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German Pages 594 [595] Year 2019
Lars Maskow
Tora in der Chronik Studien zur Rezeption des Pentateuchs in den Chronikbüchern
Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments Herausgegeben von Ismo Dunderberg, Jan Christian Gertz, Hermut Löhr, Joachim Schaper
Band 274
Lars Maskow
Tora in der Chronik Studien zur Rezeption des Pentateuchs in den Chronikbüchern
Vandenhoeck & Ruprecht
Meiner Mutter Brigitte Maskow und meinem Bruder Torben L. Maskow im Gedenken an meinen Vater Jens R. Maskow
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar. © 2019, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Theaterstraße 13, D-37073 Göttingen Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Satz: textformart, Göttingen Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISSN 2197-0939 ISBN 978-3-666-57137-4
Vorbemerkung
Die Erforschung innerbiblischer Schriftauslegung steht bisweilen vor dem methodischen Problem, dass sich Abhängigkeiten und Bezugnahmen auf Texte vorrangig auf der begrifflichen Ebene erschließen und deuten lassen. Ein weitaus schwieriger fassbarer Beschreibungsvorgang besteht in der Analyse von Rezeptionsphänomenen, die sich nicht begrifflich vollziehen. Im Hinblick auf Phänomene wie Indirektheit, Synonymie bzw. Heteronymie, uneigentliche Rede (z. B. Metapher, Ironie, Metonymie und Synekdoche) sowie Auslassungen lässt sich nur mittelbar beschreiben, ob und wenn ja, worin das Verhältnis zwischen zwei Texten besteht. Häufig lassen sich Berührungspunkte und Abhängigkeiten zwischen Texten wahrnehmen, die nicht begrifflicher, sondern »unbegrifflicher« Natur sind. Es ist zu beobachten, dass ähnliche Erzählungen in unterschiedlicher Form auf dieselben Ereignisse reagieren, auf einen gemeinsamen Bildervorrat zurückgreifen, dass mit unterschiedlichen Metaphern an denselben Ideen gearbeitet wird und auch, dass Texte gemeinsam über bestimmte Ereignisse schweigen. Wenn daher im Folgenden nach der Rezeption der Tora in der Chronik gefragt wird, ist demnach ein zweifacher Weg zu beschreiten. Es ist danach zu fragen, wie der Chronist auf den Begriff Tora rekurriert. Ebenso muss die Rezeption auch jenseits der lexematischen Ebene beleuchtet werden. An dieser Stelle spielt der Exegese in die Hände, dass die Vorlagen der Chronik zu einem erheblichen Teil erhalten sind und damit erkennbar wird, welche Übertragungen der Chronist gegenüber seiner Vorlage leistet. Übertragungen lassen laut Blumenberg die »Substruktur des Denkens« sichtbar werden. Die Substruktur der chronistischen Übertragung – so lautet die These der vorliegenden Untersuchung – besteht insbesondere aus den Texten der Tora. Die Arbeit wurde von der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster im Wintersemester 2017/18 als Dissertation angenommen. Für den Druck wurde die Arbeit leicht überarbeitet und gekürzt. Allen voran danke ich meinem Doktorvater Prof. Dr. Reinhard Achenbach, der diese Arbeit angeregt und in allen Phasen der Entstehung hingebungsvoll und mit großem Engagement begleitet hat. Seine Unterstützung in fachlichen und persönlichen Belangen ist seit Jahren unermesslich. Ferner danke ich Prof. Dr. Reinhard Müller für die Übernahme des Zweitgutachtens sowie eine Fülle von detaillierten hebraistischen wie auch stilistischen Hinweisen über den gesamten Entstehungsprozess des Buches hinweg. Herzlich verbunden bin ich Prof. Dr. Christina Hoegen-Rohls für ihre freundschaftliche Förderung meiner alttestamentlichen und rezeptionsästhetischen Studien in Münster, München und Venedig. Langjährige Förderung erhielt ich da-
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Vorbemerkung
neben von Prof. Dr. Eckard Rolf. Ihm danke ich für ein nunmehr ein Jahrzehnt andauerndes Gespräch über die Metaphorologie und die Inferentielle Pragmatik, zwei Disziplinen, die der Hermeneutik synoptischen Arbeitens wichtige Dienste leisten. Den Herausgebern der Reihe Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments Prof. Dr. Ismo Dunderberg, Prof. Dr. Jan Christian Gertz, Prof. Dr. Hermut Löhr und Prof. Dr. Joachim Schaper danke ich für die Aufnahme dieses Buches. Dr. Elisabeth Hernitscheck, Miriam Espenhain sowie Jacqueline Eller danke ich herzlich für ihre versierte Lektoratsarbeit und die hervorragende Autorenbetreuung. Finanziell und ideell wurde die Arbeit von 2013 bis 2016 durch den Exzellenzcluster für Religion und Politik in den Kulturen der Vormoderne und Moderne der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster gefördert. Besonders danke ich hier meinem Mentor der Graduiertenschule Prof. Dr. Rüdiger Schmitt für die hervorragende Begleitung der Nachwuchsgruppe zur Erforschung antiker Religionen und Kulturen. Für umfassende Korrekturarbeiten danke ich sehr herzlich meinen Freunden Dr. Patrick Bahl, Dr. Sabine Joy Ihben-Bahl (beide Münster), Dr. Ruth Ebach (Tübingen), Steffen Götze (Bern), Prof. Dr. Raik Heckl (Leipzig) und Johannes Rebsch (Hannover). Großen Anteil am Fortgang der Arbeit sowie an der Klärung inhaltlicher und methodischer Fragen hatten neben den Genannten Dr. Frank Matheus (Münster), Dr. Olivia Rahmsdorf (Mainz) sowie PD Dr. Jonathan M. Robker (Münster). Für ihre Verbundenheit in Jerusalemer und Münsteraner Jahren sowie für verschiedene Hinweise danke ich ferner Prof. Dr. Lutz Doering (Münster), Dr. Nastasja S. Dresler (München), Dr. Kai-Ole Eberhardt (Hannover), Matthias Geigenfeind (Regensburg/Wuppertal), Dr. Jan Heilmann (Dresden), Eike Herzig (Münster), Rudi de Lange (derzeit Münster), Hanna Lausen (Göttingen), Dr. Thomas Meyer (Berlin), Anja Robker (Münster) sowie Belinda Samari (derzeit Nizza). Von ganzem Herzen danke ich Marcella I. Becker für ihre liebevolle und aufrichtende Unterstützung meiner Arbeit, insbesondere während der Monate nach der Geburt unseres Sohnes Noah Floris. Gewidmet ist die Arbeit meiner Mutter und meinem Bruder, die all meine Studien und besonders die Abschlussphase dieser Arbeit mit tiefer Anteilnahme begleitet haben. Mit Ihnen teile ich die lebendige Erinnerung an meinen Vater. Oldenburg, den 19.07.2019
Inhalt 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 2. Forschungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 3. Methodische Erwägungen und Formulierung der Forschungsfrage . . 33 3.1 Das synoptische Problem der Chronikbücher . . . . . . . . . . . . 33 3.1.1 Der ältere Quellenstreit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 3.2 Revision des Quellenstreits durch Auld . . . . . . . . . . . . . . . 35 3.2.1 Zum Für und Wider der synoptischen Arbeit an der Chronik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 3.2.2 Auslassung statt Auslegung – Pakkalas Caveat . . . . . . 41 3.2.3 Quadripartita Ratio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 3.3 Entwicklung der Forschungsfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 3.3.1 Die Vorgeschichte des Pentateuchs als Bedingung seiner Wirkungsgeschichte in der Chronik – Auf dem Wege von einer „Theologisierung“ zu einer „Sakralisierung“ des Rechts . . . . . . . . . . . . . . . 50 3.3.2 Zur Datierung der Chronik . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 3.3.3 Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 I
Hauptteil – Semasiologische Untersuchung des Lexems תורה in den Chronikbüchern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63
4. תורהin der Chronik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 4.1 תורהim Kontext des David-Narrativs . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 4.1.1 Gliederung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 4.1.2 Begriffsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 i) 1Chr 16,40 (+) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 ii) 1Chr 22,12 (+) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 Exkurs – Zur Rezeption des Königsgesetzes (Dtn 17,14–20) in der Chronik . . . . . . . . . . . . . . . . 96 4.2 תורהim Kontext des Salomo-Narrativs . . . . . . . . . . . . . . . . 100 4.2.1 Gliederung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 4.2.2 Begriffsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 iii) 2Chr 6,16 (+) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 4.3 תורהim Kontext des Rehabeam-Narrativs . . . . . . . . . . . . . . 111 4.3.1 Gliederung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111
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4.3.2 Begriffsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 iv) 2Chr 12,1(+) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 תורהim Kontext des Asa-Narrativs . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 4.4.1 Gliederung des Makrokontextes der Narrative von Asa bis Joram . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 4.4.2 Die Struktur der Narrative von Asa bis Joram in MT und LXX . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 4.4.3 Gliederung des Asa-Narrativs . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 4.4.4 Begriffsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 v) 2Chr 14,3(+) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 vi) 2Chr 15,3(+) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 Exkurs: Die Figur Jeremias in den Chronikbüchern . . . . 141 4.4.5 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 תורהim Kontext des Jehoshaphat-Narrativs . . . . . . . . . . . . . 151 4.5.1 Gliederung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 4.5.2 Begriffsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 vii) 2Chr 17,9 (+) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 viii) 2Chr 19,10 (+) im Kontext des Jehoshaphat-Zyklus . . 160 Exkurs: Zur Verwendung der Phrase … ןיבו … ןיבim Unterschied zu … ל … ןיב. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 Exkurs: Die Einrichtung eines Zentralgerichts bei Hekataios von Abdera . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 תורהim Kontext des Ahasja / Joash-Narrativs . . . . . . . . . . . . 185 4.6.1 Gliederung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 4.6.2 Begriffsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 ix) 2Chr 23,18 (+) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 תורהim Kontext des Amazja-Narrativs . . . . . . . . . . . . . . . . 188 4.7.1 Gliederung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 4.7.2 Begriffsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 x) 2Chr 25,4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 תורהim Kontext des Hiskia-Narrativs . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 4.8.1 Gliederung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 4.8.2 Die Ursünde Ahas’ als Exposition des Hiskia-Narrativs . . 195 4.8.3 2Chr 29 – Der Auftakt des Hiskia-Narrativs . . . . . . . . 203 4.8.3.1 Hiskias Wiedereröffnung des Tempels . . . . . . . 203 4.8.3.2 Musikalische Reminiszenzen: Hiskia und die Instrumente Davids . . . . . . . . . . . . . . . . 206 4.8.4 Begriffsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 xi) 2Chr 30,16 (+) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 Exkurs: Zum פסח ׁשני. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 xii / xiii) 2Chr 31,3f (+) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 xiv) 2Chr 31,21(+) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227
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4.9 תורהim Kontext des Manasse-Narrativs . . . . . . . . . . . . . . . 227 4.9.1 Gliederung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 4.9.2 Begriffsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 xv) 2Chr 33,7f . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 4.10 תורהim Kontext des Josia-Narrativs . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 4.10.1 Gliederung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 4.10.2 Begriffsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 xvi / xvii) 2Chr34,14f (+) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 xviii) 2Chr 34,19 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 xix) 2Chr 35,26f (+) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 4.11 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 II Hauptteil – Synoptische Studien zur Torarezeption in der Chronik . . . 239 5. Kult-Personal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 5.1 Struktur der sog. Genealogischen Vorhalle in 1Chr 1–9 . . . . . . 246 5.2 Texturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 5.2.1 Die Leviten-Stammbäume in 1Chr 5,27–6,38 . . . . . . . . 250 5.2.2 1Chr 5,27–41 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 5.2.3 Achitub . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 5.2.4 Esr 7,1–5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 5.2.5 1Chr 6,1–32 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 5.2.6 1Chr 6,1–6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 5.2.7 1Chr 6,7–9 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 5.2.8 1Chr 6,13 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 5.2.9 1Chr 6,14 f . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 5.2.10 1Chr 6,16 f . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 5.2.11 1Chr 6,18–23 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 5.2.12 1Chr 6,24–28 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 5.2.13 1Chr 6,29–32 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 5.2.14 1Chr 6,33 f . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 5.2.15 1Chr 6,35–38 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 5.3 Topoi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 5.3.1 1Chr 9,17–34 – Die Einrichtung levitischer Torhüter . . . 284 a) Vv.17–26a . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 b) Vv.26b–34 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 5.3.2 Ex 6,14–25 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 5.3.3 Die zadokidische Desavouierung der Aaroniden in Lev 10 296 5.3.4 Die Juda-Genealogie in 2Chr 2,3–15 . . . . . . . . . . . . . 299 5.3.5 Die Abschiedsreden Davids in 1Chr 22; 28 f und ihr Verhältnis zu den Ämterlisten in 1Chr 23–26.27 . . . . 304 5.3.6 1Chr 23–26.27 – Ämterlisten . . . . . . . . . . . . . . . . . 316
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Inhalt
a) 1Chr 23 – Die Einteilung der 24 Levitenklassen . . . . . 317 b) 1Chr 24 – Die Einteilung der 24 Priesterklassen . . . . . 319 c) 1Chr 25–26 Die Einteilung der Sänger und Torwächter 321 d) 1Chr 27 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 Exkurs: Zur historischen Konzeption eines zadokidischen Hohenpriestertums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 5.4 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 6. Kult-Gegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 6.1 Texturen: Die Ladeerzählung in 1Chr 13–16 . . . . . . . . . . . . 341 6.1.1 Gliederung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 6.1.2 Übersetzung der synoptischen Passagen der Chronik . . . 345 6.1.3 Zur Frage der Einheitlichkeit des nicht-synoptischen Materials . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 6.1.4 1Chr 13,1–4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 6.1.5 1Chr 14 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 6.1.6 1Chr 15 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 6.1.7 1Chr 16 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 Exkurs: Zur חצצרהin motiv- und traditions‑ geschichtlicher Hinsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 6.1.8 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 6.2 Topoi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 6.2.1 1Chr 6,16–18 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 6.2.2 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 7. Kult-Ort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385 7.1 Texturen: 1Chr 21 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386 7.1.1 Die Auffindung des Tempelplatzes in 1Chr 21 . . . . . . . 388 7.1.2 Die Volkszählung – 1Chr 21,1–6 . . . . . . . . . . . . . . . 389 7.1.3 Die göttliche Vergeltungsaktion – 1Chr 21,7–14 . . . . . . 406 7.1.4 Die Abwendung der Strafe – 1Chr 21,16–22,1 . . . . . . . 411 7.1.5 Entstehung und Funktion von 2Sam 24 und 1Chr 21: Zu einer These von Mathys . . . . . . . . . . . . . . . . . 439 7.2 Topoi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442 7.2.1 Das Motiv der Volkszählung . . . . . . . . . . . . . . . . . 442 7.2.1.1 Zusammenhang mit Ex 30,11–16 und Ex 38,25f . . 443 7.2.1.2 Num 1–3; 26 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 452 7.2.1.3 1Chr 23,3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455 7.2.1.4 1Chr 27 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 456 7.2.1.5 2Chr 24 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 457 7.2.2 Die chronistische מקום-Theologie . . . . . . . . . . . . . . . 464 7.2.3 Zur Bedeutung des Ortes Morija . . . . . . . . . . . . . . . 469 7.3 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 475
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8. Kult-Kalender . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 477 8.1 Kalendarische Beobachtungen im Kontext des Tempelbaus . . . . 480 8.2 Die Einbringung der Lade . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 489 Exkurs: Einbringung der Lade in den Tempel als Synthese von Königtum und Tempel . . . . . . . . . . . 496 8.3 Der Festakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 500 Exkurs: Der Status der עצרתin Esr 3 und Neh 8 und in Qumran: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 505 9. Kult-Handlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 515 9.1 Methodische Vorüberlegung zum Phänomen der „Konversationsimplikatur“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 517 9.2 2Chr 26,16–21 – Übersetzung und Analyse . . . . . . . . . . . . . 524 10. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 543 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 551 Bibelstellenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 577 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 591
„Die Grundregel der Mythodynamik besagt: […] Jede Erzählung ist besser als keine Erzählung. Keine dunkle Erzählung kann sich jedoch den Wirkungen von Aufklärung entziehen, die alte Geschichten unter neue Beleuchtungen stellt. Je düsterer die Redaktion einer alten Geschichte ausfiel, desto heftiger manifestiert sich später das Bedürfnis, die Erzählung durch Umerzählung aufzuhellen.“1
1. Einleitung Die Chronik2 ist die laterna magica des Alten Testaments. Aus ihr scheinen eine Vielzahl alttestamentlicher Schriften als eine einzige, neue Schrift heraus. Beim Studium der Chronik, die zu etwas weniger als der Hälfte aus biblischen Vorlagen bestehet, leuchten die aus den älteren Schriften übernommenen Elemente in unterschiedlichen Passagen mal mehr, mal weniger intensiv auf, d. h. sie werden für uns nur noch in der Gestalt sichtbar, die der Chronist ihnen gegeben hat.3 Bisweilen schimmern die älteren Quellen noch in den Farben durch, die sie hatten, bevor sie zum proto-masoretischen und schließlich masoretischen Text weiterentwickelt wurden. So wird bspw. die Überführung der Bundeslade nach Jerusalem (vgl. 1Chr 13–16) vom Gesang eines Psalms (1Chr 16,8–34) begleitet, der eine Verbindung aus Ps 105,1–15; Ps 96,1–13; Ps 106,1.47 f darstellt. Auch Prophetenfiguren treten in der Chronik in Erscheinung. Jeremia z. B. betritt in 2Chr 36,20 f unvermittelt die Bühne und formuliert eine positive Deutung des Exils: Das Land, so heißt es, habe damit die Gelegenheit, seine Sabbate nachzuholen. Ebenso ist der Pentateuch in der Chronik vielfach rezipiert worden: Berühmt sind die Weiterent-
1 Sloterdijk 2016, 10 f.19. 2 Der Begriff „Chronik“ bezeichnet in dieser Arbeit die beiden Bücher der Chronik (hebr. דברי הימים, griech. ΠΑΡΑΛΙΠΟΜΕΝΑ). Da die Forschung inzwischen weitgehend einstimmig der Auffassung ist, dass ein „Chronistisches Werk“, d. h. eine Korpus aus den Büchern 1./2. Chronik, Esr und Neh, nicht, bzw. erst später als redaktionelle Konstruktion, existiert hat (vgl. Japhet z. St., 3–7; Klein z. St., 6–10; Knoppers z. St., 96–100), werden mit „Chronik“ in der gesamten Arbeit nur die beiden Bücher der Chronik bezeichnet. 3 Die Bezeichnung „Chronist“ meint in dieser Arbeit eine Gruppe von Schreibern, die für die Abfassung der Chronik verantwortlich sind. Da sich in der Chronik, wie die jüngere Forschung zeigt, keine umfassenden Redaktionsprozesse, sondern nur punktuelle Bearbeitungen vollzogen haben (vgl. Klein z. St., 11–23 sowie Knoppers z. St., 90–100), hat der Begriff umso mehr seine Berechtigung.
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1. Einleitung
wicklung der in Gen und Ex angelegten Genealogien in der sog. „Genealogischen Vorhalle“ (1Chr 1–9) sowie der häufige Rekurs auf Mose als Mittler der Tora.4 Die älteren Schriften werden durch ganz unterschiedliche Verarbeitungstechniken in der Chronik übernommen: Sie werden gekürzt, verlängert, reorganisiert und bisweilen völlig umgearbeitet. Hauptgrundlage des Chronisten ist die Darstellung der Könige Judas, wie er sie in den Samuel- / Königsbüchern vorfindet. Die Erzählung nimmt bei dem gescheiterten König Saul (1Sam 31//1Chr 10) ihren Ausgang und führt vor dieser Kontrastfolie die ideale Regierungszeit der Könige Davids und Salomos vor. Da auch die Chronik – noch immer – die Exilserfahrung erzählerisch5 zu bewältigen versucht, trennt sie die Epoche dieser Könige durch eine Zäsur ab und inszeniert ihre eigene Version des Niedergangs des judäischen Königtums. Während dieses Niedergangs wird anders als in der Geschichte der Vorlage eine latente Paränese eingewoben, die man als den Ordnungsruf: „Zurück zur Tora!“ vernehmen kann. Die Tora wird in der Chronik 19 Mal erwähnt und, je dichter es auf das drohende Exil zugeht, umso häufiger gebraucht.6 Dass der schriftgelehrte Diskurs der Chronikbücher zu einem erheblichen Teil synthetischen Ursprungs ist, hat konzise Albertz beschrieben, der insgesamt vier Syntheseleistungen der Chronik erläutert. Anliegen des Chronisten sei es, „eine möglichst breite Synthese der unterschiedlichen religiösen Traditionen Israels zu bieten“7. Die folgenden vier Synthesen arbeitet Albertz heraus: 1.) Die Synthese von Tora und DtrG8 Albertz sieht darin den Versuch einer Aufwertung des DtrG. „Wollten sie [sc. die Chronisten, L. M.] erreichen, daß das DtrG als kanonisch aufgewertet würde, dann mußten sie nachweisen, daß das, was es überlieferte, wenn man es nur richtig auslegte, ganz den Normen der kanonischen Gesetzesüberlieferung entsprach.“ Albertz zeigt dabei, dass die Vorlage ebenfalls schon auf die Tora bezogen war. Diese sei jedoch noch mit D gleichzusetzen gewesen, sodass der Chronist vor der Herausforderung der Einbettung von priesterlichem Material stand.9 Dabei zeichnet Albertz sehr sorgfältig nach, dass der Chronist nicht 4 1Chr 5,29; 6,34; 15,15; 21,29; 22,13; 23,13–15*3; 26,24; 2Chr 1,3; 5,10; 8,13; 23,18; 24,6.9; 25,4; 30,16; 33,8; 34,14; 35,6.12. 5 „Das Erzählen“, so lässt sich hier mit Koschorke (2013, 25) festhalten, „ist Organon einer unablässigen kulturellen Selbsttransformation.“ Koschorke verweist vor dem Hintergrund dieser Definition darauf, dass sich damit die Aufgabe stelle, „die Transformationsregeln zu bestimmen, die diesen Prozess steuern.“ (Ebd.). In dieser Arbeit geht es um die Frage, ob der Pentateuch eine solche Regel der chronistischen Kulturtransformation darstellt. 6 1Chr 16,40; 22,12; 2Chr 6,16; 12,1; 14,3; 15,3; 17,9; 19,10; 23,18; 25,4; 30,16; 31,3–4.21; 33,8; 34,14–15.19; 35,26. 7 Albertz 21997, 610. 8 Ebd. 9 Ebd., 611.
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einfach mechanisch vorging – eine Einsicht, die die Chronikforschung lange nicht erkannt hat. Vielmehr sei der Chronist auf Grund des dialogischen Charakters der Tora auslegend vorgegangen.10 Albertz erkennt dabei wesentliche Eigenschaften der Tora-Rezeption, die für unsere Arbeit von ganz entscheidendem Wert sind: „Die immer wieder in der Forschung betonten Abweichungen von Chr gegenüber ‚P‘ und Dtn schätzen die Möglichkeit der Tora-Auslegung zu gering ein und verstellen nur das offensichtliche Anliegen der Chronisten, eine Geschichte Israels nach den Regeln der kanonischen Tora darzustellen.“ 2.) Einbeziehung der Prophetie11 Albertz beobachtet, dass die Chronik zahlreiche Prophetenfiguren auftreten lässt. Darin vermutet er die Absicht, „der Prophetie wieder eine größere Rolle in der offiziellen Jahwereligion einzuräumen“. Der Chronist habe damit demonstrieren wollen, „daß – recht verstanden – die Prophetie sehr wohl zur Orientierung Israels in der Geschichte taugte“12. Es wird sich die Frage stellen, auf welche Weise die Prophetie in der Chronik in ein Verhältnis zu den übrigen Traditionen zu setzen ist. 3.) Einbeziehung der Psalmentradition13 Mit der Einbeziehung von Psalmen in seine Geschichtsdeutung steht der Chronist in einer Tradition mit den Psalmen des Pentateuchs und denen der Propheten. Albertz stützt seine Beobachtung der Einbeziehung dabei insbesondere auf 1Chr 16; 2Chr 6,41: „Die Verfasser des Chronikwerkes wollten somit zeigen, daß kultische und geschichtliche Wirklichkeit – recht ausgelegt – letztlich identisch waren.“14 Beide Stellen werden wir in den Kapiteln „Kult-Gegenstand“ und „Kult-Ort“ näher erläutern. 4.) Einbeziehung der persönlichen Frömmigkeit15 Albertz beobachtet in der Chronik einen Zuwachs an persönlicher Frömmigkeit, die insbesondere durch die Bezeichnung JHWHs als „Gott der Väter“16 deutlich werde. Auch die Vorstellung, dass alles, „was Israel gegenüber Jahwe unternahm, […] von tiefer ehrlicher Hinwendung zu Gott getragen sein“ sollte, ergebe sich aus der unentwegten Bezugnahme auf die Wendung דרש אלהים. An diesem Punkt zeigt sich laut Albertz auch die an die Theologie des Hiobbuches erinnernde Auffassung des Chronisten, dass alles weltliche Handeln
10 Ebd. 11 Ebd., 615. 12 Ebd. 13 Ebd., 616. 14 Ebd. 15 Ebd. 16 Ebd., 617.
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1. Einleitung
auch eine weltliche Entsprechung haben sollte.17 Dabei ist besonders wichtig, dass der Chronist in diesem Sinne die Geschichte nicht als ein Verhängnis auffasst, was nach der Vorlage des DtrG leicht möglich wäre. Vielmehr stelle er die Gnade Gottes heraus und vertrete die Auffassung, dass es „für Israel kein ‚zu spät‘“18 gebe und selbst die Brüder des Nordreiches „zum Heil Jahwes nach Jerusalem eingeladen“19 bleiben.20 Diese Syntheseleistung ist für die rezente alttestamentliche Forschung von kaum überschätzbarem Wert, da sie bereits innerbiblisch das Phänomen der Rewritten Bible dokumentiert und einen Eindruck davon vermittelt, wie man sich die schriftgelehrte Arbeit im Jehud der spät-persischen / früh-hellenistischen Zeit vorzustellen hat. Das ist alles andere als unerheblich, da in dieser Epoche ein Großteil des alttestamentlichen Schrifttums in eine Form gebracht wird, die sich bis heute erhalten hat. Problematisch ist jedoch, dass sich außerhalb der beobachtbaren formativen literarischen Prozesse in den biblischen Büchern kaum etwas über die Umstände der Literaturproduktion sagen lässt. Zwar gibt uns die Qumran-Forschung, insbesondere die Forschung an den Handschriften 4Q158; 364–36721, wertvolle Einsichten in die vielfältigen Möglichkeiten der Produktion von Schriften aus vorgegebener Literatur und der kulturgeschichtliche Vergleich zur Schreibpraxis hilft uns dabei, die Funktion von Schrift in der Antike besser zu verstehen22, jedoch können die Vergleiche nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir über die literarischen Produktionstechniken und Schriftgelehrten-Diskurse der spät-persischen / frühhellenistischen Epoche nur recht wenig und wenn, dann aus den alttestamentlichen Schriften selbst wissen. In diesem Sinne steht also die Chronik, die in der Gattung der Rewritten Bible bzw. Rewritten Scripture das erste Exemplar darstellt,23 allen anderen Texten voran und erweist sich als eine der wichtigsten Referenzen für die Beurteilung der Arbeit der Schriftgelehrten in Jerusalem. Es wird daher insbesondere darum gehen, die feinen Nuancen der Tora-Rezeption in der Chronik zu erhellen und nachzuvollziehen, unter welchen Bedingungen die Tora in 17 Ebd., 618. 18 Ebd. 19 Ebd. 20 An der These einer vierfältigen Synthese des Chronisten hat Steins (1995, 501–504) Kritik geübt. Albertz verwechsle mit seiner These Ursache und Wirkung: Der Chronist vollziehe dementsprechend keine Syntheseleistungen, sondern finde diese bereits vor und schließe sie ab. Problematisch ist dabei die Grundannahme, dass die Chronik a) ein kanonisches Abschlussphänomen sei und b) dass Steins eine extreme Spätdatierung vorschlägt, die ihm die erste These gestattet. Wir stellen Albertz an dieser Stelle wieder „vom Kopf auf die Füße“. Die Gründe dafür werden im Fortgang der Arbeit erörtert. 21 Vgl. dazu die grundlegende Studie von Zahn 2011. 22 Vgl. dazu die umfassenden Studien von Carr 2005 und van der Toorn 2007. 23 Vgl. dazu die sorgfältigen Abwägungen von Knoppers (z. St., 129–134).
1. Einleitung
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die Chronik gelangt ist, und dabei, wie Albertz entfaltet hat, insbesondere die vierfache Vorgeschichte der Chronik im DtrG, in den Psalmen, in der Prophetie und in der Tora selbst zu berücksichtigen. Erst eine Bestimmung des Kontrastverhältnisses aller in der Chronik verarbeiteten Quellen wird erhellen, welche Bedeutung die einzelnen Traditionen für den Chronisten hatten. Während die von Albertz genannten Synthesen 2.–4. in der Forschung bereits recht gut aufgearbeitet wurden,24 stellt die umfassende Beschreibung der Synthese von Tora und DtrG in der Chronik ein Desiderat dar. Wir werden deshalb dieser Frage weiter nachgehen. Dabei lassen wir uns von der wichtigen Einsicht leiten, dass die Tora-Rezeption in der Chronik nicht einfach ein mechanischer Rückgriff auf das Lexem תורהist, sondern vielmehr die Einbettung der Texte des Pentateuchs in das DtrG unter Einarbeitung weiterer Quellen und Traditionen. Welchen Ort der Pentateuch, welche Funktion תורהhat, diese Fragen werden uns in der folgenden Arbeit beschäftigen. Inwiefern wir dabei in der Lage sind durch das Ansetzen des exegetischen Prismas die literarischen Einflüsse auf die Chronikbücher als Gesamtwerk wieder in ihre Urphänomene zu brechen und trennscharf voneinander zu scheiden, werden die einzelnen Analysen zu zeigen haben.
24 Vgl. z. B. Japhet 1989; Schniedewind 1995; Ders. 1997; Mathys 1994; Kleinig 1998.
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Bereits 1878 hat Wellhausen drei Merkmale der Chronikbücher präzise erfasst: (1) „Die alten Volksbücher, die harmlos an den verwerflichsten Sitten und Einrichtungen vorübergingen, bedurften einer gründlichen Aptirung nach der mosaischen Form, um sie für die neue Zeit verwertbar, verdaulich und erbaulich zu machen.“1 Mit diesem Urteil aus den Prolegomena beschreibt Wellhausen schon im ausgehenden 19. Jh. eines der Hauptanliegen des Chronisten sehr deutlich. Dabei datiert Wellhausen (2) die Chronik ebenfalls schon mit großem historischen Gespür an den Beginn der hellenistischen Zeit.2 Letztlich hält er auch fest, (3) dass es vor allem die Priesterschrift sei, „nach dessen Muster die Geschichte des alten Israels dargestellt wird“3. Freilich ist die Forschung seit Wellhausen vorangeschritten und sieht alle drei Feststellungen inzwischen deutlich differenzierter, dennoch lassen sie sich noch immer als Grundlage der Chronikforschung verstehen, wenn man die einzelnen Punkte einschränkt, modifiziert oder ergänzt: Im Hinblick auf die „Aptirung“ nach der mosaischen Form ist in der Tat unverkennbar, dass die Tora ganz erhebliche Spuren in der Chronik hinterlassen hat. Dabei kann jedoch von einer einfachen Aptierung inzwischen nicht mehr die Rede sein, vielmehr deutet einiges darauf hin, dass der Chronist seine Quellen, insbesondere die Samuel- / Königsbücher und eben auch den Pentateuch produktiv nutzt, zitiert und vor allem fortsetzt. Der Chronist versucht keinesfalls, die althergebrachten Geschichten in eine neue Zeit zu übersetzen, sondern seine Zeitumstände zu gestalten, indem er die institutionellen Gefüge seiner eigenen Zeit in die Geschichte der Könige Judas einschreibt. Dass er dabei fortwährend auf die Tora zurückgreift, liegt daran, dass er die Diskurse der spät-priesterlichen Texte der Tora fortschreibt. Nur dass diese Fortschreibungen im Pentateuch selbst nicht mehr zur Sprache kommen konnten und mehr als ein neues Kapitel, nämlich ein neues Buch, verlangten. Deshalb datiert bereits Wellhausen die Chronik an den Beginn der hellenistischen Epoche, nachdem der Pentateuch in der zweiten Hälfte der Perserzeit seine proto-kanonische Form annimmt.4 Die dritte der Wellhausenschen Beobachtungen verlangt wohl die deutlichste Korrektur und zwar in doppelter Hinsicht. Wenn Wellhausen die Rezeption des Priesterkodex in der Chronik als dominierend hervorhebt, untergräbt er damit die zahlreichen und ebenfalls sehr wichtigen Bezüge auf die dtn./dtr. Text
1 Wellhausen, 1927, 292. 2 Ebd. 3 Ebd., 293. 4 Vgl. dazu die Übersicht von Römer 2014b, 53–166.
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2. Forschungsgeschichte
passagen. Auch wenn diese bisweilen in ihrer priesterlichen Überarbeitung in die Chronik eingegangen sind, gehören sie dennoch nicht zu dem Textbestand, den Wellhausen unter „Priesterkodex“ versteht. Dazu kommt, dass der gegenwärtige Trend der Pentateuchforschung zu einer immer diffizileren Schichtung der priesterlichen Texte voranschreitet5, wenngleich diese bereits bei Wellhausen selbst in statu nascendi war. Insofern ist die Frage, die heute im Raum steht, nicht die nach der Rezeption des Priesterkodex, sondern die, auf welcher Ebene der Ausdifferenzierung der priesterlichen Texte der Chronist in den Diskurs eingegriffen hat. Rothstein / Hänel haben die These vertreten, dass die Chronik eine noch unabhängige Priesterschrift rezipiere. Dabei besteht jedoch das Problem, dass diese noch mit einer Priesterschrift rechnen, die bis Jos 24* reicht. Spätestens seit Noth ist diese These jedoch unhaltbar geworden.6 V. Rad hat sich deshalb zu Recht gegen die These Wellhausens gewandt und behauptet, nicht P, sondern D bilde den Schwerpunkt der chronistischen Tora-Rezeption. Dabei stützt sich v. Rad insbesondere auf den Terminus „Bundeslade“. Während bei P die Leviten mit der Stiftshütte verbunden seien, ließe sich bei D eine Fokussierung auf die Lade beobachten. Spuren beider Sichtweisen macht v. Rad in der Chronik ausfindig, wobei seine These lautet, dass sich die P-Sichtweise eher als eine Art Rest auffinden lasse, die Leviten aber in der Chronik „einseitig in die Tradition der Lade gerückt“7 seien. Implizit begeht er damit denselben Fehler wie Wellhausen, der darin besteht, nicht ausreichend zwischen P- und D-Materialien zu differenzieren und die reziproken Fortschreibungen, mit denen die jüngere Pentateuchforschung rechnet, noch nicht in ausreichendem Maße zu berücksichtigen. Die Analysen werden zeigen, dass eindimensionale Abhängigkeitsmodelle unhaltbar sind. Hinsichtlich des Tora-Begriffs hebt v. Rad den Unterschied hervor, dass D mit Tora auf den „Inbegriff aller göttlichen Weisung“8 referiere, während P Tora als „Bezeichnung für die priesterliche Einzelanweisung“9 verwende. Schon v. Rad beobachtet dabei ganz richtig, dass eine klare Trennung von D und P nicht aufrechtzuerhalten ist: Es wäre nun freilich ein verhängnisvoller Fehlschluß, wenn man in Anbetracht der eben genannten Termini annehmen wollte, das Deuteronomium selbst sei das für den Chronisten maßgebende Gesetz. […] Daß die Erinnerung an die historischen wie literarischen Unterschiede der einzelnen Korpora geschwunden ist, zeigt die Verwen 5 Vgl. z. B. den neuen Exodus-Kommentar von Albertz, der bis zu sieben priesterliche Bearbeitungen allein im Buch Exodus ausmacht (Albertz z. St. passim), aber auch Achenbach 2003 und als ein Beispiel mit besonders hohem Differenzierungsgrad Berner 2010. 6 Vgl. Noth 31967, 190. Einen umfassenden Forschungsüberblick über das Ende der Priesterschrift (PG) bietet Frevel 2000, 6–51. 7 V.Rad 1930, 107. 8 Ebd., 42. 9 Ebd., 42.
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2. Forschungsgeschichte
dung dieser deuteronomischen Termini auch für außerdeuteronomische Gesetze. In II. Chr. 8, 13 wird, mit dem typisch deuteronomischen מצוהauf ein mosaisches Gebot hingewiesen. Gemeint ist aber zweifellos eine Vorschrift aus P.10
Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass sowohl Wellhausen als auch v. Rad wichtige und ebenso richtige Beobachtungen gemacht haben. Beide konnten jedoch noch nicht auf ein hinreichend differenziertes Pentateuch-Modell zurückgreifen, das die Disparatheit der Befunde hätte erklären können. Einen Ausweg bieten erst neuere Modelle, die die Integration von P und D durch reziproke Fortschreibungsprozesse der einen Quelle in der anderen dokumentieren und dadurch die Grenze aufheben, an der Wellhausens Sicht der Dinge mit derjenigen v. Rads zusammengeprallt ist. Aus Sicht der Chronikforschung hat Japhet einen ersten Fortschritt in diesem Punkt erzielt, indem sie auf die Lebendigkeit der Pentateuch-Diskurse verwiesen hat. Für Japhet stehen Mose und die Tora in der Chronik in enger Verbindung: „Moses represents the authority of the Torah which he handed down.“11 In der Fülle der unterschiedlichen Referenzbezüge wie z. B. ( כל־הכתוב בתורת יהוה1Chr 16,40), ( ככתוב בתורת משה2Chr 23,18) oder ( כדבר־יהוה ביד־משה2Chr 35,6) sieht Japhet einen Hinweis darauf, dass die Bezugsgröße noch nicht klar definiert war, weshalb man die Begriffe „law“ und „commandment“ nicht als termini technici, sondern vielmehr als „living words with a range of meaning“ aufzufassen habe.12 Mose stelle dabei eine eigene autoritative Bezugsgröße neben David, Salomo, Hiskia und Josia dar.13 Davids Autorität sei auf zwei Bezugsgrößen beschränkt: (1) den Tempel einschl. seines Personals und (2) die Kultmusik. Die Autorität des Mose erstrecke sich vor allem auf das Opferwesen, die Leviten.14 Japhet sieht im Fall der zum Tragen der Lade abgestellten Leviten (vgl. 1Chr 15) zwar eine Überlappung der Zuständigkeiten, löst diese jedoch dahingehend auf, dass David schlicht Dtn 10,8 und damit der Autorität des Mose folge.15 Die Frage nach einer Rivalität zwischen David und Mose beantwortet Japhet insofern, als David Mose eher ergänze denn ersetze: „Each has his own authority and David’s actions complement and supplement Moses’ commandments.“16 Während Mose und David in der Chronik als dauerhafte Autoritäten erscheinen, seien Hiskia und Josia demgegenüber nur mit einer wesentlich geringeren Reichweite und vorübergehenden Autorität ausgestattet, die sich auf momentane Kultvollzüge erstrecke.17 l
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10 Ebd., 42. 11 Japhet 1989, 184. 12 Vgl. Ebd., 185. 13 Vgl. Ebd., 185. 14 Vgl. Ebd., 186. 15 Vgl. Ebd., 186, Anm. 130. 16 Ebd., 187. 17 Vgl. Ebd., 187.
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2. Forschungsgeschichte
Im Hinblick auf die Tora-Rezeption hat Japhet genau die Frage aufgeworfen, die bis heute noch einer ausreichenden Beantwortung harrt und deshalb zur Ausgangsfrage auch der vorliegenden Arbeit geworden ist: „The frequent dependence on the law as authority for the cult demands clarification: what does the Chronicler mean, when he writes that something was done ‚as prescribed‘? Is he referring to the Torah in its canonical form, to some part of it, or to a different matter altogether?“18 An dieser Problemstelle setzt Shaver ein, der in einem ersten Survey gezeigt hat, an welchen Stellen der Chronik mit Torarezeption zu rechnen sei. Er kommt dabei zu dem Ergebnis, dass „[t]he Chronicler did regard laws from all of Israel’s major cores (JE, D, H, P, and supplements to P) as authoritative, and combined them eclectically; but he also claimed that this book contained laws which are not in the Pentateuch.“19 Shaver schließt dabei aus dem Umstand, dass der Chronist sich an bestimmten Stellen auf torakonformes Handeln beruft, ohne dass man entsprechende Regelungen in der Tora finden könnte (z. B. 2Chr 30,16), dass dem Chronisten eine andere Tora vorgelegen habe bzw. die Tora noch nicht abgeschlossen gewesen sei. Diese These hat ihm die Kritik Schniedewinds eingebracht: Shaver’s reasoning is faulty. By a similar approach, we might assume from an analysis of the Mishnah that the Rabbi’s Torah was also not yet fixed. Or, by an examination of the Temple Scroll (11QTemple), that the Qumran community’s Torah was not fixed. Rather, the very act of harmonization assumes canonization because the exegete is forced to explain the text and conform it with practice. Although there is no way of ascertaining with surety when the Pentateuch became fixed, there is nothing in Chronicles that would lead us to believe it was not. In fact, the Chronicler’s frequent use of ‚as it is written‘ in phrases like ‚as it is written in the Torah, in the book of Moses‘ (2Chr 24:4) suggests a written Torah book.20
Schwerer als die Kritik Schniedewinds jedoch wiegt, dass Shaver die Rezeption des Pentateuchs nicht konsequent von der synoptischen Arbeit her entfaltet und nicht versucht, in der Untersuchung synoptisches Material und nicht-synoptisches Material zu unterscheiden. Außerdem untersucht Shaver die Rezeption unabhängig von der Perspektive einer literarischen Schichtung des Pentateuchs, was die Einflüsse des Pentateuchs auf die Chronik letztlich nur in einer globalen These fassbar macht und die Optik auf analoge Entwicklungen in beiden Korpora verstellt. Genau diese Optik stellt sich jedoch ein, wenn man neuere Trends der Pentateuchforschung in die Fragestellung einbezieht und besonders den aller (kontinental-europäischen) Orten zu beobachtenden Trend einer zunehmenden Spätdatierung bestimmter Pentateuchtexte und -strata berücksichtigt. Dass es 18 Ebd., 187. 19 Shaver 1985, 10. 20 Schniedewind 2007, 102, Anm. 26.
2. Forschungsgeschichte
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zu einem Abschluss der redaktionellen Arbeit am Pentateuch in der Perserzeit gekommen ist, ist längst Konsens der Forschung. In jüngerer Zeit wird dieser Konsens jedoch dahingehend verflüssigt, dass in allen Büchern des Pentateuchs, insbesondere jedoch im Numeribuch noch mit umfänglichen Bearbeitungen zu rechnen sei, deren Ausläufer sich literaturhistorisch mit dem Einsetzen der Geschichte der Chronikbücher berühren. Dabei gehört es inzwischen zum Grundwissen der Bibelkritik, dass Texte wie z. B. Num 1–9;10; 26–36 literargeschichtlich nach dem Baubericht in Ex 25–40 und der Einfügung des Gesetzes in Lev anzusetzen sind21 und damit den wohl größten Bereich literarischen Wachstums in der vor-chronistisch / chronistischen Zeit darstellen. Die neuere Forschung zur Tora-Rezeption in der Chronik ist überschaubar. Es lassen sich zwei verschiedene Grundpositionen erkennen. Einerseits finden sich Positionen, die man begrifflich orientierte Rezeption nennen könnte und die in der Tradition Shavers stehen. Dazu gehören alle Fragestellungen, die in irgendeiner Form nach dem Gebrauch des Begriffs Tora fragen oder Zitate, Anspielungen u. ä. aus dem Pentateuch in der Chronik analysieren. Demgegenüber gibt es vereinzelt Ansätze, die nach einer strukturellen Ähnlichkeit zwischen Pentateuch und Chronik und damit weniger nach begrifflichen denn vielmehr nach diskursiven und auch formativen Einflüssen fragen. Vertreter der ersten Position sind Kellermann, Willi und Beentjes. Vertreter der zweiten Position sind Achenbach, Mathys und Johnstone. Kellermann hat die These vertreten, der Begriff Tora in den chronistischen Schriften rekurriere wesentlich auf die Kult-Tora. Die Tora übernehme in der nachexilischen Zeit weitgehend die Rolle der Propheten. Dabei zeichne sich auch ein Übergang zur mündlichen Tora ab. In einem sondierenden Aufsatz hat Kellermann22 ein erstes Panorama der Tora-Bezüge in den chronistischen Schriften erstellt. Aus den Bezügen der Chronik auf die Tora schließt er auf das Vorhandensein einer Tora in schriftlicher Form, wobei er die verschiedenen Referenzausdrücke (Buch, Buch der Tora, Buch der Tora JHWHs, Buch der Tora Gottes, Buch des Mose, Buch der Tora des Mose, Buch des Bundes, Tora JHWHs) ebenfalls beschreibt. Im Kontext der Tora will Kellermann noch weitere Begriffe als „Austauschbegriffe“ ausmachen, wobei die Frage offenbleibt, inwiefern er hier an das Phänomen der Synonymie denkt: „Es gibt Austauschbegriffe zum Terminus tôrā, die auch erläuternd zum Kernbegriff hinzutreten können, ohne letztlich eindeutig voneinander unterschieden zu sein. Die chron Schriften stehen hier in dt-dtr Tradition: hoq / huqqim; miṣwā / miṣwôt; mišpǎṭ / mišpatim.“23 Kellermann liegt bei der Analyse der Chronik damit richtig, dass man die einzelnen Begriffe hinsichtlich ihrer Signifikate nicht mehr genau voneinander 21 Vgl. Kratz 2000, 109.111. 22 Vgl. Kellermann 1988, 49–92. 23 Ebd., 50.
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scheiden kann. Zu unklar bleibt in der Chronik letztlich, worauf die Begriffe referieren.24 Zu beobachten ist z. B., dass in gewissen Reihen die genannten Begriffe nebeneinanderstehen. Dass jedoch die Begriffe als solche grundsätzlich nicht voneinander zu scheiden wären, ist zumindest vor dem Hintergrund von 2Chr 19,10 fragwürdig, da es offenbar in die Hoheit des Jerusalemer Zentralgerichts fällt, genau diese Unterscheidung vorzunehmen.25 Wie begrenzt die Reichweite der Beurteilung der Tora in der Chronik ist, zeigt sich bei Kellermann, wenn er sagt: „Für unsere Fragestellung ist es nicht notwendig, die in der Forschung umstrittene und unterschiedlich beantwortete Frage nach einer späteren Bearbeitung und Ergänzung der Chronikbücher aufzunehmen, da das als sekundär verdächtige Material in der Regel aus Listen besteht und Texte unseres Interesses nur in ganz wenigen Ausnahmen dazugehören.“26 Das Problem dieser Aussage hängt weniger an der Frage der Ursprünglichkeit, sondern an Kellermanns unausgeführter Präsupposition, dass Tora vor allem begrifflich greifbar werde. Wenn in dem Listenmaterial nicht explizit auf die Tora referiert wird, bedeutet dies jedoch nicht, dass die Tora dort keine Wirkung entfaltet. Ganz im Gegenteil: Um das gesamte Ausmaß der Torarezeption in der Chronik zu verstehen, führt kein Weg an dem Listenmaterial, insbesondere an den Genealogien Judas und Levis vorbei.27 Weiterhin verzichtet auch Kellermann bei der Beurteilung der Rezeption noch auf jede Feindifferenzierung der spät-priesterlichen Texte des Pentateuchs. Zwar ist es keinesfalls abwegig, wenn er den Chronisten für einen „Schüler des priesterschriftlich geprägten Pentateuchs“28 hält, jedoch zeigt sich in der Differenzierung der priesterlichen Passagen des Pentateuchs, insbesondere des Numeribuches, dass die Abfassung bereits andere Diskurse aufnimmt als nur die der Priesterschrift.29 Willi hält die Chronik für „ein einheitlich konzipiertes Werk, das die Geschichte der davidischen Königslinie als den Kern der Geschichte Israels darstellen will.“30 Willi sieht richtig, dass der narrative Stoff des Pentateuchs weitgehend 24 Methodisch bleibt natürlich die Option, analog zu dem hier gewählten Vorgehen den jeweiligen Begriff gleichermaßen in seinem Kontext wie aus der synoptischen Perspektive zu untersuchen. Dabei tritt dann jedoch das Problem auf, dass der Begriff Tora einerseits metonymisch bzw. als ein Inbegriff für die Lehre des Pentateuchs verwendet wird, andererseits jedoch die Termini חק, מצוהund מׁשפטnicht in gleicher Weise rezipiert wurden. Es gibt schlicht kein identifizierbares Textcorpus (auch kein Teilcorpus), dessen Umfang durch einen dieser drei Begriffe umfasst wird. 25 S. u. 26 Kellermann 1988, 51. 27 S. u. das Kapitel „Kult-Personal“. 28 Kellermann 1988, 75. 29 Vgl. dazu unten den Versuch, eine Standortbestimmung des Chronisten vom Pentateuchmodell Ottos und Achenbachs zu entfalten. 30 Willi 1980, 102.
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unrezipiert bleibt,31 erkennt jedoch gleichfalls die besondere Bedeutung der Tora.32 Zu Recht wirft er dabei die Frage auf: „Was aber ist Thora?“33 Willi widerspricht der These von Weiss, nach der in Esr / Neh und Chronik „Thora überall als das ‚Wort Gottes, das er in der Vergangenheit geoffenbart hat‘“34 aufzufassen sei. Vielmehr sei „die Thora der Chronikbücher nicht eindeutig auf eine vergangene Offenbarung festzulegen.“35 Dabei verdient die These besondere Beachtung, dass „die Chronik mit ‚Thora‘ keineswegs eine vergangene, fixierte Offenbarung meint.“36 Sowohl der Begriff תורהals auch מצוהseien „nicht eindeutig festgelegt, sondern gewinnen ihre Bedeutung erst aus dem jeweiligen Kontext. Das gilt besonders für den Begriff der Thora.“37 Weiter heißt es: „Wo die Person Moses erwähnt wird (entweder in der Status-Constructus-Verbindung der beiden Stellen 2. Chr. 23,18; 30,16 oder in der Apposition eines Relativsatzes ‚wie Mose geheissen hat‘ o. ä.), geht es mehr um die Übereinstimmung einer späteren Praxis mit den sinaitischen Anordnungen als um die Beglaubigung des Inhalts.“38 Resümierend hält Willi gerade vor dem Hintergrund von 2Chr 30,16 fest, dass „[v]on einer starren Buchstabengläubigkeit […] nichts zu spüren [ist]. Ja, es scheint sogar so zu sein, dass die Thora des Chronisten grundsätzlich offen war oder jedenfalls die Möglichkeit bot, sich auf eine nicht schriftlich fixierte Anweisung des Mose zu berufen.“39 Genau an diesem sensiblen Punkt, der Frage nach Offenheit und Geschlossenheit der Tora, wird hier weiter zu forschen sein. In einem kleinen Aufsatz hat Rendtorff eine These skizziert, die sich insbesondere in methodischer Hinsicht für die Frage nach der Tora-Rezeption in der Chronik als weiterführend erweist. Die These lautet: Wenn der Chronist die Tora vor dem Hintergrund seiner Vorlage rezipiert, ist er um einen Ausgleich zwischen Vorlage und Tora bemüht. Rezipiert er die Tora jedoch in den Stücken des sog. Sonderguts, verfährt er mit größerer Toraobservanz.40 Mit dieser hellsichtigen Einsicht wird die Debatte um die Tora-Rezeption in der Chronik gewissermaßen mehrdimensional. Es stellt sich nicht nur die Frage, welches Material der Chronist aus dem Pentateuch übernimmt, sondern auch wie er das Material in seine Vorlagen integriert. Mit der Beobachtung textueller Treue 31 Vgl. Ebd.,102. Da bereits im Pentateuch legislatives und narratives Material synthetisiert werden, hat diese Beobachtung einen höheren heuristischen Wert für die überwiegend bzw. ausschließlich narrativ geprägten Passagen. Gleichwohl findet sich auch deren Rezeption in der Chronik, sei es direkt, sei es indirekt, wieder. 32 Vgl. Ebd., 102. 33 Ebd. 34 Ebd.103. 35 Ebd. 36 Ebd. 37 Ebd., 104. 38 Ebd., 104 f. 39 Ebd.,149. 40 Rendtorff 1996, 259–266.
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gegenüber der Vorlage ist damit indirekt auch die weiterführende Beobachtungsaufgabe gestellt, ob der Chronist das Material immer direkt aus dem Pentateuch oder auch indirekt aus seiner Vorlage übernimmt. In seinem Kommentar zu den Chronikbüchern kommt auch Beentjes auf den Tora-Begriff zu sprechen. Zunächst hebt Beentjes hervor, dass die Übersetzung der LXX mit wet [sc. νόμος, L. M.] zumindest der Grundbedeutung von Tora nicht entspricht. Innerhalb der Chronikbücher hebt Beentjes die auffällige Ungleichverteilung der Befunde hervor. Zwei Erwähnungen im ersten Buch der Chronik41 stehen 17 Erwähnungen im zweiten Buch42 gegenüber. Wichtiger noch ist die Feststellung, dass „[h]et grootste deel van de passages in Kronieken war het word tōrā voorkomt, blijkt namelik tot het zgn. ‚Sondergut‘ vat het geschrift te behoren en gaat dus terug op een bewuste beslissing van de schrijver.“43 Daraus leitet Beentjes eine wichtige hermeneutische Voraussetzung ab: „Dit houdt dat men niet alleen naar de betekenis van de term tōrā moet vragen, maar ook aandacht dient te schenken aan de literaire setting ervan.“44 Diese Einsicht liegt auf der Ebene der Rendtorffschen Beobachtung und ist für die vorliegende Beobachtung kaum zu überschätzen. Hinsichtlich dieses literarischen Settings unterscheidet Beentjes drei Sorten von Texten: 1) „Er is welgeteld één tōrā-passage (2Kron 34:15) die identiek is an zijn oudere parallele tekst (2 Kon. 22:8).“45 2) „Vier passages waarin het begrip tōrā een rol speelt zijn, na het aanbrengen van relatief kleine wijzingen in de brontekst, door de Kronist overgenomen: 2 Kron. 6:16 / 1 Kon. 8:25; 2 Kron. 25:4 / 2 Kon. 14,6; 2 Kron. 33:8 / 2 Kon 21,8; 2 Kron 34,19 / 2 Kon 22:11.“46 3) „De resterende veertien tōrā-teksten behoren tot het eigen materiaal (‚Songergut‘) van de Kronist.“47
Hinsichtlich der Bedeutung des Lexems Tora führt Beentjes ebenfalls eine dreifache Unterscheidung ein: 1) Tora im Sinne des kodifizierten Textes – Tora1 „In zeker tien gevallen wordt het woord tōrā geruikt ter aanduiding van een hel bepaalde gecodificeerde tekst, te weten de vijf boeken van Mozes.“48 Darunter fasst Beentjes 1Chr 16,40; 2Chr 17,9; 23,18; 25,4; 31,3; 34,14.15; 35,26.
41 1Chr 16,40; 22,12. 42 2Chr 6,16; 12,1; 14,3; 15,3; 17,9; 19,10; 23,18; 25,4; 30,16; 31,3.4.21; 33,8; 34,14.15.19; 35,26. 43 Beentjes z. St., 102. 44 Ebd. 45 Ebd. 46 Ebd. 47 Ebd. 48 Ebd.
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2) Tora im Sinne einer Zusammenfassung – Tora2 „In 2 Kron. 14:3; 19,10; 33,8 gaat tōrā vergezeld van de term ‚gebod‘ (mitswā), in 2 Kron. 19,10; 33,8 van ‚bepaalingen‘ (chuqqīm), in 2 Kron. 33:8 van ‚voorschriften‘ (mishpātīm).“49 Beentjes hält alle diese Unterscheidungen für jeweils auf textueller Ebene getroffen: „Dardoor heeft de term tōrā in deze passages meer betrekking op een bepaald onderdeel van de gecodificeerde tekst.“50 3) Tora im Sinne einer an JHWH orientierten Lebensweise – Tora3 „Ten slotte is er een groep teksten waarin tōrā min of meer synoniem staat voor ‚een op Jhwh geörienteerde levenswijze‘. “51 Darunter fasst Beentjes 2Chr 6,16; 12,1; 15,3; 31,4. Beentjes’ knappe Vorüberlegungen lehren uns, dass hinsichtlich In- und Extension, also Sinn und Bedeutung des Tora-Begriffes in den Chronikbüchern unterschieden werden muss. Es steht außerdem zur Disposition, dass möglicherweise noch weitere Konnotationen der Tora berücksichtigt werden müssen. Darauf wird innerhalb der einzelnen Untersuchungen zurückzukommen sein. Einen erheblichen Schritt vorwärts in der Erforschung des Zusammenhangs zwischen Tora und Chronik hat Mathys in einem Aufsatz gemacht, in dem er die neuere Forschung zum Buch Numeri, vor allem in Gestalt der These Achenbachs, konsequent in einer Fluchtlinie auf die Chronikbücher hin weiterdenkt. Mathys geht so weit zu sagen, dass Numeri und Chronik nahe Verwandte seien.52 Da sein Ansatz dem gleichen Quell entspringt wie die vorliegende Studie, soll Mathys’ Einlassung an dieser Stelle ausführlicher dargestellt werden. Mathys rechnet zunächst mit einer Abfassungszeit der Chronikbücher um 300 v. Chr.53 Damit ergibt sich, dass „die beiden Werke nur (gut) hundert Jahre auseinander“54 liegen. Den literarischen Charakter beider Bücher beschreibt er dementsprechend pointiert: „Sie beziehen sich in hohem Maße auf vorliegende Literatur; sie legen aus, ergänzen und vollenden.“55 Die genannten Merkmale führen Mathys zu der These, dass beide Werke einander thematisch nahestehen, wenn 49 Ebd.,103. 50 Ebd. 51 Ebd. 52 Vgl. schon den programmatischen Titel seines Beitrags: „Numeri und Chronik: Nahe Verwandte“. Zwar fehlt in der Überschrift ein Interpunktions-, jedoch – wie der Beitrag eindrücklich zeigt – keinesfalls ein Fragezeichen. (vgl. Mathys 2008, 555–578). Wenn man in Mathys genetischer Metaphorik weiterdenken will, drängt sich eine genauere Analyse der Frage auf, in welchem verwandtschaftlichen Verhältnis genau beide Bücher zueinander stehen. 53 Vgl. Mathys 2008, 555. 54 Vgl. ebd. 55 Vgl. ebd.
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gleich sich die vertretenen Positionen nicht notwendigerweise decken.56 Unter Ausblendung der jeweils diachronen Betrachtung beider Bücher will Mathys eher dem „Numeri und Chronik gemeinsame[n] Vokabular“ nachgehen.57 Die wichtigste Übereinstimmung nennt er dabei direkt in einer Anmerkung: Sie bestehe in dem Motiv des Salzbundes (vgl. Num 18,19 und 2Chr 13,5).58 Mathys entfaltet nun in einem Survey neun Punkte, die dem gemeinsamen Vokabular nachspüren: I. Leviten (und Priester) – II. Pesach – III. Zehnter – IV. Tempelfinanzierung – V. Erfassung des Volkes – VI. Keine Kollektivhaftung – VII. Heiliger Krieg – VIII. Landund Viehwirtschaft – IX. Art der Darstellung.59
Er kommt dabei zu einer Fülle von Ergebnissen, die der vorliegenden Arbeit gewissermaßen die Exposition liefern und daher in Auswahl besprochen werden müssen. Ad I) Eine Hauptgemeinsamkeit beider Bücher bestehe in dem herausragenden Interesse an den Leviten. Auf sechs Kapitel im Buch Numeri kommen mindestens vier in den Chronikbüchern. In einer kanonischen Lektüre spricht Mathys davon, dass Numeri und Chronik einander ergänzen.60 Diachron formuliert sollte jedoch besser davon gesprochen werden, dass die Chronik Numeri ergänzt. In diesem Zusammenhang bringt Mathys die Beobachtung Schapers ins Spiel: „Während Numeri (P) die Leviten als Diener der Priesterschaft darstellt, ‚ist der Blickwinkel der Chronik der der Leviten‘.“61 Zu Recht hebt Mathys in diesem Zusammenhang hervor, dass sowohl Numeri als auch Chronik im Hinblick auf Priester und Leviten von starken Spannungen durchzogen sind.62 Gerade ein 56 Vgl. ebd. 57 Vgl. ebd. 58 Vgl. ebd. Da für Mathys das Buch Numeri und die Chronik noch einen zeitlichen Abstand von etwa 100 Jahren haben, liegt es in seinem Vorgehen durchaus nah, die jeweiligen Wachstumsphasen der Bücher zunächst auszublenden. Wenn man die von Mathys auf gerufenen Gesprächspartner Willi und Achenbach jedoch etwas ausführlicher miteinander konfrontiert, fällt auf, dass die von Achenbach eingeführten Theokratischen Bearbeitungen sich in drei Entwicklungsstufen nach Esra vollziehen, dessen Wirken er um 398 v. Chr. ansetzt (s. u.). Man wird also mit der Vollendung der Tora in der Mitte des 4. Jh. rechnen müssen. Da Willi die Datierung der Chronik etwa in die spät-persische bzw. früh-hellenistische Zeit datiert (s. u.), rücken die in beiden Büchern verhandelten Diskurse vielleicht nicht in exakt dieselbe Zeit, jedoch möglicher Weise sehr dicht an eine literargeschichtliche Scheide, auf deren beider Seiten möglicherweise Diskursteilnehmer derselben Generation angenommen werden müssen. Weiteres wird die vorliegende Untersuchung zu zeigen haben. 59 Vgl. Mathys 2008, 556. 60 Vgl. ebd. 61 Vgl. Ebd. 2008. 556. Vgl. weiterhin Schaper 2000, 298. Inwiefern es der These Schapers, die an dieser Stelle im Grunde das Richtige benennt, noch an Tiefenschärfe mangelt, wird unten gezeigt. 62 Vgl. Mathys 2008, 555.
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Text wie Num 18,3 f mache deutlich, wie sehr die Leviten einerseits versuchen, sich priesterliche Kompetenzen anzueignen, die Priester jedoch genauso stark dagegenhalten. Die zweifache Unterordnung unter ätiologischer Zuhilfenahme der Wurzel לוהin V.2 und 4 bezeuge dies, wie Mathys hervorhebt, gut.63 Unter Einblendung dieses Kontextes zeigt Mathys, inwiefern 2Chr 29,16 und 34 dazu in Beziehung zu setzen sind, wo bei bestimmten Tempelverrichtungen deutlich wird, welche Spannungen die Trennung der Aufgabenbereiche bereithält und wie sehr der Chronist von Seiten der Leviten dagegen anschreibt.64 Die genannten Stellen liefern dabei zwei gelungene Exempla, die mühelos weitergeführt werden können. Man beachte nur das Verhältnis von Priestern und Leviten bei den Pessachfesten in 2Chr 30,16 und 35,11. Nach 2Chr 30,16 sprengen die Priester das Blut aus der Hand der Leviten. Dieser Ritus, so legt es der Text nahe, soll dabei in Übereinstimmung mit der geschriebenen Tora des Mose vollzogen werden. Dort sucht man diese Bestimmung, zumindest in den uns zugänglichen Textzeugen, jedoch vergebens. Weiter als bis zur Symbolik eines Tempeldienstes „Hand in Hand“ konnte man die Kompetenzstreitigkeiten kaum treiben. Ad II) Mathys rekurriert auch auf die Pessachtexte. Zum einen bringt er die berühmte Unterscheidung zwischen ‚Braten‘ und ‚Kochen‘ ins Spiel,65 zum anderen verweist er auf die wichtige Neuerung des zweiten Pessachfestes in Num 9, die er als Midrasch beschreibt. Das „erinnert“66 nicht nur an 2Chr 30, vielmehr findet sich an dieser Stelle die einzige Entsprechung überhaupt. Bestimmung und Performanz des Festes treten also erst durch die komplementäre Lesart zu einem Ganzen zusammen. Ad III) Auch das Thema der Erhebung des Zehnten, das eine eigentümlich frühe Vorwegnahme in Gen 14,20 erfährt, hat einen Reflex in den Chronik büchern (vgl. 2Chr 31,5 f.12). Dabei ist wichtig, dass an dieser Stelle eine Ergänzung gegenüber 2Kön vorliegt. Überhaupt kommt der Chronist nur an dieser Stelle auf den Zehnten zu sprechen. Wichtig ist nicht nur die Verhältnisbestimmung zu Num 18,21 ff, die Mathys zu Recht ins Spiel bringt, sondern auch der Blick auf Neh 13,10–14, der in einer weiterführenden Analyse ins Verhältnis zu setzen ist. Ad IV) Neben einzelnen Schlüsselversen, die vor dem Hintergrund der Tempelfinanzierung zu lesen seien, hebt Mathys die wichtigen Schlüsseltexte Ex 25; 35 hervor, die in einem engen Verhältnis zu Numeri und Chronik stünden: „Die Tempelfinanzierung beansprucht in ihnen viel Platz.“67 Insbesondere Num 7 und 63 Vgl. Ebd. 556. 64 Vgl. Ebd. 558. 65 In 2Chr 35,15 wird offensichtlich der Ausgleich zwischen den verschiedenen Regelungen aus Ex 12,8 f und Dtn 16,7 gesucht. Vgl. Mathys 2008, 559. 66 Vgl. ebd. 67 Vgl. Mathys 2008, 561. Durchaus zu Recht sieht Mathys in 2Sam 24 eine Ablehnung der persischen Mitfinanzierung des Tempels. Etwas unglücklich ist jedoch die Formulierung,
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Num 31 geraten hier in den Blick. Die Disposition des Chronisten stellt Mathys äußerst klar heraus: Er schrieb in königsloser Zeit die Geschichte des davidischen Königtums neu. Er durfte den Beitrag, den zu seiner Zeit die Bevölkerung (die Aristokratie) zu Tempelbau und -unterhalt beisteuerte, nicht unter den Tisch wischen, musste aber gleichzeitig David in der Rolle des Hauptsponsoren belassen. Diese Herausforderung meistert der Chronist bravourös. Zum Tempelbau tragen David und – mit einem grösseren Beitrag – die Aristokratie bei. David spendet nicht nur aus dem Krongut, sondern greift auch auf sein Privatvermögen zurück (1 Chr 29,3 f) […] David gleicht darin einem hellenistischen Sponsoren, dessen Züge der Chronist ihm in 1Chr 29 verleiht.68
Die Verhältnisbestimmung von Ex 25–31 und 35–40 sowie 1Chr 22–2Chr 2 wird hier näher zu beschreiben sein. Ad V) Mit Blick auf das Motiv der Volkszählung macht Mathys ebenfalls auf die Grundübereinstimmung zwischen Numeri und Chronik aufmerksam. An dieser Stelle führt er die Einsichten Oemings und Achenbachs zu 1Chr 1–9 bzw. Num 1–4 und 26 zusammen: „Genealogien dienen zentral der Selbstver gewisserung Israels in nachexilischer Zeit.“69 Neben dem Interesse an Genealogien und Zahlen muss jedoch auch eine Episode wie 1Chr 21,6 berücksichtigt werden, wo es explizit heißt, dass die Leviten nicht gezählt werden sollen. Hier ist also eine detailliertere Analyse gefordert. Auch die Bedeutung des Musterungsergebnisses in 1Chr 21,5 ist zu den 603.550 bzw. 601.730 Israeliten in Num 1 und 26 ins Verhältnis zu setzen. Mit Blick auf den Zusammenhang von 1Chr 1–9 und Num 1–4; 26 wäre weiterhin auch der Hintergrund einer topologischen Konzeption zu erhellen. Dabei wird die Rezeptionslinie des Verhältnisses der ecclesia militans zur Präsenzvorstellung JHWHs in Israel nachzuzeichnen sein. In Num 1 unter Aufnahme der persischen Militäreindrücke die Konstitution einer „mächtige[n] Armee“ zu sehen, wie Mathys vorschlägt, ist sicher vollkommen zutreffend, jedoch insofern nicht zureichend, als es unbedingt einer Synthese mit den Heiligtumsvorstellungen bedarf, wie sie in Numeri und Chronik entfaltet werden. Die Frage wird sein, in welcher Form das Modell der Lagerordnung in der Chronik weiterentwickelt wird. Ad VI) Die nach Mathys’ Auffassung schwächste Übereinstimmung besteht in dem zur Anwendung gebrachten Vergeltungsdogma, das keine Kollektivhaftung vorsieht.70 So wie in Num 14,20–24.31–34 deutlich werde, dass in der Zumessung der Strafe die Generationengrenze nicht überschritten wird, lasse sich das zu dass David dort die Tenne für den „vollen Kaufpreis“ kauft (ebd.). Gerade das wird nämlich nur in der Chronik unter Rückgriff auf Gen 23 ausgesagt. (vgl. 1Chr 21,22.24). Das zeigt nur wie komplex die Scheidung der Rezeptionsmuster in diesem Zusammenhang ist. 68 Vgl. Mathys 2008, 563. 69 Vgl. Mathys 2008, 563. 70 Vgl. Mathys 2008, 567 f.
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Grunde liegende Rechtsverständnis auch in der Chronik (vgl. 2Chr 32,27; 2Chr 21,19 f; 2Chr 33) ausmachen. An dieser Stelle wird sich eine genauere Beurteilung von 1Chr 21 aufdrängen, wo für Davids Vergehen 70.000 Israeliten das Leben lassen müssen. Ad VII) Die Entsprechungen in der Verhandlung von Kriegshandlungen zeigt Mathys anhand von Num 31 und 2Chr 20: „Numeri und Chronik behandeln die gleiche Problematik: die Abwesenheit des Tempels auf dem Schlachtfeld; aber sie tun dies auf je eigene Weise, die sich in Schlagworten wie folgt umschreiben lässt: Priester, respektive König und Leviten.“71 Ad VIII) Mathys hält Numeri und Chronik für „Bücher der Land- und vor allem Viehwirtschaft“72. Diesen Sachverhalt verdeutlicht er u. a. am Zusammenhang von Num 35, Jos 21 und 1Chr 6, wo es in der Tat zu einer auffälligen Anhäufung des Wortes ( מגרשWeideland) kommt. Im Hinblick auf die Frage der Abhängigkeiten zwischen diesen Texten ist jedoch angesichts folgender Behauptung Zurückhaltung geboten: „Dass 1 Chr 6 der jüngste dieser Texte ist und von Jos 21 abhängt, bestreitet niemand.“73 Genau dies tun jedoch Ross und – im Anschluss an diesen – Auld, die das Verhältnis der beiden Texte im Hinblick auf die von Mathys postulierte Abhängigkeit umkehren wollen.74 Das tut Mathys’ These nicht unbedingt einen Abbruch, zeigt uns jedoch, dass wir bei der Verhältnisbestimmung der Texte auch über den Pentateuch hinausgreifende Fortschreibungsprozesse, wie den in Jos 21, im Blick behalten müssen. Mit Blick auf 2Chr 26,10; 1Chr 27,25–31; 1Chr 5,18–22 zeigt Mathys jedenfalls deutlich, dass der Chronist sein Interesse an landwirtschaftlichen Fragen gerade auf die als Sondergut zu beschreibenden Texte richtet.75 Mathys beschließt seinen Survey mit einem wichtigen Fazit: Für sich genommen bilden die so unterschiedlichen Bücher Geschichtsquellen (für die Zeit ihrer Abfassung), die es kritisch auszuwerten gilt. Die Schnittmenge an gemeinsamen Themen bildet eine wesentlich verlässlichere Quelle. Sie verrät uns einiges über die Befindlichkeit der damaligen Zeit und einige der wichtigsten Probleme, mit denen sich Jehud konfrontiert sah.76
Genau um diese Schnittmenge, die Mathys erstmals scharf profiliert, soll es in dieser Arbeit gehen. Dabei ist freilich auf ein breiteres Fundament zu bauen. Es 71 Vgl. ebd., 569. 72 Vgl. ebd., 569. 73 Vgl. ebd., 570, Anm. 50. 74 Vgl. Ross 1973; Auld 1979, 194–206. Besonders das von Ross ins Spiel gebracht Argument, dass der Chronist bei der Übernahme von Jos 21 die Levitenbezüge getilgt haben müsste (vgl. Ross 1973, 126), lässt ob dieser Verlegenheitslösung gewisse Zweifel an der von ihm behaupteten Richtung der Abhängigkeit aufkommen. 75 Vgl. Mathys 2008, 571. Für weitere Analysen sei auf Mathys 2008, 569–577 verwiesen. 76 Vgl. Mathys 2008, 578.
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müssen auch die spät-priesterlichen Bearbeitungen der übrigen Bücher des Pentateuchs einbezogen werden. Die Studie wird deshalb auf die gesamte Rezeption der Tora in der Chronik ausgedehnt werden müssen, da mit weiteren Spuren der spät-priesterlichen Bearbeitungen des Pentateuchs auch außerhalb des Numeri-Buches zu rechnen ist. Gleichfalls müssen die Spuren der Rezeption in den unterschiedlichen Textzeugen reflektiert werden. Dabei muss gerade die diachrone Perspektive ständig beachtet und auch die grundsätzliche Stellung der Tora innerhalb der Chronik analysiert werden. Im Hinblick auf die Studien von Kellermann, Shaver, Willi und Rendttorff wird jedenfalls deutlich, dass die vorgelegte Skizze Mathys’ gerade dadurch am deutlichsten weiterführt, dass sie die Forschungen zu den spätesten Texten der Tora konsequent mit der Forschung zu den Chronikbüchern zusammendenkt. An diesem Punkt nimmt die vorliegende Studie die Fortsetzung der Untersuchung auf.
3. Methodische Erwägungen und Formulierung der Forschungsfrage
3.1 Das synoptische Problem der Chronikbücher Die Rezeption des Pentateuchs in der Chronik soll in dieser Arbeit nicht nur im Hinblick auf den תורה-Begriff, sondern vor allem im Hinblick auf die Einflüsse untersucht werden, die der Pentateuch auf den Vorgang der Reformulierung der Quellen der Chronik ausgeübt hat. Dem synoptischen Vergleich wird also in dieser Arbeit eine hohe Priorität eingeräumt. Wir ziehen damit die Konsequenz aus dem zuvor referierten Ergebnis Rendtorffs, dass der Chronist die Tora in den synoptischen und nicht-synoptischen Teilen jeweils unterschiedlich texttreu rezipiert. Dabei ist der synoptische Ansatz mit dem Problem belastet, dass keinesfalls ausgemacht ist, ob die Chronikbücher uneingeschränkt als Neufassung der Samuel- / Königsbücher aufzufassen sind. Wir begegnen diesem Problem mit einer Aufarbeitung des älteren und des jüngeren Quellenstreits um die Chronikbücher.
3.1.1 Der ältere Quellenstreit Schon Eichhorn macht die (noch über 200 Jahre später entzweiende) Beobachtung, dass die harmonischen Stücke zwischen der Chronik und ihren Referenztexten mit dem Tod Sauls einsetzen.1 Es zeichne sich im Folgenden ein übereinstimmender Textbestand ab, der immer wieder „durch eingeschaltete Erzählungen“2 unterbrochen werde. Eichhorn eröffnet zur Erklärung seiner Beobachtungen drei Optionen: „Will man die Uebereinstimmungen der beiden Lebensbeschreibungen Davids erklären, so muß man annehmen, entweder daß der Verfasser vom zweiten Buch Samuel’s aus dem ersten Buch der Chronik, oder der Verfasser des ersten Buchs der Chronik aus unserm zweiten Buch Samuel’s, oder beide aus einer gemeinsamen Quelle geschöpft haben.“3 Den ersten Fall hält Eichhorn (aus sprachlichen, motivischen sowie realienkundlichen Gründen) für vollkommen abwegig. Auch den umgekehrten Fall, dass die Chronik eine Abschrift der Bücher Samuel und Könige darstellt, schließt Eichhorn aus, was mit Blick auf de Wettes Widerlegung wie auch den Konsens der gegenwärtigen Forschung
1 Vgl. Eichhorn 1781, 528. 2 Ebd. 3 Ebd., 540.
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3. Methodische Erwägungen und Formulierung der Forschungsfrage
von größter Bedeutung ist. Eichhorn argumentiert wie folgt: Es sei uneinsichtig, warum der Chronist nur bestimmte Episoden der Darstellung Davids übernommen, andere hingegen ausgelassen haben soll. Zu Recht bringt er dabei die Übernahme von 2Sam 24 in 1Chr 21, die sich vor dem Hintergrund des schweren Vergehens Davids der Deutung zunächst sperrt. Gerade mit Blick auf die unterdrückten Episoden stellt sich in der Tat die Frage, warum der Chronist die eine Episode übernimmt, die andere jedoch nicht.4 Auch stellt sich Eichhorn die Frage nach dem Anliegen des Chronisten: „Hätte der Verfasser der Chronik blos Zusätze zu unsrem Samuel liefern wollen: warum schrieb er so viel ohne alle Erweiterung ab, was man schon wörtlich im Samuel las?“5 Da sich Eichhorn das Anliegen des Chronisten nicht vor dem Hintergrund der aus der Abschrift übernommenen Materialien erschließt, zieht er den Schluss, dass Sam / Kön und Chr auf eine gemeinsame Vorlage zurückgehen müssten: „Also, beide Lebens beschreibungen Davids müssen aus einer gemeinschaftlichen Quelle geflossen seyn. Vielleicht also aus alten ausführlichen Reichsannalen, welche in beiden Werken im Auszug geliefert werden?“6 Im Jahre 1806 wendet sich de Wette nicht weniger umfassend als erfolgreich gegen die Sichtweise Eichhorns und entwickelt eine so überzeugende Gegendarstellung, dass diese bis heute den Konsens der historisch-kritischen Exegese darstellt. De Wette beurteilt die Verbindung zwischen den Büchern Samuel und Könige sowie den Büchern der Chronik in einer historiographisch-skeptischen Grundhaltung als Relationen, die den eigentlich historischen Stoff nur in einem subjektiven Sinne bieten, insofern sie sich auf diesen beziehen.7 In dieser Bezogenheit der Relation stellt sich für ihn dabei die Frage der Priorität. Dabei liefert er aus der genauen Analyse der Chronik überzeugende Gründe für eine jüngere Datierung als die Samuel- / Königsbücher. So sei die Chronik offensichtlich in einem späteren Hebräisch abgefasst. Außerdem würden persische Dariken erwähnt. Das Auftreten des Satans (1Chr 21), ein Engel zwischen Himmel und Erde (1Chr 21,16.26) sowie das vom Himmel fallende Feuer, das Salomos Opfer verzehrt (2Chron 7,1) – all dies gebe Anlass dazu, die Chronik für spät halten zu müssen. Während zudem die Königsbücher mit der Hinführung in das Exil enden, wisse die Chronik noch, dass das Exil 70 Jahre dauerte (2Chr 36,21). Die von de Wette formulierten Einsichten stellen heute im Grunde den Konsens der Forschung dar. In jüngerer Zeit mehren sich jedoch die Stimmen, die eine Revision dieser These fordern, allen voran Auld, der als erster wieder in größerem Stil Skepsis an den von de Wette vorgebrachten Argumenten geäußert hat.
4 S. u. „Kult-Ort“ 5 Vgl. Eichhorn 1781, 542. 6 Ebd., 543 f. 7 Vgl. de Wette 1971, 44–61.
3.2 Revision des Quellenstreits durch Auld
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3.2 Revision des Quellenstreits durch Auld In jüngerer Vergangenheit ist der zwischen Eichhorn und de Wette ausge tragene Streit um den Zusammenhang zwischen Sam / Kön und Chr neu entflammt. Dabei ist auffällig, dass die Wiederbelebung der These einer gemeinsamen Vorlage von Auld8, soweit erkennbar, ohne den Rückgriff auf Eichhorn stark gemacht, deren Widerlegung, mit Nachdruck u. a. von Kalimi betrieben9, jedoch unter Rückgriff auf de Wette durchgeführt wird. Die Grunddisposition der Auseinandersetzung ist im Wesentlichen dieselbe geblieben. Jedoch zeigt sich, dass Auld einige wichtige neue Beobachtungen in die Debatte einbringen kann, die, insbesondere auf Grund der durch die Handschriften von Qumran veränderten Quellenlage, einer einfachen Zurückweisung im Sinne de Wettes harren. Im Jahre 1994 hat Auld10 erneut die These einer gemeinsamen Vorlage ins Spiel gebracht. Auld ist dabei wie Eichhorn der Auffassung, dass die Samuel- / Königsbücher und die Chronik nicht im Verhältnis von Vorlage und Abschrift zueinander stehen, sondern auf eine gemeinsame Vorlage zurückgehen, die er zunächst shared text genannt hat und inzwischen „Book of Two Houses (BTH)“11 nennt. Dieser Text wurde in Sam / Kön und Chr jeweils auf unterschiedliche Weise bearbeitet, ergänzt und umstrukturiert. Den Umfang des BTH erhebt Auld in einem relativ simplen und mechanistischen Subtraktionsverfahren, das all die Texte ausblendet, die in dem jeweils anderen Corpus nicht vorhanden sind. Allein der von beiden Corpora geteilte Text stellt demnach das BTH dar. Eines der größten Probleme der Auldschen Theorie liegt dabei zunächst gar nicht auf der inhaltlichen, sondern der methodischen Ebene. Es ist nämlich zu beobachten, dass das Subtraktionsverfahren keinesfalls reibungslos funktioniert bzw. restlos aufgeht, da sich in den Samuel- / Königsbüchern mitunter derselbe Sachverhalt in unterschiedlicher Diktion formuliert findet. Damit stellt sich das strukturalistische Problem der Unterscheidung von signifiant und signifié ein und die Frage danach, ob unterschiedlich Bezeichnetes immer noch dasselbe bedeuten oder sein kann. Diese Schwachstelle führt zu der methodisch unkontrollierbaren Verlegenheit, bisweilen fragmentarische Befunde entweder durch theoretische Präsuppositionen oder wieder durch „alte Gewohnheiten“ zu kompensieren. Dies wird insbesondere bei detaillierteren Studien sichtbar, die im Anschluss an Auld verfasst sind.
8 Auld 1994, passim. 9 Kalimi 2014, 11–30. 10 Auld 1994. 11 Vgl. Auld 1994, 9 f.
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3. Methodische Erwägungen und Formulierung der Forschungsfrage
Aktuell ist bspw. eine Studie Edenburgs12 zu 2Sam 24 erschienen, die die Schwäche des Ansatzes deutlich macht. Da der untersuchte Text auch für diese Arbeit im Kapitel „Kult-Ort“ von großer Bedeutung ist, soll das Problem anhand des von Edenburg rekonstruierten shared text (hier: ST) kurz vorgeführt werden.13 1. Der Text beginnt mit ויסת את דוד. Das ist insofern erstaunlich, als sowohl in 2Sam 24 als auch in 1Chr 21 noch ein Satz vorausgeht. In beiden kommt jeweils ‚Israel‘ vor. ST würde demnach ohne Einleitung beginnen. 2. Weiterhin wird die Form [ ]מנ״הangegeben. Die Unterscheidung zwischen Imp. (2Sam 24) und Inf. Cons. (//1Chr 21) bleibt damit offen. Mit Blick auf V.5 bleibt jedoch ungeklärt, warum in V.5 (//1Chr 21,4) für die Form ו יבאanstatt ויבאוvotiert wird. Sicherlich sind die ersten vier Vokale identisch und nur in 2Sam 24 bricht Joab mit den Fürsten auf. Hier stellt sich jedoch die Frage, ob bei der Rekonstruktion des ST nicht etwas zu schematisch die beiden Texte übereinandergeschoben werden, wenn jeweils die überstehenden Ränder nur apokopiert werden. Gerade hier zeigt sich, dass letztlich der Einzelfall stärker begründungspflichtig ist. 3. Satz 2 beginnt gemäß Edenburg mit ויאמר אל יואב. Der Satz enthält damit kein (namentlich genanntes) Subjekt. 2Sam 24 und 1Chr 21 bieten: המלךbzw. דויד. Es liegt auf der Hand, dass beide Texte in der Rekonstruktion keinen ST ergeben. An dieser Stelle muss die Rekonstruktion jedoch stärker unter Einbeziehung der LXX erfolgen. Diese bietet in 2Sam 24 ὁ βασιλεύς, in der Chronik ὁ βασιλεὺς Δαυιδ.14 Dass Edenburg bisweilen der LXX folgt, zeigt sich in Zeile 6, wo sie mit LXX שלש שנים konjiziert. Hier wäre eine Verhältnisbestimmung über den Stellenwert der unterschiedlichen Textzeugen zur Rekonstruktion des ST notwendig.15 4. Mit der Wendung מדן ועד באר שבעtaucht ein Problem auf, das sehr bezeichnend ist: In unklaren Fällen wird ein eklektischer Text geboten, der im Grunde Samuel folgt. Ein paar weitere Beispiele: 2Sam 24,3 // 1Chr 21,3: אל־העם// על־עמו. Edenburg votiert für אל־העם. 2 Sam 24,4 // 1Chr 21,4: דבר// חז״ק דבר חז״ק. Edenburg votiert für חז״ק דבר. Zwar werden die Varianten in einer Anmerkung untergebracht, es gibt jedoch auch andere Fälle. In Z.6 bspw. steht drei Mal [verb]. Beim zweiten Mal bietet Chr an dieser Stelle jedoch kein Verb. In Z.6 (Ende) steht לפני, obwohl Chr מפניbietet. Zeile 7 hat בארצך, obwohl Chr kein ePP bietet. In Zeile 9 wird der Name Arawna aus Sam übernommen, obwohl es eine ausführliche Diskussion um diese Figur und deren Herkunft gibt.16 In Zeile 13 (Ende) wird mit Sam ולא על״הgeboten. Das gibt der chronistische Text jedoch nicht her. l
12 Vgl. Edenburg 2017, 188–222. 13 Die folgenden Kritikpunkte rekurrieren auf den von Edenburg rekonstruierten shared text (Vgl. Edenburg 2017, 222). 14 Vgl. dazu die abweichende Darstellung in Zeile 3 [ המלך/ ]דודund in Zeile 11 -]לX[. 15 Die Wendung אנכי חטאתי ואנכי העויתיist textkritisch hoch problematisch. Japhet (z. St. 384 f) zeigt hier unter Einbeziehung von LXX und 4Q51, dass diese Variante die späteste ist, jedoch mindestens zwei Vorstufen hat. 16 S. u. das Kapitel „Kult-Ort“.
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37
Es lassen sich noch weitere Probleme in der Darstellung finden: 5. In Zeile 6 steht יבא. Hier müsste von Sam und Chr her ויבאstehen.17 Weiterhin decken sich in beiden Texten die Wendungen ויאמר לו, die aber nicht in den ST aufgenommen wurden. 6. In Zeile 10 (Ende) müsste als ST noch אמ״ר לaufgenommen werden. 7. In Zeile 11 wird richtig ][ דברals ST geboten, allerdings müsste auch ][ אשרgeboten werden, da der Chronist hier כאשרbietet. 8. In Zeile 13 steht לעלה, obwohl Chr לעלותbietet.
Wir sehen also, dass die Rekonstruktion eines shared text hochgradig problembehaftet und vor allem sehr, resp. zu hypothesenreich ist. Gleichzeitig stellt sich heraus, dass bei der Arbeit am Text ein Hang dazu besteht, in kritischen Fällen mit Sam zu lesen. Wir folgen daher an dieser Stelle Kalimi, der der Auldschen These eine zwar recht scharfe, jedoch nicht weniger überzeugende Absage erteilt hat. Kalimi nennt eine Reihe von Punkten, die der These Aulds widerraten. Er bewegt sich mit seiner Argumentation dabei auf den Spuren de Wettes: So enthalte Chr anders als Sam eine Fülle von perserzeitlichen Anachronismen. Die Chronik werte anders als Kön die Position des Hohenpriesters auf. Auch der Einfluss von P auf Chr, der sich im Fall von Kön nicht beobachten lasse, spreche für eine spätere Datierung.18 Dabei ist festzuhalten, dass die These Aulds von einer überwiegenden Mehrheit der Forschung abgelehnt wird. McKenzie19 weist z. B. auf das formgeschichtliche Problem des Anfangs hin und fordert weiterhin eine formgeschichtliche Reflexion über einen derart fragmentarischen Text. Ebenso führt er die auch von Kalimi ins Spiel gebrachte ‚Präsuppositionshypothese‘ an.20 Wichtig an der neu entflammten Debatte um die Abhängigkeiten ist, dass sie zu alternativen Erklärungsmustern für die Probleme herausgefordert hat, die sich im Rahmen einliniger Abhängigkeiten nicht erklären lassen. Auf Probleme dieser Art reagieren neuerdings auch Becker, Bezzel und andere, die mit post-chronistischen Überarbeitungen in Sam / Kön rechnen und damit zu allergrößter Vorsicht im Hinblick auf die Richtung der Abhängigkeit mahnen.21
17 Evtl. handelt es sich jedoch nur um einen Tippfehler. 18 Vgl. Kalimi 2014, 18–20 sowie passim. 19 McKenzie 1999, 81. 20 Vgl. ebd., 81 f: „The mention of Saul’s faults in 1 Chronicles 10 is only the tip of the proverbial iceberg where it concerns references in Chronicles to material in the Former Prophets that is not shared by Chronicles.“ McKenzie (Ebd. 82–85) zeigt anhand von acht überzeugenden Beispielen, dass die Chronik nicht anders als in Aufnahme der Samuel- / Königebücher gelesen werden kann. 21 Vgl. Becker / Bezzel 2014.
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3. Methodische Erwägungen und Formulierung der Forschungsfrage
3.2.1 Zum Für und Wider der synoptischen Arbeit an der Chronik Es steht nun die Frage im Raum, auf welche Weise an der Chronik weiterhin synoptisch gearbeitet werden kann. Dabei muss auf die in der Forschung – völlig zu Unrecht – in den Hintergrund getretene Dissertation Lemkes hingewiesen werden. Während Willi mit seiner These der Chronik als Auslegung gerade an diesen Stücken gelegen ist, hat Lemke zuerst vor einer Überbewertung der synoptischen Passagen gewarnt. Über die Gründe für den Rezeptionsausfall in der englisch-sprachigen Forschung, der bspw. schon 1984 von McKenzie bemerkt wurde22, lässt sich an dieser Stelle nur spekulieren. In neueren Kommentaren wie denen von Japhet, Klein und Knoppers spielt er jedenfalls kaum noch eine Rolle. Dabei hat Lemke in gründlicher Analyse ausgewählter synoptischer Stücke der Chronik gezeigt, dass der Zusammenhang von Vorlage und Abschrift wesentlich komplexer ist, als man bis dato angenommen hatte. In seiner Dissertationsschrift „Synoptic Studies in Chroniclers History“ (1963) arbeitet Lemke erstmals heraus, dass die Chronik nicht auf die Vorlage der Samuel- / Königebücher zurückgeht, wie sie im masoretischen Text erhalten ist. In einem 1965 erschienenen Aufsatz fasst er diese These konzise zusammen: Nearly half of the material in 1 and 2 Chronicles has a synoptic parallel in Samuel-Kings. Traditionally, it has been assumed that the text of the Chronicler’s canonical Vorlage was virtually identical with our present Masoretic Text. As a result, commentators have been quick to credit the Chronicler with many tendentious or theologically motivated deviations, whenever the two histories diverge from one another. Such a procedure, however, has led to all kinds of absurdities and excesses which, far from enabling us to get a better understanding of the Chronicler, have all too often served only to confuse an already complicated picture even further.23
Lemkes These beruht vor allem auf einer konsequenten Berücksichtigung der LXX und stellenweise auch 4QSama. Wiederholt arbeitet er heraus, dass die Chronik an verschiedenen Stellen mit dem griechischen Text von 1/2 Sam (häufig zusammen mit 4QSama) übereinstimmt, wo MT(Sam) erheblich abweicht. Zu einem Prüfstein der Untersuchung wird dabei z. B. 1Chr 21,16. Hier heißt es: ויׂשא דויד את־עיניו וירא את־מלאך יהוה עמד בין הארץ ובין הׁשמים וחרבו ׁשלופה בידו נטויה על־ירוׁשלם ויפל דויד והזקנים מכסים בׂשקים על־פניהם. Dieser Vers ist synoptisch weder in MT noch in 22 Zu Recht hebt McKenzie (1999, 89) deshalb auch immer noch die Pionierarbeit Lemkes hervor: „Lemke’s important 1963 thesis argued that differences between Chronicles and Samuel-Kings should not automatically be ascribed to Chr.’s Tendenz but that greater consideration should be given to other factors, especially text-critical ones, as explanations for differences.“ 23 Lemke 1965, 363.
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LXX belegt.24 Lemke plädiert jedoch mit Blick auf Josephus und 4QSama dafür, den Text nicht für originär chronistisch zu halten. Lemke vermutet, dass der über Jerusalem schwebende Engel von Sam her rezipiert worden sei und spricht dem Chronisten die Urheberschaft ab. Er schreibt: That Josephus was not just following the Chronicler in this [gemeint ist 1Chr 21,16, L. M.] is seen from his reference to ‚the shepherd‘ [gemeint ist 2Sam 24,17, L. M.]. That is, his text reads ὁ ποιμὴν (< hārōʿeh instead of the Chronicler’s ὁ ἁμαρτών < hārēaʿ), a reading which is also attested by many Greek MSS, as well as by the Armenian, Coptic, and Ethiopic versions of Samuel.25
Angesichts der Tatsache, dass weder 2Sam 24 MT noch 1Chr 21 MT den Hirten bieten, sich jedoch 1Chr 21 wesentlich leichter konjizieren26 lässt, führt diese Feststellung zunächst nicht weiter. Der anaphorische wie der kataphorische Seitenblick erweisen die Feststellung zudem als unzutreffend. Es zeigt sich, dass Josephus sehr wohl einen synthetischen Text bietet und sich keinesfalls nur an die Samuel-Darstellung anlehnt. So weisen die Exemption Benjamins und Levis (ant. VII 319 f) auf 1Chr 21,6 und die Identifikation der Tempeltenne mit der Stätte, an der Abraham Isaak opfern sollte (ant. VII 333), auf den Zusammenhang von 1Chr 21 und 2Chr 3 hin. Damit liegen also zwei exklusive Verweise auf die Chronik vor, was ohne Weiteres auch für ant. VII 327 f gelten kann. Der Sachverhalt wird im Kapitel „Kult-Ort“ näher zu analysieren sein. An dieser Stelle geht es vor allem darum, die von Lemke aufgewiesene Komplexität und die Problemaktik der synoptischen Arbeit an der Chronik zu würdigen. Lemke hält mit Cross zu Recht fest, „that there existed an Old Palestinian text type which frequently diverged from the proto-Masoretic tradition, and which probably was utilized by the Chronicler in the writing of his history.“27 Dabei hebt er auch hervor, dass [t]his text type undoubtedly also served as the basis for the Greek version of Samuel which was utilized by Josephus. This, of course, greatly enhances the value of the latter for textual criticism in the historical books of the O. T. Consequently, whenever Josephus agrees with the Chronicler against the text of Samuel – as in the above instance [1Chr 21,16; L. M.] – we can no longer automatically assume that he was simply following the Chronicler, but we must seriously entertain the possibility that the text of Samuel at his disposal contained, in fact, such a reading.28
24 Vgl. Ders. 1965, 355. 25 Ebd. Anm. 24. 26 Es ist lediglich mit der Aphairesis eines הvon רעהzu rechnen. 27 Vgl. Lemke 1965, 357. 28 Vgl. Lemke 1965, 357, Anm. 26.
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3. Methodische Erwägungen und Formulierung der Forschungsfrage
Lemkes These hat erhebliche Konsequenzen für eine Hermeneutik der Differenz, die auf die Unterschiede zwischen Vorlage und Abschrift zielt und aus diesen, d. h. aus deren komplementären Verhältnis, die kommunikativen Implikationen erhellen will. In der synoptischen Arbeit ist größte Vorsicht und Ausgewogenheit des Urteils geboten. Während wir im Kapitel zuvor auf das Problem post-chronistischer Ergänzungen in Sam / Kön gestoßen sind, finden wir hier den Befund vor, dass die Chronik zumindest im Bereich der Samuelbücher von einer anderen Vorlage als dem masoretischen Text abhängig ist. Das bedeutet, dass die synoptischen Zusammenhänge bisweilen schwierig zu bestimmen sind, weil sie im Extremfall durch eine doppelte Abweichung der Vorlage, prä- und post-chronistischer Natur, verschleiert werden. Dennoch sind die Schwachstellen in Lemkes Argumentation zu erkennen, der nicht nur in 1Chr 21 zu einseitig urteilt, sondern seine Beobachtungen bspw. fahrlässiger Weise auf die Königebücher überträgt. Dort aber muss McKenzies Untersuchung berücksichtigt werden, die ergeben hat, dass im Falle der Königebücher des MT eine viel größere Nähe zur Chronik besteht.29 Auch Willi weist Lemke mit den folgenden Worten zurück: „Keinesfalls kann dem Urteil von W. F. Lemke […] zugestimmt werden, daß, ‚from the viewpoint of getting at the Chronicler’s thought, a critical examination of the synoptic problem ist not very rewarding‘.“30 Wir werden an dieser Stelle den Kompromiss suchen und es unter produktiver Einbeziehung der Warnungen Lemkes, die im Grunde nicht mehr verlangen, als dem synoptischen Vergleich eine ordentliche Textkritik vorzuschalten, mit Willi halten, der zu Recht darauf besteht, dass man sich der vielen Möglichkeiten des synoptischen Vergleichs nicht berauben lassen sollte. Genau diese Position vertritt auch Knoppers, der in seinem Kommentar dazu rät, die Ergebnisse der synoptischen Arbeit auf den Boden einer doppelten Textkritik zu stellen: The textual criticism of Chronicles involves, therefore, not only a comparative study of the various versions of Chronicles, but also a careful study of the various versions to the biblical books from which the author quotes.31
29 Vgl. McKenzie 1991, passim. McKenzie hat für die Königebücher nachgewiesen, dass die masoretische Version der Königbücher eine deutlich größere Nähe zu den Chronikbüchern hat, als dies für die Samuel-Bücher der Fall ist. Wenn also Abweichungen zwischen Vorlage und Abschrift auftreten, ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass diese intentional verfasst sind. 30 Willi 1972, 175, Anm. 249. 31 Knoppers z. St., 69.
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3.2.2 Auslassung statt Auslegung – Pakkalas Caveat Gegen eine Auffassung der Auslegungstheorie, wie sie von Willi vertreten wird, hat Pakkala in Hinblick auf eine von ihm präferierte begriffliche Engführung des Auslegungs-Begriffs Einspruch erhoben: „Some scholars have tried to understand and define Chronicles as an interpretation of older authorative text, but such an approach stretches the definition and eventually becomes meaningless.“32 Pakkalas Plädoyer für eine Engführung des Auslegungs-Begriffs wird aus folgender Formulierung ersichtlich: Clearly, if one understands interpretation of a text in a very broad sense, any use of any text can be seen as an interpretation of another text. Even a complete rejection of an older text could be defined as interpretation, but it is questionable whether such a use of the word would have any meaning.33
Auch der Umstand, „[t]hat the Chronicler had no qualms about omitting and re writing fits very poorly with the idea of interpretation.“34 So sehr Pakkala damit Recht hat, ist doch zu sagen, dass unterschiedliche Beobachtungen in der Chronik unterschiedliche Erklärungsmuster einfordern. In einem positivistischen Sinne bleibt die These Willis weiterhin überzeugend, während sie gewissermaßen die ausgelassenen Texte überhaupt nicht zu fassen kriegt. Hier leuchtet es in Hinblick auf die von Pakkala eingebrachte Kritik vollkommen ein, dass das Verfahren der Textkonstitution bisweilen auch durch andere Theorien als die der ‚Auslegungstheorie‘ erklärt werden muss, wobei jedoch nur in der Synthese unterschiedlicher Perspektiven eine Deutung für das Anliegen des Chronisten gefunden werden kann. Eine Grenze der Interpretation ist jedenfalls sicher überschritten, wenn man allzu großen Mut zur Lücke fasst und dem, was nicht (mehr) da steht, mehr Gewicht zumisst, als dem, was da steht: „One receives the impression that much more information about the Chronicler could be gained by looking at exactly what was omitted and how it was omitted.“35 In kommunikationstheoretischer wie auch pragmatischer Perspektive bleibt damit doch die Kommunikationsabsicht des Chronisten zu stark unberücksichtigt – ja es wird der Eindruck vermittelt, dass Pakkala hier seine programmatische Provokation „God’s Word Omitted“, d. h. also die Indikation bestimmter Negationen, etwas zu dominant gegen die Auslegung der Positionen in Stellung bringt. Gleichwohl zeigt Pakkalas Untersuchung, dass die Voraussetzungen der Interpretation der Chronik sehr komplex sind, da insbesondere der Umgang des
32 Pakkala 2013, 255 f, bes. Anm. 8. 33 Ebd., 256. 34 Ebd. 35 Ebd., 259.
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3. Methodische Erwägungen und Formulierung der Forschungsfrage
Chronisten mit seinen Quellen sehr stark variiert. „The Chronicler’s position towards his textual sources is complicated. It provides evidence for a variety of techniques, which range from what would appear as almost complete freedom with regard to the source text to following it slavishly.“36 Der Umgang mit der Vorlage liefere dabei das gesamte Spektrum von freier Verwendung, Veränderung, Re writing oder Auslassung bis hin zu buchstabengetreuer Übernahme der Vorlage.37 Pakkala zeigt exemplarisch, dass der Chronist aus ideologischen Gründen Teile seiner Vorlagen ausgelassen hat. In 2Chr 21 bspw. lässt der Chronist den Hinweis aus, dass Joram bei seinen Vorfahren ( )עם אבתיוbestattet wurde (vgl. 2Kön 8,24//1Chr 21,20). Dies, so Pakkala, hänge mit der Tendenz zusammen, Joram in der Chronik insgesamt negativer zu zeichnen als in 2Kön 8. So werde bspw. in 2Chr 21,4 erzählt, dass Joram alle seine Brüder mit dem Schwert umgebracht habe.38 Pakkalas Hinweise sind insofern von größter Wichtigkeit, als sich auch vor dem Hintergrund der Tora wichtige Auslassungen erkennen lassen, die eine Einschränkung der Auslegungsthese erforderlich machen. Ein besonders eindrückliches Beispiel findet sich in 2Chr 1,7: Salomo befindet sich hier bereits in Gibeon und führt während einer nächtlichen Erscheinung ein Gespräch mit Gott. Der Vers weist in der Synopse sofort eine prominente Tilgung auf 39: 1Kön 3,5
2Chr 1,7 ̇ בגבעון נראה יהוה אל־ׁשלמה בחלום הלילה ויאמר אלהים ׁשאל מה אתן־לך
בלילה ההוא נראה אלהים לׁשלמה ויאמר לו ׁשאל מה אתן־לך
Der Text ist durch mehrere Techniken verändert worden, weist jedoch insbesondere die Tilgung des Traumes auf. Zur Erklärung ist an dieser Stelle im Vorgriff auf die Untersuchung zu sagen, dass der Chronist den Traum tilgt, weil er Salomo genau wie andere positiv besetzte Könige neben einem torafrommen Schriftkundigen auch zu einem zweiten Mose machen will. Freilich konnte der Chronist auf die das gesamte Narrativ exponierende Episode der Begegnung zwischen Gott und Salomo – anders als auf die Rechtsprechung im Hurenstreit, die die Erzählung nicht weiter voranbringt – nicht verzichten, jedoch auf das signifikante Element des Traumes40. Die Tilgung geht nun auf die ideologische Fundierung zurück, dass die Offenbarung im Traum einen geringeren Stellenwert als die direkte Offen 36 Ebd, 254. 37 Vgl. Ebd., 254. 38 Vgl. Ebd., 268. 39 Zu dem in dieser Arbeit verwendetet Farbsystem vgl. unten die Ausführungen zur Quadripartita Ratio. 40 Dabei zeigt auch der Konkordanzbefund, dass die Zeit der Träume für den Chronisten gänzlich vorbei ist.
3.2 Revision des Quellenstreits durch Auld
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barung hat. Genau dieser Perspektivwechsel vollzieht sich in Num 12,6–8. Hier tritt JHWH Aaron und Mirjam, die unter dem Vorwand, er habe eine kuschitische Frau geehelicht, gegen den Führungsanspruch des Mose opponieren, mit folgendem Ausspruch entgegen: Hört doch meine Worte: Wenn unter euch ein Prophet ist, gebe ich mich ihm als JHWH zu erkennen. Ich rede mit ihm im Traum. 7 Nicht so mein Knecht Mose: In meinem ganzen Haus ist er der Zuverlässigste. 8 Von Mund zu Mund rede ich mit ihm sichtbar und nicht in Rätseln. Und die Gestalt41 JHWHs darf er schauen. Und warum habt ihr euch nicht gefürchtet, gegen meinen Diener, gegen Mose zu reden? 6
Der Machtkampf zwischen Prophetie ()מראה בחלום, personifiziert durch die Figur der Prophetin Mirjam, und mosaischer Autorität ( )מראהwird an dieser Stelle eindeutig zugunsten der mosaischen Autorität entschieden. Diese Opposition ist nun in der Deviation der Chronik von ihrer Vorlage in Form der Tilgung des Traumes wiederzuerkennen.42 Dabei spielt offenbar die Deutungshoheit von Dtn 34,10–12, nach der mit Mose jede weitere Form der direkten Gottesoffenbarung endet, hier keine Rolle. Vielmehr wird diese Grenze typologisch durch die Ausbildung einer latenten Identität43 zwischen Mose und Salomo überschritten. Auf Phänomene dieser und ähnlicher Art macht uns Pakkala aufmerksam. Wir werden im Kapitel „Kult-Handlung“ sehen, dass noch feinere Unterscheidungen als nur zwischen dem, was gesagt und dem, was nicht gesagt wird, gemacht werden können.
3.2.3 Quadripartita Ratio Hinsichtlich des Verhältnisses zwischen den Samuel- / Königsbüchern und der Chronik sollen im Folgenden, unter Berücksichtigung der bisher betrachteten methodischen Einwände, unterschiedliche Abweichungen zwischen Vorlage und 41 Die פה אל פה-Formulierung wird hier mit der תמונהin Verbindung gebracht, was mit Dtn 4,12 korrespondiert. Mose wird an dieser Stelle zum einzigen, der dezidiert hören und sehen darf, während das Volk in Dtn 4 nur hören, aber nicht sehen darf. Damit ist das Motiv, dass Mose der einzige ist, der Gott פנים אל פניםbegegnen darf (vgl. Ex 33,11 und Dtn 34,10) noch einmal feiner differenziert. 42 Auch Kalimi (1995b, 51) weist darauf hin, dass der Chronist an dieser Stelle den Traum (V.7.13) vor dem Hintergrund von Num 12,6–8 tilgt, da dort der Traum als Offenbarungsform unter der direkten Gottesbegegnung steht: „Die Auslassung soll verhindern, daß der Leser auf den Gedanken kommen könnte, Salomo sei einer höheren Stufe göttlicher Offenbarung vielleicht nicht würdig gewesen, was das positive Salomo-Bild des Chronisten beeinträchtigt hätte.“ Zu berücksichtigen ist freilich noch, dass Salomo sich nach 2Chr 1,3 (anders als in der Vorlage) am Zelt der Begegnung befindet und gerade dort keine Traumoffenbarungen stattfinden, sondern die direkte Anrede die Kommunikation bestimmt (vgl. Lev 1,1). 43 Zum Begriff s. u. 432, Anm. 180.
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3. Methodische Erwägungen und Formulierung der Forschungsfrage
Abschrift beschrieben werden. In einem zweiten Schritt geht es darum, die hinter den Abweichungen liegende Pragmatik zu verstehen. Dabei soll insbesondere der Einfluss der Tora auf Textänderungen deutlich gemacht werden. Für die Untersuchung von Unterschieden zwischen Vorlage und Abschrift ist in der westlichen Geistesgeschichte immer wieder ein viergliedriges Schema in Anschlag gebracht worden, das von Quintillian Quadripartita Ratio genannt wird. Eine detaillierte Beschreibung bietet Lausberg in seinem Handbuch der litera rischen Rhetorik44: In § 453 ordnet Lausberg die Quadripartita Ratio in den Bereich der Elocutio ein: Die elocutio […] setzt die in der inventio gefundenen […] und in der dispositio geordneten Gedanken in Sprache um.45 In § 455 zieht er diese Einordnung in Richtung der Verknüpfung von Denken und Sprache: Die elucutio liefert das „sprachliche Gewand“ […], die Materialisierung, die „Inkarnation“ der Gedanken.46 Die Vierdimensionalität wird in § 462 vorgeführt: Eine grundlegende Einteilungsmöglichkeit der als Veränderung aufgefaßten Unterschiede von Phänomenen geben die vier Änderungskategorien, die quadripartita ratio (Quint 1,5,38), quattor species (Cons. ars p. 2, 23), τέτταρες τρόποι ἤτοι αἰτίαι (Phoebamm. Schem. III, p.45,16) heißen. Die vier Änderungskategorien sind in der Quint. 1, 5, 38–41 sowie Victor.frgm. p.33, 11 (und p. 35,25) gegebenen Reihenfolge: adiectio, detractio, transmutatio, immutatio. […] Die gleiche Endstellung hat die immutatio in der Phoebamm.schem. (III, p.45,16) gegebenen Reihenfolge, die allerdings mit der detractio beginnt, hinter der die adiectio folgt: πάντα τὰ σχήματα κατὰ τέτταρας γίνοται τρόπους ἤτοι αἰτίας· κατὰ ἔνδειαν, κατὰ πλεονασμόν, κατὰ μεθάθεσιν, κατὰ ἐναλλαγήν. – Dagegen zeigen Quint. 1, 5, 6, und Cons. ars p. 1, 18 die Reihenfolge adiectio, detractio, immutatio, transmutatio.47 „Ein Phänomen (z. B. ein Haus, eine Strecke, eine Wortform, ein Satz, eine Satzfolge) kann also verändert werden: 1. per adiectionem, 2. per detractionem, 3. per transmutationem, 4. per immutatio nem“48 „1) per adiectionem (Cons.ars p.11,3) = κατὰ πλεονασμόν (Phoebamm. Schem. III, p. 45,17) durch Hinzufügung eines neuen, bisher dem Ganzen nicht angehörenden Bestandteils oder mehrerer neuer Bestandteile zum gegebenen Phänomenganzen (Quint 1, 5, 10), also etwa eines Steins oder mehrerer Steine zu einem Haus.“ [251] 44 Lausberg 1960, 250–253. 45 Ebd., 248. 46 Ebd. 47 Ebd., 250. 48 Ebd., 251–253. Es wird an dieser Stelle ein Farbsystem eingeführt, das in allen synoptischen Analysen, soweit nicht anders angegeben, zur Anwendung gebracht wird, um Abweichungen zwischen Vorlage und Abschrift zu markieren.
3.2 Revision des Quellenstreits durch Auld
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Werden einem Phänomen von linearer Ausdehnung (z. B. eine Strecke), oder einem Phänomen, hinsichtlich dessen eine lineare Auffassung (z. B. eine Wortform) möglich ist, „so kann man die Stelle, an der der neue Bestandteil dem Phänomenganzen hinzugefügt wird, näher bezeichnen und so mehrere Arten der adiectio unterscheiden.“ [251] „Ein lineares Ganzes besteht aus Anfang, Mitte und Ende (Cons. ars p. 3,22 tria loca). Man unterscheidet dementsprechend folgende Arten der adiectio […]: „a) die Vorschaltung des neuen Bestandteils […]: diese Vorschaltung heißt prosthesis […], die Z w i s c h e n s c h a l t u n g des neuen Bestandteils oder der neuen Bestandteile mitten in den Zusammenhang […]: diese Zwischenschaltung heißt epenthesis, die Nachschaltung des neuen Bestandteils oder der neuen Bestandteile hinter das Phänomenganze[…]: diese Nachschaltung heißt paragoge[…] 2) per detractionem (Cons.ars p.11,13) = κατὰ ἔνδειαν (Phoebamm. Schem.. III, p.45,16) durch Wegnahme eines Bestandteils oder mehrerer Bestandteile vom Phänomenganzen (Quint. 1, 5, 10), also etwa eines Steines oder mehrerer Steine von einem Haus. […] [Im Falle der Linearität ergibt sich analog zu 1) erneut eine Dreiteilung:] a) Wegnahme des in der linearen Reihenfolge ersten Bestandteils oder zusätzlich noch weiterer anschließender Bestandteile […] des Phänomenganzen: diese Wegnahme vom Anfang des Phänomenganzen heißt aphairesis […]; b) Wegnahme eines Bestandteils oder mehrerer Bestandteile mitten aus dem Zu sammenhang des Phänomenganzen […]: diese Wegnahme aus der Mitte heißt syncope […]; c) Wegnahme des in der linearen Reihenfolge letzten Bestandteils oder auch zusätzlich weiterer vorhergehender Bestandteile vom Phänomenganzen: diese Wegnahme vom Ende des Ganzen heißt apocope […]. 3) per transmutationem (Cons.ars p. 1,19) = κατὰ μετάθεσιν (Phoebamm.schem. III. p. 45,17): durch Platzwechsel eines Bestandteils innerhalb des Phänomenganzen, also z. B. durch Entnahme eines Steins aus einem Haus und Einmauerung des gleichen Steins an einer anderen Stelle des gleichen Hauses […]. Es gibt zwei Varianten der transmutatio: die transmutatio im Kontakt und die transmutatio auf Abstand: a) Die transmutatio im Kontakt heißt ἀναστροφή […] und besteht im gegenseitigen Platzwechsel zweier benachbarter Bestandteile. […] b) Die transmutatio auf Abstand heißt ὑπερβατόν […] und besteht im Platzwechsel eines Bestandteils außerhalb der unmittelbaren Nachbarschaft […]. Es gibt hierbei zwei Varianten des Hyperbaton: α) Die unmittelbare Nachbarschaft des alten Platzes mit dem neuen Platz des umzustellenden Bestandteils ist in der alten Reihenfolge durch mindestens zwei Bestandteile aufgehoben. Für das aus drei Bestandteilen in dieser Reihenfolge bestehende Ganze xyz liegt also in der Umgestaltung zxy ein Hyperbaton vor, da der alte Platz des z vom neuen Platz des z um zwei Bestandteile (xy) getrennt ist. β) Die unmittelbare Nachbarschaft des alten Platzes mit dem neuen Platz des umzustellenden Bestandteils ist durch eine innere Strukturgrenze des Ganzen aufgehoben. Für das aus drei Bestandteilen bestehende und durch engere Zuordnung der Bestandteile yz charakterisierte Ganze x(yz) liegt also in der Umgestaltung y)x(z ein Hyperbaton vor, da trotz der unmittelbaren Nachbarschaft der platztauschenden Bestandteile x und y (wie in der Anastrophe […]) zwischen x und y eine innere Strukturgrenze des Ganzen liegt. –
46
3. Methodische Erwägungen und Formulierung der Forschungsfrage
Wird die innere Struktur eines Bestandteils selbst durchbrochen […], so heißt der Vorgang divisio […]. Bereits die(?) Zwischenschaltung einer die Einheit sprengenden Strukturgrenze stellt eine divisio dar […]. Die Sprengung der Einheit durch Zwischenschaltung materieller Bestandteile heißt tmesis. 4) per immutationem (Cons.ars p.11,23) = κατὰ ἐναλλαγήν (Phoebamm.schem. III, p. 45,17): vermittels Ersatz eines Bestandteils oder mehrerer Bestandteile des Ganzen kann durch von außen kommende, bisher dem Ganzen nicht angehörende Bestandteile etwas hinzugesetzt werden. Als Ersatz heißt die immutatio deshalb auch antithesis (Cons.ars. p. 8,13), ἀντίθεσις (s. LSc). Die immutatio ist eine Vereinigung der detractio […] und der adiectio […]: ein alter Bestandteil wird dem Ganzen entnommen und an seine Stelle ein neuer, dem Ganzen bisher nicht angehörender Bestandteil eingesetzt. Die immutatio ist so die am tiefsten in die Qualität des Ganzen eingreifende Änderung: die detractio kann zwar letzten Endes das Ganze verschwinden lassen, die adiectio kann es durch Hinzufügung unendlich vieler neuer Bestandteile unendlich machen, die transmutatio kann seine innere Ordnung umwälzen: der immutatio bleibt es vorbehalten, die Individualität des Ganzen (durch immutatio aller Bestandteile) zu ändern.
Die Quadripartita lassen sich demnach durch folgendes Schema zusammenfassen:49 I. Adiectio (Hinzufügung) a) Prosthesis (Vorschaltung)
b) Epenthesis (Zwischenschaltung)
c) Paragoge (Nachschaltung)
II. Detractio (Wegnahme, Auslassung) a) Aphairesis (Auslassung am Anfang)
b) Syncope (Auslassung in der Mitte)
c) Apocope (Auslassung am Ende)
III. Transmutatio (Vertauschung, Platzwechsel) a) Anastrophe (Transmutatio im Kontakt)
b) Hyperbaton (Transmutatio auf Abstand) bα) Unmittelbare Nachbarschaft durch mindestens zwei Bestandteile aufgehoben: xyz → zxy bβ1) Diviso (Durchbrechung der inneren Struktur eines Bestandteils) x (yz) → y) x (z bβ2)Tmesis (Abtrennung; Aufspaltung eines Wortes) xyz → x1 yz x2
IV. Immutatio (Ersetzung) Vereinigung der detractio und adiectio 49 Im Kontext der Rewritten-Scripture-Forschung wäre es unter textpragmatischen und phänomenologischen Gesichtspunkten angezeigt, der Logik von Textänderungen, die auf eine Hermeneutik der Differenz (Vgl. unten 542, Anm. 125.) drängen, in der hier dargebotenen Vollständigkeit und Differenzierung nachzugehen. Für den vorgegebenen Zweck dieser Arbeit reicht die Markierung der vier Grundänderungsarten in den meisten Fällen aus.
3.2 Revision des Quellenstreits durch Auld
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Diese Matrix stellt bei Lausberg den Auftakt der Elocutio dar. Sie ist von Quintilian50 als ein ‚Barbarismus‘, als eine Art lapsus mentis, bewertet worden. Damit ist die Insuffizienz des Redners gemeint, seine Rede gemäß der von ihm entwickelten Vorlage zu halten. Was bei Quintilian ein destruktiver Insuffizienzindikator ist, wird hier – epistemologisch gewendet – als ein interpretierbarer und produktiv zu machender Bearbeitungsindikator verwendet, um bewusst herbeigeführte Änderungen zwischen Vorlage und Abschrift aufzuspüren und in einem zweiten Schritt etwas über deren textpragmatische Relevanz auszusagen. Dabei stützt sich die Untersuchung auf Änderungen, von denen anzunehmen ist, dass diese gerade keine Abschreibfehler oder Textverderbnisse darstellen, sondern intentional verfasst und bewusst als ‚Änderungen‘ in die Vorlage eingetragen worden sind. Die mögliche Schwachstelle dieses Vorgehens, verbunden mit der Frage danach, ob die Änderungen wirklich intentional herbeigeführt und eingetragen wurden, oder nicht doch im Sinne Quintilians zu beurteilen sind, wird im zweiten Teil der Arbeit durch ein Kontrollsystem reguliert, das immer wieder den Ausgleich von Texturen und Topoi sucht und danach fragt, ob bestimmte Änderungen sich mit Blick auf die Chronikbücher zu einer stimmigen Gesamtaussage verbinden lassen. Eine konzise und übersichtliche Darstellung über den Ursprung und die Leistungsfähigkeit der Quadripartita Ratio hat Knape im einschlägigen Artikel des Historischen Handwörterbuchs der Rhetorik51 dargeboten. Knape betont hinsichtlich der Quadripartita Ratio bei Quintilian zusätzlich die Zielrichtung der sprachlichen Operation. Dabei geht es um die Vorstellung, „daß der Autor beim Textverfassen gezielt und generativ auf die Operationen zurückgreifen kann, um bestimmte rhetorische Möglichkeiten auszuschöpfen. Insbesondere der Hinweis auf die gezielte Änderung aus rhetorischen Gründen ist hier von Belang.“52 Knape verweist dazu auf Quintilian inst. IX 3, wo Ausdrucksfiguren thematisiert und in zwei Arten unterschieden werden: „Die eine beruht auf sprachlicher Kreativität in Hinsicht auf die Sprachnorm (‚loquendi rationem novat‘ IX, 3,2); vitium (Ungrammatikalität) und virtus (rhetorische Figuren) sind dabei schwer zu trennen (IX,3,3–26); […]. Die andere Art von Ausdrucksfiguren, üblicherweise als eigentliche Wortfigurengruppe aufgefaßt, beruht auf Anordnung bzw. Stellung der Wörter (collocatio IX,3,2).“53 Der zweiten Art rhetorischer Änderungskategorien unterlegt Quintillian „ein modifiziertes, dreifaches Kategoriensystem: a) adiectio (Hinzufügung) (IX 3,28–57) […] b) detractio (Auslassung) (IX,3,58) […] c) similitudo.“54 Diese drei Operationen dienten
50 Quint 1,5,38. 51 Knape 1992, 549–566. 52 Knape 1992, 550. 53 Ebd, 550. 54 Ebd, 551.
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3. Methodische Erwägungen und Formulierung der Forschungsfrage
bspw. der Hervorbringung a) geminatio, reduplicatio und gradatio; b) Ellipse und Zeugma sowie c) similitudo oder contentio.55 Im Bereich der Tropen sei bei Quintilian die Kategorie der immuatio zentral: „Ein Tropus ist die kunstvolle Vertauschung der eigentlichen Bedeutung eines Wortes oder Redebestandteils mit einer anderen […].“56 Insofern sowohl die Figurae als auch die Tropen durch eine Änderungskategorie konstituiert werden, ist Quintilian auch als Deviationist57 bezeichnet worden, wobei Knape jedoch auf dessen Vorbehalt „gegenüber allgemeingültigen Theoremen (‚universalia vel perpetualia‘)“58 hinweist. In der Entkräftung des Deviationismus hebt Knape ein weiteres Prinzip der Textgestaltung hervor: die „Auswahl aus verschiedenen Möglichkeiten“59. Damit bringt Knape neben der Deviations- auch die Selektionstheorie ins Spiel.60 Mit diesen beiden Typen seien nun die Änderungen von Texten vollständig beschrieben. Mit dem Anbrechen des Mittelalters ist es laut Knape zu einem völligen Stillstand in der Entwicklung der Änderungskategorien gekommen.61 Zur systematischen Größe seien sie erst durch Lausberg62 geworden. Knape geht so weit, zu behaupten, dass die von Lausberg wiederbelebten Qunitilianschen Änderungskategorien inzwischen „den meisten neueren Arbeiten zu Figurentheorie zugrunde[liegen]“63. Abgesehen von verschiedenen (mitunter sehr feinen) Differenzierungsvorschlägen ergibt sich bei Knape, dass die von Quintilian dargestellten vier Kategorien bis in die Gegenwart nichts von ihrer differenzierenden Kraft eingebüßt haben und der Rückgriff auf dieses Beschreibungsmuster nach ihrer ‚Wiederentdeckung‘ im 20. Jh. alles andere als unzeitgemäß ist. Die Quadripartita Ratio als Ergebnis induktiver synoptischer Forschung an der Chronik An dieser Stelle ist ein Hinweis zur Darstellung der Untersuchungsergebnisse zu geben. Die Einführung der von Quintillian entwickelten Änderungssystematik als integraler Indikator der synoptischen Arbeit an der Chronik, das sei bereits hier betont, nimmt ein Ergebnis der eigentlichen Arbeit vorweg. Eine Durchsicht der synoptischen Stellen der Chronik ergibt, dass die Veränderungen, d. h. die Devia 55 Vgl. Ebd. 56 Ebd. 57 Deviation ist dabei im Sinne der Regelverletzung gemeint und beschreibt den Vorgang der Produktion durch Abweichung. 58 Ebd., 552. 59 Ebd. 60 Ebd. 61 Knape 1992, 555. 62 Ebd. 63 Ebd., 556.
3.2 Revision des Quellenstreits durch Auld
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tionen, mit Blick auf die Vorlage exakt diesen vier Änderungskategorien entsprechen.64 Dort, wo Argumente auf dem synoptischen Vergleich gründen, wird aus den auf die Quadripartita Ratio hinauslaufenden Einzelbeobachtungen geschöpft. Dementsprechend steht die Darstellung dieses Theorem an der vorliegen Stelle in einem umgekehrten Verhältnis zu dessen Entdeckungszusammenhang. Dessen Verwendung ist also nicht deduktiv, sondern induktiv motiviert. Die Quadripartita Ratio dient im Verlauf der gesamten Arbeit als eine Kontrastfolie, die Änderungen aufspürt. Sie stellt nicht im eigentlichen Sinne eine hermeneutische Methode dar, sondern zunächst den methodischen Ausgangspunkt der Sichtbarmachung und Unterscheidung.65 Doch mehr noch: Neben dem von Lausberg ausgewiesenen Barbarismus, der eine versehentliche Abweichung bezeichnet, hat Knape den wichtigen, ja sogar wichtigeren Bereich der Figuren und Tropen eröffnet und auch die Unterscheidung von Deviation und Selektion ins Spiel gebracht. Wie wir bereits gesehen haben, lässt sich das synoptische Material der Chronik vom Standpunkt der Deviation her verstehen. Als Selektion ist bspw. die Auslassung der Darstellung des Nordreiches sowie die Einsetzung des Sondergutes zu fassen. Dabei unterscheidet Knape im Rahmen der Deviation Figuren von Tropen. Auf diese verteilen sich die Änderungsarten in einem Verhältnis, das Quintilian selbst beschrieben hat, von drei zu eins. Während die Adiectio, die Detractio und die Transmutatio den Figuren zugeordnet werden, werden die Tropen mit der Immutatio in Verbindung gebracht. Dieser Hinweis stiftet eine wichtige Verstehensbedingung und rückt die Quadripartita Ratio, die offenbar kulturübergreifende Bearbeitungstechniken erfasst, an ihren Platz. Wir haben uns zu verdeutlichen, dass die Chronikbücher nicht unmittelbar aus der eigenen Anschauung historischer Schreiber in Schrift übersetzte Texte enthalten, sondern weitgehend Metatexte mindestens sekun 64 Auch in der Erforschung des Phänomens der Rewritten Scripture tauchen mit frappanter Häufigkeit immer wieder diese vier Bearbeitungstechniken auf. Vgl. bspw. Zahn 2011, 17–19 sowie passim; Teeter 2014, 5 sowie passim. Beide nennen dabei nur die Addition, Omission und Rearrangement. Im Hinblick auf die synthetische Form der Ersetzung (=Omission+Addition) ist diese jedoch mit zu berücksichtigen. Sie wären, wie dieser Seitenblick auf die rhetorische Tradition anzeigt, einer gründlicheren Aufarbeitung wert. 65 Freilich sind z. B. Willi und Kalimi wesentlich umfangreichere Bearbeitungsspuren im Vergleich von Sam / Kön und Chronik dokumentiert worden, jedoch lassen sich die unterschiedlichen Bearbeitungstechniken, die für unsere Analyse der Chronik ausschlaggebend sind unter diese vier Änderungskategorien subsumieren. Dabei ist unbedingt zu berücksichtigen, dass das System Quadripartita Ratio dezidiert als Bearbeitungsindikator und damit methodischer Ausgangspunkt zu verwenden ist. Der entscheidende Vorteil der Verwendung der Quadripartita Ratio ist damit gegeben, dass hier klar zwischen dem Sichtbarmachen literarischer Techniken und deren Auslegung unterschieden wird. Aus genau diesem Grund ist ein Rückgriff auf die Unterscheidungen Willis und Kalimis nicht geeignet, da beide in ihren Untersuchungen die Beschreibungsebene und die Deutungsebene, d. h. die Ebenen von literarischer Technik und theologischer Intention miteinander vermischen.
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3. Methodische Erwägungen und Formulierung der Forschungsfrage
därer Übertragung darstellen. Das bedeutet, dass die ursprüngliche Erfahrung als Grundbestände der Vorlagen, bisweilen auch nach der chronistischen Transformation noch als Restbestände in den Texten der Chronik enthalten sind. Zwischen Ausgangs- und Zieltext bleibt auf diese Weise eine unauflösbare Beziehung erhalten, die der Hermeneutik stets die Frage aufgibt, zwischen direkten und indirekten, d. h. nur als Gegenüber der Vorlage wahrgenommenen Änderungen aufzufassende, Äußerungen zu unterscheiden. Indem nun zwischen der Konstitution des synoptischen Anteils chronistischer Texte und den Tropen ein Ähnlichkeitsverhältnis besteht, wird gleichzeitig zu berücksichtigen sein, dass die gewählten Ausdrucksformen zu einem erheblichen Teil uneigentliche Rede darstellen. Das bedeutet, dass insbesondere in den deviatorischen Stücken der Chronik das Gemeinte nicht nur aus dem Gesagten selbst, sondern aus der geleisteten Übertragung, d. h. aus dem Abweichen als Abweichen, Schlüsse auf das Gemeinte zu ziehen sind. Da damit gleichsam die Entwicklung oder zumindest die Einführung einer Erschließungstechnik in die synoptische Arbeit aufgegeben ist, versteht sich diese Arbeit unter methodischen Gesichtspunkten auch als ein theoretischer Beitrag zur synoptischen Forschung. Die methodischen Konsequenzen und Aufgabenstellungen für weitere synoptische Untersuchungen werden am deutlichsten im Kapitel: „Kult-Handlung“ umrissen.
3.3 Entwicklung der Forschungsfrage 3.3.1 Die Vorgeschichte des Pentateuchs als Bedingung seiner Wirkungsgeschichte in der Chronik – Auf dem Wege von einer „Theologisierung“ zu einer „Sakralisierung“ des Rechts Der Überblick über den Stand der Forschung und die Reflexion über methodische Ansätze und Schwierigkeiten gestattet uns nun die Formulierung einer spezifischen Fragestellung für diese Arbeit: Im Folgenden wird danach gefragt, auf welche Weise die Chronik die Tora rezipiert hat. Zur Beantwortung dieser Frage wird ein doppelter Weg eingeschlagen. Zum einen werden alle 19 Textstellen, an denen von תורהdie Rede ist, in ihren jeweiligen Kontext eingeordnet und der Versuch unternommen, vor diesem Hintergrund etwas über die Bedeutung und den Gebrauch des Wortes תורהzu erfahren. Da diese Fragen von der Forschung teilweise bereits erörtert wurden, soll in Hinblick auf die noch immer andauernde Unbestimmtheit des Tora-Begriffs in der Chronik in einem zweiten Schritt die Frage gestellt werden, auf welche Weise sich die Rezeption der Tora auf die Textkonstitution der Chronik ausgewirkt hat. Dabei geht es darum zu prüfen, ob Textänderungen in der Chronik gegenüber der Vorlage – wobei jeweils zu ermitteln sein wird, welche Gestalt die Vorlage überhaupt hatte – auf den Einfluss von Texten aus der Tora zurückzuführen sind.
3.3 Entwicklung der Forschungsfrage
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Die Stellen, die einen Einfluss der Tora auf die Chronik vermuten lassen, sollen dabei jeweils vor dem Hintergrund ihres Sitzes im jeweiligen Buch erörtert werden. Konkret steht die Frage im Raum, ob sich Spuren bestimmter redaktioneller oder bearbeitender Schichten des Pentateuchs bis in die Chronikbücher verfolgen lassen. Die Hypothese dieser Arbeit besteht also darin, dass die Vorgeschichte der Texte des Pentateuchs die Bedingung für ihre Nachgeschichte in der Chronik darstellt. Dabei muss an dieser Stelle, da aus Gründen des Umfangs keine vollständige Erforschung beider Korpora geleistet werden kann, ein Erwartungswert auf Grund bisheriger Forschungsarbeiten gesetzt werden. Wir greifen deshalb an dieser Stelle auf den wichtigen Aufsatz Mathys’ und das Pentateuchmodell Ottos und Achenbachs zurück, vor dessen Hintergrund Mathys seine These entworfen hat. Zwar rekurriert mathys nicht auf Otto, jedoch ist dessen Modell bildung aus Gründen einer vollständigen Fluchtlinie der Entwicklung des Pentateuchs mit anzuführen.66 Will man die produktiven und formativen Kräfte, die zur Herausbildung eines Pentateuchs geführt haben, als Entwicklungsmodell beschreiben, so lässt sich mit Rückgriff auf Otto konstatieren, dass diese ihren Beginn in einer „Theologisierung des Rechts“ haben.67 Otto schreibt: Mit der Theologisierung des Rechts im „Bundesbuch“ wird durch unmittelbare Rückführung auf JHWH einer zunächst noch kleinräumigen Rechtssammlung eine Bewegung in Gang gebracht, die mit der Unterstellung der gesamten Tora unter den Gotteswillen in nachexilischer Zeit zu ihrem Ziel kommt.68
Das Ende der Skala, so könnte man mit Achenbach sagen, wird durch eine „Sakralisierung des Rechts“ gebildet. Diese, so Achenbach, took place in the final period of the formation of the Mosaic Torah, probably during the 4th century B. C. E. The exclusivity of the concept of Israel’s holiness includes a more strict interpretation of the law of Yhwh’s privilege than before. Those who live in the area surrounding the holy temple precinct, including those foreigners who desire to be integrated in the community of Israel, are called to strictly keep to the leges sacrae.69
66 Dabei soll hier keinesfalls die gesamte Debatte um die Entstehung des Pentateuchs unterschlagen werden. Ganz im Gegenteil, jede einzelne Analyse wird sich genau auf eben diese einlassen. Hier soll lediglich im Hinblick auf die Einflüsse der spät-priesterlichen Texte des Numeribuches auf die Chronik, die von Achenbach beschrieben wurde und auf den Mathys zu Recht verweist, der Anmarschweg dokumentiert werden, den Achenbachs Analyse bedingt. Im Sinne der hier vertretenen Auffassung, dass sich Rezeptionsphänomene nicht punktuell, sondern nur als diskursive Prozesse verstehen lassen, ist diese Vorüberlegung also unumgänglich. 67 Vgl. z. B. Otto 1988, 69–75 sowie Ders. 1999, 349, Anm. 609. 68 Otto z. St. 2012, 232. 69 Achenbach 2016, 109 f.
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3. Methodische Erwägungen und Formulierung der Forschungsfrage
Der Transformationsprozess von einer „Theologisierung“ zu einer „Sakralisierung“ des Rechts, unter den sich das Modell Ottos und Achenbachs fassen lässt, hat etwa die folgende Entwicklung vollzogen:70 a) In einem ersten Schritt reformiere und aktualisiere das „dtn Reformprogramm […] das im Bundesbuch überlieferte traditionelle Recht und bedient sich dazu zahlreicher Motive der neuassyrischen Heeresmacht.“71 Die Eckpfeiler, auf denen diese Beobachtung ruht, sind Dtn 13* und 28*, in denen „durch subversive Rezeption des Loyalitätseides Asarhaddons […] zugunsten des judäischen Gottes die Loyalität“72 entzogen werde. Dieser Akt ist, wenn man so will, der „Ursprung“ der Theologisierung des Rechts.73 Die durch die assyrische Krise unter Hiskia zu einem größeren Urbanisierungsprozess herausgeforderte Gesellschaft kompensiere ihren durch den Landverlust verursachten Identitätsabbruch, indem sie in das Deuteronomium ein umfangreiches Sozialethos integriere.74 Ausdruck dessen ist, dass der Schreiber des Deuteronomiums die Richter und Schreiber der Ortsgerichte „den Prinzipien gerechten Gerichts als Gottesrecht und damit das gesamte Gerichtswesen einschließlich der Ortsgerichte der Gottesherr schaft“75 unterwerfe. b) Von einem dtr Hauptredaktor (DtrD, Dtn 6,4 f; 12,13–28,44*) werde dieses zu einer Moserede stilisiert, die in Dtn 5; 9–10* am Gottesberg Horeb lokalisiert wird. „In der Fabel der Rahmung des Deuteronomiums durch die dtr Hauptredaktion ist das Gesetz des Deuteronomiums gleichzeitig JHWHs Offenbarung an Mose“76. Mit diesem Akt einer Verlagerung der Situation in die archaische Vorzeit bei gleichzeitiger Beibehaltung der Regelungen für das Kulturland werde der Kunstgriff einer „Identifizierung der Adressaten des Deuteronomiums mit der Horebgeneration als Adressaten des Mose“77 geleistet. Die Trägergruppen des DtrD identifiziert Otto als Zadokiden, die mit ihrer eigenen Gottesbergfiktion auf das aaronidische Programm der Priesterschrift antworten. Genau die Überbrückung des Hiatus zwischen erzählter und Erzähl-Zeit, die, wie Otto zeigt, offenbar durch eine Aktualisierungsfähigkeit der Moserede in nachexilischen Verhältnissen gewährleistet ist, wird offenbar in der Chronik durch einen weiteren Kunstgriff 70 Da der literarhistorische Konvergenzpunkt zwischen Pentateuch und Chronik etwa in der Mitte des 4. Jhs. liegt, ist evident, dass die weiter zurückliegenden Formationsphasen des Pentateuchs zumindest nach diesem Modell weniger Einfluss haben, als die Phasen, die sich ab dem 4. Jh. ereignen. Die Phasen, die hier abgebildet werden, dienen der vollständigen Beschreibung eines Jahrhunderte andauernden literarischen Produktionsprozesses, der in der Chronik in irgendeiner Form weitergeführt wird. Dass die Vorgeschichte der Rezeption hier beschrieben wird, heißt nicht, dass der Chronist sie gekannt hat. Es heißt zunächst einmal nicht mehr, aber auch nicht weniger, als dass es eine Vorgeschichte gab und dass mit einer Vorgeschichte zu rechnen ist. Alles Weitere haben die Analysen zu erbringen. 71 Otto 1999, 364. 72 Ebd. 73 Otto (1988) beobachtet diesen Vorgang insbesondere auch im Bundesbuch. Die Theologisierung des Rechts verlagere die Begründung des Rechts von der Rechtsgemeinschaft auf JHWH und stelle gleichsam den „Übergang von Recht zu Ethik“ (Ebd., 40) dar. 74 Ebd., 366. 75 Ebd., 368. 76 Otto 2000, 238. 77 Ebd., 239.
3.3 Entwicklung der Forschungsfrage
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geleistet. Der Chronist, so werden wir sehen, leistet die Aktualisierung der Tora, indem er vorgibt, dass David und Salomo sie zu ihrer Regierungszeit befolgt hätten. c) Auf den DtrD folge ein DtrL (Dtn 1–3*; 29–30*; Jos 1–11; 23*; Ri 2,6–9), der sich noch stärker von den Aaroniden abgrenze und das Deuteronomium, indem das Setting nach Moab verlagert und die Landnahme des Josuabuches integriert werde, weiter von der Sinai-Zentrierung der Aaroniden abrücke. Gleichzeitig werde eine Erklärung gegeben, wie zukünftige Generationen die Situation des Exils verhindern könnten. Die Antwort liege darin, dass die Vätergeneration das Deuteronomium noch nicht gekannt habe.78 Mit Dtn 1–3 werde dabei ein neuralgischer Text integriert, der gleichzeitig auf das Josuabuch voraus- und in den Pentateuch zurückweise. Auf dieses Problem der doppelten Integration gibt die weitere Entfaltung des Modells eine Antwort. d) Es schließen sich an diese Entwicklungen nun zwei weitere formative Phasen an: Zunächst werde durch die Integration der Priesterschrift ein Hexateuch hergestellt, dessen tragende Säulen Gen 15 und Jos 24 seien. Dieser wird um 448 v.Chr, der Zeit Nehemias, datiert. Otto sieht dafür dezidiert nicht einen einzelnen Redaktor, sondern eher eine Schule verantwortlich.79 Während der Hexateuch als Synthese von P und DtrL stärker auf das Land ausgerichtet sei, rücke mit der Herausbildung eines Pentateuchs, der unter Esra (398 v. Chr.) entstanden sei, wieder mehr die Perspektive von DtrD, d. h. das am Sinai geoffenbarte Gesetz in den Vordergrund.80 Dabei integriere ein wohl priesterlicher Pentateuch-Redaktor das Heiligkeitsgesetz und offenbare damit seinen zadokidischen Hintergrund.81 Mit dem Pentateuch, der wohl eine Weile neben dem Hexateuch im Umlauf war, bevor er sich durchsetzen konnte, wird nun die Tora des Mose Mittelpunkt des Korpus. Insbesondere Ex 24,12b ist hier, wie Achenbach deutlich macht, von größter Wichtigkeit, da damit die Vorstellung verbunden ist, JHWH selbst habe die Sinai-Tora verschriftlicht und an Mose übergeben.82 e) Mit der Herausbildung eines Pentateuchs endet laut Achenbach die redaktionelle Phase dieses Korpus, was jedoch nicht heißt, dass keine Ergänzungen mehr gemacht wurden. Diese haben jedoch nicht mehr verschiedene Teilkorpora wie B, D und H miteinander austariert83, sondern sich in Form von Bearbeitungen niedergeschlagen, die Achenbach „Theokratische Bearbeitungen“84 nennt. Diese Bearbeitung „formt das Numeribuch zu einer großen Ursprungslegende einer hierokratisch geführten israelitischen Theokratie.“85 In der späten Perserzeit – Achenbach setzt die Bearbeitung in der ersten Hälfte des vierten Jahrhunderts an – lagere sich die Legende zwischen Heiligkeitsgesetz und Deuteronomium an und etabliere „einen zadokidischen Hoheprieser als obersten Sprach- und Rechtsmittler der Tora“86. Das Vorzeichen zu dieser Entwicklung 78 Ebd., 240. 79 Ebd., 244. 80 Ebd., 244. 81 Ebd., 258. 82 Achenbach 2004a, 65. 83 Achenbach (z. B. 2003, 425) verwendet deshalb den nicht unumstrittenen Begriff der „nachendredaktionellen“ Bearbeitung. 84 Vgl. Achenbach 2003, 443–628. Der Begriff wird inzwischen von der Einleitungswissenschaft rezipiert. Vgl Römer 2014b, 144 f. 85 Achenbach 2003, 632. 86 Ebd.
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3. Methodische Erwägungen und Formulierung der Forschungsfrage
werde mit der Idee eines Königtums von Priestern (Ex 19,6) gesetzt. Eckpfeiler einer Desavouierung der Aaroniden, gegen die sich die Zadokiden mit der Legitimation von Ez 44 her durchzusetzen haben, werden Lev 10 sowie auch Num 16 f. Dabei werde das Lager der Stämme um das Wüstenheiligtum Num 1–4 zu einer von persischer Vorstellung herrührenden ekklesia militans stilisiert, in der abgestufte Heiligkeitsvorstellungen gelten.87 Ebenso werden zwei neue Bundeskonzeptionen entwickelt, der ewige Salzbund, der „das Anrecht des Hohenpriesters auf die Mahlgemeinschaft mit der Gottheit stellvertretend für Israel (Num 18,20)“88 konstituiere sowie die Vorstellung eines ewigen Friedensbundes mit Pinchas (Num 25,12 f), „der das Amt des Hohenpriesters als bleibende Institution Israels sichert.“89 Achenbach zeichnet nach, dass drei dieser Theokratischen Bearbeitungen90 voneinander zu unterscheiden sind. Eine erste (ThB I) stelle die soeben genannten Vollzüge her. In einer zweiten Bearbeitungsphase (ThB II) komme es zum Ausbau der Reinheitstorot (Num 5 f; 15; 19). Eine noch spätere Phase (ThB III) füge verschiedene Midraschim hinzu: Num 7–10; Num 31; 33,1–49.91 Die innere Schichtung der ThB III wird dabei gemäß der Gattung zunehmend schwieriger zu greifen. Besonders wichtig ist der Ausblick, den Achenbach am Ende seiner Untersuchung gibt: „Der Fortschreibungsprozeß war an eine Grenze geraten und nurmehr im Rahmen eines Neuentwurfs der Geschichte des Tempels und der Königszeit in den Chronikbüchern möglich. Die Tora war in einem äußeren Sinne vollendet und wurde kanonisch.“92
Der Einsatz mit diesem Modell ist nicht nur deshalb hilfreich, weil, wie Mathys zeigt, die größten Übereinstimmungen zwischen Numeri und der Chronik bestehen, sondern auch, weil Achenbach im Bereich nach-priesterschriftlichen Materials, also insbesondere im Bereich der „Theokratischen Bearbeitungen“, einen besonders hohen Differenzierungsgrad der spät-priesterlichen Texte des Numeribuches erreicht hat und mit seiner Analyse die Grenze zwischen Pentateuch und Chronik von der Entwicklung des Pentateuchs her beschreibt. Achenbach hat dabei bereits zahlreiche literarische Impulse gekennzeichnet, die in 87 Achenbach 2003, 633. 88 Ebd. 89 Ebd. 90 Achenbach (2003, 135) hat den von Josephus geprägten Begriff der Theokratie dabei in Anlehnung an Assmann (1996, 332 f) übernommen. Assmann bezeichnet die Herrschaftsform, in der der Priester „bei jeder wichtigen Entscheidung durch Techniken der Oraklebefragung“ Rat von der Gottheit einholt und dabei noch nicht selbst als Herrscher auftritt, als „identitäre Theokratie“ (vgl. Ebd.). Von dieser grenzt er das ägyptische Herrschaftsmodell, in dem der Pharao die Gottheit repräsentiert und deren Position ‚unbesetzt‘ bleibt, als repräsentative Theokratie. Eine Herrschaftsform, in der Gott und Pharao als Vater und Sohn regieren nennt er Koregentschaft. Achenbach geht also davon aus, dass in den theokratischen Bearbeitungen des Numerbibuches die Herrschaft des Hohenpriesters noch vorrangig auf den Kult begrenzt ist. Mit Blick auf die Chronik, die als literarisches Bindeglied zwischen dem Abschluss des Pentateuchs und der hasmonäischen Epoche gelesen werden muss, stellt sich die Frage, ob am Status des Hohenpriesters Veränderungen wahrzunehmen sind. 91 Ebd. 92 Ebd.
3.3 Entwicklung der Forschungsfrage
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Richtung der Chronik weisen und bisweilen in der Tora keine Wirkung mehr entfalten. Wir werden in dieser Untersuchung eine Antwort auf die Frage suchen, wie es auf der anderen Seite der Grenze aussieht. Gleichzeitig werden wir die mindestens genauso wichtige Frage zu stellen haben, ob das, was wir als Grenze verstehen, d. h. ein vor dem literarischen Anfang der Chronik liegender Abschlussvorgang des Pentateuchs, wirklich eine Grenze ist.93 Grabbe jedenfalls ist der Auffassung, dass der Pentateuch erst etwa in der Zeit von Jesus Sirach, also ca. 200 v. Chr., „in the same or a similar form to that known today was widely accepted as authoritative.“94 Diese Datierung ließe etwas Spielraum, um auch noch mit Rückwirkungen der Chronik auf die Tora zu rechnen. Damit stellt sich nun die Frage nach der Datierung der Chronik.
3.3.2 Zur Datierung der Chronik In der Diskussion um die Datierung der Chronikbücher hat sich ein gewisser Konsens mit Blick auf die spät-persische / früh-hellenistische Epoche eingestellt. Die These wird etwa von Japhet95 und Knoppers96 vertreten. Das entspricht etwa dem Zeitfenster 350–300 v. Chr. Die Datierung beruht im Wesentlichen auf der historiographischen Verlegenheit, dass die Quellenlage für die spät-persische wie für die früh-hellenistische Zeit äußerst mangelhaft ist.97 Die Eckdaten werden in der Forschung teils leicht, teils radikal nach vorne und hinten ausgedehnt. Während bspw. Kalimi die Chronik deutlicher in die Perserzeit datieren will, ragen die Datierungen Mathys’ und vor allem Steins’ immer deutlicher in die hellenistische Epoche hinein.
93 Es bedarf keiner näheren Erläuterungen dazu, dass das Modell Ottos und Achenbachs lediglich herangezogen wird, um die literargeschichtliche Fluchtlinie des Pentateuchs durch die Jahrhunderte im Blick zu behalten, die dann in ihrer letzten Phase an einem nicht näher zu bestimmenden Punkt, etwa in der Mitte des vierten Jahrhunderts, mit der Linie der Chronik konvergiert. 94 Grabbe 2001a, 111. 95 Vgl. Japhet St., 27 f. Bei Japhet ist trotz dieser Schwankung zu berücksichtigen, dass sie eher in die früh-hellenistische, als in die spät-persische Zeit datiert (ebd., 28). 96 Vgl. Knoppers z. St., 101–117. Knoppers bietet zudem eine umfassende Diskussion der aktuellen Datierungsmodelle. 97 In Frevels (2016) Geschichte Israels finden sich in der ersten Hälfte des 3.Jh. v. Chr. nur wenige Ereignisse. Vgl. auch Keel (2007,1137), der von einer der „am dürftigsten dokumentierten Epochen“ spricht sowie Grabbe 2008, 268. Einzig in die ökonomischen Verhältnisse der Ptolemäerzeit haben wir durch die Zenon-Papyri einen guten Einblick. Diese geben jedoch kaum Aufschluss über die politischen und sozialen Verhältnisse dieser Epoche. Daneben ist auch das ägyptische Justizwesen der Ptolemäer gut erschlossen, wobei jedoch unklar ist, in welchem Ausmaß die ägyptischen Verhältnisse auch in Palästina zur Anwendung gekommen sind. (Vgl. Keenan / Manning 2014, 470 f).
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3. Methodische Erwägungen und Formulierung der Forschungsfrage
Am profiliertesten hat Welten, der dafür eine Reihe von Gründen aufgezeigt hat, für eine Datierung in die hellenistische Zeit plädiert.98 Mathys ist Welten gefolgt und hat vor allem zwei weitere Indizien für eine Ansetzung in hellenistischer99 Zeit genannt: das ausgesprochene Interesse des Chronisten an der Wirtschaft bzw. Landwirtschaft100 sowie den Modus der Historiographie. Seine These lautet, dass die Chronik als „Nationalgeschichtsschreibung mit universalgeschichtlicher Einleitung und einer Geschichtsphilosophie“101 dem typisch hellenistischen Zeitgeist entspricht, der „sich durch eine seltene historiographische Fruchtbarkeit auszeichnet.“102 Mathys geht dabei davon aus, dass sich die (judäische) Welt zwischen dem Alexanderfeldzug und der Herrschaftskonsolidierung der Diadochen stark veränderte.103 Auch Albertz hat mit seiner Datierung für die früh-hellenistische Zeit votiert.104 Zumindest die Zenon-Papyri zeigen, dass Jerusalem in der Mitte des 3. Jh. v. Chr. von griechischen Verwaltungsbeamten als Verwaltungszentrum wahrgenommen wurde.105
98 Welten 1973, 205. 99 Die Problematik der Begriffe Hellenismus und Hellenisierung wird bei Frevel (2007, 333 f) markiert. Während die frühere Forschung den Hellenismus mit Alexander beginnen lässt, sieht man die kulturelle Verbindung von Orient und Okzident heute eher als einen Prozess. Für Palästina ist mit Keel (2007, 1130) festzuhalten: „Außer der Umleitung der Abgaben in die eigene Kasse hat Alexander an der Verwaltung Palästinas wenig verändert.“ 100 Mathys 2000b, 50. Auf den Aspekt der Landwirtschaft kommt Mathys auch in seiner Analyse der Verwandtschaft von Numeribuch und Chronikbüchern zu sprechen. Er sieht darin einen Hinweis auf die hohe Bedeutung der Wirtschaft in der Ptolemäerzeit. 101 Mathys 2000b, 60. 102 Mathys 2000b, 60. Zum Vergleich zieht Mathys die griechischen Historiographen Berossos, Manetho und Hekataios von Abdera, die jeweils eine eigene Nationalgeschichte verfasst haben, heran. Berossos habe bspw. das Anliegen gehabt, einem griechischen Kulturimperialismus entgegen zu arbeiten (Ebd., 66). Bei diesem Vergleichsmoment des Universalismus verlören jedoch die partikular kultischen und lokalpolitischen Anliegen, wie z. B. die immer wieder ins Spiel gebrachte anti-samaritanische Haltung, ihr Eigengewicht. 103 Diese Einschätzung des Zeitgeistes, um den es Mathys im Wesentlichen geht, teilt auch Briant (2002, 876), der Alexander als „the last of the Achaemenides“ betitelt und mit ihm das persische Konzept des „Great King“ enden sieht. Daneben hält er jedoch fest, dass vereinzelt auch mit einer Fortsetzung der persischen Strukturen zu rechnen ist (vgl. ebd.). Insofern ist freilich der allgemein hellenistische Zeitgeist mit Blick auf die Provinz Jehud gesondert in den Blick zu nehmen. Hier plädieren bspw. Grabbe und Frevel (2016, 329) dafür, dass es zunächst nur einen ziemlich geringeren Wandel gegeben hat. Auch Keel (2007, 1130) hält fest: „Außer der Umleitung der Abgaben in die eigene Kasse hat Alexander an der Verwaltung Palästinas wenig verändert.“ Dabei weist er darauf hin, dass erste Münzfunde der Ptolemäer an perserzeitliche Münzen anknüpfen und daran gut zu erkennen sei, „dass die Ptolemäer vorerst die während der Perserzeit bestehenden Strukturen übernommen haben.“ (Ebd. 1134 f). 104 Albertz 1997, 607. 105 Vgl. dazu Keel 2007, 1137 sowie Heckl (2016a, 169) mit dem Hinweis auf CPJ I, Nr. 2b, 122.
3.3 Entwicklung der Forschungsfrage
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Eine extreme Spät-Datierung hat Steins im Anschluss an Kellermann vorgeschlagen. Ihm folgt neuerdings Finkelstein.106 Eine der jüngsten Veröffentlichungen zur Chronik votiert mit der Datierung ebenfalls für die spät-persische / frühhellenistische Zeit, wo die Zuordnung auf einem differenzierten redaktionsgeschichtlichen Modell beruht.107 Labahn, die in ihrer Arbeit die These vertritt, dass eine chronistische Grundschicht durch mindestens drei redaktionelle Überarbeitungen weiter angewachsen ist, macht in der Entwicklung der Chronik eine „Bewegung vom Kultus hin zur Administration“108 aus. Die Grundschicht der Chronik setzt sie mit Kratz in der persischen Epoche an. Während Kratz jedoch für die Regierungszeit Artaxerxes III (359–338 v. Chr.) votiert,109 fasst Labahn die Zeit unter Artaxerxes II (404–359 v. Chr.) ins Auge.110 Ausgehend von der Vorstellung der pax persica, die Labahn für eine reale persische Ideologie hält, nimmt sie die Verhältnisse unter Artaxerxes II als frühesten Zeitpunkt einer Abfassung der Chronikbücher an.111 Allerdings ist die Grundlage ihrer Argumentation nicht scharf profiliert. Weiterhin führt sie das Münzprägerecht der Provinz Jehuds sowie die Frage nach der Selbständigkeit als Provinz an und spricht davon, „dass sich in diesem Rahmen Verhältnisse ausgebildet haben, die einen möglichen Hintergrund für eine erste Fassung der Chronik abgeben.“112 Unausgeführt bleibt dabei jedoch, wie genau dieser Hintergrund ausgesehen haben kann, allzumal vor dem Hintergrund der pax persica die Frage aufkommt, warum מלחמהeines der am häufigsten verwendeten Lexeme der Chronikbücher113 ist und diese auch in ihrem der 106 Finkelstein 2015. 107 Labahn, 2012, 32–39. 108 Labahn 2012, 35. 109 Vgl. Kratz 2013b, 159. 110 Labahn 2012, 35. 111 Wenn sie als ein hinreichendes Argument für eine Datierung in die zweite Hälfte der Perserzeit die unter Darius I geprägt Dareike angibt, die in 1Chr 29,7 erwähnt wird, muss man dem entgegenhalten, dass Darius I etwa zwischen 520/519 und 486 regierte und damit theoretisch auch die erste Hälfte der Perserzeit als Abfassungszeitraum infrage käme. Briant (2002, 409) nimmt für die erste Prägung dieser Münze etwa 512 v. Chr. an womit der terminus a quo in der frühen Perserzeit läge. Zwar war die Münze, wie Mlasowsky (2006) beschreibt, auch nach dem Tod Dareius I, „bis zur Ausprägung des Philippeios unter dem Makedonen Philipp II. um 345 v.Chr“ noch verbreitet, jedoch argumentiert Lahban nicht in diesem Sinne. Dazu kommt noch das Problem, dass für besagte Münze auch die Interpretation als Drachme erwogen wurde. 112 Labahn 2012, 37. Zur Diskussion um das persische Münzprägerecht s. u. das Kapitel „Kult-Personal“. 113 Vgl. 1Chr 5,10.18–20.22; 7,4.11.40; 10,3; 11,13; 12,1.9.20.34.36–39*4; 14,15; 18,10; 19,7.9– 10.14.17; 20,4–6; 22,8; 26,27; 28,3; 2Chr 6,34; 8,9; 11,1; 12,15; 13,2–3.14; 14,5.9; 15,19; 16,9; 17,13; 18,3.5.14.29.34; 20,1.15; 22,5; 25,8.13; 26,11.13; 27,7; 32,2.6.8; 35,21. Dieses Problem bleibt selbst in einer vollständig dem Phänomen des Krieges in den Chronikbüchern gewidmeten Monographie gänzlich unbesprochen (vgl. Cudworth 2016.), Welten (1973, 169) hat darauf hingewiesen, dass der Topos des Krieges auf eine Situation permanenter Bedrohung schließen lässt. Er sieht darin einen Reflex auf den Beginn der Auseinandersetzungen zwischen Ptolemäern und Seleukiden. Vgl. auch Mathys (2000, 41–155, bes.: 105–111).
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3. Methodische Erwägungen und Formulierung der Forschungsfrage
Grundschicht zuzurechnenden Sondergut breite Kriegserzählungen – Mathys spricht von Weltkriegen114 – bieten, die so gar nicht zu einer vollkommen befriedeten Lebenswelt passen wollen.115 Labahn geht davon aus, dass sich eine erste Redaktion noch in der achämenidischen Zeit ereignete. Eine zweite Redaktion datiert sie in die Epoche Ptolemaios’ III, da die Chronik hier auf hellenistische Einflüsse reagiere. Das Ende der Chronikbücher liegt für sie vor der Zeit Antiochus’ III, da der unter diesem zu verzeichnende Machtzuwachs sich nicht in der Chronik beobachten lasse und „dem Hohenpriester keine einflussreiche Stellung zuerkannt wird.“116 Als einen Reflex auf die hellenistische Zeit macht sie eine Zunahme und Neuausrichtung der Schreiberschulen aus und korreliert diese mit der wachsenden Betonung von Schreibern in der Chronik.117 Kalimi118 hat die weite Herabführung des Juda-Stammbaums (vgl. 1Chr 3, 19–24) als letztlich einzigen terminus a quo der Datierung ausgemacht. Seiner Auffassung nach kommt man damit in die Zeit zwischen 400–376 v. Chr. In der Tat werden hier sechs Generationen nach Serubbabel aufgeführt. Nur besteht keinesfalls Einigkeit darüber, wie viele Jahre pro Generation zu veranschlagen sind. Kalimi nimmt für eine Generation 20–24 Jahre an. Mit gleichem Recht ließen sich jedoch auch 40 Jahre für eine Generation in Anschlag bringen, womit etwa die Grenze vom 4. zum 3. Jahrhundert erreicht wäre. Eine in der Chronikforschung sehr weit verbreitete Annahme lautet, dass Sirach die Chronikbücher bereits voraussetzt. Dabei geht es um Sir 47,8–10, wo erwähnt wird, dass David Lieder gesungen, Instrumente eingeführt und Psalmen gedichtet habe. Steins119, Ben-Zvi120 und neuerdings auch Finkelstein haben diesen Konsens der Chronikforschung in Frage gestellt. Einer der Haupteinwände lautet, dass die Informationen genauso gut aus Esr 3,10 oder Neh 12,24 stammen könnten. Ein weniger valider Einwand lautet außerdem, dass das Dichten von Psalmen durch David auch einer mündlichen Tradition entstammen könnte. Kalimi ist der Auffassung, dass Sirach wahrscheinlich beide Traditionen kannte, seinen 114 Mathys 2014, 592. 115 Vgl. Labahn (2012, 35, Anm. 59; 36, Anm. 64; u. ö.) verweist zur Darlegung ihrer Vorannahmen und damit der Herleitung ihrer These auf ihre Monographie (in Vorbereitung): Indirekte Herrschaft in der Administration der Zeit des Zweiten Tempels. Studien zu Verwaltungsabläufen im Blick auf eine mögliche Beteiligung von Leviten. Leider war diese Arbeit nicht verfügbar, sodass hier keine Auseinandersetzung mit ihrer Argumentation stattfinden kann. Ganz allgemein bleibt nur der Hinweis auf die Arbeit Weltens zu geben, der mit guten Gründen genau das Gegenteil behauptet hat. 116 Labahn 2012, 38. In der Auslegung von 2Chr 26 wird in dieser Arbeit jedoch ein anderes Argument vorgetragen (vgl. s. u. „Kult-Handlung“). 117 Labahn 2012, 38. 118 Vgl. Kalimi 1993a, 232 sowie Ders. 2013, 15. 119 Vgl. Steins 1995, 491–499. 120 ben Zvi 1988, 59–88.
3.3 Entwicklung der Forschungsfrage
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Ausführungen nach ihren Ursprung jedoch eher in der detaillierteren Darstellung der Chronik hätten.121 Man erreicht damit einen terminus ad quem, der vor 180 v. Chr. liegt.122 Steins hat unter Aufbietung aller zur Verfügung stehenden Indizien für eine Spät-Datierung der Chronikbücher, nämlich in die Hasmonäer-Zeit, votiert und mit dieser radikalen Spät-Datierung eine genauso radikale Intention verbunden, dass nämlich die Chronikbücher ein Kanonisches Abschlussphänomen des dritten (!) Kanonteils darstellen würden. Dabei stützt er sich einerseits auf die Beobachtungen Ben-Zvis zur Rezeption der Chronik in deuterokanonischen und außerbiblischen Schriften, er stützt sich jedoch auch – etwas zu stark, wie Mathys feststellt – auf Kellermanns Survey zur Tora-Rezeption in der Chronik. Die Kelllermann-Steinssche-These, wie Mathys sie nennt, sei sowohl bei Kellermann als auch bei Steins trotz vehementer Behauptung im Detail unausgeführt geblieben, sie ruhe jedoch ohnehin auf einer enggeführten Überinterpretation der Parallelen zwischen 1/2 Chronik und 1/2 Makk.123 Insbesondere in Hinblick auf die External Evidence, wo Steins den Konsens der Forschung aufkündigen will, dass Eupolemos und Sirach die Chronik voraussetzen, ist dessen These wenig überzeugend und – abgesehen von einigem Widerspruch – in der Forschung ohne große Resonanz geblieben.124 Die dargestellten Positionen in Verbindung mit den Vorüberlegungen zur Tora-Rezeption in der Chronik weisen deshalb sehr wahrscheinlich auf eine Datierung in die hellenistische Zeit, d. h. in jedem Fall nach 333/2 v. Chr. Die Arbeitshypothese wird auf die erste Verhältnisbestimmung von Mathys zurückgreifen und mit einer Abfassung um 300 v. Chr. rechnen.
121 Kalimi 2013, 104. 122 Zur Abfassungszeit von Jesus Sirach, die etwa zwischen 190 und 180 v. Chr. liegt, vgl. Ueberschaer 2007, 36. 123 Vgl. Mathys 2000b, 50; Keel (2007, 1230) hat zudem darauf hingewiesen, dass der Kult in den Makkabäerbüchern keine große Rolle spiele und dass bspw. der Vergleich der Tempeleinweihungsberichte in 2Chr 5–7 und 2Makk 10,3–8 einen erheblichen Unterschied ausmacht, wobei 1Makk 4,36–60 schon wieder ausführlicher sei. Der Tempel spiele ferner sowohl in der Präsenzvorstellung als auch als Ort der Sühne in den Makkabäerbüchern eine von der priesterlichen Tradition vollkommen abweichende Rolle (Ebd., 1231). Auch das stellt angesichts der chronistischen Bezeichnung des Tempels als ( בית הכפרת1Chr 28,11) einen entscheidenden Unterschied dar. Wichtiger als der Tempelkult, so stellt Keel (Ebd. 1231) es im Hinblick auf 1Makk 3,48–51 dar, sei in den Makkabäerbüchern, das Handeln nach der Tora. Auch diese Perspektive gilt nicht für den Chronisten, der nicht nur den Tempelkult und die Tora konsequent zusammendenkt und mit Blick auf die davidisichen Regelungen erheblich ausstaffiert. 124 Vgl. Steins 1995, 490–499. l
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3. Methodische Erwägungen und Formulierung der Forschungsfrage
3.3.3 Vorgehen Weitere Einleitungsfragen wie die der Verfasserschaft, der Motivation, des Verhältnisses zu den Samaritanern sowie des Ortes der Abfassung werden sich nur durch die Analysen erhellen lassen. Wir kommen auf diese Fragen deshalb erst am Ende der Arbeit zu sprechen. Nach diesen Vorüberlegungen werden wir nun im Folgenden zwei Durchgänge durch die Tora machen, um zu einem tieferen Verständnis der Tora-Rezeption in der Chronik zu gelangen als bisher. In einem ersten Schritt (Kapitel 4) werden wir alle 19 Stellen untersuchen, an denen von תורהdie Rede ist. Dieses Verfahren bildet den ersten Hauptteil der Arbeit, der rein auf die Semantik des Lexems תורהzielt. In einem zweiten Schritt werden wir in fünf ausgewählten Studien dem Einfluss der Tora auf die Textkonstitution der Chronik nachspüren. Diese Analyse wird dabei in erheblichem Maß auf der synoptischen Auswertung der Parallelen beruhen und danach fragen, inwiefern Abweichungen zwischen Vorlage und Abschrift auf den Pentateuch zurückzuführen sind. Während wir uns im ersten Hauptteil chronologisch durch die Erwähnungen von תורהleiten lassen, werden wir uns im zweiten Hauptteil an Wellhausen anlehnen, der die kultischen Vollzüge in seinen Prolegomena durch das Abstecken von fünf Bereichen ermittelt hat. Diese Bereiche überschreiben wir mit „Kult-Personal“, „Kult-Gegenstand“, „Kult-Ort“, „Kult-Kalender“ und „Kult-Handlung“.125 In Kapitel 5 wird uns die Frage beschäftigen, in welcher Form die Chronik das Kult-Personal des Pentateuchs übernimmt und ob sich Änderungen im Bereich der Aufgaben und Hierarchien beschreiben lassen. In Kapitel 6 wird die Überführung der Lade nach Jerusalem zum zentralen Thema werden. Dabei wird uns insbesondere die Funktion der Lade interessieren und die Frage im Raum stehen, wodurch die größeren Umstellungen in dieser Episode motiviert sind. In Kapitel 7 werden wir beobachten, wie der Chronist die Episode 2Sam 24 nach Maßgabe der Tora zu 1Chr 21 umstilisiert, dabei werden wir insbesondere die Bedeutung des Tempelplatzes für den Chronisten herausheben und zeigen, dass der Chronist unter Aufbietung aller vom Pentateuch her zur Verfügung stehenden Zentralisationskonzeptionen Jerusalem zu dem einzig verbindlichen Kult-Ort macht. Kapitel 8 bietet eine Analyse der Begleitumstände der Tempeleinweihung durch Salomo. Dabei wird insbesondere zu untersuchen sein, auf welchen Kult-Kalender 125 Vgl. dazu die Einteilung des ersten Hauptteils der Prolegomena: „1 Der Ort des Gottesdienstes; 2 Die Opfer, 3. Die Feste, 4. Die Priester und Leviten, 5 Die Ausstattung des Klerus“. (Vgl. Wellhausen 1927).
3.3 Entwicklung der Forschungsfrage
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der Chronist zurückgreift. Ebenso wird die Untersuchung der Ladekonzeption hier eine Fortsetzung finden, da durch diese überhaupt erst vom Gelingen der Festvollzüge gesprochen werden kann. Letztlich werden wir in Kapitel 9 das illegitime Räucheropfer Usijas analysieren, dessen Konsequenzen uns nicht nur Einsicht in die Räucherbestimmungen, sondern durch die Darstellung von Priestern und davididischen Königen auch in das Verhältnis von Messianismus und Hierokratie geben. Zur Deutung dieser Stelle wird dabei ein neues Interpretament in die alttestamentliche Exegese eingeführt, die Konversationsimplikatur.
I Hauptteil – Semasiologische Untersuchung des Lexems תורהin den Chronikbüchern 4. תורהin der Chronik
Die semasiologische Fragerichtung, mit der hier begonnen werden soll, sucht nach der Bedeutung des Tora-Begriffs in den Chronikbüchern. An diesem Punkt hat auch die Dissertationsschrift Hänsels eingesetzt, die jedoch die Befunde nicht mit entsprechenden Texturen der Tora-Rezeption korreliert hat.1 Die Tora-Befunde sind zwar rhetorisch bedeutsam, insofern sie durch die Verwendung des Tora-Begriffs die damit verbundene Pragmatik und mithin die intendierte Wirkabsicht des Textes zeigen, mit Blick auf das Gesamtphänomen „Tora-Rezeption“ handelt es sich, wie hier gezeigt wird, jedoch nur um die „Spitze des Eisbergs“, sodass eine Einschätzung des Rezeptions-Phänomens die direkten wie indirekten, oder besser gesagt: die expliziten und in-expliziten Aufnahmen der Tora korrelativ auszuwerten hat. Ziel ist es, in einem ersten Querschnitt durch die Chronik die direkte Bezugnahme auf die Tora zu ermitteln und vor dem Hintergrund der textuellen Einbettung des Begriffs und deren Kontextdetermination die Semantik des Lexems תורהsowie die Pragmatik der expliziten Referenz zu verstehen. Das Lexem Tora wird 19 Mal in der Chronik verwendet.2 Dabei fällt auf, dass die Häufigkeit der Erwähnung im zweiten Buch der Chronik, in der nach gängiger Gliederung vierten Episode der chronistischen Geschichtsschreibung, die Nennung der Tora signifikant zunimmt. Gleichermaßen bemerkenswert ist, dass תורהin der Genealogischen Vorhalle nicht erwähnt wird. Dies verdient insofern Beachtung, als dort flächendeckend Materialien aus der Tora übernommen werden. Schon dieser Befund nährt den Verdacht, dass auf die Tora nicht vornehmlich zu Zitationszwecken referiert wird. Welche Rolle sie stattdessen spielt, wird nun in 1 Vgl. dazu den zweiten Hauptteil der Arbeit, der nach einer integralen Bestimmung der Tora-Rezeption fragt. 2 Vgl. 1Chr 16,40; 22,12 2Chr 6,16; 12,1; 14,3; 15,3; 17,9; 19,10; 23,18; 25,4; 30,16; 31,3–4.21; 33,8; 34,14–15.19; 35,26.
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4. תהרותin der Chronik
einem ersten Survey untersucht. In der Reihenfolge der Referenzstellen wird ein erster Durchgang den semantischen und pragmatischen Dimensionen des Tora-Begriffs nachspüren, also sowohl dessen Bedeutung als auch dessen Gebrauch aufzeigen. Die in der Einleitung skizzierte Mehrdimensionalität des Tora-Begriffs stellt dabei den Hintergrund dar, vor dem nun unter Berücksichtigung der durch einzelne Narrative gewirkten Kontextdetermination jeweils aufs Neue nach der spezifischen Bedeutung von תורהgefragt wird. Der Begriff Narrativ wird hier in Abgrenzung zu Erzählung / Narration oder Story verwendet. Koschorke leitet den Begriff aus der Definition des Begriffes „Schema“ ab: „Schematisches Erkennen beruht auf Erwartungen. Von taxonomischen oder seriellen Ordnungen unterscheidet sich das Schema durch die doppelte Verknüpfung der Elemente. Taxonomien organisieren sich allein durch den vertikalen Bezug der ansonsten unverbundenen Einzelelemente auf den übergeordneten Begriff; Serien hingegen kennen nur die horizontale Abfolge. Im Schema dagegen beziehen sich die Elemente einerseits in einer Sequenz aufeinander, andererseits stehen sie in einem Verhältnis von Teil und Ganzem zur Einheit der schematischen Struktur.“3 An einem Kapitelbereich wie z. B. 1Chr 11–29 lässt sich vor diesem Hintergrund paradigmatisch illustrieren, dass bspw. 1Chr 13–16; 17; 18–20; 21; 22–29 jeweils Serien darstellen, die vorwiegend horizontal organisiert sind, während die seriellen Elemente selbst vertikal die David-Figur organisieren. In diesem Sinne ergeben sich in der gesamten Chronik für jeden König jeweils unterschiedliche Schemata. „Schemata sind“, mit Koschorke zu sprechen, „Dispositive von einem mittleren Härtegrad, insofern sie die in ihnen enthaltenen Elemente konfigurieren, aber nicht bis ins letzte festschreiben.“4 Für genau die Schemata, die sich erzählerisch nach diesem Muster entfalten, führt Koschroke den Begriff des Narrativs „im Unterschied zur unabzählbaren Vielfalt individueller Geschichten (im Sinne von stories)“5 ein. Es wird nun also im ersten Hauptteil der Arbeit zu fragen sein, inwiefern sich die Rekurse auf das Lexem תורהvor dem jeweiligen „Bauplan“6 der Narrative verstehen lassen.
3 Koschorke 2013, 30. 4 Ebd. 5 Ebd. 6 Vgl. zum Begriff Ebd.
4.1 רות im Kontext des David-Narrativs
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4.1 תורהim Kontext des David-Narrativs Das David-Narrativ stellt die umfänglichste Episode der Chronikbücher dar. Unbestritten liegt das Hauptaugenmerk des Chronisten auf der Figur des ersten panisraelitischen Königs. Bezeichnenderweise handelt die Exposition dieses Narrativs dabei zunächst von den letzten Ereignissen der Regierungszeit Sauls. Dieser, so heißt es in Abänderung der Vorlage, habe sich untreu7 gegenüber JHWH verhalten ( )במעלו אׁשר מעל ביהוהund einen Totengeist befragt (גם־לׁשאול באוב )לדרוׁש.8 Während Saul in 1Sam 15,26; 28,18 verworfen wird, weil er den Bann an Amalek nicht vollstreckt hat, greift der Chronist die äußeren Umstände der Totengeistbeschwörung in 1Sam 28 auf und macht Saul diese selbst zum Vorwurf. Dabei weist der Chronist den Verstoß unter Rückgriff auf Dtn 18,10 f aus, wo es heißt9: וׁשאל אוב וידעני ודרׁש אל־המתים׃11 … לא־ימצא10 l
Die Phrase שאל אובfindet sich nur in Dtn 18,11 und 1Chr 10,1310, sodass vermittelt über die Erzählung in 1Sam 28, die im Rahmen der Samuel- / Königebücher keinen Reflex hat, ein Zusammenhang zwischen Dtn 18 und 1Chr 10 anzunehmen ist.11 Eigentümlich ist das in der Chronik nachgestellte לדרש, das sich auch in der Vorlage findet. Während bisweilen erwogen wurde, dass es sich dabei um
7 Das Lexem מעלwird im Alten Testament insgesamt 206 Mal gebraucht. In der Chronik finden sich 37 Belegstellen. Allen ist gemeinsam, dass sie auf ein direktes oder indirektes Vergehen – Hieke (2014, 280 f) übersetzt treffend mit „Sakrileg“ – gegen die Gottheit rekurrieren. (Vgl. weiterhin Johnstone 1996, 244–255), der der Pragmantik des Lexems מעלvor dem Hintergrund der Verteilung in den Chronikbüchern nachspürt. Besonders weist er auf die erste Verwendung unmittelbar nach der Landnahme (vgl. 1Chr 2,7) und den kontrastiven Umstand des vollkommenen מעל-Schweigens in den Narrativen Davids und Salomos hin. Erst mit Rehabeam in 2Chr 12,2 sei dann wieder von מעלdie Rede, „whence it continues its deadly path until it culminates in the Fall of Jerusalem in 2 Chron. 36.14“ (Ebd. 245); Budd 1996, 256–259 sowie Knoppers z. St. 523. Damit ist vor dem Hintergrund möglicher Utopie-Überlegungen – gemeint ist die These Schweitzers (2007), der die Chronik als Utopie versteht – bereits hier die Optik dafür eingestellt, dass die Epoche Davids und Salomos grundsätzlich anders zu beurteilen ist als die Epoche der auf diese Regenten folgendenen judäischen Könige. 8 In der Vorlage des Chronisten lautete die Begründung für Sauls Tod noch, dass dieser den Bann nicht vollstreckt habe. Nicht nur in dem genealogischen Material des Chronisten, das unverkennbar auf einem Skelett genealogischer Texte des Pentateuchs ruht, sondern auch in den narrativen Texten zeigt sich von Beginn an, dass die Chronikbücher fortwährend auf die Texte der Samuel-/ Königebücher verwiesen sind. In diesem Fall ist der Text ohne die Kenntnis von 1Sam 28 nicht zu verstehen. 9 Nicht erkennbar ist hingegen ein Rückgriff auf die Variation der Formulierung פנה אל אוב, wie sie sich in Lev 19,31; 20,6 findet. 10 In der Chronik wird die Phrase durch באובan den Duktus des Chronisten angepasst. 11 Otto (z. St.) beurteilt Dtn 18,10–13 dabei als einen post-deuteronomistischen Zusatz, der den Zusammenhang von V.9b und 14 unterbricht.
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4. תהרותin der Chronik
eine Ergänzung handelt12, scheint hier eher ein Hendiadyoin13 in Extraposition vorzuliegen, wobei das zweite Glied die Antithese ( ולא־דרׁש ביהוהV.14) vorbereitet, die einen Verstoß gegen das erste Gebot bezeichnet.14 Nachdem die Genealogien in 1Chr 2–8 durch eine Bewegung vom Stamm Juda bis hin zum Stamm Benjamin entfaltet worden waren und die Genealogie Sauls in 1Chr 9,35–44 eigens wiederholt wurde15, steht die Apostasie des Benjaminiters Saul in 1Chr 10 nicht nur für einen endgültigen Niedergang Sauls, sondern auch für die Verhinderung einer benjaminitischen Königsdynastie und stellt als solche die Exposition für das David-Narrativ und den Triumph des judäischen Königtums dar.16 Dabei wird insbesondere das דרש-Motiv, d. h. die Orakelbefragung JHWHs, zur literarischen Potenz17, insofern David nach der Konstituierung seines Königtums und der sofortigen Eroberung Jerusalems18 in Form der Überführung der Lade, der Vorbereitungen des Tempelbaus sowie des Tempelkultes und der Beauftragung seines Sohnes Salomo sukzessive für geeignete Bedingungen der JHWH-Befragung sorgt. In diesem Sinne entfaltet der Chronist systematisch betrachtet die gesamte Differenz von Dtn 18,9–22, wo es nicht allein um das Verbot fremder Divination, sondern auch um die Fortsetzung der Toraoffenbarung am Horeb durch die prophetische Wortoffenbarung geht, im Kontrastverhältnis der Figuren Saul und David. Jüngst hat Bezzel im Anschluss an Vorstudien von Kratz19 überzeugend gezeigt, dass die Saul-Episode eine empfindliche Kohärenzstörung verursacht, insofern einerseits ein Widerspruch zwischen 1Chr 8,33 und 1Chr 10,6 besteht20 und 12 Vgl. bspw. Braun z. St., 148. 13 Dass der Chronist neben דרשauch שאלbietet, ist möglicherweise auf die Paranomasie שאול- שאלzurückzuführen. Entscheidend ist jedoch die דרש-Textur, die in 1Chr 10,13 ihren Anfang nimmt. (Vgl. dazu Willi 2012, 123–135, bes. 131 f.). 14 Vgl. dazu Keel 2007, 1110. 15 Der Grund für die Dublette war umstritten, wird inzwischen jedoch nachvollziehbar und konsensfähig als eine Wiederaufnahme erklärt, „die bemüht ist, nach der Einfügung von 9,1b–34 den Anschluß [sic!] an die Geschichte vom Tod Sauls in 1 Chr 10 wiederherzustellen.“ Vgl. Bezzel 2015, 85, Lit!. Ebenso Sparks 2008, 29, Anm. 112. Vgl. auch Giffone (2016, 173), der für eine „connection between the era of the returnees and the narrative of Saul’s death“ (1Chr 10) votiert. 16 Diese Sichtweise ist besonders in der deutschsprachigen Forschung propagiert worden. (Vgl. bspw. Rothstein / Hänel z. St., 199; Galling z. St. sowie Rudolph z. St.). 17 Vgl. 1Chr 13,3; 15,13; (16,11); 21,30; 22,19; 28,8–9. 18 Die auffällig rasante Eroberung Jerusalems, die unmittelbar nach der Einführung Davids berichtet wird (vgl. 1Chr 11,4) bildet eine Inclusio mit dem Ende des David-Narrativs in 1Chr 29,27. Auch wenn bei der letzten Erwähnung Jerusalems im David-Narrativ zusätzlich noch die (der Vorlage geschuldeten) sieben jährige Regierungszeit Davids in Hebron erwähnt wird, ist es auffällig, dass alles, was die Chronik über David zu berichten hat, am Schauplatz Jerusalem stattfindet. 19 Vgl. Kratz 2000, 26. 20 Zur abweichenden Beurteilung dieses schon immer gesehenen Widerspruches vgl. die Diskussion bei Bezzel (ebd.).
4.1 רות im Kontext des David-Narrativs
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sich andererseits von 1Chr 9,1a nach 11,1 ein in der Tat hervorragender Übergang ausmachen lässt.21 Dementsprechend ergibt sich von der Einfügung des Stammbaums Davids in 1Chr 2 eine lineare Entwicklung, die in Form weiterer Genealogien zunächst vorführt, wer das „Israel“ überhaupt ist, das David in 1Chr 11,3 zum König macht und mit diesem nach Jerusalem zieht. Durch die Umkehrprobe zeigt Bezzel zudem, dass sich 1Chr 8 kaum, 1Chr 10 hingegen problemlos aus dem Kontext lösen lasse.22 Es stellt sich die Frage, warum die pointierte Saul-Episode in den Kontext eingefügt wurde. Bezzel selbst rekurriert an dieser Stelle auf die innere Erzähllogik des Chronisten, die, nachdem dieser Saul durch kleinere Notizen bspw. in 1Chr 11; 12 und 13 einführt, offenbar das Informationsdefizit hinterlassen hat, wer genau dieser Saul gewesen sei. Auf diese Frage antworte Bezzel zufolge ein späterer Ergänzer mit 1Chr 8,33–40.23 In einem zweiten Schritt sei dann die Frage virulent geworden, was es mit dem Königtum Sauls auf sich gehabt habe. Darauf antworte ein weiterer Ergänzer mit der Einsetzung von 1Chr 10, wo Saul nicht nur scharf zu David kontrastiert, sondern auch als Antagonist zu Josia (vgl. 2Chr 34,21) inszeniert wird.
21 Vgl. ebd. 88 f. Die Forschungsgeschichte allein zu 1Chr 10 ist deutlich reichhaltiger, als sie für das vorgegebene Forschungsinteresse der Tora-Rezeption diskutiert werden könnte. Einen konzisen Überblick bietet Sabo 2013, 43–63, hier: 44, Anm. 4. Sabo bietet zudem eine umfassende philosophische und historiographie Problematisierung der narratologischen Anfangsverlegenheit. Infolge der Problematik, dass er dabei, was dringend erforderlich wäre, auf eine textlinguisitsche Einschätzung der Anfangsproblematik resp. „Textdelimination“, wie bspw. Harweg (1968, 151–170) sie bietet, nicht zu sprechen kommt, behandelt er 1Chr 10 ungeprüft als Anfangstext. Darauf, dass es sich bei diesem Kapitel eher nicht um einen Anfangstext handelt, hat die Forschung der letzten Dekaden jedoch wiederholt insistiert. Setzt man den Anfang wiederum konsequent bei 1Chr 1,1 wie bspw. Willi (z. St.), führt jedoch die Saulepisode zu einer empfindlichen Kohärenzstörung. An dieser Stelle wäre insbesondere mit Blick auf die Arbeit Harwegs, der die grundlegende Unterscheidung zwischen „etischen“, d. h. sprachexternen und „emischen“, d. h. sprachinternen Textanfängen eingeführt hat, eine tiefere Reflexion über die Merkmale und Unterscheidung von Textanfängen sachdienlich und zukünftig auszuarbeiten. 22 Vgl. Bezzel 2015, 88. Die Ausscheidung von 1Chr 10 ist ein kaum zu überschätzender Gewinn für die Kohäsion des Chronikbuches, da auf diese Weise nicht weniger als eine Inte gration des genealogischen Materials (ob nun mit Kratz 2000, 25 auf einen Kernbestand in Kap. 2; (6) und 8 reduziert und ob nun mit oder ohne Kap. 1) erzielt wird und Modelle, die diese für sekundär halten (vgl. Cross 1975, 4–18.) ausgedient haben. Ohnehin hat sich in der neueren Forschung der Konsens ergeben, dass die Genealogien einen integralen Bestandteil der Chronik darstellen. Vgl. Japhet 2009, 218–223; Oeming 1990; Klein z. St., 11; Knoppers z. St. 245–265; Willi z. St., 8 f. 23 Vgl. Bezzel 2015, 111. Wobei dieser genealogische Ast, wenn 1Chr 10,6 noch nicht zu berücksichtigen ist, eigentlich keine Kohärenzstörungen verursacht. Dabei ist auch die wichtige formkritische Korrekturoption zu berücksichtigen, die Sparks mit seinem Hinweis auf die durch und durch chiastische Gruppierung der Genealogien beigebracht hat. (Vgl. Sparks 2008, bes. 251–268 sowie passim).
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Hinsichtlich der Kontrastierung Davids und Sauls stellt Knoppers die Frage: „If the author wished to establish a comparison between David and a period of rank anarchy, why did he not begin his narrative with the period of the Judges?“24 Seiner Auffassung nach hätte die Übernahme von 1Sam 13,1–14 und 15,1–31 einen noch wesentlich schärferen Kontrast erzeugt. Nun lässt sich über Auslassungen bzw. Nicht-Übernahmen naturgemäß ausladend spekulieren. Mir scheint es jedoch vor dem Hintergrund der pro-davidischen Forderung nach einem König, wie sie bspw. in Ri 17,6 anklingt und der Einsetzung Davids als König geradezu geboten zu sein, die Zwischenepisode Saul so pointiert wie möglich zu gestalten, nicht etwa um einer Epoche zu gedenken – man beachte die postdavidische damnatio memoriae –, sondern um lediglich ein kurzes Präludium der judäischen Regentschaft zu inszenieren, wobei „[t]he Chronicler’s narrative draws a sharp line between the reigns of Saul and David, but avers that these monarchs are consecutive rulers of the same kingdom.“25 Dazu kommt nun, dass die eigentliche Desavouierung Sauls in V.13 f, die sich ohne Weiteres auch aus der Vorlage ergeben hätte, durch den Chronisten eigens vor dem Hintergrund von Lev 19,31; 20,6.27 und Dtn 10,10 f reflektiert wird, wobei Keel26 ganz grundsätzlich auch auf den Verstoß gegen das erste Gebot hinweist. Besonders wichtig ist hier der Hinweis Schniedewinds, der den Tatbestand על־דבר יהוה אׁשר לא־ׁשמרüberzeugend als einen Verstoß gegen schriftliches Recht, in diesem Fall die Tora, ausweist.27 Anhaltspunkt dafür biete Dtn 17,19. Schon in seiner Dissertation hat Schniedewind (1995, 130–162) gezeigt, dass die Wendung דבר יהוהin Verbindung mit dem Lexem שמרsich von einem prophetischen zu einem, wenn man so will, schrift-prophetischen Verständnis weiterentwickelt und eine deutliche Torareferenz erkennbar wird.28 Bezzel arbeitet zudem eine frappante Parallele zwischen Ez 18,24 und 1Chr 10,13 heraus, die durch exakt denselben Wortlaut gestiftet wird: במעלו אׁשר־מעל. Dabei ist seiner Einschätzung Recht zu geben, dass hier eher eine Abhängigkeit der Chronik von Ezechiel bestehe, denn eine gegenläufige.29 Ez 18,24 bestimme laut Bezzel „‚Unrecht‘ ()עול, ‚Greuel‘ ()תועבות, ‚Sünde‘ ( )חטאתund schließlich ‚Untreue‘ ( )מעלals die Handlungen, die einen ‚Frevler‘ ( )רשעals solchen qualifizieren.“30 Damit stirbt Saul in der Tat den Tod eines Frevlers, was, wie Bezzel richtig anzeigt, „deutlich über die Verwerfungsaussagen des ersten Samuelbuches hinausgeht.“31 Bedenkenswert bleibt jedoch angesichts ähnlicher Phrasen (Lev 26,40; Jos 22,16.31; Ez 17,20; 39,26), die Bezzel selbst auflistet, ob nicht auch mit einer indirekten Abhängigkeit des Chronisten von Ezechiel gerechnet werden kann. Lev 26, „eines der Hauptanlehnungskapitel der chronistischen Geschichtsdarstellung“32, das ohnehin
24 Knoppers 2006, 189. 25 Knoppers 2006, 191. 26 Keel 2007, 1110. 27 Vgl. Schniedewind 2007, 104. 28 Ähnlich Bezzel 2015, 91, Anm. 41. 29 Zur Diskussion vgl. Bezzel 2015, 95. 30 Bezzel 2015, 95. 31 Bezzel 2015, 95. Pace Japhet z. St. 235. 32 Willi 1972, 156. Die Frage ist nicht unerheblich. Es wird sich zeigen, dass sich in der Chronik eine Linie der Tora-Rezeption ergibt, die sich über den Einfluss der Ezechiel-Schule auf die Tora, insbesondere auf die Gestaltung des Heiligkeitsgesetzes als ein produktiver Diskurs
4.1 רות im Kontext des David-Narrativs
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in einem direkten Verhältnis zu Ezechiel steht, käme jedenfalls als Referenztext unbedingt ebenso in Frage.33 Möglicherweise ist nun die Einfügung der Narration dieser Translatio Imperii 34, die der Desavouierung Sauls und Legitimation Davids dient, doch auch in einer Linie mit Ri 19 zu lesen35, einem Kapitel, das jüngst von Schulz gerade im Hinblick auf den kontrastierenden Saul-David-Diskurs schon tastend mit den Chronikbüchern in Verbindung gebracht wurde.36 „Die Richter sind nach ihrem Amt fiktive Könige.“37 Gleichwohl werden sie, wie L evin treffend beschreibt, von diesem durch ihre charismatische Begabung dissimiliert. Insofern lässt sich vielleicht sogar konstatieren, dass sie fiktive Anti-Könige darstellen, die jeweils trotz einer Phase der politischen Entspannung mit ihrem Königtum scheitern.38 Noch deutlicher unterscheiden sie sich von den Königen des Nord- und SüdReiches jedoch dadurch, dass sie jeweils nur für einen einzigen Stamm zuständig sind.
Innerhalb der Chronik stellt die Katastrophe der Saul-Episode durch die ‚Umwendung‘ des Königtums auf David jedenfalls eine Kontrastgeschichte dar. Insbesondere die chronistische Evaluation in V.13 f zeigt ein archetypisches Vergehen an, das unbedingt in der Untreue ( )מעלgegenüber JHWH besteht und in der durch Schniedewind eröffneten Perspektive39 nicht weniger darstellt als einen Verstoß gegen die Tora. Mit Blick auf die literaturgeschichtliche Kontextualisierung scheint die Chronik durch die Einbettung dieser Episode so etwas wie die logische Fortsetzung des
etabliert, dessen Resonanzen Achenbach in den Theokratischen Bearbeitungen wahrnimmt und die sich auch in der Chronik aufspüren lassen und sogar, wie Bezzel nun zeigt, in deren sekundären Erweiterungen. 33 Ohnehin ist im Hinblick auf die figura etymologica nur das Etymon und nicht die Morphologie ausschlaggebend. 34 Vgl. Willi z. St., 328. 35 Vgl. bspw. die Überlegungen Pfeiffers (2009, 276), der Ri 19 als Parteinahme für David gegen Saul beschreibt. Pfeiffer rekurriert dabei auf frühe Einsichten Güdemanns. 36 Vgl. Schulz 2016, 51. Bemerkenswerter Weise sieht Schulz (2016, 37–41) in Ri 19 nicht nur ein Musivum aus Gen 18–19 in Form einer Synthese von Gastfreundschaft (≙ Mamre) und Gastfeindschaft (≙ Sodom), sondern stellt in Form einer Salem-Sodom-Opposition auch einen literarischen Zusammenhang zu Gen 14 her. Ein oft beobachteter und nicht unwichtiger Brückenschlag von Ri 19 in die Chronik könnte die nur hier verwendete Bezeichnung יבוסfür Jerusalem darstellen (Ri 19,10–11; 1Chr 11,4–5). Ganz grob formuliert und ohne Rücksicht auf die Notwendigkeit der noch zu leistenden Entflechtungsarbeit an dieser These, ereignet sich zwischen Ri 19,11 und 1Chr 11,4 die benjaminitische Katastrophe, die jeglichen Zweifel an der Legitimität des davidischen Königtums aus dem Weg räumt und gleichzeitig die Vorzeichen setzt, unter denen dieses Königtum einzig legitim sein kann (Vgl. Schulz 2016, 31 f). Vgl. zu dieser Debatte grundlegend auch Müller 2004 sowie unten 125, Anm. 227. 37 Levin 2003a, 148. 38 Darin unterscheiden sie sich von den Königen, die mit ihrer Regentschaft scheitern. Die Richter verlassen die Bühne der Geschichte ohne eine Dynastie zu begründen, geschweige denn in ihr nachzuwirken. 39 S. o.
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4. תהרותin der Chronik
Richterbuches zu werden, die ebenfalls mit anti-benjaminitischen und pro-judäischen Erzählkonstellationen operiert.40 An dieser Stelle muss eine gewichtige Beobachtung angeführt werde, die verschiedentlich gemacht wurde und für die die folgende Bemerkung Beentjes’ exemplarisch steht. Er konstatiert, „dass man bei der oberflächlichen Lektüre des Chronikbuches den Eindruck gewinnen kann, David und Salomo seien das Zentrum und das wichtigste des Buches. Wenn man sich aber weiter in das Buch vertieft, wird deutlich, dass es sich nicht um diese zwei Individuen als solche handelt, sondern um eine Anzahl von grundlegenden Themen, die der Verfasser entweder in David oder in Salomo verkörpert glaubt, oder ihnen persönlich zuschreibt.“41 Insofern dieser Beobachtung zufolge die Figuren David und Salomo jeweils auch literarische Projektionsflächen darstellen, ist zu erwarten, dass durch deren Umgang mit der Tora, bzw. durch die spezifische Einbettung des Lexems תורהin diese Narrative, das Vorzeichen ihrer Bedeutung für die Chronikbücher gesetzt ist. Daraus ergibt sich ferner auch ein Erwartungswert dafür, dass sich der Umgang mit der Tora in den post-salomonischen Narrativen, d. h. im Anschluss an die idyllisch konstituierten Eingangsnarrative42 verändern könnte. Damit zur Auswertung des Torabefundes.
4.1.1 Gliederung 10 – Exposition: Tod Sauls 11 – David wird in Hebron König über Israel und erobert Jerusalem 12 – Davids Anhängerschaft in Ziklag 13 – Überführung der Lade nach Jerusalem I 14 – Krieg gegen die Philister 15 – Überführung der Lade nach Jerusalem II 16 – Überführung der Lade nach Jerusalem III / Dankpsalm (16,40 )תורה 17 – Nathanverheißung
40 Diese Perspektive kann hier wenn überhaupt dann nur angedeutet, jedoch keinesfalls entfaltet werden. Die Suche nach der chronistischen Torarezeption bringt jedoch an ein einigen Stellen Beifang aus dem Richterbuch mit sich, der jeweils vor dem Hintergrund der hier skiz zierten Lesart zu annoncieren ist. Immerhin scheint die Toraobservanz eine Art Wasserscheide, wenn nicht sogar Epochenschwelle zwischen beiden Epochenkonstruktionen zu sein. 41 Beentjes 2008a, 45 f. 42 Wenn der Begriff der Utopie überhaupt auf die Chronik anzuwenden ist, was angesichts der dezidierten מקום-Theologie des Chronisten zu bezweifeln ist, kommen einzig die Narrative Davids und Salomos, wenn nicht nur das Salomo-Narrativ für diese Zuordnung in Betracht. Beentjes’ Beobachtung ist dafür jedenfalls ein Anhaltspunkt.
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18–20 – Davids Kriege 21 – Auffindung des Tempelplatzes ()מקום 22–29 – Vorbereitungen zum Bau des Tempels 22 & 28 – Mann der Ruhe ≙ Haus der Ruhe (22,12 )תורה 23–27 – Distribuierung des Tempelpersonals 29 – Abgaben für den Tempel
4.1.2 Begriffsanalyse Sowohl das David- als auch das Salomo-Narrativ überraschen hinsichtlich des תורה-Motivs. In die Episode Davids ist es zweimal, in die Salomos nur einmal eingebunden.43 Angesichts der überragenden Bedeutung dieser beiden Könige besteht schon deshalb besonderer Klärungsbedarf, weil sich im zweiten Hauptteil der Arbeit ein gänzlich anderes Bild ergeben wird, dass nämlich bei der Reformulierung der beiden Narrative in weit stärkerem Maße auf die Tora zurückgegriffen wurde, als es die Verwendung des Lexems תורהerkennen lässt. Doch zunächst zum Begriff. – Im Anschluss an die Überführung der Lade, die wir im zweiten Hauptteil der Arbeit sorgfältiger betrachten, wird diese in dem eigens von David aufgestellten Zelt untergebracht (V.1). Weiterhin stimmen die Leviten einen umfänglichen Dankpsalm an, von dem es in V.7 heißt, dass David ihn veranlasst ( )נתןhabe. Der Psalm retardiert die Handlung, bevor David ab V.37 einerseits den Ladedienst der Leviten und andererseits den Altardienst der Zadokiden einteilt.44 Hier heißt es:
i) 1Chr 16,40 (+) ויעזב־ׁשם לפני ארון37 ברית־יהוה לאסף ולאחיו לׁשרת לפני הארון תמיד לדבר־יום ביומו׃ ואת צדוק הכהן ואחיו39 הכהנים לפני משכן יהוה בבמה אשר בגבעון l
l
Und er [David] ließ dort, vor der Lade des Bundes Herrn, Asaf und seine Brüder, um fortwährend vor der Lade den täglichen Dienst zu verrichten. […] 39 Den Priester Zadok aber und seine Brüder, die Priester, ließ er bei der Wohnung des HERRN auf der Höhe, die bei Gibeon ist 37
43 2Chr 6,16. 44 Die Unterbrechung der Handlung ist schon von Benzinger (z. St., 54) erkannt worden und hat ihn dazu bewogen, die Psalmensynthese für nicht-ursprünglich zu halten. Einen umfassenden Nachweis hat Rothstein (z. St., 312–318) erbracht. Die Anaylse der Episode wird in dieser Arbeit im Zweiten Hauptteil unter „Kult-Ort“ unter Einbeziehung des synoptischen Befundes geboten.
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4. תהרותin der Chronik להעלות עלות ליהוה על40 מזבח העלה תמיד לבקר ולערב ולכל הכתוב בתורת יהוה אשר צוה על־ישראל l
um dem Herrn regelmäßig Brandopfer auf dem Brandopferaltar zu opfern, am Morgen und am Abend, und nach allem, was in der Weisung des Herrn geschrieben steht, die er über45 Israel geboten hat.46 40
Der Vers gehört zu den abschließenden Ausführungen des vom Chronisten gegenüber 2Sam 6 deutlich ausstaffierten Ladezyklus (vgl. 1Chr 13–16)47, ist in den näheren Zusammenhang von V.37–40 eingebunden und schließt als solcher an V.6 an, wobei der Zusammenhang durch die Psalmensynthese in 1Chr 16,7–36 unterbrochen wird. Syntaktisch ist V.40 von V.39 her zu deuten, der wiederum an die Wayyiqtol-Form in V.37 anschließt. Inhaltlich verkürzt ergibt sich der folgende Zusammenhang: Während David Asaf und die Asafiten vor der Lade des Bundes (V.37) platziert, um ihren Ladedienst dort zu verrichten, werden Zadok und die Zadokiden für den Mischkan (nicht )!אהל מועדin Gibeon eingeteilt. Während also im Pentateuch erst durch literarische Synthese die Lade mit dem משכן (bzw. )אהל מועדsynthetisiert worden war48, vollzieht der Chronist durch das von ihm eingesetzte Personal eine erneute Trennung, wobei er die Aufgabe der Zadokiden in Übereinstimmung mit der Tora beschreibt. Dabei fällt jedoch auf, dass weder Zadok49 noch Gibeon in der Tora erwähnt werden. Lediglich die Form des Opfers, wie der Chronist sie hier beschreibt, steht in Übereinstimmung mit den Bestimmungen der Tora. Die Ausführungen des Chronisten beziehen sich auf einen Zeitpunkt, zu dem die Lade bereits abgestellt ist und David den Dienst des Kultpersonals hinsichtlich zweier Kultorte distribuiert: Während der Levit Asaf mit seinen Brüdern den 45 Die LXX bietet ἐφ᾽ υἱοῖς Ισραηλ. Signifikant ist der Gebrauch der Präposition על. Er findet sich bspw. auch in Gen 2,16; Num 8,22; Mal 3,22 und evtl. auch in 1Chr 22,12 vgl. jedoch die textkritischen Erwägungen z. St. Offenbar liegt hier das Konzept einer Toraunmittelbarkeit vor, die Israel regelrecht auferlegt wird. 46 Die LXX bietet zusätzlich ἐν χειρὶ Μωυσῆ τοῦ θεράποντος τοῦ θεοῦ. Diese Wendung hat keine Entsprechung in der LXX. Rückübersetzt lautet sie ביד משה עבד אלהים. Auch für diese komplexe Phrase gibt es nur eine Entsprechung in Neh 10,30. Dabei wird עבדdort jedoch nicht mit θεράπων, sondern mit δοῦλος übersetzt. Die Übersetzung von עבדmit θεράπων begegnet jedoch häufig im Pentateuch. Ich rechne also vor diesem Hintergrund mit einer Ausschmückung der Mosefigur und votiere für die lectio brevior als ursprüngliche Lesart. 47 S. u. „Kult-Gegenstand“. 48 Zur literarischen Konzeption der Synthese des אהל מועדmit dem משכןvgl. Nihan 2007, 39–41. Nihan legt auf literarkrtischer Ebene dar, dass in Ex 26 beide Bauten zu einer Einheit werden. Vgl. dazu neuerdings auch Achenbach 2017a, der die Identifikation von משכןund אהל מועדals einen Prozess post-priesterschriftlicher Fortschreibungen des Pentateuchs deutet. „The concept that the Israelite tabernacle, as a utopian image of the temple, is also a place of divination is strictly connected with Moses and late priestly Torah. It is clearly a concept of the Second Temple period and was not an original part of the Priestly Code.“ (Ebd., 161). 49 Zur Rolle Zadoks s. u. „Kult-Personal“.
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Dienst bei der Lade (also in Jerusalem) verrichtet, wird Zadok mit seinen Brüdern nach Gibeon entsandt. Erst mit der Entsendung Zadoks nach Gibeon erfährt der Leser auch, dass sich an diesem Ort, den David in 1Chr 14,16 gerade von den Philistern befreit hatte, die Wohnung des Herrn befindet. Die Zadokiden erhalten für Gibeon den Auftrag, dort ein fortwährendes bzw. ewiges Opfer am Morgen und am Abend darzubringen. An diesen Auftrag wird nun die Wendung ולכל־הכתוב בתורת יהוה אשר צוה על־ישראלangeschlossen. Für den snytaktischen Anschluss hat Rothstein zwei Optionen erwogen. Einerseits wäre mit einem „waw explic“50 zu rechnen, damit wären dann die zuvor genannten Opfer genau in Übereinstimmung mit der Tora darzubringen, andererseits könne die Konjunktion aber auch einfach als „ וconj.“51 aufgefasst werden, wobei dann mit dem anschließenden Ausdruck „summarisch alle übrigen Arten von Opfern und kultischen Leistungen außer dem täglichen Tamidopfer gemeint seien“52. Rothstein folgt ohne nähere Begründung der zweiten Option, der sich auch Rudolph53 angeschlossen hat. Dieser übersetzt: „… und alle (sonstigen) Vorschriften in dem für Israel geltenden Gesetz Jahwes erfüllten“54. Seines Erachtens liegt hier kein Grund für ein explikatives Waw vor, weshalb er konsekutiv übersetzt. Als Argument führt er die Parallelität von להעלותund ולכל־הכתובan.55 Dabei stellt sich jedoch die Frage, warum ausgerechnet diese Syntagmen eine Parallelität aufweisen sollen und nicht etwa לבקר ולערבund ולכל־הכתוב. Eine Klärung der Struktur lässt sich nur mit dem Einsatz bei V.37 herbeiführen. Die Frage mit Blick auf den Nahkontext ist dabei, ob nur die Zadokiden oder auch die Asafiten in diese Regelung hineingenommen sind. Es ergibt sich demnach folgende Struktur: Wayyiqtol-X Inf.-X1
ויעזב … לאסף לשרת … לדבר־יום ביומו
Und er [, David,] ließ dort (zurück) … Asaf um zu dienen (vgl. Esr 3,4)
X
ועבד אדם ואחיהם … ועבד אדם בן־ידיתון וחסה לׁשערים
und Obed Edom … als Torwächter
X
… ואת צדוק הכהן ואחיו הכהנים
Und Zadok, den Priester, und seine Brüder die Priester, …
Inf.-X2
… להעלות עלות תמיד לבקר ולערב
X-Part.
… ולכל־הכתוב בתורת יהוה
um Brandopfer zu opfern fortwährend, am Morgen und am Abend gemäß allem, das in der Weisung JHWHs geschrieben steht.56
50 Rothstein 1927, 298. 51 Ebd. 52 Ebd. 53 Vgl. Rudolph 1955, 126. 54 Ebd. 55 Vgl. Ebd. 56 Die LXX bietet in V.40 den Zustatz ἐν χειρὶ Μωυσῆ τοῦ θεράποντος τοῦ θεοῦ, was im Hebräischen ביד משה עבד אלהיםentspräche, bzw. im Ganzen ולכל ככתוב בתורת יהוה אשר צוה על
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4. תהרותin der Chronik
Aus dieser Struktur ergibt sich, dass die Verkettung des Syntagmas Wayyiqtol-X mit den zwei anschließenden Infinitivgruppen Inf.-X1&2 die dominante Matrix bildet, innerhalb derer die Verbindung לבקר ולערבeine Explikation von תמידdarstellt. Es zeigt sich, dass vielmehr in der dominierenden Verkettung der Verbalausdrücke ויעזב, לשרת, und להעלותeine Parallelstruktur zu erkennen ist, die in Form der von Rudolph ins Spiel gebrachten Parallelität keinesfalls auf להעלותund ולכל־הכתוב enggeführt werden darf. Demgemäß ist die ככתוב-Phrase davon abzutrennen und als eine Qualifizierung sowohl des in V.39 als auch des in V.40 Genannten zu verstehen. Sei es in kürzerer, sei es in längerer Form, stellt sich damit die Frage nach den Anknüpfungspunkten der Tora-Referenz innerhalb des Pentateuchs.57 Dabei zeigt sich, dass schon der erste Hinweis des Chronisten auf die Tora nicht in allen Bestandteilen ein exaktes literarisches Gegenstück dort findet. So werden bspw. Zadok, der Priester und seine Brüder, die Priester, im Pentateuch nicht explizit erwähnt. Wie sich bei der Aufarbeitung der indirekten Verweise auf den Pentateuch jedoch ergeben wird, verankert sich diese Gruppe in einem späten literarischen Stratum in-explizit im Pentateuch, wobei das in den Pentateuch integrierte Deutungspotenzial dann durch die Deutung der Chronik, insbesondere der Genealogischen Vorhalle, freigesetzt wird.58 Wenn der Chronist also an dieser Stelle die Zadokiden selbstverständlich mit den Regelungen der Tora in Verbindung bringt, dann weniger, weil er sie dazudichtet, sondern vielmehr, weil er sie für gemeint hält. Mit der Erwähnung des zadokidischen Opferdienstes hält der Chronist diesen offenbar für so selbstverständlich, dass er ihn als präponderante, wenngleich in-explizite Priesterfigur der Tora explizit macht.
ישראל ביד משה עבד אלהים. Die Wendung ἐν χειρὶ Μωυση ist in 1Chr 16,40 und 2Chr 33,8 belegt. Sie wird in 2Chr 34,14 und 35,6 durch διὰ χειρὸς Μωυσῆ variiert. Alle Stellen bis auf 1Chr 16,40 bieten in MT ביד משה. Die ungewöhnlich lange Phrase hat im Alten Testament kein Pendant. Da kein Grund für den Ausfall der Phrase zu erkennen ist, handelt es sich bei der lectio longior wahrscheinlich um eine Explikation des Übersetzers. Evtl. hat er auch im Hinblick auf die lexematische Orientierung an der griechischen Übersetzung des Pentateuchs (Vgl. Varenhorst 2009, 52–63) versucht, noch expliziter auf diesen zu verweisen. Dazu passt, dass der Chronist das Lexem ὁ θεράπων sonst gar nicht verwendet und damit offenbar nur hier an einen Text wie Num 12,7–8 anknüpfen will, wo Gott selbst von Mose sagt, dass er mit ihm von Mund zu Mund spricht und ihn dabei zu seinem Knecht (ὁ θεράπων μου Μωυσῆς) erklärt. Auch sonst variiert die Übersetzung die Wiedergabe von עבד יהוה. In 2Chr 1,3 bietet sie παῖς, während sie in 2Chr 24,6 ἄνθρωπος gebraucht und יהוהdurch θεός ersetzt. 57 Dass diese Frage sich überhaupt stellt, wird insbesondere von Willi 2002, 257-277 mit dem Hinweis darauf, dass es sich bei ככתובnicht um eine Schriftzitationsformel, sondern eine „Schriftkonformitätsfloskel“ handle, bestritten. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass die meisten Verweise auf die Tora eine Entsprechung innerhalb des Pentateuchs haben und eine präzise Verhältnisbestimmung das Profil des Chronisten und der literaturhistorischen Entwicklung des Pentateuchs zu schärfen hilft. 58 S. u. „Kult-Personal“ und dort insbesondere die Deutung des Zusammenhangs von Ex 6,13–25; Lev 10 und 1Chr 5,27–40.
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Von Gibeon kann im Pentateuch freilich noch nicht die Rede sein, geschweige denn davon, dass der משכן, resp. der אהל מועד, sich dort je befunden hätte. An dieser Stelle sieht man sehr deutlich, dass die Geschichtsauffassung des Chronisten gleichermaßen durch den Pentateuch wie auch durch die (Samuel-/)Königebücher gespeist wird, das bedeutet, dass der Deutungshorizont der dtr. Tradition in der Chronik zur Tempelordnung des Zweiten Tempels in ein synthetisches Verhältnis gesetzt wird. Indem der Chronist durch die gegenüber der Vorlage als Zusatz zu beschreibende Notiz den Mischkan bereits innerhalb des David-Narrativs nach Gibeon vorverlegt und dort den Priester Zadok abstellt59, bereitet er das Opfer Salomos an diesem Ort vor (vgl. 2Chr 1,3).60 Dabei nutzt er die erzählerische Freiheit des Zusatzes, um ferner auch die Übereinstimmung mit der Tora herzustellen und Salomos Opfer als legitim zu erweisen.61 Zurückzuweisen ist in diesem Zusammenhang die Auffassung v. Rads, nach der der Chronist ausschließlich ein Interesse an der David-Lade-Leviten-Tradition habe und demgegenüber die Mose-Stiftszelt-Aaroniden-Tradition vernachlässige. V. Rad konstatiert: „Würde der Chronist nur ein wenig teilhaben an der Welt des P, wie könnte er Lade und Zelt so trennen, wie es in seinem Werk geschehen ist! In vollendeter Beziehungslosigkeit 59 Johnstone (z. St., 196) weist zutreffend darauf hin, dass im Gegensatz zu dessen Erwähnung in 1Chr 15,11, wo noch von Zadok und Abiathar die Rede ist, in 1Chr 16,39 nur noch von Zadok die Rede ist. Auch hinter dieser Tilgung verbirgt sich möglicher Weise die Auffassung, dass Abiathar im Gegensatz zu Zadok und den Zadokiden nicht mit der Tora in Verbindung zu bringen ist. 60 Vgl. dazu bereits de Wette 1971, 108–112 sowie Wellhausen 1927, 183. Erwägungen zu den Hintergründen der Gibeon-Tradition finden sich bei Japhet 1993, 320–323. Diese hebt insbesondere das Anliegen des Chronisten hervor eine Sukzession von Mose über David bis zu Salomo zu kreieren, die den Widerspruch mit Jos 9 bewusst in Kauf nimmt. 61 Vgl. die synoptische Analyse des Lade-Narrativs in den Kapiteln „Kult-Gegenstand“ und „Kult-Ort“, die auch die Erwähnungen in 1Chr 14,16 und 1Chr 21,29 berücksichtigen. Dabei wird sich zeigen, dass eine konstitutive Textur der Chronik darin besteht, das Zentralisationsgebot in Dtn 12 sukzessive durch die Verlagerung der Kultstätte nach Jerusalem, zu erfüllen. Zunächst spielt in der Verlagerung die Lade in zweifacher Aufnahme von Num 10 die wichtigere Rolle: 1) Die Lade wird vom Mischkan getrennt und geht diesem sondierend voran. 2) Das mit ihr verbundene Attribut der Ruhe ( )מנוחהdient der Transformation der Tempeltenne zum Wohnsitz JHWHs. Erst in einem dritten Schritt, d. h. nach dem Tempelbau, zieht dann das Wüstenheiligtum nach und geht mit seiner Funktion endgültig im Tempelgebäude auf. Bis zur Einbringung des Zeltes in den Tempel hält der Chronist demnach die durch die Priesterschrift vorgegebene Fiktion eines Wanderheiligtums aufrecht und erweist in einer weitreichenden Katapher (1Chr 16,39–2Chr 1,3) das salomonische Opfer als legitim. Dabei zeigen sich in der Chronik starke Inkonnzinitäten, die durch die Synthetisierung der zeltlosen Ladetradition der Vorlage und der Verbindung von Zelt und Lade entstehen: In 1Chr 13,5 f wird davon erzählt, dass die Lade aus Kirjat Jearim heraufgeholt werde, ohne dass dabei vom Mischkan die Rede ist. Auch bei der vorübergehenden Aufbewahrung der Lade im Haus Obed Edom (Vgl. 1Chr 13,14; 1Chr 15,25) schweigt die Chronik vom Wüstenzelt. Dementsprechend unvermittelt wird das Zelt in Gibeon lociert, ohne das irgendwo erzählt würde, wie es dorthin gekommen ist.
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zu der in Gibeon stehenden Stiftshütte wird sie nach Jerusalem eingebracht; sie steht im Mittelpunkt der Erörterung, während jene nach kurzer gelegentlicher Erwähnung völlig aus dem Gesichtskreis verschwindet.“62 Wir sehen an dieser Stelle nicht nur, dass die These v. Rads auf Grund ihres niedrigen Differenzierungsgrades zurückzuweisen, sondern dass bei genauer Betrachtung das Gegenteil anzunehmen ist. Allein der Befund in 1Chr 16,39 f weist in eine andere Richtung, dass nämlich der Chronist an dieser Stelle einerseits seiner Vorlage verpflichtet ist und dabei andererseits in deren Neufassung auf die gesamte Tora zurückgreift. Die Aufstellung des משכןin Gibeon, die der Chronist als Zusatz zu seiner Vorlage einführt, ist keinesfalls als Beziehungslosigkeit zu deuten, sondern eine Verlegenheitslösung, die mit dem – gemessen an Dtn 12 – illegitimen Opfer Salomos haushaltet. Das bedeutet, dass der Chronist hier – entgegen der Vorlage – eine Synthese von, in der Diktion v. Rads gesprochen, P und D herstellt, um das Handeln Davids, vielmehr jedoch Salomos als Tora konform zu erweisen. Dafür bietet er nicht nur den Mischkan, sondern auch den wichtigsten Priester, Zadok, und einen Torabezug auf. Dass der Chronist in 1Chr 15,1 und 16,1 eigens ein neues Zelt für die Lade in Jerusalem erfindet, zeigt nicht etwa, wie unbedeutend der Mischkan für den Chronisten ist, sondern dass die Chronik die Verbindung von Zelt und Lade nicht aufzugeben bereit ist. Dabei ist der Nebenaspekt zu berücksichtigen, dass an dieser Stelle bereits eine institutionelle Tatsache in der Chronik inszeniert wird, die erst im Salomo-Narrativ virulent wird. Durch die Vorverlegung nimmt der Chronist Salomo an diesem Punkt aus der Verantwortung und lässt wiederum diesen wie selbstverständlich nach Gibeon gehen. Die eigentliche Heilszeit in der Geschichte der Könige Judas wird damit sukzessive in Richtung Salomo verschoben. Zudem erhält die geschilderte Situation in 16,37–40 vor dem Hintergrund des Tora-Schweigens für die Situation in Jerusalem (V.1–6) weitere Prägnanz, da die musikalischen Einrichtungen Davids in Jerusalem nicht durch die Tora legitimiert sind. Schon deshalb ist Willis Frage, ob „es von Bedeutung [sei], dass der Charakter solcher Schriftkonformität zwar dem Opfergottesdienst zu Gibeon zugeschrieben wird, nicht aber dem Wort- und Sangesdienst in Jerusalem, der ‚nur‘ auf David […] zurückgeführt wird“63, zu bejahen. Der Chronist legitimiert durch die Tora, was durch sie legitimiert werden kann und greift im Falle ungeregelter Sachverhalte wie der levitischen Musikerdienste auf eine andere, nämlich davidische Legitimationsstrategie zurück. Insofern knüpft also bereits der erste Verweis auf die Tora auf einer schriftlichen Ebene an und verfährt mit dieser ganz ähnlich wie auch mit seiner Vorlage in einem teils applikativen, teils auslegenden Modus. Unter Rückgriff auf priesterliche Texte wird, wie Knoppers treffend hervorhebt, die einzige Opferstätte nach Gibeon verlegt und damit die Durchset-
62 V. Rad 1930, 134. 63 Willi z. St., 138.
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zung von Dtn 12 gewährleistet.64 Vielmehr zeigt sich, dass mit der Verlagerung des אהל מועדnach Gibeon nicht nur Zelt-Tradition aufbewahrt wird, sondern diese in der motivischen Verbindung von Zelt, Zadok und Tora durch die latente Legitimation Salomos eine unverlierbare Konstituente in der Anlage des chronistischen Narrativs darstellt. Dabei greift der Chronist auf den in der nachexilischen Zeit auch weiterhin zu beobachtenden Bedeutungzuwachs Gibeons zurück.65 An dieser Stelle ist, obwohl damit keine Referenz auf den Pentateuch vorliegt, ein Seitenblick auf die enigmatische Gibeoniter-Episode, die Josua und das Volk Israel in Jos 9,3–2766 durch eine List67 zu einem Bundesschluss veranlassen, sachdienlich. Die 64 Vgl. Knoppers z. St., 660. 65 Die Hebräische Bibel referiert 37 Mal (Jos 9,3.17; 10,1–2.4–6.10.12.41; 11,19; 18,25; 21,17; 2Sam 2,12–13.16.24; 3,30; 20,8; 1Kön 3,4–5; 9,2; 1Chr 8,29; 9,35; 14,16; 16,39; 21,29; 2Chr 1,3.13; Neh 3,7; 7,25; Jes 28,21; Jer 28,1; 41,12.16.) auf גבעוןund acht Mal (2Sam 21,1–4.9; 1Chr 12,4; Neh 3,7.) auf גבעוני. Es ist wahrscheinlich mit dem heutigen, etwa 9 km nördlich von Jerusalem liegenden al-Jib zu identifizieren. Identifiziert wurde Gibeon bereits am 5. Mai 1838 von Robinson (Vgl. Pritchard 1962, sowie Koenen 2008, 3). Pritchard (1962, 163) zufolge sei Gibeon zwischen der babylonischen Eroberung und dem 1. Jh. v. Chr. unbesiedelt gewesen. Lipschits (1999, 155–190) rechnet demgegenüber mit einer Besiedelung auch in der Perserzeit. Für die hellenistische Zeit finden sich jedoch nur spärliche Besiedlungsspuren (vgl. Pritchard 1962, 163). In jedem Fall zeichnet sich auch in der spät-nachexilischen Literatur ein vitales Interesse an Gibeon ab. Die Chronik bestätigt diesen Eindruck neben der Textur in 1Chr 14,16; 18,39; 21,29; 2Chr 1,3.13 schon in der Genealogischen Vorhalle durch die Juxtaposition der Einwohner Jerusalems und Gibeons (vgl. 1Chr 8,29–32; 9,35–38.). 1Chr 8 verdeutlich dabei, dass die Zuordnung Gibeons zu Benjamin bereits vorausgesetzt ist, da in Neh 3,7 ist ferner ein מלטיהaus Gibeon am Mauerbau beteiligt. Daneben findet sich in Neh 7,25 eine Anzahl von 95 Gibeonitern unter den Rückkehrern aus der Golah. In Jos 18,25 wird Gibeon dem Stamm Benjamin zugerechnet. In Jos 21,17 wird Gibeon zur Asylstadt erklärt, dabei fehlt die Stadt jedoch bei den Levitenstädten in 1Chr 6, wobei bspw. Williamson (z. St. 75) das Fehlen durch Haplographie erklärt. 66 Der Anfang des Textes mit V.3 wird insbesondere durch die LXX markiert, die an dieser Stelle das Ritual an Ebal und Garizim (Jos 8,30–35 MT) einfügt. Mit dem Vorzeichenwechsel von Jos 8,30–35 nach Jos 9,2 ändert sich die Pragmatik der gesamten Gibeoniter-Episode. Vgl. dazu Anm. 67. (Die Beurteilung von 4QJosha wird hier ausgeblendet, da es sich dabei vermutlich um eine eklektische Dublette und nicht um eine Umstellung handelt. Es wäre dann anzunehmen, dass 4QJosha in Jos 8,30–35 mit MT übereinstimmt. Vgl. Van der Meer (2004, 479–522) sowie die konzise Zusammenstellung der Forschungspositionen und Weiterführung der These van der Meers durch Krause (2014, 284–291). Vgl. auch Dozeman z. St., 371 f. 67 Treffend bezeichnet Dozeman (z. St., 397) die Gibeoniter genau wie die Hure Rahab als Tricksterfiguren. Dabei zeigt er zugleich die gliedernde Funktion der beiden Figuren an. Während die Begegnung mit Rahab, die im Interesse der Israeliten ist, zur opportunen Aussetzung des Bannes führt und damit den Auftakt von Jos 2–8 darstellt, wird die Erschleichung des Bundes durch die Gibeoniter, die den Auftakt zu Jos 9–12 darstellt, Israel zur inopportunen Verlegenheit und durch die Versklavung derselben als Wasserträger und Holzfäller kompensiert. Auffällig ist dabei, dass sowohl Rahab als auch die Gibeoniter exakt dieselben stupenden Kenntnisse über Israels Befreiungsgeschichte haben (vgl. Jos 2,10 und Jos 9,9 f). Die Typisierung der Gibeoniter als Tricksterfiguren greift in der LXX zwar noch dem Vorgehen nach, jedoch ändert sich durch den Vorzeichenwechsel in Form der Umstellung von Jos 8,30–35 MT nach Jos 9,2 f die Motiva-
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Reichweite dieser Episode für den vorgegebenen Kontext kann hier jedoch nur angedeutet werden. Der Plot: I (V.3–5): Die Gibeoniter hören von den Siegen der Israeliten in Jericho und Ai und hecken eine List aus, um von diesen verschont zu werden. II (6–15): Entgegen seinem Pflichtbewusstsein und seiner Skepsis lässt Josua sich täuschen und schließt einen Bund mit den Gibeonitern ()ויכרת להם ברית. III (16–27): Nach drei Tagen wird die List aufgedeckt und die eigentliche Herkunft der Gibeoniter entlarvt. Das Heer kann jedoch hinter den Bundesschluss nicht mehr zurück und verschont die Gibeoniter. Die Gibeoniter werden in Vv.21.23.27 als Kompensationsleistung von Josua versklavt und zu Wasserträgern und Holzfällern für die Gemeinde ( )עדהund für den Altar JHWHs ( )מזבח יהוהgemacht. In V.23 wird dabei durch die Worte Josuas, der vom בית אלהיspricht, bereits der Tempel vorweggenommen.68 Ferner wird in V.27 erstmals außerhalb des Deuteronomiums die von Dtn 12 herrührende Orterwählungsformel aufgegriffen. Die Gibeoniter, so heißt es dort, würden zu Holzfällern und Wasserträgern für die Gemeinde ( )לעדהund für den Altar JHWHs ()למזבח יהוה. Der Anschluss der Ortserwählungsformel fügt sich dabei in V.27 syntaktisch nicht gut ein, da das vorausgehende Syntagma עד היום הזהabschließenden Charakter hat und das אל המקום אשר יבחרnicht mit einschließt. Dabei handelt es sich vermutlich um eine sekundäre Glosse, die offenbar die Transformation von der AK zur PK schon voraussetzt69 und die durch die Chronik forcierte Jerusalem-Deutung kataphorisch antizipiert. Offenbar hat auch die Frage nach dem Subjekt des Erwählens mehrere Deutungen zugelassen, sodass die LXX hier ein explikatives κύριος hinzufügt.
tion. Während nämlich in Jos 9,1 f die Könige von der anderen Seite des Jordans ( )עבר הירדןin MT erst nach der Verlesung durch Josua den Beschluss fassen, gegen Israel zu kämpfen, verschiebt sich das Setting in der LXX, da dort der Altarbau und die Verlesung der Tora erst als Antwort auf das Kriegsvorhaben der Könige eingesetzt werden. So erscheinen die Gibeoniter in MT als Verräter an der eigenen Sache, während in der Pragmatik der LXX einen Gesinnungswandel durch den Altarbau Josua und die Verlesung der Tora erleben. Dozeman hält fest, dass „they are now motivated by theological reasons, rather than political survival.“ (Ders. z. St., 401). Im Kontrast zu Jos 9,1–2 fällt zusätzlich auf, dass Gibeon nicht von einem König, sondern von Ältesten regiert wird (Jos 9,11), wodurch ein völlig anderes Bild dieses Konfliktpartners Israels als bei allen anderen Städten des Josuabuches entsteht: „[D]ie Stadt verhält sich wie ein Stamm.“ (Knauf z. St., 91). 68 Die Bezeichnung des Tempels mit ֹלהי ַ ֵּבית ֱאfindet sich im Alten Testament nur an fünf Stellen: Jos 9,23; 1Chr 29,2.3; Neh 13,14; Ps 84,11. Bezeichnender Weise besteht auf diese Weise erneut ein Zusammenhang zwischen Josua und dem Kontext der Nachfolgeregelung zwischen David und Salomo. Auch der Kontext der Bereitstellung von Tempelzuwendungen weist Übereinstimmungen auf. Die LXX bietet an dieser Stelle lediglich τῷ θεῷ μου, womit evtl. die Tilgung des Anachronismus intendiert ist. Vgl. zur Diskussion Dozeman z. St., 399. 69 S. u. zur מקום-Theologie des Chronisten. Anders Knoppers (2013, 186), der das Zitat als Evidenz für die Ursprünglichkeit der PK-Konjugation heranzieht, dabei jedoch nicht mit den text- und literarkritischen Beobachtungen korreliert. Dies muss zwar auch hier weitgehend unterbleiben, jedoch weist nicht nur die syntaktische Sperrstellung der Ort-Erwählungsformel, sondern auch das Fehlen der Tempelanspielung in V.23 daraufhin, dass voraussetzungslose Exe gese an dieser Stelle nicht möglich ist und auch auf V.27 nicht ohne eingehende Analyse gebaut werden kann.
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Die Desavouierung der Gibeoniter zu Wasserträgern und Holzfällern, die laut Knauf im letzten Viertel des 5. Jh. anzusetzen ist70, wird der Analyse Achenbachs zufolge in einer nachexilischen Fortschreibung in Dtn 29,10–12 bereits vorausgesetzt, nach der die Idee aufgenommen werde, dass sich auch Fremde unter dem Exodus-Volk befänden und diesen nun ebenfalls der Eintritt in den JHWH-Bund gewährt werden soll.71 Wenn dies zutrifft, wären demgegenüber die Texte des Josuabuches, die Gibeon zu Benjamin rechnen (Jos 18 f), noch einmal später zu datieren, wobei sich die Transformation nur dem Ergebnis, nicht aber dem Prozess nach beobachten lässt. Dementsprechend lässt sich die Entwicklung exegetisch nicht lückenlos beschreiben. Die Chronik scheint jedenfalls sowohl Jos 9, den Beitritt der Gibeoniter zur JHWH-berît, als auch die Situierung Gibeons im benjaminitischen Stammesgebiet vorauszusetzen. Oeming zeigt weiterhin, dass nach 1Chr 8,29–32 mit der erneuten Erwähnung der Genealogie Jëiëls in 1Chr 9,35–38 die Gibeoniter bereits zum Kultpersonal gerechnet werden.72 An dieser Stelle ist daher über den Transformationsprozess hinweg eine Brücke nach Jos 9 geschlagen und deshalb mit der Situierung des אהל מועדein Bindeglied für das Opfer Salomos an diesem Ort gestiftet.
Im Pentateuch explizit erwähnt wird hingegen der משכן יהוה,73 wobei die Wendung einmal im HG und weiterhin in post-priesterschriftlichen Texten belegt ist. Ferner finden sich auch für die in V.14 erwähnten Opferbestimmungen Anhaltspunkte im Pentateuch, die jedoch zu differenzieren sind. So ist schon von Wellhausen deutlich gemacht worden, dass der vom Chronisten erwähnte מזבח העלה 70 Knauf (z. St.) weist dabei insbesondere auf die Konstruiertheit des Textes hin, die sich selbst als solche zu erkennen gibt und ganz unmittelbar eine Polemik nicht gegen die Gibeoniter, sondern eine Einschränkung des dtr. Banngebots darstelle. (Vgl. in der Sache ähnlich Edenburg 2012, 443–460, bes. 456.), die Jos 9 jedoch in der frühen Perserzeit ansetzt. Anders Dozeman (z. St.). 71 Achenbach 2009a, 247 f. Vgl. auch Otto z. St. 2049 f. Vgl. auch die Diskussion um das Abhängigkeitsverhältnis von Dtn 29 und Jos 9 bei Day (2007,119). 72 Vgl. Oeming 1990, 204. Eine ähnliche, wenngleich etwas anders gelagerte Brücke zu Jos 9 eröffnet b.Yebamoth 71a,78b–79a, wo die Gibeoniter mit den נתיניםgleichgesetzt werden. Dieser Spur ist Haran (1961, 159–169, bes.165) gefolgt, der die Bezeichnung auf Grund einer unterschiedlichen Benennungsmotivation zwar für funktional inäquivalent hält, jedoch gleichzeitig einen gewissen Zusammenhang mit den in Esr / Neh erwähnten נתיניםfür wahrscheinlich. Neben den Gibeonitern seien jedoch noch andere Gruppen in den נתיניםaufgegangen. Neuerdings wieder Day 2007,134–137. Williamson (z. St., 36) beurteilt diese These jedoch als bestenfalls spekulativ. Die Diskussion um die נתיניםkann hier nicht vertieft werden. Es fällt jedoch auf, dass in die Diskussion selten Num 3,9 sowie Num 8,16.19 einbezogen werden. Insbesondere werden die Leviten durch die Levitenweihe als Ersatz für menschliche Erstgeburtsopfer der Israeliten zu נתניםgemacht und damit gleichzeitig alle Nicht-Leviten als Kultdiener ausgeschlossen. Da damit gleichzeitig der Bedarf an levitischem Personal wächst, ist möglicher Weise das Dienstalter gegenüber Num 4,3 von 30 auf 25 Jahre herabgesetzt worden. (Vgl. Achenbach 2003, 542; zurückhaltender Samuel 2014, 199). Setzt man diese Entwicklung zwischen Esr / Neh und der Chronik an, erklärt sich, warum die נתיניםdort nicht mehr erwähnt werden: Sie sind in der Gruppe der Leviten aufgegangen. 73 Vgl. Lev 17,4; Num 16,9; 17,28; 19,13; 31,30.47; Jos 22,19; 1Chr 16,39; 21,29; 2Chr 1,5; 29,6.
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in seiner spezifischen Konzeption die Einführung des Räucheropferaltars bereits voraussetze.74 Erst die Einführung dieses zweiten Altars in Ex 30,1–10 zieht laut Wellhausen die Unterscheidung von מזבח העלהund מזבח הקטרתnach sich. Der Chronist setzt also an dieser Stelle erneut eine späte literaturgeschichtliche Entwicklung des Pentateuchs voraus. Dieser Eindruck bestätigt sich, wenn als Zeitpunkt für das tägliche Brandopfer der Morgen und der Abend ()תמיד לבקר ולערב genannt werden. Beyse hat herausgearbeitet, dass das Lexem תמידeine genuin hebräische Bildung ist, die insbesondere in Constructus-Absolutus-Verbindungen im Bereich des Kultes verwendet wird.75 Die Zeitangaben „am Morgen“ und „am Abend“ weisen auf Texte, die von der Forschung durchgängig spät datiert werden. Während weiterhin „die vorexilische Zeit und auch noch das DtrG […] nur ein Brandopfer am Morgen – neben einer einfachen minḥā am Abend – gekannt [haben] (2.Kön 16,15; vgl. Ez 46,13–15)“76, wird das doppelte Tamid-Opfer erst in Ex 29,38–42 und Num 28,3–8 eingeführt,77 wobei Num 28,6 bereits auf die Bestimmungen am הר סיניzurückblickt und diese damit voraussetzt.78 Während 74 Vgl. Wellhausen 1927, 134–144. Vgl. im Anschluss an diesen Noth z. St., 192 sowie auch Nihan 2007, 31–33 sowie Anm. 66, Lit!. Der exegetische Konsens einer Spät-Datierung des Räucheraltars wird neuerdings von Albertz (2015, 233 f), der diesen Text in das letzte Drittel des 6. Jh. (PB1) datiert, aufgekündigt. Ein Kernargument ist dabei, dass der Räucheraltar entgegen anderer Behauptungen „voll in den Bau vom Bericht des Heiligtums“ integriert sei und dabei bereits als Goldener bzw. Räucheraltar von dem (bronzenen) Brandopferaltar unterschieden werde. (Ebd.) Albertz setzt sich dabei jedoch nicht mit den von Bogaert (1996, 399–428) vorgebrachten textkritischen Argumenten auseinander, die auf dem Monacensis gründen und auf die auch Nihan (2007, 32) hinweist. Beide bieten auf textkritischer Grundlage starke Evidenzen dafür, dass es sich bei dem goldenen Altar durchgängig um sekundäre Ergänzungen handelt. Ein weiteres Problem bei Albertz These ist, dass er den Fokus auch nicht für spät-priesterliche Texte öffnet, die das Räuchern zum Thema machen und dabei offenbar den Räucheraltar auch noch nicht als bekannt voraussetzen. So hat bspw. Achenbach (2003, 95) darauf hingewiesen, dass weder Num 16, wo noch mit Räucherpfannen operiert werde, noch Num 17 den Räucheraltar vorauszusetzen scheinen und dieser demnach später eingearbeitet worden sein müsse. Erst der noch spätere Text Lev 10 gehe davon aus, „daß die Darbringung von Räucherwerk schon fester Bestandteil des Rituals am Heiligtum ist und setzt die Existenz des besonderen Räucheraltars voraus.“ Vgl. weiterhin Ebd. 96 f. Da Achenbach Num 16 f nachpriesterschriftlich ansetzt, kommen auch aus der Perspektive der von ihm vorgenommenen Eingrenzung Zweifel an Albertz Frühdatierung auf. 75 Vgl. Beyse 1995, 680 f. 76 Albertz 1997, 611, Anm. 28. 77 In Lev 6,2–6 und Neh 10,34 wird evtl. auch auf dieses Opfer rekurriert, jedoch mit der Unterscheidung von Morgen und Abend nicht in gleicher Weise explizit gemacht. 78 Ex 29,38–41 wird in der Regel als sekundär beurteilt, da der Text nach der Anweisung zur Heiligung an Aaron in V.37 zu deplatziert scheint (Vgl. Baentsch z. St., 257; Noth z. St., 191). Albertz (2015), der den Einschub seinem PB2, einer priesterlichen Bearbeitung in Abhängigkeit vom HG zuordnet, arbeitet sehr klar heraus, dass trotz der Unterbrechung des vorgegebenen Zusammenhangs „zwischen Altarweihe und göttlichem Heilsversprechen“ (Ders., 226) durch den Scharniervers in Ex 29,42aβb der Zusammenhang durch „das Thema der Gottesbegegnung“ (Ebd.) wiederhergestellt werde. Neben der Einrichtung des אהל מועדist demgemäß auch die
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das Opfer bei der Aufnahme in den Festkalender noch durch einen Rekurs auf den Sinai zu legitimieren war, legitimiert der Chronist in der Anwendung dieser Regelung unter Rückbezug auf die Tora seine auftretenden Figuren, d. h. die Priester, Zadok und seine Brüder. Der erste Rekurs auf die Tora macht also eine in-explizite Dimension an dieser explizit. Gleichzeitig verfolgt der Chronist eine zweite Strategie, die darin besteht, seiner eigenen Narration durch die Tora-Konformität Gültigkeit zu verschaffen.
ii) 1Chr 22,12 (+) אך יתן־לך יהוה שכל ובינה ויצוך על־ישראל ולשמור את־תורת יהוה אלהיך
Auch wird dir JHWH Einsicht und Verstand geben, und er wird dir über Israel Befehl erteilen79, um die Tora JHWHs, deines Gottes, zu beachten.
1Chr 22,1 lenkt den Blick des Lesers von der Auffindung der Tenne durch David direkt auf den Tempelbau, obwohl davon in der vorangegangenen Szene noch überhaupt keine Rede war. Die Erwähnung des בית יהוה האלהיםstellt also (gerade vor dem Hintergrund der synoptischen Parallele) eine Überraschung dar. David lässt seinem deklarativen Sprechakt, der auf der Tempeltenne qua auctoritas regis das Haus der Gottheit errichtet, die dafür notwendige Bereitstellung der Materialien folgen. Handwerker werden versammelt und Baumaterialien gestiftet. Dabei gibt David selbst zu verstehen, dass die Vorbereitungen durch ihn getroffen werden, weil das Haus des Herrn überaus groß werden soll und sein Sohn Salomo zu dessen Realisierung noch nicht in der Lage ist. Im gleichen Atemzug gibt er Salomo jedoch den Auftrag, das Bauvorhaben zukünftig in die Tat umzusetzen. Erzählerisch erkennt man deutlich die chronistische Strategie, den Tempelbau – trotz dessen tatsächlicher Realisierung durch Salomo – gleichermaßen auf Salomo und David zurückzuführen, indem die Bauidee und der Bau selbst als zwei voneinander unterscheidbare Konstituenten dargestellt werden.
Einfügung des HGs in den Pentateuch vorausgesetzt. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass sich die Einrichtung des abendlichen Brandopfers dort nicht findet. Erst im Numeribuch (Num 28,3–8) in einem dem Kalender des Levtikusbuches nachgeordneten Festkalender setzt sich diese Innovation dann institutionell durch (vgl. dazu Körting 1999, 211–223.266; Achenbach 2003, 602–611 sowie den erschöpfenden Nachweis bei Nihan 2008, 177–231). Der Chronist setzt die Praxis, wie hier, aber auch in 2Chr 13,11; 31,1 zu erkennen ist, offenbar als selbstverständlich voraus, wobei die Chronik die Legitimität nicht wie Num 28,6 von den Begebenheiten am Sinai, sondern aus der Tora herleitet. Auch die Befunde in Esr 9,4 f sowie Dan 9,21 und Sir 45,14 die zur Nachgeschichte von Ex 29,38–42 gehören weisen darauf hin, dass die Bedeutung des Abendopfers mit dem Übergang in die hellenistische Zeit anwächst. 79 Die LXX bietet καὶ κατισχύσαι σε ἐπὶ Ισραηλ. Κατισχύω stellt zumeist die Übersetzung von חזקdar, sodass ursprünglich möglicher Weise ויחזקך על ישראלzu lesen ist.
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Buchkompositorisch ist nach 2Chr 22,1 für die folgenden Ausführungen zudem eine Erzählnotwendigkeit gegeben, insofern nun zumindest die Idee eines Gotteshauses formuliert und nach 1Chr 17,12 deutlich ist, dass die Errichtung des Hauses notwendigerweise mit einem Generationenwechsel verbunden ist. „Je näher das Haus Gottes, desto näher das Ende Davids“, lautet die Erzählformel, weshalb die erzählte Zeit nun mit 1Chr 22–29 in Form der durch die zeitdeckenden Reden gerahmten Listen nahezu zum Stillstand kommt und damit den bevorstehenden Passageritus anzeigt. Es wird sich zeigen, dass sich die Übergabe der Tora von David an Salomo genau innerhalb dieses Passagerituals an einer Übergabe par exellence orientiert: der Übergabe der Amtsgeschäfte von Mose an Josua.
Davids Idee zum Bau des Tempels wird dabei mit der Wendung ( עם־לבביV.7) zur Anzeige der Innerlichkeit Ausdruck verliehen80, die die chronistisch dichotomische Auffassung gut zur Geltung bringt: David trägt den Bau des Tempels im Herzen und Salomo realisiert diesen durch die eigentliche Errichtung. Die narratologische Strategie der Sukzession von der Idee des Tempelbaus zu dessen Realisierung korrespondiert dabei mit der Legitimität der Sukzession von David zu Salomo. Insofern Salomo in 1Chr 22; 28 f zum Nachfolger Davids durch diesen selbst auserkoren wird, rücken entgegen der Darstellung der Vorlage, die Salomo aus komplexen Nachfolgeintrigen als Triumphator hervorgehen lässt, beide Figuren in das Verhältnis einer natürlichen und alternativlosen Thronfolge. Dabei werden in diesem Kapitel die Thronwirren der Vorlage durch die Erzählung eines legitimen Nachfolgeverhältnisses ersetzt und die Legitimation der Regierungsübergabe bzw. -nahme durch die Verpflichtung auf die Tora gewährleistet. 80 Vgl. Dtn 8,5; 15,9; Jos 14,7; 1Kön 8,17–18; 10,2; 2Kön 10,15; 1Chr 22,7; 28,2; 2Chr 1,11; 6,7–8; 9,1; 16,9; 29,10; Ps 77,7. Der wichtigste Referenzpunkt für diese Formel ist 1Kön 8,17 f. // 2Chr 6,7 f. Offenbar ist durch den dort im Vergangenheitstempus geschilderten Herzenswunsch Davids der Erzählimpuls für 1Chr 22,7 und 28,2 entstanden. Beide Verse sind jeweils nicht ohne das Pendant zu verstehen, die die Präsupposition der Formel aufdecken. 1Chr 22,19 und 28,9 explizieren, dass die durch עם לבבangezeigte Innerlichkeit jeweils im Verhältnis zu JHWH zu denken ist. Das fügt sich sachlogisch zu den Konzeptionen, wie sie durch Dtn 6,6; 8,5 und 15,9 vorgeben sind. Dort hat die Formel, wie Achenbach (1999, 317) zeigt, im Rahmen einer Katechetik, die traditionsgeschichtlich am Vater-Sohn-Lehrverhältnis orientiert ist und dieses auf das Verhältnis von JHWH zu Israel überträgt. Die Verbindung von 1Chr 22,7 und 1Chr 28,2 bedarf einer ausführlicheren Untersuchung, da sich beide Kapitel rahmend um die von David veranlassten Vorbereitungen zum Bau des Tempels legen. (Vgl. dazu das Kapitel „Kult-Personal“.) Auch 2Chr 29 ruft den Kontext der Restitution des Gottesverhältnisses auf, in dem davon die Rede ist, dass Hiskia einen Bund mit JHWH schließen will, um seinen Zorn abzuwenden. Bezeichnender Weise wird diese Wendung in Jos 14 ebenfalls einem kultgeschichtlichen Kontext verwendet. Josua, dem Nachfolger des Mose, dem Helden der Kundschaftergeschichte, war es eine Herzensangelegenheit, Bericht aus ‚dem Land‘ zu bringen. Einerseits wird er dadurch, nachdem dies in Jos 1,7–9 und 5,13–15 schon durch Gott selbst veranlasst worden ist, als Sukzessor des Mose legitimiert, andererseits jedoch wird von V.8 her seine persönliche Treue zu seinem Gott hervorgehoben. Ebenso zeigt Ps 77,7, dass die Wendung עם־לבביzum Ausdruck der persönlichen Frömmigkeit verwendet wird und ein intimes Gottesverhältnis ausdrückt.
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Der Chronist gibt zunächst die Gründe dafür an, dass David den Tempel nicht bauen dürfe, dieser habe nämlich viel Blut vergossen.81 Freilich verbindet sich diese Erklärung nicht fugenlos mit 1Chr 17,5–14 (// 2Sam 7,6–16), wo vor allem die göttliche Initiative in den Vordergrund gerückt und (in grundsätzlicher Übereinstimmung mit der Vorlage) der Bau durch den Nachfolger Salomo begründet wird. Dennoch verleiht der Chronist gerade aus seinem kompositionellen Aufriss heraus, der nun in 1Chr 18–20 nicht nur Davids Kriege in den Mittelpunkt rückt, sondern diese auch genau zwischen der Überführung der Lade und der Auffindung des Tempelplatzes situiert, das nötige Gewicht, um Davids Blutvergießen zum Anlass für das Tempelbauverbot zu nehmen. Dass das Blutvergießen nach Gen 9,6 viel erheblichere Sanktionen nach sich ziehen könnte, bleibt vom Chronisten ausgeblendet, da es ihm nicht um das Aufweisen einer Schuld bzw. um das Nachzeichnen des Straftatbestandes geht, sondern um eine allgemeine Verunreinigung durch Blut, die David den physischen Dienst am Heiligtum unmöglich macht.82 Insofern ist 1Chr 22 die erzählerische Wiederaufnahme der Nathanverheißung (1Chr 17) und gleichzeitig die prospektive Eröffnung des Salomo-Narrativs. Als Mann der Ruhe übernimmt er die Regierung über das durch Davids letzte Kriege beruhigte Land. Durch einen Neueinsatz in Form der Partikel הנהwird der Leser kontrastiv von Davids Blutvergießen zu dessen Sohn und Nachfolger Salomo, dem Mann der Ruhe83, gelenkt, der David an dieser Stelle verheißen wird. Von diesem Sohn wird nun nicht nur verheißen, dass dieser das Haus Gottes bauen werde (vgl. 1Chr 21,10), sondern dieser wird durch eine Adoptionsformel symbolisch dem leiblichen Vater enteignet und dem himmlischen Vater zum Sohn gemacht. Damit überbietet Salomo das göttliche Verhältnis seines Vaters David, der nach chronistischer Auffassung zwar ein ( איש האלהיםvgl. 2Chr 8,14) ist, von dem jedoch mit keiner Silbe behauptet wird, dass dieser in irgendeiner symbolischen Form als 81 Diese Aussage findet sich in der Chronik dreimal: zweimal in 1Chr 22,8 und einmal in 1Chr 28,3. Vgl. dazu die kompositionellen Erwägungen in „Kult-Personal“. 82 Knoppers (2004, 772) zeichnet im Hinblick auf den chronistischen Dispens Davids zwei Hauptstränge der Argumentation nach: „One line of interpretation is to see David’s short coming as a cultic in nature […]. A second line of interpretation finds fault with David on ethical grounds.“ Angesichts der Belegstellen, bei denen bspw. Dtn 20,1–20 für die kultische, Gen 9,6 für die ethische Dimension in Anspruch genommen wird, stellt sich die Frage, ob diese scharfe Trennung überhaupt aufrechterhalten werden kann, oder ob nicht die Programmatik des Ethischen als in einem kultischen Horizont entfaltet verstanden werden muss. Der Topos des Tempelbaus selbst schließt bereits vollkommen aus, dass für den Chronisten lediglich allgemein ethische Erwägungen eine Rolle spielen. Es muss in jedem Fall Rechnung damit gehalten werden, dass er das Vergehen des Blutvergießens nicht nur per adiectionem in seine Darstellung aufnimmt, sondern auch die gesamte Komposition, insbesondere die Stellung von 1Chr 18–20, von dieser Aussage her ihr Gewicht erhält. 83 Die Einführung Salomos mit der Bezeichnung איש מנוחהist für die chronistische Theologie von hoher Wichtigkeit. Eine Erläuterung findet sich unten im Kapitel „Kult-Personal“.
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Sohn Gottes betrachtet werden könne.84 Gleichzeitig erkennt der Leser auch, dass durch die Parallelisierung der Ausdrücke יבנהund יהיהsowie deren Fortsetzung in der waw-AK והכינותיAussagen über die Zukunft getroffen werden, die noch nicht eingetroffen sind. V.11 bringt zum Ausdruck, wie stark das Motiv der Sohnschaft Salomos in dieser Szene changiert. Erneut wird die Perspektive durch ein Deiktikon ( )עתהverändert. David wendet sich nach der Wiedergabe der göttlichen Rede an Salomo. „Mein Sohn“ ( )בניsind die ersten Worte, die er dazu an Salomo richtet. Hier lässt sich sehr gut das subtile Formenspiel des Chronisten erkennen, mit Hilfe dessen er die doppelte Inanspruchnahme Salomos inszeniert: Er ist zugleich Sohn des einen und Sohn des anderen. Die Verheißung harrt zunächst ihrer weltlichen Einlösung und diese ins Werk zu setzen ist nun des weltlichen Vaters nächstes Anliegen. Der Segensformel folgt die Erfolgszusage in Verbindung mit dem Auftrag zum Bau des Tempels. Daran schließt sich der Auftrag zur Befolgung der Tora an: „Darum gebe Jahwe dir Einsicht und Verständnis und er erteile dir Befehl über Israel, auf dass du die Tora des Herrn deines Gottes hältst.“85 84 Wie deutlich die chronistische Darstellung der Nachfolgestreitigkeit in 1Kön 1 f widerspricht, ist immer erkannt worden. Meine Untersuchung wird an dieser Stelle weniger den Kontrast mit Darstellung der Vorlage hervorheben, als auf die Entwicklung einer Präfiguration zu sprechen kommen, die nach einer möglichen Vorlage für die Sukzession von David zu Salomo fragt, die auffälliger Weise mit einer Einschwörung auf die Tora verbunden ist. 85 Der Text enthält an dieser Stelle ein textkritisches Problem. Die LXX bietet folgende Lesart: ἀλλ᾽ ἢ δῴη σοι σοφίαν καὶ σύνεσιν κύριος καὶ κατισχύσαι σε ἐπὶ Ισραηλ καὶ τοῦ φυλάσσεσθαι καὶ τοῦ ποιεῖν τὸν νόμον κυρίου τοῦ θεοῦ σου
Aber JHWH gebe dir auch Weisheit und Einsicht und mache dich stark über Israel, damit du das Gesetz des Herrn, deines Gottes, bewahrst und danach handelst.
κατισχύω wird typischer Weise nicht verwendet, um צוהim Griechischen wiederzugeben. Dem Anschein nach lag dem Übersetzer hier eine abweichende Vorlage vor, die חזקstatt צוהgeboten hat. Dies ist gerade vor dem Hintergrund nicht unwahrscheinlich, dass die Wendung חזק על acht Mal in der Chronik und damit in diesem Buch am häufigsten in der gesamten Hebräischen Bibel gebraucht wird. Sie entspricht also der chronistischen Idiomatik. Selbst die Ergänzung חזק על ישראלfindet sich in der Chronik. Es findet sich jedoch auch die Wendung צוה על. Schon die Masoreten bemerken, dass die Wendung an dieser Stelle einzigartig ist. Rudolph erwägt וְ יֵ צֶ ר ַהְך oder וְ יֵ צָ ר יַ ּצִ יבzu konjizieren. Dies gibt der Konsonantenbestand jedoch keinesfalls her. Knoppers konstatiert zu Recht, dass eine Konjektur an dieser Stelle nicht zwingend notwendig ist, tendiert jedoch dazu im Zweifel Ehrlich mit der Konjektur ּולְ צַ ּוֹ תzu folgen. (Vgl. Knoppers 2004b, 767; vgl. ferner Ehrlich 1914, 348.) Blickt man auf 2Sam 18,5 wird man jedoch der Gebräuchlichkeit dieser Formel Gewahr. Hier findet sich die Struktur … … בצות … על־דבר. Die Jussiv-Variante in 1Chr 22,12 erklärt sich gut von יתןher. Das voranstehende Waw verbindet beide mit dem Jussiv einsetzenden Satzglieder, sodass der Vers im Hebräischen keine innere Problematik aufweist. Da die LXX-Variante an dieser Stelle aussagenlogisch in dieselbe Richtung weist, halte ich zunächst an MT fest. Die Adiectio καὶ τοῦ ποιεῖν lässt sich als versio longior leicht von V.13MT / LXX her erklären und auf eine Angleichung an אם־תשמור לעשותbzw. ἐὰν φυλάξῃς τοῦ ποιεῖν zurückführen. Für V.12 MT gilt also lectio brevior probabillior. Was textkritisch zurückgewiesen werden muss, ist jedoch in hermeneutischer Hinsicht keinesfalls zu vernachlässigen, da die LXX durch die
4.1 רות im Kontext des David-Narrativs
85
Das Einschwören Salomos auf das Halten der Tora durch David ist dabei ohne Parallele in 1Kön. Die Tora wird hier nicht über den Kontext einer Einzelbestimmung, sondern als Synekdoche ins Spiel gebracht, was über den Nahkontext von V.11–13 zu erschließen ist: עתה בני יהי יהוה עמך והצלחת ובנית בית יהוה אלהיך כאשר דבר עליך
11
Nun, mein Sohn, möge JHWH mit dir sein.
אז תצליח אם־תשמור לעשות את־החקים ואת־המשפטים אשר צוה יהוה את־משה על־ישראל חזק ואמץ אל־תירא ואל־תחת
13
Einst wirst du Erfolg haben, wenn du die Satzungen und Rechtsbestimmungen zu tun befolgst, die JHWH Mose für Israel geboten hat. Sei stark und mutig, fürchte dich nicht und hab keine Angst.
V.11 und V.13 bilden einen Rahmen um V.12, der durch das Stichwort צלחverknüpft ist. Zwei Umstände sind hier notwendige Bedingung für das Eintreten des salomonischen Erfolges, die in einem reziproken Verhältnis angeordnet sind. JHWH muss mit ihm, Salomo, sein86 und Salomo muss seinerseits die Satzungen ( )החקיםund Rechtstimmungen ( )המשפטיםhalten, die JHWH für Mose geboten hat. Er muss sich also der Gottheit – vermittelt durch die Figur des Mose87 – so zuwenden, wie die Gottheit sich ihm zuwendet. In diesen Rahmen der Erfolgs motivik ist nun V.12 eingebettet, der Davids Bitte um Einsicht und Verstand für Salomo enthält. Aus diesen beiden Eigenschaften soll sich in der Konsequenz das Halten der Tora ergeben, deren Extension hier durch die mit אזeingeleitete Explikation von Satzungen und Rechtsbestimmungen festgelegt wird. An dieser Stelle kommt nun die LXX-Variante zum Tragen. Die Parallelisierung von καὶ τοῦ φυλάσσεσθαι καὶ τοῦ ποιεῖν und ἐὰν φυλάξῃς τοῦ ποιεῖν veranschaulicht, was in der Vorlage bereits angedeutet ist, dass mit dem Halten der Tora das Halten der Satzungen und Rechtsbestimmungen einhergeht. Im Hinblick auf den Nahkontext lässt sich der Tora-Begriff demnach als Synekdoche auffassen, die sich zu den Satzungen und Rechtsbestimmungen im Verhältnis von Ober- und Unterbegriff verhält. Weitet man den Blick für den Makrokontext der Aufforderung an Salomo, zeigt sich, dass der Wunsch um Einsicht ( )שכלund Verständnis ( )בינהeigenartigerweise 2Chr 2,11 durch Churam in einem bemerkenswerten per adiectionem Hinzufügung von καὶ τοῦ ποιεῖν in V.12 im Hinblick auf V.13 einen Parallelismus herstellt. Dieser ist im Hinblick auf das Tora-Verständnis nicht unerheblich; er nutzt das Deutungspotenzial der in V.12 zu verstehen gegebenen Proposition. V.12 besteht aus zwei Wunschformeln, die David seinem Nachfolger gegenüber äußert: JHWH möge diesem Einsicht und Verständnis geben und JHWH möge ihm die Befehlsgewalt über Israel erteilen, was mit der Befolgung der Tora korreliert ist. 86 Diese Segensformel erinnert an die Übertragung der Gemeindeleitung von Mose auf Josua (vgl. Jos 1,17). In V.16 wird das Mit-Sein Gottes dabei erneut durch David bekräftigt. 87 Auch die Einschwörung auf die Figur des Mose hat ein Echo in Jos 1,17.
86
4. תהרותin der Chronik
eingesetzten Gebet reflektiert wird. Churam, so scheint es, wird hier nicht nur als Tora-kundig ausgewiesen, sondern gleichzeitig als eine Art unabhängiger Zeuge, der das Wohlverhalten Salomos attestiert. Während der Chronist die berühmte Episode des salomonischen Urteils getilgt hat88, fällt an dieser Stelle umso mehr auf, dass er neben den Prädikaten שכלund בינהauch von חכםspricht. Die Weisheit Salomos, von der auch in 1Chr 22 noch nicht die Rede war, scheint nicht mehr durch sein Regierungshandeln resp. durch seine Rechtsprechung ausgewiesen zu sein, sondern durch seine kultischen Anstrengungen. Es darf hier nun keinesfalls die anschließende Parallele übersehen werden, die sich durch die Wendung אשר צוה יהוה את־משה על־ישראלergibt. Hier wird nicht nur die Tora, einschließlich der Satzungen und Rechtsbestimmungen, auf Mose zurückgeführt und damit Salomo in die Tradition des Mose gestellt, vielmehr wird durch die Hervorhebung der dreigliedrigen Befehlskette > צוה יהוה > את משה על ישראלder Duktus von V.12 wieder aufgenommen. Gott befiehlt Salomo an dieser Stelle über Israel in Verbindung mit dem Halten der Tora, wie er es zuvor schon mit Mose getan hat. Der von der LXX ins Spiel gebrachte Parallelismus hilft dabei, zu verstehen, was mit Tora gemeint ist: ein gottgegebener, handlungslogischer Referenzrahmen. MT baut zudem eine (in der LXX unkenntlich gewordene) Spannung mit Hilfe des Lexems צוהauf. Diese fordert, an der Lesart von V.12 festzuhalten. Vor dem Hintergrund von Jos 1,7 f MT89 und Ps 1,2 f ergibt sich dabei ein über den Mikrokontext hinausweisendes Bezugsfeld im Hinblick auf die enge Verbindung von Toraobservanz, Weisheit ()ׂשכל90 und Erfolg ()צלח. Auch die Wendung אל־תחתfindet in diesem Zusammenhang (Jos 1,9) einen Ausdruck. Synoptisch ergeben sich zahlreiche Übereinstimmungen zwischen den Sukzessions-Schilderungen von Mose und Josua sowie von David und Salomo. Dabei werden durchaus ältere Motive wie z. B. die Wendung חזק ואמץaufgenommen und, mit Fishbane zu sprechen, haggadisch transformiert. Während die Formel „Sei stark und mutig!“ ihren Ursprung vermutlich in der Kriegsrede
88 Die Auslassung dieses als positiv zu wertenden Urteils hat die Exegese immer beschäftigt. Hauptsächlich werden die zwei folgenden Positionen zur Auslassung vertreten. Erstens: Der Umgang Salomos mit Prostituierten sollte verschwiegen werden. Diese Perspektive ergibt nicht nur vor dem Hintergrund der Abscheu vor Unreinheit Sinn, sondern auch im Hinblick auf die durch das Salomo-Narrativ suggerierte Prosperität, nach der Prostitution gar nicht notwendig gewesen zu sein scheint. Zweitens: Da sich das Urteil auf einen rein profanen Sachverhalt richtet, ist angenommen worden, dass Salomo nicht in diesem weltlichen Kontext dargestellt werden sollte. 89 Vgl. dazu unten die Ausführungen zu 2Chr 31,21. Vgl. die Analyse zu 1Chr 14,1–6 im Kapitel „Kult-Gegenstand“. 90 Die Kombination von שכלund תורהfindet sich neben 1Chr 22,12 Jos 1,7 f auch in 1Kön 2,3; Neh 8,8.13; Ps 119,97–99; Prov 13,14 f; Dan 9,13. Darüber hinaus besteht ein Zusammenhang mit 1Chr 28,19, s. u. dazu „Kult-Personal“.
4.1 רות im Kontext des David-Narrativs
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hat91, wird sie mit der Übernahme in Jos 1 in den Kontext der Torafrömmigkeit überführt.92 In dieser bereits transformierten Pragmatik, die nur noch mittelbar auf den (Kriegs-)Erfolg, unmittelbar jedoch auf die Toraobservanz zielt, wird die Wendung dann in die Chronik integriert. Dabei wird der Kriegszusammenhang nicht nur ausgeblendet, sondern durch den Friedensmann Salomo regelrecht negiert; der Titel איש מנוחהsteht dafür programmatisch. Es geht an dieser Stelle jedoch weniger darum, den traditionsgeschichtlichen Hintergrund zu erhellen, als die Übereinstimmung der Motive kompositionsgeschichtlich zu erklären. Zu diesem Zweck ist die Sukzession von Mose zu Josua in Jos 1 einzublenden, die eine frappante Parallele zu 1Chr 22 darstellt. Da sich auch in Ps 1,2 f deutliche Übereinstimmungen finden, ist der Befund hier mit zu berücksichtigen. 1Chr 22,11–1393 עתה בני יהי יהוה עמך והצלחת ובנית בית יהוה אלהיך כאׁשר דבר עליך12 אך יתן־לך יהוה ׂשכל ובינה ויצוך על־יׂשראל ולׁשמור את־תורת יהוה אלהיך אז תצליח אם־תׁשמור לעׂשות13 את־החקים ואת־המׁשפטים
Jos 1,7–8
Ps 1,2 f
11
l
רק חזק ואמץ מאד7 l
l
94לׁשמר לעׂשות ככל־התורה
כי אם בתורת יהוה חפצו
l
91 „From a host of ancient Near Eastern and biblical sources, it is quite certain that phrases like ‚be strong‘ or ‚do not fear‘ originally served to exhort an individual to take courage in the face of a new and difficult task. In biblical sources such terminology is also used within military orations and exhortations, and is even put in the mouths of non-Israelites. It is thus of no unique rhetorical consequence that Moses, before his death, encourages the Israelites to ‚be strong and of good courage‘ when they invade the land and fight the local population (Deut. 31:4–6).“ Fishbane 1985, 384. 92 Zunächst sei die Formel in ihrer herkömmlichen Verwendungsweise in das Josuabuch übertragen worden: „This exhortation is repeated by Moses to Joshua – his successor and leader of the attack – in vv. 7–8, and he also stresses that YHWH ‚will be with you‘ when Joshua leads the Israelites into the ‚promised‘ land.“ In einem zweiten Schritt sei es dann zu einer Übertragung gekommen, wobei der Fokus nur noch mittelbar auf dem Kriegserfolg, in erster Linie jedoch in der Torafrömmigkeit liege: „In fact, Moses’ peroration is repeated a second time by YHWH to Joshua at the onset of the conquest (Josh. 1: 5–6, 9). On this second occurrence, however, an entirely new dimension is added: for encased within the old military exhortation formula (in vv. 6, 9) is a piece of aggadic theologizing where Joshua is told to ‚be strong and of good courage‘ in obeying the Torah, since only in this manner will he succeed in his great adventure (vv. 7–8).“ Fishbane 1985, 384. 93 Die Übereinstimmungen sind hier jeweils farblich in Abweichung von dem Farbsystem der Quadripartita Ratio markiert. Weiterhin sind ähnliche Passage unterstrichen. 94 Vgl. zur Kritik des komplizierten Textbefundes die folgenden Ausführungen.
88
4. תהרותin der Chronik
אׁשר צוה יהוה את־מׁשה על־יׂשראל
אׁשר צוך מׁשה עבדי אל־תסור
ממנו ימין וׂשמאול למען תׂשכיל
בכל אׁשר תלך לא־ימוׁש ספר התורה הזה מפיך8 והגית בו יומם ולילה למען תׁשמר לעׂשות ככל־הכתוב בו l
כי־אז תצליח את־דרכך ואז תׂשכיל
הלוא צויתיך9
ובתורתו יהגה יומם ולילה והיה כעץ ׁשתול על־פלגי מים3 אׁשר פריו יתן בעתו ועלהו לא־יבול וכל אׁשר־יעׂשה יצליח l
l
חזק ואמץ
חזק ואמץ
אל־תירא ואל־תחת
אל־תערץ ואל־תחת כי עמך יהוה אלהיך בכל אׁשר תלך
Die Übereinstimmung beider Texte ist sowohl im Hinblick auf die exakten Entsprechungen im Wortlaut als auch im Hinblick auf die Fülle der Übereinstimmungen nicht zu bestreiten. Mindestens acht Vergleichsmomente zwischen Jos 1 und 1Chr 22 sind zu benennen:95 Erstens: Der Wunsch göttlichen Beistandes: יהוה עמך. Zweitens: Die Motivationsformel: חזק ואמץ. Drittens: Der Erfolgswunsch: הצלחת. Viertens: Der Auftrag zur Bewahrung der Tora:96 ׁשמר לעׂשות ככל// ׁשמר את תורת יהוה ככל התורה. Fünftens: Die Berufung auf Mose: אׁשר צוך מׁשה. Sechstens: Der Wunsch nach Weisheit: שכל. Siebtens: Die Ermutigungsformel: אל תירא. Achtens: Die Ermutigungsformel: אל־תחת. Daraus ergibt sich, dass die evtl. als Vorlage zu bezeichnende Form des Textes von Mose und Josua, wie sie die Chronik für den David-Salomo-Nexus übernommen hat, ideell sehr nah an die Chronik heranreicht. Man erkennt hinter beiden Darstellungen denselben Gestaltungswillen. Das führt zu der Frage, ob beide Sukzessionsschilderungen nicht aus dem gleichen Diskurs und mithin in derselben Zeit entstanden sein könnten. Der Chronist nimmt sich dabei freilich die Freiheit, das Sukzessions-Schema nicht mehr in die alte Tradition einzu-
95 Auch die Übereinstimmungen zwischen Jos 1 bzw. 1Chr 22 und Ps 1 wären ausführlich zu untersuchen. Insbesondere eine Diskussion über die Frage der Abhängigkeiten der Texte, also vor allem die Frage nach linearen oder reziproken Abhängigkeiten kann an dieser Stelle die Tiefenschärfe erhöhen. Das Verhältnis der Abhängigkeit von Jos 1 und Ps 1 lässt sich hier im Detail kaum klären. Bemerkenswert ist bspw., dass Ps 1 auf je unterschiedliche Weise mit korrespondierenden Texten in Beziehung steht. Während bspw. 1Chr 22 und Ps 1 in dem Begriff תורת יהוהübereinstimmen, der sich im gesamten Josuabuch nicht findet, stimmen Ps 1 und Jos 1 in dem Meditationsauftrag הגה יומם ולילהüberein, wobei das Lexem הגהan diesen beiden Stellen exklusiv mit תורהverbunden wird. 96 Zu beachten ist hier, dass während der ספר התורהin Jos 1,8 in allen Textzeugen belegt ist, der Tora-Bezug in Jos 1,7 MT fehlt. Dazu kommt, dass mit der offenbar nachträglichen Einfügung Tora in V.7 eine Genusinkongruenz mit ממנוentstanden ist.
4.1 רות im Kontext des David-Narrativs
89
schreiben97, sondern diese als selbständiges Paradigma neu zu inszenieren. Der Zusammenhang mit der Beauftragung Josuas ist in der Exegese bereits benannt worden.98 Es ergibt sich nun in Anbetracht der Analysen Achenbachs und Frevels, die gezeigt haben, dass die Übergabe von Mose auf Josua mehrfach, besser gesagt auf unterschiedlichen redaktionellen Ebenen, geschildert wird99, die Frage, warum der Chronist gerade auf die Sukzession von Mose und Josua, wie sie in Jos 1 dargestellt ist, zurückgegriffen hat. Eine Beurteilung der literarischen Vorgeschichte des Pentateuchs schärft an dieser Stelle den Blick für die chronistische Nachgeschichte. Die Entwicklung lässt sich mit Achenbach, der vier Berufungen Josuas, gefolgt von je einem Gottesorakel, unterscheidet, wie folgt skizzieren: Während eine vor-dtr. Erzählung zunächst ohne Übergabe der Amtsgeschäfte von Mose an Josua auskam, liege die erste Berufung in einer dtr. Variante in Dtn 3,21 f ( )ואת־יהוׁשוע צויתי בעת ההואvor und folge direkt auf die Schilderung der Eroberung des Ostjordanlandes. Das Beistandsorakel JHWHs finde sich in Jos 1,1–2.5a.9* und mache die Designation rechtskräftig. Eine zweite Berufung sei auf der Ebene des Hexateuchs (Dtn 3,28 und 31,7 f) anzusetzen, nach der sich Mose mit der expliziten Beauftragung an Josua wenden solle, den Jordan zu überschreiten und dabei dem Volk voranzuziehen. Mose, der hier auf Grund seines hohen Alters die Führungsansprüche abgeben soll, „setzt Josua zur Inbesitznahme und Verteilung des Landes ein (Dtn 31,3b*.7–8, נחלhif.), besteigt den Pisga (Dtn 34,1*) und stirbt“100. Das entsprechende JHWH-Orakel sei in Jos 1,5b.6 zu finden und knüpfe an das bestehende Orakel in Jos 1,1–2.9* an und fasse „dieses als Erinnerung an die schon erfolgte Designation jenseits des Jordans auf “101. Die dritte Berufung, die Achenbach auf der Ebene der Pentateuchredaktion ansetzt, stilisiere Josua zu einem Schüler des Mose, der dauerhaft im אהל מועדverweile (Ex 33,11 sowie Dtn 31,14–27). Auf dieser Ebene würden Mose wie auch Josua jeweils zu einem עבד יהוהstilisiert. Dabei geht die Berufung mit der Toraübergabe und deren Platzierung neben der Lade sowie der Beauftragung
97 Blickt man bspw. nach 1Chr 21 sieht man, dass der Chronist andere Identitätsmuster durchaus in einer die eigene Tradition kreativ bearbeitenden Form übernimmt. Die latente Identität zwischen David und Abraham stiftet der Chronist durch subtile Veränderungen seiner Vorlage, während er das Verhältnis zwischen David und Salomo durch eine vollkommen eigenständige Story definiert. 98 Vgl. Knoppers z. St., 776. Eigenartiger Weise ist Schäfer-Lichtenberger (1997) in ihrer umfangreichen Studie zu Josua und Salomo auf diese Analogie kaum zu sprechen ge kommen. 99 Vgl. zur Begründung Achenbach 2003, 557–567 sowie Ders. 2007a, 225–253, hier: 235, Anm. 22. Vgl. auch Frevel 2000, 272–283, der ausführlich darlegt, warum Num 27,12–23 auf eine post PG Ebene anzusetzen ist. 100 Achenbach 2007, 235, Anm. 22. 101 Ebd.
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4. תהרותin der Chronik
der Leviten, die Lade zu tragen, einher (vgl. Dtn 31,9–13).102 Die vierte und letzte Beauftragung Josuas identifiziert Achenbach in Num 27,12–23103, einem Text, den er auf der Ebene der von ihm beschriebenen „Theokratischen Bearbeitung“ ansetzt.104 Entscheidend sei an dieser Stelle die Neuerung, dass Josua von Mose durch Handaufstemmung105 beauftragt und gleichzeitig dem Führungsanspruch des Hohenpriesters unterstellt werde.106 Dabei weist Achenbach auf die Aufnahme des prophetischen Wortes über das Volk hin, dass dieses „wie eine Herde ohne Hirte(n)“107 sei, womit Josua zu einer „proto-königlichen“ Gestalt stilisiert werde.108 Der Reflex auf Num 27 in Dtn 34,9 zeigt, dass die Israeliten diesen Führungsanspruch akzeptiert haben. Eigentümlicherweise bleibe die Unterordnung Josuas unter den Hohenpriester im Pentateuch ohne Konsequen zen. Erst in Jos 14,1 f sowie 19,51 sei die Realisierung dieser Beauftragung zu
102 Otto führt an dieser Stelle die Unterscheidung von Lehrtora und Prophetischer Tora ein: In Dtn 31,9–13 sei die Einsetzung des Moseliedes in Dtn 32 noch nicht vorausgesetzt und damit von der Tora im Hinblick auf die regelmäßige Verlesung im Erlassjahr die Rede (vgl. Otto z. St. 2096). S. u. „Kult-Kalender“. Mit der Einsetzung des Moseliedes werde Mose in einer späteren Entwicklung gewissermaßen zu einem Propheten avant la lettre stilisiert, sodass mithin die von diesem mitgeteilte Tora prophetische Qualität erhalte. (Vgl. zum Begriff ebd. 2097.2123.2128). 103 Achenbach 2003, 557–567 führt dabei insbesondere den Nachweis, dass der Text Dtn 32,48–52 voraussetze und nicht älter als dieser sei. 104 Vgl. Achenbach 2003, 557–628. Vgl. dazu auch Frevel 2000, 272–283. 105 Durch den Zusammenhang von Num 27,22 f und den Verzicht auf erneute Explikation des Subjekts von סמךbleibt letztlich in der Schwebe, ob Mose oder Eleasar Josua die Hände aufgestemmt hat. Otto (z. St. 501) spricht demnach zu Recht von einer suggestiven Darstellung: „Die Autoren von Num 27,12–23 haben die Unterordnung in Dtn 31 korrigiert, indem sie das politische Führungsamt nicht nur der Tora, sondern dem zadokidischen Priesteramt unterwerfen und suggerieren, nicht Mose, sondern Eleasar habe Josua die Hände aufgestemmt und ihn so in sein Amt eingesetzt.“ 106 Vgl. Achenbach 2003, 557–567. Achenbach knüpft mit seinen Beobachtungen an Frevel (2000, 72) an, der gezeigt hat, dass Num 27,12–13 nicht das Ende einer Priestergrundschrift darstellen kann, da insbesondere der Aufstiegsbefehl und der angekündigte Blick auf das Land in Num 27,12–14 nach einer Fortsetzung verlangen. (vgl. Ebd. 73). Die gesuchte Fortsetzung sieht Achenbach in der mit Num 32 einsetzenden Perspektive, die nachdem das Josuabuch bereits vom Pentateuch abgetrennt war, erneut die Perspektive der Landverteilung in den Pentateuch einträgt, wofür Achenbach das Siglum ThB I einführt (vgl. Achenbach 2003, 557). Inzwischen hat Frevel (2013, 159) erneut an dieser Stelle eingesetzt, um mit Blick auf das Verhältnis von Eleazar und Josua deutlich früher als in der hellenistischen Zeit einen politischen Führungsanspruch des Hohenpriesters zu behaupten: „[T]he priest with the highest rank has the superior political power.“ 107 Achenbach 2003, 562. 108 Das Profil der Stilisierung zur proto-königlichen Gestalt schärft sich umso mehr, wenn man den Zusammenhang mit Dtn 17,18–20 berücksichtigt und Josia als das Vorbild eines idealtypischen Königs versteht. Erstmals wird sich dieses Bild eines weisen und torafrommen Königs in den Narrativen Davids und insbesondere Salomos ergeben.
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erkennen.109 Da diese jedoch die Pentateuchredaktion bereits voraussetze, sei gleichzeitig ein Indiz dafür gewonnen, dass die Theokratische Bearbeitung auch das Josuabuch erfasst habe. Dementsprechend werde das JHWH-Orakel in Jos 1,3 f.7–9 „definitiv um die Beschreibung des Geltungsbereichs des mosaisch-josuanischen Auftrags und durch die Verknüpfung von Beistandszusage und Toratreue erweitert.“110 Genau an diesem Punkt setzt nun die Rezeption des Chronisten ein, der David zu einem zweiten Mose stilisiert und diesen die Amtsgeschäfte an Salomo übergeben lässt, wie Mose sie an Josua übergeben hatte. Dabei zeigt die Auslassung der durch das Königsgesetz vorgegebenen Begründungsfigur ( לבלתי סור מן־המצוה ימין וׂשמאולDtn 17,20), die in Jos 1,7 paränetisch aufgenommen wird ( )אל־תסור ממנו ימין וׂשמאולund dort eine eigene Begründung erhält, dass diese Abweichung für Salomo offenbar nicht vorstellbar war. Dabei wird zwar nicht berichtet, dass Salomo dem Hohenpriester untergeordnet werde, jedoch wird Zadok bezeichnenderweise genau in dem Moment, in dem Salomo zum König gesalbt wird, zum Priester gesalbt (1Chr 29,22) und mehr noch: Die Sukzession von David und Salomo wird beschrieben als ישב על כסא יהוה. Im post-salomonischen Zeitalter lässt sich dann die Suprematie des Hohenpriesters über den König sowie die Deutungshoheit über die Tora beobachten. Liest man Jos 1,7 vor dem Hintergrund des Königsgesetzes und im Hinblick auf die Nachgeschichte in 1Chr 22, fällt zusätzlich ein besonderer Umstand ins Auge, den Knauf für die chronistische Rezeption beschrieben hat, der jedoch wahrscheinlich auch im Hinblick auf die Prätexte auszuweiten ist: Der Inhalt von Josua wird von der Chr zwar unterdrückt, aber Terminologie (und Theologie) des Buches werden aufgegriffen. Jos 1 nimmt einen wichtigen Programm punkt der Chr vorweg: die Entmilitarisierung der Beziehung Israels zu seinem Land.111 109 Auf dieser Ebene setzt Achenbach ebenfalls die Beerdigung des Hohenpriesters Eleazar in Jos 24 an, die erst durch die Ergänzungen der ThB narartologisch notwendig geworden war. 110 Achenbach 2007a, 235, Anm. 22. Jüngst hat Krause den Kapitelbereich Jos 1–6 gründlich untersucht und gegen die weit verbreitete Annahme des sekundären Charakters von Jos 1,7–9 versucht, an der Zugehörigkeit zur Grundschrift des Josuabuches festzuhalten. Dabei weist er zunächst mit veritablen Gründen nach, dass die gängigen Bruchlinien des Mikrokontextes, insbesondere die Dublette חזק ואמץnicht notwendiger Weise eine literarkritische Scheidung evozieren, wenn man die Formel zum Leitwort (Jos 1,6.7.9.18) umversteht. Weiterhin unternimmt Krause dann einen klassischen rezeptionsästhetischen Versuch, wenn er versucht, das mit der Zuweisung von Jos 1,7–9 zur Grundschicht ausgelöste „Torabuch-Schweigen“ (Ebd. 92) als eine Pointe der dtr. Erzählung auszuweisen und damit die Unbestimmtheitsstelle zum beredeten Schweigen erklärt. Die Annahme bleibt jedoch mehr Erklärungen schuldig als sie liefert. So stellt sich bspw. die Frage, wie sich die Bezugnahmen auf die Tora ohne ( ספר1Kön 2,3; 2Kön 10,31; 17,13.34.37; 21,8) mit dieser These vereinbaren lassen. 111 Knauf z. St., 41. Dies zeigt insbesondere 1Chr 22,13 an, wo Salomo zu Stärke, Mut und Furchtlosigkeit nicht im Hinblick auf die Kriegsführung, sondern auf das Halten der חקיםund משפטיםund animiert wird. l
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Die Programmatik der Entmilitarisierung zieht sich – was die zahlreichen Kriegstexte der Chronik nur deutlicher machen – durch das Salomo-Narrativ und bringt diesen König der Erfüllung des dtr. Königsgesetzes am nächsten.112 Damit soll an dieser Stelle keinesfalls behauptet werden, dass der Chronist diese literaturgeschichtliche Entwicklung explizit präsupponiert oder reflektiert. Es soll jedoch gezeigt werden, dass der Chronist seine Darstellung innerhalb eines bestimmten Diskurses schreibt, der zu den ideologischen Eigenarten einer buchübergreifenden Bearbeitungsschicht, nämlich der ThB, passt, die sich in zeitlicher Nähe abspielt und den Horizont des Chronisten darstellt. Der Chronist knüpft mit seiner historiographischen Neufassung des unter David und Salomo entstehenden Königtums an ein Modell der Beschreibung von Herrschaft an, das in der spätesten Entwicklung des Pentateuchs etabliert wurde und dessen Potenzial durch den Chronisten weiter ausgearbeitet wird. Die literarische Technik der archetypischen Stilisierung wird auch in anderen Darstellungen wie bspw. in 1Chr 21 zur präferierten Methode. „Zurück zu Mose und Josua!“ lautet also der indirekt an den ersten beiden Königen Israels demonstrierte Wahlspruch. Unweigerlich kommt die Frage auf, aus welchem Quell sich dieses Motto speist. Gewiss kommen mehrere Quellen in Betracht, was durch die prototypisch-pluriforme Stili sierung der Figuren evident ist. Aus der chronographischen Perspektive drängt sich der erzählerische Versuch einer Bewältigung der Richterzeit auf: Besonderes Kennzeichen der Richterzeit ist es, nicht mehr über Führungsgestalten wie Mose und Josua zu verfügen.113 Gilmayr weist bspw. auf die fehlende Nachhaltigkeit im Sinne einer über ihre eigene Lebenszeit hinausweisende Wirksamkeit der Richter hin.114 Auch ist kaum etwas so auffällig, wie das die gesamte Richterzeit andauernde „Torabuch-Schweigen“ (Krause)115, das in der Chronik mit der Übernahme der Regierung Davids alsbald ein Ende hat.116 Berücksichtigt man zudem, dass der sekundär an das Ruth-Buch angefügte genealogische Ursprung Davids117 (Ru 4,17–22) in der Chronik wieder aufgenommen wird (1Chr 2,4–15)118, zeichnet sich durch den Rekurs auf die Richterzeit in Ru 1,1 die 112 Durchgängig weist der nicht-militärische Gebrauch des Verbums חזקdie Orientierung am Kult und dem zugehörigen göttlichen Gesetz aus: vgl. 2Chr 15,7 f; 2Chr 16,9; 2Chr 19,11; 2Chr 23,1; 2Chr 25,3; 2Chr 27,6; 2Chr 29,34; 2Chr 31,4! (vgl. 1Chr 28,7); 2Chr 35,2. 113 Vgl. Gillmayr-Bucher 2013, 264. 114 Vgl. Ebd. 115 Zur Kritik an diesem Begriff s. o. Anm. 110. 116 In der rezenten Forschung wird die Schnittstelle zwischen dem Richterbuch und der Chronik zwar erahnt (vgl. bspw. Knoppers 2006b, 187–213, hier 190 oder Giffone 2016, 190), systematisch wäre diese Lesart jedoch noch zu entfalten. 117 Die Einbettung Davids in die judäische Genealogie ist Folge einer Verlegenheitslösung, durch die Obed, der Vaters Isais zu einem judäischen Nachfahren des Perez und Großvater Davids gemacht wird. 118 Der Zusammenhang verdichtet sich noch, wenn man berücksichtigt, dass in der Forschung auch erwogen wird, dass die Chronik erst sek. um 1Chr 1 ergänzt wurde. Ru 4,17–22 wäre demnach noch mit dem Ziel verfasst, die Lücke zwischen Ri 21,25 und 1Chr 2,1 narrativ zu
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literarische Schnittstelle von Richter- und Chronikbuch deutlich ab. Am Ende des Richterbuches wird die Forderung nach einem König laut. Am Ende des Ruth-Buches wird ein eigens re-judaisierter König angeboten. Die Chronikbücher setzen dementsprechend organisch genau an diesem Punkt den Erzählfaden fort. Selbst die Desavouierung des Stammes Benjamin und der in der Exegese immer schon als abrupt empfundene Auftakt – das Versagen Sauls – erhellen sich vor diesem Hintergrund. Und auch die Weitergabe der Tora zwischen den Regenten (Mose-Josua; David-Salomo) wird vor diesem Hintergrund zur Bedingung einer heilen Gottesbeziehung.
Als weiteres Gestaltungsmuster innerhalb von 1Chr 22 zeichnet sich eine chiastische Struktur mit Zentralstellung119 der Tora ab. V.1 Dies ist das Haus des Herrn V.2–4 Vorbereitungen durch David: Material & Arbeiter V. 5–6 Zuwendung zu Salomo V. 7 Es lag mir am Herzen V. 8 Blut vergossen V. 9 f Salomo, „Mann der Ruhe“ // 1Chr 28,28,2 „Haus der Ruhe“ V. 10 JHWH sei mit dir! Bau des Hauses wird Dir gelingen wenn: V.12–13 Einschwören auf die Tora V.14–16 Arbeitsmaterialien, JHWH sei mit dir! V.18a Ist nicht JHWH, euer Gott mit euch und hat er nicht Ruhe gegeben ringsum? V.18b Denn er hat die Bewohner des Landes in meine Hand gegeben und das Land wurde vor dem Herrn und seinem Volk unterworfen. V. 19 So richtet nun euer Herz und euren Sinn darauf, den Herrn, euren Gott zu suchen,. Und macht euch auf und baut das Heiligtum des Herrn, Gottes… Die Treue der Könige Judas zur Tora wird dann in den Chronikbüchern stets an der Umsetzung innerhalb der Narrative Davids und Salomos gemessen. Dort füllen. Letztlich ist die literarhistorische Beurteilung von 1Chr 1 für diesen Konnex jedoch unerheblich, da für die Überbrückung von Richter- und chronistische Königszeit natürlich die Begründung der judäischen Regentschaft (1Chr 2) von Bedeutung ist und auf Adam hin (1Chr 1,1) erzähllogisch kaum eine Aufarbeitung der Vorgeschichte möglich ist. 119 Der Chiasmus als gestalterisches Mittel der Chronik ist ausführlich zuerst von Kalimi (1995b) beschrieben worden. Auch Sparks (2008) hat dieses Stilmittel im Bereich der Genealogien als dozierendes Element hervorgehoben. Ebenso zeigt Knoppers in seiner Kommentierung eine Fülle von Chiasmen an. Auch wenn die gestalttheroetische Versuchung groß ist, alle möglichen Befunde chiastisch zu gruppieren, scheint die Chronik mit diesem Stilmittel tatsächlich in auffällig hohem Maß gespielt zu haben.
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drängt sie, wie an ihrer Zentralstellung in der Episode der Vorbereitung des Tempels zu erkennen ist, als ideelle Größe zur Verwirklichung. Ihre Projektion in die Königszeit Davids und Salomos hat eine pragmatische Handlungsimplikation. Gültigkeit, das werden wir im Folgenden sehen, hat sie dabei nur für Juda, wobei ihre Bekanntheit offenbar auch über die Grenzen des judäischen Königtums reicht, wie sich insbesondere in der Darstellung Churams und der Königin von Saba zeigen wird. Dass sich Davids Wunsch nach Einsicht und Verstand im Hinblick auf seinen Sohn Salomo wirklich erfüllt hat, erfährt der Leser der Chronik überraschenderweise in 2Chr 2,11 aus dem Mund des Churam von Tyros. In Aufnahme einer Doxologie, wie sie sich bspw. in Ps 41,14 und 106,48 (// 1Chr 16,36) unter auffälliger Vorwegnahme von 2Chr 6,4 (// 1Kön 8,15) findet, lobt Churam den Gott Israels. Der ausländische König „zeigt dabei eine seltsame Kenntnis des pentateuchischen Priesterkodex“120 und weist sich damit selbst als authentischen Sachverständigen in israelitischen Kultfragen aus. Dies ist gerade vor dem Hintergrund besonders augenfällig, dass die Bemerkung Churams, wie Williamson feststellt, „the only occurrence in the whole of Chronicles of an explicit statement that God is the creator“121 ist. Erstaunlicherweise zitiert Churam hier als einziger ausländischer Herrscher das uranogeo-poietische Theologumenon: ( יהוה אלהי יׂשראל אׁשר עׂשה את־הׁשמים ואת־הארץvgl. bspw. Gen 2,4b; Ex 20,11; 31,17; 2Kön 19,15; 2Chr 2,11; Jes 37,16; Jer 32,17; Hag 2,21; Ps 121,2). Dieses in der Doxologie enthaltene Credo ähnelt dem Bekenntnis des Kyros zum Gott des Himmels (2Chr 36,23//Esr 1,2; Esr 6,10). Während also in der Chronik – wie anhand von 2Chr 17,7–9 noch zu zeigen sein wird – in Sachen Tora-Lehre offenbar ein strikt auf Juda begrenzter Partikularismus vertreten wird, öffnet sich hier trotz des in 2Chr 17 eingezogenen tora-katechetischen Limes122 die monotheistische Perspektive eines über Juda hinausweisenden Universalismus.
Umso mehr kann der Leser seinem Urteil Glauben schenken, dass Davids Wunsch nach Einsicht und Verstand Salomos, der eng mit der Tora-Observanz korreliert war, sich inzwischen erfüllt hat. Dass zudem Churam auch weiterhin aus der Tora heraus legitimiert werden soll, ergibt sich im genaueren Hinblick auf 2Chr 2. Aus dem Sachverhalt, dass die miteinander korrespondierenden Texte gleichermaßen ohne Parallelstelle in 1Kön sind und auf unterschiedliche Weise über Referenzen in den Pentateuch miteinander in Verbindung stehen, ergibt sich nun für die Beurteilung der Frage nach der Rezeption der Tora in der Chronik erneut die methodische Notwendigkeit, die Hermeneutik der Rezeption über Korrelation von Texturen und Topoi zu entfalten, also im jeweiligen Nahkontext Motive der 120 Wellhausen 1927, 179. 121 Williamson (z. St., 200). 122 Vgl. dazu unten die Analyse zum Jehoshaphat-Narrativ.
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Rezeption aufzuspüren und deren Verkettung innerhalb der Chronik nachzuzeichnen. Die Übernahme des Motivs fortwährenden Torastudiums ist auch von Ps 1 aufgenommen. Da diese Rezeption jedoch wahrscheinlich nach 1Chr 22,12 f anzusetzen ist und damit zur Nachgeschichte der Tora-Rezeption in der Chronik gehört, klammere ich eine genauere Verhältnisbestimmung in dieser Untersuchung aus.123 Im Hinblick auf die Tora-Observanz Davids bleibt festzuhalten, dass diese gänzlich anders geschildet wird, als es bspw. in CD 5,2–5 der Fall ist: … ודויד לא קרא בספר התורה החתום אשר2 היה בארון כי לא נפתח בישראל מיום מות אלעזר3 ויטמון. ויהושע ויושו֑ע֑ והזקנים אשר עבדו את העשתרת4 נגלה עד עמוד צדוק5 l
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David aber las nicht in dem versiegelten Buch der Tora, 3 das in der Lade war, denn es wurde in Israel nicht mehr geöffnet seit dem Tod Elasars 4 und Jehoshua und Joshua und die Ältesten, die den Astarten dienten. Sie hielten das öffentliche Buch versteckt, 5 bis Zadok124 eingesetzt wurde.
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In der Chronik wird ein genau gegenteiliges Bild gezeichnet. Es ist keine Rede davon, dass die Tora in der Lade aufbewahrt wird. Die Lade beinhaltet nichts als die zwei Tafeln, die Mose am Horeb hineingelegt hatte.125 David handelt von Beginn an exklusiv nach den Regelungen der Tora und kann diese ohne Weiteres wiedergeben. Gleichzeitig schwört er seinen Sohn explizit wie in-explizit auf die Toraobservanz ein. Die Zentralstellung der Toraobservanz wird sich dementsprechend im Salomo-Narrativ fortsetzen und das kultische Gesetz avanciert zur Legitimationsurkunde für die Ausübung der weltlichen Regentschaft. David und Salomo erfüllen also in gewisser Hinsicht genau das Idealbild des dtr. Königsgesetzes (vgl. Dtn 17,14–20).126 Dabei ist jedoch explizit nur die Tora-Observanz im Blick, nicht aber die Vv.16 f. Der Chronist scheint demnach dem Ideal des Königsgesetzes nur teilweise zu folgen. 123 Vgl. dazu mit guten Gründen Kratz 1996, 7. Der Gerechte in Ps 1 träte demnach nicht nur an die Stelle Josuas, sondern auch an die Stelle der durch die Chronik idealisierten Könige Davids und Salomos. Im Hinblick auf die literaturgeschichtliche Beurteilung von Ps 1–2 besteht in der Forschung gegenwärtig weitgehend Konsens darüber, dass diese dem Psalter als Proömium vorangestellt worden sind. Dabei stiftet insbesondere die Aufnahme des אׁשרי־האיׁש (Ps 1,1) durch das ( אׁשרי כל־חוסי בוPs 2,12) einen Grundpfeiler der Argumentation. Vgl. zur Diskussion: Janowski 2008b, 199–218 sowie Anm. 1, Lit!. 124 Die Identifikation des hier genannten Zadoks ist umstritten. Es handelt sich jedoch offenbar nicht um den unter Salomo amtierenden Priester, auch nicht um den in 1Chr 15,11 bzw. 16,39 erwähnten. Zahlreiche Forscher sind der Auffassung, dass es sich eher um den Lehrer der Gerechtigkeit selbst handeln könnte. (Vgl. zur Diskussion Schremer 2001, 109 f, sowie Anm. 16, Lit!). 125 2Chr 5,10 knüpft hier an die Vorstellung von Dtn 10,5 an. 126 Die chronistische Gesellschaftsform ist gewissermaßen nach dem Prinzip: Le Dieu règne, mais il ne gouverne pas, oder präzsier: Le roi gouverne, mais il ne règne pas organisiert. Die Rede Abijas in 2Chr 13 bringt diesen Gedanken durch die Verbindung des Königtums Davids (V.5) und des Königtums JHWHs (V.8) am deutlichsten zum Ausdruck.
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Exkurs – Zur Rezeption des Königsgesetzes (Dtn 17,14–20) in der Chronik Die Frage nach der Rezeption des Königsgesetzes in der Chronik liefert einen entscheidenden Indikator zur Evaluation der gesamten Tora-Rezeption. Innerhalb des Pentateuchs, der Erzählfiktion nach eine Zeit ohne eigenen König über Israel, sticht das Königsgesetz als einzige explizite Anweisung für einen König heraus. Dabei ist besonders auffällig, dass gerade innerhalb des sog. DtrG auf das Königsgesetz kein expliziter Bezug genommen wird.127 Zur Erklärung dieses Textes findet sich in der Forschung ein breites Spektrum an Deutungen, die von einer Datierung in die vor-exilische Zeit über eine literarkritisch differenzierte Datierung, teils vor-exilisch, teils nachexilisch, bis hin zur einheitlichen Datierung in die nachexilische Epoche reichen.128 Liest man Dtn 17,14–20 aus der Rezeptionsperspektive der Chronik ergibt sich zunächst ein disparater Eindruck. Wie soeben gezeigt, ist im Hinblick auf die Vv.18–20 eine über Jos 1,7 f und 1Chr 22,11–13 vermittelte Rezeptionsperspektive angelegt, die schon David und Salomo zu Königen im Sinne des Königsgesetzes stilisieren.129 Insbesondere auch für Jehoshaphat und Josia wird sich eine Beförderung der Tora im Sinne des Königsgesetzes erneut ergeben.130 Im Hinblick auf den Tora-Gehorsam der zumindest phasenweise positiv evaluierten Könige kann also die Rezeption des Königsgesetzes angenommen werden. Auch im Hinblick auf den Auftrag, einen König einzusetzen, den JHWH selbst erwählen werde (ׂשום תׂשים עליך מלך אׁשר יבחר יהוה אלהיך בו, Dtn 17,15), ergibt sich durch 1Chr 29,1 und die damit gegenüber der Vorlage verbundene Tilgung der Intrige Batsebas eine Rezeptionsperspektive. Der gegenüber dem DtrG kontrastive Gedanke göttlicher Erwählung eines Königs ( )בחרaus der Mitte seiner Brüder stellt hier die neugeschaffene Verbindung zwischen Dtn 17,14–20 und der Chronik dar. Gleichwohl ergibt sich im Hinblick auf die Vv.15 f ein anderes Bild der Rezeption. Die Verbote, der König solle nicht viele Pferde halten, das Volk nicht wieder nach Ägypten zurückführen, um sich viele Pferde zu verschaffen, er solle sich nicht viele Frauen nehmen und sich auch Gold und Silber nicht allzu zahlreich verschaffen, scheinen in der Chronik weniger deutlich rezipiert, ja teilweise sogar ganz ignoriert worden zu sein. Es bedarf deshalb eines genaueren Blicks auf die drei Themen: Pferde, Frauen und Reichtum, um genauere Aussagen über die Rezeption treffen zu können. Sowohl für die Beurteilung des „Pferde-“ als auch des „Frauen-Verbots“ ergibt sich die Perspektive, dass in Dtn 17,15 in beiden Fällen die Präsupposition des Konsekutivsatzes durch den Leser explizit zu machen ist. Das bedeutet, dass in der parallelen Abfolge der … ולא … לא-Syntax das „ “וim Sinne von ut non zu übersetzen ist.131 Demnach sind zu 127 Dieser Umstand hat in jüngerer Zeit zu der Deutung herausgefordert, dass Dtn 17,14–20 gegenüber dem DtrG als vollständig sekundär einzustufen seien. Vgl. Achenbach 2009b. 128 Vgl. zur Diskussion Müller 2004, 199–206 sowie neuerdings die ausführliche Darbietung der Forschungsgeschichte zu den Ämtergesetzen bei Otto 2016, 1439–1446. Vgl. zum Königsgesetz ebd. 1453–1456. 129 Vgl. Rudolph z. St. 130 Vgl. dazu unten die Ausführung zu den Narrativen Jehoshaphats und Josias sowie auch Tiňo 2010, 100 f. 131 Vgl. Muraoka 1996, § 117j.
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mindest die ersten beiden Prohibitive nicht absolut, sondern stets im Hinblick auf das hintergründige Problem zu verstehen, das sie vermeiden wollen. Im Falle der Pferde die Rückkehr nach Ägypten, im Falle der Frauen die Apostasie132. Der Hintergrund der Chrematophobie in V.17 ist hingegen deutungsoffener und abhängig davon, welche Referenztexte anzunehmen sind, kotextuell naheliegend wäre es, hier einen Chiasmus anzunehmen, dessen Mitte das Abweichen bildet, das durch Polygamie wie Reichtum gleichermaßen verursacht werden kann.133 Auch die gleich dreifach verwendete, indefinite Angabe mit רבהevoziert drei Unbestimmtheitsstellen, wonach nicht ganz deutlich ist, ob es an dieser Stelle um absolute militärische, sexuelle und wirtschaftliche Impotenz als solche geht, oder nicht nach einer hintergründigeren Intention zu fragen ist. Im Sinne der teleologischen Rechtsauslegung hätten dem Chronisten demnach weder der Besitz vieler Pferde noch die Heirat vieler Frauen als mit dem Königsgesetz konfligierend erscheinen müssen. Eine Sichtung des Befundes führt zu dem Eindruck, dass der Chronist in eben diesem Sinne, i. e. seiner Intention nach, das Königsgesetz rezipiert. Die Evidenzen sind nun zu prüfen. a) Das Thema von Pferden im Besitz der Könige findet sich explizit nur in 2Chr 1,16 f; 9,24 f 134 In 2Chr 1,14–17 findet sich eine Referenz auf Pferde aus Ägypten, die für Salomo bestimmt sind. Der Abschnitt hat nicht nur eine Parallele in 1Kön 10,26–29, sondern auch in 1Chr 9,25–28. Demnach ist die chronistische Dublette über Salomos Pferde offenbar bewusst rahmend um das Salomo-Narrativ gelegt worden, um die ökonomische und militärische Stärke Salomos besonders hervorzuheben.135 Im Hinblick auf Dtn 17,16 ist es nicht gänzlich einsichtig, ob das Gesetz hier bewusst nicht zur Anwendung gebracht wird, oder ob für den Chronisten an dieser Stelle keine konfligierende Position vorlag. b) Das Thema Frauen findet sich in: 1Chr 14,3 // 2Sam 5,13; 8,11; 11,18.23; 13,21; 24,3 Nachdem schon in 1Chr 3,1–3 mehrere Frauen Davids aufgelistet wurden, findet sich in 1Chr 14,3 eine Parallele zu 2Sam 5,13, wonach David sich nach der Eroberung Jerusalems dort weitere Frauen genommen und mit diesen weitere Söhne und Töchter gezeugt habe. Auch an dieser Stelle muss nicht notwendigerweise ein Konflikt mit dem Königsgesetz angenommen werden. Auffälliger als die Erwähnung mehrerer Frauen ist nämlich die vollständige Tilgung der Bathseba-Figur. Anzunehmen ist demnach, dass der Chronist die Auffassung durchaus teilt, dass Frauen, die schädigenden Einfluss auf 132 Das Motiv des abweichenden Herzens סור לבבdas durch die elliptische Kürze der Phrase die Frage offen lässt, wovon nicht abgewichen werden soll, ist über den Kotext in V.20 mit der תורהund über die kontextuelle Ferndeixis mit Dtn 11,16 in Verbindung zu bringen, sodass deutlich ist, dass es der Gott Israels und dessen Weisung ist, von dem es nicht abzuweichen gilt. 133 Eine Auflistung verschiedener in der Forschung vorgeschlagener Referenztexte bietet Otto z. St., 1484–1486. 134 Pferde werden weiterhin in 2Chr 23,15; 25,28 erwähnt. In 2Chr 23 ist die Rede vom RossTor (שער הסוסים, Vgl. Neh 3,28; Jer 31,40). In 2Chr 25,28 wird erzählt, dass der tote Amazja mit einem Pferd zur Grabstätte seiner Vorfahren gebracht wird. In beiden Fällen besteht kein Zusammenhang mit Dtn 17,16. 135 Vgl. dazu Kalimi 2005, 297.
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die Lebensführung des Königs nehmen, kein Platz mehr in der Geschichte gebührt, dass jedoch gegen die schlichte Mehrzahl noch nichts einzuwenden ist. Das bedeutet, dass der Chronist, auch wenn er vordergründig von den Vorgaben des Königsgesetzes abweicht, er es im Sinne einer teleologischen Deutung durchaus noch als befolgt ansehen kann. Dass von den Frauen des Königs die Gefahr einer Verunreinigung des Kultes ausgeht, ergibt sich auch aus 2Chr 8,11, wo Salomo formuliert: לא־תׁשב אׁשה לי בבית דויד מלך־יׂשראל כי־קדׁש המה. Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang, dass durch die vollständige Auslassung des Kapitels 1Kön 11 in der Chronik keine Spur mehr von Salomos Polygamie und der damit verbundenen Apostasie zu finden ist. Der Chronist scheint mit dieser Tilgung also sehr wohl im Sinne des Königsgesetzes zu handeln. Erstmals bei König Rehabeam kommt es zu einem unzweifelhaften Widerspruch gegen Dtn 17,17. In 2Chr 12,21 wird berichtet, dass er 18 Frauen und 60 Nebenfrauen nahm. Dabei deckt sich dieser Sachverhalt, insofern Rehabeam der erste König ist, von dem erzählt wird, dass er die Tora JHWHs verlässt ()עזב את תורת יהוה, mit dem Verbot des Königsgesetzes. Die Regierungszeit Rehabeams wird durch den Chronisten in zwei Epochen eingeteilt. V.17 berichtet davon, dass Rehabeam drei Jahre auf den Wegen der Könige David und Salomo wandelt und das Königtum festigt. Die Vv.18–23 scheinen dann eine Art Übergang darzustellen, währenddessen Rehabeam nicht nur sich, sondern auch seinen Söhnen viele Frauen verschafft. Diese Erzählfolge, die nur in der Chronik besteht, legt den Schluss nahe, dass auf die Festigung des Königtums der Niedergang folgt und dieser symptomatisch durch die Polygamie ausgedrückt wird. 2Chr 12,1 ist demnach als zäsurierende Dokumentation dieses Niedergangs zu verstehen, der sich offenbar während zweier Jahre vollzogen hat. Das Lexem חזקin V.1 knüpft dabei an das חזקin 2Chr 11,17 an und schließt damit den in den Vv. 2Chr 11,18–23 beschriebenen Sachverhalt in das Verlassen der Tora ein. In V.2 heißt es dann, dass Schischak gegen Rehabeam und Jerusalem im fünften Regierungsjahr zu Felde zieht, sodass hier schon die auf den Abfall von der Tora folgende Konsequenz erzählt wird. Blickt man nach 2Chr 13, so fällt auf, dass der in 2Chr 11,23 erzählte Vorgang, Rehabeam habe seinen Söhnen viele Frauen verschafft, offenbar keinen erzählerischen Reflex in dieser Episode hat. Nicht Rehabeam verschafft Abija viele Frauen, sondern dieser verschafft sie sich selbst und zwar ähnlich seinem Vater offenbar auch, nachdem er sein Königtum gefestigt hatte. In 2Chr 13,21 endet die Abija-Episode mit dessen Sieg über Jerobeam. Jerobeam stirbt, während Abija mächtig wird ( )חזקund sich vierzehn Frauen nimmt ()ויׂשא־לו נׁשים ארבע עׂשרה. Ganz unabhängig vom Darstellungszusammenhäng stellt sich hier die Frage, ob 14 Frauen im Sinne des Königsgesetzes schon viele ( )רבהsind. Mal angenommen, dass dies der Fall ist, stellte sich weiterhin die Frage, ob damit dann ein Verstoß gegen Dtn 17,17 vorläge. Dabei ist nun zu berücksichtigen, dass es dort darum geht, dass das Herz nicht abweichen soll ()לא יסור לבב. Genau diese Gefahr ist jedoch gerade für Abija, der sich soeben auf herausragende Weise für JHWH, die Priester und die Leviten ereifert hat, ausgeschlossen (vgl. 2Chr 13,4–12). Mit Blick auf das Königsgesetz scheint hier also gerade der Umkehrschluss möglich. Dem frommen und treuen König gereichen viele Frauen nicht zum Problem, er darf sich an ihnen erfreuen und mit ihnen – von Gott mit Fruchtbarkeit gesegnet – für den Fortbestand seiner Dynastie sorgen. Letztlich ist der Sachverhalt an dieser Stelle schwierig einzuschätzen, da Abija in V.22 f abrupt stirbt und eine Evaluation seiner letzten Regierungsjahre ausbleibt.
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Kontrastiv ist demgegenüber die Episode in 2Chr 21 strukturiert. Joram, so heißt es hier, erhebt sich gegen das Königshaus seines Vaters (V.4) Dementsprechend wird er zu einem Epigonen Ahabs stilisiert, der überdies mit dessen Tochter verheiratet ist. Dementsprechend folgt er nicht mehr dem Beispiel der glorreichen Könige Jehoshaphat und Asa. Genau um dieses Vergehen klagt der Prophet Elia Abija an und verheißt ihm eine große Plage, in der seine Frau und seine Söhne umkommen würden. An dieser Stelle wird ganz deutlich, dass Joram auf den Wegen der Könige Israels geht, d. h. das Böse in den Augen JHWHs tut ()יהוה ויעׂש הרע בעיני, weil er mit Ahabs Tochter liiert ist. Die Strafe trifft deshalb auch dessen Frau bzw. dessen Frauen (V.17) sowie seine Söhne und eben nicht, wie in Chr 21,14 berichtet, das Volk. In 2Chr 24,2–4 hat Dtn 17,17 möglicherweise einen direkten Reflex hinterlassen. Hier heißt es: „2 Und Joash tat das Rechte in den Augen JHWHs, solange Jojada, der Priester, lebte. 3 Und Jojada gab ihm zwei Frauen und er zeugte Söhne und Töchter. 4 Und danach lag es Jojada am Herzen, das Haus JHWHs zu erneuern.“ Offenbar, so zeigt es die kultische Rahmung an, steht Jojadas Übergabe der beiden Frauen in einem direkten Zusammenhang mit den kultischen Bemühungen Joaschs. Das fromme Herz des Königs steht dem Motiv des abweichenden Herzens aus Dtn 17,17 diametral gegenüber. Ebenso erhält der König hier keine Vielzahl von Frauen, sondern genau zwei, wobei die Vv.3 f gegenüber der Vorlage eine Hinzufügung darstellen. Der Chronist könnte die Episode an dieser Stelle also bewusst im Hinblick auf das Königsgesetz akzentuiert haben.136 c) Der Befund für den Besitz von Gold und Silber ist relativ umfassend (1Chr 18,10–11; 22,14.16; 28,14–17; 29,2–5.7; 2Chr 1,15; 2,6.13; 5,1; 9,14.20–21.24; 15,18; 16,2–3; 21,3; 24,14; 25,24; 32,27; 36,3), jedoch verhältnismäßig eindeutig auszuwerten. Für die Narrative Davids und Salomos, d. h. die Befunde in 1Chr 18–2Chr 9, gilt, dass beide Könige ihren Reichtum durchgängig dazu verwenden, den Kult und Tempel JHWHs zu befördern. Dabei wird insbesondere David in 1Chr 28 f zu einem großzügigen Sponsor gemacht, der den Bau des Tempels durch die Bereitstellung edelster Materialien initiiert. Dasselbe gilt für Salomo, wobei der Besuch der Königin von Saba in 2Chr 9 und die in diesem Kapitel beschriebene Prosperität hinwiederum die Folge der Beförderung des Kultes sind. Die Königin übergibt Salomo dementsprechend nicht nur Gold und Edelsteine, sondern bekennt sich ebenso zu JHWH und dessen Liebe zu seinem Volk Israel. Die Beförderung des JHWH-Glaubens durch finanzielle Ressourcen ist in diesem Fall dann die Grundlage für Salomos Reichtum. Auch Asa befördert den Tempel durch die Investition eigenen Reichtums. In 2Chr 15,18 erfahren wir, dass er nicht nur seinen eigenen Besitz, sondern auch das Erbe seines Vaters Abija in den Tempel bringt. Einen besonderen Fall stellt 2Chr 32,27 dar, wo davon erzählt wird, dass Hiskia sich Schatzkammern ( )אצרותfür all seinen Reichtum anlegt. Diesem Ereignis geht eine schwere Krankheit Hiskias und hochmütiges Verhalten gegenüber JHWH voraus. In diesem Zusammenhang wird Hiskia, ähnlich wie schon David in 1Chr 21, zu einem reumütigen Sünder stilisiert, der durch Selbstdemütigung den Zorn Gottes ( )קצף יהוהvon seinem Volk abzuwenden vermag. Genau auf diesen Bußvorgang hin wird Hiskia großer Reichtum zuteil. Der Chronist dreht an dieser Stelle die Hermeneutik des Königsgesetzes also gerade um: Nicht lässt sich Hiskia durch Reichtum zum Abfall verführen, sondern 136 Vgl. bspw. Rudolph und Klein jeweils z. St.
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erst durch einen Bußvorgang und die erneute Hinwendung zu Gott wird ihm Reichtum überhaupt erst möglich. Vor dem Hintergrund der Chronik ergibt sich also der Eindruck, dass die Frage nach der Rezeption von Dtn 17,14–20 weder umfänglich zu bestätigen, noch zu negieren ist. Es finden sich insbesondere im Hinblick auf den Tora-Gehorsam eindeutige Tendenzen, die eine Rezeption des Königsgesetzes wahrscheinlich machen. Daneben finden sich jedoch einige Passagen, wonach Könige, insbesondere Salomo, im Besitz vieler Pferde sind und zudem in polygamen Verhältnissen leben. Für diese Passagen stellt sich dann im Detail die Frage, ob hier jeweils ein flagranter Verstoß gegen das Königsgesetz vorliegt, bzw. ob der Chronist dieses Gesetz bisweilen unberücksichtigt gelassen hat, wobei ebenso die Absicht des Chronisten zu berücksichtigen ist, d. h. ob er einen König positiv oder negativ evaluieren will. Die Antwort auf dieser Frage hängt mit der Einschätzung der Syntax des Königsgesetzes selbst zusammen. Es scheint, als ergebe sich neben dem absoluten Verbot, viele Pferde, Frauen und viel Reichtum zu besitzen, auch die konsekutive Lesart, wonach diese Verbote jeweils vor einem bestimmten Hintergrund entfaltet und damit relativiert werden. Unterstellt man, dass der Chronist einer teleologischen Auslegung des Königsgesetzes folgt, lassen sich nicht nur die evidenten Befunde der Erzählungen von königlichem Tora-Gehorsam, sondern auch die vermeintlich konfligierenden Aussagen über Pferdebesitz und Polygamie mit dem Modell einer stringenten Rezeption in Einklang bringen. Dabei ist im Hinblick auf den Umfang des Königsgesetzes noch ein zweiter Punkt zu berücksichtigen: Wenn Dtn 17,4–20 ein Reflex auf die komplexen Verhältnisse insbesondere in 1Sam 8,1–10.(11–17).18–22*; 10,17–27* sowie auch die gesamte Darstellung in Sam / Kön sein sollten137, hätte man die falsche Erwartung an eine Rezeption in Chr, wenn man annähme, dass diese sich dort weniger komplex – sei es observant, sei es deviant, entfaltete. An dieser Stelle muss also über die reine Semantik hinaus undbedingt auch die Pragmatik der Rezeption im Blick behalten werden.
4.2 תורהim Kontext des Salomo-Narrativs 4.2.1 Gliederung 1 – Salomo in Gibeon 2 – Salomos Vertrag mit Churam von Damaskus 3–5 – Tempelbau 6–7 – Tempeleinweihung und Gebet 8 – Weitere Baumaßnahmen und Kultordnungen Salomos 9 – Die Königin von Saba bei Salomo
137 Zur Diskussion vgl. Otto 2016, 1453–1456 sowie 1480–1489.
4.2 רות im Kontext des Salomo-Narrativs
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Auch wenn die Figur König Davids und die Begründung seiner Königsdynastie in der Chronik den größten Raum einnimmt, wird im Salomo-Narrativ am deutlichsten sichtbar, wie der Chronist sich die Ausübung der Königsherrschaft vorstellt. Salomo wird hier programmatisch zu einem friedfertigen und torafrommen König stilisiert. Ohne Nachfolgestreitigkeiten kommt er auf den Thron und bringt unmittelbar nach Übernahme der Herrschaft das der Vorlage (1Kön 3,4) geschuldete Opfer in Gibeon dar. Soeben haben wir gesehen, wie aufwendig der Chronist dieses Opfer dort vorbereitet. Dabei wird die in 1Chr 16,39 vorbereitete Aufteilung von Lade- und Zeltheiligtum hier nun zur regelrechten Notwendigkeit für das Opfer in Gibeon. Erzählstrategie und Erzählung des Chronisten befinden sich mit der Situierung des אהל מועדin Gibeon in einem Begründungszirkel. In 2Chr 1,3 f wird dieser Sachverhalt noch einmal rekapituliert. Von Salomo heißt es: וילכו ׁשלמה וכל־הקהל עמו לבמה אׁשר בגבעון כי־ׁשם היה אהל מועד. Der Chronist zeigt wie selbst verständlich die Notwendigkeit Salomos auf, der sein erstes Opfer als König darbringen will und anlässlich dessen nach Gibeon gehen muss.138 Dabei orientiert sich der Chronist an dieser Stelle weniger an der im Folgenden dominierenden מקום-Theologie, als vielmehr an einer Zelt-Theologie, wie sie in Lev 17,3 f vertreten wird. Dort heißt es: Jedem aus dem Haus Israels, der ein Rind oder ein Schaf oder eine Ziege im Lager oder außerhalb des Lagers schlachtet und es nicht an den Eingang des Begegnungszeltes bringt, um es dort als Opfer für JHWH vor der Wohnung JHWHs darzubringen, wird es als Blutschuld angerechnet. Blut hat er vergossen und er soll aus seinem Volk getilgt werden.
Die Vorstellung, dass das Zeltheiligtum den zentralen Ort der Darbringung von Opfern darstellt, übernimmt der Chronist ganz selbstverständlich für Salomos Opfer in Gibeon. Bezeichnenderweise spricht er auch hier vom משכן יהוה.139 Dabei löst die Chronik diese Vorstellung nach dem Tempelbau mit der Einbringung des Zeltes in den Tempel durch eine מקום-Theologie ab. Das Ziel Salomos und der Versammlung, die zur Höhe von Gibeon aufbrechen, um dort zu opfern, wird in V.5 angegeben: Und der Bronzealtar, den Bezalel, der Sohn des Uri, des Sohnes Churs, gemacht hatte, stand dort vor der Wohnung JHWHs und Salomo und die Versammlung suchten ihn auf. 138 Bezeichnenderweise ist in V.3 die Rede davon, dass Mose den אהל מועדgemacht (אשר עשה )משהhabe. Damit wird offenbar auf Ex 33,7–11 rekurriert, da hier nicht Bezalel, der judäische Baumeister, sondern Mose zum Erbauer des Zeltes wird (vgl. auch 1Chr 21,29). Es drängt sich also gerade nicht, wie v. Rad (1930. 46) behauptet, „die Vermutung auf, daß der Chronist in diesem Falle einer eigenen nicht mehr erhaltenen Tradition folgt.“ 139 Während im Pentateuch mit משכןzunächst schlicht auf das Wüstenheiligtum rekurriert wird, setzt der Chronist die in Ex 26 vorgenommene Synthese von משכןund אהל מועדbereits voraus.
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4. תהרותin der Chronik
Nur drei Mal kommt der Chronist auf den Bronzealtar מזבח הנחׁשתzu sprechen (2Chr 1,5 f; 7,7). In 2Chr 1 knüpft die Darstellung dabei an Ex 38,30; 39,39 an, wo Bezalel diesen zusammen mit dem danitischen Handwerker Oholiab herstellt. Während in 1Chr 16,39 nur von der Verlegung des אהל מועדnach Gibeon die Rede war, wird nun expliziert, dass damit auch die Verlegung des aus der Wüste stammenden Altars einhergeht. Die konnektive Struktur wird dabei durch das Leitwort ( משכן יהוה1Chr 16,39; 21,29; 2Chr 1,5) gestiftet, das den Transfer nach Gibeon und das Opfer Salomos begleitet. Der Erbauer des Altars, so heißt es hier, sei Bezalel gewesen. Dieser wird schon in Ex 31,2 auf seinen Großvater Chur zurückgeführt und auf diese Weise dem Stamm Juda zugeordnet.140 Der Chronist bietet in 1Chr 2,19 f eine weitere Verbindung. Dort wird Chur, der Großvater Bezalels, zum Sohn Kalebs gemacht. Offenbar war es dem Chronisten an dieser Stelle wichtig, Bezalel noch fester im Juda-Stammbaum zu verankern, wobei diese Eingliederung einerseits die Judaisierung Kalebs in Num 13,6 voraussetzen muss und andererseits nicht so genau rezipiert, dass die Problematik, Bezalel und Kaleb einerseits in derselben Generation anzusetzen, andererseits den Baumeister zum Ururenkel des Kundschafters zu machen, ins Gewicht fiele. Genauso unproblematisch ist es offenbar, wenn in 2Chr 7,7 in Abweichung von der Vorlage Salomo zum Urheber des Bronzealtars gemacht wird.141 In Gibeon, das wird jedenfalls mit Blick auf die Vorlage deutlich, befindet sich nicht einfach eine במה גדולה, sondern das legitime Heiligtum Israels. Das Opfer in Gibeon wird von Gott durch eine nächtliche Offenbarung, nicht durch einen Traum, beantwortet, wonach Salomo mit Reichtum und Weisheit ausgestattet wird.142 Mit der anschließenden Rückkehr nach Jerusalem ist in 1Kön 3,15 ein erneutes Opfer verbunden gewesen, das der Chronist nun aus den genannten Gründen der Verlegung der einzig legitimen Kultstätte nach Gibeon tilgen muss. Die Tilgung des Opfers in 2Chr 1,13 bestätigt auch im Nachhinein den Anlass für die Verlegung des אהל מועד. Mit der Rückkehr aus Gibeon befiehlt Salomo den Bau des Tempels. Dieser Bau wird durch die zwei Episoden mit fremden Regenten, Churam aus Damaskus und der Königin von Saba, gerahmt. Salomo wendet sich an Churam von Tyros, um diesen unter Berufung auf seinen Vorfahren David für die materielle Unterstützung des Tempels zu gewinnen, dabei werden gegenüber der Vorlage (1Kön 5,17 f) alle Gründe verschwiegen, die David am Tempelbau gehindert hatten. Stattdessen gibt Salomo eine rein kultische Begründung für den Tempelbau: l
140 Die Frage nach der Bedeutung Churs, der an der Seite Aarons zu einem der beiden wichtigsten Stellvertreter des Mose avanciert und dabei gegenüber dem Hohepriester die Ansprüche des Stammes Juda vertritt, wird uns in der Analyse von 2Chr 19, 4b–11 wieder begegnen. 141 Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass auch Salomo von David eine תבניתerhält, wie auch Bezalel in der Wüste nach der תבניתdes Mose arbeitet. 142 Vgl. zur Unterdrückung des Traumes oben das Einleitungskapitel.
4.2 רות im Kontext des Salomo-Narrativs
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(3) Siehe, ich baue ein Haus für den Namen JHWHs, meines Gottes, um es ihm zu heiligen, um ihm wohlriechendes Rauchwerk zu räuchern und ständiges Schaubrot und Brandopfer am Morgen und am Abend darzubringen, an den Sabbaten, Neumonden und zu den Festzeiten JHWHs, unseres Gottes. Dies gilt Israel auf Weltzeit.
Kellermann143 spricht hier von einem Mindestkatalog an kultischen Vorgängen, der auf die chronistische „Notwendigkeit des geordnet funktionierenden Tempel kults“ zielt. Die engsten Parallelen sind Ez 45,17 und Neh 10,43. Dort werden die entsprechenden Abgaben des Volkes eingeführt, die nach dem Bau des Tempels notwendig werden, um den Kultbetrieb aufrechtzuerhalten. Der Chronist versteckt die genauen Modalitäten noch in der Wendung לעולם זאת על־יׂשראל. Er verzichtet damit darauf, den Eindruck zu erwecken, es sei nicht Salomo selbst gewesen, der alles für den Kult Notwendige gestiftet habe. Unumgänglich war es für den Chronisten auch, die Verbindung zwischen Salomo und Churam herzustellen, da die für den Tempelbau notwendigen Materialien in Israel allein nicht zu finden waren. Insbesondere die großgewachsenen und daher sprichwörtlich und berühmt gewordenen Zedern des Libanon144 muss er von diesem anfordern. Anlässlich der Materialbeschaffung vermehrt der Chronist gegenüber seiner Vorlage den Katalog der zu beschaffenden Materialien und greift dabei unverkennbar auf den Pentateuch zurück. In V.6 heißt es: Sende mir einen kundigen Mann, damit er mit Gold und Silber und Bronze und Eisen und Purpur und Karmesin und rotem Purpur und Karmesin und blauem Purpur zu arbeiten und der kundig in Gravurarbeiten ist mit Weisen, die mit mir in Jerusalem sind, die David, mein Vater, bereitgestellt hat.145
Die angeforderten Materialien sind der Vorlage, 1Kön 7,13 f, fremd. Jedoch finden sie sich allesamt in Ex 31,4; 35,32.35, sodass rein schon materialiter deutlich wird, dass der Jerusalemer Tempel die Transformation des אהל מועדdarstellt.146 Aufschluss darüber gibt auch die Personalentscheidung Churams, die sich in 2Chr 2,12 findet: 12 Und nun sende ich Dir einen kundigen Mann, kenntnisreich und verständig, den Churam Abi, 13 den Sohn einer Frau der Daniterinnen und sein Vater ist ein tyrischer Mann, der es versteht, mit Gold und mit Silber, mit Bronze, mit Eisen, mit Steinen und mit Hölzern, mit rotem Purpur, mit blauem Purpur, mit Byssus und mit Karmesin und Gravurtechniken zu arbeiten sowie jeden Erwurf auszuersinnen, der ihm gegeben wird zusammen mit deinen Kundigen und den Kundigen meines Herrn David, deines Vaters. 143 1988, 83 f, Anm. 97 f. 144 Vgl. z. B. Ps 92,13 צדיק כתמר יפרח כארז בלבנון יׂשגה. 145 Der Hinweis auf David führt nach 1Chr 22,2–4 aber auch 1Chr 22,14–16 sowie 1Chr 29,2–4.6 f. Begrifflich wird mit כון דודin jedem Fall das Material aus 1Chr 22 vorausgesetzt. 146 Vgl. dazu schon Mosis 1973, 137.
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4. תהרותin der Chronik
Hier geht es um mehr als die Bereitstellung von Arbeitskraft: Churam stellt David nicht einfach einen besonders begabten Arbeiter zu Verfügung, sondern einen Mann besonderer Herkunft. Churam-Abi entstammt der Mischehe zwischen einer Daniterin und einem tyrischen Mann.147 Dies ist insofern auffällig, als in der Vorlage (1Kön 7,14) noch konstatiert wurde, dass der Baumeister der Sohn einer Witwe aus dem Stamm Naftali und der Sohn eines tyrenischen Bronzeschmieds war. Abgesehen davon, dass der Chronist die Fertigkeiten Churam-Abis offenbar analog zur Vermehrung der Baumaterialien erweitert hat148, findet sich auch für den Stammeswechsel ein Hintergrund in der Heiligtumsperikope des Exodusbuches. In Ex 31,6 wird die durch den Namen אהליאבfür den Zeltbau prädestinierte Figur eingeführt, die dem Bezalel bei der Anfertigung des אהל מועד behilflich ist. Dessen Abstammung wird über den Vater Ahisamach ebenfalls vom Stamm Dan hergeleitet. An dieser Stelle zeigt sich, dass dem Chronisten die Abstammung Churam-Abis von einem tyrenischen Vater offenbar so fest vorgegeben war, dass er nur noch Spielraum im Hinblick auf die Herkunft der Mutter hatte. Deren Stammeszugehörigkeit ändert er dementsprechend in Übereinstimmung mit Ex 31,6; 35,4; 38,23. Ein genauer Vergleich der Figuren zeigt jedoch, dass Churam-Abi sowohl Eigenschaften Bezalels als auch Oholiabs in sich vereint. Während nämlich die Herkunft von Oholiab auf Churam-Abi übergeht, erhält dieser gleichzeitig die Fähigkeiten Bezalels, wofür die Fähigkeit Pläne zu entwerfen ( )חשב מחשבהin Ex 31,4; 35,32.35 sinnfällig entfaltet wird.149 Der Chronist 147 Es lässt sich mehrfach beobachten, dass der Chronist, anders als bspw. Esra und Nehemia keine Einwände gegen Mischehen vorbringt. Darin besteht eines der stärksten Argumente sowohl gegen den Zusammenhang der beiden Werke als auch gegen die Abfassung beider Werke durch denselben Autor. Zwar übernimmt der Chronist die Mischehe bereits aus seiner Vorlage (1Kön 7,14) in Anbetracht dessen, dass er dort zumindest das Abstammungsverhältnis der Mutter von Naftali zu Dan ändert, wäre ihm sicher auch eine Tilgung der tyrischen Herkunft möglich gewesen. Zu beachten ist jedoch, dass der Chronist sich nicht für eine Judäerin entscheidet. Dies wäre von der dominierenden Figur, Bezalal, her, der auch in der Chronik noch eine bedeutende Rolle spielt und deshalb in den Stammbaum der Kalebiter integriert wird, auch möglich gewesen. Möglicher Weise greift er gerade deshalb auf eine dantische Herkunft des Baumeisters zurück, um nicht mit dem definitiv für den Stamm Juda geltenden Exogamieverbot zu konfligieren. Andererseits scheint der Rückgriff die Herstellung latenter Identität zwischen אהליאבund Churam-Abi schon auf Grund Verbindung von Zelt und Tempel nahegelegen zu haben. Ganz wird sich die hinter dieser midraschartigen Vermischung der Traditionen stehende Motivation jedenfalls nicht mehr erhellen lassen. 148 Vgl. dazu Kalimi (1995b, 218), der ebenfalls auf den Zuwachs an Qualifikation hinweist. 149 Achenbach (n.v.) ordnet die Figuren Bezalel und Oholiab der Theokratische Bearbeitung zu und zeigt, dass an dieser Stelle die „Vorstellungen einer charismatisch motivierten Erneuerung der Kultusgemeinde des zweiten Tempels auf die Legendenbildung eingewirkt haben.“ Wir haben hier ganz deutlich gesehen, dass die Chronik diese Entwicklungen bereits voraussetzt und die eigene Vorlage aus diesem Impetus heraus weiterentwickelt. Auch die über den hier betrachteten Kontext hinausweisende Textur von 1Chr 22,2–4.14–16; 29,2–4.6 f; 2Chr 2,6–8; 12 f entwickelt dieses Motiv weiter, wobei insbesondere schon David die Bereitstellung zahlreicher Materialien zugeschrieben wird.
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stilisiert demnach im Hinblick auf das verwendete Baumaterial, jedoch auch im Hinblick auf das Baupersonal den Tempel als einen zweiten אהל מועד.150 Neben der materiellen und der personellen Perspektive eröffnet der Chronist noch eine dritte, die topographische Perspektive, die den salomonischen Tempel nicht nur wie das Wüstenzelt in die Mitte der Gemeinde stellt, sondern regelrecht zum Nabel der Welt macht. Zu diesem Zweck bedient er sich der Figuren Churams von Damaskus und der Königin von Saba, die er in dem Bekenntnis zu JHWH, dem Gott Israels, einander ähnlich macht. Zunächst wird mit 2Chr 2,10 die Antwort des Churam eingeleitet: ויאמר חורם מלך־צר בכתב ויׁשלח אל־ׁשלמה באהבת יהוה את־עמו נתנך עליהם מלך.151 Das Liebesmotiv findet sich dabei jedoch nicht in der Vorlage. Der Chronist geht an dieser Stelle frei mit seinem Material um und fügt jenes schlechterdings selbst ein.152 Dabei fällt jedoch auf, dass er das Liebesmotiv nicht „erfindet“, sondern einem spezifischen Kontext entlehnt, der sich in seiner Vorlage an einer anderen Stelle findet, nämlich bei der Begegnung Salomos mit der Königin von Saba (1Kön 19 // 2Chr 9).153 Synoptisch ergibt sich folgender Befund: Lob des Churam von Damaskus 2Chr 2,10 f ויאמר חורם מלך־צר בכתב ויׁשלח אל־ׁשלמה באהבת יהוה את־עמו נתנך עליהם מלך ויאמר חורם ברוך יהוה אלהי יׂשראל אׁשר עׂשה את־הׁשמים ואת־הארץ אׁשר נתן לדויד המלך בן חכם יודע ׂשכל ובינה אׁשר יבנה־בית ליהוה ובית למלכותו
2Chr 2,10 f καὶ εἶπεν Χιραμ βασιλεὺς Τύρου ἐν γραφῇ καὶ ἀπέστειλεν πρὸς Σαλωμων ἐν τῷ ἀγαπῆσαι κύριον τὸν λαὸν αὐτοῦ ἔδωκέν σε ἐπ᾽ αὐτοὺς εἰς βασιλέα καὶ εἶπεν Χιραμ εὐλογητὸς κύριος ὁ θεὸς Ισραηλ ὃς ἐποίησεν τὸν οὐρανὸν καὶ τὴν γῆν ὃς ἔδωκεν τῷ Δαυιδ τῷ βασιλεῖ υἱὸν σοφὸν καὶ ἐπιστάμενον σύνεσιν καὶ ἐπιστήμην ὃς οἰκοδομήσει οἶκον τῷ κυρίῳ καὶ οἶκον τῇ βασιλείᾳ αὐτοῦ
150 Die gesamte Anlage des Bauprogramms stiftet auf der Ebene der chronistischen Grundschicht an derart vielen Punkten eine Identität zwischen dem Zelt der Begegnung, dass die von Mosis (1973, 135 f, Anm. 33) geäußerte Skepsis, es könne sich bei der Übergabe der תבניתvon David an Salomo um einen sekundären Einschub handeln (vgl. 1Chr 28,11.18 f) kritisch zu hinterfragen ist. Auch die Überlegung, dass die Initiative zum Tempelbau ausschließlich auf die Offenbarung in Gibeon zurückzuführen sei, ist eine zwar mögliche jedoch keinesfalls zwingende Lesart. 151 „Da sagte Churam, der König von Tyros in einem Schreiben und sandte es zu Salomo: Aus Liebe zu seinem Volk hat JHWH dich als König über sie gesetzt.“ 152 Offenbar steht das Liebesmotiv hier pars pro toto für den Bund zwischen JHWH und seinem Volk, wobei hier entgegen der prominenteren aszendierenden Emotionsrichtung die deszendierende Perspektive formuliert wird (vgl. bspw. Dtn 7,13; 10,15). Die Erfüllung des שמע יׂשראלdürfte dabei vorausgesetzt sein. 153 Auch Japhet (z. St.) hält den Brief Churams für eine chronistische Neuschöpfung.
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4. תהרותin der Chronik
Lob der Königin von Saba 2Chr 9,8 יהי יהוה אלהיך ברוך אׁשר חפץ בך לתתך על־כסאו למלך ליהוה אלהיך באהבת אלהיך את־יׂשראל להעמידו לעולם ויתנך עליהם למלך לעׂשות מׁשפט וצדקה ἔστω κύριος ὁ θεός σου ηὐλογημένος ὃς ἠθέλησέν σοι τοῦ δοῦναί σε ἐπὶ θρόνον αὐτοῦ εἰς βασιλέα τῷ κυρίῳ θεῷ σου ἐν τῷ ἀγαπῆσαι κύριον τὸν θεόν σου τὸν Ισραηλ τοῦ στῆσαι αὐτὸν εἰς αἰῶνα καὶ ἔδωκέν σε ἐπ᾽ αὐτοὺς εἰς βασιλέα τοῦ ποιῆσαι κρίμα καὶ δικαιοσύνην
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1Kön 10,9 יהי יהוה אלהיך ברוך אׁשר חפץ בך לתתך על־כסא יׂשראל באהבת יהוה את־יׂשראל לעלם ויׂשימך למלך לעׂשות מׁשפט וצדקה γένοιτο κύριος ὁ θεός σου εὐλογημένος ὃς ἠθέλησεν ἐν σοὶ δοῦναί σε ἐπὶ θρόνου Ισραηλ διὰ τὸ ἀγαπᾶν κύριον τὸν Ισραηλ στῆσαι εἰς τὸν αἰῶνα καὶ ἔθετό σε βασιλέα ἐπ᾽ αὐτοὺς τοῦ ποιεῖν κρίμα ἐν δικαιοσύνῃ καὶ ἐν κρίμασιν αὐτῶν
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Die durch die unterschiedlichen Kontexte und Textzeugen gleichbleibenden Elemente sind hier unterstrichen. An dieser Stelle zeigt sich deutlich, dass der Chronist das durch die Königin von Saba ins Spiel gebrachte Liebesmotiv nicht nur aus seiner Vorlage übernimmt, sondern nach vorne hin repliziert und damit die Schilderung der Regentschaft Salomos, deren Höhepunkt zweifelsfrei im Bau des Heiligtums154 besteht, durch die Liebesbekenntnisse von Norden (Churam) und Süden (Königin von Saba) her gerahmt hat.155 Vor diesem Hintergrund erklingt Churams ברוך יהוה אלהי יׂשראלin der Formulierung der Königin von Saba יהי יהוה אלהיך ברוךals ein Echo, was angesichts der seltenen Verwendung dieser Segensformel in der Chronik einen beachtlichen Wert erhält. Beide Segensdoxologien sind dabei auf Salomo als Zentrum konzipiert, der mit dieser Redeweise in 2Chr 6,4 // 1Kön 8,12 pointiert hervorsticht.156 Dieser Rahmen ist durch den Chronisten weiter ausgestaltet worden, wobei er einen deutlichen Rückgriff auf die 154 Literarisch wie topographisch wird damit durch die Zuwendung von Norden und Süden das Salomo-Narrativs zur ‚Mitte der Chronik‘. Willi spricht im Hinblick auf die topographische Dimension und den Gedanken, dass JHWH sogar der Herrscher der Königreiche aller Länder ( )ממלכות הארצותwerde (1Chr 29,30; 2Chr 12,8; 17,10; 20,29) zu Recht von einem „davidische[n] Weltherrschaftsmandat“ Dabei muss jedoch berücksichtigt werden, dass in puncto Weltherrschaft unterschiedliche Abschattungen der kultischen Legislative gelten. Neben den besonderen Zugangsvoraussetzungen für Heiligtum und Temenos sind bspw. durch die Erzählfolge von 2Chr 17,9 und 10 alle Königreiche außerhalb Judas von einer Torabelehrung ausgenommen. Fast wirkt es dort so, als sei gerade der durch das mystagogische Personal gezogene tora-katechetische Limes für die Behauptung und Bewahrung des davidischen Weltherrschaftsmandats verantwortlich. 155 Damit ist das Liebesmotiv hier nicht, wie Rudolph (z. St.) meint, von 1Kön 5,15 her als charakteristisch abgewandelt zu verstehen, sondern von 2Chr 9,8 her zu deuten und als kompositionelles, besser gesagt als rahmendes Element aufzufassen. Möglicher Weise wirft die rahmende Funktion, die die Figuren Churam und die Königin von Saba mit einer Art latenten Identität ausstattet auch ein neues Licht auf die Umgruppierung von 1Chr 14. 156 … ברוך יהוה אלהי יׂשראל. Die Segensdoxologie findet sich nur noch zwei weitere Male: in 1Chr 16,36 mit synoptischer Parallele in Ps 106,48 und in 1Chr 29,10 ohne synoptische Parallele. Vgl. zu diesem Phänomen schon Wellhausen 1927, 179.
4.2 רות im Kontext des Salomo-Narrativs
107
Tora – interessanterweise in dem Bekenntnis des Churam – zu erkennen gibt. Auffällig ist, dass der Chronist in den Rahmen latent auch einen theokratischen Symbolismus eingetragen hat, der die Regentschaft Gottes im Zentrum der Welt begründet. Während nämlich der Nordkönig Churam einen engen Zusammenhang zwischen dem Haus JHWHs und ‚seiner Königsherrschaft‘ herstellt, erklingt gewissermaßen als Echo von Süden her das Motiv des göttlichen Throns:157 2Chr 2,11*
2Chr 9,8*
יבנה־בית ליהוה ובית למלכותו
חפץ בך לתתך על־כסאו למלך ליהוה אלהיך
Wie feinsinnig diese Rahmenstücke aufeinander abgestimmt sind, erweist sich, wenn 2Chr 9,8 vor dem Hintergrund der Vorlage gelesen wird: 1Kön 10,9
2Chr 9,8
יהי יהוה אלהיך ברוך אׁשר חפץ בך לתתך על־כסא יׂשראל […]
יהי יהוה אלהיך ברוך אׁשר חפץ בך לתתך על־כסאו למלך ליהוה אלהיך […]
In der (auch von der LXX gedeckten) Abweichung der chronistischen Fassung ist aus dem ‚Thron Israels‘ ‚sein Thron‘, also der Thron JHWHs, geworden.158 Nur wenn man die bewusst aufeinander hin komponierten Doxologien Churams und der Königin von Saba zusammen liest, stellt sich die vom Chronisten zu verstehen gegebene Deutung ein, die sich bisweilen expressis verbis, bisweilen jedoch auch kompositorisch niederschlägt – die Zentralstellung des von Salomo in Jerusalem auf dem Berg Morijah gebauten JHWH-Tempels.159 Das Bekenntnis des Churam zeigt, dass dieser in irgendeiner Form Kenntnisse aus der Tora besitzt. Dass er den 157 Zwar liegt es nahe, in 2Chr 2,11 ein zweites Haus anzunehmen, das Salomo für sich selbst gebaut habe, die Frage ist nur, welches Haus das sein soll. Während nämlich in 1Kön 7,1–12 der Bau des Königspalastes Salomos geschildert wird, fehlt diese Darstellung in der Chronik vollkommen. Der Chronist verschweigt beinah gänzlich, dass Salomo in irgendeiner Form Bauunternehmungen in eigener Sache durchgeführt hat. Ausnahmen sind hier 2Chr 7,11; 8,1.11, wo allenfalls beiläufig erwähnt wird, dass Salomo noch ein eigenes Haus gebaut haben könnte. 2Chr 8,11 führt diesen Umstand jedoch wieder auf den Kult zurück, sodass die Errichtung eines weiteren Hauses in den Dienst der kultischen Reinheit gestellt wird. In jedem Fall ist Salomos Königsherrschaft also vollkommen von Gott her und auf Gott hin zu verstehen: Er sitzt als König für seinen Gott JHWH auf dessen Thron (2Chr 9,8). 158 Die ideologische Änderung liegt in etwa auf derselben Ebene wie der Suffixwechsel in 1Chr 17,14 von ביתוzu ביתיfür den die Analyse Lynchs (2014) jüngst noch einmal ergeben hat, dass dieser, trotz der textkritischen Uneindeutigkeit, wahrscheinlich genuin chronistisch ist. Das hier zu beobachtende Phänomen stützt diese Vermutung. Der Eindruck bestätigt sich ferner aus der Iuxtapoistion von 2Chr 13,5 und 8. Dort konstatiert Abija, dass JHWH David und seinen Söhnen das Königtum über Israel durch einen Salzbund überlassen habe (V.5), dass dieses Königtum jedoch weiterhin das Königtum JHWHs in der Hand Davids bleibe. 159 Vgl. zur Konzeption einer Zentralposition des Heiligen 1Chr 1–9; 21; 23; 2Chr 2; 9.
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4. תהרותin der Chronik
Gott Israels als denjenigen ausweist, der Himmel und Erde gemacht hat (אׁשר עׂשה )את־הׁשמים ואת־הארץ, hat jedenfalls motivisch in der Tora seinen Ursprung. Von dieser Einleitung her wird nun eine zweifache אׁשר-Konstruktion entfaltet. Dieser JHWH habe David einen weisen Sohn, voll von Verstand und Einsicht, gegeben.160 Dessen Sohn wiederum beabsichtige, dem Herrn und ‚seiner Königsherrschaft‘ ein Haus zu bauen. Nicht nur die Tora-Kenntnisse zeigen sich signifikant bei der Bereitstellung der Baumaterialien, sondern auch die Salomo zugeschriebenen Attribute werden im Folgenden wieder aufgegriffen. Es wird sich zeigen, dass der Zentralstellung des salomonischen Tempels, die hier kompositorisch nachgezeichnet wurde, durch ständigen Rückgriff auf die Tora auch in ideologischer Hinsicht das nötige Fundament verliehen wird. Die Aufnahme des Liebesmotivs symbolisiert dabei ein intaktes Bundesverhältnis.
4.2.2 Begriffsanalyse iii) 2Chr 6,16 (+) ועתה יהוה אלהי ישראל שמר לעבדך דויד אבי את אשר דברת לו לאמר לא־יכרת לך איש מלפני יושב על כסא ישראל רק אם־ישמרו בניך את דרכם ללכת בתורתי כאשר הלכת לפני
Und jetzt, JHWH, Gott Israels, beachte deinem Knecht David, meinem Vater, was du ihm gesagt hat: Es soll dir vor mir nicht jemand fehlen, der auf dem Thron Israels sitzt, wenn nur deine Söhne ihren Weg beachten, meiner Tora161 entlang zu gehen wie du vor mir gegangen bist.
Der Text in 2Chr 6 folgt grundsätzlich der Vorlage in 1Kön 8, wenngleich auf Grund zahlreicher Abweichungen, Überarbeitungen und Ergänzungen in der Exegese hochumstritten ist, wie genau Vorlage und Abschrift miteinander zusammenhängen. Auffällig ist zunächst, dass Salomo in V.4, genau wie es David nach der Überführung der Lade (1Chr 16,36) getan hatte, eine Doxologie formuliert und damit parallel zu seinem Vater inszeniert wird. Dabei kann mit Blick auf V.5 durchaus davon ausgegangen werden, dass hier 1Kön 8 der gebende Text war, da sich die Chronik sonst durch ein relatives Exodusschweigen auszeichnet.162 Der 160 Hier ergibt sich der Eindruck, dass der Chronist die Tora-Kenntnis des fremden Königs und dessen Würdigung Salomos vor dem Hintergrund einer Geisthaltung entwickelt, wie sie in Dtn 4,6–8 entfaltet wird. Gerade im Halten der Rechtsordnungen und -bestimmungen, die in V.8 unter dem Begriff כל התורהsubsummiert werden, zeigt sich die Bedeutung Israels für alle Nationen. Offenbar bringt der Chronist diese Vorstellung affirmativ durch die Figuren der Königin von Saba und Churam von Damaskus zur Geltung. 161 Die LXXB bietet als einziger Zeuge ἐν τῶ ὀνόματὶ μου. Klein (z. St., 82) nimmt deshalb plausibler Weise eine Verschreibung an und liest mit LXXA. 162 In V.11 bspw. wird das Ägyptenmotiv offenbar getilgt. Vgl. dazu Japhet (1993, 15) sowie Willi (2012, 266): „Die Wüstenzeit davor [d. h. vor der Landnahme, L. M.], kommt nicht
4.2 רות im Kontext des Salomo-Narrativs
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Chronist zeichnet durch die Gottesrede einen scharfen Kontrast in die Zeit nach der Landnahme ein. Zunächst habe JHWH keine Stadt und keinen Fürsten erwählt, dann aber Jerusalem, um seinen Namen dort verweilen zu lassen und schließlich David, um dem Volk Israel vorzustehen (V.6). Dabei stellt Jerusalem eine Adiectio dar, die der in der Chronik häufiger zu beobachtenden Tendenz geschuldet ist, den legitimen Kultort mit Jerusalem zu identifizieren. In seinem Gebet rekapituliert Salomo die Abmachung zwischen JHWH und David, die Davids Nachfolgeschaft fest an das Halten der Tora geknüpft hatte. Diese Abmachung der Allianz von Thron und Tora verweist auf die Nathanverheißung nach 1Chr 17. Dort jedoch wird man im Hinblick auf die Tora nicht fündig. Der Chronist nutzt deshalb das Gebet Salomos, das schon in der Vorlage an die Nathanverheißung anknüpft und fügt nachträglich den Tora-Gehorsam als eine conditio sine qua non ein. Schon in der Vorlage wird eine Bedingung gegeben: רק אם־יׁשמרו בניך את־דרכם ללכת לפני כאׁשר הלכת לפני. Vor diesem Hintergrund lässt sich beispielhaft darstellen, wie der Chronist durch eine lexematische Assoziation die תורהeinsetzt, indem er לפניdurch בתורתיersetzt: רק אם־יׁשמרו בניך את־דרכם ללכת בתורתי כאׁשר הלכת לפני. Dass hier nicht einfach von תורה, ספר תורת משהoder תורת יהוה die Rede ist, zeigt an dieser Stelle nicht nur die größtmögliche Treue zur Vorlage durch die Fortsetzung der Sprechhaltung in der 1. Ps. Sg. an, sondern auch, dass das לפניals תורתיexpliziert wird. Der für den Chronisten implizit ausgedrückte Sachverhalt wird dergestalt in das explizite chronistische Theologumenon umgeformt, dass JHWH und seine Tora eins sind. Vor diesem Hintergrund ist Fishbane demnach völlig im Recht, wenn er die Textänderung paradigmatisch in die Kategorie haggadische Exegese einordnet und konstatiert: Solomon introduces a conditional-covenantal reinterpretation of the original unconditional divine promise to the dynasty of David, and has YHWH say that ‚no one who will sit on the throne of Israel will be cut off from me if your sons heed their ways, to go before me as you went before me‘ (1 Kgs. 8: 25). […] Not content to state that future kings must ‚go before me‘, the Chronicler rewrote the passage in the light of his values, and produced the line ‚to go in my Torah as you went before me‘. In this way, the mediating position of the Torah as the condition of dynastic continuity is significantly and radically underscored.163
vor. Die Wüstenzeit davor ist auf Mose und die Stiftshütte reduziert, und das Land tritt einzig in der allerdings sehr gewichtigen und ausführlichen Notifizierung des zu seiner Einwohnung bestimmten Israel und seiner Glieder in Erscheinung.“ Willi zufolge fehle sogar „der ganze Auftakt des DtrG bis Ri“. Steins 1995, 453 f hat demgegenüber relativierend eingewandt, dass das Exodus-Motiv in der Chronik nicht vollkommen verschwiegen, sondern lediglich sehr sparsam und dadurch sehr pointiert verwendet werde. In der Auslegung ist es deshalb umso stärker erforderlich, zu prüfen, ob das Exodus-Motiv durch die Vorlage aufgenommen wurde oder originär chronistisch ist. 163 Fishbane 1985, 386.
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4. תהרותin der Chronik
Auslösende Wirkung zur Explikation des Theologumenons hat dabei an der vorliegenden Stelle vermutlich das Lexem הלךgegeben, das in der Phrase הלך בתורהhäufiger verwendet wird (vgl. Ex 16,4; 2Kön 10,31; 2Chr 6,16; Neh 10,30; Ps 119,1; Jer 26,4; 44,10; Dan 9,10). Der Schriftgelehrte agiert an dieser Stelle also auf Grund eines konkreten Anlasses und ergänzt die Tora wie selbstverständlich. Willi spricht deshalb an dieser Stelle zu Recht von einer Schlüsselstelle der chronistischen Theologie, die eine Theologie der heiligen Schrift ist.164 Da das Salomo-Narrativ reichhaltige Änderungen gegenüber der Vorlage aufweist, von denen einige sicher auf den Einfluss der Tora zurückzuführen sind, werden wir an verschiedenen Stellen darauf zurückkommen. Bis hierher ist jedenfalls festzuhalten, dass die einzige explizite Erwähnung der Tora in diesem Kontext sorgfältig durch eine auf das Heiligtum konzentrierte Erzählstrategie vorbereitet wird. Der Tempel, so macht der Chronist deutlich, stellt in jeglicher Hinsicht, d. h. materialiter und personaliter, die Fortsetzung des Wüstenheiligtums dar. Der Chronist greift dabei topographisch auf die Vorstellungen der Theokratischen Bearbeitungen zurück bzw. darüber hinaus, insofern er den Jerusalemer Tempel nicht nur als Mitte der Gemeinde stilisiert165, sondern den Kreis der JHWH-Verehrer universell über Israel hinaus nach Tyrus und Saba ausdehnt. Erst mit der Errichtung des Tempels kommt der Chronist dann explizit auf die Tora zu sprechen. Dies ist insofern konsequent, als der zweite Tempel im Pentateuch nur latent vorbereitet und dementsprechend auch nur latent in das chronistische Narrativ übernommen werden kann. Die explizite Erwähnung wird erst in dem Augenblick nötig, in dem der kultische Betrieb aufgenommen wird. Dementsprechend hat Kellermann bereits das Richtige gesehen, der festhält, dass „die Ordnungen, an denen Chron sich bei den Gestaltungen seiner Berichte über den Anfang des Jerusalemer Tempels orientiert, dem Pentateuch, der geschriebenen Tora oder ihrer Vorform, die die Priesterschrift bereits enthält, entnommen sind. Das heißt: die kultischen Ordnungen der Tora sind normativ bis hin zum Bau des Tempels.“166 Insbesondere im Zweiten Hauptteil dieser Arbeit soll unter Berücksichtigung des Fortgangs der Pentateuchkritik gezeigt werden, in welche Diskursformation
164 Willi 1972, 125. Die von Willi an anderer Stelle vertretene Auffassung, dass diese Theologie sich vor allem im Medium der Mündlichkeit abspiele, dass also „diese Wegweisung in erster Linie im praktischen Vollzug und mündlich geschieht“ und deshalb „der Hand berufener Lehrer“ bedarf “ (1980, 149), scheint mir jedoch zu einseitig an der Vorstellung der mündlichen Tora orientiert zu sein und wird dem Umstand kaum gerecht, dass überall dort, wo die Tora in der Chronik Anlass zu Bearbeitung gibt, sie offenbar schriftlich vorausgesetzt wird. Auch vor dem Hintergrund des Königsgesetzes in Dtn 17,14–20, wo der König sich dezidiert eine verschrift liche Tora angefertigt werden soll, ist diese These demnach zu relativieren. Vgl. dazu oben. 165 Vgl. dazu i. F. insbesondere die Analysen im Kapitel „Kult-Personal“, sowie die in dieselbe Richtung weisenden Untersuchungen Oemings (1990, passim), Sparks’ (2008, passim) und Knoppers’ (2004, 245–514). 166 Kellermann 1988, 57 f.
4.3 רות im Kontext des Rehabeam-Narrativs
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des Pentateuchs der Chronist eingreift. Die durch das Salomo-Narrativ gestiftete Trias von Jerusalem, Tempel und Tora ist für den Chronisten in seiner ideellen Konfiguration unhintergehbar und schon vor diesem Hintergrund zeichnet sich ab, dass Rehabeam mit dessen der Vorlage (1Kön 12,1) geschuldeten Inthronisation in Sichem eine empfindliche Störung dieser so aufwendig vorbereiteten Verbindung bedeutet.
4.3 תורהim Kontext des Rehabeam-Narrativs 4.3.1 Gliederung 2Chr 10 – Inthronisation Rehabeams, Verschärfung der Fron und Reichsspaltung 2Chr 11 – Schemajas Prophezeiung, Priester und Leviten wandern von Israel nach Juda ab 2Chr 12 – Abfall von der Tora JHWHs Das Scheitern des judäischen Königtums ist in der Darstellung der Chronik schon mit dem Abfall Rehabeams besiegelt.167 Rehabeam verlässt die Weisung des Herrn, obwohl seine Herrschaft gefestigt wurde und er stark geworden war.168 Bezeichnend ist hier, dass nicht nur Rehabeam das Volk verlässt, sondern ganz Israel ( )כל ישראלmit ihm. Dabei stellt sich sogleich die Frage, was damit an dieser Stelle gemeint ist.169 Auch hier kann die Implikation des Gebrauchs von תורהund der mit ihr verbundenen kommunikativen Absicht nur aus der Anlage des gesamten Narrativs ermittelt werden.
167 Longman III und Dillard konstatieren an dieser Stelle, dass „[t]he Chronicler deletes the narrative of Solomon’s taking vengeance on David’s enemies (1 Kings 2) and does not report the sins of Solomon, which according to Kings were ultimately the reason for the breakup of the kingdom (1 Kings 11). Even the blame for the schism is shifted from Solomon to Jeroboam (2 Chron. 13:6–7).“ (Longman III und Dillard 22006. 197. S. u. „Kult-Gegenstand“. Dabei ist jedoch unbedingt zu ergänzen, dass der Chronist zwar zweifelsfrei eine fast hagiographische Zensur an der Salomo-Figur vornimmt, dabei jedoch sehr deutlich macht, dass nicht allein die Jerobeam-Partei für die Abspaltung des Nordreichs verantwortlich ist, sondern Rehabeam einen mindestens ebenso großen, wenn nicht den größeren Anteil an der Misere hat. Insofern steht stilisiert der Chronist also nicht die gesamte Geschichte des judäischen Königtums zu einer Utopie. Wenn überhaupt kann dies nur für die Narrative Davids und Salomos gelten. 168 Vgl. zu dieser Motivik oben. Es ist der chronistischen Darstellung der Historie eigentümlich, dass sich kein konkreter Anlass für das Exil greifen lässt. Es bleibt auch in 2Chr 36 eine Zwischenepisode. Das Land holt in zeitraffender Erzählweise die von Jeremia eingeforderten Sabbate nach und kehrt zurück ins Land. Vor diesem Hintergrund stellt der umgehende Abfall Rehabeams einen deutlich radikaleren Einschnitt dar. Die utopische Heilszeit unter der Regentschaft Davids und vor allem Salomos endet bereits mit dessen Nachfolger. 169 Vgl. dazu Williamson 1977, 88.
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4. תהרותin der Chronik
4.3.2 Begriffsanalyse iv) 2Chr 12,1(+) ויהי כהכין מלכות רחבעם וכחזקתו עזב את־תורת יהוה וכל־ישראל עמו
Als sich aber die Königsherrschaft Rehabeams gefestigt hatte und er stark geworden war, verließ er die Weisung170 JHWHs und mit ihm ganz Israel.
Mit 1Chr 12 führt die Chronik dabei gegenüber ihrer Vorlage ein neues Theologumenon in die Geschichtsdeutung ein.171 JHWH und seine Tora sind miteinander identisch. Dies ergibt sich aus der Explikation der Erzählerstimme in 2Chr 12,1 durch die Figurenrede in V.5. In V.1 wird zunächst konstatiert: רחבעם … עזב את־ תורת יהוה וכל־יׂשראל עמו – Jerobeam und mit ihm ganz Israel haben die Weisung des Herrn verlassen.172 Angesichts des heraufziehenden ägyptischen Heeres, das mit der Begründungsformel כי מעלו ביהוהeingeführt wird, tritt der Prophet Schemaja auf und überbringt den Fürsten und dem König mit einem Paradebeispiel des Tun-Ergehen-Zusammenhangs den Hintergrund der feindlichen Heeresmacht per Botenspruchformel: אתם עזבתם אתי ואף־אני עזבתי אתכם. Die paradoxe Situation des verlassenen Verlassers, ein typisch chronistischer Topos173, zeigt an, dass das Verlassen der JHWH-Tora das Verlassen JHWHs selbst bedeutet. Nachdem die Könige David und Salomo JHWH also in idealer Weise nahegekommen waren und dieser ihnen dafür jeweils eine ideale Regentschaftszeit gewährt hatte, beginnt mit Rehabeam eine auch für den Chronisten nicht aufzuhaltende Niedergangs 170 Die LXX bietet τὰς ἐντολὰς, das meist zur Übersetzung von מצותverwendet wird; vgl. jedoch Dtn 17,19. Offenbar übersetzt die LXX תורהbisweilen untypisch. In 2Chr 19,10 bspw. greift sie auf das Lexem προστάγματος zurück, das sonst für חקverwendet wird. 171 Fishbane (1985, 425 f) klassifiziert das vorliegende Textänderungsphänomen als rhetorische Strategie. Diese stellt eine spezielle Form der haggadischen Exegese dar. In deren Subklasse „Rhetorical Transformations and Strategies“ seien laut Fishbane wiederum drei Subtypen zu unterscheiden: „1. spiritualization of content […] 2. nationalization of content […] 3. nomicization and ethization of content“ (ebd. 426). 1Chr 12,1 entspricht der Kategorie 3., deren Strategie in einer „interpolation into a traditum of ‚Torahistic‘ values, precepts, or regulations“ bestehe. Ferner konstatiert er, dass „These transformations, and the new genres and styles involved, are functionally interfused with the rhetorical strategies employed – deliberately or unconsciously. For one of the goals of rhetoric is to address a certain content to an audience (individual or collective) and attempt to transform their attitudes, knowledge, perception, or values.“ (ebd. 427). 172 Der Begriff תורת יהוהwird in der Chronik programmatisch so gut wie nie durch eine Figurenrede eingeführt. Er bleibt als Maß der Geschichtsreflexion der Erzählstimme des Chronisten vorbehalten. Die einzige Ausnahme ist 1Chr 22,12, wo David seinen Sohn Salomo auf das Einhalten der תורת יהוהeinschwört. Im Munde Davids wird die תורת יהוהzu einer direkten Offenbarung der Gottheit, womit die von der Chronik intendierte Gleichwertigkeit Davids und Mose indiziert ist, und der Chronist zum Pfleger des mosaischen Erbes wird. 173 Vgl. z. B. 2Chr 15,2; 24,20.
4.4 רות im Kontext des Asa-Narrativs
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bewegung, die eine Entfernung von Gott bedeutet und symbolisch durch das Verlassen der Tora ausgedrückt wird. – Bezeichnenderweise geben in der Chronik über diesen Sachverhalt Propheten Auskunft (vgl. 2Chr 12,5; 15,2; 24,20), was eine Fortsetzung der Stilisierung des Mose zum Propheten und in dessen Folge eine Fortsetzung der Fortsetzung der Tora durch die Propheten bedeutet. Mit Fishbane zu sprechen, zeichnet sich in der direkten Aufnahme der Tora durch geistbegabte, um nicht zu sagen prophetische Figuren eine Rezeptionsform ab, die unmittelbare Handlungsimplikationen hat und deshalb als rhetorische Transformation zu beschreiben ist.174 Dies wird im folgenden Analyseschritt deutlicher werden.
4.4 תורהim Kontext des Asa-Narrativs 4.4.1 Gliederung des Makrokontextes der Narrative von Asa bis Joram Die Narrative Asas und Jehoshaphats sind in der Chronik kompositorisch eng miteinander verzahnt; darauf hat prominent Dillard175 hingewiesen, der einen parallelen Ablauf in fünf Phasen konstatiert: 1st Reform, Building programs, and Large Armies (2Chr 14,2–8 // 17,1–19) 2nd Battle Report (North as Enemy // North as Ally) (2Chr 14,9–15 // 18,1–19,3) 3rd Reform (2Chr 15,1–19 // 19,4–11) 4th Battle Report (North as Ally // North as Enemy) (2Chr 16,1–9 // 20,1–30) 5th Transgression and Death (2Chr 16,10–14 // 20,31–21,1)
Das Asa- und das Jehoshaphat-Narrativ bilden außerdem den Auftakt zu den insgesamt vier Königs-Narrativen der Chronik, in denen von einer jeweils spezifischen Kultreform erzählt wird.176 Beide Narrative rekurrieren zudem auf lehrende Priester (2Chr 15,3.5 // 17,8–9) und weisen die Eigentümlichkeit auf, dass einerseits behauptet wird, sie hätten die Höhen abgeschafft (2Chr 14,2–5; 17,6), während gleichzeitig behauptet wird, sie hätten dies nicht getan (2Chr 15,17; 20,33).177 Die jüngere Chronikforschung hat 174 Vgl. Fishbane (1985, 425–440). Die rhetorische Transformation wird von Fishbane als eine Unterform der „Haggadic Exegesis“ beschrieben. 175 Dillard (1986, 18). 176 Vgl. Klein z. St., II 209. 177 An diesen von Dillard zu Recht als „flagrant ‚contradictions‘“ (1986, 18, Anm.7) bezeichneten Bemerkungen hat sich in jüngerer Vergangenheit eine Diskussion um den Stellenwert (vermeintlicher) Widersprüche angelagert. Während die ältere Forschung hier die Schere angesetzt und älteres von jüngerem Material zu trennen versucht hat (vgl. bspw. Rudolph z. St.), konnte sich in der rezenten Chronik-Forschung, zu der u. a. Dillard den Auftakt gegeben hat,
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4. תהרותin der Chronik
hier das Richtige gesehen, wenn sie diese paradoxe Erzählweise als ein Stilmittel und nicht etwa als Indikator für unterschiedliche Urheberschaft auswertet. Die Funktion besteht jeweils darin, den drohenden Fall auch der redlichsten Könige zu kennzeichnen, deren kultische Anstrengung jeweils zum Ende hinter den eigenen Ansprüchen zurückbleibt. Der Kontrast von סור, hif. und לא סור, qal umspielt in paradoxer Weise das lebensweltlich anschauliche Problem, dass auf die redlichsten Absichten mitunter die unredlichsten Taten folgen. Eine Orientierung in den Texttraditionen vermittelt zudem einen Eindruck davon, dass an dieser Teilkomposition einige Hände mitgearbeitet haben. Die Textentwicklung stellt sich wie folgt dar:
4.4.2 Die Struktur der Narrative von Asa bis Joram in MT und LXX178 MT Könige
LXXRA Chronik
1Kön 15,11–24 (14V.) 2Chr 14,1–17,1 (48V.) 1Kön 16,21–28 3Kön 16,28a-h 1Kön 16,29–34 Ahab Elia / Ahab 1Kön 17–22,1 Jehoshaphat 2Chr 17,1–19 Jehoshaphat / 1Kön 22,2–35 (34V.) 2Chr 18,2–34 (33V.) Ahab 1Kön 22,36–40 Asa Omri
Jehoshaphat
2Chr 19,1–11 (11V.) 2Chr 20,1–30 (30V.) 1Kön 22,41–51 (10V.) 2Chr 20,31–21,1 (8)
1Kön 22,52–54 Achasja Elija / Elischa 2Kön 1–8,16 Joram 2Kön 8,17 Joram
2Chr 21,2–4 2Chr 21,5
Chronik
Könige
2Chr 14,1–17,1
3Kön 15,11–24 3Kön 16,21–28 3Kön 16,28a-h 3Kön 16,29–34 3Kön 17–22,1
2Chr 20,31–21,1
2Chr 17,1–19 2Chr 18,2–34
Asa Omri Jehoshaphat Ahab Elia / Ahab Jehoshaphat 3Kön 22,2–35. Jehoshaphat / 3Kön 22,36–40 Ahab
2Chr 19,1–11 (11V) 2Chr 20,1–30 (30V) 3Kön 22,41– 2Chr 20,31–21,1 46.51¬LXXL 3Kön 22,52–54 4Kön 1–8,16 2Chr 21,2–4 4Kön 8,17 2Chr 21,5
Jehoshaphat
Achasja Elija / Elischa Joram Joram
Neben den gängigen Beobachtungen einiger Zusätze und einiger Tilgungen, die sich im MT und in der LXX kaum unterscheiden, lässt sich in der LXXRA eine Dublette (3Kön 22,41–46.51 // 3Kön 16,28a–h) erkennen, die in der LXXAnt. nicht geboten wird. In LXXAnt. ist der Text nur in 3Kön 16,29–37 erhalten. MT bietet ebenfalls keine Dublette, hier ist der Text nur in 1Kön 22,41–51 erhalten, jedoch stimmt er eher mit RA 3Kön 16,28a–h bzw. Ant. 3Kön 16,29–37 überein, da er auch die in 3Kön 22,47–50 aus-
die Einsicht durchsetzen, dass der Chronist an diesen Stellen bewusst mit einer Spannung operiert (vgl. bspw. Dillard z. St.; Williamson z. St.). 178 Die Markierung folgt der Quadripartita Ratio.
4.4 רות im Kontext des Asa-Narrativs
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gefallenen Verse179 bietet. Robker180 vermutet, dass die LXXRA den für uns ältesten erreichbaren Text bietet, wobei 3Kön 22,41–46.51 in der Funktion einer Wiederaufnahme das Elia-Narrativ einbettet. In diesem Text repräsentiert also 3Kön LXXRa 16,28a–h die älteste Textvariante. Dass dieses Stück zur καιγε-Rezension gehört, ist ein starkes Indiz dafür, dass in MT die Stelle 3Kön 22,41–46.51 zunächst unbesetzt war. Der masoretische Text stellt demnach eine Version dar, die auf eine Überarbeitung nach der Übersetzung ins Griechische zurückzuführen ist. Da die Chronik in der LXX sowie in der masoretischen Tradition der MT-Variante 1Kön 22,41–51 folgt, wird diese Umstellung offenbar schon vorausgesetzt.
Asa ist der erste chronistische König, der das Gute und Rechte in den Augen des Herrn ( )הטוב והיׁשר בעיני יהוה אלהיוtut.181 Dabei tilgt der Chronist den in seiner Vorlage enthaltenen Bezug zu David ()כדוד אביו, da von diesem zuletzt genau das Gegenteil behauptet worden war, nachdem er sich – zwar durch einen שטןverführt, jedoch in vollem Bewusstsein seiner Schuld – genau die gegenteilige Bewertung zugezogen hatte (vgl. 1Chr 21,7: ) וירע בעיני האלהים על־הדבר הזה. Es ist nur eine von vielen Stellen, an denen der Chronist die Intention seiner Erzählstrategie durch den Umgang mit seiner Vorlage zu erkennen gibt. Worin die Bewertung Asas gründet, führt der Chronist in den Versen 2–4 vor, die konzentrisch strukturiert sind.
4.4.3 Gliederung des Asa-Narrativs 2Chr 14 – Friedensregierung und Kultreform Asas; Sieg über Serach, den Kuschiter 2Chr 15 – Beseitigung der Götzenbilder 2Chr 16 – Konflikt zwischen Asa von Juda und Bascha von Israel; Strafrede Chananis Mit Blick auf die Vorlage wird das Asa-Narrativ um ein Vielfaches expandiert. Dabei zerfällt die Episode in zwei Hälften. Während 2Chr 14 f ein eher positives Bild zeichnet, wird demgegenüber in 2Chr 16 eher negativ über Asa berichtet.182 179 An dieser Stelle wird erwähnt, dass Jehoshaphat Schiffe hergestellt habe, die dann jedoch in Ezjon-Geber zerbrochen seien. Die Chronik kennt zwar die Schiffsbau-Episode, berichtet jedoch nichts von der Havarie. 180 Vgl. Robker 2012, 94 f. 181 Die Formel findet sich im Kontext positiver oder negativer Evaluation 20 Mal in der Chronik (1Chr 2,3; 21,7; 2Chr 14,1; 20,32; 21,6; 22,4; 24,2; 25,2; 26,4; 27,2; 28,1; 29,2.6; 33,2.6.22; 34,2; 36,5.9.12). In 1Chr 13,4 und 2Chr 30,4 wird sie durch בעיני כל־העםbzw. בעיני המלך ובעיני כל־הקהל variiert. 182 Boda hebt die Handlungsimplikation hervor, wenn er von zwei Beispielen spricht: einem „positive example of Asa’s faith when facing Zerah the Ethopian (2 Chr 14:6–15)“ (396, Kursive: L. M.) und einem „negative example of Asa’s lack of trust when facing Baasha of Israel (2Chr 16,1–6).“ (Ebd., Kursive: L. M.). Die kontrastierende Erzählweise, die der Chronist hier verwendet, ist ein typisches Merkmal seines dramatisierenden Geschichtsnarrativs.
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4. תהרותin der Chronik
Das Narrativ steht nicht für sich, sondern ist eng mit der Jehoshaphat-Episode verzahnt. Dies hat Dillard gezeigt, zu dessen Lebzeiten noch konstatiert werden musste, that „[f]or the most part the books of Chronicles have not received attention proportionate to their length in the history of OT study.“183 Mit Blick auf das Asa-Narrativ ist diese Einschätzung bis heute gültig, wobei Dillards Forschung eine wichtige Ausnahme darstellt. Zwei Mal wird in dieser Episode ohne einen Anhaltspunkt in der Vorlage auf die Tora Bezug genommen. Daher steht zur Disposition, dem DeutungsPotenzial der Vorlage nachzuspüren und die Einbettung des Lexems תורהzu erhellen. Asa, der nach 1Kön 15 eigentlich als besonders fromm einzuschätzen ist, hat der Komposition des Chronisten zunächst gemäß der Auffassung Rudolphs zwei Probleme hinterlassen: 1) Asa erleidet eine schwere Krankheit, die nach chronistischer Auffassung ihren Grund in einer Sündenstrafe haben muss. „[W]ann und wie hatte sie der fromme König auf sich geladen?“184 2) „Frömmigkeit verbürgt den Frieden (xiv 4, xv 7, 15b), warum also der lange Kriegszustand?“185 Rudoplh zeichnet die Lösung der Probleme folgendermaßen nach: Die Krankheit Asas drängt er ganz ans Ende seines Lebens, indem er sie in das 39. Jahr verlegt (2Chr 16,12), während er schon im 41. Jahr stirbt (2Chr 16,13b).186 Führt man sich die äußerst knapp bemessene Erzählzeit vor Augen, löst der Chronist das Problem demnach „im Handumdrehen“. Den Anlass für die Krankheit schließt Rudoplh zu Recht aus Asas Misshandlung eines Sehers (ראה, 2Chr 16,10). Dem war vorausgegangen, dass „sich Asa im Kampf mit Basea nicht als voll jahwegläubig bewährt hatte (xvi 7 ff.)“187. Aus dem Umstand, dass der Chronist die Kriegsschilderung aus 1Kön 15,16 ebenfalls ans Ende der Regierungszeit Asas verlegt – eine chronologische Permutatio – deklariert Rudoplh die Perzeption des Chronisten als „Ungenauigkeit oder eine Übertreibung“188. Rudoplh widerspricht dabei der Auffassung, dass es sich bei der „Spätlegung des Kampfes mit Basea, der in 1 Reg xv 17 nicht datiert ist, [um] einen Textfehler […] oder […] ein von 1 Reg abweichendes Zählsystem in der vom Chronisten benutzten Vorlage“189 handelt. Zu Recht führt er dabei „theologische Gründe“190 an, die in diesem Fall ganz offenbar dem historiographischen Interesse vorgelagert sind. Ausgehend von der Bemerkung, l
183 Dillard 1980, 207–218. 184 Rudolph 1952, 367. 185 Ebd., 367. Auf exakt dieselben Probleme kommt auch Dillard (1980, 207–218, hier: 211) wieder zu sprechen. 186 Etwas präziser hat bereits Wellhausen (1927, 199) den Sachverhalt gefasst, der explizit auf die Einfügung des 36. Jahres abstellt, um den Zusammenhang von Vergehen und Strafe deutlicher zu machen. Auch in der Vorlage befällt Asa die Krankheit schließlich erst im Alter. 187 Ebd., 368. 188 Ebd. 189 Ebd. 190 Ebd.
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dass das Land zu Asas Zeiten zehn Jahre Ruhe hatte, strukturiert Rudoplh die erste Episode des Asa-Narrativs folgendermaßen: „[Z]uerst 10 Jahre Ruhe, in dieser Zeit […] Beseitigung der falschen Kultobjekte und Kultstätten (xiv 2, 4) und die Aufforderung, Jahwe zu suchen (xiv 3), dann der Kuschitenkrieg, im Anschluss an ihn die Predigt Asarjas, der aus der Tatsache, dass sich soeben gezeigt hatte, dass Jahwe mit ihnen war (2 b a, vgl. Vulgata: Dominus vobiscum, quia fuistis cum eo), die allgemeine Folgerung zieht, dass Jahwe sich finden lässt, wenn man ihn sucht, […] als Folge dieser Predigt die Entfernung der „Scheusale“ (xv 8) und als Abschluss im 15. Jahr die feierliche Verpflichtung des Volkes, Jahwe von ganzem Herzen zu suchen (xv 10 ff.), also die Reform in zwei Etappen mit Unterbrechung durch den siegreichen Krieg.“191
Auffällig ist, dass die דרׁש-Textur, die die gesamte Chronik durchzieht, hier vom Chronisten besonders verdichtet wird.192 2Chr 14,5.6 und 15,15 verweisen dabei in der Kombination der Lexeme ( דרשmit יהוהals direktem Objekt) und נוחunmittelbar auf 1Chr 22,18 f, wo die Suche nach JHWH sich aus dem Zusammenspiel von rhetorischer Frage ( )הלא יהוה אלהיכם עמכם והניח לכם מסביבund imperativer Handlungsanweisung ( )עתה תנו לבבכם ונפׁשכם לדרוׁש ליהוה אלהיכםergibt.193 Demgegenüber stellt der Chronist in 2Chr 14,6 explizit einen umgekehrten Kausalzusammenhang her. Der an Neh 2,17 anklingende Imperativ194 lautet hier ()נבנה את־הערים האלה ונסב חומה ומגדלים דלתים ובריחים עודנו הארץ לפנינו. Die Suche nach JHWH ist bereits Teil einer kausalen Retrospektive. Asa bringt seinen Rückblick – den Ausdruck אלהינוals enge Apposition zu יהוהaufgefasst – selbstvergewissernd als syntaktisches Palindrom hervor, das sich im Deutschen nur hölzern nachahmen lässt: Wir haben gesucht den Herrn, unseren Gott, wir haben gesucht. Dass hier keine figura etymologica verwendet wurde, die יהוה אלהינוeine lexematische דרש-Variation vorangestellt hätte, bildet ikonographisch die umfassende Suche 191 Rudolph z. St. 192 Vgl. 2Chr 14,3.6; 15,2.12.13; 16,12. In 14,3 wird dabei wie schon in 2Chr 12,1.5 erneut eine enge Verbindung zwischen der Suche nach JHWH und dem Halten seiner Tora hergestellt. 193 Unweigerlich ruft der Chronist in diesem Kontext auch die Assoziation von Lade und Tempel auf. 194 Freilich ist der situative Kontext ein völlig anderer. Dennoch induziert die Handlungsaufforderung zum Bauen in Form eines Kohortativs in der 1.Pl.PK in beiden Fällen ein Gemeinschaftsgefühl, das in der Handlungsfolge, dem Mauerbau, manifestiert wird. Für das Nehemiabuch ist der Zusammenhang von Mauerbau und Identitätskonstruktion von Wright (2004) aufgearbeitet worden. Daneben fällt in der Asa-Episode auf, dass in 2Chr 14 ausschließlich von Juda die Rede ist, während bspw. in 2Chr 15 auch Benjamin neben Juda eingeführt wird. Freilich gibt es weitere Bezüge: Die Bestandteile der Mauer: Türme, Tore und Riegel werden auch beim Bau der nehemianischen Mauer (Neh 3) erwähnt. In beiden Sequenzen führt das Umgegeben mit einer Mauer zur Ruhe vor der Umgebung ( ;מסביב2Chr 14,6; Neh 6,16). In beiden Fällen wird der Erfolg ( )צלחder Arbeit vom Vertrauen von Gott abhängig gemacht (vgl. 2Chr 14,6; Neh 2,20). l
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nach JHWH ab, die wiederum dieser mit umfassender Ruhe ( )וינח לנו מסביבbeantwortet. Das דרש-Motiv hat seinen Höhepunkt in der Bundeszeremonie, die in 2Chr 15,12 beschrieben wird. Die Suche nach JHWH wird mit dem Eintreten in den Bund identifiziert. Dieser wird dabei durch die Wendung אלהי אבותיכםan die Vorfahren angeschlossen, wobei offenbar nur Juda und Benjamin in deren Linie stehen, wenn man diesen gegenüber die Leute aus Efraim, Manasse und Simeon als Fremde bezeichnet.195 Die positive Folge für die ganze Bevölkerung196 wird hier per negationem ausgedrückt: JHWH nicht zu suchen, soll mit der Todesstrafe geahndet werden. Die Formel יומתradikalisiert dabei die mit der Einfügung des Heiligkeitsgesetzes in den Pentateuch verbundene Vorstellung, dass ein Vergehen gegen das Heilige mit dem Tode bestraft wird.197 Die Radikalität zeigt sich erneut vor der archetypischen Kontrastfolie Sauls (1Chr 10,13 f), insofern dieser einen doppelten Straftatbestand erfüllt hatte. Nicht nur hatte er den Herrn nicht befragt ()דרש, sondern er hatte sich stattdessen an einen Totengeist ( )אובgewendet, was dazu führte, dass JHWH selbst ihn sterben lies (מות, hif.). Der Eintritt in den Bund198 der Väter in 2Chr 15,12–15 wird vom Chronisten in einem typisch dtr. Assoziationsrahmen geschildert (vgl. Dtn 6,5).199 Dieser steht jedoch auch zu 1Chr 28,9 in einem engen, genauer gesagt in einem expandieren Verhältnis. Zunächst also einen Schritt zurück: In 1Chr 28,9 wendet sich David mit den folgenden Worten an seinen Sohn Salomo: Und du, Salomo, mein Sohn, erkenne ( )דעden Gott deines Vaters und diene ()עבד ihm mit vollständigem Herzen ( )לב שלםund mit verlangender Seele ()נפש חפצה, denn JHWH sucht ( )דרשnach allen Herzen und alles Sinnen und Denken kennt er. Wenn du ihn suchst ()דרש, lässt er sich von dir finden ( ;)ימצאverlässt du ihn aber, verstößt er dich auf ewig.
In der Anrede an Salomo zeigt sich erneut die Verbindung von דרשmit לבund נפש. Nur zeigt sie sich auch hier nicht zum ersten Mal. Ursprünglich muss die Verbindung von 1Chr 22,19 her gelesen werden, wo David sich an die שרי יׂשראל wendet.
195 ( והגרים עמהם מאפרים ומנׁשה ומׁשמעוןvgl. 2Chr 15,9*). 196 Dass das ganze Volk gemeint ist, ergibt sich aus den Merismen (למן־קטן ועד־גדול למאיׁש )ועד־אׁשה. 197 Achenbach (2003, 499) setzt diesen Aspekt auf einer zweiten Ebene der theokratischen Bearbeitung (ThB2) an. 198 Von einem regelrechten „Eingehen in den Bund“ בוא בבריתist nur noch in Jer 34,10 und Ez 16,8 die Rede. 199 Auffällig ist, dass die Wendung בכל־לבבם ובכל־נפׁשםin der Chronik nur an dieser Stelle ohne einen Anhaltspunkt in der Vorlage verwendet wird. Vgl. zum Sitz des שמע ישראלim Buch Deuteronomium ausführlich Achenbach 1991, 70–115.
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Damit noch einen weiteren Schritt zurück: So richtet nun eure Herzen ( )לבund eure Seele ( )נפשdarauf, den Herrn, euren Gott, zu suchen ( !)דרשUnd erhebt euch und baut das Heiligtum des Herrn, der Gottheit, damit man die Lade des Bundes des Herrn in das Haus bringen kann, das dem Namen des Herrn gebaut wird.
Der Gesamtzusammenhang muss an anderer Stelle entfaltet werden.200 Hier geht es darum, dass der Auftrag, den Herrn mit Herz und Seele zu suchen, in engem Verhältnis zur Installation des Kultes steht. Die ׂשרי ישראלwerden stellvertretend eingeschworen, da es von Salomo in V.5 heißt, dass dieser noch jung und schwach ( )נער ורךwar. Was Salomo in 1Chr 22 noch nicht gesagt werden kann, diesem jedoch schon gilt, erfährt er in 1Chr 28,9. Die nachgeholte Aufforderung wird dort ins Superlative gesteigert. Salomo soll nicht nur suchen, er soll regelrecht erkennen ()דע201, außerdem soll er dem Herrn mit vollständigem Herzen ()לב שלם und verlangender Seele ( )נפש חפצהdienen ()עבד. Die Kombination dieser Begriffe findet sich im Alten Testament nur an dieser Stelle. Das Begriffsinventar weist dabei in seiner Komplexität über das dtr. hinaus, da der Chronist hier einen Begründungszusammenhang anführt: JHWH sucht nach ‚allen Herzen‘ und ‚kennt alles Sinnen und Denken‘. Der besondere Zusammenhang mit 2Chr 15,12–15 besteht darin, dass das in 1Chr 22 und 28 speziell auf Salomo zugeschnittene Verhältnis von ‚JHWHSuchen‘ und ‚Sich-von-JHWH-Finden-Lassen‘ auf das ganze Volk übertragen und in Form einer Bundeszeremonie ritualisiert wird. Und mehr noch: Was bei Salomo noch Verheißung war, erfüllt sich an dieser Stelle. Ganz Juda (2Chr 15,15) tritt in das Bundesverhältnis ein, das die Form eines Schwurs annimmt. Geschworen wird mit lauter Stimme ()בקול גדול, mit Jubellärm ()תרועה, mit Trompeten ()חצצרות und Hörnern ()שופרות.202 Sie haben JHWH gesucht und dieser hat sich von ihnen finden lassen.
4.4.4 Begriffsanalyse Bereits in der Exposition des Narrativs werden durch eine Beurteilung des Königs die Vorzeichen für dessen Regierungsauftakt gesetzt: ויעׂש אסא הטוב והיׁשר בעיני יהוה אלהיו. An die Beurteilung Asas schließt nahtlos die Grundlage an, auf die diese zurückzuführen ist: eine Kultreinigung. Die Erwähnung der Tora ist hier in einen 200 S. u. im Kapitel „Kult-Personal“ die Analyse der Kapitel 1Chr 22 und 28, die sich rahmend zu den integrierten Kapiteln 1Chr 23–26.27 verhalten. 201 Der Imperativ von ידעwird nur einmal in der Chronik verwendet. 202 An dieser Stelle muss man sich verdeutlichen, dass mit der Trompete gleichzeitig auch die Begleitung durch das Kultpersonal (in diesem Fall die Priester) assoziiert ist. Die Situation erinnert außerdem an die Überführung der Lade (vgl. 1Chr 15,28).
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Chiasmus eingebettet, dessen rahmende Verse ebenfalls auf legislatives Material der Tora zurückgreifen: A1: (V.2) Und er beseitigte die fremden Altäre und Höhen. Und er zerbrach die Mazzeben und er haute die Ascheren um. B: (V.3) Und er wies Juda an, nach dem Herrn, dem Gott ihrer Väter, zu suchen und die Tora und das Gebot zu halten. A2: (V.4) Und er beseitigte aus allen Städten Judas die Kulthöhen und die Kultbauten203. Und das Königreich war ungestört204 unter ihm. Während Asa in V.2 nach Dtn 7,5 handelt, ist V.4 evtl. vor dem Hintergrund von Lev 26,30 formuliert, was sich an dem Stichwort חמןerkennen lässt.205 Wichtig im Hinblick auf V.4 ist der Negativ-Befund im Deuteronomium, der deutlich macht, dass der Chronist hier nicht etwa eine Dublette produziert, sondern eine in D unauffindbare Thematik, die ihm offenbar ein wichtiges Anliegen war, assoziativ aus HG ergänzt. Dabei gruppiert er beide Varianten des Kultreinigungsdiskurses um die Anweisung an Juda, die Tora und das Gebot zu halten. 203 Die Übersetzung von ( חמןvgl. Lev 26,30 (//4Q365 f25a-c:14); 2Chr 14,4; 34,4.7; Jes 17,8; 27,9; Ez 6,4.6) ist nicht gesichert. Die wichtigsten Überlegungen dazu stammen von Lindblom 1938, 91–100; Elliger 1993, 256–265 im Anschluss an Ingholt. Drivers (1988, 165–179) und Fritz (1981) haben gegen frühere Deutungen jedoch durch Vergleiche mit dem palmyrenischen und nabatäischen Inschriften zeigen können, dass es sich dabei um kleine kubische Kultbauten handeln muss. Drivers zeigt in seiner Untersuchung, dass der palmyrenische Allāt-Tempel, des 2. Jh. n. Chr. auf den Fundamenten eines früheren Kultbaus errichtet seien. Dabei zeige eine alte Bauinschrift, die im neuen Kultbau als Spolie wiederverwendet worden sei, dass es dabei zu einer Umbenennung des Kultbaus kam: „Whereas the new temple is called a nws’ ) ναός, a common Greek term for temple, the earlier one is reffered to as a ḥmn a ḥamānā.“ (Ebd. 173). Der ältere Bau sei ins 1. Jh. v. Chr. zu datieren und habe eine Grundfläche von etwa 7,5 m × 5,5 m. (vgl. Ebd.). Drivers kommt in seiner Analyse der palmyrenischen Inschriften in Korrelation mit dem archäologischen Befund zu folgender Einschätzung: „The ḥamānā of Allāt at Palmyra is, however, the oldest one known so far in the Syrian region. It stood there already in the first half of the first century B. C. E.“ Dietrich und Loretz sind dieser Sichtweise gefolgt und schlagen deshalb für ug. ḫmn die Übersezung „Kultbau“ vor (vgl. UF 13, 99 f) Dabei korrelieren sie das Lexem jedoch nicht mit den archäologischen Befunden. Vgl. ferner DNWSI (Bd. 1, 382). 204 Die Wurzel שקטwird sieben Mal in der Chronik verwendet (vgl. 1Chr 4,40; 22,9; 2Chr 13,23; 14,4–5; 20,30; 23,21). Sie stellt eine Variation des נוח-Motivs dar und wird zwei Mal mit diesem kombiniert (vgl. 1Chr 22,9; 2Chr 14,5; 20,30). In Anbetracht der unterscheidbaren Benennungsmotivation, die sich bspw. aus akkad. šaqātu(m) mit der Bedeutung ‚zu Fall bringen‘ (AHW III, 1179) sowie akkad. nâḥu(m) mit der Grundbedeutung ‚ruhen‘ (AHW II, 716) ergibt, sind demgemäß in der Übersetzung die Wortfelder sprachlich auseinander zu halten. 205 Der Text in Lev 26 stimmt weitgehend mit Ez 6,4–6 überein. Vermutlich war Lev 26 der nehmende Text da hier verschiedene Traditionen zusammengestellt werden. Die Abhängigkeiten zwischen Chr, Ez und Lev (vgl. auch Jes 17,8; 27,9) werden nicht mehr vollständig zu erhellen sein, offensichtlich ist jedoch, dass es sich hier in allen Fällen um späte Texte und damit um einen vitalen Diskurs handelt. (Vgl. Pohlmann z. St.).
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v) 2Chr 14,3(+) ויאמר ליהודה לדרוׁש את־יהוה אלהי אבותיהם ולעׂשות התורה והמצוה׃
Und er [sc. Asa, L. M.] gebot Juda, JHWH, den Gott ihrer Vorfahren, zu suchen und die Weisung und das Gebot206 einzuhalten.
Die erste Erwähnung der Tora steht in unmittelbarem Zusammenhang mit Asa. Die signifikante Verbindung von תורהund מצוה, jeweils im Singular und mit Artikel, lenkt den Blick auf den erzählerischen Ursprung dieser Verbindung in Ex 24,12b.207 Hier (und nur hier), wo das erste Mal von den „Tafeln“ die Rede ist, wird schon im Pentateuch dezidiert festgehalten, dass das am Sinai übergebene Gesetz ein schriftliches Gesetz ist. Achenbach hat untersucht, welchen Stellenwert diese Wendung in einer komplementären Redaktionsgeschichte der Tora und der Vorderen Propheten hat, und stellt dabei eine Entwicklung in drei Phasen fest:208 Zunächst werde in einer spät-deuteronomis tischen Phase in der zweiten Hälfte des sechsten Jahrhundert v. Chr. das deuteronomis tische Deuteronomium „as a document of a covenant saying that the torah was derived 206 Die LXX bietet τὰς ἐντολάς. 207 Der Konkordanzbefund für die Verbindung von תורהund מצוהgibt nur wenige signifikante Belege: Ex 24,12; Jos 22,5; 2Kön 17,34.37 sowie 2Chr 14,3 und 31,21.Vgl. zur grundlegenden Auswertung des Befundes Braulik 2004, 115–140. Braulik erwägt eine Reihe von Deutungen für Ex 24,12 und kommt zu dem Ergebnis, dass תורהsich hier nicht auf eine Einzelweisung beziehen könne, sondern auf ein Corpus rekurrieren müsse. מצוהbeinhalte „alles Gottgewollte und klärt das vom Dekalog her offenbleibende.“ (Ebd. 121). Der eigentliche Sinngehalt von תורה und מצוהerschließe sich erst im Deuteronomium, wo in Dtn 1,5 von התורה הזאתgesprochen und damit kataphorisch auf das Dtn 5 beginnende Textkorpus verwiesen. Dabei ist jedoch, wie besonders Otto (z. St., 319.321, Lit!) ausgeführt hat, darauf zu achten, dass gerade in Dtn 1,5 durch באר, pi. bereits der exegetische Standpunkt eingenommen wird, der die Moabtora als eine Auslegung der Sinaitora identifiziert. Braulik hebt ferner den intertextuellen Zusammenhang von Ex 24,12, Jos 22,1–6 sowie 2Kön 17,34–40 hervor, der gerade durch die Implementierung des Begriffspaares תורה ומצוהund dem Hinweis auf deren Verschriftlichung ( )כתבkonstituiert werde. 2Chr 19,10 rechnet Braulik, der auf diese Stelle nicht zu sprechen kommt, offenbar nicht zu diesem Begriffspaar. Dabei bestätigt sich ausgerechnet von diesem Vers her Brauliks unbelegte Annahme (Vgl. Ebd. 136), dass die Chronik die skizzierte Entwicklung wahrscheinlich voraussetzt. Vgl. dazu i. F die Auslegung von 2Chr 19,4b–11. Auch Achenbach ist insbesondere dem Halbvers Ex 24,12b in verschiedenen Studien nachgegangen. (Vgl. z. B. Ders. 2004a., 56–80, bes. 64 ff. sowie Ders. 2007c., 253–285, bes. 256–264 und Ders. 2007a, 225–253.) und kommt zu dem Ergebnis, dass es sich dabei um einen Schlüsselvers der Pentateuchredaktion handelt: „[D]ie Behauptung, dass die mosaische Toraverschriftung auf einer göttlichen Toraverschriftung basiere, begründet die Kanonizität der Tora insgesamt.“ (Ders. 2004a, 66). Das ist nicht unerheblich, da auf Grund dieser Konzeption insbesondere der Chronist die Dimension der Skriptualität des Torabegriffs an verschiedenen Stellen bereits voraussetzt. Vgl. zur Diskussion auch Oswald 1998, 213 f. Zur reichhaltigen Rezeptionsgeschichte, die sich an das Begriffspaar והתורה והמצוה vom Jubiläenbuch bis in den Talmud angeschlossen hat, vgl. Doering 2014, 485–510 (Lit!). 208 Vgl. Achenbach 2007, 264.
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from Moses“209 interpretiert. Einer späteren post-deuteronomistischen Phase in der ersten Hälfte des fünften Jahrhunderts ordnet er die Konzeption in 2Kön 17,13 zu, dass JHWH Propheten gesendet habe, um das Volk zu warnen und zum Tora-Gehorsam aufzurufen. Diese Warnung sei mit der Vorstellung in Dtn 18,15 verbunden, dass ein Prophet wie Mose in Erscheinung tritt, der das Volk die Tora lehrt. Diese Phase ordnet er einer Hexateuch-Redaktion zu, die gleichzeitig die Tora in die Hände der Levitischen Priester und an Josua übergibt. In einer dritten Entwicklungsphase in der zweiten Hälfte des fünften Jahrhunderts sei es zur Herausbildung des Pentateuchs und der Integration priesterlicher Bestimmungen gekommen. Auf dieser Ebene setzt Achenbach Ex 24,12b an, wo festgehalten wird, dass Mose die Tora JHWHs in schriftlicher Form schon am Sinai erhalten habe und deren Umfang von Ex 25 bis Lev 26 reicht. Dabei nennt Achenbach ab Esra hierokratische Priester als Tradenten des Pentateuchs. In zuwachsendem Maße seien diese überhaupt mit der Weitergabe der Schriften in Verbindung zu bringen. Die anwachsende kanonische Stabilisierung habe Einfluss auf die Arbeit an den Samuel- / Königebüchern gehabt: „The more the pentateuchal text was canonized, the more the text of Samuel and Kings became fluent.“210
Asa ruft dezidiert dazu auf, התורה והמצוהzu tun. Damit knüpft er an Ex 24,12b an, wo Mose beides dezidiert in schriftlicher Form erhält und damit das Volk belehrt ( )ירהund den Zustand von Ex 18,13–26*, wo alles im Rahmen der mündlichen Einzelfallentscheidung bleibt, überwindet. Von 2Chr 14,3 her gelesen stellt sich also für Tora auch in 2Chr 15,3 weiterhin der Eindruck der Schriftlichkeit ein, der die Vorstellung eines die schriftliche Tora lehrenden Priesters stiftet. Die Aufgabe, das Volk in der mosaischen Tora zu unterweisen, hat der Priester spätestens nach dem Tod des Mose. Schon in Num 19,2, spätestens aber in Num 31,21 lässt sich beobachten, wie der Hohepriester sukzessive die Deutungshoheit über die Tora übernimmt. Vorbereitet wird dieses Verhältnis in Ex 7,1, wo Aaron vor dem Pharao zum Propheten ( )נביאdes Mose gemacht wird. Auf einer späteren Ebene211 wird Mose für Aaron zum Gott und jener für Mose zum Mund: „Aaron durfte die Worte des Mose nur nachsprechen, nichts eigenes hinzufügen. Sein Interpretationsspielraum war somit eng limitiert. Aaron verfügte über keine eigene Offenbarungskompetenz.“212
209 Ebd. 210 Ebd. Achenbach 2007, 264 f. 211 Vgl. zur Verhältnisbestimmung der Texte Achenbach 2003, 282, Berner 2010, 116 f; Albertz (z. St., 92 f). Einigkeit besteht in der Reihenfolge der Abhängigkeit. Achenbach (2003, 282) ordnet Ex 4,16 im Anschluss an Otto und Gertz dem Pentateuch-Redaktor (ca. 4.Jh. vor Chr.) und damit derselben Ideologie wie Ex 24,12b zu. Er zeigt ferner, dass das Verhältnis zwischen Mose und Aaron auch auf das Verhältnis zwischen Mose und Mirjam übertragen wurde, was sich im Verhältnis von Ex 15,1b und 15,21 ausdrücke (vgl. Ebd.). Berner (133 f.) votiert für Phase V, wobei II die erste priesterliche Phase darstellt. Albertz (z. St., 92) ordnet den Text einer spät-deuteronomistischen Bearbeitung zu, die er in die Mitte des 5. Jh. v. Chr. datiert. 212 Albertz (z. St., 93). Als einen Schlüsseltext der Mittlerschaft des Hohenpriesters hat Achenbach Ex 4,10 hervorgehoben: „Die Übertragung der Wortvermittlung des Knechts an
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Die Konsequenzen dieser Verhältnisbestimmung werden im Folgenden noch deutlicher sichtbar.
vi) 2Chr 15,3(+) Das zweite Mal innerhalb des Asa-Narrativs wird die Tora innerhalb der Rede des ‚Propheten‘ Asarja213 erwähnt. Nur an dieser Stelle ist überhaupt von der Tora in Verbindung mit einem Propheten die Rede.214 Dies erfordert besondere Aufmerksamkeit für die Verhältnisbestimmung des Chronisten zwischen Prophetie und Tora.215 Asarja wird in V.1 eingeführt und hebt in V.2 mit Adressatenbezug zu reden an: ׁשמעוני אסא וכל־יהודה ובנימן. In V.8 endet die Rede und der Leser nimmt nun die Perspektive Asas ein: כׁשמע אסא הדברים האלה והנבואה עדד הנביא התחזק. Unverkennbar machen die Worte des Propheten sofort Eindruck auf den König und führen augenblicklich zu einer Kultreinigung. Dabei besteht eine Spannung zwischen V.1 und V.8. Während in V.1 עזריהו בן־עודדzur Rede ansetzt, ist in V.8 nur noch von עדד הנביאdie Rede.216 Textkritisch lässt sich das Problem hier nicht lösen, da die Textzeugen hier jeweils die Inkonzinnität unterschiedlich vereinfachen. Tilgen lässt sich והנבואהnicht, da für עדד הנביאdann der Anschluss fehlte. Tilgt man die Aaron (Ex 4,10) bereitet die Fortentwicklung des Gedankens vor, die die Wahrnehmung des prophetischen Amtes des Mose in die Mittlerschaft des Hohenpriesters (bzw. seines Prätendenten) übertragen wissen will.“ (Achenbach 2003, 240). 213 Schniedewind (1995, 108–129 und passim) unterscheidet in seiner Untersuchung zum Prophetenbild des Chronisten streng zwischen „prophets“, die eher dem klassischen Prophetenbild entsprechen, und „inspired messengers“, die ihre ad hoc Inspiration kennzeichnet: „In four of the five messenger speeches, the spirit inspires the messenger to speak for God“ (Ebd. 238). 214 Dies ist insofern von Bedeutung als das Corpus Propheticum offenbar genau wie die Chronikbücher nach Abschluss des Pentateuchs zur Fortsetzung der dort initiierten Diskussionen genutzt wurden. Otto schreibt dazu: „Erst mit der Schließung des Pentateuchs als norma normans (Neh 13,1–3) im 3. Jh. v. Chr. verlagern sich die schriftgelehrten Dispute um die Toraauslegung aus der Tora heraus in das corpus propheticum. So werden nicht zuletzt in Jes 56; 66; Joel 4; Sach 9 und Obadja Diskussionen um die Applikation des Gemeindegesetzes in Dtn 23,2–9 geführt, die in der Tora nach deren Abschluß keinen Ort mehr fanden, so daß die Schriftgelehrten des 3. Jh. v. Chr. sich einen Prophetenmantel umhängen mußten, um die Tora kritisch fortschreiben und revidieren zu können. Schließlich wurde in Sach 13 mit Argumenten der Schriftexegese von Num 11 auch diese Toradiskussion im corpus propheticum beendet.“ (Ders. 2002b, 83.). Dass die Diskussion kritischer Tora-Revision und -Fortschreibung sich gleichzeitig auch in den Chronikbüchern vollzieht, sollte im Blick behalten werden. Der ausstehende Vergleich zwischen der Tora-Rezeption im Corpus-Propheticum und den Schriften kann an dieser Stelle freilich nicht geleistet werden. 215 Das Phänomen der Prophetie in der Chronik findet sich gut dargestellt bei Welch 1938; 42–54; De Vries 1986, 15–36; Kegler 1993, 481–497 sowie Schniedewind 1997, 204–224. 216 LXXB bietet Αδαδ statt Ὠδήδ, was vermutlich auf die Unterscheidung zwischen scriptio plena und defectiva in V.1 und 8 zurückzuführen ist (vgl. dagegen jedoch עדד// Ωδηδ in 2Chr 28,9). LXXA (nicht aber VUL) vereinfacht an dieser Stelle und bietet mit Αζαριου statt Αδαδ die lectio facilior. LXXL bietet mit Ὠδήδ stat Αδαδ die lectio facilior.
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gesamte Phrase והנבואה עדד הנביא, ergibt sich ein wohlgeformter Anschluss התחזק an האלה. Ruduolph überlegt ferner, עדד הנביאals Glosse zu 1a betrachten, „die besagen sollte, daß dort hinter עדדdas für Asarja in der Tat kaum entbehrliche הנביא ausgefallen sei, und die dann an falscher Stelle in den Text kam.“217 Ganz zu erhellen ist der Sachverhalt nicht mehr218, jedoch hebt der Vorschlag Rudolphs die Pointe in V.8 deutlich hervor, nach der Asarja hier in Ergänzung zu V.1 als Prophet charakterisiert wird. Das ist insofern nicht unbedeutend, als auch Leviten in der Chronik vom Geist begabt werden können (vgl. 2Chr 20,14).219 Im vorliegenden Text wird jedenfalls die Rede des Sohnes als Prophezeiung des Vaters ausgegeben, wobei Odeds Prophetenamt evtl. von der Namensidentität mit dem Propheten Oded in 2Chr 28,9 hergeleitet ist. Fishbane hat ausgeführt, dass Asarjas Rede „is an aggadic blend of several passages […] from the Pentateuch and from old prophecies“220. Wir wollen an dieser Stelle nicht allen verarbeiteten Traditionen nachgehen, sondern den Fokus auf den Tora-Bezug legen: וימים רבים ליׂשראל ללא אלהי אמת וללא כהן מורה וללא תורה׃
Und lange Zeit war Israel ohne den wahren Gott und ohne einen Priester, der sie lehrte,221 und ohne Weisung.
Curtis / Madsen222 und vor allem Rudolph223 weisen darauf hin, dass die von Asarja beschriebene Situation in die Zustände der Richterzeit verweist.224 Dieser Auffassung ist neuerdings auch Lynch, der das Asa-Narrativ für einen 217 Rudolph (z. St., 244). 218 Inwiefern schon in V.1 die Einführung des עזריהוder Vorliebe des Chronisten für diesen Namen zu verdanken ist (vgl. 1Chr 2,8.38–392; 3,12; 5,35–37.39–40; 6,21; 9,11; 2Chr 15,1; 21,2; 22,6; 23,1; 26,17.20; 28,12; 29,12; 31,10.13), lässt sich nur vermuten. Auffällig häufig wird Asarja als Priester erwähnt. 219 Dass die Leviten dann in 1Chr 25,1–3 zu Propheten werden ist demgegenüber ein sekundäres Phänomen (vgl. Labahn 2012, 211). 220 Fishbane 1985, 390. 221 In LXXB fehlt οὐχ ἱερέως ὑποδεικνύοντος, wahrscheinlich durch aberatio oculi von וללא zu וללא. 222 Ebd. z. St., 384. 223 Ebd. z. St., 245. Rudolph gleicht die Verse 3–7 dabei mit Referenzstellen aus dem Richterbuch ab: „3bα=Jdc 2,11–14 u. a.; 3bβ=Jdc 17,5; 3bγ =Jdc 17,6; 21,25; 5a=Jdc 5,6; 6,2 ff; 6=Jdc 8,5–9.15–17; 9; 12,4 ff.; 200 f.; 4=Jdc 2,18; 3,9.15; 6,6bff.; 10,9bff.“ 224 Allein schon, dass das Richterbuch das einzige Buch des Enneateuchs ist, in dem das Lexem תורהnicht erwähnt wird, spricht stark für diese These. Wahrscheinlich wurde die Tora auch in 2Sam 7,19 nicht ursprünglich genannt. Der Textbefund ist jedoch kompliziert. MT bietet תורת האדם. LXX bietet ὁ νόμος τοῦ ἀνθρώπου. Die Parallele in 1Chr 17,17 bietet die im Alten Testament einzigartige Wendung ( כתור האדםvornehmer Mensch). Die LXX bietet an dieser Stelle ὅρασις ἀνθρώπου (Blick eines Menschen). Knoppers (z. St., 678) hält die Variante in 2Sam 7,19 nicht für ursprünglich. Vgl. zur Aufarbeitung möglicher Konjekturen schon Rothstein (z. St.) sowie Willi 1972, 154.
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Höhepunkt der Chronik hält: „Social and spiritual chaos defined the period of the Israelite Judges. Israel achieved temporary deliverance by crying out to Yhwh, but found no lasting political solution. Accordingly Judges points toward a deeper institutional problem that plagued Israel, namely, the absence of a king.“225 Lynch hebt mit Blick auf die Anlage des Narrativs richtig hervor, dass „while Asa instituted reforms, he failed to make necessary priestly (re-)appointments, the precondition for mediation knowledge of ‚the true God‘ according to Azariah’s speech (2Chr 15:3; cf. Mal 2,6–7).“226 Bezeichnend ist die Lösung des Chronisten, die nicht auf der Linie des Richterbuches liegt, das – wenn auch abwägend – für die Einrichtung des Königtums votiert.227 225 Lynch 2014, 193 f. 226 Lynch 2014, 195. 227 Vgl. die gegensätzlichen Stimmen der Jotamfabel in Ri 9 und des königsfreundlichen Kehrverses in Ri 17,6; 18,1; 19,1; 21,25. Müller (2004, 68) hat dazu dargelegt, dass es sich nicht einfach um einen das Königtum bejahenden Text handle, sondern um einen, der „explizit dessen Notwendigkeit behauptet“. Dabei hat Müller ebenfalls darauf verwiesen, dass die Wendung איש הישר בעיניו יעשהeine Entsprechung in Dtn 12,8, hat und von dort her zu verstehen ist. (Vgl. dazu meine Analyse zu 1Chr 13,4.) Müller legt dar, dass die sekundäre Fortschreibung in Dtn 12,8–11 nicht einfach auf das Ende der Landnahme, sondern auf den Tempelbau zielt, der durch die Auswahl des Tempelplatzes in 2Sam 24 vorbereitet werde. (vgl. Ebd. 69.) Dabei stifte das Motiv der Ruhe vor den Feinden mit 2Sam 7,1.11 und 1Kön 5,18; 8,56 einen Zusammenhang zwischen der Auswahl des Ortes und dem späteren Tempelbau. (Vgl. Ebd. 69). Auf dieser Grundlage argumentiert Müller, dass es sich bei dem korrespondierenden Vers Ri 17,6 nicht etwa um einen allgemein königsfreundlichen Vers, sondern um einen spezifischen Hinweis auf das davidisch-salomonische Königtum handle (Ebd. 70). Dies wird neuerdings von Schulz (2016, 147) bestätigt, die von einem „pro-davidischen“ Text spricht und deshalb die Bezeichnung ‚königsfreundlicher Kehrvers‘ ablehnt (Ebd. 159). Gegenüber Ri 17,6 und 18,1 seien die Verse 19,1 und 21,25 noch einmal abzugrenzen, da letztere vor allem auf eine massive Diskreditierung Sauls zielen (vgl. Müller 2004, 71). Auch von dieser (wohl sekundären) literarischen via negationis hebt Müller hervor, dass sie das davidische Königtum favorisiere. An exakt dieses Kontrastverhältnis knüpft schließlich der Chronist an, der Saul sekundär nur als sterbende Kontrastfolie einführt, um dessen Dynastie sicher untergehen zu lassen. Vgl. schon Kittel (1922, 400), der den Kehrvers um 350 v. Chr. ansetzt.) Müller reflektiert dabei mit Blick auf die grundsätzliche Kritik in Ri 19–21, ob in diesen Kapiteln „‚ein Plädoyer für das‘ – davidische ‚Königtum‘ in der Erzählung selbst von Anfang an enthalten ist.“ (Ebd. 71) „[S]tellenweise“, so hebt er hervor, „könnte sich eine davon abweichende Tendenz erkennen lassen, die ‚Gemeinde‘ der Stämme als unter der Weisung Jahwes vollkommen handlungsfähig darzustellen, ohne dass ein Königtum dabei benötigt wird.“ (Müller 71 f, Hervorhebung L. M.). Genau diesen Effekt beobachten wir in 2Chr 15,3, wo die „Weisung“, von der Müller spricht, die jedoch im gesamten Richterbuch ungenannt bleibt, eingetragen wird. Der Chronist verbindet dabei die prodavidische Haltung der späten Glossatoren des Richterbuches, mit dem Führungsanspruch der Jerusalemer Oberschicht auf der Grundlage der Autorität der Tora und der diese verwaltenden Priesterschaft. Dabei scheinen sowohl die pro-davidischen Verse, wie Schulz sie nennt, als auch die ingressive Desavouierung des saulidischen Königtums durch die Sodomie der Benjaminiter mehr auf eine Fortsetzung in der Chronik, denn in Sam / Kön hin exponiert zu sein, mithin also besonders die Narrative Davids und Salomos als eine die Richterzeit alternierende Realität vorzubereiten. In dieser Fluchtlinie wird die Dystopie durch die Utopie abgelöst.
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Lynch sieht richtig: „it is not the absent monarchy that Azariah laments. He laments, the absence of teaching priests to offer instruction ()תורה.“228 Willi hat die Auffassung vertreten, dass, „[d]a es sich um die Beschreibung einer nachmosaischen Epoche handelt, […] der Ausdruck ‚ohne Thora‘ nicht das fixierte göttliche Wort der Vergangenheit meinen“, sondern sich nur „auf dessen aktuelle Anwendung“ beziehen könne und die Auffassung von Tora mithin im Bereich der Mündlichkeit anzusiedeln sei. „Die Thora wird in dieser chronistischen Prophetenrede als etwas so Lebendiges gesehen wie je in der vorexilischen Literatur.“229 Willi stellt weiterhin fest, dass nicht ein genereller Priestermangel konstatiert wird, sondern nur der lehrende Priester gemeint ist. Dabei muss jedoch berücksichtigt werden, dass mit der Betonung des wahren Gottes auch nicht die grundsätzliche Abwesenheit des Göttlichen gemeint ist. Vielmehr kann mit Seitenblick auf Jer 10,1–10, vor allem V.10 ( )ויהוה אלהים אמתund mit Blick auf die beschriebene Epoche (vgl. Ri 18,17 f) geschlossen werden, dass falsche Götter aus Holz und Edelmetallen verehrt worden sind. Damit ist präsupponiert, dass diesen falschen Göttern falsche Priester dienen, die überhaupt keine (und nicht nur keine mündliche) Tora erteilen.230 In Willis Deutung wird jedoch insgesamt die Gleichförmigkeit der durch ללאeingeleiteten Satzglieder und mithin das Fehlen des ‚wahren Gottes‘ und des ‚lehrenden Priesters‘ in Verbindung mit der fehlenden Tora zu wenig berücksichtigt.231 Das Trikolon in 2Chr 15,3 bildet demnach entweder einen Kausalzusammenhang, der die Erkenntnis des ‚wahren Gottes‘ auf das Fehlen eines Tora lehrenden Priester zurückführt, oder ein Hendiatris232, nachdem der epochale Mangel durch drei gleichwertige Ausdrücke beschrie-
228 Lynch 2014, 194. 229 Willi 1980, 104. Willi hat zwar grundsätzlich vollkommen Recht damit, dass in der Chronik bereits das Phänomen mündlicher Tora einsetzt und diese von jener durchaus frei verwendet und vor allem fortgesetzt werde. Dabei liegt die Freiheit des Chronisten mehr in der Fortsetzung der Tora, die er mit anderen, nämlich seinen eigenen, historiographischen Mitteln bestreitet, als in der Anwendung derselben. Wir werden darauf im zweiten Teil der Arbeit zurückkommen und sehen, dass der Chronist sich in der Neufassung der Geschichte der judäischen Könige durchaus eng an die Tora hält und dabei erkennbar einer bestimmten schon in der Tora angelegten Ideologie folgt. Die Fortsetzung dieser Ideologie, die ich in der Chronik aufdecke, konvergiert mit der Fortsetzung der Tora. Wobei ich die Fortsetzung der Tora außerhalb ihrer selbst als ein Phänomen konzeptioneller Mündlichkeit verstehe, dass sich in der Chronik in medialer Schriftlichkeit niederschlägt. Keinesfalls kann dabei zur Zeit des Zweiten Tempels jedoch in institutioneller Hinsicht von mündlicher Tora im Sinne von תורה שבעל פהgesprochen werden, wie Najman (2003, 118) und Jaffe (2001, 15–27, bes. 20) nachdrücklich betonen. 230 Vor dem Hintergrund der Richterzeit nennt Klein (z. St., 226) konkret den in Ri 17,5 genannten Micha. 231 Auch die paranomastische Verbindung von מורהund תורהspricht für einen Zusammenhang zwischen den Satzgliedern. 232 Curtis / Madsen (z. St., 384 f.) sprechen mit Blick auf die letzten beiden Phrasen ähnlich von Synonymie.
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ben wird.233 Dabei stellt der Chronist die semantische Sinnrichtung in Hinblick auf mündliche oder schriftliche Tora überhaupt nicht her.234 Auch berücksichtigt der Chronist die historischen Plausibilitäten235 der erzählten Zeit gerade deshalb nicht, weil er die Tora hier zu rhetorischen Zwecken in einer prophetischen Rede verwendet, die textpragmatisch als ein DIREKTIVUM236 aufzufassen ist und mithin auf eine Veränderung im Verhalten Asas zielt. Mit Blick auf die rhetorische Tora-Rezeption ist ganz erstaunlich, was der Prophet hier sagt. Denn er weist die post-mosaische und post-josianische Richterzeit nicht etwa auf Grund eines fehlenden Königs, sondern auf Grund eines fehlenden Priesters als Unheilsepisode aus. Gleichzeitig moniert der Prophet nicht, dass man in dieser Episode nicht auf die prophetische Botschaft, sondern nicht auf die Tora gehört habe.237 Darin verbergen sich zwei Hinweise auf die Erzählzeit. Zum einen, dass offenbar die priesterlichen bzw. levitischen Autoren bereits die Deutungshoheit über die Propheten übernommen haben.238 Ferner erkennen wir auch, dass die konkurrierenden Diskurse, wie sie sich in der Tora zwischen Dtn 18,15.18, wo die Aufrichtung (קום, hif.) eines Propheten wie Mose angekündigt wird239 und
233 Zwar werden in der Literatur zu V.3 zahlreiche Theorien darüber aufgestellt, jedoch wird der dreifache Einsatz mit ללאals Hinweis auf einen engen Zusammenhang der Satzglieder gedeutet. 234 Ein Argument für eine Deutung als schriftliche Tora ergibt sich freilich durch 2Chr 14,3 und durch 2Chr 19,4b–11, vgl. dazu i. F. 235 Mit Blick auf die Buchauffindungslegende in 2Kön 22, die der Chronist in 2Chr 34 zu einer Auffindungslegende der Tora JHWHs (vgl. 2Chr 34,14) ausschmückt, wäre jedoch auch denkbar, dass der Chronist für die Richterzeit materialiter den regelrechten Verlust der Tora meint. Dabei evoziert die chronistische Legende das Plausibilitätsproblem, dass diese anscheinend niemals abwesend, geschweige denn verloren gegangen war. 236 Im Rahmen der Sprechakttheorie gilt die Konvention Sprechaktbezeichnungen großzuschreiben. Vgl. zur Adaptierung der Theorie für das Alte Testament Wagner 1997. 237 Das ist umso erstaunlicher, als in der Forschung häufig auf die Abhängigkeit von Hos 3,4 hingewiesen wird (vgl. z. B. Japhet z. St.), wo es heißt: כי ימים רבים יׁשבו בני יׂשראל אין מלך ואין ׂשר ואין זבח ואין מצבה ואין אפוד ותרפים. Hier werden zuerst der König und die Fürsten genannt, die in 2Chr 15,3 keine Rolle mehr spielen. Dabei wird der in Hos nur durch die Metonymie ואין אפודals abwesend beschriebene Priester in der Chronik konkretisiert. Trifft diese Abhängigkeit zu ist aus der in Hos 3,4 zu findenden Phrase אפוד ותרפיםeindeutig zu entnehmen, dass es sich bei der beschriebenen Epoche um die Richterzeit handeln muss (vgl. Ri 17,5; 18,14.17–18.20; Hos 3,4). 238 Vgl. zum sukzessiven Ausbau des Corpus Propheticum: Steck 1991, 127–166. Steck zeichnet nach, dass sich die Tradenten der Prophetenbücher sukzessive nicht mehr nur am Deuteronomium, sondern am Pentateuch orientieren. Die letzte Phase des formativen Prozesses der Prophetenbücher sieht er motiviert als eine Ergänzung zur Tora, „die die gebotene Grundperspektive Mahnung und Warnung zum Tora-Gehorsam, wie sie – Mose im Dtn entspre chend – prophetisches Wirken in Israels Geschichte von Josua bis Maleachi kennzeichnen im Blick auf erfahrenes Gericht wie im Blick auf verheißenes Heil. (vgl. Ebd. 147). Vgl. dazu sowie Blenkinsopp 1977, 132–138. 239 Vgl. dazu auch Schniedewind 1995, der zwar auf Dtn 18,15–18 hinweist, jedoch keine Verhältnisbestimmung der Textstelle innerhalb des Pentateuchs vornimmt und deshalb die
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4. תהרותin der Chronik
Dtn 34,10–12240, wo genau die gegenteilige Auffassung das letzte Wort im Pente teuch hat: ולא־קם נביא עוד ביׂשראל כמׁשהsowie Num 12,6–8241, wo der Streit zwischen Mose, Aaron und Mirjam um die Deutungshoheit in der Gemeinde zugunsten des Mose entschieden wird, niedergeschlagen haben, für den Chronisten längst entschieden sind.242 D. h. dass einschlägige Anknüpfungspotenziale der Tora für eine Fortsetzung derselben, wie sie die Theokratische Bearbeitung implementiert (vgl. bspw. Num 27,15–23; Dtn 34,9), von der Chronik bereits vorausgesetzt und produktiv ausgeschöpft werden.243 In diesem Kontext ist zu berücksichtigen, dass Asarja als geistbegabter Prophet spricht ()היתה עליו רוח אלהים.244 Es
Präfiguration der von ihm sog. ‚inspired messengers‘ im Pentateuch selbst (Dtn 34,9) nicht nur nicht bemerkt, sondern auch gegenüber Dtn 18,15–18 nicht als eine sekundäre Entwicklung darzustellen weiß, die die ad hoc Prophetie trotz der Unvergleichlichkeit des Mose als Möglichkeit der Übermittlung göttlicher Offenbarung etabliert. 240 Zur einer ausführlichen Verhhältnisbestimmung von Dtn 18,15.18 und Dtn 34,10 unter Einbeziehung der Redaktionsgeschichte der hinteren Propheten vgl. Achenbach 2011, 4 35–458. sowie Otto jeweils z. St., vgl. ferner Gunnegweg 1990, 169–180, bes., 179 f, der Dtn 34,9 allerdings noch anders beurteilt als Otto, sowie Achenbach 2003, 237–266, der Gunnewegs Einsicht, dass die Textur der von ihm im Titel seines Aufsatzes genannten Texte nachpriesterschriftlich zu datieren sei (vgl. ebd. 173), weiterentwickelt. 241 Über den Stellenwert von Num 12,6–8 für den Chronisten s. o. 242 Römer (2007b, 440), der das Buch Numeri weniger durch redaktionell-formative und bearbeitende Vorgänge, denn vielmehr durch kontinuierliche Fortschreibung als eine Art „rolling corpus“ konstituiert sieht, hat dargelegt, dass Num 12,6–8 gegenüber dem Führungsanspruch der 70 Ältesten in Num 11 sekundär sein muss. Dabei geht er genau wie Noth (1948, 141) davon aus, dass Num 12,8–10 ein exklusives Überbietungsszenario kreiert, nachdem die Prophetie gegenüber Mose und vor allem gegenüber Num 11 abgewertet wird. Beide Darstellungen hält er für unvereinbar. Dagegen scheint mir jedoch schon Blum (1990, 195) das Richtige gesehen zu haben, der von einer komplexen Verhältnisbestimmung spricht und die Nuancierung einer inhaltlichen Restriktion der Prophetie durch Mose in Num 12 gegenüber Num 11 herausarbeitet. Hier wie dort wird das Phänomen der Prophetie nicht grundsätzlich ausgeschlossen, während es jedoch in Num 11 sehr umfänglich integriert wird, ist Num 12,6–8 als eine Limitation der Prophetie zu verstehen. 243 Otto und Achenbach haben umfassend ausgearbeitet, dass Dtn 34,9 in dem Streit darum, ob ein Prophet wie Mose auftreten wird, dahingehend entscheidet, dass dieser seine Legitimation nur von Mose herleiten kann und gleichzeitig von einer רוח חכמהbegabt sein muss. Vgl. dazu oben die Ausführungen zu Num 27,15–23 auf S. 90 f. Vgl. auch Römer 1999, 173, der gegen Schmidt Dtn 34,9 nicht für das Ende von PG hält, da mit der Einsetzung Josuas kein sinnvolles Ende vorliege. Er nimmt ebenfalls die Voraussetzung von Num 27 an und spricht von einer „‚priesterlich-dtr‘ Koproduktion“. 244 Bereits Mowinckel (1934, 199) hat den für ihn selbst überraschenden Umstand betont, „that the pre-exilic reforming prophets never in reality express a consciousness that their prophetic endowment and powers are due to the possession by or any action of the spirit of YHWH“. Demgemäß handelt es sich also bei dem Phänomen durch רוחbegabter Propheten um ein nachexilisches Phänomen. Schniedewind, der Mowinckel folgt, hat markiert, dass die besitzergreifende רוח, einschl. der Metapher der bekleidenden רוחihren Ort in der Militärsprache
4.4 רות im Kontext des Asa-Narrativs
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gibt drei prophetische Reden in der Chronik, denen eine Begabung mit göttlichem Geist ( )רוחvorausgeht:245 2Chr 15,1; 2Chr 20,14; 2Chr 24,20246. Die drei prophetischen Reden unterscheiden sich nicht nur in der Geistbegabung von den anderen prophetischen Reden, sondern auch im Adressatenbezug. Schniedewind hat die wichtige Beobachtung gemacht, dass nur diese drei Reden sich nicht an den König, sondern an ganz Juda bzw. das ganze Volk richten.247 Pragmatisch betrachtet konstatiert er weiterhin, dass die geistbegabten Propheten weniger Warner denn Mahner seien.248 Betrachtet man, was diese drei Geistbegabten jeweils prophezeien, ergibt sich der signifikante Befund, dass die Propheten in ihren Reden auf Passagen des Pentateuchs zurückgreifen. 2Chr 15,3 וימים רבים ליׂשראל3 ללא אלהי אמת וללא כהן מורה וללא תורה l
ויׁשב בצר־לו על־יהוה אלהי יׂשראל4 ויבקׁשהו וימצא להם l
I
Dtn 17,11 על־פי התורה אׁשר יורוך ועל־המׁשפט אׁשר־יאמרו לך תעׂשה Dtn 4,29 f ובקׁשתם מׁשם את־יהוה אלהיך ומצאת כי29 תדרׁשנו בכל־לבבך ובכל־נפׁשך בצר לך ומצאוך כל הדברים האלה באחרית הימים וׁשבת עד־יהוה אלהיך וׁשמעת בקלו l
hat. Demgemäß seien also die chronistischen Propheten deutlich von den vor-exilischen Propheten zu unterscheiden. (vgl. Schniedewind 1995, 66–70 sowie Ders. 1997, 218) Im Folgenden gehen wir dem komplexen Phänomen prophetischer Geistbegabung nicht weiter nach, sondern heben ein spezifisches Moment geistbegabter prophetischer Reden in der Chronik hervor, die den Fokus auf der Korrelation von רוחund תורהlegen. Daran sind einige Überlegungen zur diskursgeschichtlichen Formation anzuschließen. Eine umfassende Untersuchung zur Prophetie in den Chronikbüchern bietet Schniedewind 1995. 245 Amasai in 1Chr 12,19 hält keine Rede, sondern legt ein pro-davidisches Bekenntnis ab. Schniedewind (1997. 215) will außerdem Pharao Necho mit in das Schema ad hoc inspirierter Propheten einpassen, übersieht aber, dass in 2Chr 35,20–22 die רוחnicht erwähnt wird. Die Lügengeistszene der Thronratvision Micha ben Jimlas passt der Gattung nach ebenfalls nicht in dieses Schema. 246 Die metaphorische Vorstellung, dass man die göttliche רוחregelrecht wie Kleidung tragen könnte bzw. eigentlich diese sich mit einem Menschen bekleidet, ist ähnlich nur in Ri 6,34; 1Chr 12,19; 2Chr 24,20 zu finden. In Qumran ist die Formel nur noch in den Barchi Nafshi Hymnen (4Q434–438) belegt. In 4Q437 und 438 ist vom Geist des Heils ( )רוח ישועותdie Rede, der den Beter bekleidet, nachdem zuvor Unheil von ihm abgewendet wurde. 247 Vgl. Schniedewind 1997, 219. Daraus folgt für die Chronik: „The traditional prophet does address the king. However, the inspired messenger speaks to the people.“ 248 Vgl. Schniedewind 1997, 220.
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4. תהרותin der Chronik 2Chr 20,15–17
II
ויאמר הקׁשיבו כל־יהודה ויׁשבי ירוׁשלם והמלך15 יהוׁשפט כה־אמר יהוה לכם אתם אל־תיראו ואל־תחתו מפני ההמון הרב הזה כי לא לכם המלחמה כי לאלהים׃ מחר רדו עליהם הנם עלים במעלה הציץ מצאתם16 אתם בסוף הנחל פני מדבר ירואל׃ לא לכם להלחם בזאת17 התיצבו עמדו וראו את־יׁשועת יהוה עמכם יהודה וירוׁשלם אל־תיראו ואל־תחתו מחר צאו לפניהם ויהוה עמכם׃
Ex 14,13–14249 ויאמר מׁשה אל־העם13
l
l
אל־תיראו
l
l
התיצבו וראו את־יׁשועת יהוה אׁשר־יעׂשה לכם היום כי אׁשר ראיתם את־ מצרים היום לא תסיפו לראתם עוד עד־עולם׃ יהוה ילחם לכם ואתם תחריׁשון׃14 l
2Chr 24,20 ורוח אלהים לבׁשה את־זכריה בן־יהוידע הכהן ויעמד מעל לעם ויאמר להם כה אמר האלהים למה אתם עברים את־מצות יהוה ולא תצליחו
III
Num 14,41–43250 ויאמר מׁשה41 l
למה זה אתם עברים את־פי יהוה והוא לא תצלח׃ אל־תעלו כי אין יהוה בקרבכם ולא תנגפו לפני42 איביכם׃ כי העמלקי והכנעני ׁשם לפניכם ונפלתם בחרב43 כי־על־כן ׁשבתם מאחרי יהוה ולא־יהיה יהוה עמכם׃ l
l
כי־עזבתם את־יהוה ויעזב אתכם׃
Ad I – 2Chr 15,3 2Chr 15,2–7 stellt ein wesentlich komplexeres Verweissystem dar, als es hier erörtert werden könnte. Fishbane nennt Komposit-Texte dieser Art „taxemic form“251. Diese stellen eine Art Anthologie, bzw. eine „creative combination or recombination of elements from the tradition“252 dar. Maßgeblich für die Tora-Rezeption sind die Verse 3 und 4: Sucht man in der Konkordanz den Tora lehrenden Priester, ist der einzige in Frage kommende Referenztext Dtn 17,10 f: 10 Und du sollst nach dem Spruch handeln, den sie [sc. die levitischen Priester und die Richter] verkünden werden, von der Stätte aus, die dir JHWH erwählen wird, und du sollst alles bewahren, was sie dich lehren und danach handeln, 11 nach der Weisung, die sie dich lehren und nach dem
249 Vgl. z. B. Curtis / Madsen (z. St., 408); Rudolph (z. St., 261); Dillard (z. St., 157 f), der auch die Situation von Dtn 20,2–4 assoziiert; Kalimi 1995, 219; Japhet (z. St., 253) Klein (z. St., 289). 250 Dillard (z. St., 192); Kalimi 2013, 57; Klein (z. St., 345). 251 Fishbane 1985, 430. 252 Ebd. 430. Insbesondere für Texte der „taxemic form“ zeigt Fishbane an, dass diese in gewisser Weise die rabbinischen Auslegungsformen antizipieren (vgl. Ebd. 430). Eine Brücke schlagen für ihn Texte 1QS ii 2–9. Dabei wird dort jedoch auf das spezifische Kennzeichen der Geistbegabung verzichtet.
4.4 רות im Kontext des Asa-Narrativs
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Urteil, das sie dir sprechen werden, sollst du handeln. Von dem Spruch, den sie dir verkünden werden, sollst du weder nach rechts noch nach links abweichen. Das ist im Grunde zunächst ein weiterer Hinweis auf mündliche Tora-Erteilung, nur ist einerseits zu berücksichtigen, dass nach Dtn 17,18 offenbar eine schriftliche Fassung der Tora vorliegt und andererseits, dass genau dieser Sachverhalt vom Chronisten in der folgenden Episode, dem Jehoshaphat-Narrativ, aufgegriffen wird. 2Chr 17,7–9 und 19,4b–11 berichten von Tora lehrenden Priestern und der auf dieser Tora aufbauenden Rechtsprechung.253 Dabei führen die Priester in 2Chr 17,9 dezidiert einen ספר תורת משהmit sich, womit eindeutig nicht die mündliche Ad-hoc-Erteilung gemeint ist.254 Die Weisung, die dort in den Städten verbreitet wird, führt offenbar zu Entscheidungsschwierigkeiten der Lokalgerichte. In 2Chr 19 wird dann in Anknüpfung an die דם לדם-Regelung aus Dtn 17,8 die Problematik aufgenommen und die Entscheidung zwischen konkurrierenden Rechtsprinzipien: משפטים, חקים, מצוה,( תורה2Chr 19,10) am Jerusalemer Zentralgericht durchgeführt. Berücksichtigt man die Transformation der Lokalgerichtsbarkeit, wird deutlich, dass es hier zu einem reziproken Verhältnis von schriftlicher und mündlicher Tora kommt: mündliche Tora wird zu schriftlicher Tora und vice versa.255 Insbesondere Japhet hat auf den engen Zusammenhang hingewiesen, der zwischen Hos 3,5; Hos 5,15–6,1 und 2Chr 15,4 besteht. In der Tat zeigt der synoptische Vergleich, dass enge Stichwortverbindungen zwischen den Texten bestehen und mit einer intertextuellen Bezugnahme zu rechnen ist. Dabei weist Hos 3,5 jedoch, trotzdem der Fokus in V.4 offenbar auf der Richterzeit liegt, auf die Zukunft, 2Chr 15,4 hingegen (historiographisch adäquat) auf die Vergangenheit. Japhet urteilt vor dem Hintergrund der in der Tabelle markierten Übereinstimmungen: „Thus the theological principle of vv.3–4 is built in both its parts on moduls from Hosea.“256 Dabei fällt jedoch auf, dass eine Komplementarität bei Hosea nicht erwähnt wird: die Entsprechung des Suchens בקשund Findens מצא JHWHs. Sie findet sich in Hos 5,9 als Negation, viel prominenter aber in Jer 29,14 l
253 Dass dabei auch Fürsten und Leviten eingesetzt werden, ist Ausdruck der chronistischen Kompetenzstreitigkeiten und berührt das Argument nicht. 254 Den Topos der Ad-hoc-Erteilung hat jüngst Chavel (2014) genauer untersucht, der sich insbesondere dem Phänomen der von ihm sog. „Oracular Novella“ widmet. Zu dieser Gattung gehören Lev 24,10–23; Num 9,1–14; 15,32–36; 27,1–11 (vgl. Ebd. 2014, 6 f. Dort trägt Chavel induktiv alle Merkmale der Gattung zusammen, wobei bemerkenswerter Weise keiner der zugeordneten Texte alle Merkmale enthält.) Institutionell bringt Chavel die Ad-hoc-Erteilung mit Ex 33,7–11; Ex 18,13–26; Ri 4,4–6; 1Sam 7,15–17 und ähnlichen Texten zusammen. S. u. „Kult-Kalender“. 255 Vgl. dazu i. F. die Analyse zur Tora-Rezeption im Jehoshaphat-Narrativ. Vgl. auch Dillard (z. St., 121), der in 2Chr 15,3 einen Rekurs auf die schriftliche Tora sieht. 256 Japhet z. St., 720, engl.
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und Dtn 4,29 f.257 Zunächst ist jedoch zu konstatieren, dass sie innerhalb der Chronik von außerordentlicher Wichtigkeit ist. Wir haben bereits beobachtet, dass sie mit dem Saul-Narrativ in die ‚Geschichte‘ eingeführt wird; dieser hatte bei der Suche ( )דרשnach JHWH versagt und stattdessen eine Totenbeschwörerin befragt. Einzig um diese negative Disposition zu schaffen, wird Saul überhaupt in der Chronik eingeführt.258 Die Referenzen in V.4 werden sich nicht vollständig erhellen lassen, da der Zusammenhang zwischen Dtn 4,29 f; Jer 29,13 f und Hos 3,5; 5,15–6,1 komplex ist und den hier gesetzten analytischen Rahmen überschreitet.259 Wir halten jedenfalls fest, dass es offenbar zwischen Jer 29,10–12.13–14; Dtn 4 und 30 einerseits einen oszillierenden Diskurs um die gnadenvolle Zuwendung JHWHs sowie die damit verbundene Rettung aus dem Exil gegeben hat und auf der anderen Seite um die Deutungshoheit darüber gestritten wurde, wer – Mose oder Jeremia – diese Rettung angekündigt hatte. Dass der Chronist mit diesen Diskursen nicht nur vertraut war, sondern aktiv an diesen beteiligt, zeigt sich in 2Chr 36,21, wo er Jeremia Worte des Heiligkeitsgesetzes ‚in den Mund‘ legt.260 2Chr 15,4
Dtn 4,29 f
Hos 3,5
Hos 5,15–6,1
Jer 29,13 f
ויׁשב
ובקׁשתם מׁשם את־יהוה אלהיך ומצאת כי תדרׁשנו בכל־לבבך ובכל־נפׁשך׃ בצר לך ומצאוך30 כל הדברים האלה
אחר יׁשבו בני יׂשראל ובקׁשו את־יהוה אלהיהם ואת דוד מלכם ופחדו אל־יהוה ואל־טובו באחרית
אלך אׁשובה אל־מקומי עד אׁשר־יאׁשמו ובקׁשו פני בצר להם יׁשחרננ לכו ונׁשובה1 אל־יהוה כי הוא טרף וירפאנו יך ויחבׁשנו
ובקׁשתם אתי13 ומצאתם כי תדרׁשני בכל־לבבכם14 ונמצאתי לכם נאם־יהוה וׁשבתי )את־(ׁשביתכם [ׁשבותכם] וקבצתי אתכם מכל־הגוים ומכל־המקומות אׁשר הדחתי אתכם ׁשם נאם־יהוה והׁשבתי אתכם אל־המקום אׁשר־הגליתי אתכם מׁשם
בצר־לו על־יהוה אלהי יׂשראל ויבקׁשהו וימצא לה
l
באחרית הימים
וׁשבת עד־יהוה אלהיך וׁשמעת בקלו
הימים
15
l
l
l
l
257 Otto (z. St., 574) hält Dtn 4,29 f für abhängig von dem dtr. Text Jer 29,13.14*. Bei der Übernahme nach Dtn 4, sei der Vers ab V.29b in den Singular gesetzt worden, was 29a zum Ausweis für die Übernahme aus Jer 29 mache. Damit greift Mose also nicht nur der Rettung aus dem Exil vorweg, sondern auch der Jeremianischen Prophetie vor. Otto folgt hier Veijola (z. St., 108 f.), der exakt dieselbe Analyse vorschlägt. 258 Vgl. zu diesem Motiv auch 1Chr 28,9; 1Chr 15,2.4.15. Nur per negationem wird das Motiv in Hos 5,9 eingeführt. (Vgl. ferner Jes 55,6; Jer 29,14). 259 Veijola (z. St., 109) bspw. hält fest, dass Dtn 4,30, den er anders als Otto für sekundär hält, abhängig von Hos 5,15 sei. Ob der Chronist vor dem Hintergrund dieser Übernahme einen Rezipienten erster oder zweiter Ordnung darstellt, wird man schlechterdings nicht mehr sicher feststellen können. 260 S. u. den Exkurs „Die Figur Jeremias in den Chronikbüchern“.
4.4 רות im Kontext des Asa-Narrativs
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Stilistisch ist auffällig, dass V.2 und V.4 eine Inclusio formen, genau wie wir es in 2Chr 14,2–4 beobachtet hatten: 2Chr 14,2–4
2Chr 15,2–4
ויסר את־מזבחות הנכר והבמות ויׁשבר את־ המצבות ויגדע את־האׁשרים
A
ויאמר ליהודה לדרוׁש את־יהוה אלהי אבותיהם3 ולעׂשות התורה והמצוה ויסר מכל־ערי יהודה את־הבמות ואת־החמנים4 ותׁשקט הממלכה לפניו
B
2
l
l
l
A'
… יהוה עמכם בהיותכם עמו ואם־תדרׁשהו ימצא לכם ואם־תעזבהו יעזב אתכם ס וימים רבים ליׂשראל ללא אלהי אמת וללא כהן3 מורה וללא תורה ויׁשב בצר־לו על־יהוה אלהי יׂשראל ויבקׁשהו4 וימצא להם l
l
Rückkehr heißt demnach Rückkehr zur Tora, Rückkehr zur Lehre des Priesters und damit Rückkehr zum wahren Gott. Ad II – 2Chr 20,15–17 2Chr 20 erzählt von einem Krieg zwischen Moab, Ammon, den Mëunitern und König Jehoshaphat (V.1).261 Die Episode hat keine direkte Parallele in den Königebüchern, knüpft jedoch bruchlos an 2Chr 19 an. Jehoshaphat, den die Furcht ergreift, ruft ein Fasten aus und befragt JHWH am Tempel nach einem Kriegsorakel (V.2–13).262 In 2Chr 20,14 ergreift zum Ende des Jehoshaphat-Narrativs mitten in 261 S. u. zur Tora-Rezeption im Jehoshaphat-Narrativ. 262 Das Gebet Jehoshaphats liefert ebenfalls Spuren der Tora-Rezeption. Bspw. wird die Wendung יהוה אלהי אבתינוnur in V.6 und Dtn 26,7 verwendet. Dabei stimmt nicht nur die Wendung, sondern auch der Kontext überein. Otto (z. St., 1887) weist darauf hin, dass Dtn 26,6–9 „nach dem Schema der Klagepsalmen von Not – Klage – Erhörung und Rettung“ strukturiert sei. Bis auf die enigmatische Verschuldung Jehoshaphats in 2Chr 20,35–37, die zwar aus der Vorlage übernommen wurde, dafür jedoch im Widerspruch zu 2Chr 19,3 steht, lässt sich auch 2Chr 20 mit diesem Schema beschreiben. – In V.7 gibt es einen exklusiven Bezug auf Abraham, der als אהבJHWHs bezeichnet wird. Dieses Attribut findet sich im Alten Testament nur noch in Jes 41,8. In Qumran ist es in 4Q176; 4Q252,8 belegt. Kratz (2009, 120) nimmt eine Abhängigkeit der Chronik von Jesaja an und liefert damit ein weiteres Indiz dafür, dass die Tora-Rezeption des Chronisten vollumfänglich nur unter Einblendung der literargeschichtlichen Befunde einschl. der intertextuellen Verflechtungen der נביאיםbestimmt werden kann. – V.10 gibt einen klaren Bezug auf die Exodustradition. Hier ist die Rede davon, dass JHWH den Israeliten es nicht erlaubt habe, während der Wüstenwanderung durch das Gebiet der Ammoniter, Moabiter und Edomiter zu ziehen, wobei unklar ist, ob die Relativpartikel nur auf Edom oder alle drei Völker rekurriert. Mit Blick auf Edom jedenfalls überrascht diese Aussage, denn der Chronist kennt offenbar weder eine Tradition nach der Israel friedlich durch Edom gezogen ist (Dtn 2,2–7), noch eine Tradition nach der Israel um ein Durchzugsrecht gebeten hat (Num 20,14) und damit abgelehnt wurde (Num 20,21a). Der Chronist gibt einzig Kenntnisse einer Tradition zu erkennen, nach der JHWH Israel verboten hat, Edom zu durchziehen (אׁשר לא־נתתה )ליׂשראל לבוא בהם. Dem Resultat nach steht die Chronik damit näher an Num 20, der Intention nach jedoch näher an Dtn 2. Möglicher Weise reagiert die Chronik hier auf eine Spannung, die zwischen Dtn 2,4–6 und 8 besteht, dass nämlich Israel zunächst auf den friedlichen Durchzug Edoms vorbereitet wird, dann jedoch in V.8 berichtet wird, dass Israel an Edom vorbeizieht. Vgl.
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4. תהרותin der Chronik
der Versammlung263 ein Geist von Jachasiël Besitz ()היתה עליו רוח. Jachasiël, den der Chronist über vier Vorfahren auf das levitische Sänger-Geschlecht der Asafiten264 zurückführt, wird auf diese Weise, mit Schniedewind zu sprechen, zu einem inspired messenger. Das bedeutet, er verkündet ad hoc ein göttliches Wort. Nach Einleitung durch die klassische Botenspruchformel כה־אמר יהוה לכםwendet er sich an Juda, die Bewohner Jerusalems und den König Jehoshaphat. Die Erweiterung der Phrase um לכםist genauso untypisch wie die Rede von JHWH in der dritten Person. Schniedewind schließt daraus zu Recht, dass die menschliche Stimme der göttlichen Stimme anders als in der klassischen Prophetie nicht untergeordnet ist: „Yet Jahaziel’s message draws upon the ‚divine word‘, namely, traditional sources. Jahaziel’s speech is essentially a human exegetical voice empowered and dazu Mittmann 1975, 65 f, sowie Perlitt, z. St. 140 f. Vgl. zur Analyse des Topos der Umgehung Edoms und der Verhältnisbestimmung von Num 20 und Dtn 2 ausführlich Achenbach 2003, 335–344. – Für V.11 weist Beentjes (2008, 62) daraufhin, dass „für die Beschreibung des erflehten Schutzbereiches das seltene hebräische Wort jeruššā (‚Eigentum‘, ‚Gebiet‘)“ verwendet [wird], das sich am häufigsten in Dtn 2 findet. Die Verwendung dieses Begriffs in Verbindung mit den drei Völkernamen in 2Chr 20,1.10 stellt laut Beentjes einen kaum widerlegbaren Beweis dafür dar, dass der Chronist die Exodus-Tradition offensichtlich nicht leugnete.“ (Ebd.; vgl. schon Kalimi 1995b, 189 sowie Knoppers 2004b, 81). In Verbindung mit den Beobachtungen zu V.10 ergibt sich das etwas profiliertere Bild, dass der Chronist die Edom-Durchzugs-Tradition offenbar nur noch in der spätesten literarischen Stufe rezipiert hat, nachdem Israel auf göttliche Anordnung dem edomitischen Gebiet ausgewichen war. 263 Die Phrase תוך הקהלist selten belegt (Num 16,33; 17,12; 19,20; 2Chr 20,14). Sie könnte hier Schniedewind (1995, 119) zufolge auf die Zentralstellung der Leviten in der Lagerordnung hinweisen, ist jedoch sonst nicht räumlich konnotiert, sondern soziologisch, indem sie einfach die Zugehörigkeit / Nicht-Zugehörigkeit zur Gemeinde anzeigt. 264 Der Stammbaum ist „dem Chronisten so wichtig, daß er darüber die militärische Bedrohung einen Moment lang vergisst“ (Mathys 2001, 282, Anm. 8) Der Chronist entfaltet die prophetische Begabung demnach von 1Chr 25, dem locus classicus der Verbindung von Gesang und Prophetie, her. Schniedewind (1995, 117) macht jedoch deutlich, dass der Chronist Jachasiël damit nicht zu einem Propheten im klassischen Sinne machen, sondern die Legitimität seiner göttlichen Inspiration herausstellen will. Dillard (z. St., 156) weist ebenfalls darauf hin, dass mit dem Ende der klassischen Prophetie in nachexilischer Zeit „those functions pass increasingly to temple personnel.“ Während Schniedewind und Dillard die These vertreten, dass es nachexilisch keine Prophetie mehr in Israel gegeben, habe und die Leviten daher an deren Stelle gerückt seien, behauptet Labahn (2012, 236) das Gegenteil und weist auf eine Reihe von nicht-levitischen „Propheten“ hin, die dieser Auffassung widersprechen sollen, so z. B. Nathan, Micha ben Jimla, Samuel, Iddo u. a. (Ebd. Anm. 203) Daneben würden noch weitere Seher (Gad, Jehu, Jeddo, Anm. 205) genannt. „Diese Propheten werden aber nicht den Leviten hinzugerechnet, obwohl es möglich gewesen wäre, sie in levitische Genealogien einzuhängen.“ (Labahn 2012, 236). Dass genau dieses an Samuel in 1Chr 6,7 f. vollzogen wird, ist Labahn offenbar entgangen. Damit kippt freilich noch nicht die gesamte These, jedoch ist gerade der Transfer Samuels von einem Ephraimiten zu einem Leviten, der sich immerhin bei einem der prominentesten Propheten Figuren ereignet, ein Vorgang, der stark in Richtung der Dillardschen wie auch der Schniedewindschen These weist. Besonders hervorzuheben bleibt auch der von Schniedwind herausgearbeitete Schriftbezug in der Chronik, der insbesondere für die von ihm sog. ‚inspired messengers‘ gilt, für die der Begriff Prophet nicht gebraucht wird.
4.4 רות im Kontext des Asa-Narrativs
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authorized by God by the use of inspiration formulas.“265 Es scheint, dass sich diese Auffassung des exegetischen Umgangs mit dem (verschriftlichten) göttlichen Wort auf den Umgang des Chronisten mit der Tora erweitern lässt: Der Chronist fordert dort, wo er explizit auf die Tora verweist, Autorität für die von ihm verfasste Literatur und generiert diese gleichzeitig dort, wo er in-explizit auf die Texte der Tora zurückgreift, diese aufnimmt oder an diesen produktiv weiterschreibt. Dabei beansprucht er gleichzeitig ein darüber hinausgehendes Maß an Autorität für die Passagen, an denen er zur Tora auf kritische Distanz geht. Wenn er bspw. den levitischen clerus minor gegenüber dem Numeri-Buch deutlich aufwertet, beruft er sich dabei nicht auf Mose, den Gottesmann, sondern, man möchte fast sagen nach dem Dictum: „Nemo contra deum nisi deus ipse“, auf David, den anderen Gottesmann. Jachasiël nimmt in seiner Rede deutlich auf Ex 14,13 f Bezug und knüpft damit archetypisch266 an den ersten Kampf an, den das Volk Israel gegen das Volk Ägypten zu bestehen hatte. Im Wesentlichen stimmen die Darstellungen in drei Elementen überein, die bereits Kalimi als eine dreigliedrige Struktur beschrieben hat: a. Fürchtet euch nicht, b. Haltet Stand, c. JHWH wird für euch kämpfen.267 Der Schriftbezug des Geistbegabten ist damit an dieser Stelle exklusiv an der Tora orientiert. Ad III – 2Chr 24,20) Für 2Chr 24 ergibt sich ein ähnliches Bild wie in Kap. 20. Dargestellt wird in Auseinandersetzung mit 2Kön 12 das Leben des Königs Joash. In signifikanter Abwandlung von 2Kön 12,3 wird von diesem in 2Chr 24,2 berichtet, dass er zeitlebens des Priesters Jehojada und wohl durch dessen Fürsorge gewirkt היׁשר בעיני יהוהtat.268 Das Bild wandelt sich mit dem Tod des Priesters, wobei dieser Wandel in 2Kön 12 nicht mehr berichtet wird. Der König hört auf die Fürsten Judas, verlässt ( )עזבmit diesen zusammen JHWH und wendet sich den Ascheren und Götzenbildern zu. JHWH reagiert offenbar nicht so, wie es bspw. 2Chr 15,2 erwarten lässt, wo konstatiert bzw. gewarnt worden war: ואם־תעזבהו יעזב אתכם, sondern gewährt den Abtrünnigen ein Moratorium, indem er ihnen Propheten sendet, um sie umkehren zu lassen ()להׁשיב. Eine anschließende Episode fortwährenden 265 Schniedewind 1995, 118. 266 Schniedewind (1995, 117) spricht von einem Paradigma: „Just as YHWH fights for Israel at the Red Sea against the Egyptians, so also YHWH fights for Israel at the Dead Sea against the Moabite coalition.“ 267 Kalimi 1995b, 219. Die אל תירא-Formel folgt dabei der Konvention einer alten Gattung, die bereits in SAA 9 belegt ist. 268 Anders als in der Vorlage wird berichtet, dass der Priester Jehojada Joash zwei Frauen gab, mit denen er Söhne und Töchter zeugte. Ebenfalls durch Abänderung der Vorlage wird nicht mehr erzählt, dass die Kulthöhen fortbestehen, sondern das Joash sich der Renovierung des Tempels zuwendet. Vgl. dazu und insbesondere zur Institution der jährlichen Silbersteuer unten „Kult-Ort“.
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Abfalls bietet der Chronist in einem zeitraffenden Vorgang dar: ויׁשחלח בהם נבאים ל�ה ׁשיבם אל־יהוה ויעידו בם ולא האזינו, wobei die Periode der Prophetenmissachtung durch den geistbegabten Priestersohn mit dem programmatischen Namen Sacharjah abgeschlossen wird. Besonders auffällig ist die Form, in der diese Geistbegabung ausgedrückt wird: ורוח אלהים לבׁשה את־זכריה: Ein Geist Gottes bekleidet sich mit Sacharjah.269 Diese Formel, die Schniedewind als „possesion formula“270 bezeichnet, wird nur drei Mal (Ri 6,34; 1Chr 12,19; 2Chr 24,20)271 im Alten Testament verwendet und scheint eine genuin chronistische Wendung zu sein.272
Sacharjah erteilt Juda in Form der paränetischen Frage die letzte Warnung. Dabei imitiert er, wie oben gezeigt, die Sprechhaltung des Mose in Num 14,41–43 und weist die Aufnahme der Tora explizit durch die signifikante, nur an dieser Stelle als כה אמר האלהיםformulierte Botenspruchformel als Gottesrede aus273. Auch hier stellt dabei das als Gottesrede Gekennzeichnete eine (in diesem Fall dem Wortlaut nach relativ freie) Rezeption der Tora dar. Dass man sich gegen Sacharjah verschwört und der König den Auftrag erteilt, jenen zu töten, beantwortet dieser mit den letzten Worten: ירא יהוה וידרש. Erst der Ungehorsam gegen den Geistbegabten ändert dann die Situation gegenüber V.19 und die Episode verläuft nach demselben Muster, wie auch Num 14,44 seinen Fortgang nimmt. Feinde – dort Amalek, hier Aram – ziehen herauf und Israel erleidet die angekündigte Niederlage. Dabei setzt der Chronist einen seiner Retributions-Theologie entsprechenden Akzent274, indem er erstens dezidiert die כל־שרי העם, die Gruppe, durch die sich das Verhalten Joaschs (V.17) zum Schlechten gewendet hatte, zu Opfern des Krieges werden lässt und zweitens die Rede des Erben des ermordeten Priesters zum Auslöser für die Vergeltung macht. Die Tora wird in der geistbegabten Rede nicht mehr not-
269 Knoppers (z. St., 559) weist im Anschluss an Joüon darauf hin, dass der Chronist den bestimmten Artikel hätte benutzen können, um den Geist zu determinieren. 270 Vgl. Schniedewind 1995, 55. Schniedewind fasst auch die Formel היתה רוח יהוהals posession formular auf. 271 In Qumran ist die Formel nur noch in den Barchi Nafshi Hymnen (4Q434–438) belegt. In 4Q437 f4:6 und 4Q 438 fii 4:6 ist vom Geist des Heils ( )רוח ישועותdie Rede, der den Beter bekleidet, nachdem zuvor Unheil von ihm abgewendet wurde. Berücksichtigt man, dass die Priester in 2Chr 6,41 (in Aufnahme von Ps 132,16) aufgefordert werden, sich in Heil zu kleiden ( )לבש תשועהwird deutlich, wie eng die Reflexionshorizonte miteinander übereinstimmen. 272 In Ri 6,34 ist die רוחnicht weiter mit dem Kontext verbunden und vermutlich sekundär. 273 Schniedewind (1995, 119) weist auch in diesem Zusammenhang zu Recht auf den ungewöhnlichen Anschluss an die Botenspruchformel in der dritten Person hin, die weniger Redewiedergabe, als vielmehr die Perspektive der Zitation ist. Die vom Chronisten gegenüber der Vorlage פי יהוהdurch מצות יהוהersetze Phrase identifiziert Schniedewind (Ebd. 120 sowie Anm. 92) mit der Tora. 274 Vgl. Japhet 2009, 129–138.
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wendigerweise terminologisch aufgegriffen, sondern zum Teil eines Aktes der Performanz275, d. h. sie wird gleichsam zur Aufführung gebracht. Wir brauchen den Befunden hier nicht in allen intertextuellen Details zu folgen, um zu erkennen, dass offenbar die Geistbegabung der ‚Propheten‘ in einem besonderen Verhältnis zu deren Tora-Rezeption steht, wobei insbesondere in 2Chr 20,15–17 und 2Chr 24,20 zu erkennen ist, dass die Reden des Mose erneut in Form der geistbegabten Rede zu Darbietung gebracht werden. Dabei weist die parallele Verwendung der einschlägigen Motive einen Rückgriff auf die Tora aus und gibt in der Variation der Formulierung zu erkennen, dass dieser Rückgriff mit Blick auf den exakten Wortlaut noch verhältnismäßig frei war. So meinen bspw. ( כי־עזבתם את־יהוה ויעזב אתכם2Chr 24,20) und כי־על־כן ׁשבתם מאחרי יהוה ולא־יהיה ( יהוה עמכםNum 14,41–43) trotz des unterschiedlichen Wortlauts dasselbe. Der Zusammenhang zwischen Geistbegabung und Schrift-, insbesondere Tora-Kenntnis ist selten hergestellt worden. Am profiliertesten ist Schniedewind auf den Zusammenhang eingegangen, der vor diesem Hintergrund die reizvolle These vertreten hat, dass die vier prophetischen Gestalten in Analogie zu Esra figuriert wurden.276 An anderer Stelle zeigt Schniedewind anhand der frappanten Änderung von ( דרבי הספר הזה2Kön 22,13) zur offenbar als adäquat aufgefassten Wendung ( דבר יהוה2Chr 34,21), dass diese in der Prophetie beheimatete Wendung vom Chronisten offenbar nicht mehr als durch den Propheten vermitteltes göttliches Wort aufgefasst wird, sondern zumindest in sechs von zwölf Fällen auf das mosaische Gesetz rekurriert.277 Damit komme es seiner Auffassung nach zu einem Bedeutungswandel von der mündlichen Prophezeiung hin zur Skriptualität.278 Diese Resignifikation, konstatiert Schniedewind zu Recht, „reflects the increasing importance of Torah in the post-exilic period.“279 An dieser Stelle zeigt sich, dass Erklärungsmodelle chronistischer Tora-Rezeption, die sich einseitig auf das Paradigma der mündlichen Tora, sei es medial, sei es konzeptionell, sützen, zu kurz greifen. Die durch die Geistbegabung verursachte Nähe zur Tora hat auch im Pentateuch einen Hintergrund, der zeigt, dass die Begabung mit göttlichem Geist nicht nur l
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275 Damit meine ich keinesfalls einen Performativen Akt im Sinne der Sprechakttheorie, sondern eine Form der Text-basierten Aufführungsspraxis. 276 Vgl. Schniedewind 1997, 221. 277 Schniedewind 1995, 130–162.246. 278 „The word of YHWH is no longer just the spoken word of the prophets but also the written word of the scribes.“ Schniedewind 1995, 130. Vgl. auch Ders. 1999, 162. 279 Schniedewind 1995, 246. Auch weiterhin beschreibt Schniedewind die Entwicklung zutreffend, wenn er festhält, dass „When ‚the word of YHWH‘ becomes a synonym for Torah, it is not surprising that the prophets become transmitters and interpreters of Torah“ (Ebd. 246). Insofern gibt die Chronik Anhaltspunkte dafür, dass am Ende der (klassischen) Prophetie gleichzeitig eine Fortsetzung mit anderen Mitteln steht: Die Propheten werden zu Interpreten der Schrift und insbesondere der Tora.
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eine äußerliche, sondern auch eine innerliche Dimension hat. Einzusetzen ist bei Dtn 18,15.18, wo ein Prophet angekündigt wird, der Mose ähnlich ist.280 Diese Konzeption wird durch Dtn 34,10–12 konterkariert, wo gerade das Gegenteil festgehalten wird, dass nämlich kein Prophet wie Mose mehr auftreten wird. Mit dem Tod des Mose sei demnach die direkte Gottesoffenbarung an ein Ende gekommen und gerade der Tod des Mose hat seinen Grund in dessen Ablösung durch das schriftliche Gesetz. In diese Konfliktstellung schalten sich nun Texte wie Num 11,10aβ.bβ.11–12.14–15+16–17.24–30281 und Dtn 34,9 ein, die das prophetische Charisma reintegrieren und gleichzeitig an die Autorität der mosaischen Tora binden. So heißt es in Dtn 34,9 ויהוׁשע בן־נון מלא רוח חכמה כי־סמך מׁשה את־ידיו עליו ויׁשמעו אליו בני־יׂשראל ויעׂשו כאׁשר צוה יהוה את־מׁשה. Mit diesem Vers wird ein Zusammenhang zwischen Num 27,12–23 und dem Ende des Pentateuchs unter der Maßgabe hergestellt, dass es zwar keinen Propheten wie Mose mehr geben werde, dass jedoch dessen Charisma ( )רוח חכמהauf Josua durch Handaufstemmung und durch die Übergabe der Tora übergegangen sei. Während das prophetische Charisma des Mose gegenüber der Übergabe der Tora an Josua eine sekundäre Entwicklung ist, wird sie im Pentateuch durch die Vorwegnahme in Num 27 jedoch als vorausgehende Entwicklung dargestellt. Das hat zur Folge, dass Josua in dem Moment, indem er die Tora von Mose als „Lehrtora“282 erhält, bereits im Besitz des prophetischen Charismas ist, wobei damit die archetypische Situation der Synthese von Charisma und Tora entworfen wird, die sich in der Rezeptionsgeschichte der Chronik niederschlägt. Dort weht der Geist dann je und dann, da die Rückbindung an Mose personaliter nicht mehr möglich ist.283 Dass die kommende Prophetie exklusiv nur noch durch den Geist restringiert ist und nicht einmal mehr des Zeltes bedarf, zeigt Num 11,26–29 an.284 Dort lässt sich der Geist auf den Figuren אלדדund מידדnieder und zwar explizit fernab des
280 Schniedewind 1995, 108. 281 Achenbach 2003, 237, auf den für eine differenzierte Verhältnisbestimmung der Texte verwiesen sei, grenzt Num 11,10aβ.bβ.11–12.14–15+16–17.24–30 als sekundäre Ergänzung aus. Zur Verhältnisbestimmung von Num 11 mit den Hinteren Propheten vgl. auch Römer 2007b, 419–445, bes. 436–438. 282 Zum Begriff vgl. Otto z. St., 2096. 283 Während Achenbach in einem Aufsatz die Korrelation der Redaktionsgeschichte des Pentateuchs und des Corpus Propheticum als einen Prozess komplementärer Lesarten („complemtary readings“) beschrieben hat, wonach die redaktionellen Layer der zwei Corpora im Hinblick auf den Tora-Begriff auf allen Ebenen miteinander verzahnt worden seien. (Vgl. Achenbach 2007c, 253–285.), ergibt sich in der Chronik der Eindruck, dass diese Komplementarität auch auf der Ebene der figurativer Neugestaltung charismatischer Akteure einen Niederschlag gefunden hat. 284 Vgl. dazu Nihan (2006, 97), der darauf hinweist, dass die Vorstellung eines Volkes von Propheten „is a motif chracterisitc of post-exilic prophecy, which can be found in Isa 32:15; 44:3; Ezek 36:27; 39:29; Joel 3:1–2.“
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Zeltes (V.26aβ).285 Ein junger Mann, der zu Mose eilt, um diesen Vorgang Mose anzuzeigen (V.27), erfährt Josuas Unterstützung (V.28), der Mose bittet, der prophetischen Gebärde Einhalt zu gebieten. Dieser verweist jedoch auf den Geist JHWHs, der über diese gekommen sei und sie damit als Propheten autorisiere. Die Öffnung der Tora für Aktualisierungen bleibt damit also nicht nur – wie dieser durchzusetzen versucht – auf Josua beschränkt, sondern vollzieht sich allein durch die Spontanität des göttlichen Geistes. Gleichzeitig zeigt V.29 die paradoxe Situation an, dass Josua, der später durch Mose und Eleazar mit göttlichem Geist begabt wird und insofern den Führungsanspruch der beiden Figuren fortsetzt, hier durch die mosaische Hegemonie in seinem Eifer begrenzt wird. Der eifernde Josua wird dabei aus der Perspektive von Num 27,12–23 und Dtn 34,9 avant la lettre zum Gegner seiner selbst und durch die Restriktion mosaischer Providenz auf das eigene charismatische Amt vorbereitet. Unter anderem an 2Chr 15 hat Rad 1934 seine berühmte These der levitischen Predigt in der Chronik entwickelt.286 Ausgehend von der Beobachtung Köhlers, dass das Deuteronomium den Stil der Predigt trage, versucht v. Rad, der diesem folgt, seine Beobachtungen auch für die Chronik (1Chr 28; 2Chr 15; 19; 20; 25; 29–35*) fruchtbar zu machen. Zu Grunde liegt dabei seine These, dass die Chronikbücher deutlich deuteronomisch-levitischer als priesterlich geprägt seien.287 So trage bspw. 2Chr 25,7 f, trotzdem hier ein איש האלהיםauftritt, auf Grund der prosaischen Sprache und der konkreten Lebenslage weniger prophetische denn vielmehr predigtartige Züge.288 Das gilt auch für 2Chr 16,7–9, wo Sach 4,10b gepredigt werde289 sowie für 2Chr 15,2–7290, wo Jer 29,14 aufgenommen sei. Das levitische oder auch prophetisch-levitische Merkmal leitet v. Rad dabei von dem Umstand ab, dass der Chronist im Einschub seiner ‚Predigten‘ überhaupt keinen Unterschied zwischen den Predigern (Gottesmänner, Könige, Propheten, Leviten) mache und deshalb auf ein Vorbild zurückgreifen müsse.291 „[I]n diesem Punkt lehnt er sich an Vorbilder, d. h. an Formen an, die gerade in der levitischen 285 Römer (2000a, 190) vertritt die Auffassung, dass Eldad und Medad die jenseits des 70er Gremiums am Geist partizipieren evtl. eschatologische Gruppen in der Nähe Jerusalems gewesen sein könnten. 286 Vgl. v. Rad 1961a, 248–261. 287 Dass v. Rad damit zirkelschlüssig argumentiert, zeigt sich jeweils dort, wo die Chronik eindeutig auf P-Material rekurriert und jener die entsprechenden Stellen in der Analyse entweder übergeht, oder als Ausnahmen deklariert. Der wesentliche inwendige Einwand ist, dass die literarkritische Differenzierung der einschlägigen Stellen des Deuteronomiums zeigt, dass auch dort, wo v. Rad einsetzt, das Deuteronomium teilweise schon die priesterliche Ideologie aufnimmt und die Chronik unter Aufnahme dieser Stellen nicht nur direkt, sondern auch indirekt priesterlich geprägt ist. 288 Vgl. ebd. 249 f. 289 Der These, dass 2Chr 16,9a Sach 4,10b zitiert ist von Knoppers (2004, 68, Anm. 41) bezweifelt worden, da es keine sicheren Indizien für schriftliche Übernahme gäbe und genauso gut eine verbreitete mündliche Tradition im Hintergrund stehen könnte. 290 V. Rad 1961a, 251. 291 Vgl. ebd. 258.
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Tradition, in der er sich bewegt, bekannt und im Gebrauch waren.“292 Formal sei diese Gattung bis auf den prosaischen Stil unterbestimmt, inhaltlich jedoch durch „die Verwendung alter autoritativer Schriftworte“293 gekennzeichnet. Dabei weist v. Rad jedoch gerade auf Grund des freien, teils unvermittelten Umgangs mit diesen Schriftworten darauf hin, dass die zitierten Schriftworte für den Chronisten „noch nicht kanonisches Gewicht im vollen Sinn haben.“294 Funktional seien die Predigten daher verfasst, um den prophetischen Anspruch der Leviten zu begründen.
Schniedewind hat herausgearbeitet, dass die deutlichsten Beispiele für v. Rads Gattung in 2Chr 15,1; 2Chr 20,14; 2Chr 24,20, in den geistbegabten Reden – also den Reden, die gerade nicht der klassischen Prophetie entsprechen – zu finden sind.295 Dabei konstatiert auch er, dass die Propheten hier vor allem als Mahner inszeniert seien und zu Auslegern der Schrift gemacht werden.296 Der Chronist unterscheide dabei „prophets“ und „inspired messengers, and between the prophetic office and that of divine inspiration“297. Dahinter verberge sich jedoch, wie Schniedewind überzeugend zeigt, die Entwicklung von mündlicher hin zur Schrift-Prophetie. Demnach ist also weniger ein Sitz im Leben, denn ein Sitz im Buch anzunehmen. Eine ähnliche Sichtweise vertritt auch Achenbach, der das der Chronik zu Grunde liegende Prophetenbild grundsätzlich der Spätphase einer an der Tora orientierten Prophetenbearbeitung zuordnet, die mit der spät-deuteronomistischen Stilisierung der Propheten zu Mahnern einsetzt (vgl. 2Kön 17,13) und die angesichts der ausbleibenden Restitution des davidischen Königtums ihre Fortsetzung in der Stärkung des (levitischen) Priestertums findet, das die mosaische Tora lehrt. Mit dieser Entwicklung, die Achenbach auf der Ebene der Verbindung von P und D ansetzt, würden nun die Propheten zu Lehrern der Tora figuriert. Mit dem Ausbau der priesterlichen Sakralgesetzgebung und der Einfügung des Heiligkeitsgesetzes, die Achenbach zufolge Katalysator der Pentateuchredaktion ist und von ihm mit Esra verbunden wird, stünde nun Mose als höchster Prophet über aller kommenden Prophetie. Unter den Vorzeichen dieser theokratischen Entwicklung, könnten „[t]he prophets […] only take up themes in accordance with the Mosaic torah.“298 Offenbar handelt es sich im Falle der chronistischen Tora-Rezeption gegenüber der prophetischen Tora-Rezeption um 292 Vgl. ebd. 293 Vgl. ebd. V.Rad spricht dabei von einem regelrechten „Erlahmen der religiösen Sicherheit und Spontaneität“ (260), von dem ich jedoch in dieser Arbeit zeige, dass gerade das Gegenteil der Fall ist. 294 Vgl. ebd. 260. Dass diese Beobachtung zutrifft, haben wir insbesondere im Umgang mit der Tora gesehen. 295 Vgl. Schniedewind 1997,219. 296 Vgl. ebd. 220. Vgl. v. Rad 1961a 248;254;256 f 297 Schniedewind 1995, 231. 298 Achenbach 2007, 280. Albertz (21997, 514) beurteilt diesen Vorgang der Subordination prophetischer Offenbarung unter die Autorität der Tora pointiert als Domestizierung des Phänomens der Prophetie durch die offizielle JHWH-Religion.
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ein Epiphänomen, das die Korrespondenz zwischen Tora und Prophetie bereits voraussetzt.299 Einen Kulminationspunkt dieser Entwicklung stellt die Figur Jeremias dar. Von den Hinteren Propheten werden einzig Jesaja und Jeremia in der Chronik erwähnt.300 Während Jesaja nurmehr genannt wird und keine Rolle spielt, die die Handlung vorantreibt, wird Jeremia zur Autorisierung der chronistischen Geschichtsdeutung eine entscheidende Rolle zugewiesen. Dabei zeigt sich, dass Jeremia ebenfalls Tora zu kündigen hat, nur dass die Chronik, anders als es im Jeremiabuch zu beobachten ist, in der Synthese nicht auf D, sondern auf H zurückgreift.
Exkurs: Die Figur Jeremias in den Chronikbüchern Jeremia wird vier Mal in der Chronik erwähnt301 und spielt gemäß seinem späten Auftreten in der Geschichte Judas erst zum Ende des chronistischen Narrativs eine Rolle. Nachdem in 2Chr 36,17–19 in extremer Raffung von 2Kön 25,1–11 die Plünderung und Zerstörung des Tempels erzählt wird302, heißt es in V.20 f: Und die vom Schwert verschont blieben, führte er in die Verbannung nach Babel.303 Und sie wurden ihm und seinen Söhnen zu Knechten bis zur Königsherrschaft der Perser, 21 damit erfüllt würde das Wort JHWHs aus dem Mund Jeremias, bis dem Land seine Sabbate ersetzt werden, alle Tage der Zerstörung ruhte es, um die 70 Jahre zu erfüllen.304 20
299 Das bedeutet nicht, dass die reziproken Rezeptionsphänomene zwischen Corpus Propheticum und Pentateuch bereits zu einem Ende gekommen sein müssen. Es ist jedoch unverkennbar, dass die Chronik, bereits ein Prophetenverständnis voraussetzt, das seinerseits die Torarezeption der Propheten, mithin also das Phänomen der Tradentenprophetie voraussetzt und dieses durch die Einführung neuer Figuren fortsetzt. 300 Dass die auffällig seltene Erwähnung bekannter Propheten in einem Missverhältnis zur Einführung neuer Prophetenfiguren in den Chronikbüchern steht, ist häufiger beobachtet worden. Vgl. dazu bspw. Gerstenberger (2004, 351–367). 301 Vgl. 2Chr 35,25; 36,12.21.22. 302 Dabei werden sowohl die Gedalja-Episode als auch die Begnadigung Jojachins ausgelassen. 303 Die LXX bietet καὶ ἀπῴκισεν τοὺς καταλοίπους εἰς Βαβυλῶνα. Gewöhnlich wird im Anschluss an Allen 1974 II, 54 ein versehentlicher Ausfall durch homoioarcton (ἐκ vor ἐις) vorgeschlagen (vgl. bspw. Klein z. St. 534). Diese Erklärung trägt jedoch nur dann, wenn LXX מן החרבmit ἐκ τῆς μαχαίρας und nicht ἀπὸ τῆς μαχαίρας wie in Jer 21,7 übersetzt hat. 304 Die LXXAnt bietet […] ἕως τοῦ προσδέξασθαι τὴν γῆν τὰ σάββατα αὐτῆς σαββατίσαι πάσας τὰς ἡμέρας τῆς ἐρημώσεως αὐτῆς ἐσαββάτισεν εἰς συμπλήρωσιν ἐτῶν ἑβδομήκοντα. – […] bis das Land darauf wartet, seine Sabbate zu halten. All die Tage seiner Verwüstung hielt es den Sabbat bis 70 Jahre erfüllt waren. Allen (1974 II, 54) hält hier die antiochenische Version für ursprünglich und nimmt an, dass die markierte Phrase in LXXB durch Homoioteleuton ausgefallen sei. Für diese Annahme spricht weiterhin, dass auch Lev 26,35 (LXX) die Phrase (πάσας τὰς ἡμέρας τῆς ἐρημώσεως αὐτῆς σαββατιεῖ ἃ οὐκ ἐσαββάτισεν) mit entsprechendem Pendant in MT bietet. Man kann demnach annehmen, dass der Zusammenhang zwischen 2Chr 36 und
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Der Chronist greift hier auf Jer 25,11 f; 29,10 zurück305 und lässt damit sowohl die von Jeremia verheißene babylonische Knechtschaft als auch deren Ende nach 70 Jahren in Erfüllung gehen.306 In die prophetische Verheißung Jeremias mischt der Chronist dabei Versatzstücke aus Lev 26 ein, ohne diese als Zitat kenntlich zu machen. v. Rad spricht deshalb von einer „Beschlagnahme der alten Propheten für das Gesetz“307. Es ergeben sich folgende Übereinstimmungen: 2Chr 36
Lev 26
ויגל הׁשארית מן־החרב אל־בבל ויהיו־לו ולבניו לעבדים עד־מלך מלכות פרס
ואתכם אזרה בגוים33 והריקתי אחריכם חרב והיתה ארצכם ׁשממה ועריכם יהיו חרבה l
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למלאות דבר־יהוה בפי ירמיהו21 עד־רצתה הארץ את־ׁשבתותיה כל־ימי הׁשמה ׁשבתה למלאות ׁשבעים ׁשנה l
אז תרצה הארץ את־ׁשבתתיה34 כל ימי הׁשמה ואתם בארץ איביכם אז תׁשבת הארץ והרצת את־ׁשבתתיה כל־ימי הׁשמה תׁשבת את אׁשר35 לא־ׁשבתה בׁשבתתיכם בׁשבתכם עליה והארץ תעזב מהם ותרץ את־ׁשבתתיה בהׁשמה43 … מהם l
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Bereits in 2Chr 36,20 wird das Motiv des dem Schwert entrinnenden Restes aufgenommen. Das Motiv stellt gegenüber der Vorlage 2Kön 25,11 in jedem Fall eine Überarbeitung dar, da das Schwert-Motiv dort nicht erwähnt wird. Ob hier bereits auf Lev 26 oder auch auf Jer 21,7 zurückgegriffen wurde, wo dieselbe Situation ebenfalls durch שאר מן חרבausgedrückt wird, zurückgegriffen wurde, kann kaum mehr ermittelt werden. In V.21 ist durch die Inclusio des zweifachen למלאותdas Zitat aus Lev 26 gerahmt.308 Auf diese Weise wird in nuce ein komplexes Theologumenon in die Chronik implementiert. Zunächst wird der Prophet Jeremia aufgerufen, um das Exil als Erfüllung der von diesem verheißenen 70 Jahre zu deuten. Dabei bedeutet es für den Chronisten offenbar keinen Widerspruch, die Zeit des Exils durch die Zerstörung Jerusalems einerseits und die Herrschaftsüber-
Lev 26 ursprünglich noch umfassender war, als es die immerhin noch deutlichen Übereinstimmungen des MT jetzt noch zu erkennen geben. 305 Der Tradition nach kommen auch Sach 1,12 und 7,5 in Frage. Dort wird jedoch Jeremia nicht erwähnt. Kratz (1991, 261–267) hält Sach 1,12 für den ältesten Text. 306 Kratz (22013a, 161.) stellt außerdem einen Bezug zu Jer 27,7 f her, wo das Motiv der Knechtschaft eigens betont wird. Die Hintergründe der Konzeption von 70 Jahren, deren Verhältnisbestimmung über den Analyserahmen hinausführte, finden sich übersichtlich bei Kratz 1991, 261–267 sowie bei Berner 2006, 78–84. 307 V. Rad 1930, 115. 308 Auf diese Inclusio verweist schon Japhet (z. St. 1076). Vgl. auch Kalimi (1995, 265). Die Erfüllung der jeremianischen Botschaft ist demnach zwiefältig und besteht sowohl in der Sabbatruhe des Landes als auch der Zeitspanne der 70 Jahre.
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nahme der Perser309 andererseits einzufassen und diesen Zeitraum (587/6–539) von 47/8 Jahren als die von Jeremia intendierten 70 Jahre auszuweisen. Berner weist zu Recht darauf hin, dass der Chronist diesen Betrag ganz bewusst um knapp 20 Jahre verkürzt und die dadurch entstehende chronographische Diskrepanz bewusst in Kauf nimmt: Daß dem Chronisten diese gewaltige Diskrepanz zur absoluten Chronologie verborgen geblieben sein könnte, ist schwer vorstellbar. Seine Aufnahme der 70 Jeremianischen Jahre läßt sich daher nur so erklären, daß sie als traditionelle Exilschiffre rezipiert und als solche in das eigene heilsgeschichtliche Konzept integriert wurden.310
Mit dieser jeremianischen Konzeption wird nun erstmals die in Lev 26 geforderte Sabbatruhe des Landes synthetisiert. Die wörtliche Übereinstimmung ist dabei markant: In der gesamten Hebräischen Bibel wird allein Lev 26,34.43; 2Chr 36,21 das Nomen שבתals direktes Objekt mit dem Verbum רצה311 konstruiert. Auch die Übereinstimmung in dem Etymon הׁשמהkennzeichnet den Zusammenhang beider Textstellen. Fishbane vertritt dabei die These, dass die 70 Jahre als zehn Sabbatzyklen gedeutet werden.312 Dagegen hat Berner jedoch geltend gemacht, dass angesichts der faktischen Verkürzung auf 50 Jahre diese „bereits im übertragenen Sinn als Sequenz von sieben Septennien oder ein Jubiläum verstanden wurden.“313 Damit würden zugleich die 70 Jahre zum ersten Mal nicht als Summe eines Zeitraumes, sondern als Summe von Sabbatzyklen und damit als heptadische Struktur aufgefasst.314 Die volle Konsequenz der Synthese der Sabbatruhe des Landes und des Exils ergibt sich erst durch die Einblendung der in der Vorlage beschriebenen Deportation der Judäer: „Aus Kön 25, im Licht von Lev 26, wird die Theorie vom leeren Land.“315 Symptomatisch für diese Theorie steht die Ausi
309 Bereits im folgenden V.22 beschreibt der Chronist die Erfüllung der jeremianischen Verheißung und setzt Kyros als dessen Durchsetzungsmittel ein: ובׁשנת אחת לכורׁש מלך פרס לכלות דבר־יהוה בפי ירמיהו. In diesem Punkt unterscheidet sich die Geschichtsdeutung des Chronisten radikal von der Interpretation der 70 Jahre in Dan 9 deren Ende dort „durch das endzeitliche Eingreifen Gottes selbst herbeigeführt wird.“ (Berner 2006, 84). Auch in diesem Punkt bestätigt sich damit der Eindruck, dass die Chronik im Grunde eine nicht-eschatologische Soteriologie vertritt. 310 Berner 2006, 80, Anm. 217. Ganz grundsätzlich weist Berner (Ebd., 83) damit darauf hin, „daß die 70 Jahre sich als runde Zahl schon früh von ihrer realhistorischen Bezugsgröße ablösen und als traditionelles Interpretament in verschieden akzentuierte Darstellungen der Exilszeit eingehen konnten.“ 311 Die Wurzel רצה2 bedeutet etwa bezahlen, abtragen, ersetzen, erstatten. (Vgl. Ges181264). Vgl. dagegen jedoch Willi (1995, 21 Anm. 13), der alle רצה-Formen auf dieselbe Wurzel רצה zurückführen will und רצה2 für zu schwach begründet hält. 312 Fishbane 1985, 482. 313 Berner 2006, 83, Anm. 232. 314 Berner 2006, 83 f, Anm. 233. 315 Kratz 2013b, 162. Vgl. ebenso Grünwaldt 1999, 398 Berner 2006, 79. Willi (1995, 22 f) widerspricht dieser Deutung mit dem Hinweis auf V.14, wonach sich das gesamte Deportationsszenario in Jerusalem abspiele. V.14 kann jedoch die Last dieses Arguments angesichts der l
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lassung 2Kön 25,12, nach der einige Wein- und Ackerbauer im Land verblieben seien. Nicht nur, dass damit die gesamte Bevölkerung in die Golah transferiert wird, es wird gerade auch die Gelingensbedingung der Sabbat-Theorie gewährleistet: Das Land kann nicht mehr bestellt werden. Albertz hat in diesem Zusammenhang drei unterschiedliche Deutungen des Exils („Exilskonzeptionen“316) im Alten Testament herausgearbeitet: (1) In Jer 39–42; 52 werde das „Exil als verspielte Heilschance“317 betrachtet. (2) In 2Kön sei das „Exil als (vorläufiges) Ende der Geschichte“318 konzipiert, während (3) „[d]as Exil [in der Chronik] als Sabbatruhe für das Land“319 gedeutet werde. Im Falle der chronistischen Deutung zeigt Albertz dabei auf, dass das durch diese konstituierte Theorem des „leeren Landes“ dazu führt, dass die Kontinuität zwischen dem prä- und post-exilischen Israel in der Folge nur noch durch die babylonische Golah gestiftet werde. Gleichzeitig eröffnet die dritte Option, die auf der Idee einer Rückzahlung der Sabbate an das Land ruht, die Möglichkeit einer positiven Evaluation des Exils. In einem weiteren Kontext stellt sich damit die Frage nach der Bedeutung von Lev 26 und zwar nicht nur nach dem Text als solchem, sondern als rezipiertem Text in der Chronik, genauer gesagt als vom Propheten Jeremia in der Chronik rezitiertem Text. Insbesondere stellt sich die Frage nach dem Anlass dafür, Jeremia Worte der Tora in den Mund zu legen. Im Vergleich zu der zuvor beobachteten Tora-Rezeption der chronistischen ‚Inspired Messengers‘ wird Jeremia in der Chronik dezidiert als Prophet identifiziert (2Chr 36,12)320. Die früher beobachtete Geistbegabung findet sich bei der Einführung Jeremias in der Chronik nicht. Demnach unterscheidet er sich als Figur deutlich von der zuvor beschriebenen Gruppe charismatischer Torakünder. Dennoch hat Jeremia mit dieser Gruppe komplexen Erzählstrategie des Chronisten nicht tragen. Gegen Willis These spricht bspw., dass die aus Lev 26 übernommene Sabbatruhe sich dort auf das ganze Land erstreckt. Ferner spricht auch die Tilgung der Wein- und Ackerbauern (2Kön 25,12) dafür, dass dadurch die Sabbatruhe gewährleistet werden sollte. Dies übersieht Willi, der lediglich vermutet, dass die Menschen sich dem Eingriff in die Vegetation enthalten. (Vgl. Ebd.) – Sie können es nicht, weil sie nicht mehr dort sind. Vgl. zu diesem Einwand auch Jonker (2007b, 712 f), der Willi folgt, ohne weitere Argumente einzubringen. Recht zu geben ist Willi dennoch, wenn er schreibt: „[B]eim Exil, in der Exilszeit handelt es sich gerade nicht um die absolute Katastrophe, sondern um eine klar begrenzte Periode des Gerichts, die mit dem Beginn der Achämenidenherrschaft ihr Ende gefunden hatte und damit dem Anbruch des Neuen Raum schaffte.“ (Ebd. 23). Diese zweite Beobachtung deckt sich gänzlich mit der i. F. skizzierten Position von Albertz. 316 Vgl. Albertz 2001, 13–21. 317 Ebd. 318 Ebd. 319 Ebd. 320 V.12 stellt gegenüber 2Kön 25,19 eine Adiectio dar, die möglicherweise darauf zurückzuführen ist, dass die entsprechenden Ereignisse auch in Jer 52 überliefert sind. Das Auftreten der Jeremia-Figur ist demnach bereits durch die Parallelüberlieferung der Vorlage des Chronisten disponiert.
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genau dies gemeinsam, dass er nämlich – wie selbstverständlich – Worte der Tora kündet. Die Hintergründe der Verbindung der Tora mit Jeremia erhellen sich durch die spezifische Verbindung von Jeremia und der Sabbatthematik und führen nach Jer 17,19–27. Jeremia wird dort von JHWH beauftragt, sich in die Stadttore Jerusalems zu stellen und das Volk zur Einhaltung des Sabbats anzuhalten (V.19). Dabei warnt er bereits vor der Lebensgefahr, die das Tragen von Lasten am Sabbat mit sich bringt321 (V.20). Jeremia schärft dem Volk das Halten des Sabbats dabei in einem argumentativen Dreischritt ein: (1) Die Vorfahren haben den Sabbat nicht beachtet (V.22 f) (2) Wenn der Sabbat beachtet wird, kann die Stadt auf Dauer prosperieren und das kultische Zentrum Judas, Benjamins und der angrenzenden Gegenden darstellen (V.24–26). (3) Sollte der Sabbat nicht eingehalten werden, droht Jeremia mit dem Verbrennen der Stadt. Maier322 zufolge knüpft die Sabbatrede Jeremias an Dtn 5,12–14 an323, wobei jedoch ebenfalls Einflüsse spät-priesterlicher Konzeptionen unverkennbar seien. Jeremia wird hier demnach im Hinblick auf die Einhaltung des Sabbats nicht nur zu einem Mahner, sondern zu einem radikal-religiösen Eiferer, der aus der Perspektive einer Verschärfung des Sabbatgebotes vor den Gefahren des Sabbatbruches warnt. Insbesondere die Drohung der Vernichtung der Stadt ist dabei in Neh 10; 13 und anderen Referenztexten noch nicht als Strafe im Blick. Achenbach weist unter Einblendung der Parallelen in Dtn 28,1.15 zunächst darauf hin, dass die Formulierung in Jer 17,27aα ואם־לא תׁשמעו אלי לקדׁש את־יום הׁשבתÄhnlichkeit mit einer בריתaufweise, ohne dass dieses Stichwort im eigentlichen Sinne falle. Dass ist insofern richtig, als Dtn 28 einen Prätext für Lev 26 darstellt324 und auch hier die לא שמע-Formel übernommen und dezidiert als Ursache des Bundesbruches gehandhabt wird. Dabei wird, wie in Jer 17 auch, insbesondere in V.43 „[t]he destruction of the city […] mainly described as the result of a punishment for disobeying the commandment to keep the sabbath“325. Auch wenn sich dabei keine 321 Offenbar besteht darin schon ein Reflex auf die spät-priesterliche Ideologie der Todessanktion bei Sababtverstoß wie sie bspw. in Ex 31,14 sowie noch radikaler auch in Num 15,32–36 vorausgesetzt wird. Vgl. dazu Maier 2002, 214 sowie Achenbach 2016, 886. Auch die exklusive Wendung ( מלאכה לא תעׂשוJer 17,22) weist auf eine Anknüpfung an post-priesterschriftliche Vorstellungen hin, die offenbar nicht nur die Einsetzung des Heiligkeitsgesetzes in den Pentateuch voraussetzen (vgl. Lev 16,29; 23,3.28.31; Num 29,7), sondern das Arbeitsverbot noch radikalisieren. 322 Maier 2002, 205–225. 323 An dieser Stelle wäre weiterhin auch die Verhältnisbestimmung zu Neh 13,15–22 einzublenden über die insbesondere in der jüngeren Forschung geteilte Meinungen bestehen. Während bspw. Maier (2002, 218–221), die in der Analyse Reinmuth folgt, Neh 13,15–22 für älter hält, beurteilt Wright (2004, 229–233), der Neh 13,15–22 später datiert als Reinmuth, den Sachverhalt genau entgegengesetzt. 324 Vgl. dazu ausführlich Otto z. St., 1959–2021, der die Vorgeschichte und das Wachstum für Dtn 28 beschreibt und dabei ständig die Parallelen mit Lev 26 Blick hat sowie Nihan 2007, 535–545, der dezidiert aufzeigt, welche Transformationen Lev 26 an dem Prätext Dtn 28 bei der Übernahme vollzieht. 325 Achenbach 2016, 889.
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exakt wörtlichen Übereinstimmungen mit Jer 17 und 2Chr 36,20 f ergeben, ist auf Grund der konzeptuellen Ähnlichkeit dennoch anzunehmen, dass Jer 17 bereits im Horizont326 von Lev 26 verfasst wurde und die Aufnahme der spät-priesterlichen Sabbattexte ins Jeremiabuch in der Chronik bereits vorauszusetzen ist. Dieser erscheint dadurch als „Sabbat-Prophet“ prädestiniert, um auch dem chronistischen Theologumenon des „leeren Landes“ und der auf diese Weise gewährleisteten Ersetzung der Sabbate zur Durchsetzung zu verhelfen.
Die Chronik setzt also die Jeremia-Tora-Rezeption und mithin post-dtr. priesterlichen Einfluss auf das Jeremiabuch nicht nur voraus, sondern ergänzt diesen weiterhin noch um die Idee des Sabbatjahres. Jeremia scheint dem Chronisten demnach als „Sabbat-Prophet“ so selbstverständlich gewesen zu sein, dass er nicht nur die 70 Jahre Jeremias in eine am Zyklus des Sabbatjahres orientierte Struktur überführt, sondern selbstverständlich davon ausgeht, dass die mosaische Offenbarung in Lev 26 sich vollkommen mit der Botschaft des Propheten deckt.327 Dabei nutzt der Chronist die strukturell bereits bestehende Ähnlichkeit zwischen Lev 26 und Jer 17, um diese beiden Interferenztexte durch wörtliche Übereinstimmung noch enger miteinander zu verbinden. Achenbach328 rekonstruiert die Diskursformation des Propheten, d. h. die Vorgeschichte des Auftretens Jeremias in der Chronik, wie folgt: Nachdem im DtrG Propheten wie Hosea, Amos, Micha oder Jeremia nicht erwähnt worden seien, kam es in einem ersten Schritt (1) zur Sammlung der Prophetenrollen und zur Einfügung von Texten, die deren Botschaft im Sinne der dtr. Lehren umarbeiteten. In einem zweiten Schritt (2) sei dann die Rolle der Propheten beim Untergang des Nordreiches hervorgehoben worden (2Kön 17,13–15.22–23). Der dritte Schritt (3) bestand in der Implementierung einer Umkehrtheologie (z. B. in Hos 2,9; 3,5; 5,15; 6,1; Am 4,9–11). Besonders intensiv sei diese Theologie in Jeremia entwickelt worden (vgl. Jer 2,24.35; 3,1.7.10.12.14.19.22; 4,1.8.28; 5,3; 8,4–6; 11,10; 12,15; 15,7.19; 16,15; 18,8.11; 23,22; 25,5; 26,3; 29,14; 35,15; 36,3; 44,5.14 u.ö.). Im Jeremiabuch sei es demnach zu einer programmatischen Umsetzung von Dtn 18,15–18 gekommen. Auf dieser Ebene werde Jeremia dann zu einem Propheten im Sinne von Dtn 18,18 stilisiert, von dem es heißt: ונתתי דברי בפיו ודבר אליהם את כל־אׁשר אצונו. Diese Konzeption werde dann bspw. in Jer 26,16 aufgenommen, wo es heißt: ( בׁשם יהוה אלהינו דבר אלינוvgl. auch Jer 11,21; 20,9; (26,9); 44,16). Achenbach beschließt die Rekonstruktion dieser Entwicklung wie folgt: „Whereas Deut 17:8–13 relates to the written torah that stands under the auspices of levitical priests who ‚serve in the name of YHWH‘ (Deut 10:8; 18:5), Deut 18:16–18 developes the perspective of an oral 326 Horizont meint an dieser Stelle den anzunehmenden diskursiven Rahmen, der zu der strukturellen Ähnlichkeit zwischen Lev 26,43 und Jeremias Sabbatrede geführt hat. Weiter als beide in denselben diskursiven Rahmen einzuordnen, was hieße, auch die Abhängigkeitsverhältnisse zu bestimmen, kann ich an dieser Stelle nicht gehen. 327 An diesem Punkt wird damit Jeremia als ein Nachfolger des Mose stilisiert, der sich so selbstverständlich peinlich genau an dessen Tora hält, dass dies nicht eigens erwähnt zu werden braucht. 328 Vgl. Achenbach 2015, 96–105.
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torah under the control of scribes who follow the prophet who ‚speaks in the name of the YHWH.‘ Thus, the non-Mosaic oral torah of the Prophets becomes the unwritten Text of the Covenant.“329
Es ist unverkennbar, dass diese Entwicklung in der Chronik noch einen Schritt weitergeht. Auch hier findet sich der Hinweis auf die Erfüllung des Wortes JHWHs ( דבר־יהוה למלאותV.22, לכלות דבר־יהוהV.21). Dabei werden jedoch unter Ausweis auf die Prophezeiung Jeremias ( )בפי ירמיהוzitathaft Worte der Tora in den Mund gelegt. Aus dem Propheten wie Mose wird demnach ein Künder der Tora.330 Der Prophet steht demnach nicht in einem direkten Offenbarungsverhältnis, wie Dtn 18,18 es eröffnet, sondern in einem mittelbaren Verhältnis, wie es sich in Ex 4,15 f findet, wo Mose von Gott angehalten wird, Aaron die Worte in den Mund zu legen ()וׂשמת את־הדברים בפיו. Mit Achenbach zu sprechen, werden demnach in der Chronik die mündlichen Torot der Propheten wieder stärker in Einklang mit der schriftlichen Tora des Mose gebracht, wobei das, was dem Propheten in Jer 17 als eine Fortsetzung der Sabbattexte des Heiligkeitsgesetzes in den Mund gelegt wird, nun den Anlass dazu gibt, auch das ältere Motiv der 70 Jahre als eine Auslegung der Tora zu inszenieren. An dieser Stelle folgt demnach einer prophetischen Auslegung des Mose eine mosaische Auslegung des Propheten. Dabei ist es keinesfalls unerheblich, dass die Chronik in 2Chr 36,21 mit der Tora-Rezeption Jeremias die Zeit der judäischen Könige beschließt, bevor die durch die erzählerische Unbestimmtheitsstelle eingezogene scharfe Zäsur des Kyrosorakels die Chronik dann mit einem Vorverweis auf die Zeit des Zweiten Tempels beendet. Die Zäsur zeigt – ganz wie der Schnitt zwischen Jes 39 und 40 – offenbar mehr als nur eine literarische Unbestimmtheitsstelle an. Im Zuge der Revision der Hypothese eines Chronistsichen Werkes hat die Beurteilung des Endes der Chronik eine erhebliche Rolle gespielt. Dabei hat Williamson im Anschluss an Japhet eine treffende Beoabchtung gemacht: „[T]he one certainty is that if the Chronicler was not responsible for Ezr.-Neh. He was not responsible für 2 Chr. 36:22 f either.“331 Das Ende der Chronik wäre demnach in 2Chr 36,21 zu sehen.332
Auf diese Weise beendet die Konzeption in Lev 26 nicht nur das Heiligkeitsgesetz, sondern auch die Chronikbücher. Nihan konstatiert in diesem Zusammenhang, dass Lev 26 H und damit die gesamte Sinai-Offenbarung beschließt und sich mit 329 Ebd., 102. 330 Von den 70 Jahren, die genuin jeremianisch sind, wird dabei so gehandelt, als seien sie symbolisch schon immer als Sabbatzeit zu verstehen gewesen. 331 Williamson 1977, 10. Dieser These ist selbst Willi (2012, 136 sowie z. St., 215.325) gefolgt, obwohl er die Bücher Chronik sowie Esr / Neh für zwei zwar unabhängige Schriften, jedoch vom selben Autor verfasst hält. 332 Zwar halten Japhet z. St. 1076 f und neuerdings auch Baines 2013, 141–158 das Edikt für originär chronistisch. Sie bieten jedoch keine Diskussion.
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diesem Ende unter Abgrenzung der messianischen Option des Prätextes Ez 34 die Alternative „eschatological prophecy vs. Torah-based observance“333 in Richtung des Tora-Gehorsams verschiebe. Der Schreiber, der für das Ende der Chronik verantwortlich ist und dieses durch einen Rückgriff auf das Ende der Levitikusrolle gestaltet hat, wollte diese Option ganz offenbar durch die Inszenierung der Jeremia-Figur bestätigen. Die Pointe der Chronik, die zur Identifizierung des Katechons des Heilshandelns Gottes durch den Mund Jeremias auf die Sabbattheologie des Levitikusbuches zurückgreift und damit eine dezidiert nicht-eschatologische Position entwirft, gibt hier wie dort unverhohlen zu erkennen, aus welchem Geist die Tora-Rezeption in die Chronik eingeschrieben wurde: einem priesterlichen, der die Hoffnung auf eine diesseitige Restitution des Gottesverhältnisses anzeigt und dessen Durchsetzung als unmittelbar bevorstehend annimmt.334 Wenn diese Restitution durch das Königreich der Perser ( )מלכות פרסumgesetzt wird, ist das, wie Willi mit Blick auf die chronistische Stilisierung des davidischen Königtums beobachtet hat, im Hinblick auf die Königsherrschaft Gottes vollkommen unproblematisch. In Bezug auf die einschlägigen Charakterisierungen in 1Chr 17,14; 28,5; 29,23; 2Chr 9,8 und 13,8, also den Stellen, die das davidsche Königtum zwischen Weltreich und Gottkönigtum ausbalancieren, schreibt Willi: „Alle diese zentralen Belege für ein göttliches Mandat und damit für eine weltweite Dimension des Königtums betreffen nicht David, sondern immer einen ‚Sohn Davids‘, nämlich in den ersten vier Vorkommnissen Salomo, im letzten (2Chr 13,8) einen beliebigen Nachkommen Davids. Die Hervorhebung Salomos mag mit dem Tempelbau zusammenhängen. Auf jeden Fall ist das davidische Königtum über Israel und dadurch für die Welt. Ihr folgt, wenn wir 2Chr 36,20 f. ernst nehmen, eine weitere translatio […] zu den Achämeniden.“335 Diese Beobachtung ist in mehrfacher Hinsicht spektakulär: Erstens macht sie deutlich, dass das davidische Königtum in der Chronik originär von David abgekoppelt ist. Das chronistische Königtum ist das Königtum JHWHs, in der Hand Davids bzw. der Davididen (vgl. 2Chr 13,8). Zweitens zeigt Willi, dass das davidische Königtum in der Chronik als ein achämenidisches Reich avant la lettre gezeichnet wird. Drittens – und darauf weist die Idee der translatio, die, wie wir gesehen haben, schon im Übergang von Saul auf David die Kontinuität in der Diskontinuität gewährleistet hat – ist die Übernahme 333 Vgl. zur Diskussion Nihan 2007, 545 (Lit!). 334 Insofern ist die Sachlage gerade umgekehrt, als Willi sie darstellt, wenn er schreibt: „Die Geschichtsschreibung der Chr ist prophetisch geprägt, allerdings in durchaus anderer Weise als man das für das DtrG sagen kann und gesagt hat. Wo im DtrG einzelne Propheten, prophetische Gestalten die Geschichte bestimmen und vorantreiben, da ist in der Chronik Geschichte nichts anderes als Realisierung der Schrift, Ereignis- und Fleischwerdung des prophetischen Wortes.“ (Willi 2012, 140) Neben dem Umstand, dass es sowohl für das sog. DtrG als auch das sog. ChrW einer Differenzierung der Prophetenfiguren bedarf, zeigt sich in dieser Arbeit, dass – um im Bilde zu bleiben – die Chronik nicht „Realisierung der Schrift, Ereignis- und Fleischwerdung des prophetischen Wortes“ ist, sondern dass besonders die Prophetengruppe der inspired messengers aber auch Jeremias die Inkarnation der Tora selbst und einer an der Tora orientierten Ereignisgeschichte darstellen. 335 Willi 2012, 147.
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der Herrschaft durch die Perser insofern unproblematisch, als diese nun mit dem Mandat JHWHs ausgestattet und durch ihre Anstrengung für den Himmelsgott und dessen Haus in Jerusalem legitimiert sind. Dabei ist jedoch insbesondere zu beachten, dass die doppelte translatio: von Saul (Benjain) zu Juda (David und seine Nachfolger) bzw. von Juda zum Perserreich jeweils sekundär in die Chronik gelangt ist. Indem der Chronist den Abschluss seines Werkes durch Jeremia und dessen Zitat aus dem Heiligkeitsgesetz formt, zeichnet er ein auch über die erzählte Zeit hinausweisendes Paradigma dafür, wie die anbrechende Epoche der Perserherrschaft zu einer Heilszeit wird: durch das Einhalten der kultischen Tora.336
4.4.5 Fazit Wir halten fest, dass die Tora im Asa-Narrativ zum ersten und einzigen Mal in der Chronik im Rahmen einer Mahnrede durch eine geistbegabte prophetische Figur ins Spiel gebracht wird. Dabei zeigt ein Seitenblick, dass die Geistbegabung in der Chronik ein typisches Merkmal für die Verarbeitung von Texten der Tora ist, wobei diese Texte aus unterschiedlichen Büchern stammen und frei zitiert werden. Die durch den Propheten eingeforderte Tora-Observanz bleibt dabei innerhalb der Asa-Episode unerfüllt und stellt deshalb eine offene textuelle Disposition dar, die durch das Jehoshaphat-Narrativ komplementiert wird. Diese Disposition hat auch Lynch beobachtet, der von „vollständiger Realisierung“ spricht: „The full realization of Azariah’s prophecy does not occur until Jehoshaphat appointed teaching priests (2 Chr 17) and thus secured the kingdom. Azariah’s prophecy in 15:2b–7 thus foreshadows Jehoshaphat’s appointment of teaching priests in 2Chr 17, the solution to Israel’s alienation from the ‚true God‘.“337 Unabhängig von der Frage, ob der entsprechende Referenztext in 2Chr 17 sekundär ist, zeigt sich einmal mehr, dass zur Beurteilung der chronistischen Ideologie alle relevanten Intertexte eingeblendet werden müssen. Dabei lässt die panoptische Perspektive den Schluss zu, dass die Chronik dort, wo sie von Tora spricht, von schriftlicher Tora spricht, damit jedoch nichts über deren ‚kanonischen Umfang‘ ausgesagt ist. Für den Chronisten geht von der Tora eine zweifache Autorität aus: Sie selbst hat, insofern sie Schrift ist, Autorität und verleiht selbst, insofern der Rekurs auf diese 336 Daraus ist keinesfalls der Gedanke abzuleiten, dass „das davidische Königtum in Chr […] eigentlich eine prophetisch-eschatologische, eine universale Größe“ (Willi 2012, 147) sei. Ganz im Gegenteil zeigt der Chronist doch durch die translationes imperii zu Beginn und Ende des davidischen Königtums an, dass dieses nur transitorisch zu verstehen ist. Gleichwohl spricht die Genealogie Davids in 1Chr 3,19–24 die Sprache der Kontinuität, wenn sie die Dynastie weit über das Exil hinaus, bis zu Serubbabel und desen Nachkommen herabführt. Je nachdem, wieviele Jahre für eine Generation veranschlaft werden – darüber lässt sich allenfalls spekulieren – reicht die Genealogie bis in die hellenistische Zeit. Vgl. schon Ewald 1843/I, 219. 337 A. a. O. 195.
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als Schrift erfolgt, Autorität. Dabei ist die von Willi vorbereitete These des freien Umgangs mit der Tora in der Ausprägung zu berücksichtigen, die Niditch dieser gegeben hat, da sie darauf verzichtet, Schriftlichkeit gegen Mündlichkeit auszuspielen: Der Chronist geht frei mit seiner Vorlage oder – präziser gefasst – mit deren Wortlaut um, wobei dieses Phänomen ähnlich dem Rekurs auf variierende Handschriften derselben ‚Schrift‘ aufzufassen sei.338 Insofern beruft der Chronist sich paradoxerweise auf genau die eine Tora als Schrift, die jedoch in buchstäblicher Hinsicht evtl. noch keine abschließende Gestalt angenommen hatte. Niditch fasst dieses Phänomen als Einbettung der Schrift in eine Welt, in der konzeptuell die Mündlichkeit dominiert, medial jedoch eine Entwicklung hin zur Schriftlichkeit abläuft.339 Der Seitenblick auf die mit Jeremia verbundene Tora-Rezeption zeigt dabei an, dass die Chronik neben den originär chronistischen Prophetenfiguren auch dieTora-orientierten Revisionen der Prophetenbücher einblendet und diese Prozesse, indem sie sie in ihre eigene Narration einbettet, als selbstverständlich rezipiert und weiter fortsetzt. Will man diese Beobachtungen durch den Kanon-Begriff erfassen, tritt also das von Willi beobachtete Phänomen der Auslegung340 mit dem Phänomen der Fortschreibung zusammen, oder besser als Phänomen der Fortschreibung auf. In diesem Sinne ergibt sich die Formel, dass gerade das kanonisch ist, was fortgeschrieben wird. Die integrale Offenheit des Kanon-Begriffs widerrät insofern der Rede von einem kanonischen Abschluss.341
338 Vgl. z. B. Schorch (2013, 5.), der vor dem Hintergrund von 1Makk 1,54–57 damit rechnet, dass mehrere Versionen der Tora oder zumindest Teile daraus in der hellenistischen Zeit in verschiedenen jüdischen Ortschaften im Umlauf und zumindest teilweise auch in Privatbesitz waren. Darauf ließen auch die Qumran-Funde schließen (Ebd., 6). Der Befund widerspreche der Idee, wie sie von Schmid (2008, 45) vertreten wird, dass in Jerusalem gewissermaßen eine Standard-Tora aufbewahrt wurde. Freilich müssen beide Auffassungen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Es ist denkbar, dass ein Buch zunächst innerhalb eines Tradentenkreises verfertigt, fortgeschrieben und später durch eine größere Anzahl von Kopien verbreitet wurde, die ihrerseits kleinere Rezensionen erfahren haben. In der römischen Zeit werde jedenfalls, so Schorch, die Öffentlichkeit der Tora zu einem regelrechten Topos. (vgl. Ebd.). 339 Vgl. zur Vermessung und Aufhebung der Grenzen von Mündlichkeit und Schriftlichkeit die von Jaffe (1998, 223–230.) zusammengestellten Arbeiten, die allesamt in die ähnliche Richtung weisen, dass mündliche und schriftliche Tora „can be brought under the umbrella of the historian of religion’s concept of scripture“ (236). 340 Vgl. Willi 1972, passim. 341 Dass ausgerechnet die zahlreichen von Steins (1995) beobachteten Fortschreibungen ebenso auf diese These hinweisen, er aber gegen die Offenheit den Abschluss behauptet, ist geradezu ein Paradox der Chronik-Forschung.
4.5 רות im Kontext des Jehoshaphat-Narrativs
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4.5 תורהim Kontext des Jehoshaphat-Narrativs Das Jehoshaphat-Narrativ ist gegenüber seiner Vorlage um ein Vielfaches ergänzt worden. Entgegen früherer Forschungspositionen wird heute kaum noch die These vertreten, dass der Chronist dabei auf vorexilische Traditionen oder Sondergut zurückgegriffen habe, sondern dass dieser für die literarische Komplexität selbst verantwortlich ist.342 Vor allem die sorgfältige Überprüfung durch Knoppers, der die literarische Integrität der einzelnen Episoden des JehoshaphatNarrativs sowohl hinsichtlich innerer Stimmigkeit als auch typisch chronistischer Idiomatik hin prüft, hat auf diesem Gebiet zu unverlierbaren Einsichten geführt. Insbesondere die Episode 2Chr 19,4b–11, so konstatiert er, „reflects the Chronicler’s style, syntax, and phraseology“343. Knoppers nimmt deshalb an, dass es sich hier um eine originär chronistische Darstellung handelt. Die Implementierung des Tora-Begriffs im Jehoshaphat-Zyklus erfolgt in zweifacher Weise. Auffällig ist zunächst, dass תורהin diesem Narrativ erstens jeweils per adiectionem ins Spiel gebracht wird und dass zweitens die diese Adiectiones einbettenden Teilsegmente jeweils Rahmenelemente des aus 1Kön 22 übernommenen Textes darstellen. In 2Chr 17,9 ist von einer Tora in Buchform die Rede, wohingegen in 2Chr 19,10 die Tora gleichwertig zu מצוה, חקund משפטgebraucht wird. Im zweiten Fall ist auf den ersten Blick kaum zu entscheiden, um welche Konzeption der Tora es sich handelt. Da der Aufriss des Jehoshaphat-Narrativs in der Chronik eine hoch komplexe und in einem weitrechenden Verweissystem stehende Schlüsselstelle darstellt, sollen unter viii) die relevanten Segmente kurz entfaltet werden, bevor hinsichtlich der Tora-Rezeption weiterführende Schlüsse gezogen werden können.
342 Die Frage ob der Chronist hier eine authentische Quelle verwendet hat oder die Darstellung vielmehr seiner eigenen Fiktion entspringt, ist angesichts der gegenüber der Vorlage erheblichen Anreicherung des Narrativs völlig zu Recht aufgeworfen worden. Dabei zeichnet sich in der Exegese der Konsens ab, dass der Chronist eher eine eigene Ausgestaltung der Jehoshaphat-Figur vorgenommen hat, die sehr zutreffend midraschartig genannt worden ist. Die Potenz des Namens Jehoshaphat ist bspw. auch in Joel 4,2.12 zur Entfaltung gekommen, wo es heißt, dass Gott mit allen Nationen im Tal Jehoshaphat ( )עמק יהושפשטGericht halten wird. Dass diese symbolische Benennungstradition bis heute als synonyme Bezeichnung für das Kidrontal lebendig geblieben ist, zeigt deren Bedeutsamkeit durch die Jahrhunderte (vgl. weiterhin Küchler, 2007, 671 f.; Prinsloo 1985, 105; Ahlström 1971, 76, Anm. 4.; 78). 343 Knoppers 1994, 70. Vgl. zu dieser Einschätzung bereits Wellhausen (1927, 185 f): „Wahrscheinlich ist es die Justizorganisation seiner Gegenwart, die hier auf Josaphat zurückgeführt wird, so daß wir hier wohl das älteste Zeugnis für das Synedrium zu Jerusalem als oberste Instanz über den provincialen Synedrien, sowie für dessen Zusammensetzung und Präsidium haben.“ Vgl. ferner Rofé 1976, 199–210; Wilson 1983, 246–248; Rüterswörden 1987, 15–19.
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4. תהרותin der Chronik
4.5.1 Gliederung344 17,1–6: Einleitung und Darstellung von Jehoshaphats Gerechtigkeit 17,7–19: Jehoshaphats Bildungskampagne 18,1–19,3: Militärisches Bündnis mit Ahab von Israel 19,4–11: Jehoshaphats Rechtsreform 20,1–30: Jehoshaphats Auseinandersetzung mit Moab und Ammon 20,31–37: Evaluation der Regierungszeit Jehoshaphats
4.5.2 Begriffsanalyse vii) 2Chr 17,9 (+) 2Chr 17 stellt eine relativ einheitliche Erzählung dar und lässt sich noch etwas feiner gliedern: 1. V.1–6 Übernahme und Festigung der Königsherrschaft (militärische und kultische Maßnahmen) 2. V.7–9 Tora-Belehrung 3. V.10–11 Außenpolitik 4. V.12–19 Feststellung der militärischen Stärke
Im Folgenden soll Abschnitt 2 näher betrachtet werden. Dieser ist durch die Zeitangabe im dritten Jahr seiner Königsherrschaft nach vorne hin abgrenzbar. Auch zu Abschnitt 3, der in gewisser Weise motivisch an Abschnitt 2 anschließt, besteht eine inhaltliche Abgrenzung, da hier nicht mehr die Städte Judas im Blick sind, sondern alles andere als das, nämlich die umliegenden Länder. In den auf diese Weise abgesetzten Versen 7–9 wird nun das Folgende verhandelt: Und im dritten Jahr seiner Königsherrschaft sandte er seine Obersten und tüchtige Männer345 und Obadja und Secharja und Netanel und Michaja aus, um in den Städten Judas zu lehren 8 und mit ihnen die Leviten Schemaja und Netanja und Sebadja und Asael und Schemiramot und Jonatan und Adonija und Tobija und Tob-Adonija, die Leviten346, und mit ihnen die Priester Elischama und Joram. 9 Und 7
344 McKenzie (2007, 301) hat eine schlüssige Gliederung des Narrativs entwickelt, die hier leicht modifiziert übernommen wird. 345 Die LXX bietet καὶ τοὺς υἱοὺς τῶν δυνατῶν, was ולבני חילentspricht. Offenbar wird hier die Auswahl tüchtiger Männer ( )אנשי חילdurch Mose in Ex 18,25 wiederaufgenommen. Da der Name Ben-Chajil weiterhin nicht belegt ist, ist mit LXX ein Abschreibfehler anzunehmen. 346 Der textkritische Apparat der BHS sieht vor, das zweite הלויםzu tilgen. Dagegen spricht jedoch, dass diese Tilgung nicht durch andere Textzeugen gestützt wird. Außerdem scheint es ein Stilmittel des Chronisten zu sein, Lexeme durch Verdoppelung in umarmender Stellung zu pointieren (vgl. z. B. die Verdoppelung von דרשin 2Chr 14,6). Vgl. Strübind 1991, 135, der
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sie lehrten347 in Juda348 und das Buch der Tora JHWHs349 hatten sie bei sich. Und zogen in allen Städten Judas umher350 und lehrten im Volk. Literarkrtische Anmerkungen: Es gibt keinen Anlass dazu, die Verse 7–9 herauszutrennen. Zwar knüpft V.10 sachlogisch an V.2 an, jedoch ergeben sich weiterhin keine Gründe, um Material zwischen diesem Zusammenhang auszuscheiden. Dementsprechend ist es höchst wahrscheinlich, dass der Chronist die literarische und textuelle Grenzziehung zwischen V.9 und 10 ganz bewusst vorgenommen hat. Innerhalb von V.7 bis 9 treten kleinere Spannungen auf. Im vorgegebenen Kontext ist vollkommen uneindeutig, wer mit der Tora-Belehrung überhaupt betraut ist: die Obersten, die Leviten oder die Priester? Immerhin werden bereits die Obersten ausgesendet, um in den Städten Judas zu lehren ()ללמד. Dabei wird jedoch die Tora noch nicht erwähnt. Wenn den Obersten die Leviten und – erst im Anschluss an diese – die Priester zur Seite gestellt werden, ist die Wiederholung des Verbums למד (V.9) in seiner finiten Form ohne explizites Subjekt zu unspezifisch, um sicher daraus schließen zu können, wer mit der Lehre betraut ist. Da literakritisch die Wiederholung des ועמהםauffällt, wäre durchaus damit zu rechnen, dass eine der beiden Gruppen sekundär eingefügt worden ist. Denn wären hier schon immer Priester und Leviten im Spiel gewesen, hätte es das zweite עמהםschlicht nicht gebraucht. Es hätten sich die Leviten und Priester auch „in einem Atemzug“ nennen lassen. Daraus folgt dann, dass die einmalige Verwendung dieser Phrase eine hinreichend starke Zäsur dargestellt hätte, um die damit abgetrennte Gruppe gleichermaßen zum Subjekt der Lehre zu machen. Welche der beiden Gruppen, die Leviten oder die Priester, hier zuerst und exklusiv genannt wurden, ist schwer zu entscheiden. Geht man jedoch davon aus, dass die Gruppe, die sich sekundär in den Kontext einschreibt, damit gleichzeitig die Deutungshoheit über den Diskurs übernehmen will, ist denkbar, dass sie sich an die erste Position schreibt. Dies würde für die Zweitrangigkeit der Leviten sprechen.351 Auch von 2Chr 15,3, wo nur der lehrende Priester erwähnt worden war, wäre diese Lesart gedeckt. Sobald man jedoch den Bezugstext Dtn 31,9.11 f einblendet, ändert sich das Bild. Dort wird den das erste und Klein (z. St., 245), der das zwei הלויםstreichen will. Möglich wäre auch, dass der Chronist mit dem ersten הלויםdie Gesamtheit der folgenden Gruppen meint und dann in „echte“ Leviten und Priester unterscheidet. 347 Die Minuskel 60 (LXXGÖ (60)) expliziert das implizite Subjekt des Lehrens durch οι ιερεις. Sie nimmt damit die in der Chronik zwischen Priester und Leviten bestehende Grundspannung wahr und löst diese in Richtung der Priester hin auf. Als lecito facilior ist diese Variante jedoch keinesfalls ursprünglich. 348 LXXGÖ > εν Ιουδα; LXXL > εν τω ιουδα. 349 LXX > βύβλος νόμου κυρίου. 350 LXX > διέρχομαι – Die Übersetzung für סבבweicht hier auffällig ab, da der Chronist diese Wurzel sonst hauptsächlich mit κυκλόω übersetzt. Weiterhin verwendet der Chronist διέρχομαι nur zur Wiedergabe von הלך, בואund ;עברnur an dieser Stelle greift er auf διέρχομαι auch für סבב zurück. 351 Diese Sichtweise wird ebenfalls von Willi (1972, 197) vertreten, der darin einen „Zusatz kultischer Prägung sieht“, sowie in Anlehnung an diesen auch von Strübind (1991, 140) und Labahn (2012, 221). Zurückhaltender urteilt Japhet (z. St. 449 f), die den Text eher für einheitlich hält und in der Abfolge Laien, Leviten, Priester eine Hierarchisierung sieht.
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Leviten erstmalig die Tora zur Lehre übergeben. Wenn das literarkritische Urteil an diesem Prätext gemessen wird, erscheinen die Leviten hier umso ursprünglicher. Gleichwohl ist zu beachten, dass in Dtn 31 der Kontext der Wallfahrt die Szene bestimmt und gerade nicht die Lehrer zum Volk, sondern das Volk zur Lehre kommt. Jüngst hat Labahn die These vertreten, dass auch die Erwähnung des ספר תורת יהוה (V.9) sekundär sei. Dabei führt sie jedoch keine zureichenden Gründe an. Ihr Hinweis darauf, dass die Tora ebenfalls durch ועמהםeingefügt werde, scheint mir ein voreiliger Analogieschluss zu sein. Zwar ist die Wendung ähnlich wie וגםprädestiniert dafür, sekundäres Material einzufügen, jedoch folgt dies nicht notwendig auf jede Verwendung. Auch die weiteren Bemerkungen Labahns tragen nichts aus: „Der Terminus ּתֹורת יְ הוָ ה ַ ֵס ֶפרspiegelt vermutlich eine spätere Praxis und setzt den nahezu abgeschlossenen Pentateuch voraus.“352 Dass gerade aus der einfachen Bezeichnung der Tora noch nichts über deren Umfang zu erfahren ist, stellt das Hauptanliegen der vorliegenden Arbeit dar. Ohne genauere Prüfung der Reichweite des Begriffs bleibt Labahns Feststellung eine Behauptung. Dazu kommt, dass der Hinweis auf eine „spätere Praxis“ viel zu unspezifisch ist, um die literarkritische Entscheidung an dieser Stelle, die ja schon verhältnismäßig „spät“ ist, zu begründen. Desgleichen leuchtet die Aussage, dass es sich bei dem ספר תורת־יהוה ביד־מׁשהin 2Chr 34,14 um etwas „fundamental“353 anderes handeln solle, nicht ein. Die These, dass es sich dabei um „gut dtn / dtr Erbe“354 handle, ist allein schon deswegen unzutreffend, weil dieser Ausdruck in der Vorlage gar nicht vorkommt. Labahns Begründung kann demnach die Last, die eine Tilgung der Tora verursacht, nicht tragen. Zuletzt wiegt es nämlich am schwersten, dass mit der Tilgung der Tora die gesamte Volksbelehrung ohne die Nennung eines Lehrgegenstandes erzählt wird. Der absolute Gebrauch von למדim Alten Testament ohne die Nennung des Lerninhalts wäre demgegenüber so untypisch355, dass die Tilgung der Tora mehr Probleme356 verursacht, als sie löst. Dazu kommt, dass die an diese Narration anschließende Einrichtung eines Zentralgerichtshofes durch Jehoshaphat eine hinreichende Verbreitung der Tora außerhalb Jerusalems ganz offenbar voraussetzt.
Schon in den ersten Versen des Jehoshaphat-Zyklus kommt der Verfasser auf die Tora zu sprechen. Dabei war bereits deutlich geworden, dass an dieser Stelle die offene Disposition des Asa-Narrativs komplementierend aufgegriffen wird. Zunächst soll in V.9a ein implizites, pluralisches Subjekt in Juda lehren. Aus dem unmittelbar vorangehenden V.7 f erfahren wird, dass dieses Subjekt drei Untergruppen umfassen kann: Fürsten, Leviten und Priester, weshalb es nicht ganz
352 Labahn 2012, 221. 353 Labahn 2012, 222. 354 Ebd. 355 Vgl. bspw. Dtn 4,1.5.10.14; 5,1Ri 3,2; 2Sam 1,18; 22,35; Ps 119,7.12.26.64; Koh 12,9 u.ö. 356 Wie schwerwiegend diese Probleme sind, zeigt sich mit Blick auf Labahns (2012, 273– 280) Analyse von 2Chr 19,4b–11, wo sie durch die enge Verbindung mit 2Chr 17,7–9 ebenfalls genötigt ist, die Tora als sekundär zu eskamotieren und damit die midraschartige Auslegung der dtn / dtr. Regelungen zum Jerusalemer Zentralgericht insb. der דם לדם-Regelung sowie die damit verbundene Aktualisierung völlig fragmentiert. Vgl. dazu i. F.
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unverständlich ist, dass die Minuskelhandschrift 60 das eigentliche Lehrpersonal auf die Priester eingeführt.357 Das führt zu der Frage, was an dieser Stelle gelehrt werden soll. Auch in dieser Hinsicht gibt die Variante der Minuskel 60 einigen Aufschluss, da offenbar nicht nur vor dem Hintergrund der drei Personengruppen eine Disambiguierung des Subjekts geleistet werden sollte, sondern auch mit Blick auf den eigentlichen Lehrgegenstand, den dieser Textzeuge offenbar in der Tora sieht. – Eine Deutung, die kontextuell zum Greifen nahe liegt, jedoch auf grammatikalischer Ebene gerade nicht in Form eines direkten Objekts angezeigt ist. Mit Blick auf Mal 2,7 verdichtet sich jedoch die Plausibilität dieser Deutung: כי־ׂשפתי כהן יׁשמרו־דעת ותורה יבקׁשו מפיהו כי מלאך יהוה־צבאות הוא. Während die Fürsten, Leviten und Priester in Juda umherziehen, bleibt unklar, ob sie dezidiert die Tora lehren oder ob sie sich selbst Gewissheiten aus der mitgeführten Tora verschaffen, die dann in ihre Lehre einfließen. Damit hängt die Deutung des Tora-Begriffes an dieser Stelle zusammen.358 Der Term ספר תורת יהוהwird nur drei Mal in der Hebräischen Bibel verwendet (2Chr 17,9; 34,14; Neh 9,3359). Er korrespondiert der Benennungsmotivation nach mit dem nur in der Gottesbezeichnung verschiedenen ( ספר תורת־מׁשהJos 24,26; Neh 8,18; Neh 9,3) (Jos 8,31; Jos 23,6; Neh 8,1). Das nomen rectum deutet im vorliegenden Fall gleichermaßen auf den Urheber der Tora als auch auf deren Qualität hin. Während das exegetische Interesse sich freilich auf den ספרund vor allem die Frage richtet, welchen Umfang dieser hatte, verfolgt der Chronist eine ganz andere Erzählstrategie. Er nutzt die Verbreitung und Kenntnisse der Tora als distinktives Merkmal einer eng auf Juda begrenzten Gruppe, die er Volk ( )עםnennt. Durch die Anlage seines Narrativs gewährleistet er, dass Kenntnisse der Tora JHWHs, über deren Umfang ja für ihn (im Gegensatz zum modernen Leser) kein Zweifel bestand, in allen Städten und damit im ganzen Volk verbreitet werden.360 Dem 357 Da diese Variante jedoch sonst nicht belegt ist, müssen wir davon ausgehen, dass in MT alle drei Gruppen an der Lehre beteiligt sind. Die Minuskel indiziert jedoch deutlich die Zuweisungsproblematik, die sich durch die Einsetzung der Leviten ergeben hat. 358 Der komparatistische Seitenblick auf Neh 8 verdeutlicht das Problem. Hier tritt der Schriftgelehrte ( )הספרund liest den ספר תורת משה. Die Esra umgebenden Priester und Leviten werden während des Lesens dazu angehalten, das Volk zu belehren (V.8), wobei dezidiert geschildert wird, dass das Vorgelesene verständlich gemacht wird ()ויבינו במקרא. Die Genauigkeit der Darstellung führt umso mehr vor Augen, dass sich die Hintergründe von 2Chr 17,7–9 auf Grund der ungenauen Erzählweise nicht genauer werden klären lassen. Festzuhalten bleibt demnach nur, dass hier die Tora auf irgendeine Weise lehrend in Juda bekannt gemacht wird. 359 Dort jedoch ספר תורת יהוה אלהים. Für eine Übersicht aller ספר-Bezüge vgl. Venema 2004, 193. 360 Durch diesen Erzählzug bereitet der Chronist nicht nur den Nahkontext, sondern auch die Rechtsreform Jehoshaphats in 2Chr 19,4b–11 vor. Diese setzt die Torakenntnis nicht jedoch die Anwesenheit der Tora selbst in den Städten Judas bereits voraus. Insofern antwortet der 2Chr 19 auf die Probleme, die sich bei der Rechtsprechung ergeben, wenn die Tora zwar bekannt, jedoch nicht zur Hand ist.
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gegenüber grenzt der Chronist in V.10 durch die Wendung כל־ממלכות הארצות אׁשר סביבות יהודהalle anderen Königreiche der Länder ab. Bei diesen, so wird konstatiert, herrsche nicht der (durch סבב בכל ערי יהודהgelehrte) ספר תורת יהוה, sondern der offenbar als genaues Gegenteil aufzufassende פחד יהוה.361 Die Engführung auf יהודה – explizit nicht auf ישראלoder כל יׂשראל – zeigt, worum es dem Chronisten an dieser Stelle geht: der Tora JHWHs zur exklusiven Geltung innerhalb der Provinz Juda zu verhelfen und kontrastiv dazu alle umliegenden Länder und Königreiche davon auszunehmen.362 Im Verhältnis zur ersten Vershälfte ist V.9b emphatisch zu lesen. Es wird dezidiert festgehalten, dass die Fürsten, Leviten und Priester das Land, also nicht nur Juda, sondern ( כל ערי יהודהalles Städte Judas363) durchziehen. Damit wird eine Lokal-Deixis aufgegriffen, die den besonderen Fokus des Jehoshaphat-Zyklus zu erkennen gibt364, wo die Wendung vier Mal verwendet wird. In keinem Erzählzusammenhang der HB kommt sie öfter vor. Mit dieser Wendung ist also ein enges Koordinatensystem vorgegeben, das dazu dient, die Erzählung zunächst scharf zu der Begegnung mit dem Nordreich zu kontrastieren365, das in diesem Narrativ erst später auffällig deutlich in den Vordergrund tritt (vgl. 2Chr 18), zum anderen jedoch etwas grundsätzlicher ein positives Juda-Bild unterstreicht, das näherhin durch eine Rückbindung Jehoshaphats an David und Salomo konstituiert wird. In dieser Hinsicht erweisen sich auch die Zielangaben für die Lehre der Tora JHWHs – wir gehen also von der Tora als Lehrgegenstand aus – nicht als ein Hendiatris, sondern als ein Trikolon mit Klimax. Nicht einfach in Juda, sondern in allen Städten Judas366 und nicht unter Privilegierten, sondern im Volk und damit 361 An dieser Stelle zeigt sich ein weiteres Mal das Weltbild des Chronisten, das wir schon im Salomo-Narrativ in Form der Zentralstellung des Jerusalemer Tempels beobachtet hatten. In 2Chr 17 wird Juda erneut durch die Tora qualifiziert und damit als Mittelpunkt der diese umgebene Welt idealisiert. 362 Vgl. dazu auch Lynch 2014, der diese Grenzziehung zwischen V.9 und 10 ebenfalls bemerkt. 363 Dabei könnte an die 48 Levitenstädte gedacht worden sein. 364 2Chr 17,2,9; 19,5; 20,4. 365 Vor diesem Hintergrund lässt sich die lang andauernde exegetische Debatte darüber, ob es bei dem erstarken Jehoshaphats in V.1 ( )ויתחזק על־יׂשראלum eine anti- (=עלgegen) oder judäisch-israelitische (=עלüber) Perspektive handelt (vgl. dazu Williamson 1977, 104 f), zwar nicht sicher entscheiden. Es ist jedoch anzunehmen, dass der Chronist, der Jehoshaphat bewusst ambivalent zeichnet (vgl. McKenzie 2007, 299) diese Ambivalenz schon im Auftakt der Geschichte vorbereitet und zunächst die judäisch-israelitische Variante erzählt, bevor er sich der zweiten, anti-israelitischen Variante zuwendet. Diese Alternative durch die subtile Verwendung einer Präposition vorbereitet zu haben, gibt weitreichenden Aufschluss über die erzählerische Qualität der Chronik. 366 Die Perspektive ist dabei dieselbe wie in der Torrede Jeremias (Jer 17,20.26), nur, dass Jeremia es vom Stadttor Jerusalems verkündet, während das chronistische Lehrpersonal sich zu den Adressaten selbst auf den Weg macht. Offenbar wird wird damit im Rahmen des Jehoshaphat-Narrativs an einer Tora-katechetischen Weiterentwicklung gearbeitet.
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letztlich jedem Einwohner der Provinz soll die Tora gelehrt werden, wobei in V.10 deutlich wird, dass die umliegenden Königtümer an der Tora nicht partizipieren. Mit Blick auf die Erzählsituation des Chronisten ergibt sich eine Lesart, die über den Antagonismus von Nord- und Südreich hinausweist. Wenn die Tora nur in den judäischen Städten gelehrt werden soll und außerhalb der Grenzen Judas der Schrecken JHWHs ( )פחד יהוהvorherrscht, bleibt auch einer Inklusion der Juden in der Diaspora außerhalb der judäischen Provinz zumindest an dieser Stelle rezeptionsästhetisch kein Raum, wobei jedoch keine dezidierte Polemik gegen Juden resp. JHWH-Verehrer außerhalb der Provinz zu erkennen ist. Sie sind von der Lehre der Tora – anders als die הארצות אׁשר סביבות יהודה – nicht exklusiv ausgenommen, sie sind nur nicht dezidiert eingeschlossen. Gerade vor dem Hintergrund von 17,2, wo es heißt, dass Jehoshaphat Garnisonen in das Land Juda und die Städte Ephraims befiehlt (… )ויתן נציבים בארץ יהודה ובערי אפריםzeichnet sich der Tora-Exklusivismus besonders deutlich ab.367 Auch der komparatistische Seitenblick auf die JHWH-Königs-Psalmen, die gerade auf eine Integration der Nationen in den Kult zielen, schärft das Verständnis für den chronistischen Tora-Exklusivismus, der gleichwohl das Potenzial einer späteren Öffnung bereitstellt, wie die Integration der Psalmensynthese (Ps 105*; 96*; 106*) in 1Chr 16,8–36 zeigt, die (V.23–31) fremde Nationen nicht mehr ausgrenzt, sondern in den eigenen Kult integriert. So erhalten gerade auch die Tributleistungen der Philister und Araber (2Chr 17,11) durch 1Chr 16,29 ein sekundäres Komplement, das die hermeneutische Spannung von Auftrag und Erfüllung stiftet.368 Die Zwischenepisode der Verschwägerung Jehoshaphats und Ahabs bzw. der Kriegskoalition Judas und Israels gegen Ramot Gilead, die der Auslöser für die ambivalente Evaluation Jehoshaphats ist, orientiert sich relativ stark an der Vorlage und gibt nur kleinere Abweichungen zu erkennen. V.3 und V.14 fallen hier besonders ins Auge, da der Chronist, sei es beabsichtigt, sei es unbeabsichtigt (was an dieser Stelle nicht leicht zu entscheiden ist), zwei Mal Übereinstimmung mit der Tora herstellt: In V.3 ersetzt er in der Beistandszusage Jehoshaphats ( )כמוני כמוך כעמי כעמך כסוסי כסוסיךdie Pferde durch den Krieg ()וכעמך עמי ועמך במלחמה, was einen Reflex auf das dtr. Königsgesetz darstellen könnte. In V.14 ersetzt der Chronist die aktive Formulierung des Propheten Micha ben Jimla ( ונתן יהוה ביד המלך1Kön 22,12) durch die passive Formulierung וינתנו בידכם. Dahinter könnte der Einfluss von Dtn 18,20 stehen, nach der der Prophet im Falle l
367 An dieser Stelle ist unbedingt die Beobachtung Willis (1972, 174) zu berücksichtigen, dass 2Chr 17,10 vermutlich einen typologischen Rückgriff auf Dtn 11,19–25 darstelle, wobei eben die chronistische Perspektive post captivitate terrae nicht mehr die Eroberung im Blick hat, sondern die Lehre der Tora mit der Wahrung des Friedens innerhalb des Landes verbindet. 368 Insofern gilt zunächst noch das Votum Saurs (2004, 279–282), dass die Chronik ein dezidiert anderes theokratisches Modell vertrete als die JHWH-Königs-Psalmen, wenngleich die tiefere Analyse, gerade der Psalmensynthese in 1Chr 16 den Eindruck erweckt, dass eine theologische Öffnung bereits zum Greifen naheliegt.
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des Missbrauchs des JHWH-Namens eigentlich hätte sterben müssen.369 Da Micha ein JHWH-Prophet ist (V.7) und zwischen diesem und dem Schriftpropheten Micha eine latente Identität hergestellt wird370, hat der Chronist allen Grund gehabt, hier das Prophetengesetz radikaler zur Anwendung zu bringen. Zum Verständnis des chronistischen Narrativs ist noch ein Blick auf 2Chr 18,31 f // 1Kön 22,32 f nötig. Während die Vorlage hier berichtet, dass der unverkleidete Jehoshaphat durch einen Aufschrei dem Feind zu erkennen gibt, dass er nicht der König von Israel sei, ein typisches Moment der Anagnorisis, wird dieser Gesinnungswandel der feindlichen Kriegspartei in der Chronik durch eine Anrufung Jehoshaphats zu JHWH (V.31) verursacht, der daraufhin die Feinde vom König ablenkt.371 Der Chronist inszeniert demnach einen bußfertigen König, der mit seiner Hinwendung zu JHWH im Hinblick auf das narrative Setting in 2Chr 19 geläutert genug erscheint, um unversehrt in sein Haus zurückzukehren. Da die Episode hinsichtlich der Tora-Rezeption nicht mehr austrägt, wenden wir den Blick auf die Rechtsreform Jehoshaphats in 2Chr 19.
Der Chronist spart bei der Übernahme aus seiner Vorlage die Verse 1Kön 22, 36–40 aus. Damit signalisiert er, dass sich in V.35 mit dem Tod Ahabs schon eine Zäsur ergibt. Weiteres Interesse an Ahab hat er nicht, schon gar nicht in dem Sinne, dass er die von Elia in 1Kön 21,19 angekündigte Konsequenz für das Vergehen gegen Nabot noch zur Erfüllung bringen würde, nachdem er die gesamte Elia-Episode aus seinem Narrativ getilgt hatte. Dillard hat es richtig eingeschätzt, wenn er auf 2Chr 19,1–3 als die chronistische Pointe hinweist und weiterhin festhält: „The notices with which both historians conclude their accounts give the moral of their narratives: the deuteronomic historian ends his account by emphasizing the fulfillment of the prophetic word in the death of Ahab (1 Kgs 22:36–39), an emphasis important throughout the deuteronomic history (Deut. 18:14–22).“372 Durch den Verzicht auf die Elia-Figur muss der Chronist diese Episode unterdrücken. Der Chronist bietet deshalb ein anderes Ende der Episode, indem er wieder ganz auf Jehoshaphat zurückblendet. Dieser kehrt in 2Chr 19,1 wohlbehalten in sein Haus und bringt damit den Prophetenspruch Michas (2Chr 18,16) zur Erfüllung. Auf dem Weg nach Hause tritt ihm Chanani, der Seher, entgegen und hält dem König seine schlechten und guten 369 Vgl. Swart 1911, 65. Willi (1972, 242) hebt grundsätzlich die chronistische Ausrichtung des Prophetenbildes am Dtn hervor. Dagegen haben wir jedoch bereits gesehen, dass der Einfluss des Pentateuchs auf das chronistische Prophetenbild deutlich voraussetzungsreicher und komplexer ist. 370 Die latente Identität zwischen Micha ben Jimla und Micha, dem Morascheter (Mi 1,1), die sich an dem exklusiven und daher unverkennbaren Appell ׁשמעו עמים כלםerkennen lässt (V.27), könnte erst durch die Chronik hergestellt worden und dann sekundär nach 1Kön 22,28 MT übernommen worden sein. 3Kön 22,28 LXXABAnt jedenfalls bieten dieses Dictum nicht. Belegt ist es jedoch in 6QpapKgs, frg. 5. Die Übernahme nach 1Kön 22 wäre demnach nach der Übersetzung ins Griechische und vor der Anfertigung der Qumran-Handschrift anzusetzen. 371 Vgl. zu den pragmatischen Wirkungen dieser Textänderung schon de Wette 1971, 80. 372 Dillard 1986, 20.
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Taten vor. In V.2 formuliert er eine rhetorische Frage: הלרׁשע לעזר ולׂשנאי יהוה תאהב – Willst du dem Frevler helfen und die lieben, die JHWH hassen? Der Auftritt des Propheten, der aus 1Kön 16,1.7 bekannt ist (und hier vielleicht stillschweigend vorausgesetzt wird), kommt unvermittelt. Wer ist der Frevler und wer sind die Gotteshasser, von dem bzw. denen der Prophet spricht? Die Identifikation gelingt in einem Dreischritt. (1) Zunächst muss die Einbindung des Sondergutes 2Chr 19 in die Textur nachvollzogen werden. Mit שוב אל ביתו בשלםnimmt der Chronist anaphorisch die Wendung 2Chr 18,16 auf und bringt damit die Prophezeiung Michas für Jehoshaphat zur Erfüllung. (2) Der Parallelismus Membrorum zeigt an, dass Frevler und JHWH- Hasser hier eine Person sind. Der Chronist geht sparsam mit Hass um. שנאfindet sich nur in 2Chr 1,11; 18,7; 19,2. Es liegt also nahe, auch hier eine anaphorische LeitwortVerknüpfung anzunehmen. In 2Chr 18,7 ist vom Hass Ahabs gegenüber dem Propheten Micha ben Jimla die Rede. Dieser Hass wird offenbar mit dem JHWH-Hass gleich gesetzt, d. h. der Hass gegenüber Micha wird nicht ad personam, sondern ad dictum ausgewertet. Damit ist also (3) Ahab derjenige, auf den die Anklage des Propheten zielt, wobei dieser auch als einziger Adressat der geleisteten Hilfe in Frage kommt.
Ohne die rhetorische Frage Jehoshaphats in ihrer Bedeutung näher zu erhellen, konstatiert der Prophet weiter: בזאת עליך קצף מלפני יהוה. Den Zorn, den sich Jehosha phat auf Grund der Koalition mit Ahab also ganz offenbar zugezogen hat, wiegt der Prophet in V.3 auf: אבל דברים טובים נמצאו עמך. Darunter fasst der Chronist neben der Abschaffung der Ascheren eine Handlung, die in der Chronik das Maß der Dinge ist: דרׁש האלהים. Jehoshaphat hat JHWH befragt. Ebenso konstatiert Chanani, dass Jehoshaphat sein Herz auf JHWH gerichtet ( )כון לבבhabe. Diese Formulierung bildet ein festes Theologumenon in der Chronik. Es begegnet zuerst in 1Chr 29,18. David bittet JHWH darum, die Herzen Salomos und des Volkes fest auf ihn zu richten. Der erste, dem dies explizit misslingt und der dadurch zur negativen Kontrastfolie wird, ist Rehabeam (2Chr 12,14). Dementsprechend ist Jehoshaphat, als der Erste, dem es wieder gelingt, in Opposition zu diesem gestellt, wobei jedoch in 2Chr 20,33 davon berichtet wird, dass das Volk diese Zuwendung zu JHWH nicht teilt. Ein letztes Mal wird dieses Motiv dann in der chronistisch exklusiven Fürbitte Hiskias (2Chr 30,19) aufgenommen, der JHWH dezidiert bittet, denen zu vergeben, die ihr Herz auf Gott richten und umgehend Antwort in Form einer Heilung des Volkes (V.20) erhält.
Unter diesen Bedingungen der letztlich positiven Evaluation lässt der Prophet Jehoshaphat in Jerusalem wohnen und seine Rechtsreform durchführen. Dabei will dieser den Rest göttlichen Zorns ganz abwenden und kommt deshalb in V.10 mit der Hinwendung zur Tora paränetisch auf dieses Motiv zurück.
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viii) 2Chr 19,10 (+) im Kontext des Jehoshaphat-Zyklus In 2Chr 19,4b–11 findet sich eine Episode, die in der Exegese als Rechtsreform Jehoshaphats firmiert. V.10 bietet hier eine einzigartige und insofern besonders signifikante Verwendung des תורה-Begriffs. Da alle Konstituenten des Textes eng miteinander verbunden sind, ist besonders in diesem Abschnitt die Bedeutung des Begriffs nur durch eine vollständige Analyse des Textes zu erhellen. Dabei sind auch die in den Pentateuch weisenden Intertexte einzublenden, da das Verständnis der Rechtsreform Jehoshaphats sich erst von ihren Ursprüngen her erhellt. 4b Da zog er erneut hinaus unter das Volk von Beerscheba bis zum Gebirge Efraim und führte sie zurück zu JHWH, dem Gott ihrer Väter. 5 Und er setzte Richter im Land, in allen befestigten Städten Judas ein; Stadt für Stadt. 6 Und er sprach zu den Richtern: „Beachtet, was ihr tut, denn nicht für den Menschen richtet ihr, sondern für JHWH; er ist mit euch bei jeder Rechtssache. 7 Und nun sei der Schrecken JHWHs über euch. Habt Acht und handelt, denn bei JHWH unserem Gott gibt es keine Ungerechtigkeit und kein Ansehen der Person und kein Annehmen von Bestechlichkeit.“ 8 Und auch in Jerusalem setzte Jehoshaphat Leviten und Priester und Familienhäupter373 Israels für das Gericht JHWHs und für den Rechtsstreit ein. Dann kehrten sie zurück374 nach Jerusalem. 9 Und er befahl ihnen: „So sollt ihr handeln, 373 Die LXX bietet τῶν ἱερέων καὶ τῶν Λευιτῶν καὶ τῶν πατριαρχῶν, was darauf schließen lässt, dass die Leviten im Sinne einer pro-levitischen Rezension in MT nachträglich an die Spitze gesetzt wurden. 374 Das letzte Syntagma ׁשבּו ֭ ֻ ָ וַ ּיin V.8 verursacht Verständnisschwierigkeiten. In der masoretischen Vokalisation ist der Plural nicht zu verstehen. In V.4 war Jehoshaphat allein ausgezogen ( )ויצאdeshalb lässt die Erzählung in V.8 auch nur seine Rückkehr zu. Ganz deutlich wird dies mit dem Blick in die LXXL, die statt einem einfachen ἐξῆλθεν das Subjekt (Ιοσαφὰτ) wiederholt und damit jegliche Ambiguität ausräumt. Jedenfalls dann, wenn das Weltwissen nicht impliziert, dass Jehoshaphat immer mit einer Entourage auszog, was in V.4 jedoch nur metonymisch und in V.8 dann als constructio ad sensum ausgedrückt worden wäre. Da sich zwischen Auszug und Rückkehr Jehoshaphats inzwischen diverse Erzählsegmente geschoben haben, wäre jedoch im Falle der Erzählvariation allenfalls eine Wiederholung des Subjekts nötig, da inzwischen zu viele implizite Subjekte für die Referenz des Plurals in Frage kommen. Die Annahme der Subjektidentität zwischen dem ausziehenden Jehoshapahat und der rückkehrenden Gruppe, hätte einzig in dem Komplement des „Auszugs aus“ und der „Rückkehr nach Jerusalem“ einen Anhaltspunkt. Genau dieser Konnex ist jedoch durch V.8a empfindlich gestört, da die Einsetzung des Gerichtspersonals in Jerusalem vor Jehoshaphats Rückkehr erfolgt ist. Da Jehoshaphat jedoch selbst auszieht, um in den befestigten Städten Richter einzusetzen, findet sich kein Grund, um gerade für Jerusalem eine Einsetzung in Abwesenheit anzunehmen. Insbesondere die Wendung לעיר ועירin V.5 stärkt den Eindruck, dass es sich um einen regelrechten Einsetzungsprozess handelt, der Stadt für Stadt verläuft, weil die persönliche Anwesenheit des Königs in jeder Stadt ausgedrückt werden soll. Wer so erzählt, hat die Ereignisfolge genau im Blick. Damit besteht zwischen V.4bα und V.8b kein Zusammenhang mehr. Dieser wäre durch וישבו ירושלםin der Bedeutung ‚Da kehrten sie nach Jerusalem, zurück‘ nur dann spannungsfrei realisiert, wenn 8b umgestellt und hinter 7b eingefügt würde. Der Anschluss mit וגםin 8a, stellte dann die Explikation dessen dar, was der vorangegangene Erzählzyklus an Deutungspotenzial offengelassen hat, wobei gerade der Anschluss mit וגםeinen klassischen Indikator für eine Fortschreibung darstellt. Der Blick in
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die LXX gibt zu erkennen, dass das verhandelte Syntagma im griechischen Text schon am Ende von V.8 steht, sodass die Umstellung keine weitere als die Evidenz der narrativen Logik für sich behält. Die LXX weicht mit dem Lexem κατοικέω jedoch in semantischer Hinsicht von MT ab. Während die masor. Vokalisation die Wurzel שובzu Grunde legt, lässt die griechische Übersetzung auf die Wurzel ישבschließen. Was den Konsonantenbestand angeht, macht dies jedoch zunächst keinen Unterschied aus. Der konjugierten Form der LXX nach, die den Akk. Pl. mas. markiert, müsste, der Konsonantenbestand jedoch ישביgewesen sein, den auch der Apparat der BHS mit der in der LXX und Vulgata belegten Variante ולריבי ישביvorschlägt. (Die Konjektur geht wohl auf Rudolph (z. St.) zurück und wird auch von Japhet (z. St.) vertreten.) Diese Lösung bringt jedoch neben der textkritischen Argumentation eine intra- wie intertextuelle Komplikation mit sich. Zunächst müsste textkritisch eine Verwechslung von וund יund dann die des וan erster Position angenommen werden. Damit könnte dann im Sinne der LXX ישביkonjiziert werden. Schon auf der intratextuellen Ebene entsteht damit jedoch ein Problem, dass auf intertextueller Ebene noch verschärft wird: Die in Jerusalem eingerichtete Zentralgerichtsbarkeit ist gar nicht für die Einwohner Jerusalems gedacht. V.10 markiert dass in Jerusalem Rechtsstreitigkeiten verhandelt werden sollen, mit denen man in den Städten ( )בעריהםnicht zu Rande gekommen war. Diese Lesart stellt sich nun nicht nur aus der Anlage des Nahkontextes ein, sondern auch von Dtn 17,8–13 her. Das Stichwort der דם לדם-Regelung markiert den intertextuellen Bezug, der sich innerhalb des Alten Testaments nicht mehr findet. Das Jerusalemer Zentralgericht verhandelt Rechtsfälle, für die in den Lokalgerichten kein Urteil gesprochen werden konnte. Die Variante der LXX, die in 2Chr 19,8 mit einem Gericht für die Einwohner Jerusalems rechnet, wird dem Zusammenhang mit Dtn 17,8 nur unzureichend gerecht. Dazu kommt, dass bei Rudolph und Japhet unberücksichtigt geblieben ist, dass die LXX mit κρίνειν einen der Form לריבadäquaten Infinitiv bietet, der nur schwer von לריביherrühren kann. Da auf diese Weise das Lexem die Form וַ ּיָ ֻ ׁ֧שבּוund auch die יׁשביausscheiden, wäre eine schlichte Umvokalisation von וַ ּיָ ֻ ׁ֧שבּוzu וַ יֵ ְׁשבּוdenkbar, die überhaupt keinen Eingriff in den Konsonantentext nötig machte. Die Übersetzung wäre dann: „Und auch in Jerusalem setzte Jehoshaphat Leviten und Priester und Familienoberste Israels für das Gericht des Herrn und den Rechtsstreit ein und sie wohnten in Jerusalem. Dabei vermisst man im Hebräischen die Präposition ב vor ירושלם, die jedoch von dem in der LXX bezeugten ἐν Ιερουσαλημ her zu rekonstruieren wäre, sodass sich וישבו בירושלםergäbe. Auch die Option „Das zog er (sc. Jehoshaphat nach Jerusalem zurück) וישב בירושלםwäre denkbar, wobei dann zwischen בund יein וhinzugekommen wäre und die Komplikation bestünde, dass diese Notiz zu spät käme. Dies wäre als Komplement zu וַ ּיֵ צֵ א ָבעָ םin V.4 aufzufassen. Da sich für das das Problem, das schon in die Zeit vor der historischen Bibelkritik zurückreicht, wohl keine passgenaue Lösung finden lässt, stütze ich mich darauf, dass die LXX immerhin auch das Lexem יׁשבzu Grunde legt. Außerdem ist die Übersetzung auch historisch adäquat, da in Lev 25,32 f, Neh 7,72 Jos 21, 1Chr 6 von 48 Levitenstädten genannt werden, die darauf schließen lassen, dass nicht alle Leviten in Jerusalem wohnten. Es ist daher anzunehmen, dass der Chronist von den Gruppen, die in Jerusalem zum Gericht bestellt waren, festhält, dass diese auch in Jerusalem wohnten. Schon Luther (1545) hat den Sachverhalt also richtig erfasst, wenn er mit „Und er ließ sie in Jerusalem wohnen“ übersetzt. Gegen alle Evidenzen will Pearce (2013, 256) in V.8 ויׁשבוals hifil von ׁשובdeuten. Dabei verweist sie auf V.4, wo diese Wendung bereits gebraucht wurde. Leiten lässt sie ihre Überlegungen von Heller, der diese Möglichkeit 1972 erwogen hat. (vgl. Heller, 1974, 371–373.) Heller räumt dabei zwar umsichtig die Möglichkeit ein, dass der hifil von ׁשובin sieben von zehn Fällen defektiv geschrieben wird, übersieht dabei jedoch, dass gerade in V.4 eine defektive Schreibweise bezeugt ist. Auch sein verlockender Hinweis auf Dan 9,25, wo von einer Zeit להׁשיב ולבנות ירוׁשלם die Rede ist, muss zurückgewiesen werden, da sich in der Chronik gerade keine messianischen Tendenzen finden.
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in JHWH-Furcht und in Vertrauen und mit ungeteiltem Herzen. 10 Und bei jedem Rechtsstreit, der vor euch von euren Brüdern kommt, die in ihren Städten wohnen, zwischen Blut und Blut375, zwischen Tora376, Gebot, Bestimmungen und Rechtssätzen377, sollt ihr sie ermahnen. Dann werden sie nicht schuldig werden an JHWH und es kommt kein Zorn über euch und eure Brüder. So sollt ihr handeln, dann werdet ihr nicht schuldig. 11 Und seht, Amarjahu, der Hohepriester, steht über euch in jeder Angelegenheit JHWHs und Sebadja378, der Sohn Ismaels, der Fürst des Hauses Juda, in allen Angelegenheiten des Königs. Und als Gerichtsschreiber379 stehen die Leviten vor euch. Seid stark und handelt und JHWH wird mit dem Guten sein!“
Die Episode der Rechtsreform Jehoshaphats ist nach vorne und hinten deutlich abgegrenzt. In 2Chr 19,4a wird konstatiert, dass Jehoshaphat in Jerusalem wohnt, während er in V.4b erneut unter das Volk zieht.380 Damit ergibt sich nach vorne hin ein narrativer Neueinsatz. Auch nach hinten ergibt sich in 2Chr 20,1 durch den Neueinsatz ויהי אחריכןeine Zäsur. Trotz der scharfen Ränder der Episode be 375 LXX > ἀνὰ μέσον αἵματος αἷμα καὶ ἀνὰ μέσον προστάγματος καὶ ἐντολῆς καὶ δικαιώματα καὶ κρίματα – An dieser Stelle wird תורהmit πρόσταγμα realtiv untypisch übersetzt. (Vgl. Jer 39,23; 51,10; 51,23. Muraoka listet nur vier (bzw. fünf) Fälle auf, in denen πρόσταγμα für תורהgebraucht wird. Muraoka 2010, 102.) Die drei weiteren Discriminanda werden hingegen im Griechischen mit dem statistisch jeweils am häufigsten verwendeten Begriff übersetzt. 376 LXXGÖ (La109) > legis – In der altlateinischen Tradition hat sich ebenfalls ein Genitiv erhalten, für das erste discriminandum erhalten. Die Deklination deckt sich mit der LXX (προστάγματος), jedoch nicht mit der Vulgata, die eine Präpositionalphrase mit de Ablativ bietet. 377 LXXGÖ (La109; Lucif PsAugte) > in mandatis – Die Präpositionalphrase mit in ist in der Vulgata mit de ausgedrückt ist. Der Plural ist jedoch eine sekundäre Entwicklung, um an משפטים und חקיםanzugleichen, was aus zwei Gründen naheliegt. Erstens zeigt der griechische Text durch die Differenzierung in ein Kasusystem eine plausible Verständnisoption an. Die Präpositionalphrase ανα μεσον regiert typischer Weise den Genitiv. (Vgl. Muraoka 2009, 34.) In einer Nachahmung des Hebräischen schwingt damit ein Unterschied zwischen Blut und Blut sowie zwischen Befehl (Muraoka 2009, 598 schlägt z. B. command, instruction, directive oder natural order vor) und Anweisung (Muraoka 2009, 242 schlägt command, order und prescribed entitlement vor) mit. Genau dieselbe Systematik zeigt sich in der Verbindung von προστάγματος καὶ ἐντολῆς. Zweitens sind die Elemente δικαιώματα ( )משפטיםund κρίματα ( )חקיםeigentümlich im Nominativ und noch dazu im Plural nachgestellt. Offenbar hatte der Übersetzer an dieser Stelle genau dieselbe Schwierigkeit, die sich auch dem heutigen Leser noch stellt: Wie sind die jeweils durch die Präposition לeingegliederten Begriffe חקיםund משפטיםaufzufassen? Wir kommen darauf in der Analyse zurück. 378 Einige syr. und arab. Handschriften lesen וזכריהו. 379 Bei dem Verbum ׁשטרhandelt es sich um ein Lehnwort, dass gemäß den Parallelen (akkad. šaṭāru „schreiben“ [vgl. AHw 1203 f], aram. „ שטראSchriftstück“, syr. šṭārā, ešṭārā „Brief, Urkunde [vgl. Ges18 1346]) am besten mit Schreiber, Schriftführer, Protokollant wiederzugeben ist. Im Kontext der Rechtsprechung ist deshalb konsequent von Gerichtsschreibern zu sprechen. 380 Benzinger (z. St., 103 f) hat dafür plädiert, in 2Chr 17,7–9 und 2Chr 19,4–11 eine Dublette zu sehen. Dem hat schon Strübind (1991, 137) entgegengehalten, dass der Befund komplexer ist: „Während in 17,7.9 das Stichwort למדzusammen mit dem sogenannten ספר תורת יהוה den Auftrag der Delegation bestimmt, wird dieser Auftrag in 19,4–11 terminologisch breiter entfaltet, wobei ׁשפטzum Leitwort wird.“ (Ebd.).
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steht, wie insbesondere Knoppers381 nachgewiesen hat, kein Anlass dazu anzunehmen, dass diese sekundär eingesetzt wurde. Die Episode beginnt in V.4 mit der Feststellung, dass Jehoshaphat sich in Jerusalem aufhält ()ישב, bevor er erneut auszieht. Die Lexeme ישבund שובstiften dabei eine über das gesamte Narrativ hinausgreifende Textur.382 Jehoshaphat wird damit scharf vor Ahab kontrastiert, der im Krieg gegen Ramot‐Gilead getötet wurde (2Chr 18,34), während Jehoshaphat durch göttliche Intervention Rettung erfuhr (2Chr 18,31). Der Aufenthalt in Jerusalem steht also symbolisch für die Restitution der göttlichen Zuwendung. Jehoshaphat zieht ebenso mit der Absicht aus, auch die Zuwendung des Volkes zum Gott der Väter zu erneuern. Die Richtungsangabe מבאר ׁשבע עד־הר אפריםist typisch für den Chronisten, der alle Handlungen konsequent von Süden her denkt (vgl. 1Chr 21,2). Da jedoch normalerweise die Distanz von Beerscheba bis Dan angegeben wird, ist die Zielangabe עד־הר אפרים untypisch. Sie weist dezidiert nach 2Chr 17,2 zurück, wo es heißt, dass Jeho shaphat Truppen in allen befestigten Städten Judas und in Ephraim stationiert habe. Während dort durch den Kontrast der Ortsangaben bereits zu beobachten war, dass ausschließlich in Juda und gerade nicht in Efraim Tora gelehrt wurde, scheint durch die Grenzziehung am Gebirge Efraim auch mit der Einrichtung der Gerichte wieder nur Juda im Blick zu sein. Dezidiert wird der Vorgang deshalb auch nicht mehr ( בערי אפרים2Chr 17,2) lokalisiert, sondern das gesamte Nordreich durch die Präposition עד a limine ausgegrenzt. Schon hier zeichnet sich ab, dass die Abgrenzungen in 2Chr 17 und 19 insofern miteinander korrespondieren, als die in Jerusalem zu entscheidenden Rechtsfälle sich nur durch Kenntnisse der Tora ergeben. Von V.5 an ergeben sich, was in der Exegese immer gesehen wurde, neben anderen Texten sukzessive die deutlichsten Übereinstimmungen mit Dtn 17,8–13. Der Text wird daher an dieser Stelle synoptisch eingeführt und im Folgenden näher entfaltet. Weitere Intertexte werden jeweils an Ort und Stelle eingeblendet. l
Dtn 17,8–11383
2Chr 19,8–11 וגם בירוׁשלם העמיד יהוׁשפט8 מן־הלוים והכהנים ומראׁשי האבות ליׂשראל למׁשפט יהוה ולריב ויׁשבו ירוׁשלם׃ ויצו עליהם לאמר כה תעׂשון ביראת יהוה באמונה9 ובלבב ׁשלם׃ וכל־ריב אׁשר־יבוא עליכם מאחיכם היׁשבים בעריהם10 בין־דם לדם בין־תורה למצוה לחקים l
כי יפלא ממך דבר למׁשפט
8
l
l
l
בין־דם לדם בין־דין לדין ובין נגע לנגע
381 S. o. 382 2Chr 18,16; 18,25.26,27.32; 2Chr 19,1.4.8; 2Chr 20,27. 383 Die jeweils übereinstimmenden Passagen sind in denselben Farben markiert.
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דברי ריבת בׁשעריך וקמת ועלית אל־המקום אׁשר יבחר יהוה אלהיך בו׃ ובאת אל־הכהנים הלוים ואל־הׁשפט אׁשר יהיה9 בימים ההם ודרׁשת והגידו לך את דבר המׁשפט׃ ועׂשית על־פי הדבר אׁשר יגידו לך מן־המקום ההוא10 אׁשר יבחר יהוה וׁשמרת לעׂשות ככל אׁשר יורוך׃ על־פי התורה אׁשר יורוך ועל־המׁשפט אׁשר־יאמרו11 לך תעׂשה לא תסור מן־הדבר אׁשר־יגידו לך ימין וׂשמאל׃ l
l
l
ולמׁשפטים והזהרתם אתם ולא יאׁשמו ליהוה והיה־קצף עליכם ועל־אחיכם כה תעׂשון ולא תאׁשמו׃ והנה אמריהו כהן הראׁש עליכם לכל דבר־יהוה11 וזבדיהו בן־יׁשמעאל הנגיד לבית־יהודה לכל דבר־המלך וׁשטרים הלוים לפניכם חזקו ועׂשו ויהי יהוה עם־הטוב׃ l
In V.5 setzt Jehoshaphat Richter im Land ein, wobei explizit auf alle befestigten Städte hingewiesen wird, die schon in 2Chr 17,2 genannt waren. Die Wendung ועיר לעירist hier als Itinerar aufzufassen, das den Prozess der sukzessiven Einsetzung von Richtern illustriert. Auf den Vorgang der Einsetzung in der Stadt wird mit ( עמדhif.) rekurriert, während der parallele Vorgang in Dtn 16,18 das Verbum נתןverwendet und die Verteilung für die Stämme vornimmt.384 Die Wendung עיר ועיר, für Pearce eine typisch chronistische Wendung, werde dabei nur an dieser Stelle mit der Präposition לversehen, was laut Pearce auf einen Einfluss von לשבטיךzurückzuführen ist.385 Die Substitution von לשבטיךdurch עיר ועירmuss ferner von der Grenzziehung der Vorhaben in 2Chr 17 und 19 verstanden werden: Dem Chronisten ist an dieser Stelle nicht mehr an allen Stämmen, sondern lediglich noch an Juda gelegen. Im Hinblick auf die Verwendung des Ausdrucks בכל־ערי יהודה הבצרותhat Pearce eine Disambiguierung im Sinn: Während im Deuteronomium das Begriffspaar שער- עירohne besondere Unterscheidung verwendet würde, spiele der Begriff שערim Sinne von עיר in der Chronik keine Rolle. Hier rekurriere er ausschließlich auf konkrete Tore. Dem 384 Japhet sieht darin eine typische LBH-Idiomatik. Pearce arbeitet an dieser Stelle den philologischen Zusammenhang auf. Sie setzt mit der Beobachtung ein, dass die Situierung der Richter im Deuteronomium durch ( בכל־ ׁשעריDtn 16,18) markiert ist, während der Chronist die Bezeichnung ( בכל־ערי יהודה הבצרות2Chr 19,5) verwendet. Die Zuständigkeitsbereiche würden dabei in Dtn durch לׁשבטיךin Chr durch לעיר ועירausgewiesen. 385 Pearce (2013, 62) Untersuchung leidet bisweilen an Gründlichkeit im Umgang mit der Konkordanz. Wenn sie im Hinblick auf die Wendung עיר ועירdavon spricht, dieser Ausdruck sei „characteristic of the books of Chronicles as a whole, but is hardly found anywhere else in the Hebrew Bible“, wobei sie in einer Anmerkung immerhin Esther als weiteren Referenzpunkt einräumt, unterschlägt sie Esr 10;14; Jer 48;8, was immerhin gut 20% der Befunde ausmacht. Noch problematischer ist jedoch, dass damit die Mehrzahl der Befunde außerhalb der Chronik liegt, was der These einer typsich-chronistischen Verwendung zuwiderläuft (vgl. 2Chr 11, 12; 19,5; 28,25; 31,19; Esr 10,14; Est 8,11.17; 9,28; Jer 48,8). Eine ähnliche, jedoch schwererwiegende Fehldiagnose ist mit Blick auf die ... ל... ביןUnterscheid festzustellen. Das Argument bestätigt sich jedoch trotz der Fehleinschätzung des Konkordanzbefundes auch durch die Analysen Jennis (2000, 279) der in beiden Fällen die Präposition לin die Kategorie „Quantitative Relation“ einordnet und diese durch die „Rubrik 918: Verteilung / Gliederung / Anordnung“ näher bestimmt. l
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entsprechend sei der Chronist durch die im Deuteronomium angeordnete Einsetzung von Richtern in בכל־ׁשעריךherausgefordert, eine angemessene Übersetzung durch die Verwendung des Begriffes ערי יהודה הבצרותzu leisten. Damit wäre bereits im Duktus des Chronisten der Brückenschlag vom Deuteronomium in die Chronik zu erkennen. Angesichts der Seltenheit dieser Formulierung386 und fehlender Analogien ist darin jedoch wohl mehr eine rezeptions- denn eine produktionsästhetische Perspektive zu erkennen und mehr Zurückhaltung geboten. Dazu kommt der Umstand, dass mit der Ausdehnung des Konkordanzbefundes über die exakte Phraseologie hinaus sich die befestigten Städte auch im Deuteronomium finden (vgl. Dtn 1,28; 3,5; 9,1; Dtn 28,52). Dabei sind die Konnotationen hier durchweg negativ, insofern sie entweder mit den fremden, noch im Land lebenden Völkern verbunden werden (vgl. auch Num 13,28), oder für die Zerstörung der eigenen Wehranlagen stehen. Gerade unter diesem Gesichtspunkt ist es plausibler, dem Chronisten keine Disambiguierung mit Hilfe von Formulierungen zu unterstellen, die nach dem Deuteronomium negative Assoziationen wecken, sondern vielmehr auf den näherliegenden, pragmatisch- / ökonomischen Sachverhalt zu zielen, dass gerade nicht jede Stadt und – wie wir gesehen haben – schon gar nicht jeder Stamm ein eigenes Gericht erhält, sondern lediglich größere Verwaltungszentren, die mit einer eigenen Umfassungsmauer umgeben oder in ähnlicher Weise befestigt waren.387
Mit der Einsetzung der Richter geht nun in V.6 eine Paränese einher, den Akt der Rechtsprechung im Interesse JHWHs und nicht im Interesse des Menschen durchzuführen, was nicht nur den Richter zu einem Diener JHWHs macht, sondern auch den König aus der Zuständigkeit für die Rechtsprechung entlässt.388 Die Wendung לא לאדם תׁשפטו כי ליהוהstellt das Schlüsselcredo der Rechtsreform Jehoshaphats dar. Die vorliegende Episode zielt damit nicht auf die Entscheidung konkreter Rechtsfälle, sondern auf die Implementierung einer ausschließlich an JHWH ausgerichteten Rechtsethik. Dieser stellt dabei gleichermaßen „source and authority of the law“389 dar. Dabei wird in der Fortsetzung der Prätexte des Pentateuchs, insbesondere der dtr./dtn. Texte, ein Perspektivwechsel vollzogen. Anders als bspw. in Dtn 17,8 geht es hier nicht mehr um den in der 2.Ps.Sg. angesprochenen Rechtsuchenden, sondern um die Maßstäbe für die Richter selbst. Durch die Zusage: „Und er ist mit euch in der Rechtsangelegenheit“ wird in die משפט-Terminologie ein reziprokes Verhältnis eingetragen. Nicht nur wird Recht in Sachen Gott gesprochen, er ist ebenso der Begleiter der Rechtsprechung und
386 2Chr 17,2; 32,1; 33,14 sowie ähnlich: 2Chr 11,5; 21,3. Auch hier vergibt Pearce (2013, 64) das Attribut „characteristic of the Chronicler’s lexicon“, was auf Grund des spärlichen Befundes jedoch nicht evident ist. Dass jedes Tor auch eine Befestigung bedeute, behauptet Rüterswörden (1987, 16), ohne nähere Arbeit am Begriff בצורzu leisten. 387 Dass jedes Tor auch eine Befestigung bedeute, behauptet Rüterswörden (1987, 16), ohne nähere Arbeit am Begriff בצורzu leisten. 388 Auffälliger Weise fehlt der König auch in Dtn 17,8–13, was die deuteronomische Gerichtsordnung grundlegend vom keilschriftlichen Recht unterscheidet (Otto z. St., 1476 f). 389 Vgl. Japhet (z. St., 775).
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damit Ursprung, Ziel und Garant des Rechts. Damit vollzieht sich an dieser Stelle eine Sakralisierung der Rechtsprechung. In V.7 verfällt Jehoshaphat in einen gleichsam prophetischen Duktus, wenn er mit ועתהseine Rede fortsetzt und zur Gerechtigkeit im Gerichtswesen ermahnt.7 ועתה יהי פחד־יהוה עליכם שמרו ועשו כי־אין עם־יהוה אלהינו עולה ומשא פנים ומקח שחד׃. „Und nun sei der Schrecken des Herrn auf euch! Achtet darauf und verhaltet euch danach, dass es beim Herrn, unserem Gott, keine Ungerechtigkeit390 und kein Ansehen der Person391 und keine Bestechlichkeit392 gibt.“ Die Betonung des göttlichen Rechtsinteresses wird von Jehoshaphat noch dadurch gesteigert, dass er die eingesetzten Richter mit dem Gottesschrecken belegt. Mit dieser Wendung, die nur drei Mal in der Chronik verwendet wird, wird die zuvor erwähnte Verbindung der Narrative Asas und Jehoshaphats virulent. In 2Chr 14,13 wird erwähnt, dass Juda in einen Kampf gegen die Kuschiter den Sieg erringt, weil der Schrecken JHWHs auf ihnen liegt, woraufhin die Kuschiter flüchten. In 2Chr 17,10 wird ähnliches berichtet: Der Schrecken JHWHs liegt hier auf allen Königreichen der Länder, die Juda umgeben, sodass diese keinen Krieg gegen Jehoshaphat führen. Offenbar ist der Schrecken JHWHs ein literarisch pointiertes Mittel des Distanzgewinns. Was aber, wenn der Schrecken JHWHs auf den Richtern liegt, die in seinem Namen Urteile zu fällen haben und nicht mehr auf Distanz zu ihm gehen können? In diesem Fall gilt eine andere Verhaltensordnung, die die Bedrohlichkeit der unmittelbaren Gegenwart JHWHs auf Distanz hält, die adäquate Umsetzung der Rechtsordnung. Vers 7b führt ex negativo zunächst drei göttliche Prädikate ein, die die Qualität des JHWH‐Schreckens näher spezifizieren. Der mit איןnegierte Nominalsatz birgt dabei keine Handlungsaufforderung nach dem Schema: „Im Interesse Jahwes möge auf diese und diese Weise nicht gehandelt werden“, sondern hier geht es darum, Aussagen über JHWH selbst zu treffen, die freilich indirekt eine deontische Handlungsfolge intendieren. Es wird gesagt, dass es bei Gott keine Ungerechtigkeit, kein Ansehen der Person und keine Annahme von Bestechung gäbe. Dabei haben zunächst die letzten beiden Wendungen ein Komplement in Dtn 16,19, dem sog. Richterspiegel. Hier heißt es:
390 Das Lexem עולהist in folgenden Stellen belegt: 2Sam 3,34; 7,10; 1Chr 17,9; 2Chr 19,7; Hi 5,16; 6,29–30; 11,14; 13,7; 15,16; 22,23; 24,20; 27,4; 36,23; 37,1; 43,1; 58,3; 64,7; 89,23; 92,16; 107,42; 119,3; 125,3; Prov. 22,8; Jes 59,3; 61,8; Ez 28,15; Hos 10,13; Mi 3,10; Hab 2,12; Zeph 3,5.13; Mal. 2,6. 391 Die Verbindung von משאund פנהfindet sich hier und in Dtn 10,17. In Dtn 1,17; 16,19 wird jeweils die Kombination von נכרund פנהverwendet. 392 Bestechlichkeit findet sich in Ex 23,8; Dtn 10,17; 16,19; 27,25; 1Sam 8,3; 1Kön 15,19; 2Kön. 16,8; 2Chr 19,7; Hi 6,22; 15,34; Ps 15,5; 26,10; Prov 6,35; 17,8.23; 21,14; Jes 1,23; 5,23; 33,15; 45,13; Ez 16,33; 22,12; Mi 3,11.
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Du sollst das Recht nicht beugen, du sollst die Person nicht ansehen ( )לא תכיר פניםund kein Bestechungsgeschenk ( )לא תקח ׁשחרnehmen. Denn das Bestechungsgeschenk macht die Augen der Weisen blind und verdreht die Sache der Gerechten.
Der Verfasser dieses Verses hat die Wendung aus dem Bundesbuch (Ex 23,8) übernommen und in den konkreten Fall des Richterspiegels eingebettet.393 Wir sehen hier, dass mit der Leserichtung von Dtn 16 nach 2Chr 19 die direkte Anrede an die Richter aufgegeben wurde und aus dem Imperativ eine theologische Aussage geworden ist. Genau an dieser Stelle ist nun zu beachten, dass die theologische Transformation des Richterspiegels im Deuteronomium bereits antizipiert ist. Genau wie in 2Chr 19,7 heißt es in Dtn 10,17: Denn JHWH, euer Gott, er ist der Gott der Götter und der Herr der Herren, der große, mächtige und furchtbare Gott, der niemanden bevorzugt und kein Bestechungsgeschenk394 annimmt.395
In dem ebenfalls mit einem deiktischen כיeingeleiteten Vers ist neben לקח שחרnun auch die exakte Entsprechung zu ( משא פניםstatt )נכר פניםzu finden. Es zeigt sich damit, dass der Chronist unter bewusstem Rückgriff nicht nur auf Dtn 16,18–20 und Dtn 17,8–13, sondern auch die theologische Aussage in Dtn 10,17, die sekundär in Dtn 16,19 aufgenommen wurde, der Pointe einer Theologisierung des Rechts besonderen Nachdruck verleiht. Damit bleibt noch die erste der drei genannten Eigenschaften zu betrachten, die in keinem der bisher genannten Referenztexte einen Reflex hat, die Ungerechtigkeit. Für diese hat Knoppers396 die einzige Übereinstimmung in Dtn 32,4 gefunden, wo es von JHWH heißt: אל אמונה ואין עול צדיק ויׁשר הוא, wobei sich für die Richtung der Abhängigkeit keine weiteren Evidenzen ergeben. Gleichwohl ist hier Lev 19,15aα anzuführen, wo es heißt: לא־תעׂשו עול במׁשפט. Hier wird die Ungerechtigkeit freilich nicht mehr als Theologumenon eingeführt, sondern im Kontext der Sakralisierung des Rechts im Gestus der Imitatio Dei zum Prinzip der Rechtsprechung. Auf diese Weise zeichnet sich das Bild ab, dass der Chronist einen 393 Anders Schwienhorst‐Schönberger (1990, 385–388), der das Abhängigkeitsverhältnis umgekehrt beurteilt und V.8 für eine Störung des Zusammenhangs hält. 394 Vgl. auch Dtn 27,25: ארור לקח ׁשחד להכות נפׁש דם נקי ואמר כל־העם אמן. 395 Otto (z. St.) zeigt in diesem Zusammenhang, dass „die Autoren der nach-dtr. Fortschreibung in Dtn 10,17b Motive des deuteronomischen Prozessrechts in Dtn 16,19 ‚du sollst kein Ansehen der Person kennen, und du sollst keine Bestechung nehmen‘ […] auf JHWH [übertragen].“ Damit würden „nachexilisch zwei zentrale Motive des deuteronomischen Prozessrechts theologisch begründet.“ Vgl. zu dieser Beurteilung von Dtn 16,19 auch Römer 2007a, 79. Jüngst hat Jonker (2013, 196) eine Umkehr der Abhängigkeitsrichtung vorgeschlagen und einen chronistischen Einfluss auf das Deuteronomium vermutet. Wenn es auch dafür keinen konkreten Anhaltspunkt gibt, so indiziert die zweifache Nachgeschichte von Dtn 10,17 in Dtn 16,19 und 2Chr 19,7 jedenfalls, dass sich im Deuteronomium vor-chronistische Tendenzen abzeichnen. 396 Vgl. Knoppers z. St.
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alten Topos durch die aus unterschiedlichen Schichten des Deuteronomiums herrührenden Motive, die bisweilen eine Nähe zu HG aufweisen, produktiv zu einem eigenen Narrativ komponiert. Wir sehen also, dass beim Chronisten Applikation immer auch als Explikation und Transformation zu denken ist. In V.8 ist Jehoshaphat ganz offenbar nach Jerusalem zurückgekehrt, wo er das Zentralgericht einsetzt, von dem es in Dtn 17 noch heißt, dass es an dem Ort ( )מקוםeingerichtet werden soll, den JHWH sich erwählt hat.397 Unverkennbar geht der Chronist dabei an dieser Stelle nicht nur davon aus, dass der erwählte Ort Jerusalem ist, sondern er verfolgt die im Rahmen einer regelrechten מקוםTheologie entfaltete Strategie, Jerusalem konsequent zu dem im Deuteronomium genannten Ort zu machen.398 Die Einleitung mit וגם בירושלם העמיד יהושפטlegt nahe, dass in V.8 eine Parallele geboten wird, hier heißt es jedoch: מן־הלוים והכהנים ומראשי האבות לישראל למשפט יהוה ולריב. V.8 nimmt dabei den in V.(5).6 entwickelten Gedanken eines JHWH-Gerichts auf und spricht nun nicht mehr allgemein von einer Einsetzung von Richtern, sondern von der Einsetzung von Leviten, Priestern und Familienhäuptern. Damit wird die Extension des in V.5 ins Spiel gebrachten Begriffs auf Leviten und Priester [sic!] festgelegt.399 Die Aufnahme des Lexems der Phrase משפט שפט ליהוהdurch למׁשפט יהוהstiftet einen Zusammenhang zwischen V.6 und 8, wobei dieses hier die Bedeutung eines Rechtsentscheids annimmt, was in der Chronik selten ist: „The use of מׁשפטin the sense of judicial decision is not, however, standard practice in Chronicles.“400 Zu dieser Beobachtung kommt hinzu, dass der Chronist das Lexem ריבauffälligerweise nur in 2Chr 19,8.10 verwendet. Die besondere Konnotation von משפט in Verbindung mit der Einsetzung kultischen Personals sowie die Exklusivität des Lexems ריבnähren deshalb den Verdacht, dass der Chronist an dieser Stelle nicht ‚seine eigene Sprache spricht‘, sondern sich einer anderen Sprache bedient. Pearce weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die engste Parallele zu Dtn 17,8 besteht.401 Die Verbindung von ריבund משפטprüft sie dabei ebenfalls mit der Konkordanz, lässt den Befund jedoch unausgewertet. Dieser lenkt die Aufmerksamkeit jedoch auf Ez 44,24, einen Vers, der eines kurzen Seitenblicks bedarf.
397 Vgl. zur Frage der Gestalt der Ort-Erwählungsformel des Deuteronomiums s. u. „KultOrt“. 398 Vgl. Pearce 2013, 253. 399 Hier eine spätere Fortschreibung anzunehmen, wie Labahn (2012) es vorschlägt, ist zwar nicht unmöglich, jedoch keinesfalls notwendig, da die Sakralisierung des Rechts bereits vorher die Einsetzung sakralen Personals notwendig gemacht hat und auch der pointierte Wechsel in die AK eher durch die Topikalisierung Jerusalems bewirkt ist und daher nicht auf eine sekundäre Bearbeitung schließen lässt. 400 Pearce 2013, 255 f. 401 Vgl. dazu Pearce 2013, 256.
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In Ez 44,24 findet sich ein ähnlicher Auftrag wie in Dtn 17 und 2Chr 19. Im Falle eines Rechtsstreits ( )ריבsind hier ( הכהנים הלוים בני צדוקvgl. V.15) dazu aufgefordert, als oberste Instanz der Rechtsprechung vorzustehen. Signifikanterweise wird auch im Ezechielbuch das Lexem nur an dieser einen Stelle verwendet. Der Vers ist in eine Liste verschiedener Priesterobligationen eingebettet und es besteht eine deutliche Parallele darin, dass das Tempelpersonal, in diesem Fall eben die levitischen Zadokiden, den Rechtsfall entscheiden muss. Noch deutlicher wird diese Parallele dann, wenn man die Angelegenheit von V.23 her versteht: Mein Volk sollen sie den Unterschied lehren zwischen dem, was heilig ist und dem, was nicht heilig ist. Und zwischen dem, was rein ist und dem, was unrein ist, sollen sie sie den Unterschied erkennen lassen.402 Hier wird der Rechtsstreit also in den Kontext einer kultischen Unterscheidung, genauer gesagt in einen Reinheitsdiskurs eingebettet. In Analogie zu Dtn 17,8 und 2Chr 19,10 wird dabei die … בין … ל-Formulierung ins Spiel gebracht ( בין קדש לחלsowie )ובין טמא לטהור.403 V.25 kommt erneut auf das Thema der Reinheit zurück, sodass das Thema der Reinheit eine Inclusio um den Auftrag zur Entscheidung im Rechtsstreit stiftet. Bei Ezechiel zeichnet sich durch diesen Kontext also institutionell bereits ab, was der Chronist später durch die Transformation der einschlägigen Texte des Pentateuchs durchsetzt: die Sakralisierung des Rechts. Niehr hat die historische Entwicklung nachgezeichnet. Er hebt zunächst die „in den alttestamentlichen Texten nicht weiter dokumentiere Stellung des Hohenpriesters im Gerichtswesen“404 hervor. Und er zeichnet die folgende Entwicklungslinie nach, die das Eindringen des Hohenpriesters in die Judikative kenntlich macht: „Ausgehend von Dtn 17,8–13 aus der Zeit des Joschija konnten nach dem Sturz des Königtums im Exil die Priester Anspruch auf die Verwaltung der Gerichtsbarkeit erheben (Dtn 21,5;
402 Eichrodt z. St., 400 f. 403 Für den Paralleltext Lev 10,10 hat Nihan (2007, 590–593) gezeigt, dass dieser später als Ez 44,23 zu datieren ist. Deutlich erkennbar ist, dass in Lev 10 die Trennung durch ( בדלhif.) eher kosmologisch konnotiert ist und Ez 44,23 durch ( ירהhif.) deutlicher den kommunikativ-pädagogischen Aspekt in den Vordergrund rückt. Dazu kommt, dass in Lev bereits determiniert ist, was in Ez 44,23 ohne Artikel zur Sprache kam. Folgt man weiterhin der Unterscheidung Barrs, gewinnt man einen weiteren Hinweis dafür, dass hier mit einem Zuwachs an Konkretion zu rechnen ist. Die Unterscheidung ben … l‘ aus Ez 44,23 wird nämlich in Lev 10,10 in die Unterscheidung ... ובין... ביןüberführt. Die Konkretisierung ist hier möglicherweise dadurch bedingt, dass der Einschub in Lev 10,8–11 erst nach der Einsetzung von Lev 11–15 erfolgte und damit bereits als konkret gelten kann, was als heilig und unheilig, bzw. rein und unrein zu gelten hat: Lev 10,10
Ez 44,23
ולהבדיל בין הקדש ובין החל ובין הטמא ובין הטהור
ואת־עמי יורו בין קדש לחל ובין־טמא לטהור יודעם
Die Unterscheidung zwischen heilig und nicht-heilig sowie rein und unrein hatte im Jehoshaphat-Narrativ keinen Platz. Deshalb blendet der Chronist nur die judikative Dimension der priesterlichen Aufgaben in seiner Übertragung des Stoffes mit ein. 404 Niehr 1987, 115.
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4. תהרותin der Chronik
Ez 44,23 f) und diesen Anspruch zusätzlich legitimieren durch den Bericht von der Einrichtung eines Obergerichts in Jerusalem (2 Chr 19,4–11).“405
Die auf diese Weise profilierte Einwicklungslinie von Dtn 17 nach Ez 44 und schließlich nach 2Chr 19 zeigt die Konsequenzen an, die sich ergeben, nachdem die Rechtsprechung fest im Aufgabenkatalog der Priester verankert ist. Sie wird zu einer sakralen Handlung und mittelbar zum Komplement der Sakralisierung des Rechts selbst. Die Rechtsreform Jehoshaphats stellt demnach auch die Konsequenz einer Transformation des Rechts zu einer lex sacra dar.406 Genau wie in V.6 gibt Jehoshaphat dem Gerichtspersonal in V.9 die Maxime des Handelns aus. Das Rechtspersonal wird von Jehoshaphat hinsichtlich ihrer Einstellung zum Recht prädisponiert: כה תעשון ביראת יהוה באמונה ובלבב שלם. „So sollt ihr handeln: in der Furcht des Herrn und in Treue und mit ganzheitlichem Herzen.“407 Das Motiv der יראת יהוהist dabei nicht nur Komplement zum פחד יהוה aus V.7, sondern bereits in der korrespondierenden Stelle in Ex 18,21 als Gottesfurcht präfiguriert. Die Verbindung von צוהund der selten belegten Form von עׂשהmit ‐נenergicum ( )ויצו עליהם לאמר כה תעׂשון ביראת יהוה באמונה ובלבב ׁשלםverweist nach Dtn 1,18: ואצוה אתכם בעת ההוא את כל־הדברים אׁשר תעׂשוןund markiert, wie eng sich der Chronist bis hin zu morphologischen Details an seine Vorlagen anlehnt.408 Vers 10 stellt den neuralgischen Punkt der Erzählung dar, insofern hier die Aufgaben des höchsten Jurisdiktionsbereiches festgestellt werden. Es folgt nun die Explikation eines möglichen Rechtsstreits, der in dieser Formulierung eine Synthese verschiedener auf den Pentateuch zurücklaufenden Traditionen409 ist: וכל־ריב אׁשר־יבוא עליכם מאחיכם היׁשבים בעריהם בין־דם לדם בין־תורה למצוה לחקים ולמׁשפטים והזהרתם אתם ולא יאׁשמו ליהוה והיה־קצף עליכם ועל־אחיכם כה תעׂשון ולא תאׁשמו410 – Da sich die 405 Ebd. 406 S. u. 407 1Kön 8,61; 11,4; 15,3; 2Kön 20,3; 1Chr 12,39!; 1Chr 28,9; 1Chr 29,9.19; 2Chr 7,11; 16,9; 19,9; 25,2; Jes 38,3; Jes 40,2. 408 Knoppers (1994, 70) hat gezeigt, dass באמונהaußerhalb der Chronik nur selten verwendet wird, die Wendung בלב שלםhingegen vom Deuteronomisten übernommen sei. Vgl. zur detaillierten Aufarbeitung und Interpretation der Textvarianten die philologischen Studien von Pearce (2013, 57–76.241–274), deren Verdienst darin besteht, textkritische, literarkritische und exegetische Varianten zu differenzieren und vom Standpunkt einer textlinguistischen Hermeneutik miteinander ins Gespräch zu bringen. 409 Dabei ist es besonders auffällig, dass diese Synthetisierung gerade vom Dtr nicht vorgenommen wird. 410 Die Bedeutung des Lexems אׁשםist umstritten. Es ist nur an dieser Stelle in der Chronik belegt. In exilisch/nachexilischer Zeit taucht es vor allem in priesterlichen Texten auf. Unentschieden ist, ob es sich bei diesem Lexem der Semasiologie nach um die Bezeichnung von absichtlichen oder unabsichtlichen Vergehen handelt. Dass diese Vergehen jedoch in Zusammenhang mit der Sphäre des Kultischen stehen, darf als relativer Konsens betrachtet werden. Im Gegensatz zu den in den priesterlichen Texten verhandelten אׁשם-Fällen kann in 2Chr 19,10 deutlich von einer konzeptuellen Weiterentwicklung gesprochen werden. Während gerade in
4.5 רות im Kontext des Jehoshaphat-Narrativs
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תעשון-Regelung nur ein weiteres Mal in der Hebräischen Bibel (Dtn 17,8) findet, liegt eine exklusive Beziehung zwischen beiden Texten auf der Hand. Dabei drängt sich nun auch die Frage auf, worauf die Unterschiede zurückzuführen sind:411 Wenn dir ein Rechtsstreit in deinen Toren zu schwierig ist zwischen Blutschuld und Blutschuld, zwischen verschiedenen Rechtsfällen, zwischen Schlag und Schlag,412 dann sollst du dich aufmachen und an die Stätte hinaufziehen, die JHWH dein Gott dir erwählen wird. (Dtn 17,8)413
Gertz zeigt an, dass die Ortsangabe בשעריךzurück nach Dtn 16,18a weist und damit einen Zusammenhang zwischen beiden Texten herstellt.414 Die darauf folgenden drei Rechtsfälle seien mit dieser Ortsangabe nur schlecht verbunden, wobei möglicherweise mit Nachträgen zu rechnen sei.415 Anders als im Falle des Ausdrucks דם…לדםbezeichne „ דיןkeinen speziellen Streitgegenstand, sondern einen Rechtsanspruch oder synonym zu ריבden Rechtsstreit.“416 Auch im Fall des Nomens נגעhandelt es sich Gertz zufolge nicht um einen Rechtsfall, sondern um einen sakral-medizinischen Terminus. Otto417 ordnet diese drei Unterscheidungen den drei Rechtsgebieten der Tötungsdelikte, Körperverletzung und des Zivilrechts zu und weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass es keinesfalls die Schwere eines Vergehens sei, die zur Übertragung des Falls an das Zentralgericht führe: „Die Feststellung der Lev 4; 5; 6; 7; 14; 19 sowie Num 5; 6; 18 eher von Schuldaufweis und Schuldsühnung gehandelt wird, führt 2Chr 19 einen prophylaktischen Diskurs, der durch ein reziprokes Schuldverhältnis ausgezeichnet ist. Es besteht nämlich der Anspruch, im Fall einer möglichen Konfliktsituation zwischen divergierenden Rechtstraditionen Klarheit herzustellen ( )זהרund damit das Sündigwerden zu verhindern. Daraus geht hervor, dass einerseits eine Rechtsverletzung eintritt, wenn unwissentlich gegen geltendes Recht verstoßen wird, andererseits wird jedoch auch impliziert, dass aus der זהר-Anweisung eine direktiv-bindende Befolgungsfestlegung hervorgeht, deren Verletzung ebenfalls einen אׁשם-Fall darstellt. 411 Dass die Grundschicht von Dtn 17,8–13 zum Kern des Deuteronomiums gehört, stellt einen relativen Konsens dar, wobei über einzelne Zusätze Kontroversen bestehen. (Vgl. Gertz 1994, Rüterswörden 1987, Otto z. St.) Für den vorliegenden Zweck kann der Hintergrund des Textwachstums weitgehend ausgeblendet werden. Grundsätzlich geht es hier um eine Zuweisung von Rechtsfällen an das Zentralgericht, von dem im Deuteronomium bekanntlich offenbleibt, wo es situiert ist. 412 Die Übersetzung bleibt hier zunächst wörtlich. Gertz (1994, 60–62) hat an dieser Stelle den Einwand vorgebracht, dass es nicht um das Delikt der Körperverletzung geht, sondern נגע hier „als sakral-medizinischer terminus technicus aufzufassen“ (Ebd., 61) sei. Samuel (2014, 92) ist ihm darin teilweise gefolgt, dabei warnt er jedoch vor einer Einengung des Begriffs auf Aussatz. 413 Zur Frage nach dem Beginn der Apodosis vgl. Rüterswörden (1987, 45 f) der für V10a plädiert sowie Otto (z. St., 1474), der dagegen V.8b annimmt. 414 Gertz 1994, 59 f. 415 Ebd. 60. 416 Ebd. 417 Otto z.St., 1475.
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4. תהרותin der Chronik
Protasis, ein Fall könne für die Lokalgerichte zu schwer sein, gilt dem Prozessrecht und bezeichnet die Fälle, die auf die kultische Beweiserhebung angewiesen sind, zumal die profane Beweiserhebung durch die Mehrzeugenregelung in Dtn 17,6 erschwert worden ist, um mit Fortfall des kultischen Rechtsentscheids an den Lokalgerichten den Zeugenbeweis aufzuwerten.“418 Er zeigt ferner, dass es hier nicht um die Etablierung einer Tempelgerichtsbarkeit gehe, sondern dass sie die Arbeit der Richter und Priester jeweils ergänze: „Ohne Richter kann es […] keinen Beweiseid am Tempel vor dem Priester geben, und ohne den Priester kann es keinen Rechtsentscheid vor Gericht geben, wenn die profanen Beweisverfahren des Zeugenbeweises und des Urkundenbeweises kein Urteil ermöglichen.“419 Otto hat jüngst umfassend die Forschungsgeschichte zur Gerichtsordnung des Zentralheiligtums aufgearbeitet. Er hebt hervor, dass Dtn 17,8 an das vorangehende Gesetz der Lokalgerichtsbarkeit anknüpft. Eine direkte Anknüpfung an Dtn 16,19 lehnt er ab, da sich auf diese Weise kein schlüssiger Zusammenhang ergäbe, „der die komparatistische Aussage in Dtn 17,8 begründen könnte“.420 Der dtn. Text Dtn 17,8–13 sei in nachexilischer Zeit mit V.10b.11 fortgeschrieben worden. Diese Fortschreibung sei auch für Dtn 17,18 f verantwortlich und habe die „Tora als bestimmend in die Ämterordnung eingeführt.“421 Auf die nachexilische Fortschreibung sei demnach auch die Levitisierung der Priester in Dtn 17,9 zurückzuführen. Damit werde gleichzeitig Dtn 10,8, d. h. die Ebene der Hexateuch-Redaktion, vorausgesetzt und auf Dtn 18,1–8; 24,8 vorausgewiesen.422 Insbesondere die Einführung der Levitizität der Priester wird in der Chronik sukzessive in eine durch Ez 44 vermittelte Trennung von Leviten und Priestern transformiert, die, wie in V.11 sichtbar wird, zu unterschiedlichen Aufgaben bei der Rechtsprechung führt.
Gegenüber Dtn 17,8 werden in 2Chr 19,10 nun בין־דין לדין ובין נגע לנגעdurch בין־ תורה למצוה לחקים ולמׁשפטיםersetzt. Der Chronist zieht demnach in Betracht, dass es zu einem Konflikt zwischen der Tora, dem Gebot, den Ordnungen und den Rechtssatzungen kommen könnte. Dabei stellt sich die Frage, wie das distributive Verhältnis zu deuten ist, ob der Rechtsstreit sich entweder je zwischen Tora und Gebot, Tora und Bestimmungen, Tora und Rechtsordnungen (Mod. 1) vollzieht, zwischen Gebot und Rechtsordnung (Mod. 2) oder zwischen Tora und Gebot gegenüber Ordnungen und Rechtssatzungen (Mod. 3). Zur Erklärung des Befundes muss insbesondere die Unterscheidungsform näher betrachtet werden:
418 Ebd. 419 Ebd., 1476. 420 Otto z. St., 1449. 421 Otto z. St., 1450. 422 Vgl. ebd.
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4.5 רות im Kontext des Jehoshaphat-Narrativs
מצוה תורה
תורה
מצוה
חקים
משפטים
חקים משפטי
(Mod. 1)
תורה
מצוה
חקים
משפטים
(Mod. 2)
(Mod. 3)
Exkurs: Zur Verwendung der Phrase … ןיבו … ןיב im Unterschied zu … ל … ןיב Barr, der der Phrase eine eigene Untersuchung gewidmet hat423, hebt hervor, dass bei Formulierungen dieser Art „a very substantial semantic-syntactic difference between the phrases with ben … ben and this with ben … l“424 bestehe. In der ben … l’-Konstellation werde bspw. kein Bundesschluss und keine Kriegserklärung zwischen konkreten Personen ausgedrückt. Die Elemente, die durch ben … ben ausgedrückt werden, sind also in der Unterscheidung ben … l’ nicht repräsentiert. Ben … l’ trete vor allem in der Funktion einer Unterscheidung (speziell in priesterlichem Kontext, vgl.: Gen 1,6; Lev 20,25; 27,33; Num 26,56; 30,17; Ez 22,26) auf. Besonders hervorzuheben sei, dass „in the ben… l’ passages the reference is never to specifics“, sondern „to classes“425. Das bedeutet: „With few exceptions the formula ben…l’ deals with non-specifics.“426 Dazu passt, dass in dem vorliegenden Fall keine der Rechtsbezeichnungen mit einem Artikel versehen ist und daher bspw. nicht mit der spezifischen Größe, also entweder einer spezifischen Einzeltora oder dem spezifischen Corpus Tora operiert wird, sondern der allg. klassifikatorische Ausdruck Tora verwendet wird. Dies gilt ebenso für die Begriffe חקים, מצוהund מׁשפטים. Zwar widerspricht Barr der Annahme, dass das Fehlen des
423 Vgl. Barr 1978, 1–22. 424 Ebd. 6. An dieser Stelle ist die gravierende Fehleinschätzung Pearce’ zurückgewiesen werden, die behauptet, dass „[w]ithin the whole Hebrew Bible corpus, the construction בין…ל, ‚between X and X‘, is found only in these two passages.“ (Pearce 2013, 258.) Allein die Befunde in Gen 1,6; 2Sam 19,36; 1Kön 3,9; Ez 34,17.22; 41,18; 42,20; Ob 4 beweisen nicht nur das Gegenteil, sondern in ihrer Verteilung auch, dass in allen drei Kanonteilen, mit dieser Konstruktion zu rechnen ist. Dies insofern von großer Wichtigkeit, als die Wendung in 2Chr 19,10 nicht ohne den Vergleich auskommt. 425 Barr 1978, 6. 426 Ebd.
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4. תהרותin der Chronik
Artikels ein notwendiges Kriterium für nicht-spezifische Verwendung sei (S.8)427, um dann aber zu verstehen zu geben, dass in diesem Fall allemal von einem hinreichenden Kriterium gesprochen werden kann.428 Letztlich lassen sich als drei Merkmale der … בין … ל-Formulierung in MT ausmachen: 1. Vorwiegend priesterlicher Kontext 2. Nicht-spezifische Unterscheidung 3. Zunahme dieser Formulierung in nachexilischer Zeit. Der dritte Punkt ist nicht unumstritten: Während bspw. Hurvitz429 die … בין … ל dem Duktus des LBH zuordnet und diese Phraseologie zum Anlass nimmt, sie später als … בין … וביןzu datieren, weist Nihan430 darauf hin, dass in Lev 10,10 eher mit einem bewussten Archaismus zu rechnen ist und das Gefälle der Abhängigkeit dort in die andere Richtung verläuft. Demnach ist bei der Datierung auf Grund dieser Phrase Zurückhaltung geboten. Auf den genauen Abgrenzungsvorgang einer mehrgliedrigen Unterscheidung kommt Barr jedoch nicht zu sprechen. Bei Jenni431 fällt dieses Phänomen in die Rubrik 8 (Lamed adverbiale #8545), dem Aspekt der Unterscheidung von Abstraktklassen (vgl. Dtn 17,8bcd; Esr 3,13). Vergleicht man die genannten Parallelstellen, fällt auf, dass bei der Unterscheidung von mehr als zwei Gliedern immer ein weiteres ביןverwendet wird, was den Term in 2Chr 19,10 biblisch zum einzigen seiner Art macht. Damit stellt sich die Frage, ob entweder eine bestimmte distributorische Aussage damit verbunden ist, oder nicht vielmehr die Ausdrücke לחקיםund למשפטיםnachgetragen sind. Bei ähnlichen Unterscheidungen fällt auf, dass mit einer jeweils neuen Unterscheidung nicht auch ein neues Discriminandum gesetzt wird: Ez 34,17 ואתנה צאני כה אמר אדני יהוה הנני ׁשפט בין־ׂשה לׂשה לאילים ולעתודים. „Und ihr, meine Schafe, so spricht Adonai Elohim: Seht, ich sorge für Recht zwischen den Schafen, den Widdern und den Böcken!“ Hier wird sicher nicht das Recht zwischen den Schafen und den Widdern sowie den Schafen und den Böcken gemeint sein. Eher geht es um eine Distribuierung des einen Rechts zwischen drei Parteien. Zu beachten ist jedoch, dass schon im Hebräischen keine genaue Übereinstimmung mit unserer zu analysierenden Stelle besteht, da hier innerhalb der Unterscheidung das erste Glied wiederholt wird, wobei dieser Unterschied ein Anhaltspunkt dafür sein könnte, dass es mehrere Schafe, jedoch nur eine Tora gibt. Der Hintergrund von Ez 34,17 gibt ferner auch ein Gespür für den zweifachen Einsatz mit … בין … ל. Dieser ist vermutlich darin begründet, dass der erste Kasus grundsätzlich vom zweiten getrennt werden soll. Bezeichnenderweise weicht auch die Übersetzung der LXX entscheidend ab. Die Abweichung zeichnet sich in der Verwendung der Präposition ανα μεσον ab, die den Genitiv regiert432 und dementsprechend die drei folgenden Discriminanda regulär im Genitiv wiedergibt. Vor diesem Hintergrund nehmen sich die zwei nachgestellten Nominative in 2Chr 19,10 LXX umso sperriger aus. In eine andere Richtung weist der Blick nach Qumran. Dort ist in den aramäischen Texten die Fortsetzung der Unterscheidungspartikel ביןsowohl durch ein einzelnes mit
427 Ebd., 8. 428 Vgl. ebd. 429 Hurvitz 1982, 113–115. 430 Ders. 2007, 592, Anm. 65. 431 Jenni 2000, 269. 432 Vgl. dazu oben.
4.5 רות im Kontext des Jehoshaphat-Narrativs
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לeingeleitetes als auch durch mehrere jeweils mit לeigeleitete Satzglied(er) nicht unüblich. Das letzte Glied wird dabei abschließend mit durch ולangeschlossen.433 Der komparatistische Seitenblick indiziert demnach die Einheitlichkeit des Verses. Es ergibt sich Folgendes: Die Formulierung … בין ל… ל… לist einmalig in der Hebräischen Bibel und entspricht nicht der üblichen Unterscheidung durch בין ל, bzw. בין ובין. Die Problematik ist auch in die griechische Übersetzung eingeflossen, die die ersten beiden Discriminanda im Genitiv und die folgenden beiden Glieder im Nominativ markiert, die damit grammatikalisch betrachtet nicht mehr Teil der Unterscheidung sind. Der Blick nach Qumran zeigt jedoch, dass die Unterscheidung verschiedener Elemente durch … בין … לum mehr als ein ל-Komplement ergänzt werden kann. Dementsprechend ist mit einer wohlgeformten Phrase zu rechnen, die im priesterlichen Kontext anzusetzen ist und verschiedene Klassen unterscheidet.
Die Disparatheit des syntaktisch- / idiomatischen Befundes rät an dieser Stelle zu einer zurückhaltenden Thesenbildung. Der Chronist führt offenbar eine Unterscheidung ein, die analog zur דם לדם-Unterscheidung auf den Ausgleich zwischen verschiedenen Rechtsklassen zielt. Schon Dtn 17,8 hat dabei offenbar eine Pattstellung im Blick, die nun von einem konkreten Konflikt auf miteinander in Konflikt stehende Rechtsgrundsätze übertragen wird. Ein deutlicheres Bild davon, wie die Unterscheidung des Chronisten an dieser Stelle zu verstehen ist, zeichnet sich mit Blick auf den Konkordanzbefund ab, der nach einer gemeinsamen Verwendung von חקים, מצוה, תורהund משפטיםfragt. Signifikanterweise besteht die einzige Übereinstimmung im Alten Testament mit 2Kön 17,37. Dort heißt es: אׁשר כתב434ואת־החקים ואת־המׁשפטים והתורה והמצוה לכם תׁשמרון לעׂשות כל־הימים ולא תיראו אלהים אחרים.435 Auffällig ist, dass hier die חקים והמׁשפטיםder Phrase והתורה והמצוהvorangestellt sind. Schon damit ist die paarweise Zusammengehörigkeit der Elemente angezeigt. Eingebettet ist V.37 in eine antisamaritanische Polemik (V.34b–40a), die eine Spätphase des Wachstums dieses Kapitels ausmacht und zwischen V.34a und 40b eingeschoben ist.436 Die Referenz
433 Vgl. bspw. 4Q543 4,1; 4Q544 1,7; 4Q547 1,6. 434 Die LXX bietet τὰς ἐντολάς und hat offenbar מצותgelesen. 435 Und die Satzungen und Rechtssätze sowie die Tora und das Gebot, die er [JHWH, L. M.] für euch aufgeschrieben hat, sollt ihr allezeit bewahren und danach handeln. Andere Götter aber sollt ihr nicht fürchten. 436 Vgl. Noth 1967, 85, Anm. 5; Würthwein (z. St., 401), der auf die Wiederaufnahme von 34a in 40b hinweist. Vgl. ferner Frevel 1991, 27–29, der hier eine zweite Fortschreibung des Grundtextes erkennt und diese einer nachdtr-priesterlichen Hand zuweist. Frevel ordnet diesem Stratum ebenfalls V.34bγ ( )וכתורה וכמצוהzu. Dessen These, dass damit nur auf den Dekalog referiert werde, hat Braulik (2004, 115–140) überzeugend zurückgewiesen. McKenzie 1991, 142 sowie Knoppers 2013, 47 f; 57, Anm. 27 (sowie Lit!); 57–60. Knoppers hebt hervor, dass eine Unterscheidung zwischen spät-deuteronomistisch und nach-deuteronomistisch schwierig ist. In der Betrachtung von 2Chr 15,3 und korrespondierenden Texten hatten wir bereits be-
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auf den Pentateuch erfährt hier von 2Kön 17,13 nach V.37 eine konzeptionelle Weiterentwicklung, insofern die Tora dort erstmals als von Gott geschrieben gedacht wird. Dabei knüpft V.37 ganz offenbar an Ex 24,12b an, wo die Vorstellung begründet wird, das JHWH selbst die Tora verfasst habe.437 Signifikanterweise wird diese Wendung im Deuteronomium nicht aufgegriffen sondern stattdessen in Dtn 1,5 (באר, pi.) die Theorie entwickelt, dass die Moabtora als eine Auslegung der Sinaitora aufzufassen sei.438 Umso weniger verwundert es, dass והמׁשפטים החקיםdie typische Idiomatik des Deuteronomiums ist.439 Demnach ergibt sich, dass in 2Chr 19,10 die vier Klassen nicht einfach nur synthetisiert, sondern als in konfligierender Weise miteinander verbunden vorgestellt werden. Der Chronist reagiert also an dieser Stelle auf die Widersprüche, die sich durch die komplementäre Lesart der Komposition des Pentateuchs ergeben und legt die Hoheit der Entscheidung über Streitfälle gemäß dem oben skizzierten Modell 3 in die Hände der Priester. Die Nachgeschichte des Jerusalemer Zentralgerichts wird dem Chronisten dabei zur Vorgeschichte, insofern offenbar noch vollkommen evident war, dass das (durch die Pentateuchredaktion) in den Pentateuch integrierte Begriffspaar תורה ומצוהim Hinblick auf die verschriftlichte Sinaioffenbarung eine andere Rechtsnorm darstellt als die typisch dtr. חקים ומׁשפטים.440 Allein die Reihenfolge der Nennung der Rechtsnormen führt vom Sinai nach Moab. Da jedoch unterdessen die Moabtora des Deuteronomiums zur Auslegung der Sinaitora erklärt wurde441 und auf diesem Wege die חקים ומׁשפטיםbspw. postdtr. nach Lev 26,46 gelangt sind, war
obachtet, dass die darin auftretenden Prophetenfiguren innerhalb der Chronik besonders eng zusammengehören und sich vor allem durch einen ermahnenden Redegestus auszeichnen. Die Konzeption des mahnenden Propheten findet sich auch in 2Kön 17,13–17, einem DtrN2 Nachtrag zu DtrN1 V.7–12 und 18 (vgl. Würthwein z. St., 396). Die Propheten erscheinen hier als „Verkünder des Gesetzes und als Rufer zur Umkehr“ (Ebd.). Demgegenüber sieht Achenbach in 2Kön 17,34–39 eine spätere Entwicklung mit anti-samaritanischer Tendenz, die explizit das Nicht-Befolgen der JHWH-Tora kritisiert. Insbesondere der Hinweis auf die geschriebene Tora ( )אׁשר כתב לכםknüpfe dabei an die Vorstellung von Ex 24,12b an, dass die Tora von Gott selbst geschrieben worden sei, und stelle damit eine Weiterentwicklung zu 2Kön 17,13–23 dar, wo diese Vorstellung noch nicht im Hintergrund stehe. Da Achenbach in Ex 24,12b einen Schlüsselvers der Pentateuchredaktion sieht und das damit eingeführte Konzept einer schriftlichen Tora hier vorausgesetzt werde, ordnet Achenbach den 1Kön 17,34b–39* einer theokratischen Bearbeitung zu. (Vgl. Ders. 2007, 264.). 437 Der Konkordanzbefund ist signifikant und zeigt an, dass diese Vorstellung nur in der spätesten Phase von 2Kön 17 und in der Chronik aufgegriffen wird: Ex 24,12; 2Kön 17,34.37; 2Chr 14,3; 19,10; 31,21. 438 Vgl. dazu Otto z St., 319–321. 439 Lev 26,46; Dtn 4,5.8.14.45; 5,31; 6,1.20; 12,1; 2Chr 19,10; 33,8; Mal 3,22. 440 Vgl. dazu oben den knappen Abriss zu den literargeschichtlichen Verhältnissen von Ex 18,13–25; Dtn 1,9–18; Dtn 16,18–20 und Dtn 17,8–13. 441 Vgl. zur Diskussion Otto 2009a sowie kritisch Nihan 2007, 553 f, Anm. 614.
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offenbar nicht in allen Fällen unmittelbar evident, wie in Konfliktfällen zwischen diesen Rechtsnormen zu entscheiden war. Der Chronist bietet dementsprechend auch keine Entscheidung an, sondern regelt das Jerusalemer Zentralgericht vor allem deshalb neu, weil er Jerusalem als feste und ausschließliche Institution der Deutungshoheit nicht nur über die Tora, sondern auch über die innerhalb dieser miteinander konfligierenden Rechtsnormen etablieren wollte. Darin, so werden wir in den synoptischen Analysen des zweiten Hauptteils noch sehen, liegt für ihn nicht nur ein Movens der Ausschmückung des Jehoshaphat-Narrativs, sondern auch der Neuformulierung der Geschichte Judas. Vor diesem Hintergrund erklärt sich nun weiterhin die in die Episode inte grierte Paränese, Schuld ( )אשםzu vermeiden. Auf die Anordnung והזהרתם אתם ולא יאשמו ליהוהfolgt die Konsequenz וולא יאשמו. Die Vermeidung von Schuld, so heißt es, werde durch die Ermahnung der Priester und Leviten geleistet. Dieser Sachverhalt hängt eng mit dem eingesetzten Personal und den vom Chronisten substituierten Rechtsfällen zusammen. Gemäß 2Chr 17,7–9 wird die Tora in allen (befestigten) Städten gelehrt. Dort wird dargestellt, dass Jehoshaphat Leviten und Priester zur Unterweisung aussendet.442 Wenn es in V.9 heißt ועמהם ספר תורת יהוה, wird deutlich, dass diese offenbar der Lehrgegenstand des drei Mal wiederholten למדist. Dabei wird die Tora den einzelnen Ortschaften aber offenbar von den Leviten und Priestern nicht überlassen. Der Chronist belässt vielmehr diese sowie die Deutungshoheit über Streitfälle der Auslegung in Jerusalem. Immerhin soll die Tora hier während des Sukkot-Festes alle sieben Jahre verlesen und verständlich gemacht werden – ein nutzloses Ritual, wenn ohnehin in allen Orten eine eigene Abschrift zirkulierte und vollständige Kenntnis vorauszusetzen war. Damit hängt die Beurteilung des Verbums זהרeng zusammen, das dem למדlogisch nachgeordnet ist und das der Chronist aus Ex 18,20 übernimmt.443
442 Die innere und möglicher Weise spätere Ausdifferenzierung des Lehrpersonals (s. o.) berührt das Argument an dieser Stelle nicht. 443 זהרbedeutet an dieser Stelle etwa warnen, ermahnen (Vgl. Gen18, 296). זהרmit der Bedeutung: Beachtung schenken; sich kümmern um; beschützen (take heed; take care of, protect) findet sich außerdem in den Elephantine-Texten A:4.1(5),5; A:2.1(6/5),8 f; A:2.2(6/5),16 f; C:2. (5),11.65 f; D:7.9(5),9 f (vgl. Schwiderski 2008, 252). Die Übereinstimmung geht soweit, dass זהרlediglich in Ex 18,20 und 2Chr 19,10 mit doppeltem Akkusativ konstruiert wird. Görg macht weiterhin auf die Parallele zwischen Lev 15,31 und 2Chr 19,10 aufmerksam, wobei er die Analogie vor allem über den syntaktischen Anschluss entwickelt. Dort heißt es: ]והז[ה רתם את־בני־יׂשראל מטמאתם ולא ימתו בטמאתם בטמאם את־מׁשכני אׁשר בתוכם – Und ihr sollt die Israeliten vor ihrer Unreinheit warnen, damit sie nicht wegen ihrer Unreinheit sterben, wenn sie meine Wohnung verunreinigen, die in ihrer Mitte ist. ( נזרist mit Smr. zu זהרzu konjizieren. Vgl. bspw. Elliger z. St., 1966, 192 sowie Gerstenberger (z. St., 180, Anm. 51).): „Mit der Struktur von Lev 15,31 verbindet sich in 2Chr 19,10, daß sich hier die Valenz der Verbform (hizartæm) ebenfalls auch auf einen negierten Finalsatz erstreckt.“ (Görg 1977, 547.) Auch hier ist die
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4. תהרותin der Chronik
In Ex 18 ist es Mose, der die Deutungshoheit behält und seinem Volk die חקים und תורת444 erhellt.445 Die Ermahnung zur Gesetzesobservanz obliegt demnach dem jeweils zentralen Rechtsorgan, wobei der Chronist die alte Legende überschreibt, dass die altisraelitische Rechtsordnung von einem Midianiter erlernt worden sei. Der Chronist regelt die Modalität des Rechtsverfahrens wie Ex 18,13– 17 und verfolgt dabei die Strategie einer grundsätzlichen Paränese, die den Einzelnen, d. h. den Richter bzw. Mose selbst als Mittler zwischen Gott und dem Volk in die Pflicht nimmt. Deshalb wird die in 2Chr 17,9 f im Kontext der Torabelehrung zu beobachtende Opposition תורת יהוהund פחד יהוהin der Rechtsprechung nun durch das Komplement תורהund יראת יהוהrestringiert (2Chr 19,9). Damit korrespondiert eine handlungsethische Komplementarität in Form von אׁשםund קצף. Dieses Begriffspaar gibt der gesamten Perikope ein Eigengewicht, das nicht mehr vor dem Horizont von Ex 18 oder des Deuteronomiums entfaltet werden kann. Zwar ist das Motiv des göttlichen Zornes auch im Deuteronomium bekannt, jedoch findet sie hier keine paränetische Instruktion, die darauf abzweckte, diesen gezielt zu vermeiden. Diese findet sich jedoch in Num 1,53 sowie 18,5 und zwar ebenfalls in der Formulierung לא היה קצף, wobei es in beiden Fällen um eine adäquate Ausübung des Kultus geht. Dazu kommt, dass die Begriffe אׁשם oder אׁשמהsich im Deuteronomium gar nicht finden. Der Begriff אׁשםwird vielmehr von einschlägigen Texten wie Lev 4 f entwickelt. Der Chronist verwendet die Ausdrücke אשםund אשמהsynonym. Besonders prominent werden sie in 1Chr 21 in Stellung gebracht, wo Joab von David gewarnt wird, nicht durch die Volkszählung Schuld auf sich zu laden. Durch dieses Prinzip ist die Substitution der Rechtskasus begründet. Dem Chronisten geht es nicht mehr um den einzelnen Urteilsentscheid, sondern um die Neudefinition der gesamten Rechtsprechung als einer kultischen Handlung. In dieser läuft der Einzelne stets Gefahr, gegen die göttliche Rechtsordnung zu verstoßen, weshalb er durch fortwährende Ermahnung davor bewahrt werden muss. In der literarischen Umarbeitung des Chronisten zeigt sich eine Transformation des Rechts, die die profane Jurisdiktion entkernt und dieser durch spät-priesterliche Texte eine neue Substanz verleiht. Dieser Vorgang nimmt bei einer Sakralisierung des Rechts ihren Anfang und erhält in der Transformation l
Belehrung exklusiv im sakralen Kontext angesiedelt. Ähnliches stellt Görg im Hinblick auch auf Ps 19 sowie Ez 3,16b–21; 33,1–9. Hinsichtlich der Ezechielbelege spricht Görg (Ebd. 549), wenn auch zurückhaltend von einer „Orientierung des Propheten am Amt eines (sakralen) Rechtslehrers“. 444 Smr bietet an dieser Stelle תורה. 445 Achenbach ordnet diesen Aspekt der Erzählung, der über die Einholung der göttlichen Rechtsurteile auch die Gesetzesbelehrung über sakrale und ethische Ordnungen und Torot im Sinn hat, der theokratischen Bearbeitung zu, die er in der ersten Hälfte des 4.Jh. v. Chr ansetzt. Auch bei Berner gehört der Vers zu den spätesten Entwicklungen, in Ex 18, die Mose zum Gesetzeslehrer stilisieren. (Berner 2010, 406–429, bes. 426–429.)
4.5 רות im Kontext des Jehoshaphat-Narrativs
179
des Jehoshaphat-Narrativs ihre Institution und Legitimation.446 An dieser Stelle kommt auch das erzählerisch in V.2 vorbereitete Motiv der Abwendung göttlichen Zorns zum Tragen. Der Seher Chanani evaluiert Jehoshaphat ambivalent, insofern er einerseits den auf diesem lastenden göttlichen Zorn konstatiert und andererseits die kultischen Anstrengungen Jehoshaphats positiv dagegen aufwiegt. Die Erzählabfolge legt nahe, dass mit der Warnung vor göttlichem Zorn in V.10 auch dessen Abwendung von sich selbst intendiert ist. Durch die institutionelle Verstetigung des Zentralgerichts am Jerusalemer Tempel zeigt Jehoshaphat deshalb explizit an, worauf die Maxime des Rechtsentscheids zielt: auf die Vermeidung göttlichen Zorns und der Verschuldung des Volkes an JHWH durch einen Rechtsbruch. Japhet geht deshalb an dieser Stelle soweit, die Rechtsprechung als Gottesdienst aufzufassen, der „ein Höchstmaß an Frömmigkeit und Hingabe verlange“447. Während in Dtn 17 also „Blutgericht, Zivilrecht und Schadensrecht“ im Vordergrund stehen, spielen bei Jehoshaphat vor allem die Themen „Schuld, Zorn und Warnung“ eine besondere Rolle. Diese drei Begriffe, so Japhet, „stellen eines der Fundamente von Recht und Gerechtigkeit aus der Sicht des Chronisten dar: die Unterscheidung zwischen mutwilliger und unwissentlicher Verfehlung.“448 Die Ausführung kommt nun mit der Festlegung der verantwortlichen Rechtspersonen in V.11 zu ihrem Ende: עליכם לכל דבר־יהוה וזבדיהו450 כהן הראש449והנה אמריהו בן־ישמעאל הנגיד לבית־יהודה לכל דבר־המלך ושטרים הלוים לפניכם חזקו ועשו ויהי יהוה עם־הטוב׃. V.11 ist von Dtn 17,9 her zu lesen, wo es heißt: „Und du sollst zu den levitischen 446 Der Gedanke wird dann, wie Pearce (2013, 89) ausgeführt hat, in der Tempelrolle weiterentwickelt. Die Darstellung wird dort noch mit der Ezechielschen Vorstellung, dass Bestechung den Tempel verunreinige verbunden, womit auch in Qumran das kultische Deutungspotenzial der Jehoshaphat-Episode entfaltet würde. (Vgl. 11Q19: 15,11–18). 447 Japhet z. St. 240., Diese Einschätzung lässt sich durch einen Seitenblick auf 1Chr 29,1 weiter erhärten. Dort ergibt sich die einzige auffällige Parallele mit 2Chr 19,6, die nicht nur formal, sondern auch substantiell durch die ex negativo formulierte Zweckbestimmung auffällt: 1Chr 29,1
2Chr 19,6
ויאמר דויד המלך לכל־הקהל ׁשלמה בני אחד בחר־בו אלהים נער ורך והמלאכה גדולה כי לא לאדם הבירה כי ליהוה אלהים
ויאמר אל־הׁשפטים ראו מה־אתם עׂשים כי לא לאדם תׁשפטו כי ליהוה ועמכם בדבר מׁשפט
So wie der prunkvolle Tempel nicht zu Ehren des Menschen, sondern zur Ehre JHWHs gereicht, verhält es sich auch mit der Rechtsprechung. Insofern trifft Japhet mit ihrer Rede vom Gottesdienst genau das Wesen der Sache. 448 Vgl. Japhet z. St. 240 f. 449 Amarjahu ( )אמריהist bereits aus 1Chr 5,37 bekannt. Es ist dort in die Hohepriester-Genealogie eingetragen. Auch ein Sebadjahu ist bereits aus 2Chr 17,8, also der Regierungszeit Jehoshaphats bekannt, hier wird jedoch deutlich von ihm gesagt, dass er Levit sei. Da er für den König zuständig ist, liegt eine Identifikation dieser beiden Figuren auch hinsichtlich der in den Chronikbüchern beschriebenen Königstreue der Leviten durchaus nah. 450 Wendung כהן הראשauch in 2Kön 25,18; 2Chr 19,11; 24,11; 26,20; 31,10; Esr 7,5; Jer 52,24.
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4. תהרותin der Chronik
Priestern und zu dem Richter gehen, der zu jener Zeit dort sein wird, und du sollst sie fragen, und sie sollen dir das Urteil verkünden.“ Demgegenüber herrschen in der Chronik, die Priester und Leviten strikt unterscheidet, andere Verhältnisse und vor allem Hierarchien und Jurisdiktionsbereiche. Unterschieden wird zwischen den Rechtsangelegenheiten JHWHs und den Rechtsangelegenheiten des Königs. Dabei wird die Oberhoheit jeweils auf den Hohenpriester Amarjahu und auf Sabadjahu, den Fürsten des Hauses Juda, übertragen. Dass darin eine Dyarchie der Erzählzeit abgebildet ist, ist bspw. von Keel zurückgewiesen worden, der dagegen die eigentliche Monarchie des Hohenpriesters stark macht.451 Der Chronist knüpft mit dieser Aufteilung jedoch an die Aufteilung der Hoheitsgebiete an, wie sie durch die Verhältnisbestimmung zwischen Juda und dem Hohenpriestertum bspw. in Ex 6,13–25 oder der Lagerordnung in Num 2 realisiert werden452 und wie sie im Anschluss daran in der Chronik häufiger rezipiert werden.453 Auffälligerweise treten die Leviten, die in Vers 8 noch an der Spitze standen, nun etwas in den Hintergrund und erhalten die Position der ׁשוטרים, die von akk. šaṭāru als Rechtsschreiber bzw. Beamte zu identifizieren sind.454 Während damit die Gruppe der שפטיםnun gar nicht mehr genannt wird, erhalten die שטריםaus Dtn 1,15 und Dtn 16,18 eine neue Identität.455 Sie werden zu Leviten. Diese Transformation findet sich auch in 1Chr 23,4, sodass hier nicht mit einer Ad hoc-Lösung zu rechnen ist, sondern im Gegenteil eine innere Stimmigkeit des chronistischen Narrativs sichtbar wird.456 451 Keel 2007. Die Spekulationen um die Zuständigkeiten und Machtbefugnisse sind in der Forschung umstritten. Die jüngere Forschung ist sukzessive von der Position abgerückt, dass der Hohepriester in der Provinz Jehud großen politischen Einfluss gehabt habe, auch wenn die nachexilischen Schriften dies suggerieren. (Vgl. zur Diskussion Schaper 2000) Für die Chronikbücher hat jüngst Labahn (2012) die These vertreten, dass die Priester nahezu ausschließlich für das Tempelinnere zuständig gewesen seien, während die Leviten, die im sakralen wie im profanen Hoheitsgebiet operierten, eine politisch wesentliche einflussreichere Rolle gespielt haben. Gleichwohl ist nicht von der Hand zu weisen, dass in ideologischer Hinsicht mit der Konstruktion einer putativen Verwandtschaft (zum Begriff s. u. „Kult-Personal“) zwischen Aaron und Juda, die in Ex 6,23 beginnt und in der Chronik fortgesetzt wird, in keiner Schrift des Alten Testaments einer Hierokratisierung Judas stärker Vorschub geleistet wird als in der Chronik. Nicht zuletzt deshalb läuft die Chronik auch nicht auf eine messianische Option hinaus. 452 Insbesondere in der Levitengenealogie in Ex 6 wird die Idee etabliert, dass alle Nachfahren Aarons nicht mehr rein levitischer, sondern judäisch-levitischer Provenienz sind. Diese Form der genealogischen Beziehungsstiftung wird im Kapitel „Kult-Personal“ als Konstruktion „Putativer Verwandtschaft“ beschrieben. 453 Vgl. den exemplarischen Konflikt zwischen Königtum und Hohenpriestertum in 2Chr 26. 454 Vgl. Ges18 sowie AHW 1203 f. 455 Da die שוטריםbereits ein tragendes Element der Prätexte sind (vgl. Num 11,16; Dtn 1,15; Dtn 16,18), scheint mir ein Ausscheiden dieser Gruppe als unzulässig. 456 Dass Labahn eine konkurrierende Situation zwischen der partikularisierten Gruppe der Leviten in V.8 und den Leviten in V.11 zu erkennen glaubt, ist nicht recht verständlich. Die Spannung soll dadurch zustande kommen, „dass in V.8 eine Teilgruppe von Leviten erscheint (vgl. das partitive )מן הלוים, während in V.11generalisierend von levitischen Beamten die Rede ist.“ (L abahn 2012, 275.) Die Problematik erübrigt sich jedoch, wenn man die Rektion
4.5 רות im Kontext des Jehoshaphat-Narrativs
181
Die gesamte durch Jehoshaphat eingesetzte Judikative lässt dem König, wie es vor dem Hintergrund der Abfassungzeit plausibel ist, keine eigene Rolle in der Rechtsprechung, sodass Pearce zu Recht feststellt, dass „[t]his presentation of the king’s role contrasts strikingly with the portrait of other pre-exilic kings in the Hebrew Bible, in which the monarch is clearly depicted as the head of the judiciary and takes an active role in judicial activity“457. der Präposition מןauch auf die הכהנים ומראשי האבות לישראלausdehnt. (Diese Möglichkeit besteht nach Muraoka 1996, § 132,g. ganz regulär. Vgl. z. B. Hos 2,20. wo ורמש האדמהdurch die Konjunktion וunter die Rektion der Präposition עםgestellt wird.) Es werden von Jehoshaphat in Jerusalem nämlich keinesfalls alle Priester, Leviten und Familienoberste eingesetzt, sondern aus allen drei Gruppen jeweils nur ein gewisser Anteil. Wenn dann „in V.11 generalisierend von levitischen Beamten die Rede ist“ (Labahn 2012, 275.), stellt dies keinen Widerspruch dar, sondern eine konsistente Thema-Rhema-Struktur. Der Chronist kommt in V.11 auf alle drei Gruppen wieder zu sprechen. Dabei geht es ihm nun darum, eine besondere Kompetenzunterscheidung vorzunehmen. Für die Angelegenheiten JHWHs ( )לכל דבר־יהוהerklärt er Amarjahu, den Hohenpriester ( )כהן הראשzuständig (Curtis / Madsen z. St., 404 identifizieren diesen mit dem aus 1Chr 5,37 bekannten Amarja.), während für alle Angelegenheiten des Königs ()לכל דבר־המלך Sebadjahu, der Fürst des Hauses Juda ( )הנגיד לבית־יהודהund damit das prädestinierte Geschlecht zuständig ist. Aus den Gruppen der Priester und Obersten greift der Chronist also für eine jeweils besondere Zuständigkeit eine jeweils besondere Figur heraus. Dabei kann V.11 ohne die von Labahn behauptete Spannung als Spezifikation von V.8 aufgefasst werden. Zunächst wird aus der Gruppe der Priester der Hohepriester für eine besondere Aufgabe herausgegriffen. Auch aus der Gruppe der ראשי האבות לישראלwird Sebadjahu in seiner besonderen Aufgabe als נגידherausgegriffen. Dabei fasst der Chronist die Positionen ראשund נגידoffenbar als synonym auf: Eine Lesart, die sich aus 2Chr 11,22 ergibt, wo es heißt: ויעמד לראש רחבעם את־אביה בן־מעכה לנגיד באחיו כי להמליכו. (Und Rehabeam bestellte zum Haupt, Abija, den Sohn der Maacha, zum Fürsten unter seinen Brüdern – um ihn zum König zu machen.) In einem dritten Schritt kommt der Chronist dann auf die Leviten zu sprechen: „Und als Beamte sind die Leviten vor euch.“ Wenn hier nun, wie Labahn konstatiert, in generalisierender Weise von den Leviten die Rede ist, dann nur insofern, als diese Gruppe eben all die Leviten darstellt, die in V.8 in Jerusalem eingesetzt wurden. Damit besteht zwischen V.8 und V.11 keine Spannung, sondern ein Zusammenhang (Pace Labahn 2012, 245) und die Leviten sind dementsprechend nicht als sekundär auszuscheiden. Ohnehin ist die Ausscheidung der Leviten an dieser Stelle eine Folge dessen, dass Labahn den Bezug zu den Prätexten nicht ausreichend berücksichtigt und deshalb nicht bemerkt, dass der Chronist die שוטריםin Dtn 16,18 bereits vorfindet und daher ganz selbstverständlich und keinesfalls „[u]nvermittelt und zusammenhangslos“ und als Konkurrenz zu den Leviten in V.8 in seine Darstellung mit einbezieht. Die ׁשוטריםals sekundär aufzufassen, steht ebenfalls im Konflikt mit den Beobachtungen Pearce’, die den Zusammenhang mit Dtn 16,18 betont, „[t]hat the officials of Deut 16:18 are thus transformed into Levitical officials and transferred to the Jerusalem court of justice portrayed in 2 Chr. 19:11.“ (Pearce 2013, 62) Freilich kann dies nicht als eine Levitisierung aufgefasst werden (Pace Pearce), da der Chronist offensichtlich schon voraussetzt, dass alle Tempelbeamten levitischer Provenienz sind. Auch ohne die statusverändernde Implikation trägt Pearce Argumentation jedoch etwas aus. Der Chronist trägt die in Dtn 16,18 genannten שוטריםnämlich exegetisch in den Zusammenhang von Dtn 17,8–13 ein. Daraus lässt sich einerseits der Schluss ziehen, dass in seiner Lesart des Deuteronomiums Dtn 16,18–20 und Dtn 17,8–13 eine Einheit bilden und andererseits auch die Annahme widerlegen, dass die שוטרים sekundär in 2Chr 19,11 eingefügt worden seien. 457 Pearce 2013, 64. Vgl. auch Rüterswörden 1987, 19.
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4. תהרותin der Chronik
Die Konstellation in V.11 wird dabei möglicherweise unter Rückgriff auf eine kurze Sequenz innerhalb der Sinaiperikope adaptiert, in der Mose die Rechtsgeschäfte an Aaron und Chur delegiert. In Ex 24,14 heißt es: Und zu den Ältesten sagte er: „Wartet hier auf uns, bis wir zu euch zurückkehren. Siehe, Aaron und Chur sind bei euch. Wer eine Rechtssache hat, wende sich an sie. Die Wiederaufnahme von ( ויעל משהV.13) in V.15 zeigt die sekundäre Implementierung von V.14 an.458 Ex 24,14 modifiziert damit das in Ex 18 eingeführte Subsidiaritätsprinzip, indem die Rolle des Mose paritätisch auf den Hohenpriester Aaron und den wohl als adäquat aufgefassten Chur aus dem Stamm Juda übertragen wird. Der Chronist greift dann selbstverständlich auf diese Teilung von Juda und Levi zurück und verleiht ihr durch die unterschiedlichen Jurisdiktionsbereiche: Königtum und Priestertum Bedeutung.
Auch an dieser Stelle zeigt sich also, wie in der Chronik Produktions- und Rezeptionsästhetik als narrative Historiographie zusammenfallen und der Chronist in der traditio des traditums seine eigene Reflexion der Wirklichkeit in die Geschichte schreibt. Dass dabei durchaus mit einer historischen Wirklichkeit zu rechnen sein könnte, ergibt sich aus der Darstellung, die Hekataios von Abdera über die Zustände in Jerusalem ausführt.
Exkurs: Die Einrichtung eines Zentralgerichts bei Hekataios von Abdera Auch bei Hekataios von Abdera459 findet sich eine Nachgeschichte zu Ex 18,13– 27, die möglicherweise auf der Linie von 2Chr 19 liegt. In Diodor.3.1–7 gibt es 458 Die Konstruktion der stellvertretenden Rechtsprechung durch den Aaroniden und einen Judäer wird literarisch in Ex 17 durch die midraschartige Einführung dieses Figurenpaares in Ex 17,10.12 vorbereitet, die in dieser Situation keine tragende Rolle spielt. Dafür spricht allein schon die abrupte Einführung des Chur, der hier das erste Mal überhaupt genannt wird. Die fast schon allegorische Unterstützung, die beide dem Mose gewähren, findet seine Fortsetzung dann in Ex 24. In beiden Zusammenhängen scheint es, als werde die Figur חורals bereits bekannt vorausgesetzt. Möglicher Weise sind beide Zusammenhänge also gegenüber Ex 31,2; 35,30; 38,22, wo durch die Zuordnung zu dem Stamm Juda am ehesten von einer Einführung bzw. Vorstellung der Figur Chur gesprochen werden kann, sekundär. Möglicher Weise setzt die Einsetzung Churs und Aarons dabei die Konstruktion der „putativen Verwandtschaft“ (s. u. zum Begriff „KultPersonal“) Judas und Levis in Ex 6,23 schon voraus. Ihr eigentliches Anliegen entfaltet jedoch erst der Chronist durch die Rechtsreform Jeho shaphats in 2Chr 19. Ohne diesen Text bleibt die Konstellation des Paares Aaron und Hur im Pentateuch enigmatisch. (Für einen Hinweis auf diesen Deutungszusammenhang danke ich Christoph Berner.) 459 Über Hekataios v. Abdera ist wenig bekannt. Er könnte aus Abdera stammen, aber auch eine Herkunft aus Teos wird diskutiert. Seine Lebenszeit deckte sich sicher mit der Alexander III und Ptolemaios I, ob er die Regentschaft Ptolemaios II noch miterlebt hat, ist unwahrscheinlich aber unsicher. Unter Ptolemaios I hat er sich im ägyptischen Theben aufgehalten. H.v.A. ist der erste griechische Schriftsteller, der längere Passagen über das hellenistische Judentum verfasst hat. (vgl. den Art.: Hekataios aus Abdera. In: PRE, 2750–2769 sowie Stern 1976, 20–25.).
4.5 רות im Kontext des Jehoshaphat-Narrativs
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eine längere Ausführung über die Juden, die als originär gilt.460 Die für den vorliegenden Kontext relevanten Passagen lauten461: 4 ἐπιλεξας δέ τῶν ἀνδρῶν τοὺς χαριεστάτους καὶ μάλιστα δυνησομένους τοῦ σύμπαντος ἔθνους προΐστασθαι, τούτους ἱερεῖς […]
4 Er aber [Mose, L. M.] wählte die tüchtigsten Männer und die, die am besten dem Volk vorstehen konnten, als Priester aus. […]
5 τοὺς αὐτους δὲ καὶ δικαστὰς ἀπέδειξε τῶν μεγίστων χρίσεων, καὶ τὴν τῶν νόμων καὶ τῶν ἐθῶν φυλακὴν τούτοις ἐπέτρψε· διὸ καὶ βασιλέα μὲν μηδέποτε τῶν Ἰουδαίων, τὴν δὲ τοῦ πλἠθους προστασίαν δίδοσθαι διὰ παντὸς τῶ δοκοῦντι τῶν ἱερέων φρονήσει καὶ ἀρετῇ προέχειν. τοῦτον δὲ προσαγορεύουσιν ἀρχιερέα462, καὶ νομίζουσιν αὑ̔τοῖς ἄγγελον γίνεσθαι τῶν τοῦ θεοῦ προσταγμάτων
5 Dieselben aber ernannte er zu Richtern für die schwersten Entscheidungen und vertraute ihnen das Wächteramt über die Gesetze und Bräuche. Deshalb hatten die Juden niemals ein Königtum. Der Vorsitz aber über das Volk wird stets demjenigen Priester gegeben, der sich an Verstand und Tüchtigkeit hervorzuheben scheint. Sie aber nennen ihn Hoherpriester und glauben, dass er für sie ein Bote der Gebote Gottes463 ist.
7 ἐποιεῖτο δὲ καὶ στρατεῖας εῖς τὰ πλησιόχωρα τῶν ἐθνῶν, και πολλὴν κατακτησάμενος χώραν κατεκληρούχησε, τοῖς μὲν ἰδιώταις ἴσους ποιήσας κλήρους, τοῖς δ’ ἱερεῦσαι μείζονας, ἵνα λαμβάνοντες αξιολογωτέρας προσόδους ἀπερίσπαστοι συνεχῶς προσεδρεύωσι ταῖς τοῦ θεοῦ τιμαῖς. […]
7 Er aber unternahm Feldzüge in die Nachbargebiete der Völker. Und nachdem er viele Gebiete erworben hatte, teilte er es in Anteile auf, dem einfachen Volk gab er gleiche Grundstücke und den Priestern größere, damit sie sich, weil sie die ansehnlicheren Einkommen erhalten, ohne Ablenkung beständig den Verehrungen Gottes widmen konnten.
Die Ausführungen in V.5 werden von Heckl mit Dtn 17,8–13 in Verbindung gebracht.464 Achenbach sieht eher Ex 18,13–17 im Hintergrund465. Beide haben 460 Zur Diskussion über die Originalität des Fragments vgl. Grabbe 2008, 113–119. Zweifel an der Herkunft des Fragments hat Schwartz (2003, 181–197) geäußert. Die Einwände gegen die Originailität des Fragments sind jedoch von Grabbe (2008, 115–119) überzeugend widerlegt worden. Vgl. ferner die ideologiekritischen Überlegungen von Heckl (2009, 189–201) der das Exzerpt ebenfalls für eher originär hält. 461 Übersetzung: L. M. Der griechische Text ist Stern (1976, 26 f) entnommen. Eine englische Übersetzung findet sich dort. Grabbe (2008, 285) bietet ebenfalls eine englische Übersetzung sowie eine ausführliche Diskussion über den historischen Wert der Quelle. Eine deutsche Übersetzung der gesamten Passage mit ausführlicher Diskussion der Referenzstellen auf den Pentateuch bietet Heckl (2009, 190–201). 462 Das Lexem ἀρχιερεύς findet sich in der Übersetzung der protokanonischen Schriften nur in Lev 4,3 (für )כהן המשיחund Jos 22,13 (für )כהןbelegt. In Jos 22,13 wird dabei Aaron und in Jos 24,33 der Priestertitel nachgetragen. In den Makkabäerbüchern und bei Jospehus ist ἀρχιερεύς dann die Standardbezeichnung für den Hohenpriester. 463 Die Vorstellung, dass der Priester (ἱερεύς) gleichzeitig auch Bote (ἄγγελος) ist, findet sich sowohl in der LXX als auch im MT mit dem Begriffspaar כהןund מלאךnur in Mal 2,7. 464 Heckl 2009, 195. Eine Auflistung aller feststellbaren Bezüge auf den Pentateuch, die jedoch eine Reihe zum Teil nicht unproblematischer Annahmen voraussetzt, findet sich bei Heckl 2009, 200, Anm. 54. 465 Achenbach 2003, 138.
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4. תהרותin der Chronik
mit ihrer Akzentuierung keinesfalls Unrecht, da die Nähe der Texte eine Unterscheidung schwierig macht.466 Während Achenbach die Texte aus der Perspektive eines in der hellenistischen Zeit etablierten Synhedrions interpretiert467, stellt Heckl mehr auf die Involvierung des Priesters in die Rechtsprechung ab.468 Zweifelsohne setzt Hekataios auch die Idee eines juristischen Subsidiaritätsprinzips voraus, da den Priestern explizit die größeren Fälle vorbehalten bleiben. Dabei rückt jedoch in den Blick, dass hier von einem neben dem Priester Recht sprechenden Richter keine Rede mehr ist, womit zumindest eine exklusive Rezeption von Dtn 17 nicht vorliegt. Vielmehr wird hier literarisch der exklusive Führungsanspruch des von Mose eingesetzten Hohenpriesters vorausgesetzt. Die Einsetzung durch Mose weist dabei eher nach Ex 18 als nach Dtn 17. Dabei fällt auf, dass hier nicht einfach nur ein Priester, sondern der Hohepriester erwähnt wird. Dieser wird exklusiv durch 2Chr 19,11 als כהן ראשin die Rechtsprechung integriert, wobei der Text in V.10 über das signifikante ( זהרhif.) mit Ex 18,20 verzahnt worden war. Eine wichtige Folge für die Auslegung entscheidet sich mit der angenommenen Konnotation des διό in V.5. Dass Hekataios offenbar keine Kenntnis über die vor-exilische Geschichte hat, ist auf Grund seiner Aussage, Israel habe nie ein Königtum gehabt, eindeutig. Offenbar will er hier jedoch zum Ausdruck bringen, dass der Hohepriester eine adäquate Ersatzfigur ist. Seine Beteiligung bei der Rechtsprechung kann 2Chr 19 nicht direkt entnommen sein, da er wegen seiner Fehleinschätzung des Königtums von den Chronikbüchern, genau wie von den Samuel- / Königebüchern (auch von allen anderen Texten, die den König erwähnen), keine Kenntnis gehabt haben kann. Umso wahrscheinlicher ist es, dass der Bericht über die Beteiligung des Hohenpriesters einer außerbiblischen Quelle entstammt. Unter dem Vorbehalt der unsicheren Quellenlage liegt jedenfalls mit der bei Hekataios referierten Oberhoheit des Hohenpriesters in Fragen der Rechtsprechung ein Indiz dafür vor, dass diese ab etwa 300 v. Chr. den status quo dargestellt hat. In Anbetracht der Gleichförmigkeit des chronistischen Begründungsdiskurses in 2Chr 19,4b–11 liegt damit also evtl. ein Indiz für einen termins ante quem dieses Textes vor.
466 Heckl (2009, 195) hält deshalb auch eine Beziehung zu Ex 18 für möglich, lässt diese aber unexpliziert und tendiert letztlich zu einer breiten Rezeption des Deuteronomiums (vgl. 195–201). 467 Vgl. Achenbach 2003, 138. 468 Vgl. Heckl 2009, 195.
4.6 רות im Kontext des Ahasja / Joash-Narrativs
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4.6 תורהim Kontext des Ahasja / Joash-Narrativs 4.6.1 Gliederung 2Chr 22 – Inthronisation Ahasjas & Ermordung durch Jehu, Rettungs Joashs 2Chr 23 – Aufstand gegen Atalja 2Chr 24 – Inthronisation Joashs
4.6.2 Begriffsanalyse Das Ahasja-Narrativ steht bereits durch die vorausgehende Joram-Episode unter negativen Vorzeichen. Nach dem Tod Jehoshaphats reißt Joram durch einen gewalttätigen Putsch gegen seine Brüder die Herrschaft über Juda an sich. Dabei werden die Brüder nur in der Chronik namentlich eingeführt. Eigentümlich ist dabei, dass die Brüder nicht nur eingeführt werden, um sogleich ermordet zu werden, sondern auch, dass es zur Ermordung vordergründig gar keinen Grund gibt, da es in V.3 heißt, dass Joram auf Grund seines Erstgeburtsrechts das Königtum übergeben wurde. Daraus folgt, dass die Ermordung der Brüder entweder einen Präemptivschlag darstellt, der einem drohenden Putsch der Brüder vorgreifen soll oder dass in Anbetracht dessen, dass die Brüder den Reichtum des Vaters erben, Habgier die eigentliche Triebfeder darstellt. In jedem Fall wird mit diesem Gewaltakt historiographisch eine Abwärtsbewegung eingeleitet, die mit Joram beginnt und sich über Ahasja bis Atalja fortsetzt.469 Auch Ahasja wird sich als abtrünniger
469 Pakkala (2013, 267) erfasst dies sehr treffend, wenn er schreibt: „Jehoram was made a murderer of his own family (2Chr 21:4) as well as an inciter of the whole of Judah to the sins of Israel and of Ahab (21:11).“ Joram wird offenbar auch als Antitypus zu Jehoshaphat inszeniert, da der Chronist hier die Dramaturgie derart fortsetzt, „die Kontinuität eines Erzählfadens durchzuhalten, wenn unter Joram für Juda genau das verloren geht, was noch unter Josaphat gesichert war: die Herrschaft über Edom und der Friede ringsum (vgl. II 17,10 ff; 20,1–30 im Gegensatz zu 21,8 ff).“ (Strübind 1991, 108). Offenbar beurteilt der Chronist die Dynastie Jorams als so verdorben, dass er eine Ausrottung der Familie für angemessen hält und deshalb allen Forderungen an die Geschichte unter Rückgriff auf 1Chr 17 zuvorkommen muss. Dabei weist er die Nathan-Verheißung erstmalig und einzigartig, d. h. anders als in 1Chr 17//2Sam 7 und ferner in Form der Adiectio gegenüber der Vorlage (2Chr 21,7//2Kön 8,19), als eine בריתaus. Joram wird jedoch auch gegen David kontrastiert, was in dem exklusiven Bericht eines Schreibens des Propheten Elija an Joram deutlich wird. Doering (2012, 100) weist darauf hin, dass mit מכתבin der Hebräischen Bibel in der Regel Inschriften bezeichnet werden (vgl. Ex 32,16*2; 39,30; Dtn 10,4; 2Chr 21,12; 35,4; 36,22; Esr 1,1; Jes 38,9). Hier beruft sich Elija in Form der Botenspruchformel explizit auf den Gott Davids (אלהי דויד, vgl. nur noch 2Kön 20,5; 2Chr 21,12; 34,3; Jes 38,5). Da der gesamte Elia-Elisa-Zyklus weiterhin in der Chronik ausgeblendet bleibt, fällt umso mehr Gewicht auf diese Episode, nach der der Prophet von einem Wundercharismatiker zu einem
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4. תהרותin der Chronik
König erweisen und deshalb von Jehu getötet. Dabei wird auch dieser vor Jehoshaphat kontrastiert und gegenüber diesem als zu schwach, um den Herrn zu suchen, charakterisiert (2Chr 22,9). Erst mit der Übernahme der Königsherrschaft durch dessen Sohn Joash (2Chr 23) bessert sich die Situation in Juda vorübergehend. Durch einen Putsch Jojadas, der in der Lage ist, die Priester und Leviten zur Kollaboration zu bewegen, wird Atalja entmachtet und Joash zum König über Juda ernannt (vgl. 2Chr 23,1–16). Die Königsherrschaft wird durch eine בריתvereinbart, nach der sich ganz Israel dazu verpflichtet, das JHWH-Volk zu werden. Die Formulierung עם ליהוהhat ihren Ursprung in Dtn 27,9b, einem Vers, der vermutlich zur Grundschicht von Dtn 27 gehört.470 2Kön 11,17 nimmt auf diesen Vers Bezug und ist zugleich Spendertext für 2Chr 23,16. Damit liegt ein Paradebeispiel indirekter Tora-Rezeption vor.471 Im weiteren Kontext des Ahasja-Narrativs weist der Chronist den Priester Jojada auch über seine Vorlage hinaus als Tora-kundig aus. In 2Chr 23,18 findet sich dieser Sachverhalt als Adiectio eingesetzt:
ix) 2Chr 23,18 (+) ויׂשם יהוידע פקדת בית יהוה ביד הכהנים [ו]הלוים ]ויעמד את מחלקות הכהנים [והלוים אׁשר חלק דויד על־בית יהוה להעלות עלות יהוה ככתוב בתורת מׁשה בׂשמחה ובׁשיר על ידי דויד׃
Und Jehojada legte die Ämter des Hauses JHWHs in die Hand der Priester und Leviten472 [und stellte die Abteilungen der Priester und Leviten in den Dienst]473 die David für das Haus JHWHs eingeteilt hatte, damit sie die Brandopfer JHWHs opfern wie es in der Tora des Mose geschrieben steht, mit Freude und Gesang, gemäß der Anweisung Davids.
2Chr 23,18 ist exzeptionell anspielungsreich, insofern hier kataphorisch in zwei Etappen gleichwertig auf mosaische (vgl. Num 3,32) und sodann auf davidische
regelrechten Schriftkundigen (vgl. Schniedewind 1995, 99, insb. Anm. 36) umstilisert wird. Elija kündigt Joram eine schwere Krankheit an, die diesen umgehend ereilt. Den Höhepunkt der Verwerfung Jorams stellt der Umstand dar, dass dieser zwar noch in der Davidsstadt, jedoch nicht in den Gräbern der Könige begraben wird. 470 Vgl. Otto (z. St., 1936). 471 Die textgeschichtlichen Probleme sind an dieser Stelle komplexer, als sie für den vorgegebenen Untersuchungszweck dargestellt werden müssen. Eine Analyse bietet Schenker (2004, 122–127). Schenker rechnet mit einer hasmonäischen Überarbeitung des MT-Textes u. a. in 2Kön 11,17 ()]…[ ובין המלך ובין העם, die den Priester mit größerer Autorität ausstattet. 472 Hier ist mit einigen hebr. Handschriften, der LXX, Syr. und Vul. הכהנים והלוייםzu lesen. 473 Die Konjektur folgt dem von der LXX gebotenen καὶ Λευιτῶν καὶ ἀνέστησεν τὰς ἐφημερίας τῶν ἱερέων καὶ τῶν Λευιτῶν, das offenbar durch Homoioteleuton ausgefallen ist. (Vgl. schon Curtis / Madsen z. St., 433).
4.6 רות im Kontext des Ahasja / Joash-Narrativs
187
(vgl. 1Chr 23 f) Bestimmungen rekurriert wird. Beide Kapitel werden nicht einfach vorausgesetzt, sondern an dieser Stelle kunstvoll miteinander synthetisiert, sodass die gesamte kultische Ideologie des Chronisten, die in der Synthese der mosaischen und davidischen Bestimmungen ruht, hier besonders deutlich sichtbar wird. Der Chronist verweist auf eine kultische Regelung der Tora, also des Mose, und gleichzeitig auf eine Regelung Davids, der hier nicht in den Rang des Mose erhoben wird, sondern als selbstverständlich in diesen Rang erhoben vorausgesetzt wird.474 David, so zeigt sich hier, ist die prädestinierte Figur, um an dieser eine Fortsetzung der Tora außerhalb ihrer selbst anzuknüpfen. Nähern wir uns dem Befund der Reihe nach: Jehojada, der Priester, legt zunächst die Ämter der Priester und Leviten fest. Die Trennung von Priestern und Leviten ist demnach vorausgesetzt. In Num 3,32 heißt es: ונׂשיא נׂשיאי הלוי אלעזר בן־אהרן הכהן פקדת ׁשמרי מׁשמרת הקדׁש
Und der Fürst der Fürsten der Leviten, Elazar, der Sohn des Priesters Aaron, hatte die Aufsicht über alle, die eine Aufgabe am Heiligtum verrichteten.475
Genau wie es in 3,32 für den Fürsten der Fürsten der Leviten, also den Hohenpriester, festgelegt wurde, handelt Jehojada in 2Chr 23.476 Er teilt die Aufgaben für das Heiligtum ein. Während die Aufgaben dabei in Num 3 noch auf den אהל מועדzugeschnitten waren, greift der Chronist hier auf die Einteilung der Priester und Leviten nach Abteilungen zurück, wie sie sich in 1Chr 23 f477 findet. Dabei wird explizit auf die Einteilung durch David Bezug genommen und 1Chr 23 f in der Zelt-Tempel-Sukzession als Fortsetzung von Num 3 f erkennbar. Die Aufgabe, Brandopfer darzubringen, ist in Übereinstimmung mit der verschriftlichten Tora des Mose zu vollziehen.478 Dies mit Freude und Gesang zu verrichten, hat ge-
474 Die latente Identität zwischen Mose und David wird an verschiedenen Stellen in der Chronik explizit gemacht. Eine Schlüsselstelle stellt die Übergabe der Amtsgeschäfte von David an Salomo dar, wie wir sie in 1Chr 22; 28 f finden. S. u. „Kult-Personal“. 475 Die LXX bietet hier den Plural τῶν Λευιτῶν. Vgl. dazu Samuel (2014, 20, Anm. 85). 476 Eigentümlicher Weise wird Jehojada dabei nicht als Hohepriester o. ä. charakterisiert. Dies könnte der Vorlage geschuldet sein und die Immutatio in 2Chr 24,6 ()ויקרא המלך ליהוידע הראׁש evoziert haben. 477 Vgl. die Übereinstimmung in dem Lexem חלק: 1Chr 23,6; 24,3–5. Während David dabei in Sachen Leviten die volle Souveränität hat, wirken bei der Einteilung der Priester Zadok, als Vertreter der Elasariden und Achimelech, als Vertreter der Itamariden mit. 478 Dementsprechend ist Hänsel (1999, 55 f) völlig im Recht, wenn er „‚wie geschrieben‘ nur auf die unmittelbar zuvor erwähnten Brandopfer [bezogen sieht], auch wenn für die Weisung Davids formal eine Parallelität erwartet werden könnte. Mit dieser Aufteilung wäre ein Hinausgehen über Vorschriften im Pentateuch nicht gegeben.“ Zutreffend ist auch die Beobachtung, dass die Bestimmung Brandopfer darzubringen, sich an einem bestimmten Sachverhalt orienl
188
4. תהרותin der Chronik
mäß der Anordnung Davids ( )על ידי דוידzu erfolgen, die sich in 1Chr 15,16 sowie grundsätzlich in 1Chr 25 findet.479 Die Torakonformität wird sich unter Joash bis zum Tode Jehojadas durchhalten, was den Priester als besonderen Garanten der Toraobservanz ausweist.480 Dementsprechend geht mit dem Tod Jehojadas der Niedergang des Königtums Joash einher. Bezieht man an dieser Stelle die Vorlage mit ein, zeigt sich erneut die Tiefenschärfe der chronistischen Variante. In 2Kön 11,18 heißt es: „Da kam das ganze Volk des Landes zum Haus des Baal, und sie rissen es nieder. Seine Altäre und Bilder zertrümmerten sie vollständig und Mattan, den Priester des Baal, ermordeten sie vor den Altären. Der Priester jedoch setzte Wachen ein für das Haus JHWHs.“ Levin stellt dar, dass die Frage nach dem Sinn dieser Maßnahme die Exegese seit jeher vor Probleme gestellt hat: „Denn gegen wen soll der Tempel bewacht werden? Atalja ist tot, ihre Anhänger wagen sich nicht mehr hervor (V.16). Soeben ist auch der Baalstempel zerstört und der dortige Priester erschlagen worden (V.18a). Jojada und die Jahwetreuen haben den vollständigen Sieg erreicht.“481 Levin ordnet V.18b demnach ob seiner logischen Problematik und seiner Nähe zur chronistischen Ideologie auf einer frühchronistischen Ebene an.482 Das bedeutet, dass für das Aufstellen der Wachen demnach externe Gründe zu suchen sind und dieses sich weniger aus der Erzählung selbst ergibt. Der Chronist, so sieht man deutlich, setzt an eben diesem Punkt erneut an und füllt den Wachdienst mit Aufgaben, insofern er auf die mosaische und davidische Anordnung für die rechte Ausübung des Kultes rekurriert und diese gegen die Apostasie Ataljas wendet.
4.7 תורהim Kontext des Amazja-Narrativs 4.7.1 Gliederung 2Chr 25 – Inthronisation Amazjas, Krieg gegen und Sieg über Edom
tiert und nicht an einer konkreten Textstelle. (vgl. Ebd.). Dabei zeigt sich mit Blick auf die inexpliziten Torabezüge, wie wir ihn in Num 3,32 beobachten erneut die Schwäche des Hänsel’schen Ansatzes, der zu einseitig nach direkten Bezugnahmen fragt und die Rezeption der Tora in der Chronik auf diese Weise nicht fassen kann. 479 Dabei ist der Konnex von Opfern und Freude ( )שמחהjedoch schon in Num 10,10 präfiguriert. 480 Vgl. zur Fortsetzung der Episode die knappe Darstellung unter „Kult-Ort“. 481 Levin 1982, 24. 482 Zur selben frühchronistischen Bearbeitung gehören für ihn auch V.10.15b.20.
4.7 רות im Kontext des Amazja-Narrativs
189
4.7.2 Begriffsanalyse Das Amazja-Narrativ setzt mit einer grundsätzlich positiven Beurteilung Amazjas ein: ויעשׂ הישׁר בעיני יהוה. Gleichzeitig handelt er nicht בלבב שלם, womit angezeigt ist, dass er zwar an David und Salomo gemessen wird, mit diesen jedoch nicht zu vergleichen ist. Dabei spart der Chronist nicht nur den in der Vorlage zu findenden Hinweis auf David, sondern auch den Hinweis auf Joash aus. Der Hinweis der Vorlage auf David kann demnach aus erzählökonomischen Gründen gestrichen werden. Joash hingegen übernimmt der Chronist nicht aus der Vorlage, da er dessen Niedergang im Vergleich zur Vorlage erheblich übersteigert hatte. Mit der Festigung seines Königtums vollzieht Amazja die Blutrache an denen, die seinen Vater ermordet hatten. Dabei handelt Amazja in Übereinstimmung mit Dtn 24,16. Folgendes wird in der Chronik berichtet:
x) 2Chr 25,4 3 Und als die Königsherrschaft bei ihm gestärkt war, tötete er diejenigen seiner Diener, die den König, seinen Vater, erschlagen hatten. 4 Ihre Kinder aber tötete er nicht, denn wie es geschrieben steht in der Weisung, im Buch des Mose483, die JHWH geboten hatte: Die Väter sollen nicht wegen der Söhne sterben484 und die Söhne sollen nicht wegen der Väter sterben485, sondern jeder soll für seine eigene Sünde sterben.
Im Hinblick auf die Torazitation sind folgende Abweichungen zu verzeichnen: Zuächst der LXX-Befund zu 2Chr 25,4: LXXGÖ bietet an dieser Stelle einen anderen Befund als LXXL: καὶ τοὺς υἱοὺς αὐτῶν οὐκ ἀπέκτεινεν κατὰ τὴν διαθήκην τοῦ νόμου κυρίου καθὼς γέγραπται ὡς ἐνετείλατο κύριος λέγων οὐκ ἀποθανοῦνται πατέρες ὑπὲρ τέκνων καὶ υἱοὶ οὐκ ἀποθανοῦνται ὑπὲρ πατέρων ἀλλ᾽ ἢ ἕκαστος τῇ ἑαυτοῦ ἁμαρτίᾳ ἀποθανοῦνται – Ihre Söhne tötete er jedoch nicht entsprechend dem Bund des Gesetzes des Herrn, wie es geschrieben steht, weil JHWH geboten hat: Väter sollen nicht um der Kinder willen getötet werden und Söhne nicht um der Väter willen getötet werden, sondern jeder soll um der eigenen Sünde willen getötet werden. Die LXXL bietet: … κατὰ τὴν διαθήκην τοῦκυρίου καθὼς γέγραπται ἐν νόμῳ Μωσῆ ὡς ἐνετείλατο κύριος λέγων … ἀλλ᾽ ἢ ἕκαστος τῇ ἁμαρτίᾳ αὐτοῦ ἀποθανεῖται. – … entsprechend dem Bund des Herrn, wie er geschrieben steht im Buch des Mose. Keine der beiden Versionen stellt eine Übersetzung des hebräischen Textes, wie ihn MT bietet, dar. 483 Die die Tora betreffenden Abweichungen werden in der Analyse diskutiert. 484 Der Chronist bietet hier den Qal, während in den Parallelstellen der Hofal gebraucht wird. Die LXX gleicht dementsprechend an und bietet wie in Dtn 24,16 und 2Kön 14,6 ein Medium: ἀποθανοῦνται. 485 Vgl. Anm. 334.
190
4. תהרותin der Chronik
2Chr 25,4 MT LXXGÖ
כי ככתוב בתורה בספר מׁשה אׁשר־צוה יהוה לאמר
LXXL
2Kön 14,6 MT
κατὰ τὴν διαθήκην τοῦ νόμου κυρίου καθὼς γέγραπται
κατὰ τὴν διαθήκην τοῦ νόμου κυρίου καθὼς γέγραπται [ἐν νόμῳ Μωσῆ]
ὡς ἐνετείλατο κύριος λέγων
ὡς ἐνετείλατο κύριος λέγων
LXXGÖ lautet hebräisch etwa:
LXXL lautet hebräisch etwa:
כברית תורת יהוה ככתוב
כברית יהוה ככתוב בתורת משה
אשר צוה יהוה לאמר
אשר צוה יהוה לאמר
LXX
καθὼς γέγραπται ἐν βιβλίῳ νόμων Μωυσῆ ὡς ἐνετείλατο κύριος λέγων LXX lautet hebräisch etwa: ככתוב
ככתוב
בספר תורת־מׁשה אשר צוה יהוה לאמר
בספר תורת משה אשר צוא יהוה לאמר
Das einleitende כיwird von den meisten Exegeten im Anschluss an Rudolph (z. St. 278) als Dublette betrachtet.486 Eine deutlich komplexere Lösung wird jedoch von Trebolle vertreten, der hier einen Anhaltspunkt für reziproke Überarbeitungen findet. Die LXX bietet im Hinblick auf die Partikeln καθὼς und ὡς eine Abweichung von MT. Trebolle hält die erste Partikel für die Übersetzung der Vergleichspartikel כ.487 Die zweite Partikel sei weniger eine Übersetzung von אשרdenn vielmehr von כאשר. Im Hinblick auf das ‚überschüssige‘ כיin 2Chr 25,4 schließt er, dass möglicherweise eine Wiederaufnahme ( )כי … כיvorliegen könnte, die auf die Einsetzung einer Glosse zurückzuführen sei. Dementsprechend sei die Phrase ככתוב בספר תורת משהals Glosse aufzufassen. Die Partikel כיsei also „the leftover from a previous text, free of the gloss“488. Problematisch an dieser These ist jedoch erstens, dass ὡς in der Chronik sowohl mit כאשרals auch mit אשרübersetzt wird, die Gleichung καθὼς … ὡς …. = … כי … כיalso nicht zwingend aufgeht, und zweitens, dass die auf der angenommenen Übersetzung mit כאשרruhende Folgeannahme eine Wiederaufnahme sei, die eine Glosse anzeige. Unklar bleibt auch, ob Trebolle mit einer post-chronistischen Glosse rechnet oder die Glosse bereits als in 2Kön 14 eingebracht beurteilt. Zwar ist mit der von Trebolle genannten Überladenheit des Verses in seiner zweifachen Konformitätsreferenz eine weitere Spannung im Text benannt, jedoch zeigt der Seitenblick auf Neh 8,1.14, dass auch an anderen Stellen die Tora als von JHWH befohlen bezeichnet wird. 486 Vgl. jüngst Klein z. St., 355 f. 487 Vgl. Trebolle 2007, 486. 488 Trebolle 2007, 486.
4.7 רות im Kontext des Amazja-Narrativs
191
So erklärungsbedürftig wie das, mit Krause489 zu sprechen, Torabuch-Schweigen der Königebücher und dessen Unterbrechung an dieser Stelle ist, so benötigt die Erklärung Trebolles zu viele Hypothesen, um den Sachverhalt angemessen zu klären. Anzunehmen bleibt daher, dass der Chronist einen Schriftverweis bereits in seiner Vorlage gefunden hat. Erklärungsbedürftig bleibt jedoch, welche Form dieser hatte. Die Wendung ספר תורת משהfindet sich vier Mal in der Hebräischen Bibel, wobei die LXX an einer Stelle abweicht: Jos 8,31 LXX (ἐν τῷ νόμῳ Μωυσῆ); Jos 23,6; 2Kön 14,6; Neh 8,1. Die von 2Chr 25,4 gebotene Variante בתורה בספר מׁשהist in dieser Form singulär. Auch die LXXL, die offenbar eine Angleichung an MT vornimmt, bietet ספרnicht. Die ungewöhnliche Syntax in MT sowie die LXX könnte ein Anhaltspunkt dafür sein, dass die Chronik den Tora-Verweis zwar aus der Vorlage übernommen, dabei jedoch den Hinweis auf einen ספרerst später eingefügt hat. Von einem ספר משהist ferner noch 2Chr 35,12 die Rede, dort jedoch ohne Einbeziehung des Lexems תורה. Enigmatisch bleibt die in 2Chr 25,4 LXX gebotene Phrase κατὰ τὴν διαθήκην. Möglicherweise ist damit bereits vor der Auffindungslegende unter Josia ein Hinweis auf den ( ספר הברית2Chr 34,30 // 2Kön 23,21) intendiert. Im Hinblick auf den hier zu Grunde gelegten Referenztext in Dtn 24,16 wäre dies zumindest möglich. Die Aufnahme dieses Textes ist in 2Kön 14,6 und 2Chr 25,4 klar erkennbar: l
2Chr 25,4
2Kön 14,6
Dtn 24,16
… ואת־בניהם לא המית לא־ימותו אבות על־בנים ובנים לא־ימותו על־אבות כי איׁש בחטאו ימותו
… ואת־בני המכים לא המית לא־יומתו אבות על־בנים ובנים לא־יומתו על־אבות כי אם־איׁש בחטאו יומת
לא־יומתו אבות על־בנים ובנים לא־יומתו על־אבות איש בחטאו יומתו
Die exakte Übereinstimmung im Wortlaut zeigt, a) dass sowohl 2Kön 14 als auch 2Chr 25 auf Dtn 24,16 zurückgreifen und dass b) 2Chr 25,4 diesen Text mittelbar durch die Vorlage in 2Kön rezipiert. Neben der chronistischen Immutatio von המכיםdurch ein Personalpronomen fällt der Wechsel von יומתzu ימות, d. h. von hofal zu qal auf. Diesen Wechsel vom passiven „put to death“ zum aktiven „sterben“ hat Japhet auf das besondere theologische Prinzip des Chronisten zurückgeführt: „vicarious punishment is to be avoided not only in the sphere of human judicial procedure, but also in the divine management of the world; the strictly individual character of retribution is a universal and absolute rule“490. Dabei zeigt jedoch ein Blick nach 1QDeutb491, dass dort ebenfalls die Form ימותbelegt ist, sodass der Chronist den theologischen Wechsel möglicherweise nicht selbst vollzieht, sondern bereits in einer von MT abweichenden Vorlage findet. Anderer 489 Krause 2014, 92. 490 Vgl. Japhet z. St., 861. 491 Ferner bieten diese Lesart auch die LXX, die Pesch sowie TON.
192
4. תהרותin der Chronik
seits wird jedoch die hof-Form in der Chronik durchaus verwendet (2Chr 15,13; 22,11; 23,7.14), sodass von einem theologischen Paradigmenwechsel an dieser Stelle nicht gesprochen werden kann.492 Über diesen Vorgang hinaus ist das Amazja-Narrativ hinsichtlich der ToraRezeption unauffällig. Selbst Amazjas Apostasie, die Götter vom Sëir nach Jerusalem zu schaffen, um sich vor diesen niederzuwerfen und ihnen zu räuchern (V.14), wird von einem Propheten (V.15) nicht vor dem dtn. Alleinverehrungsgebot JHWHs gedeutet, sondern aus dem Nahkontext. Die Götter, konstatiert der Prophet, konnten das Volk der Edomiter nicht aus der Hand Judas retten (לא־הצילו )את־עמם מידך. Für die Analyse des Usija-Narrativs (2Chr 26) sei auf das Kapitel Kult-Handlung verwiesen. 2Chr 27 bietet keinen direkten Tora-Verweis. Auch in 2Chr 28 wird die Tora nicht erwähnt. Dennoch fordert das Kapitel als Exposition der eng verzahnten Narrative Hiskias und Josias, deren Analyse wir uns nun zuwenden, eine eingehende Betrachtung.
4.8 תורהim Kontext des Hiskia-Narrativs Der historisch-kritischen Exegese ist lange bekannt, dass das Narrativ Hiskias dem josianischen Narrativ in vielfältiger Hinsicht angeglichen wurde. Wenn also, wie in dieser Arbeit der Versuch unternommen wird, die Semantik des Tora-Begriffs im Hiskira-Narrativ durch die Kontextdetermination der einbettenden Texturen erschlossen werden soll, muss zugleich der Aufriss dieser Episoden in den Blick genommen werden. Und mehr noch: Auch die Vorgeschichte des Ahas-Narrativs, die das Urvergehen des Ahas gewissermaßen als die Exposition der Hiskia-Episode darstellt, ist in die Deutung einzubeziehen. Die Könige Hiskia und Josia sind für den Chronisten von immenser Wichtigkeit. Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass er deren Narrative gegenüber 2Kön um etwa ein Drittel anreichert und beide Könige stärker in die Tradition Davids rückt. Das ‚zweite‘ Pessach-Fest, von dem in 2Kön noch keine Rede war, steht symptomatisch für dieses Phänomen.
492 pace Klein (z. St., 356), der zwar ebenfalls unter Hinweis auf eine abweichende Vorlage Japhet folgt, dabei jedoch die weiteren ( מותhof.)-Stellen außer Acht lässt. Zur Frage der unterschiedlichen Handhabung generationenübergreifender Strafe in der Hebräischen Bibel vgl. Otto (z. St., 1842–1846) sowie die dort angegebene und diskutierte Literatur. Otto hebt hervor, dass besonders evolutionistischen Sichtweisen, die eine Entwicklung von der Kollektivhaftung zur Individualhaftung zeichnen, eine Absage zu erteilen ist. Eine abschließende Klärung dieser Problematik müsste weiterhin berücksichtigen, dass die Variation ימות – יומתhäufiger auftritt und bisweilen auch die eine der vorliegenden Änderungsart entgegengesetzte Tendenz zu beobachten ist. So findet sich in 2Sam 12,14 מות ימות, während die Parallele in 4QSama מות יומתbietet. Vgl. dazu Driesbach 2016, 203.
4.8 תהרותim Kontext des Hiskia-Narrativs
193
4.8.1 Gliederung Die narrative Hiskias, Manasses und Josias bilden eine komplexe Dramaturgie, deren Zusammenhänge sich nur in einer gemeinsamen Gliederung veranschaulichen lassen. Hier geht es zunächst um den literarischen Aufriss der Narrative und die Beschreibung der Einbindung der Tora. Daher werden zunächst integrale Elemente und Zusammenhänge markiert. Hiskia-Narrativ 2Kön18,1–3
2Kön 18,4
2Chr 29,1–2
Datierung von Hiskias Regierung
2Chr 29,3–36
Restaurierung des Tempels, Wiedereinweihung, Bundesschluss mit JHWH
2Chr 30,1–27
Pessachfest in Jerusalem (Zweites Pessach)
2Chr 31,1 2Chr 31,2–19
Kultreform Neuordnung des Tempelkultes, Regelung der Abgaben
2Kön 18,5–6
2Chr 31,20–21
2Kön 18,13–19,37
2Chr 32,1–21
2Kön 18,7–8
2Chr 32,22–23
Abwendung der assyrischen Bedrohung
2Kön 20,1–11
2Chr 32,24–26
Hochmut und Demut Hiskias
2Chr 32,27–30
Reichtum Hiskias
2Kön 20,12–19
2Chr 32,31
2Kön 20,20–21
2Chr 32,32–33
Resümee Assyrische Bedrohung Judas
Prüfung Hiskias Synchronisierung
Manasse-Narrativ 2Chr 33,1–17 2Kön 21,17–24
2Chr 33,18–25
Frevel, Exilierung und Läuterung Manasses Gebet, Synchronisierung, Bestattung Manasses
Josia-Narrativ 2Kön 22,1–2 2Kön 22,3–23,23
2Chr 34,1–2
Datierung von Josias Regierung
2Chr 34,3–7
Radikale Kultreinigung im Alter von 16 Jahren
2Chr 34,8–33
Tempelrenovierung, Josianische Reform
2Chr 351,–19
Pessachfest in Jerusalem
2Kön 23,24–27 2Chr 35,20–25 2Kön 23,28–30
2Chr 35,26–36,1
Kampf gegen Pharao Necho, Tod bei Megiddo, Jeremia klagt Klagelieder Intertextueller Verweis
194
4. תהרותin der Chronik
Die Disposition des chronistischen Stoffes lenkt unmittelbar auf die tragenden Pfeiler (hier fettgedruckt) der narrativen Architektur der Hiskia- und Josia-Erzählung. Auf einen knappen Einsatz mit synoptischem Material folgt die Beschreibung von Restaurierungsmaßnahmen Hiskias und der Wiedereinweihung des Tempels, die durch einen von Hiskia initiierten Bundesschluss mit JHWH – in dieser Richtung ein einmaliger Vorgang im Alten Testament – begleitet wird. Es fällt sofort auf, dass das Hiskia-Narrativ gegenüber seiner Vorlage erheblich ausgebaut wurde. Die innere Logik ergibt sich dabei aus einem Vergleich mit dem Josia-Narrativ. Offenbar sind beide Narrative einander angeglichen worden, was bspw. an der Feier des Pessachfestes unter Hiskia zu deutlich wird. Beide Narrative sind ferner so gestaltet, dass der eigentlichen Feier des Festes jeweils eine kultische Reinigung vorausgeht. Im Falle Hiskias wird die Reinigung durch einen Bundesschluss mit JHWH ergänzt. Der kongruente Aufbau der Narrative Hiskias und Josias evoziert zwischen den beiden Königen den Eindruck einer latenten Identität beider Könige; ein Stilmittel des Chronisten das wir – mit anderen Mitteln zum Ausdruck gebracht – auch in Form der Angleichung Davids an Abraham in 1Chr 21 noch beobachten können. Die zentrale Rolle spielt dabei die Verdoppelung des Pessach-Festes (vgl. 2Chr 30 und 35), auf deren Auswertung die Untersuchung im zweiten Hauptteil den Fokus legt und durch das ihr vorgebebene Interesse der Tora-Rezeption beschränkt bleibt. Aber der Reihe nach! Zunächst wird von Hiskia berichtet, dass dieser schon im ersten Jahr seiner Regierung, im Alter von 25 Jahren, den Tempel wieder geöffnet habe (2Chr 29,3). Diese Wiedereröffnung weist kataphorisch nach 2Chr 30,2, wo nach den Ereignissen des ersten Monats die Geschichte weitererzählt wird, sie verweist jedoch anaphorisch zunächst nach 2Chr 28 in das Ahas-Narrativ, wo dessen Abfall von JHWH ausführlich beschrieben wird.493 493 Schon in 2Chr 28,1 wird von Ahas gesagt, dass dieser nicht הישר בעיני יהוה כדויד אביוtat. Genau das, was David hier durch die Vergleichspartikel unterstellt wird, nämlich das Rechte in den Augen JHWHs getan zu haben, wird von diesem allerdings gar nicht erzählt. Damit ist an dieser Stelle also bereits eine exklusiv positive Stilisierung der David-Epoche vollzogen. – Das Motiv der Tempelöffnung bzw. -schließung ist nicht nur im Alten Testament (Neh 6,10; Mal 1,10), sondern in der gesamten Antike ein locus classicus. Berühmt sind die Tora des römischen Janustempels, die bei Krieg offenstehen; in Friedenszeiten jedoch geschlossen sind. Nicht minder berühmt die pneumatisch öffnenden Tempeltüren des Heron. Ein spezifisches Vergleichsmoment ist ein in im alten Ägypten verbreiteter (literarischer) Topos, wie Assmann (1996, 419–422) an einem von ihm sog. „messianischen“ Stück der Demotischen Chronik (II,23-III4) hervorhebt. Der Text nach Spiegelberg (1914, 15–16) lautet: Nimm doch die Freude, Prophet des Harsaphes! / Das heißt: der Prophet des Harsaphes freut sich nach den Idoniern. Denn es ist ein Herrscher in Herkleopolis entstanden. / Möge er die Öfen öffnen./Ich habe ihm Rinder gegeben. / Das heißt: der Herrscher, der sein wird, öffnet [die Tore] der Tempel / und lässt den Göttern (wieder) Opfer darbringen. Heil, heil, o Sohn des Monats! / Schön, schön ist Herakleopolis! / Das heißt: Viels schönes wird Herakleopolis in der genannten Zeit zuteil werden.“ Bereits Meyer (1915, 287–311) hat auf Übereinstimmungen der demotischen Chronik mit dem dtr. Geschichtswerk, aber auch den alttestamentlichen Chronikbüchern (vgl. Ebd. 299) hingewiesen. Nicht nur
4.8 תהרותim Kontext des Hiskia-Narrativs
195
Es ist also ein kurzer Blick auf das Ahas-Narrativ zu richten494, denn in 2Chr 28,24 wird das Skandalon konstatiert: ויסגר את־דלתות בית־יהוה.495
4.8.2 Die Ursünde Ahas’ als Exposition des Hiskia-Narrativs Schon der unerhörte Beginn seiner Regierungszeit weist auf das Kommende: Ahas fertigt Gussbilder Baals496 an (V.2), bringt unerlaubte Rauchopfer im Hinnom-Tal dar und lässt seine Söhne durchs Feuer gehen (V.3).497 Das erste Vergehen, das die Vorlage nicht kennt, ist möglicherweise aus 2Kön 17,16 f heraus entwickelt worden, wohin die Vorlage mit V.3 schon verwiesen hatte. Daneben drängt sich mit dem Lexem מסכהjedoch auch die Ursünde Aarons auf (vgl. Ex 32,4.8). Dieser Spur wird gleich zu folgen sein. Von JHWH heißt es ab V.5, dass dieser das Fehlverhalten durch Feinde straft. Das Schließen der Tempeltüren stellt im Verlauf der Darstellung den Höhepunkt der kultischen Verunreinigung des Ahas dar. Auf diesen Punkt hin lesen sich die aus allen Himmelsrichtungen hereinbrechenden Auseinandersetzungen mit Aram (V.5), mit Ephraim (V.7), mit Edom (V.17), mit den Philistern (V.18) und mit Assur (V.20) wie Gottes zur Umkehr bewegender Rundumschlag. Dies wird in V.19 explizit gemacht: כי־הכניע יהוה את־יהודה בעבור אחז מלך־ישראל כי הפריע ביהודה ומעול מעל ביהוה
Ja, JHWH demütigte Juda wegen Ahas, des Königs von Israel, denn er hatte Juda aufgewiegelt und treulos werden lassen gegen den Herrn.
Der an dieser Stelle explizierte Begründungszusammenhang ist in mehrfacher Hinsicht disponierend für den Fortgang der Erzählung. Zunächst fällt das Verb diese Parallele zu 2Chr 29,3, sondern auch die Gesamtanlage des Textes, der ja anders als das DtrG und ähnlich der Chronik keine unheils-, sondern eine heilsgeschichtliche Perspektive hat, rät zu einer Hereinnahme in die Deutung der Chronik. 494 Bae (2005, 52) hat richtig erkannt, dass das Ahas-Narrativ die Exposition für die hiskianische Reform darstellt, die wiederum in einem unauflösbaren Verhältnis zum josianischen Narrativ steht. Die Einblendung dieses Horizonts ist daher unumgänglich. Für eine detaillierte und vor allem synoptische verfahrende Analyse sei deshalb auch auf Bae (Ebd., 53–64) verwiesen. 495 Dieser Fall ist abgesehen von den über Nacht verschlossenen Türen in Schilo (1Sam 3,15) und dem Tempelasyl, dem sich Nehemia in Neh 6,10 widersetzt, singulär. 496 Das Verbum ( מסכהhier: Fem. Pl. Abs.) wird in der Chronik nur noch in 2Chr 34,3 und 34,4 verwendet. Das Josia-Narrativ verweist damit deutlich auf das Ahas-Narrativ als Exposition zurück und insofern über das kongruent geformte Hiskia-Narrativ hinaus. – Das Anfertigen eines Gussbildes sowie das Schließen der Tempeltüren stellt mit Hinblick auf Hiskia und Josia letztlich eine doppelte Exposition dar, da Hiskia die Türen wieder öffnet (2Chr 29) und Josia die Bilder in einem doppelte Reinigungsvorgang abschafft (vgl. 2Chr 34,3–5). 497 Die gegossenen Baals-Bilder sowie die unerlaubten Rauchopfer im Hinnom-Tal finden sich im synoptischen Vergleich nur in der Chronik.
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4. תהרותin der Chronik
כנעauf, das im Kausativstamm ‚demütigen‘ oder ‚beugen‘ bedeutet.498 Dabei ist besonders auffällig, dass die Chronik mit 19 von 36 Belegen die Hälfte aller Belege vereint.499 Die übrigen Belege verteilen sich breit auf den Rest des AT, sodass von einem typischen Gebrauch nur in der Chronik gesprochen werden kann. Wagner hebt ferner die Dominanz des theologischen Gebrauchs hervor. Eher selten – wie z. B. in 2Chr 30,11 – sei insofern ein profaner Gebrauch erkennbar, als „ כנעan dieser Stelle den Vorgang der Unterwerfung unter judäische (Jerusalemer) Ansprüche“500 bezeichne. Da es an dieser Stelle jedoch eigentlich um die Zusage auf die Einladung zu Hiskias Pessach-Fest geht, ist auch hier eher ein theologischer Gebrauch anzunehmen501 – eine Möglichkeit, die Wagner unter dem Stichwort der „Buße Rest-Israels“502 selbst erwägt. In der Chronik fällt כנע als „ein kultisch-bußzeremonieller Terminus“503 auf. Dabei hebt Wagner im Falle der Selbstdemütigung Manasses das exklusive מעדhervor, das כנעan dieser Stelle verstärkt. Vor dem Hintergrund der prominenten Metamorphose des Manasse-Stoffes in der Chronik ist dieses מעדsicherlich bewusst gesetzt. In dieses Spektrum der Selbst- und Fremddemütigung durch Feinde tritt nun im Falle des Ahas in der Chronik der erste Fall der Fremddemütigung nicht nur des judäischen Königs, sondern des ganzen judäischen Stammes504 durch JHWH505 ein. Wer sich nicht selbst vor JHWH demütigt, so lautet die Pointe, wird von JHWH gedemütigt, wobei Zu- und Abwendung JHWHs durch die Selbst- bzw. Fremddemütigung in einem reziproken Verhältnis zueinander stehen. Im Falle Ahas’ bedeutet dies, dass dieser, solange er sich nicht selbst vor JHWH demütigt, von Feinden umzingelt wird und JHWH dem judäischen König nicht zu Hilfe kommt. Daraus ergibt sich die folgende Frage: Warum wird erzählt, dass JHWH an dieser Stelle erstmals zur ultima ratio der Demütigung des Volkes greift und dessen bzw. Ahas’ Selbstdemütigung nicht abwartet? 498 Vgl. KAHAL, 249 sowie Gen18,556. 499 Laut Wagner (1984, 217) findet sich כנעdurchgängig in späten Texten des AT. 500 Vgl. Ebd., 223. 501 Vgl. unten die Analyse von 2Chr 30. 502 Vgl. Ebd. 503 Vgl. Ebd., 222. 504 Zwar sind einige Stellen belegt, an denen die Gottheit direkt als Urheber der Demütigung agiert, jedoch ist damit immer eine Demütigung der Feinde im Blick (vgl. z. B. Ri 4,23. Die kollektive Bestrafung des Volkes in Form der Demütigung durch die Gottheit erinnert an 2Sam 24 // 1Chr 21, wo es nach dem Vergehen Davids, von dem Unklar bleibt, worin genau es bestanden hat (vgl. unten z. St.), ebenfalls zu einer Bestrafung des Volkes kommt). 505 In Ri 4,23 ist nicht von JHWH, sondern von Elohim die Rede, der dort das Subjekt der Demütigung (כנע, hif.) Jabins darstellt. In 1Chr 17,10 ist JHWH der Urheber der Demütigung, jedoch der Feinde und nicht eines judäischen Königs, geschweige denn des judäischen Stammes. Damit sei keinesfalls in Abrede gestellt, dass hinter der Demütigung durch Feinde mittelbar auch JHWH als Urheber agiert.
4.8 תהרותim Kontext des Hiskia-Narrativs
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Die Beantwortung dieser Frage fällt nicht leicht, da zwar die Demütigung durch JHWH an dieser Stelle singulär ist, die Umstände, vor allem die Treulosigkeit gegenüber JHWH, aber nicht ohne Parallele sind. Die Antwort ist also in der vom Erzähler gegebenen Begründung der Demütigung zu suchen: כי הפריע ביהודה ומעול מעל ביהוה. Es ist das nur einmal in der Chronik verwendete Lemma פרע, das die Beantwortung der ersten Frage qualifiziert. ( פרעhif. mit Akk.) bedeutet an dieser Stelle so viel wie ‚aufwiegeln‘.506 Der Konkordanzbefund zeigt, dass die einzige semantische und pragmatische Entsprechung zwischen Ex 32,25 und 2Chr 28,19 besteht, פרעmithin ein intertextuelles Verhältnis stiftet. In Ex 32,25 heißt es: וירא משה את־העם כי פרע הוא כי־פרעה אהרן לשמצה בקמיהם
Da sah Mose, dass das Volk zügellos war, denn Aaron hatte es zügellos werden lassen zur Freude seiner Gegner.
Der evaluative Erzählerkommentar beschreibt die Situation, die Mose vorfindet, nachdem er vom Berg herabgestiegen ist: Er kehrt zurück ins Lager, sieht das Kalb, das Aaron angefertigt hat, während Mose auf dem Berg war, sodass sein Zorn entbrennt.507 Ohne den Verantwortlichen zur Rede zu stellen, nimmt er das Kalb, verbrennt es nach dtr.508 Weise im Feuer, streut die Asche in Wasser und lässt die Israeliten davon trinken.509 Anders der Bericht in Dtn 9,21, wo diese inwendige Vergeltungsform nicht berichtet, sondern lediglich durch eine Beseitigung im Bach, der vom Berg herabfließt, angedeutet wird. Da das Wasser in Ex 32 weiter keine Rolle spielt, ist davon auszugehen, dass dieses Motiv aus Dtn 9 übernommen wurde. Der Verfasser von Ex 32,20 hat dieses Motiv also präsupponiert und weiterentwickelt, was sich vor allem daran zeigt, 506 Die Grundbedeutung des Lexems ist „entblößen“ (vgl. Gen18). KAHAL bietet die Übersetzung „Verwilderung aufkommen lassen, der Zügellosigkeit freien Lauf lassen“. Die Statistik zeigt, dass die Vokabel 20 Mal im Alten Testament verwendet wird. Etwa ein Drittel der Befunde findet sich in den Proverbia (Prov 1,25; 4,15; 8,33; 13,18; 15,32; 29,18). Hier findet sich jeweils die Opposition der Verben פרעvs. ׁשמעoder ׁשמר. Wobei die Abwendung von einer bestimmten Sache hier jeweils mit einem Verb der sinnlichen Aufmerksamkeit die Zuwendung zu JHWH (Prov 1; 8; 15; 29) oder dem Prinzip des Guten (Prov 4; 13) ausdrückt. Diese Grundopposition ist mit 2Chr 28,19 am ehesten zu vergleichen, während übrige alttestamentliche Befunden, die auf einen bestimmten Frisurentypus zielen (Lev 10,6; 13,45; 21,10; Num 5,18; 6,5) ausscheiden. Die einzige weitere hifil-Form findet sich in Ex 5,4; der einzige Beleg in der Bedeutung und Verwendungssituation einander entsprechen findet sich in 2Chr 28,19 und Ex 32,25. 507 Der Zorn des Mose stellt an dieser Stelle eine depotenzierte Form des göttlichen Zornes dar, dessen dieser sich ab V.10 durch jenen entledigen lässt. Wenn es in Ex 32,14 heißt וינחם יהוה על־הרעה. So stellt dieser Vers die Antwort auf die Aufforderung Gottes an Mose הניחה לי ויחר־אפי בהםin V.10 dar. Dabei deute ich das וmit Ges18 (289) als alternatives Waw, also als ‚oder‘. JHWH fordert Mose auf, ihn zu beruhigen, damit sein Zorn nicht gegen sein Volk entbrenne. Wenn Mose JHWH in V.14 nun erfolgreich beruhigt, kann das Ausbrechen seines Zornes in V.20 nur als Stellvertreter-Zorn verstanden werden. Demgegenüber scheitert der zweite Depotenzierungsversuch nämlich der des mosaischen Zornes durch Aaron in V.22. 508 Vgl. Dtn 7,5.25; 12,3. 509 Pace Begg 1985, 240–246.
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dass er nicht allein von מים, sondern determiniert von פני המיםspricht und das Wasser als bekannt voraussetzt.510 Dass er dabei die Geographie des Baches ()נחל, wie er sich in Dtn 9,21 findet, als Hintergrundmetaphorik aufnimmt, findet sich möglicherweise im Verbum ׁשקהwieder, das auf ein regelrechtes Tränken zielt.511 Erst nach der Beseitigung des Kalbs stellt Mose Aaron wegen der großen Sünde ()חטאה גדלה512 zur Rede. Dabei scheint es, als versuche Mose zunächst Aaron zu entschuldigen, indem er nach der Initiative des Volkes fragt: מה־עשה לך העם הזה כי־הבאת עליו חטאה גדלה. Aaron versucht Mose vergeblich zu beschwichtigen, indem er darauf hinweist, dass das Volk ohnehin boshaft sei (V.22). In diesem Zusammenhang rekapituliert er den Ruf des Volkes, der die gesamte Bundesbruch-Perikope konstituiert: עשה־לנו אלהים אשר ילכו לפנינו כי־זה משה האיש אשר העלנו מארץ מצרים לא ידענו מה־היה לו.513 Dabei belügt er Mose, indem er, anders als es V.4 schildert, nicht mehr davon spricht, dass er selbst das Kalb gemacht ( )עׁשהhätte, sondern dass dieses quasi autopoietisch aus dem Feuer herausgekommen (יצא, V.24) sei. Während Mose die Depotenzierung des göttlichen Zornes also gelungen war, ist Aarons Depotenzierungsversuch vergeblich. Aarons Entschuldigunggaukelei lässt Mose vollkommen unbeeindruckt und der Erzählerkommentar in V.25 zeigt, dass Mose das Verhalten des Volkes und das Verhalten Aarons nicht nur in derselben Weise evaluiert, sondern Aaron sogar für den Spiritus Rector des Vergehens hält: ירא משה את־העם כי פרע הוא אהרן לשמצה בקמיהם514כי־פרעה
Da sah Mose, dass das Volk verwildert war, denn Aaron hatte es verwildern lassen.
Das im Exodus-Buch nur zwei Mal verwendete Etymon פרעmacht durch die Äquivocation eine Assoziation mit dem Pharao פרעהunausweichlich. Aaron hat ganz offenbar 510 Vgl. zum allgemeinen textlinguisitschen Stellenwert des bestimmten Artikels Brinker 2014, 30 f., der mit dem „Signalwert des Artikels“ (Ebd. 31) nicht die Leitdifferenz: ‚eingeführt vs. nicht-eingeführt‘, sondern ‚bekannt vs. unbekannt‘ verbindet. Die Pointe besteht darin, dass die Bekanntheit des determinierten Wortes auch außerhalb der einfassenden Textgrenzen hergestellt worden sein kein. Demnach brauch „der Signalwert des Artikels nicht textgebunden zu sein.“ (Ebd. 31) Dass es sich beim hebräischen bestimmten Artikel sprachgeschichtlich um ein Demonstrativum handelt (vgl. Muraoka 1996, § 35), stellt die semantische Analogie zu dieser textpragmatischen Deutung dar. Der Verfasser von Ex 32 setzt also ganz offenbar die Bekanntheit des Wassers und damit an dieser Stelle den Text in Dtn 9 voraus. Achenbach, der Dtn 9,7–10,11 für einen Midrasch auf die Sinaiereignisse hält, hebt als Erzählintention hervor, dass „die Zeit des Aufbegehrens und der Sünde […] nur in einer radikalen Buße, wie Mose sie dereinst als Mittler Israels vollzogen hat, überwunden werden [kann].“ (Vgl. Ders. 1991, 397). Dabei erwägt er, soweit ich sehe, nicht die Möglichkeit, dass es Rückwirkungen in die Vorlage gegeben haben könnte, wie es hier für Ex 32,20 vorgeschlagen wird. 511 Vgl. Ges18, 1407. An der Auswahl des Verbums ( ׁשקהstatt )ׁשתהhat sicher aber auch die Ehebruch-Tora in Num 5 (V.24.26 f) ihren Anteil. 512 Vgl. dazu die Beurteilung der Sünde Jerobeams 1Kön 12,28. 513 Vgl. Ex 32,1. 514 Die Form פרעה, die als 3.Ps. Sg. m. zu bestimmen ist, ist mit der auslautenden Endung ה nicht wohlgeformt. In der zweitrangigen Abwägung, ob es sich dabei um die „alte, vorexilische Form“ oder einen „orthographische[n] Aramaismus“ handle, hat Samuel jüngst noch einmal das Entscheidende ins Spiel gebracht: „Entscheidend ist die Anspielung auf ‚Pharao‘: Aaron hat also Israel in ‚ägyptische Zustände‘ zurückfallen lassen!“ (Samuel 2014, 271. Anm. 1222).
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wie Pharao das Volk davon abgehalten, seinem Gott gemäß dessen Bestimmungen zu dienen. Auf diesem Rezeptionskanal zeigt nun der Smr. mit dem wohlgeformten פרעו die entsprechende Zuweisung der semantischen Rollen an. Als Agens der Handlung (verwildern lassen) wird allein Aaron betrachtet, während das Volk durch das Part. pass. von פרעan dieser Stelle als initiativlos beschrieben wird. Dabei verschärft sich der Sachverhalt im Smr. noch weiter. In V.22 wendet sich Aaron folgendermaßen an Mose: MT
Smr.
… אל־יחר אף אדני אתה ידעת את־העם כי ברע הוא
… אל יחר אף אדני אתה ידעת את העם כי פרוע הוא
Signifikant ist hier die Abweichung – פרע ברע. Während ברעwegen der Präposition ב nicht als Nominalsatz erklärt werden kann, stellt פרע הואeinen wohlgeformten Nominalsatz dar. Offenbar ist es hier zu einer phonetischen Verschiebung von einem stimmlosen bilabialen Plosivlaut zu einem stimmhaften bilabialen Plosivlaut gekommen.515 Mit der Smr. Lesart verschärft sich die Situation zwischen Aaron und Mose erheblich, da dieser durch die direkte Wiederaufnahme des Lexems פרעAarons Sinne Lügen straft. Aaron hatte zunächst versucht, beschwichtigend von sich abzulenken und Moses Sinne ()ידע auf das vermeintlich zügellose Volk ( )פרעzu lenken, weiterhin hatte er das Kalb als ein Zufallsgeschehen dargestellt. Mose hingegen lässt sich auf die Lüge mit keinem Wort ein. – Eine Antwort bleibt aus. Stattdessen zeigt uns der Erzähler, dass Mose den eigentlichen Ursprung des Übels in Aaron sieht ()ראה. Aarons Dictum ( כי פרע הואV.22) führt Mose auf Aaron selbst zurück: ( כי פרע הוא כי פרעה אהרןV.25). Mose wird das Wort gegenüber Aaron nicht mehr ergreifen, vielmehr fordert er im Tor des Lagers all diejenigen, die Partei für JHWH ergreifen, auf, sich bei ihm zu versammeln. In einem prophetischen Gestus516 animiert er die Versammelten, von Tor zu Tor zu gehen und das Schwert gegen Brüder, Freunde und die Nächsten zu erheben. Moses Antwort auf die diaphan auf den Pharao des Exodus weisende Zügellosigkeit Aarons besteht in dem Schwerteinsatz für JHWH ( )ליהוהund sie ist möglicherweise auch als Strafandrohung ad personam sacerdotis aufzufassen, wenn es zuerst vom Bruder heißt, dass dieser getötet werden solle, bevor der Strafzug auf die Peripherie angesetzt wird.517 Die Depotenzierung des Zornes
515 Die häufige Verwechslung von בund פhat 1825 bereits Friedrich-Muhlert (Ders. 1825.) beobachtet. Er siedelt die Verwechslung jedoch auf der morphologischen Eben an und rechnet damit, dass der Buchstabe „ פdas innere Häkchen der jetzigen Schrift nicht gehabt haben“ (Ebd. 78) kann. Zwar ist ברעhier die lectio difficilior, jedoch ist nicht nur ברע הואuntypisch, sondern es lässt sich auch פרעkaum als Vereinfachung oder Interpretation von ברעdeuten. Insofern bietet Smr. hier also den älteren Text. Die LXX bietet an dieser Stelle τὸ ὅρμημα τοῦ λαοῦ. Aus dem prädikativ gebrauchten Adjektiv wird ein Substantiv. Da τὸ ὅρμημα sonst weder für רע noch für פרעgebraucht wird, lässt sich daraus jedoch kein Argument gewinnen. Offenbar neigt der Verfasser aber zur Interpretation (vgl. Gurtner z. St., 449 f), wie sich an dem πρὸς Μωυσῆν erkennen lässt. Letztlich ließe sich allenfalls über das Fehlen einer Präposition spekulieren, was für פרעspräche. 516 Gut zu erkennen an der typischen Botenspruchformel in V.27. 517 Die Verlegenheit des unbestraften Aaron löst erst Dtn 9,20 auf, wo deutlich wird, dass Mose die Vernichtungsabsicht JHWHs ( )ׁשמדdurch eine Fürbitte abwenden konnte ()פלל. Eine vergleichbare Erklärung hätte die dramatische Frontstellung in Ex 32 nicht hergegeben.
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Moses durch Aaron scheitert einerseits am Abfall des Volkes von JHWH, sie scheitert vor allem jedoch an Aarons Verführung zur Zügellosigkeit und dessen Lüge. Erst durch die Lüge, oder – besser gesagt – das Aufdecken der Lüge, wird Mose schließlich gewahr, dass Aaron wider bessere Einsicht gegen den Herrn gehandelt hat. Während JHWHs Zorn sich also auf die Halsstarrigkeit des Volkes ( )קׁשה ערףrichtete518, gilt der Fokus des mosaischen Zornes dem פרע-Motiv und dessen Folgen. Beachtet man nun, dass der Erwähnung des göttlichen Zornes in V.10 das Motiv der Halsstarrigkeit vorausgeht und sich das Motiv der Zügellosigkeit Aarons und des Volkes an den Zorn des Mose anschließt, entsteht eine emotional-evaluative Nähe zwischen beiden Verhaltensformen. Während beide durch den Zorn parallelisiert werden, scheint insbesondere das פרע-Motiv durch den latenten Verweis auf Pharao eine Art Verstockung im Auge zu haben. Rudolph hat demnach schon das Richtige gesehen, wenn er schreibt: „[D]er Chr. gebraucht nicht den Ausdruck ‚Verstockung‘, aber er meint sie.“ Ein Seitenblick auf 1QS 4,11, wo קׁשה ערףund כבד לב, also der Verstockungsbegriff, in einem Lasterkatalog einander zugeordnet werden, weist auch die Halsstarrigkeit zumindest als mit dem Motiv des ‚schweren Herzens‘ verwandt aus.519
Durch den Rückgriff von 2Chr 28,19 auf die Motivik von Ex 32,9.25 entsteht eine Anspielung auf das kultische Scheitern der Exodusgemeinde am Sinai. Gleichzeitig scheitert das Südreich an dieser Stelle durch dieselben Vergehen, die auch in 2Kön 17 für das Nordreich geschildert werden.520 Dass mit dem Rückgriff auf das Motiv des gescheiterten Nordreiches insbesondere durch das Stichwort der
518 Zu berücksichtigen ist dabei, dass die Verweiskette des קשה לב-Motivs von Ex 32,9 über 2Kön 17,4 nach 2Chr 30,8 reicht: Nachdem das Skandalon der Ahas-Episode überwunden ist, eröffnet Hiskia den Tempel neu und veranstaltet ein Pessach-Fest, zu dem er explizit die Nordreichsbewohner einlädt. Dabei hält er sie an, nicht halsstarrig zu sein ()קשה ערף, wie es die Väter gewesen waren (Zu beachten ist hier die Vergleichspartikel כ.). Der Rekurs auf die Väter – gemeint sind hier die Vorfahren der Nordreichsbewohner und nicht etwa Abraham, Isaak und Israel, die in V.6 als die wahrhaft JHWH-Gläubigen eingeführt worden waren – verweist direkt nach 2Kön 17,14, der einzigen Belegstelle für die Wendung קׁשה ערףin den Vorderen Propheten. Die Vergleichspartikel zielt auf eben diese Wendung, setzt 2Kön 17,4 literarisch mithin voraus, und warnt die von Hiskia adressierten Nordreichsbewohner, also die intendierten Leser einer späteren Zeit, davor dasselbe Vergehen erneut zu begehen. Darin ist einerseits die positive Zuwendung an die Bewohner des Nordreiches zu erkennen, andererseits ist jedoch die überdeutliche Jerusalem-Deixis in Verbindung mit der Aufnahme von 2Kön 17 ein sicheres Zeichen für die indirekte Behauptung der Illegitimität des samaritanischen Heiligtums. 2Kön 17 zeigt dabei ebenfalls durch die Wendung קשה ערףdeutliche Anleihen an Ex 32. Nicht nur die Reflexion über den Untergang des Nordreiches wird hier explizit gegen das Befreiungsgeschehen des Exodus kontrastiert (vgl. V.7), sondern auch das Motiv der ( חטאת גדולהv.21) zeigt, wie eng 2Kön 17 und Ex 32 zusammengehören. Zur Einordnung der Literaturgeschichte von Ex 32 sei auf Albertz (z. St.) und neuerdings auch Achenbach (n.v.) verwiesen. Für die komplexen Zusammenhänge von 2Kön 17 hat McKenzie (1991, 140–142) plausibel darlegen können, dass die Verse 7–20 sekundär sind. 519 An dieser Stelle wären die Bezüge zum Verstockungsmotiv noch genauer zu prüfen, als es der vorgegebene Untersuchungszweck ermöglicht. 520 Vgl. eine ähnliche Beobachtung bei Bae 2005, 108.
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מסכותimmer auch die Sünde Jerobeams ins Spiel gebracht wird, hat bereits Williamson gezeigt.521 2Chr 28,2 f
2Kön 17,10.16 f
וילך בדרכי מלכי יׂשראל וגם מסכות עׂשה לבעלים׃
ויעזבו את־כל־מצות יהוה אלהיהם16 ויעׂשו להם מסכה ׁשני עגלים ויעׂשו אׁשירה ויׁשתחוו ויעבירו את־17לכל־צבא הׁשמים ויעבדו את־הבעל׃ בניהם ואת־בנותיהם באׁש ויקסמו קסמים וינחׁשו ויתמכרו לעׂשות הרע בעיני יהוה להכעיסו׃
2
l
והוא הקטיר בגיא בן־הנם ויבער את־בניו באׁש3 כתעבות הגוים אׁשר הריׁש יהוה מפני בני יׂשראל׃ l
ויזבח ויקטר בבמות ועל־הגבעות ותחת כל־עץ רענן׃4 l
l
ויצבו להם מצבות ואׁשרים על כל־גבעה גבהה ותחת10 כל־עץ רענן׃ … ויקטרו־ׁשם בכל־במות כגוים l
Während es in Ex 32 der Priester Aaron ist, der durch das Stilmittel der Äquivocation mit dem ägyptischen Pharao assoziiert wird, scheitert in der Chronik der König Ahas, der unter Aufnahme des symbolischen Scheiterns Aarons in die Sukzession des priesterlichen Scheiterns gestellt wird. Die subtile Inszenierung des Scheiterns der Könige, die schon bei Usija zu beobachten war, erfährt demnach ihre Fortsetzung in der Ahas-Episode. Dabei wird gegenüber der Inszenierung des DtrG der Tiefpunkt der Geschichte Judas nicht mehr mit Manasse, sondern bereits mit Ahas erreicht. Schon Bae hat zutreffend gezeigt, „dass Ahas in der Chronik den Platz einnimmt, den Manasse im DtrG erhalten hatte, dessen Sünden JHWH zu dem Beschluss provozierten, Jerusalem zu vernichten und Juda zu verstoßen und dem Raub seiner Feinde preiszugeben“. Funktional ist diese Antizipation des Scheiterns des Südreiches nicht zu überschätzen, denn sie ereignet sich in der erzählten Welt gleichzeitig zum Scheitern des Nordreiches, wobei dessen Scheitern in der Chronik durch Ahas bewirkt wird.522 Die Konstruktion dieser Gleichzeitigkeit ermöglicht es dem Chronisten, narrativ die Option eines zweifachen Geschichtsausgangs vorzuführen: Während das Nordreich in Folge seines Bundesbruches zwar nicht untergeht (2Kön 17), jedoch immerhin fällt (2Chr 28,23) und die Bevölkerung beider Königreiche in die Verbannung geführt wird (vgl. 2Chr 29,9; 30,9), gelingt es Hiskia, dem Sohn des Ahas, in 2Chr 29, den Zorn JHWHs über den Bundesbruch seines Vaters durch eine Bundeserneuerung 521 Williamson (1977, 114–118) macht zudem die wichtige flankierende Beobachtung, dass Ahas genau nach dem Schema abfällt, wie es Abija den Nordreichsbewohnern bereits vorgeworfen hatte (2Chr 13). Bae (2005, 67–72) hat weiterführend ausgeführt, dass genau an dieser Stelle die Abspaltung des Nordreiches, die im DtrG nur kultisch nicht aber politisch verurteilt wurde in der Chronik auch politisch delegitimiert wird. Das Scheitern des Ahas ist damit nicht nur von 2Kön 17 her, sondern ebenso als Reflex der Reaktion Abijas (2Chr 13) auf die Ursünde des Nordreiches unter Jerobeam (2Chr 11 // 1Kön 12) zu verstehen. Dabei zeigt sich, wie die literarische Retrojektion der Sünde Jerobeams an den Sinai (Ex 32) in der Chronik allusiv zur resynthetisierten Urszene der Desavouierung Ahas’ wird. 522 Vgl. dazu Bae (2005, 106). Obwohl also 2Kön 17 in der Chronik keinen Widerhall findet, wird die Erzählung in erheblich reduzierter Form zur Transformation der Ahas-Episode genutzt.
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abzuwenden: עתה עם־לבבי לכרות ברית ליהוה אלהי יׂשראל ויׁשב ממנו חרון אפו – „Nun liegt es mir am Herzen, einen Bund mit JHWH, dem Gott Israels, zu schließen, damit sein flammender Zorn sich von uns abwendet.“ Der flammende Zorn weist anaphorisch nach 2Chr 28,11.13 zurück, wo von חרון אףerstmals die Rede ist. Hier zeigt sich auch die Verschiebung des Zorns Manasses (2Kön 23,26) auf Ahas. Gleichzeitig wird im Horizont von 2Kön 17 kataphorisch 2Chr 30,8 vorbereitet, wo Hiskia versucht, den göttlichen Zorn von den Israeliten, den Bewohnern des Nordreiches, abzuwenden. Ihren relativen Ursprung hat die Formel חרון אףjedoch nicht in 2Kön 17 – dort kommt sie nicht vor –, sondern in Ex 32,11 f, wo Mose den göttlichen Zorn abzuwenden versucht. „Das Nordreich als auch wir“ lautet also die chronistische unter Maßgabe von Ex 32 entwickelte Pointe. Ein weiteres Lexem in V.19 verdient hier besondere Beachtung: Als Begründung für Ahas’ Demütigung wird angeführt, dass dieser das Volk Judas zur Treulosigkeit ( מעלfig. etym.) gegen JHWH aufgewiegelt ( )פרעhabe.523 Das פרע-Motiv verweist, wie wir gesehen haben, nach Ex 32, wo es geradezu dramatisch in Szene gesetzt wird. Damit ist eine Form der Verstockung verbunden, die auch in der fortwährenden Untreue des Ahas einen Reflex hat. Auf die Demütigung durch JHWH mit weiterer Untreue zu antworten, erinnert auch ohne die פרע-Assoziation an das Verhalten des Pharaos. Die Gründe dafür erschließen sich zwar nicht vollständig, jedoch wird er von Beginn an als Frevler gezeichnet, insofern von ihm nicht nur gesagt wird, dass er לא־עשה הישר בעיני יהוה, sondern er literarisch auch vor dem chronistischen Archetyp eines kultischen Heros, König David, gezeichnet wird. Im Gegensatz zu Manasse (vgl. 2Chr 33,12) gerät Ahas in eine Abwärtsspirale. Auf die durch eigene Schuld verursachte Demütigung Gottes antwortet der Verstockte – in auffälliger Umkehrung des Richterschemas524 – mit fortwährender Untreue: ובעת הצר לו ויוסף למעול ביהוה הוא המלך אחזund das Skandalon der Tempelschließung. Aus dieser Perspektive lässt sich nun im Folgenden zeigen, welche literarische Rolle der Toragehorsam im Hiskia-Narrativ bei der Abwendung der Geschicke des Nordreichs spielt.
523 Der Niedergang Ahas’ wird steht damit in der Tradition des Niedergang Sauls (1Chr 10,13). 524 Bei der Entfaltung des Richterschemas in Ri 2 setzt mit der Situation der Bedrängnis (צרר, V.15) das Auftreten des Richters und eine vorübergehende Umkehr ein. Die Chronikbücher entfalten das Schema der Komplementarität göttlicher Bedrängnis und betender Zuwendung konsequent. Vgl. neben 1Chr 21,13; 2Chr 6,28; 15,4 (hier mit Verweis auf die Richterzeit); 33,12.
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4.8.3 2Chr 29 – Der Auftakt des Hiskia-Narrativs Das Hiskia-Narrativ des Chronisten ist gegenüber der Vorlage zu einer deutlich komplexeren Einheit geworden und reicht von 2Chr 29–32. Nachdem der Chronist einleitend zunächst 2Kön 18,1–3 übernimmt, konstatiert er, dass Hiskia tat, was recht war in den Augen JHWHs. Zwischen den aus der Vorlage übernommenen Fortgang der Darstellung in V.4 // 2Chr 31,1 setzt der Chronist die Kapitel 2Chr 29,3–36; 30,1–27 ein und dehnt die Erzählung damit erheblich aus. Ferner ergänzt er 2Chr 31,2–19 zwischen 2Kön 18,4 und 5, bevor er unter größeren Eingriffen in den Text mit 2Chr 32 parallel zu 2Kön 18–20* fortsetzt.525 Die inhaltlichen Nuancierungen führen weit über den hier gesteckten Rahmen hinaus und lassen sich nicht en détail nachzeichnen. Für eine ausführliche Darstellung des Aufbaus des Hiskia-Narrativs sowie eine Analyse der hiskianischen und josianischen Reformmaßnahmen sei deshalb auf die Qualifikationsschrift Baes (2005) verwiesen. Diese arbeitet heraus, dass eine besondere Pointe der Akzentverschiebung von Josia auf Hiskia darin liegt, das Brudervolk des Nordreiches nach dem Untergang des Reiches wieder in das verbliebene und inzwischen Israel genannte Juda sowie den Jerusalemer Kult zu integrieren. Eine besondere Rolle spiele in dem Zusammenhang die Torakonformität, die Bae an mind. zehn Stellen nachweist.526 Den quantitativen Zuwachs an direkten Bezugnahmen auf die Tora unter Hiskia und Josia deutet Bae zu Recht als einen Zuwachs an Bedeutsamkeit der Regierungen beider Könige. Vergleichbar damit seien allein die Regierungszeiten Davids und Salomos.527 Im Folgenden ist also nur auf die Elemente des Narrativs zu verweisen, die die Spur der Tora-Rezeption zu erkennen geben. Im vorliegenden Fall hat diese Spur, wie wir gesehen haben, bereits im Ahas-Narrativ begonnen und wird, wie nun zu zeigen ist, in der folgenden Episode konsequent fortgesetzt.
4.8.3.1 Hiskias Wiedereröffnung des Tempels Der Beginn des Hiskia-Narrativs stellt gegenüber dem soeben Erzählten eine scharfe Zäsur dar. Ohne Umschweife übernimmt Hiskia die Amtsgeschäfte, wobei er noch vor der ersten Amtshandlung an seinem Vorgänger David gemessen 525 Heckl (2015a, 52–81) hat an dieser Stelle noch einmal überzeugend gezeigt, dass das in den Hiskia- und Josia-Narrativen eingepflegte nicht-synoptische Material nicht den Rang eines Sondergutes, sondern den Charakter einer auf die dtr. Vorlagen bezugnehmenden literarischen Konstruktion hat, die einerseits die beiden Könige, Hiskia und Josia, einander annähert und andererseits beide explizit in die Tradition Davids stellt. 526 Dabei nimmt sie jedoch nur die direkten Bezugnahmen in den Blick, ohne die indirekt, d. h. ohne direkten Verweis, bezugnehmenden Stellen eigens auszuweisen. Folgende Stellen werden aufgelistet: 2Chr 29,15; 30,5.12.16.18; 31,3.4; 35,6.12.13. (Vgl. Bae 2005, 150 f). 527 Bae 2005, 197.
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wird: ויעׂש היׁשר בעיני יהוה ככל אׁשר־עׂשה דויד אביו. Die Umbesetzung der Vaterposition528 stellt die Glorie der pointiert in das erste Jahr, in den ersten Monat, also ganz an den Anfang datierten Restitution des Tempelkultes dar: Hiskia, durch das deiktische Personalpronomen הואals er selbst vollständig in den Mittelpunkt gerückt, öffnet die Tore des JHWH-Hauses und verstärkt ( )חזקdiese.529 Während V.2 eine Übernahme aus der Vorlage darstellt, stellt die Wiedereröffnung ein Komplement zu der vom Chronisten umgearbeiteten Ahas-Episode dar.530 Die unerhörte Begebenheit der Tempelschließung des Ahas wird von Hiskia geradewegs rückgängig gemacht. Das Symbolische hat dabei den Vorrang531 vor der Beseitigung der übrigen kultischen Vergehen des Vorgängers. Diese, so zeigen es die Verse 4–9 an, ist Hiskia allein zu leisten auch gar nicht im Stande. Deshalb beruft er in V.4 die Priester und Leviten ein und beauftragt diese mit umfangreichen Reinigungs- und vor allem Heiligungsmaßnahmen.532 Der Grad der Verunreinigung wird dabei erst- und einmalig in der Chronik durch die Verwendung des Lexems ( נדהV.5) als eine regelrechte Befleckung bezeichnet.533 528 Während der Chronist hier David zum Maßstab macht, haben Williamson (1977, 119–125) und Dillard (z. St., 228) darauf hingewiesen, dass die eigentliche Darstellung an Salomo orientiert ist. 529 Der Abschnitt 2Chr 28,27–29,3 ist aller Wahrscheinlichkeit nach von 4Q 118 rezipiert worden. Ob es sich dabei um ein Fragment einer Chronikrolle handelt, oder hier das Phänomen der rewritten bible zu beobachten vorliegt, ist in der Forschung umstritten. (Vgl. zur Diskussion Brooke 2007, 35–48) Unabhängig von den Schwierigkeiten der Einordnung dieses Fragments ist jedenfalls auffällig, dass der in der Geschichte Israels einmalige symbolische Vorgang an den Tempeltüren auf diese Weise Einzug auch in Qumran erhalten hat. Josephus, ant. IX 262 kennt diese Initiative Hiskias nicht. Er berichtet lediglich von dessen Beauftragung der Priester und Leviten, den Tempel zu öffnen. 530 Heckl (2015a, 75) hat an dieser Stelle scharf beobachtet, dass angelegentlich der chronistischen Einführung Hiskias die Unvergleichlichkeitsformel ( )לא־היה כמהוder Vorlage ausfällt. Diese angesichts des rühmlichen Regierungsantritts zunächst überraschende Tilgung bringt Heckl plausibel mit der narrativen Angleichung Hiskias und Josias in Verbindung. Ebenso wie aus 2Kön 18,5 wird die Unvergleichlichkeitsaussage auch aus 2Kön 23,25 getilgt. Über die Parallelisierung der beiden Könige hinaus konstatiert Heckl, dass damit auch eine Aufwertung Davids intendiert ist. Gleichermaßen sei damit die Parallelisierung Hiskias und Josias forciert worden. Auch die zuerst von Williamson (1977, 121–125) nachgewiesene Parallelisierung Salomos und Hiskias ist von dieser Tilgung her zu verstehen. 531 Dass es sich bei der Schließung des Tempels und dessen Öffnung an dieser Stelle um einen hochgradig symbolischen Vorgang handelt, zeigt bspw. 1Sam 3,15, woraus klar hervorgeht, dass der Verschluss des Tempels nicht per se ein Sakrileg darstellt. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang auch Mal 1,10, wo der Verschluss der Tempeltüren in Form der rhetorischen Frage geradezu die ultima ratio des Schutzes vor kultischer Verunreinigung darstellt. 532 Für eine tiefere Analyse von 2Chr 29 sei auf Steins (1995, 125–137) verwiesen. Wir kommen im Kapitel „Kult-Kalender“ drauf zurück. 533 Der Begriff, dessen Etymologie unsicher ist, gehört zum priesterlichen Vokabular und wird am häufigsten zur Bezeichnung von Menstruationsblut (vgl. Lev 12,2; 15,19; 18,19 u. ö.) verwendet. Vgl. Fabry 1986, 250–254. V.16 nimmt auf diesen Sachverhalt durch das Lexem טמאה Bezug.
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Der Geschichtsrückblick, darauf haben Kellermann und Steins534 bereits zutreffend hingewiesen, enthält nun bis V.16 einige Bezüge auf die Tora. Die erlöschende Leuchte (כבה נר, V.7) könnte auf Ex 27,20 f rekurrieren, wo die Institution der bis in die Gegenwart fortdauernden Tradition einer ewigen Leuchte ( )נר תמידbegründet wird. Für V.11 hat Steins überzeugend gezeigt, dass hier die levitischen Konzeptionen aus Dtn 10,8 und 18,5 synthetisiert werden. In V.24 wird erstmals im narrativen Teil der Chronik das Thema der Sühne ( )כפרaufgegriffen, das nur noch in 2Chr 30,18 wiederkehrt. Rendtorff zeigt an dieser Stelle die Abhängigkeit von Num 28 f auf: „The Chronicler’s […] remark lĕkappēr ʿal-kol-yiśrẚ̄ ēl is […] in accordance with the Priestly terminology. In Numbers 28–29, the formula lĕkappēr ʿalêkem is used several times and expresses the Priestly understanding of the ḥaṭṭẚ̄t as a means to kı̂ ppēr, whatever the exact meaning of this word might be- ‚atonement‘ or ‚purification‘, or whatever else.“535
Besondere Beachtung verdient jedoch nach den zuvor zusammengetragenen Indizien, die auf eine Stilisierung des Versagens Ahas’ unter Einfluss von Ex 32 schließen ließen, der in V.10 vorgetragene Herzenswunsch Hiskias: עתה עם־לבבי לכרות ברית ליהוה אלהי יׂשראל ויׁשב ממנו חרון אפו
Nun liegt es mir am Herzen einen Bund mit JHWH, dem Gott Israels, zu schließen und den flammenden Zorn von uns abzuwenden.
Im Hinblick auf Ahas vollzieht sich damit an dieser Stelle die auf den Bundesbruch antwortende Bundeserneuerung. Die Initiative des Bundesschlusses geht dabei ungewöhnlicherweise nicht von JHWH aus, sondern von Hiskia selbst. Anlass des Bundesschlusses ist die Abwendung des brennenden Gotteszorns ()חרון אפו. Es ist ganz erstaunlich, dass von dessen Entbrennen weder in 2Chr 29 noch in 2Chr 28 bisher die Rede war. Augenscheinlich ist hier genau wie durch die Wurzel פרעauf die Situation von Ex 32 angespielt (V.12). Dabei wird die Rolle der Leviten an der Seite des Mose durch die Leviten an der Seite Hiskias nachvollzogen. Ganz offenbar ist also das Kontrastverhältnis von 2Chr 28 f, obwohl die Rahmenhandlung grundverschieden ist, in Anlehnung an Ex 32–34 nach dem Schema Bundesbruch und Bundeserneuerung gestaltet worden.536 Nach dieser Lesart ist es keinesfalls zufällig, dass das Thema des konkreten Sühnevollzugs (כפר, 2Chr 29,24; 30,18) l
534 Kellermann 1988, 57; Steins 1995, 117. 535 Vgl. Rendtorff (1996, 264). Zur Problematik der in der Chronik vorausgesetzten Kult-Kalender s. u. „Kult-Kalender“. 536 Die Phraseologie des Bundesschlusses: ל+ ברית+ כרת, findet sich auffälliger Weise auch in Ex 23,32; 34,12.15; Dtn 7,2; Jos 9,6 f sowie Esr 3,10. Es besteht damit eine gewisse idiomatische Nähe zu der von Blum (1990, 365–377) identifizierten מלאך-Schicht. Der מלאךermahnt dort dazu, keinen Bund mit den Göttern des Landes zu schließen. Vor diesem Hintergrund ist die Übernahme der Syntax in Verbindung mit der Intentionsrichtung als Umkehrfunktion zu lesen: Der „Mensch“ der dort keinen Bund mit fremden Göttern schließen soll, will hier stattdessen einen Bund mit JHWH schließen.
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exklusiv in das Hiskia-Narrativ integriert wird, ohne dass es in der Vorlage schon enthalten wäre. An dieser Stelle kommt in der vorgeschlagenen Lesart der auf die Berufung der Leviten folgende Erzählzug aus Ex 32,30 zum Tragen.537 Wir setzten dieser Beobachtung noch einen Aspekt im Kapitel „Kultkalender“ hinzu.
4.8.3.2 Musikalische Reminiszenzen: Hiskia und die Instrumente Davids Mit Blick auf die direkte Tora-Rezeption sticht zunächst noch der Aspekt hervor, der besonders deutlich macht, auf welche Weise der Chronist kultische Innovationen einführt und diesen neben den Regelungen der Tora zu voller Geltung zu verhelfen sucht. Dabei geht es um die Musikinstrumente der Leviten. In 2Chr 29,25 wird davon erzählt, dass Hiskia die Leviten im Haus JHWHs Aufstellung nehmen lässt ( )ויעמד את־הלוים בית יהוהund diese mit ihren Musikinstrumenten: Zimbeln, Harfen und Zithern (מצלתים, נבל, )כנורdem Befehl folgen. Von der Formation wird nun gesagt, dass sie dem Gebot Davids ( )מצות דוידentspreche.538 Dabei wird das Gebot Davids weiterhin durch Gad, den Seher des Königs ( )גד חזה המלךund Nathan, den Propheten ()נתן הנביא, autorisiert, insofern damit ganz deutlich ist, dass das Gebot von JHWH selbst durch die Hand der Propheten übermittelt wurde ()כי ביד יהוה המצוה ביד הנביא539. Die Offenbarungskette JHWH → Prophet → David, die wir auch in 1Chr 21 beobachten, dient an dieser Stelle in ihrer die Erzählökonomie sprengenden Fülle der Darstellung lückenloser Sukzession der göttlichen Instruktionen zur Strukturierung des Kultes. An diesen Vorgang kann nun nahezu lakonisch angeschlossen werden, dass sich die Leviten mit den Instrumenten Davids und die Priester mit den Trompeten aufstellen: ויעמדו הלוים בכלי דויד והכהנים בחצצרות. V.26 zeigt resümierend, dass die soeben aufwändig eingeführten unterschiedlichen Musikinstrumente nun unter der Bezeichnung „Instrumente Davids“ firmieren. Gleichzeitig wird der Leser durch den erneuten und damit überinformativen Rekurs auf David auf das fehlende Herkunftsattribut der חצצרותaufmerksam. Es wird also als selbstverständlich vorausgesetzt, dass die Trompeten bereits von Mose im göttlichen Auftrag eingeführt wurden (vgl. Num 10), während die musikalische Innovation durch David erstens direkt auf 537 Der Vollzug des Sühnerituals in 2Chr 29,20–24, darauf hat Albertz (1997, 611, Anm. 28) hingewiesen, „orientiert sich am Sühnopfer (ḥaṭṭāt)-Ritual (Lev 4; 16,11 ff) des Versöhnungstages, auch wenn Zahl und Art der Opfertiere abweichen“. Vgl. jedoch auch Rendtorff 1996, 265. 538 Vgl. zu dieser Phrase auch 2Chr 8,14; 35,15; Neh 12,24.45. 539 Die Wendung ביד יהוהwird im Alten Testament nur acht Mal verwendet. Die Präposition ב ist an dieser Stelle nicht leicht zu deuten. Japhet (z. St. 927) hält den Text für korrupt und konjiziert mit Verweis auf 1Chr 28,19 מיד יהוה. Der Zusammenhang ist plausibel, da wir oben bereits gesehen hatten, dass die Übergabe des תבניתnach chronistischer Vorstellung mehr beinhaltet als einfach nur einen Bauplan. Insbesondere in 1Chr 28,13.21 ist deutlich geworden, dass das Personal ebenfalls Teil des Plans ist.
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Gott zurückgeführt und zweitens explizit als solche deklariert werden muss. Die Legitimierungsstrategie kultischer Innovationen ist damit produktionsästhetisch ein Assimilierungsversuch an die Figur des Mose. Dass dieser Umstand hier retrospektiv entfaltet wird, erfüllt dabei zugleich die Funktion eines literarischen Brückenschlags zwischen Hiskia und David.
4.8.4 Begriffsanalyse An die Erzählung des Neubeginns in Form der Wiedereröffnung des Tempels schließen die ersten kultischen Maßnahmen an: Hiskia veranlasst in 2Chr 30 ein Pessachfest, zu dem ganz Israel eingeladen wird. Literarkritische Erwägungen zu 2Chr 30: Die Einschätzung der Bedeutung des sog. „zweiten Pessach“ hängt in entscheidendem Maße von der literarkritischen Beurteilung des Kapitels ab. Das Kapitel weist eine Fülle von Spannungen auf: In V.3 substituiert das ePP der Form לעׂשתוden Ausdruck הפסחin V.2, der wiederum durch den bestimmten Artikel nach V.1 verweist, sodass eine feste Textur entsteht. Demgegenüber ist die logische Abfolge der Ereignisse diffus. Zunächst sendet Hiskia Läufer und Briefe aus, um zum Pessach nach Jerusalem einzuladen. Damit ist präsupponiert, dass mit dem Erzählten die Einladung bereits formuliert ist und ohne die Eingeladenen das Fest in Jerusalem nicht stattfinden kann. Beide Präsuppositionen werden nun in V.2 und V.3 so entfaltet, als seien sie noch nicht selbstverständlich. Daraus folgt, dass der Fokus in beiden Versen auf den Fakten liegen muss, die aus V.1 noch nicht hervorgehen. In V.2 liegt der Fokus auf dem Ratschluss des Königs mit seinen שריםund dem קהל, bei dem der Termin des Pessach-Festes auf den zweiten Monat ( )חדש שניverlegt wird. Den Grund für die Verlegung des Festtermins erfahren wir aus V.3, wo es heißt, dass sich die Priester nicht ausreichend geheiligt haben ()כי הכהנים לא־התקדשו למדי. Dabei wird wiederholt, was von V.1 schon längst deutlich ist, dass nämlich das Volk nicht in Jerusalem versammelt ist. V.4 weist anaphorisch mit בעיני המלך ובעיני כל־הקהלdurch explizite Wiederaufnahme auf die entsprechenden Gruppen in V.1 zurück. Dabei fällt auf, dass die שריםdes Königs nicht mehr erwähnt werden. V.5 bildet mit dem Ausruf von Beer-Sheba bis Dan eine alternative Angabe zu V.1, weil nun nicht mehr nach kollektiver Identität, sondern regional differenziert wird. Der Hinweis auf Einladung zum Pessach-Fest in V.5 ist eine Dublette zu V.1. Obwohl in V.1 dezidiert erzählt wird, dass Hiskia Briefe an Efraim und Manasse schreibt, werden in der expliziten Wiederaufnahme in V.6 die Briefe in ganz Israel und Juda verbreitet, ohne dass Ephraim und Manasse eigens noch einmal erwähnt würden. In V.10 scheint der Text den von V.1 her notwendigen, von V.6 jedoch offengehaltenen Erzählzug nachzuholen. Angezeigt wird dies durch die explizite Wiederaufnahme der הרצים. Dabei wird unvermittelt Sebulon eingeführt, der vorher noch nicht genannt worden war. Auf diese Weise wird wohl die Grenze des manassitischen Gebietes angezeigt und ausgedrückt, dass die Läufer in der Bewegung von Süden nach Norden wirklich ganz Manasse durchzogen haben. Durch den expliziten Rückbezug von V.10 auf V.1 wird
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die Episode der Umkehrbriefe (V.6–9) zu einem Erzählstück, das zwar in sich kohärent und mit V.6 durch den bestimmten Artikel der Form ָּב ִאּגְ רֹותin den Text eingebunden ist, jedoch mit keiner seiner Propositionen wieder aufgegriffen wird. Insbesondere die mehrfach anempfohlene Umkehr ( )ׁשובbleibt ohne Resonanz. Stattdessen greift V.11 das Verbum בואaus V.1 in Verbindung mit dem Motiv der Selbstdemütigung ( )כנעauf. Neben Sebulon wird in V.10 Asser ebenfalls unvermittelt eingeführt. Dahinter steckt dieselbe Erzählstrategie, wie sie auch in V.18 mit der Einführung Issachars noch einmal zu beobachten sein wird. Es geht darum, die drei an Ephraim angrenzenden und diesen Stamm im West-Jordanland gleichzeitig begrenzenden Stämme einzuführen, um anzuzeigen, dass die Läufer wirklich das ganze Stammesgebiet durchzogen haben. In V.13 ist genau wie in V.21 ganz unvermittelt nicht mehr vom פסח-Fest, sondern von מצותdie Rede. In V.15–19 wird dann wieder konsequent vom פסחgehandelt. In V.24 wird erzählt, dass sich Priester in großer Zahl heiligen. Diese Notiz konfligiert mit V.15 und ist vermutlich von der LXX ausgeglichen worden. In MT liegt eine Dublette vor. Problematisch ist vor allem die Unvergleichlichkeitsaussage in V.26. Sie stellt einen locus classicus der Chronikforschung dar. Hier heißt es: ותהי שמחה־גדולה בירושלם כי מימי שלמה בן־דויד מלך ישראל לא כזאת בירושלם. Zunächst fällt 2Chr 30,26 nicht weiter auf. Erst, wenn man von 2Chr 35,18 auf 2Chr 30,26 zurückblickt, stellt sich der Konflikt ein. Dort heißt es: ולא־נעשה פסח כמהו בישראל מימי שמואל הנביא וכל־מלכי ישראל לא־עשו כפסח אשר־ עשה יאשיהו והכהנים והלוים וכל־יהודה וישראל הנמצא ויושבי ירושלם. Während man also in 2Chr 30 noch der Meinung ist, dass es ein Fest unter Salomo gegeben habe, wird diese Auffassung in 2Chr 35 nicht nur auf einen früheren Termin korrigiert, sondern gleichzeitig scheinbar auch das hiskianische Pessachfest unterschlagen, was allen Anlass dazu gibt, die gesamte Feier als sekundär auszuscheiden.540 Problematisch ist auch V.27, da hier von den Priestern und Leviten541 gesagt wird, dass sie das Volk segnen. Damit liegt ein offener Widerspruch gegen Num 6,22–27 vor, wo die Aufgabe des Segnens dezidiert den Aaroniden zugewiesen wird. Im Rahmen der vorliegenden Analyse geht es nicht um eine vollständige Rekonstruktion des Kapitels, sondern um die Frage, ob das Pessach-Fest ursprünglich Teil der Erzählung war oder sekundär hinzugewachsen ist. In diesem Fall stünde zugleich die Frage im Raum, welchen Zweck die Ergänzung verfolgt hat. Das Kapitel ist in jüngerer Zeit umfassend analysiert worden: Bereits Haag542 hat eine wegweisende literarkritische Untersuchung durchgeführt, nach der dem Chronisten eine historisch zuverlässige Quelle vorgelegen habe, die von einem Mazzot-Fest Hiskias (V.1a.bα.6a*.13*.18c.26b.27) berichte. Für die Ursprünglichkeit der Quelle spreche der „‚unchronistische und altertümliche Sprachgebrauch“543. Die Quelle sei dann 540 Diese Sichtweise ist weit verbreitet. Sie ist, um einen frühen Vertreter dieser Auffassung zu nennen, schon von Rothstein (1923, 660) geäußert worden, der daraufhin 2Chr 30 ganz aus der chronistischen Grundschicht ausschneiden und Kap. 31 an Kap. 29 anschließen lassen wollte. Dabei hat er jedoch bereits eine weniger invasive Variante erwogen, die darauf zielt allein die Darstellung des Pessachfestes (VV.1 ab וגם־אגרותbis 5 sowie die Hinweise auf das Pessach in V.13–20) herauszulösen. 541 Vgl. meine textkritische Anmerkung zu V.27. 542 Haag 1973. 543 Ebd. 1973, 89.
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vom Chronisten überarbeitet worden. Dieser habe in V.1 die Briefe an Ephraim und Manasse hinzugefügt. In V.6–11 ergänzt er den Verweis auf das Scheitern der Läufer, in V.13 die Datierung in den zweiten Monat, ferner in V.18 f den Hinweis auf das vorschriftswidrige Essen des Pessach in V.18 sowie die Festfreude in V.21. Erst in einem zweiten Schritt seien dann die Überarbeitungen im Sinne des Pessach-Festes vorgenommen worden.544 Die Analyse ist von Steins modifiziert worden. Die Grundaufteilung von Mazzot und Pessach wird dabei von ihm übernommen. Er wendet jedoch ein, dass die PessachSchicht nicht als eigene Quelle, sondern nur als Bearbeitung verstanden werden kann, weshalb er der These Haags ein Fortschreibungsmodell entgegenstellt.545 Die Grundschicht bestehe aus den Versen 1a.bI.6a*.13*.18c.26b.27, die in mehreren Überarbeitungsprozessen sukzessive zur vorliegenden Erzählung ausgebaut wurde. Steins546 hat sich der grundsätzlichen Trennung von Pessach- und Mazzotfest angeschlossen, jedoch neben der Grundschicht vier weitere Schichten und zusätzlich punktuelle Ergänzungen herausgearbeitet. Damit kommt er zu folgendem Ergebnis: „Grundschicht: V.1a.6*(ohne )באגרות … ושריו.7–9.13a.14abβ.21a*.()והכהנים.22a*(ohne )הלוים.26 f Musiker-Torwächter-Schicht: V21b*.22a* Gemeinde-Schicht: V1b–5a.6*(… באגרות )ושריו.13b.15(ohne )והלוים.16 f.23–25Nordreich-Schicht: V.14bα Punktuelle Erweiterung: V15* ()והלוים.21b*(“)והכהנים547. Dyma548ist der Auffassung, dass mit 2Chr 30 grundsätzlich eine originär chronistische Episode vorliegt. Im Grundbestand (1a.bI.6a*–9.13aI. [ohne Mazzot].14abd. 18a*c.20.21a [ohne Mazzot].22*[ohne Leviten].26. 27)549 versammle sich das Volk nach einem Umkehrruf zu einem nicht weiter benannten siebentägigen Fest. Für sekundär hält Dyma Vv.1b.10–12.18a*,31,1d* sowie Vv.2–5.550 Intention der Ergänzungschicht sei laut Dyma eine besonders rigorose Durchsetzung der Reinheitsvorschriften. Allen literarkritischen Versuchen ist gemeinsam, dass sie die Verse, die das Fest zum Pessachfest (Vv.2–5) machen, als sekundär ausscheiden. Prüft man jedoch die Argumente, fällt auf, dass nur unzureichende Gründe genannt werden. Haag zeigt lediglich, dass der zweite Monat in V.2 nicht Teil der Beratungen in den Vv.2–5 sei551, Steins weist auf die unterschiedlichen Initiatoren hin. Während in V.1 allein der König die Initiative ergreife, kämen in V.2 die Oberen und die Gemeinde hinzu.552 Ferner weist er auf eine Akzentverschiebung hin. Während in V.1 von einem „Kommen nach Jerusalem“ die Rede sei, verschiebe sich der Akzent in V.5 auf die Pessachfeier.553 Da in V.5 jedoch an V.1b angeknüpft wird und Steins unerläutert lässt, warum 1b–5a als Ganzes sekundär sei, bleibt die Entscheidung zu bezweifeln. Im Übrigen auch auf Grund der Feststellung, l
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544 Ebd. 93 f. 545 Steins 1995, 143. Vgl. dazu auch Klein z. St., 430. 546 Steins 1995, 139–152. 547 Vgl. Steins 1995, 139–152, hier: 152. 548 Dyma 2009, 174. 549 Ebd. 550 Ebd. 174 f. 551 Haag 1973, 88. 552 Steins 1995, 144. 553 Ebd.
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dass V.2–5 V.1 bereits voraussetze.554 Gerade diesen Sachverhalt hat nämlich Beetnjes genau andersherum beurteilt. „Aangezien vs. 1 en vs. 6 wat de inhoud betreft onmiddelljk op elkaar aansluiten, moet het tussenliegende gedeelte (vss. 2–5) een flashback zijn.“555Mit anderen Worten: Auf der Erzählebene setzen V.1.6 den in den Versen 2–5 getroffenen Entschluss voraus. Beentjes weist zudem darauf hin, dass die Verse nicht nur einen festen Sitz in 2Chr 30 haben, sondern auch einen Zusammenhang mit 1Chr 13 konstituieren, wo sich in V.1 eine frappante Parallele findet. Diese stellt Beentjes folgendermaßen dar: „2 Kronieken 30
1 Kronieken 13
– ‚de koning beradslaagde‘ (vs. 2) – ‚zijn oversten‘ (vs. 2) – ‚de hele qāhal‘ (vs. 4) – ‚de zaak was oprecht in de ogen van de koning en in de ogen van heel de qāhal‘ (vs. 4)
– ‚David beraadslaagde‘ (vs. 1) – ‚de oversten‘ (vs. 1) – ‚de hele qāhal‘ (vs. 1) – ‚de zaak was oprecht In de ogen van heel her volk‘“556
Beentjes’ Beobachtung gibt, zumindest dann, wenn 1Chr 13,1 für ursprünglich gehalten wird, Anlass zu einer Revision der These, das Vv.2–5 sekundär seien. Anlass zu einer Revision gibt auch der Umstand, dass Dyma die Festlegung des Festes auf den zweiten Monat in V.13a zwar für ursprünglich hält, die Bezeichnung Mazzot jedoch nachgetragen sei. Der Hinweis auf 2Chr 7, wo das Laubhüttenfest begangen werde, ohne dass der Name fiele, verfängt deshalb nicht, weil in 2Chr 7 immerhin das Datum zum Fest passt. Mit anderen Worten: Welches Fest man in dieser Perikope auch für ursprünglich halten will, der zweite Monat ist in den Festkalendern Israels von Num 9 abgesehen nicht festgelegt. Auch Dymas Schichtung kommt daher nicht ohne die Einbeziehung der Verlegung des Termins aus, der wiederum untrennbar mit dem Pessach-Fest verbunden ist. Es besteht also Grund zu der Annahme, dass das Pessach-Fest, von dem in 2Chr 30 gehandelt wird, doch integraler Bestandteil der chronistischen Grunschicht ist. Rechnet man auch die Vv.2–5 zur Grundschicht erscheinen die Verse 15–17 ebenfalls nicht mehr spannungsvoll, sondern fügen sich harmonisch in die Perikope ein.
xi) 2Chr 30,16 (+) Die erste Bezugnahme auf die Tora im Rahmen des Hiskia-Narrativs findet sich im Kontext des hiskianischen Pessachfestes, von dem überhaupt nur in der Chronik die Rede ist und von dem wir gerade gesehen haben, dass es sich um eine originär chronistische Darstellung handelt. In V.15 beginnt, nachdem zuvor Festteilnehmer aus Norden und Süden eingeladen worden waren (V.1 f.5–13), die eigentliche Pessachzeremonie: 554 Ebd. 555 Beentjes z. St., 379. 556 Beentjes z. St., 380 f.
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Und man schlachtete das Passach am Vierzehnten des zweiten Monats. Die Priester und die Leviten557 aber schämten sich. Und sie heiligten sich und brachten Brand opfer in das Haus JHWHs. 16 Und die standen an ihrem Standort nach ihrer Vorschrift, nach dem Gesetz des Mose, des Mannes Gottes. Die Priester558 sprengten das Blut, aus der Hand der Leviten. 17 Denn es waren viele in der Versammlung, die sich nicht geheiligt hatten. Deshalb schlachteten die Leviten die Passachopfer für jeden, der nicht rein war, um sie JHWH zu heiligen. 15
Am 14. des zweiten Monats wird das Pessach geschlachtet ()שחט.559 Von den zelebrierenden Priestern und Leviten heißt es, dass sie sich schämen ( )כלםund sich heiligen (קדש, hitp.) und die Brandopfer zum Haus JHWHs bringen. In dem Zusammenhang wird eigens konstatiert, dass alle Zelebranten genau an ihrem jeweiligen Standort ()על־עמדם560 stehen ()עמד. Dabei wird die Legitimität eben dieses Sachverhalts unter Rückgriff auf die Tora der Standorte ausgewiesen: כמׁשפטם כתורת מׁשה איׁש־האלהים. Der Ausdruck כמׁשפטםsteht nicht nur durch die Vergleichspartikel, sondern auch durch das ePP in einer spezifischen Beziehung. Die Vergleichspartikel weist die formale Übereinstimmung der Standorte mit geltender Vorschrift aus. Durch das ePP wird dabei auf eine spezifische, d. h. für die Priester und Leviten geltende, Vorschrift hingewiesen.561 Der anschließende 557 Klein (z. St., 428) konjiziert mit Blick auf V.27 zu הכהנים הלוים. Die Textzeugen bieten dafür jedoch keinen Anlass. 558 Ein paar hebräische Handschriften, LXX und VUL bieten die Kopula vor כהנים, die in MT vermutlich ausgefallen ist. Das ist nicht unerheblich, da nicht ganz deutlich wird, worin die im Folgenden ausgewiesene Torakonformität eigentlich besteht. In dem Stehen an Ort und Stelle oder in dem Blutsprengritus. In den Varianten der LXX und der VUL wird jedoch deutlich, was auch der MT erahnen lässt, der Blutsprengritus fällt nicht in die Reichweite der Vergleichspartikel כ. 559 Signifikanter Weise wird hier im Anschluss an Ex 12,6.21 von ׁשחטund nicht von ( זבחvgl. Ex 23,18; Dtn 16,2.4–6) gesprochen. Gesundheit (2012, 28, Anm. 35) weist darauf hin, dass ׁשחטden typisch priesterlichen Terminus darstellt, der durchgängig in P, Ez, Chr und Esr verwendet werde. Den Wechsel von זבחzu ׁשחטzeichnet Gesundheit in der Aufnahme von 23,18 in dem korrespondierenden Vers Ex 34,25 nach: לא־תזבח על־חמץ דם־זבחי ← לא־תׁשחט על־חמץ דם־זבחי. Ein weiterer Zusammenhang mit Ex 12 besteht darin, dass 2Chr 30,16 dezidiert auf die Verwendung des Blutes zu sprechen kommt. Zwar wird das Bestreichen der Türpfosten durch den Blutsprengritus am Altar abgelöst, dennoch ist es auffällig, dass „[a]side from the original Pesaḥ laws of Exodus 12 (the reconstructed text in vv. *1–11, 22–27a, 28), the status of the Pesaḥ as an extra-temple sacrifice has not one biblical witness. Even the domestic blood rite, which constituted a central part of the Pesahḥ rite, did not pass into the corpus of laws regarding the post-exodus Pesahḥ anywhere else in the Bible.“ (Gesundheit 2012, 94). Insofern der Chronist direkt auf die Verwendung des Blutes des Pessachopfers zu sprechen kommt, knüpft er jedoch an die Besonderheit des Opferblutes des Pessachopfers an und verknüpft es mit der in Lev 1–9 beschriebenen Ritualistik. (Vgl. Lev 1,5.11; 3,2.8.13; 7,2.14; 8,19.24; 9,12.18; 17,6). 560 Vgl. 2Chr 35,10. 561 Gegenüber den Lemmata תורה, מצוהund חקist es für מׁשפטtypisch, dass dieses durch ein ePP der dritten Person spezifiziert wird. Vgl. Ex 26,30; Num 9,14; 29,6.33; 1Sam 27,11; 1Kön 5,8; 8,45.49; 18,28; 2Kön 17,34.40; 1Chr 6,17; 24,19; 2Chr 4,7; 6,35.39; 30,16; Prov 16,33; Jer 30,18; 49,12; Hab 1,7; Zef 2,3; 3,5. Dabei fällt syntaktisch auf, dass der Vergleich dem beschriebenen Sachverhalt jeweils nachgestellt ist. Fishbane (1985, 209 f) nennt dieses Phänomen „shorthand
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Hinweis auf die Tora des Mose zeigt an, wo diese vorausgehende Bestimmung zu suchen ist.562 Die größte Entsprechung ergibt sich für Num 3,6–8; Num 8,13. Dort wird nicht nur das Verhältnis von Aaroniden und Leviten konstruiert, sondern der Dienst beider Gruppen auch als Voreinander-Stehen ausgewiesen: הקרב את־מטה לוי ( והעמדת אתו לפני אהרן הכהן וׁשרתו אתNum 3,6). Das Profil dieses Bezuges schärft sich durch einen Blick auf 1Chr 6,16 f. Dort ist die Beauftragung der Leviten sowohl terminologisch als auch inhaltlich von der Tora abgetrennt. V.16 spricht von der Einsetzung (עמד, hif.) der Leviten durch David zur Leitung des Gesangs im Haus JHWHs. In V.16 wird sodann auf die Erfüllung dieser Einsetzung und den Dienstbeginn der Leviten durch כמשפטםzurückverwiesen. In diesem Zusammenhang ist auch von der Tora die Rede. Die komparative Lesart zeigt an, worin die Grundspannung der Chronik besteht: Die levitischen Aufgaben der Tora sind andere als die, die David während der Vorbereitung des Tempels festlegt. Die rezenten Aufgaben lassen sich dementsprechend vom Chronisten kaum durch einen Verweis auf die Tora legitimieren.563 Dass in V.16a nicht nur auf die Tora, sondern dezidiert auf die Tora des Mose, des Mannes Gottes ()כתורת מׁשה איׁש־האלהים, verwiesen wird, spielt in der Chronik die größte Rolle, da Mose und David über diesen Titel zu Figuren gleichen Ranges gemacht werden. Bezeichnenderweise ist sowohl in 2Chr 8,14 als auch in 2Chr 30,16 von der Einteilung der Leviten durch Gottesmänner die Rede. Damit gerät V.16b in den Blick: הכהנים זרקים את־הדם מיד הלוים. Anders als das Thema der levitischen Musikalität, das keinen expliziten Anhaltspunkt im Pentateuch hat564, wird der Blutsprengritus der Priester im Pentateuch zahlreich erwähnt.565 cross reference“ und meint damit einen Verweis auf zuvor spezifizierte Regelungen. Dabei hat Schniedewind (1999, 174) auf die Unterscheidung hingewiesen, die durch die Suffigierung mit ePP nötig wird. Während das ePP in Fällen wie Num 9,14 ein Antzedens anzeige, sei bspw. in Lev 5,10 nicht mit einem solchen zu rechnen. Dementsprechend ergäben sich für משפטmit und ohne ePP zwei Konnotationen dieses Lemmas: „the written law and the judgment made on the basis of an interpretation of the law. It can mean both a legal regulation and a social custom. “ (Ebd.). 562 An dieser Stelle schätzt Bae, die Schniedewind folgt, den Sachverhalt falsch ein, wenn sie mit einer Referenz auf 2Chr 29,34 rechnet. Die Fehleinschätzung geht darauf zurück, dass sie nicht 2Chr 30,16aα, sondern entgegen der typischen Synatx V.16b mit der Vergleichspartikel in Beziehung setzt und dabei deshalb den Tora-Bezug nicht spezifisch versteht. Dieser führt nämlich über עמדnach Num 3,6–8 und Num 8,13. (pace Shaver 1984, 164). 563 Die chronistische Verhältnisbestimmung zwischen Mose und David ist komplex. Einerseits geht David in den Spuren des Mose und wird zu diesem in ein Verhältnis der latenten Identität gesetzt, auf der anderen Weise entsteht jedoch durchaus eine Spannung zwischen beiden Figuren, insofern die David-Figur funktional zur Aktualisierung und Alternierung der Tora herangezogen wird. Explizit wird dies insbesondere in 1Chr 23,14; 2Chr 8,14 und 2Chr 30,16 wo sowohl Mose als auch David zu einem איׁש האלהיםstilisiert werden. 564 Vgl. bereits v. Rad 1930, 63. 565 Vgl. Ex 29,16.20; Lev 1,5.11; 3,2.8.13; 7,2.14; 8,19.24; 9,12.18; 17,6; Num 18,17.
4.8 תהרותim Kontext des Hiskia-Narrativs
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An dieser Stelle war für den Chronisten, der möglicherweise vor dem Hintergrund der zeitgenössischen Praxis die Leviten assistierend in diesen Vorgang integriert566, offenbar Anlass zu einer Aktualisierung gegeben, die er noch in Übereinstimmung mit den Vorgaben der Tora durchgeführt glaubte. Bezeichnenderweise weist der Chronist diese Praxis jedoch, wie die Textkritik ergeben hat, nicht explizit als torakonform aus, sondern suggeriert diese Lesart durch die Iuxtaposition.567 Dieser Eindruck, dass der unkonventionelle Blutsprengritus gerade nicht durch die Tora legitimiert wird, ergibt sich auch von 2Chr 35,11, wo sich das Ritual ebenfalls findet. Dort ist V.10 von der Einteilung der Priester und Leviten „nach dem Gebot des Königs“ die Rede ()כמצות המלך. Von Torakonformität ist in Verbindung mit dem Blutsprenritus auch dort nicht die Rede.
Exkurs: Zum פסח שׁני Einer der zentralen Aspekte der Torarezeption in 2Chr 30,1.13.15 ist die um einen Monat verschobene Feier des Pessachfestes. Talmon vertritt die Auffassung, dass sowohl Hiskias Pessach als auch Jerobeams Fest im achten Monat (1Kön 12,32–33) auf eine eigene Kalendertradition des Nordreiches hinweisen, die von der in Juda um einen Monat abwich.568 Talmon geht dabei soweit, für Samaria eine eigene Klimazone mit eigenem Vegetationszyklus anzunehmen.569 Im Grunde hält er damit 2Chr 30 für einen historischen Bericht. Unter Berufung auf die Forschungen Dalmanns und Feliks hat Chavel der These Talmons eine umfassende Absage erteilt und diesem bei der Interpretation der Texte verschiedene Kategorienfehler nachgewiesen: Talmon „confuses geography with topography, kingdoms with highlands and lowlands, atlas with almanac.“570 Inzwischen sind zudem auch zahlreiche Zweifel an der Historizität dieses Berichts aufgekommen, sodass die Forschung recht einheitlich von einer originären Abfassung des Chronisten ausgeht. Die wichtigsten Argumente lauten: a) Ein Problem entsteht bereits mit Blick auf die Frage der Überlieferung. Wie soll eine historische Information der Hiskia-Zeit, für die es keinen weiteren Anhaltspunkt außer dem in 2Chr 30 gibt, über einen Zeitraum von mind. 300 Jahren tradiert worden sein? b) In 2Kön 23 wird Hiskias Pessach nicht erwähnt. c) Auch Chavel, der sich speziell mit dem zweiten Pessach beschäftigt hat, hält die Darstellung in 2Chr 30 für eine Kreation des Chronisten.571 Die Phrasen ׁשלח עלund אגרת כתב עלseien nicht klassisch Hebräisch, sondern schon als LBH zu beurteilen.572 Daneben weise der archäologische Befund darauf hin, dass Sargon II den Norden durch Umsiedelungen massiv repopularisiert habe, 566 Vgl. Shaver 1984, 164. 567 Vollkommen zu Recht spricht Bae (2005, 132) deshalb an dieser Stelle von einer „Auslegung der Tora“. 568 Talmon 1958, 48–74. 569 Vgl. dazu Wagenaar 2005. 570 Chavel 2009, 4. 571 Chavel 2009, 2. 572 Chavel 2009, 5. Zur Herkunft des Lexems אגרתvgl. Hurvitz 2014, 25–27.
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sodass eine Einladung der wenigen verblieben Israeliten in den Süden einen Affront gegen die assyrische Hegemonie dargestellt hätte.573 Für weitere Erwägungen sei auf Bae und Dyma verwiesen. Mit der These einer genuin chronistischen Literaturproduktion stellt sich die Frage, ob sich das „Zweite Pessach“ sonst irgendwo in der jüdischen Literatur des 3. Jh. fassen lässt. Im Folgenden sollen daher im literaturhistorischen Querschnitt relevante Texte eingeblendet werden, die ebenfalls Hinweise auf den Anlass zur Verlegung des Festes bieten und die Herkunft dieser Tradition verstehen helfen. b) Das zweite Pessach in Num 9 Eine Tora für das פסח ׁשניfindet sich in Num 9.574 Diesen Text hat jüngst Chavel gründlich untersucht. Der einschlägige Text575 wird in der Gliederung geboten, wie Chavel sie im formgeschichtlichen Vergleich mit Lev 24,10–23; Num 15,32–36 und Num 27,1–11 überzeugend entwickelt hat. Die von Chavel gefundenen Oberbegriffe werden hier ins Deutsche übertragen und bieten den englischen Begriff jeweils in einer Anmerkung. I Situation576
1 Und JHWH redete zu Mose in der Wüste Sinai im zweiten Jahr des Auszugs aus dem Land Ägypten im ersten Monat: 2 Die Israeliten sollen das Pessach zur festgesetzten Zeit halten. 3 Am vierzehnten Tag dieses Monats in der Abenddämmerung sollt ihr es halten zu seiner Zeit. Nach all seinen Ordnungen und all seinen Satzungen sollt ihr es halten. 4 Da redet Mose zu den Israeliten, dass sie das Pessach halten sollten. 5 Und sie hielten das Pessach im ersten Monat, am vierzehnten Tag des Monats in der Abenddämmerung in der Wüste Sinai gemäß allem, was JHWH Mose geboten hatte. So machten es die Israeliten.
II Problemstellung577
6 Es gab aber Männer, die sich an einem Toten verunreinigt hatten und das Pessach nicht an jenem Tag halten konnte.
III Problemlösungsansatz578
Und sie traten an jenem Tag vor Mose und vor Aaron.579
573 Chavel 2009, 5. Die These einer massenhaften Umsiedlung der Nordreichsstämme sowie der Topos der Ten Lost Tribes ist jedoch jüngst von Knoppers einer umfänglichen Revision unterzogen worden. Knoppers ist der Auffassung, dass die assyrischen Maßnahmen in diesem Bereich weniger umfassend waren, als es bspw. der Geschichtsmythos in 2Kön 17 zu vermitteln sucht und führt dabei insbesondere auch die Chronik an, die kein Pendant zu dem in 2Kön 17 propagierten Mythos beinhaltet (vgl. Knoppers 2013,18–44). 574 Überhaupt findet sich im Alten Testament nur noch hier ein um einen Monat verschobenes Pessachfest. 575 Der Text ist auch in 4QLev-Numa, frg. 53–54 belegt und stimmt – soweit lesbar – bis auf eine Abweichung mit MT überein. 576 Orig. „Setting“. 577 Orig. „Problem“. 578 Orig. „Approach“. 579 Ganz offenbar handelt es sich also nur um einen Ausschluss von der Festgemeinde, da das Aufsuchen Moses und Aarons betont auf genau denselben Tag ()ביום ההוא, nämlich den Festtag fällt. Das Nachholen des Festes liegt also in den Personen und nicht etwa den äußeren Umständen begründet.
4.8 תהרותim Kontext des Hiskia-Narrativs
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IV Behauptung580
7 Da diese Männer sagten zu ihm: „Wir sind unrein an einem Menschen geworden. Warum sind wir davon ausgeschlossen, die Opfergabe JHWHs zur festgesetzten Zeit in der Mitte581 der Israeliten darzubringen?
V Orakelbefragung582
8 Da sprach Mose zu ihnen583: Bleibt hier stehen! Ich will hören, was JHWH euch befiehlt. 9 Da redete JHWH zu Mose:
VI Gesetzesrecht584
10 Rede zu den Israeliten: Wenn irgendjemand an einem Leichnam unrein geworden ist, oder sich auf einer weiten Reise befindet, sei es bei euch, sei es bei künftigen Generationen und er will ein Pessach für JHWH halten, 11 Im zweiten Monat, am vierzehnte Tag während der Abenddämmerung soll man es halten. Zu ungesäuerten Broten und Bitterkräutern soll man es essen. 12 Man soll nichts davon bis zum Morgen übrig lassen und soll keinen Knochen zerbrechen. Nach der ganzen Pessachordnung soll man es halten. 13 Wer aber rein ist, und sich nicht auf der Reise befindet und es unterlässt, das Pessach zu halten, der soll getilgt werden aus seinem Volk. Denn er hat die Opfergabe JHWHs nicht zur festgesetzten Zeit dargebracht. Jener Mann muss seine Sünde tragen. 14 Wenn sich aber ein Schutzbürger bei euch aufhält, und JHWH Pessach halten will, dann soll er es nach der Ordnung des Pessach und nach seiner Satzung halten. Eine Ordnung gibt es für euch und für den Schutzbürger und für den Einheimischen des Landes.
580 Orig. „Claim“. 581 Bei der Mitte der Israeliten ( )בתוך בני ישראלhandelt es sich nicht um ein Prädikativum zur 1. Ps. Com. Pl., sondern um ein Adverbial zu הקריב. Das Darbringen des קרבן יהוה, so muss man dieser Stelle entnehmen, findet in der Mitte der Gemeinde Israels statt. Diese idelle Mitte bewohnt nach Ex 29,45 JHWH selbst. Nach der Lagerordnung des Numeribuches wird diese Mitte dann den Leviten zugewiesen in deren Mitte wiederum – ähnlich dem Schnitt des Apelles – die Priester den Tempeldienst verrichten. Wenn also an dieser Stelle die Mitte betont wird, ist die Rede vom Zentralheiligtum, an dem die Opfer JHWHs dargebracht werden. Offenbar ist dabei die Grenze sehr fein gezogen, da die verunreinigten Männer sich aus der Mitte noch das göttliche Orakel durch Mose und Aaron abholen dürfen, jedoch keinen Zugang zum Opferkult haben. 582 Orig. „Oracular Inquiry“. 583 Auffällig ist, dass die Betroffenen vor Mose und vor Aaron treten, was durch Wiederholung der Präposition לפניeigens ausgewiesen wird. Es ist jedoch allein Mose, der auf das vorgebrachte Anliegen antwortet. Ein ähnlicher Fall liegt in Num 27,2 vor, einem Text, der eine ähnliche Prozedur der Rechtsfindung beschreibt. Die Töchter Zelofchads treten vor Mose und vor Elasar, den Priester außerdem noch die Fürsten und die ganze Gemeinde (V.2). Sie bringen ihr Anliegen vor (V.3 f) und schon von ihrer Forderung ( תנה־לנו אחזהV.4) her wird deutlich, dass sie sich nur an eine Person (2Sg. mas.) wenden. Von V.5 her wird der Adressat dann als Mose identifiziert. Dessen ebenfalls eingeführte Entourage bleibt demgegenüber vollkommen funktionslos. In Lev 24,10–23 und Num 15,32–36 sind die Fälle anders gelagert. Hier ist es allein Mose, der den Rechtsfall durch Einholung eines Gottesurteils zu entscheiden hat. 584 Orig. „Statutory Law“.
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Auffällig an Num 9 ist ganz grundsätzlich, dass es außer 2Chr 30 überhaupt keine Situation in der Hebräischen Bibel gibt, für die diese Regelung verfasst worden sein könnte. Allein durch diesen Umstand drängt sich der Verdacht auf, dass sich 2Chr 30 im Sinne einer Begehung des Festes in irgendeiner Form auf Num 9 beziehen könnte. Dazu kommt, dass offenbar gerade aus diesem sehr späten Bereich Num 7,1–10,10585 einige Motive nur in der Chronik erfüllt werden. Dies gilt für das „zweite Pessach“ wie für die Einweihung des Altars (חנכת מיזבח, vgl. Num 7,10–11.84.88; 2Chr 7,9) und auch für die Herstellung der ( חצצרהvgl. Num 10,1–10; 1Chr 13,8; 15,24.28; 16,6.42; 2Chr 5,12–13; 13,12.14; 15,14; 20,28; 23,13; 29,26–28). Während in den Vv.1–5 zunächst der reguläre Ablauf des Pessachfestes beschrieben wird, beginnt die eigentliche Begründung der Verschiebung des Festes um einen Monat in V.6. Die Phrase נפׁש אדםist genuin priesterlich (Gen 9,5; Lev 24,17; Num 9,6–7*2; 19, 11.13; 31,35.40.46; 1Chr 5,21; Ez 27,13). Die Parallelen zeigen, dass die Benennungmotivation nicht notwenigerweise nur auf einen Toten zielt. Nihan bspw. hat hervorgeheben, dass Lev 24,14 eine Reformulierung von Ex 21,12 unter Aufnahme von Gen 9,5 f darstellt und insofern eine Verbindung des Mordverbots mit dem Talionsprinzip darstellt. Vor diesem kausalen Hintergrund referiert נפׁש אדםdann dezidiert auf den Schutz eines Lebendigen.586 Anders liegt der Fall in Num 19,11, wo festgehalten ist, dass derjenige sieben Tage unrein ist, der einen toten Menschen ( )הנגע במת לכל־נפש אדםberührt. Dazu kommt, dass in Num 6,6 von נפש מתdie Rede ist, wenn es darum geht, wovon sich der Naziräer fernzuhalten habe. In Hag 2,11–13 (insb. V.13) steht ebenfalls das Problem der Berührung im Vordergrund, wobei zwischen V.12 und 13 die Antithetik von heilig ()קדש und unrein ( )טמאdas zentrale Thema ist. Von dort ergibt sich mit Blick auf Num 9,6.7.10 also, dass die Berührung eines Toten und nicht die Verursachung eines Todesfalls den Hintergrund des Ausschlusses vom Pessachfest bildet. Wenn in der Ableitung der Regel in V.10 die נפׁש אדםzu נפׁשverkürzt wird, stimmt der Duktus in seiner universellen Perspektive mit Hag 2,13 überein, wo ebenfalls nur von נפׁשdie Rede ist.
Dazu will sich jedoch der zweite Fest-Vorbehalt, auf einer weiten Reise ()ברדך רחקה zu sein (V.10), nicht recht fügen. Da das Problem der weiten Reise in V.6 f gar nicht bestand, wird erwogen, dass dieser Umstand sekundär nachgetragen wurde. Die Wendung, die von der LXX auch in Num 9,13 (ἐν ὁδῷ μακρᾷ) eingetragen wird, findet sich nur noch in Prov 7,19 ( )בדרך מרחוקund zielt dort auf die vorübergehende, wenngleich definitive Abwesenheit eines Mannes von seinem Haus, die den Ehebruch seiner Frau ermöglicht. Insofern ganz offenbar kein dauerhafter Aufenthalt in der Ferne angestrebt ist, trifft die Übersetzung ‚weite Reise‘ – gegen Chavel, der einen Fall dauerhafter Abwesenheit „permanently out of reasonable 585 Achenbach (2003, 529) ordnet diesen Textbereich der letzten Bearbeitungsphase (ThBIII) des Pentateuchs zu und stellt bereits die auffällige Nähe der Texte zur Chronik fest. 586 Nihan 2007, 571.
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range of the temple“587, annimmt – sehr gut zu. Damit wäre eine (nachträgliche) Verbindung zu 2Chr 30 nicht mehr angezeigt, insofern hier nicht erkennbar ist, dass das Volk nur vorübergehend abwesend wäre. Möglich ist demgegenüber aber auch, dass בדרך רחקהeine Stichwortassoziation zu Dtn 14,24 bietet, wo eine phraseologische und situative Übereinstimmung vorliegt. Dtn 14,24 formuliert ein Antezedens mit Blick auf den Umstand, dass irgendjemand von seinem Weg zum Heiligtum abgehalten wird: וכי־ירבה ממך הדרך כי לא תוכל שאתֹו כי־ירחק ממך המקום אשר יבחר יהוה אלהיך לשום שמו שם. Was hier auf Satzlänge über die Entfernung vom Heiligtum gesagt wird, ist möglicherweise durch die prominenten Stichwörter דרך und רחקin Num 9 wieder aufgegriffen worden. Diese Beobachtung macht auch Fishbane588, der darin ein Verfahren rabbinischer Exegese, Analogien durch linguistische Ähnlichkeit zu bilden (gězerāh šāwāh), antizipiert sieht.589 Während es dabei in Num 9 vorrangig um die Frage von Reinheit und Unreinheit geht, liegt der Fokus in Dtn 14,22–29 auf der Darbringung des Zehnten. Das Essen von bitteren Kräutern in V.11 setzt offenbar Ex 12,8 bereits voraus. Chavel hält Num 9 für uneinheitlich und 11b–12 für sekundäre von Ex 12,8–10 abhängige Elemente. Num 9 sei demnach älter als Ex 12 und habe zunächst nur eine Verlegung des Pessach-Termins im Blick, bevor sekundär auch der M azzotTermin verlegt worden sei.590 Auch wenn man der Ausscheidung nicht zustimmt, zeigt sich hier eine auffällige Übereinstimmung mit 2Chr 30,2.13.15, wo offenbar die Verschiebung sowohl von Pessach als auch von Mazzot vorausgesetzt wird. Das spricht nicht nur für einen Einfluss von Num 9, sondern auch für eine Rezeption in der vorliegenden Form. Der einzige Kontext, in dem die Verschiebung des Pessachtermins sich um einen und zwar genau einen Monat ergibt, ist 2Chr 30. Dass es hier um dasselbe Fest und denselben Termin geht, liegt auf der Hand. In der Forschung besteht jedoch die offene Frage, ob zwischen beiden Texten ein Zusammenhang besteht, oder man eher nicht mit einem Zusammenhang rechnen kann.591 Chavel stellt fest, dass die Regelung in Num 9,1–14 einzigartig in der Hebräischen Bibel und s.E. sogar einzigartig „in the ancient Near East and beyond“592 ist. Chavel weist weiterhin darauf hin, dass sich mit Blick auf Ex 12,1–24 – einem Text, den er „the primary text instituting the Passover“593 nennt – eine ironische Lesart einstellt, insofern an dieser Stelle nicht nur das Pessachfest begründet, sondern auch ein neuer Kalender ins Spiel gebracht wird: החדש הזה לכם ראש חדשים ראשון הוא לכם לחדשי השנה׃. Mit der nachexilischen Verlegung des Jahresbeginns vom Herbst in den Frühling ist fortan verbunden, 587 Chavel 2009, 15. 588 Fishbane 1985, 157, Anm. 405. 589 Vgl. zur Logik der Rabbinen Stemberger 42008, 57. 590 Chavel 2009, 7, Anm. 25. 591 Vgl. Japhet z. St. 592 Chavel 2009, 1–24, hier: 2. 593 Ebd. Da Chavel auf eine literarturgeschichtliche Rekonstruktion der einschlägigen פסחTexte verzichtet, gelten seine Beobachtungen nur für die synchrone Ebene. Auf eine Schichtung von Ex 12 verzichtet Chavel völlig.
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dass Pessach das erste Fest des Jahres darstellt und im ersten Monat des Jahres begangen wird. Eine Verlegung des Pessach-Festes in den zweiten Monat berge nun die Ironie, so Chavel, dass damit auch der Jahresbeginn in den zweiten Monat verlegt wird. Die Komplementarität, wie man die narrative Konstruktion nennen könnte, gewinnt an Kontur, wenn man Num 9,1 f vor dem Hintergrund Ex 12,2–3 liest. Chavel macht deutlich, dass es sich dabei neben der Tatsache, dass zwischen beiden Texten genau ein Jahr liegt, um einen parallel konstruierten Anfang handelt, wobei die Parallelität zwar erkennbar, aber nicht vollumfänglich ist: אל־כל־עדת ישראל לאמר… ויקחו לאמר ויעשו
דברו
וידבר יהוה אל־משה
Ex 12,3 Num 9,1–2
Dennoch ist gut zu erkennen, dass offenbar Num 9,1–2 nicht einfach ein Nachtrag, sondern passgenau auf Ex 12 zugeschnitten ist. Dabei weise das Problem der Verunreinigung, das in Num 9 die Ursache für die Verlegung des Termins darstellt, deutliche Ähnlichkeit zu Lev 24,10–23; Num 15,32–36 sowie 27,1–11 auf.594 Chavel hält nun Num 9 und 2Chr 30 für zwei voneinander vollkommen unabhängige Texte, die nicht einmal auf dasselbe Phänomen hinwiesen.595 Während Num 9 bspw. einen Einzelfall im Auge habe, ziele 2Chr 30 auf ein Kollektiv. Ein häufig wiederkehrendes Argument für die Unverbundenheit von Num 9 und 2Chr 30 sei die fehlende Bezugnahme des Chroniktextes auf seine unterstellte Vorlage. Dagegen ist zu sagen, dass bei aller Plausibilität, die ein argumentum e silentio bisweilen für sich hat, dieser Argumenttypus für die gesamte Chronik im Hinblick auf Nicht-Referenz auf die Tora verworfen werden muss. Ganz im Gegenteil zeigt sich eher eine fortwährende Aufnahme von und Ausrichtung an den Texten des Pentateuchs, ohne direkte Bezugnahme. Gerade da, wo der Chronist dann auf die Tora oder Mose Bezug nimmt, ist es umso auffälliger, dass er es nicht im Hinblick auf eine bestimmte Regelung, sondern eher pauschal tut. Ein Paradebeispiel dafür ist 1Chr 21, wo kein einziges Mal direkt auf die Tora Bezug genommen wird.596 Chavel spielt dabei an dieser Stelle auch die demokratische Tendenz des Chronisten gegen einen Einfluss der Tora aus: „Hezekiah defers the Passover not on the basis of any law or tradition, but solely and explicitly through human deliberation and consultation capped by his own royal decree.“597 Dagegen ist jedoch einzuwenden, dass zwischen dem Willen des Volkes und dessen Tora-Gehorsam in der Chronik kein kon 594 Umfassend hat diese vier Texte Chavel in seiner Dissertationsschrift: „Oracular Law and Priestly Historiography in the Torah.“ (Ders. 2014) untersucht und im Hinblick auf ihr literarisches Setting und ihren legislativen Anspruch verglichen. Vgl. zu Num 9 ebd. 93–164; vgl. auch Chavel 2009. 3. Dabei knüpft er an frühere Analysen Fishbanes an. Chavels Auffassung nach handelt es sich bei diesen Texten um ein Phänomen der Integration von Tora und Prophetie: „prophecy and law together in the form of legal oracle.“ (2014, 3). 595 Chavel 2009, 6. 596 Eine Ausnahme bildet höchstens 1Chr 21,29 wo von dem mosaischen Wüstenheiligtum die Rede ist. Auch wenn dieser Vers nicht, wie zu vermuten ist, sekundären Charakter hat, verweist die (unpräzise) Notiz, Mose selbst habe das Wüstenheiligtum angefertigt, gerade nicht auf die relevanten Texte des Pentateuchs, die den narratologischen Horiztont des chronistischen Narrativs stiften. 597 Chavel 2009, 7.
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tradiktorischer Widerspruch besteht, der diese Schlussfolgerung rechtfertigen würde. Ganz im Gegenteil zeigt sich bspw. im chronisitschen Lade-Narrativ (1Chr 13–16), wo das Motiv der Beratung ( )יעץzwischen Volk und König das erste Mal erscheint, dass die vom König und den Vertretern des Volkes durchgeführte Aktion sehr deutlich mit den Regeln der Tora konform ist und dass das Volk will, was es muss. Chavel will Num 9 und 2Chr 30 ferner dadurch auseinanderhalten, dass in Num 9 die Teilnahme auf Grund einer Verunreinigung unmöglich ist, in 2Chr 30,3 aber nur davon die Rede sei, dass „[t]he priests were not prevented by ‚impurity‘ but rather unmotivated to ‚sanctify themselves‘“598. Unreinheit – so Chavel – habe in 2Chr 30 niemanden davon abgehalten, am Pessach teilzunehmen. Auch dieser Differenzierungsversuch scheitert. Schon die Herleitung des hebräischen Etymons קדשvon dem akkadischen qādāšu599 weist auf „rein werden, sein“600 und zudem auf den kultischen Kontext. Chavel will auch im Hinblick auf das Fehlen der כרת-Formel (vgl. Num 9,13) 2Chr 30 von Num 9 abrücken. Ebenso verfängt dieses Argument nicht. Zum einen wird die כרת-Formel in der Chronik überhaupt nicht verwendet, weil kaum legislatives Material vorliegt und sich damit kein Sitz im Buch anbietet und zum anderen trägt ein argumentum e silentio an dieser Stelle wenig aus, da der narrative Rahmen nicht auf die Regelung des פסח ׁשני, sondern auf dessen Umsetzung zielt. Im Hinblick auf den Zeitpunkt des Festes bieten nun Num 9 und 2Chr 30 eine auffällige Parallele: ולא־יכלו לעשת־הפסח ביום ההוא
Num 9,6
בעת ההיא
2Chr 30,3
לא יכלו לעשתו
Die offensichtliche Übereinstimmung hält Chavel nun ausgerechnet für eine Ausnahme von der Regel, insofern in Num 9,6 diejenigen im Blick seien, die selbst nicht in Jerusalem seien, wohingegen in 2Chr 30,3 die Gruppe gemeint sei, die schon in Jerusalem sei, das Fest jedoch nicht begehen könne, weil der Großteil des Volkes sich noch nicht in Jerusalem versammelt habe ()והעם לא־נאספו לירושלם. Diese Argumentation ist jedoch zu vordergründig und lässt die narrative Struktur und mithin die Frage, warum sich das Volk nicht in Jerusalem versammelt hatte, oder besser: Warum überhaupt erzählt wird, dass sich das Volk nicht in Jerusalem versammelt hatte, vollkommen außer Acht. Dass die Narration an dieser Stelle nämlich auf das abwesende Volk hinweist, zeigt doch überhaupt erst, dass mit dessen Anwesenheit zu rechnen gewesen wäre. Einzusetzen ist daher bei 2Chr 28,24, wo es heißt, dass Ahas die Türen des Hauses JHWHs verschlossen hat, was bedeutet, dass der Tempelkult zum Erliegen gekommen ist. Mit der Regierungsübernahme Hiskias in 2Chr 29,1 wird dann kontrastierend erzählt, dass dieser die Tempeltüren wieder öffnet, sie verstärkt ( )חזקund so den Tempelkult restituiert. Nimmt man das alles zusammen, kristallisiert sich die Komplementarität beider Narrative an den Topoi der Unreinheit des sowie der Ferne vom Heiligtum601 heraus. In 598 Chavel 2009, 7 f. 599 Vgl. Ges18 1150; ThWAT VI, 1182. 600 AHW II, 891. 601 Vgl. Fishbane (1985, 156): „impurity and distance“. Fishbane hebt außerdem hervor, dass „in both cases the ruling applies to the stranger as well as to the native.“ Daneben hebt
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4. תהרותin der Chronik
Num 9 geht es darum, dass der Unreine sich vom Heiligtum so lange fernhalten muss, bis er wieder rein ist. Auf die Reintegration in die Gemeinschaft hin ist Num 19 konzipiert, das eine enge Verbindung zu Num 9 zeigt. Erst der Gereinigte hat wieder Zugang zum Heiligtum und darf dieses einen Monat später wieder betreten und das Pessach-Fest nachholen. Der Rolle des Einzelnen in Num 9 entspricht nicht die Rolle des Volkes in 2Chr 30, sondern die Rolle des Tempels in 2Chr 28 f. Es ist nicht der Einzelne, sondern das ganze Volk, dass nicht Pessach feiern kann, und zwar nicht weil das Volk, sondern weil der Tempel selbst unrein ist.602 Die Unreinheit des Tempels, die gleich auf zwei Weisen ausgedrückt wird, spielt dabei nur in 2Chr 29 eine Rolle. Achenbach beschreibt Num 9 als Antizipation des Midrasch, insofern er den „exemplarische[n] Fall eines Idealkonfliktes zwischen Festtora und Reinheitstora be handelt“603. Achenbach hat ferner gezeigt, dass Num 9 zu den spätesten Texten des Numeribuches überhaupt gehört und in einen Kontext mit Num 7 gehört. Während in der von ihm beschriebenen ThB II die Todessanktion nur für die Missachtung des Sabbats eingeführt worden war, gehöre demgegenüber die כרת-Regelung in Num 9,13 einer späteren Entwicklung (ThB III) an, die die Todessanktion weiter ausdehne. Insofern spiegele der Text also „den gewachsenen Einfluss der hierokratischen Kräfte wider, die es ermöglichten, eine Durchsetzung des Wallfahrtsfestes im gesamten jüdischen Volk in der Tora zu fordern und dies für alle Zeiten festzuschreiben.“604 Die Maßgabe für die Regelung des zweiten Pessachfestes in Num 9 sei dabei in Num 5,1–4 zu suchen, wo es um die Reinhaltung des Lagers gehe.605
Festzuhalten bleibt, dass bei aller Unsicherheit letztlich der vehemente Widerspruch Chavels gegen einen Zusammenhang von Num 9 und 2Chr 30 nicht zu halten ist. Gerade die kontextuelle Ähnlichkeit, die in beiden Texten eine Regelung für den Umgang mit Verunreinigung nötig macht, sowie auch die wörtliche Übereinstimmung von Num 9,6 und 2Chr 30,3 bleiben entscheidende Indizien, um 2Chr 30 von Num 9 her zu lesen. Auch der Umstand, dass Num 9 ohne 2Chr 30 faktisch eine Regelung ohne Durchführung bleibt, macht den Zusammenhang er jedoch auch zwei Unterschiede hervor. (a) Während Num 9 auf ein Laienritual an einem Lokalheiligtum ziele, habe 2Chr 30 priesterliches Personal und das Zentralheiligtum im Blick. (b) Während Num 9 die Verunreinigung durch die Berührung Toter einführe, gehe es in 2Chr 30 um die Verunreinigung durch unreine Kult-Objekte. (vgl. Ebd.). Fishbane zeigt dabei, dass die erste Abweichung die zweite bedingt. Mittels der exegetischen Übertragung von Num 9 durch den Chronisten gerät statt des Einzelnen das gesamte Volk in den Blick. Für diese spiele der Sachverhalt einer umfassenden Verunreinigung durch Tote keine Rolle. Vielmehr stehe hier die umfassende Verunreinigung durch unreine Kult-Objekte im Vordergrund. 602 Fishbane (1985, 154) sieht diese Verunreinigung „due to the people’s contact with non-YHWHistic cult objects“ gegeben. 603 Achenbach 2003, 548. Achenbach weist deshalb – gegen Kellermann – zu Recht daraufhin, dass deshalb V.6 f von V.10–12 formkritisch unterschieden, nicht aber literarkritisch geschieden werden dürfe. Auch Fishbanes Beobachtung ähnlich gelagerter Ad-hoc-Fälle (s. o.) in Lev 24,10–23; Num 15,32–36 weist in diese Richtung. 604 Achenbach 2003, 547. 605 Achenbach 2003, 547.
4.8 תהרותim Kontext des Hiskia-Narrativs
221
weiter plausibel. Zwar ist dies kein notwendiges Argument, jedoch wird sich auch weiterhin zeigen, dass insbesondere im Bereich der ThB III mit Fortsetzungen in der Chronik zu rechnen ist. Es ergibt sich damit der Sachverhalt, dass es sich bei 2Chr 30 um einen Anwendungsfall von Num 9 handelt. Die ehemals „Fernen“ pilgern nach Jerusalem zu einem ersten großen Pessach nach dem Fall des Nordreiches. Das zweite Pessach in Elephantine: In Elephantine wird kein פסח ׁשניo. ä. erwähnt. Dennoch wird erwogen, ob möglicherweise ein Zusammenhang zwischen dem sog. Passover Letter (TAD A4.1)606 und Num 9 besteht. Der Brief datiert etwa auf 419/418 v. Chr. Absender ist ein Hananiah, Sohn des […] und Empfänger ein Jedaniah und das jüdische Heer607.608 Der Hintergrund für die Abfassung des Briefes liegt im Dunkeln. Das Hauptanliegen des Briefes ist die Feier des Pessachfestes zum rechten Zeitpunkt: Beginn ist die Nacht vom 14. auf den 15. Nisan und Endes des Festes ist am 21. Nisan. Damit wird an dieser Stelle möglicherweise die עצרתnoch nicht vorausgesetzt. Ein Zusammenhang mit Num 9; 2Chr 30 sowie auch Esr 6,19 ff bestehe nun laut Porten im Hinblick auf die Wendung in Z.10: טהרים היו והיזהרו. Möglicherweise ziele die Phrase „to the purity of those slaughtering the paschal animal and partaking of the paschal meal“609. Eine andere Lesart bestünde darin, dass es hier um die Reinheit am ersten und letzten Tag des Festes gehe.610 Nihan hebt hervor, dass aus der Datierung des Pessach- / Mazzot-Festes hervorgehe, dass der Kalender aus Lev 23 „had become the official calender of the Second Temple community in Jersalem“611. Zwar lasse sich die Frage der literarischen Abhängigkeit nicht mehr klären, wesentlich sei aber, dass sich durch den Brief der Eindruck egäbe, „that towards the end of the fifth century bce, the priestly class in Jerusalem had been entrusted by the emperial administration with the codification of some cultic traditions, such as the celebration of festivals“612. Nihan geht zwar nicht soweit anzunehmen, dass es eine persische Reichsauthorisation der Tora gegeben habe, hält aber dennoch fest, dass „the Passover papyrus is a clear sign that the scribal attempt to unify the ritual practice of the Judean ethnos were favorably regarded by the administration, if not openly encouraged“613, Dass überhaupt die Reinheit am Pessachfest eine Rolle spielt, ist das 606 Zur Edition siehe Porten / Yardeni 1986, 54 sowie Porten 1968, 311–314. Kritische Einwände gegen eine eisegetische Rekonstruktion und eine grundlgegende Bestreitung des Zusammenhangs mit dem Pessach-Fest finden sich bei Gass 1999, 55–68. Gegen den von Gass bestrittenen Zusammenhang von Pessach und Mazzot hat Nihan (2007, 573, Anm. 683) jedoch überzeugende Einwände geboten. 607 Die Lesart החילist unsischer beruht auf Emendation. Vgl. Porten / Yardeni 1986, 54. Insbesondere die Verbindung der Feste in Dtn 16 ist nicht von der Hand zu weisen. 608 Vgl. Porten 1996, 125. 609 Porten 1968, 133. 610 Vgl. ebd. Diese Anweisung wäre ohne Parallele in der Hebräischen Bibel. Porten hat jedoch darauf hingewiesen, dass bspw. auch das Verbot von Biergenuss ohne Parallele im Alten Testament ist, sich dieses Verbot jedoch später in der Mischna (Pes. 3,1) wiederfinde (1968, 82.). 611 Nihan 2007, 573 (Hervorhebung im Original). 612 Nihan 2007, 574. 613 Nihan 2007, 574.
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4. תהרותin der Chronik
Bindeglied zwischen dem Pessachbrief, Num 9, 2Chr 30 und Esr 6. „The only Biblical references to purity, however, refer to the night of the 14th when the paschal animal was eaten.“614 Dabei ist zu berücksichtigen, dass es kein Gebot o. ä. gibt, nach dem man am Pessach-Fest rein sein sollte.615 Mit Num 9 werden also ein Rechtsverstoß und dessen Auflösung gleichzeitig eingebracht. b) Das zweite Pessach bei Josephus In ant. III 294 streift Josephus Num 9: „θύει δὲ τότε πρῶτον μετὰ τὴν ἀναχώρησιν τὴν ἐξ Αἰγύπτου τὴν πάσχα λεγομένην ἐπὶ τῆς ἐρήμου“ Josephus kommt eher nebenbei auf das von Mose während der Wüstenwanderung vollzogene Pessach-Fest zu sprechen. Da davon nur einmal berichtet wird, ist anzunehmen, dass er auf Num 9 referiert.616 Dabei verschweigt Josephus jedoch die Möglichkeit, das Pessach einen Monat später feiern zu können. Josephus, der, wie wir sehen, in Num 9 nicht auf das פסח ׁשניzu sprechen kommt, rekapituliert weiterhin auch das hiskianische Pessach-Fest (ant. IX 260–276), wobei er jedoch auch an dieser Stelle von einer Feier im zweiten Monat schweigt. Colautti deutet diese Lacuna so, dass Josephus „avoids all the difficulties presented by 2 Chr 30 regarding the ritual purity of participants in the feast, and insists once again on the fact that ritual purity is indispensable in order to celebrate Passover“617. Dabei stellt Colautti richtig fest, dass Josephus in IX 268–270 wohl eine überarbeitete Passage aus 2Chr 29,20–36 einfügt, um den Eindruck ritueller Unreinheit, wie sie in 2Chr 30 dargestellt wird, zu überschreiben. Bei dieser Gelegenheit tilgt er außerdem dem Hinweis auf die schlachtenden Leviten, die genau den Umstand der Unreinheit zu kompensieren hatten (vgl. 2Chr 30,17). Josephus kommt also auf beide Texte zu sprechen, die auf die Institution eines פסח שניschließen lassen.618 Durch die jeweilige Umgestaltung der Episoden und das Verschweigen der Verlegung erweckt er jedoch den Eindruck, das Fest sei stets zum kalendarisch festgelegten Zeitpunkt gefeiert worden. Möglicherweise tilgt Josephus aus demselben Grund die Verlängerung des Festes um sieben Tage. Es liegt daher die Vermutung nah, dass Josephus die Tradition des „Zweiten Pessach“ zwar kennen könnte, von dieser jedoch beredt schweigt. 614 Porten 1968, 313. 615 Vgl. Fishbane 1985, 99. Fishbane vermutet deshalb, dass im Hintergrund Texte wie Lev 22,3–6; Num 5,1–4; 6,9–11; 19,11–3 sowie Hag 2,11–13 stehen, die darauf zielen, „that persons who have become impure due to contact with corpses are unable to share in sacrificial rituals or touch holy things“ (Ebd.). Kottsieper (2002, 154) hat festgehalten, dass in dem Passover Letter durch die Forderung nach Reinheit und In-Acht-Nahme dezidert ein religiöser und nicht etwa – wie auch vermutet worden ist – ein arbeitsrechtlicher Hintergrund des Briefes zu erwägen ist. 616 Insbesondere die Angabe μετὰ τὴν ἀναχώρησιν τὴν ἐξ Αἰγύπτου weist in der Chronologie des Pentateuchs auf Num 9. 617 Colauti 2002. Die Einschätzung, dass Josephus möglicher Weise ein um ein ganzes Jahr verzögertes Pessach im Sinn gehabt haben könnte (vgl. ebd., 138.) ist vom Text nicht gedeckt. Zu Josephus’ Reinheitsvorstellungen vgl. ferner: Ebd., 133–144. 618 Obwohl daraus nicht notwendigerweise folgt, dass Num 9 und 2Chr 30 dieselbe Institution beschreiben, liegt im zweifachen Schweigen der Verdacht eines analogen Ausblendens und damit ein Indiz für einen Zusammenhang vor.
4.8 תהרותim Kontext des Hiskia-Narrativs
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c) Das zweite Pessach in Qumran In Qumran finden sich 48 Belege des Lexems פסח. An keiner Stelle wird jedoch von einem פסח שניgesprochen. Es zeigt sich, dass mit einem Zweiten Pessach außerhalb der Hebräischen Bibel kaum zu rechnen ist. Zwar scheint das Problem der Reinheit an diesem Fest eine zunehmende Rolle zu spielen; das פסח שניscheint jedoch, nach allem, was die Quellen uns zeigen, eine Jerusalemer Eigenart geblieben zu sein.
xii / xiii) 2Chr 31,3f (+) 2Chr 31,1 schließt sich unmittelbar an das hiskianischen Pessachfest an. In ganz Juda, Benjamin, Efraim und Manasse, d. h. in allen Stammesgebieten, aus denen Pilger zum Pessach nach Jerusalem gekommen waren, kommt es zu einem umfassenden Ikonoklasmus.619 Auf diesen folgt Hiskias Bereitstellung der Abteilungen ( )מחלקותvon Priestern und Leviten für den Opferdienst620 in den Toren der Lager JHWHs621. In V.3 wird konstatiert, dass der König einen Anteil seines Besitzes für die Brandopfer spendet und diese gemäß der Weisung JHWHs (תורת )יהוהeingesetzt werden. 3 Und der Anteil des Königs aus seinem Besitz war für die Brandopfer622 bestimmt. Für die Brandopfer des Morgens und des Abends und für die Brandopfer an den Sabbaten und Neumonden und Festzeiten, wie es geschrieben steht in der Weisung JHWHs. 4 Und befahl dem Volk, den Einwohnern Jerusalems, den Priester und den Leviten ihren Anteil zu geben, damit sie festhielten an der Weisung JHWHs.623
619 Dieser wird, wie Kalimi (2005, 126 f) überzeugend gezeigt hat, durch die drei PK-Formen ויׁשברו, ויגדעוund וינתצוnicht mehr synoptisch nach 2Kön 18,4, sondern nach Dtn 7,5, einer Darstellung, die für den Chronisten auch sonst von hoher Potenz ist, geschildert. 620 Die Einteilung erfolgt an dieser Stelle כפי עבדתו. Eine vergleichbare Formulierung findet sich nur noch in Num 7,5.7.8, einem der spätesten Texte des Pentateuchs, in dem es um die Zuteilung der Gaben für den Tempel geht (Vgl. Achenbach 2003, 529–536). Offenbar arbeitet der Chronist diese späten Traditionen vermehrt in das Hiskia-Narrativ ein. S. u. dazu das Kapitel „Kult-Handlung“ 621 Die Rede von den Toren des Lagers שערי מחנותfindet sich nur noch in Ex 32,26–27; 1Chr 9,18; 2Chr 31,2. Die LXX bietet an dieser Stelle ἐν ταῖς αὐλαῖς οἴκου κυρίου, was בחצרות בית יהוה entspricht. Die Fokussierung auf den Tempel scheint eine zeitgemäße und deshalb sekundäre Variante der LXX zu sein. Die lectio difficilior führt an dieser Stelle nach Ex 32 und scheint die Bereitstellung des legitimen Kultpersonals im Anschluss an den in V.1 durchgeführten Ikonoklasmus in eine Linie mit der Zerstörung des Goldenen Kalbes stellen zu wollen. 622 Die LXX bietet εἰς τὰς ὁλοκαυτώσεις. Es liegt also entweder eine Haplographie in der LXX oder eine Dittographie in MT vor. Da offenbar die morgendlichen und abendlichen Brandopfer hier deutlich von denen der Sabbate, Neumonde und Festtage abgegrenzt werden sollen, ist durchaus denkbar, dass genau, wie in 2Chr 31,3aγ zur Einleitung der zweiten Typus והעלות steht, auch der erste Typus mit einem eigenen לעלותeingeleitet wurde. Die LXX hätte demnach die priesterliche Komplexität reduziert. 623 Rudolph (z. St.) übersetzt: „damit sie sich ganz dem Gesetz Jahwes widmen.“ An dieser Stelle besteht jedoch ein nicht unerhebliches textkritisches Problem: LXX erwähnt die Tora
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4. תהרותin der Chronik
Die begriffliche Klärung zieht hier die gleiche Deutung wie 1Chr 16,40 nach sich, sodass auf die entsprechende Analyse verwiesen sei.624 Besonders ist hier jedoch der Hinweis auf den „Anteil des Königs“ ()מנת המלך, der mit dem Anteil der Leviten und Priester im folgenden Vers korrespondiert und einer eigenen Auslegung bedarf. Die Rede vom Anteil im Bereich des Kultes führt auf einen nachexilischen Diskurs, in dem es um die Versorgung des Kultes und des Kult-Personals geht.625 Dass Einbußen in der Versorgung insbesondere die Existenz der Leviten bedrohten, zeigt Neh 13,10, wo es heißt, dass die Leviten sich auf ihren Landbesitz zurückziehen, wenn das Volk seine Abgaben nicht bringt.626 Anders als in Neh 13, wo die Problematik ausgefallener Anteile durch das Thema Stadtflucht entfaltet wird, greift 2Chr 31,4 den Sachverhalt positiv auf. Den Priestern und Leviten seien die Anteile zu entrichten, damit diese an der Tora JHWHs festhalten (למען יחזקו בתורת )יהוה. Der Klärung dieses Ausdrucks ist jedoch noch eine Erläuterung der kultischen Praxis voranzustellen, die in Übereinstimmung mit der Tora JHWHs vollzogen wird: לעלות לעלות הבקר והערב והעלות לׁשבתות ולחדׁשים ולמעדים. Schon Shaver hat festgestellt, dass „[w]hile there are numerous texts in the Hebrew Bible which refer to some of these occasions, there is good reason to believe that the Chronicler is here following, and identifying as written law of YHWH, Num 28–29.“627 Nicht nur würden dieselben Opfer in derselben Reihenfolge geboten, sondern „no other Pentateuchal text requires the Sabbath burnt offering.“628 Vor allem aus der Durchführung des morgendlichen und abendlichen Brandopfers „follows that the
nicht, sondern bietet: κατισχύσωσιν ἐν τῇ λειτουργίᾳ οἴκου κυρίου, was etwa יחזקו בעבודת בית יהוה entspricht. (vgl. Allen 1974 Bd. II, 99 sowie Klein z. St., 443). Die Variante lässt sich kaum als Schreibfehler erklären. Schon עבודתund תורתsind zwar nicht ganz unähnlich, jedoch stellt die Verwechslung von תdurch עבkeinen typischen Abschreibfehler dar (vgl. Delitzsch 1920). Dazu kommt die Auslassung des Lexems בית, die auf einen mutwilligen Eingriff in den Text schließen lässt. Klein (z. St., 443) vermutet, dass hier eine Assimilation an V.3 vorliegt. Da für MT keine und für LXX nur wenige Parallelen existieren, lässt sich auf dieser Grundlage keine Entscheidung treffen. 2Chr 35,2* ( )ויחזקם לעבודת בית יהוהhat, wie Allen (Ebd.) feststellt, zu wenig Ähnlichkeit, um eine Abhängigkeit anzunehmen. Dies zeigt insbesondere die Nicht-Identität zwischen 2Chr 31,4 LXX und 2Chr 35,2 LXX an. Einen Anhaltspunkt für die Priorität der LXX erhält man mit Blick auf V.21. Dort wird für alle Unternehmungen Hiskias konstatiert, dass diese mit Erfolg gekrönt waren. Aufgelistet werden unter anderem בעבודת בית־האלהים ובתורה ובמצוה, was einen Rekurs auf V.3 f darstellen könnte. Die Entscheidung bleibt jedoch unsicher. 624 Bemerkenswert ist, dass v. Rad (1930, 43), der von der Priorität des Deuteronomiums für den Chronisten ausgegangen war, an dieser Stelle die Insuffizienz seiner These einräumt: „II. Chr. 31,3 deutet trotz des generellen תורהauf einen Opferbrauch, der jedenfalls dem Deuteronomium fremd ist.“ 625 2Chr 31,3–4; Neh 12,44.47; 13,10. 626 Vgl. Schunck z. St. (Lit!) sowie Heckl 2016a, 414. 627 Shaver 1984, 134. 628 Shaver 1984, 134.
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4.8 תהרותim Kontext des Hiskia-Narrativs
Chronicler at least in this instance accords authorative status to a very late stratum of the Pentateuch“629. Vor diesem Hintergrund hat Rendtorff eine wichtige Beobachtung in die Diskussion eingebracht, die auf die Unterscheidung von synoptischer und nicht-synoptischer ToraRezeption zielt und die er u. a. im Hinblick auf 2Chr 8,12–16 (synoptisch) und 2Chr 31,3 (nicht-synoptisch) entfaltet: 2Chr 8,12 f
2Chr 31,3
אז העלה ׁשלמה עלות ליהוה … ובדבר־יום ביום להעלות כמצות מׁשה לׁשבתות ולחדׁשים ולמועדות ׁשלוׁש פעמים בׁשנה בחג המצות ובחג הׁשבעות ובחג סכות
ומנת המלך מן־רכוׁשו לעלות לעלות הבקר והערב והעלות לׁשבתות ולחדׁשים ולמעדים ככתוב בתורת יהוה
13
12
l
3
Während die Darstellung beider Texte im Anliegen und Wortlaut erkennbar übereinstimmt, seien dennoch kleinere Abweichungen erkennbar. Dabei sei auffällig, dass 2Chr 31,3 streng den Regelungen des Kultkalenders in Num 28 f folge, hingegen 2Chr 8,12 f teilweise davon abweiche. Rendtorff folgert daraus überzeugend, dass diese Abweichungen auf den synotischen bzw. nicht-synoptischen Ursprung des Textes zurückgingen: „One could conclude that in this case, where the Chronicler was free to choose his own formulation, he expressed things in accordance with the Priestly sacrificial calendar.“630 Während 2Chr 8 in Übereinstimmung mit 1Kön 9,25 Dtn 16, also eine frühere Form des Kultkalenders in Lev 23 rezipiere, sei 2Chr 31 vollständig an Num 28 f orientiert.631
Die Wendung חזק בתורהkommt nur an dieser Stelle des Alten Testaments vor. In Qumran findet sie sich nicht. Die textkritischen Erwägungen lassen vermuten, 629 Shaver 1984, 135. 630 Rendtorff 1996, 261. 631 Rendtorff wählt mit dieser hermeneutischen These einen anderen Weg als Steins (1995, 153), der die Abweichungen in V.2 von 2Chr 8,14 als sekundär erklären will. V.3 wird von Steins (Ebd., 158) mit dem Argument ausgeschieden, dass מנתnur hier den gebenden, an allen anderen Stellen jedoch den nehmenden Teil bezeichnet. Das ist nur für sich genommen ein schwaches Argument, sondern mit Blick auf den weiteren Horizont von 1Chr 22; 29 auch der Sache nach hinfällig, da durchaus mit Anteilen des Königs am Kult zu rechnen ist. Ferner lässt sich auf Grund von neun Belegen, von denen nur vier in diesem spezifischen Kontext stehen, noch keine umfassende These über typischen bzw. untypischen Gebrauch formulieren. Die Ausscheidung von V2a.3 verfängt nicht, da der Chronist, wie ich zeige, an zahlreichen Stellen eine Fortsetzung der spät-priesterlichen Texte des Pentateuchs darstellt und 2Chr 31,2 viel deutlicher in diese Ideologie passt als 2Chr 8,12–14. Umso deutlicher wird also der Aspekt, dass der Chronist seiner Vorlage ebenso sehr die Treue gehalten hat, wie dem Pentateuch. Demgegenüber ist die These, der Chronist habe sich literarisch vor allem selbst die Treue gehalten, wie Steins sie mit seinem Argument indirekt formuliert, zu kurz gegriffen.
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4. תהרותin der Chronik
dass hier ein sekundärer Bearbeiter die midraschartige Fabulierkunst des Chronisten aufgreift, pointiert kultische Sachverhalte aus den Namen des jeweiligen Regenten heraus zu entfalten. Dementsprechend wird Hiskia die Bekräftigung der Tora sekundär zum Anliegen. Was aber soll die einmalige Formulierung חזק בתורהbedeuten? Belegstellen, in denen beide Lemmata vergleichbar nahe zusammenrücken, sind Jos 1,7 und 23,6.632 רק חזק ואמץ מאד לׁשמר לעׂשות ככל־התורה אׁשר צוך מׁשה עבדי אל־תסור ממנו ימין וׂשמאול למען תׂשכיל בכל אׁשר תלך וחזקתם מאד לׁשמר ולעׂשות את כל־הכתוב בספר תורת מׁשה לבלתי סור־ממנו ימין וׂשמאול
Jos 1,7 Jos 23,6
In beiden Versen folgt auf eine Bekräftigungsformel חזק ואמץbzw. חזקder finale Auftrag, die Tora zu beachten ( )ׁשמרund nach ihr zu handeln ()עשה.633 Möglicherweise substituiert der Chronist an dieser Stelle also nicht nur im Rückgriff auf V.3, sondern greift auch auf das Konzept einer Corpus-übergreifenden Tora-Rezension der Vorderen und Hinteren Propheten zurück. Demnach könnte die Form חזק+Inf. von Jos 1,7; 23,6 hier durch die elliptische Formel חזק בתורהmit allusivem Charakter gebraucht worden sein. Die spekulative Verlegenheit, so wird deutlich, ergibt sich an dieser Stelle aus der extensionalen Unterbestimmtheit des תורהBegriffes. Der semantische Gehalt wird an dieser Stelle nicht weiter expliziert und damit als selbstverständlich vorausgesetzt. Die eigentliche Verwendungsmotivation ist hier rhetorischer Natur: Die Tora als Inbegriff kultischer Observanz wird zum Durchsetzungsmittel der Versorgung des Kultpersonals.634
632 Zwar rücken חזקund תורהauch in Neh 10,30 eng und wohl auch mit derselben Konnotation zusammen. Der syntaktischen Struktur stehen beide Lemmata hier nicht in direkter Verbindung. 633 S. o. die Analyse, die den Bedeutungswandel der Formel חזק ואמץanzeigt, die dem Kontext der Kriegsführung entlehnt und zu einem Frömmigkeitspostulat wird. Hinlänglich bekannt ist die rahmende Struktur, die sich überdies mit Mal 3,22 ergibt. 634 Das Thema der Kultversorgung zieht an dieser Stelle deutlich weitere Kreise. Insbesondere die Einführung des Zehnten wird nur an dieser Stelle (2Chr 31,5.6.12) vorausgesetzt und bedeutet offenbar den Anschluss an Num 18,21.24.26.28. Dabei weist die nur in 2Chr 31,10.12.14 zu findende Rezeption des תרומה-Motivs ebenfalls nach Num 18. Auch die Regelungen zur Darbringung von Erstlingsgaben werden offenbar vorausgesetzt und im Hinblick auf einzelne Abgabe ergänzt. So weist bspw. Japhet (z. St.) darauf hin, dass Erstlingsgaben von Honig im Pentateuch nicht erwähnt werden. Die Regelung der Abgaben im Pentateuch sowie deren Verflechtungen mit der Chronik sind jedoch derart komplex, dass eine Untersuchung an dieser Stelle zurückgestellt werden muss.
227
4.9 רות im Kontext des Manasse-Narrativs
xiv) 2Chr 31,21(+) Die erste Epoche der hiskianischen Regierung wird durch ein Summarium evaluiert: Und bei allem, was er anfing, im Dienst des Hauses der Gottheit635 und in der Weisung und im Gebot, seinen Gott zu suchen, tat er es mit ganzem Herzen und hatte Erfolg.
Die einzelnen Elemente greifen auf kultische Anstrengungen Hiskias zurück: ( בעבודת בית־האלהיםV.2Chr 29,35; 31,2[.4 LXX]), ( תורה ומצוה2Chr 30,16; 31,3 [.4 MT]), ( דרש אלהים2Chr 30,19). Die vierte Erwähnung der Tora im Hiskia-Narrativ korrespondiert eng mit 2Chr 14,3 und 2Chr 19,10. Nur hier werden in der Chronik תורהund מצוהphrasiert.636 Dabei ist die מצוהoffenbar den in der Vorlage (2Kön 18,6) erwähnten מצותdes Mose geschuldet, die in der Chronik schon in dem Oberbegriff תורה ומצוהaufgegangen sind. Alle Elemente zusammen repräsentieren das Idealverhalten eines Königs und münden in die abschließende Aussage, dass Hiskias Unternehmungen von Erfolg gekrönt sind ()והצליח. Die Evaluation folgt dabei dem typischen Schema des Chronisten, den Erfolg bzw. Misserfolg von Unternehmungen mit der Zuwendung zu bzw. Abwendung von JHWH zu verknüpfen. Insofern knüpft auch die Evaluation Hiskias wieder an die erste Erfolgsverheißung in 1Chr 22,11.13 an, nach der schon David die Toraobservanz zur zentralen Bedingung gemacht hatte. l
l
4.9 תורהim Kontext des Manasse-Narrativs 4.9.1 Gliederung V.11 Inthronisation Manasses, V12–20 Götzenkult, V.11 Exilierung in und Rückkehr aus Babylon, V.12–20 Läuterung Manasses und Rückkehr zu JHWH Auf die massive Transformation des Manasse-Narrativs, das in 2Kön 21 und 2Chr 33 jeweils nur 18 Verse umfasst, hat die Exegese stets mit Staunen reagiert und weitreichende Rückschlüsse auf die Ideologie des Chronisten gezogen.637 Hinlänglich bekannt ist also, dass Manasse, der Südreichskönig mit der längsten Regierungszeit (55 Jahre), in der Chronik durch ein Rehabilitationsverfahren umfassend als solcher legitimiert wird. Die Transformation des Narrativs beruht auf einer größeren Auslassung, 2Kön 21,11–16, und einer größeren Einschaltung 2Chr 33,11–17, die den Erzfrevler Manasse die durch die babylonische Exilierung 635 Die LXX bietet κυρίου. 636 Zur Analyse der Formulierung s. o. 637 Einen aktuellen Forschungsüberblick bietet Ben Zvi (2013a, 121–140; Lit.!).
228
4. תהרותin der Chronik
gewirkte Läuterung vorwegnehmen lässt. Die Vergehen Manasses werden zu diesem Zweck in der Chronik gegenüber der Vorlage leicht abgeschwächt. So wird bspw. in V.3 der Hinweis auf Ahab und in V.7 der Hinweis auf Aschera getilgt. An dieser Stelle wird nun Bezug auf die Tora genommen.
4.9.2 Begriffsanalyse In V.7 wird im Kontext der Aufzählung der Vergehen Manasses eine Gottesrede zitiert, die zuvor an David und Salomo ergangen sei. Es heißt hier:
xv) 2Chr 33,7f 7 Und er stellte ( )שיםdas Götzenstandbild638, das er gemacht hatte, in das Haus der Gottheit, von dem Gott zu David und zu Salomo, seinem Sohn, gesagt hatte: In diesem Haus und in Jerusalem, das ich erwählt habe aus allen Stämmen Israels, werde ich meinen Namen aufstellen ( )שיםfür alle Zeiten. 8 Und ich werde Israels Fuß nicht mehr von dem Erdboden weichen639 lassen, den ich für eure Väter640 bereitgestellt641 habe, wenn sie nur alles bewahren und danach handeln, was ich ihnen geboten habe: die ganze Tora und die Satzungen und die Rechtsbestimmungen, die durch Mose erlassen wurden.
Auffällig ist, dass der Chronist hier von „der ganzen Tora“ spricht ()כל התורה. Dieser Begriff, der auch schon in der Vorlage verwendet wird, ist im Alten Testament nur selten zu finden (vgl. Num 5,30; Dtn 4,8; Jos 1,7; 2Kön 17,13; 21,8; 2Chr 33,8). Möglicherweise hat der Begriff schon so etwas wie die Vollständigkeit des Corpus im Blick. Gegenüber der Vorlage ergänzt der Chronist zusätzlich החקים והמׁשפטים. Diese waren für ihn, wie das כלund die Kopula anzeigen, also offenbar gerade nicht Teil der Tora.642
Signifikant ist eine spezifische Abweichung von der Vorlage in V.7. Während es in 2Kön 21,7 ויׂשם את־פסל האׁשרהheißt, findet sich in der Chronik: ויׂשם את־פסל הסמל. 638 Vgl. zur Übersetzung des Lexems ֶס ֶמלden Beitrag von Dohmen 1984, 263–266. Dohmen führt das hebräische Lexem auf die indogerm. Wurzel *sml mit der Bedeutung: „zusammen, zugleich, simul“ zurück. 639 Die LXX bietet σαλεῦσαι (schütteln, bewegen). Klein (z. St., 471) nimmt deshalb zu Recht an, dass der LXX noch das להנידaus 2Kön 21,8 vorlag, das dort ebenfalls mit σαλεῦσαι übersetzt wurde. Vermutlich ist להסירalso auf eine protomasoretische Überarbeitung zurückzuführen. סור מעל האדמהdeutet evtl. auf Auseinandersetzung mit 2Kön 17,23, d. h. auch mit der Sünde Jerobeams hin. 640 Die LXX bietet τοῖς πατράσιν αὐτῶν, was der LXX der Vorlage sowie dem MT in 2Kön 21,8 ( )לאבותםentspricht und ebenfalls ein Anzeichen für eine protomasoretische Rezension des Chronik-Textes ist. 641 Die LXX bietet ἔδωκα, was der LXX in 2Kön 21,8 und dem נתתיin 2Kön 21,8 MT entspricht. Auch hier zeichnet sich die protomasoretische Rezension in der Chronik ab. 642 Vgl. die Analyse zu 2Chr 19,10.
4.9 רות im Kontext des Manasse-Narrativs
229
Die Ersetzung der Aschera durch den funktionalen Begriff סמלist nun insofern auffällig, als dieser Begriff, der nur fünf Mal überhaupt im Alten Testament gebraucht wird, auch in Dtn 4,16 im Kontext der Ausweitung des Bilderverbots (Dtn 4,15–22) belegt ist. In Dtn 4,16 stellt סמלwahrscheinlich „eine Erklärung oder Spezifizierung zu “פסל643 dar. V.16 ist syntaktisch von V.15 her zu verstehen. Der Zusammenhang lautet: 15 Hütet euch sehr um eures eigenen Lebens willen, denn ihr habt keine Gestalt gesehen am Tag, als JHWH mit euch mitten aus dem Feuer sprach, 16 dass ihr nicht zugrundegeht und euch ein Gottesbild macht, irgendein Kultbild, ein Abbild männlicher oder weiblicher Gestalt.
Die vier Lexeme פסל, סמל תמונהund תבניתwerden allein an dieser Stelle des Alten Testaments in einen Zusammenhang gestellt. Dabei stellen die Verse 16b–19 im Kontext einer großen Beleherung des Mose eine Variation von Gen 1,14–27 dar.644 Die Situation der Belehrung des Volkes durch Mose in den Gefilden Moabs645 wirkt sich nun offenbar terminologisch in der Form auf die Chronik aus, dass sie die konkrete Ablehnung der Anfertigung einer Aschera-Figur durch einen allgemeineren Begriff ersetzt und damit indirekt einen Verstoß Jeroebams gegen das erweiterte Bilderverbot unterstellt. Offenbar wird also von der Chronik bereits die post-priesterschriftliche Radikalisierung des Bilderverbots vorausgesetzt und Verstöße gegen dasselbe vor dessen Maßgabe indiziert. Dementsprechend wird das konkrete Vergehen, das 2Kön 21,7 im Sinne von Dtn 16,21 resp. Ex 34,13; Dtn 7,5; 12,3 indiziert, in der Chronik im Duktus einer Totalisierung des Bilderverbots aufgehoben. V.9 stellt das Bindeglied zwischen der Aufforderung zur Toraobservanz und den drohenden Ereignissen dar: Manasse verführt die Judäer und Einwohner Jerusalems dazu, mehr Böses zu tun als die Nationen, die JHWH vor den Israeliten verdrängt hat ()הׁשמיד יהוה רע מן־הגוים אׁשר מפני בני יׂשראל. JHWH redet daraufhin in V.10 direkt mit Manasse, was für Könige äußerst selten ist.646 Dass Ben Zvi die anschließende auf die direkte Zuwendung JHWHs an Manasse folgende Rede als Deklarierung besonderer Wichtigkeit der Mitteilung deutet, entbehrt keiner Ironie, denn Mannasse und das Volk hören nicht zu ()ולא הקׁשיבו. Die Ignoranz des Königs und seiner Gefolgschaft setzt hingegen die Ereignisse in Gang, durch die sich die chronistische Darstellung Manasses so
643 Dohmen 1984, 265. 644 Fishbane 1985, 321 f sowie Otto z. St. 645 Vgl. zum Sitz des Kapitels Dtn 4 im Buch Deuteronomium und insbesondere zur Entwicklung einer komplexen Theorie der Belehrung des Volkes durch Mose Otto z. St., 523–538. 646 Vgl. Ben Zvi 2013a, 131, der der Phrase einen deiktischen Charakter attestiert: „[T]he use of this precise phrase in 2Chr 33:10 prepares the reader for the fact that the next account will narrate ‚something of importance‘.“
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4. תהרותin der Chronik
auffällig von der Vorlage unterscheidet. Manasse wird in Ketten gelegt und nach Babel geführt (V.11). Dort fleht er zu JHWH und erniedrigt sich vor ihm, sodass dieser den König geläutert nach Jerusalem zurückführt (V.13). Manasse nimmt mit dieser Bewegung demnach das babylonische Exil bereits vorweg und stellt zugleich eine positive Prognose für den Ausgang des zweiten dar. Ein Verstoß gegen die Tora, so zeigt das Kapitel, ist also nur dann ohne die Sanktionierung durch Todesstrafe möglich, wenn ein entsprechender Prozess von Reue und Buße auf der Seite des Schuldigen in Gang gesetzt wird. Anders formuliert: Eine Abwendung der göttlichen Strafe durch Buße ist grundsätzlich möglich. Dies ergibt sich aus 2Chr 30,11 und 33,12, wo geschildert wird, wie die Buße durch Selbstdemütigung (כנע, nif.) die Demütigung durch Gott abwendet.
4.10 תורהim Kontext des Josia-Narrativs 4.10.1 Gliederung 2Chr 34 – Inthronisation Josias, Kultreform 2Chr 35 – Pessachfest Das chronistische Josia-Narrativ fällt gegenüber seiner Vorlage durch eine bedeutende Umstellung des Erzählstoffes auf. Während Josia im DtrG die Kultreform in Folge der Buchauffindung anordnet, geht diese jener in der Chronik voraus. Damit wandelt sich das Josia-Bild des Chronisten gegenüber dem des DtrG entscheidend.647
4.10.2 Begriffsanalyse Josia, der schon in 2Kön 22–23 durch die Buchauffindungslegende zu größter Popularität gelangt war, wird in der Chronik vier Mal mit der Tora in Verbindung gebracht. Die wichtigste Rolle spielt dabei die Darstellung in 2Chr 34.
647 Jüngst hat Heckl 2015a auf die narrativen Implikationen der chronistischen Umstellungen innerhalb des Josia-Narrativs gegenüber der Vorlage hingewiesen.
4.10 רות im Kontext des Josia-Narrativs
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xvi / xvii) 2Chr34,14f (+) ובהוציאם את־הכסף14 המובא בית יהוה מצא חלקיהו הכהן את־ספר תורת־יהוה ביד־מׁשה ויען חלקיהו ויאמר15 אל־ׁשפן הסופר ספר התורה מצאתי בבית יהוה ויתן חלקיהו את־הספר אל־ׁשפן l
l
14 Und als sie das Silber herausnahmen, das in das Haus JHWHs gebracht worden war, fand Chilkijahu, der Priester, das Buch der Weisung JHWHs, das durch Mose gegeben war. 15 Da antwortete Chilkijahu und sprach zu Schafan, dem Schreiber: „Das Buch der Weisung habe ich gefunden im Haus JHWHs.“ Und Chilkijahu übergab das Buch an Schafan.
Die Szene, die hier erzhält wird, steht gegenüber der Vorlage an einer anderen Position. Während Josia in der Vorlage der Buchauffindung die Tempelreinigung folgen lässt, geht diese in der Chronik offenbar der Buchauffindung voran (2Chr 34,4). Die Darstellung der Kultreform Josias wird also gegenüber der Vorlage mit Blick auf die Veränderung bei Manasse gekürzt und die Radikalität seiner Handlungen abgemildert.
xviii) 2Chr 34,19 ויהי כׁשמע המלך את דברי התורה ויקרע את־בגדיו
Und als der König die Worte der Weisung hörte, da zerriss er seine Kleider.
2Chr 34,19 stellt eine gegenüber der Vorlage nicht nur hinsichtlich der Umstellung auffällige Narration dar. Besonders auffällig ist, dass hier ein offener logischer Bruch in Kauf genommen wird, der offenbar aus Treue gegenüber der Vorlage erzählt wird, ohne dass sie im Kontext der Chronik einen rechten Sinn entfaltet: Die Tora wird bei der Leerung der Silberabgaben an den Tempel gefunden ()מצא. Dies ist insofern vollkommen erstaunlich, als die Tora nach Darstellung der vorangehenden Narrative nie verloren gewesen zu sein scheint. Auch wenn mit einem Abbruch der Tora-Kenntnis unter Ahas nach der Schließung des Tempels zu rechnen wäre, war die Tora immerhin schon von Hiskia wieder befolgt worden. Hier ist damit wohl am deutlichsten das Phänomen zu beobachten, dass der Chronist nicht nur der Tora, sondern auch seiner Vorlage gegenüber die Treue hält. Dabei konnte er auch gegen die literarische Implausibilität der Ereignisse das erzählerische Potenzial der Episode offenbar nicht unausgeschöpft lassen, da Josia, der im Königbuch durch die Auffindung der Tora als radikal-religiöser Eiferer erscheint, in der Chronik eine andere Entwicklung nimmt und durch die Auffindung der Tora zu einem frommen Kultpfleger in den Spuren König Davids und Salomos wird. Eigentümlicherweise wird hier eine Andeutung untergebracht, die als latenter Hinweis auf Dtn 31,26 gelesen werden kann. Immerhin wird die Tora gefunden, als man das Silber herausnahm ()ובהוציאם את־הכסף. Von diesem hieß es in 2Chr 24,8.10.11 ja, dass es in einem Kasten ( )ארוןgesammelt wurde. Ob an dieser
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4. תהרותin der Chronik
Stelle an eine Nähe von Lade und Tora angespielt ist, bleibt jedoch unterbestimmt. Sie würde etwas mehr Licht auf die eigentümlichen Umstände des Fundes werfen. An eine direkte Zitation ist jedenfalls nicht zu denken, da die Tora nach Dtn 31,26 neben der Lade liegt. Freilich wäre auch an den Einfluss von Ex 40,20 zu denken. In der Forschung wird nun seit langem die These vertreten, dass die Tora, die ja in 2Chr 34 in Paralle zu 2Kön 22,10 wiedergefunden wird, an Umfang gewonnen habe. Dies wird in 2Chr 34,18 (// 2Kön 22,10) deutlich, wo Schafan dem König aus dem Buch vorliest. Es heißt hier: 2Chr 34,18*
2Kön 22,10*
ויקרא־בו ׁשפן לפני המלך
ויקראהו ׁשפן לפני המלך
Der Wechsel von ויקראהוzu קרא בוhat in der Forschung zu der Spekulation geführt, Schafan habe zuvor die gesamte Tora verlesen (können), während er in der Chronik, wohl auf Grund des Umfangs, nur noch einen Teil vorlesen konnte.648 Die Deutung ist möglich, trägt jedoch zugleich die anachronistische Auffassung ein, der Chronist habe ein Interesse daran gehabt, an dieser Stelle vom Umfang der Tora zu berichten. Es ist eine weitere Deutung des Sachverhalts möglich, die sich mit Blick auf Dtn 17,19 und Neh 8,3 ergibt. In Dtn 17,19 heißt es … והיתה עמו וקרא בו כל־ימי … חייו – „und sie sei bei ihm, und er lese darin alle Tage seines Lebens“. Offenbar hat der Chronist also ein Interesse daran, auch Josia als einen frommen König im Sinne des Königsgesetzes zu stilisieren. Auf dieselbe Weise heißt es auch von Esra in Neh 8,3 … …ויקרא־בו לפני הרחובUnd er las darin auf dem Platz. Dabei ist zu berücksichtigen, dass in 2Chr 34,18 nicht Hiskia selbst in der Tora liest, sondern er daraus vorgelesen bekommt. Offenbar ist hier also der Idealzustand des Königsgesetzes näherungsweise verwirklicht. Der König bleibt in dieser Situation jedoch auf den Priester angewiesen, da ihm bedingt durch das jüngste Ereignis der Wiederauffindung noch keine eigene Abschrift der Tora-Rolle vorliegt. Beachtenswert ist in diesem Zusammenhang die chronistische Transformation des Chulda-Orakels. Hier heißt es: 2Chr 34,24
2Kön 22,16
כה אמר יהוה הנני מביא רעה על־המקום הזה ועל־ יוׁשביו את כל־האלות הכתובות על־הספר אׁשר קראו לפני מלך יהודה
כה אמר יהוה הנני מביא רעה אל־המקום הזה ועל־יׁשביו את כל־דברי הספר אׁשר קרא מלך יהודה
Offenbar kommt es auf Seiten der Chronik zu einer klassischen Form der Auslegung. Die unbestimmten Worte ( )דבריםder Vorlage werden in der Chronik durch האלותexpliziert, wobei an Texte wie Dtn 29,20; 30,7 gedacht sein dürfte.
648 Wellhausen 1927, 197; Galling z. St., 175.
233
4.10 רות im Kontext des Josia-Narrativs
xix) 2Chr 35,26f (+) ויתר דברי יאשיהו26 וחסדיו ככתוב בתורת יהוה׃ l
ודבריו27 הראשנים והאחרנים הנם כתובים על־ספר מלכי־ישראל ויהודה׃ l
26 Und was sonst noch649 von Josia zu berichten ist und seine Frömmigkeit, wie sie in der Tora JHWHs geschrieben650 ist, 27 und seine Taten, die früheren und die späteren, siehe, sie stehen geschrieben im Buch der Könige Israels und Judas.
Der Abschluss der josianischen Regierungszeit ist äußerst aufschlussreich. Nachdem zunächst in der ersten Hälfte von 2Chr 35 von einem üppigen Pessach-Fest in Jerusalem berichtet wird, das in der Vorlage einen deutlich geringeren Umfang hat, blendet der Chronist zum Krieg gegen Pharao Necho über, der ebenfalls deutlich detailreicher erzählt wird. Abgeschlossen wird die Regierungszeit Josias mit der typischen durch ויתר דבריeingeleiteten Evaluation.651 Die Wendung ככתוב בתורת יהוה, die wir schon in 1Chr 16,40; 2Chr 31,3 untersucht haben, begegnet uns nun auch im Rahmen des Josia-Narrativs. Sie verbindet genau wie die weniger komplexe Wendung ( תורת יהוהvgl. 1Chr 16,40; 22,12; 2Chr 12,1; 17,9; 31,3–4; 34,14; 35,26) ganz auffällig die Narrative Davids, (Salomos,) Hiskias und Josias. An dieser Stelle ist sie syntaktisch jedoch schwer zu verstehen; insbesondere die Phrase וחסדיו ככתוב בתורת יהוהsperrt sich einer sinnvollen Zuordnung und damit auch dem Verständnis. Ein deutlicheres Profil ergibt sich mit einem Blick auf zwei vergleichbare Evaluationen, Abijas und Ahas’: ויתר דברי אביה ודרכיו ודבריו כתובים במדרש הנביא עדו
2Chr 13,22
ויתר דבריו וכל־דרכיו הראשנים והאחרונים הנם כתובים על־ספר מלכי־יהודה וישראל
2Chr 28,26
Man erkennt deutlich, dass die syndetischen Phrasen, die דבריוan jeweils unterschiedlichen Satzpositionen bieten, in beiden Fällen Teil einer Explikatur von יתר sind und damit syntaktisch unter die Reichweite des Partizips fallen. Der Analogieschluss macht wahrscheinlich, dass 2Chr 35,26 f zunächst folgendermaßen lautete und ככתוב בתורת יהוהeinen Einschub darstellt: ויתר דברי יאשיהו וחסדיו … ודבריו הראשנים והאחרנים הנם כתובים על־ספר מלכי־ישראל ויהודה׃
649 In der LXX ist τὰ λοιπὰ vermutlich durch Haplographie ausgefallen. (Vgl. Klein z. St., 515.) 650 1Esd 1,31 bietet καὶ τῆς συνέσεως αὺτοῦ. Talshir (1999, 123) hält dies für die ursprüngliche Lesart. 651 Vgl. 1Kön 11,41; 14,19.29; 15,7.31; 16,5.14.20.27; 22,39.46; 2Kön 1,18; 8,23; 10,34; 12,20; 13,8.12; 14,15.18.28; 15,6.11.15.21.26.31.36; 16,19; 20,20; 21,17.25; 23,28; 24,5; 2Chr 13,22; 20,34; 25,26; 26,22; 27,7; 32,32; 33,18; 35,26; 36,8
234
4. תהרותin der Chronik
Damit stellt sich die Frage nach Provenienz und Pragmatik dieses Zusatzes. Die erste Frage ist von 1Chr 16,40 her zu beantworten.652 Dort gehört die Phrase vermutlich zur Grundschicht und präfiguriert David erstmals zum torafrommen König, der den Maßstab für alle folgenden Könige darstellt. Insofern kommt die explizite Wiederaufnahme einer Angleichung an David gleich. Die Pragmatik des Einschubs verlangt nach der Einblendung von 2Chr 32,32: ספר מלכי־יהודה וישראל ויתר דברי יחזקיהו וחסדיו הנם כתובים בחזון ׁשעיהו בן־אמוץ הנביא על
Allein in diesen beiden Regierungsevaluationen wird das Lexem חסדüberhaupt verwendet. Dass genau diese beiden Evaluationen übereinstimmen, ist dabei alles andere als Zufall, denn es ist häufig beobachtet worden, dass die Hiskia-Episode in der Chronik deutliche Anleihen am Josia-Narrativ gemacht hat, wobei jedoch speziell die Figur des Hiskia stärker mit Salomo identifiziert wurde. Noch immer ungeklärt ist jedoch die Frage, ob die Angleichung schon auf der Grundschicht der Chronik liegt, oder ob sie sekundär ist. Damit korrespondiert vor allem die Beurteilung des von Hiskia abgehaltenen Pessachfestes. Abgesehen davon scheint jedenfalls die Ausgestaltung des hiskianischen Pessachfestes auch zu einer Übernahme der חסדgeführt zu haben. Hiskia und Josia werden auf diese Weise als archetypische und vor allem torafromme Könige bezeichnet. Damit werden sie im Rahmen ihrer Evaluationen in eine Reihe mit David und Salomo gestellt. So wird jenseits von 2Chr 32,32 und 35,26 nur einmal in 2Chr 6,41 f von menschlicher חסדgesprochen: ועתה קומה יהוה אלהים41 לנוחך אתה וארון עזך כהניך יהוה אלהים ילבׁשו תׁשועה וחסידיך יׂשמחו בטוב יהוה אלהים אל־תׁשב פני42 מׁשיחיך זכרה לחסדי דויד עבדך l
l
Und nun JHWH steh auf, um zur Ruhe zu kommen, du und deine mächtige Lade. Deine Priester, JHWH Gott sollen sich in Heil kleiden und deine Treuen sich am Guten erfreuen. 42 JHWH Gott, weise das Angesicht deiner Gesalbten nicht zurück! Erinnere dich an die Gnadenerweise für David, deinen Knecht. 41
2Chr 6,41 f bilden in der Chronik den Abschluss des Tempelweihgebets Salomos und stellen gegenüber 1Kön 8 einen Zusatz der. Sie haben (mit kleineren Abweichungen) eine Parallele in Ps 132,8–10.653 In V.41 fallen die ( חסידיםdie Treuen) auf, die nur einmal in der Chronik erwähnt werden und die ihren literarischen Ort im Psalter haben.654 Als eine der deutlichsten Belegstellen hat Ringgren 652 Dort wird das Partizip ככתובallerdings mit Artikel versehen und nicht durch die Vergleichspartikel כeingeleitet. Außerdem besteht die Möglichkeit, dass die Phrase dort durch ביד משה עבד אלהיםfortgesetzt wurde. 653 Zur Analyse dieses Zusammenhanges s. u. „Kult-Kalender“. 654 Dtn 33,8; 1Sam 2,9; 2Sam 22,26; 2Chr 6,41; Ps 4,4; 12,2; 16,10; 18,26; 30,5; 31,24; 32,6; 37,28; 43,1; 50,5; 52,11; 79,2; 85,9; 86,2; 89,20; 97,10; 116,15; 132,9.16; 145,10.17; 148,14; 149,1.5.9; Prov 2,8; Jer 3,12; Mic 7,2
4.10 רות im Kontext des Josia-Narrativs
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2Sam 22,26//Ps 18,26 hervorgehoben:655 ( עם־חסיד תתחסדDem Treuen erweist du dich treu.). Offenbar besteht dort ein Äquivalenzprinzip, das sich auch im Zusammenspiel von 2Chr 6,41 und 42 ergibt. Die Treuen erfreuen sich am Guten und JHWH möge sich seinen Gesalbten zuwenden und seiner Treue zu David gedenken. Da auch der Ausdruck חסדי דודsonst nicht verwendet wird, entsteht durch die Verschränkung der Eindruck, als sei David selbst ein חסידund mit ihm auch Salomo, der sich hier als das ‚betende Ich‘ mit seinem Vorgänger und Vater identifiziert und deshalb von mehreren Gesalbten spricht.656 Dass er an der חסדseines Vaters partizipiert, daran kann jedenfalls im Narrativ des Chronisten überhaupt kein Zweifel bestehen. Genau an diesem Punkt greifen nun 2Chr 32,32 und 35,26 das Motiv auf und setzen es in die Evaluationen Hiskias und Josias ein. Dabei sollte Josia, nachdem schon so zahlreich über Hiskias Toratreue berichtet worden war (2Chr 31,3.4.21), offenbar nicht hinter Hiskia zurückbleiben, sodass man sich aus rhetorischen Gründen dazu entschloss, Josias חסדdurch die ככתוב-Glosse in Übereinstimmung mit der Tora JHWHs zu bringen. Dass diese Steigerung gegenüber Hiskia möglich war, setzt dessen Pessachfest inklusive der parallelen Beurteilungen voraus. Dabei ist hinsichtlich der Übersetzung ins Griechische jedoch noch eine signifikante Abweichung in 1Esdras zu verzeichnen. Hier heißt es: ταῦτα δὲ ἀναγέγραπται ἐν τῇ βύβλῳ τῶν ἱστορουμένων περὶ τῶν βασιλέων τῆς Ιουδαίας καὶ τὸ καθ᾽ ἓν πραχθὲν τῆς πράξεως Ιωσιου καὶ τῆς δόξης αὐτοῦ καὶ τῆς συνέσεως αὐτοῦ ἐν τῷ νόμῳ κυρίου τά τε προπραχθέντα ὑπ᾽ αὐτοῦ καὶ τὰ νῦν ἱστόρηται ἐν τῷ βυβλίῳ τῶν βασιλέων Ισραηλ καὶ Ιουδα
Dieses aber ist aufgeschrieben in dem Buch der Berichte über die Könige Judas gemäß der einzelnen ausgeübten Tätigkeiten Josias und seines Ruhmes und seiner Einsicht in das Gesetz des Herrn, sowohl das von ihm ehemals als auch das nun geleistete, sind berichtet im Buch der Könige Israels und Judas.
Gegenüber dem γεγραμμένα ἐν νόμῳ κυρίου in 2Chr 35,26LXX setzt 1Esdr 1,31 mit καὶ τῆς συνέσεως αὐτοῦ ἐν τῷ νόμῳ einen anderen Akzent. Während die ChronikLXX durch den Ausfall der Vergleichspartikel keine andere Lesart mehr zulässt, als dass die Geschichten Josias in der Tora des Herrn niedergeschrieben sind (γεγραμμένα ἐν νόμῳ κυρίου), zielt 1Esdr mit σύνεσις auf Josias Kenntnisse derselben. 655 Vgl. Ringgren 1982, 84. 656 Einzublenden ist hier auch der Levi-Spruch in Dtn 33,8–11. Nur hier werden Chasidim im Pentateuch erwähnt. Ob damit neben den Priestern in 2Chr 6,41 auch die Leviten gemeint sind, ist schwer zu entscheiden. Von der Situation der Ladeüberführung her sind sie eigentlich als anwesend zu denken, andererseits werden sie jedoch nicht weiter erwähnt. Dazu kommt die Problematik, dass Dtn 33,8–11 grundsätzlich einen priesterlichen Zuschnitt hat und der Chronist streng zwischen Priester und Leviten unterscheidet. In Dtn 33,8–11 kann der Chronist eigentlich nur noch die Beschreibung eines Priesters levitischer Abkunft, nicht aber einen levitischen Priester erkennen, da er im Gegensatz zu den Leviten allein den aaronidischen Priestern das Räuchern gestattet (Vgl. 2Chr 26,18 gegen Dtn 33,10).
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4. תהרותin der Chronik
Dazu hat Talshir bemerkt, dass mit dieser Abschlussformel in 1Esdr die gesamte Regierungszeit Josias abgeschlossen werde, obwohl diese nur ausschnitthaft erzählt wurde.657 Vor diesem Hintergrund sei die Tora-Kenntnis Josias mit der Buchauffindungslegende in Verbindung zu bringen. Das ist gut möglich, führt jedoch nicht notwendigerweise zu Talshirs Schlussfolgerung, dass mit 1Esdr der ursprüngliche Text vorliegt.658 Auf die Herkunft des Lexems σύνεσις gibt es schließlich keinen Hinweis in den Textzeugen. Vielmehr spiegelt die wörtliche Übersetzung der LXX die ungelenke Einsetzung der Glosse im Hebräischen wider und entlarvt 1Esdr als einen interpretierenden Text. Damit bleibt die Beobachtung, dass der Chronist gegenüber seiner Vorlage offenbar das Interesse hat, Josia zu einem frommen König zu stilisieren, der sich um die Einhaltung der Tora verdient gemacht hat und damit zum Vorbild für alle חסדיםwird, es ihm gleich zu tun.
4.11 Fazit Im Einzelnen ergibt sich aus der Analyse der einzelnen Tora-Nennungen sowie aus der Zusammenschau das folgende Bild: Es zeigt sich, dass תורהan einigen Stellen verwendet wird, um nachträgliche Regelungen zu etablieren, die gerade nicht in der Tora geregelt sind. In (i) 1Chr 16,40 bspw. werden die Zadokiden nach Gibeon abgestellt, um dort JWHW Brandopfer am Morgen und am Abend und gemäß allem darzubringen, was in dem Gesetz JHWHs geschrieben steht. In der Tat findet sich die Anordnung zum Brandopfer am Morgen und am Abend im späten Text Num 28,4.8, jedoch findet sich dort, wie im ganzen Pentateuch, kein Hinweis auf die Zadokiden. Indem also die Priester torakonform in den Opferdienst am אהל מועדeingesetzt werden, erweist sich einerseits David als legitimer Herrscher und Tora-Kenner. Auf der anderen Seite verfolgt der Chronist jedoch die Strategie, die Zadokiden, die in der Tora als Gruppe keinen Platz mehr hatten und erst in den chronistischen Genealogien ihren Ort finden659, als legitime Priestergruppe herauszustellen. Zu beachten ist hier, dass der Chronist die תורהnicht nur nominell verwendet, sondern auch eine inhaltliche Angabe aus dem Bereich der kultischen Verfahrensordnung, genauer gesagt der Opferregelungen macht. In 1Chr 22,12 liegt der Fall etwas anders, hier wird Salomo gewissermaßen zum Hüter der Tora erklärt. Die Weitergabe der Tora wird an dieser Stelle mit der Inauguration des folgenden Herrschers verbunden. Dabei wird die Tora zum Vexierbild und im Prozess der successio legis gleichzeitig einer doppelten Legiti 657 Vgl. Talshir 1999, 13. 658 Vgl. Talshir 1999, 13. 659 S. u. die Analyse zu Ex 6,14–25 im Kapitel „Kult-Personal“.
4.11 Fazit
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mation. Je nach Perspektive dient sie einerseits der Legitimation des Herrschers, in diesem Fall des Königs, und der von ihm beherrschten Gemeinde, andererseits dient aber auch die Weitergabe des Gesetzes von König zu König der Legitimation des Gesetzes selbst, insofern deren Regentschaft eine konsequente Entwicklung der Schöpfung von Adam an darstellt, die durch Weitergabe, Verlust und Wiederentdeckung der Tora gekennzeichnet ist. 2Chr 6,16 ist analog zu erklären. Hier findet sich der einmalige Vorgang, dass JHWH selbst durch seine Tora ersetzt wird und es zu einer – mit Willi zu sprechen – „Theologie der Heiligen Schrift kommt“. Von 2Chr 12,1 an dient der Gebrauch von תורהimmer auch zur Legitimierung und Delegitimierung von Herrschaft: Die Könige werden damit indirekt an Salomo und der Bereitschaft zu vollständiger Treue gegenüber der Tora gemessen. In diesem Sinne dient dann auch 2Chr 14,3 der Legitimation Asas. 2Chr 15,3 Blickt zurück auf ימים רבים, genauer gesagt auf 20 Jahre der Regentschaft Rehabeams und Abijas und damit auf 20 Jahre ohne Tora. Denkt man daran, dass die Leviten nach 1Chr 23,24 mit 20 ins dienstfähige Alter kommen, kann praktisch angenommen werden, dass eine ganze Generation ohne Tora auskommen musste und der Chronist damit einen regelrechten Traditionsabbruch erzählt. Unter Jehoshaphat geht es wieder zu wie unter David. In 2Chr 17,9 und 19,10 erzählt der Chronist zwei Mal von der Tora. In beiden Fällen berichtet er, wie Jehoshaphat sich um die konkrete Umsetzung spezifischer Inhalte der Tora bemüht. Zum einen folgt er explizit ihrem mit den Leviten verbundenen katechetischen Auftrag, zum anderen richtet er ein Zentralgericht im Sinne von Dtn 16 f ein, das gerade dadurch im DtrG eine empfindliche Unbestimmtheitsstelle hinterlässt. Auch an dieser Stelle steht dabei weniger die zitierte Regelung der Tora selbst im Vordergrund, sondern die Applikation zusätzlicher Themen, die der chronistischen Ideologie und deren Verlangen nach Legitimation entsprechen. Die schon in 1Chr 16,40 zu beobachtende Reziprozität einer doppelten Legitimation lässt sich auch hier beobachten: Indem der König torakonform handelt, legitimiert er sich selbst. Gleichzeitig legitimiert der Chronist auch die von ihm selbst in das Narrativ eingetragene Innovation, indem er sie an die Tora rückbindet. Wichtig ist ferner die Beobachtung, dass vier Syntheseleistungen des Chronisten, die eingangs mit Albertz beschrieben wurden, dahingehend modifiziert werden konnten, dass offenbar die Synthese mit der Prophetie der Synthese mit der Tora nachzuordnen ist. Die Propheten, zumindest in der Ausprägung der Geistbegabten, werden in der Chronik zu Kündern der Tora. Insofern der Tora-Begriff in der Chronik dabei sowohl seiner innerlichen als auch seiner äußerlichen Dimension nach entfaltet wird, harrt dieser einer scharfen Definition. Insgesamt konnten wir also beobachten, dass die Tora, je dichter das Exil heranrückt, umso häufiger gebraucht wird und darin die Tendenz beobachten, die Observanz der nunmehr heiligen Schrift zum Symbol des göttlichen Aufrufs zur
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4. תהרותin der Chronik
Umkehr zu machen. Dabei zeigt sich, dass insbesondere David, Salomo, Hiskia und Josia zu einer Art frommen Vorbildern in der Toraobservanz stilisiert werden, die auf Nachahmung drängt. Die Tora, so wird hier ganz deutlich, wird in der Chronik zu einer heiligen Schrift, die mehr als nur die kultischen Vollzüge reguliert; sie ist selbst – nicht nur symbolisch – in der Lage, ein vitales Gottesverhältnis zu konstituieren. In diesem Sinne ist der Gebrauch des Lexems תורהvor allem auch ein dauerhafter Aufruf zu Bekehrung und Umkehr.
II Hauptteil – Synoptische Studien zur Torarezeption in der Chronik Während im ersten Hauptteil der Arbeit der Fokus vorrangig auf dem תורה-Begriff gelegen hatte und dessen Bedeutung insbesondere durch die Kontextdetermination zu erschließen war, werden wir im zweiten Hauptteil der Arbeit einen anderen Zugang wählen. Nachdem sich im ersten Hauptteil gezeigt hatte, dass über den Begriffsumfang von תורהjenseits des Nahkontextes keine semantischen, sondern eher pragmatische Informationen zu erhalten sind, soll nun der entgegengesetzte Analyseweg eingeschlagen werden, der nicht mehr nach einer begriffsreferentiellen Rezeption der Tora in der Chronik fragt, sondern das Textmaterial des Pentateuchs zum Textmaterial der Chronik in Beziehung setzt. Die Frage wird sein, inwieweit die Chronik Textmaterial des Pentateuchs aufnimmt und auf welchem Weg das Material in die Chronik gelangt ist. Erkenntnisleitend ist dabei das Interesse an der textuellen Konstitution der Chronik und die Frage danach, inwiefern diese auf Prätexte des Pentateuchs zurückzuführen ist. Der Schwerpunkt dieser Arbeit liegt dabei besonders auf der Rezeption kultischer Texte. Den Bereich des Kultischen hatten wir zu Beginn in Anlehnung an Wellhausen in die folgenden fünf Felder aufgeteilt: 1) Kult-Personal, 2) Kult-Gegenstand, 3) Kult-Ort, 4) Kult-Kalender und 5) Kult-Handlung. Die Analyse wird jeweils exemplarisch anhand eines einschlägigen Textes der Rezeption des Pentateuchs den fünf Feldern nachgehen. Die Suche nach kultischen Einflüssen der Tora auf die Chronik sondiert zuerst die Personalfrage. Diese spielt nicht nur im Pentateuch, sondern auch in der Chronik die wichtigste Rolle. Allem narrativen Material vorangestellt ist dort die sog. „Genealogische Vorhalle“, die die Optik für und auf alle Angehörigen des Volkes Israel einstellt. Der Kult spielt in diesem Programm – nicht nur im übertragenen Sinn – die zentrale Rolle. Methodisch setzen wir mit der synoptischen Betrachtung ein, die nicht mehr darauf zielt, den Tora-Begriff aus dem Kontext zu greifen, sondern die Bedeutung dieses Begriffs aus der komparatistsichen Perspektive zu ermitteln. Diese wird, da die Genealogien keine Vorlage in den Samuel- / Königsbüchern haben, zunächst der direkte Vergleich erbringen, bevor in den folgenden Kapiteln die jeweiligen Vorlagen in die Analyse einbezogen werden. Die Frage wird lauten, inwieweit der Chronist Toratexte nicht nur zitiert, sei es direkt, sei es indirekt, sondern inwieweit die Toratexte sich auf die literarischen Umformungsprozesse der Vorlagen in die Texte der Chronik ausgewirkt haben. Das spekulative
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Risiko, Einflüsse festzustellen, wo sie evtl. nicht, oder evtl. andere vorhanden sind, nehmen wir für den Mehrwehrt in Kauf, auf diesem Wege nicht nur intertextuelle Spielarten, sondern eine regulative Wirkung der Tora für den Chronisten beobachten zu können. Der materielle Querschnitt durch fünf Kultbereiche zielt jedoch darauf, die Fehlschlüsse durch ein breites Panorama möglichst gering zu halten. Anders formuliert: Lassen sich hinreichend deutlich Einflüsse auf die literarische Transformation in allen fünf Feldern beobachten, sind damit zugleich Indizien dafür gewonnen, dass der Pentateuch nicht nur in einer bestimmten Form – in welcher, das wird zu ermitteln sein – existierte, sondern als autoritative Schrift auch Geltung beanspruchen konnte und ihr diese zumindest durch die Schreiber der Chronik zugeschrieben wurde. Denn insbesondere dort, wo auf die Tora rekurriert wird, ohne sie zu zitieren, lässt sich die Reichweite ihrer Legitimation messen. Damit also zum Kult-Personal!
5. Kult-Personal Das Kult-Personal ist in den Chronikbüchern vollumfänglich levitisiert worden.1 Der Chronist knüpft dabei an die im Pentateuch sukzessive entwickelte und ausdifferenzierte Vorstellung an, nach der es levitisch-aaronidische Priester, einen clerus maior, und levitische Kultdiener, einen clerus minor, gibt.2 Dieses Mo 1 Bereits Willi 1972, insbesondere jedoch Steins 1995 und Labahn 2012 haben komplexe redaktionelle Modelle der Chronikbücher mit Blick auf die kultische Differenzierung entwickelt. 2 Die Auffassung, dass insbesondere innerhalb des Numeribuches ein clerus maior von einem clerus minor unterschieden werden kann, findet sich bei Achenbach 2003, Schaper 2000, sowie neuerdings auch bei Samuel 2014. Allen Untersuchungen ist gemeinsam, dass sie sich an dem folgenden Wellhausenschen (31899, 342.) Dictum abzuarbeiten haben: „In den sekundären Stücken des Priestercodex wird die Kluft zwischen clerus major und minor weit stärker betont, die Leviten werden möglichst herabgedrückt. So besonders in Num. 3.4.8. Die Differenz besteht allerdings weniger in der Sache, als in der Stimmung. Trotzdem darf sie nicht übersehen werden.“ Inzwischen besteht in der Forschung weitgehender Konsens darüber, dass diese frühe Trennung der Gruppen eine Fehleinschätzung darstellt. Die Unterscheidung von clerus minor und maior ist erst auf eine Ebene einer post-pentateuchredaktionellen Ebene anzusetzen. (Vgl. grundlegend Achenbach 2003, 433–456 sowie Samuel 2014, 299) Dass mit der chronistischen Rückführung der Zadokiden auf Levi das Postulat der „vollen priesterlichen Befugnisse“ für die Leviten verbunden ist (Fabry 2004a, 201–217, hier: 203.) und damit „[d] ie frühe Differenzierung in Ez 40–48 […] wieder obsolet geworden“ (ebd. 204) sei, wie Fabry behauptet, ist nicht mit der vorliegenden Analyse zu vereinbaren. Vielmehr zeigt sich, dass die Chronik von dem Primat der Priester ausgeht und dieses trotz der sukzessiven Ausdehnung und Aufwertung der Leviten zwar angefochten, jedoch nicht überwunden wird. Ganz deutlich ist dies an der Rezeption eines erst durch Num 10,1–10 eingeführten Motivs zu erkennen, das parallel zum Opferbetrieb des Tempels verläuft, der חצצרה. Diese zu blasen, ist nach den Bestimmungen
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dell wird jedoch nicht statisch übernommen, sondern insbesondere durch eine Ausdifferenzierung der levitischen Aufgaben erheblich weiterentwickelt und bisweilen auch in Frage gestellt.3 Angelpunkt dieser Entwicklung ist die Stilisierung Davids zu einem „Priesterkönig“4, dem der Chronist gleichzeitig eine latente Identität mit Mose zuschreibt. Auf diese Weise liefert die chronistische Literatur ein breites Panorama der Belange des Kult-Personals in der Epoche des Zweiten Tempels. Levitischer Herrschaftsanspruch in den Büchern der Chronik? – Zu einer These von Labahn In jüngerer Zeit hat labahn eine umfangreiche Studie vorgelegt, die auf die These hinausläuft, dass die Leviten in chronistischer Zeit zunehmend Herrschaftsansprüche gestellt und indirekt durchgesetzt hätten. Diese Ansicht ist, da wir im Folgenden vorrangig die levitischen Verwandtschaftsverhältnisse analysieren, zunächst kritisch zu evaluieren: Labahns These lautet, dass die Leviten in der Chronik eine „multi-funktionale Gruppe“5 seien und das von ihnen gezeichnete Bild keine historische Aussage, sondern eine Form der „Identitätsbildung“6 darstelle. Ausgehend von der Position eines clerus minor zeichne sich eine Entwicklung ab, die die Leviten schrittweise zu unterschiedlichen Funktionsträgern der Gesellschaft profiliere.7 Damit dehne sich der Zuständigkeitsbereich der Leviten über den Tempel hinaus aus und führe diese in eine soziale Position indirekter Herrschaft.8 Die von ihr postulierten Entwicklungen lassen sich folgendermaßen nachzeichnen: Am Anfang stehe der niedere kultische Dienst (Hilfsdienst für die Priester, Aufräumarbeiten im Tempel, Pflege der Archive, etc.) im Einfriedungsbereich des Tempels. Für diese Phase behält Labahn den Begriff des clerus minor bei.9 In einer ersten Veränderung werde dieser clerus minor mit Sängern und Musikern einerseits und Torhütern andererseits assoziiert, wobei beide Gruppen dezidiert als „ursprünglich eigene Linien“10 gelten: a) Sänger / Musiker „(1Chr 6,16–18; 15,17–21*; 23,5; 2Chr 35,15*)“ b) Torhüter von Num 10 allein den Priestern vorbehalten. In der Chronik wird dieses Vorrecht nur ein Mal in 1Chr 16,42 in Frage gestellt, wobei dort das Subjekt des Signalgebers unbestimmt bleibt. 3 Ausführlich bearbeitet hat die Ausdifferenzierung des Kultpersonals Labahn, 2012. 4 Den provokanten Begriff prägte Hänel (1927, IX), der auf diese Weise unzureichend zwischen den sakralen Funktionen des Königtums einerseits und einem Königreich von Priestern andererseits unterscheidet. In seiner sakralen Funktion als König, so werden wir sehen, wird David gleichsam zum Ahnherrn eines Priesterkönigtums. 5 Labahn 2012, 366. 6 Vgl. ebd., 310. 7 Vgl. ebd., 366. 8 Vgl. ebd., 366. Die Entwicklung, von der bei Labahn die Rede ist, lässt den Leser jedoch etwas ratlos mit der Frage zurück, worin genau diese Herrschaft besteht. Labahn macht zwar deutlich, dass sie sowohl eine gesellschaftliche Entwicklung als auch eine redaktionsgeschichtliche Entwicklung im Blick hat, in ihrer Darstellung hält sie beide Entwicklungen jedoch nicht trennscharf auseinander. 9 Die für Labahn in Frage kommenden Texte sind: 1Chr 9,26b–34; 23,28–32; 2Chr 23,18 f; 29,5.11–17 30,16b; 31,11; 35,11–13. (ebd., 366). 10 Vgl. ebd., 366.
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„(1Chr 26,1.4 f; 2Chr 8,14; 12,10 f; 23,4; 35,15*)“. Die Sänger / Musiker und Torhüter werden dann weiterhin „unter die Leviten gerechnet“11. c) Levitische Sänger „(1Chr 6,28.33; 9,33; 15,16–18.22; 16,4; 23,2.6; 25,1 ff; 2Chr 5,12; 7,6; 20,19; 23,18; 29,25–30; 30,21; 34,12; 35,15)“ d) Levitische Torhüter „(1Chr 15,17 f; 23,4 f; 26,20; 2Chr 31,14; 34,9.13; 35,15)“ e) Diese Entwicklung ergebe, „dass zu den primären levitischen Aufgaben weitere Dienste hinzukommen“12. Die „Verschmelzung der Leviten mit den Torhütern“13 führe dazu, dass diese nun auch als Wachpersonal eingesetzt würden, womit der Einsatz von Waffengewalt und die Unterstützung des Königs verbunden seien.14 Es ist etwas unklar, ob Labahn darin eine ‚dritte‘ Entwicklung sieht. Der Begriff „Entstehungsstufe“15 jedenfalls insinuiert literarische Strata: f) Wachdienst: „1Chr 9,19.21–24.26; 15,23 f; 16,38; 26,12; 2Chr 31,14“, g) Unterstützung des Königs: „1Chr 12,27; 2Chr 23,4 f.7.19“. Labahn hebt richtig hervor, dass „die Leviten nunmehr an die Umgebung des Königs (z. B. David, Jehoschafat, Josia und Hiskia) gebunden werden“16. Wenn sie den Sachverhalt jedoch dahingehend auswertet, dass „die Chronik sie den Binnenbereich des Tempels verlassen“17 lässt, stellt sich die Frage, ob die Einschätzung in mehr als nur räumlicher Hinsicht geteilt werden kann. Freilich verlassen die Leviten bspw. in 2Chr 17,7–9 den Tempel, um die Tora in den Städten Judas zu lehren. Die Frage ist jedoch, ob sie auch in einem institutionellen Sinne den Tempel verlassen. Zu bedenken ist auch, dass bei allen Vorgängen, an denen Leviten beteiligt sind, auf der Ebene des Endtextes immer die Priester die Oberhand haben. Wie die Entwicklung also auch beschrieben wird, die levitische Emanzipation konnte den priesterlichen Primat offenbar nicht überwinden. Selbst in 2Chr 17 werden ja explizit auch Priester mit der Toraverkündigung betraut. Eine levitische Beteiligung ist ja gerade nicht mit einer priesterlichen Tilgung zu verwechseln. Deshalb kann sicherlich von einem Zuwachs der Levitizität im Sinne einer umgreifenden Levitisierung des Kultpersonals gesprochen werden, ob damit jedoch realgeschichtlich gleich ein levitischer Herrschaftsanspruch einhergegangen sein muss, und ob dieser Anspruch auch gesellschaftspolitischen Zuspruch gefunden hat, ist allein auf Grundlage der Chronikbücher nicht zu entscheiden. Nachdem bis hierher bereits zwei bis drei Entwicklungen nachgezeichnet wurden, spricht Labahn nun erstmals von „der ersten redaktionellen Neubestimmung der Leviten in der Chronik“18. Dabei ist die Rede davon, dass den Leviten „eine größere kultische Kompetenz attestiert wird. Die Leviten begegnen auf dieser literarischen Entwicklungsstufe als Tempelpersonal, das selbständig, ohne das Zutun der Priester, Opfer darbringt (vgl. 1Chr 23,18b [sic!]; 2Chr 30,17b; 35,6.14)“.19 Hier stellt sich zunächst ganz grundsätzlich die Frage, inwiefern „Schlachten“ und „Opfern“ in der Chronik überhaupt 11 Vgl. ebd., 366. 12 Vgl. ebd., 366. 13 Vgl. ebd., 367. 14 Dabei vernachlässigt Labahn jedoch die Frage, was dies für die im Kontext der nachexilischen, königslosen Zeit verfassten Chronikbücher bedeutet. 15 Vgl. ebd., 367. 16 Vgl. ebd. 2012, 367. 17 Vgl. ebd., 367. 18 Vgl. ebd., 367. 19 Vgl. ebd., 367 f.
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gleichgesetzt werden dürfen. Hinzu kommt, dass keiner der Texte eindeutig von einem levitischen Opfer spricht, sondern vielmehr eine filigrane Aushandlung der Kompetenzen vorliegt. Insbesondere in 2Chr 35 wird sichtbar, wie um jede einzelne Tätigkeit beim Opfervorgang gerungen wird, bis dahin, dass die Priester das Blut aus der Hand der Leviten sprengen. Da die Berührung mit Blut während des Altarrituals offenbar den Priestern vorbehalten bleibt, kann von einer allzu freizügigen Herrschaftskonstruktion der Leviten nicht die Rede sein. Auf dieser ersten redaktionellen Ebene seien die Leviten dann für heilig erklärt worden: „(vgl. 2Chr 23,6; 29,5.34; 30,15bα.17b; 31,18b; 35,3; s. a. 1Chr 15,12.14)“. Auf einer zweiten Redaktionsstufe seien die Leviten zu Schreibern geworden. Dieser Vorgang sei jedoch bereits latent auf der ersten Ebene vorbereitet gewesen und auf einer dritten Ebene weiter ausdifferenziert worden.20 Damit legt sich die Vermutung nahe, dass sich die einzelnen Ebenen evtl. doch nicht voneinander scheiden lassen.21 In jedem Fall mache die zweite redaktionelle Ebene die Leviten zu „Schreiber[n]“ ספרים, „Beamte[n]“ שטרים, „Aufseher[n]“ פקידים, „Vorsteher[n]“ נגיד, „Stellvertreter[n]“ משנה, „Zuständige[n] über einen Bereich“ ( )עלund „Richter[n]“ ()שפטים.22 Labahn stellt diese Ausdifferenzierung in einen Zusammenhang mit der Unterordnung der Leviten „unter die Autorität des Königs“23. Damit seien sie „aus dem Bereich der sakralen Kultvorgänge herausgenommen und in profane Machtstrukturen, wie sie vom König repräsentiert werden, integriert“24. Diese Darstellung rekapituliert zwar vollkommen richtig die erzählte Welt des Chronisten, nur wird die reine Deskription an dieser Stelle nicht der chronistisch-historiographischen Perspektive des Als-Ob gerecht. Der Chronist entwickelt seine Ausdifferenzierung, als gäbe es noch einen König. Insofern erhalten die Leviten, wie Labahn sagt, einen profanen Status. Nur muss berücksichtigt werden, dass der Chronist, resp. die Chronisten, gerade kein existierendes (weltliches) Königtum mehr kennen und auch kaum Hinweise darauf geben, wieder ein solches errichten zu wollen.25 Mehr als den wohl sekundär verlängerten Juda-Stammbaum wird 20 Vgl. ebd., 368. 21 Diese Problematik erinnert an die Unterscheidung Gallings eines ersten und eines zweiten Chronisten (Chr*/Chr*). Galling war es dabei nicht gelungen, die zwei Chronisten mit einem eigenen Profil voneinander abzugrenzen, wodurch die Existenz der postulierten Bearbeitung stark an Plausibilität einbüßt. (Vgl. zur Kritik Steins 1995, 91–94). 22 Vgl. Labahn 2012, 368. 23 Vgl. ebd., 368. 24 Vgl. ebd., 368 f. 25 Damit ist die kontrovers diskutierte Frage verbunden, ob die Chronik messianische Tendenzen, die die Hoffnung auf einen neuen Davididen erkennen lassen, beinhaltet oder nicht. Otto (2000, 235, Anm. 7) ist der Auffassung, dass in der Chronik gerade nicht die im Corpus Propheticum erkennbare Hoffnung auf einen Messias durchscheint: „Die Chronikbücher sind nicht als aktualisierende Revision der Königsbücher verfaßt worden, sondern sind der Gegenentwurf zur negativen Geschichtsinterpretation in den Vorderen Propheten, der seine Kraft nicht aus der Erwartung einer messianischen Zukunft gemäß des corpus propheticum zieht, sondern aus der Tatsache des davididisch begründeten Tempelkults“. Etwas weniger kontrastiv fasst es Willi (1972, 43), der zwar ebenfalls keine Konkretisierung eines messianischen Ideals annimmt, jedoch von der Chronik als von einem „historiographische[n] Korrelat“ spricht. Die Komplexität der messianischen Deutungsoptionen, gerade auch unter Problematisierung des Begriffes „Messianismus“, wird übersichtlich und letztlich zurückhaltend bei Riley 1993, 169–175,
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man jedenfalls kaum heranziehen können, wenn es um die Restitution eines davidischen Königtums geht. Was also meint der Chronist, wenn Labahn feststellt, dass die Leviten dem König unterstellt seien? Auf der Ebene einer letzten Redaktionsstufe würden die Leviten laut Labahn schließlich zu Propheten (1Chr 23,14; 25,1–7; 2Chr 20,14b; 30,16; 35,5) und Lehrern (2Chr 17,7–9; 35,3) gemacht. Als Kommunikanten und Interpreten der Schrifttradition (vor allem in Gestalt von Tora und Psalter) seien die Leviten schließlich die „Erben der Propheten“ geworden. Damit steht dann die Frage im Raum, inwiefern die Tora und der Psalter in der Chronik denselben Stellenwert haben. Dass in der Verhältnisbestimmung von Tora und Prophetie die Torafrömmigkeit über die Entwicklung der Schriftprophetie dominiert, haben wir bereits gesehen.26 labahn rückt auf dieser Ebene die Leviten eng mit der Tora zusammen. Sie spricht von „Aktualisierung der Schrifttradition“27 und „Interpretation“28. Diese „aktualisierende Interpretation“ vollziehe sich sowohl im „schriftlichen Medium der literarischen Tradierung und Fortschreibung von Traditionen“ als auch „im mündlichen Medium der Verkündigung und Lehre“. Wenn Labahn dabei zu der durchaus plausiblen These gelangt, dass die Leviten „schriftgelehrte Interpreten“ seien, die „Schriftexegese betreiben“29, dann vermisst man jedoch, dass sie dies auch zeigt. „Auf Grund der axiomatischen Setzung [Die Leviten seien eine multi-funktionale Gruppe, die vor allem durch Genealogien eine interne Konnektivität herstelle, L. M.] nimmt die Chronik eine Deutung der Geschichte vor, indem sie die Vergangenheit in Kongruenz zur Wahrnehmung ihrer Gegenwart neu schreibt.“30 Weiter heißt es: „Die historiographische Wirklichkeitskonstruktion, die die Vergangenheit dadurch neu deutet und neu schreibt, generiert dieses Bild aufgrund ihrer spezifischen Wahrnehmung entfaltet. Die Deutung der einschlägigen Texte wird grundsätzlich dadurch erschwert, dass die Textüberlieferung gerade an den relevanten Stellen (1Chr 17,1–15; 2Chr 1; 6,17.41 f; 7,18) äußerst komplex und kaum vollständig zu erhellen ist. Auch in dieser Arbeit bestätigt sich der Eindruck einer nicht-messianischen (was nicht anti-messiansich heißen soll) Lesart der Chronik, wie Otto sie vertritt. Im Zentrum der Chronikbücher steht zweifelsfrei die Beschreibung des Königtums Davids und Salomos als Idealzustand, um den Begriff der Utopie zu vermeiden. Von diesem ist jedoch zu erkennen, dass er mehr Konstituente des priesterlichen Herrschaftsdiskurses, denn eine Begründung messianischer, geschweige denn levitischer Ansprüche darstellt. 26 Vgl. dazu die folgende Beobachtung v. d. Toorns: „[T]he Chronicler is the first to systematically present the prophets as authors. He describes the prophet Isaiah as the writer of a chronicle about Uzziah (2 Chron 26:22; compare 32:32) and the prophet Jeremiah as the author of Lamentations (2 Chron 35:25; compare Josephus, Ant., 10.5.1). In addition to Isaiah and Jeremiah, the Chronicler refers to works written by ‚Samuel the Seer‘ (1 Chron 29:29); ‚Nathan the Prophet‘ (1 Chron 29:29, 2 Chron 9:29); ‚Gad the Seer‘ (1 Chron 29:29); ‚Ahijah the Shilonite‘ (2 Chron 9:29); ‚Iddo the Seer‘ (2 Chron 9:29, 12:15; cf. 13:22); and ‚Shemaiah the Prophet‘ (2 Chron 12:15). The attribution of historiography and liturgical laments to the prophets demonstrates that the prophets had come to be perceived as men of letters.“ v. d. Toorn, 2007, 230.“ Damit zeigt sich also, dass seine zweite Gruppe in der Chronik zu Schreibern avanciert, deren Verhältnis zu den Leviten grundlegend als eines der Identität bestimmt wird. 27 Vgl. Labahn 2012, 369. 28 Vgl. ebd., 369. 29 Vgl. ebd., 369. 30 Vgl. ebd., 369.
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der Gegenwart, in deren Zentrum – wie gesehen – der Tempel und die multi-funktional angebundenen Leviten stehen.“31 Labahn zeichnet vor diesem Hintergrund, die Chronik sei also zugleich Deutung und Konstruktion der Wirklichkeit, ein breites Identifikationsangebot für die Rezipienten der Chronik nach: „Mit dieser neuen Deutung der Vergangenheit ergeht zugleich ein Identifikationsangebot an die Hörer / Hörerinnen und Leser / Leserinnen der Chronik, in diese Deutung einzustimmen und diese als ihre eigene Sicht von der Vergangenheit, Gegenwart und auch Zukunft viabel werden zu lassen.“32 Abgesehen davon, dass der Satz ausreichend unterbestimmt ist, um für so gut wie alle biblischen Bücher gelten zu können, ist gerade im Falle der Chronik zu konstatieren, dass diese Auffassung kaum einen Sinn ergibt. Es stellt sich die Frage, wer zu diesem Kreis überhaupt gehört haben soll, da die Chronik offenbar gerade kein Buch war, das in so großem Stil gelesen wurde, dass es gar ein Identifikationsangebot für Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sein konnte. Ganz im Gegenteil ist die äußerst spärliche Rezeptionsgeschichte, die Kalimi zu Tage gefördert hat, eher ein Zeichen dafür, dass die Chronik vor allem für die Gruppen Gültigkeit hatte, die gleichzeitig auch für ihre Abfassung im engeren Sinn verantwortlich waren.33 Dass mit der Rezeption der Chronik gleich das Angebot „auf flexible Eingliederung in die multi-funktionale Gruppe, die durch Integration anderer Personen an Vielschichtigkeit, Kompetenz und Einfluss gewinnen würde“, einhergehe, ist jedoch zu bezweifeln. Jedenfalls lässt die Rezeptionsgeschichte jenseits ihrer Fortschreibungsgeschichte nicht erkennen, dass der „Appell an die Rezipienten“34 aufgegriffen wurde. Auch die These, dass die Leviten „[d]urch ihre Tätigkeit in den Archiven […] Einflussmöglichkeiten auf die Administration und Ökonomie erlangt [haben]“, was für Labahn bedeutet, dass diese „indirekte Herrschaft“35 ausüben, stellt eine fahrlässige Gleichsetzung der literarischen Verhältnisse mit der historischen Wirklichkeit dar. Schon intratextuell stellt sich die Frage, wie man sich vorstellen soll, dass die Chronik ein großzügiges Angebot zur Identifikation mit den Leviten gestiftet haben und gleichzeitig deren Machtansprüche ausgeweitet und durchgesetzt haben soll. Diese contradictio in adiectio, die von Labahn offenbar nicht als solche empfunden wird, ist umso mehr in Zweifel zu ziehen, als für eine solche Annahme jegliche external evidence fehlt, die diese stützen könnte.
31 Vgl. ebd., 371. 32 Ebd., 372. 33 Vgl. Kalimi 2013, 1–34. 34 Vgl. ebd. 35 Vgl. ebd., 376.
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5.1 Struktur der sog. Genealogischen Vorhalle in 1Chr 1–9 Der Begriff der „Genealogischen Vorhalle“ wurde nicht, wie fälschlicherweise immer noch behauptet wird, von Wellhausen36, sondern von Rothstein37 geprägt. In der Forschung an der Chronik ist es dabei inzwischen zu einem Paradigmenwechsel gekommen. Die chronistischen Genealogien wurden bis in die Mitte des 20. Jh. weitgehend als sekundär betrachtet. Ihre Funktion wurde daher nicht integral, sondern additiv beschrieben. So war bspw. Wellhausen der Auffassung, dass sie eine Art Einleitung zur Chronik darstellen sollten. Während auch noch Noth die Vorhalle für ein sekundäres Element in der Chronik hielt, hat sich inzwischen der Konsens eingestellt, dass diese einen integralen Bestandteil der Chronik darstelle.38 Die Erforschung der filigranen Struktur dieser chronistischen Teilkomposition ist in den letzten Dekaden erheblich vorangekommen. Man kann heute nicht mehr von „wilden Wucherungen“ sprechen, wie Noth es getan hat, sondern versteht die Gesamtkomposition als absichtsvolle Gestaltung: „Gerade wer sie [sc. die Genealogien, L. M.] als integrierenden Bestandteil des Werkes betrachtet“, so Willi, „wird sich den beiden Fragen stellen müssen, wie sich die Genealogien auf die Geschichtserzählung beziehen und in welcher Eigenschaft sie dem Werk voranstehen.“39 Einen wichtigen Schritt in dieser Richtung hat Oeming bereits 1990 unternommen und die Genealogien als „radikale Reduktion“40 der Ur- und Frühgeschichte Israels und, man könnte sagen, textographische Abbildung der chronistischen Auffassung des wahren Israel41 beschrieben. Der Ausdruck wurde programmatisch von Oeming geprägt, der zunächst neun inner-alttestamentliche und altorientalische Vergleichsmomente für die Genealogien durchspielt:42 (a) berufsqualifizierende Genealogien: Im Blick ist Esr 2,62 f//Neh 7,64 f, wo es um die Eignung von rückkehrenden Priestern für den Priesterdienst geht.43 (b) Amtsinhaberverzeichnisse: Dabei gehe es um eine Form der Selbstvergewisserung der bestimmte Ämter innehabenden Gruppen.44 (c) Altorientalische Listen königlicher 36 Der Rezeptionsfehler entfaltet sich seit 1972 (vgl. Willi 1972, 14) und hat sich zahlreich niedergeschlagen (vgl. z. B. Kartveit 1989, 16; Kelly 1996, 175). Schorn (1997, 8, Anm. 14) hat ihn mit Rudolph in Verbindung gebracht. 23 Jahre später hat Willi (1995, 121) das Missverständnis jedoch stillschweigend korrigiert und Rothstein als den eigentlichen Urheber identifiziert. 37 Rothstein z. St., 2 f. 38 Vgl. Oeming 1990, 42, Sparks 2008, passsim; Knoppers z. St.; Japhet z. St., sowie Willi z. St. 39 Willi z. St., 8. 40 Oeming 1990, 73. 41 Oeming 1990, passim. 42 Vgl. Oeming 1990, 48–53. 43 Vgl. ebd., 49. 44 Ebd.
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Dynastien: Dabei beziehe sich „[a]ber nur ein kleiner Teil in 1Chr 1–9 […] auf Dynastieinformationen“.45 (d) Heereszensuslisten: „Auch als Heereszensusliste kommen allenfalls Teile der Vorhalle, bes. in Kap. 7 und 8 in Betracht, die Zahlen für die גבורי חילnennen. Für solche Heereslisten wären aber diachrone Zusammenhänge […] ohne Interesse.“46 (e) Zensuslisten für die Steuern: Da keine bestimmten Abgaben genannt werden, verwirft Oeming diese Analogie.47 (f) Symbol für die Fülle des göttlichen Segens: Oeming zielt hier auf die Explikation von Gen 1,28.48 (g) Ort Israels in der Völkerwelt: 1Chr 1 sei genau wie Gen 10 am ‚Ort Israels in der Völkerwelt‘ interessiert, wobei die zentrale Stellung Israels in 1Chr 1 deutlicher betont sei.49 (h) Die himmlische Buchführung: Einen nicht unwichtigen Deutungsansatz bringt Oeming mit der Metaphorik der himmlischen Buchführung ins Spiel. Er verweist dazu auf die folgenden Parallelen: Ex 17,14 (RP); 32,32 f (RP); Jes 4,3; 65,6; Mal 3,16; Ps 22,31; 56,9; Hi 19,23; Est 6,1; Dan 7,10; (Esr 4,15) sowie CD 20,19; 1QM 12,2; Apok 13,8. Hiernach wären die Listen als „eine spezifische Form des Buches des Lebens“ aufzufassen.50 Für eine eindeutige Zuordnung zu diesem Phänomen fehlten jedoch die spezifischen Merkmale: „z. B. prädestinatianisches Denken, frühapokalyptische Gerichtsvorstellungen oder Elemente einer Märtyrerideologie.“51 (i) Toledot-Buch: Dem von Oeming eingebrachten Vergleichsmoment eines Toledot-Buches liegt die Hypothese Holzingers und Erdmans’ zu Grunde. Bei Erdmans werden diesem Buch folgende Abschnitte zugeordnet: Gen 5,1–32; 6,9–22; 7,6–9.17–22.24; 8,1–19; 9,8–29; 11,10–26; 11,27–32; 12; 13,1–13.18; 15,7–12.17–21; 23; 25,7–11; 25,19–34; 27; 28,11–22; 32.4–23; 33,1–17; 35,1–8.16–20.23– 29; 36,1–14; 37,2.25–27.28b.34.35; 40; 41; 42; 45,1–27; 46,2b–7; 47,6–12.28; 49,1a.29–33; 50,12.13.52 In der Rekonstruktion v. Rads fällt der Umfang des Toledot-Buches deutlich geringer aus: Gen 5,1a.3–23.25–28.30–32; 6,9.10; 9,28.29; 10,1–7.20.22.23.31.32; 11,10–27; 25,12–17.19.20; 36,9–14.40–43 (36,1–8.15–19; Num 3,1).53 Bei Noth wird der Kern weiter reduziert und der folgende Bestand festgelegt: Gen 6,9; 11,27; 25,19; 37,2.54 Bührer ist der Auffassung, dass es ein solches Toledot-Buch gegeben haben, dass man jedoch hinsichtlich des Umfangs „methodisch kontrolliert über Spekulationen möglicher Szenarien nicht hinaus [gelangen kann]“55.
In einer konzentrischen Bewegung geht die Darstellung sukzessive von der Betrachtung der Welt zur Volksgeschichte Israels über. Dabei werden die wichtigen Funktionsstellen des Volkes in den Genealogien symbolisch besetzt: So erhält Juda die Vorrangstellung und die Genealogie Levis einen prominenten Platz in der Mitte des Systems. An dieser Stelle hat auch Sparks eingesetzt, der in einer
45 Ebd. 46 Ebd. 47 Ebd. 48 Ebd. 49 Ebd. 50 Ebd. 50. 51 Ebd. 52 Vgl. Eerdmans 1908. 53 V. Rad 1934, 33–40.37. 54 Noth 1948, 10, Anm. 20; 254 f. 55 Bührer 2014, 60. Zum Stand der Forschung vgl. ebd., 152–160.
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kleinteiligen gestalttheoretisch orientierten Analyse der chronistischen Genealogien den Chiasmus als dominante Textur herausgearbeitet hat. Oeming, der mit seiner Arbeit einen konsistenten Gesamtentwurf vorgelegt hat, konstatiert jedoch mit Blick auf zahlreiche Details, dass sich die „Entstehungsgeschichte wohl nie vollständig wird erhellen lassen“56. Dargeboten werden in neun Kapiteln agnatische57 Genealogien der 12 Stämme Israels, die teils aszendierend, teils deszendierend, teils durch בנו, teils durch הולידkonstituiert werden. Sukzessive greift der Chronist auf das genealogische Material aus Gen 5; 10; 11,10–26; 25; 35,22–26; 36 sowie Ex 1,1–5 zurück, tilgt die narrativen Bestandteile der Texte und reduziert diese damit zu reinen Namenslisten. Dabei wird ganz deutlich, dass der Chronist an den Erzählstoffen der Vorzeit kein narratives Interesse hat, sondern die Vorgeschichte Israels ab origine nur in einem verdichteten, mit dem „Ein-Wort-Mythos“58 „Adam“59 beginnenden und auf Vollständigkeit angelegten Zeitraffer60 darbieten will. Während die priesterlichen Texte dabei chronologisch 56 Oeming 1990, 42. 57 Zwar werden auch einige Frauen an neuralgischen Punkten in die Verzeichnisse inte griert, diese spielen jedoch im Hinblick auf die stark dominierende Rolle der Agnation eine untergeordnete Rolle. Vgl. zur Bedeutung der Frauen in 1Chr 1–9 Labahn / Ben Zvi 2006, 175–194. 58 Der Begriff „Ein-Wort-Mythos“ ist von Blumenberg (1989b, 139) geprägt worden. Er zeigt hier den Übergang von der Gattungsbezeichnung Mensch zu dem, sonst im Alten Testament nicht mehr vergebenen, Eigennamen Adam an. Angesichts dieser Entwicklung der durch Gott motivierten Herkunft des Menschen Adam aus der Erde ist es auffällig, dass der Chronist in 1Chr 1,1 die göttliche Ebene des Mythos abtrennt und insbesondere durch die nach vorne unverbundene Einführung Adams einen für das Alte Testament singulären Buchanfang generiert. Der Begriff des Mythos, der bereits von de Wette (1852, 243) zur Charakterisierung der Chronik verwendet wurde, ist unverlierbar, da dieser eine der Denkformen des Chronisten darstellt. Vieles von dem, was der Chronist durch den Aufweis von Ursprünglichkeit als legitim herausstellen will, präsentiert er in Form von mythischen „Erbinformationen“. So setzt er jeweils David mit Abraham (1Chr 21) und Mose (1Chr 28), Salomo mit Josua (1Chr 22) und Bezalel (1Chr 28) sowie dann wiederum Hiskia und Josia mit Salomo in das Verhältnis einer latenten Identität. Mit anderen Worten: Personelle Legitimität ist für den Chronisten eng mit der Frage der Abstammung verbunden, wobei Adam für ihn den absoluten Ursprung darstellt. Indem der Chronist mit diesem ersten Menschen beginnt, immunisiert er sein Programm gleichzeitig, gegen jede alternative Konstruktion. Sparks (2008, 331) deutet diesen Buchanfang allegorisch: „First Chronicles 1 is the opening, barren, portrayal of life lived in exile. It is a life without Yahweh, his cult, or any of the prosperity which faithfulness to Yahweh brings.“ Diese Feststellung in Verbindung mit Adams unverbundenem Eintritt in die Geschichte verweist den Leser in aller unausgesprochenen Deutlichkeit weg von dem Anfang in das durch die Leviten ‚regierte‘ Zentrum. (Vgl. Oeming 1990, 210 sowie die explikative Entfaltung durch Sparks 2008, 331 f.) Es ist erstaunlich, wie wenig Aufmerksamkeit dieser exzeptionelle Buchanfang bei den Auslegern der Chronik gefunden hat. Eine Ausnahme stellt Knoppers (z. St., 272) dar, der von einem „miracle of condensation“ spricht. 59 Von Willi (2012, 172) zutreffend mit „Menschheit“ wiedergegeben. 60 Die Erzählgeschwindigkeit ist dabei so hoch, dass selbst so prominente Figuren wir Kain und Abel vollkommen ausgeblendet bleiben und nur die heilsgeschichtlich relevante Linie dar-
5.1 Struktur der sog. Genealogischen Vorhalle in 1Chr 1–9
249
vorgehen und Lebensdaten der eingeführten Figuren mitliefern, verzichtet die Chronik auf diese, genau wie auf die Toledot-Formel, vollständig.61 Levin vertritt an dieser Stelle die Auffassung, dass das System der zwölf Stämme Israels originär überhaupt mit der Genealogischen Vorhalle verbunden sei. Das System der zwölf Stämme Israels ist Fiktion. Es gehört in das große Unternehmen […], dem exilisch-nachexilischen Judentum eine für seinen Bestand und sein Wesen maßgebende israelitische Vergangenheit zu geben. Es spiegelt eine Zeitlage, in der die familiäre Herkunft an die Stelle von Staat und Gesellschaft getreten ist: Jahwe, der Gott Israels, ist zum Gott der Väter geworden. Unter diesen Umständen erhielt die Genealogie für das Selbstverständnis des Gottesvolkes eine Bedeutung, die sie zuvor nicht besaß. Das System der zwölf Stämme Israels gehört ziemlich von Anfang an in die ‚genealogische Vorhalle‘ der Chronik.62
Gleichzeitig ist jedoch festzuhalten, dass der Chronist, indem er ein so reduziertes Namensgerüst bietet, zeigt, „that he assumed his readers to have been thoroughly familiar with the narratives of Genesis.“63 Man gewinnt so den Eindruck, als stünde der Chronist zu seinen Quellen nicht nur in einem rezipierenden, sondern auch in einem korrespondierenden Verhältnis. Zumindest ist deutlich, dass der Chronist nicht nur den Pentateuch selbst, sondern auch die Kenntnis des Pentateuchs bei seinen Lesern voraussetzt. Die Analyse wird im Folgenden zeigen, wodurch dieser Eindruck begründet ist und wie er sich erklären lässt. Ausgehend von diesen Beobachtungen werden wir im Folgenden vom Standpunkt der kultischen Perspektive aus nachvollziehen, welche Bedeutung die Leviten in der Konstitution der Genealogien spielen, wie ihre Zentralstellung zu deuten ist und welche literarische Komplementarität sich zwischen den Texten des Pentateuchs und der Chronik ergeben. Einzusetzen ist dabei nun nicht mehr bei einzelnen Begriffen oder Motiven, sondern bei Texturen, insofern nun nicht mehr die Referenz auf die Tora, sondern die Verwendung des Pentateuchs in der Chronik zu zeigen ist.
geboten wird. Die Darstellung der Weltgeschichte hat bereits nach dem ersten Kapitel den Abstand zwischen Adam und Jakob überwunden. 61 Denkbar ist freilich, dass die Lebensdaten der Figuren in P erst post-chronistisch ergänzt wurden. Diese Diskussion ist jedoch an anderer Stelle zu führen und schon geführt worden. Vgl. zur Beurteilung der Jahreszahlen neuerdings Heckl 2016b, 185–221, Lit! 62 Levin 2003b, 122 f. Ähnlicher Auffassung ist auch Japhet. Sie vertritt die These, dass sich in den Stammbäumen der Chronik keine alten genealogischen Verzeichnisse, sondern Legitimierungsstrategien der nachexilischen Zeit finden. (Japhet 2009, 218–223). 63 Curtis / Madsen z. St., 57.
250
5. Kult-Personal
5.2 Texturen 5.2.1 Die Leviten-Stammbäume in 1Chr 5,27–6,38 Alle Genealogien der Genealogischen Vorhalle nehmen ihren Ausgang in einer mehr oder weniger umfangreichen Vorlage innerhalb des Pentateuchs. Dabei ist immer gesehen worden, dass mit den Stämmen Juda, Levi und Benjamin an eine Fülle von Material und mithin weit verzweigte Diskurse angeschlossen wird. Im Folgenden wird zunächst das genealogische Material der hohenpriesterlichen Linie untersucht und dabei nach deren ursprünglichem Sitz im Pentateuch gefragt. Denn dass hier Material aus dem Pentateuch entnommen wurde, ist unverkennbar. Von besonderem Interesse ist nun, in welchem Umfang und zu welchem Zweck es in die Chronik gelangt ist. Die im Folgenden analysierten levitischen Genealogien lassen sich folgendermaßen gliedern:64 I
5,27–41
Genealogie der aaronidisch-zadokidischen Hohenpriester (1)
II
6,1–15
Genealogie der Levi-Söhne Gerschom, Kehat und Merari
III
6,16–32
Genealogie der drei levitischen Sängergruppen
IV
6,33–34
Verhältnisbestimmung zwischen Priestern und Leviten
V
6,35–38
Genealogie der aaronidisch-zadokidischen Hohenpriester (2)
5.2.2 1Chr 5,27–41 Die Söhne Levis: Gerschon65, Kehat und Merari. 28 Und die Söhne Kehats: Amram, Jizhar und Hebron und Ussiël. 29 Und die Kinder Amrams: Aaron, Mose und Mirjam. Und die Söhne Aarons: Nadab, Abihu, Elasar und Itamar. 30 Elasar zeugte Pinchas. Pinchas zeugte Abischua. 31 Und Abischua zeugte Bukki. Und Bukki zeugte Ussi. 32 Und Ussi zeugte Serachja. Und Serachja zeugte Merajot. 33 Merajot zeugte Amarja. Und Amarja zeugte Achitub. 34 Und Achitub zeugte Zadok. Und Zadok zeugte Achimaaz. 35 Und Achimaaz zeugte Asarja. Und Asarja zeugte Jochanan. 36 Und Jochanan zeugte Asarja. [Er ist es, der Priester in dem Haus war, das Salomo in Jerusalem gebaut hat.]66 37 Und Asarja zeugte Amarja. Und Amarja zeugte Achitub. 27
64 Eine differenzierte Gliederung findet sich bei Willi z. St., 202 f. Dieser hebt zu Recht hervor, dass sich die Aussage der Levi-Genealogie erst recht erschließe, wenn man „die Gesamtkomposition im Auge behält.“ (Vgl. ebd., 201). 65 LXXB bietet Γεδσων. 66 Willi (z. St., 193) konjiziert wie zahlreiche weitere Ausleger (vgl. z. B. schon Curtis / Madsen z. St., 128 f) aus Gründen historiographischer Plausibilität eine Umstellung hinter V.35a. Evidenz in den Textzeugen gibt es dafür nicht. Demgegenüber hat Rothstein im Anschluss an Ehrlich die reizvolle These vertreten, dass es sich hier um eine verschobene Randglosse handle, wobei der Vers nach V.39 einzufügen sei. Dabei stützt er sich vorrangig auf die oft ge-
5.2 Texturen
251
Und Achitub zeugte Zadok.67 Und Zadok zeugte Schallum. 39 Und Schallum zeugte Chilkija. Und Chilkija zeugte Asarja. 40 Und Asarja zeugte Seraja. Und Seraja zeugte Jehozadak. 41 Und Jehozadak ging [mit], als JHWH Juda und Jerusalem ins Exil führte. 38
Literarkritik: Eine crux interpretum stellt die zweifache Nennung der Namen Achitub-Amarja-Zadok in V.33 f sowie 37 f dar. Es besteht erhebliche Unsicherheit darüber, ob hier das Phänomen der gerade in Priestergenealogien weit verbreiteten Praxis der Pappynomie, also die Benennung des Enkels nach dem Großvater, vorliegt68, oder ob es sich hier um eine Dublette handelt. Dabei hält Knoppers im vorliegenden Fall problembewusst fest, dass es nicht nur um eine einfache Doppelbenennung geht, sondern das Problem in deren dreifacher Wiederholung besteht.69 Beentjes hat die pro-zadokidische These vertreten, „dat de trits Amarja – Achitub – Sadok zowel vóór (5:33–34) als ná (5:37–38) de notitie over de tempelbouw onder Salomo voorkomt, […] eerder op een poging om de historisch ongrijpbare Sadok nadrukkelijke te willen legitimeren [wijst], dan op het streven om de totale hogepriesterlijke lijn exact in kaart te willen brengen“70. Er votiert damit – gegen die Annahme eines Schreibfehlers in der Textüberlieferung – dafür, dass es sich um eine bewusste Einfassung des Tempels durch den Hohenpriester Zadok handle. Rudolph vermutet, dass die Verdopplung erst nach der Umstellung von V.36b zustande kam. Zu Recht weist er darauf hin, dass sie nicht getilgt werde dürfe, da ansonsten die offensichtlich intendierte Symmetrie litte.71
Der Text bietet von Levi an gezählt 26 Generationen bis Jehozadak und ist literarisch einheitlich.72 Auffälligerweise bietet der Chronist zwar alle drei Levi-Söhne, machte Beobachtung (vgl. Rothstein z. St., 108 f), dass הלךin V.39 ohne Richtungsangabe stehe und deshalb zu הלידzu konjizieren sei. Willi (z. St., 217), der dieser Konjektur Gespür für das Anliegen des Attributsatzes zugesteht, hat diesen Vorschlag jedoch als textgeschichtlich „noch weniger überzeugend“ als eine Umstellung nach V.35 empfunden, da ihm offenbar die Konjektur הלךzu הליד – zu erwarten wäre eigentlich sogar הוליד – nicht plausibel erscheint. Rothstein legt weiterhin dar, dass durch die Rekonstruktion eines auf die Konjektur folgenden Namens ( )יהושעein direkter Konnex zu Neh 12.10 f bestehe. Zu bedenken ist dabei, dass die Kursive c2 nach Ιωσαδακ den Zusatz εγεννησεν τον αζαριαν και bietet (vgl. Brooke / McLean 1932, 410), was Rothstein jedoch nicht erwähnt. Damit beruht die Konjektur zumindest auf der Evidenz eines Textzeugen und gibt der von Rothstein vorgeschlagenen Umstellung im Hinblick auf die unvollendete Phrase etwas Plausibilität. Vollkommen ohne „text-critical warrant“ (Knoppers z. St., 402) ist sie jedenfalls nicht. Auf eine Konjektur verzichten will Beentjes (z. St., 55) der auf den Umstand hinweist, „dat de lijst uit twee precies gelijke delen besaat: twaalf generaties tot aan de bouw van de tempel (5:36), twaalf generaties tot aan de Babylonische ballingschap (5:41).“ Es ist dennoch weiterhin bedenkenswert, eine Umstellung nach V.39 vorzunehmen. 67 Die Wiederholung der Abfolge Amarja, Achitub, Zadok ist auffällig. 68 Vgl. z. B. Grabbe 2004, 233. 69 Vgl. Knoppers z. St., 401. 70 Beentjes z. St., 55. 71 Vgl. Rudolph z. St., 6. 72 Der Kommentar in V.36b entbehrt zwar der historischen Logik; diese ist jedoch auf der Ebene der Textkritik zu lösen.
252
5. Kult-Personal
verfolgt dann jedoch nur noch die über Aaron, Eleasar und Pinchas fortgesetzte Kehat-Linie. Damit wird ganz deutlich, dass hier offenbar nur die „vorexilische“, hohepriesterliche Linie von Bedeutung ist. Die Frage nach der Funktion der Liste ist nur unter Einbeziehung der einschlägigen Genealogien des Pentateuchs zu beantworten. Der Chronist schöpft aus Gen 46,11; Ex 6,16–25; Num 3,17–19; 26,57–61. Wir werden im Folgenden also zunächst dieses Material sondieren, um die Funktion der Genealogie in der Chronik auswerten zu können. Die Einarbeitung des Materials lässt sich folgendermaßen nachzeichnen: In V.27 wird zunächst das Grundschema der drei Levi-Söhne dargeboten, wie wir es zum ersten Mal in Gen 46,11 finden (vgl. Abb. 1)73: ובני לוי גרשון קהת ומררי. Die Position von Gerschon, Kehat und Merari wird in keiner anderen Genealogie alterniert oder bestritten. Einzig der Name Gerschons variiert zwischen גרשון und גרשום.74 ( לוי23) l
( גרשון24) l
( קהת24) l
( מררי24) l
Abb. 1: Gen 46,11
In Gen 46,11 begegnet גרשוןzum ersten Mal. Im Folgenden wird er an einigen Stellen גרשוםheißen.75 Gen 46,11 ist Teil eines Abschnitts, der seit langem als nach-priesterlich klassifiziert wird. Willi gibt deshalb mit Blick auf diese Stelle den Konsens der Forschung wieder, wenn er konstatiert: „Das Schema der drei Linien Gerschom, Kehat und Merari dürfte kaum in die Frühzeit gehören, sondern spiegelt die Epoche der beginnenden Gefährdung, der Transformation und der damit verbundenen legitimatorischen Systematisierung wider.“76 Wöhrle hat jüngst erneut gezeigt, dass die Vv.8–27 ganz offenbar die priesterschriftlichen Vv.6–777 bereits voraussetzen.78 Achenbach weist zudem darauf hin, dass wiederum 73 Die in Klammern angegebenen Zahlen zählen jeweils nach chronistischer Auffassung die Anzahl von Generationen ab Adam, wobei Adam die Ziffer (1) erhält. 74 Die unterschiedlichen Bezeichnungen treten an den folgenden Stellen auf: גרשון: Gen 46,11; Ex 6,16–17*2; Num 3,17–18*2.21.25; 4,22.38.41; 7,7; 10,17; 26,57; Jos 21,6.27; 1Chr 5,27; 23,6. / גרשום: Ex 2,22; 18,3; Ri 18,30; 1Chr 6,1–2*2.5.28.47.56; 15,7; 23,15–16*2; 26,24; Esr 8,2. Steins (1995, 318–321), der den unterschiedlichen Schreibweisen in der Chronik nachgegangen ist, vertritt die Auffassung, dass die unterschiedlichen Namensformen nicht auf eine Verwechslung des Levi-Sohnes mit dem Mose-Sohn schließen lassen. Weiterhin sieht er von dem Versuch ab, den unterschiedlichen Gebrauch der Namen auf unterschiedliche literarische Strata zurückzuführen. Einzig das Gentilizium sei nur in späten Textschichten belegt. 75 S. o. 76 Willi z. St., 204. 77 Vgl. Wöhrle 2012, 113. 78 Ebd., 2012, 114 f, Lit!. Insbesondere die Über- und Unterschrift sprechen für die Zusammengehörigkeit des Materials. Vgl. Achenbach 2003, 451, Lit!.
253
5.2 Texturen
Num 26 bereits von Gen 46,8–27 abhängig sei.79 Man wird vor dem Hintergrund, dass es sich offenbar um sekundäres Material zur priesterschriftlichen Grundschicht handelt, von Ps sprechen können. In Num 3,17–20 wird auf der Ebene der Theokratischen Bearbeitung an dieses Schema angeknüpft (Abb. 2), wobei hier die 25. Generation ergänzt wird:80 Und dies waren die Söhne Levis mit ihren Namen: Gerschon, Kehat und Merari. 18 Und dies sind die Namen der Söhne Gerschons nach ihren Sippen: Libni und Schimi. 19 Und die Söhne Kehats nach ihren Sippen: Amram und Jizhar, Chebron und Ussiël. 20 Und die Söhne Meraris nach ihren Sippen: Machli und Muschi. Das sind die Sippen der Leviten nach ihren Väterhäusern. 17
( לוי23) l
( גרשן24) ( לבני25)
( עמרם25)
( מררי25) ( מחלי25)
( שמעי25)
( יצהר25)
( מושי25)
l
l
l
( קהת24) l
l
l
l
l
l
( חברון25) l
( עזיאל25) l
Abb. 2: Num 3,17–20
Dieses Grundschema findet sich auch in 1Chr 5 wieder, wobei nur hier und in 1Chr 23,681 גרשוןzu finden ist, sonst heißt der Levi-Sohn durchgängig גרשום.82 Der Text blendet zunächst die Äste über גרשןund מרריaus und verfolgt die קהת-Linie, aus der die für die Chronik wichtigsten Figuren stammen (vgl. Abb. 3). Über Amram werden dessen erstgeborener Sohn Aaron, der Zweitgeborene, Mose, sowie deren Schwester83 Mirjam in der 26. Generation nach Adam eingepflegt. Von Aaron zweigen dann dessen Drittgeborener Eleasar und wiederum 79 Achenbach 2003, 449 f. 80 Eine weitere Parallelstelle ist Num 26,57–60. Der Schlüsseltext Ex 6,16–25, der ebenfalls eine entsprechende genealogische Konstruktion bietet, wird im Folgenden noch eine größere Rolle spielen. 81 Anders 1Chr 23,15. 82 Insbesondere Ex 18,3 sticht aus den Übereinstimmungen für גרשוםhervor, da die in Ex 18,3 f genannten Söhne גרשםund אליעזרeinzig in der Chronik (1Chr 23,15) wieder zusammen erscheinen. Dabei werden sie in Ex 18 jeweils so eingeführt, als seien sie vorher Unbekannte gewesen. 83 Dörrfuss (1994, 124) hat angesichts des „Nebeneinanders von Aaron, Mose und Mirjam“ darauf hingewiesen, dass „sich der Chronist hier auf sekundäre Teile der Priesterschrift stützt.“
254
5. Kult-Personal ( לוי23) l
( גרשן24) l
( קהת24)
( מררי24)
l
( עמרם25) ( יצהר25) ( חברון25) ( עזיאל25)
l
l
l
l
l
( אהרן26) ( משה26) ( מרים26) l
l
l
( נדב27) ( אביהוא27) ( אלעזר27) ( ואיתמר27) l
l
l
l
( פינחס28) l
Abb. 3: 1Chr 5,27–30
dessen Sohn Pinchas ab. Da Nadab und Abihu zwar in den Stammbaum integriert, jedoch kommentarlos übergangen werden und ohne Nachkommen bleiben, ist ganz offenbar die Episode aus Lev 10,1 f bereits als „selbstverständlich“84 vorausgesetzt. Mit Pinchas wird dann die gesamte hohepriesterliche Linie bis zum Exil verfolgt, wobei wir von der Erblichkeit des Hohepriesteramtes durch die Investituren Eleasars aus Num 20,22–2985 und Pinchas, der in Num 25,11 als Sohn Eleasars, des Sohnes Aarons, eingeführt wird, wissen. In Num 25,13 wird diesem ein Bund ewigen Priestertums verheißen, womit die narrative Konstruktion der Erblichkeit des Amtes ihren Anfang nimmt.86 Dementsprechend wird Pinchas in Num 31,6 und Jos 22,13.31 f, also nach Aarons Tod, nur noch Sohn Eleasars genannt und damit offenbar auch ohne die erneute Rückführung auf Aaron genug mitgeteilt, um die priesterliche Erbfolge anzuzeigen. Priester wird Pinchas dann erstmals in Jos 22,30 genannt. Von Pinchas an wird dieser Ast nur noch einlinig weiterverfolgt (Abb. 4), bis er schließlich in der 48. Generation mit יהוצדקan ein Ende kommt. Der Chronist suggeriert durch die ununterbrochene Sukzession der hohepriesterlichen Linie, dass bis zum Exil alle Hohepriester genannt sind. Dabei hat schon Rothstein beobachtet, dass zwischen אהרןund אחימעץzwölf Generationen und zwischen עזריהund יהוצדקbzw. dem von ihm konjizierten יהושעebenfalls zwölf Generationen liegen, sodass er also annimmt, dass damit – bei einer angenommenen Idealdauer von 40 Jahren pro Hohepriester – die in 1Kön 6,1 genannten 480 Jahre vom Aus-
84 Vgl. dazu Willi (z. St., 215), der die Selbstverständlichkeit von 1Chr 2,3 herleitet, wo – anders als hier – das Scheitern Ers und Onans eigens wiederholt wird. 85 Eleasars Tod wird erst in Jos 24,33 berichtet. 86 Diesen Bund reflektiert vermutlich die in 1Chr 9,20 verwendete Kurzformel: יהוה עמו.
255
5.2 Texturen ) (23לו l
) (24קהת l
) (25עמרם l
) (26אהרן l
) (27אלעזר l
) (28פינחס l
) (29אבישוע l
) (30בקי l
) (31עזי l
) (32זרחיה l
) (33מריות l
) (34אמריה l
) (35אחיטוב l
) (36צדוק l
) (37אחימעץ l
) (38עזריה l
) (39יוחנן l
) (40עזריה l
) (41אמריה l
) (42אחיטוב l
) (43צדוק l
) (44שלום l
) (45חלקיה l
) (46עזריה l
) (47שריה l
) (48יהוצדק l
Abb. 4: 1Chr 5,27–41
256
5. Kult-Personal
zug aus Ägypten bis zum Tempelbau sowie die Zeitspanne vom ersten Tempel bis zur Einweihung des Zweiten Tempels repräsentiert sind.87 Japhet deutet den Text weniger symbolisch und weist vielmehr realhistorisch darauf hin, dass von Eleasar bis Jehozadak 22 Namen vorliegen und dass damit, wenn man für eine Generation 20–25 Jahre annimmt, ein Zeitraum von 440–550 Jahren abgedeckt ist.88 Diesen Zeitraum hält sie von der Landnahme bis zum Exil für plausibel.89 Japhet weist dabei mit Blick auf die Königsbücher zu Recht darauf hin, dass es sich nicht um eine authentische Liste handeln könne, da zahlreiche Priester aus der Königszeit unerwähnt bleiben: „Wir wissen von Asarja, Sohn des Zadok unter Salomo (1 Kön 4,2)90; Jojada zur Zeit von Atalja und Joash (2 Kön 11,4–12,10); Urija unter Ahas (2 Kön 16,10–16); Hilkija unter Joschija (2 Kön 22,4–23,4) und Seraja bei der Tempelzerstörung (2 Kön 25,18). Außerdem erwähnt der Chronist zwei weitere Priester: Amarja unter Joschafat (2 Chr 19,11) und Asarja unter Usija (2 Chr 26,20).“91 Diese wichtige Beobachtung führt zu der These, dass die Genealogie an dieser Stelle eine fiktive Konstruktion darstellt und wirft die Frage nach ihrer Funktion auf. Grabbe, der die Debatte um das Verhältnis von Aaroniden und Zadokiden gut aufgearbeitet hat, geht davon aus, dass die Chronik hier einen integrativen Ansatz verfolgt, indem sie die Zadokiden in den Aaroniden-Stammbaum integriert.92 Schaper hält bereits die Aaroniden-Genealogie in P für „das Ergebnis eines nach-exil. Kompromisses zw. um die priesterliche Vorherrschaft kämpfenden Gruppen (Zadokiden, Leviten, Abjathariden).“93 Während Schaper angesichts des Zadok-Schweigens hinsichtlich des Pentateuchs und in Hinblick auf die unzureichende Differenzierung von P zwar nicht ausreichend deutlich macht, worin genau er den Kompromiss sieht, ist ihm gleichwohl Recht damit zu geben, dass sich in 1Chr 5,27–41 die „gesamte Priesterschaft auf A[aron] als ihren gemeinsamen Stammvater zurück[führt]“.94 Der Vorbehalt besteht darin, dass es nicht etwa um die „gesamte Priesterschaft“ geht, sondern um die Ausgrenzung einer bestimmten Linie, genauer gesagt der Linie Eleasars. In diese Linie schreiben 87 Vgl. Rothstein z. St. ebenso Blenkinsopp 1998 sowie Knoppers z. St., 411. 88 Vgl. Japhet z. St., 150. 89 Weitere Beispiele für die willkürliche Festlegung der Generationendauer lassen sich nicht nur für diesen Stammbaum leicht beibringen. Ein besonders prägnantes Beispiel stellt die Juda-Genealogie dar, die einen herausragenden terminus a quo für die Datierung der Chronik darstellt, da sie am weitesten in die nachexilische Zeit reicht. Vgl. zum Problem Kalimi 2004, 363–366; Japhet z. St., 94; Knoppers z. St., 329.; Willi z. St., 118–120. 90 An dieser Stelle berücksichtigt Japhet jedoch den Befund der LXX nicht, die keine Entsprechung zu הכהןbietet. 91 Japhet z. St., 169, ebenso Blenkinsopp 1998 und auch schon Kuenen 1890, 154 f. 92 Grabbe 2008, 225–230. 93 Otto 2005. 94 Otto 2005.
5.2 Texturen
257
sich hier die Zadokiden ein. Für ein Interesse an der gesamten Priesterschaft müsste etwa auch von den Itamariden gehandelt werden, diese tauchen jedoch erst in 1Chr 24 wieder auf. Der Sinn der Liste ergibt sich also nicht nur vom Anfang, sondern auch vom Ende sowie besonders von der Integration Zadoks her.95 Hinter der Konstruktion der Liste steckt also die Absicht, der zadokidischen Linie priesterliche Legitimation zu verschaffen, indem sie in den Aaron-Stammbaum eingeschrieben wird. Es liegt demnach keine reale Abbildung von Abstammungsverhältnissen, sondern das Durchsetzungsmittel eines Herrschaftsdiskurses vor. Dort, wo dieser Diskurs im Duktus der Genealogie geführt wird, stößt man auf das Phänomen ‚Putativer Verwandtschaft‘. Der Begriff ‚putative Verwandtschaft‘ ist vor allem im englischen Sprachraum als putative kinship, putative descent oder putative shared ancestry beschrieben worden.96 Damit ist ein Verwandtschaftsverhältnis gemeint, das nicht auf genetischer Abstammung oder Identität beruht, sondern auf einem besonders engen Zugehörigkeitsgefühl zu einer Gruppe, das als Verwandtschaftsbeziehung empfunden wird. Das Bruderethos des Deuteronomiums z. B. stellt ein Paradebeispiel für dieses anthropologisch-soziologische Modell dar.97 Hall siedelt die Vorstellung der auf diese Weise konstruierten Ethnizität im Bereich des Mythischen an, wenn er schreibt: „[I]t must be the myth of shared descent which ranks paramount among the features that distinguish ethnic from other social groups, and, more often than not, it is proof of descent that will act as a defining criterion of ethnicity. This recognition, however, does not vindicate a genetic approach 95 Auch Knoppers (z. St., 409) unterläuft an dieser Stelle der Deutungsfehler, dass die Einbettung bestimmter Linien in bereits bestehende Linien gerade diese privilegierte. So sieht er in 1Chr 5,27 eine Privilegierung der Kehatiter, was unweigerlich auf die Frage der Kausalität führt. Offenbar wird doch die Kehat-Linie gerade deshalb fortgesetzt, weil sie vom Pentateuch her bereits besonders legitimiert ist (vgl. bspw. deren Dienst am )קדש הקדשים. Sich in diese Linie einzuschreiben kann demnach kaum mit der Intention einer Aufwertung derselben verbunden sein, sondern ist im Gegenteil doch eher auf den Wunsch zurückzuführen, an deren Würde zu partizipieren. Demnach sind bei Knoppers also Ursache und Wirkung umzukehren. 96 Das im Englischen gebräuchliche, auf das Lateinische zurückführbare Lexem ‚putative‘ ist im Deutschen mit mutmaßlich, angeblich oder vermeintlich widerzugeben. Hinsichtlich des vom Lateinischen herrührenden Begriffsumfangs (Extension), der auch die kognitive Einstellung des Dafürhaltens umfasst, wird in dieser Arbeit deshalb von putativer statt von mutmaßlicher o. ä. Verwandtschaft gesprochen. Dabei sei auf die analog gebildeten Rechtsbegriffe ‚Putativnotstand‘ und ‚Putativnotwehr‘ der gegenwärtigen Strafrechtslehre verwiesen. Ein Blick in den allgemeinen Teil der Strafrechtslehre zeigt, welche Probleme mit der Konstruktion putativer Rechtsinstitute verbunden sind. So wird die Putativnotwehr, bei der es darum geht, dass A gegenüber B von seinem Notwehrrecht in der Annahme Gebrauch macht, es lägen zureichende Gründe dafür vor, obwohl entsprechende Gründe nicht vorliegen, bei Gropp innerhalb der Irrtumslehre verhandelt. (Vgl. Gropp 2015, 560–613.) Die Frage nach der Vermeidbarkeit bzw. Unvermeidbarkeit des Irrtums ist es, die bei der Entscheidung über die Straffreiheit bzw. Strafmilderung As die entscheidende Rolle spielt. Damit ist angezeigt, dass putative Rechtsinstitute einen Status betwixt and between haben, d. h. dass sie in gewissem Maße zugleich wahr und falsch sein können. 97 Zur umfassenden Erörterung der Hintergründe dieses Ethos im Deuteronomium und dessen Herkunft aus dem Altorientalischen Recht vgl. Otto 1994, 168–192 sowie Ders. z. St., 1334–1373.
258
5. Kult-Personal
to ethnic identity, because the myth of descent is precisely that a recognition of a putative shared ancestry. The genealogical reality of such claims is irrelevant; what matters is that the claim for shared descent is consensually agreed.“98 Der Sache nach führt er das Konzept ‚putativer Verwandtschaft‘ bereits auf Weber zurück, der Folgendes festhält: Der Stammverwandtschaftsglaube kann – ganz einerlei natürlich, ob er objektiv irgendwie begründet ist – namentlich für die politische Gemeinschaftsbildung wichtige Konsequenzen haben. Wir wollen solche Menschengruppen, welche auf Grund von Ähnlichkeiten des äußeren Habitus oder der Sitten oder beider oder von Erinnerungen an Kolonisation und Wanderung einen subjektiven Glauben an eine Abstammungsgemeinsamkeit hegen, derart, daß dieser für die Propagierung von Vergemeinschaftungen wichtig wird, dann, wenn sie nicht ‚Sippen‘ darstellen, ‚ethnische‘ Gruppen nennen, ganz einerlei, ob eine Blutsgemeinsamkeit objektiv vorliegt oder nicht. […] Diese ‚künstliche‘ Art der Entstehung eines ethnischen Gemeinsamkeitsglaubens entspricht ganz dem […] Schema der Umdeutung von rationalen Vergesellschaftungen in persönliche Gemeinschaftsbeziehungen. Unter Bedingungen geringer Verbreitung rational versachlichten Gesellschaftshandelns attrahiert fast jede, auch eine rein rational geschaffene, Vergesellschaftung ein übergreifendes Gemeinschaftsbewußtsein in der Form einer persönlichen Verbrüderung auf der Basis ‚ethnischen‘ Gemeinsamkeitsglaubens.99 MacSweeny beschreibt auf dem Forschungsfeld der Ethnizität einen grundsätzlichen Paradigmenwechsel vom Fokus auf der biologischen Abstammung hin zu putativen Verwandtschaftsverhältnissen.100 Der heuristische Wert dieses neuen Paradigmas ist bestens geeignet, um der ‚Flüssigkeit‘ der genealogischen Diskurse in der Chronik und auch darüber hinaus gerecht zu werden.101 98 Hall 1997, 26. Teil dieser in der Antike laut Hall ubiquitär verbreiteten Verwandtschafts- resp. Ethnizitätskonstruktion ist offenbar auch die Vorstellung eines „primordial homeland“ (ebd. 36.59.75.) Die gemeinsame Herkunft aus einem Ursprungsland wird dabei genau wie die gemeinsame Abstammung im Bereich des Mythischen angesiedelt. Im Alten Testament wird die Verquickung von gemeinsamer Abstammung und gemeinsamem Herkunft bspw. in Dtn 15,3 sichtbar, wo im Rahmen des Zinsrechts die Distinktion von Einheimischen und Nicht-Einheimischen durch die Begriffe Bruder ( )אחund Ausländer ( )נכריgefasst wird. Mit dieser Deutlichkeit der Unterscheidung stellt das Alte Testament in der altorientalischen Umwelt eher die Ausnahme dar. (Vgl. Otto z. St., 1351 f sowie Lit.!). 99 Vgl. Weber 1922, 219. Vgl. zu dieser Frage grundlegend auch MacSweeny 2009, 101–126. 100 Vgl. Ebd., 102, Lit! 101 Weitere Beispiele für Phänomene dieser Art lassen sich leicht finden. Bei Josephus in ant. XI 3.33–58 findet sich bspw. das Rätsel das Dareius, der seine Leibwächter, aus vier Entitäten die Mächtigste herauszufinden, versuchen lässt. Zur Wahl stehen der Wein, der König, die Frau und die Weisheit. Nach vergeblichen Ausführungen der Leibwächter zu Wein und König wägt der Jude Serubbabel Frauen und Weisheit gegeneinander ab mit dem Ergebnis, dass nichts mächtiger sei als die Weisheit. Dareius, nachdem er zustimmend das philosophische Gespür Serubbabels gelobt hat, belohnt diesen durch die Stiftung eines Verwandtschaftsverhältnisses: συγκαθεσθήσῃ δέ μοι58 φησίν καὶ κεκλήσῃ συγγενὴς ἐμός („Du wirst mit mir zusammensitzen, sagte er, und mein Verwandter genannt werden.“). Das Beispiel ist gerade deshalb bezeichnend, weil es nicht
5.2 Texturen
259
Besonders zwischen den priesterlichen und levitischen Gruppen wird eine Form der Verwandtschaft konstruiert, nach der sich spezifische Mitglieder einer Gruppe für verwandt halten, obwohl sie genetisch gerade nicht verwandt sind.102 Zu beachten ist in diesen Texten also, dass die putative Verwandtschaft keinen Ethnizitätsdiskurs, sondern gleichsam in dessen Gewand eigentlich einen Herrschaftsdiskurs konstituiert.103 Hunt spricht von den Genealogien deshalb als „tools of legitimation“104. Die Klärung der verwandtschaftlichen Beziehungen dient demgemäß nicht einer Versicherung der Abstammung bei der Abgrenzung nach außen, sondern einer hierarchischen Rollenverteilung in der Gemeinde und mithin der Abgrenzung nach innen.105 Festzuhalten ist an dieser Stelle, dass die Übersetzung von Herrschaftsdiskursen in Stammbäume nur dann Sinn ergibt, wenn die Legitimation des (zadokidischen) (Hohen-)Priesters an seiner Erblinie hängt. In dem Augenblick, wo das Priestertum käuflich wird, verlieren die genealogischen Transformationen ihren eigentlichen Witz. Frevel hält in seiner „Geschichte Israels“ fest, dass der Hohepriester Onias III (196–174 v. Chr.) als letzter gilt, „der in vermeintlich ungebrochener Kontinuität zum Eponym Aaron steht“106, bevor die Käuflichkeit des Amtes zum Problem wird. Auf die Käuflichkeit des Hohenpriesteramtes findet sich in der Chronik kein diskursiver Reflex. Offenbar war das Thema noch nicht virulent und hat deshalb keinen literarischen Niederschlag in der Chronik gefunden. Man wird sich jedoch vorstellen können, dass die anti-seleukidisch eingestellten Parteien insbesondere im Rekurs auf die Chronik das erbliche Priestertum zu verteidigen versucht haben.
nur den Akt der ‚Verwandtschaftlichung‘ durch das Verbum καλέω transparent macht, sondern auch die dadurch begründete funktionale Äquivalenz anzeigt. Serubbabel darf als Verwandter des Königs zu dessen Seite sitzen und insofern an seiner hegemonialen Autorität partizipieren. Einen Ableger dieser wird er bei der Reise nach Jerusalem mit sich nehmen. 102 Es gilt dabei im Besonderen, was Levin (s. o.) für die gesamte Genealogische Vorhalle bzw. das 12-Stämme-System, m. a. W. für das nachexilische Israel festgestellt hat, dass hier an die Stelle der staatlichen Ordnung das System der Verwandtschaft rückt. 103 Vgl. zu einem dezidiert kulturwissenschaftlich orientierten Zugang zu alttestamentlichen Genealogien auch Dahm 2003, 45–49. Auch diese hält fest, „dass rechtliche Entscheidungen, wirtschaftliche Zuständigkeiten, politische und religiöse Vollmachten, soziales Ansehen als deszendenzgruppenabhängig erfahren wurden.“ (Ebd. 48) Einen forschungsgeschichtlichen Abriss über das Spektrum Identitäts bezogener Forschungsansätze bietet neuerdings Jonker 2016, 16–24. 104 Hunt 2006, 107. 105 Insofern ist auch Labahn (2013) zuzustimmen, die aus einer anderen Perspektive auf die identitätsstiftende Modellierung der Genealogien hinweist: Sie zeichnet detailliert die Potenz der genealogischen Verbindung in der Chronik nach und legt stichhaltig dar, dass es im Bereich der levitischen Stammbäume die Tendenz gibt, fortwährend weitere Gruppen zu inkorporieren. Gleichzeitig geht sie jedoch fehl in der Annahme, dass gerade dieser Mechanismus ein Angebot an die Leserinnen und Leser sei, selbst Teil der Machtkonstruktion zu werden. Vgl. dazu oben. 106 Frevel 2016, 343; ebenso Keel 2007, 1166 f.
260
5. Kult-Personal
5.2.3 Achitub Eine Schlüsselfunktion bei der Integration Zadoks in den Aaronidenstammbaum hat die Figur des אחיטובV.33 f. Dessen Name wird im Alten Testament ausschließlich in der Konstruktion von Genealogien verwendet. Weder spielt er sonst irgendwo eine besondere Rolle, noch wird sein Name außerhalb von Abstammungsverhältnissen, genauer gesagt von priesterlichen Abstammungsverhältnissen erwähnt.107 In der Tradition der Samuelbücher ist Achitub ein Nachfahre Elis und ein Vorfahre Abiatars. Achitub stellt demnach das Bindeglied einer Identifizierung der Eliden mit den Abiatariden dar. In 1Sam 2,27–36 kommt es zu einer komplexen Unheilsankündigung an Eli durch einen איש אלהים. Eine Aufnahme dieser Ankündigung findet sich in 1Kön 2,26 f108, wo davon berichtet wird, dass Zadok, der zu Abiatar in einem Konkurrenzverhältnis stehende Priester, sich gegen jenen durchsetzt. Abiatar repräsentiert an dieser Stelle den letzten Eliden, wobei er über seinen Vater, den Nob-Priester Abimelech und die Genealogie in 1Sam 14,3; 22,9.11.20 in den Eliden-Stammbaum integriert wird. In der Chronik wird אחיטובin den Aaron-Stammbaum integriert und nicht mehr Abiatar, sondern Zadok von diesem hergeleitet. Dabei werden Zadok und Abiatar weiterhin als Konkurrenten gezeichnet, wobei Zadok, wie es die Genealogie in 1Chr 5,27–34, aber auch 1Chr 24,3, zeigt, in den Eleasarstammbaum integriert wird, während Abiatar in die minder privilegierte Itamariden-Linie eingepfropft wird. Während in 1Sam 2 also zunächst das aaronidisch-elidische Priestertum zu Gunsten des zadokidischen Priestertums desavouiert wird, verfolgt der Chronist die Strategie, das zadokidische Priestertum durch eine Integration in den Aaronstammbaum aufzuwerten und dem von Eleasar abgeleiteten Priestertum, dem über Pinchas das ewige Priestertum verheißen wird, gegenüber den Itamariden, in deren Linie dann Abiatar wieder auftaucht, die Hoheit zu verleihen. Die hohepriesterlichen Diskurse schlagen sich dabei gleichermaßen in den spät-priesterlichen Texten des Pentateuchs und in der Chronik nieder. Genau in diesem Zusammenhang wird auch Esra über die Integrationsfigur אחיטובzu einem zadokidischen Priester aaronidischer Provenienz stilisiert. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit eines Seitenblicks auf Esr 7,1–5, wobei die fragmentarische Wiederholung von 1Chr 5,27–41 in 1Chr 6,35–38 tabellarisch mitgeboten wird.109
107 Vgl. 1Sam 14,3; 22,9.11–12.20; 2Sam 8,17; 1Chr 5,33–34.37–38; 6,37; 9,11; 18,16; Esr 7,2; Neh 11,11. 108 Skeptisch dazu Rudnig 2006, 132–135. 109 Zur Analyse s. u.
5.2 Texturen
261
5.2.4 Esr 7,1–5 Und nach diesen Begebenheiten während der Königsherrschaft des Artaxerxes, des Königs von Persien, [zog] Esra, der Sohn Serajas, dem Sohn Asarjas, dem Sohn Chilkijas, 2 dem Sohn Schallums, dem Sohn Zadoks, dem Sohn Achitubs, 3 dem Sohn Amarjas, dem Sohn Asarjas, dem Sohn Merajots, 4 dem Sohn Serachjas, dem Sohn Ussis, dem Sohn Bukkis, 5 dem Sohn Abischuas, dem Sohn des Pinchas, dem Sohn Eleasars, dem Sohn von Aaron, dem Hohenpriester, 6 dieser Esra zog herauf von Babel. Und er war Schriftgelehrter, bewandert in der Weisung des Mose, die JHWH, der Gott Israels, gegeben hatte. Und der König gab ihm alles, was er sich wünschte, wegen der Hand JHWHs, seines Gottes, über ihm. 1
Im direkten Vergleich fällt auf, dass mit der Reihe „Amarja, Achitub und Zadok“ eine Dublette vorliegt, die vermutlich auf eine Aberratio Oculi zurückzuführen ist. Vergleicht man die Liste in 1Chr 5,27 ff mit Esr 7,1 (Abb. 5), zeigt sich, dass in den Generationen 26–36 sowie 44–48 Übereinstimmung besteht, was auf eine Übernahme oder die Verwendung derselben Vorlage hindeutet. In Hinblick auf Esra, wo die Asarja-Linie von Merajot herkommt, wäre also für die Chronik denkbar, dass die 41. Generation hier ursprünglich an Generation 33 angeschlossen hat. Das hieße, dass Amarja, Achitub und Zadok als Dublette vorliegen und Achimaaz, Asarja und Jochanan zunächst unerklärt bleiben. Esr 7,1–5 wird in der Forschung kontrovers diskutiert:110 Noth hielt die Genealogie insbesondere wegen der Unterbrechung des Zusammenhanges von V.1a und 6; 10 für sekundär.111 Japhet hält die Liste in Esr 7,1–5 für ursprünglich112 und 1Chr 5,27–41 für eine überarbeitete Version. Genau entgegensetzt urteilt Blenkinsopp, der den Chronik-Text für ursprünglich hält und Esr 7,1–5 als eine sekundäre Einbettung Esras in den aaronidischen Stammbaum beurteilt.113
110 Eine Übersicht bieten Oeming 1990, 142–144 sowie mit ausführlicher Diskussion Heckl 2016a, 222–236. 111 Vgl. Noth 1967, 145. Ebenso postuliert Noth eine Abhängigkeit von 1Chr 5,29–32. 37–40a (Vgl. ebd.). 112 Vgl. Japhet z. St. Auch Willi (z. St., 213) hebt hervor, dass Esr 7,1–5 „Anspruch auf Ursprünglichkeit“ habe. Die Chronik baue die Genealogie in dreifacher Hinsicht um: Sie mache sie a) zum Kehat-Stammbaum, b) sie integriere das „Haus Zadok“, c) sie stellt eine Verbindung mit dem Dienst am Haus Salomos her und ende mit der Deportation. (Vgl. ebd., 214). 113 Zwar beschreibt Blenkinsopp überzeugend die Funktion der „Aaronisierung“ Esras, mit der die Lücke zwischen dem vor-exilischen und nachexilischen Priestertum geschlossen werden sollte: „Ezra’s appearance in the genealogy as a first generation descendant of the priest Seraiah who was executed after the fall of Jerusalem is only one indication of the fictive nature of this section of the narrative.“ (Ders. 1998, 38) Vgl. besonders auch Anm. 36. Durch den Hinweis auf Fiktionalität ist jedoch gerade im Hinblick auf die Konstruktion „putativer Verwandschaft“ kein Argument für die Behauptung einer Abhängigkeit von der Chronik gewonnen.
262
5. Kult-Personal 1Chr 6,35–38
Esr 7,1–5114
(אהרן26)
(אהרן26)
( אהרן26)
(אלעזר27)
(אלעזר27)
( אלעזר27)
פינחס
פינחס
( פינחס28)
1Chr 5,27–41 ( לוי23) l
(קהת24) l
(עמרם25) l
l
l
אבישוע בקי עזי זרחיה מריות אמריה אחיטוב
(28) l
(29) l
(30) l
(31) l
(32) l
(33) l
(34) l
(35) l
(צדוק36) l
אחימעץ
(37) l
l
l
אבישוע בקי עזי זרחיה מריות אמריה אחיטוב
(28) l
(29) l
l
l
( אבישוע29) l
( בקי30)
(30) l
l
( עזי31)
(31) l
(32) l
(33) l
(34) l
(35) l
(צדוק36) l
אחימעץ
l
l
( זרחיה32) l
( מריות33) l
( אמריה34) l
( אחיטוב35) l
( צדוק36) l
(37) l
(עזריה38) l
(יוחנן39) l
(עזריה40) l
(אמריה41) l
(אחיטוב42) l
(צדוק43) l
(שלום44) l
חלקיה עזריה שריה
(45) l
(46) l
(47) l
יהוצדק
(48)
l
( שלום44) l
( חלקיה45) l
( עזריה46) l
( שריה47) l
( עזרא48) l
Abb. 5: 1Chr 5,27–41; 6,35–38; Esr 7,1–5
Gunneweg hat abgesehen von der Frage der Abhängigkeiten darauf hingewiesen, dass die Genealogie in Esr 7 zur Grundschicht gehört und der durch die Tilgung des Abschnitts hergestellte Urbestand „immer noch dieselbe Struktur aufweist, die zur Literarkritik Anlaß gegeben hatte.“115 In jüngerer Zeit hat Heckl den Abschnitt einer eingehenden Analyse unterzogen und unter sorgfältiger Abwägung 114 Esr 5,1–7 wird aszendierend geboten, hier aber aus Gründen der Übersichtlichkeit deszendierend dargestellt. 115 Gunneweg z. St., 120.
5.2 Texturen
263
der unterschiedlichen Forschungspositionen für eine Abhängigkeit der Verse von 1Chr 5,27–41 plädiert und dementsprechend eine Kürzung der Genealogie angenommen. Für den vorliegenden Zweck bleibt damit lediglich festzuhalten, dass an dieser Stelle offenbar auch Esra zu einem Hohenpriester in der Tradition Aarons gemacht werden sollte.
5.2.5 1Chr 6,1–32 Gliederung: I Leviten in Übereinstimmung mit dem Pentateuch V.1 1. Einleitung: Söhne Levis: Gerschom, Kehat, Merari V.2 Söhne Gerschoms; V.3 Söhne Kehats; V.4a Söhne Meraris II Fortsetzung über den Erstgeborenen V.4b 2. Einleitung: משפחות הלוי לאבותיהם (V.5 f) Gerschoniten; (V.6–13) Kehatiter (Einfügung der Genealogie Samuels) (V.14 f) Merariter III Sängerfamilien über den Zweitgeborenen V.16 f Einsetzung der Leviten durch David V.18–23 Heman; V.24–28 Asaf; V.29–32 Etan V.33–38 Aaron Mit dem exilischen Abschluss der hohepriesterlichen Liste werden die levitischen Genealogien Gerschons, Kehats und Meraris weiterentwickelt. Diese Weiterentwicklung ist in Hinblick auf levitische Emanzipation kaum zu überschätzen, denn zum ersten Mal im Alten Testament liegt das Hauptinteresse nun auf den drei Levitengeschlechtern Asaf, Heman und Etan. Vor dem Hintergrund der im Pentateuch, insbesondere im Kontext der Lagerordnung, beobachteten Abtrennung der Leviten vom restlichen Israel hält Willi mit Blick auf 1Chr 6 fest, dass der Chronist hier „in der Einordnung und Anordnung Levis […] seinen eigenen und neuen Weg“116 gehe: „[K]ein Mensch käme hier auf den Gedanken, mit Num 1,49 oder 2,33 zu behaupten, daß Levi ‚nicht unter die Israeliten zu zählen‘ sei.“117 Bei genauer Betrachtung der Befunde des Numeribuches ergibt sich jedoch ein gegenteiliges Bild. Dabei ist die zweite These vollkommen richtig, nur in einer anderen Perspektive, als Willi insinuiert hat. Denn Num 1,49 und 2,33 zeigen nicht an, dass die Leviten nicht unter die Israeliten zu zählen seien, sondern nur, dass diese nicht mit ihnen zu zählen seien. Sie sind zwar in Hinblick auf den Zensus exempt, dabei wird deren Zugehörigkeit als Stamm zu Israel jedoch nicht bestritten: 116 Willi z. St., 200. 117 Willi z. St., 200.
264
5. Kult-Personal Num 1,49
Num 2,33
אך את־מטה לוי לא תפקד ואת־ראשם לא תשא בתוך בני ישראל
והלוים לא התפקדו בתוך בני ישראל כאשר צוה יהוה את־משה
Num 1,49 spricht von den Leviten als einem מטה. Diese Redeweise deutet im gesamten Alten Testament eine Zugehörigkeit zum Stämmevolk Israel an.118 Insofern ist schon der Benennung nach deren Zugehörigkeit zu Israel nicht zu bestreiten. Evtl. hat die vorläufige Exemption der Leviten von der Musterung jedoch einen Grund in der 12-Zahl der Stämme, denn es fällt auf, dass im gesamten Numeri-Buch (Num 1,5–15.20–46; 2; 7; 10; 13; 26) die Leviten kein einziges Mal in der klassischen 12er Liste aufgeführt werden und als Stamm eine exklusive Rolle in Israel spielen.119 Sowohl Num 1,49 als auch 2,33 situieren die Leviten dabei בתוך בני ישראל, was durch die Lagerordnung bestätigt wird. Die Lagerordnung in Num 2 kreiert die Fiktion einer Amphiktyonie, nach der zwölf Stämme das Heiligtum, den אהל מועד, umgeben und der Stamm der Leviten in deren Mitte120 dieses versorgt und gleichzeitig vor direkter Berührung abschirmt. Die Auslassung der Leviten bei der Zählung ist demnach nicht vor dem Hintergrund zu verstehen, dass diese nicht unter die Israeliten gezählt werden, sondern vielmehr so zu deuten, dass sie in der Mitte der Israeliten die Schwelle zwischen profan und heilig markieren und ihnen deshalb eine Sonderbehandlung zusteht. Die Makrostruktur der Genealogien in 1Chr 2–8, die gerade keine Zensuslisten sind121, bildet nun textographisch die herausragenden Positionen der Lagerordnung ab, insofern sie zunächst Juda den Stämmen voranstellen und Levi exakt in deren Mitte platzieren. Dass die Einbindung der Leviten eng mit dem Buch Numeri verbunden ist, zeigt 118 Vgl. Ex 31,2.6; 35,30.34; 38,22–23; Lev 24,11; Num 1,4.21.23.25.27.29.31.33.35.37.39.41. 43.47.49; 2,5.7.12.14.20.22.27.29; 3,6; 7,12; 10,15–16.19–20.23–24.26–27; 13,2.4–15*13; 18,2; 31,4–6; 34,13–15.18–28; 36,3–9.12; Jos 7,1.18; 13,15.24.29; 14,2–3; 15,1.20–21; 16,8; 17,1; 18,11.21; 19,1.8.23–24.31.39–40.48; 20,8; 21,4–7.9.17.20.23.25.27–28.30.32.34.36.38; 22,1; 1Sam 28,23; 2Sam 3,31; 1Kön 7,14; 1Chr 6,45–48.50–51.55–57.59.61–63.65; 12,32. 119 Vgl. schon Noth 1981, 83ff. 120 Willis (z. St., 200) Beobachtung, dass „nach den Num-Stellen Levi gerade nicht ‚inmitten‘ Israels, sondern als Größe sui generis berücksichtigt werden soll“, gilt also nur für den Akt der Zählung, wenngleich die Beobachtung zutrifft, dass erst „nach dem chr Konzept Levi […] mitten ins zwölfstämmige Israel hinein[gehört].“ 121 Darin besteht in Hinblick auf die Zensuslisten des Numeribuches ein deutlicher Unterschied, dass die ‚Genealogische Vorhalle‘ zwar eine Fülle von Namen nennt, dabei jedoch nur höchst selten (vgl. z. B. 1Chr 5,8; 1Chr 7,2–11; 8,40) auch genaue Zahlen bietet. Auch Rothstein (1927, 193 f) hat diese Abweichung bemerkt und daraus geschlossen, dass der Chronist an den Stellen, wo er Zahlen nennt, Zensuslisten (Li) einpflegt, die zur Auffüllung von Lücken in den Genealogien dienen sollten. Dieser Vermutung kann hier nicht weiter nachgegangen werden.
5.2 Texturen
265
sich bspw. in 1Chr 21,6, wo Joab in Abweichung von der Vorlage (2Sam 24) die Leviten – im Augenblick eines echten Zensus – nicht mitzählt. Dabei wird hier erstmals in der Chronik das Verbum פקדverwendet, dass in der ‚Genealogischen Vorhalle‘ signifikanterweise fehlt und in direktem Verhältnis zu Num 1,47.49 und 2,33 steht.122 Es gibt also bei genauerer Betrachtung der Verhältnisse des Numeribuches Anhaltspunkte dafür, dass die Verhältnisse der Chronik eher im Anschluss an das Numeribuch, als in Kontrast zu diesem gedeutet werden müssen. Das muss nicht heißen, dass die Chronik die Funktion und den Stellenwert der Leviten nicht weiterentwickelt. Es ist jedoch wichtig zu sehen, dass die Entwicklung der Chronik mehr eine Entfaltung innerhalb der durch das Numeribuch vorgegebenen Vorstellungswelt, denn ein kontrastiv zu diesem in Beziehung tretender Gegenentwurf ist. So trennt Num 1,49–53 Levi nicht einfach von Israel ab, sondern klammert die Zählung mit Blick auf Num 3 aus, wobei Num 3 nicht als ein „Nachtrag zur Ordnung der Israelstämme von Num 2“123 zu werten ist, sondern (zumindest die Grundschicht), wie Achenbach gezeigt hat, einen integralen Bestandteil in Num 1–4 darstellt124: „Die Levitenmusterung ist literarkritisch nicht von der Volkszählung in Num 1 abzukoppeln, Num 1 f. und 3 gehören im Kern von An 122 Freilich bleibt hier auch Benjamin exempt, dessen Auslassung spielt jedoch eine Sonderrolle und steht einem Anschluss von V.6 an die Bestimmungen des Numeribuches nicht im Wege. (s. u. „Kult-Ort“). 123 Gegen Willi z. St, 200, wenn „Nachtrag“ sekundär heißen soll. Von einer literarkritischen Differenzierung von Num 3 sieht Willi ab. 124 Achenbach, 2003, 490. Die literarkritische Differenzierung von Num 3 kann hier nicht detailliert entfaltet werden. Neben V.1–4 werden auch die Verse 11–13 und 40–51, die sich rahmend um die Zählung der Leviten in 14–39* fügen, potentiell für sekundär gehalten. Achenbach hält V.1–10 für einheitlich und rechnet diese mit Blick auf die Vorwegnahme von Num 18,1–7 zur Grundschicht. In den Versen 1–4 werde dabei mit Blick auf Num 16 die Auseinandersetzung zwischen Priestern und Leviten um die „ כהנהde facto […] schon im Vorfeld als geklärt betrachtet“ (490). Das „Vorfeld“ entfaltet sich dabei laut Achenbach in der Linie „Ex 6,20.23 → Num 3,l f.; Ex 40,12–16; Lev 8,12 f.30 → Num 3,2 f; Lev 10,1–3.7.8 ff. → Num 3,3 f.“ (ebd. 488), sodass demgemäß den Versen 1–4 eine wichtige Brückenfunktion zukämen (ebd. 490). Etwas zögerlich beurteilt den Sachverhalt neuerdings Samuel, der sich an Holzinger, Noth u. a. anschließt und auf Grund der insbesondere vor dem Hintergrund von V.10 erscheinenden proleptischen Dynamik mit einer späteren Hinzufügung von Num 3,1–4 rechnet, wobei er gleichzeitig die große Nähe zu Vv. 5–10 konstatiert. Diese Verse hält er noch zurückhaltender wiederum für sekundär gegenüber V.14–39. Das halte ich allein deshalb für unwahrscheinlich, weil der Anschluss von V.14 an Num 2,34 sehr unvermittelt ist. Gerade noch hatte der Erzähler in V.33 in anaphorischer Aufnahme von Num 1,49 konstatiert, dass Mose die Leviten nicht gezählt hatte, da soll nun ohne weiteren Anlass der Auftrag ergehen, die Leviten zu zählen. Erzählökonomisch konsistenter ist es demgegenüber aus dem nachdrücklichen Aussetzen der Levitenzählung zu schließen, dass zu dieser Gruppe zunächst noch nähere Bestimmungen zu machen sind. Diese Bestimmungen finden sich in V.1–10, wobei V.14 zumindest V.5–10 vorauszusetzen scheint. Zum Grundbestand des Kapitels rechnet Samuel (Ebd.,163) jedoch mit Ausnahme von Vv. 1–4.(5–10) wie Achenbach die Verse 14–39. Genau diese Verse können die Beweislast für das hier vorgeschlagene Verhältnis zwischen Numeri 3 und 1Chr 6,1–39 tragen.
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5. Kult-Personal
fang an zusammen.“125 Dabei wird in Num 3 auf der sakralen Ebene das System reproduziert, das in Num 2 auf profaner Ebene präfiguriert wurde. Entsprechend den in allen vier Himmelsrichtungen siedelnden Stämmen werden nun auch die Leviten um das Heiligtum verteilt: Gerschon lagert im Westen (Num 3,23), Kehat lagert im Süden (V.29) und Merari lagert im Norden (V.35). Die unbesetzte Stelle im Osten wird durch Aaron und Mose besetzt, die damit die gleiche Position wie der das Lager anführende Stamm Juda erhalten.126 An dieser Stelle zeigt die Allegorie der Lagerordnung eine Verhältnisbestimmung, die sich auch in den chronistischen Diskursen wiederfindet: Mose und Aaron dürfen das Heiligtum durch den nach Osten geöffneten Eingang betreten und werden von den im Osten lagernden Stämmen, allen voran Juda, nicht mehr durch Leviten getrennt. Dieses Bild findet sich in der Chronik bspw. in 2Chr 26 wieder, wo es zum Konflikt zwischen Ussijahu und Asarjahu kommt und eine Entscheidung des Konflikts ohne die Leviten ausgetragen wird. „Alles in allem bilden so die Lagerstätten der Leviten das Lager der zwölf Stämme im Kleinen ab.“127 Bei der Neufassung dieses Entwurfs ist dann dieses amphiktyonische Idealbild auf der Ebene der Textkomposition textographisch von 1Chr 2–8 reproduziert worden, wobei man auffälligerweise an den Positionen Judas (1Chr 2,3–4,43), Levis (1Chr 5,27–6,36) und Ephraims, (West-)Manasses (1Chr 7,14–29) und Benjamins (1 Chr 8)128 festgehalten hat. Die Lagerordnung in Num 2 f gestaltet sich wie in Abb. 6.129 Was hier auf der Ost-West-Achse abgebildet ist, kann in seinem Konfliktpotenzial kaum überschätzt werden, da durch die Nachbarschaft Judas und Aarons ein besonders enges Verhältnis gestiftet wird, das, wie noch zu zeigen ist, durch die Herstellung eines putativen Verwandtschaftsverhältnisses weiter entwickelt wird. Der Chronist wird das in dieser exklusiven Verbindung angelegte Potenzial mit Leichtigkeit nutzen, um Jerusalem als den einzig legitimen Ort für die Errichtung eines JHWH-Tempels aus diesem Modell zu entfalten. Der Konflikt entsteht in dem Moment, in dem man sich vor Augen führt, dass diese Lagerordnung Teil eines Pentateuchs geworden ist, den die Jerusalemer Gemeinde und die Samaritaner in gleicher Weise adaptiert haben. Insbesondere im Falle der Stämme Efraims 125 Achenbach 2003, 493. 126 Die latente Identität zwischen Juda und Levi, die auf ganz unterschiedliche Weise (vor allem jedoch genealogisch und topographisch) ausgedrückt wird, hat in dieser topographischen Symbolik ein augenfälliges Pendant in Ez 46,1–10, wo es dem נשיאvorbehalten ist, den Vorhof des Tempels durch das Osttor zu betreten, während das Volk nur durch das Nord, oder das Südtor eintreten darf. Schorn 1997, 23–53; Pola 1995, 73–78 sowie Achenbach 2003, 485–488 haben dargelegt, dass Num 2 auf die Konzeption von Ez 47,13–48,29 zurückzuführen ist. 127 Samuel 2014, 164. 128 Vgl. die Anordnung: Juda (1Chr 2–4) – Levi (1Chr 5 f) – Benjamin (1Chr 8). 129 Über die Höhe der Musterungssumme hat ausführlich Achenbach 2003, 469–477 referiert. Für die Frage der angemessenen Modellierung, insbesondere die Frage danach, ob die viereckige Lagerordnung wahrscheinlich ist, vgl. Seebass z. St., 51 f.
267
5.2 Texturen NORDEN Dan Asser Naftali
Levi (Gerschon)
אהל מועד
Issachar, Sebulon, Juda
OSTEN
Efraim, Manasse, Benjamin
Levi (Mose & Aaron)
WESTEN
Levi (Merari)
Levi (Kehat) Gad Simeon Ruben SÜDEN
Abb. 6: Lagerordnung Num 2 f
und Manasses stellt sich die Frage, unter welchen Bedingungen sie die Position im Westen akzeptiert haben. Nimmt man von dieser Nahbetrachtung wieder etwas Abstand, wird deutlich, dass in 1Chr 5,27–6,39 genau das abgebildet ist, was sich in Num 1–3, insbesondere aber in Num 3,1–10 und 14–39 abspielt: Die Leviten werden als Stamm originär in der Mitte des Volkes Israel situiert und in einem zweiten Schritt in aaronidische Priester und Leviten unterteilt, wobei schon in der Darstellung präsupponiert ist, dass die Priester (1Chr 5,27–41 // Num 3,1–4) den Leviten (Num 3,6–9.14–39 // 1Chr 6,1–39) vorgeordnet und vice versa jene diesen unterstellt werden. Einen Anhaltspunkt dafür liefert nicht nur die Darstellung als solche, sondern insbesondere auch die nur selten bezeugte Phrase ( עבודת משכןvgl. Ex 39,32.40; Num 3,7–8; 16,9; 1Chr 6,33), die die Verbindung zwischen den spät-priesterlichen Texten des Pentateuchs und der Chronik anzeigt. Dabei werden innerhalb dieser Konzeption jedoch die Aufgaben neu verteilt: Während die drei Levitengeschlechter in Num 3 ausschließlich zum Dienst am אהל מועדbestimmt sind,130 teilt David deren Nach 130 Die Gerschoniter leisten Dienst für alle Decken und Abdeckungen (Num 3,25 f), die Kehatiter leisten Dienst an der Lade und allen weiteren Kultgeräten (V.31) und die Merariter leisten Dienst für alle Bretter, Balken, Säulen und Stricke (V.36 f).
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5. Kult-Personal
fahren für den Tempel in drei Sängergruppen ein, da diese durch die Einbringung des אהל מועדihre alten Aufgaben verlieren und damit für neue frei werden. Vor diesem Hintergrund ist Willis These, dass Levi „nicht wie in der Priesterschrift zusammen mit dem Heiligtum und dem Kult […], sondern als vollgültiger Teil des Volkes“131 behandelt wird, in zweifacher Hinsicht revisionsbedürftig: Zunächst ist der Widerspruch aufzuheben, den Willi annimmt. Levi kann sehr wohl mit dem Heiligtum und dem Kult behandelt werden und gleichzeitig ein vollgültiger Teil des Volkes sein. Darauf weist bereits die Bezeichnung מטהhin (Num 3,6). Weiterhin zeigt sich deutlich, dass der Chronist an den priesterlichen132 Konzeptionen der theokratischen Bearbeitungen des Numeribuches partizipiert und diese fortschreibt. Dabei gelingt es dem Chronisten aber nicht, auch wenn es hier wie dort gegenteilige Tendenzen gibt, die Vorrangstellung der Priester aufzuheben und die Leviten auf deren Niveau zu hieven.
5.2.6 1Chr 6,1–6 In 1Chr 6,1–6 werden nun die mit den levitischen Geschlechtern verbundenen Sängergilden Asaf, Heman und Etan etabliert. 1Chr 6,1–4a dient der Einleitung des Kapitels.133 Hier werden die Leviten, soweit sie aus dem Pentateuch bekannt sind, rekapituliert: Die Söhne Levis: Gerschom134, Kehat, Merari. 2 Und dies sind die Namen der Söhne Gerschoms: Libni und Schimi. 3 Und die Söhne Kehats: Amram und Jizhar und Chebron und Ussiël. 4 Die Söhne Meraris: Machli und Muschi. 1
Ab V.4b werden die Leviten dann nach ihren Väterhäusern aufgelistet und über die im Pentateuch entfaltete Generation hinausgeführt. Und dies sind die Sippen der Leviten nach ihren Väterhäusern. 5 Von Gerschom: Libni, sein Sohn; Jachat, sein Sohn; Simma, sein Sohn; 6 Joach, sein Sohn; Iddo, sein Sohn; Serach, sein Sohn; Jeotrai, sein Sohn.
Wir sehen, dass hier die Linie der Gerschoniter um Libni und Schimi ergänzt und schließlich über die Libni-Linie bis zu Jeotrai in die 31. Generation weitergeführt wird.
131 Willi z. St., 200. 132 Willi blendet die Binnendifferenzierung der priesterlichen Texte nicht ein und spricht global von der Priesterschrift. Er berücksichtigt deshalb nicht, dass die Leviten in der Priesterschrift gar nicht erwähnt werden. (Vgl. Samuel 2014, 295–300). 133 Schon Kuenen (1890, 155) hat darauf hingewiesen, dass diese Entwicklung nach Esra / Nehemia zu datieren ist. 134 LXX bietet Γεδσων. Offenbar liegt eine ר-ד-Verwechslung vor.
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5.2 Texturen (לוי23) l
(גרשם24)
(קהת24)
(מררי24)
(לבני25) ( שמעי25)
(עמרם25) (יצהר25) (חברון25) (עזיאל25)
(מחלי25) (מושי25)
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( זמה27) l
( יואח28) l
(עדו29) l
(זרח30) l
(יאתרי31) l
Abb. 7: Chr 6,1–6
5.2.7 1Chr 6,7–9 Die Söhne Kehats: Amminadab135, sein Sohn; Korach, sein Sohn; Assir, sein Sohn; Elkana, sein Sohn; und Ebjasaf136, sein[e] S[ö]hne; und Assir, sein Sohn; 9 Tachat, sein Sohn; Ureil, sein Sohn; Usija, sein Sohn; und Schaul, sein Sohn.
7 8
Im Folgenden werden die vier Kehat-Söhne erneut ins Spiel gebracht. Der Anschluss an Kehat wird ab Vers 7 nicht über einen der vier bereits bekannten Söhne vollzogen, sondern in der 25. Generation über einen fünften Sohn, עמינדב, fort 135 עמינדבist textkritisch problematisch. Die LXXB stimmt mit MT überein. LXXA bietet ισσααρ, während LXXAnt Ἰσσάαρ υἱὸς αὐτοῦ, Ἀμειναδὰβ ὑιὸς αὐτοῦ bietet. Dass Aminadab nur hier als Sohn Kehats bezeugt ist, wird von den abweichenden Textzeugen offenbar als Problem empfunden und entweder durch Konjektur (LXXA) oder durch eine Reintegration Jizhars nivelliert. Die offenbar ideologisch motivierten Textänderungen raten dazu mit MT und LXXB, die lectio difficilior zu lesen. 136 Während 1Chr 6,7 אסיר, אלקנהund אביסףdeszendierend bietet, sind sie gemäß Ex 6,24 allesamt Söhne Korachs. Auch innerhalb der Heman-Liste in 1Chr 6,22, wo auf קרחdirekt אביסף folgt und אסירund אלקנהgar nicht genannt werden, sind sie offenbar Brüder. Curtis / Madsen (z. St., 132) haben mit ihrer Deutung, dass 1Chr 6,7 eine sekundäre Entwicklung darstellt, einigen Zuspruch erfahren (vgl. z. B. Knoppers z. St., 417). Sie setzen mit der Beobachtung ein, dass die Phrase υἱὸς αὐτοῦ nach Ἐλκανὰ in LXXB fehlt und folgern daraus, dass offenbar eine Tendenz dazu bestand, sie ad hoc zu vermehren. Weiterhin bemerken Sie, dass in V.8 das וvor אביסףauffällig ist und auf den Abschluss einer Reihe schließen lässt, während das וvor אסירebenfalls auffällig sei und auf einen Neueinsatz schließen lasse. Sie konjizieren deshalb einen Text, der die Abweichungen integriert und sich harmonisch zu Ex 6,24 und 1Chr 6,22 fügt und dem ich deshalb ebenfalls folge: אסיר בנו,קרח בנו אסיר אלקנה ואביסף בניו.
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5. Kult-Personal (לוי23) l
(גרשם24)
emendiert
(לבני25) (שמעי25)
(עמינדב25)
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(קהת24)
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(עמינדב25) l
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(עמרם25) (יצהר25) (חברון25) (עזיאל25) l
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(קרח26) l
(קרח26) l
(מחלי25) (מושי25) l
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(אסיר27) l
(אסיר27) (אלקנה27) (אביסף27)
(אלקנה28)
(אסיר28)
(אסיר30)
(תחת29)
(תחת31)
(אוריאל30)
(אוריאל32)
(עזיה31)
(עזיה33)
(ושאול32)
(ושאול34)
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(אביסף29) l
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Abb. 8: 1Chr 6,7–9
gesetzt (vgl. Abb. 8).137 In diese Linie wird schließlich, nachdem wir zuvor die hohepriesterliche Linie verfolgt haben, nun auch Korach eingeschrieben. Korach wird jedoch anders als in Ex 6,21 nicht von Jizhar, sondern aus dieser Nebenlinie über Aminadab hergeleitet. Damit wird Korach genau wie Aaron, Mose und Mirjam in der 26. Generation platziert und damit offenbar als die Dissidenten-Figur aus Num 16 identifiziert. Schon hier ist zu berücksichtigen, dass in Num 16,1 ein anderer Vater, nämlich Jizhar, genannt wird und in Num 16,32 f alle Korachiter lebendig ins Totenreich gelangen. Vorstellbar ist, dass mit der Umleitung Korachs über den Abinadab-Ast durch eine Dissimilation die Verlegenheit ausgeglichen werden sollte, dass in chronistischer Zeit offenbar ein lebendiger Korach-Zirkel existierte, der sich gleichzeitig über die Kehat-Linie legitimieren und von dem zu Grunde gegangenen Korach verschieden sein wollte. Auf dieselbe Verlegenheit reagiert immerhin in Num 26,11 auch ein Schreiber, der festhält, dass die Söhne Korachs nicht alle umkamen. Beide Strategien ermöglichen letztlich ein Weitererzählen des Korach-Narrativs, dessen Erzähl- und Deutungspotenzial nach 137 Vgl. dazu Anm. 83.
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5.2 Texturen (לוי23) l
(גרשם24)
(קהת24)
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(מררי24)
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(לבני24) (שמעי24)
(עמינדב25)
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(עמרם25) (יצהר25) (חברון25) (עזיאל25) l
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(קרח26) l
(מחלי25) (מושי25) l
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emendiert
(אסיר27) (אלקנה27) (אביסף27) l
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(עמשי28) (אחימות28)
(אסיר28)
(אלקנה29)
(תחת29)
(צופי30)
(אוריאל30)
(נחת31)
(עזיה31)
(אליאל32)
(ושאול32)
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(ירחם33) l
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Abb. 9: 1Chr 6,10–12
Num 16 eigentlich an ein Ende gekommen war. Die Linie Korachs wird nun über Assir und Elkana bis in die 32(/34). Generation weiterverfolgt und hat ihren Anschluss in 1Chr 6,10–12: Und die Söhne Elkanas: Amasai und Achimot. 11 Elkana, sein138 Sohn Elkana: Zofai139, sein Sohn und Nachat, sein Sohn. 12 Eliab140, sein Sohn; Jerocham, sein Sohn; Elkana141, sein Sohn. 10
138 Der MT an dieser Stelle ist korrupt. Die LXX bietet Ελκανα υἱὸς αὐτοῦ, was dem Ketiv entspricht. Das zweite Elkana ist wohl auf Aberratio Occuli zurückzuführen und mit LXX zu tilgen. 139 Die LXX bietet Σουφι, was hebr. צופיentspricht. Willi (z. St., 194) vermutet, dass es sich bei צופיum eine Nebenform handelt, die auf צופים, dem aus 1Sam 1,1 bekannten Heimatort Elkanas, zurückgeht. 140 V.19 bietet אליאל, 1Sam 1,1 bietet אליהוא. 141 Die LXXL bietet zusätzlich Σαμουὴλ ὑιὸς αὐτοῦ nach אלקנה. Damit wird die Lücke zu V.13 geschlossen, wo die Söhne Samuels genannt werden. Wenn die lecito difficilior ursprünglich ist, l
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5. Kult-Personal
Die Linie wird nun über den zweiten Korach-Sohn in der 28. Generation über Amasai weitergeführt und endet vorläufig in der 34. Generation mit Elkana. Es ist immer gesehen worden, dass an dieser Stelle der aus 1Sam 1,1 bekannte Elkana, der Vater Samuels, in den Levitenstammbaum integriert wird. Zu beachten ist jedoch, dass die beabsichtigte Levitisierung des Propheten Samuel bereits in Ex 6,24 vorbereitet und damit ab origine in den Levitenstammbaum eingepfropft wird. Korachitischer Herkunft zu sein ist zwar ebenfalls ein biographischer Makel, der jedoch immerhin nicht nur zur levitischen Abstammung, sondern auch zur Eingliederung in die wichtige Kehat-Linie führte. Der Kunstgriff der genealogischen Herkunftsänderung führt überdies dazu, die Peinlichkeit der ephraimitischen Herkunft zu tilgen.142 1Chr 6,10–12 emendiert
1Chr 6,18–21
1Sam 1,1
ואלה העמדים ובניהם מבני18 הקהתי הימן המשורר בן־יואל בן־שמואל בן־אלקנה19 בן־ירחם בן־אליאל בן־תוח בן־צוף20 בן־אלקנה בן־מחת בן־עמשי בן־אלקנה21
ויהי איש אחד מן־הרמתים צופים מהר אפרים
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ובני אלקנה10 עמשי ואחימו אלקנה בנו11 אלקנה צופי בנו ונחת בנו אליאב בנו12 ירחם בנו אלקנה בנו l
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ושמו אלקנה
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בן־ירחם בן־אליהוא בן־תחו בן־צוף אפרתי
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wie Willi mit gutem Grund behauptet („Der Vatersname genügte dem kundigen Leser, etwa so wie ‚der Sohn Amrams‘ als Bezeichnung Moses dienen konnte.“ [vgl. Willi z. St., 194]), evoziert diese ein exegetisches Problem. 142 Einen anderen Weg geht an dieser Stelle 4QSama, wo die Bedeutung Samuels dadurch gesteigert wird, dass er zu einem נזירerklärt wird. Dies ist zwar im MT schon angelegt, jedoch nicht begrifflich expliziert. Vgl. dazu Driesbach (2016, 197), der diesen Vorgang als „Nomistic Theological Change“ bezeichnet und damit eine bearbeitende Anlehnung an die Tora meint.
5.2 Texturen
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5.2.8 1Chr 6,13 13
Und die Söhne Samuels: Der Erstgeborene Joel143 und ein zweiter Abija. (ובני שמואל35?) l
(יואל הבכר36) (ושני ואביה36) l
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Auffällig ist, dass in V.13 mit ובני שמואל יואל הבכר ושני ואביהein unvermittelter Neueinsatz vorliegt und gerade die Figur, um die es eigentlich geht, Samuel, nicht im üblichen Duktus in den Stammbaum aufgenommen wird. Da die Einsetzung der Genealogie Samuels die einzige, wenngleich besonders auffällige Ergänzung der levitischen Stammfamilie darstellt, scheint es äußerst unwahrscheinlich, dass gerade der Tempeldiener Samuel, um dessen Integration es hier nur gehen kann, genealogisch so schwach eingebunden bleibt. Möglicherweise bietet also der antiochenische Text, der auch den Namen des Erstgeborenen bewahrt hat, in V.12b mit Σαμουὴλ ὑιὸς αὐτοῦ die ursprüngliche Lesart. Offenbar kommt es in 1Chr 6,12 also zur Levitisierung Samuels über die korachitische Linie. Im Umkehrschluss ist Samuel mitverantwortlich für die Einsetzung der Torwächter (1Chr 9,22). In dieser Funktion ist Samuel dann auch bei der Bundeszeremonie Davids und dessen Salbung zum König zugegen (1Chr 11,3). Auch in den Genealogien zeigt sich also, wie die chronistische Systematik sukzessive die Deutungshoheit über die Propheten übernimmt. Den umgekehrten Effekt einer ebenfalls auf die Verbindung von Prophetie und Levitismus zielenden Identifikation sehen wir dann in 1Chr 25,1–5, wo von den Leviten Asaf, Heman und Jedutun gesagt wird, dass sie zur Musik prophezeien ()נבא.144
5.2.9 1Chr 6,14 f Die Söhne Meraris: Machli, Libni, sein Sohn; Schmi, sein Sohn; Ussa, sein Sohn; 15 Schima, sein Sohn; Chaggija, sein Sohn; Asaja, sein Sohn.
143 LXXL, S und A bieten יואל, das offenbar durch ein Homoioteleuton hinter שמואלausgefallen und deshalb zu ergänzen ist. 144 Ein weiteres Indiz dafür, dass die Leviten zu Erben der Propheten werden, bietet Mt 13,34 f. Dort findet sich ein als Prophetenwort ausgewiesenes Erfüllungszitat aus Ps 78,2. Dabei werden in der Texttradition verschiedene Adiectiones zur Verdeutlichung geboten. א, θ bspw. bieten offenbar noch unter Einfluss von Mk 13,14 f Ησαιου, während Hieronymus mit Blick auf den bereits existierenden Asaf-Psalter Asaph ergänzt und diesem damit das Prophetenamt zuschreibt.
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5. Kult-Personal
Zuletzt stellt die Chronik ab V.14 den Stammbaum der Merariter dar. ( לוי23) l
( גרשם24)
( קהת24)
(מררי24)
( לבני25) ( שמעי25)
( עמרם25) (יצהר25) (חברון25) (עזיאל25)
(מחלי25) (מושי25)
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(לבני26)
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(עזה28) l
(שמעא29) l
(חגיה30) l
(עשיה31) l
Abb. 10: 1Chr 6,14 f
Die Merariter enden genau wie die Gerschoniter (V.6) in der 31. Generation und geben Anlass zu der Annahme, dass ursprünglich in dieser Generation der gemeinsame Endpunkt der Genealogien war.
5.2.10 1Chr 6,16 f Zwischen den aus dem Pentateuch übernommenen Genealogien und der Ausdifferenzierung der Sängergeschlechter stellen 1Chr 6,16 f ein Scharnier dar, insofern sie von den bereits bekannten Levi-Genealogien in die durch die Chronik entwickelten Neuerungen überleiten und mit den Themen David, Gesang, Tempel, Lade, Zelt der Begegnung, Salomo und Jerusalem alle kultisch relevanten Topoi der Chronik expositionell vorbereiten: Und diese sind es, die David zur Leitung des Gesangs im Haus JHWHs einsetzte, von dem Augenblick an, als die Lade ruhte. 17 Und sie verrichteten ihren Dienst vor der Wohnung, dem Zelt der Begegnung145, mit Gesang, bis Salomo das Haus JHWHs in Jerusalem baute. Und sie nahmen nach der für sie geltenden Vorschrift ihren Dienst auf. 16
145 Die Wendung משכן אהל מועדsetzt die Verbindung von משכןund אהל מועדvoraus und findet sich nur in Ex 39,32.40; 40,2.6.29; 1Chr 6,17.
5.2 Texturen
275
Das kataphorische Demonstrativpronomen אלהzielt auf die ab V.18 angeschlossenen Listen und führt erstmals das Thema des Gesangs ( )שירin die Chronik ein. Gleichzeitig werden hier der Tempel ( )בית יהוהund die vollständige Überführung der Lade ( )ממנוח הארוןvorweggenommen.146 Da beide Themen bereits in der Vorlage ausführlich erzählt werden, ist in der Prolepse auf 1Chr 22,9; 28,2 und 2Chr 6,41 f (Der Mann der Ruhe verschafft im Haus der Ruhe der Lade Ruhe;) weniger ein Argument für eine sekundäre Hinzufügung zur Chronik zu sehen als vielmehr für eine integrative Inclusio des David-Salomo-Narrativs, die durch die Katalepse in 2Chr 35,3 vervollständigt wird. Von Anfang und Ende der Chronik her geraten damit 2Chr 5–7, insbesondere 2Chr 6,41 f, zur theologisch-topographischen Mitte der Chronikbücher.147
5.2.11 1Chr 6,18–23 Und dies sind die Diensthabenden und ihre Söhne: Von den Söhnen der Kehatiter: Heman, der Sänger, der Sohn Joels, des Sohnes Samuels, 19 des Sohnes Elkanas, des Sohnes Jerochams148, des Sohnes Eliëls, des Sohnes Toachs, 20 des Sohnes Zufs, des Sohnes Elkanas, des Sohnes Machats, des Sohnes Amasais, 21 des Sohnes Elkanas, des Sohnes Joels, des Sohnes Asarjas, des Sohnes Zephanjas, 22 des Sohnes Tachats, des Sohnes Assirs, des Sohnes Abjasafs, des Sohnes Korachs, 23 des Sohnes Jizhars, des Sohnes Kehats, des Sohnes Levis, des Sohnes Israels. 18
In 1Chr 6,18–23 wird aszendierend die Kehat-Linie geboten, die dem Ast des zweitgeborenen149 Sohnes Jizhar folgt. Aus Gründen der Einheitlichkeit wird der Stammbaum deszendierend veranschaulicht. Besonders auffällig ist, dass Korach, der bisher in die Linie Aminadabs eingeschrieben war (vgl. 1Chr 6,7), nun in die Jizharlinie übernommen und damit erneut in die 26. Generation, also neben Aaron, Mose und Mirjam, eingeschrieben wird. Dem Kehatstammbaum wird über Jizhar auch die Samueltradition eingeschrieben, sodass sich inklusive des Samuel-Sohnes Joel (1Sam 8,1), der hier samt seinem Vaters eingegliedert ist,
146 Beentjes (z. St., 56) hat darauf hingewiesen, dass beide Verse eine chiastische Struktur aufweisen: „A) Dit zijn degenen die David aanstelde (ʿmd) om de zang te verzorgen B) in het huis van JHWH, nadat de ark een rustplaats had gevonden. C) Zij dienden als zangers vóór de tentwoning, de tent der samenkomst, B') totdat Salomo het huis van JHWH in Jeruzalem had gebwoud. A') Zij deden dienst (ʿmd) volgens vorschriften.“ 147 Vgl. zu diesem Aspekt den Abschnitt 8.2. 148 Die LXX bietet Ηδαδ. 149 Die Herleitung über den Zweitgeborenen bestimmt programmatisch die Konstitution aller drei Sängerfamilien, die jeweils von dem zweitgeborenen Sohn der Levi-Söhne abgeleitet werden: ( שמעיV.27 f, emendiert), ( יצהרV.23), ( משיV.32).
276
5. Kult-Personal
in der Summe 43 Generationen ergeben. Dabei wurde oben deutlich, dass diese Länge auf die Einfügung der Genealogie Samuels zurückgeht und damit eine ursprünglichere Fassung um ca. 6–7 Generationen ergänzt wurde. ( לוי23) l
(גרשן24) | (לבני25) (שמעי25) l
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(קהת24) | (יצהר25) | (קרח26) | (אביסף27) | (אסיר28) | (תחת29) | (צפניה30) | (עזריה31) | (יואל32) | (אלקנה33) | (עמשי34) | (מחת35) | (אלקנה36) | (צוף37) | (תוח38) | (אליאל39) | (ירחם40) | (אלקנה41) | (שמואל42) | (יואל43) | (הימן44) l
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Abb. 11: 1Chr 6,18–23
(מררי24) | (מחלי25) (מושי25) l
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277
5.2 Texturen
5.2.12 1Chr 6,24–28 לוי
) (24מררי | ) (25מחלי ) (25מושי l
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) (24קהת | ) (25יצהר | ) (26קרח | ) (27אביסף | ) (28אסיר | ) (29תחת | ) (30צפניה | ) (31עזריה | ) (32יואל | ) (33אלקנה | ) (34עמשי | ) (35מחת | ) (36אלקנה | ) (37צוף | ) (38תוח | ) (39אליאל | ) (40ירחם | ) (41אלקנה | ) (42שמואל | ) (43יואל | ) (44הימן l
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Abb. 12: 1Chr 6,24–28
) (24גרשם | ) (25שמעי | ) (26יחת | ) (27זמה | ) (28איתן | ) (29עדיה | ) (30זרח | ) (31אתני | ) (32מלכיה | ) (33בעשיה | ) (34מיכאל | ) (35שמעא | ) (36ברכיהו | ) (37אסף l
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5. Kult-Personal
Und sein Bruder Asaf, der zu seiner Rechten stand. Asaf, der Sohn Berachjahus, des Sohnes Schimas, 25 des Sohnes Michaels, des Sohnes Maasjas150, des Sohnes Malkijas, 26 des Sohnes Etnis, des Sohnes Serachs, des Sohnes Adajas, 27 des Sohnes Etans, des Sohnes Simmas, des Sohnes Jachats151, 28 des Sohnes Schimis152, des Sohnes Gerschoms, des Sohnes Levis. 24
Gegenüber dem Stammbaum der Gerschoniten, der in der 37. Generation endet, überragen die kehatitischen Sänger diesen Ast um sieben Generationen. In V.24 heißt es dabei ואחיו אסף העומד על ימינו, wobei sich ימינוauf Heman bezieht, dessen Stammbaum jedoch bis in die 44. Generation geendet hatte. Der Heman-Ast überragt die Asafiten damit genau um das Fragment, dass zur Levitisierung Samuels eingesetzt wurde.
5.2.13 1Chr 6,29–32 Und die Söhne Meraris, ihre Brüder zur Linken: Etan, der Sohn des Kischi, der Sohn des Abdi, der Sohn des Malluch, 30 der Sohn des Chaschabja, der Sohn des Amazja, der Sohn des Chilkijah, 31 der Sohn des Amzi, der Sohn des Bani, der Sohn des Schemer, 32 der Sohn des Machli, der Sohn des Muschi, der Sohn Meraris, der Sohn des Levi. 29
Der Stammbaum Meraris endet in der 36. Generation. Auch hier bezieht sich die Wendung: אחיהם על־השמאולwieder auf Heman. Oeming hält fest: Wirklich auffällig ist nur die ‚Einflickung‘ von Samuel in 6,10–13, die Fluß und Symmetrie der Kehatiter etwas stört. Aber das beweist nicht, daß es sich um eine nach-chr Glosse handelt. Das Interesse an der Levitisierung Samuels ‚vom religiösen Standpunkte der gesetzestreuen Frömmigkeit in der nachexilischen Gemeinde‘ darf man getrost auch dem Chronisten zutrauen, der diese wohl fiktive Genealogie selbst in vorgegebenes Material eingeflochten haben kann.153
Auch Rudolph war der Auffassung, dass mit den Genealogien der levitischen Sänger „keine Zahlensymmetrie angestrebt wird“154.Beiden Auffassungen stehen 150 Mit einigen Handschriften und der LXX ist בzu מzu emendieren. 151 Vgl. Anm. 112. 152 Offenbar sind שעמיund יחתvertauscht worden. Da שמעיneben לבניals Kehat-Sohn breit belegt ist. Dazu kommt jedoch die Problematik, dass die Darstellung hier nicht mit V.5 übereinstimmt, wo יחתein Sohn des לבניist. Der Vorschlag der BHS, hier Jachat בן שמעיeinzuschieben geht auf Rudolph zurück, der die Herleitung der Sänger von dem jeweils zweiten Sohn der Levi-Söhne betont. Demgemäß wäre statt mit בן לבני בן שמעיgegen V.5 zu lesen. In der Forschung wird erwogen בן יחתzu streichen. Rothstein (z. St., 118), dem ich folge, hat aus diesem Grund die Permutatio erwogen und damit eine weniger hypothesenreiche Erklärung gefunden als Rudolph. 153 Oeming 1990, 145. 154 Rudolph z. St., 56.
5.2 Texturen
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jedoch die Topographien in V.24 und 29 entgegen, die das dominante Strukturmerkmal in V.18b–32 konstituieren. Sowohl על־ימינו ואחיו אסף העמדals auch ובני מררי אחיהם על־השמאולmit den Richtungsangaben ‚zur Linken‘ und ‚zur Rechten‘ nehmen schließlich auf den zuerst genannten Sänger Heman Bezug, der als Einziger bis auf Israel, den in der chronistischen Grundschicht dauerhaft für Jakob gebrauchten Namen155, zurückgeführt wird. Dabei greifen insbesondere die zwei Personalpronomen in V.24 ( אחיוund )ימינוkataphorisch hinter die Kette der vorausgehenden ‚Genitive‘ zurück auf die Figur Heman. Der Einsatz mit ובני מרריin V.29 fordert zwar den Plural אחיהם, folgt jedoch derselben Systematik, was nicht nur durch die Positionsangabe ‚zur Linken‘, sondern auch durch die Interpretation der LXXB deutlich wird, die den Singular ἀδελφοῦ αὐτοῦ bietet. Das bedeutet, dass Heman, Asaf und Jedutun genealogisch und topographisch in ein Verhältnis gesetzt werden sollten. Dementsprechend kann sinnvollerweise nur angenommen werden, dass die Heman-Linie nach ihrer Koordinierung mit den Linien Asafs und Etans ergänzt worden ist. Da die Levitisierung des gesamten Kultpersonals weiterhin als spezifisch chronistisches Charakteristikum gilt156, ist es höchst wahrscheinlich, dass die Ergänzung nach der Einsetzung der Genealogien in die Chronik erfolgt ist. Oeming entgeht deshalb an dieser Stelle die eigentliche Pointe. Mit Oeming zu sprechen, kann man dem Chronisten also die Levitisierung Samuels sicherlich zutrauen. Aber da Heman, Asaf und Etan offenbar zu einer Generation gehören sollen, was aus dem Text der vorliegenden Version nicht mehr ohne Weiteres zu entnehmen ist, liegt auf der Hand, dass die Heman-Linie, die zu den längsten überhaupt gehört, nach ihrer Fertigstellung noch um die Vorfahren Samuels und Elkanas ergänzt wurde. Dies wiederum ist mit einer Umschreibung von der Aminadab-Linie in die wichtige Kehat-Jizhar-Korach-Linie geschehen, in der zudem der Name Elkana bereits vorgegeben war und über die einzig der Dienstanspruch im Tempel legitimiert werden kann. Die Einschreibung Samuels in die levitische Linie fügt sich einerseits zur chronistischen Ideologie, dass allein Leviten am Tempel dienen konnten, sie liegt jedoch weiterhin auch auf der Linie, die Propheten und Leviten identifiziert, sodass auch die Heman-Linie auf diese Weise einen prophetischen Ableger erhält. Auffällig ist, dass Labahn, die sowohl auf die Genealogien als auch auf prophetische Leviten (bspw. in 1Chr 25,1–7) zu sprechen kommt, keine Verbindung mit dieser Levitisierung Samuels herstellt. An dieser Stelle liegt die Vermutung nahe, dass mit der dargestellten Einfügung der Versuch verbunden war, die Heman-Linie der 155 Allein der Chronist setzt die Umbenennung Jakobs in Israel (Gen 32; Gen 35) konsequent um. 156 Der Chronist, so zeige ich in der Auseinandersetzung mit den ‚levitischen‘ Texten des Pentateuchs, hat von Beginn an ein hohes Interesse an der Gruppe der Leviten. Davon zeugen insbesondere auch die neuerdings von Labahn durchgeführten Studien, die zu dem Ergebnis kommen, dass durch dieses Interesse offenbar auch verschiedene Fortschreibungen motiviert sein könnten.
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5. Kult-Personal
hohepriesterlichen Linie Aarons ähnlich bedeutungsvoll zu machen, wie es Ps 99,6 nahelegt, wo Mose und Aaron neben Samuel als Anrufer des JHWH-Namens aufgelistet werden. ( לוי23) l
( גרשם24) | ( שמעי25) | ( יחת26) | ( זמה27) | ( איתן28) | ( עדיה29) | ( זרח30) | ( אתני31) | ( מלכיה32) | ( בעשיה33) | ( מיכאל34) | ( שמעא35) | ( ברכיהו36) | ( אסף37) l
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( קהת24) | ( יצהר25) | ( קרח26) | ( אביסף27) | ( אסיר28) | ( תחת29) | ( צפניה30) | ( עזריה31) | ( יואל32) | ( אלקנה33) | ( עמשי34) | ( מחת35) | ( אלקנה36) | ( צוף37) | ( תוח38) | ( אליאל39) | ( ירחם40) | ( אלקנה41) | ( שמואל42) | ( יואל43) | ( הימן44) l
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Abb. 13: 1Chr 6,29–32
( מררי24) | ( מושי25) | ( מחלי26) | ( שמר27) | ( בני28) | ( אמצי29) | ( חלקיה30) | ( אמציה31) | ( חשביה32) | ( מלוך33) | ( עבדי34) | ( קישי35) | ( איתן36) l
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5.2.14 1Chr 6,33 f Und ihre Brüder157, die Leviten, wurden für den gesamten Dienst bei der Wohnung des Hauses der Gottheit gegeben. 34 Und Aaron und seine Söhne brachten Rauchopfer auf dem Brandopferaltar und auf dem Räucheraltar dar für jede Arbeit für das Allerheiligste, um Sühne für Israel zu erwirken, entsprechend allem, was Mose, der Diener der Gottheit, geboten hatte. 33
In V.33 ist, obwohl die vorangegangenen Listen durch die Links-Rechts-Kombination bereits Vollständigkeit suggerieren, von einer weiteren Gruppe von Leviten die Rede. Der durchaus nicht untypische Anschluss durch ואחיחם הלוים158 erfährt angesichts der zuvor gebotenen Feindifferenzierung der Geschlechter kaum ausreichend Präzisierung, um dessen Referenz zu verstehen. Da offenbar auch Nicht-Aaroniden gemeint sind, die in V.34 mit ganz eigenen, nur den Priestern vorbehaltenen Aufgaben genannt werden, steht V.33 für sich. Signifikant ist dabei das Partizip Passiv von נתן, das auf Texte verweist, in denen es um die Leviten und Abgaben für den Tempel geht (Num 3,9; 8,16.19; 18,6; 1Chr 6,33; Esr 8,20; Neh 12,47; 13,5). Ferner rücken damit die niederen Tempeldiener ( )נתיניםin den Blick.159 Ganz offenbar sollen hier also alle Leviten, die außerhalb der Äste der levitischen Sänger stehen und auch nicht zur hohepriesterlichen Linie gehören, für den gesamten Dienst am Tempel legitimiert werden. Auffällig ist dabei, dass für das Partizip Passiv kein Subjekt „in Reichweite“ steht und daher ein Passivum Divinium angenommen werden muss. Der vorliegende Text wird also in enger Referenz auf Num 18,6, einen der wenigen Texte, in denen sich Gott exklusiv und direkt an Aaron wendet, entfaltet: ואני הנה לקחתי את־אחיכם הלוים מתוך בני ישראל לכם מתנה נתנים ליהוה לעבד את־עבדת אהל מועד. Abgesehen davon, dass der אהל מועדhier משכןgenannt wird, ist der vorliegende Vers als eine Präzisierung zu Num 18,6 aufzufassen: Es werden nicht mehr alle Leviten, sondern diejenigen Leviten gegeben ()נתונים, die nicht zu einer Sängerfamilie gehören. Dabei wird die direkte Übergabe an die Aaroniden nicht mehr erwähnt, sondern einzig der
157 Die LXX bietet κατ᾽ οἴκους πατριῶν αὐτῶν, was hebr. לבית אבותיהםentspricht. Die Wendung kommt in den Levitenstammbäumen nicht vor. In der Genealogischen Vorhalle findet sie sich in 1Chr 4,38; 5,13.15.24; 7,2.4.7.9; 9,9.13.19. 158 Vgl. z. B. 1Chr 5,13; 7,5; 9,9.13.25. 159 Vgl. 1Chr 9,2; Esr 2,43.58.70; 7,7; 8,17.20; Neh 3,26.31; 7,46.60.72; 10,29; 11,3.21. Alle Belegstellen deuten auf eine Unterordnung der נתיניםunter die Leviten hin, die ihrerseits wiederum den Aaroniden untergeordnet sind. Insbesondere in Esr 8,20 wird die Unterordnung sichtbar, wobei Pakkala (2004, 60) darauf hinweist, dass der Vers eine Glosse ist, nach der die Tempeldiener schon zu den Leviten gerechnet werden. In 1Chr 9,2 ist dies offenbar noch nicht der Fall, da sie als die ersten Bewohner Jerusalems noch gleichwertig neben den Priestern und Leviten aufgeführt werden. Weitere Erwägungen bietet Knoppers z. St., 424.
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5. Kult-Personal
Dienst am Tempel pointiert.160 Die Wendung עבדת משכןwird nur selten verwendet (vgl. Ex 39,32.40; Num 3,7–8; 16,9; 1Chr 6,33) und zeigt vor allem in Num 16,9 an, dass diese so beschriebene Aufgabe am Heiligtum vom Priesterdienst verschieden ist. Auch Num 3,7 f lassen den Schluss zu, dass es sich hier um einen Dienst am und nicht im Heiligtum handelt und hier kein Zugang zum Tempel gewährt wird. Das Lexem משכןwird in der Chronik nur noch selten (1Chr 6,17.33; 16,39; 17,5; 21,29; 23,26; 2Chr 1,5; 29,6), nach dem Bau des Tempels nur noch einmal erwähnt. Umso auffälliger ist an dieser Stelle die sonst nirgends belegte Apposition משכן בית האלהים, die gleichsam als Identifikation zu erklären ist. Offenbar ist nach der Aufnahme der Identifikation von משכןund אהל מועדin 1Chr 6,17161 in 6,33 nun die Identifikation von Zelt und Tempel insinuiert. In diesem kommentierenden Zwischenstück zeigt sich deutlich die chronistische Vorstellung, die überall mit Händen zu greifen ist: Allein die aaronidischen Priester sind es, denen der Opferdienst an den Altären vorbehalten ist. Rothstein sieht in dieser explikativen Entfaltung der chronistischen Levi-Genealogie eine Fortsetzung der in Ez 44,9–31 festgelegten Bestimmungen.162 Deren Fortsetzung findet sich in Ex 29,38–42; 30,1–10; Lev 8 f, also Texten, die eine Art link zwischen Ezechiel und der Chronik darstellen. Im Hinblick auf V.34 ist die Referenz auf Mose bisweilen als sekundär beurteilt worden. Dörrfuss, der, wie wir gesehen haben, versucht, so gut wie alle Bezugnahmen auf Mose als sekundär zu erweisen, zeigt auf, dass die Verse ihrem Beginn nach besser in den Text eingebunden sind als ihrem Ende nach. Immerhin scheinen die Verse das in 1Chr 6,1–32 formulierte Thema fortzusetzen. Vermittelt über die Assoziation der נתניםstellt Dörfuss einen Widerspruch mit Num 8,19 fest, insofern dort von den Leviten die Sühnehandlung vollzogen würde (לכפר על־ )בני ישראל. Der Schluss ist jedoch auf Grund der uneindeutigen Bedeutung dieser Phrase in Zweifel zu ziehen. Samuel jedenfalls hat der Deutung, dass es hier um eine Sühnehandlung geht, widersprochen und stattdessen auf die semantische Nähe der Lexeme כפרund פדהhingewiesen und den Sachverhalt damit sachlich in Verbindung mit der Auslösung der Erstgeburt in Num 3,11–13.40–51 gebracht.163 Einen zureichenden Grund für die Ausscheidung von V.34 stellt das Lexem כפר jedenfalls nicht dar. Auch der Umstand, dass כפרselten erwähnt werde, ist kein be 160 Freilich suggeriert die Juxtaposition zu V.34 weiterhin eine Übergabe an die Aaroniden. Anders als in Num 18,6 ist davon jedoch nicht mehr direkt die Rede. V. Rad (1930, 90) hat diese Latenz deutlich gefasst, wenn er sagt: „Der in P ausgeführte Grundgedanke, dass die Leviten Aaron als Diener gegeben sind […], gewissermaßen als Ablösung der menschlichen Erstgeburten, ist auch in der Chronik angedeutet.“ Man kann noch hinzufügen, dass die Umformung von der Ausführung zur Andeutung eine nicht unerhebliche Umdeutung darstellt, da sie eine Aufwertung der Leviten bedeutet. 161 ( משכן אהל־מועדEx 39,32; 40,2.6.29). 162 Vgl. Rothstein z. St.,110 sowie Knoppers z. St., 424. 163 Samuel 2014, 176, Lit!
5.2 Texturen
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lastbares Argument. Im Gegenteil, mit der deflationären Verwendung des Begriffs zeigt der Chronist die Vertrautheit mit diesem Ritual an. Er implementiert es, wie wir gesehen haben, in das Hiskia-Narrativ zur Überwindung der fast unüberwindlichen Schändung des Heiligtums durch Ahas. Auch die weiteren Elemente stehen in erkennbarer Beziehung zum Pentateuch, so wird der Räucheraltar in Ex 30,1–8 hergestellt164, das Allerheiligste wird erstmals in Ez 44,15–16 erwähnt und dann nach Ex 26,33 f übernommen. In Num 18,1–10 wird es dann in den Kontext der Fragen des legitimen Heiligtumpersonals gestellt und den Aaroniden vorbehalten. Allein dem aaronidische Priester wird der Zugang zum Allerheiligsten gewährt. Insofern sind die Vv.33 f vollständig als Torarezeption zu beschreiben, wobei gut erkennbar wird, dass der Chronist hier eine Linie, die bei Ez 44 beginnt und in P und der Theokratischen Bearbeitung seine Fortsetzung findet, erneut fortschreibt.
5.2.15 1Chr 6,35–38 Und dies sind die Söhne Aarons: Elasar, sein Sohn; Pinchas, sein Sohn; Abischua, sein Sohn; 36 Bukki, sein Sohn; Ussi, sein Sohn; Serachja, sein Sohn; 37 Merajot, sein Sohn; Amarja, sein Sohn; Achitub, sein Sohn; 38 Zadok, sein Sohn; Achimaaz, sein Sohn. 35
( אהרן26) | ( אלעזר27) | ( פינחס28) | ( אבישוע29) | ( בקי30) | ( עזי31) | ( זרחיה32) | ( מריות33) | ( אמריה34) | ( אחיטוב35) | ( צדוק36) | ( אחימעץ37) l
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Abb. 14: 1Chr 6,35–38 164 Vgl. zur Frage des Räucheraltars und der Räucherhandlung das Kapitel „Kult-Kalender“.
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In 1Chr 6,35 findet sich eine verkürzte Linie der Aaroniden, die wir bereits in 1Chr 5,27–41 und Esr 7,1–5 gesehen haben. 1Chr 6,35–38 ist offenbar an 1Chr 5,27–41 orientiert. Beide Genealogien haben exklusiv gemeinsam, dass sie Zadok in den Aaronidenstammbaum integrieren. Knoppers konstatiert deshalb zu Recht, dass darin die Absicht der Wiederholung besteht, die im zweiten Fall gerade bis zu Zadoks Sohn reicht. Es geht hier um die Bestätigung der zadokidischen Linie im Hohepriesteramt. 1Chr 5,27–41 ist zudem, wie schon Steins gezeigt hat165, deutlich besser in den Kontext der Kehatiter integriert, sodass hier mit einer relativen Ursprünglichkeit zu rechnen ist.
5.3 Topoi 5.3.1 1Chr 9,17–34 – Die Einrichtung levitischer Torhüter a) Vv.17–26a Die weitere Entfaltung der Levitengruppen in der Chronik gehört zur Nachgeschichte der Tora-Rezeption. Da sie vereinzelt mit Elementen des Pentateuchs korrespondiert, sei es dass sie rahmenden Gebrauch davon macht, sei es dass sie autoritativ darauf Bezug nimmt, sollen hier einige Weiterentwicklungen zur Sprache kommen. In 1Chr 9,17–34 werden erneut die Leviten genannt und mit kultischen Aufgaben sowie dem Torhüterdienst beauftragt: Die Aufgabenbeschreibung des Textes ist ungleichgewichtig. Während zunächst die Einteilung der Torhüter großen Raum einnimmt, nimmt die Diversität der anschließenden Aufgabenverteilung vergleichsweise geringen Raum ein. In der Forschung werden unter anderem deshalb die Torhüter-Regelungen als sekundär behandelt. Dabei spielt insbesondere die grundlegende Beobachtung Geses eine Rolle, dass die Torhüter zunächst eine selbständige Gruppe waren, bevor sie durch die Chronik levitisiert worden sind.166 Uns interessiert an dieser Stelle vor allem, was aus der Perspektive des Pentateuchs zu den Aufgabenbeschreibungen der Torhüter zu sagen ist. 165 Vgl. Steins 1995, 263. 166 Vgl. Gese 1974, 147–158 sowie Japhet z. St., 214 und Willi z. St., 297. Insbesondere Japhet hebt in 1Chr 9,17 f ein Merkmal hervor, dass die Ausscheidung der Torhüter-Passage wahrscheinlich macht, auch wenn sie selbst diesen Schluss gar nicht zieht. Sie weist darauf hin, dass, während die Torhüter in Neh keine Leviten seien, genau dieser Umstand von der Chronik bereits vorausgesetzt werde (Vgl. Japhet z. St., 214). Dabei scheine durch Vv.17 f eine Art Harmonisation zwischen beiden Systemen intendiert zu sein. Während V.17a das System aus Neh 11,19 übernehme, werde in V17b Schallum eingeführt und in V18b die levitische Herkunft konstatiert. Von Schallum, dem Anführer der Torhüter wird berichtet, dass er von Korach abstamme. Offenbar werden hier also gleichzeitig die Levitisierung der Torhüter und deren Autonomiebestrebungen durchgeführt.
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V.17 stellt eine thematische Zäsur zu V.16 dar und führt vier Torhüter mit Namen ein. Diese werden in V.28 summarisch wiederaufgenommen und damit die Einteilung der Torhüter beendet. Die Bezugnahme ist so spezifisch, dass man von einem gemeinsamen Stratum ausgehen kann. In V.17b wird einer der zuvor genannten Torhüter, Schallum, besonders exponiert und als Oberhaupt ()ראש definiert. Weiterhin werden in V.18 alle vier Torhüter dem Königstor ()שער המלך zugeteilt. Dieses im Osten angesiedelte Tor wird sonst nicht mehr erwähnt.167 Offenbar handelt es sich nicht um einen Namen, sondern um eine attributive Identifikation, von der angenommen werden muss, dass sie ohne weiteren Kommentar verständlich war. Die Angabe der Himmelsrichtung weist nach Ez 44,1–3; 46,1–10, aber auch nach Num 2,3.168 Beide Stellen verdeutlichen die Exklusivität des Osttores, das allein dem judäischen Führer der Gemeinde vorbehalten ist. Der Chronist orientiert sich dabei, wie wir bereits gesehen haben, stark an der Lagerordnung des Numeri-Buches und entwickelt das Schema hier durch die Besetzung des Ost-Tores mit einem levitischen Tor-Hüter weiter. Während in Num 2 sowie in Ez 44,1–3; 46,1–10 der Stamm Juda bzw. der נשיא, der judäische Anführer169, mit dem OstTor verbunden sind, führt Num 3 diese Entwicklung weiter, indem in den drei übrigen Himmelsrichtungen Leviten, im Osten jedoch der Priester Aaron und Mose platziert werden. In 1Chr 9 rückt dann der Hohepriester einschließlich der Mose repräsentierenden Tora ins Zentrum und die levitischen Torwächter nehmen dessen Position ein. Wobei gemäß dem Prinzip der Gleichwertigkeit die vier herausragenden Torwächter ( )גברי השעריםan die vakante Position rücken. Dabei ist bemerkenswert, dass die Konzeption levitischer Torwächter, die sich in dieser Form noch nicht in Esra / Nehemia und auch nicht im Numeribuch findet, offenbar direkt an Ez 44,11 anknüpft. Dort findet sich die Initiation der levitischen Torwächter, die gegenüber den levitischen Zadokiden (הכהנים הלוים בני צדוק, V.15) degradiert werden.170 Die Vorstellung levitischer Lager weist ebenfalls auf einen Anschluss an Num 2,17, wo von dem levitischen Lager die Rede ist. Da der Chronist die Leviten stark ausdifferenziert, geht er offenbar davon aus, dass es mehrere levitische Lager gibt. 167 Einzig die Esther-Legende erwähnt überhaupt ein Königstor, dass jedoch mit dem in 1Chr 9,18 beschriebenen Tor nicht identisch ist. 168 Während die Verbindungen zwischen Zeltheiligtum und Tempel immer gesehen und beschrieben worden sind (Vgl. z. B. Japhet [z. St., 214], die deshalb von einem Midrasch spricht; Vgl. auch Willi [z. St., 297], der von Oszilation spricht.), ist die Verbindung zu Ez 40–48 seltener hergestellt worden (vgl. jedoch Knoppers z. St., 507). 169 Anders als in Ez 40–48, wo die Vermeidung des מלך-Begriffs laut Keel (2007, 902) einen Bescheidenheitsgestus darstellt, wählt der Chronist den Weg, ein positives Königsbild gegen ein negatives Königsbild zu kontrastieren und aus jenem die Legitimation der Zadokiden abzuleiten. 170 Vgl. Zimmerli z. St., 1127. Vor diesem Hintergrund ist auch der Einfluss von Ez 45,1–5 erkennbar, nachdem die Priester den heiligen Teilbereich des Tempels besitzen (V.4) wohingegen den Leviten der übrige Bereich eignet (V.5).
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5. Kult-Personal
Die Berufung auf die Väter in V.19 blendet in diesem Fall frühere Generationen und Verhältnisse ein. Ähnlich wird auch mit Pinchas ein früheres Verhältnis beschrieben. Dafür spricht auch, dass die Dienstordnung an der Metaphorik des Zeltes orientiert ist, an dem es überhaupt keine Tore gibt. Eine in allen Punkten problematische Auslegung findet sich bei Labahn, die die Erwähnung des Pinchas in V.20 für ungewöhnlich hält.171 Sie schreibt: „Der Levit begegnet in der Chronik abermals in 1Chr 5,30; 6,35. […] Doch während die Genealogien der Vorhalle Pinchas in die priesterliche Linie der Aaroniden einordnen, bleibt in 9,20 die Rückführung auf Aaron aus. Stattdessen gehört er zu den Torhütern, deren Abstammung auch sonst mit Aaron korreliert wird. Ferner ist die Benediktion: ‚Jahwe sei mit ihm‘ ausgesprochen ungebräuchlich in der Chronik.“172 Zunächst ist der Rekurs auf Pinchas als einem Leviten problematisch, da Pinchas in der Chronik weniger Levit, dies nur der Abstammung nach, denn vielmehr Priester, und zwar keinesfalls ‚levitischer Priester‘, ist. Genau als solcher begegnet er auch in 1Chr 5,30 und 6,35. Demgemäß ist die Feststellung irreführend, dass eine Rückführung auf Aaron ausbleibt. – Sie bleibt nicht aus, sie wird vorausgesetzt.173 Ganz im Gegenteil ist vor dem Hintergrund von 1Chr 5,30 und 6,35 unbedingt anzunehmen, dass es sich hier um denselben Pinchas handelt. Der Chronist hält dabei in V.20 lediglich fest, dass es sich bei dem Anführer ( )נגידder levitischen Torhüter zuvor um einen zadokidischen Priester gehandelt habe. Pinchas gehört also genausowenig zu den Torhütern, wie deren Herkunft auf Aaron zurückgeführt wird. Vielmehr sind die Torhüter Korachiter ()לבית־אביו הקרחים, die über einen Ebjasaf-Sohn in die von Kehat abstammende Korachiter-Linie integriert werden (1Chr 9,19). Während die Kehat-Gruppe in Num 3 f der Führung des Hohenpriesters unterstellt ist, wird nun in 1Chr 9 festgehalten, dass ein Korachiter an deren Stelle getreten sei. Auch in Num 4,26 MT ist dabei durch die kontrafak tische Erwähnung des Tores ( )שערein Vergleichsmoment zu 1Chr 9,17 ff induziert. Dabei ist auch die Zeitangabe ( לפניםV.20) zu berücksichtigen, die deutlich macht, dass nicht auf gegebene, sondern frühere Verhältnisse rekurriert wird. Zu diesen fügt sich dann vortrefflich die in der Chronik gar nicht so ‚ungebräuchliche‘174 „Benediktion“, dass JHWH mit Pinchas war. Diese Feststellung verweist 171 Vgl. Labahn 2012, 92. 172 Labahn 2012, 92. 173 Überhaupt wird der Name פינחסim gesamten Alten Testament nur zur Benennung von Priestern vergeben, in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle zur Benennung des Enkels Aarons, in 1Sam 1–4; 14* zur Benennung des Eliden-Sohnes (Ex 6,25; Num 25,7.11; 31,6; Jos 22, 13.30–32; 24,33; Ri 20,28; 1Sam 1,3; 2,34; 4,4.11.17.19; 14,3; 1Chr 5,30; 6,35; 9,20; Esr 7,5; 8,2.33; Ps 106,30). Das muss nicht heißen, dass es in der Chronik nicht anders sein kann, es senkt jedoch den Erwartungswert. 174 Vgl. z. B. 1Chr 9,20; 22,11.16.18; 28,20 2Chr 1,1; 15,2.9; 17,3; 19,11; 20,17; 25,7. Selbst Kyros wendet sich in dieser Diktion an das JHWH-Volk (36,23)! Vgl. auch האלהים עםך1Chr 17,2. l
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5.3 Topoi
sicher nach Num 25, insbesondere V.12, und weist Pinchas’ Eifer für JHWH und dessen Stiftung eines Priesterbundes pointiert als ein Beziehungsgeschehen aus. An dieser im Alten Testament einmaligen Formulierung ברית כהנת עולםhängt offenbar das Verständnis der chronistischen Schreiber, die Zadok in die Linie des Pinchas integrieren. Die Vorstellung, nach der das Heiligtum vier Eingänge gemäß der vier Winde des Himmels hat (23 f), geht auf die Vision Ezechiels in Ez 42,20 zurück. Sie hat ganz offenbar auf die Lagerordnung in Num 2 f eingewirkt, wo nicht nur die zwölf Stämme in Dreiergruppen gemäß den vier Himmelsrichtungen um das Heiligtum siedeln, sondern innerhalb ihrer Makrostruktur die Leviten eine Mikrostruktur um das Heiligtum bilden und dabei die Trennlinie zwischen Profanität und Sakralität bilden. Die Vorstellung von den vier Winden ist dabei als Leitmetapher aufzufassen, die jedoch genausowenig erwähnt wird wie die vier Tore, von denen zu sprechen natürlich ohne Heiligtum keinen Sinn ergibt.175 In der chronistischen Beschreibung des Tempels ist dann die רוח-Metapher direkt aus Ezechiel aufgenommen und mit der aus Num 2 f herrührenden Vorstellung eines Zeltheiligtums synthetisiert worden. Die eigentümliche Wendung בית־האהלin 1Chr 9,23 jedenfalls ist ein starkes Indiz dafür, dass hier beide Traditionen zusammengeflossen sind. Mit Blick auf die Lagerordnung in Num 2 f ergibt sich ganz beiläufig ein weiteres Detail, das eigener Würdigung bedarf: die Leviten ‚lagern‘ in 1Chr 9,24 das erste Mal auch im Osten, dem Bereich, der in Num 2 f allein durch die aaronidischen Priester und, diesen vorgelagert, den Stamm Juda besetzt war. Das bedeutet, dass in einer sekundären Entwicklung der Chronik die topographische Kreis-Metapher der den Tempel umsiedelnden und damit Profanität und Sakralität trennenden Leviten geschlossen und die Zuständigkeit der Priester in das Innere des Tempels verlegt wird.176
b) Vv.26b–34 Labahn trennt V.26b vor הם הלוייםab und sieht in V.26b–34*, den Ausführungen über die Verantwortlichen für die Tempelgeräte bzw. die Aufgaben der Leviten allgemein, ein gegenüber V.17–26a jüngeres Stück, in dem es um die Einteilung 175 Dementsprechend wird das Tor nur einmal in Num 4,26 erwähnt, wobei es sich dort um eine Modifikation von Num 3,26 handelt, die in der LXX nicht belegt ist. Num 3,26
Num 4,26
וקלעי החצר ואת־מסך פתח החצר אשר על־המשכן ועל־המזבח סביב ואת מיתריו לכל עבדתו
ואת קלעי החצר ואת־מסך פתח שער החצר אשר על־המשכן ועל־המזבח סביב ואת מיתריהם ואת־כל־כלי עבדתם ואת כל־אשר יעשה להם ועבד
176 Es wäre freilich ein Fehlschluss, diese hochgradig artifizielle Metaphorik für eine genaue Abbildung der realgeschichtlichen Verhältnisse zu handeln.
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5. Kult-Personal
der Torwächter geht. Einen Zusammenhang macht sie in V.26b.28 f.31 f.34 aus.177 Hingegen sei eine Reibung mit V.27 gegeben, da hier die Torhüteraufgaben beschrieben würden, „die die Aufzählung der levitischen Dienste unterbrechen. V.27 greift auf V.23–26a zurück und fügt die Torhüter hier erneut ein, so dass diese nunmehr ebenfalls zu Leviten werden.“178 Mit demselben Argument scheidet sie auch V.33 aus, da hier von Sängern die Rede sei. In der Auslegung von V.30 tritt das Defizit einer unzureichenden Korrelation der chronistischen Pentateuch-Rezeption mit der Literaturgeschichte des Pentateuchs recht deutlich zu Tage. Labahn schreibt: „[B]ereits in dieser frühen Entwicklungsstufe der Chronik setzt die Schrift hinsichtlich der levitischen Bestimmungen neue Akzente gegenüber dem Traditionsmaterial aus der Priesterschrift. Beibehalten wird noch der Darbringungshinweis auf das Salböl (V.30), der mit den priesterschriftlichen Bestimmungen aus Ex 30 konvergiert.“179 Labahn führt Ex 30,22–38* als Referenzstelle an und verweist außerdem auf Num 4,16, wo Eleasar zur Zubereitung des Öls abgestellt wird.180 Dass Ex 30,22–28* längst nicht mehr auf der Ebene von P anzusiedeln sind – Albertz führt über sein Modell von PB1 bis PB5 eigens noch einen PBSalb ein, um diese Stelle zu stratigraphieren –, entgeht Labahn ebenso wie die Zuordnung von Num 4,16 zur Theokratischen Bearbeitung, wie Achenbach sie vornimmt. Dass ist jedoch keinesfalls unerheblich, wenn man danach fragt, an welchem Punkt der Chronist in die Diskussion um kultische Zuständigkeiten eingreift. Auch in der Verhältnisbestimmung von Lev 24,5–9 und 1Chr 9,32 fehlt es Labahns Analyse an Tiefenschärfe, wenn sie mit Blick auf 1Chr 9 von einem neuen Akzent gegenüber Lev 24 spricht und dabei den von Gunneweg gegebenen Hinweis auf Num 4,4–15 zurückweist. Zwar ist die Neuakzentuierung vollkommen richtig beobachtet, nur fehlt ohne die Einbeziehung von Num 4 ein wichtiger Baustein, durch den die Entwicklung in der Chronik als eine Fortsetzung der Diskursentwicklung des Pentateuchs verstehbar wird. Betrachtet man Lev 24,5–9* im Verhältnis zu Num 4,4–15, ist zunächst ganz grundsätzlich festzuhalten, dass HG genau wie P nicht von den Leviten handelt.181 Für die Zubereitung des Schaubrotes kommen deshalb in Lev 24 nur אהרן ובניוin Frage. Auch in Num 4,5 ist von Aaron und seinen Söhnen die Rede, wenn es um die Verstauung des Lagers vor dem Aufbruch geht. Es sind dezidiert die Priester, die das heilige Zelt und die heiligen Geräte und auch den Schaubrottisch zum Transport verpacken, bevor sie den Kehatitern zum Tragen übergeben werden. 177 Vgl. Labahn 2012, 71. 178 Labahn 2012, 72. 179 Labahn 2012, 74. 180 Vgl. Labahn 2012, 74. 181 Lev 25,32–34 gelten als später Zusatz zu HG, weil die Bestimmungen zu Levitenstädten schon die Entwicklung aus Num 35 voraussetzen und eine vorausgehende Landbesitzlosigkeit der Leviten revidieren.
5.3 Topoi
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Dabei wird das erste Mal überhaupt eine Aufgabe für die Kehatiter festgelegt und gleichzeitig in ihrem Umfang begrenzt, wenn es heißt, dass sie das Heilige nicht berühren dürfen oder andernfalls sterben müssten ()ולא־יגעו אל־הקדש ומתו. Liest man 1Chr 9,32 vor diesem Hintergrund, ist unweigerlich auch Num 16,1 einzublenden, wo Korach, einer aus dem Geschlecht Kehats, Mose und Aaron zusammen mit Datan, Abiram und 250 Männern den Führungsanspruch streitig macht. Bekanntermaßen scheitert er mit diesem Anliegen und wird mit dem Tode bestraft. Demgegenüber nimmt sich 1Chr 9,32 als ein anderer Ausgang der Geschichte aus. Dies ist nun mehr als eine „Neuakzentuierung“182, nämlich ein Widerspruch gegen die Diskursentwicklung des Pentateuchs, die in situ nicht mehr anzubringen war und deshalb in einem offenen literarischen Prozess, dem der Chronikbücher, untergebracht wurde.183
5.3.2 Ex 6,14–25 Nachdem nun das Geflecht der Genealogien in der Chronik differenziert entfaltet ist und bereits das Verhältnis zu Num 2–4 bestimmt wurde, muss noch Ex 6,14–25, ein Schlüsseltext in der Verbindung von Chronik und Pentateuch, analysiert werden: Der Schlüsseltext zur Beurteilung der Verbindung zwischen Pentateuch und Chronik ist die Genealogie in Ex 6,14–27. Ohne eine Berücksichtigung dieses Textes ist die Verbindung der beiden Corpora in Fragen des Kult-Personals nicht zu verstehen. Eine Präparation des Textes findet sich auf der folgenden Seite.184 Das Fragment bietet offenbar eine Revision bzw. ein Alternativmodell zu dem in der Genesis austarierten Verhältnis zwischen den vier Lea-Söhnen, das mit dem Primat Judas in Gen 49,10 endet. Zu diesem Zweck ruft es alle vier Söhne wieder auf, was nicht sogleich deutlich wird, da Juda nicht namentlich genannt wird. Ruben und Simeon werden in den Vv.14–15 genannt, ohne dass weiteres Interesse an ihnen deutlich würde. Die Verse 16–25 stellen dann ausdifferenziert die Verwandtschaftsverhältnisse der Leviten dar. Die Vv.17–19 führen jeweils die bereits bekannten Linien Gerschon, Kehat und Merari eine Generation weiter herab. Die Tiefe, in der die genealogischen Stränge verfolg werden, zeigt an, dass es ab V.20 um eine Binnendifferenzierung der Kehat-Linie geht, der gegenüber die Linien Gerschoms und Meraris zweitrangig sind. Diese werden erst in der Chronik bedeutsam, wo neben der hohepriesterlichen Linie aus allen drei Linien 182 Labahn 2012, 74. 183 Es war gerade noch möglich, seine Nachfahren in Num 26,11 zu „reanimieren“. 184 Die Darstellung ist zur Erleichterung der Übersicht und des Vergleichs mit den chronistischen Texten an den Generationen ab Adam orientiert.
290 23.
5. Kult-Personal 24.
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Generation
14 Dies185 sind die Häupter ihrer Vaterhäuser: Die Söhne Rubens, des Erstgeborenen Israels: Henoch, Pallu, Hezron und Karmi. Dies sind die Sippen Rubens. 15 Und die Söhne Simeons: Jemuel, Jamin, Ohad, Jachin, Zohar und Schaul, der Sohn der Kanaaniterin. Dies sind die Sippen Simeons. 16 Und dies sind die Namen der Söhne Levis nach ihrem Abstammungsverzeichnis: Gerschon, Kehat und Merari. Und die Lebensjahre Levis betrugen 137 Jahre. 17 186 die Söhne Gerschons: Libni und Schimi nach ihren Sippen. 18 Und die Söhne Kehats: Amram, Jizhar, Hebron und Usiel. Und die Lebensjahre Kehats betrugen 133 Jahre187. 19 Und die Söhne Meraris: Machli und Muschi. Dies sind die Sippen Levis nach ihrem Abstammungsverzeichnis. 20 Und Amram nahm sich Jochebed, seine Tante188, zur Frau. Und sie gebar ihm Aaron und Mose189. Und die Lebensjahre Amrams betrugen 137 Jahre. 21 Und die Söhne Jizhars: Korach, Nefeg und Sichri, 22 und die Söhne Usiels Mischael190, Elizafan und Sitri. 23 Und Aaron nahm sich Elischeba, die Tochter Amminadabs, die Schwester Nachshons, zur Frau. Und sie gebar ihm Nadab und Abihu 191 Eleasar und Itamar. 24 Und die Söhne Korachs waren Assir, Elkana und Abiasaf. Dies sind die Sippen der Korachiter. 25 Eleasar aber, der Sohn Aarons, nahm sich eine von den Töchtern Putiels zur Frau. Und sie gebar ihm Pinhas. Dies sind die Familienhäupter der Leviten nach ihren Sippen.
185 SP beginnt mit ו-Copulativum, die LXX bietet καί. Offenbar haben beide Zeugen versucht, das Fragment als Fortsetzung des vorausgehenden verstanden und besser einzubinden versucht. 186 Mit SP und LXX ist ו-Copulativum zu konjizieren. 187 Die LXX bietet 130 Jahre (ἑκατὸν τριάκοντα). 188 Gemeint ist mit דודהdie Schwester seines Vaters, wie es in Num 26,59 beschrieben ist. Nach Lev 18,14; 20,14 besteht zur דודהein illegitimes Verhältnis, wenn sie die Frau des Bruders des Vaters ist. Die LXX bietet θυγατέρα τοῦ ἀδελφοῦ τοῦ πατρὸς αὐτοῦ und macht aus der Tante eine Cousine. Offenbar sollte hier der mit der uneindeutigen Bezeichnung דודהverbundene Zweifel, Mose und Aaron könnten illegitimer Herkunft sein, ausgeräumt werden. 189 SP und LXX bieten ואת מרים אחתם. Die genealogische Information ist wohl aus Num 26,59 übernommen. Die Information kommt unvorbereitet und wirkt sich im Buch Exodus überhaupt nicht aus. Im Gegenteil wird sie in Ex 15,20 als Schwester des Aaron eingeführt, als sei sie es noch nicht. Die Entscheidung fällt demnach für die lectio brevior aus. 190 Dieser Name ist in der LXX ausgefallen. Vgl. jedoch Lev 10,4LXX. 191 Mit einigen hebräischen Handschriften und LXX ist ו-Copulativum zu ergänzen.
5.3 Topoi
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drei nebeneinanderstehende Sängerfamilien abgeleitet werden. Im Buch Exodus ist zunächst eine Antizipation der Figuren des Numeribuches zu verzeichnen. Einerseits wird hier bereits die Sukzession Aaron, Elesasar, Pinchas vorweggenommen, andererseits wird hier jedoch auch schon Korach in die levitische Linie integriert192 und damit die hierarchische Relation zwischen clerus minor und cerlus maior bereits von Ägypten her und damit prä-sinaitisch festgeschrieben.193 An dieser Stelle zeigt sich eine der deutlichsten Übereinstimmungen mit 1Chr 5,27–43; genau wie dort geht es in Ex 6,14–25 offenbar nur um die hohepriesterliche Linie und dabei ebenso um den Nachweis, dass diese von den vier Lea-Söhnen die bedeutendste ist. Hebron, der in V.18 eingeführt wird, erhält als Einziger keine Fortsetzung.194 Die Genealogie Judas wird auffälligerweise verschwiegen, wobei sie indirekt in V.23 durch die Ehe zwischen Aaron und Elischeba in eine judäische Nebenlinie integriert wird. Damit wird das horizontale Geschwister-Konzept umstrukturiert und Juda der levitischen Linie untergeordnet. Das ist nicht unerheblich, da funktional auf diese Weise evtl. die „Stabübergabe“ von Juda (Gen 49,10) an Aaron (Num 17) vorbereitet wird.195 Die Genealogien Rubens und Simeons übernehmen die Abfolge aus Gen 46,9 f, wobei die aufgeführten Namen jetzt zu Oberhäuptern der jeweiligen ראשי בית־אבתם und im personellen Sinne nicht mehr als leibliche Söhne Levis gehandelt werden. Sie setzen in der 23. Generation ein und werden lediglich bis in die 24. Generation herabgeführt. Demgegenüber ist die levitische Genealogie, die ebenfalls mit der 23. Generation einsetzt und bis in die 28. Generation herabgeführt wird, ungleich 192 Damit ist also die theokratische Bearbeitung, die Korach als Leviten in Num 16 einführt bereits vorweggenommen. Vgl. Achenbach 2003, 115. Da der Glossator mit der Einsetzung des genealogischen Fragments also einen Zusammenhang von D, P und HG bereits voraussetzen muss, konstatiert Achenbach zu Recht, dass der Text vor-chronistisch, d. h. nach Esra verfasst worden sei. Die Datierung ist in jüngerer Zeit von Berner und Albertz bestätigt worden. 193 In der Chronik werden dann die Linien Gerschoms und Meraris, mithin der clerus minor ebenfalls ausdifferenziert. 194 Offenbar rührt das von Besitzstreitigkeiten her, wie sie aus Jos 21,10–13 bzw. 1Chr 6,39– 42 deutlich werden. Von levitischen Chebronitern erfahren wir erst in 1Chr 15,9; 1Chr 23,19, dabei werden zwar nur chebronitische Abkömmlinge und keine Söhne aufgelistet, dennoch sind es immerhin vier, die sich auf ihn berufen, womit die anderen Brüder an dieser Stelle überboten werden. 195 Zwar wird in Gen 49,10 von שבטund in Num 17,16–24 von מטהgesprochen, gerade dies tut der Sache jedoch keinen Abbruch, sondern bestätigt den Eindruck, da die Ablösung einer älteren Vorstellung durch eine neuere besser durch eine ähnliche, als durch dieselbe zu erreichen ist. Aus der Perspektive der Chronik wird jedenfalls erkennbar, dass die Herrschaftsansprüche der Zadokiden subtil als eine Fortsetzung der judäischen Königsherrschaft und nicht als eine polemische Alternative entwickelt werden. Die Reichweite der Stab- bzw. Sprossmetapher kann hier nicht weiter erörtert werden. Sie ist nur durch eine Einbeziehung weiterer Lexeme wie מחקק (Gen 49,10) und ( גזעJes 11,1) zu leisten. Zur Analyse von Num 17,16–26 sei auf Achenbach 2003, 126–129, Lit! verwiesen.
292
5. Kult-Personal
komplexer. Der in dem Fragment entworfene Levi-Stammbaum, der für uns von besonderem Interesse ist, hat folgende Gestalt: ( לוי23)
[( יהודה23)]
l
( גרשן24)
( קהת24)
לבני ( שמעי24)
עמרם ( יצהר25) ( חברון25) ( עזיאל25)
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(24)
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עמינדב | ( ♀אלישבע26) ( נחשון26) (25)
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(25)
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( מררי24)
( ♀יוכבד24)
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( אהרן26) ( משה26) ( מרים26) l
( מחלי25) ( מושי25) l
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( נדב27) ( אביהוא27) ( אלעזר27) ( איתמר27) l
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( קרח26) ( נפג26) ( זכרי26) l
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( אסיר27) ( אלקנה27) ( אביאסף27) l
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מישאל ( אלצפן26) ( סתרי26)
(26)
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♀בת פוטיאל
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( פינחס28) l
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l
Abb. 15: Ex 6,16–25
In der exegetischen Forschung ist weitgehend unstrittig, dass Ex 6,14–27 ein sekundäres Element darstellt.196 Schon die in Gen und Lev völlig ungebräuchliche und in Ex nur an dieser Stelle verwendete Verbindung ראׁשי בית אבתםmit zweifacher Constructus-Form zeigt an, auf welcher Stufe der Textentwicklung die Genealogie anzusetzen ist. Die Wendung findet sich sonst nur in späten Stücken des Numeribuches, einmal im hinteren Teil des Josuabuches und am häufigsten in der Chronik.197 Insbesondere die Vorwegnahme von 7,1–7 in 6,13 und die Wiederaufnahme von 6,9–12 in 6,26–30 sind oft beobachtet worden und starke Argumente für einen Einschub der genealogischen Notizen, die noch dazu die gesamte Hand-
196 Vgl. schon Wellhausen 1927, 62; auch Smend 1912, 125; Noth z. St., 5; Möhlenbrink 1934, 188; Schmidt z. St., 296 f; Gertz 2000, 251.; Albertz (z. St., 182–132) der neuerdings zumeist fünf (vereinzelt jedoch bis zu sieben) Schichten des Exodusbuches identifiziert, ordnet das Fragment einem PB5 zu, der an die Epochenschwelle des 5. u. 4. Jh datiert wird. Achenbach 2003, 112, Anm. 254 setzt das Fragment auf einer Ebene mit Num 3,17–20 an. Wenn in Ex 6,26 das Stichwort צבאgenannt wird, dass sich in Ex (Ex 6,26 [mit Präp. ;]על7,4; 12,17.41.51 [mit Präp. )]עלnur selten findet, könnte hier Num 1 f vorausgesetzt sein, da es doch offenbar noch nötig war, ausführlich zu zeigen, was ein צבאüberhaupt sein soll. 197 Ex 6,14; Num 1,4; 7,2; 17,18; Jos 22,14; 1Chr 5,15.24; 7,2.7.9.40; 9,13; 24,4; 2Chr 31,10. Auch die vier Mal wiederkehrende Abschlussnoitz אלה משפחתfindet sich am häufigsten in der Musterungsliste in Num 26 und dann wieder in der Chronik (Gen 10,32; Ex 6,14–15.19.24; Num 26,7.14.18.22.25.27.34.37.42.47.50.58; 1Chr 4,2; 6,4). l
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lung zum Erliegen bringen.198 Möhlenbrink hat überdies festgestellt, dass die eingesetzte Genealogie stark fragmentarischen Charakter hat. Ausgangspunkt der „Jakobidengenealogie“ bzw. der „Lea-Söhne-Genealogie“ sei zunächst das Material in V.14–19 gewesen, das dann um die Verse 20–25 ergänzt wurde.199 Für diese These spricht zum einen die Wiederholung der Abschlussformel aus V.19 in V.25 und zum anderen, dass ab V.19 ein reines Interesse an der Kehat-Linie vorherrscht. Eine Funktion entfaltet das Fragment jedoch erst durch Vv.20.25, sodass die von Möhlenbrink beobachtete Entwicklung der literarischen Einbettung des nunmehr einheitlichen Textes in Ex 6 vorausgeht. Gertz200 beurteilt das Fragment als Erweiterung einer noch selbständigen Priesterschrift und Ex 4 demgegenüber als nach-endredaktionell. Diese Sichtweise ist jedoch einer völligen Ausblendung der Verweise ins Numeribuch geschuldet. So ist die Verbindung zwischen Amram und Jochebed offenbar von Num 26,59 her zu verstehen, wo deutlich wird, dass diese eine Schwester seines Vaters, nicht aber die Frau des Bruders seines Vaters ist. Insofern bestand offenbar auch kein Konflikt mit Lev 18,14; 20,14, wonach die Ehe mit einer דודהdann verboten war, wenn sie die Frau des Bruders des Vaters war.201 Die Nennung Korachs in V.21.24 setzt die späteste Entwicklung in Num 16 voraus, wo Korach nicht nur eingeführt wird, sondern auch Levit ist.202 Beachtenswerterweise wird der in V.18 als dritter Kehat-Sohn genannte Hebron in V.22 übersprungen. Offenbar bestand kein Interesse mehr an ihm. Umso deutlicher wird dadurch das Interesse an den Söhnen Ussiëls, Mischel und Elzafan, die nur noch in Lev 10,4 wieder auftreten und dort ihre Brüder Nadab und Abihu zu bestatten haben. In V.23 wird die Ehe zwischen dem Leviten Aaron und der Judäerin Elischeba als eine spezielle Form „putativer Verwandtschaft“ konstruiert. Dabei geht es offenbar um eine Verknüpfung des Hohenpriestertums mit den Herrschaftsansprüchen Judas. Zwar wird die Verbindung hier kognatisch-bilateral dokumentiert, jedoch folgt die alttestamentliche Deszendenzregel noch dem patrilinearen Modell.203 Das bedeutet, dass der judäische Anteil zwar gleichanteilig in den aaronidischen integriert wird, sich jedoch für die judäische Linie keine Konsequenzen
198 Vgl. z. B. Kratz 2000, 244 sowie Achenbach 2003, 111, der einen überzeugenden Nachweis führt und auf die Umständlichkeit hinweist, mit der das Fragment in den Zusammenhang eingeschoben wurde. Aus dem Aufwand, leietet er „das Gewicht der getroffenen Aussagen“ ab. 199 Möhlenbrink 1934, 188. 200 Gertz 2000, 251 f. 201 Vgl. zur Debatte ausführlich Schmidt z. St., 306 f; Albertz z. St., 129 f; Achenbach 2003, 116–118. 202 Vgl. Achenbach 2003, 111, Anm. 250. Das nomen gentile wird neben Ex 6,24 nur noch in Ex 6,24; Num 26,58; 1Chr 9,19.31; 12,7; 26,1.19; 2Chr 20,19 verwendet. Im Exodus-Narrativ spielt Korach keine weitere Rolle. 203 Die matrilineare Deszendenzregel wird erstmals in der Mischna (Qid 3,12) ausgeführt.
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daraus ergeben.204 Da נחשון בן־עמינדבerst wieder in Num 1,7; 2,3; 10,14 erwähnt wird und dort die Führungsposition Judas innehat, ist deutlich, dass diese Texte hier vorausgesetzt sein müssen.205 Beide Verknüpfungen liegen, wie Achenbach gezeigt hat, auf der Ebene der letzten Bearbeitungsschicht des Pentateuchs. Demnach markiert das Genealogie-Fragment in Ex 6 den Übergang von der vor-chronistischen zur chronistischen Epoche. In dieser Schicht wird der Primat des zadokidischen Hohenpriesters behauptet und demgegenüber die Leviten zum clerus minor abgewertet. Da der Hohepriester zudem mit einem nach königlichem Vorbild stilisierten Herrschaftsanspruch auftrete, der zunächst jedoch ohne realpoltische Umsetzung bleibt, nennt Achenbach diese Bearbeitungsschicht Theokratische Bearbeitung.206 Achenbach zufolge bietet das Fragment den deutlichsten Hinweis darauf, dass sich durch dieses die Zadokiden mit ihrem Anspruch auf priesterliche Legitimation in den Pentateuch eingeschrieben haben.207 Verfolgt man die Figuren נחשוןund עמינדבweiter, erkennt man, dass sie nur noch an zwei neuralgischen Punkten gebraucht werden: In Rut 4,19 f stellen sie einen integralen Bestandteil der Verbindung zwischen Perez und David dar. In 1Chr 2,10 f werden beide fest in die Juda-Genealogie integriert und נחשוןals נשיא בני יהודהbezeichnet, der zum Ururgroßvater Davids wird. Folgt man der These einer auf Herrschaftslegitimation zielenden Konstruktion „putativer Verwandtschaft“, ergibt sich im Übrigen auch eine Begründung für die periphere Erwähnung Rubens und Simeons in Ex 6,14 f. Deren endgültiges Scheitern wird hier durch die Kürze der Genealogien zum Ausdruck gebracht, während das Scheitern Levis als Ahnvater der aaronidisch-zadokidischen Priester durch die Verbindung zwischen Levi und Juda revoziert wird. In diesem Sinne wird also in der Tat „[d]ie gesamte Tora […] unter das Thema der Legitimation von Priesterhierarchien gestellt.“208 204 Die Cui-Bono-Frage führt dementsprechend auf eine exklusiv priesterliche Nutznießerschaft. Insofern ist die gestrichelte Linie in Abb. 6, die das Lager Aarons von dem Judas trennt, als nur in eine Richtung durchlässige Grenze aufzufassen. 205 Daraus folgt nicht notwendiger Weise, dass der Text bereits schriftlich vorgelegen haben und Ex 6,23 der Reflex einer sekundären schriftlichen Bearbeitung sein muss. Es ist genauso gut denkbar, dass der Schreiber, der für Num 1 verantwortlich ist, mit der Einführung der Figur Nachshon ben Aminadab bereits die Absicht einer vorsinaitischen, d. h. von Ägypten herrührenden Origo verbunden hat. 206 Zur Begründung Achenbach 2003, 130–140. 207 Eine Weiterentwicklung gegenüber Gen 46,9 f, woran Ex 6,14 ff anschließt, bestehe darin, dass die dort genannten Namen nun als Sippennamen aufgefasst würden (Ebd. 112). Auch Otto ist ein Vertreter dieser These: „Die Zadokiden akzeptieren die nachexilische Levitisierung des Priestertums, da sie die Integration von Zadokiden und Aaroniden aufgrund einer gemeinsamen genealogischen Abkunft (Ex 6, 16) ermöglicht. Doch bestehen die aaronidischen Zadokiden auf einer Abgrenzung von den Leviten als clerus minor (Num 18), der auch Dtn 10, 6–9 dient“ (Otto z. St., 995). Kritisch Nihan (2007, 576–607), der im Bereich des Pentateuchs nur unzureichende Gründe für die Annahme eines Aaroniden-Zadokiden-Konflikts sieht und insbesondere in Lev 10 auch die Aaron freundlichen Tendenzen stark macht. Diese Tendenzen stellen jedoch keinen Widerspruch dar, da die Zadokiden sich in die aaronidische Genealogie einschreiben, nicht etwa diese überschreiben. Aus der Rezeptionsgeschichte der Chronik wird sich ergeben, dass diese das zadokidische Deutungspotenzial der späten Bearbeitungsschichten des Pentateuchs so deutlich fortsetzt, dass sich die These kaum mehr bestreiten lässt. 208 Achenbach 2003, 115.
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Aus der Verbindung Aarons und Elischebas gehen die vier Söhne Nadab, Abihu, Eleasar und Itamar hervor, die im Folgenden von größter Wichtigkeit sind. Anders als bei Aaron, von dem auch dessen judäische Frau bekannt gemacht wird, verhält es sich bei Korach. Dieser wird in V.24 mit seinen Söhnen ohne einen Hinweis auf seine Frau eingeführt. Damit wird also nicht Korach, was hinsichtlich seiner levitischen Abstammung nicht mehr möglich ist, sondern dessen Söhne hinsichtlich deren Abstammung diskreditiert, insofern diese gegenüber den Aaron-Söhnen keinen Zugang zu den judäischen Herrschaftsverhältnissen erhalten. Dies ist insofern relevant, als ja die Unterscheidung von clerus maior und clerus minor nicht auf dem Merkmal der Levitizität beruhen kann. Es zeigt sich demnach, dass die in der Lagerordnung in Num 2 f etablierte Konstruktion einer latenten Identität Judas und der Aaroniden (Abb. 6) in der genealogischen Konstruktion von Ex 6, unter Zuhilfenahme von in den meisten Genealogien unterrepräsentierten Frauengestalten, durch ein Verhältnis „putativer Verwandtschaft“ abgebildet wird. Diese wird durch Aaron, der Elischeba, eine Tochter Aminadabs und eine Schwester Nachshons, heiratet, initiiert.209 Dabei geht es jedoch nicht um einen Ethnizitätsdiskurs, sondern um einen Herrschaftsdiskurs. Die topographische und die genealogische Konstruktion entsprechen einander in ihrer pragmatischen Implikation, die etwa folgendermaßen lautet: Es gibt im nachexilischen Juda zwei miteinander interagierende Herrschaftsdiskurse, den des aktuellen Hohenpriester- und den des (reminiszenten) judäischen Königtums. Der judäische Herrschaftsdiskurs liefert dem hierokratischen Diskurs gewissermaßen die institutionelle Grundlage, wobei sich dieser nicht mehr personaliter realisiert, sondern durch die Übernahme in die priesterliche Konstruktion Geltung verschafft und die Hohenpriester durch genealogische Ableitung zu einem Gesalbten und höchsten Vertreter der Rechtsinstanz also de facto zum nachexilischen König, macht.210 Dass sich das priesterliche Selbstverständnis einer Herrschaft der Priester aus der judäischen Königsideologie speist, davon legen Num 2 f, aber auch Ex 6,14–25 auf zweifache Weise Zeugnis ab, dort in der Metaphorik der Topographie, hier in der Metaphorik der Genealogie. Der Chronist synthetisiert diese Konstruktion, indem er die Vorstellung idealer Königsregentschaft durch die Einführung der zadokidischen Hohenpriester-Dynastie entfaltet. Dabei bildet er auf der Ebene der Genealogie zumindest im Ansatz die Metaphorik der Topographie ab, indem er in 1Chr 1–9 einen großen Chiasmus schafft, der Juda voran und Levi in die Mitte stellt. Auf die Betrachtung der levitischen Perspektive dieses Transformationsprozesses muss nun zunächst die Frage nach der Träger 209 Vgl. Num 1,7; 2,3; 7,12.17; 10,14. Vgl. zu diesem Zusammenhang auch Achenbach 2003, 483. 210 Vgl. dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass Nachshon nicht nur in Num 1,7; 2,3; 7,12.17; 10,14 Juda und damit auch die 12 Stämme anführt, sondern auch, dass derselbe in Rut 4,20; 1Chr 2,10.11 zum Ururgroßvater Davids gemacht wird. Ex 6,23 stiftet also cum grano salis eine Verbindung zwischen dem כהן הראשund dem מלך הראש.
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gruppe erläutert werden, bevor dann auch ein Blick auf die judäische Genealogie folgt, um dort die Konsequenzen der Verwandtschaft von Aaron und Elischeba anzuzeigen. Die Trägergruppen werden in Lev 10 greifbar, die Juda-Genealogie betrachten wir in 1Chr 2.
5.3.3 Die zadokidische Desavouierung der Aaroniden in Lev 10 In die Vorgeschichte der chronistischen Torarezeption gehört die Analyse des Diskurses, der zur Entstehung von Lev 10 geführt hat. In Lev 9 wird von einer großen Erscheinung JHWHs an seinem משכןerzählt. Währenddessen vollzieht Aaron, der Hohepriester, mit seinen Söhnen ein aufwendiges Opferritual und gleichzeitig die erste Segenshandlung an seinem Volk. In 9,24 wird erzählt, wie Feuer von JHWH ausgeht ( )יצאund das erste Opfer des Hohenpriesters verzehrt. Gegenüber Lev 9,22–24, wo ein gewisser Abschluss der priesterlichen Erzählung erreicht ist211, stellt nun Lev 10 einen narrativen Neueinsatz dar. Erzählt wird die Geschichte von Nadab und Abihu212, die mit jeweils einer eigenen Räucherpfanne, auf die sie Feuer und Räucherwerk gelegt hatten, vor JHWH treten und diesem fremdes Feuer ()אש זרה213 darbringen, was JHWH ihnen nicht geboten ( )צוהhatte. Während nun in 9,24 erzählt worden war, dass Feuer vom Herrn ausging und das Opfer verzehrte ()ותצא אש מלפני יהוה ותאכל על־המזבח, inszeniert 10,2 211 Für das erkenntnisleitende Interesse dieser Arbeit ist es dabei relativ unerheblich, ob nun hier in Ex 40 (Vgl. Pola 1995, 291 f) oder gar in Ex 29 (Otto 2000, 53, Anm. 175) das Ende von PG angenommen wird. Wichtig ist jedenfalls, dass mit dem Übergang zu Lev 10 eine deutliche Zäsur geschaffen wird, die auf eine sekundäre Einfügung schließen lässt und deren ideologische Ausrichtung in engem Verhältnis zu Ex 6,14–25 steht. 212 Nadab und Abihu treten vermutlich in Ex 24,1.9 das erste Mal auf. Hier wird noch nichts über ihr verwandtschaftliches Verhältnis zu Aaron und Mose ausgesagt. Zu Söhnen Aarons werden sie in Ex 6,23 gemacht. Auch Ex 28 listet die Beiden mit den zwei weiteren Aaronsöhnen auf. V1b scheint jedoch nachgetragen, da Aarons Söhne eigentlich hinter ואת בניוin 1a ihren Platz gehabt hätten. In Kenntnis von Ex 6,23 sind die Namen seiner Söhne dann nachgetragen worden, wobei man אהרןanaphroisch wiederaufgenommen hat und die Phrase mit einem redundanten בני אהרןbeendet hat. Dem Bearbeiter war ganz offenbar daran gelegen jeden Zweifel über die Identität der Aaron-Söhne auszuräumen und deren Abstammung eindeutig festzustellen. Dabei wird bemerkenswerter Weise noch kein Hinweis auf das Schicksal des ersten und zweiten Sohnes gegeben. 213 Mit Blick auf die Darbringung fremden Feuers hat Achenbach die traditionsgeschichtliche These vertreten, dass im Hintergrund die persische Idee des heiligen Feuers stehe. Demgegenüber „handelt es sich bei der Ausgestaltung der Vorstellungen des in einer Feuersäule gegenwärtigen und durchs Feuer wirkenden, mit dem Volk wie mit einem Heer mitziehenden, je und dann theophanen Gottes vermutlich um eine Gegendarstellung gegen die Repräsentationsund Legitimationsansprüche des Achämenidenreiches und seines Heeres.“ (Achenbach 2003, 100) In dieser „subersiv rezeptive[n] Opposition“ (100) ergebe sich nun ein analoger Abwehrreflex: „[D]er im Feuer theophane Heilige kann ein fremdes Feuer nur als unrein zurückweisen“ (100).
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eine Antisituation in Reinform: ותצא אש מלפני יהוה ותאכל אותם. Die durch die Parallelisierung hervortretende Substitution der Präpositional-Phrase verlangt nun ihrerseits nach einer Erklärung. Achenbach beschreibt diese Antisituation zutreffend, wenn er sagt: Wer von der Lektüre des Kapitels 9 herkommt, muß in dem Handeln der Aaroniden eine erschreckende, skandalöse Eigenmächtigkeit erkennen, ja eine höchst folgenreiche Unterbrechung des allerheiligsten Rituals, das in der Geschichte Israels je stattgefunden hat! Die Schilderung über eine solche Abirrung der Aaroniden muß jedem Priester wie jedem Laien der damaligen Zeit als eine der ungeheuerlichsten Katastrophen in der Geschichte des israelitischen Kultus erschienen sein.214
Gegen Lev 10 ist mit Lev 9 also ein anti-aaronidischer Kontrapunkt gesetzt, der gegenüber der priesterschriftlichen Aaronlegende als sekundär einzustufen ist.215 Zeitlich setzt Achenbach Lev 10 nach der Etablierung des Räucheraltars in Ex 30,1–9 an. Lev 10 sei jünger als die 250-Männer-Erzählung in Num 16, da dort das Räucherritual noch nicht als „rein priesterliches, konkret hohepriesterliches Privileg“216 vorausgesetzt, sondern vielmehr erst begründet werde.217 Während nun in Num 16 f Aaron als „als der einzige legitimiert [wird], der ungestraft das 214 Achenbach 2003, 93. In temporalen und qualitativen Superlativen pointiert Achenbach die Funktion der Geschichte treffend als die Ursprungslegende der Priestersünde. Bereits bei der Einweihung des Heiligtums ergebe sich damit im Hinblick auf Lev 10 und Lev 9 eine Spannung, wie sie schon Ex 24 und 32 in ähnlicher Weise geboten hatten. (Vgl. Ebd. 94.) Wichtig ist dabei jedoch, worauf Nihan (2007, 576–607) hingewiesen hat, dass die Aaroniden und Aaron hier nicht gleichzusetzen sind. 215 Vgl. Ebd. 94 sowie Nihan (2007, 576–607), der in puncto literaturgeschichtlicher Einschätzung mit Achenbach übereinstimmt. Sowohl Achenbach als auch Nihan gehen dabei davon aus, dass der Text einheitlich ist. Nihan hat ferner einen chiastischen Aufbau (A:1–5 B:6–7 X:8–11 B':12–15 A': 16–20) erkannt, in dessen Mitte eine der seltenen, exklusiven JHWH-Offenbarungen an Aaron ergeht (Vgl. Nihan 2007, 579). Lev 10 gehört dabei ebenso zur theokratischen Bearbeitung wie Num 18, einem anderen Fall der direkten JHWH-Offenbarung an Aaron. Beiden Texten gemeinsam sind dabei die Anweisungen zur Reinhaltung des Heiligtums, wobei in Num 18 noch die wichtigen Belange der Priesterversorgung ergänzt werden. Achenbach konstatiert vor diesem Hintergrund und dem Ausbau der darauffolgenden Sakralgesetzgebung in Lev 11–15 außerdem, dass die Abfolge der Erzählung: „V.1–3 Sünde der Aaroniden, v. 4–5 Beseitigung der Toten, v.6 f. Mosetora, v. 8–11 Jahwetora an Aaron“ (Achenbach 2003, 108), die er für literarisch einheitlich hält, in Analogie zu Num „16 Sünde der Korachiten, 17,1–5 Beseitigung des Anstoßes im Umgang mit dem Heiligen, 17,6–28 Mosetora, 18 Jahwetora an Aaron, 19 Ausgestaltung der Reinheitstora“ (Achenbach 2003, 109) gestaltet sei. Nihan vertritt deshalb die These, dass das gesamte Kapitel Lev 10 als Schriftauslegung zu deuten ist (Achenbach 2003, 603). Die Episode beschreibt er als Übergang von der Offenbarung (revelation) zur Deutung (intrepretation). (Ebd.) Ein Mechanismus der widerspruchsfreien Innovation bestehe darin, JHWH nur das sagen zu lassen, was bisher in Lev noch unerwähnt blieb und aus der Tora in Ez 44 übernommen wird. (Ebd. 604). 216 Vgl. ebd., 94. 217 Vgl. auch Nihan (2007, 584), der Lev 10 1–2 für eine Art Kurzfassung des Konflikts zwischen Aaron und den 250 Männern hält.
298
5. Kult-Personal
Räucherritual vollziehen und vor Jahwe am Leben bleiben kann […] so wird in Lev 10 mit Hilfe des gleichen Rituals die Familie des Aaron in der ersten Generation sozusagen bei der ersten sich bietenden Gelegenheit desavouiert.“218 Ausgehend von der Leviten-Genealogie in 1Chr 5,27–41, dem Aaron-Schweigen der nachexilischen Schriften und der Übereinstimmung zwischen Lev 10 und Esr 8,2 hat Blenkinsopp geschlossen, dass es in Lev 10 zu „an accommodation between Zadokites and Aaronites“219 gekommen sei. Wenn auch mit Widerspruch gegen den von Blenkinsopp angenommenen Haftpunkt der Aaronlegende in Mizpa und Bethel ist Achenbach dem Kernargument der Integration der Zadokiden durch Lev 10 gefolgt. Dabei weist er jedoch auf den dominierenden polemischen Ton dieser Integration hin, insofern der Text auf eine „Desavouierung der Hegemonialansprüche derjenigen, die die Aarongenealogie als primäre Legitimationsgrundlage ihrer Ansprüche in Anschlag gebracht hatten“220, ziele. Während Aarons Cousins die Toten aus dem Heiligtum tragen221, ergehen in V.6–10 verschiedene Torot an Aaron und die übrig gebliebenen Söhne Elasar und Itamar, die Achenbach im Anschluss an Gerstenberger vor dem Hintergrund von Lev 21 und Ez 44,20–24 synoptisch auswertet. Achenbach kommt zu dem Ergebnis, dass Mose Torot in Übereinstimmung mit Lev 21 und Ez 44 erteilt werden und dort, wo sie von Lev 21 abweichen, stärker mit Ez 44 übereinstimmen. Daraus folgert er, dass, obwohl Lev 10 offensichtlich die Einfügung des Heiligkeitsgesetzes, das seinerseits in Aufnahme der Ezechiel-Tradition verfasst sei, voraussetzt, an einigen Stellen stärker auf das Ezechielbuch zurückgreift, wofür Ez 44,20–27 218 Vgl. ebd., 94. Für Nadab und Abihu bedeutet dies, dass sie aus der priesterlichen Linie herausgedrängt und durch Eleasar und Itamar ersetzt werden. Dabei hat er Integrationsdiskurse im Numeribuch und weitere Schlüsseltexten wie Ex 6,14–25 umfassend analysiert. Demnach verankern die Zadokiden, die in Lev 10 ihre Orthopraxie behaupten in Ex 6,14–25 ihre Levitizität. Ob dabei beide Texte auf einer Ebene liegen, oder Lev 10 gegenüber Ex 6 noch einmal später anzusetzen ist, ist dabei nicht ganz eindeutig. Nihan (2007) bspw. ist der Auffassung, dass Lev 10 Ex 6 voraussetzt („presupposes“). Das muss jedoch nicht notwendiger Weise heißen, dass Lev 10 später anzusetzen oder sekundär gegenüber Ex 6 ist. 219 Vgl. Blenkinsopp 1998, 43. Dabei vermutet er ferner eine Verbindung der Aaronlegende mit den Heiligtümern Mizpa und Bethel. 220 Achenbach 2003, 119. In der Tat ist auch im Hinblick auf Eleasar und Itamar ein kritischer Grundton zu vernehmen. Dagegen kommt es jedoch, wie Nihan zu Recht einwendet, am Angelpunkt des chiastischen Textes auch zu einer Aufwertung dar Aaronfigur, die an dieser Stelle selbst Mose überragt. Diese Sichtweise hat wiederum Otto 2014, 168 durch die These einer pro-zadokidischen Wendung umzukehren versucht, der Lev 10,8–15 auf einer Stufe mit Lev 9,22–24 ansetzt und demgegenüber Lev 10,1–7; 16–20 als sekundär und damit als antiaaronidische Nachträge einstuft. Die Debatte kann hier in ihrer Komplexität nicht nachvollzogen werden. Es sei daher auf die entsprechende Argumentation bei Nihan 2007 sowie die Rezension Ottos 2009c, 470–479 und Otto 2009a, 107–142 verwiesen. 221 Eigentümlicher Weise werden mit der Reinigung des Heiligtums die Mischael und Elzafan, die Söhne Ussiëls, des Sohnes Aarons beauftragt, während man eigentlich erwarten würde, dass damit Söhne Jizhars beauftragt würden (vgl. Nihan 2007, 584).
5.3 Topoi
299
ein Beispiel darstellt.222 Frappant ist der den Aaroniden auferlegte Weinverzicht (Lev 10,9 // Ez 44,21), der mit dem Auftrag verbunden wird, das Volk in der Unterscheidung von Reinem ( )טהורund Unreinem ( )טמאzu unterweisen (;ירה vgl. Lev 10,10; Ez 44,23).223 Mit Blick auf Ez 44 betont er dabei nachdrücklich, dass dessen Tradentenkreis der Zadokiden offenbar genau den Kontext, in dem von dem kultischen Scheitern der Aaronidensöhne erzählt wird, genutzt hat, um sich in das literarische Setting einzuschreiben.224 Während laut Achenbach also die Hexateuch-Redaktion in Ex 32 im Rahmen der nicht-priesterschriftlichen Überlieferung einerseits Aaron der Anfertigung des Goldenen Kalbes beschuldige und andererseits durch den radikalen Einsatz der Leviten für JHWH deren priesterlichen Dienst begründet habe, sei mit der Pentateuch-Redaktion das Heiligskeitsgesetz (insb. Lev 21) an Lev 9 angeschlossen worden. Gleichzeitig habe sich die Levitisierung des Priestertums in Dtn 10,8 f und Dtn 31,9 ff niedergeschlagen.225 Durch Num 16 sei dann in Aufnahme von Ez 44,6–15 „eine Begründung für die Differenzierung des Klerus in Priesteramt und clerus minor“226 in die Tora eingefügt worden. In Lev 10 mündete dann schließlich die kritische Auseinandersetzung mit dem Priestertum, die Achenbach von 1Sam 2, der Erzählung vom Versagen der Eliden, her bestimmt sieht, in einer radikalen Kritik an den Aaroniden. Die Verlegenheit des Scheiterns der Aaroniden war nun laut Achenbach mit Blick auf Ez 44 der aus der Golatradition des Ezechielkreises stammenden Priesterschaft opportun, die „sich der vorhandenen ‚Quellen‘ bemächtigt“ hätten und sich mit Zadok über den dritten Sohn Aarons, Eleasar, in die Aaronidengenealogie eingeschrieben haben.
5.3.4 Die Juda-Genealogie in 2Chr 2,3–15 Zur bisherigen Analyse der Verhältnisse des Kult-Personals, die zwischen Aaron und Juda ein besonderes Verhältnis „putativer Verwandtschaft“ ausgemacht hat, ist die Juda-Genealogie ins Verhältnis zu setzen. Von besonderer Bedeutung ist die Juda-Genealogie in 1Chr 2,3–15:
222 „So gewinnt man den Eindruck, daß Lev 21 aufgrund der gleichen Tradition formuliert ist, aus der auch Ez 44 schöpft, bei der Redigierung von Lev 10 aber auf die Überlieferung in der pseud-ezechielischen Gestalt zurückgegriffen worden ist. Dafür sprechen die Überschüsse in Lev 10, die aus Ez 44 erklärbar sind, nicht aber aus Lev 21“ (Achenbach 2003, 106). 223 Dabei wird im Vorgang der Übertragung aus Reinem und Unreinem das Reine und das Unreine. 224 Vgl. Achenbach 2003, 109. 225 Vgl. Ebd. 226 Ebd.
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5. Kult-Personal
Die Söhne Judas: Ehr und Onan und Schela; diese drei wurden ihm227 von Bat-Schua, der Kanaaniterin, geboren. Ehr aber, der Erstgeborene Judas, war böse in den Augen JHWHs, und er ließ ihn sterben. 4 Und Tamar, seine Schwiegertochter, gebar ihm Perez und Serach. Alle Söhne Judas: fünf. 5 Die Söhne des Perez: Chezron und Chamul. 6 Und die Söhne des Serach: Simri und Etan und Heman und Kalkol und Dara, alle zusammen: fünf. 7 Und die Söhne des Karmi: Achar228, der Israel ins Unglück brachte, weil er treulos handelte an dem Banngeweihten. 8 Und der Sohn Etans: Asarja. 9 Und die Söhne des Chezron, die ihm geboren wurden: Jerachmeël und Ram und Kelubai229. 10 Und Ram zeugte Amminadab, und Amminadab zeugte Nachshon, den Fürsten der Söhne Juda.11 Und Nachshon zeugte Salma, und Salma zeugte Boas; 12 und Boas zeugte Obed, und Obed zeugte Jischai. 13 Und Isai zeugte seinen Erstgeborenen, Eliab; und Abinadab, den Zweiten; und Schima, den Dritten; 14 Netanel, den Vierten; Raddai, den Fünften; 15 Ozem, den Sechsten; David, den Siebten. 3
Literarkritische Einordnung: 1Chr 2,1 stellt gegenüber 1Chr 1,51 einen Neueinsatz dar. Das Demonstrativum ואלהhat eine kataphorische Sinnrichtung und lenkt auf die Darstellung der Söhne Jakobs, der in der Chronik ausschließlich Israel genannt wird.230 Die Doppelfunktion, die in dem gleichzeitigen Abschluss von Kap. 1 und der Einleitung von Kap. 2 zu erkennen ist, hat Kratz, der 1Chr 2,3–15 der Grundschicht zurechnet231, zu der Annahme bewogen, dass es sich in V.1 um den ursprünglichen Beginn der Chronik handeln könnte und Kap. 1 demgegenüber sekundär sei.232 Dies ist jedoch nicht zwingend, da immerhin die auffällige Benennung Jakobs mit Israel auch in 1Chr 1 verwendet wird und ohne 1Chr 1 nicht deutlich würde, dass es in 2Chr 2,1 nicht um die Israeliten, sondern um die Söhne Jakob-Israels und damit um Verwandte ersten Grades geht. Dass die Verwandschaftsbeziehung jedoch im Vordergrund steht, wird von 1Chr 1 und der Fortsetzung in 2Chr 3–9 her deutlich. Im Hinblick auf das Primärinteresse der Konstruktion von Verwandtschaftsverhältnissen fügt sich die Herleitung der Israeliten ab ovo in 1Chr 1 bruchlos zu ihrer Fortsetzung. Im Aufbau folgen V.1 f der Darstellung, wie sie Gen 35 bietet, wobei in der Rezeption von Gen 35,24 f in 1Chr 2,2 die Söhne der Rahel-Magd Bilha chiastisch um die Rahel-Söhne gruppiert werden.233 Eigentümlicherweise werden 227 Die durch MSS begründete Konjektur zu נלדוwird von Klein (z. St.) und Willi (z. St.) mit dem Hinweis auf V.9 zu Recht abgelehnt. Die LXX übersetzt beiden Stellen unterschiedlich. In V.3 bietet sie ἐγεννήθησαν in V.9 ἐτέχθησαν. Der Wechsel ist wohl durch die Stellung der Namen der Söhne begründet. 228 Wenige hebr. Handschriften lesen עכןin Anlehnung an Jos 7,1 229 LXXA bietet Χαλεβ; LXXB bietet Χαβελ. 230 Die Durchsetzung der Umbenennung Jakobs in Israel ist so signifikant, dass einerseits eine konsequente Rezeptionslinie von Gen 32; 35 anzunehmen ist und andererseits die Ausnahmen in 1Chr 16,13.17 Anhaltspunkte dafür geben, dass diese aus einer anderen Feder stammen. Dabei ist die Genealogische Vorhalle in ihrem Grundbestand integraler Bestandteil der Chronik, insbesondere da ohne diese der Anfang fehlte. (Vgl. Kratz 2000, 18). 231 Kratz 2000, 25. 232 Kratz 2000, 20. 233 Vgl. zu diesem Phänomen Sparks (2008), der den Aufbau von 1Chr 2–4 als Chiasmus um König David betrachtet (ebd. 218.229–235) und ebenso die gesamte Genealogische Vorhalle
5.3 Topoi
301
weder die Reihenfolge noch die Anzahl der Jakob-Söhne in der genealogischen Vorhalle aufrechterhalten oder nach einem erkennbaren Muster umgruppiert.234 Insofern ist die Fortsetzung mit Juda mindestens unvorhersehbar und einschließlich der Fortsetzung bis 1Chr 9 ein Anhaltspunkt dafür, dass 1Chr 2,1–2 möglicherweise eine sekundär integrierende Funktion der folgenden Genealogien bieten, die eingefügt wurden, nachdem Juda bereits an die erste Position gerückt war.235
Der Beginn der Juda-Genealogie knüpft zusammenfassend an die Ereignisse des Juda-Tamar-Narrativs in Gen 38 an. Ausgespart werden das Itinerar sowie die Notz, dass Juda sich einem Adulamiter anschließt. Der Chronist setzt unmittelbar mit der Eheschließung zwischen Juda und der Kanaaniterin Schua ein und bietet die in Gen 38,3–5 geborenen Söhne Ehr, Onan und Schela. Die Phrase בת־איש כנעני ( ושמו שועGen 38,2) wird dabei vom Chronisten zu בת־שוע הכנעניתumgeformt. Der Name בת שועwar in der Folge hinreichend potent, um durch diesen in 1Chr 3,5 den Namen בת שבעzu verdrängen, mit der, wie die Detractio der gesamten Batseba-Episode zeigt, offenbar Davids schlimmstes Vergehen assoziiert war. Die Beurteilung Ehrs stimmt im Wortlaut mit Gen 38,7 überein: 1Chr 2,3b
Gen 38,7
ויהי ער בכור יהודה רע בעיני יהוה וימיתהו
ויהי ער בכור יהודה רע בעיני יהוה וימתהו יהוה
Man kann über diese Parallele nicht hinweggehen, ohne darauf hinzuweisen, dass die Feststellung der Schuld in Gen 38,7 erstmals in der Hebräischen Bibel durch die Wendung רע בעיני יהוהvorgenommen wird und anlässlich der Wiederholung in der Chronik dort zum ersten Mal der Gottesname ins Spiel gebracht wird. Eigentümlicherweise schweigt der Chronist sowohl über den Tod Onans als auch über das Schicksal Schelas, von dem in Num 26,20 immerhin eine משפחת השלניhergeleitet wird. Ohne die Anstößigkeit der Tamar-Episode mitzuteilen, nennt der Chronist diese als die Mutter von Perez und Serach. Mit dem vierten und fünften Juda-Sohn blendet der Chronist in deren Genealogie über, wobei sich die Perez-Söhne Gen 46,12bβ finden, die Serach-Söhne jedoch weiterhin ungenannt bleiben. Von Perez nennt er zwei Söhne, von Serach fünf. Die hier genann-
für chiastisch strukturiert hält. Dass der Chiasmus ein wiederkehrendes Element ist, steht auch im Hinblick auf die gründliche Untersuchung Kalimis (1995) außer Zweifel. Dieses Stilmittel jedoch zum alles durchdringenden Gestaltungselement zu erklären, wie es Sparks unternimmt, geht sicher zu weit. Vgl. Jonker (2011, 369), der von „overelaborate structural divisons“ spricht. 234 Der Chiasmus ist zwar ein solches Muster, jedoch erklären sich auf diese Weise weder die Auslassungen Sebulons und Dans noch die Verteilung der Stämme innerhalb der rahmenden Struktur Judas und Benjamins sowie der Zentralstellung Levis. 235 Die Topikalisierung Judas setzt also Kenntnis über das Scheitern Simeons und Levis (Gen 34) sowie Rubens (Gen 35,22) bereits voraus.
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5. Kult-Personal
ten Namen, das ist oft gesehen worden236, scheinen aus 1Kön 5,11 übernommen worden zu sein, ohne dass sie dort mit Serach in Verbindung gebracht würden. In V.9 sieht Willi den „Schlüssel zur formalen Systematik des Chronisten“237. An dieser Stelle greift der Chronist über die Serach-Söhne hinweg zurück auf den Perez-Sohn Chezron238 und leitet über diesen zu der Linie Ram, Amminadab und Nachshon (V.10) über. Bei Amminadab und Nachshon hatten wir bereits gesehen, dass über sie eine putative Verwandtschaft zwischen Juda und Levi konstruiert wurde. Dabei dient die horizontale und vertikale Einordnung Elischebas (את־אלישבע בת־עמינדב אחות נחשון, Ex 6,23) der zweifelsfreien Identifizierung und eindeutigen Versicherung, dass es sich um exakt dieselbe Linie handelt. Im Pentateuch wird diese Linie jedoch nicht weiter als bis zu Nachshon und Elischeba herabgeführt, sodass aus der dort gebotenen Konstruktion nicht deutlich wird, was erst der Chronist sichtbar macht. Nachshon ist der Großvater des Boas und dieser der Urgroßvater König Davids. Als Vorgänger Davids erhält er dann den Titel נשיא בני יהודה, der offenbar aus Num 2,3 übernommen wird. Die Geschichte des Begriffs נשיאwird in Grundzügen knapp von Knoppers zusammengefasst.239 Dieser ist der Auffassung, dass sich die chronistische Konzeption mit der priesterschriftlichen decke und mit der Konzeption Ezechiels bzw. der Konnotation in Esr 1,8 eher nicht vereinbaren lasse. Weiter heißt es: „In Chronicles the monarch in Jerusalem is referred to as a melek, as are foreign emperors. The term nāśî’is never ap�plied to David or non-Davidic kings.“240 Im Hinblick auf die seltene Verwendung ist 236 Vgl. bspw. Oeming (1990, 100), der folgendes hervorhebt: „Bemerkenswert ist die Übereinstimmung der letzteren Sohnesreihe in V.6 mit den in 1Kön 5,11 genannten Weisen, die durch Salomos Weisheit noch übertroffen werden.“ Oemings Anschlussfrage, ob „die sprichwörtlich Klugen in Juda inkorporiert werden sollten“, ist mit einem Seitenblick auf Jos 7,1.17.18; 22,20 zu beantworten. Dort nämlich hat sich eine andere Serach-Tradition erhalten, die deutlich weniger rühmlich ist. In Jos 7,1 heißt es וימעלו בני־ישראל מעל בחרם ויקח עכן בן־כרמי בן־זבדי בן־זרח למטה יהודה מן־החרם ויחר־אף יהוה בבני ישראל. Achan, der sich an dem Banngut vergreift, wird hier über Karmi den Sohn Sabdis, des Sohnes Serachs in den Juda-Stammbaum integriert. Dabei besteht zusätzlich die Problematik, dass Karmi in Gen 46,9 auch in die Ruben-Genealogie gehört und damit genau wie Chezron in Num 26,6 u. 21 die ambivalente Stellung der doppelten Stammeszugehörigkeit teilt (vgl. zur Analyse dieses Sachverhalts Schorn 1997, 197). Wie es auch um die An- und Absprüche der Karmi-Figur stehen mag, in der Chronik ist Karmi offensichtlich aus den Serach-Söhnen ausgeklammert worden – freilich recht ungelenk, da dieser in V.7 dennoch erwähnt wird – um ihn aus Nebenlinie der Davididen herauszudrängen. Dementsprechend werden in V.6 die Serach-Söhne Simri, Etan, Heman, Kalkol und Dara genannt und durch die Zahlenangabe „fünf “ festgehalten, dass diese und nur diese die Söhne Serachs sind. 237 Vgl. Willi z. St., 72. 238 V.9 zeigt mit der Figur כלובי, die nach V.18 als כלבzu identifizieren ist, an, dass auch hier eine Fortsetzung der Theokratischen Bearbeitung stattfindet, die in Num 13 כלבals Kundschafter des Stammes Juda aussendet und diesen an dieser Stelle auch genealogisch integriert, wobei durch diese Integration ein Widerspruch zu 1Chr 4,15 provoziert wird (vgl. zur Diskussion dieses Nebenaspekts Japhet z. St., 76). 239 Knoppers 2004b, 368. 240 Knoppers 2004b, 368.
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dabei jedoch auffällig, dass gerade das konnektive Bindeglied zwischen Juda und Levi, Nachshon, der gleichzeitig ein direkter Vorfahre Davids ist, נשיאgenannt wird. Wenn hier begrifflich insinuiert ist, dass dieser die Präfiguration des מלךDavid ist, eröffnet sich damit die Möglichkeit, die נשיא-Konzeption Ezechiels als dessen Postfiguration aufzufassen, eine Lesart, die auch durch die Fluchtlinie Ez 37,25; Ez 44,1–3 und Num 2,3 und 2Chr 2,10 gedeckt ist. Berücksichtigt man, dass Keel der Ezechiel-Schule eine gewisse Scheu vor dem מלך-Begriff attestiert241 und den Gebrauch des נשיא-Begriffs für eine Supposition des ersten hält, zeigt sich, wie die Übernahme des נשיא-Begriffs in die Theokratische Bearbeitung des Numeribuches und deren Fortsetzung im chronistischen Narrativ die zadokidische Depotenzierung des judäischen Königtums als Fortschreibung der Ezechiel-Ideologie von der „Königshemmung“ befreit.
Dieselbe Genealogie findet sich auch im Buch Ruth (Rut 4,18–22), wobei die Frage nach der Richtung der Abhängigkeitsverhältnisse zwischen der Chronik und Ruth in der Forschung unterschiedlich beurteilt wird. Während die Mehrheit der Forscher 1Chr 2 für den Spendertext und Ruth für ein Exzerpt daraus hält,242 bezweifelt Zenger, dass „man dem größten und gefeiertsten König von Israel, dem Prototyp des Messias, eine moabitische Urgroßmutter angedichtet hätte“243. An dieser Stelle hat Gerleman jedoch das Richtige gesehen, der im Hinblick auf Rut 4,13–17 auf die doppelte Einbindung Davids in den Stammbaum Judas hinweist und damit den Zengerschen Widerspruch integriert: „Dem Erzähler ist es nicht genug, Ruth in die judäische Volksgemeinschaft einzuverleiben. Er gibt sich noch dazu Mühe, durch eine besondere Adoptionshandlung dem Neugeborenen eine echtjudäische Mutter zu geben.“244 Dabei verweist sie auf den Ausruf der Nachbarn in V.17a ותקראנה לו השכנות שם לאמר ילד־בן לנעמי, mit dem die genetische Verwandtschaft zwischen der Judäerin Noomi und Obed entgegen dem Plot des Ruth-Buches geradezu überemphatisiert wird.
241 Keel 2007, 902 f. 242 Vgl. z. B. Gerleman z. St., 38; Würthwein, z. St., 18, 1992, 24; Loretz 1977, 124–126. Zudem hat Noth insbesondere durch den Hinweis auf den Umfang der chronistischen Genealogie, die auch die Brüder Davids nennt, ein starkes Argument dafür geliefert, dass im Ruth-Buch eine Art Exzerpt vorliegt. Zu beachten ist auch, dass die Brüder bereits in 1Sam 16 f genannt werden und keine Erfindung des Chronisten sind. Dazu hat wiederum Kalimi (2013, 156 f) die wichtige Beobachtung gemacht, dass insgesamt drei verschiedene Traditionen vorliegen: 1Sam 16,13 nennt vier, 1Sam 17,12 nennt acht und 1Chr 2,15 nennt sieben Söhne. Evtl. hat also der Chronist mit der Siebenzahl auf eine ideale Größe zurückgreifen wollen. (vgl. ebenso Beentjes z. St., 32). 243 Zenger 1986, 10 f. 244 Gerleman z. St., 37. Sie spricht dabei in Anlehnung an Köhler und dem Vergleich mit Gen 30,1–13; 48 von einer Adoptionshandlung.
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5. Kult-Personal
5.3.5 Die Abschiedsreden Davids in 1Chr 22; 28 f und ihr Verhältnis zu den Ämterlisten in 1Chr 23–26.27 Auch das Listenmaterial in 1Chr 23–27 weist einige direkte Korrelationen mit dem Pentateuch auf. Insbesondere die rahmenden Kapitel 22 und 28 f bieten dabei reichhaltiges Material, das in die Analyse einbezogen werden muss. Dabei hat die Analyse des Rahmens eine Doppelfunktion. Einerseits zeigt sich in der Textur eine deutliche Tora-Deixis, andererseits spielen diese Texte jedoch auch in der Debatte um den Status der Listen eine äußerst wichtige, wenngleich bisweilen nur unzureichend berücksichtigte Rolle. Es zeigt sich jedoch, dass ohne eine Einschätzung der Verhältnisse zwischen 22 und 28 f keine Aussage über den Status von 23–27 zu gewinnen ist.245 Die Fülle der zwischen 22 und 28 f bestehenden Bezüge lässt diese als planvoll gestaltet erscheinen und keinen anderen Schluss zu, als sie textpragmatisch als Rahmen um die Ämterlisten zu deuten und damit sachlogisch die Listen in 23–27 (oder zumindest einen Grundbestand) für genuin chronistisch zu halten. Das führt nun zur Analyse von 1Chr 22–29, wo David nach der Auffindung der Tenne in 1Chr 21 alle Vorbereitungen für den von Salomo zu bauenden Tempel trifft.246 Die Ämterlisten der Chronik in 1Chr 23–26.27247 sind ein locus classicus der Forschung.248 Sie werden von der überwiegenden Mehrheit der Exegeten für sekundär gehalten.249 Knoppers hat gut beobachtet, dass die Einschätzung von 245 Vgl. zur abwägenden Analyse des Listenmaterials und dessen Rahmen vor allem Knoppers z. St., 788–798, der sorgfältig zeigt, dass insbesondere das fest etablierte und weit verbreitete Argument der Wiederaufnahme von 23,2 in 28,1 mit Blick auf die Verhältnisbestimmungen der einzelnen Kapitel zu unspezifisch ist und letztlich kaum etwas austrägt. 246 Wellhausen 1927, 176 hat dafür die treffende Formulierung gefunden, dass David seinem Nachfolger das Brot soweit zubereitet, „daß jener es nur in den Ofen zu schieben braucht.“ 247 Schon Kuenen 1890, 145 f hat die besondere Stellung von 1Chr 27 beobachtet, aber anders als Benzinger (1901, 79) von einer literarkritischen Differenzierung abgesehen, da 1Chr 27 genau wie 1Chr 23–26 in 1Chr 28 bereits vorausgesetzt werde. Neuerdings stärkt Knoppers, der Parallelen in einer neu-babylonischen Urkunde aufzeigt, die enge Zusammengehörigkeit von 1Chr 23–26 und 27, also dem kultischen und militärischen Personal. 248 Eine gute Übersicht zur Forschungsgeschichte bietet Wright 1992, 20–42. 249 Während De Wette 1806, 120, die Listen noch für originär chronistisch und damit für legendarisch hielt, vertrat zuerst Dahler 1819, 72, der gegen de Wette um die Rettung der historischen Authentizität der Chronik bemüht war, die Auffassung, dass diese sekundär in die Chronik aufgenommen worden seien und auf authentische Quellen zurückgingen, die bei der Exilierung mit nach Babylon genommen wurden. Vgl. auch Benzinger 1901, 68–79, der 1Chr 23–26.27 gesondert kommentiert und den Anschluss von Kap. 28 an 23 beobachtet. Ferner: Welch 1938. 83–96; Vgl. weiterhin Mosis 1973, 95; Rudolph 1955, 152–185; eine breite Rezeption hat die These in der Form erfahren, die Noth (1957, 112–115) ihr gegeben hat. Dieser hält die Kapitel 23–27 ebenfalls für sekundär und nimmt mindestens zwei Wachstumsphasen an: „Den Grundstock des Einschubs bildete der Levitenstambaum 23,3–5.6b.7–24aα, dessen
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1Chr 23–27 eng mit der Beurteilung von 1Chr 22; 28 f korreliert ist und dass die Exegeten, die der Auffassung sind, dass 1Chr 23–27 sekundär seien, i. d. R. auch Teile aus 1Chr 22; 28 f für sekundär halten.250 Knoppers, der aktuell den ausführlichsten Überblick über die Debatte gibt, referiert fünf Hauptargumente der Forschung, die für einen nachträglichen Einschub der Listen sprechen. Zu nennen sind: (1) In 1Chr 23,1 wird von der Einsetzung Salomos berichtet, die dann in ihrer Durchführung bis 1Chr 28,5–11 auf sich warten lasse. Dazu hat schon Benzinger (z. St. 68) scharf beobachtet, dass dies in 1Chr 29,22 die Glosse שניתnach sich gezogen hat, die in LXXB nicht belegt ist. (2) In 1Chr 28,1 liegt eine Wiederaufnahme von 1Chr 23,2 vor. (3) Im Vergleich von 1Chr 22 und 28 f fallen einige Wiederholungen auf, die wohl auf sekundäre Bearbeitungen in Verbindung mit der Einsetzung von 1Chr 23–26(.27) zurückgehen. (4) 1Chr 23–27 steht im Widerspruch zu einigen Texten der chronistischen Grundschicht. Löste man sie aus dem Buch heraus, ergäbe sich eine kohärentere Struktur. (5) Sowohl 1Chr 22 als auch 28 f übergehen die in 23–27 eingeführten Gruppen.251
Die vorgetragenen Argumente werden von Knoppers, der „at least the basic core of the material in 1Chr 23–27“252 für originär chronistisch hält, im Anschluss umfassend, luzide und ebenso überzeugend relativiert. So weist Knoppers (ad 1) zurück, dass Salomo bereits in 1Chr 23 eingesetzt werde. Dieser werde erst in 1Chr 29,22 eingesetzt und es gebe kein Anzeichen dafür, dass Salomo „exercises any form of power while David is still in office“253. Auch die bereits seit über Fundament mit Num. 3,17 f. übereinstimmt und der durch 23,6a.24aβ.25.26.28–32 (V.24b.27 sind noch spätere Zusätze) in den nunmehrigen Zusammenhang eingefügt wurde. Zu diesem Stammbaum haben wir in 24,20–30 (V.31 ist eine verbindende Klammer) einen späteren Nachtrag, und ein weiterer Nachtrag liegt anscheinend in 26,20–32 vor. Damit erweisen sich die dazwischen stehenden Stücke als noch jünger, nämlich die Liste der 24 Priesterklassen (24,1–19), bei der schon die Stellung hinter dem Levitenstammbaum anstößig ist, sowie die in sich wieder uneinheitliche Aufzählung der 24 Tempelsängerklassen (25,1–31) und die Aufstellung über die Torhüter und ihre Funktionen (26,1–19). Die verschiedenen Listen in Kap. 27 endlich haben mit dem Thema der Tempelbauvorbereitung überhaupt nichts mehr zu tun und sind erst zugesetzt worden, als sich an dieser Stelle eine Sammlung von Listen bereits angehäuft hatte.“ (1957, 114); Vgl. auch Steins 1995 283–335; 152 f. hat die bisher komplexeste Schichtung des Kapitel bereiches vorgelegt. In der Annahme, dass ursprünglich ein Zusammenhang zwischen1Chr 23,1 und 28,1 bestanden habe, postuliert er eine Einfügung des Materials in 1Chr 23,2–26,32.27 in drei Schritten. In einem ersten Schritt haben ein Schreiber diesen Zusammenhang unterbrochen und eine ältere Schicht integriert: 1Chr 23,2 f.6–24a.25 f.28–32; 24,1–19; 26,1–12a*.13*. 14–16a.19.20.21*.22.24–28*. Diese sei dann durch eine Musiker-Torwächter-Schicht erweitert worden: 1Chr 23,3 f.24b.27; 24,20–31; 25,1–31; 26,12*.13*16b–18.21.29–32. (Vgl. Ebd. 331 f). In einem dritten Schritt sei dann das Material aus 1Chr 27 hinzugewachsen. 250 Knoppers z. St., 789. 251 Ebd., 790. 252 Ebd., 791. 253 Ebd.
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5. Kult-Personal
einem Jahrhundert wiederkehrende These, dass 1Chr 28,1 eine Wiederaufnahme von 1Chr 23,2 darstelle, entkräftigt Knoppers (ad 2) sorgfältig. Unter Berufung auf Kalimi weist er dabei zu Recht darauf hin, dass die Technik der Ringkomposition einschließlich der Wiederaufnahme zu den Produktionsmitteln des Chronisten gehöre. Wir kommen in der anschließenden Analyse von 1Chr 22; 28 f (ad 3) genau darauf zurück, indem der Nachweis erbracht wird, dass zwischen 1Chr 22 und 28 f derart viele wiederauf nehmende Verbindungen bestehen, dass diese einen originären Rahmen darstellen, was das Argument nach sich zieht, dass dieser Rahmen von Beginn an gefüllt war. Knoppers hebt hervor (ad 4), dass, selbst wenn man es im Sinne der Wiederaufnahme-These aus 1Chr 28,1 tilgen würde, in der Einteilung der Gruppen in 1Chr 23–27 das häufig verwendete Lexem ( מחלקת1Chr 23,6; 24,1; 26,1.12.19; 27,1–2.4–15) in 1Chr 28,13.21 erneut gebraucht werde und damit ein Reflex auf die Einteilung zu verzeichnen sei. Ebenso sei von den Schatzkammern erneut in 1Chr 28,12 die Rede. In 1Chr 29,22 werde zudem der Name יחיאל הגרשניaus 1Chr 26,21 übernommen. l
Es besteht Anlass dazu, das Listenmaterial vor dem Hintergrund einer Analyse der Abschiedsreden Davids in Kapitel 22; 28 f erneut zu beurteilen. Insbesondere die Einschätzung der Rahmenkapitel, die frappante Bezüge auf den Pentateuch enthalten, stellt eine notwendige Bedingung zur Beurteilung der Ämterlisten in 23–27 dar. Dabei hat schon Rothstein darauf hingewiesen, dass hier eine Art Doppelbindung besteht254, die nur durch eine Analyse des Gesamtkomplexes zu erfassen ist. Daneben zeigt Knoppers, dass die redaktionskritische Beurteilung der Ämterlisten eng mit der Beurteilung von 1Chr 22 und 1Chr 28 f korreliert ist. Wer die Ämterlisten für sekundär halte, rechne laut Knoppers auch in 1Chr 22 und 28 mit sekundären Ergänzungen.255 Wer in diesen Kapiteln keine Ergänzungen annehme, hält zumeist auch jene für ursprünglich. Vor diesem Hintergrund lautet die These, dass sich 22 und 28 f zu 23–27 rahmend verhalten, was bedeutet, dass dieser Rahmen schon auf der Ebene der Grundschicht gefüllt war. Dieser Folgerung entgeht man nur, wenn man entweder 22 oder 28 f und damit auch den Rahmen als sekundär erweist. Das ist jedoch kaum möglich, da ohne 1Chr 28 f in jedem Fall ein Bruch in der chronistischen Narration vorliegt und gleichzeitig unverkennbar ist, dass diese Kapitel 1Chr 22 voraussetzen. Die immer wieder angeführte Wiederaufnahme von 1Chr 23,2
254 Rothstein z. St., der in der Sache schon das Richtige erkannt hat, hält folgende Übereinstimmungen fest: 28,1.9.11.20//22,6; 28,2//22,7; 28,3//22,8; 28,6//22,9 f; 28,9.20//22,11; 28,10. 20//22,13.16; 28,21//22,15 f; 29,1//22,17; 29,2 ff//22,14; 29,5–9.17 f//22,19; 29,19//22,12 f. In den neueren Kommentaren weist insbesondere Beentjes (z. St., 184) auf die rahmende Funktion von 1Chr 22,2–5 und 29,1–3 hin: „Met behulpt van deze opvallende, meervoudige inclusio tussen 22:2–5 en 29:1–3 heeft de Kronist een hecht framework opgetrokken waarbinnen hij vervolgens alle taken die nodig zijn om de tempel te kunnen laten functioneren, gaat verdelen en beschrijven.“ 255 Vgl. zu diesem Argumentationszusammenhang bereits Williamson 1979, 262, Anm. 24.
5.3 Topoi
307
in 1Chr 28,1256 ist damit freilich nicht als Beobachtung disqualifiziert, sondern vielmehr so auszulegen, wie Knoppers es vorschlägt, der sie unter Berufung auf Kalmis Analyse chronistischer Arbeitstechniken257 als ein besonderes Stilmittel handhabt. Dass dementsprechend die Fülle von „Wiederaufnahmen“ zwischen 1Chr 22 und 28 f kein Indiz für redaktionelle Prozesse sind, soll hier gezeigt werden. Bevor wir die Beziehung des vorderen zum hinteren Rahmenteil betrachten, muss freilich mit der Möglichkeit literarischer Uneinheitlichkeit gerechnet werden: a) Ad 1Chr 22: Der Text ist sowohl linguistisch kohäsiv als auch literarisch kohärent und damit weitgehend einheitlich. Rudolph258 hält die Verse 14–16 zwar für sekundär, gibt jedoch allein mit dem Hinweis darauf, dass die hier genannten Summen unverhältnismäßig hoch seien, keinen zureichenden Grund für ein Ausscheiden an.259 Weiterhin hält Rudolph die Verse 17–19 für sekundär und bereits von1Chr 28 f abhängig260. Hauptargument dabei ist, dass David sich an die Fürsten Israels wendet, ohne diese vorher einberufen zu haben. Damit sei mindestens 28,1 vorausgesetzt. Dabei ist jedoch nur unzureichend berücksichtigt, dass der Topos der Einberufung bzw. Versammlung, den Albertz261 mit dem Konzept der Demokratisierung in Verbindung bringt, in der Chronik eine weiterreichende Pragmatik hat, als einfach Redeeröffnungsformel zu sein. Ganz im Gegenteil kann David sich auch an die Fürsten wenden, ohne diese vorher einberufen zu haben. Die Versammlung der Fürsten und Obersten (vgl. z. B. 1Chr 28,1) sowie der Ratschluss mit diesen (vgl. 1Chr 13,1) soll vielmehr zum Ausdruck bringen, dass die in diesem Gremium getroffenen Vereinbarungen von der ganzen Gemeinde getragen werden. Das bedeutet für den Chronisten jedoch offenbar nicht die erzählerische Notwendigkeit, dass der König bei jedem Auftrag an das Volk dieses zuvor vollständig einberufen müsste (vgl. 1Chr 21,2). Auch die Verse 17–19 fügen sich also stimmig in den Mikrokontext ein und geben keine Anzeichen für sekundäre Hinzufügung. b) Ad 1Chr 28: Während in der älteren Forschung die These vertreten wurde, dass in 1Chr 28 mit größeren Ergänzungen zu rechnen sei262, überwiegt in der neueren Forschung wie bspw. von Williamson, Japhet, Klein und Knoppers die Auffassung, dass 1Chr 28 trotz kleinerer Textauffälligkeiten überwiegend
256 Vgl. Noth 1967,112 Demgegenüber hat Williamson 1979, 251–268 gezeigt, dass 1Chr 28,1 keine 1Chr 23,2 exakt entsprechende Wiederaufnahme ist und 28,1 teilweise schon die Einsetzung von 27 voraussetzt. 257 Vgl. Kalimi 1995, passim. 258 Z. St., 151. Vgl. ebenso Braun z. St., 221 f. 259 Vgl. auch die Ablehnung durch Klein z. St., 431. 260 Vgl. z. St., 151 f. Ebenso Benzinger z. St., 65 und Noth 1967, 112. 261 Albertz 1997, 642. 262 Vgl. z. B. Noth 1948, 112; Rudolph z. St., 186.189 sowie Willi 1972, 196.
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5. Kult-Personal
einheitlich ist.263 Knoppers weist zudem vermehrt darauf hin, dass sich für zahlreiche Probleme des Textes eher textkritische denn redaktionskritische Probleme anböten und eine Unterscheidung bisweilen schwierig sei.264 Die Beziehung der Rahmenteile ist hier kaum erschöpfend zu vermessen, worum es mir allerdings geht, ist, hinreichend deutlich zu zeigen, dass es sich in der Tat um einen Rahmen handelt, der die Kapitel 23–27* schon in die Grundschicht der Chronik integriert und damit von Beginn an eine in enger Anlehnung an den Pentateuch verfassten Weiterentwicklung darstellt.265 1Chr 22 V.2–4 Baumaterialen ויאמר דויד שלמה בני נער ורך5 והבית לבנות ליהוה להגדיל למעלה לשם ולתפארת לכל־ הארצות אכינה נא לו ויכן דויד לרב לפני מותו […] ( ויאמר דויד לשלמה (בנו7 ]בני] אני היה עם־לבבי לבנות בית לשם יהוה אלהי ויהי עלי דבר־יהוה לאמר דם8 לרב שפכת ומלחמות גדלות עשית לא־תבנה בית לשמי כי דמים רבים שפכת ארצה לפני הנה־בן נולד לך הוא יהיה9 איש מנוחה והנחותי לו מכל־אויביו מסביב כי שלמה יהיה שמו ושלום ושקט אתן על־ ישראל בימיו l
1Chr 28 f A 22,5// 29,1.13.25
[…] ויקם דויד המלך על־רגליו ויאמר שמעוני אחי ועמי אני2 עם־לבבי לבנות בית מנוחה לארון ברית־יהוה ולהדם רגלי אלהינו והכינותי לבנות והאלהים אמר לי לא־תבנה בית לשמי כי איש מלחמות אתה3 ודמים שפכת ויבחר יהוה אלהי ישראל בי מכל בית־אבי להיות למלך4 על־ישראל לעולם כי ביהודה בחר לנגיד ובבית יהודה בית אבי ובבני אבי בי רצה להמליך על־כל־ישראל ומכל־בני כי רבים בנים נתן לי יהוה ויבחר בשלמה בני לשבת5 על־כסא מלכות יהוה על־ישראל ויאמר לי שלמה בנך הוא־יבנה ביתי וחצרותי כי־בחרתי בו לי6 לבן ואני אהיה־לו לאב והכינותי את־מלכותו עד־לעולם אם־יחזק לעשות מצותי7 ומשפטי כיום הזה ועתה לעיני כל־ישראל קהל־יהוה ובאזני אלהינו שמרו ודרשו8 כל־מצות יהוה אלהיכם למען תירשו את־הארץ הטובה והנחלתם לבניכם אחריכם עד־עולם פ ואתה שלמה־בני דע את־אלהי אביך ועבדהו בלב שלם9 ובנפש חפצה כי כל־לבבות דורש יהוה וכל־יצר מחשבות מבין אם־תדרשנו ימצא לך ואם־תעזבנו יזניחך לעד l
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B 22,7// 28,2
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C 22,8// 28,3
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D 22,9// 28,2.3
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263 Anders jedoch Steins 1995, 355, der eine Grundschicht (V.1–11.20.21b; 29,22b–30), eine Gemeinde-Schicht (V.12–16.17b–19; 29,1–21aα.22a) und eine Kult-Schicht (17a; 29,21aβb) identifiziert. Kratz 2000, 32 scheidet 28,11–21 als „Rückbezüge“ aus, die durch die Einschaltung der Kapitel 23–27 notwendig geworden seien. Einzuwenden ist gegen beide jedoch, dass, bereits auf der Ebene der Grundschicht zahlreiche Bezüge zwischen beiden Kapiteln bestehen, die die Hypothese sekundärer, durch einen Einschub verursachte Rückbezüge als unnötige Vervielfältigung der Hypothesen erscheinen lassen. Das muss nicht bedeuten, dass es keine sekundären Elemente in 1Chr 28 gibt, diese sind jedoch nicht redaktioneller, sondern bearbeitender Natur. 264 Knoppers 2004b, 937. 265 Zwar gibt es auch Abweichungen zwischen dem vorderen und hinteren Rahmenteil, bspw. kommt die Wurzel * מלךin 1Chr 22 nur einmal vor (1Chr 22,10), während sie in 1Chr 28 f 24 Mal verwendet wird (1Chr 28,1–2.4–5.7; 29,1.6.9.11.20.23–30); außerdem wird die himmlische תבניתnur in 1Chr 28 erwähnt; während 1Chr 22,3.14 berichten, dass das bereitgestellte Material nicht zu wiegen war, bieten 1Chr 28,14–18 genaue Gewichtsangaben, dennoch erweisen sich die Unterschiede gegenüber den Gemeinsamkeiten und komplementären Elementen eher als unbedeutend.
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5.3 Topoi
10ראה עתה כי־יהוה בחר בך לבנות־בית למקדש חזק ועשה פ 11ויתן דויד לשלמה בנו את־תבנית האולם ואת־בתיו וגנזכיו ועליתיו וחדריו הפנימים ובית הכפרת ]…[ 18ולמזבח הקטרת זהב מזקק במשקל ולתבנית המרכבה הכרבים זהב לפרשים וסככים על־ארון ברית־יהוה 19הכל בכתב מיד יהוה עלי השכיל כל מלאכות התבנית 20ויאמר דויד לשלמה בנו חזק ואמץ ועשה אל־תירא ואל־תחת כי יהוה אלהים אלהי עמך לא ירפך ולא יעזבך עד־לכלות כל־מלאכת עבודת בית־יהוה 21והנה מחלקות הכהנים והלוים לכל־עבודת בית האלהים ועמך בכל־מלאכה לכל־נדיב בחכמה לכל־עבודה והשרים וכל־העם לכל־דבריך 1ויאמר דויד המלך לכל־הקהל שלמה בני אחד בחר־בו אלהים נער ורך והמלאכה גדולה כי לא לאדם הבירה כי ליהוה אלהים l
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E 22,10// 28,3.5.6; 29,3
F 22,11// 29,23
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V.2–7 Baumaterialien 8והנמצא אתו אבנים נתנו לאוצר בית־יהוה על יד־יחיאל הגרשני 9וישמחו העם על־התנדבם כי בלב שלם התנדבו ליהוה וגם דויד המלך שמח שמחה גדולה פ 10ויברך דויד את־יהוה לעיני כל־הקהל ויאמר דויד ברוך אתה יהוה אלהי ישראל אבינו מעולם ועד־עולם 11לך יהוה הגדלה והגבורה והתפארת והנצח וההוד כי־כל בשמים ובארץ לך יהוה הממלכה והמתנשא לכל לראש 12והעשר והכבוד מלפניך ואתה מושל בכל ובידך כח וגבורה ובידך לגדל ולחזק לכל 13ועתה אלהינו מודים אנחנו לך ומהללים לשם תפארתך ]…[ 23וישב שלמה על־כסא יהוה למלך תחת־דויד אביו ויצלח וישמעו אליו כל־ישראל ]…[
G 22,12// 28,19 H 22,13// 29,23 I 22,13// 28,7.10.20
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J 22,(9.)18// 28,2
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K 22,19// 28,8 f.10.18
10הוא־יבנה בית לשמי והוא יהיה־לי לבן ואני־לו לאב והכינותי כסא מלכותו על־ישראל עד־עולם 11עתה בני יהי יהוה עמך והצלחת ובנית בית יהוה אלהיך כאשר דבר עליך 12אך יתן־לך יהוה שכל ובינה ויצוך על־ישראל ולשמור את־תורת יהוה אלהיך 13אז תצליח אם־תשמור לעשות את־החקים ואת־המשפטים אשר צוה יהוה את־משה על־ישראל חזק ואמץ אל־תירא ואל־תחת l
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V.14–16 Baumaterialien ]…[ 18הלא יהוה אלהיכם עמכם והניח לכם מסביב כי נתן בידי את ישבי הארץ ונכבשה הארץ לפני יהוה ולפני עמו 19עתה תנו לבבכם ונפשכם לדרוש ליהוה אלהיכם וקומו ובנו את־מקדש יהוה האלהים להביא את־ארון ברית־יהוה וכלי קדש האלהים לבית הנבנה לשם־יהוה l
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[…] – David weist zwei Mal darauf hin, dass Salomo, seinשלמה בני ]…[ A 1. Sohn, jung und zart ist. Dabei ergänzt er in 1Chr 29,1 den Hinweis, kommt (innerhalbבחר dass Gott selbst ihn erwählt habe. Die Wurzel des Rahmens) in 28,4.5.6.10; 29,1 vor. In V.4 rekapituliert David JHWHs Prädilektion des Hauses Juda für das Königtum, wobei die Darstellung genealogisch motiviert ist und in einem Dreischritt aus Israel das Haus Juda und aus diesem das Haus des Vaters David hervorhebt. Aus diesem sei David erwählt worden, um das Königtum über Israel zu erhalten. In V.5 schildert David, dass sein Sohn Salomo von JHWH selbst zu seinem Nachfolger erwählt worden sei, wobei die Darstellung in V.6 in einen Adoptianismus JHWHs übergeht: Dieser werde Salomo Vater sein und jener werde ihm Sohn sein. In diesem Verhältnis gründet wiederum die in V.10 geschilderte Erwählung zum Bau des Tempels. Diese umfassende und
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5. Kult-Personal
darin unvergleichliche Erwählung Salomos ist von Tiňo überzeugend als eine Erfüllung des Königsgesetzes gedeutet worden.266 Offenbar bereitet der Chronist die später zu analysierende Erwählung ( )בחרder Kultstätte auch durch die Erwählung ( )בחרihres Erbauers vor. 2. להגדיל למעלה – Eine besondere Implikation hält das Attribut ‚überaus groß‘ bereit. Zunächst stellt David kontrastiv fest, dass sein Sohn klein und zart sei, das Haus JHWHs jedoch überaus groß werden müsse, um Ruhm und Ehre in allen Ländern hervorzubringen. 1Chr 29,25 nimmt dieses Motiv auf und schreibt es in einer weit über die in V.22 vollzogenen Salbung Salomos hinausreichenden Prolepse auf diesen um: ויגדל יהוה את־שלמה למעלה ist in diesem Fall eine Aussage, die nicht auf die unmittelbar durch die Salbung Salomos vollzogene Statusveränderung zielt, sondern Salomos gesamte Herrschaft, resp. ihren Höhepunkt im Blick hat. Überaus groß, also großartig, zu sein, wird in 1Chr 1,1 wiederholt und weiterhin nur noch von Jehoshaphat ausgesagt, der in 2Chr 17 und 19 zum einzigen König wird, der nach der Vorbereitung des Tempels durch David und dem Bau des Tempels durch Salomo eine weitere Institution zu diesem hinzufügt. 3. בנה בית – Dass das gesamte chronistische Narrativ sich mit 22,1, wie wir bei der Analyse von 1Chr 21,1–22,1 erneut sehen werden, nahezu ausschließlich dem Bau des Tempels zuwendet, zeigt allein die 33malige Verwendung des Lexems ביתan.267 Insbesondere die im Folgenden zu beobachtenden Komposita rücken die Kapitel weiter zusammen. 4. שם תפארת – Auch der in 22,5 eingeführte ruhmreiche Name wird in 1Chr 29,13 wieder aufgenommen, wobei Israel dort den zuvor angekündigten Ruhm aller Nationen im eigenen Lobpreis vorwegnimmt. B 22,7 – עם־לבבי לבנות ביתund 28,2 entsprechen sich in dem Wortlaut, dass es David am Herzen liegt, ein Haus zu bauen, exakt. Während David zunächst von einem ( בית לשם יהוה אלה22,7) spricht, dehnt 28,2 diese Bezeichnung durch בית מנוחה לארון ברית־יהוהweiter aus und knüpft damit, wie wir umgehend sehen, das intertextuelle Netz enger, in dem das Haus der Ruhe auf den Mann der Ruhe (22,4) hinweist.268 l
266 Vgl. Tiňo 2010, 100 f. Vgl. weiterhin das Kapitel „Kult-Ort“. 267 1Chr 22,1–2.5–8.10–11.14.19; 28,2–4.6.10–13.20–21; 29,2–4.7–8.16. 268 Jonker (2014, 252) hat in dieser signifikanten Bezeichnung Salomos einen Hinweis auf die befriedeten Zeitumstände der persischen Zeit gesehen: „Particularly the Chronicler’s deliberate portrayal of Solomon as ‚the man of rest‘ and the figure of ‚peace‘ (1 Chr 22) might be an indication of the Chronicler’s response to the so-called Pax Achaemenidica.“. Dieser Befund muss jedoch noch zu der häufigen Verwendung des Wortes מלחמהin Beziehung gesetzt werden, das eher auf das Gegenteil schließen lässt.
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5.3 Topoi
C 22,8 und 28,3 knüpfen identisch an den jeweils vorausgehenden Vers an und stehen zueinander in einem komplementären Verhältnis. Gott selbst wendet sich in direkter Rede an David und konstatiert, dass dieser dem Namen des Herrn kein Haus bauen dürfe, weil er Blut vergossen, große Kriege geführt habe (22,8) und daher ein Mann der Kriege (איש מלחמות, 28,3) sei. Der Kriegsmann steht zum Haus der Ruhe (V.2), vielmehr jedoch zu 22,9 in einem kontrastiven Verhältnis.269 l
D In 1Chr 22,9 wird zum ersten Mal das Motiv der Ruhe erwähnt, das später prominent mit Lade und Tempel verbunden wird. Zunächst wird jedoch Salomo als Mann der Ruhe ()איש מנוחה270 charakterisiert und damit zu David, dem Mann der Kriege 28,3, in ein kontrastives Verhältnis gerückt. Darüber hinaus ergibt sich jedoch auch ein komplementäres Verhältnis zu dem Haus der Ruhe (28,2). E 1. Nachdem in 1Chr 22,8 das Verbot für David ausgesprochen war, das Haus für den Namen JHWHs zu bauen, wird dies nun in konsequenter Fortsetzung nach 1Chr 28,10 übertragen und Salomo zum Erbauer des Heiligtums ( )מקדשerwählt. 2. Die Adoptionsformel, die wir im Rahmen des בחר-Motivs schon gestreift haben, wird in 22,10 eingeführt und in 28,6 aufgegriffen. 3. Eine weitere Verbindung wird über das Thron-Motiv gestiftet und im vorderen und hinteren Rahmenteil leicht variiert. Während in 22,10 vom Thron seiner [d. h. Salomos] Königsherrschaft die Rede ist ()כסא מלכותו, ist 28,5 stärker theokratisch profiliert und spricht von כסא מלכות יהוה, wobei dann V.7 auf die Wendung מלכותוzurückkommt und auch die von 22,10 herrührende Zeitangabe עד עולםbietet. F והצלחת – Die Erfolgsverheißung Davids an Salomo wird in 1Chr 22,11.13 jeweils prospektiv ausgesprochen und bereits in 1Chr 29,23 retrospektiv eingeholt. ( ויצלחPKwaw) stellt jedoch im Rahmen des Inthronisationsvorgangs eine Prolepse auf 2Chr 7,11 dar, wo צלחdas letzte Wort der Vollendung des Tempels ist und damit den eigentlichen Erfolg Salomos hervorhebt, der in 1Chr 29,23 zwar durch den Erzählerkommentar antizipiert, als Erzählepisode je 269 Tiňo 2010, 45 hält fest, dass „[t]his feature brings the figure of David very close to that of Moses in the sense that both, although for different reasons are deprived, by YHWH’s decision from reaping the fruit of what they so carfully prepared.“ Beentjes (z. St., 186) gibt den Hinweis, dass שפך דםim Alten Testament sonst nicht als Begriff zur Bezeichnung der Kriegsführung, sondern insbesondere im kultischen Bereich (Ex 29,12; Lev 4,7; Dtn 12,6) verwendet werde. Vgl. auch Kelly 1996, 53–61. 270 Dabei wird hier bereits das erst in 2Chr 6,41 f anklingende und von Ps 132 herrührende, mit der Lade verbundene Motiv der Ruhe antizipiert.
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5. Kult-Personal
doch noch nicht realisiert ist. Allein dieser Erzählzug zeigt exemplarisch, dass die Chronik zwar historiographisch-sequenziell vorgeht, dabei jedoch Motive einbettet, die sich gleichsam wie in eine „Krümmung des Erzählraumes“ einfügen, d. h. quer zu jeglichem Zeitbezug und damit auch zu der Gattung der Historiographie stehen. G שכל – Das durch das Lexem שכל, Klugheit / Einsicht, induzierte Verhältnis zwischen 22,12 und 28,19 steht durch den Tora-Bezug unmittelbar im Fokus dieser Arbeit.271 Der Bedeutung des Tora-Begriffes waren wir bereits nachgegangen, an dieser Stelle geht es allein um die Verhältnisbestimmung der zwei Verse. 22,12 gibt gewissermaßen die Gelingensbedingungen für den von David zwischen den zwei Temporaldeiktika ( עתהjetzt) und ( אזeinst272) erbetenen Erfolg (צלח, V.11.13)273 an. Salomo möge Begabung an Klugheit und Einsicht274 von Gott erhalten, auf dass er die Tora JHWHs, seines Gottes, bewahre. Das Schlüsselwort שכלlenkt den Blick auf 28,19, wo JHWH David einsichtig macht (שכל, hif.): הכל בכתב מיד יהוה עלי השכיל כל מלאכות התבנית. „All diese – hat er mir durch eine Schrift aus der Hand des Herrn verständlich gemacht – alle Arbeiten des Bauplanes.“ Vom Bauplan war bereits in 28,11.12 und 18 die Rede.275 Gleich mit der Einführung des Motivs erfahren wir, dass David Salomo diesen übergibt. Erst mit seiner letzten Erwähnung wird deutlich, von welcher Beschaffenheit der Plan ist: Er ist schriftlich verfasst und von JHWH direkt an David übergeben. JHWH liefert David eine Blaupause zur Herstellung des Tempels, wobei das zuvor mit der Tora verbundene Lexem שכלnun mit der תבניתverbunden wird. Der von JHWH schriftlich auf dem Zion überreichte Bauplan wird damit zum Komplement der schriftlich auf dem Sinai überreichten Mose-Tora.276 Dass jener dabei ein Vorbild in dieser hat (vgl. Ex 25,9.40), zeigt einmal mehr, wie sehr die Außen- und die Innen 271 Vgl. zur Auslegung der Stelle den Abschnitt im ersten Hauptteil. 272 Diese besonders von Th. Mann gebrauchte Temporaldeixis halte ich für die beste Über setzung von אז, da sie die durch diese gleichermaßen vor- wie rückverweisende Partikel konstituierte mythische Gleichzeitigkeit am besten auf den Begriff bringt. 273 S. u. 274 Überraschender Weise konstatiert der phönizische König Chruam diese Begabungsbitte Davids in 2Chr 2,11 als in Erfüllung gegangen, was insofern besondere Prägnanz erhält, als neben Dan 9,22 überhaupt nur hier die Kombination von שכלund בינהvorliegt. Vgl. aber die Kombination von ביןund ( שכלDtn 32,29; Neh 8,8!; Ps 94,8; Jes 44,18; Dan 1,4.17; 9,22; 11,33; 12,10). 275 S. u. „Kult-Gegenstand“. 276 Insofern ist Steins 1995, 420 völlig im Recht, wenn er schreibt: „Das Sinai-Heiligtum ist in der Sicht der Chronik nicht nur das ‚Vorbild‘ des salomonischen Tempels, sondern sein ‚Vorgänger‘, d. h. der salomonische Tempel tritt an die Stelle des mosaischen Wüsten-Heiligtums, und dieses Heiligtum wird in den Tempel überführt; entsprechend muß auch das Kultpersonal am neuen Heiligtum inauguriert werden.“
5.3 Topoi
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perspektive der Tora-Rezeption miteinander verschränkt sind.277 Umso deutlicher, wenn man berücksichtigt, dass die תבניתan Mose mündlich übergeben wird.278 Knoppers weist darauf hin, dass „[t]he revelation comes to David through writing rather than as consequence of a vision or a speech. […] Like Moses, David receives a tabnît, but this tabnît takes the form of a written text. The difference between the two conceptions – one oral and visual, the other written and textual – can only be understood as part of a long development in ancient Israel.“279 Die Entwicklung von der Mündlichkeit zur Schriftlichkeit zeichnet Knoppers nun durch Rückgriffe auf Ezechiels „temple vision“280 sowie Traditionen aus Jeremia und Sacharja nach. „The revelation ‚from the hand of Yhwh‘ given to David should be understood against this broader progression.“281 An Knoppers Darstellung ist vollkommen zutreffend, dass der direkte Vergleich der mosaischen תבניתmit der davidischen auf einen Kontrast von Mündlichkeit und Schriftlichkeit zuläuft. Dabei muss jedoch einerseits berücksichtigt werden, dass der himmlische Bauplan, den JHWH an Mose übergibt, bereits unter den Vorzeichen von 24,12b und damit der Transformation zur Übergabe der von JHWH selbst verschriftlichten Tora an Mose steht. Das bedeutet, dass die lange Entwicklung von der Mündlichkeit zur Schriftlichkeit, die Knoppers über Ezechiel, Jeremia und Sacharja nachzeichnet, sich auch in der literaturgeschichtlichen Entwicklung des Pentateuchs wiederfinden lässt. Daraus folgt, dass aus der Polyphonie der Perspektiven des Pentateuchs keinesfalls die mündliche Übergabe als die einzige herausgehört werden kann und gerade auf Grund des erst auf der Ebene der Pentateuchredaktion eingebrachten Hinweises auf die Skriptualität die Übergabe des Bauplanes auch unter diesem Vorzeichen gelesen werden muss. Damit korrespondiert eine Beobachtung, die Knoppers selbst ins Spiel bringt, jedoch nicht mit Blick auf den vorderen Rahmenteil der Ämterliste überträgt. JHWH selbst macht David den Bauplan verständlich. Zu Recht weist Knoppers auf das Vergleichsmoment in Neh 8,8 hin, wo erzählt wird, dass die Leviten aus der Tora vorlesen und diese in kleinen Abschnitten dem Volk erklären ()שים שכל, so dass sich bei diesem ein Verstehen einstellt. Im Hinblick auf den vorderen Rahmenteil korrespondiert die davidische תבניתgenau über das Stichwort mit der Tora, von der es heißt,
277 „Mit dem Begriff tabnît ist“ laut Albertz „wahrscheinlich nicht das himmlische Heiligtum Gottes gemeint, das Mose sich hätte zum Modell nehmen sollen. Denn da in 25,40 von ‚ihrem Modell‘, d. h. vom jeweiligen Modell der zuvor genannten sakralen Gegenstände, gesprochen wird, ist offensichtlich an ein dreidimensionales Baumodell der Wohnstätte gedacht.“ (Ders. z. St., 156). 278 Vgl. die Redeeinleitung in Ex 25,1. 279 Knoppers 2004b, 934 f. 280 Ebd., 935. 281 Ebd., 935.
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dass Salomo sie aus Klugheit und Verstand heraus halten soll. Da also einerseits die mosaische תבניתTeil der von JHWH selbst verschriftlichten Tora ist und andererseits ein Bezug auf die verschriftete Tora besteht, ist der Unterschied wesentlich kleiner als zunächst angenommen. Wichtig ist 1Chr 28,19, wo deutlich wird, dass der Bauplan für den Tempel ein Schriftstück aus der Hand JHWHs ist. Damit wird David nicht nur zu einem Baumeister im Sinne des Mose, sondern weit darüber hinaus auch zu einem Übermittler göttlich verfasster Schriften, auf deren Grundlage er מצות (2Chr 29,25) erlassen kann. Wenn also in 2Chr 35,4 erneut auf die levitischen Aufgaben rekurriert wird, die diese nach dem Abstellen der Lade zu erfüllen haben und dabei auf die Schriften ( )בכתבDavids und Salomos rekurriert wird, ist damit nicht das von diesen selbst Geschriebene gemeint, sondern die göttliche תבנית, die analog zur von Gott selbst verschriftlichten Tora (Ex 24,12b) an David übergeben worden war. Damit wird dann indirekt der Zion als Offenbarungsort göttlicher Schriften zu einem zweiten Sinai gemacht. Ein Blick in den Konkordanzbefund verstärkt diesen Eindruck. תבניתwird offenbar ausschließlich in nachexilischen Texten verwendet. Zu nennen ist hier insbesondere der Zusammenhang von Ex 25,9.40; Dtn 4,17.18; 1Chr 28,11.12.18 f; Ps 106,19 f. In Blickrichtung der erzählten Zeit erhält Bezalel die erste תבנית: Gemäß allem, was ich dir zeige, nach dem Bauplan der Wohnung und all ihrer Geräte, so sollt ihr es machen. Der Bauplan enthält also offenbar alles, was zur Herstellung der Wohnung und deren Geräte benötigt wird. Details erfahren wir nicht. Die תבניתwird dann ein zweites Mal in V.40 erwähnt: Und siehe, dass du sie nach ihrem Bauplan machst, der dir auf dem Berg gezeigt wird. Kontextutell gehört also offenbar all das, was in den Versen 6–39 genannt wurde, zu dieser תבנית. Eigentümlicherweise wird bei der Ausführung der Bauarbeiten jedoch gerade auf diese תבנית, die immerhin Teil der Sinai-Offenbarung ist, nicht mehr Bezug genommen. Angesichts der Bedeutung der תבניתergibt sich mit dem fehlenden Rekurs bei der Ausführung der Eindruck, dass dieser Begriff sekundär in den Kontext eingesetzt wurde. Die Frage nach dem Zweck dieser Einsetzung führt unmittelbar nach Dtn 4; 1Chr 28 und Ps 106,19 f. In Ps 106,19 f wird der Begriff תבניתnicht mehr positiv, sondern negativ konnotiert, indem eine Antisituation zu Ex 25 geschildert wird. In Ps 106 ist die תבניתgerade nicht mehr Teil der Sinai-Offenbarung, sondern sie wird zur Grundlage einer Verschmähung des כבודdurch die Anfertigung eines Stiers, der – metaphorisch vitalisiert – auch noch Gras fressen soll (V.20). Offenbar ist das Lexem תבנית dabei dem vorausgehenden מסכה, das auch aus Ex 32,4.8 bekannt ist, identifizierend beigeordnet worden. Vor diesem Hintergrund der Konfliktstellung einer תבניתJHWHs vom Sinai und einer תבניתdes Volkes am Fuße des Sinai radikalisiert Dtn 4,16–18 nun im Kontext der Sinaioffenbarung das Bilderverbot, insofern hier auf fünffache Weise die selbständige Anfertigung jeglicher Form der תבנית, sei sie menschlisch, tierisch oder pflanzlich, zurückgewiesen l
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wird. Dabei werden hier einerseits Gen 1,14–27, aber auch Ez 8,10 aufgenommen. Die Chronik, die nun, wie bereits gezeigt, Dtn 4 und – wie noch gezeigt wird282 – auch Ps 106 schon kennt, scheint diesen Zusammenhang also aufzunehmen und die Ambiguität der תבניתdahingehend aufzulösen, dass Salomo nun erneut eine תבנית, dieses Mal in schriftlicher Form, aus der Hand JHWHs ( )מיד יהוהerhält und auf diese Weise explizit legitimiert ist, den Tempel und alle Kultgegenstände anzufertigen. Durch diesen Zusammenhang erklärt sich an dieser Stelle auch die in 1Chr 28,12–18 gebotene Ausführlichkeit, die nicht nur alles Aufgelistete dem Bilderverbot in Dtn 4 entgegenstellt, sondern das heikle Unterfangen, überhaupt noch eine תבניתherzustellen, auf die göttliche Urheberschaft zurückführt. H צלח – vgl. F. I חזק ואמץ אל־תירא ואל־תחת – „Sei stark und mutig, fürchte dich nicht und sei unverzagt.“ 22,13 und 28,20 entsprechen sich im Wortlaut exakt, wobei im hinteren Rahmenteil noch ein ועשהeingefügt ist. Während Salomo im vorderen Rahmenteil zunächst grundsätzlich auf das göttliche Gesetz eingeschworen wird und damit der Erfolg seiner gesamten Regentschaftszeit vorgezeichnet wird, holt der hintere Rahmenteil den Motivationsspruch mit Blick auf das konkrete Bauvorhaben des Tempels ein. Vor diesem Hintergrund erklärt sich die Adiectio, die die vorausgegangene Übergabe der תבניתmit der Aufforderung fortsetzt, nun dementsprechend zu handeln: ועשה. J והניח לכם – David bittet die Anführer Israels in V.17 um Hilfe für seinen Sohn Salomo. Unter dem Hinweis, dass JHWH dem Volk Ruhe verschafft habe, gibt V.18 dann einen weiteren Impuls in Richtung der Beziehung zwischen dem Mann der Ruhe und dem Haus der Ruhe. K 1. לבב/ נפש – Während David die Anführer des Volkes bittet, Herz und Seele auf JHWH zu richten und nach ihm zu suchen ()דרש, wird von Salomo im hinteren Rahmenteil noch etwas mehr verlangt. Er soll den Gott seines Vaters erkennen (ידע, Imp.) und ihm mit ganzem Herzen ( )לב שלםund vollständiger Seele ( )חפצה נפשdienen. Salomo wird damit gegenüber dem Volk exponiert und so wie JHWH alle Herzen sucht, wird Salomo ebenfalls aufgetragen, JHWH zu suchen. Dabei wird die reziproke Suche durch die Komplementarität von Suchen ( )דרשund Finden (מצא, nif.) flankiert. 2. מקדש – Nur zwei Mal wird im David-Salomo-Narrativ der Ausdruck מקדש gebraucht. Kaum zufällig einmal im vorderen und einmal im hinteren Rahmenteil der Ämterlisten. 282 Vgl. S. 368–370.
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3. ארון ברית־יהוה – Für die Bundeslade finden sich die unterschiedlichsten Bezeichnungen in der Chronik.283 Im Rahmen der Ämterlisten wird jedoch konsequent von ארון ברית יהוהgesprochen. Die Einbringung der Lade wird dabei als eigentliches Ziel des Tempelbaus ausgegeben. 22,19 heißt es להביא את־ארון ברית־יהוה … בנו את־מקדש. Auch 28,2 heißt es עם־לבבי לבנות בית מנוחה לארון ברית־יהוה. Die Prädominanz der Lade führt dabei in 28,11 zu dem im Alten Testament einmaligen Tempel-Epitheton בית הכפרת. Die Fülle der Bezüge zwischen 1Chr 22 und 28 f ist sicherlich zu erweitern und zu präzisieren, das hieße jedoch nur der These weiteren Nachdruck zu verleihen, die bis hierhin schon sehr deutlich profiliert ist, dass sich nämlich die Kapitel rahmend um 1Chr 23–27 legen und den gerahmten Inhalt zumindest im Kern damit als einen Grundbestand der Chronikbücher ausweisen. Die dort angesiedelten Ämterlisten stellen zumindest der Grundschicht nach einen originär chronistischen Bestandteil dar und sind dementsprechend ganz grundlegend im Horizont einer Tora-Rezeption der Chronik auszulegen. Davon unbenommen sind sekundäre Erweiterungen der Ämterlisten, die auch Knoppers, ebenfalls ein Vertreter der hier vorgebrachten These, beobachtet.284 Vor diesem Hintergrund richten wir einen kurzen Blick auf die Ämterlisten in 1Chr 23–27.
5.3.6 1Chr 23–26.27 – Ämterlisten In 1Chr 23–26 kommt es zu einer Fortsetzung des genealogischen Stoffes. Die jüngeren Kommentare sind einstimmig der Auffassung, dass zumindest ein Grundbestand des Listenmaterials aus diesem Kapitelbereich der Grundschicht des Chronisten zuzurechnen ist. Das Material lässt sich sehr grob in folgender Weise gliedern: 1Chr 23
Einteilung der 24 Levitenklassen
1Chr 24
Einteilung der 24 Priesterklassen
1Chr 25
Einteilung der Sängergruppen
1Chr 26
Einteilung der Torhütergruppen
1Chr 27
12x 24.000 Mann starke Dienstgruppen
283 S. u. „Kult-Gegenstand“. 284 S. o.
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Vier der fünf Kapitel stehen unmittelbar im Zusammenhang mit dem Bau des Tempels. Die Ausdifferenzierung der Leviten, Priester, der Sänger und Torwächter erfüllt eine wichtige Funktion bei der Bereitstellung des kultischen Personals. Eine Untersuchung des Materials führt weit über die Tora-Rezeption in der Chronik hinaus. Dort, wo sie nicht von der Rezeptionsperspektive wegführt, sollen im Folgendenen kleinere Beobachtungen notiert werden. Für umfänglichere Untersuchungen sei auf den Kommentar von Knoppers verwiesen, der in der Analyse den höchsten Komplexitätsgrad erreicht.285 Wir beschränken uns hier auf die Beobachtungen, die den Merkmalen der chronistischen Tora-Rezeption noch etwas hinzusetzen.
a) 1Chr 23 – Die Einteilung der 24 Levitenklassen 1Chr 23 entwickelt das chronistische Levitenmodell stringent weiter. In pointierter Weise kürzt V.1 die wohl kritischste Episode des davidischen Königtums auf eine kurze Notiz der friedlichen Regenten-Sukzession herunter: ודויד זקן ושבע ימים וימלך את־שלמה בנו על־ישראל. Nur ein weiteres Mal wird Davids Alterssituation geschildert. In 1Kön 1,1 heißt es ebenfalls והמלך דוד זקן בא בימים. Dort sehen wir einen altersschwachen, impotenten David, der keinesfalls seine Nachfolge regeln könnte. Die aus dieser Schwäche resultierenden Thronwirren, die letztlich auf den Nachfolger Salomo hinauslaufen, werden vom Chronisten en passant erledigt. Seine Erzählstrategie ist eine andere. Ihm liegt an der größtmöglichen Beteiligung Davids an dem durch Salomo vollzogenen Tempelbau. Angesichts dieses Kontrasts hat bereits de Wette, der noch von der genuinen Zugehörigkeit von 1Chr 22–29 zum Grundbestand der Chronik ausgegangen war, den Befund als legendarische Bildung beurteilt.286 Es kommt hier nun zu einer Ausdifferenzierung der Leviten in der 26. Generation ohne Berücksichtigung der Linie des Hohenpriesters. Die Aaronsöhne werden dabei offenbar mit Blick auf 1Chr 24 überhaupt nicht erwähnt, was für die enge Zusammengehörigkeit der Kapitel spricht.287 Dafür werden in V.15 die beiden Mosesöhne Gerschom und Elieser jeweils bis in die 28. Generation weiterverfolgt. Das ist insofern wichtig, als Elieser sonst nur in Ex 18,4 erwähnt wird, wo 285 Vgl. Knoppers z. St., 788–917. 286 De Wette 1806, 120. Dabei zeigt die Beschreibung der Umstände זקן ושבע ימים, die sich im Alten Testament sonst nur anlässlich der Tode Abrahams, Jakobs, Jehojadas und Hiobs findet, dass man sich die Szenerie ab 1Chr 23,1 schon auf dem Sterbebett vorzustellen hat. 287 Vgl. dazu Steins (1995, 313–315), der zu einem ähnlichen Ergebnis kommt und damit die These Schürers (1901–1904, 237 u. 290) entkräftet, dass 1Chr 24 in die Makkabäerzeit zu datieren sei, während er in der Auseinandersetzung um die Spitzenstellung Jojaribs insbesondere darauf hinweist, dass keine Anhaltspunkte vorliegen, die eine Datierung von 1Chr 24 nach Neh 12,1–21 rechtfertigen. Dabei muss beachtet werden, dass genau diese Annahme Steins eigenem Datierungsvorschlag eigentlich in die Hände gespielt hätte. Vgl. dazu im Folgenden.
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er mit einer Namensätiologie eingeführt wird. Es fehlt hier jeglicher Hinweis auf die Kehat-Aminadab-Tradition, während die Jizhar-Linie mit Schelomit in1Chr 23,18 eine bisher unbekannte Fortsetzung findet. Labahn hält die Verse 13b und 14 für sekundär. Während 13a noch an Ex 6,18–20 anschließe, führe die Fortsetzung in 13bf gegenüber der Vorlage Neuerungen ein, „indem überraschend die Auskunft erteilt wird, dass Aaron für das Allerheiligste zuständig und Mose ein Mann Gottes sei.“288 Die Informationen über Aaron ließen sich zwar noch mit V.25 f.28–32 verbinden, jedoch passe die Bezeichnung Moses als ‚Mann Gottes‘ nicht in den Kontext.289 Zwar ist die anschließende Beobachtung zutreffend, dass es unstimmig sei, die Mose-Söhne eigens zu den Leviten zu rechen (קרא, nif.), während die Aaron-Söhne nicht auf dieselbe Weise identifiziert werden. Für beide Söhne Amrams, des Enkels Levis, sollte es selbstverständlich sein, dass deren Söhne weiterhin zu den Leviten gehören. Der Chronist ist also im Hinblick auf Mose überinformativ. Damit bringt er eine Implikatur hervor, die auf die Unterscheidung der Aaroniden von den Mosenachfolgern zielt. So weit, so gut! Die Frage ist jedoch, warum diese Entwicklung gegenüber der Grundschicht der Chronik sekundär sein soll. Es ist vielfach beobachtet worden, dass die Mose-Figur in der Spätphase des Pentateuchs nicht nur zu einem Propheten, sondern zu dem Propheten schlechthin stilisiert wird. Selbst die Bezeichnung איש האלהיםfindet sich bereits in Dtn 33,1290. Ebenso kann die Darstellung in Ex 6,16–25 nicht gelesen werden, ohne die enge Korrelation mit Lev 10 zu berücksichtigen. Mit anderen Worten: Die gesamte Entwicklung, die Labahn hier für sekundär zugewachsen hält, ist im Pentateuch bereits entfaltet. Berücksichtigt man die literarischen Entwicklungen des Pentateuchs, lassen sich V.13b und 14 zumindest tendenzkritisch nicht mehr ausscheiden. Die Verse bringen gegenüber dem, was in der Konstruktion der Aaroniden und Leviten im Pentateuch vorliegt, keine Neuerung. Zu prüfen ist nun, ob andere Kriterien für ein Ausscheiden der Verse herangezogen werden können. In V.26 findet sich erneut ein Kontrapunkt zum Richterbuch. In Ri 18,30 f heißt es, dass die Daniter sich ein Schnitzbild in Schilo aufstellen und dass Jonathan, der Sohn Gerschoms, des Sohnes Moses, und dessen Söhne dort bis zu dem Tag als Priester dienen, an dem Israel in die Verbannung geführt wird. In der Tradition finden sich zwei Verfahrenstechniken, diesen Götzendienst zu tilgen. Berühmt ist das נ-Suspensum, das aus Mose Manasse macht und jenen damit in die Tradition des nach Hiskia und vor Josia für seinen Kultfrevel bekannt gewordenen Königs stellt. Der Ursprung des falschen Kults wird hier grundsätzlich von der Begrün 288 Labahn 2012, 200. 289 Vgl. ebd. 290 Vgl. Otto z. St., 2238 sowie Ders. 2015, 146 f. Dass das Schicksal des Mose als איש האלהים eine größere Nachgeschichte hat, zeigt sich auch in der Rezeption der Ps 90–92, in denen der Psalmist angesichts des Todes des Mose trostspendende Lieder entwirft.
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dung durch das mosaische Geschlecht abgetrennt. Ein anderes Mittel als das der Transsignifikaiton blieb den Überlieferern des masoretischen Textes von 18,30 nicht übrig, die den Zusammenhang des Heiligtums mit Mose offenbar nicht tilgen konnten und daher minimal-invasiv in den Konsonantenbestand eingegriffen haben.291 Demgegenüber wählt der Chronist in 1Chr 23,16 den Weg der damnatio memoriae und verschweigt nicht nur das Schilo-Heiligtum, sondern auch den Mose-Sohn Jonathan. Dass in 1Chr 23,16 latent noch mit Jonathan zu rechnen ist, ergibt sich aus dem Zusammenhang mit V.17. Sowohl Gerschom als auch Elieser haben jeweils einen Sohn, der gleichzeitig הראשist. Allein von Elieser heißt es in V.17 jedoch, dass dieser keine anderen Söhne als Rechabja hatte, dessen Söhne dafür jedoch zahlreich seien. Zu Gerschom gibt der Chronist keinen weiteren Kommentar ab und schweigt damit beredt.
b) 1Chr 24 – Die Einteilung der 24 Priesterklassen V.2 reflektiert das Versagen von Nadab und Abihu, woraufhin nur noch Eleasar und Itamar als Priester übrig bleiben. Damit werden also offenbar nicht nur Lev 10 und Num 3 an dieser Stelle vorausgesetzt, sondern auch die Notiz aus Num 4,3, dass die gescheiterten Priester keinen Nachwuchs gezeugt hatten (vgl. 1Chr 24,2: )ובנים לא־היו להם. In V.3 ist Zadok über Eleasar bereits in die Aaron-Linie integriert. V.4 mach dabei deutlich, dass sich Eleasar in einer höheren Position befindet als dessen Priesterkollege. Wenn in der Einteilung der 24 Priesterklassen von den Eleasariden doppelt so viele eingeteilt werden wie von den Itamariden, ist damit ganz offenbar das Verhältnis der beiden als „doppelt so wichtig“ abgebildet. Gemäß Ex 38,21; Num 4,28.33 war Itamar wohl ebenfalls mit der Beaufsichtigung der Leviten beauftragt. Die Einteilung der 24 Priesterklassen wird jeweils ( )אלה עם אלהdurch das Los ( )גורלvorgenommen, wobei das Los deshalb zur Anwendung kommt, weil diese die Obersten des Heilgtums ( )שרי קדשund die Obersten Gottes ( )שרי האלהיםgenannt werden. Während diese Wendung hier exklusiv verwendet wird, findet sich jene nur noch in Jes 43,28, was also auf einen Terminus nachexilischer Prägung hinweist.292 Die Einteilung der Priester wird durch einen Schreiber aus dem Gremium des Zweiten Tempels ( )שמעיה בן־נתנאל הסופרschriftlich protokolliert. Offenbar war die Einteilung per Losverfahren ein aufwendiges Ritual, da zur Durchführung eine ganze Reihe von Zeugen genannt werden: Neben dem König werden Zadok293 und Achimelech namentlich genannt. Außerdem sind die Ober 291 Die LXX hat den auch im masoretischen Text mühelos durch die Genealogien zu erschließenden Vaternamen, Μωυσῆς, stets bewahrt. 292 In Qumran ist diese Wendung nur in dem kaum lesbaren Fragment 4Q401 5,4 belegt. 293 Zadok wird dabei durch die Apposition הכהןnoch einmal besonders hervorgehoben und über Achimelech gestellt.
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häupter der Priester und Leviten an der Einteilung beteiligt (לפני המלך והשרים וצדוק )הכהן ואחימלך בן־אביתר וראשי האבות לכהנים וללוים. Die Einteilung könnte problematischer nicht beginnen. In V.7 fällt das erste Los auf Jehojarib, von dem in 1Chr 9,10 bereits die Rede war.294 In dieser Einteilung wird er als erster den 23 anderen Priestern vorangestellt. Jehojarib wird in 1Makk 2,1 als Stammvater der Hasmonäer wieder angeführt: ἐν ταῖς ἡμέραις ἐκείναις ἀνέστη Ματταθιας υἱὸς Ιωαννου τοῦ Συμεων ἱερεὺς τῶν υἱῶν Ιωαριβ ἀπὸ Ιερουσαλημ.295 Damit wird die Chronik mit der Frontstellung Jehojaribs für die Hasmonäer zu einem Begründungstext ersten Ranges.296 Von Johannes Hyrkan I wissen wir, dass dieser „seinen Herrschaftsbereich schließlich in Analogie zu den 24 Priesterklassen in 24 Toparchien ein[teilte] und das Land den jüdischen Bauern zur Bearbeitung [überließ]“297. Ob die Hasmonäer Zadokiden waren, ist jedoch umstritten.298 Die komparatistische Perspektive auf 1Chr 23 und 24 verdeutlicht, dass der Chronist eine Modifikation der im Pentateuch geregelten Hoheit über Einteilungsmodalitäten vornimmt. In 1Chr 23 hat David die volle Hoheit, während in 1Chr 24 die Priester bei der Einteilung mitwirken. Dies ist bemerkenswert, weil David offenbar die volle Souveränität über die Leviten zugestanden wird und sie damit erneut als loyal gegenüber dem Princeps ausgewiesen werden.299 Darin besteht insofern eine Abweichung von den Regelungen des Pentateuchs, gemeint ist die Regelung in Num 3,32, als dort der „Fürst der Fürsten Levis“ ()נשיא נשיאי הלוי300 die Einteilung der Leviten zu beaufsichtigen habe. Die Darstellung der Chronik scheint in der Figur Eleasars, des Priesters, demnach nicht mehr den Fürsten der Fürsten Levis, sondern den Fürsten der Fürsten Aarons zu sehen und diesen genau wie Itamar in die Einteilung der Priester einzubeziehen. Dabei zeigt sich erneut, wie filigran das Verhältnis zwischen Königtum und Priestertum in der Chronik bestimmt wird. Durch die Verankerung der Einteilung von Priestern und Leviten im Pentateuch, der ein reales Königtum der Erzählfiktion gemäß noch nicht kennt, stellt sich nach dessen Abschluss die Frage, wie weitere Regelungen – nun unter den Bedingungen der Erzählfiktion eines Königtums, das realiter nicht mehr existiert – etabliert werden können. Man muss sich die Zeitebenen verdeutlichen, um die Veränderung einordnen zu können: Die Chronik steht in unmittelbarer zeitlicher Nachfolge des 294 Möglicherweise ist יהויריבidentisch mit dem aus Esr 8,16 und Neh 11,10; 12,19 genannten יויריב. 295 Vgl. auch 1Makk 14,29. 296 Dies hat möglicher Weise noch einen Reflex in 4Q320, wo Jehojarib nicht mehr an erster Stelle steht. 297 Tilly / Zwickel 2011, 116. 298 Zur ausführlichen Diskussion dieser Frage verweise ich auf Babota 2004, 269–284. 299 Diese Entwicklung hat in Ex 32,6 ihren Ursprung und lässt sich bis 2Chr 23,7 beobachten. 300 Die LXX bietet „Fürst der Fürsten der Leviten“ (ὁ ἄρχων ἐπὶ τῶν ἀρχόντων τῶν Λευιτῶν).
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Pentateuchs. Dessen Fiktion einer Wüstenwanderung des Volkes Israel absorbiert bereits Diskurse des post-monarchischen, resp. spät-post-exilischen Zeitalters. Die Chronik setzt dann sowohl mit ihrer Erzählfiktion als auch mit ihrer Abfassungszeit etwa ein bis zwei Generationen später an und steht dabei vor einer immensen Herausforderung. Diese besteht darin, dieselben Diskurse aus der Sprache der Konstituierung in die Sprache der Konstitution zu übersetzen. Dies gelingt ihr durch eine Entcharakterisierung der Figuren Davids und Salomos, die zu verhältnismäßig blassen Urzeitkönigen werden und in deren Narrativen letzte Modifikationen der Konstituierung eingeschrieben werden, bevor die post-salomonische Zeit zur Epoche der Konstitution wird. Gültigkeit konnte den davidischen Regelungen dadurch verschafft werden, dass man David nur wenig geringer als Mose zeichnete. Gleichzeitig achtete der Chronist penibel darauf, dem davidischen Königtum nicht die volle Autonomie zu gewähren, sondern konsequent den Gemeinderat in politische Entscheidungen einzubeziehen und in der Folge insbesondere in kultischen Belangen das Priestertum mit größeren Macht- und Durchsetzungsmitteln – selbst gegen den König – auszustatten.301
c) 1Chr 25–26 Die Einteilung der Sänger und Torwächter 1Chr 25 und 26 bieten kaum Anleihen an der Tora. Abgesehen von zwei wichtigen Ausnahmen. Die Korachiter kehren in der Funktion als Schwellenhüter zurück und auch die Söhne des Mose spielen wieder eine Rolle.
d) 1Chr 27 1Chr 27,17 veranschaulicht dabei besonders deutlich, dass die aaronidischen Zadokiden offenbar heftige Widerstände gegenüber einer Identifikation mit ‚einfachen‘ Leviten verspürt haben. Dort werden nämlich im Kontext der Auflistung der Oberhäupter der Stämme Israels ( )על שבטי ישראלfolgende Oberhäupter genannt: ללוי חשביה בן־קמואל לאהרן צדוק – „Für Levi Chaschabja, der Sohn Kemuels; für Aaron Zadok“. Nicht nur, dass für Levi ein bisher vollkommen unbekannter Repräsentant eingeführt wird, es wird außerdem Aaron von Levi getrennt, als seien sie nicht gemeinsamen Ursprungs. Dabei wird für Aaron – wie selbstverständlich – der Anführer Zadok aufgerufen. Die Aufstellung einer zweiten Führungsfigur kann in diesem Kontext nur bedeuten, dass Aaron regelrecht zu einem zweiten Stamm (שבט, vgl. V.16) gemacht wird. Dabei ergibt sich der Verdacht, dass die Konzeption nicht zur Grundschicht des Textes gehört, aus der Vermutung, dass man im Falle der Stammesidentität mit Levi Zadok zum Anführer der Leviten gemacht hätte. Die Verse 16 bis 22a sind dementsprechend als sekundär abzuheben. Mit V.16 ist zudem nicht mehr von שר, sondern von נגידdie Rede, 301 S. u. „Kult-Handlung“.
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wobei V.22 den ursprünglichen Abschluss bildet und an V.15 angeschlossen hat. Die Einsetzung hat dabei wohl vor allem die Emanzipation der Zadokiden von den Leviten im Sinn gehabt, deren legitimierendes Potenzial offenbar im Fortgang der ptolemäischen Epoche nicht mehr gebraucht wurde. Im Gegenteil scheint sich hier sukzessive die Auffassung durchzusetzen, die Zadokiden stünden eher durch ein besonderes Ausleseverhältnis in der Gunst König Davids. Dies ruht erstens auf 1Chr 12,27–29, wo 4600 Leviten gerüstet zu David nach Chebron kommen. Neben diesen werden Jehojada, der Fürst ( )נגידvon Aaron, aufgelistet und Zadok, der eigens mit seinem aus 22 Menschen bestehenden בית אבanrückt. Hier wird er sogar eigens aus den Aaroniden hervorgehoben. Zweitens wird Zadok in 1Chr 29,22 in einem Akt mit Salomos Salbung zum Priester gesalbt. Diese Parallelaktion hebt die Konstruktion einer „putativen Verwandtschaft“ (vgl. Ex 6,23) zum ersten Mal auf eine institutionelle Ebene. In 2Chr 31,10 wiederum scheint diese bereits voll in Kraft zu sein, wenn von einem בית צדוקgesprochen wird. Der Kontrast wird umso deutlicher, wenn man auf einen der Gründungstexte der theokratischen Bearbeitung blickt, wo Aaron, freilich alternativlos, noch zum בית לויgehört.302
Exkurs: Zur historischen Konzeption eines zadokidischen Hohenpriestertums Die Zadokiden schreiben sich, wie wir gesehen haben, über 1Chr 5,27–41 als Hohepriester in den Stammbaum der levitisch-aaronidischen Priester ein. Diese Selbstintegration stellt eine Fortsetzung des Programms dar, das wir in Ex 6,14–25 beobachten konnten. Auf diese Weise legitimieren sich die Zadokiden in der Chronik nachhaltig als levitisch-aronidisch-zadokidische Priester und mithin als Hohepriester. Der Chronist bezeichnet diesen als כהן הראש.303 In der persischen Zeit hat dieser gegenüber dem 302 Vgl. aber auch Ps 135,19 f, wo das „Haus Israel“, das „Haus Aaron“ und das „Haus Levi“ parallel zueinander genannt werden. 303 כהן הראשwird im Alten Testament acht Mal verwendet, davon fünf Mal in der Chronik: 2Kön 25,18; 1Chr 27,5; 2Chr 19,11; 24,11; 26,20; 31,10; Esr 7,5; Jer 52,24. Die alternierende Bezeichnung כהן הגדל, die im Alten Testament insgesamt 21 Mal verwendet wird, gebraucht der Chronist nur einmal: Lev 21,10; Num 35,25.28; Jos 20,6; 2Kön 12,11; 22,4.8; 23,4; 2Chr 34,9; Neh 3,1.20; 13,28; Hag 1,1.12.14; 2,2.4; Sach 3,1.8; 6,11. Der Begriff ( כהן משיחLev 4,3.5.16; 6,15; Num 3,3) findet sich nicht in der Chronik. Dennoch weist die prominente Salbung Zadoks in 1Chr 29,22 in diese Richtung. Mizrahi (2011, 687–705) hat beide Phrasen aus rein linguistischer Perspektive auf ihre distinktive Kraft hin untersucht. Die Argumentation verläuft in methodischer Anlehnung an Hurvitz auf Grundage der Unterscheidung von CBH und LBH (vgl. Mizrahi 2011, 689, Anm. 8). Dabei weist Mizrahi anhand synoptischer Analysen, in denen כהן הגדל כהן הראשersetzt, eine semantische Distinktion unter Berufung auf funktionale Äquivalenz zurück. Während die Phrase כהן הגדלeher in CBH-Texten verwendet werde, sei כהן הראשtypisch für LBH-Texte (Mizrahi 2011, 689 f). Wenngleich Mizrahi frappante altorientalische Parallelen für den Gebrauch von כהן הגדלaufzeigt, bleibt seine Einschätzung für die spezifische Bedeutung für das Alte Testament jedoch thetisch und auf Grund fehlender Korrelation mit den redaktionsgeschichtlichen Befunden kaum exegetisch auswertbar. Auch lässt er die begriffsgeschichtliche Entwicklung unbeachtet.
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persischen Statthalter offenbar eine unabhängige Form der Lokalherrschaft ausgeübt. Dabei wird in der Exegese häufig die These vertreten, dass sich die Zuständigkeit des Hohenpriesters zunächst allein auf kultische Belange erstreckt und sich in späterer Zeit ausgedehnt habe.304 Wohin der Ausgangspunkt dieser Entwicklung zu datieren ist, wieviel später die Expansion entsprechend gewesen ist und in welcher Form die Zuständigkeit des Hohenpriesters gewachsen ist, ist in der Forschung umstritten.305 Erst De facto besteht letztlich ein Konsens darüber, dass sich das Amt des Hohenpriesters, was immer mit dem Begriff in vorexilischer Zeit gemeint gewesen ist, erst in nachexilischer Zeit ausgebildet hat. Galling 1964, 164 bspw. hat die These vertreten, dass die Einsetzung eines Hohenpriesters mindestens den Wiederaufbau des Zweiten Tempels voraussetze. Mehr Beachtung verdient jedoch Mizrahis Beurteilung der Phrase כהן הראש. Diese sei interessanter Weise eine Phrase des Übergangs gewesen, die in griechisch-römischer Zeit sukzessive wieder durch כהן הגדלersetzt wurde (vgl. Mizrahi 2011, 692), weshalb Mizrahi die Verwendung der Phrase ausschließlich auf die spät-persisch / früh-hellnistische Zeit eingrenzt. Dabei kommt jedoch die Analyse der Qumranbefunde deutlich zu kurz, wo כוהן הרואשimmerhin noch 18 Mal attestiert ist: CD 14,3.5; 1QSa 2,12; 1QM 2,1; 12,20; 15,4; 16,13; 18,5; 19,11; 2Q24 4,15; 4Q249 f 1,1; 4Q249g 2,12; 4Q249i 1,3; 4Q387 5,5; 4Q492 1,11; 4Q494 1,4; 11Q14 1,10; 11Q19 14,19. Anhand von Neh 11,15–17 und 1Chr 16,4–5 hebt er hervor, dass hier nicht einfach eine Vorliebe für das Lexem ראשzu verzeichnen ist, sondern vielmehr ראשin Verbindung mit משנהgebraucht wird. Das in genealogischen Kontexten des CBH gebrauchte Begriffspaar בכורund משנהwerde בכור später durch ראשersetzt (vgl. Mizrahi 2011, 701). Hinter diesem Wandel verbärge sich laut Mizrahi das Bestreben, eine klarere, an den Ordinalzahlen orientierte Systematik einzuführen, die auf Herrschaftsstreitigkeiten der Hohenpriester in der ausgehenden Perserzeit zurückgehe. Mizrahi denkt dabei an bei Josephus genannte Streitigkeiten (vgl. Mizrahi 2011, 704) zwischen Johanan und dessen von Bagos unterstütztem Bruder Jeshua (vgl. Ant. 11.297–301). In Frage käme s.E. auch der Streit zwischen Johanans Söhnen Jaddua und Manasse (vgl. Ant. 11.302–346). Dass die Besetzung des Hohepriesteramtes zwischen Brüdern ausgetragen wird, hat freilich auch eine Parallele in Ex 6,14 ff und Lev 10, die Mizrahi genau wie die Komplexität der Genealogien in 1Chr 5,27–6,38 und der 24 Priesterklassen in 1Chr 24 unberücksichtigt lässt. Auch die Num1–4 entwickelte Konzeption, dass das Volk sich aus agnatischen Gruppen, den בית אבות, zusammensetzt, die wiederum in die kleinere Einheit משפחהunterteilt werden und an deren Spitze jeweils ein Haupt (ראש, vgl. Ex 6,14; Num 1,4; Num 7,2; Num 17,18!) steht, bereitet Mizrahi durch seinen Hinweis auf die genealogische Implikation der בכור-ראשSubstitution allenfalls vor. M. E. ist die Transformation von כהן הגדלzu כהן הראשjedoch besser vor dem Hintergrund der nachexilischen Ordnung der Gemeinde in בית אבותzu verstehen. Albertz leitet die Strukturierung der nachexilischen Gemeinde in בית אבות, „in denen jede Familie registriert sein mußte, die zum Gemeinwesen dazugehören wollte“ (Albertz 1997, 473), von Esr 2,59 / Neh 7,61 her. Kratz (22013, 100) hat darauf hingewiesen, dass diese eher eine soziale Struktur denn eine politische Organisationsform abbildeten. 304 Vgl. z. B. Rooke 2000, 39: „[I]t can be seen that the indisputable prominence of the high priest in P is indicative of his power not as the head of a hierocratic state, but as the chief cultic minister in a community which is also equipped with other mechanisms of government. There is no support in P for the notion of the high priest as anything more than a cultic figure.“ Pro blematisch ist dabei jedoch, dass Rooke P im Zeitraum von 550–540 (ebd. 13) ansetzt und keine Schichtung der priesterlichen Texte einblendet. 305 Lapp 1963, 22–35 hat auf der Grundlage von Jos.ant. XII,55; 1Makk 10,29–30 und 11,34 ein diffiziles Steuersystem der Ptolemäer angenommen, dass den Hohepriester zu einer direkten Abgabe an den König verpflichtete und weiterhin Steuern wie „a poll tax, crown tax, a stiff land tax, and […] a salt tax auferlegte. Er nimmt ferner an, dass offizielle Steuerbeamte des Königs
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5. Kult-Personal
mit dem Anbrechen der hasmonäischen Epoche legen die Quellen jedenfalls nah, dass es zu einer vollumfänglichen Hierokratie gekommen ist. Albertz hat dargestellt, dass die nachexilische Gemeinde unterhalb des persischen Verwaltungsapparates zunächst von zwei Leitungsgremien regiert wurde: „einem ‚Ältestenrat‘ und einem ‚Priesterkollegium‘, die den persischen Statthalter bei seinen Entscheidungen zu beraten hatten.“306 Von Beginn an lasse sich dabei der Ausbau des Amtes des Hohepriesters „als ein Versuch verstehen, die Rolle, die der König im Kultbetrieb gehabt hatte, durch einen Angehörigen der Priesterschaft dauerhaft zu besetzen und auszufüllen.“307 Achenbach ist der Geschichte der Ältestenräte in vor-exilischer und nachexilischer Zeit nachgegangen und stellt fest, dass Älteste bereits in vor-exilischer Zeit neben Beamten, Richtern und Propheten als wichtige Würdenträger fungieren konnten.308 „Ein nationales Gremium der Ältesten ist indes nicht erkennbar.“309 Im Anschluss an Pohlmann hebt er hervor, dass in der Exilszeit die Ältestenräte insbesondere in der von ihm identifizierten golahorientierten Bearbeitungsschicht des Ezechielbuches (Ez 8,1; 14,1; 20,1.3) eine wichtige Rolle in der Selbstverwaltung spielen. Der früheste Beleg für ein 70er Gremium werde in Ez 8,11 geboten, wobei Achenbach einen Konnex zu dem nachexilischen Gremium „[a]ngesichts der Abhorreszierung der Handlungen dieses Gremiums“310 zu Recht ablehnt. Historisch greifbar sei ein Ältestenrat im Sinne einer Gerousia erst unter Antiochus III (vgl. Josephus, ant. XIII 3,3).311 Für die ptolemäische Epoche konstatiert Albertz, „daß die Ptolemäer darauf verzichteten, einen Statthalter in Judäa einzusetzen. Dies führte dazu, daß der Hohepriester in die Position des politischen Repräsentanten des Gemeinwesens gegenüber dem König (prostátēs) einrückte, seine Leitungsfunktion vom Priesterkollegium auf den Ältestenrat ausdehnte und nun auch die politische Führung übernahm.“312 Genau diese Entwicklung bestätigt sich auch im Übergang von Ex 6,14–25 zu 1Chr 5,27–43.
am Tempel eingesetzt waren und den Hohepriester in seiner Gewalt beschnitten haben. Vgl. auch Keel (2007, 1147 f), der mit dem Hinweis auf Papyrus Rainer 24552 davon ausgeht, dass die Akra in Jerusalem bereits in der früh-ptolemäischen Zeit errichtet und mit einem ὔπαρχος (zuständig für die militärische Sicherheit) und ὀικονόμος (zuständig für die finanziellen Aspekte der Provinz) besetzt gewesen sei. Ob es auch einen κωμάρχος (zuständig für die politisch-administrativen Belange) gegeben hat, ist unsicher. Rooke 2000, 325 f vertritt die These, dass das Hohepriestertum im Grunde bis in die hasmonäische Epoche allein kultische Aufgaben wargenommen und keine politisch-administrative Bedeutung hatte. Keel 2007/2, 991.1147 ist ihr in dieser Auffassung (mit gewissen Einschränkungen) gefolgt. Frevel 2013 hat insbesondere unter Berücksichtigung der literargeschichtlichen Entwicklung des Numeribuches, die schon sehr früh eine Präponderanz des Hohepriesters erkennen lassen, dagegen Einspruch erhoben. 306 Albertz 1997, 473. Dabei beruft Albertz sich auf den Elephantine-Brief A4.7, in dem in Z. 18 f. beide Gruppen als Adressaten früherer Briefe genannt werden. Vgl. auch Kratz 2013, 199. Kratz (2013, 98) hat darauf hingewiesen, dass die persischen Statthalter allem Anschein nach durchgehend einheimisch waren. 307 Albertz 1997, 490; vgl. auch Keel 2007, 1059, der Albertz folgt. 308 Achenbach 2003, 251. 309 Ebd., 251. 310 Ebd., 255. 311 Ebd., 258. 312 Albertz 1997, 593. Albertz verweist dabei auf Sir 50,1–4.
5.3 Topoi
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Die External Evidence, die sich zumindest für drei Hohepriester im Juda der persischen Epoche finden lässt, ist übersichtlich bei Kratz zusammengestellt.313 Belegt sind der Hohepriester Jochanan I (um 410)314, der Priester Jochanan II (zwischen 350–330) sowie möglicherweise der aus Neh 12,10 f.22 bekannte Jaddua (vor 350).315 Auf diesen drei Eckpfeilern vollzieht Kratz die These VanderKams nach, der gegen Cross316 und 313 Vgl. Kratz 2013, 106–111, Lit! 314 Er ist in den Elephantine-Papyri A4.7,18; 4.8,17 belegt. 315 Die beiden letztegenannten sind auf zwei bedeutenden Münzfunden belegt. Die ältere der beiden Münzen trägt eine Legende in aramäischer Kursivschrift, weshalb sie in die erste Hälfte des 4.Jh. datiert wird. Sie bietet den Namen ydwʿ (Entzifferung durch Spaer 1986/87, 1–3). Die jüngere der beiden Münzen wird in die ausgehende Perserzeit zwischen 350 und 330 datiert. Sie trägt die Aufschrift ywḥnn hkhn: „Jochanan, der Priester“. (Entzifferung durch Barag 1986/87, 4–21) Auf Grund des zeitlichen Abstandes unterscheidet Kratz zwischen Jochanan I und II (vgl. Kratz 2013, 107). Das Nebeneinander der Jechezkia- (Gemeint ist Jechezkia, der Statthalter. Vgl. dazu die Übersicht bei Grabbe 2004, 65 f) und der Jochanan-Münze deutet Kratz als eine Art Dyarchie und nimmt damit „die Entwicklung zur Hierokratie an, die das Gemeinwesen in der hellenistischen Zeit genommen hat.“ (Vgl. Kratz 2013, 107, Lit!). Den Begriff der Dyarchie verwenden auch Schaper 2002, 158 f sowie Keel 2007, 984, der diesem folgt. Kritisch wird dieser Begriff von Otto 2001, 408 betrachtet. Vgl. zur Diskussion der Münzfunde auch Achenbach 2003, 54, der das priesterliche Prägerecht mit dem, in der von ihm beschriebenen theokratischen Bearbeitung genannten, ( שקל הקדשEx 30,13.24; 38,24–26; Lev 5,15; 27,3.25; Num 3,47.50; 7,13.19.25.31.37.43.49.55.61.67.73.79.85–86; 18,16) identifiziert, den er später ansetzt als die עמנהin Neh 10. Erst in chronistischer Zeit sei der im Rahmen der Volkszählung in Ex 30 als כופרverlangte Schekel in 2Chr 24,6b zu einer regelmäßig, d. h. jährlichen (vgl. V.5), Steuer aufgefasst worden. (Vgl. Achenbach 20013, 162) Vgl. zu diesem Aspekt auch das Kapitel „Kult-Ort“. 316 Vgl. Cross 1975, 4–18 sowie Ders. 1998, 151–172. Die Rekonstruktion auf der Grundlage von Cross’ These der Papponymie, der Barag 1986/87, 16 f, Schaper 2002, 160 und Keel 2007, 990 gefolgt sind, sieht folgendermaßen aus: 1 Jozadak
geboren vor 587. Chr.
2 Jeschua
ca. 570 v. Chr.
3 Jojakim
ca. 545 v. Chr.
4 Eljaschib
ca. 515 v. Chr.
5 Jojada
ca. 490 v. Chr.
6 Jahanan I
ca. 465 v. Chr.
7 Jaddua I
ca. 440 v. Chr.
8 Johanan II
ca. 415 v. Chr.
9 Jaddua II
ca. 390 v. Chr.
Johanan II und Jaddua II sind in in diesem Modell auf Grund der Annahme einer Papponymie nur postuliert. Die Modelle von Kratz und VanderKam, die mit der external evidence und nicht mit Neh 12 einsetzten, rechnen ab Jojada mit langen Regierungszeiten der Hohenpriester und verzichten deshalb auf die Papponymie-These für die es zwar zeitgeschichtliche Indizien, jedoch kaum konkrete Anhaltspunkte gibt. Auch Grabbe 2004, 233 f hat wie Kratz und VanderKam mit dem Hinweis auf die hochgradige Spekulation der Crossschen These diese gänzlich verworfen.
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5. Kult-Personal
Williamson317 gezeigt hat, dass in Hinblick auf Neh 12 keine Überlieferungslücken zu füllen seien, sondern mit einer Vollständigkeit der Liste gerechnet werden könne. Der Zeitraum von 200 Jahren könne VanderKamm zufolge durchaus von den sechs in Neh 10,12 genannten Priestern abgedeckt worden sein. Die Regierungszeiten seien dann zwar sehr lang, jedoch nicht von unrealistischer Dauer gewesen.318 Kratz, der VanderKam folgt, fasst die Regierungszeiten folgendermaßen zusammen: 1. Jeschua
Im Amt nach 539 v. Chr.
2. Jojakim
5. Jh. v. Chr.
3. Eljaschib
5. Jh. v. Chr.
4. Jojada
5. Jh. v. Chr.
5. Jehochanan I
4. Jh. (seit 410) v. Chr.
6. Jaddua
4. Jh. bis ca. 330 v. Chr.
7. Onias I = Jechohanan II319
seit ca. 330 v. Chr.
Folgt man dieser Überlegung, die der External Evidence das erste Wort lässt und den Befund nicht zugunsten der biblischen Überlieferung umdeutet, ergibt sich mit Kratz, VanderKam und Grabbe ein stimmiges Bild, von dem jedoch unsicher ist, ob es ein vollständiges ist: „The uncertain nature of the high priestly list during the Persian period simply has to be recognized by all who want to work in this period.“320 Für die nachexilische Epoche ist allein auf Grund der nur fragmentarischen Überlieferung der Hohenpriesterliste in der Perserzeit nicht mit vollkommener Sicherheit zu sagen, ob es sich durchgängig um Zadokiden im Amt gehandelt hat.321 Für die hellenistische Epoche gilt dies jedenfalls bis zum Hohepriester Menelaus (171–162) als wahrscheinlich.322 Ein Hauptproblem der Rekonstruktion ist dabei, dass es für das Priestergeschlecht der Zadokiden nur spärliche Hinweise außerhalb des Alten Testaments gibt.323 Grabbe hat aufgearbeitet, dass die nachexilischen Hohenpriester aller Wahr 317 Williamson 1985, 358–366. 318 Vgl. VanderKam 1991, 67–91 sowie Ders. 2004, 85–99. 319 Bei der Identifikation Johanans mit Onias I folgt Kratz VanderKam. Dieser folgt Betylon 1986, 642, der erwogen hat, die „ywḥnn-hkhn-Münze“ auf 335–331 B. C. E. zu datieren. 320 Grabbe 2004, 234. Eine ausführliche Diskussion über im Wesentlichen vier verschiedene Möglichkeiten der Rekonstruktion der Liste der Hohenpriester unter Einbeziehung der Papyri aus Wadi Daliyeh bietet Dušek 2007, 549–598. 321 Vgl. zur Einführung Otto 42005, 1775–1776. 322 Vgl. Keel 2007, 1148. 323 Vgl. Grabbe 2003, 209–213, der in einem kurzen Survey die einschlägigen Belegstellen versammelt: Hekataios v. Abdera erwähnt weder Aaron noch Zadok. Sirach erwähnt Zadok nur in einer hebräischen, im griechischen Text nicht bezeugten Glosse. 1Hen enthält zwar Belege für Aaron, bezeuge jedoch nicht dessen Priestertum. Im Testament des Levi werden weder Aaron noch Zadok erwähnt. In Tobit werden die Söhne Aarons als Priester genannt. Das Jubliäenbuch erwähnt weder Aaron noch Zadok. In 1Makk 7,14 ist von einem Priester aus dem Samen Aarons die Rede. Im (Pseudo-)Aristeas-Brief ist weder von Aaron noch von Zadok die Rede. Derselbe Befund gilt für das Judith-Buch. Der Liber Antiquitatum Biblicarum nennt sowohl Mose als auch Aaron als Priester. Bei Josephus werde das vor-exilische Priestertum von Zadok hergeleitet,
5.3 Topoi
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scheinlichkeit nach zumindest für Zadokiden gehalten wurden, dass aber keinesfalls sicher sei, ob sie wirklich durchgängig Zadokiden gewesen sind.324 Für die vor-exilische Zeit ist die Quellenlage dürftig.325 Es drängt sich aus diesem Grund eine kurze Klärung des biblischen Befundes auf. Zadok wird das erste Mal in 2Sam 15,24–36, d. h. innerhalb der sog. Thronfolge geschichte Davids erwähnt.326 Er wird weder besonders eingeführt, noch wird etwas über seine Herkunft erzählt. Das hat zu der These geführt, dass es sich bei ihm um ein altes jebusitisches Priestergeschlecht handelt.327 Ferner wird die These vertreten, dass auch unter Josia zadokidische Priester am Tempel dienten, gegen deren Autorität während dies nachexilisch unexpliziert bleibt. Lediglich mit Blick auf Alkimus werde erzählt, dass dieser Aaronide gewesen und nicht mit der Familie des Onias verwandt gewesen sei. Dessen zadokidische Abstammung sei wohl stillschweigend vorausgesetzt. In Qumran würden sowohl die בני צדוקals auch die בני אהרןmit dem Priestertum identifiziert und damit wahrscheinlich synonym verwendet. 324 Vgl. Grabbe 2003, 214. 325 Hunt stellt die Existenz eines vor-exilischen Priestertums, das sich auf Zadok berufen hat, grundsätzlich in Frage: „There had not necessarily been a Zadokite priesthood prior to this time [Gemeint ist die Zeit des Chronisten, L. M.], during either the monarchic period or the exile. In fact, if there had been a Zadokite priesthood, and certainly if there had been a dominant Zadokite priesthood, that same Zadokite priesthood would be more apparent in the biblical material. It is not“ (Hunt 2006, 213). Sie stellt dabei nicht nur die Existenz vor-exilischer Zadokiden in Frage, sondern will auch diese als eine hasmonäische Fiktion auffassen! Anders urteilt Otto 2013, 271–276, der Hunts These eine restlose Absage erteilt und literarische Spuren vor-exilischer Zadokiden zwar nicht in der Tora, jedoch im Psalter ausmacht: „Der auf die Stadt Jerusalem bezogene ‚Ursprungsmythos‘ der zadokidschen Tempeltheologie der vorexilischen Zeit, der sich nach ersten Ansätzen in spätvorexilischer Zeit zu einer Zionstradition verdichtet, hat im Psalter als Gebetsbuch des nachexilischen Volkes Israel überlebt und Geschichte gemacht, nicht aber in der Tora, die zum Ort der Auseinandersetzung mit dem Ursprungsmythos der Aaroniden wird“ (Otto 2002c, 286). Während die Tempeltheologie offenbar mit der Katastrophe des Exils um 587 v. Chr. in eine tiefe Krise geriet, so Otto, „spaltete sich in der Exilzeit eine Reformgruppe ab, die ihre Legitimation nicht mehr auf den salomonischen Priester Zadok, sondern auf Aaron, den Bruder des Mose, zurückführte.“ (Otto 2002c, 286 f.) Gegen die vor-exilische Tempeltheologie deklarieren diese aaronidischen Priester nach Otto „den Sinai in mosaischer Zeit zum neuen Ort der Kultgründung“ (Otto 2002, 287). Die Zadokiden seien deshalb vor-exilisch so schwierig zu greifen, weil „erst in exilischer Zeit mit der Infragestellung von Davididendynastie und Tempel als Legitimationen die Aaroniden mit einer neuen Legitimationsform sich konstituierten und von den Zadokiden abgrenzten“ (Otto 2007, 273). Erst diese Infragestellung habe eine zadokidische Antwort der Zadokiden, die Otto mit Achenbach für mit der Golah-Theologie der Ezechielschule bewaffnete Rückkehrer hält, provoziert (Otto 2013, 275). 326 Die vorausgehende Erwähnung in 2Sam 8,17 ist textkritisch problematisch. 327 Vgl. schon Mowinckel 1916, 109, Anm. 2. Wellhausen 1981, 61 f sowie Rowley, 1939, 113–141; Albertz 1994, 129; Schaper 2000, 93.270.; Grabbe 2003, 205–215, hier: 206. Einen konzisen Überblick bieten Fabry 2004a, 440–447 sowie Otto 2005, 1775 f. Dabei teilt Otto zwar die Einschätzung, dass Zadok seinen Ursprung in der vor-exilischen Zeit habe, jedoch in die Thronfolgegeschichte Davids erst sekundär eingearbeitet wurde, „um den Zn. Teilhabe an der im Rückblick wachsenden rel. Autorität Davids als Dynastiegründer zu verschaffen.“ (Ebd.) Diese Beobachtung deckt sich mit 1Chr 29,22, wo Zadok im selben Moment zum Priester gesalbt wird, in dem Salomo zum König gesalbt wird.
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5. Kult-Personal
jedoch andere Priester aufbegehrten.328 Zadok fungiert zunächst neben dem zweiten Protagonisten Abjatar als Priester. Zwischen beiden Priestergeschlechtern scheint dabei ein ebenbürtiges Verhältnis zu bestehen. Während der Nachfolgestreitigkeiten um Davids Thron, wie sie in 1Kön 1 geschildert sind, kam es zur Opposition zwischen Abjatar, der Adonija-Partei (1Kön 1,7), und Zadok, der Salomo-Partei (1Kön 1,8).329 Mit der Durchsetzung Salomos als König gehen dieser und Zadok ein Verhältnis wechselseitiger Legitimation ein: Zadok salbt Salomo zum König (1Kön 1,38 f) und dieser vertreibt den Priester Abjatar aus Jerusalem und setzt stattdessen Zadok als Hauptpriester ein (1Kön 2,26 f.35). Dabei rekurriert 1Kön 2,27 auf die Erfüllung eines Wortes an das Haus Eli ()למלא את־דבר יהוה אשר דבר על־בית עלי בשלה330. Das Wort, von dem hier die Rede ist, findet sich in 1Sam 2,27–36. Dort wird Eli von einem Gottesmann ( )איש אלהיםdas Ende seiner Dynastie331 und insbesondere der Tod seiner Söhne Hofni und Pinchas angekündigt. Ferner kündigt Gott die Auswahl eines treuen Priesters an ()כהן נאמן, dem er ein beständiges Haus ()בית נאמן332 bauen wolle, auf dass dieser vor dessen Gesalbtem wandle ()התהלך לפני־משיחי.333 Offen bleibt an dieser Stelle, wer dieser Priester sein soll. 328 Vgl. Albertz 21996, 344 sowie auch Schaper 2000, 90–94. 329 Keel und Schaper fassen die Opposition geographisch und sprechen von „Jerusalemer Partei“ (Vgl. Keel 1993, 439–502) und „Hebron-Partei“ (Vgl. Schaper 2000, 93). 330 Die Phrase מלא דברfindet sich nur noch in 2Chr 36,21. Über das von der LXX gebotene πληρόω τὸ ῥῆμα ist sie im Neuen Testament umfassend als Schrifterfüllungszitatformel ἵνα πληρωθῇ τὸ ῥηθέν gebraucht worden (vgl. z. B. Mt 1,22; 2,15.17.23; 4,14; 8,17; 12,17; 13,14 u. ö.). In Qumran ist sie nicht belegt. Hier findet sich (teils mit eschatologischer Sinnrichtung) alternativ die Wendung ( בבוא הדברvgl. CD 7,10; 17,7; 1Q27 1,8; 4Q267 15,2; 4Q269 13,6; 11Q19 60, 11), die ihren Ursprung in Dtn 18,22 hat. Die Seltenheit der Formulierung, ihre Verwendung in dem späten Chronik-Text, das erst in der neutestamentlichen Literatur auftretende Erfüllungszitat, vor allem jedoch die von Dtn 18,22 abweichende Formulierung weisen darauf hin, dass 1Kön 2,27 sowie dessen Komplement in 1Sam 2,27–36 späte Überarbeitungen darstellen, die nicht die dtr. Idiomatik aufnehmen. Vgl. schon Veijola 1975, 35, der den sekundären Charakter als bereits bewiesen hervorhebt und Kuenen als ersten Vertreter dieser These anführt. Veijola arbeitet treffend heraus, dass 1Sam 2,27–36 nicht nur den Tod der Söhne Elis (V.34), sondern auch den Priestermord von Nob (V.32) sowie auch die Rettung Abjatars (V.33a) vorwegnimmt. Weiterhin stellt er dar, dass 1Sam 3,11–14 an die Verheißung des Gottesmannes anknüpft, dabei jedoch die Rettung Abjatars ausblendet. Dass die Vernichtung der Nob-Priesterschaft als eine Erfüllung der Unheilsvorhersage an die Eliden gedeutet werden kann, hängt laut Veijola mit der Identifizierung dieser beiden Gruppen zusammen (ebd. 39). Die Identifizierung hänge an der Genealogie in 1Sam 14,3. Vor allem die Wendung נשא אפודstifte einen exklusiven Zusammenhang zwischen 1Sam 2,28; 14,3; 22,18. Vgl. dazu Schaper 2000, 93, der diese Identifikation ebenfalls voraussetzt. 331 Die rhetorische Frage des Gottesmannes zielt auf eine Offenbarung JHWHs an den בית אבElis, also dessen Vorfahren, in Ägypten (V.27). Von diesen heißt es, dass sie dort als Priester auserwählt worden seien (V.28). In Frage kommen dafür nur die Aaroniden, in deren Stammbaum zum Zeitpunkt der Abfassung der Unheilsandrohung die Zadokiden offenbar noch nicht integriert waren. Die pro-zadokidische Ausrichtung von 1Sam 2,27–36 gehört demnach zur Vorgeschichte der Entwicklung, die zur Synthetisierung der Zadokiden mit den Aaroniden führt. 332 Der Parallelismus zwischen כהן אמןund בית אמןlässt eine wörtliche und eine übertragene Deutung für ביתzu. Einerseits liegt hier ein Verweis auf den unter Salomo zu errichtenden Tempel, andererseits jedoch auch das Versprechen einer beständigen, d. h. ewigen Priesterdynastie vor. 333 Vgl. zur Schichtung des Textes Dietrich 2011, 108–156.
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Ohne genauere Angaben, die auf einen Fortgang der Geschichte schließen lassen, entsteht damit eine Spannung, die den Leser die Erfüllung der „Prophezeiung“, d. h. den Auftritt dieses Priesters erwarten lässt, bis 1Kön 2,27, der einzige Text, der auf diese Verheißung rekurriert, die Spannung auflöst und Zadok als den verheißenen Priester vorstellt. Aus dieser engen Verbindung ergibt sich, dass beide Texte in einem gemeinsamen Stratum anzusiedeln sind, da ohne den jeweils komplementären Teil beide Texte ohne Referenz und damit funktionslos bleiben. Während 1Sam 2,27–36 von Veijola einem DtrG zugeordnet wurde, hat Achenbach anhand der verwendeten Terminologie aufgezeigt, dass die Verheißung des Gottesmannes bereits sehr späte Texte des Pentateuchs voraussetzt und der Zuordnung Veijolas damit den Boden entzogen.334 Er kommt daher zu der Einschätzung, dass „[d]ie in Ezechiel 44,10 ff. programmatisch geforderte Degradierung aller übrigen levitischen Geschlechter und die Privilegierung der Zadokiden […] demnach in der priesterlichen Bearbeitung der Schilo-Erzählung in Gestalt einer Sukzessionserzählung rückwirkend eingetragen“335 werde. Die Gottesmann-Episode ist dementsprechend im Gefälle der Theokratischen Bearbeitung zu lesen. Das Versagen der Eliden wird vor dem Hintergrund dieses Konnexes zum verfallsgeschichtlichen Präludium der aufsteigenden Zadokdynastie, genau wie es sich in Lev 10 mit dem Scheitern der ersten beiden Aaronsöhne findet und wie es die Genealogie in Ex 6,14–25 festschreibt. Der Kontrast von Verfalls- und Aufstiegsgeschichte stellt dabei einen literarischen Topos dar, wie ihn auch der Chronist mit der Ablösung Sauls durch das davidische Königshaus umsetzt. In der Weise, wie Zadok als der Überwinder einer korrupten Priesterschaft und Prätendent einer Priesterdynastie inszeniert wird336, ist der chronistische David als Überwinder eines korrupten Königs und damit als Prätendent einer neuen Königsdynastie gezeichnet. Ihren Ursprung haben die Kompetenzstreitigkeiten in Ez 44,10 f.15, wo sich die Unterscheidung von Leviten (V.10 f) und levitischen Priestern, Zadokiden (V.15), findet. Offenbar gibt es hier zwei Gruppen von Leviten. In V.10 ist von הלויםdie Rede, auf die die Schuld für die Greuel gegen das Heiligtum übertragen wird. Sie werden zum clerus minor degradiert und erhalten eine entsprechende Aufgabenbeschreibung für ihren Dienst am Heiligtum. Demgegenüber kommt es mit den כנהנים הלוים בני צדוקin V.15 zu einer ungewöhnlichen Synthese. Offenbar gibt es hier nicht nur levitische Priester, wie sie im Deuteronomium 334 Achenbach 2017. Demnach setze der Verweis auf die Offenbarung in Ägypten (V.27) Ex 4,27 in Verbindung mit Ex 4,14–16 voraus. Die Erwählung eines Priesters מכל־שבטי ישראל greife auf Dtn 12,5 sowie 18,5 zurück. Das Verbrennen von Räucherwerk sei eine Aufnahme von Num 17,5. Der Verzehr der Feueropfer (V.28) setze Dtn 18,1 voraus. Das Lexem ( בעתV.29) ist nur noch in Dtn 32,15 belegt. Vgl. dazu auch Ders. 1999, 301–304. Vgl. außerdem Samuel 2014, 338, Anm. 1515, der Achenbachs Analyse zustimmt, dessen anti-aaronidische resp. pro-zadokidische Deutung jedoch nicht teilt. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass sich zumindest die pro-zadokidische Lesart auch unabhängig exegetischer Hypothesen von 1Kön 2,26 f.35 her ergibt, wenn man nicht – wie bspw. Rudnig 2006, 132–135 – den Zusammenhang mit 1Sam 2,27–36, bezweifelt. Einen ausführlichen Nachweis dafür, dass 1Sam 2,27–36 weder deuteronomisch, noch deuteronomistisch sein könne, sondern vielmehr post-deuteronomistisch sein müsse, hat Frolov 2006, 58–76 geführt. 335 Achenbach 2017b, 124. 336 Vgl. dazu Sparks 2008, 68.
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5. Kult-Personal
belegt sind337, sondern levitische Priester, die auch noch Zadokiden sind. Auch Rudnig hebt diese ungewöhnliche Opposition in seinem Ezechiel-Kommentar hervor und spricht von einer „contradictio inadiectio […], weil direkt nach der Identitätsformel, die zwischen Priestern und Leviten ein Gleichgewicht herstellt, der Exklusivanspruch der Zadokiden zu stehen kommt, zumal in einem Grundsatzprogramm, das auf die Abwertung der Leviten zielt!“338 Wichtig ist dabei die Einschätzung Rudnigs, dass 44,15 kein sekundäres Element darstellen soll.339 Samuel hält dazu drei Einsichten fest: 1. Die „Qualifizierung der Priester als ‚levitisch‘ in Ez 44,15 [hat] keine eigenständige Funktion und müßte als Übernahme vorgegebenen (deuteronomischen) Sprachgebrauchs erklärt werden.“340 2. In Ez 44,15 ist „der literarische Ausgangspunkt der Rede von den Zadoqiden für die Nachträge in Ez 40,46b und 43,19 (sowie in 48,11 f.) zu suchen“341. 3. In Ez 44 gehe es nicht einfach um eine Trennung von Leviten und Priestern, sondern um die Degradierung ursprünglich levitischer Priester, „die ihrer Verwirrungen wegen künftig nicht mehr Priester sein“342 und deshalb nur noch Leviten heißen dürfen. Levitische Priester dürfen weiterhin nur noch die Söhne Zadoks sein. Samuel führt darauf „eine Zweiteilung des Kultpersonals in (zadoqidische) Priester und (nicht-zadoqidische) Leviten“343 zurück. Samuel setzt den Text vorsichtig und unspezifisch nach PG an. Dabei weist er zu Recht auf die Aufnahme des Textes in der Chronik hin: So erscheint Ez 44 beinahe als eine etwas frühreife bzw. ungenaue Formulierung der künftigen zadoqidischen Position. Erst im Sinne der späteren Fortschreibungen jedenfalls führt eine Spur über die Integration des Zadoqidenstammbaumes in die aaronidische Genealogie in der Chronik hin zu den Jerusalemer Hohenpriestern in der Zeit des Zweiten Tempels, die sich als Amtsnachfolger des unter David aktiven Zadoq auch als ‚Söhne Zadoqs‘ verstanden haben werden.344 Samuel erwägt zwar im Anschluss an Rudnig die Option, Ez 40–48 als eine anti-aaronidische Position zu lesen, die sich an der dtr. Terminologie der ‚levitischen Priester‘ bediene, dabei lässt er jedoch ungeprüft, ob es evtl. Wechselwirkungen zwischen P, D und Ez 40–48 gegeben haben könnte.345 337 Die sekundäre, dtr. Levitisierung der Priester im Deuteronomium ist hier offenbar schon vorausgesetzt. 338 Rudnig z. St., 590. 339 Rudnig z. St., 590. Vgl. auch Rudnig 2000, 288 und Samuel 2014, 369. 340 Samuel 2014, 369. 341 Ebd. 342 Ebd. Hier muss beachtet werden, dass die Feststellung der Ursprünglichkeit vom Standpunkt des Textes als eine Art relative Ursprünglichkeit geteilt werden kann. Wie hoch der Aussagewert für eine absolute Ursprünglichkeit levitischer Priester ist, kann hier nicht diskutiert werden. 343 Ebd. 344 Ebd., 377. 345 So rechnet Otto 2000, 128 f; 248–257 bspw. damit, dass es die Zadokiden waren, die dem Deuteronomium in einer anti-aaronidischen Haltung gegen P seine erste Rahmung (DtrD) gegeben haben. Während die Aaroniden mit P die gescheiterte Tempeltheologie an den Sinai transferiert hätten, sei durch DtrD die zadokidische Choreb-Opposition eingebracht wurden, die in Form der DtrL gegen P eine reale Hoffnung auf das Land implementiert.
5.3 Topoi
331
Rudnig beschreibt die Kommunikationsabsicht von Ez 44,6–8*.9–16* als Anmelden von Ansprüchen gegenüber den Leviten „durch die Beschränkung der priester lichen Rechte auf die Zadokiden (V.15) – auch gegenüber anderen Priesterkreisen“346. Dabei lässt er offen, ob es sich bei diesen um tatsächliche Nachkommen des unter Salomo wirkenden Priesters Zadok handelt oder hier eine reine Konstruktion vorliegt. Eine historische Einordnung von Ez 44,10.12.15 ist seiner Auffassung nach „[v]öllig unmöglich“347. Zu beachten ist jedoch, dass in der Chronik diese Trennung institutionell nicht aufrechterhalten wird. Während es zwar in der hohepriesterlichen Linie zu einem Ausgleich zwischen Aaron und Zadok kommt, die beide in die אלעזר-Linie eingeschrieben werden, spielen die Leviten in der Chronik durch ihre Differenzierung eine von dieser Linie streng getrennte Sonderrolle. Gegenüber dem Status eines clerus minor werden sie mit weiteren Tätigkeiten ausgestattet, von denen die musikalische die prominenteste ist. Dies bestätigt sinnfällig 1Chr 27,17, wo im Rahmen einer Auflistung der Stämmerepräsentanten für Levi und für Aaron je ein eigener Repräsentant genannt wird: für Levi חשביה בן־קמואלund für Aaron צדוק. Außerhalb der Samuel- / Königsbücher; Esra / Nehemia und der Chronik ist von Zadok nur noch im Ezechielbuch in Ez 40,46; 43,19; 44,15 sowie 48,11 die Rede348, wobei Rudnig festgestellt hat, dass alle Erwähnungen ihren Ausgangspunkt in dem „Grundsatzprogramm“ Ez 44,6–16* haben.349 Diesen Text ordnet Rudnig einer priesterlichen Bearbeitung des Ezechielbuches zu, die im 4. Jh. gewirkt habe.350 Die priesterliche Bearbeitung folge einer gola-orientierten Grundschicht und einer diaspora-orientierten Bearbeitungsschicht. Während dabei in der Grundschicht die Hoffnungen auf einen davidischen נשיאformuliert würden351, seien diese durch die priesterliche Bearbeitung konterkariert worden, wobei nicht nur die kultische Prärogative eines weltlichen Herrschers, sondern auch die des nicht-zadokidischen Kultpersonals bestritten worden sei.352 346 Rudnig z. St., 591. 347 Ebd. 348 Der Befund des Ezechiel-Buches gehört in die Vorgeschichte der chronistischen Tora-Rezeption. Er kann hier auf Grund seiner Komplexität nicht analysiert werden, muss aber als literarischer Horizont eingeblendet werden. Für eine detaillierte Analyse sei auf die sorgfältigen und detailreichen Studien von Rudnig, Pohlmann und Konkel verwiesen, deren Ergebnisse hier mit Blick auf den vorliegenden Untersuchungsgegenstand besprochen werden. 349 Vgl. Rudnig 2000, 204–215.322–324 sowie Ders. 2001, 535. Die Erwähnung Zadoks wird von Rudnig in Ez 40,46 (z. St., 562); 43,19 (z. St., 581 f); 48,11 (z. St., 627 f) in den jeweiligen Kontexten durchgängig als sekundär und von 44,6–16 abhängig erwiesen. Vgl. auch Samuel 2014, 364–379. 350 Vgl. Rudnig 2000, 330 f. Dass der Abschnitt ein späterer Nachtrag ist, hebt Konkel 2001, 111 als allgemeinen Konsens hervor. Vgl. zuerst Gese 1957 sowie Zimmerli (z. St., 1113–1140, bes. 1108), der diesem folgt, jedoch statt von einer Zadokidenschicht nur von einem Zadokidenabschnitt spricht (Ebd., 1131). 351 Keel 2007, 902 beschreibt die Redeweise von einem נשיאals einen Bescheidenheitsgestus, der durch die Vermeidung des מלך-Begriffs nicht die einschlägig-negativen Konnotationen des gescheiterten Königtums evoziere und „mit weniger Arroganz behaftet“ sei. 352 Demgegenüber zeigen diesem Ezechiel-Stratum nachgeordnete Schichten des Pentateuchs die Tendenz, den scharfen Kontrast zwischen königlicher und priesterlicher Herrschaft in einen genealogischen Legitimationsprozess zu transformieren, der die priesterlichen Herr-
332
5. Kult-Personal
„Mit diesem Programm“, so Rudnig, „melden die zadokidischen Priester ihre Ansprüche gegenüber den Leviten und – durch die Beschränkung der priesterlichen Rechte auf die Zadokiden (V.15) – auch gegenüber anderen Priesterkreisen an.“353 An dieser Stelle werden demnach die Priester in zwei Klassen eingeteilt: in einen clerus maior der AltarPriester ()בני צדוק, diejenigen der Leviten, die sich JHWH nähern dürfen, um ihm zu dienen ( )הקרבים מבני־לוי אל־יהוה לשרתוund einen clerus minor ()הלוים. Dabei wird offenbar für die Zadokiden bereits vorausgesetzt, dass diese zu den Leviten gehören. Von Aaron ist bei Ezechiel an keiner Stelle die Rede.354 Auffälligerweise wird bei Ezechiel ebenfalls nicht vom Hohenpriester gesprochen. Im Pentateuch wird Zadok nicht erwähnt, dafür ist jedoch umfassend der zadokidische Einfluss auf das Heiligkeitsgesetz, das insbesondere dem Material aus Ez 40–48 vielfach ähnelt, herausgearbeitet worden, sodass die These vertreten wurde, dass dieses von zadokidischen Trägerkreisen in den Pentateuch integriert wurde und sich die Gruppe der Zadokiden auf diese Weise Legitimation und Deutungshoheit über das literarische Corpus verschafft habe.355 In der Folge der Einbringung des Heiligkeits gesetzes sind Achenbach zufolge dann Ex 6,14–25 und Lev 10 entstanden, womit der Stammbaum von Aaron über Eleasar zu Zadok führt und gleichzeitig die ersten beiden Aaron-Söhne als Priester desavouiert werden. In der Chronik werden die Zadokiden schließlich in den Levi-Aaron-Stammbaum integriert und als Hohepriester legitimiert. Dabei wird die im Ezechielbuch entwickelte und von den Theokratischen Bearbeitungen übernommene Vorstellung einer Trennung zwischen clerus minor und clerus maior zumindest im Sinne einer Trennung von Leviten und aaronidisch-zadokidischen Leviten zunächst in dieser Form in die Chronik integriert und dort weiterentwickelt. So war in 1Chr 9,17–34 zu beobachten, dass die Institution der Torwächter unter Rückgriff auf ein Motiv aus Num 2 und Ez 42 weiter differenziert wird. Dabei behaupten
schaftsansprüche aus den davidischen Ansprüchen ableitet. Genau bei diesen Schichten setzt dann die Chronik ein und gibt den Bearbeitungen des Pentateuchs ein institutionengeschichtliches Fundament. 353 Rudnig 2000, 358. 354 Dennoch ähneln sich laut Sparks 2008, 70 die Aufgabenbeschreibungen der Aaroniden mit denen der Zadokiden. Ebenso ähnele sich das Verhältnis der zadokidischen Priester zu den nicht-zadokidischen Leviten mit dem Verhältnis zwischen Aaroniden und Leviten. Differenzierter urteilt Rudnig 2000, 43, der in Ez 40–48 zwar einen „Zwei-Klassen-Klerus“ ausmacht, jedoch in der Unterscheidung der Klassen unterschiedliche Tendenzen aufzeigt. So seien bspw. in Ez 40,45–46a zwei Klassen von Priestern ( )כהניםunterschieden, während in 44,6–16 von Priestern und Leviten gesprochen werde, wobei die levitischen Priester dort erst in einem zweiten Schritt als Zadokiden identifiziert würden (Vgl. Rudnig 2000, 43.204–215.). Wichtig ist dabei der Hinweis auf das Zadok-Schweigen des Pentateuchs: „Daß die Zadokiden als die einzig wahren Priester gelten, steht in Konkurrenz zur Konzeption der Priesterschrift (P), wo Name und Figur Zadoks keinen Platz gefunden haben.“ (Ders. 2001, 536) Genau an diesem Punkt setzt Achenbach ein, der zeigt, dass das Zadok-Schweigen durch theokratische Bearbeitung insofern aufgehoben wird, als diese sich mit ihrem priesterlichen Führungsanspruch über Ex 6,14–26 und Lev 10 in den Pentateuch, genauer gesagt in die Aarongenealogie einschreiben. 355 Vgl. z. B. Otto 2000,128 f; Achenbach 2003, 91–123 u.ö.; Rudnig (2000, 280–331 u. ö.) hebt eben diese Konkurrenzsituation aus der Perspektive Ezechiels hervor.
5.4 Fazit
333
offenbar die Leviten von beiden Polen anti-levitischer Ideologie her größere Autonomie, indem sie sich von der Aufsicht des Hohenpriesters lösen. Der Priester bleibt dabei durchgängig für den Altardienst und die Aufrechterhaltung des Opferbetriebs zuständig (1Chr 16,39 f).
5.4 Fazit Wir haben es in diesem Kapitel auf Grund des besonderen Fokus auf kultische Texte bei der Analyse einer Auswahl einschlägiger chronistischer Texte belassen, die in direkter oder indirekter intertextueller Beziehung zum Pentateuch stehen. Zu beobachten war, dass die chronistische Levi-Genealogie eine enge Schnittstelle mit Gen 46; Ex 6 und Num 1; 2 f; 26 aufweist. Der Chronist übernimmt sowohl das genealogische System des Pentateuchs als auch dessen ideale Lagerordnung, die er jedoch in die Sprache der Genealogie übersetzt. Dabei führt er insbesondere das Verhältnis einer putativen Verwandtschaft zwischen Levi und Juda, das in Ex 6,23 entwickelt und von der Chronik in produktiver Weise übernommen wird, weiter. Die in den golah-theologischen Schichten des Ezechielbuches entwickelte und in die Theokratische Bearbeitung übernommene Trennung von Leviten und Priestern in einen clerus minor und einen clerus maior wird zunächst genauso in die Chronik übernommen, wobei mit Blick auf 1Chr 9,17–34 zu erkennen war, dass der Chronist sich aus beiden Traditionen bedient, um dieses Verhältnis wieder zu nivellieren. Dabei streben die Leviten nach mehr Kompetenzen, ohne dass diejenigen der Priester in irgendeiner Form streitig gemacht würden. Die Analyse der Ämterlisten in 1Chr 22.23–26.27.28 f hat ergeben, dass sich 1Chr 22; 28 f rahmend zu den eingebetteten Listen verhalten und diese in ihrem Grundbestand damit Teil der chronistischen Grundschicht sind. Es ist also von Beginn an mit einer Weiterentwicklung der im Pentateuch angebahnten Ämterstrukturen zu rechnen.
6. Kult-Gegenstand
Im Rahmen der durch das Untersuchungsinteresse vorgegebenen topologischen Einteilung in fünf Bereiche wird im folgenden Kapitel exemplarisch die Umstrukturierung des Lade-Narrativs untersucht. Im Kapitel „Kult-Personal“ haben wir anhand der Darstellung der Komplexität des Verweissystems der Levitengenealogie in 1Chr 5 f einerseits gesehen, dass die Ausdifferenzierung der Leviten in drei Sängergeschlechter unmittelbar an die spätesten literarischen Entwicklungen der theokratischen Bearbeitungen anknüpfen und eng mit den literarischen Prozessen in Gen 46; Ex 6,14–25; Num 1–4; 26, aber auch Jos 21 verbunden sind. Dabei war zu erkennen, dass die strenge Unterscheidung von clerus minor und clerus maior in der Chronik nicht durchgehalten wird und die Leviten nicht nur mit weiteren Aufgaben, sondern auch mit mehr (mitunter auch priesterlichen) Rechten ausgestattet werden. Insbesondere der Vorgang der Levitisierung, der sich z. B. mit Blick auf Samuel und Zadok eindrücklich nachzeichnen ließ, sowie die Rezeption des Genealogie-Fragments in Ex 6, das seinen literarischen Ort in der Genealogischen Vorhalle hat und der Integration der Zadokiden in den aaronidischen Stammbaum dient, zeigt deutlich, dass die in der spätesten Bearbeitungsphase des Pentateuchs begonnenen Diskurse ihre inhaltliche Fortsetzung in der Chronik finden. Die Behandlung des Kultpersonals in 1Chr 13–16 stellt erneut sowohl eine Durchsetzung der Tora als auch deren inhaltliche Fortsetzung dar. Grundsätzlich kommt es auch hier zu einer Aufwertung der Leviten, wobei das Verhältnis zu den Priestern, insbesondere auf Grund der Trennung der Zuständigkeiten, spannungsvoll bleibt. Im folgenden Kapitel wird ebenfalls sichtbar werden, dass auch die im Bereich des Kapitels „Kult-Ort“ zu zeigenden Tora-Rezeptionen in die Ladeperikope hineinreichen. Die Frage nach der Rezeption der Tora in der Ladeepisode 1Chr 13–16 wird erneut von der synoptischen Betrachtung ausgehen und danach fragen, inwiefern Änderungen der Vorlage auf den Einfluss der Tora zurückzuführen sind. Japhet hat aufgezeigt, dass fünf integrale Bestandteile des Narrativs bereits in 2Sam 6 vorgezeichnet sind: (a) David had prepared a tent as a place to receive the ark (II Sam. 6:17[…]). (b) The people were assembled for the occasion (II Sam. 6:15,18–19). (c) A different system of transporting the ark had been introduced: there is no mention of a cart, and II Sam. 6:13 speaks of ‚those who bore the ack.‘ (d) Sacrificial animals had been provided, and the necessary personnel for their sacrifice were prepared (II Sam. 6:13). (e) Musicians for sounding the horn bad also been put in readiness (II Sam. 6:15).1
1 Japhet z. St., 292.
336
6. Kult-Gegenstand
Die Ähnlichkeit der Narrative ist also konsequent zu berücksichtigen und bietet den Ausgangspunkt, von dem aus die synoptische Analyse die Unterschiede hervorhebt. Passagen, die aus 2Sam 6 übernommen sind, lassen demgemäß nur mittelbar Rückschlüsse auf die Tora-Rezeption des Chronisten zu. Treten jedoch Änderungen im Text auf, die auf einen direkten Einfluss der Tora zurückzuführen sind, erhalten wir das spezifisch chronistische Profil der Tora-Rezeption. Die Lade hat in der Chronik einen vollkommen anderen Stellenwert als in Sam / Kön.2 Porzig hat ermittelt, dass „22,1 % der [alttestamentlichen] Lade-Belege in der Chronik vor[kommen] – und das, obwohl der erste Teil der Ladegeschichte 1Sam 4–7 nicht einmal eine Parallele in diesen Büchern hat.“3 43 von 195 Vorkommen, in denen ארוןeindeutig die Lade bezeichnet, finden sich also in der Chronik.4 Es werden dabei alle typischen Begriffskombinationen für die Lade verwendet, wie die folgende Übersicht zeigt: Bezeichnungen für die Lade in der Chronik (MT)
Bezeichnungen für die Lade in der Chronik (LXX)
1Chr 6,16; 13,9.10.13; 15,23.24.27; 2Chr 5,4.5.6.8.9.10; 6,11.41; 24,8.10.11
κιβωτός
1Chr 6,16; 13,9.10.13Ant; 15,23 2Chr 5,4.5.6Ant.8.10; 6,11
1Chr 13,3.5.7.12.14; 15,1.2.15.24;16,1; 2Chr 1,4
κιβωτός τοῦ θεοῦ
1Chr 13,3.5.7.12.13Ant.14; 15,1.2Ant.15.24; 16,1 2Chr 1,4; 5,6Ant
1Chr 13.6
κιβωτός τοῦ θεοῦ κυρίου
1Chr 13,6
1Chr 15,2.3; 16,4; 2Chr 8,11
κιβωτός κυρίου
1Chr 15,2Ant.3 2Chr 8,11
1Chr 15,12.14
κιβωτός τοῦ θεοῦ Ισραηλ
1Chr 15,12.14
1Chr 15,25.26.28.29; 16,37; 17,1; 22,19 28,2.18; 2Chr 5,2.7
κιβωτός διαθήκης κυρίου
1Chr 15,25.26.27.28.29; 16,4.37;17,1; 22,19; 28,2.18 2Chr 5,2.7
ארון ברית האלהים
1Chr 16,6
κιβωτός τῆς διαθήκης τοῦ θεοῦ
1Chr 16,6
ארון הקדש
2Chr 35,3
τὴν κιβωτὸν τὴν ἁγίαν
2Chr 35,3
ארון
ארון האלהים
ארון האלהים יהוה ארון יהוה את־ארון יהוה אלהי ישראל ארון ברית יהוה
2 So weist Street (2009, 13) völlig zu Recht darauf hin, dass „[t]he differences between these two works suggest that they have two separate purposes and interests regarding this narrative.“ 3 Porzig 2009, 244. 4 1Chr 6,16; 13,3.5 ff.9 f.12 ff; 15,1 ff.12.14 f.23 ff; 16,1.4.6.37; 17,1; 22,19; 28,2.18; 2Chr 1,4; 5,2.4 ff; 6,11.41; 8,11; 24,8.10 f; 35,3.
6. Kult-Gegenstand
337
Während 2Chr 35,3 mit ארון הקדשeine einzigartige Formulierung bietet, findet sich interessanterweise der priesterschriftliche Ausdruck ארון העדותkein einziges Mal in der Chronik.5 Der im Ausdruck ארון העדותpräsupponierte Rekurs auf den Inhalt der Gebotstafeln, die sich auch nach chronistischer Vorstellung (vgl. 2Chr 5,10) in der Lade befinden,6 unterbleibt damit, obwohl sich die Phrase אהל העדותin der Chronik7 findet. Signifikant häufig ist der Gebrauch der Bezeichnungen ארון האלהיםund ארון ברית יהוה. Eine besonders weitreichende Attribuierung der Lade, die nicht nur häufig zu finden ist, sondern in den meisten Kapiteln des chronistischen Lade-Narrativs einen Zusatz darstellt, ist ארון ברית יהוה.8 Das zeigt, dass die Lade selbst zu einem heiligen Gegenstand avanciert ist, der eine weit größere Funktion erfüllt, als einfach Transportbehälter des Zwei-Tafel-Gesetzes zu sein.9 Die Lade hat nach chronistischer Auffassung einen festen Sitz im Jerusalemer Kultus. Gleichzeitig, so werden wir sehen, ist sie Grund und Ziel dieses Sitzes, insofern die Überführung der Lade nach Jerusalem den Kult dort überhaupt erst in Gang setzt. Jonker hat insbesondere auf Grund der gegenüber der Vorlage vermehrten Bezeichnung „Lade des Bundes JHWHs“ gefolgert, dass die Bundes-Konzeption auch in der spät-persischen Zeit noch ein Sinnangebot gestiftet hat und in der Übernahme durch die Lade eine literarische Arbeit an der nachexilischen Identität der Gemeinde ausgemacht.10 Dabei weist er darauf hin, dass der Chronist die Bundesvorstellung des Pentateuchs über das Motiv der Bundeslade rezipiert, an das er laut Jonker fünf Vorstellungen anlagert: 1.) Die Lade als überwältigendes Präsenzsymbol JHWHs. 2.) Die Lade als Bestätigungssymbol für das Königtum Davids und Salomos sowie des Tempels. 3.) Die Lade als Fortsetzung des Bundes mit den Vätern. 4.) Die Lade als Verlängerung der
5 Vgl. Ex 25,22; 26,33–34; 30,6.26; 31,7; 39,35; 40,3.5.21; Num 4,5; 7,89; Jos 4,16. 6 Diese Auffassung übernimmt der Chronist aus seiner Vorlage. 7 Vgl. Num 9,15; 17,22–23; 18,2; 2Chr 24,6. 8 Die Wendung wird lediglich in 1Chr 16,6 durch ארון ברית האלהיםvariiert. Eine synoptische Analyse der Lade-Bezeichnungen sowie der gesamten Attribuierungen innerhalb des AT bietet Jonker 2015, 409–429, 413–415. Jonker weist besonders darauf hin, dass die Lade vor allem in den Narrativen Davids und Salomos eine Rolle spielt und in 2Chr 10–36 kaum mehr erwähnt wird. Instruktiv ist auch seine Auswertung von Arbeiten, die in jüngerer Vergangenheit die These vertreten haben, dass der Chronist mit den ברית-Ergänzungen zur Lade eine erkennbare Absicht verbunden habe. Besonders interessant ist der Hinweis auf die Studie von Eskenazi (1995, 258–274), die das Attribut des Bundes über die Lade mit den Leviten in Verbindung bringt. Eigenartiger Weise fehlt bei Jonker jegliche Auseinandersetzung mit Porzigs grundlegender und umfassender Studie zur Lade JHWHs. Jedoch fehlt bei Porzig ebenso eigenartiger Weise die Analyse der Kombination von בריתund אורןin den Chronikbüchern, obwohl allein die Überschrift dieses Kapitels seiner Arbeit explizit den Ausdruck Bundeslade enthält. 9 Jonker (2015, 423 f) ist nicht zu Unrecht der Auffassung, dass die Lade Teil der Neubestimmung der Identität Israels ist. 10 Jonker 2015, 409–429. Dafür spricht bereits, dass etwa ein Drittel der ברית-Belege der Chronik in Verbindung mit ארוןstehen.
338
6. Kult-Gegenstand
Vorstellung eines ewigen Bundes. 5.) Die Leviten als Hüter der Lade gewährleisten die Beziehung zwischen JHWH und Israel.
Achenbach schreibt die Urheberschaft des Ausdrucks ארון ברית יהוהeinem Hexateuch-Redaktor zu, der D und P integriert: „HexRed bildet mit der Bezeichnung der Gotteslade als ’ărôn bərît jhwh einen aus dtr. und priesterschriftlicher Tradition integrierten Begriff.“11 Die Integrationsleistung besteht für Achenbach in einer Synthese von Ex 34,28 und Ex 25,10 ff, die die priesterschriftliche Tradition der Lade mit den דברי הבריתzu arôn berît adonai verbindet.12 Richtig durchsetzen konnte sich dieser Begriff mit Blick auf die weitere Verwendung jedoch erst in den Nachträgen zu Josua13 und in den Chronikbüchern.14 Offensichtlich wird die begriffliche Synthese in der Chronik neben ‚Lade‘ und ‚Lade Gottes‘ in großer Häufigkeit verwendet. Einen Weg zurück zur Lade des Zeugnisses hinter die Verbindung von dtr. und priesterschriftlicher Tradition gibt es jedenfalls nicht mehr. Demnach ist die These v. Rads zu relativieren, der den Chronisten vorwiegend in der Linie einer D-Rezeption gesehen hatte. V. Rad hatte die D-Rezeption des Chronisten gegen die von Wellhausen behauptete P-Rezeption in Stellung gebracht.15 Da jedoch Achenbach und grundlegend auch Porzig den Begriff „Bundeslade“ der Synthese von P und D nachordnen, setzt auch die Chronik diese Synthese voraus, sodass hier keinesfalls mehr mit einer einlinigen P- oder D-Rezeption gerechnet werden kann.16 Am auffälligsten ist zunächst die Diversität und Verteilung der verschiedenen Ladebegriffe in der Lade-Episode in 1Chr 13–16: Wie bereits gezeigt, werden in diesen drei Kapiteln bis auf die chronistische Neuschöpfung ארון הקודשalle Begriffe verwendet, die in der Hebräischen Bibel überhaupt geprägt worden sind. Vom Gebrauch einer strengen Terminologie oder aus der Benennungsmotivation aufscheinenden Ladekonzeption kann bei dieser Vielseitigkeit also keine Rede sein.17
11 Achenbach 2003. 12 Vgl. Achenbach 2003, 191. Diese Auffassung teilt auch Porzig (2009), der jedoch auf Achenbach keinen Bezug nimmt. 13 Bieberstein (1995, 298–304) hat diese einer ladetheologischen Bearbeitung (Jos 3,6.10*. 11.14b; 6,4*.6–9.12 f.16*) zugewiesen. 14 Vgl. Num 10,33; 14,44; Dtn 10,8; 31,9.25 f; Jos 3,3.17; 4,7.18; 6,8; 8,33; 1Sam 4,3–5; 1Kön 6,19; 8,1.6; 1Chr 15,25 f.28 f; 16,37; 17,1; 22,19; 28,2.18; 2Chr. 5,2.7; Jer. 3,16. 15 S. o. 16 Auch Jonker (2015) geht von ähnlichen Voraussetzungen aus, wenn er in der chronistischen Ladeerzählung die Bundesvorstellungen der Väter- und Exoduserzählung synthetisiert sieht. Es bestätigt sich demnach erneut, dass die Synthese aus P und D nicht nur gegeben ist, sondern einschließlich der im Pentateuch vollzogenen Fortschreibungen voll in der Rezeption des Chronisten zur Geltung kommt. 17 Im Umgang mit der Lade-Terminologie hat Jonker (2015, 415–418) skalierte Forschungs haltungen ausgemacht. Auf einem Ende der Skala stehe die These von Knoppers, der von einer
6. Kult-Gegenstand
339
Die Belege von ארון ברית יהוהin Sam / Kön sind gegenüber der Chronik späte terminologische Überarbeitungen, die einen post-hexateuchischen Zusammenhang zwischen Gen–Jos und Sam–Kön herstellen. Dabei lässt sich die terminologische Übernahme einerseits so erklären, dass damit ein Zusammenhang geschaffen werden sollte und somit Sam–Kön nach Gen–Jos überarbeitet wurden. Oder es liegt sogar eine noch spätere evtl. nach Abschrift der LXX vorgenommene Angleichung vor, wie sie z. B. im Tempelweihgebet in 1Kön 8 durchschimmert. Abzulesen ist dieser Sachverhalt daran, dass die Zuständigkeit der Leviten für die Lade in Sam / Kön noch nicht bekannt ist. Eine Ausnahme bildet jedoch 2Sam 15,24. Hier heißt es: והנה גם־צדוק וכל־הלוים אתו נשאים „( את־ארון ברית האלהיםUnd siehe, da waren auch Zadok und alle Leviten bei ihm, die die Lade des Bundes Gottes trugen“). Der Vers ist insofern merkwürdig, als er offenbar die Bestimmung, dass die Leviten die Lade zu tragen haben, bereits kennt, andererseits jedoch auch Zadok am Tragen beteiligt und damit einer früheren Auffassung entspricht. Weiterhin heißt es: „( ויצקו את־ארון האלהים ויעל אביתרSie ließen die Lade nieder und Abjatar brachte Opfer dar“). Veijola kommt ebenfalls auf diese Inkonzinnität zu sprechen und schließt daraus, dass in einer früheren Version des Textes Zadok und Abjatar die Lade getragen hätten.18 Dies ist insofern plausibel, als letztlich nur diese beiden Figuren eine Rolle in der Szene spielen. Auch die alleinige Erwähnung der beiden als Träger der Lade in V.29 stützt Veijolas These. Veijola hebt insbesondere auch den Rückverweis auf den die Lade tragenden Abjatar ( )נשא את ארוןin 1Kön 2,26 hervor, der im vorliegenden Text ohne Referenzpunkt ist. Dementsprechend liegt in 2Sam 15,24 eine post-chronistische Bearbeitung vor.19 Der Hintergrund dieser Bearbeitung ergibt sich, wenn man die Hinweise Achenbachs berücksichtigt, die für eine Spät-Datierung von 1Sam 2,27–36 und 1Kön 2,26 f sprechen. Anders als Veijola, der die Texte dem DtrG zuordnet, hat
unmotivierten Verwendung der Lade-Begriffe ausgehe. Am anderen Ende der Skala seien Eskenazi, van den Eynde und Klein anzusetzen, die insbesondere in der Hinzufügung des Attributes בריתjeweils eine bestimmte Aussageabsicht zu erkennen meinen. 18 Veijola 1975, 44. 19 Vgl. auch die in eine ähnliche Richtung weisenden Überlegungen Seilers (1998, 127) sowie Aulds (z. St., 508). Anders beurteilt Rudnig (2006, 188–193) den Sachverhalt. Gegen Veijolas These, die ähnlich schon von Wellhausen (1871, 197) vertreten wurde, hält er Abjatar in der gesamten Episode für nachgetragen und die Leviten für ursprünglich, wenngleich er dabei den vor-chronistischen Charakter des Textes zugesteht. Zadok und Leviten seien die einzigen Figuren, die eingeführt würden, wohingegen die Erwähnung Abjatars unvermittelt komme. Ferner sei schwierig zu erklären, warum Abjatar nur beim ersten Tragen in V.29 jedoch nicht durch die Leviten ersetzt worden sei (ähnlich Seiler 1998, 127, Anm. 14). Auch sei die Verwendung des Singulars וישבwenn auch grammatisch möglich, so zumindest wegen des Beginns ohne Abjatar verdächtig (191). Abjatar auszuscheiden führt jedoch zu dem Problem, dass V.29b, wo dann der Plural verwendet wird, ebenfalls ausgeschieden werden muss. Bedenkt man, dass der Vorgang in V.24 mit נשא את ארוןin V.29 mit שוב את ארוןbezeichnet wird, fällt auf, dass nur für V.24 die Bestimmungen von Dtn 10,8; 31,9 gelten. Die Formulierung in V.29 mit ( שובhif.) ist offenbar gerade in der kausativen Sinnrichtung uneindeutig genug, sodass kein auf Orthopraxie zielender Subjektwechsel erforderlich wird. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die inkonsequent
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6. Kult-Gegenstand
Achenbach gezeigt, dass diese bereits einen weitentwickelten Pentateuch voraussetzen und dementsprechend im Gefälle einer pro-zadokidischen Bearbeitung stehen.20 Zwar geht Achenbach auf die These Veijolas nicht ein, dass zunächst Zadok und Abjatar die Träger der Lade waren, bevor dieser durch die Leviten ersetzt wurde. Jedoch fügen sich Achenbachs Beobachtungen insofern gut dazu, als 1Sam 2,27–36 nicht nur die Fortsetzungen eines pro-zadokidischen Diskurses ist, sondern auch die Chronikbücher als eine solche Fortsetzung zu lesen sind. Eine post-chronistische Glosse, die den chronistischen Levitendiskurs einträgt und gleichzeitig Abjatar, den Konkurrenten Zadoks, verdrängt, passt hier gut ins Bild.
Insbesondere 2Sam 6 weiß noch nichts von deren Zuständigkeit, worin das Movens der chronistischen Reformulierung besteht. In der Chronik, so werden wir sehen, wird an der Unterscheidung von clerus minor und clerus maior, wie sie in den nach-nehemianischen Entwicklungen des Buches Numeri, aber auch in den post-priesterlichen Überarbeitungen des Deuteronomiums zu beobachten ist, bereits literarisch weitergearbeitet.21 Dabei wird sich zeigen, dass die Chronik einerseits die Applikation der Zuständigkeiten strikt auf dem Boden der Tora ins Werk setzt22 und andererseits die Leviten, wie wir es bereits im Kapitel „Kult-Personal“
erzählte Trägerschaft in jeder literarkritischen Lösung erklärungsbedürftig bleibt, ganz gleich ob die Leviten oder Abjatar sekundär in den Text gelangt sind. Insofern ist daraus in der Abwägung für oder wider eine bestimmte Lesart kein Argument zu gewinnen. Dementsprechend ist eine Ersetzung Abjatars, wie Veijola sie behauptet, trotz des Arguments e silentio durchaus plausibel, da sich insbesondere durch 1Kön 2,26 ein Zusammenhang zwischen Abjatar und der Lade ergibt (Vgl. Seiler 1998, 127, Anm. 14), der kaum auf der Grundlage eines anderen Textes möglich wäre. Dementsprechend ist die Annahme einer Ersetzung Abjatars durch die Leviten zugleich die auf weniger Hypothesen gründende Erklärung, sodass eher mit einer post-chronistischen, denn einer vor-chronistischen Glosse zu rechnen ist. 20 Vgl. Achenbach 2003; Ders. 2007b sowie Ders. 2017. 21 In einer redaktionellen Bearbeitung sei Achenbach (2004b, 131) zufolge das Dtn nach der Einsetzung des Heiligkeitsgesetzes in den Pentateuch, das, „als Abschluss der sinaitischen Gesetzgebung dem Deuteronomium vorangestellt worden ist“ radikalisiert worden. Dabei trage es „nun vor die im Dtn entfaltete Theorie der Levitizität des Priestertums die Betonung der Präponderanz der hohepriesterlichen Funktionen und damit eine Differenzierung der priesterlichen Institutionen in die Familie des Hohenpriesters und die übrigen Leviten ein. Diese wirkt sich auf das Priestergesetz des Deuteronomiums aus, in dem dort Versorgungsregeln für das Hohepriestertum gegenüber dem levitischen eingeführt werden (Dtr: 18,3 f*; HexRed: 18,la.5.6–8; PentRed 18,lb.2). Die Leviten, die ‚die Lade tragen‘ sind hiernach nicht mehr […] die levitischen Priester, sondern einfache ‚Leviten‘ […] die die Mosetora neben der Bundeslade aufbewahren sollen (Dtn 31,25 f) [Stellenangabe korrigiert, L. M.].“ 22 Ob und inwiefern die Chronik reale Sachverhalte abbildet, ist genauso umstritten wie deren Datierung, wobei beide Fragen eng miteinander verknüpft sind. Während bspw. Labahn die Chronik für eine literarische Konstruktion der Wirklichkeit der späten Perserzeit hält, haben z. B. Welten, 1973; Steins 1995 und neuerdings auch Finkelstein 2015 für eine extreme Spätdatierung der Chronik und plädiert und eine Abbildung der politischen Verhältnisse der hasmonäischen Zeit angenommen.
6.1 Texturen: Die Ladeerzählung in 1Chr 13–16
341
beobachtet hatten, gegenüber den Priestern durch eine Ausdifferenzierung und Weiterentwicklung, aber auch durch eine Umverteilung der Aufgaben aufwertet.
6.1 Texturen: Die Ladeerzählung in 1Chr 13–16 Wenden wir uns damit zunächst dem Makrokontext der Perikope 1Chr 13–16 zu: Auf die Genealogien folgen die Schilderung von Sauls Suizid in 1Chr 10 sowie die unmittelbare Übernahme der Königsherrschaft durch David in1Chr 11. Auffällig ist dabei die Schilderung der Umstände des Todes Sauls, die mit der Befragung der Totenbeschwörerin von En Dor in Verbindung gebracht werden (vgl. 1Sam 28[,7]). Die abweichende Darstellung der Todesumstände ist bereits signifikant für das Phänomen der in-expliziten Tora-Rezeption. Unter Auslassung von 2Sam 1–4 setzt der Chronist dann unmittelbar mit 2Sam 5, der Darstellung von Davids Königsherrschaft über Israel, ein. Dabei führt er die Rückbindung an den nunmehr levitisierten Samuel in 1Chr 11,3b ein und hebt dadurch die Legitimität Davids als König hervor. Unter Ausblendung von Davids Aufstieg am Königshof Sauls und aller damit verbundenen Aus einandersetzungen setzt der Chronist in synchroner Lesart mit einem Saul-Bild ein, das man negativer nicht zeichnen könnte, um dagegen König David scharf zu kontrastieren, der fünf Verse nach seiner Einführung bereits die Burg Zion erobert (V.5) hat.23 Der Chronist bietet zur Illustration dieser Heldentat die Liste von Davids Helden aus 2Sam 23. In 1Chr 12 bietet er vor der Überführung der Lade eine selbständige Liste von Davids Gefährten in Ziklag. Die Exposition des David-Narrativs zeigt den Protagonisten demgemäß als einen frommen Helden, der kontrastiv zu dem frevlerischen Antihelden Saul in Stellung gebracht wird und nach der Festigung seiner Herrschaft und Sicherung der Unterstützung des Volkes schnellstmöglich zur Pflege des Kultus übergeht und davon zeitlebens, von einer Kriegsepisode abgesehen (1Kön 18–20), nicht mehr absehen wird. Die Einrichtung und Protektion des Jerusalemer Kultes beginnt mit der Überführung der Lade.
23 Diachron, so haben wir bereits gesehen, entsteht dieser Kontrast durch die nachträgliche Einführung des Antihelden Saul. Gleichwohl wird der chronistische David auch mit dem David des Deuteronomisten so deutlich kontrastiert, dass die Einführung Sauls nicht allein der charakterlichen, sondern insbesondere der tribalen (Benjamin vs. Juda) Alternierung dient.
342
6. Kult-Gegenstand
6.1.1 Gliederung Im Folgenden wird zunächst eine Gliederung der chronistischen Ladeerzählung geboten. Der Gliederung folgen eine synoptische Präparation einschlägiger Textstellen sowie eine Übersetzung der chronistischen Textanteile der Synopse. Da eine Untersuchung der gesamten Ladeepisode jenseits der spezifischen Frage nach dem Einfluss der Tora bei der Reformulierung der Ladeerzählung liegt, bleibt die Analyse im Wesentlichen auf die synoptischen Passagen begrenzt. Dabei geht es insbesondere darum, die impulsgebende Kraft der Tora für die Reformulierung des chronistischen Textes aufzuzeigen. Mit dem synoptischen Zugang ist die Annahme verbunden, dass wir uns bei der Übernahme des Materials aus 2Sam 5 f in die Chronik im nehmenden Text auf der Ebene der Grundschicht befinden. Diese Annahme gilt auch dann, wenn sich an einigen Stellen Hinweise auf post-chronistische Bearbeitungen in 2Sam 5 f ergeben und damit das synoptische Verhältnis umzukehren ist. Die chronistische Ladeerzählung lässt sich folgendermaßen gliedern: 1Chr 13,1–4 Einleitung: Versammlung der Anführer der Tausendschaften durch David. Beschluss zur Überführung der Lade 1Chr 13,5–14 Versammlung des Volkes; Erste (gescheiterte) Überführung der Lade: Perez-Ussa Vorübergehende Unterbringung im Hause Obed-Edoms
2Sam 6,1–11[*4]
1Chr 14,1–16.*17 Hausbau für David durch Churam von Tyros (V. 1–2); Nachkommen Davids (V. 3–7); Kriege gegen die Philister (V. 8–17)
2Sam 5,11–25
1Chr 15,1–24 Prolepse: Stadt Davids (2Sam 6,12); Haus für David – Zelt für die Lade (V. 1–2); David beruft eine Versammlung ein (V. 3); Versammlung der Söhne Aarons und der Leviten (V. 4–10); Heiligung der Priester und Leviten (V. 11–14); Leviten übernehmen die Lade (V. 15); David ins truiert die Leviten (V. 16); Leviten- und Priester-Liste (V. 17–24) 1Chr 15,25–29 Zweite Überführung der Lade (V. 25–28); Missfallen Michals (V. 29)
2Sam 6,12–16
1Chr 16,1–3 Nationale Feier
2Sam 6,17–19a
1Chr 16,4–7 Einsetzung der Leviten durch David 1Chr 16,8–36 Psalmensynthese aus: Ps 105,1–15; Ps 96,1–12; Ps 106,1.47.48 1Chr 16,37–42 Trennung von Zelt und Lade 1Chr 16,43 Abschluss und Segen
2Sam 6,19a-20
6.1 Texturen: Die Ladeerzählung in 1Chr 13–16
343
Neben dem erheblichen Anwachsen der Ladeerzählung ist der Hintergrund zweier Gliederungsmerkmale besonders erläuterungsbedürftig, die eng miteinander zusammenhängen: 1.) die dramaturgische Zweiteilung der Lade-Überführung, deren erster Teil zunächst das Scheitern des Vorhabens vor Augen führt und deren zweiter Teil das Gelingen erzählt. 2.) Die Einschaltung von 1Chr 14, die nicht nur die beiden Episoden der Ladeüberführung voneinander trennt, sondern auch eine Umstellung, Willi24 spricht von Interkalation, von 2Sam 5 darstellt. Beide Merkmale, das wird im Folgenden deutlich werden, sind zu einem nicht unerheblichen Anteil auf den Einfluss der Tora zurückzuführen.25 Der Analyse stellen wir im Folgenden die synoptische Präparation voran: Synopse 2Sam 5;6 // 1Chr 13–16*26 2Sam 6,1–11 MT
1Chr 13 MT ויאמר דויד2 ויועץ דויד עם־שרי האלפים והמאות לכל־נגיד׃1 לכל קהל ישראל אם־עליכם טוב ומן־יהוה אלהינו נפרצה נשלחה על־אחינו הנשארים בכל ארצות ישראל ועמהם הכהנים והלוים ונסבה את־א ֥רון אלהינו אלינו3 בערי מגרשיהם ויקבצו אלינו׃ ויאמרו כל־הקהל לעשות כן כי־ישר4 כי־לא דרשנהו בימי שאול׃ הדבר בעיני כל־העם׃ ויקהל דויד את־כל־ישראל5 מן־שיח֥ ור מצרים ועד־לבוא חמת להביא את־א ֣רון האלהים מקרית יערים׃ ויעל דויד וכל־ישראל בעלתה אל־קרית יערים6 אשר ליהודה להעל֣ות משם את ארון האלהים׀ יהוה יושב הכרובים אשר־נקרא שם׃ l
ויסף עוד דוד את־כל־בחור בישראל1 שלשים אלף׃ l
ויקם וילך דוד וכל־העם2 אשר אתו מבעלי יהודה להעלות משם את ארון האלהים אשר־נקרא שם שם יהוה צבאות ישב הכרבים עליו׃ וירכבו את־ארון האלהים אל־עגלה חדשה וישאהו3 מבית אבינדב אשר בגבעה ועזא ואחיו בני אבינדב נהגים את־העגלה חדשה׃ וישאהו מבית אבינדב אשר בגבעה עם ארון האלהים4 ואחיו הלך לפני הארון׃ ודוד וכל־בית ישראל משחקים לפני יהוה בכל עצי5 ברושים ובכנרות ובנבלים ובתפים ובמנענעים ובצלצלים׃ l
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וירכיבו את־ארון האלהים על־עגלה חדשה מבית אבינדב7 l
ועזא ואחיו נהגים בעגלה׃ ודויד וכל־ישראל משחקים לפני האלהים בכל־עז ובשירים8 ובכנרות ובנבלים ובתפים ובמצלתים ובחצצרות׃ l
24 Vgl. Willi z. St., 71. 25 Knoppers (z. St., 590 f) hat die reizvolle These vertreten, dass die Gliederung der Ladeerzählung (1Chr 13–16) sich insgesamt an Ps 132 orientiere, dessen Kenntnis, wie er zu Recht behauptet, von 2Chr 6,41 her vorausgesetzt werden kann. Seine Explikation dieses Vorschlags ist jedoch zu fragmentarisch geblieben, um der These hier weiter nachgehen zu können. 26 Die Synopse ist im Sinne der in der Einleitung vorgestellten Quadripartita Ratio eingefärbt. Zusätzlich sind die Elemente eingerahmt, die mit 4QSama übereinstimmen.
6. Kult-Gegenstand 9ויבאו עד־גרן כידן וישלח עזא את־ידו לאחז את־הארון כי שמטו הבקר׃ 10ויחר־אף יהוה בעזא ויכהו על אשר־שלח ידו על־הארון וימת שם לפני אלהים׃ ויחר לדויד כי־פרץ יהוה פרץ בעזא ויקרא למקום ההוא פרץ עזא עד היום הזה׃ 12ויירא דויד את־האלהים ביום ה ֖הוא לאמר היך אביא אלי את ארון האלהים׃ 13ולא־הסיר דויד את־הארון אליו אל־עיר דויד ויטהו אל־בית עבד־אדם הגתי׃ 14וישב ארון האלהים עם־בית עבד אדם בבי ֖תו שלשה חדשים ויברך יהוה את־בית עבד־אדם ואת־כל־אשר־לו׃ l
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6ויבאו עד־גרן נכון וישלח עזא אל־ארון האלהים ויאחז בו כי שמטו הבקר׃ 7ויחר־אף יהוה בעזה ויכהו שם האלהים על־השל וימת שם עם ארון האלהים׃ 8ויחר לדוד על אשר פרץ יהוה פרץv בעזה ויקרא למקום ההוא פרץ עזה עד היום הזה׃ 9וירא דוד את־יהוה ביום ההוא ויאמר איך יבוא אלי ארון יהוה׃ 10ולא־אבה דוד להסיר אליו את־ארון יהוה על־עיר דוד ויטהו דוד בית עבד־אדום הגתי׃ 11וישב ארון יהוה בית עבד אדם הגתי שלשה חדשים ויברך יהוה את־עבד אדם ואת־כל־ביתו׃ l
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1Chr 14
2Sam 5,11–25
1Chr 15,25–29
2Sam 6,12–16
][Einteilung des legitimen Tragepersonals für die Lade V.1–14
25ויהי דויד וזקני ישראל ושרי האלפים ההלכים l
להעלות את־ארון ברית־יהוה מן־בית עבד־אדם בשמחה׃
ויגד למלך דוד לאמר ברך יהוה את־בית עבד אדם ואת־כל־אשר־לו בעבור ארון האלהים וילך דוד ויעל את־ארון האלהים מבית עבד אדם עיר דוד בשמחה׃ 13ויהי כי צעדו נשאי ארון־יהוה ששה צעדים ויזבח שור ומריא׃ 14ודוד מכרכר בכל־עז לפני יהוה 12
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26ויהי בעזר האלהים את־הלוים נשאי א ֣רון ברית־יהוה ויזבחו שבעה־פרים ושבעה אילים׃ 27ודויד מכרבל במעיל בוץ וכל־הלוים הנשאים את־הארון והמשררים וכנניה השר המשא המשררים ועל־דויד אפוד בד׃ 28וכל־ישראל מעלים את־ארון ברית־יהוה בתרועה ובקול שופר ובחצצ ֖רות ובמצלתים משמעים בנבלים וכנרות׃ 29ויהי ארון ברית יהוה בא עד־עיר דוי ומיכל בת־שאול נשקפה בעד החלון ותרא את־המלך דויד מרקד ומשחק ותבז לו בלבה׃
16והיה ארון יהוה בא עיר דוד ומיכל בת־שאול נשקפה בעד החלון ותרא את־המלך דוד מפזז ומכרכר לפני יהוה ותבז לו בלבה׃
1Chr 16,1–3; 4–8; 37–43
2Sam 6,17–20
l1ויביאו את־ארון האלהים ויציגו אתו בתוך האהל אשר נטה־לו דויד ויקריבו עלות ושלמים לפני האלהים׃
lויבאו את־ארון יהוה ויצגו אתו במקומו בתוך האהל אשר נטה־לו דוד ויעל דוד עלות לפני יהוה ושלמים׃ את־העם l18ויכל דוד מהעלות העולה והשלמים ויברך בשם יהוה צבאות׃ l19aויחלק לכל־העם לכל־המון ישראל למאיש ועד־אשה לאיש חלת לחם אחת ואשפר אחד אשישה אחת
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l2ויכל דויד מהעלות העלה והשלמים ויברך את־העם בשם יהוה׃ l3ויחלק לכל־איש ישראל מאיש ועד־אשה לאיש ככר־לחם ואשפר ואשישה׃ l4ויתן לפני ארון יהוה מן־הלוים משרתים ולהזכיר ולהו ֣דות ולהלל ליהוה אלהי ישראל׃ 5אסף הראש ומשנהו זכריה יעיאל ושמירמות ויחיאל ומתתיה ואליאב ובניהו ועבד אדם ויעיאל בכלי נבלים ובכנרות ואסף במצלתים משמיע׃ ובניהו ויחזיאל הכהנים 6 בחצצרות תמיד לפני ארון ברית־האלהים׃ 7ביום ההוא אז נתן דויד בראש לה ֖דות ליהוה ביד־אסף ואחיו׃ ]*[Psalmensynthese aus Ps 105*; 96; 106
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ודוד חגור אפוד בד׃ 15ודוד וכל־בית ישראל מעלים את־ארון יהוה בתרועה ובקול שופר׃ l
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6.1 Texturen: Die Ladeerzählung in 1Chr 13–16
וילך כל־העם איש לביתו׃19b וישב דוד לברך את־ביתו20 l
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ויעזב־שם לפני ארון ברית־יהוה לאסף ולאחיו לשרת לפניl37 ועבד אדם ואחיהם ששים38 הארון תמיד לדבר־יום ביומו׃ ואת צדוק הכהן39 ושמונה ועבד אדם בן־ידיתון וחסה לשערים׃ להעלות40 ואחיו הכהנים לפני משכן יהוה בבמה אשר בגבעון׃ עלות ליהוה על־מזבח העלה תמיד לבקר ולערב ולכל־הכתוב ועמהם הימן וידותון41 בתורת יהוה אשר צוה על־ישראל׃ ושאר הברורים אשר נקבו בשמות להדות ליהוה כי לעולם ועמהם הימן וידותון חצצרות ומצלתים למשמיעים וכלי42חסדו׃ שיר האלהים ובני ידותון לשער׃ וילכו כל־העם איש לביתוl43 ויסב דויד לברך את־ביתו׃
6.1.2 Übersetzung der synoptischen Passagen der Chronik 1Chr 13 1 Und David beratschlagte sich mit den Anführern der Tausendschaften und Hundertschaften und mit allen Anführern. 2 Und David sprach zur gesamten Versammlung Israels: „Wenn es euch gut erscheint und ebenso JHWH, unserem Gott, lasst uns reißen27 und wir wollen zu unseren Brüdern, die in allen Gebieten Israels28 übrig geblieben sind, senden und mit ihnen [zu] den Priestern und den Leviten29 in den Städten ihres Weidelandes, damit sie sich bei uns versammeln. 3 Dann wollen wir die Lade unseres Gottes zu uns zurückholen, denn seit den Tagen Sauls haben wir nicht mehr nach ihr gefragt. 4 Da willigte die ganze Gemeinde ein, so zu handeln, denn die Angelegenheit war Recht in den Augen des Volkes. 5 Und David versammelte ganz Israel vom Schichor, wo es nach Ägypten geht, bis dorthin, wo es nach Chamat geht, um die Lade der Gottheit aus Kirjat Jearim zu bringen. 6 Und David zog mit ganz Israel nach Baala30 hinauf, nach Kirjat Jearim, das zu Juda gehört, um von dort 27 Die Auswertung des Textbefundes kann nicht unabhängig von der exegetischen Einschätzung der gesamten Perikope erfolgen. Ich verlege die Diskussion daher in die anschließende Analyse und übersetze פרץeinstweilen mit reißen. 28 Die LXX bietet mit ἐν πάσῃ γῇ Ισραηλ die gebräuchlichere Wendung, die כל ארץ ישראל entspräche. Der Plural in MT lässt auf die dahinterliegende Vorstellung schließen, dass jeder Stamm ein eigenes Land hat. Klein (z. St.) weist auf Parallelen in Ri 21,21; 1Sam 13,7; 2Chr 11,23; 15,5; 34,33 hin, die darauf schließen lassen, dass hier eine eigene ארץ-Auffassung vorliegt. 29 Die LXX bietet οἱ ἱερεῖς οἱ Λευῖται. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass der Chronist nicht streng zwischen Priestern und Leviten scheidet. Es besteht kein Anlass, hier einen Deuteronomismus zu vermuten, der quer zur gesamten chronistischen Konzeption steht. Deshalb ist mit MT zu lesen. 30 Die LXX bietet εἰς πόλιν Δαυιδ. Dahinter könnte sich zwar eine Deutung von בעלתהverbergen, diese wäre jedoch genauso unverständlich wie MT, da die Lade nicht aus der Davidstadt, sondern in die Davidstadt gebracht werden soll. Die lectio facilior scheidet deshalb als Argument aus. Blickt man nach 2Sam 6,2 sieht man jedoch, dass die Deutung der Phrase מבעלי יהודהerhebliche Eingriffe in den Text nach sich gezogen hat. Offenbar war es dem Chronisten an einer Identifikation des Ortes gelegen, was aus der Phrase אל־קרית יעריםhervorgeht (vgl. dazu ausführlich Kalimi 2005. 65). Wichtig ist dabei insbesondere Kalimis Beobachtung, dass die chronistische
346
6. Kult-Gegenstand
die Lade der Gottheit JHWH, der über den Kerubim thront, heraufzuholen. 7 Und sie ließen die Lade der Gottheit auf einem neuen Wagen aus dem Haus Abinadabs fahren. Und Ussa und sein Bruder31 lenkten den Wagen. 8 Und David und ganz Israel tanzten vor der Gottheit mit ganzer Kraft und mit Liedern und mit Leiern, mit Harfen, mit Zimbeln und mit Becken.32 9 Und sie kamen zur Tenne des Kidon.33 Da streckte Ussa seine Hand aus, um die Lade anzufassen, denn das Rind hatte sich losgerissen. Da entbrannte der Zorn JHWHs wegen Ussa. Und er schlug ihn, weil er seine Hand nach der Lade ausgestreckt hatte. Und er starb dort vor der Gottheit. 11 Da wurde David zornig, denn JHWH hatte einen Riss durch Ussa gerissen. Und man nennt diesen Ort Perez Ussa bis zum heutigen Tag. 12 Und an jenem Tag fürchtete David die Gottheit: „Wie soll ich die Lade der Gottheit zu mir kommen lassen?“ 13 Und David ließ die Lade nicht zu sich in die Davidstadt bringen. Und so lenkte er sie um zum Haus Obed Edoms, des Gatiters. 14 Und die Lade der Gottheit blieb dort im Haus Obed Edoms, in seinem Haus, drei Monate. Und JHWH segnete das Haus Obed Edoms und alles, was ihm gehörte.
Hermeneutik Einfluss auf 4QSama genommen haben könnte. Zwar wird diese Möglichkeit der Einflussnahme seit der detaillierten Studie Ulrichs meist verworfen (vgl. z. B. Klein z. St. 327. Skeptisch neuerdings Kratz 2016, 153–180), es wird sich jedoch insbesondere in 1Chr 21 erneut der Eindruck ergeben, dass der Text des Chronisten Einfluss auf 4QSama gehabt haben könnte. S. u. „Kult-Ort“. 31 Die LXX bietet καὶ οἱ ἀδελφοὶ αὐτοῦ und die Vulg. bietet et fratres eius, was beides dem Konsonantenbestand in MT exakt entspricht und deshalb vorzuziehen ist. Der Ausdruck אחיו hat einigen Anlass zur Spekulation gegeben. Bereits Sellin (1924, 167 f) hat festgestellt, dass der Name Achjo höchst ungewöhnlich gebildet wäre und dementsprechend kein Vergleichsmoment auszumachen ist. Er hat ferner die These vertreten, dass hier mit LXX und Vulg. zu lesen sei und in dem unbestimmten ‚seine Brüder‘ ein Hinweis auf Zadok gegeben sei. Vgl. auch Budde, 1934, 42–50. 48, der auf die notwendigen zwei Träger rekurriert und deshalb neben Ussa noch צדוק אחיוkonjiziert. Dabei verkennt er jedoch, dass der Kontext nicht notwendiger Weise genau zwei Träger erfordert, da die Lade auf einem Wagen fährt, sodass die einschlägigen Regelungen des Pentateuchs zum Tragen der Lade nicht greifen. Diese These wird, soweit ich sehe, spätestens seit der Wiederlegung durch Gunneweg (1965, 99 f), der mit Nachdruck darauf hinweist, dass die Erzählung in der Ätiologie ‚Perez-Ussa‘ ihren Höhepunkt hat und deshalb Spekulationen über einen zweiten Protagonisten die erzählerische Absicht verkennen, nicht mehr vertreten. 32 Zur Übersetzung und kulturgeschichtlichen Situierung der Musikinstrumente vgl. ausführlich Braun 1999. 33 In der LXX ist כידןnicht belegt. Vulg. bietet Chidon. 2Sam 6,6 bietet נכוןund 4QSama bietet נודן. Willi hält den Text in 2Sam 6,6 für verderbt und die Lesart der Chronik für ursprünglicher. Klein hat diverse Forschungsergebnisse zusammengestellt, die darauf schließen lassen, dass mit 2Sam 6,6 נכוןzu konjizieren ist, damit aber kein Name, sondern ein Adjektiv mit der Bedeutung ‚vorbereitet‘ vorliegt. Rothstein dagegen sieht in der chronistischen Variante, noch ohne Kenntnis von 4QSama, die ursprüngliche Lesart. In jedem Fall bildet die Tenne eine topographische Katapher auf 1Chr 21,15.18.21.22.28, also den Ort, an dem Salomo den Tempel errichten wird (2Chr 3,1).
6.1 Texturen: Die Ladeerzählung in 1Chr 13–16
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[1Chr 14 Kampf gegen die Philister34] 1Chr 15 25 Und David und die Ältesten Israels und die Anführer der Tausendschaften zogen aus, um die Lade des Bundes JHWHs aus dem Haus Obed Edoms mit Festfreude hinaufzubringen. 26 Und die Gottheit half den Leviten, die die Lade des Bundes JHWHs trugen. Und sie opferten sieben Jungstiere und sieben Widder. 27 Und David war mit einem Byssuskleid bekleidet und alle Leviten und die Sänger und Chenanja, der Anführer der Sänger beim Tragen. Und David trug einen Efod aus Leinen. 28 Und ganz Israel führte die Lade des Bundes JHWHs hinauf mit Jubel und mit Schofar-, Trompeten- und Zimbelklang und sie ließen Harfen und Leiern hören. 29 Und als die Lade des Bundes JHWHs in die Davidstadt kam, blickte Michal, die Tochter Sauls, aus dem Fenster herab. Und sie sah König David tanzen und lustwandeln und sie verachtete ihn in ihrem Herzen. 1Chr 16 1 Und sie brachten die Lade der Gottheit und platzierten sie in der Mitte des Zeltes, das David für sie aufgespannt hatte. Und sie brachten Opfer und Heilsopfer vor Gott dar. 2 Und als David das Opfern der Brand- und Heilsopfer beendet hatte, segnete er das Volk im Namen JHWHs. 3 Dann teilte er jedem Israeliten, Mann und Frau, Rundbrot, Dattelkuchen und Rosinenbrot zu. 4 Und er setzte Leviten vor der Lade JHWHs zum Dienst ein, um JHWHs, des Gottes Israels, zu gedenken, ihm zu danken und ihn zu loben. 5 Asaf als Haupt und Secharja als seinen Zweiten, Jeiel und Schemiramot und Jechiel und Mattitja und Eliab und Benanjahu und Obed-Edom und Jeiel mit Harfen und Leiern und Asaf mit Zimbeln. 6 Und Benanjahu und Jachasiel, die Priester, mit Trompeten fortwährend vor der Lade des Bundes der Gottheit. 7 Einst, an jenem Tag, ließ David zum ersten Mal JHWH danken durch Asaf und seine Brüder. [8–36 Dankpsalm]35 37 Und David ließ Asaf und seine Brüder dort vor der Lade des Bundes JHWHs, um vor der Lade fortwährend den Dienst zu verrichten, gemäß den Forderungen des Tages. 38 Und Obed-Edom und ihre3668 Brüder; Obed-Edom, den Sohn des Jeditun und Chosa als Torwächter. 39 Und Zadok, den Priester und seine Brüder, die Priester, vor der Wohnung JHWHs auf der Höhe bei Gibeon, 40 damit sie JHWH fortwährend Brandopfer darbrachten auf dem Brandopferaltar, am Morgen und am Abend, 34 1Chr 14 bietet im Grunde nur einen prominenten Anhaltspunkt für Tora-Rezeption und bleibt damit als Textur ausgeblendet. Die Umstellung der Philisterkampf-Episode wird in der Analyse berücksichtigt. 35 Die Psalmensynthese setzt offenbar die Tradition der Asaf-Psalmen und auch die Unterteilung des Psalters in fünf Bücher bereits voraus, wofür insbesondere die Übernahme der fünften Schlussdoxologie spricht. Die Diskussion um die Entstehung und Einbettung des Psalms ist ebenso komplex wie umstritten. (Vgl. zur Diskussion Rudolph, Knoppers und Willi jeweils z. St. sowie Street 2009, 24–27) Hinsichtlich der Tora-Rezeption kommen wir kursorisch auf einzelne Verse zurück. 36 Die LXX bietet hier den Sg. οἱ ἀδελφοὶ αὐτοῦ und damit die lectio facilior. Willi (z. St., 69) vermutet in MT eine Koordination mit den in V.37 genannten Asafiten.
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6. Kult-Gegenstand
gemäß allem, was in der Tora JHWHs geschrieben steht, die er Israel geboten hatte. 41 und mit ihnen Heman und Jeditun und der Rest der Auserlesenen, die namentlich bezeichnet waren, JHWH zu danken, dass seine Güte ewig ist. 42 Und mit ihnen Heman und Jedutun37 waren Trompeten und Zimbeln für die, die sie erklingen ließen und die Instrumente des Gottesgesanges. Und die Söhne Jedituns waren für das Tor verantwortlich. 43 Da ging das ganze Volk, ein jeder in sein Haus. Und David kehrte zurück, um sein Haus zu segnen.
6.1.3 Zur Frage der Einheitlichkeit des nicht-synoptischen Materials Im Bereich des nicht-synoptischen Materials zeichnet sich eine Trendwende in der Forschung ab. Während die ältere Forschung das Kapitel für uneinheitlich hielt und verschiedene literarkritische Entscheidungen erwogen hat,38 dominieren in der rezenten Chronikforschung zunehmend die Stimmen, die das Kapitel für weitgehend einheitlich halten.39 Knoppers hat darauf hingewiesen, dass die 37 Heman und Jedutun fehlen in der LXX. Möglicher Weise hat die Stelle Anstoß erregt, da hier suggeriert wird, dass die Leviten die Trompete spielen, obwohl dies explizit den Priestern vorbehalten ist. Demnach wäre die lectio longior ursprünglich. Allerdings ist auch mit der Tilgung Hemans und Jedutuns dieser Eindruck nicht vollständig zu unterdrücken. 38 Vgl. z. B. Rudolph z. St., 115–117; Vgl. für eine Sortierung der älteren Forschungsgeschichte Steins 1995, 254–258 sowie Knoppers z. St., 654 f. Den vielschichtigsten Vorschlag zu 1Chr 15 f hat Steins 1995, 269–282 gemacht. Der Grundschicht ordnet er 1Chr 15,1–3.11– 15.25 f.27aαb.28a.29; 16,1–3.43 zu. Darauf folgen eine erste (1Chr 16,4–37.39 f) und eine zweite (1Chr 15,4–10.16 f.18*.24; 16,41) Musiker-Schicht und eine Musiker-Torwächter-Schicht (1 Chr 15,18*.19–23.27aβ.28a*; 16,38.42). Für den vorliegenden Zweck, die Tora-Rezeption des Chronisten zu ermitteln, reicht es die Argumente im Hinblick auf 1Chr 16 zu prüfen, da Steins in 1Chr 15 vor allem die Musiker-Listen für sekundär hält und sich in diesem Bereich kaum Berührungspunkte mit der Tora ergeben. Fraglich ist vor allem der Status von 1Chr 16,39 f, d. h. die Verlegung des אהל מועדnach Gibeon, sowie der Hinweis auf die Tora des Mose. Für die Ausscheidung von V.40 gibt Steins (1995, 279) keine Gründe an, da er diesen vermutlich durch die enge Verbindung mit V.39 nicht eigens analysiert. V.39 scheidet er hingegen auch nur durch Angabe eines unzureichenden Grundes aus: Steins (1995, 279) weist lediglich auf den umstrittenen Status von 1Chr 21,29 und 2Chr 1,3–5 und die Tatsache, dass in 1Chr 16,39 nicht erwähnt wird, dass Mose Zelt und Altar hergestellt habe, hin. Während das zweite Argument kaum zur Grundlage für eine literarkritische Entscheidung werden kann, ist dem ersten Argument insofern zu widersprechen, als der Zusammenhang zwischen 1Chr 16,39 und 2Chr 1,3–5 kaum zu bestreiten ist. Da es eines der Hauptanliegen des Chronisten ist, Jerusalem als einzig legitime Kultstätte zu begründen, kann Salomos Opfer in Gibeon nichts anderes als eine schwere Verlegenheit für diesen dargestellt haben. Insofern gibt es keinen Grund an der Ursprünglichkeit von 2Chr 1,3–5 und dementsprechend auch nicht an der von 1Chr 16,39 f zu zweifeln. Dass 1Chr 21,29 möglicher Weise sekundär ist, tut diesem Zusammenhang keinen Abbruch, sondern ist lediglich Ausdruck davon, dass durch die Beseitigung einer größeren Verlegenheit ein Widerspruch an anderer Stelle entstand, der durch den Nachtrag ebenfalls beseitigt werden sollte. (s. o. „Kult-Ort“). Wir halten also weiter an der Ursprünglichkeit von 1Chr 16,39 f fest. 39 Vgl. Japhet z. St., 292 f; Klein z. St.; Knoppers z. St.; Willi z. St..
6.1 Texturen: Die Ladeerzählung in 1Chr 13–16
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lange vertretene Unterscheidung zwischen pro-priesterlichen und pro-levitischen Schichten zu kurz greift, da „[i]n the Chronicler’s view, the priests and the Levites have important and complementary functions to play in leading, protecting and sanctifying Israelite worship“. Er tendiert deshalb dazu, beide Perspektiven als gleichursprünglich zu behandeln. Knoppers’ Argumentation läuft darauf hinaus, dass in der Chronik die klassischen literarkritischen Optionen einer schematischen Anwendung harren. Insbesondere im Bereich der Logik institutioneller Funktionen scheint der Chronist in seinen widersprüchlichen Darstellungen kein literarkritisch greifbares Nacheinander, sondern ein aspektreiches Gegeneinander der Oppositionsparteien abgebildet zu haben. Die Trendwende der Forschung wird dort am deutlichsten greifbar, wo Ausleger, wie z. B. Willi, ihr eigenes Umdenken dokumentieren: Wer diese Beobachtungen [sc. Gemeint sind die Beobachtungen Japhets40, die die Einheitlichkeit des Textes vor dem Hintergrund der kontextuellen Einbettung behauptet; L. M.] ernst nimmt, wird in der Tat je länger je weniger geneigt sein, im Gefolge von ABüchler 104–107; vor allem WRudolph 115–117, der nur noch 8 der insgesamt 24 Verse in 1Chr 15,1–24 (ohne direkte Parallele in 2Sam 6) für chronistisch hält, danach auch TWilli, Chronik 196, aber ebenso JMyers 110–113 und selbst HGMWilliamson 123 (auf der Grundlage eines von ACWelch 65 f. angenommenen ‚priestly editing‘) sekundäres, d. h. nachchronistisches Material anzunehmen.41
Auch in der Einschätzung von 1Chr 16 hat Willi frühere Einsichten revoziert, sodass er das Kapitel inzwischen weitgehend für einheitlich hält.42 Insbesondere hält Willi wie auch Knoppers, Japhet und Klein die Psalmensynthese für integral. Für die folgende Analyse bedeutet dies, dass die Auswertung des synoptischen Materials an relevanten Bezugspunkten teilweise auch nicht-synoptische Texte des Chronisten zu berücksichtigen hat.
6.1.4 1Chr 13,1–4 Mit 1Chr 13,1 setzt die Episode um die Translokation der Bundeslade ein. David wird hier als König geschildert, der sich mit seinem Volk berät ()יעץ, was gegenüber den Darstellungen aus Sam / Kön vollkommen ungewöhnlich ist. Es fällt gleich ins Auge, dass, während 2Sam 6,1 von einem schlichten Versammeln spricht, der Chronist den König mit seinen Fürsten direkt Rat halten lässt. Die durch Waw verbundene doppelte Constructus-Wendung wirkt etwas sperrig und ist laut Knoppers43 eine eher untypische Bildung. Der Ausdruck שרי האלפיםspie
40 Vgl. Japhet z. St., 292 f. 41 Willi z. St., 96. 42 Vgl. Willi z. St., 121–140. 43 Vgl. Knoppers z. St.
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6. Kult-Gegenstand
gelt dabei eine für den Pentateuch typische Wendung wider44, die in der Chronik häufig anklingt und auch im Lade-Narrativ in 1Chr 15,25 wieder verwendet wird, wo schließlich die gelingende Umsetzung der Ladeüberführung berichtet wird. Da in 1Chr 15,25 der Nachtrag והמאות לכל־נגידfehlt, liegt neben der untypischen Konstruktion ein weiteres Indiz für einen späteren Nachtrag vor. Im Pentateuch wird die Wendung nicht verwendet. Dass 1Chr 13,1 vor dem Hintergrund von 2Sam 6,1 zu verstehen ist, hat Rudolph dargestellt, indem er auf den Zusammenhang von בחורund שריםhingewiesen hat. Mit Blick auf die Wendung כל קהל ישראלjedenfalls wird deutlich, dass der Chronist hier die gesamte Gemeinde versammelt wissen will. Das Motiv des sich mit seinem Volk beratenden Königs ist in der Chronik so prominent, dass Albertz, dem wir uns hier anschließen, von einer Demokratisierung gesprochen hat.45 Ein Blick in 1Kön 12 zeigt dabei, dass diese eine kontrastive Implikation hat: Von dem Verb יעץwird hier häufiger in einem spezifischen Mikrokontext Gebrauch gemacht als im gesamten Rest der Hebräischen Bibel.46 Geschildert wird einerseits das Vorgehen Rehabeams, der sich mit den זקניםseines Vaters hinsichtlich seines Umgangs mit dem Volk berät. Er folgt deren Rat nicht und setzt damit die Abspaltung der Jerobeam-Partei in Gang. Darin steckt die Pointe, dass das Nicht-Befolgen des Ratschlages der Ältesten – zumindest im narrativen Nahkontext – letztlich mittelbar die Verfallsgeschichte Israels mit der Abspaltung des Nordreiches unter Jerobeam auslöst. Auch von diesem wird in 1Kön 12,28 gesagt, dass er sich berät, wobei jedoch unklar bleibt, mit wem und wozu er dies tut. Es wird jedoch deutlich, dass er dabei keinen göttlichen Rat einholt. Die Konsequenz dieser Beratung wird sein, dass er zwei goldene Kälber anfertigt und in Bethel und Dan aufstellt. Ganz anders der chronistische David. Dieser berät sich zunächst mit seinen Anführern und der gesamten Gemeinde. Vor dem Hintergrund der Vorlage zeigt der Chronist demnach eine Art Idealzustand an, der gleichermaßen das ‚Dass‘ und das ‚Worüber‘ des Beratens in einer JHWH-treuen Perspektive profiliert. V.2 f nimmt dieses Motiv auf: David wendet sich an den gesamten קהל ישראל.47 In der Demutsgeste אם־עליכם טובholt er die Meinung seines Volkes ein und unterstellt sich gleichzeitig dem Willen Gottes. Die Formulierung אם … על טובwird dabei in der Hebräischen Bibel nur in einem einzigen spezifischen Duktus in Neh und Est verwendet, nämlich 48 אם על המלך טוב. In der Chronik taucht sie nur
44 Vgl. Ex 18,21.25; Num 31,14.48.52.54; Dtn 1,15; 1Sam 8,12; 22,7; 2Sam 18,1; 1Chr 13,1; 15,25; 26,26; 27,1; 28,1; 29,6; 2Chr 1,2; 17,14; 25,5. 45 Vgl. Albertz 1997, 605–623. 46 Vgl. 1Kön 12,6(2*).8(2*).9.13.28. 47 Vgl. Lev 16,17; Dtn 31:30; Jos 8,35; 1Kön 8,14.22.55; 12,3; 1Chr 13,2; 2Chr 6,3.12 f. 48 1Chr 13,2; Neh 2,5.7; Est 1,19; 3,9; 5,4.8; 7,3; 8,5; 9,13. In den aramäischen Passagen des Esra-Buches wird die Formel in ähnlicher Weise verwendet (vgl. Esra 5,17; 7,18). In Esra 7,17 ist dabei nicht der König, sondern אחיךdas indirekte Objekt!
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an dieser Stelle auf. Dass die Formulierung spät ist,49 überrascht nicht. Dass sie jedoch sonst nur als Demutsgeste gegenüber dem König ausgesprochen wird, ist noch nicht beschrieben worden und gibt dieser Stelle eine nivellierende Konnotation. Der König unterwirft sich dem Willen des Volkes, er kehrt damit die Pragmatik einer geprägten Wendung um. Besonders signifikant wird dieser Umstand dadurch, dass der Adressat in allen anderen Fällen nicht der israelitische König, sondern der Perserkönig ist. David kann damit also nicht nur als historischer Gegentypus gegen den beratungsunwilligen König Rehabeam und den apostatischen Jerobeam verstanden werden, sondern auch als politischer Gegentypus in scharfem Kontrast gegenüber dem persischen König. Zu berücksichtigen ist dabei freilich die Öffnung der Schere zwischen erzählter Zeit und Erzählzeit im Estherbuch, womit eine relative Chronologie verloren geht. Dennoch wird an dem Demutsgestus vor dem Perserkönig kein großer Zweifel aufkommen. Da sie außerdem in der Nehemiadenkschrift bereits belegt ist – dort in einem Abschnitt, der selbst von Wright für ursprünglich nehemianisch gehalten wird50 –, scheint diese Formulierung hier, wenn auch nicht ursprünglich, doch zumindest in ihrer genuinen und originären Verwendung vorzuliegen. Auffällig ist, dass die Unterstellung unter den göttlichen Willen mit der Vorwegnahme des פרץ-Motivs beschrieben wird, wobei unklar ist, wie die Form נפרצה hier zu verstehen ist. Die masoretische Akzentuierung lässt zunächst den Bedingungssatz mit אלהינוenden. Die Form נפרצהwäre dann der Beginn des nächsten Syntagmas. Offenbar ist sie analog zu נשלחהals 1.Ps. Sg. com. coh. aufzufassen. Dann wäre zu übersetzen: „Wir wollen einen Riss reißen bzw. durchbrechen.“, und: „Wir wollen schicken.“ Diese Folge ließe sich isoliert durchaus verstehen. Problematisch ist hier bereits, dass sie nicht durch ein Waw verbunden sind, sodass unklar bleibt, ob die beiden Tätigkeiten koordiniert werden („Wir wollen reißen und wir wollen schicken“), oder ob hier eine explikative Bezogenheit hergestellt wurde („Wir wollen reißen. Das bedeutet: Wir wollen schicken“). Über diese Schwierigkeit hinaus ist dabei weder der Anschluss nach vorne noch nach hinten spannungsfrei. Die Präpositionalphrase מן־יהוהbleibt, obwohl deutlich ist, was durch sie zum Ausdruck gebracht werden soll, eigentümlich unverbunden. „Wenn es euch gut scheint und auch dem Herrn“, wäre eine mögliche Lesart, die sich hier sinngemäß gut einfügt. Warum aber einerseits ein Anschluss mit אםund andererseits ein Anschluss mit מןgewählt wurden, bleibt fraglich. Auch mit Blick auf das Satzende hinterlässt die Wendung נשלחה על־אחינוeine gewisse Dissonanz. Zu erwarten wäre eigentlich die Präposition אל. Auch wenn man עלhier mit „gegen“ übersetzt, erschließt sich die Bedeutung nicht vollkommen. Die LXX-Variante verbindet das Prädikat mit מן־יהוה:
49 Vgl. Japhet z. St. 274 f. 50 Vgl. Wright 2004, 340.
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6. Kult-Gegenstand
εἰ ἐφ᾽ ὑμῖν ἀγαθὸν καὶ παρὰ κυρίου θεοῦ ἡμῶν εὐοδωθῇ(von εὐοδόω)ἀποστείλωμεν.
Wenn es euch gut erscheint und [wenn] es vom Herrn unserem Gott gutgeheißen wird, dann wollen wir senden.
Diese Lösung verfährt mit der Form נפרצהso als laute sie *נפרץ. Die passive Übersetzung lässt also nicht mehr eine 1. Ps. Sg. coh. qal erahnen, sondern eine 3. Ps. Sg. nif. Vor dem Hintergrund des hebräischen Textes sind die Formen εὐοδωθῇ und ἀποστείλωμεν also im griechischen Text dissimiliert. Auffällig ist, dass dieser morphologische Unterschied sich auf das gesamte Syntagma auswirkt: Die Form εὐοδωθῇ wird in der LXX mit παρὰ κυρίου θεοῦ ἡμῶν zusammengestellt, was zumindest nicht der masoretischen Akzentuierung entspricht und auch im Konsonantentext nur durch eine Aphairesis des הzu erklären wäre. Unter der Voraussetzung, das καὶ hier eher nicht im emphatischen Sinne, sondern als koordinierende Konjunktion zu deuten ist, liegt es nahe, diese Phrase als zweite Bedingung des Antezedens aufzufassen, wobei festzuhalten ist, dass dieses im Griechischen als Realis ausgedrückt wird. Sinngemäß ist also folgendermaßen zu übersetzen: Antezedens1: Wenn es euch gut erscheint und Antezedens2: Wenn es vom Herrn, unserem Gott, gutgeheißen wird, Konsequens1: dann lasst uns senden (πρὸς)… Konsequens2: und dann lasst uns überführen … Mit der Übertragung ins Griechische geht dabei im Hinblick auf V.11 die Prolepse des Perez-Motives verloren, da פרץhier mit διακόπτω wiedergegeben wird. Dennoch bleibt auch im Griechischen die Ätiologie bestehen, da hier der Ort nicht etwa den Eigennamen Perez-Ussa erhält, sondern Διακοπὴ Οζα genannt wird, womit die Herleitung erhalten bleibt. In der Kommentierung sind drei prominente Wege gewählt worden: Rothstein übersetzt: „Wenn es euch gut erscheint und es von JHWH, unserem Gott, ‚gebilligt‘ wird, so wollen wir ‚zu‘ unseren Brüdern … hinsenden.“ Diesem Übersetzungspfad folgen auch Buber / Rosenzweig: „Dünkt es euch gut – ists doch von Ihm, unserem Gott, her vorgeborchen [!] –, wollen wir … umhersenden“. In beiden Übersetzungen wird der passive Aspekt in Verbindung mit einem impliziten Subjekt zum Ausdruck gebracht. Durch die Präpositionalphrase מן־יהוהwird die Passivkonstruktion gewissermaßen als passivum divinum expliziert. Unerklärt bleibt jedoch, warum die Form mit he auslautet. Rothstein erwägt zwar im Hinblick auf die Gleichförmigkeit der Ausdrücke נפרצהund נשלחהeine adverbiale Bestimmung, wie sie durch die Grammatik von Gesenius / Kautzsch51 gedeckt wäre, findet jedoch schlicht keine sinnvolle Erklärung, um diesen Umstand wiederzugeben. Rudolph tilgt diese Phrase als späte Glosse52, übersetzt sie jedoch mit: „und wenn von JHWH, unserem Gott, ein Riss gerissen ist.“ 51 Vgl. Gesenius 1977, § 120h. 52 Die Tilgung der Glosse ist durch das merkwürdig naive Argument begründet, dass David in der Situation von V.2 noch nichts von dem doppelten Perez-Motiv im Fortgang der Erzählung
6.1 Texturen: Die Ladeerzählung in 1Chr 13–16
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Knoppers urteilt: „It seems best to read nprsh asyndetically, as a qal cohortative with the following verb ‚let us send out‘“. Im Sinne der lectio difficilior ist ihm damit in jedem Fall zuzustimmen, wobei nach wie vor unklar bleibt, wie genau diese Phrase zu verstehen ist. Möglicherweise liegt darin jedoch genau ihre Funktion. Im Sinne eines Asyndetons hat sie eben cohortativischen Charakter, wobei sie den naheliegenden Erweis der göttlichen Zustimmung durch ihre syntaktische Einbindung nicht verliert.
Auf diese Phrase könnte freilich weniger Gewicht gelegt werden. Jedoch liegt bereits in diesen vier Versen ein wichtiger hermeneutischer Schlüssel für die Analyse der gesamten Ladeperikope in der Chronik vor. Und dieser kulminiert in der auffällig sperrigen Prolepse des Perez-Motives,53 das in der Chronik zwar häufiger verwendet wird,54 jedoch in unserer Episode von außerordentlicher Wichtigkeit ist.55 Eigens erwähnt werden nun bei der Versammlung auch die Priester und Leviten, hier selbstverständlich als zwei Gruppen. Diese befinden sich בערי מגרשיהם, was konzeptuell an die Bestimmungen von Lev 25,32–34; Num 35,2–7; Jos 14,4; 21 und dann eben 1Chr 6,39–66; 2Chr 11,14; 31,19; Ez 45,2; 48,15.17, aber auch Neh 12,27; 13.10 anschließt, wobei z. B. auch die späte Glosse in Lev 25 schon über den Zustand der eigentlichen Landzuteilung hinausgelangt ist und damit schon dichter an unsere Textstelle heranragt als z. B. Jos 21. Damit ist die Versammlung vollständig und es folgt ein dritter Kohortativ, der – wie bereits angekündigt – kontrastiv von 1Chr 10,14 und auch von 1Chr 12,24 her verstanden werden muss. In 1Chr 10,14 war von der Übergabe des Königtums an David die Rede, in 1Chr 12,24 werden nun die Heerführer der zwölf Stämme genannt, die kamen להסב מלכות שאול אליו כפי יהוה, womit die Notiz aus 1Chr 10,14 eingeholt ist. Nachdem nun also die Königswürde offiziell durch das Volk auf David übertragen ist, kann dieser unter Einberufung und Zustimmung des ganzen Volkes die Rückführung der Lade veranlassen. Dabei wird durch die Wendung כי־לא דרשנהו בימי שאולnicht nur ein expliziter Rückverweis gegeben, den wir bereits als sekundär beurteilt hatten, sondern es wird mit דרשauch kontrastiv das zweite Leitwort dieser Perikope aufgenommen. Dabei ist V.3b, obwohl er sich syntaktisch wohlgeformt einfügt, in Folge der Analyse der Saul-Episode in 1Chr 10 ebenfalls habe wissen können. Aus diesem Argument scheint eine aus der Perspektive der modernen Erzählforschung unhinnehmbare Identifikation von Autor, Erzähler und Figur auf. Die Fata lität der davidischen Äußerung ist mithin allen Beteiligten klar – nur nicht David und seinem Gefolge. Insofern führt der Chronist in der Neustrukturierung und Überarbeitung der Ladegeschichte aus 2Sam 6 von Beginn an eine Vokabel im Duktus mit, der er nicht nur ätiologische Virulenz verleiht, sondern auch die literarische Qualität eines Leitwortes zuschreibt. Demnach ist durchaus nicht mit einer späten Glosse, sondern einem der narrativen Eckpfeiler der gesamten Darstellung zu rechnen. Pace Rudolph 1955, 110. 53 Vgl. dazu bereits Eskenazi 1995, 265. 54 1Chr 2,4–5; 4,1.38; 9,4; 13,2.11; 14,11; 15,13; 27,3; 2Chr 11,23; 20,37; 24,7; 25,23; 26,6; 31,5; 32,5; (19 von 84 Belegen finden sich in der Chronik). 55 Vgl. 1Chr 13,2.11; 1Chr 14,11; 1Chr 15,13.
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als sekundär zu beurteilen. Wie Saul, der anstatt nach der Lade nach der Totenbeschwörerin gefragt hatte, will David es nicht halten. Im Gegenteil, er fragt nach der Lade und befördert diese zurück in die Stadt.56 Beachtenswert ist dabei, dass die Initiative überhaupt von David und weder von den Priestern noch von den Leviten ausgeht. Hier wird erkennbar, dass der Chronist, obwohl seiner Ideologie, wie wir sie aus den Textänderungen greifen können, ein anderer Aufbau der Erzählung entsprochen hätte, insbesondere an einer zwischen der Vorlage und seinem Eigeninteresse vermittelnden Erzählweise gelegen ist.57 Dass gerade die Leviten jedoch von Anfang an dabei sind, wirft ein merkwürdiges Licht auf die folgenden Ereignisse. Zunächst muss jedoch festgehalten werden, dass das דרש-Motiv hier bewusst in Stellung gebracht und uns in 1Chr 15,13 und 1Chr 16,11 wieder begegnen wird. Unklar bleibt in der literarischen Montage von 1Chr 15,13 jedoch, wie genau der göttliche Rat eingeholt wird. Dass die göttliche Zustimmung in irgendeiner Form erteilt wird, lässt sich jedoch aus dem positiven Ausgang der zweiten Überführung schließen. Der Rückführungswunsch der Lade, den David in V.3 durch den Wechsel von der 2. Ps. Pl. in die 1. Ps. Pl. und die auffällige Verwendung des Lexems סבבim Sinne der Umkehr bzw. Umwendung ausrückt,58 wird mit Blick auf die vorausgehende Verwendung des Verbums59 in der Chronik auch zu einer literarischen Umkehrfunktion, die veranschaulicht, dass zwischen der Umwendung des Königtums von Saul auf David und der Rückführung der Lade nach Jerusalem ein innerer Zusammenhang besteht.60 Das ist keine Kleinigkeit, da David offenbar schon
56 Es entsteht durch die Einsetzung von 1Chr 13,3b ein eigentümliches Missverhältnis zu 1Chr 15,13, insofern in 1Chr 13 vom Fragen nach der Lade die Rede ist, in 1Chr 15 jedoch konstatiert wird, dass man gerade beim ersten Überführungsversuch JHWH nicht entsprechend der Vorschrift befragt hatte ()לא דרׁשנהו כמׁשפט. Man kann sich kaum vorstellen, wie man die eine Kautele angesichts der aufwendigen Anbahnung der anderen vergessen haben sollte. Auch das spricht für die nachträgliche Einsetzung von V.3b. 57 Im Umgang mit der Tora verweist darauf insbesondere Rendtorff 1996. 58 Vgl. sonst nur noch 1Sam 5,8–10. 59 1Chr 10,14; 12,24. Auch V.3b steht mit כי־לא דרשנהו בימי שאולin einem Kontrastverhältnis zu 1Chr 10,13, wo konstatiert wird, dass Saul einen Totengeist befragt habe. Da dieses Kapitel offenbar sekundär in den vorliegenden Zusammenhang eingefügt wurde, ist es insbesondere im Bereich des chronistischen Sondergutes (V.13 f) sehr harmonisch auf den Beginn der Lade-Episode angepasst worden (s. o.). 60 Evtl. reicht dieser Zusammenhang bis 1Chr 16,43, wo Davids Rückkehr auffälliger und eigentümlicher Weise ebenfalls mit סבבbeschrieben wird. Die LXX bietet hier das Lexem ἐπέστρεψεν, was auch zur Übersetzung von שובgebraucht wird. Gleichwohl wird auch in 1Chr 10,14 סבבmit ἐπέστρεψεν übersetzt. Außerdem stellt die Vertauschung von שund סeinen locus classicus dar (vgl. Ri 12,6). Giffone (2006, 174) stellt gar einen Zusammenhang bis 1Chr 17,13 her, wo David hinsichtlich der in von JHWH zugesagten חסדerneut mit Saul kontrastiert wird. Im Hinblick auf das Verbum סבבim Sinne „‚turning‘ of rulership“ hat Machinist (1995, 106 f) insgesamt fünf Stellen in der Hebräischen Bibel identifiziert, wo סבבin dieser Bedeutung
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vor Sauls Tod in Hebron zum König über Israel gesalbt wird.61 – Ein Vorgang, der mit Blick auf die dynastische Herrschaftssukzession offenbar undenkbar ist.62 Das Skandalon der vorzeitigen Herrschaftsübernahme wird dementsprechend durch die umgehenden Anstrengungen für den Kult legitimiert. Der Chronist bekräftigt nun die Zustimmung des Volkes in V.4 und verfährt dabei mit einer literarischen Technik, die wir bereits aus V.2 kennen. Es heißt hier: ויאמרו כל־הקהל לעשות כן כי־ישר הדבר בעיני כל־העם. Die Wendung ישר … בעיניhat einen festen Sitz in der dtr. Literatur.63 In Dtn 6,18 erhalten die Israeliten in einer typischen Formulierung den Auftrag von Mose: ועשית הישר והטוב בעיני יהוה למען ייטב לך ובאת וירשת את־הארץ הטבה אשר־נשבע יהוה לאבתיך׃
Diese Formulierung weicht in der Chronik um das Element ( )הטובab, wobei die Abweichung mit Blick auf Dtn 12,8.25 nicht untypisch ist, sondern in Dtn 6,18 eher von besonderer Ausführlichkeit gesprochen werden kann.64 Außerdem hatte der Chronist „das Gute“ bereits in V.2 abgesichert. Auffällig hingegen ist die Abweichung der beäugenden Beurteilungsinstanz. Während im dtr. Kontext nämlich stets JHWH das evaluierende Subjekt rechten Verhaltens ist, wird dieser Zusammenhang in der Semantik der Chronik institutionell ausgedehnt. Durch die Formulierung ישר הדבר בעיני כל־העםwird hier zum Ausdruck gebracht, dass rechtes Handeln nicht ohne die Emphase des ganzen Volkes ins Werk gesetzt werden kann. Das bedeutet jedoch keinesfalls, wie V.2 zeigt, dass die göttliche Zustimmung unberücksichtigt bleibt. Vielmehr wird hier die göttliche Zustimmung durch das ganze Volk bekräftigt. Deutlich ist dabei, dass hier gewissermaßen eine Anti-Situation zu Ri 17,6; 21,25 geschildert wird: Ri 17,6; 21,25
1Chr 13,4
בימים ההם אין מלך בישראל איש הישר בעיניו יעשה׃
ויאמרו כל־הקהל לעשות כן כי־ישר הדבר בעיני כל־העם׃
verwendet wird: 1Kön 2,15; 12,16; 1Chr 10,13 f; 12,24 f; 2Chr 10,16. In seiner instruktiven Studie zeigt er zudem, dass der Begriff keine alttestamentliche Spezialität darstellt, sondern sich vielmehr ähnliche Konzeptionen vom Sumerischen bis ins Arabische des 7. Jahrhunderts nachweisen lassen (Ebd. 114–119). 61 Vgl. dazu Knoppers 2006, 187. 62 Vgl. den Übergang des Königtums von Usija auf Jotam. Obwohl Usija auf Grund eines schweren Kultvergehens schon längst nicht mehr das Königsamt über Israel ausüben kann, wird Jotam, der bereits im Königspalast wohnt und dort in einem Interim als Richter fungiert (2Chr 26,21), erst nach dem Tod des Vaters zum König. 63 Vgl. z. B. Dtn 6,18; 12,8.25.28; 13,19; 21,9; Jos 9,25; Ri 17,6(!); 1Kön 14,8; 15,5; 22,43; 2Kön 12,3; 14,3; 15,3.34; 16,2; 18,3; 22,2. 64 Liest man die Verse 2aβ und 4b jedoch als einander ergänzende Rahmenteile der Einleitung, bleiben beide Elemente: טובund ישרerhalten.
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6. Kult-Gegenstand
Nun ist der Sachverhalt nur scheinbar evident: Da im Richterbuch eben kein König an der Macht war, liegt der Fall so, während sich in 1Chr 13,4 die Dinge durch Davids Herrschaft eben ins Gegenteil gewandelt haben. Was sich hier jedoch erneut abzeichnet, ist, dass dieser scharfe Kontrast noch nicht bei Samuel, sondern erst in den Chronikbüchern besteht.65 Wobei hier die dtr. Beurteilungsformel unter den Vorzeichen der davidischen Herrschaft in idealer Weise auf das gesamte Volk übertragen wird. Die Rückversicherung göttlicher Zustimmung, die ihre Bekräftigung durch das Volk findet, stiftet also mit Blick auf Ri 17 und 21 eine Situation, die als Antitypus par excellence aufzufassen ist. Wenn also hinsichtlich der Stellen im Richterbuch von einem Tiefpunkt der Geschichte Israels gesprochen werden kann, so ist hier von ihrem Zenit zu sprechen. Zu diesem Idealzustand passt, dass die in V.5 geschilderte Ausdehnung des Volkes מן־שיחור מצרים ועד־לבוא חמת, die in Überbietung der euphratischen Idee von Jos 1,4 offensichtlich die Erfüllung von Jos 13,3.5 im Blick hat, die flächenmäßig größte Ausdehnung Israels überhaupt darstellt.66 Während im Richterbuch also die Wendung „Ein jeder tut, was gut ist in seinen Augen…“ auf die Einsetzung eines Königs zielt (vgl. Ri 17,6; 18,1; 19,1a; 21,25), 65 Mit der chronistischen Darstellung setzt also eine motivische Umkehrbewegung zu den Diskursen ein, die Kratz (2000, 196) konzise für die Entwicklung des Verhältnisses von Richter- und Königsschema dargestellt hat: „Das gleichlautende ‚das Böse tun in den Augen Jhwhs‘ meint hier und dort ursprünglich nicht dasselbe und wird jeweils auch ganz anders bewältigt. In Jdc tut das ganze Volk im Unterschied zum ‚Richter‘, in Reg tun die Könige das Böse in den Augen Jhwhs, die auch das Volk zur Sünde verführen, wenn nicht, wie einige Male in Juda, die Könige ‚das Rechte‘ tun und nur das Volk auf den Höhen opfert.“ Kratz zeigt dabei, dass das Straf-Schema des Richterbuches schon „eher an die chronistische Fassung der Königsgeschichte in I–II Chr als an die deuteronomistische in Sam-Reg“ (Ebd. 197) heranreicht. Wenn Kratz weiterhin feststellt, dass erst die spät-dtr. Ergänzungen in Sam / Kön in Form der Einhaltung des Gesetzes eine „Umkehr und Rettung aus der Not“ (vgl. ebd.) eröffnen, zeigt sich sehr deutlich, dass der Chronist unter den vielbeschworenen Vorzeichen einer „Demokratisierung“ genau diesen Zustand in Juda zur Zeit Davids und Salomos verwirklicht sieht und damit einen idealen, jedoch keinesfalls utopischen Zustand beschreibt. Die Intention des Chronisten erklärt sich dabei aus einer neuen Perspektive auf das judäische Volk. Während Kratz für die Richterzeit konstatiert, dass sie „als Überbrückung, die den für das Gericht von 720 und 587 v. Chr verantwortlichen Sündenfall dem ganzen Volk Israel, dem Volk Jhwhs, und nicht erst den Königen Israels und teilweise Judas, anlastet“ (2000, 216), hat Schulz jüngst die projudäische und prodavidische Tendenz der sog. Anhänge zum Richterbuch herausgearbeitet und ebenfalls richtig den Übergang zur chronistischen Literatur angedeutet. (vgl. Dies. 2016, 258). In dieselbe Richtung hat auch Spronk mit einigen Aufsätzen gewiesen, der das Richterbuch und die Chronikbücher in dieselbe Zeit datiert. (Vgl. Ders. 2011, 185–198 sowie Ders. 2010, 15–28, 28). Vgl. zu diesem Zusammenhang neuerdings auch Achenbach 2017, 113–132. Dass sich die Verhältnisse des Richterbuches in der Chronik mit David schlagartig ändern, sieht man z. B. auch an der kontrastierenden Bezugnahme auf Jebus. 66 Vgl. Japhet z. St.. An dieser Stelle wir die von Perlitt beschriebene „euphratischen Idee“ (Vgl. Perlitt 1994, 102.), die er in Dtn 1,7; 11,24 sowie Jos 1,4 als eine eigene Schicht identifiziert, demnach nicht nur rezipiert, sondern noch überboten.
6.1 Texturen: Die Ladeerzählung in 1Chr 13–16
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kommt es zu einem Vorzeichenwechsel in der Chronik. Blickt man auf Dtn 12,8, kann man mit Smend festhalten: Bei dieser Sentenz aber besteht dringender Verdacht auf dtr Autorschaft. Das ‚Rechte in den Augen eines jeden‘ ist eine Variante des ‚Bösen in den Augen JHWHs‘ aus dem Richterschema, von DtrH an prominenter Stelle bereits in Dtn 12,8 auf die unordentlichen Zustände vor der Konsolidierung im Lande angewendet.67
Offenbar übernimmt der Chronist zwar die dtr. Ausdrucksweise, zeigt darin jedoch gerade kontrastiv an, dass unter David die selbstgefällige Handlung mit der gottgefälligen Handlung zur Deckung kommt.68 Ab V.5 endet nun die chronistische Einleitung und die Darstellung läuft mit 2Sam 6 parallel. Ganz Israel macht sich auf nach Kirjat-Jearim, um die Lade zu holen, womit der Chronist an die Lade-Erzählung in 1Sam 7,2 anknüpft, die er gar nicht mitüberliefert, aber offensichtlich stillschweigend voraussetzt, wobei er aber in V.6 offensichtlich noch dessen genaue Lage für erklärungsbedürftig hält. Besonderes Augenmerk ist im Folgenden auf V.7 zu legen, dessen Parallele 2Sam 6,3 ist. Auffällig ist zunächst, dass der Chronist seine Darstellung verknappt. Er tilgt den zweifachen Hinweis auf den neuen Wagen und auch das Verwandtschaftsverhältnis zwischen Ussa und Abinadab. Die Verwandtschaftsverhältnisse Abinadabs waren offenbar auf Grund der Aufbewahrung der Lade in seinem Haus umstritten. Schon bei der Einbringung der Lade in dessen Haus weihen ( קדשpi.) die Einwohner Kirjat-Jearims dessen Sohn Eleasar (vgl. 1Sam 7,1) und machen ihn zum Wächter der Lade. Die durch seinen Namen indizierte Zuweisung des Ladehüters zur Priesterkaste ist offenbar eine literarische Antwort auf die Verlegenheit späterer Tradenten der ursprünglichen Narration, die damit eine mögliche Verunreinigung der Lade unbedingt ausschließen wollten. Dabei ist keinesfalls unwichtig, dass nach der Vorstellung der priesterlich-genealogischen Konstruktion nur ein Priester einen Priester hervorbringt. Da die Priesterschaft Eleasars jedoch latent bleibt, ist auch das Priesteramt Abinadabs höchstens sublatent. Eleasar bleibt ferner im Fortgang der Erzählung nicht nur vollkommen funktionslos, sondern versagt unkommentiert genau in dem Moment, in dem er eigentlich gebraucht worden wäre (vgl. 2Sam 6,7). Offenbar ist die Figur also nach der Herstellung des Zusammenhanges zwischen 1Sam 4–6 und 2Sam 6 eingesetzt worden.69 Vollkommen zu Recht beurteilt Porzig die Einsetzung Eleasars demnach als vor-chronistisch.70 Ob diese Filiation in der Chronik vorausgesetzt wird, ist nicht mit absoluter Sicherheit zu sagen. Vor dem Hintergrund der Tilgung des Verwandtschaftsverhältnisses von Abinadab mit Ussa und Achjo lässt sich jedoch
67 Smend 1978, 117. 68 Die Evaluations-Theologumena הרע בעיני יהוהund הישר בעיני יהוהspielen auch weiterhin eine wichtige Rolle. Vgl. 1Chr 2,3;(13,4); 21,7; 2Chr 14,1; 20,32; 21,6; 22,4; 24,2; 25,2; 26,4; 27,2; 28,1; 29,2.6; (30,4); 33,2.6.22; 34,2; 36,5.9.12. 69 Vgl. zur Analyse ausführlich Porzig 2009, 130–156. 70 Vgl. Ebd., 152.
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6. Kult-Gegenstand
genau das vermuten,71 da auf diese Weise die Fiktion eines Priesterbruders entschärft wird. Zu beachten ist bereits jetzt, dass der Chronist selbst eine etwas anders gelagerte Verteilung der Zuständigkeit vornimmt: Nach der Überführung der Lade nach Jerusalem wird David dort asafitische Leviten zum Dienst (1Chr 16,37) und das zadokidische Priesterpersonal nach Gibeon zum Begegnungszelt abstellen (1Chr 16,39). Auf die Differenzierung der Zuständigkeiten hat der Glossator von 1Sam 7,1 also offenbar keine Rücksicht genommen, ihm war anders als dem Chronisten nicht an einer Entwicklung des Lade-Levitismus gelegen.
Von größter Relevanz ist nun die Tilgung des Verbums נשא.72 Und zwar aus zwei Gründen: Erstens müsste eigentlich bereits in der Anlage der Samuel-Erzählung das Vergehen ausgelöst werden, ist doch ein Heben ohne Berührung schlechterdings nicht vorstellbar und Berührung der heiligen Geräte nach Num 4 strafbar. Wenn der Schreiber darin keinen Widerspruch gesehen hat, setzt er diese Tradition also noch nicht voraus. Der Chronist jedenfalls scheint an dieser Lesart jedoch nicht mehr vorbeizukommen. Er tilgt also dieses Verbum im Hinblick auf das noch folgende und eigentlich katastrophale Moment der Berührung. Zweitens: In 1Chr 15,2 macht der Chronist unmissverständlich klar, dass allein die Leviten die Lade tragen dürfen. Jegliche andere Trägerschaft musste ihm also ein Gräuel gewesen sein und damit unterbunden werden. Dass eine Tilgung vorliegt, kann zumindest mit Blick auf 4QSama erwogen werden.73 Wenn zu dieser Tilgung nun die genannten Gründe geraten haben, dann lässt dieses einen tiefen Blick in die literarische Produktionstechnik des Chronisten zu, gibt dieser durch den Eingriff in den Text doch zu verstehen, dass er bereits aus dem Geiste der Tora gehandelt hat. Die Bestimmungen der Tora spielen also in der Chronik nicht nur im Hinblick auf zitiertes oder indirekt eingearbeitetes Material, sondern in der gesamten Textkonstitution eine Rolle. Das führt im Hinblick auf ein Fachwerkmodell, das Sam / Kön als das Fachwerk und die Tora als Gefach versteht, zu der Revision, in der Tora ebenfalls einen tragenden Pfeiler der Textkonstitution zu sehen. Möglicherweise hatte der Chronist dabei nicht nur den immer wieder von den Exegeten in Stellung gebrachten Text Dtn 10 vor Augen, sondern auch Num 4,15, wo explizit eine Berührung der heiligen Geräte durch Leviten vermieden werden soll.74 71 Neuerdings spekuliert Giffone (2016, 176 f) ohne zureichende Gründe, geschweige denn heuristischen Mehrwert über eine benjaminitische Abstammung Ussas und Achjos. Dabei steht wie oben ausgeführt, der Personenname Achjo ohnehin zur Disposition. 72 V.3 ist offensichtlich verderbt. Einen plausiblen Rekonstruktionsversuch unternimmt Porzig (2009, 164). Die Form וישאהוist Teil seiner Rekonstruktion; eine Tilgung des Chronisten umso wahrscheinlicher. 73 Vgl. zur synoptischen Abwägung der Bedeutung von 4QSama in diesem Textbereich Porzig 2009, 164–166. 74 2Sam 6,4MT ist in der Chronik, in 4QSama und in der LXX nur fragmentarisch, erhalten. וישאהו מבית אבינדב אשר בגבעהist demnach Dittographie.
6.1 Texturen: Die Ladeerzählung in 1Chr 13–16
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Mit Blick auf V.8 ergibt sich ein Grund für die Tilgung von 2Sam 6,4b.75 Dort wird von David und ganz Israel ausgesagt, dass sie vor der Gottheit, d. h. vor der Lade, scherzten ()משחקים לפני האלהים. Der Kontext einer feierlichen Ladeprozession scheint für den Chronisten nicht mehr damit vereinbar zu sein, dass jemand unbefugtes vor der Lade prozessiert, wie es die Vorlage berichtet (ואחיו הלך לפני )הארון. Der Chronist formuliert die Szene so, dass David mitsamt dem Volk Israel vor der Lade herzieht. Möglicherweise assoziiert er hier schon Num 2, wo der im Osten lagernde Stamm Juda zuerst aufbricht. Zwar besteht keine direkte Verbindung zu dieser Vorstellung, dennoch kann aber angenommen werden, dass der Chronist mit der Tilgung Achjos, resp. des Bruders Ussas, die Vorstellung einer angemessenen Prozession verfolgt hat. Freilich ist auch die Würde des Königs allein an der Spitze gut repräsentiert. Die Entscheidung des Chronisten, David voll Hingabe ( )בכל־עזstatt mit Hölzern ( )עציtanzen zu lassen, führt schon hier zu einem phonetischen Affront gegen Ussa, der kurz vor seinem großen Scheitern steht.76 Es fällt auf, dass hier noch keine Leviten, Priester oder Sänger namentlich erwähnt werden, obwohl in 1Chr 15 erzählt wird, dass Leviten und Priester bei der Prozession dabei sind. Offenbar wird David genau an dieser Stelle zum Sänger transformiert. Erst später, in 1Chr 15,16, wird David die Leviten zu Sängern machen und Instrumente anfertigen (1Chr 23,5), von denen es dann unter Hiskia heißt, dass sie mit den כלי דוידausgestattet werden (2Chr 29,26 f).
Der Chronist fügt der Reihe der Musikinstrumente an dieser Stelle erstmals die חצצרה, die Priestertrompete, hinzu. Mit Blick auf den Konkordanzbefund des Lexems חצצרהist damit ein weiterer Anhaltspunkt für eine enge Verbindung der spätesten Texte des Numeribuches und der Chronik gegeben.77 In V.9 ereignet sich das Unausweichliche: Ussa greift nach der Lade. Dabei hat Rothstein das Richtige beobachtet, wenn er darauf hinweist, dass bereits der Versuch, die Lade zu berühren, geahndet wird.78 – Die Berührung weckt den Zorn JHWHs und dieser tötet Ussa an Ort und Stelle, wobei der Chronist in V.10 eine direkte Begründung für diese Todesstrafe gibt. Bezeichnend ist hier die Potenz der Lade, die durch eine Ersetzung stärker als in der Vorlage die göttliche Anwesenheit 75 V.4b ist in 4QSama und der LXX belegt und damit wahrscheinlich die ursprüngliche Les art (vgl. Porzig 2009, 165). 76 2Sam 6,5LXX bietet ἐν ἰσχύι. 4QSama bietet ( בכול עזvgl. Driesbach 2016, 74). Die Chronik bietet mit בכל עזdemnach die ursprüngliche Lesart. Vgl. schon Wellhausen 1871, 167. 77 Zur literatur- und traditionsgeschichtlichen Einordnung der חצצרהvgl. die an dieses Kapitel anschließende Darstellung. 78 Rothstein z. St., 256 Ob die Infinitivkonstruktion lediglich eine stilistische Variante ist, wofür die Übereinstimmung mit 4QSama sprechen könnte, diskutiert Lemke (1965, 350 f. sowie 1963, 29). Zu beachten ist, dass bereits der Versuch eines kultischen Verstoßes auch in 2Chr 26 schwer geahndet wird (S. o. Kult-Handlung).
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6. Kult-Gegenstand
repräsentiert. Ussa stirbt nicht mehr bei ‚der Lade Gottes‘, sondern regelrecht ‚vor Gott‘ selbst.79 David wird in V.11 seinerseits zornig wegen des Risses, den JHWH damit gerissen hat. Hier wird nun auch im Hinblick auf die genaue Bezeichnung des Ortes das Motiv aus V.2 in fast ironischer Weise virulent. Aus „Wir wollen reißen“ ist ein tatsächlicher Riss geworden, womit die gesamte göttliche Zuwendung zu diesem Unterfangen vorläufig zur Disposition steht. Die Gottesfurcht jedenfalls ergreift David zu Recht und er wirft die Frage auf, wie er die Lade zu sich kommen lassen könnte. Dabei bleibt durch die Änderung des Personalmorphems von יבואzu אביאdie gesamte Initiative bei David. Seine Zweifel führen zunächst zu einer Unterbrechung der Überführung und er lagert die Lade bei Obed-Edom ein, von dem der Chronist seltsamerweise die Bezeichnung הגתיübernimmt, allzumal er diesen später vielfach unter den Leviten aufführt: [D]er Chronist machte Obed-Edom doch zum Leviten, zu einem der Türhüter vor der heiligen Lade (1Chr 15,18.24; 16,38, auch 26,1–5; 2Chr 25,24) und führte ihn auch unter den Leviten auf, die den Einzug der Lade in Jerusalem musikalisch begleiteten (1Chr 15,21; 16,4). Nach der Darstellung des Chronisten hätte Obed-Edom sogar zwei levitische Funktionen gleichzeitig ausgeübt, die eines Türhüters und die eines Sängers!80
Auch Josephus wird später genau mit Blick auf 1Chr 13,14 behaupten, dass ObedEdom ein Levit gewesen sei.81 Die Lade verbleibt ein viertel Jahr in dessen Haus, bevor der Plot weiterläuft.82
6.1.5 1Chr 14 An dieser Stelle wird der Erzählverlauf von 2Sam 6 zwischen V.11 und 12 unterbrochen und die Episode aus 2Sam 5,12–25 eingesetzt. „Dadurch“ – so Well hausen – „wird zwar das Zusammengehörige auseinandergerissen, aber zugleich das weltliche Geschäft, welches nach der älteren Relation das nächste und angelegenste ist, zu einer bloßen Episode des heiligen herabgerückt.“83 In der Tat wird hier schon rein textpragmatisch eine Topikalisierung des Heiligen her gestellt, die alle weltlichen Angelegenheit unterordnet. Doch dabei bleibt es nicht. 79 Vgl. dazu Rothstein z. St., 256. 80 Kalimi 1995, 54. 81 Ant 7.83 „οὐκ εἰσδέχεται μὲν αὐτὴν πρὸς αὑτὸν εἰς τὴν πόλιν ἀλλ᾽ ἐκνεύσας εἴς τι χωρίον ἀνδρὸς δικαίου Ὠβαδάρου ἄνομα Ληουίτου τὸ γένος κτλ.“ 82 Möglicher Weise steht hier eine symbolische Zahl im Hintergrund: 3 Monate = 2 × 28 Tage = 84 Tage = 12 × 7. Das bedeutete, dass mit den drei Monaten jeweils 7 Tage der Reinigung für jeden Stamm intendiert sein könnten. 83 Wellhausen 1927, 169.
6.1 Texturen: Die Ladeerzählung in 1Chr 13–16
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Sechs Konsequenzen, die sich aus dieser Umstellung ergeben, sind besonders hervorzuheben. 1. Der Segen bleibt David erhalten, da in V.3–7 explizit weitere Söhne genannt werden. Dabei behält David die Initiative, indem er Söhne zeugt und sie ihm nicht geboren werden. Außerdem nimmt er keine Frauen und auch keine Nebenfrauen aus, sondern in Jerusalem. 2. David gewinnt zwei Schlachten gegen die Philister, obwohl die Lade eindeutig abwesend ist. Damit wird also nicht nur der göttliche Schutz aufrechterhalten, sondern geradezu ein Gegenbild gegen 1Sam 4–6 entworfen, wo selbst die Lade das Kriegsgeschehen nicht positiv beeinflussen konnte. 3. In V.11 wird erneut auf das Perez-Motiv rekurriert. Hier heißt es jedoch, dass Gott einen Riss durch die Feinde Davids gemacht habe. Innerhalb der Lade-Episode, wo dieses Motiv schon eine entscheidende Rolle spielt, kann eine erneute Aufnahme dieses Topos nur bedeuten, dass JHWH zwar das Überführungsunterfangen unterbrochen, sich damit aber keinesfalls gegen David gewendet hat. Knoppers beurteilt den Sachverhalt folgendermaßen: In the larger context of the narrative, Yhwh’s ‚breakthrough‘ on behalf of Israel is significant. During the ark procession Yhwh ‚broke through‘ to doom Uzza, thereby halting Israel’s hopes of stationing its national shrine in Jerusalem. The triumph in sacral war signifies a clear shift from a state of divine disfavor to a state of divine favor.84 4. So ist es nur folgerichtig, dass David sich komplementär in V.12 – wie schon de Wette richtig beobachtet hatte – exakt nach Maßgabe der Tora verhält. Während nämlich David und seine Männer in 2Sam 5,21 die Götzen forttragen, berichtet der Chronist in wörtlicher Übereinstimmung mit Dtn 7,5, dass David die Anweisung erteilte, die fremden Götter im Feuer zu verbrennen: 2Sam 5,21
1Chr 14,12
ויעזבו־שם את־עצביהם וישאם דוד ואנשי
ויעזבו־שם את־אלהיהם ויאמר דויד וישרפו באש
5. Im Bevorstehen der Schlachten wird in V.10 und 14 berichtet, dass David Gott befragt ()שאל. Hier scheint er in direktem Kontakt mit Gott zu stehen und weder eines Mittlers noch der Lade zu bedürfen. Zugleich wird er damit in scharfem Kontrast zu Saul gezeichnet, der nicht nur nicht JHWH befragen konnte, sondern sogar eine Totengeistbeschwörerin aufgesucht hatte. 84 Knoppers z. St.
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6. Kult-Gegenstand
6. Ein letzter Punkt ist bisher zu wenig beachtet worden. In 1Chr 14,16 fallen mit Blick auf 2Sam 5,25 kleine Varianten auf. Das Tetragramm wird zu האלהים geändert, außerdem werden nicht die Philister, sondern das Lager der Philister geschlagen. Weiterhin schlägt David die Philister nicht mehr von Geba ( )מגבעbis dorthin, wo es nach Geser geht, sondern von Gibeon ()מגבעון, was etwa zwölf Kilometer weiter westlich liegt, bis Geser; wobei die genau Lokalisierung Gebas umstritten ist und bisweilen auch eine Verwechslung mit Gibea vorliegt. Wo der ursprüngliche Ort aber auch liegt, der Chronist macht aus der Befreiung Gebas die Befreiung Gibeons.85 In diesem Zusammenhang weist Japhet darauf hin, dass es David damit gelungen sei, die Philister aus dem Stammesgebiet von Benjamin86 und Ephraim zu vertreiben. Doch mehr als das: Der Chronist setzt hier genau den Ort auf die Karte, an dem er später den אהל מועדloziert und zwar noch innerhalb unserer Lade-Episode in 1Chr 16,39. Diesen, so wird zu zeigen sein, bringt er ihn dort in Stellung, um später Salomos Opfer auf dieser Höhe zu legitimieren, während er die Lade in Übereinstimmung mit Num 10 dem Zeltheiligtum nach Jerusalem vorausziehen lässt. Dennoch sollte nicht weiter übersehen werden, dass David, während er gerade drei Monate in anderen Kultdingen pausiert, nebenbei die zweite wichtige Kultstätte aus feindlicher Hand befreit. Insofern stellt also die Umstellung des Chronisten nicht nur – wie Wellhausen meinte – die Einbettung des Profanen ins Heilige dar, sondern das Heilige bleibt dem Chronisten auch im Profanen erhalten.87 Damit wenden wir den synoptischen Blick auf 1Chr 15.
85 Einen Beitrag zur Entflechtung der Ortsbezeichnungen Geba, Gibeah und Gibeon hat Demsky (1973) geleistet, der mit Blick auf 1Chr 14,16 die These vertritt, „that the author of the Saul cycle does not use the more common toponym Gibeon for el-Jib, but rather the form Geba!“ (ebd. 30) Auch durch die Identität des Orts die inhaltliche Änderung des Chronisten weniger substantiell ist, darf die Ersetzung der Bezeichnung nicht unterschätzt werden, da in der Benennungsidentität der Ortschaften einzig in der Chronik der durch David von den Philistern befreite Ort als der Ort wiedererkennbar wird, an dem der אהל מועדsteht. Vgl. dazu das Kapitel „Kult-Ort“. 86 Wie wichtig die Rolle Benjamins für den Chronisten ist, lässt sich u. a. an Joabs Exemption nicht nur der Leviten, sondern auch der Benjaminiten während der Volkszählung ablesen. 87 Aus dieser Perspektive wird einerseits die Pragmatik der Umstellung von 1Chr 14 verständlich und gleichermaßen deutlich, dass der Chronist nicht etwa, wie es Wright (1998, 45–49.47), angenommen hat, zwei verschiedene Lade-Narrative verfasst, sondern lediglich ein vorliegendes Narrativ umgearbeitet und neu akzentuiert hat. Vgl. dazu auch Jonker (2015, 419 f), der ebenfalls die narrative Einheitlichkeit betont.
6.1 Texturen: Die Ladeerzählung in 1Chr 13–16
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6.1.6 1Chr 15 Bei der Analyse von Kapitel 15, das gerade im Hinblick auf seinen Entstehungszusammenhang einige komplexe Fragen aufgibt, hebt Knoppers hervor, dass im Hinblick auf seine Komposition ein wichtiger Zusammenhang zwischen davidischen Aufträgen und levitischen Umsetzungen bestehe. Aus dieser Perspektive wird nunmehr noch deutlicher, warum die Perikope überhaupt umgruppiert wurde. Der Chronist weist von der Erstbegegnung mit Churam bis zur Befreiung Gibeons die gesamten davidischen Unternehmungen als einschlägig relevante Anstrengungen für die Installation des Kultus aus.88 Die Verse 1–3 knüpfen in zweifacher Weise an den vorangegangenen Erzählstoff an. Einerseits wird davon berichtet, dass David sich Häuser baut, was direkt mit 1Chr 14,1 korrespondiert, andererseits wird mit dem Topos בעיר דוידdie Lokalität, besser gesagt der מקוםvon 1Chr 13,2 und besonders 1Chr 13,13 wieder aufgenommen. Dabei sei an dieser Stelle nur angedeutet, dass der Chronist mit der Anlage seines Erzählstoffes anders als Sam / Kön eine regelrechte מקום-Theologie entwickelt, die einen ihrer Höhepunkte in 1Chr 21 und der Identifikation des Tempelberges mit dem aus Gen 22 bekannten Morijah hat. Willi hat dazu bemerkt, dass der Chronist im Gegensatz zum Deuteronomisten, der den Tempelbau auf 480 Jahre nach dem Exodus datiert, keinen Wert auf die Zeit, sondern auf den Ort legt.89 Eigentümlich ist die Bemerkung, dass David für die Lade ein eigenes Zelt errichtet. Offensichtlich konnte der Chronist einerseits nicht an der Vorstellung vorbei, dass die Lade in einem Zelt aufzubewahren ist, andererseits verzichtet er jedoch darauf, irgendeinen Bezug zum אהל מועדherzustellen, über dessen Verbleib in Gibeon er ja immerhin Bescheid weiß. Dass darin ein regelrechter dtr. Antitopos zum אהל מועדzu sehen ist, wie von Rad aus einer rezeptionsästhetischen Perspektive dem Chronisten unterstellte, wird also der literarischen Strategie nicht gerecht. Dass der Chronist jedoch eine regelrechte אהל- und משכן-Sukzession vor Augen hat, geht aus 1Chr 17,5 hervor. Nachdem David der Lade einen vorübergehenden Ort bereitet hat, zeigt uns der Chronist in V.2 David wieder Tora-observant: אז אמר דויד לא לשאת את־ארון האלהים כי אם־הלוים כי־בם בחר יהוה לשאת את־ארון יהוה ולשרתו עד־עולם׃. Darin liegt in den Augen aller Ausleger eine deutliche Anspielung auf Dtn 10,8 vor.90 Einige Ausleger sprechen auch von einer Synthese aus Dtn 10,8 und Dtn 18,5. Dabei wird mitunter jedoch übersehen, dass im narrativen Nahkontext 88 Vgl. zu diesem Aspekt auch die rahmende Technik in 2Chr 2; 9, die der Chronist durch die Herstellung einer latenten Identität zwischen Churam und der Königin von Saba herstellt. 89 S. u. „Kult-Ort“ sowie die Darstellung Willis (z. St., 140–145). 90 Vgl. bspw. Willi z. St., 98.
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6. Kult-Gegenstand
auch Verweise nach Num 1,50–53; 3,5–9.31; 4,5.15 führen, wobei hier ebenfalls die Aufgaben נשאund שרתgenannt werden und nicht mehr vom שבט הלוי, sondern von den לוייםdie Rede ist. Dabei wird in Num 4,1–20 explizit die Kehat-Sippe zum Tragen der Lade abgestellt. Es ist besonders zu beachten, dass erst hier das Vergehen der Berührung des Heiligen eine Rolle spielt, die Ussa ja, wie es Num 4,15 ankündigt, das Leben gekostet hat. In diesem Zusammenhang bleibt zunächst noch zu beschreiben, dass David nun wie in 1Chr 13,5 ganz Israel nach Jerusalem versammelt, um die Lade an den für sie bestimmten Ort zu überführen. Es folgt die Einsetzung verschiedener Levitenlisten. Zunächst gerät 1Chr 15,12 in den Blick. Hier fordert David die ראשי האבות ללויםauf, sich zu heiligen. Die Verwendung von קדשim hitpael ist dabei selten genug, um einen direkten Bezug zu Ex 19,22 herstellen zu können. Hier heißt es: וגם הכהנים הנגשים אל־יהוה יתקדשו פן־יפרץ בהם יהוה. Nicht mehr von der Hand zu weisen ist der Zusammenhang, wenn man beachtet, dass in Ex 19 außerdem das Leitmotiv der Lade-Episode auftaucht. פן־יפרץ בהם יהוהmacht unmissverständlich klar, dass das Problem der Ladeüberführung nicht nur mit dem Tragen, also der Berührung, zusammenhängt, sondern der Erfolg der gesamten Unternehmung von der Heiligung des Personals abhängt. Dabei wird in der Chronik nun eine Vorstellung virulent, wie wir sie z. B. in P oder in Ez noch nicht finden, wo von einer Heiligung der Leviten nicht die Rede ist. Demnach wird nun also in V.13 das פרץ-Motiv vor dem Hintergrund von Ex 19,22 erneut ins Spiel gebracht und ein direkter Kausalzusammenhang zwischen dem Scheitern der Überführung und der nicht vollzogenen Heiligung hergestellt. Dabei nimmt der Chronist auch wieder Bezug auf das Scheitern Sauls in 1Chr 10,13.14 und die kontrastiv dagegen gesetzte Initiative Davids in 1Chr 13,3, indem er das Scheitern der ersten Ladeüberführung mit כי־לא דרשנהו כמשפטbegründet. Die Verwendung von כמשפטmacht deutlich, dass im weiteren Sinne auf eine Bestimmung der Tora referiert wird, die im engeren Sinne natürlich im Personal differiert. Der Chronist weitet also den Status der Heiligung auf die Leviten aus.91 Es werden also vom Chronisten drei Epochen des Umgangs mit der Lade unterschieden: (1) Erst wurde nach der Lade gar nicht gefragt, (2) dann wurde nach der Lade nicht כמשפטgefragt, und dann schließlich (3) wird nach der Lade in Übereinstimmung mit allen für sie gültigen Regelungen gefragt. Die Leviten folgen gemäß dem eingangs beschriebenen Schema Davids Auftrag und heiligen sich, wobei Selbiges auch von den Priestern berichtet wird. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass Albertz sich zu genau diesem Problem jüngst mit zwei Beiträgen in die Diskussion eingeschaltet hat.92 Indem er sich 91 Dabei scheint schon eine gewisse Nähe zu der Konzeption, von Num 3,11–13 vorzuliegen, wo der Syllogismus entwickelt wird, dass die Leviten heilig sind, da sie das Erstgeburtsopfer substituieren, von dem JHWH dort selbst sagt, dass er es für sich geheiligt hat: הקדׁשתי לי. 92 Vgl. Albertz z. St. sowie Ders. 2015b und 2015c.
6.1 Texturen: Die Ladeerzählung in 1Chr 13–16
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dem פרץ-Motiv aus der kritischen Analyse des Buches Exodus annähert, hebt Albertz die auffällige Nähe zur Chronik hervor. Wie Albertz bemerkenswerterweise entgegen seiner eigenen Systematik plausibel macht, ist das פרץ-Motiv in Ex 19 ein spätes Element, das noch jünger als die post-priesterlichen Elemente zu beurteilen ist. Er sieht sich deshalb sogar genötigt, das Siglum chrE (=chronistischer Ergänzer) einzuführen. Dieser sei für Ex 19,11b–13a.17b.20–25 sowie auch Ex 32,26–29 verantwortlich zu machen. In Ex 19 habe der chrE die Absicht gehabt, die Zugangsbeschränkungen zu den heiligen Orten bereits während der Sinaitheophanie zu klären. „Offenbar war dieser Theologe von dem Gedanken beseelt, dass ein unsachgemäßer Umgang mit dem Heiligen für alle Menschen, insbesondere für die Laien, hochgefährlich ist (1Chr 13,5–14; 15,11–15; vgl. Gen 32,31; Ex 24,11; 33,20; Ri 13,22).“93 Wenn in der vorliegenden Arbeit nach der Rezeption des Pentateuchs in der Chronik gefragt wird, ist diese Einschätzung Albertz’ alles andere als unwichtig, da der späte Einfluss chronistischer Ergänzer auf den Pentateuch zeigt, dass jene diesen offenbar in vor-chronistischer oder sogar chronistischer Zeit – die genaue Zuweisung lässt Albertz offen – bearbeiten konnten.
Es ergibt sich der Eindruck, dass die spätesten Stücke des Pentateuchs und der literaturhistorische Anfang der Chronik eine Schnittstelle bilden, die – mit aller Zurückhaltung erwogen – möglicherweise innerhalb von ein bis zwei Generationen geöffnet war. Anders gesagt: Aller Wahrscheinlichkeit nach kommen wir, wenn mit einer Bearbeitung des Pentateuchs in etwa bis in die Mitte des 4. Jh. zu rechnen ist, mit der Abfassung der Grundschicht der Chronikbücher in jedem Fall in die früh-hellenistische Zeit. In V.15 rekurriert der Chronist explizit auf ein Gebot des Mose, der das Tragen ( )נשאder Lade mit Tragestangen auf den Schultern angeordnet habe. Wir erinnern uns daran, dass dieses Verbum in 1Chr 13,7 mit Blick auf diesen Vorgang aus der Vorlage getilgt worden war. Dabei wird der Bezug zu כמשפטnun durch die Wendung כאשר צוה משה כדבר יהוהexplizit als ein Befehl des Mose ausgewiesen. An dieser Stelle fällt die genauere Beschreibung der Tätigkeit בכתפם במטות עליהםauf. Die Leviten tragen die Lade mit Tragestangen auf ihren Schultern. Die Wendung „auf ihren Schultern“ ist dabei nur in Num 7,9, nicht aber in Dtn 10 erwähnt, sodass man hier deutlich mit einer Ausweitung der Bezüge zu rechnen hat. Es ist daher angebracht, auch Num 4 weiter im Blick zu behalten, wo dezidiert die Kehatiter zum Transport der heiligen Geräte abgestellt werden. Am Rande sei bemerkt, dass sich in der LXX noch die Wendung κατὰ τὴν γραφήν ἐν ἀναφορεῦσιν ἐπ᾽ αὐτούς findet, womit aber kein Hinweis auf die schriftliche Tora gegeben ist, sondern eher ein Lesefehler ( )בכתפם>ככתובvorliegt. Vermutlich ist בכתפםmit ככתוב verwechselt worden. Wenn der Chronist den Text aus Num 4 kannte, hat er ihn entweder absichtlich nicht aufgenommen oder unabsichtlich. Unter unabsichtlich wäre zu verstehen, dass aus anderen Texten schon hinreichend viel über die Lade deutlich wurde, so 93 Vgl. Albertz 2015a, 45.
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dass er diesen Text nicht mehr aufzunehmen brauchte. Absichtlich hieße, dass der Chronist sich an bestimmten Elementen aus Num 4 gestört haben könnte. Vor dem Hintergrund der Wertschätzung des Chronisten für die Leviten wäre dies nicht unwahrscheinlich, da Num 4 von Num 18 her zu verstehen ist und dabei bereits die Einlösung einer Subordination der Leviten unter die Priester voraussetzt: Sie dürfen die Lade nicht einmal mehr berühren! Demgegenüber erweckt der Chronist den Eindruck, die Leviten dürften die Lade, so wie es auch Dtn 10,8 nahelegt, sehr wohl berühren, zumindest dann, wenn sie sich vorher geheiligt haben (vgl. 1Chr 15,12.14).94 Der Chronist verrät jedoch nichts von einem umständlichen Verpacken der Lade, wie es in Num 4 geschildert ist. Entweder, weil er von dieser Praxis nicht berichten wollte, oder weil sie sich in dieser Komplexität, die den Transport des ganzen משכןimpliziert, nicht integrieren ließ. Auch die dritte Option, dass die Verhüllung der Lade in Num 4 gegenüber der Chronik sekundär ist, wäre denkbar. Jedoch wird der Bezug zu Num 4 nicht konsequent ausgeblendet, gibt er doch zu erkennen, dass er von einer Tradition, die sich nur in Num 4 findet, weiß, nämlich derjenigen, dass es die Kehatiten sind, die die Lade tragen. Dabei greift der Chronist mit Num 4 und der gesamten durch dieses Kapitel vorausgesetzten Ladetradition einen entscheidenden Kontrapunkt gegen alle weiteren Erwähnungen der Lade im Pentateuch auf, indem er nämlich die überall erwähnten Tragestangen umbenennt. Statt בדים setzt der Chronist den Ausdruck מטות, der in den Augen der Ausleger nur eine Variante darstellt. Knoppers z. B. urteilt: „Yet not too much should be made of the difference in verbiage. The two terms are clearly synonymous.“95 Mögen die Begriffe in extensionaler Hinsicht auch identisch sein, in intensionaler Hinsicht, d. h. mit Blick auf die Benennungsmotivation, weichen sie jedenfalls deutlich voneinander ab. In Verbindung mit den zu tragenden heiligen Geräten findet sich dieser Begriff nur noch in Num 4,10.12. Dabei sei gleich darauf hingewiesen, dass dort die maskuline Form vorliegt, während der Chronist die feminine Form verwendet. Rudolph hat vorgeschlagen, darin ein nomen unitatis zu sehen. Eigentlich bringt die feminine Form jedoch eine andere Benennungsmotivation mit und trägt eine pragmatische Präsupposition ein. Während nämlich מוטeher in den Bereich der Tragestange verweist und also das Gerät von seinem Zweck her versteht, stellt מטותeher auf die Wirkung ab, die dieses Gerät auf den Tragenden ausübt, denn מטותweist eher in das Wortfeld „Joch“. Die Verwendung von מוטה in Verbindung mit der Lade ist dabei ausgesprochen untypisch, sie kommt nur hier vor. Entweder ist dem Chronisten also eine Ungenauigkeit unterlaufen, oder er hat gerade diese Variante produzieren wollen. Der ersten Möglichkeit widerspricht, dass der Chronist sonst terminologisch sehr präzise vorgeht und auch in 94 Vgl. Labahn 2012, 109. 95 Knoppers z. St.
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größeren Zusammenhängen ganze narrative Gesamtkompositionen um einzelne Schlüsselwörter gruppiert. Es ist demnach wahrscheinlicher, dass der Chronist hier bewusst auf die Bezeichnung aus Num 4 zugreift, dieser jedoch ein Genus gibt, das sich vor allem in prophetischen Schlüsseltexten (vgl. Jes 58,6.9; Jer 27,2; Jer 28,10.12–13; Ez 30,18; Ez 34,27) findet. Zwar findet sich auch in Num 4,10.12, wie Curtis / Madsen schon richtig gesehen haben, der Begriff מוט, der hier mit Tragen wiederzugeben ist. Jedoch liegt unserer Form nicht der Begriff מוט, sondern die feminine Form מוטהzu Grunde, die bis auf Lev 26,13; 1Chr 15,15 nur in prophetischen Texten vorkommt und in allen Fällen Joch bedeutet.96 Dabei muss nicht notwendigerweise auf die prophetische Konnotation rekurriert werden, die die Leviten in der Chronik erhalten. Es reicht, zunächst den symbolischen Wert dieser Aussage zu begreifen, der die Leviten von schlichten Trägern zu „Lasttieren“ der Lade umstilisiert. Sie sorgen gewissermaßen im Schweiße ihres Angesichts für die Initiation des Kultus, wobei – was ihre Erhabenheit steigert – ihnen sogar direkte göttliche Hilfe zukommt (V.26), auch ohne dass sie wie in Num 3,32 und 4,26 von Eleasar beaufsichtig werden. Dabei ist es keinesfalls unerheblich, dass in Lev 26,13, ein Kapitel, von dem bereits gezeigt wurde, dass es die größte Bedeutung für den Chronisten hat, sowie auch in den prophetischen Texten gerade das Brechen des Jochs im Vordergrund steht. Mit dem Begriffswechsel könnte demnach bereits 2Chr 35,3 vorweggenom men werden, wo deutlich wird, dass das Tragen der Lade nicht mehr zu den Aufgaben der Leviten gehört. Dass die Leviten in diesem Zusammenhang selbständig auch noch je sieben junge Stiere und sieben junge Widder darbringen, macht sie von den Priestern vollkommen unabhängig. Auf die – wie Achenbach97 es nennt – endgültige Grenze zwischen Leviten und Priestern wird also an dieser Stelle durch levitische Emanzipation geantwortet. Dazu passt im Übrigen auch, dass für die Lade ein eigenes Zelt aufgeschlagen wird, das von dem אהל מועד, der noch in Gibeon steht, vollkommen unabhängig zu denken ist. 96 Knoppers weist darauf hin, dass der Chronist an anderen Stellen durchaus בדיםverwende und deshalb der Fall als Synonym zu beurteilen sei. Gerade mit Blick auf die Belegstellen in 2Chr 5,8 f wird zum einen deutlich, dass der Chronist sich hier an seine Vorlage aus 1Kön 8 halten muss bzw. – für den Fall einer möglicher Weise umgekehrten Abhängigkeit – hier nur die Stange als solche, nicht jedoch die Tätigkeit des Tragens im Blick ist. 97 „Die vornehmste Aufgabe ist auch in der traditionellen Überlieferung der Schutz der Lade vor der Berührung durch Unbefugte (vgl. 2 Sam 6,6). Anders als 1 Sam 6,15 und 2 Sam 15,24 soll hier sogar die unmittelbare Berührung durch gemeine Leviten als clerus minor vermieden werden. Damit wird das ursprünglich in Dtn 10,8b verankerte Prinzip der Erwählung des Stammes Levi zum Tragen der Bundeslade JHWHs i. S. v. Num 18 differenziert. Wie in Num 18 und 3,1–10 wird die exklusive Vorrangstellung des Hohenpriesters und seiner Familie hinsichtlich des Zuganges zum Inneren des Heiligtums unterstrichen und in detaillierter Ausführung auf die Vorstellung vom Transport des Wüstenheiligtums ausgeführt. Alles dient also zur Distanzierung der Leviten vom Heiligen.“ (Achenbach 2003, 496 f).
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Vor diesem Hintergrund blicken wir auf V.26, wo eine Reihe von Opfern erwähnt wird, die in dieser Kombination ebenfalls an signifikanten Stellen des Alten Testaments vorkommen: Die Wendung שבעה־פרים ושבעה איליםfindet sich in der Hebräischen Bibel neben dieser Stelle noch in Num 23,29; Ez 45,23; Hi 42,8; 2Chr 29,21.98 Bei Hiob werden diese Opfer von den Freunden Hiobs im Kontext von Hiobs Fürbitte dargebracht, um einerseits die Freunde vor der Vergeltung Gottes wegen ihrer Verleumdung zu schützen, um andererseits jedoch auch Hiob aufzuwerten, der sich trotz ihrer Vorwürfe nicht gegen sie wendet. In Ez 45,23 – eine Referenzstelle, die bisweilen übersehen wird99 – werden die Opfer im Rahmen des Pessachfestes dargebracht, wobei hier besonders das Thema der Zahl Sieben vielfach variiert wird. In der Aufnahme der Kultbestimmungen in Num 28 werden daraus „zwei Jungstiere und einen Widder und sieben einjährige Lämmer“,100 was in der Chronik einen Niederschlag im Kontext der Hiskianischen Tempelreinigung in 1Chr 29,21 findet. Willi hält an diesem Zusammenhang fest: „Dem Doppelopfer in der Kombination von Farren und Widdern scheint eine Affinität zur Inauguration verschiedener Art eigen zu sein.“ Die Darbringung der Opfer zeigt also in ihrem jeweiligen Kontext den Übergang in eine neue Epoche an. In 2Chr 29,21 ist das Opfer in einen äußerst diffizilen Vorgang der Kompetenzverteilung und Heiligung zwischen dem König, den Priestern und Leviten eingebunden. Hier ist wichtig, dass dort nun nicht mehr die Leviten, sondern die Priester opfern und der Opferritus weiter angereichert wird. 2Chr 29,21 ויביאו פרים־שבעה ואילים שבעה וכבשים שבעה21 וצפירי עזים שבעה לחטאת על־הממלכה ועל־המקדש ועל־יהודה ויאמר לבני אהרן הכהנים להעל֖ ות על־מזבח יהוה׃ l
Da brachten [sc. der König und die Obersten, L. M.] Sieben Stiere und sieben Widder und sieben Schafe und sieben Ziegenböcke als Sündopfer für das Königtum und für das Heiligtum und für Juda. Und er [sc. Hiskia, L. M.] befahl den Söhnen Aarons, den Priestern, auf dem Altar des Herrn zu opfern.
Hinzugefügt werden hier noch weitere Opfertiere und, was besonders wichtig ist, der Ort, an dem das Opfer dargebracht werden soll. Dabei ist unverkennbar, dass hier eine Opposition zu 1Chr 15,26 vorliegt, da nun nicht mehr die Leviten, son 98 Sieht man von der exakten Anzahl ab, findet sich, wie Willi (z. St., 118) betont, das Verhältnis von 1:1 noch in Lev 16,3; Num 7,15.21.27.33.39.45.51.57.63.69.75.81; 29,2.3.8.9. 99 Die stilistische Variation hier Construcuts-Zahlen zu verwenden kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich um die gleiche Phrase handelt. 100 Vgl. Lev 23,18 „sieben einjährige Lämmer ohne Fehler darbringen und einen Jungstier und zwei Widder“.
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dern die Priester, genauer gesagt die Söhne Aarons, opfern, womit deutlich wird, dass die Leviten an der Opferhandlung nicht mehr beteiligt sind. Vor diesem Hintergrund ist die in der Synopse markierte Übereinstimmung mit 4QSama einzublenden. Dort findet sich in 2Sam 6,13b exakt dieselbe Formulierung wie in der Chronik. Wobei hier markiert wird, dass es David ist, der das Opfer darbringt. Kratz weist darauf hin, dass die Handschrift „dem Platz nach eher den Text von 2Sam 6,13 gelesen“ habe. In diesem Zusammenhang weist Kratz101 auch auf den gerade umgekehrten Befund in 2Sam 6,13 LXX hin. Dort heißt es: καὶ ἦσαν μετ᾽ αὐτῶν αἴροντες τὴν κιβωτὸν ἑπτὰ χοροὶ καὶ θῦμα μόσχος καὶ ἄρνα („Und mit ihnen waren sieben Chöre, die die Lade trugen und als Opfer ein Jungstier und Lämmer.“). Kratz102 vermutet in der ersten Vershälfte den Einfluss des chronistischen Textes, „in dem הלוים fälschlicherweise als ‚ הלוליםFestjubel‘ gelesen wurde“. In der zweiten Vershälfte folge der Text dann bei der Nennung der Opfer wieder MT. Auch wenn die Deutung nicht unplausibel ist, bleibt letztlich jedoch unklar, wie die Zahl Sieben aus 2Sam 6,13b in die LXX gelangen konnte. An einer mechanischen Trennung der Vershälften a und b wird man nicht festhalten können. Driesbach zeigt an dieser Stelle ebenfalls überzeugend, dass mit einem Einfluss von 4QSama auf die LXX nicht zu rechnen sei und dass diese weitgehend mit MT übereinstimmte.103 In der Tat wird man den Lesefehler, den Kratz ins Spiel bringt, in dieser Abhängigkeitsrichtung nicht geltend machen können, da die Leviten in 4QSama nicht genannt werden. Letztlich bleibt der vorliegende Befund so enigmatisch, dass Kratz an dieser Stelle zu Recht betont, dass es keinesfalls ausgemacht sei, „ob die Handschrift eine vom MT abweichende Vorlage der Chronik bezeugt oder ihrerseits von der Chronik abhängig ist.“104
Es bleibt festzuhalten, dass die Chronik eine auffällig priesterliche Opfervariante übernimmt, von der unsicher ist, ob sie bereits durch 4QSama vorgegeben oder durch die Chronik in diese Handschrift gelangt ist. In jedem Fall besteht ein entscheidender Unterschied im opfernden Subjekt. Während es in 2Sam 6,13 MT und in 4QSama David ist, wird in der Chronik jedenfalls die 3. Ps. Pl. PK markiert, die David allenfalls implizit integriert. Eher ist jedoch damit zu rechnen, dass hier die Leviten wieder aufgegriffen werden, die im Satz zuvor genannt werden. Da jedoch in 2Chr 29,11 keine Leviten bei dieser Art Inauguralopfer mitwirken, wäre auch zu erwägen, dass der Chronist die Deutung ohne die explizite Nennung eines Subjekts in verschiedene Richtungen offenhält. Auch in 1Chr 16 sind Textänderungen zu beobachten, die in mittelbarem oder unmittelbarem Verhältnis zur Tora-Rezeption stehen. In V.1 fällt auf, dass die
101 Vgl. Kratz 2016, 158. 102 Vgl. Ebd. 103 Driesbach 2016, 201. 104 Kratz 2016, 159.
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Lade zwar noch gemäß der Vorlage in dem Zelt platziert wird, das David für diese neu errichtet hat, dass dabei jedoch nicht mehr wie in 2Sam 6,17 auf „ihren Ort“ ( )מקומוhingewiesen wird. Diese Tilgung ist im Hinblick auf die erst im nächsten Kapitel vorzuführende מקום-Theologie kaum zu überschätzen, da gerade in der Tilgung deutlich wird, dass der Chronist nicht bei jeder Gelegenheit von irgendeinem Ort spricht, sondern dass es ihm in der Anlage seines Narrativs darum geht, einen und nur einen Ort als den Ort auszuweisen, an dem eine Kultstelle vorzustellen einzig legitim ist. Diesen Ort wird er in 1Chr 21 und 2Chr 3 als den Ort des Jerusalemer Tempels definieren. Da die Lade bei der Festlegung des Ortes die wichtigste Rolle spielt, ist es unerlässlich, in der Verwendung des מקום-Begriffs in den vorausgehenden Erzählungen mit diesem Motiv zsparsam umzugehen, bevor es in 2Chr 6,40 f auf den topographischen Erzählhöhepunkt hin verdichtet wird.105
6.1.7 1Chr 16 In 1Chr 16,2 übernimmt der Chronist eine Darstellung aus der Vorlage, die für ihn offenbar unproblematisch gewesen sein muss. Hier heißt es: ויכל דויד מהעלות העלה והׁשלמים ויברך את־העם בׁשם יהוה. Abgesehen davon, dass die Vorlage hier von יהוה צבאותspricht, ist der Text identisch. Weder scheint es für den Chronisten problematisch gewesen zu sein, dass David opfert, noch dass er segnet. Da insbesondere in 2Chr 29–35 ganz klare Anweisungen der Heiligung erteilt werden, scheint der Chronist die Epochen Davids und Salomos, der ja ebenfalls ganz selbstverständlich opfert, von den folgenden Königsepochen abzutrennen. Auch die Segenshandlung scheint dem Chronisten, der Num 6,23–26.27 gekannt haben dürfte, kein Problem bereitet zu haben.106 Die in 1Chr 16,8–36 implementierte Psalmen-Synthese trägt für die Frage nach der Tora-Rezeption wenig aus. Für den vorliegenden Zweck reicht es deshalb aus, nur einige Eckpunkte zu benennen.107 Gleichwohl muss die Exklusivität der Passage betont werden, da dies die einzige Stelle in der Hebräischen Bibel ist, an der die Beschreibung einer kultischen Feier mit dem entsprechenden liturgischen Material zusammenkommt.108 Dass der Chronist bereits die Schlussdoxologie aus Ps 106,48 übernimmt, deutet auf eine Übernahme nach der Formation des fünf-
105 S. o. „Kult-Kalender“. 106 Knoppers z. St. weist an dieser Stelle auf eine Parallele zu Ex 39,43 hin, wo Mose nach verrichtetem Werk das Volk segnet. 107 Die Psalmensynthese ist so eng mit den Motiven der chronistischen Grundschicht verknüpft, dass ein Großteil der Exegeten sie für ursprünglich hält. Vgl. Mathys 1994, 215; Knoppers z. St. sowie Willi z. St. Anders Steins, der die späte Ansetzung jedoch nur unzureichend begründet. 108 Vgl. Mathys 1994, 204.
6.1 Texturen: Die Ladeerzählung in 1Chr 13–16
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ten Psalmenbuches hin. Ein besonderes wichtiges Motiv findet sich in Ps 96,10 // 1Chr 16,31: Die Rede ist vom Königtum JHWHs. Dieses Motiv ist eines der zen tralen Theologoumena des Chronisten, der offenbar gezielt zur Durchsetzung des JHWH-Königtums bei der Neugestaltung seines Narrativs auf die Tora zurückgegriffen hat. Auffällig ist die Änderung von Ps 105,12 f // 1Chr 16,19 f: Ps 105,12 f
1Chr 16,19 f
בהיותם מתי מספר כמעט וגרים בה ויתהלכו מגוי אל־גוי מממלכה אל־עם אחר13
בהיותכם מתי מספר כמעט וגרים בה19 ויתהלכו מגוי אל־גוי ומממלכה אל־עם אחר20
12
l
l
l
l
An dieser Stelle hat Mathys die richtige Deutung gefunden, wenn er die Änderung darauf zurückführt, dass der Chronist sich an dieser Stelle stärker mit der Vätergeneration identifiziert.109 Auch im Folgenden wird noch deutlich werden, dass der Chronist mit Vorliebe auf die Väter, insbesondere Abraham, zurückgreift und narrativ an diesen anknüpft. Eine weitere Änderung der Chronik gegenüber Ps 96 fällt auf, die in mittelbarem Zusammenhang zur Tora-Rezeption steht. Ps 96,6
1Chr 16,27
הוד־והדר לפניו עז ותפארת במקדשו
במקמו ֽ הוד והדר לפניו עז וחדוה
Offenbar wird hier, da es sich um die Situation am Tempel handelt, מקדשdurch מקוםersetzt, was darauf schließen lässt, dass der Chronist weniger ein Interesse am Gebäude hat, als an dem Ort, wo es errichtet ist. Dass dieser Ort ( )מקוםgerade in Verbindung mit dem Tempel von besonderer Bedeutung ist, lässt sich daran erkennen, dass man die Lade in 1Chr 16,1 in das Zelt bringt, das David ihr aufschlägt, jedoch nicht mehr an ihren Ort ( מקומוvgl. 2Sam 6,17) stellt. Mit Blick auf die weiteren Erwähnungen der Lade kann dies nur damit zusammenhängen, dass der Chronist das provisorisch errichtete Zelt nicht als den Bestimmungsort der Lade anerkennt. Der Tendenz nach scheint die Ersetzung auf die später auszuführende מקום-Theologie des Chronisten zu zielen.110 Diese, soviel soll hier bereits vorweggenommen werden, trennt insbesondere Zelt und Lade im Sinne von Num 10,33–35, wie wir es im Lade-Narrativ beobachten können. Während das Zelt zunächst in Gibeon bleibt, eilt die Lade dem Zelt – wenn auch keine symbolischen drei Tagesreisen – auf der Suche nach einer מנוחהvoraus. Die Ruhestätte wird sie in 2Chr 6 an ihrem Ort ( )מקוםfinden. Die perspektivische Einblendung der Tora-Rezeption zeigt also, dass die bisherige intratextuelle Deutung der Verle-
109 Vgl. Mathys 1994, 205. 110 S. u. „Kult-Ort“.
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6. Kult-Gegenstand
gung des Zeltes nach Gibeon um einen extratextuellen Erzählzug ergänzt werden muss. Nicht allein das Opfer Salomos begründet die Trennung von Zelt und Lade und die Situierung des Zeltes in Gibeon. Auch die Lade erfüllt ihren spezifischen Zweck in Jerusalem. – Ganz im Sinne der Erzählformel von Num 10 reist sie dem Zelt auf der Suche nach der מנוחהnach Jerusalem voraus. Dabei wird offenbar auf Num 10 als einem Text zurückgegriffen, der seinen aktuellen Sitz im Buch bereits hat, wonach Zelt und Lade bereits miteinander verbunden sind. Mit Blick auf die Tora-Rezeption ist auch V.36 von Bedeutung. Dieser Vers steht in auffälliger Parallele zu Neh 5,13, einer Passage, wo die Nehemiafigur prophetische Züge annimmt und die Priester durch eine Zeichenhandlung zum Schutz der Armen und in Schuldknechtschaft Geratenen aufruft: Neh 5,13 גם־חצני נערתי ואמרה ככה ינער האלהים את־כל־האיׁש אׁשר לא־יקים את־הדבר הזה מביתו ומיגיעו וככה יהיה נעור ורק ויאמרו כל־הקהל אמן ויהללו את־יהוה ויעׂש העם כדבר הזה
1Chr 16,36
ברוך יהוה אלהי יׂשראל מן־העולם ועד העלם ויאמרו כל־העם אמן והלל ליהוה
Die Gemeinde affirmiert die Zeichenhandlung auf dieselbe Weise, wie das Volk den Hymnus in 1Chr 16 bekräftigt. Kratz hebt an dieser Stelle eine noch deutlichere Parallele hervor. Er betont die auffällige Nähe zu Dtn 27,14–26.111 In der Tat kommt die Phrase אמר העם כל אמןnur hier und in Dtn 27,16–26*11; 1Chr 16,36; Neh 8,6 (hier mit dem verbum dicendi ;) ענהPs 106,48 vor. Mit Blick auf Ps 106,48 hebt Kratz den produktionsästhetisch intendierten Anklang der vierten Schlussdoxologie an die Tora hervor, da an dieser Stelle mit der Einteilung in fünf Psalmenbücher gleichsam dessen Pendant geschaffen wurde. Deutlich schärfer wird der Sachverhalt von Levin beurteilt, der auf Grund der elfmaligen Wiederholung der Doxologie in Dtn 27 Ps 106,48 „zwingend“112 für den späteren Text hält, der offenbar auf Dtn 27 anspielen wolle. Levin schaltet auf diesem Weg 1Chr 16 zur Beurteilung des Zusammenhangs zwischen Dtn 27 und Ps 106 aus und verweist darauf, dass die Schlussdoxologie zu keinem anderen Zweck als der Angleichung an die Fünfteilung der Tora geschaffen worden sei.113
Für die Chronik ergibt sich eine vollkommen andere Komplementarität: Hier wird mit der Überführung der Lade nach Jerusalem ein Pendant zur anti-samarischen Korrektur in Dtn 27,14–26114 geschaffen. – Während dort der Garizim vom Fluch
111 Kratz 2013, 294. 112 Levin 2013, 298. 113 Levin 2013, 299. 114 Vgl. Otto z. St., 1951.
6.1 Texturen: Die Ladeerzählung in 1Chr 13–16
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der Leviten getroffen wird (V.14), singen sie hier den Segen herbei und zeigen damit Jerusalem als den in Dtn 12 angezeigten Ort, den JHWH erwählen wird, an. Nachdem wir die Trennung von Zelt und Lade, die von Num 10,33 herrührt, bereits im ersten Hauptteil erörtert und dabei insbesondere die Bedeutung der Verse 39 f erarbeitet haben, bleibt an dieser Stelle noch der zunächst zurück gestellte Bezug auf die ( הצצרהvgl. 1Chr 13,8) zu erklären.
Exkurs: Zur הרצצחin motiv- und traditionsgeschichtlicher Hinsicht Die Trompete115 wird in Num 10,2.8–10; 31,6 eingeführt und spielt abgesehen von zwei Nennungen in 2Kön 11,14; 12,14 sowie in Ps 98,6; Hos 5,8 erst wieder bei Esra und Nehemia (Esra 3,10; Neh 12,35.41) eine Rolle. Ihren größten Einsatz jedoch hat sie in der Chronik.116 Anders als im Falle der übrigen in der Chronik genannten Instrumente muss für die חצצרהbereits eingangs festgehalten werden, dass es sich bei ihr nicht um ein Musikinstrument und auch nicht um ein Rhythmusinstrument, sondern um ein Signalinstrument handelt.117 In Num 10 gibt JHWH selbst Mose den Befehl, zwei silberne Trompeten herzustellen, um damit die Gemeinde 1.) einzuberufen und 2.) das Lager aufbrechen zu lassen (Num 10,2). Dieser Gebrauch wird 3.) in V.9 um das Kriegssignal ergänzt, das zu blasen sei, wenn ein Feind das Kriegslager bedrängt. In Num 10,8 wird den aaronidischen Priestern das Trompetenrecht zugesprochen und gleichzeitig dessen Erblichkeit begründet: ובני אהרן הכהנים יתקעו בחצצרות והיו לכם לחקת עולם לדרתיכם. Ein weiteres Trompetensignal ist 4.) an den Freuden- und Festtagen zu blasen (vgl. V.10). Der Chronist greift also durch den erstmaligen Einsatz der Trompete in der LadeNarration auf die Assoziation des Aufbruchs vom Sinai zurück und lässt die Trompeten gemäß der ewigen Ordnung ( )חקת עולםvon den בני אהרן הכהניםblasen. In der Chronik werden sie bei der Überführung der Lade das erste Mal erwähnt. In 1Chr 13,8 erklingen sie zusammen mit einigen Musikinstrumenten, wobei jedoch das musikalische Personal zunächst ungenannt bleibt. Dieser Umstand wird in 1Chr 15,24 durch namentliche Nennung der beteiligten Priester korrigiert, wobei hier sieben Priester die Trompete blasen.118 Der Zusammenhang von Num 10,10 und 1Chr 15,24 ist besonders signifikant. Was Mose im Numeribuch aufgetragen wurde, nämlich am Tag der Freude
115 Num 10,2.8–10; 31,6; 2Kön 11,14; 12,14 1Chr 13,8; 15,24.28; 16,6.42; 2Chr 3,12.14; 5,12–13; 15,14; 20,28; 23,13; 29,26–28 Esr 3,10; Neh 12,35.41; Ps 98,6; Hos 5,8. 116 Vgl. 1Chr 13,8; 15,24.28; 16,6.42; 2Chr 5,12–13; 13,12.14; 15,14; 20,28; 23,13; 29,26–28. 117 Zur Verwendung der Trompete als Signalinstrument vgl. Braun 1999; Kleinig 1993, 82; Zilkowski 1999, 367–373. 118 Die Zahl der Priester stimmt dabei mit der Anzahl der Schofar-Bläser in Jos 6,4 überein. Auch dort sind die sieben Bläser Teil einer Ladeprozession. In Neh 12,35 spielen die Trompeten eine wichtige Rolle bei der feierlichen Prozession anlässlich der Einweihung der Stadtmauer. Hier wird zwar erneut explizit ein Priester genannt, dieser jedoch genealogisch auf Asaf zurückgeführt, der nach chronistischem Verständnis ein Levit ist. Dass Asaf Musiker ist, erfahren wir aus Neh 7,44. Offensichtlich hatte hier der Gebrauch der Trompete genug Einfluss, aus diesem einen Priester zu machen, wobei man auf Grund des Fehlens seiner Kollegen Heman und Etan auch davon ausgehen könnte, dass hier die spätere Levitisierung noch nicht eingesetzt hatte.
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6. Kult-Gegenstand
( )וביום שמחתכםdie Trompete zu blasen, wird in 1Chr 15,24 umgesetzt, wo nach V.16.25.28 ausdrücklich ein Tag der Freude annonciert wird.119 In 2Chr 5,12 wächst diese Zahl und damit offenbar auch die Anzahl der Priester mit Trompeten auf 120 an. Die Trompeter stimmen zusammen mit den levitischen Sängern ein Gotteslob an, von dem es heißt, es werde mit einer Stimme ( )קול־אחדvollzogen. Diese Form der Harmonie findet sich nur noch ein weiteres Mal im Alten Testament in Ex 24,3.120 Während dort die Stimme das Echo auf die Verkündigung der Rechtssatzungen durch Mose darstellt, wird in der Chronik ein Kehrvers zitiert, der im fünften Psalterbuch vielfach anklingt und offenbar zum festen Bestandteil der Tempelliturgie gehörte.121 Von diesem Standpunkt der engen Verbindung von Lade und Trompete, die erst in der Chronik sichtbar wird, erklärt sich der Sitz im Buch des Ursprungsmythos in Num 10,1–10. Nicht nur, dass unmittelbar auf V.10 der Aufbruch vom Sinai folgt. Auch spielt die Lade beim Aufbruch eine wegweisende Rolle. Da die Trompete beim Aufbruch der Lade vom Sinai, wie es laut der Vorgabe von V.2 eigentlich sein soll, nicht geblasen wird, hat der Schreiber offenbar ohne umfänglicher in den Text eingreifen zu wollen oder zu können, durch die Iuxtaposition den Eindruck erwecken wollen, als sei der Aufbruch der Lade vom Sinai vom Klang der Trompeten begleitet gewesen. Ein Leser der Chronik jedenfalls hätte diesen Vorgang assoziiert. Auch in ihrer Kriegsfunktion werden die Trompeten in die Chronik übernommen. Erstmals werden sie in 2Chr 13,12.14 im Krieg zwischen Juda und der Jerobeam-Partei geblasen. Davon ist angesichts des Krieges spezifischer als in den übrigen Belegstellen von וחצצרות התרועהdie Rede. Dieser Begriff findet sich nur noch in Num 31,6. Vor dem Hintergrund weist Kleinig darauf hin, dass es sich bei den Trompeten um heilige Geräte handeln könnte. Durch die Eigenschaft der Heiligkeit wäre auch begründet, warum sie allein den Priestern vorbehalten sind. Dementsprechend sei zu berücksichtigen, dass von den Musikinstrumenten als כלי שירgesprochen werde: 1Chr 15,16; 16,42; 2Chr 7,6; 34,12.122 Ferner wäre noch der Begriff כלי דוידzu berücksichtigen: 2Chr 29,26–27. Die Trompeten, so wird in V.14 f deutlich, führen dabei regelrecht den Sieg in der Schlacht herbei. Kaum geblasen heißt es, dass JHWH selbst Jerobeam und ganz Israel schlägt ()נגף. Auch die übrigen Belegstellen zeigen, dass das Motiv der חצצרהin der Chronik genau in dem Sinne entwickelt wird, wie es in Num 10 angelegt ist. Da die Trompete abgesehen von Num 31,6, wo sie zwar erwähnt, jedoch nicht geblasen wird, im Pentateuch nicht in Gebrauch genommen wird, ist also im Hinblick auf die Entwicklung des Motivs in der Chronik von einer literarischen Fortsetzung zu sprechen.123
119 Die Verbindung von שמחהund חצצרהfindet sich weiterhin nur noch in 2Chr 20,28; 29,26– 28; Esr 3,10; Neh 12,41, womit sich ganz deutlich die literarische Fortsetzung von Num 10,1–10 in der chronistischen Literatur abzeichnet. 120 In Qumran findet sich diese Wendung nur noch in der Kriegsrolle im Hinblick auf Kriegslärm ( )תורעת מלחמה1QM 8,10; 4Q491 10,8; 14,2. 121 1Chr 16,34.41; 2Chr 5,13; 7,3.6; 20,21; Esr 3,11; Ps 106,1; 107,1; 118,1–4.29; 136,1–2.4–26 (In Ps 136 wird dieser Kehrvers die schlechthinnige Antwort auf jeden göttlichen Akt der Heilsgeschichte.); Jer 33,11. 122 Kleing 1993, 78. 123 In diesem Sinn bestätigt sich hier der Eindruck, dass die Trompete im Pentateuch zu den spätesten, d. h. vor-chronistischen Texten gehört. Vgl. Achenbach 2003, 555. l
6.1 Texturen: Die Ladeerzählung in 1Chr 13–16
375
In Qumran wird die חצצרהfast ausschließlich in der Kriegsrolle erwähnt. In der Kriegsrolle ist auf vielfältige Weise von der חצצרהdie Rede. In 4Q493, 13 findet sich ein Hinweis auf die Sabbat-Trompeten (( )חצוצרות השבתוvgl. Josephus, bell. IV 581), die in 1QM noch nicht erwähnt wurde. Baumgarten ist der Auffassung, dass die „Sabbath trumpets in the Cave 4 version of the War Scroll were intended as a complement of the sacrifices, thus filling in what had until now been a lacuna in the elaboration of the biblical uses of the trumpets in 1QM.“124 Baumgarten weist darauf hin, dass in 4Q493 möglicherweise eine halachische Auslegung von Num 10,10 den Sabbat mit der Phrase ובמועדיכםassoziiert habe.125 Häufig erwähnt wird die חצצרהauch bei Josephus.126 Die Herstellung der Trompeten wird dabei in die Tempelbauepisode integriert. 200.000 Trompeten, heißt es, habe Salomon nach mosaischem Gebot herstellen lassen. Dabei wird von der Anfertigung der Trompeten im Rahmen der Herstellung der heiligen Gewänder berichtet: Ant 8.93 f 93 … στολὰς ἐκ βύσσου κατεσκεύασε καὶ ζώνας πορφυρᾶς εἰς ἕκαστον μυρίας. 94 καὶ σαλπίγγων κατὰ Μωυσέος ἐντολὴν μυριάδας εἴκοσι καὶ στολῶν τοῖς ὑμνῳδοῖς Ληουιτῶν ἐκ βύσσου μυριάδας εἴκοσι …
Die Gewänder für die Priester wurden aus Byssus und die Gürtel wurden aus Purpur gefertigt. 94 200.000 Trompeten gemäß der Weisung des Mose und 200.000 Gewänder aus Byssus für die levitischen Sänger 93
Interessanterweise scheint Josephus dabei die 200.000 Trompeten in Übereinstimmung mit 200.000 Leviten ersonnen zu haben, obwohl sich auch bei Josephus eher die Vorstellung findet, dass die Priester für ihre Bedienung verantwortlich sind. Insgesamt werden jedoch nur 1.000 Priesterkleider angefertigt. Ihren kultischen Angelpunkt hat die Trompete gleichwohl in Num 10, von wo sie ziemlich direkt ihren Weg in die Chronik findet und dort hinsichtlich ihrer Zahl und ihres Gebrauchs weiter ausgestaltet wird bis hin zu Josephus, der ihre Zahl nahezu ins Unermessliche steigert. Etymologisch ist die Herkunft der חצצרהungeklärt. Ges18 übersetzt mit „Trompete“ und identifiziert sie als „metallenes, langes Blasinstrument“127. Braun erwägt eine onomatopoetische Herleitung von arab. ḥṣr mit der Bedeutung „heulen, schreien“.128 Einen wichtigen Hinweis auf den Gebrauch der Trompete in Jerusalem bietet der Stein des Trompeters: Nahe der süd-westlichen Ecke des Tempelberges auf herodianischem Niveau wurde ein Quader von 31x86x26 cm Größe gefunden. Der Stein wurde vermutlich während der Tempelzerstörung 70 n. Chr. vom höchsten Punkt heruntergestürzt. Da er nur von drei Seiten bearbeitet ist, nimmt man an, dass es sich um einen Eckstein handelt.129 Darauf befindet sich die fragmentarische hebräische Inschrift: לבית התקיעה להכ. 124 Baumgarten 1987, 559. 125 Doering 1999, 209, Anm. 497. 126 Ant. 3,291.293–294; 5,23.194.223; 7,17.80.279.356.359; 8,94.283; 9,13.111.269; 10,213– 214; 11,80.83–84.177; 12,307.338.410.427; Bell. Jud. 2,579; 3,86.89–91.124.265; 4,20.582; 5,48; 6,68–69. 127 Ges18, 386. 128 Braun 1999, 38. 129 Vgl. Cotton / Segni 2010, 49.
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6. Kult-Gegenstand
Zur Vervollständigung wurden einige Konjekturen gemacht (Mazar: הן[להכ, Yadin: ל[להכ, Demsky: ]וחול קדש בין דיל[להב, Ben-Dov: )השבת רזת[להכ.130 Yadeni und Price weisen jedoch darauf hin, dass keine der Konjekturen gesichert und Demskys gänzlich unwahrscheinlich sei, da er das כals בliest, was Yadeni und Price in paläographischer Hinsicht für abwegig halten.131 Allein der Vergleich mit dem ersten בder Inschrift, das einerseits deutlich breiter ist, andererseits auch ein ausgeprägtes „Häkchen“ hat, sprechen gegen Demskys Rekonstruktion. Offenbar, so Mazar, markierte dieser Stein den Ort, an dem der Priester zum Abend des Sabbats die Trompete geblasen hat. Zu Beginn des Sabbats war mit dem Signal des Trompeters alle Arbeit niederzulegen, am Ende des Sabbats mit dem Ertönen des Signals die Arbeit wieder aufzunehmen.132 Einen Anhaltspunkt für diese These bietet Josephus (bell. IV 581 f), der genau die der nordöstlichen Ecke gegenüberliegende Ecke als die Position beschreibt, wo der Priester mit der Trompete (σάλπιγξ) zum Sabbat das Signal gibt. In römischer Zeit gehören die Abbildungen der Beute aus dem zweiten Tempel auf dem Titusbogen und einer Bar-Kochba-Münze zu den bekanntesten Funden. Deren Deutung ist jedoch umstritten: Bereits 1709 habe Keel zufolge Reland in einer Untersuchung der Ikonographie einer Simon-bar.Kochba Münze, die er zwischen 143 und 134 v. Chr. datierte, darauf hingewiesen, dass die beiden dort abgebildeten Trompeten nicht mit dem Schofar zu verwechseln seien und eigenständige Signalinstrumente darstellen.133 Dass es sich bei den abgebildeten Trompeten jedoch um die Num 10 beschriebene חצצצרהhandle, sei gemäß Braun nicht ohne Weiteres anzunehmen. Ebenso verhalte es sich mit der Deutung des Titusbogens. Hier sei kaum auszumachen, ob es sich um die חצצרותdes Jerusalemer Tempels handle oder um die in Rom bekannte tuba sacrum. Anlass zum Zweifel gibt z. B. die ebenfalls auf dem Titusbogen abgebildete Menorah, die in der Darstellung von der Beschreibung in Ex 25,31–40 abweicht.134 Festzuhalten ist also, dass sich in Form des Sammel- und Marsch- und Kriegssignals, wie es in Num 10 belegt ist, die deutlichste Übereinstimmung mit dem Gebrauch in der Chronik findet. Insbesondere der erste Gebrauch der Trompete in 2Chr 13 macht aus dieser ein regelrechtes göttliches Protektionsinstrument. Dabei deutet das Blasen der Trompete an Fest- und Freudentagen, das nach Num 10 erstmals in der Chronik voll entwickelt wird, auf die positiven Konnotationen des Instruments im spät-perserzeitlichen und hellenistischen Juda. In Jerusalem wird mit dem Stein des Trompeters ein Ort vorstellbar, von dem der Priester die Gemeinde zur Einhaltung des Sabbats alarmierte. Diese Entwicklung scheint dabei möglicherweise auch im Hintergrund von 4Q493 zu stehen. Für weiterführende Beobachtungen und Analysen zur Trompete sei auf Aign135, Braun136 und Seidel137 sowie Volk138 jeweils mit weiterführender Literatur hingewiesen.
130 Vgl. Ebd. 131 Vgl. Ebd. 132 Vgl. Mazar 1978, 234. 133 Keel 1992, 358–374. 134 Braun 1999, 152. 135 Aign 1963. 136 Braun 1999. 137 Seidel 1989. 138 Volk 2006.
6.1 Texturen: Die Ladeerzählung in 1Chr 13–16
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6.1.8 Fazit Wir sehen nun nach der synoptischen Analyse der Erzählung von der Überführung der Lade nach Jerusalem, dass die Rezeption der Tora im Pentateuch auf eine andere als die begriffliche Weise sichtbar wird. Die Tora wird nur in 1Chr 16,40 erwähnt, nachdem der eigentliche Überführungsakt der Lade längst beendet ist. Dennoch ist nicht zu übersehen, dass die Tora auf den Umformungsprozess der gesamten Episode erheblichen Einfluss gehabt hat. Schon die Bezeichnung der Lade mit ארון ברית יהוהzeigt, dass wir uns auf einer Ebene befinden, die mindestens die Synthese von P und D voraussetzt. Im Umgang mit der Lade ist an verschiedenen Stellen deutlich geworden, dass die einschlägigen Regelungen des Pentateuchs wie z. B. Dtn 10,8 rezipiert werden. Der Chronist kennt dabei offenbar auch differenzierte Bestimmungen, wie den Gebrauch der Tragestangen und das Tragen der Lade auf den Schultern, das sonst nur in Num 7,9, einem in diesem Sinne vor-chronistischen Text, genannt wird. Gerade in diesem Detail wird dabei auch auf die Konformität mit dem Gebot des Mose rekurriert. Der Chronist macht in diesem Zusammenhang Obed Edom zu einem Leviten und zeigt damit anders als der Glossator in 1Sam 7,1, der den Sohn Abinadabs in die priesterliche Linie stellt, ein unbedingtes Interesse an der Entwicklung der durch Num 4 und Dtn 10,8 vorgegebenen levitischen Ladekonzeption. Die Einsetzung der zentralen mit der Lade verbundenen Theologumena ist dabei ganz offenbar nicht die einzige Intention bei der Reformulierung der Narration gewesen. Die gesamte Episode ist auf kaum mehr vollständig zu erhellende Weise mit weiteren Themen verbunden, die direkt oder indirekt mit dem Pentateuch korrespondieren. So ist bspw. der sekundäre Bezug zu Saul Teil einer Erzählstrategie des Chronisten, die die Königszeit in ein Kontrastverhältnis zur Richterzeit setzen will. Die Richterzeit gilt dabei als toralose Zeit des Niedergangs, während die Chronik zumindest für die Episoden Davids und Salomos eine genau gegenteilige Epoche beschreibt. Weiterhin haben wir gesehen, dass es zu einer leitmotivischen Ausstaffierung des פרצMotivs kommt, die laut Albertz offenbar auch Niederschlag in chronistischen Ergänzungen des Pentateuchs (vgl. Ex 19; 32*) gefunden hat. Auch der massive Eingriff in die Vorlage, durch den 2Sam 5 // 1Chr 14 zwischen die beiden Überführungsepisoden gestellt wird, geht mittelbar auf die Tora zurück. Dabei spielt die Befreiung Gibeons von den Philistern die größte Rolle. Diese Eroberung bereitet die Ankunft des אהל מועדvor, dessen Trennung von der Lade und Aufstellung in Gibeon wiederum das Opfer Salomos an dieser Stätte (vgl. 1Kön 3,4 // 2Chr 1,6). Ebenso deutet sich hier bereits an, dass die Trennung von Zelt und Lade auch im Hinblick auf die Lade eine spezifische Funktion erfüllt, nämlich die Suche nach der מנחחהnach Jerusalem zu lenken. Diese Perspektive ergibt sich durch einen Rückgriff auf die Erzählstrategie des Aufbruchs vom Sinai in Num 10,33–36. Dass die Überführung der Lade durch den Gebrauch der Trompete begleitet wird, zeigt
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6. Kult-Gegenstand
die Rezeption von Num 10,1–10 an, die in 1Chr 13,8; 15,24.28; 16,6.42 das erste Mal in der Chronik erwähnt wird. Besonders wichtig ist, dass der Chronist zwar geradezu penibel an der Durchsetzung der Tora in der Ladeepisode arbeitet, jedoch mit Blick auf den Tempelbau gleichzeitig die Möglichkeit neuer Aufgaben für die Leviten entwickelt, die diese übernehmen können, nachdem sie die Lade endgültig im Tempel abgestellt haben. Der Chronist nutzt dabei den Umstand aus, dass die levitischen Aufgaben in Num noch hinreichend unterbestimmt und leicht ergänzbar sind. Er setzt deshalb den bereits in der Genealogischen Vorhalle entwickelten Erzählzug der levitischen Musikalität auch in der Ladeepisode weiter fort.
6.2 Topoi 6.2.1 1Chr 6,16–18 Die Textur der Ladeerzählung beginnt nicht erst in 1Chr 13,1 sie nimmt bereits in 1Chr 6,16 ihren Anfang, wo das Lexem ארוןzum ersten Mal ins Spiel gebracht wird. Es heißt hier: ואלה אשר העמיד דויד על־ידי־שיר בית יהוה ממנוח הארון
Diese sind es, die David zur Aufsicht über den Gesang des Hauses JHWHs bestellt hat, nachdem die Lade zur Ruhe gekommen war.
Diese Bemerkung ist in verschiedener Hinsicht bemerkenswert. Die Demonstrativpartikel ואלהwird in 1Chr 1–9 akzentuierend verwendet, sie stiftet in den unübersichtlichen Genealogien Orientierung. Im Nahkontext steht V.16 zwischen ואלהaus V.2 und V.18. V.2 wiederum ist mit V.1 von 1Chr 5,27, der Einleitung der Levitengenealogie, her zu verstehen. Auf die Genealogie des halben Stammes Manasse, von dem in 1Chr 5,25 berichtet wird, dass er sich der Apostasie schuldig gemacht hatte, folgt in V.27 der Leviten-Stammbaum, den wir im Kapitel „Kult-Personal“ genauer analysiert haben. Diese Abfolge ist offenbar nicht zufällig. Sparks hat gezeigt, dass die levitische Position, die hier geltend gemacht wird, als eine „solution to the problems which befell the Transjordanian tribes“139 fungiert. Ein Akzent war bereits auf die Einführung Zadoks, bzw. der Zadokiden, in die levitische Genealogie gesetzt worden. 1Chr 6,1 setzt erneut mit der Formulierung aus 1Chr 5,27 an, um einen weiteren Ast der Genealogie darzustellen. In V.10 war aufgefallen, dass der Prophet Samuel levitisiert wird, ein Vorgang, den man mög-
139 Sparks 2008, 141.
6.2 Topoi
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licherweise als Levitisierung des Prophetentums140 zur Aufwertung bestimmter Gruppen auch in anderen Stücken der Chronik verfolgen kann. In V.16 wird schließlich mit dem Demonstrativum ואלהein Neueinsatz akzentuiert, der wie in 1Chr 6,2 eine kataphorische Funktion hat und den Blick auf das Folgende lenkt: „Diese sind es, von denen jetzt die Rede sein wird…“ In V.18 nun wird durch eine Wiederaufnahme das vorausgegangene ואלהeingeholt und die drei Sängergilden Heman, Asaf und Etan dargeboten. Die eingebrachte Liste wiederum stellt uns bereits bekanntes Personal vor, mit dem der Leser ab 1Chr 5,27 vertraut gemacht worden war. Dieses wird ab V.18 in die drei Sängergilden differenziert. Von David wird in V.16 berichtet, dass er eine Aufsicht über den Gesang ( )ידי־שירeinrichtet ( עמדhif.).141 Da vom Gesang bisher noch nicht die Rede war und auch die „berufliche“ Beschreibung noch nicht Teil der Genealogien war, sind deshalb die Verse 16–18 häufiger als Einschub beurteilt worden.142 Es kommt hinzu, dass David nicht einfach nur über den Gesang befehligt, sondern dies auch im Hinblick auf den Bau des Tempels tut (V.17). Dieser auffällige Übergang von der Katapher zur Prolepse ist in zweifacher Hinsicht bedeutend: 1.) Der Tempel spielte auf der Ebene der Ereignisfolge bisher noch keine Rolle, was bis 1Chr 17 so bleibt. Eigentlich stellt die Chronik zunächst ausschließlich Genealogien dar, wenn auch – deutlich erkennbar – im Hinblick auf ihre eigene Erzähl- und Darstellungszeit. Andererseits wird vom eigentlichen Bau des Tempels nicht vor 1Chr 22,1 die Rede sein. 2.) Sowohl nach der Darstellung der Königebücher als auch nach der Chronik wird David den Tempel nicht zu Gesicht bekommen, geschweige denn bauen. Insofern greift also diese Verfügung auch in der erzählten Zeit weit über ihre Darstellung hinaus. Eingeholt wird diese „Bereitstellung“ in 1Chr 23–27, wo es zur Distribution des gesamten Tempelpersonals durch David kommt. Dabei spielen insbesondere die rahmenden Kapitel eine besondere Rolle, da hier das gesamte Baumaterial für den Tempel bereitgestellt wird. Gleichermaßen proleptisch wird nun die Lade, genauer gesagt das Ruhen der Lade, eingeführt, als hätte sich die gesamte Abfolge aus 1Chr 13–16 bzw. 2Chr 6,40 f bereits ereignet. Folgendes ist daran bemerkenswert:
140 Vgl. zu diesem Vorgang ausführlich Schniedewind 1995, 80–129. 174–188. 209–252. 141 Die Form עמדhif. ist hier als Einsetzen in eine bestimmte Aufgabe bzw. in ein bestimmtes Amt aufzufassen. Insbesondere in der Chronik wird sie häufig in diesem Zusammenhang gebraucht. 142 Vgl. z. B. Rudolph z. St.; Steins 1995, 268. Jüngere Untersuchungen weisen jedoch auf die Wohlgeformtheit der gesamten Leviten-Genealogie hin. Vgl. Japhet z. St.; Oeming 1990, 142–157; Sparks 2008, 63–84 Klein z. St. 193; Willi z. St.202–206. Auch in der vorliegenden Untersuchung bestätigt sich eher der Eindruck kleinerer Ergänzungen, denn größerer redaktioneller Prozesse.
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6. Kult-Gegenstand
Grundsätzlich auffällig ist, dass die Chronik überhaupt ein Interesse an der Lade hat. Anders als in der Opposition von P (Ex 25,10–22) und Jer 3,16,143 wo es also um eine mögliche Wiederherstellung oder eine endgültige Aufgabe der Lade geht, kann für die Chronik angenommen werden, dass sie angesichts der bereits bestehenden Kultpraxis des Zweiten Tempels kein Interesse mehr an der Restitution der Lade gehabt hat. Das leere Heiligtum des Zweiten Tempels144 lässt daher darauf schließen, dass mit der Lade eher eine bestimmte Ideologie oder Legitimationsstrategie verbunden war als eine materielle Absicht am Gegenstand. Diesen ideologischen Hintergrund hat Maier bereits für Jer 3,14 ins Spiel gebracht. Er setzt Jer 3,14 f mit Jer 23,3–6 über das Lexem שכל in Verbindung, wobei in Jer 3 gegenüber Jer 23 kein Bezug auf die davidische Dynastie genommen wird: „Wir haben es offensichtlich mit einer antidavidischen Neufassung von 23,3–6 zu tun!145 Von da aus ist auch die Erwählung der Bundeslade zu deuten.“146 Die Ablehnung des Ladeheiligtums geht demnach für Maier mit einer Ablehnung der davidischen Dynastie einher: „Verhält es sich so, dann haben wir auch die Ablehnung des Ladeheiligtums auf diesem Hintergrund zu verstehen, was sehr gut möglich ist. War sie doch auf das engste mit der Daviddynastie und ihrer Erwählungsideologie (vgl. Ps 132) verbunden und galt im Jerusalemer Staatskult als Symbol der Erwählung sowohl des Davidhauses als auch Jerusalems.“147 Maier artikuliert hier eine wichtige These, 143 Im Hinblick auf diese berühmte Stelle hat Levin (1985, 190) gezeigt, dass der Text auf einer sehr späten Stufe von Jer anzusetzen ist. In Jer 3,16 wird die Wiederherstellung der Lade so rigoros abgelehnt, dass Keel (2007, 916) sogar von einer damnatio memoriae spricht. Er sieht darin eine Opposition zum einen zu dem ins Herz geschrieben Gesetz, das eben nicht mehr in der Lade liegen muss, und zum andern auch zu einer Vorstellung wie in Jes 66,1, wo es heißt, „dass nicht Jerusalem, sondern der Himmel sein Thron und die Erde der Schemel seiner Füße sein wird.“ (Keel 2007, 916) Wobei sich diese Vorstellung nicht durchgesetzt habe. 144 Als Evidenz dafür, dass das zweite Heiligtum tatsächlich leer war, wird gemeinhin Tacitus (Historiae V,1–13) angeführt: „Romanorum primus Cn. Pompeius Iudaeos domuit templumque iure victoriae ingressus est: inde volgatum nulla intus deum effigie vacuam sedem et inania arcana.“ 145 Vgl. Maier 1964, 81. Abgesehen von den Belegstellen in Ps, Prov und Dan ist die Verwendung von שכלim AT und insbesondere in der Chronik überschaubar. An drei von fünf Stellen wird שכלmit Salomo in Verbindung gebracht. Liest man die Attribuierung Salomos vor dem Hintergrund der von Maier aufgezeigten, nachexilischen Opposition zwischen Jer 3,15 und Jer 23,5 erhöht sich demgemäß die Tiefenschärfe, insofern der Chronist offenbar für die royale Option votiert und schon den ersten Spross ( )צמחDavids als שכלbeschreibt. Die nicht-eschatologische (keinesfalls anti-eschatologische) Perspektive des Chronisten erklärt sich dabei durch die historiographische Perspektive eines idealen Ursprungs mit David und Salomo. Auch das durch die Königin von Saba konstatierte Ausüben von Recht und Gerechtigkeit ()לעשות משפט וצדקה (2Chr 9,8 // 1Kön 10,9) ist in dieser Fluchtlinie zu sehen. So wie sich also in der von Maier aufgezeigten prospektiven anti-royalen Position in Jer 3,15 f eine Ablehnung der Lade ergibt, verbindet die Chronik mit der retrospektiven, pro-royalen Position der Vergangenheit die Pflege des Kultus durch den König und symbolisiert diese durch die Lade. 146 Maier 1964, 81. 147 Maier 1964, 82.
6.2 Topoi
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die zunächst in höchstem Maße kontraintuitiv ist und deshalb einen wichtigen Reflexionshintergrund für die Arbeit an der Chronik darstellt: Bedenken wir ferner, daß die Lade in der deuteronomisch-deuteronomistischen Periode […] mit dem Bund in Verbindung gebracht und der König auf das engste an diesen gebunden worden ist, so wird der Sinn der Lade-Polemik von Jer 3, 16 bereits deutlich. Man kann ruhig einen Schritt weiter gehen und vermuten, daß Dt / Dtr nicht unmittelbar an die Erinnerung der Lade als altes Stämmebundsymbol angeknüpft haben, sondern eine mit der Lade seit David / Salomo verbundene Davidsbund-Ideologie uminterpretiert (‚demokratisiert‘) haben. Die in 3,15 f. verheißenen Hirten werden Regenten nach ‚dem Herzen‘ JHWHs sein und so regieren, daß die Bundeslade als Symbol des Gottesbundes und des auf ihn verpflichteten Königshauses überflüssig ist. […] Der bewußte Verzicht auf die Monarchie schließt den Verzicht auf die Neuanfertigung der Lade in sich! Die historische Situation dieser anti-davidischen Polemik dürfte in der Zeit nach dem Scheitern der davidischen Bestrebungen um Serubbabel und der Konsolidierung der nachexilischen theokratischen Verfassung zu suchen sein. Es sei in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, daß auch das Werk des Chronisten etwa dieselbe Haltung einnimmt. Es verherrlicht zwar den König David, doch als Begründer einer kultischen und hierarchischen Ordnung, die für die Gegenwart als Idealverfassung betrachtet wird. Daher finden wir unter den aktuellen Anliegen des Chronisten auch keine monarchistische Tendenz.148
An dieser These ist richtig, dass die Monarchie in der Chronik keine entelechische Institution darstellt, sondern nur subsidiär auf die Realisation einer Hierokratie hin konstruiert ist.149 Vollkommen gegensätzlich ist jedoch der Befund zu deuten, 148 Maier 1964, 62. 149 Gänzlich anders hat noch v. Rad (1930, 120) geurteilt, der in davidischen Dynastie geradezu das Hauptanliegen des Chronisten sah: „Nicht die Ur- und Mosegeschichte interessiert den Chronisten, aber auch der Tempel und die Volksgeschichte an sich ist nicht das Zentrum seiner Geschichtsschreibung, sondern der Davidsthron unter Gericht und Gnade JHWHs im Wandel der Zeiten“. Das Hauptaugenmerk des Chronisten lag nach v. Rad auf dem „Verhältnis des Davididen zu JHWH.“ (ebd.). Dagegen ist einzuwenden, dass der Chronist kaum Spuren einer Restitution des davidischen Königtums zeigt. Das stärkste Argument wäre noch in der weiten Herabführung des judäischen Stammbaums in 1Chr 3 zu sehen. Jedoch weisen Texte wie z. B. 1Chr 17,12.14; 1Chr 22,10; 28,5; 29,23 auf ein äußerst kompliziertes Verhältnis von Königtum und Gottesherrschaft hin, das z. B. nicht hinreicht, um dem Tempel einen geringeren Stellenwert zuzuweisen als Davids Verhältnis zu JHWH. Betrachtet man z. B. den Wechsel der Thronattributionen fällt auf, dass der Thron Davids (per ePP realisiert in 1Chr 17,12.14; 22,10) in 1Chr 28,5 ( )על כסא מלכות יהוהund 29,23 ( )על כסא יהוהauf JHWH hin umgewidmet wird, wobei in 2Chr 6,10.16 noch die Wendung על כסא ישראלhinzukommt. Letztlich zeigt die Debatte um den Vorzeichenwechsel des Königtums in 1Chr 17,14 gegenüber 2Sam 7,16, in der Lynch (2014) neuerdings – unter Berücksichtigung der textkritischen Einwände – zu Recht wieder die theokratische Option geltend macht, deutlich dass Maier und v. Rad sich dort in der Entscheidung kontradiktorisch entzweien, wo der Chronist die Deutung offenhält. M. E. überwiegen jedoch die Gründe, gegen eine monarchistische Auffassung die theokratische Option stark zu machen. Zu beachten sind hier übrigens auch die Kriegssituationen, wie sie unter anderem in 2Chr 13 geschildert werden. Bringt man 2Chr 13,10.12 mit dem Herrschaftsdiskurs der früh-
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6. Kult-Gegenstand
dass die Lade in der Chronik eine im Vergleich mit der Vorlage immens wichtige Rolle spielt. Dabei geht aus dem Duktus der Chronik, obwohl sie es in der Aufnahme von Sam / Kön bei kleineren Reminiszenzen an die Lade hätte belassen können, kein restaurativer Gestus hervor. Dennoch muss das Interesse an der Lade als überaus vital beschrieben werden, da sie die Tradition der Lade-Episode erheblich anreichert und mit dem Präsenzsymbol offenbar weitere Absichten verbindet. Die Lade als ein archaisches und daher ideelles Bindeglied zwischen den Präsenzvorstellungen des Pentateuchs und der Chronik in diese einzuschalten, hat ihren Grund in der Potenz, zwei elementaren Institutionen die volle Legitimation zu verleihen: Erstens dem levitischen Kultpersonal in der Verantwortung für die Lade und später dann sachgerechten Ablösung vom Tragedienst für neue Aufgaben am Tempel, zweitens dem von David vorbereiteten und durch Salomo fertiggestellten Tempel, insofern mit der Einbringung der Lade in das Allerheiligste deren Präsenzvorstellung unwiderruflich auf diesen übergeht.150 Es wird sich zeigen, dass der Chronist die Lade als Instrument verwendet, um die Präsenz JHWHs vom JHWH-Berg ( )הר יהוהauf den Jerusalemer Tempel zu übertragen. Zwar taucht die Wendung הר יהוהselbst nicht auf; diese spielt jedoch in Gen 22,14; Num 10,33; Ps 24,3; Jes 2,3; 30,29; Mi 4,2; Sach 8,3 eine wichtige Rolle bei der Verlagerung des Berges Zion in die Vorzeit. Der Chronist knüpft mit Hilfe der Lade in 1Chr 21 an Gen 22151 und in 2Chr 6,41 an Num 10,33152 an und vollzieht damit in einer der literarhistorischen Rückwärtsbewegung nachgelagerten literarischen Vorwärtsbewegung den Transfer von Morija (Gen 22,2) nach Morija (2Chr 3,1).153 Dieser Transfer, der ohne ein zeitbeständiges, d. h. apersonelles, Vehikel nicht zu leisten wäre, ist ein Indiz dafür, warum der Chronist anders als z. B. Ez 40–48 nicht von der Lade schweigen kann.154 hellenistischen Zeit in Verbindung zeigen sich m. E. die Machtverhältnisse deutlich: Gott ist das Haupt und ihm unterstehen die Priester. Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass dieses Verhältnis in Zeiten des Friedens anders geartet wäre. Vgl. ausführlich Japhet, (2009, 308–383, bes. 347–372). 150 S. u. die Überlegungen im Kapitel „Kult-Kalender“. Die komplexe Textur in 2Chr 6 f lässt deutlich erkennen, dass hier die Situation einer Ur-Wallfahrt evoziert wird, in der die Einbringung der Lade in das Allerheiligste zum Vehikel der Investitur des Tempels und der Übertragung der Präsenzvorstellung wird. Darauf hat jüngst auch Nihan 2016, 268, hingewiesen, der zeigt, dass der Chronist die Kultzentralisation nicht nur von Dtn 12, sondern auch vom אהל מועדund insbesondere von der Lade her entfaltet. 151 S. o. das Kapitel „Kult-Ort“. 152 S. u. das Kapitel „Kult-Kalender“. 153 Man muss dann über den überraschenden Befund sprechen, den Albertz bei der Analyse von Ex 19 erhoben hat. Dass nämlich dort mit chronistischen Ergänzungen zu rechnen sei (Ex 19,11–13*; 20–25), die den Sinai von den Vorstellungen des Jerusalemer Temenos her umarbeiten. (Vgl. Ders. z. St. sowie 2015) 154 Vgl. Knoppers z. St. 591.
6.2 Topoi
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Auffällig in 1Chr 6,16 ist weiterhin, dass die Chronik an dieser Stelle sehr kurz, eigentlich so kurz wie möglich, eine sehr hintergründige in den Bereich der Kult-Handlung hineinreichende Textur stillschweigend voraussetzt, nämlich die, dass die Leviten zum Dienst ( )שרתdes Ladetragens ( )נשאabgestellt sind (vgl. Dtn 10,8). Dass sie die Lade getragen haben und dass die Lade nun nicht mehr getragen werden muss,155 ist allein aus der Präpositionalphrase ממנוחerkennbar.156 In 1Chr 6,16 wird die Lade bereits mit dem bestimmten Artikel eingeführt und damit als bekannt vorausgesetzt. Sie erhält dabei keine weiteren Prädikate; sie ist also weder Lade Gottes, noch JHWHs, noch des Zeugnisses, noch des Bundes. Sie ist schlicht die Lade. Der Übergang zu V.17 ist im Narrativ gestaltet, womit die typische Diskurshaltung der Genealogie erneut durchbrochen ist. Der Wechsel von der AK in die PK verdeutlicht an dieser Stelle eine sukzessive Folge. David befehligte die Leviten zu ihrem Dienst und sie werden damit zu Sängern. In konstitutioneller Hinsicht liegt der Fall jedoch gerade andersherum, dass damit die Sänger zu Leviten werden. V.16 f greift demnach auf die Konzeption von Dtn 10 zu. Während die Leviten in Dtn 10 vor JHWH stehen ( )עמדund dienen ()שרת, werden sie in V.16 abgestellt ( עמדhif.), um dann vor dem משכן אהל מועדzu dienen ( )שרתund dort auch zu singen. Die Verbindung aus V.16 und 17 setzt dabei nicht nur die Verbindung von משכןund אהל מועדvoraus, sondern ebenfalls die Verbindung von Zelt und Lade. Sie partizipiert damit unverkennbar an einer Pentateuchfassung, in der die Syntheseleistung zwischen P und D bereits vollzogen wurde, wobei sowohl das Element des Singens als auch das Element der levitischen Sänger eine Weiterentwicklung der dort ins Spiel gebrachten Ordnungen ist. Der Chronist beschreibt an dieser Stelle weiterhin auch das Haus JHWHs, das erst in 2Chr 7 eingeweiht wird und führt damit alle konstitutiven Motive des chronistischen Deutungsparadigmas der Historie ein. Dabei setzt er selbstverständlich die Identifikation von אהל מועדund Tempel voraus, die in 1Kön 8 noch sekundär textualisiert worden war.157 Solange der Tempel noch nicht fertig ist, singen die Sänger vor dem אהל מועד, der zu diesem Zeitpunkt noch nicht in das Narrativ eingeführt wurde. Auch an der Vorgeschichte des Zel 155 Wenn hinsichtlich Jer 3,16 mit einer jährlichen Prozession zu rechnen ist, heißt dies für den zweiten Tempel, dass die Aufgabe des gesamten Tragedienstes auch keine Lade mehr kennt. Andernfalls wäre der Prozessionsdienst sicher festgelegt worden. Die Chronik kennt nur die einmalige Überführung der Lade in den Tempel, wo sie zur Ruhe kommt, und der fortan Haus der Ruhe (1Chr 28,2) heißen wird. 156 Das Lexem נוחliefert dabei Verweise auf Gen. 8,9; Dtn 28,65; Ri 13,2.8 f.11.15.19; 16,31; Rut 3,1; 1 Chr 6,16; Ps 116,7; Jes 34,14; Am 1,3. Zwar kann מנחauch „etwas liegen lassen“ bedeuten (vgl. Gen 39,16; Ex 16,23), jedoch ist damit im Kontext der Lade auch immer auf die Ruhe verwiesen, die JHWH seinem Volk zu verschaffen versprochen hat (Ex 33,14; Dtn 12,9). Das Verweissystem, das an diese Stelle bereits den Zusammenhang mit Num 10,33–36; Ps 132 und 2Chr 6,41, einer der Schlüsselstellen der chronistischen Tempeltheologie, wird im Kapitel Kult-Kalender (s. u.) zu erörtern sein. 157 Vgl. dazu Achenbach 2007b.
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6. Kult-Gegenstand
tes, zwischen der letzten Erwähnung in Jos 22 und der ersten Erwähnung in der Chronik, zeigt der Chronist kein Interesse.158 Den Anschluss in V.17b stellt nun eine zweite PKwaw-Form dar ( עמדqal), die die davidische Hifil-Form aufnimmt und deren Konsequenz nach dem Tempelbau einbringt. Hier ‚stehen‘ die Leviten nun nach dem משפטDavids und verrichten ihren zur עבדהgewordenen Dienst. Die einzigen Verbindungen von שרתund עבדהfinden sich in Num 3,31; 8,26; 16,9; 1Chr 6,17; 2Chr 8,14; 31.2. In allen Fällen geht es entweder nur um Leviten oder um Priester und Leviten.159 Da dort jedoch vom Singen noch keine Rede ist, muss sich משפטentweder auf eine Regelung außerhalb der Tora oder eben eine neue Regelung beziehen.
6.2.2 Fazit Die narrative Anlage der Chronik, das wird bereits an zwei Versen in 1Chr 6,16 f deutlich, ist nicht chronologisch-sequenziell, sondern topologisch-assoziativ. Sie setzt (mitunter stillschweigend) voraus, was in der zunächst listenartigen, dann narrativen Anlage eigentlich später darzustellen ist. Auch wenn die Chronik nicht durchgängig erzählt, bietet sich im Hinblick auf den Erzählstoff die Interpretationsfigur des auktorialen oder olympischen Erzählers an. Der chronistische Erzähler blickt olympisch auf seinen Stoff und unterscheidet sich mit der Anordnung seines Materials von dem Aufriss des Pentateuchs wie auch des DtrG dadurch, dass er im Hinblick auf die Ereignisse keine streng chronologische Abfolge durchhält. Dies gilt insbesondere für die auf diese Weise als Primärinteressen des Chronisten zu erkennenden Themen. Während der historiographische Plot im Hinblick auf die Regierungen der Könige erhalten bleibt,160 laufen die kultischen Themen quer zu diesen, d. h. sie werden nicht auf der syntagmatischen, sondern der paradigmatischen Achse entfaltet. Auf diese Weise ist es möglich, dass der Chronist z. B. von den levitischen Sängern, der Lade und dem Tempelbau handelt, ohne dabei den Erzählstoff schon hinreichend weit entwickelt zu haben. Die eher lakonische Andeutung hat also die textpragmatische Qualität, auf die gesamte Ereignisfolge von Lade und Tempel explizit vorauszuweisen.
158 So taucht der אהל מועדin 1Chr 16,39 geradezu plötzlich in Gibeon auf, ohne dass klar wäre, wie dieser dorthin gekommen ist. 159 Vgl. an dieser Stelle die Einlassung zum selben Zusammenhang in 1Chr 23,25–32! 160 An diesem Punkt hat Ben Zvi (2006a, 144–157) die erstaunliche Beobachtung gemacht, dass der Chronist im Grunde alle Regierungszeiten der Könige übernimmt, obwohl er deren Episoden teils drastisch verkürzt oder verlängert. Demgemäß zeigt der Chronist im Hinblick auf Datierungen zwar offenbar eine große Treue zur Vorlage, jedoch im Hinblick auf Vorgänge in der Zeit in einem historiographischen Sinne kein Interesse.
7. Kult-Ort
Entdeckung, Einrichtung und Ingebrauchnahme des legitimen Kultplatzes sind in der Chronik von größter Bedeutung. Wir haben bereits gesehen, dass David unmittelbar nach der Übernahme der Regierungsgeschäfte in 1Chr 11 Jerusalem durch seinen General Joab erobern lässt. Dabei verfolgt der Chronist eine Erzählstrategie, die sukzessive auf die Einrichtung einer Kultstätte in Jerusalem zusteuert. Auf die Eroberung der Stadt folgt die Überführung der Lade (1Chr 13–16), die, wie wir soeben gesehen haben, erst im zweiten Anlauf gelingt. Die Nathan-Verheißung (1Chr 17) blendet erstmalig das Thema des Tempelbaus ein und begründet, warum dessen Bauherr nicht David, sondern Salomo sein werde. Dabei werden dort die bevorstehenden Kriege Davids in einer Gottesrede angekündigt. In 1Chr 17,11aγ kündigt Gott David an, seine Feinde zu demütigen ()כנע. Dabei wird nicht nur im typisch chronistischen Duktus1 die Demütigung der Feinde angesagt, sondern auch das Motiv der Ruhe aus der Vorlage getilgt. In 2Sam 7,11aγ war noch die Rede davon, dass Gott David Ruhe vor seinen Feinden verschaffen werde ()והניחתי לך מכל־איביך.2 Es folgt ein Intermezzo chronistischer Kriegsberichterstattung, die in 1Chr 18–20 verdichtet wird3 und die dramaturgische Funktion erfüllt, die Ablehnung Davids als Tempelbauer durch dessen zahlreiches Blutvergießen (vgl. 1Chr 22,8; 28,3) zu begründen.4 Dabei wird das 1 Das Lexem כנעwird in der Chronik insgesamt 19 Mal verwendet (1Chr 17,10; 18,1; 20,4; 2Chr 7,14; 12,6–7.12; 13,18; 28,19; 30,11; 32,26; 33,12.19.23; 34,27; 36,12). Der Chronist gebraucht es sowohl, um die Demütigung von Feinden, aber in Aufnahme von Lev 26,41 auch, um die Demütigung der Könige Israels zu beschreiben. 2 Das Motiv der Ruhe ist offenbar systematisch getilgt worden. Auch in 1Chr 17,1 // 2Sam 7,1 wird es nicht mehr erwähnt. Dieses Phänomen ist bereits von Mosis (1973, 101) zutreffend interpretiert worden, der schreibt: „In 1Chr 17,1.10 unterdrückt also der Chr das Wort von der ‚Ruhe‘, weil er in einer grundsätzlichen Periodisierung der Geschichte die Davidzeit, in der die Lade lediglich unter Zelten ist (1Chr 17,1; vgl. 1Chr 15,1), als eine Zeit des Krieges, die Salomozeit dagegen, in der Jahwe das ‚Haus der Ruhe‘ bauen läßt und seine Herrlichkeit von ihm Besitz ergreift, als eine Zeit des gottgeschenkten Friedens charakterisieren will.“ Ferner erkennt Mosis (Ebd. 96) richtig, dass die Figuren David und Salomo komplementär gestaltet sind: „Wie also dem Chr ‚Mann des Krieges‘ zu einem Beinamen Davids [1Chr 28,3] wird, so ‚Mann der Ruhe‘ zu einem Beinamen Salomos [1Chr 22,9].“ Die Ruhe, so werden wir im Kapitel Kult-Kalender sehen, wird Salomo während der Tempelweihe durch die Überführung der Lade in den Tempel und unter Aufnahme von Ps 132,8–10 in 2Chr 6,41 f regelrecht anweisen. 3 Wir hatten das Schema der narrativen Anordnung bereits in 1Chr 13; 14; 15 f beobachten können, wo der Kriegsbericht eine gewisse Zäsur innerhalb der kultischen Vollzüge darstellt. In gewisser Weise entspricht der Abschnitt 1Chr 17; 18–20; 21 diesem Rhythmus. 4 Die Begründung geht jedoch nicht mit einer Abwertung Davids einher. Ganz im Gegenteil urteilt Cudworth 2016, 31 zu Recht, dass „[i]n the account that remains, the Chronicler highlights David’s piety as a distinctive feature of the narrative, with his reward from Yahweh on the
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7. Kult-Ort
providentielle כנעin 1Chr 18,1; 20,4 wiederaufgenommen.5 Vor dem Hintergrund dieser Ereignisse ist nun die Einbettung von 1Chr 21 zu deuten. Diese Episode, die in der Chronik den eigentlichen Höhepunkt des David-Narrativs darstellt, wird mit dem Auftreten eines שטןpointiert an den Abschluss der Kriegsberichte gestellt und markiert den Übergang von der Zeit des Krieges in die Zeit des Friedens. Der Chronist verändert dabei nicht nur die Position der Episode gegenüber der Vorlage 2Sam 24, sondern arbeitet diese gleichzeitig massiv um. Die konsequente Einarbeitung von Torabezügen durch direkte Übernahme und indirekte Einwirkungen auf die Textkonstitution führt dabei zu einer Potenzierung der Dignität des Platzes gegenüber der Vorlage. Da wir im Folgenden die gesamte Perikope analysieren, wird bereits eingangs eine vollständige Synopse geboten, die dann in einem close reading entfaltet wird.6
7.1 Texturen: 1Chr 21 2Sam 24 (MT)
1Chr 21 (MT)
ויסף אף־יהוה לחרות בישראל ויסת את־דוד בהם לאמר לך מנה את־ישראל ואת־יהודה׃ ויאמר המלך אל־יואב2 שר־החיל אשר־אתו שוט־נא בכל־שבטי ישראל מדן ועד־באר שבע ופקדו את־העם וידעתי את מספר העם׃ ויאמר יואב אל־המלך ויוסף יהוה אלהיך3 אל־העם כהם וכהם מאה פעמים ועיני אדני־המלך ראות ואדני המלך למה חפץ בדבר הזה׃
ויעמד שטן על־ישראל ויסת את־דויד1 למנ֖ ות את־ישראל׃
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ויחזק דבר־המלך אל־יואב ועל שרי החיל4 ויצא יואב ושרי החיל לפני המלך לפקד את־העם את־ישראל׃ l
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ויאמר דויד אל־יואב2 ואל־שרי העם ל ֗כו ספרו את־ישראל מבאר שבע ועד־דן והביאו אלי ואדעה את־מספרם׃ ויאמר יואב יוסף יהוה3 על־עמו׀ כהם מאה פעמים הלא אדני המלך כלם לאדני לעבדים l
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למה יבקש זאת אדני למה יהיה לאשמה לישראל׃ ודבר־המלך חזק על־יואב4 ויצא יואב l
battlefield predictably close behind.“ Dass nicht etwa David, sondern erst Salomo zum Erbauer des Tempels wird, ist dem Chronisten durch die historische Überlieferung so selbstverständlich vorgegeben, dass er darin keine Verlegenheit Davids erkennt, sondern diesen fast zu einem tragischen Helden stilisiert, der das Unheil mit Blick auf die Befriedung der Regierungszeit des Sohnes in Kauf nimmt. 5 Vgl. zur Analyse der Kriegsberichte Cudworth 2016, 31–36. 6 Die Farbgebung folgt der eingangs eingeführten Quadripartita Ratio. Daneben werden Konjekturen in Magenta angezeigt und Übereinstimmungen mit 4QSama durch einen Rahmen ausgewiesen.
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7.1 Texturen: 1Chr 21 5ויעברו את־הירדן ויחנו בערוער ימין העיר אשר בתוך־הנחל הגד ואל־יעזר׃ 6ויבאו הגלעדה ואל־ארץ תחתים חדשי ויבאו דנה יען וסביב אל־צידון׃ 7ויבאו מבצר־צר וכל־ערי החוי והכנעני ויצאו אל־נגב יהודה באר שבע׃ יום 8וישטו בכל־הארץ ויבאו מקצה תשעה חדשים ועשרים l
ויתהלך בכל־ישראל ויבא ירושלם׃ 5ויתן יואב את־מספר מפקד־העם אל־דויד ויהי כל־ ישראל אלף אלפים ומאה אלף איש שלף חרב ויהודה ארבע מאות ושבעים אלף איש שלף חרב׃ 6ולוי ובנימן לא פקד בתוכם כי־נתעב דבר־המלך את־יואב׃ 7וירע בעיני האלהים על־הדבר הזה ויך את־ישראל׃ פ 8ויאמר דויד אל־האלהים חטאתי מאד אשר עשיתי את־הדבר הזה ועתה העבר־נא את־עוון עבדך כי נסכלתי מאד׃
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ירושלם׃ 9ויתן יואב את־מספר מפקד־העם אל־המלך ותהי ישראל שמנה מאות אלף איש־חיל שלף חרב ואיש יהודה חמש־מאות אלף איש׃
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10ויך לב־דוד אתו אחרי־כן ספר את־העם ס ויאמר דוד אל־יהוה חטאתי מאד אשר עשיתי ועתה יהוה העבר־נא את־עון עבדך כי נסכלתי מאד׃ 11ויקם דוד בבקר ודבר־יהוה היה אל־גד הנביא חזה דוד לאמר׃ 12הלוך ודברת אל־דוד כה אמר יהוה שלש אנכי נוטל עליך בחר־לך אחת־מהם ואעשה־לך׃ 13ויבא־גד אל־דוד ויגד־לו ויאמר לו l
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9וידבר יהוה אל־גד חזה דויד לאמר׃ 10לך ודברת אל־דויד לאמר כה אמר יהוה ש ֕לוש אני נטה עליך בחר־לך אחת מהנה ואעשה־לך׃ 11ויבא גד אל־דויד ויאמר לו כה־אמר יהוה קבל־לך׃ 12אם־שלוש שנים רעב ואם־שלשה חדשים נספה מפני־צריך וחרב אויבך׀ למשגת ואם־שלשת ימים חרב יהוה ודבר בארץ ומלאך יהוה משחית בכל־גבול ישראל ועתה ראה מה־אשיב את־שלחי דבר׃ פ 13ויאמר דויד אל־גד צר־לי מאד אפלה־נא ביד־יהוה כי־רבים רחמיו מאד וביד־אדם אל־אפל׃ 14ויתן יהוה דבר בישראל l
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התבוא לך שבע שנים רעב בארצך אם־שלשה חדשים נסך לפני־צריך והוא רדפך
ואם־היות שלשת ימים דבר בארצך עתה דע וראה מה־אשיב שלחי דבר׃ ס 14ויאמר דוד אל־גד צר־לי מאד נפלה־נא ביד־יהוה כי־רבים (רחמו) [רחמיו] וביד־אדם אל־אפלה׃ 15ויתן יהוה דבר בישראל מהבקר ועד־עת מועד
ויפל מישראל שבעים אלף איש׃ 15וישלח האלהים׀ מלאך׀ לירושלם להשחיתה וכהשחית ראה יהוה וינחם על־הרעה ויאמר למלאך המשחית רב עתה הרף ידך ומלאך יהוה עמד עם־גרן ארנן היבוסי׃ 16וישא דויד את־עיניו וירא את־מלאך יהוה עמד בין הארץ ובין השמים וחרבו שלופה בי ֔דו נטויה על־ירושלם ויפל דויד והזקנים מכסים בשקים על־פניהם׃ 17ויאמר דויד אל־האלהים l
וימת מן־העם מדן ועד־באר שבע שבעים אלף איש׃ 16וישלח ידו המלאך ירושלם לשחתה l
וינחם יהוה אל־הרעה ויאמר למלאך המשחית בעם
רב עתה הרף ידך ומלאך יהוה היה עם־גרן (האורנה) [הארונה] היבסי׃ ס
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הלא אני אמרתי למנות בעם ואני־ה֤ וא אשר־ חטאתי והרעה הרעותי ואלה הצאן מה עשו יהוה אלהי תהי נא ידך בי ובבית אבי ובעמך לא למגפה׃ 18ומלאך יהוה אמר אל־גד לאמר לדויד כי׀ יעלה דויד להקים מזבח ליהוה בגרן ארנן היבסי׃
17ויאמר דוד אל־יהוה בראתו את־המלאך המכה בעם l
ויאמר הנה אנכי חטאתי ואנכי העויתי ואלה הצאן מה עשו תהי נא ידך בי ובבית אבי׃
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18ויבא־גד אל־דוד ביום ההוא ויאמר לו עלה הקם ליהוה מזבח בגרן (ארניה) [ארונה] היבסי׃ l
7. Kult-Ort 19ויעל דויד בדבר־גד אשר דבר בשם יהוה׃ 20וישב ארנן וירא את־המלאך וארבעת בניו עמו מתחבאים וארנן דש חטים׃ 21ויבא דויד עד־ארנן ויבט ארנן וירא את־דויד l
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19ויעל דוד כדבר־גד כאשר צוה יהוה׃ 20וישקף ארונה וירא את־המלך l
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ויצא מן־הגרן וישתחו לדויד אפים ארצה׃
ואת־עבדיו עברים עליו ויצא ארונה וישתחו למלך אפיו ארצה׃ 21ויאמר ארונה [אל המלך] מדוע בא אדני־המלך אל־עבדו ויאמר דוד לקנות מעמך את־הגרן לבנות מזבח ליהוה l
22ויאמר דויד אל־ארנן תנה־לי מקום הגרן ואבנה־בו מזבח ליהוה בכסף מלא תנהו לי ותעצר המגפה מעל העם׃ 23ויאמר ארנן אל־דויד קח־לך ויעש אדני המלך הטוב בעיניו ראה נתתי הבקר ̇ לעלות והמורגים לעצים והחטים למנחה הכל נתתי׃ l
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ותעצר המגפה מעל העם׃ 22ויאמר ארונה אל־דוד יקח ויעל אדני המלך הטוב בעיניו ראה הבקר לעלה והמרגים וכלי הבקר לעצים׃ יהוה 23הכל נתן ארונה המלך למלך ס ויאמר ארונה אל־המלך l
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אלהיך ירצך׃
24ויאמר המלך דויד לארנן לא כי־קנה אקנה בכסף מלא כי לא־אשא אשר־לך ליהוה והעל֥ ות עולה חנם׃ 25ויתן דויד לארנן במ ֑קום מאות׃ שקלי זהב משקל שש ֽ 26ויבן שם דויד מזבח ליהוה ויעל על֖ות ושלמים ויקרא אל־יהוה ויענהו באש מן־השמים על מזבח העלה׃ 27ויאמר יהוה למלאך וישב חרבו אל־נדנה׃ 28בעת ההיא בר ֤אות דויד כי־ענהו יהוה בגרן ארנן היבוסי ויזבח שם׃ 29ומשכן יהוה אשר־עשה משה במדבר ומזבח העולה בעת בגבעון׃ ֽ ההיא בבמה 30ולא־יכל דויד ללכת לפניו לדרש אלהים כי נבעת מפני חרב מלאך יהוה׃ l
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24ויאמר המלך אל־ארונה לא כי־קנו אקנה מאותך במחיר ולא אעלה ליהוה אלהי עלות חנם ויקן דוד את־הגרן ואת־הבקר בכסף שקלים חמשים׃ 25ויבן שם דוד מזבח ליהוה ויעל עלות ושלמים ויעתר יהוה לארץ ותעצר המגפה מעל ישרא l
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7.1.1 Die Auffindung des Tempelplatzes in 1Chr 21 Der Aufbau dieses Kapitels zerfällt in drei Teilepisoden, die durch eine innere Handlungslogik von Schuld, Strafe und Sühne verbunden sind und ihren Höhepunkt im Bau eines Altars durch David haben: Teil I: Die Verse 1–6 schildern den Auftrag und die Durchführung der Volksׂ) gegen Israel und verleitet Davidשטן( zählung: In V.1 stellt sich ein Widersacher dazu, das Volk zu zählen. David schickt daraufhin seinen Oberbefehlshaber Joab aus, um die Zählung durchzuführen. Teil II: Die Verse 7–14 führen die göttliche Vergeltungsaktion an Israel vor. Aus uneinsichtigen Gründen missfällt Gott „diese Sache“ und er bringt eine Pest über das Land, der 70.000 Menschen zum Opfer fallen. Teil III: Im Abschnitt von 1Chr 21,16 bis 1Chr 22,1 wird die Abwendung der Strafe erzählt. David lenkt ein, bekennt seine Schuld vor Gott und dieser schickt
7.1 Texturen: 1Chr 21
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den Propheten Gad mit einer Vergeltungsbotschaft. Um die Vernichtung Jerusalems aufzuhalten, erhält David den Auftrag zum Bau eines Altars, dessen Einrichtung die Restitution des Gottesverhältnisses bewirkt und die Vernichtung abwendet. David selbst stellt eine Verbindung zwischen diesem Altar und dem im Entstehen begriffenen Haus Gottes dar, das nach der inneren Erzähllogik der Chronik, die fast vollständig auf temporale Deixis verzichtet, unmittelbar vor seiner Grundsteinlegung steht. Wichtig ist es, sich in der synoptischen Analyse zunächst vor Augen zu führen, wie deutlich 2Sam 24 und 1Chr 21 bzgl. der Einbettung in den jeweiligen Kotext abweichen: Während 2Sam 24 die letzte Episode vor seinem Tod und den anschließenden Nachfolgestreitigkeiten darstellt, nimmt 1Chr 21 nahezu eine Zentralstellung in der Biographie Davids ein. Exegetisch muss dabei jedoch berücksichtigt werden, dass die literaturgeschichtliche Beurteilung von 2Sam 21–24 sehr umstritten ist.7 Einen relativen Konsens stellt dabei die These dar, dass diese vier Kapitel nicht mehr an ihrem ursprünglichen Platz stehen. Hinsichtlich der Einbettung in den Kontext hat jüngst Evans (2013) die wichtige Perspektive in Erinnerung gerufen, dass 1Chr 21 sich mitten in den Vorbereitungen für den Tempelbau ereignet und darin eine gewisse Parallele zur kontextuellen Einbettung von Ex 30,11–16 gesehen.8 Der sekundäre Einschub in den Kotext von Ex 30 stelle damit gewissermaßen die finanziellen Mittel für den Tempelbau bereit. Zwar ist der Verweis auf Ex 30,11–16 als einem Intertext von 1Chr 21 schon von Josephus ins Spiel gebracht worden9, jedoch bleibt auch für diesen – wenn auch originär rezeptionsästhetischen Blick die Frage nach dem produktionsästhetischen Zusammenhang zunächst vollkommen offen.
7.1.2 Die Volkszählung – 1Chr 21,1–6 Folgt man dem Text in seiner Reihenfolge, fällt auf, dass der Initiator der Volkszählung nicht mehr JHWH selbst ist, sondern dieser durch eine Ersetzung gegen einen Widersacher10 ( )שטןausgetauscht worden ist. Daran hat sich mit einem Seitenblick auf Hi 1 und Sach 3 bekanntlich eine reichhaltige und sehr komplexe 7 Mathys z. B. sieht eine Nähe zwischen 2Sam 24 und Gen 14,17–24 s. u. 8 Vgl. dazu die Tabelle unten. 9 Vgl. dazu die im Anschluss an die Analyse gebotenen Überlegungen zur Einordnung des Volkszählungsmotivs. 10 Zum religionsgeschichtlichen Hintergrund von שטןvgl. DDD, 762–732. Breytenbach und Day schlagen eine etymologische Herleitung von der Wurzel שטןvor. Es läge damit eine gewöhnliche qatal-Bildung vor (Ebd. 726). Über die Funktion des bestimmten Artikels in Hi 1 und Sach 3 heißt es: „The precise identity of the character is not important to the story. What is important for the narrative is the character’s current and temporary status of escapee. The force of the definite article is to deemphasize precise identity and focus on the status of the character as it is relevant to the narrative plot“. (Ebd. 728).
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7. Kult-Ort
Rezeptionsgeschichte entzündet.11 Traditionell ist in der Exegese die These vertreten worden, dass die im Unterschied zu Hi 1 und Sach 3 indeterminierte Einführung eines Satans hier einen Indikator für einen Eigennamen darstellt.12 Aus einer Funktionsbeschreibung wäre damit ein Appellativum geworden. Die Indeterminierung für eine chronistische Weiterentwicklung der Satanreflexion zu halten, ist durchaus möglich. Rothstein z. B. hat die chronistische Konzeption als einen Übergang von Hi 1 und Sach 3 über 1Chr 21 zu Dan 8; 9; 10; 12 verstanden.13 Es stellt sich nur die Frage, ob diese Lesart von ihrem Kontext her gedeckt ist.14 Abzuwägen ist einerseits zwischen der handlungslogischen (wenn auch nicht personalen) Analogie, die im synoptischen Vergleich offensichtlich zwischen Gott und Satan besteht. Andererseits ist jedoch auch die verschwindend geringe Rolle des Satans zu berücksichtigen, der innerhalb der Szene nicht einmal zu Wort kommt. Je nachdem, ob man stärker die Vorlage oder den Nahkontext berücksichtigt, ergibt sich also ein anderer Deutungshorizont. In der Auslegungstradition der biblischen Satan-Stellen (Hi 1; Sach 3; 1Chr 21) hat sich eine Eigendynamik ergeben, die den Ankläger bzw. Verführer mit dem Namen ‚Satan‘ ( )ׂשטןzu einer Figur sui generis stilisiert und darin die Begründung eines strengen Dualismus gesehen hat. Innerhalb der biblischen Darstellung haben zahlreiche Forscher seit langem eine Entwicklung von השטןzu שטןbeobachten wollen und darin die Weiterentwicklung einer Funktionsbezeichnung zu einem Eigennamen gesehen.15 In jüngeren exegetischen Untersuchungen z. B. von Japhet und Knoppers wird diese Lesart jedoch zu Recht zurückgewiesen, da sie überzeugend zeigen konnten, dass es keine Anhaltspunkte für eine streng dualistische Weltauffassung des Chronisten gibt.16 Insofern wäre vor dem Hintergrund der gesamten chronistischen Sachlage der Ausdruck Satan hier schlicht als eine indeterminierte Funktionsbezeichnung (ein Widersacher / Verführer) und nicht als ein Eigenname zu verstehen. Auch der Nahkontext legt diese Deutung nahe, da es in 1Chr 18–20 ausschließlich um Kriegshandlungen geht.17 Im Hinblick auf die Figurenkonstellation zeigt sich nämlich, dass einzelne Figuren als Teil einer umfassenderen Textur aufzufassen sind. Unberührt von der Frage nach Funktionsbeschreibung oder Eigenname ist die Frage danach, ob hier überhaupt ein himmlischer oder irdischer Widersacher Davids gemeint ist. Darin 11 Vgl. dazu z. B. die ausführliche Abwägung Rothsteins z. St., 364. 377–383. 12 Vgl. Galling z. St. 13 Vgl. Rothstein z. St. 377–386. 14 Gerade in der neueren Forschung überwiegt eher die Skepsis. Vgl. Japhet z. St.; Klein z. St. und Knoppers z. St. sowie neuerdings Leuenberger 2016, 1–26. 15 Vgl. Curtis / Madsen z. St., 246 f; Rothstein z. St., 364; Rudolph z. St., 142 f; Galling z. St., 61; Meyers z. St., 147. 16 Vgl. Japhet z. St., 374 f; Knoppers z. St., 751. 17 Gleichwohl ist mit Blick auf den ausgeprägten Leitwortstil des Chronisten zu berücksichtigen, dass in 1Chr 18–20 weder ein שטןnoch das Verbum סותverwendet werden. Insofern ist der שטןnicht einfach nur irgendein weiterer Feind.
7.1 Texturen: 1Chr 21
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nicht nur eine Frage des Lesers, sondern des Textes zu sehen, lässt sich vor dem Hintergrund akkadischer Parallelen erhellen. Day weist darauf hin, dass hier die drei Ausdrücke bēl dabābi, bēl dini und ākil karṣi synonym für Ankläger gebraucht werden. „Each can refer either to a human legal opponent or to a deity acting as an accuser in a legal context, and thus each term functionally parallels the noun śaṭān even though there is no etymological relationship.“18 Mit anderen Worten: In V.1 handelt es sich eher um einen Widersacher als um eine bestimmte mit Eigennamen bezeichnete Figur. Dabei ist dem Leser die Deutung offengelassen, ob der Widersacher ein himmlisches oder irdisches Wesen ist.19 Day versucht die Bedeutung Satans im Sinne der Ersetzung vor dem Hintergrund ihrer Vorlage zu erheben: If the Chronicler was trying to generally distance Yahweh from malevolent behaviour and accomplished this by attributing such behavior to another divine being, then we can see in this passage the beginnings of a moral dichotomy in the celestial sphere. If Yahweh is no longer thought to be responsible for malevolent behaviour toward humankind, and another divine being capable of acting efficaciously, independent of Yahweh, is, then it would be quite appropriate to translate śaṭān with the proper name Satan. However, if the introduction of satan into the census story has the more circumscribed objective of portraying the relationship between Yahweh and David favourably, and not of ridding Yahweh of malevolent intent more generally, then even if satan in this passage is a proper name, the term is still a long way from connoting Satan, God’s evil archenemy.20
Über Satan als Eigennamen erfahren wir, dass „the earliest texts that indisputably contain the proper name Satan date to the second century BCE (Ass. Mos. 10: I; 18 Breytenbach / Day 1999, 727. 19 Eine besondere Leseart ergibt sich in der Chronik, wenn man שטןmit dem מלאך יהוה (V.12.15.16.18.30) in Verbindung bringt. Konkret stellt sich die Frage nach ihrem Verhältnis, bzw. ob überhaupt von der Nicht-Identität dieser beiden Figuren auszugehen ist. Vor dem Hintergrund von Num 22,22.32 kann der Sachverhalt durch komplementäre Lesart aufgehellt werden: Hier ist es ganz deutlich, dass der מלאך יהוהBileam als ein Widersacher ( )שטןgegenübertritt, um ihn von seinem Plan abzubringen. Der Bote wird als Stellvertreter JHWHs mit einer entsprechenden Aufgabe beschrieben. Er übt seine Handlung als eine Verlängerung des göttlichen Zorns aus, sodass es nicht unmittelbar zur göttlichen Intervention kommt. Versucht man aus diesem Konnex einen Zusammenhang zwischen 2Sam 24,1 und 1Chr 21,1 zu stiften, liegt es nicht mehr fern, die Transmutatio weniger als eine Umgehung des göttlichen Zornes denn vielmehr als dessen Explikation zu verstehen. Sollte das zutreffen, wäre hinter der Anstiftung zur Volkszählung einschließlich des göttlichen Umdenkens und dem darin eingebetteten Narrativ von Schuld und Sühne kein Dualismus, sondern lediglich ein narrativer Umweg der Camouflage zu erkennen, der das Initium der Volkszählung zwar einem Satan zuschreibt, die eigentlich göttliche Origo damit jedoch nur zu verschleiern sucht. Rothstein fasst hingegen die Vorstellungen von Num 22 und 1Chr 21 tatsächlich als gegensätzlich auf: „Dort ist also im ‚Engel JHWHs‘ tatsächlich in der Vorstellung noch vereint, was im chronistischen Bericht auf zwei Wesen verteilt ist.“ Rothstein z. St., 381. 20 Breytenbach / Day 1999, 730.
392
7. Kult-Ort
lltb 23:29; possibly Sir 21:27).“21 Für 1Chr 21 lässt sich diese Verwendung auf Grund fehlender Kontextindikatoren nicht herleiten.22 Dabei verdeutlicht auch die Figurenkonstellation diesen Eindruck: Die Hauptfiguren des ersten Teils, David und Joab, sind im Narrativ der Chronik bereits gut bekannt. Joab wird in 1Chr 11,6 nicht nur eingeführt, sondern als „Sohn der Zeruja“ vorgestellt, wobei sich vor dem Hintergrund der genealogischen Linie aus 1Chr 2,16 ergibt, dass Joab auf die judäisch-davidische Linie zurückgeführt und damit zum Neffen Davids gemacht wird. Auch der Auftritt des göttlichen Boten ( )מלאך יהוהwird durch den Zusatz in V.12 vorbereitet, bevor er in V.15 f regelrecht als Einlösung einer Suspense seinen Auftritt hat. Auf Ornan, den Jebusiter, wird der Leser in V.18 vorbereitet, bevor er in V.20 zunächst selbständig eingeführt und in V.21 mit David zusammengeführt wird. Ganz anders verhält es sich mit der Satan-Figur: Nicht nur wird ein Satan als Ersetzung vollkommen unvermittelt eingeführt, er spielt auch im weiteren Verlauf weder dieser Episode noch des chronistischen Narrativs im Ganzen irgendeine Rolle. Weder erfahren wir seine Reaktion auf die gelungene Anstiftung, noch werden wir darüber in Kenntnis gesetzt, welche Auswirkung seine Initiative auf die Bemessung des Strafmaßes hat. Gerade dieser Sachverhalt hinterlässt eine empfindliche Unbestimmtheitsstelle im Text, die eine Fülle von Spekulationen auslösen kann und ausgelöst hat.23 Wenn sich auf Grund der Reflexion über die Determinierung von Satan auch keine eindeutige Disambiguierung der Bedeutung herstellen lässt, so kann der synoptische Vergleich zumindest helfen, die Grenze der Interpretation zu vermessen. Vergleicht man den Beginn der Darstellung in 2Sam 24 und 1Chr 21, fällt auf, dass beide mit einem Narrativ beginnen. 2Sam 24 weist mit ויסף אף־יהוה לחרות בישראלentweder auf die fortwährende Perpetuierung oder vor dem Hintergrund von 2Sam 21 auf die Iterierung einer Handlung JHWHs hin, deren Ursprung jenseits des eigentlichen Textanfangs zu suchen ist.24 In 1Chr 21 wird das Moment der Dauer durch eine Ersetzung annulliert und auf semantischer Ebene eine neu einsetzende Handlung mit neuem Subjekt erzählt. Satan wird vollkommen uneingeführt in den Erzählfluss aufgenommen und weder kata- noch anaphorisch in die Textur eingebunden. Das Subjekt spielt also im Kotext eine vergleichsweise unterbestimmte Rolle, wenngleich es dem synoptischen Vergleich nach als göttliches Äquivalent zu deuten ist. Die Fähigkeit, David zu verführen ()סות את דוד, können
21 Ebd. 730. 22 Breytenbach und Day bestreiten damit zu Recht, dass sich innerhalb der Hebräischen Bibel eine Entwicklung der Satansfigur ausmachen ließe: „[I]t is difficult to maintain, as many scholars have, that we can see in the Hebrew Bible a developing notion of Satan.“ (Ebd., 730). 23 Vgl. zum Begriff Iser 1994, 267–280. 24 Auf die Frage, warum der Zorn JHWHs hier überhaupt weiterhin bzw. erneut entbrennt, wird, soweit ich sehe, noch immer eine plausible Antwort gesucht. Selbst bei Rashi heißt es: לא ידעתי על מה׃ ויסת גירה׃.
7.1 Texturen: 1Chr 21
393
beide Figuren gleichermaßen ausüben. Dabei ist jedoch besonders auffällig, dass 1Chr 21 den Akt der Verführung nur hintergründig beschreibt. Den Kern der Erzählung stellt der Chronist in der Kombination von Tilgung und Ersetzung her. Diese führt dazu, dass der Satan in der chronistischen Darstellung überhaupt nicht mehr zu Wort kommt, was zu einem nicht zu unterschätzenden Dramaturgieverlust führt. Durch die Unterdrückung des Sprechaktes tritt der Satan nämlich nicht mehr eigentlich auf, ja er hat überhaupt keinen Anteil mehr an der Szene. Vielmehr führt seine Einführung allein zu einer hintergründigen Anwesenheit, was die göttliche Urheberschaft der Zählung verschleiert.25 Der Satan bleibt in der gesamten Szene vollkommen stumm und kann daher mit Blick auf seine figurative Inszenierung in keinerlei Hinsicht belastet werden. Mit anderen Worten: Der Begriff Satan – und damit sind Japhet und Knoppers mit der Sichtweise der Indeterminiertheit gegen die Auslegung als Eigennamen im Recht – kann nur als depotenzierende Auslegung von 2Sam 24,1 unter Ausblendung des Subjekts JHWH verstanden werden. JHWH wird aus der Verantwortung gezogen und durch einen anonymen Widersacher ersetzt. Da dieser außer seiner Anwesenheit keine Präsenz entwickelt, ist Knoppers völlig im Recht, wenn er damit die Verantwortung für das Folgende deutlicher an David überträgt: „By attributing the census to the instigation of an anonymus adversary, the Chronicler simultaneously excuses Yhwh from any responsibilty for the census and casts a pall over David’s entire plan“26. Dabei muss offenbleiben, welches Weltwissen assoziativ genau über das Lexem aufgerufen werden konnte.27 Aus der Anlage des Textes, der mit dieser Figur in keiner Weise haushaltet, ja sie nicht einmal gleichrangig mit seinen anderen Figuren behandelt, kann nur gesagt werden, dass ihm an plastischen Vorstellungen nicht nur nichts gelegen hat, sondern dass diese mit Blick auf den Fortgang der Handlung bewusst unentfaltet geblieben sind.28 Die Ersetzung ist also insofern pragmatisch zu beschreiben, als damit Gott 25 Hier ließe sich einwenden, dass der Chronist grundsätzlich einen Hang zur indirekten Rede und dem Infinitiv erkennen lässt und damit die stilistische Angleichung möglicher Weise weniger Gewicht hat, als ich behaupte. Ein Beispiel dafür wäre in V.18 zu finden, wo die beiden Imperative der Vorlage ( עלהund הקםin 2Sam 24,18) durch den Jussiv und den Infinitiv ausgetauscht werden. Dennoch bleibt damit der ursprünglich insinuierte Redeakt erhalten und die Figur büßt ihre narrative Vitalität nicht ein. 26 Knoppers z. St., 751. 27 Jüngst hat Leuenberger (2016) noch einmal zu diesem Thema Stellung bezogen. „השטן stelle (nicht eine Eigenschafts- sondern) eine Funktionsbezeichnung“ dar. In 1Chr 21,1 liege der jüngste Hinweis auf eine numinose Satansfigur vor, die der Entlastung JHWHs (vgl. 2Sam 24,1) diene. Die Entwicklung des Lexems שטןzu einem Eigennamen hält Leuenberger für möglich, jedoch nicht für zwingend (Ebd. 9.11). Insofern hält Leuenberger gegen Nielsen die Deutung ebenfalls in Richtung der von Japhet und Knoppers ins Spiel gebrachten Argumente offen. 28 Rothstein (z. St., 378) deutet die Inaktivität des Satans so, dass der Satan hier „im Verborgenen sein Verführungswerk treibt“. Mit einer weitreichenden Deutung des Wesens und Innenlebens Satans überstrapaziert er jedoch die Figur und wird ihrer ‚verschwindend‘ geringen Rolle im Text nicht gerecht.
394
7. Kult-Ort
vordergründig von der Verantwortung für Davids Vergehen entlastet wird. Dies entspricht dem in der Chronik durchgesetzten Prinzip des Tun-Ergehen-Zusammenhangs besser, da in V.7 Gott selbst den Tatbestand der Volkszählung als ‚böse‘ aufweist und dessen gleichzeitige Verursachung der Zählung einen zu scharfen Kontrast dargestellt hätte.29 Der Auftrag zur Zählung ergeht dabei möglicherweise vor dem Hintergrund von Num 1; 26 nicht mehr von Gott, wie Schenker pointiert annimmt: „Wie kann eine von JHWH selbst angeordnete Zählung einmal in Ordnung (Num 1; 26) und einmal böse sein (2 Sam 24)? Das ist das Problem eines Lesers von 2 Sam 24, der Numeri kennt.“30 Dieser Eindruck verschärft sich noch durch die Lektüre von 1Chr 23, wo in einer nahezu lakonischen Weise berichtet wird, wie David die Zählung der in 1Chr 21 exempt gebliebenen Leviten nachholt. Von 1Chr 23 her scheinen erscheinen die Leviten als nur für Joab nicht aber für David sakrosankt. In V.2 erliegt David der Versuchung und beauftragt seinen General Joab, das Volk zu zählen. Joab erhebt Einspruch, wobei ihm in V.3 eine auffällig geprägte Sprache in den Mund gelegt wird. Die Ergänzung ( למה יהיה לאשמה לישראלWarum soll es Israel zur Schuld gereichen?) verweist mit dem Begriff der Schuld ()אשמה31 sehr deutlich auf den priesterlichen Schuld-Diskurs des Levitikusbuches.32 In der Gesamtbeurteilung macht V.3 zunächst einen disparaten Eindruck:
29 Ein heuristisches Bindeglied zwischen 2Sam 24,1 und 1Chr 21,1 ist Num 22,22, wo auf Gottes ( )אלהיםZorn ( )אףhin der Engel JHWHs ( )מלאך יהוהals Widersacher ( )ׂשטןgegen Bileam auftritt und zwar in der guten Absicht, Böses zu verhindern. „Er ist nicht Gottes Widersacher, sondern in Gottes Auftrag Widersacher des Bösen (das potentiell durch Bileams widergöttliches Fluchen droht).“ (Leuenberger 2016, 13). Die Aufgabe für die Exegese ist damit viel filigraner umrissen und besteht darin, die feinen Nuancen, die zwischen 2Sam 24,1 und Num 22,22.32 und 1Chr 21,1 bestehen, als einen gemeinsamen zeit- und literaturgeschichtlichen Diskurs zu verstehen. Das in diesen Texten entfaltete שטן-Motiv ist dann weniger als Entwicklung, denn als Thema mit Variation zu verstehen. Sollte hier mit שטןein מלאך יהוהgemeint sein, läge zudem der ironische Erzählzug vor, dass gerade dieser als Strafengel zurückkehrt und David aufträgt den Altar JHWHs zu bauen. Diese Lesart bleibt jedoch spekulativ. 30 Schenker 1982, 40. Schenker (Ebd., 38) stellt die These auf, dass 2Sam 24 eine Begründungslegende für den in Esr 3,3 f nach dem Exil wiedererrichteten Altar darstellt. Ein Indiz für die Datierung von 2Sam 24 erwächst daraus jedoch nur mittelbar, da noch einmal die historische Errichtung des Altars, von der literarischen Aufnahme zu unterscheiden ist. Ob 2Sam 24 beide voraussetzt, kann auf Grund der Evidenzen nicht geklärt werden. 31 Vgl. Lev. 4,3; 5,24.26; 22,16; 1Chr 21,3; 2Chr 24,18; 28,10.13; 33,23; Esr 9,6–7.13.15; 10,10.19; Ps 69,6; Am 8,14. 32 Vgl. vor allem die Bestimmungen zum אשם-Opfer in Lev 4–7; 14 geraten in den Blick. Johnstone (1996, 245) weist insbesondere auf den Zusammenhang mit Lev 5,14–26 hin, wo der Umgang mit wissentlichen und unwissentlichen Verschuldungen geregelt wird und auch das Lexem מעל, das sonst auffälliger Weise in den Narrativen Davids und Salomos ausgespart werde, eine Rolle spielt. Indirekt, so schlussfolgert Johnstone (Ebd.) zu Recht, wird das מעל-Schweigen des Chronisten an dieser Stelle also provokativ durchbrochen und durch den Altarbau in 1Chr 22,1 beantwortet.
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7.1 Texturen: 1Chr 21 2Sam 24,3 (MT)
1Chr 21,3 (MT)
ויאמר יואב אל־המלך3 ויוסף יהוה אלהיך אל־העם
ויאמר יואב3 יוסף יהוה על־עמו
כהם וכהם מאה פעמים
כהם מאה פעמים
l
l
ועיני אדני־המלך ראות ואדני המלך
הלא אדני המלך כלם לאדני לעבדים
2Sam 24,3 (LXX)
1Chr 21,3 (LXX)
καὶ εἶπεν Ιωαβ πρὸς τὸν βασιλέα καὶ προσθείη κύριος ὁ θεός σου πρὸς τὸν λαὸν ὥσπερ αὐτοὺς καὶ ὥσπερ αὐτοὺς ἑκατονταπλασίονα καὶ ὀφθαλμοὶ τοῦ κυρίου μου τοῦ βασιλέως ὁρῶντες καὶ ὁ κύριός μου ὁ βασιλεὺς
3
3
καὶ εἶπεν Ιωαβ
προσθείη κύριος ἐπὶ τὸν λαὸν αὐτοῦ ὡς αὐτοὶ ἑκατονταπλασίως καὶ οἱ ὀφθαλμοὶ κυρίου μου τοῦ βασιλέως βλέποντες LXXAnt οὐχί, κύριέ μου βασιλεῦ,
למה חפץ בדבר הזה׃
למה יבקש זאת אדני למה יהיה לאשמה לישראל׃
ἵνα τί βούλεται ἐν τῷ λόγῳ τούτῳ
πάντες τῷ κυρίῳ μου παῖδες ἵνα τί ζητεῖ ὁ κύριός μου τοῦτο ἵνα μὴ γένηται εἰς ἁμαρτίαν τῷ Ισραηλ
Die Übereinstimmung von MT und LXX in 2Sam 24 zeigt, dass mit einer stabilen Überlieferung der Vorlage von 1Chr 21,3 zu rechnen ist. Vor diesem Hintergrund ist es wahrscheinlich, dass die in MT und LXX enthaltene Wendung ועיני אדני־המלך ראות, die in der Chronik fehlt, auf einen Abschreibfehler zurückzuführen ist. Möglicherweise ist sie sogar in der Wendung הלא אדני המלךaufgegangen, die wiederum in der LXX fehlt und erst im antiochenischen Text als eine Angleichung an MT ergänzt wird. Deutlich ist jedoch, dass die Wendung כלם לאדני לעבדיםals eine intendierte Ergänzung aufzufassen ist, die unter dem Vorzeichen einer rhetorischen Frage gedeutet werden muss: „Ist es nicht so, mein Herr und König, dass sie alle Diener meines Herrn sind?“ Eine rhetorische Frage suggeriert, dass die zum Ausdruck gebrachte Proposition auch assertiv hätte vorgetragen werden können. Sie führt nun jedoch als Frage gerade so viel Indirektheit mit sich, dass man sich nach ihrer Äußerung auf den Standpunkt zurückziehen kann, dass die zu verstehen gegebene Proposition nicht im wörtlichen Sinne gemeint war.33 Joab suggeriert David, dass 33 Der hier geschilderte Fall fällt in den Analysebereich der Inferentiellen Pragmatik, deren Schwerpunkt darauf beruht, dass die mit einem Äußerungsakt zum Ausdruck gebrachte Intention nicht unmittelbar aus diesem entnommen werden kann, sondern vielmehr durch ein Rückschlussverfahren gefolgert werden muss. Innerhalb der Inferentiellen Pragmatik ist das
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7. Kult-Ort
alle zu Zählenden Diener Davids seien. Die hier zur Abwehr des Zählauftrags ins Spiel gebrachte Information gibt zunächst indirekt überhaupt eine Begründung dafür, welchen Sinn eine Volkszählung haben könnte. Ihren Ursprung konnte der Leser zwar von V.1 her mitverfolgen, zu welchem Ende die Zählung hingegen führen sollte, war sowohl in 2Sam 24 als auch 1Chr 21 unklar geblieben. Offensichtlich hängt für Joab die Zählung funktional mit einer Statusveränderung zusammen, die alle Gezählten in den Status עבדversetzt und gleichzeitig eine Unterordnung gegenüber David evoziert. Indem Joab nun gegenüber David diesen Status für alle zu Zählenden bereits behauptet, versucht er den Zählbefehl zu umgehen. Sollte die Bestimmung zutreffend sein, dass Joab durch die Zählung keinen Status herbeiführen zu können glaubt, der seiner Auffassung nach nicht ohnehin schon bestehe, müsste die Zurückweisung seines Auftrags als Anzeige einer sinnlosen Tätigkeit gedeutet werden. Diese Deutung beinhaltet jedoch nur die Pointe, die er David zu verstehen geben will. Auf eine deutlichere Spur führt der dreimalige Gebrauch von אדניinnerhalb dieser Äußerung. Daraus lässt sich ein starker Demutsgestus ableiten, der David nur recht gewesen sein kann: Joab erhebt Einspruch, wobei er sich in semantischer Hinsicht David unterordnet. Was aber, wenn der Text mit אדניhier mit Blick auf den Gottesnamen bewusst genau diese Homophonie aufruft? Mit anderen Worten: Möglicherweise suggeriert Joab David an dieser Stelle, dass diesem das ganze Volk im Status des עבדunterstellt ist, wobei er die hierarchische Statuszuweisung gleichzeitig zu JHWH hin offenhält.34 Vor allem das zweie לאדניsteht als diaphan auf JHWH hinweisende Anrede zur Disposition. Für diese Lesart lassen sich die Auslassungen in V.3 anführen. Erstens wird hier die Präpositionalphrase אל־המלךgetilgt und zweitens heißt es ‚nur noch‘ ויוסף יהוהund nicht mehr ויוסף יהוה אלהיך. Dadurch wird aus der Anrede an David eine Anrede an JHWH selbst. Eine Bestätigung dieser Lesart findet sich in der Ersetzung על־עמו. Es ist weder allgemein vom Volk noch von Davids Volk
Moment der Indirektheit von größter Wichtigkeit. Von Grice ist dieses Phänomen im Rahmen von Implikaturen beschrieben worden. Wir kommen auf dieses analytische Mittel im Kapitel „Kult-Handlung“ (s. u.) zurück. 34 Dass der Ausdruck אדניfür das Tetragramm stehen kann, bedarf keiner näheren Erläuterung. Als unzweideutige Beispiele für diese Verwendungsweise von אדניmögen die folgenden Stellen genügen. Bewusst unaufgeführt bleiben hier alle Stellen, an denen die Wendung אדני יהוה verwendet wird. Sie zeigen zwar die Adäquatheit der Referenz an, stellen letztlich jedoch ein anderes Phänomen dar. אדניreferiert auf JHWH an den folgenden Stellen: Gen 18,3; Ex 4,10.13; Jos 7,8; 1Kön 3,10.15; 22,6; 2Kön 19,23; Neh 1,11; Hi 28,28; besondere Beachtung verdient Jos 5,14 wo אדניauf den שר־צבא־יהוהund damit nur mittelbar auf יהוהreferiert. Wichtig ist die Beobachtung, dass das Lexem in der Chronik ohnehin nur sieben Mal verwendet wird (vgl. 1Chr 12,20; 21,3.23; 2Chr 2,13 f; 13,6; 18,16), was den 78 Verwendungen allein in 1/2Kön sehr deutlich entgegensteht. Im Einzelnen referiert אדוןauf Saul (1Chr 12,20), David (1Chr 21,3.23; 2Chr 2,13), Salomo (2Chr 2,14) und JHWH (2Chr 13,6; 18,16).
7.1 Texturen: 1Chr 21
397
die Rede. Es geht Joab dezidiert um ‚sein Volk‘, also Gottes Volk.35 Demnach hat es den Anschein, als würde Joab den Zählbefehl deshalb zurückweisen, weil er das Volk eigentlich JHWH unterstellt sieht, oder zumindest nicht das ganze Volk als David unterstellt erachtet. In jedem Fall zeigt sich erneut, dass mit der Zurückweisung des Befehls durch Joab David die gesamte Verantwortung für dessen Folgen übertragen wird.36 In der Konsequenz jedenfalls ergibt sich derselbe Sachverhalt: Zwei Stämme bleiben während der Volkszählung ausgenommen. Diese Exemption wird nun – und das ist in textlinguistischer Hinsicht bedeutsam – durch die Adiectio in V.3 vorbereitet, was deutlich macht, dass der eigentlich Tora-relevante Zusatz in V.6 sich tiefer auf die Textkonstitution auswirkt als ein einfaches Zitat. Ein Grund für diese Verwendungsweise findet sich nun in Joabs zurückweisender Haltung zum Wahrheitswert der Proposition, dass alle zu Zählenden Diener Davids seien, denn genau aus diesem Widerspruch lässt sich seine Weigerung verstehen. Wie hätte Joab diese Haltung sonst zum Ausdruck bringen können? Dass er sie jedenfalls in die Tat umsetzt, zeigt sich im weiteren Verlauf des Narrativs. Der Chronist fügt in einem Zusatz einen Hinweis ein, der latent auf das Problem verweist, das Joab im Blick hat: „Warum soll es Israel zur Schuld gereichen?“ Die zweite Frage Joabs, die auch von der LXX gedeckt ist, bildet mit dessen erster Frage einen Parallelismus und verweist über das Stichwort אשמהauf Lev 4,3; 5,24.26; 22,16.37 Schuld tritt dabei häufig im Kontext der Versündigung auf, was in unserem Text einer Vorwegnahme des davidischen Sündenbekenntnisses in V.8 gleichkommt. In Lev 4,3 bspw. heißt es: „Sündigt der gesalbte Priester, sodass das Volk schuldig wird, so soll er für die Sünde, die er begangen hat, JHWH einen makellosen jungen Stier als Sündopfer darbringen.“38 Nicht nur die Verbindung von Sünde und Schuld finden wir in unserem Text, sondern auch das Opfer, wenngleich es nicht explizit Sündopfer, sondern in V.26 allgemein Brandbzw. Heilsopfer genannt wird.39 Lediglich von dem gesalbten Priester findet sich keine Spur, wobei daran erinnert sei, dass David in 1Chr 11,3 gesalbt wurde und über den Verweis auf Satan in V.1 die Assoziation zu Sach 340 gegeben ist, wo eine
35 Auf die hier beschriebene Polysemie weist auch Dyck hin, der dabei die Homophonie jedoch nicht in Erwägung zieht. (Vgl. Dyck 1998, 148). 36 Vgl. Knoppers z. St., 752. 37 Vgl. auch die Rezeption in Lev 4,3; 5,24.26; 22,16; Esr 9,6–7*2.13.15; 10,10.19; Ps 69,6; Am 8,14. 38 אם הכהן המשיח יחטא לאשמת העם והקריב על חטאתו אשר חטא פר בן־בקר תמים ליהוה לחטאת. Vgl. zu diesem Zusammenhang Beentjes z. St., 171. 39 Vgl. zu dieser Inkohärenz die Ausführungen zu V.26. 40 Das Verweissystem ist in der Exegese längst geklärt. Vgl. Curtis / Madsen, 246; Rudolph, 142; Myers, 145; Willi, 1972, 155. Eine konsequente Einbeziehung dieses Konnexes diente bisher vorrangig der Erläuterung des Begriffes שטן. Soweit ich sehe, ist er für die Exegese von 1Chr 21 noch nicht fruchtbar gemacht worden.
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7. Kult-Ort
שטן-Figur prominent erwähnt wird: ויראני את־יהושע הכהן הגדול עמד לפני מלאך יהוה והשטן ( עמד על־ימינו לשטנוSach 3,1). Dieser steht dort jedoch nicht gegen ( )עלIsrael auf, sondern gegen den Hohenpriester Jeschua. Vielleicht kann man nicht so weit gehen zu behaupten, dass der Chronist es hier nahelegt, David als hohepriesterliche Figur zu deuten. Dennoch besteht eine frappante situative Ähnlichkeit, die insbesondere in dem Umschwung von der Anklage zur Schuld besteht. Es ist besonders auffällig, dass in beiden Büchern nur in den שטן-Szenen von עוןdie Rede ist (vgl. 1Chr 21,8; Sach 3,4.9). Auch wird in beiden Szenen zunächst eine Art Schuldaufweis durchgeführt, bevor in beiden Episoden der Protagonist entschuldigt wird, hier durch ein Bußgebet, die Altargründung und Darbringung eines Opfers, dort durch die Einkleidung mit neuen, reinen Gewändern. Dabei hat Wöhrle betont, dass Jeschua in Sach 3 insbesondere durch die Ausstattung mit einem צניףals weltlicher Herrscher inszeniert wird.41
Festgehalten werden muss jedenfalls, dass Joab das Vergehen Davids durch einen kultischen Sprachduktus, also vor dem Hintergrund der Tora, ausweist und diese Bemerkung einen Zusatz in der Chronik darstellt. Dabei ergibt sich mit 1Chr 21 und Sach 3 formgeschichtlich ein ähnlicher literarischer Topos. Johnstone, der die Negativbewertung der Volkszählung u. a. vor dem Hinter grund von Dtn 1,11 erklärt42, weist darauf hin, dass „[i]t is that in 1 Chron. 3, 5, 6 the Chronicler introduces three key terms from the Torah for the first time in his work to make clear that David’s failure lies in the ritual realm […]: not only in the root ( אשםv. 343), but also( פקדvv. 5 f.) and ( תעבv. 644).“45 Es bleibt auf narrativer Ebene jedoch die Frage zu beantworten, warum gerade Joab zum torakundigen Mittler wird. Ausgerechnet der Oberbefehlshaber der Streitkräfte, der doch eigentlich das größte Interesse an der Zählung der wehrfähigen Männer haben müsste, verweigert den Zählbefehl.46 Mathys hält diesen Erzählzug plausiblerweise für einen ökonomischen Umgang mit den Figuren.47 Die Frage ist jedoch, ob aus chronistischer Perspektive ein besonderes Interesse an Joab bestanden haben könnte. Dass Joab in besonderer Weise mit Jerusalem verbunden ist, ergibt sich zunächst aus 1Chr 11,6.8. Zwar hat die Darstellung der Eroberung eine Parallele in 2Sam 5, jedoch wird Joab hier jeweils durch eine Ergänzung aufgewertet, indem der Chronist ihn nicht nur als Ersten die Stadt betreten, sondern nach der Er 41 Wöhrle 2006, 335. 42 Vgl. Johnstone z. St., 226. 43 Vgl. Lev 4,3; 5,24; 22,16. 44 Vgl. z. B. Lev 18,22; 20,13 45 Vgl. Johnstone 1998, 131. 46 Zur Beantwortung dieser Frage hat die Forschung im Hinblick auf 2Sam 24 bereits einige Erklärungen versucht, die Mathys (2007, 232, Anm. 15) zusammengetragen hat. Im Hinblick auf 1Chr 21 stellt sich die Frage auf Grund der Art des Widerspruches in anderer Weise. 47 Vgl. Mathys 2007, 233.
7.1 Texturen: 1Chr 21
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oberung auch wichtige Restaurationsmaßnahmen an der Stadt durchführen lässt. 1Chr 2,16 liefert einen weiteren entscheidenden Hinweis auf den Stellenwert Joabs in der Chronik, da er hier nicht nur in den judäischen Stammbaum integriert, sondern auch zu einem Neffen Davids gemacht wird. Damit wirkt auf die Figur Joab die gleiche Tendenz ein, die bspw. auch zur Judaisierung Kalebs führte. Wer sich um Juda in besonderer Weise verdient gemacht hat, wird in die judäische Linie eingegliedert. Im Falle Kalebs, der in Num 32,12 noch Kenisiter ist, lässt sich die Judaisierung in dem spät-priesterlichen Einschub Num 13,6 bzw. 34,19 beobachten, im Falle Joabs in 1Chr 2,16. Die Übereinstimmung der Figuren liegt dabei nicht im Gehorsam gegenüber dem eigenen Anführer, sondern in einer intimen Kenntnis der göttlichen Providenz. Im Falle Kalebs geht diese Kenntnis auf eine Geistbegabung zurück (vgl. Num 14,24), von der in 1Chr 21 nichts erzählt wird. Hier perhorresziert ( )תעבJoab jedoch die Zählung Levis und Benjamins.48 Diese Figurengestaltung zeigt, wenn sie auch nicht vollkommen gleichförmig verlaufen ist, dass sowohl der Kundschafter Kaleb als auch der Heerführer Joab in besonderer Kenntnis des göttlichen Willens gehandelt haben, wobei dies – durch die Erzähllogik bedingt – unterschiedlich zum Ausdruck gebracht ist. Kaleb, der die Tora der synchronen Logik nach in anderer Form kannte als Joab, schafft geist begabt einen Präzedenzfall des Gehorsams. Joab hingegen, der die Tora nach chronistischer Auffassung vollumfänglich kennen konnte, widersetzt sich offenbar aus Abscheu einer Übertretung der Tora. In beiden Fällen führt dies zu einer sekundären Judaisierung der Figuren, die im Falle Kalebs sogar mit Landansprüchen der sich auf ihn berufenden Nachfahren verbunden ist. Die in V.4 klar zu identifizierende Auslassung ist vermutlich nicht auf die Tora, sondern auf die zeitgeschichtlichen Umstände des Chronisten zurückzuführen, der mit dieser Grenzziehung nicht mehr einverstanden gewesen ist. Kalimi ver 48 Das Verbum תעבwird Jenni (1968, 270) zufolge überwiegend deklarativ-ästimativ mit der Bedeutung „verabscheuen, etwas für abscheulich erklären“ gebraucht. Im Nifal wird es nur noch in Jes 14,19 und Hi 15,16 verwendet. Häufiger als תעבwird das von dieser Wurzel abgeleitete Nomen תועבהverwendet. Besonders bei Ezechiel im Deuteronomium, im Heiligkeitsgesetz und in den Proverbia verdichten sich die Befunde. Im Deuteronomium ist der Begriff laut Preus (ThWAT VIII 1995, 585) „eng mit dem Gottesvolkgedanken verbunden, dazu mit der Eigenart und Einzigkeit JHWHs“, insofern gehe es bei dem Begriff zwar durchaus um kultische Abgrenzung, jedoch auch um eine für das JHWH-Volk angemessenes ethisches Verhalten. (Vgl. ebd.) Dass dieser Gedanke sich auf die Chronik übertragen lässt, ist daran erkennbar, dass תועבהgerade im Hinblick auf die beiden Erzfrevler Ahas und Manasse, wieder zur Evaluation gebraucht wird (vgl. 2Chr 28,3; 33,2). Auch die mit Blick auf das Exil wird den verantwortlichen Gruppen, Jojakim, den Obersten Priestern und dem Volk תועבהattestiert. Beachtet werden muss, dass HG die תועבהeng mit perhorreszierten Sexualpraktiken verknüpft und in Lev 20,13 die Todessanktion fordert. Ferner muss mit Blick auf Ez 44,13 konstatiert werden, dass durch die תועבה-Schuld der Leviten, die gesamte Gruppe vom Priestertum ausgeschlossen wird. Es handelt sich also bei diesem Begriff zumindest im kultischen Kontext auch um ein Werkzeug zur Delegitimierung von Herrschaft.
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7. Kult-Ort
mutet, dass „ein Detail wie die Route der Volkszähler […] den Leser von der eigentlichen Erzählung – Bestrafung durch Pest, deren Sillstand an der Tenne des Jebusiters Arauna, dem nachmaligen Standort des Jerusalemer Tempels – zu sehr ab[lenke].“49 Weiterhin hält er auch Unverständlichkeit einiger Itinerarnotizen für möglich: „Vielleicht waren es diese Verständnisschwierigkeiten, die den Chronisten veranlaßt haben, an der Parallelstelle 1Chr 21,4b die einzelnen Stationen von Joabs Weg durchs Land nicht anzugeben.“50 Eine Pointe der Auslassung ist förmlich in der Formulierung כל־יׂשראלzu greifen. Es geht dem Chronisten an dieser Stelle offenbar nicht darum, die Grenzen des Gebiets aufzuzeigen, innerhalb derer Israel lebt. Dies wird besonders an der Ersetzung der Phrase ויׁשטו בכל־הארץdurch ויתהלך בכל־יׂשראלdeutlich. Israel wird hier von einer geographischen zu einer vitalen Größe transformiert.51 Damit evoziert der Erzähler ein Moment der Erwartung, das in V.5 durch die Ergänzung ‚ganz Israel‘ anaphorisch eingeholt wird. Der Chronist lässt überdies keinen Zweifel an der Extension der Formulierung, wenn er mit der Summe an Menschen von 1.100.000 zum Ausdruck bringt, dass Juda Teil von ganz Israel ist. Die 470.000 auf Juda entfallenen Männer werden daher eigens als Teil der Gesamtgröße Israel ausgewiesen.52 Mit Blick auf die 74.600 wehrfähigen Männer in Num 1,26 f
49 Kalimi 1995, 85. 50 Kalimi 1995, 112. 51 Vgl. zu zur Israel-Thematik in den Chronikbüchern Williamson 1977. 52 Die für Juda eigens ausgewiesenen 470.000 Männer müssen keinesfalls additiv aufgefasst werden, sodass hier am Ende von 1.570.000 Männern die Rede wäre. Deshalb ist auch mit einem von 2Sam 24,9 abhängigen, nachträglichen Ausgleich, den Rudolph im Anschluss an Rothstein und Welch annimmt, keinesfalls zwingend. Besser wäre es, das Waw in der Formulierung ויהודה mit Gesenius / Kautzsch (1977, § 154) als hervorhebendes Waw, mit Waltke / O’Connor (1990, 653) evtl. als eine Form des epexegetical Waw (vgl. 39.2.4; … und in ganz Israel waren 1.100.000 Mann, die das Schwert führten, dass bedeutet 470.000 Mann für Juda, die das Schwert führten.) aufzufassen, das die Anzahl der Männer Judas, welche für den Chronisten natürlich von besonderem Interesse ist, eigens ausweist. Die Hervorhebung Judas entspricht dabei der von Gen 49,8.10 und Dtn 33,7 her zu lesenden Spitzenstellung, die einen Reflex in Num 2; 7; 10 sowie in 1Chr 2–4; 12 hat und durch das Genealogiefragment in Ex 6,14–25 vermittelt ist (dazu s. o. Kult-Personal). Wichtig ist in diesem Kontext auch die durch Num 3,38 weiter betonte Bedeutung Judas, die in der Kongruenz des Lagers um das Heiligtum mit dem Moses und Aarons zum Ausdruck kommt. Diese Erklärung bietet den Vorteil keine unnötige literarkritische Operation durchführen zu müssen, der chronistischen Perspektive Rechnung zu tragen und mithin kein Szenario zu konstruieren, das eine nachträgliche Ergänzung vor dem Hintergrund einer vorausgehenden Tilgung erklären müsste. Auch die wertvolle Beobachtung Kleins (z. St.), dass der Chronist die 400.000 Männer aus 2Sam 24,9 LXXL übernommen und mit Blick auf die 70.000 Toten (V.14) diese Zahl addiert habe, verfängt nicht, da weder ein Grund erkennbar ist, warum letztlich 400.000 statt 330.000 Judäer überleben sollten und außerdem die Toten ja wiederum in ganz Israel (mit Ausnahme von Levi und Benjamin) gezählt werden. Richtig ist weiterhin jedoch die Erklärung, dass der Chronist die Gesamtanzahl der wehrfähigen Männer bereits mit Blick auf V.6 um 200.000 Männer verringert hat.
7.1 Texturen: 1Chr 21
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stellt diese Zahl eine Vergrößerung um etwa den Faktor sechs dar, wobei sich das Wachstum des Stammes durch die Vorschaltung einer geringeren Zahl vor Num 26,22 (76.500 wehrfähige Männer) schon abzeichnen sollte. Der Stamm Juda ist also im Verhältnis zur Gesamtzahl der Bevölkerung deutlich stärker angewachsen. Die Tilgung stellt mithin den Anspruch heraus, David als König von ganz Israel (nicht nur des Südreiches) auftreten zu lassen, ohne dabei auf genaue Grenzen zu rekurrieren. Beachtenswert ist, dass der Chronist hier literarisch die Hierarchie zwischen David, Joab und dem Volk stark pointiert, indem er in V.4 die ׂשרי החילausfallen lässt, die er in V.2 durch eine Ersetzung noch als ׂשרי העם eingeführt hatte.53 Bei allen Eingriffen in den Text ist dennoch unverkennbar, dass der Chronist sich im Kern an das narrative Skelett seiner Vorlage hält, da er am Motiv des Ausziehens und Umherstreifens Joabs grundsätzlich festhält. Von dem gerade im chronistischen Sondergut aufzufindenden Motiv, dass der König das Volk (zur Volkszählung) einberuft (vgl. z. B. 1Chr 13,1–4; 2Chr 25,5), macht er offensichtlich keinen Gebrauch, wenngleich z. B. auch in Num 1,18 von einer Versammlung der Gemeinde die Rede ist. In V.5 fällt auf, dass die Unterscheidung von Israel und Juda aufgegeben wird, wie es auch in V.3 f der Fall gewesen ist. Stattdessen führt der Chronist hier durch eine Ergänzung erneut die Kollektivformulierung „ganz Israel“ ein. Gleichzeitig sondert er daraus den Stamm Juda aus und verringert die Gesamtanzahl der Menschen um 200.000 bzw. im Hinblick auf Juda um 30.000, was für die politische Situation der Erzählzeit des spätperserzeitlichen Juda eine immense Übertreibung darstellt54 und mit Blick auf die mosaische Volkszählung in der Wüste in Num 1; 26 einer Vervielfachung etwa um den Faktor zwei gleichkommt. Mit Blick auf die Musterung in Num 1; 26 ergibt sich also sowohl für 2Sam 24 als auch 1Chr 21, dass sich die Größe des Volkes etwa verdoppelt hat. Über diese Zahlen ist viel spekuliert worden.55 Wir legen hier den Fokus nur auf Folgendes: Das Ergebnis der Volkszählung ist in der Chronik durch eine Ersetzung verringert worden. Der Beweggrund für diese Verringerung erklärt sich dabei aus dem Fortgang des Textes, da in V.6 durch
53 Vgl. dazu auch Rothstein, 387. 54 Die geschätzten Einwohnerzahlen schwanken. Grabbe nimmt etwa 1.500 Menschen an (vgl. Grabbe 2004, 30). Carter differenziert feiner, wenn er für die Perserzeit I (538–450 v. Chr.) 13.350 und die Perserzeit II (450–332 v. Chr.) 20.650 Bewohner postuliert. (vgl. Carter 1999, 201) und damit einen Aufschwung nachzeichnet. Finkelstein 2008, 507.514 unterbietet neuerdings die ehemals minimalistische Einschätzung und kommt durch eine Auswertung der zur Verfügung stehenden Grabungsbefunde zu dem Ergebnis, dass in persischer Zeit nur etwa 400–500 Menschen, also etwa 100 erwachsene Männer in Jerusalem gelebt haben. Zur Bedeutung der Zahlenwerte vgl. Rudolph z. St.; Zur altorientalischen Neigung zu großen Zahlen vgl. Achenbach 2003. 469 f.471, Anm. 108. 55 Vgl. z. B. Rothstein und Rudolph jeweils z. St.
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7. Kult-Ort
einen Zusatz bemerkenswerterweise konstatiert wird, Joab habe die Stämme Levi und Benjamin nicht mitgezählt.56 Während er also einerseits dem Willen Davids widerwillig nachkommt, folgt er seinem Befehl andererseits nur mit gewisser Einschränkung. Dabei ist auffällig, dass Joab offenbar an dieser Stelle seiner Abscheu nachgibt und den Befehl Davids nur teilweise ausführt. תועבהund אשמה, so scheint es, werden an dieser Stelle von Joab am deutlichsten empfunden.57 Was den Stellenwert der Stämme Levi und Benjamin angeht, lässt sich die Sonderbehandlung Benjamins in der Exegese nicht vollständig erhellen. Eine Vorschrift, aus der hervorginge, dass Benjamin nicht gezählt werden dürfe, findet sich in der Hebräischen Bibel nicht. Dabei ist bisher nicht erwogen worden, hinsichtlich der Exemption der Benjaminiten Ri 1,21 zu berücksichtigen. Einerseits wird hier deutlich gemacht, dass die Benjaminiter in Jerusalem wohnen, was im Falle einer Exemption die Verschonung des Wohnortes zur Folge hat. Andererseits – und darin besteht eine nicht unbedeutende Pointe mit Blick auf die Nebenfigur Ornan – erklärt dieser Vers, warum sich überhaupt noch lebende Jebusiter in Jerusalem aufhalten. Immerhin ist Ornan der einzige namentlich bekannte Jebusiter der Hebräischen Bibel. Die Deutung der Exemption Benjamins bleibt bis in die jüngere Forschung enigmatisch. Neuerdings schlägt Giffone im Anschluss an Jonker vor, dass „by linking Benjamin historically to the Jerusalem cult, the Chronicler also cleverly excludes Benjaminite traditional cultic sites, such as Bethel and Gibeon“58. Ebenso gut ist jedoch vorstellbar, dass hier schon die Regelung aus Ri 21 nachwirkt, wonach Benjamin einerseits von Israel abgehauen ist (V.6), man jedoch gleichzeitig den dadurch entstandenen Riss (V.15) bereut und verhindern will, dass Benjamin ganz ausgelöscht (V.17) werde. Die ambivalente Stellung der Benjaminiten, die zu einer Desavouierung Sauls und der Sauliden für das Königtum führt, findet ganz konsequent auch eine Fortsetzung in der Exemption Benjamins bei der Zählung der wehrfähigen Männer.
Aus dem bisher erörterten Verweissystem des Chronisten ergeben sich starke Hinweise darauf, die Auslassung mit Blick auf Gibeon zu deuten, wo sich laut 1Chr 16,39 der משכן, also das göttliche Wüstenzelt, befand59. Wie wir gesehen haben, 56 Da die Auswirkung der Exempetion als Ergebnis der Zählung in den Zahlen der Chronik Niederschlag findet, ist damit die von Rothstein (z. St.) vorgeschlagene nachträgliche Ein setzung dieses Verses in Abhängigkeit von 1Chr 23,3–5 (Ebd. 392) äußerst unwahrscheinlich. 57 Offenbar wirkt sich an dieser Stelle die Tendenz einer „Sakralisierung des Rechts“ aus: Ein Verstoß gegen die lex sacra ist, wie der weitere Verlauf der Erzählung zeigt, immer durch die Todessanktion bedroht und provoziert deshalb offenbar die größten Widerstände. 58 Giffone 2016, 45. 59 Vgl. dazu Rudolph z. St. Möglich ist auch, dass der Text hier der Vorstellung anhängt, dass sich Jerusalem in Benjamin befindet und dieser Stamm daher von der Zählung exempt bleiben muss. (vgl. Japhet z. St., 378; aber auch schon Benzinger (1901, 62 f) sowie Goettsberger (1939 z. St.). Der Idee, dass für den Chronisten Jerusalem nicht in Juda liegen könnte, widerspricht Rudolph (z. St.) jedoch. Da vom Weltbild der Genealogie her Jerusalem jedoch
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wird dessen Aufstellung dort vom Chronisten in Ergänzung zu seiner Vorlage veranlasst. Dabei wird in 1Chr 16 nicht nur von der Aufstellung des Zeltes, sondern auch von Zadok und der Durchführung von Opfern in Übereinstimmung mit der Tora berichtet. Daraus ergibt sich, dass der gesamte Opferbetrieb sich zur Zeit der Auffindung des Tempelplatzes, trotzdem die Lade auf der Suche nach der מנוחהbereits nach Jerusalem überführt worden war60, noch in Gibeon ereignet und sich, wie 2Chr 1 anzeigt, bis zur Vollendung des Tempels noch in Gibeon ereignen wird. Im ersten Hauptteil hatten wir gesehen, dass sich die Legitimation des Kultortes Gibeon durch Glossierungen bis nach Jos 9, einem sehr späten Text innerhalb des Josuabuches, der offenbar Neh 10,35 schon voraussetzt, zurückverfolgen lässt. In Jos 9,23 ist dabei schon vom בית אלהיdie Rede. In V.27 heißt es, dass Josua die Gibeoniter zu Holzfällern und Wasserträgern für die Gemeinde und für den Altar JHWHs ( )מזבח יהוהmacht. In Jos 18,25 wird Gibeon dann dem Stamm Benjamin zugeteilt. Die Chronik, das hatten wir in 1Chr 14,16 gesehen, verfolgt schon in der Unterbrechung der Ladeüberführung nach Jerusalem die Erzählstrategie, Gibeon von der Vorherrschaft der Philister zu befreien und damit die Aufstellung des Mischkan dort vorzubereiten. Im Hinblick auf das Opfer Salomos und den Kultbetrieb in Gibeon lässt sich also eine chronistische Gibeon-Schicht verfolgen, die eine Exemption des dort ansässigen Stammes rechtfertigt.61 Ganz anders verhält es sich mit Levi. Diesem Stamm gegenüber zeigt sich Joab wieder äußerst Tora-observant. In Num 1,48–50 findet sich folgender Hinweis:62 48 Und der JHWH redete zu Mose: 49 Nur den Stamm Levi63 sollst du nicht mustern und ihre Summe nicht aufnehmen inmitten der Israeliten. 50 Und jetzt, setze die Leviten ein über die Wohnung des Zeugnisses und über all ihre Geräte und über alles, was zu ihr gehört! Sie sollen die Wohnung und all ihr Gerät tragen, und sie sollen ihr dienen und rings um die Wohnung lagern.
Hier findet sich explizit die Anordnung, den Stamm Levi bzw. die Leviten nicht zu zählen. Es findet sich gleichzeitig der Hinweis darauf, dass diese in Israels Mitte ( )בתוךlagern, womit die gleichlautende Formulierung in V.6 eingeholt wird. vor allem mit dem Tempel und dem Stamm Levi, der hier eine Zentralstellung einnimmt, verbunden ist, spricht die Auslassung Benjamins eher für Gibeon, da damit das Kultpersonal beider wichtiger Kultstätten von den Folgen der Versündigung freigehalten wird. Vgl. dazu ebenfalls Mosis (1973, 109), der den chronistischen Zusammenhang von Juda und Jerusalem bestätigt. Auch ein Seitenblick auf Dtn 33,12 eröffnet die Perspektive der Exemption Benjamins, da diesem hier ewige Beschirmung ( )חפףverheißen wird. 60 Vgl. zu dieser Deutung oben das Kapitel Kult-Ort. 61 Vgl dazu oben 69–77; 98–103, 368–370. 62 Diese Passage des Numeribuches ist in der rezenten Pentateuchforschung aus ganz unterschiedlichen Voraussetzungen in das jüngste Stratum des Buches datiert worden. Vgl. Achenbach 2003, 479–482, der den Text der Theokratischen Bearbeitung zurechnet sowie Seebass z. St., 26 f, der ihn der „Numeri-Komposition“ zurechnet, die er ins ausgehende 4. Jh. datiert. 63 LXX bietet „den Stamm der Leviten“ (τὴν φυλὴν τὴν Λευι) währen der SP לוייםbietet.
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7. Kult-Ort
Für die Leviten ergibt sich in der Chronik diese Vorstellung durch nahezu ikonographische Abbildung ihrer zentralen Position innerhalb der genealogischen Vorhalle.64 Für Benjamin – und dies spricht eher für die Deutung Rudolphs – ergibt sich diese Zentralstellung eigentlich erst durch die Lokalisierung des אהל מועדin Gibeon. Dabei sei erneut auf die Befreiung Gibeons von den Philistern durch David in 1Chr 14,16 hingewiesen, die als Vorbereitung der Ankunft des אהל מועדzu lesen ist.65 Das Lagern der Leviten (und auch der Benjaminiten) entspricht also der Fluchtlinie einer spät-priesterlichen Konzeption, die gleichermaßen Niederschlag im Numeribuch wie in der Chronik gefunden hat, wobei diese Zentralposition die konsequente Weiterentwicklung einer Aussage wie in Ex 25,8 darstellt, dass JHWH in seinem Heiligtum in der Mitte Israels wohnen will. Aus der Zentralposition Gottes entwickelt sich in der Ausdifferenzierung und Etablierung des spät-nachexilischen Kultes eine ebenso zentrale Position des kultischen Personals. Diese Konzeption einer idealen Größe Israel mit einer ebenso idealen, nämlich heiligen Mitte verbirgt sich letztlich auch hinter der Auslassung in V.4.66 Wichtig ist an dieser Stelle die Beobachtung, dass die levitische Zentralstellung relativ unspezifisch ist. In 1Chr 16,1–6.37–43 bspw. hatten wir gesehen, dass David unterschiedliche levitische Gruppen für Jerusalem und für Gibeon abstellt. Da nun die Erzählperspektive des Chronisten ihr Zentrum in Jerusalem hat, bestätigt sich hier erneut der Eindruck, dass die levitische Aufgabenverteilung in 1Chr 16* in einer späteren Phase weiter ausdifferenziert wurde. Hinzuweisen ist noch auf die Verdoppelung der Formulierung „das Schwert führen“ ( )שלף חרבin V.5. Damit liegt kein Abschreibfehler o. ä., sondern, mit Buber zu sprechen, ein Leitwort67 dieser Erzählung vor, das durch die Verse 5.12.16.27.30 eine Textur bildet und erzählerisch die Volkszählung mit Strafe und Sühne verbindet bzw. kataphorisch den Auftritt des göttlichen Boten vorbereitet.68 In V.5 wird mit der Rückmeldung Joabs vordergründig, dass die Zählung auch militärisch motiviert war. Vor dem Hintergrund der mit Levi in der Tradition ver 64 Vgl. das Kapitel Kult-Personal. Im Jubiläenbuch (z. B. Jub 49,18) wird schließlich eine ideale geographische Situation modelliert, in der das Heiligtum in der Mitte des Landes errichtet wird. 65 Vgl. dazu den Abschnitt zum Kult-Gegenstand. 66 Die Idee aus der häufigeren Kombination von Juda und Benjamin in der Chronik, zunächst eine Auslassung von Juda und Benjamin anzunehmen, wobei dann Juda später durch Levi ersetzt wurde, entbehrt jeglicher Grundlage. Insofern ist die Überlegung von Mosis (1973, 109 f) allenfalls spekulativ. 67 „Unter Leitwort ist ein Wort oder ein Wortstamm zu verstehen, der sich innerhalb eines Textes, einer Textfolge, eines Textzusammenhangs sinnreich wiederholt: wer diesen Wiederholungen folgt, dem erschließt oder verdeutlicht sich ein Sinn des Textes oder wird auch nur eindringlicher offenbar.“ (Buber 1936, 211). 68 Der Auftritt des göttlichen Boten in V.16 ist in das Verweissystem der Chronik gut eingebettet. Eine Übernahme aus 4QSama ist auf Grund der narrativen Einbettung auch von V.29 her nicht besonders wahrscheinlich. Vgl. dazu im Folgenden die Position von Dion.
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bundenen Brutalität ist es umso bezeichnender, dass sie in diesem Kontext dezidiert kein Schwert in der Hand halten.69 Wir sehen also im Narrativ der Chronik, dass Joab, der General Davids, nicht nur nach der Tora zu reden (V.3), sondern auch nach ihr zu handeln (V.5 f) weiß. Dabei integriert der Verfasser der Chronik beide Formulierungen sehr subtil und harmonisch in den Text, ohne auch nur den geringsten Hinweis auf die Tora selbst zu geben. In dem Zusatz selbst ist dabei eine Aktualisierung der in der Tora gebotenen Exemption der Leviten zu erkennen, die umstandslos mit einer weiteren Regelung verbunden wird, zu der in der Tora jede Spur fehlt. Liest man V.6 in einem weiteren Kontext, gibt er noch mehr zu denken auf. In 1Chr 27,24 heißt es z. B.: „Und Joab, der Sohn der Zeruja, hatte zu zählen begonnen und er brachte es nicht zum Abschluss. Und deshalb kam ein Zorn über Israel. Und deshalb wurde die Zahl nicht aufgenommen in die Ereignisse der Tage des Königs David.“ Hier wird eine direkte Korrelation zwischen dem Umstand, dass Joab die Zählung nicht vollendet hat ( )לא כלהund dem Aufkommen des Zorns ( )קצףhergestellt. Daraus ergibt sich, dass die Zählung des Volkes immer nach Vollständigkeit strebt. Die Frage ist nun, ob sich diese Korrelation über 1Chr 21,6 auf die Mechanik von Schuld und Strafe übertragen lässt, sodass letztlich Joab die Schuld am Vergehen gegeben werden muss. Dagegen sprechen jedoch fünf Gründe: 1) 1Sam 24 stützt diese Lesart nicht. 2) In 1Chr 21 wird diese Verbindung nicht hergestellt. 3) Das Wort Zorn kommt in 1Chr 21 gar nicht vor. 4) David selbst übernimmt die Schuld für den Zählauftrag. 5) Joab handelt in Übereinstimmung mit den Vorgaben der Tora. Die Notiz in 1Chr 27,24 wird daher in einer anschließenden Analyse anderweitig zu erklären sein. Rothstein schreibt die Hinzufügung in V.6 einem späteren chronistischen Redaktor (ChrR) zu, der diesen Nachtrag in Abhängigkeit von 1Chr 23,3–5 vorgenommen habe, wo David selbst die Leviten ab dreißig Jahren zählt. Die Frage ist dabei, wie sich der Sachverhalt vor 1Chr 27,24 ausnimmt. Um diesen teils widersprüchlichen Aussagen ihre innere Logik abzugewinnen, werden im Anschluss an die Analyse die Texte Ex 30,11–16; Num 1–4; 1Chr 21; 27,25 und 2Chr 24 in ein Verhältnis gesetzt. Das Motiv der unterlassenen Zählung weist nicht nur zurück in den Pentateuch, sondern anaphorisch nach V.3. Was Joab David nicht hätte sagen können, dass nämlich zumindest der Stamm Levi nicht Diener Davids, sondern Diener des Herrn ist, bringt er dadurch zum Ausdruck, dass er ihn nicht mitzählt und auch bei der Übermittlung der Zahlen unberücksichtigt lässt. Seine vom Chronisten eingetragenen Torakenntnisse scheinen sich also nicht nur auf explizite Anweisungen zu beschränken, sondern sich auch in weiterreichenden Bezügen zu entfalten. Zu denken wäre hier an die Vorstellung wie in Num 18,6, wo JHWH
69 Vgl. Gen 34 (in V.25 mit Schwert); 49; Ex 2; 32; 2Chr 23,7. Vgl. die ähnliche, jedoch nicht kontrastiv gedachte Bemerkung Rothsteins (z. St.).
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7. Kult-Ort
Aaron Folgendes mitteilt: ואני הנה לקחתי את־אחיכם הלוים מתוך בני ישראל לכם מתנה נתנים ליהוה לעבד את־עבדת אהל מועד. Daraus geht klar hervor, dass die Leviten zwar dienen, jedoch keinesfalls David oder einem anderen Herrscher, sondern dem Herrn und zwar am Zelt der Begegnung. Auffällig ist dabei auch die Übereinstimmung in der räumlichen Konzeption, dass also die Leviten aus der Mitte der Israeliten stammen. Unter anderem auf diese Vorstellung war die Exemption der Leviten bei der Zählung zurückzuführen. Sie spielt ebenfalls eine entscheidende Rolle bei der Zentralstellung Levis im Rahmen der Genealogischen Vorhalle (vgl. 1Chr 5,27–6,32). Joabs Handlung wird hier zwar nicht expressis verbis aus der Tora heraus beleuchtet, sie lässt sich jedoch mindestens als aus dem Geiste der Tora durchgeführt verstehen.
7.1.3 Die göttliche Vergeltungsaktion – 1Chr 21,7–14 In V.7 beginnt mit der Schilderung der Strafe Gottes der zweite Teil der Erzählung. Von nicht zu unterschätzender Relevanz ist die hier vorliegende Ersetzung,70 da mit der Formulierung „böse in den Augen Gottes“71 eine geprägte dtr. Wendung aufgenommen wird, die ihren Ort eher in der Darstellung der Samuel- / Königsbücher hat und vom Richterbuch her als ein periodisches Geschichtsschema
70 Der Status der Ersetzung lässt sich nicht endgültig klären. Durch die Hinzufügung in V.6 war die Kohäsion des ursprünglichen Zusammenhangs gestört worden. Mit diesem Vers steht auch die Bedeutung von V.7 zur Disposition, der sich mit dem deiktischen Hinweis על־הדבר הזה entweder auf den Gesamtzusammenhang des bisher berichteten beziehen kann, oder in einer direkten Verbindung zur Hinzufügung in V.6 zu lesen ist. Funktional dienen sowohl 2Sam 24,10 als auch 1Chr 21,7 im narrativen Gesamtaufriss als Gelenkstellen, die den Übergang vom Vergehen thematisch in Richtung Schuld und Sühne wenden. In der Beurteilung von 2Sam 24,10 kommt einerseits eine Tilgung in Frage, womit 1Chr 21,7 im Konnex von V.6 ein Zusatz wäre, oder V.10 und 7 stehen im Verhältnis der Ersetzung. Im diesem Fall muss bei funktionaler Identität die Ersetzungsmotivation geklärt werden. Japhet will eine Ähnlichkeit der Formulierungen ויך לב־דוד אתוund ויך את־ישראלhervorheben (vgl. Japhet z. St.). Da die Propositionen jedoch nur über das Verbum נכהzusammengehalten werden, die Konzeptionen hingegen sehr unterschiedlich sind, ist diese Annahme zurückzuweisen. Wichtiger ist es zu erkennen, dass sich mit der Ersetzung, eine neue Perspektive ergibt, die Gott die Schuld Davids aufweisen lässt. Dazu passt die Aufnahme der Ersetzung in 1Chr 21,8, wo sowohl Gott האלהיםals auch die deiktische Phrase על־הדבר הזהaufgenommen werden. Rothstein (388) hat an dieser Neuperspektivierung jedoch treffend hervorgehoben, dass sie eigentlich der vom Chronisten verfolgten Darstellung eines frommen David weniger entspricht als die Formulierung in 2Sam 24,10. Beachtenswert ist, dass die Masoreten V.8 offenbar für so exzeptionell hielten, dass sie ihn eingangs und ausgangs jeweils mit einer Petucha versehen haben. 71 Vgl. die Verteilung der Befunde außerhalb der Chronik: Gen 38,7.10; Num 32,13; Dtn 4,25; 9,18; 17,2; 31,29; Ri 2,11; 3,7.12; 4,1; 6,1; 10,6; 13,1; 1Sam 8,6; 15,19; 2Sam 11,27; 12,9; 1Kön 11,6; 14,22; 15,26.34; 16,19.25.30; 21,20.25; 22,53; 2Kön 3,2; 8,18.27; 13,2.11; 14,24; 15,9.18.24.28; 17,2.17; 21,2.6.16.20; 23,32.37; 24,9.19; Jer 7,30; 32,30; 52,2; Mal 2,17.
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aufzufassen ist, in dem Abfall von JHWH, Strafe, Reue und Rückkehr zu JHWH einen Zyklus bilden. Auf diese formelhafte Beurteilung wird in der Chronik zwar nicht vollständig verzichtet, sie spielt jedoch erst mit Blick auf das drohende Exil, mit dem auch der Chronist erzählerisch haushalten muss, eine Rolle.72 Für David und Salomo wird diese Beurteilung in der Chronik, anders als in den Samuel- / Könige-Büchern, sonst überhaupt nicht verwendet. Umso erstaunlicher ist es, dass der Chronist, der die Wertung von der Vorlage her nicht hätte einbringen müssen, sie gerade an dieser Stelle verwendet. In der narrativen Strategie des Chronisten ergibt sich durch die Wahl dieses erzählerischen Mittels eine neues Erzählkalkül: die Flucht nach vorn.73 Der Chronist konnte die gesamte Episode 2Sam 24 nicht verschweigen, da sie nach seiner Auffassung das „Deutungspotenzial“74 von der Auffindung des Tempelplatzes durch David enthält. Er nutzt deshalb die Gelegenheit, dieses Narrativ zu einer regelrechten Kultgründungslegende auszustaffieren und zeichnet darin, weil er der Schuld Davids nicht ausweichen kann, ein mythisches Moment ein, das man mit Blumenberg als „Reziprozität von Widerstand und Daseinssteigerung“ beschreiben kann.75 Von V.7 an hat David durch die Hinzufügung das göttliche Urteil gegen sich, wobei diese Opposition durch die anaphorische Aufnahme des Motivs der Bosheit in V.17 nicht nur unterstrichen, sondern zusätzlich mit der Hirtenmetaphorik verbunden wird.76 Der Kontrast zwischen Gott, dem guten rettenden Hirten aus Ez 34,23 f, und David, dem bösen Hirten, könnte nicht größer sein.
72 In der Chronik findet sich diese oder eine entsprechende Formel an folgenden Stellen: 1 Chr. 2,3; 21,7; 21,6; 22,4; 29,6; 33,2.6.22; 36,5.9.12. Es sticht hervor, dass sie für die Beurteilung Davids und Salomos kaum eine bzw. keine Rolle spielt. 73 Diese Strategie ist für die Auswertung der gesamten Perikope keinesfalls unerheblich, da David auf diese Weise ganz bewusst zu einem exemplarischen Sünder und exemplarischen Büßer gemacht wird. (Vgl. Knoppers z. St., 764). 74 Der Begriff des Deutungspotenzials ist, von Iser 1971, 389–391; Jauss, 1971, 208 und Blumenberg 1971, 11–66: passim in der Arbeitsgruppe „Poetik und Hermeneutik“ entwickelt worden. Er stellt eine erhebliche Bereicherung der rezeptionsästhetischen Begriffe dar. Während der zentrale Begriff der Leer- bzw. Unbestimmtheitsstelle aus der Negation heraus operiert – Iser (41994, 347) spricht im Anschluss an Ingarden davon, dass die Vorstellungen eines Lesers „Leerstellen besetzen bzw. ein von Negationen erzeugtes Vakuum ausfüllen“ müssen – hilft die Konzeption des Potenzials zu erkennen, dass in der Rezeption nicht nur Lücken gefüllt, sondern Bedeutungen aus der Latenz entfaltet werden. Der Begriff des Deutungspotenzials kann also von dem der Leerstelle abgegrenzt werden. Dieser Begriff umfasst gewissermaßen Rezeptionsphänomene der Sinnstiftung, jener Begriff Rezeptionsphänomene der Sinnsuche. Das zweite Phänomen wird in der jüdischen Exegese Midrasch genannt. 75 Blumenberg 1979, 80. Mosis hat die Verschärfung der Schuld als Hervorhebung gedeutet und insofern, das Richtige beobachtet, ohne daraus jedoch die notwendigen Konsequenzen zu ziehen. (vgl. Mosis 1973, 111). 76 Dazu s. u.
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7. Kult-Ort
Darin besteht ein erzählerisch inszeniertes Risiko des Chronisten, dass er das Vergehen Davids nicht nur nicht verschweigt, sondern zu seiner größtmöglichen Fallhöhe steigert, wobei schon in V.3 durch die Hinzufügung der Schuld zu erkennen war, dass David längst von seinem General aus dem Geiste der Tora gewarnt war. Der Chronist stellt also pointiert heraus, dass Davids Volkszählung nicht nur ein Vergehen, sondern ein regelrechtes Vergehen gegen Gott war und deshalb für ihn alles auf dem Spiel stand. Damit schreibt er die Geschichte aus 2Sam 24 zu einer mythischen Legende von der Kultbegründung um und dieser Geschichte gleichzeitig einen kultischen Diskurs von Schuld und Sühne ein. Nach V.7 entsprechen sich Vorlage und Abschrift weitgehend.77 David bekennt seine Sünde und weist in V.8 durch den Zusatz „diese Sache“ noch einmal im Wortlaut auf das Einverständnis zu V.7 hin. Es folgen die Bitte um Schuldver gebung und ein komplexes Sühneangebot JHWHs, das David durch den Seher Gad überbracht wird (V.9). Dabei wird in V.12 durch Hinzufügung das Schwert-Motiv wieder aufgegriffen und um die Figur des Verderben bringenden Boten angereichert. Der Bote JHWHs tritt als Zusatz zur Vorlage prominent hervor und der Leser fühlt sich im Kontext des Leitwortes vom „Verderben“ ( )משחיתnicht zu Unrecht an den Verderber des Exodus erinnert, der in der Nacht des Pessach die Erstgeburt in Ägypten tötet. Zwar ist diese Assoziation bereits in 2Sam 24 angelegt, jedoch verdichtet sich das Motiv in der Chronik durch den Zusatz ומלאך יהוה משחית בכל־גבול ישראל. Der Chronist bringt damit nicht nur die Opposition zwischen dem Schwert der Feinde und dem Schwert JHWHs78 stärker zum Vorschein, sondern öffnet, wie z. B. Japhet betont, auch den Kontext von Ex 12.79 Der Vorgang in 1Chr 21 sollte jedoch besser intrinsisch gedeutet werden, da zu bedenken ist, dass die unterstellten Bezüge gerade die Assoziationen wecken, die der Chronist in seinem literarischen Aufriss zu unterdrücken bemüht ist.80 Vor allem 77 In 1Chr 21,12 scheint bei den drei Strafoptionen die siebenjährige Hungersnot auf drei Jahre verkürzt worden zu sein. Hier liegt der Fall jedoch andersherum. Nach der Abschrift der Chronik ist, wie die LXX belegt, noch einmal eine Änderung in 2Sam 24,13 erfolgt. Evtl. erfolgte diese vor dem Hintergrund des Pentateuchs – genauer gesagt – der Josephsgeschichte, wo das Motiv einer sieben jährigen Hungersnot mehrfach erwähnt wird. (Vgl. Gen 41,27.30.36.50; aber auch 2Kön 8,1.). Gesetzt den Fall, dass dieser Zusammenhang zutrifft, wäre darin ein Indikator zu sehen, dass die – mit Assmann zu sprechen – Textpflege der Propheten und Schriften in spät-nachexilischer Zeit mitunter nicht mehr von dem Einfluss der die Lebenswelt fundierenden Tora freizuhalten war. 78 Vgl. Curtis / Madsen z. St. sowie Japhet z. St. 79 Rothstein (z. St., 382.) wollte Ex 12,21 ff und das darin enthaltene משחית-Motiv einer späteren Phase der Bearbeitung zuordnen und eine zeitliche Nähe zu Chronik herstellen. 80 Knoppers, der für den Zusammenhang von Schuld und Sühne ebenfalls den BathsebaKontext in den Blick nimmt, lässt erahnen, worin die Problematik der Überschneidung dieser Anspielungen liegt. Das Pessach-Motiv überschneidet sich mit dem Vergehen Davids gegen Urija in der entsprechenden Strafe, also der Tötung der Erstgeburt. Da dieser Kontext, genau wie der Ehebruch mit Bathseba, vom Chronisten überhaupt nicht aufgerufen werden soll, ist bei der Herstellung der Bezüge zu äußerster Zurückhaltung geraten. (vgl. Knoppers z. St.)
7.1 Texturen: 1Chr 21
409
wird nämlich durch die Einbringung des Schwertmotives in V.12 der Auftritt des göttlichen Boten in V.16 vorbereitet. Dabei ist gerade im Hinblick auf das gezückte Schwert die von Rothstein81 ins Spiel gebrachte und von Dion82 bekräftigte Beobachtung wichtig, dass der Bote das Schwert erst in V.27 zurück in die Scheide steckt und damit hintergründig in der ganzen Szene präsent ist. Wichtig mit Blick auf die Ersetzung ( )וחרב אויביך למשגת < והוא רדפךist der Hinweis Willis, der diese Änderung auf den Einfluss von Lev 2683 zurückführt: „Der Chronist identifiziert das Racheschwert von Lev 26,25a mit der Pest von Lev 26,25b; und da dieses Racheschwert eigentümlich hypostasiert dasteht, konnte es ihm sehr wohl als das Schwert JHWHs gelten.“84 Den Weg zur Restitution des Verhältnisses zwischen David und Gott beschreitet der Chronist letztlich durch die Figur des Jebusiters Ornan, der David durch die jussivische Wendung „Mein Herr, der König tue, was gut ist in seinen Augen“ das Vertrauen ausspricht und auf der Erzählebene vor den Versen 7 und 17 anaphorisch die Option einer „guten“ Handlung aufruft. Dabei spricht die durch die LXX gedeckte Variante der Chronik „das Gute zu tun“ und nicht „das Gute zu opfern“, für eine subtile Öffnung der Perspektive auf die zuvor benannte „böse Handlung“. Nicht zu übersehen ist auch die Hinzufügung von מאדin 1Chr 21,13, durch die der Chronist in die Vertrauenszusage Davids gegenüber Gott eine noch deutlichere Spur nach Ex 34,6 legt. Die Ersetzung אפלהweicht von der Vorlage im Numerus ab ()נפלה, was jedoch der LXX entspricht. Mit Blick auf das Versende, wo das Lexem in der 1. Sg. wieder aufgegriffen wird, kann es sich eigentlich in 2Sam 24MT nur um einen Abschreibfehler handeln. Dennoch besteht gerade in der Alternative einer Bestrafung des Einzelnen (1. Sg.) oder des Volkes (1. Pl.) ein besonderes hermeneutisches Potenzial. Vor dem Hintergrund des Unterschieds, wie er jetzt aus 2Sam 24,14 („wir“) und 1Chr 21,13 („ich“) hervorgeht, ist zu betonen, dass das Verhältnis von 2Sam 24,14 und 17 spannungsreicher ist als zwischen 1Chr 21,13 und 16 f. In 2Sam 24 lenkt David gewissermaßen von der Kollektivschuld auf seine persönliche Schuld um, während in 1Chr 21 konsequent seine
81 Vgl. Rothstein z. St., 375. 82 Zum Argument siehe unten. 83 Willi sieht in Lev 26 sogar ein Hauptanlehnungskapitel des Chronisten. (Vgl. Willi 1972, 156, Anm. 185). 84 Willi 1972, 157. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Motivkette von Schwert ()חרב, Pest ( )דברund Hunger ()רעב, die sich weiterhin in 2Chr 20,9 findet, ausschließlich auf Ezechiel und Jeremia verweist. Vgl. Jer. 4,12; 21,7.9; 24,10; 27,8.13; 29,17–18; 32,24.36; 34,17; 38,2; 42,17.22; 44,13; Ez 5,12.17; 6,11–12; 7,15; 12,16; 14,21. Dass Lev 26 mit diesem Sinnhorizont verbunden ist ergibt sich deutlich durch die Übereinstimmung des Brotstabes in Lev 26,26 und Ez 4,16 f; 5,16; 14,13. Vgl. zu diesem Zusammenhang weiterhin Hieke z. St. 1080 f. Grundsätzlich zeigt sich auch hier, dass Lev 26 für den Chronisten einer der wichtigsten Referenztexte ist.
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7. Kult-Ort
persönliche Schuld betont wird.85 Bemerkenswert ist jedoch, dass sowohl SamMT als auch ChrMT den von der LXX gebotenen Übergang zwischen 2Sam 24,14 und V.15 nicht aufweisen. Hier heißt es: V.14* καὶ ἐξελέξατο ἑαυτῷ Δαυιδ τὸν θάνατον V.15* καὶ ἡμέραι θερισμοῦ. (Und David wählte den Tod. Und es waren die Tage der Weizenernte.) Damit soll offenbar einerseits erklärt werden, warum die Pest nach der Vertrauenszusage Davids dennoch so unvermittelt hereinbricht, bzw. die Handlungslogik verdeutlicht werden, andererseits soll damit der Auftritt Ornans vorbereitet werden. Rothstein hat zudem gezeigt, dass David sich trotz der drei gebotenen Strafoptionen gar nicht entscheidet, sondern lediglich die zweite Option ausschlägt.86 Er hält die LXX hier für ursprünglich87 und ringt gleichsam um die Deutung dieses Phänomens: „Er [sc. der Chronist] wollte und konnte seinem David nicht zutrauen, daß er eine von den beiden Heimsuchungen, also die Pest, ausdrücklich gewählt haben sollte; es schien ihm offenbar seiner edlen frommen Gesinnung mehr zu entsprechen, wenn er ihn auf das Erbarmen Gottes sich verlassen und es diesem anheimgeben ließ, welche Plage er über ihn und das Volk verhängen wollte.“88 Aus dieser Begründung für die Tilgung des Chronisten leitet Rothstein sehr plausibel ihr Fehlen in 2Sam 24 als einen postchronistischen Einfluss auf Sam ab.89 Der Ausbruch der Pest in Israel hat in 2Sam 24,15 wie in 1Chr 21,14 den Tod von 70.000 Menschen zur Folge. Offensichtlich hat der Chronist die Auslassung der Stämme Levi und Benjamin nicht in der Weise berücksichtigt, dass er im Verhältnis die Opfer der göttlichen Vergeltungsaktion reduziert hätte. V.14 belegt deutlich, dass der Chronist nicht um jeden Preis in die Vorlage eingreift. In 2Sam 24,15 waren 70.000 Menschen im Rahmen der göttlichen Vergeltungsaktion ums Leben gekommen. Da der Chronist die Anzahl des Volkes in V.5 um
85 Letztlich spielt es dabei keine Rolle, ob der Numeruswechsel intendiert oder zufällig ist: Der gesamte Aufriss von 1Chr 21 betont vorrangig die persönliche Schuld Davids, des Hirten gegenüber der Unschuld Israel, der Herde. Vgl. dazu Schenker, 1982, 2–4. 86 Vgl. Rothstein z. St. XXIII. 87 „[W]ie G zeigt, hatte der ursprüngliche Text von 2Sam 24,15 sich David für die Pest entscheiden lassen.“ [Rothstein ebd.] Weiter führt er aus: „Auch der erste Satz ist m. E. ursprünglich; er entspricht der in v. 12 für David bestimmten Aufforderung, sich eine von den drei in Aussicht genommenen Strafen zu wählen. In v. 14 wählt aber David bloß insoweit, als er wünscht, nur in Gottes Hände zu fallen, weil er auf sein Erbarmen vertraut, wählt aber nicht zwischen Hungersnot und Pest. Aber daß er auch dies getan setzt eben G voraus, und er dürfte dies in seiner hebr. Vorlage […] vorgefunden haben.“ [Rothstein z. St.]. Sollte Rothstein mit dieser durchaus plausiblen Vermutung Recht haben, so könnte der Ausfall durch den sekundären Einfluss von 1Chr 27,23 f bedingt sein, wo David rehabilitiert und Joab im gleichen Zug der unvollständigen Zählung für schuldig befunden wird. Die Tilgung in V.14 wäre dann vor dem Hintergrund zu lesen, dass der Todeswunsch Davids schlicht nicht mehr die angemessene Konsequenz darstellte. 88 Rothstein 389. 89 Vgl. Ebd.
7.1 Texturen: 1Chr 21
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200.000 Menschen verringert hatte, hätte er hier die Zahl ebenfalls herabmindern können. Dafür schien kein Anlass gegeben zu sein. Dennoch liegt dem Chronisten daran, hier das ‚Volk‘ durch ‚Israel‘ zu ersetzen, was seiner panisraelitischen Vorstellung aus V.5 entspricht. Daraus ergibt sich der Eindruck, dass der Chronist Schlüssigkeit vor allem mit Blick auf seine ideologische Textbearbeitung durchsetzt und weniger (was nicht heißen soll: wenig) Gewicht auf die innere Logik seiner Darstellung legt. Auffällig ist weiter, dass die Angabe der Tageszeit genau wie in V.11 getilgt wird, wobei die Tilgung der Zeitangabe die narrativ-temporale Sequenzierung unterdrückt und die Umbrüche in der Handlungslogik schärfer gegeneinander kontrastiert. In V.15 fordert der Wechsel der Gottesbezeichnung zur Interpretation heraus. Gerade weil in der Vorlage von „Gott“ nicht die Rede ist, gibt der Wechsel von Gott zu JHWH zu denken auf. Eindeutiger kann dabei über den Boten JHWHs gesagt werden, dass es genau der Bote ist, der in V.12 angekündigt war. Zwar widerspricht Rothstein dieser Deutung auf Grund der Indeterminertheit des Boten90, eine Determinierung zu erwarten, um Identität anzunehmen, fordert jedoch eine unzulässige Vermischung von Erzähler- und Figurenebene. Wichtig ist, dass die von Schenker in 2Sam 24 beobachtete Opposition von göttlichem Zorn und göttlichem Erbarmen in 2Sam 24,1.15 f in der Chronik durch die Ersetzung in V.1 nicht mehr zur Geltung kommt.91 Auf die Vergeltungshandlung folgt nun in einer dritten Episode die Abwendung der göttlichen Strafe.
7.1.4 Die Abwendung der Strafe – 1Chr 21,16–22,1 Die Fortsetzung der Engel-Episode stellt einen längeren Zusatz (V.16) im Chroniktext dar. Zwar ist dieser Einschub auch in 4QSama bezeugt, jedoch ist das Abhängigkeitsverhältnis äußerst schwierig zu bestimmen.92 Dion hält zunächst eine Aufnahme der Chronik in Qumran für möglich: „It would seem reasonable to conclude […] that I Chr 21, 16 is itself a creation of the Chronicler, and that its presence in a Qumran MS of the second half of the first Century B. C. is simply due to contamination from Chronicles.“93 Dabei ist das Urteil in diesem Fall durch die bessere narrative Einbettung in der Chronik fundiert. Dion betont im Hinblick auf den Zusammenhang von V.16.29, dass damit narrativ begründet wird, warum David sein Opfer nicht in Gibeon darbringen konnte. Die lange beobachtete Übereinstimmung der Parallelen von Num 22,22.31; Jos 5,13–15 und 1Chr 21,16 seien unabhängig von den jeweiligen Kotexten ein Indiz dafür, dass
90 Vgl. Rothstein z. St. 91 Vgl. Schenker 1982, 6. 92 Vgl. dazu Dion 1985, 114–117. 93 Ebd., 116.
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7. Kult-Ort
die מלאך-Motivik ein narratives Eigenleben habe.94 Ulrich hingegen führt einen Nachweis, dass V.16 f in 4QSama ihren ursprünglichen Platz hätten und keine Abhängigkeit von der Chronik bestehe.95 Demnach sei die מלאך-Episode keine originäre Neuschöpfung des Chronisten. Für einen Ausfall der Episode sprächen im Übrigen auch 2Sam 24,16 f, wo auf den מלאךBezug genommen wird, sodass mit einem Ausfall zwischen diesen beiden Versen durch „haplography (homo ioarchton)“96 zu rechnen sei. Dion folgt Ulrich kompromisslos in vier Argumenten dafür, dass 4QSama nicht abhängig von 1Chr 21 sein könne: 1.) 4QSama bewahre die richtige Namensform für Ornan; 2.) die Reihenfolge in V.16 spreche gegen eine Abhängigkeit von der Chronik; 3.) 4QSama verwende das Hitpael statt des Hofals; 4.) 4QSama verwende das Tetragramm statt האלהים.97 Dion weist dennoch zu Recht darauf hin, dass der Chronist die Engel-Episode weiter ausgestaltet und viel deutlicher in den narrativen Gesamtkontext einbindet: „In tackling a theological problem typical of his own time (‚how dare David offer sacrifice at this novel place without first consulting God at his official shrine in Gibeon?‘), the Chronicler does not create his tools ex nihilo; he picks on a particular detail of his Vorlage, the angel’s drawn sword, and enlarges it as much as he can (v. 12.20?.27), so as to turn it into a credible excuse for David’s hastiness in offering sacrifice away from the traditional altar (v. 30)“98. Nun ist jedoch trotz der präzisen Aufarbeitung Ulrichs und der Bekräftigung Dions das Abhängigkeitsverhältnis von 4QSama und 1Chr 21 noch nicht abschließend geklärt, da das Moment der Einbettung der Verse in ihren jeweiligen Kontext noch nicht umfassend beschrieben ist. Ulrich bringt letztlich vier stilistische Argumente, die allesamt nicht der Einbettung von V.16 in den Kontext, und damit eigentlich der wichtigsten Frage, nachspüren. Vor allem eine auffällige Abweichung zwischen 2Sam 24 MT und 4QSama, auf die keiner der beiden Forscher zu sprechen kommt, führt – gegen Ulrich – zum Ausschluss der Möglichkeit, dass die Engel-Episode in 4QSama und 1Chr 21 einen ursprünglichen Sitz in 2Sam 24 hatte und dort lediglich durch Haplographie ausgefallen ist. Dabei handelt es sich um ein textlinguistisches Argument: Blickt man auf 1Chr 21,15, wird Folgendes über den Engel ausgesagt: ומלאך יהוה עמד עם־גרן ארנן היבוסי. Zu beachten ist, dass David, der in V.16 die Augen erhebt, den Engel genau in diesem Zustand ( )עמדsieht, wobei die Position des Engels näher spezifiziert wird ()בין הארץ ובין השמים. Der Leser erfährt zunächst, dass der Engel steht und erfährt dann durch die Augen Davids, was es mit diesem Stehen genau auf sich hat. In 2Sam 24MT findet sich entsprechend zu עמדin V.15 das Finitum
94 Ebd., 116. 95 Ulrich 1978, 156 f. 96 Ebd., 157. 97 Vgl. Ebd., 157. 98 Dion 1985, 117.
7.1 Texturen: 1Chr 21
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היה. Es wäre möglich, dass der Chronist in V.16 die Engelepisode vorgefunden und in V.15 eine Ersetzung vorgenommen hat, die V.16 kataphorisch vorbereitet. Genau diese Verdoppelung von עמדfindet sich auch in 4QSama. Es ist kaum damit zu rechnen, dass es in der Tradition des proto-masoretischen Textes eine Rückbildung von עמדzu היהgegeben hat, was darauf schließen lässt, dass 2Sam 24MT an dieser Stelle den älteren Text bietet, der im Übrigen auch von der LXX gedeckt ist. Das führt dazu, dass die Ersetzungen in 4QSama und 1Chr 21, die jeweils die Einfügung des göttlichen Boten vorbereiten, als spätere Entwicklungen beurteilt werden müssen, die die Einbettung des Boten-Verses zum Anlass hatten. Die Frage, in welcher Linie die Abhängigkeit verläuft, hat auf dieser Ebene bereits an Schärfe verloren. Mit Blick auf das Fehlen der מלאך-Szene in 2Sam 24LXX und ihr Vorhandensein in 1Chr 21 ist jedoch bei Ablehnung des Ausfalls in 2Sam 24MT auch damit zu rechnen, dass 4QSama bereits abhängig von der Chronik ist. Da Dion ebenfalls aus der Perspektive der Textkonstitution auf die feste Einbettung des מלאךin die Chronik hingewiesen hat, ist die Möglichkeit des chronistischen Ursprungs zumindest nicht von der Hand zu weisen. Dieser Sichtweise hängt i. Ü. auch Mosis an, der deutlich erkannt hat, „daß die nähere Bestimmung des Engels als Engel JHWHs nicht nur entbehrlich ist, sondern vermieden werden muß“99. Dion hat deutlich die narrativ-harmonische Einbettung des Engels in der Chronik erkannt und seine Funktion in 1Chr 21 dabei mehr erahnt als gedeutet. In der Gestalt des Engels von V.30 sieht er eine Erklärung dafür, dass David nicht in Gibeon geopfert hat. Mit dieser engen kotextuellen Deutung wird er jedoch seiner eigentlichen Rolle in der Neugründung des Kultortes in Jerusalem und der Motivkette von Ex 3; Num 22; Jos 5 und 1Chr 21 nicht gerecht.100 Intratextuell kommt hier die Umkehr des Schwertmotivs zu seiner Vollendung. Während es vorbereitet durch V.5 den militärischen Hintergrund der Zählung repräsentierte und in V.12 die göttliche Strafandrohung im Sinne einer Vergeltung des Gleichen mit Gleichem, wird das Schwert in der Hand des Pestengels101 schließlich zum Dingsymbol für die evtl. durch die Rechtspraxis aus Ex 30,11–16 angedrohte Plage102, die in 1Chr 21 erst in V.26 f nachträglich durch ein sühnendes Opfer abgewendet wird und damit zum Wegstecken des signum pestilentis führt.
99 Mosis 1973, 25. 100 Vgl. dazu die folgenden Überlegungen. 101 Auffällig ist neben der Bewaffnung auch die Bezeichnung des Pestengels mit משחית, die auf eine Anlehnung an Ex 12,13.23 schließen lässt. Den Umstand, dass der Verderber sich an dieser Stelle nicht gegen Ägypten, sondern gegen Israel wendet hat Johnstone 1996, 245) als „negative passover“ beschrieben. Dazu passt, dass der Bote JHWHs in V.16 seinen Arm gegen Jerusalem ausstreckt. Da das Motiv des ausgestreckten Arms ( )יד נטהdas Motiv der Exodus-Narration darstellt, ist es hier kaum zufällig negativ als eine Art Anti-Exodus gegen Jerusalem gewendet worden. 102 Vgl. dazu die auf die Analyse folgenden Erwägungen zum Motiv der Volkszählung.
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7. Kult-Ort
Im Sinne der von Buber ins Spiel gebrachten distanziellen Paronomasie werden über das Motiv des „gezückten Schwertes“ jedoch auch intertextuelle Bezüge zu den Engelepisoden Bileams (Num 22,23.31) und Josuas (Jos 5,13) hergestellt. Es gilt also die Funktion des Engels in 1Chr 21103 vor dem Hintergrund der mit diesem Motiv korrespondierenden Stellen zu erhellen. Der Zusammenhang mit Jos 5 lässt sich synoptisch folgendermaßen dar stellen104: Jos 5,13–15 ויהי בהיות יהושע ביריחו וישא עיניו וירא והנה־איש עמד לנגדו
1Chr 21,16–18
13
l
וחרבו שלופה בידו וילך יהושע אליו ויאמר לו הלנו ויאמר לא כי14 אתה אם־לצרינו׃ אני שר־צבא־יהוה עתה באתי ויפל יהושע אל־פניו ארצה וישתחו ויאמר לו מה אדני מדבר אל־עבדו׃
ויאמר שר־צבא יהוה אל־יהושע15 של־נעלך מעל רגלך כי המקום אשר אתה עמד עליו קדש הוא ויעש יהושע כן׃ l
וישא דויד את־עיניו וירא16 את־מלאך יהוה עמד בין הארץ ובין השמים וחרבו שלופה בידו נטויה על־ירושלם l
ויפל דויד והזקנים מכסים בשקים על־פניהם׃ אל־האלהים הלא ֱ ויאמר דויד17 אני אמרתי למנות בעם ואני־הוא אשר־חטאתי והרע הרעותי ואלה הצאן מה עשו יהוה ֱאלהי תהי נא ידך בי ובבית אבי ובעמך לא למגפה׃ ס ומלאך יהוה אמר אל־גד לאמר18 לדויד כי יעלה דויד להקים מזבח ליהוה בגרן ארנן היבסי׃
Erblicken des Boten (Zustand [)]עמד gezücktes Schwert Anfrage an den Boten Antwort des Boten: Selbstvorstellung Proskynese
l
l
Schuldbekenntnis
Antwort des Boten (kultische Ätiologie)
Deutlich herausgearbeitet hat den Zusammenhang von 1Chr 21 und Jos 5 Mosis.105 Die Pointen der Texte sieht er in der Auffindung des heiligen Ortes bzw. des Altarbaus: „Parallel zur Deklaration des Ortes zum Heiligtumsort in Jericho Jos 5,15 folgt in 1Chr 21,18, vermittelt durch den Propheten Gad, der Auftrag des Engels JHWHs an David, an dieser Stätte JHWH einen Altar zu errichten.“106 Auch die (textkritisch relevante) Ersetzung in 1Chr 21,15 ( היהzu )עמדführt Mosis auf den Einfluss von Jos 5,13 zurück. Das in 1Chr 21,12 zwei Mal ergänzte „Schwert“ liest Mosis mit der Motivik des Josua-Narrativs (Jos 5,13) zusammen. Treffend resümiert er: „Der Chr unterlegt also die Erzählung eines Altarbaus zur Abwehr einer Plage (2Sam 24) mit der Visionsschil 103 Zu beachten ist, dass der Mal’ak-Jhwh in keiner Perikope des AT eine größere Rolle spielt als in 1Chr 21. 104 Eine synoptische Betrachtung von Ex 3,1 ff; Jos 5,13–15; Num 22,22 ff.37 ff; 1Chr 21,16 ff findet sich bei Bieberstein 1995, 416 f. 105 In einer Anmerkung erwähnt Mosis auch die Allusion an Num 22,23.31. 106 Mosis 1973, 115.
7.1 Texturen: 1Chr 21
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derung aus Jos 5, die ätiologisch einen heiligen Ort begründen will, und macht dadurch den Altarbau auf der Tenne Ornans zur Ätiologie eines Heiligtumsortes in Jerusalem.“107 Die Zusammenhänge zwischen 1Chr 21 und Jos 5 sind damit deutlich herausgearbeitet. Was jedoch trägt dieser Zusammenhang für die jeweilige Deutung der Textstellen aus? Läuft die Episode in Jos 5,13–15 überhaupt auf die Gründung eines heiligen Ortes hinaus? Problematisch ist, dass Mosis keine näheren Angaben über die Funktion der Übereinstimmungen zwischen den verschiedenen Darstellungen macht. Hinzu kommt, dass er auch die Unterschiede nicht entsprechend würdigt, geschweige denn zu einer notwendigen Hermeneutik der Differenz ausbaut. Ein deutlicher Unterschied bspw. besteht darin, dass in Jos 5 kein Opfer vollzogen wird. Der Zusammenhang zwischen dem Auftritt eines Engels und dem Opfer ergibt sich eher in der Linie von Ri 2,1–5; 6; 13. Freilich ist durch Jos 5,13–15 kein Kontext vorgegeben, der ein Opfer erwarten ließe. Gerade die Anfrage Josuas: „Was will mein Herr seinem Diener sagen?“, die in der Antwort des Boten in V.15 eine letztlich irrelevante Antwort erhält, lenkt den Blick auf Jos 6,2–5 und den göttlichen Auftrag, die Stadt Jericho einzunehmen. Dabei korrespondiert der Gebrauch des Gottesnamens in Jos 6,2 mit der Präsenz Gottes auf seiner Lade, die in V.6 wieder ins Spiel gebracht wird. Der Heerführer JHWHs und die Anwesenheit der göttlichen Lade scheinen einer alternierenden Vorstellung anzugehören. Einen äquivalenten Zusammenhang hat Blum für das Verweissystem von Ex 23 und Ri 2 aufgezeigt. „[D]er Mal’ak unserer Textgruppe [scheint] eine theologische Alternative zu repräsentieren, im Unterschied zur Lade gleichsam eine ‚personale‘ Repräsentanz des mitgehenden Gottes, welche traditionsgeschichtlich überkommene Vorstellungen vom Gottesboten und die dtr Namenstheologie integriert.“108 Blum deutet die von ihm beschriebene Mal’ak-Fortschreibung als für einen kompositionellen Zusammenhang von Gen bis Kön formuliert.109 Mit einem engeren hexateuchischen Kontext sei jedoch nicht zu rechnen, da hier einerseits stärkere Signale zu erwarten seien, andererseits die weinenden Israeliten in Ri 2 das heilsgeschichtliche Schlussbild darstellten.110 Im Hinblick auf Ex 23,23, einer literarischen Wegmarke der sog. Mal’ak-Schicht, ist zumindest zu sagen, dass diese mit ihrem Mal’ak-Konzept möglicherweise auch nach 1Chr 21 führt. Zwar kann die hier von David erreichte Tenne einschließlich des dort von ihm errichteten Altars durchaus als Zielpunkt des über den Exodus hinausweisenden Eisodus verstanden werden, jedoch ist die in Ex 23,23 (vgl. auch Ex 33,2) formulierte Vorstellung, dass JHWH die Fremdvölker vernichten wird, nicht mit der Vorstellung vereinbar, dass die Tenne des Tempelplatzes einem noch dort lebenden Jebusiter gehört. Zu beachten ist an dieser Stelle das negative Besitzverzeichnis in Ri 1, das das Eroberungsresümee in Jos 12 revidiert und gerade nicht das ganze Land als erobert ausweist. Dabei ist das Verhältnis von Ri 19,10 und 1Chr 11,4 einzubeziehen, das einen Paradigmenwechsel im Jerusalemdiskurs darstellt. Während Ri 19,10 Jerusalem noch als Jebus und damit als
107 Mosis 1973,116. Dabei muss jedoch der wichtige Einwand Krauses gehört werden, dass Jos 5,13–15 nur formal wie eine Heiligtumsätiologie gestaltet ist, funktional diesen Status jedoch nicht erfüllt. Vgl. Krause 2013, 379. 108 Blum 2010, 260. 109 Ebd., 261 f. 110 Ebd., 262.
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7. Kult-Ort
fremdbeherrscht ausweist, setzt 1Chr 11,4 gegenteilig an und beschreibt die Eroberung Jerusalems und damit den Eintritt in die post-jebusitische Epoche. Vor diesem Hintergrund wird 1Chr 21 dann (anders als 2Sam 24) zur Legende von der Überwindung des letzten Jebusiters, sodass in der chronistischen Fortschreibung der Mal‘ak-Schicht diese erst zu ihrer Vollendung gelangt. Das würde entweder bedeuten, dass die Verabschiedung des מלאךin Ri 2,1–5 von der Chronik möglicherweise noch nicht vorausgesetzt wird, oder dass dieser מלאךhier noch einmal zurückkehrt. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass dieser auf Grund des Ungehorsams Davids zu einem Anti-Motiv figuriert wird. Der ausgestreckte Arm, die Bestrafung durch eine Pest wie auch das Auftreten des Boten als Widersacher schaffen eine Situation, die der Heilstat des Exodus diametral entgegensteht. Der מלאךtritt in diesem Zusammenhang also als eine Art personifizierte Königskritik auf und führt den Altar in Jerusalem zur Abwendung des Unheils ein. Dabei setzt sich bis hierher der in Ri 1,21 beobachtete Zustand fort, dass Benjaminiter und Jebusiter in Jerusalem bis auf den heutigen Tag wohnen, wobei die Zeitangabe עד היום הזהalso mindestens bis in die Gegenwart des Chronisten reicht. Für den Zusammenhang von Jos 5,13–15 und 1Chr 21 bleibt das jedoch folgenlos, da Krause die Zugehörigkeit von Jos 5,13–15 zur Mal’ak-Schicht angesichts der fehlenden Mal’ak-Bezeichnung zurückgewiesen hat. Dennoch ist, wie hier zu zeigen ist, die funktionale Ähnlichkeit dieser Szene mit dem Auftreten des Mal’ak in 1Chr 21 nicht von der Hand zu weisen. In Josua 5,13–15 tritt angesichts des bevorstehenden Eroberungskrieges der שר־צבא־יהוהauf.111 Wie angespannt, ja bedrohlich die Situation ist, zeigt allein schon die Frage Josuas: הלנו אתה אם־לצרינו: Freund oder Feind? Die exzeptionelle Situation fordert das Auftreten einer exzeptionellen Figur, die hier als Heerführer Gottes auftritt, dem eingeweihten Hörer / Leser jedoch nicht verbergen will, dass sie sonst als מלאך יהוהden Weg in die Geschichte gefunden hat.112 Zu beachten ist auch, dass es allein in Jos 5,14 zu deren Selbstvorstellung kommt und damit die Figur, die sonst vom Erzähler schlicht ‚Bote JHWHs‘ genannt wurde, nur hier ihr Selbstkonzept vorstellen darf. Bei aller Ähnlichkeit der Situation fällt nicht nur auf, dass der Engel ( )מלאך יהוהin Jos 5 nicht erwähnt wird, er taucht ebenfalls im gesamten Josuabuch überhaupt nicht auf. In Jos 5 ist stattdessen zunächst von einem Mann ( )אישdie Rede,113 der bis zu seiner Selbstvorstellung alle Deu-
111 Der שר צבא יהוה, der nur hier im Alten Testament erwähnt wird, erinnert in seiner Gestaltung, die offenbar eine die Kriegsgemeinschaft zwischen Engel und Menschen sowie gleichzeitig eine kultische Gemeinschaft stiftet, schon sehr an die Konzeptionen, die Schäfer 1975, 33–40 für Qumran, insbesondere in der Kriegsrolle beschrieben hat. 112 Deutliches Signal für die Identität ist das חרב שלופה. Zwar lässt sich auf Grund der weit verbreiteten Symbolik des gezückten Schwertes nicht allzu viel daran anknüpfen (vgl. Keel 1974, 34–76, der das ikonographische Material aufgearbeitet hat), ein Indiz ist es jedoch allemal. Auch die Möglichkeit dem göttlichen Heerführer den Sprechakt aus Ex 3,5 (in Abhängigkeit von dieser Szene) in den Mund zu legen, bestätigt die latente Identität mit dem Mal’ak JHWH. 113 Eine vergleichbar diaphane Begegnung hat Joseph in Gen 37,15–17, wo er in einem literarischen Intermezzo ebenfalls einem „Mann“ begegnet, den zumindest auf Grund seiner Kenntnisse die Aura des Göttlichen umgibt. (Vgl. dazu Ebach z. St., 84 f.); auch Jakobs Begegnung am Jabbok findet mit einem numinosen „Mann“ statt (vgl. Gen 32,25).
7.1 Texturen: 1Chr 21
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tungsmöglichkeiten offenlässt.114 Blum stellt zwischen Jos 5,13–15 und Jos 5,2–9 eine enge Verbindung her, die er aus wörtlichen Entsprechungen ableitet. Dabei geht es vor allem um das militärische Wortfeld und darum, den inneren Zusammenhang zwischen Beschneidungsritual und Auftreten des himmlischen Heerführers handlungslogisch zu begreifen: „Erst nach der ‚Zurüstung‘ der nachgewachsenen kriegsfähigen Männer durch die Beschneidung kann der Führer der Heerschar JHWHs „kommen“ und damit eben die Landnahme einleiten, an der die Elterngeneration des Exodus seinerzeit gescheitert war (5,6)!“115 Blum weist auch auf den Zusammenhang zwischen Jos 5,13–15 und Ex 3 hin, der sich bei Mosis nicht findet. Vollkommen übersehen hat Mosis die wörtliche Entsprechung zwischen Ex 3,5 und Jos 5,15. Die Assoziationskette des Boten-Motivs reicht also weiter bis in den Pentateuch.116 Das ist insofern fatal, als damit die Sukzession von Mose zu Josua begründet ist, die in der Chronik auf die Sukzession von David zu Salomo übertragen wird. Sowohl in Ex 3 als auch in Jos 5 entdecken die Protagonisten durch den Boten Gottes heiliges Land ( )אדמת קדשbzw. Ort ( !)מקוםIm Falle von Ex 3 und Jos 5 wird dabei ein nahezu identischer Wortlaut gebraucht: „Zieh deine Sandalen von deinen Füßen, denn der Ort, auf dem du stehst, ist heilig!“ Ex 3,5
Jos 5,15
של־נעליך מעל רגליך כי המקום אשר אתה עומד עליו אדמת־קדש הוא
של־נעלך מעל רגלך כי המקום אשר אתה עמד עליו קדש הוא
Krause hat jüngst überzeugend gezeigt, dass Jos 5 der nehmende und Ex 3 der gebende Text ist.117 „Exodus und Landnahme kommen dabei“, wie Blum bemerkt, „in typologischer Symmetrie zu stehen.“118 Eine weitere Strukturparallele zeigt Blum in der Korrelation von Jos 5,2–9.13–15 und Ex 3,1 ff sowie Ex 4,24–26.119 Damit wird die Korrelation von Mose und Josua nicht nur von der wörtlichen Übereinstimmung zwischen Ex 3,5 und Jos 5,15, sondern auch von der kompositorischen Einbettung in den Kotext getragen. Blum sieht in der Josuaschicht Jos 5,2–9.13–15 „religionsgeschichtliche
114 Blum stellt für diesen Titel unter Rückgriff auf Kuenen einen Zusammenhang zu Dan 10 her. Er vermutet dabei einen persisch-hellenistischen Hintergrund: „Das irdische Vorbild für diese himmlischen ‚Feldherrn‘ ist eventuell in den hochrangigen strategoi der persisch-hellenistischen Zeit zu suchen, wie sie sich etwa auf entsprechenden Münzprägungen persischer Satrapen des 4. Jh.s v. Chr. darstellen.“ Blum 2010, 241.; vgl. dazu auch die Ausführungen Rothsteins (z. St.), der die intertextuellen Bezüge bereits beschrieben hat. 115 Blum 2010, 237 f. Das Thema der Beschneidung spielt jedoch weder in Chr noch bei EsrNeh eine Rolle. 116 Die Verbindung von Ex 3 und Jos 5 ist vielfältig dokumentiert. Vgl. dazu in jüngerer Zeit Kratz 2000, 209; Blum 2010, 236–238. sowie Krause 2014, 375–402; vor allem jedoch Bieberstein 1995, 223–229. 413–418, der die forschungsgeschichtlichen Erwägungen aufgearbeitet hat. 117 Anders Weimar 1980, 250, der beide Texte als von gleicher Hand verfasst deutet. 118 Blum 2010, 237. 119 Vgl. Ebd., 238 f.; vgl. jetzt auch Krause 2013, 313.391.
418
7. Kult-Ort
Entwicklungen der späten Perserzeit“120 und arbeitet heraus, dass die Komposition von Jos 5,2–9.13–15 „eine tiefgreifende Revision des in Exodus bis Deuteronomium entfalteten Geschichtsbildes“121 darstellt. Diese werde „ausschließlich in der knappen Katechese von Jos 5,4–7 nachholend eingeführt – ohne irgendeine Vorbereitung im Pentateuch selbst.“122 Der literarische Sachverhalt liege völlig anders als in der „Hexateuch-Bearbeitung von Jos 24“123 und spreche damit „für eine punktuelle, auf das Josuabuch beschränkte Eintragung.“ Auch Achenbach ist ein Vertreter dieses Datierungsvorschlags, da er das Textsegment der von ihm entwickelten Theokratischen Bearbeitung zuweist.124 Anders als Blum ordnet er den Text damit einem priesterlichen Autor zu. Krause hat den Abschnitt Jos 5,13–15 erneut einer eingehenden Analyse unterzogen. Im Kontext der Forschungsgeschichte, die den Abschnitt Jos 5,13–15 für ein Fragment hält, zeichnet er zunächst zwei mögliche Lesarten nach, die entweder im Ort der Begegnung (als Heiligtumsätiologie) oder im „englischen Protagonisten“125 (als Vorbereitung einer göttlichen Beistandsversicherung) ihren Ausgangspunkt hätten.126 Gegen die erste Lesart der Bezeichnung eines bestimmten Ortes spreche, dass hier überhaupt keine Ortsbezeichnung vorgenommen werde. Die zur Debatte stehenden Orte Gilgal, Jericho oder ein Ort dazwischen seien jedenfalls stark umstritten.127 Krause resümiert nach sorgfältiger Abwägung des Sachverhaltes im Anschluss an Blum: „Kurzum: Die Erzählung Jos 5,13–15 weist zwar in ihrer Gestaltung Züge einer Heiligtumsätiologie auf – aber sie ist keine.“128 Hinsichtlich der von Rose129 behaupteten assyrischen Parallele in den Annalen Assurbanipals weist Krause sorgfältig nach, dass die angenommene Übereinstimmung zurückgewiesen werden muss und daher die Szene ursprünglich wohl nicht, wie Rose angenommen hatte, in einem Ermutigungsorakel seine Fortsetzung fand. Dagegen hat Krause jedoch überzeugend gezeigt, dass die Übereinstimmungen in der Tradition nicht ausreichen, um eine Abhängigkeit anzunehmen, da das Ritual der Schwertübergabe schlicht nicht vollzogen wird.130 Krause schließt sich in der Beurteilung der Szene v. Seters an, der zu dem Urteil gekommen ist, dass Jos 5,13–15 weder Fragment noch alt sein könne.131 Krause, der im Anschluss an Blum in Jos 5,13–15 eine sekundäre redaktionelle Überleitung zur Eroberung Jerichos sieht, schlägt in relativer Chronologie eine Anordnung nach dem sekundären Abschluss der Erzählung vom Jordandurchzug in Jos 4,21–5,1 und der Pas 120 Ebd., 241. 121 Ebd., 248. 122 Ebd. 123 Ebd. 124 Vgl. Achenbach (n.v. Ms.). 125 Die von Blum übernommene Redeweise zeigt, wie leicht sich das מלאך-Wortfeld assoziativ auch auf Jos 5 überträgt, wobei zu berücksichtigen ist, dass gerade dieser Begriff im Josuabuch überhaupt keine Rolle spielt. 126 Vgl. Krause 2013, 377. 127 Vgl. Ebd. 378. 128 Krause 2013, 379. 129 Rose 1981, 55–64. 130 Vgl. Krause 2013, 380–384. Neuerdings hat Römer 2014a, 49–63 die assyrische Option wieder stark gemacht. 131 Vgl. Krause 2013, 358.
7.1 Texturen: 1Chr 21
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saperikope in Jos 5,10–12 vor.132 Er datiert die Szene damit „nach der post-priesterlichen Bearbeitung der dtr. Grundschicht.“133 Die Funktion dieses Einschubs erklärt Krause mit Blum vor dem Hintergrund der Kohäsion mit Jos 5,2–9 mit Blick auf die beiden Texten gemeinsamen Bezugspunkte in Ex 3,1 ff und Ex 4,24–26.134 Mit Blick auf die Exodus-Stellen nimmt Krause für Jos 5,2–9.13–15 denselben Verfasser an: „Dieser hätte dann jeweils eine Art redaktionellen Vorspann konzipiert: vor dem Passa die Beschneidung, vor der Eroberung Jerichos die Erscheinung des Heerführers.“135 Weitere Funktionen dieser Szene sieht Krause zum einen in der Eröffnung einer neuen heilsgeschichtlichen Epoche (sc. des Eisodus), zum anderen in einem mit der Eröffnung einhergehenden Abschluss der Epoche des Exodus.136 Das bedeutet also, dass hier in spätpersischer (fast möchte man sagen frühhellenistischer) Zeit ein Schreiber das Schema Exodus-Eisodus herstellt und dafür eine latente Identität zwischen Mose und Josua aufbaut. Krause erwägt eine Zugehörigkeit von Jos 5,13–15 zu den sog. Mal’ak-Texten, entscheidet sich jedoch auf Grund fehlender Übereinstimmungen und abweichender Bezeichnung des Boten dagegen.137 Bemerkenswerterweise wischt Krause, unter Berufung auf Keel, den von Bieber stein stark bekräftigten Zusammenhang von Ex 3; Num 22; Jos 5 und 1Chr 21 mit einem Federstreich weg. Bei der Leugnung des Zusammenhanges lässt er sich vor allem von der bei Keel vorfindlichen Materialsammlung zum „gezückten Schwert“ als einem universalen Motiv leiten.138 Dies ist insofern bemerkenswert, als Bieberstein den Keelschen Befund selbst anführt, jedoch zu einem gänzlich anderen Schluss gekommen war. Den synoptischen Befund Biebersteins kommentiert Krause wie folgt: Dieser Vergleich zeige „sehr deutlich, dass in signifikanter Weise für ein textreferenzielles Verhältnis sprechende Ähnlichkeiten, wie sie zwischen Jos 5,13–15 und Ex 3,1 ff. vorliegen […], beim Vergleich unseres Stückes mit Num 22,22 ff. bzw. 1Chr 21,15 ff. eben nicht zu beobachten sind“. Im Hinblick auf die Darstellung Mosis’, die im Grunde mit derjenigen Biebersteins übereinstimmt, ist eine Ähnlichkeit zwischen Jos 5 und 1Chr 21 (gerade mit Blick auf die vor dem Hintergrund von 2Sam 24 zu beobachtenden Assimilierungsspuren) nicht von der Hand zu weisen. Bieberstein behält also mit der Analyse des Zusammenhangs von Ex 3; Num 22; Jos 5 und 1Chr 21 weiterhin Recht. Er wählt den exegetischen Weg, den Zusammenhang nicht allein vom Motiv des gezückten Schwertes, dessen weite Verbreitung im Alten Orient unbenommen sei, abhängig zu machen, sondern die Übereinstimmung des situativen Kontextes in den Vergleich miteinzubeziehen.139 So präzise die Analyse Krauses im Einzelnen ist, muss
132 Krause 2013, 290. 133 Ebd., 290. 134 Vgl. Blum 2010a, 237 f; Krause 2013, 391. 135 Ebd., 392. 136 Ebd., 402. 137 Ebd., 400. 138 Vgl. Krause 2013, 384 (bes. Anm. 54); weiterhin Keel 1974, 34–76 sowie Ders. 31980, 278. 139 Allein schon Biebersteins Synopse verdeutlicht die Übereinstimmungen, wobei durch die Hinzufügung bzw. Ersetzung des מקוםsich in 1Chr 21,22.25 sowie der durch 2Chr 3 motivierte Verweis auf Gen 22 noch deutlichere Übereinstimmungen ergeben.
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7. Kult-Ort
doch weiterhin mit der von Bieberstein vertretenen These gerechnet werden, dass es zu der Übereinstimmung zwischen Ex 3 und Jos 5 auch eine mit Num 22,22 ff.31 ff und 1Chr 21 gibt. Bieberstein hebt fünf Übereinstimmungen hervor: 1. Alle Erzählungen beginnen mit dem Erblicken der Erscheinung. (Ex 3 und Jos 5 stimmen dabei darin überein, dass sich Mose bzw. Josua der Erscheinung weiter nähern.) Ex 3,6ab und Jos 5,14a–d enthalten eine Selbstvorstellung der Erscheinung, die in Num 22 und 1Chr 21 nicht enthalten ist. 2. Alle vier Fassungen stimmen in der Proskynese überein, wobei Jos 5,15fg und Num 22,31d zumindest in MT wörtlich übereinstimmen. 3. Während Jos 5,15fg und 1Chr 21,17 mit einer Rede des Menschen einsetzen, ergreift in Ex 3,7 und Num 22,32 das göttliche Wesen das Wort. 4. In Ex 3, Num 22 und 1Chr 21 wird sodann das göttliche Anliegen entfaltet, während Jos 5,15 „nur“ mit Ex 3,5c–e in dem Befehl, die Schuhe auszuziehen, übereinstimmt. Bieberstein sieht in Jos 5,13–15 so etwas wie eine „Fusion“ der Parallelstellen, da Ex 3,2–5; Num 22,23.31–32 und 1Chr 21 nur Parallelen untereinander aufwiesen, die sie auch mit Jos 5 teilten. Daraus schließt er, dass Jos 5,13–15 die Paralleltexte allesamt vorgelegen haben müssten, bevor dieser Text entstanden sein könnte.140 Die Vermutung eines synoptischen Anliegens geht m. E. deutlich zu weit, da sich weder Intention noch Funktion einer solchen Synopse erhellen lassen und zudem die Einbettung in die unmittelbar bevorstehende Eroberung Jerichos keinen nachvollziehbaren Sitz im Buch darstellt. Dennoch – und deshalb ist an den Beobachtungen Biebersteins und Mosis’ festzuhalten – sind die Bezüge auffällig und zahlreich, ja bei genauer Betrachtung lassen sich sogar weiterreichende Verweise erkennen: 1. Das Motiv des ‚gezückten Schwertes‘ stellt nach wie vor die auffälligste Verschränkung der einzelnen Episoden dar. Besonders auffällig ist, dass es in 1Chr 21 entweder durch Hinzufügung oder Ersetzung nicht nur eingeführt, sondern zu einem dialektischen Dingsymbol141 der gesamten Perikope wird.142 Pointiert formuliert: 2Sam 24 zeigt, wie die Geschichte ohne Schwert erzählt werden kann. Damit fällt Krauses Argument, ein Zusammenhang könnte über dieses Motiv nicht hergestellt werden, da es im Alten Orient zu weit verbreitet sei. 2. Sowohl Jos 5 als auch 1Chr 21 stehen vordergründig in einem militärischen Zusammenhang. Während Josua durch einen Anführer des himmlischen Heeres auf die Eroberung Jerichos vorbereitet wird, führt David eine Volkszählung zur Erhebung seiner militärischen Stärke durch, was gerade durch die Formulierung der Schwert führenden Männer (V.5) und den Reflex in der Opposition „Schwert der Feinde – Schwert JHWHs“ (V.12) deutlich wird. 3. Besonders wichtig ist der Zusammenhang zwischen Jos 5 und 1Chr 21 bzw. 2Chr 3. Von 2Chr 3 wird der Ort des Tempelplatzes mit dem in 1Chr 21 aufgefundenen Ort ( )מקוםidentifiziert. So erklären sich auch die zwei Hinzufügungen in 1Chr 21,22.25. Dem Chronisten geht es im Rahmen seiner מקום-Theologie darum, den für den
140 Vgl. Bieberstein 1995, 414 f. 141 Dialektisch insofern, als das Schwert des Engels die Strafe für die Zählung der Schwert tragenden Männer darstellt. 142 Vgl. 1 Chr. 21,5(2-mal).12(2-mal).16.27.30.
7.1 Texturen: 1Chr 21
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Tempel bestimmten Ort auf Jerusalem festzulegen. An diesen ‚Ort‘ führt David der göttliche Bote, genau wie Mose und Josua durch den Boten der jeweiligen Heiligkeit ihrer Orte bewusst werden. Der Chronist nennt diesen Ort zwar nicht heilig, stellt jedoch durch David heraus, dass dort das ‚Haus Gottes‘ (1Chr 22,1) stehen soll und lässt Salomo an dieser Stelle dann das ‚Haus des Allerheiligsten‘ (2Chr 3,8) bauen. In der durch die Ähnlichkeit der Darstellung begründeten Nähe zu Josua und mittelbar auch zu Mose ergibt sich eine Lesart, die David in die Tradition der zwei wichtigsten Protagonisten der Wüstenzeit und Landnahme stellt.143 Dabei kann, die Einheitlichkeit von Jos 5,13–15 vorausgesetzt, davon ausgegangen werden, dass mit dieser Szene Josua bewusst an Mose angeglichen wurde. Die neueren Einsichten Blums und Krauses helfen dabei, die Szene nicht mehr als Fragment, sondern als redaktionellen Einschub zu verstehen, der mit Jos 5,2–9 auf einer Ebene liegt. Sie führen damit über Bieberstein hinaus, der dieses Stück noch nicht zuzuordnen wusste. So überzeugend jedoch der fragmentarische Charakter der Szene von Krause zurückgewiesen wurde, so sehr muss weiterhin mit einer entscheidenden Spannung gerechnet und hermeneutisch umgegangen werden: Die Antwort des Boten ist keine relevante Antwort auf die Frage Josuas – im Rahmen dessen, was Josua (und mit ihm der Leser) hätte erwarten können. Das bedeutet, die Antwort des himmlischen Heerführers lenkt ab – sie lenkt das Ohr, wie wir gesehen haben, auf Ex 3,5. Sie ruft damit jedoch nicht nur die Assoziation wach, dass Josua sich in der Begegnung mit dem Göttlichen an einem heiligen Ort befindet, sondern sie zeigt auch, dass Josua vom Göttlichen in gleicher Weise angeredet und beauftragt wird wie Mose. Das ist nicht unwichtig, denn der Satz: „Zieh deine Sandalen von deinen Füßen, denn der Ort, auf dem du stehst, ist heiliger Boden“ ist der erste Sprechakt überhaupt, den Gott an Mose richtet. Insofern ist die mehr in den Intertext als in den Kotext verweisende Antwort auf die Frage in Jos 5,14 ein auf Jos 1 folgendes, zweites Initium, das die nun bevorstehende Landnahme nach dem Durchzug durch den Jordan und aller Vorbereitungen als die notwendige Folge des Exodus einleitet. Dieses Initium ist jedoch nicht nur durch den folgenden Beginn des Eroberungszuges motiviert, sondern schon durch die Frage Josuas provoziert: מה אדני מדבר אל־עבדו. Die erstmalige Selbstbezeichnung Josuas ist in zweifacher Weise diaphan. Sie lenkt den Blick zum einen zurück nach Jos 1, wo bei der Beauftragung Josuas nur von Mose als göttlichem Knecht die Rede war, und lässt nun Josua selbst in diesen Status eintreten. Wenn er aus diesem Gestus die Frage stellt, was „mein Herr“ nun seinem Knecht zu sagen habe, dann kann es kein Zufall sein, dass dieser eben genau das wiederholt, was er Josuas Vorgänger, seinem ersten Knecht, zuerst befohlen hat: „Zieh deine Schuhe von deinen Füßen, denn der Ort, auf dem du stehst, ist heiliger Boden.“ Diese Figuration einer latenten Identität findet nun in literarischer wie in literargeschichtlicher Perspektive eine Fortsetzung in 1Chr 21, wobei die Programmatik einen neuen Schwerpunkt erhält. Der Chronist legt mehr Wert auf die Auffindung des heiligen Ortes und die Gründung des Tempelkultes als auf den Status des עבד, den er für David
143 Dass David in die Tradition von Mose und Josua gestellt wird, ist eine Kernbeobachtung dieser Arbeit. Auch die „latente Identität“ zu Abraham spielt eine nicht unwesentliche Rolle. Besonders wichtig ist weiterhin die parallele Stilisierung der Übergabe der Amtsgeschäfte von Mose an Josua und von David an Salomo. Vgl. die Darstellung im ersten Hauptteil.
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7. Kult-Ort
ohnehin voraussetzt. Daraus ergibt sich, dass die jeweilige Bezugnahme zwar deutlich erkennbar, im Hinblick auf ihren Kotext jedoch nur in schwacher thematischer Übereinstimmung ist. Die Heiligkeit des Ortes, die in der Szene am Dornenbusch vorgegeben ist, spielt, wie häufig beobachtet wurde, in Jos 5 eine zu vernachlässigende Rolle. Die wörtliche Entsprechung in Ex 3,5 und Jos 5,15 ist durch die Herstellung einer latenten Identität zwischen Mose und Josua begründet. Das Zitat ist hier funktional aufzufassen. Ähnlich verhält es sich mit der Bezugnahme auf das Motiv in 1Chr 21. Hier wird der in 2Sam 24 ins Spiel gebrachte מאלךzu einem מאלך יהוהprofiliert, der zum einen in der Tradition von Ex 12 als Verderber inszeniert wird, zum anderen jedoch in der Linie von Gen 22; (28) und Ex 3 die Entdeckung eines heiligen Ortes begleitet. Die stärkste Parallele besteht dabei zu Jos 5. Ex 3, Jos 5 und 1Chr 21 bilden dabei insofern eine logische Abfolge, als sie jeweils am Beginn des Exodus, der Landnahme und des Tempelbaus eingefügt sind. Die Verweislinie nach Gen 22, die mit einem Umweg über 2Chr 3 ebenfalls über die Stichworte von מאלך יהוהund מקוםläuft, verlegt dabei den Ort des Tempels nicht nur in die Patriarchenzeit, sondern expressis verbis nach Morija und damit zu Abraham. Das ist insofern besonders hervorzuheben, als 1Chr 22,1 demgegenüber eine deutliche Anspielung auf die Bethel-Episode in Gen 28 darstellt und David unmissverständlich klarstellen lässt, dass eben dies das Haus Gottes sei. Wichtig ist dabei die von Blum vorgeschlagene Datierung von Jos 5,13–15. Sie rückt diese Szene und damit auch die Identifizierung von Mose und Josua in eine vor-chronistische Abfassungszeit, wenn sie nicht sogar aus dem gleichen Diskurs geboren ist wie die Identifikation von David mit Josua und Mose, bzw. Abraham. Entscheidend ist, dass das mythische Programm einer latenten Identität zur Legitimation einer bestimmten religionspolitischen Linie sich gleichermaßen in einer aus der Tora herausführenden, späten theokratischen Bearbeitung des Josuabuches und in der Chronik vollzieht, wobei diese Entwicklung in der Chronik deutlich auf die Legitimation Jerusalems als einzige von Gott autorisierte Kultstätte verweist, der Ort nicht nur von einem מלאך יהוהgewiesen, sondern auch in einem rechtmäßigen Vertragsschluss und einem umfänglichen Sühneritual zur unbezweifelbaren Kultstätte gemacht werden soll. Mit Blick auf den größeren Kontext der schriftstellerischen Tätigkeit zeigt sich also, dass in der Chronik ein entscheidender Fluchtpunkt der von Achenbach entwickelten theokratischen Bearbeitung liegt144, die in 1Chr 21 nicht mehr als Bearbeitung, sondern poietisch tätig wird und die gesamte Geschichte von 2Sam 24 neu verfasst. Abschließend noch eine Bemerkung zur intertextuellen Bedeutung der Erzählung von Bileams Eselin, insbesondere Num 22,22 ff.31 ff, die, wie schon Bieberstein erkannt hat145, unbedingt in diesen Kontext gehört: Während die Verbindung zu Jos 5 und mithin auch zu Ex 3 eher hiero-topographischer Natur war, ergibt sich aus der Eselinnen-Perikope das formgeschichtliche Vergleichsmoment der Metanoia. Dazu muss man sich den Ablauf der Umkehrszenen vor Augen führen, der auf identischen integralen Pfeilern ruht. Es ergeben sich jedoch Unterschiede, da Num 22 als Komödie, 1Chr 21 als Tragödie stilisiert ist:
144 Vgl. Achenbachs Zuweisung von Jos 5,13–15 zu ThB. 145 S. o.
423
7.1 Texturen: 1Chr 21 Szene
Num 22
Handeln wider den gött lichen Willen
Bileam geht mit den Fürsten Ein שטןverleitet David zur Moabs. (V. 21) Musterung des Volkes (V. 1).
Feststellung des Vergehens
Gottes Zorn (V. 22)
Schuldbekenntnis
1Chr 21
Joab konstatiert eine אשמה (V. 3). David wendet sich an Gott (V. 8)
Intervention
Gott sendet einen מלאך, der Bileam als Widersacher ()שטן in den Weg tritt. (V. 23)
Gad überbringt David drei Optionen göttlicher Strafe: 3 Jahre Hunger, 3 Monate Krieg, 3 Tage Pest (V. 11 f).
Strafe
Bileam wird zum blinden Seher gemacht: Ein göttlicher Bote stellt sich ihm mit gezückten Schwert ()חרף שלופה in den Weg. Bileam sieht den Boten nicht, seine Eselin jedoch sieht ihn. Auch hier findet sich das Motiv der dreifachen Strafe: 1 Die Eselin läuft vom Weg aufs Feld. 2 Die Eselin läuft auf einem Hohlweg zwischen zwei Mauern und klemmt Bileam den Fuß ein. 3 Die Eselin bricht unter Bileam zusammen. (V. 24–31)
Gott schlägt ( )נכהIsrael. Eine Pest tötet 70.000 Menschen. David erblickt den göttlichen Boten mit gezücktem Schwert ( )חרף שלופהund ausgestreckter Hand ()יד נטויה. (V. 16)
Demutsgeste
( ויׁשתחו לאפיוV. 31)
( ויׁשתחו לדויד אפים ארצהV. 21)
Umkehr / Sündenbekenntnis
( אׁשובה לי; חטאתיV. 34)
( חטאתיV. 17)
Göttlicher Auftrag durch den .מלאך יהוה
Bileam soll seinen Weg fortsetzen, jedoch nur noch die Worte Gottes künden (V. 35) Segen statt Fluch
David soll zur Tenne Ornans hinaufgehen und einen Altar errichten (V. 18). Opfer und Antwort JHWHs
Knoppers hat folgenden Plot für 1Chr 21 ermittelt: „wrongdoing, confession, intercession, renewed obedience, and divine blessing.“146 Nachdem der Chronist zuvor nahezu alle negativ konnotierten Episoden aus dem Leben Davids getilgt hat, macht er diesen laut Knoppers zu einem archetypischen Sünder und Büßer: „[t]he image of David as the model of a repentant sinner is a constituent element in the Chronicler’s depiction of David. The David of the census story is a person of confession and supplication par excellence, a human sinner who repents, seeks forgiveness, intercedes on behalf of his people, and ultimately secures the site of the future temple.“147 146 Knoppers 1995, 454. 147 Ebd., 469.
424
7. Kult-Ort
Achenbach, der die Eselin-Episode mit dem PentRed in Verbindung bringt und demnach an den Beginn des 4. Jahrhunderts datiert, hat auf diverse Querverbindungen der Episode hingewiesen. Dabei bringt er mit Blick auf Gen 16 und Gen 22 den Gedanken ein, dass der Auftritt des מלאךdurch das Genre einer Versuchungsgeschichte motiviert sein könnte.148 Noch wichtiger jedoch sei die Verbindung zu Sach 3, wonach „alle Prophetie durch die Verkündigung der Mosetora am Tempel begrenzt“149 sei. Eine vollständige Klärung der Bezüge ist an dieser Stelle nicht zu leisten. Es wird jedenfalls deutlich, dass die Eselin-Episode in mehr als nur einem Bezugswort mit 1Chr 21 übereinstimmt und beide Texte im Kern das Ziel der Umkehr der Protagonisten mit ähnlichen Mitteln erzielen. Die offene Frage, die an dieser Stelle die nur skizzenhaften Erwägung einer komplementären Lesart bleibt, ist, ob sich angesichts der parallelen Struktur an der Sichtweise festhalten lässt, dass Davids Vergehen einfach nur Teil der „Chronicler’s idealization“150 ist, die den König als exemplarischen Büßer vorführt. Eine Antwort hierauf ist der Erforschung der Nachgeschichte beider Figuren aufgegeben.
Bleiben wir zunächst bei der Deutung der Verbindungslinie zwischen Ex 3 und Jos 5 und 1Chr 21:151 Der Fokus der Narrative liegt jeweils auf der Auffindung eines heiligen Ortes ()מקום, wobei sich zeigt, dass der Chronist eine regelrechte Maqôm-Theologie entwickelt.152 Gerade über die Scharnierstelle von 1Chr 21 und 2Chr 3 ergibt sich das Gesamtbild der מקום-Theologie. Diese wird nun durch die Bezüge zu Ex 3 und Jos 5 in eine Sukzession gestellt. Genau wie Mose und Josua durch ein engelhaftes Wesen auf einen heiligen Ort aufmerksam gemacht werden, kommt auch David durch einen Engel an einen solchen Ort. In der Darstellung der Chronik ist dabei auffällig, dass der Mal’ak JHWH eine deutlich prominentere Rolle als in der Vorlage spielt und außerdem das Stichwort מקוםerst vom Chronisten eingeführt wird. Im intratextuellen Verweissystem von 1Chr 13–16; 1Chr 21 und 2Chr 3 kommt die מקום-Theologie zur vollen Entfaltung.153 Sie dient der Begründung und Legitimation Jerusalems als dem von Gott erwählten und daher heiligen Ort. Bezeichnenderweise sind diese zwei Kapitel in 2Sam 24 und 1Kön 6 vollkommen unverbunden. Erst der Chronist stellt zwischen der Auffindung der Tenne und dem Ort des Tempels eine Verbindung her.154 Während 148 Vgl. Achenbach 2003, 405. 149 Ebd. 150 Knoppers 1995, 470. 151 מלאך יהוהGen 16,7.9–11; 22,11.15; Ex 3,2; Num 22,22–27.31–32.34–35; Ri 2,1.4; 5,23; 6,11–12.21–22; 13,3.13.15–18.20–21; 2Sam 24,16; 1Kön 19,7; 2Kön 1,3.15; 19,35; 1Chr 21,12.15– 16.18.30; Ps 34,8; 35,5–6; Jes 37,36; Hag 1,13; Sach 1,11–12; 3,1.5–6; 12,8; Mal 2,7; Mal’ak in der Chronik: 1 Chr. 21,12.15–16.18.20.27.30; 2Chr 32,21; 36,15–16. 152 Vgl. 1Chr 15,1.3; 16,27; 17,9; 21,22.25; 2Chr 3,1; 5,7–8; 6,20–21.26.40; 7,12.15; 34,24–25.27–28. 153 Dabei sei daran erinnert, dass der Chronist seine Maqôm-Theologie gerade auch durch Ergänzungen an wichtigen Schaltstellen ausarbeitet und über seine Vorlage hinaus pointiert. (vgl. 1Chr 15,1.3; 16,7; 1Chr 21,22.25; 2Chr 3,1; 2Chr 7,12.15). 154 Vgl. dazu den ausführlichen Rückbezug in 2Chr 3,1 auf 1Chr 21.
7.1 Texturen: 1Chr 21
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Mose also an einem heiligen Ort, dem Gottesberg, den Exodus einleitet, beginnt mit Josuas Engelsbegegnung an einem anderen, genauso heiligen Ort die Eroberung des Landes und damit der Eisodus. In dieser Linie bildet dann David den Abschluss, wenn er den nach chronistischer Lesart letztverbindlichen heiligen Ort in Jerusalem aufspürt.155 Die Sukzession von Mose zu Josua wird dabei vom Chronisten in der Sukzession von David zu Salomo abgebildet und über Salomo gleichzeitig eine narrative Klammer zu Abraham (Gen 22) hergestellt. Unser narrativer Zusammenhang lässt nicht lange auf eine explizite Erwähnung des Maqôm warten, der in V.22 als Zusatz eingefügt wird und der in 2Chr 3 den Namen Morija erhalten wird. Doch folgen wir zunächst dem Text. Eine weitere Übereinstimmung mit 1Chr 21,16 zeigt Rothstein mit Blick auf Ri 6,11 auf.156 Diesen Hinweis hat Willi weiter ausgearbeitet. Seiner Darstellung wollen wir mit Blick auf V.20 nachgehen. V.16b nimmt in seiner von der Vorlage abweichenden Gestaltung das Schema eines Trauerrituals an. David und die Ältesten157 sind in Trauerkleider ( )שקיםgekleidet. Damit entsteht eine regelrechte Antisituation zu 1Chr 15,27, wo David noch in einem Prachtkleid, einem Ephod, dargestellt war.158 Der Chronist stilisiert die Szene zu einem Schuldbekenntnis um, das nach dem Schema ABA'B' gestaltet ist. Knoppers schlägt unter Ausblendung des ersten Teils der wörtlichen Rede (V.17aαβ) eine chiastische Gliederung nach dem Schema ABB'A' vor,159 damit wird jedoch der Gesamtumfang des Sprechaktes als ein Vexierspiel der Selbstbeschuldigung Davids und Entschuldigung des Volkes zu stark beschnitten. Nur die Berücksichtigung des gesamten V.17 verdeutlicht, worum es hier geht: Die Übertragung der Schuld der Herde auf ihren Hirten.160 Diese Lesart setzt freilich eine Konjektur im Hinblick auf die Wendung והרע הרעותיvoraus: In MT stellt sie eine figura etymologica dar. Von 2Sam 24,17 her ist diese Wendung jedoch nicht gedeckt, da hier das Lexem עוהverwendet wird. In der Chronik ist vorerst eine Ergänzung 155 Vgl. 1Chr 22,1*: זה הוא בית יהוה האלהים. 156 Vgl. Rothstein z. St. 374. 157 Schon in 1Chr 15,25 spielen die Ältesten eine wichtige Rolle bei der Überführung der Lade. 158 Mit der Formulierung וחרבו שלופה בידו נטויה על־ירושלםliegt ebenfalls eine Antisituation zum Exodus-Motiv vor. Der Engel JHWHs streckt seine Hand gegen Jerusalem aus, während JHWH Israel mit ausgestreckter Hand aus der ägyptischen Sklaverei geführt hatte. Vgl. dazu auch Johnstone 1998, 135: „[W]heras in 1 Chron. 16.2 he [sc. David] acts as high-priest in the dual high-priestly roles of sacrifice and blessing, he is now debarred from access to the altar.“ Hier greift zudem die Vorstellung der Chronik als eines „Gegenentwurf[s]“ zu Ex-Dtn, den Willi (2012, 180) beschreibt, nur dass dieser, anders als Willi im Anschluss an Japhet konstatiert, nicht durch ein Exodus-Schweigen, sondern durch eine Exodus-Verkehrung evoziert wird. 159 Knoppers z. St. 160 Offen bleibt dabei, ob zum Ausdruck gebracht werden soll, dass das Volk von Beginn an keine Schuld getroffen hat und David damit nur zur Einsicht kommt, oder ob David hier in der Rolle eines stellvertretenden Schuldigen inszeniert wird.
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7. Kult-Ort
anzunehmen, die denselben Sachverhalt anders ausdrückt. Gegen diese Deutung stehen jedoch LXX und 4QSama, die an dieser Stelle m. E. den ursprünglichen Text konserviert haben. 4QSama bietet: וא]נ֯ כי הרעה הרעתי. Diese Variante ist auch durch die LXX-Vorlage (2Sam 24,17) gedeckt ἐγώ εἰμι ὁ ποιμὴν ἐκακοποίησα. Die Apocope des הlässt sich zudem leicht als Haplographie erklären. Auch inhaltlich vermisst der Leser in der Chronik ein Pendant, das er zu הצאןin Beziehung setzen kann. Dieses ist nun durch die Konjektur in Form des Hirten gegeben.161 Das durch Ersetzung eingebrachte Bekenntnis, Böses getan zu haben, stellt anaphorisch einen Bezug zu V.7 her, der ebenfalls durch Ersetzung ins Spiel gebracht wurde. Der Text weicht also mit einer inneren Kohäsion von seiner Vorlage ab. Die in der Chronik inszenierte Gebetssituation situiert David in vermittelnder Position zwischen Gott und Volk. Dies wird besonders durch zwei Ergänzungen sichtbar, die die Skalierung der Mittlerfunktion verdeutlichen. Die Feststellung der Schuldlosigkeit des Volkes wird zunächst um die Wendung יהוה אלהי ergänzt, womit in den Zusammenhang der Vorlage ein demütiger Gestus eingetragen wird. Dies korrespondiert szenisch mit der Demutsgeste Joabs gegenüber David: Die Chronik macht unmissverständlich die Rollen der einzelnen Figuren klar. In Korrelation zu der ‚JHWH-mein-Gott-Formulierung‘ setzt der Chronist die Wendung ובעמך לא למגפה. Damit wird durch die Figur Davids die Wendung Joabs aufgelöst, dass alle Einwohner gleichzeitig JHWHs Volk und Diener Davids seien (vgl. V.3). Aus diesem Bekenntnis, das dem Vergeltungstheorem des Tun-Ergehens-Zusammenhangs folgt, erwächst der Auftrag zum Bau des Altars, dessen Initiative mittels eines Zusatzes direkt auf JHWH selbst zurückgeführt wird, wodurch die juristische Konstellation des schuldigen David und unschuldigen Volkes um den sühnenden Gott ergänzt wird. Deshalb greift V.17a durch eine Ergänzung explizit den Straftatbestand auf162, während V.17b eine Schuldbegrenzung für das Volk hinzufügt. Hinsichtlich der Strafe ( )מגפהmuss dabei vor allem das Verhältnis zu Ex 30,11–16 berücksichtigt werden, da die Plage hier wahrscheinlich mit
161 Knoppers stellt in seinem Kommentar diese Konjektur zwar ebenfalls vor, entscheidet sich jedoch aus undurchsichtigem Grund nicht dafür, ihr zu folgen. Längst erkannt und hinreichend belegt (auch ohne den Einblick in 4QSama) hatte diese Möglichkeit Rothstein (z. St.). Auch Rudolph (z. St.) und Japhet haben gleichermaßen konjiziert. Japhet erklärt, anders als zunächst augenscheinlich, die Ersetzung in umgekehrter Richtung. Die Wendung העויתיsei „deutlich eine spätere Entwicklung, Ersetzung eines Ausdrucks ‚ich habe gesündigt‘ durch einen anderen.“ Japhet rechnet mit folgender Entwicklung העויתי < הרע הרעותי < הרעה הרעותיund weist gleichzeitig darauf hin, dass damit der Fall gegeben sei, dass „Chr ein älteres Stadium der Textüberlieferung bewahrt hat als 2Sam MT“ (Japhet z. St.). 162 Von V.17a her wird damit auch unmissverständlich klar, worauf die zwei deiktischen Ausdrücke ( )הדבר הזהin V.7 f weisen. Nicht die Exemption der Stämme Levi und Benjamin konstituieren hier den Straftatbestand, sondern die Zählung überhaupt. Anders sind Davids Schuldbekenntnis, der Altarbau, die dargebrachten Opfer und auch die Antwort Gottes nicht zu verstehen. Dies wird bei der Betrachtung von 1Chr 27,24 zu berücksichtigen sein.
427
7.1 Texturen: 1Chr 21
Blick auf den dort eingeführten Umgehungstatbestand als Ergänzung integriert wurde.163 Das Bußgebet ist nun wie folgt aufgebaut: הלא אני אמרתי למנות בעם ואני־הוא אשר־חטאתי והרע[ה] הרעותי ואלה הצאן מה עשו יהוה ֱאלהי תהי נא ידך בי ובבית אבי ובעמך לא למגפה׃
A – Schuldbekenntnis B – Schuldabweisung A' – Bitte um Sühne B' – Bitte um Schuldbegrenzung
Funktional entspricht die Einfügung dieses Gebets der als „Flucht nach vorn“ charakterisierten Anschuldigung Davids durch Joab, mit der Volkszählung ein kultisches Vergehen begangen zu haben. Was durch seinen General schon von Anbeginn deutlich war, erkennt David nun angesichts des über Jerusalem waltenden Pestengels.164 Die Antwort auf Davids Gebet, das dieser direkt an Gott gewendet hatte, erfolgt dann in einiger Umständlichkeit. Während in 2Sam 24 Gad David direkt den Auftrag zum Bau eines Altars gibt, können wir in V.18 beobachten, dass sich durch einen Zusatz erstens die Befehlskette Bote JHWHs – Gad – David ergibt und zweitens durch eine Ersetzung eine stilistische Anpassung in Form des Agenswechsels vorgenommen werden muss. In beiden Fällen jedoch kommt David dem göttlichen Befehl kompromisslos nach, wobei die Ersetzung in V.19 ( )אשר דבר בשם יהוה < כאשר צוה יהוהdie Verlängerung der Befehlskette abbildet, also einen Reflex auf die Hinzufügung in V.18 darstellt. In V.20 f begegnet uns der enigmatische Hinweis auf vier versteckte Kinder. Dieser lässt sich erklären, wenn man für Engel König konjiziert, was im Hebräischen leicht möglich und von der LXX gedeckt ist. 1Chr 21 MT
2Sam 24 MT
4QSama
וישב ארנן וירא את־המלאך
וישקף ארונה וירא את־המלך
]ויש ֯ק ֯ף ארנא [וירא ]את המלך דויד
20
l
וארבעת בניו עמו מתחבאים וארנן דש חטים׃
21
l
ואת ארבעת בניו עמו מתחבאים] בשקים ]וארנא דש חטי ֯ם
2Sam 24 LXX
1Chr 21 LXX
καὶ διέκυψεν Ορνα καὶ εἶδεν τὸν βασιλέα
καὶ ἐπέστρεψεν Ορνα καὶ εἶδεν τὸν βασιλέα
21
καὶ τέσσαρες υἱοὶ αὐτοῦ μετ᾽ αὐτοῦ μεθαχαβιν καὶ Ορνα ἦν ἀλοῶν πυρούς
163 Dazu s. u. 164 Nicht unwichtig ist Davids Bitte, die Schuld nicht nur an ihm, sondern an seinem ganzen Haus festzumachen. Von 1Chr 17 her war ja das Haus Davids konkret wie metaphorisch mit dem Bau des Hauses JHWHs verbunden worden, weshalb durch eine Vergeltungsstrafe an David nicht nur seine Dynastie, sondern auch der Bau des Tempels in Gefahr ist.
428
7. Kult-Ort ויבא21 דויד עד־ארנן ויבט ארנן וירא את־דויד ואת־עבדיו עברים עליו ויצא מן־הגרן וישתחו לדויד אפים ארצה׃
καὶ ἦλθεν Δαυιδ πρὸς Ορναν
ויבא [דויד עד] [ארנא
l
ויצא ארונה וישתחו למלך אפיו ארצה׃
ו֯ ירא ֯א[ת המלך ועבדיו עברים אליו מתכסים בשקים באים אליו ויצא ארנא ]וישתחו לדו֯ י[ד על אפיו ארצה
21
καὶ τοὺς παῖδας αὐτοῦ παραπορευομένους ἐπάνω αὐτοῦ καὶ ἐξῆλθεν Ορνα καὶ προσεκύνησεν τῷ βασιλεῖ ἐπὶ πρόσωπον αὐτοῦ ἐπὶ τὴν γῆν
καὶ Ορνα ἐξῆλθεν ἐκ τῆς ἅλω καὶ προσεκύνησεν τῷ Δαυιδ τῷ προσώπῳ ἐπὶ τὴν γῆν
Ganz deutlich geht aus dem Vergleich der Textzeugen hervor, dass Ornan in 1Chr 21,20MT den König und nicht den Mal’ak erblickt. Dabei handelt es sich um einen Abschreibfehler mit Blick auf die Prädominanz des Mal’ak. Da er jedoch in keinem weiteren Zeugen belegt ist, muss zu מלךkonjiziert werden.165 Dass der Chronist Ornan nicht gerne zum König „herabblicken“ sah, wird durch die Ersetzung ( )שוב < שקףzum Ausdruck gebracht.166 Mit dieser Ersetzung ergibt sich weiterhin, dass שקף, wie Ahlström bemerkt hat, „in der Regel nur von Gottheiten und königlichen Personen gebraucht“167 wird. Die Bearbeitung kann also auf einer Linie mit der Tilgung in V.23 gelesen werden, wo das Königsattribut Araunas einschließlich dessen Segenshandlung getilgt werden. Ursprünglich ist wohl die Lesart, dass es sich um Kinder des Königs handelte, wobei die Vierzahl eine spätere Ergänzung darstellt, die entweder von 4QSama ins Spiel gebracht wurde oder hier bereits einen Reflex auf 1Chr 21 darstellt. Mit dieser Konjektur stellt sich dann die Frage nach den vier Kindern neu. Mosis168 hat dazu ins Feld geführt, dass tatsächlich Davids Kinder gemeint sein
165 Vgl. z. B. Galling (z. St.), Mosis 1973, 114 und neuerdings wieder Klein (z. St.); dagegen leugnet Rudolph (z. St.) grundsätzlich die Parallelität von 2Sam 24,20 und 1Chr 21,20 und schlägt daher die Beibehaltung von מלאךgegen LXX (und, was ihm noch nicht bekannt war, gegen 4QSama) vor. Willi (1972, 157) ist dieser unplausiblen Deutung gefolgt, wobei er eigenartiger Weise an der Parallelität von 2Sam 24,20 und 1Chr 21,20 festhält. Becker (z. St.) hält den Text in 1Chr 21,20LXX für eine nachträgliche Angleichung an 2Sam 24, ohne seine Entscheidung näher zu erläutern. Da der Bote bei der Begegnung zwischen David und Ornan jedoch keine Rolle spielt und die Szene ihre Spannung gerade von dessen Hintergründigkeit erhält, ist eher die von MT gebotene Variante begründungspflichtig. 166 Damit wird auch die Assoziation mit der verächtlich auf den König herabblickenden Michal unmöglich (vgl. 2Sam 6,16; 1Chr 15,29). 167 Ahlström 1961, 118. 168 Mosis 1973, 114 f.
7.1 Texturen: 1Chr 21
429
könnten, was mit Blick auf 2Sam 24,20 möglich scheint.169 Er verweist dabei auf 1Chr 14,3–7, wo 13 Söhne Davids genannt werden, jedoch gerade der vierte Sohn Salomo ist. Folgt man Mosis, ist damit zu rechnen, dass der Chronist an dieser Stelle bereits subtil die Gegenwart Salomos eingeschrieben hat, wofür zumindest auch die in der LXX zu findende Ergänzung in 2Sam 24,25* spricht. Es heißt hier: „Und Salomo erweiterte letztlich den Altar, denn zuerst war er klein.“170 Im Hinblick auf die Bezugnahme des Chronisten zur Tora ist diese Erwähnung keinesfalls unwichtig, denn in 2Chr 3 werden wir sehen, wie sich in der Fortsetzung des Narrativs unter Salomo die Einflüsse der Tora auf die Fundierung dieses Kultortes weiter verdichten. Salomo wird hier nicht nur an diesem Ort mit dem Tempelbau beginnen, sondern den Kultort vor dem Hintergrund von 1Chr 21 mit Morija identifizieren, dem Ort, an dem einst Abraham Isaak opfern sollte. Die Identität des Ortes wird also weiterhin durch einen Rückgriff auf die Tora, nämlich auf Gen 22, ausgewiesen.171 Besonders stark tritt in 4QSama der zum Bußritual gehörige Sack in den Vordergrund, der mittels Hinzufügung insgesamt drei Mal ins Spiel gebracht wird (vgl. V.16.20). 4QSama geht damit literarisch einen in theologischer Hinsicht kaum überschätzbaren Eigenweg, da hier bildlich gesprochen alle Menschen in Davids Umgebung im Sack stecken: seine Ältesten, seine Kinder, seine Diener. Nur einer trägt keinen Sack – David. Insofern stellt also 4QSama, wo ja ebenfalls der Aufweis des Straftatbestandes in der Parallele zu 1Chr 21,17a (Hinzufügung) fehlt, im Hinblick auf die Schuldzuweisung eine Zwischenposition zwischen 2Sam 24 und 1Chr 21 dar. In 1Chr 21 stecken David und die Ältesten im Trauergewand und nur in 1Chr 21 wird expressis verbis die Sünde Davids und die darauffolgende Pest mit der Volkszählung in Verbindung gebracht, was durch die Gebetsanrede akzentuiert wird. Damit korrespondiert, dass in 1Chr 21 offenbar eine größere Distanz zwischen David und der Gottheit als in 2Sam 24 angezeigt werden sollte. In 2Sam 24 spricht David zu JHWH, in 1Chr 21 spricht David zu Elohim. Die Deutung des Weizendreschens in V.20b ist (auch textkritisch) ausgesprochen schwierig, da er in einem zweifachen Verweissystem steht. Zum einen verweist er anaphorisch auf 2Sam 24,15aLXX (καὶ ἡμέραι θερισμοῦ), der sowohl in SamMT als auch in ChrMT ausgefallen ist. Zum anderen verweist die Ergänzung auf 1Chr 21,23MT, wo der Weizen zum Speisopfer gebraucht wird. Weiterhin verweist die Tätigkeit auch auf Ri 6,11–24.172 Allerdings sind die Bezüge weniger eng, als
169 Die Beobachtung geht, wie Mosis selbst anführt, eigentlich schon auf Galling zurück. (vgl. Mosis 1973, 115, Anm. 106). 170 καὶ προσέθηκεν Σαλωμων ἐπὶ τὸ θυσιαστήριον ἐπ᾽ ἐσχάτῳ ὅτι μικρὸν ἦν ἐν πρώτοις. 171 Zur Systematik des Morija-Motivs s. u. 172 vgl. Rothstein z. St.; vor allem aber Willi 1972, 157.
430
7. Kult-Ort
Willi behauptet.173 In beiden Szenen tritt der Mal’ak JHWHs auf. Während er jedoch in 1Chr 21 zwischen Himmel und Erde schwebt und Schwert bzw. Pest ins Land bringt, sitzt er in Ri 6,11 unter einer Terebinthe. Eine starke Übereinstimmung besteht darin, dass in beiden Texten der Mal’ak seiner Zielperson erscheint, während diese Weizen drischt. Dass Gideon diesen mit אדניanspricht, hat dabei eine sequenzielle Parallele in Jos 5,14. Insgesamt zeigen sich zwar Spuren der Ähnlichkeit zwischen Ri 6,11–24, jedoch sind diese deutlich geringer als bspw. die Übereinstimmungen zwischen Jos 5,13–15 und 1Chr 21. Ein theologischer Mehrwert ergibt sich erneut aus der Hermeneutik der Differenz. Während zunächst die Annahme des Opfers durch Gott in der Feuermotivik übereinstimmt, ergreift Gideon anders als David Furcht, da dieser nach eigener Aussage מלאך יהוה פנים אל־ פניםgesehen habe, womit er zwar immer noch hinter Mose zurückbleibt, jedoch nicht weniger Furcht verspürt. Auch nach Gen 32,31; Ex 33,11 und Dtn 34,10 besteht hier also offensichtlich kein hermeneutisches Problem, da der מלאךeben nicht JHWH selbst ist. Das ist gerade deshalb wichtig, weil die Vorstellung, dass der Anblick des Engels JHWHs, hier mit Stab statt Schwert, nicht zum Tode führt, sich in 1Chr 21 offensichtlich schon so sehr etabliert hat, dass weder David noch Ornan danach fragen, wenngleich ein Rest von Gefahr durch das Verstecken der Söhne Davids zum Ausdruck kommt. Aus dem Kotext heraus ergibt sich der Sinn des Weizendreschens am ehesten von 1Chr 21,23 her, wo der Chronist durch Ornan die 174 מנחהhinzufügt und damit seine priesterliche Perspektive einträgt, die die מנחהzusammen mit einer עלהfordert.175 Problematisch ist jedoch, wie schon 173 Die Entsprechung zwischen 2Sam 24,20, 1Chr 21,20 bzw. Ri 6,22 in der Formulierung וירא ist auf Grund der textkritischen Erwägung, mit der auch מלאךzu מלךkonjiziert wird, zurückzuweisen. Auch zwischen וישבin 1Chr 21,20a und אשבin Ri 6,18 gibt es keine Entsprechung. Ganz im Gegenteil gehen die Formen ja auf unterschiedliche Wurzeln zurück, wie nicht nur die Masoreten (– אשב )וישבbezeugen sondern auch die LXX (ἐπέστρεψεν – καθίομαι) attestiert. Diese Einwände tuen der Sache zwar nur teilweise einen Abbruch, jedoch lösen sich von Ri 6,11–24 keinesfalls „[a]lle Knoten der chronistischen Darstellung“ (Willi, 1972, 157). Was bleibt, sind 1.) Die Begegnung mit dem מלאך יהוה, 2.) Die Situation des Weizendreschens (allerdings in unterschiedlicher Terminologie: חבט חטיםin Ri 6,11 und דש חטיםin 1Chr 20), 3.) In beiden Szenen wird ein Opfer dargebracht, das vom Feuer verzehrt wird, 4.) In beiden Szenen wird ein Altar gebaut, wobei der Unterschied besteht, dass David zuerst einen Altar baut und dann opfert, wohingegen es bei Gideon genau umgekehrt abläuft. – Ein Vergleich der beiden Stellen müsste, anders als Willi suggeriert, deutlicher gerade auf die Unterschiede, die zwischen beiden Erzählungen bestehen, eingehen. Eine deutliche Differenz besteht z. B. darin. dass Gideon mit dem Engel kommunizieren kann, während dieser in 1Chr 21 immer den Umweg über den Propheten nimmt. Anderseits erkennt David schon zu Beginn, also von der Ankündigung der Strafe her, dass er es mit dem Mal’ak JHWH zu tun hat, während Gideon seiner erst am Ende der Szene gewahr wird (vgl. Ri 6,22). 174 Vgl. dazu im Überblick immer noch Rendtorff 1967, 67–73.169–198. 175 עלהund מנחהwerden in der Verbindung zuerst in Ex 40,29 dargebracht. Sie gelten hier, wie Rendtorff (1967, 172) dargestellt hat, „sachlich verfrüht“ als „die von JHWH angeordneten Altaropfer“ (vgl. Ebd.). Vgl. zur Verbindung von Brand- und Speiseopfern auch Albertz 1997, 493. l
7.1 Texturen: 1Chr 21
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Rendtorff hervorgehoben hat, dass die Umsetzung der Mincha ausbleibt: „In V.26 werden bei der Ausführung des Opfers entsprechend der Vorlage […] ʿolot und schelamim genannt, während von der mincha keine Rede mehr ist.“176 Letztlich ist der Hinweis auf den weizendreschenden Ornan zumindest auch ein Anhaltspunkt dafür, dass die Hungersnot nicht über das Land gekommen ist. Einen Höhepunkt der Torarezeption in diesem Kapitel findet sich in V.22. Zunächst gerät dabei die unscheinbare Ergänzung des Ortes in den Blick. Wie wir bereits gesehen haben, kann diese Perikope von V.16 her vor dem Hintergrund von Jos 5 und Ex 3 gelesen und damit literarisch als eine kultische Ortsätiologie gedeutet werden. Es ist auch von einer Maqôm-Theologie die Rede gewesen, die sich in der Chronik gerade durch den Bearbeitungstyp der Ergänzung immer wieder zeigt, so z. B. in 1Chr 15 und 2Chr 3, wo einerseits die Überführung der Lade nach Jerusalem, andererseits der Beginn des Tempelbaus durch Salomo beschrieben werden. Wiederkehrend scheint der Maqôm an prominenten Stellen in der Chronik auf. An dieser Stelle jedoch scheint er nicht nur auf, sondern weist geradezu diaphan in die Tora nach Dtn 12, einem wichtigen Schlüsseltext der Kultzentralisation, und vor allem nach Gen 22, also in die Abrahamgeschichte. Dieser Spur müssen wir folgen. Mit der nächsten Ergänzung ist ein Schlüsselmoment für die Torarezeption in dieser Perikope gegeben, insofern sich David mit folgenden Worten an Ornan wendet: „Gib mir den Ort der Tenne … für volles Geld!“ ( ) תנה־לי מקום הגרן … בכסף מלא. Dies unternimmt er zum einen im Horizont des Vertragsrechtes, um die Gültigkeit der Übergabe unbestreitbar zu machen und einen unveräußerlichen Rechtsanspruch auf diesen Ort zu begründen. Dabei stimmt David im literarischen Horizont dieser Aufforderung, die nur zwei Mal in der Hebräischen Bibel anklingt, zum anderen genau mit Abraham überein, der in Gen 23 die Höhle Machpela als Grablege erwirbt.177 In Gen 23,9 formuliert Abraham exakt dieselben Worte, als es darum geht, gegenüber dem Hethiter Efron die Erwerbsabsicht für eine Begräbnisstätte seiner Sippe zu äußern. Es heißt: „ויתן־לי “ את־מערת המכפלה אשר־לו אשר בקצה שדהו בכסף מלא יתננה לי בתוככם לאחזת־קבר. Die in der Chronik anklingende Wendung muss nun gerade vor dem Hintergrund von 2Sam 24 ausgelegt werden. Auch hier erwirbt David die Tenne schließlich rechtsgültig.178 Daran kann dem Chronisten also nichts mehr gelegen haben. Ins Auge 176 Rendtorff 1967, 175. 177 Vgl. Westermann z. St., 458. 178 Schenker (1982, 13) hebt dabei für 1Chr 21 hervor, was analog auch für Gen 23 Geltung hat, dass das Land jeweils von einem Fremden, Jebusiter bzw. Hethiter, erworben wird und damit der Kaufvorgang nicht nur rechtsgültig, sondern auch unumkehrbar ist. „Bei einem Israeliten wäre dies nicht möglich gewesen, da israelitischer Grundbesitz grundsätzlich nicht aus der Familie hinaus veräussert werden durfte, und falls dies unter dem Druck der Verhältnisse doch hatte geschehen müssen, so lag auf dem veräusserten Grundstück das Servitut des Rückkaufrechtes der Familie, die vermöge dieses Rechtes das Grundstück jederzeit wieder auslösen und an sich zurückbringen durfte.“ (Ebd. 13).
432
7. Kult-Ort
fällt zunächst die Erhöhung des Kaufpreises um den Faktor zwölf. Damit wird die Tenne nicht nur im Verhältnis zu 2Sam 24,24 erheblich wertvoller, sondern auch vor dem Hintergrund des Kaufpreises der Höhle Machpela, die Abraham für 400 Schekel Silber erworben hatte (Gen 23,16). Die Verdichtungsarbeit bzw. das Aufzeigen des Deutungspotenzials der Abraham-Figur lässt sich mit Blumenberg als „Arbeit am Mythos“ auffassen: zum einen durch den Rückgriff auf die Abraham-Figur als „Präfiguration“,179 zum anderen, aus der Perspektive Davids beschrieben, durch die Herstellung mythischer Bedeutsamkeit in Form einer „latenten Identität“180. Die Deutung drängt sich umso mehr auf, als die Wendung sowohl in V.22 als auch V.24 verwendet und vom Chronisten jeweils als Ergänzung eingesetzt wird. Der Abwehrgestus Ornans, David die Tenne nicht für Geld, sondern als Geschenk zu überlassen, ist deshalb auch nicht nur auf den immer noch anwesenden Engel zurückzuführen, wie Dion gezeigt 179 Vgl. dazu das von Blumenberg als selbständige Monographie herausgegebene Kapitel „Präfiguration“ aus „Arbeit am Mythos“. Blumenberg 2014. Vgl. dazu auch die folgende Anmerkung. 180 Vgl. zum Begriff Blumenberg 1979, 80. Sowohl mit dem Wirkungsmittel der „Präfiguration“ als auch mit dem Wirkungsmittel der Herstellung einer „latenten Identität“ wird Blumenberg zufolge an der Bedeutsamkeit gearbeitet (vgl. Ders. 1979, 80). Dabei arbeitet die Bedeutsamkeit selbst mit denselben Mitteln, mit denen an ihr gearbeitet wird. Bedeutsamkeit, so könnte man im Anschluss an Blumenbergs Mythosprogramm sagen, kann nicht hergestellt werden, sondern ist immer schon Arbeit an Bedeutsamkeit. Blumenberg, der den Begriff der Bedeutsamkeit in Auseinandersetzung mit Dilthey und Rothacker entwickelt, schreibt: „Bedeutsamkeit gehört zu den Begriffen, die sich erläutern, aber nicht im strikten Sinne definieren lassen.“ (Ebd. 78). […] Die Ausstattung mit Bedeutsamkeit ist ein der Willkür entzogener Vorgang.“ (Ebd.) Vergleichbar sei sie mit den von Goethe und Burckhardt ins Spiel gebrachten „geprägten Form[en]“. Bedeutsamkeit arbeite die Prägnanz der Formen durch die Zeit heraus und sei dabei eine Technik, die gleichermaßen gegen die Indifferenz wie gegen die Evidenz anarbeite. Im mythischen Sinne diene sie der „Vermehrung der Sichtbarkeit des Potentials“ (Ebd. 79). Vor diesem Hintergrund müssen im vorliegenden Text zwei Aspekte beachtet werden: 1) Abraham wird nicht direkt erwähnt. Dieser Sachverhalt erzeugt eine Spannung zwischen den Figuren Abraham und David, die bei jedem Leseakt aufs Neue zum Vergleich zwischen beiden Figuren auffordert und anzeigt, dass der Sinn dieses Textes sich erst im Moment der Übertragung konkretisiert. Demnach ist kaum vorstellbar, dass die Chronik je als eine von der Tora unabhängige Schriftrolle konzipiert wurde und ohne diese tradiert werden konnte. 2) Die Davidfigur in 1Chr 21 hat Anteil an einer zweifachen Unterscheidung a) David wird nur punktuell an Abraham angeglichen, unterscheidet sich jedoch im überwiegenden Teil der Narration von diesem. Erst bei der Entdeckung des מקוםwird David an Abraham angeglichen. b) David unterscheidet sich nicht nur von Abraham, sondern auch von der David-Figur der Vorlage. Auch hier gilt, dass diese Unterscheidung bisweilen so subtil ist, dass eine Existenz der Chronik ohne deren Vorlage im Sinne einer Ablösungstheorie nicht vorstellbar ist. Diese Überlegungen führen auf eine Hermeneutik der Differenz, die nicht nur danach fragen muss, wieviel der Vorlage in der Abschrift „steckt“ oder wie hoch der Anteil eines Textes in einem anderen ist, sondern worin bei allen Ähnlichkeiten die spezifischen Unterschiede bestehen, die darauf drängen, dass die Texte nur noch in einer komplementären, das bedeutet spannungsvollen und nicht auf eine Synthese drängenden, Lesart ihren vollen Sinn entfalten.
7.1 Texturen: 1Chr 21
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hat.181 Der Topos ist aus der Vorlage übernommen, wo vom Engel (zumindest in MT) keine Spur ist, und analog zur Antwort Efrons in Gen 23,11 gestaltet.182 Die Herstellung der latenten Identität zwischen Abraham und David ist an dieser Stelle kaum zu überschätzen: Sie leitet die Dignität des Jerusalemer Tempels, genauer gesagt des Ortes des Jerusalemer Tempels von dem Versprechen Gottes an Abraham her, diesem unveräußerlich das Land zu geben (vgl. Gen 12,7). Der besondere Fokus liegt dabei schon hier auf dem in Gen 22 genannten מקום, wie 2Chr 3,1 im Anschluss deutlich machen wird. Die besondere Bedeutung Abrahams für die chronistischen Diskurse zeigt sich dabei nicht nur in der identifizierenden Einführung in 1Chr 1,27, wo eigens die Umbenennung Abrams in Abraham wiederholt wird, sondern vor allem in 2Chr 20,7, wo Abraham als jemand betitelt wird, der Gott liebt ()אהב.183 Die Anteile an Abraham, die bei der Stilisierung der chronistischen David-Figur gemacht werden, sind also eine Fortsetzung der mit Abraham verbundenen Landansprüche in Form einer anderen Figur und im Hinblick auf die zeitgenössischen Diskurse der Chronik zugleich der Versuch, Jerusalem als Kultort mit der Durchsetzungskraft der abrahamitischen Erwählungs- und Verheißungsgeschichte zu begründen. Besonders auffällig ist, dass in diesem Kontext durch einen Zusatz das Speiseopfer eingeführt wird. In 2Sam 24 wird das Speiseopfer nicht erwähnt. „Der Zusatz entspricht aber“ – wie schon Rothstein erkannt hat – „der im Priestergesetz festgelegten Ordnung, daß zu jedem Brandopfer auch ein Speisopfer gehört, vgl. Num 15,1 ff. (als Ergänzung zu Lev 1 ff.); ferner Num 28 f., auch Ez 45,22 ff.; 181 Vgl. Dion 1985, 115. 182 Da in beiden Fällen lediglich die Verben לקחund נתןverwendet werden, ist die genaue Konnotation des Vorgangs nur schwer zu erheben. Auffällig ist jedoch, dass Efron Abraham mit נתתי לךantwortet, während Ornan David קח־לךentgegnet. Damit sind die Übertragungshandlungen durch die Vertauschung der semantischen Rollen kontrastiert. Was David von Ornan erbeten hat, möge er sich nehmen. Was dieser freiwillig, also ohne Aufforderung zu geben hat, ist dann wieder durch נתתי, bzw. הכל נתתיgekennzeichnet. 183 Vgl. auch Jes 41,8. Kratz (2009, 115–136) hat diesen Titel in biblischen und außerbiblischen Texten untersucht und bspw. mit Blick auf CD 3, 2–3 hervorgehoben, dass die Qualifikation als אהבsich dort aus der Gesetzesobservanz Abrahams generiert (Ebd. 116). Der Titel, der auch in Jub 19,9; 30,20–21 belegt ist, wird dabei auf andere Figuren übertragen und jeweils mit einer Passage aus Gen (Gen 15; 17) verbunden: „Beide Schriftbezüge, auf Gen 15 und 17, sollen besagen, daß der ‚Freund Gottes‘ einer ist, der zu den Gerechten zählt und den Bund, d. h. die Gebote Gottes, gehalten hat und darum auch eine eschatologische Zukunft hat.“ (Ebd. 117). Kratz zeigt dabei präzise auf, dass das Lexem אהבim Sinne einer aktiven Liebe zu JHWH „ausschließlich im Kontext der Gesetzesparänese belegt“ (Ebd. 123) ist. Insbesondere die Landgabe an Abraham, so Kratz, wird mit durch die Vorstellung legitimiert, dass dieser Gottes אהבsei. Dies ergebe sich daraus, dass in Chr die Formulierung des Spendertextes, Jes 41,8, mit den Konzeptionen der Landbesitzverheißung aus Gen 15; 17 kombiniert werde (Ebd. 121). Das Motiv der vom שמע-Israel geforderten JHWH-Liebe ist ausführlich von Achenbach (1991, 88–104) aufgearbeitet worden. Den Zusammenhang zwischen dem menschlichen Herzen und den Bedingungen der Tora-Rezeption untersucht Krüger 1997, 65–92.
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7. Kult-Ort
46,4 ff.“184 In diesem Zusammenhang ist noch auf eine letzte Aufnahme der Tora hinzuweisen. Die Hinzufügung in V.26 kann als eine direkte Aufnahme von Lev 9,23 f verstanden werden. Hier heißt es zur Darbringung der ersten Opfer in Israel: Und Mose und Aaron gingen in das Zelt der Begegnung und kamen wieder heraus und segneten das Volk. Und die Herrlichkeit JHWHs erschien dem ganzen Volk. 24 Und Feuer ging aus von JHWH und verzehrte das Brandopfer und die Fettstücke auf dem Altar. Und das ganze Volk sah es, und sie jubelten und fielen nieder auf ihr Angesicht. 23
Diese unverkennbare Anspielung führt die Assoziation der Davidfigur nun weit über die Abrahamtypologie und erst recht über den Kontext von 2Sam 24 hinaus, indem David in eine Linie mit Mose und dem Hohenpriester Aaron gestellt wird. Der durch David begründete Altar wird über die Analogie des Initiationsrituals dem Altar in Lev 9, der sich gemäß dem chronistischen Narrativ gerade in Gibeon befindet, gleichgestellt.185 Eigentümlich ist dabei, dass der Chronist, der in V.3 durch die Figur Joabs den Straftatbestand der אשמהins Feld geführt hatte, die entsprechende Sühneleistung durch ein Ascham-Opfer nicht wieder aufgreift, was mit Blick auf Lev 4 leicht möglich gewesen wäre. Dies korrespondiert einerseits damit, dass die Volkszählung in Levitikus gar nicht als Schuld-Bestand aufgeführt ist und andererseits mit der These Rendtorffs, dass der Chronist neben der Hin 184 Rothstein z. St. 185 Einzublenden ist an dieser Stelle, dass ebenfalls eine unverkennbare Parallele mit 1Kön 18,38 besteht. Dort beantwortet Gott das Opfer Elias, der sich mit 450 Baalspropheten misst. Während deren Opfer unerhört bleibt, wendet sich JHWH dem Opfer Elias zu ותפל אש־יהוה ותאכל את־העלה ואת־העצים ואת־האבנים ואת־העפר ואת־המים אשר־בתעלה לחכהund fordert seine Gegner zum Bekenntnis יהוה הוא האלהים יהוה הוא האלהיםheraus. Mit der Ähnlichkeit ergibt sich jedoch eine entscheidende Abweichung, deren Tiefenschärfe vor allem Schenker (2015, 219–229) durch einen Vergleich mit der LXX herausgearbeitet hat. In MT, so Schenker (Ebd., 224), werde nicht nur das Opfer Elias, sondern gleich der gesamte Altar verzehrt. Im Anschluss an das Ritual gebe es demgemäß keinen Altar mehr auf dem Karmel. Demgegenüber werden die Altarsteine in der altgriechischen Version nur trockengeleckt, sodass der Altar dort bestehen bleibe. Damit würde in dieser Version der Altar auf dem Karmel erst begründet (Ebd. 226). Schenker resümiert, dass die Erzählung der LXX wohl der ursprünglichen Fassung im Sinne einer generischen Auslegung des Zentralisationsgebots entspricht. Während MT eine Revision darstellt, die auf eine Auslegung des Zentralisationsgebots zurückzuführen sei, nach der nur dieses „numerisch“ und nicht „generisch“ verstanden würde. Allein ein numerisches Verständnis des Zentralisationsgebotes, führe dazu, dass der Altar auf dem Karmel zerstört werden müsse. Setzt man diese Entwicklung voraus, schärft sich auch das Profil der chronistischen Übereinstimmung mit 1Kön 18,38. Während das Altar-Initiationsritual genau nach demselben Muster wie in Lev 9 und 1Chr 21 verläuft, besteht die differentia specifica gerade darin, dass in 1Kön 18,38 die Initiation bereits mit der Aufhebung koinzidiert. Dabei bietet auch die Version der LXX keine Parallele mehr zur Chronik, dergemäß zwar der initiierte Altar in 1Kön 18,38 bestehen bleibt, jedoch mit der von der Chronik vertretenen numerischen Rezeption des Zentralisationsgebotes, die in Jerusalem und nur in Jerusalem den legitimen מקוםsieht, nicht mehr zu vereinbaren ist.
7.1 Texturen: 1Chr 21
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wendung zur Tora immer auch eine große Treue gegenüber seiner Vorlage walten lässt.186 עלות ושלמיםmüssen dem Chronisten also als Sühneleistung ausgereicht haben. Mit der Mal’ak-Motivik trägt der Chronist dabei einen von der אשמהin V.3 ausgehenden Diskurs um Schuld und Sühne ein, wobei wir über die Verbindung von Schwert, Pest und Hunger einen Zusammenhang nicht nur mit Lev 4, sondern auch mit Lev 26 aufgespürt haben. Es gilt in jedem Fall für unsere Stelle genau das, was Hieke für Lev 26 resümiert hat: „Die göttliche Strafaktion ist nie maßlos oder unbegründet, sondern immer eine notwendige Reaktion auf menschliches Fehlverhalten. Damit wird die sittliche Entscheidung und Verantwortung der Menschen in vollem Maße ernst genommen.“187 So ist es dramaturgisch wohl akzentuiert, dass der Mal’ak genau in dem Augenblick sein Schwert zurück in die Scheide steckt, in dem JHWH das dargebrachte Brandopfer akzeptiert hat. Damit ist das göttliche Verhältnis zum Ende hin restituiert. Von der Prädominanz des Mal’ak her erklärt sich die in 1Chr 21,27 mittels Ersetzung umstrukturierte Rahmenhandlung. „Das Opfer auf dem gemäß dem Befehl JHWHs erworbenen „Ort“ […] bewirkt“ dabei, wie Mosis richtig gesehen hat, „nicht mehr, daß der Plage in Israel Einhalt geboten wird […], sondern ruft die Antwort JHWHs hervor, die den „Ort“ als ständigen Heiligtumsort und als Ort eines von David einzurichtenden regelmäßigen Opfergottesdienstes […] bestätigt“.188 Besonders wichtig ist dabei die im Samueltext der LXX eingebrachte Glosse, dass es sich bei Davids Altar zunächst um einen kleinen Altar handelte, der später von Salomo vergrößert wurde. Diese Bemerkung, die allein im griechischen Text einen Zusammenhang zwischen der Tenne und dem salomonischen Tempel herstellt, hat bemerkenswerterweise in der Chronik keinen Niederschlag gefunden, wo der Zusammenhang von 1Chr 21 und 2Chr 3 ja gegeben ist. Dazu passt die Beobachtung, dass Salomo in 2Chr 4,1 einen weiteren Altar baut, der mit dem davidischen in keinerlei Zusammenhang zu stehen scheint. Es zeigen sich also in der Verhältnisbestimmung von 2Sam 24 und 1Chr 21 allein durch die kontextuelle Einbettung der Texte deutliche Differenzen. Während in 2Sam 24 – am Ende der Regierung Davids – das Vergehen Davids dominiert und eine eher unbedeutende Ätiologie für das Bestehen eines Altars auf der Tenne Araunas gegeben wird, stellt 1Chr 21 diese Geschichte deutlicher an den Anfang des Wirkens Davids und macht diesen regelrecht zum Begründer des israelischen Kultes. In der synoptischen Betrachtung haben wir nachvollziehen können, wie sich dabei das Einwirken der Tora subtil auf die Textkonstitution ausgewirkt hat, die sich mit Blick auf die Abrahamtypologie nicht nur an einzelnen Stellen
186 Die Formel עלות ושלמיםwird ohnehin selten verwendet (Ri 20,26; 21,4; 2Sam 24,25; 1Kön 9,25; 1Chr 16,1; 21,26). 187 Hieke z. St., 1080. 188 Mosis 1973, 116.
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manifestiert, sondern den gesamten Aufbau der chronistischen Daviderzählung durchzieht. An dieser Stelle drängt sich die Frage nach der Beurteilung der Verse 28–30 auf. Auffällig ist sicher der Neueinsatz in V.28 mit בעת ההיאsowie die Wiederholung dieses Ausdrucks in V.29. In temporal-deiktischer Hinsicht ist damit der Abschluss dieses Kapitels zumindest überbestimmt. Ob die Zäsur jedoch hinreichend stark ist, einen Bruch zu behaupten, ist zweifelhaft. Es ist öfter behauptet worden, dass das Opfern Davids in V.28b eigentlich zu spät kommt. Dabei stellt sich jedoch die Frage, ob durch die Phrase ויזבח שםüberhaupt ein aktiver bzw. erneuter Opfervorgang ausgedrückt wird, oder ob dieser nicht vielmehr eine resümierende Perspektive gibt. Immerhin ist diesem Opfern ja die Antwort JHWHs in V.28a vorangestellt, woraus sich im Hinblick auf V.26 eine chiastische Anordnung ergibt: A David baut einen Altar und opfert darauf. B JHWH antwortet auf das Opfer mit Feuer vom Himmel. C JHWH gibt seinem Mal’ak den Befehl, das seit V.16 gezückte Schwert wegzustecken. B' Der Erzähler resümiert die Antwort JHWHs A' als Erwiderung des davidischen Opfers.
In dieser Lesart kommt durch die vorgezogene Antwort das Opfer also nicht zu spät. Die Frage ist nur, ob dieser Vers inhaltlich dem vorangegangenen Narrativ noch etwas hinzufügt und insofern einen textuellen Zusammenhang bildet, bzw. einen sinnvollen Abschluss der Narration darstellt. Genau diese Perspektive ergibt sich jedoch mit Blick auf die Gesamtdarstellung nicht. V.27 stellte insofern den logischen Abschluss dar, als durch die symbolische Handlung des מלאךnicht nur die Situation von V.16, sondern auch die gesamte Motivik von Schuld, Strafe und Sühne eingeholt worden ist. Dadurch ergibt sich für den auf diese Weise entsühnten David nun eine neue Perspektive, die in 1Chr 22,1 ausgeführt wird: David, der sich nicht mehr um sein Wohl und das seines Volkes sorgen muss, antwortet euphorisch auf die abgewendete Strafe, indem er nicht nur den neu entstandenen Altar feiert, sondern – die Leistung seines Sohnes antizipierend – durch die Deixis זה הואdas Haus Gottes als fait accompli preist, obwohl es noch gar nicht gebaut ist. 22,1 fungiert demnach als Scharnier, das den Abschluss der vorausgehenden Narration sowie den harmonischen Neuanfang der mit 22,2 einsetzenden bildet. David muss umgehend Nägel mit Köpfen machen, um das nunmehr dringend anstehende Bauvorhaben des בית האלהיםzu realisieren.189 V.28 stellt also kein angemessenes Ende dar. Seine Funktion besteht darin, einen bestimmten Ausschnitt 189 Angesichts der Belegstellen der בית האלהים, die bis auf drei Ausnahmen in die Chronik, bzw. zu Esra und Nehemia führen, ist die Erwähnung in Ri 18,31 auffällig. Dass die Chronik so etwas wie eine Fortsetzung des Hexateuchs darstellt und dabei die Richterzeit bewusst positiv konterkariert, war bereits deutlich geworden. Auch an dieser Stelle wird dies in Form einer gegen das von יהונתן בן־גרשם בן־מנשהverwaltete Schilo-Heiligtum gerichteten Polemik deutlich, die gleichzeitig eine pro-aaronidische Position ist.
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der Narration zu „vergrößern“. Der Blick soll zu V.26 zurückgelenkt werden, um eine erklärungsbedürftige Situation zu erläutern: David hatte in 1Chr 16,39 f den Mischkan einschließlich des Brandopferaltars nach Gibeon überführen lassen und hätte nun nach Verständnis des Chronisten dort opfern müssen. Den Hintergrund dafür bildet zweifelsohne die Durchsetzung der Kultzentralisation. Doch mehr als das. Nicht nur die Kultzentralisation spielt hier eine Rolle, da diese mit dem Auftrag zum Bau des Altars ja auch nach Jerusalem gelangt sein könnte; vielmehr ist es gerade die Verbindung eines Ortes mit dem von Mose errichteten Wüstenheiligtum, was die die Kultstätte auszeichnet. Der Chronist, der sich mit der Verlegung des אהל מועדnach Gibeon das Problem eingeschrieben hatte, eigentlich Jerusalem als einzige Kultstätte legitimieren zu wollen, steht also an dieser Stelle vor dem Problem, beide Linien miteinander in Beziehung bringen zu müssen. Die Problematik der Disparatheit nivelliert er durch die Furcht Davids vor dem Engel, die ihm gewissermaßen keine Wahl gelassen hatte. So plausibel die Erklärung im Detail ist, steht sie in einer Spannung zu 1Chr 21,18, wo der Befehl zur Errichtung des Altars in Jerusalem direkt durch JHWH ergangen war. Hier könnte man einwenden, dass zwar die Errichtung des Altars, nicht aber das Opfer geboten war. Dagegen muss jedoch bedacht werden, dass der Chronist offensichtlich den gesamten Vorgang des Errichtens und Opferns im Blick gehabt haben muss, da andernfalls mit Blick auf Lev 10 und Num 16 die Todesstrafe für David zu vollziehen gewesen wäre. An der Legitimität des davidischen Opfers kann also bis zum Abschluss der Geschichte kein Zweifel bestanden haben. Genau dieser Zweifel muss nun aber in der Rezeption dieses Textes aufgekommen sein. Der Zweifel muss dabei ein Reflex auf die Überführung des אהל מועדnach Gibeon sein, der zur Legitimierung des salomonischen Opfers als Interimslösung vor Bestimmung Jerusalems als einzig legitimer Kultstätte eingeschrieben worden war. Wir werden in V.28 f als Leser des „Endtextes“ nun Zeugen, wie diese Rechtfertigungsstrategie in ihre eigenen Aporien läuft. Ganz offenbar sollten diese dann sekundär behoben werden, wodurch eine Rechtfertigungsstrategie zu Gunsten der theologischen Grundposition nur eines legitimen Kultortes durchgesetzt und eine Verwirrung der soeben erzählten Geschichte billigend in Kauf genommen wurde. Während die Altar-Beschreibung Davids in 1Chr 22,1 singulär ist, mutet die Feststellung, dass dies das Haus der Gottheit JHWH sei, sehr eigentümlich an, da von einem Haus Gottes bisher nicht die Rede war. Der Leser ist jedoch sofort auf ein ähnliches ‚Haus-Gottes-Narrativ‘ verwiesen, das ebenfalls die Korrelation zwischen einem Ort und der Bezeichnung Haus bietet, ohne im eigentlichen Sinne von einem Haus zu erzählen. Dabei handelt es sich um die Bethel-Episode aus Gen 28. Wenn der Chronist hier durch David selbst so verfrüht vom Haus Gottes handelt, dann ist darin eine ‚Anti-Bethel-Polemik‘ zu erkennen, wie schon Rothstein190 bemerkt hat: „Und war es berechtigt, in 22,1 eine deutliche Polemik 190 Vgl. Rothstein z. St. Dieser Auffassung ist u. a. Rudolph (vgl. z. St.) gefolgt.
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7. Kult-Ort
gegen die kritischen Neuerungen der Samaritaner im Gebiete des alten Nordreichs erblicken und in der Formulierung der Aussage Davids dort eine deutliche Beziehung auf Gen 28,17 heraushören zu dürfen, so ist es sehr wohl möglich, daß auch die mit jenem Erlebnis Jakobs in der Überlieferung verknüpfte Engelerscheinung mit eingewirkt hat auf des Chronisten Entschluß, das Erlebnis Davids mit der eindrucksvollen Engelerscheinung zu verbinden.“191 Es ist jedoch mehr als ein Verbinden. Gegen die Jakob-Tradition hat der Chronist die Engelerscheinung nicht nur übernommen, sondern diese in die seines Erachtens legitime Reihe von Mose, Bileam und Josua gestellt. Dazu kommt, dass der Chronist in auffälliger Weise den Namen Jakob in seinem gesamten Werk unterdrückt und durch Israel ersetzt hat.192 Die einzige Ausnahme besteht in den durch die Psalmensynthese sekundär eingebrachten Erwähnungen Jakobs in 1Chr 16,13.17.193 Die Fortsetzung dieser Erzählung zeigt dann, wie hier bereits angedeutet wurde, welche besondere Rolle die Auffindung des Tempelplatzes in der Biographie Davids noch spielen wird. Schon vom nächsten Kapitel an wird er mit nichts anderem beschäftigt sein als der Vorbereitung des Tempelbaus. Dabei werden ihm genau wie in 1Chr 21 latent weitere Identitäten zugeschrieben, die sich vor allem im Umgang mit seinen Vertrauten ausdrücken. So erhält David in 1Chr 28 von Gott einen himmlischen Bauplan für das Heiligtum, ganz wie Mose einen Bauplan für das Wüstenzelt erhalten hat. David übergibt diesen an seinen Baumeister Salomo, ganz wie Mose den Bauplan an seinen Baumeister Bezalel übergeben hat und es ist nur eine Frage der Zeit, bis das Wüstenzelt, von dem wir in 1Chr 21 erfahren, dass es in Gibeon steht, in den Tempel gebracht werden wird, um dort die beiden Baupläne zur Deckung kommen zu lassen (2Chr 5,5). Und auch die Übergabe der Amtsgeschäfte von David an Salomo wird ganz deutlich nach der Übergabe der Amtsgeschäfte von Mose an Josua stilisiert, in deren Kontext sowohl Salomo als auch Josua ein Erfolg ihres Vorhabens verheißen wird, wenn sie sich nur strikt an die Tora halten. Wir sehen also in der Gesamtperspektive, dass die Tora hier so kraftvoll wirkt, dass sie nicht nur auf die Gestaltung der Figuren Einfluss hat, sondern auch durch diese wieder zu Sprache kommt. Für 1Chr 21 ist jedenfalls deutlich geworden, dass sich der Einfluss der Tora zunächst vor allem an den Ergänzungen ablesen lässt, die sich subtil auf die Neuformulierung der gesamten Perikope ausgewirkt haben. Damit wird deutlich, welche zentrale Rolle der Pentateuch bei der Umgestaltung der 191 Rothstein z. St., 385. 192 Auffällig ist schon 1Chr 2,1, wo mit Israel deutlich die Person Jakob und nicht etwa „ganz Israel“ o. ä. gemeint ist. Die Unterdrückung des Jakob-Namens überschreitet dabei mit Blick auf die LXX-Tradition möglicher Weise schon die von Teeter (2014, 22) benannte „transmission / reception boundary“. 193 Die Polemik von 1Chr 22,1 funktioniert genauso indirekt wie die in Dtn 34,10, die gegen Gen 32,31 behauptet, nur Mose habe JHWH von Angesicht zu Angesicht gesehen, womit Jakobs Aussage in Pnuel revidiert werden soll.
7.1 Texturen: 1Chr 21
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Episode von einer vergleichsweise unbedeutenden Kultätiologie (2Sam 24) ohne Nachwirkungen in den folgenden Narrationen zum zentralen Gründungsmoment des Jerusalemer Kultes gehabt hat.194 Bei der Neugestaltung der Episode fallen in gleichem Maße die Orientierung an Abraham wie auch die Tora-Konformität ins Auge. Gegenüber den Autoritäten des Erzvaters und des Mose erscheint der König als ein depotenzierter Herrscher, dessen Herrschaftslegitimation durch beide Figuren gleichermaßen restringiert wird. Zu jenem wird das Verhältnis als ein „In-Spuren-Gehen“195, zu diesem durch das Befolgen der Tora ausgedrückt.196
7.1.5 Entstehung und Funktion von 2Sam 24 und 1Chr 21: Zu einer These von H.-P. Mathys Im Anschluss an Stoebe wendet sich Mathys hinsichtlich 2Sam 21–24 gegen eine Umstellungshypothese und schließt sich der Auffassung an, dass dieser Abschnitt so etwas wie die Interpretation der ganzen Davidüberlieferung darstellt. Die Beobachtung stützt sich zum einen auf die chiastische Struktur der vier Kapitel, zum anderen jedoch auf die Beobachtung Gnuses, dass bspw. 2Sam 23,14–17 in Anlehnung an eine Episode aus dem Leben Alexanders und daher in der hellenistischen Zeit verfasst sein müsse.197 Mathys weist nun darauf hin, dass 2Sam 24 mit Texten wie 2Sam 8,8–12; 1Kön 7,51 (für ihn nach-dtr) sowie 1Chr 22; 28 f korrespondiere und „[m]it diesen Texten […] das Interesse am ‚kultischen‘ David“198 teile. Zu Recht verwirft Mathys dabei die These Dietrichs und Rupprechts, die Geschichte der Volkszählung von der Kultätiologie zu trennen – auch wenn klar erkennbar ist, dass die Reichweite der Kultätiologie von 2Sam 24 nach 1Chr 194 Dass 2Sam 24 funktional gerade nicht an 1Chr 21 heranreicht, zeigt der Vergleich von 2Chr 3 und 1Kön 6. Nur in 2Chr 3 wird die Volkszählungsepisode wieder aufgegriffen und damit der Zusammenhang von Morija, Altarbau durch David und Tempelbau durch Salomo verdichtet. 2Sam 24 bleibt dagegen eine blasse Kultätiologie, die die Begründungsfunktion für den Jerusalemer Tempel nicht tragen kann. Vgl. dazu auch Mosis (1973, 111 f), der diese funktionale Unterscheidung bereits klar beschrieben hat. 195 Die von Thomas Mann (1982, 189) geprägte Formel der mythischen Identifikation ist in anderer Form schon von Willi (1972, 168) aufgegriffen worden, der auf die Variante des „zitathaften Leben“ zu sprechen kommt. 196 Die Tendenz der antiproportionalen Bedeutungsverschiebung Davids gegenüber Abrahams und Moses’ ist von Römer (2015, 85–101.) ebenfalls im Rahmen des DtrG beschrieben worden. Wenn Römer dort konstatiert, dass Mose und Abraham im Pentateuch Davids Platz eingenommen haben und dessen „Platz und Funktion übernommen“ (ebd. 101) haben, könnte man sagen, dass die Chronik diesen Entmächtigungsakt im Sinne einer Angleichung Davids an Abraham und Moses sowie an das Königsgesetzt in Dtn 17 bestätigt. Man könne jedoch, wie Evans (2013, 65–80, hier 70), vollkommen zu Recht betont, nicht so weit gehen, David in einem negativen Licht zu sehen, da dieser immerhin ( איש האלהים2Chr 8,14) genannt werde. 197 Vgl. Gnuse 1998, 233–248. 198 Mathys 2007, 229–246. 231. l
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7. Kult-Ort
21 massiv ausgebaut wurde, was zum einen aus der haggadischen Legendenbildung um den Diskurs von Schuld, Schuldbekenntnis und Sühne, zum anderen an der Verknüpfung mit 2Chr 3 und damit dem Tempelbau zu erkennen ist. Die These Mathys’, der mit einer Abfassung von 2Sam 24 in der Perserzeit, jedoch noch vor 1Chr 21 rechnet, hat einige Plausibilität für sich. So überzeugt bspw. die historische Parallelisierung des Textes mit den persischen Heeresmusterungen, auf die ausführlich schon Achenbach hingewiesen hat.199 Auch in der Bestimmung des relativen Verhältnisses ist Mathys Recht zu geben. Sie verschafft den Ergebnissen der synoptischen Analyse Raum, die in 1Chr 21 nicht nur einen wesentlich elaborierteren, d. h. umfänglicheren, besser in den Nah- und Fernkontext der Chronik eingebundenen und stärker durch die Rezeption späterer Bearbeitungen des Pentateuchs beeinflussten Text sieht, sondern zugleich auch die Umkehr des Abhängigkeitsverhältnisses nicht plausibilisieren kann. In diesem Fall müsste nämlich nicht nur mit erheblichen Kürzungen, sondern auch im Hinblick auf die durch Salomo bebaute Kultstätte mit einer bewussten Dissimilierung gerechnet werden. Dass ausgehend von 2Sam 24 jedoch noch erheblicher Klärungsbedarf bestand, zeigt nicht nur 1Chr 21, sondern auch der in 2Sam 24,25LXX zu findende Nachtrag, dass es Salomo war, der den von David gebauten Altar später vergrößerte. Beachtenswert ist in diesem Zusammenhang auch die Einschätzung Mathys, dass in 2Sam 24 eine inhaltliche und literargeschichtliche Nähe zu Gen 14, einem der spätesten Texte des Pentateuchs, erkennbar werde.200 Das Argument gewinnt Mathys durch ein Festhalten an der MT-Lesart, die Arauna als König von Jerusalem ausweist.201 Dass eine Identifikation von Abram und David nicht von der Hand zu weisen ist, wird durch 1Chr 21, wie hier gezeigt wird, unmissverständlich deutlich. Mathys hält fest: „Gen 14 und 2Sam 24 gleichen sich deshalb so stark, weil sie in zeitlicher Nachbarschaft zueinander entstanden sind […]. In beiden Kapiteln geht es darum, daß Jerusalem den Israeliten (eigentlich schon seit Abram) gehört und dieser Anspruch auch anerkannt wird – und zwar von höchster Stelle: vom früheren König […].“202 Gegen diese Lesart ist jedoch einerseits die Konjektur Wellhausens anzuführen, der hier הכל נתנ עבד אדוני המלך למלךkonjiziert und sowohl einen Lesefehler ( ארונהfür )אדוניals auch den Ausfall von עבד
199 Vgl. Achenbach (2003, 473–479), der schon für die Musterungen des Numeribuches (Num 1; 26) eine Orientierung an den jährlich durchgeführten persischen Heeresmusterungen plausibel machen konnte: „Liest man Num 1 vor diesem Hintergrund, so gewinnt man den Eindruck, daß hier das große Heer des heiligen Volkes vor der Landnahme mit eigenen Farben und Vorstellungen dem Erscheinungsbild des großen Reichsheeres der persischen Zeit entgegen gestellt werden sollte.“ (Ebd. 478) 200 vgl. Mathys 2007, 243–246. 201 Ebd. 242. 202 Ebd., 245.
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angenommen hat.203 Allerdings wird diese Konjektur von keinem Textzeugen bestätigt. Die LXX bietet τὰ πάντα ἔδωκεν Ορνα τῷ βασιλεῖ καὶ εἶπεν Ορνα πρὸς τὸν βασιλέα κτλ. Zu erwägen wäre demnach, ob die Annäherung an Gen 14 durch die Apposition המלךggf. schon die chronistische Stilisierung Davids zu einem zweiten Abraham voraussetzt und diese Vorstellung in 2Sam 24,23 als eine post-chronistische Glosse eine Art zweiten Melchizedek einsetzen wollte. Der Umkehrversuch des Mathysschen Arguments soll jedoch die Zweifel darüber nicht verdecken, ob man wirklich mit einer derartigen Aufwertung eines Jebusiters rechnen kann. Das führt auf die Frage nach dem Ursprung Ornans. 1955 hat Rosén erwogen, den Namen ארונהaus dem Hethitischen abzuleiten. Die abweichende Lesart der Chronik will er vor dem Hintergrund einer ähnlichen Abweichung (Ὀροννᾶ) in Josephus ant. VII 329 für eine „déformation (phonetique)“204 halten. Der Ursprung sei in dem hethitischen Substantiv arawanni- zu suchen, das so viel wie „frei“ bedeute. Den vermeintlichen Widerspruch, dass Araunah in der Bibel als Jebusiter bezeichnet wird, löst Rosén dahingehend auf, dass „[l]e Jébuséen et le Hittite sont fréquentement mentionnés ensemble parmi les ‚aborigines‘ de Palestine“205. Die Betonung der Freiheit des Jebusiters sieht Rosén in der Figurenbenennung „der Freie“ zum Ausdruck gebracht und in dem rechtmäßigen Kauf der Tenne „et non par force du titre des droits du conquérant“206 realisiert. Nicht unwichtig ist dabei, dass Rosén mit dieser Deutung den Artikel (2Sam 24,16) erklären kann, der im Hebräischen nicht mit Eigennamen steht. Er zeigt ferner auf, dass sich aus dem hethitischen Rechtskodex des 15.–13. Jh. v. Chr. ebenfalls die Bedeutung „Aristokrat“ erschließen lasse, was der biblischen Darstellung Araunahs als König von Jerusalem nur in die Hand spielt. Gegen Rosén hat jedoch Wyatt ins Feld geführt, dass eher mit einer Herkunft des Namens aus dem Hurritischen zu rechnen sei. Dies begründet er zum einen mit der Stellung der ersten drei Konsonanten (’wr statt ’rw). Zweitens sei der Aufenthalt der Hurriter in Jerusalem historisch besser belegt als der der Hethiter. Wyatt deutet den Namen Araunah ferner nicht mehr als Eigennamen, sondern als ‚König‘. Die Apposition המלךsei in diesem Zusammenhang also als explikative Glosse aufzufassen.207 Wenn diese Herleitung zutrifft, wird man jedenfalls den Zusammenhang mit Gen 14, so verlockend er ist, nicht ohne Weiteres annehmen können.
Mathys votiert in Anlehnung an Achenbach für eine Abfassung von 2Sam 24 in der frühen und von 1Chr 21 in der späten Perserzeit. Bei Achenbach ist jedoch ganz klar, dass die Lagerordnung, die offenbar in 1Chr 21 vorausgesetzt ist, erst im Zuge der Ausbildung der Idee Israels als einer ekklesia militans auf der Ebene der Theokratischen Bearbeitung stattgefunden hat, die den Einbau des Heiligkeitsgesetzes in den Pentateuch schon voraussetzt und von ihm zeitlich nach 398 BCE angesetzt wird. Wenn also die Reflexe der Theokratischen Bearbeitung bereits in
203 Vgl. Wellhausen 1871, 221. 204 Rosén 1955, 318. 205 Rosén 1955, 318. 206 Rosén 1995, 319. 207 Vgl. Wyatt 1985, 40.
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7. Kult-Ort
2Sam 24 sichtbar werden sollen, ist nicht mit einer Abfassung vor der ersten Hälfte des 4. Jh. zu rechnen. Mit der Abfassung von 1Chr 21 kommt man damit unweigerlich in die Nähe der ptolemäischen Zeit. Die Erhebung eines regelmäßigen Zensus bleibt auch in der Ptolemäerzeit eine gängige Praxis. Die Zählungen der Ptolemäer dienten in erster Linie der Erhebung des jährlichen Steueraufkommens. Eine häufig wiederkehrende Steuer ist dabei die je und je wieder zu erhebende Salz-Steuer. Clarysse und Thompson haben zudem darauf hingewiesen, dass auch ein deutlicher militärischer Hintergrund der Zählungen erkennbar ist: „With four out of five texts now deriving from a military environment, it underlines the heavy military bias of our evidence for the practice of census declarations.“208 Dabei weist Clarysse darauf hin, dass im Falle des ptolemäischen Zensus die Exemption auf einen privilegierten Status und eine dementsprechend verminderte Steuerlast hinweist.209
7.2 Topoi 7.2.1 Das Motiv der Volkszählung Neben Umgestaltungen der Perikope in 2Sam 24 // 1Chr 21, die auf den Einfluss des Pentateuchs zurückzuführen und durch eine synoptische Analyse zu ermitteln waren, stellt sich nun in einem weiteren Kontext die Frage nach dem Topos der Volkszählung. In der Exegese ist immer wieder der Einfluss der folgenden Texte erwogen worden: Ex 30,11–16; 38,25 f; Num 1–3; 26; 1Chr 23; 27 sowie 2Chr 24. Im Zusammenhang mit der Musterung, die offenbar fester Bestandteil der Tempelverwaltung war, spielt die Musterungssteuer eine wichtige Rolle. Seit dem Verlust des Königtums wurde die Finanzierung des Tempels offenbar zum Pro blem, worauf die genannten Texte reagieren. Ganz offenbar spiegelt auch 2Chr 24 diesen Umstand. Lapp hat dabei die These vertreten, dass es in der PtolemäerZeit möglicherweise ein doppeltes Steuersystem gegeben habe, in dem neben dem Ptolemäer-Herrscher der Tempel ein eigenes Fiskalsystem eingerichtet hatte.210 Hinweise darauf liefert ihm der Umstand, dass bei Grabungen in Jerusalem und Ramat Rahel häufig zwei unterschiedliche Siegeltypen im selben Kontext aufgefunden wurden: zum einen ein jhd-ṭ-Siegel, zum anderen ein mit Pentagramm verziertes jršlm-Siegel.211 Beide Siegeltypen, die seiner Auffassung nach in die 208 Clarysse / Thompson 2002, 205. 209 Clarysse 1994, 75. 210 Vgl. Lapp 1963; Schaper (2000, 141–150) weist darauf hin, dass dieses Doppelsystem in Jehud auch schon unter der Achämenidenherrschaft etabliert wurde. Vgl. auch Niehr 2007, 143. 211 Vgl. Lapp 1963, 25 f. Lapp nimmt an, dass die jhd-ṭ-Siegel eine ähnliche Funktion wie die aus früherer Zeit bekannt lmlk-Siegel besessen haben. Dasselbe behauptet er auch für die
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Ptolemäerzeit zu datieren seien, seien als fiskalische Siegel verwendet worden. Während die jhd-ṭ-Siegel die Abgaben für den Ptolemäerkönig deklarierten, sei das jršlm-Siegel für die Tempelabgaben verwendet worden. Keel, der Lapps These aufnimmt, hebt hervor, dass die neue Art von Stempelabdrücken „die zunehmende Bedeutung des Jerusalemer Tempels für die Ökonomie und darüber hinaus“212 signalisiert.
7.2.1.1 Zusammenhang mit Ex 30,11–16 und Ex 38,25f Der Zusammenhang zwischen 1Chr 21 und Ex 30,11–16 ist in der Auslegung immer behauptet worden213, nur stellt sich die Frage, ob dieser überhaupt und wenn ja, worin genau er eigentlich besteht. Es lohnt sich, hier erneut einen Blick auf die Abhängigkeiten zu werfen. Josephus bringt Davids Volkszählung mit dem Versäumnis, den von Ex 30,11–16 geforderten Sühneschekel zu erheben, in Verbindung.214 Schenker hält dementsprechend fest, dass Ex 30,11–16 ein Referenztext ist, der den Hintergrund von 2Sam 24 bildet und als Erklärung für die negativen Folgen der Zählung dient: „Es wäre wohl auch für ihn [sc. David] möglich gewesen, durch eine ‚Sühne‘, d. h. durch die vorherige Bezahlung eines Preises, von JHWH die Vollmacht zu erwerben, die es ihm erlaubt hätte, sein Volk ungefährdet zu zählen, statt dieses JHWH zustehende Recht einfach an sich zu reissen.“215 Gerade diese Behauptung gilt es hier im Panorama der einschlägigen Volkszählungstexte zu überprüfen. Denn eins ist sicher: Ein unmittelbarer, d. h. wörtlicher oder referenzieller Bezug zwischen Ex 30,11–16 und 2Sam 24 resp. 1Chr 21 findet sich nicht. Dennoch ist die thematische Übereinstimmung der Volkszählung unverkennbar. Zunächst müssen also erneut die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen beiden Texten erhoben werden, bevor der Blick auf weitere Zählungstexte gelenkt wird:
mit einem Pentagramm verzierten jršlm-Siegel. Hinsichtlich der Frage nach ihrer Distinktion vertritt er die These, „that the two stamps were used to distinguish jars bearing taxes in kind for the Ptolemaic representative (with the official government symbol) and jars bearing taxes for the temple treasury at Jerusalem (with the high priest’s symbol).“ (Ebd. 34.) Lipschits und Vanderhooft klassifizieren das jhd-ṭ-Siegel als Typ 17 (vgl. Lipschits 2007, 30 f sowie Lipschits / Vanderhooft 2011, 657–757). Während sie in der früheren Veröffentlichung noch allgemeiner für eine hellenistische Datierung (3.–2. Jh.) votiert hatten (vgl. 2007, 30), tendieren sie nach einer umfassenden Auswertung der Befunde dazu, diesen Typus auf den Beginn der hasmonäischen Zeit zu datieren (vgl. 2011, 593–595). 212 Vgl. Keel 2007, 1147. 213 Vgl. schon Josephus (ant. VII 318). 214 Vgl. Josephus (ant. VII 318). 215 Schenker 1982, 18.
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A) Gemeinsamkeiten 1) Die Wurzel פקדfindet sich in beiden Texten. In Ex 30 ist sie jedoch prominenter als in 1Chr 21, wo sie nur in V.6 auftaucht. Dennoch darf nicht übersehen werden, dass V.6 sowohl per adiectionem eingefügt wurde, als auch, dass dieser Vers sehr eng mit Num 1–3 korrespondiert, wo dieses Etymon 48 Mal verwendet wird. Die konzeptuelle Übereinstimmung darf also an dieser Stelle vorausgesetzt werden. 2) In beiden Texten ist sowohl die kultische Dimension als auch die militärische dominant. Zwar wird in Ex 30 mit der Erhebung des Sühneschekels ( )כופרals Abgabeziel ausschließlich der Bereich des Tempels in den Blick genommen, sowohl in Ex 30,11–16 als auch in 1Chr 21//2Sam 24 steht aber auch die Vorstellung einer ekklesia militans im Hintergrund der Zählung. Vor dem Hintergrund der Zählung in 2Sam 24 zeigt sich jedoch in 1Chr 21, dass die Zählung unter Einbeziehung der Tora stärker theologisiert wird und ein deutlicheres kultisches Vorzeichen erhält. 3) Eine Verbindung der beiden Texte ist über den Verbalstamm ( נגףEx 30,12) gegeben, der sich vermittelt durch 2Sam 24,21.25 auch in 1Chr 21,17.22 in der nominalisierten Form מגפהfindet. 4) Evans weist auf die kontextuelle Gemeinsamkeit von Ex 30,11–16 und 1Chr 21 hin. In beiden Texten stehe die Errichtung des Heiligtums im Hintergrund: „This reference to the construction of the first sanctuary supports the thesis that the Chronicler had in mind the כפרlegislation of Exodus 30.“216 Dieser Kontext führt jedoch, abgesehen von der immer noch signifikanten Differenz von Zelt und Tempel, zu je unterschiedlichen Textstrategien. In Ex 30 geht es um die Einnahme finanzieller Mittel für die Arbeit am Heiligtum, während die Pointe von 1Chr 21 in der Festlegung des heiligen Ortes (in Jerusalem) liegt. B) Unterschiede 1) In Ex 30,12 wird die Musterung mit נשא את ראשbezeichnet. Diese Wendung findet sich auch in Num 1,2.49. (der Vers korrespondiert mit der Exemption Levis in 1Chr 21,6.); 4,2.22; 26,2; 31,26.49. In 1Chr 21,1.17 hingegen wird der aus der Vorlage 2Sam 24,1 übernommene Terminus מנהverwendet (vgl. Gen 13,16; Num 23,10; 1Chr 27,24; 2Chr 5,6). 2) In Ex 30,13 findet sich eine genaue Wertfestlegung: Ein Schekel hat den Wert von 20 Gera (vgl. auch Lev 27,25; Num 3,47; 18,16; Ez 45,12). Weder der כופר noch der שקל הקודשspielen in 1Chr 21 eine Rolle. Für Josephus führte das zwar zu der Interpretation, dass genau deshalb die Strafe erfolgte. Die Frage ist nur, warum dann eine Reflexion darüber ausgeblieben ist. Dennoch muss berücksichtigt werden, dass es in 2Chr 24 eine direkte Bezugnahme auf die von Mose
216 Evans 2013, 76.
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angeordnete Zahlung gibt und sich in 2Chr 31,10.12.14 ebenfalls ein Reflex auf das תרומה-Motiv findet. 3) In Ex 30,12 ist nicht ganz klar, auf welche Initiative hin das Volk gezählt wird. Es ist jedoch Gott als derjenige zu vermuten, der die Zählung hier immerhin autorisiert. In Num 1; 26 ist יהוהder Initiator, in 2Sam 24 ebenfalls (wenn auch unter negativen Vorzeichen), in 1Chr 21 initiiert ( שטןwohl vor dem Hintergrund einer kontrastiven Absetzung von Num 1; 26) die Zählung. Wenn außerdem in 1Chr 21 stillschweigend vorausgesetzt werden soll, dass die Unterlassung des Sühneschekels die Plage heraufführt, wäre dann in der Zählung der Leviten durch David ebenso präsupponiert worden, dass der Sühneschekel hier entrichtet wurde. Das Material ist hinsichtlich der Voraussetzung des Schekels jedoch nicht belastbar. 4) Die Musterung in 2Sam 24 // 1Chr 21 hat einen vordergründig militärischen Hintergrund, was aus dem Verweis auf die Schwert tragenden Männer hervorgeht. Demgegenüber hat die Zählung in Ex 30,11–16 einen vordergründig kultischen Hintergrund: die Erhebung der Tempelsteuer. Zwar werden Kult und Kriegswesen in beiden Perikopen nah aneinandergerückt, dennoch wird jeweils eine andere Stoßrichtung verfolgt. Im Kontext von 1Chr 21 ist dabei ein geradezu programmatischer Wechsel zu beobachten. Die Kriegszüge Davids werden bewusst in 1Chr 18–20, d. h. in unmittelbarem Anschluss an die Nathanverheißung (1Chr 17) und vor der Auffindung der Tempeltenne (1Chr 21) in einer Art textuellem „Kriegs-Containment“ zusammengedrängt und markieren als solche den Übergang von der Zeit des Krieges in die Zeit des Friedens. 5) Mit Blick auf die Absicht des Sühneschekels gerät die Arbeit am Zelt der Begegnung ( )עבדת אהל מועדin Ex 30,16 in den Blick. Der אהל מועדbefindet sich jedoch nach der davidischen Trennung von Lade und Zelt in Gibeon, während die Lade in Jerusalem steht. Insofern ist also mit einer direkten Rezeption von Ex 30,11–16 vor der Gründung der Kultstätte in und der Überführung des Zeltes nach Jerusalem nicht zu rechnen. Dazu kommt, dass Ex 30,11–16 laut Cassuto217 die für den Bau des אהל מועדbenötigten Geldmittel hervorbringt, der Chronist aber ein ausgesprochenes Interesse daran hat, dass David das Baumaterial „aus eigener Tasche“ (vgl. z. B. 1Chr 22) bezahlt.218 217 Cassuto 1967, 393. Dabei ist die Referenz des Ausdrucks עבדהumstritten. Er könnte sowohl auf die Errichtung des Zeltes als auch auf den daran verübten Gottesdienst referieren. Diese Alternative hat jüngst auch Albertz (2015, 240, Anm. 16) wieder aufgezeigt: „Die Septuaginta (kátergon ‚Lohnkosten‘) und Symmachus (érga ‚Werke‘) denken an das erstere, Aquilla und Theodotion an das letztere (doúleian ‚Dienst‘)“. 218 Dazu Mathys: „In den Chronikbüchern wird David zu einem Hauptfinancier des Tempels; er trägt nicht nur aus dem Krongut, sondern auch aus seiner Privatschatulle zu dessen Finanzierung bei (1Chr 22; 28 f.), darin einem hellenistischen Sponsoren vergleichbar. (Mathys 2007, 231, (Kursivdruck, L. M.)).
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Während damit deutlich wird, dass das Thema der Volkszählung in beiden Texten prominent ist und aus sakraler Perspektive beurteilt wird, unterscheiden sich Ex 30,11–16 und 1Chr 21 mit Blick auf den Anlass der Zählung: Die Tora ordnet vorrangig eine Zählung zur kultischen Steuererhebung an, wohingegen David eine militärische Musterung durchführen lässt. Über das Wortfeld נגףund פקד sind beide Texte dabei miteinander verbunden. Problematisch erscheint hier, dass פקדin der Übernahme von 2Sam 24 auch signifikant durch eine Ersetzung marginalisiert und damit die Gelegenheit einer deutlicheren Kennzeichnung des Verstoßes literarisch verspielt wird. Ebenfalls signifikant ist, dass weder der כופרnoch die mosaische Gesetzgebung überhaupt erwähnt werden. Dies hätte der Chronist jedoch, wie 2Chr 24 zeigt, ohne Weiteres leisten können. Die kontextuelle Abweichung von 2Sam 24 und 1Chr 21 zeigt, dass 1Chr 21 thematisch näher mit Ex 30,11–16 zusammenrückt. Während 2Sam 24, zumindest in seiner letzten kanonischen Stellung, eine Episode vom Ende des Lebens Davids darstellt, ähnelt die Position von 1Chr 21, wie Evans219 jüngst bekräftigt hat, derjenigen von Ex 30,11–16, insofern beide Texte eine Schlüsselstellung in der Vorbereitung des Heiligtums einnehmen. Auch inhaltlich wird durch die Tilgung der Anführer des Heeres (V.2) der militärische Hintergrund etwas abgeschwächt. Johnstone hält fest, dass letztlich die Frage offenbleibt, warum Davids Volkzählung eigentlich so anstößig war. Im Grunde schlägt er drei einander umfassende Erklärungen vor: „it can not, it need not, and it ought not to be held.“220 Vor dem Hintergrund von Dtn 1,11 sei ersichtlich, dass das Volk zu zahlreich sei, um gezählt werden zu können. 1Chr 18–20 habe zudem hinreichend deutlich gemacht, dass David sich der Treue seiner Kriegsleute nicht weiter zu versichern brauche. Aus 1Chr 21,3 gehe weiterhin ein theologischer Einwand hervor, der darauf ziele, dass das Volk nicht gezählt werden sollte. Es bleibt jedoch festzuhalten, dass der Aufweis des Unrechtstatbestandes höchstens indirekt aus der Figurenrede Joabs erschlossen werden könne.221 Johnstone (1997, 224) ist der Auffassung, dass „David incurs guilt particularly by his violation of the legislation on the muster of the people as laid down in Exod. 30.11–16.“ Er hebt hervor, dass seine Volkszählung im Grunde legitim ist, diese jedoch nach der verordneten Weise durchzuführen ist. 1Chr 21 sei dabei durch Schlüsselbegriffe mit Ex 30,11–16 verbunden. Johnstone stellt den Zusammenhang zunächst über die Wurzel פקדher: „The way of conducting a census of the people that is theologically appropriate is laid down in Exod. 30.11–16. The root pqd in the word ‚muster‘[…] now to becomes a key term in C, links C and Exod. 30.11–16 together.“222 In der Tat hat das פקד-Motiv vor dem Horizont eines Zusammenhanges von Zählung und Strafe einen stark korrelierenden Charakter für Ex 30 und 1Chr 21. Der Chronist 219 Evans 2013. Passim. 220 Johnstone 1998, 129. 221 Das Schema „need not, can not, ought not“ findet sich laut Johnstone ebenfalls in 1Chr 17 (vgl. Ders. 1998, 131). 222 Johnstone 1997, 227.
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führt dem Leser in einer Art Haggadah vor Augen, welche Konsequenzen sich aus einer unautorisierten Zählung ergeben und führt zu diesem Zweck den Pestengel als Strafe ein. In Verbindung mit dem נגף-Motiv wird der Pestengel dabei vor dem Hintergrund von Ex 30,11–16 zur personifizierten Strafe stilisiert. Dazu hat Evans feinsinnig bemerkt: „[I]f the כפרlegislation from Exodus 30 is in view in 1 Chronicles 21, the the result of violating the Mosaic legislation was to be a plague. Why then was David given a choice of three different judgements?“223 Demnach wäre die Korrelation an diesem Punkt insofern abgeschwächt, als die Plage scheinbar nicht die notwendige Strafe für die Volkszählung ist. Dennoch darf die erzählerische Strategie nicht unberücksichtigt bleiben, dass die gesamte Episode ihren Höhepunkt in der Plage hat. Die erzählerische Strategie, David vor die Wahl zu stellen, ist hier Ausdruck davon, dass David es selbst sein soll, der das Sündenbekenntnis formuliert und dementsprechend die „richtige“ Strafe auswählt. Letztlich ruht Beweislast der von Johnstone wiederbelebten These, dass 1Chr 21 in einem engen Zusammenhang mit der כפר-Gesetzgebung stehe, am stärksten auf der Schoresch פקד224. Dagegen hat Evans225 jedoch nachgewiesen, dass die unsystematische Übereinstimmung bzw. die durch eine Ersetzung teilweise zum Verschwinden gebrachte Schoresch פקדdas Gewicht der These Johnstones nicht tragen kann. Damit hat er vor allem deshalb Recht, weil Johnstone seine These nur unter Zuhilfenahme von 1Chr 27 und 2Chr 24226 stützen kann, womit gerade die spezifische Übereinstimmung sowie eigentliche Funktion von פקדin Ex 30 und 1Chr 21 vor dem Hintergrund des synoptischen Vergleichs mit 2Sam 24 nicht klar herausgearbeitet wird. Ein Zusammenhang zwischen 1Chr 21 und Ex 30,11–16 lässt sich jedoch gerade nicht über 2Chr 24 herstellen. Vielmehr muss man der Erzählung selbst Rechnung tragen und erklären, warum der Chronist hier die Textstrategie wählt, nicht explizit auf Ex 30,11–16 zu rekurrieren. „[I]n light of the Chronicler’s knowledge and expressed high valuation of Mosaic Torah, it is important to consider how the Chronicler’s knowledge and conception of Torah would have affected his reading of Samuel-Kings. More specifically, in light of the Chronicler’s evident knowledge of the כפרlegislation of Exod 30:11–16, is important to consider how this would have informed his interpretation of 2 Samuel 24.“227 Wenn Evans jedoch versucht, die Sünde Davids von 1Chr 13–15 zu beleuchten, geht er einen ähnlichen hermeneutischen Irrweg, da er das dort vorgebrachte Deutungsmuster (d. i. dass die Erklärung erst im Nachhinein vorgebracht wird) für die Sünde Ussas auf das Verhältnis von 1Chr 21 und 2Chr 24 übertragen will. Dabei bleibt jedoch unberücksichtigt, dass 1Chr 13–15(/16), nicht aber 1Chr 21 und 2Chr 24 einen Erzählzusammenhang bilden, womit die vorgeschlagene Systematik verworfen werden muss. Außerdem ist es fahrlässig, auf Grund der Tatsache, dass David in 1Chr 15,2 auf bestimmte Verordnungen aus der Tora rekurriert, anzunehmen, dass dieser selbstverständlich auch Ex 30,11–16 gekannt haben müsse. „David should have known better“228 ist eine Behauptung, die gerade nicht dem Umgang des Chronisten mit der Tora gerecht wird, sondern pau
223 Evans 2013, 74. 224 Vgl. Johnstone 1998, 131–135. 225 Evans 2013, 71 f. 226 Vgl. Johnstone 1998, 140. 227 Evans 2013, 73. 228 Ebd., 77.
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schal deren uneingeschränkte Gültigkeit und Anwendbarkeit voraussetzt. Wenn Evans vollmundig behauptet, dass „the Chronicler’s David knows the Torah“, muss – wie hier gezeigt wird – immer Rechnung getragen werden, dass sich davon nur wenige und fragmentarische Spuren finden, sich bisweilen Widersprüche zur Tora ergeben und keinesfalls sicher ist, welche Tora genau David (nach chronistischer Auffassung) kannte. Evans zeigt auf, dass der Chronist eine Strategie der Rechtfertigung von 70.000 Israeliten vor dem Hintergrund der Tora führt.229 Liver hat durch eine Inanspruchnahme Kaufmanns gegen Wellhausen argumentiert, dass bei der durch Wellhausen u. a. vorgenommenen (sekundären) Zuordnung von Ex 30,11–16 zum „Priestly Code“ zu berücksichtigen sei, „that many of the laws and regulations commonly assigned to the Priestly Code were formulated in much earlier times and are by no means to be understood against the background of the early Second Commonwealth.“230 Daraus ergibt sich für ihn eine Revisionsbedürftigkeit, deren volle Reichweite hier nicht mitvollzogen werden braucht, da sie für die Rezeptionsphänomene der Tora innerhalb der Chronik letztlich wenig austrägt. Dennoch bleiben einige Beobachtungen Livers erwähnenswert. So stellt dieser eine unmittelbare Verbindung zwischen 2Sam 24231 und Ex 30,11–16 her und leitet daraus die Wahrscheinlichkeit einer Frühdatierung ab.232 Näher beleuchtet er auch den Zusammenhang zwischen Ex 30,11–16 und 2Chr 24. Dabei stellt er den gegenwärtigen exegetischen Konsens zur Disposition, dass 2Chr 24,9 auf Ex 30,12 rekurriere. Überhaupt sei zu bezweifeln, dass die Chronik in irgendeiner Form auf die Abgabe des halben Schekels Bezug nehme.233 Einer Verbindung der Halb-Schekel-Abgabe mit der in Nehemia eingeführten Abgabe eines Drittschekels widerspricht Liver vehement. Weder sei mit unterschiedlichen Maßeinheiten zu rechnen, noch eine Konjektur an dieser Stelle zu rechtfertigen: „There is therefore, no reason to link the covenant regulation for a third of a shekel in itself, with the half-shekel tax paid by those numbered in the census.“234 Liver hält fest, dass „our earliest data about an annual sancutary offering of a fixed amount for each person is from the period following Hasmonean rule.“235 Liver ist der Auffassung, dass sich die jährliche Abgabe eines Schekels historisch erst in der Hasmonäerzeit durchgesetzt habe, die in der Tat für die Abfassung von Ex 30,11–16 nicht mehr in Frage kommt. Dabei zeigt er unter anderem mit Blick auf das erstmals von Allegro diskutierte Qumran-Fragment 4Q Ordinances, in dem sich eine Montage aus Ex 30,11 f; Ex 38,25–26; Dtn 23,25–26 und Ez 45,11 findet, dass sich die jährliche Abgabe bzw. die spätere jüdische Tempelsteuer unter Aufnahme von 229 Ebd., 66. 230 Liver 1963, 173–198. Zwar lehnt Liver die Urkundenhypothese gänzlich ab, positioniert sich mit seiner Einschätzung zu den priesterlichen Texten dennoch – gegen Wellhausen – auf der Seite Kaufmanns. (Ebd. Anm. 2.) 231 Wie nicht anders zu erwarten, hält er diesen Text ebenfalls für eine „early story“ (Ebd., 174.) 232 Liver 1963, 174. Da die genaue Verknüpfung der Texte hier ja grundsätzlich zur Disposition steht, ist es in diesem Zusammenhang besonders wichtig, eine These wie die von Mathys zu diskutieren, der 2Sam 24 (über einen Vergleich der Figurenkonstellation) in die Nähe von Gen 14,18–20 rückt und damit außerordentlich spät datiert. 233 Ebd., 179 f. 234 Ebd., 184. 235 Ebd., 186.
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Ex 30,11–16 erst sukzessive entwickelt. So wertvoll die Beobachtungen Livers sind, angesichts der gegen Wellhausen vorgetragenen Vermutung, dass es sich bei der Abgabe des Sühneschekels um eine vor-exilische Einrichtung handle, sind Zweifel anzumelden. Nicht nur, dass das Argument auf Grund des fehlenden Quellenmaterials spekulativ ist, sondern es stellt sich auch die Frage, wo dieses zusätzliche Material aufbewahrt sein soll, dass höchst wahrscheinlich sekundär nach Ex 30,11–16 gelangt ist. Da die Beobachtungen Livers jedoch zutreffen, ist die These auf die Füße der textuellen Evidenz zurückzustellen und mit Wellhausen und den im Anschluss an diesen formulierten Thesen zu argumentieren: Achenbach nimmt die alte Beobachtung Kuenens und Wellhausens auf, dass alles, was nach Ex 29 folgt, ein späterer Nachtrag sei, und differenziert dabei den Befund. Er ordnet den Abschnitt Ex 30,11–16 seiner ThB III und damit der spätesten Stufe einer Theokratischen Bearbeitung des Pentateuchs zu, da diese Bestimmung in Num 1–2 und 26 noch nicht vorausgesetzt wird. Es stellt sich nun die Frage, in welchem Verhältnis Ex 30,11–16 zu 2Sam 24 und 1Chr 21 steht. In ihrem Kontext setze die „Schaffung eines ‚Umgehungstatbestandes‘ im Kontext der Tora voraus, dass der Bedarf in der Periode des Zweiten Tempels, einen Überblick über die Größe und den Bedarf der Tempelgemeinde zu gewinnen, groß war.“236 Mit einer eigenen „Schekel-Münze“ sei zudem nicht vor 350 v. Chr. zu rechnen.237 Achenbach zeigt weiter, dass Ex 30,11–16 mit Ex 38,24–31 korreliert wird und „eine sekundäre Vorwegnahme von Num 1,46“238 (sowie Num 3,32) darstellt.239 Genau in diesem Zusammenhang weist Cassuto darauf hin, dass die „frühe“ Anordnung von Ex 30,11–16 durch die damit gewonnenen Geldmittel zum Bau des Heiligtums begründet sei.240 Er weist außerdem auf die enge Parallele dieser Episode mit den aus Mari bekannten Volkszählungen auf: „In Mesopotamia the taking of a census was bound up with a religious ritual of purification, and so much importance was attached to this rite that the entire census was named after it tebêtu, that is, ‚purification‘. This was apparently due to the fact that the census was considered a sin, implying, as it were, lack of faith in the deity; therefore it was necessary to associate it with a ceremony of atonement and cleansing from sin.“241 Die Zuordnung zur ThB III wirft erneut die Frage auf, in welchem Verhältnis Ex 30,11– 16 zu 1Chr 21 steht. Folgt man der relativen Chronologie des Achenbachschen Modells, wird jedenfalls ganz deutlich, dass der Diskurs über die Versorgung des Hei-
236 Achenbach (n. v.). 237 Vgl. ebd. Vgl. ferner Schaper 2000, 156 f. 238 Achenbach (n. v. Ms.) In seiner Habilitationsschrift hatte Achenbach (2003, 472) die Kofer-Regelung noch der ThB II zugeordnet. 239 Dass ein enger Zusammenhang zwischen Ex 30,12 ff; 38,21 ff und Num 1 ff besteht ist seit rabbinischer Zeit bekannt. Vgl. ausführlich dazu: Jacob z. St., 826–833. Spätestens seit Wellhausen (1899, 139) wird Ex 30,11–16 als jüngste Glosse in dieser Reihe aufgeführt. Ein Zusammenhang mit 1Chr 21 (bzw. 2Sam 24) wurde dabei lange nicht hergestellt. 240 Cassuto z. St., 393. Ex 30,11–16 „was inserted between the paragraphs concerned with the service in the Tabernacle in order to prepare us now for what will subsequently be stated (xxxviii 25–28) in regard to the use made of these shekels in the construction of the Tabernacle.“ עבדהbedeutet dabei für ihn eher die Errichtung des Heiligtums als den Dienst an diesem. 241 Cassuto 1967, 393.
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ligtums unmittelbar in vor-chronistischer Zeit geführt wurde.242 Insofern ist es alles andere als unwahrscheinlich, dass dieser textlich auch in der Chronik kondensiert ist. Dennoch kann auf Grund der chronistischen Verdichtungsarbeit in 1Chr 21, die eine starke Zuspitzung auf Motive des Pentateuchs evoziert, nur von einer latenten Verbindung zu Ex 30,11–16 gesprochen werden, da die von diesem Text her zu erwartende Begründungsfigur, nämliche das Unterlassen des Eintreibens des Sühneschekels, die in der Chronik vor dem Hintergrund der direkt in den Pentateuch führenden Anspielungen, Auslassungen und Zitate mühelos ihren Platz gefunden hätte, jedoch nicht erwähnt wird. Möglicherweise kollidieren hier das Bewusstsein des Chronisten, dass eine Volkszählung sehr wohl strafbar war und dessen Absicht, David als noblen Stifter der Bau- und Unterhaltskosten des Tempels auszuweisen. Albertz ordnet Ex 30,11–16 (sowie Ex 29,27–30 und 38,21–31) seinem PB4, einem auf der Grenze von fünftem und viertem Jh. tätigen Bearbeiter, zu. Albertz verhandelt diesen Einschub unter der Überschrift: „Anordnung einer Tempelsteuer“. Dabei weist er vor allem auf den Widerspruch zu einer freiwilligen Abgabe hin, wie sie in Ex 25,1–9 beschrieben wurde. Die göttliche Anordnung werde hier „einmalig in den Heiligtumstexten“243 unter eine Bedingung gestellt. Der PB3 genannte Bearbeiter „hatte das Konzept entwickelt, dass die Israeliten der Wüstenzeit als militärische Einheiten organisiert gewesen seien, die sich um das Heiligtum in ihrer Mitte scharten (Num 1–3*).“244 Insofern wird dieser Textbereich, der auch nach Albertz den Sühneschekel noch nicht zu kennen scheint, Ex 30,11–16 zeitlich vor- und dieser Abschnitt entsprechend PB4 zugeordnet. Dieser „unterstellte somit, dass die Organisation Israels in gezählte militärische Verbände einen göttlichen Schlag auslösen könnte, der das Leben aller volljährigen Männer bedrohte.“245 In dieser Diktion wird der Zusammenhang mit 1Chr 21 sehr deutlich. Die Datierung sichert Albertz ferner unter Einbeziehung der Überlegungen Fantalkins und Tals246 ab. Diese halten es für durchaus wahrscheinlich, dass der Schekel im Rahmen einer Kopfsteuer (‚poll-tax‘) erhoben wurde. Aus einem Drittel Schekel in der Zeit Nehemias sei dann möglicherweise unter Esra ein halber Schekel geworden: „If so, it should be viewed against the backdrop of what seems to have been increased Achaemenid involvement in the region, which required a much higher degree of monetary investment in building operations, conscription and garrisoning.“247 Da Esra damit als terminus post quem ins Spiel gebracht wird, stellt sich letztlich die Frage, ob die Zuordnung zu PB4 nicht feinjustiert und doch eine Zuordnung zu PB5 erwogen werden müsste. Albertz hebt die Einmaligkeit der in Ex 30,11–16 erhobenen Steuer 242 Zurückhaltender jedoch Albertz (2015, 239 f), der für eine Zuordnung zu PB4 (Ende 5./ Anfang 4. Jh.) plädiert. Diese im Vergleich zu Achenbach äußerst frühe Datierung resultiert daraus, dass Albertz Num 1–3*, die ja u. a. von Ex 30,11–16 vorausgesetzt werden, für so alt hält, dass sie noch vor einer Pentateuchredaktion verfasst wurden, die er auf PB5 ansetzt. 243 Albertz 2015a, 239. 244 Albertz 2015a, 239. Auch wenn hier der Sache nach die alte Beobachtung zum Ausdruck kommt, das Ex 30,11–16 Num 1–3 bereits voraussetzt, hat Achenbach jedoch umfänglich gezeigt, dass Num 1–3 einer theokratischen Bearbeitung zuzuweisen sind, insofern sie eine Pentateuchredaktion bereits voraussetzen (s. o.). Unlängst hat sich dieser Sichtweise auch Samuel in seiner umfangreichen Studie zu den Leviten grundsätzlich angeschlossen. (vgl. Samuel 2014, 150). 245 Albertz 2015a, 239. 246 Fantalkin / Tal 2012a, 15. 247 Ebd.
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hervor, sieht dann aber durch 2Chr 24,6.9 eine Verstetigung herbeigeführt. In römischer Zeit sei diese Vorstellung von Josephus (ant. III 194–196), Philo (Spec. Leg. 1,78) und der Mischnah Schekalim (2,4; 4,1–4) übernommen worden.248 Albertz deutet die inexplizite Bezugnahme auf Ex 30,11–16 dahingehend an, „dass der PB4 implizit mit regelmäßig wiederholten Musterungen Israels gerechnet hat.“249 Die rezipierenden Texte hätten nach dieser Vorstellung dann die Implizitheit in Explizitheit überführt. Dass diese Logik nicht ganz von der Hand zu weisen ist, zeigt Albertz vor dem Hintergrund der Einfügung von Ex 30,11–16 in den werdenden Pentateuch. Die damit korrespondierende Volkszählung sei laut Albertz „nach [Ex] 40,17 noch im ersten Jahr nach dem Exodus“250 durchgeführt worden. Wobei sich dann mit Blick auf die Zählung in Num 1 am 1. 2. des zweiten Jahres der Eindruck ergebe, dass die Zählung jährlich durchgeführt und damit auch der Sühneschekel jährlich erhoben wurde.251 Will man 2Chr 24 (und alle späteren Texte) in dieser Rezeptionslinie sehen, muss man ihnen zutrauen, dass sie diese synchrone Logik diachroner Transformation nicht nur erkannt, sondern explizit institutionalisiert haben. Dabei reichen die Indizien an dieser Stelle höchsten zur Spekulation über diesen Zusammenhang aus.
Zwischenfazit: An dieser Stelle ist festzuhalten, dass nicht erst 1Chr 21, sondern bereits 2Sam 24 die wesentlichen Elemente bietet, die es braucht, um einen Zusammenhang mit Ex 30,11–16 anzunehmen. Die relevanten Stichwortverbindungen lassen sich von beiden Texten her gleichermaßen knüpfen. Im Gefälle der Mathysschen These, dass 2Sam 24 nach 400 entstanden sein könnte und evtl. Ex 30,11–16 schon voraussetzt, ergibt sich damit auf Ebene der Stichwortbezüge kein direkter Einfluss auf 1Chr 21. In der Abhängigkeit von 2Sam 24 hätte 1Chr 21 damit auf Ex 30,11– 16 vermittelt durch seine Vorlage zugegriffen und dabei narrativ breiter entfaltet sowie darüber hinaus an weitere Motive der Tora angeknüpft. Blickt man jedoch auf den Sitz im Buch der Texte, die in beiden Fällen der Errichtung des Heiligtums vorausgehen, zeigen sich direktere und mithin auch deutlichere Spuren der Rezeption. Aus diesem Befund ergibt sich, dass sich die unterschiedlichen Beurteilungen der davidischen Volkszählung zwar – wie nachgewiesen – auf den Einfluss der Tora zurückführen, dass sich jedoch im synoptischen Vergleich ein Einfluss von Ex 30,11–16 nicht direkt nachweisen lässt. Zwar lässt sich erahnen, dass gerade durch den Austausch von Gott durch Satan und die damit verbundene Tilgung der göttlichen Initiative der Horizont von Ex 30,11–16 öffnet, eine direkte Bezugnahme lässt sich neben der Zählung jedoch höchstens über das נגף-Motiv nachweisen.
248 Vgl. Albertz 2015a, 240. 249 Ebd. 250 Ebd. 251 Ebd.
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7.2.1.2 Num 1–3; 26 Die synoptische Analyse von 1Chr 21 hat erbracht, dass die Ersetzung ()שטן < יהוה neben der durch die chronistische Handlungsreflexion umstrukturierten narrativen Binnenlogik auch auf den Einfluss von Num 1–3 zurückzuführen ist.252 Als deutlicher Indikator dafür war die Ergänzung in V.6 hervorgetreten, die auf einen Einfluss von Num 1,48 f schließen ließ. Es gilt also, eine Verhältnisbestimmung der Texte durchzuführen. Die Bedeutung der Volkszählungen in Num 1–3 und 26 hat Achenbach in umfassender Weise in seiner Studie zur Vollendung der Tora vor dem Hintergrund der achämenidischen Vorherrschaft beleuchtet. Achenbach zeigt auf, dass diese Texte das thematische Tryptichon von Landverteilung, Wohnsitze[n] und Losverfahren253 verhandeln. Literaturgeschichtlich gehe Num 26 Num 1 voraus, welches durch Num 13 f „geradezu ein Pendant im Vorfeld“254 gefordert habe. In der Auseinandersetzung mit Kuenen, Noth, Elliger, Weimar und Pola zeigt Achenbach erstmals ausführlich, dass Num 1 und die daran anschließenden Kapitel „in den großen Strom der spätesten Bearbeitungsphase des Pentateuch, deren Angelpunkt“ Achenbach „in der theokratischen Konzeption von Num 17,16–26 und den hieran anknüpfenden Schichten gefunden“255 hat, gehören. Anders als Pola, der Num 1,1–47 dem Horizont eines Groß-Jehowisten zuordnet256, kommt Achenbach, der die buchtrennende Funktion von 1,1 betont, zu dem Ergebnis, dass es bei diesem Stück „um die Vollendung der Tora und nicht eines Tora und Jos–2Kön umfassenden Geschichtswerkes“ geht. Weiterhin hält Achenbach im Gegensatz zu Pola und Kellermann den Text für einheitlich und setzt den Abschnitt Num 1,48–54, für den er eine „stringente inversive Strukturierung“257 plausibilisiert, auf gleicher Ebene an.258 Num 1 stelle dabei laut Achenbach gegenüber Num 26 eine „weitaus elaboriertere Fassung 252 Vgl. dazu Schenker s. o. 253 Achenbach 2003, 473–479. 254 Ebd., 443. 255 Ebd., 444. 256 Vgl. Pola 1995, 67. 257 Achenbach, 2003, 480. 258 Dieser Sichtweise Achenbachs hat jüngst Samuel (2014. 159, Anm 722.) widersprochen und damit die Ursprünglichkeitsfrage nach der Exemption der Leviten erneut gestellt. Seiner Auffassung nach sei die vorzeitige Erwähnung aus literarkritischen und rhetorischen Gründen zurückzuweisen (vgl. Ebd. 160.) Da die für die chronistische Rezeption entscheidende Ordnung (Num 1,47) in jedem Fall zum Grundbestand gehört, wirkt sich die Beurteilung der Vv. 49–54 nur graduell aus. Zur Entscheidung steht die Frage, ob Joab die Leviten aus Gründen der Mimesis (Num 1,47) oder aus Gründen der Torabefolgung (Num 1,49) auslässt. Angesichts der erheblichen Widerstände, die Joab gegen den Zählbefehl aufbringt, indem er sie als אשמהklassifiziert, sollte jedoch angenommen werden, dass der Chronist die Widerstände Joabs bereits vor dem Hintergrund von Num 1,49 entwickelt hat.
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des Zählungsmotivs dar.“259 Mit Blick auf das Vergehen Davids in 2Sam 24 // 1Chr 21 ist dabei der Hinweis von Bedeutung, dass nach „Dtn 20 der Priester, nach Num 27,21 (ThB) explizit der Hohepriester, im JHWH-Krieg gegenwärtig sein soll, ja muß!“260 Was diesen Umstand angeht, scheint das theokratische Ideal jedoch nicht den Horizont von 1Chr 21 zu bilden, da hier nicht auf den Hohenpriester rekurriert wird bzw. stattdessen Joab ins Spiel gebracht wird. Außerdem stellt David selbst eine Art priesterliche Figur dar, die als Sühneleistung den Altar gründet und darauf opfert. Vor diesem Hintergrund erklärt Achenbach die Ersetzung ()שטן < יהוה261, womit ähnlich der Deutung Schenkers262 nur indirekt auf einen Einfluss der Tora bei der Umgestaltung des Narrativs zu schließen wäre. Mit Blick auf Num 1 nimmt Achenbach, eine literarische Adaption der jährlichen militärisch motivierten Volkszählungen der Perser an263. Vor dem Hintergrund des persischen Vorbildes weist er außerdem auf „die Verbindung von militärischer Verpflichtung und mit entsprechender Steuer belegtem Lehen“264 hin. Hinsichtlich des Verhältnisses von 2Sam 24 und Num 1 hält Achenbach es für ausgeschlossen, „daß beide Texte völlig unabhängig voneinander sind“265, wobei er die genaue Verhältnisbestimmung offenlässt. Hinsichtlich der Neufassung von 2Sam 24 in 1Chr 21 unter Rückgriff auf Num 1,47 f (vgl. 1Chr 21,6) kann zumindest grundsätzlich das literargeschichtliche Verhältnis besser erhellt werden. Allerdings ist in diesem Zusammenhang seine Deutung der Zahlen zu korrigieren. Richtig ist, dass in 2Sam 24,9 800.000 Männer in Israel und 500.000 Männer in Juda gezählt werden. In 1Chr 21,5 werden demgegenüber die Zahlen jedoch nicht weiter erhöht. Vielmehr werden die aus 2Sam 24 vorgegebenen Zahlen durch den Ausdruck ( כל ישראל1Chr 21,5) summiert. Dahinter verbirgt sich, wie schon Rudolph erkannt hat, die chronistische Auffassung, „daß David von vornherein König von Gesamtisrael war.“266 Die Zahlen werden also in 1Chr 21,5 gegenüber 2 Sam 24,9 nicht weiter erhöht, wohl aber mit Blick auf die ausdifferenzierteren Gruppen spezifischer erhoben. Achenbach hat herausgearbeitet, dass die persischen Heeresmusterungen eine wichtige Referenzgröße für diese Texte darstellen. Num 1 und 26 liest Achenbach vor dem Hintergrund von „militärisch motivierten Volkszählungen, [die] einer jährlich durchgeführten Praxis der achämenidischen Reichsverwaltung entsprachen, von der auch die Provinz Jehud bzw. Syrien-Palästina betroffen l
259 Achenbach 2003, 448. 260 Ebd., 449. 261 Vgl. Ebd. 262 S. o. 263 Vgl. Ebd., 458. 264 Ebd. 265 Ebd., 471. 266 Rudolph z. St.; vgl. dazu die literarkritischen Überlegungen oben.
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gewesen sein muß.“267 Achenbach stützt sich dabei vor allem auf die Darstellungen Herodots und Xenophons, die er nach Abwägung der Forschungsmeinungen für grundsätzlich historisch belastbar hält.268 Mit Blick auf Xenophon, oik. IV 6 ff, bringt Achenbach einen Referenztext, der den Zählvorgang selbst veranschaulicht: Der König führt jährlich eine Musterung der Söldner und der anderen einberufenen bewaffneten Truppen durch, indem er sie alle versammelt außer den in den Festungen stationierten, an einem Platz, der Musterungsplatz genannt wird. Die nah bei seiner Residenz wohnenden (Verbände) inspiziert er selbst, zu den weiter entfernt wohnenden schickt er Männer seines Vertrauens zur Aufsicht / Musterung.
Achenbach rekurriert weiterhin auf Herodot VII60, wo geschildert wird, dass die Perser ihre wehrfähigen Männer in Einheiten von jeweils 10.000 Männern zählten. Dabei weist er auf die auch bei Herodot vorzufindenden „hohen Zahlen“269 hin. Ebenfalls bemerkenswert ist die Übereinstimmung zwischen Israel und dem Achämenidenreich in der Anzahl der Stämme. Auch für die Perser gilt nach Kyrup. I2,3, dass diese aus zwölf Stämmen bestehen, was in der Tat ein „auffälliges Charakteristikum“270 darstellt. Für Achenbach besteht an einem verbreiteten Wissen über die Heeresstrukturen der Perser kein Zweifel: „Liest man Num 1 f. vor diesem Hintergrund, so gewinnt man den Eindruck, daß hier das große Heer des heiligen Volkes vor der Landnahme mit eigenen Farben und Vorstellungen dem Erscheinungsbild des großen Reichsheeres der persischen Zeit entgegengestellt werden sollte.“271 Die Größe des persischen Heeres wird einschl. der Zentralstellung des Heiligtums vom Verfasser von Num1; 26 also nahezu maßstabsgetreu nachgeahmt. Mit Blick auf 1Chr 21 zeigt sich, dass selbst der zunächst entscheidende Unterschied zu Num 1, dass nämlich Mose das Volk versammelt, David hingegen Joab ausschickt, um das Volk zu zählen, erklärt werden kann. Genau diese Unterscheidung ist schon im Vorgehen der persischen Autorität angelegt. Dies wird noch deutlicher, wenn David in 1Chr 23,2 f dann zur selbst vorgenommenen Musterung der Leviten diese wieder vor sich versammelt. Dabei ergibt sich auch auf der Makroebene eine wichtige Strukturparallele, insofern nämlich sowohl in Num 1–3 als auch in 1Chr 21; 23 die Zählung der Leviten zunächst ausbleibt, diese jedoch im Anschluss nachgeholt wird. Auch wenn die Zahlen von immenser Größe sind, wird durch den in der Chronik getilgten Richtwert von neun Monaten und 20 Tagen (vgl. 2Sam 24,8) deutlich, welcher Aufwand hinter der Volkszählung vermutlich gestanden hat. Wenn David ausschickt, das Volk zu
267 Achenbach 2003, 473. 268 Vgl. Ebd., 473 f. 269 Vgl. Ebd., 475. 270 Ebd., 477. 271 Ebd., 478.
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zählen und Mose eine immerhin noch fast halb so große Schar von Männern (bei der ja von örtlicher Nähe nicht die Rede sein kann) sich an einem Ort versammeln lässt, wird vor dem Hintergrund der „persischen Kontrastfolie“ deutlich, was zwischen den beiden Ereignissen liegt: die Landnahme. Der Chronist bildet sein Narrativ also wie 2Sam 24 in konsequenter Fortsetzung des Josuabuches unter Einbeziehung der in den Theokratischen Bearbeitungen gegebenen Bestimmungen. Insbesondere die amphiktyonische Vorstellung der zentral lagernden Leviten (Num 1,53 // 1Chr 21,6) stellt dabei eine wichtige Verbindung zwischen Num 1 und 1Chr 21 her.272 Je deutlicher man sich jedoch diese Übereinstimmung klar macht, tritt auch der Unterschied zwischen Num 1–3 und 1Chr 21 hervor. Während nämlich die Leviten zwar in beiden Texten in der Mitte des Volkes leben273, befindet sich anders als in Num 1–3 der אהל מועדin 1Chr 21 nicht mehr in der Mitte des Volkes, sondern in Gibeon. Dabei war in 1Chr 16,1 eine regelrechte „Antisituation“ von Ex 40,21 (Mose) und 1Chr 16,1 (David) beobachtet worden, die die chronistische Dissimilierung von Zelt und Lade deutlicher hervortreten ließ.
7.2.1.3 1Chr 23,3 Die in 1Chr 21,6 unterlassene Zählung der Leviten wird in 1Chr 23,3 ohne eine erkennbare Problematisierung nachgeholt. Dieses Mal erfolgt die Zählung in Übereinstimmung mit der Konzeption aus Num 1 durch eine Versammlung. Dabei ist zunächst unabhängig von der literaturgeschichtlichen Einordnung auffällig, dass sich 1Chr 23 zu 1Chr 21 verhält wie Num 3 zu Num 1. Die Volkszählung wird zunächst jeweils ohne Einbezug der Leviten durchgeführt. Das Kultpersonal wird dann später durch eine eigene Zählung gesondert erfasst. Steins macht den scheinbaren Widerspruch zwischen 1Chr 21,6 und 1Chr 23,3 zu einem Argument für die Ausscheidung der Verse 1Chr 23,3–5.274 Dazu besteht jedoch aus der Perspektive des Numeribuches kein Anlass. Sollte bereits auf der produktionsästhetischen Seite ein Widerspruch bestanden haben, ist angesichts des hochsensiblen Themas kaum vorstellbar, dass dieses in 1Chr 23 unkommentiert geblieben wäre. Man kann sich jedoch vorstellen, dass der Kontext der Aufgabenverteilung, der vollkommen entmilitarisiert ist, selbstverständlich eine Zählung in der Tradition des Numeribuches ermöglicht hat.
272 Damit bestätigt sich die bereits im Kapitel „Kult-Personal“ beobachtete topographische Übernahme der Lageordnung des Numeribuches. 273 Dies geht, wie Oeming 1990 veranschaulicht hat, bereits aus der konzentrischen Anordnung in 1Chr 1–9 hervor. 274 Steins 1995, 293.
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7.2.1.4 1Chr 27 Auch aus 1Chr 27,1 geht nach Johnstone hervor, „that it is perfectly legitimate to conduct a census ( )מספרof the population, by the same agency, the שרים, and under the aegis of the king (indeed 1 Chron. 23.3 makes it clear that it is legitimate to count the Levites, also on royal initiative).“275 V.24 knüpft auf eigentümliche Weise an 1Chr 21 an. Hier heißt es zunächst יואב בן־צרויה החל למנות. Dabei wird offenbar die erste Zählung einer Revision unterzogen. Auf Grund der Bezugnahme zu Joab hält Johnstone diesen Abschnitt gegenüber 1Chr 21 nicht für sekundär.276 Dies ergibt sich auch aus der AK-Form des Verbums חלל: Joab hatte begonnen zu zählen. Die Folge des unabgeschlossenen Zensus sei Zorn über Israel gewesen ()קצף על ישראל. Dieser Vers, der schon die Frage offenlässt, wessen Zorn Israel getroffen habe, nivelliert die Evaluation Davids in 1Chr 21 und beschuldigt nun Joab. Die Rollen der Figuren werden also an dieser Stelle, wie Beentjes festhält, „totaal omgedraait!“277 Es ist deshalb z. B. von Williamson zu Recht vorgeschlagen worden, diesen Vers für eine pro-davidische Ergänzung zu halten.278 Um die Funktion des Nachtrags zu erhellen, ist ein Blick auf V.23 unumgänglich. Die exegetische Forschung hat oft festgehalten, dass die 20 Jahre, die David bei der Erzählung nicht unterschreitet, mit zahlreichen Angaben insbesondere im Pentateuch korrespondieren.279 Dabei ist jedoch nicht immer gesehen worden, dass V.23a und b in einem krassen Missverhältnis zueinander stehen. Eine Ausnahme stellt die Bemerkung Kleins dar: „David only counted those over twenty years of age […] and the reason given for that is that he trusted in the promises of God to give him as many descendants as the stars of the heavens (cf. Gen 15:5; 22:17; 26:4). But if he had really trusted those promises, why would he even count those over twenty?“280 Dabei weist Klein mit der Wendung „as many descendants as the stars of the heaven“ auf die frappante Übereinstimmung mit einem zentralen Motiv der Abraham-Tradition hin, von der wir wiederum in 1Chr 21 gesehen haben, dass sie von größter Bedeutung ist. Da mit der Wendung „zahlreich wie die Sterne des Himmels“ zweifellos ein Vergleich für die potentielle Unzählbarkeit gegeben ist, passt diese Wendung eher zur unabgeschlossenen im Sinne von unabschließbaren Zählung Joabs. Möglicherweise ist die Begründung im Laufe der Textüberliefe 275 Johnstone 1998, 130. 276 Ebd. 277 Beentjes z. St., 239. 278 Vgl. Williamson z. St., 176. Williamson (Ebd.) sieht außerdem eine Verbindung des Zorns mit Num 1,53. Worin genau dieses, abgesehen von der lexematischen Übereinstimmung, bestehen soll, bleibt jedoch unklar. 279 Vgl. Ex 38,26; Lev 27,3.5; Num1,3.18.20.22.24.26.28.30.32.34.36.38.40.42.45; 14,29; 26,2. 4; 32,11; 1Chr 23,24; 27,23; 2Chr 31,17 Esr 3,8. 280 Klein z. St., 505.
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rung verrutscht. Die innere Spannung von V.23 und die Spannung zwischen V.24 und 1Chr 21 werden mit der Umstellung von V.23b hinter V.24aα jedenfalls deutlich unscheinbarer. Erklärt man die Unabgeschlossenheit durch die prinzipielle Unabschließbarkeit, zeigt der gesamte Zählvorgang die Gefahr an, dass sich mit einem erfolgreichen Abschluss die Verheißung an Abraham nicht erfüllt hätte. Vor diesem Hintergrund wäre der göttliche Zorn um den Versuch der Zählung und nicht am Abbruch entbrannt. Da in der Unabgeschlossenheit des Zählvorgangs jedenfalls gerade hier, wo die Verheißung an Abraham rezipiert wird, eine Form der Verheißungserfüllung inszeniert wird, ergibt ein Entbrennen des Zorns um den Abbruch der Zählung ohne weiteres Weltwissen der Rezipienten keinen Sinn.
7.2.1.5 2Chr 24 Vor dem Hintergrund der Darstellung in 1Chr 21 stellt sich nun die Frage, in welchem Verhältnis 2Chr 24 zu diesem Text steht. Das Kapitel handelt von König Joash und ist paradigmatisch in zwei Teile zu teilen. Während der erste Abschnitt (V.1–16) einen frommen Joash zeigt, der unter dem Priester Jehojada die vornehmsten kultischen Anstrengungen unternimmt, geht mit dessen Tod der Abfall von JHWH (V.17–27), d. h. die Versündigung Joaschs einher, sodass man ihn, wie vorher nur Joram, nicht in den Gräbern der Könige bestattet. Zur Beantwortung der vorgegebenen Frage nach dem Zusammenhang zwischen der Volkszählung in 1Chr 21 und der jährlichen Abgabe in 2Chr 24 reicht eine Betrachtung der Verse 4–11 aus: 4 Und danach lag es Joash am Herzen, das Haus JHWHs zu erneuern. 5 Und er versammelte die Priester und die Leviten. Und er sprach zu ihnen: Zieht aus in die Städte Judas und sammelt von allen Israeliten Silber, um das Haus eures Gotts zu stärken von Jahr zu Jahr. Und ihr sollt euch mit dieser Angelegenheit beeilen. Aber die Leviten beeilten sich nicht. 6 Da rief der König Jojada, das Haupt281, und fragte ihn: Warum hast 281 Kalimi (2005, 182) sieht durch diesen Ausdruck eine „hierarchical balance“ zwischen König und Priester hergestellt. Klein mutmaßt, dass es sich bei הראשum eine Abkürzung für כהן הראשhandeln könnte. Angesichts der Aufgaben, die Jehojada in 2Chr 23 zufallen, scheint Jehojada dieses Amt jedenfalls innegehabt zu haben. Williamson (z. St., 320) vermutet u. a. auf Grund dieses Befundes, dass 5b–6 sekundär eingesetzt wurde. Er nennt insgesamt sieben Gründe: (1) Der Anschluss von V.7 an V.6 sei unstimmig. (2) V.8 zeige in der vorliegenden Form ein Umdenken des Königs an, das insofern unbefriedigend sei, als damit das Ergebnis des Vorhabens in V.5 unerzählt bleibe. (3) Die Bezeichnung אהל העדותsei singulär in der Chronik. (4) Auch הראשwerde in dieser absoluten Form nur hier verwendet. (5) Während in V.5a die Priester und die Leviten angesprochen seien, würden in V.5b und 6 nur die Leviten erwähnt. (6) Überhaupt sei eine Leviten-Kritik für die Chronik eher untypisch. (7) Ferner stehe die Wendung שנה בשנה im Konflikt mit einer einmaligen Reparatur. Dagegen ist Folgendes einzuwenden: Ad (1) Der syntaktische Anschluss von V.7 an V.6 ist in der Tat sperrig. Nur führt die Tilgung von 5b–6 zu dem Folgeproblem, dass damit der Frevel Ataljas unmittelbar zum Anlass der Renovierung gemacht wird. Dazu besteht jedoch nach der Darstellung in 2Chr 23,17 f kein erkennbarer Anlass
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mehr. Die Renovierung des Tempels, so wird auch mit Blick auf die Narrative Hiskias und Josias deutlich, verfolgt in der Chronik einen viel umfangreicheren Zweck der kultischen Fürsorge. Ad (2) Dillard macht an dieser Stelle die Inferenz geltend, dass der Leser auch erkennen könne, was nicht gesagt wird, dass nämlich das ursprüngliche Vorhaben gescheitert und deshalb modifiziert worden sei. Ad (3 u. 4) Die singuläre Verwendung eines Ausdrucks oder einer Phrase stellt keinen zureichenden Grund für eine literarkritische Entscheidung dar. An dieser Stelle zeigt sich vielmehr der Versuch, die Verse 5b.6 zu eskamotieren. Zur Vermeidung des Hohepriestertitels für Jehojada vgl. dazu i. F. Ad (5) Die beschriebene Problematik tritt nicht nur hier, sondern bspw. auch in 2Chr 29,4 f auf. An dieser Stelle hat Steins (1995, 117 f) jedoch unter Rückgriff auf Dtn 10,8 und 18,5 überzeugend gezeigt, dass hier gerade kein Bruch vorliegt: „Beide Texte beziehen sich auf den Stamm Levi (vgl. Dtn 10,9), d. s. in chronistischer Sicht die Leviten insgesamt, also beide Klassen des Kultpersonals, die Priester und Leviten als clerus minor.“ Ad (6) In der Tat ist die negative Beurteilung der Leviten für die Chronik eher untypisch. Jedoch zeigt sich an dieser Stelle deutlich, dass die Beurteilung durch die Vorlage vorgegeben ist. So heißt es in 2Kön 12,1, dass Joash im Alter von sieben Jahren an die Macht kommt und in V.5 die Priester anhält, die freiwilligen Aufwendungen für den Tempel zur Ausbesserung des Tempels zu nutzen. In V.7 wird konstatiert, dass 23 Jahre nach der Amtsübernahme diese Anordnung noch nicht umgesetzt wurde. Offenbar waren die 16 untätigen Jahre auch für den Chronisten nicht vollkommen zu verschweigen, sodass er sich für die Erzählstrategie entscheidet, die 16 Jahre zwar zu tilgen, dabei jedoch eine unbestimmte Zeit an Verzögerung durch trödelnde Leviten auszudrücken. Der eigentliche Grund für deren Versäumnis wird dabei von V.6 her verständlich, wo Joash sich an Jehojada mit dem Vorwurf wendet, die Leviten nicht nachdrücklich genug gebeten zu haben: מדוע לא־דרשת על־הלוים. Insofern die Verse 5b–6 also wahrscheinlich zum Grundbestand der Episode gehören, wachsen die Zweifel an Dörfuss (1995, 214) These, dass so gut wie alle Mose-Bezüge des Chronisten sekundär seien. Vgl. für weitere Einwände gegen Williamson Dillard (z. St., 190) sowie Klein (z. St.). Möglicherweise behalten die Stimmen Recht, die הראשfür nachgetragen halten. Damit wäre allein diese Apposition als sekundär zu beurteilen. Zugleich stellte sich jedoch die Frage, warum Jehojada nicht flächendeckender oder zumindest bei dessen erster Erwähnung attribuiert wurde. Evtl. hängt dies mit der Treue gegenüber der Vorlage zusammen. Die Spuren Jehojadas in der Chronik sind jedoch weit komplexer. Problematisch ist bereits die voraussetzungslose Einführung des Priesters als Mann der Jehoshabat (2Chr 22,11). Zwar wird seit Curtis / Madsen (z. St., 422 f) die These vertreten, dass es sich dabei um eine alte Tradition handle (vgl. auch Rudolph, Williamson, Dillard und Japhet jeweils z. St.), unklar bleibt jedoch, warum diese in den Königsbüchern keinen Niederschlag gefunden haben soll. Klein (z. St., 322) merkt deshalb zu Recht kritisch an, dass „[i]t is not clear to me how such a memory could have been preserved almost five hundred years later.“ Die abrupte Einführung Jehojadas ohne Explikation der Provenienz indiziert, dass seine zadokidische Herkunft und damit seine Prävalenz für das Hohepriesteramt alles andere als sicher war. Gleichzeitig zeigt der Nachtrag הראשdie zadokidische Verlegenheit an, einen nicht zweifelsfrei zadokidischen Priester mit derart weitreichenden Zuständigkeiten ausgestattet zu sehen. Möglicherweise spielt die Figur resp. der Name Jehojadas auch eine Rolle in nachexilischen Streitigkeiten, die sich um die Integration der Zadokiden in den Aaronidenstammbaum entzündet haben. Einen Hinweis darauf geben 1Chr 12,27–29, wo im Rahmen der Aufzählung der Kriegsmänner Davids neben den anderen Stämmen auch die Leviten erwähnt werden. Dabei werden jedoch nicht nur Levi, sondern auch Aaron und Zadok eigens ausgewiesen, mithin also Aaron und Zadok indirekt zu stammesähnlichen Einheiten gemacht. Nicht Zadok ist hier Anführer ( )נגידAarons, wie es bspw. in 1Chr 27,17 geschildert wird, sondern Jehojada mit 3700 Männern. Zadok wird eigens mit 22 Männern aufgeführt. (Vgl. zur Diskussion Knoppers z. St., 568.) Dabei fällt auch auf, dass der Name Jehojada in 1Chr 5 f sowie
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du die Leviten nicht angehalten, von Juda und Jerusalem die Abgabe des Mose, des Knechtes JHWHs282, die er der Gemeinde Israel für das Zelt des Zeugnisses auferlegt hat, zu bringen?283 7 Denn die gottlose Ataljah und ihre Söhne haben einen Riss284 in das Haus der Gottheit gerissen und auch das Heilige des Hauses JHWHs zu Baalen gemacht. 8 Da sprach der König, und sie machten eine Lade und stellten sie außen an das Tor des Hauses JHWHs. 9 Und es erging ein Erlass in Juda und in Jerusalem, dass man JHWH die Abgabe bringen solle, die Mose, der Knecht der Gottheit, Israel in der Wüste285 auferlegt hatte. 10 Und die Obersten und das ganze Volk freuten sich286 und sie brachten herbei und warfen ein, bis die Lade gefüllt war. 11 Und wenn die Leviten die Lade zur Musterung durch den König brachten und sie sahen, dass viel Silber darin war, kam der Schreiber des Königs und der Beauftragte des Hohenpriesters und sie leerten die Lade aus und hoben sie auf und trugen sie zurück an ihren Ort. So machten sie es Tag für Tag und sammelten viel Silber.
Die Frage nach der Rezeption der Tora in 2Chr 24 lenkt den Blick auf die Vv.5 f. 8–11, einem Stück, das gegenüber der Vorlage als Ergänzung zu beurteilen ist.287 in 1Chr 24, wo die Zadokiden dominieren, überhaupt nicht erwähnt wird. An dieser Stelle, also in der Frage nach der Verhältnisbestimmung der unterschiedlichen Priesterkasten und deren jeweiligen Ansprüchen, ist weitere Forschungsarbeit zu leisten. 282 Die LXX bietet ἀνθρώπου τοῦ θεοῦ, was איש האלהיםentspricht. 283 Die Syntax ist hier nicht ganz deutlich. 284 Vgl. zum פרץ-Motiv die Darstellung zu 1Chr 13–16. 285 Auch in der Yehoash Inscription (YI), in Zeile 5 f findet sich ein Hinweis auf die Wüste ()מדבר, der sich in 2Kön 12 nicht findet. Bisher sind die letzten Zweifel darüber noch nicht ausgeräumt, ob es sich bei der Inschrift evtl. um eine Fälschung oder um eine authentische Inschrift aus der Zeit des ersten Tempels handelt handelt. Der Befund ist mit größter Vorsicht auszuwerten. Die Datierung der Patina, die jünger ist als die Inschrift, wird jedenfalls bei etwa 250 v. Chr. angesetzt. Bemerkenswert ist, dass es in den Zeilen 5–7 der Inschrift Varianten gibt, die exklusiv mit der Chronik übereinstimmen: במדבר, כסף…לרב ;ערי יהודה. Vgl. dazu Cohen 2012, 243–276. 286 Die LXX bietet καὶ ἔδωκαν, wobei Rudolph (z. St., 274) dies, mit starker Vorstellungskraft, auf mangelnde Vorstellungskraft des Übersetzers für die erfreute Abgabe von Steuern zurückführt, was nicht nur angesichts der griechischen Diasporasituation des Übersetzers, sondern auch der desolaten Verhältnisse in Juda unter dem ptolemäischen Steuersystem gut verständlich ist. Dillard (z. St., 186) hält וישימוfür die ursprüngliche Lesart. Ein initiales שמחist in der Chronik jedoch keineswegs untypisch (vgl. ferner 1Chr 16,31; 1Chr 29,9; 2Chr 15,15; 2Chr 23,21; 2Chr 29,36; 2Chr 30,25). Die Plausibilität lässt sich deshalb von der Freude über die freiwilligen Abgaben für den Tempelbau erklären. 1Chr 29,9 liefert den einschlägigen Referenztext. Dementsprechend ist der Erzähllogik der Chronik zufolge auch bei der Renovierung des Tempels mit entsprechender Freude zu rechnen. Die jährliche Steuerlast macht sich dementsprechend bei der initialen Abgabe noch nicht bemerkbar. Ideologiekritisch gelesen bietet 2Chr 24 eine klassische Ätiologie, die über 1Chr 29,9 in der utopischen Vorzeit des davidischen Königtums ihren Ursprung haben und zu einer gewissen Freigiebigkeit animieren soll. 287 Grundsätzlich müssen die intertextuellen Referenzen jedoch auch vor dem Hintergrund der narrativen Eigendynamik in 2Kön 12 gedeutet werden. Die zweite Hälfte des Kapitels, in dem die Chronik den Niedergang des Hauses Joash beschreibt, verkehrt das Resümee des Lebens Joash in sein Gegenteil. Der Grund dafür ist in 2Kön 12,18–21 zu suchen: Im Zuge einer feindlichen Bedrohung durch Hasael, den König von Aram, plündert Joash den Tempel und händigt
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Im Kontext einer Renovierung des Tempels wird der adoleszente Joash als toraobservant charakterisiert und damit als Famulus des Priesters Jehojada gezeichnet.288 Den Entschluss zur Renovierung fasst Joash in seinem Herzen ( )עם לבund wird auf diese Weise als Nachfahre Davids stilisiert, der aus derselben Haltung heraus den Bau des Tempels überhaupt erst beschlossen hatte (vgl. 1Chr 22,7; 28,2). Joash initiiert die Renovierung durch eine Versammlung der Priester und Leviten, ein für die Chronik singulärer Vorgang und weiteres Indiz dafür, den König hier als einen verlängerten Arm Jehojadas zu verstehen. Die Priester und Leviten werden in die Städte Judas ( )ערי יהודהausgeschickt, um Silber von „ganz Israel“ zu sammeln. Dabei wird der Zweck nun nicht mehr mit Erneuern ()חדש, sondern mit חזקangegeben, wodurch Joash gemäß der chronistischen Diktion in eine Linie mit Hiskia und Josia rückt.289 Sperrig wirkt an dieser Stelle die Zeitangabe שנה בשנה, Jahr für Jahr, insofern die Exposition ein einmaliges konkretes Vorhaben vorbereitet, dessen Durchführung hier voraussetzungslos auf einen jährlichen Zyklus ausgedehnt wird. Die scheinbar konfligierenden Aussagen haben immer wieder zum Ausscheiden des Abschnittes V.5b–6 geführt.290 Die jüngere Forschung ist jedoch zu Recht dazu übergegangen, diesen Abschnitt für originär chronistisch zu halten.291 Schon in 2Kön 12,5 f zeichnet sich ein möglicher Zusammenhang ab. Im Rahmen der Bestimmungen des Verwendungszweckes für freiwillige Silberabgaben wird festgelegt, dass diese für Ausbesserungsarbeiten am Tempel zu verwenden seien. In diesem Kontext wird die Phrase כסף עוברverwendet. Breits 1873 hat diesem alle heiligen Dinge ( )כל־הקדשיםseiner Vorfahren aus, um diesen zum Abzug zu bewegen. Zwar gelingt auf diese Weise die Abwehr des feindlichen Königs, jedoch evoziert Joash schon in seinem eigenen Gefolge eine Revolution, während der er ermordet wird. Der Chronist, dessen vorwiegend kultisches Interesse unverkennbar ist, nimmt diese kurze Episode zum Anlass, um mit einer aufwendigen Erzählstrategie das eigentliche Vergehen stärker herauszuarbeiten. Ein integraler Baustein ist dabei der Tod Jehojadas, mit dem das Unheil seinen Lauf nimmt. In einem zweiten Schritt führt er die Figur Secharja, den Sohn Jehojadas ein, um die Schuld Joaschs aufzudecken. 288 V.3 unterbricht den Konnex zwischen der Verhältnisbestimmung zwischen Joash und Jehojada und der Tempelrenovierung. Eigentümlicherweise übergibt Jehojada Joash zuvor zwei Töchter, wobei nicht ganz deutlich wird, ob es sich dabei um eigene Töchter (dann also um eine Initiation Putativer Verwandtschaft [Vgl. dazu das Kapitel 5.2.2]) handelt oder ob die Frauen aus einem anderen Kontext stammen. In jedem Fall scheinen sie gemäß der Erzählabfolge geradezu einen auslösenden Effekt auf die Kultreform zu haben. Gleichzeitig wird dieser Erzählzug durch das zeitraffende Erzählen, demgemäß in der Zwischenzeit noch Söhne und Töchter geboren werden, durchkreuzt; der Sachverhalt bleibt enigmatisch. Für eine Ausscheidung von V.3 als sekundär fehlen jedoch zureichende Gründe. 289 Vgl. 2Chr 29,3; 34,8. In V.12 werden beide Begriffe zusammen wieder aufgegriffen. 290 Vgl. bspw. Welch 1938, 79. Als Argumente werden immer wieder angeführt, dass der Zusammenhang zwischen V.4 und 7 unterbrochen werde, ferner, dass durch den Einschub das Renovierungsvorhaben umstrukturiert werde. 291 Vgl. die Diskussion oben.
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Thenius292 davor gewarnt, diese Phrase mit Ex 30,13 in Verbindung zu bringen, wo es heißt: זה יתנו כל־העבר על־הפקדים. In der Tat handelt es sich bei 2Kön 12 und Ex 30 um zwei unterschiedliche Vorgänge. Während es nämlich in jenem Text um die Verwendung freiwilliger Gelübdegaben geht, führt dieser im Rahmen der Musterungen des Volkes eine Kopfsteuer ein.293 Thenius ist mit seiner Unterscheidung völlig im Recht. Dennoch zeigt schon Thenius auf, dass der Chronist genau die Identifikation vornimmt, die für 2Kön 12 und Ex 30 unmöglich ist. An dieser Stelle liegt damit ein Paradebeispiel dessen vor, was Willi mit „Auslegung“ bezeichnet. Er selbst ordnet den Befund der von ihm als Rezension definierten Kategorie VIII zu. Diese Kategorie bildet einen der wichtigsten Bausteine in Willis Theorie der Chronik als Auslegung: „An ihr erst wird deutlich, was es heißt, wenn wir die Methode der chronistischen Geschichtsschreibung als Auslegung kanonischer Quellen bestimmen; von ihr ist auszugehen, wenn das Verhältnis zwischen Auslegung und Überlieferung, die Haltung des Chronisten zu seinen Quellen richtig erfaßt werden soll. Es ist die Frage der Autorität, die an diesem Punkt erörtert werden muß.“294 Dabei gehe es auch darum, „verborgene Bezüge in seiner Vorlage aufzudecken.“295 „Theologisch“, so heißt es ferner „steht hinter dieser Konzeption der Gehorsam gegenüber der mosaischen und der nach Dtn 18 von ihr abgeleiteten prophetischen Autorität“.296 Geistesgeschichtlich legt Willi das Prinzip des Kanons zu Grunde, während er in puncto Literaturform eine „gewisse sekundäre Affinität zur Sage“297 und insofern eine Vorform des Midrasch feststellt. Eine besondere Rolle spielt hier die von Buber ins Spiel gebrachte Leitworttechnik. Das bedeutet, dass durch die rezensionelle Tätigkeit des Chronisten Beziehungen für den intendierten Leser gestiftet werden, die der reale Leser zu ermitteln hat, um den Text vollständig verstehen zu können. Das Auseinandertreten zwischen intendiertem und realem Leser hat Willi dabei zutreffend angezeigt: „Der heutige Durchschnittsleser der Chronik möge sich nicht wundern, wenn ihm die meisten dieser Feinheiten, die sich in der oft winzigen Differenz zwischen Vorlage und chronistischem Bericht kundgeben, verborgen bleiben und ihm so die leise Spannung, von der die chronistische Darstellung lebt, entgeht: nicht für ihn ist die Chronik geschrieben, sondern für Leser, die mit der Vorlage, mit der Bibel überhaupt bis ins kleinste Detail, ja bis auf den Buchstaben vertraut waren.“298 Die Kunst der richtigen Interpretation bestehe nun laut Willi nicht darin, alle möglichen Stellen zu finden, die zu der jeweils vorliegenden ins Verhältnis gesetzt werden können, sondern die eine zu bemerken, die zur vorliegenden ins Verhältnis gesetzt werden soll.299 292 Vgl. Thenius z. St., 339. Anders Klein z. St., 338. 293 Auch die Bemerkung in 2Chr 24,10, dass die Abgaben mit Freude dargebracht würden, kann nicht über die Unterscheidung von Freiwilligkeit und Unfreiwilligkeit hinwegtäuschen. 294 Willi 1972, 132. 295 Ebd. 296 Ebd., 133. 297 Ebd., 134. 298 Ebd., 137 f. 299 Vgl. ebd.
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7. Kult-Ort
Willi kommt dabei auch auf 2Chr 24 zu sprechen. Er hält fest, dass im Kontrast zu 2Kön 12 statt vom Eingang des Geldes von seiner Sammlung gesprochen werde, wobei die Maßnahme unter den Gesichtspunkt der Tempelsteuer verhandelt werde. Die geforderten Abgaben seien dabei vor dem Hintergrund von 1Chr 29 zu verstehen, einem Text, der in einem Kontext mit den Spenden für die Stiftshütte zu lesen sei.300
Willi führt die für den Tempel eingenommene Steuer literarisch bis an den Sinai und damit auf die Abgaben für die Stiftshütte zurück. Aus diesem Grund rekurriere der Chronist hier „auf die Mosezeit: Ex 30,12–16; 38,25 f.“301 Diese Texte standen „der typologisierenden Umbiegung der originellen Idee des Joas in eine althergebrachte, bereits anderswo vollgültig bezeugte Institution Pate.“302 Willi markiert hier völlig zu Recht die Typologisierung, die zu einer latenten Identität zwischen der Stiftshütte und dem Tempel führt. Am deutlichsten wird diese wohl durch das übereinstimmende Moment der Freude ( )שמחהkonstituiert. Zu beachten ist jedoch, dass diese Freude keinesfalls das Hauptthema ist und als solches auch keine Freiwilligkeit suggeriert. Denn gerade dieses Moment stiftet, wie Thenius stark gemacht hat, keinen Zusammenhang mit Ex 30,12–16; 38,25 f, da es dort um Pflichtabgaben geht. D. h. dass die Einbeziehung von Ex 30; 38 erst dadurch möglich wird, dass der Chronist die freiwilligen Abgaben seiner Vorlage als Pflichtabgaben expliziert. An dieser Stelle wird die schon immer beobachtete Ähnlichkeit der Phrasen ( )כסף עובר אישund ( )זה יתנו כל־העבר על־הפקדיםvirulent: Der Chronist hat 2Kön 12,5 offenbar so aufgefasst (oder auffassen wollen), als ginge es dabei um die Abgabe aus Ex 30,13. In einer umfangreichen Studie zur Motivation von Textänderungen hat Teeter jüngst ausführlich und filigran ähnliche Fälle von Eingriffen in bestehende Texte dokumentiert und dabei die folgende Verfahrensordnung erkannt: „[S]cribal tradents were strongly oriented toward making explicit what is (understood to be) implicit.“303 Es scheint durch den Horizont von Ex 30,12–16; 38,25 f einerseits und den kontextuellen und lexematischen Vorgaben von 2Kön 12 in der Übertragung auf 2Chr 24 andererseits eine Form der Explikation vorzuliegen. Diese lässt sich, wie wir an dem Thema der gebotenen Eile gesehen haben, schon in dem exklusiven Verhältnis zwischen 2Kön 12 und 2Chr 24 beobachten. Mit dem direkten Verweis auf die Abgabe des Mose wird nicht nur explizit gemacht, was zur Bearbeitung geführt hat, sondern diese Bearbeitung mit ihrer Handlungsimplikation auch autorisiert. Der Verweis auf die Abgabe des Mose, die sicher später als 2Kön 12 ist und deshalb ob ihrer sicher schwierigen Durchsetzbarkeit noch 300 Ebd., 159. 301 Ebd. 302 Ebd. Bezeichnenderweise erwägt Willi mit diesem an der Vorlage orientierten Verständnis nicht, dass es sich bei den Versen V.5 f um eine Ergänzung handeln könnte. 303 Teeter 2014, 201. Vgl. zur Beurteilung des Gesamtentwurfs Maskow 2015.
7.2 Topoi
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einer eigenen Verankerung im Tempelkontext bedurfte, wird also an dieser Stelle durch eine weitere Fiskalätiologie auf den Tempel übertragen.304 Problematisch für die Verhältnisbestimmung von Ex 30,11–16 und 2Chr 24 ist der Umstand, dass es in V.6 und V.9 weder wörtlich noch sachlich deutliche Übereinstimmungen mit Ex 30 gibt. V.6 und 9 lauten: ויקרא המלך ליהוידע הראׁש ויאמר לו מדוע לא־דרׁשת על־הלוים להביא מיהודה ומירוׁשלם את־מׂשאת מׁשה6 עבד־יהוה והקהל ליׂשראל לאהל העדות ויתנו־קול ביהודה ובירוׁשלם להביא ליהוה מׂשאת מׁשה עבד־האלהים על־יׂשראל במדבר9 l
l
Insbesondere die Phrase מׂשאת מׁשהwird nicht mehr verwendet.305 Eine Rezeption des Pentateuchs wird jedoch in Form der Bezeichnung אהל העדותerkennbar. Diese Wendung findet sich nur noch in Num 9,15 (hier: ;)המׁשכן לאהל העדת 17,22–23; 18,2, also sehr späten Passagen des Numeribuches. Die Wendung steht der Bezeichnung משכן העדותam nächsten und setzt sowohl die Verbindung von Zelt und Lade, als auch die Deponierung der Tafeln in der Lade voraus, wobei besonders „der Aspekt der Tafelaufbewahrung“306 betont wird. Achenbach vertritt die Auffassung, dass die Wendung אהל העדותnach dem Aufbruch vom Sinai die Außenperspektive des Zeltes anzeige.307 Dass der Chronist den Ausdruck hier verwendet, könnte darauf zurückzuführen sein, dass er in Num 17,22 f; Num 18,2 im Kontext der Feststellung hohepriesterlicher Suprematie verwendet wird, denn es ist ganz eigentümlich, dass der König den Priester für das Versagen der Leviten in die Verantwortung nimmt.308 Auch V.9 gibt kaum weiteren Aufschluss darüber, ob mit der Abgabe des Mose auf Ex 30,11–16 referiert wird, oder ob z. B. Ex 25 gemeint ist. Es ist also festzuhalten, dass die Transformation der Abgabe in Ex 30,11–16 zu einer jährlich zu erhebenden Steuer höchstwahrscheinlich ist, dass die Voraussetzung von Ex 30 jedoch nur als latent beschrieben werden kann. So fällt bspw. auf, dass im Falle l
304 Wenn es zutrifft, dass der Chronist hier über das Leitwort עוברeine Verbindung zwischen Ex 30 und 2Chr 24 stiftet, eröffnet sich nicht nur der Kontext der Steuerabgaben, sondern auch der der Musterung. (Die Verbindung zeigt sich nicht nur thematisch, sondern vor allem auch in der vielfach beobachteten Verbindung von Ex 38,36 und Num 1,46; 2,32.) Für den Topos der Musterung haben wir mit Achenbach persischen Einfluss geltend machen können (s. o.). Frappant ist dabei der Zusammenhang, dass der militärische Dienst offenbar im Alter von 20 Jahren begann (vgl. ebd. 475 f) und Ex 30,14 genau diese Altersangabe für den Beginn des Zensus festlegt.). In der Chronik wird die jährliche Erhebung aus Ex 30 dann gänzlich ohne den Kontext der Musterung übernommen, was darauf schließen lässt, dass diese zur Begründung der Abgabe selbst keine Rolle mehr spielt. Gleichwohl ist auch dem Chronisten die militärische Musterung nicht fremd, wie 2Chr 25,5 f zeigt. Dort mustert Amasja ein gewaltiges Kriegsheer, zu dem 300.000 Männer aus Juda und Benjamin sowie 100.000 Männer aus Israel zählen. 305 Beentjes z. St., 306 weist darauf hin, dass die einzige Parallele Ez 20,40 darstellt. 306 Vgl. Pola 1995, 256. 307 Achenbach 2003, 481. 308 Vgl. Rudolph z. St., XVI.
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7. Kult-Ort
einer jährlichen Steuer in 2Chr 24 mindestens mit einer Wertangabe zu rechnen sein müsste. Zwar wird berichtet, dass die Spendenbereitschaft ausreichte, um den ausgehängten Kasten „mit Freude“ zu füllen. Im Sinne der Begründung einer Praxis, nach der nicht nur das Volk insgesamt, sondern jeder die Höhe seiner Abgabe erfahren muss, wäre bei einer gezielten Verstetigung der Halb-Schekel-Steuer jedoch mit präziseren Angaben zu rechnen. Fazit: Es zeigt sich, dass Ex 30,11–16 innerhalb des Pentateuchs in einem Verweissystem mit Num 1 steht und diesen Text voraussetzt. Andererseits stehen auch 1Chr 27,23 f und 2Chr 24,6.9 in einem Verweissystem mit Ex 30,11–16. In 1Chr 27 wird der Zusammenhang mit 1Chr 21 über Joab hergestellt. Dabei ergibt sich insofern ein Missverhältnis, als die Beurteilung der Figuren 1Chr 21 diametral entgegensteht. Ein Zusammenhang zwischen 1Chr 27 und Ex 30 ist über die Altersgrenze von 20 Jahren deutlich auszumachen. Da 1Chr 27 gegenüber 1Chr 21 jedoch zumindest teilweise sekundär ist, lässt sich daraus keine sichere Grundlage zur Beurteilung des Einflusses von Ex 30,11–16 auf 1Chr 21 gewinnen. Es gibt damit Anlass zur Vermutung, dass Ex 30,11–16 zwischen 1Chr 21 und der Ergänzung in 1Chr 27 anzusetzen sein könnte. In 2Chr 24 wird explizit auf eine von Mose eingerichtete Abgabe verwiesen, die zu einer jährlichen Abgabe weiterentwickelt wird. Auch wenn dabei die Möglichkeit gegeben ist, dass Ex 30,11–16 den Hintergrund der Tradition darstellt, lässt sich ein Einfluss nicht sicher nachweisen. Für 1Chr 21 lässt sich ferner kein exklusiver Zusammenhang mit Ex 30,11–16 feststellen, der nicht auch von 2Sam 24 her gedeckt wäre. Es wäre demnach zu erwägen, dass Ex 30,11–16 der Grundschicht der Chronik noch nicht vorgelegen hat. An dieser Stelle ist jedoch weitere Forschung zu leisten.
7.2.2 Die chronistische םוקמ-Theologie Eines der wichtigsten Theologumena des Chronisten zielt auf die Festlegung eines heiligen Ortes in Jerusalem. Die Erzählstrategie, durch die dieses Theologumenon entfaltet wird, besteht in einer Textur von מקום-Referenzen. Diese wird durch die konsequente Entwicklung des angemessenen Ortes im Zusammenhang mit der Überführung der Lade nach Jerusalem, den Vorbereitungen zum Bau des Tempels und dem Bau des Tempels entfaltet. Für den Chronisten, der eine regelrechte מקוםTheologie entwickelt, ist dabei neben dem Bau des Tempels als Höhepunkt aller vorangehenden politischen und kultischen Anstrengungen die Identifikation Jerusalems als einzig legitimen Ort das wichtigste Anliegen. Diese מקום-Textur wird durch die folgenden Belegstellen konstituiert: 1Chr 15,1.3; 16,27; 17,9; 21,22.25;
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2Chr 3,1; 5,7.8; 6,20 f.26.40; 7,12.15; 34,24.25.27 f. Die integralen Pfeiler, die die מקום-Theologie stützen, sind die Folgenden: 1. 13–16 Überführung der Lade a) 1Chr 15,1 –„ Und David machte sich Häuser in der Stadt Davids und errichtete einen Ort ( )מקוםfür die Lade der Gottheit und spannte ein Zelt für sie auf.“ Im zweiten Anlauf, so haben wir gesehen, gelingt nach der Einsetzung des durch die Tora vorgegebenen Tragepersonals die Überführung der Lade nach Jerusalem. David errichtet dort ein eigenes Zelt für die Lade und trennt auf diese Weise die über der Lade erscheinende Präsenz Gottes von der mobilen Präsenztheologie des אהל מועדab. Er schlägt zwar ein neues Zelt für die Lade in Jerusalem auf, dieses zeigt jedoch nur umso deutlicher den Kontrast zu dem Zelt an, das David in Gibeon platziert (1Chr 16,39). Zwar erzeugt der Chronist durch die Verlegenheit des salomonischen Opfers auf der Höhe in Gibeon auf diese Weise eine Art Doppelpräsenz, jedoch kann dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass das dominierende Präsenzsymbol für den Chronisten die Lade ist. Von dieser her wird der Chronist mit den folgenden Schritten seine מקום-Theologie weiter entfalten. Zuvor ist jedoch noch zu beachten, dass der Chronist in 1Chr 16,1 den in der Vorlage zu findenden מקום-Bezug tilgt. Wenn man darin mehr als nur eine stilistische Variante erkennen will, wozu angesichts der Bedeutsamkeit des Begriffs aller Anlass besteht, wäre damit angezeigt, dass die Lade nicht in dem Zelt ihren Bestimmungsort habe, sondern das Zelt nur als Provisorium diene. Dazu kommt, dass in 1Chr 16,27 das Wort מקדשaus Ps 96,6 durch מקוםersetzt und damit exegetisch angezeigt wird, dass der Ort nicht ein Zelt, sondern der Tempel ist. In diesem Sinne deutet sich in 1Chr 13–16 an, dass die Trennung von Zelt und Lade doppelt motiviert ist. Aufgabe des Zeltes ist es, eine legitime Opferstätte in Gibeon zu stiften. Auf der Suche nach einer מנוחהerfüllt die Lade dieselbe Funktion, wie sie sich auch in Num 10,33–36 beobachten lässt. Die Lade reist dem Zelt, wenn auch keine drei symbolischen Tagesreisen, voraus, und stiftet den Ort, an dem sich fortan die Präsenz JHWHs niederlassen wird. 2. 1Chr 21 Auffindung der Tempeltenne b) 1Chr 21,22 – „Und David sagte zu Ornan, gib mir doch den Ort ( )המקוםder Tenne! Und ich will darauf einen Altar für JHWH bauen ….“ Mit dem Erwerb des Ortes der Tenne Ornans geht David einen unauflösbaren Vertrag ein. Die einzige Möglichkeit, Land zu erwerben, das im Erlassjahr nicht zurück an den Besitzer fallen würde, besteht darin, einen Kaufvertrag mit einem Ausländer zu machen, der ohnehin keine legitimen Besitzansprüche hat. Überhaupt scheint Ornan einzig zu diesem Zweck als literarische Figur erschaffen worden zu sein. c) 1Chr 21,25 – „So gab David Ornan für den Ort ( )במקוםGold mit einem Gewicht von 600 Schekel.“ Mit der Entrichtung des horrenden Kaufpreises überbietet David die 400 Silberschekel, die Abraham für die Grablege bei Machpela entrichtet. Der Erwerb des
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Tempelplatzes ist demnach nicht nur rechtmäßig, sondern auch in einer der Bedeutung des anstehenden Baus angemessenen Höhe. 3. 1Chr 22; 28 f Beauftragung Salomos zum Bau des Tempels d) 1Chr 22,9.18; 28,2 bringen erstmals und variantenreich das mit dem Tempelbau verbundene Motiv der Ruhe ( מנוחה/)נוח309 ein. Dies ist insofern erheblich, als schon in Dtn 12,9–11 die Konzeption der Erwählung des Ortes mit der Ruhe vor den Feinden verbunden ist. In Dtn 12,9* heißt es: כי לא־באתם עד־עתה אל־המנוחה. Genau diese Suspense löst der Chronist in seiner מקום-Theologie auf. 1Chr 28,11 – „Und David gab Salomo, seinem Sohn, einen Plan für die Vorhallen und seine Bauten und seine Schatzkammern und seine Dachkammern und seine inneren Räume und das Haus der Deckplatte ()בית הכפרת. Die Bezeichnung בית הכפרתwird nur einmal im Alten Testament erwähnt. Sie signalisiert, wie sehr die Überführung der Lade an ihren Ort und der Tempelbau miteinander verbunden sind, auch wenn das Stichwort מקוםin diesem Zusammenhang nicht genannt wird. 4. 2Chr 2–7 Vorbereitung und Bau des Tempels e) „Und Salomo begann, das Haus JHWHs in Jerusalem zu bauen, auf dem Berg Morija, wo er seinem Vater David erschienen war, an der Stelle, die David auf der Tenne Ornans, des Jebusiters, errichtet hatte.“ Der in 1Chr 21 erworbene Ort wird in 2Chr 3,1 wieder aufgegriffen und vielfach spezifiziert.310 Dabei wird der Bauplatz genau mit dem Ort ( )מקוםidentifiziert, den David auf der Tenne Ornans errichtet hatte. Diese Stätte wird dabei in Anlehnung an Gen 22 „Morija“ genannt.311 Bezeichnender Weise wird dieser Zusammenhang in 1Kön 6 nicht hergestellt. f) 2Chr 5,7 – „Und die Priester brachten die Lade des Bundes JHWHs an ihren Ort in den hinteren Raum des Hauses, in das Allerheiligste unter die Flügel der Cherubim.“ Unmittelbar nach der Fertigstellung wird die Lade von ihrer provisorischen Stätte (1Chr 15,1) an ihren eigentlichen Bestimmungsort ( )מקוםgebracht. Das LadeThema wird dann in 2Chr 6 fortgesetzt. In 2Chr 6,20.21.26 fällt die gegenüber der Vorlage vierfache Wiederholung der Wendung אל המקוםauf. Die Präposition der Richtung in Verbindung mit dem bestimmten Artikel wirkt hier geradezu deiktisch als Identifikation des Ortes als Ort schlechthin. In 2Chr 6,41 f wird das Motiv der Ruhe wieder aufgenommen und die Lade als Instrument eingesetzt, um Israel die von Dtn 12,9 her verheißene Ruhe zu verschaffen.312 Den Höhepunkt dieser Lesart bietet dann die Theophanie JHWHs in 2Chr 7,12.
309 Vgl. dazu bereits die Analyse der Stellen im ersten Hauptteil. 310 Vgl. dazu i. F. das Kapitel „Kult-Kalender“. 311 Vgl. dazu i. F. den Exkurs zu Morija. 312 Vgl. dazu die ausführliche Analyse im Kapitel Kult-Kalender.
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g) 2Chr 7,12 – „Und JHWH erschien Salomo in der Nacht und sprach zu ihm: Ich habe dein Gebet erhört und mir diese Stätte zum Opferhaus ()בית זבח313 ausgewählt.“ 2Chr 7,12 ist einer der wenigen Verse außerhalb des Deuteronomiums, der direkt auf die Ortserwählungsformel ( )המקום אשר בחר יוהוהBezug nimmt.314 Der Zusammenhang zwischen der chronistischen Aufnahme der dtr. Ortserwählungsformel hat in der jüngeren Vergangenheit durch eine These Schenkers315 an Profil gewonnen. Schenker legt mit Blick auf die Formel מקום אשר יבחר dar, dass die masoretische Präformativkonjugation der Schoresch בחרsekundär gegenüber der in alten Zeugen der LXX und im Samaritanus bezeugten Afformativkonjugation ist.316 Daraus folgt, dass die AK-Form des Samaritanus keine pro-samaritanische Überarbeitung, sondern den ursprünglicheren Text darstellt und demgegenüber die PK-Form eine proto-masoretische Rezension darstellt, die auf den Umstand reagiert, dass Jerusalem im Pentateuch nicht erwähnt wird,317 wobei sich bis auf die bei Schenker genannten Ausnahmen sukzessive die futurische, auf Jerusalem ausgerichtete Deutung der Erwählungsformel durchsetzte und damit die Deutung der präteritalen Lesarten weitgehend
313 Nur hier wird der Tempel als „Schlachthaus“ bezeichnet. Dabei hat Japhet (z. St., 614) darauf hingewiesen, dass diese Bezeichnung insofern von 1Kön 8 abweicht, als in dem Gebet Salomos überhaupt nicht auf die Opfervollzüge am Tempel Bezug genommen wird. Nihan (2016, 262) weist auf die Doppelfunktion hin, die der Tempel an dieser Stelle erhält: It „combines two central functions: it is simultaneously the place where the Israelites may legitimately bring their sacrifices, and where YHWH will effectively receive their prayers. Nihan (Ebd., 263) weist zudem auf zwei aramäische Parallelen hin, die belegen, dass die Bezeichnung בית זבחauch auf dem Garizim und in Elephantine gebräuchlich war. Daraus folgert er, dass allein mit dem Terminus keinesfalls ein exklusiver Anspruch auf den Jerusalemer Tempel als einzig legitimer Kultstätte einhergehe. 314 Vgl. Schorch 2013, 8. Japhet z. St., 614 f. Neben dieser exakten Aufnahme sind einige Stellen zu nennen, die Jerusalem in Übereinstimmung der Vorlage als „erwählte“ ( )בחרStadt bezeichnen. Dazu gehören: 2Chr 6,5–6 // 1Kön 8,16LXX. Da der Text auch in 5QKgsa belegt ist, kann mit Williamson z. St., 216 und Dillard z. St., angenommen werden, dass er in MT durch Homoioteleuton von להיות שמי שםund להיות שמי שםausgefallen ist. Vgl. ferner Nihan 2016, 260, Anm. 30.31. Besonders wichtig ist der Hinweis, dass der Chronist nicht nur die בחר-Formel affirmiert, sondern die in 2Kön 23,27 eingeführte Vorstellung, nach der JHWH sein Volk verworfen haben ()מאס, gerade nicht übernimmt und damit eine kontinuierliche Erwählung auch über das Exil hinaus gewährleistet. Vgl. Kalimi 2003, 193 sowie Nihan 2016, 261. Nihan weist zudem darauf hin, dass dieses die einzige Stelle der Hebräischen Bibel ist, an der explizit auf die Erwählung des Tempels durch JHWH hingewiesen wird. 315 Schenker 2008, 339‐351 sowie Ders. 2010, 105–121. 316 Schenker listet einige bohairische, sahidische und Vetus Latina Manuskripte auf, die vollkommen unabhängig von der SP-Tradition stehen und die AK-Lesart bezeugen. Vgl. zur Auflistung der Zeugen einschl. der jeweiligen Lesarten (ebd., 114). 317 Die von Schenker vorgeschlagene Lesart findet sich als Überlegung bereits bei Pummer 1985, 18–25, hier: 25). In jüngerer Zeit haben sich einige Forscher Schenkers These angeschlossen. Darunter Otto (z. St.); Nihan 2016, 225; Müller 2016, 197–214.) sowie neuerdings auch Hensel 2016, 178 f. Etwas skeptisch urteilt Knoppers 2013, 185–188, der Schenkers These jedoch keinesfalls ablehnt.
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verdrängte.318 An diesem Punkt blendet Schorch die Entwicklung in Qumran, insbesondere in der Fluchtlinie von 4QMMT und der Tempelrolle, ein. Während sich in 4Q394 f8 iv, 9–11 noch die Form שבחרfindet, bieten 11Q19 52,9.16 bereits die PK אבחר. Schorch nimmt deshalb an, dass sich der Wechsel von der AK-Form zur PK-Form etwa in der Mitte des 2 Jh. v. Chr. vollzogen habe.319 Damit läge hinsichtlich des Verhältnisses zwischen Tora und Chronik eine postchronistische Fortschreibung / Rezension im Deuteronomium vor, die möglicherweise vor dem Hintergrund der umfassenden מקום-Theologie der Chronikbücher in Form einer gezielten, in die Zukunft weisenden Referenz reagiert und Jerusalem anvisiert. Anzunehmen hat man jedenfalls, dass die Transformation von der AK zur PK und die damit verbundene Umkehr der Zeitperspektive einen im Verhältnis zum Ausgangspunkt bereits von der Zukunft handelnden Zeitpunkt anpeilt und keinen referenzlosen resp. eschatologischen Verweis produziert. Jüngst hat Nihan darauf hingewiesen, dass in der Chronik das Verhältnis der Erwählung Salomos und der Erwählung des Tempels als zwei Seiten einer Medaille aufzufassen sind: „[O]nly the king chosen by YHWH could build the chosen ‚place‘ for Israel’s sacrifices and thus fulfil the command of a centralized cult as defined in Deuteronomy.“320 Was sich, literarhistorisch gesprochen, also bereits ereignet hat, wird also durch den Tempuswechsel des Deuteronomiums als notwendig ausgewiesen. h) 2Chr 7,15 – „Jetzt sollen meine Augen geöffnet und meine Ohren aufmerksam sein für das Gebet an diesem Ort“ ()המקום הזה. Mit diesem Signal erhält die מקום-Theologie ihren Schlussstein.321 Das deiktische עתהmarkiert gewissermaßen die Inbetriebnahme des Ortes, der durch den bestimmten Artikel und Demonstrativpronomen den Abschluss einer fünffachen Wiederholung (vgl. 2Chr 6,20 f.21.26.40; 7,15) und damit deren Höhepunkt bildet. In diesem Zusammenhang muss die ebenfalls mit עתהbeginnende Erwählungszusage in V.16 mitgehört werden, die die Erwählung des Ortes mit der Erwählung des Tempels zusammenführt:
318 Die ursprüngliche AK-Form lässt sich zwar leicht mit dem Garizim, jedoch kaum mit dem Zion in Verbindung bringen. Anders verhält es sich mit der PK-Form. Diese lässt sich evtl. als Hinweis auf den Zion verstehen. Vgl. dazu auch Otto z. St., 1134. 319 Damit wären dann, entgegen der Annahme Ottos (z. St., 1134) in der persischen Zeit nicht beide Varianten parallel zueinander tradiert worden. Dabei konstatiert Schorch (2013, 10) jedoch, dass „the Book of Deuteronomy was of course already known in Judah long before this time, […] and there is no reason to believe that the centralization formula was taken by the Judeans as referring to any other place outside Jerusalem […].“ Vgl. zu den literatur-soziologischen Hintergründen ferner Schorch (ebd., 10 f). 320 Nihan 2016, 265. Nihan sieht darin völlig zu Recht das Bestreben des Chronisten, die Geschichte der davidischen Könige in Übereinstimmung mit der Tora zu bringen. Wobei zu ergänzen ist, dass diese Strategie besonders in den Narrativen Davids und Salomos umgesetzt wird. 321 Zwar wird der Begriff מקוםauch nach 2Chr 7,15 noch erwähnt, jedoch endet hier die Arbeit am מקום-Begriff und mithin auch an der מקום-Theologie. Der Begriff wird danach gebraucht, ohne dass das Telos der hier skizzierten Entwicklung noch in irgendeiner Form zur Disposition stünde.
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„Und jetzt habe ich dieses Haus erwählt und es geheiligt, damit mein Name dort auf Weltzeit sei. Und meine Augen und mein Herz mögen dort sein alle Tage.“
Auch wenn die Textur sich noch deutlich differenzierter analysieren ließe, wird bereits durch die Auswertung der integralen Pfeiler der מקום-Theologie deutlich, dass der Chronist diese etappenweise entwickelt und konsequent auf die Festlegung Jerusalems und des Tempelplatzes als legitimer Kultstätte hinarbeitet. Dabei wird insbesondere deutlich, dass der Chronist an allen zentralen Wegmarken der literarischen Entfaltung auf eine enge Übereinstimmung mit den Vorgaben der Tora drängt. Diese erzielt er insbesondere durch eine Veränderung seiner Vorlage. Wichtig ist dabei, dass der Chronist nicht nur das Zentralisationsgebot in Dtn 12 voll entfaltet, sondern auch die Präsenzvorstellungen von Zelt und Lade integriert. Dabei kommt es im Deuteronomium zu post-chronistischen Fortschreibungen. Der Chronist führt damit alle Präsenzvorstellungen des Pentateuchs im salomonischen Tempel zusammen und leitet die Würde des Ortes von dem ersten Ort her, wo Abraham, der zuvor bereits zahlreiche Altäre gestiftet hatte, sein erstes Opfer darbringt: Morija. Die Lade ist dabei neben der latenten Identität zwischen Abraham und David ein Konnektivität stiftendes Vehikel, das den narrativen Transfer durch die erzählten Zeiten gewährleistet. Während die Lade den Konnex zwischen dem הר יהוהin Num 10,33 und dem Zion in 2Chr 5–7 stiftet322, ist es die latente Identität zwischen Abraham und David, die anzeigen soll, dass die Errichtung des Tempels auf dem Zion nicht anders zu verstehen ist als das Ende einer Reise von Morija nach Morija. Durch diese Textur, die alle offenen Rezeptionsenden des Pentateuchs, die zur Begründung eines heiligen Ortes in Frage kommen, auf Jerusalem deutet, wird der Tempelberg in Jerusalem exklusiv zur einzig legitimen Kultstätte erklärt. Die Legitimität eines Heiligtums auf dem Garizim auf der Grundlage der Tora zu begründen ist also aus chronistischer Sicht ab ovo unmöglich.
7.2.3 Zur Bedeutung des Ortes Morija Im Anschluss an die Darstellung der מקום-Theologie, und in Vorbereitung der Darstellung der chronistischen Kalender-Rezeption, sind an dieser Stelle einige Beobachtungen zur Bedeutung Morijas in der Chronik aufzuzeigen. Der Tempelbau beginnt zunächst mit einer auffällig überbestimmten Lokalisierung des Bauplatzes. Diese ist dabei nicht nur von einer bemerkenswerten Ausführlichkeit, sondern auch exklusiv mit dem Pentateuch verbunden, sodass unsere Betrachtung zur Darstellung der gesamten Perspektive hier einzusetzen hat: 322 Vgl. dazu auch den folgenden Exkurs zu „Morija“.
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7. Kult-Ort … בירוׁשלם בהר המוריה אׁשר נראה לדויד אביהו
A B C
אׁשר הכין במקום דויד בגרן ארנן היבוסי
D
… in Jerusalem, auf dem Berg Morija, wo er [JHWW]323 seinem Vater David erschienen war, an der Stelle, die David auf der Tennen Ornans, des Jebusiters, errichtet hatte.324
Kalimi hat die Ausführlichkeit als einen Übergang vom Allgemeinen zum Spezifischen bezeichnet.325 Im Hinblick auf die Elemente B–D, die offensichtlich auf eine Transsignifikation Morijas aus Gen 22 zielen326, ist auch an eine Skalierung durch Nah- und Ferndeixis zu denken. Morija wird durch zwei אשר-Sätze von einem unbekannten Ort der Ferne zu einem überdefinierten Ort der Nähe.
Jerusalem, nur in Ri 19,10–11; 1Chr 11,4–5 „Jebus“ genannt, wird in der Chronik schon zu Beginn der Regierungszeit Davids eingenommen und im Hinblick auf die Beseitigung der Spuren fremder Völker zu einem Ort der tabula rasa. Keine Gründung an diesem Ort, sei es die einer fremden Dynastie, sei es die eines Tempels, könnte der Anlage der Chronik zufolge jemals durch Altlasten in Frage gestellt oder für illegitim erklärt werden.327 Deshalb veranlasst David nach der Eroberung der Stadt umgehend den Transfer der Lade dorthin (1Chr 13–16). Die Analyse dieses Schlüsseltextes hat ergeben, dass die durch den Ladetransfer vorbereitete Gründung einer Kultstätte in Jerusalem durch Davids Kaufvertrag mit dem letzten verbliebenen Jebusiter (D), Ornan, ermöglicht wird und JHWH David das erste Mal an diesem Ort erscheint (C). Dieser hatte, wie 2Chr 3 deutlich macht, die erste Opferstätte Abrahams agrarisch bewirtschaftet, ohne irgendeine Kenntnis von der Historie des Ortes zu haben, geschweige denn an diese anzuknüpfen. Die Rechtmäßigkeit der Kultgründung ist danach nicht mehr zu bestreiten. In 2Chr 3,1 wird der Ort, an dem Salomo den Tempel baut, Berg Morija ( )הר המוריהgenannt. Morija wird im Alten Testament nur noch ein weiteres Mal erwähnt, in Gen 22,2. Der Chronist nimmt demnach eine Identifikation des Tempelplatzes mit der Stätte vor, zu der einst Abraham gerufen worden war, um seinen Sohn zu opfern. Bezeichnenderweise vollzieht die LXX diese Identifikation nicht mit. Während in 323 In dem אשר-Satz fehlt ein Subjekt. Mit LXX ist יהוהzu ergänzen, das vermutlich durch Parablepsis ausgefallen ist. 324 Kalimi (2012, 372) schlägt hier mit LXX, Vulgata und Peschitta eine Umstellung von … … אׁשר הכין במקום דוידzu … … במקום אשר הכין דוידvor. 325 Vgl. Kalimi 2012, 372. 326 Vgl. dazu das Kapitel Kult-Ort. 327 Damit soll an dieser Stelle nichts über archäologische Evidenzen oder sonst in irgendeiner Form etwas über die Geschichte Jerusalems ausgesagt werden. Hier geht es einzig und allein um das literarische Bild, das der Chronist von Jerusalem zeichnet, und deshalb nur um das, was sich den Chronikbüchern an Aussagen über Jerusalem entnehmen lässt.
7.2 Topoi
471
2Chr 3,1 die MT entsprechende Lesart ἐν ὄρει τοῦ Αμορια geboten wird, ist der Zusammenhang mit Gen 22,2 nicht mehr erkennbar. Damit also zunächst zur Textkritik von Gen 22,2, die durch die exegetische Forschung bereits umfassend beleuchtet wurde. In Gen 22,2 LXX ergeht der Imperativ πορεύθητι εἰς τὴν γῆν τὴν ὑψηλὴν („Zieh in das hohe Land“) an Abraham. Während Gen 22,2 MT mit אל־ארץ המריה als eine Lokalbezeichnung der Identifikation gedient hatte, verweist die LXX unspezifischer auf ein Höhenland. Im SP findet sich in der Editions Galls328 אל ארץ המוראהund in der Edition Tals329 מורה. In diesem Zusammenhang hat Nihan in mehreren noch unveröffentlichten Vorträgen die These geäußert, dass מורהSP und מוריהMT entsprechend der unterschiedlichen Lesetraditionen homophon seien. Dafür spricht auch die von Tsedaka gebotene Transliteration mit „Mooriyya“.330 Die LXX bietet εἰς τὴν γῆν τὴν ὑψηλὴν. Sie bietet gegenüber MT die lectio facilior, da hier schon auf die Berge in V.2 und V.14 reagiert wird, sodass der Name Morija ätiologisch gedeutet wird. Eine ähnliche Lesart bietet auch das Jubiläenbuch. In Jub 18,2 wird Abraham an einen hohen Ort geschickt: „Take your son … and go to a high land.“331 Jub liest also mit LXX. In V.13 heißt es dann: „Abraham named that place ‚The Lord Saw‘ so that it is named ‚The Lord Saw‘. It is Mt. Zion.“332 Offenbar wird hier also die Identifikation mit dem Zion bereits vorausgesetzt. Offenbleiben muss zunächst, ob diese Identifikation sich aus Gen 22 selbst ergibt, die chronistische Lesart bereits übertragen wurde, oder ob beide Entwicklungen parallel zueinander verlaufen. In 4Q225333 Frg. 2 Col. I; Zeile 12–13 lesen die Herausgeber334: ̇ ̇ ̇ [אשר אומר] ̇לכה וי ֯ק[ום13 הגבוה]ים [ אהב]תה והעלהו ̇לי לעולה על אחד ההרי ֯ם ]אתה12 וי]ל[ך] מן [הבארות על ֯ה[ר מוריה – 12 … [du liebst] und opfere ihn mir als ein Brandopfer auf einem der [hoh]en Berge, 13 [den ich] dir [nennen werde]. Und er st[and auf] [und ging] von dem Brunnen auf den B[erg Morija.] Diese Variante stellt die lectio facillima dar. Der Unterschied zwischen dem Land Morija und dem anonymen Berg wird durch eine Umstellung beseitigt, die erst den Berg nennt und diesen anschließend mit „Morija“ bezeichnet. Für weitere Überlegungen sei auf die jüngste Analyse der Erzählung von Rudnig-Zelt verwiesen.335 Mit den genannten Varianten ergibt sich der Eindruck, dass מוריהin Gen 22,2 MT die ursprüngliche Lesart ist. l
l
Insbesondere da 2Chr 3,1a die Verbindung des Namens Morija mit einem Berg und der Ätiologie in Gen 22,14 nicht zu stiften, sondern bereits vorauszusetzten 328 Vgl v. Gall 1918, 36. 329 Tal 1994, 19. Während die Variante v. Galls etwa mit Furcht zu übersetzen wäre, lässt Tals Variante eine Aufnahme der Orakelterebinte in Gen 12 vermuten. Diese wird jedoch im SP nicht wie in MT מורה, sondern מרואgeschrieben. 330 Tsedaka 2013, 46. 331 VanderKam 1989, 105. 332 VanderKam 1989, 107 f. 333 VanderKam / Milik, DJD XIII, 146. 334 Vgl. http://www.deadseascrolls.org.il/explore-the-archive/image/B-295755 (Zugriff, am 17.09.2017). 335 Vgl. Rudnig-Zelt 2017, 274, Anm. 13.
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7. Kult-Ort
scheint, wird in der Exegese zu Recht die These vertreten, dass der Chronist abhängig von Gen 22 ist.336 Die topographische Identität entsteht dabei nicht nur durch Namensgleichheit, sondern auch durch die damit verbundene Etymologie. 2Chr 3,1aβ ist ein direkter Reflex auf Gen 22,14: ויקרא אברהם שם־המקום ההוא יהוה יראה אשר יאמר היום בהר יהוה יראה. Der semantische Zusammenhang besteht in der Nifal-Form des Lexems ראה. Der Topos des erscheinenden Gottes stiftet die Verbindung zwischen Gen 22 und 2Chr 3. Damit korrespondiert die zweite semantische Ebene: die des Berges ()הר. Während in Gen 22,2 noch von dem Land Morija ( )ארץ המריהdie Rede ist, ist die Etymologie augenscheinlich auf einen Berg – und zwar den äußerst selten belegten JHWH-Berg ()הר יהוה337 – zugeschnitten. Dieser Begriff enthält ein so reichhaltiges Deutungspotenzial, dass es je und dann als Berg Abrahams, als Berg Sinai und auch als Berg Zion aktualisiert werden kann. Dabei greift der Chronist mit der Interpretation des Tempelplatzes offenbar eine latente Identifikation in Gen 22 auf, die dort insbesondere durch Fortschreibungsprozesse angebahnt wird. Da die Analyse von Gen 22 hier keinen Raum hat, sei auf die jüngste Untersuchung von Rudnig-Zelt verwiesen, die sich mit ihrem Ergebnis einem breiten exegetischen Konsens anschließt. Rudnig-Zelt beschreibt das Anwachsen von Gen 22 als eine zunehmende Bezugnahme auf den Berg Zion. Der Grundbestand des Kapitels bestehe aus „den V.1–14a* (d. h. ohne die Notiz über das Holzspalten in V.3) und 19a“338. V.14b stelle 336 Vgl. Williamson z. St., 204 f sowie Klein z. St., 45 f. Die gegenteilige Auffassung vertritt neuerdings Rudnig-Zelt 2017, 326–331. Ihr Argument setzt dabei bei der scheinbar überladenen Identifikation des Ortes in 2Chr 3,1 und bei dem naheliegenden Vergleich von Gen 12,1 und Gen 22,2 an. (Ebd., 229 f.) Dabei ist das Argument, dass in Gen 12,1 kein Ort genannt werde, kaum belastbar, da damit vorausgesetzt wird, dass intertextuelle Beziehung nur durch die Übernahme aller Elemente des Prätextes und ohne Hinzufügung neuer Elemente zu stiften sei. Gleichzeitig verfängt auch das Argument nicht, dass für den Verfasser von Gen 22,2 Morija „von entscheidender Bedeutung sei“. Warum die Bedeutung entscheidend sein soll, ist abgesehen von der Abweichung von Gen 12,1, einem Text der ja nicht im eigentlichen Sinne eine Vorlage darstellt, kaum auszumachen. Zudem wäre, wenn man Rudnig-Zelt diese Deutung zugesteht, noch die Frage, warum der Verfasser mit der Übernahme der Deutung aus 2Chr 3,1 überhaupt noch so unbestimmt von על אחד ההרים אׁשר אמר אליךspricht und nicht etwa sagt: על ההר אשר אמר אליך. Auch angesichts des externen Arguments, nämlich der deutlichen Anlehnung der David-Figur an Abraham in 1Chr 21 kommt die Annahme einer Abhängigkeit von 2Chr 3,1 von Gen 22,2 mit einer geringeren Anzahl von Hypothesen aus, als im umgekehrten Fall. Es kommt noch dazu, dass im Falle einer Abhängigkeit der Lokalisierung von der Chronik, die in dieser Richtung nur auf den Zion weisen kann, eine Übernahme in den SP kaum vorstellbar wäre. Bis die entscheidende Probe der genauen Textbefunde im SP unter Abgleich der Lesetradition möglich wird, kann an dieser Stelle jedoch nur spekuliert werden. So skeptisch die Richtung der von Rudnig-Zelt vorgeschlagenen Abhängigkeit hier beurteilt wird, soll sie nicht den Blick darauf verstellen, dass die große Nähe zur Chronik nicht von der Hand zu weisen ist, auch wenn hier aus den genannten Gründen an einer vor-chronistischen Datierung festgehalten wird, wie sie bspw. schon Veijola (1988, 155) vertreten hat. 337 Vgl. Gen 22,14; Num 10,33; Ps 24,3; Jes 2,3; 30,29; Mic 4,2; Sach 8,3. 338 Vgl. Rudnig-Zelt z. St., 288, Lit!.
7.2 Topoi
473
einen Einzelzusatz dar, der „die Sonderstellung des Zion [betont], weil für die Gegenwart Gotteserscheinungen auf den Zion begrenzt werden“339. Bemerkenswerterweise hält Rudnig-Zelt, die durch den Gebrauch von נשא, Piel in Gen 22,1 den naheliegenden Vergleich mit 2Chr 32,31 anstrengt, Gen 22,1 für den jüngeren Text,340 insbesondere da Gen 22,2.12 Fragen beantworte, die in 2Chr 32,31 offenblieben.341 Angesichts der eher lakonischen Bemerkung in 2Chr 32,31 besteht jedoch durchaus Anlass zu Zweifeln an der These, Gen 22 sei abhängig von der Chronik. Diese Diskussion muss jedoch an anderer Stelle vertieft werden. Im Hinblick auf Vv.15–17.18 spricht Rudnig-Zelt von einer „kleine[n] Fortschreibungskette“342, die zum einen die Opferbereitschaft Abrahams herausstelle und „noch einmal eine Zusammenfassung der Verheißungen [bietet], die bisher an Abraham ergangen sind (z. B. Gen 12,2 f; 13,14–17; 15,4 f.7; 17,2 ff)“343. Wichtig ist die Beobachtung, dass die relative Chronologie der Zusätze daran deutlich werde, „wie sie die Zionsorientierung des Grundbestandes (V.1–14a*.19a) immer mehr steigern“344. Dabei werde in Gen 22,15–17 „die dtr. Vorstellung, das Jahwe die Landverheißung beeidet, in zweifacher Hinsicht korrigiert“345. Einerseits werde die Steigerung des Gehorsams Abrahams zur Bedingung dafür, „daß [sic!] JHWH überhaupt einen Eid schwört“, andererseits werde durch die stellvertretende Wirkung des Textes die Verheißung an Abraham trotz dessen ungehorsamer Söhne erfüllt.346 Gen 22,18 diene einer Verklammerung mit Gen 26,3bβ–5. Rudnig-Zelt kommt insgesamt zu dem Ergebnis, dass die zweifache Fortschreibung an dieser Stelle weder dtr. ist, noch auf ein Geschichtswerk von Gen bis 2Kön ziele, sondern den Pentateuch bereits voraussetze und als sehr junger Text einzustufen sei.347
Rudnig-Zelt geht jedoch mit ihrer Deutung des Sachverhalts zu weit, wenn sie schreibt: „Abraham gilt so als Entdecker des Zion, und der Zion erscheint bereits in der Frühzeit als Ort von Rettung und Bewahrung. In dem ältesten Nachtrag V.14b wird diese Zionsorientierung insofern verstärkt, als nun Gotteserscheinungen dezidiert dem Zion vorbehalten bleiben.“348 Denn weder wird der Name Zion erwähnt, noch wird etwas von einem Offenbarungsvorbehalt gesagt. Zwar drängt der Text durch seine Fortschreibungen auf genau die Konkretisierung, die Rudnig-Zelt vornimmt; es hieße jedoch das Potenzial des Textes zu zerstören, wenn man die latenten Andeutungen als konstatierte Aussagen auffasste. Anders formuliert: Nur dadurch, dass der Zion nicht erwähnt und keinesfalls gesagt wird,
339 Ebd., 289. 340 Ebd., 324. 341 Vgl. Ebd. 342 Ebd. 343 Ebd. 344 Ebd. 345 Ebd., 299. 346 Vgl. Ebd. 347 Vgl. Ebd., 303. 348 Ebd., 290.
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7. Kult-Ort
dass JHWH sich ausschließlich an diesem Ort offenbart, bleibt der Berg in verschiedenen Kontexten als JHWH-Berg aktualisierbar. In funktionaler Hinsicht ist die Einführung des Morija-Motives als Rückgriff hinter die Exoduserzählung denkbar. Zum einen wird mit dem Stammvater Abraham, dem in der Chronik am häufigsten erwähnten Erzvater (vgl. 1Chr 1,27–28.32.34; 16,16; 29,18; 2Chr 20,7; 30,6), eine Kultstätte nominiert, an die in spät-nachexilischer Zeit wieder angeknüpft werden konnte. Die Verbindung von Gen 22 mit dem Zion ist dabei also Teil der Fortschreibungsgeschichte des Textes und zugleich auch seiner Auslegungsgeschichte. Auch an diesem Punkt beginnen also, wie es schon häufiger zu beobachten war, die Grenzen zwischen Fortschreibungs- und innerbiblischer Auslegungsgeschichte durchlässig zu werden. Der Übergang von Gen 22 nach 2Chr 3349 ist demnach ein fließender. Die Ursprungssuche der Chronik, die schon mit der genetischen Rückbindung an אדםin 1Chr 1,1 beginnt, wird auch mit der Identifikation Morijas sichtbar und zeigt eine Art Unüberbietbarkeitsstreben mit Blick auf die beschriebenen Verhältnisse an. Während also sowohl die Priesterschrift mit der Sinai-Perikope als auch das mit der Mosefiktion verbundene Deuteronomium ihre idealisierte Theokratie jeweils losgelöst von Jerusalem und dem Jerusalemer Tempel350 in der ägyptischen Wüste bzw. im Ost-Jordanland entfalten, operiert die in der Chronik ins Werk gesetzte theokratische Ordnung der früh-hellenistischen Zeit so, dass sie eine bereits vor der ägyptischen Knechtschaft durch Abraham etablierte Kultstätte im Zentrum Jerusalems situiert, um damit die ungeklärte Frage der legitimen Kultstätte zugunsten Jerusalems zu entscheiden. Die von Otto sog. „deuteronomistische Umbuchung des Deuteronomiums“, mit der sich sowohl P als auch D von der Gottesberg-Tradition in Jerusalem lösten, wird also in der Chronik gewissermaßen an den Ausgangspunkt „zurückgebucht“. Dazu passt, dass der Sinai, genau wie der gesamte Exodus, in der Chronik weitgehend ausgeblendet wird351 und auch „Choreb“ nur an einer Stelle (vgl. 2Chr 5,10, in Übernahme aus 1Kön 8,9) erwähnt wird. Diese nach chronistischer Auffassung auf die Exilszeit weisende Erzähltradition ist für die Erzählzeit des Chronisten nicht mehr relevant, wie auch die Umdeutung der Klagelieder in 2Chr 35,25 zeigt: Aus der Klage über den zerstörten Tempel wird eine Klage über den Tod Josias!352
349 pace Rudnig-Zelt 2017. 350 Vgl. Otto z. St., 239. 351 Mose wird jedoch in der Chronik (1Chr 5,29; 6,34; 15,15; 21,29; 22,13; 23,13–15; 26,24; 2Chr 1,3; 5,10; 8,13; 23,18; 24,6.9; 25,4; 30,16; 33,8; 34,14; 35,6.12) fast doppelt so häufig erwähnt wie in Sam / Kön ((1Sam 12,6.8, ohne Entsprechung in der erzählten Zeit der Chronik) 2Sam 22,17; 1Kön 2,3; 8,9.53.56; 2Kön 14,6; 18,4.6.12; 21,8; 23,25). 352 Dass die Klagelieder, wie es 2Chr 35,25 vornimmt, mit dem Propheten Jeremia in Verbindung zu bringen sind wird in der Forschung weitgehend abgelehnt (vgl. Witte 2006, 465–469).
7.3 Fazit
475
Dem Chronisten liegt daran, eine Legitimation und Ordnung für Jerusalem zu entwerfen, die sich zwar an der Tora orientiert, jedoch die Fiktion einer Konstitution des Volkes und Offenbarung sowie Durchsetzung des Gesetzes vom Sinai / Choreb bzw. aus Moab direkt nach Jerusalem transferiert. Dabei nutzt er die Unbestimmtheit der הר יהוה-Formulierung aus Gen 22,14, die ihrem Ursprung an einem nicht näher lokalisierten Ort, Morija, nach doppelt aktualisierungsfähig ist: In Num 10,33 kann damit auf den Gottesberg Sinai referiert werden und der Chronist kann in dieser Tradition den Namen Morija für den Zion vergeben. Mit Blick auf die beschriebenen Varianten der Ortserwählungsformel in Dtn 12 ( בחרyiqtol vs. בחרqatal), die möglicherweise gleichzeitig im Umlauf waren und die Problematik der Identifizierung der Kultstätte zusätzlich erschwerten, ergibt sich nun mit Blick auf den Zusammenhang von Gen 22 und 2Chr 3 eine dialektische Strategie. מוריהwird durch das In-Beziehung-Setzen der Orte vom Standpunkt der Erzählsituation von Dtn 12 ein heiliger Ort avant und après la lettre. Mit anderen Worten: Egal welche der genannten בחר-Lesarten der Chronist auszulegen hatte, mit מוריהkonnte der Ort der Erwählung in beide Zeitrichtungen konkretisiert werden.353
7.3 Fazit Die Analyse von 1Chr 21 hat einen reichhaltigen Ertrag erbracht. Zu erkennen ist zunächst, dass die Episode, die in der Vorlage im Bereich von 2Sam 21–24 lange als Nachtrag erkannt ist, in der Chronik zu einem integralen Baustein der Biographie Davids wird. David wird hier, nachdem er zuvor ausschließlich mit der Kriegsführung (vgl. 1Chr 18–20) befasst war, zu einem exemplarischen Sünder und reumütigen Büßer stilisiert. Anlass zur Sünde gibt Davids Befehl an Joab, das Volk zu zählen. Der Chronist, der zuvor die Kriegskampagnen Davids narrativ dicht zusammengedrängt hat, setzt damit den Kontext des Kriegswesens fort, der die Zählung des Heeres, allzumal durch einen Widersacher bedroht, plausibel macht. Während der Plot von 1Chr 21 und 2Sam 24 sich stark ähneln, wird damit eine deutlich andere Erzählstrategie verfolgt, aus David, dem Kriegsmann, wird hier David, der Prototyp eines Büßers. Diese Transformation ruht auf einer massiv durch die Tora beeinflussten Umformung: Joab verweigert die Zählung, weil sie ihm Abscheu verursacht. Gegen seinen Willen zur Zählung angehalten, verweigert er die Zählung Levis und Benjamins. Während in der Deutung der Exemption
Dass 2Chr 35,25 andererseits auf diese Liedersammlung verweist, kann dennoch angenommen werden (vgl. Rudolph z. St.). 353 Schon Veijola (1988, 153) hat darauf hingewiesen, dass sich in Gen 22,2.3.9 Anklänge an die Orterwählungsformel in Dtn 12 finden.
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7. Kult-Ort
Benjamins weiterhin Unsicherheit besteht, zeigt sich, dass offenbar die Vorstellung, dass Levi in der Mitte der Stämme siedelt, aus Num 3 übernommen wird. Auch das Auftreten eines Engels mit gezücktem Schwert hat sich als breit vernetztes Motiv erwiesen, durch das die Texte Ex 3; Num 22; Jos 5 und 1Chr 21 in Bezug zueinander gesetzt werden. Entscheidend sind hier die beiden Motive der Auffindung eines heiligen Ortes (Ex 3; Jos 5) sowie der Läuterungsfunktion des Engels (Num 22). In die Deutung spielt die Auswertung von 4QSama herein, die anders als MT den Engel mit gezücktem Schwert ebenfalls bezeugt. Die Vermutung, dass die Chronik an dieser Stelle abhängig von 2Sam 24 ist, haben wir weitgehend entkräftet, auch wenn an dieser Stelle gilt, dass weitere Forschung zu leisten ist. Im Hinblick auf die Tradition eines Sühneschekels in Ex 30 konnten wir weder für 1Chr 21 noch für 2Chr 24 eine direkte oder indirekte Aufnahme sicher nachweisen, obwohl wir in beiden Fällen erkannt haben, dass latente Bezüge vorhanden sind. Vom Standpunkt der Chronik lässt sich jedoch keinesfalls mit Sicherheit behaupten, dass Ex 30,12–16 bereits vorausgesetzt wird. Die Tora-Rezeption, das war hier zu zeigen, hat dennoch einen massiven Einfluss auf die Chronik gehabt, insofern diese jene nicht nur zitierend aufnimmt, sondern die gesamte Reformulierung der Vorlage an ihr ausrichtet. Damit zeigt sich sehr deutlich, wie die Akzeptanz der Tora sich hintergründig auf die Konstitution von Texten auswirkt. Insbesondere wird dies daran deutlich, dass David hier in eine latente Identität zu Abraham gestellt wird. Wir erkennen, dass die Entwicklung, die Mose und Abraham in der Tora der Geschichte des davidischen Königtums voranstellt, durch den Chronisten in Form der Angleichung an Abraham akzeptiert wird.
8. Kult-Kalender
Die folgende Analyse rekonstruiert die chronistische Rezeption der Festkalender des Alten Testaments in Auseinandersetzung mit der Vorlage des Chronisten. Insbesondere in der Tempelbau-Perikope sind dabei bereits massive Bearbeitungsspuren in der Vorlage zu erkennen. Die Analyse kann hier nur exemplarisch vorgehen und fragt deshalb nach dem Status des Sukkot-Festes in 1Könige und der Chronik. Dabei ist nicht nur eine Verhältnisbestimmung der Festkalender des Alten Testaments in dieser Frage sowie die Rekonstruktion der unterschiedlichen Rezeptionskanäle in der Chronik und ihrer Vorlage zu leisten, sondern auch die textuelle Entwicklung der Chronik zu berücksichtigen, die insbesondere den Lade-Diskurs neu aufgreift und zum Teil der Sukkot-Rezeption macht. Der Pentateuch enthält verschiedene Festkalender1, die in unterschiedlichen Kontexte eingebettet sind und unterschiedlich komplexe Anordnungen zur Feier der Feste geben. Zu diesem kalendarischen Material rechnet man klassischerweise Ex 23,14–19; 34,18–26; Dtn 16,1–18; Lev 23 und Num 28,1–30,1. Ein wichtiger Referenztext außerhalb des Pentateuchs ist Ez 45,18–25, der jedoch nach Körting keinen Festkalender im eigentlichen Sinne darstellt.2 Für eine konzise Darlegung ihrer Funktion und ihrer literaturgeschichtlichen Einordnung sei auf Körting3 sowie die neueren Arbeiten Wagenaars4 und Gesundheits5 verwiesen. Spätestens seit Wellhausen hängt mit diesem Material die Diskussion um die Differenzierung unterschiedlicher literarischer Strata bzw. Quellen des Pentateuchs zusammen.6 In seinen Prolegomena zeichnet Wellhausen nach, dass 1 Es ist üblich, die Kalender des Alten Testaments mit „Festkalender“ zu bezeichnen. Vgl. bspw. Körting, 2008, 2. Daneben werden auch andere Bezeichnungen verwendet Morgan bspw. hat programmatisch von „Cultic Calenders“ gesprochen. Vgl. Ders. 1974. Im Hinblick auf Num 28,1–30,1 spricht Körting (1999, 213–221) konsequent nur von „Opferkalender“ während Achenbach (2003, 16) daneben auch die Bezeichnung „Festkalender“ verwendet. Da das Differenzierungspotenzial der Chronik im Hinblick auf die unterschiedlichen Kalender vor allem für die nachexilische Zeit seinen Nutzen entfaltet und vorauszusetzen ist, dass alle Festkalender zugleich kultische Kalender sind, werden beide Begriffe in diesem Kapitel synonym verwendet. Vgl. zur Problematisierung des Kalenderbegriffs Körting (1999, 8–12) sowie Wagenaar (2005, 1 Lit!) 2 Körting 1999, 12. Vgl. dagegen jedoch Wagenaar (2005, 1, Anm. 1), der diesen Text für eine „radical transformation of the festival calendar“ hält. Auch Rudnig (2000, 145) spricht von einem „Festkalender“. 3 Körting 1999 sowie 2007. 4 Wagenaar 2005a sowie Ders. (2005b), 218–252. 5 Gesundheit 2012. 6 Wellhausen 1927, 80–114.
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8. Kult-Kalender
die Feste, die ursprünglich einen Hintergrund im Vegetationszyklus haben, sukzessive historisiert werden. „Wann dieser Prozeß einsetzt“ ist jedoch laut Albertz „nicht mit Sicherheit zu sagen“7. So sei „der explizite Bezug des Laubhüttenfestes auf die Wüstenwanderung (Lev 23,42 f.) […] erst nachexilisch, der des Wochenfestes auf den Sinai erst nachalttestamentlich bezeugt.“8 Die Rückkehr aus dem babylonischen Exil ist für Israel mit einer gravierenden Umstellung des Kalenders einhergegangen: Die älteren Monatsnamen gerieten außer Gebrauch und in der Begehung des Jahresanfangs traten kultische und profane Zeitrechnung auseinander. Gegenüber dem Wellhausenschen Modell einer sukzessiven Historisierung hat Wagenaar jüngst die These einer Kalenderrevolution ins Spielt gebracht.9. Mit Blick auf Ez 45,18–25 arbeitet er heraus, dass das Jahr nach der Rückkehr aus dem Exil durch die Äquinoctien in zwei Pole eingeteilt wird und es damit zwei gleichwertige Episoden zu je sechs Monaten bildet. Das führe dazu, dass bspw. das Sukkot-Fest, das in vor-exilischer Zeit noch einen vergleichbar geringen Status hatte, nun zu einem dem Pessach- / Mazzot-Fest gleichwertigen Fest ausgebaut werde.10 Dabei werden nach Dtn 16 nun Lev 23 und Num 28–30 f in den Pentateuch aufgenommen, die bereits Abbild der neuen durch die Golatheologen11 importierten Zeitrechnung gemäß dem babylonischen Kalender sind. Während kultischerseits der erste Monat, der Monat des Pessach- / Mazzot-Festes, im Frühjahr liegt, beginnt das neue Jahr grundsätzlich mit Beginn des siebten Monats. Die Chronik erwähnt einen Großteil der in den genannten Festkalendern belegten Feste. Relativ unstrittig ist die Erwähnung der folgenden Feste: Feste in der Chronik Sabbat
1Chr 9,32; 23,31; 2Chr 2,3; 8,13; 23,4.8; 31,3; 36,21
Pessach
2Chr 30,1–2.5.15.17–18; 35,1.6–9.11.13.16–19
Mazzot
2Chr 8,13; 30,13.21; 35,17
Schavuot
2Chr 7,8 f; 8,13; 15,10?; 31,7?
Sukkot
2Chr 8,13
Jom Teru‘ah
---
Jom Kippur
(2Chr 36?)
7 Albertz 21996, 138. 8 Albertz 21996, 138. 9 Wagenaar 2005 sowie Ders. 2004. 10 Wagenaar 2005, 101–120. 11 Vgl. dazu Rudnig (2000, 149), der größere Teile des Kalenders „45,17a.21a.22–25“, einer „golaorientierten“ Schicht zuweist.
8. Kult-Kalender
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Auffälligerweise werden der יומ תרועהund der יום כפורin der Chronik nicht erwähnt, was insbesondere im zweiten Fall Anlass zu verschiedenen Spekulationen gegeben hat.12 Die Samuel- / Königs- und die Chronikbücher enthalten keinen eigenen Festkalender, sondern referieren an unterschiedlichen Punkten ihrer Historiographie auf die jeweils vorliegenden Festkalender des Pentateuchs. Daraus ergibt sich für uns in der synoptischen Betrachtung die Frage, ob die Referenzen auf das kalendarische Material Unterschiede zu erkennen geben und ob sich mögliche Aus sagen über den jeweils vorausgesetzten Kalender und dessen Differenzierungsgrad treffen lassen. Die Arbeitshypothese lautet, dass der Chronist, wenn ihm alle Kultkalender bereits vorlagen, die Bezüge auf den Kultkalender gegenüber der Vorlage aktualisiert hat. An dieser Stelle wird untersucht, in welchem Maße der Chronist auf die kultischen Regelungen des Pentateuchs zurückgegriffen hat. Der komparatistische Seitenblick auf die Vorlage wird eine Differenzierung der Kalender-Rezeption des Chronisten ermöglichen. Die erkenntnisleitende Frage wird lauten, ob der Chronist sich erkennbar an bestimmtem kalendarischen Material orientiert und ob diese Orientierung von seiner Vorlage abweicht. Ein besonders instruktives Beispiel liefert die chronistische Rezeption der Tempeleinweihung in 2Chr 7,8–10, die eine Parallele in 1Kön 8,65 f hat und in der Chronik offenbar auf das Sukkot-Fest datiert wird. Diese Episode weist nicht nur zum Mikro-Kontext erhebliche Abweichungen von der Vorlage auf, sondern wird im gesamten Salomo-Narrativ durch eine Fülle textueller Umstrukturierungen vorbereitet. Insbesondere im Rahmen der Tempelbautätigkeiten Salomos, die zwischen 2Chr 3,1 f und 2Chr 5,1 geschildert werden, lassen sich Änderungen der Vorlage beobachten, die ihr Ziel in 2Chr 7,8–10 haben. Die Analyse der auf diese Weise geschaffenen Textur wird im Folgenden zeigen, dass der Chronist nicht nur punktuell einen Fest-Kalender des Pentateuchs rezipiert hat, sondern dass dessen Rezeption sich produktiv auf die Neuformulierung der gesamten Tempelbau-Episode ausgewirkt hat. Die Umgestaltung der Zeitverhältnisse hat dabei mit dem Blick auf die Einhaltung des Festkalenders auch Auswirkungen auf den Kult-Ort und die Lade als Kult-Gegenstand gehabt. Wir werden deshalb auch auf diese Interferenzen zu sprechen kommen. 12 Goudoever (1959, 53) hat an dieser Stelle die reizvolle Lesart ins Spiel gebracht, dass durch die Ergänzung der „zehn Tage“ in 2Chr 36,9 die Exilierung auf den Jom Kippur fallen würden. Dagegen steht zwar die schon lange angebrachte Konjektur, nach der die „zehn Tage“ verrutscht seien und die Differenz der Altersangabe verursacht haben (vgl. bspw. Rudolph; Japhet und Klein jeweils z. St.). Wichtig bleibt jedoch die Berücksichtigung der Immutatio in V.10 nach der Nebukadnezzar zur Jahreswende anrückte. Diese wird zwar von Rudolph (Ebd.) nüchtern von 1Chr 20,1 her als die Zeit gedeutet, zu der die Könige eben Krieg führen. Nicht von der Hand zu weisen bleibt jedoch, dass in der vorliegenden Lesart in MT, die auch von der LXX gedeckt ist, das Datum der Exilierung auf den Jom Kippur fällt. In 2Chr 7,8–10 ganz ähnlich wie in Neh 8 ergibt sich hingegen die Frage, warum der Versöhnungstag nicht erwähnt wird, obwohl er offensichtlich in die Zeitspanne des abgehaltenen Festes fällt.
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8. Kult-Kalender
Die Berücksichtigung der Vorlage hat zudem das Problem zu bewältigen, dass in 1Kön 6 und 8 widersprüchliche Zeitangaben zur Einweihung des Tempels gemacht werden. Während die Zeitangabe in 1Kön 6,38 auf den achten Monat datiert, wird in 1Kön 8,2 der siebte Monat genannt. Bei der Frage der Rezeption des Sukkot-Festes in der Chronik muss dieses Problem also mitreflektiert werden.
8.1 Kalendarische Beobachtungen im Kontext des Tempelbaus Auf den Austausch zwischen Salomo und Churam (2Chr 2), den wir im ersten Hauptteil der Arbeit bereits betrachtet haben, folgt in 2Chr 3,1 eine scharfe Zäsur: Die Vorbereitungen sind beendet, der Bau beginnt:13 2Chr 3,(1).2 MT
1Kön 6,1 MT
2Chr 3,2 LXX
1Kön 6,1 LXX
καὶ ἤρξατο οἰκοδομῆσαι
καὶ ἐγενήθη ἐν τῷ τεσσαρακοστῷ καὶ τετρακοσιοστῷ ἔτει τῆς ἐξόδου υἱῶν Ισραηλ ἐξ Αἰγύπτου τῷ ἔτει τῷ τετάρτῳ
ויחל שלמה לבנות את־בית־יהוה בירושלם בהר המוריה אשר נראה לדויד אביהו אשר הכין במקום דויד בגרן ארנן היבוסי ויחל לבנות
ויהי בשמונים שנה וארבע מאות שנה לצאת בני־ישראל מארץ־מצרים
בשנה הרביעית בחדש זו הוא
13 Steins (1995, 392) hat bei der Untersuchung von 2Chr 3 f. besondere Aufmerksamkeit auf die Beschaffenheit und Verwendung der Materialien gelegt und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass mit dem chronistischen Tempelbaubericht offenbar keine „Assimilation von 1Kön 6 an den Bericht vom Bau des sinaitischen Heiligtums Ex 25 ff “ intendiert sei. Diese These ist keinesfalls unbestreitbar, denn immerhin haben wir bereits die Bereitstellung eines halb-danitischen Baumeisters durch Churam in 1Chr 2 als Adaption der Zeltbauepisode herausgestellt. Auch ist über die Konzeption freistehender Cheruben in 2Chr 3,10–12 keine Abstandnahme von Ex 25,10–22 zu erreichen, da erstens mit Rendtorff (1996) stets die Nivellierung zwischen der Vorlage (1Kön 6,23 f) und der Tora-Rezeption beachtet werden muss und zweitens Einigkeit darüber besteht, dass die Lade grundsätzlich ohnehin nichts mit den Cheruben zu tun hatte (vgl. zur Debatte Porzig 2009, 221 Lit! sowie Keel 2007, 217). Dass der Chronist sich der Verlegenheit der Miniatur-Cheruben bei der Beschreibung des Heiligtums entledigt, heißt nicht, dass er damit das Wüstenheiligtum gänzlich ablehnt. Insbesondere im Hinblick auf die stark von der Vorlage abweichenden Ausführungen in 2Chr 3 f hat Steins (1995, 393) zudem einen Einfluss von 11QT postuliert. Die Übereinstimmungen zwischen beiden Texten reichen jedoch kaum aus, um in irgendeiner Form Abhängigkeiten anzunehmen, geschweige denn die Richtung der Abhängigkeit von 11QT nach der Chronik zu behaupten. An dieser Stelle wäre noch genauere Forschung zu leisten.
8.1 Kalendarische Beobachtungen im Kontext des Tempelbaus בחדש השני בשני בשנת ארבע למלכותו
החדש השני למלך שלמה על־ישראל ויבן הבית ליהוה
ἐν τῷ μηνὶ τῷ δευτέρῳ ἐν τῷ ἔτει τῷ τετάρτῳ τῆς βασιλείας αὐτοῦ
481
ἐν μηνὶ τῷ δευτέρῳ βασιλεύοντος τοῦ βασιλέως Σαλωμων ἐπὶ Ισραηλ
Der Tempelbau, einschließlich seiner Weihe, ist in der Chronik durch eine umfängliche Textur in der zeitlichen Dimension situiert. Diese Dimension unterscheidet sich grundlegend von der Situierung der Könige-Bücher, was besonders die textkritischen Beobachtungen erhellen. In der Chronik beginnt Salomo mit dem Bau des Tempels auf einem Berg, der die sonst nur aus Gen 22,2 bekannte Bezeichnung Morija14 trägt. Dabei wird in V.2 der Tag des Baubeginns des Tempels nicht wie in 1Kön 6,1 auf das 480. Jahr nach dem Exodus datiert, sondern eine vom Exodus völlig losgelöste Datierung gewählt. Wenn es stimmt, was Weyde15 in Anlehnung an Smith behauptet, dass nämlich diese Notiz ihren Hintergrund in einer mit dem Exodus-Ereignis beginnenden großen Wallfahrt zum Zion habe, dann muss jedenfalls festgehalten werden, dass diese „Wallfahrt durch die Jahrhunderte der Geschichte“ vom Chronisten nicht mitbegangen wird. Zwar ist für die LXX der Vorlage ins Spiel gebracht worden, dass die Verminderung um eine Generation ihren Ursprung bei der Priester-Genealogie in 1Chr 5,29–41, die 11 Generationen von Aaron bis Zadok aufliste16, habe, der Chronist selbst hat diese Korrektur jedoch weder in Betracht gezogen noch mitvollzogen. Ihm liegt ganz offensichtlich nicht, oder vielleicht noch nicht, an einer Verbindung von Exoduserzählung und Tempelbau.17 Damit steht der Tempelbau in der 14 Der temporal-deiktische Zusammenhang zwischen beiden Orten wird durch die Aktualisierungsfähigkeit der Partikel היוםin Gen 22,14 gestiftet. Es ist auffällig, dass von der Stätte nicht nur gesagt wird, dass Gott sich dort prinzipiell sehen lässt, sondern dass man dies auch „heute“ noch sagt. In Verbindung mit dem über die erzählte Zeit hinausweisenden היוםbietet der Berg also genügend Deutungspotenzial, um JHWH dort zumindest David noch einmal erscheinen zu lassen. Die Umstrukturierung von ( ארץV.2) zu ( הרV.14) erweckt dabei den Anschein, als hätte diese den Konnex mit 2Chr 3 schon im Sinn. 15 Vgl. Weyde (2004, 156): „By adopting the terminology of M. S. Smith, we may therefore contend that the Deuteronomists present a kind of ‚pilgrimage pattern‘ beginning with the people’s departure from Egypt and ending with the assembly of all the people to King Solomon at the Temple dedication in Jerusalem. The pilgrimage pattern which according to Smith explains the arrangement of the account in Exodus through Numbers, can therefore be extended to include the account in the Deuteronomistic History, which culminates with the Temple dedication.“ 16 Vgl. zuletzt v. Keulen 2005, 127. 17 Die Zusammenhänge sind an dieser Stelle komplex. Einerseits haben wir bereits das in der Forschung häufiger konstatierte „Exodusschweigen“ notiert (Vgl. Japhet 2009, 296–301) und unter Aufnahme der Kritik Kalimis (2005, 212 sowie Anm. 61) justiert. Gleichzeitig tritt in der Chronik vereinzelt die Motivik eines regelrechten Anti-Exodus auf (vgl. die Analyse zu 1Chr 21). Dazu kommt, dass die 480 Jahre in 1Kön 6,1 textkritisch umstritten sind. Die Zahlen weichen in wichtigen Zeugen der LXX ab. Dort wird die Zahl 440 geboten. 4Q247 ist an der
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8. Kult-Kalender
Chronik anders als im DtrG nicht am Ende einer buchübergreifenden Textur, die das Thema einer seit dem Exodus zwar immer wieder unterbrochenen, jedoch letztlich fortwährenden Heilszeit hat. Der Chronist wählt, wie schon gezeigt wurde, die Strategie, den Ort des Tempelbaus mit der ältesten, d. h. ursprünglichsten Kultstätte zu identifizieren. Was in 1Chr 21 durch die Herstellung einer latenten Identität zwischen David und Abraham bereits vorbereitet wurde, wird nun beiläufig, dafür aber umso deutlicher auf die Pointe gebracht, dass es sich bei der Tenne Ornans um den Berg Morija gehandelt habe. Dieser bisher als Schauplatz der Probe Abrahams eingeführte Berg (Gen 22,14) wird zum Ort der Gründung des Tempels. Das bedeutet, dass die nach chronistischem Verständnis unangemessene Datierung auf 480 Jahre nach dem Exodus subtil in die Sprache der Topographie übersetzt wird und auf diese Weise die heilsgeschichtliche Präfiguration um Jahrhunderte über das Exodusgeschehen hinausreicht.18 Der Tempel der Chronik wird also weniger durch zeitliche Abstandnahme einer mehrere Epochen übergreifenden Datierung in die Heilsgeschichte eingeordnet, als vielmehr durch die Identifizierung mit einem bereits anerkannten Ort, einem Ort, an dem JHWH sich sehen lässt. Aus der heilsgeschichtlichen Entwicklung der Vorlage wird in der Chronik eine topographische Evidenz.19 Nach der Vorbereitung durch David datiert der Chronist den eigentlichen Baubeginn lakonisch an den Anfang der Regierungszeit Salomos, als wollte er damit die Dignität des Tempels exklusiv mit dieser Epoche verbinden.20 Anders verhält es sich jedoch mit dem Ort ( )מקוםdes Tempels. Dieser wird, wie bereits gezeigt, in Form der textographischen und räumlichen Struktur der chiastisch strukturierten Genealogischen Vorhalle, die exakt die Situation des Lagers aus Num 2 f abbildet
entscheidenden Stelle verderbt. Es lassen sich zwar die 400 Jahren identifizieren, jedoch lässt sich nicht mehr erkennen, ob es 480 oder 440 Jahre sind. (Lesbar ist etwa: ארבע מאות שלו, vgl. Broshi, 2000, 247 sowie http://www.deadseascrolls.org.il/explore-the-archive/image/B-361435 (Zugriff am: 17.09.2017). Heckl (2016b) plädiert dafür mit LXX zu lesen, während v. Keulen (2005, 127) in dieser Lesart eine Konjektur mit Blick auf die 11 Generationen in 1Chr 5,29–41 annimmt. Die Debatte ist jeweils zu voraussetzungsreich, um sie hier im Einzelnen entfalten zu können. Festzuhalten ist jedenfalls, dass eine post-chronistische Einsetzung des Datums in 1Kön 6,1 MT gegenwärtig nicht vertreten wird. Vgl. zum aktuellen Stand der Debatte Koenen (2014, 494–505, Lit!) sowie ausführlich Heckl 2016b, 185–221, Lit! 18 Dieser Übersetzungsakt stellt eine Bedingung der Denkform dar, die Keel „Vertikale Ökumene“ genannt hat. (Vgl. Staubli 2005.) 19 Damit ist ein weiterer Anhaltspunkt dafür gewonnen, dass die Chronik keinesfalls dem Genre der Utopie zuzuordnen ist. 20 Vanderkam (1998, 42) hat unter Rückgriff auf den von Jaubert vorgeschlagenen 364-Tage-Kalender des Jubiläenbuchs das Gedankenexperiment gemacht, dass der Baubeginn in der Chronik auf einen Sabbat datiert wurde. Diese hypothesenreiche Überlegung ist jedoch aus dem Text heraus nicht zu stützen.
8.1 Kalendarische Beobachtungen im Kontext des Tempelbaus
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und das heilige Personal in die heilige Mitte stellt, präfiguriert.21 Dabei wird das Haus Gottes nicht zufällig schon in 1Chr 6,33 erwähnt, obwohl es noch längst nicht gebaut worden ist. Der Chronist suggeriert durch die Darbietung der Genealogien ohne zeitlichen Rahmen und Lebensalter der Figuren sowie durch die kataphorischen Verweise auf den Tempel und auch durch die spezifische Tilgung der Exodusmotivik eine seit der Schöpfung bestehende und ununterbrochene Anwesenheit im Land. En détail wird nun der Bau des Tempels sowie des Inventars beschrieben.22 Der Baubericht erstreckt sich bis einschl. 2Chr 4,22, sodass in 2Chr 5,1 (par. 1Kön 7,51) die Arbeiten an ihr Ende kommen. Neben der topographischen Transformation bietet auch die Betrachtung der Lade und der beteiligten Personen Erkenntnisse zum Umgang des Chronisten mit seinen Vorlagen. Es fällt auf, dass Salomo sich direkt mit dem Abschluss des Baus der Überführung der Lade zuwendet, die von 1Chr 6,16 f an, also auch aus dem Zentrum der Genealogischen Vorhalle, eine weit vorausweisende Katapher mit Blick auf den Tempelbau darstellt. Nach der im Vergleich zu ihrer Vorlage um mehr als das Doppelte expandierten Überführung der Lade in 1Chr 13,1–17,1 bilden 1Chr 22,19; 28,2 und 28,18 weitere Lade-Etappen auf dem Weg zum Tempelbau. In 2Chr 1,4 wird sie zum vorerst letzten Mal erwähnt, genau wie das von David eigens für sie erbaute Zelt, das sinnfällig für die Dissimilierung von Zelt und Lade-Tradition steht, auf die v. Rad mit Nachdruck hingewiesen hat.23 2Chr 5,2 stellt nach Beendigung des Baus explizit wieder die Beziehung zur Lade her. Dabei wird sie im Rahmen ihrer Einbringung in das Heiligtum am häufigsten im zweiten Buch der Chronik erwähnt24. Dort erfüllt sie ihren Zweck und spielt, abgesehen von 2Chr 35,325, nach der Einbringung in den Tempel durch Salomo mit letztmaliger Nennung in 2Chr 6,11.41 überhaupt keine Rolle mehr. Zur Überführung der Lade beruft Salomo eine Versammlung ein, genau wie David es in 1Chr 13,1–4 zur Überführung der Lade nach Jerusalem getan hatte.26 Schon in 1Chr 13–16 sind dabei durch die aufwendig gestaltete Überführung der Lade mit Trompeten und musikalischer Begleitung, aber auch die Psalmensynthese in 1Chr 16,8–36 die Assoziationen zur Wallfahrt unverkennbar gewesen. Die Darstellung 21 Damit zeigt sich übrigens, dass selbst, wenn man es dem Ideal der Gattung gemäß wollte, auch das Salomo-Narrativ nicht als Utopie zu bezeichnen ist pace Schweitzer 2007. 22 Für die Auswertung der Materialkunde des Tempelbaus sei auf Steins (1995, 381–393) verwiesen. 23 Problematisch an der These v. Rads war, wie wir bereits gesehen haben, dass er den Ausdruck Bundeslade mit D verknüpfte. Dagegen haben Achenbach (1991, 371–373) u. a. mit Blick auf den Nachtragscharakter von Dtn 10,8 zeigen können, dass der Term ארון ברית יהוה bereits die Verbindung von D und P voraussetzt. Insofern hat v. Rad zwar in der dominanten chronistischen Rezeption dieses Ausdrucks zwar das richtige gesehen, jedoch mit der These einer dominanten D-Rezeption nicht die adäquate Deutung angeboten. 24 Vgl. 2Chr 5,2.4–10. 25 S. u. 26 S. u. „Kult-Gegenstand“.
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8. Kult-Kalender
folgt also dem kennzeichnenden Vorgehen des Chronisten, zwischen den heilsgeschichtlich bedeutsamen Protagonisten Israels eine latente Identität herzustellen. Die Lade wird in unserer Analyse noch einmal wichtig werden, doch mit dieser Beobachtung zunächst weg von der Lade und hin zur Versammlung! Die Versammlung des Volkes in 2Chr 5 wirft ein besonderes Licht auf die nachfolgende zeitliche Einordnung: 2Chr 5,3 LXX καὶ ἐξεκκλησιάσθησαν πρὸς τὸν βασιλέα πᾶς ἀνὴρ Ισραηλ 3
ἐν τῇ ἑορτῇ οὗτος ὁ μὴν ἕβδομος
2Chr 5,3 MT
1Kön 8,2 MT
ויקהלו אל־המלך כל איש ישראל
ויקהלו אל המלך שלמה כל איש ישראל
בחג הוא החדש השבעי
בחג הוא החדש השביעי
בירח האתנים
1Kön 8,2 LXX τότε ἐξεκκλησίασεν ὁ βασιλεὺς Σαλωμων πάντας τοὺς πρεσβυτέρους Ισραηλ […] 2 ἐν μηνὶ Αθανιν
Schon Jepsen äußert den Verdacht, dass es sich in 1Kön 8,1 f um einen der Priesterschrift und der Chronik nahestehenden glossierten Text handelt27, wofür vor allem der LXX-Befund spricht. Anders als in V.2, wo in einem deutlich priesterlich-chronistischen Duktus die זקני ישראל, die ראשי המטותsowie die נשיאי האבות לבני ישראלversammelt werden, ist die Wendung כל איׁש יׂשראלdurchaus typisch für die dtr. Literatur.28 Von daher wird das Einberufen einer Versammlung an dieser Stelle von 1Kön 8,2 her in 2Chr 5,3 übernommen worden sein, womit jedoch, wie schon Wellhausen29 und Noth30 gezeigt haben, nicht die Ursprünglichkeit behauptet werden soll. Indem der Chronist die ראשי המטות, זקני ישראלund die נשיאי האבות לבני ישראלhinzufügt, vergrößert er die anwesende Gruppe also erheblich. Dieselbe Gruppe wird zwar auch in 1Kön 8,1 berufen, jedoch handelt es sich genau dabei um eine Angleichung an die Chronik. Während die זקני יׂשראל, die in der dtr. Literatur ebenfalls erwähnt werden, also in jedem Fall vor-chronistisch sind, stellen die ( ראׁשי המטותNum 30,2; 1Kön 8,1; 2Chr 5,2), die sonst nur noch in Num 30,2 belegt sind, sowie die נׂשיאי האבות, die nur an diesen beiden Stellen belegt sind, vermutlich vor-chronistische Glossen dar. Zu überlegen wäre ferner, ob die in Num 7,2 und 2Chr 5,2 genannten Gruppen, die sonst kaum erwähnt werden, möglicherweise identisch sind. In diesem Fall wären lediglich die Oberbegriffe distribuiert worden.31 27 Jepsen 1956, 67. 28 Dtn 27,14; 29,9; Jos 10,24; Ri 7,8; 20,11.33; 1Sam 14,22; 17,19.24; 2Sam 16,18; 17,14.24; 19,42; 20,2; 1Kön 8,2; 1Chr 10,7; 16,3; 2Chr 5,3. 29 Wellhausen 1927, 180 f. 30 Vgl. Noth z. St. 31 Vgl. für weitere Beobachtungen Achenbach 2007, 245.
8.1 Kalendarische Beobachtungen im Kontext des Tempelbaus ויקריבו
Num 7,2*
אז יקהיל שלמה […] ואת כל ראשי המטות נשיאי האבות לבני ישראל
2Chr 5,2*
נשיאי המטת ֵ נשיאי ישראל ראשי בית אבתם הם
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Wenn Num 7 hier vorausgesetzt würde, wäre in der Chronik erneut eine Rezeption der spätesten Texte des Pentateuchs aufzufinden.32 Abgesehen von der Benennung zeichnet sich nämlich in der jüngeren Forschung mehr und mehr ab33, dass dieser und auf derselben Ebene liegende Texte wohl in die erste Hälfte des Vierten Jahrhunderts gehören. Wenn in dieser Epoche gleichzeitig ein relativer Abschlusspunkt des Pentateuchs gegeben ist, ist für eine Revitalisierung durch die Tora in der Perserzeit kaum ein plausibler Zeitpunkt mehr auszumachen. Damit öffnet sich die Perspektive der Datierung in die ptolemäische Zeit.
Besondere Aufmerksamkeit verdient nach den Orten, den Beteiligten und der Lage die zeitliche Strukturierung der Szenerie. Hier wird die eingangs gestellte Frage nach dem Umgang mit den dem Chronisten vorliegenden Kultkalendern und auch den Reaktionen im Pentateuch selbst einer Antwort zugeführt. Denn im Hinblick auf das Kalendarium treten in 2Chr 5 einige Änderungen hervor. Der Chronist unterdrückt hier auffälligerweise die zeitliche Fixierung. Die Zeitangabe ( בירח האתניםim Monat Etanim) fehlt in der Chronik vollständig. Genau wie auch in 2Chr 3,2 der alte Monatsname Siw ausgelassen wurde. Stattdessen bietet der Chronist eine aus zwei Konstituenten zusammengesetzte Zeitangabe: Erstens soll die Situation בחג, also an dem Fest stattfinden, und zweitens wird dieses Fest durch die exakte Festlegung auf den siebten Monat (הוא החדש )השבעיgenauer bestimmt: Es kann sich dabei nur um das Sukkotfest handeln, das als eines der drei jährlichen Wallfahrtsfeste mit חגbezeichnet wird34 und in nachexilischer Zeit zunehmend an Bedeutung gewinnt.35 Dabei ist jedoch auffällig, 32 Achenbach (2003) ordnet den Kapitelbereich Num 7–10 der spätesten Entwicklung des Numeribuches zu. In 1Chr 13,8 war bereits zu erkennen, dass der Chronist auf die in Num 10 etablierte חצצרהzurückgreift. Evtl. führt hier ebenfalls eine Spur nach Num 7, einem Text, den selbst Seebass z. St. für spät hält. 33 Vgl. z. B. auch Frevel 2013. 34 חגmeint in seiner Grundbedeutung „kreisförmig“. An diese Bedeutung haben sich die Bedeutungen „tanzen“ und „ein Fest feiern“ angeschlossen. Vgl. Kedar-Kopfstein 1977, 730–744. Körting (1999, 76) hat hervorgehoben, dass insbesondere das Laubhüttenfest, das in Ex 23,16; 34,23 Lesefest ( )חג האסףund in Dtn 16,13.16 Laubhüttenfest ( )חג הסכתheißt, schon seit ältester Zeit als חגbezeichnet wird. Auch Mazzot und Schawuot seien mit חגbezeichnet worden, während diese Näherbestimmung im Falle des Pessachfests zunächst nicht belegt sei. חגsei der Verteilung der Befunde zufolge zunächst die Bezeichnung für ein Erntefest gewesen. „Und somit ist die Trias der חגיםbereits zum alten Traditionsbestand zu zählen.“ (Ebd.) Wallfahrtscharakter nähmen die חגיםin dem Augenblick an, indem sie vom Lokalheiligtum gelöst und die Feststätte an einen von JHWH erwählten Ort verlegt wird. (Ebd., 81). Dyma (2009, 303) schließt sich in dieser Auffassung Körting an und weist besonders auf die Phrase חג ליהוהhin, die diesen Zusammenhang bestätige. 35 Dafür spricht bspw. die immense Erhöhung der darzubringenden Opfertiere. (vgl. Nihan 2008, 185.210) Vgl. z. B. Josephus, ant. VIII 100.(15,50), wo Josephus das Sukkot-Fest als das heiligste und wichtigste herausstellt. Vgl. grundlegend de Vaux 1962, 352–367, bes. 354.
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8. Kult-Kalender
dass der Name Sukkot nicht erwähnt wird und auch der genaue Tag nicht genannt wird. Eine vergleichbare Erwähnung findet sich nur in Ez 45,25, wo ebenfalls nur von dem Fest im siebten Monat die Rede ist. Dieses wird dort auf den 15. Tag festgelegt.36 Diese Zeitangabe findet sich nun als eine durch die Präposition בund den syncopierten Artikel angehängte Apposition auch im MT in 1Kön 8,2. Dabei besteht jedoch in den unterschiedlichen Monatsbezeichnung zunächst mit ירח und dann mit חדשsowohl eine starke inhaltliche Spannung als auch die äußerliche Auffälligkeit, dass die Angabe des im siebten Monat stattfindenden Festes im Königetext der LXX vollständig fehlt. Es wird daher zu Recht immer wieder vorgeschlagen, dass es sich hier um eine post-chronistische Glosse handeln muss.37 Diese Abweichung fordert zunächst eine zeitliche Orientierung in 1Kön 6–8 heraus, bei der wir den im Kontext des Tempelbaus angegebenen Datierungen folgen. Die chronographische Situation in 1Kön 6–8: a) 1Kön 6,1 – Baubeginn des Tempels In 1Kön 6,1 wird der Baubeginn auf das 480. MT / 440. LXX38 Jahr nach dem Auszug der Israeliten aus Ägypten, in das vierte Jahr der Königsherrschaft Salomos, in den Monat Siw ()בחדׁש זו, von dem es heißt, es sei der zweite Monat ()הוא החדׁש הׁשני, datiert. In der LXX (3Kön 6,1) wird dabei zunächst gar nicht erwähnt, dass überhaupt ein Tempel gebaut werden soll. Dabei ist zwar zu berücksichtigen, dass es in der LXX zu größeren Umstellungen gegenüber dem MT gekommen ist39, aus der die Bereitstellung von Material hervorgeht, jedoch fehlt in wichtigen Textzeugen (LXXAB) der Satz ויבן הבית ליהוה.40 1Kön 6,1 MT ויהי בׁשמונים ׁשנה וארבע מאות ׁשנה לצאת בני־יׂשראל מארץ־מצרים בׁשנה הרביעית בחדׁש זו הוא החדׁש הׁשני למלך ׁשלמה על־יׂשראל ויבן הבית ליהוה 1Kön 5,31.32 ויצו המלך ויסעו31 אבנים גדלות אבנים יקרות ליסד הבית אבני גזית׃ ויפסלו בני ׁשלמה ובני חירום32 והגבלים ויכינו העצים והאבנים לבנות הבית l
l
1 Kön 6,1LXX καὶ ἐγενήθη ἐν τῷ τεσσαρακοστῷ καὶ τετρακοσιοστῷ ἔτει τῆς ἐξόδου υἱῶν Ισραηλ ἐξ Αἰγύπτου τῷ ἔτει τῷ τετάρτῳ ἐν μηνὶ τῷ δευτέρῳ βασιλεύοντος τοῦ βασιλέως Σαλωμων ἐπὶ Ισραηλ 1Kön 6,1 LXX [1] καὶ ἐνετείλατο ὁ βασιλεὺς καὶ αἴρουσιν λίθους μεγάλους τιμίους εἰς τὸν θεμέλιον τοῦ οἴκου καὶ λίθους ἀπελεκήτους [2] καὶ ἐπελέκησαν οἱ υἱοὶ Σαλωμων καὶ οἱ υἱοὶ Χιραμ καὶ ἔβαλαν αὐτούς
36 Vgl. zur Einordnung grundlegend Wagenaar 2005, 74–120. 37 Vgl. bspw. Jepsen 1956, 22. 38 Zur textkritischen Problematik s. o. 479 f. 39 Zur Beurteilung der Umstellung vgl. immer noch Stade 1883, 134 f sowie Noth z. St., 103 und neuerdings die ausführliche Diskussion bei v. Keulen 2005, 113–130. Bei allen besteht grundsätzlich Einigkeit darüber, dass die Textänderungen auf der Ebene der LXX stattgefunden haben. Anders jedoch Wellhausen 1899, 264. 40 Vgl. jedoch LXXL, die ω ’οκοδόμησε τὸν οἷκον τῶ Κυρίω bietet.
8.1 Kalendarische Beobachtungen im Kontext des Tempelbaus 1Kön 6,37.38 37 ובׁשנה38בׁשנה הרביעית יסד בית יהוה בירח זו׃ האחת עׂשרה בירח בול הוא החדׁש הׁשמיני כלה הבית לכל־דבריו ולכל־(מׁשפטו) [מׁשפטיו] ויבנהו ׁשבע ׁשנים׃
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[3] ἐν τῷ ἔτει τῷ τετάρτῳ ἐθεμελίωσεν τὸν οἶκον κυρίου ἐν μηνὶ Νισω τῷ δευτέρῳ μηνί [4] ἐν ἑνδεκάτῳ ἐνιαυτῷ ἐν μηνὶ Βααλ οὗτος ὁ μὴν ὁ ὄγδοος συνετελέσθη ὁ οἶκος εἰς πάντα λόγον αὐτοῦ καὶ εἰς πᾶσαν διάταξιν αὐτοῦ 61
b) 1Kön 6,37 – Fundamentlegung des Tempels In 1Kön 6,37 wird von der Fundamentlegung im vierten Jahr, im Monat Siw ()בירח זו41, berichtet. Die LXX bietet an dieser Stelle (1Kön 6,1c) ἐν μηνὶ Νισω τῷ δευτέρῳ μηνι. Offenbar werden dort bereits die Monate gezählt. Der nur hier belegte Monatsname Νισω ist dabei von Origines fälschlicherweise mit dem Nisan identifiziert worden.42 Er ist jedoch vielmehr auf einen Schreibfehler durch das vorausgehende μηνι und den folgenden Monat זוzurückzuführen, der im Griechischen ursprünglich ζιου oder δειου gelautet haben könnte. Die LXX bietet außerdem in 3Kön 6,1 den zweiten Monat, wo MT den Monat Siw nennt. v. Keulen lässt an dieser Stelle die beiden Optionen offen, dass es sich um bewusste Tilgung oder eine Parablepsis handeln könnte.43 c) 1Kön 6,38 – Fertigstellung des Tempels In 1Kön 6,38 wird von der Fertigstellung des Tempels im elften Jahr, im Monat Bul, berichtet und Bul als achter Monat identifiziert. Diese Angabe findet sich parallel auch in der LXX, in 3Kön 6,1d, im Monat Baal, der ebenfalls der achte Monat ist. Es wird insgesamt eine Bauzeit von sieben Jahren veranschlagt. d) 1Kön 7,1 – Fertigstellung des Palastes Für den Königspalast wird eine Bauzeit von 13 Jahren angegeben. Dabei kommt es in der LXX zu einer Umstellung. Die Abfolge von V.1–12.13–51 wird in der LXX in umgekehrter Reihenfolge dargeboten. Dadurch werden alle Bauarbeiten am Tempel zu einer textuellen Einheit verbunden, während die Arbeiten am Palast nachgeordnet werden.44 e) 1Kön 8,2 – Einweihung des Tempels In 1Kön 8 MT / LXX beruft Salomo nach Fertigstellung des Tempels alle Israeliten zu einer Versammlung ein ()קהל.45 Diese findet im Monat Etanim ( )בירח אתניםstatt, 41 Schon Wellhausen (1899, 265) hat festgestellt, dass eine Spannung zwischen der in V.1 gebrauchten, jüngeren Bezeichnung חדשund der in V.36 gebrauchten, älteren Bezeichnung ירח besteht. 42 Vgl. v. Keulen 2005, 128. 43 V. Keulen 2005, 127–129. 44 V. Keulen hat vor dem Hintergrund derselben Umstellung in Josephus ant. VIII 130–132 plausibel machen können, dass der Grund für die Umstellung in dem Missverhältnis zwischen der Bauzeit des Tempels und der Bauzeit des Palastes begründet ist. Die Umstellung zielt demnach darauf, „to protect Solomon against the charge that he showed lack of piety in starting the building of his palace while not yet having completed the building of the temple“ (ebd., 141). 45 Der Textbereich 1Kön 8,1–5 MT wird von der LXX in einer erheblich kürzeren Version dargeboten. Das hat zu verschiedenen Spekulationen über die Entstehung der längeren Text-
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8. Kult-Kalender
der nur in MT als חגbezeichnet und gleichzeitig mit dem siebten Monat identifiziert wird.46 In der LXX fehlen hier die Übertragung des Lexems ( חגzu erwarten wäre etwa ἑορτή) und des siebten Monats. Dabei stellt sich die Frage, ob es sich nach Auffassung der griechischen Übersetzung nicht um den siebten Monat handelt, oder ob dieser nur nicht in die Chronologie passt. חגwird in V.65 noch einmal verwendet47 und wird an dieser Stelle von der LXX mit ἑορτή übersetzt. Jedoch lässt sich auf Grund der völlig anders gearteten Kontextualisierung für die LXX nicht ausmachen, inwiefern damit überhaupt an Sukkot gedacht ist. Festzuhalten ist bis hierher, dass in der Reihenfolge von MT die Darstellungen von 1Kön 6,38 und 1Kön 8,2 nicht zusammenpassen, was gleichermaßen durch die Erzählabfolge als auch durch die Monatsangaben bedingt ist.48 Dass „der siebte Monat“ in 3Kön 8,2 LXX nicht erwähnt wird, hat in der Umstellung des Palastbaus ans Ende des Tempelbaus seinen logischen Grund, nach der die Abfolge von Bul und Etanim auch ohne Zählung problematisch gewesen ist. In der LXX besteht nach der Umstellung keine Inkohärenz mehr, da die Versammlung danach nicht unmittelbar mit dem Abschluss des Tempel-, sondern mit dem Abschluss des Palastbaus, also am Ende von zwanzig Jahren, einberufen wird. Dabei entsteht dann jedoch das Problem, dass Salomo mit der Einweihung des Tempels noch 13 Jahre nach dessen Bauende gewartet haben soll. Die Umstellung der LXX ist deshalb zu Recht immer wieder als sekundäre Glättung beurteilt worden.49 Alles spricht dafür, dass die in der LXX fehlende Eintragung des siebten Monats in 1Kön 8,2 ein späterer Nachtrag ist, der die Datierung auf das Sukkot-Fest bewirken sollte. Zwar hat de Vaux50 mit den Optionen, dass die Weihe entweder einen Monat vor Abschluss der Bauarbeiten oder elf Monate später vollzogen wurde, einen „Rettungsversuch“ des Textes unternommen. Beide Optionen entbehren jedoch ohne zureichende Gründe der Logik einer Einweihung, die als rite de passage im Moment der Fertigstellung den Übergang von der Herstellung zur Ingebrauchnahme markiert. Es besteht damit eine Spannung zwischen der Zeitangabe aus 1Kön 6,38, die auf den achten Monat datiert und derjenigen aus 1Kön 8,1, die auf den siebten Monat datiert. Auf diese Spannung wird zurückzukommen sein, doch folgen wir zunächst wieder der Darstellung des Chronisten.
version geführt. Einen guten Überblick über die Debatte bietet Achenbach (2007, 243–253, Lit!). Eine ausführliche Studie zu den unterschiedlichen Textvarianten bietet v. Keulen 2005, 151–163. V. Keulen kommt zu dem Ergebnis, dass der Text der LXX ursprünglicher als MT ist. (Vgl. ebd., 157). 46 Körting (1999, 65) hält diese Angabe für authentisch. 47 Das Lexem wird an dieser Stelle von Würthwein (z. St.) jedoch für sekundär gehalten. 48 Vgl. zu dieser Beobachtung schon Wellhausen 1899, 265. 49 V. Keulen 2005, 141. 50 Vgl. de Veaux 1962/II 357 f.
8.2 Die Einbringung der Lade
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8.2 Die Einbringung der Lade Auf die Fertigstellung des Tempels folgt unmittelbar die Überführung und Einbringung der Lade, die in 2Chr 5,11 anders als in der Vorlage durch eine Schar von Priestern und Leviten begleitet wird, die 120 Signaltrompeten blasen und auf verschiedenen Instrumenten musizieren. Die Trompete ()חצצרה, die in zweifacher Ausführung in Num 10 eingeführt wird und allein den Priestern vorbehalten ist51, dient u. a. zur Konvokation der Gemeinde ()מקרא העדה. Num 10,10 עׂשה לך ׁשתי חצוצרת כסף מקׁשה תעׂשה אתם והיו2 Mach Dir zwei silberne Trompeten. In לך למקראgetriebener Arbeit sollst du sie machen. העדה ולמסע את־המחנותUnd sie sollen dir zur Einberufung der Gemeinde und zum Aufbruch der Lager dienen. l
וביום שמחתכם ובמועדיכם ובראשי חדשיכם ותקעתם10 בחצצרת על עלתיכם ועל זבחי שלמיכם והיו לכם לזכרון לפני אלהיכם אני יהוה אלהיכם l
Und an eurem Freudentag, an euren Festen und euren Monatsanfängen, da sollt ihr die Trompeten blasen bei euren Brandopfern und euren Heilsopfern. Sie sollen euch ein Erinnerungszeichen vor eurem Gott sein. Ich bin JHWH, euer Gott.
Auffälligerweise ist die Anzahl der Trompeten, nachdem diese bisher nur in Num 10 genannt worden war, von zwei auf 120 angewachsen. Während schon die Zweizahl in Num 10 angesichts dreier Priester im Amt, Aaron, Eleasar und Itamar, enigmatisch bleibt, ist auch die Zahl 120 erklärungsbedürftig. Möglicherweise werden hier aus jeder der 24 Priesterklassen fünf Trompeter bereitgestellt. Evtl. ist auch an zehn Trompeter für jeden Stamm gedacht.52 Eigentümlicherweise wird die Phrase: מקרא העדהgenau wie die griechische Entsprechung ἀνακαλεῖν τὴν συναγωγὴν im Alten Testament nicht mehr verwendet. Achenbach deutet diesen Umstand dahingehend, dass der Term מקרא העדה am Ende einer Entwicklung steht, deren Vorstufe in dem Ausdruck מקרא קדׁשzu erkennen ist.53 Von diesem hinwiederum ist ausschließlich in Ex 12, Lev 23 und 51 S. o. zum traditionsgeschichtlichen Hintergrund der Trompete, 371–374. 52 Denkbar ist auch, dass 120 eine ideale Zahl darstellt. Der Mensch wird idealerweise 120 Jahre alt. Von Mose wird dies gleich zweimal berichtet: Dtn 31,2; 34,7. Dass die Zahl so immens angewachsen ist, braucht angesichts der 200.000 Trompeten, die Josephus (s. o.) nennt, keinesfalls zu überraschen. 53 Achenbach 2003, 554. Da sich der Begriff מקראdas erste Mal in Neh 8,8 bei der Verlesung des Gesetzes durch Esra findet, ist diese Urszene der Tora-Verkündung stets mitzudenken. Heckl (2016b, 212) hat jüngst den Begriff מקראvon Dtn 31,11 her entfaltet, wo die
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Num 28 f, also den sog. Festbestimmungen, die Rede.54 Diese Beobachtung deckt sich mit der These Körtings, die das Blasen der Trompete ebenfalls als eine gegenüber Lev 23,24 und Num 29,1 sekundäre Entwicklung betrachtet.55 Freilich wird der Ausdruck מקרא קדׁשin 2Chr 5 nicht genannt, da der Chronist ein anders strukturiertes Konzept der Heiligkeit entwirft und diesen Status mal mehr mal weniger den Priestern und Leviten vorbehält (vgl. z. B. 2Chr 23,6). Sollte Heckls These zutreffen, dass mit dieser Phrase die öffentliche Toraverlesung im Sinne von Neh 8 gemeint ist, so wird an dieser Stelle jedenfalls noch nicht darauf Bezug genommen. Dafür wird in 2Chr 5,6 das einzige Mal in der Chronik das priesterschriftliche Lexem עדהverwendet, was jedenfalls die Konvokationssituation unterstreicht. Der Terminus wird dabei nur scheinbar aus der Vorlage 1Kön 8,5 übernommen, ist dort jedoch auf Grund des Fehlens in der LXX als post-chronistischer Nachtrag einzustufen. Das Blasen der Trompeten mündet in die Erfüllung des Hauses des Herrn durch eine Wolke, die so viel Raum einnimmt, dass selbst die Priester nicht mehr hinzutreten können.56 Es schließt sich in 2Chr 6 das lange Tempelweihgebet Salomos an, in dem nicht nur erneut die Lade erwähnt wird, sondern auch die Tilgung eines Exodusbezuges auffällt.57 In 2Chr 6,11 spricht Salomo von der Einbringung der Lade in den Tempel. Hinsichtlich der Lade wird dabei von einem Bund zwischen JHWH und den Israeliten gesprochen, von dem es in 1Kön 8,21 explizit heißt, dass dieser mit den Vorfahren während der Herausführung aus dem Land Ägypten geschlossen wurde. Salomo tritt an den Altar JHWHs und breitet seine Hände gen Himmel aus ()ויפרש כפיו השמימה. Dabei stellt der Chronist den König auf ein bronzenes Podium ( )כיור נחשתim äußeren Hof ()בתוך העזרה, auf dem Salomo auf die Knie fällt und sein Gebet verrichtet. Dieses Heraustreten ist bspw. von Japhet58 als eine bewusste Abstandnahme gedeutet worden, da der Chronist eine solche große Menschenmenge nur im äußersten Bereich des Heiligen akzeptieren konnte. In 2Chr 6 ist das lange Tempelweihgebet Salomos angeschlossen. In 2Chr 6,11 spricht Salomo von der Einbringung der Lade in den Tempel. Wir brauchen dem Gebet nicht im Einzelnen zu folgen.59 Auffällig ist im Folgenden die Devianz der Verlesung ( )קראder Tora für das Laubhüttenfest angeordnet wird. Über den Brückenschlag der Toraverlesung ( )מקראin Neh 8 deutet er die Phrase als Bezeichnung einer öffentlichen Verlesung der Tora (2016, 213). 54 Ex 12,16*2; Lev 23,2–4*3.7–8*2.21.24.27.35–37*3; Num 28,18.25–26*2; 29,1.7.12. 55 Vgl. Körting 1999, 161. 56 Zur Auswertung der Parallelen s. u. 57 Zur Tilgung der Exodus-Bezüge vgl. Japhet 2009. Kalimi hat einer vollständigen Unterdrückung der Exodusmotivik zu Recht widersprochen, da durchaus einige Querverweise auf den Exodus gegeben werden. Vgl. Kalimi (2005, 212 sowie Anm. 61). 58 Vgl. Japhet z. St. 59 Zur Analyse der in 2Chr 6,16 f erwähnten Tora vgl. die Analyse iii) im ersten Hauptteil.
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Chronik von ihrer Vorlage. Ab V.40 bietet der chronistische Text eine gänzlich andere Wendung als 1Kön 8. In V.39 bittet Salomo zunächst noch ganz parallel: „Und nun vergib deinem Volk, das an dir gesündigt hat.“ ()וסלחת לעמך אשר חטאו־לך, dabei tilgt der Chronist die in 1Kön 8,50aβb formulierte Bitte um Vergebung, die auch für diejenigen gelten soll, die das Volk gefangen gehalten haben. In der erzählten Welt kommt dafür nur Ägypten, vom Standpunkt der Abfassungszeit auch Babylon in Frage. Es handelt sich also auf der Textebene erneut um die Tilgung eines, wenn auch nur indirekt von 1Kön 8,51 her erkennbaren, Exodus-Bezuges. V.51 ersetzt der Chronist vollständig: 2Chr 6,39 f*
1Kön 8,50–51
]…[ וסלחת לעמך אׁשר חטאו־לך עתה אלהי יהיו־נא עיניך פתחות ואזניך קׁשבות40 לתפלת המקום הזה
וסלחת לעמך אׁשר חטאו־לך50 ולכל־פׁשעיהם אׁשר פׁשעו־בך ונתתם לרחמים לפני כי־עמך ונחלתך הם אׁשר הוצאת51ׁשביהם ורחמום ממצרים מתוך כור הברזל
39
l
l
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Ab V.40 nun schwenkt der Chronist in einer auffällig an (sekundären) Nehemia-Passagen orientierten Sprache60 gänzlich von 1 Kön 8 weg und integriert ein Zitat aus Ps 132,8–10, bevor er wieder synoptisch in 2Chr 7,1 parallel, wenn auch deviant, zu 1Kön 8,54 fortsetzt. Die Aufnahme von Ps 132 ist eine Schlüsselstelle 60 Vgl. 2Chr 6,40: יהיו־נא עיניך פתחות ואזניך קשבות לתפלת המקוםmit Neh 1,6.11: תהי נא אזנך־קשבת וְ עיניך פתוחות לשמע אל־תפלת עבדך. Vgl. dazu die These Goulders (1997, 43–58), der die 15 Wallfahrtspsalmen (Ps 120–134) für einheitlich und von Nehemia für das Sukkotfest komponiert hält. Zwar ist Goulders These eher kritisch aufgenommen worden (vgl. Hossfeld / Zenger z. St., 42), dennoch enthält sie gerade im Hinblick auf die Verbindung zu Nehemia wertvolle Beobachtungen. Nähert man sich der These aus einer bspw. durch Wright (2004) differenzierten Perspektive ergibt sich zwar weniger die Autorschaft der historischen Figur Nehemias, dafür aber umso mehr der literarische Zusammenhang, da Wright Nehemias Gebet (Neh 1,5b–11) erheblich herabdatiert und damit in eine literaturgeschichtliche Nähe zum Wallfahrtspsalter rückt, den Hossfeld / Zenger für etwa ab 400 v. Chr komponiert halten. Wright (2004, 22) sieht in Neh 1,5–11a einen der spätesten Nachträge des Nehemiabuches (Stratum VII, ebd., 340) der schon in die hellenistische Zeit zu datieren ist. Während Nehemias Gebet von 1Kön 8 inspiriert sei, ist Wright der noch engeren Verbindung zwischen 2Chr 6,40 und Neh 1,6 nicht weiter nachgegangen. Die Resonanz der Texte aufeinander, die in der Reihenfolge und in kleineren grammatischen Auffälligkeiten voneinander abweichen, zeigt, dass es sich um ein vitales Gebetsformular gehandelt haben muss. Unmotiviert scheint an dieser Stelle jedenfalls die direkte literarische Abhängigkeit. Die Antwort auf Salomos Bitte in 2Chr 6,40 (עתה אלהי יהיו־נא עיניך פתחות )ואזניך קׁשבות לתפלת המקום הזהfindet sich in 2Chr 7,15 ()עתה עיני יהיו פתחות ואזני קׁשבות לתפלת המקום הזה. Sie ist ohne Parallele in 1 Kön 9. Der Eindruck einer Parallelisierung setzt sich in der geradezu typisch nehemianischen זכרה-Wendung fort (vgl. 2Chr 6,42; Neh 5,19; 6,14; 13,14.22.29.31), wobei diese wiederum in der der Chronik durch Hinzufügung eingebracht wird, d. h. in Ps 132,10 kein Pendant hat. Durch diese das Zitat aus Ps 132 rahmenden Elemente ist die Parallele zu Nehemia kaum mehr von der Hand zu weisen. Wenn dabei Neh 1,5–11a eine Aufnahme von 1Kön 8 ist, stellt 2Chr 6,42 dazu möglicherweise eine Rezeption zweiter Ordnung dar. Besonders augenscheinlich ist der Umstand, dass die זכרה-Formel in beiden Kontexten mit den Verdiensten um den Tempel in Verbindung gebracht wird.
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8. Kult-Kalender
in der Darstellung des Chronisten, da sie das Scharnier zwischen Lade und Sukkotfest bildet, indem sie den Kontext der Wallfahrt61 öffnet: 2Chr 6,41 f MT ועתה קומה יהוה אלהים לנוחך אתה וארון עזך
41
l
כהניך יהוה אלהים ילבשו תשועה וחסידיך ישמחו בטוב
יהוה אלהים42 l
אל־תשב פני משיחיך זכרה לחסדי דויד עבדך
2Chr 6,41 f Und nun Erhebe dich JHWH Gott, um zur Ruhe zu kommen, du und deine mächtige Lade! Deine Priester, JHWH Gott, sollen sich in Heil kleiden und deine Frommen sollen sich am Guten erfreuen! 42 JHWH Gott, weise das Angesicht deines Gesalbten nicht ab! Gedenke der Gnadenerweise für deinen Diener David! 41
Ps 132,8–10 MT קומה יהוה למנוחתך אתה וארון עזך
8
l
כהניך9 ילבשו־צדק וחסידיך ירננו l
בעבור10 דוד עבדך l
אל־תשב פני משיחך
Ps 132,8–10 Erhebe dich JHWH von deiner Ruhestätte, du und deine mächtige Lade! 8
Deine Priester sollen sich in Gerechtigkeit kleiden und deine Frommen sollen jubeln!
9
10 Um David, deines Knechtes Willen, weise das Angesicht deines Gesalbten nicht ab!
Das Zitat wird durch die deiktische Partikel ועתהeingebettet. Darauf folgt der Imperativ קומה יהוה, der in der Chronik um אלהיםergänzt wurde. Die seltene Wendung וארוןist nur an diesen beiden Stellen belegt und ein hinreichendes Kriterium, um eine direkte Abhängigkeit anzunehmen. Der nehmende Text ist die Chronik, die nur einen Ausschnitt aus Ps 132 wählt, der dort jedoch fest in die Textur eingebunden ist.62 Insbesondere der antithetische Übergang von Ps 132,7b nach 8 ( )קומה → נׁשתחוה להדם רגליוsituiert den Beter in der kollektiven Abwärtsbewegung genau dort, von wo er die Aufwärtsbewegung JHWHs erbittet. Die volle Bedeutung entfaltet 2Chr 6,41 von 2Chr 7,1 her. Dort erfüllt die Herrlichkeit JHWHs den Tempel ()וכבוד יהוה מלא את־הבית. Die Funktion der Übernahme von Ps 132,8–10 besteht also darin, die Präsenzvorstellung von der Lade auf den Tempel übergehen zu lassen. Ganz deutlich geht das aus der Ersetzung hervor, die nicht als freie Variation eines auswendig gelernten Liedes zu deuten, sondern ein Anhaltspunkt für die Explikation des nach Auffassung des Chronisten eigentlich Gemeinten ist. Anders als in Ps 132,8, der einen Term aus מנוחה+ ל+ קוםbildet (vgl. auch V.14), verwendet der Chronist statt des Part. מנוחהden Infinitivus Constructus von נוח mit dem ePP 2. Sg. mas., um den Zweck vor der Richtung zu behaupten. Der Im 61 Körting (2009, 229) hat herausgearbeitet, inwiefern Wallfahrt und Tora-Observanz unmittelbar zusammenhängen. 62 Vgl. hierzu Williamson n. V. Der Beitrag ist im Erscheinen. Erste Bezugnahmen auf die These Williamsons finden sich jedoch bereits zitiert bei Lynch 2015, 174.
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perativ zielt nämlich im Kontext dieses Initiationsrituals nicht vorrangig auf den zweifelsohne sehr wichtigen Ort, sondern auf den Abschluss einer langen – und durch die Regentschaft Davids bis ins Superlative retardierten – Spannung, die letztlich beim Aufbruch vom Sinai63 ihren Anfang hat und beim feierlichen Einzug in den Tempel ihr Ende findet. In diesem Zusammenhang ist der Blick auf die sog. Ladesprüche zu richten: Num 10,35 f ויהי בנסע הארן ויאמר מׁשה35 קומה יהוה ויפצו איביך l
וינסו מׂשנאיך מפניך36 ובנחה יאמר ׁשובה יהוה רבבות אלפי יׂשרא l
35 Und wenn die Lade loszog, sprach Mose: Steh auf JHWH, damit deine Feinde versprengt werden 36 und die, die dich hassen, vor dir fliehen. Und wenn sie halt machte, sprach er: Kehre um JHWH, zu den Zehntausend mal Tausenden Israels
Zunächst ist die Gemeinsamkeit mit Ps 68 festzuhalten: Num 10,35: קומה יהוה ויפצו איביך וינסו מׂשנאיך מפניך
Ps 68,2: יקום אלהים יפוצו אויביו וינוסו משנאיו מפניו
Auffällig ist die Jussiv-Form ( )וְ יָ ֻפצּוin Num 10,35, die von Formen der 2. Person eingerahmt (קומה יהוה, V.35 und ׁשובה יהוה, V.36) werden. Demgegenüber ist Ps 68,2 wohlgeformt in der 3. Person konstruiert. Ps 68,2 ist jedoch überhaupt nicht mit der Lade verbunden.64 Weitet man die Betrachtung auf Num 10,33–36 aus, fällt auf, dass hier eine Synthese aus mind. drei Traditionen vorliegt. 1) Die Lade ist schon die Lade des Bundes ()ארון ברית יהוה. 2) Die Lade hat von Ps 68,2 die Funktion eines Kriegspalladiums wie bspw. auch in 1Sam 6. 3) Die Terminologie aus Ps 132 wird in der Synthetisierung von מנחהund קומה יהוהaufgegriffen. Das מנחהMotiv ergibt nur in dieser Abhängigkeitsrichtung Sinn, da es sowohl im hexa- als auch pentateuchischen Erzählzusammenhang ein dead end darstellt.65 Das wird l
63 Der Ausgangspunkt beim Sinai wird dabei durch die sog. Ladesprüche gestiftet und liegt auf der literarhistorischen Ebene. Die Verbindung verdeutlicht die chronistische Gratwanderung: Während dieser auf der einen Seite die Exodus-Bezüge weitgehend tilgt (s. o.) knüpft er andererseits an die literarische Potenz des Lademotivs an, ohne deren Funktion als Scharnier in Num 10 zu übernehmen. Genau in diesem Zusammenhang ist es umso auffälliger, dass der Chronist gerade in 2Chr 5,10 den Ägypten-Bezug nicht tilgt: אין בארון רק ׁשני הלחות אׁשר־נתן מׁשה בחרב אׁשר כרת יהוה עם־בני יׂשראל בצאתם ממצרים. 64 Vgl. zu dieser Richtung der Abhängigkeit Porzig 2009, 36. 65 Vgl. dazu Achenbach 2003, 191.194. Achenbach hatte die Ladesprüche zwar noch seinem HexRed zugeordnet, aber schon das eigentliche literarische „Reiseziel“ gesehen, und mit in 1Chr 28,2 den einzig in Frage kommenden literarischen Fluchtpunkt identizifiert. Für diesen ist, wie hier gezeigt wird, Ps 132 der terminus post quem. Die Nähe zur chronistischen Präsenzvorstellung im בית הכפרתspricht dabei grob formuliert eher für eine Zuordnung zur ThB, wobei ganz deutlich zu beachten ist, dass der narrative Anschluss in der Chronik in 28 erfolgt und diese
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8. Kult-Kalender
gerade darin deutlich, dass das Motiv der מנחה, das sowohl in Dtn 12,9 als auch in 1Kön 8,56 einen Zusammenhang stiftet, gar nicht mit der Lade in Verbindung gebracht wird. Die nach 1Kön 8,6 noch von den Priesten getragene Lade steht hier ausschließlich für den mit dem Volk Israel geschlossenen Bund. Erst in V.56 wird das Motiv der מנוחהwieder aufgenommen und ist von diesen Zusammenhängen noch völlig losgelöst. Dtn 1,33aβ kennt zwar wie Num 10,33bγ die Wendung לתור ( לכם מקום לחנתכםvgl. )לתור להם מנוחה, verbindet es jedoch nicht mit der Lade. Damit ist zumindest die Verbindung von ארוןund מנוחהin Num 10,33 möglicherweise genauso nach Ps 132 anzusetzen wie 2Chr 6,41 f und im Hinblick auf die einzige konsequente Fortsetzung dieses Topos in der Chronik ebenfalls als vor-chronistisch zu beurteilen.66 Das Motiv der durch die Lade gestifteten Ruhe wird insbesondere mit Blick auf Salomo, dem ( איש מנוחה1Chr 22,9), und dem Tempel, dem ( בית מנוחה1Chr 28,2), zu einer eigenen מנוחה-Topos potenziert. Bei der Analyse der Ladesprüche kommt Achenbach zu dem Ergebnis, dass der Einfluss der späten Zionstheologie deutlicher hervortrete als die „altisraelitische Lade-Theologie“67 und ordnet diese auf der Ebene des HexRed ein, was darauf beruht, dass die grundlegende literarische Funktion darin besteht, die Mitführung der Lade vom Sinai zu gewährleisten.68 Demgegenüber verschiebt sich mit Blick auf die Verbindung der drei Topoi: מנוחה ;ארוןund מקוםzumindest die Synthese der Ladesprüche in Num 10,33–36 inhaltlich in vor-chronistische Richtung, da im DtrG zwar die Motive מנוחהund מקוםgenannt werden, hier die Lade aber noch nicht das Durchsetzungsmittel zu deren Synthese ist.69 In Num 10 wäre ggf. die reine Mitführung der Lade, ein für den Hexateuch notwendiges Erzählelement, stratifikatorisch noch einmal von der מנוחהzu unterscheiden. Dass die in Num 10,33–36 geleistete Verbindung erst in der Chronik ihre Bestimmung findet, ergibt sich nicht zuletzt aus den nur dort in 1Chr 28,2 und 11 bezeugten Tempelbezeichnungen בית מנוחהbzw. בית הכפרת. Endlich Ruhe! lautet das Finale der chronistischen Ladetheologie. Da diese Spannung nicht den Hintergrund von Ps 132 darstellt70, ist es konsequent, dass l
l
Kapitel originär chronistisch sind. Der durch die Ladesprüche gestiftete Zusammenhang wäre demnach ebenfalls chronistisch. 66 Dass mit der Komposition des Wallfahrtspsalters in etwa ab dem 4. Jh. v. Chr. in Jerusalem zu rechnen ist, lässt sich mit der relativen Chronologie gut vereinbaren. (vgl. dazu Hossefeld / Zenger z. St., 400). 67 Achenbach 2003, 194. 68 Auch Porzig (2009, 38) hält die Ladesprüche für eine junge auf die kontextuelle Funktion hin gestaltete Komposition. 69 Vgl. z. B. Dtn 12,9 f; 25,19; Jos 21,44; 2Sam 7,1 und 1Kön 5,18. 70 Zwar verspricht der Beter in Ps 132,4 f, nicht zu schlafen, bis eine Stätte ( )מקוםfür den Herrn gefunden sei, jedoch scheint das Hineingehen ( )בואin die Wohnung ( )משכןsowie das Niederwerfen vor dem Schemel (V.7) und auch die Bemerkung, dass JHWH Zion erwählt und für sich selbst zu seinem Wohnsitz erkoren habe ( )כי־בחר יהוה בציון אוה למוׁשב לוgerade das Finden der Stätte schon vorauszusetzen. Durch den Sprechakt der Stättensuche scheint demnach deutlich
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dieser die Ruhestätte schon mit einem nominalen Ausdruck benennt, während der Chronist die Bedingung der Ruhestätte durch einen finalen Ausdruck überhaupt erst begründet. Wir dokumentieren hier das Phänomen, dass mit der Veränderung des Textes auf der Ebene der Morphosyntax eine eigene theologische Deutung manifest wird. Die Morphologie ist dabei nicht aus der literaturgeschicht lichen Posteriorität, sondern aus der inhaltlichen Anteriorität herzuleiten. Wichtig ist dabei in Ps 132,5.871; 2Chr 6,40 f72; Num 10,29.35 die jeweils enge, der figura etymologica ähnelnde Verbindung von קוםund מקום, da die Wurzel קוםauf diese Weise nicht so sehr die Konnotation eines Aufstehens von, sondern die eines Aufstehens zu einem Ort hin erfährt.73 Von diesem Punkt her ergibt sich nun die volle Erzählperspektive, die in 1Chr 13–16 bereits vorbereitet wurde: die Trennung von Zelt und Lade. Während der Konsens der Forschung über den Transport des Zeltes nach Gibeon darin besteht, dass damit das Opfer Salomos legitimiert werden solle, ergibt sich über die intra-textuelle Dimension hinaus auch eine literarische Strategie für den vorausgehenden Transport der Lade nach Jerusalem. Aus der intertextuellen Perspektive eines mit Num 10 einsetzenden Erzählmotivs wird deutlich, dass die Lade schon seit dem Aufbruch vom Sinai auf der Suche nach einer מנוחהdem Lager drei symbolische Tagesreisen vorausreist. Diese Kundschafterfunktion der Lade ist, wie hier gezeigt wird, ganz offenbar nicht nur in die Chronik übernommen, sondern hier auch vollendet worden. Die Trennung von Zelt und Lade endet mit der endgültigen Besetzung der מנוחהund der Einbringung des Zeltes in den Tempel. Ganz offenbar entwickelt der Chronist hier also die ältere Konzeption der Hexateuch-Redaktion weiter, nach der die Priester allein die Lade mit über den Jordan nehmen (Jos 3–6*; 7,6; 8,33). Dies ist jedoch weder eine diachrone Reflexion, noch ein literarischer Atavismus, sondern vielmehr die Ausschöpfung des kreativen Potenzials, das Num 10 durch seinen jetzigen Sitz im Buch – nach der Herstellung des Zeltes – freisetzt. In diesem Sinne lässt der Chronist die Lade dem Zelt voranziehen und leistet damit den bestmöglichen Ausgleich zwischen den unterschiedlichen literarischen Einflüssen. Dass diese Lösung nicht unproblematisch war, haben wir in 1Chr 21,28–30 gesehen. Die chronistische Variante bietet damit die finale Fortsetzung der priesterschriftlichen Vorstellung eines wandernden כבוד, der sich über dem Heiligtum manifestiert, wobei jener nach chronistischer Vorstellung aufs engste mit der Lade verbunden ist. Ganz deutlich wird der Konnex mit der priesterschriftlichen Vor-
hervor, dass die Suche eigentlich bereits zum Abschluss gekommen ist. Das motivische Changieren zwischen schon und noch nicht scheint dabei die einzig angemessene Perspektive eines pantomimischen Wallfahrtsrituals zu sein, das seinen Ausgang im Vollzug bereits vorwegnimmt. 71 Hier parallel realisiert: קומה יהוה – מקום ליהוה. 72 Hier fast als Anadiplosis zu bezeichnen: ועתה קומה יהוה – לתפלת המקום הזה. 73 Vgl. zur Behauptung dieses Übersetzungsvorschlages gegen andere Deutungen: Hossfeld / Zenger z. St., 613 f.
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stellung dabei durch die zweifache Aufnahme von Ex 40,34 f in 2Chr 5,13 f und 2Chr 7,1 f, die das Einwohnungsereignis rahmen74: Ex 40,34 f
2Chr 5,13 f
2Chr 7,1
ויכס הענן את־אהל מועד וכבוד יהוה מלא את־המׁשכן ולא־יכל מׁשה לבוא35 אל־אהל מועד כי־ׁשכן עליו הענן וכבוד יהוה מלא את־המׁשכן
… והבית מלא ענן בית יהוה׃
… וכבוד יהוה מלא את־הבית׃
ולא־יכלו הכהנים לעמוד לׁשרת14 מפני הענן כי־מלא כבוד־יהוה את־בית האלהים׃
ולא יכלו הכהנים לבוא2 אל־בית יהוה כי־מלא כבוד־יהוה את־בית יהוה
34
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2Chr 5,14 und 7,1 stiften an dieser Stelle also unter Fortsetzung der priesterschriftlichen Szene eine Inclusio mit 2Chr 6,41 f als Zentrum, die das Finale der כבוד-Theologie darstellt, die hier an ihren Bestimmungsort75 kommt.
Exkurs: Einbringung der Lade in den Tempel als Synthese von Königtum und Tempel An dieser Stelle zeigt sich erneut, dass die Einbringung der Lade in den Tempel ein wichtiges Bindeglied zwischen Königtum und Tempel darstellt. Insbesondere die mit der Lade verbundene חסדspielt dabei eine verbindungsstiftende Rolle.76 74 Allein 2Chr 5,13 f hat dabei eine Parallele in 1Kön 8,10 f, was angesichts der in den Königsbüchern ansonsten vollkommen fehlenden כבוד-Theologie wohl eine der Chronik nahestehende Glosse darstellt. (Vgl. Achenbach 2007, 247). 75 Dass der wandernde כבודhier an sein Ziel gelangt ist, wird vor allem dadurch unterstrichen, dass der אהל מועדin 2Chr 5,5 ebenfalls in den Tempel gebracht wird. Auch das Motiv des אהל מועד, das sonst in den Samuel- / Königbüchern nur noch einmal in 1Sam 2,2 belegt ist, entstammt vermutlich einer der Chronik nahestehenden Bearbeitung. (Vgl. Achenbach, Ebd.). 76 Auf die enge Verbindung von Königtum und Tempel hat in jüngerer Zeit Tiňo 2010 hingewiesen, der u. a. gegen Caquot und Riley, die den Stellenwert des Königtums fast bis zur Bedeutungslosigkeit dem Kult hintangestellt haben, festhält, dass die dynastische Verheißung, insbesondere in 1Chr 17, große Bedeutung für das Anliegen des Chronisten hat und dieser die Königsdynastie und Tempel in einem festen reziproken Verhältnis sieht, dessen Verbindung vor allem durch Toraobservanz der Könige gewährleistet wird. Im Anschluss an Tiňo lässt sich zeigen, dass die Einbringung der Lade in den Tempel genau dieses reziproke Verhältnis stärkt. Die Einbringung der Lade in den Tempel legitimiert durch die mit ihr verbundene Gottespräsenz gleichzeitig den Sakralbau und dessen Erbauer. Dennoch darf keinesfalls übersehen werden, dass der Chronist in die Frage nach der Legitimität des Königtums durch die Bearbeitungen in 1Chr 17 gegenüber 2Sam 7 eine wichtige Unterscheidung eingetragen hat, die als Trennung von Herrschaft und Regierung zu beschreiben ist. 1Chr 17 spricht nicht mehr vom Königtum Davids, sondern vom Königtum Gottes. Diese Lesart wird von 1Chr 13,8 bestätigt. Dort ist die Rede vom Königtum JHWHs ( )ממלכת יהוהin der Hand der Söhne Davids. Dort wird dann zwar in Anlehnung an Num 18,19 die Vorstellung eines Salzbundes, nun nicht mit den aaronidischen Priestern, sondern mit den davidischen Königen übernommen, jedoch nicht in dem Sinne, dass der Bund von den Priestern auf die Könige übergeht, sondern dass die Priester an diesem Bund gerade dadurch partizipieren, dass die Könige, sich um die Belange der aaronidischen Priester kümmern. Genau in diesem Sinne jedenfalls wird der Bund durch die Rede Abijas in 2Chr
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8.2 Die Einbringung der Lade
2Chr 6,41 f muss kataphorisch mit 2Chr 7,3.6 und anaphorisch mit 1Chr 16,34.41; 17,13 zusammengelesen werden, da durch die deviante Integration von Ps 132,8–10 eine Verbindung des חסד-Motivs gestiftet wird. הודו ליהוה כי טוב כי לעולם חסדו34 ועמהם הימן וידותון וׁשאר הברורים אׁשר נקבו בׁשמות להדות ליהוה כי לעולם חסדו41 l
1Chr 16,34.41
l
אני אהיה־לו לאב והוא יהיה־לי לבן וחסדי לא־אסיר מעמו כאׁשר הסירותי מאׁשר היה13 לפניך1Chr 17,13 l
ועתה קומה יהוה אלהים לנוחך אתה וארון עזך כהניך יהוה אלהים ילבׁשו תׁשועה וחסידיך41 יהוה אלהים אל־תׁשב פני מׁשיחיך זכרה לחסדי דויד עבד42יׂשמחו בטוב l
2Chr 6,41 f // Ps 132,8–10*
וכל בני יׂשראל ראים ברדת האׁש וכבוד יהוה על־הבית ויכרעו אפים ארצה על־הרצפה3 2Chr 7,3.6 ויׁשתחוו והודות ליהוה כי טוב כי לעולם חסדו והכהנים על־מׁשמרותם עמדים והלוים בכלי־ׁשיר יהוה אׁשר עׂשה דויד המלך להדות ליהוה6 כי־לעולם חסדו בהלל דויד בידם והכהנים מחצרים נגדם וכל־יׂשראל עמדים l
l
Die Syntax des חסד-Motivs protokolliert, worauf die Integration von Ps 132 an dieser Stelle zielt: Die feste Verbindung von davidischer Dynastie und Königtum. Das Motiv wird folgendermaßen entfaltet: 1) Die חסדwird zunächst zitathaft über Ps 106,1 in die Chronik (1Chr 16,34) eingeführt. Mit der Überführung der Lade – und damit der göttlichen Präsenz – wird seine חסדebenfalls in die Stadt gebracht, was Grund zu Lob und Preis ist. 2) Diese soeben besungene חסדwird in 1Chr 17,13 genealogisch eingeholt. JHWH adoptiert Salomo und seine חסד, so heißt es dort, werde von Salomo nicht mehr weichen. Salomo wiederum, der von 1Chr 17 an mit göttlicher חסדausgestattet ist, überführt die Lade in den Tempel und lässt diese dort zur Ruhe kommen.77 Tiňo spricht also völlig zu Recht von einer „Inclusio“, die zwischen 1Chr 16 f und 2Chr 5–7 besteht.78 3) In 2Chr 6,41 f ruft Salomo die Chasidim79 auf, sich am Guten zu erfreuen. Dabei stellt das Gute einen Rekurs auf 1Chr 16,34 dar, wo konstatiert wird, dass JHWH selbst gut sei. Während Ringgren hier „das versammelte Volk, die Laien der
13,5–12 qualifiziert, wenn Abija im selben Atemzug davon spricht, dass JHWH, der Gott Israels, David das Königtum für immer ( )לעולםgegeben habe (V.5), und weiterhin zur Bedingung der Gültigkeit dieses Bundes macht, dass das davidische Königtum den Herrn nicht verlassen habe und die Aaroniden dem Herrn als Priester dienten und die Leviten ihren Dienst verrichteten (V.10). Die differentia specifica der Bundeszu- bzw. absage besteht demnach in der Beförderung des Kultpersonals. In diesem Sinne ist die folgende Kampfansage gegen das Nordreich auch als Selbsvergewisserung der Bundestreue JHWHs zu lesen: והנה עמנו בראׁש האלהים וכהניו וחצצרות התרועה להריע עליכם. 77 Zum Inf. לנוחךs. o. 78 Tiňo 2010, 53. 79 Vgl. Ringgren 1982. Ringgren hält fest, dass das Lexem חסידeine Semantik der Reziprozität eignet, die sich an 2Sam 22,26 // Ps 18,26 ablesen lasse. „Gott verhält sich dem Menschen gegenüber ähnlich, wie der Mensch sich verhält.“ (84). Weiterhin weist Ringgren darauf hin, dass es sich bei den Chasidim nicht etwa um „eine Partei oder einen besonders ‚frommen‘ Teil des Volkes“ (87) handle und dass das Wort in der LXX auch die Konnotation der „(Gesetzes-) Treue“ (ebd.) aufweise.
498
8. Kult-Kalender
Kultgemeinde“80 für gemeint hält, weist der Kontext jedoch darauf, dass David und Salomo selbst חסידםsind! Wobei der Plural deren Dynastie als Chasidim schon einschließen könnte. Diese Lesart stellt sich jedoch erst ein, wenn man die Erwähnung der göttlichen חסדin der Chronik ko- und kontextuell assoziiert und deutet. Der Sinn dieser Bezeichnung geht umso mehr aus 2Chr 6,42 hervor, wo der in der Vorlage genannte Mose konsequent durch David ausgetauscht wird und David damit zu einem archetypischen Frommen stilisiert wird. Tiňo hat jüngst darauf hingewiesen, dass die Gesetzestreue eine äquivalente Bedingung dafür ist, dass Salomo den Tempel bauen kann: „The necessary implication of this is that Salomon could not have succeeded in his mission to build the Temple if he would not recognize the Law and keep its commandments. His rule is perfect in this regard and is set as programmatic for both past and future rulers.“81 4) 2Chr 7 nimmt das חסד-Motiv wieder auf. In V.3 ringt das vom Himmel herabfahrende Feuer den Israeliten ein JHWH-Bekenntnis ab: Ja er ist gut! Und ewig währt seine Güte! Die Gefahr des herabfahrenden Feuers ( )אש ירדwird durch Ex 19,8 nicht unwesentlich potenziert, wo JHWH selbst im Feuer auf den Gottesberg herabsteigt. Da es mit dem herabfahrenden Feuer in 2Kön 1,10.12.14 einen tödlichen Ausgang nimmt, ist es nur umso verständlicher, dass die Freude über die Bewahrung im Angesicht JHWHs im Lob ausgedrückt wird. Dieses Motiv nimmt V.6 auf, wo die Leviten mit den Instrumenten JHWHs, die David, der König, gemacht hatte (בכלי־ׁשיר יהוה )אׁשר עׂשה דוידdie ewige Güte des Herrn preisen, während die Priester die Trompeten blasen. Da die Präpositionalphrase בידםoffenbar die Hände der Leviten meint und dort die Instrumente JHWHs lokalisiert, ist der Abstand insbesondere durch die Einsetzung zweier Infinitive ( ידהund )הללungewöhnlich groß. Die Phrase, die sowohl die Herstellung der Instrumente also auch den Gesang mit David verbindet ()עׂשה דויד המלך להדות ליהוה כי־לעולם חסדו בהלל דויד, scheint dementsprechend sekundär in den Zusammenhang eingetragen worden zu sein.
Salomos Gebet endet mit der Annahme seines Opfers durch das vom Himmel herabfahrende Feuer, wobei 2Chr 7,1–3 zunächst eine repetitio von 2Chr 5,13 f* enthält: 1Kön 8,10 f ויהי בצאת הכהנים מן־הקדׁש
10
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2Chr 5,11*.13 f ויהי בצאת הכהנים מן־הקדׁש11 כי כל־הכהנים הנמצאים התקדׁשו אין לׁשמור למחלקות והלוים המׁשררים לכלם לאסף להימן לידתון ולבניהם12 ולאחיהם מלבׁשים בוץ במצלתים ובנבלים וכנרות עמדים מזרח למזבח ועמהם כהנים למאה ו עׂשרים מחצרים בחצצרות ויהי כאחד למחצרים ולמׁשררים להׁשמיע קול־אחד13 להלל ולהדות ליהוה וכהרים קול בחצצרות ובמצלתים ובכלי הׁשיר ובהלל ליהוה l
l
l
80 Ringgren 1982, 86. 81 Tiňo 2010, 50.
8.2 Die Einbringung der Lade
והענן מלא את־בית יהוה11 ולא־יכלו הכהנים לעמד לׁשרת מפני הענן כי־מלא כבוד־יהוה את־בית יהוה l
499
כי טוב כי לעולם חסדו והבית מלא ענן בית יהוה ולא־יכלו הכהנים לעמוד לׁשרת מפני הענן14 כי־מלא כבוד־יהוה את־בית האלהים l
Die Adiectio in V.11 zeigt eine typische Tendenz des Chronisten: Gegenüber nur einer Verwendung des Lexems הללin 1Kön 20,11 stellen die 21 Belege in der Chronik einen signifikanten Zuwachs dar.82 2Chr 5,11*.13 f
2Chr 7,1–3
וַ יהי בצאת הכהנים מן־11 הקדש
וככלות שלמה להתפלל והאש ירדה מהשמים ותאכל1 העלה והזבחים וכבוד יהוה מלא את־הבית׃
l
ובהלל ליהוה כי טוב כי לעולם חסדו והבית מלא ענן ּבית יהוה׃ ולא־יכלו הכהנים לעמוד לשרת14 מפני הענן ּכי־מלא כבוד־יהוה את־בית האלהים׃ l
l
ולא יכלו הכהנים לבוא2 אל־בית יהוה כי־מלא כבוד־יהוה את־בית יהוה׃ וכל בני ישראל ראים ברדת האש וכבוד יהוה על־הבית3 ויכרעו אפים ארצה על־הרצפה וישתחוו והודות ליהוה כי טוב כי לעולם חסדו׃ l
l
Mosis hat mit Rudolph83 gegen Galling84 dafür plädiert, dass der DublettenBefund literarkritisch auzulösen sei und 2Chr 5,11–13* dementsprechend für sekundär gehalten.85 Dabei geraten zwei Argumente miteinander in Widerspruch. Wenn 2Chr 5,11–13* sekundär ist, kann das Material nicht aus 1Kön 8 stammen. Andernfalls wäre der Text gleich übernommen worden und sicher nicht um den Preis eines nachträglichen Widerspruches gegenüber 2Chr 7,13. Dabei ist zu berücksichtigen, dass in 1Kön 8 wohl eine Glosse im Sinne der Theokratischen Bearbeitung vorliegt.86 Wenn diese von 2Chr 5,11–13 abhängig sein soll, stellt sich die Frage, warum a) so sorgfältig um die Priester und Leviten herumgeschnitten wurde, und b) woher der Text in 2Chr 5,11–13 überhaupt stammen soll. Mit anderen Worten: Man kommt kaum umhin anzunehmen, dass der Chronist schon bei der Abfassung der Grundschicht auf diesen durch die ThB in 1Kön 8 eingearbeiteten Text zugegriffen und damit Treue gegenüber der Vorlage gewahrt hat. Er hat dann ebenso Treue gegenüber der Vorlage gewahrt, indem er das Gebebt Salomos angeschlossen und die Ladesprüche in dieses integriert hat. Dabei hat er dann 82 1Chr 16,4.10.25.36; 23,5*2.30; 25,3; 29,13; 2Chr 5,13*2; 7,6; 8,14; 20,19.21; 23,12–13*2; 29,30*2; 30,21; 31,2. 83 Vgl. Rudolph z. St., 211. 84 Vgl. Galling z. St., 92. 85 Vgl. Mosis 1973, 148, Anm. 71. 86 Vgl. Achenbach 2007a, 243–253.
500
8. Kult-Kalender
selbst eine Dublette produziert, die bei genauerer Betrachtung einen signifikanten Unterschied aufweist und daher umso weniger ein Anlass zur Ausscheidung des Materials ist. Beachtet man das Produktionsmaterial, fällt auf, dass 2Chr 7,1–3 eine Synthese der aus Ex 40,34 f und Lev 9,23 f bekannten Motive formt und insofern noch einmal eine Weiterentwicklung gegenüber 2Chr 5,11–13 darstellt. 2Chr 7,3
Ex 40,34 f
וככלות שלמה להתפלל
Lev 9,23 f ויבא משה ואהרן אל־אהל מועד23 ויצאו ויברכו את־העם l
ויכס הענן את־אהל מועד34 l
והאש ירדה מהשמים ותאכל העלה והזבחים וכבוד יהוה מלא את־הבית׃ ולא יכלו ַהכהנים לבוא אל־בית2 יהוה כי־מלא כבוד־יהוה את־בית יהוה׃ וכל׀ בני ישראל ראים ברדת3 האש וכבוד יהוה על־הבית l
וכבוד יהוה מלא את־המשכן׃ ולא־יכל משה לבוא35 אל־אהל מועד כי־שכַ ן עליו הענן וכבוד יהוה מלא את־המשכן׃ ַ l
l
וירא כבוד־יהוה אל־כל־העם׃24 ותצא אש מלפני יהוה ותאכל על־המזבח את־העלה ואת־החלבים וירא כל־העם וירנו וַ יפלו עַ ל־פניהם׃ l
ויכרעו אפים ארצה על־הרצפה וישתחוו והודות ליהוה כי טוב כי לעולם חסדו׃
Das Motiv der Erfüllung des Allerheiligsten durch die Gottheit, sei es durch seinen כבוד, sei es durch seine Wolke, rührt von Ex 40 her und die wohlgefällige Annahme des Opfers durch das Himmelsfeuer weist nach Lev 9.87 Damit wird der chronistische Baubericht also latent mit der Errichtung des Wüstenzeltes einschl. der Einweihung des ersten Altars gleichgesetzt.
8.3 Der Festakt Auf diese Weise schließt nun die Betrachtung von 2Chr 7,7–12 an, also den Versen, die Anlass zu der Frage geben, ob Salomo den Tempel am Sukkotfest eingeweiht hat und wie dieser mit seinen im Pentateuch erwähnten Vorgänger-Altären verknüpft wird: 87 Freilich besteht hinsichtlich der Feuer-Motivik auch eine auffällige Nähe zu 1Kön 18,38 sowie 2Kön 1,10–14! Der gesamte Kontext der Tempel- und Altarweihe spielt jedoch in der Elija-Episode keine Rolle, weshalb sie hier weitgehend außer Acht bleiben kann. Unverkennbar ist auch der Verweis nach 1Chr 21,26 wodurch erneut die latente Identität zwischen Salomo und David betont wird. Vgl. dazu im Kapitel Kult-Ort auch den Hinweis auf die Auslegung Schenkers von 1Kön 18,38 (s. o. 434).
8.3 Der Festakt
501
Und Salomo heiligte die Mitte des Vorhofes, der vor dem Haus JHWHs war. Denn dort opferte er die Brandopfer und die Fettstücke der Heilsopfer. Denn der Bronzealtar, den Salomo gemacht hatte, konnte das Brandopfer und das Speisopfer und die Fettstücke nicht aufnehmen. 8 Und Salomo feierte zu jener Zeit sieben Tage lang das Fest und ganz Israel mit ihm88, eine sehr große Versammlung89 von da, wo man nach Hamat hineinkommt, bis an den Bach Ägyptens. 9 Und am achten Tag machten sie eine Festversammlung90, denn sie feierten die Einweihung des Altars91 sieben Tage und das Fest sieben Tage lang. 10 Und am 23. Tag des siebten Monats schickte er das Volk zu ihren Zelten, fröhlich und mit einem Herzen voll guter Dinge wegen des Guten, das JHWH David und Salomo und seinem Volk Israel getan hatte. 11 Und Salomo vollendete das Haus JHWHs und das Haus des Königs. Und alles, was Salomo ins Herz gekommen war, im Haus JHWHs und in seinem Haus zu machen, war von Erfolg gekrönt. 12 Da erschien JHWH Salomo in der Nacht und sprach zu ihm: Ich habe dein Gebet gehört und mir diese Stätte zum Opferhaus erwählt. 7
Zunächst wird in V.7 die Urheberschaft des Bronze-Altars von Bezalel (Ex 38,30; 39,39) auf Salomo übertragen. In 2Chr 4,1 erfahren wir nicht nur, dass Salomo ebenfalls einen bronzenen Altar macht, sondern auch, dass der in Gibeon vor dem אהל מועדerrichtete Altar von Salomos neuem Altar abgelöst wird. In Gibeon hatte Salomo nach 2Chr 1,5.6 noch ein der Vorlage geschuldetes Opfer dargebracht, danach verliert sich dessen Spur. Es ist Salomos Altar, der für den Jerusalemer Kult verwendet wird und die Maße von Bezalels Vorgänger jeweils um den Faktor 4 überbietet. Dass dieser Altar von immerhin etwa 80qm nicht einmal ausreicht, um alle dargebrachten Opfer zu fassen, führt dem Leser vor Augen, mit welchen Ausmaßen der Chronist rechnet. – Es ist die Situation der Wallfahrt. Demnach ist es kein Zufall, dass der Chronist die große Menge ( )קהל גדולaus 1 Kön 8,56 zu einer sehr großen Menge macht ( קהל גדול מאד2 Chr 7,8). Der Chronist arbeitet seine „Vorlage“ aus den Erfahrungen seiner eigenen Gegenwart um. Dafür, dass 2Chr 7,7 nach 1Kön 8,56 anzusetzen ist, spricht ein Phänomen, das Nihan im Vergleich der Festkalender von Lev 23 mit Num 28,1–30,1 herausgearbeitet hat. Während die מנחהin Lev 23 noch ein eigener Opfertypus im Sinne von Lev 1–3 sei, kann davon in Num 28,1–30,1 nicht mehr gesprochen werden: „[I]t is only an auxiliary on accompanying the עלה.“92 Vor diesem Hintergrund ließe sich erkläl
88 Die Wendung כל יׂשראל עמוist von signifikanter Seltenheit: Jos 7,24; 10,15.29.31.34.36. 38.43; 1Kön 8,62.65; 16,17; 2Chr 7,8; 12,1. Die Wendung כל יהודה עמוhingegen kommt im Alten Testament gar nicht vor. 89 ( קהל גדול מאד1Kön 8,65; 2Chr 7,8; Jer 31,8; 44,15; Ez 38,15). Während andere Texte durchaus von einem קהל גדולsprechen, findet sich das מאדnur in 2Chr 7,8. 90 ( עצרתLev 23,36; Num 29,35; Dtn 16,8; 2Chr 7,9; Neh 8,18; Jes 66,9; Jer 9,1; Dan 10,8.16; Am 5,21). 91 ( חנכת המזבחNum 7,10–11*2.84.88; 2Chr 7,9 – Num 7 knüpft zeitlich an Ex 40,1 an.). 92 Nihan 2008, 201. Anm. 58. l
502
8. Kult-Kalender
ren, dass die מנחהin V.7a bei den Opferarten nach עלותgetilgt wird, während sie in V.7b zusammen mit den Opferbestandteilen in Verbindung mit der עלהdoch genannt wird. Insbesondere die Verse 8 bis 10 sind nun genau zu betrachten, da hier ein Ablauf geschildert wird, der bisher von der Forschung mit zu großer Selbstverständlichkeit erklärt wird, der aber bei Berücksichtigung der chronologischen Struktur und erneut im Vergleich mit den Paralleltexten weitere Dimensionen eröffnet. Sehen wir uns zunächst nur den Text der Chronik an: ויעׂש ׁשלמה את־החג בעת ההיא ׁשבעת ימים8 וכל־יׂשראל עמו קהל גדול מאד מלבוא חמת עד־נחל מצרים l
ויעׂשו ביום הׁשמיני עצרת9 כי חנכת המזבח עׂשו ׁשבעת ימים והחג ׁשבעת ימים l
וביום עׂשרים וׁשלׁשה לחדׁש הׁשביעי ׁשלח את־העם10 לאהליהם ׂשמחים וטובי לב על־הטובה אׁשר עׂשה יהוה לדויד ולׁשלמה וליׂשראל עמו l
In jener Zeit beging Salomo das Fest sieben Tage lang – und ganz Israel mit ihm, eine sehr große Versammlung, von dort, wo man nach Chamat gelangt, bis an den Bach Ägyptens. 9 Und am achten Tag begingen sie eine Versammlung, denn sie begingen die Altarweihe sieben Tage lang und das Fest sieben Tage lang. 10 Und am 23. Tag des siebten Monats entließ er das Volk zu ihren Zelten, glücklich und frohen Herzens, wegen des Guten, dass JHWH an David und Salomo und Israel, seinem Volk, gewirkt hatte. 8
In diesem Text, der weitgehend kohärent ist, verursacht V.9b eine Kohärenzstörung. Ohne V.9b wäre der Ablauf deutlich: 1) Salomo versammelt das Volk zur Feier des Festes im siebten Monat. 2) Er feiert das Fest – wahrscheinlich Sukkot – sieben Tage lang. 3) Am achten Tag begeht das Volk eine Versammlung, die sonst nur in Lev 23 und Num 29, nicht aber in Dtn 16 belegt ist. 4) Am 23. Tag entlässt Salomo das Volk zu seinen Zelten. Problematisch wird der Ablauf, wenn man V.9b mit in die Deutung hineinnimmt: Hier ist davon die Rede, dass die Altarweihe sieben Tage begangen wird und das Fest ebenfalls sieben Tage lang. Zunächst ist relativ sicher, dass das Fest aus V.8 mit dem Fest aus V.9 identisch ist, und dass es sich dabei auf Grund der Datierung in den siebten Monat um Sukkot handelt. Daneben bleibt jedoch unverständlich, warum so unvermittelt von einer חנכת מזבחdie Rede ist, die sonst nur noch in Num 7,10–11.84.88 erwähnt wird, während es doch um die Einweihung des Tempels geht. Man könnte den Ausdruck zwar als pars pro toto verstehen; die Einweihung käme jedoch angesichts der bereits dargebrachten Opfer verspätet (2Chr 5,6; 7,1.4.5). Weiterhin ist auch die Temporal-Deixis des Ausdrucks ביום השמיניunklar. Ist damit der achte Tag des Sukkot-Festes oder der achte Tag der Altarweihe gemeint?
8.3 Der Festakt
503
Im zweiten Fall93 kann das Lexem עצרתdie Klärung herbeiführen. In fünf der sechs Fälle wird sie mit einem Wallfahrtsfest in Verbindung gebracht. In vier der fünf Fälle ist dies das Sukkot-Fest. Die עצרתist eine von dem Verbum עצרabgeleitete Nominalbildung, die auf Grund des weitreichenden Bedeutungsspektrums schwierig zu übersetzen ist. Hieke z. B. übersetzt die עצרתwie die überwiegende Mehrheit der Forscher mit „Festversammlung“94. Dabei stehe kontextuell bedingt der Tag als solcher im Vordergrund, während die Versammlung, die nicht näher beschrieben wird, eher hintergründig bleibe.95 In Dtn 16,8 wird sie am siebten und damit letzten Tag des Pessachfestes begangen. Im Hinblick auf das Sukkot-Fest wird die עצרתneben Neh 8,18 und 2Chr 7,9 nur in Lev 23,36 und Num 29,35 erwähnt96. Dabei ist hier, anders als in Dtn 16,8, wo laut Körting „(noch) nicht der eigentliche priesterschriftliche Gebrauch von עצרתvor[liegt]“97, bereits ein priesterlich-chronistischer Sprachgebrauch zu beobachten.98 Körting unterscheidet drei begriffsgeschichtliche Etappen: 1. Die vor-priesterliche (Dtn 16,8). 2. Die priesterliche (Lev 23,36; Num 29,35). 3. Die chronistische (2Chr 7,9; Neh 8,18). Die עצרת, die in Lev 23 nicht mehr mit dem Pessach in Verbindung gebracht wird, wird also regelrecht auf das Sukkot-Fest übertragen. – Ein Vorgang, den 93 Die Altarweihe ist nur noch in Num 7 Thema. Das Kapitel ist schematisch gestaltet: Auf die Heiligung und Salbung der heiligen Geräte und des Altars durch Mose folgt die Darbringung von Opfern durch die Familienhäupter der Stammesfürsten Israels. Dabei erinnert die Einberufung der Stammesfürsten stark an die Einberufung aus 2Chr 5,2. Während in Num 7 die נשיאי ישראלund ראשי בית אבתםgenannt werden, sind es in 2Chr 5 die זקני ישראלdie כל־ראשי המטותund die נשיאי האבות לבני ישראל. Trotzdem die Gruppen נשיאיund ראשיreziprok attribuiert werden, muss damit gerechnet werden, dass dieselben Gruppen gemeint sind. Wenn jedoch in V.3 noch כל איׁש ישראלund in V.6 כל עדת ישראלgenannt wird, hebt sich kontrastiv die komplementäre Lesart der beiden Situationen ab. Während Num 7 wie typisch für das Numeribuch die stellvertretende Nennung und Handlung von Repräsentationsfiguren im Blick hat, ruft der Chronist einen realen Kontext, nämlich den der Wallfahrt auf, zu der sich das ganze Volk am Tempel versammelt. Nun könnte man sich nach der Altarweihe von Num 7 fragen, warum diese in der Chronik überhaupt erneut vollzogen wird. Dies erklärt sich jedoch vor dem Hintergrund der Supposition des Altars Bezalels durch den im Grundriss um den Faktor Vier vergrößerten Altar Salomos (2Chr 4,1). An zwölf Tagen wird jeweils geschildert, was je einer der zwölf Familienfürsten zum Opfer darbringt. Die Altarweihe, das geht aus der rahmenden Verwendung dieses Terms hervor, besteht dabei in der Summe aller nach der Salbung dargebrachten Opfertiere. Eigentümlich ist die doppelte Nennung der sieben Tage. Bei Josephus (ant. VIII 1233) wird daraus unmissverständlich die Annahme, dass die Israeliten zweimal sieben Tage Sukkot gefeiert hätten, eine Vorstellung, die nur aus 2Chr 7 oder aus 1Kön 8MT, nicht aber aus den Festkalendern des Pentateuchs gefolgert sein kann. Außerdem ist Josephus (ant. IV 209) der Auffassung, dass das Fest nur alle sieben Jahre gefeiert wurde, wobei hier Dtn 31,10 den Hintergrund bildet. 94 Hieke z. St. 95 Ebd.; Hieke weist außerdem darauf hin, dass das von der LXX verwendete Lexem ἐξόδιον im Griechischen „das Ende einer Tragödie im Theater“ (Ebd.) bezeichne. 96 1Kön 8 kennt die Versammlung offenbar nicht. Vgl. Nihan 2008. 97 Körting 1999, 45. 98 Vgl. ebd. Anm. 190; Wagenaar 2005, 62 f.
504
8. Kult-Kalender
Nihan und Weyde Re-Application nennen.99 Die ältere Forschung hat mitunter einen vom Kontext des Sukkot-Festes zu unterscheidenden, älteren Ursprung angenommen.100 Demgegenüber hat Nihan durch eine kritische Auswertung der darzubringenden Opfer plausibel machen können, dass der achte Tag genuin aus dem Sukkot-Fest hervorgewachsen ist und „a return to normality at the closing ( )עצרתof the festival“101 darstelle.102 Während die Distribution der Opfer vom ersten bis zum siebten Tag des Sukkot-Festes kontinuierlich abnehme und an der Vollkommenheit des SiebenerSchemas orientiert sei103, werde am achten Tag das normale Maß wieder erreicht.104 Von Lev 23,36, aber auch Num 29,35 f herkommend wird man also annehmen können, dass die עצרתin 2Chr 7 das Sukkot-Fest abschließt. Das führt zur Frage nach dem Status der עצרתin Esr / Neh und in den Rollen vom Toten Meer.
99 Vgl. Nihan 2008, 217 sowie. auch Weyde 2004, 115. 100 Vgl. z. B. Noth z. St., 193. („[F]ür diesen letzten Tag ist nur eine auffällig geringe Zahl von Opfern vorgesehen […], womit sich dieser Tag als ein nachträglicher Ableger von dem großen Herbstfest erweist.“). 101 Nihan Ebd. 186. Anm.24. Diese These versteht sich aus der Darstellung seiner Forschungsergebnisse freilich nicht begriffsgeschichtlich, sondern institutionell. Wright und Milgrom haben im Anschluss an Knohl vor dem Hintergrund von Joel 2,15 ebenfalls vorgeschlagen, dass die עצרהwährend der Herbstfeste den Anlass einer besonderen Bitte um Regen gehabt haben könnte, was vor dem Hintergrund von Joel 1,14 durchaus nicht unplausibel ist. Zu beachten ist jedoch, dass hier mit עצרהgegenüber der im Hinblick auf Sukkot gebrauchten עצרת eine andere Nominalbildung vorliegt (vgl. Wright / Milgrom 1986, 337 f.). Hieke z. St., 924. ist der Einschätzung Nihans gefolgt. Dabei hebt er gleichzeitig hervor, dass der achte Tag mit einer „Art Bittgottesdienst um Regen für das neue landwirtschaftliche Jahr“ verbunden gewesen sein könnte. (Ebd. 924). Ein weiterer Anhaltspunkt sei TPS-J 23,39. Für die Verbindung der עצרתmit Regengebeten spreche bspw. die im heutigen Judentum begangene Schmini Azeret, deren Besonderheit es ist, dass hier „im zusätzlichen Gebet (Musaf) ein Gebet um Regen gesprochen“ wird. (Ebd. 925). Für diese These spricht im Übrigen auch der Zusammenhang von 1Sam 23,17–25*; (1Kön 8,36;) 2Chr 6,27; Sach 14,16–19. Alle genannten Stellen (1Kön 8,36 hängt dabei an der Einschätzung des Verhältnisses zu 2Chr 6,27) thematisieren den Zusammenhang der Weizenernte bzw. Sukkot mit der Disposition von zu viel oder zu wenig Regen. 102 Damit urteilt er fast im Sinne de Vauxs (1956/II, 356), der Folgendes zum achten Tag festgehalten hat: „[E]s ist ein Tag nach dem Fest, ein Übergang, bevor das normale Leben wieder seinen Gang nimmt.“ Nur dass bei Nihan nicht der Tag ist, bevor, sondern der an dem das normale Leben wieder seinen Gang nimmt. 103 „The bulls offered during the seventh day with the offering of seven bulls. [… I]t enhances the significance of the seventh month […] as the last month in the year during ḥag, a pilgrimage festival […] is performed in Israel.“ 104 Nihan 2008, 183.
8.3 Der Festakt
505
Exkurs: Der Status der תרצעin Esr 3 und Neh 8 und in Qumran: a) In Esr 3 wird das erste nachexilische Sukkot-Fest begangen, noch bevor die Bauarbeiten am Tempel beginnen (V.6b). Esr 3,1 berichtet von einer Versammlung ( )אסףdes Volkes in Jerusalem im siebten Monat.105 Während in V.1 zwar der Beginn berichtet wird, erfahren wir jedoch nichts darüber, wann das Fest zu Ende gegangen ist. Heckl hat jedoch allen Grund anzunehmen, dass es sich um eine Feier im Sinne von Lev 23,34 vom 15.–21. des Monats handelt.106 Der Feier geht der Wiederaufbau des Brandopferaltars an seiner alten Stelle durch Jeschua und Serubbabel voraus. Auf diesem, so heißt es, sollen Brandopfer gemäß der Tora des Mose dargebracht werden ()ככתוב בתורת מׁשה איׁש־האלהים. Wenn auch V.4 eindeutig auf Sukkot weist, so hat der Topos der Altarweihe in Esr 3 mindestens gleichwertigen Anteil an der Darstellung. In 2Chr 7 wird nicht nur die Einweihung des Altars mit Sukkot verbunden, sondern auch die Einweihung des Tempels. Diese wird in Esr 6,16 wiederum mit dem Pessach-Fest verbunden. Möglicherweise führt also der zweifache Anlass in der Chronik zu einer Verlängerung des Sukkot-Festes. Weiteres trägt der Seitenblick auf Esr 3 für den vorliegenden Kontext nicht aus; über eine עצרתam achten Tag ist in Esr 3,1–6a nichts zu erfahren. b) In Neh 8,18 ist auffällig, dass von der עצרתgesagt wird, dass sie כמשפטbegangen wird. Während bspw. Otto107 und Achenbach108 der Auffassung sind, dass der vom HexRed verfasste Abschnitt Dtn 31,9–13 die Vorlage für Neh 8 darstellt, hat Pakkala die These vertreten, dass es möglicherweise umgekehrt sei, da bspw. die Idee des siebenjährigen Lesezyklus in Neh 8 keinen Niederschlag gefunden habe. Auch sei die Idee einer levitischen Verlesung des Gesetzes nicht sogleich übernommen, sondern erst später hinzugefügt worden.109 Deshalb wäre es „easier to assume that Deut 31:9–13 is dependent on the final text of Neh 8 than to assume that the different (at least three) authors / editors of Neh 8 were all subsequently using Deut 31:9–13.“110 Dieser Sicht ist jüngst von Heckl widersprochen worden, der der Auffassung ist, dass eine Bezugnahme von Dtn 31,9–13 auf fortwährende Fortschreibungen in Neh 8 nicht plausibel sei, und dabei das gewichtige Argument ins Spiel bringt, dass man auf diese Weise mit der Datierung von Dtn 31 „weit in die hellenistische Zeit kommen würde.“111 Eigentümlich ist der Hinweis auf Josua in Neh 8,17, den Pakkala treffend deutet: „Firstly, there is no reference to the celebration of the Sukkoth during Joshua’s time elsewhere in the Hebrew Bible, and secondly, according to some texts, the Sukkoth was clearly celebrated after him, for example under Solomon (2 Chr 7:8–10; 8:13) and Zerubbabel (Ezra 3:4).“112 Dabei bringt er jedoch eine naheliegende Möglichkeit nicht 105 Der Modus der Versammlung ( )כאיש אחדverbindet Esr 3,1 und Neh 8,1. Die Chronik kennt diesen Ausdruck nicht. 106 Vgl. Heckl 2016a, 185. 107 Otto 2000, 205. 108 Achenbach 2003, 33. 109 Vgl. dazu auch Kratz 2000, 89. 110 Pakkala 2004, 157. 111 Heckl 2016a, 261–263. Dabei stimmt er mit den Ergebnissen Wrights (2004) überein. Dieser hält Neh 8 für einen der spätestens Texte des Nehemiabuches, wobei er Neh 8,13–18 später ansetzt als Neh 8,1–12. 112 Pakkala 2004, 152.
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8. Kult-Kalender
ins Spiel, die ihm durch seine Perspektive der Abhängigkeitsverhältnisse nicht greifbar war: den Einfluss von Dtn 31,9–13. Im Kontext der Übergabe der Tora an die levitischen Priester (Dtn 31,9) wird Josua als Sukzessor des Mose mit der Führung der Gemeinde beauftragt.113 Der Auftrag, alle sieben Jahre an Sukkot aus der Tora vorzulesen, gilt, da es sich um den Abschied des Mose handelt, also offenbar für die Regierungszeit des Josua. Der כי-Satz in Neh 8,17 wäre dann nicht so aufzufassen, dass die Israeliten seit den Tagen Josuas nicht mehr so gehandelt hätten, sondern dass sie nicht so gehandelt hätten.114 An dieser Stelle sei noch bemerkt, dass der in Neh 8 durch כמׁשפטanstelle von ככתוב בתורהo. ä. eingebrachte Verweis auf die עצרתin Anbetracht der Tatsache, dass diese in Lev 23 und Num 28 f vorgeschrieben wird, auf ein synonymes Verständnis der Formulierungen schließen lässt. Pakkala hat mit Blick auf die Ausgestaltung des Festes jedoch überzeugend gezeigt, dass die Feier in Neh 8 eigentlich nur gemäß Lev 23,39–43 durchgeführt worden sein kann.115 Wobei zuletzt Nihan dessen Verdacht bestätigt hat, dass diese Verse eine sekundäre Hinzufügung in Lev 23 seien.116 Dabei kommt Pakkala auf Grund zahlreicher (vor allem) semantischer Abweichungen zu der Auffassung, dass Neh 8,13–18 auf eine Version rekurriere, die nicht mit der masoretischen identisch sei.117 Insbesondere der nichtbegangene Versöhnungstag am zehnten Tag des siebten Monats (vgl. Lev 23,26–32) führt ihn zu dieser Annahme. Dabei stelle sich die Frage, ob die Auslassung notwendigerweise zu dieser Schlussfolgerung führt. Es ist zu beachten, dass der Versöhnungstag im Sinne einer Festbegehung keinen einzigen Reflex im Alten Testament hat. Das Problem der Nicht-Begehung, ja sogar der Nicht-Erwähnung, führt ferner zu einer empfindlichen Unbestimmtheitsstelle in den Chronikbüchern, insbesondere in 2Chr 7, wo der Tag unmerklich während der Tempelweihe und dem Fest vorbeizieht.118 Ein weiteres Indiz dafür, dass Neh 8,13–18 Lev 23,39–43 in einer anderen als der nunmehr vorliegenden masoretischen Form zitiert haben soll, sieht Pakkala in den unterschiedlichen Bezeichnungen. Während in Lev 23 von חג סכותdie Rede ist, sei hingegen in Neh 8,13–18 nur von החגdie Rede. Die Schwäche des Arguments erkennt 113 Zur vierfachen Berufung des Josua, 88–91. 114 Vgl. dazu Körting 2009, 244 f. Schon bei de Wette (1806, 114) findet sich zudem der Hinweis auf den Widerspruch zwischen 2Chr 8,13 und Neh 8,17. Offenbar setzt Neh 8,17 2Chr 8,13 also noch nicht voraus. 115 Pakkala 2004, 161. Auch Schunck (z. St., 252 f.) vertritt die These Pakkalas, ohne diesen jedoch namentlich zu nennen. Er nennt folgende Indizien dafür, warum Neh 8 nur eine Vorstufe von Lev 23 gekannt haben kann: a) Neh 8 nennt das genaue Datum nicht, das in Lev 23,33 jedoch festgelegt sei. b) Neh 8,15 „weiß, dass aus dem Gezweig von Bäumen Hütten gemacht werden sollen“, während in Lev 23,40 keine Rede davon ist. c) Neh 8,15 und Lev 23,40 unterscheiden sich ferner „auch noch in der Anführung der einzelnen Baumarten, von denen Gezweig geholt werden soll.“ d) Die Feier des Versöhnungstages wird nicht erwähnt. Diese Unterschiede führen Schunck zu dem Schluss, dass „der Wortlaut des von Esra den Oberen der Familien vorgetragenen Gesetzes bezüglich der Feier des Laubhüttenfestes im heutigen Pentateuch nicht wortgetreu vorliegt.“ (Ebd. 253). Ähnliche Beobachtungen hat auch Fishbane (1985, 110 f) gemacht. 116 Vgl. Nihan 2008, 183. Hauptargument dieser These ist die Dublette in V.39–43, wo das Thema Sukkot erneut aufgegriffen wird, obwohl es vorher bereits verhandelt wurde. 117 Pakkala 2004, 162. 118 Vgl. dazu unten ad V.10.
8.3 Der Festakt
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man daran, dass auf dieselbe Weise Sukkot auch in Num 29,12–38 zu tilgen wäre, wo ebenfalls nur von חגgesprochen wird. Eine Erklärung ist dabei weniger in der variatio delectat als vielmehr in der zunehmenden Bedeutung zu suchen, die das Sukkotfest in früh-nachexilischer Zeit annimmt und die an dieser Stelle durch den generalisierenden Gebrauch des Artikels angezeigt ist. c) In Qumran wird der Ausdruck fünf Mal verwendet, wobei ihn bspw. die Tempelrolle sowohl mit Pessach als auch mit Sukkot verbindet: 4Q366 f4i:4 ≙ Num 29,35; 4Q433 1,6?; 11Q19 11,13 (Sukkot); 17,16 (mit Pessach=Dtn 16,8. Das Arbeitsverbot ist jedoch nach Lev 23,7–8.21.25.35–36; Num 28,18.25–26; 29,1.12.35 formuliert.); 29,0–3. Das Jubiläenbuch (Jub 16,29) kennt keinen achten Tag. In der Ausgestaltung des Sukkot-Festes ist die עצרתalso eine späte Entwicklung, die in dem Augenblick in der alttestamentlichen Literatur auftaucht, indem sie mit dem Pessachfest nicht mehr verbunden ist. Demnach ist die Versammlung also naheliegenderweise mit dem Sukkot-Fest in Verbindung zu bringen. Dabei bleibt die Stellung des כי-Satzes syntaktisch weiterhin höchst auffällig. Und auch die Weihe des Altars bleibt ebenfalls klärungsbedürftig.
Die LXX jedenfalls bietet in 2Chr 7 einen kürzeren und zunächst unproblema tischen Text. Hier findet sich in V.9 nur einmal die Erwähnung von sieben Tagen: καὶ ἐποίησεν ἐν τῇ ἡμέρᾳ τῇ ὀγδόῃ ἐξόδιον ὅτι ἐγκαινισμὸν τοῦ θυσιαστηρίου ἐποίησεν ἑπτὰ ἡμέρας ἑορτήν
Und am achten Tag veranstaltete er [sc. Salomo] eine Schlussfeier, weil er die Einweihung des Altars als siebentägiges Fest begangen hatte.
In der Chronik sind demnach die Altarweihe und das Sukkot-Fest zusammengefallen. Wir kommen darauf zurück. V.10 des masoretischen Textes macht den Zusammenhang mit Sukkot deutlicher: Salomo entlässt das Volk am 23. des siebten Monats, also neun Tage, nachdem er das Sukkot-Fest begonnen hatte. Diese Zeitangabe ergibt nur dann einen Sinn, wenn man annimmt, dass zunächst das Fest selbst und dann am achten Tag die עצרתals Oktav begangen wurde. Das Fest hätte dann bis zum 22. des siebten Monats angedauert und Salomo hätte das Volk einen Tag nach dem Fest nach Hause schicken können. Aus dieser Perspektive legt sich also nahe, die עצרתdem Sukkot-Fest zuzurechnen und eine gesamte Festdauer von 14+1 Tagen anzunehmen. Deshalb ist auf chronistischer Seite auch mit einem Einfluss von Lev 23,36 bzw. Num 29,35, jedoch weniger mit dem von Dtn 16 zu rechnen. Das führt uns zur synoptischen Gegenüberstellung von 1Kön 8,65–66 und 2Chr 7,8–10: 2Chr 7,7–10
1Kön 8,65 f
ויעש שלמה את־החג בעת ההיא8 שבעת ימים וכל־ישראל עמו קהל גדול מאד מלבוא חמת עד־נחל מצרים
ויעש שלמה בעת־ההיא את־החג65
l
l
וכל־ישראל עמו קהל גדול מלבוא חמת עד־נחל מצרים
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8. Kult-Kalender
ויעשו ביום השמיני עצרת9 כי חנכת המזבח עשו שבעת ימים והחג שבעת ימים וביום עשרים ושלשה לחדש השביע10 שלח את־העם לאהליהם שמחים וטובי לב על־הטובה אשר עשה יהוה לדויד ולשלמה ולישראל עמו l
לפני יהוה אלהינו שבעת ימים ושבעת ימים ארבעה עשר יום
ביום השמיני66 l
l
שלח את־העם ויברכו את־המלך וילכו לאהליהם שמחים וטובי לב על כל־הטובה אשר עשה יהוה לדוד עבדו ולישראל עמו
Der Text in 1Kön 8,65 f ist auffälligerweise korrupt, da er in der vorliegenden Form jeglicher zeitlichen Logik entbehrt. In V.65 erfahren wir, dass Salomo das Fest feiert, von dem wir auf Grund des Artikels und der Zeitangabe in 1Kön 8,2 zunächst annehmen können, dass es sich dabei um Sukkot handelt. Diese Auffassung findet sich auch bei de Vaux: Abgesehen von den Hütten wurde das Weihefest des salomonischen Tempels genauso gefeiert, das mit dem Laubhüttenfest zusammenfiel: aus dem ganzen Königreich kamen die Gläubigen und hielten ein Fest von sieben Tagen, und am achten Tage schickte Salomo sie wieder heim, 1 Kg 8,56 f; die ganze Stelle ist deuteronomistisch überarbeitet.119
In V.65b wird nun die Dauer des Festes angegeben. Es soll sieben Tage und weitere sieben Tage gedauert haben. Insgesamt also 14 Tage, wie der Text selbst zusammenfasst, wobei die LXX an dieser Stelle jedoch anders liest: ויעש שלמה בעת־ההיא65 את־החג וכל־ישראל עמו קהל גדול מלבוא חמת עד־נחל מצרים l
לפני יהוה אלהינו ׁשבעת ימים וׁשבעת ימים ארבעה עשר יום
καὶ ἐποίησεν Σαλωμων τὴν ἑορτὴν ἐν τῇ ἡμέρᾳ ἐκείνῃ καὶ πᾶς Ισραηλ μετ᾽ αὐτοῦ ἐκκλησία μεγάλη ἀπὸ τῆς εἰσόδου Ημαθ ἕως ποταμοῦ Αἰγύπτου ἐνώπιον κυρίου θεοῦ ἡμῶν ἐν τῷ οἴκῳ ᾧ ᾠκοδόμησεν ἐσθίων καὶ πίνων καὶ εὐφραινόμενος ἐνώπιον κυρίου θεοῦ ἡμῶν ἑπτὰ ἡμέρας 65
Die Angabe aus V.65 MT ist nicht mit der Angabe aus V.66, dass Salomo das Volk am achten Tag entlassen habe, zu vereinbaren. In der LXX fehlt nämlich die zweite Angabe von sieben Tagen und außerdem auch die Summe von 14 Tagen. Salomo hat demnach also sieben Tage lang gefeiert und das Volk am achten Tag nach Hause geschickt. Insofern ist die Angabe וׁשבעת ימים ארבעה עשר יוםoffenbar im masoretischen Text der Vorlage sekundär und eine Rückwirkung der Verlängerung des Festes in der Chronik um sieben Tage.
119 De Vaux 1962/II, 354.
8.3 Der Festakt
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Shaver hat unter Ausblendung aller textkritischen Probleme festgehalten, dass 1Kön 8,56 f die Feier des Sukkotfestes in Übereinstimmung mit Dtn 16,13–15 beschreibt. Dies gilt jedoch nur dann, wenn nicht nur die zweite Einheit von sieben Tagen getilgt wird, sondern auch die Gesamtsumme von 14 Tagen. Smith hält es in Erinnerung an die These Mowinckels trotz einiger Skepsis für möglich, dass hier ein Doppelfest bestehend aus Neujahrsfest und Sukkot gefeiert wurde.120 Wichtig ist hier die Berücksichtigung des Forschungsergebnisses Dymas, dass das Deuteronomium zwar eine notwendige, jedoch keine hinreichende Voraussetzung für die Wallfahrt biete: „Nach der Konzeption des Dtn gehören die Festregelungen zu den im Lande zu haltenden Bestimmungen (vgl. Dtn 12,1). Als Gegenpart zur Kultzentralisation verbindet die Wallfahrt das Land mit dem Zentralheiligtum. Sie ist damit auch auf diesen Bereich begrenzt.“121
Die Regelung der LXX ließe sich zwar von Dtn 16 her erklären, wo die Festoktav in Form der עצרתnoch nicht bekannt ist. Problematisch ist jedoch die Beobachtung, dass die Datierung in den siebten Monat in 1Kön 8,2 ebenfalls sekundär und möglicherweise post-chronistisch ist.122 Es bleibt allein der auch in der LXX belegte Artikel des Festes, sowie die Dauer von sieben Tagen, die auf den Einfluss von Dtn 16 hinweisen. Problematisch bleibt jedoch die Deutung der post-chronistischen Glosse. Das Problem entsteht durch den ungeklärten Status der עצרתin der Vorlage. Wenn sie von der Feier des Sukkotfestes hergeleitet ist, wovon auszugehen ist, würde sie an dessen achtem Tag und damit am 22. des Monats gefeiert. In diesem Fall hätte der Glossator in 1Kön 8,66 jedoch einen Tag unterschlagen. Die einzig denkbare Alternative ist, dass die Versammlung am achten Tag der Altarweihe begangen wurde und mit dem ersten Tag des Sukkotfestes zusammenfiel. Beide Feste hätten dann im letzten bzw. ersten Tag eine Überschneidung, was zwar sowohl mit Blick auf die von Lev 23 und Num 28 abhängige Datierung als auch mit Blick auf die Entlassung des Volkes am 23. des Monats völlig unwahrscheinlich ist. Es bleibt jedoch die einzige Deutung, die den Nachtrag der 14 Tage sinnvoll erscheinen lässt. Die moderne Exegese bleibt an diesem Punkt jedoch genauso ratlos wie Josephus123 zurück, der im Hinblick auf die post-chronistische Glosse in 1Kön 8,65b angenommen hat, dass das Sukkotfest 14 Tage lang begangen worden ist, wofür es jedoch sonst keinen weiteren Anhaltspunkt gibt.124 120 Vgl. Smith 1997, 69. 121 Dyma 2009, 62. 122 Vgl. bspw. Noth z. St., 192. 123 Vgl. Jos. ant. VIII 123. 124 Zu berücksichtigen ist jedoch, dass die Praxis der spontanen Festverlängerung um sieben Tage auch bei Hiskia erwähnt wird. Dieser richtet in 2Chr 30 eine Pessachfest im zweiten Monat aus (2Chr 30,2) und lädt dazu sowohl die Südreichs- als auch die Nordreichsbewohner ein. In V.21 wird dann von einer siebentägigen Feier der Festgemeinde berichtet, die im Anschluss um ein siebentägiges Freudenfest ( )שמחהverlängert wird. Dahinter steckt das Schema die Könige Salomo und Hiskia typologisch eng aneinander anzugleichen.
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8. Kult-Kalender
Hinzuweisen ist nun darauf, dass der Chronist zwar, wie wir sehen, anders als dessen Vorlage den Kalender in Lev 23 bzw. Num 28 f rezipiert, und dabei post-chronistische Glossen in der Vorlage evoziert. Gleichzeitig rezipiert er die späten priesterlichen Kalender jedoch nicht exklusiv, sondern synthetisiert sie mit einem Merkmal, das er aus Dtn 16 aufnimmt. Dtn 16,15
2Chr 7,12
שבעת ימים תחג ליהוה אלהיך
וירא יהוה אל־שלמה בלילה ויאמר לו שמעתי את־תפלתך ובחרתי במקום הזה לי לבית זבח
במקום אשר־יבחר יהוה כי יברכך יהוה אלהיך בכל תבואתך ובכל מעשה ידיך והיית אך שמח
Während im Rahmen des Kalenders in Dtn 16 von dem Ort, den JHWH erwählen wird, die Rede ist125, bringt 2Chr 7,12 nun nicht mehr in einer yiqtol-, sondern in einer qatal-Formulierung zum Ausdruck, dass JHWH diesen Ort nunmehr in Form eines בית זבחerwählt hat.126 Bezeichnenderweise ist nur in 2Chr 7,12 und in Neh 1,9 die qatal-Form erhalten geblieben. Nicht nur das Motiv der Lade, sondern auch das des Ortes wird also vom Chronisten zur Erfüllung gebracht, sodass sich, wenn man so will, die Vollendung der Tora im Sinne ihrer Erfüllung erst in der Chronik vollzogen hat. Dyma hat dabei jüngst noch einmal umfassend die Verdichtung dieses Topos im Rahmen des Festkalenders in Dtn 16 hervorgehoben.127 Der Zweck dieser Wendung, die einzelnen Feste an das Zentralheiligtum in Jerusalem zu binden, scheint nicht nur einen Grund im Narrativ selbst zu haben. Es geht im vorliegenden Zusammenhang nicht einfach um die Datierung der Tempelweihe auf das Sukkot-Fest, sondern viel umfassender um die Herbeischaffung multipler Begründungsfiguren, die den Jerusalemer Tempel zum einzig legitimen Opferhaus aller übrigen Tempel erklären. Darin besteht zwar keine umfassend anti-samaritanische Position, die alles ablehnte, was von Norden kommt128, jedoch wird hier ein umfassender Depotenzierungsakt gegenüber dem samaritanischen Heiligtum erkennbar, der alles, was zu dessen Legitimation dienen könnte, für sich beansprucht. 125 Ihren Ursprung hat die Formel freilich im Zentralisationsgebot in Dtn 12. Zur Diskussion um die Ursprünglichkeit der Tempusform in der Ort-Erwählungsformel des Deuteronomiums vgl. den Exkurs im Kapitel Kult-Ort. 126 Die exklusive Qualifikation des Tempels als בית זבחwiderspricht jeglicher samaritanischen Deutung, dass deren Heiligtum auf dem Garizim die im Sinne von Dtn 12 eingerichtete und deshalb legitime Kultstätte darstellen könnte: Nihan (2016, 284) konstatiert deshalb völlig zu Recht, dass in der Chronik „only the temple built by Solomon qualifies as the legitimate place where sacrifices may be brought by the Israelites.“ 127 Dyma 2009, 45. „Ein sofort ins Auge springendes Charakteristikum des Textes ist die mehrfach verwendete maqōm-Formel.“ 128 So wird man Willi (1972, 191) ohne weiteres Recht damit geben, dass der Chronist die Nordreichsbewohner für Brüder hält.
8.3 Der Festakt
511
Dabei zeigt sich, dass der Streit um das legitime Heiligtum „auf der Ebene der strittigen Pentateuchinterpretation“129 aufgenommen wurde, indem sie diese Ebene in Form der Fortschreibung in die „stattliche[…] Geschichte Israels“130 integrierte. Da nun die Tempelweihe auf das Sukkotfest datiert und damit die Darstellung der Vorlage nachhaltig korrigiert wurde, richten wir den Blick nun auf 2Chr 8,12 f, die einzige Textstelle der Chronik, wo das Sukkot-Fest namentlich erwähnt wird. 2Chr 8,12 f אז העלה שלמה12 עלות ליהוה על מזבח יהוה אשר בנה לפני האולם ובדבר־יום ביום העלות13 131כמצות משה לשבתות ולחדשים ולמועדות שלוש פעמים בשנה בחג המצות ובחג השבעות ובחג הסכות l
l
12 Damals opferte Salomo JHWH Brandopfer auf dem Altar JHWHs, den er vor der Halle gebaut hatte, 13 was Tag für Tag zu opfern war nach dem Gebot des Mose, an den Sabbaten und den Neumonden und zu den Festzeiten dreimal im Jahr: am Fest der ungesäuerten Brote und am Wochenfest und am Laubhüttenfest.
Shaver weist darauf hin, dass von nur drei Festen die Rede ist, während vor dem Hintergrund von Lev 23 bzw. Num 28 f mit fünf zu rechnen wäre.132 Eine Anzahl von drei Festen sei in exakter Übereinstimmung des Wortlautes hingegen nur in Dtn 16,1–16 gegeben.133 Im Unterschied zu Driver, der die These aufgestellt hat, dass in der Bestimmung aus V.13 die מועדותvon den חגיםunterschieden werden, sieht er deshalb keinen Einfluss von Num 28,2 gegeben.134 Weiterhin bemerkt Shaver den wichtigen Umstand, dass das Mazzot-Fest hier allein genannt wird und Pessach unerwähnt bleibt. Seine Erklärung dafür, dass der Chronist die priesterliche Verbindung von Pessach und Mazzot bereits voraussetze, ist denkbar. Zur Disposition steht daneben jedoch weiterhin, dass der Chronist auch an dieser Stelle einen Exodusbezug tilgen wollte und deshalb das Pessachfest unerwähnt ließ. Im Hinblick auf die Frage, warum der Chronist weiterhin nur drei Feste erwähnt und nicht von fünf Festen spricht, vermutet Shaver die Treue zu seiner Vorlage135, die nur von drei Opferdarbringungen pro Jahr spricht. Dafür spricht, dass zusätzliches Material aus Lev 23 bzw. Num 28 f in 2Chr 8,13 als Adiectio eingesetzt wird. Dafür spricht auch die Beobachtung Rendtorffs, dass der Chronist immer zwischen seiner Vorlage und seinem eigenen Anliegen austariert.136 129 Pace Willi 1972, 192. 130 Willi 1972, 192. 131 Die feminine Form ist nur an dieser Stelle belegt. 132 1. Pessach / Mazzot, 2. Erstlingsfrüchte, 3. Neujahrfest, 4. Versöhnungstag, 5. Sukkot (vgl. Shaver 1985, 137). 133 Shaver 1985, 138. 134 Vgl. Driver 1895, 188 f. 135 Vgl. Shaver 1985, 138 f. 136 Vgl. Rendtorff 1996.
512
8. Kult-Kalender
Für die dargebrachten Sabbatopfer in V.13 hat schon Shaver vor dem Hintergrund von 2Chr 31,3 stark machen können, dass hier ein Einfluss von Num 28–29 vorliege, da dieses Opfer in keinem anderen Text des Pentateuchs gefordert werde.137 Das Fest der Tempelweihe, das zu einem Großteil nur an Sukkot stattgefunden haben kann, wird überhaupt nicht als Sukkot bezeichnet. Das ist jedoch zur Identifikation nicht weiter von Belang, ganz im Gegenteil lässt sich von Num 28 f, wo der Name Sukkot ebenfalls nicht fällt, die Bezeichnung als selbstverständlich durch החגimpliziert annehmen. Gleichzeitig erfolgt dann jedoch die einzige Erwähnung des Festes in der gesamten Chronik genau in dem Moment, in dem die Begehung des Festes erstmals möglich geworden ist. Das ist weniger Zufall als vielmehr ein deutlicher Hinweis darauf, wes Geistes Kind das soeben gefeierte Fest war. An dieser Stelle wirken sich nun die zahlreichen Tilgungen der Exodus-Bezüge aus, die bis hierher zu beobachten waren.138 Sie stellen zumindest im vorliegenden Kontext eine dritte Dimension des Festes dar. Während das Fest in Ex 23,15 und Dtn 16,1–8 ein Erntefest war, ist es auf der Ebene von Lev 23,43 sekundär mit dem Exodus kombiniert worden. Das Paradigma des Exodus wird jedoch in der Chronik weitgehend getilgt139, was natürlich Folgen für die damit verbundenen Feste hat. Nach diesem Zusammenhang mutet es nun wenig überraschend an, wenn die einzige Erwähnung des Sukkot-Festes in der Chronik ausgerechnet mit Salomo in Verbindung gebracht wird, von dem nicht nur die kontinuierliche Begehung der drei jährlichen Wallfahrtsfeste erzählt wird, sondern auch, dass er die Einweihung des Tempels unter den Rahmenbedingungen der Wallfahrt am Sukkotfest begangen hat. Dabei haben wir gesehen, dass es von der Vorlage des Chronisten her alles andere als deutlich war, dass die Einweihung an Sukkot stattgefunden hat. Sowohl die Datierung des Festes als auch die spontane Verlängerung sind in 1Kön 8 MT sekundär. Im ursprünglichen Text in 1Kön 8 findet das Fest ohne עצרתam achten Tag statt. Zwar ist dabei mit einem Einfluss von Dtn 16 zu rechnen, jedoch ist die Identifikation mit Sukkot nicht sicher möglich. 2Chr 7 setzt demgegenüber die Versammlung am achten Tag einschl. der genauen Datierung des Festes auf den 15. Tag des siebten Monats bereits voraus. Die von der Chronik grundsätzlich schon in der Textkonstitution geleistete Situierung im Kontext der Wallfahrt, in der 2Chr 6,41 f einen Schlüsseltext darstellt, ist durch spätere Glossierungen in die Darstellung von 1Kön 8 übernommen worden. Dabei ist es jedoch im Hinblick auf den Baubericht in 1Kön 6 zu einigen Widersprüchen gekommen, die Zweifel an der Ursprünglichkeit der SukkotTradition aufkommen ließen. Es zeigt sich damit deutlich, dass die Rezeption der 137 Vgl. Shaver 1985, 132 f. 138 Vgl. auch Grünwaldt 1999, 294, der den heilsgeschichtlichen Bezug in Lev 23,39 ff sekundär ansetzt. 139 Vgl. Kalimi (2005, 212 sowie Anm. 61).
8.3 Der Festakt
513
späten Festkalender des Pentateuchs (Lev 23 f; Num 28 f) in der Textkonstitution des Chronisten ohne Weiteres Niederschlag finden konnte, während in 1Kön 8 nur noch die Möglichkeit kleinräumiger Ergänzungen bestand, die zu erheblichen Widersprüchen geführt haben. Wenn die Entwicklung der Festkalender in Lev 23 f und Num 28 f ihren Ursprung in der Kalenderreform der Golatheologen von Ez 45 hat, bleibt damit der Eindruck, dass der Chronist die latente Sukkot-Tradition aus seiner Vorlage aufgenommen und diese im Gefälle der aktuellen Kalender reformuliert und motivisch bereits in den Kontext einer Wallfahrt gestellt hat. Die von ihm fortgesetzte Narration hat dabei wirkmächtig den Weg zurück in die Vorlage gefunden.
9. Kult-Handlung
In einer letzten Studie wird es darum gehen, das Bild der Pentateuch-Rezeption in den Chronikbüchern im Sinne des angekündigten Vorhabens um die Frage nach der Bedeutung der Tora für Kulthandlungen zu ergänzen. Es drängt sich hier förmlich die strittigste Kulthandlung auf, die in der Chronik zu finden ist. Die Rede ist vom kultischen Räucheropfer, das durch das Lexem קטרdeklariert wird. Bereits in zwei markanten Texten des Alten Testaments, Lev 10 und Num 16, wird mit Hilfe dieses Motivs eine Neuformulierung der hierarchischen Gemeindestrukturen etabliert: In Lev 10 werden die beiden erstgeborenen Aaronsöhne, Nadab und Abihu, auf Grund der Darbringung fremden Feuers ( )אש זרהvon JHWH getötet; in Num 16 kommen Datan, Abiram, 250 Männer sowie Korach und seine Familie nach dem Vollzug eines Räucher-Ordals ebenfalls durch JHWH ums Leben.1 Auch in der Chronik findet sich ein einschlägiger Text, der in Form einer „Räucher-Szene“ die Hierarchie zwischen den Konfliktparteien vermisst. Nach der Verhältnisbestimmung zwischen Priestern (Lev 10) sowie zwischen Priestern und Leviten (Num 16) wird nun das offene Verhältnis zwischen Priestertum und Königtum in 2Chr 26 bestimmt. Der Text findet sich in einem Abschnitt des Usija-Narrativs (2Chr 26,16–21), das gegenüber seiner Vorlage in der Chronik stark ausgedehnt wurde. Vorlage und Abschrift stehen in folgendem Verhältnis: Episode
2Chr 26
I
Herrschaftsübernahme und Ausbau Elats
V. 1–2
II III IV
Alter, Abstammung und Regierungsevaluation Bau- und Rüstungsvorhaben Räucherfrevel
V.3–4
V
Tod, Begräbnis und Nachfolge
V. 5–15 V. 16–20 V. 21–22 V. 23
2Kön 14–15 2Kön 14 V. 21–22 2Kön 15 V. 2–3 V. 5–6 V. 7
Auch 2Chr 26 zeigt die filigrane Arbeitsweise des Chronisten und dessen konzentrierte Auseinandersetzung mit dem Pentateuch. Erzählt wird die Geschichte
1 Anlass für die Durchführung des Ordals waren dabei gemäß der Ebene des Endtextes die Bestreitung des Führungsanspruches Moses’ und Aarons (Num 16,3) sowie der Anspruch der Leviten auf das Priestertum (כהנה, Num 16,8–11).
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9. Kult-Handlung
Usijas, der in 2Kön 15 Asarja genannt wird.2 Die Chronik berichtet in Übereinstimmung mit ihrer Vorlage, dass der König tat, was Recht war in den Augen JHWHs ()הישר בעיני יהוה. Der Chronist entfaltet diese Bemerkung narrativ in Form verschiedener Episoden und Merkmale: Usija war darauf bedacht, Gott bzw. JHWH zu suchen ( יהוה/ דרש אלהים, V.5), Usija verzeichnet Kriegserfolge (V.6–8), und er strengt Bauvorhaben in Jerusalem und in der Wüste an (V.10 f), stellt ein tüchtiges Heer auf (V.11–15). Die durch diesen politischen, ökonomischen und militärischen Erfolg konstruierte Fallhöhe übersteht Usija nicht schadlos. – Sein Herz wird hochmütig ()גבה לב3 bis zum Verderben ()להשחית4, und er handelt treulos wider JHWH ()וימעל ביהוה5. Auf die erfolgreichen und Gott wohlgefälligen Jahre folgt ein beispielloser Niedergang. Der Tiefpunkt der Dekadenz wird dann in 2Chr 26,16–22 geschildert.6 An dieser Stelle ergibt sich jedoch mit der bisher eingenommenen, synoptischen Perspektive ein Problem. Wie die Gegenüberstellung von 2Chr 26 und 2Kön 14 f zeigt, sind die Verse 5–20 per adiectionem eingesetzt worden. Auf diese Weise wurde der chronistische Text so erheblich angereichert, dass er über den bewährten Zugang der funktionalen Auswertung der Adiectio kaum noch erschlossen werden kann. Diese bleibt nämlich, auch wenn man die positive (V.5–15) und negative (16–20) Epoche in der Auslegung gesondert behandelte, multifunktional. Da die Tora-Rezeption besonders in den Versen 19 f Spuren hinterlassen hat und diese nur indirekt erkennbar sind, muss die gewählte Methode hier durch den Gegenstand modifiziert werden, um das entscheidende Phänomen deutlicher fokussieren zu können. 2 Eine Ausnahme stellen 1Kön 15,13.30.32.34 dar, wo Asarja in MT ebenfalls Usija genannt wird. Vgl. zur Diskussion der unterschiedlichen Namensgebung Galling, Rudolph und Klein jeweils z. St. 3 Die Wendung גבה לבwird in der Chronik nur vier Mal in 2Chr 17,6; 26,16; 32,25–26 verwendet. Im Alten Testament taucht sie noch in Ps 131,1; Prov 16,5; 18,12; Ez 28,2.17 auf. Einzig bei Jehoshafat (2Chr 17,6) hat sie eine positive Konnotation. Vor diesem Hintergrund wird Usija also an dieser Stelle zu einem Antitypus Jehoshafats. 4 Hier wird unverkennbar ein Exodus-Motiv aufgegriffen. Das ist – wenngleich selten – kaum zufällig. Auch in 1Chr 21 wird bei Davids Verstoß gegen den Kult ein (Anti-)Exodus-Motiv verwendet. In 1Chr 21,15 f tritt ein מלאךauf, der zur Strafe für Davids Zählbefehl die Stadt Jerusalem zerstören ( )ׁשחתwill. Dieser wendet sich gegen Jerusalem zudem mit ausgestreckter Hand ()בידו נטויה. Die Motivik eines Anti-Exodus wird demnach in der Chronik – wenn auch sparsam – zumindest programmatisch inszeniert. Dieses Mal nicht als eine Volkgründungs-, sondern als eine Volkneugründungs- resp. eine Volkerhaltungslegende. 5 Beentjes (2008b, 81 f) ist diesen Motiven nachgegangen und kommt zu dem Ergebnis, dass insbesondere das מעל-Motiv Verstöße gegen JHWH selbst oder das Heiligtum bezeichnet, wobei damit jeweils das Exil in den Blick rückt. 6 Beentjes (2008b, 79) hat diese Erzählstrategie der Positiv-Negativ-Kontrastierung (vgl. 2Chr 26,5–15: positiv vs. 2Chr 26,16–20: negativ) als typisch chronistisch aufgezeigt und Parallelen in den vorausgehenden Narrativen von Joas (2Chr 24,2–14: positiv vs. 24,15–27: negativ) und Amasja (2Chr 25:2–13: positiv vs. 14–27: negativ) aufgezeigt. Das überzeugende formkritische Argument fordert eine Revision der von Galling vorgeschlagenen These heraus, der in 2Chr 26 V.15b an V.5 anschließt und die Verse 6–15a für sekundär hält. Auch intratextuell finden sich kaum zureichende Gründe, um diesen Eingriff zu rechtfertigen.
9.1 Vorüberlegung zum Phänomen der „Konversationsimplikatur“
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Der methodische Ansatz muss deshalb an dieser Stelle um ein neues Werkzeug ergänzt werden, das uns in die Lage versetzt, innerhalb größerer Textveränderungen noch zuverlässige Aussagen über die Funktion der einzelnen Elemente in deren Mikrokontext treffen zu können. Wir erweitern die Instrumente deshalb an dieser Stelle um das Interpretament der „Konversationsimplikatur“ und ergänzen auf diese Weise die auf die synoptische Erschließung komplementärer Texte folgende Arbeit am Text.
9.1 Methodische Vorüberlegung zum Phänomen der „Konversationsimplikatur“ Im folgenden Abschnitt (2Chr 26,16–21) gibt es einige Anzeichen dafür, dass die Hauptaussage des Textes – aus welchen Gründen, das sei zunächst dahingestellt – indirekt bzw. implizit ausgedrückt wird. Das bedeutet, dass das eigentlich Gemeinte bzw. das Implizierte auf einer Subebene des Textes, also jenseits des Gesagten, mitgeteilt wird. Zur Beschreibung derartiger Phänomene ist die linguistische Pragmatik in der Gestalt zuständig, wie Grice sie geprägt hat. Pragmatik ist – allgemein gesprochen – „die Wissenschaft vom Ungesagten“ – dessen, „what is meant without being said“7. Rolf nennt die im Anschluss an Grice ausgeprägte Pragmatik „Inferentielle Pragmatik“. Hauptanliegen der Inferentiellen Pragmatik ist die Ermittlung der Sprecherbedeutung. Die Inferentielle Pragmatik unterscheidet drei Varietäten der Sprecherbedeutung.8 „(A) Der Sprecher sagt etwas und meint etwas darüber Hinausgehendes, etwas Zusätzliches – was nicht ausschließt, daß er, wie gewöhnlich der Fall, auch meint, was er sagt. (B) Der Sprecher sagt etwas und meint etwas Spezifischeres oder Unspezifischeres. (C) Der Sprecher sagt etwas und meint etwas anderes als das, was er, wörtlich verstanden, sagt.“9 Die drei Varietäten werden von Rolf wie folgt ausgewertet: „Der Phänomenbereich A trifft zu auf Fälle von Indirektheit. Der Phänomenbereich B trifft zu auf Fälle von Inexplizitheit. Der Phänomenbereich C trifft zu auf Fälle von Nicht-Wörtlichkeit.“10 Abgesehen von den Forschungsfragen, wie sie bspw. Hardmeier11, Heckl12, Richter13 oder Wagner14 untersuchen, scheint die Pragmatik, insbesondere jedoch die Inferentielle Pragmatik, also die Phänomene Indirektheit, Inexplizitheit und Nicht-Wörtlichkeit nur selten methodisch berücksichtigt oder über den Ab
7 Rolf 2013, 22. 8 Rolf 2013, 36. 9 Rolf 2013, 36 (Kursivdruck i. O. fett). 10 Rolf 2013, 37 (Kursivdruck i. O. fett). 11 Vgl. z. B. Hardmeier 2005. 12 Vgl. z. B. Heckl 2016a, 1–37. 13 Vgl. Steingrímsson 2007. 14 Vgl. Wagner 1997.
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wehrgestus gegenüber einer Romantik des Ungesagten als argumentum e silentio bei Seite geschoben zu werden. Dementsprechend bleiben exegetische Analysen oft der semantischen Ebene, d. h. der Ebene der Wortbedeutung verhaftet.15 Der pragmatische Reflexionsraum kann jedoch nicht unberücksichtigt bleiben, wenn man Plädoyers wie das folgende von Blum liest: „‚Textsinn‘ war und ist für ‚historisch-kritisch‘ ausgerichtete Exegese (im weitesten Sinne) nahezu selbstverständlich ‚intendierter Sinn‘, sei es von ‚Verfassern‘, ‚Redaktoren‘ oder ‚Tradenten‘. Daran ist m. E. im Grundsatz festzuhalten, auch gegenüber manchen neueren Versuchen, die Texte als ‚autonome (Kunst-)Werke‘ aus ihren geschichtlichen Kontexten und insbesondere aus ihrem Bezug auf Intentionen ihrer Verfasser zu lösen und allein ‚aus sich selbst heraus‘, als verselbständigte, von ihren Produzenten emanzipierte Zeichengefüge, zu deuten.“16 Dieses gegen die Auffassung, dass „die Wahrheit die Tochter“ der Rezipienten sei, in Stellung gebrachte Argument, so sehr ihm Recht zu geben ist, zeigt neben der Frage nach der Bedeutung von „Sinn“ ein weiteres Problem an. Der intendierte Sinn von Texten wird nämlich nicht immer so explizit gemacht, dass er historisch-kritisch17 einfach zu beschreiben wäre. Dazu kommt, dass die semantische Analyse kaum ausreicht, um dem Ungesagten, besser gesagt, dem Nicht-direkt-Gesagten auf die Spur zu kommen. Ein einschlägiges Beispiel verdeutlicht das Problem. In 2Sam 7,2–3 steht Folgendes geschrieben: ויאמר המלך אל־נתן הנביא ראה נא אנכי יוׁשב בבית2 ארזים וארון האלהים יׁשב בתוך היריעה ויאמר נתן אל־המלך כל אׁשר בלבבך לך עׂשה כי3 יהוה עמך l
l
2 Da sagte der König zu Nathan, dem Propheten: Sieh doch, ich wohne in einem Zedernhaus und die Lade der Gottheit wohnt unter einer Zeltbahn. 3 Da sagte Nathan zum König: Alles, was dir in deinem Herzen vorgeht, geh und tue es, denn JHWH ist mit dir.
Jedem Leser, dem die vorausgehenden Episoden präsent sind, ist sofort klar, worum es hier geht: König David bittet den Propheten Nathan um Erlaubnis, einen Tempel für die Lade der Gottheit zu bauen, und Nathan erteilt ihm diese.18 Den 15 Davon unbenommen ist die Forschung zu Metaphern im Alten Testament. Rolf ordnet die Metapher dem Phänomenbereich C, d. h. der Nicht-Wörtlichkeit zu. Vgl. dazu Rolf 2013, 41. 16 Blum 1990, 380 f. 17 Freilich hat eine adäquate Ermittlung des Sinns immer den historischen Abstand zu überwinden. D. h., dass möglicherweise einem antiken Leser der Sinn bisweilen evidenter war als dem modernen. Dennoch ist auch schon für die Antike mit Aussagen zu rechnen, die originär und nicht einer historischen Dekontextualisierung geschuldet indirekt formuliert waren. Zu Ermittlung derartiger Aussagen reicht eine historisch-kritisch ausgerichtete Semantik nicht aus. An diesem Punkt kommt also die Pragmatik ins Spiel. 18 Die synoptische Lesart, die zu weiteren Deutungen herausfordert, kann hier aus Gründen der Anschaulichkeit im Hintergrund bleiben. Für die auffälligste Abweichung, die in der Chro-
9.1 Vorüberlegung zum Phänomen der „Konversationsimplikatur“
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noch ist es ebenso deutlich, dass David nicht direkt um Erlaubnis gebeten und Nathan ebenso wenig direkt die Erlaubnis erteilt hat.19 Die Indirektheit des Vorgangs ist nun in zweierlei Hinsicht erklärungsbedürftig. Zum einen muss erklärt werden, wie aus den indirekt formulierten die direkten Äußerungen zu folgern sind, zum anderen muss erklärt werden, welchen Vorteil die indirekte Ausdrucksform gegenüber der direkten mit sich bringt. Der Bewältigung von Problemen dieser Art hat sich in jüngerer Zeit Heckl20, dezidiert im Anschluss an Blum, gewidmet.21 Dieser versteht programmatisch „[d]ie Interpretation von biblischen Texten als Diskursanalyse von Diskursfragmenten“22. Dabei bezeichnet er die Texte der Hebräischen Bibel zu Recht als „Texte in pragmatischer Funktion“23. Genau wie Blum wehrt Heckl das Verständnis biblischer Texte als l’art pour l’art ab, wobei es für ausgewählt poetische Texte sicherlich dennoch angezeigt ist. Gleichzeitig führt Heckl über Blum hinaus, insofern er den Reflexionsraum für die Frage danach öffnet, was der „intendierte Sinn“ eines Textes überhaupt sein soll. Dabei kommt Heckl durch die konsequente Verwendung des Diskursbegriffes das Verdienst zu, alttestamentliche Texte grundsätzlich als Diskursbeiträge zu verstehen und damit stärker auf ihre konversationell-prozessuale Interaktion, d. h. ihre Eigenschaft als „Kommunikationsprozesse“24 denn auf ihren Charakter als ästhetisches Produkt zu verweisen. Wenn er dabei auf die Analyse der in den Texten zum Ausdruck gebrachten Präsuppositionen und Machtverhältnisse zu sprechen kommt und dafür die Diskursanalyse heranzieht, tut er dies ebenfalls völlig zu Recht. Nur setzt er zu einseitig an, wenn er das Interface zwischen Pragmatik und Diskursanalyse lediglich über die Präsupposition herstellt. Diese Schnittstelle ist nämlich wesentlich komplexer, als Heckl sie entfaltet. Heckl spricht von Präsuppositionen25, die berücksichtigt werden müssen, um den kommunikativen Rahmen zu erschließen.26 Unter nik unerwähnte Ruhe vor den Feinden ringsum, hat Mosis (1973, 101) die richtige Erklärung gefunden: „In 1Chr 17,1.10 unterdrückt also der Chr das Wort von der ‚Ruhe‘, weil er in einer grundsätzlichen Periodisierung der Geschichte die Davidzeit, in der die Lade lediglich unter Zelten ist (1Chr 17,1; vgl. 1Chr 15,1), als eine Zeit des Krieges, die Salomozeit dagegen, in der JHWH das ‚Haus der Ruhe‘ bauen läßt und seine Herrlichkeit von ihm Besitz ergreift, als eine Zeit des gottgeschenkten Friedens charakterisieren will.“ Weder die größere Auslassung noch die übrigen kleineren Varianten berühren jedoch das hier zu veranschaulichende Kernargument. 19 Die Prägnanz, die sich aus der Evidenz des Gemeinten ergibt, qualifiziert die Anschaulichkeit des Beispiels. In anderen Fällen wie z. B. 2Chr 26 ist der Sachverhalt deutlich weniger eindeutig. 20 Heckl 2016a; 2017, 211–224. 21 Vgl. Heckl 2016a, 16. 22 Heckl 2017, 211. 23 Heckl 2016a, 20. 24 Heckl 2016a, 14. „Diskurs ist dabei als ein ‚übertextuelles Phänomen‘ zu verstehen, an dem Einzeltexte jeweils Anteil haben.“ (ebd., 20). 25 Heckl 2016a, 21 f. 26 Vgl. Ebd., 21.
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Präsupposition versteht man „[s]elbstverständliche (implizite) Voraussetzungen sprachlicher Ausdrücke bzw. Äußerungen.“27 Diese stellen, wie man es in der wegweisenden Einleitung in die Pragmatik von Levinson nachlesen kann, jedoch nur ein Teilgebiet der Pragmatik dar.28 Zu berücksichtigen wären ferner die Phänomene Deixis, Conversational Implicatures, Speech Acts und Conversational Structures. Während sich Wagner schon vor gut zwanzig Jahren ausführlich mit Sprechakten beschäftigt hat29 und Heckl nun die Präsupposition ins Spiel bringt, wird in diesem Kapitel auf das zuvor angeführte Postulat Blums reagiert und gezeigt, dass es bisweilen alles andere als klar ist, worin der „intendierte Sinn“ von Verfassern, Redaktoren und Tradenten eigentlich bestehen soll, zumindest dann, wenn das Gesagte nicht mit dem Gemeinten identisch ist. Zur Erhellung dieses Sachverhalts wird an dieser Stelle Grices Begriff der „Conversational Implicature“ ein- und exemplarisch vorgeführt. Grice ist es, der die Unterscheidung zwischen Gesagtem und Gemeintem erstmals systematisch aufgedeckt und beschreibbar gemacht hat. Den Grundstein dazu hat er in seinen 1967 gehaltenen „William-James-Lectures“ gelegt. Während zwischen 1968 und 1978 bereits einzelne Teile der Vorlesung veröffentlich wurden, hat Grice „[d]em vielfach geäußerten Wunsch nach einer Veröffentlichung der ganzen Vorlesung […] zwanzig Jahre lang widerstanden.“30 Seit 1989 ist die gesamte Vorlesung in dem ersten Teil des posthum veröffentlichten Buches „Studies in the Way of Words“ zugänglich. Grice hat dort pionierhaft gezeigt, dass Sprache als solche ein Maximen-orientiertes Verhalten darstellt und einen Weg gefunden, wie mit Hilfe von Konversationsmaximen zwischen dem Gesagten („what is said“) und dem Gemeinten („what is implicated“) unterschieden werden kann. Im Hintergrund steht dabei eine Abgrenzung vom „späten“ Wittgenstein, der Bedeutung und Gebrauch der Sprache gleichgesetzt hatte. Grice dagegen „möchte Bedeutung und Gebrauch auseinandergehalten wissen“31. Das Herzstück der Theorie, die Rolf „eine Art Konversationsethik“32 nennt, findet sich in dem Aufsatz „Logic and Conversation“. Sie besteht aus dem Kooperationsprinzip und elf Konversationsmaximen.33 Mit Hilfe dieses Inventars gelingt es Grice, das Implizierte aufzuspüren und sichtbar zu machen. In diesem Aufsatz 27 Bussmann 2002, 530. Dass Bussmann (2002, 531) auf die Unterscheidung von semantischen und pragmatischen Präsuppositionen hinweist, sollte beachtet werden. 28 Vgl. Levinson 2008, v–vii. 29 Vgl. Wagner 1997. 30 Rolf 1994, 15. 31 Rolf 2008, 145. 32 Rolf 1994, 9. 33 Wenn Rolf (2013, 7.26) von „elf, wenn nicht sogar zwölf solcher Maximen“ spricht, reagiert er einerseits auf die vollkommen unzulässige wenngleich weit verbreitete Sitte, die Maximenzahl auf vier zu reduzieren. Gleichzeitig integriert er eine erst später von Grice erwogene Ergänzung der Maximen der Modalität um eine weitere. Zur Diskussion vgl. Rolf 2013, 47.
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wird auch der Begriff „Conversational Implicature“ (dt. Konversationsimplikatur) eingeführt, der eine Schlüsselrolle in diesem Verfahren spielt. Grice stellt seinen elf Maximen das von ihm sog. „Cooperative Principle“ voran: „Make your conversational contribution such as is required, at the stage at which it occurs, by the accepted purpose or direction of the talk exchange in which you are engaged.“34 Die elf Maximen, die Grice „echoing Kant“35 in vier Kategorien einteilt, lauten: I Quantity 1. Make your contribution as informative as is required (for the current purposes of the exchange). 2. Do not make your contribution more informative than is required. II Quality Supermaxim: ‚Try to make your contribution one that is true‘ 1. Do not say what you believe to be false. 2. Do not say that for which you lack adequate evidence. III Relation ‚Be relevant.‘ IV Manner Supermaxim: ‚Be perspicuous‘ 1. Avoid obscurity of expression. 2. Avoid ambiguity. 3. Be brief (avoid unnecessary prolixity). 4. Be orderly.36
Rolf, der die grundlegende Studie zu Grices Theorie in deutscher Sprache verfasst hat, ist der Meinung, dass die von Grice entwickelten Maximen irreduzibel und vollständig seien. Die wichtigste der elf bzw. zwölf Maximen, „die mit dem größten Implikaturerzeugungspotential, lautet (verkürzt wiedergegeben): ‚Mach deinen Beitrag so informativ wie nötig!‘“37 Grice führt im Anschluss an die Einführung dieser Maximen vier Arten an, wie ein Sprecher gegen eine oder mehrere Maximen verstoßen kann. Diese lassen sich mit Rolf wie folgt zusammenfassen: „(1) Der Sprecher kann eine Maxime undemonstrativ verletzen. (2) Er kann die Geltung sowohl einer Maxime als auch des Kooperationsprinzips außer Kraft setzen: er kann aussteigen. (3) Der Sprecher kann vor einer Kollision stehen: er kann die eine Maxime erfüllen, ohne eine andere zu verletzen. (4) Der Sprecher kann eine Maxime verhöhnen.“38 („He may flout a maxim“39). Grice spricht auch von 34 Grice 1989, 26; Rolf (1994, 103) übersetzt das Prinzip folgendermaßen: „Mache deinen Gesprächsbeitrag jeweils so, wie es von dem akzeptierten Zweck oder der akzeptierten Richtung des Gesprächs, an dem du teilnimmst, gerade verlangt wird.“ 35 Grice 1989, 26. 36 Grice 1989, 26 f. Rolf (1994, 104) übersetzt die Maximen folgendermaßen: „QUAN TITÄT 1. Mache deinen Beitrag so informativ wie (für die gegebenen Gesprächszwecke) nötig. 2. Mache deinen Beitrag nicht informativer als nötig. QUALITÄT [Versuche deinen Beitrag so zu machen, daß er wahr ist.] 1. Sage nichts, was du für falsch hältst. 2. Sage nichts, wofür dir angemessene Gründe fehlen. RELATION Sei relevant. MODALITÄT [Sei klar.] 1. Vermeide Dunkelheit des Ausdrucks. 2. Vermeide Mehrdeutigkeit. 3. Sei kurz (vermeide unnötige Weitschweifigkeit). 4. Der Reihe nach!“ 37 Rolf 2013, 26. 38 Rolf 2013, 51 (Kursivierung im Original fett). 39 Grice 1989, 30 f.
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„[E]xploitation“40, also der Ausbeutung einer Maxime. Insbesondere die vierte Art der Nicht-Erfüllung einer Maxime „gives rise to a conversational implicature“41. Durch den flagranten Verstoß gegen eine der Konversationsmaximen macht der Sprecher demnach deutlich, dass er mehr zu sagen beabsichtigt, als er im wörtlichen Sinne sagt. Anders formuliert: Durch die Nichterfüllung einer Konversationsmaxime gibt der Sprecher zu verstehen, dass er nicht nur meint, was er sagt, sondern auch noch etwas darüber Hinausgehendes. Konversationsimplikaturen haben nun laut Grice die Eigenschaft, ‚annullierbar‘ zu sein. Grice spricht von „[C]ancelability“42. Die Konversationsimplikatur kann demnach durch die Hinzufügung einer Bemerkung aufgehoben werden. Ein Sprecher kann sich also nach der Hervorbringung einer Konversationsimplikatur auf den Standpunkt stellen, etwas nicht gesagt haben zu wollen. Er kann sich sogar auf den Standpunkt stellen, es nicht gesagt zu haben. Dabei ist diese Eigenschaft der Annullierbarkeit, wie Rolf feststellt, eine zwar notwendige, jedoch keineswegs hinreichende Eigenschaft der Konversationsimplikatur.43 Nach dieser nun fast fahrlässigen Verknappung der Griceschen Theorie lassen sich jedoch vergleichsweise deutlich die Reichweite und die Funktionalität dieses analytischen Mittels zeigen.44 Kommen wir zunächst auf das eingeführte Beispiel zurück. Die Szene lässt sich etwa so paraphrasieren: Nach der Überführung der Lade von Schilo nach Jerusalem kehrt eine Zeit des Friedens in Jerusalem ein. David, der König, wendet sich deshalb an den Propheten Nathan und weist diesen darauf hin, dass er selbst in einem Haus aus Zedernholz wohne, während die Lade Gottes in einem Zelt untergebracht sei. Auf diese Bemerkung hin antwortet Nathan dem König, dass dieser entsprechend seinem Herzen handeln soll. Der Prophet segnet den König, die Szene endet. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass es hier um mehr als nur um die Illustration dessen geht, wer in welcher Behausung wohnt. Auch wird man sagen können, dass der Prophet nicht einfach diffus alle Handlungen befürwortet, die David vorschweben. Die Figuren meinen also nicht nur, was sie sagen, sondern sie meinen, was sie sagen, und sie meinen noch etwas mehr. Beide Figuren begehen hier einen Maximenverstoß: David verstößt gegen die zweite Maxime der 40 Grice 1989, 33. 41 Grice 1989, 30. 42 Grice 1989, 44–46. 43 Vgl. Rolf 1994, 118. 44 In der für den vorgegebenen Zweck gebotenen Knappheit müssen zahlreiche Details der Griceschen Theorie ausgeblendet bleiben. Insbesondere die Kritik sowie die Metakritik der Griceschen Theorie kann hier nicht zur Sprache kommen. Mir geht es an dieser Stelle lediglich um die Einführung eines Verfahrens zur Ermittlung der Sprecherbedeutung, die jenseits des wörtlich Gesagten liegt. Zur Vertiefung sei auf zwei einschlägige Monographien des Griceianers Rolf (1994; 2013) verwiesen.
9.1 Vorüberlegung zum Phänomen der „Konversationsimplikatur“
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Quantität, insofern er seinen Gesprächsbeitrag wesentlich informativer als nötig macht. Man könnte präziser sagen, dass David die zweite Maxime der Quantität verhöhnt, insofern keine der gegebenen Informationen zuvor für den Propheten nicht unmittelbar augenfällig war und gleichzeitig gilt, dass David und Nathan dies wissen und David ebenfalls weiß, dass Nathan weiß, dass David weiß, dass Nathan weiß, wo die Lade sich befindet. Dementsprechend ergibt sich auf Seiten Davids ein Erwartungswert dafür, dass Nathan schon verstehen werde, was jener über das Gesagte hinausgehend meint. – Auch Nathan begeht einen Maximenverstoß: Er verstößt gegen die Maxime der Relevanz, insofern er mit keiner Silbe auf das von David Geäußerte, sondern auf etwas ganz anderes Bezug nimmt. Auch in diesem Fall gilt dabei die metareflexive Folgerungskette, nach der Nathan weiß, dass David weiß, dass Nathan nicht im wörtlichen Sinne meint, was er sagt. Genau wie David hat Nathan einen entsprechenden Erwartungswert im Hinblick darauf, dass David, der von der Einhaltung des Kooperationsprinzips ausgeht, schon verstehen wird, was Nathan mit dem Gesagten meint. Das Folgerungsverfahren wird entsprechend ebenfalls von allen Lesern automatisch durchgeführt. Dennoch darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Text dieses Verfahren selbst in Gang setzt. In V.5 wird nämlich im Rahmen der JHWH-Rede an Nathan der eigentliche Wunsch Davids durch eine rhetorische Frage explizit gemacht: „Du willst mir ein Haus bauen, damit ich darin wohne?“ ()האתה תבנה־לי בית לׁשבתי.45 In einem zweiten Schritt ist nun die Frage nach dem Warum der Wahl indirekter Ausdrucksmittel zu stellen. Diese hängt mit der Annullierbarkeit der Konversationsimplikatur zusammen. David kann sich gegenüber Nathan auf den Standpunkt zurückziehen, niemals um Erlaubnis für den Bau des Tempels gebeten zu haben und Nathan kann sich ebenso auf den Standpunkt zurückziehen, den Bau nie erlaubt zu haben. Angesichts des Fortgangs der Geschichte, die der Schreiber an dieser Stelle bereits im Blick hat, ist der Bau des Tempels durch Salomo auf diese Weise weder für David noch für Nathan mit einem Gesichtsverlust verbunden. Dementsprechend wird im Fortgang der Perikope, nach der Ablehnung des Tempelbaus durch JHWH in der nächtlichen Offenbarung an Nathan (2Sam 7,4–17 // 1Chr 17,4–15), auch kein Wort mehr über den Tempel verloren, ganz so als habe David nicht gefragt und Nathan es nicht gestattet. Der Rekurs auf die Konversationsimplikatur wird nun in der Analyse des folgenden Textes zu Tage fördern, dass dieser als Symptom eines (Herrschafts-) Diskurses zu verstehen ist, der in 2Chr 26 nicht direkt, sondern indirekt geführt wird. Der implizite Diskurs wird in der folgenden Analyse sichtbar gemacht und
45 Beachtenswert ist an dieser Stelle die vorwegnehmende Negation des Chronisten (לא אתה תבנה־לי הבית לׁשבת, 1Chr 17,4), die in Form des „Nicht du!“ umgehend die Frage „Wer sonst?“ provoziert. l
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im Hinblick auf die gewählten Ausdrucksmittel gedeutet werden. – Selbstredend wird der Einfluss der Tora auch hier die entscheidende Rolle spielen.46
9.2 2Chr 26,16–21 – Übersetzung und Analyse 16 Und als er stark geworden war, wurde sein Herz hochmütig bis zur Zerstörung. Und er handelte treulos gegen JHWH, seinen Gott. Und er ging in den Tempel JHWHs, um auf dem Räucheraltar zu räuchern. 17 Und Asarja, der Priester, ging hinter ihm her und mit ihm 80 Priester JHWHs, kräftige Männer. 18 Und sie stellten sich Usija, dem König, entgegen und sprachen zu ihm: Es ist nicht an dir, JHWH zu räuchern, sondern an den Priestern, den Söhnen Aarons, die geheiligt sind, zu räuchern. Geh aus dem Heiligtum hinaus, denn du hast hochmütig gehandelt und dir damit keinen Ruhm vor dem Gott JHWH erworben. 19 Da ärgerte sich Usija. In seiner Hand hatte er eine Räucherpfanne47, um zu räuchern48. Und als er sich über die Priester ärgerte, brach der Aussatz49 auf seiner Stirn aus vor den Priestern JHWHs vor dem Räucheraltar. 20 Da wandte sich Asarja50, der Hohepriester51, und alle Priester ihm zu. Und siehe, er war aussätzig an der Stirn. Und sie vertrieben ihn umgehend von dort. Und auch er beeilte sich hinauszugehen, denn JHWH hatte ihn geschlagen. 21 Und Usija, der König, war aussätzig bis zum Tag seines Todes. Und er wohnte in einem freistehenden Haus als Aussätziger, denn er war vom Haus JHWHs ausgeschlossen worden.52 46 Die Befürchtung, dass ein Transfer der Griceschen Theorie vom Englischen ins Hebräische nicht verlustfrei durchgeführt werden kann, lässt sich dadurch entkräften, dass Grice hier weniger eine Theorie der gesprochenen Sprache als vielmehr der Sprecherintention entwirft. Kaum zu überschätzen ist dabei die von Grice nur lapidar durch die Formulierung „echoing Kant“ (Grice 1989, 26) ausgewiesene Orientierung an der von Kant in der „Kritik der reinen Vernunft“ entworfenen Urteilstafel. Vgl. dazu ausführlich Rolf 1994, 103–110. 47 Das Lexem מקטרתist nur in 2Chr 26,19; 30,14 und Ez 8,11 belegt. 48 LXX bietet nach להקתזרnoch ἐν τῷ ναῷ. Da die Information, eine Räucherpfanne zum Räuchern in der Hand zu halten, redundant und bezugslos wirkt, nehme ich an, dass das die provokante Präpositionalphrase durch einen Schreibfehler ausgefallen ist. 49 Vom Aussatz befallen zu werden, ist in der gesamten Königsgeschichte ein Unikum. Allein 2Chr 26,19.21 (//2Kön 15,5) berichten davon. 50 Der PN ist in der LXX nicht belegt. 51 עזריהו כהן הרואשwird ebenfalls in 2Chr 31,10 erwähnt. Es wird sich auf Grund der langen Regierungszeiten der Könige kaum um denselben handeln. Die Bezeichnung כהן הרואשist selten im Alten Testament belegt (2Kön 25,18; 1Chr 27,5; 2Chr 19,11; 24,11; 26,20; 31,10; Esr 7,5; Jer 52,24). Besonders Japhet (1968, 343 f) hat darauf verwiesen, dass כהן הראשzum typischen Duktus des Chronisten gehöre und dieser unter Vermeidung des Ausdrucks כהן הגדלden Hohepriester bezeichne. 52 Gegen Zwickel (1990, 321 f.), der versucht hat, den Text zu schichten, ist mit Steins an der Einheitlichkeit des Textes festzuhalten. (Vgl. zur Diskussion: Steins 1995, 408–414. Zwar will Steins mit Zwickel [ohne Angabe der genauen Gründe] an der Hinzufügung des Räucheraltars in V.16b und 19b festhalten; weder in 16b noch in 19b sind jedoch syntaktische oder inhaltliche Gründe auszumachen, die diese Ausscheidung notwendig machen. Im Gegenteil fügen sich diese Motive harmonisch in die gesamte Narration ein.) Lediglich die Einschätzung Japhets, dass die 80 Priester in V.18 nachgetragen sein könnten, hat vor dem Hintergrund der doppelten Dramaturgie der Episode, die nicht nur zwei Figuren, sondern zwei Institutionen miteinander konfrontiert, eine hohe Plausibilität. Vgl. dazu i. F. die Ausführungen z. St.
9.2 2Chr 26,16–21 – Übersetzung und Analyse
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Usijas Frevel gegen das Heiligtum, der in der Absicht zu räuchern besteht, wird exemplarisch zu einem Präzedenzfall stilisiert. Das Etymon קטרdominiert die Erzählung und wird insgesamt sieben Mal verwendet.53 Damit wird genau das Motiv in den Mittelpunkt gerückt, das der Chronist aus seiner Vorlage ausgelassen hat.54 Während dort das Volk מזבחים ומקטריםdarbringt (2Kön 15,4), tilgt der Chronist dessen Inzensionsvergehen und schreibt das Sakrileg stattdessen dem König zu: Usija betritt den Tempel ()היכל55 mit der Absicht, dort zu räuchern.56 Dabei parallelisiert der Chronist sein Narrativ mit 1Kön 12,33.57 Dem Genre nach steht das Motiv des illegitimen Räucheropfers von Beginn an in Verbindung mit den Texten Lev 10,1; Lev 16,1.12 f; Num 16,7.17 f.35; 17,5.11 f.58 Schon in 1Chr 6,34 wird explizit den aaronidischen Priestern das Privileg des Räucherdienstes zugewiesen.59 Im vorliegenden Text erhebt der König Anspruch auf 53 ( קטרhif.): V.16.18.19, מזבח הקטרתV.18.19, מקטרתV.19. 54 Beentjes (z. St. 337) hebt daneben hervor, dass auch das Lexem כהןgenau sieben Mal verwendet wird. Er sieht darin ein subtiles Formenspiel, das den drohenden Konflikt bereits vorwegnimmt. 55 Völlig unerwartet kommt der Chronist ausgerechnet in dieser von ihm selbst gestalteten Nebenepisode wieder auf den היכלzurück, der in 2Chr 4,22 das letzte Mal erwähnt worden war und weiterhin nur noch in 2Chr 27,2; 29,16; 36,7 eine Rolle spielen wird. Nachdem in 2Chr 3 f nur vom Bau des Tempels die Rede war, wird also hier zum ersten Mal eine strenge Verhaltensregel für den Vollzug des Tempelkultes eingebracht. 56 Beentjes (2008b, 82) hat diese Ersetzung sehr sensibel aus der Perspektive der intendierten Leserschaft beschrieben: „Copying such a statement from the Deuteronomistic History would, of course, be blasphemy to the Chronicler and his audience. Instead, the Chronicler composed a completely new narrative of his own, in which he replaced the people’s role mentioned in 2 Kgs 15:4 by a remarkable act of King Uzziah, and situated this narrative not on the ‚hill-shrines‘ of the Deuteronomistic author but in the Temple of YHWH.“ 57 Vgl. Beentjes, 2008b, 82. 58 Das Genre des illegitimen Räucheropfers stellt im Alten Testament einen eigenen literarischen Topos dar, der in allen Fällen durch das Aufeinanderprallen zweier Konfliktparteien gekennzeichnet ist. Betrachtet man die Texte hermeneutisch jeweils als Antwort auf eine (Streit-) Frage fällt auf, dass in allen Fällen vorrangig, wenn nicht ausschließlich, erörtert wird, wer dazu legitimiert ist, ein Räucheropfer darzubringen, andere Modalitäten wie die des Zeitpunktes oder des Opfermaterials sind demgegenüber zweitrangig. Dementsprechend besteht ein Zusammenhang im Hinblick auf die Unterscheidung von Legitimität und Illegitimität des Räucherpersonals auch unabhängig von wörtlichen Übereinstimmungen. 59 Labahn (2012, 184) ist der Auffassung, dass es in 1Chr 6,34 überraschend sei, dass den Aaroniden dort der Dienst על־מזבח העולה ועל־מזבח הקטרתzugewiesen werde, „da sonst lediglich der Brandopferaltar für die Aaroniden reserviert ist, während der Räucheropferaltar den Leviten zusteht.“ Gerade an diesem neuralgischen Punkt gibt es in Labahns Arbeit jedoch leider nur einen ins Leere laufenden Verweis. Nicht nur fehlt für diese Behauptung jedoch die Beweisführung, sondern vielmehr lässt sich anhand der wenigen Erwähnungen des Räucheraltars überhaupt zeigen, dass diese Behauptung, insbesondere mit Blick auf Lev 10 und Num 16 unhaltbar ist. Sie beruht m. E. auf der stillschweigenden Annahme, dass die Tätigkeit des Räucherns immer am Räucheraltar stattfand. Doch selbst für das Verbum קטרgilt keinesfalls, dass dieses in der Chronik exklusiv den Leviten vorbehalten ist. Die Argumentation hängt letztlich an dem schwierig zu deutenden Vers 2Chr 29,11, der aufgrund der wechselnden Gruppen ( )את־הכהנים ואת־הלויםin
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dieses und mithin auch auf das Priestertum. Dabei ist die Narration jedoch hochgradig artifiziell, insofern sie – wenn auch indirekt – einen diametral entgegengesetzten Anspruch formuliert: Den priesterlichen Anspruch auf das Königtum. Die Künstlichkeit des Narrativs ist allein schon dadurch angezeigt, dass Usija zwar mit der Absicht zu räuchern in den Tempel geht, es jedoch zum eigentlichen Räuchern gar nicht kommt. Man hat hier ähnlich wie in 1Chr 13,9, der Causa Ussa, schon die Absicht einer Verletzung des Heiligen unter schwere Strafe gestellt. Dabei ist die, durch das Erzähltabu einer realen Verletzung des Heiligen gesinnungsethisch restringierte, Narration von der Überführung der Lade gegenüber der Vorlage entschärft, die Narration Usijas durch das illegitime Räucheropfer mit Blick auf die der Vorlage geschuldete Strafe des Aussatzes, unter Gebrauch der von Evans in 1Chr 21 aufgedeckten Erzählformel: „Let the Crime fit the punishment“60, verschärft worden.
Die intendierte Verletzung der lex sacra durch den König stellt demnach nur die oberflächliche Entfaltung eines hierokratischen Hegemonie-Diskurses dar. In V.17 wird der antagonistische Priester עזריהוeingeführt. Dessen Name61 hat in der nachexilischen Zeit Hochkonjunktur und wird signifikant häufig in Priestergenealogien verwendet. Dabei wird er stets als Hoherpriester identifiziert. In der Priestergenealogie in 1Chr 5,29–41 wird Asarja (je nach Beurteilung der Dublette) an mindestens drei unterschiedlichen Positionen aufgeführt. Wichtig ist dabei, dass von ihm, und nur von ihm, in 1Chr 5,36 gesagt wird, dass er als Priester unter Salomo diente ()הוא אשר כהן בבית אשר־בנה שלמה בירושלם.62 Damit erhält schon der Namenspatron des unter Usija dienenden Nachfahren die höchste Dignität, da Salomos Regentschaft vom Chronisten als die ideale Epoche stilisiert wird.63 Gleichzeitig wird Asarja auf diese Weise noch einmal unter den Zadokiden hervorgehoben, da hier gemäß der Darstellung in 1Kön 1; 2 und 4 ja eigentlich Zadok hätte genannt werden müssen. Der Aufstieg Asarjas lässt sich jedoch auch einer kurzen Notiz in 1Kön 4,2 entnehmen. Dort wird ein gewisser עזריהו בן־צדוקeingeführt, von dem es zunächst heißt, dass dieser ein ׂשרSalomos war, der dann weiterhin als Priester הכהןqualifiziert wird.64 Dies ist insofern merkwürdig, als Zadok und Abjatar, die zwei Konfliktparteien, in V.4 ebenfalls als Priester eingeführt werden. Dazu kommt noch, dass die Apposition הכהןin der LXX kein Pendant hat und deshalb mit einer post-chronistischen Glosse – abhängig V.4 f die Last der These nicht tragen kann, vor allem dann nicht, wenn in 2Chr 26,16–20 die diametral entgegenstehende Auffassung, dass nämlich allein die aaronidischen Priester zum Räuchern bestimmt seien, vertreten wird. 60 Vgl. Evans 2013, 65–80. 61 Der Konkordanzbefund für עזריהbzw. עזריהוist signifikant: 1Kön 4,2.5; 2Kön 14,21; 15,1.6–8.17.23.27; 1Chr 2,8.38–39; 3,12; 5,35–37.39–40; 6,21; 9,11; 2Chr 15,1; 21,2; 22,6; 23,1; 26,17.20; 28,12; 29,12; 31,10.13; Esr 7,1.3; Neh 3,23–24; 7,7; 8,7; 10,3; 12,33; Jer 43,2; Dan 1,6–7.11.19. (Die unterstrichenen Befunde deuten jeweils auf einen Priester mit Namen Asarja). 62 Zu den Spekulationen über die Umstellung dieses Verses vgl. das Kapitel Kult-Personal. 63 Dies ist sehr deutlich daran zu erkennen, dass Salomo in der Chronik der einzige König ist, der keinen Krieg führt. 64 Damit wäre die Bemerkung aus 1Chr 5,36 eingeholt.
9.2 2Chr 26,16–21 – Übersetzung und Analyse
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von 1Chr 5,36; 9,11 und 2Chr 26,17.20 sowie 31,10 – gerechnet werden kann.65 Dabei wird Asarja in 1Chr 9,11 und 31,10 als Anführer des Hauses Gottes ( )נגיד בית האלהיםbezeichnet. Der Titel kommt in der Chronik nur zwei Mal vor und liegt offenbar auf einer Ebene mit 1Chr 27,17, wo Aaron neben Levi als eigener Stamm aufgeführt wird und Zadok zu dessen נגידerklärt wird.
Japhet hat mit guten Gründen erwogen, dass die 80 Priester in V.17 eine spätere Glosse darstellen, die der ‚demokratischen‘ Tendenz des Chronisten entspräche, große Gruppen auftreten zu lassen.66 Die eigentliche Eins-zu-Eins-Konfrontation zwischen Usija und Asarja sei damit weitgehend entschärft67 und auf Grund der angezeigten körperlichen Überlegenheit der Priester bereits entschieden.68 Es ist bezeichnend, dass, während sonst der König tapfere Männer aufbietet (vgl. z. B. 1Chr 12; 2Chr 13,3; 2Chr 14,7), dieser nun gewissermaßen einer Priesterarmee gegenübersteht.69 In V.18 stellt sich Asarja, der Priester, Usija, dem König, entgegen. Die jeweiligen Appositionen, ( הכהןV.17) und ( המלךV.18), zeigen, dass mit Usija und Asarja nicht nur zwei Personen, sondern zwei Institutionen aufeinandertreffen. Insbesondere die Amtsbezeichnung המלךist überinformativ und hätte nach V.1.3.11.13 nicht erneut genannt zu werden brauchen. Diese Überinformativität bringt eine „konversationelle Implikatur“70 hervor, die anzeigt, dass es um mehr geht als Usijas Qualifikation als König. – Es geht um den Herrschaftskonflikt zwischen 65 Vgl. dazu v. Keulen 2005, 14. 66 Vgl. Japhet z. St., 877. Da es m. E. keinen Grund für die Annahme einer vor-chronistischen Usija-Tradition gibt, und die Konfliktsituation, gut als originär chronistische Literaturproduktion beschrieben werden kann, pace Japhet, ist die Glosse wohl eher im Bereich dessen anzusetzen, was Assmann (2007, 88) „Sinnpflege“ nennt: Ein Glossator der Chronik hat auf diese Weise die „demokratische“ Tendenz der Chronisten prägnanter fortgeführt. 67 Damit verliert gleichzeitig auch der Namensantagonismus Usija vs. Asarja an Spannung. 68 Auch die Numerusinkongruenz in V.17 ( )בואund V.20 ( )פנהspräche für diese Annahme, obwohl offenbar in V.18 f eine Anpassung möglich war. Dagegen ist Japhets Annahme, dass der um die 80 Priester verminderte Bericht vor-chronistisch sei, auf Grund der gesamten Konstellation keinesfalls überzeugend. Da im Hintergrund des Konflikts wenigstens Ex 30,1–10; Lev 10 und Num 16 f stehen und alle Texte nicht nur die Verbindung von P und D, sondern auch die Einfügung von H in den Pentateuch voraussetzen, also, mit Achenbach 2003, 443–628 zu sprechen, auf der Ebene der Fortsetzung der theokratischen Bearbeitung liegen, ist gänzlich unwahrscheinlich, dass hier vor-chronistisches Material eingesetzt wurde. Vielmehr zeige ich, dass der Chronist selbst midraschartig eine unerhörte Begebenheit kreiert, die eng an die für ihn noch brandaktuellen Diskurse der spätesten Schichten des Pentateuchs anknüpft. Die Glosse der 80 Priester wäre demnach post-chronistisch zu datieren. 69 Dass Priester als tapfere Krieger beschrieben werden findet sich prominent in 1Chr 9,13 und dann wieder in 1Chr 26. Offenbar bestand hinsichtlich dieser Tugend zwischen den Priestern und Leviten ebenfalls eine Konkurrenzsituation. Der Jerusalemer Temenos ist offenbar auch alles andere als ein „friedliche[r] Bereich“ pace Rudnig 2006, 107. 70 Vgl. zum Begriff die einleitenden methodischen Präliminarien. Die Appositionen stellen einen Verstoß gegen die dort erläuterte zweite Maxime der Quantität dar.
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9. Kult-Handlung
den Institutionen Königtum und Priestertum sowie die Entscheidung desselben zugunsten der zweiten Partei. Vollends deutlich wird der Institutionenkonflikt, wenn Asarja in V.20 spezifizierend als כהן הראשbeschrieben wird. V.18 führt die von Ex 30,7 f her bekannte Maßgabe ein, dass nur ein (aaronidischer) Priester JHWH opfern dürfe, da diese zum Räuchern geheiligt (קדש, pual) seien: לא־לך עזיהו להקטיר ליהוה כי לכהנים בני־אהרן המקדׁשים להקטיר. Im Kontext der Vorlage wird ebenfalls angeordnet, dass kein unautorisiertes Räucheropfer auf dem Räucheraltar dargebracht werden dürfe: ( לא־תעלו עליו קטרת זרהvgl. Ex 30,9aα). Darin klingt unweigerlich auch Moses zynische Bemerkung aus Lev 10,3 an, der Aaron angesichts seiner soeben von JHWH getöteten Söhne ein JHWH-Wort mitteilt: הוא אשר־דבר יהוה לאמר בקרבי אקדש. Die Todesstrafe war in diesem Fall eine Reaktion auf die Darbringung fremden Feuers ()אש זרה71. Dem in Ex 4,14 eigens als redebegabt eingeführten Aaron, der daraufhin nur schweigen kann ()וידם אהרן, wird damit auf traumatische Weise eingeschärft, was die Priester in der Konfrontation mit Usija nun dogmatisch rezipieren: Den Königen der davidischen Dynastie ist jegliche Teilnahme an kultischen Vollzügen verwehrt; allein die Priester dürfen räuchern.72 Genau in diesem Zusammenhang hat im Hinblick auf die Feststellung des Straftatbestands „Du hast hochmütig gehandelt“ ( )כי מעלתerstmals Beentjes die Beobachtung gemacht, dass „[a]lléén in 2 Kron. 26:18, en nergens anders in het geschrift, vinden we dit verbum in de directe rede“73. Dieser Hinweis ist möglicherweise ein Indiz für den „Sitz der Formulierung im Leben“ des Chronisten: Dort obliegt es offenbar dem Priester, מעל-Straftaten festzustellen.
71 Die Bedeutung der Phrase אׁש זרהist umstritten. Eine religionsvergleichende Deutung ist von Achenbach (2003, 98–100) vorgeschlagen worden, der einen Zusammenhang mit der Reinhaltung des heiligen Feuers im Zoroastrismus herausarbeitet. Vgl. kritisch dazu Nihan (2007, 581, Anm. 16). Mir scheint in einer von 2Chr 26,16–21 herrührenden Deutung der Zusammenschau von Ex 30,9 und Lev 10,1 die Problematik der wie auch immer gearteten substantiellen Fremdheit ( )זרweniger eine Rolle zu spielen, denn vielmehr die diesen Diskurs begleitende Evokation einer personellen Fremdheit, wie sie im Numeribuch virulent wird. Vgl. Num (1,51;) 3,4.10; 17,5; (18,4.7); 26,61. Darum scheint es auch in Lev 10,1 bereits gegangen zu sein, nur konnte man die Aaronsöhne nicht als fremde Personen ausgrenzen, wenn man sie durch Söhne desselben Vaters ersetzen wollte. Der Umweg über das „fremde Feuer“ scheint deshalb die naheliegende Lösung gewesen zu sein. Die frühere, zumindest oberflächlich als solche erscheinende Problematik der Fremdheit, im Sinne eines Eindringens einer fremden in eine bestehende Substanz von außen, wird hier übertragen in die Problematik der Abgrenzung einer fremden Gruppe aus dem Inneren. Während dabei im Numeribuch die putative Verwandtschaft (vgl. oben 5.2.2) zwischen Aaroniden und Leviten einen institutionellen Konflikt verursacht, führt dieselbe Problematik in 2Chr 26 zu einem Konflikt zwischen Aaron und Juda. 72 An dieser Stelle zeigt sich in radikalisierter Weise eine Tendenz, die Rudnig (2000, 319–322) in der von ihm in Ez 40–48, bes. Ez 46,1–3.8–11, herausgearbeiteten Sakralschicht beschrieben hat: die vollständige Laisierung der davidischen Dynastie, die fortan keine Rolle mehr bei kultischen Vollzügen spielt. 73 Beentjes z. St., 338.
9.2 2Chr 26,16–21 – Übersetzung und Analyse
529
Die Aufforderung der Priesterschaft, das Heiligtum ( )מקדשzu verlassen (יצא, Imp.), regt Zorn in Usija ()זעף, der in dieser Situation mit einer Räucherpfanne ()מקטרת74 in der Hand beschrieben wird. Der Zorn wird vom Chronisten gleich zweifach annonciert (V.19). Dahinter verbirgt sich, dass Usija sich mit seiner Absicht offenbar im Recht sieht und weiterhin der Erzählzug eines Kräftemessens zwischen Königtum und Priestertum.75 Der Zorn Usijas ( זעףInf.+ב+ePP) hat einen strafenden Aussatz zur Folge, der reflexartig auf Usijas Stirn aufscheint ()זרח76 und den Konflikt symbolisch zugunsten des Priestertums entscheidet. Damit ergeht es ihm ganz ähnlich wie König Asa, dessen Zorn ( )זעףebenfalls eine strafende Krankheit nach sich zog (vgl. 2Chr 16,10.12 f). Es zeigt sich, dass der Gestaltungswille des Chronisten zwar einem eigenen narratologischen Konzept freier Variation folgt, dass dabei jedoch unverkennbar die narrativen Grundkonstellationen von Lev 10; 16 und Num 16 verarbeitet werden.77
74 Usija hat eine מקטרתin der Hand (Vgl. dazu Zwickel 1990, 239–244 sowie Albertz / Schmitt 2012, 70), während in Lev 10 und Num 16 von einer מחתהdie Rede ist. Die מקטרתwird nur noch in 2Chr 30,14 und Ez 8,11 erwähnt. 75 Beentjes (z. St., 338) sieht hier erneut das Richtige, wenn er darauf hinweist, dass der Zorn in Verbindung mit der Räucherpfanne „benardrukt […] dat hij zich gedraagt alsof hij een priester is.“ Die Durchsetzung des Priester-Zorns ist dementsprechend als Abwehr dieses Gleichmachungsversuchs aufzufassen. 76 Das Verbum זרחwird hier metaphorisch und dennoch in ungewöhnlichem Kontext verwendet. Üblicherweise wird mit diesem Verbum das Aufscheinen der Sonne ausgedrückt. Beentjes (z. St. 339) Beleg weist darauf hin, dass hier mit der Rede vom Strahlen wahrscheinlich „een traditie is ontstann waarin het een zonnestraal is die huidziekte op het ‚voorhoofd‘ van Uzzia veroorzaakt.“ Metaphorisch wird auch das Erstrahlen JHWHs zum Ausdruck gebracht (vgl. bspw. Dtn 33,2). Eine assoziative Kette, die den vorliegenden Gebrauch erhellen kann, findet sich in Jes 60. Hier erstrahlt der כבוד יהוהüber der Licht-Stadt Jerusalem (V.1). Es erstrahlt JHWH selbst (V.2). Völker, so heißt es, werden zum Licht gehen und Könige zu den Lichtstrahlen (V.3). Demgegenüber bildet das Aussatzmal ein Antimotiv, das insbesondere den in V.18 verwehrten Königsruhm ( )כבודkontrastiert. Inwiefern durch dieses Motiv etwa die Tradition einer Solarisierung JHWHs und das Leuchten von ṣædæk und mišpāt oder gar der Sonne der Gerechtigkeit greifbar wird, lässt sich nur vermuten. Einen guten Forschungsüberblick zum Stand der Debatte und zur Bedeutung der Sonne in den antiken Kulturen bietet Tubach (2014, 229–253). Bei grundsätzlicher Skepsis gegenüber einer vor-exilischen Solarisierung JHWHs, macht er die Andeutung, dass wenn überhaupt, dann in der persischen und seleukidischen Zeit eine Trendwende denkbar wäre (vgl. ebd.). Vgl. zur Debatte auch Leuenberger (2011, 34–71), der eine Solarisierung JHWHs in einzelnen Etappen am Beispiel Jerusalem vorführt. 77 Es ist z. B. von Greenstein (1994, 71–78) die These vertreten worden, dass 2Chr 26 einen regelrechten Midrash zur Nadab und Abihu Episode darstellt, was jedoch von Beentjes (2008, 88) auf Grund der spärlichen sprachlichen Übereinstimmung in Zweifel gezogen wird. Unverständlich ist jedoch, dass Beentjes, der als einer der wenigen Exegeten die deutlichen Anleihen aus dem Pentateuch aufgezeigt hat, eine Verbindung zu Lev 10 und auch Num 16 f vollständig leugnet. Gerade dieser Zusammenhang scheint mir jedoch gegeben und durch das Motiv der Fremdheit ( )זרהangezeigt zu sein. Auch der Hinweis der Priester לא־לך עזיהו להקטיר ליהוה ( כי לכהנים בני־אהרן המקדשים להקטיר2Chr 26,18) scheint beide Episoden vorauszusetzen. Schon von l
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9. Kult-Handlung
Mit dem Ausbruch des Aussatzes auf der Stirn Usijas gerät noch einmal das Setting der Szene in den Fokus. Während in V.16 nur erzählt wurde, dass Usija in den Tempel JHWHs ging, wird nun die Kulisse detailliert beschrieben. Offenbar stehen Usija und die Priester direkt vor der פרכתbeim Räucheraltar78 einander gegenüber. Dabei verhindern die Priester, dass Usija mit der Räucherpfanne in der Hand auf dem Räucheralter opfert. Man hat sich vorzustellen, dass diese zwischen Usija und dem Räucheraltar stehen und diesem offenbar den Rücken zuwenden, während sie zu jenem vis-à-vis stehen ()לפני. Der Räucheraltar repräsentiert dabei die legitime Räucherstätte, hinter der die von Usija mitgeführte מקטרתaugenblicklich als illegitim identifiziert wird. Denn mit der Einführung des Räucheraltars gilt neben der Forderung speziellen Räucherpersonals auch, dass fortan die Darbringung von Weihrauch auf dem Altar die Darbringung mittels Räucherpfanne ausschließt.79 Mit der Behauptung des exklusiven Räucher-Privilegs für die Aaroniden sind hintergründig die auf das illegitime Räucheropfer der Korachiten folgenden Verbote in Num 17,5 eingeblendet. Da dort die Korachiter desavouiert werden, hätte der Chronist an dieser Stelle noch den Erzählzug einsetzen können, dass die levitisch-korachitischen Torwächter (1Chr 26,1) misslicherweise den König nicht vom Betreten des Tempels abgehalten haben, bzw. an dem Versuch gescheitert sind. Immerhin bestand genau darin ihre Aufgabe. Evtl. ist hier ein Hinweis darauf zu erkennen, dass die Gilde der Torwächter noch nicht eingeführt war. Das Torwächter-Schweigen bleibt an dieser Stelle jedoch reine Spekulation.
daher ist 2Chr 26 als Topos sicher im Horizont dieser Texte zu lesen, auch wenn sich der Diskurs – möglicherweise durch den unterdessen eingeführten Räucheraltar – weiterentwickelt hat und hier kein inner-klerikaler Konflikt ausgetragen, sondern das Verhältnis von Königtum und Priestertum verhandelt und zu Gunsten des Priestertums entschieden wird. 78 Vgl. zur Lozierung des Räucheraltars im Tempel Ex 30,6. Besonders auffällig ist, dass nach der Einführung des Räucheraltars in Ex 30, dieser erst in der Chronik wieder erwähnt wird: מזבח הקטרתEx 30,27; 31,8; 35,15; 37,25; 1Chr 6,34; 28,18; 2Chr 26,16.19. Auch auf literarischer Ebene schlägt sich die Popularität des Räucherns in nachexilischer Zeit nieder. So ist der Räucheralter in Ex 30,1–10, das haben bereits Kuenen und Wellhausen gezeigt, eine späte Hinzufügung. Das lässt sich durch verschiedene Beobachtungen nachvollziehen. Auffällig ist zunächst, dass der Räucheraltar gegenüber Ex 25–29 verspätet genannt wird (Vgl. schon Wellhausen 1927, 64 sowie Ders. 1899, 137.), da er eigentlich zum Innenleben des Mischkan gehört. Der SP hat den Altar deshalb der Sachlogik gemäß nach Ex 26,35 eingeführt. Wellhausen hat außerdem darauf hingewiesen, dass mit der Einführung des Räucheraltars die Unterscheidung von מזבח העלהund מזבח הקטרתwichtig wird: „Nur in gewissen jüngeren Partien des Priesterkodex kommt der Name Brandopferaltar vor, eben in denen, die den Räucheraltar kennen.“ (Wellhausen 1927, 65.). Nihan (2007, 32) und Achenbach (2003, 95) haben diesen Befund bestätigt. Analoge Beobachtungen lassen sich auch für die Einführung der פרכתmachen. Vgl. Ex 26,31.33.35; 27,21; 30,6; 35,12; 36,35; 38,27; 39,34; 40,3.21–22*2.26; Lev 4,6.17; 16,2.12.15; 21,23; 24,3; Num 4,5; 18,7; 2Chr 3,14. 79 Vgl. Gerstenberger z. St. 109.
9.2 2Chr 26,16–21 – Übersetzung und Analyse
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Mit Aussatz bestraft zu werden ist nur drei Mal im Alten Testament, in Num 12; 2Kön 5 und in 2Chr 26, belegt, wobei die zu sanktionierenden Vergehen von unterschiedlicher Schwere und die Strafen daher von unterschiedlicher Dauer sind. Während 2Kön 5 einen anders gelagerten, wenngleich literaturgeschichtlich naheliegenden Sachverhalt schildert, findet sich eine saliente Parallele nur in Num 12.80 Dort begehren Mirjam und Aaron anlässlich der Ehe des Mose mit einer kuschitischen Frau gegen den mosaischen Führungsanspruch auf. JHWH selbst setzt diesem Aufruhr ein Ende, indem er sich darauf beruft, ausschließlich mit Mose פה ( אל פהV.8) zu sprechen. Sein Zorn entbrennt um diese Auseinandersetzung und er straft Mirjam mit Aussatz.81 In 2Chr 26 führt, wie wir gesehen haben, Usijas Hochmut in Verbindung mit seiner Absicht, JHWH eigenständig zu räuchern, insbesondere jedoch sein Zorn82 zur Strafe durch Aussatz.83 Beide Szenen gleichen sich in der Darstellung der Feststellung des Aussatzes. Der Hohepriester84 wendet sich dem Befallenen zur Musterung zu ()פנה אל85 und stellt den Aussatz fest ( מצראת/ )הנה מצרע. 2Chr 26,20aα
Num 12,10b
ויפן אליו עזריהו כהן הראש וכל־הכהנים והנה־הוא מצרע במצחו
ויפן אהרן אל־מרים והנה מצרעת
80 Sieht man von exakter semantischer Übereinstimmung ab, findet sich das Thema auch in Dtn 28,27 und Hi 2. 81 Merkwürdigerweise bleibt Aaron vom Aussatz verschont. Offenbar blockiert hier ein Tabu die Literaturproduktion, sodass zwischen Mirjam und Aaron unterschieden wird. Dem Aussatz des Hohenpriesters stand offenbar im Weg, dass dieser den Aussatz gemäß der Aussatztora (Lev 14,57) ja selbst festzustellen gehabt hätte und in Sachen Aussatz für den Priester weder das Ritual einer Selbstdiagnose noch das einer Selbstpurifikation vorgesehen war. Vgl. dazu ferner die Analyse von Achenbach 2003, 281–301. 82 Wenn die Vulgata in 2Chr 26,19 (vgl. sonst nur noch Prov 19,12; Mi 7,9) זעףmit „ira“ übersetzt, gibt sie gutes Gespür für die semantische Konnotation zu erkennen. Es geht hier nicht nur um die Beschreibung einer spontanen Gefühlsregung, d. h. Jähzorn, sondern auch darum anzuzeigen, dass Usijas Gerechtigkeitsgefühl verletzt ist. Genau vor diesem Hintergrund, dem Gefühl im Recht zu sein, bemisst der Chronist das Strafmaß. 83 Dillard (z. St. 211) hat darauf hingewiesen, dass Krankheit als Strafe für den Chronisten durchaus nicht untypisch ist. In 2Chr 16,12–13 erkrankt König Asa schwer an seinen Füßen, vertraut jedoch nicht auf JHWH, sondern auf Heiler ()רפאים, was evtl. so betont wird, weil er es gemäß der Theologie von Ex 15,26 ( )אני יהוה רפאךhätte besser wissen können. Weiterhin erkrankt auch Joram in 2Chr 21,12–19 nach brieflicher Ankündigung durch Elia, der ironischerweise das Verlassen der Wege Asas ( )דרכי אסאbemängelt, so schwer, dass ihm die Eingeweide herausquellen. 84 In 2Chr 26,20 in Verbindung mit einem ganzen Priestergremium. 85 Die Konfrontation wird durch die Präposition ( לפניV.19) und der nun direkten Zuwendung ( )פנהoffenbar ganz pointiert inszeniert.
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9. Kult-Handlung
Die Kontrastierung des Befundes vor diesem Intertext macht deutlich, dass bei Mirjam ganz unspezifisch lediglich der Aussatzbefall festgestellt wird, während die Diagnose bei Usija spezifischer ausfällt: Bei diesem ist der Aussatz auf der Stirn ( )במצחוausgebrochen, was gleich zwei Mal konstatiert (V.19 f) wird. Damit ist also das Aussatzmal in der Situation vis-à-vis für den Priester unmittelbar augenfällig. Doch mehr als das: Der Chronist weist offenbar gezielt auf die Stirn des Aussätzigen. Dieses deiktische Motiv stellt den hermeneutischen Schlüssel der gesamten Episode dar, die den Antagonismus zwischen Hybris-König Usija und Hohenpriester Asarja auf die Ebene des Institutionenkonflikts zwischen Königtum und Hohenpriestertum hievt. Die Deutung ergibt sich daraus, dass die gleich zweifach angezeigte Lokalisierung des Aussatzmals doppelt überinformativ ist: Nicht nur trägt sie nichts zum Verlauf oder zur Dramaturgie der Szene bei, sondern sie ist auch weder in Num 12 noch im Katalog der Aussatztora von Lev 13 f erwähnt.86 Der Chronist erzeugt damit also eine weitere Konversationsimplikatur87, die anzeigt, dass er mehr zu verstehen geben will, als er im wörtlichen Sinne sagt.88 Das durch die Implikatur zum Ausdruck Gebrachte, also das vom Chronisten Gemeinte lässt sich vor dem Hintergrund der Tora, genauer gesagt von Ex 28,36– 3889, erhellen. Im Rahmen des Auftrags zur Herstellung des Hohenpriestergewandes ergeht dort die Anweisung, diesem eine Blume90 aus reinem Gold ()ציץ זהב טהור91 anzufertigen. Einem Siegel gleich ()פתוחי חתם92 soll diese die Gravur קדש ליהוהtragen. 86 Vgl. zur Feststellung der Überinformativität bereits die Beobachtung Gallings (z. St. 147), der jedoch keine weiterführende Deutung damit verbindet. 87 Vgl. zum Begriff die methodischen Präliminarien dieses Kapitels. 88 Mit Grice zu sprechen, hieße das: Der Chronist verhöhnt die zweite Maxime der Quantität (s. o.). 89 Dieser Zusammenhang wird selten hergestellt. Soweit ich sehe, weisen nur Johnstone (z. St. 169) und Beentjes (z. St. 339 sowie 2008, 85) darauf hin. Die Deutung ist dabei freilich weniger durch den leicht zu erhebenden Konkordanzbefund als durch das Phänomen des indirekt ausgetragenen Herrschaftsdiskurses erschwert. Eine Analyse aus der Perspektive der Inferentiellen Pragmatik wird hier deshalb zum unverzichtbaren Hilfsmittel. 90 Das hohepriesterliche Blumenmotiv findet sich weiterhin in Ex 28,36; 39,30; Lev 8,9; Num 17,23. 91 Auch die Verwendung von „reinem Gold“ als Werkmaterial stiftet einen exklusiven Zusammenhang zwischen der Sinai-Perikope und der Chronik. Ex 25,11.17.24.29.31.36.38–39; 28,14.22.36; 30,3; 37,2.6.11.16–17.22–24.26; 39,15.25.30; 1Chr 28,17; 2Chr 3,4; 9,17. Kein anderes Buch der Hebräischen Bibel erwähnt dieses Material. 92 Der Auftrag zur Anfertigung der goldenen Blume einschließlich ihrer Gravur, ist kontrastiv vor den beiden goldeingefassten Karneolsteinen in Ex 28,9–12, in die gemäß ihrer Geburtsreihenfolge die Namen der 12 Stämme Israels eingraviert sind. Während sich dort an dritter Position der Namen Levi findet, wird also Aaron, der auf dieser Ebene der literarischen Entwicklung institutionell schon von den Leviten geschieden ist, durch eine eigene Gravur als heilig für JHWH ausgewiesen. So wie also in Num 17,23 der Stab Aarons symbolisch aus dem Stamm Levi hervorblüht, ist auch die Gravur des Hohenpriester auf den Edelsteinen des hohepriesterlichen Ornats als Überbietungsgestus zu verstehen.
9.2 2Chr 26,16–21 – Übersetzung und Analyse
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Ferner soll sie mit einer Schnur aus blauem Purpur an der Vorderseite ()אל מול von Aarons Kopfbund ( )על המצנפתfestgebunden werden. V.38 präzisiert diese Angabe chiastisch: והיה על־מצח אהרן
A
ונׂשא אהרן את־עון הקדׁשים אׁשר יקדיׁשו בני יׂשראל לכל־מתנת קדׁשיהם והיה על־מצחו תמיד לרצון להם לפני יהוה
B A'
Sie soll auf Aarons Stirn sein. Und Aaron trage die Schuld der heiligen Dinge, die die Israeliten mit all ihren heiligen Abgaben heiligen. Sie soll ständig auf seiner Stirn sein zu deren Wohlgefallen vor JHWH.
Das Motiv der Blume legt sich an dieser Stelle rahmend um die Schuld ()עון, die Aaron offenbar stellvertretend in all den Fällen zu tragen ( )נשאhat, in denen die Israeliten sie bei der Darbringung heiliger Gaben auf sich laden. Das Motiv des goldenen Diadems mit der Aufschrift „JHWH heilig“ wird in Ex 29,5–7 weiterentwickelt, wo dafür der Begriff des „Heiligen Diadems“ (נזר )הקדשgeprägt wird: ושמת המצנפת על־ראשו ונתת את־נזר הקדש על־המצנפת׃
Und setze den Kopfbund auf seinen [sc. Aarons, L. M.] Kopf und binde das heilige Diadem an seinen Kopfbund.
Das Aufsetzen der Krone wird von einem hoheitlichen Salbungsakt93 begleitet. Synthetisiert wird diese Entwicklung in Ex 39,30: ויעׂשו את־ציץ נזר־הקדׁש זהב טהור ויכתבו עליו מכתב פתוחי חותם קדׁש ליהוה
Dann machten sie die Blume des heiligen Diadems aus reinem Gold. Und sie schrieben darauf in einer Schrift gleich einem Siegel: JHWH heilig!
Ausgeführt wird das Motiv dann während der Investitur Aarons durch Mose in Lev 8,9:94 ויׂשם את־המצנפת על־ראׁשו ויׂשם על־המצנפת פניו את ציץ הזהב נזר הקדׁש כאׁשר צוה יהוה. אל־מול את־מׁשה
Und er [sc. Mose] setzte den Kopfbund auf seinen [Aarons] Kopf. Und er befestigte an der Vorderseite des Kopfbundes die goldene Blume, das heilige Diadem, wie JHWH es dem Mose geboten hatte.
93 Der Akt der Salbung ist von Albertz (2015) der letzten der priesterlichen Bearbeitungen zugeordnet worden, für die eigens das Signum PBSalb generiert wurde. 94 Nihan (2007, 138) ist der Auffassung, dass Lev 8,9 Ex 39,30 MT nicht notwendiger Weise voraussetzen muss, hält Lev 8,9 jedoch auch für eine „conflation of Ex 28,36 ( )ציץ זהב טהורwith 29,6 ()נזר הקדש.“ Die „Verschmelzung“ zum Anlass für eine literarische Schichtung zu machen, ist Nihan (ebd.) aber skeptisch, was jedoch für das hier gezeichnete Bild nicht weiter ins Gewicht fällt.
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9. Kult-Handlung
Achenbach hat dargelegt, dass die Entwicklung des hohepriesterlichen Diadems vor dem Hintergrund einer theokratischen Position der an dieser Stelle sekundären Bearbeitung der Priesterschrift gelesen werden muss. Dabei ist zu berücksichtigen, dass diese Entwicklung nicht als Ps, sondern, wenn man so will, als HS abläuft: „Mit der Verbindung des Stirnblattes und des altisraelitischen Symbols der Königsweihe des Gewählten durch den nezer, das Weihdiadem, wird dem Hohenpriester die königliche Würde Israels i. S. eines ‚Königreichs der Priester‘ (Ex 19,6) zugewiesen.“95 Dagegen hat Rooke der Interpretation des Hohenpriesters als königlicher Figur eine Absage erteilt. Insbesondere das Lexem נֵ זֶ רsei kein zwingender Hinweis auf ein königliches Diadem, sondern hinter dieser Bedeutung vielmehr die grundlegende Bedeutung נָ זַ רanzunehmen, die „consecration and setting apart“96 bedeute. Sie stützt sich dabei auf Num 6,1–21: „Hence, its use in the context of the high priest’s garments is just as likely to be an indicator of his holy status as it is of his royal prerogative.“97 Dabei wird Rooke einerseits zum Verhängnis, dass sie den Verwendungszusammenhang von נֵ זֶ רvollkommen unberücksichtigt lässt, der keine andere Deutung als die einer Krönung ermöglicht und außerdem den literarischen Befund zu Num 6 nicht hinreichend historisch kontextualisiert, wonach der Text einem post-priesterschriftlichen Segment zuzuweisen wäre und damit also nicht die kultischen Aufgaben des vor-priesterlichen Königtums begründet hat.98 Dass jedenfalls die Blume ( )ציץauf dem Diadem ()נזר des Priesters in irgendeiner Form aus der davidischen Tradition eines königlichen Diadems abgeleitet ist, zeigt Ps 132,18 an, wo ebenfalls in der Konfliktsituation zwischen einem anonymen Davididen, Gesalbter genannt, und einem ebenso anonymen Feind die Krone des Gesalbten regelrecht erblüht ()צוץ, während der Feind kontrastiv in Schande gekleidet wird.99 Vor diesem Hintergrund wird in 2Chr 26 die Spannung der unmittelbaren Konfrontation von König und Hohepriester deutlich. Insbesondere die Überlagerung des früheren Narrativs durch den hohepriesterlichen Herrschaftsdiskurs kommt in dieser Konstellation deutlich zur Geltung.100 Mit anderen Worten: Im 95 Achenbach 2007b, 239. 96 Rooke 2000, 19. 97 Rooke 2000, 19. 98 Genau dieser These hängt Rooke (2000, 19) an, die die Abhängigkeit der Motive umkehrt. Rookes These läuft deshalb auch auf die Behauptung einer bis auf kultische Belange weitgehenden Machtlosigkeit des Hohenpriesters hinaus. Diese These ist jedoch unter Berücksichtigung der literaturgeschichtlichen Entwicklung insbesondere des Numeribuches nicht unbestritten, wie Frevel (2013, 138–163, bes. 158) gezeigt hat. Vgl. auch Kaiser (2013, 174), der den hohepriesterlichen נזרebenfalls für ein königliches Diadem hält. 99 Vgl. bereits Noth 1965, 184. 100 Eine ähnliche Nuancierung findet sich in der Überarbeitung von 2Kön 11,4–16 durch 2Chr 23,1–16. In 2Chr 23 wird ausladend beschrieben, wie der Priester Jojada Joash zum König über Juda macht. Dabei werden jedoch vor der eigentlichen Inthronisation eine Fülle von kultischen Regelungen getroffen, die der Vorlage fremd sind (vgl. V.4–8). Torwächter werden einge-
9.2 2Chr 26,16–21 – Übersetzung und Analyse
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Angesicht des goldenen Diadems des Hohenpriesters, das ich für vorausgesetzt halte, entfaltet das Aussatzmal Usijas auf der Stirn seine volle Wirkung; es erstrahlt ( )זרחals Diadem der Schande. Und mehr noch: Nicht nur symbolisch wird der Tabubruch hier virulent; auch die Gravur auf dem Diadem des Hohenpriesters holt die Hinweise aus V.18 ein: כי לכהנים בני־אהרן המקדשים להקטיר. Das alles bleibt dabei zwar literarisch latent, es expliziert sich jedoch die engmaschige Textur der intertextuellen Referenzen und andererseits den anzunehmenden Umstand, dass die Priesterfigur in dieser Szene nicht anders als mit dem goldenen Blumendiadem auf dem Kopf vorstellbar war.101 Ein weiterer Horizont dieses Textes ist sicher auch Sach 6,9–14102, wo durch die Herstellung zweier Kronen103 eine ähnliche Situation entworfen wird. Während dort der Hohepriester Jeschua ben Jehozadak, nach 1Chr 5,27–43 ein Zadokide, mit einer Krone ( )עטרותgekrönt wird und es von ihm heißt, dass er Hohheit ( )חורtragen werde,104 heißt
teilt (V.4 f), der Zugang zum Heiligtum exklusiv für die Priester und diensthabenden Leviten reserviert. Die spezifische Regelung zum Eintreten in das Heiligtum ist dabei nicht nur der Vorlage fremd, sondern ebenfalls nicht in voller Übereinstimmung mit Num 4,20. Während es in 2Chr 23,6 ואל־יבוא בית־יהוה כי אם־הכהנים והמׁשרתים ללוים המה יבאו כי־קדׁש המהheißt, war in Num 4,20 den Leviten der Zugang zum Heiligtum noch bei Todesstrafe verboten: ולא־יבאו לראות כבלע את־הקדׁש ומתו. Vgl. dazu Labahn 2013, die die Ausweitung der levitischen Zuständigkeiten beschreibt. Ferner werden spezifisch levitische Dienste für den König eingerichtet (V.8). Die Salbung des Königs wird in V.11 vollzogen, wobei die synoptische Betrachtung die chronistische Ideologie sichtbar macht: 2Chr 23,11
2Kön 11,12
ויוציאו את־בן־המלך ויתנו עליו את־הנזר ואת־ העדות וימליכו אתו וימׁשחהו יהוידע ובניו ויאמרו יחי המלך
ויוצא את־בן־המלך ויתן עליו את־הנזר ואת־העדות וימלכו אתו וימׁשחהו ויכו־כף ויאמרו יחי המלך
Der Chronist tilgt das Händeklatschen der Vorlage und expliziert stattdessen die Vollzugspersonen der Salbung durch Jehojada und dessen Söhne. Die Insignien der Macht, einschließlich der initiierenden Salbung liegen damit ganz explizit in der Hoheit des Priesters. Vor diesem Hintergrund ist 2Chr 26 zu lesen. 101 Genau an dem Punkt, reagiert der Text offenbar auf einen anderen Text als realhistorischem Hintergrund, wobei die Übergänge zwischen der Perzeption der Wirklichkeit und der Rezeption von Intertexten fließend werden. 102 Vgl. zur redaktionsgeschichtlichen Einordnung des Textes ins Zwölfprophetenbuch Wöhrle 2006, 340–342. 103 Zur Frage, ob es sich um mehrere Kronen oder nur um eine handelt, vgl. Wöhrle 2006, 343–345. Wöhrle macht gegen neuere Trends der Forschung die ältere These stark, dass es sich ursprünglich um zwei Kronen gehandelt habe. Nach dem Scheitern Serubbabels seien dann die auf ihn weisenden Passagen aus dem Text getilgt worden und das Problem der konfligierenden Numeri ( עטרותV.11) vs. ( עטרתV.14) entstanden. Wöhrle ordnet die Tilgung einer „JeschuaRedaktion“ (ebd., 345) zu. 104 Vgl. dazu den bereits im ersten Hauptteil erläuterten Zusammenhang von Num 27,20 und 1Chr 29,25.
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9. Kult-Handlung
es im vorliegenden Text, dass im Tempel eine zweite Krone für einen künftigen Davididen mit der „Ehrenbezeichnung “צמח105 deponiert sei. Wie präsent und vor allem literarisch potent das goldene Stirnblatt des Hohenpriesters war, erkennt man VanderKam zufolge gut daran, dass es vermutlich paranomastisch in Sach 6,12 aufgenommen werde, wo der in Zukunft erwartete davidische Herrscher den Namen צמחträgt.106 Insbesondere die Krönung des Herrschers in Verbindung mit dessen signifikanter Benennung (gegenüber מצחmit Metathesis von Mem und Zade) haben VanderKam Anlass gegeben, hier eine Anspielung auf das Stirnblatt aus Ex 28.36–38 zu sehen. So wie sich die Entwicklung aus der Perspektive der Chronik jedoch darstellt, scheint die Richtung der Abhängigkeit eher in die andere Richtung zu verlaufen. Sach 6,9–14 steht in der mit Wöhrle anzunehmenden Version einer Serubbabel und den Ehrentitel צמחintegrierenden Gestalt am Anfang der Entwicklung. Die Tilgung Serubbabels und die damit verbundene Aufwertung Jeschuas durch dessen Krönung scheint demgegenüber das Ergebnis einer „Jeschua-Redaktion“ zu sein und schon den Gedanken eines Königtums von Priestern (Ex 19,6) vorzubereiten. Diese Entwicklung bezeichnet Achenbach als Theokratische Bearbeitung. Dieser sind, wie wir bereits gesehen haben, auch die נזר-Texte (Ex 28,36–38; 29,5–7; 39,30; Lev 8,9) zuzuordnen.107 Deren Ideologie schlägt sich dann in Form einer post-salomonischen Depotenzierung des davidischen Königtums in der Chronik nieder. In dieses Assoziationsfeld gehören dann freilich auch Jer 23,5 und 33,15. Ein späterer Hinweis findet sich bei Josephus, der den historisch fiktiven Einzug Alexanders in Jerusalem schildert. In ant. X 331 wird erzählt, dass Alexander Jerusalem zunächst von dem Vorort Sapha in Augenschein nimmt. Aus der Ferne erblickt er die Priester in weißen Gewändern. Die Kleider der Priester werden von Josephus ausführlich und einschließlich des goldbesetzten Stirnbandes beschrieben (ἐπὶ τῆς κεφαλῆς ἔχοντα τὴν κίδαριν καὶ τὸ χρυσοῦν ἐπ᾽ αὐτῆς ἔλασμα ᾧ τὸ τοῦ θεοῦ ἐγέγραπτο ὄνομα), wobei selbst die Gravur des Gottesnamens nicht unerwähnt bleibt.108 Von Alexander heißt es nun, dass er allein auf den Hohenpriester zugeht (προσελθὼν μόνος) und sich zunächst vor dem Namen niederwirft (προσεκύνησεν τὸ ὄνομα), bevor er den Hohenpriester begrüßt (καὶ τὸν ἀρχιερέα πρῶτος ἠσπάσατο). Josephus verwendet die Aufschrift τό ὄνομα in seiner Ausführung als Metonymie und lässt in der Verneigung Alexanders vor dem Gottesnamen die materielle Dimension der Blume unerwähnt. Allein daran lässt sich ablesen, dass in späterer Zeit die Goldapplikation nicht nur Erkennungszeichen des Hohenpriesters, sondern ein Symbol für die Anwesenheit der Gottheit selbst wurde. Daraus ergibt sich die Subthese, dass das במצחוdes Chronisten eine ähnliche Funktion wie Josephus (προσεκύνησεν) τὸ ὄνομα erfüllt.
105 Wöhrle 2006, 344. 106 VanderKam 2004, 34. 107 Die unterschiedlichen Bezeichnungen für die Krone: עטרהin Sach 6 und נזרim Pentateuch können nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich hier um denselben Diskurs handelt. An diesem Punkt ist jedoch weitere Forschung zu leisten. 108 Die Anfertigung des Stirnbandes wird in ant. VIII 93 geschildert. Dort wird berichtet, dass Salomo lediglich ein Stirnband habe anfertigen lassen und dass dieses bis auf den heutigen Tag bestehe.
9.2 2Chr 26,16–21 – Übersetzung und Analyse
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Mit Heckl, der für einen diskursanalytischen Zugang zu biblischen Texten plädiert, ist an dieser Stelle also von einem impliziten Herrschaftsdiskurs zu sprechen.109 Wobei nicht in Vergessenheit geraten darf, dass dieser im vorliegenden Text nicht explizit zur Sprache kommt. Der Herrschaftsdiskurs wird vielmehr implikativ110 durch die vier Elemente a) Priester vs. König b) Zorn c) strafender Aussatz d) Überbetonung der Stirn kultiviert. Wie unweigerlich dieser Schluss ist, zeigt sich, wenn bei der zweiten Erwähnung der Stirn im Zuge des Feststellungsaktes durch alle Priester der König in eine mitleiderweckende Position gerät: Er als Einziger kann nicht sehen, was die ihm gegenüberstehende Armee von 81 Priestern regelrecht anstrahlt, dass JHWH ihn geschlagen ( )נגעhat. Dementsprechend beeilen ( )בהלsich nicht nur die Priester, den König aus dem Heiligtum zu treiben, sondern dieser tritt im Augenblick der Erkenntnis regelrecht die Flucht ( )דחףan. Die Versündigung durch das Rauchopfer wird durch eine Doppelstrafe scharf sanktioniert (V.21): Usija wird vom Aussatz befallen, und zwar bis ans Ende seines Lebens ()עד יום מותו. Die damit verbundene Unreinheit bedeutet für ihn gleichzeitig, dass er lebenslang vom Haus JHWHs, also vom Kult, abgeschnitten ( )גזרbleibt111 und in einem abgesonderten Haus ()בית החפׁשית112 leben muss. Damit, so zeigt es auch der Fortgang der Episode an, verliert er zugleich auch das Wohnrecht im Palast und seine Funktion als König. Es ergeben sich nun zwei Lesarten. (1) Dass Usija im Grunde ein der Todessanktion würdiges Verbrechen intendiert hat, ist vor dem Hintergrund von Lev 10 ganz deutlich. Der Chronist konnte Usija jedoch nicht sterben lassen, da er seiner Vorlage in 2Kön 15 verpflichtet und gleichzeitig darum bemüht war, an der Abfolge der Könige und deren Regierungszeiten nichts zu verändern.113 Die Problematik einer mit der Todessanktion belegten Person, resp. Gruppe, wird bspw. bei den Korachiten virulent, die in Num 16,32 restlos von der Erde verschlungen werden, wobei Korachs Söhne dann in Num 26,11 mit Blick auf die in der Chronik und in den Korachpsalmen zuhauf auftretenden Korachiter wieder zu rehabilitieren waren.
Mit Blick auf Ps 88,6 ergibt sich demnach durch die Parallele der Abgeschnittenheit die mit dem „Haus der Freiheit“ verbundene Konnotation: „Frei zum Tode“, 109 Vgl. Heckl 2016a, 1–31 sowie 2017, passim. 110 Für die Hervorbringung einer Implikatur wurde zur Abgrenzung von dem Verbum „Implizieren“, der Terminus „Implikatieren“ eingeführt. (Vgl. Meibauer 2007, 219). Analog dazu wird hier von implikativ statt von implizit gesprochen. 111 Mit Beentjes (z. St. 340), der auf die Parallele Lev 16,22 in Form des Lexems גזרhin. In der Tat scheint die durch die Priester aufgewiesene Schuld, die der König endgültig mit sich ins abgesonderte Haus nimmt, gleichsam eine Pantomime des Sündenbock-Rituals zu sein. 112 Rudolph (z. St. 284) hebt durch die Übersetzung mit „Haus der Freiheit“ besonders deutlich den spöttischen Euphemismus hervor. 113 Vgl. Ben Zvi 2006a, 144–157.
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9. Kult-Handlung
wobei im Falle des dort betenden Ichs noch radikaler die Abgeschnittenheit von der Hand JHWHs und die damit verbundene Abgeschnittenheit vom Leben (vgl. Jes 53,8; Lam 3,54; Ez 37,11) beklagt wird. Dass für Usija, der nur aus historiographischer Verlegenheit nicht sterben „durfte“, mit dem Aussatz im Grunde aber bereits das Sterben beginnt, zeigt sich daran, dass dessen Würde auch über den Tod hinaus beschnitten bleibt, insofern er auf dem freien Feld und nicht in den Gräbern der Könige bestattet wird, wobei der Aussatz als Begründung angeführt wird. Dazu kommt, dass die Wendung BT ḪPṮT im Ugaritischen eine Metapher für die Unterwelt bzw. das Todesreich zu sein scheint.114 Auch ein Blick nach Num 12,12 bestätigt diesen Eindruck. Nachdem Mirjam mit Aussatz bestraft worden ist, wendet sich Aaron flehend an Mose: „Lass sie doch nicht wie etwas Totes werden, das aus seiner Mutter hervorgeht und dessen Fleisch zur Hälfte verzehrt ist!“ ()אל־נא תהי כמת אׁשר בצאתו מרחם אמו ויאכל חצי בׂשרו. Deutlicher als durch das Als ob der Todgeburt ( )צאת מחרם כמתist der todesähnliche Zustand des Aussatzes nicht zu umschreiben. Im Falle Asarjas wird die nur aus Verlegenheit ausgesetzte Todessanktion auch an der Übernahme der Regierungsgeschäfte durch dessen Sohn deutlich. (2) Mit dem Blick auf 2Kön 15 stellt sich jedoch noch eine ganz andere Lesart ein. Der synoptische Vergleich zeigt, dass hier von einem Räucheropfer Usijas noch überhaupt nicht die Rede war. Ganz im Gegenteil schlachtet ( )זבחund räuchert ( )קטרhier das Volk auf den Höhen. Demgegenüber scheint die in V.5 erzählte Strafe des lebenslangen Aussatzes äußerst drakonisch. Wenngleich Asarja zwar in 2Kön 15,7 ohne Umschweife bei seinen Vätern in der Davidstadt beerdigt werden konnte, war es dem Chronisten offenbar ein Anliegen, ein der Strafe angemessenes Vergehen zu ersinnen.115 Für dieses Vergehen hat er offenbar den narrativen Hintergrund von Lev 10 und Num 16 verwendet und an den intendierten Erzählzweck angepasst. Dabei hat der Chronist auf Grund des lebenslangen Aussatzes nicht auf die Regelung einer siebentägigen Aussonderung (סגר, hif.) aus Lev 13 zurückgreifen können, sondern musste zum stärkeren Motiv des bis über den Tod hinaus unwiderruflichen „Abschneidens“ greifen.116 Durch diese Grenzüberschreitung über das Leben hinaus werden die Ausschlusssanktion und die Todesstrafe zu kommensurablen Vergeltungsformen. Schlimmer noch: Während Korach und seine Bande im Erdboden versinken, trifft Usija eine deutlich schwerere Strafe: die Sichtbarmachung der Schuld in Form des Aussatzmals. 114 Loretz 1976, 129–131. 115 Dass der Chronist dabei in seiner Geschichtsdeutung vollkommen frei agiert (vgl. auch Heger 1997, 80.174) wird besonders deutlich bei der chronistischen Transformation Manasses, dessen lange Regierungszeit durch die Läuterung in einer eigenen Exilierung nach Babel (2Chr 33,11–13) und Rückkehr nach Jerusalem begründet wird. 116 Beentjes (2008, 86) geht soweit, hier einen Zusammenhang mit Lev 16,22 anzudeuten. Mehr als die immerhin auffällige konzeptuelle Ähnlichkeit, dass die Sünde an beiden Stellen ein für alle Mal fortgeschafft wird, kann ich jedoch nicht erkennen.
9.2 2Chr 26,16–21 – Übersetzung und Analyse
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Vor diesem Hintergrund ist noch der merkwürdige Umstand der Doppelbenennung Usijas (V.17–20) in den Blick zu nehmen. Deren Sinn generiert sich gemäß der betrachteten Perikope in 15b, die einerseits die Fallhöhe Usijas weiter erhöht und andererseits den Namen עזריהוzu einem regelrechten Spottnamen werden lässt117: ויצא שמו עד־למרחוק כי־הפליא להעזר עד כי־חזק. Usijas Name ()שמו, so heißt es, ging aus ( )יצאin die Ferne, da ihm auf wunderbare Weise Hilfe zuteilwurde. Die Pointe der Namenskundgebung, die durch das Possesivsuffix (3. Sg. mask.) kataphorisch auf Usija in V.14 verweist, zielt darauf, dass jedem Leser noch einmal deutlich wird, dass es der Name Usija ist, von dem hier gehandelt wird. Die Anadiplose von V.15 zu V.16 in Form des Verbums חזקmarkiert sodann den Umbruch der Episode und das mit dem Hochmut einsetzende Anathema.118 Der Chronist bietet damit post-faktisch eine Ätiologie, die durch den Infinitiv להעזר und den Entzug des Namens עזריהוdiesen kurzerhand zum Spottnamen transfiguriert, wobei der Spott dadurch deutlich wird, dass Asarja, der nun Usija heißt, nach dem Versuch des unerlaubten Räucheropfers gerade keine göttliche Hilfe mehr zuteil wird. Es entbehrt keiner Ironie, dass Usija in V.16–20 dann ausgerechnet in Asarja, dem כהן הראׁש, seinen Antagonisten findet:119 Die Übergabe der Tempelhoheit, mithin also der Herrschaftsansprüche über die nachexilische Gemeinde, wird durch die Vertauschung der Namen von König und Priester angezeigt und symbolisch im Tête-à-Tête von Aussatzmal und Priesterkrone besiegelt. Die Folgen für Usija sind verheerend; schon zu Lebzeiten übernimmt sein Sohn Jotam die Amtsgeschäfte. Bezeichnenderweise wird er in dieser Interims lösung jedoch nicht als König, sondern als Richter im Haus des Königs bezeichnet: ויותם בנו על־בית המלך ׁשופט את־עם הארץ. Das Motiv stellt nicht weniger als einen Rückfall in die Richterzeit dar ()בימים ההם אין מלך ביׂשראל. Damit wird neben der Entfaltung der vielbeschworenen chronistischen Retributionstheologie erneut ein der Richterzeit analoger Erzählzug aufgegriffen, der in latenter Form schon verschiedentlich angeklungen war. – Jede Generation, auch jede Generation von Königen, hat sich in ihrem Verhältnis zu Gott neu zu bewähren. Anders als in der Fiktion einer Richterzeit ist dabei der institutionelle Rahmen erzählerisch unausschaltbar. Die Geschichte setzt sich in einer der Vorlage geschuldeten, notwendigen Weise im genealogischen Modus fort und führt den epochal-evaluativen Gestus deshalb 117 Freilich müssten in eine historische Erörterung auch 2Kön 15,32.34 sowie Jes 1,1; 6,1; 7,1 einbezogen werden. Mir geht es hier um eine literarische Deutung der vorliegenden Perikope. 118 Beentjes (z. St. 336 sowie 2008b, 81) hat darauf hingewiesen, dass die Phrase וכחזקתוunweigerlich mit Rehabeams Verlassen der Tora (2Chr 12,1) in Verbindung zu bringen ist. 119 Auch Beentjes (2008b, 83) sieht in diesem Antagonismus eine intendierte Pointe. Kalimi hat weiterhin einige Evidenzen zusammengetragen, die zeigen, dass es durchaus üblich war, die Etyma עזרund עזזkommutativ zu verwenden. An dieser Stelle reicht Kalimi (2005, 106) jedoch nicht an die narrative Komplexität heran, wenn er es bei der Feststellung belässt, dass „[t]he interchange of these names can thus not be linked with differing historical circumstances in the life and reign of this king of Judah“. Insbesondere die Parallelität zwischen dem Namenswechsel und der dramaturgischen Peripetie fordert jeden Leser zur Interpretation heraus.
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9. Kult-Handlung
nicht mehr auf Seiten des Volkes (vgl. bspw. Ri 2: ויחר־אף יהוה … ויעזבו את־יהוה אלהי ) אבותם … ויעׂשו בני־יׂשראל את־הרע בעיני יהוה … ביׂשראל, sondern auf Seiten der Könige ein, wobei in der Chronik die Toraobservanz im weitesten, d. h. wörtlichen wie nicht-wörtlichen Sinne zum Prüfstein gemacht wird. Von daher versteht sich erneut die Überwindung der unheilvollen Zeit: Nach dem Tod seines Vaters wird Jotam zum König (V.23) und tut umgehend wieder das Rechte in den Augen des Herrn ([ היׁשר בעיני יהוה1Chr 27,2]). Es stellt sich abschließend die Frage, warum der Chronist das Priestertum in dieser indirekten Weise vom davidischen Königtum emanzipiert und nicht deutlicher wird. Noch dazu stellt sich die Frage, warum ein derart aufgeladenes Thema durch die Integration in das Usija-Narrativ an einen Nebenschauplatz der Chronik verlegt wird. Dies hängt wahrscheinlich mit der Bedeutung König Davids und der von diesem begründeten Dynastie zusammen. In kaum einem anderen Buch des Alten Testaments gelangt sie zu größerer Bedeutung. Einzig der Psalter schreibt David (wohl in der Interaktion mit dem Chronisten120) eine ähnlich umfassende Bedeutung zu. Allein daran zeigt sich die ungebrochene Wertschätzung für diesen König, zu dessen Gunsten der Chronist alles ihm – trotz der historischen Evidenz, dass dieser den Tempel nicht gebaut hat – Mögliche unternimmt, um ihn als großartig darzustellen. Gleichwohl ist der Chronist nicht nur in der Verlegenheit, das Ausbleiben des Tempelbaus erklären zu müssen, sondern auch mit dem Scheitern der Davididen erzählerisch haushalten zu müssen. Während also ein prodavi discher Erzählfaden, wie er sich von 1Chr 3 über 1Chr 17 und 2Chr 13,5 bis hin zu 2Chr 35,4 findet, durch einen anti-davidischen Erzählfaden konterkariert wird121, bleibt der Seitenblick auf das Priestertum stets positiv ausgerichtet. Die Herrschaft in Juda verläuft stets dann gottgefällig, wenn die königliche Herrschaft durch die priesterliche Herrschaft begrenzt wird. Ein Schlüssel zum Verständnis der indirekten Ausdrucksweise des Chronisten liegt in dem Moment der Annullierbarkeit, die, wie eingangs gezeigt wurde, eine notwendige Bedingung der Konversationsimplikatur ist. Rolf schreibt dazu: „Die Annullierbarkeit ist eines der wichtigsten Merkmale der konversationalen Implikaturen. Das, was lediglich impliziert, nicht aber gesagt worden ist, kann, aufgrund seiner materiellen Ungreifbarkeit, leichter wieder aus dem Verkehr gezogen werden, wenn es denn aus dem Verkehr gezogen werden soll.“122 Im vorliegenden Fall kann sich der Schreiber des Textes, der die antiroyale Sinnrichtung eingetragen hat, jederzeit auf den Standpunkt stellen, mit der expliziten Erwähnung der l
120 Detailliertere Erkenntnisse verspricht der bei Mohr Siebeck in der Reihe FAT II angekündigte und von Hartenstein und Willi herausgegebene Sammelband „Psalmen und Chronik“. 121 Die erste anti-davididische Spitze setzt mit bereits mit Rehabeam ein (vgl. 2Chr 12,14) und wird dann mit dem Joram-Narrativ gänzlich manifest. 122 Rolf 2013, 27.
9.2 2Chr 26,16–21 – Übersetzung und Analyse
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aussätzigen Stirn keinesfalls den Streit zwischen König und Priester auf eine institutionelle Ebene gehievt und mithin dem König die Herrschaftsansprüche streitig gemacht haben zu wollen. Der Schreiber könnte bspw. konstatieren, lediglich eine sichtbare Körperstelle benannt haben zu wollen und ein der Strafe der Vorlage angemessenes Vergehen ersonnen zu haben. In Anbetracht der Brisanz, die eine Einmischung in Herrschaftsdiskurse, allzumal durch den Vorschlag einer eigenen nicht-davidischen Hegemonialoption, mit sich bringt, repräsentiert also die durch den Chronisten produzierte Konversationsimplikatur an dieser Stelle die Vorsicht vor messianischen Oppositionen. Dass diese Vorsicht geboten ist, ergibt sich allein aus der Anlage der Chronik, die ja eine Neuformulierung der Geschichte des davidischen Königtums ist und bspw. in 2Chr 13,5 explizit auf einen Salzbund ( )ברית מלחzwischen JHWH und David sowie dessen Söhnen zu sprechen kommt.123 Der Chronist kann die von ihm überhaupt erst generierte Konzeption nicht einfach eskamotieren, sondern muss sie als eine Erzähl-Hypothek verwalten. Dabei spielt, wie wir gesehen haben, die zwischen judäischem Königtum und zadokidischem Hohenpriestertum kreierte putative Verwandtschaft eine konstitutionelle Rolle in der Begründung der priesterlichen Herrschaftsansprüche. Gleichzeitig ist auch zu beachten, dass 2Chr 13,5 durch V.8 eingeschränkt wird, wo die Lesart der vorausgegangenen Formulierung כי יהוה אלהי יׂשראל נתן ממלכה לדויד על־יׂשראל לעולם (V.5) durch die Phrase ממלכת יהוה ביד בני דוידspezifiziert wird (V.8). Die Tora-Restriktion der davidischen Könige durch das Königsgesetz, die erst in der Chronik vollzogen wird, spielt hier nun die wichtigste Rolle, insofern der König nicht nur der göttlichen Schrift, sondern auch dem kultischen Schreiberpersonal unterstellt wird. Aufs Ganze gesehen zieht der Chronist deshalb nach dem Idyll der salomonischen Regentschaftszeit eine auf das Dilemma der Reichsteilung antwortende dramaturgische Zäsur ein. Wobei auch für den Chronisten der etappenweise Niedergang des Königtums und das Ende im Exil nicht aufzuhalten sind. Von Beginn an folgt er dabei dem Motto: Le Dieu règne, mais il ne gouverne pas.124 Während zur Zeit Davids und Salomos der Regierungsakt noch von den Königen selbst übernommen werden konnte – gut erkennbar an der Einsetzung der Priester durch David (1Chr 24) und der Salbung Zadoks parallel zur Salbung Salomos –, scheint dieses Herrschaftsprinzip zwar in Kraft zu bleiben, die Regierungsseite jedoch sukzessive durch die Priester abgelöst zu werden. Auch von dieser wird mit Blick auf das Exil jedoch berichtet, dass sie das Haus Gottes verunreinigen ()טמא, die Abscheulichkeiten ( )תעבותder Völker mitvollziehen und JHWH untreu ( )מעלwerden. 123 Präfiguriert ist dieses Motiv in Num 18,19, wo der Salzbund der Versorgung Aarons und der Aaroniden dient. 124 Nirgendwo wird das Potenzial dieses Prinzips sichtbarer als in der Möglichkeit, sekundär das Kyros-Edikt an die Chronik anzufügen.
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9. Kult-Handlung
Gleichwohl gelingt es dem Chronisten, durch das Auftreten Jeremias eine positive Exilsdeutung zu implementieren. Dabei gibt er erkennbar die davidische Option auf und positioniert sich ideologisch auf der Seite der Toraobservanz. Die indirekte Inszenierung in 2Chr 26,17–21 zeigt an, dass dieser Herrschaftsdiskurs, der aktiv ausgetragen zweifellos die schroffe Opposition der Messianisten gegen sich heraufbeschworen hätte, nur im Modus des Indirekten geführt werden konnte. In diesem Modus, so deutlich die Option sich in 2Chr 26 auch abzeichnet, blieb im Konfliktfall immer noch die Möglichkeit, sich auf den Standpunkt zurückzuziehen, es nicht gesagt zu haben.125
125 An dieser Stelle eröffnet sich die Perspektive einer pragmatisch kontrollierten Reflexion des Phänomens der Rewritten Scripture. Auffälligerweise besteht eine gewisse Ähnlichkeit hinsichtlich derjenigen Phänomene, die wir durch die Quadripartita Ratio beschrieben haben und hinsichtlich derjenigen Phänomene, die mit Hilfe der Implikaturentheorie beschrieben worden sind. Beide Methoden kennen, wenn man so will, das Phänomen I. der Adiectio, der II. Detractio (Maximen der Quantität – Es werden entweder Informationen hinzugefügt (1. Maxime) oder Weggelassen (2. Maxime).), der Immutatio (1. Maxime der Qualität – Bei dieser Zuordnung sei daran erinnert, dass Quintilian der III. Immutatio die stärkste Fähigkeit zuweist, etwas zum Verschwinden zu bringen (s. o.). Die hier vorgeschlagene Zuordnung setzt voraus, dass vor allem das zum Verschwinden gebracht werden soll, was man für falsch hält.) und der IV.Permutatio (≙ 4. Maximen der Modalität – Die Maxime, die „Be Orderly“ lautet, zielt darauf, dass etwas in genau der Reihenfolge erzählt wird, in der es sich ereignet hat.). Mit dieser noch sehr thetischen ersten Korrelation der Methoden ist die Frage verbunden, ob in der Logik der dokumentierten textuellen Transformation evtl. gewisse Regelmäßigkeiten hinsichtlich der mit den Transformationstechniken – hier wird behauptet, es seien höchstens vier – verbundenen Aussageabsichten zu ermitteln sind. Eine Bedingung dieses Vorgangs ist dabei, dass diese Aussagen in den Transformationstechniken nur implizit enthalten sind und in einer methodisch kontrollierten Beschreibungssprache explizit gemacht werden müssen. Ein erster Vorschlag zur Explizierung des Impliziten wurde in diesem Kapitel gemacht. Die Aufgabe, auf die diese Fragen drängen, ist die systematische Entwicklung einer Hermeneutik der Differenz, die Antworten auf die folgenden Fragen sucht: Was ist gemeint, wenn etwas mehr oder etwas weniger gesagt wird, bzw. was ist gemeint, wenn etwas ganz anderes oder etwas ganz anders gesagt wird? Der Komparativ als Beziehungsphänomen öffnet dabei einen weiten Horizont, in dem sich kleinere evidenzbasierte Editionsprozesse, komplementäre Lesarten, synoptische Textbetrachtungen und das Phänomen der Rewritten Scripture gleichermaßen problematisieren und verstehen lassen.
10. Ergebnis
Wir haben in dieser Untersuchung zwei Wege der Analyse beschritten. Der erste Hauptteil der Arbeit war dem Lexem תורהund dessen Bedeutung im Kontext der unterschiedlichen Narrative gewidmet. Im zweiten Hauptteil haben wir nach einem Weg gesucht, den Einfluss der Tora auf die Reformulierung der Geschichte Judas zu bestimmen. Dabei ging es darum, Bearbeitungen der Vorlagen im Hinblick auf verschiedene Möglichkeiten der Einwirkung zu prüfen. Wir haben vor allem vier Bearbeitungstechniken näher ins Auge gefasst: die Ergänzung, die Tilgung, die Umstellung und die Ersetzung. In einem letzten Schritt gilt es jetzt den Ertrag beider Kapitel einzubringen und zu einer Synthese zu verbinden, die die Bedeutung der Tora für und in der Chronik beschreibt: Zunächst haben wir beobachtet, dass das Lexem, das 19 Mal in der Chronik gebraucht wird, umso häufiger anklingt, je dichter sich die Geschichte auf das Exil zu bewegt. Je näher die Geschichte Judas also vor ihrem Scheitern stand, umso mehr hat offenbar der Chronist das Motiv der Tora gebraucht, um mit ihr und durch sie die Möglichkeit der Metanoia aufzuzeigen. Die Toraobservanz der Könige ist dem Chronisten, so könnte man sagen, ein Garant für eine heilvolle Zeit. Ganz in diesem Sinne stilisiert er die Figuren David und Salomo, diesen dabei mehr als jenen, zu regelrechten Modellkönigen im Sinne des Königsgesetzes (Dtn 17,14–20). Dabei ist es kein Zufall, dass diese Konvergenz auf einer Linie liegt, die nicht nur von der Chronik auf den Pentateuch zuführt, sondern auch vom Pentateuch in die Chronik. Es konnte nämlich gezeigt werden, dass die Stimmen, die in jüngerer Zeit für eine Spätdatierung des Königsgesetzes plädieren und dabei den fehlenden Rekurs der Samuel- / Königsbücher auf dieses Gesetz als Indiz anführen, von der Perspektive der Chronik her ins Recht gesetzt werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Königsgesetz im Deuteronomium ohne das Auftreten eines „adäquaten“ Königs einen offenen Verweis hinterlässt, der erst durch das Gegenstück des chronistischen Narrativs ein entsprechendes Komplement erhält.1 Der Kontrast der Könige David und Salomo wird dabei durch die auf diese beiden folgende, freilich milder als in der Vorlage verlaufende Verfallsgeschichte kontrastiert. Sie wird jedoch auch durch die sekundäre Einsetzung Sauls kontrastiert, der in der Chronik keine weitere Funktion als die eines gescheiterten Antihelden repräsentiert. David und Salomo sind, so soll gezeigt werden, die toraobservanten Könige par excellence. Durch den Rückgriff auf die Saul-Figur bleibt dabei nicht nur die benjaminitische Linie von der Herrschaft ausgeschlossen, sondern
1 Zur Problematik der Rezeption von Dtn 17,14–20 vgl. 96–100.
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es wird zugleich ein Konnex zur Richterzeit hergestellt, die dem Chronisten als toralose Zeit zu einem absoluten Gegenbeispiel diente. Die eigentliche Antigeschichte, die der Chronist durch die Option „Tora oder nicht Tora“ evoziert, liegt weniger in einer alternativen Darstellung zur Geschichte der Samuel- / Königsbücher, sondern der des Richterbuches. Die Entdeckung dieses Erzählzugs war überraschend.2 Weniger überraschend, sondern aus der Perspektive einer Fortsetzung der „Theokratischen Bearbeitung“ her zu erwarten, war, dass schon mit der ersten Nennung der Tora der Priester Zadok die Bühne betritt (vgl. 1Chr 16,39). Dieser war bei der Trennung von Zelt und Lade während der Überführung der Lade nach Gibeon abgestellt worden, um dort weiterhin am Zelt seinen Dienst zu verrichten. Der Chronist zeigt sich an dieser Stelle von Grund auf mit den Vorgaben der „Theokratischen Bearbeitung“ vertraut, wo die Priester den Dienst an Zelt und Altar verrichten, währen die Leviten die Lade tragen. Legitimierende Funktion erhält die Tora in 2Chr 22,12. Hier wird sie zu einer Erfolgsbedingung für die Regierungsübernahme Salomos gemacht. Salomo wird von seinem Vater im Sinne einer Vater-Sohn-Katechetik angewiesen, die Tora stets im Herzen zu tragen ()עם לבבי. Die gesamte Episode hat dabei ein Vorbild bei der Herrschaftsübergabe von Mose an Josua. Hier haben wir im Nachvollzug der von Achenbach herausgearbeiteten vierfachen Beauftragung Josuas gesehen, dass der Chronist mit der Übergabe der Tora gezielt an die letzte Form der Beauftragung anknüpft. Dabei greift der Chronist auf das Stilmittel zurück, die Figuren David und Mose sowie Salomo und Josua in das Verhältnis einer latenten Identität zu setzen.3 Im Salomo-Narrativ wird von der Tora nur einmal Gebrauch gemacht (2Chr 6,16). Sie spielt dort die wichtigste Rolle, wobei hier so etwas wie eine Apotheose der Tora zu beobachten war. Es war in diesem Zusammenhang zu erkennen, dass die Tora im Anschluss an 1Chr 17 zur Bedingung der Allianz von Thron und Altar gemacht wurde. Dabei zeichnete sich gegenüber der Vorlage ab, dass die Nachfahren Davids nicht mehr vor JHWH ()לפני, sondern vor seiner Tora ( )תורתיhergehen ( )הלכךsollen. JHWH selbst wird also an dieser Stelle durch seine Tora ersetzt.4 An dieser Stelle wird also die Heilige Schrift zu mehr als einer Gesetzes- und Rechtssammlung: Sie wird zu einem Buch, dass in der Meditation eine vitale Gotteserfahrung ermöglicht. Dabei ist es alles andere als ein Zufall, dass die Transformation der Tora zum Repräsentationsmittel JHWHs bis über die Grenzen Judas hinaus bekannt wird und mit Churam von Damaskus und der Königin von Saba ein Echo von Norden und Süden erfährt. Beide richten sich mit der Feststellung an Salomo, dass JHWH sein Volk liebe müsse, wenn er Salomo auf 2 Zur Korrelation der Chronikbücher mit dem Richterbuch vgl. 69, Anm. 36; 92 f; 125, Anm. 227; 355 f. 3 Vgl. z. B. 86–88. 4 Vgl. 109 f.
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seinen Thron setze (vgl. 2,10 // 9,8). Die ausländischen Herrscher werden damit indirekt zu JHWH-Verehrern stilisiert. Bezeichnenderweise hat die Königin von Saba sogar intime Kenntnisse von der chronistischen Herrschaftsideologie, die sie damit zu erkennen gibt, dass sie von Salomos Thron als vom Thron JHWHs spricht (2Chr 9,8). Diese Ideologie wird in 1Chr 17 durch einige Änderungen gegenüber der Vorlage vorbereitet, die aus dem Königtum Davids das Königtum JHWHs machen und auch in 2Chr 13,8 wieder aufgenommen, wo es heißt, dass das Königtum JHWHs in der Hand der Söhne Davids sei ()ממלכת יהוה ביד בני דויד. Damit wird deutlich sichtbar, wie sich die von der Theokratischen Bearbeitung angebahnte Transformation Israels zu einer hierokratisch organisierten Theokratie weiterentwickelt. Die Pointe der Chronik ist dabei, dass die hierokratische Struktur umso deutlicher zum Vorschein kommt, je geringer der Abstand zum Exil wird. Die Zäsur zu den Salomo folgenden Königen könnte nicht größer sein. Rehabeam verlässt die Weisung JHWHs (2Chr 12,1). An dieser Stelle setzt eine zyklische Struktur ein, die durch fortwährende Entfernung der Könige Judas von und Wieder-Annäherung an die Tora gekennzeichnet ist. Dabei ist jedoch ein anti-fatalistischer Erzählzug hervorzuheben. Die Chronik schreibt keine Verfallsgeschichte, die unentrinnbar auf das Exil zusteuert, sondern sie räumt selbst nach der Ursünde des Ahas, der die Tempeltüren verschließt (2Chr 28), erneut die Möglichkeit zur Umkehr ein. Hiskia, Josia und eindrücklicherweise auch Manasse, der das Exil im Kleinen vorwegnimmt, illustrieren eindrücklich die Folgen einer Umkehr zur Tora. Insbesondere Hiskia und Josia werden dabei ins Licht Davids und Salomos gerückt und zu einer Art von frommen Vorbildern stilisiert, die auf Nachahmung drängen. Dieser Eindruck vervollständigt sich im Zweiten Hauptteil der Arbeit, wo deutlich wird, in welcher Form sich der Chronist selbst an der Durchsetzung der Tora beteiligt. Im Kapitel „Kult-Personal“ bestätigt sich die Konzeption, nach der die zadokidischen Priester sich durch die Leviten-Genealogie in Ex 6,14–25 verankern. Dort wird die Linie aller vier Lea-Söhne angedeutet, letztlich jedoch nur die Kehat-Linie weiterverfolgt. Die Genealogie hat demnach ein unverkennbares Interesse an der hohepriesterlichen Linie, die in der Chronik bis zu Jehozadak, das heißt bis ans Exil, aber nicht darüber hinaus geführt wird. Entscheidend ist, dass in Ex 6,23 der Kunstgriff einer Stiftung „putativer Verwandtschaft“ zwischen Aaron und Elischeba verankert wurde, nach der die Nachkommen Aarons, nicht jedoch Aaron selbst, doppelter Abstammung sind: Je zur Hälfte sind sie Judäer und Leviten.5 Durch diese Konzeption wird der judäische Führungsanspruch, wie er in der Lagerordnung von Num 2 sowie auch in Num 7 und 10 sichtbar wird, auf die priesterliche Linie übertragen. Die Chronik übernimmt diese Vorgabe und lässt sie in der Parallelaktion aufgehen, dass Salomo und Zadok
5 Vgl. 257–259; 293–295.
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im selben Moment zum König und zum Priester gesalbt werden (1Chr 29,22: )וימליכו ׁשנית לׁשלמה בן־דויד וימׁשחו ליהוה לנגיד ולצדוק לכהן. Nur an dieser Stelle könnte man den Begriff der Dyarchie ins Spiel bringen, der bisweilen zur Beschreibung der nachexilischen Verhältnisse gebraucht wird. Der Konflikt in 2Chr 26 zwischen König Usija und dem Hohenpriester bestätigt dabei, dass diese Herrschaftsübertragung unumkehrbar ist.6 Ferner haben wir gesehen, dass der Chronist offenbar an der Lagervorstellung partizipiert, wie sie in Num 2 f entworfen wird. Insbesondere die Anordnung Judas, Levis und Benjamins bildet in der Genealogischen Vorhalle den Rang ab, den sie der Lagerordnung nach haben. Das Kapitel „Kult-Gegenstand“ hat uns verdeutlicht, dass der Chronist bei der Neufassung seiner Erzählungen auch zu größeren Eingriffen bereit ist. Dies wird insbesondere durch die Umstellung von 2Sam 5 zwischen die Episoden der ersten und zweiten Ladeüberführung deutlich. Dabei hat sich der Verdacht ergeben, dass diese Umstellung nicht nur dramaturgischer Natur ist, sondern auch einen handfesten Grund in der Durchsetzung der Toraobservanz hat. Die Umstellung ermöglicht es dem Chronisten, das Scheitern der ersten Ladeüberführung (1Chr 13) zu nutzen, um vor der zweiten Ladeüberführung David gegen die Philister Krieg führen und dabei Gibeon befreien zu lassen. An dieser Stelle sind jedoch auf Grund des Textbefundes nicht alle Zweifel auszuräumen. Dass der Chronist David jedenfalls den אהל מועדnach Gibeon überführen lässt, während er die Lade nach Jerusalem bringt, hat einen doppelten Grund: Einerseits bereitet er damit die Ankunft des göttlichen כבודin Jerusalem vor (2Chr 6,40 f) und andererseits versucht er der Vorstellung gerecht zu werden, dass Salomo das Opfer in Gibeon, das er auf Grund der wichtigen nächtlichen Gottesoffenbarung anders als den Rechtsentscheid zwischen zwei Huren nicht tilgen konnte, auf legitime Weise darbrächte. Besonders eindrücklich ist die Trennung von Zelt und Lade. Hier lassen sich zwei literarisch interferierende Strategien identifizieren. Einerseits wird durch die Trennung intratextuell dem Umstand Rechnung getragen, dass Salomo ein Opfer in Gibeon darbringt. Die Anwesenheit des Zeltes war dafür dringend erforderlich. Andererseits wäre jedoch die Trennung von Zelt und Lade gerade nicht erforderlich gewesen. Hier wirkt sich intertextuell die Konzeption von Num 10,33–36 aus, nach der die Lade drei Tagesreisen vorauszieht, um eine מנוחהfür das Volk zu finden. Dabei führt die Trennung von Lade und Zelt offenbar später zu einer Verlegenheit der doppelten Kultstätte, die in 1Chr 21,29 f insofern erklärungsbedürftig wird, als David dort ein Opfer auf der Tenne Araunas, nicht aber beim Zelt in Gibeon darbringt.7 Im Kapitel „Kult-Ort“ haben wir gesehen, dass der Chronist unter allergrößter literarischer Anstrengung versucht, den Zion als einzig legitimen Heiligtumsort zu erweisen. Dabei stellt er das Kapitel der gescheiterten Volkszählung, an deren
6 Vgl. 539. 7 Vgl. 335–384.
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Ende David die Tenne Araunas erwirbt, um. Während sie in 2Sam 24 ganz am Ende des Lebens Davids steht und, wie Edenburg8 gezeigt hat, kaum Wirkung in der David-Erzählung entfalten kann, steht sie zwar in der Chronik ebenso am Ende des Lebens Davids, jedoch im Hinblick auf den Sitz im Buch mittendrin. David, der soeben die Lade nach Jerusalem überführt und alle nötigen Kriege geführt hat, um das Land zu befrieden, wird in diesem Kapitel zu einem exemplarischen Sünder und Büßer stilisiert. Die Episode erhält dabei durch eine Fülle kleinerer und größerer Bezüge auf die Tora eine völlig neue Dramaturgie. Insbesondere die Joab-Figur fällt dabei auf, die David auf Grund dezidierter, wenngleich unausgesprochener Torakenntnisse von einer durch die Zählung des Volkes verursachten Sünde abhalten will. Dabei ist es nicht unerheblich, dass ebendieser Joab, der hier einen exklusiven Platz in der Heilsgeschichte erhält, in der Chronik zu einem Neffen Davids gemacht wird (vgl. 1Chr 2,16). Dieser Mechanismus, den Protagonisten der Heilsgeschichte einen exklusiven Platz im judäischen Stammbaum einzurichten, können wir auch in Num 13,6 im Umgang mit Kaleb beobachten. Joab, der widerwillig dem Zählbefehl Davids nachgeht, lässt die Leviten aus und befolgt damit genau die Ordnungen von Num 2 f, nach denen die Leviten nicht zusammen mit dem übrigen Volk zu zählen sind. Besonders signifikant war, dass David in 1Chr 21 beim Erwerb der Tenne des Arauna eine latente Identifizierung mit Abraham erfährt.9 In diesem Rückgriff auf Abraham lässt sich die Motivation erkennen, Jerusalem als ursprünglichsten aller Kultorte zu legitimieren. In diesem Sinne konnten wir in 2Chr 3 nachvollziehen, dass hier die Stätte der Bindung Isaaks (vgl. Gen 22), Morija, mit dem Ort ()מקום des Tempels identifiziert wird, und damit der Kult an dem Ort zur Vollendung gelangt, an dem Abraham sein erstes Opfer dargebracht hat.10 Das Kapitel „Kult-Kalender“ hat uns in diesem Zusammenhang vor Augen geführt, wie im Kontext der nachexilisch aufblühenden Wallfahrtstradition nach Jerusalem die Lade während des Sukkotfestes in den Tempel transferiert wird. Unter Rückgriff auf Ps 132,8–10 sowie die Ladesprüche aus Num 10 wird dabei die Lade zum Vehikel der göttlichen Präsenz. Die Lade gelangt nach der chronistischen Ideologie erst in 2Chr 6,40 f im Tempel zu Jerusalem an ihren eigentlichen Bestimmungsort und transferiert gewissermaßen die göttliche Präsenz von dem JHWH-Berg ( )הר יהוהSinai an den Zion. In diesem Sinne vollzieht die Chronik die radikalste Identifikation aller Gottesberge der jüdischen Heilsgeschichte und vollendet dabei in 2Chr 6,41 das in Num 10,33.36 initiierte Motiv der מנוחה. Letztlich hat auch das Kapitel „Kult-Handlung“ den Eindruck einer ständigen Rücksichtnahme auf die Tora bei der Reformulierung der Geschichte des judäischen Königtums bestätigt. Wir konnten hier beobachten, dass offensichtlich 8 Edenburg 2014, 2017. 9 Diese Messianisierung Abrahams wirkt dann in Mt 1,1 weiter. 10 Vgl. 385–476, besonders 464–476.
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nicht nur die Tora in der Chronik vorausgesetzt wird, sondern auch die Kenntnis der Tora bei den intendierten Rezipienten der Chronik. Ohne Tora-Kenntnisse, so konnten wir nachweisen, ist der subtil entfaltete Hierarchiekonflikt zwischen Hohepriester und König in 2Chr 26 nicht zu verstehen. Neben der Applikation der Tora finden sich auch Tendenzen zu Ergänzungen der kultischen Regelungen, wie sie am deutlichsten bei der Charakterisierung der levitischen Musiker zum Ausdruck kommen. Diese werden jedoch in keiner Weise mit der Tora, sondern ausschließlich mit David in Verbindung gebracht. David wird dabei genau wie Mose zu einem איש האלהיםerhoben und insofern mit Mose in das Verhältnis einer latenten Identität gebracht. Dabei wird die Lade den Leviten unter Josia regelrecht abgenommen und den Leviten ein eigener Dienstort im Kult angewiesen. Während Mose unveräußerlich mit der Tora verbunden ist, heißt es dabei von David und Salomo, dass diese ebenfalls schriftliche Anweisungen für den kultischen Dienst gegeben hätten (בכתב דויד מלך יׂשראל ובמכתב ׁשלמה בנו, 2Chr 35,4). Am Ende wird damit auch eine Standortbestimmung der Chronik im Hinblick auf klassische Einleitungsfragen möglich. Die Datierung, von der wir versuchsweise ausgegangen waren, hat sich aus dem Inneren der Rezeptionsdiskurse heraus bestätigt. Zwar konnten kaum weitere external evidences zur Datierung beigebracht werden, im Sinne einer relativen Chronologie hat sich jedoch der Eindruck bestätigt, dass die chronistische Tora-Rezeption etwa eine Generation nach der letzten der von Achenbach herausgearbeiteten „Theokratischen Bearbeitung“ eingesetzt haben dürfte. Mit unmittelbarer Gleichzeitigkeit ist auf Grund der insbesondere im Bereich des Kult-Personals erkennbaren Unähnlichkeiten nicht zu rechnen. Als gleichzeitig könnte dieser Diskurs aufgefasst werden, wenn er als Gegendiskurs gegen den priesterlichen Führungsanspruch über die Gemeinde erkennbar wäre. Genau dies ist jedoch nicht der Fall. Ganz im Gegenteil haben wir in 2Chr 26 gesehen, dass in der entscheidenden Herrschaftsfrage, die nach Lev 10 und Num 16 erneut in Form eines Räucher-Konflikts ausgetragen wird, der hierokratische Impuls der „Theokratischen Bearbeitung“ unbestritten bleibt. In diesem Sinne ist also die Chronik eher als eine Weiterentwicklung dieser Konzeption zu verstehen, bei der zwar in kleineren Fortschreibungsprozessen durchaus die Position der Leviten gestärkt wird, dabei aber der Primat des Priestertums unbenommen bleibt. Die These einer Profanisierung der Leviten, nach der diese sukzessive aus dem Heiligtum heraustreten und damit indirekt einen Führungsanspruch anmelden würden,11 konnte sich in dieser Arbeit nicht bestätigen. Auch die von Albertz entdeckten chronistischen Ergänzungen in der SinaiPerikope weisen eher auf eine zeitliche Nähe der Diskurse als auf post-chronistische Fortschreibungen im Pentateuch hin. Dass es grundsätzlich noch Fortschreibungen gegeben hat, ist nicht von der Hand zu weisen. So scheint das System der l
11 Vgl. Labahn 2012.
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Lebensalter noch einige Zeit über die Chronik hinaus flexibel gewesen zu sein. Auch die Melchizedek-Episode, auf die es keinen Reflex in der Chronik gibt, wird später anzusetzen sein. Es ist demnach mit post-chronistischen Bearbeitungen des Pentateuchs und auch mit chronistischen Glossen zu rechnen. Die von Albertz beschriebenen Ergänzungen aber auch die post-chronistische Transformation der Orterwählungs-Formel des Deuteronomiums zeigen, dass die Grenze zwischen Chronik und Pentateuch offenbar in beide Richtungen durchlässig war. Die Chronik greift in erheblichem Maß auf die späten Texte des Pentateuchs zu. So konnten bspw. Anleihen an den spätesten Texten, Num 7; 9 und 10, nachgewiesen werden. Alle drei Texte, insbesondere jedoch Num 9 und 10 kommen überhaupt erst in der Chronik zu ihrer Bestimmung. In diesem Sinne ist die Chronik wohl als ein Komplement zu den spät-priesterlichen Texten des Pentateuchs aufzufassen, dabei jedoch keinesfalls im Sinne eines kanonischen Abschlussphänomens. Dies würde ihrem literarischen Impetus nicht gerecht, die Geschichte des Pentateuchs – von der wir gesehen haben, dass sie durch die Fiktion einer Moserede des Deuteronomiums in der Lage war, zugleich von der Vergangenheit und der Gegenwart zu handeln – in das Register der David-Erzählung zu transponieren und auf diese Weise in einer späteren Erzählwelt für eine spätere Leser-Generation weiterzuschreiben. Dabei zeigt sich sehr deutlich, dass einer der Impulse, die Tora des Mose in die Geschichte der Könige Judas zu übersetzen, darin bestand, Jerusalem als einziges kultisches Zentrum gegen samaritanische Ansprüche zu behaupten. Die מקום-Theologie, die durch massiven narrativen Aufwand regelrecht als literarisches Bollwerk gegen jeden anderen Heiligtumsort in Stellung gebracht wird, ist schlechterdings nicht anders zu deuten. Immerhin war zu beobachten, dass letztlich alle offenen Enden des Pentateuchs, an die die Legitimation eines heiligen Ortes hätte anknüpfen könnte (z. B. Morija, Abraham, den אהל מועד, die Lade, das Zentralisationsgebot), chronistisch blockiert und allein auf Jerusalem gedeutet werden. Das heißt freilich nicht, dass der Chronist die Samaritaner selbst in irgendeiner Form perhorreszieren würde, ganz im Gegenteil, sie gehören für ihn zum Stämmevolk Israel und werden deshalb auch in 2Chr 30 von Hiskia zum Pessach-Fest nach Jerusalem eingeladen. Die Erzähltechnik des ausgeschlagenen Fest-Mahls, die im Neuen Testament (Lk 15,15–24) zurückkehrt, wie auch die Erzählung vom barmherzigen Samariter (2Chr 28,8–15 // Lk 10,30–35)12 ist etwas anderes als nur eine Verballhornung der Nordreichsbewohner. Es ist im Gegenteil, mit Albertz zu sprechen, der Hinweis darauf, dass alle Israeliten „zum Heil nach Jerusalem“13 eingeladen sind. In diesem Sinne ist die anti-samaritanische Grundhaltung des Chronisten keinesfalls personal, sondern lediglich lokal aufzufassen.
12 Vgl. zu dieser Beobachtung Kalimi 2013, 81–83. 13 Albertz 1997, 618.
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10. Ergebnis
Die Chronik, so zeigt sich, ist mehr als nur eine Neufassung der Geschichte Judas aus dem Geiste der Tora. Sie ist bei allem, was dies an Widerspruch mit sich bringen kann, auch eine Fortsetzung der Tora mit literarischen Mitteln. In diesem Sinne geht der gewählte Weg dieser Untersuchung an dieser Stelle auf. Im ersten Teil konnten wir sehen, dass der Gebrauch des Lexems תורהrhetorischer Natur war und auf die Durchsetzung derselben drängt. Im zweiten Hauptteil war demgegenüber in der synoptischen Betrachtung zu sehen, wie diese Durchsetzung selbst vom Chronisten vollzogen wird. Wir beobachten damit in der Chronik nichts Geringeres als die ersten Vollzüge einer Theologie der Heiligen Schrift.
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38,3–5 301 38,7 301 46,8–27 253 46,9 302 46,9 f 291, 294 46,11 252 46,12 301 49,8 400 49,10 291, 400 Exodus 1,1–5 248 2,22 252 3 417, 419 f, 422, 424, 431 3,5 416 f, 421 f 3,6 420 3,7 420 4,10 122 f 4,14–16 577 4,14 528 4,15 147 4,16 122 4,27 329 6,13–25 180 6,14–25 289–296, 298, 322, 329, 332, 545 6,14–27 292 6,14 f 294 6,16–25 252, 318 6,20 265 6,21 270 6,23 180, 265, 294, 296, 302, 545 6,24 269, 272 6,26 292 7,1 122 12 211, 218, 422 12,3 218 12,8 29, 217 12,13 413 12,21 211, 408 12,23 413 12,6 211 12,8–10 217 14,13–14 130, 135 15,20 290
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Bibelstellenregister (in Auswahl)
15,26 531 16,4 110 17 182, 460 18 178, 182, 184 18,2 184 18,3 253 18,4 317 18,13–26 122, 131 18,13–27 182 f 18,13–17 178 18,20 177, 184 18,21 170 19 364 f, 382 19,6 54, 534, 536 19,8 498 19,11–13 382 19,22 364 20,11 94 20,24 325 22,14 182 23,14–19 477 23,18 211 23,23 415 23,32 205 24,1 296 24,9 296 24,12 53, 121 f, 176, 314 25–40 23 25 29, 122 25,8 404 25,9 312, 314 25,10–22 380 25,10 338 25,40 312, 314 26 72, 101 26,33 f 283 26,35 530 27,20 f 205 28,36–38 532, 536 28,38 533 28,9–12 532 29,38–42 80 f 29,45 215 29,5–7 533 30 325, 461 30,7 528 30,9 528 30,1–8 283 30,1–9 297 30,1–10 80 30,1–16 449
30,11–16
389, 413, 426, 442, 443– 452, 463 30,12–16 462 30,12 444, 448 30,13 325, 444, 461 f 30,16 445 30,22–38 288 31,2 102, 182 31,4 103 f 31,6 103 f 32 197–202, 205, 299 32–34 205 32,4 195, 314 32,8 195, 314 32,9 200 32,11 f 202 32,14 197 32,20 197 f 32,25 197, 200 32,26 f 223 32,30 206 33,7–11 101, 131 33,11 43, 89 34,12 205 34,13 229 34,15 205 34,25 211 34,28 338 35 29 35,3 182 35,4 104 35,32 103 f 35,35 103 f 38,3 102 38,22 182 38,23 104 38,24–26 325 38,25 f 443–452, 462 39,30 501, 533 39,32 267 39,39 102, 501 39,40 267 40,12–16 265 40,17 451 40,20 232 40,21 455 40,34 f 496, 500 Levitikus 4,3 397 f 5,14–26 394
Bibelstellenregister (in Auswahl) 6,2–6 80 8,9 533 8,12 f 265 8,30 265 9 296 f 9,22–24 296, 298 9,23 434, 500 10 54, 80, 296–299, 318 f, 323, 329, 332, 437, 515 10,1–2 254, 297 10,1–7 298 10,3 528 10,4 293 10,8–15 298 10,8–11 169 10,9 299 10,10 169 10,16–20 298 11–15 297 14,57 531 15,31 177 17,3 f 101 18,14 290, 293 19,15 167 20,14 290, 293 20,25 173 21 298 f 23 221, 225, 477 f, 489, 501 f 23,24 490 23,34 505 23,36 503 f, 507 23,39–43 506 23,43 512 24,5–9 288 24,10–23 131, 214, 218, 220 24,14 216 24,17 216 25,32–34 353 26 68, 142–147, 409, 435 26,13 367 26,25 409 26,26 409 26,30 120 26,33–35 142 f 26,35 141 26,40 68 26,41 385 26,43 142 f 26,46 176 27,33 173
Numeri 1 394 1–3 333, 452–455 1,2 444 1,7 294 1,26 f 400 1,46 449 1,47 265, 453 1,48–50 403 1,49–53 265 1,49 263, 265, 444, 452 1,53 178, 455 2 180, 266 f, 359, 545 f 2,3 285, 294, 302 f 2,17 285 2,33 263 f 3 187, 265–267, 319 3,1–4 265, 267 3,6–8 212 3,7 f 282 3,11–13 364 3,17–19 252 f 3,17–20 577 3,26 287 3,32 186, 188, 320 3,38 400 4 358, 366 4,1–20 364 4,3 79, 319 4,4–15 288 4,15 358 4,16 288 4,20 535 4,26 286 f 4,28 319 4,33 319 5,24 198 6 534 6,6 216 6,22–27 208 7 29, 545 7,1–10,10 216 7,2 485 7,9 365 8,13 212 8,19 282 9 29, 210, 214–221, 222 9,1–14 131 9,1 f 218 9,6 219 9,13 216, 220
579
580
Bibelstellenregister (in Auswahl)
9,14 212 9,15 463 10 75, 206, 362, 372–378, 489, 495, 545, 547 10,4 294 10,1–10 216, 240 10,10 188, 489 10,33–35 371 10,33–36 377, 383, 465, 546 10,33 373, 382, 469, 475, 494 10,35 f 493 11 123 11,26–29 138 12 531 f 12,6–8 43, 128 12,10 531 12,12 538 13,6 102, 399, 547 14,41–43 130, 136 f 15,32–36 131, 145, 214 16 80, 297, 299, 515 16,1 270, 289 16,9 282 16,32 f 270 17 80 17,16–24 291 17,22 463 18,2 463 18,3 29 18,5 178 18,6 281, 405 18,19 28, 496 18,21 29 19,2 122 19,11 216 20,14 133 20,21 133 20,22–29 254 22 413, 419 f, 222 f 22,22–27 424 22,22 291, 411, 419 f 22,32 391 23,29 368 24,10–23 214 25,11 254 25,12 287 25,13 254 26 394, 452–455 26,11 270 26,20 301 26,22 401
26,56 173 26,59 290, 293 27,2 215 27,1–11 131, 214 27,12–23 89 f, 138 f 27,15–23 128 28 509–513 28,1–30,1 477 f, 501 28,3–8 80 f 28,4 236 28,6 80 28,8 236 29,12–38 507 29,35 503 f, 507 30,17 173 31 30 31,6 254 31,21 122 32,12 399 35,2–7 353 Deuteronomium 1–3 53 1,5 121, 176 1,11 398, 446 1,15 180 1,18 170 1,33 494 3,21 89 4 314 f 4,12 43 4,16 229 4,17 314 4,29 f 129, 132 5 52 5,12–14 145 6,4 f 52 6,18 355 7,5 120, 223, 361 9–10 52 9,20 199 9,21 197 f 10,5 458 10,6–9 294 10,8 f 299 10,8 21, 172, 205, 339, 363, 366 f, 377, 383 10,17 166 f 11,19–25 157 12 76–78, 469 12,3 229
Bibelstellenregister (in Auswahl) 12,8 355 f 12,9–11 466 12,9 494 12,25 355 f 13 52 14,24 217 15,3 258 16 502, 507, 509 f 16,1–8 512 16,1–16 511 16,1–18 477 16,8 503 16,13–15 509 16,13 485 16,15 510 16,16 485 16,18–20 164–167, 171 f, 181 16,21 229 17 439 17,8–13 161, 163–184 17,8 131 17,1 130 17,11 129 17,14–20 95, 96–100, 543 17,18 131 17,19 112, 232 17,20 91 18,1 329 18,5 458 18,9–22 66 18,10 f 65 18,15 122, 127, 138, 146 f 18,18 127, 138, 146 f 18,20 157 18,22 328 20 453 23,2–9 123 23,25 f 448 24,16 189, 191 27,9 186 27,14–26 372 28 52, 145 29–30 53 29,10–12 79 31,3 89 31,9–13 90, 505 f 31,9 153, 299, 339 31,11 f 153 31,11 489 31,14–27 89 31,25 f 340
31,26 231 f 32,4 167 32,15 329 33,1 318 33,7 400 33,8–11 235 33,12 403 34,1 89 34,9 90, 128, 138 f 34,10–12 43, 128, 138 34,10 430, 438 Josua 1 87–91 1,4 356 1,7–9 82, 86, 87 f 1,7 226 1,17 85 2 202 2,10 77 5,2–9 417 5,10–12 419 5,13–15 82, 411–424 6,2–5 415 6,4 373 8,30–35 77 8,31 155 9 75, 79 9,1 f 77 f 9,3–27 77 9,9 f 77 9,23 403 13,35 356 14,4 353 18,25 77, 403 21 31 21,17 77 22,1–6 121 22,13 183, 254 22,16 68 22,31 254 23,6 155, 226 24 20, 53 24,26 155 Richter 1,21 402, 416 2 540 2,1–5 415 f 2,6–9 53 4,23 196
581
582
Bibelstellenregister (in Auswahl)
4,4–6 131 6 415 6,11–24 429 f 6,11 425, 430 6,34 129, 136 9 125 13 415 17,5 127 17,6 68, 125, 355 f 18,1 125, 356 18,14 127 18,17 f 126 f 18,20 127 18,3 318 18,31 436 19 69 19,1 415 19,10 125, 356 19,10 f 69, 470 19,10–11 69 21 402 21,25 92, 125, 355 f 1. Samuel 1,1 272 2,27–36 260, 328 f, 339 f 3,15 204 7,1 357 f, 377 7,2 357 8,1 275 13,1–14 68 14,3 260 15,1–31 68 15,26 65 22,9 260 22,11 260 22,20 260 24 405 28,18 65 31 14 2. Samuel 5–6 342–348 5,12–25 360 5,13 97 5,21 361 5,25 362 6 72 6,1 349 f 6,3 357 6,4 359
6,7 357 6,11 f 360 6,13 369 6,17 370 f 7,1 125, 385 7,2–3 518 7,4–17 523 7,6–16 83 7,11 125, 385 7,16 381 7,19 124 12,14 192 15,24 339 15,24–36 327 18,5 84 21–24 439 22,26 235, 497 24 29, 34, 36, 125, 265, 385–453*, 475 f 24,1 391, 393 f, 444 24,3 36, 395 24,10 406 24,13 408 24,14 409 f 24,15 410 24,17 39, 425 f 24,20 430 24,23 441 24,24 432 24,25 429 1. Könige 1,1 317 1,38 f 328 1,7 f 328 2,26 f 260 2,26 f 328 f 3,4 101, 377 3,5 42 3,9 173 3,15 102 4,2 526 5,8 211 5,11 302 5,15 106 5,17 102 5,31 f 486 6,1 254, 480–482, 486 f 6,37 f 487 f 6,38 480 7,1–12 107
Bibelstellenregister (in Auswahl) 7,1 487 7,13 f 103 f 7,51 439, 483 8,1–5 487 8,1 f 484 8,2 106, 480, 486–488, 508 f 8,5 490 8,9 474 8,10 f 496, 498 f 8,21 490 8,50 f 491 8,54 491 8,56 494, 501, 509 8,65 f 479, 507 f 9,25 225 10,9 106 f, 380 10,26–29 97 11 98 12,1 111 12,28 350 12,32 f 213 12,33 525 15,16 116 16,1 159 16,7 159 17,34–39 176 18,38 434, 500 19 105 20,11 499 21,19 158 22 151 22,12 157 22,28 158 22,32 f 158 22,36–40 158 22,41–51 114 f 2. Könige 1,10–14 498, 500 8,19 185 8,24 42 10,31 110 11,4–16 534 11,17 186 11,18 188 12,3 135 12,5 f 460 14,6 190 f 14,21–15,7 515 15,4 525 15,7 538
17,4 200 17,10 201 17,13–15 146 17,13–17 176 17,13–23 176 17,13 122, 140, 228 17,14 200 17,16 f 195, 201 17,22 f 146 17,34 121 17,34–39 176 17,34–40 121 17,37 121, 175 f 18–23 193 18,1–5 203 18,4 223 18,5 204 18,6 227 18,38 500 19,15 94 20,5 185 21,8 26 21,7 f 228 21,11–16 227 22,10 232 22,11 26 22,13 137 22,16 232 23,21 191 23,25 204 23,26 202 25,1–11 141 25,11 142 25,12 144 25,19 144 Jesaja 2,3 382 11,1 291 17,8 120 30,29 382 37,16 94 38,9 185 41,8 133, 433 42,28 319 44,18 312 53,8 538 66,1 380 66,9 501
583
584 Jeremia 3,14 f 380 3,16 380 f 10,1–10 126 17 145–147 17,19–27 145 17,20 156 17,22 145 17,26 156 17,27 145 21,7 141 f 23,3–6 380 23,5 536 25,11 f 142 26,4 110 26,16 146 27,7 f 142 29,10 142 29,13–15 131 f 29,14 139 31,40 97 32,17 94 33,15 536 34,10 118 44,10 110 Ezechiel 6,4–6 120 8,10 315 8,11 324, 529 16,8 118 17,2 68 18,24 68 20,40 463 22,26 173 34 148 34,17 174 34,23 f 407 37,11 538 37,25 303 39,26 68 40,45 f 332 40,46 330 42,20 287 43,19 330 44 54 44,1–3 285, 303 44,10 f 329 f 44,11 285 44,13 399 44,15 f 283
Bibelstellenregister (in Auswahl) 44,15 329 f 44,20–24 298 44,21 299 44,23 169 f, 299 44,24 168 f 44,6–15 299 44,9–31 282 45,11 448 45,17 103 45,18–25 477 f 45,23 368 45,25 486 46,1–10 266, 285 46,13–15 80 Hosea 2,20 181 3,4 f 127, 131 f 5,8 373 5,9 131 f 5,15–6,1 131 f Joel 1,14 504 2,15 504 3,1–2 138 4,2 151 4,12 151 Micha 1,1 158 4,2 382 7,9 531 Haggai 2,11–13 216, 222 2,21 94 Sacharja 1,12 142 3 389 f, 397 f 3,4 398 3,9 398 4,10 139 6,9–14 535 f 6,12 536 7,5 142 8,3 382 Maleachi 2,6 f
125
Bibelstellenregister (in Auswahl) 2,7
155, 183
Psalmen 1 95 1,2 f 86–88 18,26 235 41,14 94 68,2 493 77,7 82 78,2 273 84,11 78 88,6 537 96,1–12 13, 342 96,10 371 99,6 280, 465 105,1–15 13, 342 105,12 f 371 106,1 497 106,19 f 314 106,47 f 13, 342 106,48 94, 106, 370, 372 119,1 110 119,97–99 86 121,2 94 132,8–10 334, 385, 491–495, 497, 547 132,16 136 132,18 534 135,19 f 322 Hiob 1 389 f 42,8 368 Proverbia 7,19 216 13,14 f 86 16,5 516 18,12 516 19,12 531 Ruth 1,1 92 3,1 383 4,13–17 303 4,17–22 92 4,18–22 303 4,19 f 294 4,20 295 Ester 1,19 350
3,9 350 5,4 350 5,8 350 7,3 350 8,5 350 9,13 350 Daniel 9 143 9,10 110 9,22 312 9,25 161 10 417 Esra 1,2 94 1,8 302 2,59 323 2,62 f 246 3 505–507 3,4 73 3,10 58, 205 3,3 f 394 6,10 94 6,16 505 6,19 221 7,1–5 260–262, 284, 298 8,16 320 8,20 281 9,4 f 81 Nehemia 1,5–11 491 1,9 510 2,17 117 3,7 77 5,13 372 7,44 373 8 505–507 8,1 190 8,3 232 8,6 372 8,8 313 8,14 190 8,18 155, 503 9,3 155 10,12 326 10,13 226 10,30 72, 110 10,34 79 10,35 403
585
586 12,1–21 317 12,10 f 325 12,22 325 12,24 58 12,35 373 13,10–14 29 13,10 224 13,15–22 145 1. Chronik 1–9 246–250 1,1 248 1,27 433 2,1 92, 300 f 2,2 31 f 2,3 301 2,3–15 299–304 2,3–4,43 266 2,4–15 92 2,10 f 294 2,16 392, 399 2,19 f 102 3,5 301 3,19–24 58, 149 4,15 302 5,27–41 250–262, 298 5,27–43 535 5,27–6,38 250–284 5,30 286 6,1–32 263–268 6,1–6 268 f 6,7–9 269–272 6,7 269 6,10–12 271 f 6,12 273 6,13 273 6,14 274 6,16–18 378–384 6,16 f 212, 274 f 6,17 282 6,18–21 272 6,18–23 275 f 6,22 269 6,24–28 277 f 6,29–32 278–280 6,33 281–283, 483 6,34 525 6,35 286 6,35–38 262, 283 f 7,14–29 266 8,29–32 79
Bibelstellenregister (in Auswahl) 8,33–40 67 8,33 66 9,1 67 9,10 320 9,17 284 9,17–34 284–289, 333 9,19 286 9,22 273 9,23 f 287 9,25–28 97 9,32 288 f 9,35–44 66 9,35–38 79 10 14 10,6 66 10,13 f 118 10,13 65, 68, 202 10,14 353 11,1 67 11,3 67, 273, 341, 397 11,4 f 69, 470 11,4 66, 415 f 11,6 392, 398 11,8 398 12,1 112 12,19 129 12,27–29 322, 458 f 13–16 341–349 13 349–360 13,1 210 13,4 355 f 13,5 364 13,8 496 13,9 526 13,14 360 14,3–7 429 14,3 97 14,12 361 14,16 362, 404 15,1 464 f 15,2 135, 447 15,3 464 15,13 354 15,16 188 15,24 373 15,25 350 15,27 425 16 15, 370–373 16,1 465 16,19 f 371 16,27 371, 464
Bibelstellenregister (in Auswahl) 16,27 465 16,31 371 16,34 497 16,36 106, 372 16,37–40 71–81 16,39 101, 102, 348, 402, 465 16,4 21, 26, 224, 234, 236 f 16,41 497 17 496 17,1 519 17,4–15 523 17,5 363 17,5–14 83 17,9 464 17,10 196, 519 17,11 385 17,12 82, 381 17,13 497 17,14 107, 148, 381 17,17 124 18–20 83, 385, 445 21 36–40, 386–439, 439–442 21,1–6 389–406 21,2 163 21,3 36, 395 21,4 36, 400 21,5 f 453 21,5 30 21,6 30, 265, 455 21,7–14 406–411 21,7 f 406 21,7 115 21,12 f 408 f 21,15 412, 414 21,16 38 f, 425 21,16–22,1 411–439 21,16–18 414 21,17 444 21,20 42, 428, 430 21,22 444, 464 f 21,23 429 f 21,25 464 f 21,26 413 21,27 435 21,29 101, 218 22–29 304–322 22 93, 304–316 22,1 81, 436 f 22,7 82, 460 22,8 385 22,9 466, 494
22,11–13 81–96 22,12 236 22,13 91 22,18 f 117 22,18 466 22,19 118, 483 23 317–319 23,2 f 454 23,3 455 23,3–5 402 23,4 180 23,24 237 24 319–321 25,1–5 273 26,1 530 26,10 31 27 321 f, 456 f 27,2 540 27,17 331 27,23 f 464 27,24 405 27,25–31 31 28 f 304–316 28,2 82, 460, 466, 483, 493 f 28,3 385 28,5 148, 381 28,9 118 f 28,11 105, 466 28,18 f 105 28,19 206 29 30 29,1 96, 179 29,2 f 78 29,7 57 29,9 459 29,10 106 29,18 159 29,21 368 29,22 91, 322, 327, 545 29,23 148 29,27 66 29,30 106 2. Chronik 1,3–5 348 1,3 f 101 1,3 43 1,4 483 1,5 f 501 1,5 102 1,7 42
587
588
Bibelstellenregister (in Auswahl)
1,14–17 97 1,16 f 97 2,3–15 299 2,10 f 105 2,11 83, 94, 107, 312 2,12 103 3,1 465 f, 470–472, 479–481 3,2 485 4,1 501 4,22 483 5,2 483 5,3 484 5,7 f 465 f 5,11–13 499 5,11 489 5,12 374 5,13 f 496, 498 f 6,4 94, 106 6,16 27, 108–111, 544 6,20 f 465 f 6,26 465 f 6,39 f 491 6,40 f 379, 382, 546 f 6,40 465 f 6,41 15, 136 6,41 f 234 f, 492–495, 497 f 7,1–3 498–500 7,1 491 f, 496 7,3 497 f 7,6 497 f 7,7–10 507 7,7–12 500 7,7 102, 501 7,8–10 479 7,9 503 7,11 311 7,12 465 f, 510 7,15 465 f 8,11 98 8,12 f 225, 511 8,14 83 9 99 9,8 106 f, 545 9,24 f 97 10 111 11,17 98 11,18–23 98 11,22 181 11,23 98 12,1 27, 98, 112 f, 545 12,2 65
12,14 159 12,21 98 13 95 13,4–12 98 13,5 28, 107, 541 13,5–12 497 13,8 107, 545 13,21 98 13,22 233 14,2–5 113 14,2–4 133 14,3 27, 121–123, 227 14,5 f 117 14,13 166 15,2–7 130, 139 15,2–4 133 15,3 27, 113, 122 f, 125 f, 129 f 15,4 131 f 15,5 113 15,12–15 118 f 15,15 117, 119 15,17 113 15,18 99 16,7–9 139 16,12 116 16,13 116 17,6 113 17,7–9 94, 131, 162, 177 17,8 f 113 17,9 f 178 17,9 26, 151–160 18,31 f 158 18,16 159 19,1–3 158 19,4–11 102, 131, 151, 160–184 19,6 179 19,10 24, 27, 227 20 31 20,14 124, 133 20,15–17 130, 133–135 20,33 113 21 42, 99 21,4 42 22,1 82 22,9 186 22,12 544 23,1–16 186 23,11 535 23,15 97 23,18 21, 26, 186–188 24 457–464
589
Bibelstellenregister (in Auswahl) 24,2–4 99 24,20 135 24,4 22 24,6 325 24,2 130, 135–137 25,4 26, 189–192 25,7 139 25,28 97 26,16–21 515–542 26,20 531 f 28,2 201 28,11 202 28,13 202 28,19 197, 200 28,23 201 28,24 195 28,26 233 29 203 29,3 194 29,20–24 206 29,20–36 222 29,21 368 f 29,25 206 29,26 f 359, 374 30 209 f, 218 30,2 194 30,3 219 f 30,8 202 30,11 196 30,16 22, 25, 210–213 30,18 205 30,26 208 31,3 f 223–226 31,3 26, 233 31,4 27 31,10 322 31,21 227 32,27 99 32,31 473 32,32 234 33,8 27, 74 33,11–17 227 33,12 202 33,7 f 228–230 34,12 f 231 34,14 f 26 34,14 74, 127, 155 34,18 232 34,19 231 f 34,21 137 34,24 f 465
34,27 f 465 34,30 191 35,3 337 35,4 314 35,6 21, 74 35,11 213 35,12 191 35,18 208 35,25 f 474 f 35,26 26 35,26 f 233–236 36,17–19 141 36,20 f 13, 141–149 36,21 132 36,23 94 Neues Testament Mt 1,1 547 Mt 13,34 f 273 Mk 13,14 f 273 Apokryphen und Pseudepigraphen Sirach 21,27 392 45,14 81 47,8–10 58 50,1–4 324 1Esdras 1,31
233, 235
1Makkabäer 1,54–57 150 2,1 320 3,48–51 59 4,36–60 59 7,14 326 10,29–30 314 14,29 320 2Makkabäer 10,3–8 59 Jubiläen 16,29 507 18,2 471 19,9 433 30,21 f 433 49,18 404
590 Qumrantexte CD 5,2–5 CD 20,19 1QDeutb (1Q5) 4QJosha (4Q47) 4QSama (4Q51)
5QKgsa (4Q54)
Bibelstellenregister (in Auswahl)
95 247 191 77 38 f, 144, 192, 343, 346, 358 f, 369, 404, 411– 413, 426, 429 467
1QM (1Q33) 8,10 374 1QS 4,11 200 1QS ii 2–9 130 4Q118 204 4Q176 133 4Q225 f2i,12 f 471 4Q247 481 4Q252 133 4Q320 320 4Q331 1,6 507 4Q336 f4i,4 507 4Q348 129 4Q365 f25a-c, 14 120 4Q394 f8iv,9–11 468 4Q401 5,4 319 4Q437 129 4Q491 10,8 374 14,2 374 4Q493 13 375 f 6Q4 f5 158 11QT (11Q19) 11,13 11QT (11Q19) 15,11–18 11QT (11Q19) 17,16 11QT (11Q19) 52,9.16
507 179 507 468
Elephantine TAD A4.1 TAD A4.7,18 TAD A4.7,18 f
221 f 325 324
Antike Texte Diodor, Bibl. Hist. 3.1–7 182 Josephus Bell. IV 581 Ant. II 294 Ant. III 194–296 Ant. VII 319 f Ant. VII 329 Ant. VII 333 Ant. VII 327 f Ant. VIII 93 Ant. VIII 100.15,50 Ant. VIII 123 Ant. VIII 1233 Ant. IV 209 Ant. IX 262 Ant. IX 260–276 Ant. X 331 Ant. XI 3.33–58 Ant. XII 3,3
375 f 222 451 39 441 39 39 536 485 509 503 503 204 222 536 258 324
Tacitus Hist. V,1–13
380
Personenregister Achenbach, R. 20, 23 f, 27 f, 30, 51–55, 69, 72, 79–82, 89–91, 96, 104, 118, 121–123, 128, 134, 138, 140, 145–147, 176, 178, 183 f, 198, 200, 216, 220, 223, 240, 252 f, 265 f, 288, 291–299, 324 f, 327, 329, 332, 338–340, 356, 367, 374, 383, 401, 403, 418, 422, 424, 433, 440 f, 449 f, 452–454, 463, 477, 483–485, 488 f, 493 f, 496, 499, 505, 527 f, 530 f, 534, 536, 544, 548 Ahlström, G. W. 151, 428 Aign, B. 376 Albertz, R. 14–17, 20, 56, 80, 122, 140, 144, 200, 206, 237, 288, 291–293, 307, 313, 323 f, 327 f, 350, 364 f, 377, 382, 430, 445, 450 f, 478, 529, 533, 548 f Allen, L. C. 16, 23, 34, 44, 65, 74, 78, 88, 118–120, 124, 137 f, 141, 151, 153, 155 f, 158, 160, 162–164, 166, 173, 177, 181, 184 f, 195, 208 f, 223–225, 240, 242, 266 f, 286, 289, 310, 345, 351, 353, 364, 367, 384, 401, 432, 457, 469, 486, 505, 523, 525 Assmann, J. 54, 194, 408, 527 Auld, A. G. 31, 34 f, 37, 339 Babota, V. 320 Bae, H. S. 195, 200 f, 203, 212–214 Baines, S. E. 147 Barag, D. 325 Barr, J. 169, 173 f Baumgarten, J. M. 375 Becker, J. 37, 428 Becker, U. 37, 428 Beentjes, P. C. 23, 26 f, 70, 134, 210, 251, 275, 303, 306, 311, 397, 456, 463, 516, 525, 528 f, 532, 537–539 Begg, C. T. 197 Benzinger, I. 71, 162, 304 f, 307, 402 ben Zvi, E. 58 f, 227, 229, 248, 384, 537 Berner, C. 20, 122, 142 f, 178, 182, 291 Bezzel, H. 37, 66–69 Bieberstein, K. 338, 414, 417, 419–422 Blenkinsopp, J 127, 256, 261, 298 Blum, E. 128, 205, 415, 417–419, 421 f, 518–520
Blumenberg, H. 248, 407, 432 Boda, M. J. 115 Braulik, G. 121, 175 Braun, J. 346, 373, 375 f Braun, R. 66, 307 Breytenbach, C. 389, 391 f Brinker, K. 198 Brooke, A. E. 204, 251 Broshi, M. 482 Buber, M. 352, 404, 414, 461 Budde, K. 346 Budd, P. J. 65 Bührer, W. 247 Bussmann, H. 520 Carr, D. M. 16 Carter, C. E. 401 Cassuto, U. 445, 449 Chavel, S 131, 213 f, 216–220 Clarysse, W. 442 Cohen, C. 459 Colautti, F. M. 222 Cross, F. M. 39, 67, 212, 325 Cudworth, T. D. 57, 385 f Curtis, E. L. 124, 126, 130, 181, 186, 249 f, 269, 367, 390, 397, 408, 458 Dahler, J. G. 304 Dahm, U. 259 Day, J. 79, 389, 391 f, 504 Demsky, A. 362, 376 Dietrich, W. 120, 328, 439 Dillard, R. 111, 113 f, 116, 130 f, 134, 158, 204, 458 f, 467, 531 Dion, P. E. 404, 409, 411–413, 432 f Doering, L. 121, 185, 375 Dohmen, C. 228 f Dörfuss, E. M. 282, 458 Dozeman, T. B. 77–79 Driesbach, J. 192, 272, 359, 369 Drivers, H. J. W. 120 Driver, S. R. 120, 511 Dušek, J. 326 Dyck, J. E. 397 Dyma, O. 209 f, 214, 485, 509 f
592
Personenregister
Ebach, J. 416 Edenburg, C 36, 79, 547 Ehrlich, A. 84, 250 Eichhorn, J. G. 33–35 Eichrodt, W. 169 Elliger, K. 120, 177, 452 Eskenazi, T. 337, 339, 353 Evans, P. S. 389, 439, 444, 446–448, 526 Ewald, H. 149 Fabry, H.-J. 204, 240, 327 Fantalkin, A. 450 Finkelstein, I. 57 f, 340, 401 Fishbane, M. A. 86 f, 109, 112 f, 124, 130, 143, 211, 217–220, 222, 229, 506 Frevel, C. 20, 55 f, 89 f, 175, 259, 324, 485, 534 Fritz, V. 120 Frolov, S. 329 Galling, K. 66, 232, 243, 323, 390, 428 f, 499, 516, 532 Gass, E. 221 Gerstenberger, E. S. 141, 177, 298, 530 Gertz, J. C. 122, 171, 292 f Gese, H. 284, 331 Gesundheit, S. 211, 477 Giffone, B. D. 66, 92, 354, 358, 402 Gnuse, R. K. 439 Goettsberger, J. B. 402 Görg, M. 177 f Grabbe, L. L. 55 f, 183, 251, 256, 325–327, 401 Grice, H. P. 396, 517, 520–522, 524, 532 Gropp, W. 257 Grünwaldt, K. 143, 512 Gunneweg, A. H. J. 128, 262, 288, 346 Gurtner, D. M. 199 Haag, H. 208 f Hall, J. M. 257 f Hänel, J. 20, 66, 241 Hänsel, L. 63, 187 Haran, M. 79 Hardmeier, C. 517 Harweg, R. 67 Heckl, R 56, 183 f, 203 f, 224, 230, 249, 261 f, 482, 489 f, 505, 517, 519 f, 537 Heger, P. 538 Heller, J. 161 Hieke, T. 65, 409, 435, 503 f Hunt, A. 259, 327
Hurvitz, A. 174, 213, 322 Iser, W. 392, 407 Jacob, B. 449 Jaffe, M. S. 126, 150 Janowski, B. 95 Japhet, S. 13, 17, 21 f, 36, 38, 55, 67 f, 75, 105, 108, 127, 130 f, 136, 142, 147, 153, 161, 164 f, 179, 191 f, 206, 217, 226, 246, 249, 256, 261, 284 f, 302, 307, 335, 348 f, 351, 356, 362, 379, 382, 390, 393, 402, 406, 408, 425 f, 458, 467, 479, 481, 490, 524, 527 Jenni, E. 164, 174, 399 Jepsen, A. 484, 486 Johnstone, W. 23, 65, 75, 394, 398, 413, 425, 446 f, 456, 532 Jonker, L. 144, 167, 259, 301, 310, 337 f, 362, 402 Kalimi, I. 35, 37, 43, 49, 55, 58 f, 93, 97, 104, 130, 134 f, 142, 223, 245, 256, 301, 303, 306 f, 345, 360, 399 f, 457, 467, 470, 481, 490, 539, 549 Kant, I. 521, 524 Kartveit, M. 246 Kedar-Kopfstein, B. 485 Keel, O. 55 f, 59, 66, 68, 180, 259, 285, 303, 324–326, 328, 331, 376, 380, 416, 419, 443, 480, 482 Keenan, J. G. 55 Kegler, J. 123 Kellermann, U. 23 f, 32, 57, 59, 103, 110, 205, 220, 452 Kelly, B. E. 246, 311 van Keulen, P. S. F. 481 f, 486–488, 527 Kleinig, J. W. 17, 373 f Klein, R. W. 13, 38, 67, 99, 108, 113, 126, 130, 141, 153, 190, 192, 209, 211, 224, 228, 233, 300, 307, 310, 339, 345 f, 348 f, 379, 390, 400, 428 f, 456–458, 461, 472, 479, 516 Knape, J. 47–49 Knauf, E. A. 78 f, 91 Knoppers, G. N. 13, 16, 38, 40, 55, 65, 67 f, 76–78, 83 f, 89, 92 f, 124, 134, 136, 139, 151, 163, 167, 170, 175, 214, 246, 248, 251, 256 f, 269, 281 f, 284 f, 302, 304–308, 313, 316 f, 338, 343, 347–349, 353, 355, 361, 363, 366 f, 370, 382, 390, 393, 397, 407 f, 423–426, 458, 467 Köhler, L. 139, 303
Personenregister Konkel, M. 331 Körting, C. 81, 477, 485, 488, 490, 492, 503, 506 Koschorke, A. 14, 64 Kottsieper, I. 222 Kratz, R. G. 23, 57, 66 f, 95, 133, 142 f, 293, 300, 308, 323–326, 346, 356, 369, 372, 417, 433, 505 Krause, J. J. 77, 91 f, 191, 415–421 Krüger, T. 433 Kuenen, A. 256, 268, 304, 328, 417, 449, 452, 530 Labahn, A. 57 f, 124, 134, 153 f, 168, 180 f, 240–242, 243 f, 245, 248, 259, 279, 286–289, 318, 340, 366, 525, 535, 548 Lapp, P. W. 323, 442 f Lausberg, H. 44, 47–49 Lemke, W. E. 38–40, 359 Leuenberger, M. 390, 393 f, 529 Levin, C. 69, 188, 249, 259, 372, 380 Levinson, S. C. 520 Lindblom, J. 120 Lipschits, O. 77, 443 Liver, J. 448 f Loretz, O. 120, 303, 538 Lynch, M. 107, 124–126, 149, 156, 381, 492 Machinist, P. 354 MacSweeny, N. 258 Madsen, A. A. 397 Maier, C. 145 Maier, J. 380 f Mathys, H.-P. 17, 23, 27–31, 51, 54, 56–59, 134, 370 f, 389, 398, 439–441, 445, 448 McKenzie, S. 37 f, 40, 152, 156, 175, 200 van der Meer, M. N. 77 Meibauer, J. 537 Meyer, E. 194, 390 Mittmann, S. 134 Mizrahi, N. 322 f Möhlenbrink, K. 292 f Morgan, D. F. 477 Mosis, R. 103, 105, 304, 385, 403 f, 407, 413–415, 417, 428 f, 435, 439, 499, 519 Mowinckel, S. 128, 327, 509 Müller, R. 69, 96, 125, 467 Muraoka, T. 96, 162, 181, 198 Myers, J .M. 397 Najman, H. 126
593
Niehr, H. 169, 442 Nihan, C. 72, 80 f, 138, 145, 147 f, 169, 174, 176, 216, 221, 294, 297 f, 382, 467 f, 471, 485, 501, 503 f, 506, 510, 528, 530, 533 Noth, M. 20, 80, 128, 175, 246 f, 261, 265, 292, 303 f, 307, 452, 484, 486, 504, 509, 534 Oeming, M. 30, 67, 79, 110, 246–248, 261, 278 f, 302, 379, 455 Otto, E. 24, 51–53, 55, 65, 79, 90, 96 f, 100, 121–123, 128, 132 f, 138, 145, 165, 167, 171 f, 176, 186, 192, 229, 243 f, 256–258, 294, 296, 298, 318, 325–327, 330, 332, 372, 467 f, 474, 505 Pakkala, J. 41–43, 185, 281, 505 f Pearce, S. J. 161, 164 f, 168, 170, 173, 179, 181 Pohlmann, K.-F. 120, 324, 331 Pola, T. 266, 296, 452, 463 Porten, B. 221 f Porzig, P. 336–338, 357–359, 480, 493 f Prinsloo, W. S. 151 Rendtorff, R. 25, 33, 205 f, 225, 354, 430 f, 434, 480, 511 Riley, W. 243, 496 Ringgren, H. 234 f, 497 f Robker, J. M. 115 Rolf, E. 517 f, 520–522, 524, 540 Römer, T. 19, 53, 128, 138 f, 167, 418, 439 Rooke, D. W. 323 f, 534 Rose, M. 418 Rosén, H. 441 Ross, J. P. 31 Rothstein, J. W. 20, 66, 71, 73, 124, 208, 246, 250 f, 254, 256, 264, 278, 282, 306, 346, 352, 359 f, 390 f, 393, 400–402, 405 f, 408–411, 417, 425 f, 429, 433 f, 437 f Rowley, H. H. 327 Rudnig, T. 260, 329–332, 339, 477 f, 527 f Rudnig-Zelt, S. 471–474 Rudolph, W. 66, 73 f, 84, 96, 99, 106, 113, 116 f, 124, 130, 161, 190, 200, 223, 246, 251, 278, 304, 307, 347 f, 350, 352 f, 366, 379, 390, 397, 400–402, 404, 426, 428, 437, 453, 458 f, 463, 475, 479, 499, 516, 537 Rüterswörden, U. 151, 165, 171, 181 Sabo, P. J. 67 Samuel, H. 79, 171, 187, 198, 240, 263, 265 f, 268, 282, 329–331, 450, 452
594
Personenregister
Saur, M. 157 Schäfer-Lichtenberger, C. 89 Schäfer, P. 416 Schaper, J. 28, 180, 240, 256, 325, 327 f, 442, 449 Schenker, A. 186, 394, 410 f, 431, 434, 443, 452 f, 467, 500 Schmid, K. 150 Schmidt, W. H. 128, 292 f Schniedewind, W. M. 17, 22, 68 f, 123, 127–129, 134–138, 140, 186, 212, 379 Schorch, S. 150, 467 f Schorn, U. 246, 266, 302 Schremer, A. 95 Schulz, S. 69, 125, 356 Schürer, E. 317 Schwartz, D. R. 183 Schweitzer, S. J. 65, 483 Schwienhorst-Schönberger, L. 167 Seebass, H. 266, 403, 485 Seidel, H. 376 Sellin, E. 346 Shaver, J. R. 22 f, 32, 212 f, 224 f, 509, 511 f Sloterdijk, P. 13 Smith, M. S. 481, 509 Spaer, A. 325 Sparks, J. T. 66 f, 93, 246–248, 300 f, 329, 332, 378 f Spiegelberg, W. 194 Spronk, K. 356 Stade, B. 486 Staubli, T. 482 Steck, O. H. 127 Steingrímsson, S. Ö. 517 Steins, G. 16, 44 f, 57–59, 109, 150, 204 f, 209, 225, 240, 243, 252, 284, 305, 308, 312, 317, 340, 348, 370, 379, 455, 458, 480, 483, 524 Stemberger, G. 217 Street, J. M. 336, 347 Strübind, K. 152 f, 162, 185 Swart, J. 158 Talmon, S. 213 Teeter, D. A. 49, 438, 462 Tilly, M. 320 Tiňo, J. 96, 310 f, 496–498 van der Toorn, K 16 Trebolle, J. 190 f Tsedaka, B. 471 Tubach, J. 529
Ueberschaer, F. 59 Ulrich, E. 346, 412 VanderKam, J. C. 325 f, 471, 482, 536 Varenhorst, M. 74 de Vaux, R. 485, 488, 504, 508 Veijola, T. 132, 328 f, 339 f, 472, 475 Venema, G. J. 155 de Vries, S. 123 von Rad, G. 20 f, 75 f, 101, 139 f, 142, 212, 224, 247, 282, 338, 363, 381, 483 Wagenaar, J. A. 213, 477 f, 486, 503 Wagner, A. 127, 517, 520 Wagner, S. 196 Weber, M. 258 Weimar, P. 417, 452 Welch, A. C. 123, 304, 400, 460 Wellhausen, J. 19–21, 60, 75, 79 f, 94, 106, 116, 151, 232, 239, 246, 292, 304, 327, 338 f, 359 f, 362, 440 f, 448 f, 477, 484, 486–488, 530 Welten, P. 56–58, 340 Westermann, C. 431 de Wette, W. M. L. 33–35, 37, 75, 158, 248, 304, 317, 361, 506 Weyde, K. W. 481, 504 Williamson, H. G. M. 77, 79, 94, 111, 114, 147, 156, 201, 204, 306 f, 326, 400, 456–458, 467, 472, 492 Willi, T. 23–25, 28, 32, 38, 40 f, 49, 66–69, 74, 76, 106, 108–110, 124, 126, 143 f, 147–150, 153, 157 f, 237, 240, 243, 246, 248, 250–252, 254, 256, 261, 263–265, 268, 271 f, 284 f, 300, 302, 307, 343, 346–349, 363, 368, 370, 379, 397, 409, 425, 428–430, 439, 461 f, 510 f, 540 Wittgenstein, L. 520 Wöhrle, J. 252, 398, 535 f Wright, D. P. 504 Wright, J. L. 117, 145, 351, 491, 505 Wright, J. W. 304, 362 Würthwein, E. 175 f, 303, 488 Wyatt, N 441 Zahn, M. 16, 49 Zenger, E. 303, 491, 494 f Zilkowski, J. 373 Zimmerli, W. 285, 331 Zwickel, W. 320, 524, 529