Topik: Zweisprachige Ausgabe 9783787325986, 9783787305919

Ciceros Topik wird oftmals als Gelegenheitsschrift von nur marginaler Bedeutung verkannt. Ihr eigentliches Ziel liegt in

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German Pages 91 [118] Year 1983

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Topik: Zweisprachige Ausgabe
 9783787325986, 9783787305919

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MARCUS TULLIUS CICERO

Topik Übersetzt und mit einer Einleitung herausgegeben von HANS GÜNTER ZEKL

Lateinisch- Deutsch

FELIX MEINER VERLAG HAMBURG

PHILOSOPHISCHE BIBLIOTHEK BAND 356 Der lateinische Text folgt der Ausgabe »M. Tulli Ciceronis Topica« in: »M. Tulli Ciceronis Rhetorica«, herausgegeben von A.S. Wilkins. Der Abdruck erfolgt mit freundlicher Zustimmung der Clarendon Press, Oxford, der hierfür Dank gesagt wird.

Im Digitaldruck »on demand« hergestelltes, inhaltlich mit der ursprünglichen Ausgabe identisches Exemplar. Wir bitten um Verständnis für unvermeidliche Abweichungen in der Ausstattung, die der Einzelfertigung geschuldet sind. Weitere Informationen unter: www.meiner.de/bod

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliogra­phi­­sche Daten sind im Internet über ‹http://portal.dnb.de› abrufbar. isbn 978-3-7873-0591-9 ISBN eBook: 978-3-7873-2598-6

© Felix Meiner Verlag GmbH, Hamburg 1983. Alle Rechte vorbehalten. Dies gilt auch für Vervielfältigungen, Übertragungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, soweit es nicht §§  53 und 54 URG ausdrücklich gestatten. Gesamtherstellung: BoD, Norderstedt. Gedruckt auf alterungsbeständigem Werkdruck­ papier, hergestellt aus 100 % chlor­frei gebleich­tem Zellstoff. Printed in www.meiner.de Germany.

INHALT

Einleitung. Von Hans Günter Zekl . . . . . . . . . . . . . Analytische Inhaltsgliederung.. . . . . . . . . . . . . . . . Editorische Hinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

VII

XIX XXI

Marcus Tullius Cicero Topik Text und Übersetzung Anmerkungen des Herausgebers . . . . . . . . . . . . . . . Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2/3

Namenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begriffsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

73 85 87 89

Griechische Termini . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

92

EINLEITUNG

Die Topik Ciceros zeigt zunächst den äußeren Umständen ihrer Veranlassung und Entstehung nach den Charakter einer Gelegenheitsschrift. Schon der erste Anstoß zu ihr erscheint rein zufällig: Hätte C. Trebatius ein anderes Buch aus dem Regal geholt (vgl. top., 1-2), so hätte sich wohl ein anderes Interesse ergeben. Indessen, ganz so einfach ist es nicht. So wie die Griechen das Lesen ein "Wiedererkennen" nannten (um hier gleich einmal den Topos "aus der Wortbedeutung" zu benutzen), so greift man aus einer angebotenen Vielheit unbewußt nach schon mitgebrachtem Interesse sich etwas heraus. Aber auch der Entschluß Ciceros zur Abfassung der Topik geht auf ein scheinbar kontingentes Ereignis zurück (top., 5): Ein anderes Reiseziel, eine andere Route und andere Zwischenstationen hätten Cicero wohl kaum an den Adressaten und seine Verpflichtung ihm gegenüber erinnert. Zudem auch noch die Umstände und Begleitbedingungen: Zu Schiff, auf einer halbentschlossen, halb zögernd begonnenen und ebenso wieder abgebrochenen Flucht, weit entfernt von der gewohnten Studierstube mit ihrer reichen Bibliothek als Hilfsmittel (top., 5 ). 1 Doch ist hier alles nur beliebig? Der Wunsch, Italien zu verlassen (um Mai/Juni 44), entstand nach dem Tode des Diktators an den Iden des März aus der Erkenntnis, daß der Eingriff in die große Politik für Cicero verloren war und die Nachfolgekandidaten ebenso wie die Republikaner an ihm vorbei ihre Entscheidungen trafen. Die Reise sollte ursprünglich nach Athen gehen (und ins übrige Griechenland; in dem Jahr fand gerade eine Olympiade statt), den locus classicus der Philosophie, die Stätte intensivster eigener Bildungserlebnisse Ciceros, an der auch nun sein Sohn - mit Dieser Punkt ist wichtig auch für Form und Inhalt der Topik. Hier hat die Interpretation einige Fragen zu lösen. Näheres dazu im Schluß teil dieser Einleitung. 1

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Hans Günter Zekl

wesentlich weniger Eifer übrigens- studierte. Und Velia, das alte Elea des Parmenides und Zenon, die Stadt, aus der die Anfänge der Dialektik gekommen sind, als Zwischensta· tion,- das erscheint ganz weit entfernt doch wie ein Wink des Fatums. Nur liegt in einer so dicht von Geschichte bevölkerten Landschaft Dergleichen ja viel näher als in einem barbarischen Land. Läßt man also den Appell an Äußerliches einmal fort und sieht auf das Resultat selbst, so ergibt ein Oberblick über die Gliederung des Textes und deren Schaltstellen doch auch den Eindruck des Flüchtigen, schnell Hingeworfenen, hastig Gearbeiteten. Dieser Befund ist zunächst einmal darzustellen. Als erstes hat die Schrift schon einen zwiespältigen Zweck. Ist sie einerseits privat gerichtet an einen befreundeten Mann, auf dessen Bitte hin und zu dessen Belehrung, so schielt andererseits der Verfasser doch mit einem Auge auf eine allgemeine Veröffentlichung hin; er schreibt mit dem ausgesprochenen Hintergedanken, daß das Werk auch in die Hände anderer kommen soll (top., 72). Diese finale Ambivalenz wirkt sich auch inhaltlich im Text aus. Einmal stellt der Verfasser die Auswahl des Materials und vor allem der Beispiele auf die juristischen Interessen des Adressaten ab, 2 andrerseits ist er doch ständig bemüht, auch unter Aufwand von Komplimenten an den Bildungshunger des Trebatius, den allgemeinen Charakter der vorgeführten Phänomene und Analysen offenzuhalten. 3 Doch alles das ist vergleichsweise geringfügig gegenüber der Tatsache, daß der Dublettenbefund sich bis ins Einzelne herunter verfolgen läßt. Denn dies spricht nun allerdings dafür, daß die behandelten Dinge zu keiner gedanklichen Einheit geworden, sondern so hingestapelt sind, wie sie eben anfielen. Das Ganze scheint nicht zum wirklichen Ende gekommen, es ist schon gar nicht poliert, man sieht ihm die Entstehungs- und Werkzeugspuren noch deutlich an. Vgl. z. 8. top., ~2; 41; 44; 45; 65f. Dies wurde auch schon sehr früh beobachtet, vgl. Quint., inst. or., III,11,18 und V,10,64. 3 top., 25; 41; 51; 56; 67; 72; 100. 2

Einleitung

IX

Die eigentliche Abhandlung, die nach den Einleitungsbemerkungen (top., 1-5) ab §6 beginnt, läßt sich zunächst deutlich unterteilen in den thematischen Komplex, die Lehre von den Topoi (§§6-78), und zwei Annexe, einmal über die Gattungen der Fragestellung oder Untersuchung (§§79 bis 86), zum anderen über die Anwendung der Topoi (§§87-99). 4 Die Frage, wie die Annexe an die Hauptabhandlung angeschlossen sind, mag vorerst unbeantwortet bleiben, soviel ist aber auf den ersten Blick offenkundig: Ab §79 nimmt die Topik logisch und damit auch stilistisch einen anderen Charakter an. Die Behandlung der Topoi selbst ist nun wiedereine Dublette, und hier liegt die sichtbarste Doppelung vor: Nach den definitorischen Eingangsbemerkungen über Auffinden und Beurteilen, über locus und argurnenturn (top., 6-8A), erhält man dann ohne Umschweife schnell heruntergespult den Inhalt eines Zettelkastens (top., 8-24), dessen vierfache Grundgliederung (top., 8) klar und einleuchtend ist, - allerdings wird sie im Verlaufe der exemplarischen Behandlung der Punkte sogleich verändert und das Ganze damit verschwommen: Die logisch dem Gliederungspunkt (1) ursprünglich gleichwertigen Punkte (2) und (3) werden nun auf einmal im Durchgang hypotaktisch als Punkte 1b und 1c aufgeführt und so traktiert (top., 9-10). Dies dient der Deutlichkeit nun wirklich nicht. Die Beispielsammlung (§§8-24) ist die Kernzelle der ganzen Schrift, und sie ist auch nichts anderes als eine neu bearbeitete, d. h. mit neuen Beispielen versehene, Kopie dessen, was Cicero selbst in der Schrift de oratore 5 bereits 11 Jahre früher im Vorbeigehen vorgetragen hatte. Es ist also durchaus nicht erstaunlich, daß er dies, wie er ja selbst behauptet (top., 5), extemporieren konnte. Wie weit allerdings diese Behauptung auch für die anderen Teile der Topik, besonders die Schlußabschnitte, zutrifft, wird noch näher zu untersuchen sein. 4

Jedenfalls wird das Sammelsurium des Schlusses, das mit dem eigentlichen Thema nur locker verbunden ist, bei §87 so eingeführt. 5 Dort Buch 11,163-173.

X

Hans Günter Zekl

Die genannte Kernzelle bildet im weiteren nun Anlagerungen. Denn bei § 2 5 hatte der Verfasser den gleichen Eindruck formuliert, der sich auch einem heutigen Leser aufdrängt: Das kann doch nicht schon alles gewesen sein! Also wird - durchaus sinnvoll - der gleiche Gegenstand noch einmal, und nun gründlicher und genauer, durchgenommen. Die Abhandlung §§26-78 stellt somit einen vertieften, ergänzenden, auch korrigierenden zweiten Durchgang dar. Was fehlt, ist die mögliche Einarbeitung der beiden Durchgänge zu einem homogenen Ganzen. Hier bleibt also nur das Nebeneinanderher. Dieser zweite Durchgang wird zwar scheinbar bei § 71 durch eine Generalkonklusion abgeschlossen, doch erweist sich die, wenn man die Gliederung aus §8 zum Vergleich heranzieht, als eine bloße Unterbrechung, und nicht als wirklicher Abschluß; denn der Nachtrag (§§72-78) liefert den in der Behandlung noch fehlenden zweiten Hauptpunkt von §8 nach. Auch in dieser Hinsicht also muß man die logische Form des Ganzen erst durch Überwindung der äußeren Form finden. Im übrigen stimmen Durchgang 1 und 2 teils zusammen, teils auch nicht. Das war nicht anders zu erwarten, muß aber in einigen wichtigen Einzelfällen konkret gemacht werden. Dazu also einige Beobachtungen: 1) Die Undeutlichkeit bezüglich der logischen Einstufung der Topoi "Teilung" (ex partibus) und "Wortbedeutung" (ex nota) bei §8f. wiederholt sich genau bei der Partie §28 auf §33. Dort wird zudem noch ein großer Nachdruck auf die Unterscheidung der beiden Auffindungsverfahren "Partition" (Aufzählung der Bestandsstücke oder Anwendungsfälle) und "Division" (vollständige Aufzählung der Arten einer Gattung) gelegt (28; 30; 33f.), welche schon vom Wort her hauchdünn ist, denn beide Termini besagen fast das Gleiche; und bei § 83 wird dieser Unterschied dann doch wieder praktisch außer Kraft gesetzt, wenn der Verfasser es sich dort leistet, beide Methoden "eodem pacto", wie er sagt, vereint über ein einziges Beispiellaufen zu lassen. 6

Einleitung

XI

2) Die zusammenfassende Aufzählung der Topoi bei § 71 planiert die Unterschiede des §8 fast völlig ein; jedenfalls kommt es da zur durchgängigen Parataxe: Die 13 Spezialfälle des Hauptpunkts (4) werden in einer Reihe mit den Punkten (1) bis (3) aufgeführt. Man mag das "Flexibilität" oder eine modern anmutende "Anstrengung des Begriffs" nennen, näher liegt nach allem eine mangelnde Durcharbeitung des schnell Hingeworfenen. 3) Die Topoi "Voraussetzung, Folge, Gegensatz" (ex antecedentibus, consequentibus, repugnantibus) bilden bei § 19 eine thematische Trias, die dann allerdings in § § 19 bis 21 nebeneinander ausgeführt wird. Genau dieser Triadencharakter findet sich auch bei §53; und hier bleibt er bei der Behandlung erhalten, ja diese Varianten werden geradezu zu einem Topos zusammengefaßt, dem "der Dialektiker". 4) Dem Topos "Gattung" (ex genere) entspricht in Umkehr der Topos "Art" (ex forma), §13f. Diese Entsprechung findet sich im zweiten Durchgang nicht. Hinter §40 müßte gemäß der Parallelität der Abläufe nun "a forma" behandelt werden, aber dies zu erwartende Stück fehlt dort einfach. Eine Erklärung aus der Sache sehe ich dafür nicht. Ist es dann wirklich nur eine Flüchtigkeit? Es zählt jedenfalls zu den mancherlei kompositorischen Unstimmigkeiten. Im übrigen kann man in diesem Fall die Willfährigkeit und Gefügigkeit der Beispiele klar fassen: Das gleiche Beispiel, das bei § 13 zur Illustration der Argumentation e loco a genere diente, kann bei §53 in dreifacher Variation den Topos a consequentibus etc. vertreten. Notwendige sachliche Konsequenz: In der Wirklichkeit sind eben immer alle Aspekte beieinander, die das logisch analysierende Subjekt erst auseinandemimmt. 5) Die Topoi "Ursache" und "Wirkung" (ab efficientibus

Dies veranlaßte wohl einen kritischen Leser aus der Renais· sancezeit, ein dickes SIC an den Rand zu schreiben, das dann irgendwann zu Unrecht in den Text gekommen ist. 6

XII

Hans Günter Zekl

rebus, ab effectis rebus) sind bei §22f. in der Aufzählung klar getrennt. In ihrer zweiten Behandlung (top., 58ff.) zeigt sich sogleich, daß hier eine enge Beziehung vorliegt, nämlich die der Umkehranalogie. Nachdem bei §63 innerhalb der Bearbeitung der Ursachen beiläufig auch schon von den Wirkungen die Rede war, wird diese bestehende Verknüpfung bei §67 auch ausdrücklich gemacht. Das kategoriale Schubkastensystem aus §§9-24 ist also, wie sich zeigt - und wie zu erwarten war -, durchgängig miteinander in Verbindung. Was begrifflich mühsam getrennt war, wächst bei der ausführenden Arbeit daran wieder zusammen. · 6) Dieser Befund tritt an einigen Stellen auch explizit heraus. So findet sich bei §38 die Bemerkung, daß der Topos "Verknüpfung" (Fall4a) zu dem Topos "Wortbedeutung" (Fall 3) in enger Nähe sich befinde. Und in der Tat, Semantik und Morphologie (wozu ja auch die Wortbildungslehre gehört) einer Sprache sind ja nur zwei Seiten derselben Medaille. - Ein ganz ähnlicher Befund ergibt sich aus dem Vergleich des §9f. mit §40: Die Ganzes-Teil-Relation ist anzuwenden vollkommen zu Recht, weil thematisch, bei Topos (1) ex toto; wo von einem Ganzen die Rede ist, dort notwendig auf Grund der Dialektik der Begriffe auch von Teilen. Nun erweist sich diese Ganzes-Teil-Relation jedoch in der Praxis logischer Arbeit als ein amphibolischer Reflexionsbegriff, d. h. er ist ein Abstraktum ohne direkten Realbezug, und er ist frei konvertierbar, also ubiquitär. Das bestätigt sich auch hier, denn innerhalb der Ausführung des Topos "Gattung" wird er ganz selbstverständlich angewandt, ja er stellt hier sogar eine als besonders zwingend charakterisierte Argumentationsform dar.- Ebenso haben der Topos "Ähnlichkeit" (a similitudine) und der ex comparatione, "Vergleich", eine sachlich ganz enge Verknüpfung, wie auch in §§41-43 deutlich wird. Ähnlichkeit ist nun einmal das Vehikel des Vergleichs; kein tertium comparationis ohne Ähnlichkeit, und sei sie auch noch so weit hergeholt.

Einleitung

XIII

Wie sich der erste und der zweite Durchgang zueinander verhalten, ist an einigen Beispielen nun gezeigt. Durchgang 2 ist ein verdeutlichendes, ausführendes Korollar zu Durchgang 1. Um die ursprüngliche Zelle herum ist ein erweiterter Ring gelegt, also Nebeneinander statt Einarbeitung, und das alles auf der Basis von de oratore, 11,163-173. Wie steht es aber mit den Annexen (top., 79ff.)? Auch hier hat man Vorbilder schnell zur Hand: Die Lehre von thesis und hypothesis (propositum und causa), die Cicero bei top. 79-86 vorträgt, ist vorgebildet schon bei de oratore, III,lllff. und in den partitiones oratoriae, 6lff. Also auch hier reproduziert er offenbar früher Gesagtes, wenn auch mehr komprimiert, abstrakt und systematisch. Wie hängt dieser Teil, über die Gattungen der Fragestellung, mit dem Hauptteil der Topik zusammen? Zunächst ist dieser Zusammenhang ganz assoziativ und locker, innerhalb von §79, der ja in seinem ersten Teil eine Summe des eben Vorgetragenen zieht und dessen zweiter Teil sich aus einem der dabei verwendeten Termini entwickelt (quaestionem ... quaestionum). Das wäre aber nur sehr wenig und würde an bekannte medizinische Examenswitze erinnern. Immerhin findet man noch eine weitere Anknüpfung: Im §34 figuriert das hier angeschlagene Thema als ein Schulbeispiel der artes oratoriae, also der rhetorischen Ausbildung, und bei der anerkannten rhetorischen Präferenz der ciceronischen Topik ist es dann kein Wunder, wenn dieser "Topos der Rhetorik" auch abgehandelt wird. Es ist ja auch von der Sache her sinnvoll zu fragen, in welcher Art von Problemstellung die aufgeführten Topoi denn zu verwenden sind. Mithin läuft auch diese Abhandlung unter dem Stichwort "Anwendung der Topoi". Daß dies der Generalgedanke der beiden Annexe ist, dafür gibt es klare Hinweise. Erstens macht der zweite Annex eben dies zu seinem Thema (§87). Er setzt seinerseits die Aufstellungen von Annex l voraus und trägt im übrigen mit der Lehre von den Redetypen und den Redeteilen aus Ciceros eigenen rhetorischen Schriften 7 ganz bekannte 7

So z. B. aus de orat. II; dreimal verweist Cicero in diesem Teil

XIV

Hans Günter Zekl

Dinge vor. Annex 2 ist mit Annex 1 also unauflöslich verklammert, und er ist nun seinerseits - zweitens - in der übrigen Topik gut verankert, einmal an einer scheinbar beliebigen Stelle, §41, die dennoch ein reflektorischer Schaltpunkt ist, zum anderen bei einer ganz entscheidenden Weiche, nämlich in dem Konklusionsteil des §79, der eben das Proömium der Annexe darstellt. Damit sind die überleitenden, verbindenden Gedanken bestimmt. Sie liegen nicht offen zu Tage, sondern müssen durch Einstieg in die Tiefenstruktur des Textes erst gefunden werden. Nach dieser Aufarbeitung der Kompositionsstruktur steht noch eine Frage zur Diskussion, die einen Satz aus § 7 betrifft. Das muß kurz entwickelt werden: Jede Theorie des zusammenhängenden Vortrags umfaßt zwei Teile, sagt der Autor am Anfang der definitorischen Grundsatzbemerkungen (§6), nämlich das Auffinden (invenire) und das Beurteilen (iudicare) von Argumentationen. Im folgenden ergibt sich dann eine Zuordnung: Das Geschäft des Auffindens besorgt die Disziplin der Topik, ihr Areheget heißt Aristoteles; das Geschäft des Beurteilens besorgt die Dialektik, hier sind neben Aristoteles Archegeten auch die Stoiker, die sich, nach Cicero, dagegen um die Topik nicht gekümmert haben (alles §6). Cicero selbst kündigt seinerseits an: "utramque, si erit otium, persequi cogitamus" (§7). Die Frage ist nun: Leistet die Topik das? Oder weist diese Ankündigung über die Topik hinaus? Bleibt es eine bloße Ankündigung, oder ist irgendwo der Versuch erkennbar, sie einzulösen?- Wenn man sich an die äußere Form und den bloßen Wortlaut hält, leistet es die Topik nicht. Zumal die Zusammenfassungen stellen das invenire und reperire heraus (top., 25; 71; 100). Dennoch wird man die Ankündigung des §7 intern halten können, da sie doch auch, extern genommen, in der Luft hinge, wenn dies denn wirk-

auf weitere Schriften: §92 praecepta oratoria; §96 aliis libris; §99 item. Es liegt nahe, auch hier an Selbstzitate zu denken, u.z. vor allem an die Schrift de inventione, bes. 11,40-49.

Einleitung

XV

lieh eine Ankündigung sein soll, und nicht etwa ein Rückbezug. · Gibt es also in der Topik Belege dafür, daß hier auch das Geschäft der Dialektik betrieben wird, und wenn es auch nicht ausdrücklich wäre?- Ja, es gibt sie in der Tat, und die lebendige Asymmetrie der Verfertigung der Gedanken beim Schreiben macht sich über den abstrakten Parallelismus der Gliederung hinaus geltend. Gilt erstens einmal die Banalität, daß es ein Auffinden ohne ein Beurteilen gar nicht geben kann, es also ziemlich dürr und scholastisch erscheint, beides überhaupt zu trennen, so sind doch auch schon beide Annexe befaßt mit der Frage nach der Anwendbarkeit der Topoi, also der Beurteilung ihrer Tauglichkeit. Aber auch innerhalb der Behandlung der Topoi selbst taucht das reflexiv-analytische Moment der Dialektik bereits auf: Der Topos "Folge, Voraussetzung, Gegensatz" wird geradezu als "dialecticorum proprius" eingeführt (§53), und daß dies kein leeres Wort ist, zeigt die eigentümlich systematische, formale Entfaltung dieses Topos durchgehend (§§53-57). Des weiteren zeigt auch die Schlußbemerkung des §66 eindeutig den gleichen reflexiven, beurteilenden Horizont, denn dort wird von den Rednern, Philosophen und Rechtskundigen nicht nur gesagt, daß sie disputieren, sondern sie disputieren hier über ihre eigenen Methoden. Und das ist etwas ganz anderes. Und schließlich das Argument von den möglichen griechischen Quellen her: 8 Bislang hat diese Einleitung nur die autoreferentiellen Bezüge innerhalb des corpus Ciceronianum berücksichtigt; aber Ciceros Schriftstellerei, als ganze ebenso wie die Topik, ist nach außen offen, d. h. vor allem gegenüber der griechischen Literatur. Nach allgemeiner Auch die Topik ist mit Sicherheit kein ,.apographon", wie Ci· cero selbst einmal untertreibend seine philosophischen Schriften nennt (ep. ad Att., XII,52,3). Er hat also hier nicht einfach bloß eine Vorlage nachgeschrieben, und man muß seine Versicherung, daß ihm Hilfsmittel in Form von Büchern praktisch nicht zur Verfygung standen (top., 5), doch ernster nehmen, als die Quellenanalytiker des 19. Jh. dazu bereit waren. 8

XVI

Hans Günter Zekl

Obereinstimmung und ganz offenkundig ist (im Gegensatz zu §lf. und §6) die aristotelische Topik nicht die Vorlage Ciceros, ihr Titel und Vorhandensein sind eher nur der Anlaß. 9 Dagegen, das von einem modernen Herausgeber als "perdifficilis" und voller Anstöße bezeichnete Rhetorikkapitel B23 des Aristoteles ist offenbar ausgebeutet. Aber auch dieses wohl nicht direkt, sondern über eine Vermittlungsstufe, die behauptet, dem Anstoteies hier in allen Punkten zu folgen, und die nach überwiegender Ansicht der Quellenforschung Antiochos von Askalon heißt. 10 Bei ihm hatte Cicero in seiner Athener Zeit selbst gehört und dabei kennengelernt, wie man akademische, peripatetische und stoische Lehrmeinungen zu einem synkretistischen Brei verrühren konnte. Und ganz offenkundig hat er in seinem Alter (und er ist jetzt 62 Jahre) die Skripten der damaligen Studentenzeit herausgekramt und bei seiner hastigen philosophischen Schriftstellerei sehr davon gezehrt. 11 Da nun die Kategorien, nach denen er die Topoi gliedert, die stoischen sind, so ist also die ganze Einteilung des §6 sehr zu relativieren, wie dies Cicero selbst ja auch im Verlauf der Topik tut (wenn auch nicht sagt). In dem Widmungs-und Ubenendungsbrief an Trebatius, der uns ja erhalten ist (ad fam., Vll,21), beschreibt Cicero seine Arbeit so: " ... Topica Aristotelea conscribere", und es ist schlicht falsch, dies zu übersetzen mit "die Topica des Aristoteles zu bearbeiten", wie es geschehen ist. Cicero meint dem Wortlaut nach etwas ganz anderes, nämlich "eine Topik in aristotelischer Manier zu schreiben". 10 Auf diesen hatte schon Boethius im Topik-Kommentar (zu§ 76) verwiesen, S. 392,8 Orelli. 11 0. Immisch hat in einem klugen Aufsatz im Rheinischen Museum 78 über literarische Fiktionen und Wirklichkeitsbezug sich dort, S. 116-118, auch mit der Topik befaßt und das ganze Reisemotiv des Proömiums selbst zu einem Topos erklärt. Als Hebel dient ihm die Interpretation des Ubersendungsbriefs, wo strenggenommen nur der Entschluß und der Beginn der schriftstellerischen Arbeit für die Reise belegt ist (institui ... conscribere). Die Hauptarbeit sei dann erst in Region geleistet worden. Wie auch immer, er gelangt zu der gleichen Vermutung bezüglich des Quellenmaterials: Als Cicero seine Griechenlandreise vorbereitete, nahm er offensichtlich allerlei Skripten und Notizen mit, aus denen er schöpfen konnte; nur, die vollständigen Hilfsmittel seiner Bibliothek standen ihm wirklich nicht zur Verfügung. Und das merkt man der Topik häufig genug an. 9

Einleitung

XVII

So bleibt schließlich das Resultat: Diese Topik ist in jedem Fall - ungeachtet aller ihrer zu Tage liegenden Mängel - eine philologisch wie philosophisch sehr interessante kleine Schrift. Philosophie und Rhetorik, die beiden grossen Bildungsmächte der Antike, begegnen sich hier, die seit Platon und Isokrates im Streit gelegen hatten. Eben das hat Cicero einerseits als seine große geistige Lebensleistung empfunden, die beiden verfeindeten Schwestern wieder zusammenzuführen, ihre Einheit selbst in persona darzustellen und das Ideal des vir bonus, dicendi peritus nicht ein Asyndeton bleiben, sondern ein Hendiadyoin werden zu lassen. Andrerseits war diese Verwandtschaft zwischen Topik und Rhetorik auch schon bei seinem Vorbild Arlstoteles gegeben. 12 Insofern ist die Topik Ciceros, trotz ihrer Unvollkommenheiten und trotz der Begleitumstände, über den Rang eines bloßen parergon doch hinausgehoben. Man kann auch beim Graben auf trockenem, steinigen, trivialen Feld unvermutet auf Schätze stoßen. Damit ist die Untersuchung vom primär Negativen nunmehr zum notwendigen positiven Schlußertrag vorangekommen, der freilich ohne die vorherige Arbeit auch nichts wäre. Die Topik Ciceros ist nach Methode und Material voll auf der Höhe ihrer Zeit. Aber die heutige Zeit kennt doch nun ganz andere Horizonte und andere Topoi. Kann dieser Text und die Auseinandersetzung mit ihm denn mehr sein oder werden als Philosophiegeschichte? Ist das denn möglich: "Topik für Zeitgenossen"?- Nun, es ist nicht nur möglich, sondern erscheint sogar sehr nötig. Und im Sinne eines specimens kritischer Nachdenklichkeit als Vorbereitung dazu ist die ciceronische Topik auch sehr tauglich. Als Zeitgenosse des 20. Jh. ist man umgeben von Myriaden von Topoi, die auch noch schnell wechseln. Jeder Zeitungsartikel, jeder Rundfunkkommentar, jede politische Rede, jede Stellungnahme ist voll davon. Ein paar Beispiele dazu: Es mag von "Endlösung" bis zu "Endlagerung" gehen (Topos "Euphemismus"), von "Arbeitsplätze" bis 12

Vgl. die Einordnung vontoposbei Arist., rhet., 1358al0-17.

XVIII

Hans Günter Zekl

"FdGO" (Topos "Fetisch"), von "Radikalenerlaß" über "Fiächensanierung" bis "Ausbaumaßnahme" (Topos "Verschleierung"), von "Instandbesetzen" bis "was lange gärt, wird endlich Wut" (Topos "Sprachspielerei" oder "Umfunktionierung" ) von "Landschaftsbau" bis "berechtigte Forderungen" (Topos "Hybris" oder "Anmaßung"), von "sozio-kulturelle Determinanten" bis ,,MBFR" (Topos "E xpertenkauderwelsch"), schließlich von "Vorwürfen" über "Forderungen" zu "Verhandlungen", "Vorschlägen" und "Plänen" (Topos "unbedachter Plural"). Weitere Beispiele sind nicht nötig. Jeder kennt sie, die "Leiden der jungen Wörter"! Hier Distanz zu lernen und ein Durchschauen der andauernden Beeinflussungsversuche, denen man ausgesetzt ist, das ist ebenso wichtig wie schwer, damit im Zeitalter der Massenkommunikation und -manipulation per media das autonome Subjekt nicht abdanken muß, sondern sich selbstverantwortlich durch das vielstimmige Geschrei der Meinungen hindurch auf den schwierigen Weg der Erkenntnis und des vernunftgeleiteten Handeins machen kann. Es wäre einer Anstrengung wert, eine Theorie der heute geläufigen Topoi oder auch Schlagworte (Worte, die jemand oder etwas schlagen sollen?), deren so viele sind, aufzustellen, und Ciceros Topik wäre eine nicht schlechte Vorstudie oder Modell dazu.

ANALYTISCHE INHALTSGLIEDERUNG

§§

1- 5

Einleitung ......................... . 6-24 Topik, Durchgang 1 ................. . 6- 8A Definitorische Vorbemerkungen ...... . Gliederung ...................... . 8 A.lnterne Topoi 1. Begriffsganzes 2. Aufzählung der Teile 3. Wortbedeutung 4. Folgebegriffe B. Externe Topoi 9-10 Durchführung der Topoi la-c (1-3) 11-23 Durchführung der Topoi 4a-n ..... . 24 Durchführung der externen Topoi .. . 25 Übergang ....................... . 26-78 Topik, Durchgang 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . A.l. Definition (Arten, Verfahren, 26-32 Methode, Unterschiede, Beispiel) 33-34 2. Zerlegung (Enge Bezüge zu nr. 1) . . 35-37 3. Wortbedeutung................ 38-71 4. Zusammenhängende Begriffe . . . . . 38 a) Verknüpfung . . . . . . . . . . . . . . . 39-40 b) Gattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41-45 d) Ähnlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 46 e) Unterschied . . . . . . . . . . . . . . . . 47-49 f) Gegenteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50-52 g) anschließende Vorstellungen . . . 53-57 h,i,k) Folge, Voraussetzung, Gegensatz....................... 58-67 l,m) Ursache, Wirkung . . . . . . . . . . . . 68-71 n) Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erste Konklusion . . . . . . . . . . . . . . . . 71B B.Nachtrag: Externe Topoi . . . . . . . . . . 72-78 Zweite Konklusion . . . . . . . . . . . . . . . 79A

3 5 5 7

7

9

15 17

17 17 23 25 27 27 27 29 31 33 35 35 39 47 49 51 55

XX

Analytische Inhaltsgliederung

79-86 79-80 81-86 87-99 100

Topik, Annex 1: Gattung der Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1a) infinit (propositum) b) finit (causa) 2a) quaestio cognitionis b) quaestio actionis Topik, Annex 2: Anwendung der Topoi (auf die Fälle aus ,,Annex 1"; verschiedene status; Redeteile) . . . . . . . . . . . . . . Abschluß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

57

60 69

EDITORISCHE HINWEISE

Der lateinische Text der hier vorgelegten zweisprachigen Topik-Ausgabe ist mit freundlicher Genehmigung der Clarendon Press entnommen der Edition von A- S. Wilkins innerhalb der Scriptorum Classicorum Bibliotheca Oxoniensis (OCT, Oxf. 1 1903, seither öfter nachgedruckt). Dieser Text ist am besten greifbar und, wie eine durchgehende Oberprüfung der editorischen Entscheidungen Wilkins' ergeben hat, solide konstituiert. Bis auf wenige Kleinigkeiten, die den Sinn der Aussage nur unwesentlich tangieren, wäre an der Textgestalt nichts zu ändern. Der Text wird daher mitsamt dem kritischen Apparat im Wortlaut unverändert nachgedruckt. Da aber durch die Gegenüberstellung von Original und Übersetzung sich die Notwendigkeit eines neuen Umbruchs der Textseite ergab, mußte der kritische Apparat auf diese veränderte Situation durch neue Zählung bezogen werden. Aus einem bestimmten Grund muß hier auf die Daten der Oberlieferung dennoch kurz eingegangen werden: Auch Lesern, die mit der esoterischen Semantik der philologischen Kunst nicht voll vertraut sind, sollen die Zeichen textkritischer Rezensions- und Emendationstätigkeit zugänglich gemacht werden. Aufgabe des Apparates ist es, die Oberlieferungslage darzustellen und über die Entscheidungen des Herausgebers Auskunft zu geben, die man als Leser ja nicht unbedingt übernehmen muß. (Nicht alle Philologen sind bekanntlich der Oberlieferung gegenüber so diplomatisch und konservativ wie die Engländer.) Auch über nicht akzeptierte Verbesserungsvorschläge gibt der Apparat in mehr oder weniger ausführlicher Form Auskunft. Zu den Textgrundlagen: Die Recensio der handschriftlichen Oberlieferung durch Friedrich (Leipzig 1891) und Andere hat folgendes Bild ergeben. Hauptzeuge ist der codex Ottobonianus 1406, aus dem 10.Jh., Editionssiglum 0. Den zweiten, annähernd guten Oberlieferungsstrang stellen

XXII

Editorische Hinweise

dar die Handschriften mit den Siglen (A) = codex Vossianus 84, (B) = cod. Vossianus 86 und m = cod. Marcianus 257, ebenfalls alle aus dem 10. Jh. Deren gemeinsame übereinstimmung wird durch Siglum A bezeichnet. Den dritten, weniger wertvollen Strang repräsentieren sieben sogenannte codices deten'ores mitden Siglen (a) bis (d), V, L, (ß), aus dem 10. und 11. Jh. Die Obereinstimmung aller Handschriften trägt die Bezeichnung codd. ; ist eine Gruppe von Handschriften gegenüber anderen herausgehoben, so heißen alle übrigen: cett.; sind es fast alle, dann: vulg.; sind es die weniger wertvollen, dann: dett. Neben diesen Handschriften gibt es noch die Zitate aus dem Topik-Kommentar des Boethius, die belegen, wie er im 6. Jh. den Text gelesen hat. Schließlich geht in die Textkonstitution ein die Emendations- und Herausgebertätigkeit der modernen Philologie seit den Humanisten der Renaissance bis zur kritischen Methode des Historismus. Deren Arbeit ist vor allem: Vorschlag zur Tilgung (secl. oder del.); Ergänzung, wenn sichtlich bei den codd. etwas fehlt (om. codd.); Vermutung einer größeren Textlücke (lac. ind. ); und vor allem vielerlei Verbesserungsvorschläge (Konjekturen), über die der Hg. im Apparat namentlich referiert, ob er sie nun akzeptiert oder nicht. Gelegentlich sind auch einschlägige Belegstellen aus antiker Literatur zitiert (cf. ), wenn sie zur Textherstellung beitragen können. Die doppelte Zählung am Rand des Textes schließlich nach Kapiteln (I, II, 111 etc.) und Paragraphen (1, 2, 3 etc.), wonach in der Wissenschaft zitiert wird, geht auf die ordnende Tätigkeit der frühesten modernen Philologen zurück. Die Ubersetzung der Topik, dieser nicht gerade sehr häufig behandelten und daher auch nur unzureichend zugänglich gemachten Schrift, ist für diese Ausgabe ohne Auseinandersetzung mit irgendeinem deutschen Vorbild (das es, soweit ich sehe, auch nicht gibt) neu gefertigt. Grundsatz dabei konnte nur sein die triviale Maxime: Klarheit und Wahrheit. Aber das ist zu konkretisieren, denn diese beiden Kriterien können miteinander in Streit geraten. Die Umsetzung in einen anderen Sprachraum und andere Sprachgestalt findet bei ihrer Arbeit auf beiden Seiten

Editorische Hinweise

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verschiedene Idiomatik, unterschiedliche Begriffsumfänge, Anschauungsweisen und Verknüpfungsmöglichkeiten vor, die sie zu vermitteln hat. Das ist selten leicht, in der Regel anspruchsvoll, manchmal undurchführbar und dennoch ein stets notwendiger Versuch. Gerade bei philosophischen, d. h. in besonderer Weise sprachreflektorischen, mehrdimensionalen, stark konnotierten, prägnanten Texten von hohem Abstraktionsniveau, gerät die Übersetzungstätigkeit bald an ihre Grenze. Zur ciceronischen Arbeit an der Sprache, die in der Topik ja so offenkundig ist und vom Thema her geradezu sich anbietet, tritt in diesem speziellen Fall auch noch die entwickelte, sehr konzise, durchformalisierte und damit fast überhaupt nicht nachahmungs- oder abbildungsfähige Terminologie der römischen Jurisprudenz. Hier kann der Obersetzer sich oft nur auf die Paraphrase beschränken, soll seine Formulierung nicht gänzlich unverständlich werden, und im übrigen mit Anmerkungen zum Text zu verdeutlichen suchen, um welche Sachlage und Problematik es jeweils geht. In diesem Punkt macht sich die bestehende Zeitdifferenz zwischen Original und Rezeption besonders geltend, und die dreidimensionale Kommunikation zwischen Autor, interpretierendem Übersetzer und kritisch nachprüfendem Leser erscheint besonders sinnvoll. Für Kenner der Problematik ist es zwar eine Banalität, sei aber um der praktischen Folgenwillen doch nochmals festgestellt: Manche lateinischen Termini leisten weniger, manche mehr, fast alle aber anderes als die entsprechenden deutschen (oder englischen, französischen usw.); und das bedeutet im konkreten Fall, daß ein lateinischer Ausdruck auf kurze Strecke mit zwei oder mehr deutschen Ausdrükken wiederzugeben war, je nachdem welche unterschiedliche Leistung der Verfasser Cicero ihm gerade abforderte. Dies betrifft so zentrale Begriffe wie: locus, genus, pars, causa u.a.m. Da muß die übersetzung sich mehrere Möglichkeiten offenhalten, weil auch die Sprache mitsamt ihren unendlichen Möglichkeiten in diesem Text nicht nur Subjekt, als bedeutendes, darstellendes medium zwischen

XXIV

Editorische Hinweise

Vorstellung und Ausdruck, sondern auch Objekt, als bedachtes Substrat und Werkzeug zu anderem, ist. Für eine Texterschließung auch von der terminologischen Seite her, wie sie für die Denkansätze und Fragen der Philologie, Logik, Entwicklungsgeschichte, Sprachphilosophie usw. notwendig ist, kann dies nur die Konsequenz haben, daß man die unumgängliche Flexibilität und damit Begriffsdiffusion der Übersetzung hinten anstellt und im Register ausschließlich von den originalen Termini ausgeht. So ist hier verfahren worden. Nebenbei hinzuweisen ist auch darauf, daß die übersetzung die Mittel moderner Drucktechnik nutzt, um längere Abschnitte der Argumentation sichtbar zu untergliedern. Die Anordnung des Gedankengangs der Topik fordert das geradezu heraus. Abgesehen von solchen Selbstverständlichkeiten, wie Worttrennung, Minuskel, Interpunktion- die aber alle im Urtext nicht vorhanden waren! -,gibt es die Möglichkeit der Hervorhebung betonter, gliedernder Begriffe. Des weiteren sind die Hauptabschnitte eingerückt abgesetzt, die Teilabschnitte innerhalb dieser aber stumpf. Derlei Subtilität für das Auge ist in wissenschaftlichen Textausgaben immer noch nicht üblich. Die zum Text gegebenen Anmerkungen schließlich müssen eine Mitte halten. Es ist die zwischen drei Polen: 1) Prosapographie und Realien. Zitierte Autoren, Personen, berühmte Rechtsfälle, Hinweise auf Normen-all das findet sich in diesem Text ja reichlich. Es ist knapp, aber nach Möglichkeit und - hoffentlich - zureichend aufzuschließen. 2) Innere Struktur, Aufbau des Textes, literargeschichtliche Daten, Quellenlage, oft auch ganz einfach nur Verständnis einer Stelle. Hier sollen die Anmerkungen und das dazu über sie hinaus in der Einleitung Gesagte die Interpretation nicht ersetzen, sondern sie vorbereitend ermöglichen, und wäre es auch nur in Auseinandersetzung mit ihnen. 3) Aktuelle Bezüge. Sie sind nur ganz sparsam eingestreut, der Leser wird Entlarvendes schon merken; doch an einigen Stellen bot es sich einfach an, auf zeitgenössische

Editorische Hinweise

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Verhältnisse und Verhaltensweisen anzuspielen, schon um anzudeuten, daß die heutige Zeit in Wissenschaft und Technik über Euklid, Aristarch, Archimedes, Ptolemaios usf. zwar weit hinaus, daß die Philosophie aber, um einmal Jaspers zu zitieren, vielleicht noch nicht wieder bei Platon angekommen ist. Es ist nun einmal ein Faktum, daß dem technischen Fortschritt ein entsprechend großer sittlicher nicht an die Seite gestellt werden kann; und schon deshalb ist es möglich und lohnt sich auch, die Rechtskonflikte, Denk- und Verhaltensweisen anderer Generationen als der unsrigen immer aufs neue verstehend nachzuvollziehen. Es ist zu hoffen, daß mit dieser Ausgabe ein kleiner Beitrag dazu geleistet werden kann.

MARCUS TULLIUS CICERO TOP ICA

Text und Ubersetzung

TOP ICA

I 1

Maiores nos res scribere ingressos, C. Trebati, et his libris, quos brevi tempore satis multos edidimus, digniores e cursu ipso revocavit voluntas tua. Cum enim mecum in Tusculano esses et in bibliotheca separatim uterque nostrum ad. suum studium libellos quos vellet evolveret, incidisti in Aristotelis Topica quaedam, quae sunt ab illo pluribus libris explicata. Qua inscriptione commotus continuo a me libro2 rum eorum sententiam requisisti; quam cum tibi exposuissem, disciplinam inveniendorum argumentorum, ut sine ullo errore ad ea ratione et via perveniremus, ab Aristotele inventam illis libris contineri, verecunde tu quidem ut omnia, sed tarnen facile ut cernerem te ardere studio, mecum ut tibi illa traderem egisti. Cum autem ego te non tarn vitandi laboris mei causa quam quia tua id interesse arbitrarer, vel ut eos per te ipse legeres vel ut totam rationem a doctissimo quodam rhetore acciperes, hortatus essem, u3 trumque, ut ex te audiebam, es expertus. Sed a libris te obscuritas reiecit; rhetor autem ille magnus haec, ut opinor, Aristotelia se ignorare respondit. Quod quidem minime sum admiratus eum philosophum rhetori non esse cognitum, qui ab ipsis philosophis praeter admodum paucos ignoretur; quibus eo minus ignoscendum est, quod non

11 ad ea Klotz ex Boethio : ad eam codd. Boethio : rationem via codd.

ratione et via uulg. ex

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TOPIK

Eigentlich wollte ich über wichtigere Gegenstände schreiben, C. Trebatius, 1 die auch diesen Büchern, die ich in kurzer Zeit in beträchlicher Anzahl an die Öffentlichkeit gegeben habe, 2 angemessener gewesen wären,- da hat mich dein Wunsch von eben diesem Beginnen abgebracht. Denn als du bei mir auf dem Tuskulanischen Gut warst und am Bücherregal jeder von uns für sich Bände nach eigenem Wunsch zum Durcharbeiten herauszog, da bist du an die sogenannten "Topika" des Aristoteles geraten- ein Themenkomplex, der von ihm in mehreren Bänden entwickelt worden ist. Durch diesen Buchtitel ließest du dich anregen und wolltest sogleich von mir etwas über den Inhalt dieser Bücher erfahren. Nun, ich habe ihn dir vorgestellt: 2 In diesen Büchern sei enthalten die von Aristoteles gefundene strenge Methode, wie man Argumentationsgesichtspunkte findet, sodaß man ohne jeden Irrtum auf dem Weg der Vernunft zu ihnen gelange. 3 Da hast du, zwar zurückhaltend, wie es ja stets deine Art ist, aber doch so, daß ich leicht merken mußte, wie sehr du voller Interesse warst, mich dazu bringen wollen, dir darüber genauer zu referieren. Nicht etwa, um dieser Anstrengung aus dem Weg zu gehen, als vielmehr deshalb, weil ich meinte, es sei für dich viel besser so, habe ich dich demgegenüber aufgefordert, du möchtest doch entweder diese Bände selbst lesen oder das ganze Sachgebiet dir von einem bestimmten, wohlinformierten Rhetor vortragen lassen. Beides hast du auch, wie ich von dir hörte, versucht. Aber von den Büchern selbst hat dich deren schwierige 3 Ausdrucksweise abgebracht; dieser großartige Rhetor hingegen hat dir wohl die Antwort gegeben, über dieses "aristotelische Zeug" wisse er keinen Bescheid. Ich habe mich auch gar nicht gewundert über die Tatsache, daß der Philosoph bei einem Redelehrer nicht bekannt ist, der ja sogar unter Philosophen, von sehr wenigen Ausnahmen abgesehen, praktisch unbekannt ist. 4 Dies ist gerade bei ihnen

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rnodo rebus e1s quae ab illo dictae et inventae sunt adlici debuerunt, sed dicendi quoque incredibili quadarn curn copia turn etiarn suavitate. Non potui igitur tibi saepius hoc roganti et tarnen verenti ne rnihi gravis esses- facile enirn id cernebam - debere diutius, ne ipsi iuris interpreti fieri videretur iniuria. Etenirn curn tu rnihi rneisque rnulta saepe scripsisses, veritus surn ne, si ego gravarer, aut ingraturn id aut superburn videretur. Sed durn fuirnus una, tu optirnus es testis quarn fuerirn occupatus; ut autern a te discessi in Graeciarn proficiscens, curn opera rnea nec res publica nec arnici uterentur nec honeste inter arma versari possern, ne si tuto quidern rnihi id liceret, ut veni Veliarn tuaque et tuos vidi, adrnonitus huius aeris alieni nolui deesse ne tacitae quidern flagitationi tuae. Itaque haec, curn rnecurn libros non haberern, rnernoria repetita in ipsa navigatione conscripsi tibique ex itinere rnisi, ut rnea diligentia rnandatorurn tuorurn te quoque, etsi adrnonitore non eges, ad rnernoriarn nostrarurn rerurn excitarern. Sed iam ternpus est ad id quod instituirnus accedere. Curn ornnis ratio diligens disserendi duas habeat partis, unarn inveniendi alterarn iudicandi, utriusque princeps, ut rnihi quidern videtur, Aristoteles fuit. Stoici autern in altera elaboraverunt; iudicandi enirn vias diligenter persecuti sunt ea scientia quam lho.XEKTIJ(.TII' appellant, inveniendi artern

20 partis vulg. : artis Aa'

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Kapitel 1/11 · §§ 4-6

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umso unverzeihlicher, da sie nicht allein durch die Erkenntnisse, die von ihm aufgefunden und formuliert sind, hätten angelockt werden müssen, sondern auch durch die geradezu unglaubliche Fülle und Eleganz der Diktion. Da du mich nun öfter darum batest und doch auch in 4 Sorge warst, du könntest mir damit lästig fallen (dies war ja leicht zu merken), so konnte ich dir das gar nicht länger schuldig bleiben, schon damit nicht gerade einem so rechtskundigen Mann ein Unrecht geschähe. Denn nachdem du mir und meinen Angehörigen oft ausführlich geschrieben hattest, war ich in Sorge, wenn ich jetzt noch Ausflüchte machte, dann würde dies entweder unfreundlich oder arrogant erscheinen. Für die Zeit, in der wir beisammen waren, bist du selbst der beste Zeuge dafür, wie sehr ich beschäftigt war. Als ich 5 dich jedoch in Richtung Griechenland verlassen mußte, da weder die politischen Vorgänge noch meine Freunde meine Mitwirkung in Anspruch nahmen und ich auch nicht in diesem ganzen Waffenlärm mich auf ehrliche Weise aufhalten konnte, ganz zu schweigen davon, daß ich darin auch gar nicht hätte sicher sein können,- als ich nun also nach Velia kam 5 und dein Anwesen und deine Angehörigen sah, da wurde ich an diese Schuld erinnert und wollte nun nicht einmal mehr deinem schweigenden Verlangen ausweichen. Da ich ja die Bücher nicht mit mir hatte, so habe ich diesen ganzen Stoff auf der Seereise in meinem Gedächtnis aufgearbeitet und niedergeschrieben und schicke es dir nun vom Weg aus zu, 6 um auf Grund meiner Sorgfalt bezüglich deiner Wünsche auch dich - obschon du einer Ermahnung wirklich nicht bedarfst - zu Aufmerksamkeit für meine Äußerungen anzuregen. Aber nun ist es an der Zeit, zur Sache zu kommen: Jede sorgfältige Methode des Vortrags besitzt zwei Teil- ~I aspekte, einmal den des Auffindens, zum anderen den des Beurteilens; und in beiden ist, jedenfalls nach meiner Meinung, Aristoteles der führende Mann gewesen. Die Stoiker hingegen haben nur einen davon ausgearbeitet: sie sind nämlich den Wegen der Beurteilung sorgfältig nachgegangen in dem Wissensgebiet, das sie "Dialektik" nennen; die

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CICERO · TOPICA

quae T01fi.Kft dieitur, quae et ad usurn potior erat et ordine naturae eerte prior, totarn reliquerunt. Nos autern, quoniarn in utraque surnrna utilitas est et utrarnque, si erit otiurn, persequi eogitarnus, ab ea quae prior est ordiernur. Vt igitur earurn rerurn quae abseonditae sunt dernonstrato et no- 5 tato loeo faeilis inventio est, sie, eurn pervestigare argurnenturn aliquod volurnus, loeos nosse debernus; sie enirn appellatae ab Aristotele sunt eae quasi sedes, e quibus argurnenta prornuntur. Itaque lieet definire loeurn esse argurnenti sedern, argurnenturn autern rationern, quae rei dubiae faci- 10 at fidern. Sed ex his locis in quibus argurnenta inclusa sunt, alii in eo ipso de quo agitur haerent, alii adsurnuntur extrinseeus. In ipso turn ex toto, turn ex partibus eius, turn ex nota, turn ex eis rebus quae quodam rnodo adfeetae sunt ad id de quo quaeritur. Extrinseeus autern ea dueun- 15 tur quae absunt longeque disiuneta sunt. Sed ad id toturn de quo disseritur turn definitio adhibetur, quae quasi involuturn evolvit id de quo quaeritur; eius argurnenti talis est forrnula: Ius eivile est aequitas eonstituta eis qui eiusdern civitatis sunt ad res suas obtinendas; eius autem aequitatis 20 utilis eognitio est; utilis ergo est iuris eivilis seientia;- turn partium enumeratio, quae traetatur hoe modo: Si neque

I quaeque et A codd.

17 quae 0 : qua codd.

18 evolvit 0 : evolvitur

Kapitel II · §§ 7-10

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Methodik der Auffindung, die "Topik" heißt, haben sie ganz liegengelassen, obschon sie doch eigentlich für die Praxis wichtiger und der gegebenen Reihenfolge der Begriffe nach fundamentaler ist. Ich hingegen will, da beide Teilgebiete großen Nutzen 7 bringen und ich beide, wenn ich die Zeit dazu finde, zu behandeln gedenke, mit dem beginnen, der der fundamentalere ist. Also: Ebenso wie die Auffindung von Dingen, die versteckt sind, dann leicht ist, wenn ihr Ort bezeichnet und bekannt ist, genauso muß man, wenn man irgend ein Argument auffinden will, solche Stellen kennen. 7 Mit diesem Namen- "Stelle"- sind nämlich von Aristoteles diese, wenn man so will, "Wohnsitze" bezeichnet, aus denen man sich Argumente holt. Man kann also folgendermaßen defi- 8 nieren: Stelle ist der Sitz eines Arguments. Ein Argument aber ist ein vernünftiger Satz, der einen angezweifelten Sachverhalt absichern soll. Was nun diese Stellen angeht, auf denen die Argumente abholbar angesiedelt sind, so sind [A] die einen davon in dem Gegenstand, um den es jeweils geht, inbegriffen, [B] die anderen werden von außen herzugezogen. Für den Fall [A] gibt es dann die folgenden Möglichkeiten: Entweder [ 1] sie gehen hervor aus dem Untersuchungsgegenstand als Ganzem, oder [2] aus Teilen von ihm, oder [3] aus einem seiner Merkmale, oder [ 4] aus irgend einem seiner möglichen Folgebegnffe. Von außen [B] werden die Argumente herangeholt, die fernliegen und weit verstreut sind. Für dieses Ganze des Untersuchungsgegenstandes wird 9 nun einmal eine Definition herangezogen, die die gewissermaßen verhüllte Sache, um die es geht, herausholt. Ein Standardbeispiel für ein solches Argument geht etwa so: Bürgerrecht ist durch Beschluß festgesetzte Gleichheit für Angehörige des gleichen Staates zum Zweck der Wahrung ihrer Angelegenheiten; Kenntnis bezüglich dieser Gleichheit ist nützlich; also ist die Wissenschaft vom Bürgerrecht nützlich. 8 Ein andermal nimmt man eine Aufzählung der Teile, die 10 etwa so erfolgen kann:

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censu nec vindicta nec testarnento liber factus est, non est liber; neque ulla est earurn rerurn; non est igitur liber; turn notatio, curn ex verbi vi argurnenturn aliquod elicitur hoc rnodo: Curn Iex assiduo vindiCern assiduurn esse iubeat, locupletern iubet locupleti; is est enirn assiduus, ut ait L. 5 Aelius, appellatus ab aere dando. Ducuntur etiarn argurnenta ex eis rebus quae quodam rnodo adfectae sunt ad id de quo quaeritur. Sed hoc genus in pluris partis distributurn est. Narn alia coniugata appellarnus, alia ex genere, alia ex forrna, alia ex sirnilitudine, alia ex differentia, alia ex 10 contrario, alia ex adiunctis, alia ex antecedentibus, alia ex consequentibus, alia ex repugnantibus, alia ex causis, alia ex effectis, alia ex cornparatione rnaiorurn aut pariurn aut rninorurn. Coniugata dicuntur quae sunt ex verbis generis eiusdern. Eiusdern autern generis verba sunt quae orta ab 15 uno varie cornrnutantur, ut sapiens sapienter sapientia. Haec verborurn coniugatio avrll'}'ia dicitur, ex qua huius rnodi est argurnenturn: Si cornpascuus ager est, ius est cornpascere. A genere sie ducitur: Quoniarn argenturn ornne rnulieri legaturn est, non potest ea pecunia quae nurnerata dorni re- 20

5 enim 0 : om. codd. 5 lae1ius AadVL 6 ab asse 11ulg., cf. Gell. xvi.10.16 10fonnulaA 11 adiunctisOc: coniunctiscodd.

Kapitel 11/III · §§ 11-13

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Wenn jemand weder auf Grund des Zensus noch mittels des Freiheitsstabs noch auf Grund eines Testaments freigeworden ist, 9 so ist er nicht frei. Nun liegt in diesem Fall aber keiner der genannten Tatbestände vor. Also ist dieser Mann nicht frei. Ein andermal zieht man die Zeichenbedeutung heran, indem man aus dem Sinn eines Wortes ein Argument herausholt, etwa so: Wenn das Gesetz bestimmt, daß für einen Vollbürger nur ein Vollbürger der Rechtswahrer sein kann, dann bestimmt es auch einen Reichen für einen Reichen. So ein Vollbürger ist nämlich, wie L. Aelius das formuliert, benannt nach "Geld-Geben". 10 Man holt sich schließlich auch Argumente aus solchen Sachverhalten, die mit dem Untersuchungsgegenstand irgendwie zusammenhängen. Dieser Komplex zerfällt noch in eine Mehrzahl von Untergruppen: Eine Gruppe nennt man "verknüpft", eine andere "auf Grund der Gattung", wieder eine "auf Grund der Art", eine weitere "auf Grund der Ähnlichkeit", noch eine "auf Grund des Unterschiedes", eine "auf Grund des Gegensatzes", eine "auf Grund von anschließenden Vorstellungen", eine andere "auf Grund von Voraussetzungen", eine andere "auf Grund von Folgen", eine andere "auf Grund von Widersprüchen", eine "auf Grund von Ursachen", eine "auf Grund von Wirkungen" und eine "auf Grund des Vergleichs", und zwar mit Größerem, Gleichem oder Kleinerem. Verknüpft werden die Vorstellungen, die aus Worten von ein und derselben Herkunft entstehen. Dabei sind Worte von ein und derselben Herkunft solche, die sich von einer Wurzel herleiten und verschiedene Formen bilden, z. B. weise, wohlweislich, Weisheit. Diese Verknüpfung von Worten wird griechisch "syzygia" genannt. Nach ihr kann ein Argument etwa so laufen: Wenn dieses Land Gemeindetrift ist, so ist es gemeines Recht, hier aufzutreiben." Von der Gattung aus leitet man so her: Da das gesamte Silber dieser Frau vermacht worden ist, so kann dieses Geld, welches durchgezählt im

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licta est non esse legata; forma enim a genere, quoad suum nomen retinet, numquam seiungitur, numerata autem pecunia nomen argenti retinet; legata igitur videtur. A forma generis, quam interdum, quo planius accipiatur, partem licet nominare hoc modo: Si ita Fabiae pecunia legata est a viro, si ei viro materfamilias esset; si ea in manum non convenerat, nihil debetur. Genus enim est uxor; eius duae formae: una matrumfamilias, [eae sunt, quaein manum convenerunt;] altera earum, quae taoturn modo uxores habentur. Qua in parte cum fuerit Fabia, legatum [ei] non videtur. A similitudine hoc modo: Si aedes eae corruerunt vitiumve faciunt quarum usus fructus legatus est, heres restituere non debet nec reficere, non magis quam servum restituere, si is cuius usus fructus legatus esset deperisset. A differentia: Non, si uxori vir legavit argenturn omne quod suum esset, idcirco quae in nominibus fuerunt legata sunt. Multum enim differt in arcane positum sit argenturn an in tabulis [debeatur]. Ex contrario autem sie: Non debet ea mulier cui vir bonorum suorum usum fructum legavit cellis vinariis et oleariis plenis relictis, putare id ad se pertinere. Usus enim, non abusus, legatus est. [Ea sunt inter se con-

8 eae ... convenerunt secl. Nizolius 10 ei om. 0 12 fecerunt c 18 debeatur secl. Hotoman 21 Ea ... contraria secl. Hammer

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Kapitellll · §§ 14-17

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Hause verblieben ist, nicht nicht vermacht sein. Die Art nämlich ist von der Gattung, solange sie ihren Namen behält, nie zu trennen. Abgezähltes Geld aber behält den Namen "Silber". Also ist es ihr offenkundig vermacht. 12 Von der Art einer Gattung aus, die man bisweilen auch "Teil" nennen könnte, damit es deutlicher zu verstehen ist, geht es auf diese Weise: Wenn dieser Fabia Geld vermacht worden ist von dem Mann unter der Auflage, daß sie dieses Mannes eheliche Hausfrau wäre, und wenn sie nun nicht in dieses rechtliche Verhältnis eingetreten war, dann hat sie keinen Anspruch. - Die Gattung ist hier "Ehefrau"; diese hat zwei Arten: einmal die der ehelichen Hausfrau, zum anderen die, welche nur als Gattinnen gelten. Da Fabia nur hierzu gehört, ist es ihr offenkundig nicht vermacht.U Von der A'hnlichkeit aus wird es auf folgende Weise gemacht: Wenn ein solches Gebäude eingestürzt ist und einen Schaden verursacht hat, dessen Ertragsnutzung vermacht ist, dann ist der Erbe weder zur Reparatur noch zur Wiederherstellung verpflichtet, ebensowenig wie im Fall eines Sklaven, wenn ein solcher, dessen Ertragsnutzung vermacht war, gestorben ist. 14 Vom Unterschied aus: Wenn ein Mann seiner Gattin das gesamte Silber, das in seinem Besitz war, vermacht hat, dann ist deswegen nicht auch das, was durch Schuldverschreibungen belastet ist, ihr vermacht. Es macht nämlich einen großen Unterschied, ob das Geld in der Kasse verwahrt ist, oder ob es auf der Schuldenliste steht. 15 Vom Gegenteil aus aber so: Eine Frau, der ihr Mann die Ertragsnutzung an seinen Gütern vermacht hat, darf nicht meinen, wenn er volle Wein- und ölkeller hinterläßt, daß sie sich dann selbst darüber hermachen könnte. Denn ihr ist der Gebrauch, nicht der Mißbrauch vermacht. 16

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\~ traria.] Ab adiunctis: Si ea mulier testamenturn fecit quae

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se capite numquam deminuit, non videtur ex edicto praetoris secund um eas tabulas possessio dari. Adiungitur enim, ut secund um servorum, secund um exsulum, secund um puerorum tabulas possessio videatur ex edicto dari. Ab ante- 5 cedentibus autem et consequentibus et repugnantibus hoc modo; ab antecedentibus: Si viri culpa factum est divortium, etsi mulier nuntium remisit, tarnen pro liberis manere nihil oportet. A consequentibus: Si mulier, cum fuisset nupta cum eo quicum conubium non esset, nuntium remi- 10 sit; quoniam qui nati sunt patrem non sequuntur, pro liberis manere nihil oportet. A repugnantibus: Si paterfamilias uxori ancillarum usum fructum legavit a filio neque a secundo herede legavit, mortuo filio mulier usum fructum non amittet. Quod enim semel restamento alicui datum 15 est, id ab eo invito cui datum est auferri non potest. Repugnat enim recte accipere et invitum reddere. Ab efficientibus rebus hoc modo: Omnibus est ius parietem directum ad parietem communem adiungere vel solidum vel fomicatum. Sed qui in pariete communi demoliendo damni in-

3 adiungeretur A codd.

adiungetur Bm

16, 17 repugnat 0

pugnat

Kapitel IV· §§ 18-22

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Von den anschließenden Vorstellungen aus: Wenn eine solche Frau ein Testament gemacht hat, die sich an ihrem Bürgerrecht niemals geschmälert hat, dann erscheint es nicht mit dem Prätorenedikt vereinbar, gemäß diesen Listen das Besitzrecht zu überschreiben; denn daran wäre die Vorstellung angeschlossen, auch gemäß den Sklaven-, den Verbanntenund den Kinderlisten könnte im Einklang mit dem Edikt Besitzrecht überschrieben werden. 17 Von den Voraussetzungen, Folgen und Widersprüchen aus wird es auf folgende Weise gemacht. Von den Voraussetzungen aus: 18 Wenn durch Verschulden des Mannes eine Scheidung eingetreten ist, dann ist es rechtens, auch wenn die Aufkündigung der Ehe von der Frau ausgegangen ist, daß dann doch für die Kinder nichts bleibt. Von den Folgen aus: Wenn eine Frau, nachdem sie verheiratet war mit einem Mann, mit dem sie auf Grund fehlender Rechtsvoraussetzungen gar nicht hätte verheiratet sein dürfen, die Ehe aufkündigt, dann ist es rechtens, da ja die Kinder, die sie hat, nicht in der Erbfolge des Vaters geboren sind, daß diesen nichts bleibt. 19 Von den Widersprüchen aus: Wenn ein Familienoberhaupt seiner Gattin den Ertragsnutzen an den Mägden vermacht hat unter der Auflage, daß ihr der Sohn, und nicht ein Zweiterbe, dies garantiert, dann wird im Falle von dessen Tod die Frau das Nutzungsrecht nicht verlieren. Was nämlich einmal in einem Testament jemandem gegeben ist, das kann gegen den Willen dessen, dem es gegeben wurde, nicht weggenommen werden. Es besteht nämlich ein Widerspruch zwischen "zu Recht erhalten" und "gegen den Willen zurückgeben". Von den Ursachen aus auf folgende Weise: Jeder hat das Recht, an eine gemeinsame Mauer im rechten Winkel eine Mauer - entweder massiv oder als Bogen - anzuschlagen. Wer aber beim Eingriff in die gemeinsame Mauer Zusagen hinsichtlich mögli-

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fecti promiserit, non debebit praestare, quod fornix viti fecerit. Non enim eius vitio qui demolitus est damnum factum est, sed eius operis vitio quod ita aedificatum est, ut 23 suspendi non posset. Ab effectis rebus hoc modo: Cum mulier viro in manum convenit, omnia quae mulieris fuerunt viri fiunt dotis nomine. Ex comparatione autem omnia valent quae sunt huius modi: Quod in re maiore valet valeat in [re] minore, ut si in urbe finesnon reguntur, nec aqua in urbe arceatur. Item contra: Quod in minore valet, valeat in maiore. Licet idem exemplum convertere. Item: Quod in re pari valet, valeat in hac quae par est; ut: Quoniam usus auctoritas fundi biennium est, sit etiam aedium. At in lege aedes non appellantur et sunt ceterarum rerum omnium quarum annuus est usus. Valeat aequitas, quae pa· 24 ribus in causis paria iura desiderat. Quae autem adsumuntur extrinsecus, ea maxime ex auctoritate ducuntur. Itaque Graeci talis argumentationes dn!xvovc; vocant, id est artis expertis, ut si ita respondeas: Quoniam P. Scaevola id solum esse ambitus aedium dixerit, quod parietis communis tegendi causa teeturn proiceretur, ex quo tecto in eius ae-

4 possit Abf 8 re minore OL V reguntur 0 : regantur codd. 11 quae par codd. : qui par B : quoi par Buecheler 13 (at in lege aedes non appellantur) et ceterarum Madvig 19 quod vulg. : quantum OB ex Boethio : quo d : quoad Va/la 20 tecto in eius Boethius: in teeturn eius codd.

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Kapitel IVᤤ 23-24

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eben künftigen Schadens gemacht hat, der wird keine Gewährleistung übernehmen müssen für den Schaden, den der Bogen etwa verursacht hat. Denn der Schaden ist nicht verursacht durch Fehler dessen, der den Abbruch vorgenommen hat, sondern durch Fehlerhaftig· keit des Bauwerks, das so errichtet war, daß man es nicht unterfangen konnte. 20 Von den Wirkungen aus auf folgende Weise: 23 Wenn eine Frau in die eheliche Rechtsobhut eines Mannes eingegangen ist, dann wird der gesamte Besitz der Frau nun Eigentum des Mannes, unter dem Rechtstitel "Mitgift". Vom Vergleich aus hat alles argumentative Bedeutung, was folgender Art ist: Was bei einem wichtigeren Sachverhalt gilt, soll auch bei einem unwichtigeren gelten, z.B.: Wenn in der Stadt die Grenzmarken nicht abgesteckt sind, dann darf auch hier kein Ausschluß vom Bürgerrecht erfolgen. Ebenso umgekehrt: Was bei Unwichtigerem gilt, soll auch bei Wichtigerem gelten. Da kann man das gleiche Beispiel auch umdrehen. 21 Ebenso, was bei gleich wichtigem Sachverhalt gilt, soll auch bei gleich wichtigem Sachverhalt gel· ten, z.B.: Da das Nutzungsrecht an dem Landgut auf zwei Jahre angesetzt ist, soll dies auch für die Gebäude gelten. Einwand: Aber in dem Kontrakt ist von Gebäuden nicht die Rede, und unter allen übrigen Gegenständen gibt es solche, deren Nutzung auf nur ein Jahr begrenzt ist. - Nun, in diesem Fall soll die Billigkeit den Vorrang haben, die in gleichgelagerten Fällen gleiche Rechte verlangt. Was nun aber von außen herzugezogen wird, das wird 24 besonders aus der Autorität hergeleitet. Und so nennen die Griechen solche Argumentationsweisen auch "atechnisch", d.h. kunstlos, wie z. B. bei folgender Antwort: Da ein Mann wie P. Scaevola den Umkreis von Gebäuden ausschließlich so bestimmt hat: Die Dachfläche, soweit sie, um die gemeinsame Mauer zu decken, auslädt, und zwar genau so weit, wie von ihr das Regen-

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dis qui protexisset aqua deflueret, id tibi ius videri. His igitur locis qui sunt expositi ad omne argurnenturn reperiendum tamquam elementis quibusdam significatio et demonstratio [ad reperiendum] datur. Utrum igitur hactenus satis est? Tibi quidem tarn acuto et tarn occupato puto. Sed quoniam avidum hominem ad has discendi epulas recepi, sie accipiam, ut reliquiarum sit potius aliquid quam te hinc patiar non satiatum discedere. Quando ergo unus quisque eorum locorum quos exposui sua quaedam habet membra, ea quam subtilissime persequamur, et primum de ipsa definitione dicatur. Definitio est oratio, quae id quod definitur explicat quid sit. Definitionum autem duo genera prima: unum earum rerum quae sunt, alterum earum quae intelleguntur. Esse ea dico quae cemi tangique possunt, ut fundum aedes, parietem stillicidium, mancipium pecudem, supellectilem penus et cetera; quo ex genere quaedam interdum vobis definienda sunt. Non esse rursus ea dico quae tangi demonstrarive non possunt, cemi tarnen animo atque intellegi possunt, ut si usus capionem, si tutelam, si gentem, si agnationem definias, quarum rerum null um subest [quasi] corpus, est tarnen quaedam conformatio insignita et impressa intellegentia, quam notionem voco. Ea saepe in argumentando definitione explicanda est. Atque etiam definitiones aliae sunt partitionum aliae divisionum; partitionum,

3 reperiendum om. codd. 0 4 ad reperiendum om. 0 A 20 quarum codd. : qualium A quasi del.Proust gentiae 0 : in intellegentia vulg.

14 tangive 22 intelli-

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Kapitel IV /V · §§ 25-28

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wasser in den Hof des Hauses dessen abläuft, der das Dach angebracht hat, 22 - soll dies als gültig erscheinen. Mittels dieser dargestellten Gesichtspunkte also wird im 25 Hinblick auf die Auffindung eines jeden Schlusses sozusagen aus einer Art von Grundbausteinen die Formulierung und der Vortrag von Sätzen möglich. - Ist also insoweit Genüge getan? -Für dich als einen so schnell begreifenden und so beschäftigten Mann glaube ich es zwar durchaus . .Je- V doch, da ich einen hungrigen Mann zu diesem Gastmahl des Lernens aufgenommen habe, so will ich die Sache so anpacken, daß lieber etwas an Resten übrigbleibt, als daß ich dich ungesättigt von hinnen gehen ließe. Da nun also ein jeder dieser dargelegten Gesichtspunkte 26 gewissermaßen eigene Glieder hat, so wollen wir diese so sorgfältig wie möglich durchgehen, und zuerst soll nun von der Deft"nition die Rede sein. Definition ist eine sprachliche Äußerung, die von dem, was da definiert werden soll, darlegt, was es ist. An Definitionen gibt es zwei fundamentale Arten: Einmal die von Gegenständen, die existieren, zum andern die von Gegenständen, die nur gedacht werden. "Existieren" meine ich so: Alles, was man sehen und an- 27 fassen kann, wie z.B. Landgut, Gebäude, Mauer, Dachrinne, Sklave, Vieh, Hausrat, Speisekammer usw. Bisweilen stehen wir vor der Aufgabe, gewisse Gegenstände von dieser Art definieren zu müssen. "Nichtexistieren", andrerseits, meine ich so: Was man nicht anfassen und worauf man nicht zeigen, was man aber doch im Geist sehen und begreifen kann, wie wenn man etwa Besitz nach Gewohnheitsrecht, Vormundschaft, Abstammung, Blutsverwandtschaft definiert. 23 Alle diese Dinge besitzen keine körperliche Realität, trotzdem gibt es von ihnen eine deutliche Vorstellung und eine fest eingeprägte Idee, was ich "Begriff" nenne. Ein solcher ist oft beim Argumentieren durch eine Definition zu klären. Des weiteren bestehen die einen Definitionen aus Zer- 2 8 legungen, die anderen aus Einteilungen. Zerlegungn liegt dann vor, wenn der in Frage stehende Gegenstand ge-

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eum res ea quae proposita est quasi in membra diseerpitur, ut si quis ius eivile dieat id esse quod in legibus, senatus eonsultis, rebus iudieatis, iuris peritorum auetoritate, edietis magistratuum, more, aequitate eonsistat. Divisionum autem definitio formas omnis eompleetitur quae sub eo genere sunt quod definitur hoe modo: Abalienatio est eius rei quae maneipi est aut traditio alteri nexu aut in iure eessio VI inter quos ea iure eivili fieri possunt. Sunt etiam alia genera definitionum, sed ad huius libri institutum illa nihil perti29 nent; tantum est dieendum qui sit definitionis modus. Sie igitur veteres praeeipiunt: eum sumpseris ea quae sint ei rei quam definire velis eum aliis eommunia, usque eo persequi, dum proprium efficiatur, quod nullam in aliam rem transferri possit. Ut haee: Hereditas est peeunia. Commune adhue; multa enim genera peeuniae. Adde quod sequitur: quae morte alieuius ad quempiam pervenit. Nondum est definitio; multis enim modis sine hereditate teneri peeuniae mortuorum possunt. Unum adde verbum: iure; iam a eommunitate res diiuneta videbitur, ut sit explieata definitio sie: Hereditas est peeunia quae morte alieuius ad quempiam pervenit iure. Nondum est satis; adde: nee ea aut legata testamento aut possessione retenta; eonfeetum est.

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wissermaßen in seine Glieder auseinandergenommen wird, wie wenn z.B. jemand sagt: Bürgerliches Recht ist das, was in Gesetzen, Senatsbeschlüssen, Präzedenzfällen, in maßgeblicher Meinung von Rechtsgelehrten, in Beamtenedikten und überhaupt nach Gewohnheit und Billigkeit festgesetzt ist. Eine Definition aus Einteilungen dagegen erfaßt alle Arten, die unter der entsprechenden Gattung stehen. Eine solche wird dann etwa so definiert: Veräußerung ist bezüglich einer Sache, die rechtmäßiges Eigentum ihres Besitzers ist, entweder ihre Übergabe an einen anderen unter dessen Schuldverpflichtung oder eine rechtliche Abtretung vor der Justizobrigkeit zwischen Personen, unter denen dies nach dem bürgerlichen Recht erfolgen kann. 24 Es gibt auch noch andere Arten von Definitionen, aber VI die haben zum Vorhaben dieses Buches keine Beziehung. Jetzt ist nur noch darüber zu reden, wie eine Definition zustande kommt. Folgendermaßen schreiben die anerkannten Autoren dies 29 vor: Wenn man Eigenschaften angeführt hat, die dem Gegenstand, den man definieren will, mit anderen gemeinsam sind, dann solle man bis zu dem Punkt fortschreiten, bis eine ihm eigentümliche Eigenschaft formuliert wird, die auf keinen anderen Gegenstand übertragen werden kann. 25 Z. B. in diesem Fall: "Erbschaft, das ist Geld." - Das ist noch zu allgemein, denn es gibt viele Begriffe von Geld. Man füge folgendes hinzu: "welches durch jemandes Tod auf irgendeinen übergeht". - Das ist noch keine Definition; denn auf vielfache Weise kann Geld von Toten auch ohne Erbschaft in jemandes Hand geraten. Man füge also einen einzigen Ausdruck hinzu: "von Rechts wegen"; und schon erscheint der Sachverhalt von jeder Gemeinsamkeit gereinigt. Somit heißt die entwickelte Definition so: "Geld, das durch jemandes Tod von Rechts wegen auf irgendeinen übergeht". - Das genügt noch nicht! Man füge hinzu: "und zwar welches nicht durch Testament vermacht oder durch Besitzrecht vorbehalten ist." Jetzt ist alles ge· leistet.

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Itemque [ut illud]: Gentiles sunt inter se qui eodem nomine sunt. Non est satis. Qui ab ingenuis oriundi sunt. Ne id quidem satis est. Quorum maiorum nemo servitutem servivit. Abest etiam nunc. Qui capite non sunt deminuti. Hoc fortasse satis est. Nihil enim video Scaevolam pontificem ad hanc definitionem addidisse. Atque haec ratio valet in utroque genere definitionum, sive id quod est, sive id quod 30 intellegitur definiendum est. Partitionum [autem] et divisionum genus quale esset ostendimus, sed quid inter se differant planius dicendum est. In partitione quasi membra sunt, ut corporis caput umeri manus latera crura pedes et VII cetera; in divisione formae, quas Graeci E'il>11 vocant, nostri, si qui haec forte tractant, species appellant, non pessime id quidem sed inutiliter ad mutandos casus in dicendo. Nolim enim, ne si Latine quidem dici possit, specierum et speciebus dicere; et saepe bis casibus utendum est; at formis et formarum velim. Cum autem utroque verbo idem significetur, commoditatem in dicendo non arbitror neglegendam. 31 Genus et formam definiunt hoc modo: Genus est notio ad pluris differentias pertinens; forma est notio cuius differentia ad caput generis et quasi fontem referri potest. Notionem appello quod Graeci turn ~vvor.a11 turn 1rPOAT/t/IW. Ea est insita et animo praecepta cuiusque cognitio enoda-

1 ut illud secl. Friedrich 8 autem secl. Lambinus 23 animo Hammer: ante codd.: om. non nulli praeceptaf: percepta codd.

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Kapitel VI/VIIᤤ 29-31

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Ebenso im folgenden Fall: "Stammverwandte sind solche, die den gleichen Familiennamen tragen." - Das reicht nicht, also: "die von Freien abstammen". - Auch das ist noch nicht genug: "unter deren Vorfahren niemand Sklave war." -Auch jetzt ist der Punkt noch nicht getroffen; dazu: "die in ihrem Bürgerrecht nicht ges.chmälert sind." Das genügt vielleicht; denn ich sehe, daß der Pontifex Scaevola zu dieser Definition nichts mehr hinzugefügt hat. 2 ' Und diese Methode gilt bei beiden Arten von Definition, ob nun etwas definiert werden soll, das ist, oder etwas, das nur gedacht wird. Wie es mit der Art der Zerlegungen und Einteilungen be- 30 schaffen ist, habe ich nun schon gezeigt; aber welcher Unterschied zwischen ihnen besteht, darüber ist ausführlicher zu sprechen. Bei der Zerlegung sind es sozusagen Glieder, wie bei einem Körper Kopf, Schultern, Hände, Flanken, Schenkel, Füße usw. Bei der Einteilung sind es Arten, die die VII Griechen "eide" nennen, unsere Autoren, wenn sie einmal auf diese Sachen zu sprechen kommen, "species", gar nicht so schlecht zwar, aber doch unhandlich für das Verändern der Fälle beim Reden. Ich möchte nämlich nur ungern, ganz abgesehen davon, ob man im Lateinischen diese Formen überhaupt bilden könnte, "specierum" und "speciebus" sagen; und diese Fälle muß man ja oft bilden. 27 Dagegen, "formis" und "formarum" bilde ich gern. Da nun aber mit beiden Worten das Gleiche bezeichnet wird, meine ich, die Geläufigkeit beim Sprechen nicht außer acht lassen zu sollen. Gattung und Art definiert man so: Gattung ist ein Be- 31 griff, der sich über mehrere Unterscheidungsmerkmale erstreckt. Art ist ein Begriff, dessen Unterscheidungsmerkmal auf den Hauptbegriff der Gattung, sozusagen wie auf eine Quelle, zurückgeführt werden kann. "Begriff" nenne ich, wofür die Griechen bald "ennoia", bald "prolepsis" sagen. Das ist eine eingeborene, im Geist festgeschriebene Erkenntnisvorstellung eines jeden Gegenstandes, die einer

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tionis indigens. Forrnae sunt [igitur] eae in quas genus sine ullius praeterrnissione dividitur; ut si quis ius in Iegern rnorern aequitatern dividat. Formas qui putat idern esse quod partis, confundit artern et sirnilitudine quadarn conturbatus non satis acute quae sunt secemenda distinguit. Saepe etiarn definiunt et oratores et poetae per translationern verbi ex sirnilitudine curn aliqua suavitate. Sed ego a vestris exernplis nisi necessario non recedarn. Solebat igitur Aquilius conlega et farniliaris rneus, curn de litoribus ageretur, quae ornnia publica esse vultis, quaerentibus eis quos ad id pertinebat, quid esset litus, ita definire, qua fluctus eluderet; hoc est, quasi qui adulescentiarn florern aetatis, senectutern occasurn vitae velit definire; translatione enirn utens discedebat a verbis propriis rerurn ac suis. Quod ad definitiones attinet, hactenus; reliqua videamus. Partitione turn sie utendurn est, nullarn ut partern relinquas; ut, si partiri velis tutelas, inscienter facias, si ullarn praeterrnittas. At si stipulationurn aut iudiciorurn forrnulas partiare, non est vitiosurn in re infinita praeterrnittere aliquid. Quod idern in divisione vitiosurn est. Formarurn enirn certus est nurnerus quae cuique generi subiciantur; partiurn distributio saepe est infinitior, tarnquam rivorurn a fonte diductio. Itaque in oratoriis artibus quaestionis genere proposito, quot eius formae sint, subiungitur absolute. At

1 igitur sec/. Orelli: om. f abcL 10 ad quos Of

6 per translationem Ocf: tralatione A 2

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Entwicklung bedarf. Arten sind die Begriffe, in welche eine Gattung ohne Auslassung irgend eines Aspekts eingeteilt wird, wie wenn z. B. jemand "Recht" in "Gesetz, Gewohnheit, Billigkeit" einteilt. Wer glaubt, Arten seien das gleiche wie Teile, der bringt das ganze System durcheinandel' und, durch eine gewisse Ähnlichkeit verwirrt, hält er nicht genau genug auseinander, was doch zu trennen ist. 28 Oft auch "definieren" Redner sowie Dichterdurch Obertragung eines Wortes auf Grund von Ähnlichkeit, und dies geschieht mit einer bestimmten Eleganz. - Aber ich will von euren juristischen Beispielen nur notgedrungen abweichen; so war also mein Kollege und enger Freund Aquilius gewohnt, wenn es eine Verhandlung um Strandgrundstücke gab, von denen ihr ja wollt, daß sie alle öffentlich sein sollen, auf die Frage der Interessengruppen, was denn eigentlich ein Strand sei, folgende Definition zu geben: Wo die Flut spiele. 29 Das ist so, wie wenn man etwa die Jugend als "Blüte des Lebens" und das Alter als "Neige des Lebens" bestimmen wollte. Durch die übertragung nämlich hat man sich von den eigenen und eigentümlichen Wörtern der Dinge entfernt. Was die Definitionen angeht, so viel. Sehen wir uns das Weitere an: Zweitens, die Zerlegung in Teile muß man so durchführen, daß man keinen Teil ausläßt. Z. B., wenn man Fürsorgeverhältnisse aufgliedern will, so handelt man sicher fehlerhaft, wenn man eines davon übergeht. Dagegen, wenn man die Formeln von Geschäftsanfragen oder Richtersprüchen aufgliedert, so ist es nicht fehlerhaft, bei diesem unendlichen Thema etwas wegzulassen. Genau das ist nun bei der Einteilung fehlerhaft; denn es gibt eine bestimmte Zahl von Arten, die einer jeden Gattung untergeordnet sind. Die Zuordnung der Teile hat dagegen oft eine Tendenz zur Endlosigkeit, vergleichbar der Ableitung von Bächen aus einer Quelle. 30 Wenn also bei Übungen in Rhetorik die Gattung "Frage" zur Diskussion steht, 31 dann wird umfassend zugeordnet, wieviele Arten es von ihr gibt. Hingegen, wenn von der rhetorischen Aus-

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cum de omamentis verbarum sententiarumve praecipitur, quae vocant ax?}p.aTa, non fit idem. Res est enim infinitior; ut ex hoc quoque intellegatur quid velimus inter partitionem et divisionem interesse. Quamquam enim vocabula prope i&~m valere videbantur, tarnen quia res differebant, nomina rerum distare voluerunt. 35 Multa ~tiam ex notatione sumuntur. Ea est autem, cum ex vi nominis argurnenturn elicitur; quam Graeci ETVJI.OAO· 'YiaV appellant, id est verbum ex verbo veriloquium; nos autem novitatem verbi non satis apti fugientes genus hoc notationem appellamus, quia sunt verba rerum notae. Itaque hoc quidem Aristoteles avp.ßo"Aov appellat, quod Latine est nota. Sed cum intellegitur quid significetur, minus 36 laborandum est de nomine. Multa igitur in disputando notatione eliciuntur ex verbo, ut cum quaeritur postliminium quid sit-non dico quae sint postlimini; nam id caderet in divisionem, quae talis est: Postliminio redeunt haec: homo navis mulus clitellarius equus equa quae frenos recipere solet - ; sed cum ipsius postlimini vis quaeritur et verbum ipsum notatur; in quo Servius noster, ut opinor, nihil putat esse notandum nisi post, et liminium illud productionem esse verbi vult, ut in finitimo legitimo aeditimo non plus in37 esse timum quam in meditullio tullium; Scaevola autem

5 videbantur Orel/i: viedantur codd.: videntur Boethius

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Kapitel VIIIᤤ !14-!17

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schmückung der Worte oder Sätze gehandelt wird, was man "schemata" nennt, so tritt nicht das Gleiche ein; denn hier hat der Gegenstand die Tendenz zur Endlosigkeit. Auch hieraus soll noch einmal begriffen werden können, was für ein Unterschied nach meiner Auffassung zwischen Zerlegung und Einteilung besteht. Obgleich nämlich die Wortausdrücke fast dasselbe zu bedeuten scheinen, so war man doch der Auffassung, weil sich die gemeinten Sachverhalte unterscheiden, daß auch die Namen dafür verschieden sein sollten. Vieles läßt sich auch der Zeichenbedeutung entnehmen. 35 Dieser 'Fall liegt dann vor, wenn aus dem Sinn eines Wortes ein Argument herausgeholt wird. Das nennen die Griechen "etymologia", das bedeutet, wenn man es Wort für Wort herübersetzt, so viel wie "Wahrrede". Ich will aber die Ungewohntheit eines auch nicht hinreichend passenden Wortes meiden 32 und nenne diesen Komplex "Zeichenbedeutung", weil doch die Worte Zeichen der Dinge sind. Und so nennt es ja auch Aristoteles "symbolon", 33 was eben lateinisch "nota" (d. i. Zeichen) heißt. (Aber wenn nur verstanden ist, was gemeint wird, dann braucht man sich um den Namen dafür nicht mehr so sehr anzustrengen.) Vieles wird also in der Diskussion auf Grund der Zeichen- 36 bedeutungaus dem Wort herausgeholt, wie wenn z. B. untersucht wird, was "Wiedereinsetzung in einen alten Rechtszustand" bedeutet,- ich rede hier nicht von dem, was unter diese Wiedereinsetzung fällt; denn das gehörte unter die Einteilung, die dann so ginge: "Zu einem alten Rechtszustand kann wieder eingehen Folgendes: Mensch, Schiff, lasttragendes Maultier, Hengst, zugerittene Stute ... ";sondern wenn nur die Wortbedeutung von "Wiedereinsetzung" untersucht und das bloße Wort bezeichnet wird. In diesem Fall, meint meiner Einschätzung nach unser Servius,34 sei nichts anderes im Bewußtsein zu halten als "wieder", und der Teil "-einsetzung" soll nach ihm nur ein Wortausgang sein, so wie bei finitim, legitim, aeditim das "-tim" ebensowenig ein wesentlicher Bestandteil sei wie bei meditullium (=Mittelpunkt) der Tullius. 35 Scaevola hinge- !17

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P. F. iunctum putat esse verbum, ut sit in eo et postet limen; ut, quae a nobis alienata, cum ad hostem pervenerint, ex suo tamquam limine exierint, hinc ea cum redierint post ad idem limen, postliminio redisse videantur. Quo genere etiam Mancini causa defendi potest, postliminio redisse; deditum non esse, quoniam non sit receptus; nam neque deditionem neque donationem sine acceptione intellegi posse. ~~ Sequitur is locus, qui constat ex eis rebus quae quodam modo adfectae sunt ad id de quo ambigitur; quem modo dixi in plures partes distributum. Cuius est primus locus ex coniugatione, quam [Graeci] avrv-yiav vocant, finitimus notationi, de qua modo dieturn est; ut, si aquam pluviam eam modo intellegeremus quam imbri conlectam videremus, veniret Mucius, qui, quia coniugata verba essent pluvia et pluendo, diceret omnem aquam oportere arceri quae 39 pluendo crevisset. Cum autem a genere ducetur argumentum, non erit necesse id usque a capite arcessere. Saepe etiam citra licet, dum modo supra sit quod sumitur, quam id ad quod sumitur; ut aqua pluvia ultimo genere ea est quae de caelo veniens crescit imbri, sed propiore, in quo quasi ius arcendi continetur, [genus est aqua pluvia] nocens: eius generis formae loci vitio et manu nocens, quarum altera iu40 betur ab arbitro coerceri altera non iubetur. Commode et-

3 hinc ea Of: et ea abdeL :111 eaA ci om. codd. plur. : secl. Orelli 21 genus ... pluvia secl. Friedrich

11 coniunctione AabcLß Grae14 coniugata Of : iugata codd.

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gen, der Sohn Publius, 36 hält es für ein zusammengesetztes Wort, so daß darin steckt "wieder" und "einsetzung"; wie etwa Dinge, die uns abhanden gekommen sind, wenn sie auf einen Feind von uns übergegangen sind, gewissermaßen ihren ursprünglichen "Sitz" verlassen haben; und wenn sie dann von dort wieder zu diesem ursprünglichen Sitz zurückgekehrt sind, dann gleicht diese Rückkehr einer "WiederEinsetzung". Nach eben diesem Begriff könnte auch im Fall des Mancinus 37 als Verteidigungsargument eingewandt werden, er sei ja zum Zweck der Wiedereinsetzung zurückgekehrt; er sei nicht ausgeliefert worden, da er ja nicht angenommen worden sei; denn weder Auslieferung noch Schenkung seien ohne Annahme denkbar. IX Es folgt der Gesichtspunkt, der aus solchen Sachverhal- ~8 ten besteht, die mit dem Streitgegenstand irgendwie zusammenhängen. Ich habe gerade eben gesagt, daß der in mehrere Untergruppen ·zerfällt.38 Der erste Gesichtspunkt darunter ist der "auf Grund der Verknüpfung", den die Griechen "syzygia" nennen. Er liegt ganz nahe bei der Zeichenbedeutung, über die soeben gesprochen wurde; etwa wenn wir als "Regenwasser" nur das Wasser verstünden, das wir durch Niederschlag gesammelt vorfänden, so käme Mucius39 daher, der sagte: Da die Worte "Regen" und "regnen" durch Verwandtschaft verbunden seien, so müsse alles Wasser ferngehalten werden, welches durch Regnen angewachsen sei. Wenn von der Gattung ein Argument hergenommen ~9 wird, dann ist es nicht unbedingt notwendig, es vom allerobersten Begriff herunterzuholen; oft darf man unterhalb davon bleiben, solange nur das, was man heranzieht, höhersteht als das, wozu es herangezogen wird. So ist etwa Regenwasser in letzter Gattung solches Wasser, das, vom Himmel kommend, durch Niederschlag sich ansammelt; aber in näherer Gattung, in welcher gewissermaßen das Recht des Femhaltens enthalten ist, ist es schadenverursachendes Wasser. 40 Die Arten dieser Gattung sind: schadenverursachend durch Unzulänglichkeit des Grundstücks oder durch menschlichen Eingriff. Das eine vondiesen beidenmuß nach Weisung des Schlichters abgestellt werden, das andere nicht.

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iam tractatur haec argumentatio quae ex genere sumitur, cum ex toto partis persequare hoc modo: Si dolus malus est, cum aliud agitur aliud simulatur, enumerare licet quibus id modis fiat, deinde in eorum aliquem id quod arguas dolo malo factum includere; quod genus argumenti in pri- 5 mis firmum videri solet. Similitudo sequitur, quae late patet, sed oratoribus et philosophis magis quam vobis. Etsi enim omnes loci sunt omnium disputationum ad argumenta suppeditanda, tarnen aliis disputationibus abundantius occurrunt aliis angustius. 10 ltaque genera tibi nota sint; ubi autem eis utare, quaestiones ipsae te admonebunt. Sunt enim similitudines quae ex pluribus conlationibus perveniunt quo volunt hoc modo: Si tutor fidem praestare debet, si socius, si cui mandaris, si qui fiduciam acceperit, debet etiam procurator. Haec ex 15 pluribus perveniens quo vult appellatur inductio, quae Graece i:1ra-yw-yi! nominatur, qua plurimum est usus in sermonibus Socrates. Alterum similitudinis genus conlatione sumitur, cum una res uni, par pari comparatur hoc modo: Quem ad modum, si in urbe de finibus controversia est, 20 quia fines magis agrorum videntur esse quam urbis, finibus regendis adigere arbitrum non possis, sie, si aqua pluvia in

21 quia ... urbis secl. Friedrich. Loco medetur Madvig Adv. Crit. ii. 192

Kapitel IX/Xᤤ 40-43

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Ganz passend läßt ·sich auch folgende Argumentation anbringen, die von der Gattung aus geholt wird, indem man vom Ganzen aus die Teile durchgeht, auf folgende Weise: Wenn bösartige List darin besteht, daß man eines tut, etwas anderes aber vorgibt, dann kann man aufzählen, auf welche Weisen dies geschehen kann; dann kann man unter eine von diesen gerade das bringen, wovon man eben anklagend behauptet, es sei mittels boshafter List geschehen. Diese Art von Argumentation erscheint normalerweise besonders sicher. Es folgt der Gesichtspunkt der A'hnlichkeit, er hat einen weitläufigen Umfang, aber für RC;dner und Philosophen mehr als für euch Juristen. 41 Wenn nämlich auch alle Gesichtspunkte dazu da sind, bei allen Diskussionen Argumente zur Verfügung zu stellen, so kommen sie doch bei einigen Diskussionsarten reichlicher vor, bei anderen seltener. Also sollen dir wenigstens die Grundzüge bekannt sein; wenn du die nämlich zur Verfügung hast, werden die konkreten Fragen dich dann schon anleiten. Es gibt nämlich Ähnlichkeiten, die aus einer Mehrzahl von Vergleichen hingelangen, wohin man will, auf folgende Weise: Wenn ein Vormund Vertrauenswürdigkeit gewährleisten muß, wenn für einen Geschäftspartner das Gleiche gilt, wenn man ihm etwas anvertraut oder wenn er auf Treu und Glauben etwas ausgehändigt erhält, dann muß dies auch gelten für einen Geschäftsführer. Diese Form, die von mehreren Ausgangspunkten her auf das hinkommt, worauf man zielt, nennt man "Heranführung", griechisch heißt sie "epagoge"; sie hat besonders häufig in seinen Gesprächen Sokrates benutzt. Die andere Grundform der Ähnlichkeit wird aus einem Vergleich entnommen, indem nämlich ein Gegenstand mit einem, ein gleicher mit einem gleichen, verglichen wird, etwa so: Ebenso wie, wenn innerhalb des Stadtgebiets ein Streit um Grundstücksgrenzen geht, man zur Festlegung dieser Grenzen keinen Schiedsmann heranziehen kann, da es sich hier offenkundig um Grundstücks-, nicht um Stadtgrenzen handelt, genauso ist es, wenn Regenwasser in der Stadt Schaden anrichtet: Da diese ganze Angelegenheit

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urbe nocet, quoniam res tota magis agrorum est, aquae plu44 viae arcendae adigere arbitrum non possiso Ex eodem similitudinis loco etiam exempla sumuntur, ut Crassus in causa Curiana exemplis plurimis usus est, qui testamento sie heredes instituisset, ut si filius natus esset in decem mensibus isque mortuus prius quam in suam tutelam venisset, hereditatem obtinuissento Quae commemoratio exemplorum valuit, eaque vos in respondendo uti multum soletiso 45 Ficta enim exempla similitudinis habent vim; sed ea oratoria magis sunt quam vestra; quamquam uti etiain vos soletis, sed hoc modo: Finge mancipio aliquem dedisse id quod mancipio dari non potesto Num idcirco id eius factum est qui accepit? aut num is qui mancipio dedit ob eam rem se ulla re obligavit? In hoc genere oratoribus et philosophis concessum est, ut muta etiam loquantur, ut mortui ab inferis excitentur, ut aliquid quod fieri nullo modo possit augendae rei gratia dicatur aut minuendae, quae V1repßo'Xit dicitur, multa alia mirabiliao Sed latior est campus illorumo Eisdem tarnen ex Iods, ut ante dixi, et [in] maximis et minimis [in] quaestionibus argumenta ducunturo ~J Sequitur similitudinem differentia rei maxime contraria superiori; sed est eiusdem dissimile et simile invenireo Eius generis haec sunt: Non, quem ad modum quod mulieri debeas, recte ipsi mulieri sine tutore auctore solvas, item,

4-7 qui oooobtinuissent seclo Friedrich : heredem obtineret Manutius: qui cum oooinstituti essent Madvig 19 in omo coddo in minimis Of: in omo V 0

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mehr unter Grundstückssachen fällt, darf man zum Zweck der Fernhaltung von Regenwasser keinen Schiedsmann heranziehen.42 Von genau diesem Gesichtspunkt der Ähnlichkeit aus kann 44 man auch Beispiele entnehmen, wie etwa Crassus im Curiusprozeß43 eine große Vielzahl von Beispielen herangezogen hat. (Dieser Curius hatte in einem Testament Erben unter solchen Bedingungen eingesetzt, daß sie, wenn ihm selbst innerhalb von neun Monaten ein Sohn geboren würde und dieser dann sterben sollte, bevor er in seine Obhut gekommen wäre, das Erbe hätten beanspruchen können.) Diese Anhäufung von Beispielen entschied den Prozeß; und ihr Juristen pflegt diese Methode bei euren Antworten ja häufig zu gebrauchen. Auch ausgedachte Beispiele von Ähnlichkeit haben ihre 45 Wirkung; aber das ist mehr die Art von Rednern als eure. Doch auch ihr benutzt sie ganz gern, nur auf folgende Weise: Man stelle sich vor, jemand habe etwas zum Verkauf gegeben, was gar nicht verkauft werden darf; ist das dann etwa ein Tatvorwurf an den, der es gekauft hat? Oder: Der Verkäufer, hat er sich etwa deswegen in irgend einer Hinsicht verpflichtet? Unter dieser Argumentationsform ist es Rednern und Philosophen erlaubt, daß sie sogar stumme Dinge reden lassen, Tote aus der Unterwelt heraufzitieren, daß alles Mögliche, was in Wirklichkeit gar nicht geschehen kann, um der Vergrößerung oder Verkleinerung der Sache willen gesagt werden kann - was man eine "hyperbole" nennt - und vieles Erstaunliche mehr. Aber das ist ein ziemlich weites Feld. Dennoch werden, wie ich oben sagte, die Argumente in den größten sowohl wie in den geringsten Untersuchungen immer aus den gleichen Gesichtspunkten geholt. Nach der Ähnlichkeit folgt der Unterschied, er bildet ~J einen scharfen Gegensatz zum eben genannten Gesichtspunkt. Aber die Fähigkeit, Ähnliches zu finden, ist die gleiche wie die, Unähnliches zu finden. Unter diese Gattung gehört folgendes: Der Vergleich: "Ebenso wie man eine Geldsumme, die man einer Frau schuldet, dieser Frau selbst, ohne Beglaubigung durch ihren Vormund, rechtens zahlen

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CICERO · TOPICA

quod pupillo aut pupillae debeas, recte possis eodem modo 47 solvere. Deinceps locus est qui e contrario dicitur. Contrariorum autem genera plura; unum eorum quae in eodem genere plurimum differunt, ut sapientia stultitia. Eodem au.tem genere dicuntur quibus propositis occurrunt tarn- 5 quam e regione quaedam contraria, ut celeritati tarditas, non debilitas. Ex quibus contrariis argumenta talia existunt: Si stultitiam fugimus, sapientiam sequamur et bonitatem si malitiam. Haec quae ex eodem genere contraria sunt appel48 lantur adversa. Sunt enim alia contraria, quae privantia li· 10 cet appellemus Latine, Graeci appellant GT€P11TI.Kci. Praeposito enim ,in' privatur verbum ea vi, quam haberet si ,in' praepositum non fuisset, dignitas indignitas, humanitas in· humanitas, et cetera generis eiusdem, quorum tractatio 49 est eadem quae superiorum quae adversa dixi. Nam alia 15 quoque sunt contrariorum genera, velut ea quae cum ali· quo conferuntur, ut duplum simplum, multa pauca, longum breve, maius minus. Sunt etiam illa valde contraria quae appellantur negantia; ea a?TOI()O.TI.Kcl Graece, contraria aientibus: Si hoc est, illud non est. Qid enim opus exem- 20 plo est? Tantum intellegatur, in argumento quaerendo con· trariis omnibus contraria non convenire.

10 adversa Of: diversa codd. 19 ea om. A codd. (d1rot/>aTtKa Graeci) aientibus Madvig

Graece A of: Graeci

Kapitel XI · § § 4 7-49

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kann, genauso kann man eine Summe, die man einem jugendlichen, männlichen oder weiblichen, Mündel schuldet, rechtens an diese selbst zahlen."- dieser Vergleichsschluß ist falsch. Es schließt sich an der sogenannte Gesichtspunkt "vom 47 Gegenteil aus". Von Gegenteiligem gibt es nun eine Mehrzahl an Formen. Eine bezeichnet das Gegensatzpaar, welches innerhalb ein und derselben Gattung am weitesten auseinanderliegt,44 z.B. Weisheit- Torheit. Unter dieselbe Form sind auch die Begriffe zu nehmen, denen, wenn man sie setzt, gewissermaßen von genau gegenüber Gegensätze entgegentreten, so ist dies z.B. bei Schnelligkeit die Langsamkeit, nicht aber Schwäche. Aus dem so bestimmten Gegenteil ergeben sich Argumente folgender Art: Wenn wir die Torheit meiden, so sollten wir der Weisheit folgen; und: Der Anständigkeit laßt uns folgen, wenn wir die Bosheit meiden. Diese Begriffe, die aus derselben Gattung stammen und gegenteilig sind, nennt man auch "gegenüberstehend". Es gibt 48 nämlich auch noch andere Formen von Gegenteil, die wir auf Latein vielleicht "privativ" nennen könnten, die Griechen nennen sie "steretisch". Durch die Voransetzung der Silbe "un-" wird nämlich einem Wort die Bedeutung weggenommen, die es hätte, wenn dieses "un-" nicht vorangesetzt wäre, so: Würdigkeit- Unwürdigkeit, Menschlichkeit - Unmenschlichkeit und anderes mehr derart. Deren Behandlung ist dieselbe wie die der genannten "Gegenüberstehenden". Nun gibt es auch noch andere Formen von Gegenteil, z.B. 49 die Begriffe, die immer schon mit etwas anderem in einer Vergleichsbeziehung stehen, wie: doppelt- einfach, vielwenig, lang- kurz, größer- kleiner. Es sind auch noch jene Begriffe sehr gegensätzlich, die man "verneinend" nennt. Diese- griechisch- "apophatischen" Gegensätze benutzt man, wenn man sagt: Wenn das feststeht, so kann jenes nicht sein.- Was brauche ich denn dafür noch ein Beispiel? Es soll ja nur begriffen werden, daß beim Aufsuchen von Argumenten Gegensätze mit jeder Form von Gegensatz nicht zusammenpassen.

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Ab adiunctis autem posui equidem exemplum paulo ante, multa adiungi, quae suscipienda essent si statuissemus ex edicto secundum eas tabulas possessionem dari, quas is instituisset cui testamenti factio nulla esset. Sed locus hic magis ad coniecturales causas, quae versantur in iudiciis, 5 valet, cum quaeritur quid alit sit aut evenerit aut futurum sit aut quid omnino fieri possit. Ac loci quidem ipsius forma talis est. Admonet autem hic locus, ut quaeratur quid ante rem, quid cum re, quid post rem evenerit. ,Nihil hoc ad ius; ad Ciceronem,' inquiebat Gallus noster, si quis ad 10 eum quid tale rettulerat, ut de facto quaereretur. Tu tarnen patiere nullum a me artis institutae locum praeteriri; ne, si nihil nisi quod ad te pertineat scribendum putabis, nimium te amare videare. Est igitur magna ex parte locus hic oratorius non modo non iuris consultorum, sed ne philosopho- 15 52 rum quidem. Ante rem enim quaeruntur quae talia sunt: apparatus conloquia locus constitutum convivium; cum re autem: pedum crepitus, (strepitus hominum,] corporum umbrae et si quid eius modi; at post rem: pallor rubor titubatio, si qua alia signa conturbationis et conscientiae, prae- 20 terea restinctus ignis, gladius cruentus ceteraque quae suspicionem facti possunt movere. 53 Deinceps est locus dialecticorum proprius ex consequentibus et antecedentibus et repugnantibus. Nam coniuncta,

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18 strepitus hominum secl. Friedrich: 'neque enim Boethius noverat' 21 ceteraque A 2 Of: et cetera db 2 3: cetera codd. 24 adiuncta maluit Manutius

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Zu dem Gesichtspunkt von den daran sich anschließenden Vorstellungen aus habe ich weiter oben schon als Beispiel den Fall angeführt, 45 daß eine ganze Menge damit verbunden wäre, was unternommen werden müßte, falls wir zu dem Schluß kämen, daß im Einklang mit dem Edikt gemäß den Listen ein Besitzrecht gegeben sei, die jemand angelegt habe, der ein Recht zum Aufsetzen eines Testaments gar nicht hatte. Aber dieser Gesichtspunkt ist mehr von Bedeutung für die Vermutungsfälle, die vor Gericht gang und gäbe sind, wenn danach gefragt wird, was entweder ist oder sich ergeben hat oder sich ergeben wird, oder überhaupt, was geschehen könnte.Die bloße Form dieses Gesichtspunkts ist jedenfalls von dieser Art. Dieser Gesichtspunkt weist darauf hin, daß zu fragen ist, was vor dem Ereignis, was im Zusammenhang mit ihm, was nach dem Ereignis sich ergeben hat oder ergeben könnte. "Das hat für das Recht keine Bedeutung, nur für Cicero!", sagte unser Gallus immer, wenn jemand ihm etwas derartiges vorgelegt hatte, daß nach dem Sachverhalt gefragt wurde. 46 Du wirst es trotzdem zulassen, daß kein Punkt dieser ausgebildeten Theorie von mir übergegangen wird; sonst würdest du ja, wenn du meinst, nur für dich selbst Verwendbares sollte hier geschrieben werden, offenkundig zu einseitige Vorliebe an den Tag legen. Es ist also dieser großenteils rhetorische Gesichtspunkt nicht nur nicht Sache der Juristen, sondern ebenso nicht Sache der Philosophen. Vor dem Ereignis werden nun Sachen folgender Art gesucht: Vorbereitungen, Gespräche, Ort, Termin des Gastmahls. Im Zusammenhang mit dem Ereignis solches: Geräusch von Füßen, Schatten von Körpern und dergleichen; nach dem Ereignis hingegen dies: Erblassen, Erröten, Verlegenheit und andere mögliche Zeichen von Verwirrung und Gewissensbissen, ferner ausgelöschtes Feuer, blutiges Schwert, und was sonst noch den Verdacht bezüglich der Tat erregen kann. 47 Anschließend kommt der den Dialektikern eigentümliehe Gesichtspunkt von den Folgen, von den Voraussetzungen und von den Widersprüchen aus. Denn anschließende

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de quibus paulo ante dieturn est, non sernper eveniunt; consequentia autern sernper. Ea enirn dico consequentia quae rern necessario consequuntur; iternque et antecedentia et repugnantia. Quidquid enirn sequitur quamque rern, id cohaeret curn re necessario; et quidquid repugnat, id eius rnoXIII di est ut cohaerere nurnquarn possit. Curn tripertito igitur distribuatur locus hic, in consecutionern antecessionern repugnantiarn, reperiendi argurnenti locus sirnplex est, tractandi triplex. Narn quid interest, curn hoc surnpseris, pecuniarn nurneratarn rnulieri deberi cui sit argenturn ornne legaturn, utrurn hoc rnodo concludas argurnenturn: Si pecunia signata argenturn est, legata est rnulieri. Est autern pecunia signata argenturn. Legata igitur est; an illo rnodo: Si nurnerata pecunia non est legata, non est nurnerata pecunia argenturn. Est autern nurnerata pecunia argenturn; legata igitur est; an illo rnodo: Non et legaturn argenturn est et non est legata nurnerata pecunia. Legaturn autern argenturn 54 est; legata igitur nurnerata pecunia est? Appellant autern dialectici earn conclusionern argurnenti, in qua, curn prirnurn adsurnpseris, consequitur id quod adnexurn est prirnurn conclusionis rnodurn; curn id quod adnexurn est negaris, ut id quoque cui fuerit adnexurn negandurn sit, secundus is appellatur concludendi rnodus; curn autern aliqua coniuncta negaris et ex eis unurn aut plura surnpseris, ut quod relinquitur tollendurn sit, is tertius appellatur conclu55 sionis rnodus. Ex hoc illa rhetorurn ex contrariis conclusa, quae ipsi ev8vp:fiJlaTa appellant; non quod ornnis sententia

27 non quod omnis 0 : non quia omnis b 2 : non quod non omnis ß' V": non quin omnis b marg. : non qui nominis A 1 ab' cL

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Vorstellungen, von denen ja gerade die Rede war48 ergeben sich nicht immer, Folgen aber immer. Ich nenne nämlich das "Folge", was aus einem Ereignis mit Notwendigkeit folgt. 49 Entsprechend auch "Voraussetzungen" und "Widersprüche". Alles, was nämlich jeweils auf ein Ereignis folgt, das hängt notwendig mit dem Ereignis zusammen, und was ihm widerstreitet, das ist von der Art, daß es nie mit ihm zusammenhängen könnte. Angesichts dessen, daß dieser Gesichtspunkt also dreige- XIII teilt auftritt, in Folge, Voraussetzung, Widerspruch, so ist er als Gesichtspunkt der Auffindung von Argumenten einfach, hinsichtlich seiner Behandlung jedoch dreifach. Denn was besteht schon für ein Unterschied darin, wenn man die Annahme macht, das abgezählte Geld werde einer Frau geschuldet, welcher das ganze Silber vermacht ist, ob man dann die Argumentation mit folgendem Schluß laufen läßt: Wenn geprägtes Geld unter Silber fällt, so ist es der Frau vermacht. Nun fällt aber geprägtes Geld unter Silber. Also ist es ihr vermacht. Oder ob man auf diese Weise schließt: Wenn abgezähltes Geld ihr nicht vermacht ist, dann fällt abgezähltes Geld nicht unter Silber. Nun fällt aber abgezähltes Geld unter Silber. Also ist es ihr vermacht. Oder etwa auf folgende Weise: Die Sätze "einerseits ist ihr das Silber vermacht", "andrerseits, das abgezählte Geld ist ihr nicht vermacht" sind nicht miteinander vereinbar. Nun ist ihr das Silber aber vermacht. Also ist ihr auch das abgezählte Geld vermacht. 50 Nun nennen aber die Dialektiker eine solche argumentati- 54 ve Schlußweise, in der, wenn man die erste Voraussetzung angenommen hat, das, was an sie geknüpft ist, folgt, die erste Weise des Schlusses. Wenn man das, was angeknüpft ist, verneint, sodaß auch das, woran es angeknüpft war, zu verneinen ist, so wird dies die zweite Weise des Schließens genannt. Wenn man aber nur irgendwelche Verknüpfungen verneint und aus diesen dann eines oder mehrere annimmt, sodaß das übrigbleibende aufzuheben ist, so wird dies die dn"tte Weise des Schlusses genannt. 5 1 Daraus ergeben sich diese bekannten Schlüsse der Rheto- 55 ren aus dem Gegenteil, die sie selbst "enthymeme" nennen.

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proprio nomine evOfil.tT/IJ.a non dicatur, sed, ut Homerus propter excellentiam commune poetarum nomen efficit apud Graecos suum, sie, cum omnis sententia ev0VIJ.T/IJ.a dicatur, quia videtur ea quae ex contrariis conficitur acutissima, sola proprie nomen commune possedit. Eius generis haec sunt: hoc metuere, alterum in metu non ponere! eam quam nihil accusas damnas, bene quam meritam esse autumas male merere? id quod scis prodest nihil; id quod nescis obest? Hoc disserendi genus attingit omnino vestras quoque in respondendo disputationes, sed philosophorum magis, quibus est cum oratoribus illa ex repugnantibus sententiis communis conclusio quae a dialecticis tertius modus, a rhe· toribus evOVIJ.T/IJ.a dicitur. Reliqui dialecticorum modi plu· res sunt, qui ex disiunctionibus constant: Aut hoc aut illud; hoc autem; non igitur illud. Itemque: Aut hoc aut illud; non autem hoc; illud igitur. Quae conclusiones idcirco ratae sunt quod in disiunctione plus uno verum esse non po· test. Atque ex eis conclusionibus quas supra scripsi prior quartus posterior quintus a dialecticis modus appellatur. Deinde addunt coniunctionum negantiam sie: Non et hoc et illud; hoc autem; non igitur illud. Hic modus est sextus. Septimus autem: Non et hoc et illud; non autem hoc; illud igitur. Ex eis modis conclusiones innumerabiles nascuntur, in quo est tota fere 6ta"XeKTU