer Individualnichtigkeitsklage zulässt, ohne dass die Kläger eine individuelle Betroffenheit nachweisen müssten, wäre nicht mit dem Primärrecht vereinbar. In diesem Sinne kann von einer Sperrwirkung des primärrechtlichen Prozessrechts gesprochen werden. Zum einen lässt sich dies aus der Rechtsprechung der Unionsgerichte in den Fällen Les Verts und Sogelma ableiten. In beiden Fällen hat der Gerichtshof rechtsfortbildend Klagemöglichkeiten geschaffen, die so nicht in den Verträgen vorgesehen waren. Im Fall Les Verts hat der Gerichtshof eine Nichtigkeitsklage gegen eine Handlung des Europäischen Parlaments für zulässig erachtet, obwohl dies nach dem damaligen Wortlaut der Verträge nicht vorgesehen war.1086 Ganz ähnlich verfuhr das Gericht vor der Einführung von Art. 263 Abs. 5 AEUV bei der Ermöglichung von Nichtigkeitsklagen gegen das Handeln der Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union im Fall Sogelma.1087 Auch hier schuf das Gericht rechtsfortbildend eine Möglichkeit, gegen Handlungen der Agenturen zu klagen. Was unterscheidet nun aber die Konstellationen der Urteile Les Verts und Sogelma von den Fällen Jégo-Quéré und Unión de Pequeños Agricultores, in denen sich der Gerichtshof jeglicher Rechtsfortbildung ganz vehement verweigerte?1088 Während die Rechtsfortbildung in den Fällen Sogelma und Les Verts lediglich Lücken füllte, also zusätzliche Rechtsschutzoptionen schuf, die so in den Verträgen gar nicht vorgesehen waren, ging es in der letztgenannten Gruppe von Fällen um Rechtsfortbildung von bestehenden Tatbestandsmerkmalen.1089 Dies lässt sich auf die Zulässigkeit von sekundärrechtlichem Prozessrecht übertragen: Sekundärrechtliches Prozessrecht kann ganz problemlos Lücken füllen, also Rechtsschutz in Fällen gewähren, in denen ansonsten keine Rechtsschutzoptionen vorgesehen sind; soweit jedoch die Verträge Hürden aufstellen, kann auch sekundärrechtliches Prozessrecht diese nicht einfach aufheben.1090 Zum anderen ergibt sich dies aus den schon angesprochenen primärrechtlichen Öffnungsklauseln. Wenn über Art. 263 Abs. 5 AEUV auch sekundärrechtliche Rechtsschutzoptionen eingeführt werden können, die von den primärrechtlichen 1086 EuGH, Urt. v. 23.04.1986, Les Verts / ​Parlament, Rs. 294/83, EU:C:1986:166, Slg. 1986, 1339, Rn. 25 und dazu J. Schwarze / ​N. Wunderlich, in: Becker u. a. (Hrsg.), EU-Kommentar, 4. Aufl. 2019, Art. 19 EUV Rn. 14. 1087 EuG, Urt. v. 08.10.2008, Sogelma / ​EAR, Rs. T-411/06, EU:T:2008:419, Slg. 2008 II-2771, Rn. 37. Dieses Urteil ist allgemein auf Zustimmung gestoßen, s. nur K. F. Gärditz, Die Verwaltungsdimension des Lissabon-Vertrags, DÖV 2010, 453 (459 f.); D. Riedel, Rechtsschutz gegen Akte Europäischer Agenturen, EuZW 2009, 565 (568). 1088 S. dazu oben unter Teil 2. Kapitel 4. A. IV. (S. 158 ff.). 1089 S. T. Rademacher, Realakte im Rechtsschutzsystem der Europäischen Union, 2014, S. 168. 1090 T. Rademacher, Realakte im Rechtsschutzsystem der Europäischen Union, 2014, S. 168.

Kap. 5: Rechtsschutz nach der Århus-VO

287

Voraussetzungen abweichen,1091 dann ist dies nur deshalb möglich, weil das Primärrecht dies selbst vorsieht. Es existiert damit eine primärrechtliche Rechtfertigung. Mit anderen Worten: Ein Abweichen vom Primärrecht muss vom Primärrecht selbst erlaubt werden. 2. Möglichkeit der gezielten Erfüllung der Zulässigkeitskriterien durch Sekundärrecht Die direkte Aufhebung einer primärrechtlichen Zulässigkeitsvoraussetzung durch Sekundärrecht ist nicht möglich. Die Auseinandersetzung mit der Århus-VO hat jedoch ergeben, dass es dem Sekundärrechtsgeber sehr wohl erlaubt ist, eine Situation zu schaffen, in der die primärrechtlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen erfüllt sind. Das mag nun auf den ersten Blick wie eine recht formalistische Unterscheidung klingen, ist es aber keineswegs: Denn der Sekundärrechtsgeber überschreitet in einem solchen Fall nicht seine Kompetenzen, sondern setzt sie nur im Rahmen seiner Möglichkeiten gezielt ein. Das primärrechtliche Prozessrecht bezieht sich eben notwendigerweise auf das Sekundärrecht. Ohne das Sekundärrecht ließe es sich gar nicht zu beurteilen, wann etwa ein Kläger unmittelbar und individuell betroffen ist. Die Möglichkeit einer gezielten Erfüllung der Zulässigkeitsvoraussetzungen ist damit im Verhältnis von primärrechtlichem Prozessrecht und Sekundärrecht von vornherein angelegt. Man mag nun einwenden, dass dann „offenbar sogar Systementscheidungen des Gerichtsschutzsystems kein Hindernis mehr“1092 seien. Jedenfalls theoretisch stehen damit einem kreativen Sekundärrechtsgeber weitreichende Möglichkeiten zur Verfügung, den Gerichtszugang nach seinen Vorstellungen zu modellieren. Angesichts der Restriktionen des Primärrechts, die erhebliche Rechtsschutzdefizite zur Folge haben, sollte dies jedoch weniger als Grund zur Besorgnis denn als Chance begriffen werden. Eine inflationäre Anwendung der Technik ist bislang jedenfalls nicht zu erkennen. Die Århus-VO scheint vielmehr eine Art Präzedenzfall zu sein.1093 Dieser Präzedenzfall ist im Sinne eines effektiven Rechtsschutzes zu begrüßen. Wenn an der sekundärrechtlichen Technik etwas zu bemängeln ist, dann, dass sie doch etwas gestelzt daherkommt. Dies folgt – wie gesehen – de lege lata diktierten Notwendigkeiten. De lege ferenda bestünde jedoch eine simple Alternative, die zudem auch jegliche Diskussionen um eine vermeintliche Umgehung beenden würde: die Einführung einer allgemeinen primärrechtlichen Öffnungsklausel. Eine solche kennt etwa das deutsche Verwaltungsprozessrecht mit § 42 Abs. 2 Alt. 1 VwGO. Hier wird dem Gesetzgeber ausdrücklich erlaubt, Rechtsschutzmöglichkeiten zu 1091

S. oben unter Teil 2. Kapitel 5. B. I. 2. (S. 278 ff.). T. Rademacher, Realakte im Rechtsschutzsystem der Europäischen Union, 2014, S. 162. 1093 Zu den Parallelen zum Rechtsschutz nach der Transparenz-VO s. unten unter Teil 2. Kapitel 5.  C. I. 1.  (S. 290 ff.). 1092

288

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

schaffen, die keine Verletzung subjektiver öffentlicher Rechte voraussetzen. Dies hat der deutsche Gesetzgeber etwa zur Einführung der Verbandsklagebefugnisse genutzt.1094 Eine solche primärrechtliche Öffnungsklausel könnte den Sekundärrechtsgeber dazu ermächtigen, Klagemöglichkeiten einzuführen, die gerade nicht an eine unmittelbare und individuelle Betroffenheit gebunden wären. Damit ließe sich gezielt bereichsspezifischen Erfordernissen begegnen. Dies gilt nicht zuletzt für den Umweltrechtsschutz, dessen Lage unter dem geltenden primärrechtlichen Prozessrecht mehr als prekär ist. Eine solche primärrechtliche Öffnungsklausel wäre deshalb nicht nur konsequent, sondern würde zudem auch dogmatisch stringente Lösungen ermöglichen, ohne die Entscheidung des Gerichtshofs zur grundsätzlichen Restriktion der Nichtigkeitsklage anzutasten. Dies könnte auch einen Ausweg aus der seit Jahren fruchtlosen und festgefahrenen Diskussion um die Reichweite der Individualnichtigkeitsklage weisen. 3. Zuweisungsgehalte als Aufnahmestrategie: Funktionale Betroffenheit Der Effekt der hier beschriebenen sekundärrechtlichen Technik ist vergleichbar mit der unionsrechtlich angestoßenen Anerkennung funktionaler subjektiver Rechte im deutschen Verwaltungsrecht. Für das deutsche Verwaltungsrecht hat die Untersuchung festgestellt, dass den Einzelnen ganz gezielt einklagbare Rechtspositionen zugewiesen werden, die es nach traditioneller Dogmatik nicht geben würde.1095 Diese Rechtspositionen dienen dann nicht nur den Einzelnen, sondern darüber hinausgehenden Zwecken, wie etwa dem Abbau von Vollzugsdefiziten. Es werden deutliche Parallelen sichtbar: Bei der Rechtsschutzgewährung durch die Århus-VO und der gezielten Öffnung des Zugangs zu den Unionsgerichten geht es dem Verordnungsgeber um die Verbesserung des Umweltrechtsschutzes. Angesichts des Totalausfalls des Umweltrechtsschutzes im Primärrecht1096 dient die Århus-VO gerade dem Abbau von Vollzugsdefiziten unter Zuhilfenahme nicht-privilegierter Kläger. Auch im Eigenverwaltungsrecht der Union lässt sich damit eine Tendenz feststellen, bestimmte Positionen durch Zuweisung einklagbar zu machen. Die Verbände agieren als surveillants de l’administration. Damit ist auch die für die primärrechtliche Individualnichtigkeitsklage vorausgesetzte individuelle Betroffenheit im Fall der Århus-VO eine funktionale. In Anlehnung an den Begriff der funktionalen subjektiven Rechte kann daher von einer funktionalen Betroffenheit gesprochen werden.

1094

S. oben unter Teil 1. Kapitel 2. B. I. 3. a) cc) (S. 71 ff.). S. dazu ausführlich oben unter Teil 1. Kapitel 2. B. I. 3. b) (S. 72 ff.). 1096 S. dazu oben unter Teil 2. Kapitel 4. A. III. 4. (S. 154 ff.). 1095

Kap. 5: Rechtsschutz nach der Århus-VO

289

IV. Ergebnis Die Århus-VO verschafft den Umweltverbänden eine partielle Erleichterung von der Darlegung einer individuellen Betroffenheit, indem sie entsprechende Klagen in die erste Variante von Art. 263 Abs. 4 AEUV umlenkt. Diese Funktionsweise der Århus-VO wurde angesichts der Einlassungen der Kommission im Rechtssetzungsverfahren auch bewusst gewählt. Indes handelt es sich nicht um eine unzulässige Umgehung des Primärrechts. Insbesondere ist die Begründung von Klagemöglichkeiten eine notwendige und erwünschte Folge der Tätigkeit des Sekundärrechtsgebers. Eine normhierarchische Konfliktlage besteht daher nicht. Aus den Erwägungen zur Århus-VO können Rückschlüsse für die Zulässigkeit sekundärrechtlicher Rechtsschutzinstrumente gezogen werden. Sehen die Verträge für bestimmte Fälle gar keine Rechtsschutzgewährung vor, kann der Sekundärrechtsgeber diese Lücken füllen. Dagegen ist es nicht möglich, ausdrücklich in den Verträgen vorgesehene Klagevoraussetzungen per sekundärrechtlicher Anordnung aufzuheben. Unbenommen bleibt dem Sekundärrechtsgeber jedoch, wie im Falle der Århus-VO, eine Situation zu schaffen, in der die primärrechtlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen erfüllt sind. Der Sekundärrechtsgeber kann damit bereichsspezifisch Klagebefugnisse zuweisen. Diese Zuweisung erfolgt aus funktionalen Gründen, weshalb auch von einer funktionalen Betroffenheit gesprochen werden kann.

C. Vereinbarkeit der Århus-VO mit den Vorgaben der Århus-Konvention Für das Compliance Committee ist die Århus-VO der entscheidende Prüfstein für die Vereinbarkeit des Zugangs zu Überprüfungsverfahren im Unionsrecht mit der Århus-Konvention. So resümiert das Compliance Committee im ersten Teil seines Verfahrens zur Union: „With regard to access to justice by members of the public, the Committee is convinced that if the jurisprudence of the EU Courts, as evidenced by the cases examined, were to continue, unless fully compensated for by adequate administrative review procedures, the Party concerned would fail to comply with article 9, paragraphs 3 and 4, of the Convention.“1097

Eine Änderung der Rechtsprechung, insbesondere zur individuellen Betroffenheit, ist auch durch die Änderungen des Vertrages von Lissabon ausgeblieben. Damit kommt es mit dem Compliance Committee entscheidend darauf an, ob die Restriktionen des primärrechtlichen Zugangs durch das interne Überprüfungs­ verfahren ausgeglichen werden können.

1097 ACCC / ​C/2008/32 (Part I) (Europäische Gemeinschaft), ECE / ​MP.PP / ​C.1/2011/4/Add.1, Rn. 94.

290

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

Im Folgenden soll zwischen den einzelnen Rechtsschutzvorgaben der ersten drei Absätze differenziert werden. I. Unbeachtlichkeit von Art. 9 Abs. 1 und Abs. 2 ÅK als Maßstäbe für die Århus-VO Art. 9 Abs. 1 und Abs. 2 ÅK kommen schon wegen ihrer grundsätzlich fehlenden unmittelbaren Anwendbarkeit nicht als Prüfungsmaßstäbe für die Århus-VO in Betracht.1098 Ungeachtet dessen sind sie aber auch inhaltlich nicht als Maßstäbe für die Århus-VO geeignet.1099 1. Art. 9 Abs. 1 ÅK als Maßstab für die Århus-VO Das Recht auf Zugang zu Umweltinformationen wird vor allem durch die bereichsübergreifende Transparenz-VO gewährleistet.1100 Die Århus-VO verweist in ihrem Art. 3 umfassend auf die Bestimmungen der Transparenz-VO. Art. 9 Abs. 1 ÅK geht jedoch über den Anwendungsbereich der Transparenz-VO hinaus.1101 Deshalb erweitert die Århus-VO auch das Recht auf Zugang zu Informationen nach der Transparenz-VO gezielt für den Umweltbereich.1102 Dies betrifft etwa die Berechtigten auf Informationszugang. So können nach Art. 2 Abs. 1 Transparenz-VO lediglich Unionsbürger einen Anspruch auf Zugang zu Informationen geltend machen, während Art. 9 Abs. 1 ÅK in dieser Hinsicht keine Unterschiede macht. Konsequent ordnet Art. 3 Århus-VO deshalb für den Zugang zu Umweltinformationen einen Verzicht auf die Beschränkung auf Unionsbürger an.1103 Zudem verpflichtet die Transparenz-VO in ihrem Art. 1 lit. a lediglich die Organe der Union, nicht aber andere Unionsstellen, die unter den Begriff der Behörde nach Art. 2 Nr. 2 ÅK fallen.1104 1098

S. dazu schon oben unter Teil 2. Kapitel 4. C. I. 3. b) (S. 191 ff.). Aus diesem Grund muss sich hier mit der Frage, ob nicht zumindest Art. 9 Abs. 2 UAbs. 2 Sätze 2 und 3 ÅK den Umsetzungsspielraum der Vertragsparteien stark so stark eingrenzt, dass Art. 9 Abs. 2 ÅK insoweit unmittelbar anwendbar ist, nicht beschäftigt werden. S. dazu EuGH, Urt. v. 08.11.2016, Lesoochranárske zoskupenie, Rs.  C-243/15, EU:C:2016:838, Rn. 58 ff.; E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband I, 2018, S. 585 f.; F. Fellenberg  / ​ G.  Schiller, in: Beckmann u. a. (Hrsg.), Landmann / ​Rohmer, Umweltrecht, UmwRG vor § 1 (April 2018) Rn. 40 f. 1100 S. dazu schon oben unter Teil 2. Kapitel 5. A. I. 2. c) (S. 254 ff.). 1101 V.  Rodenhoff, The Aarhus Convention and its Implications for the ‚Institutions‘ of the European Community, RECIEL 11 (2002), 343 (352). 1102 T.  Crossen / ​V.  Niessen, NGO Standing in the European Court of Justice, RECIEL 16 (2007), 332 (334). 1103 A. Epiney, Informationsrechte in der EU, in: Hecker u. a. (Hrsg.), Aktuelle Rechtsfragen und Probleme des freien Informationszugangs, 2011, S. 27 (68). 1104 V.  Rodenhoff, The Aarhus Convention and its Implications for the ‚Institutions‘ of the European Community, RECIEL 11 (2002), 343 (351). 1099

Kap. 5: Rechtsschutz nach der Århus-VO

291

Hier erweitert Art. 3 Århus-VO den Anwendungsbereich der Transparenz-VO auf alle Organe und Einrichtungen der Union.1105 Die Bestimmungen der Århus-VO über den Informationszugang wirken so als lex specialis zu den allgemeinen Vorgaben der Transparenz-VO: Es gelten also die Vorschriften der Transparenz-VO, soweit nicht die Århus-VO abweichende Bestimmungen enthält.1106 Aus dem systematischen Zusammenhang der beiden Verordnungen ergibt sich, dass das interne Überprüfungsverfahren der Århus-VO keine Rolle für den Rechtsschutz im Bereich der Umweltinformationen spielt. Die Århus-VO enthält zwar Spezialregelungen zum Zugangsrecht zu Umweltinformationen, nicht jedoch zum Rechtsschutz.1107 Der Rechtsschutz im Bereich der Umweltinformationen – und damit die Vereinbarkeit des Eigenverwaltungsrechts in diesem Bereich mit Art. 9 Abs. 1 ÅK – wird alleine von der Transparenz-VO bestimmt. Die Transparenz-VO liegt außerhalb des Gegenstandes der vorliegenden Arbeit. Es soll daher nicht detailliert auf die Transparenz-VO eingegangen werden. An dieser Stelle sollen einige wenige Bemerkungen zur Transparenz-VO und Art. 9 Abs. 1 ÅK genügen. Nach dem Kommissionsvorschlag zur Århus-VO tragen Art. 7 und 8 der Transparenz-VO den Anforderungen nach Art. 9 Abs. 1 ÅK Rechnung.1108 Die Transparenz-VO sieht ein zweistufiges Verfahren vor: Wird ein Antrag auf Zugang zu Umweltinformationen abgelehnt, kann der Antragssteller einen Zweitantrag nach Art. 7 Abs. 2 Transparenz-VO stellen. Dieser Zweitantrag dient, wie der Antrag auf interne Überprüfung nach der Århus-VO, der Selbstkontrolle des Organs oder der Institution. Wird auch der Zweitantrag abgelehnt, kann der Antragssteller nach Art. 8 Abs. 1 Satz 2 Transparenz-VO entweder Beschwerde beim Bürgerbeauftragen einlegen1109 oder Nichtigkeitsklage vor den Unionsgerichten erheben. Der Zugang knüpft an das Recht auf Umweltinformation an und steht jedem Antragsteller zu. Damit erfüllt die Transparenz-VO die von der Århus-Konvention geforderte Parallelität eines allgemeinen Zugangs zu Umweltinformationen und den daraus folgenden allgemeinen Zugang zu einem Überprüfungsverfahren zu Gericht oder einer unabhängigen und unparteiischen Stelle.1110 Der Vereinbarkeit der Regelungen der Transparenz-VO im Bereich des Rechtsschutzes mit Art. 9 1105

A. Epiney, in: Fluck u. a. (Hrsg.), IFG / ​UIG / ​VIG / ​GeoZG, D III.2.2 VO 1049/2001 (Oktober 2014) Rn. 24; S. Schlacke, Rechtsschutz durch europäische und nationale Gerichte unter Einschluss des Europäischen Bürgerbeauftragten in seiner Funktion zur Sicherung des Informationszugangs, UTR 108 (2011), 271 (289). 1106 A. Epiney, in: Fluck u. a. (Hrsg.), IFG / ​UIG / ​VIG / ​GeoZG, D III.2.2 VO 1049/2001 (Oktober 2014) Rn. 4. 1107 S. Schlacke, Rechtsschutz durch europäische und nationale Gerichte unter Einschluss des Europäischen Bürgerbeauftragten in seiner Funktion zur Sicherung des Informationszugangs, UTR 108 (2011), 271 (293). 1108 Vorschlag für eine Verordnung KOM(2003) 622 endg. v. 24.10.2003, S. 17. 1109 Dazu ausführlich S. Schlacke, Rechtsschutz durch europäische und nationale Gerichte unter Einschluss des Europäischen Bürgerbeauftragten in seiner Funktion zur Sicherung des Informationszugangs, UTR 108 (2011), 271 (298 ff.). 1110 S. dazu oben unter Teil 2. Kapitel 3. B. I. 1. (S. 111 ff.).

292

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

Abs. 1 ÅK stehen somit keine Bedenken entgegen.1111 Streitpunkte im Bereich der Umweltinformationen ergeben sich vielmehr auf vorgelagerter Ebene, namentlich was die Reichweite des Anspruchs auf Zugang zu Umweltinformationen und seine Ausschlussgründe betrifft.1112 Der kurze Überblick über den Rechtsschutz nach der Transparenz-VO zeigt auch, dass das interne Überprüfungsverfahren der Århus-VO schon nicht geeignet ist, die Anforderungen von Art. 9 Abs. 1 ÅK zu erfüllen. Dies gilt alleine deshalb, weil das interne Überprüfungsverfahren der Århus-VO auf qualifizierte Umweltverbände beschränkt ist, während es sich bei dem von Art. 9 Abs. 1 ÅK geforderten Rechtsschutz, im Anschluss an das Recht auf Umweltinformation, um einen Popularanspruch handelt. Darüber hinaus besteht auch keine Notwendigkeit für die Anwendung der Århus-VO in diesen Fällen. Zwar erfüllt auch die Ablehnung eines Zugangsersuchens zu Umweltinformationen die Voraussatzungen eines Verwaltungsakts im Sinne der Århus-VO, jedoch eröffnet auch die Transparenz-VO den Zugang zu den Unionsgerichten im Falle eines abgelehnten Zweitantrages.1113 2. Art. 9 Abs. 2 ÅK als Maßstab für die Århus-VO Im Rechtssetzungsverfahren zur Århus-VO vertrat die Kommission die Ansicht, dass eine Umsetzung von Art. 9 Abs. 2 ÅK für das Eigenverwaltungsrecht nicht notwendig sei.1114 Dies ist vor dem Hintergrund der Regelungssystematik der Århus-Konvention einzuordnen: Art. 9 Abs. 2 UAbs. 1 ÅK bezieht sich insbesondere auf Handlungen und Unterlassungen im Anwendungsbereich von Art. 6 ÅK.1115 Die Umsetzungspflicht für Art. 9 Abs. 2 ÅK ergibt sich also aus der derjenigen 1111

S. Pernice-Warnke, Effektiver Zugang zu Gericht, 2009, S. 170; P. Oliver, Access to Information and to Justice in EU Environmental Law: The Aarhus Convention, Fordham Int’l L. J. 36 (2013), 1423 (1460); A. Guckelberger, Die EG-Verordnung zur Umsetzung der Aarhus-Konvention auf der Gemeinschaftsebene, NuR 2008, 78 (83); s. auch A. Epiney, Zu den Anforderungen der Aarhus-Konvention an das europäische Gemeinschaftsrecht, ZUR 2003, 176 (181); E. Rehbinder, Rechtsschutz gegen Handlungen und Unterlassungen der Organe und Einrichtungen der Europäischen Gemeinschaft in: Gaitanides u. a. (Hrsg.), FS Zuleeg, 2005, S. 650 (652). Kritisch mit Blick auf die fehlende Einbeziehung privater Stellen, die Aufgaben von Unionsinstitutionen wahrnehmen S. Schlacke, Rechtsschutz durch europäische und nationale Gerichte unter Einschluss des Europäischen Bürgerbeauftragten in seiner Funktion zur Sicherung des Informationszugangs, UTR 108 (2011), 271 (289). 1112 S. dazu etwa A. Epiney, Zur Rechtsprechung des EuGH im Umweltrecht im Jahr 2017, EurUP 2018, 204 (204 f.); H. von Holleben, Entscheidung des Europäischen Gerichts (EuG) zum Informationszugang im Stoffrecht, StoffR 2013, 272 (275 ff.); C. Wagner, Ringen um Umweltinformationen, EuZW 2017, 95 (96 ff.). 1113 S. dazu schon oben unter Teil 2. Kapitel 5. A. I. 2. c) (S. 254 ff.) sowie zur Vergleichbarkeit der Modelle P. Wennerås, The Enforcement of EC Environmental Law, 2007, S. 217. 1114 Vorschlag für eine Verordnung KOM(2003) 622 endg. v. 24.10.2003, S. 17. 1115 S. dazu schon ausführlich oben unter Teil 2. Kapitel 3. B. II. 1. (S. 114 ff.). Daneben ermöglicht Art. 9 Abs. 2 UAbs. 1 ÅK auch eine Überprüfung von anderen Bestimmungen der Konvention, sofern dies im innerstaatlichen Recht vorgesehen ist. Eine Pflicht ergibt sich daraus je-

Kap. 5: Rechtsschutz nach der Århus-VO

293

für Art. 6 ÅK.1116 Im Rahmen von Art. 6 Abs. 1 ÅK sind vor allem zwei Varianten zu überprüfen: Zum einen besteht nach Art. 6 Abs. 1 lit. a ÅK eine Pflicht zur Öffentlichkeitsbeteiligung bei Entscheidungen über die Zulassung von Tätigkeiten, die in Anhang I der Konvention aufgeführt sind. Nach Art. 6 Abs. 1 lit. b ÅK sind darüber hinaus auch Tätigkeiten erfasst, die eine erhebliche Auswirkung auf die Umwelt haben können. Sollte eine Pflicht zur Umsetzung von Art. 9 Abs. 2 ÅK bestehen, reicht ein Verweis auf das interne Überprüfungsverfahren der Århus-VO nicht aus. Denn dieses gilt nur für Umweltverbände, während unter den Begriff der „betroffenen Öffentlichkeit“, der in Art. 9 Abs. 2 ÅK verwendet wird, nach der Legaldefinition von Art. 2 Nr. 5 ÅK auch Individuen fallen.1117 Im Folgenden soll daher überprüft werden, ob die Einschätzung der Kommission, Art. 9 Abs. 2 ÅK brauche für das Eigenverwaltungsrecht der Union nicht umgesetzt zu werden, zutrifft. Dazu ist zu analysieren, ob für das Eigenverwaltungsrecht der Union eine Pflicht zur Einrichtung einer Öffentlichkeitsbeteiligung nach Art. 6 Abs. 1 lit. a oder b ÅK besteht. Ist dies der Fall, müsste die Union auch ein Überprüfungsverfahren vorsehen, das den Anforderungen von Art. 9 Abs. 2 ÅK genügt. Von Bedeutung ist die Frage vor allem deshalb, weil Art. 9 Abs. 2 ÅK konkretere und striktere Vorgaben enthält als Art. 9 Abs. 3 ÅK.1118 a) Umsetzungspflicht aus Art. 6 Abs. 1 lit. a ÅK Art. 6 Abs. 1 lit. a ÅK verpflichtet zur Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Zulassung von in Anhang I der Århus-Konvention aufgeführten Tätigkeiten. Dabei handelt es sich um konkret-individuelle Genehmigungsentscheidungen,1119 die typischerweise erhebliche Umweltauswirkungen entfalten.1120 Gelistet sind etwa Anlangen im Energiebereich, der chemischen Industrie oder der Tierhaltung.1121

doch nicht. Die Union hat von dieser durch die Århus-Konvention eröffneten Möglichkeit, soweit ersichtlich, keinen Gebrauch gemacht, weshalb darauf nicht weiter eingegangen werden soll. 1116 V.  Rodenhoff, The Aarhus Convention and its Implications for the ‚Institutions‘ of the European Community, RECIEL 11 (2002), 343 (355); s. auch E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband I, 2018, S. 600. 1117 T. Weber, Die Umsetzung der Aarhus-Konvention beim direkten Vollzug von Unionsrecht, JRP 20 (2012), 137 (147). S. zu Art. 9 Abs. 2 ÅK sowie der Verbandsprivilegierung im Anwendungsbereich dieser Vorschrift oben unter Teil 2. Kapitel 3. B. II. 1. (S. 114 ff.). 1118 P. Wennerås, The Enforcement of EC Environmental Law, 2007, S. 226. 1119 A. Epiney / ​S. Diezig / ​B. Pirker / ​S. Reitemeyer, Aarhus-Konvention, Handkommentar, Art. 6, 6 bis, Rn. 4, 5. 1120 A. Epiney / ​S. Diezig / ​B. Pirker / ​S. Reitemeyer, Aarhus-Konvention, Handkommentar, Art. 6, 6 bis, Rn. 11; V. Rodenhoff, The Aarhus Convention and its Implications for the ‚Institutions‘ of the European Community, RECIEL 11 (2002), 343 (347). 1121 Eine vollständige Übersicht in tabellarischer Form findet sich bei M.  Zschiesche, Die ­Aarhus-Konvention, ZUR 2001, 177 (180).

294

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

Die Genehmigungsentscheidungen für solche Anlangen werden jedoch nicht von den Unionsinstitutionen getroffen, sondern von mitgliedstaatlichen Behörden.1122 Eine Umsetzungspflicht für Art. 6 Abs. 1 lit. a ÅK könnte sich jedoch ergeben, wenn man den Begriff der Zulassung weit verstünde und darunter auch Finanzierungsentscheidungen von Unionsorganen und -institutionen fasste. Diese Situation entspricht dem Fall Greenpeace, wo es um Finanzierungshilfen durch den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung für die Errichtung zweier spanischer Elektrizitätswerke ging.1123 Hier ist jedoch eine Unterscheidung zwischen der Genehmigung des Vorhabens und einer Finanzierungsbeihilfe angebracht. Die aus gutem Grund beteiligungspflichtige Genehmigungsentscheidung ist von anderer Qualität, da sie die umweltrelevante Tätigkeit unmittelbar erlaubt.1124 Die Finanzierungsentscheidung trägt dagegen nur mittelbar zu der Realisierung der umwelt­ relevanten Tätigkeit bei. Einer separaten Öffentlichkeitsbeteiligung für die Finanzierungsentscheidung bedarf es nicht, da sie keine weitergehenden Aspekte abdecken würde. Unter den Zulassungsbegriff von Art. 6 Abs. 1 lit. a ÅK fallen daher keine Finanzierungsentscheidungen.1125 Dieser Einschätzung hat sich auch das Compliance Committee ausdrücklich angeschlossen.1126

1122

K. Lenaerts / ​J. A. Gutiérrez-Fons, The General System of EU Environmental Law Enforcement, YEL 30 (2011), 3 (22); E. Rehbinder, Rechtsschutz gegen Handlungen und Unterlassungen der Organe und Einrichtungen der Europäischen Gemeinschaft in: Gaitanides u. a. (Hrsg.), FS Zuleeg, 2005, S. 650 (653); A. Epiney, Zu den Anforderungen der Aarhus-Konvention an das europäische Gemeinschaftsrecht, ZUR 2003, 176 (180); V. Rodenhoff, The Aarhus Convention and its Implications for the ‚Institutions‘ of the European Community, RECIEL 11 (2002), 343 (352); A. Guckelberger, Die EG-Verordnung zur Umsetzung der Aarhus-Konvention auf der Gemeinschaftsebene, NuR 2008, 78 (84); F. de Lange, Beyond Greenpeace, Courtesy of the Aarhus Convention, YbEEL 3 (2004), 227 (242); P. Oliver, Access to Information and to Justice in EU Environmental Law: The Aarhus Convention, Fordham Int’l L. J. 36 (2013), 1423 (1460). 1123 S. dazu oben unter Teil 2. Kapitel 4. A. III. 1. (S. 150 ff.). 1124 S. A. Epiney, Zu den Anforderungen der Aarhus-Konvention an das europäische Gemeinschaftsrecht, ZUR 2003, 176 (180). 1125 V. Rodenhoff, The Aarhus Convention and its Implications for the ‚Institutions‘ of the European Community, RECIEL 11 (2002), 343 (352); A. Guckelberger, Die EG-Verordnung zur Umsetzung der Aarhus-Konvention auf der Gemeinschaftsebene, NuR 2008, 78 (81); A. Epiney, Zu den Anforderungen der Aarhus-Konvention an das europäische Gemeinschaftsrecht, ZUR 2003, 176 (180); S. Pernice-Warnke, Effektiver Zugang zu Gericht, 2009, S. 170; M. Breuer, Die Klagebefugnis von Umweltverbänden unter Anpassungsdruck des Völker- und Europarechts, Die Verwaltung 45 (2012), 171 (187); anders wohl P. Wennerås, The Enforcement of EC Environmental Law, 2007, S. 225 f.; F. de Lange, Beyond Greenpeace, Courtesy of the Aarhus Convention, YbEEL 3 (2004), 227 (243 ff.); P. Oliver, Access to Information and to Justice in EU Environmental Law: The Aarhus Convention, Fordham Int’l L. J. 36 (2013), 1423 (1460), der aber davon ausgeht, dass eine solche Finanzierungsentscheidung Gegenstand eines internen Überprüfungsverfahrens sein könnte; T. Weber, Die Umsetzung der Aarhus-Konvention beim direkten Vollzug von Unionsrecht, JRP 20 (2012), 137, die Finanzierungsentscheidungen jedoch unter Art. 6 Abs. 1 lit. b ÅK fasst. S. zum Ganzen auch die Begründung im Kommissionsentwurf, Vorschlag für eine Verordnung KOM(2003) 622 endg. v. 24.10.2003, S. 14. 1126 ACCC / ​C/2007/21 (Europäische Gemeinschaft), ECE / ​MP.PP / ​C.1/2009/2/Add.1, Rn.  36.

Kap. 5: Rechtsschutz nach der Århus-VO

295

b) Umsetzungspflicht aus Art. 6 Abs. 1 lit. b ÅK Nach Art. 6 Abs. 1 lit. b Satz 1 ÅK gewähren die Vertragsparteien eine Öffentlichkeitsbeteiligung in Übereinstimmung mit ihrem innerstaatlichen Recht auch für nicht in Anhang I aufgeführte Tätigkeiten, die sich erheblich auf die Umwelt auswirken. Die Anwendung dieser Bestimmung liegt nach Art. 6 Abs. 1 lit. b Satz 2 ÅK im Ermessen der Vertragsparteien. Aus dem systematischen Zusammenhang zu lit. a ergibt sich, dass auch Art. 6 Abs. 1 lit. b ÅK Anwendung auf die Genehmigung umweltrelevanter Tätigkeiten findet.1127 Im Unterschied zu Art. 6 Abs. 1 lit. a ÅK bedarf es jedoch einer Einzelfallprüfung der erheblichen Umweltauswirkungen.1128 Entscheidend ist, dass den Vertragsparteien ein Ermessen eingeräumt wird, ob sie diese Bestimmung anwenden oder nicht.1129 Die Union hat sich ausweislich des Kommissionsvorschlags gegen eine Umsetzung von Art. 6 Abs. 1 lit. b ÅK entschieden.1130 Als sonstige Entscheidungen mit erheblichen Umweltauswirkungen könnten im Eigenverwaltungsrecht die Wirkstoffzulassungen für Chemikalien, Pestizide oder Biozide in Betracht kommen. Im Eigenverwaltungsrecht wird jedoch lediglich ein bestimmter Wirkstoff zugelassen, nicht ein bestimmtes Produkt.1131 Die Zulassung des Wirkstoffs alleine zeitigt jedoch noch keine Umweltauswirkungen. Diese folgen erst aus der Produktzulassung, die weiterhin bei den Mitgliedstaaten liegt. Aus diesem Grund besteht keine Umsetzungspflicht aus Art. 6 Abs. 1 lit. b ÅK.1132 1127

A. Epiney / ​S. Diezig / ​B. Pirker / ​S. Reitemeyer, Aarhus-Konvention, Handkommentar, Art. 6, 6 bis, Rn. 16. 1128 A. Epiney / ​S. Diezig / ​B. Pirker / ​S. Reitemeyer, Aarhus-Konvention, Handkommentar, Art. 6, 6 bis, Rn. 16; J. Ebbesson / ​H. Gaugitsch / ​J. Jendrośka / ​F. Marshall / ​S. Stec, The Aarhus Convention, 2014, S. 131. 1129 J.  Ebbesson / ​H.  Gaugitsch / ​J.  Jendrośka / ​F.  Marshall / ​S.  Stec, The Aarhus Convention, 2014, S. 132. 1130 Vorschlag für eine Verordnung KOM(2003) 622 endg. v. 24.10.2003, S. 15. 1131 Ein Beispiel dieser Regelungssystematik findet sich etwa in der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Aufhebung der Richtlinien 79/117/EWG und 91/414/EWG des Rates, ABl. L 309 v. 24.11.2009, S. 1 ff. Umfassend zur Vorgängerregelung A. Keessen, Reducing the Judicial Deficit in Multilevel Environmental Regulation, in: Føllesdal u. a. (Hrsg.), Multilevel Regulation and the EU, 2008, S. 323 (326 ff.). S. auch K. Lenaerts  / ​ J. A.  Gutiérrez-Fons, The General System of EU Environmental Law Enforcement, YEL 30 (2011), 3 (22). 1132 E. Rehbinder, Rechtsschutz gegen Handlungen und Unterlassungen der Organe und Einrichtungen der Europäischen Gemeinschaft in: Gaitanides u. a. (Hrsg.), FS Zuleeg, 2005, S. 650 (655); K. Lenaerts / ​J. A. Gutiérrez-Fons, The General System of EU Environmental Law Enforce­ ment, YEL 30 (2011), 3 (22). Dies sieht P. Wennerås, The Enforcement of EC Environmental Law, 2007, S. 225 mit der Begründung anders, dass die Listenentscheidung der Kommission den Handlungsspielraum der Mitgliedstaaten, ein Produkt mit diesem Mittel nicht zuzulassen, einschränkt. Die Folgerung daraus ist wohl, dass die Entscheidung der Kommission doch erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt hat. Diese ist jedoch – anders als bei der Entscheidung der Mitgliedstaaten – nur mittelbar. Zudem folgt daraus immer noch keine Pflicht zur Umsetzung von Art. 6 Abs. 1 lit. b ÅK.

296

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

c) Umsetzungspflicht aus Art. 6 bis ÅK Weiterhin könnte sich eine Umsetzungspflicht für die Vorgaben von Art. 9 Abs. 2 ÅK aus der Verpflichtung der Union aus Art. 6 bis ÅK ergeben. Hier geht es um die Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen. Art. 6 bis ÅK wurde durch die Vertragsstaatenkonferenz im Jahr 2005 eingeführt1133 und von der Union angenommen.1134 Art. 6 bis Abs. 1 ÅK sieht gemeinsam mit dem gleichzeitig eingeführten Anhang  I bis vor, dass die Öffentlichkeit bei der Genehmigung der Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen beteiligt wird.1135 Gleichzeitig wurde damit der bisherige Art. 6 Abs. 11 ÅK geändert. Art. 6 Abs. 11 ÅK n. F. erklärt ausdrücklich, dass die Vorgaben von Art. 6 ÅK nicht für das Inverkehrbringen von gentechnisch veränderten Organismen gelten. Damit besteht hinsichtlich der Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen keine Umsetzungspflicht aus Art. 6 ÅK und folglich auch keine aus Art. 9 Abs. 2 ÅK.1136 Art. 6 bis ÅK wird in Art. 9 Abs. 2 UAbs. 1 ÅK nicht genannt. Hätten diese Entscheidungen einbezogen werden sollen, hätte auch der Wortlaut von Art. 9 Abs. 2 UAbs. 1 ÅK angepasst werden müssen. Auch aus Art. 6 bis ÅK folgt also keine Umsetzungspflicht für Art. 9 Abs. 2 ÅK. d) Umsetzungspflicht aus sonstigen Bestimmungen der Århus-Konvention Eine Umsetzungspflicht ergibt sich auch nicht aus den in Art. 9 Abs. 2 UAbs. 1 ÅK genannten sonstigen Bestimmungen der Konvention. Hierunter fallen etwa die Öffentlichkeitsbeteiligung bei umweltbezogenen Plänen, Programmen und Politiken nach Art. 7 ÅK sowie die Öffentlichkeitsbeteiligung während der Vorbereitung exekutiver Vorschriften und allgemein anwendbarer rechtsverbindlicher normativer Instrumente nach Art. 8 ÅK.1137 Art. 9 Abs. 2 UAbs.  2 ÅK greift in 1133 Report of the Second Meeting of the Parties, Addendum, Decision II/1 Genetically Modified Organisms, adopted at the second meeting of the Parties held in Almaty, Kazakhstan, on 25–27 May 2005, ECE / ​MP.PP/2005/2/Add.2. 1134 Beschluss 2006/957/EG des Rates vom 18. Dezember 2006 zur Genehmigung – im Namen der Europäischen Gemeinschaft – einer Änderung des Übereinkommens über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an den Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten, ABl. L 386 v. 29.12.2006, S. 46 ff. 1135 Zum Inhalt der Änderung s. ausführlich J. Ebbesson / ​H. Gaugitsch / ​J. Jendrośka / ​F. Marshall / ​S. Stec, The Aarhus Convention, 2014, S. 160 ff.; A. Epiney / ​S. Diezig / ​B. Pirker / ​S. Reitemeyer, Aarhus-Konvention, Handkommentar, Art. 6, 6 bis, Rn. 21 ff. 1136 So auch die nachvollziehbare Argumentation der Kommission, s. Aide-mémoire der Kommission vom 22.09.2009 im Verfahren ACCC / ​C/2008/32 (Europäische Union), S. 2 (abrufbar unter https://www.unece.org/fileadmin/DAM/env/pp/compliance/C2008-32/correspondence/fr​ ECre2008-32.2008CC%20Aide%20Memoire%202009.09.23.doc; zuletzt aufgerufen: 21.03.2019). 1137 A. Epiney / ​S. Diezig / ​B. Pirker / ​S. Reitemeyer, Aarhus-Konvention, Handkommentar, Art. 9, Rn. 27; s. auch E. Rehbinder, Rechtsschutz gegen Handlungen und Unterlassungen der Organe und Einrichtungen der Europäischen Gemeinschaft in: Gaitanides u. a. (Hrsg.), FS Zuleeg, 2005, S. 650 (655).

Kap. 5: Rechtsschutz nach der Århus-VO

297

diesen Fällen nur, „sofern dies nach dem jeweiligen innerstaatlichen Recht vorgesehen ist“.1138 Art. 9 Århus-VO sieht zwar eine Öffentlichkeitsbeteiligung bei umweltbezogenen Plänen und Programmen vor. Spezielle Rechtsschutzanforderungen enthält das Eigen­verwaltungsrecht der Union diesbezüglich jedoch nicht. Die Union ist also auch vor diesem Hintergrund nicht zur Umsetzung von Art. 9 Abs. 2 ÅK verpflichtet. e) Ergebnis Aus Art. 9 Abs. 2 ÅK ergibt sich keine Umsetzungspflicht für die Union.1139 Zwar wären Beteiligungsrechte und entsprechende Rechtsschutzmöglichkeiten auch im Eigenverwaltungsrecht wünschenswert. Ganz offensichtlich ist es aber nicht gelungen, eine Formulierung zu finden, die auch das Eigenverwaltungsrecht der Union erfasst.1140 Zwar stünde der Union nach der Århus-Konvention frei, solche Rechte einzuführen, jedoch macht eigentlich die Verbindlichkeit ihrer Vorgaben die besondere Qualität der Konvention aus, gerade auch im Vergleich mit anderen umweltvölkerrechtlichen Übereinkünften.1141 Die Bedeutungslosigkeit von Art. 9 Abs. 2 ÅK für das Eigenverwaltungsrecht der Union ist bedauerlich, da sich Art. 9 Abs. 2 ÅK – insbesondere im Vergleich mit Art. 9 Abs. 3 ÅK – verhältnismäßig detailreiche Vorgaben für den Rechtsschutz entnehmen lassen. II. Vereinbarkeit mit Art. 9 Abs. 3 ÅK Nachdem Art. 9 Abs. 2 ÅK als Prüfungsmaßstab ausfällt, bleibt Art. 9 Abs. 3 ÅK als möglicher Prüfungsmaßstab für die Århus-VO übrig.1142 Auch die Kommission nahm ausweislich des Verordnungsvorschlages vor allem Art. 9 Abs. 3 ÅK zum Anlass zur Einführung der Kombination aus internem und gerichtlichem Rechtsschutz.1143 Art. 9 Abs. 3 ÅK stand lange Zeit im Schatten von Art. 9 Abs. 2 ÅK und 1138 S. dazu A. Epiney / ​S. Diezig / ​B. Pirker / ​S. Reitemeyer, Aarhus-Konvention, Handkommentar, Art. 9, Rn. 27; E. Rehbinder, Rechtsschutz gegen Handlungen und Unterlassungen der Organe und Einrichtungen der Europäischen Gemeinschaft in: Gaitanides u. a. (Hrsg.), FS Zuleeg, 2005, S. 650 (656). 1139 So iE auch A. Epiney, Informationsrechte in der EU, in: Hecker u. a. (Hrsg.), Aktuelle Rechtsfragen und Probleme des freien Informationszugangs, 2011, S. 27 (50); E. Rehbinder, Die Aarhus-Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs und die Verbandsklage gegen Rechtsakte der Europäischen Union, EurUP 2012, 23 (24); S. Pernice-Warnke, Effektiver Zugang zu Gericht, 2009, S. 171; S. Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz, 2008, S. 402. 1140 S. Pernice-Warnke, Effektiver Zugang zu Gericht, 2009, S. 175 f. erkennt darin ein Versagen der Århus-Konvention. 1141 S. dazu oben unter Teil 2. Kapitel 3. A. (S. 96 ff.). 1142 S. A. Guckelberger, Die EG-Verordnung zur Umsetzung der Aarhus-Konvention auf der Gemeinschaftsebene, NuR 2008, 78 (84). 1143 Vorschlag für eine Verordnung KOM(2003) 622 endg. v. 24.10.2003, S. 17 f.

298

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

ist als Prüfungsmaßstab unterschätzt worden.1144 Dies änderte sich grundlegend mit dem Urteil Slowakischer Braunbär, in dem der Gerichtshof Art. 9 Abs. 3 ÅK einen weitreichenden Einfluss auf das mitgliedstaatliche Unionsverwaltungsrecht zugesprochen hat.1145 Wie schon gesehen, genügt der primärrechtliche Gerichtszugang nicht den Mindestanforderungen von Art. 9 Abs. 3 ÅK.1146 Daher kommt es entscheidend darauf an, ob die von der Århus-VO eröffneten Rechtsschutzmöglichkeiten die Restriktionen des Primärrechts auszugleichen vermögen. 1. Art. 9 Abs. 3 ÅK als Prüfungsmaßstab für das Unionssekundärrecht Zunächst ist jedoch zu klären, ob Art. 9 Abs. 3 ÅK überhaupt als Prüfungsmaßstab für die sekundärrechtliche Århus-VO in Frage kommt. Hintergrund ist die fehlende unmittelbare Anwendbarkeit von Art. 9 Abs. 3 ÅK.1147 a) Anwendbarkeit der Fediol- und Nakajima-Rechtsprechung auf die Århus-VO Eine Möglichkeit, wie Art. 9 Abs. 3 ÅK dennoch als Maßstab für das Sekundärrecht herangezogen werden könnte, ist eine Ausnahme von dem Zusammenhang aus unmittelbarer Anwendbarkeit und Prüfungsmaßstäblichkeit. Eine solche Ausnahme wurde vom Gericht im Fall Vereniging Milieudefensie angenommen und die Århus-VO anhand von Art. 9 Abs. 3 ÅK überprüft.1148 Das Gericht stützte sich dabei auf die Fediol- und Nakajima-Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Welthandelsrecht. aa) Grundzüge der Fediol- und Nakajima-Rechtsprechung Der Gerichtshof prüft Sekundärrecht nur dann an einer völkerrechtlichen Bestimmung, wenn deren Art und Struktur einer Prüfung nicht entgegensteht und

1144 M. Breuer, Die Klagebefugnis von Umweltverbänden unter Anpassungsdruck des Völker- und Europarechts, Die Verwaltung 45 (2012), 171 (187). Siehe etwa A. Epiney, Zu den Anforderungen der Aarhus-Konvention an das europäische Gemeinschaftsrecht, ZUR 2003, 176 (179 f.); T. von Danwitz, Aarhus-Konvention, NVwZ 2004, 272 (276); S. Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz, 2008, S. 245. 1145 EuGH, Urt. v. 08.03.2011, Lesoochranárske zoskupenie, Rs. C-240/09, EU:C:2011:125, Slg. 2011 I-1285. S. dazu schon ausführlich oben unter Teil 2. Kapitel 4. C. II. 3. (S. 200 ff.). 1146 S. oben unter Teil 2. Kapitel 4. C. II. 1. (S. 195 ff.). 1147 S. oben unter Teil 2. Kapitel 4. C. I. 3. b) (S. 191 ff.). 1148 EuG, Urt. v. 14.07.2012, Vereniging Milieudefensie und Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht / ​Kommission, Rs. T-396/09, EU:T:2012:301, Rn. 51 ff.

Kap. 5: Rechtsschutz nach der Århus-VO

299

die Bestimmung unbedingt und hinreichend präzise gefasst ist.1149 Im Rahmen des GATT- und später des WTO-Rechts haben die Unionsgerichte allerdings Ausnahmen für diese Anforderung vorgesehen. Die Überprüfung von Sekundärrecht anhand einer nicht unmittelbar anwendbaren völkerrechtlichen Bestimmung ist danach möglich, wenn der Sekundärrechtsgeber entweder eine bestimmte Verpflichtung des Welthandelsrechts umsetzen wollte (Nakajima)1150 oder der Se­ kundärrechtsakt ausdrücklich auf eine Bestimmung des Welthandelsrechts verweist (Fediol).1151 Der Gerichtshof fasst beide Varianten regelmäßig zu e­iner Ausnahme zusammen.1152 Daher wird auch vom Implementierungsgrundsatz gesprochen.1153 Wegen der Bindung der Union und ihres höheren Ranges nach Art. 216 Abs. 2 AEUV ist es problematisch, wenn der Gerichtshof nicht unmittelbar anwendbare Völkerrechtsbestimmungen als Prüfungsmaßstab für Sekundärrecht ausschließt. Im Implementierungsgrundsatz lässt sich insoweit ein Kompromiss zwischen der fehlenden unmittelbaren Anwendbarkeit und der völkerrechtlichen Verpflichtung der Union erkennen.1154 bb) Århus-VO als Umsetzung der Vorgaben der Århus-Konvention Im Sinne des Implementierungsgrundsatzes ist danach zu fragen, ob der Verordnungsgeber Art. 9 Abs. 3 ÅK mit den Rechtsschutzbestimmungen der Århus-VO umgesetzt hat. Voraussetzung dafür ist, dass die Århus-VO entweder im Sinne der Fediol-Doktrin auf Art. 9 Abs. 3 ÅK verweist, oder dass aus ihr im Sinne der N ­ akajima-Doktrin erkennbar hervorgeht, dass sie der Umsetzung von Art. 9 Abs. 3 ÅK dient. 1149 S. etwa EuGH, Urt. v. 09.09.2008, Fedon & Figli und Fedon America / ​Rat und Kommission, Rs. C-121/06 P, EU:C:2007:212, Rn. 110. 1150 EuGH, Urt. v. 07.05.1991, Nakajima All Precision / ​Rat, Rs.  C-69/89, EU:C:1991:186, Slg. 1991 I-2069, Rn. 29 ff. 1151 EuGH, Urt. v. 22.06.1989, Fediol / ​Kommission, Rs. 70/87, EU:C:1989:254, Slg. 1989, 1781, Rn. 19 ff. 1152 S.  EuGH, Urt. v. 23.11.1999, Portugal / ​Rat, Rs.  C-149/96, EU:C:1999:574, Slg.  1999 I-8395, Rn. 49; EuGH, Urt. v. 05.10.1994, Deutschland / ​Rat, Rs.  C-280/93, EU:C:1994:367, Slg. 1994 I-4973, Rn. 111. 1153 Generalanwalt Jääskinen, Schlussanträge v. 08.05.2014, Rat u. a. / ​Vereniging Milieu­ defensie und Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht, Verb. Rs. C-401/12 P bis C-403/12 P, EU:C:2014:310, Rn. 45; S. Gáspár-Szilágyi, The Relationship between EU Law and International Agreements, CML Rev. 52 (2015), 1059; P. Eeckhout, EU External Relations Law, 2012, S. 357; S. Gáspár-Szilágyi, The Relationship between EU Law and International Agreements, CML Rev. 52 (2015), 1059 (1060 f.); J. F. Delile, L’invocabilité des accords internationaux devant le juge de la légalité des actes de l’Union européenne, C. D. E. 2015, 151 (154 f.); dagegen differenzierend F. Snyder, The Gatekeepers: The European Courts and WTO Law, CML Rev. 40 (2003), 313 (342). 1154 P. Eeckhout, EU External Relations Law, 2012, S. 361; s. auch J. F. Delile, À propos de l’arrêt Vereniging Milieudefensie, C. D. E. 2012, 687 (688 ff.).

300

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

(1) Verweis der Århus-VO auf Art. 9 Abs. 3 ÅK im Sinne der Fediol-Doktrin Der Gerichtshof hat die Fediol-Ausnahme dahingehend präzisiert, dass der Sekundärrechtsakt explizit auf eine bestimmte Vorschrift des völkerrechtlichen Abkommens verweisen muss.1155 Art. 10 bis 12 Århus-VO enthalten keinen solchen ausdrücklichen Verweis auf Art. 9 Abs. 3 ÅK. Das hinderte das Gericht nicht daran, sich im Fall Vereniging Milieudefensie auf die Fediol-Ausnahme zu stützen. Dazu stellt das Gericht die Art. 10 ff. Århus-VO in den Gesamtkontext der Ver­ordnung.1156 Hier finden sich einige Referenzen auf die Århus-Konvention, insbesondere auf Art. 9 Abs. 3 ÅK: So verweist der 18. Erwägungsgrund der Århus-Verordnung ausdrücklich auf Art. 9 Abs. 3 ÅK. Zudem soll mit der Århus-VO nach den Zielen in ihrem Art. 1 Abs. 1 lit. d „in Umweltangelegenheiten Zugang zu Gerichten auf Gemeinschaftsebene zu den in dieser Verordnung festgelegten Bedingungen gewährt werden“. Diese Bestimmungen sprechen für eine Umsetzung von Art. 9 Abs. 3 ÅK durch die Århus-VO.1157 Den Gerichtshof überzeugten diese Argumente im Rechtsmittelverfahren jedoch nicht. Darin legte er die Fediol-Ausnahme restriktiv aus und beharrte darauf, dass die der Umsetzung dienende Bestimmung selbst den Verweis enthalten müsse.1158 Der Gerichtshof versucht so ganz offensichtlich, die Reichweite der FediolAusnahme zu begrenzen. Wirklich nachvollziehbar ist die Art und Weise, wie die Begrenzung erreicht wird, jedoch nicht. Die Bezugnahme jeder einzelnen sekundärrechtlichen Bestimmung auf die jeweilige Vorschrift des Völkervertragsrechts zu verlangen, ist vielmehr realitätsfern und impraktikabel.1159 Sinnvoller erscheint es dagegen, eine sekundärrechtliche Vorschrift nicht isoliert zu betrachten, sondern

1155

EuGH, Urt. v. 05.10.1994, Deutschland / ​Rat, Rs. C-280/93, EU:C:1994:367, Slg. 1994 I-4973, Rn. 111. 1156 EuG, Urt. v. 14.07.2012, Vereniging Milieudefensie und Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht / ​Kommission, Rs. T-396/09, EU:T:2012:301, Rn. 58. 1157 So auch H. Schoukens, Access to Justice in Environmental Cases After the Rulings of the Court of Justice of 13 January 2015, Utrecht J. Int. Eur. Law 31 (2015), 46 (58); J. Berkemann, NGO scheitern mit umweltrechtlicher Nichtigkeitsklage vor dem EuGH, ZUR 2015, 221 (230); vorsichtig M. Breuer, Die Klagebefugnis von Umweltverbänden unter Anpassungsdruck des Völker- und Europarechts, Die Verwaltung 45 (2012), 171 (201 Fn. 169); dagegen G. Garçon, The Rights of Access to Justice in Environmental Matters in the EU, EFFL 2013, 78 (80, 87); G. Garçon, Limits of NGO Rights to Invoke Access to Justice under the Aarhus Convention, EJRR 6 (2015), 458 (467). 1158 EuGH, Urt. v. 13.01.2015, Rat u. a. / ​Vereniging Milieudefensie und Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht, Verb. Rs. C-401/12 P bis C-403/12 P, EU:C:2015:4, Rn. 58; ebenso kritisch Generalanwalt Jääskinen, Schlussanträge v. 08.05.2014, Rat u. a. / ​Vereniging Milieu­ defensie und Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht, Verb. Rs. C-401/12 P bis C-403/12 P, EU:C:2014:310, Rn. 49. Dazu M. Prek / ​S. Lefèvre, La dimension „subjective“ de l’invocabilité des accords internationaux, in: Neframi / ​Gatti (Hrsg.), Constitutional Issues of EU External Relations Law, 2018, S. 231 (251 f.). 1159 A. Berthier, Rulings in Joined Cases C-401/12P to C-403/12P and Joined Cases C-404/12P and C-405/12P, JEEPL 12 (2015), 207 (210).

Kap. 5: Rechtsschutz nach der Århus-VO

301

im systematischen Gesamtkontext des Rechtsaktes, hier also der Århus-VO. Vor diesem Hintergrund ist es höchst zweifelhaft, dass der Gerichtshof sich der Erkenntnis verschließt, dass Art. 10 ÅK der Umsetzung von Art. 9 Abs. 3 ÅK dient. Der Gerichtshof zieht die Fediol-Ausnahme so eng, dass ihr wohl kaum ein Anwendungsbereich bleibt.1160 (2) Umsetzung von Art. 9 Abs. 3 ÅK im Sinne der Nakajima-Doktrin Für die Nakajima-Doktrin müssen zwei Kriterien erfüllt sein: ein subjektives, nach dem für die sekundärrechtliche Vorschrift die Intention der Umsetzung nachgewiesen werden muss und ein objektives, nach dem das Sekundärrecht eine ganz bestimmte völkerrechtliche Vorgabe umsetzt.1161 An der Intention der Unionsorgane, mit den Rechtsschutzbestimmungen der Århus-VO Art. 9 Abs. 3 ÅK umzusetzen, können kaum vernünftige Zweifel bestehen.1162 Hierfür sprechen die schon erwähnten Bezüge in Erwägungsgrund 18 sowie Art. 1 Abs. 1 lit. d Århus-VO. Zudem gibt es dazu auch Hinweise aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs selbst, der im Urteil Slowakischer Braunbär festhielt, dass mit der Århus-VO „die Bestimmungen von Art. 9 Abs. 3 des Übereinkommens von Aarhus umgesetzt werden sollen“1163. Auch die Kommission ging im Verordnungsvorschlag zur Århus-VO davon aus, dass durch die darin enthaltenen Rechtsschutzbestimmungen „das Gemeinschaftsrecht vollständig an die Bestimmungen des Übereinkommens über den Zugang zu Gerichten angepasst [wird]“1164, wobei sie vornehmlich auf Art. 9 Abs. 3 ÅK abstellte. Zudem spricht die Kommission in ihrer Mitteilung über den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten davon, dass mit der Århus-VO die Århus-Konvention auf die Organe und Einrichtungen der Union angewendet würde.1165 Was der Gerichtshof dagegen mit seinem Hinweis im Fall Vereniging Milieudefensie, Art. 9 Abs. 3 ÅK betreffe vornehmlich

1160 S.  Gáspár-Szilágyi, The Relationship between EU Law and International Agreements, CML Rev. 52 (2015), 1059 (1074 f.); allgemein kritisch zu dieser Rechtsprechung M. Mendez, Enforcement of EU Agreements, CML Rev. 47 (2010), 1719 (1746 f.). 1161 J. F. Delile, L’invocabilité des accords internationaux devant le juge de la légalité des actes de l’Union européenne, C. D. E. 2015, 151 (170). Kritisch, insbesondere zum subjektiven Kriterium F. Snyder, The Gatekeepers: The European Courts and WTO Law, CML Rev. 40 (2003), 313 (347). 1162 S. Generalanwalt Szpunar, Schlussanträge v. 17.10.2018, TestBioTech u. a. / ​Kommission, Rs. C-82/17, EU:C:2018:837, Rn. 35; anders G. Garçon, The Rights of Access to Justice in Environmental Matters in the EU, EFFL 2013, 78 (87). 1163 EuGH, Urt. v. 08.03.2011, Lesoochranárske zoskupenie, Rs. C-240/09, EU:C:2011:125, Slg. 2011 I-1285, Rn. 41. 1164 Vorschlag für eine Verordnung KOM(2003) 622 endg. v. 24.10.2003, S. 17. 1165 Mitteilung 2017/C 275/01 der Kommission über den Zugang zu Gerichten in Umwelt­ angelegenheiten, ABl. C 275 v. 18.08.2017, S. 1 (Rn. 6).

302

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

das mitgliedstaatliche Prozessrecht,1166 bezwecken wollte, ist unklar. Jedenfalls kann daraus nicht abgeleitet werden, dass Art. 9 Abs. 3 ÅK keine Bedeutung für das Eigenverwaltungsrecht der Union besitzt und daher von den Organen nicht umgesetzt werden müsste. Zudem müsste mit den Rechtsschutzbestimmungen der Århus-VO eine bestimmte Verpflichtung erfüllt werden.1167 Der Gerichtshof hat dieses Kriterium im Fall Vereniging Milieudefensie ausdrücklich abgelehnt, da die „Vertragsparteien in Bezug auf die Ausgestaltung der Durchführungsmodalitäten der ‚verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahren‘ über ein weites Ermessen verfügen“1168. Aus einem Ermessen der Vertragsparteien zu schließen, dass aus Art. 9 Abs. 3 ÅK gar keine spezifische Verpflichtung folgt, überzeugt jedoch nicht.1169 Der Gerichtshof überdehnt in seiner Argumentation vielmehr die Reichweite des Ermessensspielraums der Vertragsparteien.1170 Der Ermessensspielraum bezieht sich nur auf den Kreis der Antragsteller, nicht jedoch darauf, überhaupt Überprüfungsverfahren für Handlungen, die potenziell gegen das innerstaatliche Umweltrecht verstoßen, vorzusehen.1171 Damit verpflichtet Art. 9 Abs. 3 ÅK die Vertragsparteien immerhin zur Eröffnung einer Überprüfungsmöglichkeit, die überdies den Effektivitätsanforderungen von Art. 9 Abs. 4 ÅK genügen muss. Dafür spricht auch die neue Rechtsprechung des Gerichtshofs im Fall Protect, nach der Art. 9 Abs. 3 und 4 ÅK (i. V. m. Art. 47 GRCh) sogar bewirken, dass entgegenstehende Bestimmungen des mitgliedstaatlichen Prozessrechts außer Anwendung bleiben.1172 Vor diesem Hintergrund ist es wenig überzeugend, wenn sich der Gerichtshof im Fall Vereniging Milieudefensie dagegen auf das weite Umsetzungsermessen der Vertragsparteien zurückzieht. Folglich enthält Art. 9 Abs. 3 ÅK auch eine spezifische Verpflichtung der Vertragsparteien.1173 1166

EuGH, Urt. v. 13.01.2015, Rat u. a. / ​Vereniging Milieudefensie und Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht, Verb. Rs. C-401/12 P bis C-403/12 P, EU:C:2015:4, Rn. 60. 1167 S. EuGH, Urt. v. 05.10.1994, Deutschland / ​Rat, Rs. C-280/93, EU:C:1994:367, Slg. 1994 I-4973, Rn. 111. 1168 EuGH, Urt. v. 13.01.2015, Rat u. a. / ​Vereniging Milieudefensie und Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht, Verb. Rs. C-401/12 P bis C-403/12 P, EU:C:2015:4, Rn. 59. 1169 Anders G. Garçon, Limits of NGO Rights to Invoke Access to Justice under the Aarhus Convention, EJRR 6 (2015), 458 (467). 1170 S.  Gáspár-Szilágyi, The Relationship between EU Law and International Agreements, CML Rev. 52 (2015), 1059 (1075). 1171 L.  Coutron, Révolution dans le contentieux de l’environnement: feue la jurisprudence Plaumann!, RTD Eur. 2012, 607 (611). 1172 EuGH, Urt. v. 20.12.2017, Protect Natur-, Arten- und Landschaftschutz Umweltorganisation, Rs. C-664/15, EU:C:2017:987, Rn. 54 ff. S. dazu ausführlich schon oben unter Teil 2. Kapitel 4.  C. II. 3.  (S. 200 ff.). 1173 S. A.  Epiney, Zur Rechtsprechung des EuGH im Umweltrecht im Jahr 2017, EurUP 2018, 204 (206); J. F. Delile, À propos de l’arrêt Vereniging Milieudefensie, C. D. E. 2012, 687 (700). Dagegen sieht P. Oliver, Access to Information and to Justice in EU Environmental Law: The Aarhus Convention, Fordham Int’l L. J. 36 (2013), 1423 (1465) das Problem der Rechts­ sicherheit.

Kap. 5: Rechtsschutz nach der Århus-VO

303

Aus alldem ergibt sich, dass die Rechtsschutzvorschriften der Århus-VO der Umsetzung von Art. 9 Abs. 3 ÅK dienen.1174 Die Argumentation des Gerichtshofs wirkt dagegen sehr formalistisch.1175 Folgt man der Ansicht des Gerichtshofs, bleibt vielmehr unklar, welchen Sinn die Rechtsschutzbestimmungen der Århus-VO haben sollen, wenn nicht die Umsetzung von Art. 9 Abs. 3 ÅK.1176 cc) Restriktion des Implementierungsgrundsatzes auf das Welthandelsrecht Die Analyse der Rechtsschutzbestimmungen der Århus-VO vor dem Hintergrund des Implementierungsgrundsatzes hat – entgegen der Einschätzung des Gerichtshofs – ergeben, dass es sich dabei um eine Umsetzung von Art. 9 Abs. 3 ÅK handelt. Ob jedoch eine Prüfung im Sinne der Fediol- und Nakajima-Rechtsprechung überhaupt zulässig ist, unterliegt grundsätzlichen Zweifeln. Zwar wendete das Gericht den Implementierungsgrundsatz auf die Århus-VO an, jedoch fehlt es an einem Konsens darüber, ob der Implementierungsgrundsatz überhaupt außerhalb des Welthandelsrechts greift.1177 Das Urteil des Gerichts heizte Spekulationen darüber an, ob die Unionsgerichte den Implementierungsgrundsatz nun auch außerhalb des Welthandelsrechts anwenden würden.1178 Der Gerichtshof und auch Generalanwalt N. Jääskinen haben im Fall Vereniging Milieudefensie die Anwendbarkeit des Implementierungsgrundsatzes auf die umweltvölkerrechtliche Århus-Konvention abgelehnt und damit die klassische Rechtsprechungslinie bekräftigt. Der Gerichtshof rechtfertigt seine Haltung mit den Besonderheiten des Welthandelsrechts, die eine Ausdehnung der Fediol- und Nakajima-Rechtsprechung auf andere Bereiche nicht erlaube.1179 Damit folgt der 1174

In diesem Sinne auch H. Schoukens, Articles 9(3) and 9(4) of the Aarhus Convention and Access to Justice before EU Courts in Environmental Cases, Eur. Energy & Envtl. L. Rev. 25 (2016), 178 (187); S. Schlacke, Rechtsschutz durch europäische und nationale Gerichte unter Einschluss des Europäischen Bürgerbeauftragten in seiner Funktion zur Sicherung des Informationszugangs, UTR 108 (2011), 271 (292 Fn. 100); A.  Berthier, Rulings in Joined Cases C-401/12P to C-403/12P and Joined Cases C-404/12P and C-405/12P, JEEPL 12 (2015), 207 (210 f.); J. F. Delile, À propos de l’arrêt Vereniging Milieudefensie, C. D. E. 2012, 687 (700); s. auch E. Rehbinder, Die Aarhus-Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs und die Verbandsklage gegen Rechtsakte der Europäischen Union, EurUP 2012, 23 (23 f.); C. Poncelet, Access to Justice in Environmental Matters, J. Envtl. L. 24 (2012), 287 (303). 1175 A. Epiney, Zur Rechtsprechung des EuGH im Umweltrecht im Jahr 2015, EurUP 2016, 2 (6). 1176 A. Berthier, Rulings in Joined Cases C-401/12P to C-403/12P and Joined Cases C-404/12P and C-405/12P, JEEPL 12 (2015), 207 (210). 1177 Mit Beispielen S. Gáspár-Szilágyi, The Relationship between EU Law and International Agreements, CML Rev. 52 (2015), 1059 (1072). 1178 J. F. Delile, À propos de l’arrêt Vereniging Milieudefensie, C. D. E. 2012, 687 (704 ff.); skeptisch L. Coutron, Révolution dans le contentieux de l’environnement: feue la jurisprudence Plaumann!, RTD Eur. 2012, 607 (609 f.). 1179 EuGH, Urt. v. 13.01.2015, Rat u. a. / ​Vereniging Milieudefensie und Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht, Verb. Rs. C-401/12 P bis C-403/12 P, EU:C:2015:4, Rn. 57; zustim-

304

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

Gerichtshof in dieser Frage den Schlussanträgen des Generalanwalts, der die Anwendung des Implementierungsgrundsatzes auf die Århus-Konvention durch das Gericht als rechtsfehlerhaft einstuft.1180 Zur Erläuterung der Besonderheiten des Welthandelsrechts greift der Generalanwalt auf das Urteil des Gerichtshofs im Fall Biotech zurück.1181 Nach dem Gerichtshof liegen die Besonderheiten des WTORechts insbesondere im „Prinzip der Gegenseitigkeit zum beiderseitigen Nutzen“1182. Dies schlägt sich in den Rationalitäten der WTO-Rechtsprechung des Gerichtshofs nieder: Der Gerichtshof geht davon aus, dass einige Handelspartner der Union ihr innerstaatliches Recht nicht anhand der WTO-Regeln messen, und verweigert daher grundsätzlich auch eine Überprüfung des Unionsrechts anhand des Welthandelsrechts.1183 Zwar ist das deshalb kritikwürdig, da der Gerichtshof hier weniger rechtlich als vielmehr handelspolitisch argumentiert;1184 daraus lässt sich aber erkennen, dass es dem Gerichtshof ganz offensichtlich darum geht, die Union in Handelsfragen nicht zur Gewährung eines Vorteils zu zwingen, den ihr ihre Vertragspartner nicht gewähren.1185 Es soll, in den Worten des Gerichtshofs, zu keinem „Ungleichgewicht“1186 zu Lasten der Union im Welthandelsrecht kommen. Die Intention des Gerichtshofs ist also, den Handlungsspielraum der Unionsorgane im Welthandelsrecht im Verhältnis zu den anderen Vertragsparteien nicht zu beschneiden.1187 Vor diesem Hintergrund handhabt der Gerichtshof auch die Ausnahmen des Implementierungsgrundsatzes traditionell restriktiv.1188 mend B. Goby, Anmerkung zu EuGH, Urt. v. 13.1.2015, Verb. Rs. C.404/12 P und C-405/12 P, RdU 2015, 75 (77). 1180 Generalanwalt Jääskinen, Schlussanträge v. 08.05.2014, Rat u. a. / ​Vereniging Milieu­ defensie und Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht, Verb. Rs. C-401/12 P bis C-403/12 P, EU:C:​2014:310, Rn.  52  ff. 1181 Generalanwalt Jääskinen, Schlussanträge v. 08.05.2014, Rat u. a. / ​Vereniging Milieu­ defensie und Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht, Verb. Rs. C-401/12 P bis C-403/12 P, EU:C:​2014:310, Rn.  53. 1182 EuGH, Urt. v. 9.10.2001, Niederlande / ​Parlament und Rat, Rs. C-377/98, EU:C:2001:523, Slg. 2001 I-7079, Rn. 53. Zu diesem Kriterium s. M. Prek / ​S. Lefèvre, La dimension „subjective“ de l’invocabilité des accords internationaux, in: Neframi / ​Gatti (Hrsg.), Constitutional Issues of EU External Relations Law, 2018, S. 231 (238 ff.). 1183 S.  EuGH, Urt. v. 23.11.1999, Portugal / ​Rat, Rs.  C-149/96, EU:C:1999:574, Slg.  1999 I-8395, Rn. 42 ff. 1184 Generalanwalt Alber, Schlussanträge v. 15.05.2003, Biret und Cie / ​Rat, Rs. C-94/02 P, EU:C:2003:292, Slg. 2003 I-10565, Rn. 102; H. Sauer, Die innergemeinschaftlichen Wirkungen von WTO-Streitbeilegungsentscheidungen, EuR 2004, 463 (466). Zu Recht äußert sich der Gerichtshof in EuGH, Urt. v. 23.11.1999, Portugal / ​Rat, Rs. C-149/96, EU:C:1999:574, Slg. 1999 I-8395, Rn. 43 f. daher selbst zurückhaltend. 1185 S. die umfassende Auseinandersetzung und Kritik bei T. von Danwitz, Der EuGH und das Wirtschaftsvölkerrecht, JZ 2001, 721 (725 ff.). 1186 EuGH, Urt. v. 23.11.1999, Portugal / ​Rat, Rs. C-149/96, EU:C:1999:574, Slg. 1999 I-8395, Rn. 45. 1187 EuGH, Urt. v. 23.11.1999, Portugal / ​Rat, Rs. C-149/96, EU:C:1999:574, Slg. 1999 I-8395, Rn. 46. 1188 S. etwa EuG, Urt. v. 03.02.2005, Chiquita Brands u. a. / ​Kommission, Rs. T-19/01, EU:T:​ 2005:31, Slg. 2005 II-315, Rn. 117. Der Gerichtshof hat den Implementierungsgrundsatz bis-

Kap. 5: Rechtsschutz nach der Århus-VO

305

Das Telos der Århus-Konvention weist dagegen in eine andere Richtung, nament­ lich der Schaffung prozeduraler Rechte, die dem Umweltschutz dienen.1189 Insoweit greifen die Erwägungen des Gerichtshofs zum Welthandelsrecht hier nicht: Beim Umweltschutz besteht keine Gefahr eines Ungleichgewichts oder einer Schlechterstellung der Union gegenüber den anderen Konventionsparteien. Insoweit sind die Umsetzungsspielräume der Århus-Konvention nicht vergleichbar mit denen des Welthandelsrechts.1190 Doch gerade dann vermag eine grundsätzliche Ablehnung der Anwendbarkeit des Implementierungsgrundsatzes nicht vollends zu überzeugen: Müsste aus der Sicht des Gerichtshofs die Anwendung des Implementierungsgrundsatzes auf nicht-reziproke Abkommen, wie der Århus-Konvention, nicht gerade unkritischer sein als im Welthandelsrecht? Die restriktive Auslegung der einzelnen Voraussetzungen des Implementie­ rungsgrundsatzes durch den Gerichtshof nährt Zweifel, ob der Implementierungsgrundsatz überhaupt operabel ist.1191 Die Rechtsprechung des Gerichtshofs wirkt wie ein Schutzwall für die Unionsrechtsordnung vor einer substanziellen Beeinflussung durch das Völkervertragsrecht.1192 Für unvereinbares Handeln mit dem Welthandelsrecht haben die Unionsorgane daher unionsrechtlich wenig zu befürchten.1193 Gerade bei unvoreingenommenem Blick auf die Kriterien des Implementierungsgrundsatzes ist es nicht nachvollziehbar, warum die Århus-VO nicht anhand von Art. 9 Abs. 3 ÅK überprüft werden soll. lang nur im Fall Racke außerhalb des WTO-Rechts angewendet, s. EuGH, Urt. v. 16.06.1998, Racke / ​Hauptzollamt Mainz, Rs. C-162/96, EU:C:1998:293, Slg. 1998 I-3655, Rn. 48 ff. Dazu S. Gáspár-Szilágyi, The Relationship between EU Law and International Agreements, CML Rev. 52 (2015), 1059 (1061). 1189 Generalanwalt Jääskinen, Schlussanträge v. 08.05.2014, Rat u. a. / ​Vereniging Milieu­ defensie und Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht, Verb. Rs. C-401/12 P bis C-403/12 P, EU:C:​2014:310, Rn.  87  f. 1190 G. Garçon, Limits of NGO Rights to Invoke Access to Justice under the Aarhus Convention, EJRR 6 (2015), 458 (467) meint dagegen, dass die Umsetzungsspielräume bei reziproken Handelsabkommen geringer seien; kritisch H. Schoukens, Access to Justice in Environmental Cases After the Rulings of the Court of Justice of 13 January 2015, Utrecht J. Int. Eur. Law 31 (2015), 46 (59). 1191 B. Pirker, Access to Justice in Environmental Matters and the Aarhus Convention’s Effects in the EU Legal Order, RECIEL 25 (2016), 81 (89); H. Schoukens, Access to Justice in Environmental Cases After the Rulings of the Court of Justice of 13 January 2015, Utrecht J. Int. Eur. Law 31 (2015), 46 (58). Allgemein kritisch M. Mendez, Enforcement of EU Agreements, CML Rev. 47 (2010), 1719 (1746); P. J. Kuijper / ​M. Bronckers, WTO Law in the European Court of Justice, CML Rev. 42 (2005), 1313 (1323 ff.); M. Prek / ​S. Lefèvre, La dimension „subjective“ de l’invocabilité des accords internationaux, in: Neframi / ​Gatti (Hrsg.), Constitutional Issues of EU External Relations Law, 2018, S. 231 (246 ff.). 1192 S. S. Gáspár-Szilágyi, The Relationship between EU Law and International Agreements, CML Rev. 52 (2015), 1059 (1069); H. Schoukens, Access to Justice in Environmental Cases After the Rulings of the Court of Justice of 13 January 2015, Utrecht J. Int. Eur. Law 31 (2015), 46 (58). 1193 H. Sauer, Die innergemeinschaftlichen Wirkungen von WTO-Streitbeilegungsentscheidungen, EuR 2004, 463 (467) nennt dies „eine Art freiwillige Selbstverpflichtung zu welthandelsrechtskonformem Handeln“.

306

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

b) Zielverbindlichkeit von Art. 9 Abs. 3 ÅK Der Gerichtshof zog sich im Fall Vereniging Milieudefensie darauf zurück, dass Art. 9 Abs. 3 ÅK nicht als Prüfungsmaßstab der Rechtsschutzbestimmungen der Århus-VO in Frage kommt. Unerwähnt ließ der Gerichtshof, dass Generalanwalt N. Jääskinen in seinen Schlussanträgen eigentlich eine andere Lösung vorgeschlagen hatte. Zwar hatte auch der Generalanwalt den Weg des Gerichts über den Implementierungsgrundsatz verworfen, kam aber dennoch zu dem Ergebnis, dass Art. 9 Abs. 3 ÅK als Prüfungsmaßstab dienen kann. aa) Ansatz Generalanwalt Jääskinens Der Generalanwalt schlägt vor, Art. 9 Abs. 3 ÅK differenzierend zu betrachten.1194 Maßgeblich stützt sich der Generalanwalt dabei auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs im Fall Biotech.1195 Darin hatte der Gerichtshof festgestellt, dass die fehlende unmittelbare Anwendbarkeit einer völkerrechtlichen Bestimmung die Unionsgerichte nicht daran hindere, die Einhaltung der sich aus der Bestimmung ergebenden Verpflichtungen zu überprüfen.1196 Auf dieser Grundlage schlägt der Generalanwalt vor, Art. 9 Abs. 3 ÅK als gemischte Bestimmung aufzufassen: Art. 9 Abs. 3 ÅK sei zwar – vor allem in Bezug auf den festzulegenden Kreis der Klageberechtigten – unbestimmt; hinsichtlich des Ziels, Zugang zu Überprüfungsverfahren zu gewährleisten, sei die Vorschrift jedoch bestimmt genug, um Sekundärrecht daran zu prüfen.1197 Angesichts des Telos und der Systematik von Art. 9 Abs. 3 ÅK ist es für den Generalanwalt daher „unbestreitbar, dass die Verpflichtung, Zugang zu den Gerichten zu gewähren, hinreichend klar ist, um einer Vorschrift entgegenzustehen, deren Gegenstand oder Wirkung darin besteht, 1194 Generalanwalt Jääskinen, Schlussanträge v. 08.05.2014, Rat u. a. / ​Vereniging Milieu­ defensie und Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht, Verb. Rs. C-401/12 P bis C-403/12 P, EU:C:​2014:310, Rn.  58  ff. 1195 Generalanwalt Jääskinen, Schlussanträge v. 08.05.2014, Rat u. a. / ​Vereniging Milieu­ defensie und Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht, Verb. Rs. C-401/12 P bis C-403/12 P, EU:C:​2014:310, Rn.  67. S. Gáspár-Szilágyi, The Relationship between EU Law and International Agreements, CML Rev. 52 (2015), 1059 (1073 f.) weist darauf hin, dass im Fall Biotech sich mit einem Mitgliedstaat ein privilegierter Kläger auf Völkervertragsrecht berief, während der Fall Vereniging Milieudefensie von nicht-privilegierten Klägern angestrengt wurde. Dieser Unterschied ist jedoch nicht relevant: Angesichts der völkerrechtlichen Verpflichtung der Union darf es keinen Unterschied machen, ob sich nun privilegierte oder nicht-privilegierte Kläger auf eine Vorschrift berufen. Allgemein kritisch zur Biotech-Rechtsprechung jedoch P. Eeckhout, EU External Relations Law, 2012, S. 351; M. Mendez, The Legal Effect of Community Agreements, EJIL 21 (2010), 83 (97 ff.). 1196 EuGH, Urt. v. 9.10.2001, Niederlande / ​Parlament und Rat, Rs. C-377/98, EU:C:2001:523, Slg. 2001 I-7079, Rn. 54. 1197 Generalanwalt Jääskinen, Schlussanträge v. 08.05.2014, Rat u. a. / ​Vereniging Milieu­ defensie und Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht, Verb. Rs. C-401/12 P bis C-403/12 P, EU:C:​2014:310, Rn.  91  ff.

Kap. 5: Rechtsschutz nach der Århus-VO

307

bestimmte nicht legislative Entscheidungen der öffentlichen Behörden dem Bereich der durch die nationalen Gerichte auszuübenden Kontrolle zu entziehen“1198.

Dem Generalanwalt geht es also darum, dass Art. 9 Abs. 3 ÅK „eine für die Vertragsparteien klar identifizierbare Ergebnispflicht vorsieht“1199. In diesem Sinne möchte der Generalanwalt Art. 9 Abs. 3 ÅK als Prüfungsmaßstab für das Sekundärrecht heranziehen.1200 Für seine Lösung hat der Generalanwalt einigen Zuspruch erfahren.1201 Dem ist beizupflichten. Die Lösung hat den Vorteil, dass sie der komplizierten Natur von Art. 9 Abs. 3 ÅK gerecht wird. Diese entzieht sich dem traditionellen Instrumentarium der klaren Trennung in unmittelbar anwendbares und nicht unmittelbar anwendbares Recht.1202 Gerade diese Grauschattierung von Art. 9 Abs. 3 ÅK kommt in der Lösung des Generalanwalts zur Geltung. Damit können einige dogmatische Unschärfen im Umgang mit Art. 9 Abs. 3 ÅK ausgeräumt werden. Der Generalanwalt trifft zudem den wunden Punkt der Rechtsprechung des Gerichtshofs. Denn ganz offensichtlich wollte sich der Generalanwalt nicht damit abfinden, dass Art. 9 Abs. 3 ÅK als Prüfungsmaßstab für das Unionssekundärrecht ausfällt. So lesen sich die Schlussanträge des Generalanwalts stellenweise wie ein vorgezogenes Sondervotum zum Urteil des Gerichtshofs.1203 Denn aus dem Urteil des Gerichtshofs folgt die doch etwas seltsame Konsequenz, dass Art. 9 Abs. 3 ÅK für den Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht letztlich überhaupt keine Bedeutung entfaltet.1204 Der Gerichtshof geht davon aus, dass die unmittelbare Anwendbarkeit einer völkervertraglichen Bestimmung die Voraussetzung für ihre Maß 1198 Generalanwalt Jääskinen, Schlussanträge v. 08.05.2014, Rat u. a. / ​Vereniging Milieu­ defensie und Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht, Verb. Rs. C-401/12 P bis C-403/12 P, EU:C:​2014:310, Rn. 94 (Hervorhebung im Original). 1199 Generalanwalt Jääskinen, Schlussanträge v. 08.05.2014, Rat u. a. / ​Vereniging Milieu­ defensie und Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht, Verb. Rs. C-401/12 P bis C-403/12 P, EU:C:​2014:310, Rn.  92. 1200 Generalanwalt Jääskinen, Schlussanträge v. 08.05.2014, Rat u. a. / ​Vereniging Milieu­ defensie und Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht, Verb. Rs. C-401/12 P bis C-403/12 P, EU:C:​2014:310, Rn.  95. 1201 B. Pirker, Access to Justice in Environmental Matters and the Aarhus Convention’s ­Effects in the EU Legal Order, RECIEL 25 (2016), 81 (89 f.); A. Berthier, Rulings in Joined Cases C-401/12P to C-403/12P and Joined Cases C-404/12P and C-405/12P, JEEPL 12 (2015), 207 (211 f.); H. Schoukens, Articles 9(3) and 9(4) of the Aarhus Convention and Access to Justice before EU Courts in Environmental Cases, Eur. Energy & Envtl. L. Rev. 25 (2016), 178 (188); B. Goby, Anmerkung zu EuGH, Urt. v. 13.1.2015, Verb. Rs. C.404/12 P und C-405/12 P, RdU 2015, 75 (76 f.); E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband II, 2018, S. 1094. 1202 S. dazu schon oben unter Teil 2. Kapitel 4. C. I. 3. b) (S. 191 ff.). 1203 J. Berkemann, NGO scheitern mit umweltrechtlicher Nichtigkeitsklage vor dem EuGH, ZUR 2015, 221 (230). 1204 B. Pirker, Access to Justice in Environmental Matters and the Aarhus Convention’s Effects in the EU Legal Order, RECIEL 25 (2016), 81 (89); A. Epiney / ​S. Diezig / ​B. Pirker / ​S. Reite­ meyer, Aarhus-Konvention, Handkommentar, Art. 9, Rn. 36; s. auch E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband II, 2018, S. 1090.

308

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

stäblichkeit für das Sekundärrecht ist.1205 Dadurch entsteht allerdings gerade in den Fällen ein Vakuum, in denen eine völkerrechtliche Vorschrift nicht unmittelbar anwendbar ist:1206 Dann können nämlich weder Einzelne direkt auf ihre Einhaltung dringen noch ist das Argument zulässig, dass rangniedrigere Sekundärrechtsvorschriften nicht mit ihr in Einklang stehen. Damit vermittelt der Gerichtshof den Unionsinstitutionen den fatalen Eindruck, weitgehend immun gegenüber den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Union zu sein.1207 Die Rechtsprechung des Gerichtshofs im Fall Vereniging Milieudefensie, die Art. 9 Abs. 3 ÅK jegliche Effektivität nimmt, steht in einem deutlichen Widerspruch zu der Rechtsprechungslinie in den Fällen Slowakischer Braunbär und Protect zum mitgliedstaatlichen Prozessrecht.1208 Denn in diesen Fällen hat der Gerichtshof Art. 9 Abs. 3 ÅK ungeachtet seiner fehlenden unmittelbaren Anwendbarkeit einen weitgehenden Einfluss auf die mitgliedstaatlichen Prozessordnungen beigemessen.1209 Warum Art. 9 Abs. 3 ÅK nicht als Prüfungsmaßstab für die sekundärrechtliche Århus-VO in Frage kommen soll, ist deshalb umso unverständlicher, wenn man bedenkt, dass der Gerichtshof Art. 9 Abs. 3 ÅK im Fall Protect überdies – wenn auch methodisch zweifelhaft1210 – mit Art. 47 GRCh verstärkt hat.1211 Wenn sich also nach dem Gerichtshof für die Mitgliedstaaten aus Art. 9 Abs. 3 ÅK 1205

EuGH, Urt. v. 13.01.2015, Rat u. a. / ​Vereniging Milieudefensie und Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht, Verb. Rs. C-401/12 P bis C-403/12 P, EU:C:2015:4, Rn. 54; EuGH, Urt. v. 03.06.2008, Intertanko u. a., Rs. C-308/06, EU:C:2008:312, Slg. 2008 I-4057, Rn. 45. Zu dieser Verbindung Generalanwalt Darmon, Schlussanträge v. 19.05.1987, Demirel / ​Stadt Schwäbisch Gmünd, Rs. 12/86, EU:C:1987:232, Slg. 1987, 3719, Rn. 18 und dazu M. Prek  / ​ S. Lefèvre, La dimension „subjective“ de l’invocabilité des accords internationaux, in: Neframi / ​ Gatti (Hrsg.), Constitutional Issues of EU External Relations Law, 2018, S. 231 (242). 1206 S. Generalanwalt Jääskinen, Schlussanträge v. 08.05.2014, Rat u. a. / ​Vereniging Milieu­ defensie und Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht, Verb. Rs. C-401/12 P bis C-403/12 P, EU:C:​2014:310, Rn.  78; J. F. Delile, L’invocabilité des accords internationaux devant le juge de la légalité des actes de l’Union européenne, C. D. E. 2015, 151 (164). 1207 H. Schoukens, Articles 9(3) and 9(4) of the Aarhus Convention and Access to Justice before EU Courts in Environmental Cases, Eur. Energy & Envtl. L. Rev. 25 (2016), 178 (188); ähnlich J. F. Delile, L’invocabilité des accords internationaux devant le juge de la légalité des actes de l’Union européenne, C. D. E. 2015, 151 (165). 1208 S. B. Pirker, Access to Justice in Environmental Matters and the Aarhus Convention’s Effects in the EU Legal Order, RECIEL 25 (2016), 81 (89, 90); A. Berthier, Rulings in Joined Cases C-401/12P to C-403/12P and Joined Cases C-404/12P and C-405/12P, JEEPL 12 (2015), 207 (212); H. Schoukens, Articles 9(3) and 9(4) of the Aarhus Convention and Access to Justice before EU Courts in Environmental Cases, Eur. Energy & Envtl. L. Rev. 25 (2016), 178 (188); J. Berkemann, NGO scheitern mit umweltrechtlicher Nichtigkeitsklage vor dem EuGH, ZUR 2015, 221 (228); F. Ekardt, Verbandsklage vor dem EuGH: Mitgliedstaaten verklagen, EU-Institutionen verschonen?, NVwZ 2015, 772 (774 f.); J. F. Delile, L’invocabilité des accords internationaux devant le juge de la légalité des actes de l’Union européenne, C. D. E. 2015, 151 (176 f.). 1209 S. oben unter Teil 2. Kapitel 4. C. II. 3. (S. 200 ff.). 1210 S. oben unter Teil 2. Kapitel 4. C. II. 4. b) dd) (S. 220 ff). 1211 Dazu B. Wegener, Der Braunbär lernt schwimmen, ZUR 2018, 217 (221); C. Sobotta, Anmerkung zu EuGH, Urt. v. 20.12.2017, Rs. C-664/15, EuZW 2018, 158 (166).

Kap. 5: Rechtsschutz nach der Århus-VO

309

zumindest die eindeutige Verpflichtung zur Schaffung eines Überprüfungsverfahrens ergibt, muss dies auch für das Eigenverwaltungsrecht der Union gelten. Während die Kritik eines Doppelstandards im Verhältnis zum primärrechtlichen Prozessrecht nicht verfängt,1212 gilt sie umso mehr mit Blick auf die Bedeutungslosigkeit von Art. 9 Abs. 3 ÅK für das Sekundärrecht. Eben diesen Wertungs­ widerspruch vermag die Lösung des Generalanwalts abzumildern: Mit der Zielverbindlichkeit von Art. 9 Abs. 3 ÅK als Prüfungsmaßstab geht der Generalanwalt nicht über das hinaus, was der Gerichtshof als Messlatte auch an die Mitgliedstaaten anlegt. bb) Beschränkung der Kontrolle auf das Überschreiten der äußeren Grenze des Gestaltungsspielraums von Art. 9 Abs. 3 ÅK Gegen die Lösung des Generalanwalts lässt sich der Einwand erheben, dass sie den von den Vertragsparteien ausdrücklich vorgesehenen Gestaltungspielraum in Art. 9 Abs. 3 ÅK nicht ausreichend respektiere.1213 Dem soll hier entgegengetreten werden. Eine Überprüfung im Sinne des Generalanwalts ist trotz bestehender Gestaltungsspielräume möglich. Die Vertragsparteien haben den Zugang zum Überprüfungsverfahren ausdrücklich an die Erfüllung „etwaige[r] in ihrem innerstaatlichen Recht festgelegte Kriterien“ geknüpft.1214 Dies darf in der Tat nicht ausgeblendet werden: Eine völkerrechtliche Bestimmung entfaltet ihren Sinn nur in ihrer Gesamtheit. Isoliert man einen Teil, genügt dies nicht als Prüfungsmaßstab, da dann der Kontext der restlichen Norm fehlt. Schließlich ist eine völkervertragliche Bestimmung immer das Ergebnis der Verhandlungen der Vertragsparteien. Diese möchten sich nur an das Gesamtergebnis binden, nicht aber an einen Ausschnitt, den sie so vielleicht gar nicht in den Vertragstext aufgenommen hätten. Gestaltungsspielräume dürfen also nicht ignoriert werden. So soll die Lösung des Generalanwalts jedoch nicht verstanden werden. Auch ein Gestaltungsspielraum ist kein Freibrief, mit völkerrechtlichen Verpflichtungen nach Belieben umzugehen, sondern kennt eine äußere Grenze. Im Fall von Art. 9 Abs. 3 ÅK liegt diese äußere Grenze in der Effektivität des Überprü 1212

S. oben unter Teil 2. Kapitel 4. C. II. 4. (S. 206 ff.). S. E. Hofmann, Ausgewählte Probleme des Allgemeinen Umweltrechts, Die Verwaltung 50 (2017), 247 (260), der diesen Einwand iE aber auch verwirft. 1214 J. F. Delile, L’invocabilité des accords internationaux devant le juge de la légalité des actes de l’Union européenne, C. D. E. 2015, 151 (167 f.) weist darauf hin, dass es den Klägern im Fall Vereniging Milieudefensie nicht um diesen – flexiblen – Teil von Art. 9 Abs. 3 ÅK ging, sondern um den Begriff der Handlung, für den kein solcher Spielraum bestehe. A. Berthier, Rulings in Joined Cases C-401/12P to C-403/12P and Joined Cases C-404/12P and C-405/12P, JEEPL 12 (2015), 207 (210) geht noch einen Schritt weiter und erinnert daran, dass die Formulierung „etwaige“ in Art. 9 Abs. 3 ÅK es den Vertragsparteien anheimstelle, ob sie den Zugang überhaupt an Kriterien knüpfen wollten. Daraus folgert A. Berthier jedoch zu weitgehend, dass Art. 9 Abs. 3 ÅK in keiner Weise unbestimmt sei. 1213

310

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

fungsverfahrens: Aus Art. 9 Abs. 4 ÅK ergibt sich, dass das Überprüfungsverfahren einer gewissen Mindesteffektivität genügen muss. Sind die Kriterien des Überprüfungsverfahrens so gewählt, dass sie diesem jegliche Effektivität nehmen, sind die äußeren Grenzen des Gestaltungsspielraums überschritten.1215 Eine Zielerreichung im Sinne des Generalanwalts kann nur innerhalb der Grenzen des Gestaltungsspielraums gelingen. Aus Art. 9 Abs. 3 ÅK ergibt sich das Ziel der Schaffung eines Überprüfungsverfahrens für nicht-legislative Handlungen,1216 dessen Ausgestaltung im Übrigen den Vertragsparteien obliegt. Die Grenze der Ausgestaltung ist dann erreicht, wenn das geschaffene Überprüfungsverfahren nicht den Effektivitätsanforderungen von Art. 9 Abs. 4 ÅK genügt. Die Prüfung beschränkt sich also auf die Einhaltung der sich aus Art. 9 Abs. 3 und 4 ÅK ergebenden Gestaltungsgrenzen für das Überprüfungsverfahren. Die damit erzielte Wirkung ähnelt der der Anwendung des Implementierungsgrundsatzes. Die Gestaltungsspielräume der Union werden respektiert, da nur danach gefragt wird, ob die Århus-VO ein effektives Überprüfungsverfahren vorsieht. Innerhalb dieser Grenzen ist die Union in der Ausgestaltung frei. Der Prüfung unterliegt nur, ob der Verordnungsgeber die Gestaltungsspielräume von Art. 9 Abs. 3 ÅK „ordnungsgemäß vervollständigt“1217 hat. Es erfolgt also keine Vollkontrolle der Rechtsschutzbestimmungen der Århus-VO, sondern eine zurückgenommene, die nur so weit reicht, wie die Gestaltungsspielräume des Sekundärrechtsgebers nicht berührt werden. Eine Bevormundung des Sekundärrechtsgebers liegt in einer solchen Prüfung also gerade nicht. Im Übrigen steht dies im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs zum mitgliedstaatlichen Unionsverwaltungsrecht. Denn auch im Fall Protect überprüfte der Gerichtshof gerade, ob die streitgegenständliche Vorschrift des mitgliedstaatlichen Prozessrechts den von Art. 9 Abs. 3 ÅK gewährten Gestaltungsspielraum einhält.1218 c) Ergebnis Art. 9 Abs. 3 ÅK kann als Prüfungsmaßstab für die Rechtsschutzbestimmungen der Århus-VO herangezogen werden. Gerade weil kaum geleugnet werden kann, dass die Rechtsschutzbestimmungen der Århus-VO der Umsetzung von Art. 9 1215

S. dazu schon oben unter Teil 2. Kapitel 4. C. I. 3. b) (S. 191 ff.). S. B. Pirker, Access to Justice in Environmental Matters and the Aarhus Convention’s Effects in the EU Legal Order, RECIEL 25 (2016), 81 (89); A. Epiney, Zur Rechtsprechung des EuGH im Umweltrecht im Jahr 2015, EurUP 2016, 2 (6); J. Berkemann, NGO scheitern mit umweltrechtlicher Nichtigkeitsklage vor dem EuGH, ZUR 2015, 221 (229). 1217 Generalanwalt Jääskinen, Schlussanträge v. 08.05.2014, Rat u. a. / ​Vereniging Milieu­ defensie und Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht, Verb. Rs. C-401/12 P bis C-403/12 P, EU:C:​2014:310, Rn. 97 (Hervorhebung im Original). 1218 S. EuGH, Urt. v. 20.12.2017, Protect Natur-, Arten- und Landschaftschutz Umweltorganisation, Rs. C-664/15, EU:C:2017:987, Rn. 48 sowie die diesbezügliche Einschätzung bei A. Epiney, Zur Rechtsprechung des EuGH im Umweltrecht im Jahr 2017, EurUP 2018, 204 (206). 1216

Kap. 5: Rechtsschutz nach der Århus-VO

311

Abs. 3 ÅK für das Eigenverwaltungsrecht der Union dienen,1219 überzeugt die Argumentation des Gerichtshofs gegen den Implementierungsgrundsatz nicht. Zwar meint der Gerichtshof, die Anwendbarkeit des Implementierungsgrundsatzes auf das Welthandelsrecht beschränken zu können, jedoch lässt sich die vollständige Ablehnung von Art. 9 Abs. 3 ÅK als Prüfungsmaßstab nicht rechtfertigen. Das Judikat des Gerichtshofs im Fall Vereniging Milieudefensie steht vielmehr in deutlichem Widerspruch zu den Urteilen Slowakischer Braunbär und Protect. Den Weg zur Prüfungsmaßstäblichkeit von Art. 9 Abs. 3 ÅK weist General­ anwalt N. Jääskinen in seinen Schlussanträgen zum Fall Vereniging Milieudefensie. Zunächst lässt sich Art. 9 Abs. 3 ÅK eine Zielverbindlichkeit zur Schaffung von Überprüfungsverfahren von nicht-legislativen Handlungen entnehmen. Durch die Verbindung mit Art. 9 Abs. 4 ÅK ist überdies klar, dass dieses Überprüfungsverfahren einem Mindestmaß an Effektivität genügen muss. Damit besteht auch für die Gestaltungsspielräume eine äußere Grenze: Eröffnet eine Vorschrift des Völkervertragsrechts Gestaltungsspielräume, werden diese durch Sekundärrechtsakte ausgefüllt. Die Bestimmungen des Sekundärrechts dürfen jedoch nicht über die gewährten Gestaltungsspielräume hinausgehen. Vor diesem Hintergrund sind die Rechtsschutzbestimmungen der Århus-VO am Maßstab von Art. 9 Abs. 3 ÅK zu messen. Der Gerichtshof hat zu dieser Frage – aus seiner Sicht konsequent – keine Stellung genommen. Damit hat er sich jedoch der Beantwortung der entscheidenden Frage entzogen.1220 2. Definitionsfragen Zunächst ist die Reichweite der Århus-VO vor dem Hintergrund von Art. 9 Abs. 3 ÅK zu hinterfragen. Diese Problematik hat in erster Linie mit den in der Århus-VO verwendeten Begriffen und Definitionen zu tun. Im Einzelnen geht es dabei sowohl um den persönlichen als auch den sachlichen Anwendungsbereich der Århus-VO. a) Antragsberechtigung Hinsichtlich des persönlichen Anwendungsbereichs der Århus-VO stellen sich zwei Probleme, die zu einer Unvereinbarkeit mit Art. 9 Abs. 3 ÅK führen könnten. Zum einen begrenzt die Århus-VO den Kreis der Antragssteller auf Verbände. Zum

1219 So auch E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband II, 2018, S. 1052 f., 1095; J. Berkemann, NGO scheitern mit umweltrechtlicher Nichtigkeitsklage vor dem EuGH, ZUR 2015, 221 (230). 1220 D. Lutz / ​M. Sauer, Neuigkeiten zur Aarhus-Konvention, EurUP 2018, 118 (124); A. Ber­ thier, Rulings in Joined Cases C-401/12P to C-403/12P and Joined Cases C-404/12P and C-405/12P, JEEPL 12 (2015), 207 (209 f.).

312

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

anderen enthalten die Bestimmungen zur Antragsberechtigung von Verbänden zusätzliche Einschränkungen. aa) Begrenzung des internen Überprüfungsverfahrens auf Verbände Der Zugang zum internen Überprüfungsverfahren ist nach Art. 10 Abs. 1 Århus-VO auf Nichtregierungsorganisationen, die die Voraussetzungen von Art. 11 Århus-VO erfüllen, begrenzt.1221 Damit sind Individualkläger vom internen Überprüfungsverfahren ausgeschlossen. Für die Zulässigkeit einer solchen Begrenzung auf Verbände lassen sich Anhaltspunkte im Wortlaut von Art. 9 Abs. 3 ÅK finden. Art. 9 Abs. 3 ÅK gewährt Mitgliedern der Öffentlichkeit Zugang zu Überprüfungsverfahren, die „etwaige in ihrem innerstaatlichen Recht festgelegte Kriterien erfüllen“. Zwar fallen unter den Begriff der Öffentlichkeit nach Art. 2 Nr. 4 ÅK natürliche und juristische Personen.1222 Dass der Zugang zu Überprüfungsverfahren von im innerstaatlichen Recht festzulegenden Kriterien abhängig gemacht werden kann, könnte jedoch bedeuten, dass Art. 9 Abs. 3 ÅK den Vertragsparteien auch die Freiheit lässt, Individualkläger auszuschließen.1223 Damit würde der Rechtsschutz in Art. 9 Abs. 3 ÅK an die Verbandsprivilegierung in Art. 9 Abs. 2 ÅK anknüpfen.1224 Folgt man dieser Argumentationslinie, ist der Ausschluss von Individualklägern vom Überprüfungsverfahren mit Art. 9 Abs. 3 ÅK vereinbar.1225 Wirklich zu überzeugen vermag diese Argumentation jedoch nicht. Zunächst lässt sich eine Verbandsprivilegierung nur in Art. 9 Abs. 2 ÅK erkennen.1226 In Art. 9 Abs. 3 ÅK werden Individualkläger und Verbände dagegen gleichbehan-

1221

S. dazu umfassend oben unter Teil 2. Kapitel 5. A. I. 1. (S. 237 ff.). Der Begriff der Öffentlichkeit ist von dem der „betroffenen Öffentlichkeit“ i. S. v. Art. 2 Nr. 4 ÅK abzugrenzen. Jener ist deutlich enger. S. dazu oben unter Teil 2. Kapitel 3. A. II. 3. a) (S. 104 f.). 1223 Vorschlag für eine Verordnung KOM(2003) 622 endg. v. 24.10.2003, S. 17; A. Keessen, Reducing the Judicial Deficit in Multilevel Environmental Regulation, in: Føllesdal u. a. (Hrsg.), Multilevel Regulation and the EU, 2008, S. 323 (338); A. Guckelberger, Die EG-Verordnung zur Umsetzung der Aarhus-Konvention auf der Gemeinschaftsebene, NuR 2008, 78 (86); ­M.-J. Seibert, Verbandsklagen im Umweltrecht, NVwZ 2013, 1040 (1042). 1224 So noch S. Pernice-Warnke, Der Zugang zu Gericht in Umweltangelegenheiten für Individualkläger und Verbände gemäß Art. 9 Abs. 3 Aarhus-Konvention und seine Umsetzung durch die europäische Gemeinschaft, EuR 2008, 410 (420). 1225 E. Rehbinder, Die Aarhus-Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs und die Verbandsklage gegen Rechtsakte der Europäischen Union, EurUP 2012, 23 (24); E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband II, 2018, S. 1059; iE wohl auch S. Pernice-Warnke, Effektiver Zugang zu Gericht, 2009, S. 175. 1226 S. dazu oben unter Teil 2. Kapitel 3. B. II. 1. (S. 114 ff.). Dagegen nun aber S. Pernice-​ Warnke, Die Europäisierung des Verwaltungsprozessrechts, in: Broemel u. a. (Hrsg.), Prozessrecht in nationaler, europäischer und globaler Perspektive, 2017, S. 289 (292 f.). 1222

Kap. 5: Rechtsschutz nach der Århus-VO

313

delt.1227 Folglich privilegiert Art. 9 Abs. 3 ÅK auch nicht einseitig Verbände. Aus diesem Grund darf es im Umkehrschluss keine Schlechterstellung von Individualklägern geben. Zwar erlaubt Art. 9 Abs. 3 ÅK, dass die Vertragsparteien den Zugang zum Überprüfungsverfahren von der Erfüllung bestimmter Kriterien abhängig machen. Diese dürfen jedoch nach dem Compliance Committee nicht so streng sein, dass sie den in der Konvention umfassend definierten Kreis der Mitglieder der Öffentlichkeit auf Verbände beschränken.1228 Aus Wortlaut und Systematik ergibt sich damit, dass eine Beschränkung des Zugangs zu Überprüfungsverfahren auf Verbände nicht mit Art. 9 Abs. 3 ÅK vereinbar ist.1229 Die Union hat hier den von Art. 9 Abs. 3 ÅK eröffneten Gestaltungsspielraum überschritten: Zwar muss nicht jede Einzelperson antragsbefugt sein, schließlich besteht, wie bei Verbänden auch, die Möglichkeit, den Zugang von der Erfüllung bestimmter Kriterien abhängig zu machen. Ein vollständiger Ausschluss von Einzelpersonen ist jedoch nicht von dem Gestaltungsspielraum gedeckt. In dieser Frage besteht eine Parallele zur Diskussion im deutschen Unionsverwaltungsrecht. Auch hier scheint, katalysiert durch die Rechtsprechung des Ge 1227 S. dazu oben unter Teil 2. Kapitel 3. B. V. 2. (S. 127 ff.). Dazu auch K. F.  Gärditz, Verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz im Umweltrecht, NVwZ 2014, 1 (5). 1228 ACCC / ​C/2008/32 (Part II) (Europäische Union), ECE / ​MP.PP / ​C.1/2017/7, Rn.  93. 1229 ACCC / ​C/2008/32 (Part II) (Europäische Union), ECE / ​MP.PP / ​C.1/2017/7, Rn.  93; P. Wennerås, The Enforcement of EC Environmental Law, 2007, S. 227 f., 249; T. Weber, Die Umsetzung der Aarhus-Konvention beim direkten Vollzug von Unionsrecht, JRP 20 (2012), 137 (147); H. Schoukens, Access to Justice in Environmental Cases After the Rulings of the Court of Justice of 13 January 2015, Utrecht J. Int. Eur. Law 31 (2015), 46 (66); M. Pallemaerts, Access to Environmental Justice at EU Level, in: Pallemaerts (Hrsg.), The Aarhus Convention at Ten, 2011, S. 271 (277); N. de Sadeleer / ​C. Poncelet, Protection against Acts Harmful to Human Health and the Environment Adopted by the EU Institutions, CYELS 14 (2011–2012), 177 (198); C. Poncelet, Access to Justice in Environmental Matters, J. Envtl. L. 24 (2012), 287 (304); N. de Sadeleer, Commentaire J. Mégret: Environnement et marché intérieur, 2010, S. 193; wohl auch B. Pirker, Access to Justice in Environmental Matters and the Aarhus Convention’s Effects in the EU Legal Order, RECIEL 25 (2016), 81 (86 Fn. 51); anders wohl M.-J. Seibert, Verbandsklagen im Umweltrecht, NVwZ 2013, 1040 (1042). Daneben sollte der Blick aber nicht Individuen und Verbände beschränkt werden. So befürworten K. F. Gärditz, Verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz im Umweltrecht, NVwZ 2014, 1 (9) und R. Breuer, Entwicklungen des Rechtsschutzes im Umweltrecht, in: Franzius u. a. (Hrsg.), FS Kloepfer, 2013, S. 315 (329) die Ausweitung von Klagerechten von Gebietskörperschaften, wie etwa Gemeinden, vor dem Hintergrund ihrer – insbesondere im Verhältnis zu Verbänden – starken demokratischen Legitimation (s. zum Drittschutz der Gemeinden im deutschen Verwaltungsrecht auch E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband I, 2018, S. 165 ff.). Zwar sind die Mitgliedstaaten ohnehin schon privilegierte Kläger im Rahmen der Nichtigkeitsklage; die Mittel der untergeordneten Gebietskörperschaften, das Umweltrecht durchzusetzen, sind jedoch limitiert. Dies zeigt neben dem Fall Açores (EuGH, Beschl. v. 26.11.2009, Região autónoma dos Açores / ​Rat, Rs.  C-444/08 P, EU:C:2009:733, Slg.  2009 I-200) auch der Beschluss des EuG in der Sache Région de Bruxelles-Capitale. Hier hat das EuG eine Nichtigkeitsklage der Région de Bruxelles-Capitale gegen die Verlängerung der Zulassung von Glyphosat als unzulässig abgewiesen, s. EuG, Beschl. v. 28.02.2019, Région de Bruxelles-Capitale / ​Kommission, Rs. T-178/18, EU:T:2019:130, Rn. 38 ff.

314

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

richtshofs, die Erkenntnis zu reifen, dass der vollständige Ausschluss von Individualklägern im neu gefassten Umweltrechtsbehelfsgesetz nicht mit Art. 9 Abs. 3 ÅK vereinbar ist.1230 Gerade aus dem Urteil Protect wird herausgelesen, dass der Gerichtshof ohnehin nicht so trennscharf wie der deutsche Gesetzgeber zwischen der Rechtsdurchsetzung durch Individuen und Verbände unterscheidet.1231 Auch dies verdeutlicht, dass ein vollständiger Ausschluss von Individualklägern nicht mit Art. 9 Abs. 3 ÅK vereinbar ist. bb) Restriktionen in den Kriterien zur Antragsberechtigung für Verbände Auch die Kriterien zur Antragsberechtigung für Verbände in Art. 11 Abs. 1 ­ rhus-VO stehen in der Kritik. Zweifel an einer Vereinbarkeit mit Art. 9 Abs. 3 Å ÅK werden vor allem durch den Ausschluss von ad-hoc Gründungen durch Art. 11 Abs. 1 lit.  c Århus-VO sowie der Verbindung von Antragsgegenstand und Verbandsziel in Art. 11 Abs. 1 lit. d Århus-VO geäußert.1232 Allerdings sind davon nur bestimmte Verbände betroffen. Um mit Art. 9 Abs. 3 ÅK vereinbar zu sein, darf eine Regelung, die Kriterien zur Antragsbefugnis aufstellt, nicht so eng sein, dass etwa effektiv alle Verbände ausgeschlossen sind.1233 Dass die kritisierten Bestimmungen in diesem Sinne wirken, ist jedoch nicht ersichtlich. Vielmehr bewegt sich die Union mit den Kriterien in Art. 11 Abs. 1 Århus-VO innerhalb des von Art. 9 Abs. 3 ÅK gewährten Gestaltungsspielraums.1234 b) Gegenstand des Überprüfungsverfahrens Auch hinsichtlich des sachlichen Anwendungsbereichs der Århus-VO stellt sich die Frage der Vereinbarkeit mit Art. 9 Abs. 3 ÅK. Dies betrifft sowohl den Begriff des Verwaltungsakts in Art. 2 Abs. 1 lit. g Århus-VO als auch die weit 1230

S. W. Durner, SUP-pflichtige Fachpläne in der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle, E ­ urUP 2018, 142 (156); C. Franzius, Baustellen des Umweltrechtsschutzes, DVBl 2018, 410 (415); S. Schlacke, Die jüngste Novellierung des UmwRG zur Umsetzung der Vorgaben der Aarhus-​ Konvention, EurUP 2018, 127 (140 f.); A.  Guckelberger, Funktionswandel der Verwaltungs­ gerichtsbarkeit unter dem Einfluss des Unionsrechts, Referat N zum 71. Deutschen Juristentag, N 42 f.; K. F. Gärditz, Verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz im Umweltrecht, NVwZ 2014, 1 (4 f.). 1231 S. dazu eingehend S. Schlacke, Die jüngste Novellierung des UmwRG zur Umsetzung der Vorgaben der Aarhus-Konvention, EurUP 2018, 127 (141); C. Franzius, Genügt die Novelle des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes den unionsrechtlichen Vorgaben?, NVwZ 2018, 219 (221). 1232 T. Moolenaar / ​S. Nóbrega, Access to Justice, elni Review 2016, 76 (83). 1233 ACCC / ​C/2005/11 (Belgien), ECE / ​MP.PP / ​C.1/2006/4/Add.2, Rn.  35 f. Diese Formulierung greift der Gerichtshof auf, s. EuGH, Urt. v. 20.12.2017, Protect Natur-, Arten- und Landschaftschutz Umweltorganisation, Rs. C-664/15, EU:C:2017:987, Rn. 48. 1234 E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband II, 2018, S. 1058 f.; E. Rehbinder, Die Aarhus-Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs und die Verbandsklage gegen Rechtsakte der Europäischen Union, EurUP 2012, 23 (24).

Kap. 5: Rechtsschutz nach der Århus-VO

315

reichende Ausnahmeregelung für bestimmte administrative Tätigkeiten in Art. 2 Abs. 2 Århus-VO. Der sachliche Anwendungsbereich von Art. 9 Abs. 3 ÅK wird maßgeblich durch den Begriff der Handlung geprägt. So erfasst Art. 9 Abs. 3 ÅK die von den Unionsorganen und -institutionen „vorgenommenen Handlungen und begangenen Unterlassungen“. Der zentrale Begriff der Handlung wird in der Århus-Konvention jedoch nicht legaldefiniert.1235 Die Århus-Konvention nimmt in Art. 2 Nr. 2 aE ÅK jedoch explizit Maßnahmen der Judikative und der Legislative von ihrem Anwendungsbereich aus. Daraus folgt, dass der Begriff der Handlung in Art. 9 Abs. 3 ÅK diese Maßnahmen jedenfalls nicht meint.1236 Im Übrigen ist der Begriff der Handlung aber offen: Er erfasst alle Exekutivmaßnahmen, ohne dabei eine erkennbare Einschränkung zuzulassen.1237 Art. 9 Abs. 3 ÅK gewährt den Vertragsparteien hinsichtlich des Antragsgegenstandes keinen Gestaltungsspielraum.1238 aa) Begriff des Verwaltungsakts gem. Art. 2 Abs. 1 lit. g Århus-VO Wie schon gesehen, begrenzt jedes Tatbestandsmerkmal des Verwaltungsakts in Art. 2 Abs. 1 lit. g Århus-VO den Anwendungsbereich der Verordnung.1239 Ob die Restriktionen des sachlichen Anwendungsbereichs des Überprüfungsverfahrens in der Århus-VO mit Art. 9 Abs. 3 ÅK vereinbar sind, ist daher sehr zweifelhaft.

1235 E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband II, 2018, S. 1080 weist mit Blick auf Art. 31 WVKIO darauf hin, dass der Begriff anhand der Ziele der Århus-Konvention ausgelegt werden müsse. 1236 Generalanwalt Jääskinen, Schlussanträge v. 08.05.2014, Rat u. a. / ​Vereniging Milieu­ defensie und Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht, Verb. Rs. C-401/12 P bis C-403/12 P, EU:C:​2014:310, Rn.  109  f.; L.  Coutron, Révolution dans le contentieux de l’environnement: feue la jurisprudence Plaumann!, RTD Eur. 2012, 607 (611). 1237 A. Epiney / ​S. Diezig / ​B. Pirker / ​S. Reitemeyer, Aarhus-Konvention, Handkommentar, Art. 9, Rn. 37; ähnlich T. Bunge, Der Rechtsschutz in Umweltangelegenheiten in Deutschland, ZUR 2015, 531 (539). Dagegen G. Garçon, The Rights of Access to Justice in Environmental Matters in the EU, EFFL 2013, 78 (87 f.), die den Wortlaut von Art. 9 Abs. 3 ÅK in den Zusammenhang mit Art. 9 Abs. 1 und vor allem Abs. 2 ÅK stellt. Der daraus gezogene Schluss, Art. 9 Abs. 3 ÅK verlange kein umfassendes Überprüfungsverfahren, da im Vergleich mit den ersten beiden Absätzen hier der sachliche Anwendungsbereich nicht so klar und präzise definiert sei, überzeugt nicht. Denn die Tatsache, dass Art. 9 Abs. 3 ÅK im Vergleich mit Art. 9 Abs. 1 und 2 ÅK einen offeneren Begriff wählt, spricht gerade nicht für eine Einschränkung des sachlichen Anwendungsbereichs, sondern vielmehr für das Gegenteil. In diese Richtung ist auch A. Berthier, Rulings in Joined Cases C-401/12P to C-403/12P and Joined Cases C-404/12P and C-405/12P, JEEPL 12 (2015), 207 (211) zu verstehen. 1238 M.-J.  Seibert, Verbandsklagen im Umweltrecht, NVwZ 2013, 1040 (1042); anders G. Garçon, Limits of NGO Rights to Invoke Access to Justice under the Aarhus Convention, EJRR 6 (2015), 458 (467). 1239 S. oben unter Teil 2. Kapitel 5. A. I. 2. b) (S. 242 ff.).

316

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

(1) Rechtsverbindlichkeit und Außenwirksamkeit Verwaltungsakte im Sinne der Århus-VO zeichnen sich durch Rechtsverbindlichkeit und Außenwirksamkeit aus. Diese Kriterien finden keine Basis in Art. 9 Abs. 3 ÅK.1240 Daher liegt es nahe, von einem Verstoß auszugehen.1241 Dies entspricht auch der Auffassung des Compliance Committees, das daran erinnert, dass ein genereller Ausschluss von Maßnahmen, die nicht rechtsverbindlich und außenwirksam sind, mit der Konvention unvereinbar sei.1242 In der Tat ist es plausibel, dass etwa auch Realakte, die das Merkmal der Rechtsverbindlichkeit nicht erfüllen, dennoch potenziell gegen das Umweltrecht verstoßende Handlungen im Sinne von Art. 9 Abs. 3 ÅK sein können.1243 Jedoch ist ein differenzierterer Blick angebracht. Denn die weit überwiegende Zahl von Rechtsakten, die weder rechtsverbindlich sind noch Außenwirkung entfalten, dürften auch das Ziel der Konvention, namentlich den Schutz der Umwelt, nicht gefährden. Dies gilt etwa für nicht rechtsverbindliche Handlungen wie etwa Mitteilungen der Kommission. Diese zeitigen selbst keine relevanten Umweltauswirkungen. Ebenso lässt sich der Sinn bezweifeln, Vorbereitungshandlungen, denen eine Außenwirkung fehlt, überprüfbar zu machen. Schließlich folgt darauf in der Regel ein finaler, außenwirksamer Rechtsakt mit tatsächlicher Umweltrelevanz gegen den dann Rechtsschutz zu eröffnen ist. Auch das Compliance Committee spricht nur davon, dass eine pauschale Ausnahme von nicht rechtsverbindlichen und nicht außenwirksamen Handlungen gegen Art. 9 Abs. 3 ÅK verstoße.1244 Durch den Ausschluss aller Handlungen, denen es an Rechtsverbindlichkeit und Außenwirkung fehlt, kommt die Union damit ihren Verpflichtungen aus Art. 9 Abs. 3 ÅK nicht nach. Der Sekundärrechtsgeber kann jedoch durch Präzisierungen an dieser Stelle die Vereinbarkeit mit der Århus-Konvention herstellen.

1240 G. J. Harryvan / ​J. H.  Jans, Internal Review of EU Environmental Measures, REALaw 3 (2010), 53 (63); N. de Sadeleer / ​C. Poncelet, Protection against Acts Harmful to Human Health and the Environment Adopted by the EU Institutions, CYELS 14 (2011–2012), 177 (202); s. auch Generalanwalt Jääskinen, Schlussanträge v. 08.05.2014, Rat u. a. / ​Vereniging Milieudefensie und Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht, Verb. Rs. C-401/12 P bis C-403/12 P, EU:C:2014:310, Rn. 108, der ebenso davon ausgeht, dass eine Rechtsverbindlichkeit der Handlung nicht gefordert ist. 1241 In diesem Sinne P. Wennerås, The Enforcement of EC Environmental Law, 2007, S. 232; C. Poncelet, Access to Justice in Environmental Matters, J. Envtl. L. 24 (2012), 287 (305). 1242 ACCC / ​C/2008/32 (Part II) (Europäische Union), ECE / ​MP.PP / ​C.1/2017/7, Rn.  103 f. 1243 G. J. Harryvan / ​J. H.  Jans, Internal Review of EU Environmental Measures, REALaw 3 (2010), 53 (63). S. dazu auch die parallele Diskussion im deutschen Prozessrecht A. Brigola  / ​ F. Heß, Die Fallstricke der unions- und völkerrechtlichen Metamorphose des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes (UmwRG) im Jahr 2017, NuR 2017, 729 (730). 1244 ACCC / ​C/2008/32 (Part II) (Europäische Union), ECE / ​MP.PP / ​C.1/2017/7, Rn. 103: „The Committee is not convinced that generally excluding all acts that do not have legally binding and external effects is compatible with article 9, paragraph 3, of the Convention.“

Kap. 5: Rechtsschutz nach der Århus-VO

317

(2) Regelung eines Einzelfalles Das Kriterium der Einzelfallregelung, das den Anwendungsbereich des internen Überprüfungsverfahrens sehr weitgehend einschränkt, ist besonders kritisch.1245 Dieses Kriterium ist ganz maßgeblich dafür verantwortlich, dass die weit überwiegende Mehrzahl von Maßnahmen des Eigenverwaltungsrechts aus dem Anwendungsbereich der Århus-VO fällt, was deren Effektivität beträchtlich schmälert.1246 Zwar erlaubt die Århus-Konvention einen Ausschluss von Legislativhandeln; eine darüber hinausgehende Beschränkung auf Rechtsakte, die einen Einzelfall regeln, kennt Art. 9 Abs. 3 ÅK jedoch nicht.1247 Dieser Auffassung ist auch das Gericht im Fall Vereniging Milieudefensie: Der Begriff der Handlung in Art. 9 Abs. 3 ÅK lasse keinen Spielraum für eine Ausnahme von Maßnahmen mit allgemeiner Geltung.1248 Das Gericht zieht daraus den Schluss, dass diese Begrenzung mit der Århus-Konvention unvereinbar sei.1249 Dieser Einschätzung des Gerichts hat sich nicht nur der Generalanwalt in seinen Schlussanträgen im Rechtsmittelverfahren angeschlossen,1250 sondern ganz ausdrücklich auch das Compliance Committee.1251 Bestätigung findet diese Interpretation auch durch einen Blick auf das deutsche Verwaltungsprozessrecht. Hier hat sich eine parallele Diskussion um die Neufassung des Umweltrechtsbehelfsgesetz entsponnen. Der deutsche Gesetzgeber hat sich, im Gegensatz zum Sekundärrechtsgeber des Eigenverwaltungsrechts, zur Bestimmung des sachlichen Anwendungsbereiches für eine Enumeration in § 1 UmwRG entschieden.1252 In Umsetzung von Art. 9 Abs. 3 ÅK hat der deutsche Gesetzgeber 1245

S. oben unter Teil  2.  Kapitel 5. A. I. 2. b) bb) (2) (S. 245 ff.). S. P. Wennerås, The Enforcement of EC Environmental Law, 2007, S. 249 f. 1247 G. J. Harryvan / ​J. H.  Jans, Internal Review of EU Environmental Measures, REALaw 3 (2010), 53 (62); P. Wennerås, The Enforcement of EC Environmental Law, 2007, S. 234 f.; N. de Sadeleer / ​C. Poncelet, Protection against Acts Harmful to Human Health and the Environment Adopted by the EU Institutions, CYELS 14 (2011–2012), 177 (200); A. Berthier, Rulings in Joined Cases C-401/12P to C-403/12P and Joined Cases C-404/12P and C-405/12P, JEEPL 12 (2015), 207 (211); B. Goby, Anmerkung zu EuGH, Urt. v. 13.1.2015, Verb. Rs. C.404/12 P und C-405/12 P, RdU 2015, 75 (76); S. Gáspár-Szilágyi, The Relationship between EU Law and International Agreements, CML Rev. 52 (2015), 1059 (1064); dagegen G. Garçon, Limits of NGO Rights to Invoke Access to Justice under the Aarhus Convention, EJRR 6 (2015), 458 (468). 1248 EuG, Urt. v. 14.07.2012, Vereniging Milieudefensie und Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht / ​Kommission, Rs. T-396/09, EU:T:2012:301, Rn. 66 ff.; anders nun aber EuG, Urt. v. 27.09.2018, Mellifera / ​Kommission, Rs. T-12/17, EU:T:2018:616, Rn. 84. 1249 EuG, Urt. v. 14.07.2012, Vereniging Milieudefensie und Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht / ​Kommission, Rs. T-396/09, EU:T:2012:301, Rn. 69. 1250 Generalanwalt Jääskinen, Schlussanträge v. 08.05.2014, Rat u. a. / ​Vereniging Milieu­ defensie und Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht, Verb. Rs. C-401/12 P bis C-403/12 P, EU:C:​2014:310, Rn. 108 ff., 111. 1251 ACCC / ​C/2008/32 (Part II) (Europäische Union), ECE / ​MP.PP / ​C.1/2017/7, Rn. 51 f., 94. 1252 Kritisch dazu C. Franzius, Genügt die Novelle des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes den unionsrechtlichen Vorgaben?, NVwZ 2018, 219 (219); S. Schlacke, Die Novelle des UmwRG 2017, NVwZ 2017, 905 (908); E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband I, 2018, S. 623; A. Beier, Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz – kein Ende in Sicht?, UPR 2018, 161 (162). 1246

318

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

in § 1 Abs. 1 Nr. 4 UmwRG etwa auch SUP-pflichtige Pläne und Programme in den Anwendungsbereich des Umweltrechtsbehelfsgesetzes einbezogen.1253 Damit offenbart der deutsche Gesetzgeber einerseits ein weiteres Verständnis des Begriffs der Handlung als der Sekundärrechtsgeber des Unionsrechts. Andererseits steht aber auch der deutsche Gesetzgeber in der Kritik für die Beschränkung in § 1 Abs. 1 Nr. 5 UmwRG auf „Verwaltungsakte oder öffentlich-rechtliche Verträge, durch die andere als in den Nummern 1 bis 2b genannte Vorhaben unter Anwendung umweltbezogener Rechtsvorschriften des Bundesrechts, des Landesrechts oder unmittelbar geltender Rechtsakte der Europäischen Union zugelassen werden“.1254 In dieser Hinsicht unterliegt der deutsche Gesetzgeber dem gleichen Missverständnis über die Einschränkbarkeit des Begriffs der Handlung wie der Sekundärrechtsgeber im Eigenverwaltungsrecht der Union. Teilweise wird daher erwogen, den Begriff der Einzelfallregelung konventionskonform zu so zu interpretieren, dass dieser lediglich Gesetzgebungsakte vom Anwendungsbereich des Überprüfungsverfahrens ausschließt.1255 Prinzipielle Bedenken stehen einer völkerrechtskonformen Auslegung der sekundärrechtlichen Århus-VO jedenfalls nicht entgegen.1256 Dennoch vermag diese Lösung aus mehreren Gründen nicht zu überzeugen: Zunächst würde dies eine Doppelung mit dem ohnehin schon vorhandenen Ausschluss der Gesetzgebungstätigkeit in Art. 2 Abs. 1 lit. c Århus-VO bedeuten. Damit würde das Merkmal der Einzelfallregelung so interpretiert, dass es keine eigene Bedeutung entfalten würde und letztlich überflüssig wäre. Eine solche Interpretation kann nicht im Sinne des Verordnungsgebers sein. Vielmehr ist die Formulierung eindeutig als Abgrenzung zu Maßnahmen mit allgemeiner Geltung zu verstehen, was auch durch die Anwendungspraxis bestätigt wird.1257 Es handelte sich also um eine Auslegung contra legem, wodurch die Grenzen der völkerrechtskonformen Auslegung überschritten würden.1258 Dies 1253

S. Schlacke, Die Novelle des UmwRG 2017, NVwZ 2017, 905 (907). A. Brigola / ​F. Heß, Die Fallstricke der unions- und völkerrechtlichen Metamorphose des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes (UmwRG) im Jahr 2017, NuR 2017, 729 (730); S. Schlacke, Die jüngste Novellierung des UmwRG zur Umsetzung der Vorgaben der Aarhus-Konvention, EurUP 2018, 127 (140). 1255 P. Wennerås, The Enforcement of EC Environmental Law, 2007, S. 235 f.; G.  J. Harryvan  / ​ J. H. Jans, Internal Review of EU Environmental Measures, REALaw 3 (2010), 53 (63). 1256 In diesem Sinne etwa J.  Jans / ​H. Vedder, European Environmental Law, 2012, S. 248; F.  Ekardt, Verbandsklage vor dem EuGH: Mitgliedstaaten verklagen, EU-Institutionen verschonen?, NVwZ 2015, 772 (774). Dies ergibt sich auch aus EuGH, Urt. v. 12.05.2011, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Rs. C-115/09, EU:C:2011:289, Slg. 2011 I-3673, Rn. 41, wo der Gerichtshof fordert, dass die Bestimmungen der Richtlinie 2003/35/EG „im Licht und unter Berücksichtigung der Ziele des Übereinkommens von Aarhus auszulegen“ seien. Zur völkerrechtskonformen Auslegung s. oben unter Teil 2. Kapitel 4. C. II. 2. (S. 198 ff.). 1257 S. dazu auch schon oben unter Teil 2. Kapitel 5. A. I. 2. b) bb) (2) (S. 245 ff.). 1258 Generalanwalt Jääskinen, Schlussanträge v. 08.05.2014, Rat u. a. / ​Vereniging Milieudefensie und Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht, Verb. Rs. C-401/12 P bis C-403/12 P, EU:C:​2014:310, Rn. 136 f.; EuG, Beschl. v. 17.07.2015, EEB / ​Kommission, Rs. T-565/14, EU:T:​ 2015:559, Rn. 33; EuG, Beschl. v. 17.07.2015, EEB / ​Kommission, Rs. T-685/14, EU:T:2015:560, Rn 33; EuG, Urt. v. 27.09.2018, Mellifera / ​Kommission, Rs. T-12/17, EU:T:2018:616, Rn. 87. 1254

Kap. 5: Rechtsschutz nach der Århus-VO

319

alles sollte dem Verordnungsgeber Anlass genug sein, das Kriterium der Einzelfallregelung grundsätzlich zu überdenken.1259 Die Beschränkung auf Einzelfallregelungen ist jedenfalls nicht mit Art. 9 Abs. 3 ÅK vereinbar.1260 (3) Im Bereich des Umweltrechts Ein Verwaltungsakt im Sinne von Art. 2 Abs. 1 lit. g Århus-VO ist eine „Maßnahme des Umweltrechts“. Art. 10 Abs. 1 Århus-VO verdeutlicht den Bezug zum Umweltrecht noch einmal für das interne Überprüfungsverfahren: Anerkannte Verbände können danach eine Überprüfung einfordern „bei dem Organ oder der Einrichtung der Gemeinschaft, die einen Verwaltungsakt nach dem Umweltrecht angenommen hat oder – im Falle einer behaupteten Unterlassung – einen solchen Akt hätte annehmen müssen“. Die Århus-VO ist damit auf die Überprüfung von Rechtsakten des Umweltrechts beschränkt.1261 Anders dagegen Art. 9 Abs. 3 ÅK: Die Vertragsparteien sind zur Einrichtung von Überprüfungsverfahren von Handlungen oder Unterlassungen verpflichtet, „die gegen umweltbezogene Bestimmungen ihres innerstaatlichen Rechts verstoßen“. Während es für die Århus-VO also darauf ankommt, auf welcher Grundlage eine Maßnahme erlassen wurde, ist für Art. 9 Abs. 3 ÅK dagegen entscheidend, dass die Maßnahme potenziell gegen Umweltrecht verstößt. Damit lässt sich eine bemerkenswerte Diskrepanz zwischen den Vorschriften der Århus-VO und den Vorgaben von Art. 9 Abs. 3 ÅK feststellen.1262 Das Auseinanderfallen der Anknüpfungspunkte von Århus-VO und Art. 9 Abs. 3 ÅK wirkt sich nicht nur rein semantisch aus. So ist es denkbar, dass auch ein Rechtsakt, der nicht auf umweltrechtlicher Grundlage erlassen wurde, sich signifikant auf die Umwelt auswirkt.1263 Dies gilt etwa für die Bereiche der Fischerei- und 1259 E.  Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband II, 2018, S. 1098 f.,1116, 1126 schlägt iE vor, das Kriterium der Einzelfallregelung zu streichen. 1260 Ebenso ACCC / ​C/2008/32 (Part II) (Europäische Union), ECE / ​MP.PP / ​C.1/2017/7, Rn.  94; EuG, Urt. v. 14.07.2012, Vereniging Milieudefensie und Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht / ​Kommission, Rs. T-396/09, EU:T:2012:301, Rn. 69; Generalanwalt Jääskinen, Schlussanträge v. 08.05.2014, Rat u. a. / ​Vereniging Milieudefensie und Stichting Stop Luchtverontreiniging Utrecht, Verb. Rs. C-401/12 P bis C-403/12 P, EU:C:2014:310, Rn. 131; N. de Sadeleer / ​ C. Poncelet, Protection against Acts Harmful to Human Health and the Environment Adopted by the EU Institutions, CYELS 14 (2011–2012), 177 (200); E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband II, 2018, S. 1083 f.; wohl auch E. J. Lohse, Access to Justice, in: Lohse / ​ Poto (Hrsg.), Participatory Rights in the Environmental Decision-Making Process and the Implementation of the Aarhus Convention, 2015, S. 159 (165); W. Kahl, Neuere höchstrichterliche Rechtsprechung zum Umweltrecht – Teil 1, JZ 2016, 666 (667 Fn. 21). 1261 S. bereits oben unter Teil 2. Kapitel 5. A. I. 2. b) bb) (3) (S. 250 ff.). 1262 T.  Crossen / ​V.  Niessen, NGO Standing in the European Court of Justice, RECIEL 16 (2007), 332 (335 f.). 1263 T.  Crossen / ​V.  Niessen, NGO Standing in the European Court of Justice, RECIEL 16 (2007), 332 (336); N. de Sadeleer, Commentaire J. Mégret: Environnement et marché intérieur, 2010, S. 195.

320

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

Landwirtschaftspolitik oder der Regelung des Binnenmarkts.1264 Solche Rechtsakte können gegen das Umweltrecht im Sinne von Art. 9 Abs. 3 ÅK verstoßen, ohne selbst auf Grundlage des Umweltrechts erlassen worden zu sein. In diesem Punkt ist die Århus-VO daher nicht mit den Vorgaben von Art. 9 Abs. 3 ÅK vereinbar, wie auch das Compliance Committee festgestellt hat.1265 Der Sekundärrechtsgeber muss also auch in diesem Punkt nachbessern. bb) Ausnahmeregelung des Art. 2 Abs. 2 Århus-VO Nach dem bisher Gesagten ist auch die Vereinbarkeit der Ausnahmeregelung in Art. 2 Abs. 2 Århus-VO mit Art. 9 Abs. 3 ÅK zweifelhaft. Die Kommission rechtfertigt die Ausnahmen in ihrem Verordnungsentwurf damit, dass so lediglich Verfahren ausgenommen seien, „deren Ablauf ernsthaft behindert würde, wenn sie Gegenstand einer gerichtlichen Prüfung würden“1266. Zugegeben, der Kreis der ausdrücklich ausgenommenen Maßnahmen ist eng gesteckt.1267 Zu überzeugen vermag dies jedoch nicht. Denn es stimmt so schon nicht, dass die Ausnahmen dadurch quantitativ begrenzt wären. Vielmehr handelt es sich bloß um eine beispielhafte Auflistung aufsichtsbehördlicher Maßnahmen.1268 Letztlich bleibt also offen, welche Maßnahmen im Einzelnen unter Art. 2 Abs. 2 Århus-VO subsumiert werden können. Und auch in qualitativer Hinsicht sind Zweifel angebracht: Die Ausnahmen sollen nach Art. 2 Abs. 2 Århus-VO für das Handeln eines Organs oder einer Institution „in ihrer Eigenschaft als Aufsichtsbehörde“ gelten. Bei den aufgeführten Ausnahmen ist aber sehr fraglich, wie sie sich von anderen administrativen Entscheidungen unterscheiden.1269 Es ist jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass die ausgenommenen Entscheidungen die Umwelt beeinträchtigen können.1270 Überhaupt kennt Art. 9 Abs. 3 ÅK keine Ausnahme für die Tätigkeit als Aufsichts 1264

N. de Sadeleer, Commentaire J. Mégret: Environnement et marché intérieur, 2010, S. 195. ACCC / ​C/2008/32 (Part II) (Europäische Union), ECE / ​MP.PP / ​C.1/2017/7, Rn.  95 ff. 1266 Vorschlag für eine Verordnung KOM(2003) 622 endg. v. 24.10.2003, S. 11. 1267 A.  Guckelberger, Die EG-Verordnung zur Umsetzung der Aarhus-Konvention auf der Gemeinschaftsebene, NuR 2008, 78 (85) hält daher auch diese Beschränkungen für zulässig, da sie nur einzelne Verwaltungsakte beträfen und insgesamt wohlerwogen seien. Für J. Falke, Die Aarhus-Konvention und der Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten, in: Falke / ​ Schlacke (Hrsg.), Information, Beteiligung, Rechtsschutz, 2003, S. 99 (119) argumentiert die Kommission nachvollziehbar. 1268 S. N. de Sadeleer / ​C. Poncelet, Protection against Acts Harmful to Human Health and the Environment Adopted by the EU Institutions, CYELS 14 (2011–2012), 177 (199); C. Poncelet, Access to Justice in Environmental Matters, J. Envtl. L. 24 (2012), 287 (304); M. Pallemaerts, Access to Environmental Justice at EU Level, in: Pallemaerts (Hrsg.), The Aarhus Convention at Ten, 2011, S. 271 (280). 1269 Kritisch J. Jans, Did Baron von Munchhausen ever Visit Aarhus?, in: Macrory (Hrsg.), Reflections on 30 Years of EU Environmental Law, 2005, S. 475 (480); J. Jans / H. Vedder, European Environmental Law, 2012, S. 247. 1270 S. mit Beispielen T. Weber, Die Umsetzung der Aarhus-Konvention beim direkten Vollzug von Unionsrecht, JRP 20 (2012), 137 (145 ff.). 1265

Kap. 5: Rechtsschutz nach der Århus-VO

321

behörde. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass eine der in Art. 2 Abs. 2 Århus-VO genannten Tätigkeiten unter die von der Konvention anerkannten Ausnahmen für Judikativ- oder Legislativhandeln fallen könnte.1271 Daher sind auch die Ausnahmen in Art. 2 Abs. 2 Århus-VO nicht mit Art. 9 Abs. 3 ÅK vereinbar.1272 3. Verfahrensfragen Neben der Reichweite des persönlichen und sachlichen Anwendungsbereichs der Århus-VO stellen sich Fragen, die das Verfahren betreffen. Dies meint hier sowohl das interne Überprüfungsverfahren als auch das daran anschließende gerichtliche Verfahren. Art. 9 Abs. 3 ÅK selbst lassen sich kaum Hinweise für die Ausgestaltung des Verfahrens entnehmen. Hier geht es darum, dass überhaupt Zugang zu Überprüfungsverfahren gewährt wird. Art. 9 Abs. 3 ÅK ist jedoch nicht isoliert zu betrachten, sondern im Zusammenhang mit Art. 9 Abs. 4 ÅK.1273 Danach sind die Vertragsparteien im Rahmen der ersten drei Absätze dazu verpflichtet, „angemessenen und effektiven Rechtsschutz“ zu gewährleisten. Überdies müssen die Verfahren fair und gerecht sein.

1271 ACCC / ​C/2008/32 (Part II) (Europäische Union), ECE / ​MP.PP / ​C.1/2017/7, Rn.  109 f.; P.  Wennerås, The Enforcement of EC Environmental Law, 2007, S. 231 f.; G.  J.  Harryvan  / ​ J. H. Jans, Internal Review of EU Environmental Measures, REALaw 3 (2010), 53 (64); M. Palle­ maerts, Access to Environmental Justice at EU Level, in: Pallemaerts (Hrsg.), The Aarhus Convention at Ten, 2011, S. 271 (280). 1272 So iE wohl auch M. Pallemaerts, Access to Environmental Justice at EU Level, in: Pallemaerts (Hrsg.), The Aarhus Convention at Ten, 2011, S. 271 (280 f.); N. de Sadeleer / ​C. Poncelet, Protection against Acts Harmful to Human Health and the Environment Adopted by the EU Institutions, CYELS 14 (2011–2012), 177 (199); P. Wennerås, The Enforcement of EC Environmental Law, 2007, S. 231 f.; G. J. Harryvan / ​J. H.  Jans, Internal Review of EU Environmental Measures, REALaw 3 (2010), 53 (64). Das Compliance Committee tendiert zur Unvereinbarkeit, möchte sich jedoch nicht festlegen, da ihm konkrete Beispiele fehlten, ACCC / ​C/2008/32 (Part II) (Europäische Union), ECE / ​MP.PP / ​C.1/2017/7, Rn. 111. Vor dem Hintergrund der sonstigen Ausführungen des Compliance Committees überrascht die Zurückhaltung an dieser Stelle. Denn unabhängig von konkreten Beispielen wird man die Ausnahmen in Art. 2 Abs. 2 Århus-VO nicht unter die von der Århus-Konvention ausgenommenen Judikativ- bzw. Legislativtätigkeiten fassen können. 1273 J.  Ebbesson / ​H.  Gaugitsch / ​J.  Jendrośka / ​F.  Marshall / ​S.  Stec, The Aarhus Convention, 2014, S. 201; J. Ebbesson, Acces to Justice at the National Level., in: Pallemaerts (Hrsg.), The Aarhus Convention at Ten, 2011, S. 245 (264); H. Schoukens, Access to Justice in Environmental Cases After the Rulings of the Court of Justice of 13 January 2015, Utrecht J. Int. Eur. Law 31 (2015), 46 (65). S. dazu schon ausführlich oben unter Teil 2. Kapitel 3. B. IV. (S. 123 ff.).

322

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

a) Internes Überprüfungsverfahren Art.  9 Abs. 3 ÅK stellt den Vertragsparteien frei, ob sie Rechtsschutz durch verwaltungsbehördliche oder gerichtliche Verfahren gewähren. Das interne Überprüfungsverfahren könnte daher schon ausreichen, um diese Vorgaben zu erfüllen, ohne dass es auf das nachfolgende gerichtliche Verfahren ankäme. Dazu muss das interne Überprüfungsverfahren jedoch auch den Effektivitätsanforderungen von Art. 9 Abs. 4 ÅK gerecht werden. Dies ist allerdings zweifelhaft. aa) Unzureichender Devolutiveffekt Nach Art. 10 Abs. 1 Århus-VO ist der Antrag bei dem Organ oder der Institution der Union zu stellen, die den Verwaltungsakt erlassen haben. Die Zuständigkeiten für die Entscheidung über den Antrag auf interne Überprüfung werden durch den Beschluss 2008/401/EG der Kommission weiter präzisiert.1274 Nach Art. 4 Abs. 3 Satz 1 der im Beschluss 2008/401/EG enthaltenen Durchführungsbestimmungen ist der oder die jeweilige GeneraldirektorIn oder DienststellenleiterIn für die Entscheidung über die Zulässigkeit des Antrages zuständig. Kommen diese zu der Einschätzung, dass der Antrag auf interne Überprüfung unzulässig ist, teilen sie dies dem Verband nach Art. 4 Abs. 4 der Durchführungsbestimmungen des Beschlusses  2008/401/EG mit. Über die Unzulässigkeit des Antrages auf interne Überprüfung entscheidet damit alleine die Ausgangsbehörde. Im Falle eines zulässigen, aber unbegründeten Antrages liegt die Entscheidungsbefugnis nach Art. 5 Abs. 2 der Durchführungsbestimmungen bei dem Mitglied der Kommission, das für die Anwendung der Bestimmungen zuständig ist, auf deren Grundlage der Verwaltungsakt erlassen wurde. Ansonsten ist nach Art. 5 Abs. 1 der Durchführungsbestimmungen die Kommission zuständig. Dies ist wohl so zu verstehen, dass im Falle eines unbegründeten Antrags das sachnahe Mitglied der Kommission alleine entscheiden kann, während ein begründeter Antrag einen Beschluss der Kommission als Kollegialorgan erfordert.1275 Für ein faires Verfahren nach Art. 9 Abs. 3 ÅK verlangt der Implementation Guide zur Århus-Konvention insbesondere, dass die prüfende Stelle unparteiisch, unvoreingenommen und ohne Eigeninteressen entscheidet.1276 Vor diesem Hin 1274

Beschluss 2008/401/EG der Kommission vom 30. April 2008 zur Änderung ihrer Geschäftsordnung in Bezug auf Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 1367/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Anwendung der Bestimmungen des Übereinkommens von Århus über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten auf Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft, ABl. L 140 v. 30.05.2008, S. 22 ff. 1275 S. M. Pallemaerts, Access to Environmental Justice at EU Level, in: Pallemaerts (Hrsg.), The Aarhus Convention at Ten, 2011, S. 271 (286). 1276 J.  Ebbesson / ​H.  Gaugitsch / ​J.  Jendrośka / ​F.  Marshall / ​S.  Stec, The Aarhus Convention, 2014, S. 201: „Fair procedures require the process, including the final ruling of the decision-­ making body, to be impartial and free from prejudice, favouritism or self-interest.“

Kap. 5: Rechtsschutz nach der Århus-VO

323

tergrund offenbart das interne Überprüfungsverfahren einen Mangel, der die Effektivität des Verfahrens deutlich schmälert.1277 Die Ausgestaltung der Entscheidungsbefugnisse im internen Überprüfungsverfahren scheint darauf ausgerichtet zu sein, einen Erfolg der Antragssteller möglichst zu verhindern.1278 Denn schon die initiale Überprüfung der Zulässigkeit des Antrages wird von der unmittelbar mit der Entscheidung betrauten Stelle durchgeführt. Es nimmt daher kaum wunder, dass die meisten Anträge auf interne Überprüfung schon an der Zulässigkeitshürde scheitern.1279 Und ebenso wenig dürfte der Kommissar, in dessen Bereich eine bestimmte Entscheidung getroffen wurde, gewillt sein, die Begründetheit eines Antrages anzunehmen. Denn letztlich fällt die damit festgestellte Unionsrechtswidrigkeit organisatorisch auf ihn zurück. Damit fehlt im Ergebnis ein wirkungsvoll ausgeprägter Devolutiveffekt, also die Übertragung der Entscheidung auf eine höhere Behörde wie sie etwa aus § 73 Abs. 1 VwGO bekannt ist.1280 Auch im Unionsrecht finden sich Beispiele für gelungenere Lösungen, wie etwa die Einrichtung einer Widerspruchskammer in den Art. 89 ff. REACH-VO beweist.1281 bb) Kürze der Beanstandungsfrist Die Beanstandungsfrist für einen Verwaltungsakt im internen Überprüfungsverfahren beträgt nach Art. 10 Abs. 1 Satz  2 Århus-VO sechs Wochen ab dem Zeitpunkt des Erlasses, der Bekanntgabe oder der Veröffentlichung, beziehungsweise sechs Wochen ab dem Zeitpunkt, an dem er hätte erlassen werden müssen. Die Frist ist damit kürzer als die Klagefrist in Art. 263 Abs. 5 AEUV, die zwei Monate beträgt.1282 Wenn daraus jedoch der Schluss gezogen wird, dass dies gegen die Verpflichtung zur Einrichtung angemessener und effektiver Überprüfungsverfahren nach Art. 9 Abs. 4 ÅK verstoße,1283 ist dem zu widersprechen. Zunächst ist es für die Bewertung der Beanstandungsfrist der Århus-VO irrelevant, wie die 1277

T. Weber, Die Umsetzung der Aarhus-Konvention beim direkten Vollzug von Unionsrecht, JRP 20 (2012), 137 (148); J. Bétaille, Accès à la justice de l’union européenne, R. J. E. 36 (2011), 547 (559); E. Rehbinder, Die Aarhus-Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs und die Verbandsklage gegen Rechtsakte der Europäischen Union, EurUP 2012, 23 (26); E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband II, 2018, S. 1096 f.; s. auch C. Poncelet, Access to Justice in Environmental Matters, J. Envtl. L. 24 (2012), 287 (307); H. Schoukens, Articles 9(3) and 9(4) of the Aarhus Convention and Access to Justice before EU Courts in Environmental Cases, Eur. Energy & Envtl. L. Rev. 25 (2016), 178 (194). 1278 M. Pallemaerts, Access to Environmental Justice at EU Level, in: Pallemaerts (Hrsg.), The Aarhus Convention at Ten, 2011, S. 271 (286). 1279 S. dazu schon oben, insbesondere unter Teil 2. Kapitel 5. A. I. 2. (S. 241 ff.). 1280 S. nur K.-P. Dolde / ​W. Porsch, in: Schoch u. a. (Hrsg.), VwGO, § 73 (September 2007) Rn. 5. 1281 E. Rehbinder, Die Aarhus-Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs und die Verbandsklage gegen Rechtsakte der Europäischen Union, EurUP 2012, 23 (26). 1282 N. de Sadeleer, Commentaire J. Mégret: Environnement et marché intérieur, 2010, S. 194; P. Wennerås, The Enforcement of EC Environmental Law, 2007, S. 230. 1283 P. Wennerås, The Enforcement of EC Environmental Law, 2007, S. 230.

324

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

Klagefrist der Nichtigkeitsklage ausgestaltet ist. Diese beiden Bereiche sind strikt zu trennen. Es kommt also nur darauf an, ob eine Beanstandungsfrist von sechs Wochen angemessenen und effektiven Rechtsschutz gewährleistet. Auch nach den Kriterien von Art. 9 Abs. 4 ÅK ist nicht zu erkennen, warum eine sechswöchige Beanstandungsfrist nicht einem angemessenen und effektiven Rechtsschutz genügen sollte.1284 Die sechswöchige Frist erscheint vielmehr als sachgerechter Kompromiss zwischen der Gewährleistung einer umfassenden Kontrolle auf der einen Seite und der Rechtssicherheit auf der anderen Seite. Der Gestaltungsspielraum ist an dieser Stelle nicht überschritten. cc) Ausschluss nach Art. 10 Abs. 3 Århus-VO In der Diskussion wurde die Vereinbarkeit des internen Überprüfungsverfahrens mit Art. 9 Abs. 3 und 4 ÅK auch deshalb angezweifelt, da die Organe und Institutionen nach Art. 10 Abs. 3 Århus-VO von einer Überprüfung absehen können, wenn sie „trotz angemessener Bemühungen nicht im Stande sind“, der Beschwer abzuhelfen.1285 Das suggeriert, dass die Unionsorgane und -institutionen auf ein Handeln verzichten können, sollte ihnen dies tatsächliche (oder vermeintliche) Schwierigkeiten bereiten. Eine solche Sichtweise verkürzt jedoch die Aussage von Art. 10 Abs. 3 Århus-VO: Die Organe und Institutionen dürfen nicht untätig bleiben. Schließlich verlangt Art. 10 Abs. 3 Århus-VO weiter, dass die Organe und Institutionen im Falle einer Unfähigkeit zu Handeln dies gegenüber dem antragsstellenden Verband begründen und „über den Zeitpunkt zu dem sie zu handeln beabsichtigen“ informieren. Art. 10 Abs. 3 Århus-VO erlaubt also gerade nicht von einem Handeln gänzlich abzusehen. Bei Schwierigkeiten kann ein Handeln lediglich bis zu deren Beseitigung aufgeschoben werden. Dies alleine führt angesichts der teilweise komplexen umweltrechtlichen Probleme, die häufig eine tiefergehende Untersuchung erfordern, noch nicht zu einer Unvereinbarkeit mit Art. 9 Abs. 3 und 4 ÅK. Eine andere Beurteilung dürfte sich jedoch dann ergeben, wenn Art. 10 Abs. 3 Århus-VO dazu benutzt würde, den Antrag durch kontinuierliches Aufschieben faktisch zu blockieren. Zu solchen Befürchtungen gibt die Verfahrenspraxis jedoch bislang keinen Anlass.

1284 S. aber A. Brigola / ​F. Heß, Die Fallstricke der unions- und völkerrechtlichen Metamorphose des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes (UmwRG) im Jahr 2017, NuR 2017, 729 (731), die die zehnwöchige Klagebegründungfrist des § 6 UmwRG gerade wegen der Komplexität umweltrechtlicher Fälle für problematisch kurz erachten. 1285 T. Weber, Die Umsetzung der Aarhus-Konvention beim direkten Vollzug von Unionsrecht, JRP 20 (2012), 137 (147).

Kap. 5: Rechtsschutz nach der Århus-VO

325

dd) Fehlender Prüfungsmaßstab Problematisch könnte zudem sein, dass die Århus-VO keinen ausdrücklichen Maßstab für das interne Überprüfungsverfahren vorsieht.1286 Wie schon gesehen, bedeutet das jedoch nicht, dass das prüfende Organ oder die Institution ihren Maßstab willkürlich zurechtlegen könnten.1287 Zwar konnte auch nicht festgestellt werden, dass in der Anwendungspraxis daraus – gut vertretbar – eine vollständige objektive Rechtskontrolle folgte, wohl aber eine aller (vorgetragenen) Verstöße gegen das Umweltrecht. Diese Praxis verstößt nicht gegen Art. 9 Abs. 3 ÅK. Denn auch aus Art. 9 Abs. 3 ÅK ergibt sich keine Vorgabe für einen bestimmten Prüfungsmaßstab. Einen Hinweis liefert lediglich die Formulierung, dass Zugang zu Überprüfungsverfahren gewährt werden müsse, um alle Handlungen oder Unterlassungen anzufechten, „die gegen umweltbezogene Bestimmungen“ verstoßen. Daraus lässt sich schließen, dass jedenfalls alle potenziellen Verletzungen des Umweltrechts geprüft werden müssen.1288 Die Anwendungspraxis der Organe und Institutionen ist mit Art. 9 Abs. 3 und 4 ÅK vereinbar. Nichtsdestotrotz wäre ein klarer, kodifizierter Prüfungsmaßstab wünschenswert. ee) Folgerung: Internes Überprüfungsverfahren genügt nicht zur Umsetzung Aus der Analyse ergibt sich, dass das interne Überprüfungsverfahren alleine nicht zur Vereinbarkeit des Eigenverwaltungsrecht mit Art. 9 Abs. 3 ÅK ausreicht.1289 Zwar lässt sich durchaus ein Unterschied zwischen Art. 9 Abs. 2 ÅK, der die Entscheidung einer „auf gesetzlicher Grundlage geschaffenen unabhängigen und parteiischen Stelle“ einfordert und Art. 9 Abs. 3 ÅK, der auch ein verwaltungsbehördliches Verfahren ausreichen lässt, feststellen; daraus lässt sich jedoch nicht auf einen wesentlich größeren Freiraum der Vertragsparteien schließen.1290 1286 E. Rehbinder, Die Aarhus-Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs und die Verbandsklage gegen Rechtsakte der Europäischen Union, EurUP 2012, 23 (26); J. Jans / ​H. Vedder, European Environmental Law, 2012, S. 248. 1287 S. dazu ausführlich oben unter Teil 2. Kapitel 5. A. I. 3. a) (S. 258 ff.). 1288 Die Rechtsprechung des Gerichtshofs im Fall Protect ist dahingehend zu interpretieren, dass das gesamte objektive Umweltrecht einklagbar ist, s. B.  Wegener, Der Braunbär lernt schwimmen, ZUR 2018, 217 (221); R.  Klinger, Anmerkung zu EuGH, Urt. v. 20.12.2017, Rs. C-664/15, NVwZ 2018, 231 (232). 1289 Ebenso H. Schoukens, Access to Justice in Environmental Cases After the Rulings of the Court of Justice of 13 January 2015, Utrecht J. Int. Eur. Law 31 (2015), 46 (66); M. Pallemaerts, Access to Environmental Justice at EU Level, in: Pallemaerts (Hrsg.), The Aarhus Convention at Ten, 2011, S. 271 (310); anders wohl A. Guckelberger, Die EG-Verordnung zur Umsetzung der Aarhus-Konvention auf der Gemeinschaftsebene, NuR 2008, 78 (84 f.); offen gelassen bei ACCC / ​C/2008/32 (Part II) (Europäische Union), ECE / ​MP.PP / ​C.1/2017/7, Rn. 114 sowie M. Breuer, Die Klagebefugnis von Umweltverbänden unter Anpassungsdruck des Völker- und Europarechts, Die Verwaltung 45 (2012), 171 (202 Fn. 173). 1290 So aber M. Breuer, Die Klagebefugnis von Umweltverbänden unter Anpassungsdruck des Völker- und Europarechts, Die Verwaltung 45 (2012), 171 (202 Fn. 173).

326

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

Schließlich müssen die Vertragsparteien auch in diesem Fall immer noch die Anforderungen an einen effektiven und unparteiischen Rechtsschutz aus Art. 9 Abs. 4 ÅK beachten.1291 Und gerade daran mangelt es bei dem internen Überprüfungsverfahren der Århus-VO, was wesentlich am unzureichenden Devolutiveffekt liegt. Dieser Mangel kann erst durch den Zugang zu den Unionsgerichten ausgeglichen werden.1292 b) Gerichtliches Verfahren Im Verfahren vor dem Compliance Committee wurde die Befürchtung geäußert, die Unionsgerichte könnten die ursprüngliche Maßnahme außer Acht lassen, sich auf die Kontrolle der Antwort zurückziehen und diese nur auf ihre Verfahrensrichtigkeit nach der Århus-VO hin überprüfen.1293 Nun stimmt es, dass Gegenstand des Verfahrens alleine die Antwort ist und nicht die ursprüngliche Maßnahme.1294 Es ist für die Umweltverbände nicht möglich, im Verfahren vor den Unionsgerichten Argumente vorzutragen, die direkt die Rechtswidrigkeit der ursprünglichen Maßnahme betreffen, sondern nur solche, die sich auf die Antwort beziehen.1295 Eine Begrenzung der Prüfung der Unionsgerichte auf die richtige Verfahrensbeteiligung des Verbandes im internen Überprüfungsverfahren kann jedoch nicht nachgewie-

1291

M.-J. Seibert, Verbandsklagen im Umweltrecht, NVwZ 2013, 1040 (1042). M. Pallemaerts, Access to Environmental Justice at EU Level, in: Pallemaerts (Hrsg.), The Aarhus Convention at Ten, 2011, S. 271 (310). Deshalb beschäftigt sich das Compliance Committee auch nicht isoliert mit Verfahrensfragen der internen Überprüfung, sondern verweist auf das nachfolgende gerichtliche Verfahren nach Art. 12 Århus-VO, s. ACCC / ​C/2008/32 (Part II) (Europäische Union), ECE / ​MP.PP / ​C.1/2017/7, Rn. 114 ff. Unzweifelhaft dürfte vor diesem Hintergrund sein, dass alle alternativen Rechtsschutzmöglichkeiten die Mängel des internen Überprüfungsverfahrens nicht ausgleichen können: Das Vertragsverletzungsverfahren gem. Art. 258 ff. AEUV ist Individualklägern nicht zugänglich und dem Europäischen Bürgerbeauftragten gem. Art. 228 AEUV fehlt die Befugnis rechtsverbindlicher Entscheidung, s. T. Weber, Die Umsetzung der Aarhus-Konvention beim direkten Vollzug von Unionsrecht, JRP 20 (2012), 137 (153 f.); H. Schoukens, Access to Justice in Environmental Cases After the Rulings of the Court of Justice of 13 January 2015, Utrecht J. Int. Eur. Law 31 (2015), 46 (65 f.). 1293 S. ACCC / ​C/2008/32 (Part II) (Europäische Union), ECE / ​MP.PP / ​C.1/2017/7, Rn.  117; s. auch M. Breuer, Die Klagebefugnis von Umweltverbänden unter Anpassungsdruck des Völker- und Europarechts, Die Verwaltung 45 (2012), 171 (203); E. Rehbinder, Die Aarhus-Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs und die Verbandsklage gegen Rechtsakte der Europäischen Union, EurUP 2012, 23 (29); M. Pallemaerts, Access to Environmental Justice at EU Level, in: Pallemaerts (Hrsg.), The Aarhus Convention at Ten, 2011, S. 271 (295 f., 311). 1294 EuG, Urt. v. 15.12.2016, TestBioTech u. a. / ​Kommission, Rs. T-177/13, EU:T:2016:736, Rn. 56; s. auch M. Pallemaerts, Access to Environmental Justice at EU Level, in: Pallemaerts (Hrsg.), The Aarhus Convention at Ten, 2011, S. 271 (295). Dazu ausführlich schon oben unter Teil 2. Kapitel 5. A. II. 2. (S. 267 ff.). 1295 EuG, Urt. v. 15.12.2016, TestBioTech u. a. / ​Kommission, Rs. T-177/13, EU:T:2016:736, Rn. 56. 1292

Kap. 5: Rechtsschutz nach der Århus-VO

327

sen werden: Die Unionsgerichte prüfen vielmehr auch alle materiellen Einwände, die gegen die Antwort vorgetragen werden.1296 Zwar bezieht sich die Entscheidungswirkung nur auf die Antwort, jedoch ergibt sich aus Art. 266 Satz 1 AEUV für die Organe und Institutionen die Pflicht, die Urteile der Unionsgerichte zu beachten. Geht die Rechtswidrigkeit der Antwort auf einen materiellen Fehler des Ursprungsaktes zurück, müssen die Organe und Institutionen auch diesem abhelfen.1297 Daraus ergibt sich, dass die Verfahren vor den Unionsgerichten durchaus effektiven Rechtsschutz gewährleisten, wenn auch über den Umweg der Beachtungspflicht.1298 Dies ist mit Art. 9 Abs. 3 und 4 ÅK vereinbar, denen keine Pflicht zu entnehmen ist, dass im gerichtlichen Verfahren unmittelbar eine Nichtigerklärung der gegen das Umweltrecht verstoßenden Handlungen erfolgen muss.1299 4. Ergebnis Art. 9 Abs. 3 ÅK ist, entgegen der Einschätzung des Gerichtshofs, Prüfungsmaßstab für die Rechtsschutzbestimmungen der Århus-VO. Zwar gewährt Art. 9 Abs. 3 ÅK in einigen Bereichen weite Gestaltungsspielräume, die auch dazu führen, dass die Vorschrift nicht unmittelbar anwendbar ist; neben der festgestellten Zielverbindlichkeit von Art. 9 Abs. 3 ÅK hat die Union mit den Rechtsschutzbestimmungen der Århus-VO jedoch auch die dort gewährten Gestaltungsspielräume ausgefüllt. Vor allem hinsichtlich des persönlichen Anwendungsbereichs gewährt Art. 9 Abs. 3 ÅK einen weiten Gestaltungsspielraum. Die für die Umweltverbände in der Århus-VO festgelegten Kriterien bewegen sich innerhalb dieses Gestaltungsspielraums und sind mit Art. 9 Abs. 3 ÅK vereinbar. Die Århus-VO eröffnet jedoch nur Verbänden Zugang zum internen Überprüfungsverfahren und schließt insbesondere Individualkläger aus. Damit überschreitet die Århus-VO den Gestaltungsspielraum der Konvention. Denn es ist zwar möglich, den Zugang auf bestimmte Antragssteller zu verengen, ein pauschaler Ausschluss aller Einzelpersonen ist jedoch nicht mit Art. 9 Abs. 3 ÅK vereinbar.

1296 S. etwa EuG, Urt. v. 15.12.2016, TestBioTech u. a. / ​Kommission, Rs. T-177/13, EU:T:​ 2016:736 sowie EuG, Urt. v. 14.03.2018, TestBioTech / ​ Kommission, Rs.  T-33/16, EU:T:​ 2018:135. Dazu oben unter Teil 2. Kapitel 5. A. II. 3. (S. 270 ff.). 1297 S. dazu schon oben unter Teil 2. Kapitel 5. A. II. 2. (S. 267 ff.). Kritisch M. Pallemaerts, Access to Environmental Justice at EU Level, in: Pallemaerts (Hrsg.), The Aarhus Convention at Ten, 2011, S. 271 (295 f.). 1298 Dagegen H. Schoukens, Articles 9(3) and 9(4) of the Aarhus Convention and Access to Justice before EU Courts in Environmental Cases, Eur. Energy & Envtl. L. Rev. 25 (2016), 178 (194). 1299 Aus den Ausführungen des Compliance Committees wird indes nicht ganz klar, ob ein solcher Zusammenhang zu fordern ist, s. ACCC / ​C/2008/32 (Part II) (Europäische Union), ECE / ​ MP.PP / ​C.1/2017/7, Rn.  118 f.

328

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

Der Verwaltungsakt als der von der Århus-VO definierte Antragsgegenstand kann vor dem Prüfungsmaßstab von Art. 9 Abs. 3 ÅK nicht bestehen. Mit dem Begriff der Handlung in Art. 9 Abs. 3 ÅK ist kein Gestaltungsspielraum der Vertragsparteien verbunden. Zwar lassen sich die Kriterien der Rechtsverbindlichkeit und Außenwirksamkeit rechtfertigen, nicht jedoch das der Einzelfallregelung. Zudem setzt die Århus-VO bei der Beschränkung auf Rechtsakte des Umweltrechts falsch an: Für Art. 9 Abs. 3 ÅK ist einzig entscheidend, dass eine Handlung gegen das Umweltrecht verstößt, nicht jedoch, dass sie auf umweltrechtlicher Grundlage erlassen wurde. Das interne Überprüfungsverfahren leidet zudem an einem unzureichenden Devolutiveffekt, der nicht dem von Art. 9 Abs. 3 und 4 ÅK geforderten effektiven und unparteiischen Rechtsschutz entspricht. Das interne Überprüfungsverfahren kann daher auch alleine nicht für einen Århus-konformen Zugang zu Überprüfungsverfahren sorgen. Dieser Verfahrensmangel des internen Überprüfungsverfahrens wird erst durch den anschließenden Zugang zu den Unionsgerichten ausgeglichen. Das gerichtliche Verfahren selbst ist mit den Vorgaben von Art. 9 Abs. 3 und 4 ÅK vereinbar. Allerdings ist weiter zu beobachten, wie die Unionsgerichte entsprechende Klagen handhaben.1300 Nicht vereinbar mit Art. 9 Abs. 3 ÅK wäre es, wenn die Unionsgerichte lediglich die richtige Verfahrensbeteiligung der Verbände im internen Überprüfungsverfahren kontrollieren würden. Erforderlich ist vielmehr auch eine Auseinandersetzung mit den materiellen Fragen des Umweltrechts. III. Ergebnis und Folgerungen Die Analyse hat gezeigt, dass sich die Rechtsschutzbestimmungen der Århus-VO in erster Linie an Art. 9 Abs. 3 ÅK messen lassen müssen. Mit der Kombination aus internem Überprüfungsverfahren und anschließendem Zugang zu den Unionsgerichten verbessert sich Umweltrechtsschutz im Vergleich zur Situation im Primärrecht.1301 Die Durchsetzungsschwäche des Umweltrechts wird abgemildert.1302 Nichtsdestotrotz setzt die Århus-VO Art. 9 Abs. 3 ÅK nicht zufriedenstellend um.1303 Dies liegt insbesondere an dem zu engen persönlichen und sachlichen 1300 Abwartend auch das Compliance Committee, s. ACCC / ​C/2008/32 (Part II) (Europäische Union), ECE / ​MP.PP / ​C.1/2017/7, Rn. 119. Da die meisten Anträge wegen des engen Anwendungsbereichs des internen Überprüfungsverfahrens schon als unzulässig abgewiesen wurden, boten sich für die Unionsgerichte bisher nur wenige Möglichkeiten einer Prüfung in der Sache. 1301 So im Ergebnis auch etwa P. Wennerås, The Enforcement of EC Environmental Law, 2007, S. 250; B. Dette, Access to Justice in Environmental Matters before the European Court of Justice, elni Review 2004, 20 (25). 1302 S. Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz, 2008, S. 520. 1303 Dagegen gehen E. Rehbinder, Rechtsschutz gegen Handlungen und Unterlassungen der Organe und Einrichtungen der Europäischen Gemeinschaft in: Gaitanides u. a. (Hrsg.), FS Zuleeg, 2005, S. 650 (658) und S. Pernice-Warnke, Effektiver Zugang zu Gericht, 2009, S. 176 sogar davon aus, dass die Union mit der Århus-VO über das von Art. 9 Abs. 3 ÅK Geforderte

Kap. 5: Rechtsschutz nach der Århus-VO

329

Anwendungsbereich der Århus-VO.1304 Gerade hier fallen die Restriktionen der ­Å rhus-VO gravierend ins Gewicht, da die Definition des Anwendungsbereichs nicht nur über den Zugang zum internen Überprüfungsverfahren entscheidet, sondern sich darüber hinaus auch auf den Zugang zum gerichtlichen Rechtsschutz auswirkt, der an das interne Überprüfungsverfahren anknüpft.1305 Insbesondere an dieser wichtigen Stellschraube ist der Sekundärrechtsgeber zur Reform aufgerufen.1306 Denn die Situation ist paradox: Zwar kann das interne Überprüfungsverfahren einerseits als Schritt auf dem Weg zur Vereinbarkeit des Rechtsschutzes im Eigenverwaltungsrecht mit Art. 9 Abs. 3 ÅK gelten, andererseits ist es in seiner derzeitigen Ausgestaltung aber auch ein ebenso großes Hindernis.

D. Ergebnis Die Rechtsschutzbestimmungen der Århus-VO zeichnen sich durch eine Kombination aus behördeninternem und gerichtlichem Rechtsschutz aus. Das behördeninterne Überprüfungsverfahren weist einen engen Anwendungsbereich auf, der den Umweltverbänden in vielen Fällen auch die Möglichkeit des anschließenden Zugangs zu den Unionsgerichten nimmt. Dies schmälert den Beitrag der Århus-VO zur Beseitigung des umweltrechtlichen Vollzugsdefizits im Eigenverwaltungsrecht der Union. Die Rechtsschutzkonzeption der Århus-VO muss sich entgegen der Einschätzung des Gerichtshofs an Art. 9 Abs. 3 ÅK messen lassen. Dabei hat die Union in einigen Fällen die ihr gewährten Gestaltungsspielräume überschritten: Dies gilt vor allem für den restriktiven sachlichen Anwendungsbereich der Verordnung mit ihrem engen Verwaltungsaktbegriff. Der vollständige Ausschluss von Einzelpersonen hat sich ebenso als nicht vereinbar mit Art. 9 Abs. 3 ÅK erwiesen wie der unzureichende Devolutiveffekt des behördeninternen Überprüfungsverfahrens.

hinausgeht. Dezidiert anders auch G. Garçon, Limits of NGO Rights to Invoke Access to Justice under the Aarhus Convention, EJRR 6 (2015), 458 (467 f.). So wie hier J. Jans / ​H. Vedder, European Environmental Law, 2012, S. 248; N. de Sadeleer / ​C.  Poncelet, Protection against Acts Harmful to Human Health and the Environment Adopted by the EU Institutions, CYELS 14 (2011–2012), 177 (206, 207). 1304 Daher ist auch die – sehr scharfe – Kritik bei G. J. Harryvan / ​J. H.  Jans, Internal Review of EU Environmental Measures, REALaw 3 (2010), 53 (65) nicht von der Hand zu weisen, die fragen, welchen Sinn ein internes Überprüfungsverfahren erfüllt, das kaum genutzt werden kann. 1305 S. zu diesem Zusammenhang auch Generalanwalt Szpunar, Schlussanträge v. 17.10.2018, TestBioTech u. a. / ​Kommission, Rs. C-82/17, EU:C:2018:837, Rn. 37. 1306 Ebenso etwa A. Epiney, Zur Rechtsprechung des EuGH im Umweltrecht im Jahr 2015, ­EurUP 2016, 2 (6); H. Schoukens, Access to Justice in Environmental Cases After the Rulings of the Court of Justice of 13 January 2015, Utrecht J. Int. Eur. Law 31 (2015), 46 (67); F. Ekardt, Verbandsklage vor dem EuGH: Mitgliedstaaten verklagen, EU-Institutionen verschonen?, NVwZ 2015, 772 (775).

330

Teil 2: Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht

Die Konstruktion der Århus-VO legt auf den ersten Blick den Vorwurf einer unzulässigen Umgehung des Primärrechts nahe. Zwar wurde die Århus-VO gerade zum Zweck geschaffen, eine Klagebefugnis für Umweltverbände einzuführen, die anderenfalls nicht bestehen würde; der Vorwurf der unzulässigen Umgehung des Primärrechts hat sich jedoch nicht erhärtet. Der Verordnungsgeber hat vielmehr nur seine Möglichkeiten genutzt, das Sekundärrecht so auszugestalten, dass die primärrechtlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen erfüllt sind. Ein Vorwurf ist ihm dafür nicht zu machen. Die Regelungstechnik der Århus-VO ist ein Beispiel für die Möglichkeiten des Sekundärrechtgebers bei der Einführung zusätzlicher Rechtsschutzinstrumente. Insgesamt lässt sich damit eine Erweiterung des Rechtsschutzes in Umweltangelegenheiten durch die Århus-VO feststellen, die aber wegen der Restriktionen der Århus-VO eher moderat ausfällt. Nichtsdestotrotz begibt sich die Union mit der Århus-VO auf Neuland. Dies könnte eine weitere Entwicklung hin zu einem effektiveren Umweltrechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht einläuten.

Schlussbemerkungen Recht lässt sich nicht von seiner Durchsetzung trennen. Zur Erfüllung seiner Aufgabe, der Organisation des Gemeinwesens, ist Recht auf wirksame Durchsetzungsmechanismen angewiesen.1 Fehlen diese oder sind sie unzureichend, steht letztlich die Leistungsfähigkeit des Rechts in Frage. Um es mit C. Waldhoff zu sagen, ist „Recht als Sollensordnung […] nicht auf abstrakte Geltung, sondern auf Verwirklichung angelegt“2. Die Wirksamkeit des Rechts, seine tatsächliche Direktionskraft, hängt nicht zuletzt von effektiven Mechanismen zu seiner Durchsetzung ab.3 Anders gewendet: „Der Steuerungsanspruch des Rechts verlangt wirksame Rechtsdurchsetzung.“4 Effektive Rechtsdurchsetzung erfüllt eine Doppelfunktion: Neben der Sicherung individueller Belange darf auch die demokratische Dimension nicht aus dem Blick geraten.5 Engagieren sich Einzelne für die Durchsetzung des Rechts, mag immer eine individuelle Motivation eine Rolle spielen, im Ergebnis verhelfen sie mittels der Gerichte jedoch auch dem in demokratischen Verfahren geschaffenen Recht zur Entfaltung.6 In den Worten R. von Jherings: „Wer sein Recht behauptet, verteidigt innerhalb des engen Raumes desselben das Recht.“7 Gerade für Bereiche, die wie das Umweltrecht durch Vollzugsschwächen gekennzeichnet sind, sollte daher wohl abgewogen werden, ob auf Initiativen von Einzelnen und Verbänden verzichtet werden kann. Denn mit der Ausnahme ganzer Bereiche von der Klagbarkeit schwächt ein Gemeinwesen nicht nur die Durchsetzungsfähigkeit des Rechts, sondern letztlich sich selbst.

1

S. U. Haltern, Europarecht und das Politische, 2005, S. 336; s. auch K. F. Gärditz, in: Gärditz (Hrsg.), VwGO, 2. Aufl. 2018, § 42 Rn. 54. 2 S. C. Waldhoff, Staat und Zwang, 2008, S. 13; C. Waldhoff, Vollstreckung und Sanktionen, in: Hoffmann-Riem u. a. (Hrsg.), GVwR III, 2013, § 46, Rn. 1; ähnlich K. F. Gärditz, in: Gärditz (Hrsg.), VwGO, 2. Aufl. 2018, § 42 Rn. 54. 3 K. F. Gärditz, in: Gärditz (Hrsg.), VwGO, 2. Aufl. 2018, § 42 Rn. 54; s. pointiert zu den subjektiven Rechten des Grundgesetzes G. Dürig, Zur Bedeutung und Tragweite des Art. 79 Abs. III des Grundgesetzes, in: Spanner u. a. (Hrsg.), FG Maunz, 1971, S. 41 (49). 4 E. Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 2006, 2. Kapitel, Rn. 27. 5 T. Groß, Die Klagebefugnis als gesetzliches Regulativ des Kontrollzugangs, Die Verwaltung 43 (2010), 349 (371). 6 G. Lübbe-Wolff, Europäisches und nationales Verfassungsrecht, VVDStRL 60 (2001), 246 (279). 7 R. von Jhering, Der Kampf um’s Recht (Neudruck der 18. Aufl., Wien 1913), in: Ermacora (Hrsg.), Der Kampf um’s Recht, 1992, S. 59 (108) (Hervorhebung im Original). Zum Verfahrensbegriff R. von Jherings P. Reimer, Verfahrenstheorie, 2015, S. 169 f.

332

Schlussbemerkungen

Die folgenden Schlussbemerkungen greifen noch einmal die wichtigsten Erkenntnisse auf und ordnen sie in die größeren Zusammenhänge der Untersuchung ein. Zudem gewähren sie Ausblicke über die Untersuchung hinaus.

A. Eine Vorschrift, zwei Maßstäbe – Art. 9 Abs. 3 ÅK in der Rechtsprechung des Gerichtshofs Die Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Art. 9 Abs. 3 ÅK befindet sich in einer Schieflage. Der Gerichtshof legt unterschiedliche Maßstäbe an die Union und die Mitgliedstaaten an:8 Es ist schon bemerkenswert, wenn der Gerichtshof einerseits im Fall Protect zum mitgliedstaatlichen Prozessrecht Art. 9 Abs. 3 ÅK mit Art. 47 GRCh verstärkt und folgert, dass etwaig entgegenstehendes Recht außer Anwendung bleiben müsse,9 andererseits aber eben jenen Art. 9 Abs. 3 ÅK im Fall Vereniging Milieudefensie zum Eigenverwaltungsrecht nicht einmal als Prüfungsmaßstab anerkennen möchte.10 I. Plädoyer für einen einheitlichen Maßstab Angesichts der Ambivalenzen in der Rechtsprechung fragt sich, wie ernst es dem Gerichtshof mit den Verpflichtungen aus der Århus-Konvention wirklich ist. Ungeachtet der Unterschiede im Verhältnis der Århus-Konvention zum Unions- bzw. zum Eigenverwaltungsrecht scheinen die Folgerungen des Gerichtshofs zu Art. 9 Abs. 3 ÅK zu einem gewissen Maß das Ergebnis von Dezisionismus zu sein. Mit der weitreichenden Effektivierung von Art. 9 Abs. 3 ÅK im Unionsverwaltungsrecht sichert sich der Gerichtshof einen erheblichen Einfluss auf die Ausgestaltung des Umweltrechtsschutzes in den Mitgliedstaaten. Gleichzeitig bestätigen die Unionsgerichte regelmäßig die restriktive Århus-VO. Es hat daher den Anschein, dass der Gerichtshof an das Unionsverwaltungsrecht und das Eigenverwaltungsrecht unterschiedliche Maßstäbe anlegt. Um dem Vorwurf eines Doppelstandards entgegenzutreten, sollte der Gerichtshof seine Rechtsprechung zu Art. 9 Abs. 3 ÅK überdenken. Ein Schritt zur Verringerung des Gefälles wäre die Anerkennung von Art. 9 Abs. 3 ÅK als Prüfungsmaßstab für die Rechtsschutzbestimmungen der Århus-VO. Denn diese dient

8 J. Berkemann, NGO scheitern mit umweltrechtlicher Nichtigkeitsklage vor dem EuGH, ZUR 2015, 221 (230); E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband II, 2018, S. 1092 f., 1126; s. auch S. Gáspár-Szilágyi, The Relationship between EU Law and International Agreements, CML Rev. 52 (2015), 1059 (1075). 9 S. oben unter Teil 2. Kapitel 4. C. II. 3. b) (S. 202 ff.). 10 S. oben unter Teil 2. Kapitel 5. C. II. 1. a) (S. 298 ff.).

Schlussbemerkungen

333

zweifelsohne der Umsetzung der Vorgaben von Art. 9 Abs. 3 ÅK und füllt die dort bestehenden Gestaltungsspielräume aus.11 II. Kritik an den Rechtsschutzvorgaben der Århus-Konvention Es wäre jedoch zu kurz gegriffen, die Widersprüchlichkeiten im Umgang mit Art. 9 Abs. 3 ÅK allein dem Gerichtshof anzulasten. Denn die wenig stringente Rechtsprechung des Gerichtshofs wird von Art. 9 Abs. 3 ÅK selbst begünstigt. Die Kritik richtet sich also auch an den Maßstab selbst.12 Art. 9 Abs. 3 ÅK steht gewissermaßen prototypisch für eine bewusste Aufweichung des Regelungsgehalts der Rechtsschutzvorgaben in den Verhandlungen zur Århus-Konvention.13 Die Rechtsschutzverpflichtungen der Århus-Konvention sind gespickt mit Gestaltungsspielräumen und unbestimmten Rechtsbegriffen, die nicht ohne Grund Anlass zu sehr verschiedenen Interpretationen gegeben haben. Dies gilt gerade für Art. 9 Abs. 3 ÅK, eine Bestimmung, die lange Zeit ein Schattendasein fristete. Ausgehend von dem Urteil Slowakischer Braunbär hat sich die Entwicklung inzwischen ins Gegenteil verkehrt: Art. 9 Abs. 3 ÅK hat einen erheblichen Bedeutungszuwachs erlebt. Die Entwicklung scheint auch noch nicht abgeschlossen, wie das Urteil Protect beweist. Inzwischen besteht vielmehr die Gefahr einer Überdehnung. Angesichts der Schwierigkeiten bei der Bestimmung der Reichweite von Art. 9 Abs. 3 ÅK, die in dieser Arbeit beispielhaft für das Eigenverwaltungsrecht der Union untersucht wurden, sind auch Zweifel am Maßstab selbst angebracht. Die Århus-Konvention mag ein wichtiger Meilenstein für die Verbesserung des Umweltrechtsschutzes sein, ein Allheilmittel ist sie jedoch nicht. Die Gestaltungsspielräume, die weite Teile ihrer Rechtsschutzvorgaben durchziehen, laden ebenso zu einer Unter- wie Überbewertung ihrer Bedeutung ein. Für zukünftige Abkommen ist es daher zentral, präzisere Verpflichtungen zu entwickeln. Nur so kann der Umweltrechtsschutz auf eine neue Evolutionsstufe gehoben werden. Und nur so lässt sich eine Unterbelichtung ebenso vermeiden wie eine Überbelichtung.

B. Rechtsschutz durch die Århus-VO Die Århus-VO erweitert die Rechtsschutzmöglichkeiten von Verbänden in Umweltangelegenheiten. Damit mildert die Verordnung die primärrechtlichen Re­ striktionen im Umweltrechtsschutz ab.14 Die Analyse hat jedoch auch ergeben, dass 11

S. oben unter Teil 2. Kapitel 5. C. II. 1. b) bb) (S. 309 ff.). S. oben unter Teil 2. Kapitel 3. B. V.1.  (S. 126 ff.). 13 S. M. Zschiesche, Die Aarhus-Konvention, ZUR 2001, 177 (182); J. Jendrośka, Aarhus Convention and Community Law, JEEPL 2 (2005), 12 (19). 14 Nach S. Pernice-Warnke, Der Zugang zu Gericht in Umweltangelegenheiten für Individualkläger und Verbände gemäß Art. 9 Abs. 3 Aarhus-Konvention und seine Umsetzung durch 12

334

Schlussbemerkungen

der Anwendungsbereich der Rechtsschutzbestimmungen der Århus-VO deutlich begrenzt ist.15 I. Århus-VO öffnet das Tor – aber nur einen Spalt Durch die Kombination von interner Überprüfung und anschließendem gerichtlichen Verfahren gelingt es der Århus-VO, Zugang zu Rechtsschutz in einem Bereich zu verbessern, der in weiten Teilen von einem Totalausfall der Kontrolle betroffen ist. Dies liegt insbesondere an der restriktiven Plaumann-Rechtsprechung des Gerichtshofs, die Rechtsschutz in Umweltangelegenheiten faktisch unmöglich macht.16 Durch die Einführung eines internen Überprüfungsverfahrens wird der antragstellende Umweltschutzverband Adressat eines an ihn gerichteten Beschlusses, der ihm den Weg zu den Unionsgerichten über Art. 263 Abs. 4 Var. 1 AEUV ebnet. Alternativ kann der Verband durch die Verfahrensbeteiligung im internen Überprüfungsverfahren auch eine individuelle Betroffenheit nach Art. 263 Abs. 4 Var. 2 AEUV nachweisen.17 Die Århus-VO erweist sich so als Schlüssel, mit dem die Umweltverbände am Torhüter Plaumann vorbeigelangen. Allerdings ist in der Untersuchung auch deutlich geworden, dass der Anwendungs­ bereich der Århus-VO denkbar begrenzt ist. Dies liegt insbesondere an dem engen sachlichen Anwendungsbereich der Verordnung.18 Dafür ist insbesondere die Beschränkung auf Verwaltungsakte verantwortlich, die durch ihren Charakter als Einzelfallregelung gekennzeichnet sind. Dies führt dazu, dass eine Vielzahl umweltrelevanter Maßnahmen des Eigenverwaltungsrechts außerhalb des Anwendungsbereichs der Århus-VO fällt.19 Trotz der Einführung der Århus-VO wird der Umweltrechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht der Union daher immer noch maßgeblich von den ungünstigen primärrechtlichen Zugangskriterien bestimmt. Die Århus-VO öffnet das Tor für den Umweltrechtsschutz nur einen Spalt weit. Die Untersuchung hat gezeigt, dass die Århus-VO selbst den sehr großzügigen Maßstäben von Art. 9 Abs. 3 ÅK nicht gerecht wird. Neben dem zu engen Verwaltungsaktbegriff betrifft dies vor allem zwei weitere Aspekte: Zunächst können nur Verbände ein internes Überprüfungsverfahren nach der Århus-VO einleiten. Alle anderen Individualkläger sind ausgeschlossen, weshalb für sie weiterhin die primärrechtlichen Zugangsbedingungen gelten. Eine Begrenzung auf Verbände kann Art. 9 Abs. 3 ÅK jedoch nicht entnommen werden.20 Daneben genügt das die europäische Gemeinschaft, EuR 2008, 410 (420 f.) wird die Ungleichbehandlung sogar deutlich verringert. 15 S. oben unter Teil 2. Kapitel 5. A. I. 2. (S. 241 ff.). 16 S. oben unter Teil 2. Kapitel 4. A. III. (S. 150 ff.). 17 S. oben unter Teil 2. Kapitel 5. A. II. 1. b) (S. 265 ff.). 18 S. oben unter Teil 2. Kapitel 5. A. I. 2. (S. 241 ff.). 19 S. oben unter Teil 2. Kapitel 5. A. I. 2. c) (S. 254 ff.). 20 S. oben unter Teil 2. Kapitel 5. C. II. 2. a) aa) (S. 312 ff.).

Schlussbemerkungen

335

interne Überprüfungsverfahren auch nicht den Anforderungen von Art. 9 Abs. 3 i. V. m. Abs. 4 ÅK. Dies liegt vor allem am mangelnden Devolutiveffekt des internen Überprüfungsverfahrens.21 Dem Umweltrechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht der Union ist daher noch einiger Verbesserungsbedarf für eine Vereinbarkeit mit Art. 9 Abs. 3 und 4 ÅK zu attestieren. II. Ausblick: Reaktion der Union auf die Kritik des Compliance Committees Auch das Compliance Committee hat im zweiten Teil des Verfahrens ACCC / ​ C/2008/32 zur Europäischen Union festgestellt, dass der Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht der Union nicht den Anforderungen von Art. 9 Abs. 3 und 4 ÅK entspricht.22 Gleichzeitig empfahl das Compliance Committee der Vertragsstaatenkonferenz einen Beschluss, der die Union zum Ergreifen von Maßnahmen zur Herstellung der Vereinbarkeit auffordern sollte.23 Ein entsprechender Entwurf wurde für die Konferenz der Vertragsstaaten im September 2017 in Montenegro vorbereitet.24 Die Kommission reagierte darauf mit einem Vorschlag für einen Ratsbeschluss, in dem die Strategie der Union für die Vertragsstaatenkonferenz festlegt werden sollte. Ihre Position resümierte die Kommission folgendermaßen: „Die Feststellungen des Ausschusses ziehen die verfassungsrechtlichen Grundsätze des EURechts in Zweifel, die von so grundlegendem Charakter sind, dass es der EU rechtlich unmöglich ist, den Feststellungen zu folgen und sich an diese zu halten. […] In Anbetracht dieser Erwägungen sollte die EU die Feststellungen in der Sache ACCC / ​ C/2008/32 auf der bevorstehenden Tagung der Vertragsparteien ablehnen.“25

Die Kommission befürchtete offenbar, dass die Ergebnisse des Compliance Committees rechtliche Verbindlichkeit erlangen würden.26 Mit Annahme dieses 21

S. oben unter Teil 2. Kapitel 5. C. II. 3. a) aa) (S. 322 ff.). ACCC / ​C/2008/32 (Part II) (Europäische Union), ECE / ​M P.PP / ​C.1/2017/7, Rn.  121 f. Kritisch dagegen zur Entscheidung des Compliance Committees F. Fellenberg / ​G. Schiller, in: Beckmann u. a. (Hrsg.), Landmann / ​Rohmer, Umweltrecht, UmwRG vor § 1 (April 2018) Rn. 26. 23 ACCC / ​C/2008/32 (Part II) (Europäische Union), ECE / ​MP.PP / ​C.1/2017/7, Rn.  123. 24 Draft decision VI/8f concerning compliance by the European Union with its obligations under the Convention, ECE / ​MP.PP/2017/25. 25 Vorschlag COM(2017) 366 final der Kommission vom 29.06.2017 für einen Beschluss des Rates über einen Standpunkt, der im Namen der Europäischen Union auf der sechsten Tagung der Vertragsparteien von Aarhus in Bezug auf die die Einhaltung des Übereinkommens betreffende Sache ACCC / ​C/2008/32 zu vertreten ist, S. 6 f. 26 E. Fasoli / ​A . McGlone, The Non-Compliance Mechanism Under the Aarhus Convention as ‚Soft‘ Enforcement of International Environmental Law, NILR 65 (2018), 27 (30). 22

336

Schlussbemerkungen

Vorschlags durch den Rat hätte sich die Union erstmals gegen Feststellungen des Compliance Committees gewendet.27 In den Beratungen im Rat zeigte sich jedoch, dass einige Mitgliedstaaten nicht bereit waren, den Vorschlag der Kommission zu unterstützen, der eine Abkehr von der üblichen einstimmigen Billigung von Feststellungen des Compliance Committees bedeutet hätte.28 Letztlich einigte sich der Rat auf einen Kompromiss: Die Vertragsstaatenkonferenz sollte sich den Feststellungen des Compliance Committees nicht anschließen („to endorse“), sondern diese lediglich zur Kenntnis nehmen („to take note of“).29 Dies sollte der Verringerung der Bindungswirkungen der Feststellungen des Compliance Committees dienen.30 Der Kompromiss des Rats sah damit zwar vor, dass die Vertragsstaatenkonferenz erstmals einen Beschluss nicht mit „to endorse“ annehmen sollte, wendete sich gleichzeitig aber auch gegen die im Kommissionsvorschlag vorgesehene kategorische Ablehnung jeglichen Beschlusses.31 Die Entscheidung bedeutete eine sehr ungewöhnliche Ausgangslage für die Vertragsstaatenkonferenz, zeichnete sich hier doch zum ersten Mal ein Abweichen von der ständigen Praxis der konsensualen Annahme von Feststellungen des Compliance Committees ab.32 Es nimmt daher kaum wunder, dass es auf der Vertragsstaatenkonferenz zu kontroversen Diskussionen kam, bei denen sich sowohl Vertragsparteien als auch Umweltverbände vehement gegen den Vorschlag der Union aussprachen.33 Die Vertragsstaatenkonferenz entschied daher, die Entscheidung auf die nächste Sitzung im Jahr 2021 zu vertagen.34 Die Kontroverse in der Vertragsstaatenkonferenz illustriert die ablehnende Haltung der Union gegenüber einer Einflussnahme auf ihre Rechtsordnung von außen. Die Unionsinstitutionen spielen eine äußerst fragwürdige Rolle in der Vertragsstaatenkonferenz.35 Diese zweifelhafte Haltung setzt sich im Innenverhältnis 27

D. Lutz / ​M. Sauer, Neuigkeiten zur Aarhus-Konvention, EurUP 2018, 118 (125). D. Lutz / ​M. Sauer, Neuigkeiten zur Aarhus-Konvention, EurUP 2018, 118 (125). 29 Beschluss (EU) 2017/1346 des Rates vom 17. Juli 2017 über den im Namen der Europäischen Union auf der sechsten Tagung der Vertragsparteien des Übereinkommens von Aarhus in Bezug auf die die Einhaltung des Übereinkommens betreffende Sache ACCC / ​C/2008/32 zu vertretenden Standpunkt, ABl. L 186 v. 19.07.2017, S. 15 ff. S. dazu F. Fellenberg / ​G. Schiller, in: Beckmann u. a. (Hrsg.), Landmann / ​Rohmer, Umweltrecht, UmwRG vor § 1 (April 2018) Rn. 47. 30 D. Lutz / ​M. Sauer, Neuigkeiten zur Aarhus-Konvention, EurUP 2018, 118 (125). 31 E. Fasoli / ​A . McGlone, The Non-Compliance Mechanism Under the Aarhus Convention as ‚Soft‘ Enforcement of International Environmental Law, NILR 65 (2018), 27 (42). 32 D. Lutz / ​M. Sauer, Neuigkeiten zur Aarhus-Konvention, EurUP 2018, 118 (126). 33 Report of the Sixth session of the Meeting of the Parties vom 21.12.2017, ECE / ​MP.PP/​ 2017/2, Rn. 57 ff. 34 Report of the Sixth session of the Meeting of the Parties vom 21.12.2017, ECE / ​MP.PP/​ 2017/2, Rn. 62. 35 L. De Lucia, Locus Standi and distrust of the public administration, REALaw 10 (2017), 7 (23). 28

Schlussbemerkungen

337

fort: So beruft sich die Kommission in der Rechtssache Mellifera gegenüber einem entsprechenden Vorbringen der Kläger etwa darauf, dass die Empfehlungen des Compliance Committees nicht angeführt werden könnten, da sie nicht in der Vertragsstaatenkonferenz beschlossen worden seien.36 Hierfür ist aber, wie gesehen, vor allem die Kommission selbst verantwortlich. Formal mag das Argument der Kommission deshalb zutreffen, rechtspolitisch ist es aber fatal. Die Union setzt ihre Glaubwürdigkeit in der internationalen Umweltpolitik aufs Spiel. Es ist auch kaum zu erwarten, dass die anderen Vertragsparteien auf der nächsten Vertragsstaatenkonferenz von ihrer Position abrücken.37 Dass daher ein Tätigwerden angezeigt ist, hat inzwischen auch die Union eingesehen. In einer Entschließung fordert das Europäische Parlament die Kommission auf, einen neuen Legislativvorschlag zu erarbeiten, der den Einwänden des Compliance Committees Rechnung trägt.38 Das Parlament erhält dabei Unterstützung vom Rat.39 In einem Beschluss ersucht der Rat die Kommission zunächst bis Ende September 2019 zu untersuchen, welche Möglichkeiten bestehen, den Feststellungen des Compliance Committees nachzukommen. In einem zweiten Schritt fordert der Rat die Kommission auf, bis Ende September 2020 einen Vorschlag für eine Änderung der Århus-VO vorzulegen. Es bleibt also abzuwarten, wie sich die Union in Zukunft positionieren wird. Die bisherige Haltung der Kommission und der Unionsgerichte stimmt jedoch skeptisch.40 Es ist zu hoffen, dass sich die Kontroverse auf der Vertragsstaatenkonferenz in Montenegro als Weckruf für die Union erweist.

C. Funktionsäquivalente Torhüter: Plaumann-Formel und Schutznormlehre Plaumann-Formel und Schutznormlehre erfüllen eine äquivalente Funktion: Sie filtern, welche Kläger mit welchen Anliegen in der Sache Gehör finden. Obwohl ihr Ursprung in unterschiedlichen Klagesystemen liegt und ihre dogmatischen Ausgangspunkte voneinander abweichen, erweisen sich beide gleichermaßen als 36

S. EuG, Urt. v. 27.09.2018, Mellifera / ​Kommission, Rs. T-12/17, EU:T:2018:616, Rn. 86. D. Lutz / ​M. Sauer, Neuigkeiten zur Aarhus-Konvention, EurUP 2018, 118 (127). 38 Entschließung 2017/2705(RSP) des Europäischen Parlaments vom 16. November 2017 zur Überprüfung der Umsetzung der EU-Umweltpolitik, ABl. C 356 v. 04.10.2018, S. 84 (87 Rn. 26). 39 Beschluss (EU) 2018/881 des Rates vom 18. Juni 2018 mit dem Ersuchen an die Kommission, eine Untersuchung der Möglichkeiten der Union, den Feststellungen des Ausschusses zur Überwachung der Einhaltung des Übereinkommens von Aarhus in der Sache ACCC / ​ C/2008/32 Rechnung zu tragen und gegebenenfalls, in Anbetracht der Ergebnisse der Untersuchung, einen Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1367/2006 zu unterbreiten, ABl. L 155 vom 19.06.2018, S. 6. 40 L. De Lucia, Locus Standi and distrust of the public administration, REALaw 10 (2017), 7 (26). 37

338

Schlussbemerkungen

fast unüberwindbare Torhüter zur Verwaltungsgerichtsbarkeit in Umweltangelegenheiten.41 Die Untersuchung hat jedoch auch einige Unterschiede offengelegt. I. Primärrechtliche Betroffenenklage Der primärrechtliche Individualrechtsschutz folgt weder dem Interessentennoch dem Verletztenklagemodell. Zwar weist die Individualnichtigkeitsklage Überschneidungen zu beiden Idealmodellen auf; daraus ergibt sich jedoch keine eindeutige Zuordnung. Daher scheint es auch wenig hilfreich, dem Rechtsschutz durch die Nichtigkeitsklage wahlweise eine schlichte Übernahme des französischen oder des deutschen Ansatzes zu unterstellen.42 Es handelt sich letztlich um eine Konzeption sui generis. Diese Konzeption knüpft an der Betroffenheit der Kläger an, weshalb hier von einer Betroffenenklage gesprochen werden soll. Obwohl zunächst deutliche historische und semantische Bezüge zum Interessentenklagemodell festgestellt werden konnten,43 folgt der Individualrechtsschutz des Primärrechts diesem Modell im Ergebnis nicht. Die Wirkung der PlaumannFormel gleicht einer Trennung von Individual- und Allgemeininteressen, was an sich schon ungewöhnlich für ein Interessentenklagesystem ist.44 Denn die Unionsgerichte prüfen gerade nicht, ob ein Kläger durch ein individuelles Interesse berechtigterweise Zugang zur Verwaltungsgerichtsbarkeit verlangen kann, sondern vielmehr, ob die Kläger Umstände darlegen, die sie aus dem Kreis aller von einer Maßnahme Berührten herausheben.45 In Umweltangelegenheiten ist dies im Prinzip nie der Fall, da hier typischerweise alle von einer Maßnahme Erfassten gleich berührt sind. Allgemeininteressen wie etwa Umweltbelange sind daher von einer Klagbarkeit faktisch ausgenommen.46 In dieser Funktionsweise liegt gerade das Charakteristikum des primärrechtlichen Gerichtszugangs: Nicht lediglich nachteilig Berührte, sondern nur von einer Maßnahme herausgehoben Betroffene erfüllen die Voraussetzungen der primärrechtlichen Klagebefugnis. Angesichts der Restriktionen des primärrechtlichen Individualrechtsschutzes wäre eine Zuordnung zum Verletztenklagemodell zwar naheliegend, griffe aber zu kurz und würde dessen Charakter nicht gerecht. Es mag sein, dass der zunehmende Bedeutungsgewinn der Unionsbürger im europäischen Einigungsprozess

41

S. für die Schutznormlehre oben unter Teil 1. Kapitel 2. B. I. (S. 62 ff.) und für die Plaumann-Formel oben unter Teil 2. Kapitel 4. A. III. (S. 150 ff.). 42 Ebenso gegen die Annahme einer schlichten Übernahme des französischen Systems M. Reiling, Zu individuellen Rechten im deutschen und im Gemeinschaftsrecht, 2004, S. 454. 43 S. oben unter Teil 2. Kapitel 4. A. I. (S. 134 ff.). 44 Das französische Interessentenklagesystem nimmt diese Unterscheidung nicht vor, s. Teil 1. Kapitel 2. B. II. (S. 85 ff.). 45 B. Wegener, Keine Klagebefugnis für Greenpeace und 18 andere, ZUR 1998, 131 (133). 46 S. für das Umweltrecht oben unter Teil 2. Kapitel 4. A. III. 4. (S. 154 ff.).

Schlussbemerkungen

339

auch am Rechtsschutzsystem nicht spurlos vorüber gegangen ist.47 Dafür, dass der Rechtsschutz durch die Unionsgerichte nicht nur der objektiven Legalitätskontrolle, sondern auch dem Schutz der Unionsbürger dienen soll,48 muss dem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz andererseits jedoch auch eine bemerkenswerte Durchsetzungsschwäche in der Rechtsprechung des Gerichtshofs attestiert werden.49 Zwar mag die den Zugang zur Individualnichtigkeitsklage maßgeblich leitende Plaumann-Formel also in ihrer restriktiven Wirkung dem deutschen Verletztenklagemodell ähneln,50 nicht jedoch in ihrer dogmatischen Konstruktion. Denn im deutschen Verwaltungsrecht kommt es alleine auf die eigene Betroffenheit in subjektiven Rechten an, während die Plaumann-Formel einen Vergleich mit anderen Betroffenen anstellt.51 Plastisch wurde dies im Fall Danielsson, in dem das Gericht entschied, dass auch eine durch einen Atomtest verursachte mögliche Beeinträchtigung der Gesundheit keine individuelle Betroffenheit vermittele, da alle in dem Gebiet wohnenden Personen gleich erfasst würden.52 Dies ist Ausdruck der spezifischen Trennung der primärrechtlichen Betroffenenklage zwischen lediglich nachteilig Berührten und herausgehoben Betroffenen ohne Rücksicht auf etwaige subjektive Rechte. Die Plaumann-Formel beschränkt den Gerichtszugang damit sogar weiter als die Schutznormlehre.53

47

Dazu etwa K. F.  Gärditz, Funktionswandel der Verwaltungsgerichtsbarkeit unter dem Einfluss des Unionsrechts, Gutachten D zum 71. Deutschen Juristentag, D 21 f. 48 E. Schmidt-Aßmann, Empfiehlt es sich, das System des Rechtsschutzes und der Gerichtsbarkeit in der Europäischen Gemeinschaft weiterzuentwickeln?, JZ 1994, 832 (834); dagegen M. Kottmann, Plaumanns Ende, ZaöRV 2010, 547 (551); M. Fromont, L’influence du droit français et du droit allemand sur les conditions de recevabilité du recours en annulation devant la Cour de justice des Communautés européennes, RTD Eur. 1966, 47 (63); T. von Danwitz, Verwaltungsrechtliches System und europäische Integration, 1996, S. 240. 49 S. oben unter Teil 2. Kapitel 4. C. II. 4. b) cc) (S. 217 ff.). 50 J. Guiorguieff, Les règles de recevabilité concernant les actions des particuliers et la convention d’Aarhus, R. A. E. 2012, 629 (638). Dies sieht auch A. Bleckmann, Zur Klagebefugnis für die Individualklage vor dem Europäischen Gerichtshof, in: Erichsen u. a. (Hrsg.), FS Menger, 1985, S. 871 (873) so, hält aber missverständlich fest, dass „schon der Wortlaut des Art. 173 II EWG-Vertrag [Art. 263 Abs. 4 AEUV n. F., Anm. d. Verf.] die Möglichkeiten einer individuellen Nichtigkeitsklage sehr eng gezogen hat, die weitgehend der Anfechtungsklage des deutschen Verwaltungsrechts entspricht“. Wie gezeigt wurde, entspricht der Wortlaut gerade nicht dem deutschen Modell, während sich in den Wirkungen auf den Zugang durchaus Überschneidungen feststellen lassen. 51 Dennoch gibt es immer wieder Versuche, dem Gerichtshof eine (partielle) Übernahme des Schutznormdenkens zu unterstellen, s. etwa D. Waelbroeck / ​D. Fosselard, Joined Cases T-480/93 and T-483/93, Antillean Rice Mills NV, Trading & Shipping Co. Ter Beek BV and European Rice Brokers AVV, Alesie Curaçao NV, Guyana Investments AVV v. Commission of the European Communities supported by Council of the European Union, French Republic and Italian Republic, Judgment of 14 September 1995, CML Rev. 33 (1996), 811 (823 f.). 52 EuG, Beschl. v. 22.12.1995, Danielsson u. a. / ​Kommission, Rs. T-219/95 R, EU:T:1995:219, Slg. 1995 II-3051, Rn. 71. Dazu ausführlich oben unter Teil 2. Kapitel 4. A. III. (S. 150 ff.). 53 S. Schlacke, Rechtsbehelfe im Umweltrecht, in: Schlacke u. a. (Hrsg.), Aarhus-Handbuch, 2010, § 3, Rn. 35.

340

Schlussbemerkungen

Gegen die Übernahme des Verletztenklagemodells spricht auch, dass die Unionsgerichte im Rahmen der Nichtigkeitsklage nicht auf die Prüfung subjektiver Rechte beschränkt sind. Es existiert damit keine für ein Verletztenklagesystem typische Spiegelung von Klagebefugnis und Kontrollmaßstab, wie etwa in § 42 Abs. 2 VwGO und § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.54 Jedoch ist auch die Idee der objektiven Legalitätskontrolle nur unvollkommen verwirklicht.55 Zwar ist der Prüfungsmaßstab in der Sache das gesamte objektive Unionsrecht; durch die hohen Zugangshürden kommt es jedoch häufig gar nicht zu einer Kontrolle. Ein weniger restriktiver Gerichtszugang würde dem Ziel, die Rechtmäßigkeit des Unionshandelns umfassend zu sichern, jedenfalls besser dienen. Für die Gewährleistung einer objektiven Legalitätskontrolle reicht es auch nicht, sich auf den weiten Zugang für privilegierte und teilprivilegierte Kläger zu verlassen, da diese durch ihre Eingebundenheit in den politischen Prozess häufig ihr Klagerecht nicht konsequent nutzen.56 Die Individualkläger, denen sich solche Erwägungen nicht stellen und die deshalb zur effektiven Durchsetzung des Unionsrechts beitragen könnten, sind von Klagemöglichkeiten, vor allem was Allgemeininteressen betrifft, jedoch weitgehend ausgeschlossen. Sie können daher kaum zur Kontrolle beitragen. Der primärrechtliche Rechtsschutz verzichtet vielmehr auf die Individualkläger als surveillants de l’administration. Von der im Urteil Plaumann postulierten weiten Zugangsgewährung ist der primärrechtliche Rechtsschutz bis heute weit entfernt.57 Beim primärrechtlichen Individualrechtsschutz handelt es sich damit um eine eigenständige Betroffenenklage, deren maßgeblicher Filter, das Kriterium der individuellen Betroffenheit, in dieser Form weder dem Idealtypus des Interessenten- noch des Verletztenklagemodells entnommen werden kann.58 Mehr als eine Konvergenz der Klagemodelle ist auf Grundlage dieser Untersuchung daher die Eigenständigkeit des Direktklagemodells der Union festzustellen.59

54 B. Wegener, Keine Klagebefugnis für Greenpeace und 18 andere, ZUR 1998, 131 (133). S. dazu schon oben unter Teil 1. Kapitel 2. B. I. 1. (S. 62 ff.). 55 Dazu schon oben unter Teil 2. Kapitel 4. A. I. (S. 134 ff.). 56 In diesem Sinne B. Börner, Empfiehlt es sich, die Bestimmungen des europäischen Gemeinschaftsrechts über den Rechtsschutz zu ändern oder zu ergänzen?, Referat beim 46. Deutschen Juristentag, G 26. 57 S. EuGH, Urt. v. 15.07.1963, Plaumann / ​Kommission, Rs. 25/62, EU:C:1963:17, Slg. 1963, 199 (237). 58 In diese Richtung auch B. Börner, Empfiehlt es sich, die Bestimmungen des europäischen Gemeinschaftsrechts über den Rechtsschutz zu ändern oder zu ergänzen?, Referat beim 46. Deutschen Juristentag, G 30; ebenso C. Godt, Enforcement of Environmental Law by Individuals and Interest Groups, Journal of Consumer Policy 23 (2000), 79 (82). 59 Anders K. F. Gärditz, Funktionswandel der Verwaltungsgerichtsbarkeit unter dem Einfluss des Unionsrechts, Gutachten D zum 71. Deutschen Juristentag, D 21 ff., der als allgemeine Entwicklung Subjektivierungstendenzen auch im primärrechtlichen Rechtsschutz ausmacht.

Schlussbemerkungen

341

II. Elastizität und Statik der Systeme Der deutsche Verwaltungsrechtsschutz steht schon seit einiger Zeit vor der Aufgabe, unionsrechtliche und internationale Impulse in die Dogmatik des Verletztenklagesystems umzusetzen.60 Dabei hat das deutsche Verletztenklagesystem eine bemerkenswerte Elastizität bewiesen: Insbesondere das vermeintlich starre Schutznormkonzept hat sich als anpassungsfähiges Instrument zur Aufnahme externer Impulse erwiesen.61 Zwar sah sich der deutsche Verwaltungsrechtsschutz auch auf europäischer Ebene direkten Angriffen ausgesetzt,62 letztlich konnte er sich jedoch behaupten.63 Dies wäre so nicht möglich gewesen, wenn das deutsche Konzept auf seinen ursprünglichen Annahmen beharrt hätte. Vielmehr ermöglichten Anpassungen, etwa die Anerkennung unionsrechtlicher Ansprüche als Schutznormen,64 eine Evolution hin zu einem europäisierten Schutznormkonzept.65 Dies wird insbesondere dadurch ermöglicht, dass der Gesetzgeber frei darin ist, Interessen, die nach klassischer Lesart auch allgemeiner Natur sein können, unter den Schutzzweck einer Norm zu fassen.66 Neben der Anpassungsfähigkeit der Schutznormtheorie trägt auch die Öffnungsklausel in § 42 Abs. 2 Alt. 1 VwGO dazu bei, dass sich eigentlich fremde Rechtsschutzkonzepte wie etwa Verbandsklagen ver-

60

K. Rennert, Funktionswandel der Verwaltungsgerichtsbarkeit?, DVBl 2015, 793 (793). S. dazu schon oben unter Teil 1. Kapitel 2. B. I. 3. b) (S. 72 ff.). 61 J. Pietzcker, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit als Kontrollinstanz, in: Schmidt-Aßmann / ​ Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, 2001, S. 89 (100); K. Rennert, Funktionswandel der Verwaltungsgerichtsbarkeit?, DVBl 2015, 793 (795 f.); K. F. Gärditz, Funktionswandel der Verwaltungsgerichtsbarkeit unter dem Einfluss des Unionsrechts, Gutachten D zum 71. Deutschen Juristentag, D 27 f.; F. Schoch, Individualrechtsschutz im deutschen Umweltrecht unter dem Einfluß des Gemeinschaftsrechts, NVwZ 1999, 457 (465); K.-P. Sommermann, Entwicklungsperspektiven der Verwaltungsgerichtsbarkeit, in: Sommermann / ​Schaffarzik (Hrsg.), Handbuch der Geschichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit, 2019, S. 1991 (1999). S. auch BVerwGE 147, 312 (Rn. 19 ff.). 62 S.  Generalanwalt Wathelet, Schlussanträge v. 21.05.2015, Kommission / ​Deutschland, Rs. C-137/14, EU:C:2015:344, Rn. 50 ff. 63 EuGH, Urt. v. 15.10.2015, Kommission / ​Deutschland, Rs.  C-137/14, EU:C:2015:683, Rn. 28 ff. Dazu etwa V.  Skouris, Auswirkungen der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs auf die Funktion der deutschen Verwaltungsgerichtsbarkeit, DVBl 2016, 937 (941 ff.); A. Guckelberger, Deutsches Verwaltungsprozessrecht unter unionsrechtlichem Anpassungsdruck, 2017, S. 209 ff. 64 S. etwa R.  Halfmann, Entwicklungen des Verwaltungsrechtsschutzes in Deutschland, Frankreich und Europa, VerwArch 91 (2000), 74 (85); D. Ehlers, Die Europäisierung des Verwaltungsprozessrechts, DVBl 2004, 1441 (1446); A. K. Mangold / ​R . Wahl, Das europäisierte deutsche Rechtsschutzkonzept, Die Verwaltung 48 (2015), 1 (3 ff.); K. F. Gärditz, Europäisierter Umweltrechtsschutz als Laboratorium des Verwaltungsprozessrechts, EurUP 2015, 196 (208 f.). 65 K. F. Gärditz, Funktionswandel der Verwaltungsgerichtsbarkeit unter dem Einfluss des Unionsrechts, Gutachten D zum 71. Deutschen Juristentag, D 27 f.; F. Schoch, Verwaltungsgerichtsbarkeit, quo vadis?, VBlBW 2013, 361 (364 f.). 66 E. Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz, Teilband I, 2018, S. 80 f.

342

Schlussbemerkungen

hältnismäßig gut in das Gesamtsystem integrieren lassen.67 Denn die Öffnungsklausel ermöglicht es dem deutschen Gesetzgeber, durch gesetzliche Bestimmung eine Ausnahme zu dem Erfordernis einer möglichen Verletzung eines subjektiven öffentlichen Rechts zu schaffen. Durch diese Elastizität sichert der deutsche Verwaltungsrechtsschutz seine Zukunftsfähigkeit. Für den primärrechtlichen Rechtsschutz ergibt sich auf Grundlage dieser Untersuchung dagegen ein anderes Bild. Das primärrechtliche Rechtsschutzmodell tendiert eher zur Statik als zur Elastizität. Der Gerichtshof beharrt auf seiner jahrzehntealten Rechtsprechung zur individuellen Betroffenheit aus dem Urteil Plaumann.68 Dabei sieht sich inzwischen auch der Rechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht mit externen Einflüssen konfrontiert, wie in dieser Untersuchung anhand der Århus-Konvention deutlich wurde. Die Neigung zur Statik erschwert die Umsetzung solcher externen Impulse in besonderer Weise, wie für den Gerichtszugang nach dem Primärrecht, aber auch für sekundärrechtliche Modifikationen fest­ gestellt werden konnte.69 Dadurch besteht die Gefahr einer Innovationshemmung des Prozessrechts. So fügen sich die Impulse der Århus-Konvention nicht ohne einigen Begründungsaufwand in das Prozessrecht des Eigenverwaltungsrechts ein. Die Folge sind Diskussionen über vermeintliche Umgehungen des primärrechtlichen Prozessrechts, etwa durch die Rechtsschutzbestimmungen der Århus-VO.70 Zugegebenermaßen unterscheiden sich die Wirkungen der Århus-Konvention auf das mitgliedstaatliche und primärrechtliche Prozessrecht. Während die Rechtsschutzvorgaben der Århus-Konvention mit dem Vorrang des Unionsrechts auf das mitgliedstaatliche Prozessrecht einwirken, sind sie im Verhältnis zum primärrechtlichen Prozessrecht rangniedriger.71 Dies schränkt ihre Durchsetzungsfähigkeit gegenüber dem primärrechtlichen Prozessrecht ein, während der Innovationsdruck auf das mitgliedstaatliche Prozessrecht ungleich höher ist. Um weiterhin als glaubwürdige Vertragspartei der Århus-Konvention wahrgenommen zu werden, sollte sich die Union jedoch nicht auf diese Position zurückziehen. Anderenfalls bestünde die Gefahr, dass das starre Regelkorsett des primärrechtlichen Prozessrechts zu einer Versteinerung des Prozessrechts führt. Die Union würde so nicht nur als Verhandlungspartnerin nicht mehr ernst genommen, sondern auch von der internationalen Rechtsentwicklung abgeschnitten.

67

S. zum Verbandsrechtsschutz im Verletztenklagesystem oben unter Teil 1. Kapitel 2. B. I.  3. a)  (S. 68 ff.). Die Schutznormakzessorietät des Umweltrechtsbehelfsgesetz wurde jedoch erst durch den Gerichtshof als unvereinbar mit dem europäischen Århus-Umsetzungsrecht verworfen, s. EuGH, Urt. v. 12.05.2011, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Rs. C-115/09, EU:C:2011:289, Slg. 2011 I-3673, Rn. 45 ff. 68 S. dazu oben unter Teil 2. Kapitel 4. A. IV. (S. 158 ff.). 69 Für das Primärrecht s. oben unter Teil 2. Kapitel 4. C. (S. 180 ff.) und für das Sekundärrecht s. oben unter Teil 2. Kapitel 5. B. (S. 276 ff.). 70 S. oben unter Teil 2. Kapitel 5. B. II. 1. (S. 281 ff.). 71 S. oben unter Teil  2.  Kapitel 4. C. II. 4. a) aa) (S. 207 ff.).

Schlussbemerkungen

343

Ein Ausgleich zwischen der Aufrechterhaltung der rigiden Zugangsbegrenzung der Nichtigkeitsklage durch die Plaumann-Formel bei gleichzeitiger Innovationsfreundlichkeit könnte durch die Aufnahme einer primärrechtlichen Öffnungsklausel in die Verträge erzielt werden. Eine solche Lösung de lege ferenda böte dem Sekundärrechtsgeber, ähnlich wie dem deutschen Gesetzgeber in § 42 Abs. 2 Alt. 1 VwGO, die Möglichkeit, gezielt Impulse aufzunehmen. Dies würde dem Sekundärrechtsgeber einige Rechtsetzungsakrobatik, wie im Fall der Rechtsschutzbestimmungen der Århus-VO, ersparen. Zwar gelingt es dem Sekundärrechtsgeber auch mit dem Regelungsmodell der Århus-VO, den Verbänden eine funktionale Betroffenheit als surveillants de l’administration zu verschaffen; dazu ist jedoch eine komplizierte und letztlich etwas gewunden wirkende Konstruktion notwendig. Mit einer primärrechtlichen Öffnungsklausel würde sich das gleiche Ergebnis erzielen lassen – bloß deutlich transparenter und klarer. Eine solche Öffnungsklausel würde einer Versteinerung des Prozessrechts entgegenwirken, ohne dass weitreichende Eingriffe in eine jahrzehntelang gefestigte Dogmatik notwendig wären. Darin läge ein Kompromiss zu einer unwahrscheinlichen umfänglichen Revision der Individualnichtigkeitsklage.

D. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse Die Arbeit hat die Vereinbarkeit des Rechtsschutzes im Eigenverwaltungsrecht der Union mit den Vorgaben der Århus-Konvention vor dem Hintergrund der Vergleichsfolien des Verletzten- und Interessentenklagemodells analysiert. Sowohl das Verletzten- als auch das Interessentenklagemodell grenzen sich durch das Erfordernis einer Klagebefugnis von der Popularklage ab. Die Klagebefugnis ist der wesentliche Filter für die Zulässigkeit von verwaltungsgerichtlichen Klagen. Die Klagebefugnis bestimmt anhand der Beziehung zwischen Kläger und Klagegegenstand über den Zugang zu den Verwaltungsgerichten. Hierin unterscheiden sich Verletzten- und Interessentenklagemodell: Während im Verletztenklagemodell ein subjektives Recht und damit eine sehr enge Beziehung erforderlich ist, genügt im Interessentenklagemodell schon ein einfaches Interesse. Die Untersuchung hat jedoch auch gezeigt, dass die Unterschiede zwischen subjektivem Recht und Interesse nicht kategorial sind: Auch für ein subjektives Recht ist ein Interesse das zentrale Merkmal, das jedoch einer besonderen Anerkennung durch die Rechtsordnung bedarf. Das subjektive Recht bestimmt im Verletztenklagemodell nicht nur die Klagebefugnis, sondern auch den Umfang der Kontrolle in der Sache. Dieser ist auf Verletzungen subjektiver Rechte beschränkt. Dagegen kommt der Klage im Interessentenklagemodell lediglich eine Auslöserfunktion zu, was sich in einer objektiven Legalitätskontrolle äußert. Die Kontrollfunktionen beider Idealmodelle überschneiden sich jedenfalls reflexhaft: Mit subjektiven Rechten wird gleichzeitig auch das objektive Recht durchgesetzt und vice versa. Zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangen die Klagemodelle jedoch gerade dann,

344

Schlussbemerkungen

wenn der festgestellte Fehler keinen subjektiv-rechtlichen Gehalt aufweist. Dann ist er im Interessentenklagemodell beachtlich, während er durch das Raster des Verletztenklagemodells fällt. Die Unterschiede zwischen Verletzten- und Interessentenklagesystem zeigen sich besonders deutlich bei deren Umgang mit Allgemeininteressen, der in dieser Arbeit anhand von Umweltbelangen untersucht wurde. Die deutsche Schutznormlehre, die zum Auffinden von subjektiven Rechten dient, trennt binär zwischen Individualund Allgemeininteressen. Lediglich Individualinteressen vermitteln subjektive Rechte, während Umweltbelange als Allgemeininteressen qualifiziert werden und dadurch weitgehend von einer Klagbarkeit ausgeschlossen sind. Die Folge ist eine einseitige Privilegierung wirtschaftsbezogener Freiheitsrechte gegenüber Umweltbelangen. Die traditionelle deutsche Schutznormlehre führt damit zu einem weitgehenden Ausfall verwaltungsgerichtlicher Kontrolle von Umweltbelangen. Zwei Entwicklungen weisen jedoch auf eine partielle Überwindung dieses Befunds hin: Mit Einführung und Ausweitung von Verbandsklagen hat der deutsche Gesetzgeber ein Sonderprozessrecht geschaffen, das Rechtsschutz losgelöst von Verletzungen subjektiver Rechte ermöglicht. Zudem sorgt der Einfluss des Unionsrechts für eine Erweiterung der traditionellen Schutznormlehre. Im Gegensatz zum deutschen Verwaltungsrecht erweist sich das Unionsrecht als großzügiger bei der Gewährung subjektiver Rechte. Im Unionsrecht ist hier nicht unbedingt ein personales Substrat erforderlich, vielmehr genügt schon eine Betroffenheit personaler Rechtsgüter. Die Folge ist eine Aktualisierung der Schutznormtheorie im Unionsverwaltungsrecht. Die Gemeinsamkeit beider Entwicklungen liegt in der Zuweisung klagefähiger Positionen durch den Gesetzgeber. Dadurch verliert die Trennung von Interessensphären an Bedeutung, da vielmehr danach gefragt werden muss, wem welche Position zur Durchsetzung zugeordnet ist. Trotz seiner restriktiven Grundtendenz stellt der deutsche Verwaltungsrechtsschutz damit eine bemerkenswerte Flexibilität unter Beweis. Das Interessentenklagemodell ist dagegen schon vom Grundsatz aufgeschlossener gegenüber Umweltbelangen. Die Hürden für die Anerkennung eines Interesses als zugangseröffnendes intérêt pour agir liegen im französischen Verwaltungsprozessrecht sehr niedrig. Dies gilt nicht nur generell für die Möglichkeiten einer Drittanfechtung, sondern auch für die Geltendmachung von Umweltbelangen. Ausreichend ist eine schlichte nachteilige Interessenberührung. Auch gegenüber Verbandsklagen ist das französische Verwaltungsprozessrecht traditionell aufgeschlossen. Aus dieser Gegenüberstellung ergeben sich unterschiedliche Leitbilder von der Stellung der Einzelnen: Das Verletztenklagemodell beschränkt die Einzelnen auf die gerichtliche Durchsetzung ihrer individuellen bzw. privaten Belange und ordnet das Allgemeinwohl dem Bereich der kollektiven Mitbestimmung in demokratischen Verfahren zu. Eine solche Trennung ist dem Interessentenklagemodell grundsätzlich fremd. Hier können sich auch Einzelne als surveillants de l’administration für die Durchsetzung des objektiven Rechts einsetzen. Die Århus-Konvention setzt auf die Verbesserung des Umweltschutzes durch die Mobilisierung der Einzelnen. Wesentliches Element der Århus-Konvention ist die

Schlussbemerkungen

345

Verbesserung des Zugangs zu Umweltrechtsschutz. Dies soll den Vollzugsdefiziten in diesem Bereich entgegenwirken. Mit ihren Rechtsschutzvorgaben sichert die Konvention einerseits ihre ersten beiden Säulen, den Zugang zu Umweltinformationen durch Art. 9 Abs. 1 ÅK sowie die Öffentlichkeitsbeteiligung durch Art. 9 Abs. 2 ÅK. Andererseits geht die Konvention darüber hinaus, indem sie mit Art. 9 Abs. 3 ÅK die Vertragsparteien dazu verpflichtet, auch in allen übrigen Fällen des innerstaatlichen Umweltrechts eine Überprüfungsmöglichkeit vorzusehen. Als problematisch erweisen sich die Gestaltungsspielräume der Vertragsparteien, wobei hier insbesondere Art. 9 Abs. 3 ÅK hervorsticht. Teilweise lassen sich diese zwar mit den Schwierigkeiten erklären, die mit dem Ansatz der Konvention einhergehen, den verschiedenen Systemen verwaltungsgerichtlicher Kontrolle der Vertragsparteien gerecht zu werden. Insgesamt schwächen die Unschärfen jedoch den Gehalt der Rechtsschutzvorgaben. Neben ihren Mitgliedstaaten ist auch die Union Vertragspartei der Århus-Konvention. Die unmittelbare Geltung der Århus-Konvention als integraler Bestandteil der Unionsrechtsordnung wirft trotz des Charakters der Konvention als gemischtes Abkommen wenig Probleme auf. Deutlich problematischer ist dagegen die unmittelbare Anwendbarkeit der Rechtsschutzvorgaben der Århus-Konvention im Unionsrecht. Für die unmittelbare Anwendbarkeit einer Vorschrift des Völkerrechts ist vor allem erforderlich, dass diese inhaltlich unbedingt und klar gefasst ist, was insbesondere bedeutet, dass ihre Wirkungen nicht vom Erlass eines weiteren Rechtsakts abhängen dürfen. Genau hier kommen die Unschärfen der Rechtsschutzvorgaben zum Tragen: Der weitreichende Verweis der Rechtsschutzvorgaben, besonders prominent in Art. 9 Abs. 3 ÅK, auf das innerstaatliche Recht steht einer unmittelbaren Anwendbarkeit entgegen. Den Vertragsparteien eröffnen sich weite Umsetzungsspielräume, die jedoch im Fall von Art. 9 Abs. 3 ÅK ihre äußere Grenze in einem kompletten Ausschluss von Überprüfungsverfahren finden. Für den primärrechtlichen Rechtsschutz in Umweltangelegenheiten ist Art. 263 Abs. 4 Var. 2 AEUV von besonderer Bedeutung, da diese Variante der Nichtigkeitsklage auch Drittanfechtungskonstellationen erfasst. Wesentliche Hürde ist hier das Kriterium der individuellen Betroffenheit, das von den Unionsgerichten in ständiger Rechtsprechung nach der Plaumann-Formel bestimmt wird. In Umweltstreitigkeiten führt die Anwendung der Plaumann-Formel regelmäßig zur Unzulässigkeit von Individualklagen. Dies liegt daran, dass es für Kläger kaum möglich ist, sie besonders heraushebende Umstände in Fällen mit Umweltbezug darzulegen. In Umweltangelegenheiten ist vielmehr eine unbestimmte Vielzahl von Betroffenen typisch. Trotz vielfältiger Kritik hält der Gerichtshof jedoch an der Plaumann-Formel fest. Die Restriktionen von Art. 263 Abs. 4 Var. 2 AEUV werden nicht durch alternative Rechtsschutzoptionen aufgefangen. Zwar erweitert Art. 263 Abs. 4 Var. 3 AEUV die Rechtsschutzmöglichkeiten, indem das Kriterium der individuellen Betroffenheit hier entfällt, jedoch ist die Auslegung des Begriffs der Rechtsakte mit

346

Schlussbemerkungen

Verordnungscharakter durch den Gerichtshof so eng, dass der Einfluss der dritten Variante der Nichtigkeitsklage gering bleibt. Für Maßnahmen des Eigenverwaltungsrechts geht zudem der Verweis auf Rechtsschutz durch die mitgliedstaatlichen Gerichte nach Art. 19 Abs. 1 UAbs. 2 EUV fehl. Denn durch die Foto-Frost-Doktrin sind die mitgliedstaatlichen Gerichte, letztlich ohne echte eigene Handlungsmöglichkeiten, zur Vorlage an den Gerichtshof verpflichtet, was das Vorabentscheidungsverfahren zu einem risikobehafteten Umweg degradiert. Durch den Totalausfall jeglicher Kontrolle erfüllt der primärrechtliche Gerichtszugang nicht die Mindestanforderungen, die sich aus Art. 9 Abs. 3 ÅK ergeben. Es hat sich jedoch gezeigt, dass Versuche einer völkerrechtsfreundlichen Auslegung von Art. 263 Abs. 4 Var. 2 AEUV nicht erfolgsversprechend sind. Zwar entfaltet Art. 9 Abs. 3 ÅK in der Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Unionsverwaltungsrecht weitreichende Wirkungen; eine einfache Übertragung der Rechtsprechung aus den Urteilen Slowakischer Braunbär und Protect ist jedoch abzulehnen. Während Art. 9 Abs. 3 ÅK sich im Verhältnis zum Unionsverwaltungsrecht auf den Vorrang des Unionsrechts stützen kann, rangiert die Vorschrift als Völkervertragsrecht unterhalb der primärrechtlichen Nichtigkeitsklage. Dies begrenzt die Wirkungen von Art. 9 Abs. 3 ÅK auf das Eigenverwaltungsrecht signifikant. Zudem bestehen gegen eine Hebelwirkung der Verbindung von Art. 47 GRCh und Art. 9 Abs. 3 ÅK erhebliche methodische Bedenken, die im Ergebnis gegen die Pflicht zu einer entsprechenden völkerrechtsfreundlichen Auslegung sprechen. Angesichts der begrenzten Wirkungen der Århus-Konvention auf das Primärrecht hat sich die Union mit der Århus-VO für einen alternativen Weg entschieden, ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen. Die Århus-VO sieht ein internes Überprüfungsverfahren vor, das es anerkannten Umweltschutzverbänden ermöglicht, umweltrelevante Maßnahmen der Unionseigenverwaltung einer Überprüfung zuzuführen. Verschafft das interne Überprüfungsverfahren keine Abhilfe, sieht die Århus-VO den Zugang des antragstellenden Umweltverbands zu den Unionsgerichten vor. Der Anwendungsbereich der Århus-VO wird maßgeblich durch den Begriff des Verwaltungsakts bestimmt. Dabei handelt es sich um eine Maßnahme des Umweltrechts zur Regelung eines Einzelfalles, die von einem Organ oder einer Einrichtung der Gemeinschaft getroffen wird, rechtsverbindlich ist und Außenwirkung besitzt. Entscheidend ist das Tatbestandsmerkmal der Einzelfallregelung, das die Unionsinstitutionen sehr eng interpretieren und damit die Reichweite des internen Überprüfungsverfahrens maßgeblich einschränken. Im Ergebnis sind nur konkret-individuelle Maßnahmen, also adressatengerichtete Beschlüsse, taugliche Gegenstände des internen Überprüfungsverfahrens. Die große Mehrzahl umweltrelevanter Maßnahmen des Eigenverwaltungsrechts fällt damit außerhalb des Anwendungsbereichs des internen Überprüfungsverfahrens. Die Einschränkung der Reichweite des internen Überprüfungsverfahrens wirkt sich auch auf den Zugang zu den Unionsgerichten aus, da dieser in der Konzeption der Århus-VO von

Schlussbemerkungen

347

einem vorangegangen internen Überprüfungsverfahren abhängig ist. Für die Maßnahmen, die außerhalb des Anwendungsbereichs des internen Überprüfungsverfahrens liegen, bleibt es damit bei den für den Umweltrechtsschutz ungünstigen primärrechtlichen Zugangsregelungen. Das interne Überprüfungsverfahren endet mit einer Antwort, einem an den antragsstellenden Verband gerichteten Beschluss. Bleibt der Antrag auf interne Überprüfung erfolglos, weist die Århus-VO dem Umweltschutzverband den Weg zu den Unionsgerichten. Als Sekundärrechtsakt eröffnet die Århus-VO jedoch nicht selbst den Zugang, sondern wirkt nur als Rechtsgrundverweisung auf das Primärrecht. Gegenstand der Klage vor den Unionsgerichten ist ausschließlich die negative Antwort, nicht jedoch die ursprüngliche, in der Terminologie der Århus-VO Verwaltungsakt genannte Maßnahme. Da es sich bei der Antwort um einen an den Verband adressierten Beschluss handelt, richtet sich der Zugang zu den Unionsgerichten nach Art. 263 Abs. 4 Var. 1 AEUV. Die Urteilswirkungen beschränken sich auf die Antwort als Verfahrensgegenstand. Leidet die Antwort jedoch an einem Mangel, der auf den ursprünglichen Verwaltungsakt zurückgeht, ist das Organ oder die Institution nach Art. 266 Abs. 1 AEUV dazu verpflichtet, diesen zu ändern oder gegebenenfalls aufzuheben. Das Regelungskonzept der Århus-VO ist mit dem Primärrecht vereinbar. Bedenken, mit der Århus-VO würden die primärrechtlichen Gerichtszugangsregelungen umgangen, sind unbegründet. So besteht schon keine Identität zwischen dem Prüfungsgegenstand eines potenziellen regulären und dem an das interne Überprüfungsverfahren anschließenden gerichtlichen Verfahrens. Zudem befreien die Rechtsschutzbestimmungen der Århus-VO die Verbände auch nicht vom Nachweis der Voraussetzungen für die Nichtigkeitsklage. Schließlich nutzt der Verordnungsgeber lediglich das gängige Zusammenspiel von Nichtigkeitsklage und Sekundärrecht. Aus dem Regelungskonzept der Århus-VO können Erkenntnisse für die Zulässigkeit von sekundärrechtlichen Rechtsschutzinstrumenten gewonnen werden: Während es nicht möglich ist, durch Sekundärrecht im Primärrecht ausdrücklich vorgesehene Klagevoraussetzungen zu ändern oder aufzuheben, können doch Lücken in Fällen gefüllt werden, in denen das Primärrecht gar keine Klagemöglichkeit vorsieht. Möglich ist es dem Sekundärrechtsgeber aber, eine Situation zu schaffen, in der die primärrechtlichen Zugangsvoraussetzungen erfüllt sind. Dies ist das Regelungskonzept der Århus-VO. Der Sekundärrechtsgeber kann also eine klageeröffnende Betroffenheit gezielt zuordnen. In Anlehnung an die funktionalen subjektiven Rechte des deutschen Verwaltungsrechts kann hier deshalb von einer funktionalen Betroffenheit gesprochen werden. Die Rechtsschutzbestimmungen der Århus-VO müssen sich allein an Art. 9 Abs. 3 ÅK messen lassen. Trotz seiner grundsätzlich fehlenden unmittelbaren Anwendbarkeit ist Art. 9 Abs. 3 ÅK – entgegen der Auffassung des Gerichtshofs – als Prüfungsmaßstab für die Rechtsschutzbestimmungen der Århus-VO heranzuziehen. Dies ergibt sich zunächst daraus, dass Art. 9 Abs. 3 ÅK, ungeachtet der umfangreichen Gestaltungsspielräume, als verbindliches Ziel den Zugang zu einem

348

Schlussbemerkungen

effektiven Überprüfungsverfahren vorsieht. Zudem existiert mit der Århus-VO ein Umsetzungsakt, der die Gestaltungsspielräume der Union ausfüllt. Vor dem Hintergrund dieser Erwägungen sind die äußeren Grenzen von Art. 9 Abs. 3 ÅK, namentlich Zugang zu einem effektiven Überprüfungsverfahren vorzusehen, Prüfungsmaßstab für die Rechtsschutzbestimmungen der Århus-VO. In diesem Sinne sind zwar die durch Art. 11 Abs. 1 Århus-VO an die Verbände angelegten Kriterien mit Art. 9 Abs. 3 ÅK vereinbar, nicht jedoch der vollständige Ausschluss von Individualklägern vom Zugang zum internen Überprüfungsverfahren. Besonders kritisch ist jedoch der Begriff des Verwaltungsakts der Århus-VO. Während die Tatbestandsmerkmale Rechtsverbindlichkeit und Außenwirksamkeit lediglich zu pauschal sind, ist die Forderung nach einer Einzelfallregelung grundsätzlich nicht vereinbar mit Art. 9 Abs. 3 ÅK. Gleiches gilt für die Ausnahmeregelung für bestimmte administrative Tätigkeiten in Art. 2 Abs. 2 Århus-VO, die keine Grundlage in der Århus-Konvention findet. Dazu kommt noch der von Art. 9 Abs. 3 ÅK abweichende Bezugspunkt des Umweltrechts. Trotz des weiten Umweltrechtsbegriffs der Århus-VO kommt es nicht darauf an, dass eine Maßnahme im Bereich des Umweltrechts erlassen wurde, sondern lediglich, dass sie gegen jenes verstößt. Aus Verfahrenssicht erweist sich der fehlende Devolutiveffekt als Unzulänglichkeit, die zur Unvereinbarkeit mit Art. 9 Abs. 3 i. V. m. Abs. 4 ÅK führt. Ebenso wie der Gerichtshof daher seine Haltung zu Art. 9 Abs. 3 ÅK angesichts der Diskrepanzen in der Rechtsprechung zum Unionsverwaltungsrecht auf der einen und zum Eigenverwaltungsrecht auf der anderen Seite überdenken sollte, ist der Verordnungsgeber aufgerufen, die Reichweite der Rechtsschutzbestimmungen der Århus-VO zu überarbeiten. Im Ergebnis zeigt die Arbeit, dass der primärrechtliche Rechtsschutz sich weder eindeutig dem Interessenten- noch dem Verletztenklagemodell zuordnen lässt. Es handelt sich vielmehr um ein System sui generis, die Betroffenenklage. Diese knüpft an heraushebende Umstände von Betroffenen an, die sich dadurch von allen anderen nachteilig Berührten unterscheiden. Die Betroffenenklage des Primärrechts wirkt einerseits damit restriktiver auf den Gerichtszugang als die Interessentenklage, ähnelt aber nur in ihrer Wirkung der Verletztenklage, nicht jedoch in ihrer dogmatischen Konstruktion. Während sich die deutsche Verletztenklage jedoch trotz ihrer Restriktionen als relativ flexibel bei der Aufnahme externer Impulse erwiesen hat, bereitet dies dem Rechtsschutz des Eigenverwaltungsrechts einige Probleme. Im Vergleich mit der erstaunlich flexiblen deutschen Verletztenklage muss der primärrechtlichen Betroffenenklage eine Neigung zur Statik attestiert werden.

Schlussbemerkungen

349

E. Zusammenfassung in Thesen (1) Das Verletztenklagemodell setzt als prozessualen Zulässigkeitsfilter auf das subjektive Recht, das Interessentenklagemodell auf das Interesse. Während das subjektive Rechte im Verletztenklagemodell auch die Kontrolle in der Sache bestimmt, beschränkt sich die Bedeutung des Interesses im Interessentenklagemodell auf die Zugangseröffnung. Die Klage besitzt im Interessentenklagemodell daher lediglich eine Auslöserfunktion für eine anschließende objektive Legalitätskontrolle. (2) Das Verletztenklagemodell beschränkt die Einzelnen auf die gerichtliche Durchsetzung ihrer individuellen bzw. privaten Belange und ordnet das Allgemeinwohl dem Bereich der kollektiven Mitbestimmung in demokratischen Verfahren zu. Eine solche Trennung ist dem Interessentenklagemodell grundsätzlich fremd. Einzelne können sich hier als surveillants de l’administration für die Durch­setzung des objektiven Rechts einsetzen. (3) Maßgeblicher Prüfstein für den Umweltrechtsschutz im Eigenverwaltungsrecht der Union ist Art. 9 Abs. 3 ÅK. Durch die weiten Gestaltungsspielräume ist Art. 9 Abs. 3 ÅK nicht unmittelbar anwendbar. Dennoch kommt Art. 9 Abs. 3 ÅK als Prüfungsmaßstab für das Unionsrecht in Betracht: Art. 9 Abs. 3 ÅK lässt sich zumindest das Ziel entnehmen, Zugang zu einem effektiven Überprüfungsverfahren zu schaffen. Ein vollständiger Ausfall des Umweltrechtsschutzes ist damit nicht mit Art. 9 Abs. 3 ÅK vereinbar. Zudem dürfen die Gestaltungsspielräume zwar ausgefüllt, nicht jedoch überschritten werden. (4) Der Umweltrechtsschutz richtet sich im Primärrecht der Union maßgeblich nach der Individualnichtigkeitsklage gem. Art. 263 Abs. 4 Var. 2 AEUV. Durch die restriktive Plaumann-Formel des Gerichtshofs kommt es jedoch faktisch zu einem Totalausfall der Kontrolle. Schließlich kann es Klägern in Umweltangelegenheiten kaum gelingen, gerade sie heraushebende Umstände darzulegen. (5) Durch den Totalausfall jeglicher Kontrolle erfüllt der primärrechtliche Gerichtszugang nicht die Mindestanforderungen von Art. 9 Abs. 3 ÅK. Eine völkerrechtsfreundliche Auslegung der individuellen Betroffenheit durch Übertragung der Rechtsprechungslinie Slowakischer Braunbär und Protect zum mitgliedstaatlichen Prozessrecht ist zwar grundsätzlich denkbar, jedoch nicht zwingend. Während die Wirkungen von Art. 9 Abs. 3 ÅK im Verhältnis zum mitgliedstaatlichen Prozessrecht auf dem Vorrang des Unionsrechts beruhen, rangiert die Vorschrift als Völkervertragsrecht unterhalb der primärrechtlichen Nichtigkeitsklage. (6) Um den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Union nachzukommen, hat der Sekundärrechtsgeber die Rechtsschutzbestimmungen der Århus-VO geschaffen. Die Århus-VO kombiniert ein für anerkannte Umweltverbände zugängliches internes Überprüfungsverfahren mit einer nachfolgenden gerichtlichen Überprüfungsmöglichkeit.

350

Schlussbemerkungen

(7) Der Anwendungsbereich des internen Überprüfungsverfahrens der Å ­ rhus-VO wird maßgeblich durch den verordnungseigenen Begriff des Verwaltungsakts bestimmt. Hierbei handelt es sich ausschließlich um konkret-individuelle Maßnahmen, letztlich also um adressatengerichtete Beschlüsse. Dies schränkt den Anwendungsbereich des internen Überprüfungsverfahrens signifikant ein. (8) Das interne Überprüfungsverfahren endet mit einer in der Terminologie der Århus-VO Antwort genannten Maßnahme, bei der es sich um einen an den antragstellenden Verband gerichteten Beschluss handelt. (9) Die Antwort kann als adressatengerichteter Beschluss nach Art. 263 Abs. 4 Var. 1 AEUV einer Überprüfung durch die Unionsgerichte zugeführt werden. Die Antwort ist damit auch alleiniger Gegenstand im gerichtlichen Verfahren. Geht der Fehler der Antwort jedoch auf den ursprünglichen Verwaltungsakt zurück, ist das Organ oder die Institution nach Art. 266 Abs. 1 AEUV dazu verpflichtet, diesen zu ändern oder gegebenenfalls aufzuheben. (10) Das Regelungskonzept der Århus-VO ist mit dem Primärrecht vereinbar. Insbesondere liegt darin keine unzulässige Umgehung der Restriktionen der Individualnichtigkeitsklage. (11) Hinsichtlich der Vereinbarkeit mit Art. 9 Abs. 3 ÅK weisen die Rechtsschutzbestimmungen der Århus-VO einige Mängel auf. Nicht vereinbar mit Art. 9 Abs. 3 ÅK sind der vollständige Ausschluss von Individualklägern, der restriktive Verwaltungsaktbegriff, der von Art. 9 Abs. 3 ÅK abweichende Bezugspunkt des Umweltrechts in der Århus-VO sowie der fehlende Devolutiveffekt. (12) Der primärrechtliche Rechtsschutz des Unionsrechts lässt sich weder eindeutig dem Interessenten- noch dem Verletztenklagemodell zuordnen. Vielmehr handelt es sich um ein Modell sui generis, die Betroffenenklage. Die Rechtsschutzbestimmungen der Århus-VO zeigen, dass der Sekundärrechtsgeber gezielt die Betroffenheit zuordnen kann. Hier kann von einer funktionalen Betroffenheit gesprochen werden.

Synopse zu Art. 9 ÅK Die folgende Synopse stellt die englische, französische und deutsche Sprachfassung von Art. 9 ÅK gegenüber. Nach Art. 22 ÅK sind nur die englische, französische und russische Fassung der Århus-Konvention authentisch. Die hier wiedergegebene Synopse ist dem Bundesgesetzblatt entnommen, s. Gesetz zu dem Übereinkommen vom 25. Juni 1998 über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten (Aarhus-Übereinkommen) vom 9. Dezember 2006, BGBl. 2006, Teil II Nr. 31 v. 15.12.2006, S. 1251 ff. Article 9 Access to Justice

Article 9 Accès à la justice

Artikel 9 Zugang zu Gerichten

1. Each Party shall, within the framework of its national legislation, ensure that any person who considers that his or her request for information under article 4 has been ignored, wrongfully refused, whether in part or in full, inadequately answered, or otherwise not dealt with in accordance with the pro­ visions of that article, has access to a review procedure before a court of law or another independent and impartial body established by law.

1. Chaque Partie veille, dans le cadre de sa législation nationale, à ce que toute personne qui estime que la demande d’informations qu’elle a présentée en application de l’article 4 a été ignorée, rejetée abusivement, en totalité ou en partie, ou insuffisamment prise en compte ou qu’elle n’a pas été traitée conformément aux dispositions de cet a­ rticle, ait la possibilité de former un recours devant une instance judiciaire ou un autre organe indépendant et impartial établi par la loi.

(1) Jede Vertragspartei stellt im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften sicher, dass jede Person, die der Ansicht ist, dass ihr nach Artikel 4 gestellter Antrag auf Informationen nicht beachtet, fälschlicherweise ganz oder teilweise abgelehnt, unzulänglich beantwortet oder auf andere Weise nicht in Übereinstimmung mit dem genannten Artikel bearbeitet worden ist, Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht oder einer anderen auf gesetzlicher Grundlage geschaffenen unabhängigen und unparteiischen Stelle hat.

In the circumstances where a Party provides for such a review by a court of law, it shall ensure that such a person also has access to an expeditious procedure established by law that is free of charge or inexpensive for reconsideration by a public

Dans les cas où une Partie prévoit un tel recours devant une instance judiciaire, elle veille à ce que la personne concernée ait également ­accès à une procédure rapide établie par la loi qui soit gratuite ou peu onéreuse, en vue du réexamen de la

Für den Fall, dass eine Vertragspartei eine derartige Überprüfung durch ein Gericht vorsieht, stellt sie sicher, dass die betreffende Person auch Zugang zu ­einem schnellen, gesetzlich festgelegten sowie gebührenfreien oder nicht

352

Synopse zu Art. 9 ÅK

Article 9 Access to Justice

Article 9 Accès à la justice

Artikel 9 Zugang zu Gerichten

authority or review by an independent and impartial body other than a court of law.

demande par une autorité publique ou de son examen par un organe indépendant et impartial autre qu’une instance judiciaire.

kostenaufwendigen Überprüfungsverfahren durch eine Behörde oder Zugang zu einer Überprüfung durch eine unabhängige und unparteiische Stelle, die kein Gericht ist, hat.

Final decisions under this paragraph 1 shall be binding on the public authority holding the information. Reasons shall be stated in writing, at least where access to information is refused under this paragraph.

Les décisions finales prises au titre du présent paragraphe 1 s’imposent à l’autorité publique qui détient les informations. Les motifs qui les justifient sont indiqués par écrit, tout au moins lorsque l’accès à l’information est refusé au titre du présent paragraphe.

Nach Absatz 1 getroffene endgültige Entscheidungen sind für die Behörde, die über die Informationen verfügt, verbindlich. Gründe werden in Schriftform dargelegt, zumindest dann, wenn der Zugang zu Informationen nach diesem Absatz abgelehnt wird.

2. Each Party shall, within the framework of its national legislation, ensure that members of the public concerned

2. Chaque Partie veille, dans le cadre de sa législation nationale, à ce que les membres du public concerné

(2) Jede Vertragspartei stellt im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften sicher, dass Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit,

(a) Having a sufficient interest

a) ayant un intérêt suffisant pour agir

a) die ein ausreichendes Interesse haben

or, alternatively,

ou, sinon,

oder alternativ

(b) Maintaining impairment of a right, where the administrative procedural law of a Party requires this as a precondition,

b) faisant valoir une atteinte à un droit, lorsque le code de procédure administrative d’une Partie pose une telle condition,

b) eine Rechtsverletzung geltend machen, sofern das Verwaltungsprozessrecht ­einer Vertragspartei dies als Voraussetzung erfordert,

have access to a review procedure before a court of law and / ​or another independent and impartial body established by law, to challenge the substantive and procedural legality of any decision, act or omission subject to the provisions of article 6 and, where so provided for under national law and

puissent former un recours devant une instance judiciaire et / ​ou un autre organe indépendant et impartial établi par loi pour contester la légalité, quant au fond et à la procédure, de toute décision, tout acte ou toute omission tombant sous le coup des dispositions de l’article 6 et, si le droit interne le prévoit

Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor ­einem Gericht und / ​oder einer anderen auf gesetzlicher Grundlage geschaffenen unabhängigen und unparteiischen Stelle haben, um die materiell-rechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen oder

353

Synopse zu Art. 9 ÅK Article 9 Access to Justice

Article 9 Accès à la justice

Artikel 9 Zugang zu Gerichten

without prejudice to paragraph 3 below, of other relevant provisions of this Convention.

et sans préjudice du para graphe 3 ci-après, des autres dispositions pertinentes de la présente Convention.

Unterlassungen anzufechten, für die Artikel 6 und – sofern dies nach dem jeweiligen innerstaatlichen Recht vorgesehen ist und unbeschadet des Absatzes 3 – sonstige einschlägige Bestimmungen dieses Übereinkommens gelten.

What constitutes a sufficient interest and impairment of a right shall be determined in accordance with the requirements of national law and consistently with the objective of giving the public concerned wide access to justice within the scope of this Convention. To this end, the interest of any non-governmental organization meeting the requirements referred to in article 2, paragraph 5, shall be deemed sufficient for the purpose of subparagraph (a) above. Such organizations shall also be deemed to have rights ­capable of being impaired for the purpose of subparagraph (b) above.

Ce qui constitue un intérêt suffisant et une atteinte à un droit est déterminé selon les dispositions du droit interne et conformément à l’objectif consistant à ­accorder au public concerné un large ­accès à la justice dans le cadre de la présente Convention. A cet effet, l’intérêt qu’a toute organisation non gouverne­mentale répondant aux conditions visées au paragraphe 5 de l­ ’article 2 est réputé suffisant au sens de l’alinéa a) ci-dessus. Ces organisations sont également réputées avoir des droits auxquels il pourrait être porté atteinte au sens de l’alinéa b) ci-dessus.

Was als ausreichendes Interesse und als Rechtsverletzung gilt, bestimmt sich nach den Erfordernissen innerstaatlichen Rechts und im Einklang mit dem Ziel, der betroffenen Öffentlichkeit im Rahmen dieses Übereinkommens einen weiten Zugang zu Gerichten zu gewähren. Zu diesem Zweck gilt das Interesse jeder nichtstaatlichen Organisation, welche die in Artikel 2 Nummer 5 genannten Voraussetzungen erfüllt, als ausreichend im Sinne des Buchstaben a. Derartige Organisationen gelten auch als Träger von Rechten, die im Sinne des Buchstaben b verletzt werden können.

The provisions of this paragraph 2 shall not exclude the possibility of a preliminary review procedure before an administrative authority and shall not affect the requirement of exhaustion of administrative review procedures prior to recourse to judicial review procedures, where such a requirement exists under national law.

Les dispositions du présent paragraphe 2 n’excluent pas la possibilité de former un recours préliminaire devant une autorité administrative et ne dispensent pas de l’obligation d’épuiser les voies de recours administratif avant d’engager une procédure judiciaire lorsqu’une telle obligation est prévue en droit interne.

Absatz 2 schließt die Möglichkeit eines vorangehenden Überprüfungsverfahrens vor einer Verwaltungsbehörde nicht aus und lässt das Erfordernis der Ausschöpfung verwaltungsbehördlicher Überprüfungsverfahren vor der Einleitung gerichtlicher Überprüfungsverfahren unberührt, sofern ein derartiges Erfordernis nach innerstaatlichem Recht besteht.

354

Synopse zu Art. 9 ÅK

Article 9 Access to Justice

Article 9 Accès à la justice

Artikel 9 Zugang zu Gerichten

3. In addition and without prejudice to the review procedures referred to in paragraphs 1 and 2 above, each Party shall ensure that, where they meet the criteria, if any, laid down in its national law, members of the public have access to administrative or judicial procedures to challenge acts and omissions by private persons and public authorities which contravene provisions of its national law relating to the environment.

3. En outre, et sans préjudice des procédures de recours visées aux paragraphes 1 et 2 ci-dessus, chaque Partie veille à ce que les membres du public qui répondent aux critères éventuels prévus par son droit interne puissent engager des procédures administratives ou judiciaires pour contester les actes ou omissions de particuliers ou d’autorités publiques allant à l’encontre des dispositions du droit national de l’environnement.

(3) Zusätzlich und unbeschadet der in den Absätzen 1 und 2 genannten Überprüfungsverfahren stellt jede Vertragspartei sicher, dass Mitglieder der Öffentlichkeit, sofern sie etwaige in ihrem innerstaatlichen Recht festgelegte Kriterien erfüllen, Zugang zu verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahren haben, um die von Privatpersonen und Behörden vorgenommenen Handlungen und begangenen Unterlassungen anzufechten, die gegen umweltbezogene Bestimmungen ihres innerstaatlichen Rechts verstoßen.

4. In addition and without prejudice to paragraph 1 above, the procedures refer-red to in paragraphs 1, 2 and 3 above shall provide adequate and effective remedies, including injunctive relief as appropriate, and be fair, equitable, timely and not prohibitively expensive. Decisions under this article shall be given or recorded in writing. Decisions of courts, and whenever possible of other bodies, shall be publicly accessible.

4. En outre, et sans préjudice du paragraphe 1, les procédures visées aux paragraphes 1, 2 et 3 cidessus doivent offrir des recours suffisants et effectifs, y compris un redressement par injonction s’il y a lieu, et doivent être objectives, équitables et rapides sans que leur coût soit prohibitif. Les décisions prises au titre du présent article sont prononcées ou consignées par écrit. Les décisions des tribunaux et, autant que possible, celles d’autres organes doivent être accessibles au public.

(4) Zusätzlich und unbeschadet des Absatzes 1 stellen die in den Absätzen 1, 2 und 3 genannten Verfahren angemessenen und effektiven Rechtsschutz und, soweit angemessen, auch vorläufigen Rechtsschutz sicher; diese Verfahren sind fair, gerecht, zügig und nicht übermäßig teuer. Entscheidungen nach diesem Artikel werden in Schriftform getroffen oder festgehalten. Gerichtsentscheidungen und möglichst auch Entscheidungen anderer Stellen sind öffentlich zugänglich.

355

Synopse zu Art. 9 ÅK Article 9 Access to Justice

Article 9 Accès à la justice

Artikel 9 Zugang zu Gerichten

5. In order to further the effectiveness of the provisions of this article, each Party shall ensure that information is provided to the public on access to administrative and judicial review procedures and shall consider the establishment of appropriate assistance mechanisms to remove or reduce financial and other barriers to access to justice.

5. Pour rendre les dispositions du présent article encore plus efficaces, chaque Partie veille à ce que le public soit informé de la possibilité qui lui est donnée d’engager des procédures de recours administratif ou judiciaire, et envisage la mise en place de mécanismes appropriés d’assistance visant à éliminer ou à réduire les obstacles financiers ou autres qui entravent l’accès à la justice.

(5) Um die Effektivität dieses Artikels zu fördern, stellt jede Vertragspartei sicher, dass der Öffentlichkeit Informationen über den Zugang zu verwaltungsbehördlichen und gerichtlichen Überprüfungsverfahren zur Verfügung gestellt werden; ferner prüft jede Vertragspartei die Schaffung angemessener Unterstützungsmechanismen, um Hindernisse finanzieller und anderer Art für den Zugang zu Gerichten zu beseitigen oder zu verringern.

Literaturverzeichnis Abaquesne de Parfouru, Anatole, Locus Standi of Private Applicants under the Article 230 EC Action for Annulment: Any Lessons to Be Learnt from France?, MJ 14 (2007), S. 361–402. Achterberg, Norbert, Die Klagebefugnis – eine entbehrliche Sachurteilsvoraussetzung?, DVBl 1981, S. 278–283. Ahrens, Börries, Die Klagebefugnis von Verbänden im Europäischen Gemeinschaftsrecht: Eine Untersuchung zur Nichtigkeitsklage vor dem EuGH und zu den Einflüssen auf das Verbandsklagerecht vor deutschen Verwaltungsgerichten, 1. Aufl., Baden-Baden 2002. Albin, Silke, Die Vollzugskontrolle des europäischen Umweltrechts, Berlin 1999. Albors-Llorens, Albertina, The Standing of Private Parties to Challenge Community Measures: Has the European Court Missed the Boat?, C. L. J. 62 (2003), S. 72–92. Albors-Llorens, Albertina, Sealing the Fate of Private Parties in Annulment Proceedings? The General Court and the New Standing Test in Article 263(4) TFEU, C. L. J. 71 (2012), S. ­52–55. Alemanno, Alberto / ​Mahieu, Stephanie, The European Food Safety Authority before European Courts, EFFL 2008, S. 320–333. Alexy, Robert, Individuelle Rechte und kollektive Güter, in: Recht, Vernunft, Diskurs: Studien zur Rechtsphilosophie, Frankfurt am Main 1995, S. 232–261. Alexy, Robert, Theorie der Grundrechte, 7. Aufl., Frankfurt am Main 2015. Alleweldt, Ralf, Verbandsklage und gerichtliche Kontrolle von Verfahrensfehlern: Neue Entwicklungen im Umweltrecht  – Zum Einluss der Aarhus-Konvention und der Richtlinie 2003/35/EG auf die deutsche Rechtsordnung, DVBl 2006, S. 621–631. Allkemper, Ludwig, Der Rechtsschutz des einzelnen nach dem EG-Vertrag: Möglichkeiten seiner Verbesserung, Baden-Baden 1995. Amstutz, Marc, In-Between Worlds: Marleasing and the Emergence of Interlegality in Legal Reasoning, ELJ 11 (2005), S. 766–784. Anderheiden, Michael, Gemeinwohl in Republik und Union, Tübingen 2006. Appel, Markus, Subjektivierung von UVP-Fehlern durch das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz?, NVwZ 2010, S. 473–479. von Arnim, Hans Herbert, Gemeinwohl und Gruppeninteressen: Die Durchsetzungsschwäche allgemeiner Interessen in der pluralistischen Demokratie, Frankfurt am Main 1977. Arnull, Anthony, Private Applicants and the Action for Annulment under Article 173 of the EC Treaty, CML Rev. 32 (1995), S. 7–49.

Literaturverzeichnis

357

Arnull, Anthony, Private applicants and the action for annulment since Codorniu, CML Rev. 38 (2001), S. 7–52. Arnull, Anthony, Judicial Review in the European Union, in: Anthony Arnull / ​Damian Chalmers (Hrsg.), The Oxford Handbook of European Union Law, 1. Aufl., Oxford 2015, S. 376–402. Augsberg, Steffen, Europäisches Verwaltungsorganisationsrecht und Vollzugsformen, in: Jörg Philip Terhechte (Hrsg.), Verwaltungsrecht der Europäischen Union, 1. Aufl., Baden-Baden 2011, § 6. Aust, Helmut Philipp, Eine völkerrechtsfreundliche Union? Grund und Grenze der Öffnung des Europarechts zum Völkerrecht, EuR 2017, S. 106–121. Bachof, Otto, Begriff und Wesen des sozialen Rechtsstaates, VVDStRL 12 (1954), S. 37–84. Bachof, Otto, Reflexwirkungen und subjektive Rechte im öffentlichen Recht, in: Otto Bachof / ​ Martin Drath / ​Otto Gönnenwein / ​Ernst Waltz (Hrsg.), Forschungen und Berichte aus dem Öffentlichen Recht: Gedächtnisschrift für Walter Jellinek, 2. Aufl., München 1955, S. 287–307. Backes, Chris W. / ​Eliantonio, Mariolina, Access to Courts for Environmental NGOs at the European and National Level: Improvements and Room for Improvement since Maastricht?, in: Maartje de Visser / ​Anne Pieter van der Mei (Hrsg.), The Treaty on European Union 1­­ 993–2013: Reflections from Maastricht, Cambridge, Antwerpen, Portland 2013, S. 557–580. Bähr, Otto, Der Rechtsstaat: Eine publicistische Skizze, Kassel, Göttingen 1864. Balthasar, Stephan, Locus Standi Rules for Challenges to Regulatory Acts by Private Applicants: The New Art. 263 (4) TFEU, E. L.Rev. 35 (2010), S. 542–550. Barav, Ami, Direct and Individual Concern: An Almost Insurmountable Barrier to the Admissibility of Individual Appeal to the EEC Court, CML Rev. 11 (1974), S. 191–198. Barents, Réné, The Court of Justice After the Treaty of Lisbon, CML Rev. 47 (2010), S. ­709–728. Bartelsperger, Richard, Das subjektive öffentliche Recht als Apriori des Verfassungsstaates, in: Peter Baumeister / ​Wolfgang Roth / ​Josef Ruthig (Hrsg.), Staat, Verwaltung und Rechtsschutz: Festschrift für Wolf-Rüdiger Schenke zum 70. Geburtstag, Berlin 2011, S. 17–50. Bast, Jürgen, Handlungsformen und Rechtsschutz, in: Armin von Bogdandy / ​Jürgen Bast (Hrsg.), Europäisches Verfassungsrecht: Theoretische und dogmatische Grundzüge, 2. Aufl., Berlin, Heidelberg 2009, S. 489–557. Bast, Jürgen, New Categories of Acts After The Lisbon Reform: Dynamics of Parliamentarization in EU Law, CML Rev. 49 (2012), S. 885–928. Bauer, Hartmut, Geschichtliche Grundlagen der Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht, Berlin 1986. Bauer, Hartmut, Altes und Neues zur Schutznormtheorie, AöR 113 (1988), S. 582–631. Baumeister, Peter, Effektiver Individualrechtsschutz im Gemeinschaftsrecht, EuR 2005, S. 1–35. Bebr, Gerhard, Development of Judicial Control of the European Communities, Den Haag u. a. 1981. Becker, Peter, Der Einfluß des französischen Verwaltungsrechts auf den Rechtsschutz in den Europäischen Gemeinschaften, Hamburg 1963.

358

Literaturverzeichnis

Beckmann, Martin, Strukturprinzipien des deutschen Verwaltungsprozesses  – Gesetzliche Regelungsdichte und verwaltungsgerichtliche Kontrolldichte, Rechtstheorie 45 (2014), S. ­141–158. Beckmann, Martin, Funktionswandel der Verwaltungsgerichtsbarkeit unter dem Einfluss des Unionsrechts – Umfang des Verwaltungsrechtsschutzes auf dem Prüfstand, Referat N zum 71. Deutschen Juristentag, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages (Hrsg.), Verhandlungen des einundsiebzigsten Deutschen Juristentages in Essen 2016, München 2017. Beier, Arno, Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz – kein Ende in Sicht?, UPR 2018, S. 161–165. Beljin, Saša, Dogmatik und Ermittlung der Unionsrechte, Der Staat 46 (2007), S. 489–514. Berger, Maria, Unionsrechtliche Anforderungen an einen effektiven gerichtlichen Rechtsschutz für die Grundrechtsträger, ZÖR 2013, S. 563–574. Berkemann, Jörg, Die unionsrechtliche Umweltverbandsklage des EuGH – Der deutsche Gesetzgeber ist belehrt „so nicht“ und in Bedrängnis, DVBl 2011, S. 1253–1262. Berkemann, Jörg, Der slowakische Braunbär im deutschen Prozessrecht – Eine Analyse von EuGHE 2011 I-1255, DVBl 2013, S. 1137–1148. Berkemann, Jörg, Rechtsschutz im Naturschutzrecht  – Neue Entwicklungen, EurUP 2014, S. 148–166. Berkemann, Jörg, Sinn und Funktionsgrenzen des Rechtsschutzes im Umweltrecht, in: Michael Kloepfer (Hrsg.), Rechtsschutz im Umweltrecht, Berlin 2014, S. 13–60. Berkemann, Jörg, NGO scheitern mit umweltrechtlicher Nichtigkeitsklage vor dem EuGH – Zugleich Besprechung von EuGH, Urteil vom 13.1.2015 – verb. Rs. C-401/12 P, C-402/12 P und C- 403/12 P, ZUR 2015, S. 221–231. Berkemann, Jörg, Vollkontrolle der Umweltverbandsklage! – „Empfehlung“ des Compliance Committee 2013/2014 der Århus-Konvention, DVBl 2015, S. 389–400. Berner, Katharina, Authentic Interpretation in Public International Law, ZaöRV 76 (2016), S. 845–878. Berrod, Frédérique, Case C-321/95 P, Stichting Greenpeace Council (Greenpeace International) and others v. Commission, Judgment of 2 April 1998, ECR [1998] I-1651. Order of the Court of First Instance in Case T-585/93, Stichting Greenpeace Council and others v. Commission, [1995] ECR II-2205, CML Rev. 36 (1999), S. 635–662. Berthier, Anaïs, Rulings in Joined Cases C-401/12P to C-403/12P and Joined Cases C-404/12P and C-405/12P: The Lack of Proper Implementation of Article 9 (3) of the Aarhus Convention, JEEPL 12 (2015), S. 207–213. Bétaille, Julien, The direct effect of the Aarhus Convention as seen by the French ‚Conseil d’Etat‘, elni Review 2009, S. 63–73. Bétaille, Julien, Accès à la justice de l’union européenne, le comité d’examen du respect des dispositions de la convention d’Aarhus s’immisce dans le dialogue des juges européens: À propos de la décision no ACCC / ​C/2008/32 du 14 avril 2011, R. J. E. 36 (2011), S. 547–562. Betlem, Gerrit, The Doctrine of Consistent Interpretation – Managing Legal Uncertainty, Oxford J. Legal Stud. 22 (2002), S. 397–418.

Literaturverzeichnis

359

Betlem, Gerrit / ​Nollkaemper, André, Giving Effect to Public International Law and European Community Law before Domestic Courts: A Comparative Analysis of the Practice of Consistent Interpretation, EJIL 14 (2003), S. 569–589. Beyerlin, Ulrich / ​Marauhn, Thilo, International Environmental Law, Oxford 2011. Bickenbach, Christian, Das Subsidiaritätsprinzip in Art. 5 EUV und seine Kontrolle, EuR 2013, S. 523–549. Binder, Christina, Die Grenzen der Vertragstreue im Völkerrecht: Am Beispiel der nachträg­ lichen Änderung der Umstände, Heidelberg u. a. 2013. Blanke, Hermann-Josef, Art. 47 GRCh, in: Christian Calliess / ​Matthias Ruffert (Hrsg.), EUV / ​ AEUV, Kommentar, 5. Aufl., München 2016. Blankenagel, Alexander, Klagefähige Rechtspositionen im Umweltrecht  – Vom subjektiven Recht eines Individuums zum Recht eines individualisierten Subjekts, Die Verwaltung 26 (1993), S. 1–26. Bleckmann, Albert, Das schutzwürdige Interesse als Bedingung der Klagebefugnis am Beispiel des französischen Verwaltungsrechts, VerwArch 49 (1958), S. 213–248. Bleckmann, Albert, Das Ziel des gerichtlichen Rechtsschutzes: Schutz des Einzelnen oder objektive Kontrolle der vollziehenden Gewalt? Die Rolle der Klagebefugnis, in: Hermann Mosler (Hrsg.), Gerichtsschutz gegen die Exekutive, Bd. 3, Rechtsvergleichung – Völkerrecht, Köln u. a. 1971, S. 21–47. Bleckmann, Albert, Zur Klagebefugnis für die Individualklage vor dem Europäischen Gerichtshof, in: Hans-Uwe Erichsen / ​Werner Hoppe / ​Albert von Mutius (Hrsg.), System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes: Festschrift für Christian-Friedrich Menger zum 70. Geburtstag, Köln, Berlin, Bonn, München 1985, S. 871–885. Böcker, Nicolai, Wirksame Rechtsbehelfe zum Schutz der Grundrechte der Europäischen Union, 1. Aufl., Baden-Baden 2005. Boerger-De Smedt, Anne, La Cour de Justice dans les négociations du traité de Paris instituant la CECA, Journal of European Integration History 14 (2008), S. 7–34. von Bogdandy, Armin, Die Überlagerung der ZPO durch WTO-Recht – Zum Schutz geistigen Eigentums nach dem Hermès-Urteil, NJW 1999, S. 2088–2090. Bogojević, Sanja, Judicial Protection of Individual Applicants Revisited: Access to Justice through the Prism of Judicial Subsidiarity, YEL 34 (2015), S. 5–25. Börner, Bodo, Die Entscheidungen der Hohen Behörde: Eine Studie zum supranationalen Verwaltungsprozeß, Tübingen 1965. Börner, Bodo, Empfiehlt es sich, die Bestimmungen des europäischen Gemeinschaftsrechts über den Rechtsschutz zu ändern oder zu ergänzen?, Referat beim 46. Deutschen Juristentag, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, (Hrsg.), Verhandlungen des sechsundvierzigsten Deutschen Juristentages, München, Berlin 1967. Bornhak, Conrad, Preußisches Staatsrecht, Bd. 2, Freiburg 1889. Borowski, Martin, Die Nichtigkeitsklage gem. Art. 230 Abs. 4 EGV, EuR 2004, S. 879–910.

360

Literaturverzeichnis

Bothe, Michael, Die Entwicklung des Umweltvölkerrechts 1972/2002, in: Klaus-Peter Dolde (Hrsg.), Umweltrecht im Wandel: Bilanz und Perspektiven aus Anlass des 25-jährigen Bestehens der Gesellschaft für Umweltrecht (GfU), Berlin 2001, S. 51–70. Bothe, Michael, Vollzugsdefizit im Völkerrecht – Überlegungen zu 30 Jahren Umweltrecht, in: Hans-Joachim Cremer / ​Thomas Giegerich / ​Dagmar Richter / ​Andreas Zimmermann (Hrsg.), Tradition und Weltoffenheit des Rechts: Festschrift für Helmut Steinberger, Berlin 2002, S. 83–96. Bothe, Michael, Die EU in internationalen Umweltabkommen, in: Charlotte Gaitanides / ​Stefan Kadelbach / ​Gil Carlos Rodriguez Iglesias (Hrsg.), Europa und seine Verfassung: Festschrift für Manfred Zuleeg zum siebzigsten Geburtstag, 1. Aufl., Baden-Baden 2005, S. 668–681. Boyle, Alan, Human Rights and the Environment: Where Next?, EJIL 23 (2012), S. 613–642. Brady, Katy, Aarhus Convention Signed, Envtl. Pol’y & L. 28 (1998), S. 171–190. Brady, Katy, New Convention on Access to Information and Public Participation in Environmental Matters, Envtl. Pol’y & L. 28 (1998), S. 69–75. Braun, Jens-Daniel / ​Kettner, Moira, Die Absage des EuGH an eine richterrechtliche Reform des EG-Rechtsschutzsystems – „Plaumann“ auf immer und ewig?, DÖV 2003, S. 58–66. Brenner, Michael, Allgemeine Prinzipien des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes in ­Europa, Die Verwaltung 31 (1998), S. 1–28. Breuer, Marten, Die Klagebefugnis von Umweltverbänden unter Anpassungsdruck des Völkerund Europarechts, Die Verwaltung 45 (2012), S. 171–205. Breuer, Marten / ​Riegger, Stephan, Die Reichweite der Pflicht der EU zur Umsetzung der ­Aarhus-Konvention, EurUP 2014, S. 293–308. Breuer, Rüdiger, Entwicklungen des Rechtsschutzes im Umweltrecht, in: Claudio Franzius / ​ Stefanie Lejeune / ​Kai von Lewinski / ​Klaus Meßerschmidt / ​Gerhard Michael / ​Michael Rossi / ​ Theodor Schilling / ​Peter Wysk (Hrsg.), Beharren, bewegen: Festschrift für Michael ­Kloepfer zum 70. Geburtstag, Berlin 2013, S. 315–332. Brigola, Alexander / ​Heß, Franziska, Die Fallstricke der unions- und völkerrechtlichen Metamorphose des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes (UmwRG) im Jahr 2017, NuR 2017, S. 729–734. Brocker, Lars, Verwaltungs- und Verfassungsgerichtsbarkeit zwischen Individualrechtsschutz und bürgerschaftlicher Teilhabe, LKRZ 2012, S. 437–440. Brockmann, Friederike Katharina, Effektiver Rechtsschutz  – Das Recht der Europäischen Union: Zu den Rechtsschutzmöglichkeiten des Einzelnen gegen Rechtsakte der EU nach Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon, Frankfurt 2014. Brohm, Winfried, Zum Funktionswandel der Verwaltungsgerichtsbarkeit, NJW 1984, S. 8–14. Bronckers, Marco / ​Van Gerven, Yves, Legal Remedies under the EC’s New Chemicals Legislation Reach: Testing  a New Model of European Governance, CML Rev. 46 (2009), S. ­1823–1872. Brugger, Winfried, Georg Jellinek als Sozialtheoretiker und Kommunitarist, Der Staat 49 (2010), S. 405–434.

Literaturverzeichnis

361

Brugger, Winfried, Georg Jellineks Statuslehre: national und international – Eine Würdigung und Aktualisierung anlasslich seines 100. Todestages im Jahr 2011, AöR 136 (2011), S. 1–43. Buchheim, Johannes, Actio, Anspruch, subjektives Recht: Eine aktionenrechtliche Rekonstruktion des Verwaltungsrechts, Tübingen 2017. Bühler, Ottmar, Die subjektiven öffentlichen Rechte und ihr Schutz in der deutschen Verwaltungsrechtsprechung, Berlin 1914. Bunge, Thomas, Rechtsschutz bei der UVP nach der Richtlinie 2003/35/EG – Am Beispiel der Anfechtungsklage, ZUR 2004, S. 141–149. Bunge, Thomas, Einleitung, in: Sabine Schlacke / ​Christian Schrader / ​Thomas Bunge (Hrsg.), Informationsrechte, Öffentlichkeitsbeteiligung und Rechtsschutz im Umweltrecht: ­Aarhus-​ Handbuch, Berlin 2010. Bunge, Thomas, Der Rechtsschutz in Umweltangelegenheiten in Deutschland – Stand und offene Fragen, ZUR 2015, S. 531–542. von Burchard, Friedrich, Der Rechtsschutz natürlicher und juristischer Personen gegen EG-Richtlinien gemäß Artikel 173 Abs. 2 EWGV, EuR 1991, S. 140–170. Burgi, Martin, Die dienende Funktion des Verwaltungsverfahrens: Zweckbestimmung und Fehlerfolgenrecht in der Reform, DVBl 2011, S. 1317–1324. Calliess, Christian, Rechtsstaat und Umweltstaat: Zugleich ein Beitrag zur Grundrechtsdogmatik im Rahmen mehrpoliger Verfassungsrechtsverhältnisse, Tübingen 2001. Calliess, Christian, Der deutsche Individualrechtsschutz im Wandel  – Gemeinschaftsrecht­ liche Vorgaben und Möglichkeiten ihrer Rezeption im Verwaltungsrecht, in: Carsten Nowak / ​Wolfram Cremer (Hrsg.), Individualrechtsschutz in der EG und der WTO – Der zen­ trale und dezentrale Rechtsschutz natürlicher und juristischer Personen in der Europäischen Gemeinschaft und der Welthandelsorganisation, 1. Aufl., Baden-Baden 2002, S. 81–102. Calliess, Christian, Kohärenz und Konvergenz beim europäischen Individualrechtsschutz – Der Zugang zum Gericht im Lichte des Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz, NJW 2002, S. 3577–3582. Calliess, Christian, Europarechtliche Vorgaben für ein Umweltgesetzbuch: Ein Beitrag zur Maßstabswirkung der Systementscheidungen des europäischen Umweltrechts für das nationale Recht, NuR 2006, S. 601–614. Calliess, Christian, Feinstaub im Rechtsschutz deutscher Verwaltungsgerichte – Europarechtliche Vorgaben für die Klagebefugnis vor deutschen Gerichten und ihre dogmatische Verarbeitung, NVwZ 2006, S. 1–7. Calliess, Christian, Integrierte Vorhabengenehmigung und Rechtsschutz im aktuellen Entwurf des UGB I, ZUR 2008, S. 343–352. Calliess, Christian, Art. 37 GRCh, in: Christian Calliess / ​Matthias Ruffert (Hrsg.), EUV / ​AEUV, Kommentar, 5. Aufl., München 2016. Calliess, Christian / ​Kahl, Wolfgang / ​Puttler, Adelheid, Art. 4 EUV, in: Christian Calliess / ​Matthias Ruffert (Hrsg.), EUV / ​AEUV, Kommentar, 5. Aufl., München 2016.

362

Literaturverzeichnis

Canedo, Marguerite, L’intérêt à agir dans le recours en annulation du droit communautaire, RTD Eur. 2000, S. 451–510. Caron, David D., The ILC Articles on State Responsibility: The Paradoxical Relationship ­Between Form and Authority, AJIL 96 (2002), S. 857–873. Casolari, Federico, Giving Indirect Effect to International Law Within the EU Legal Order: The Doctrine of Consistent Interpretation, in: Enzo Cannizzaro / ​Paolo Palchetti / ​Ramses A. Wessel (Hrsg.), International Law as Law of the European Union, Leiden, Boston 2012, S. 395–415. Černý, Pavel, Practical application of Article 9 of the Aarhus Convention in EU countries: Some comparative remarks, elni Review 2009, S. 74–78. Churchill, Robin R. / ​Ulfstein, Geir, Autonomous Institutional Arrangements in Multilateral Environmental Agreements: A Little-Noticed Phenomenon in International Law, AJIL 94 (2000), S. 623–659. Classen, Claus Dieter, Die Europäisierung der Verwaltungsgerichtsbarkeit: Eine vergleichende Untersuchung zum deutschen, französischen und europäischen Verwaltungsprozeßrecht, Tübingen 1996. Classen, Claus Dieter, Art. 197 AEUV (Januar 2015), in: Eberhard Grabitz / ​Meinhard Hilf / ​Martin Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, EUV / ​AEUV, Kommentar, Loseblatt, 65. EL, München 2018. Coppel, Jason / ​O’Neill, Aidan, The European Court of Justice: Taking Rights Seriously?, CML Rev. 29 (1992), S. 669–692. Cottier, Thomas / ​Nadakavukaren Schefer, Krista, The Relationship between World Trade Organization Law, National and Regional Law, J. Int’l Econ. L. 1 (1998), S. 83–122. Coutron, Laurent, Révolution dans le contentieux de l’environnement: feue la jurisprudence Plaumann! [Trib. UE 14 juin 2012, Vereniging Milieudefensie et Stichting Stop Lucht­ verontreiniging Utrecht c / ​Commission, aff. T-396/09], RTD Eur. 2012, S. 607–615. Couzinet, Daniel, Die Schutznormtheorie in Zeiten des Feinstaubs, DVBl 2008, S. 754–762. Crawford, James, State Responsibility (September 2006), in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), Max Planck Encyclopedia of Public International Law, Heidelberg, Oxford. Crawford, James, Brownlie’s Principles of Public International Law, 8. Aufl., Oxford 2012. Cremer, Wolfram, Nichtigkeitsklagen einzelner gegen Rechtsakte der Gemeinschaft: Klagegegenstand und Klagebefugnis nach Art. 173 EGV – Systematisierung und Würdigung der neueren Rechtsprechung von EuGH und EuG, EWS 1999, S. 48–54. Cremer, Wolfram, Gemeinschaftsrecht und deutsches Verwaltungsprozessrecht – Zum dezentralen Rechtsschutz gegenüber EG-Sekundärrecht, Die Verwaltung 37 (2004), S. 165–192. Cremer, Wolfram, Zum Rechtsschutz des Einzelnen gegen abgeleitetes Unionsrecht nach dem Vertrag von Lissabon, DÖV 2010, S. 58–65. Cremer, Wolfram, Der EuGH bleibt sich treu – Die Nichtigkeitsklage Privater 50 Jahre nach Plaumann, ZG 2014, S. 82–97.

Literaturverzeichnis

363

Cremer, Wolfram, Art. 263 AEUV, in: Christian Calliess / ​Matthias Ruffert (Hrsg.), EUV / ​AEUV, Kommentar, 5. Aufl., München 2016. Cremer, Wolfram, Art. 277 AEUV, in: Christian Calliess / ​Matthias Ruffert (Hrsg.), EUV / ​AEUV, Kommentar, 5. Aufl., München 2016. Crossen, Teall / ​Niessen, Veronique, NGO Standing in the European Court of Justice – Does the Aarhus Regulation Open the Door?, RECIEL 16 (2007), S. 332–340. Cuno, Walter, Einstweiliger Rechtsschutz durch die Verwaltungsgerichte in Frankreich und Deutschland, Berlin 2015. Cygan, Adam, Protecting the Interests of Civil Society in Community Decision-Making – The Limits of Article 230 EC, ICLQ 52 (2003), S. 995–1012. Daig, Hans-Wolfram, Zum Klagerecht von Privatpersonen nach Art. 173 Abs. 2 EWG-, 146 Abs.  2 EAG-Vertrag, in: Bernhard Aubin / ​Ernst von Caemmerer / ​Philippe Meylan / ​Karl H. Neumayer / ​Gerd Rinck / ​Walter Strausz (Hrsg.), Festschrift für Otto Riese aus Anlass seines siebzigsten Geburtstages, Karlsruhe 1964, S. 187–210. Daig, Hans-Wolfram, Nichtigkeits- und Untätigkeitsklagen im Recht der Europäischen Gemein­schaften: Unter besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften und der Schlußanträge der Generalanwälte, 1. Aufl., ­Baden-Baden 1985. von Danwitz, Thomas, Die Garantie effektiven Rechtsschutzes im Recht der Europäischen Gemeinschaft – Zur Verbesserung des Individualrechtsschutzes vor dem EuGH, NJW 1993, S. 1108–1115. von Danwitz, Thomas, Normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften und Gemeinschaftsrecht, VerwArch 84 (1993), S. 73–96. von Danwitz, Thomas, Verwaltungsrechtliches System und europäische Integration, Tübingen 1996. von Danwitz, Thomas, Zur Grundlegung einer Theorie der subjektiv-öffentlichen Gemeinschaftsrechte, DÖV 1996, S. 481–490. von Danwitz, Thomas, Der EuGH und das Wirtschaftsvölkerrecht – ein Lehrstück zwischen Europarecht und Politik, JZ 2001, S. 721–730. von Danwitz, Thomas, Aarhus-Konvention: Umweltinformation, Öffentlichkeitsbeteiligung, Zugang zu den Gerichten, NVwZ 2004, S. 272–282. von Danwitz, Thomas, Europäisches Verwaltungsrecht, 1. Aufl., Berlin, Heidelberg 2008. Darpö, Jan, Article 9.2 of the Aarhus Convention and EU Law – Some Remarks on CJEU’s CaseLaw on Access to Justice in Environmental Decision-Making, JEEPL 11 (2014), S. 367–391. Dauses, Manfred A., Empfiehlt es sich, das System des Rechtsschutzes und der Gerichtsbarkeit in der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere die Aufgaben der Gemeinschaftsgerichte und der nationalen Gerichte, weiterzuentwickeln?, Gutachten D für den 60. Deutschen Juristentag, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages (Hrsg.), Verhandlungen des sechzigsten Deutschen Juristentages in Münster 1994, München 1994.

364

Literaturverzeichnis

De Lucia, Luca, Locus Standi and distrust of the public administration. A comparison of three models, REALaw 10 (2017), S. 7–26. Degen, Manfred, Klageverfahren und Klagegründe im französischen Verwaltungsprozess, Die Verwaltung 14 (1981), S. 157–176. Delile, Jean Félix, À propos de l’arrêt Vereniging Milieudefensie: La seconde naissance de l’invo­cabilité Nakajima, C. D. E. 2012, S. 687–708. Delile, Jean Félix, L’invocabilité des accords internationaux devant le juge de la légalité des ­actes de l’Union européenne. État des lieux à l’occasion des arrêts Vereniging Milieudefensie et Stichting Natuur, C. D. E. 2015, S. 151–178. Dervisopoulos, Ioanna, Nichtigkeitsklagen, in: Hans-Werner Rengeling / ​Andreas Middeke / ​ Martin Gellermann (Hrsg.), Handbuch des Rechtsschutzes in der Europäischen Union, 3. Aufl., München 2014, § 7. Dette, Birgit, Access to Justice in Environmental Matters before the European Court of Justice – Present Situation and Recent Developments, elni Review 2004, S. 20–25. Dikaios, Eleftherios, Überindividueller Umweltrechtsschutz am Beispiel der altruistischen Verbandsklage in der deutschen, griechischen und europäischen Rechtsordnung, Teilband I, Berlin 2018. Dikaios, Eleftherios, Überindividueller Umweltrechtsschutz am Beispiel der altruistischen Verbandsklage in der deutschen, griechischen und europäischen Rechtsordnung, Teilband II, Berlin 2018. Dolde, Klaus-Peter, Verwaltungsverfahren und Deregulierung, NVwZ 2006, S. 857–865. Dolde, Klaus-Peter / ​Porsch, Winfried, § 73 (September 2007), in: Friedrich Schoch / ​Jens-­Peter Schneider / ​Wolfgang Bier (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, Loseblatt, 35. EL 2018, München 2018. Dörr, Oliver, Art. 47 EUV (Mai 2011), in: Eberhard Grabitz / ​Meinhard Hilf / ​Martin Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, EUV / ​AEUV, Kommentar, Loseblatt, 65. EL, München 2018. Dörr, Oliver, Art. 263 AEUV (November 2012), in: Eberhard Grabitz / ​Meinhard Hilf / ​Martin Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, EUV / ​AEUV, Kommentar, Loseblatt, 65. EL, München 2018. Dörr, Oliver / ​Lenz, Christofer, Europäischer Verwaltungsrechtsschutz, 1. Aufl., Baden-Baden 2006. Dougan, Michael, The Treaty of Lisbon 2007: Winning Minds, Not Hearts, CML Rev. 45 (2008), S. 617–703. Drake, Sara, Twenty years after Von Colson: the impact of „indirect effect“ on the protection of the individual’s community rights, E. L.Rev. 2005, S. 329–348. Drewes, Eva, Entstehen und Entwicklung des Rechtsschutzes vor den Gerichten der Europäischen Gemeinschaften: Am Beispiel der Nichtigkeitsklage, Berlin 2000. Dross, Miriam, Access to Justice in EU Member States, JEEPL 2 (2005), S. 22–30.

Literaturverzeichnis

365

Dubischar, Roland, Grundbegriffe des Rechts: Eine Einführung in die Rechtstheorie, 2. Aufl., Stuttgart 1968. Duguit, Léon, Traité de droit constitutionnel, Bd. 2, 3. Aufl., Paris 1928. Dupuy, Pierre-Marie, Soft Law and the International Law of the Environment, Mich. J. lnt’I L. 12 (1990), S. 420–435. Dürig, Günter, Zur Bedeutung und Tragweite des Art. 79 Abs. III des Grundgesetzes (ein Plädoyer), in: Hans Spanner / ​Peter Lerche / ​Hans Zacher / ​Peter Badura / ​Axel Freiher von Campenhausen (Hrsg.), Festgabe für Theodor Maunz zum 70. Geburtstag am 1. September 1971, München 1971, S. 41–54. Durner, Wolfgang, Direktwirkung europäischer Verbandsklagerechte? – Überlegungen zum Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie 2003/35/EG am 25. Juni 2005 und zur unmittelbaren Anwendbarkeit ihrer Vorgaben über den Zugang zu Gerichten, ZUR 2005, S. 285–291. Durner, Wolfgang, Rechtspolitische Spielräume im Bereich der dritten Säule: Prüfungsumfang, Kontrolldichte, prozessuale Ausgestaltung und Fehlerfolgen, in: Wolfgang Durner / ​ Christian Walter (Hrsg.), Rechtspolitische Spielräume bei der Umsetzung der Århus-Konvention, Berlin 2005, S. 64–99. Durner, Wolfgang, Internationales Umweltverwaltungsrecht, in: Christoph Möllers / ​Andreas Voßkuhle / ​Christian Walter (Hrsg.), Internationales Verwaltungsrecht: Eine Analyse anhand von Referenzgebieten, Tübingen 2007, S. 121–164. Durner, Wolfgang, Reformbedarf in der Verwaltungsgerichtsordnung, NVwZ 2015, S. ­841–845. Durner, Wolfgang, Umweltvölkerrecht (Mai 2015), in: Martin Beckmann / ​Wolfgang Durner / ​ Thomas Mann / ​Marc Röckinghausen (Hrsg.), Landmann / ​Rohmer, Umweltrecht, Bd. I, Kommentar, Loseblatt, 88. EL, München 2018. Durner, Wolfgang, SUP-pflichtige Fachpläne in der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle  – Die neuen Klagemöglichkeiten der Umweltverbände nach § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 Buchst. a) UmwRG, EurUP 2018, S. 142–157. Dutheil de la Rochère, Jacqueline, L’effet direct des accords internationaux, in: Allan Rosas / ​ Eglis Levits / ​Yves Bot (Hrsg.), The Court of Justice and the Construction of Europe: Analyses and Perspectives on Sixty Years of Case-law – La Cour de Justice et la Construction de l’Europe: Analyses et Perspectives de Soixante Ans de Jurisprudence, Den Haag 2013, S. 637–657. Ebbesson, Jonas, Public Participation in Environmental Matters (Dezember 2009), in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), Max Planck Encyclopedia of Public International Law, Heidelberg, Oxford. Ebbesson, Jonas, Acces to Justice at the National Level – Impact of the Aarhus Convention and European Union Law, in: Marc Pallemaerts (Hrsg.), The Aarhus Convention at Ten: Interactions and Tensions between Conventional International Law and EU Environmental Law, Groningen, Amsterdam 2011, S. 245–269. Ebbesson, Jonas / ​Gaugitsch, Helmut / ​Jendrośka, Jerzy / ​Marshall, Fiona / ​Stec, Stephen, The ­Aarhus Convention: An Implementation Guide, 2. Aufl., Genf 2014.

366

Literaturverzeichnis

Eeckhout, Piet, The Domestic Legal Status of the WTO Agreement: Interconnecting Legal Systems, CML Rev. 34 (1997), S. 11–58. Eeckhout, Piet, Case C-308/06, The Queen on the application of Intertanko and Others v ­Secretary of State for Transport, judgment of the Court of Justice (Grand Chamber) of 3 June 2008, nyr, CML Rev. 46 (2009), S. 2041–2057. Eeckhout, Piet, EU External Relations Law, 2. Aufl., Oxford u. a. 2012. Ehle, Dietrich, Nichtigkeitsklage privater Personen nach dem EWG-Vertrag, NJW 1963, S. 2193–2198. Ehlers, Dirk, Die Klagebefugnis nach deutschem, europäischem Gemeinschafts- und U. S.-amerikanischem Recht, VerwArch 84 (1993), S. 139–177. Ehlers, Dirk, Die Europäisierung des Verwaltungsprozessrechts, DVBl 2004, S. 1441–1451. Ehricke, Ulrich, Art. 263 AEUV, in: Rudolf Streinz (Hrsg.), EUV / ​AEUV, Vertrag über die Euro­päische Union und Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, Kommentar, 3. Aufl., München 2018. Ehricke, Ulrich, Art. 265 AEUV, in: Rudolf Streinz (Hrsg.), EUV / ​AEUV, Vertrag über die Euro­päische Union und Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, Kommentar, 3. Aufl., München 2018. Ehricke, Ulrich, Art. 277 AEUV, in: Rudolf Streinz (Hrsg.), EUV / ​AEUV, Vertrag über die Euro­päische Union und Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, Kommentar, 3. Aufl., München 2018. Eifert, Martin, Umweltschutzrecht, in: Friedrich Schoch (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, München 2018. Ekardt, Felix, Verfassungs- und verwaltungsrechtliche Gründe für eine liberalere Klagebefugnis, Der Staat 44 (2005), S. 622–642. Ekardt, Felix, Die nationale Klagebefugnis nach der Aarhus-Konvention, NVwZ 2006, S. ­55–56. Ekardt, Felix, Information, Partizipation, Rechtsschutz: Prozeduralisierung von Gerechtigkeit und Steuerung in der Europäischen Union  – unter besonderer Berücksichtigung der ­Aarhus-Konvention, Berlin 2010. Ekardt, Felix, Verbandsklage vor dem EuGH: Mitgliedstaaten verklagen, EU-Institutionen verschonen? – Zugleich zu Art. 9 III Aarhus-Konvention, NVwZ 2015, S. 772–775. Ekardt, Felix / ​Pöhlmann, Katharina, Europäische Klagebefugnis: Öffentlichkeitsrichtlinie, Klagerechtsrichtlinie und ihre Folgen, NVwZ 2005, S. 532–534. Eliantonio, Mariolina, Towards an Ever Dirtier Europe – The Restrictive Standing of Environmental NGOs before the European Courts and the Aarhus Convention, CYELP 7 (2011), S. 69–86. Eliantonio, Mariolina, Case C-240/09, Lesoochranárske zoskupenie VLK v. Ministerstvo životného prostredia Slovenskej republiky, Judgment of the Court of Justice (Grand Chamber) of 8 March 2011, CML Rev. 49 (2012), S. 767–792.

Literaturverzeichnis

367

Eliantonio, Mariolina / ​Backes, Chris W. / ​van Rhee, Cornelis Hendrik / ​Spronken, T. N. B.M. / ​Berlee, Anna, Standing up for your right(s) in Europe: A Comparative Study on Legal Stand­ ing (Locus Standi) before the EU and Member States’ Courts, Cambridge, Antwerpen, Portland 2013. Engel, Christoph, Das Recht der Gemeinschaftsgüter, Die Verwaltung 30 (1997), S. 429–479. Epiney, Astrid, Gemeinschaftsrecht und Verbandsklage, NVwZ 1999, S. 485–495. Epiney, Astrid, Zur Stellung des Völkerrechts in der EU – Zugleich Besprechung von EuGH, EuZW 1998, 572 – Hermès und EuGH, EuZW 1998, 694 – Racke, EuZW 1999, S. 5–11. Epiney, Astrid, Primär- und Sekundärrechtsschutz im Öffentlichen Recht, VVDStRL 61 (2001), S. 362–424. Epiney, Astrid, Zu den Anforderungen der Aarhus-Konvention an das europäische Gemeinschaftsrecht, in: Josef Falke / ​Sabine Schlacke (Hrsg.), Information, Beteiligung, Rechtsschutz – Neue Entwicklungen im Umwelt- und Verbraucherrecht, Berlin 2003, S. 9–33. Epiney, Astrid, Zu den Anforderungen der Aarhus-Konvention an das europäische Gemeinschaftsrecht, ZUR 2003, S. 176–184. Epiney, Astrid, Informationsrechte in der EU: Zu den Vorgaben der Aarhus-Konvention und des Unionsrechts im Bereich des Informationsrechts, in: Bernd Hecker / ​Reinhard Hendler / ​ Alexander Proelß / ​Peter Reiff (Hrsg.), Aktuelle Rechtsfragen und Probleme des freien Informationszugangs, insbesondere im Umweltschutz, 26. Trierer Kolloquium zum Umweltund Technikrecht vom 5. bis 7. September 2010, Berlin 2011, S. 27–79. Epiney, Astrid, Die Bindung der Europäischen Union an das allgemeine Völkerrecht, EuRBeih. (2) 2012, S. 25–49. Epiney, Astrid, Verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz im Umweltrecht im Rechtsvergleich, NVwZ 2014, S. 465–476. Epiney, Astrid, Zur Rechtsprechung des EuGH im Umweltrecht im Jahr 2015, EurUP 2016, S. 2–16. Epiney, Astrid, Zur Rechtsprechung des EuGH im Umweltrecht im Jahr 2017, EurUP 2018, S. 204–216. Epiney, Astrid, D III.2.2 VO 1049/2001 (Oktober 2014), in: Jürgen Fluck / ​Kristian Fischer / ​Mario Martini (Hrsg.), Informationsfreiheitsrecht mit Umweltinformations- und Verbraucher­ informationsrecht, IFG / ​UIG / ​VIG / ​GeoZG, Loseblatt, 38. EL, Heidelberg, München, Landsberg, Frechen, Hamburg 2019. Epiney, Astrid, F II.1 Aarhus-Konvention, Art. 1–3 (Mai 2003), in: Jürgen Fluck / ​Kristian Fischer / ​ Mario Martini (Hrsg.), Informationsfreiheitsrecht mit Umweltinformations- und Verbraucher­ informationsrecht, IFG / ​UIG / ​VIG / ​GeoZG, Loseblatt, 38. EL, Heidelberg, München, Landsberg, Frechen, Hamburg 2019. Epiney, Astrid, F II.1 Aarhus-Konvention, Art. 4–5 (Mai 2003), in: Jürgen Fluck / ​Kristian Fischer / ​ Mario Martini (Hrsg.), Informationsfreiheitsrecht mit Umweltinformations- und Verbraucher­ informationsrecht, IFG / ​UIG / ​VIG / ​GeoZG, Loseblatt, 38. EL, Heidelberg, München, Landsberg, Frechen, Hamburg 2019.

368

Literaturverzeichnis

Epiney, Astrid, F II.1 Aarhus-Konvention, Art. 9 (Mai 2003), in: Jürgen Fluck / ​Kristian Fischer / ​ Mario Martini (Hrsg.), Informationsfreiheitsrecht mit Umweltinformations- und Verbraucher­ informationsrecht, IFG / ​UIG / ​VIG / ​GeoZG, Loseblatt, 38. EL, Heidelberg, München, Landsberg, Frechen, Hamburg 2019. Epiney, Astrid, F II.1 Aarhus-Konvention, Einleitung (Mai 2003), in: Jürgen Fluck / ​Kristian Fischer / ​ Mario Martini (Hrsg.), Informationsfreiheitsrecht mit Umweltinformations- und Verbraucher­ informationsrecht, IFG / ​UIG / ​VIG / ​GeoZG, Loseblatt, 38. EL, Heidelberg, München, Landsberg, Frechen, Hamburg 2019. Epiney, Astrid / ​Diezig, Stefan / ​Pirker, Benedikt / ​Reitemeyer, Stefan, Aarhus-Konvention, Handkommentar, 1. Aufl., Baden-Baden 2018. Epiney, Astrid / ​Sollberger, Kaspar, Zugang zu Gerichten und gerichtliche Kontrolle im Umweltrecht: Rechtsvergleich, völker- und europarechtliche Vorgaben und Perspektiven für das deutsche Recht, Berlin 2002. Erler, Georg, Das Grundgesetz und die öffentliche Gewalt internationaler Staatengemeinschaften, VVDStRL 18 (1960), S. 7–49. Eser, Albin, Art. 47 GRCh, in: Jürgen Meyer (Hrsg.), Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Kommentar, 4. Aufl., Baden-Baden 2014. Everling, Ulrich, Elemente eines europäischen Verwaltungsrechts, DVBl 1983, S. 649–658. Everling, Ulrich, Zur Funktion des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften als Verwaltungsgericht, in: Bernd Bender / ​Rüdiger Breuer / ​Fritz Ossenbühl / ​Horst Sendler (Hrsg.), Rechtsstaat zwischen Sozialgestaltung und Rechtsschutz: Festschrift für Konrad Redeker zum 70. Geburtstag, München 1993, S. 293–311. Everling, Ulrich, Überlegungen zum Verfahren vor den Gerichten der Europäischen Gemeinschaften, in: Ninon Colneric / ​David Edward / ​Jean-Pierre Puissochet / ​Dámaso Ruiz-Jarabo Colomer (Hrsg.), Une communauté de droit: Festschrift für Gil Carlos Rodríguez Iglesias, Berlin 2003, S. 537–550. Everling, Ulrich, Rechtsschutz im europäischen Wirtschaftsrecht auf der Grundlage der Konventsregelungen, in: Jürgen Schwarze (Hrsg.), Der Verfassungsentwurf des Europäischen Konvents: Verfassungsrechtliche Grundstrukturen und wirtschaftsverfassungsrechtliches Konzept, 1. Aufl., Baden-Baden 2004, S. 363–384. Everling, Ulrich, Das Verfahren der Gerichte der EG im Spiegel der verwaltungsgericht­lichen Verfahren der Mitgliedstaaten, in: Rainer Grote / ​Ines Härtel / ​Karl-E.  Hain / ​Thorsten Ingo Schmidt / ​Thomas Schmitz / ​Gunnar Folke Schuppert / ​Christian Winterhoff (Hrsg.), Die Ordnung der Freiheit: Festschrift für Christian Starck zum siebzigsten Geburtstag, Tübingen 2007, S. 535–553. Everling, Ulrich, Rechtsschutz in der Europäischen Union nach dem Vertrag von Lissabon, EuR-Beih. 2009, S. 71–86. Everling, Ulrich, Lissabon-Vertrag regelt Dauerstreit über Nichtigkeitsklage Privater, EuZW 2010, S. 572–576. Everling, Ulrich, Klagerecht Privater gegen Rechtsakte der EU mit allgemeiner Geltung, EuZW 2012, S. 376–380.

Literaturverzeichnis

369

Eyermann, Erich, Wider die Aufblähung der Klagebefugnis im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, BayVBl 1974, S. 237–243. Falke, Josef, Die Aarhus-Konvention und der Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten, in: Josef Falke / ​Sabine Schlacke (Hrsg.), Information, Beteiligung, Rechtsschutz – Neue Entwicklungen im Umwelt- und Verbraucherrecht, Berlin 2003, S. 99–130. Farahat, Anuscheh / ​Krenn, Christoph, Der Europäische Gerichtshof in der Eurokrise: Eine konflikttheoretische Perspektive, Der Staat 57 (2018), S. 357–385. Fasoli, Elena / ​McGlone, Alistair, The Non-Compliance Mechanism Under the Aarhus Convention as ‚Soft‘ Enforcement of International Environmental Law: Not So Soft After All!, NILR 65 (2018), S. 27–53. Fehling, Michael, Eigenwert des Verfahrens im Verwaltungsrecht, VVDStRL 70 (2011), S. ­278–337. Fellenberg, Frank / ​Schiller, Gernot, UmwRG vor § 1 (April 2018), in: Martin Beckmann / ​Wolfgang Durner / ​Thomas Mann / ​Marc Röckinghausen (Hrsg.), Landmann / ​Rohmer, Umweltrecht, Kommentar, Loseblatt, 88. EL, München 2018. Fennelly, Nial, The National Judge as Judge of the European Union, in: Allan Rosas / ​Eglis Levits / ​ Yves Bot (Hrsg.), The Court of Justice and the Construction of Europe: Analyses and Perspectives on Sixty Years of Case-law – La Cour de Justice et la Construction de l’­Europe: Analyses et Perspectives de Soixante Ans de Jurisprudence, Den Haag 2013, S. 61–79. Fisahn, Andreas, Effektive Beteiligung solange noch alle Optionen offen sind – Öffentlichkeitsbeteiligung nach der Aarhus-Konvention, ZUR 2004, S. 136–141. Fischer-Lescano, Andreas, Transnationales Verwaltungsrecht: Privatverwaltungsrecht, Verbandsklage und Kollisionsrecht nach der Århus-Konvention, JZ 2008, S. 373–383. Fitzmaurice, Malgosia, Environmental Justice Through International complaint procedures? Comparing the Aarhus Convention and the North American Agreement on Enviromental Cooperation, in: Jonas Ebbesson / ​Phoebe Okowa (Hrsg.), Environmental Law and Justice in Context, Cambridge u. a. 2009, S. 211–227. Forsthoff, Ernst, Der Staat der Industriegesellschaft: Dargestellt am Beispiel der Bundesrepublik Deutschland, München 1971. Fraenkel-Haeberle, Cristina, Participatory Democracy and the Global Approach in Environmental Legislation, in: Eva Julia Lohse / ​Margherita Poto (Hrsg.), Participatory Rights in the Environmental Decision-Making Process and the Implementation of the Aarhus Convention: a Comparative Perspective, Berlin 2015, S. 33–44. Franzius, Claudio, Aktuelle Probleme des Umweltrechtsschutzes, in: Claudio Franzius / ​Stefanie Lejeune / ​Kai von Lewinski / ​Klaus Meßerschmidt / ​Gerhard Michael / ​Michael Rossi / ​Theodor Schilling / ​Peter Wysk (Hrsg.), Beharren, Bewegen: Festschrift für Michael Kloepfer zum 70. Geburtstag, Berlin 2013, S. 377–398. Franzius, Claudio, Das Bundesverwaltungsgericht auf dem richtigen Weg? Zur Begründung der Verbandsklagebefugnis für Luftreinhaltepläne, in: Michael Kloepfer (Hrsg.), Rechtsschutz im Umweltrecht, Berlin 2014, S. 145–162.

370

Literaturverzeichnis

Franzius, Claudio, Möglichkeiten und Grenzen der richterlichen Rechtsfortbildung zur Bestimmung der Klagebefugnis im Umweltrecht, DVBl 2014, S. 543–550. Franzius, Claudio, Modernisierung des subjektiven öffentlichen Rechts, UPR 2016, S. 281–295. Franzius, Claudio, Baustellen des Umweltrechtsschutzes, DVBl 2018, S. 410–417. Franzius, Claudio, Genügt die Novelle des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes den unionsrechtlichen Vorgaben?, NVwZ 2018, S. 219–222. Frenz, Walter / ​Distelrath, Anna-Maria, Klagegegenstand und Klagebefugnis von Individualnichtigkeitsklagen nach Art. 263 IV AEUV, NVwZ 2010, S. 162–166. Fromont, Louise / ​Van Waeyenberge, Arnaud, La protection juridictionnelle effective en Europe ou l’histoire d’une procession d’Echternach, C. D. E. 2015, S. 113–150. Fromont, Michel, L’influence du droit français et du droit allemand sur les conditions de rece­ vabilité du recours en annulation devant la Cour de justice des Communautés européennes, RTD Eur. 1966, S. 47–65. Fromont, Michel, Rechtsschutz gegenüber der Verwaltung in Deutschland, Frankreich und den Europäischen Gemeinschaften, Köln 1967. Fromont, Michel, Rechtsschutz im französischen Umweltrecht, UPR 1983, S. 186–191. Fromont, Michel, Le système français de protection juridictionnelle du citoyen contre l’administration, in: Hans-Uwe Erichsen / ​Werner Hoppe / ​Albert von Mutius (Hrsg.), System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes: Festschrift für Christian-Friedrich Menger zum 70. Geburtstag, Köln, Berlin, Bonn, München 1985, S. 887–898. Fromont, Michel, La convergence des systèmes de justice administrative en Europe, Riv. Trimestr. Dir. Pubbl. 2001, S. 125–145. Funke, Andreas, Perspektiven subjektiv-rechtlicher Analyse im öffentlichen Recht, JZ 2015, S. 369–380. Gaillet, Aurore, Der Einzelne gegen den Staat. Die Geschichte der Rechtsbehelfe des öffentlichen Rechts in Deutschland und Frankreich im 19. Jahrhundert, Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Germanistische Abteilung 129 (2012), S. 109–149. Gaitanides, Charlotte, Art. 263 AEUV, in: Hans von der Groeben / ​Jürgen Schwarze / ​Armin Hatje (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl., Baden-Baden 2015. Gaitanides, Charlotte, Art. 277 AEUV, in: Hans von der Groeben / ​Jürgen Schwarze / ​Armin Hatje (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl., Baden-Baden 2015. Gale, Louise, Access to Environmental Justice before the European Court of Justice, EBL Rev. 8 (1997), S. 132–136. Gallet, Jean-Louis, L’accès à la justice dans les traditions constitutionnelles nationales – La qualité pour agir dans l’ordre juridique français, ERA Forum 7 (2006), S. 502–518. Garcia de Enterria, Eduardo, Le contrôle de l’administration – Techniques, étendue, effectivité des contrôles Contentieux administratif objectif et contentieux administratif subjectif à la fin du XXe siècle: Analyse historique et comparative, Rev. Adm. 53 (2000), S. 125–131.

Literaturverzeichnis

371

Garçon, Géradine, The Aarhus Rights in the EU: Internal Review and Access to Justice – Analysis of the General Court’s Findings of 14 June 2012 in Cases T-338/08 and T-396/09, StoffR 2012, S. 134–141. Garçon, Géradine, The Rights of Access to Justice in Environmental Matters in the EU – The Third Pillar of the Aarhus Convention, Validity and Scope of the Review Procedures under Regulation (EC) No 1367/2006, EFFL 2013, S. 78–90. Garçon, Géradine, Limits of NGO Rights to Invoke Access to Justice under the Aarhus Convention, EJRR 6 (2015), S. 458–469. Gärditz, Klaus Ferdinand, Die Verwaltungsdimension des Lissabon-Vertrags, DÖV 2010, S. 453–465. Gärditz, Klaus Ferdinand, Verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz im Umweltrecht, NVwZ 2014, S. 1–11. Gärditz, Klaus Ferdinand, Europäisierter Umweltrechtsschutz als Laboratorium des Verwaltungsprozessrechts: Entwicklungspfade zwischen Prozeduralisierung, Objektivierung und Subjektivierung, EurUP 2015, S. 196–213. Gärditz, Klaus Ferdinand, Funktionswandel der Verwaltungsgerichtsbarkeit unter dem Einfluss des Unionsrechts – Umfang des Verwaltungsrechtsschutzes auf dem Prüfstand, Gutachten D zum 71. Deutschen Juristentag, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages (Hrsg.), Verhandlungen des einundsiebzigsten Deutschen Juristentages in Essen 2016, München 2016. Gärditz, Klaus Ferdinand, § 42, in: Klaus Ferdinand Gärditz (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), Kommentar, 2. Aufl., Köln 2018. Gáspár-Szilágyi, Szilárd, The „Primacy“ and „Direct Effect“ of EU International Agreements, EPL 21 (2015), S. 343–370. Gáspár-Szilágyi, Szilárd, The Relationship between EU Law and International Agreements: Restricting the Application of the Fediol and Nakajima Exceptions in Vereniging Milieudefensie, CML Rev. 52 (2015), S. 1059–1078. Geiger, Rudolf, Art. 47 EUV, in: Rudolf Geiger / ​Daniel-Erasmus Khan / ​Markus Kotzur (Hrsg.), EUV / ​AEUV, Kommentar, 6. Aufl., München 2017. Geismann, Maria, Art. 288 AEUV, in: Hans von der Groeben / ​Jürgen Schwarze / ​Armin Hatje (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl., Baden-Baden 2015. Gellermann, Martin, Europäisierte Klagerechte anerkannter Umweltverbände, NVwZ 2006, S. 7–14. Gérard, Nicole, Access to Justice on Environmental Matters – A Case of Double Standards?, J. Envtl. L. 8 (1996), S. 139–157. Gerstner, Stephan, Die Drittschutzdogmatik im Spiegel des französischen und britischen Verwaltungsgerichtsverfahrens: Eine vergleichende Untersuchung zur öffentlich-rechtlichen Klagebefugnis am Beispiel des Umweltschutzes, Berlin 1995. Giegerich, Thomas, Art. 216 AEUV, in: Matthias Pechstein / ​Carsten Nowak / ​Ulrich Häde (Hrsg.), Frankfurter Kommentar EUV / ​GRC / ​AEUV, Bd.  IV, Tübingen 2017.

372

Literaturverzeichnis

Giegerich, Thomas / ​Lauer, Sabrina, Der Justizgewährleistungsanspruch in Europa: Art. 47 GrCh, Art. 19 Abs. 1 UAbs. 2 EUV und das deutsche Verwaltungsprozessrecht, ZEuS 2014, S. 461–483. Giera, Ulrike, Individualrechte im europäischen Umweltrecht und ihre Durchsetzung im nationalen Recht, Baden-Baden 2015. Gilliaux, Pascal, L’arrêt Unión de Pequeños Agricultores: Entre subsidiarité juridictionnelle et effectivité, C. D. E. 2003, S. 177–202. Glaser, Andreas, Die Entwicklung des europäischen Verwaltungsrechts aus der Perspektive der Handlungsformenlehre, Tübingen 2013. von Gneist, Rudolf, Ueber die rechtliche Natur, die Zuständigkeit und die Verhandlungsform der Verwaltungsjurisdiction, Berichterstattung, in: Schriftführer-Amt der ständigen Deputation des deutschen Juristentages (Hrsg.), Verhandlungen des zwölften deutschen Juristentages, Bd. 1, Berlin 1874, S. 221–251. von Gneist, Rudolf, Der Rechtsstaat und die Verwaltungsgerichte in Deutschland, 2. Aufl., Berlin 1879. Goby, Barbara, Anmerkung zu EuGH, Urt. v. 13.01.2015, Verb. Rs. C-404/12 P und C-405/12 P, RdU 2015, S. 75–78. Godt, Christine, Enforcement of Environmental Law by Individuals and Interest Groups: Reconceptualizing Standing, Journal of Consumer Policy 23 (2000), S. 79–105. Gonod, Pascale, Grundzüge des Verwaltungsrechts in gemeineuropäischer Perspektive: Frankreich, in: Armin von Bogdandy / ​Sabino Cassese / ​Peter Michael Huber (Hrsg.), Handbuch Ius Publicum Europaeum, Band V, Verwaltungsrecht in Europa: Grundzüge, Heidelberg 2014, § 75. Görlitz, Niklas / ​Kubicki, Philipp, Rechtsakte „mit schwierigem Charakter“ – Zum bislang unterschätzten, deutlich erweiterten Rechtsschutz des Individualklägers im Rahmen des neuen Art. 263 IV AEUV, EuZW 2011, S. 248–254. Gormley, Laurence W., Public Interest Litigation, in: David O’Keeffe (Hrsg.), Liber Amicorum in Honour of Lord Slynn of Hadley, Volume I: Judicial Review in European Union Law, The Hague, London, Boston 2000, S. 191–202. Götz, Volkmar, Individuelle Betroffenheit als Klagevoraussetzung gegen EG-VO – Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 25.7.2002 – C-50/0 P, DVBl 2002, S. 1348–1351. Götz, Volkmar, Verwaltungsrechtsschutz durch Entscheidung über einzelne schriftlich vorgebrachte Klagegründe – Zum Rechtsschutzmodell der europäischen Gerichtsbarkeit, in: Carl-Eugen Eberle / ​Martin Ibler / ​Dieter Lorenz (Hrsg.), Der Wandel des Staates vor den Herausforderungen der Gegenwart: Festschrift für Winfried Brohm zum 70. Geburtstag, München 2002, S. 69–79. Greim, Jeanine, Rechtsschutz bei Verfahrensfehlern im Umweltrecht: Eine Abhandlung am Beispiel des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes, Berlin 2013. Greim, Jeanine, Das Urteil des EuGH in der Rechtssache Altrip – Meilenstein oder Mosaikstein auf dem Weg zum gebotenen Individualrechtsschutz bei UVP-Fehlern, NuR 2014, S. 81–88.

Literaturverzeichnis

373

Greim, Jeanine, Die Verbandsklage nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz – Politik der (zu) kleinen Schritte, BayVBl 2014, S. 517–525. Grimm, Dieter, Das Öffentliche Recht vor der Frage nach seiner Identität, Tübingen 2012. Gröschner, Rolf, Transparente Verwaltung: Konturen eines Informationsverwaltungsrechts, VVDStRL 63 (2004), S. 344–376. Groß, Thomas, Konvergenzen des Verwaltungsrechtsschutzes in der Europäischen Union, Die Verwaltung 33 (2000), S. 415–434. Groß, Thomas, Die Klagebefugnis als gesetzliches Regulativ des Kontrollzugangs, Die Verwaltung 43 (2010), S. 349–377. Grunow, Moritz / ​Salzborn, Nadja, Zum Prüfungsumfang der Umweltverbandsklage, ZUR 2015, S. 156–160. Guckelberger, Annette, Die EG-Verordnung zur Umsetzung der Aarhus-Konvention auf der Gemeinschaftsebene, NuR 2008, S. 78–87. Guckelberger, Annette, Effektiver Rechtsschutz nach Art. 47 GRCh und seine Folgen für den nationalen (Verwaltungs-) Rechtsschutz, in: Heike Jochum / ​Michael Elicker / ​Steffen Lampert / ​Roberto Bartone (Hrsg.), Freiheit, Gleichheit, Eigentum – Öffentliche Finanzen und Abgaben: Festschrift für Rudolf Wendt zum 70. Geburtstag, Berlin 2015, S. 1165–1182. Guckelberger, Annette, Deutsches Verwaltungsprozessrecht unter unionsrechtlichem Anpassungsdruck: Überlegungen de lege lata und de lege ferenda, 1. Aufl., Baden-Baden 2017. Guckelberger, Annette, Funktionswandel der Verwaltungsgerichtsbarkeit unter dem Einfluss des Unionsrechts  – Umfang des Verwaltungsrechtsschutzes auf dem Prüfstand, Referat N zum 71. Deutschen Juristentag, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages (Hrsg.), Verhandlungen des einundsiebzigsten Deutschen Juristentages in Essen 2016, München 2017. Guiorguieff, Johann, Les règles de recevabilité concernant les actions des particuliers et la convention d’Aarhus: entre inflexibilité et faveur du juge de l’Union européenne à l’égard du droit international à l’environnement, R. A. E. 2012, S. 629–642. Gundel, Jörg, Rechtsschutzlücken im Gemeinschaftsrecht? – Der Fall des Sekundärrechts ohne nationale Vollzugsakte, VerwArch 92 (2001), S. 81–108. Gundel, Jörg, Die neue Gestalt der Nichtigkeitsklage nach dem Vertrag von Lissabon: Die Weichenstellungen der ersten Urteile zu Direktklagen Einzelner gegen normative EU-Rechtsakte – Zugleich Anmerkung zu EuG, 6.9.2011 – Rs. T-18/10, Inuit Tapiriit Kanatami u. a. / ​ Rat und Parlament, und zu EuG, 25.10.2011 – Rs. T-262/10, Microban / ​Kommission, EWS 2012, S. 65–72. Gundel, Jörg, Art. 288 AEUV, in: Matthias Pechstein / ​Carsten Nowak / ​Ulrich Häde (Hrsg.), Frankfurter Kommentar EUV / ​GRC / ​AEUV, Bd.  IV, Tübingen 2017. Häberle, Peter, Öffentliches Interesse als juristisches Problem: Eine Analyse von Gesetzgebung und Rechtsprechung, Bad Homburg 1970. Häberle, Peter, Grundrechte im Leistungsstaat, VVDStRL 30 (1972), S. 43–141.

374

Literaturverzeichnis

Halfmann, Ralf, Entwicklungen des Verwaltungsrechtsschutzes in Deutschland, Frankreich und Europa, VerwArch 91 (2000), S. 74–99. Halfmeier, Axel, Popularklagen im Privatrecht: Zugleich ein Beitrag zur Theorie der Verbandsklage, Tübingen 2006. Hall, Molly Elizabeth, Environmental Law in the European Union: New Approach for Enforcement, TELJ 20 (2006–2007), S. 277–304. Haltern, Ulrich, Europarecht und das Politische, Tübingen 2005. Haltern, Ulrich, Europarecht – Dogmatik im Kontext, Band II: Rule of Law – Verbunddogmatik – Grundrechte, 3 Aufl., Tübingen 2017. Hamenstädt, Kathrin / ​Ehnert, Tanja, Case C-240/09 Lesoochranárske Zoskupenie VLK v. Ministerstvo Zivotného Prostredia Slovenskej Republiky, Judgement of the Court (Grand Chamber) of 8 March 2011, not yet reported, MJ 18 (2011), S. 359–366. Hammer, Gerhard, Bedenken gegen die Verbandsklage im öffentlichen Recht, GewArch 1978, S. 14–17. Haratsch, Andreas, Die kooperative Sicherung der Rechtsstaatlichkeit durch die mitgliedstaatlichen Gerichte und die Gemeinschaftsgerichte aus mitgliedstaatlicher Sicht, EuR-Beih. (3) 2008, S. 81–109. Harryvan, Gertjan J. / ​Jans, Jan H., Internal Review of EU Environmental Measures. It’s True: Baron Van Munchausen Doesn’t Exist! Some Remarks on the Application of the So-Called Aarhus Regulation, REALaw 3 (2010), S. 53–65. Hartwig, Matthias, International Organizations or Institutions, Responsibility and Liability (May 2011), in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), Max Planck Encyclopedia of Public International Law, Heidelberg, Oxford. Hatje, Armin / ​Kindt, Anne, Der Vertrag von Lissabon – Europa endlich in guter Verfassung?, NJW 2008, S. 1761–1768. Haukeland Fredriksen, Halvard, Individualklagemöglichkeiten vor den Gerichten der EU nach dem Vertrag über eine Verfassung für Europa, ZEuS 2005, S. 99–133. Hauriou, Maurice, Note sous Conseil d’État, 8 décembre 1899 et 15 décembre 1899, in: Jean-​ Baptiste Sirey (Hrsg.), Récueil général des lois et des arrêts III, Paris 1900, S. 73–75. Hedemann-Robinson, Martin, EU Implementation of the Aarhus Convention’s Third Pillar: Back to the Future over Access to Environmental Justice? – Part 1, Eur. Energy & Envtl. L. Rev. 23 (2014), S. 102–114. Hedemann-Robinson, Martin, Enforcement of EU Environmental Law: Taking Stock of the Evolving Union Legal Framework, Eur. Energy & Envtl. L. Rev. 24 (2015), S. 115–129. Hegels, Susanne, EG-Eigenverwaltungsrecht und Gemeinschaftsverwaltungsrecht: Europäisches Verwaltungsrecht für den direkten und den indirekten Gemeinschaftsrechtsvollzug, 1. Aufl., Baden-Baden 2001. Held, Jürgen, Umweltrechtliche Verfahrensfehler im Lichte der neuesten Rechtsprechung, DVBl 2016, S. 12–22.

Literaturverzeichnis

375

Henke, Wilhelm, Das subjektive öffentliche Recht, Tübingen 1968. Henrion De Pansey, Pierre-Paul Nicolas, De l’autorité judiciaire en France, Brüssel 1830. Hering, Laura, Eine Fehlerfolgenlehre für das europäische Eigenverwaltungsrecht, Der Staat 57 (2018), S. 601–632. Heringa, Aalt Willem / ​Verhey, Luc, The EU Charter: Text and Structure, MJ 8 (2001), S. 11–32. Herman, Charlotte, Lisbon and Access to Justice for Environmental NGOs: A Watershed – A Case Study Using the Setting of the Total Allowable Catches under the Common Fisheries Policy, JEEPL 7 (2010), S. 391–410. Herrmann, Christoph, Individualrechtsschutz gegen Rechtsakte der EU „mit Verordnungs­ charakter“ nach dem Vertrag von Lissabon, NVwZ 2011, S. 1352–1357. Heß, Franziska, Aktivierung der Umweltverbandsklage, ZUR 2018, S. 686–691. Hien, Eckart, Quo Vadis Umweltrechtsschutz?, DVBl 2018, S. 1029–1034. Hix, Jan-Peter, Zur Rechtfertigung der Auslegung des EU-Rechts im Lichte des Völkervertragsrechts, in: Ulrich Becker / ​Armin Hatje / ​Michael Potacs / ​Nina Wunderlich (Hrsg.), Verfassung und Verwaltung in Europa: Festschrift für Jürgen Schwarze zum 70. Geburtstag, 1. Aufl., Baden-Baden 2014, S. 141–170. Hobe, Stephan, Einführung in das Völkerrecht: Begründet von Otto Kimminich, 10. Aufl., Tübingen 2014. Hofmann, Ekkehard, Der Abschied von der (ohnehin meist falsch verstandenen) Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten? – Anmerkung zu EuGH v. 15.10.2015, Rs. C-137/14, EuR 2016, S. 188–197. Hofmann, Ekkehard, Ausgewählte Probleme des Allgemeinen Umweltrechts, Die Verwaltung 50 (2017), S. 247–275. Hofmann, Jens, Rechtsschutz und Haftung im Europäischen Verwaltungsverbund, Berlin 2004. Hofmann, Jens, Rechtsschutz und Haftung im Europäischen Verwaltungsverbund, in: Eberhard Schmidt-Aßmann / ​Bettina Schöndorf-Haubold (Hrsg.), Der Europäische Verwaltungs­ verbund: Formen und Verfahren der Verwaltungszusammenarbeit in der EU, Tübingen 2005, S. 353–381. von Holleben, Horst, Entscheidung des Europäischen Gerichts (EuG) zum Informationszugang im Stoffrecht – Anmerkung zum Urteil vom 8.10.2013 (T-545/11), StoffR 2013, S. 272–283. Hong, Mathias, Subjektive Rechte und Schutznormtheorie im europäischen Verwaltungsrechtsraum, JZ 2012, S. 380–388. Höpfner, Clemens, Die systemkonforme Auslegung: Zur Auflösung einfachgesetzlicher, verfassungsrechtlicher und europarechtlicher Widersprüche im Recht, Tübingen 2008. Hostiou, René, Permis de construire. Recours. Absence d’intérêt à agir. Association de protection de l’environnement. Union régionale. Conseil d’État, 26 juillet 1985. Union régionale pour la défense de l’environnement, de la nature, de la vie et de la qualité de la vie en ­Franche-​Comté (U. R. D. E.N.), Commentaire, R. J. E. 10 (1985), S. 473–479.

376

Literaturverzeichnis

Huber, Peter M., Die verfassungsrechtliche Prägung des Verwaltungsrechtsschutzes, in: Karl-​ Peter Sommermann / ​Bert Schaffarzik (Hrsg.), Handbuch der Geschichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Deutschland und Europa, Berlin 2019, S. 1771–1814. Hwang, Shu-Perng, Trägt die (begrenzte) Völkerrechtsfreundlichkeit als Verfassungsprinzip zum Ausgleich zwischen internationaler Zusammenarbeit und nationaler Souveränität bei?, AVR 55 (2017), S. 349–376. Ipsen, Hans Peter, Europäisches Gemeinschaftsrecht, Tübingen 1972. Ipsen, Jörn, Gefahren für den Rechtsstaat?, NdsVBl 1999, S. 225–229. Jacobs, Francis, Access to justice as a fundamental right in European law, in: Gil Carlos Rodriguez Iglesias / ​Ole Due / ​Romain Schintgen / ​Charles Elsen (Hrsg.), Mélanges en hommage à Fernand Schockweiler, 1. Aufl., Baden-Baden 1999, S. 197–212. Jacobs, Francis, The Influence of European Community Law on Public Law in the United Kingdom, CYELS 2 (1999), S. 1–18. Jaeger, Thomas, Gerichtsorganisation und EU-Recht: Eine Standortbestimmung, EuR 2018, S. 611–653. Jans, Jan, Did Baron von Munchhausen ever Visit Aarhus? Some Critical Remarks on the Proposal for a Regulation on the Application of the Provisions of the Aarhus Convention to EC Institutions and Bodies, in: Richard Macrory (Hrsg.), Reflections on 30 Years of EU Environmental Law: A High Level of Protection?, Groningen 2005, S. 475–490. Jans, Jan, Who is the Referee? Access to Justice in  a Globalised Legal Order, REALaw 4 (2011), S. 87–99. Jans, Jan / ​von der Heide, Ann-Katrin, Lückenhafter Individualrechtsschutz im Europäischen Umweltrecht – Eine Bestandsaufnahme der Rechtsprechung des EuGH – Rechtsschutz gegen Handlungen des Rates und der Kommission, ZUR 2003, S. 390–394. Jans, Jan H. / ​Scott, Joanne, The Convention on the Future of Europe: An environmental perspective, J. Envtl. L. 15 (2003), S. 323–339. Jans, Jan / ​Vedder, Hans, European Environmental Law: After Lisbon, 4. Aufl., Groningen 2012. Jarass, Hans, Drittschutz im Umweltrecht, in: Herbert Leßmann / ​Bernhard Großfeld / ​Lothar Vollmar (Hrsg.), Festschrift für Rudolf Lukes: Zum 65. Geburtstag, Köln, Berlin, Bonn, München 1989, S. 57–72. Jarass, Hans D., Bedeutung der EU-Rechtsschutzgewährleistung für nationale und EU-Gerichte, NJW 2011, S. 1393–1398. Jarass, Hans D., Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Kommentar, 3. Aufl., München 2016. Jeder, Petra, Neue Entwicklungen im Umweltrecht vor dem Hintergrund der Åarhus-Konvention, UTR 62 (2002), S. 145–170. Jellinek, Georg, System der subjektiven öffentlichen Rechte, 2. Aufl., Tübingen 1905. Jellinek, Walter, Der Schutz des öffentlichen Rechts durch ordentliche und durch Verwaltungsgerichte (Fortschritte, Rückschritte und Entwicklungstendenzen seit der Revolution), VVDStRL 2 (1925), S. 8–80.

Literaturverzeichnis

377

Jendrośka, Jerzy, Aarhus Convention and Community Law: The Interplay, JEEPL 2 (2005), S. 12–21. Jendrośka, Jerzy, Aarhus Convention Compliance Committee: Origins, Status and Activities, JEEPL 8 (2011), S. 301–314. Jestaedt, Matthias, Selbstand und Offenheit der Verfassung gegenüber nationalem, supranationalem und internationalem Recht, in: Josef Isensee / ​Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band XII, 3. Aufl., Heidelberg 2014, § 264. Jestaedt, Matthias, Vom Nutzen der Rechtstheorie in der Europäischen Integration, in: Günther Herzig / ​Marcus Klamert / ​Rainer Palmstorfer / ​Roman Puff / ​Erich Vranes / ​Paul Weismann (Hrsg.), Europarecht und Rechtstheorie, Wien 2017, S. 1–18. von Jhering, Rudolf, Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung, Bd. 3, Erste Abteilung, 3. Aufl., Leipzig 1877. von Jhering, Rudolf, Der Kampf um’s Recht (Neudruck der 18. Aufl., Wien 1913), in: Felix Ermacora (Hrsg.), Der Kampf um’s Recht: Zum hundertsten Todesjahr des Autors, Frankfurt am Main, Berlin 1992, S. 59–152. Kadelbach, Stefan, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß, Tübingen 1999. Kadelbach, Stefan, Autonomie und Bindung der Rechtsetzung in gestuften Rechtsordnungen, VVDStRL 66 (2007), S. 7–44. Kafka, Franz, Der Prozeß, in: Sämtliche Werke, Frankfurt am Main 2008, S. 238–434. Kahl, Wolfgang, Der Europäische Verwaltungsverbund: Strukturen – Typen – Phänomene, Der Staat 50 (2011), S. 352–387. Kahl, Wolfgang, Neuere höchstrichterliche Rechtsprechung zum Umweltrecht  – Teil 1, JZ 2016, S. 666–675. Kahl, Wolfgang, Art. 191 AEUV, in: Rudolf Streinz (Hrsg.), EUV / ​AEUV, Vertrag über die Euro­päische Union und Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, Kommentar, 3. Aufl., München 2018. Karge, Marcus, Das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz im System des deutschen Verwaltungsprozessrechts, Baden-Baden 2010. Karper, Irene, Reformen des europäischen Gerichts- und Rechtsschutzsystems, 2. Aufl., ­Baden-Baden 2011. Keessen, Andrea, Reducing the Judicial Deficit in Multilevel Environmental Regulation: The Example of Plant Protection Products, in: Andreas Føllesdal / ​Ramses A. Wessel / ​Jan Wouters (Hrsg.), Multilevel Regulation and the EU: The Interplay Between Global, European, and National Normative Processes, Leiden, Boston 2008, S. 323–343. Keller, Helen, Rezeption des Völkerrechts: Eine rechtsvergleichende Studie zur Praxis des US Supreme Court, des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften und des Schweize­ rischen Bundesgerichts in ausgewählten Bereichen, Berlin u. a. 2003. Kelsen, Hans, Reine Rechtslehre: Einleitung in die rechtswissenschaftliche Problematik, 1. Aufl., Leipzig, Wien 1934. Kelsen, Hans, Reine Rechtslehre, 2. Aufl., Wien 1960.

378

Literaturverzeichnis

Kersten, Jens, Georg Jellineks System. Eine Einleitung, in: Jens Kersten (Hrsg.), Georg Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, Tübingen 2011, S. *7–*52. Kirchhoff, Henrik, Individualrechtsschutz im Europäischen Gemeinschaftsrecht: Unter Berück­ sichtigung der Geltendmachung von Umweltinteressen, 1. Aufl., Baden-Baden 2005. Klamert, Marcus, Dark matter: competence, jurisdiction and „the area largely covered by EU law“ – comment on Lesoochranarske, E. L.Rev. 37 (2012), S. 340–350. Klinger, Remo, Anmerkung zu EuGH, Urt. v. 20.12.2017, Rs. C-664/15 (Protect Natur-, Arten- und Landschaftsschutz Umweltorganisation / ​Bezirkshauptmannschaft Gmünd), NVwZ 2018, S. 231–232. Kloepfer, Michael, Zur Geschichte des deutschen Umweltrechts, Berlin 1994. Kment, Martin, Grenzüberschreitendes Verwaltungshandeln: Transnationale Elemente deutschen Verwaltungsrechts, Tübingen 2010. Knauff, Matthias, Der Regelungsverbund: Recht und Soft Law im Mehrebenensystem, Tübingen 2010. Knöpfle, Robert, Das Klagerecht Privater vor dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, NJW 1959, S. 553–556. Knopp, Lothar, Öffentlichkeitsbeteiligungsgesetz und Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz, ZUR 2005, S. 281–285. Koch, Cornelia, Locus Standi of Private Applicants under the EU Constitution: Preserving Gaps in the Protection of Individuals’ Right to an Effective Remedy, E. L.Rev. 30 (2005), S. 511–527. Koch, Hans-Joachim, Die Verbandsklage im Umweltrecht, NVwZ 2007, S. 369–379. Koch, Johannes, Die Verfahrensarten im französischen Verwaltungsprozess, VerwArch 89 (1998), S. 560–584. Koch, Johannes, Verwaltungsrechtsschutz in Frankreich: Eine rechtsvergleichende Untersuchung zu den verwaltungsinternen und verwaltungsgerichtlichen Rechtsbehelfen des Bürgers gegenüber der Verwaltung, Berlin 1998. Koester, Veit, Review of Compliance under the Aarhus Convention: a Rather Unique Compliance Mechanism, JEEPL 2 (2005), S. 31–44. Kokott, Juliane, Europäisierung des Verwaltungsprozeßrechts, Die Verwaltung 31 (1998), S. 335–370. Kokott, Juliane, § 103 Zusammenwirken der Gerichte in Europa, in: Hanno Kube / ​Rudolf Mellinghoff / ​Gerd Morgenthaler / ​Ulrich Palm / ​Thomas Puhl / ​Christan Seiler (Hrsg.), Leitgedan­ ken des Rechts, Band I Staat und Verfassung: Paul Kirchhof zum 70. Geburtstag, Heidelberg u. a. 2013, S. 1097–1106. Kokott, Juliane, Art. 47 EUV, in: Rudolf Streinz (Hrsg.), EUV / ​AEUV, Vertrag über die Europäische Union und Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, Kommentar, 3. Aufl., München 2018. Kokott, Juliane / ​Sobotta, Christoph, Rechtsschutz im Umweltrecht – Weichenstellungen in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, DVBl 2014, S. 132–137.

Literaturverzeichnis

379

Köngeter, Matthias, Erweiterte Klageberechtigung bei Individualnichtigkeitsklagen gegen EG-Verordnungen?, NJW 2002, S. 2216–2218. König, Sigurd, Drittschutz: Der Rechtsschutz Drittbetroffener gegen Bau- und Anlagengenehmigungen im öffentlichen Baurecht, Immissionsschutzrecht und Atomrecht, Berlin 1993. Kornezov, Alexander, Locus Standi of Private Parties in Actions for Annulment: Has the Gap Been Closed?, C. L. J. 73 (2014), S. 25–28. Kottmann, Matthias, Plaumanns Ende: Ein Vorschlag zu Art. 263 Abs. 4 AEUV, ZaöRV 2010, S. 547–566. Kotzur, Markus, Neuerungen auf dem Gebiet des Rechtsschutzes durch den Vertrag von Lissabon, EuR-Beih. (1) 2012, S. 7–23. Kovar, Robert / ​Barav, Ami, Variations nouvelles sur un thème ancien: Les conditions du r­ ecours individuel en annulation dans la CEE – À propos du cas d’un acte pris sous l’apparence d’un règlement, C. D. E. 12 (1976), S. 73–109. Kraft, Ingo, Die Konzeption des subjektiven öffentlichen Rechts nach deutschem Recht, in: Winfried Kluth / ​Klaus Rennert (Hrsg.), Entwicklungen im Verwaltungsprozessrecht – Klagebefugnis, In-camera-Verfahren, Rechtsmittelrecht, Halle an der Saale 2009, S. 13–34. Krämer, Ludwig, Focus on European Environmental Law, London 1992. Krämer, Ludwig, Defizite im Vollzug des EG-Umweltrechts und ihre Ursachen, in: Gertrude Lübbe-Wolff (Hrsg.), Der Vollzug des europäischen Umweltrechts, Berlin 1996, S. 7–35. Krämer, Ludwig, Public Interest Litigation in Environmental Matters Before European Courts, J. Envtl. L. 8 (1996), S. 1–18. Krämer, Ludwig, Statistics on Environmental Judgments by the EC Court of Justice, J. Envtl. L. 18 (2006), S. 407–421. Krämer, Ludwig, Environmental Justice in the European Court of Justice, in: Jonas Ebbesson / ​Phoebe Okowa (Hrsg.), Environmental Law and Justice in Context, Cambridge u. a. 2009, S. 195–210. Krämer, Ludwig, The environmental complaint in EU law, JEEPL 6 (2009), S. 13–35. Krämer, Ludwig, Seal Killing, the Inuit and European Union Law, RECIEL 21 (2012), S. ­291–296. Krämer, Ludwig, The EU Courts and Access to Environmental Justice, in: Ben Boer (Hrsg.), Environmental Law Dimensions of Human Rights, 1. Aufl., New York 2015, S. 107–133. Krämer, Ludwig, Access to Environmental Justice: the Double Standards of the ECJ, JEEPL 14 (2017), S. 159–185. Krawczyk, Damian, The Slovak Brown Bear Case: The ECJ Hunts for Jurisdiction and Environmental Plaintiffs Gain the Trophy, Envtl. L. Rev. 14 (2012), S. 53–66. Krebs, Walter, Subjektiver Rechtsschutz und objektive Rechtskontrolle, in: Hans-Uwe Erichsen / ​​Werner Hoppe / ​Albert von Mutius (Hrsg.), System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes: Festschrift für Christian-Friedrich Menger zum 70. Geburtstag, Köln, Berlin, Bonn, München 1985, S. 191–210.

380

Literaturverzeichnis

Krüper, Julian, Gemeinwohl im Prozess: Elemente eines funktionalen subjektiven Rechts auf Umweltvorsorge, 1. Aufl., Berlin 2009. Krüper, Julian, Neudefinition des „subjektiven öffentlichen Rechts“ – der citoyen als umweltdienender Kläger?, in: Michael Kloepfer (Hrsg.), Rechtsschutz im Umweltrecht, Berlin 2014, S. 163–186. Kuijper, Pieter Jan / ​Bronckers, Marco, WTO Law in the European Court of Justice, CML Rev. 42 (2005), S. 1313–1355. Lacchi, Clelia, Multilevel Judicial Protection in the EU and Preliminary References, CML Rev. 53 (2016), S. 679–707. Lachmayer, Konrad / ​von Förster, Stine, Art. 216 AEUV, in: Hans von der Groeben / ​Jürgen Schwarze / ​Armin Hatje (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl., Baden-Baden 2015. Lagrange, Maurice, Empfiehlt es sich, Bestimmungen über den Rechtsschutz zu ändern?  – 2. Koreferat, in: Institut für das Recht der Europäischen Gemeinschaften der Universität Köln (Hrsg.), Zehn Jahre Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften: Europäische Arbeitstagung Köln vom 24. bis 26. April 1963, Köln u. a. 1965, S. 606–611. Lanceiro, Rui, The Review of Compliance with the Aarhus Convention of the European Union, in: Edoardo Chiti / ​Bernardo Giorgio Mattarella (Hrsg.), Global Administrative Law and EU Administrative Law: Relationships, Legal Issues and Comparison, Berlin, Heidelberg 2011, S. 359–383. de Lange, Femke, Beyond Greenpeace, Courtesy of the Aarhus Convention, YbEEL 3 (2004), S. 227–248. Laskowski, Silke R., Demokratisierung des Umweltrechts, ZUR 2010, S. 171–181. Last, Christina, Garantie wirksamen Rechtsschutzes gegen Maßnahmen der Europäischen Union: Zum Verhältnis von Art. 47 Abs. 1, 2 GRCh und Art. 263 ff. AEUV, Tübingen 2008. Laubinger, Hans-Werner, Feststellungsklage und Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO), Verw­ Arch 82 (1991), S. 459–495. Leeb, Cornelia, Wann kann Nichtigkeitsklage erhoben werden? Zur Auslegung der dritten Variante des Art 263 Abs 4 AEUV, ZfRV 2014, S. 196–206. Leeb, Cornelia, Alle Rechtsschutzlücken geschlossen? Zum System des Individualrechtsschutzes im Unionsrecht nach Inuit II, ZfRV 2015, S. 4–13. Leisner, Walter, Privatinteressen als öffentliches Interesse, DÖV 1970, S. 217–223. Lemke, Svenja, Art. 47 GRCh, in: Hans von der Groeben / ​Jürgen Schwarze / ​Armin Hatje (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, Kommentar, 7. Aufl., Baden-Baden 2015. Lenaerts, Koen, The Legal Protection of Private Parties Under the EC Treaty: A Coherent and Complete System of Judicial Review?, in: Seminario giuridico della Università di Bologna (Hrsg.), Scritti in onore di Giuseppe Federico Mancini, Volume II: Diritto dell’Unione ­Europea, Mailand 1998, S. 591–622. Lenaerts, Koen, The Rule of Law and the Coherence of the Judicial System of the European Union, CML Rev. 44 (2007), S. 1625–1659.

Literaturverzeichnis

381

Lenaerts, Koen, Le traité de Lisbonne et la protection juridictionnelle des particuliers en droit de l’Union, C. D. E. 2009, S. 711–745. Lenaerts, Koen, Die EU-Grundrechtecharta: Anwendbarkeit und Auslegung, EuR 2012, S. 3–18. Lenaerts, Koen, Direct Applicability and Direct Effect of International Law in the EU Legal Order, in: Inge Govaere / ​Erwan Lannon / ​Peter Van Elsuwege / ​Adam Stanislas (Hrsg.), The European Union in the World – Essays in Honour of Marc Maresceau, Leiden, Bosten 2014, S. 45–64. Lenaerts, Koen / ​Gutiérrez-Fons, José A., The General System of EU Environmental Law Enforcement, YEL 30 (2011), S. 3–41. Lenaerts, Koen / ​Gutiérrez-Fons, José A., To Say What the Law of the EU Is: Methods of Interpretation and the European Court of Justice, CJEL 20 (2013–2014), S. 3–61. Lengauer, Alina, Nichtigkeitsklage vor dem EuGH: Parteistellung natürlicher und juristischer Personen, Wien 1998. Lepsius, Oliver, Risikosteuerung durch Verwaltungsrecht: Ermöglichung oder Begrenzung von Innovationen?, VVDStRL 63 (2004), S. 264–315. Löden, Dietrich, Zur Klagebefugnis von Natur- und Umweltschutzverbänden nach französischem Recht, DVBl 1978, S. 676–679. Lohse, Eva Julia, Access to Justice – the Main Challenge for Implementing the Aarhus Convention, in: Eva Julia Lohse / ​Margherita Poto (Hrsg.), Participatory Rights in the Environmental Decision-Making Process and the Implementation of the Aarhus Convention: a Comparative Perspective, Berlin 2015, S. 159–172. Lorenz, Dieter, Der Rechtsschutz des Bürgers und die Rechtsweggarantie, München 1973. Lorenz, Dieter, Verwaltungsprozessrecht, Berlin, Heidelberg, New York 2000. Lübbe-Wolff, Gertrude, Vollzugsprobleme der Umweltverwaltung, NuR 1993, S. 217–229. Lübbe-Wolff, Gertrude, Modernisierung des Umweltordnungsrechts: Vollziehbarkeit – Deregulierung – Effizienz, Bonn 1996. Lübbe-Wolff, Gertrude, Stand und Instrumente der Implementation des Umweltrechts in Deutschland, in: Gertrude Lübbe-Wolff (Hrsg.), Der Vollzug des europäischen Umweltrechts, Berlin 1996, S. 77–106. Lübbe-Wolff, Gertrude, Sind die Grenzwerte der 17. BImSchV für krebserzeugende Stoffe drittschützend?, NuR 2000, S. 19–24. Lübbe-Wolff, Gertrude, Europäisches und nationales Verfassungsrecht, VVDStRL 60 (2001), S. 246–289. Ludwigs, Markus, Die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten – Euphemismus oder Identitätsfaktor?, NVwZ 2018, S. 1417–1422. Lutz, Dagmar / ​Sauer, Matthias, Neuigkeiten zur Aarhus-Konvention – die 6. Vertragsstaatenkonferenz in Montenegro, EurUP 2018, S. 118–127. MacLeod-Kilmurray, Heather, Stichting Greenpeace and Environmental Public Interest Standing Before the Community Judicature: Some Lessons From the Federal Court of Canada, CYELS 1998, S. 269–306.

382

Literaturverzeichnis

Macrory, Richard, The Enforcement of Community Environmental Laws: Some Critical Issues, CML Rev. 29 (1992), S. 347–369. Macrory, Richard / ​Turner, Sharon, Participatory Rights, Transboundary Environmental Governance and EC Law, CML Rev. 39 (2002), S. 489–522. Mader, Oliver, Erleichterter Rechtsschutz bei Grundrechtsverletzungen? Zur Entwicklung einer prozessualen Grundrechtssystematik anhand des zulässigen Gegenstands einer Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV, EuR 2018, S. 339–361. Magiera, Siegfried, Verwaltungsrechtsschutz in der Europäischen Union, in: Karl-Peter Sommermann / ​Bert Schaffarzik (Hrsg.), Handbuch der Geschichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Deutschland und Europa, Berlin 2019, S. 1885–1917. Malferrari, Luigi / ​Lerche, Christoph, Zulässigkeit der Nichtigkeitsklage von Privatpersonen nach Art. 230 EG – Niedergang und Wiederaufleben des Plaumann-Tests, EWS 2003, S. 254–265. Mangold, Anna Katharina, The Persistence of National Peculiarities: Translating Representative Environmental Action from Transnational into German Law, IJGLS 21 (2014), S. 223–261. Mangold, Anna Katharina / ​Wahl, Rainer, Das europäisierte deutsche Rechtsschutzkonzept, Die Verwaltung 48 (2015), S. 1–28. Markus, Till, Individual- und Verbandsklagebefugnisse gegen Rechtsakte der Gemeinsamen Europäischen Fischereipolitik – Zugleich eine Anmerkung zu Beschluss T-91/07 vom 2.6.2008 des Gerichts erster Instanz des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuG), ZUR 2009, S. 194–200. Marsch, Nikolaus, Subjektivierung der gerichtlichen Verwaltungskontrolle in Frankreich: Eilverfahren und Urteilsimplementation im objektiv-rechtlich geprägten Kontrollsystem, 1. Aufl., Baden-Baden 2011. Marsden, Simon, Direct Public Access to EU Courts: Upholding Public International Law via the Aarhus Convention Compliance Committee, Nordic J. Int’l L. 81 (2012), S. 175–204. Martens, Joachim, Der verwaltungsrechtliche Nachbarschutz – eine unendliche Geschichte?, NJW 1985, S. 2302–2308. Masing, Johannes, Die Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts: Europäische Impulse für eine Revision der Lehre vom subjektiv-öffentlichen Recht, Berlin 1997. Masing, Johannes, Der Rechtsstatus des Einzelnen im Verwaltungsrecht, in: Wolfgang Hoffmann-Riem / ​Eberhard Schmidt-Aßmann / ​Andreas Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Methoden, Maßstäbe, Aufgaben, Organisation, Band I, 2. Aufl., München 2012, § 7. Mastroianni, Roberto / ​Pezza, Andrea, Striking the Right Balance: Limits on the Right to Bring an Action under Article 263(4) of the Treaty on the Function of the European Union, Am. U. Int’l L. Rev. 30 (2015), S. 743–794. Maurici, James / ​Moules, Richard, The influence of the Aarhus Convention on EU Environmental Law: Part 1, J. P. L. (2013), S. 1496–1512. Mayer, Franz C., Individualrechtsschutz im Europäischen Verfassungsrecht, DVBl 2004, S. 606–616.

Literaturverzeichnis

383

Mayer, Franz C., Wer soll Hüter der europäischen Verfassung sein?, AöR 129 (2004), S. 411–435. Mayer, Franz C., Europäisches Sprachenverfassungsrecht, Der Staat 44 (2005), S. 367–401. Mayer, Franz C., Art. 19 EUV (Juli 2010), in: Eberhard Grabitz / ​Meinhard Hilf / ​Martin Nettes­ heim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, EUV / ​AEUV, Kommentar, Loseblatt, 65. EL, München 2018. Mayer, Otto, Deutsches Verwaltungsrecht, Erster Band, Nachdruck der 1924 erschienenen 3. Aufl., Berlin 1969. McGillivray, Donald / ​Holder, Jane, Locating EC Environmental Law, YEL 20 (2001), S. ­139–171. Mehde, Veith, Verwaltungskontrolle als Daueraufgabe der Verwaltungsgerichtsbarkeit, Die Verwaltung 43 (2010), S. 379–404. Meissner, Claus / ​Schenk, Wolfgang, § 74 (September 2018), in: Friedrich Schoch / ​Jens-Peter Schneider / ​Wolfgang Bier (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, Loseblatt, 35. EL, München 2018. Mendez, Mario, Enforcement of EU Agreements: Bolstering the Effectiveness of Treaty Law?, CML Rev. 47 (2010), S. 1719–1756. Mendez, Mario, The Legal Effect of Community Agreements: Maximalist Treaty Enforcement and Judicial Avoidance Techniques, EJIL 21 (2010), S. 83–104. Mendez, Mario, The Legal Effects of EU Agreements: Maximalist Treaty Enforcement and Judicial Avoidance Techniques, 1. Aufl., Oxford 2013. Menger, Christian Friedrich, Zur Geschichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Deutschland, DÖV 1963, S. 726–729. Menger, Christian-Friedrich, System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes: Eine verwaltungsrechtliche und prozessvergleichende Studie, Tübingen 1954. Menger, Christian-Friedrich, Rechtssatz, Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit  – Prolegomena zu einer Lehre von den Möglichkeiten und Grenzen verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, DÖV 1955, S. 587–592. Merkl, Adolf, Die Rechtseinheit des österreichischen Staates: Eine staatsrechtliche Unter­ suchung auf Grund der Lehre von der lex posterior, AöR 37 (1918), S. 56–121. Merkl, Adolf, Prolegomena einer Theorie des rechtlichen Stufenbaus, in: Alfred Verdross (Hrsg.), Gesellschaft, Staat und Recht, Untersuchungen zur Reinen Rechtslehre, Wien 1931, S. 252–294. Mertens de Wilmars, Josse, Annulation et Appréciation de Validité dans le Traité CEE: Convergence ou Divergence?, in: Wilhelm G. Grewe / ​Hans Rupp / ​Hans Schneider (Hrsg.), Europäische Gerichtsbarkeit und nationale Verfassungsgerichtsbarkeit: Festschrift zum 70. Geburtstag von Hans Kutscher, Baden-Baden 1981, S. 283–300. Mestre, Jean-Louis, Staat, Verwaltung und Verwaltungsrecht: Frankreich, in: Armin von Bogdandy / ​Sabino Cassese / ​Peter Michael Huber (Hrsg.), Handbuch Ius Publicum Europaeum, Band III, Verwaltungsrecht in Europa: Grundlagen, Heidelberg 2010, § 43. Michael, Lothar, Fordert § 61 BNatSchG eine neue Dogmatik der Verbandsklagen?, Die Verwaltung 37 (2004), S. 35–49.

384

Literaturverzeichnis

Michl, Walther, Verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz in der Jacobs gap nach Maßgabe des Art. 19 I UAbs. 2 EUV, NVwZ 2014, S. 841–846. Mögele, Rudolf, Art. 216 AEUV, in: Rudolf Streinz (Hrsg.), EUV / ​AEUV, Vertrag über die Euro­päische Union und Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, Kommentar, 3. Aufl., München 2018. Moitinho de Almeida, José Carlos, Le recours en annulation des particuliers (article 173, deuxième alinéa, du traité CE): nouvelles réflexions sur l’expression „la concernent…indivi­ duellement“, in: Ole Due / ​Marcus Lutter / ​Jürgen Schwarze (Hrsg.), Festschrift für Ulrich Everling, Band I, 1. Aufl., Baden-Baden 1995, S. 849–874. Möllers, Christoph, Gewaltengliederung: Legitimation und Dogmatik im nationalen und internationalen Rechtsvergleich, Tübingen 2005. Möllers, Christoph, Die drei Gewalten: Legitimation der Gewaltengliederung in Verfassungsstaat, Europäischer Integration und Internationalisierung, 1. Aufl., Weilerswist 2008. Möllers, Christoph, Individuelle Legitimation: Wie rechtfertigen sich Gerichte?, in: Anna Geis / ​ Frank Nullmeier / ​Christopher Daase (Hrsg.), Der Aufstieg der Legitimitätspolitik: Rechtfertigung und Kritik politisch-ökonomischer Ordnungen, 1. Aufl., Baden-Baden 2012, S. 398–418. Monédiarie, Gérard, L’accès à la justice communautaire en matière d’environnement au m ­ irroir de la convention d’Aarhus, R. J. E. numéro spécial (1999), S. 63–75. Moolenaar, Thirza / ​Nóbrega, Sandra, Access to Justice: Environmental Non-Governmental Organisations According to the Aarhus Regulation, elni Review 2016, S. 76–84. Morand-Deviller, Jacqueline, Où va le droit de l’urbanisme et de l’environnement?, Rev. Adm. 51 (1998), S. 151–163. Morgera, Elisa, An Update on the Aarhus Convention and its Continued Global Relevance, ­RECIEL 14 (2005), S. 138–147. Müller, Friedrich / ​Christensen, Ralph, Juristische Methodik, Band II: Europarecht, 3. Aufl., Berlin 2012. Müller-Terpitz, Ralf, Beteiligungs- und Handlungsmöglichkeiten nichtstaatlicher Organisationen im aktuellen Völker- und Gemeinschaftsrecht, AVR 43 (2005), S. 466–493. Munding, Christoph-David, Das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz im Rechtssystem der Europäischen Union: Überlegungen zur Rechtsnatur und Quellenhermeneutik der unionalen Rechtsschutzgarantie sowie zur Wirksamkeit des Systems primären Individualrechtsschutzes gegen normative EG-Rechtsakte, Berlin 2010. Murswiek, Dietrich, Freiheit und Freiwilligkeit im Umweltrecht – Mehr Umweltschutz durch weniger Reglementierung?, JZ 1988, S. 985–993. Nehl, Hanns Peter, Wechselwirkungen zwischen verwaltungsverfahrensrechtlichem und gerichtlichem Individualrechtsschutz in der EG, in: Carsten Nowak / ​Wolfram Cremer (Hrsg.), Individualrechtsschutz in der EG und der WTO – Der zentrale und dezentrale Rechtsschutz natürlicher und juristischer Personen in der Europäischen Gemeinschaft und der Welt­ handelsorganisation, 1. Aufl., Baden-Baden 2002, S. 135–159.

Literaturverzeichnis

385

Nehl, Hanns Peter, Das EU-Rechtsschutzsystem, in: Ulrich Fastenrath / ​Carsten Nowak (Hrsg.), Der Lissabonner Reformvertrag: Änderungsimpulse in einzelnen Rechts- und Politikbereichen, Berlin 2009, S. 149–169. Nehl, Hanns Peter, Art. 47 GRC, in: Matthias Pechstein / ​Carsten Nowak / ​Ulrich Häde (Hrsg.), Frankfurter Kommentar EUV / ​GRC / ​AEUV, Bd.  I, Tübingen 2017. Neidhardt, Stephan, Nationale Rechtsinstitute als Bausteine europäischen Verwaltungsrechts: Rezeption und Wandel zwischen Konvergenz und Wettbewerb der Rechtsordnungen, Tübingen 2008. Nettesheim, Martin, Effektive Rechtsschutzgewährleistung im arbeitsteiligen System europäischen Rechtsschutzes, JZ 2002, S. 928–934. Nettesheim, Martin, Normenhierarchien im EU-Recht, EuR 2006, S. 737–772. Nettesheim, Martin, Subjektive Rechte im Unionsrecht, AöR 132 (2007), S. 333–392. Nettesheim, Martin, Art. 3 AEUV (Januar 2014), in: Eberhard Grabitz / ​Meinhard Hilf / ​Martin Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, EUV / ​AEUV, Kommentar, Loseblatt, 65. EL, München 2018. Niesler, André, Individualrechtsschutz im Verwaltungsprozess: Ein Beitrag zur Neujustierung des Rechtsschutzsystems der VwGO, Berlin 2012. Nihoul, Paul, La recevabilité des recours en annulation introduits par un particulier à l’encontre d’un acte communautaire de portée générale, RTD Eur. 30 (1994), S. 171–194. Nowak, Carsten, Zentraler und dezentraler Individualrechtsschutz in der EG im Lichte des gemeinschaftsrechtlichen Rechtsgrundsatzes effektiven Rechtsschutzes, in: Carsten Nowak / ​ Wolfram Cremer (Hrsg.), Individualrechtsschutz in der EG und der WTO – Der zentrale und dezentrale Rechtsschutz natürlicher und juristischer Personen in der Europäischen Gemeinschaft und der Welthandelsorganisation, 1. Aufl., Baden-Baden 2002, S. 47–79. Nowak, Carsten, Recht auf effektiven Rechtsschutz, in: F.  Sebastian M.  Heselhaus / ​Carsten ­Nowak (Hrsg.), Handbuch der europäischen Grundrechte, München 2006, § 51. Nowak, Carsten, Rechtsschutz im europäischen Verwaltungsrecht, in: Jörg Philipp Terhechte (Hrsg.), Verwaltungsrecht der Europäischen Union, 1. Aufl., Baden-Baden 2011, § 13. Oestreich, Gabriele, Individualrechtsschutz im Umweltrecht nach dem Inkrafttreten der Aarhus-Konvention und dem Erlass der Aarhus-Richtlinie, Die Verwaltung 39 (2006), S. 29–59. Ohler, Christoph, Art. 48 EUV (Juli 2017), in: Eberhard Grabitz / ​Meinhard Hilf / ​Martin Nettes­ heim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, EUV / ​AEUV, Kommentar, Loseblatt, 65. EL, München 2018. Oliver, Peter, Access to Information and to Justice in EU Environmental Law: The Aarhus Convention, Fordham Int’l L. J. 36 (2013), S. 1423–1470. Ottaviano, Marco, Der Anspruch auf rechtzeitigen Rechtsschutz im Gemeinschaftsprozessrecht, Tübingen 2009. Pabel, Katharina, The Right to an Effective Remedy Pursuant to Article II-107 Paragraph 1 of the Constitutional Treaty, German L. J. 6 (2005), S. 1601–1616.

386

Literaturverzeichnis

Pacteau, Bernard, Le contrôle de l’administration, Le contrôle par une juridiction administrative, Existence ou non d’une juridiction administrative, La conception française du contentieux administratif, Rev. Adm. 53 (2000), S. 91–105. Pallemaerts, Marc, Access to Environmental Justice at EU Level – Has the ‚Aarhus Regulation‘ Improved the Situation?, in: Marc Pallemaerts (Hrsg.), The Aarhus Convention at Ten: Inter­ actions and Tensions between Conventional International Law and EU Environmental Law, Groningen, Amsterdam 2011, S. 271–312. Pallemaerts, Marc, Introduction, in: Marc Pallemaerts (Hrsg.), The Aarhus Convention at Ten: Interactions and Tensions between Conventional International Law and EU Environmental Law, Groningen, Amsterdam 2011, S. 1–16. Paskalev, Vesco, Losing the Battle, but Winning the War? Standing to Challenge GMO Authorisations and other Acts Concerning the Environment, EJRR 8 (2017), S. 580–585. Payandeh, Mehrdad, Völkerrechtsfreundlichkeit als Verfassungsprinzip, JöR n. F. 57 (2009), S. 465–502. Pechstein, Matthias, Art. 48 EUV, in: Rudolf Streinz (Hrsg.), EUV / ​AEUV, Vertrag über die Euro­päische Union und Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, Kommentar, 3. Aufl., München 2018. Pechstein, Matthias / ​Görlitz, Niklas, Art. 263 AEUV, in: Matthias Pechstein / ​Carsten Nowak / ​ Ulrich Häde (Hrsg.), Frankfurter Kommentar EUV / ​GRC / ​AEUV, Bd. IV, Tübingen 2017. Pechstein, Matthias / ​Kubicki, Philipp, Art. 19 EUV, in: Matthias Pechstein / ​Carsten Nowak / ​Ulrich Häde (Hrsg.), Frankfurter Kommentar EUV / ​GRC / ​AEUV, Bd. I, Tübingen 2017. Pernice, Ingolf, Die Zukunft der Unionsgerichtsbarkeit  – Zu den Bedingungen einer nachhaltigen Sicherung effektiven Rechtsschutzes im Europäischen Verfassungsverbund, EuR 2011, S. 151–169. Pernice, Ingolf, The Right to Effective Judicial Protection and Remedies in the EU, in: Allan Rosas / ​Eglis Levits / ​Yves Bot (Hrsg.), The Court of Justice and the Construction of Europe: Analyses and Perspectives on Sixty Years of Case-law – La Cour de Justice et la Construction de l’Europe: Analyses et Perspectives de Soixante Ans de Jurisprudence, Den Haag 2013, S. 381–395. Pernice, Ingolf, Umweltvölker- und europarechtliche Vorgaben zum Verbandsklagerecht und das System des deutschen Verwaltungsrechtsschutzes. Beobachtungen zur Rechtsentwicklung im Mehrebenenverbund, JZ 2015, S. 967–973. Pernice-Warnke, Silvia, Der Zugang zu Gericht in Umweltangelegenheiten für Individual­ kläger und Verbände gemäß Art. 9 Abs. 3 Aarhus-Konvention und seine Umsetzung durch die ­europäische Gemeinschaft – Beseitigung eines Doppelstandards?, EuR 2008, S. 410–423. Pernice-Warnke, Silvia, Effektiver Zugang zu Gericht: Die Klagebefugnis für Individualkläger und Verbände in Umweltangelegenheiten unter Reformdruck, 1. Aufl., Baden-Baden 2009. Pernice-Warnke, Silvia, Die Europäisierung des Verwaltungsprozessrechts am Beispiel der Klagebefugnis im Umweltrecht, in: Roland Broemel / ​Paul Krell / ​Olaf Muthorst / ​Jens Prütting (Hrsg.), Prozessrecht in nationaler, europäischer und globaler Perspektive, Tübingen 2017, S. 289–305.

Literaturverzeichnis

387

Pernice-Warnke, Silvia, Verwaltungsprozessrecht unter Reformdruck – Regelungsspielärume des deutschen Gesetzgebers angesichts europäischer und internationaler Einflüsse auf den Rechtsschutz im Umweltrecht, DÖV 2017, S. 846–856. Peters, Anne, The Position of International Law within the European Community Legal Order, German Y. B.Int’l L. 40 (1997), S. 9–77. Petzold, Hans Arno, Individualrechtsschutz an der Schnittstelle zwischen deutschem und Gemeinschaftsrecht – Zugleich ein Beitrag zur Interpretation von Art. III-365 Abs. 4 VerfV, 1. Aufl., Baden-Baden 2008. Petzold, Hans Arno / ​Schmidt-Carstens, Nina, Immer noch: Offene Fragen zu Art. 263 Abs. 4 AEUV? – Anmerkung zum Urteil des EuGH v. 6.11.2018, verb. Rs. C-622/16 P bis C-624/16 P (Scuola Elementare Maria Montessori u. a. / ​Kommission), EuR 2019, S. 132–147. Pietzcker, Jost, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit als Kontrollinstanz, in: Eberhard Schmidt-Aßmann / ​Wolfgang Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, 1. Aufl., Baden-Baden 2001, S. 89–116. Pietzcker, Jost, Die Schutznormlehre: Verständnisse und Mißverständnisse, in: Otto Depenheuer / ​ Markus Heintzen / ​Matthias Jestaedt / ​Peter Axer (Hrsg.), Staat im Wort: Festschrift für Josef Isensee, Heidelberg 2007, S. 577–595. Pietzcker, Jost, VwGO § 79 (Oktober 2008), in: Friedrich Schoch / ​Jens-Peter Schneider / ​Wolfgang Bier (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, Loseblatt, 35. EL, München 2018. Pirker, Benedikt, Access to Justice in Environmental Matters and the Aarhus Convention’s Effects in the EU Legal Order: No Room for Nuanced Self-executing Effect?, RECIEL 25 (2016), S. 81–91. Poncelet, Charles, Access to Justice in Environmental Matters – Does the European Union Comply with its Obligations?, J. Envtl. L. 24 (2012), S. 287–310. Prek, Miro / ​Lefèvre, Silvère, La dimension „subjective“ de l’invocabilité des accords internationaux / ​The Subjective Dimension of the Invocability of International Agreements, in: ­Eleftheria Neframi / ​Mauro Gatti (Hrsg.), Constitutional Issues of EU External Relations Law, 1. Aufl., Baden-Baden 2018, S. 231–256. Pühs, Wolfgang, Der Vollzug von Gemeinschaftsrecht – Formen und Grenzen eines effektiven Gemeinschaftsrechtsvollzugs und Überlegungen zu seiner Effektuierung, Berlin 1997. Radbruch, Gustav, Einführung in die Rechtswissenschaft, Leipzig 1910. Rademacher, Timo, Realakte im Rechtsschutzsystem der Europäischen Union, Tübingen 2014. Radespiel, Liane, Zur unmittelbaren Wirkung von Art. 9 Abs. 3 der Aarhus-Konvention im Unionsrecht sowie zur Auslegung dieser Norm im Sinne eines effktiven gerichtlichen Rechtsschutzes, EurUP 2011, S. 238–240. Ramsauer, Ulrich, Wohin treibt das subjektive öffentliche Recht?, in: Wolfgang Ewer / ​Ulrich Ramsauer / ​Ulrich Reese / ​Rüdiger Rubel (Hrsg.), Methodik, Ordnung, Umwelt: Festschrift für Hans-Joachim Koch aus Anlass seines siebzigsten Geburtstags, Berlin 2014, S. 145–166.

388

Literaturverzeichnis

Rasmussen, Hjalte, Why is Article 173 Interpreted against Private Plaintiffs?, E. L.Rev. 5 (1980), S. 112–127. Rasquin, Gérard / ​Chevallier, Roger-Michel, L’article 173, alinéa 2 du Traité C. E. E., RTD Eur. 1966, S. 31–46. Raymond, Jean, En matière de défense de l’environnement: La qualité pour agir des associa­ tions et le recours pour excès de pouvoir, R. J. E. 16 (1991), S. 453–463. Rehbinder, Eckard, Das Vollzugsdefizit im Umweltrecht und das Umwelthaftungsrecht, Leipzig 1996. Rehbinder, Eckard, Rechtsschutz gegen Handlungen und Unterlassungen der Organe und Einrichtungen der Europäischen Gemeinschaft im Lichte der Aarhus-Konvention, in: Charlotte Gaitanides / ​Stefan Kadelbach / ​Gil Carlos (Hrsg.), Europa und seine Verfassung: Festschrift für Manfred Zuleeg zum siebzigsten Geburtstag, Baden-Baden 2005, S. 650–667. Rehbinder, Eckard, Zum Rechtsschutz Dritter im europäischen Chemikalienrecht, in: Jörn Ipsen / ​Bernhard Stüer (Hrsg.), Europa im Wandel: Festschrift für Hans-Werner Rengeling zum 70. Geburtstag am 25. Februar 2008, 1. Aufl., Köln u. a. 2008, S. 383–400. Rehbinder, Eckard, Die Aarhus-Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs und die Verbandsklage gegen Rechtsakte der Europäischen Union, EurUP 2012, S. 23–31. Rehbinder, Eckard / ​Burgbacher, Hans-Gerwin / ​Knieper, Rolf, Bürgerklage im Umweltrecht, Berlin 1972. Reiling, Michael, Interesse als Rechtsbegriff? – Zur Fragwurdigkeit abstrakter Interessenqualifikation als Basis subjektiv-offentlicher Rechte, DÖV 2004, S. 181–189. Reiling, Michael, Zu individuellen Rechten im deutschen und im Gemeinschaftsrecht: Ein Vergleich ihrer Gründe, Ermittlung und Durchsetzung, Berlin 2004. Reimer, Philipp, Verfahrenstheorie – Ein Versuch zur Kartierung der Beschreibungsangebote für rechtliche Verfahrensordnungen, Tübingen 2015. Renck, Ludwig, Zum Anwendungsbereich des Satzes „lex posterior derogat legi priori“, JZ 1970, S. 770–771. Rengeling, Hans-Werner, Rechtsgrundsätze beim Verwaltungsvollzug des europäischen Gemeinschaftsrechts: Zu den Grundlagen des Verwaltungsvollzuges sowie zur Theorie und Konkretisierung der Rechtsgrundsätze unter besonderer Berücksichtigung der Rechtsvergleichung, Köln u. a. 1977. Rengeling, Hans-Werner, Zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes im Europäischen Verwaltungsrecht, in: Michael Krautzberger / ​Hans-Werner Rengeling / ​Klaus Saerbeck (Hrsg.), Bau- und Fachplanungsrecht: Festschrift für Bernhard Stüer zum 65. Geburtstag, München 2013, S. 51–58. Rengeling, Hans-Werner, Effektiver Rechtsschutz in der Europäischen Union, in: Ulrich ­Becker / ​Armin Hatje / ​Michael Potacs / ​Nina Wunderlich (Hrsg.), Verfassung und Verwaltung in Europa: Festschrift für Jürgen Schwarze zum 70. Geburtstag, 1. Aufl., Baden-Baden 2014, S. 735–750. Rennert, Klaus, Funktionswandel der Verwaltungsgerichtsbarkeit?, DVBl 2015, S. 793–801.

Literaturverzeichnis

389

Rennert, Klaus, Funktionswandel der Verwaltungsgerichtsbarkeit unter dem Einfluss des Unionsrechts  – Umfang des Verwaltungsrechtsschutzes auf dem Prüfstand, Referat N zum 71. Deutschen Juristentag, in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages (Hrsg.), Verhandlungen des einundsiebzigsten Deutschen Juristentages in Essen 2016, München 2017. Rennert, Klaus, Verwaltungsrechtsschutz auf dem Prüfstand, DVBl 2017, S. 69–79. Riedel, Daniel, Rechtsschutz gegen Akte Europäischer Agenturen, EuZW 2009, S. 565–568. Riese, Otto, Über den Rechtsschutz innerhalb der Europäischen Gemeinschaften, EuR 1966, S. 24–54. Rodenhoff, Vera, The Aarhus Convention and its Implications for the ‚Institutions‘ of the European Community, RECIEL 11 (2002), S. 343–357. Rodenhoff, Vera, Die EG und ihre Mitgliedstaaten als völkerrechtliche Einheit bei umweltvölkerrechtlichen Übereinkommen, Baden-Baden 2008. Rodríguez Iglesias, Gil Carlos, L’évolution de l’architecture juridictionnelle de l’Union européenne, in: Allan Rosas / ​Eglis Levits / ​Yves Bot (Hrsg.), The Court of Justice and the Construction of Europe: Analyses and Perspectives on Sixty Years of Case-law – La Cour de Justice et la Construction de l’Europe: Analyses et Perspectives de Soixante Ans de Jurisprudence, Den Haag 2013, S. 37–48. Roer-Eide, Haakon / ​Eliantonio, Mariolina, The Meaning of Regulatory Act Explained: Are There Any Significant Improvements for the Standing of Non-Privileged Applicants in Annulment Actions, German L. J. 14 (2014), S. 1851–1866. Röhl, Hans Christian, Die anfechtbare Entscheidung nach Art. 230 Abs. 4 EGV, ZaöRV 2000, S. 331–366. Ruffert, Matthias, Subjektive Rechte im Umweltrecht der Europäischen Gemeinschaft, Heidelberg 1996. Ruffert, Matthias, Dogmatik und Praxis des subjektiv-öffentlichen Rechts unter dem Einfluß des Gemeinschaftsrechts, DVBl 1998, S. 69–74. Ruffert, Matthias, Europäisiertes Allgemeines Verwaltungsrecht im Verwaltungsverbund, Die Verwaltung 41 (2008), S. 543–570. Ruffert, Matthias, Verwaltungsrecht im Europäischen Verwaltungsverbund, Die Verwaltung 48 (2015), S. 547–572. Ruffert, Matthias, Art. 288 AEUV, in: Christian Calliess / ​Matthias Ruffert (Hrsg.), EUV / ​AEUV, Kommentar, 5. Aufl., München 2016. Ruffert, Matthias, Art. 291 AEUV, in: Christian Calliess / ​Matthias Ruffert (Hrsg.), EUV / ​AEUV, Kommentar, 5. Aufl., München 2016. Ruffert, Matthias, Art. 298 AEUV, in: Christian Calliess / ​Matthias Ruffert (Hrsg.), EUV / ​AEUV, Kommentar, 5. Aufl., München 2016. Rupp, Hans Heinrich, Kritische Bemerkungen zur Klagebefugnis im Verwaltungsprozeß, DVBl 1982, S. 144–148.

390

Literaturverzeichnis

Rupp, Hans Heinrich, Unsicherheiten zum Thema des subjektiven öffentlichen Rechts, in: ­Michael Brenner / ​Peter Michael Huber / ​Markus Möstl (Hrsg.), Der Staat des Grundgesetzes – Kontinuität im Wandel: Festschrift für Peter Badura zum siebzigsten Geburtstag, Tübingen 2004, S. 995–1007. Ruthig, Josef, Die Konzeption des subjektiven öffentlichen Rechts im Gemeinschaftsrecht, in: Winfried Kluth / ​Klaus Rennert (Hrsg.), Entwicklungen im Verwaltungsprozessrecht – Klage­befugnis, In-camera-Verfahren, Rechtsmittelrecht, Halle an der Saale 2009, S. 35–52. Ryngaert, Cedric, The Responsibility of Member States in Connection with Acts of International Organizations: Assessing the Recent Case Law of the European Court of Human Rights, ICLQ 60 (2011), S. 997–1016. Ryngaert, Cedric / ​Buchanan, Holly, Member State responsibility for the acts of international organizations, Utrecht L. Rev. 7 (2011), S. 131–146. Sachs, Michael, Grundsatzfragen der Effektivität des Rechtsschutzes, in: Wilfried Erbguth (Hrsg.), Effektiver Rechtsschutz im Umweltrecht? Stand, aktuelle Entwicklungen, Perspektiven – Rostocker Umweltrechtstag 2004, Baden-Baden 2005, S. 15–28. Sachs, Michael, § 51 VwVfG, in: Paul Stelkens / ​Heinz Joachim Bonk / ​Michael Sachs (Hrsg.), Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Aufl., München 2018. Sachverständigenrat für Umweltfragen, Rechtsschutz für die Umwelt – die altruistische Verbandsklage ist unverzichtbar, Stellungnahme Nr. 5, 2005. de Sadeleer, Nicolas, Commentaire J.  Mégret: Environnement et marché intérieur, 3. Aufl., Brüssel 2010. de Sadeleer, Nicolas / ​Poncelet, Charles, Protection against Acts Harmful to Human Health and the Environment Adopted by the EU Institutions, CYELS 14 (2011–2012), S. 177–208. de Sadeleer, Nicolas / ​Poncelet, Charles, Contestation des actes des institutions de l’Union ­européenne à l’épreuve de la Convention d’Århus, RTD Eur. 2013, S. 7–34. Safjan, Marek / ​Düsterhaus, Dominik, A Union of Effective Judicial Protection: Addressing a Multi-level Challenge through the Lens of Article 47 CFREU, YEL 33 (2014), S. 3–40. Sailer, Christian, Subjektives Recht und Umweltschutz, DVBl 1976, S. 521–532. Sartoretti, Claudia, The Aarhus-Convention Between Protection of Human Rights and Protection of the Environment, in: Eva Julia Lohse / ​Margherita Poto (Hrsg.), Participatory Rights in the Environmental Decision-Making Process and the Implementation of the Aarhus Convention: a Comparative Perspective, Berlin 2015, S. 45–57. von Sarwey, Otto, Das öffentliche Recht und die Verwaltungsrechtspflege, Tübingen 1880. Sauer, Heiko, Die innergemeinschaftlichen Wirkungen von WTO-Streitbeilegungsentscheidungen – Begriffliche und dogmatische Klärungen, EuR 2004, S. 463–477. Sauer, Heiko, Die neue Schlagkraft der gemeineuropäischen Grundrechtsjudikatur: Zur Bindung deutscher Gerichte an die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, ZaöRV 2005, S. 35–69. Sauer, Heiko, Jurisdiktionskonflikte in Mehrebenensystemen: Die Entwicklung eines ­Modells zur Lösung von Konflikten zwischen Gerichten unterschiedlicher Ebenen in vernetzten Rechtsordnungen, 1. Aufl., Berlin, Heidelberg 2008.

Literaturverzeichnis

391

Sauer, Heiko, Das Recht der Vereinten Nationen in der Europäischen Union, in: Christina Binder / ​Claudia Fuchs / ​Matthias Goldmann / ​Thomas Kleinlein / ​Konrad Lachmayer (Hrsg.), Völkerrecht im innerstaatlichen Bereich – Treffen des Arbeitskreises junger Völkerrechtswissenschaftler/-innen in Wien 2008, Wien 2010, S. 19–48. Saurer, Johannes, Individualrechtsschutz gegen das Handeln der Europäischen Agenturen, EuR 2010, S. 51–67. Saurer, Johannes, Der Einzelne im europäischen Verwaltungsrecht: Die institutionelle Aus­ differenzierung der Verwaltungsorganisation der Europäischen Union in individueller Perspektive, 1. Aufl., Tübingen 2014. Saurer, Johannes, Neue Entwicklungen bei der Vollzugskontrolle im europäischen Umweltrecht, EurUP 2016, S. 78–89. Scharl, Anna Ingeborg, Schutznormtheorie – Historische Entwicklung und Hintergründe, Berlin 2018. Schenderlein, Kristin, Rechtsschutz und Partizipation im Umweltrecht: Europa- und völkerrechtliche Bürgerfreundlichkeit versus nationale Verfahrensbeschleunigung – insbesondere zur Aarhus-Konvention, Marburg 2013. Schenke, Ralf P., Der Rechtsschutz gegen Europol auf dem Prüfstein des Art. 47 GRCh, in: Eric Hilgendorf / ​Frank Eckert (Hrsg.), Subsidiarität – Sicherheit – Solidarität, Festgabe für Franz-Ludwig Knemeyer zum 75. Geburtstag, Würzburg 2012, S. 365–382. Schenke, Wolf-Rüdiger, § 74, in: Ferdinand O. Kopp / ​Wolf-Rüdiger Schenke (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 24. Aufl., München 2018. Scherer, Joachim / ​Zuleeg, Manfred, Verwaltungsgerichtsbarkeit, in: Michael Schweitzer (Hrsg.), Europäisches Verwaltungsrecht, Wien 1991, S. 197–240. Scherzberg, Arno, Grundlagen und Typologie des subjektiv-öffentlichen Rechts, DVBl 1988, S. 129–134. Scheuner, Ulrich, Der Einfluß des französischen Verwaltungsrechts auf die deutsche Rechtsentwicklung, DÖV 1963, S. 714–719. Scheyli, Martin, Aarhus-Konvention über Informationszugang, Öffentlichkeitsbeteiligung und Rechtsschutz in Umweltbelangen, AVR 38 (2000), S. 217–252. Schiemann, Konrad, Locus standi, P. L. 1990, S. 342–353. Schikhof, Silvia, Direct and Individual Concern in Environmental Cases: The Barriers to Prospective Litigants, EELR 1998, S. 276–281. Schilcher, Bernd, Starke und schwache Rechte – Überlegungen zu einer Theorie der subjektiven Rechte, in: Peter Rummel / ​Helmut Koziol (Hrsg.), Im Dienste der Gerechtigkeit: Festschrift für Franz Bydlinski, Wien 2002, S. 353–391. Schindler, Benjamin, Verwaltungsermessen: Gestaltungskompetenzen der öffentlichen Verwaltung in der Schweiz, Zürich, St. Gallen 2010. Schink, Alexander, Der slowakische Braunbär und der deutsche Verwaltungsprozess – Anmerkungen zur jüngsten Rechtsprechung des EuGH, DÖV 2012, S. 622–630.

392

Literaturverzeichnis

Schlacke, Sabine, Überindividueller Rechtsschutz: Phänomenologie und Systematik überindividueller Klagebefugnisse im Verwaltungs- und Gemeinschaftsrecht, insbesondere am Beispiel des Umweltrechts, Tübingen 2008. Schlacke, Sabine, Rechtsbehelfe im Umweltrecht, in: Sabine Schlacke / ​Christian Schrader / ​ T ­ homas Bunge (Hrsg.), Informationsrechte, Öffentlichkeitsbeteiligung und Rechtsschutz im Umweltrecht: Aarhus-Handbuch, Berlin 2010, § 3. Schlacke, Sabine, Rechtsschutz durch europäische und nationale Gerichte unter Einschluss des Europäischen Bürgerbeauftragten in seiner Funktion zur Sicherung des Informationszugangs, UTR 108 (2011), S. 271–302. Schlacke, Sabine, Stärkung überindividuellen Rechtsschutzes zur Durchsetzung des Umweltrechts – zugleich Anmerkung zu EuGH, Urteil vom 8. März 2011 – Rs. C-240/09, ZUR 2011, S. 312–317. Schlacke, Sabine, Zur fortschreitenden Europäisierung des (Umwelt-)Rechtsschutzes – Schutznormdoktrin und Verfahrensfehlerlehre erneut unter Anpassungsdruck, NVwZ 2014, S. ­11–18. Schlacke, Sabine, (Auf)Brüche des Öffentlichen Rechts: von der Verletztenklage zur Interessentenklage, DVBl 2015, S. 929–937. Schlacke, Sabine, Klagebefugnis anerkannter Umweltverbände gegen Flugroutenfestlegung: Keine UVP bei Festlegung der Flugrouten, Besprechung von BVerwG, Urt. v. 12.11.2014 – 4 C 34/13, NVwZ 2015, S. 563–565. Schlacke, Sabine, Die Novelle des UmwRG 2017, NVwZ 2017, S. 905–912. Schlacke, Sabine, Die jüngste Novellierung des UmwRG zur Umsetzung der Vorgaben der ­Aarhus-Konvention, EurUP 2018, S. 127–142. Schlacke, Sabine, Nach § 42 VwGO Überindividueller Rechtsschutz im Verwaltungsprozess, in: Klaus Ferdinand Gärditz (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), Kommentar, 2. Aufl., Köln 2018. Schlecht, Anna-Maria, Die Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern im deutschen Umweltrecht: Einwirkungen der Aarhus-Konvention und des Gemeinschaftsrechts auf die Grenzen gerichtlicher Kontrolle, Berlin 2010. Schlochauer, Hans-Jürgen, Die Gerichtsbarkeit der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, AVR 3 (1952), S. 385–414. Schmalenbach, Kristin, International Organizations or Institutions, General Aspects (July 2014), in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), Max Planck Encyclopedia of Public International Law, Heidelberg, Oxford. Schmalenbach, Kristin, Art. 216 AEUV, in: Christian Calliess / ​Matthias Ruffert (Hrsg.), EUV / ​ AEUV, Kommentar, 5. Aufl., München 2016. Schmidt, Karsten, Klagebefugnis und Beschwerdebefugnis verfahrensbeteiligter Dritter im europäischen und nationalen Kartellrecht, in: Jürgen F. Baur / ​Klaus J. Hopt / ​K. Peter Mailänder (Hrsg.), Festschrift für Ernst Steindorff zum 70. Geburtstag am 13. März 1990, Berlin, New York 1990, S. 1085–1106.

Literaturverzeichnis

393

Schmidt-Aßmann, Eberhard, Funktionen der Verwaltungsgerichtsbarkeit, in: Hans-Uwe Erichsen / ​Werner Hoppe / ​Albert von Mutius (Hrsg.), System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes: Festschrift für Christian-Friedrich Menger zum 70. Geburtstag, Köln, Berlin, Bonn, München 1985, S. 107–123. Schmidt-Aßmann, Eberhard, Deutsches und europäisches Verwaltungsrecht – Wechselseitige Einwirkungen, DVBl 1993, S. 924–936. Schmidt-Aßmann, Eberhard, Zur Reform des Allgemeinen Verwaltungsrechts – Reformbedarf und Reformansätze, in: Wolfgang Hoffmann-Riem / ​Eberhard Schmidt-Aßmann / ​Gunnar Folke Schuppert (Hrsg.), Reform des allgemeinen Verwaltungsrechts: Grundfragen, 1. Aufl., Baden-Baden 1993, S. 11–63. Schmidt-Aßmann, Eberhard, Empfiehlt es sich, das System des Rechtsschutzes und der Gerichtsbarkeit in der Europäischen Gemeinschaft weiterzuentwickeln?, JZ 1994, S. 832–840. Schmidt-Aßmann, Eberhard, Einleitung: Der Europäische Verwaltungsverbund und die Rolle des Europäischen Verwaltungsrechts, in: Eberhard Schmidt-Aßmann / ​Bettina Schöndorf-​ Haubold (Hrsg.), Der Europäische Verwaltungsverbund: Formen und Verfahren der Verwaltungszusammenarbeit in der EU, Tübingen 2005, S. 1–23. Schmidt-Aßmann, Eberhard, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee: Grundlagen und Aufgaben der verwaltungsrechtlichen Systembildung, 2. Aufl., Berlin, Heidelberg 2006. Schmidt-Aßmann, Eberhard, Verwaltungsverfahren und Verwaltungskultur, NVwZ 2007, S. ­40–44. Schmidt-Aßmann, Eberhard, Der Kohärenzgedanke in den EU-Verträgen: Rechtssatz, Programmsatz oder Beschwörungsformel?, in: Ivo Appel / ​Georg Hermes / ​Christoph Schönberger (Hrsg.), Öffentliches Recht im offenen Staat: Festschrift für Rainer Wahl zum 70. Geburtstag, Berlin 2011, S. 819–835. Schmidt-Aßmann, Eberhard, Verfassungsprinzipen für den Europäischen Verwaltungsverbund, in: Wolfgang Hoffmann-Riem / ​Eberhard Schmidt-Aßmann / ​Andreas Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Methoden, Maßstäbe, Aufgaben, Organisation, Band I, 2. Aufl., München 2012, § 5. Schmidt-Aßmann, Eberhard, „Gemeinwohl im Prozess“, in: Michael Anderheiden / ​Rainer Keil / ​ Stephan Kirste / ​Jan Philipp Schaefer (Hrsg.), Verfassungsvoraussetzungen: Gedächtnisschrift für Winfried Brugger, Tübingen 2013, S. 411–427. Schmidt-Aßmann, Eberhard, Verwaltungsrechtliche Dogmatik: Eine Zwischenbilanz zu Entwicklung, Reform und künftigen Aufgaben, Tübingen 2013. Schmidt-Aßmann, Eberhard, Kohärenz und Konsistenz des Verwaltungsrechtsschutzes: Herausforderungen angesichts vernetzter Verwaltungen und Rechtsordnungen, Tübingen 2015. Schmidt-Aßmann, Eberhard, Art. 19 Abs. 4 GG (Juli 2014), in: Roman Herzog / ​Matthias Herdegen / ​Rupert Scholz / ​Hans H. Klein (Hrsg.), Maunz / ​Dürig, Grundgesetz, Kommentar, Lose­ blatt, 85. EL, München 2018. Schmidt-Preuß, Matthias, Gegenwart und Zukunft des Verfahrensrechts, NVwZ 2005, S. ­489–496.

394

Literaturverzeichnis

Schmidt-Preuß, Matthias, Die Konfliktschlichtungsformel: Zur Neubegründung des subjektiven öffentlichen Rechts, in: Peter Baumeister / ​Wolfgang Roth / ​Josef Ruthig (Hrsg.), Staat, Verwaltung und Rechtsschutz: Festschrift für Wolf-Rüdiger Schenke zum 70. Geburtstag, Berlin 2011, S. 1167–1185. Schoch, Friedrich, Individualrechtsschutz im deutschen Umweltrecht unter dem Einfluß des Gemeinschaftsrechts, NVwZ 1999, S. 457–467. Schoch, Friedrich, Die Europäisierung des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, Berlin, New York 2000. Schoch, Friedrich, Die Europäisierung des Verwaltungsprozessrechts, in: Eberhard Schmidt-­ Aßmann / ​Dieter Sellner / ​Günter Hirsch / ​Gerd-Heinrich Kemper / ​Hinrich Lehmann-Grube (Hrsg.), Festgabe 50 Jahre Bundesverwaltungsgericht, Köln, Berlin, Bonn, München 2003, S. 507–533. Schoch, Friedrich, Gerichtliche Verwaltungskontrollen, in: Wolfgang Hoffmann-Riem / ​Eberhard Schmidt-Aßmann / ​Andreas Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts: Personal, Finanzen, Kontrolle, Sanktionen, Staatliche Einstandspflichten, Band III, 2. Aufl., München 2013, § 50. Schoch, Friedrich, Verwaltungsgerichtsbarkeit, quo vadis?, VBlBW 2013, S. 361–370. Scholz, Rupert, Individualer oder kollektiver Rechtsschutz? Zum Verfassungsproblem der Zulassung von Sammel-, Gruppen- und Verbandsklagen, ZG 2003, S. 248–263. Schönberger, Christoph, Normenkontrollen im EG-Föderalismus: Die Logik gegenläufiger Hierarchisierungen im Gemeinschaftsrecht, EuR 2003, S. 600–627. Schoukens, Hendrik, Access to Justice in Environmental Matters on the EU Level after the Judge­ments of the General Court of 14 June 2012: Between Hope and Denial?, NMT 2014, S. 7–42. Schoukens, Hendrik, Access to Justice in Environmental Cases After the Rulings of the Court of Justice of 13 January 2015: Kafka Revisited?, Utrecht J. Int. Eur. Law 31 (2015), S. 46–67. Schoukens, Hendrik, Articles 9(3) and 9(4) of the Aarhus Convention and Access to Justice before EU Courts in Environmental Cases: Balancing On or Over the Edge of Non-Compliance?, Eur. Energy & Envtl. L. Rev. 25 (2016), S. 178–195. Schreiber, Stefanie, Verwaltungskompetenzen der Europäischen Gemeinschaft, 1. Aufl., ­Baden-Baden 1997. Schröder, Meinhard, Postulate und Konzepte zur Durchsetzbarkeit und Durchsetzung der EG-Umweltpolitik, NVwZ 2006, S. 389–395. Schröder, Meinhard, Neuerungen im Rechtsschutz der Europäischen Union durch den Vertrag von Lissabon, DÖV 2009, S. 61–66. Schulev-Steindl, Eva, Subjektive Rechte: Eine rechtstheoretische und dogmatische Analyse am Beispiel des Verwaltungsrechts, Wien 2008. Schulte, Ellen, Individualrechtsschutz gegen Normen im Gemeinschaftsrecht, Berlin 2005. Schulze-Fielitz, Helmuth, Art. 19 IV, in: Horst Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. I, 3. Aufl., Tübingen 2013.

Literaturverzeichnis

395

Schuster, Ulrike, Das Kohärenzprinzip in der Europäischen Union, Baden-Baden 2017. Schwarze, Jürgen, Grundlinien und neuere Entwicklungen des Verwaltungsrechtsschutzes in Frankreich und Deutschland, NVwZ 1996, S. 22–29. Schwarze, Jürgen, Europäische Rahmenbedingungen für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, NVwZ 2000, S. 241–252. Schwarze, Jürgen, Die Wahrung des Rechts als Aufgabe und Verantwortlichkeit des Europäischen Gerichtshofs, in: Joachim Bohnert / ​Christof Gramm / ​Urs Kindhäuser / ​Joachim Lege / ​ Alfred Rinken / ​Gerhard Robbers (Hrsg.), Verfassung – Philosophie – Kirche: Festschrift für Alexander Hollerbach zum 70. Geburtstag, Berlin 2001, S. 169–191. Schwarze, Jürgen, Der Rechtsschutz Privater vor dem Europäischen Gerichtshof: Grundlagen, Entwicklungen und Perspektiven des Individualrechtsschutzes im Gemeinschaftsrecht, DVBl 2002, S. 1297–1315. Schwarze, Jürgen, Europäisches Verwaltungsrecht: Entstehung und Entwicklung im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft, 2. Aufl., Baden-Baden 2005. Schwarze, Jürgen, Die Neuerungen auf dem Gebiet des Europäischen Verwaltungsrechts durch den Vertrag von Lissabon, in: Ivo Appel / ​Georg Hermes / ​Christoph Schönberger (Hrsg.), Öffentliches Recht im offenen Staat: Festschrift für Rainer Wahl zum 70. Geburtstag, Berlin 2011, S. 837–849. Schwarze, Jürgen / ​Voet van Vormizeele, Philipp, Art. 263 AEUV, in: Ulrich Becker / ​Armin Hatje / ​ Johann Schoo / ​Jürgen Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 4. Aufl., Baden-Baden 2019. Schwarze, Jürgen / ​Wunderlich, Nina, Art. 19 EUV, in: Ulrich Becker / ​Armin Hatje / ​Johann Schoo / ​Jürgen Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 4. Aufl., Baden-Baden 2019. Schwarze, Jürgen / ​Wunderlich, Nina, Art. 267 AEUV, in: Ulrich Becker / ​Armin Hatje / ​Johann Schoo / ​Jürgen Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 4. Aufl., Baden-Baden 2019. Schwerdtfeger, Angela, Der deutsche Verwaltungsrechtsschutz unter dem Einfluss der Aarhus-Konvention: Zugleich ein Beitrag zur Fortentwicklung der subjektiven öffentlichen Rechte unter besonderer Berücksichtigung des Gemeinschaftsrechts, Tübingen 2010. Seelig, Robert / ​Gündling, Benjamin, Die Verbandsklage im Umweltrecht  – Aktuelle Entwicklungen und Zukunftsperspektiven im Hinblick auf die Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes und supranationale und internationale rechtliche Vorgaben, NVwZ 2002, S. 1033–1041. Seibert, Max-Jürgen, Verbandsklagen im Umweltrecht. Aktueller Stand, Perspektiven und praktische Probleme, NVwZ 2013, S. 1040–1049. Seibert, Max-Jürgen, Die gerichtliche Kontrolle von Verfahrensvorschriften nach § 4 UmwRG, NVwZ 2019, S. 337–344. Seifert, Ulrich, Fortschritte beim Rechtsschutz in Umweltangelegenheiten nach Art. 9 Abs. 3 Aarhus-Konvention?  – Jüngste Lösungsansätze von EuGH und BVerwG, ZEuS 2016, S. ­49–84. Shelton, Dinah, Human Rights, Environmental Rights, and the Right to Environment, Stanford J. lnt’I L. 28 (1991), S. 103–138.

396

Literaturverzeichnis

Sheplyakova, Tatjana, Das Klagerecht und die Prozeduralisierung des Rechts, in: Tatjana ­Sheplyakova (Hrsg.), Prozeduralisierung des Rechts, Tübingen 2018, S. 191–228. Siegel, Thorsten, Entscheidungsfindung im Verwaltungsverbund: Horizontale Entscheidungsvernetzung und vertikale Entscheidungsstufung im nationalen und europäischen Verwaltungsverbund, Tübingen 2009. Siegel, Thorsten, Das Gleichgewicht der Gewalten in der Bundesrepublik Deutschland und in der Europäischen Gemeinschaft, DÖV 2010, S. 1–11. Siegel, Thorsten, Europäisierung des Öffentlichen Rechts: Rahmenbedingungen und Schnittstellen zwischen dem Europarecht und dem nationalen (Verwaltungs-)Recht, Tübingen 2012. Skouris, Vassilios, Stellung und Bedeutung des Vorabentscheidungsverfahrens im europäischen Rechtsschutzsystem, EuGRZ 2008, S. 343–349. Skouris, Vassilios, Auswirkungen der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs auf die Funktion der deutschen Verwaltungsgerichtsbarkeit – Zur Reichweite des Urteils des EuGH vom 15.10.2015 in der Rechtssache C-137/14, DVBl 2016, S. 937–943. Skouris, Wassilios, Verletztenklagen und Interessentenklagen im Verwaltungsprozess: Eine rechtsvergleichende Studie zur Anfechtungslegitimation des Bürgers, Köln 1979. Snyder, Francis, The Gatekeepers: The European Courts and WTO Law, CML Rev. 40 (2003), S. 313–367. Sobotta, Christoph, Anmerkung zu EuGH, Urt. v. 20.12.2017, Rs. C-664/15 (Protect Natur-, Arten- und Landschaftsschutz Umweltorganisation / ​Bezirkshauptmannschaft Gmünd), EuZW 2018, S. 158–166. Sommermann, Karl-Peter, Völkerrechtlich garantierte Menschenrechte als Maßstab der Verfassungskonkretisierung – Die Menschenrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes, AöR 114 (1989), S. 391–422. Sommermann, Karl-Peter, Konvergenzen im Verwaltungsverfahrens- und Verwaltungsprozeßrecht europäischer Staaten, DÖV 2002, S. 133–143. Sommermann, Karl-Peter, Entwicklungsperspektiven der Verwaltungsgerichtsbarkeit, in: KarlPeter Sommermann / ​Bert Schaffarzik (Hrsg.), Handbuch der Geschichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Deutschland und Europa, Berlin 2019, S. 1991–2014. Sommermann, Karl-Peter, Entwicklungspfade europäischer Verwaltungsgerichtsbarkeit, in: Karl-Peter Sommermann / ​Bert Schaffarzik (Hrsg.), Handbuch der Geschichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Deutschland und Europa, Berlin 2019, S. 1735–1770. Sparwasser, Reinhard, Gerichtlicher Rechtsschutz im Umweltrecht, in: Klaus-Peter Dolde (Hrsg.), Umweltrecht im Wandel: Bilanz und Perspektiven aus Anlass des 25-jährigen Bestehens der Gesellschaft für Umweltrecht (GfU), Berlin 2001, S. 1017–1054. Stahl, Jacques-Henri, La saisine du juge administratif: procédure préalable et conditions de recevabilité, Rev. Adm. 52 (1999), S. 98–102. Steiger, Dominik, Entgrenzte Gerichte? Die Ausweitung des subjektiven Rechts und der richterlichen Kontrollbefugnisse, VerwArch 107 (2016), S. 497–535.

Literaturverzeichnis

397

Stein, Eric / ​Vining, G. Joseph, Citizen Acces to Judicial Review of Administrative Action in a Transnational and Federal Context, in: Francis Jacobs (Hrsg.), European Law and the Individual, Amsterdam, New York, Oxford 1976, S. 113–143. Steinbeiß-Winkelmann, Christine, Europäisierung des Verwaltungsrechtsschutzes – Anmerkungen zu einer „unendlichen Geschichte“, NJW 2010, S. 1233–1238. Steinberg, Rudolf, Fortentwicklung des verwaltungsgerichtlichen Umweltschutzes, ZUR 1999, S. 126–130. Steindorff, Ernst, Die Nichtigkeitsklage (Le recours pour excès de pouvoir) im Recht der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl: Ein rechtsvergleichender Beitrag zur verwaltungsgerichtlichen Kontrolle der Hohen Behörde, Frankfurt am Main 1952. Stelkens, Ulrich, § 35 VwVfG, in: Paul Stelkens / ​Heinz Joachim Bonk / ​Klaus Leonhardt / ​ M ­ ichael Sachs / ​Heribert Schmitz (Hrsg.), Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Aufl., München 2018. Stoll, Peter-Tobias / ​Rigod, Boris, Art. 277 AEUV (Mai 2013), in: Eberhard Grabitz / ​Meinhard Hilf / ​Martin Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, EUV / ​AEUV, Kommentar, Loseblatt, 65. EL, München 2018. Stone, Christopher D., Should Trees Have Standing – Toward Legal Rights for Natural Objects, S. Cal. L. Rev. 45 (1972), S. 450–501. Storost, Ulrich, Zur Ableitbarkeit von Individualrechten aus EU-Richtlinien zum Umweltschutz, in: Wolfgang Ewer / ​Ulrich Ramsauer / ​Ulrich Reese / ​Rüdiger Rubel (Hrsg.), Methodik, Ordnung, Umwelt: Festschrift für Hans-Joachim Koch aus Anlass seines siebzigsten Geburtstags, Berlin 2014, S. 167–180. Storskrubb, Eva / ​Ziller, Jacques, Access to Justice in European Comparative Law, in: Francesco Francioni (Hrsg.), Access to Justice as a Human Right, Oxford, New York 2007, S. 177–203. Stotz, Rüdiger, Rechtsschutz vor europäischen Gerichten, in: Hans-Werner Rengeling (Hrsg.), Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht (EUDUR), Bd. I, 2. Aufl., Köln, Berlin, Bonn, München 2003, § 45. Stotz, Rüdiger, Die Rechtsprechung des EuGH, in: Karl Riesenhuber (Hrsg.), Europäische Methodenlehre, 3. Aufl., Berlin, München, Boston 2015, § 22. Stotz, Rüdiger, P. I.  Direkte Klagen (April 2013), in: Manfred A.  Dauses / ​Markus Ludwigs (Hrsg.), Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Loseblatt, 46. EL, München 2019. Streckert, Oliver, Verwaltungsinterner Unionsrechtsschutz: Kohärenter Rechtsschutz durch Einführung eines Widerspruchskammermodells für die Europäische Kommission, Tübingen 2016. Streinz, Rudolf, Primär- und Sekundärrechtsschutz im Öffentlichen Recht, VVDStRL 61 (2001), S. 300–361. Streinz, Rudolf, Individualrechtsschutz im Kooperationsverhältnis, EuZW 2014, S. 17–21. Streinz, Rudolf, Art. 4 EUV, in: Rudolf Streinz (Hrsg.), EUV / ​AEUV, Vertrag über die Europäische Union und Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, Kommentar, 3. Aufl., München 2018.

398

Literaturverzeichnis

Streinz, Rudolf, Art. 47 GRCh, in: Rudolf Streinz (Hrsg.), EUV / ​AEUV, Vertrag über die Europäische Union und Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, Kommentar, 3. Aufl., München 2018. Subramanian, Sujitha, EU Obligation to the TRIPS Agreement: EU Microsoft Decision, EJIL 21 (2010), S. 997–1023. Sydow, Gernot, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit des ausgehenden 19. Jahrhunderts: Eine Quellenstudie zu Baden, Württemberg und Bayern, Heidelberg 2000. Sydow, Gernot, Verwaltungskooperation in der Europäischen Union: Zur horizontalen und vertikalen Zusammenarbeit der europäischen Verwaltungen am Beispiel des Produktzu­ lassungsrechts, Tübingen 2004. Sydow, Gernot, Vollzug des europäischen Unionsrechts im Wege der Kooperation nationaler und europäischer Behörden, DÖV 2006, S. 66–71. Sydow, Gernot / ​Neidhardt, Stephan, Verwaltungsinterner Rechtsschutz: Möglichkeiten und Grenzen in rechtsvergleichender Perspektive, Baden-Baden 2007. Tanzi, Attila / ​Pitea, Cesare, The Interplay between EU Law and International Law Procedures in Controlling Compliance with the Aarhus Convention by EU Member States, in: Marc Palle­maerts (Hrsg.), The Aarhus Convention at Ten: Interactions and Tensions between Conventional International Law and EU Environmental Law, Groningen, Amsterdam 2011, S. 367–382. Thalmann, Peter, Nichtigkeitsklagen gegen Rechtsakte mit Verordnungscharakter – Zur Stärkung des Individualrechtsschutzes durch den Vertrag von Lissabon, 1. Aufl., Baden-­Baden 2011. Thiele, Alexander, Individualrechtsschutz vor dem Europäischen Gerichtshof durch die Nichtigkeitsklage, Baden-Baden 2006. Thiele, Alexander, Das Rechtsschutzsystem nach dem Vertrag von Lissabon – (K)ein Schritt nach vorn?, EuR 2010, S. 30–51. Thoma, Richard, Über die Grundrechte im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, in: Hermann Wandersleb (Hrsg.), Recht – Staat – Wirtschaft, Bd. 3, Düsseldorf 1951, S. 9–19. Thomy, Patricia, Individualrechtsschutz durch das Vorabentscheidungsverfahren, 1. Aufl., ­Baden-Baden 2009. Tietje, Christian, Internationalisiertes Verwaltungshandeln, Berlin 2001. Tietje, Christian, Internationalisiertes Verwaltungshandeln, Rechtstheorie 39 (2008), S. ­255–276. Tohidipur, Timo, Europäische Gerichtsbarkeit im Institutionensystem der EU: Zu Genese und Zustand justizieller Konstitutionalisierung, 1. Aufl., Baden-Baden 2008. Tomuschat, Christian, Staatsrechtliche Entscheidung für die internationale Offenheit, in: Josef Isensee / ​Paul Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band XI, 3. Aufl., Heidelberg 2013, § 226. Tonne, Michael, Effektiver Rechtsschutz durch staatliche Gerichte als Forderung des Europäischen Gemeinschaftsrechts, Köln, Berlin, Bonn, München 1997.

Literaturverzeichnis

399

Torrens, Diana L., Locus Standi for Environmental Associations under EC Law – Greenpeace – A Missed Opportunity for the ECJ, RECIEL 8 (1999), S. 336–346. Tridimas, Takis / ​Poli, Sara, Locus Standi of Individuals under Article 230 (4): The Return of ­Euridice?, in: Anthony Arnull / ​Piet Eeckhout / ​Takis Tridimas (Hrsg.), Continuity and Change in EU Law – Essays in Honour of Sir Francis Jacobs, New York 2008, S. 70–89. Trudeau, Hélène, Légalité Administrative et Environnement: L’Intérêt à Agir des Regroupements de Citoyens au Canada et en France, Windsor Y. B. Access Just. 17 (1999), S. 102–153. Uerpmann-Wittzack, Robert, Das öffentliche Interesse – Seine Bedeutung als Tatbestandsmerkmal und als dogmatischer Begriff, Tübingen 1999. Uerpmann-Wittzack, Robert, Völkerrechtliche Verfassungselemente, in: Armin von Bogdandy / ​ Jürgen Bast (Hrsg.), Europäisches Verfassungsrecht: Theoretische und dogmatische Grundzüge, 2. Aufl., Berlin, Heidelberg 2009, S. 177–225. Ule, Carl Hermann, Der Gerichtshof der Montangemeinschaft als europäisches Verwaltungsgericht, DVBl 1952, S. 65–72. Vajda, Christopher / ​Rhimes, Michael, Greening the Law: The Reception of Environmental Law and Its Enforcement in International Law and European Union Law, Colum. J. Eur. L. 24 (2017), S. 455–495. Van den Bossche, Anne-Marie, Private Enforcement, Procedural Autonomy and Article 19(1) TEU: Two’s Company, Three’s a Crowd, YEL 33 (2014), S. 41–83. Van Gerven, Walter, The Legal Protection of Private Parties in the Law of the European Economic Community, in: Francis Jacobs (Hrsg.), European Law and the Individual, Amsterdam, New York, Oxford 1976, S. 1–17. Van Waeyenberge, Arnaud / ​Pecho, Peter, L’arrêt Unibet et la traité de Lisbonne – Un pari sur l’avenir de la protection juridicitonnelle effective, C. D. E. 2008, S. 123–156. Vandersanden, Georges, Pour un élargissement du droit des particuliers d’agir en annulation contre des actes autres que les décisions qui leur sont adressées, C. D. E. 1995, S. 535–552. Vedder, Christoph, Die Außenbeziehungen der EU und die Mitgliedstaaten: Kompetenzen, gemischte Abkommen, völkerrechtliche Verantwortlichkeit und Wirkungen des Völkerrechts, EuR-Beih. 2007, S. 57–91. Viellechner, Lars, Berücksichtigungspflicht als Kollisionsregel: Zu den innerstaatlichen Wirkungen von völkerrechtlichen Verträgen und Entscheidungen internationaler Gerichte, insbesondere bei der Auslegung und Anwendung von Grundrechten, in: Nele Matz-Lück / ​ Mathias Hong (Hrsg.), Grundrechte und Grundfreiheiten im Mehrebenensystem – Konkurrenzen und Interferenzen, Berlin, Heidelberg 2012, S. 109–159. Vincze, Attila, Die Europäisierung der verwaltungsgerichtlichen Klagebefugnis – eine rechtsvergleichende Analyse, in: Fakultät für Vergleichende Staats- und Rechtswissenschaften der Andrássy Universität Budapest / ​Christian Schubel / ​Stephan Kirste / ​Peter-Christian Müller-Graff / ​Oliver Diggelmann / ​Ulrich Hufeld (Hrsg.), Jahrbuch für Vergleichende Staats- und Rechtswissenschaften – 2014/2015, 1. Aufl., Baden-Baden 2016, S. 55–114. Vondung, Julie, Die Architektur des europäischen Grundrechtsschutzes nach dem Beitritt der EU zur EMRK, Tübingen 2012.

400

Literaturverzeichnis

Vöneky, Silja / ​Beylage-Haarmann, Britta, Art. 216 AEUV (Oktober 2016), in: Eberhard G ­ rabitz / ​ Meinhard Hilf / ​Martin Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, EUV / ​AEUV, Kommentar, Loseblatt, 65. EL, München 2018. Voßkuhle, Andreas, Umweltschutz und Grundgesetz, NVwZ 2013, S. 1–8. Vranes, Erich, Lex Superior, Lex Specialis, Lex Posterior – Zur Rechtsnatur der „Konflikt­ lösungsregeln“, ZaöRV 2005, S. 391–405. Waelbroeck, Denis / ​Fosselard, Denis, Joined Cases T-480/93 and T-483/93, Antillean Rice Mills NV, Trading & Shipping Co. Ter Beek BV and European Rice Brokers AVV, Alesie Curaçao NV, Guyana Investments AVV v. Commission of the European Communities supported by Council of the European Union, French Republic and Italian Republic, Judgment of 14 September 1995, not yet reported, CML Rev. 33 (1996), S. 811–829. Waelbroeck, Denis / ​Verheyden, A.-M., Les conditions de recevabilité des recours en annulation des particuliers contre les actes normatifs communautaires: À la lumière du droit comparé et de la Convention des droits de l’homme, C. D. E. 1995, S. 399–441. Wagner, Christian, Ringen um Umweltinformationen – EuGH-Urteile zu grundlegenden Fragen der Århus-Bestimmungen, EuZW 2017, S. 95–98. Wagner, Gerhard, Rudolph von Jherings Theorie des subjektiven Rechts und der berechtigenden Reflexwirkungen, AcP 193 (1993), S. 319–347. Wahl, Rainer, Die zweite Phase des Öffentlichen Rechts in Deutschland: Die Europäisierung des Öffentlichen Rechts, Der Staat 38 (1999), S. 495–518. Wahl, Rainer, Das Verhältnis von Verwaltungsverfahren und Verwaltungsprozessrecht in europäischer Sicht, DVBl 2003, S. 1285–1293. Wahl, Rainer, VwGO vor § 42 Abs. 2 (Grundwerk), in: Friedrich Schoch / ​Jens-Peter Schneider / ​Wolfgang Bier (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, Loseblatt, 35. EL, München 2018. Wahl, Rainer / ​Schütz, Peter, VwGO § 42 Abs. 2 (Grundwerk), in: Friedrich Schoch / ​Jens-­Peter Schneider / ​Wolfgang Bier (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, Loseblatt, 35. EL, München 2018. Waldhoff, Christian, Staat und Zwang – Der Staat als Rechtsdurchsetzungsinstanz, Paderborn, München, Wien, Zürich 2008. Waldhoff, Christian, Vollstreckung und Sanktionen, in: Wolfgang Hoffmann-Riem / ​Eberhard Schmidt-Aßmann / ​Andreas Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Personal, Finanzen, Kontrolle, Sanktionen, Staatliche Einstandspflichten, Band III, 2. Aufl., München 2013, § 46. Walter, Christian, Beteiligungsrechte im Verwaltungsverfahren und Zugang zu Gerichten  – Die Vorgaben des Völker- und Europarechts, in: Wolfgang Durner / ​Christian Walter (Hrsg.), Rechtspolitische Spielräume bei der Umsetzung der Århus-Konvention, Berlin 2005, S. 7–38. Walter, Christian, Internationalisierung des deutschen und europäischen Verwaltungsverfahrensund Verwaltungsprozessrechts – am Beispiel der Århus-Konvention, EuR 2005, S. 302–338. Ward, Angela, Judicial Review and the Rights of Private Parties in EU Law, Oxford 2007.

Literaturverzeichnis

401

Wates, Jeremy, The Aarhus Convention: a Driving Force of Environmental Democracy, JEEPL 2 (2005), S. 2–11. Weber, Albrecht, Das Verwaltungsverfahren, in: Michael Schweitzer (Hrsg.), Europäisches Verwaltungsrecht, Wien 1991, S. 55–83. Weber, Christina, Der europarechtliche Grundsatz der Effektivität des Rechtsschutzes und das EG-Sekundärrecht, Frankfurt am Main, Berlin, Brüssel, New York, Oxford, Wien 2008. Weber, Teresa, Die Umsetzung der Aarhus-Konvention beim direkten Vollzug von Unionsrecht, JRP 20 (2012), S. 137–154. Wegener, Bernhard, Vollzugskontrolle durch Klagerechte vor mitgliedstaatlichen Gerichten, in: Gertrude Lübbe-Wolff (Hrsg.), Der Vollzug des europäischen Umweltrechts, Berlin 1996, S. 145–175. Wegener, Bernhard, Keine Klagebefugnis für Greenpeace und 18 andere  – Anmerkung zu EuGH, Rs C-321/95 P, Urteil vom 2. April 1998 (Greenpeace), ZUR 1998, S. 131–136. Wegener, Bernhard, Rechte des Einzelnen: Die Interessentenklage im europäischen Umweltrecht, 1. Aufl., Baden-Baden 1998. Wegener, Bernhard, Rechtsschutz für gesetzlich geschützte Gemeinwohlbelange als Forderung des Demokratieprinzips?, in: Martin Bertschi / ​Thomas Gächter / ​Robert Hurst / ​Petra Klaus / ​ Andreas Reller / ​Bernhard Schmithüsen / ​Urs Steimen / ​Michael Widmer / ​Moritz von Wyss (Hrsg.), Demokratie und Freiheit, 39. Tagung der Wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fachrichtung „Öffentliches Recht“ in Zürich, Stuttgart, München, Hannover, Berlin, Dresden 1999, S. 19–39. Wegener, Bernhard, Rechtsstaatliche Vorzüge und Mängel der Verfahren vor den Gemeinschaftsgerichten, EuR-Beih. (3) 2008, S. 45–69. Wegener, Bernhard, Die europäische Umweltverbandsklage, ZUR 2011, S. 363–368. Wegener, Bernhard, Art. 19 EUV, in: Christian Calliess / ​Matthias Ruffert (Hrsg.), EUV / ​AEUV, Kommentar, 5. Aufl., München 2016. Wegener, Bernhard, Art. 267 AEUV, in: Christian Calliess / ​Matthias Ruffert (Hrsg.), EUV / ​ AEUV, Kommentar, 5. Aufl., München 2016. Wegener, Bernhard, Art. 270 AEUV, in: Christian Calliess / ​Matthias Ruffert (Hrsg.), EUV / ​ AEUV, Kommentar, 5. Aufl., München 2016. Wegener, Bernhard, Nein, nein, nein!? – Kein Funktionswandel der Verwaltungsgerichtsbarkeit unter dem Einfluss des Unionsrechts?, JZ 2016, S. 829–834. Wegener, Bernhard, Der Braunbär lernt schwimmen – Die „Protect“-Entscheidung des EuGH stärkt den Rechtsschutz im Umweltrecht, ZUR 2018, S. 217–222. Wegmann, Manfred, Die Nichtigkeitsklage Privater gegen Normativakte der Europäischen Gemeinschaften, Berlin 1976. Weiler, Joseph H. H. / ​Lockhart, Nicolas J. S., „Taking Rights Seriously“ Seriously: The European Court and its Fundamental Rights Jurisprudence – Part I, CML Rev. 32 (1995), S. ­51–94. Weiler, Joseph H. H. / ​Lockhart, Nicolas J. S., „Taking Rights Seriously“ Seriously: The European Court and its Fundamental Rights Jurisprudence – Part II, CML Rev. 32 (1995), S. 579–627.

402

Literaturverzeichnis

Weiß, Wolfgang, Der Europäische Verwaltungsverbund: Grundfragen, Kennzeichen, Herausforderungen, Berlin 2010. Weiß, Wolfgang, Dezentrale Agenturen in der EU-Rechtsetzung, EuR 2016, S. 631–666. Wendel, Mattias, Renaissance der historischen Auslegungsmethode?  – Überlegungen zur Tragweite der historischen Auslegungsmethode infolge des jünsten EU-Reformprozesses, ­ZaöRV 68 (2008), S. 803–827. Wennerås, Pål, The Enforcement of EC Environmental Law, New York 2007. Werkmeister, Christoph / ​Pötters, Stephan / ​Traut, Johannes, Regulatory Acts within Article 263(4) TFEU – A Dissonant Extension of Locus Standi for Private Applicants, CYELS 13 (2010–2011), S. 311–332. Wernsmann, Rainer, Das Vorabentscheidungsverfahren im europäischen Verwaltungsverbund, in: Ralf P. Schenke / ​Joachim Suerbaum (Hrsg.), Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Europäischen Union, 1. Aufl., Baden-Baden 2016, S. 147–164. Werres, Bettina, Information und Partizipation der Öffentlichkeit in Umweltangelegenheiten nach den Richtlinien 2003/4/EG und 2003/35/EG, DVBl 2005, S. 611–619. Wetzel, Anne, The Influence of International Institutions on Access to Justice in Environmental Matters in the EU and its Member States, in: Oriol Costa / ​Knud Erik Jørgensen (Hrsg.), The Influence of International Institutions on the EU – When Multilateralism hits Brussels, New York u. a. 2012, S. 76–95. Weyreuther, Felix, Verwaltungskontrolle durch Verbände? Argumente gegen die verwaltungsgerichtliche Verbandsklage im Umweltrecht, 1. Aufl., Düsseldorf 1975. Wiesinger, Nicola, Innovation im Verwaltungsrecht durch Internationalisierung: Eine rechtsvergleichende Studie am Beispiel der Aarhus-Konvention, Tübingen 2013. Wildemeersch, Jonathan / ​Wathelet, Melchior, Recours en annulation: une première interprétation restrictive du droit d’action élargi des particuliers?, J. D. E. 3 (2012), S. 75–79. Williams, Rhiannon, Enforcing European Environmental Law: Can the European Commission be Held to Account?, YbEEL 2 (2002), S. 271–294. Winter, Gerd, Rechtsschutz gegen Behörden, die Umweltrichtlinien der EG nicht beachten, NuR 1991, S. 453–457. Winter, Gerd, Kompetenzen der Europäischen Gemeinschaft im Verwaltungsvollzug, in: ­Gertrude Lübbe-Wolff (Hrsg.), Der Vollzug des europäischen Umweltrechts, Berlin 1996, S. 107–130. Winter, Gerd, Individualrechtsschutz im deutschen Umweltrecht unter dem Einfluß des Gemeinschaftsrechts, NVwZ 1999, S. 467–475. Winter, Steven L., The Metaphor of Standing and the Problem of Self-Governance, Stan. L. Rev. 40 (1987), S. 1371–1516. de Witte, Bruno, The Past and Future Role of the European Court of Justice in the Protection of Human Rights, in: Philip Alston (Hrsg.), The EU and Human Rights, Oxford u. a. 1999, S. 859–897.

Literaturverzeichnis

403

Woehrling, Jean-Marie, Die französische Verwaltungsgerichtsbarkeit im Vergleich mit der deutschen, NVwZ 1985, S. 21–26. Woehrling, Jean-Marie, Umweltschutz und Umweltrecht in Frankreich, DVBl 1992, S. ­884–892. Woehrling, Jean-Marie, Die deutsche und die französische Verwaltungsgerichtsbarkeit an der Schwelle zum 21. Jahrhundert, NVwZ 1998, S. 462–467. Woehrling, Jean-Marie, Le contrôle juridictionnel du pouvoir discrétionnaire en France, Rev. Adm. 52 (1999), S. 75–97. Woehrling, Jean-Marie, Rechtsschutz im Umweltrecht in Frankreich, NVwZ 1999, S. 502–506. van Wolferen, Matthijs, The Limits to the CJEU’s Interpretation of Locus Standi, a Theoretical Framework, JCER 12 (2016), S. 914–930. Zengerling, Cathrin, Greening International Jurisprudence: Environmental NGOs before International Courts, Tribunals, and Compliance Committees, Leiden 2013. Ziekow, Jan, Strategien zur Umsetzung der Århus-Konvention in Deutschland – Einbettung in das allgemeine Verwaltungsrecht und Verwaltungsprozessrecht oder sektorspezifische Sonderlösung für das Umweltrecht?, EurUP 2005, S. 154–164. Ziekow, Jan, Europa und der deutsche Verwaltungsprozess – Schlaglichter auf eine unendliche Geschichte, NVwZ 2010, S. 793–799. Ziller, Jacques, Verwaltungsgerichtsbarkeit in Frankreich, in: Armin von Bogdandy / ​Peter ­Michael Huber / ​Lena Marcusson (Hrsg.), Handbuch Ius Publicum Europaeum, Band VIII, Verwaltungsgerichtsbarkeit in Europa: Institutionen und Verfahren, Heidelberg 2019, § 130. Zschiesche, Michael, Die Aarhus-Konvention – mehr Bürgerbeteiligung durch umweltrecht­ liche Standards?, ZUR 2001, S. 177–183. Zuleeg, Manfred, Die innerstaatliche Anwendbarkeit völkerrechtlicher Verträge am Beispiel des GATT und der Europäischen Sozialcharta, ZaöRV 35 (1975), S. 341–363. Zweigert, Konrad, Empfiehlt es sich, Bestimmungen über den Rechtsschutz zu ändern? – Hauptreferat, in: Institut für das Recht der Europäischen Gemeinschaften der Universität Köln (Hrsg.), Zehn Jahre Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften: Europäische Arbeitstagung Köln vom 24. bis 26. April 1963, Köln u. a. 1965, S. 580–598.

Sachregister Adressatentheorie 64 Allgemeininteresse  55 ff. Anwendbarkeit, unmittelbare  181 ff., 190 ff., 307 f. –– des Unionsrechts  73 f., 83 f. Århus-Konvention  24, 96 ff. –– Behörden  106 f. –– betroffene Öffentlichkeit  104 ff. –– Compliance Committee  107 ff., 196 f., 206, 233, 335 ff. –– Effektivität des Rechtsschutzes  124 f., 309 f., 321 –– Einfluss auf das Unionsverwaltungsrecht  200 ff., 342 –– Fairness des Verfahrens  125 –– gemischtes Abkommen  185 ff. –– Gestaltungsspielräume  126 f., 191 f., 204, 222 f., 309 ff., 313, 333 –– Informationszugang  111 ff., 290 ff. –– Öffentlichkeitsbeteiligung  113 ff., 292 ff. –– Recht auf eine gesunde Umwelt  101 f. –– Rechtsschutzvorgaben  110 ff., 191 ff., 289 ff. –– Säulenstruktur  102 ff. –– unmittelbare Anwendbarkeit  190 ff., 204, 222 f. –– unmittelbare Geltung  182 ff. –– Verbesserung des Individualrechts­ schutzes ​130 –– Vertragsstaatenkonferenz  335 ff. –– Zielverbindlichkeit  306 ff. –– Zugang zu Überprüfungsverfahren  110, 119 ff., 191 ff., 297 ff. Århus-VO  233 ff. –– Abhilfe  260 f. –– Antragsberechtigung  237 ff., 311 ff. –– Antragsgegner  241 ff. –– Antwort  262 f., 267 ff. –– Ausschlussfrist  253 ff., 323 f. –– Devolutiveffekt  322 f.

–– Entscheidungswirkungen des gerichtlichen Verfahrens  273 ff. –– Gegenstand des internen Überprüfungsverfahrens  241 ff., 314 ff. –– internes Überprüfungsverfahren  236 ff. –– Klageberechtigung  264 ff. –– Plaumann-Formel  234  f. –– Prüfungsdichte des gerichtlichen Verfahrens  272 f. –– Prüfungsdichte im internen Über­ prüfungsverfahren  260 f. –– Prüfungsmaßstab des gerichtlichen Verfahrens  270 ff. –– Prüfungsmaßstab des internen Über­ prüfungsverfahrens  258 ff., 325 –– Rechtsgrundverweisung auf die Nichtigkeitsklage  265 ff. –– Umweltrecht  250 ff., 319 f. –– Verbandsklage  264 ff. –– Vereinbarkeit mit dem Primärrecht  276 ff. –– Vereinbarkeit mit der Århus-Konvention  290 ff. –– Verwaltungsakt  242 ff., 255 ff., 268, 315 ff. –– völkerrechtskonforme Auslegung  318 f. –– Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens  267 ff. –– Umgehung des Primärrechts  281 ff. –– Umsetzung der Århus-Konvention  298 ff., 325 f., 328 f., 334 f. Asymmetrie des Rechtsschutzes  68 ff., 128 Auslegung, unionsrechtskonforme  200 ff., 204 f. Auslegung, völkerrechtsfreundliche  194 ff. –– Grundzüge  198 ff. –– Primärrecht  210 ff. Bestandskraft 130 Beteiligungsformen, individuelle und kollektive  90 ff.

Sachregister Bürger –– Funktionär der Verwaltungskontrolle  46, 94, 288, 340 –– Stellung 44 Demokratie, partizipative  99 Demokratieprinzip 61 Dispositionsbefugnis  46 f. Doppelstandard in der Rechtsprechung des Gerichtshofs  206 f., 332 ff. Dualismus  183 ff. Durchsetzungsfähigkeit des Rechts  321 Eigenverwaltungsrecht  25 ff., 61, 189 Einrede der Rechtswidrigkeit  274 Elfes-Urteil 64 Ermessen  38 f. Fediol-Rechtsprechung  298 ff. Fehlerenumeration 53 Feststellungsklage 172 GATT  298 ff. Geltung, unmittelbare  181 f. Gesetzesvollziehungsanspruch 52 Gewaltenteilung  46, 51 ff. Gleichgewicht, institutionelles  26 Grundrechtecharta  213 ff.

405

Klage –– Auslöserfunktion im objektiven Kontrollmodell 46 –– Bedeutung im subjektiven Kontroll­ modell ​51 Klagebefugnis –– Begrenzungsfunktion 41 –– Doppelfunktion  33 ff. –– Filterfunktion  34 f., 40 ff., 141 Konstitutionalismus  37 f., 43 ff. Kontrolle –– contentieux objectif  45 –– contentieux subjectif 45 –– Prüfungsumfang   48 f., 50 Kontrollmodelle  42 ff., 45 ff. –– Behandlung von Umweltbelangen  61 ff. –– Funktionsüberschneidungen  48 ff., 54 Legalität, des Verwaltungshandelns  46 f., 51 f., 53 Lex posterior  228 ff. Lex superior 229 Loyalitätsgrundsatz 168 Mitgliedstaaten –– Herren der Verträge  230 ff. Mobilisierung, des Bürgers zur Durchsetzung des Rechts  24, 72 ff., 99, 202, 321 Monismus  183 ff.

Handlungsformenneutralität 145 Implementierungsgrundsatz  298 ff. Individualrechtsschutz, siehe subjektiver Rechtsschutz Interesse  35 ff. –– Aggregation  57, 77 –– Allgemein- und Individualinteresse  55 ff., 66 ff. –– direct und personnel  86 f. –– intérêt collectif  87 ff. –– intérêt pour agir  40 f., 50, 85 ff., 135 –– Kontextualisierung 56 –– Umweltbelange  57 ff., 64 ff. Interessentenklage  40 f., 50 ff., 135 ff. –– gouvernement des juges 51 –– Leitbild des citoyen 93 f. –– recours pour excès de pouvoir  50, 85 ff. –– Umweltbelange als Gegenstand  85 ff.

Nakajima-Rechtsprechung  298 ff. Nichtadressatenklagen  61 ff. Nichtigkeitsklage  133 ff. –– Auslegungsreserven  217 ff. –– Betroffenenklage  338 ff. –– Betroffenheit  135, 140 ff. –– Einordnung  134 ff. –– Enumeration von Nichtigkeitsgründen ​ 134 ff. –– funktionale Betroffenheit  288, 343 –– individuelle Betroffenheit  144 ff., 217 ff., 264 –– Jacobs Gap  159 f., 165 f. –– privilegierte Kläger  156 f. –– Rechtsakt mit Verordnungscharakter ​162 ff. –– unmittelbare Betroffenheit  142 ff. –– Verhältnis zum Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz  214 ff.

406

Sachregister

–– völkerrechtsfreundliche Auslegung ​ 206 ff. Normenhierarchie  207 ff., 214 ff., 299 Öffentlichkeit, informierte  99 Pacta sunt servanda  182, 186, 210, 230 Plaumann-Formel  145 ff., 234 f., 334 f., 337 ff. –– adressatengleiche Betroffenheit  145 ff. –– Anwendung in Umweltstreitigkeiten 1​ 50 ff. –– Auslegungsreserven  217 ff. –– closed-class-Ansatz 155 –– Fallgruppen  147 ff. –– Funktionsäquivalenz mit der Schutznormlehre  337 ff. –– Grenzen der Auslegung  221 ff. –– Grundrechte  147 f. –– judicial choice 219 –– Kontrollausfall in Umweltstreitigkeiten ​ 154 ff., 161 f., 195 f. –– Statik  341 ff. –– Verbände  148, 156 Popularklage  33 ff., 40, 89, 91, 135, 236, 264 Privatisierung des Gemeinwohls  127 ff. Recht, subjektives öffentliches  35 ff. –– Interesse als Element des  37 ff., 39, 42 –– Kombinationstheorie 38 –– Theorie vom  37 ff. –– Willensmacht 39 Rechte, prozedurale  98 Rechtsanwendungsbefehl 185 Rechtsgrundverweisung 265 Rechtskontrolle, objektive  42 ff., 46 f., 68 ff., 138 ff., 259 f., 340 Rechtsschutz –– Grundrecht auf effektiven  41, 62 f., 70 f., 132, 206, 213 ff., 277 f., 308 –– sekundärrechtlicher  276 ff., 285 ff. –– subjektiver  42 ff., 47 ff Rechtssicherheit 41 Rechtsstaatlichkeit  31, 132, 275 Reziprozität  303 ff. Rio-Deklaration 97 Schutznormlehre  64 ff., 155, 340 –– Elastizität  341 ff.

–– Trennung von Individual- und Allgemein­interesse  65  ff. –– unionsrechtliche Aufladung  75 ff. Statuslehre  64, 81 ff. Subjektivierung, funktionale  81 ff., 288 Subsidiarität  143, 174 f. Torhüterparabel 23 Transparenz-VO  255, 290 ff. Umwelt  57 f. Umweltrecht  59 ff. –– Komplexität der Entscheidungen  60 –– Steuerungsfähigkeit 61 –– unbestimmter Rechtsbegriff  60 –– Vollzugsdefizite  59 ff., 129, 157, 161 Umweltrechtsbehelfsgesetz  313 f., 317 f. Umweltvölkerrecht  96 ff. Unionsrecht –– Äquivalenz- und Effektivität  72 f., 200 f. –– Beschluss  257 f., 274 –– effet utile  201, 204 f., 208, 224, 239 –– Einfluss auf das nationale Prozessrecht ​ 72 ff. –– Einfluss auf das nationale Verfahrensrecht  79 ff. –– normative Interessentenklage  75 ff. –– Rang des Völkervertragsrechts 208 f., 298 ff. –– Verfahrensautonomie der Mitglied­ staaten 72 –– Verhältnis zum Welthandelsrecht  298 ff. –– Vorrang  73, 83 f., 208 Unionsverwaltungsrecht  26 f. Verbandsklage –– Århus-VO  264 ff. –– critère de proximité 88 –– Deutschland  68 ff. –– Diskussion  128 ff. –– Frankreich  87 ff. Verfahrensrecht, dienende Funktion des  79 Verfassungsrecht, verfassungswidriges  218 Verfassungsvertrag, europäischer  220 Verletztenklage  40 f., 62 ff., 92 ff., 340 –– Leitbild des bourgeois  92 ff. –– Systementscheidung  63 f. –– Umweltbelange  62 ff. Vertragsänderungsverfahren 228

Sachregister Verwaltungsrechtsschutz –– nord- und süddeutsches Modell  43 ff. Völkergewohnheitsrecht 184 Völkerrecht  181 f. Völkerrechtsfreundlichkeit  199 ff., 211 Vollzugskontrolle, dezentrale  72 ff., 99 f., 157 f. Vorabentscheidungsverfahren  166 ff. –– acte clair 173 –– Foto-Frost-Doktrin  172 ff., 178, 227 –– Individualrechtsbehelf  175 ff. –– Präklusion 177

407

–– Rechtsschutzverbund  167 ff. –– Unionsgerichte im funktionalen Sinn  166 f., 171 ff. Vorverfahren, siehe Widerspruchsverfahren Widerspruchsverfahren  235, 268, 279 f. Wiederaufgreifen des Verfahrens  268 Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge 226 WTO-Recht  298 ff., 303 ff. Zuweisung klagbarer Rechtspositionen ​83 ff.