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German Pages [345] Year 2021
Joanna Smereka
Textlinguistische Untersuchungen zu mittelalterlichen deutschen Testamenten von Krakauer Bürgern
Mit einer Abbildung
V&R unipress
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar. Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Jan Kochanowski Universität in Kielce, Polen. © 2021, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Theaterstraße 13, D-37073 Göttingen Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISBN 978-3-7370-1302-4
Inhalt
Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I Theoretischer Teil . . . .
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2 Historischer und rechtshistorischer Hintergrund der Testierfreiheit in Krakau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Die deutsche Besiedlung Krakaus . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Die deutschen Ansiedler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Die Erbtraditionen bei den Germanen . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Die Anfänge des Testierens im Gebiet des Magdeburger Rechts .
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1 Einführung . . . . . . . . . . 1.1 Gegenstand der Arbeit 1.2 Zielsetzung . . . . . . 1.3 Forschungslage . . . .
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3 Die Krakauer Stadtkanzlei und die Testamente . . . . . . . . . . . 3.1 Die lokalen Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Unterschiedliche Möglichkeiten der Testamentsablegung in Krakau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Die wichtigsten Erbregelungen in Krakau . . . . . . . . . . . 3.4 Die Anfänge der Krakauer Staatskanzlei und ihre Verkehrssprachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5 Die Stadtbücher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6 Testamente in den Krakauer Stadtbüchern . . . . . . . . . .
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6 4 Theoretisch-methodologischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . A: Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Der Text als Produkt einer Sprachhandlung . . . . . . . . 4.2 Textsorten und Textmuster . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Das Primat des kommunikativ-situativen Ansatzes und integrative Zugriffe bei der Textsortenklassifizierung . . . 4.4 Was macht einen Text zum Vertreter einer Textsorte? . . . B: Linguistische Textanalyse der historischen Kanzleitexte . . 4.5 Historische Textlinguistik und ihre soziopragmatische Ausrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.6 Das Modell historischer Soziopragmatik und die Texte der Stadtbücher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.7 Textsortenklassifizierung der historischen Kanzleitexte: germanistische Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.8 Textsortenklassifizierung der historischen Kanzleitexte: polonistische Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Inhalt
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II Empirischer Teil 5 Krakauer Testamentskorpus und Fragen der Textsortenzuordnung der Texte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Die Erhebungen der Krakauer Testamente, Vorarbeiten und deren Verwertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Annahmen und Einschränkungen des Umgangs mit dem handschriftlichen Material . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.1 Die tabellarischen Zusammenstellungen . . . . . . . . . 5.2.2 Die Veranschaulichung des Untersuchungsmaterials . . 5.2.3 Umgang mit den untersuchten Texten und die Anfertigung der Transliterationen . . . . . . . . . . . . 5.3 Probleme mit der Klassifizierung der Texte . . . . . . . . . . . 5.3.1 Unterscheidung zwischen Testamenten und Vergabungen des Todes wegen . . . . . . . . . . . . . . 5.3.1.1 Theoretische Grundlage . . . . . . . . . . . . . 5.3.1.2 Praktische Unterscheidung (Krakau) . . . . . . 5.3.2 Unsichere Klassifikation: Der Beginn der Eintragungen in den Krakauer Stadtbüchern . . . . . . . . . . . . . .
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Inhalt
6 Fragen der Pragmatik im Zusammenhang mit der Textstruktur . . . 6.1 Pragmatische Klassifizierung der testamentarischen Eintragungen in Bezug auf ihre Einbettung in die Kommunikationssituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1.1 Protokollartige Eintragungen . . . . . . . . . . . . . . . 6.1.2 Czedel(abschriften) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1.3 Verschlossene und offene Testamente . . . . . . . . . . 6.1.4 Testamente in Form amtlicher Urkunden . . . . . . . . 6.2 Die rechtlichen Bedingungen der Testamentsablegung . . . . 6.3 Testamentsablegung vor den Krakauer Stadtbehörden . . . . 6.3.1 Testamente, abgelegt und bestätigt durch Gericht oder Rat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3.2 Testamente, abgelegt vor Behörden oder deren Vertretern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3.3 Amtliche Zeugen der Testamentsablegung: protokollartige Verschriftlichungen und Czedelabschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3.4 Amtliche Zeugen der Testamentsablegung: eingelegte Testamente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3.5 Weitere Akteure der Testamentsablegung . . . . . . . . 6.4 Die aktive Rolle des Testierers bei der Czedelvorlegung . . . . 6.5 Konzipierte Mündlichkeit und Spuren des mündlichen Verfahrens der Testamentsablegung . . . . . . . . . . . . . . . 6.5.1 Protollartige Eintragungen . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5.2 Czedel(abschriften) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.6 Die Akteure der Testamentseröffnung und ihre sozialen Handlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Strukturelle Analyse der untersuchten Texte und ihre Einbettung in das Medium Stadtbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1 Testamente als Eintragungen in den Krakauer Stadtbüchern . 7.2 Testamente im Texttyp Stadtbucheintragung als Konglomerat verschiedener Teiltexte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3 Graphische Ausgestaltung der Testamente als Stadtbucheintragungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4 Die graphische Ausgestaltung der drei Texttypen . . . . . . . 7.4.1 Grafische Ausgestaltung der Eintragungen von Czedelabschriften und protokollartigen Verschriftlichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhalt
7.4.2 Graphische Ausgestaltung der Eintragungen von Abschriften eingelegter Testamente . . . . . . . . . . . . 7.4.2.1 Vorbemerkungen zum Großtext der Eintragung mit Testamentsurkundenabschriften . . . . . . . 7.4.2.2 Graphische Ausgestaltung der Urkundenabschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4.2.3 Intratexte des Autors/Schreibauftragausführers . 7.4.2.4 Supratexte des Autors/Schreibauftragausführers . 7.4.2.5 Infratexte des Autors/Schreibauftragsausführers .
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8 Kerntexte der Stadtbucheintragungen als abgeschriebene Vorlagen . . 8.1 Originale Czedel und deren Abschriften . . . . . . . . . . . . . 8.2 Mehrere Testamente derselben Testatoren: Unterschiede im Inhalt und in der Struktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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9 Intertextualitätsfragen bei den testamentarischen Eintragungen 9.1 Intertextualität in den Krakauer Testamenten . . . . . . . 9.1.1 Buchinterne Intertextualität . . . . . . . . . . . . . 9.1.2 Buchexterne Intertextualität . . . . . . . . . . . . . 9.2 Intertextualitätsnetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.3 Intertextualitätsnetz: Einlegungstexte zu verschlossenen privaten Testamentsurkunden . . . . . . . . . . . . . . . .
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10 Struktureller Aufbau dreier Texttypen der testamentarischen Eintragungen: Einzelne Analysen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.1 Eintragungen von Czedel(abschriften) . . . . . . . . . . . . . 10.1.1 Anfangssequenzen der Czedel . . . . . . . . . . . . . . 10.1.2 Elemente des klassischen Protokolls und der Narratio innerhalb des Kerntextes . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.1.3 Endsequenzen der Czedel . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.1.4 Amtliche Paratexte am Anfang der Eintragung . . . . . 10.1.5 Weitere Paratexte in den Czedelabschriften . . . . . . . 10.2 Protokollartige Eintragungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.2.1 Anfangssequenzen der protokollartigen testamentarischen Eintragungen . . . . . . . . . . . . . 10.2.2 Endsequenzen der protokollartigen testamentarischen Eintragungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.2.3 Amtliche Paratexte am Anfang der Eintragung: Supratexte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhalt
10.3
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10.2.4 Weitere Paratexte bei protokollartigen testamentarischen Eintragungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Testamente in Form von Bürgerurkunden . . . . . . . . . . . . 10.3.1 Die klassische Urkundenstruktur . . . . . . . . . . . . . 10.3.2 Die ersten verschlossenen Testamente in Krakau und das Formular 1485 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.3.3 Verschlossene Testamente in Krakau im Texttyp Urkundenabschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.3.4 Struktur der verschlossenen Testamente . . . . . . . . . 10.3.4.1 Der Nachtrag in den verschlossenen Testamentsurkunden . . . . . . . . . . . . . . . . Paratexte der Behörde in den Abschriften der eingelegten verschlossenen Testamente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.4.1 Supratexte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.4.2 Weitere Paratexte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sicherheitsmaßnahmen bei der Einlegung und Eröffnung der verschlossenen Testamentsurkunden . . . . . . . . . . . . . . . Inhaltliche Spannungen zwischen Paratexten und Testamentsabschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Offene Testamente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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12 Exkurs: Vergabungen des Todes wegen in den Krakauer Stadtbüchern 12.1 Akteure der Handlung der Vergabung des Todes wegen und Annahme der Gabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.2 Vorbemerkungen zur praktischen Absonderung der Vergabungen des Todes wegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.3 Unterscheidung zwischen den Vergabungen des Todes wegen und Vergabungen inter vivos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.4 Vergabungen des Todes wegen im zusammengetragenen Korpusmaterial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.5 Anfangssequenzen der Vergabungen des Todes wegen . . . . . . 12.6 Endsequenzen der Vergabungen des Todes wegen . . . . . . . . 12.7 Paratexte der Behörde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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11 Die Architektur der Krakauer Testamente . . . . . . . . . . . . . . . 11.1 Umfang der Testamente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2 Faktoren, die sich auf den Umfang der Testamente auswirken 11.3 Komposition der Krakauer Testamente . . . . . . . . . . . . .
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Inhalt
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14 Abschließende Bemerkungen zur Auswertung der Untersuchung . . .
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15 Forschungsdesiderate und geplante Fortsetzung der Untersuchungen.
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Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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13 Elemente der Stilistik (Formulierungsmuster) i. w. S. . . . . . . . . . 13.1 Analyse des Belegmaterials (Zusammenstellungen im Anhang) 13.2 Formulierungs- und Handlungsmuster. Die dominante Funktion des Donationsaktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.3 Prädikate der Donationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.4 Prädikate der Testamente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.5 Die variierenden Kategorien: Personen und Tempora . . . . . 13.6 Latein in den deutschen Eintragungen . . . . . . . . . . . . . 13.7 Bezeichnung der Textsorte / des rechtlichen Charakters der sozialen Handlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.8 Die Namen und Bezeichnung der Testatoren . . . . . . . . . . 13.9 Testierfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.10 Herrschafts- und Veränderungsklausel . . . . . . . . . . . . . 13.11 Bezeichnung der Vormunde/Exekutoren . . . . . . . . . . . .
Der Anhang ist verfügbar unter: http://www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com/smereka_testamente (unter Downloads) Passwort: tqjYWqnvAZ
Danksagung
Meine ursprünglich geplanten Untersuchungen wurden von der Krakauer Germanistin Sławomira Kaleta-Wojtasik wissenschaftlich betreut. Geplant war ein umfangreicheres Projekt, das mehrere Aspekte und auch eine Edition des Quellenmaterials umfassen würde. Leider konnten diese Pläne aufgrund des zu frühen Todes der Projektleiterin nicht in vollem Umfang umgesetzt werden. Ich blieb jedoch dem Vorsatz treu und habe meine Untersuchungen zu den Krakauer Testamenten unter der wissenschaftlichen Betreuung des Linguisten Józef Wiktorowicz aus Warschau fortgeführt. An dieser Stelle möchte ich sowohl Prof. Dr. habil. Józef Wiktorowicz, der die Annahme der vorliegenden Studie an der Universität Warschau als Dissertation ermöglicht und angenommen hat, als auch – symbolisch – Prof. Dr. habil. Sławomira Kaleta-Wojtasik meinen herzlichen Dank aussprechen. Dem Erstgenannten verdanke ich einen erneuten Einstieg in das Projekt und fachliche Kritik während der einzelnen Etappen seiner Entstehung und in der Konsequenz einen Neuanfang der akademischen Laufbahn, der Letzteren ein gründliches Umdenken in meinem germanistischen Studium, das Wecken des Interesses für Sprachgeschichte im Allgemeinen und für die Kanzleisprachenforschung im Besonderen. An dieser Stelle möchte ich auch Prof. Dr. habil. Albrecht Greule aus Regensburg, dem Mitbegründer des Internationalen Kanzleisprachenarbeitskreises, herzlich danken, der mein Projekt unterstützte und mit gutem Wort und wissenschaftlichem Rat bereicherte. Mein großer Dank gilt weiter Dr. Bettina Kremberg aus Leipzig, die das Lektorat der vorliegenden Arbeit übernommen hat, sowie Andreas Klimm, einer studentischen Hilfskraft am Historischen Seminar der Universität Leipzig, und Marco Krüger, einer Hilfskraft am Historischen Institut der Universität Jena, die für mich bei den Fragen bezüglich der Transliterationen und der Übersetzung der lateinischen Fragmente meiner Quellen eine freundliche Anlaufstelle waren. Nicht zuletzt möchte ich auch meinem Bruder, Dr. habil. med. Jacek Smereka, danken, der mich bei der Anfertigung der Dissertation begleitete.
Vorwort
Die vorliegende Studie befasst sich mit Krakauer deutschsprachigen Testamenten. Sie setzt die sprachhistorischen und linguistischen Forschungsansätze von Józef Wiktorowicz und Sławomira Kaleta-Wojtasik fort und ist als Erweiterung ihrer Arbeit zur Kanzleisprache zu verstehen. Mit meiner Untersuchung verfolge ich das Ziel, die historische Textsorte Testament einer eingehenden und geordneten struktur-lexikalischen Analyse zu unterziehen. Bei meinem Untersuchungskorpus beschränke ich mich wegen der Materiallage in der Krakauer Stadtkanzlei auf eine spezifische Ausprägung des Repräsentanten dieser Textsorte, die nur im Texttyp Stadtbucheintragung überliefert wurde. Aus der Fokussierung der Fragestellung und einer Konzentration auf eine festgesetzte Zeitspanne (1393–1550) ergab sich auch das Aussparen mancher interessanter Aspekte. Da bereits bei der Materialerhebung zu den Krakauer Testamenten etliche Fragestellungen ans Licht gerückt sind, die weiterverfolgt werden können, bleibt zu hoffen, dass sich zukünftig weiterführende Arbeiten zu den Krakauer deutschsprachigen Archivbeständen realisieren lassen. Meine Dissertation gliedert sich in zwei Teile, einen theoretischen und einen empirischen Teil. Im theoretischen Teil setze ich mich mit dem Stand der Forschung zur Testamentsforschung in Krakau auseinander, sondiere Methoden und Herangehensweisen an das gestellte Ziel. Dabei liegt mir v. a. daran, einen umfassenden und unverstellten Blick auf das Gegenstandsfeld zu gewinnen. Der theoretische Teil meiner Untersuchung ist in vier Kapitel unterteilt. Das 1. Kapitel informiert über den Gegenstand der Arbeit (1.1), gibt die Zielrichtung vor (1.2) und sondiert die Forschungslage (1.3). Das 2. Kapitel führt zur eigentlichen Fragestellung hin. Es befasst sich mit dem historischen und rechtshistorischen Hintergrund der Testierfreiheit in Krakau. Zunächst behandle ich die Frage der Besiedlung Krakaus (2.1) und insbes. der deutschen Ansiedler (2.2). Hierbei treten Unterschiede in den Erbtraditionen von Germanen und Slawen zutage (2.3). Beleuchtet werden müssen daher auch die Anfänge des Testierens im Gebiet des Magdeburger Rechts, das Krakau im Mittelalter übernahm (2.4). Das 3. Kapitel widmet sich einer genaueren Untersuchung der Krakauer Stadtkanzlei
14
Vorwort
und deren Testamentsfundus. Dabei gehe ich zunächst auf die lokalen Rechtsquellen ein (3.1), beschreibe die unterschiedlichen Möglichkeiten der Testamentsablegungen in Krakau (3.2) und bespreche die wichtigsten Erbregelungen in Krakau (3.3). Die Regeln beziehen sich auf die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts, eine Periode, die anhand von Urteilen und Rechtsweisungen des Krakauer Oberhofs von Margret Obladen untersucht wurde. Dabei dürfen die Anfänge der Krakauer Stadtkanzlei und ihre Verkehrssprachen nicht unberücksichtigt bleiben (3.4), da sie ja das Hauptgegenstandfeld darstellen. Die Stadtbücher (3.5) geben dafür eine wichtige Quelle, denn sie beinhalten schließlich die deutschen Testamente der Krakauer (3.6). Nach diesen hinführenden Kapiteln analysiere ich im 4. Kapitel die theoretisch-methodologischen Hintergrundannahmen für meine Untersuchung. Dieses Kapitel ist in zwei Teile gegliedert, da zwischen einer Reflexion über Grundlagen der Methodik (A) und einer linguistischen Textanalyse der historischen Kanzleitexte (B) zu trennen ist. Im grundlegenden Methodenteil befasse ich mich zunächst mit dem Text als Produkt einer Sprachhandlung (4.1), treffe eine Unterscheidung zwischen Textsorten und Textmustern (4.2), stelle das Primat des kommunikativ-situativen Ansatzes vor und bespreche die integrativen Zugriffe bei der Textsortenklassifikation (4.3). Schließlich frage ich danach, was einen Text zum Vertreter einer Textsorte macht (4.4). Im Teil B, der linguistischen Textanalyse der historischen Kanzleitexte, unterscheide ich zunächst zwischen historischer Textlinguistik und soziopragmatischer Ausrichtung (4.5), dann setze ich das Modell historischer Soziopragmatik ins Verhältnis zu den Texten der Stadtbücher (4.6) und befasse mich dann gesondert einmal mit der germanistischen Herangehensweise (4.7) und dann mit der polonistischen Herangehensweise (4.8) an die Textsortenklassifizierung der historischen Kanzleitexte. Der empirische Teil setzt sich aus neun Kapiteln zusammen. Hinzu kommt der Anhang mit zusammengetragenem Sprachmaterial. Eröffnet wird der empirische Teil durch Bemerkungen zu den durchgeführten Erhebungen der testamentarischen Eintragungen in den Krakauer Stadtbüchern (5.1) Dargestellt wird sowohl die Materiallage in Krakau und die durchgeführten Erhebungsarbeit als auch die Art und Weise, wie in der vorliegenden Studie Zugang zu den Korpustexten gewährt wird (5.2). Es wird dabei auf die technischen Aspekte der Transliterationen und auf die Schwierigkeiten, die sich bei der Textsortenzuordnung einzelner Eintragungen ergeben (5.3), hingewiesen. Besondere Aufmerksamkeit wurde der Abgrenzung der Testamente und der Vergabungen des Todes wegen geschenkt (5.3.1), weiter auch den frühen Eintragungen mit einem testamentarischen Charakter (5.3.2). Das zweite Kapitel widmet sich dann den Fragen der Pragmatik, also besonders den Testamentsablegungsmodi und der daraus resultierenden Kommunikationssituation (6.1). Behandelt wurden auch die rechtlichen Bedingungen (6.2), die Prozedur vor den Behörden, die amtlichen
Vorwort
15
Zeugen und weitere an der Handlung der Testamentsablegung beteiligten oder nur gegenwärtigen Akteure (6.3). Anschließend wird auch Aufmerksamkeit dem Testierer und seinem Handeln vor der Behörde geschenkt (6.4) und auf die Spuren seiner mündlichen Aussagen in den Verschriftlichungen des Testierens hingewiesen (6.5). Danach wende ich mich der Kommunikationssituation der Testamentseröffnung zu (6.6). Das dritte Kapitel widmet sich der graphischen Ausgestaltung der testamentarischen Eintragungen, wobei sowohl die testamentarische Eintragung als eine unter anderen Eintragungen in dem Stadtbuch gesehen wird (7.1) als auch als ein komplexer Text (7.2.), der sich graphisch in kleinere Teile untergliedert (7.3 und 7.4). Anschließend wird in der Studie die Frage gestellt, inwieweit die eventuellen Eingriffe der Kanzleimitarbeiter beim Abschreiben der Originale reichten (8.1), auch wurden die Testamente derselben Testatoren auf die Änderungen verglichen (8.2). Weiter werden die Intertextualitätsfragen aufgegriffen (9.1), die sich auf die einzelnen Stadtbücher und/oder auf weitere schriftliche Texte beziehen, auch wird der moderne Begriff Intertextualitätsnetz auf die Eintragungen der Krakauer Stadtbücher angewendet (9.2 und 9.3). Im sechsten Kapitel des empirischen Teils der Studie werden die einzelnen detaillierten Analysen zum Texttaufbau durchgeführt. Als eine weiterführende Ergänzung dieses Kapitels versteht sich das siebte Kapitel (eigentlich Kapitel 11), das die Architektur und Komposition der Texte – verstanden als eine detailliertere Untersuchung des Inhalts – behandelt. Als ein Exkurs versteht sich eine kompilierte Analyse der von mir abgesonderten Vergabungen des Todes wegen, die unter den in der Studie auf die Testamente angewendete Aspekte durchgeführt wurde (Kapitel 12). Ein Dissertationsteil für sich ist das nachfolgende Kapitel (Kapitel 13) zu den stilistischen Elementen der Testamente, verstanden als eine lexikal-syntaktische Kurzanalyse. Dieser Teil der Studie versteht sich großenteils als ein Kommentar zu den im Anhang zusammengestellten lexikalisch-grammatischen Besonderheiten der Korpustexte. Er wird auch untermauert durch die Konfrontation mit früheren Ansätzen zu diesem Fragebereich. Nach den neun Kapiteln des empirischen Teils der Studie folgt im Kapitel 14 eine zusammenfassende Beantwortung der wichtigsten sich bei der Untersuchung ergebenden Fragen, die als Schlussbemerkung gelten können. Das abschließende 15. Kapitel gibt nun den Blick auf die Forschungsdesiderata und die geplanten Anschlussstudien frei. Ich denke, dass meine Korpusanalyse der Krakauer Testamente von Deutschen aus dem Mittelalter und der frühen Neuzeit nicht nur eine Lücke der bisherigen Forschung schließt, sondern auch eine wichtige Voraussetzung sowie Grundlage für weitere linguistische Untersuchungen an unterschiedlichen Textsorten und Texttypen darstellt.
I Theoretischer Teil
1
Einführung
Mit dem Gründungsprivileg von Bolesław dem Schamhaften aus dem Jahr 1257 wurde Krakau unter das Magdeburger Recht gestellt.1 Mit der Einführung der neuen Rechtsordnung sollten neue (deutsche) Siedler angelockt werden, von denen man erhoffte, dass sie zur zivilisatorischen Entwicklung der Stadt beitragen. Das Konzept ging auf: Noch im 14. und der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts sollen neue Krakauer Bürger zu drei Viertel Deutsche gewesen sein.2 Sie hinterließen ein umfangreiches Quellenmaterial. Dieses ist auch wegen des Sprachinselstatus Krakaus wissenschaftlich interessant.3 Aus politischen Gründen war jedoch die Erforschung der Krakauer deutschen Kanzleisprache wahrscheinlich lange vernachlässigt und der Zugang zu den Materialien erschwert worden. Als erster hat sich der Warschauer Germanist Józef Wiktorowicz mit der Kanzleisprache in Krakau befasst. Dessen Dissertation aus dem Jahre 1971 beschäftigt sich mit der phonologischen Analyse derselben im 14. Jahrhundert. Mit der graphematischen Ebene beschäftigen sich Krystyna Waligóra (1996) und Sławomira Kaleta-Wojtasik (2004). Zu einem neuen Umdenken bezüglich der Kanzleitexte (Phonologie, Graphematik, Textgrammatik, Dialektologie) trugen in letzter Zeit v. a. die Diskussionen des Internationalen Arbeitskreises Kanzeleisprachenforschung (IAK) bei.4 Im Vordergrund stehen seitdem zunehmend die Textpragmatik und das Handeln mit schriftlichen Erzeugnissen in der Kanzlei.5 Die leitenden Forscher des Kreises entwickelten bei der Analyse von spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen 1 Eine wesentliche Neuerung des Magdeburger Rechts bestand darin, dass der Ausgang eines Prozesses allein aufgrund einer nicht korrekten Wortwahl verloren gehen konnte. Dieser Bruch mit der Tradition stärkte das Vertrauen in das Gericht einerseits und begründete andererseits eine größere Rechtssicherheit. Für Kaufleute hatte das Magdeburger Recht die positive Folge, dass Streitfragen innerhalb eines Tages zu klären waren. 2 Vgl. Kaczmarczyk 1913, S. 22; Wiktorowicz 2008, S. 33ff., insbes. S. 33. 3 Zum Begriff »Sprachinsel« vgl. Wiesinger 1980, S. 491–496. 4 Dieser wird von den Schülern Ilpo Tapani Pirainens, Jörg Meier und Arne Ziegler geleitet. 5 Vgl. Greule/Meier/Ziegler 2012, S. 25.
20
Einführung
städtischen Kommunikationspraxen das Programm einer Historischen Textlinguistik auf soziopragmatischer Grundlage.6 Sie gehen davon aus, dass die Sprachgeschichte auch Geschichte von Textsorten sein soll. Jörg Meier stellt ausdrücklich einen Mangel an Untersuchungen der »alltagsnäheren« Texte des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit fest, zu denen er auch Testamente rechnet.7 Diese Behauptung gab Józef Wiktorowicz, einem der Mitglieder des IAK, den Anstoß, eine Reihe von Beiträgen zu den Textsorten, die in den Krakauer Stadtbüchern vertreten sind – darunter auch und v. a. den Testamenten –, vorzulegen. Auch die Krakauer Germanistin Sławomira Kaleta-Wojtasik, Autorin einiger interessanter sprachwissenschaftlicher Arbeiten zum Krakauer Sprachmaterial des 15. und des 16. Jahrhunderts, darunter der graphematischen Bearbeitung des preziösen Codex Pictuarius von Baltasar Behem, setzte sich in den letzten Jahren dezidiert mit den Krakauer Testamenten auseinander.8
1.1
Gegenstand der Arbeit
Gegenstand der vorliegenden Studie ist die deskriptive Analyse der Textsorte Testament anhand des historischen Sprachmaterials, nämlich Krakauer deutschsprachige Testamente des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit. Die Untersuchung behandelt jenen Zeitraum, als die deutsche Sprache neben Latein und Polnisch zu einer der drei Amts- und Verkehrssprachen in der Krakauer Stadtkanzlei gehörte, d. h. vom Ende des 14. Jahrhunderts bis ungefähr Mitte des 16. Jahrhunderts. Zwar sind bereits zu Anfang des 14. Jahrhunderts im ältesten erhaltenen Krakauer Stadtbuch Einträge auf Deutsch zu finden; unter diesen lassen sich aber keine eindeutig als Testamente identifizieren (vgl. Unterkapitel 1.3.2 im empirischen Teil der vorliegenden Studie). Bereits in der zweiten Dekade des Säkulums wurde die deutsche Sprache auf königliches Geheiß für ein paar Jahrzehnte aus dem öffentlichen Bereich verbannt. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts sind in den Krakauer Stadtbüchern dagegen nur noch vereinzelte Abschriften privater Testamentsurkunden der Bürger zu finden. Aus dem umrissenen Tatsachenbestand konzentriert sich die vorliegende Analyse auf die Zeit von 1393 bis 1550. Aufgrund des Umstands, dass es sich um erste Anfänge dieser Textsorte auf dem Gebiet handelt, sind die ersten deutschsprachigen testamentarischen Texte jedoch nicht völlig außer Acht zu lassen, auch nicht zugunsten einer abgerundeten Anfangsgrenze. 6 Meier und Ziegler geht es um einen integrativen Ansatz, der soziopragmatische und textlinguistische Verfahren kombiniert. Vgl. Meier 2004, S. 239. 7 Vgl. ebd., S. 14. 8 Vgl. Literaturverzeichnis.
Zielsetzung
1.2
21
Zielsetzung
Ziel der vorliegenden Untersuchung ist eine eingehende textlinguistische Analyse einer formalisierten Textsorte, die zwar kein Formular im Sinne notarieller Testamente befolgt, wie man sie heute versteht. Doch sie beinhalten einige Elemente, die für sie obligatorisch oder charakteristisch sind oder mit der Zeit werden. In der Studie soll herauspräpariert werden, was ein deutschsprachiges Testament in Krakau ausmacht und was darüber entscheidet, dass von einem Vertreter dieser Textsorte gesprochen werden kann. Das Ziel ist also eine umfassende kritische und kriterielle Beschreibung dieser historischen Textsorte, die anhand der Auswertung eines beträchtlichen Handschriftenmaterials ihr repräsentatives Fundament erlangt. Unternommen wurde auch der Versuch, eine möglichst genaue Zusammenstellung der testamentarischen Texte in den Krakauer Stadtbücher zu liefern, wobei – soweit möglich und sinnvoll – »Testamente« und »Vergabungen des Todes wegen« auseinandergehalten werden, obwohl beide Gruppen fluktuieren und es sich um keine strikte und undurchlässige Zuordnung handelt. Zu beobachten sind dabei einige Unterschiede in den verwendeten Formulierungen, was zu einem vorläufigen – thesenhaften – Trennungsversuch führte. Bereits aus der Kenntnis des rechtsgeschichtlichen Hintergrunds ergibt sich, dass die Textsorte Testament eine Entwicklung durchgemacht hat9: nämlich von der Donation pro re medio animae zum Legatentestament, das in sich mehrere Funktionen verbindet, die dann auf die Ausgestaltung von Struktur und Inhalt der Testamente Einfluss nehmen. Unter einem Legaten ist dabei eine vermögensrechtliche testamentarische Bestimmung zu verstehen, die die gesetzliche oder gewohnheitsrechtliche Erbfolge bricht (indem die Anwartschaft der jeweiligen Erbnehmer eingeschränkt oder ausgedehnt wurde bzw. diese ganz erlosch. Im Gegensatz zu einer legatischen Testamentsbestimmung verstehe ich die Artikel eines Testaments als Bestimmungen, die nicht unbedingt einen vermögensrechtlichen Charakter haben brauchen (bspw. die Bestimmung der Ruhestätte). Im Zusammenhang mit der Fragestellung der vorliegenden Studie wurde auch die mikrostrukturelle Realisierung der einzelnen Segmente und ihrer Bestandteile untersucht, also deren syntaktische und lexikalische Ausdrucksform – und zwar besonders dann, wenn diese zu festen Formulierungsmustern werden.
9 Diese Entwicklung lässt sich in den deutschen Gebieten dank der Schriftenauflistungen der katholischen Kirche nachvollziehen.
22
1.3
Einführung
Forschungslage
Die Forschungslage lässt sich in drei Ebenen aufteilen: 1. in philologische Studien zu den Krakauer Testamenten, 2. in nicht-philologische Studien zu den Krakauer Testamenten und 3. in Studien zur Textsorte Testament außerhalb Krakaus. Zum ersten Punkt ist festzuhalten, dass es bis jetzt keine umfassende philologische Arbeit zu den Krakauer Testamenten gibt. Der Gegenstand fand jedoch bereits das wissenschaftliche Interesse zweier Sprachhistoriker: Sławomira Kaleta-Wojtasik aus Krakau und Józef Wiktorowicz aus Warschau. Besonders Letzterer hat einige methodologisch wegweisende Beiträge in anerkannten internationalen Sammelbänden hervorgebracht, die im Literaturverzeichnis meiner Studie aufgelistet sind und im Weiteren bei der Besprechung der theoretischen Annahmen und Grundlagen der Arbeit einen kardinalen Platz einnehmen.10 Für Wiktorowicz wurden die Untersuchungen des mittelalterlichen und teilweise neuzeitlichen Krakauer Sprachmaterials zur empirischen Grundlage seiner theoretischen Überlegungen zu noch weitgehend unerforschten Fragen der Textsortenklassifikation und Textsortenanalyse historischer Texte. Anders verfährt Kaleta-Wojtasik mit diesem Material. Sie äußert sich zu einigen sprachwissenschaftlichen Phänomenen in den Krakauer Testamenten detaillierter, wobei die letzten Beiträge der 2016 verstorbenen Krakauer Germanistin besonders interessant sind: Sie wirft die Frage nach der spezifischen Kommunikationssituation und der zeitlichen Geltung der Bestimmungen eines Testaments auf. Weiter behandelt sie den »Doppelausdruck« bzw. sucht zwischen den Zeilen nach dem »Privaten« der Testamente.11 Kaleta-Wojtasik arbeitete dabei meist nur mit gedruckten Quellen. Eine eingehende linguistische Analyse der tatsächlich handschriftlich vorliegenden Krakauer Testamente, wie sie die vorliegende Untersuchung zu liefern hofft, steht aber nach wie vor aus und ist auch deshalb ein sprachhistorisches Anliegen innerhalb der Sprachwissenschaft. Beim zweiten Punkt, den nicht-philologischen Studien zu den Krakauer Testamenten, ist auf die Dissertation des Warschauer Historikers Jakub Wysmułek hinzuweisen, die 2015 erschien.12 Die Zielsetzung der vorliegenden Studie unterscheidet sich von der Untersuchung Jakub Wysmułeks, die aus der Sicht eines Historikers durchgeführt wurde: Die soziogeschichtlichen Aspekte interessierten nämlich den Sprachhistoriker vornehmlich in ihrer textpragmatischen Ausrichtung, also unter der Fragestellung des Handelns mit dem Text und dessen
10 Józef Wiktorowicz fühlt sich seit seiner Dissertation dem phonologischen System der deutschen Sprache in Krakau besonders verpflichtet. 11 Kaleta-Wojtasik 2016, S. 49–62; dies. 2017, S. 201–209. 12 Vgl. Wysmułek 2013, S. 337–371; ders. 2015.
Forschungslage
23
Illokutionen. Meine Studie fragt darüber hinaus auch metasprachlich danach, welches die Kriterien dieser Textsorte sind. Auch das Untersuchungsmaterial wurde bis jetzt weder in seinem Umfang umrissen noch katalogisiert. Einen ersten Anlauf unternahm hier wieder die Studie von Wysmułek. Für die seiner Dissertation angehängte Zusammenstellung wählte der Warschauer Historiker – seinen eigenen Annahmen entsprechend – diejenigen testamentarischen Texte aus, die mehr ausgebaut und auf Autoreflexion bedacht waren und darüber hinaus der Verfügung eines wesentlichen Vermögensteils dienten.13 Dabei wurde keine Unterscheidung zwischen Testament und Vergabung des Todes wegen vorgenommen. Auch reichen seine Recherchen nur bis 1500. Zum dritten Punkt, den Studien zur Textsorte Testament außerhalb Krakaus, ist anzumerken, dass es bisher wenige Arbeiten zur Textsorte Testament im Allgemeinen gibt. Zu nennen sind hier aber zwei: Das ist zum einen die Studie von Ahasver von Brandt zu mittelalterlichen Lübecker Testamenten und zum anderen eine Studie Paul Baurs, die sich mit Konstanzer Testamenten auseinandersetzt.14 Beide Studien sind sozialhistorisch ausgerichtet. Sie behandeln aber auch solche Fragestellungen, wie den deutsch-lateinischen Schreibsprachenwechsel und einige Aspekte der Formulargestaltung, was für Germanisten interessant ist. Unter methodischen Gesichtspunkten sind für meine Untersuchungen jedoch zwei linguistische Studien über Testamente von besonderer Relevanz: Die erste ist eine korpusbasierte Studie von Andreas Bieberstedt.15 Sie widmet sich mittelalterlichen norddeutschen Testamenten. Die zweite ist eine Studie von Libusˇe Spácˇilová.16 Sie befasst sich mit frühneuhochdeutschen Testamenten aus Olmütz. Dabei wird die Herangehensweise beider Autoren von der Art des Materials, auf das sie zugreifen können, mitbestimmt. Während Spácˇilová auf die Einträge in den Stadtbüchern angewiesen ist, arbeitet Bieberstedt mit den Originalurkunden, die in Lübeck erhalten geblieben sind. Bieberstedt untersucht 125 urkundliche Testamente aus dem Spätmittelalter, die zum Teil bereits ediert und zum Teil ein Ergebnis seiner Eigenerhebungen sind. Für seine Analysen legt er aber v. a. sprachgeschichtliche Studien zur städtischen Kommunikation von Jörg Meier (2004) und Arne Ziegler (2003) zugrunde.17 Bieberstedt unterscheidet drei hierarchische Ebenen des Aufbaus einer Urkunde: eine Makro-, eine Basisund eine Substruktur. Die sog. Mikrostruktur ist dann die jeweilige sprachliche
13 14 15 16 17
Wysmułek 2015, S. 17. Vgl. von Brandt 1964/1973; Baur 1989. Bieberstedt 2009, S. 9–56. Vgl. Spácˇilová 2010; dies. 2000. Vgl. Meier 2014; Ziegler 2003.
24
Einführung
Realisierung der Substruktur.18 Spácˇilová analysiert alle Testamente in den Aktenbüchern der Olmützer Kanzlei für den Zeitraum 1466–1550, egal in welchen Texttypen sie vorliegen. Diese Vorgehensweise resultiert zum Teil daraus, dass die urkundlichen Testamente in Olmütz nicht erhalten geblieben sind und nur fünf Abschriften in den Aktenbüchern eingesehen werden können. Spácˇilová will zeigen, wie das Textmuster des jeweiligen Texttyps ausgesehen haben muss, welche Elemente obligatorisch und welche fakultativ waren. Einen wichtigen Indikator für die Klassifikation von Textsorten sieht Spácˇilová in der Textstruktur selbst, wobei es sich zunächst nur um eine formale Textgliederung handelt.19 Sie nimmt bei ihren Analysen den Beispieltext einer Urkunde als Bezugsgröße, die sie in dem damals populären Werk Formulare und deutsch Rhetorica von 1483 findet. Dabei stellt sie fest, dass der Texttyp »Eintrag« eine verkürzte Form der »Urkunde« ist und unterteilt die Testamentstexte in der Realisierungsform »Eintrag« in einige Varianten.20 Darüber hinaus lenkt Spácˇilová ihre Aufmerksamkeit auf die semantische und syntaktische Realisierung der für die Testamentstexte zentralen Elemente. Zu den polnischen Arbeiten, die sich den Testamenten als einem sprachlichen (bzw. soziolinguistischen) Phänomen widmen und auf die ich in meiner Untersuchung Bezug nehme, gehören die Studien von Boz˙ena Z˙migrodzka und Anna Dunin-Dudkowska.21 Die erste behandelt die im Druck erschienenen polnischen Testamente aus dem 16. bis 20. Jahrhundert aus Kalisch und ist eine monographische Studie über diese Textsorte im Texttyp »Urkunde«. Da sich Texte nach der von der Autorin herangezogenen Theorie Anna Wierzbickas (1971) aber nicht nur auf der primären – also von dem Absender geplanten Sprechakte –, sondern auch auf der metatextuellen Ebene zugleich entwickeln, untersucht Z˙migrodzka neben dem Grundmuster (resp. kanonischen Muster) auch die metatextuellen Elemente der erweiterten Textmusterstruktur. Diese umfassen nicht nur initiale und finale Signale, sondern beziehen sich auch in weiten Teilen entweder auf das Testament selbst, den Testierer oder den Bedachten. Auf die methodologischen Prämissen dieser Studie werde ich in meinen Analysen zurückgreifen. Die Arbeit von Dunin-Dudkowska stellt dagegen eine 18 Diese Terminologie ist nicht etwa von Teun van Dijk und der semantischen Tiefenstruktur inspiriert, sondern geht auf Untersuchungen von Ziegler zur Gestaltungsweise von Texten zurück. Ziegler bedient sich der Terminologie der Diplomatik nur begrenzt. Dabei beherzigt er Meiers Kritik an solchen Verfahren. Die Untersuchungen Zieglers unterscheiden zwischen obligatorischen, fakultativ-freien und fakultativ-kombinatorischen Elementen der Basisstruktur, wobei die fakultativ-freien, also die mit dem persönlichen Stil des (meist professionellen) Verfassers zusammenhängenden Elemente, wegen der formalisierten Charakters der Textsorte »Testament« selten sind. Vgl. Ziegler 2010. 19 Spácˇilová 2000, S. 27; sowie dies. 2010, S. 101. 20 Spácˇilová 2000, S. 65. 21 Vgl. Z˙migrodzka 1997; Dunin-Dudkowska 2014.
Forschungslage
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komparative deutsch-amerikanische Studie vor, in der mit zeitgenössischem Material gearbeitet wird. Sie analysiert polnische und amerikanische Testamente, deren Formulierungen und Textmuster zum Teil aus ihrer Übersetzertätigkeit bekannt sein können. Ihre Materialbasis umfasst vielfältige Varianten von Testamenten: sowohl amtliche als auch privat verfasste Texte, mündliche Testamente, die unter besonderen Umständen abgegeben und niedergeschrieben wurden, und Testamente von rich and famous, also Reichen und Berühmten.22 Die Autorin beschränkt sich methodisch nicht nur auf polnische Theorien und Ansätze, unter denen sie sich besonders nach der Lubliner Schule richtet, wo sie auch akademisch verankert ist.23 Sie beruft sich auch auf angelsächsische genealogische Untersuchungen.24 Sie sind aber für die mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Textsorten der Kanzlei wenig geeignet.
22 Dunin-Dudkowka 2014, S. 15. 23 V. a. bei Maria Wojtak und Jerzy Bartmin´ski. Vgl. Wojtak 1993, S. 147–162. 24 Diese gehen davon aus, dass man, um die Sprache, ihre Verwendung und damit auch einzelne Textsorten richtig zu verstehen, v. a. die Kultur, deren Teile die benannten sind, zunächst kennenlernen und verstehen muss. Die Thesen der sozio-kognitiven Arbeiten von Carol A. Berkenkotter und Thomas N. Huckin (Genre Knowledge) bilden dabei eine Art Spiegelbild der herkömmlichen diskursiven Ansätze: Denn Menschen eignen sich beim Spracherwerb auch gesellschaftliche Werte und Perspektiven an, indem sie die Textsorten des gesellschaftlichen Diskurses beherrschen und internalisieren. Vgl. Berkenkotter/Huckin 1988.
2
Historischer und rechtshistorischer Hintergrund der Testierfreiheit in Krakau
2.1
Die deutsche Besiedlung Krakaus
Unter Kasimir I. dem Erneuerer wurde Krakau 1038 Hauptstadt von Polen. Daraufhin entwickelte sich die Stadt im 11. Jahrhundert schnell. In dieser Zeit wanderten viele Juden und Deutsche nach Krakau ein und erwarben das Bürgerrecht. Deutsche ließen sich in Krakau nämlich bereits vor der strategischen Besiedlung durch Bolesław den Schamhaften/Schüchternen in der Mitte des 13. Jahrhundert nieder. In der 1250 verfassten Handschrift Miracula sancti Stanislai finden sich solche Eintragungen von Namen der Krakauer Einwohner wie »Rychard mit seiner Frau Krystyna« oder »Witkier Niemiec (der Deutsche) mit seinen Söhnen Gerard und Rychold« sowie »Urszula Niemka« (die Deutsche – also der Verweis auf die deutsche Herkunft).25 Darauf verweisen bereits Franciszek Piekosin´ski und Józef Szujski im Vorwort zu ihrer Edition des frühesten Stadtbuches Najstarsze ksiegi i rachunki miasta Krakowa26. Die Besiedlung Krakaus kann auf mehrere Ursachen zurückgeführt werden: Einerseits ist das Bevölkerungswachstum in Westeuropa für die Umsiedlung von Bauern und Handwerkern nach Osten verantwortlich. Andererseits ist für die einheimische Bevölkerung auch der agrartechnische Fortschritt der westlichen ländlichen Bevölkerung für Polen von Bedeutung. Darüber hinaus gestaltet sich der »zivilisatorische Vorsprung« der westlichen städtischen Bevölkerung bei der Um- und Ansiedlung zu einem für beide Seiten vorteilhaften Prozess: Die Grundherren initiierten eine Besiedlung von Ortschaften nach deutschem Recht und zogen damit gebildete Leute in ihre Gebiete, die im Osten bessere Lebensbedingungen fanden als in ihren angestammten deutschen Gebieten. Im Gegenzug wurden ihnen Freiheitsrechte zuerkannt und somit die Wirtschaft und Landwirtschaft angekurbelt. Es war ein Prozess, der sich umgekehrt zur modernen Kolonisation verhält, bei der ein Gebiet durch ein anderes wirtschaftlich 25 Wyrozumska 1995, S. 15. 26 Piekosin´ski/Szujski 1878, S. XVf.; Wyrozumska 1995, S. 14f.
28
Historischer und rechtshistorischer Hintergrund der Testierfreiheit in Krakau
ausgebeutet und strategisch vereinnahmt wird. Da man bei der Besiedlung Krakaus und Umgebung eigentlich nicht von Kolonisatoren reden kann, sondern von Förderern des gesellschaftlichen Fortschritts, ist der Terminus »Besiedlung« hier vorzuziehen.27 Denn es handelt sich zwar um die Expansion einer Gesellschaft über ihren angestammten Lebensraum hinaus, die Besiedlung geht aber nicht mit einer aggressiven Usurpation oder anschließender Fremdherrschaft einher. Ihren Anfang nahm die deutsche Besiedlung auf polnischem Gebiet Ende des 12. Jahrhunderts. Sie begann in Schlesien und im Norden des heutigen Territoriums von Polen.28 Während der Hauptphase der Ostbesiedlung von der Mitte des 12. bis zum Ende des 14. Jahrhunderts wurde der deutsche Siedlungs- und Sprachraum um mehr als ein Drittel erweitert. Das erste deutschrechtliche Gründungsprivileg wurde 1211 für die Stadt Goldberg erlassen. In Kleinpolen und in Galizien wurden ca. 650 Ortschaften nach deutschem Recht behandelt.29 Darunter befinden sich aber weniger Städte als in Schlesien, wo sogar 120 deutsche Städte neu gegründet wurden. Wegen der Verwüstung der südlichen polnischen Gebiete durch Tataren und Mongolen im 12. und 13. Jahrhundert wurde mancherorts sogar urkundlich verboten, dass sich polnische Bevölkerung in den neuen Städten niederlassen konnte. So wurde z. B. auch im Gründungsprivileg für Krakau von 1257 von Bolesław den Schamhaften/Schüchternen eine Ansiedlung der polnischen Be-
27 Als passende Bezeichnung ist hier die »Ost(be)siedlung« zu verwenden, wie es laut der Erklärung im Lexikon des Mittelalters heißt: »Der historiographische Begriff ›Ostsiedlung‹ bezeichnet einen Prozess der Besiedlung und Akkulturation, der in den Gebieten östlich der Reichsgrenze des ausgehenden 11. Jahrhunderts bis zum Finnischen Meerbusen, zum Schwarzen Meer und zur Save vornehmlich durch deutsche Bauern, Handwerker und Kaufleute getragen wurde.« Vgl. Irgang 1993, Bd. VI, Sp. 1545–1546. Allerdings unterscheidet Irgang die Ostbesiedlung nicht konsequent und strukturell von den Eroberungen im Osten des Reiches, wenn er sie zu einer »nur teilweise in Verbindung mit Eroberung und Missionierung […] stehenden, zum größten Teil jedoch aufgrund der Initiative landsässiger Landesund Grundherren friedlich verlaufender Siedlungsbewegung« erklärt. Vgl. ebd. 28 Die Piasten, eine nach ihrem legendären Stammvater Piast benannte Herrscherdynastie in Polen, die vom 10. bis 17. Jahrhundert zahlreiche Herzöge und Könige stellte, waren große Förderer der Besiedlung. In den reichsnahen ehemaligen Marken, dem südlichen Ostseeraum und in Schlesien wurde die westslawische Vorbevölkerung bis auf wenige Enklaven assimiliert. In Polen, teilweise aber auch in der Oberlausitz, gingen die deutschsprachigen Neusiedler in der slawischen Mehrheitsbevölkerung auf. In den Regionen zwischen Elbe und Oder sowie im Baltikum trug der Prozess gerade zu Anfang bis etwa 1150 jedoch auch Züge einer Eroberung und gewaltsamen Missionierung. Andernorts zeichnete sich durch die Initiative einheimischer Grundherren eine eher friedliche Besiedlung ab. 29 Obladen 2005, S. 27.
Die deutschen Ansiedler
29
siedlung festgeschrieben, damit die benachbarten Gebiete nicht menschenleer werden sollten.30 Die Stadt Krakau erhielt mit dem Rechtszug nach Magdeburg das deutsche Recht in Form des Magdeburger Rechts31, bis Kasimir der Große 1356 den Königlichen Oberhof in Krakau gründete.
2.2
Die deutschen Ansiedler
Nach Krakau wurden v. a. deutsche Siedler aus dem nahegelegenen Schlesien geholt. Noch im 14. und teilweise im 15. Jahrhundert machten neu hinzugezogene und in das Stadtrecht aufgenommene Krakauer Bürger zu drei Viertel Deutsche aus, wie der polnische Historiker Kaczmarczyk feststellte.32 Der Siedlerstrom wurde seit Mitte des 14. Jahrhunderts wegen einer Pestepidemie vielerorts unterbrochen. Nach den vorliegenden Quellen waren in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts noch etwa 35 Prozent der Bevölkerung Krakaus deutsche Siedler.33 Im südlichen Teil des polnischen Gebiets waren es nach Józef Wiktorowicz meist Siedler aus Sachsen und Thüringen, manche auch aus Hessen und Bayern, wie der Forscher nach sprachlichen Merkmalen im überlieferten handschriftlichen Material beurteilt.34 In der Sprachinsel Krakau stellt Wiktorowicz jedoch nur wenige Merkmale des Oberdeutschen (Bayerischen) fest.35 Darüber kann 30 Das Gründungsprivileg wurde von Ba˛kowski 1911, S. 54–59, transliteriert und abgedruckt. – Die drei involvierten Vögte, die als Siedlungsunternehmer berufen wurden und Siedler »aus verschiedenen Gegenden« nach Krakau führen sollten, erhielten als Lohn für ihre Dienste Einkünfte aus Mühlen, Zollfreiheiten sowie zukünftig ein Sechstel des Zinses. Außerdem wurden die angekommenen Siedler für sechs Jahre von Zinsen und Steuern befreit. Es wird angenommen, dass alle drei Vögte – Gedko, Jakob und Dytmar – deutscher Abstammung waren und aus Schlesien stammten, wie es über Jakob im Privileg heißt: »vormals Richter aus Neiße«. 31 Die Ausbreitung des Magdeburger Rechts nach Osteuropa ging einher mit der Ausbreitung des »Sachsenspiegels« als Quelle des Landrechts in Osteuropa. Der »Sachsenspiegel« ist ein Rechtsbuch des Eike von Repgow, entstanden zwischen 1220 und 1235. Es gilt als das bedeutendste und, gemeinsam mit dem Mühlhäuser Reichsrechtsbuch, älteste Rechtsbuch des deutschen Mittelalters. Wenn in den Quellen von »Deutschem Recht« zu lesen ist, sind stets beide gemeint. In Anlehnung an den Gebrauch in manchen Quellen bezeichnete es die frühere Forschung als »ius teutonicum«, mittlerweile hat sich jedoch die Bezeichnung sächsisch-magdeburgisches Recht durchgesetzt. Als Oberhof übte der Magdeburger Schöffenstuhl die Interpretationshoheit über das Recht aus und hatte so in der Rechtsausbildung bleibenden Einfluss. Das Magdeburger Recht in Polen verlor erst im Zuge der napoleonischen und josefinischen Reformen in Galizien seine Gültigkeit. 32 Vgl. Kaczmarczyk 1913, S. 22; Wiktorowicz 2008, S. 33–40, insbes. S. 33. 33 Vgl. Samsonowicz 2000, S. 117–130, insbes. S. 121f., Obladen 2005, S. 37. 34 Vgl. Wiktorowicz 2012, S. 599. 35 Ebd.
30
Historischer und rechtshistorischer Hintergrund der Testierfreiheit in Krakau
man auf eine auswärtige Abstammung anhand der im Testament genannten Familienmitglieder, oft mit ihrem Wohnort angeführt, gedeutet werden. Eine Hilfestellung können überdies hinaus die Einbürgerungsbücher leisten.36
2.3
Die Erbtraditionen bei den Germanen
Die germanische Rechtspraxis hat große Ähnlichkeit mit dem frühen Recht anderer Kulturvölker, z. B. dem altrömischen, dem altgriechischen oder alttestamentarischen jüdischen Recht. Auch wenn diese Rechtspraxis archaisch ist, ist sie nicht primitiv, sondern ein funktionierendes Rechtssystem. Für das germanische Rechtsverständnis sind die Sippe und die Familie diejenigen obersten gemeinschaftlichen Einrichtungen, die ihren Mitgliedern Frieden, Recht und Freiheit gewähren. Wer außerhalb der Sippe steht, ist daher der Friedlose.37 Die Tat gegen die Gemeinschaft macht den Täter friedlos und schließt ihn aus dem Rechtsverband aus. Das Recht wurde also als Gesamtrecht aufgefasst, das der Gemeinschaft größere Bedeutung und Rechte gewährt als dem Einzelnen. So muss auch die Anwartschaft natürlicher Erben innerhalb der Verwandtschaft erklärt werden. Denn erst später entwickelte sich das aus den frühmittelalterlichen Ranggesellschaften herrührende Stammesrecht zu Landrechten für die Bevölkerung eines bestimmten geografischen Raumes. Im Frühmittelalter ändert sich mit dem Christentum auch die Praxis des Totenkultes und die Rechtsprechung der Germanen. Diese Wandlung geht mit einer Veränderung der Anschauungen über das Fortleben nach dem Tod einher. Der alte Glaube vom lebendigen Leichnam, der im Grabe mit denselben Bedürfnissen wie auf Erden weiterlebt, beginnt, wenn auch langsam, zu schwinden.38 An seine Stelle tritt allmählich die Vorstellung vom Fortleben der Seele. Das Volksbewusstsein hält jedoch noch am althergebrachten Totenkult fest. Werden dem Toten die periodischen Opfer versagt, deren er zur Fortsetzung seines Daseins im Grabe bedarf, so steigt er als blutsaugendes Gespenst aus dem Grabe auf, um sich das Versagte zu holen und sich an den zur Totenpflege verpflichteten Lebenden zu rächen. Damit der Tote aber nicht zum Wiedergänger werde, bedarf es einer beschwichtigenden Opfergabe.39 Mit diesem Dämonenglauben beginnt das Erbrecht. Persönliche Gegenstände wie Rüstung und Pferd bildeten ursprünglich oft das einzige Eigentum, und es war Brauch, diese auf einem Scheiterhaufen samt dem Verstorbenen zu verbrennen.40 Das war der sog. 36 37 38 39 40
Vgl. Kaczmarczyk 1913; Kiełbicka1993 und 1994. Mitteis 1992, S. 23f. Bruck 1956, S. 34. Mitteis 1992, S. 22. Koronayi 1976, S. 21.
Die Erbtraditionen bei den Germanen
31
Totenteil. Die Erben hatten ihn als eine moralische und quasi natürliche Pflicht zu entrichten. Der Rest des Eigentums bzw. Besitztums kam im germanischen Recht den männlichen Hausgenossen, den sog. Hauserben, zu, und falls diese ausgestorben waren, der Sippe. Bei den Germanen war das Erbrecht also ein Teil des Familienrechts. Erben waren die Nachgeborenen, zur Familie oder Sippe gehörenden Blutsverwandten. Die Erben erwarben den Nachlass automatisch durch das Anfallen der Erbschaft. Das erforderte keinen Antritt der Erbschaft, sondern erfolgte nach dem Grundsatz: Der Tote beerbt den Lebendigen. Dieser Prozess setzt weder die Kenntnis des Erben von der Erbenstellung noch die Kenntnis vom Tod des Erblassers voraus.41 Der Tote hinterlässt den Erben einfach den Besitz.42 Die ersten Verfügungen von Todes wegen waren noch darauf bedacht, den Totenkult auch dann weiterzupflegen, wenn keine natürlichen Erben vorhanden waren. Bei den Langobarden konnte man mit dem Edictum Rothari und dem Lex Visigothorum auch die Kirche oder der königlichen Instanz ohne Umstände und Formalitäten pro remedio animae bedenken, da allerdings oft nur als Schenkung, da keine verwandtschaftliche Beziehung zum Bedachten bestand. Als erstes wurde die Erbeneinsetzung als adoptio in hereditatem ermöglicht. Diese Adoptionsform erlaubte es einem Erblasser, beim Fehlen naher Verwandter (v. a. Kinder) jemanden anderes zum eigenen Sohn zu machen.43 Bei den Langobarden wurde z. B. das sog. Speergeding in öffentlicher Versammlung vorgenommen.44 Die Salfranken führten die sog. Affatomie ein.45 Aus dieser Zeit stammt auch die Institution des Salmanns, also des späteren Testamentsvollstreckers, der die 41 Nicht der Mensch, sondern Gott schafft Erben, brachte Tacitus diesen Zusammenhang auf den Punkt. Vgl. Tacitus o. J./1971, Kap. XX. 42 Mitteis 1976, S. 156. 43 Koronayi 1976, S. 163. 44 »Über Geding (thinx), d. h. Zuwendung. Will jemand sein Vermögen einem andern ausdingen, so darf er es nicht unter vier Augen tun, sondern er errichte das Speergeding (gairethinx) vor freien Leuten, und es sollen der Verfügende und der Bürge (gisel) Freie sein, damit später kein Streit entsteht. Dingt jemand einem andern sein Vermögen an und sagt er: ›Geh ins Erbe‹ (lid in laib) – was bedeutet: das, was er an seinem Todestag hinterlässt – so sol er sein Vermögen später nicht böswillig vertun, sondern mit Maß die Nutznießung daran haben. Kommt er aber in eine solche Notlage, dass er das Land – mit Knechten oder ohne Knechte – verkaufen oder verpfänden muss, so soll er vorher demjenigen, dem er es ausgedungen hat, sagen: ›Wie du siehst, bin ich genötigt, das Gut aus Not zu veräußern. Wenn es dir wert scheint, so hilf mir, und ich erhalte dir dies Gut als dein künftiges Eigentum.‹ Wenn jener ihm dann nicht helfen will, dann soll das, was er einem andern gibt, diesem fest und unangefochten gehören.« Schott 2009, S. 115f. 45 Das geschieht z. B. auch mit einer zur Schau gestellten öffentlichen Umarmung, vgl. adfatmire = »in den Busen«. »Nach dem Rechte der Salfranken wurde die Affatomie so vollzogen, daß eine Person vor Gericht die Auflassung empfing, um sie nach zwölf Monaten demjenigen wieder zu ertheilen, welchem die Vergabung eigentlich zu Gute kommen sollte.« Besele 1835, S. 278.
32
Historischer und rechtshistorischer Hintergrund der Testierfreiheit in Krakau
sachenrechtlichen Geschäfte ausführt, indem er das Erbgut vom Erblasser übernimmt und es später auf den Erben überträgt.46 Mit der Erstarkung des christlichen Glaubens und des institutionellen Apparates der Kirche in Europa verblasst der germanische Totenkult mit seiner personenrechtlichen Grundlage. Neu ist nun, dass ein sog. Kindeskopfteil bzw. ein Fünftel oder sogar ein Drittel des ganzen Vermögens aus der ungeteilten Erbengemeinschaftsmasse für die Kirche einbehalten werden konnte, und zwar gegen den sog. Beispruch der Erben.47 Die Sorge für das Seelenheil kommt nun zunehmend der Kirche zu. Das Recht am Nachlass bekommt einen vermögensrechtlichen Charakter.48 Der sog. Freiteil im christlichen Sinn, also ein Teil des Gutes, über den frei verfügt werden konnte und der unterschiedlich bestimmt war, hatte sich vom 8. bis ins 12. Jahrhundert verbreitet und war ein erster Schritt in Richtung Testierfreiheit der Menschen. Im 13. Jahrhundert gibt es dann auch die ersten überlieferten Testamente. Die mehr oder weniger freie Verfügungsmacht über die gesamte Habe setzt sich aber erst mit der Verstädterung und dem zunehmend bei einzelnen vorhandenen Vermögen und dem damit verbundenen Wunsch nach Testierfreiheit durch.49
2.4
Die Anfänge des Testierens im Gebiet des Magdeburger Rechts
Die Behandlung einer Stadt mit deutschem Recht bedeutete im frühen Mittelalter nicht nur die Übernahme der Stadtverfassung – im Fall Kleinpolens und Krakaus der Stadt Magdeburg –, sondern auch des dort geltenden Privatrechts, obwohl von einer strengen Trennung in Verfassungs- und Privatrecht im Mittelalter noch nicht gesprochen werden kann.50 Die erste schriftliche Quelle für das Magdeburger Recht ist das älteste erhaltene Privileg des Erzbischofs Wichmann aus dem 46 Ein Salmann ist in historischen Texten die Bezeichnung für einen Treuhänder oder Notar, der für die Sal, also die rechtliche Übergabe (etwa den Kauf, Verkauf oder die Schenkung etc.) eines Gutes und deren eventuelle Eintragung ins Salbuch, also Urkundenbuch für Grundstücke, Einkünfte, Schenkungen) zuständig ist. Vgl. Koronay 1976, S. 163. 47 Ein »Beispruchrecht« bewirkte, dass ein Grundstück grundsätzlich nicht ohne vorherige Genehmigung durch die nächsten Erben, die »Erbenlaub«, verkauft werden konnte. Ihm lag die Idee eines Vorrangs des Rechts einer Sippe gegenüber den subjektiven Rechten eines Individuums, auch eines Sippenoberhauptes, zugrunde. Vgl. Ogris 1971, Sp. 356f. 48 Mitteis 1976, S. 156. 49 Weil jeder Erbe die Teilung des Erbes – v. a. Land und Besitz – verlangen konnte, räumt das römische Recht seinen Erblassern Testierfreiheit ein, um den Grundbesitz auf einen Alleinerben zu übertragen und zugleich die finanzielle Absicherung der übrigen Hausgenossen zu regeln. Vgl. Kroppenberg 2009. 50 Loening 1906, S. 5.
Die Anfänge des Testierens im Gebiet des Magdeburger Rechts
33
Jahre 1188. Der von Eike von Repgow niedergeschriebene Sachsenspiegel verbreitet dieses Recht auch auf Gebiete Osteuropas. Es hat aber als Gewohnheitsrecht nur noch subsidiär Geltung. Zu den Rechtsquellen sind auch die Rechtsmitteilungen zu rechnen, die von Magdeburg oder von den bereits nach dem Magdeburger Recht strukturierten Städten auf Antrag der sich um das deutsche Recht bewerbenden Ortschaften gesendet wurden. Dabei sind die Rechtsmitteilungen aus Magdeburg nach Breslau und nach Görlitz von besonderer Bedeutung, weil sich die damaligen Verfasser juristischer Literatur auf diese stützten. Eine Kompilation verschiedener Quellen, die sowohl das Schöffenrecht als auch den Sachsenspiegel umfasste, ist das sog. Sächsische Weichbildrecht, das samt seiner im 14. Jahrhundert erschienenen Glossen, die stark unter römischem Einfluss standen, zu weiter Verbreitung gelangte. Auf dem Gebiet des Magdeburger Rechts – also der Städte, die nach diesem Recht behandelt wurden –51 kam es dazu stets zu einer lokalen Entwicklung bzw. Präzisierung der einzelnen Rechtsbestimmungen; und das nicht nur auf der Grundlage der Statuten, Privilegien und Willkür einzelner Städte, sondern auch durch die Schöffensprüche des Oberhofs. Anfänglich betraf dies nur Magdeburg, dann aber auch die dezentralisierten Oberhöfe in den größeren nach dem deutschen Recht strukturierten Städten – in Krakau etwa nach der Auflösung des Magdeburger Oberhofs ab 1356. Die Schöffensprüche gaben Antworten auf Fragen, bei denen der gegebene Tatbestand keine Regelung fand. Sowohl der Sachsenspiegel als auch das Sächsische Weichbild und die Rechtsmitteilungen kannten prinzipiell das Rechtsinstitut des Testaments nicht. Sie bezogen sich lediglich auf die ältere Vergabung des Todes wegen und die Übertragung und Tradierung der sog. Fahrhabe oder Fahrnis – also die beweglichen Sachen (Mobilien) im Gegensatz zu den unbeweglichen Sachen (Immobilien) –, die die physische Kraft des Veräußerers erforderte, da die Sache persönlich ausgehändigt werden mussten.52 Die Anfänge der Testamente sind dem Einfluss des römischen und kanonischen Rechts geschuldet sowie in der Interessensphäre der katholischen Kirche zu suchen. Die Vergabungen des Todes wegen hatten dabei den Nachteil, dass sie sich anfänglich nur auf Liegenschaften bezogen. Es war also auf diesem Wege unmöglich, der Kirche Geld oder eine kleinere Gabe nach dem Tode des Vergabenden zukommen zu lassen. Die Vergabungen von Todes wegen waren auch nicht einfach durchzuführen, da sie eine Auflassung im »gehegten Ding«, also vor
51 Das Magdeburger Recht wurde in vielen neu gegründeten Städten im »Neusiedelgebiet« vom jeweiligen Stadtherren verliehen und wirkte teilweise sogar in die Gebiete westlich von Magdeburg (im heutigen Niedersachsen) hinein. V. a. aber breitete es sich im Zuge der Siedlungsbewegung nach Osten aus, in die Mark Brandenburg, nach Pommern, Preußen, Thüringen, Sachsen, Schlesien, Böhmen, Mähren und in die Lausitz. 52 Loening 1906, S. 6.
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Historischer und rechtshistorischer Hintergrund der Testierfreiheit in Krakau
Gericht, zur rechten Thingzeit erforderte.53 Da die Leute aber oft gewillt waren, kleinere Gaben aufzulassen, musste die Geistlichkeit ein anderes Rechtsinstitut propagieren, nämlich die einseitige Verfügung in Form eines Testaments, das sich in Anlehnung an die Kleriker-Testamente entwickelte. Diese erforderten eine kleinere Zahl an Zeugen als im Fall des Testaments nach dem römischen Recht, nämlich zwei oder drei und nicht fünf oder sieben. Die Testamente, von der Geistlichkeit anfänglich als seelgerethe (pro remedio animae) bzw. Conscientiengeld durchgesetzt, genossen den Schutz geistlicher Gerichte, da die Kirche die Erfüllung der Testamente als eine Gewissenspflicht darstellte. Wegen der Bequemlichkeit der Errichtung der Testamente trat die Geistlichkeit für die Anerkennung des neuen Rechtsinstituts ein und bot den Laien verschiedene Ablassangebote für die Gaben an die Kirche und ihre Vertreter an. Noch im 16. Jahrhundert findet sich in den Zittauer Statuten eine eigenartige Bestimmung, dass zur Gültigkeit eines Testaments eine dort enthaltene fromme Stiftung erforderlich sei.54 Durch landesherrliche Privilegien wurde in einigen Städten im Gebiet des Magdeburger Rechts auch für Krakau die Testierfreiheit der Einwohner gewährt, die sog. Töchterrechte.55 Die Sprüche der Magdeburger Schöffen sind in der Frage der Testamente in der frühen Zeit uneinheitlich. Loening macht jedoch darauf aufmerksam, dass bereits um die Wende des 14. Jahrhunderts Testamente über die Fahrhabe vom Oberhof auch ohne die Erbenlaub anerkannt wurden.56 Anders als bei den beweglichen Dingen verhält es sich im Fall der Liegenschaften, bei denen sich die Sache verkompliziert, u. a. auch deshalb, weil die weltliche Gewalt den Reichtum und die Macht der Kirche nicht so stark anwachsen lassen wollte. Seit etwa der Hälfte des 14. Jahrhunderts zeigt sich in den Texten auch offene Konkurrenz zwischen weltlicher und kirchlicher Gewalt in Sachen Rechtssprechungskompetenz über Testamente. Zivilisatorische und soziale Veränderungen haben im Mittelalter zum Umdenken und zur Revidierung des Wertesystems geführt. V. a. in Städten, in denen man oft auf sich allein gestellt war und die alltäglichen Strapazen allein zu bewältigen hatte, wo die Familienfehde und andere früheren Institutionen nicht mehr griffen und man nicht selten infolge des Umzugs weit entfernt von der 53 Ebd., S. 52f. 54 Ebd., S. 56. 55 Unter »Töchterrecht« ist der erleichterte Zutritt zur Zunft für Meistertöchter und deren zukünftige Ehemänner zu verstehen. Das Witwenrecht in seinen verschiedensten Formen gestattete der Meisterwitwe die Fortsetzung der gewerblichen Produktion nach dem Tod des Ehemannes, ohne dass sie dabei in jedem Falle selbst handwerklich tätig war. Beide Rechte sorgten dafür, dass auch nach dem Tod des Hausherrn für die Familie gesorgt war. Isenmann 2012, S. 819f. 56 Vgl. Loening 1906, S. 67.
Die Anfänge des Testierens im Gebiet des Magdeburger Rechts
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ursprünglichen Familie lebte, verloren die bisherigen Erbregeln ihren ursprünglichen Sinn. Die sich herausbildenden neuen Rechtsregeln entsprachen so der neuen Lebenspraxis besser. Mit der Hervorhebung der Kernfamilie und der Testierfreiheit war es nun möglich, auch diejenigen Menschen zu würdigen, die besonders zum Wohlergehen eines Individuums beigetragen hatten oder mit denen man besonders stark emotional verbunden war, aber keinen rechtlichen Anspruch auf einen Erbteil hatten. Als Beispiel können hier Testamente oder Legate zugunsten der Ehepartner oder auch der besten Freunde genannt werden. Die deutschen Testamente adressieren nämlich anders als die römischen Legaten-Testamente, die auf die Aufteilung des Erbguts und nicht auf die Einsetzung des Erbes bedacht sind. Dies ist auf eine unterschiedliche Rolle des Testaments im römischen Recht und im mittelalterlichen Europa zurückzuführen. Während es sich im römischen Recht um die Bestimmung des rechtlichen Nachfolgers des pater familias handelte, was mit der Übertragung des ganzen Vermögens auf ihn (successio in universum ius defuncti) zusammenhing, war die heredis institutio, also die Willenserklärung darüber, wer und auf welchem Weg (direkt oder über einen Mittelsmann) eine mobile oder immobile Erbschaft antreten soll, keine primäre Funktion des Testaments.
3
Die Krakauer Stadtkanzlei und die Testamente
3.1
Die lokalen Rechtsquellen
Nach der hochmittelalterlichen Rechtsüberzeugung erlosch mit dem Tod auch der Wille des Verstorbenen, weswegen dieser keine rechtliche Wirkung mehr hatte.57 Dieser Auffassung wirkte die Kirche entgegen. Sie führte das mittelalterliche Testament als Rechtsinstitut auch auf polnischem Gebiet ein und baute es aus. Die ersten Kleriker-Testamente wurden verfasst, als Kasimir II. (der Gerechte) das ius spolii abschaffte und auf diese Weise die Testierfreiheit der Kirche ermöglichte.58 Wie bereits erwähnt, wurden diese Prinzipien mit der Zeit von der Kirche auf die Laien ausgedehnt. Bspw. setzt im Jahre 1279 der päpstliche Legat Philipp in Buda Statuten fest, die sowohl die klerikale als auch die Laien-Testamente unter die bischöfliche Gewalt stellten und diese in der entsprechenden Gemeinde vor einem Kaplan samt Zeugen abzulegen rekommandierte.59 Auch Krakauer Bischöfe haben seit Anfang des 14. Jahrhunderts entsprechende Bestimmungen über Testamente in ihren Statuten berücksichtigt, wie Nanker (1320) und Jan Grot (1331) es taten. Grot bezog sich dabei nicht nur auf Laien, sondern ließ auch gesunde und kranke Menschen testieren, was 1420 von Mikolaj Tra˛ba explizit auf Sterbende erweitert wurde. Der Bischof Piotr Wysz ließ die Testierkompetenz der sowohl von der päpstlichen als auch von der kaiserlichen Gewalt ernannten Notare vom Krakauer Bischof bestätigen.60 Die Magdeburger Ortilen (Urteile) verboten dem Stadtrat allerdings, Willkür in kirchenrechtlichen Angelegenheiten walten zu erlassen. Deshalb erklärt Wysmułek – wahrscheinlich zu Recht – das (mögliche) Fehlen der städtischen Regelungen bezüglich der Testamente in der frühesten Zeit der Etablierung der städtischen Behörden so: »Was geistlich recht antrit und wertlich recht nicht ruret, do mogen 57 58 59 60
Da˛bkowski 1911, S. 67. Bardach/Les´nodorski/Pietrzak 2000, S. 77. Wysmułek 2015, S. 48. Ebd., S. 50ff.
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Die Krakauer Stadtkanzlei und die Testamente
sy nicht willekure uff seczen«.61 Als eine erste bezeugte städtische Regelung in Testamentsangelegenheiten sieht Boz˙ena Wyrozumska die sog. Willküre vom Jahr 1342 an: Nachdem ein Schwerkranker oder jemand, der eine ferne Reise, v. a. eine Pilgerschaft, anzutreten gedachte, einen oder mehrere Betreuer für seine unmündigen Kinder einsetzen und ihm bzw. ihnen auch sein ganzes Vermögen anvertrauen konnte.62 Diese Willkür behandelt aber ausdrücklich keine Testamentsangelegenheiten. Ab Ende des 14. Jahrhunderts wird die Gerichtsbarkeit in Testamentsangelegenheiten von öffentlichen städtischen Behörden übernommen. In dieser Zeit wurde auch das erste Liber Testamentorum angelegt. Um die Mitte des 15. Jahrhunderts wurde schließlich ein Verbot der Ablegung von Testamenten vor der kirchlichen Gewalt erlassen. Ab 1540 durfte man Testamente auch nicht mehr von Notaren verfassen lassen, die häufig selbst Geistliche waren.63 Zu erwähnen ist die 1530 von König Sigmund I. bestätigte Willkür, die ausdrücklich auf Testamentssachen einging und sowohl die gegenseitige Donation der Ehegatten als auch alle bisher bekannten und praktizierten Formen der Abstattung von Testamenten sanktionierte.64 Eine unverkennbar wichtige Quelle zu den lokalen Rechtsregelungen bzw. Üblichkeiten auch in Bezug auf die Testamentsangelegenheiten waren die Statuten von Jan Łaski aus dem Jahr 1506. Diese waren eine erste polnische Kodifizierung, die auch das Werk Summa legum brevis, levis et utilis von Raymundus Parthenopeus aus dem 14. Jahrhundert umfasst. Dieses Werk soll sich nach Agnieszka Bartoszewicz in polnischen Kanzleien befunden haben.65 Auf den Text von Parthenopeus macht auch Wysmułek aufmerksam66, da die dort genannten unterschiedlichen Formen der Niederlegung des letzten Willens in den Krakauer Texten ihren Niederschlag fanden. Unter diesen sei die volle Testamentsfreiheit genannt, die eine beliebige Verfügung über alle Güter erlaubt, häufig allerdings mit Erbenlaub, v. a. was die Liegenschaften betrifft, daneben aber auch die Beschränkung auf die selbst erworbenen Güter, also unter Ausschließung der Erbgüter. Des Weiteren werden Bräuche erwähnt, in denen Kranke testieren. Die anfänglich geforderte volle Gesundheit – z. B. die Kraft- oder Reitprobe bei der Übergabe einer Sache67 – wurde immer wieder nur auf die geistige Verfassung beschränkt.
61 62 63 64 65 66 67
Behrend 1934, S. 115; vgl. auch Wysmułek 2015, S. 68. Wyrozumska 1995, S. 89f. Wysmułek 2015, S. 68. Ebd., S. 66. Bartoszewicz 2012, S. 112. Wysmułek 2015, S. 61ff. Kaleta-Wojtasik 2016, S. 52.
Die wichtigsten Erbregelungen in Krakau
3.2
39
Unterschiedliche Möglichkeiten der Testamentsablegung in Krakau
Testamente konnte sowohl vor der Behörde während einer Gerichtssitzung oder vor dem Stadtrat abgelegt werden, indem sich der Testator persönlich einstellte und sein Testament mündlich aufsagte bzw. ein schriftlich vorgefertigtes Testamentsprojekt (einen Testamentszettel / Czedel, cedel papirea) vorlegte. Falls er aber schwach und bettlägerig war, konnten ihn auch Vertreter der Behörde zu Hause aufsuchen. Wenn diese Vertreter die Schöffen mit dem Bürgermeister waren, wurde vor Ort eine außerordentliche Gerichtssitzung abgehalten. Anders die Vertretung der Räte, die nach der Testamentsanhörung beim Testator dieses nachträglich im Rat bekennen mussten. Eine andere häufige Praxis im 16. Jahrhundert war das Vorlegen eines eigenhändig oder durch einen professionellen Schreiber niedergeschriebenen Testaments bei den städtischen Behörden. Dieses Testamentsschreiben wurde verschlossen aufbewahrt und nach dem Tode geöffnet, von den Erben bestätigt und zur Sicherheit in das Stadtbuch aufgenommen. Neben diesem sog. verschlossenen Testament existierte weiterhin das offene Testament, das auch in das Stadtbuch abgeschrieben werden konnte, und zwar noch zu Lebzeiten des Testierers, so wie früher in Falle der Czedel/Zettel.
3.3
Die wichtigsten Erbregelungen in Krakau68
Regel und Rechtspraxis im Mittelalter war das Prinzip des Verwandtenerbrechts, das sich auf die Erbschaftsgüter (hereditas) bezog. Die Ehepartner beerbten sich also nicht gegenseitig, sondern die Erbschaftsgüter fielen dem nächsten Verwandten des Verstorbenen zu. Meistens waren es die Kinder, die ungeachtet des Geschlechts in der Erbfolge als gleichberechtigt galten. Falls diese aber fehlten, waren es die Eltern des Verschiedenen, wobei es einen Vorrang des Vaters vor der Mutter gab, da diese nur nach dem Tod ihres Mannes die Kinder beerben konnte, oder dessen Geschwister bzw. weitere Verwandte. Bei kinderloser Ehe musste zwischen beweglichen und unbeweglichen Gütern unterschieden werden, wobei die beweglichen – sofern sie gemeinsam erarbeitet waren (bzw. falls diese als Kaufgut / wohlgewonnenes Gut galten) – dem hinterbliebenen Ehegatten gebührten. Bei mehreren Kindern erbten diese zu gleichen Teilen bzw. galt das Prinzip, dass ältere Geschwister die Güter teilten, die jüngeren dagegen ihren Teil aussuchten. Falls aber eines der Kinder bereits von den Eltern zu deren Lebzeiten 68 Die genannten Regeln beziehen sich auf die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts, eine Zeitperiode, die anhand von Urteilen und Rechtsweisungen des Krakauer Oberhofs von Margret Obladen (2005) untersucht wurde. Vgl. ebd.
40
Die Krakauer Stadtkanzlei und die Testamente
vermögensrechtliche Zuwendung zur Absonderung, also zur Gründung eines eigenständigen Haushalts oder einer Lebensstellung erhielt, war dieses Kind von der Teilung des Erbes ausgeschlossen, es sei denn, es hatte diese Zuwendung in die Erbmasse zurückgegeben. Festzuhalten ist, dass die Erbschaftsregeln nicht zur Absicherung des verbliebenen Ehepartners, meistens der Witwe, führte. Diese konnte nur auf einen Teil, die sog. bona mobilia rechnen, die eigentlich keine Erbschaftsgüter waren, sondern Vermögenskomplexe oder Sondervermögen, die erst nach dem Tod eines Ehepartners entstanden. Im Falle des Ablebens des Ehegatten stand der Witwe die sog. Gerade (auch Geräthe, die Witwengerade) zu, deren Umfang sich nach den üblichen Rechtsgewohnheiten richtete.69 Sie musste aber ein Vermögenskomplex, das sog. Heergewäte/Heergeräthe, an den nächsten männlichen Verwandten ihres verstorbenen Mannes abgeben. Das Korrelat zum Heergewäte auf der weiblichen Seite war die sog. Niftelgerade, die der Witwer der nächsten weiblichen Verwandten seiner verstorbenen Frau – bzw. einen geistlichen, finanziell unabgesicherten Sohn – zu geben hatte. Die Gerade- und HeergewäteKataloge findet man sowohl im Sachsenspiegel als auch im Sächsischen Weichbildrecht. Während die Witwengerade die Lage der unabgesicherten Witwe einigermaßen besserte, wurde das mittelalterliche Institut der Niftelgerade als eine Bürde für die verbleibende Familie empfunden, sodass der Stadtrat oft dagegen vorging und sich dem Witwer und dessen Kindern zuwandte. Was das Ehegüterrecht unter den lebenden Ehepartner angeht, kann man nach heutigem Stand der Forschung davon ausgehen, dass das Eigentum zwar vom Mann verwaltet wurde, was mit seiner Vormundschaft zusammenhängt, doch Immobilien blieben Eigentum des Ehepartners, der sie geerbt oder von seinen Eltern zur Absonderung erhalten hat bzw. dem sie gerichtlich aufgelassen wurden, es sei denn, sie gehören zur Mitgift der Frau. Dann gingen sie auf den Mann über. Die sog. Fahrnis dagegen bildete – zumindest nach Oblaten – eine Einheit, die zum Lebensunterhalt beider Ehepartner diente, und aus der sich nach dem Ableben eines der Eheleute die besonderen Vermögenskomplexe ausbildeten.70
69 Die »Witwengerade« sind Geräte aus dem Nachlass des Mannes, etwa Hausrat, Vorräte, Lebensmittel usw. Der entsprechende Ausdruck der jüngeren Rechtssprache ist »Heiratsgut« oder »Aussteuer«. 70 Vgl. Oblaten 2005, S. 202.
Die Anfänge der Krakauer Staatskanzlei und ihre Verkehrssprachen
3.4
41
Die Anfänge der Krakauer Staatskanzlei und ihre Verkehrssprachen
Die Frage, wann es zur Entstehung der Krakauer Kanzlei kam, ist unter Historikern umstritten, da keine Einstimmigkeit darüber herrscht, was unter dem Begriff »Kanzlei« genau zu verstehen ist.71 Einig sind sich die Autoren darüber, dass die Einführung des Magdeburger Rechts als ein Moment verstanden werden kann, an dem eine Kanzlei entsteht und sich entwickelt.72 Denn spätestens zu diesem Zeitpunkt musste irgendwo das Gründungsprivileg der Stadt aufbewahrt werden. Das ist für Krakau in den 90er Jahren des 13. Jahrhunderts belegt. Seitdem werden die Stadtschreiber in den Quellen angegeben.73 Zu vermuten ist, dass es auch mehrere Schreiber in einer Kanzlei gab, wie es bspw. in Olmütz bezeugt ist, wo in Akten noch von »Dienern« die Rede ist.74 Unbenommen ist, dass der Stadtschreiber und seine Vertreter sowohl das Schöffengericht als auch den Rat mit Schrifthandlungen bedienten. Kontrovers ist dagegen das Amt des Vogtes, das sich der niederen Gerichtbarkeit widmete. Die wöchentliche Ratssitzung, die in der Regel vom Vogt und drei Schöffen abgehalten wurde, konnten dabei sowohl weniger sorgfältig geführt75 als auch durch weniger geübte Schreiber bedient werden.76 Kanzleitexte wurden anfänglich entweder auf Latein oder auf Deutsch abgefasst. Der erste Eintrag im Krakauer Stadtbuch auf Deutsch stammt aus dem Jahr 1305 (AS I 9. Januar 1305). Nach einer Jahrzehnte andauernden Verbannung des Deutschen als offizieller Verkehrssprache, die eine Folge einer machthaberisch involvierten Rebellion des Vogtes Albert 1311/1312 gegen den König Wladislaus war, wurden ab 1393 in den Stadtbüchern wieder deutsche Texte niedergeschrieben, und zwar in beachtlicher Zahl. Mitte des 15. Jahrhunderts wurde Deutsch schließlich die dominante Sprache im Verkehr der Krakauer Stadtkanzlei. Bartoszewicz vertritt die These, dass den städtischen Behörden fast ausschließlich deutsche private Dokumente vorgelegt wurden.77 Auch der Eid, der von den Vertretern der Stadtbehörden, dem König Wladislaus (Władysław Jagiełło) und seinem neu geborenen Sohn 1425 auf dem Krakauer Ring in deutscher Sprache abgelegt wurde78, zeugt von der dominierenden Rolle des Deutschen in der Krakauer Stadtöffentlichkeit. Erst im 71 72 73 74 75 76 77 78
Die Diskussion hierzu referiert: Wyrozumska 1995. Ebd., S. 19. Ebd., S. 18. Spácˇilová 2000, S. 10f. Wyrozumska 1995, S. 73. Vgl. Wiktorowicz 1995. Bartoszewicz 2012, S. 275. Vgl. Wyrozumska 1995, S. 36.
42
Die Krakauer Stadtkanzlei und die Testamente
16. Jahrhundert verdrängt immer mehr das Lateinische den Gebrauch der deutschen Sprache in den Krakauer Stadtbüchern. Kaleta-Wojtasik zufolge war das Polnische bis Mitte des 16. Jahrhundert keine Schriftsprache.79
3.5
Die Stadtbücher
Stadtbücher (auch Stattbuch) sind eine nach ihrer Herkunft (städtische Behörden: Rat, Schöffengericht, Vogtgericht, städtische Finanzverwaltung) benannte Gruppe von Amtsbüchern, in die wichtige rechtlich verbindliche Anordnungen einer Stadtverwaltung aufgeschrieben wurden. Sie kamen mit der zunehmenden Selbstständigkeit der mittelalterlichen Städte gegenüber den jeweiligen Landesherren auf. Die Entstehung der Stadtbücher soll auch im Zusammenhang mit den Veränderungen der Beweisführung ausgewertet werden. Vornehmlich war bei der Zusammenkunft von Vogt und Schöffen der allmähliche Übergang vom Eid der Parteien zum Gerichtszeugnis von entscheidender Bedeutung. Letzteres wurde zwar bereits in der fränkischen Zeit zugelassen, im Sachsenspiegel aber war bei Rechtshandlungen, die vor dem Gericht vorgenommen wurden, das sog. Friedewirken vorgesehen, eine Art Mediation zwischen den Parteien. Die dafür zu zahlende Friedebuße sollte als Entgelt dafür dienen, dass die Gerichtspersonen die Handlung im Gedächtnis behalten. Die Anlegung eines mnemotechnischen Mediums konnte diese Sicherungsfunktion nur befördern und die jeweiligen Parteien konnten sich auf eine Eintragung berufen, anstatt auf ein mündliches Zeugnis des Richters und der Schöffen.80 Auch technisch gab es Neuerungen, die es ermöglichten, umfangreichere Eintragungen vorzunehmen. Ab Anfang des 13. Jahrhunderts kam statt des Pergaments billigeres Papier in Europa in Gebrauch. Bartoszewicz stellt fest, dass die Krakauer Bürger viel häufiger als Bürger anderer polnischer Städte eigenhändig geschriebene bzw. – was eher der Regelfall war – von einem privaten Schreiber verfasste Dokumente den städtischen Behörden zum Eintrag in ein Amtsbuch vorlegten.81 Eine Form zirkulärer Kommunikation82, nämlich der Zusammenfall von Absender und Adressat in den Stadtbüchern ist linguistisch gesehen von besonderem Interesse. Bei der Textproduktion, die im Fall der Stadtbücher meistens durch mehrere Schreiber erfolgt, sehen Meier und Ziegler noch eine weitere Kommunikationsebene, die sich auf einen kanzleisprachlichen Diskurs bezieht, der dann auch die Gestaltung der Gepflogenheiten der jeweiligen Kanzlei er79 80 81 82
Vgl. Kaleta-Wojtasik 2016, S. 51. Vgl. Loening 1906, S. 17ff. Bartoszewicz 2012, S. 60. Meier/Ziegler 2004, S. 225.
Testamente in den Krakauer Stadtbüchern
43
möglicht,83 da man davon ausgehen kann, dass die bisherigen Texte, mit denen die neu angestellten Schreiber zu tun hatten, auch bei der weiteren Produktion maßgebend waren, was auch zur Konsequenz die Herausbildung und Fundierung bestimmter Textsortenmuster, darunter auch der eines Testaments hatte. Ob es aber in der Krakauer Stadtkanzlei ein Formularbuch gab, bleibt ungewiss. Wyrozumska jedenfalls verneint diese Vermutung.84 Bartoszewicz ist hingegen davon überzeugt, dass sich die Schreiber verschiedener Formularsammlungen bedient haben müssen, was sich auf die Wahl der jeweiligen grammatischen Person des Textes (die erste oder die dritte Person Singular) niederschlug.85
3.6
Testamente in den Krakauer Stadtbüchern
In der Krakauer Stadtkanzlei lassen sich für die untersuchte Zeitperiode, d. h., in der Zeit, in der Deutsch als Amtssprache anerkannt wurde, keine Originale der Testamentsurkunden finden (sowohl der von den Bürgern eingelegten als auch den durch die Behörde ausgestellten), auch nicht Notizen der Kanzleimitarbeiter im Falle, wenn ein Testator sein Testament mündlich vor der Behörde oder deren Ausschuss ablegte. Die Untersuchung muss sich also auf die Eintragungen in den Stadtbüchern stützen. Diese sind in der Tat Abschriften der Testamentsprojekte (der Czedel / cedel papirea) oder der Urkunden (im Fall der eingelegten Testamente), oder aber Reinschriften der Notizen (im Falle mündlich abgelegter Testamente, die vor der Behörde aufgesagt und durch diese protokolliert wurden). Eine Ausnahme, die jedoch untersuchungswert ist, sind die wenigen erhaltene Originale der Testamentszettel (Czedel) in deutscher Sprache, die als schriftlich fixierte und von den Testierern selbst ( jedenfalls von außerhalb der Kanzlei) eingebrachte Projekte der Testamente angesehen werden können. Diese wenigen Stücke sind erhalten geblieben, da sie in das Aktenbuch eingeklebt bzw. anders darin befestigt wurden. Da für die Testamentssachen in Krakau zwei Behörden – also das Gericht und der Rat – zuständig waren, sind die testamentarischen Eintragungen in den durch diese Behörden geführten Stadtbuchreihen zu finden: in den Acta Scabinalia (also in den Schöffenbüchern oder Akten des Gerichts) und den Acta Consularia (Akten des Rates). Zu den letzteren sind auch zwei aus dieser Zeitperiode erhaltene separate Liber Testamentorum (Testamentsbücher) zuzurechnen. Das erste erhaltene Stadtbuch beginnt im Jahre 1300. In dem nachfolgenden Schöffenbuch aus den Jahren 1365–1376 konnten keine deutschen Eintragungen festgestellt werden, so dass angenom83 Vgl. ebd., S. 227. 84 Wyrozumska 1995, S. 100. 85 Vgl. Bartoszewicz 2013, R. 61 Nr. 2, S. 251–261, insbes. S. 253.
44
Die Krakauer Stadtkanzlei und die Testamente
men werden kann, dass sich das erwähnte königliche Verbot der deutschen Sprache noch bis in jene Zeit auswirkte. Erst die folgenden im Gerichtsbuch erhalten gebliebenen Eintragungen aus den Jahren 1390–1397 sind wieder deutschsprachige Eintragungen. Darauf folgt eine weitere Lücke, sodass die Schöffenbücher durchgängig erst ab 1408 vorhanden sind. Die Ratsbücher sind dagegen ab 1392 vollständig erhalten geblieben. Das am frühesten datierte und erhalten gebliebene Testamentsbuch (der Liber Testamentorum Sign. LT772) wurde vermutlich um 1450 angelegt, beinhaltet aber auch einige frühere Testamente (insgesamt finden sich Texte ab 1427 bis 1623). Der folgende Liber Testamentorum (Sg. LT773) ist dessen unmittelbare Fortsetzung (1624–1697). Die Seiten dieses Buches beinhalten aber ein paar Testamente, die in Form von Bürgerurkunden im Krakauer Gericht Anfang des 16. Jahrhunderts eingelegt wurden und 1556 auf königlichen Befehl Eingang in den LT773 fanden. Obwohl die erste testamentarische Eintragung in den Krakauer Stadtbüchern aus dem Jahr 1393 stammt, machten bereits in den 90er Jahren des 14. Jahrhunderts deutsche Testamente über 40 Prozent aller von Wysmułek für diese Zeitperiode festgestellten Vertreter dieser Textsorte aus. Das Verhältnis der deutschen und lateinischen Testamentseinträge nach den Erhebungen und der Textsortenzuordnung von Wysmułek neigt zwar auch zur These des Übergewichts deutscher Texte, die Zahl der lateinischen testamentarischen Einträge fällt aber nie unter ein Viertel (in den 50er Jahren des 15. Jahrhunderts). Danach nimmt die Zahl wieder zu. Von verschiedenen Autoren wird angenommen, dass die polnische Bevölkerung ihre Testamente vorwiegend auf Latein ablegte86, manchmal aber auf Deutsch87, worauf die polnischen Namen der Testierer hinzuweisen scheinen88 und was die Zusammenstellungen der deutschsprachigen Testamente im Anhang belegen.
86 Vgl. Kaleta-Wojtasik 2016, S. 51. 87 Vgl. Ptas´nik/Friedberg 1501–1550, Z. III, S. XXXI. 88 Vgl. Wiktorowicz 2011, S. 162.
1393– 1400 16
lateinische 21 Testamente
deutsche Testamente
Zeitraum
4
1401– 1410 10
12
1411– 1420 13 18
1421– 1430 15 21
1431– 1440 52 28
1441– 1450 36 18
1451– 1460 50 24
1461– 1470 40 18
1471– 1480 29 14
1481– 1490 13 9
1491– 1500 9
Testamente in den Krakauer Stadtbüchern
45
4
Theoretisch-methodologischer Hintergrund
A:
Grundlagen
4.1
Der Text als Produkt einer Sprachhandlung
Es gibt bis heute keine allgemeingültige Definition von »Text« (lat. Gewebe). Dieser Objektbereich wurde erst spät Gegenstand linguistischer Fragestellungen. Das Diktum von Peter Hartmann, dass der Text »die grundsätzliche Möglichkeit des Vorkommens von Sprache in manifester Erscheinungsform« und »das originäre Sprachzeichen« ist89, veranschaulicht die Entwicklung innerhalb der Linguistik, die immer mehr den Text als solchen ins Zentrum linguistischen Interesses stellt. Der Satz, die bisher größte Einheit der sog. langue, musste satzübergreifenden sprachlichen Äußerungen weichen, die zwar stets in dem Bereich der sog. parole verblieben, doch funktional definiert wurden, wie Hartmann in seinem programmatischen Aufsatz vorgibt: »Mit ›Text‹ kann man alles bezeichnen, was an Sprache so vorkommt, daß es Sprache in kommunikativer oder wie immer sozialer, d. h. partnerbezogener Form ist.«90 Die transphrastische Phase, in der Texte als eine kohäsive Folge von Sätzen betrachtet wurden, »der ihren eigenen Objektbereich anerkennt, doch von der Textlinguistik als einer Subtheorie der Grammatiktheorie spricht«,91 entwickelt sich – als Paradebeispiel kann hier das Buch von Harwegs Pronomina und Textkonstitution 1968/1979 gelten – zu einer funktional und kommunikativ ausgerichteten Forschung. Bereits Karl Bühler hat die Konzeption der Sprechhandlung bzw. Sprechtätigkeit vertreten, worauf Gülich und Raible (1977) hinweisen.92 Diese verfolgt ein Ziel: Die sprachliche Mitteilung kommt zustande in einer Kommunikationssi89 90 91 92
Vgl. Hartmann 1971, S. 9–29, insbes. S. 10, zit. nach Simmler 1984, S. 25–50, insbes. S. 26. Ebd. Vgl. Simmler 1984, S. 41. Gülich/Raible 1977; vgl. auch Bühler 1999/1934, S. 53.
48
Theoretisch-methodologischer Hintergrund
tuation, die kann auch die Mitteilung sogar ersetzen oder ergänzen: »Situation oder Kontext sind […] ganz grob gesagt die zwei Quellen, aus denen in jedem Fall die präzise Interpretation sprachlicher Äußerungen gespeist wird.«93 Texte entstehen nämlich im Rahmen der Kommunikation, die selbst als eine »spezielle Form der Tätigkeit« aufgefasst werden kann94; und als eine besondere Form menschlichen Handelns.95 Ontologisch gesehen ist ein Text keine Handlung, kann aber nach Barbara Sandig als eine »Text-Handlung«96 angesprochen werden, wenn es zu einer Handlung kommt, »die vollzogen wird, indem ein Text geäußert wird«. Insofern das sprachliche Handeln »seinen von dem oder den Handelnden gemeinten Sinn nach auf das Verhalten anderer bezogen wird und daran in seinem Ablauf orientiert ist«97, kann es als soziales Handeln gelten. Sowohl die Texte selbst als auch das Handeln mit ihnen und durch sie – aus welchem sie doch hervorgehen – werden in der neueren Forschung mit psychologischen Momenten zu erklären versucht. Die Wechselwirkung der Texte selbst und des Handelns mit ihnen resultiert aus der Tatsache, dass Texte als Ergebnisse kommunikativer Tätigkeit stets in ihrer Entstehung in einem Kommunikationsakt verankert sind.98
4.2
Textsorten und Textmuster
Die einfachste und allgemein anerkannte Auffassung der Textsorten in einer kommunikativ-funktionalen Auffassung bietet Klaus Brinker, der sie als »komplexe Muster sprachlicher Kommunikation«99 versteht, welche aus kommunikativen Bedürfnissen entstanden sind. Sie bieten den Kommunikationsteilnehmern bewährte Lösungen für wiederkehrende kommunikative Probleme.100 Neuere kommunikativ-kognitive Zugriffe definieren den Textmusterbegriff als »kognitive Rahmeneinheiten und Operationsfolgen der Individuen zur Lösung von – auf Textganzheiten bezogenen – kommunikativen Aufgaben […]«.101 Eine Vereinbarung der soziopragmatischen Auffassung mit den alteingebürgerten kognitiven Ansätzen vertreten bei ihren Kanzleisprachenforschungen Meier/Ziegler. Sie sehen die Textsorten als kognitive Schemata, durch 93 94 95 96 97 98 99 100 101
Bühler 1934, S. 149, zit. nach Gülich/Raible 1977, S. 39. Vgl. Heinemann/Viehweger 1991, S. 62. Cherubim 1980, S. 3–22, insbes. S. 6. Sandig 1978, S. 20. Weber 1921/1976, S. 1 und 38. Heinemann/Heinemann 2002, S. 97. Brinker 1985, S. 118. Vgl. ebd., S. 124. Heineman/Heinemann 2002, S. 133.
Textsorten und Textmuster
49
die ein Individuum an der »kollektiven und sozialen Konstruktion der Wirklichkeit«102 teilnimmt, die »in Form kollektiven Wissens Kommunikation organisiert sind«.103 Ziegler macht darauf aufmerksam, dass der einzelne Text dank seiner »konzeptionellen Verknüpfungen«, die auf bestimmte Wissensbereiche bezogen werden, verstanden werden kann.104 Solche Auffassung schöpft ausgiebig aus den Anfängen der linguistischen Forschung der 70er und 80er Jahre. Hiermit kann der operationelle Ansatz von Robert-Alain de Beaugrande und Wolfgang Dressler105 genannt werden, wiewohl er deutlich die Verankerung der Autoren im Strukturalismus und seiner generativen Variante belegt.106 Danach wird die sog. Textwelt nämlich jeweils »aus kognitivem Inhalt« aufgebaut107, und die Oberflächenausdrücke aktivieren ihrerseits gespeicherte Konzepte, die dann zum Aufbau einer Sinnkontinuität beitragen.108 Diese Konzepte sind Konstellationen von Wissen, die im Bewusstsein gespeichert werden. Der Aufbau von Textwelten gehört somit zu einer »Routinetätigkeit«.109 Die Wissenskonstellationen werden psychologisch als gespeicherte globale Muster erklärt, wobei zwischen Frames, Schemata, Plänen und Skripts unterschieden wird. Frames sind kognitive Strukturen, die »einer Erfahrung durch Einordnung in einen Zusammenhang Bedeutung verleiht«, während ihre Abstraktionen als Szenen bezeichnet werden.110 Für den prozeduralen Zugriff auf die Textweltkonstitution scheinen besonders Schemata – also geordnete Abfolgen von Ereignissen und Zuständen über ein zentrales Konzept – und Skripts – also häufig abgerufene Pläne, die das Rollenverhältnis und die aufeinanderfolgende Handlungen bestimmen – von größtem Belang zu sein.111 Sowohl diese auf der prozeduralen Semantik bauende Auffassung als auch die als eines der sieben Textualitätskriterien genannte Intertextualität sind erste Ansätze der modernen kognitiven und diskursbedingten Konzepte der Entstehung von Textsorten (wobei der Begriff Textmuster bei de Beaugrande/Dressler nicht eingeführt wurde): »Intertextualität ist, ganz allgemein, für die Entwicklung der Textsorten (Hervorhebung von de Beaugrande / Dressler) als Klassen von Texten mit typischen Mustern von Eigenschaften verantwortlich«112. Die Intertextualität wird dann als eine »Ver102 103 104 105 106 107 108 109 110 111
Vgl. Assmann 1988, S. 9–19. Vgl. Ziegler 2003, S. 55. Ebd., S. 71. Vgl. de Beaugrande/Dressler 1981. Ebd., S. 7. Ebd., S. 116. Vgl. ebd., S. 100. Vgl. ebd., S. 92. Vgl. Fillmore 1975, S. 123–131, insbes. S. 123; Meier 2004, S. 216. Vgl. de Beaugrande/Dressler 1981, S. 95f., Schank/Abelson 1977; Kintsch/van Dijk 1978, S. 363–394. 112 De Beaugrande/Dressler 1981, S. 13.
50
Theoretisch-methodologischer Hintergrund
fahrenskontrolle der kommunikativen Aktivitäten im Ganzen« verstanden113, und die Textsortenwahl diene dazu, dass »Klassen von Texten, bei denen man bestimmte Eigenschaften für bestimmte Zwecke erwartet«114, gesondert werden könnten.
4.3
Das Primat des kommunikativ-situativen Ansatzes und integrative Zugriffe bei der Textsortenklassifizierung
Barbara Sandig nannte bereits 1972 auf dem programmatischen von Elisabeth Gülich und Wolfgang Raible organisierten Kolloquium 20 zum Teil textexterne und zum Teil textinterne Merkmaloppositionen, wobei die Merkmalskombinationen die Gebrauchstextsorten zu charakterisieren haben.115 Auch in der ein paar Jahre später publizierten Monographie nehmen die beiden Herausgeber diese Auffassung auf und teilen sie mit Barbara Sandig. Sie konstatieren, dass »Kriterien dafür, daß eine bestimmte sprachliche Äußerung als ›Text‹ zu verstehen ist nicht im engen Rahmen einer Satzgrammatik zu suchen, sondern im wesentlich weiteren Rahmen des Modells sprachlicher Kommunikation« vorhanden sind.116 Zu den textinternen zählen die inhaltlichen und die sprachsystematischen Kriterien. Die inhaltlichen basieren auf der Theorie des Textrezipierens, besonders im Hinblick auf die Wiedergabe und Zusammenfassung des Textes.117 Die Produktion eines Textes muss nach den Autoren von einer Hauptidee ausgehen und die Zusammenfassung basiert typisch auf seiner Makrostruktur, also semantischer Tiefenstruktur, die sich oberflächlich manifestiert. Die Makropropositionen werden durch die sog. Verdichtung gewonnen, die auf einigen Makroregeln beruhen, zu denen das Auslassen, das Selektieren, das Generalisieren und Konstruieren gerechnet werden.118 Dieser Ansatz wächst somit aus der Tradition der generativen Transformationsgrammatik heraus und ist einer der Wegweiser der modernen Textlinguistik, die den früheren klassischen Strukturalismus ersetzt. Die Auffassung von Gülich und Raible119 aber, dass sich Text und Kommunikationsakt gegenseitig bedingen, hat noch weitere Konsequenzen: Die Funktion der Kommunikation erstreckt sich nämlich auf das Produkt der Tätigkeit, sodass die Textfunktion mit der Kommunikationsfunk-
113 114 115 116 117 118 119
Ebd., S. 215. Ebd., S. 188. Vgl. Sandig 1972, S. 114ff. Gülich/Raible 1977, S. 46. Vgl. Kintsch/van Dijk 1978, van Dijk/Kintsch 1983. Van Dijk 1980b, S. 45ff. Gülich/Raible 1977, S. 47.
Das Primat des kommunikativ-situativen Ansatzes
51
tion gleichzusetzen ist.120 Bei der Frage nach der Textfunktion handelt es sich also um den Zweck, den ein Text in einer Kommunikationssituation erfüllt. Dieser kommunikativ-funktionale Ansatz erhält bis heute seine Gültigkeit bei den textsortenklassifikatorischen Zugriffen.121 Der Textbegriff bei modernen Linguisten hat meistens einen integrativen Charakter. Nach einem der prominentesten Vertreter der Textsortenforschung, Klaus Brinker, bezeichnet der Text »eine begrenzte Folge von sprachlichen Zeichen, die in sich kohärent sind und die als Ganzes eine erkennbare kommunikative Funktion signalisiert«.122 Bei der linguistischen Textanalyse sind nach Brinker sowohl sprach-systematisch als auch kommunikationsorientierte Ansätze zu berücksichtigen, wobei den letzteren eine dominierende Bedeutung zukommt. Die Textsorten lassen sich nach ihm als jeweils typische Verbindungen von kontextuellen (situativen), kommunikativ-funktionalen und strukturellen (grammatischen und thematischen) Merkmalen beschreiben,123 wobei hauptsächlich die extratextuellen plus die thematischen unter ihnen zur Abgrenzung der Textsorten verhelfen und die sprachliche Ausgestaltung der deskriptiven Beschreibung derselben dient.124 Der Leipziger Germanist Wolfgang Heinemann schlägt später eine in ihrem Wesen ähnliche Mehr-Ebenen-Klassifikation vor, wobei er vier Ebenen nennt: eine formal-grammatische, eine inhaltlich-thematische, eine situative und eine funktionale125, was etwas anders als 1991 in Heinemann/Viehweger ausfällt. Bei der Aufzählung der Charakteristika zur Kennzeichnung von Textmustern wird auch die prozessuale Beeinflussung erwähnt, wobei die frühere Annahme wieder aufgenommen wird, dass »das Textmusterwissen durch multidimensionale Zuordnung von prototypischen Repräsentationen auf unterschiedlichen Ebenen […]« zustande kommt.126 Solche Betrachtungsweisen jedenfalls, wie sie von Gabriele Diewald127 explizit formuliert werden, wo es heißt, dass »die Grundmuster von Texten […] in Abhängigkeit vom Grundmuster einer Situation entstehen«,128 wird von Heinemann mit Einschränkung angenommen. Er akzeptiert zwar die generelle Determiniertheit, die die situativen Faktoren auf die Textsorten ausüben, stellt jedoch fest: »Aus identischen Situationen gehen keinesfalls immer dieselben – oder wenigstens
120 Vgl. Brinker 1997, S. 81. 121 Siehe Adamziks programmatisch-zusammenfassenden Beitrag: Was ist pragmatisch orientierte Textsortenforschung? in: Adamzik 2010, S. 91. 122 Brinker 1985, S. 17. 123 Ebd., S. 124. 124 Vgl. ebd., S. 132. 125 Vgl. Heinemann 2007, S. 16. 126 Heinemann/Viehweger 1991, S. 147. 127 Diewald 1991, S. 1. 128 Ebd., S. 1, hier zitiert nach Heinemann 2007, S. 13.
52
Theoretisch-methodologischer Hintergrund
similare – Textexemplare als Repräsentanten bestimmter Textsorten hervor«.129 Heinemann scheint bei seiner Kritik anderer Modelle jedoch zu verkennen, dass im Terminus »Grundmuster einer Situation« an die komplexe Kommunikationssituation (samt dem Kommunikationspartnern, dem Rollenverhältnis etc.), einer Art Skript oder Schema gedacht wird, in dem auch andere Kriterien seiner Mehr-Ebenen-Klassifikation Berücksichtigung finden. Außerdem zählt auch schon bei Brinker der inhaltliche Faktor – das Thema – und seine Entfaltung zu den Abgrenzungskriterien der Textsorten.130 Adamzik plädiert jedenfalls in ihrem programmatischen Aufsatz für Heinemanns Mehr-Ebenen-Klassifikation und will diese ohne hierarchische Abstufung und ergänzend betrachten.131
4.4
Was macht einen Text zum Vertreter einer Textsorte?
Ähnlich wie Józef Wiktorowicz lege ich mich in der vorliegenden Studie auf einen integrativen Zugriff auf die Klassifikation und Beschreibung der Textsorten fest, wobei den externen Merkmalen bei der Textsortenklassifikation ein großes Gewicht beigemessen wird. In der Tradition der kommunikativ-funktionalen Ansätze, denen sich alle heutigen Forscher mehr oder weniger verpflichtet fühlen, wäre hierbei die Textfunktion das wichtigste Kriterium. Selbst die Bestimmung der derselben scheint aber keine plausible Aufgabe zu sein. Es ist zu beachten, dass bereits im Organon-Modell von Karl Bühler, auf den jegliche pragmatischen Ansätze zurückgehen, die Tatsache evident ist, dass die Zeichen, darunter auch der Text – bei Hartmann »das originäre sprachliche Zeichen« – grundsätzlich polyfunktional sind.132 Ulrich Große, der sich auf die pragmatischen Ansätze der angelsächsischen Sprachphilosophie John L. Austins und John Searles, und zwar auf Searls Sprechakttypologie bezieht, sucht jeweils nach der »dominanten« Textfunktion, die mit der Textfunktion und dem Kommunikationsmodus des Textes gleichzusetzen wäre. Diese bestimmt er nach dem »überwiegenden Typus semantischer Sätze« im Text.133 Als Zusatzkriterien wählt Große sowohl weitere semantische Faktoren, wie »besondere Häufigkeit wertender Wörter und Wendungen« bzw. »Häufigkeit rhetorischer Figuren« (der »Appellfaktor«, die »Präsignale«, zu denen auch Titel und Überschriften zu zählen sind, als auch »Handlungsregel«, die mit pragmatischen sozialen Regeln in einer Gruppe bzw. Gesellschaft gleichzusetzen sind.)134 Großes Auffassung der Textfunktion als 129 130 131 132 133 134
Ebd. Vgl. Brinker 1985, S. 132. Vgl. Adamzik 2010, S. 92. Vgl. Bühler 1934. Vgl. Große 1976, S. 72ff., zit. nach Brinker 1983, S. 33. Ebd., S. 34.
Was macht einen Text zum Vertreter einer Textsorte?
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»generalisierten Formen illokutiver Akte«135 beschränkt sich wie die pragmatischen Ansätze der angelsächsischen Sprachphilosophie auf elementare sprachliche Handlungen, die selten den Umfang eines Satzes überschreiten. Anders definiert Brinker den Text als eine komplexe sprachliche Handlung, »mit der der Sprecher oder Schreiber eine bestimmte kommunikative Beziehung zum Hörer oder Leser herzustellen versucht«136 und betont somit die Funktionalität des Kommunikationsmodus, der aus dem Sprechhandlungskomplex resultiert. Nicht also die isolierten semantischen Sätze bzw. Ausdrücke, sondern ihre Einbettung in den textuellen Zusammenhang ergeben die jeweilige Textfunktion.137 Brinker befasst sich also bei der Bestimmung der Textfunktion u. a. mit sog. Vertextungsmustern, also globalen Mustern der thematischen Entfaltung, und hält unter den Gebrauchstexten das deskriptive, das explikative und das argumentative Muster als besonders relevant.138 Die Bestimmung des jeweiligen Vertextungsmusters führt zur Einteilung in die Textsortenklassen, die eine Basis für die Einteilung in einzelne Textsorten dient. Die Textfunktion fungiert bei Brinker (im Sinne ›generalisierter Formen illokutiver Akte‹) als Oberbegriff der illokutiven Typen,139 wobei der Klassifikation Searls (1975/1982) entsprechend folgende Funktionen zu nennen sind: die Informationsfunktion, die Appellfunktion, die Obligationsfunktion, die Kontaktfunktion und die Deklarationsfunktion. Letztere legt den Handlungscharakter des Textes fest und bezeichnet die Art des kommunikativen Kontakts, den der Emittent des Textes dem Rezipienten zu erkennen geben will.140 Die normative Funktion, zu der nach Große die Textsorte Testament zuzurechnen ist, kommt bei Brinker nicht vor, da bei ihm das Merkmal »bindend« seine Geltung erst in einer bestimmten Kommunikationssituation erhält. Nicht also die Absicht des Emittenten des Textes ist für die Bestimmung der Textfunktion grundlegend, wie es Große gern haben würde,141 sondern die soziale Situation, das Rollenverhältnis und der Handlungsbereich sind nach Brinker die entscheidenden Kriterien. Somit sind nach Brinker die Kontextindikatoren (die mediale und situative Einbettung des Textes sowie dessen institutioneller Rahmen) den sprachlichen Indikatoren gegenüber für die kommunikativ-funktionale Interpretation des Textes generell dominant.142 Es lässt sich also im Fall einer Textsorte, die eine soziale Handlung zum Gegenstand hat, welche sich in einem bestimmten situativen rechtlich normierten Rahmen 135 136 137 138 139 140 141 142
Große 1976, S. 70, zit. nach Brinker 1983, S. 136. Brinker 1985, S. 15. Vgl. Brinker 1983, S. 135f. Ebd. Ebd., S 138. Ebd., S. 15. Große 1976, S. 131. Vgl. Brinker 1985, S. 85 sowie S. 92.
54
Theoretisch-methodologischer Hintergrund
vollzieht, behaupten, dass das Vorkommen eines erwarteten Sprechaktes im Text diesen zum Vertreter dieser Textsorte macht.
B:
Linguistische Textanalyse der historischen Kanzleitexte
Kirsten Adamzik äußert sich jedoch kritisch zur Sprechakttheorie, der es als einziger pragmatischer Schule gelungen ist, »Standardkategorien«143 zur empirischen Analyse der Textsorten zu liefern. Allerdings kritisiert sie deren Illokutions- und Sprecherzentriertheit, die die Intentionen einem abstrakten, »idealen Sprecher« zuschreiben und ihn ins Zentrum stellt (besonders im angenommenen direkten Kontakt), weiter die Kategorienarmut der auf der Sprechakttheorie basierenden Textsortenklassifikationen und die Monotypieforderung, aus der eine dominierende Illokution des Textes hervorgehen soll.144 Britt-Marie Schuster weist zudem zu Recht darauf hin, dass es unumgänglich ist, ohne das dichotome Paar direkt und indirekt, mit dem sprachlichen Material der historischen Texte, besonders der Kanzleitexte, auszukommen. Sie bezieht sich damit auch auf die von Józef Wiktorowicz unternommene grundsätzliche Bewertung der Stadtbucheinträge als indirekt sprachlich realisierte Kommunikationsfunktionen (Textfunktionen), wie im Fall von den Testamenten oder den Schuldbriefen von indirekt deklarativen Textsorten gesprochen wird.145 Gewichtiger als die bereits nach Adamzik angeführten Kritikpunkte in Bezug auf die gängige pragmatische textanalytische Methode ist die durch sie und WolfDieter Krause konstatierte Ungeeignetheit der Sprechakttheorie, die historischsoziale Gebundenheit der Textsorten und ihrer Entwicklung zuzuschreiben.146 Krause stellt heraus, dass Textsorten eine historische Kategorie sind, die als (konventionalisierte) Formen der Kommunikation aus den sich verändernden kommunikativen Bedürfnissen einer Gesellschaft entstehen, wobei sowohl zivilisatorische Entwicklung, politische und soziale Umbrüche eine Rolle spielen.147 Diese Konstatierung ist nun besonders wichtig bei der Behandlung der neu entstandenen und sich erst entwickelten institutionalisierten Textsorten, wie den Testamenten. Deswegen ist es plausibel, besonders bei der Besprechung der diachronen Entwicklung solcher Textsorten, die geschichtlichen und rechtlichen Bedingungen und Veränderungen mit zu berücksichtigen, da »selbst die banalsten Textsorten – und zwar genau dann, wenn sie Formularcharakter haben, 143 Vgl. Adamzik 2010, S. 93. 144 Ebd. 145 Vgl. Wiktorowicz 2007, S. 257–286, insbes. S. 276; vgl. Schuster 2012, S. 263–281, insbes. S. 273. 146 Vgl. Adamzik 2010; Krause 2010, S. 45–76. 147 Vgl. Krause 2010, S. 48.
Historische Textlinguistik und ihre soziopragmatische Ausrichtung
55
wie etwa Lottoscheine oder Reisepässe, das Ergebnis einer historischen Entwicklung« sind.148
4.5
Historische Textlinguistik und ihre soziopragmatische Ausrichtung
Ziegler und Meier lehnen in ihren Studien zu Kommunikationssystemen der mittelalterlichen Städte den strukturalistischen Textbegriff ab, der von der Vorstellung einer sequenziellen Abfolge von miteinander verknüpften Sätze ausgeht und für den die textgrammatischen Zusammenhänge besonders wichtig sind. Sie postulieren vielmehr eine »holistische Sichtweise«, die Texte als funktionale Ganzheiten zum Untersuchungsgegenstand einer pragmatischen Sprachgeschichtsforschung zu machen.149 Besonders die städtische Kommunikationspraxis, zu der auch die Erb- und Testierangelegenheiten zuzurechnen sind, ist immer von historischen und sozialen Faktoren geprägt und muss daher soziopragmatisch untersucht werden.150 Der konkrete Kanzleitext entsteht in einem konkreten Handlungskontext und spiegelt historische Kommunikationszusammenhänge wider, die auch als historischer Diskurs aufzufassen sind. Erst als ein solch vorgeprägtes Einzelereignis ermöglicht er die Entstehung eines Sprachusus der Kanzlei.151 Besonders die textfunktionalen Aspekte waren bei der Herausbildung der jeweiligen kanzleisprachlichen Textmuster von Belang. In diesem Fall ist aber die Funktion des Textes nicht mit der Intention gleichzusetzen, da diese bei den Auftraggebern der Schriftstücke, z. B. den Testierern, und nicht bei den eigentlichen Emittenten, also den professionellen Schreibern, zu suchen sind. Der historischen Textlinguistik liegt dann auch die Auffassung zugrunde, dass sie auch Untersuchung historisch-gesellschaftlich bedingter Diskursformen ist, die das textlich fassbare historische Textwissen der Kommunikationsteilnehmer
148 Adamzik 2008, S. 264. Besonders im Bereich des mittelalterlichen Rechtswesens, also der sich entwickelnden und etablierenden »Kanzleitextsorte«, darunter auch der Testamente, ist nämlich nach Christa Bertelsmeier-Kierst zu bedenken: »In einer über Jahrhunderte auf der Autorität des mündlichen Verfahrens ruhenden Rechtskultur, in der die face-to-faceKommunikation, der Einsatz von Stimme und Körper eine erhebliche Bedeutung für den Rechtsakt und seine Legitimierung in der mittelalterlichen Gesellschaft hatte, signalisiert die Ausbildung schriftlicher Rechtstraditionen einen tiefgehenden Umbruch sozialer, politischer und kultureller Prozesse«. Bertelsmeier-Kierst 2008, S. 12, zit. nach Schuster 2012, S. 270. 149 Vgl. Meier 2004, S. 50. 150 Vgl. Ziegler 2003, S. 131. 151 Vgl. Meier 2004, S. 49, sowie von Polenz 2000, S. 55.
56
Theoretisch-methodologischer Hintergrund
überprüft.152 Die Tatsache, dass man keinen direkten Zugriff auf die historischen Sprecher / Sprachbenutzer hat und sie somit nicht nach ihrem Textsortenwissen bzw. ihre Textsortenkompetenz befragen oder empirisch überprüfen kann – wie dies bei den zeitgenössischen Sprachbenutzern möglich ist und die Textsorteneinteilung generell mit dem Alltagswissen darüber übereinstimmen soll –, ist bei den historischen (mittelalterlichen) Kanzleitexten, die durch professionelle Sprachbenutzer formuliert und schriftlich fixiert wurden, hindert den Sprachhistoriker daran, das Alltagswissen über die Textsorten mit real existierenden Textsorten zu vergleichen. Da aber der Stadtkanzlei mit ihrer regen Dokumentationstätigkeit und den sich dort kreuzenden Interessen der verschiedenen Gesellschaftsschichten eine prägende Rolle bei der Gestaltung der städtischen Kommunikationspraxis zukommt,153 ist anzunehmen, dass sich auch ihre textlichen Produkte in der Gesellschaft und deren Textsortenvorstellung mit der Zeit etabliert haben. Dies wäre v. a. bei den formelhaften Texten, also solchen, »für deren Produktion es eine Grundstruktur und formelhaft gewordene Formulierungsmuster gibt«154, also auch den Testamenten, der Fall. Diese Erkenntnis wird bei der Untersuchung der eigenhändig durch die Bürger verfassten Testamentsurkunden nur bestätigt.
4.6
Das Modell historischer Soziopragmatik und die Texte der Stadtbücher
Das Modell historischer Sprachpragmatik, das nach Peter Ernst155 entwickelt wurde (und das eigentlich die Grundlagen der Pragmatik von Morris mit ihrer Dreiteilung der Wirkung eines Zeichens anknüpft), muss in seiner Dreidimensionalität durch soziokulturelle und sozialhistorische Faktoren ergänzt werden, um dem soziopragmatischen Ansatz der Sprachgeschichte zu entsprechen. Diese Erweiterung des Modells von Ernst muss also über die Kommunikationssituation hinausreichen und verschiedene Zusammenhänge der Kommunikationspraxis und des sozialen Handelns in einer Gesellschaft zu einer bestimmten Zeit berücksichtigen. Von großer Bedeutung ist dabei die Spezifik der städtischen Schriftlichkeit und der Bildung der Bevölkerung, sowie die Unterscheidung zwischen dem Auftraggeber und dem professionellen Schreiber. Diese lässt die tatsächliche Intentionalität zugunsten der Funktionalität des Schriftstückes zurücktreten, welche für die historische Soziopragmatik besonders relevant ist. 152 153 154 155
Vgl. Ziegler 2003, S. 68. Vgl. Meier 2004, S. 81. Sandig 2006, S. 314; Gülich 1997, S. 131–175. Vgl. Ernst 2002.
Das Modell historischer Soziopragmatik und die Texte der Stadtbücher
57
Dabei sind nicht nur die Textproduktion, sondern auch die Textrezeption für die historische Soziopragmatik von Belang. Für den zweiten Aspekt ist besonders die Einbettung des Kanzleischriftlichkeit in den soziogeschichtlichen Diskurs (im epistemologischen Sinne) relevant, damit eine Gemeinschaft der Sinnwelten zwischen dem Emittenten und dem Empfänger entstehen kann. Bereits 1974 hat Janos Petöfi auf das Vorwissen der Teilnehmer der Interaktion hingewiesen, die bei der Bestimmung des logischen Status des Textsinns mit beachtet werden muss.156 Nicht nur die Frames und Schemata, die das Allgemeinwissen organisieren und das Verständnis der typischen Situationen und Zusammenhänge, sondern auch das individuelle Wissen, das u. a. auch anhand von Texten erworben wird und sich in dem vierdimensionalen Terminus Diskurs157 ausbreitet, ermöglicht eine effiziente Textproduktion und Textrezeption der Kanzleitexte. Auf der Seite der Textproduktion sind also die idiolektalen und intentionalen Einflüsse zugunsten des diskursgeprägten Usus, der im Dienste des Text-inFunktion steht, in die Überlegungen mit einzubeziehen.158 Meier spricht sogar von »Sprachgeschichte als Diskursgeschichte«,159 was sich auf die städtische Kommunikationspraxis und somit auf die Kanzleiproduktion und (unter bestimmten Aspekten auch -rezeption) bezieht. Die Kanzlei bildet einen institutionellen Rahmen. In diesem Rahmen entsteht ein spezifischer kanzleisprachlicher Schreibusus, der durch die jeweiligen Kanzleitexte vermittelt, tradiert, konserviert und ggf. weiter modifiziert wird. Vor diesem Hintergrund ist nun das Modell der historischen Sprachpragmatik zu hinterfragen. Nach Peter Ernst soll man zwischen dem Inhalt und der kommunikativen Aufgabe eines Kanzleitextes – in seinem Beispiel der Urkunde – unterscheiden. Es soll »ein Rechtsbeweis geliefert werden, und zwar für die Handelnden, die Betroffenen als auch für nicht Anwesende oder in Zukunft existierende Personen.«160An der Kommunikationssituation sind – wie bei allen Rechtsbeweisen – nicht dieselben Partner beteiligt wie bei der vorangegangenen sozialen Handlung, sondern das Kommunikationsschema kann man nach Ernst in die Formel fassen: X (Aussteller) erklärt gegenüber Y (Leser/Hörer) Vorgang Z.161 Der Zweck der schriftlichen Fixierung des Vorgangs soll also die zeitliche Verlängerung der Geltung des kommunikativen Vorgangs und somit des perlokutionären Aktes sein. Peter Ernst berücksichtigt also die Tatsache, dass die Kanzleitexte mehrere Rezipienten als nur die an dem Kommunikationsakt beteiligten Personen haben, auch wenn nicht alle von ihnen direkte und intendierte 156 157 158 159 160 161
Vgl. Petöfi/Rieser 1974, zit. nach de Beaugrande/Dressler 1981, S. 27. Busse/Teubert 1994, S. 14. Vgl. Gülich/Raible 1977. Meier 2004, S. 68. Ernst 2002, S. 255ff. Ebd., S. 257.
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Theoretisch-methodologischer Hintergrund
Adressaten sind. Auch weitere Mitarbeiter der Kanzlei und Schüler der Schreiber werden adressiert. Sie alle unterscheiden sich aber im Hinblick auf das Welt- und Textwissen. Sie alle können auch unterschiedliche Ziele bei der Rezeption der Texte verfolgen. Die Schreiberschüler und jüngeren Schreiber erwerben somit über die Texte (deren Abschriften und Eintragungen im Stadtbuch) das erwartete diskursive Textwissen. Besonders wichtig in dieser Hinsicht ist das Medium des Stadtbuches, da die Kommunikation im Rahmen eines Stadtbuches v. a. zirkulär ist, d. h., die schriftliche Fixierung der vorangegangenen sozialen Handlung erfolgt von den Vertretern der Stadtgewalt (bzw. deren Gehilfen) mit der Intentionalität des Erinnerns und des Sicherns. Als (intendierte) Adressaten können hier auch neben den Vertretern der Stadtgewalt die möglicherweise anfechtenden Parteien gelten, für die es auch möglich sein soll, im Aktenbuch den letzten Willen der verstorbenen Person nachzuschlagen.
4.7
Textsortenklassifizierung der historischen Kanzleitexte: germanistische Ansätze
Lediglich zwei Germanisten machten sich bisher (wohl unabhängig voneinander) Gedanken bezüglich der methodologischen Herangehensweise an historische Kanzleitexte, insbes. die in den Stadtbüchern festgehaltenen: nämlich Józef Wiktorowicz und Libusˇe Spácˇilová. Beide gehen in ihren theoretischen Annahmen in eine ähnliche Richtung: Sie konzentrieren sich in ihren Überlegungen – ähnlich wie Gülich und Raible162 – auf die Auffassung, dass sich der Text und der Kommunikationsakt, in dem er entsteht, gegenseitig bedingen. Beide sehen Unzulänglichkeiten der theoretischen Klassifikationsansätze der bisherigen Textsortenforschung und versuchen, diese zu überwinden, indem sie das Hauptaugenmerk vom Produkt einer kommunikativen sozialen Handlung auf die Kommunikation selbst verlegen. Beide Forscher gehen in ihrer Kritik von anderen Klassifikationsansätzen aus (obwohl es sich eigentlich um diachron modifizierte methodologische Zugriffe handelt). Während Spácˇilová den funktionalen Ansatz von Klaus Brinker zur Grundlage ihrer praktischen Untersuchungen und theoretischen Überlegungen macht, arbeitet Wiktorowicz mehr mit dem kommunikativ-funktionalen Ansatz von Wolfgang Heinemann. Ihre Erwägungen zur Textsorte Testament entwickelt Spácˇilová in einem Beitrag zu den Olmützer Testamenten. Darin unterteilt sie in die mündliche Rechtshandlung (selten schriftliche Sprachhandlung des Erblassers) und die schriftliche Sprachhandlung, aus der die »Vertextung der Rechtshandlung« also
162 Gülich/Raible 1977, S. 46.
Textsortenklassifizierung der historischen Kanzleitexte: germanistische Ansätze
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ein testamentarischer Überlassungsakt resultiert.163 Spácˇilová stellt fest: »Die Urkunde legt schriftlich Zeugnis über das Rechtsgeschäft ab; der Rechtsakt wird auf diese Weise vollzogen.«164 Aus ihrer Betonung der tragenden Rolle des institutionellen Rahmens für die Bestimmung der Textfunktionen165 erklärt sich bei Spácˇilová die gleiche textsortenklassifikatorische Behandlung des Texttypus Urkunde, Abschrift einer Urkunde und des Texttyps Eintrag. Sie spricht allen diesen Realisierungsformen der Textsorte Testament nicht die tragende Deklarationsfunktion ab. Vielmehr kommuniziere der Testierer seinen letzten Willen mündlich und die Aufgabe des Schreibers ist es dann, »die Vertextungsnormen der Textsorte ›Testament‹ mit den Normen des Texttyps ›Urkunde‹ bzw. mit dem Formular des Eintrags in Übereinstimmung zu bringen«.166 Welcher Texttyp dabei jeweils gewählt wird, beeinflusst nach Spácˇilová nicht die Klassifizierung. In seinem Beitrag zum Sammelband Aufgaben einer künftigen Kanzleisprachenforschung befasst sich Józef Wiktorowicz parallel zu der tschechischen Kollegin mit der Frage der Textsortenklassifikation der in die Stadtbücher eingetragenen Texte. Er glaubt, dass die sprachgeschichtlichen Untersuchungen bisher meistens einem »präwissenschaftlichen Begriff einer Textsorte« unterstellt waren.167 Wiktorowicz stellt fest, dass die theoretischen Ansätze der Textsortenklassifikation, unter denen aktuell die kommunikative Funktion im Vordergrund steht, bei den kanzleisprachlichen Untersuchungen wenig geeignet wären. Die kommunikative Situation der Eintragungen in die Aktenbücher ist bei Testamenten nämlich immer gleich. Dennoch sollen die einzelnen Einträge unterschiedlichen Textsorten zugeordnet werden. Wiktorowicz sieht die differentia specifica der Zugehörigkeit der Eintragungen zu bestimmten Textsorten in den vorausgegangenen sozialen Handlungen begründet. Er knüpft damit an Dieter Cherubims Vorstellung der Sprache als sozialer Handlung an sowie an die theoretischen Ansätze von Wolfgang Heinemann. Aber er macht eine deutliche Unterscheidung zwischen der primären sozialen Handlung und der sekundären sprachlichen Handlung, die als Produkt der ersten eine konventionalisierte Form annimmt, geht also ein Schritt weiter, als seine tschechische Kollegin tut und koppelt die Verschriftlichung von der Handlung ein Stück weiter ab.168 Jedenfalls bezieht er seine Thesen auf die Stadtbucheintragungen, die somit in einem fest geregelten und normierten Kommunikationsrahmen verbleiben. Die Art der sozialen Handlung ist für ihn also ein konstitutives Merkmal bei der historischen Textsortenklassifikation der Eintragungen in ein mittelalterliches bzw. früh163 164 165 166 167 168
Spácˇilová 2000, S. 203. Spácˇilová 2010, S. 96. Ebd., S. 97. Spácˇilová 2000, S. 205. Wiktorowicz 2003, S. 128. Vgl. ebd., S. 129.
60
Theoretisch-methodologischer Hintergrund
neuzeitliches Aktenbuch. So ist für die Textsorte Testament die soziale Handlung des Formulierens des letzten Willens konstitutiv.169 Obwohl sich also Wiktorowicz für das Primat der textexternen Merkmale ausspricht, besteht er – wie auch eine Reihe anderer Sprachhistoriker und führender Kanzleispracheforscher, darunter Meier/Ziegler – auf ein integratives Klassifikationsschema. Dabei haben die internen Merkmale allerdings lediglich einen deskriptiven Charakter und beziehen sich auf die konventionalisierte sprachliche Handlung. So wie Klaus Brinker und Eckard Rolf in ihrer funktionalen Textsortenklassifikation macht auch Wiktorowicz keine Unterscheidung bei der Textsortenzuordnung zwischen dem Texttyp »Eintrag« und dem Texttyp »(abgeschriebene) Urkunde«. Testamente sind für ihn funktionale, wirklichkeitsschaffende Instrumente und deswegen der deklarativen Textsorte zuzuordnen. Der Unterschied liegt nach Wiktorowicz nur darin, ob die Sprechakte des Vermachens direkt oder indirekt ausgedrückt werden, also darin, wie die Performative formuliert werden. Die Eintragungen, die über soziale Handlungen berichten und sie festhalten, nehmen die Form von assertiven Texten an. Sie sind aber im Hinblick auf die realisierte soziale Handlung, die sie schriftlich fixieren, stets deklarativ und können somit als indirekte deklarative Textsorte bezeichnet werden.170 Obwohl Testamente in mittelalterlichen Aktenbüchern oft auch in Mischformen auftreten, tragen sie nach Wiktorowicz wenigstens im einleitenden Teil den Charakter von assertiven Textsorten.171 Wiktorowiczs handlungsorientierte Ansicht ist weitgehend beizupflichten und sie wird in der vorliegenden Arbeit vertreten, allerdings unter der Voraussetzung, dass als soziale Handlung die Formulierung des letzten Willens – und nicht erst das Inkrafttreten seiner Bestimmungen – gilt. Jede schriftliche Fixierung der letztwilligen Verfügungen hat jedoch faktisch bis zum Ableben des Testators lediglich den Charakter eines potenziellen Testaments.172
169 Vgl. Wiktorowicz 2004, S. 155. 170 Vgl. Wiktorowicz 2007, S. 140. 171 Vgl. ebd., S. 151. Die Sichtweise von Wiktorowicz scheint jedoch (noch) nicht allgemeingültig zu sein. In seiner 2007 erschienen Untersuchung der Lübecker Testamente verzichtet Andreas Bieberstedt auf die Analyse des Texttyps »Eintrag« und begründet seine Entscheidung durch typologisch-systematische Faktoren. Allerdings setzt er die Ausstellung der dispositiven Urkunde mit dem Rechtsakt des Testierens gleich. Somit nimmt er also keine Aufteilung des rechtsrelevanten Vorgangs in die soziale Handlung und die Sprachhandlung vor, in der sich diese realisiert. Beide Realisierungsformen der Textsorte Testament (Eintrag und Urkunde) spiegeln nach Bieberstedt andere Vorgänge wider. Ohne die Zuordnung des Texttyps »Eintrag« zur Textsorte »Testament« anzufechten, schreibt Bieberstedt dieser Realisierungsform jedoch nur die Funktion der Dokumentation eines vorangegangenen und vollzogenen Rechtsakts zu und schließt sie als Gegenstand seiner Untersuchungen aus. Vgl. Bieberstedt 2007, S. 22. 172 Vgl. Z˙migrodzka 1997, S. 30.
Textsortenklassifizierung der historischen Kanzleitexte: polonistische Ansätze
4.8
61
Textsortenklassifizierung der historischen Kanzleitexte: polonistische Ansätze
Die polnische Textlinguistik173 unterscheidet sich in mehrfacher Weise vom deutschen bzw. germanistischen Diskurs. Die polonistische Textologie – v. a. die Ansätze von Anna Wierzbicka und Maria Renata Mayenowa174 – wurde stark von ausländischen Untersuchungen beeinflusst, wobei die Arbeiten der Prager Funktionalisten, der amerikanischer Linguisten, der Moskauer Semiotiker und Michael Bachtin wohl den größten Einfluss auf sie ausübten.175 Die grammatischen Konzeptionen, die so auf der Basis der erweiterten Satzlinguistik entstanden, und die generativen Theorien wurden jedoch größtenteils nicht berücksichtigt.176 Diese Fakten haben eine große Bedeutung für die Gewichtung der grundlegenden Aspekte der polnischen Forschungsansätze, die heute auch durch die Pragmalinguistik, Diskurstheorie, kulturelle Linguistik und funktionale Stilistik beeinflusst wird.177 Die polnische Textologie ist von Beginn an kommunikativ ausgerichtet. Eine in der Polonistik angenommene Einteilung in Aussage als »ein Text im Kontext« und Text als ein »statisches Produkt der Sprechhandlung« ist hier nicht gerechtfertigt178, denn die von de Beaugrande/Dressler postulierte Kategorie der Kohärenz – als eines von sieben Textualitätskriterien – wurde in der polnischen Textologie nie als ein inhärentes Merkmal des Textes verstanden, sondern immer als Interpretationsprinzip. Das besagt, dass man beim Textverstehen immer den Kommunikationskontext berücksichtigen muss.179 Texttheoretiker gehen darüber hinaus davon aus, dass der Interpretationsakt nicht nur die Sprachkompetenz, sondern auch das enzyklopädische Wissen, das Weltwissen, die Kulturkompetenz etc. aktiviert und die Kohärenz von Text und Welt deren Kohäsion 173 Auch – und vielleicht häufiger noch – wird die Textlinguistik als Textologie bezeichnet, wobei Dobrzyn´ska darauf hinweist, dass der Eindeutigkeit halber dieser Begriff immer mit dem Adjektiv »linguistisch« verwendet werden sollte, um die Verwechslung mit der gleichnamigen literarischen Disziplin zu vermeiden. Vgl. Dobrzyn´ska 1993, S. 283–304, S. 302. Jan Mazur schreibt: »Der Terminus Textlinguistik wird in den slawischen Ländern nicht einheitlich definiert. Für die Kennzeichnung dieses Zweiges der Sprachwissenschaft werden verschiedene Termini verwendet: Texttheorie, Textologie, sprachwissenschaftliche Textologie, Textlinguistik, Diskursgrammatik, transphrastische Linguistik, Textgrammatik, Textwissenschaft, Entsprechend reichen die Begriffsinhalte vom literarischen Text bis hin zu Gebrauchstexten, Diskursen und der maschinellen Textverarbeitung […]«. Vgl. Mazur 2000, S. 154. 174 Vgl. Wierzbicka 1971 und 1974/1979/2000. 175 Vgl. Bilut-Homplewicz/Czachura/Smykała 2009, S. 16. 176 Vgl. ebd., S. 70. 177 Vgl. Wojtak 2008, S. 339–352, insbes. 339. 178 Vgl. Bilut-Homplewicz/Czachur/Smykała 2009, S. 72. 179 Vgl. ebd., S. 73, sowie Mayenowa 1974 und Miczka 2002.
62
Theoretisch-methodologischer Hintergrund
übersteigt.180 Der Text hat nämlich auch einen anthropologischen Aspekt, indem er zum Träger eines bestimmten Weltbildes und seiner transportierten Werte wird.181 Die polnische Textologie unterscheidet daher nicht eigens zwischen Text und Diskurs, da die Einbettung in soziale Interaktionen den Text als Teil des Diskurses bereits charakterisieren.182 Das Verständnis des Textes verschiebt sich also in Richtung Text als kommunikatives Ereignis.183 Die Verwischung der Grenzen zwischen Kommunikationsakt, insbes. der Sprechhandlung, mit dem Produkt derselben, also dem Text, begründet daher das Interesse der polnischen Textologen an deutschen Untersuchungen zu Textmustern. Eine solche Forschungsrichtung verfolgt Barbara Sandig ab 1978 und wird von Jan Mazur in die polnische Textologie eingeführt. Dieser schlägt vor, sowohl die Situationsbedingungen, die Absichten, Pflichten und einzelne Handlungen, als auch sprachlichstilistische Faktoren beim Aufbau eines Textmusters zu berücksichtigen.184 Vor dem Hintergrund des erwähnten Interpretationsprinzips ist die polonistische Studie zu den historischen Testamenten aus Kalisz von Boz˙ena Z˙migrodzka samt ihren Annahmen und Erkenntnissen (z. B. der Existenz eines konstitutiven Sprechaktes) anzusehen. Z˙migrodzka will das Textmuster der Textsorte Testament textlinguistisch und textanalytisch rekonstruieren. Sie will ein universelles Modell erstellen, das panchronische Geltung beansprucht, und weitere spezielle diachrone und diatopische konfrontative Untersuchungen ermöglichen kann.185 Sie betont, dass das linguistische Interesse an einem Testament als Text ein anderes ist als das eines Juristen. Während sich der Jurist vornehmlich für die konstitutiven Merkmalen des Testaments im Sinne der Willenserklärung interessiert, um diese ggf. mit den entsprechenden Rechtsnormen abzustimmen, betrachtet der Linguist den Text eines Testaments als ein Ganzes. Für den Linguisten ist der Text ein schriftlich fixiertes sprachliches Produkt, das in sich kohärent und strukturiert ist.186 Z˙migrodzka stützt sich methodologisch sowohl auf deutsche als auch polnische textlinguistische Ansätze. Den Terminus »Textmuster« verwendet sie ebenso wie Sandig und Mazur als Teil einer weitgefassten (konventionalisierten) Sprechhandlung. Ein Testament ist eigentlich nie – anders als heute bei den notariellen Dokumenten (J. S.) – das Ausfüllen fertiger Formulare.187 Da es sich im Fall des 180 181 182 183 184 185 186 187
Vgl. Witosz 2007, S. 3–19. Vgl. Bilut-Homplewicz/Czachur/Smykała 2009, S. 59. Ebd., S. 78. Ostaszewska/Cudak 2008, S. 17. Vgl. Mazur 1990, S. 73. Vgl. Z˙migrodzka 1997, S. 99. Vgl. ebd., S. 21. Vgl. ebd., S. 92.
Textsortenklassifizierung der historischen Kanzleitexte: polonistische Ansätze
63
Testaments um eine der komplexen Textsorten handelt,188 muss nach der Grundstruktur und der Strukturierung des Ganzen gefragt werden.189 Als linguistisches Analyseinstrument wählt Z˙migrodzka das bei analytischen Untersuchungen bewährte Modell der Sprechakttheorie. Demgemäß stellt das von ihr dargestellte Textmuster eine Sequenz von Sprechakten dar, unter denen eine gewisse Hierarchie herrscht. Diese wird durch den konstitutiven Rahmen für die gegebene Textsorte Sprechakt bedingt – zu erinnern sei an dieser Stelle an das stillschweigend mitberücksichtigte Interpretationsprinzip –, das die Grundstruktur des Textmusters bildet. Andere Sprechakte, die im Text vorkommen können, sind für sie dagegen fakultativ und durch die jeweilige historische, gesellschaftliche oder individuelle Lage bedingt.190 Auch Sławomira Kaleta-Wojtasik arbeitet bei ihrem Versuch der Bestimmung der Textsorte »Testament« mit den Instrumenten und Begrifflichkeiten der Sprechakttheorie und lässt sich von Z˙migrodzkas Studie inspirieren. Z˙migrodzka arbeitet dabei nur mit den direkt formulierten letztwilligen Verfügungen, die in Form einer Urkunde vorliegen, während Kaleta-Wojtasik auf die Eintragungen in die Aktenbücher angewiesen ist. Die Eintragungen werden von ihr stillschweigend als Testamente anerkannt. In ihrem den Untersuchungen von Wiktorowicz vorausgehenden Aufsatz behandelt sie neben dem geschichtlichen Hintergrund der Etablierung dieser Textsorte linguistische Aspekte und sucht nach den Elementen einer konstitutiven Grundstruktur.191 Die Forscherin stellt fest, dass für die Textsorte Testament der Sprechakt des Testierens, der »Donation«, von zentraler Bedeutung ist.192 Damit teilt Kaleta-Wojtasik die methodische Auffassung von Z˙migrodzka, die anhand der Untersuchung polnischer Testamente eine für diese Textsorte konstitutive semantische Formel entwickelt hat, die es erlaubt, einen Text als Testament zu identifizieren: »Ich (X) will, dass nach meinem Tode etwas (Z), was sich in meinem Besitz befindet, jemandem anderen (Y) gehört, und indem ich diese Willenserklärung ablege, bewirke ich, dass es geschieht«.193 Dieser performative Sprechakt kann in Anlehnung an die theoretischen Ansätze von Anna Wierzbicka (semantische Metabeschreibung mit der natürlichen Sprache) durch verschiedene Verben und semantische Mittel ausgeführt werden. Es muss aber im Text festgehalten werden: WER gibt WEM WAS mittels eines Verbum performativum mit drei Argumenten. Die Krakauer Germanistin macht dabei keine Unterscheidung in der Form des Verbum performativum, da die Person
188 189 190 191 192 193
Vgl. Gajda 1992, S. 73. Vgl. Mazur 1990. Vgl. Z˙migrodzka 1997, S. 27. Vgl. Kaleta-Wojtasik 2001. Ebd., S. 262. Ebd., S. 263; Z˙migrodzka 1997, S. 37.
64
Theoretisch-methodologischer Hintergrund
(1. P. Sg. vs. 3. P. Sg.) und das Tempus (Präsens vs. Präteritum/Perfekt) keinen Einfluss auf die Semantik ausüben.
II Empirischer Teil
5
Krakauer Testamentskorpus und Fragen der Textsortenzuordnung der Texte
5.1
Die Erhebungen der Krakauer Testamente, Vorarbeiten und deren Verwertung
Meine in dieser Analyse vorgenommenen Erhebungen fokussieren sich auf die Krakauer Stadtbücher, die von den in Sachen privater Gerichtsbarkeit (speziell in Testamentsangelegenheiten) befugten Behörden durchgeführt wurden. Obwohl es einige Indizien gibt, dass auch in den Vogtbüchern und in den Zechenakten testamentarische Texte sporadisch anzutreffen sind194, beschränke ich mich auf die Hauptquellen der Testamente, also auf die Reihe Inscriptiones (= Reinschrift der wichtigsten Eintragungen) der Schöffenbücher (AS) und der Ratsbücher (AC und LT). Ich habe also 31 Aktenbücher (AC427-AC442, ASI-ASXIV, LT772 und LT773) auf das Vorkommen von Testamenten untersucht, die ganz verschiedenen Umfang aufweisen: Die früheren umfassen im Durchschnitt jeweils ca. 300 bis 400 Seiten; mit der Zeit verdoppelt bzw. verdreifacht sich die Anzahl und der Umfang der Texte, sodass immer dickere Aktenbücher gesichtet werden mussten, die dann nicht selten 1.000 Seiten überschritten. Infrage gekommen wären noch andere Bücher, die heute aber verschollen sind. Ihre Existenz ist nur aus geschichtswissenschaftlichen Untersuchungen bekannt. Zu nennen sind hier das erste Testamentsbuch Liber Testamentorum sowie die Aktenbuchreihe der Protokolle (Protocolla inscriptionum), die als Notizbuch für die Reinschrift in Form der Aktenbuchreihe der Inscriptiones diente und deren Überlieferung erst 1580 beginnt. Die Existenz dieser Aktenbücher und ihr eventueller Belang in Bezug auf das Forschungsfeld der Krakauer Testamente findet auch Bestätigung in Form von Indizienmaterial in dem von mir untersuchten Korpus195 sowie in Verweisen
194 Vgl. Bartoszewicz 2012, S. 252 (Sie beruft sich auf den Text unter Sign. AMK 83). 195 Vgl. der Verweis auf einen wahrscheinlich ersten Liber Testamentorum ist die Eintragung aus dem Jahr 1410 (AC427, S. 371). Die erste Eintragung aus dem zweiten Liber Testamentum mit Signatur LT772 stammt dagegen aus dem Jahr 1427.
68
Krakauer Testamentskorpus und Fragen der Textsortenzuordnung der Texte
auf Einlegungstexte in den eingelegten verschlossenen Testamenten, die in den Inscriptionen nicht zu finden sind. Als ich meine Erhebungen im Jahr 2015 begann, waren die Texte noch nicht online verfügbar, sodass die meiste Arbeit vor Ort im Archiv durchgeführt wurde. Zur Verfügung standen Mikrofilme von schlechter Qualität, die nur vor Ort in den vorgesehenen Öffnungszeiten des Archivs gesichtet werden konnten. Die 2017 erfolgte Zurverfügungstellung der meisten Bücher via Internet196 – die im Sommer 2017 leider endete – war eine wesentliche Erleichterung der Arbeit, wenngleich auch dann bereits die meisten Erhebungen von mir durchgeführt worden waren. Die schlechte Qualität mancher Seiten erforderte aber Nachrecherchen im Archiv, um den Inhalt ganz genau zu entziffern. Meine theoretischen Vorarbeiten ermöglichten mir dabei einen qualifizierten Zugang. Die Konsultationen mit fachkundigen Kollegen aus dem Ausland und die eigen eingebrachten autodidaktisch erlangten Fertigkeiten ermöglichten schließlich die Anfertigung einer möglichst vollständigen Zusammenstellung der mit einem testamentarischen Charakter versehenen Texte aus allen erwähnten Aktenbüchern. Diese Zusammenstellung ist im Anhang zur vorliegenden Studie in bereits aufgearbeiteter Form einzusehen. In ihr unterscheide ich zwischen Testamenten und Vergabungen des Todes wegen. Die Kriterien der Unterteilung und ihre methodologische Entstehung thematisiere ich in einem gesonderten Kapitel. Die gesamten Texte meines analysierten Textkorpus wurden von mir transliteriert und im Anhang aufgeführt. Auf diese Vorarbeiten stützten sich die im Folgenden präsentierte Untersuchung und ihre Resultate. Im Anhang findet sich auch eine repräsentative Auswahl der Abbildungen der testamentarischen Texte und deren Transliterationen. Diese sollen als Illustration – v. a. der angesprochenen graphischen Phänomena – dienen und die Vielfalt der Ausgestaltung der testamentarischen Eintragungen dokumentieren. Als Testamente konnten 342 Eintragungen eingestuft werden, die im Folgenden einer eingehenden linguistischen Untersuchung unterworfen wurden. In einem Exkurs werden weitere testamentarische Texte – die Vergabungen des Todes wegen – behandelt. Außer Acht gelassen habe ich aber die sog. Morgengaben, die auch zu postmortalischen Donationen gehörten und eine Art Vergabungen des Todes wegen sind.
196 Vgl. www.szukajwarchiwach.pl [aufgerufen am 29. 09. 2019].
Annahmen und Einschränkungen des Umgangs mit dem handschriftlichen Material
5.2
69
Annahmen und Einschränkungen des Umgangs mit dem handschriftlichen Material
5.2.1 Die tabellarischen Zusammenstellungen Die Zusammenstellungen der Testamente und der Vergabungen des Todes wegen, die sich im Anhang zur vorliegenden Studie befinden, beinhalten zugleich die Zusammenstellung der sich wiederholenden Ausdrucksweisen. Sie ist Ergebnis der korpusanalytischen Lektüre eines umfangreichen Materials. Sowohl die Zusammenstellung als auch die Transliterationen wurden nach bestem Wissen und Gewissen vorbereitet. Bei den Zusammenstellungen wurde analog zu dem vorher vorbereiteten Transliterationen des ganzen Korpus der Texte vorgegangen. Die verwendeten Abkürzungen AT (steht für den assertiven Teil eines Protokolls oder einer Czedelabschrift) und T (steht für den Kerntext/Haupttext – also nach der Terminologie der klassischen Diplomatik: Dispositio) sollen die Teile des Textes anzeigen, die der ursprünglichen Verschriftlichung des Testaments angehören. T umfasst im Fall der eingelegten Testamentsurkunden den ganzen Text samt allen Teilen des Urkundenschemas. Die Abkürzung AV wird dagegen als ein einführender Teil der Eintragung eines Großtextes197 verstanden, der von einem Mitarbeiter der Behörde bei der Eintragung einer protokollartigen Notiz oder einer Abschrift des originalen Textes hinzugefügt wurde. Die Abkürzung steht hier für einen Aktenvermerk, obwohl diese Begrifflichkeit weit verstanden wird. In diese zweite Kategorie gehört meistens auch der Supratext – verstanden etwa als ein überschriebener Paratext der Behörde. Er wird mit S bezeichnet und ist ebenso ein Aktenvermerk. Eine zusätzliche Unterscheidung in AV und S wird nur in solchen Fällen vorgenommen, wo beide zugleich vorkommen und dient deren terminologischer Unterscheidung. In den Zusammenstellungen stütze ich mich immer auf die Originale, die ich zitiere, um möglichst dicht am Analysematerial zu bleiben und dem Leser einen fundierten Eindruck zu verschaffen. Die doppelte Zitation einiger Formulierungen geht aus der Tatsache hervor, dass diese in den Textteilen (bzw. Teiltexten nach der Terminologie von Greule / Reimann) abweichen können, was von einem besonderen Interesse sein kann, wenn sich die Urheber der Texte nicht decken (bspw. wenn also andere Formulierungen in den abgeschriebenen Vorlagen vorkommen als in den die Abschrift einführenden Texten der Behörde). Die Zusammenstellung der Donationsprädikate beansprucht keine genaue Vollständigkeit, denn hier geht es v. a. darum, die Tendenzen der Anwendung einiger sprachlicher Mittel zu verdeutlichen. Die Zusammenstellung der Donations197 Vgl. die Terminologie von Greule/Reimann 2015, die auch im Weiteren erklärt und umgesetzt wird. Ein Großtext setzt sich aus Kleintexten zusammen.
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Krakauer Testamentskorpus und Fragen der Textsortenzuordnung der Texte
prädikate wird dagegen nur in ihren Hauptmerkmalen herauspräpariert, denn hier geht es v. a. darum, die Tendenzen der Anwendung einiger sprachlicher Mittel zu verdeutlichen. Die tabellarische Zusammenstellung bewahrt in der Anordnung der analysierten Texte den chronologischen Aufbau des jeweiligen Stadtbuches. Da testamentarische Eintragungen in den Aktenvermerken meistens Daten ihrer Ablegung benennen (ausgenommen die eingelegten verschlossenen Testamentsurkunden, bei denen Daten der Eröffnung genannt werden) und die Eintragungen erst nach dem Tod des Testierers, vor allen dann, wenn es zu Erbstreitigkeiten kam, erfolgten, ergibt sich meistens eine chronologische Diversität. Die Stadtbücher bewahren nämlich in der Reihenfolge ihrer Einträge die lineare Zeitfolge, die auch an den Zusammenstellungen in manchen Fällen auffällt.
5.2.2 Die Veranschaulichung des Untersuchungsmaterials Zwecks Veranschaulichung des Untersuchungsmaterials habe ich Texte aus jeder der drei Stadtbuchreihen (AS, AC und LT) gewählt und im letzten Anhang in ihrer Unterschiedenheit als Repräsentanten unterschiedlicher Epochen zum Vergleich nebeneinandergestellt. Bei der Auswahl wurde darauf geachtet, alle Texttypen darzustellen, also sowohl protokollartige Eintragungen, Abschriften der Czedel als auch der privaten Testamentsurkunden. Ich achtete darauf, sowohl ältere als auch jüngere Texte aus der untersuchten Periode in der Kleinedition darzustellen. Besonderes Augenmerk richtete ich dabei auf die einführenden Paratexte der Behörde, die dann in einschlägigen Kapiteln der vorliegenden Studie näher behandelt werden. Weil sie sich so besser einem Vergleich unterziehen lassen, nahm ich sie in die Kleinedition mit auf. Außer für den jeweiligen Texttyp typischen Repräsentanten, die also prototypisch sind, wurden auch solche Texte mitaufgenommen und gezeigt, die anders ausfallen. Zu den »typischen« testamentarischen Eintragungen/Testamenten zugerechnet wurden: Nr. 1: ASIII 22. 08. 1393, S. 106 (eine der ersten testamentarischen Czedelabschriften in den erhaltenen Stadtbüchern), Nr. 2: ASIII 22. 08. 1393, S. 106 b (der originale testamentarische Czedel, der als Vorlage für die Eintragung – Text Nr. 1 – diente, der in das Aktenbuch eingelegt erhalten geblieben und überliefert wurde; einer von drei solchen Raritäten), Nr. 3: ASIV 11. 01. 1415, S. 100 (eine bezeugte Czedelabschrift mit angehängtem Schöffensiegel), Nr. 4: ASV 10. 02. 1430, S. 203 (eine Czedelabschrift mit einem assertiven Einführungsteil des Originals und ausgeprägt elliptisch aufgebauter Dispositio), Nr. 5: ASIII 05. 09.1393, S. 109 (das erste protokollartige Testament in den AS), Nr. 6: ASIX 19. 05. 1508, S. 439f. (eines der frühesten eingelegten verschlossenen Testamenten in den AS, mit nachträglich angebrachtem Navigationssystem der Stichworte am Text-
Annahmen und Einschränkungen des Umgangs mit dem handschriftlichen Material
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rande) und Nr. 7: ASXV 20. 05. 1553, S. 232f. (eingelegtes verschlossenes Testament aus der Mitte des 16. Jahrhunderts, eingelegt 1550). Zu den »untypischen ausgestalteten« Texten zugerechnet wurden: Nr. 8: LT772 24. 11. 1441 (zweiteiliges Testament aus dem LT772), Nr. 9: LT773 04. 11. 1556, S. 6–8 (registerhaftes verschlossenes Testament mit ausgebautem Güterverzeichnis im LT773, eingelegt 1509; mit Zwischenüberschrift), Nr. 10: ASIV 05. 11. 1417, S. 104f. (Abschrift einer Urkunde des Gerichts, die die Urkunde des Rates und diese ihrerseits einen der Behörde zur Beglaubigung vorgelegten testamentarischen Czedel beinhaltet). Einigen dieser Eintragungen wurden in der vorliegenden Studie besondere Aufmerksamkeit zuteil. Damit ergeben sich für die Analyse zwei Fokussierungen: sowohl auf die Zusammenstellungen der Texte einerseits als auch auf die abgebildeten Beispieltexte andererseits.
5.2.3 Umgang mit den untersuchten Texten und die Anfertigung der Transliterationen Alle Texte der Krakauer Testamente und Vergabungen des Todes wegen wurden transliteriert. Dazu wurde jeweils das genannte Datum, das in der untersuchten Periode in Nennung der kirchlichen Feste bestand, mit Hilfe entsprechender Zeittafeln dechiffriert und angegeben. Es handelte sich meistens um Ablegungsdaten (bei den eingelegten verschlossenen Testamenten um das Datum der Eintragung ins Stadtbuch). Nicht alle Daten konnten dabei präzise festgestellt werden, auch deswegen nicht, weil heute nicht mehr alle dieser Feste bekannt sind und zweifelsfrei zugeordnet werden können. Es wurde nicht darauf verzichtet, die damaligen Interpunktionszeichen nachzuahmen, obwohl es wegen der Aufnahmequalität nicht in jedem Fall sicher war, ob es sich tatsächlich um ein solches handelte oder um eine Verschmutzung. Eine Operation des Einsatzes von heutiger Interpunktion wäre dagegen eine Deutung des Textes. Der Gebrauch von Majuskeln und Minuskeln wurde aber auch, soweit erkennbar, von der handschriftlichen Vorlage übernommen. Da es sich in der vorliegenden Studie um keine paläographischen Untersuchungen handelt, erscheint es ebenso zwecklos, immer alle Buchstabenvarianten bspw. wie das Schaft-s zu imitieren, zumal wenn diese nicht leicht erkennbar waren. Abkürzungen wurden nach den üblichen Regeln entwickelt und ggf. in ihrer grammatischen Form ihrem Kontext angepasst. Auch Abbreviaturen in lateinischen Passagen wurden nach einschlägigen Anleitungen behandelt. Der besseren Verständlichkeit halber wurden lateinische Phrasen bisweilen grammatisch modifiziert. Bei den lateinischen Übersetzungen wurde ich unterstützt von Hilfskräften des Historischen Seminars in Jena. Sowohl die Transliteration als auch die Übersetzungen lassen Spielräume zu und sind ohne absolute Gewähr zu verstehen. Sie wurden nur
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Krakauer Testamentskorpus und Fragen der Textsortenzuordnung der Texte
zwecks der textlinguistischen Analyse vorgenommen und eine weitere Bearbeitung dieses Sprachmaterials schien im Rahmen dieser Studie nicht gefragt zu sein. In der untersuchten Periode kommen oft in ein und demselben Text mehrere graphische Verschriftlichungsvarianten desselben Wortes vor. Für die Zusammenstellungen der Formulierungen habe ich mich bemüht, die erste in dem jeweiligen Text auftauchende Variante zu wählen, was besonders für das Kapitel zur Stilistik gilt, in dem ich meine Analysen anhand von Beispielrealisierungen durchführe.
5.3
Probleme mit der Klassifizierung der Texte
Neben der rein technischen Herausforderung (wegen der großen Menge an Aktenbüchern und Aktenseiten) kamen bei der Anfertigung einer möglichst vollständigen Zusammenstellung der Testamente in Krakau in der Periode, als das Deutsche eine der Amtssprachen war, auch Probleme mit der Klassifizierung der einzelnen Eintragungen hinzu. Meine These jedoch ist, dass der einzige Prüfstein, ob eine Eintragung einen testamentarischen Charakter aufweist, nur die Beinhaltung des Donationsaktes in Form von X gibt Y nach seinem Tode Z angesehen werden kann.198 Denn man muss sich vor Augen halten, dass nicht immer die Testamente als solche in den Aktenbüchern bezeichnet wurden. Eine bloße Suche nach der Textsortenbezeichnung in den Aktenvermerken oder in den Testamentstexten ergibt also nicht nur ein sehr unvollständiges Bild, sondern ist in einigen Fällen sogar irreführend: Der Begriff »Testimonium« (lat. testis) referiert eigentlich auf etwas Bezeugtes und das lateinische »Testamentum« etabliert sich in jener Periode als eine Textsortenbezeichnung. Zu nennen sind aber Texte, die zwar diese Bezeichnung verwenden, dem Inhalt nach aber lediglich die abzuzahlenden und einzunehmenden Schulden behandeln.199 Diese irreführenden Begrifflichkeiten können sowohl im Haupttext der die Eintragung überschreibenden Aktenvermerke vorkommen (vgl. bspw. LT772 28. 04. 1470, LT772 14. 09. 1472) als auch im Inhalt des Textes (in dem assertiven Einleitungsteil: vgl. bspw. ASIX 10. 05. 1507). Möglich sind außerdem sowohl eine lateinische (Testamentum) als auch eine deutsche Version (Testament). Diese terminologische Offenheit kommt in allen Aktenbuchreihen vor, und zwar sowohl in den als Abschriften vorgebrachten Vorlagen als auch in den protokoll198 Vgl. Erwägungen von Z˙migodzka und Kaleta-Wojtasik im theoretischen Teil der vorliegenden Studie. 199 Vgl. bspw. eine registerhafte Aufzählung im LT772 28. 04. 1470, LT772 14. 09. 1472 und ASIX 10. 05. 1507.
Probleme mit der Klassifizierung der Texte
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artigen Texten, also in denjenigen Texten, die durch die Kanzleimitarbeiter selbst von Anfang bis Ende verschriftlicht und formuliert wurden, d. h. ohne eine Mittlerinstanz eines Notars oder eines privaten Schreibers, der womöglich nicht so kundig in der Amtsterminologie sein könnte. Sogar die üblicherweise unproblematische Begrifflichkeit »letzter Wille« wurde in einigen Fällen beliebig verwendet, wie bspw. im Text ASIX 02. 11. 1509, der faktisch die sog. Morgengabe regelt und nur bedingt testamentarischen Charakter hat (da die durch die Frau von ihrem Vater ererbte fleisbank, d. i. ein Kram mit Fleisch, ihr ohne jegliche Hypothek, d. i. Wiederkaufspflichten, nach der Lösung der ehelichen Gemeinschaft zurückgegeben werden muss). Darüber hinaus gibt es im Analysebereich auch Texte, deren amtliche Überschriften die Begrifflichkeiten »testamentum« / »testament« umfassen, in denen es sich aber tatsächlich um Texte handelt, die auf das in diesem Supratext erwähnte frühere Testament nur Bezug nehmen (vgl. bspw. »Testamentu(m) Mathie Brenn(e)r« im Text LT772 26. 07. 1476, in dem Informationen über die Erledigung der testamentarischen Bestimmungen und die Abfindung in Bezug auf diese beinhaltet sind). Die Begrifflichkeit, in der die Eintragung einführenden Überschrift wirkt, ist also irreführend, falls man nicht den gesamten Großtext mitbetrachtet. Alle Texte in den genannten Stadtbüchern mussten also stets gelesen und inhaltlich überprüft werden, ob sie den für ein Testament charakteristischen Donationsakt enthalten oder nicht. Dieser kann im Extremfall auch nur einen Satz umfassen und erst gegen Ende des Textes auftauchen, bspw. an ein langes Schuldenverzeichnis bzw. Verzeichnis der Habe angehängt werden, wie im Text LT773 04. 11. 1556, S. 6–8 (vgl. Text Nr. 9 in der angehängten Kleinedition). Hingewiesen soll aber auch werden auf unspezifische Testamente, die keine Donationsmerkmale aufweisen und nur Exekutoren und Ausführer ernennen und ihnen vollständige Macht geben, nach ihrem Ermessen zu handeln. Obwohl diese Praxis in Bezug auf die sog. Werke der Barmherzigkeit und innerhalb einer bestimmten Erbmasse (v. a. häufig anzutreffen in Verbindung mit der Pertinenzklausel: wenn etwas übrig bleibt nach der Erledigung der explizit formulierten Verfügungen/Donationen) ziemlich weit verbreitet war und in mehreren Texten zu finden ist, verbleibt eine generell dekretierte freie Hand der Exekutoren bei der Verfügung der ganzen Erbmasse eine seltene Erscheinung. Im Gesamtkorpus habe ich nur ein solches Testament gesichtet, das in einer camouflierten Weise eigentlich eine Donation zugunsten des Exekutors darstellt, nämlich AC431 02. 01. 1511: »So hatt her alle seyne gutt(e)r dy her alhyr ader anders wo hett, ys sey standt erb(e)n kleider kleynett geldt, barschafft, schuld(e)n wn(d) alle seyne farende habe wy dy gnant mochte(n) werde(n) nichts awssgeno(m)me(n), beffolen wn(d) gegeb(e)n: dem h(e)rrn Doctori Iohanni Szmygiel wnserm Stadschreib(e)r domitt Zcw thwen wn(d) Zcw lossen als mit seyne(m) Eygen p(ro)per gutte wn(d) das vorschaffe(n) als executor wn(d)
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Krakauer Testamentskorpus und Fragen der Textsortenzuordnung der Texte
testam(en)tarius noch seynem willen als her ym das vortrawet als seyne(m) gutten frewnde wn(d) gonner an hyndernisse wn(d) widerrede yrkeynes me(n)schen off erden.«
Dazu gerechnet werden kann auch LT772 15. 05. 1476, in dem die ganze Habe den Exekutoren anvertraut wurde mit der Aufgabe der Verteilung bei einer allgemein formulierten Verfügung des Teils der Donation: »[…] so sullen dy czwene yre vormu(n)de folle macht hab(e)n mit allen yr(e)n guttirn dy sy noch yr(e)m tode lossen worde keynis awsgenome(n) awsgenome(n) was gerade angehorit keynis nicht awsgenome(n) das sy mit den thuen vn(d) lossen solle(n) dy anwende(n) in dy werke der barmherczikeyt noch yr(e)m best(i)n vorneme(n) […].«
Eine weitere und weitaus kompliziertere Frage entsteht, wenn unter den Texten mit testamentarischem Charakter und Testamenten unterschieden werden sollte. Am einfachsten lassen sich dann die Morgengaben darunter aussondern, da sie in ihrem Inhalt diese Begrifflichkeit benennen bzw. entsprechende in demselben semantischen Feld verbleibende Verben verwenden. Zu erinnern sei daran, dass die Morgengaben zu jener Zeit in Krakau Geldsummen waren, die der Ehefrau nach dem Tod des Mannes auszuzahlen waren und in der Ausführung Vorrang vor den Erben und den Schulden hatten. Diese Geldsummen wurden bereits vor der Eheschließung oder gleich danach vereinbart. Meine These ist, dass auch die Besserungen der Morgengaben und Hinzufügung weiterer Bestimmungen, die die Existenz der späteren Witwe absichern sollten (wie das Recht lebenslänglich im Haus zu verbleiben), keine Testamente per se ausmachten. Eine weitere Komplikation ergibt sich, wenn die Frage der Unterscheidung zwischen den Testamenten und den sog. Vergabungen des Todes wegen gestellt wird. Im Folgenden werden Erwägungen zu dieser Frage angestellt. Vorausgeschickt sei nur, dass sowohl Morgengaben als auch Vergabungen des Todes wegen in einen komplexen Testamentstext integriert vorkommen konnten. Die Frage nach komplexen Texten, die mehrere unterschiedliche Akte realisieren, wird im Weiteren noch Gegenstand meiner Analyse sein.
5.3.1 Unterscheidung zwischen Testamenten und Vergabungen des Todes wegen 5.3.1.1 Theoretische Grundlage Das dingliche Recht des Bedachten an einer Sache noch zur Lebzeit eines Gebenden ist nach den rechtsgeschichtlichen Erhebungen der wichtigste Unterschied zwischen den Vergabungen des Todes wegen (donatio post obitum) und dem jüngeren Rechtsinstitut des Testaments. Letzteres ist eine dem deutschen Recht nicht bekannte einseitige Rechtspraxis: Aus der Vergabung entwickelt sich
Probleme mit der Klassifizierung der Texte
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später der Erbvertrag. Bei einer Vergabung tritt zwar die Wirkung des geäußerten Willens erst nach dem Tode des Gebenden ein, der Bedachte bekommt aber schon zu Lebzeiten ein Recht an der vergebenen Sache, sodass der Gebende sie nicht anderweitig vergeben, veräußern oder vermachen kann. Er hat nur den Besitz und Nutzen an der Sache. Das dingliche Recht des Bedachten geht bei dessen Tod auf seine Erben über. Nach Otto Loening ist das, was die soziale Handlung einer Vergabung als einer actio inter vivos von einer testamentarischen Handlung unterscheidet, die Notwendigkeit der gleichzeitigen Anwesenheit beider Parteien beim Zustandekommen der Übereignung. Loening räumt aber ein, dass sich bei der Verschriftlichung dieser Handlungen – aufgrund ihres Inhalts – nicht immer mit Sicherheit sagen lässt, ob sie sich auf das eine oder andere Rechtsgeschäft beziehen. Das resultiert zum einen aus ihrer intendierten Kürze der Verschriftlichung, die einen Verzicht auf Nennung aller Umstände hervorrufen kann, zum anderen aus der Verwendung teilweise gleicher Ausdrücke.200 Loening stellte deshalb weitere eingehende Untersuchungen zu den in den Verschriftlichungen dieser zwei Rechtsgeschäfte verwendeten Ausdrücke an. Ihr Resultat ist die nähere Bestimmung eines Verbum performativum, nämlich bescheiden bzw. beschieden werden. Dieses Verb wird in den von ihm gesichteten schlesischen Akten ausschließlich und durchgehend im Fall der Testamente gebraucht. Alle anderen Prädikate kommen in der Verschriftlichung beider Rechtsgeschäfte vor und sind daher keine eindeutigen sprachlichen Signale der Abgrenzung der in Frage kommenden Rechtsgeschäfte.201 Eine praktische und konstitutive Trennung der Texte je nach dem einen oder anderen Rechtsgeschäft scheint also sprachanalytisch unmöglich zu sein. Mit der Zeit haben sich jedoch beide Rechtspraxen einander angeglichen, indem einerseits Vergabungen mit sog. underscheid eingeführt wurden, was einen einseitigen Widerruf ermöglichte. Andererseits wurden Testamente mit einer derogativen, also abschaffenden Klausel üblich, die v. a. moralisch vor Widerruf sicherte. Diese Praxis setzte sich v. a. in der katholischen Kirche durch. Bei gemeinschaftlichen Testamenten der Ehegatten wurde der Widerruf ebenfalls nicht oder nur bedingt zugelassen202 (zumindest was einen einseitigen Widerruf angeht). Eine Differenzierung der Verschriftlichungen der Rechtsgeschäfte entzieht sich also nicht nur einer praktischen, sondern auch einer theoretischen Erfassung.203
200 201 202 203
Vgl. Loening 1906, S. 31. Vgl. ebd., S. 34. Vgl. Mitteis 1976, S. 165. Müller 1911, S. 73–98, insbes. S. 76ff.
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Krakauer Testamentskorpus und Fragen der Textsortenzuordnung der Texte
5.3.1.2 Praktische Unterscheidung (Krakau) Auch in den Krakauer Stadtbüchern ist es manchmal schwer zu unterscheiden, ob es sich bei der jeweiligen Eintragung um die Verschriftlichung eines Testaments oder aber um eine Vergabung des Todes wegen handelt. Das von Loening ausschließlich Testamenten zugeordnete Verb bescheiden bzw. beschieden werden lässt sich auch in den Krakauer Überlassungen (Vergabungen) finden, vgl.: »[…] sey¨n(e)r eelich(en) hawsfrawe(n) gegeby(n) wn(d) bescheide(n) noch seyne(m)tode Zcw haby(n) wn(d) Zcwbesycze(n) […]« (ACX 11. 01. 1516). Dieses ist also kein Kriterium der Unterscheidung zwischen einem Testament und einer Vergabung des Todes wegen. In Frage kommen also textexterne Klassifikationsmerkmale, und zwar Kriterien, die sich auf die charakteristischen Eigenschaften dieser Rechtsinstitution beziehen. V. a. in den Fällen, in denen eine gegenseitige Donation des ganzen Vermögens zwischen den Eheleuten zustande kommt und keine weiteren Verfügungen vorhanden sind, ist davon auszugehen, dass man es mit einer Vergabung von Todes wegen zu tun hat, auch wenn die Verschriftlichung dieses Rechtsgeschäfts keine explizite beiderseitige Einwilligung beinhaltet bzw. sich die persönliche Anwesenheit beider Parteien nicht aus dem Text herauslesen lässt. Diese Rechtshandlung wird klassisch vor einer Behörde vorgenommen und bezieht sich auf das gemeinsame Vermögen beider Eheleute, sowohl das jetzige als auch das zukünftige. Die meisten Vergabungen beziehen sich auf das sog. wohlgewonnen bzw. propper gut, über das frei verfügt werden konnte. Wenn aber angestammte erbliche Liegenschaften in Frage kamen, bedurfte es des Umstandes, dass die natürlichen Erben binnen einer vorgeschriebenen Zeit keinen Einspruch einlegten bzw. deren Einwilligung erfolgte. Dies war im Fall der gegenseitigen Vergabung von Jarosch cleyn staschken sons und seiner Ehefrau der Fall: »[…] vnd in dy vorreichunge vnd ofgobe hot voryowortit fraw Barba(ra) putkin der egenan(ten) Elizabeh mutter vnd auch fraw kath(er)ina pet(er) peyfers witwe als das von befelunge der Ratmanne Mest(er) B(er)nhard vns(er) Statschreiber vor vns bekant hot.« (ASVI 03. 09. 1445).
Da es sich um eine vortragsmäßige Rechtshandlung inter vivos handelt, die die Teilnahme beider Parteien erfordert, geht aus der Verschriftlichung des Widerrufs einer früheren gegenseitigen Vergabung und der neu eingeführten Vergabung des Todes wegen hervor: Der offenbar rechtskundige Vogt (»vns(e)r foy¨th«) Casper Crisker und seine Ehefrau erscheinen persönlich vor dem Gericht und nehmen zwei Rechtsgeschäfte vor: »widerruffey(n) vnnd cassiriey(n) von beder seith dy vorrige vbergebu(n)g vnnd vorreichu(n)g« und dann »vffgeben« und
Probleme mit der Klassifizierung der Texte
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»bescheiden«, und zwar jeder einzeln dem anderen sein/ihr ganzes Vermögen (vgl. AS X 16. 05.1522). Die Sache mit der angenommenen, obwohl selten explizit in der Verschriftlichung der sozialen Handlung formulierten Anwesenheit des Bedachten bei der vorgenommenen Rechtshandlung, verkompliziert sich noch mehr, wenn es um eine einseitige Vergabung des Todes wegen geht. Wenn diese Überlassung zugunsten eines der Eheleute vorgenommen wird, ist es anscheinend nicht üblich, die Anwesenheit bei der Rechtshandlung und die Annahme der Gabe schriftlich zu notieren. Mehr ausgebaute Fragen zur Textsortenzuordnung der Vergabungen des Todes wegen finden sich in der vorliegenden Studie im Kapitel zur Struktur der testamentarischen Texte und in dem Kapitel zur Stilistik, das die Frage nach den im Krakauer Korpusmaterial verwendeten Prädikationen behandelt.
5.3.2 Unsichere Klassifikation: Der Beginn der Eintragungen in den Krakauer Stadtbüchern Aus einem unbekannten Grunde nennte Jakub Wysmułek in seiner Zusammenstellung der Krakauer Testamente bis 1500 zwei Texte aus dem Jahr 1306 (Petzcholt von Rosenoue) und 1310 (Vriderich von ylcus), die in den Najstarsze Ksie˛gi abgedruckt waren, und verschweigt eine Reihe ähnlicher Texte aus dem ersten Schöffenbuch (ASI). Sowohl inhaltlich als auch in der Formulierung lässt sich aber kein Unterschied finden, der diese von ihm ausgewählten Texte als Testamente klassifizieren lassen würde, bei gleichzeitiger Abgrenzung zu ähnlichen Eintragungen aus den Jahren 1305–1311, die in ASI auftauchen: etwa S. 9 (Donatorin: merkelinne), S. 9 (Luduich von thessin), S. 10–11 (nyclaus), S. 12–13 (Gothe), S. 16–17 (petzcholtz von Bossin), S. 18 (vriderich von yltup), S. 20 (heynnen von muchow), S. 25 (Mirosla der behem). In allen diesen Texten kommt weder die Bezeichnung der Textsorte vor noch – was gravierender ist – lässt sich anhand des Inhalts feststellen, ob es sich um eine Handlung mit einer erst nach dem Tod des Verfügenden in Kraft tretenden Geltung handelt. In einigen diesen Texten wird der Begriff »das Erbe« verwendet, aber es handelt sich dann jeweils um das selbst bereits geerbte Gut, über das verfügt wird (und nicht um die ganze Habe, die dem Donator zur Verfügung steht): »Vnde an deme selbe(n) v(ri)tage Mirosla der behem gab uf sine(m) brud(er) ba tolomeus sinteyl erbis das si mit eynander hatten […]« (ASI, S. 25), oder: »Die merkelinne gap iren kindern ir erbe in einem voit dinge pezolde vnde Thomas vnde katherine(n) vnde Elsebeten daz sie al le glichen teil daran h ben suln.« (ASI, S. 9).
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Krakauer Testamentskorpus und Fragen der Textsortenzuordnung der Texte
Bei der Bezeichnung erbe kann es sich auch um die Art und Weise handeln, wie die Bedachten mit dem verfügten Gut weiter umgehen können – als ihrem erblichen Eigentum: »Her Luduich von thessin hat gegeben Siner husurouen Margriten h(er)n heincen tocht(er) von dem betzser vor hundt(er) march eine cophcani zehnd eneme rechten erbe das Sie dar mitte tun vnde lazen zal alzmit yrme [Rec]/ hten erbe […]« (ASI, S. 9).
Eine Unsicherheit erweckt die Tatsache, dass es auf diese Weise zur Übertragung der ganzen Habe (samt den Sammerben) kam. Ein Beweis, dass die so verstandene Bezeichnung erbe sich auch in einer Verfügung zugunsten Fremder finden konnte, ist der Text ASI, S. 9: »H(er) volrad vnde sin sun h(er) Cristan. haben vpf gegeben h(er)en. heincen vonde bets(er) ire(n) hopf ander Ecke zcu eyme rechem erbe.« All diese Texte können also wohl als Verschenkungen verstanden werden. Im letztgenannten Fall willigt der rechtmäßige Erbnehmer (der Sohn) in diese ein, was den Text an ein Rechtsgeschäft der Vergabungen des Todes wegen zusätzlich annähert. Es lässt sich feststellen, dass erst unter den deutschsprachigen Eintragungen ab Ende des 14. Jahrhunderts zwischen Testamenten und anderen testamentsartigen Verfügungen unterschieden werden kann. So kann mit dezidierter Sicherheit erst über die Eintragung vom Jahr 1393 (ASIII 24. 01. 1393) als einem deutschsprachigen Testament gesprochen werden. Zu erinnern ist aber an dieser Stelle an die bereits erwähnte Pause im Gebrauch der deutschen Sprache im öffentlichen Bereich Krakaus des 14. Jahrhundert (vgl. den geschichtlichen Hintergrund des Gebrauchs der deutschen Sprache in Krakau im theoretischen Teil der vorliegenden Studie).
6
Fragen der Pragmatik im Zusammenhang mit der Textstruktur
Um das eigentlich Pragmatische an den Texten zu bestimmen, muss man die jeweilige Kommunikationssituation sowie ihre jeweiligen Akteure möglichst genau bestimmen, d. h. man muss die Situation des Rechtsgeschäfts selbst, dessen Verschriftlichung, des Inkrafttretens, der Eröffnung, falls es sich um einen bis daher verschlossen Text handelt, bzw. seiner faktischen Realisierung genau im Blick haben. Erst dann kann der Text einer testamentarischen Eintragung als ein Komplex mehrerer Texte, die als schriftlich fixierte sprachliche Produkte der jeweiligen Kommunikationsakte aufgefasst werden, gelten. Es handelt sich also um ein schichtenartiges Gebilde (einen »Großtext« nach Terminologie von Greule/Reimann), dessen Bestandteile und Paratexte, die aus derselben Kommunikationssituation der Ablegung eines Testaments bzw. aus der anschließenden Kommunikationssituationen während des Inkrafttretens bzw. der Eröffnung und Realisierung desselben Rechtsgeschäfts hervortreten, insofern sie in unmittelbarer Berührung mit der jeweiligen schriftlichen Fixierung der testamentarischen Bestimmungen stehen. Diese umrahmenden Texte sind Stimmen der an der jeweiligen Kommunikationssituation Beteiligten, die nicht zu vernachlässigen sind.
6.1
Pragmatische Klassifizierung der testamentarischen Eintragungen in Bezug auf ihre Einbettung in die Kommunikationssituation
6.1.1 Protokollartige Eintragungen Mündliche Verlautbarungen der testamentarischen Bestimmungen fanden vor einer entsprechenden Behörde statt, etwa so wie bei den Germanen vor dem sog. thing. Diese mündliche Aussage wurde dann in ihren wichtigsten Punkten von einem Mitarbeiter der Kanzlei protokolliert und in kompakter Form in das
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Fragen der Pragmatik im Zusammenhang mit der Textstruktur
Stadtbuch niedergeschrieben. Der aus der Verschriftlichung des Testaments so entstandene Text ist in seiner Struktur einfach, und zwar in dem Sinn, dass er einheitlich bleibt: Zur Sprache kommt nur der Kanzleimitarbeiter, der die – gemäß der Terminologie der Sprechakttheorie geglückte – soziale Handlung zusammenfasst. Auch wenn das Testament in der ersten Person Singular niedergeschrieben wird bzw. der Text oder einzelne Teile zwischen erster Person und dritter Person variiert, ist davon auszugehen, dass das Testament bereits durch die Tatsache seiner Eintragung in das Stadtbuch durch die Behörde bestätigt und beglaubigt wurde. Unter Vorbehalt (der sich aus dem Stand der Überlieferung ergibt) kann die bei den Historikern übliche Ansicht vertreten werden, dass eben der Eintrag die Urkunde seit Ende des 14. Jahrhunderts weitgehend verdrängt hat.204 Die erste deutschsprachige protokollartige Eintragung stammt in den überlieferten Krakauer Stadtakten vom Ende des 14. Jahrhunderts (ASIII 05. 09. 1393), die letzte kommt in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts vor (ASXI 11. 07. 1532). Insgesamt wurden im Textkorpus 191 deutschsprachige protokollartige Testamente festgestellt (83 in den AS, 88 bzw. 89, wenn ein adaptativer Texttyp: protokollartiges Testament plus Abschrift einer privaten Testamentsurkunden mitgerechnet wird im LT772, und 19 in den AC). Allerdings scheint sich die Zahl der Realisierung dieses Texttyps der untersuchten Textsorte gegenüber den Czedeln erst in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts durchgesetzt zu haben (vgl. – allerdings unter Berücksichtigung der fehlenden Aktenbücher – die Tatsache, dass sich unter den 13 Testamenten am Ende des 14. Jahrhunderts in den AS nur eins als Protokoll identifizieren lässt und in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts es sieben Protokolle pro 54 testamentarischen Eintragungen gibt).
6.1.2 Czedel(abschriften) Die Abschrift des Czedels ins Stadtbuch geht aus einem Kommunikationsakt hervor, der sich teilweise über einen schriftlichen und dabei über Dritte vermittelten Kanal realisiert. Der Testierer legt, anstatt seinen letzten Willen vor der Behörde aufzusagen, diese bereits in einer schriftlich fixierten Form nieder (seine freie Aussage hat er früher vor einem professionellen Schreiber aufschreiben lassen). Nur in zwei der von mir untersuchten Czedelabschriftstexten gibt der Testierer an, den Text eigenhändig verfasst zu haben: AS 19. 02. 1440 und AS 26. 06. 1451. Dabei handelt es sich im zweiten Fall um einen Unterstadtschreiber, der im Verfassen amtlicher und für das Amt bestimmter Texte wegen 204 Vgl. Bartoszewicz 2012, S. 70.
Pragmatische Klassifizierung der testamentarischen Eintragungen
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seines Berufes besonders kundig und erfahren gewesen sein mag und die Aussage in eine bündige Form fasste. Durch die Anfertigung eines Czedeltextes entstand so eine Skizze, die selbst noch keine Rechtskraft hat, da sie zwar testamentarische Bestimmungen umfasst, nicht aber als Testament gedacht war. Die Anfertigung eines Testamentszettels entsprach nämlich nicht den rechtlichen Testamentsablegungsbedingungen für Testamente, die außerhalb der Kanzlei entstanden sind, zu denen u. a. die Anwesenheit der Zeugen gehörte. Die wenigen überlieferten Original-Czedel belegen auch, dass diese Testamentsskizzen keine Unterschriften und Beglaubigungen (etwa eine Besiegelung etc.) des Testators vorweisen. Der angefertigte Text soll nur einem Zweck dienen: Er soll von den Kanzleimitarbeitern verlesen und in das Stadtbuch abgeschrieben werden. Das Abschreiben selbst war aber auch mit möglichen Eingriffen verbunden, etwa mit dem Ziel, den Text sprachlich zu verbessern bzw. den Inhalt mit dem gültigen Recht in Übereinstimmung zu bringen. Die Testamentsablegung durch das Czedel-Vorlegen ähnelt in einem Punkt der Kommunikationssituation der sozialen Handlung, die mündlich vor dem Rat oder Gericht vorgenommen wird: Auch hier war der Testierer immer selbst anwesend, sodass der eingereichte Zettel immer wieder mündlich hinterfragt werden konnte. Diese Umstände schlugen sich sowohl auf die Ausformulierung des Czedels selbst als auch auf die Paratexte seitens der entsprechenden Behörde nieder. Der erste deutschsprachige Czedelabschrift wurde in den überlieferten Krakauer Stadtbüchern im selben Jahr wie die erste protokollartige testamentarische Eintragung verzeichnet (ASIII 24. 01. 1393), der letzte ist in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts zu suchen (ASX 13. 08. 1520). Wie ich aber in der Studie noch zeigen werde, ist die Grenze zwischen eingelegten privaten Testamentsurkunden und den Czedeln fließend, wenn die ersten in ihrer sog. offenen Form realisiert wurden, also zu Lebzeiten des Testators zum Einschreiben in das Stadtbuch vorgelegt wurden, statt im Gewahrsam des Amtes auf die postmortale Eröffnung des Testaments zu warten. Insgesamt wurden 76 testamentarische deutschsprachige Czedel in dem Textkorpus zusammengerechnet: 58 in den AS, 13 in dem LT772 und sechs in den AC. Zur Differenzierung zwischen den offenen und verschlossenen Testamentsurkunden siehe das einschlägige Kapitel in dieser Studie.
6.1.3 Verschlossene und offene Testamente Verschlossene Testamente sind Testamente, die in das entsprechende Amt eingelegt wurden mit der Bitte, sie nach dem Ableben des Testators zu öffnen. Bei der Kommunikationssituation der Testamentseröffnung war der Testator nicht mehr zugegen, es waren nur die Vertreter des Amtes und auch die Personen
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Fragen der Pragmatik im Zusammenhang mit der Textstruktur
involviert, die die Eröffnung des Testaments beantragt haben. Möglich war auch die Präsenz der an den testamentarischen Bestimmungen berechtigt interessierten weiteren Personen (wie den nach der natürlichen Erbfolge vorgesehenen Erben). Aufgrund der Nichtanwesenheit des Testierers durch Ableben konnte das Testament auch nicht mehr hinterfragt werden. Der Text musste daher möglichst genau und präzise formuliert werden, um mögliche Missverständnisse zu vermeiden. Dagegen ähneln offene Testamente den Czedeln, da sie wie diese der Behörde direkt vom Testator vorgelegt und in dessen Gegenwart angenommen und dann eingeschrieben werden konnten. Die Bezeichnung »offenes Testament« wird daher als ein Pendant zu »verschlossenen Testamenten« verwendet. Die späteren Czedel (ab Ende des 15. Jahrhunderts) ähneln in ihrer Struktur auch mehr den Urkunden als bloßen Notizen. Deswegen sind sie in der vorliegenden Studie als »offene private Testamentsurkunde« bezeichnet worden. Die erste deutschsprachige eingelegte private Testamentsurkunde stammt aus dem ausgehenden 15. Jahrhundert (LT772 17. 11. 1483), die letzte dagegen deckt sich mit der letzten deutschsprachigen testamentarischen Eintragung (ASXXXVII 19. 09. 1644). Im Laufe des 16. Jahrhunderts lösen diese Bürgerurkunden (und die Eintragungen im Texttyp Urkundenabschrift) die Testamente im Texttyp protokollartige Eintragungen und Czedelabschrift ab. Für die Zeit bis 1550 konnten 50 deutschsprachige eingelegte Testamentsurkunden festgestellt werden: 33 in den AS, zehn in dem LT772 und sieben in dem LT773 (die Texte aus dem LT773 wurden jedoch erst Jahrzehnte nach ihrer Einlegung im Gericht in das Stadtbuch eingetragen, wobei zu diesem Zweck der Liber Testamentorum gewählt wurde und nicht das Schöffenbuch, wie bei Gerichtsakten üblich).
6.1.4 Testamente in Form amtlicher Urkunden Anhand von Testamenten in Form einer mündlich abgelegten Aussage und einem vorgelegten Czedel konnten auch amtliche Urkunden ausgestellt werden, und zwar sowohl wenn das Testament vor der Behörde als auch im Zuhause des Testierers abgelegt wurde. Die amtlichen Testamentsurkunden, die dazu dann noch in ein Stadtbuch eingeschrieben wurden, garantierten eine maximale Glaubwürdigkeit des Testaments, die in einigen Fällen besonders gefordert wurde, wie bspw. im Text LT772 14. 04. 1458, in dem die Ehefrau ein Haus erbt (es wurde auch notiert, dass der Testierer wegen der Spezifik seiner Verfügungen dreimal seinen Willen laut aufsagen musste. Zuletzt hat er auch selbst veranlasst, die Urkunde in das Stadtbuch einzuschreiben: »vnd bat selbir das in vnsir buch
Pragmatische Klassifizierung der testamentarischen Eintragungen
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czu schreyben«205). Die Originale wurden dann den Testierern ausgehändigt, eine Abschrift dieser Urkunde konnte in das Stadtbuch eingetragen werden. In den Krakauer Stadtbüchern finden sich etliche Abschriften solcher Dokumente,206 es gibt aber auch Indizien dafür, dass ihre Eintragung nicht obligatorisch war (vgl. Transsumpt oder Insert des Testaments ASVI 11. 12. 1433, in dem eine solche Testamentsurkunde erwähnt wurde, ohne dass die Abschrift derselben in den Stadtbüchern eingetragen wurde : »Agneth felix Brockeners eliche hausfraw legte vor vns iris vaters Casp(er) Crugils Testame(n)t vorsigilt vnd bestetigit mit vns(e)r h(er)n der Ratmen(en) sigil«). Als eine feierliche – und für den Testierer bestimmt teure – Version einer solchen Urkunde kann das sog. große Testament verstanden werden. Eine solche Begrifflichkeit findet sich in den Korpustexten nicht wieder, wird aber im Verzeichnis der Vergütung des Stadtschreibers in den Ratsakten erwähnt.207 Ein solches Testament wurde auf Pergament, also auf einem besonders wertvollen Schreibstoff angefertigt.208 Da jedoch in diesem konkreten Fall die äußerliche Erscheinung der ersten Urkunde samt dem Zustand der Siegel beschrieben wurde, was der Beteuerung deren Echtheit und als Grund für ihre Anerkennung durch die zweite Behörde dienen sollte, kann man vermuten, dass die zweite amtliche Urkunde, die den Schreibstoff in ihrem Inhalt nicht benennt, ebenso auf Pergament niedergeschrieben wurde. Es konnte aber keine Eintragung mit Informationen zur Testamentsurkundenanfertigung (anders als bei der Einlegung privater Testamentsurkunden, wo die bloße Tatsache der Testamentseinlegung ins Stadtbuch notiert sein konnte) ausfindig gemacht werden. Die erste Abschrift einer amtlichen Urkunde mit testamentarischen Bestimmungen und einer für die klassische Urkunde charakteristischer Struktur stammt aus dem Jahr 1406 (Tagesdatum unklar, AC427 Pag. 24: »[…] fraw dorothea Johanis pauswangin Witwe […]«). Einige der früheren amtlichen Urkundenabschriften unterscheiden sich allerdings in ihrer Form von späteren Eintragungen mit behördlich abgeschriebenen Urkunden: Das Amtssiegel wurde hier einfach an den vorgebrachten Czedel angehängt und auf diese Weise der Inhalt desselben beglaubigt. Solche Praxis war allerdings nur bei eingebrachten Zetteln denkbar. Hinzugefügte Besiegelung und Datum – ohne andere Elemente einer Urkunde – finden sich bspw. in ASIV 11. 01. 1415:
205 206 207 208
Ebd. Siehe die Zusammenstellung im Anhang. Vgl. Wysmułek 2015, S. 94. Vgl. bspw. ASIV 05. 11. 1417 in der angehängten Kleinedition, Text Nr. 10.
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Fragen der Pragmatik im Zusammenhang mit der Textstruktur
»Mit geczeugnes desis br[i]fes, da vns(er)s Scheppinampts Segil. an ist gehangin gege(be)n am ffreytag [b]ynnen den achtage(n), des obirste(n) tagis der Jorczal got(is) Tausinnt virhundirt vnde ffunffczen jar(e).«209
Eine ähnliche Praxis wurde auch Jahrzehnte später vor dem Rat verfolgt (vgl. LT772 27. 10. 1452). Einerseits weist bereits die Begrifflichkeit »brif« auf eine Art Urkundenform hin, andererseits ist es aber nicht ganz klar, warum der Text des Czedels nur so beglaubigt wurde. Schließlich kommen gleichzeitig abgeschriebene amtliche Testamentsurkunden vor, die mehr Elemente der klassischen Urkundenstruktur als nur die Corroboratio beinhalten. Wahrscheinlich handelte es sich um eine preiswertere Form, an ein beglaubigtes Dokument zu kommen, was durch die Tatsache gerechtfertigt erscheint, dass im erwähnten Vergütungsverzeichnis des Stadtschreibers auch das Anhängen des Siegels vorkommt. Der beim Czedel von Nicolaus Dambraw angebrachte Aktenvermerk, der besagt, dass die Kanzlei auch noch Abschriften für die Witwe und noch eine Person ausgestellt hat, lässt die Frage offen, ob nicht vielleicht diese bezeugten und mit Amtssiegel versehenen Czedel auf diese Weise entstanden sind. In der testamentarischen Eintragung von Dambraw ist aber kein Platz für die Corroboratio, auch nicht in vereinfachter Form einer bloßen Besiegelung. Die Frage, ob es die Möglichkeit gab, eine bezeugte Abschrift eines Eintrags ausgestellt zu bekommen, bleibt offen. Als Regel kann man aber festhalten, dass je ausgearbeiteter und feierlicher eine Urkunde war, desto mehr Rechtskraft schrieb man ihr zu, zumindest brachte man ihr und ihrem Inhalt mehr Respekt entgegen.210 Üblicherweise wird bei den amtlichen Urkunden in dem den Testamentsbestimmungen vorausgehenden Amtstext angegeben, wie es zur Testamentsablegung kam: in welcher Form (mündlich/protokolliert oder als ein Czedel) und vor wem (vor der kollegialen Behörde im Amt oder vor einem Ausschuss der entsandten Schöffen/Ratsmännern). In der kleinen Edition der ausgewählten Texte im Anhang der vorliegenden Studie (vgl. Text Nr. 10, ASIV 05. 11. 1417) wird eine Beispielurkunde dargestellt, die insofern ein Sonderfall unter den amtlichen testamentarischen Urkunden ist, als hier eine Schachtelkonstruktion vorliegt: In eine Gerichtsurkunde wird die Urkunde des Rates inkorporiert, die ihrerseits einen abgeschriebenen Czedel beinhaltet. In diesem Beispieltext, in der abgeschriebenen Urkunde des Rates, werden – ganz typisch für solche Urkunden – dem abgeschriebenen Czedeltext folgende Elemente vorausgestellt: die Intitulatio (Nennung des Antragstellers):
209 Siehe die angehängte Kleinedition, Text Nr. 3. 210 Vgl. Bartoszewicz 2013, S. 259.
Die rechtlichen Bedingungen der Testamentsablegung
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»Wir Michil von der Czirla Caspar karegil Petir vochsczagil Niclas platener Joh(ani)s fredlant vnd Nicolaus Bottener Radmann(n) der Stat Cracow […]«,
die Promulgatio (die an den Empfänger gerichtete Willenserklärung): »Bekenne(n) allen des is notdorft ist , daz in vns(er)s Rothis keigenwertikeit die Ersame Jorge Arnsberg vnd Petir Beytan vns(er)s mitRatmann(n) vnd eitgenosin haben bekant offinbar vnd eyntrechticlichen mit lauter daz […]«
und die Narratio (die Nennung der Rechtsgrundlage – hier die bloße Tatsache der Entsendung eines Ausschusses des Rates, der Kraft dieses Amtes waltet): »[…] sie vo(n) vns(er)r beuelu(n)nge in craft iris Ratampts czu deme vorsichtige(n) Niclos czeginkop vns(er)m mitburg(er) gegange(n) wore(n), do herre der selbe Niclos czeginkop vor en sey(n) Testame(n)t vnd leczte(n) wille(n) gemacht geschickit vnd geordent vnd in eynir papirynne Czedel geantwort.«
Die Begründung kann aber auch noch mehr ausgebaut und umfänglicher sein, wenn es sich um ein zu Hause abgelegtes Testament handelt, bspw.: »[…] vnsirs ratis mitebruder von wnser befelunge in craft wnsir hantfestin gegangen woren czu Peter Eychlern […]« (LT772 22. 07. 1447) oder: »[…] in craft vnsirr hantfesten vnd alde(n) gehalden gewonheit vnsirr Stat […]« (LT772 10. 05.1462). Die Nennung der Rechtsgrundlage kommt in den Urkunden des Gerichts nicht vor, was durch die Rechtslage bedingt ist. Das Gericht agiert nämlich immer – auch im Zuhause des Testierers – in Form von Gerichtstagungen. Im Textkorpus wurden 25 Eintragungen mit Abschriften der deutschsprachigen Dokumente der Behörden mit Testamentstexten festgestellt: drei in den AS, acht in dem LT772 und 14 in den AC. In den AC bilden Testamentsabschriften in solcher Form über einen Drittel aller 39 Eintragungen. Unsicherheit bezüglich der Klassifikation besteht zudem im Fall der sog. bezeugten Czedel, die an der Schwelle zwischen Dokument/Urkunde und Czedel stehen.
6.2
Die rechtlichen Bedingungen der Testamentsablegung
Damit die soziale Handlung der Testamentsablegung gültig wurde, mussten alle rechtlichen Bedingungen erfüllt werden, zu denen außer der erforderten Zeugenzahl und der vorgesehenen Form der Testamentsablegung auch einige Anforderungen an den Testierer selbst gehörten. Die Frage, ob sowohl Frauen als auch Männer testieren konnten, scheint nach heutigem Forschungsstand bereits beantwortet worden zu sein: Die Zahl der Testamente, die Frauen abgelegt haben, belegt deutlich ihre freie Verfügungsgewalt über ihre Güter. In den Krakauer Stadtakten konnten 97 Testamente von Frauen festgestellt werden, die 28 Prozent aller testamentarischen Eintragungen ausmachen. Ein Testament ist dabei von
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Fragen der Pragmatik im Zusammenhang mit der Textstruktur
besonderem Interesse, da es ein gemeinsames Testament beider Ehepartner (AC429 08. 04. 1476) bildet. Margaret Oblaten ist daher zuzustimmen, dass die Habe der Frau und die des Mannes eigentlich zwei getrennte Gütermassen waren, die allerdings unter der Verwaltung des Ehemannes standen.211 Diese Annahme stärken noch testamentarische Texte der Ehegatten, die explizit die Gütermasse, die die Frau in die Ehe mitbrachte, erwähnen und ihr diese vor jeglicher Erbteilung zurückzuerstatten befehlen (vgl. besonders ASX 23. 08. 1520, in dem das Erbe der Frau – bisweilen unter der Gewalt des Mannes – wieder an sie zurückfällt). Die Anforderung an den Testator, selbst mündig zu sein, um testieren zu dürfen, scheint offensichtlich zu sein und außer Frage zu stehen, da sich im Quellenmaterial fast ausschließlich Testamente gestandener Bürger und Bürgerinnen finden, was an ihrer gesellschaftlichen Stellung, der Zahl der Kinder und dem oft erwähnten wohlgewonnen Gute abzusehen ist. Als Ausnahme kann wohl der letzte Wille des Goldschmiedegesellen Andreas »[…] Andris goltschmid geselle ettwa(n) Friderich schmids son […]«, (AC428 20. 08. 1516) gelten, obwohl ausgerechnet hier ausnahmsweise die Erfüllung dieser Testierfähigkeitsbedingung erwähnt wird: »[…] haben(d) mu(n)dige iar […]«. Im Allgemeinen war die Mündigkeitsgrenze im Mittelalter – gemessen am heutigen Standard – niedrig angesetzt, sodass bereits Zwölf- bis 14-Jährige als fähig angesehen wurden, die soziale Handlung des Testierens und Erbnehmens auszuführen. In Krakau war die Altersgrenze damals auf 15 angesetzt.212 In einem solchen jungen Alter – meist mitten in der Lehre – dachten die Jugendlichen aber einerseits noch nicht ans Ableben und andererseits hatten sie auch nichts oder wenig zum Testieren bzw. dachten auch noch nicht an die Erbanteile ihrer Eltern, in deren Anwartschaft sie standen. Man muss davon ausgehen, dass auch für die freie Verfügung der ererbten Güter eine ähnliche Altersgrenze angesetzt war, es sei denn der Testierer hat es anders geregelt. In den frühesten Testamenten ist bspw. die Altersgrenze der Erbnehmer auf 24 Jahre angehoben worden (vgl. bspw. ASIII 19. 05. 1393). Zu den im behandelten Zeitraum (1300–1550) variablen Bedingungen der Testierfähigkeit gehörte der Gesundheitszustand des Testierers. Die anfänglich angeforderte vollständige Gesundheit213 wurde im Laufe der Jahrhunderte zunehmend auf eine geistige Gesundheit als Voraussetzung für das gültige Testieren beschränkt. Um anzudeuten, dass derjenige oder diejenige, der/die zu Hause vor den ihn aufsuchenden Schöffen oder Ratsleuten testierte, einigermaßen seiner Kräfte mächtig war, wurde in den Aktenvermerken festgehalten, dass er oder sie 211 Vgl. theoretischer Teil der vorliegenden Studie. 212 Vgl. Wysmułek 2015, S. 231ff. 213 Vgl. den theoretischen Teil.
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im Stuhle saß und nicht wie in übrigen ähnlichen Fällen auf dem Siechbett lag. Immer öfter wurde nur die geistige Gesundheit erwähnt, denn sie reichte aus, um einen letzten Willen zu legitimieren. Auch die in einigen Fällen direkt erwähnte gesundheitliche (körperliche) Unzulänglichkeit stand der Errichtung eines gültigen Testaments nicht im Wege, auch wird bei den zu Hause durch die Vertreter der Stadtbehörde abgenommenen Testamenten solches der Regelfall, obwohl die geistige Gesundheit meist nur beim Verschweigen der körperlichen überhaupt erwähnt wird.214 In den testamentarischen Einträgen werden auch einige Rechtsquellen genannt, die die Testamentssachen regelten. Über Jahrhunderte hinweg war es an erster Stelle die Berufung auf das Magdeburger Recht. Von der Übereinstimmung mit diesem Recht war die amtliche Bestätigung der Rechtskraft abhängig. Aus den Aktenvermerken ist überdies zu erfahren, dass die Stadtwillküren der Stadt Krakau vorsehen, die bettlägerigen Testierer durch Vertreter des Rates zu Hause aufzusuchen. In einem der ersten Testamente aus dem Jahr 1428, in dem dieser Modus der Testamentsablegung als umgesetzt erwähnt wird, heißt es ausdrücklich: »[…] dreye aus uns gesant un(d) gegange(n) were(n) von des Ratis Wege(n) als her peter fetter her Jorge Swarcz un(d) her peter Graser czu der irb(are)n frawn margrit Glezeryn(n)e czu vorhore(n) ir testame(n)t un(d) Schicku(n)ge ires leczten willen noch alder gewonheit un(d) haldu(n)ge uns(er)r Stat, […]« (AC 427, Pag. 243, Test(amentu)m margarethe Glezerynne, 1428).
Im 16. Jahrhundert wurde dann schließlich meist nur die Stadtwillkür zur Testierfreiheit als Rechtsgrundlage herangezogen: »[…] noch lautt des wylkoreß ynn gegenwerdt der Ersamenn Georg Mornstaynes (Stadwoyttes) vnnd Hannus Cruppecks dorczw ßonnderlychenn erpettenenn czaygenn Sayn vorschloßenn testamenntt auff daß Rodthauß gegebenn vnnd aynn gelegett hett […]« (LT772 02. 01. 1544)
auch unter der Berufung auf die eine königliche Bestätigung der Stadtwilkür: »Jtem in crafft vnd noch ordnung der stat wilkor so k(onigliche) m(aiestet) bestetigt vorschaffe vnd legire ich diesenn nochgeschriebene personnenn […]« (ASXV 09. 04. 1557).
Seit den 40er Jahren des 16. Jahrhunderts werden die in den Testamentstexten erwähnten vorausgegangene Testierfreiheitsanfragen an die Behörde schließlich immer seltener. Dies deutet auf eine sich eingebürgerte Rechtskenntnis hin.215
214 Vgl. auch das Kapitel zur Stilistik und die angewandten Phrasen zur Testierfähigkeit. 215 Vgl. das Kapitel zu den eingelegten privaten Testamentsurkunden.
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Fragen der Pragmatik im Zusammenhang mit der Textstruktur
6.3
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Bei den in die Stadtbücher eingeschriebenen Testamenten wurde das Testament von der städtischen Behörde bzw. deren Vertretern entgegengenommen (wobei dies nicht ihre exklusive Rechtskraft bestätigt). In den Stadtbüchern sind auch Indizien anzutreffen für im privatrechtlichen Verkehr existierende Testamente, die außerhalb der Stadtbehörde entstanden sind.216 Im Korpusmaterial findet sich auch eine Bestätigung der Annahme, die besagt, dass nicht alle vor der Behörde abgelegten bzw. durch diese bestätigten Testamente in die Stadtbücher automatisch eingefügt werden mussten. Eine Einfügung erfolgte nämlich nur auf Antrag des Testators, der Exekutoren oder der daran interessierten Erbnehmer. Die letzten zwei Gruppen agierten diesbezüglich erst nach dem Tode des ersteren. Im Fall der verschlossenen eingelegten Testamentsurkunden komme ich auf diese Frage im Kapitel zu den Paratexten im weiteren Verlauf der Studie zurück. Hier möchte ich aber auf die Indizien in den protokollartigen Testamenten hinweisen (Gleiches gilt auch für die Czedelabschriften). Die Erwähnung dieses Umstandes unter den vor der Behörde mündlich aufgesagten Testamenten kommt im Korpusmaterial sehr selten vor. Im Folgenden habe ich beide Möglichkeiten verschriftlicht: 1. Der Auftrag des Testierers selbst: »[…] Vnd hat sollich testament Vnd lecZtenn Willen begert in Vnser Scheppenbuch cZwschreibenn, das wir dan haben beuolen eintzuschreiben in Vnserem gehegt(en) dinge […]« (ASXI 31. 05. 1532)
2. Der Auftrag der Exekutoren: »Testamentu(m) Johannis Tretkop factu(m) cora(m) Judicio Bannito oportuno Jn domo eiusdem ex opposito Scole b(ea)te marie virginis in die sancti michaelis archangeli factu(m) et post ei(us) presentacione(m) in l(ib)ra reclusa per Sente(n)ciam est (con)firmatu(m) Hic vero feria qui(n)ta p(ost) domi(ni)cam Judica ad pres(encia) et optata executoru(m) in libru(m) domi(n)oru(m) Scabinorum acticatum et Jnscriptum […]« (ASIX 06. 02. 1503).
Der bereits erwähnte Liber reclus könnte sich wiederum hier auf die nicht erhaltenen Protocolla inscriptionum beziehen. Die Tatsache der Eintragung der Texte aus dem Bereich der privaten Gerichtsbarkeit in die Stadtbücher zeugt davon, dass diese amtlich bestätigt und beglaubigt wurden. Das begünstigte 216 Vgl. bspw. jenes durch die Zechenmitglieder und Familienmitglieder der Behörde zur Beglaubigung vorgelegte und so vor ihnen gemachte Testament ASV 17. 06. 1435.
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möglicherweise ihre Glaubwürdigkeit und Beweiskraft im Vergleich zu anderen solchen Texten.
6.3.1 Testamente, abgelegt und bestätigt durch Gericht oder Rat Folgende Indizien sprechen dafür, dass sich das Gericht in Testamentsangelegenheiten in der Krakauer Bevölkerung eines größeren Prestiges erfreute als der Rat: Zum einen handelt es sich hier um eine belegte – durch den Testierer selbst erstrebte – Bestätigung seines beim Rat eingelegten verschlossenen Testaments. In diesem Fall kann man explizit von der Vermehrung der Rechtskraft als Begründung der Handlung des Testierers sprechen: »[…] wollen(d) nw̆ solichs testame(n)t wn(d) gescheffte yn merer krafft behalde(n) , off das nochseyne(m) tode key(n) wnfrid ad(er) zcwytracht czwische(n) seyne(n) brudern wn(d) fru(n)den awff stunde So hatt er mit hulffe des gerichtes wn(d) mit Witzige(m) ratte wol bedacht siczende off eyne(m) stŭ le frey dasselbig testam(en)t bestetiget […]« (ASX 16. 07. 1513).
Zum anderen gibt es aber auch die in den durch die Kanzleimitarbeiter formulierten Einlegungstexten der verschlossenen Testamentsurkunden enthaltenen Anmerkungen, die die beim Rat eingelegten Testamente denen der beim Gericht eingelegten Testamente gleichstellen. Hier ein Beispiel, das denselben Testierer und denselben Fall darstellt: »[…] hatt seyn gescheffte wnd testament ader leczten willen mit seyne(m) willen geschrieben mit seynem sigel vorperschafft alhy bey wns eyngelegt das der Ersame Ratt awff seyn begere von ym awffgelegt genommen hatt wnd dasselbige confirmiert wnd besstetiget In all(er) krafft wy dasselbige vor gehegtem dinge gemacht wer noch lawtt der stadt pervilegien Jdoch mit der wnderscheit wo nichts darynn begriffen ist das wider der stadt wilker wnd Maygdbersch Recht wer […]« (LT772 11. 05. 1513).
Das Gericht verfügte insofern über mehr Macht bei der privaten Gerichtsbarkeit als der Rat, da es imstande war, die rechtlichen Bedingungen zu prüfen und sich mittels Urteils oder Beschlusses zur Rechtsgültigkeit der vorgenommenen Handlungen auszusprechen. Eine Zusammenarbeit auch in der Zuerkennung der Rechtskraft einzelner Fälle zwischen den beiden Stadtbehörden ist am Beispiel des Testaments von Frau Katharina Sebastian beckyn (ASX 22. 08. 1513) erkennbar. Hier wurde bei einem Konflikt mit dem Ehemann das Testament der Gattin rechtsgültig abgelegt, was durch beide Behörden anerkannt und befördert wurde: »Wn(d) diss testam(e)nt ist besstetiget aws Vrsache(n) vbe(n) vormelt ym abwese(n) yres ma(n)nnes durch wnser vrteil mit vorwillunge des Ersamen Rattis wnyser oberste(n) das es bundt wn(d) krafft habe(n) soll von rechtis weg(e)n […]« (ASX 22. 08. 1513).
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Es kann sich also auch um eine von der Bevölkerung behauptete größere Kompetenz des Gerichts handeln, die mit der lokalen Rechtsentwicklung ihre gesetzliche Begründung zwar zunehmend verlor, im Rechtsverständnis der Menschen allerdings weiter zu existieren schien. Hier ist auf eine Vorschrift der Willkür aus dem Jahr 1342 hinzuweisen, die auf einen königlichen Erlass zurückgehen soll, der besagt, dass der Rat jede Sache entscheiden konnte: »[…] (alle kraft), glych eyme gehegten dinge[…]«217. Des Weiteren werden noch Beispiele der Testatoren/Exekutoren gezeigt, die nach einer doppelten Bestätigung durch beide Behörden trachteten, was jedoch nicht mit den Kompetenzen derselben zu erklären ist. Es ist bspw. auf das bei den Schöffen eingelegte, jedoch in seinen Bestimmungen die Berufung der Räte zu Exekutoren enthaltende Testament LT772 17. 11. 1483 hinzuweisen.
6.3.2 Testamente, abgelegt vor Behörden oder deren Vertretern Bei der Testamentsablegung anwesend – hier verstanden als eine rechtskräftige soziale Handlung – war v. a. der Testierer selbst, es sei denn, dass aus bestimmten Gründen ein ernannter Stellvertreter diese Aufgabe übernehmen durfte (was etwa über den Ablegungsmodus des Testaments ASIII 19. 10. 1394 zu erfahren ist bzw. des ASV 17. 06. 1435, in dem Mitglieder der Familie und der Zeche das Testament wegen der starken gesundheitlichen Beeinträchtigung des Testierers dessen Testamentsskizze vorlegen). Ungeachtet der Form des Testaments – ob mündliche Aussage, die dann protokolliert wurde, vorgelegter Czedel (als vorgefertigte Testamentsskizze) oder als einzulegendes Testament – war geregelt, wie der Akt des Testierens rechtskräftig vor der Behörde durchzuführen war, und zwar jeweils in Unterscheidung bzgl. des Verfahrens vorm Gericht oder des Verfahrens vorm Rat. Wenn die soziale Handlung des Testierens vor dem Gericht zu erfolgen hatte, agierte diese Behörde in ihrem normalen Betriebsmodus: durch Abhaltung einer Gerichtssitzung, in der das Testament abgenommen wurde, auf Übereinstimmung mit den gültigen Rechtsbestimmungen (das Magdeburger Recht und die lokalen Rechtsquellen) geprüft und ggf. bestätigt wurde. Die Historiker geben an, dass die Bürgerangelegenheiten vor einem großen Gericht, dem iudicium bannitum magnum (was eigentlich eine Seltenheit war, da dieses nur dreimal jährlich tagte) oder einem iudico bannitum exposituum (das alle zwei Wochen zusammenkam) erledigt werden konnten. Beide Sitzungstypen waren gleich kompetent und verantwortungsvoll in Testamentsangelegenheiten. Sie unterschieden sich nur in der Häufigkeit der Abhaltung ihrer Sitzungen. Eine dritte Möglichkeit bot 217 Vgl. Starzyn´ski 2010, S. 109.
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das iudicium bannitum opportunum bzw. iudicium bannitum necessario (zu Deutsch notding), das zwar in seiner Primärkompetenz etwas anders bestimmt war, aber dennoch zur Testamentsablegung berufen werden konnte, und zwar v. a. dann, wenn eine unmittelbare Lebensgefährdung bevorstand (z. B. eine schwere und akute Krankheit) oder wenn bspw. der Testierer eine Pilgerfahrt unternahm.218 Auf Deutsch hießen die Gerichtstagungen »gehegtes ding«. Die Gerichtssitzungen wurden im Rathaus, in dem sich sowohl die Kammern des Rates als auch des Gerichts befanden, oder aber im Haus der Vogtes abgehalten. Der Vogt sollte auch den Erkenntnissen der Historiker zufolge auch die Aktenbücher aufbewahren. Die Gerichtssitzungen konnten auch in privaten Häusern stattfinden und taten dies auch, oft bei den Testierern selbst, wenn diese z. B. bettlägerig waren. In Notfällen kam es dazu, dass der Vogt (Advocatus) und die Schöffen in den Häusern der Testierer oder den von ihnen gemieteten Wohnungen tagten (vgl. ASVIII 16. 12. 1475: »[…] do selbist noch vnsir gewonheit vor em eyn notding geheget hatte(n) […]«). Möglich und praktiziert wurde auch die Erledigung mehrerer Gerichtsangelegenheiten während einer Sitzung. Dann fanden sich die Involvierten an dem jeweiligen Tagungsort ein. Dies belegen auch die Eintragungen mit den abgeschriebenen privaten Testamentsurkunden, die in Paratexten des Amtes das jeweilige Gericht nennen, bei dessen Gelegenheit es zur Eröffnung der verschlossenen Urkunde gekommen ist, und die den Status iudicium bannitum opportunum wohl auch wegen anderer Angelegenheit erhielten. Auch der Rat kannte zwei Arten der Sitzungen, also vor dem sog. ganzen sitzenden Rat abgehalten oder einem Ausschuss des Rates, darunter zwangsmäßig in Anwesenheit des amtierenden Bürgermeisters. Die zweite Möglichkeit war die Testamentsentrichtung im Hause des Testierers im Beisein der Räte als amtliche Zeugen der sozialen Handlung. Die Rechtsregelung, dass Räte kranke Personen zu Hause aufsuchen konnten, um ihren letzten Willen abzunehmen, existierte nach Angaben der Historiker mindestens seit Ende des 14. Jahrhunderts. In den Ratsakten findet sich zu jener Zeit erstmals eine abgeschriebene Urkunde des Rates, die den Hausbesuch zweier Vertreter des Amtes und ihre Anhörung des Testaments bezeugt, unter dem Datum 1406 eingeschrieben (04. 05. 1405, AC427, S. 241). Aber schon 1400 ist eine protokollartige Eintragung anhand eines Bekenntnisses zweier Räte über die Testamentsablegung einer bettlägerigen Testiererin verschriftlicht (AC427 03. 07. 1400). Diese Anhörung des Testaments und seine Niederschrift – vermutlich auf einer Wachstafel, da Papier teuer war, erhielt jedoch anscheinend keine eigentliche Bestätigung ihrer Rechtskraft, ehe diese nicht einem amtierenden Gremium der Ratsleute vorgestellt wurde. An den Abschriften der bei dieser Gelegenheit erstellten amtlichen 218 Bartoszewicz 2012, S. 88f.
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Testamentsurkunden ist ersichtlich, dass nur der Rat als solcher agieren und soziale Handlungen sanktionieren konnte. So konnte er die Räte ins Haus des Testierers entsenden, und zwar aufgrund von persönlich erteilten Plenipotenzen bezüglich der Anhörung der letztwilligen Verfügung (vgl. bspw. das bereits angeführte Zitat: »[…] vnsirs ratis mitebruder von wnser befelunge in craft wnsir hantfestin gegangen woren czu Peter Eychlern […]« (LT772 22. 07. 1447).219 Die Zahl der die Testamentierer aufsuchenden Räte war einigermaßen flexibel, wie das Quellenmaterial zeigt. Normalerweise finden sich in der Intitulatio der ausgestellten Dokumente Namen von fünf bis sechs Räten, es können aber auch mehrere sein (sieben bis acht) oder bloß das Gesamtgremium wird genannt. Man kann also davon ausgehen, dass alle oder die meisten zurzeit der amtierenden Mitglieder dieses Amtes, wenn sie nicht krank oder zeitlich abwesend waren, angeführt wurden, um für die Glaubwürdigkeit der ausgestellten Urkunde zu bürgen.220
6.3.3 Amtliche Zeugen der Testamentsablegung: protokollartige Verschriftlichungen und Czedelabschriften Protokollartige Verschriftlichungen der Testamentsablegung und die Vorlegung und das Abschreiben der Czedel werden in meinen Statistiken unter einen Nenner gebracht. Die meisten (82) der 109 entsprechenden Verschriftlichungen in dem LT772 nennen die Räte beim Namen, die als Zeugen der Handlung agierten. Meistens waren es abwechselnd und ohne Regel zwei oder drei Räte, seltener vier (in zwölf Texten) und fünf (in zwei Texten). Als Ausnahmen gelten können diejenigen Texte, die nur einen Ratsmann als Zeugen nennen (LT772 13. 02. 1477) oder sogar sechs (LT772 23. 12. 1513 – ein Text, der im ersten Teil eine protokollartige Verschriftlichung der wichtigsten Bestimmungen, im zweiten aber eine Testamentsurkundenabschrift beinhaltet). 27 Verschriftlichungen enthalten dagegen keine Angaben zu den bei der Handlung anwesenden Räte bzw. geben an, dass diese vor dem ganzen gesessenen Rat vollzogen wurden. Ein Teil der Eintragungen bezieht sich auf Handlungen, die im Haus des Testators stattfanden. Darunter sind vier Abschriften der Dokumente des Rates, die die Gültigkeit eines solchen Testaments zusätzlich bezeugen, aber auch eine Reihe protokollartiger Eintragungen (acht) und sogar eine Eintragung mit einer Czedelabschrift, auch wenn dies erst direkt im Haupttext (und nicht in einem 219 Unter »Handfesten« kann man Stadtwilküre verstehen. Es wurden aber auch auf diese Weise Handschläge bezeichnet, was als Erteilung der entsprechenden Gewalt gelten kann. 220 Vgl. Starzyn´ski gibt an, dass bspw. 1312 der Rat acht Mitglieder zählte, die Zahl schwankte jedoch im Laufe der untersuchten Zeit. Vgl. Starzyn´ski 2010, S. 12 und S. 51.
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überschreibenden/einführenden Paratext der Behörde) des Testaments zu finden ist (vgl. bspw. LT772 26. 12. 1482: »[…] mit guttir vornunft vnbetwungen siczinde of dem stule ym hawse […]«). In einigen Fällen handelt es sich sogar nur um Indizien, auf deren Grundlage dieser Umstand geschlussfolgert werden kann, vgl. bspw. LT772 22. 11. 1463: »[…] bekenne of meynem tot bette […]«. Über die Hälfte der analysierten 109 Eintragungen (65) nennen diesen Umstand zwar nicht, sie geben aber auch nicht an, dass sich der Testierer im Rathaus einstellte, so dass es offenbleibt, ob es zu der sozialen Handlung gekommen ist. Da aber der dabei verschriftlichte Gesundheitszustand in solchen Fällen nur auf die geistige Verfügungsgewalt hindeutet (und entweder die Schwäche des Körpers erwähnt oder diese Frage überhaupt verschweigt), was im Gegensatz zu den sich eindeutig sowohl auf geistige als auch körperliche Gesundheit beziehenden Testierfähigkeitsphrasen in den Texten, die das Rathaus als Ort der Handlung benennen (es steht dann in den jeweiligen Texten: vor dem Rat, vor uns, corpore Consulatu, coram Consulatu), steht, ist anzunehmen, dass solche Texte Verschriftlichungen einer testamentarischen Handlung sind, die zu Hause vollzogen wurde. Das Gleiche wird für Testamente vermutet, die vor einer kleinen Zahl der Räte abgelegt wurden und deren Verschriftlichungen die Testierfähigkeitsphrase sogar auslassen (auch im Gegensatz zu ihrer häufigen Präsenz bei den Verschriftlichungen der Handlung, die direkt die Ratssitzung, in der es zur Handlung kam, benennen).221 In den AC aber, die als Ratsbuchreihen etwas früherer in ihrem überlieferten Bestand anfangen als die LT772, werden in sieben der 39 Texte (v. a. in den anfänglichen Testamenten um 1400) keine amtlichen Zeugen der Handlung genannt. Dies ist aber auch keine strikte Regel, da bereits 1400 eine der Testamentsverschriftlichungen in den AC (AC427 03. 07. 1400) die Tatsache erwähnt, dass sie auf dem Bericht zweier Räte beruht: »Iohannes Piczczin et Iohannes Czopchin Rathmanne habin bekannt, das Swestir Manyt Weynrichine habe bekannt in irem Sichbette, das […]«. Die anderen Testamentsverschriftlichungen in dieser Aktenbuchreihe nennen den ganzen Rat (17 Texte) oder eine beim Namen genannte kleinere Zahl der Zeugen der Testamentsablegung (meistens zwei und drei Räte, zweimal aber auch vier). Es lässt sich feststellen, dass bei jeder Testamentsablegung vor dem Rat der Bürgermeister anwesend sein musste (er wird stets unter den Räten der kleineren Ausschüsse genannt). Wahrscheinlich garantierte seine Anwesenheit den Status einer Sitzung (vgl. LT772 11. 01. 1513: »[…] vor gesessen(em) Ratthe nemlich herr hannsen Bonner Burgermeister gewesen herr Seyfrid Bethman Johanns keylinger wnd Jorge Thurzo […]«). Im Textskorpus Aufmerksamkeit erweckt die Eintragung LT772 24. 02. 1452. Sie enthält zwar eine Verschriftlichung der testamentarischen Handlung vor 221 Weiteres zu den Testierfähigkeitsphrasen siehe in dem Kapitel zur Stilistik.
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einem notding des Gerichts, erlangte aber in dieser Form aber Eingang in den Liber Testamentorum des Rats. Als Grund kann wohl die Ernennung der Räte zu Exekutoren des Testaments gelten, denen anvertraut wurde, die Erbmasse in die Stiftung der Barmherzigkeit zu geben. So wie in den Ratsakten kann bei den anfänglichen frühen Eintragungen – Ende des 14./Anfang des 15. Jahrhunderts – die Tendenz beobachtet werden, in den Paratexten der Behörde die Nennung der Zeugen der sozialen Handlung sowie die Art der Gerichtssitzung nicht zu erwähnen. Daher lässt sich annehmen, dass diese im Rat – vor den Räten und im Gericht – vor den Schöffen vollzogen wurde. Es gibt hier aber auch Ausnahmen wie im ASIII 05. 02. 1395, wo (nur einmal in dem ganzen Korpusmaterial) das Judiciu(m) Magnum Bannitum als Gremium, vor dem das Testament abgelegt wurde, genannt wird. Wenn die Bezeichnung der Gerichtstagung nicht genannt wurde und nur das Datum der Handlung vorkommt (Actum + Datum) oder nur eine Gerichtstagung also solche (iudicium) genannt wurde, besteht eine Unsicherheit, ob es sich um ein iudiucum bannitum expositum oder ein iudicium bannitum opportunum handelt. Diese ist wohl zugunsten des ersteren zu entscheiden (vgl. solche Bezeichnung wie »gehete bank«, »in gehegtim dinge«, »vor gehegtim«). Das erste Mal kommt die lateinische Bezeichnung desselben Judiciu(m) Bannitu(m) Oportunu(m) im Korpusmaterial erst im Paratext der Eintragung ASIX 02. 09. 1500 vor. Um die Mitte des 15. Jahrhunderts wird aber auch sporadisch in Bezug auf testamentarische Eintragungen ein Judiciu(m) (con)pulsu(m) erwähnt, was darauf hindeutet, dass es sich um keine reguläre Sitzung des Gerichts, sondern um ein notding, handelte. Grund für die Einberufung einer solchen war bspw. in ASVII 08. 04. 1450 eine zu unternehmende Pilgerschaft. Sporadisch ist die Begrifflichkeit Judiciu(m) necessaru(m) in den Paratexten des Gerichts anzutreffen.222 Diese wird aber inkonsequent verwendet, da in weiteren Testamenten, die zu Hause – also bei Krankheit oder Schwäche des Testators – abgelegt wurden. Hier wird durchgehend die Begrifflichkeit Judiciu(m) Bannitu(m) Oportunu(m) verwendet.
6.3.4 Amtliche Zeugen der Testamentsablegung: eingelegte Testamente Eingelegte Testamente konnten entweder durch den Testierer im Rathaus abgegeben werden (wie bereits angemerkt, hatten beide Behörden ihren Sitz in diesem) bzw. während einer Gerichtssitzung woanders, oder sie wurden aber von bettlägerigen Testatoren in deren Häusern/Wohnungen einem Ausschuss der Vertreter der Behörden ausgehändigt. Dieser Umstand wird dann in den ein222 Vgl. bspw. ASIX 5. Mai 1508, Testamentum Domini Nicolai Karl Jn domo sua in Circulo coram Judicio necessarie banito.
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führenden Paratexten der Behörde angemerkt. Es galten also ähnliche prozedurale Regelungen diesbezüglich wie bei anderen Testamentsablegungsarten.
6.3.5 Weitere Akteure der Testamentsablegung Bei der Testamentsablegung konnten sowohl Ehepartner, Erbnehmer und potenzielle Erbnehmer anwesend sein, also Mitglieder der Familie, als auch die durch den Testator vorgesehenen und im Testament ernannten Vormunde. Diese sind nicht zu verwechseln mit den Vormunden der Frau, die sie zwecks Ausführung einer sozialen Handlung nimmt, denn hier handelt es sich generell um Leute, denen die Vormundschaft und die sog. Küre über unmündige Kinder bzw. die Witwe anvertraut wurden und um Exekutoren. Diese sind also generell die Ausführer der testamentarischen Bestimmungen. Während die Bedachten oder die potentiell – also nach Recht vorgesehenen – Erbnehmer ihre Zustimmung bezüglich der Modifikation der üblichen Erbfolge abgeben konnten (vgl. bspw. die Einwilligung der Kinder, dass eine Tochter mehr bekommt ASIX 27. 10. 1502), willigten die Vormunde und Exekutoren in die Übernahme und Ausführung des ihnen erteilten Auftrags ein. Oft betraf diese Zustimmung auch analog die Ehepartner, etwa die Zustimmung der Frauen bezüglich der Modifikation der ihnen bei der Eheschließung zuerkannten Morgengaben oder die Zustimmung bezüglich der ihnen im Testament aufgetragenen Aufgaben wie Abzahlung der Schulden. Die Einstellung dieser zusätzlichen Akteure der Testamentsablegung war nicht obligatorisch und ihre Willenserklärungen konnten auch nachträglich erfolgen. Die genannten Personen erschienen dann vor der Behörde in einem kleineren oder längeren Zeitabstand von der Testamentsablegung, um sich zum Testament zu äußern. Jedoch war ihre bereits bei der Testamentsablegung abgegebene Zustimmung günstig für den Testierer, der damit gleich ihre Stellung erfuhr und diese amtlich festhielt. Die Einwilligungen, die bei der Testamentsablegung erfolgten – also im Fall der Anwesenheit der dazu berechtigten Personen – wurden mitprotokolliert und erscheinen direkt im Haupttext des protokollartigen Testaments. Lediglich im Fall der Czedel können Bedenken entstehen, wann es zur Äußerung derselben gekommen ist, zumal sie – wie im Beispielzitat – unter die testamentarischen Bestimmungen eingeschoben erscheinen: »[…] vnd ap ey(n) kint storbe , zo sal is an dazandir sterbin Sterbin sie denne beide zo sal is dy helfte sterbin an dy mutt(er) vnd dy andir helfte in dy werk der Barmherczikeit noch der vormu(n)de Rath vnd ap dy mutt(er) vor storbe vnd dy kind(er) dor noch so sal daz gut gar folgin in dy werk der barmherczikeit, vnd das hot dy obgenan(te) seyne vrawe voryowort Jte(m) ich gebe […]« (vgl. den abgeschriebenen Czedeltext im ASIV 05. 11. 1417)
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Es drängt sich die Frage auf, ob diese Bemerkung durch den privaten Schreiber, der den Czedel anfertigte, hinzugefügt wurde, also ob die Einwilligung vor diesem geäußert wurde, oder ob sie erst vom Kanzleimitarbeiter stammt, der den Czedel abgeschrieben hat und der beim Abschreiben der Vorlage die Frage an die vor der Behörde anwesende Frau stellte. Möglich wäre auch, dass solche Fragen von einem anderen Vertreter der Stadtbehörde stammen, dessen originale Frage nicht verzeichnet wurde und vom abschreibenden Kanzleimitarbeiter nur mitnotiert wurde. Dieselbe Unklarheit ergibt sich auch in ähnlichen Fällen, etwa bei der Einwilligung der Vormunde. Im LT772 werden folgen Einwilligungen abgegeben (eingerechnet die bei der Handlung stillschweigend anwesenden Personen, deren Anwesenheit jedoch erwähnt wird): neunmal die Frau, dreimal Frau mit Kind/Kindern, sechsmal Kinder, zweimal Geschwister/Kinder der Geschwister, einmal Mutter/Vater, siebenmal Vormunde, die in die Vormundschaft einwilligen, darunter auch Räte als Vertreter der mit der Ausführung des Testaments ab und zu betrauten Behörde. In den AS kommt die Einwilligung der Frau 13-mal vor, der Frau und der Kinder/des Kindes zweimal, einmal Frau und Vormunde, einmal Mann, einmal Mann und Kinder, einmal Bruder, siebenmal Vormunde (die in die Vormundschaft einwilligen); es kommen auch dreifache Einwilligungen vor: einmal Bruder, Schwager und Vormunde, einmal Bruder, Frau und Stiefsohn. Die Einwilligung bei den eingelegten verschlossenen Testamenten gehört in die Testamentseröffnung (siehe die Paratexte zu der Testamentseröffnung). Die Einwilligung – es handelt sich hier meistens um die der Frauen – wurde, wie bereits angemerkt, besonders dann gefragt, wenn diese in den ihnen zuvor zuerkannten vermögensrechtlichen Rechte eingeschränkt wurden (bspw. der Kürzung der gelobten Morgengabe oder der Gerade zugunsten eines Anteils an dem Erbe), oder wenn sie Verpflichtungen auf sich nahmen, deren es auch tatsächlich nachzugehen galt (vgl. bspw. ASVII 26. 06. 1451: »Jte(m) seyne obgenan(te) hausfraw hat voryowort vor vns in dy obgenante(n) stucke vnd besund(er)n globte sy czu beczalen seyne schalde (sic!) noch seynem tode […]«
oder auch in ASX 27. 03. 1514: »[…] wn(d) dy egenan(ten) ka(theri)na seyne hawsfrawdurch Sta(nislau)m goltschmid Jre(n) gekorne(n) vorm(un)den hatt abegetretty(n) wn(d) vbir geby(n) Jre morgengobe […]«
Außer dem Testierer und den Mitgliedern der jeweiligen Stadtbehörde oder deren Vertretern in Form eines Ausschusses konnten bei der Testamentsablegung auch andere durch das Recht vorgesehene oder erlaubte Personen zugegen sein. Unter den rechtlich bei dieser sozialen Handlung vorgesehenen Teilnehmern sind die Vormunde der handelnden Frauen und Kinder zu nennen – also
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Männer, durch die sie vor der Behörde agieren dürfen. Die Vormunde der Frauen und Kinder sind keine Akteure der jeweils ausgeführten Handlung im engeren Sinne, sondern lediglich Mittlerpersonen, die oft im Hintergrund bleiben: »[…] petrum Seytan neme(n)de czu vormu(n)de Anna helmsmedyne kegenworteklich stehende hot irn lecten willen vnd czelgerethe muntlichen gemachit, vnd in eyner Czedel geschrebin, gegabin in czotin wortin […]« (ASIII 24. 01. 1393).
Zwar waren die Entscheidungen zumindest der Frauen autonom, da sie über ihre Güter frei verfügen konnten, doch brauchten sie jemanden, der sie in dem Amtssachen repräsentieren konnte. Als natürlicher Vormund war in solchen Fällen primär der Ehemann vorgesehen. Es konnte aber auch ein männliches Mitglied der Ursprungsfamilie sein (etwa der Bruder oder ein Oheim) oder eine von der Witwe erwählte männliche Vertrauensperson bzw. jemand, der durch die Behörde zum Vormund bestimmt wurde. Das wurde nicht selten praktiziert, v. a. im Falle der Witwen, oder wenn es sich um eine Verfügung zugunsten des Ehemanns handelte, der dann von der Vormundschaft ausgeschlossen war. Nicht selten handelte dann die Frau durch ein Mitglied des Behördengremiums, darunter auch den Stadtschreiber oder den Unterstadtschreiber, den sie sich selbst erwählte und um die Ausführung dieser Aufgabe bat oder der ihr amtlich von Rechts wegen zugeteilt wurde. Verschiedene Indizien im Textkorpus bestätigen die Annahme (so ist es bspw. bei der Testamentsablegung, Antragstellung auf Testamentseröffnung eines verschlossenen Testaments und der Einwilligung in die testamentarischen Bestimmungen), dass Frauen in der untersuchten Periode vor städtischen Behörden durch Vormunde agierten.223 In den AS wird die Tatsache des Agierens der Frau durch einen Vormund in 22 von 30 Frauentestamenten im Texttyp protokollartige Eintragung oder Czedelabschrift verschriftlicht. In den Ratsakten ist die Tendenz zugunsten der Texte ohne eine erwähnte Vormundschaft deutlich: In den AC nennen drei (ein Text ist ein gemeinsames Testament) von neun Frauentestamenten diese Tatsache, im LT772 nur drei (von 34 infrage kommenden Texten). Aber nie wird das Mitwirken des Vormundes bei den Eintragungen mit den Abschriften eingelegter privater Testamentsurkunden verschriftlicht. Es ist zu bedenken, dass diese Angabe des Vormunds bei der sozialen Handlung bei den Frauentestamenten nicht durchgängig in die Verschriftlichungen aufgenommen wurde. In den Ratsakten ist es eigentlich sogar eine Seltenheit, die Anwesenheit und das Agieren des Vormundes schriftlich festzuhalten. Allerdings wurde die Tatsache des Agierens durch einen Vormund bereits im ersten als Testament klassifizierten Text ASIII 24. 01. 1393 verschriftlicht. Es 223 Vgl. auch den theoretischen Teil der vorliegenden Studie.
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wird angenommen, dass Frauen durch ihren ehelichen Vormund, also ihren Mann, agierten. Dieser Umstand wird aber in den Verschriftlichungen selten angemerkt (vgl. bspw. ASXI 11. 07. 1532: »[…] mit VorWillung ires ehlichenn Vormundes Vnd mannes hernn(n) Casp(er) bers der p(er)sonlich vor gericht gestandenn Vnd ir sollichs cZwgelassenn […]«). Auch konnten andere männliche Verwandte diese Funktion übernehmen (vgl. LT772 29. 05. 1498). Wenn ein Vormund bei der Handlung genannt wird, dann handelt es sich meistens um einen durch die Frau selbst erwählten Vertreter, was jedoch mit dem Einverständnis des Ehemannes geschehen sollte (ASX 27. 07. 1526: »[…] durch den Ersamme(n) Hernn(n) Hanse(n) Czymerma(n) mit vorwilligung ires mannes ir gekorne(r) wnd besthetigte(r) vormu(n)den)«. So wie im angeführten Beispiel wurden zu dieser Funktion meistens gestandene Männer auserkoren, nicht selten aus dem Kreis der Stadtbehörden. In einem beachtlichen Teil der Testamente wird aber auch angegeben, dass der Vormund gerichtlich bestimmt wurde (achtmal in den AS).
6.4
Die aktive Rolle des Testierers bei der Czedelvorlegung
Da der Testierer beim Verlesen des Czedels anwesend waren (vgl. bereits den ersten in die Krakauer Stadtbücher eingeschriebenen Czedel: »[…] Anna helmsmdyne kegenworteklich stehende hot irn lecten willen vnd czelgerethe muntlichen gemachit vnd in eyner Czedel geschrebin gegabin […]« ASIII 24. 01. 1393), war es den Vertretern der Behörde auch möglich, noch einzelne Bestimmungen zu hinterfragen bzw. den Testierer nach dem Verlesen des Czedels noch zu Wort kommen zu lassen. Es handelt sich in diesem Fall um Nachträge zu den in geschriebener Form vorgelegten testamentarischen Bestimmungen, die dann gemeinsam mit diesen den Inhalt des Testaments ausmachen. Nicht alle Teile des Kommunikationsaktes der Ergänzung vor der Behörde werden aber schriftlich fixiert (also nicht die zusätzlichen Fragen, die von den Vertretern der Behörde gestellt wurden bzw. das Anmelden des Ergänzungswillen seitens des Testierers), sondern nur die für den Inhalt des Testaments relevanten Bestimmungen. Diese werden dann in der 3. Person Singular an den abgeschriebenen Text ohne graphische Absetzung angereiht. In einigen Fällen, wie bspw. dem Czedel, der beim Hausbesuch der Räte dem Stadtschreiber Johann Stolle überantwortet wurde, ist eine solche Praxis schon allein deshalb nachvollziehbar, weil man sich einen zeitlichen Abstand zwischen der Anfertigung des Czedels und dessen Überantwortung an einen Schreiber vorstellen muss. Der Kranke legt einen wahrscheinlich viel früher verfassten Czedel vor, und beim Verlesen desselben ergänzt man ihn um aktuelle Bestimmungen, zumal diese nicht den Kern der testa-
Konzipierte Mündlichkeit und Spuren des mündlichen Verfahrens
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mentarischen Bestimmungen bilden, sondern aus Sorge um das Seelenheil oder aus den Anforderungen der sozialen Prestigestellung resultieren: »Item x m(a)rg hot her bescheiden den vicarien czu unsir lib(e)n frawe(n) Item her hot gegebin und vernimt das irste Altare das do gestift wirt dem Erb(er)n h(er)n Johanni Bartisch dem Vicario […] kirchen unsirr lib(e)n frawen Also ist der laut d[…] […]« (AC 429, Pag. 28, 06. 11. 1450).
Dass die Verfügungen mit großer Wahrscheinlichkeit hinzugefügt wurden, merkt man am Wechsel von der ersten zur dritten Person und dem Wechsel des Tempus. Die Anmerkung »Also ist der laut d[…][…]« und v. a. ihre Position im Text nach den hinzugefügten Bestimmungen wirkt irreführend. Begründet anzunehmen ist, dass sie aus dem Bestreben des Kanzleimitarbeiters resultieren, den Artikelkatalog als ein kohärentes Ganzes darzustellen, zumal es sich in diesem Fall um eine Vorlage für eine feierliche Urkunde, das sog. große Testament auf Pergament, handelt. Eine ähnliche Situation ist im bezeugten Czedel (einem besiegelten Dokument) zu finden: »Item vormu(n)de hot her gekorn den Ersame(n) herre(n) Johanne(n) sweidnicz(er) vnd mathiam apteker Also was der laut des obgenan(ten) testame(n)ts Czu geczeugnisse etc.« (27. 10. 1452, LT772, Pag. 28).
Außer Verdacht stehen aber die Nachträge, die von dem Kanzleimitarbeiter ausdrücklich außerhalb des Inhalts des Czedels fixiert werden: »Also was der laut der obgenan(ten) Czedel vnd testame(n)ts vnd dy obgenannte fraw helen seyne hausfraw hot p(er)sonlich voryowort in das obgena(n)te testame(n)t Vnd her hot gekoren desim seynem testame(n)t czu vormu(n)den her Cuncze langen vnd wenike kezingern.« (23. 04. 1451, LT772, S. 31).
6.5
Konzipierte Mündlichkeit und Spuren des mündlichen Verfahrens der Testamentsablegung
6.5.1 Protollartige Eintragungen Die Testamente vom Typ protokollartiger Eintrag lassen sich im Gegensatz zu den Einträgen vom Typ Abschrift eines Czedels oder einer privaten Urkunde nur einem Schreiber zuordnen, nämlich dem die soziale Handlung protokollierenden Mitarbeiter der Kanzlei. Dieser hat die Aufgabe, protokollartig das Geschehen vor den Vertretern der Behörde zu verschriftlichen. Wie eine solche Verschriftlichung aussah, ist einem einzigen, teilweise in dialogischer Form gehaltenen und in die Krakauer Stadtbüchern aufgenommenen Testament zu entnehmen. Die straffe Anordnung der Legate sowie das für die schriftliche
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Fragen der Pragmatik im Zusammenhang mit der Textstruktur
Ausformulierung charakteristische Einleitungsstück Item lässt allerdings auf eine stilisierte direkte Rede schließen: »Czum irsten frogen sy liben h(er)n apich mit dem mer nen un(d) mit meyme gelde das mir mey(n) man gegeb(i)n hot tun un(d) lassen mag noch meyme willen do ward ir gesagt so ir mogt daz ewer geben weme ir wellit also recht ist Dornoch sprach sy So gebe ich meyn gelt un(d) waz ich an gereytschaft habe meynen kindern Annekathrine nickiln un(d) magdalen den viren wen(n) han(n)cz hoze hot genug Ite(m) […]« (AS 428, S. 243, gegeben am 10. 07. 1428).
Üblicherweise wird hierbei eine Narrationsstrategie eingesetzt, die zwar die Rede des Testierers indirekt erscheinen lässt, diesen Prozess jedoch stets unterstreicht, und zwar durch ein Verbum dicendi, in diesem Fall durchgehend durch »sprechen«, seltener »bekennen«: »Item so sprach her das Im Sebestian schuldig were hundirt vnd vonf vnd czwenczig vngerische gulden Item so sprach her das her Jorge Grasern schuldig sey fonfczig vnd drittehalben gulden Item her sprach das her Jan kezing(er) schuldig ist sebin firdunge Item so gap her seiner hawsfrawe(n) ouch mit der tat sechs vnd czwenczig vngerische gulden dy Im lucas vom brige schuldig ist als her sprach […]« (LT772, 14. 04. 1458).
Diese distanzierte Redewiedergabe bezieht sich in den analysierten Texten v. a. auf die anzufordernden Schulden, also auf die angeblichen Teile desjenigen Vermögenskomplexes, der unter der Gewalt eines anderen stand. Nie werden aber auf diese Weise Donationen formuliert. Die Performativa sind unvermittelt und direkt wie im oben angeführten Beispiel: »Item so gap her seiner hawsfrawe(n) […]« (LT772, 14. 04. 1458). Dies hängt mit dem Charakter des formulierten Sprachaktes zusammen. Während nämlich die Bekenntnisse über die Schulden assertiv waren, waren die Donationen performativ. Die Bekenntnisse konnten aber auch noch feierlicher gestaltet und gehalten werden als im Testament LT772 31. 05. 1456: »Item so bekante sy czu drey moln mit lawt(er) stym(m)e das jr jacob zelczer fonfczig vngerische beczalit hat […]«. Selten, aber möglich, ist eine indirekt wiedergegebene Dialogsituation zwischen dem Testierer und den Vertretern der Behörde. Im angeführten Beispiel wird nun eine unübliche und gegen die gewohnte Erbfolge bestimmte Übertragung der Stammerben an die Frau hinterfragt und durch dreimalige Bestätigung sanktioniert: »[…] do wart her gefrogit czum irsten czum and(er)n vnd czum dirtten mole ap dy obgeschrebene ordenu(n)ge sein freyer guttir wille were her solde gancz in kleynem stucke gedrungen vnd getwungen seyn do voryoworte her mit wolbedochtim mute vnd sprach is were seyn freyer guttir wille vnd bat selbir das in vnsir buch czu schreyben […]« (LT772 14. 04. 1458).
Konzipierte Mündlichkeit und Spuren des mündlichen Verfahrens
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Dieses niedergeschriebene Zeremoniell korrespondiert mit dem Inhalt der das Testament einleitenden protokollartigen Einführung, wo zweimal unterstrichen wird, dass die nachfolgenden testamentarischen Verfügungen »aws besund(er)n freyen wolbedochten gutten willen vnbetwungen vnd vngedrungen« getroffen wurden.
6.5.2 Czedel(abschriften) Der Text des Czedels konnte zweierlei Gestalt annehmen: Entweder wurden die einzelnen Dispositionen registerhaft aneinandergereiht (die einzelnen Bestimmungen konnten also unmittelbar den Text eröffnen) oder der Text wurde zusätzlich mit einer Art kurzer Präambel versehen, die der Testamentsskizze den Anschein einer konzipierten Mündlichkeit verleiht. Hierzu gehören außer der direkten Ansprache des jeweiligen Gremiums: »liebe Herren« etc. auch der Hinweis auf die Ordo: »allhy stee ich«. Diese Phrase wiederholt sich mehrmals (allerdings in verschiedener orthographischer Variation); sie scheint auch bei öffentlichen Ansprachen konventionalisiert zu sein, was auch weitere Beispiele außerhalb der Czedel belegen. Besonders ausschlaggebend sind hier die Fälle in den von Kanzleimitarbeitern niedergeschriebenen protokollartigen Testamenten (wie bspw. in ASVII 28. 03. 1459). Unter den Czedeln kann diesbezüglich der eigenhändig verfasste Text des Vndirstadtschreibers angeführt werden: »Jch Nicolaus der Salomean eidem ecwen Vndirstatschreib(er) czu Crac(ow) alhy steende vor gehegtim dinge […]« (LT772 26. 06. 1451). Die Czedel wurden aber in der Regel wahrscheinlich nicht vom Testierer selbst, sondern von einem der Kanzleimitarbeiter vor der Behörde verlesen und ihr Wortlaut ins Stadtbuch übernommen (vgl. ASVII 23. 01. 1450: »[…] vnd doselbist leg her vor vns eyne cedil in der her seyn testame(n)t vnd schicku(n)ge seynis leczten willens beschreben hatte dy von worte czu worte alz sy vor vns gelezin ist alzo läutte […]«). Die Frage, ob die Anwesenheit bzw. das Fehlen einer solchen Präambel von der Entscheidung des jeweiligen den Czedel anfertigenden Schreibers abhing bzw. als ein Resultat einer vom abschreibenden Kanzleimitarbeiter vorgenommenen Kürzung war, lässt sich bei Kenntnis der wenigen im Original erhaltenen Czedel zugunsten keiner Möglichkeit beantworten. Abgesehen von der jeweiligen Einleitungssequenz ist die Verlautbarung der Czedel als vermittelte Aussage des Testierers zu verstehen. Es stellt sich daher die Frage, wie die Czedelabschriften nun ins Medium Stadtbuch eingeführt wurden. Es kann angenommen werden, dass der im Stadtbuch angeführte Inhalt eines Czedels immer von einem Paratext der Behörde, der diesen Umstand nennt, begleitet wird (entweder als eine protokollartige Einführung formuliert oder in Form eines kurzen Überschrifttextes). Eine solche Annahme ermöglicht es, auch
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Fragen der Pragmatik im Zusammenhang mit der Textstruktur
alle durch keine Einführung bzw. durch eine Einführung, die diesen Umstand nicht nennt, Testamentstexte, auch wenn diese in der 1. Person Singular verfasst wurden, nicht den Czedeln, sondern den Protokollen zuzuordnen. Nach der Einführung folgt dann der Text des Czedels. Die konzipierte Mündlichkeit kann beim Czedeltext mehr umfassen als die Anrede an das Behördengremium, zumal wenn die Präambel um die Anführung des Rechtsrahmens erweitert wird. Um bei dieser Form zu verbleiben und den Anschein einer direkten Aussprache des Testierers weiter zu bewahren, können somit bspw. die vorausgegangen Handlungen des Testierers vor der Behörde als ein Bericht mit eingeflochtener direkter Rede konzipiert worden sein: »Liber Her Richter vn(d) liben h(er)n Jch froge vm recht, Ab ich mit meynem wolgewonnen vnd dererbten gutte das mich nicht angestorbin ist, tuen mag, vnd losin, was ich wil, do sprochn, dy Scheppin eyn recht, Jo, her mochte tuen vnd losin, czo Stee ich alhy vor gehegtim dinge, vnd czu dem ersten gebe ich […]« (AS 01. 06. 1442).
Es ist aber auch vorstellbar, dass die Umstände der Testamentsablegung vom Testierer selbst in dieser Form dem Czedelschreiber diktiert wurden. Es konnte also von seiner Entscheidung abhängen, diese sprachlich zu verändern oder – der Glaubwürdigkeit halber – unverändert zu lassen. Beide Formen des angegebenen Rechtsrahmens bzw. der vorausgegangenen Anfrage konnten im Belegmaterial festgestellt werden. Die Ansprache dagegen wurde speziell wegen der Verlesung konzipiert: Der Testierer diktiert seine testamentarischen Bestimmungen einem professionellen Schreiber unter vier Augen. Einige Beispiele zeigen die Präambel auch in der Konvenienz der konzipierten Mündlichkeit, die sich vom »geschriebenen Wort« der einzelnen Artikel abheben: »Jch Hann(us) wole. stee alhy mit wolbedochtem mute vnbetwungen guter vornunft vnd mache meyn testame(n)t vnd lecztin willen noch desin geschrebene(n) worte(n). also daz […]« (AS 16. 08. 1448).
Eine andere Variante ist es, den Czedel in der 3. Person Singular anzufertigen, wobei dabei die Annahme einleuchtender scheint, dass die Konversion nicht vom Kanzleimitarbeiter, sondern vom ursprünglichen Schreiber selbst erfolgte. Die Ausgestaltung ist also unterschiedlich. Im Belegmaterial finden sich sowohl Beispiele mit einer allgemeinen Promulgatio, die den Urkunden abgesehen ist und sich an alle gegenwärtigen und zukünftigen Rezipienten des Textes richtet: »[…] Wissentlich sey alle(n) fr erbarn leuthen, das […]« (AS 28. 11. 1393),
als auch ohne diese, mit einem unvermittelten Einstieg in den Artikelkatalog, die im Liber Testamentorum zu finden sind (LT772, S. 11, 04. 03. 1448; S. 82, 11. 06. 1463; S. 88, 27. 09. 1464 und S. 89, 04. 10. 1466).
Die Akteure der Testamentseröffnung und ihre sozialen Handlungen
6.6
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Die Akteure der Testamentseröffnung und ihre sozialen Handlungen
Über die Testamentseröffnung im engeren Sinne kann nur bei verschlossenen Testamenten geredet werden, bei der die vom Testator dazu ermächtigten Personen meistens zugleich die ernannten Exekutoren die Bekanntmachung und amtliche Bestätigung des letzten Willens beantragen. Die Testamentseröffnung eines verschlossenen Testaments konnte nur während einer Sitzung der entsprechenden Behörde erfolgen, die mit der Aufbewahrung der privaten Urkunde eines Bürgers beauftragt war. Bei der Eröffnung stellten sich meistens die Exekutoren des Testaments, die also früher mit dem Testator vereinbart haben müssten, dass sie diese Funktion und mit ihr verbundene Pflichten übernehmen werden. Zu diesen Pflichten gehörte v. a. die Ausführung der testamentarischen Bestimmungen (Übergabe der den Bedachten testierten Sachen, im Fall der Liegenschaften auch ihre Übergabe vor Gericht, Abzahlung der Schulden, die Veranstaltung der Bestattung des Testators und ggf. die Bemühung um das Seelenheil – wenn bspw. Werke der Barmherzigkeit oder Fundierung der Seelmessen aufgetragen wurden). In den Testamenten konnten auch Vormunde der Frau und der unmündigen Kinder ernannt werden. Meistens übergaben viele diese Rolle auch den Exekutoren (auch Ausrichter genannt) des Testaments, die dann auch als Vormunde in weiterem Sinne bezeichnet wurden: »Ite(m) czu ausrichten alle des obgenante(n) meyns wille(n) un(d) schicku(n)ge un(d) czu vormu(n)den meyner tacht(er) magdalen un(d) nickiln meym sone kyse ich meyne eydeme Jorge Orienth und Niclas Gorteler […]« (AC428 1428, S. 243). ˙ ˙
Etwas irreführend ist es auch, die eigentliche semantische Bedeutung der Bezeichnung Executor (in der Bedeutung: Testamentsvollstrecker) auf die Begrifflichkeit »Vormund« zu übertragen, auch wenn keine Frau und keine Kinder zum Schutz im Testament erwähnt werden und wenn der Testator wahrscheinlich keine Frau und Kinder hatte. Bei der Eröffnung des Testaments anwesend sein konnten auch Personen außerhalb der dazu vom Testator Ermächtigten, die an dem Inhalt des Testaments interessiert waren – es handelte sich hier also v. a. um Ehepartner und Personen aus dem Kreis der nach der üblichen Erbfolge Erbenden. Wenn der Testator die Behörde damit beauftragte, das Dokument nach seinem Ableben zu öffnen und bekanntzumachen, war ein Eröffnungsauftrag von außen eigentlich überflüssig, obwohl sich nicht selten auch dann die in den Urkunden ernannten Exekutoren oder die oben genannten Personen einstellten. Die Handlung der öffentlichen Eröffnung und Bekanntmachung wird stets mit einer Angabe von den die Eröffnung antragenden Akteure und der Zeugen in Form eines Paratextes seitens der Behörde verknüpft, die der Abschrift der bis dahin verschlossenen Testamentsurkunde vorangeht (siehe hierzu im weiteren
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Fragen der Pragmatik im Zusammenhang mit der Textstruktur
Teil der vorliegenden Studie das Kapitel zu den Paratexten der eingelegten Testamentsurkunden). Aus dem Inhalt der Testamente ist auch zu erfahren, dass die Exekutoren oft auch noch zu anderen Handlungen verpflichtet sein konnten, z. B. konnten sie zur Anfertigung eines Güterverzeichnisses über die nachgelassene Fahrhabe beauftragt werden. In einigen Texten kommt es auch vor, dass sie durch die Erbnehmer (die Bedachten) wegen der Testamentsausführung zur Rechenschaft gezogen werden, worauf die in einigen Testamenten durch den Testator selbst erteilte Befreiung von dieser Pflicht hindeutet. Die Exekutoren und Vormunde konnten es bei der Eröffnung des Testaments oder danach ablehnen, die ihnen von dem Testator zuerteilten Aufgaben zu erfüllen, Bedingungen zu stellen oder den Aufgabenbereich zu modifizieren, was aber äußerst selten vorkam. Meist waren sie nämlich alle mit dem Testator abgesprochen und es wurde beiderseits zugestimmt. Falls aber die Exekutoren erst nachträglich im Text des Testaments gebeten wurden, diese Funktion anzunehmen (»Bittende vmb gottis willen das sy es an neme(n) wolde […]«), stand es ihnen offen, dem nachzugehen oder nicht, zumal eine andere Absprache mit den hinterbliebenen Familienmitgliedern erfolgte, wie es im Nachtrag des Testaments AS X 23. Februar 1521 heißt: »Sünder hannes wunsam vnnd Jorge pirniss haby(n) sich vor dem gerichte angesagt das syder execucion vnnd verwesu(n)ge nicht an neme(n) wolde vn(n)d haby(n) sich des geeirschet. Sund(e)r welly(n) bey helffer sey(n) Jorge Strawss dem Eldste zone vnnd auch zein(e)r hausfrawy(n) mit guttem noch ire(n) vormügy(n).«
Der bereits mündige Sohn (andernfalls könnte er überhaupt nicht zu den Exekutoren gerechnet werden) wird somit oft zum einzigen Ausrichter des Testaments. Verschlossene Testamente hatten einen Vorteil im Vergleich zu anderen Testamentstypen: Personen, die durch die übliche Erbfolge in der Anwartschaft des Erbes waren, konnten die Bestimmungen des letzten Willen erst nach dessen Eröffnung kennenlernen, was auch der Idee eines verschlossenen Testaments entsprach. Bei den verschlossenen Testamenten waren dann amtliche Paratexte eine Plattform, bei denen die Einwilligung der Erben und der Ehepartner erwähnt wird, die vorm Amt bei der Testamentseröffnung abgegeben wurde: »Auff solche ire begere wir sulches testame(n)t vffgeto(n) wnd offentlich vor gerichte in Jre alle kegenwertickeyt gelesen wnd sy das horende haben es angenomen wnd gebillicht […]« (ASX 18. 07. 1519).
Diese ausdrückliche Erwähnung findet sich aber selten und nur in den Paratexten zu den ersten Testamentsurkundenabschriften. In späterer Zeit scheint die bloße Anwesenheit bei der Eröffnung ausreichend zu sein. Vielleicht war es
Die Akteure der Testamentseröffnung und ihre sozialen Handlungen
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auch eher angebracht, die Zeit zur Erwägung und eventueller Widerrufseinlegung den Erben und eventuellen Anwärtern zu lassen, was oft stillschweigend angenommen wurde. Wenn aber danach eine Protestatio erhoben wurde, wurde diese von Gericht nach gültigem Recht entschieden. Anders war es bei anderen Testamentstypen, die es Dritten erlaubte, die enthaltenen Bestimmungen noch zu Lebzeiten des Testators zu erfahren. In den Stadtbüchern findet sich eine Eintragung mit einer Protestatio der Tochter gegen die testamentarischen Bestimmungen ihrer Mutter (die Tochter wurde im Testament vom Erbe ausgeschlossen), was dann auch in einer Modifikation des Testaments seitens der Testiererin resultierte. Diese sog. Protestatio wurde unter einer protokollartigen testamentarischen Eintragung eingetragen: »Dorothea filia eius (con)trauit vna cu(m) Stanislas marito suo et p(er) ip(s)i(u)m. Eod(em) an(n)o sab(ba)to crastino diuision(is) ap(osto)lor(um) p(re)d(i)c(t)a) dorothea reuocauit […] dissposicion(is) legacionis sup(er) d(i)c(t)e […]« (ASVI 27. 05. 1440).
Um Konflikte und die Bedrängung des Testierers durch die Kinder und Verwandten zu Lebzeiten zu vermeiden, wurde mit der Zeit immer mehr die verschlossene Form des Testaments üblich, die es erlaubte, die testamentarischen Bedingungen bis zum Ableben des Testators geheimzuhalten. Auch diese konnten dann angefochten werden. Im Korpusmaterial findet sich ein Paratext mit der Ankündigung der Protestatio, der unter die Abschrift der Urkunde eingebracht wurde. Vom weiteren Ablauf des Testierens wurde der Testierer aber ausgespart: »Coram eodem Judicio Prouidus Valentunis Schwob supra dicti Testatoris nepos, Et honesta Catherina eiusdem,Testatoris, filia, per Georgium Ginter maritum ac Tutorem suum legettimum, personal(ite)r as Tantes (?), indixerunt & solemniter protestati sunt, Se habere quod contra hæc Testamentam allegaturi, opposituri, & contradicturi forent, Competenti & oportuno suo tempore: […]«224 (ASXII 14. 04. 1540).
224 Übersetzung: »Anwesend bei diesem Gericht der vorsichtige Valentin Schwab, Enkel/Neffe des oben genannten Testators, und die ehrbare Catherina, desselben Testators Tochter, durch Georg Ginter ihren Ehemann als ihr bestätigter Vormund, persönlich […] haben angekündigt und förmlich bezeugt, dass sie sich da befänden, dass gegen dieses Testament vorgebracht, eingewandt und widersprochen werden wird zu angemessener Zeit.«
7
Strukturelle Analyse der untersuchten Texte und ihre Einbettung in das Medium Stadtbuch
7.1
Testamente als Eintragungen in den Krakauer Stadtbüchern
Die strukturelle Analyse der testamentarischen Eintragungen in den Stadtbüchern wirft Fragen danach auf, was zum Text eines Testaments mitgerechnet werden darf und was nicht, was zum sog. Großtext und was zum sog. Haupttext (Kerntext) – nach der Terminologie von Greule/Reimann225 – zugerechnet wird. Zunächst möchte ich zeigen, wie eine solche Eintragung aussieht und wie ihre einzelnen textuellen Bestandteile zu nennen und einzuordnen sind. Die Stadtbücher – gemeint sind die Schöffen- und Ratsbücher – der jeweils untersuchten Periode richten sich in ihrem Aufbau nach der Chronologie der jeweiligen Sitzungen des Amtes. So beginnen die Eintragungen in den Schöffenbüchern meist mit dem Datum der abgehaltenen Gerichtssitzungen. Sie sind meist Verschriftlichungen der an dieser Sitzung ausgeführten sozialen Handlungen oder Verschriftlichung früherer sozialen Handlungen, die aber aus unterschiedlichen Gründen – bspw. dem Willen der Bedachten oder Exekutoren – erst nachträglich eingeschrieben wurden. Diese Daten teilen das jeweilige Buch auf. Die einzelnen Eintragungen werden durch ein zwei bis drei Leerzeilen voneinander getrennt. In der Gerichtssitzung vom 23/08 von 1419 sind es fünf Eintragungen, wie unten abgebildet. Die im Schöffenbuch daran anschließende Seite behandelt schon schriftlich fixierte Texte einer nächsten Sitzung. Gäbe es aber mehrere Gerichtsangelegenheiten am 23.08. desselben Jahres, würden sich die entsprechenden Verschriftlichungen einfach fortsetzen. Es gibt also keine dezidierte Trennung der einzelnen Texte eines Tages. Die Serie der Eintragungen eröffnet das graphisch abgehobene Datum der Gerichtssitzung. Die inkonsequente Durchstreichung der einzelnen Texte deutet auf die Erledigung der Angelegenheit hin, je nach ihrer Art: die Ausführung, Abzahlung etc. Als letzte Eintragung folgt in der Abbildung ein Testament, das mit einem lateinischen Paratexte der Behörde darüber versehen ist. Dieser hebt sich graphisch vom Text des Testa225 Vgl. bspw. Greule/Reimann 2015.
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Strukturelle Analyse der untersuchten Texte und ihre Einbettung
ments ab, inhaltlich bleibt er jedoch mit ihm im Zusammenhang und bezieht sich auf die Umstände der Testamentsablegung. Er muss also mindestens in Bezug auf die Pragmatik der sozialen Handlung bei der Untersuchung mit einbezogen werden. Anders als die Gerichtsbücher und die Ratsbücher dient der Liber Testamentorum nur den Angelegenheiten post mortem. Die einzelnen Eintragungen wurden also systematisch gewählt, was auf den Aufbau der Eintragungen Einfluss ausübt und das Datum zu einem wichtigen Teil macht.
7.2
Testamente im Texttyp Stadtbucheintragung als Konglomerat verschiedener Teiltexte
Eine testamentarische Eintragung im Stadtbuch kann in Abhängigkeit von ihrer Realisierung als kohärenter Text oder als finales Produkt verschiedener sprachlicher – und meist auch sozialer – Handlungen und aus ihnen resultierender schichtenartig hinzugefügter Verschriftlichungen derselben betrachtet werden. In Bezug auf die Struktur solcher Eintragungen kann der in der vorliegenden Studie bereits mehrmals kursorisch erwähnte textgrammatische Ansatz von Albrecht Greule und Sandra Reimann eine terminologische Hilfestellung leisten:226 Wendet man diesen theoretischen Ansatz auf meinen Un226 Vgl. ebd.
Testamente im Texttyp Stadtbucheintragung
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tersuchungskorpus an, wäre der kohärente und von nur einem Textproduzenten konzipierte Text mit den testamentarischen Bestimmungen als Kernoder Haupttext zu bezeichnen. Der Autor des Inhalts dieses Textes muss dagegen nicht mit dem Ausführer der Verschriftlichung übereinstimmen und tut es meistens auch nicht (der Testierer beauftragt einen professionellen Schreiber mit der Schreibaufgabe). Dagegen dient die nicht strikt festgelegte Kategorie Kleintext der weiteren Gliederung des Kerntextes. Er ist v. a. durch Absatzbildung gekennzeichnet. Die Kategorie Kleintext bezieht sich v. a. auf den Umfang des Textes, jedoch auf eine nicht näher präzisierte Anzahl der sog. minimalen textgrammatischen Einheiten.227 Der Kerntext wäre vom komplexen Text (Großtext) abzugrenzen, der ein Konglomerat verschiedener Texte ist. Es gibt nämlich eine andere Art Klein- oder Teiltexte, die den Kerntext umlagern und mit ihm in einem inhaltlichen Zusammenhang bleiben, die sog. Paratexte. Diese sind meist vom Kerntext graphisch abgehoben. Das ist allerdings nicht immer und nur teilweise in den mittelalterlichen testamentarischen Stadtbucheintragungen der Fall, und man soll diese Spezifik der Aktenführung bei der Textanalyse stets im Blick behalten. Hier werden die Paratexte oft dem Ende des Textblocks ohne graphische Abhebung angefügt. Die Paratexte können zu verschiedenen Zeiten und von unterschiedlichen Autoren geschrieben worden sein. Bei der Testamentsanfertigung können sie also vom Testierer selbst oder – was häufiger vorkommt – von einem in seinem Auftrag agierenden Schreiber angefertigt worden sein. Bspw. kann Letzterer Überschriften oder Zwischenüberschriften, die den Kerntext nach einzelnen thematisch geordneten Teiltexte unterteilen, eingefügt haben wie im Fall der Czedel und der eingelegten testamentarischen Bürgerurkunden. Im Fall der protokollartigen Eintragungen liegt dagegen die ganze Verantwortung für die Ausgestaltung des Textes auf der Seite des Kanzleimitarbeiters. Manche Paratexte können auch erst bei der Einführung ins Stadtbuch entstehen und dann von dem das Testament abschreibenden Kanzleimitarbeiter stammen (wie bspw. versehentlich übergangene und nachträglich mit einem Asteriks versehene unterhalb des Kerntextes platzierte Passagen aus der originalen Vorlage). Außer der Testamentsanfertigung und -ablegung können sich die Paratexte in einer testamentarischen Eintragung auf weitere soziale Handlungen beziehen wie die Testamentseröffnung, die Testamentsbestätigung oder die Ausführung des Testaments. Ggf. kann es sich auch um einen Widerruf eines Testaments handeln, aber auch um seine Modifikation oder – was selten in dieser Form vorkommt – um die Ankündigung einer Protestatio, also eines Widerspruchs. 227 Vgl. ebd., S. 1f.
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Strukturelle Analyse der untersuchten Texte und ihre Einbettung
Die Plattform der Paratexte dient also der Äußerung verschiedener Teilnehmer der jeweiligen Kommunikationssituation: nämlich der Beschreibung der Kommunikationssituation und der durch die einzelnen Akteure unternommenen gültigen (sozialen) Handlungen. Immer wird dies durch einen Kanzleimitarbeiter vermittelt, der den Text formuliert. In den sich auf die Testamentsablegung oder -eröffnung beziehenden Paratexten können auch (soziale) Handlungen der dabei anwesenden Akteure genannt werden wie: 1) der Ehefrau oder der natürlichen Erben, die ihre Zustimmung für die Testamentsbestimmungen abgeben konnten: »[…] machte her sey(n) testament vnd lecztin willen. in keigenwertig(er) voryowortunge Katherine seiner hausfrawen, entwertende das Jn eyner Czedel geschrebin, dy von worte czu worte also laute.« (AS VIII 16. 01. 1461).
Dass diese Einwilligung dann von rechtlichem Belang war, davon zeugt der Paratext, der dem Kerntext des abgeschriebenen Testaments-Czedels folgte und der die Sentenz des Gerichts auf eine formelle Anfrage des umsichtigen Testators beinhaltet: »Dornach of Simon Noldeners ortillich froge sprochin wir aus eyn solch ortil vnd recht, Sint der czeit, das Symon Noldener seyn testament gemacht hot nach Maidburgischim rechte vnd noch der Stat hantfesten vnd recht in keigenwertig(er) voryowortunge seyner hausfrawen, so hot is bund vnd craft von rechtis wegin […]«228
Während in der protokollartigen Einführung somit die Frau als eine an der Kommunikationssituation beteiligte Person geschildert wird, wird ihre Anwesenheit und ihr Handeln als eine der (hier erfüllten) Bedingungen der Rechtskraft des Testaments dargestellt. 2) Die dem Kerntext vorausgehenden Paratexte können sich auch auf (soziale) Handlungen der Exekutoren beziehen, die die Ausführung auf sich nehmen bzw. diese bedingt einschränken, vgl. die Erklärung eines der zwei Exekutoren, dass nämlich, wenn und inwieweit im selben Testament etwas enthalten ist, das dem bürgerlichen Recht und/oder den Willkür der Stadt zuwiderläuft, ihm es freistehe, sich von der Vollstreckung desselben Testamentes zu entlasten: »[…] si et in quantu(m) in eodem Testamento aliquid vo(n)tineatur [quod] Juri Ciuili et plebiscitis Ciuitatis huius adversitur ut illi liberum sit ab Exequutione eiusde(m) Testamenti sese exonerare Cuius Testamenti Tenor de uerbo ad verbum sic se habet prout sequitur […]« (AS XIX 09. 04. 1572).
228 Vgl. ebd.
Graphische Ausgestaltung der Testamente als Stadtbucheintragungen
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Während die Paratexte zur Testamentsablegung und/oder Testamentseröffnung hauptsächlich dem Kerntext vorausgehen, folgen die Texte zur Testamentsausführung meistens nach, was der linearen Anordnung der Textwelt entspricht, obwohl einige Erledigungsvermerke in den Kerntext eingeschrieben werden. Entweder werden sie gleich dem Text angereiht, sodass sie im selben Vers des letzten Satzes des Kerntextes anfangen, oder sie werden gleich darunter platziert. Unter diesen können auch Aktenvermerke sein, die auf eine weitere Eintragung auf weiteren Seiten des Aktenbuches oder gar auf ein anderes Aktenbuch verweisen: »Vide Renunctiacione(m) Exequutoris huius, infra Jn actis Cons(ulare)s Crac(owiensis) feria Tertia in Crastino Visitacio(n)is S(ancte) Marie. Anno 1548 = siehe die Meldung dieser Exekutoren innerhalb der Krakauer Ratsakten am Dienstag, der Folgetag nach Visitatio Marie ((2. Juli) = 3. Juli 1548« (AS XIII 21. 10. 1547)).
Über das Nachfeld des Testaments ist eigentlich nur im Fall der testamentarischen Bürgertestamente zu sprechen, bei denen es sich um Paratexte handelt, die einem meist graphisch sehr ausgebauten Kerntext (mit vielen Kleintexten) angehängt werden. Es können bspw. Bestätigungstexte/Beteuerungstexte sein, die bei verschlossenen Testamenten aus dem Rahmen der Urkundenstruktur fallen, nach der Unterschrift als Schlusszeichen folgen und durch den Autor selbst angeschlossen werden (vgl. Kapitel zur Struktur der privaten Testamentsurkunden).
7.3
Graphische Ausgestaltung der Testamente als Stadtbucheintragungen
Bei der Beschreibung der graphischen Ausgestaltung der testamentarischen Eintragungen greife ich erneut auf die Terminologie von Greule und Reimann zurück, da sie das Wesentliche exponiert.229 Die den Kerntext umgebenden Paratexte werden bei diesen Autoren nach ihrer Stellung in Bezug auf denselben mit Hilfe lateinischer Adverbien benannt. Diese Terminologie wurde in der vorliegenden Arbeit übernommen. So werden die Kleintexte oberhalb des Kerntextes als Supratexte bezeichnet, die unterhalb desselben als Infratexte und die neben dem Haupttext platzierten als Juxtatexte. Im Kerntext selbst können dagegen eingeblendete Kleintexte vorkommen, sog. Intratexte. Diese können sowohl parataktisch (nebengeordnet) als auch hypotaktisch (untergeordnet) im Verhältnis zum Haupttext stehen. Im letzten Fall werden sie auch als Subtexte bezeichnet. Als Supratexte fungieren in den testamentarischen Eintragungen in den 229 Vgl. Greule/Reimann 2015.
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Strukturelle Analyse der untersuchten Texte und ihre Einbettung
Krakauer Stadtbüchern meist die (weit aufgefassten) Aktenvermerkte des Amtes. In wenigen Fällen werden diese um eine Überschrift bereichert bzw. durch diese teilweise abgelöst. Infratexte können dagegen sowohl Aktenvermerke bilden als auch Erklärungen der Bedachten bzw. der nach der »normalen« Erbfolge Beteiligten bzw. kleinere Texte des Testierers selbst, die mit seinem Testament in inhaltlicher Beziehung bleiben, wie bspw. Beteuerungen der testamentarischen Bestimmungen oder deren inhaltliche Korrektur bzw. Ergänzung. Eine andere Kategorie bilden die beim Abschreiben in das Stadtbuch einer textuellen Vorlage vergessenen Passagen, die mit einem Asteriks versehen wurden und graphisch unterhalb des Kerntextes oder neben diesem erscheinen, obwohl sie inhaltlich zu diesem gehören. Wie bereits angedeutet, fällt ins Auge, dass sowohl protokollartige, also assertive Einführungen des Amts, als auch einige Infratexte, die vom Amt zusätzlich erfragten Ergänzungen des Testierers bzw. vom Amt erfolgte Erklärungen der an der Sache Interessierten in einem Textblock mit dem Kerntext erscheinen können und keine graphische Abhebung erfahren. In einigen Kerntexten der testamentarischen Eintragungen kommen auch Intratexte vor. Meistens sind es in Klammern gesetzte parenthetisch gesetzte Parataxen, die dann v. a. gegen Ende der untersuchten Periode in den privaten Testamentsurkunden zu finden sind. Juxtatexte kommen bei den testamentarischen Eintragungen auch vor, diese werden aber nur als thematische Orientierungshilfen mit Stichworten zur Navigation im Buch oder zur Navigation im jeweiligen Text am Rande eingesetzt.
7.4
Die graphische Ausgestaltung der drei Texttypen
Bei den testamentarischen Eintragungen (besonders bei den Abschriften der Czedel und der eingelegten Testamente) ist es manchmal nicht leicht, genau und sicher festzustellen, von wem und aus welcher Zeit die Paratexte stammen. Diese können nämlich sowohl vom Testament abschreibenden Kanzleimitarbeiter stammen als auch durch diesen oder seine Kollegen und Nachfolger nachgetragen worden sein – sei es wegen einer nachfolgenden und sich auf das Testament beziehenden sozialen Handlung, die auf dieses Weise verschriftlicht wird (bspw. nachträgliche Einwilligungen der Erben/Erbnehmern oder Erledigungsvermerkte des Amtes) oder wegen eines Versuchs, das Stadtbuch und die Anordnung seiner Eintragungen darin transparenter und nachvollziehbarer zu machen (bspw. Randbemerkungen als Navigationssystem des Inhalts). Dazu kommt noch die viel spätere Forschungstätigkeit, v. a. der Historiker des 19. Jahrhunderts, die nicht besonders schonend mit dem Untersuchungsmaterial umgegangen sind, so dass sie am Rande der Eintragungen Bemerkungen anbrachten, die zur Navigation dienten (notierte Namen, Pfeilverweise – vgl. eine
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Zeichnung mit Zeigefinger ASVI, S. 214; oder Erklärung einiger Wörter und Wendungen aus dem historischen Text, vgl. bspw. ein Juxtatext mit dem polnischen Toponym »wies´ Bielany«, AC 429, S. 15). Besonders wahrscheinlich ist bei solchen nachgetragenen Bemerkungen die Autorenschaft von Ambroz˙y Grabowski, der nach eigenem Zeugnis die Krakauer Stadtbücher »genau durchgesehen« und das zu der Zeit, als diese durch die Nachwelt fast vergessen und in einem Gewölbe des Rathauses zu Krakau in bedauerlichem Zustand lagerten (vgl. seine unmittelbar in ein Ratsbuch eingetragene Notiz AC456, S. 900f.). Möglicherweise stammen von den Historikern und Archivaren also nicht nur kleine parataktische Texte, sondern auch An- und Unterkreuzigungen an den untersuchten Texten.
7.4.1 Grafische Ausgestaltung der Eintragungen von Czedelabschriften und protokollartigen Verschriftlichungen Sowohl in den Gerichtsakten (den AS) als auch in den Ratsakten (AC und LT772) sind alle drei Typen der testamentarischen Eintragungen zu finden. Auf den ersten Blick hebt sich bei der Durchsicht dieser Aktenbücher eines ab: Die zeitlich frühen Eintragungen in den Gerichtsakten wurden im Gegensatz zu denen in den Ratsakten nach der Erledigung der Angelegenheit durchgestrichen. Im Fall der testamentarischen Texte kann dies darauf hindeuten, dass bspw. die materiellen testamentarischen Bestimmungen, die Donationen, vollzogen wurden (vgl. bspw. ASIII 22. 08. 1393). Diese Methode der Kennzeichnung scheint sowohl im Fall der protokollartigen Verschriftlichungen der sozialen Handlungen vor der Behörde als auch der Abschriften der Czedel durchgehend bis Ende des V. Bandes der Gerichtsakten umgesetzt zu werden (das letzte Mal beim testamentarischen Text ASV 25. 08. 1430). Eine zweite Bemerkung, die sich gleich bei einer zweiten Durchsicht einstellt, ist, dass die Kerntexte der testamentarischen Eintragungen – also Texte, die ggf. umgelagert wurden, von ggf. abgesetzten Paratexten (wie überhaupt Kerntexte aller Eintragungen aus der untersuchten Periode) keine graphische Einteilung, also keine Absätze, aufweisen. Die erste testamentarische Eintragung in den AS, die in Absätze bzw. thematische Blöcke aufgeteilt ist, ist die Czedelabschrift ASVI 10. 02. 1441. Wahrscheinlich wurden die Absätze nach dem Original abgebildet, da die erste protokollartige Verschriftlichung in den AS mit Absätzen erst Jahrzehnte später auftaucht (ASIX 14. 06. 1507). Diese Ausgestaltungsmöglichkeit wird aber in weiteren Protokollen nicht durchgehend umgesetzt. In den Ratsakten wurde eine erste testamentarische protokollartige Eintragung mit absatzartiger Einteilung viel früher verzeichnet (LT772 24. 11. 1441, vgl. Text Nr. 8 in der anhängenden Kleinedition), in der das Schuldenverzeichnis von den testamentarischen Bestimmungen abge-
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Strukturelle Analyse der untersuchten Texte und ihre Einbettung
sondert wurde. Seit 1470 (LT772 17. 08. 1470, ein Text mit mehreren Absätzen) wird die graphische Einteilung des Kerntextes immer häufiger, obwohl sie nicht durchgängig beibehalten wurde. Um die graphische Ausgestaltung der Großtexte der Czedelabschriften und der protokollartigen Verschriftlichungen in den AS, den AC und dem LT772 vergleichen zu können, habe ich die einführenden Paratexte des Amtes (S, AV) und die einführenden assertiven Teiltexte des Kerntextes zusammengestellt.230 Bei den protokollartigen testamentarischen Eintragungen in den AS werden die Paratexte der Behörde (mitgerechnet auch die einfachen Aktenvermerke mit Datum) durchgehend als Supratext über den Kerntext der Eintragung platziert und nicht ein einziges Mal an diesen angereiht. Bei den Czedeln dagegen sind zwei Drittel aller Fälle überschrieben, der Rest ist dagegen an den Kerntext angereiht (vgl. als Beispiel für die zweite Möglichkeit der Text Nr. 1 aus der angehängten Kleinedition). Die Graphik der protokollartigen Eintragungen in den Ratsakten ist in dieser Hinsicht ähnlich wie in den AS: Im LT772 werden sie durchgehend abgesetzt; in den AC fast durchgehend verwendet. Bei den Eintragungen mit den Czedelabschriften zeichnet sich jedoch in den Aktenbuchreihen des Rats eine andere Tendenz ab, obwohl die Zahl ihres Vorkommens hier insgesamt geringer ist und deswegen auch mögliche Schlussfolgerungen eher vage zu nennen wären: In dem LT772 werden die Paratexte der Behörde fast durchgehend abgesetzt; in den AC findet sich in dieser Hinsicht keine angereihte Ausnahme. Was die assertiven Teiltexte des Kerntextes angeht, ist festzustellen, dass diese (sowohl in den Gerichts- als auch in den Ratsakten) in den Eintragungen mit den Czedelabschriften (und wahrscheinlich auch in den abgeschriebenen und nicht mehr überlieferten Czedeloriginalen) vom Rest des Kerntextes nicht abgesetzt werden (vgl. den Text Nr. 4 in der angehängten Kleinedition); eine ähnliche Tendenz gilt auch für die protokollartigen Eintragungen. Eine Absetzung dieser Teiltexte jedoch geht bei den zeitlich späteren protokollartigen Verschriftlichungen der Testamente mit der Tendenz zur Absatzbildung und graphischer Einteilung des Kerntextes einher. Diese Teiltexte werden in allen Stadtbuchreihen fast durchgehend nicht abgesetzt. Es finden sich lediglich sechs Ausnahmen in den AS, alle sechs im 15. Jahrhundert. An dieser Stelle werden keine weiteren Paratexte (wie Intra-, Infra- und Juxtatexte) der Eintragungen mit Czedelabschriften und der protokollartigen Verschriftlichungen der Testamente behan230 Hier werden keine Eintragungen mit Abschriften der Dokumente der Behörden berücksichtigt. Zu bedenken ist auch, dass jeder Großtext mehrere Paratexte und Teiltexte beinhalten konnte. Hier zusammengerechnet wurden nur die Texte, die unmittelbar den Kerntext umlagerten, also wenn Supratexte mit den Gerichtsdaten vor einer Reihe von Einträgen vorkamen und nicht in der nächsten Umgebung des betreffenden Eintrags standen, wurden nur abgesetzte andere Aktenvermerkte in dem Großtext mitgerechnet.
Die graphische Ausgestaltung der drei Texttypen
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delt. In dieser Frage muss auf das Kapitel zu den Paratexten und auch auf die tabellarische Zusammenstellung verwiesen werden.
7.4.2 Graphische Ausgestaltung der Eintragungen von Abschriften eingelegter Testamente 7.4.2.1 Vorbemerkungen zum Großtext der Eintragung mit Testamentsurkundenabschriften In den folgenden Analysen werden Abschriften eingelegter Testamente als ein Ganzes betrachtet. Alle Teiltexte der Abschrift bilden also einen Großtext. Ausgegangen wird dabei von einem groß angelegten Schema einer Urkunde (vgl. Spácˇilová 2000). Um diesen Großtext werden dann bei der Eintragung in das Stadtbuch – bzw. danach – verschiedene Paratexte gruppiert. Besonders bei den Eintragungen mit Abschriften eingelegter Urkunden ist es manchmal nicht leicht, genau und sicher festzustellen, von wem und aus welcher Zeit die Paratexte stammen. Diese können nämlich sowohl vom das Testament abschreibenden Kanzleimitarbeiter stammen als auch durch diesen/seine Kollegen und Nachfolger nachgetragen worden sein – sei es wegen einer nachfolgenden und sich auf das Testament beziehenden sozialen Handlung, die auf dieses Weise verschriftlicht wird (bspw. nachträgliche Einwilligungen der Erben/Erbnehmern oder Erledigungsvermerkte des Amtes) oder wegen des Versuchs, das Stadtbuch – oder nur einzelner Eintragungen in demselben – durchsichtiger zu machen (bspw. Randbemerkungen als Navigationssystem des Inhalts (vgl. der Text Nr. 6 in der anhängenden Kleinedition). Die Paratexte des Amtes, die sich auf zusätzliche vorausgegangene oder nachfolgende soziale Handlungen beziehen, werden im einschlägigen Kapitel näher behandelt. An dieser Stelle gilt es, das Augenmerk aber v. a. auf den Kerntext der Privaturkunde selbst und den von dem Autor/Ersteller (Schreibauftragsausführer) angebrachten Paratext zu legen. 7.4.2.2 Graphische Ausgestaltung der Urkundenabschrift Abschriften der eingelegten (verschlossenen als auch offenen) Testamente sind meist in graphisch ausgebauter Form in den testamentarischen Eintragungen der Stadtbücher zu finden. Zum einen liegt das an der graphischen Form der Bürgerurkunde selbst, die um die Überschaubarkeit und einer erhobenen Darstellung willen nicht am Papier spart, zum anderen aber an der ziemlich getreuen Abschreibung seitens der Kanzleimitarbeiter. Da seit dem ersten testamentarischen Eintrag bis ins 14. Jahrhundert hinein auch das anfänglich genutzte Pergament durch das nunmehr auch erschwingliche Papier ersetzt wurde, war es
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Strukturelle Analyse der untersuchten Texte und ihre Einbettung
möglich, ein Testament und dessen Eintragung ins Stadtbuch graphisch in mehrere Teiltexte einzuteilen. In den anfänglichen Abschriften (und wahrscheinlich auch die Originale) wurden zwar Absätze (eher) weniger verwendet, aber die Paratexte werden schon bald (teilweise schon im ersten eingelegten und in das Stadtbuch abgeschriebenen Testament (ASIX 30. 03. 1502) vom Urkundentext deutlich abgesetzt. Während aber noch in einigen früheren Privaturkunden (ASIX 31. 03. 1512 und ASX 10. 12. 1517) ganz auf eine graphische Unterteilung verzichtet wurde und lediglich ein Leezeichen den abgeschriebenen Testamentstext von den Paratexten trennte, weisen alle späteren testamentarischen Eintragungen konsequent eine ausgebaute Struktur auf, die den Großtext der abgeschriebenen Urkunde von den einführenden Paratexten der Behörde trennen. Auch der Testamentstext selbst erfährt eine graphische Unterteilung, die sich in erster Linie auf die Dispositio bezieht, welche sich in thematische Blöcke unterteilt. Diese Textblöcke beginnen jeweils mit einem neuen Vers; und mit der Zeit werden auch diese durch eine Leerzeile voneinander getrennt. Bei diesen handelt es sich seltener um einzelne Legate, die nur in registerhaften Aufzählungen jeweils untereinander platziert werden, vielmehr bilden die abgesetzten Teile der Dispositio thematisch geordnete Kleintexte (um sich wieder der Terminologie von Greule/Reimann zu bedienen), die ggf. auch mehrere Legate sowie andere Verfügungen oder/und assertative Aussagen umfassen können. Ziemlich spät beginnt dagegen eine konsequente graphische Absetzung des anfänglichen Teils (der Arenga) von der Dispositio. Die Kleintexte der Corroboratio werden dagegen vom Anfang ihres Vorkommens an in den Abschriften von der Disposition getrennt. Die abgebildete Unterschrift – falls sie vorhanden ist – wird auch (so wie im Original) rechts platziert. Insgesamt aber lässt sich innerhalb des 16. Jahrhunderts ein deutlicher Ausbau der graphischen Struktur der abgeschriebenen testamentarischen Bürgerurkunden feststellen (vgl. Text Nr. 7 in der anhängenden Kleinedition). 7.4.2.3 Intratexte des Autors/Schreibauftragausführers Es kann sich bei den Intratexten sowohl um Texte des Amtes, etwa Aktenvermerke (worüber noch im weiteren Verlauf der Studie die Rede sein wird), handeln als auch um Passagen, die vom Ausführer der originalen Bürgerurkunde stammen. Bei den eingelegten Testamenten wird bereits bei der primären Niederschrift von der Einsatzmöglichkeit eines Intratextes Gebrauch gemacht. In diesem zweiten Fall sind neben den Zwischenüberschriften im Testamentstext (nur in zwei Texten anzutreffen): »Vas ich schuldig bin ist das […]« (ASX 06. 10. 1525) und »Jt(em) daß pfremde volgett hernach […]« (LT773 04. 11. 1556, S. 6–8; siehe Text Nr. 9 in der anhängenden Kleinedition) auch Ergänzungen des Haupttextes, die als Parenthesen in Klammern stehen (vorgekommen in drei im
Die graphische Ausgestaltung der drei Texttypen
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Folgenden angeführten Testamentsurkunden), zu denken. Diese können unterschiedliche Rollen im Text einnehmen und sich auf unterschiedliche Elemente der Textwelt bzw. der außertextuellen Realität beziehen. Entweder können sie neue Informationen/Bestimmungen beinhalten 1) Angaben präzisieren bzw. auf die bereits im Text erwähnten Angaben hinweisen: »Welche 5000 pf(loren) wyrdt (der Vorgemeltte her Niclas Salomon) Vorppflichtt ßaynn maynem lyeben bruder Vnd den pformundenn oder exequutorenn nyder Zu legenn […]« (ASXIII 29. 11. 1547),
2) sich auf verwendete Formulierungen beziehen und diese ggf. bspw. betonen oder abmildern: »Jtem ob sich Jmandt vormesse(n) vnnd Ansage(n) woldte wy das ich Jhn zw eine(m) erbe Meynes guttes vnnd gutt(e)r (wiewol sie klein seint) oder czw eynem freunde auffgenome(n) hette […]« (ASXIII 29. 11. 1547),
3) oder aber rein rhetorischen (rhetorisch-dogmatischen) Zwecken dienen (3): »Beger das nach meyne(m) todt (welchen de rallmechtige gott schicken wöl wann ßeynn gotlicher wyll yst , nach ßeynem gotlichem lob vnd nach mayner ßel ßelickaitt) dyeßer meyner letZster wyll vnnd verordnung […]« (ASXIII 14. 05. 1547).
7.4.2.4 Supratexte des Autors/Schreibauftragausführers Die Supratexte, die aus dem Original der privaten Urkunde übernommen wurden, kommen nach dem einführenden Paratext des Amtes vor. Nicht selten verweisen die Letzteren auf den Inhalt des abgeschriebenen Originals mit entsprechenden Verweisformeln, die aus dem Original übernommen werden und die die Zitation eröffnen. Wenn dieser eine Überschrift dem Urkundentext vorausgeht, gehört diese unverkennbar dem Original an. Die Überschrift kann in Form einer Nennung des Namens des Testierers und der Textsorte (ASX 10. 12. 1517, ASXI 23. 06. 1531, LT772 23. 12. 1513, LT773 04. 11. 1556, S. 36–38) des Datums (ASXI 13. 02. 1538, ASXIII 22. 03. 1544) oder einer andächtigen Phrase, etwa einer Anrufung Gottes, vorkommen (ASXIV 12. 03. 1550).
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Strukturelle Analyse der untersuchten Texte und ihre Einbettung
7.4.2.5 Infratexte des Autors/Schreibauftragsausführers Was die Infratexte in den Eintragungen mit den eingelegten Testamenten als Haupttexten anbelangt, kann und soll hier auf die Infratexte hingewiesen werden, die vom Testierer selbst stammen und die über den Schemarahmen einer Urkunde hinausreichen, also nach der (abgeschriebenen oder nur an dieser Stelle im Original vermuteten) Unterschrift auftreten. Es kann sich hier um Paratexte handeln, die die Bestimmungen des Haupttextes modifizieren (im Text ASXIII 14. 05. 1547 wurden diese im Nachfeld eingetragen und beziehen sich auf die vom Aussteller/Testierer selbst annullierten und durchgekreuzten Passagen der eigentlichen Urkunde). Im erwähnten Beispiel wurden die nachträglich modifizierten Bestimmungen im Testament durchgestrichen. Auf diese annullierten Passagen beziehen sich die nachträglich vom Testierer gesetzten Infratexte. Die Infratexte wurden samt Testamentstext und den Durchstreichungen vom Kanzleimitarbeiter getreu abgeschrieben.
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Kerntexte der Stadtbucheintragungen als abgeschriebene Vorlagen
8.1
Originale Czedel und deren Abschriften
In meiner Untersuchung gehe ich davon aus, dass die in den Stadtbüchern zu findenden testamentarischen Texte dem Wortlaut testamentarischer Urkunden entsprechen. Das wird auch immer in der protokollartigen Einleitung angemerkt – sei es auf Deutsch oder Latein – und was sich aus dem logischen Argumentations-Prinzip a maiori ad minus ableitet, der vom Größeren auf das Kleinere schließt.231 Auch die Textstruktur der in den Stadtbüchern niedergeschriebenen testamentarischen Texte wird getreu wiedergeben. Es muss jedoch bemerkt werden, dass es sich um keine 1:1-Abschriften handeln muss. Viele der Texte weisen Auslassungen auf, die durch die Kürzung »etc(.)« im abgeschriebenen Text gekennzeichnet sind. Dadurch weiß man zumindest, an welcher Stelle gekürzt wurde. Im Normalfall sind die Auslassungen nur an der Kürzung »etc(.)« zu erkennen. Diese Kennzeichnung ist jedoch nicht obligatorisch. Man muss daher auch Textstellen vermuten, die ohne eine entsprechende Kennzeichnung ausgelassen wurden. Die gekennzeichneten Fälle lassen aber annehmen, dass in der Regel an den Stellen gekürzt wurde, wo es um rhetorische Passagen geht – bspw. bei ausgebauten Herrschafts- und Veränderungsklauseln –, die die Sprachgewandtheit zeigen, aber keine inhaltlich bedeutsamen Elemente des Textes darstellen. Im Fall der Herrschafts- und Veränderungsklausel wird gekürzt, ohne den Inhalt zu verändern, da die Zeitgenossen genau wussten, was z. B. eine zurückgehaltene Gewalt im Fall der Güterverfügungen bedeutet und welche Rechte sie dem Verfügenden gewährt. Eine ausgebaute Form findet sich bspw. im Text LT772 28. 08. 1436:
231 Das Argumentum a maiori ad minus bezeichnet in der juristischen Methodenlehre den Schluss von einer weitergehenden Regelung auf eine weniger Voraussetzungen erfordernden Fall mit der Folge, dass die Rechtsfolge einer Rechtnorm auch für den weniger weit gehenden Tatbestand bejaht wird.
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Kerntexte der Stadtbucheintragungen als abgeschriebene Vorlagen
»[…] her behald im dy hirschaft dy weyle her lebit das obgenante gemechte czu wandeln czu nedirn un(d) czu hoͤ en noch seyme willen, […]«
während in den meisten Testamenten eine verkürzte Form vorkommt, die in dem angeführten Fall lauten könnte: »her behald im dy hirschaft dy weyle her lebit«. In Krakau sind leider keine originalen Testamentsurkunden (also im Amt zum Aufbewahren eingelegte Testamente) der Bürger überliefert worden. Auch keine Urkunden des Rates und des Gerichts sind überliefert, obwohl deren Abschriften in den Stadtbüchern vorkommen. Derselbe Mangel kann weiter bei den Notizen zu den Eintragungen der protokollartigen Eintragungen festgestellt werden (außer Zweifel steht, dass solche während der Amtssitzung angefertigt wurden und als Vorlage für die Eintragungen selbst dienten, wovon die nicht selten anzutreffenden Korrekturen in den letzteren Eintragungen zeugen). Lediglich drei originale testamentarische Czedel (zwei Testamente und eine Vergabung des Todes wegen) sind erhalten, die auf Deutsch verfasst wurden: ASIII 22. 08. 1393, S. 106, ASIII 18. 11. 1395, S. 189–190, ASIII 10. 07. 1394, S. 141. Sie sind zwischen den Seiten eines frühen Gerichtsbuches aufbewahrt (ASIII) und dienten als Vorlagen der im Stadtbuch auch tatsächlich ausgeführten Eintragungen (vgl. hierzu Texte Nr. 1 und Nr. 2 in der angehängten kleinen Edition). Es fällt auf, dass die Testamente auf den Czedeln nicht unterschrieben wurden (auch nicht der Text von Nicolaus Dambraw, der bei der Einlegung vorgab, sein Testament eigenhändig niedergeschrieben zu haben, was vom Amt notiert wurde). Das Fehlen einer abgeschriebenen Unterschrift bzw. einer Nennung derselben ist also jeweils keine Kürzung des abschreibenden Kanzleimitarbeiters, wie man vermuten könnte. Vielmehr wurde ein Czedel als Projekt eines Testaments aufgefasst, das nicht durch die Unterschrift, sondern durch ihre Vorstellung vor der Behörde und der Eintragung in ein Stadtbuch seine Rechtsgültigkeit erlangte. Ähnliches kann man auch von den protokollartigen Testamenten behaupten, die vor der Behörde aufgesagt wurden und erst dann ihre Sanktionierung erlangten. Die den präambelhaften Satz auslassende Abschrift des Czedels lässt andererseits die These der – mindestens ab und zu – vorgenommenen Kürzungen bei dem Abschreiben der Originale in die Stadtbücher zu. Des Weiteren ist auf die im Original des Czedels von Nicolaus Dambraw enthaltene Kürzung bei der gängigen Veränderungsklausel: »[…] ydoch wil ich des eyn h(e)re zin et c(etera)«. Dies kann auch ein Hinweis darauf sein, dass es sich bei den in den Abschriften (Eintragungen) durch mit et cetera gekennzeichneten Stellen nicht immer/nicht unbedingt um eine Auslassung im Vergleich zum Original gehandelt haben muss, weil sich solche Auslassungen auch direkt in der Vorlage befinden könnten. Das bereits erwähnte Beispiel einer Auslassung in der Abschrift des Czedels von Nicolaus Dambraw zeigt, dass diese Auslassungszeichen vom Original in die Abschrift übernommen wurden. Es war
Mehrere Testamente derselben Testatoren
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überdies in der damaligen Amtssprache sogar zugelassen, gängige Formeln zu kürzen, was bspw. – um nicht weit zu suchen – in der amtlichen Einführung zum Testament ASIII 22. 08. 1393 umgesetzt wurde.
8.2
Mehrere Testamente derselben Testatoren: Unterschiede im Inhalt und in der Struktur
Nur ein kleiner Teil der Testierer entschied sich dafür, sein – meist über Jahre modifiziertes – Testament mehr als einmal in die Stadtbücher eintragen zu lassen. Die Außerkraftsetzung der testamentarischen Verfügungen, ohne neue Testamentsnehmer zu bestimmen, bedeutete dabei eine Rückkehr zur zeitgenössisch üblichen Erbfolge. Die Widerrufung eines Testaments war also nur die Rücknahme von abweichenden Regelungen. Um Testamente in den Stadtbüchern feststellen zu können, die vom gleichen Testierer stammten, muss man besonders vorsichtig vorgehen. Wenn in dem Korpusmaterial Testamente auftauchen, die von Testierern stammen, deren Name auf die Personengleichheit hindeuten könnte, bleibt es unsicher, ob es sich tatsächlich um Testamente derselben Testierer handelt oder eben nicht. Bei den sich in Testamenten wiederholenden Namen der Testierer muss erwogen werden, ob es sich tatsächlich um ein und dieselbe Person handelte oder nicht. Die Daten der Eintragungen bzw. der Testamentsablegung und die Dauer einer normalen Lebenserwartung können nicht immer behilflich sein. Diese kann sich in einigen Fällen als besonders tückisch herausstellen, da zwischen der Anfertigung eines Testaments und seiner Übernahme ins Stadtbuch eine längere Periode liegen kann. Derartiges ist bspw. in den Testamenten aus dem LT773 der Fall, bei dem die dem Gericht ursprünglich anvertrauten geschlossenen Testamente aus dem zweiten bzw. dritten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts erst 1556 in das Testamentsbuch eingetragen wurden. Die Namengleichheit mehrerer Personen war in der Zeit, in der Menschen nach ihrem ausgeübten Beruf oder nach persönlichen Eigenschaften bezeichnet wurden, wahrscheinlich kam jedoch wegen der relativ geringen Bevölkerungsdichte in überschaubarem Maße vor. In seinem Testament erwähnt bspw. Nicolaus Paternoster seinen Neffen, der ebenso heißt. Diese namenartige Bezeichnung kann ihren Ursprung in der praktizierten Religiosität oder im Beruf – der Anfertigung von Rosenkränzen – gehabt haben. Praktiziert wurde auch die Tradition, dem Sohn den Vornamen des Vaters bzw. anderer nahe verwandter männlicher Familienmitglieder zu geben. Eine Kennzeichnung wie im Fall von Peter Krupeck, als dieser von der Behörde bei der ersten Testamentsablegung als der Ältere in Abgrenzung zu seinem gleichnamigen Sohn benannt wird, musste ja nicht unbedingt vorkommen. In seinem zweiten Tes-
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Kerntexte der Stadtbucheintragungen als abgeschriebene Vorlagen
tament fehlt nämlich diese bereits. In den Texten, in denen sich die Namen der Testierer wiederholen, wären also auch die Angaben zur Person und ihrer familiären Situation/dem sozialen Umfeld zu prüfen, bspw. die Namen der jeweils im Testament erwähnten Familienmitglieder. Die Namen der Mitglieder der Kernfamilie (wie der Geschwister, die als Erbnehmer bzw. sog. Vormunde/Exekutoren, erwähnt werden sein konnten) geben eine sicherere Auskunft zur Identifikation des Testierers als die Angaben zur selbst gegründeten Familie. Die hohe Rate des vorzeitigen Ablebens der Frauen – v. a. im Kinderbett – ließ nämlich die Männer mehrmals heiraten und neue Familien gründen. Wenn die zusätzlichen Angaben zum familiären Umfeld nicht hinreichend sind, lässt sich nicht immer mit Sicherheit feststellen, ob zwei Testamente von gleichnamigen Testatoren in der Tat von ein und derselben Person stammen. Zu den weit auseinanderliegenden Testamenten von gleichnamigen Testatoren zählen die letztwilligen Verfügungen der Personen Georg Mornstein, die über ein halbes Jahrhundert verteilt sind (ASX 27. 03. 1514 bis ASXVII 24. 05. 1563). Im ersten Text testiert ein wahrscheinlich junger Mann, der noch keine Familie gegründet hat, da er nur zugunsten seiner Kernfamilie testiert (seine Schwester wird als Jungfer bezeichnet). Der zweite Text stammt dagegen von einem Familienvater, der bereits vier Söhne hat (mindestens einer ist bereits mündig). Auch scheinen die beiden weit auseinanderliegenden Testamente vom gleichnamigen Testierer Erasmus Bank möglicherweise von ein und derselben Person zu stammen. Im ersten Teil kann es sich um einen jungen Mann handeln, der mit einer Frau Namens Anna verheiratet ist, noch keine Kinder hat und auf seine Brüder als Exekutoren zählt. Im zweiten Testament geht es jedoch um einen gestandenen Ratsmann der Stadt Krakau, dessen Kinder (einer der Söhne trägt den Vornamen seines Vaters) bereits mündig ist und zum Exekutoren gemacht zu werden tauglich ist (die Frau Catharina kann eine zweite Gemahlin sein). Dank einem Vergleich zwischen dem familiären Umfeld, das in beiden Texten aus den einzelnen Legaten herauszulesen ist, ließ sich dagegen feststellen, dass die zwei zeitlich nah beieinanderliegenden Testamente von Claus/Nicolaus (ASX 06. 08. 1521 und LT773 13. 11. 1556/21. 04. 1524) eigentlich von Vater und Sohn stammen. Nach dem Aussortieren der Morgengaben und der evidenten Vergabungen des Todes wegen (was aber auch immer noch einen Spielraum für Mischformen offenlässt) konnten 24 sich wiederholende Namen der Testierer in den Krakauer Stadtbüchern festgestellt werden (vgl. nachfolgende Tabelle). In Klammern angegeben sind die Namen der Testierer, die mehr als einmal ihr Testament in die Krakauer Stadtakten einführten. Es wurde auch angemerkt, wo die grammatische Person in den protokollartigen Verschriftlichungen dieser sozialen Handlung stattgefunden hat.
Mehrere Testamente derselben Testatoren
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ASVIII 29. 05. 1472 – ASVIII 01. 06. 1473 (Paul Apteker), ASIX 01. 09. 1508 (Ich-Form) – ASIX 15. 12. 1512 (Er-Form) (Johannes Lang), ASIX 07. 04. 1508 -ASX 06. 09. 1520 (Testamentserweiterung) (Gregor Heckel) Protokoll-Protokoll ASIX 18. 05. 1506 – ASX 09. 05. 1518 – ASX 18. 12. 1520 – LT772 vor Gericht und Rat 17. 03. 1521 (Merten Phillip)
Protokoll-Protokoll vor Gericht
AC428 03. 03. 1432 – AC428 28. 08. 1436 (Jorgen Schwarz), LT772 28. 01. 1491 – AC431 01. 06. 1502 (Georg Lang), Protokoll-Protokoll LT772 11. 01. 1439 (Ich-Form) – LT772 29. 04. 1456 (Er-Form) vor Rat (Heinrich Lode), AC428 30. 09. 1439 – LT772 24. 03. 1457 (Johannes Schweidnitzer) Czedel-Czedel ASVI 12. 08. 1435 – ASVII 09. 09. 1457 (Paul Tanneman), vor Gericht ASVII 23. 08. 1448 – ASVII 18. 10. 1448 (Nicolaus Paternoster) ASVI 18. 09. 1439 – AC429 04. 12. 1450 (Johannes Stolle), Czedel-Czedel AC428 29. 12. 1413 (in einer Urkunde) ASXIV 05. 11. 1417 vor Gericht und Rat (Urkunde des Rates in Urkunde des Gerichts) (Nocolaus Zeginkop) ASVI 05. 05. 1436 (nur Anfang, dann das Info des Gerichts, das dieses Testament cassiert worden ist) – ASVI 11. 07. 1438 (Czedel – obwohl als Testamentum bezeichnet, gibt es nur eine Erbin, die Czedel-Protokoll Frau, eher die Richtung Vergabung des Todes wegen) – ASVI 02. 10. 1439 (Protokoll) (Johannes Briger), LT772 12. 04. 1443 (Czedel) – ASVII 08. 04. 1450 (Protokoll) (Katherina Glazerin) LT772 09. 12. 1444, AS11. 12. 1444 – (Michel Morner) – Protokoll-Czedel LT772 28. 04. 1458 – ASVIII 16. 01. 1461 (Simon Noldener), LT772 04. 03. 1448 – LT772 31. 05. 1456 (Barbara Putko) ASX 27. 03. 1514 – ASXVII 24. 05. 1563 (Protokoll) (Erasmus Bank), ASX 03. 07. 1515 (Protokoll) – LT773 04. 11. 1556/31. 12. 1522 (Protokoll) (Caspar Beer/Ber), ASIX 09. 10. 1512 – ASX 07. 08. 1528 (geschlossen) – ASXII 14. 04. 1540 (geschlossen, eigentlich zwei nacheinander Protokoll, eingetragene, das jüngere ist nur eine Modifikation des in Kraft verschlossene gehaltenen älteren (Mathie/Mathias Stos/Schwob), Testamentsurkunde ASX 16. 04. 1518 – LT773 13. 11. 1556/11. 03. 1519 (Dorothea Schwobin), ASX 14. 05. 1516 – ASX10. 12. 1517 (Wolfgang Hilner), ASXI 31. 05. 1532 – ASXI 13. 02. 1538 (Peter Krupeck d. Ä.), LT772 01. 03. 1500 – ASXV 09. 04. 1557/17. 03. 1557 (Gregor Mornstein)
Anhand der zusammengestellten wiederholten Testamente derselben Testierer lässt sich die Tendenz zum erneuten Testieren vor derselben Behörde feststellen, vor der bereits das erste Testamente niedergelegt wurden. In ca. einem Drittel aller Fälle (zehn) wählt der Testierer allerdings ein anderes Amt (entweder das Gericht oder den Rat).
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Kerntexte der Stadtbucheintragungen als abgeschriebene Vorlagen
Die weitere Tendenz betrifft die Art und Weise, wie ein Testament abgelegt wurde. Ein Wechsel zwischen dem Aufsagen des Testamentstextes vor einer Behörde und dem Vorlegen eines bereits schriftlich fixierten Textes mit testamentarischen Verfügungen (Czedel bzw. geschlossenes Testament) hat in den meisten Fällen nur in diese eine Richtung stattgefunden: Entweder blieb der Testierer bei der Ablegung seines neuen Testaments bei der Form, die er beim früheren Testieren gewählt hat (14 Fälle), oder er entschied sich bei seiner späteren Testamentsablegung für das Vorlegen eines bereits schriftlich fixierten Textes bei der Behörde. Lediglich in zwei Fällen – nämlich bei Johannes Briger und Katharin Glazerin – wurde das Gegenteil praktiziert. Bei den wiederholten Testamenten überwiegen die Gerichtsbücher als Eintragungsorgan. Zu betonen wäre in diesem Zusammenhang das vermutete größere Vertrauen, dessen sich das Gericht im Vergleich zum Rat erfreut haben mag. Da die Eintragung eines verschlossenen Testaments erst nach dem Ableben des Testierers erfolgt, ist es plausibel, dass keine doppelten Urkundenabschriften solcher Art (in denen die eine Modifikation der früheren gewesen wäre) in den Stadtbüchern anzutreffen sind (ausgenommen Ergänzungen zum ersten Testament von Matthis Stos/Schwob, die allerdings eine separate, bei der Behörde im Zusammenhang mit dem ersten Testament eingelegte, Urkunde ausmacht). Wenn ein jüngeres Testament bei der Behörde eingelegt wurde, verlor automatisch das ältere seine Gültigkeit, wurde vom Testierer zurückgefordert und auch post mortem nicht eröffnet und eingeschrieben. Was die zeitliche Distanz zwischen den eingetragenen Testamenten derselben Personen angeht, ist diese sehr unterschiedlich. In einigen Fällen handelt es sich wohl um beinahe klammerartige (epochale) Perioden zwischen der ersten Ehe und dem Lebensabend, wie in den bereits erwähnten Texten von Erasmus Bank. Es gibt aber auch solche Testamente, die rasch nacheinander folgen, so dass kein halbes Jahr zwischen der einen und der anderen Eintragung vergeht. Hier zu erwähnen wären Testamente von Michel Molner (ASVI 11. 12. 1444 und LT772 09. 12. 1444), Nicolaus Paternoster (ASVII 23. 08. 1448 und ASVII 18. 10. 1448) und Merten Philipp (ASX 18. 12. 1520 und LT772 17. 03. 1521). Beim Wechsel bzw. der Kombination protokollartiger Testamente mit geschlossenen Testamenten, die zeitlich kurz hintereinander erfolgen, wäre die Frage nach dem Strukturwechsel sinnlos, da die Unterschiede sich aus dem jeweiligen Texttyp ergeben. Man kann sich aber nach den Unterschieden im Inhalt der Bestimmungen und ggf. nach den Gründen des Wechsels im Modus der Testamentsablegung fragen (bei Berücksichtigung einiger Unterschiede in der Struktur, die sich aus dem jeweiligen Texttyp ergeben). Die Entstehung mehrerer gleichzeitig gültiger Testamente kann geplant sein und bspw. der Präzisierung der in einem protokollartigen Eintrag erwähnten Bestimmungen dienen (vgl. das erste Testament von Wolfgang Hilner zugunsten seiner Frau, in
Mehrere Testamente derselben Testatoren
125
dem wegen Einzelheiten betreffs weiterer Bestimmungen auf eine eingelegte Urkunde bzw. ein weiteres Testament verwiesen wird). Die Unterschiede in den Testamentstexten, die einander ablösen, können sich dagegen über kleine Modifikationen (Ergänzungen) der Bestimmungen bis hin zu gravierenden Änderungen des Inhalts erstrecken. Für die erste Variante kann das Beispiel von Dorothea Schwobin gelten, die in ihrem geschlossenen Testament eine Verpflichtung dem Mann ihrer Enkelin gegenüber auferlegt, die die Unterhaltung ihres weiteren Enkels, bis er 20 Jahre wird, betrifft. Diese neue (allerdings nicht vermögensrechtliche) Bestimmung ist eine Bereicherung des neuen Testaments im Vergleich zum früheren. Für die zweite Variante können die beiden Testamente von Peter Krupeck gelten: in der zweiten wird die üppige Donation zugunsten eines seiner Söhne, der mit dem Testierer im Handel tätig war, deutlich gekürzt und weitgehend zurückgenommen. Während es sich im ersten Beispiel – Wolfgang Hilner – um die festgehaltene Sicherung der Frau handelt, was durch die Herausstellung ihrer Person als wichtigste Erbin durch die Eintragungen der sie betreffenden Bestimmungen in ein Stammbuch realisiert wurde, wollten die Urheber der zwei weiteren geschlossenen Testamente wahrscheinlich die modifizierten Bestimmungen vor anderen Interessenten geheim halten. Das war der Grund dafür, dass sie den Modus eines verschlossenen Testaments wählten. Solche Modifikationen waren auch im Fall anderer Formen des Testierens möglich (Czedel, Protokoll). Es bestand aber immer die Gefahr, dass die – ihrer Meinung nach – Zukurzgekommenen bzw. ungerecht behandelten Erbberechtigten noch zu ihren Lebzeiten Druck auf den Testierer ausüben werden (vgl. das Testament von Dorothea Stelmacherin: die Testiererin wurde wahrscheinlich durch die – anfänglich mit gutem Grund vom Erbgang ausgeschlossene Tochter (samt deren Mann) – dazu bewogen, ein neues zugunsten der letzteren modifiziertes Testament abzulegen oder davon abgebracht, Modifikationen der üblichen Erbfolge zu unternehmen, vgl. ASVI 27. Mai 1440). Bezüglich der Änderungen in der Struktur der Testamente desselbigen Testierers kann sich eine Untersuchung dann ergiebig erweisen, wenn die Texte zeitnah im selben Texttyp erscheinen (Protokoll–Protokoll bzw. Czedel–Czedel). Unter den zeitnahen protokollartigen Testamenten desselben Testierers sind hier die Texte von Paul Apteker und Merten Philipp zu nennen. Die beiden Testamente des erstgenannten wurden in dasselbe Stadtbuch eingetragen (ASVIII). Während das erste eine Art Überschrift beinhaltet, fehlt diese bei dem späteren. Beide beginnen mit der Klärung der Rechtsgrundlage: Das erste beruft sich auf das Urteil des Rates bezüglich der freien Verfügungsgewalt über das sog. wohlgewonne Gut, das zweite – mit dem Widerruf des früheren Testaments und der Berufung auf die dort enthaltene (und auch im Rechtssystem selbst begründete)
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Kerntexte der Stadtbucheintragungen als abgeschriebene Vorlagen
Veränderungsfreiheit. Das erste beinhaltet auch ein Verweisstück auf die Dispositio, welches beim zweiten, das weniger ausgearbeitet scheint, fehlt. Beide können aber die Thematisierung der Testierfähigkeit vorweisen. Inhaltlich geht es um eine teilweise Wiederholung der Verfügungen und um das Einschließen der Enkel in den Erbenkreis. Die beiden Testamente von Merten Philipp stellen dagegen ein Beispiel des Wechsels der Behörde dar. Im ersten Testament, für das das Gericht gewählt wurde, wurden viele Verfügungen gemacht, im zweiten – vor dem Rat abgelegten – geht es nur um das Haupterbe, das Haus. In beiden Texten ist die Testierfähigkeit erwähnt. Warum es zum Wechsel der Behörde, vor der testiert wurde, gekommen ist, bleibt offen. Allerdings kann man von der vom Gericht auf den Rat delegierte Befugnisse den niedrigeren Rang der zweiten Behörde in solchen Angelegenheiten schließen: »Welches testament ist besteiget worden das es krafft vnnd bundt hatt inhaldt der Stadt privilegia vnnd gerechtickeit sam es vor dem gehegte dingk gescheen wer […]« (vgl. ASX 18. 12. 1520 und LT772 17. 03. 1521). Als ein möglicher Grund für die Wahl des Gerichts bei der Ablegung des erstens Testaments im Vergleich zum zweiten kann der kompliziertere vermögensrechtliche Status der Erbmasse gelten. Der Mann ist noch nicht im Besitz des ihm zugunsten vergabten Hauses, worauf die Vergabung des Todes wegen seitens seiner – auf einer Pilgerreise unterwegs seienden – Frau zu seinen Gunsten ausfällt. Als ein Indiz dafür, dass die Eintragungen in die Stadtbücher auch in der internen Kommunikation (zirkulär) genutzt wurden, dienen beide Testamente von Jorge Swarcz (AC428 03. 03. 1432 und AC428 28. 08. 1436). Diese gleichen sich beinahe in ihren Formulierungen, obwohl die Eintragungen vier Jahre auseinander liegen (gewandelt wurde lediglich die Veränderungsklausel, welcher Eingriff jedoch lediglich einen rhetorischen Wert hat: »[…] behild im dy herschaft dy weyle her lebt das obgenante gemechte czu wandiln und czu hoͤ en adir czu nedirn noch seyme willen → … czu wandeln czu nedirn un(d) czu ho
eͤ n noch seyme willen)«.
Inhaltlich wurde die Frau in ihrem Anteil am Erbe und in ihren Rechten und Befugnissen als eine der Ausrichter eingeschränkt (in der zweiten Version konnte sie ihre Entscheidungen nur gemeinsam mit anderen ernannten Ausrichter treffen). Außer diesen Änderungen scheint es, als ob der Ausführer der jüngeren Eintragung sich die ältere zur Vorlage genommen hätte. Auffällig sind die zwei Testamente von Michil Molner, die inhaltlich gleich sind (außer dem im zweiten nicht erwähnten Heergewete, das jedoch in einem solchen Fall der üblichen Erbfolge folgt). Der Unterschied liegt aber im Texttyp der Eintragungen. Während in dem LT772 ein Protokoll vorliegt, wurde in die Gerichtsbücher ein Czedel eingetragen. Möglich ist die Anfertigung eines Czedels im Rat (vielleicht auch im
Mehrere Testamente derselben Testatoren
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privaten Auftrag durch einen der Kanzleimitarbeiter) anhand des Eintrags aus dem Testamentsbuch, das dann dem Gericht vorgelegt wurde. Im Korpus konnten zwei zeitlich nahe gelegene Czedel mit Testamentsversionen ein und desselben Testierers, nämlich Nicolaus Paternoster, ausfindig gemacht werden (ASVII 23. 08. 1448 und ASVII 18. 10. 1448). Inhaltlich sind sie in Bezug auf die zusätzliche Vergabung der Bruderschaft zu St. Barbara und einer Änderung innerhalb der ernannten Exekutoren/Ausrichter gleich. Ein leichter Eingriff in die Formulierungen ist aber schon sichtbar – vielleicht wollte der Schreiber nicht langweilig sein und suchte nach Abwechslung: Die Einleitungsausdrücke Items wurden durch Dornoch ersetzt; über den Fall des Todes wird auch anders geschrieben: ap got der almechtige ob mich gebot daz ich vorschide vs. das gemeine ad ich storbe. Insgesamt lässt sich aber sagen, es sind kosmetische Änderungen der Struktur und des Stils. Möglich wäre u. a. die Anfertigung eines neu modifizierten Czedels durch einen privaten Schreibaufgabenausführer anhand einer bereits existierenden Czedelabschrift der früheren Version, die ggf. (in einem der potentiellen Exemplare) in Gewahrsam des Testierers selbst blieben.
9
Intertextualitätsfragen bei den testamentarischen Eintragungen
Unsicherheiten bestehen in der Zuordnung einzelner Texte zur Kategorie Teiltext (Kleintext) einer komplexen textuellen Ganzheit (eines Großtextes). In einigen Fällen, in denen die an das Testament angeschlossenen Texte selbst zu Großtexten ausgedehnt werden – was sich aus einer beträchtlichen Menge der vermuteten MTE (Minimalen Textgrammatischen Einheiten im Verständnis von Greule/Reimann) ergibt232 –, soll von vernetzten Texten und nicht von einer durch diese in Verbindung mit dem Kerntext gebildeten textuellen Ganzheit gesprochen werden. Solche Fälle rechne ich zur Kategorie Intertextualitätsnetz. Die Terminologie übernehme ich dabei von Josef Klein, der »funktionale Zusammenhänge zwischen Textsorten innerhalb bestimmter Interaktionsrahmen« zum Systematisierungsprinzip erhebt.233
9.1
Intertextualität in den Krakauer Testamenten
In den Krakauer Testamenten lässt sich dreierlei Intertextualität feststellen, die 1) Texte innerhalb der Stadtbücher umfasst und 2) die über die Stadtbücher hinausgreift. Dazu kommen 3) noch Texte, die, obwohl sie eigentlich autonom sind, trotzdem einem Intertextualitätsnetz zugerechnet werden können.
9.1.1 Buchinterne Intertextualität Bei der buchinternen Intertextualität handelt es sich um Intertextualität, die zwischen einzelnen Eintragungen besteht, bei denen also die mnemotechnische Funktion der Stadtbücher sichtbar ist. Im Fall der Eintragungen von Testamenten realisiert sich die buchinterne Intertextualität v. a. in Form von expliziten Ver232 Vgl. Greule/Reimann 2015. 233 Klein 2000, S. 31–44.
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Intertextualitätsfragen bei den testamentarischen Eintragungen
weisen auf andere Eintragungen. Diese können direkt im Kerntext des Testaments stehen oder in einem begleitenden Paratext zu finden sein. Rückverweisende (anaphorische) Verweise sind entweder im Haupttext oder in den Supratexten zu finden, also denjenigen Texten, die gleichzeitig mit dem Text der testamentarischen Bestimmungen eingetragen wurden und eine einleitende Funktion seitens der Behörde ausüben. Es kann dagegen in den nachgetragenen Intratexten und den Infratexten kataphorisch auf spätere Eintragungen verwiesen werden, zumal wenn es sich um Ausführungsvermerke handelt (es können aber auch buchreihenüberschreitende Verweise sein, wie bspw. im zwei Jahre nach der Eintragung des Testament eingeschriebenen Infratext im ASX 01. 04. 1515, in dem auf Verschriftlichung einer Überlassung im Ratsbuch verwiesen wird) bzw. um Modifikationen des Testaments, die später erfolgten (vgl. bspw. Verweis im Infratext zum Testament ASX 19. 09. 1516 auf dessen Erweiterung im Text ASX 06. 09. 1520). Diese Paratexte entstanden im Nachhinein, wenn bereits eine spätere Eintragung entstanden ist, und dienen als Verweis auf diese. Es kann aber auch sein – und das ist häufig der Fall –, dass die einzige Verschriftlichung einer späteren sich auf das Testament beziehenden sozialen Handlung nur in Form eines nachgetragenen Paratextes realisiert wird, also direkt ins Umfeld des Testamentstextes (des Kerntextes) graphisch integriert wird (vgl. bspw. den Widerruf als Juxta- und Infratext beim Testament ASIX 28. 11. 1511 bzw. Erledigungsvermerk als Intratext ASIX 25. 01. 1512: »datum est«). Während kataphorische Verweise eigentlich in Eintragungen jeder Testamentsform vorkommen können (vgl. bspw. hinzugefügten Paratexte mit Erledigungsvermerkten), sind anaphorische Verweise in Supratexten eigentlich nur auf Eintragungen der Abschriften der verschlossenen Testamente zu erwarten. Dies hat seinen Grund in der Praxis, auch die Handlung der Testamentseinlegung im Stadtbuch zu protokollieren, worauf dann bei der Testamentseröffnung Bezug genommen wird, woraus die Intertextualität entsteht. Ein Beispiel einer zirkulären (latenten) Intertextualität, das ein Indiz dafür ist, dass die Kanzleimitarbeiter sich bei der Anfertigung späterer Texte auf frühere stützten oder auf diese zumindest zurückgriffen, findet sich in den doppelt mit kleinen Änderungen eingetragenen testamentarischen Texten desselben Autors: AC428 03. 03. 1432 bis AC428 28. 08. 1436. Dem Wortlaut nach muss es sich hier um einen direkten Bezug auf die frühere protokollartige testamentarische Eintragung gehandelt haben (siehe dazu die vorangegangenen Kapitel). In diesem Fall kommt es zur impliziten Intertextualität. Seitens der Testierer kann es auch immer dann zur Intertextualität kommen, wenn die früheren Testamente erwähnt wurden – sei es wegen deren Widerrufung (zu bedenken sei aber, dass bereits die bloße Tatsache der rechtmäßigen Testamentsablegung alle früheren letztwilligen Verfügungen desaktualisiert) oder deren Modifizierung in einem späteren Testament.
Intertextualität in den Krakauer Testamenten
131
9.1.2 Buchexterne Intertextualität Die buchexterne Intertextualität realisiert sich zwischen einem Text im Stadtbuch und einem Text außerhalb desselben Buches, auf das referiert wird. Es kann hier auch auf Texte verwiesen werden, die als rechtsgültige Verschriftlichungen sozialer Handlungen bereits existieren bspw. wenn frühere Testamente in einer anderen Stadt vor der dortigen Stadtbehörde abgelegt wurden ((LT772 11. 01. 1513 – Widerruf eines früheren eingelegten Testaments in der Stadtbehörde zu Breslau; oder der Bezug auf ein Schöffenbuch des Breslauer Gerichts ASV 19. 10. 1423; oder der Widerruf eines Testaments in einer anderen Buchreihe/in einem anderen Texttyp; bzw. die Nennung zusätzlicher Testamente in einem anderen Texttyp (vgl. bspw. ASX 14. 05. 1516); oder in einem protokollartigen (Haupt)testament wird in Bezug auf die Bestimmungen zugunsten der Schwester auf einen eingelegten Zettel verwiesen; oder aber die Berufung/Bezugnahme auf eine Einschreibung in einer anderen Aktenbuchreihe (wie in einem Testament im LT772, wo auf eine Verschreibung in den Schöffenakten verwiesen wird, LT772 12. 11. 1472); oder gar in den Akten einer Zeche (vgl. ASIX 03. 11. 1501 mit Verweis auf eine Verschreibung in den Akten der Zeche an den Tischler). Meistens handelt es sich aber um einen Bezug auf existierende niedergeschriebene zusätzliche Verzeichnisse, die im Text des Testaments wegen ihres Umfangs nicht zitiert wurden, wie Verzeichnisse der Habe (der Erbmasse) oder der Schulden, die – besonders bei Kaufleuten und Menschen, die mit Kapital zu tun hatten – in speziellen Registerbüchern aufgezeichnet wurden. Diese konnten dann in den Testamenten erwähnt werden, und es konnte auf sie verwiesen werden, um ihnen mehr Glaubwürdigkeit zu verleihen. Über einen bloßen Verweis konnten auch wichtige Details bezüglich dieser Texte angegeben werden, welche den Aufbewahrungsort desselben spezifizierten oder über Einzelheiten ihrer Anfertigung berichteten (v. a. wenn das Register eigenhändig verfasst wurde, manchmal gab es auch Anfertigungen durch die Hand eines sachkundigen Dieners oder des Sohnes, wenn dieser in das Geschäft involviert war). Es konnte sogar ein direkter Verweis darauf formuliert werden, dass ein solcher externer Text (Textsammlung) wie ein integraler Teil des Testaments anzusehen sei: »Welcher pliff leytt ynn meynem kastenn ym kleynem gewepl nebenn eynem register mith meyner hanth geschribenn auff dyß testament lauthenth Solchs bunth vnd krafft sol haben gleich ab es ynn dyssem meynem lecztenn wyllen ffon worth czw worth begriffenn vnd eyngeschrybenn wer wordenn […]« (LT772 26. 08. 1538).
Falls dies nicht der Fall war, sollte die mitgedachte Glaubwürdigkeitssicherung vorausgesetzt werden. Es konnte auch sein, dass ein Teil des Registers im Testament abgeschrieben wurde, wie Hauptschulden, mit einem angehängten Verweis auf die ergänzende Vollständigkeit des Registers oder einem Verweis, dass
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Intertextualitätsfragen bei den testamentarischen Eintragungen
das ganze (dann kurze) Verzeichnis in das Testament miteingeschlossen wird (vgl. LT772 01. 05. 1477, in dem ein Czedel mit den sog. Hausgerätenin extenso zitiert wird). Außer den externen Registern kann auch eine spezifische Art der Intertextualität genannt werden, und zwar als ein Verweis im niedergeschriebenen Testament auf eine mündliche Aussage, die nicht protokolliert oder aufgenommen wurde, also nur im Gedächtnis der Kommunikationspartner (von dem in der Zeit des Inkrafttretens des Testaments einer von ihnen – der Testierer – gestorben ist) existiert. Wenn man die rechtlichen Realien der behandelten Periode bedenkt (wie praktizierte Eide, die bei der gerichtlichen »Rechtsfindung« ein für den heutigen Menschen unvorstellbaren rechtskräftigen Wert hatten) und dazu noch, dass es sich bei den Testamenten um »private Gerechtigkeit« handelte, wird damit eine solche Praxis gerechtfertigt. Diese Intertextualität konnte sowohl anaphorisch als auch kataphorisch formuliert werden (d. h. eine zukünftige Äußerung des Willens ansagen), wie folgendes Beispiel verdeutlicht: »[…] in der weyze das se erbe vnd beweglich gut was se noch ir lossen kont sull(i)n in dy werk der barmherczikeit wenden Armen leuthen adir wy se en her nach wurde beuelen czu tun do mit […]« (ASIII 05. 09. 1393).
In einigen testamentarischen Texten wird diese Art der externen Intertextualität besonders sichtbar, zumal sie wegen dem Fehlen eines Donationsaktes sogar Unsicherheiten in Bezug auf die Textsortenklassifizierung bereiten kann. Im untersuchten Material wurden zwei solche Texte festgestellt (ASVI 23. 03. 1435 und ASVII 28. 04. 1458), vgl.: »Stane kochan hot befolen Margarethe leipnigerynne seyn gut vnd gelt was her hot. gebende Jr folle macht ap got an Jm icht tete. is were dismol ader hernochmols daz sy das geben vnd wen den sal noch seym tode als sy weis seynen willen. vnd sy sal sich czuuorans dovon beczal(e)n der schalde dy her Jr schuldig ist als obin ist geschreben.« (ASVI 23. 03. 1435)
und: »Katherina Pocklerynne hot abir alle ire gutt(er) beweglich vnd vnbeweglich cleyn vnd gros dy sy noch irem tode lossin worde nichtis ausgenomen dy adir andirswo czu vormonden gekorn Thomam Stelczer vnd Mathiam Aptoker vnsire mitbrudere dassy dy sollen gebin vnd anwenden als sy Jn getrawit vnd glewbit hot vnd domite thun mit foller macht als sy selbir vnd slewse aus alle ire nesten.« (ASVII 28. 04. 1458)
mit der Überlassung freier Hand bei der Verfügung der Erbmasse. Es wird angegeben, dass die Frau mit der Habe verfügen soll als sy weis seynen willen. In anderen Fällen handelt es sich sowohl bei der mündlichen Aussage als auch bei der Überlassung freier Hand bei der Verfügung um Donationen ad pias
Intertextualitätsnetz
133
causas (also zu frommen Zwecken bzw. zum Besten der Armen), was v. a. in Bezug auf den sog. Pertinenzteil (also das, was übrigbleibt) der Fall ist, vgl.: »Item das obrige allis was do obirbleibin w(ir)t is sey an war an schulden adir an ˙ bereytschaft der ich iczu(n)t wenig habe befele ich vnd gebe das gancz vnd gar czu getrew(en) hand meyn(en) Testamentarien das sy domite thuen solle(n) noch irim besten vorneme(n) czu meyn(er) selen selikeit.« (LT772 06. 10. 1460).
Solches findet sich auch schon im frühesten erhaltenen Testament aus Krakau (vgl. ASIII 05. 09. 1393), wie oben ersichtlich wurde.
9.2
Intertextualitätsnetz
Ich fasse zusammen: Unter dem Begriff Intertextualitätsnetz werden Texte verstanden, die in einem semantischen Zusammenhang verbleiben. Außer den Eintragungen, in denen über die Einlegung einer privaten Testamentsurkunde berichtet wird, die immer separat im Aktenbuch stehen (und im Folgenden näher analysiert werden), können weitere Texte des Netzes verzeichnet werden. Diese können entweder auch separate Eintragungen sein oder aber als Paratexte den Haupttext der primären Eintragung (das Testament) umlagern, also graphisch mit diesem im Zusammenhang stehen bzw. nachträglich angebracht werden. Bei einer nachträglichen Eintragung war wohl auch der Umfang des neuen geplanten Textes und die schlichte Kalkulation für die Kanzleimitarbeiter von Bedeutung, nämlich ob er ins Umfeld der primären Eintragung (als ein Paratext unter diese bzw. am Rande dieser) hineinpassen würde. Die in ihrem Umfang meist kurzen Widerrufstexte werden häufig in den Großtext des Testaments integriert, sodass sie zu dessen Paratexten werden. Aber auch hier gibt es Ausnahmen, die zeigen, dass auch ganz kurze selbständige Eintragungen vorgenommen wurden (vgl. bspw. ASX 27. 01. 1514 mit bloßem Widerruf). Der Widerruf eines früheren Testaments konnte außerdem auch im neuen Testament verschriftlicht werden oder – die bloße Entstehung eines neuen letztwilligen Textes kassierte frühere Bestimmungen post mortem ein. Umfangreicher können dagegen Texte über die Erledigung des Testaments ausfallen. Je nach dem geplanten Inhalt werden sie kurz als Erledigungsvermerke bei den primären Texten verzeichnet (vgl. bspw. ASIX 04. 02. 1511) oder längere Rechenschaften der Ausführer über die ihnen anvertraute Aufgaben (vgl. bspw. LT772 26. 07. 1476 mit Angaben zur Abzahlung und Abfindung der Bedachten). Zu weiteren Texten, die dem Intertextualitätsnetz zugerechnet werden können, gehören außerdem Themen wie die Annahme bzw. Ablehnung der Vormundschaft/der Ausführung des Testaments (vgl. bspw. AC428 05. 02. 1442), die Abfindungen der Bedachten bzw. der nach der üblichen Erbfolge Berechtigten (also die Versicherung, dass
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Intertextualitätsfragen bei den testamentarischen Eintragungen
keine weiteren Ansprüche durch diese Personen in Bezug auf die Erbmasse erhoben werden, siehe oben). Als Pendant genannt werden sollen auch die Protestationen dieser Personen, eventuell auch die Absprachen der Erben/Erbnehmer und der Exekutoren in Bezug auf die Aufteilung der Erbmasse (also ggf. auch mit einer Abfindung, vgl. AC428 07. 06. 1413). In den Krakauer Stadtbüchern werden auch einige Urteile eingetragen, die in Bezug auf die privatrechtlichen Testamentsangelegenheiten entstanden sind, ohne aber die dazu gehörende Prozessakte, als Beispiel mag hier der Text ASVII 22. 01. 1451 genannt werden, in dem sich das Gericht über die Rechtskraft zweier konkurrierender testamentarischer Texte ausspricht. Charakteristisch für diese Texte sind die Einführungssequenzen: Sententiatum est (vgl. bspw. wie oben ASVII 22. 01. 1451) bzw. seit der Zeit (sint der Czeit, vgl. ASIX 05. 02. 1508). Einmal wurde auch eine Eintragung in den Gerichtsakten gesichtet, die sich auf ein Urteil in Bezug auf das bei dem Rat eingelegte Testament bezieht (ASX 16. 07. 1513). Als ein weiteres Pendant, das die in der Forschung für das Gebiet des Magdeburger Rechts angenommene Supremanz des Gerichts in Testamentssachen (vgl. das einschlägige Kapitel zu der Testamentsablegung in Krakau) in Frage stellt, kann das in den Schöffenakten eingelegte Testaments des Stadtschreibers genannt werden, da dieses auf seinen Antrag durch den Rat bestätigt wurde (vgl. AC430 26. 09. 1481). Außer den Vergabungen des Todes wegen und den Testamenten sind in den Krakauer Stadtbüchern auch Texte verzeichnet worden, die zur Textsorte Erbvertrag zugerechnet werden können. Zu diesen wäre bspw. ASVIII 24. 01. 1466 zuzurechnen. Dieses Textbeispiel ist die Verschriftlichung einer forrichtunge (Vorrichtung, Vereinbarung) zwischen einem Ehemann, seiner Frau und seinem Sohn aus einer früheren Ehe. Der Sohn findet sich mit der Abzahlung seines Erbteils ab und erklärt, keine weiteren Ansprüche in Bezug auf das Erbe zukünftig zu stellen. Des Weiteren verzichtet die Frau auf die Hälfte des auf sie im eventuellen Todesfall anfallenden Kindesteils zugunsten anderer Kinder und des erwähnten Stiefsohnes. Im Gegenzug wird ihre Morgengabe durch ihren Ehemann gebessert. Des Weiteren konnte in solchen Erbverträgen eine lebenslängliche Unterhaltung des Donators gewährt werden. Ein solch kompliziertes Bild ergibt sich bspw. im Text ASIX 31. 07. 1508 (vorschaffunge vnd vbergebvnge), in dem die Donatorin die Hälfte ihres Hauses ihrem Ehemann zu seinen Lebzeiten abtritt, mit der Verfügung aber, dass das Haus nach seinem Tode ihr Sohn (und nicht dessen Schwester – es handelt sich wahrscheinlich um eine Tochter des Ehemannes aus einer früheren Ehe) erben wird. Der Sohn gelobt im Gegenzug, die Mutter und den Vater lebenslänglich zu unterhalten.
Intertextualitätsnetz: Einlegungstexte
9.3
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Intertextualitätsnetz: Einlegungstexte zu verschlossenen privaten Testamentsurkunden
Die Texte über die Einlegung der verschlossenen Testamente sind in den Krakauer Stadtbüchern ( jedenfalls den Inscriptiones, also den Reinschriften) nicht häufig. Prozentual kommen sie häufiger in den Aktenbüchern des Rates als in den Gerichtsbüchern vor. Im LT772 sind es fünf solche Texte (bei zehn eingelegten verschlossenen Testamenten; es sind LT772 11. 01. 1513, LT772 10. 03. 1513, LT772 06. 04. 1513, LT772 11. 05. 1513, LT772 14. 12. 1514), während sie in AS neunmal vorkommen (bei 34 eingelegten verschlossenen Testamenten aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts; es sind ASX 11. 07. 1515, ASX 11. 06. 1519, ASX 31. 01. 1521, ASX 07. 08. 1528, ASXI 19. 06. 1531, ASXI 17. 01. 1533, ASXI 07. 02. 1533, ASXII 25. 06. 1540 und ASXIII 07. 05. 1546), wobei der letzte Text aus dem Jahr 1546 stammt. Sowohl in den AS als auch im LT772 wurden jeweils zwei Testamente, auf die sich die Einlegungstexte beziehen, tatsächlich eingetragen. Nicht mitgerechnet wurde der Text ASX 16. 07. 1513, in dem durch den Testierer lediglich eine Bestätigung seines beim Rat eingelegten Testaments angestrebt wird. Aus dem Inhalt der Eintragungen mit den Testamentsurkundenabschriften (genauer aus deren supratextuellen Paratexten der Behörde) ist zu schlussfolgern, dass die erwähnten Einlegungstexte nicht die einzigen in den Krakauer Stadtakten gewesen sein dürften. Es kommen nämlich in den erwähnten Texten (Großtexten) Verweise auf solche früheren Eintragungen vor, vgl. bspw. »[…] noch Jnnhallt vnßerer bucherer de data feria s(e)c(un)da pridie S(ancti) Egidy A(nn)o 1551, Sain Testament vnnd leczten willenn, myt sayner aygen handt geschribenn auch mit seynem sygel beßigelt vnd vorschlossen czun vns ayngelegett.« (ASXV 20. 06. 1554).
Die erfolglose Suche nach diesen legt den Verdacht nahe, die Angelegenheiten der Testamentseinlegung wären in anderen Serien der Aktenbücher verschriftlicht worden. In Frage käme hier die als »Notizbücher« angelegten Protocolla inscriptionum, deren Überlieferung aber erst ab 1580 beginnt. In Anbetracht der Häufigkeit der Testamentsänderungen (vgl. die Zahl der tatsächlich eingeschriebenen Testamente im Vergleich mit den Einlegungstexten) wäre eine solche Praxis nachvollziehbar. Entweder wurde das Testament wieder zurückgenommen und durch ein neues ersetzt (vgl. ASXIII 20. 06. 1554: in dem Aktenbuch finden sich der Einlegungstext ASXII 25. 06. 1540, in dem aber tatsächlich eröffneten und eingeschriebenen Testament wird auf einen weiteren, nicht erhaltenen Einlegungstext vom 12. 08. 1551 Bezug genommen) bzw. es kehrte dann die übliche Erbfolge ein (dies geschah wahrscheinlich im Fall: Einlegungstext ASXIII 07. 05. 1546 in Verbindung mit dem Kassierungstext darunter).
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Intertextualitätsfragen bei den testamentarischen Eintragungen
Die Einschreibung eines eingelegten Testaments erfolgte allerdings nicht von Amtes wegen, sondern musste vom Testierer selbst veranlasst werden, indem er solche post mortale Verfügung bei der Einlegung formulierte, oder von den zur Eröffnung des Testaments durch ihn berechtigten Personen (meistens handelte es sich um die Exekutoren oder den Ehepartner). In einem Fall schien es dem Testierer sehr daran zu liegen, die Einschreibung des Textes zu sichern, weshalb er die Veranlassung diesbezüglich nicht nur seiner Frau, sondern auch – falls diese der Anweisung nicht nachkommen sollte –, dem Gericht auftrug: »Es hat auch gedachter her Stentzell dem erbarenn gericht volkommennen gewalt gebenn sollich Testament nach seinem todt Vff frawenn Vrsula seines ehlichenn gemahels oder ires volmechtig(en) begernn vnnd ersuchen(n) cZu eroffnenn verlesen vnnd in die gerichts bucher schreiben(n) lassenn an vorhindernus (sic) vnnd eintrag irkeines menschen(n) vff erden(n).« (ASXII 25. 06. 1540)
Die Einlegungsprotokolle sind einerseits Verschriftlichungen der Einlegung der Testamentsurkunde (mit Angaben zum Testator, wie seinem gesundheitlichen Zustand und der daraus resultierenden Testierfähigkeit, vgl. bspw. ASX 31. 01. 1521: »Georgius Strauss wy wol etlicher mosse kranck Jdoch mit gutter vornu(n)fft vnnd wol bedocht.« Angaben zur Kommunikationssituation, wo also die für die soziale Handlung erheblichen Situationsbedingungen dargestellt werden: »[…] in kegenwertickeit fraw(en) katherine zein(e)r elich(e)r hawsfraw(e)n vnnd zeine kindern(n) hot (…) zw vns(e)rm gerichte ey(n)gelet […]«; und zu den Beglaubigungsmerkmalen des Testaments, wie Versiegelung, die dann bei der Eröffnung gecheckt werden sollten: »Jn eyner vorsigelty(n) czedel geschriby(n) […]« ), überdies konnten auch Exekutoren ernannt werden und – wie oben angemerkt – Dispositionen zur Testamentseröffnung gemacht werden. In einigen solcher Eintragungstexte wurden auch Handlungen weiterer dazu berechtigter Personen festgestellt, die sich in der Verschriftlichung ihrer Einwilligung in die Testamentsausführung (Exekutoren/Ausführer) oder/und Einhaltung der im Text begriffenen Bestimmungen (Erbnehmer/Ehepartner) demonstriert (»[…] haby(n) yn dy ordenu(n)ge yn der selbige czedel geschriby(n)gancz vnnd gar vorwillet an alle wider rede […]«). Auch ein anderer – in mehreren Einlegungstexten erwähnter Umstand – zeugt davon, dass die privaten Testamentsurkunden in geöffneter Form der Behörde vorgestellt und erst danach verschlossen aufbewahrt wurden: Die vorgezeigten Testamente wurden in ihrem Inhalt durch ein Urteil des Gerichts bestätigt (wobei allerdings die Übereinstimmung der jeweiligen Bestimmungen mit dem Magdeburgischen Recht und den lokalen Rechtsquellen/Rechtsbrauch vorbehalten wird): »[…] alzo haby(n) wir es angenome(n) vnnd mit vns(e)rm orteil bestetiget. alszo ferre so nichtis darynne geschriby(n) wer(e). das do wider Meidbursche recht vnnd Stadt wilker were von rechis wegy(n)) […]«. (ASX 31. 01. 1521)
Intertextualitätsnetz: Einlegungstexte
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Es kann auch festgehalten werden, dass hierzu entsprechende Anfragen über die Verfügungsgewalt über das Gut seitens des Testierers vorausgehen konnten, die mit ihrem Ergebnis (Urteil) auch in dem Einlegungstext erwähnt werden konnten. Das war nämlich der Fall bei den Eintragungen mit Testamenten, zu deren Analyse ich im Folgenden komme.
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Struktureller Aufbau dreier Texttypen der testamentarischen Eintragungen: Einzelne Analysen
Im Folgenden bespreche ich die drei Texttypen testamentarischer Eintragungen jeweils separat, da sie je eine andere methodische Herangehensweise erfordern. Als Kerntexte (Haupttexte) gelten diejenigen Textganzheiten, die durch einen Schreiber verfasst wurden und primär testamentarische Bestimmungen zum Gegenstand haben. Textganzheiten können sein: 1. eine Testamentsurkunde (im Fall der eingelegten Testamente), 2. eine Testamentsskizze (im Fall der Czedel) oder 3. ein kohärentes Protokoll eines vor einer Behörde abgelegten Testaments. Dabei ist zwischen den späten verschlossenen Testamenten und den früheren Formen der eingelegten Testamente bzw. sog. Czedel zu unterscheiden. Die verschlossenen Testamente können bei der Eröffnung des Testamentsverfahrens nicht mehr vom Urheber geändert werden. Daher werden sie oft so verfasst, dass sie möglichst eindeutig formuliert sind, um jegliche Missverständnisse bereits vorab zu vermeiden. Sie bedienen sich des aus der Diplomatik bekannten Urkundenschemas. Damit können sie analog zu den aus der Diplomatik bekannten Urkunden behandelt werden. Das Urkundenschema wird von mir daher auch für die Analyse der verschlossenen Testamente als fixe Bezugsgröße herangezogen. Ähnliches gilt auch für offene Testamente, die sich nur dadurch von den verschlossenen unterschieden, dass sie auf Antrag des Testators und zu seinen Lebzeiten in das Stadtbuch eingetragen wurden und nicht verschlossen in Gewahrsam der Behörde auf die Eröffnung warteten. Anders muss man mit den zwei früheren Texttypen verfahren, den Testamentsskizzen und den Protokollen: Die Struktur der Czedel und der Protokolle untersuche ich primär auf die Anfangs- und Endsequenzen. Dabei achte ich besonders darauf, welche Elemente sich in diesen Positionen wiederholen. Zu den Anfangssequenzen können dabei solche Textsegmente zugerechnet werden, die in der klassischen Urkundenstruktur außerhalb der Dispositio, also außerhalb des eigentlichen Rechtsinhaltes des Testamentes, stehen und einen assertiven Charakter aufweisen. Endsequenzen lassen sich dagegen in den genannten Texttypen – wegen des Fehlens der Corroboratio, also der Beglaubigung – nur
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Struktureller Aufbau dreier Texttypen der testamentarischen Eintragungen
innerhalb der klassischen Dispositio suchen, hauptsächlich unter Elementen, die sich auf die Ausrichtung der testamentarischen Bestimmungen beziehen. Die oben benannten unterschiedlichen Gegebenheitsweisen von Testamenten dürfen bei der anzuwendenden Methode der Untersuchung nicht unterschlagen werden, sondern müssen phänomenadäquat erfasst werden. Denn während sich bei den eingelegten testamentarischen Bürgerurkunden als Bezugsgröße die aus der Diplomatik bekannte Urkundenstruktur anbietet, die bereits von Libusˇe Spácˇilová in ihrer Untersuchung der Olmützer Testamente umgesetzt wurde, ist bei der Analyse der beiden früheren Texttypen (den Czedeln und den Protokollen) eine makro- und mikrostrukturelle Begrifflichkeit angezeigt. Es wird davon ausgegangen, dass die lineare Reihenfolge einzelner Sätze (Illokutionen) den Textsinn als eine geordnete, hierarchische Makrostruktur ergibt, die sich in kleinere Sequenzen/Bausteine aufteilen lässt. Die Absicht des Testators wird durch untereinander verknüpfte Strategien realisiert.234 Das Textverstehen muss also mit dem Erkennen und Verstehen einzelner kommunikativer Ganzheiten einhergehen, die inhaltliche Elemente sind, aus denen der Text in seiner linearen Struktur der Sätze besteht.235 Diese Auffassung, die auch bereits Teun von Dijk vertreten hat und durch Kanzleisprachforscher praktisch umgesetzt wurde, impliziert die Anwendung der klassischen Aufteilung und der der Diplomatik eigenen Terminologie, wobei die »kommunikativen Ganzheiten« einen Namen erhalten. Das ist legitim und wird auch von anderen Kanzleisprachenforschern praktiziert, weil somit bewährte und weltweit anerkannte Termini verwendet werden, obwohl diese Verfahrensweise nicht ohne gemeldete Bedenken auskommt.236 Diese Methode hat Andreas Bieberstedt in Bezug auf die Lübecker Testamente angewandt. Daher wurde von mir in Bezug auf die zwei letztgenannten Texttypen der testamentarischen Texte ein Raster entwickelt, das die mehr als einmal vorkommenden Elemente der folgenden drei Fragenkomplexe und ihrer Elemente berücksichtigt: 1. in Bezug auf den Text selbst (Datum, Textsorte, Benennung des Texttyps, Sprache des Textes, Information, dass der Text eigenhändig angefertigt wurde, Information über die Bestätigung des Inhalts der testamentarischen Bestimmungen durch die Behörde); 2. in Bezug auf dessen Autor/Auftraggeber also den Testator (Name des Testators, mehr detaillierte Angaben zu ihm – bspw. sein gesellschaftlicher Titel wie erbar oder andere weiterführende Informationen zu ihm bzw. die Tatsache, dass die Frau durch einen Vormunden agiert – seine Testierfähigkeit, berücksichtigend die körperliche und geistige Verfassung/Zustand und den Grund der Testamentsablegung) und 3. in Bezug auf das Erbe (ob 234 Vgl. Z˙mudzki 1990. 235 Vgl. Dobrzyn´ska 1993. 236 Vgl. u. a. Ziegler 2003, S. 213.
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wohlgewonnenes Gut / propper Gut, angestrebtes Stammgut oder ein Teil der Habe der Erbmasse – konkrete Gegenstände; die Gegenwart und Zustimmung dazu berechtigter Zeugen). Die konkrete Verteilung der Angaben in den Czedel bzw. Czedelabschriften und in den Protokollen zeigen die beigefügten tabellarischen Zusammenstellungen, die jeweils am Ende des Kapitels zu den Czedeln und zu den protokollartigen Eintragungen zu finden sind. Die folgenden Analysen, besonders im Unterkapitel zu den einführenden Paratexten der Behörde und in dem Unterkapitel zu den Anfangssequenzen des Kerntextes, sind Ergebnisse der Auswertung dieser Zusammenstellungen. Die sich daraus ergebenden weiteren Fragen, etwa zu den verwendeten Formulierungen in den Testamenten, verfolge ich dann im Kapitel zur Stilistik an anderer Stelle. Im Folgenden gehe ich auf einige Analyseergebnisse daher gesondert ein. Manche Beobachtungen und terminologische Begrifflichkeiten, die ich bei der Analyse der Czedel verwende und festsetze, behalten ihre Gültigkeit auch für strukturelle Analysen der protokollierten Verschriftlichungen der Testamente sowie der der Vergabungen des Todes wegen.
10.1 Eintragungen von Czedel(abschriften) 74 testamentarische Eintragungen, deren Kerntext die Abschrift einer Testamentsskizze ausmacht, wurden von mir einer Textstruktur-Analyse unterzogen. Ausgesondert wurden dabei 56 Czedel in den AS, zwölf in dem LT772 und sechs in den AC. Die ausgewählten Texte sind zweifelsfrei als solche zu identifizieren, die einer Behörde unterbreitet, durch diese bestätigt und ohne Texttypänderung ins Stadtbuch abgeschrieben wurden. Erst diese Abschriften erlangen somit den Status einer Verschriftlichung der sozialen Handlung der Testamentsablegung. Für eine bessere Übersichtlichkeit habe ich bei der strukturellen Analyse auf bestimmte Eintragungen, die in den Stadtbüchern vermerkt sind, verzichtet: Außer Acht gelassen habe ich sowohl solche Eintragungen, die Abschriften von Dokumenten (Urkunden) der Behörde mit integriertem Czedelinhalt sind, als auch solche, die einige Merkmale von Dokumenten beinhalteten, bspw. die durch die Behörde hinzugefügte Corroboratio mit der Erwähnung des angehängten Amtssiegels (ASIV 11. 01. 1415, ASVI 12. 06. 1433 und LT772 27. 10. 1452). Die letzteren bezeichne ich als bescheinigte Czedel und nehme an, sie stehen an der Schwelle zwischen Czedelabschrift und Dokument der Behörde. Auch wenn es aus der Eintragung nicht sicher hervorgeht, ob es sich um eine Czedelabschrift oder ein Protokoll handelt, was allerdings selten vorkommt, verzichte ich darauf, diese den Czedeln zuzurechnen. Angenommen wird, dass, wenn es sich um eine Czedelabschrift handelt, dieser Umstand jeweils angemerkt wird: entweder in
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Struktureller Aufbau dreier Texttypen der testamentarischen Eintragungen
dem Kerntext der Eintragung oder in einem einführenden Paratext der Behörde. In einem der Texte, der aber mitgerechnet wurde, wäre solche Angabe mit Vorbehalt aus dem Paratext am Ende des Großtextes zu rekonstruieren – aus der gerichtlichen Bestätigung des Inhalts des Testaments: »Also ferre was laut des obgena(n)ten testaments. vnd das testament. habe wir Scheppin ortillich bestetigit als recht ist.« (ASVI 10. 06. 1440) Im Fall der Czedel muss mitbedacht werden, dass es sich um abgeschriebene Texte handelt. Man kann also nie sicher sein, ob die Abschrift dem Stadtbuch entspricht, v. a. ob die Anfangs- und Endsequenzen originalgetreu und vollständig übernommen wurden. Potenziell von Auslassungen zeugen können v. a. die in den jeweiligen Abschriften auftretenden Adnotationen am Ende des Textes, die etwa »et cetera« lauten (ASIII 24. 01. 1393, ASIII 15. 05. 1394, ASVI 11. 02. 1439, ASVI 01. 06. 1442). Diese Frage wird an einer anderen Stelle dieser Studie näher zu klären versucht.
10.1.1 Anfangssequenzen der Czedel Bei Czedeln handelt es sich um niedergeschriebene und – meistens durch einen professionellen Schreiber – in entsprechende Worte gefasste Aussagen eines Testierers. Es kann also vermutet werden, dass diese wohlgeordnet und standardgemäß formuliert wurden. Die jeweilige Ausfertigung eines Czedels ist jedoch individuell. Ein Czedel kann mit einem anfänglichen assertiven Teil anfangen, der die nachfolgende Dispositio – um bei der Terminologie der Diplomatik zu bleiben – ankündigt. Dieser setzt sich dann aus einigen Teilen des urkundeneigenen Protokolls und der Narratio zusammen, obwohl die Wahl der Elemente und deren Zusammensetzung willkürlich sind. Von einem assertiven Anfangsteil oder einer Anfangssequenz kann nur dann gesprochen werden, wenn es sich um eine vollständige Äußerung handelt, also einen Satz bzw. einen Teilsatz ist, der als Einführung in die testamentarischen Bestimmungen fungiert. Darunter werden auch Partizipialsätze mitgerechnet. Die erste assertiven Einführungssequenz erscheinen in den Krakauer Czedeln bereits Ende des 16. Jahrhunderts und ist ein Teilsatz, der durch einen Konnektor und mit weiterem Teilsatz verbunden ist: »Jch Anna helmsmedynne ich stehe alhij mit gesundim leybe vnd mit wolbedachtin mute vor uch getrewin Scheppin […].« (ASIII 21. 01. 1393) Die Präambel wird von mit in der vorliegenden Studie als ein semantisch engerer Begriff verwendet: Von einer Präambel in den Czedeln kann allerdings erst dann gesprochen werden, wenn die assertiven Anfangsteile die Textsorte benennen oder – ausnahmsweise – diese sich aus ihrer Formulierung suppo-
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nieren lässt. Das erste Mal finden sich die Präambel in AV23. 08. 1419: »Jch Clara Jacobs Rolle witwe widirruffe alle goben die ich vormols benu(m)pt hatte noch mey(m) tode czu geben vnd mache mey(n) Testame(n)t vnd lecztin wille(n) vn(d) zelgerete Alzo […]«. Assertive Anfangssteile, die eine Entität bilden und auf den Charakter des Textes hinweisen, ohne jedoch die Textsorte zu benennen, kommen im Korpusmaterial dreimal vor. Zwei von ihnen sind zeitlich sehr nahe beieinander und beziehen sich auf die testamentarischen Bestimmungen desselben Testators (ASVII 23. 08. 1448 und ASVII 18. 10. 1448). Ihre Anfangssequenzen sind nach demselben Muster aufgebaut: Invocatio + Konditionalsatz + Verweis auf die Narratio): »Ersame(n) weise(n) h(er)n. ap got der almechtige obir mich gebot. an dem wege den ich vor hab so los ich mey(n) gutt(er) also alz noch geschreb(e)n stet […]« (ASVII 23. 08. 1448).
Die Anfangssequenz im Text ASVII18. 10. 1448 wird im Vergleich zum oben zitierten Kleintext nur in der Invocatio etwas modifiziert: statt wiese(n) h(er)n steht liben h(er)n. Im dritten Text kommt die Anfangssequenz ohne übliche Benennung der Textsorte aus: »Jch Nicolaus der Salomean (sic) eidem ecwen Vndirstatschreib(er) czu Crac(ow) alhy steende vor gehegtim dinge gesunt voru(n)f vnd leibis, idach vor des todis banden nymm(er) sicher wezinde wissintlich tue mit desir meyn(er) hantschrift vnd bete czu bestetige(n) durch das gehegt ding of das ap ich von der werlde schide, das […]« (ASVII 26. 06. 14519).
In dem bereits angeführten assertiven Anfangsteil finden sich außer den bereits identifizierten Elementen zusätzlich noch eine Promulgatio: wissintlich tue mit desir meyn(er) hantschrift und eine Art verkürzte Arenga als quasiphilosophische Betrachtung: »[…] idach vor des todis banden nymm(er) sicher wezinde […]«. Eine eigenartige Realisierung der einführenden Anfangssequenzen beinhaltet auch LT772 05. 05. 1481, wobei hier keins der charakteristischen und sich wiederholenden Elemente vorkommt: »Ersame weyse h(er)n Ich bitte Ewr(e) ersame weisheit das ir deße nochgeschribne ding(e) noch meyne(m) beger woldet bestetigen in ewe(r) buch also ne […] wy ich is begere zu lossen noch meyne(m) tode […].«
Festgestellt werden konnten im Korpusmaterial 43 Anfangssequenzen, darunter 35-mal unter den 56 Czedeln in AS (dabei fast durchgehend bis in die 60er Jahre des 15. Jahrhunderts), viermal in den zwölf Texten des LT772 und viermal unter den sechs Texten in AC.
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Struktureller Aufbau dreier Texttypen der testamentarischen Eintragungen
Diese assertiven Anfangssequenzen beinhalten wahlweise und in der Reihenfolge, die der Häufigkeit entspricht, folgende Angaben: die Benennung der Textsorte (39-mal, darunter 21-Mal umschreibend; diese 39 Teiltexte sind also als Präambeln aufzufassen), die Benennung des Testators (37-mal) , die Testierfähigkeit des Testators (körperlicher und/oder geistiger Zustand, möglich sowohl positiv als auch negativ: 15-mal), weitere Angaben zu seiner Person (wie bspw. Beruf oder Information, dass der Testierer nicht selbst, sondern durch einen Vormund agiert (zwölfmal), Benennung des Texttyps (Czedel: siebenmal, darunter auch mehrmals in einer umschreibenden Form), Angaben zum Erbe (erworbenes oder gewonnenes Erbe (erstorbenes oder wohlgewonnen) bzw. eine konkret benannte Erbmasse oder Gegenstände der Habe (zweimal), eine Rechtsfrage über die Verfügungsgewalt über die Güter samt der Beantwortung derselben durch ein Urteil (zweimal) und der Grund der Testamentsablegung (dreimal). Wie bereits angemerkt, kann die Angabe zum Texttyp indirekt formuliert werden, vgl. bspw. »[…] noch desin geschrebene(n) worte(n) […]« (ASVII 16. 08. 1448), und: »[…] alz noch geschreb(e)n stet […]« (ASVII 23. 08. 1448). Aus solchen Formulierungen geht hervor, dass der Testator der Behörde eine schriftliche Vorlage seines Testaments unterbreitet hat. In einem der Texte wird auch auf eine umschreibende Weise die Angabe zum rechtlichen Charakter der sozialen Handlung und ihrer Verschriftlichung gemacht: »[…] ap got der almechtige obir mich gebot. an dem wege den ich vor habe. zo los ich mein gutt(er) alzo alz noch geschreb(e)n stet […]« (ASVII 18. 10. 1448). Eine maximale Struktur eines siebengliedrigen assertiven Anfangsteils ist in den Krakauer Czedelabschriften nicht vertreten. Unter den meist ausgebauten Textanfängen sind zwei zu nennen, die Auskunft geben über die den Testierer, dessen Testierfähigkeit, der Textsorte und Einzelheiten zum verfügten Erbgut. Es sind AVI 21. 10. 1446.361: »Jch kath(er)ina fritcze platnerin steende wol gesunt vnd bey gutter vornu(n)ft frogende Jm rechten ab ich mit meynem wolgewonnen gutte tuen vnd lossen mochte noch meynem willen (et caetera) So mache ich meyn testament vnd leczten willen alzo […]«
und AVII 22. 10. 1457. S. 309: »Ersame liben h(er)n Jch Katherina pocklerynne bey gesundem leibe vnd mit wolbedochtem mutte mache meyn testament vor ewer Ersamkeit mit der kawfkammer dy mir vor czeite(n) fraw Martha Bastgerlynne vorkauft vnd vorreicht hot hy vorgerichte vmb andirt halb hundert gulden Jn eyme namen eyns wedirkawfs vnd mache dasselbe testament in solcher weyse, das […].«
Auffällig – aber auch üblich unter den assertiven Einführungssentenzen der Czedel – an dem grammatischen Bau des zweiten Textes ist die Dependenz-
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struktur, die die erste Disposition des Testaments als untergeordneten Satz formuliert. Das erste Beispiel setzt ein spezifisches Element um. Es ist die Rechtsanfrage. Diese kann, muss aber nicht, in einer Präambel inbegriffen sein, sie kann auch ohne diese am Textanfang erscheinen, bspw. ASVI 01. 06. 1442, wo von keiner Präambel gesprochen werden kann, wohl aber von einer assertiven Anfangssequenz: »Liber Her Richter vn(d) liben h(er)n Jch froge vm recht, Ab ich mit meynem wolgewonnen vnd dererbten gutte das mich nicht angestorbin ist, tuen mag, vnd losi, was ich wil, do sprochn, dy Scheppin eyn recht, Jo, her mochte tuen vnd losin, czo Stee ich alhy vor gehegtim dinge, vnd czu dem ersten gebe ich […].«
Die Rechtsanfrage gehört zu denjenigen Elementen, deren Existenz sich durch die jeweilige Situationskonstellation ergibt. Demzufolge stellt sie ein fakultatives Element der jeweiligen Anfangssequenz dar. Sie ist aber eines der sich wiederholenden Elemente, also in den Zusammenstellungen mitbeachtet. Man kann aber auch fakultative Angaben aussondern, die im Korpusmaterial nur einmalig in je einer assertiven Anfangssequenz vorkommen. Zu diesen zählen: – die Information über die Beibehaltung der Bestimmungen eines früheren Testaments: »Jch Salomea Niclas Bre(n)nery(n)ne mache mey(n) testame(n)t vnd gobe vnschedlich meyme vorgen testame(n)t. das ich hewir vmb sinte Mertins tag hy vor gehegtim dinge gemacht habe. alse vil als (…) desim heutigin nicht wedirig ist. also da […]« (ASVI 09. 09. 1441),
– die Beteuerung über die Familienverhältnisse, die in dem konkreten Fall das Testament vor einer Anfechtung schützen soll: »Ersame weyse liben h(er)n Jch Margarethe lechlerynn keynen frund noch frundynn habende wedir vnd vatir noch von der Muter dy czu meynem gutte irkeyn recht haben mochten So mache ich meyn Testament vnd schickunge meyns leczten willens in sulcher weyze […]« (ASVI 21. 08. 1439).
Es kommen auch Texte vor, deren Anfangssequenz sich auf die Kommunikationssituation direkt bezieht und diese spezifiziert: »[…] czo Stee ich alhy vor gehegtim dinge […]« (ASVI 01. 06. 1442), »[…] kygewetig alhy vor gehegtim dinge steende […]« (ASVI 12. 06. 1444), »[…] alhy steende vor gehegtim dinge […]« (ASVII 26. 06. 1451). Diese Angaben beweisen, dass wenigstens diese Czedel bereits bei der Anfertigung an die konkrete Behörde adressiert waren. Der Tes-
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tator wusste es also bereits bei der Anfertigung der Testamentskizze durch einen professionellen Schreiber, ob er die Vorlage dem Gericht oder dem Rat vorlegen wird. Eine Art der Andeutung der Kommunikationssituation sind auch Anreden, die sich an die Vertreter des Amtes richten, wobei kein Unterschied zwischen der Ansprache an die Schöffen und der an die Räte festgestellt werden konnte, abgesehen von der nur beim Gericht möglichen Anrufung des Richters (Voytes). Insgesamt kommen die Ansprachen zwölfmal in den AS und zweimal in dem LT772 vor und lauten (angeglichen an die heutige grammatische und graphematische Form): »ersame liebe Herren« (fünfmal, nämlich in: ASV 19. 10. 1423, ASVI 30. 10. 1439, ASVII 18. 10. 1448, ASVII 22. 10. 1457, LT772 23. 04. 1451) »ersame weise liebe Herren« (einmal in: ASVI 21. 08. 1439), »ersame weise Herren« (in: ASVII 23. 08. 1448, LT772 05. 05. 1481), »Herr Richter und liebe Herren« (in: ASVI 30. 04. 1434, ASVI 12. 08. 1435, ASVI 25. 01. 1437, ASVI 19. 02. 1440, ASVI 27. 05. 1440), »liebe Herren« (ASVI 16. 05. 1438). Aber nur im letzten in den der Krakauer Stadtbüchern vorhandenen Czedeltext findet sich eine Invocatio als Anrufung eines göttlichen Wesens. Dies ist wahrscheinlich durch die neue Mode der Bürgerurkunden bedingt: »Jn dem namen des almechtige gotis. Jch Merten Konigk goltschmidt. mach mey(n) testament vnnd meyne(n) leczte(n) wille(n) mit wolbedochte(m) mütte alzo […]« (ASX 13. 08. 1520).
Das bedeutet, dass man in den Czedeln nicht von einer einheitlichen Anfangssequenz sprechen kann. Daher stellt sich die Frage, wo dann nach solchen Angaben wie dem Namen des Testators und dem Charakter des Textes (Benennung der Textsorte) zu suchen ist, wenn diese in den assertiven Anfangssteilen nicht enthalten sind. Nach Untersuchung der ganzen Kerntexte lässt sich feststellen, dass diese Angaben auch außerhalb der assertiven Anfangssequenzen, im fortlaufenden Kerntext, auftauchen können. Besonders die Textsorte kann entweder direkt formuliert werden oder indirekt durch Temporalangaben supponiert werden, z. B. anhand einer Präpositionalgruppe, die dem Prädikat folgt: »nach meinem Tod« (vgl. ASVI 11. 07. 1438, ASVI 04. 02. 1439, ASVII 09. 09. 1457) oder anhand eines Konditionalsatzes: »ap got icht an mir tete« (vgl. ASV 16. 08. 1426, ASVII 23. 01. 1450, ASVII 26. 06. 1451). Eine prägnante Rolle bei der Angabenvermittlung im globalen Kontext des Großtextes der ganzen Eintragung nehmen zudem die einführenden Paratexte der Behörde an, die im Weiteren noch behandelt werden.
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10.1.2 Elemente des klassischen Protokolls und der Narratio innerhalb des Kerntextes Es gibt auch Czedel, die zwar nicht mit einem assertiven Anfangsteil beginnen, aber in ihrem fortlaufenden Kerntext Elemente eines klassischen urkundlichen Protokolls und der Narratio beinhalten. Zu den möglichen zusätzlichen Elementen des Kerntextes gehört auch die Intitulatio, z. B.: »Lieben h(e)rin ich Andris melczer ich bevele […]« (AC427 03. 07. 1400), die Angaben zur Testierfähigkeit und die Promulgatio, z. B.: »Wissentlich sey alle(n) fr erbarn leuthen, das der erbar man mertin iu(n)ge an dem neste(n)vritage vor vns(er) libe(n) frawe(n) tag lichtweie hat bescheiden seynem sone […]« (ASIII 28. 11. 1393).
Was die Existenz der Überschriften im Original anbelangt, so sind – wo nicht explizit vorhanden – solche anzunehmen, die – vermutlich wie bei den Abschriften – mit einen vorausgestellten Vor- und Nachnamen anfängt, einem nominativus pendens, der dann weiter sprachlich (phorisch) durch ein Pronomen (in diesem Fall: ich) aufgenommen wird. Dieser Fall gilt aber eher als Ausnahme, vgl.: »Nicolaus dambraw / ap got an mir acht tut […]« (ASIII12–18. 11. 1395). Eine ähnliche Situation könnte auch in einem Text aus dem LT772 der Fall gewesen sein: »Katharina Cloze glazery(n)ne vor euch Ersame(n) liben h(er)en mache ich mey(n) Testament vnd mey(n) lecztin willin alzo […]« (LT772 12. 04. 1443). Es muss dazugesagt werden, dass im letzten Teil das Original nicht vorhanden ist und deswegen die endgültige Feststellung, ob es sich tatsächlich um Überschriften aus dem Original handelt, offenbleibt.
10.1.3 Endsequenzen der Czedel Die Endsequenzen der Czedel bilden das Ende der Narratio und sind nicht mit der Corraboratio zu verwechseln, deren Bestandteile in den Czedeln ganz fehlen (außer den drei bereits genannten bescheinigten Czedeln, die hier nicht Gegenstand der Analyse sind). Einige sich wiederholende Elemente kann man aber gegen Ende der Czedelabschriften feststellen. Nach den Legaten erfolgen meistens Aussagen über die Wahl der Vormunde, die Herrschafts- und Veränderungsklausel (d. h. Anmerkung über das Behalten der Gewalt über die Dinge und die Möglichkeit der Änderung der testamentarischen Bestimmungen zu Lebzeiten des Testators) und die Ausschließung der Verwandten oder anderen als die in der Dispositio genannten Verwandten (den Erbanwärtern) von dem Erbe. Der Inhalt der Czedel kann aber ebenso gut auch einfach mit den Legaten abbrechen.
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Struktureller Aufbau dreier Texttypen der testamentarischen Eintragungen
Weitere Fragen, die in dem Czedeltext nicht enthalten waren, jedoch im Kontext der sozialen Handlung wichtig sind, können vom Testator selbst aus freien Stücken oder nach Ermessen der Behörde von dieser nach der Verlesung des Czedeltextes geklärt werden. Dies ist v. a. immer dann zu vermuten, wenn die Angaben, die üblicherweise den Text der Czedelabschriften schließen, nach der Abschrift hinzugefügt wurden wie in folgendem Beispiel: »Also was der laut der obgenan(ten) czedil vnd testame(n)ts vnd dy obgenannte fraw helen seyne hausfraw hot p(er)sonlich voryowort in das obgena(n)te testame(n)t Vnd her hot gekoren desim seynem testame(n)t czu vormu(n)den her Cuncze langen vnd wenike kezingern […]«. (LT77223. 04. 1451)
Ähnlich kann man auch weitere Elemente, die nach einer vor der Behörde ausgedrückten Handlung Dritter auftreten, auffassen: bspw. »Vnd och dy hawsfrawe hot keginwortig vorwillet un(d) her hot ym dy hirschaft behald(e)n dy weile her lebit […]« (LT772 05. 05. 1481, vgl. auch LT772 1491, S.148). Die folgende Formulierung lässt vermuten, dass die weiteren Handlungen – etwa der gegenwärtig Stehenden und folglich auch die zusätzlichen Handlungen des Testators, der den Czedel der Behörde vorlegt – tatsächlich nach der Verlesung des Czedeltextes vor der Behörde stattfindet. In folgendem Passus wird es besonders deutlich ausgedrückt, dass die Handlung Dritter nach der Verlesung des Czedels erfolgt: »Also ferre was laut des obgena(n)ten testaments. vnd das testament. habe wir Scheppin ortillich bestetigit als recht ist. Vnd dobey stund keiginwortig der obgenante peter Olslager vnd Stenczil seyn son, vnd gloubten vnd vormunden sich, den obgenanten czins czwe marg ierlich czu geb(e)n als obene geschreben ist czu ewigen tagen. vnd ouch nomen diselben peter Olslager vnd Stenczil seyn son, dy vormu(n)deschaft of, vnd das leen als obene. vnd gloubten das testame(n)t gancz ausczuricht(e)n vnd czu volbringen, vnd als leen h(er)n czu bewaren, der beyder elter als obene geschreben ist czu ewigen tagen.« (ASVI 10. 06. 1440)
Ein anderes Fragment einer Eintragung mit einer Czedelabschrift lässt hier aber Zweifel bezüglich der Abgrenzung dessen aufkommen, was zum Czedeltext gehört und was vom protokollierenden Kanzleimitarbeiter ergänzt wurde: »Vnd daz ist geschen vor gehegtim dinge, do bey ist gewest meyn Son Petir vndmeyne tachter Barbara, vnd haben das voryowort, vnd kise mir czu vormu(n)de mey(n) Son Peter, vnd Peter Tarnaw, vnd ap meyn Son Peter storbe, so mag Peter Tarnaw eyne(n) andern vormu(n)de kisen an seyne stat, vnd ich behalde mir dy herschaft. das czu brechen wenne ich wil.« (ASVI 16. 05. 14381)
Dieses Beispiel kann sogar implizieren, dass der Ablauf der Gerichtssitzung bereits bei der Abfassung der Testamentsskizze (des Czedels) festgesetzt wurde, was aber als eine sehr vage Schlussfolgerung erscheinen mag. Von einem sog. Nachfeld des Testaments im eigentlichen Sinne lässt sich also bei den Czedeln nicht sprechen, da die Endsequenzen – obwohl sich einige sich
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wiederholende Elemente bestimmen lassen – keine sicheren Schlusszeichen sind, obwohl sie anhand der Vorkommensfrequenz in diese Richtung tendieren. Die in einem der Texte erscheinende zusätzliche Verfügung, die nach der Herrschaftsklausel erfolgt, ist demzufolge auch nicht als Nachfeld einzustufen: »[…] vnd behalde mir dy herschaft dy weile ich lebe Jtem ab dy frunde noch meyme tode hab(e)n welden so sal man en is xv guld(e)n neer geb(e)n […]« (ASVII 18. 10. 1448). Die folgende Tabelle beinhaltet die häufigsten Elemente, die gegen Ende der Czedelabschriften nach Donationen und anderen testamentarischen Bestimmungen erfolgen und durch nicht mehr als maximal ein weiteres Element getrennt werden. 13 Texte beinhalten keine der sich wiederholenden Endelemente und brechen mit den Donationen oder Bekenntnissen und Verfügungen über Schulden ab. Das häufigste sich wiederholende Endelement ist die Kombination Herrschaftsklausel + die Ernennung der Vormunde/Exekutoren. Wenn man auch die Fälle mitberücksichtigt, in denen noch ein zusätzliches Element nach diesen zweien oder dazwischen stehen, kann (z. B. eine nachgetragene Verfügung oder Ausnahmen zur Herrschafts- und Veränderungsklausel bzw. die Ausschließung der Verwandten von der Erbfolge oder der Widerruf eines früheren Testaments – vgl. die linke Spalte), sind es 33 Texte, die mit diesen zwei Elementen enden. Häufiger dabei ist die Ernennung der Vormunde/Exekutoren der Herrschaftsund Veränderungsklausel vorangestellt (in 24 Texten), besonders wenn zwischen den beiden Elementen noch etwas hinzutritt. Am Platz zwei in der Häufigkeitsskala der Endelemente der Czedel(abschriften) steht die Herrschafts- und Veränderungsklausel mit 18 Belegen im untersuchten Textkorpus. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Vormunde und Exekutoren in diesen Testamenten nicht berufen werden, die Ernennung kann nämlich sowohl den Teil der Dispositio eröffnen als auch unter weiteren Verfügungen inmitten der Dispositio auftreten. Die Ernennung der Vormunde steht seltener allein am Ende (viermal), die Ausschließung der Verwandten kommt in dieser Position nicht vor. Es können aber auch zusätzliche Elemente vorkommen, die in der Zusammenstellung nicht notiert werden. Diese beziehen sich auf die genannten »Stammelemente«, wie Ausnahmen zu der Herrschaftsklausel, die übrigens meistens rechtlich unwirksam waren oder bereits vom Recht geregelt wurden wie im Fall der Gerade, also des Vermögenkomplexes, der erst nach dem Tod der Ehefrau sich absonderte und ihrer nächsten weiblichen Verwandten zufallen sollte (ASVI 30. 10. 1439, ASVI 10. 02. 1441, ASVI 20. 08. 1445, LT772 23. 04. 1451), oder Ausnahmen zur Ausschließung plus eventuelle Verfügungen für die von der Ausschließung ausgenommenen Person (ASVI 08. 01. 1434), Begründung zur Ausschließung konkreter Verwandten (ASVI 27. 05. 1440).
Zusätzliche Elemente und Bemerkungen
ASIII 19. 11. 1394, ASVI 04. 09. 1439 (S), ASX 13. 08. 1520, LT772 05. 05. 1481
Vormunde
Ausschließung/ – Auslassung
ASIII 24. 01. 1393, ASIII 24. 01. 1393, ASV 06. 08. 1428, ASVI 30. 04. 1434, ASVI 12. 08. 1435, ASVI 01. 12. 1436, ASVI 25. 01. 1437, ASVI 11. 07. 1438, ASVI 04. 02. 1439, ASVI 11. 02. 1439, ASVI 18. 09. 1439, ASVI 10. 06. 1440, ASVI 28. 04. 1441, ASVI 01. 06. 1442, ASVI 11. 12. 1444, ASVII 23. 08. 1448, ASVII 20. 01. 1450, ASVII 23. 01. 1450, ASVII 26. 06. 1451, ASVII 09. 09. 1457, ASVII 22. 10. 1457, LT772 12. 04. 1443, LT772 23. 04. 1451, LT772 27. 09. 1464
–
ASIII 24. 01. 1393 (Herr +Verfügung+Schulden einfordern), ASVI 30. 04. 1434 (Herrschaft+Verhaltensklausel), ASVII 23. 01. 1450 (Herrschaft+Sterbeklausel für früher genannte Vormunde), ASVII 09. 09. 1457 (Herrschaft+Widerruf), LT772 23. 04. 1451 (Herrschaft+Ausnahmen von der Herrschaft)
ASIII 28. 11. 1393, ASIII 15. 05. 1394, ASVI 21. 08. 1439, ASVI 09. 09. 1440, ASVII 21. 04. 1447, ASVII – 16. 08. 1448, LT772 04. 03. 1448, LT772 31. 12. 1460, LT772 11. 06. 1463, LT772 27. 09. 1464, LT772 04. 10. 1466, LT772 1491, S. 148 U. E.
Texte der Eintragungen
Herrschaft
Sich wiederholende Elemente –
150 Struktureller Aufbau dreier Texttypen der testamentarischen Eintragungen
Herrschaft + Vormunde + Ausschließung
Sich wiederholende Elemente Herrschaft + Vormunde
(Fortsetzung)
ASVI 08. 01. 1434: Vor+Ausschließung+Herrschaft, ASVI 11. 03. 1435: Ausschließung +Vor+Widerruf früheres Testament+Herrschaft, ASVI 03. 10. 1438: Ausschließung +Herrschaft+Vormunde, ASVI 30. 10. 1439: Vormunde + Ausschließung +Herrschaft, ASVI 27. 05. 1440: Ausschließung+Vormunde+Herrschaft, ASVI 21. 10. 1446: (Vor) + Ausschließung +Herrschaft, LT772 24. 10. 1452: Ausschließung+Herrschaft, LT772 19. 02. 1454: Ausschließung +Vormunde+Herrschaft
ASVI 16. 05. 1438 (Einwilligung der Erbnehmer +Vor +Herrschaft), ASVI 19. 02. 1440 (Vor +Herrschaftsklausel+ Verfügung), ASVI 10. 02. 1441(Vor + Herrschaft+ Ausnahmen zu der Herrschaft), ASVII 18. 10. 1448 (Vor +Herrschaft+Verfügung)
V+H: ASIII 19. 05. 1393, ASIII 08. 01. 1395, ASIII 08. 01. 1395, ASVI 17. 06. 1435, ASVI 16. 05. 1438, ASVI 04. 09. 1439, ASVI 19. 02. 1440, ASVI 09. 09. 1440, ASVI 23. 09. 1440, ASVI 10. 02. 1441, ASVII 18. 10. 1448, ASVII 23. 01. 1450, ASVIII 16. 01. 1461 H+V: ASIII 19. 11. 1394, ASIII 05. 02. 1395, ASIII 12.–18. 11. 1395, ASIV 25. 09. 1416, ASV 19. 10. 1423, ASV 10. 02. 1430, ASVI 20. 08. 1445, AC427 03. 07. 1400. AC428 01. 07. 1433
Zusätzliche Elemente und Bemerkungen
Texte der Eintragungen
Eintragungen von Czedel(abschriften)
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Struktureller Aufbau dreier Texttypen der testamentarischen Eintragungen
Im Fall der Czedel ist jedoch immer zu bedenken, dass es sich um abgeschriebene Texte handelt. Man kann also nie sicher sein, ob die Abschrift im Stadtbuch wortgetreu abgeschrieben wurde und ob die Anfangs- und Endsequenzen originalgetreu übernommen wurden. Von möglichen Auslassungen könnten v. a. die in den jeweiligen Abschriften auftretenden Adnotationen am Ende des Textes zeugen, die auf et caetera enden (ASIII 24. 01. 1393, ASIII 15. 05. 1394, ASVI 01. 06. 1442, ASVI 11. 02. 1439).
10.1.4 Amtliche Paratexte am Anfang der Eintragung Im Unterschied zu den Anfangssequenzen der Czedel als Kleintexten des Kerntextes (also dessen inhärente Teile) werden Czedelabschriften durch die Behörde mit einem oder mehreren (dann meist zwei) einführenden Paratexten versehen. Während die Anfangssequenzen in den Czedel fakultativ angefertigt erscheinen, sind die einführenden Paratexte des Amtes obligatorisch, da sie auf die Tatsache hindeuten, dass ein Text der Vorlage folgt. Die Einführungssequenzen der Behörde können zweierlei graphische Formen annehmen: Entweder sind diese von der Abschrift abgesetzt und über diese als Supratexte platziert (was ihnen dann primär eine Navigationsfunktion unter den einzelnen Eintragungen im Stadtbuch zuerkennt; Kennzeichnung in den folgenden Tabellen: S) oder sie scheinen in einem näheren Zusammenhang mit dem Czedeltext zu verbleiben, was sich graphisch darin manifestiert, dass sie in denselben Textblock integriert sind (Kennzeichnung in den folgenden Tabellen: AV = nicht abgesetzter Aktenvermerk, der als ein assertiver Einführungsteil in die nachfolgende Czedelabschrift verstanden sein soll). Die Supratexte können sowohl nicht ausgebaute Aktenvermerke sein, die im Extremfall nur das Datum der Gerichtssitzung oder das Datum der Vorlegung des Czedels vor den Rat nennen, als auch selbst zu amtlichen assertiven und protokollartigen Einführungsteilen des Großtextes werden. Es kommt auch vor, dass beide Arten der einführenden Paratexte miteinander kombiniert sind. Die einführenden Paratexte der Behörde (also sowohl die Supratexte als auch die graphisch integrierten Paratexte) habe ich semantisch auf die bei den assertiven Anfangssequenzen benannten redundanten, also sich wiederholenden, Elemente untersucht, da diese sowohl auf die einführenden assertiven Kleintexte des Czedels als auch auf die Paratexte der Behörde verteilt werden. Die nachfolgenden Tabellen zeigen, in welchem Teiltext die ausgesonderten Elemente in der jeweiligen Eintragung (gesehen als ein Großtext) vorkommen. Dabei zeigt sich Folgendes: Die Supratexte bei früheren Czedelabschriften in den AS vom Ende des 14. Jahrhunderts sind auf die Daten der Gerichtssitzung beschränkt. Diese Daten
Eintragungen von Czedel(abschriften)
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können der Czedelabschrift als Supratext vorangestellt sein oder – wenn in demselben Gerichtsdatum mehrere Angelegenheiten erledigt wurden – nicht unmittelbar vor der Czedelabschrift, sondern vor früheren Eintragungen, stehen und somit kein Supratext der Czedelabschrift sein. Die Supratexte mit der bloßen Datenangabe sind also keine einführenden Aktenvermerke der Behörde im eigentlichen Sinne. Ein Paratext in Form eines Supratextes beim gleichzeitigen Fehlen weiterer (in den Textblock integrierter) einführender Paratexte der Behörde, der mehr als das Datum umfasst, lässt sich bei 47 der 74 untersuchten Eintragungen feststellen. Dabei zeigt sich die Tendenz, dass dies (verhältnismäßig) häufiger Fall ist bei den Eintragungen in den Ratsbüchern (in neun von zwölf Eintragungen in dem LT772 + allen sechs Eintragungen in den AC) als in den Gerichtsbüchern (in 32 der 56 Eintragungen, wobei das erste Mal in ASIV 25. 09. 1416). Manche dieser einführender Supratexte sind spärlich. So benennt bspw. ASV 10. 02. 1430 nur den Texttyp und gibt die gerichtliche Bestätigung an. ASVI 21. 10. 1446 und ASVII 09. 09. 1457 benennen nur den Texttyp. Erst wenn in den Supratexten der gerichtliche Charakter der sozialen Handlung (und somit die Textsorte deren Verschriftlichung) und der Name des Testator angegeben werden, übernehmen sie eindeutig die Rolle protokollartiger Einführungssequenzen des Amtes (25mal in den AS, achtmal in dem LT772 und zweimal in den AC). Dabei können diese Kleintexte es dabei belassen, kurz zu sein, oder noch mehr ausgebaute Form annehmen – bspw. bei Nennung der Verfassung des Testators und des Grundes seiner Testamentsablegung: »Nicolaus pat(er)n(oste)r San(us) corp(or)e et boneraconis p(er)fectur(us) Roma(m) fecit suu(m) testame(n)tu(m)dans illus (con)sc(ri)ptu(m) in scedula in hunc modu(m) […]« (ASVII 18. 10. 1448) bis hin zu neungliedriger Sinnelementstruktur (vgl. LT772 1491 S. 148). Die zweite Gruppe der Paratexte der Behörde bildet die in den Textblock integrierte assertive protokollartige Paratexte. Diese finden sich in 25 Texten. In den AS häufiger (22-mal, durchgehend in den anfänglichen Eintragungen, dann seltener) als in den Büchern des Rates (nur dreimal in dem LT772). In einer Eintragung finden sich gleichzeitig beide Arten der einführenden Paratexte der Behörde (ASVII 23. 08. 1448): ein Supratext in dieser Funktion und ein Paratext, der in den Textblock integriert ist, wobei es sich bei dem Supratext lediglich um eine Überschrift mit Benennung der Textsorte und des Testators: Test(amentu)m pat(er)n(oste)r handelt. Die Paratexte der Behörde in der Eintragung ASVII 16. 08. 1448 sind ein seltener Befund: es gibt hier nur einen kurzen Supratext mit Einführungsfunktion: »Test(amentu)m Hann(us) wole in scedula p(rese)ntatum«, bei dem die Eintragung in einer gekürzten Form nach einigen weiteren Eintragungen auf derselben Seite wiederholt wird, diesmal aber mit einer mehr ausgebauten assertiven protokollartigen Einführung der Behörde:
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Struktureller Aufbau dreier Texttypen der testamentarischen Eintragungen
»Hann(us) wole bey guter vornu(n)fe vnd gesunden leibe frogte in rechte(n) ap her mit seyne(m) wolgewonne(n) gute das Jn nicht anirstorben ist tuen mag vnd lossen noch seynem bestin willen vnd do Jm das durch vnd geteilt was. hot her sey(n) testament Vns in eyn(er) czedil verschreb(e)n geentwert. dy also laute Jch (et caetera) uts(u)p(ra) Hann(us) wole stee (et caetera)«
Der wahrscheinlich beim Abschreiben oder Konzipieren der Eintragung vergessene einführende Paratext des Amtes wurde also auf diese spezifische Weise nachgetragen, was auch seinen Belang für den Großtext andeutet. Die meisten Angaben in den Paratexten der Behörde beziehen sich auf den Text selbst. Zahlenmäßig wird in diesen Paratexten beider Arten (S und AV) an erster Stelle der Texttyp genannt oder angedeutet (in 72 Texte, lediglich in zwei Texten: ASVI 19. 02. 1440 und LT772 12. 04. 1443 findet sich diese Angabe nicht; wird aber in den Anfangssequenzen der Kerntexte ausgedrückt). In manchen Paratexten wird aber der Czedel nicht offen benannt, sondern die schriftliche Vorlage wird in einer umgeschriebenen Weise erwähnt: »[…] vns geschreb(e)n geentwirt […]« (ASVI 09. 09. 1440 L.V.), »[…] beschreb(e)n geentwirt i(n) sulchen worten […]« (ASVI 09. 09. 1440 S.B.), auf Latein: »in rota« (übersetzt: in einer Rolle) (ASVI 28. 04. 1441), siehe weiter in den tabellarischen Zusammenstellungen. An zweiter Stelle der Häufigkeit des Vorkommens der Sinnelemente in den Paratexten der Behörde steht die Bezeichnung der Textsorte (in 65 Texten). Der Testator wird dagegen in nur 61 Fällen genannt (darunter nur in zwei von sechs Eintragungen in den AC), in weiteren Eintragungen ist sein Name dem Kerntext der Czedelabschrift zu entnehmen. Die weiteren Plätze belegen: Datum der Testamentsablegung vor der Behörde (32-mal), die Bestätigung durch Urteil (20-mal), weitere Angaben zu dem Testator (sein Beruf, Herkunft, Agieren durch einen Vormund: 16-mal), danach Testierfähigkeit (14-mal), weitere Angaben zum Erbe (13-mal, darunter fünfmal Rechtsfragen nach der Möglichkeit einer freien Verfügung), amtliche Zeugen der Handlung der Testamentsablegung (neunmal mit Namen genannt, alle in den Ratsbüchern), Sprache des Czedel (neunmal) sowie Erwähnung eigenhändiger Bearbeitung und Zustimmung des Ehepartners/der Erbnehmer oder der Erben nach üblicher Erbfolge ( je zweimal). Es lassen sich hier zwei Unterschiede in den Paratexten der beiden in Testamentsangelegenheiten berechtigten Behörden feststellen: 1. werden die amtlichen Zeugen der Handlung beim Namen nur in dem LT772 und in den AC benannt (in der Eintragung LT772 12. 04. 1443 lediglich das Datum, an dem der Czedel vorgelegt wurde und die Zeugen der sozialen Handlung der Testamentsablegung genannt); 2. konnte eine Handlung durch Urteil nur vor dem Gericht bestätigt werden, sodass sowohl dieser Umstand als auch die Erwähnung einer – meist durch ein Urteil entschiedener – Rechtsfrage nur in den Paratexten des Gerichts auftreten kann.
Eintragungen von Czedel(abschriften)
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Wenn man den ganzen Großtext der Eintragung mit einer testamentarischen Czedelabschrift betrachtet, lässt sich feststellen, dass zwei Angaben im ganzen Kontext obligatorisch genannt werden: das ist die Benennung des Testators und die Bezeichnung des Texttyps (das letzte entweder unmittelbar oder mittelbar). Als eine fast obligatorische Angabe kann auch die zu der Textsorte gezählt werden (sie fehlt nur in zwei Eintragungen mit den Czedelabschriften). Der Einsatz des Rests der abgesonderten Sinneinheiten variiert stark, so dass sich keine Regularitäten oder deutliche Tendenzen abzeichnen.
10.1.5 Weitere Paratexte in den Czedelabschriften Weitere Paratexte lassen sich in solche aufteilen, die von dem Textblock des Kerntextes graphisch abgehoben und solche die durch den Kanzleimitarbeiter in diesen integriert wurden. Die erstgenannten sind leicht zu klassifizieren. Wie aus der tabellarischen Zusammenstellung ersichtlich ist, finden sich in den Eintragungen mit den Czedelabschriften 13 Infratexte (dazu noch ein Paratext, der als Infratext nicht in Bezug auf die Seite, aber in Bezug auf die Czedelabschrift, ein Intratext ist) und fünf Juxtatexte. Letztere sind meistens Stichpunkte, die der Navigation im Stadtbuch und/oder im Text der Eintragung dienen. Nur zweimal werden sie auch zu anderen Zwecken verwendet: zur Angabe des Datums der Testamentsablegung und der Verschriftlichung der Handlung des Widerrufs eines Testaments (vgl. Tabelle). Die Infratexte sind dagegen Verschriftlichungen weiterer sozialen Handlung in Bezug auf den Kerntext: Neben dem Widerruf des Testaments können auf diese Weise auch die Einwilligung der Ehepartner/der Erbnehmer in die testamentarischen Verfügungen oder umgekehrt, die Protestatio, verschriftlicht werden. Neben diesen können auch nachgetragene vergessene Teile des abgeschriebenen Originals stehen. In einem Text folgt auf das Testament eines Mannes eine Vergabung des Todes wegen seitens der Frau. Wahrscheinlich war diese bei der Testamentsablegung anwesend und unternahm ihre soziale Handlung im Gegenzug des Testaments. Es ist aber immer die Frage der Interpretation und gemachten Annahmen, die Verschriftlichungen weiterer Handlungen als integrale Bestandteile des Großtextes einer Eintragung zu verstehen. Zu den Paratexten, die der Abschrift des Czedels hinzugefügt wurden, gehören auch kurze Texte, die graphisch nicht abgesetzt wurden und deshalb nicht als Infratexte zu bezeichnen sind, obwohl sie als Paratexte der Behörde anzusehen sind. Wo das Ende der Czedelabschrift ist und wo der eventuell hinzugefügte Text der Behörde beginnt, bleibt oft dann unklar, wenn keine graphische Absetzung der beiden Texte erfolgt. Nur in zwei Eintragungen findet sich hier eine mit Worten ausgedrückte Delimination: »Also vil woren der wort der obgenenten
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Struktureller Aufbau dreier Texttypen der testamentarischen Eintragungen
czedil […]« (ASVI 12. 06. 1433), auch […] »v(er)ba cedule p(ost) h(oc) elegit sibi executor(e)s hui(us) sue volu(n)t(atis)« (zu Deutsch: Die Worte dieses Zettels. Danach wählte er seine Exekutoren nach seinem Willen und Wahl) (ASV 23. 10. 1423). Sonst ist mit mittelbaren Signalen zu rechnen, z. B. mit dem Wechsel des grammatischen Tempus, der Benennung des Gremiums, vor dem die Handlung vorgenommen wurde (z. B. »vor uns«), oder die Deliminierung wird durch die Lebenserfahrung vorausgesetzt. So wird bspw. die Einwilligung der berechtigten Personen, also der nach der üblichen Erbfolge vorgesehenen Erbnehmer, oder Personen, auf die eine Aufgabe auferlegt wurde, meist nachgetragen und erfolgt erst vor der Behörde, z. B. die Frau, die gelobt, die Schuld des Mannes abzuzahlen: »Vnd dy vorige vorschreibu(n)g of dy helfte meyn(er) gutter meyn(er) hausfrawe(n) sal sey(n) tod vnd gancz machtlos, Vnd vmb den will(e)n losse ich Jr gar obir dy schalde, wen so sy dy schalde beczalt so wirs Jr gar wenig bleib(e)n obir das behalde ich mir dy hirschaft Jte(m) seyne obgenan(te) haus fraw hat voryowort vor vns in dy obgenante(n) stucke , vnd besund(er)n globte sy czu be czalen seyne schalde noch seynem tode.« (ASVII 26. 06. 1451)
Es kann angenommen werden, dass der oben (von der Verfasserin der vorliegenden Arbeit) unterstrichene Teil der Czedelabschrift vom Gericht zu dem abgeschriebenen Text des Czedels hinzugefügt wurde, also nicht zu der Vorlage gehörte, auch wenn er nicht graphisch abgesetzt wurde.
Wechsel des Tempus (Präsens in Perfekt), Wechsel der Person 1 Sg. in 3 Sg. Wechsel des Tempus (Präsens in Perfekt), Wechsel der Person 1 Sg. in 3 Sg. Formulierung Personlich steende Wechsel des Tempus (Präsens in Perfekt), Wechsel der Person 1 Sg. in 3 Sg.
ASVII Einwilligung der Tochter 20. 01. 1450 ASVII Einwilligung der Frau 26. 06. 1451
ASVII Einwilligung der Frau 09. 09. 1457
ASVII Handlung der Bedachten vor dem Gericht, die Zuerkennung des 21. 04. 1447 Genusses des Erbes zu den Lebtagen der Testiererin
explizit das Ende angedeutet (Also ferre was laut des obgena(n)ten testaments), Wechsel des Tempus (Präsens in Perfekt/Präteritum), Wechsel der Person 1 Sg. in 1 Pl./1Sg. in 3 Sg. Formulierung keginwerticlich steende, Wechsel des Tempus (Präsens in Perfekt), Wechsel der Person 1 Sg. in 3 Pl.
Wechsel der Sprache (Deutsch-Latein)
Wechsel der Sprache (Deutsch-Latein)
Formulierung Vnd des stund keigenwertig, Wechsel der Person 1 Sg. in 3 Sg., Wechsel des Tempus (Präsens-Perfekt)
Wechsel der Sprache (Deutsch-Latein)
explizit das Ende angedeutet (h(oc) …… v(er)ba cedule), Wechsel der Sprache (Deutsch-Latein)
Indizien, dass es ein Paratext außerhalb des Czedels ist
ASVI Bestätigung durch Urteil und Einwilligung in die Vormundschaft 10. 06. 1440
ASVI Widerruf 03. 10. 1438 ASVI Widerruf 19. 02. 1440
ASVI Einwilligung der Frau 12. 08. 1435 ASVI Einwilligung der Tochter 25. 01. 1437
Text der Paratext Eintragung ASV Wahl der Exekutoren 19. 10.1423
Eintragungen von Czedel(abschriften)
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LT772 XXX Einwilligung der Kinder 1491 U. E., S. 148
LT772 Einwilligung der Frau und die Herrschaftsklausel ergänzt 05. 05. 1481
Text der Paratext Eintragung ASVIII Bestätigung durch Urteil 16. 01. 1461 ASX Einwilligung der Vormunde und Bestätigung durch Urteil 13. 08. 1520
(Fortsetzung)
Wechsel der Sprache (Deutsch-Latein)
Wechsel des Tempus Präsens in Präteritum, Wechsel der Person 1 Sg. in 1 Pl. Wechsel des Tempus Präsens in Perfekt, Wechsel der Person 1 Sg. in 3 Pl., Bestätigung – Passiv Kegenwertig, Wechsel des Tempus Präsens in Perfekt, Wechsel der Person 1 Sg. in 3 Sg.
Indizien, dass es ein Paratext außerhalb des Czedels ist
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Protokollartige Eintragungen
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10.2 Protokollartige Eintragungen Ausgesondert werden konnten 83 protokollartige testamentarische Eintragungen in den AS, 89 im LT772 und 19 in den AC. Auch hier wurde in der Analyse darauf geachtet, nur solche Eintragungen in der Zusammenstellung zu beachten, deren Kerntexte – das sind hier Protokolle der Testamentsablegung – von vornherein im Stadtbuch erscheinen, also nicht eingebettet sind in ein abgeschriebenes Dokument resp. eine Urkunde. Die Aussonderung solcher Texte ist nicht einfach. In manchen Fällen kommen Bedenken auf, ob die Zuordnung richtig ist. Diese Bedenken sind immer dort angebracht, wo die Paratexte keine Hinweise diesbezüglich geben. Ich nehme daher an, dass im Fall der CzedelAbschriften der Texttyp immer angegeben wird oder aus dem Kontext leicht zu unterstellen ist. Wenn solche Angaben fehlen, wird im Allgemeinen von einer mündlichen Testamentsablegungsweise ausgegangen. So wurden bspw. auch diejenigen Testamente miteingerechnet, die nur mit der Angabe des Namens des Testators und der Textsorte als Überschrift versehen wurden. Selten finden sich explizite Hinweise auf die mündliche Ablegung, wie dies ausnahmsweise in zwei Kleintexten in den AC der Fall ist: »[…] hot bey gesundem leybe und mit wolbedochtem mute seyn testament und schicku(n)ge seyns leczten Willens vor uns gemacht und lossen beschreyben […]« (AC42803. 03. 1432, ähnlich auch in: AC42808.1436).
10.2.1 Anfangssequenzen der protokollartigen testamentarischen Eintragungen Bei den protokollartigen Eintragungen kann nicht zwischen Präambeln bzw. assertiven Anfangssequenzen des Kerntextes und den protokollartigen assertiven Einführungssequenzen der Behörde unterschieden werden, wie es bei den Czedel-Abschriften möglich war. Der ganze Text des Protokolls stammt hier vom Kanzleimitarbeiter. Die Anfangssequenzen, wenn solche auftauchen, gehören also, obwohl sie von einem Kanzleimitarbeiter formuliert wurden, zum Kerntext und sind keine Paratexte, wie es bei den Czedel-Abschriften der Fall war. In den AS kommen solche Anfangssteile in 77 von 83 protokollartigen testamentarischen Eintragungen vor, dagegen in nur 33 der 89 Texte im LT772 und in 14 der 19 Texte in den AC. Da der ganze Großtext der Eintragung eines protokollartigen Testaments jeweils von einem Kanzleimitarbeiter verfasst wurde, scheint eine vergleichende Analyse der Eintragungen in den einzelnen Aktenbüchern sinnvoll: es fällt gleich auf, dass die protokollartigen Eintragungen in den Schöffenbüchern im Gegensatz zu denen in den Büchern des Rates (fast) durchgehend mit einem Anfangsteil versehen sind. Mit der Zeit scheinen sich aber die Ver-
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schriftlichungsmuster anzugleichen: Über die Hälfte – 19 von 33 Kleintexte mit einer entsprechenden anfänglichen Sequenz in dem LT772 – stammt aus der Zeit zwischen 1480–1513. Dazu kommt 1521 noch ein Text hinzu, der als Modifikation eines früheren Testaments ausgewiesen werden kann. Die Texte, die mit einem assertiven Anfangsteil beginnen, wurden von mir nach den sich meistens wiederholenden semantischen Elementen untersucht. Das ergab folgende Reihenfolge in Bezug auf die Buchreihe: In AS ist die am meisten aufkommende Angabe in den Anfangssequenzen der Testator (75-mal in 77 Anfangssequenzen, die ich als Kleintexte behandle, 35 von ihnen gefolgt durch weitere Angaben zur Person des Testators bzw. zu dem Umstand, dass die jeweilige Testatorin durch einen Vormund agiert), an Platz zwei in der Häufigkeitsskala steht die Angabe zu der Textsorte (68-Mal), gefolgt durch die Testierfähigkeit (64-mal, darunter 62-mal Angaben zur geistigen Gesundheit und 58mal zum körperlichen Zustand). 20-mal genannt werden Angaben zur Herkunft der zu verfügenden Güter – ob »wohlgewonnen« also selbst erarbeitet oder »angestorben«; diese realisieren sich meistens in Form der Anführung einer früheren Anfrage diesbezüglich an das Gericht und das in diesem Zusammenhang erfolgte Urteil. Außer den genannten Sinnelementen wurde auch festgestellt, dass neunmal die Zeugen der Handlung genannt werden, allerdings jeweils in Form von Nennung des Gremiums in unmittelbarer (vgl. bspw. ASVI 02. 10. 1439: »vor gehegtim« [dinge]) oder mittelbarer Form (vgl. bspw. ASVII 16. 01. 1461: »vor Vns«). Jeweils einmalig kommen Angaben zum Datum der Handlung, zur Bestätigung dieser durch das Urteil des Gerichts und zu der Einwilligung der dazu berechtigter Erbanwärter bzw. des Gatten/der Gattin. Einmal wird auch der Grund der Testamentsablegung genannt, außer allerdings den Fällen, in denen der Wille genannt wurde, Zwietracht in der Familie zu vermeiden, die ich als rhetorische Elemente behandle. Etwas anders präsentiert sich die Reihenfolge der Häufigkeit des Auftretens in den Büchern des Rates, also den AC und dem LT772, da hier v. a. die Zeugen der Handlung wesentlich häufiger genannt werden – entweder in der Form wie dies in den Schöffenbüchern der Fall war, d. h. unter unmittelbarer oder mittelbarer Anführung des Gremiums der Ratsleute, oder beim Namen genannt. An erster Stelle in der Häufigkeitsskala des Vorkommens in dem LT772 erscheint die Bezeichnung der Textsorte (in 32 der 33 Kleintexte), gefolgt durch die Nennung des Testators (31-mal, darunter 21-mal mit weiterführenden Informationen zu ihm bzw. zum Agieren durch einen Vormund) und durch Angaben zu der Testierfähigkeit (25-mal: 19-mal zu der Körperlichen und 14-mal zu der geistigen Gesundheit). Das Datum der Handlung (zweimal), die Einwilligung der dazu berechtigten Personen (zweimal) und der Grund der Testamentsablegung (zweimal) gehören zu den seltenen Angaben. In allen (14) Anfangsteilen der Eintragungen mit protokollartigen Testamenten in den AC wird dagegen der
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Testierer genannt (14-mal; siebenmal mit weiterführenden Angaben) und fast durchgehend auch die Textsorte (13-mal). Platz drei belegen ( jeweils siebenmal) die Nennung der Zeugen (allerdings 0-mal beim Namen) und Angaben zur Testierfähigkeit (dreimal körperlicher Zustand, fünfmal geistige Gesundheit, in unterschiedlicher Kombination natürlich; einmal bezieht sich die Testierfähigkeit aber auf das Alter, wo es bei einem jungen Gesellen heißt: »haben(n) mu(n)dige iar« (AC432 20. 08. 1516)). Sechsmal wird aber auch, was prozentuell hervorsticht (fast die Hälfte der Fälle), der Grund der Testamentsablegung angegeben. Selten wie in den früher besprochenen Büchern genannt wird auch die eventuelle Einwilligung der dazu berechtigten Erbanwärter oder Ehegatten. Der Unterschied zwischen der Zusammensetzung der Elemente der anfänglichen Kleintexte in den protokollartigen testamentarischen Eintragungen in den Büchern des Gerichts und in den Büchern des Rates kann dadurch erklärt werden, dass das Gericht immer in Form von Gerichtssitzungen agierte und anderes nicht zu erwarten war, sodass die Erwähnung des Umstandes der Testamentsablegung vor Gericht eher überflüssig war. Die Handlungen vor dem Rat konnten dagegen entweder vor einem Ausschuss von Vertretern des Amtes oder vor dem gesamten Gremium unternommen werden. Es wird also unterschieden, ob eine Handlung vorm Rat im Rathaus durchgeführt wurde oder ob in Gegenwart der beim Namen genannten Räte. Das könnte bedeuten, dass sich der Testator vor dem sitzenden Rat einfand oder die Namen der Räte, die bei der Testamentsablegung als amtliche Zeugen zugegen waren, genannt werden (vgl. die Tabelle). Während die Präpositionalgruppe vor uns in den Akten des Gerichts auf eine Gerichtssitzung hindeutet, ist eine solche Formulierung in den Akten des Rates als vor dem sitzenden Rat zu lesen (vgl. »[…] vor uns off dem Rathause keginwortiklich stende […]«, AC427 25. 05. 1405), es sei denn in den Aktenvermerken wird dieser Umstand anders angegeben. Wie bei den Czedeln kann man also wegen der den einzelnen Ämtern zuerkannten Kompetenzen auch bei den Protokollen keine Bestätigung der testamentarischen Bestimmungen durch den Rat erwarten. Sie ist in den Protokollen als Element der Anfangssequenz auch nur einmal in den AS vertreten, viel häufiger aber in den Endsequenzen der jeweiligen Eintragungen, was später besprochen wird. Die Einteilung der Kompetenzen zwischen den einzelnen Behörden hat auch zur Folge, dass die Rechtsfragen zur Verfügungsgewalt über wohlgewonnenes sog. propper Gut sich nur an das Gericht richten konnten. Im Fall der assertiven Anfangsteile der protollartigen testamentarischen Eintragungen, die selbst zu den Kerntexten (Protokollen) zugerechnet werden, da sie von dem Kanzleimitarbeiter protokolliert werden sollten, wird von keiner Präambel gesprochen. Zu den assertiven Anfangssequenzen der protokollartigen testamentarischen Eintragungen gehören auch solche, die kein finites Verb, sondern ein Partizip enthalten, obwohl diese nur sporadisch im Korpus auf-
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kommen (vgl. AS IX12. 06. 1507): »Eustachius genn(ant)en von elder(e)n wellende zeynen leczten willen machen.« Wie aus den oben angeführten Zusammenstellungen hervorgeht, wird die Textsorte in den Protokollen meistens explizit genannt. Wenn sie aber nicht genannt wird, dann wird aus dem Kontext ersichtlich, dass es sich um eine Donation handelt, die einen testamentarischen Charakter hat: »Dorothea wenige(n) Jelgynne durch h(er)n Joh(an)es Sebinwirt den sy ir dor czu czu vormu(n)de nam. hot bescheyden in testamentis weyze […]« (ASIV 25. 08. 1430). In den anderen Fällen, die auf eine postmortale Donation hinweisen, ist aus dem gesamten Text – also aus der Textganzheit – zu entscheiden, ob es sich um ein Testament oder eine Vergabung des Todes wegen handelt, da beide verbal ähnlich anfangen können, vgl. ein Testament ASVI 16. 08. 1426: »Jch Pet(er) eycheler secze vn(d) gebe ab got icht an m(ir) tut […]«; oder auch ASVI 11. 01. 1439: »Ich hann(us) Lode Burg(er) czu Cracow meynes Rom weygis czu eyn(er) vorschreybunge ap do got der h(er)re noch seyne(m) wylle icht of mich vorhenge […] ich mey(n) gut eyne(n) itlich(e)n noch meynem wille habe entscheyden vn(d) entschede […].«
Neben den genannten Elementen der assertiven Anfangssequenzen können auch noch andere vorkommen, was aber ganz selten geschieht. Zu den semantisch bedeutenden und funktionalen gehört der Widerruf eines früheren Testaments (einmal: AS VIII 01. 06. 1473) sowie die Benennung des Umstandes, dass das Testament nicht im Rathaus, sondern zu Hause vor einem Ausschuss der Räte stattgefunden hat: »In kegenwortickeit der Ersame herren johannis clethner of dy czeit Burgirmeister Johannis borgk jorge lange vnd leonard(us) vngestumme gegangen off Beger vnd bete in craft vnsir p(ri)vileg(.) Vnd hantfesten zu helena Nicolai hafteryn zum karnowsker wanende welche in guttir vornunft sitczinde in yrem gemache etlich(e)r mosse swach des leibis hat gemacht yre Testament […]« (LT77230. 03. 1493).
Ähnliches auch im LT772 12. 06. 1507. Solches kommt aber in den AS nicht vor, da auch die zu Hause abgehaltenen Gerichtssitzungen als vollwertige angesehen wurden und nicht als eine stellvertretende Maßnahme. Unter denjenigen Protokollen, die zusätzlich mit einer rhetorischen Funktion belegt sind, kann dagegen die Arenga genannt werden, also quasiphilosophische bzw. religiöse Betrachtungen über die Testamentsanfertigung oder die menschliche Sterblichkeit im Allgemeinen (siehe: AC432 02. 09. 1522): »Der Erhafftige Joannes Antoniu(us) Baccalarius yn dene sibe(n) freye(n) ku¨ nsten. ettwe(n) des h(e)rrn Antonij goltschmids von Caschaw son. ist vor vns Jn sitczende(n) rotte kum(m)en der halb(e)n das her off dize czeith von Crockaw czihe(n) sold Ansehende ferlickeit dy sich off dem weg begeb(e)n mocht
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Aŭ ch weitt(e)r betrachten(n) das nix vngewiss(e)rs ist dann dy¨ stu¨ nde des todtes. so hatt her sey(n) testame(n) vnnd sey(n) leczte(n) will(e)n vor vns geoffenbaret yn sulcher weyss […]«.
Da die Arenga nur einmal in den testamentarischen protokollartigen Eintragungen in den AC vorkommt – und das auch noch im spätesten Text des Korpus, der dazu aus einer Zeit kommt, in der bereits eingelegte Bürgerurkunden als Testamente im Verkehr waren –, drängt sich die Schlussfolgerung auf, dass diese Arenga durch die aufkommende Mode eines sprachlich üppigen und verbal überschwänglichen Urkundenstils infiziert wurde. Dieser Schluss ist aber in Bezug auf die anderen Protokolle des Rates in dem LT772, die bereits Jahrzehnte zuvor solche Betrachtungen in ihrem Repertoire hatten, nicht haltbar: »Ich Margaretha leipingerynne betrachtinde das of desir werled nichtis sichers vor vns ist wen der tod vnd vnsichers wen dy stunde des todis, dorumb so hab ich gedocht bey gutter vornumft vnd mit gutem wolbedachtem mutte sulcher stunden ferlichkeit vorczukomen mit schickung vnd bereitung meynes lecztens [!] willen vnd testaments das ich also mache.« (LT772 16. 04. 1456)
Oder kürzer: »[…] ansehende hewt dy ferlickdit der czeit […]« (LT 28. 01. 1491). In den AS ist keine Arenga in den protollartigen Testamenten vertreten. Eine ähnliche rhetorische Funktion kann auch der Begründung der Testamentsablegung als Mittel zur Vermeidung einer Zwietracht in der Familie zugschrieben werden (etwa im Gegensatz zu anderen Begründungen, die sich mehr auf die gegebene Lage bezogen, wie eine unternommene Pilgerfahrt oder eine andere weite Reise) (vgl. AS IX 22. 03. 1501): »[…] wellende das noch zeine(m) tode vmb(e)zeyn noch gelossene gutt(er) {kein} krigk ader czwetracht wer(e).« Ein Element, das völlig unerwartet in denjenigen protokollartigen testamentarischen Eintragungen auftritt, die als von einem Kanzleimitarbeiter überarbeitete Version der mündlichen Aussage gelten können, sind die Ansprachen an die Vertreter der Behörde. Sowohl an die Schöffen als auch an die Räte wurden hier die gleichen Ansprachen verwendet: »liebe Herren« (ASVII 28. 03. 1459; AC428 12. 07. 1437; LT772, Tagesdatum unklar, 1458) bzw. »ehrsame liebe Herren« (ASVII 28. 03. 1459; LT772 22. 06. 1459).
10.2.2 Endsequenzen der protokollartigen testamentarischen Eintragungen Eine Frage, die offenbleibt, ist, wie die Passagen über die Bestätigung durch ein Urteil der testamentarischen Bestimmungen zu behandeln sind. Diese Passagen werden nur selten abgesetzt (zweimal in den AS); und auch diese Absetzungen knüpfen in ihrer grammatischen Formulierung direkt an den vorausgehenden Text an: »Welchs testament ist durch gerichtiglichen aussprucht bestetigt bundt
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Vnd Krafft cZwhaben Von rechts wegen […]« (ASXI 11. 07. 1532). Die Unsicherheit in Bezug auf die Zeit, wann die Bestätigung erfolgte – ob während derselben Gerichtssitzung (die Bestätigung durch Urteil konnte ja nur vor dem Gericht erfolgen) noch oder danach – lässt sich anhand einiger testamentarischen Eintragungen klären, die nach der Erwähnung der Bestätigung noch weitere performative Akte des Testators erwähnen, ähnlich der Herrschaftsklauseln in den Texten. Ich gehe davon aus, dass diese Akte bei der Testamentsablegung erfolgten: »Welches Testame(n) vnd vorschaffu(n)g ist durch vns(e)r orteil bestetiget das ys sal bundt vnd kraffthab(e)n von recht(is) weg(e)n Domi(n)um sibi reseruav(it) quoad viuat Anno 1507 ff(eria) 6 p(ost) […]« (ASIX 17. 07. 1506 und ASIX 26. 05. 1507).
Die Bestätigungen durch Urteil werden also wegen der angeführten Tatsachen (die zeitliche Deckung mit der Testamentsablegung und die möglichen weiteren Bestimmungen des Testators, die nach deren Verschriftlichung erfolgen konnten, wie im obigen Beispielzitat) zu den Endsequenzen der protokollartigen testamentarischen Eintragungen mitgerechnet und nicht zu Paratexten der Behörde. Andererseits kann aber von Paratexten gesprochen werden, die von dem Kerntext nicht abgesetzt sind, jedoch zeitlich in ihrer Entstehung im Vergleich zum Kerntext weit auseinanderliegen oder explizit als Aktenvermerke identifiziert werden. Hier wird v. a. von den in den Textblock integrierten Kleintexten über den Widerruf des Testaments und den Erledigungsvermerken gesprochen. Dies ist der Fall vorwiegend in den AS (vgl. Widerruf: ASVIII 04. 08. 1475 und ASIX18. 05. 1506, Erledigungsvermerk: ASIX 04. 02. 1511 und ASX 01. 04. 1515, Actum-Vermerk: ASIX 11. 03. 1511), anzutreffen, aber auch in anderen Aktenbuchreihen (AC431 20. 05. 1506 – Erledigungsvermerk), (LT772 03. 03. 1463 – Modifikation des Testaments). Wenn diese Paratexte lateinisch sind, heben sie sich von den deutsch verfassten Kerntexten ab. Nicht zu übersehen ist jedoch die allgemeine Tendenz, die Aktenvermerke und Anmerkungen der Behörde auf Latein zu verfassen, was später noch weiter genauer erläutert wird. Auch einige Anmerkungen zur Bestätigung durch ein Urteil wurden zwar auf Latein formuliert, dies ist aber keine Regel. Wenn man bedenkt, dass auch die Herrschaftsklauseln und die Ernennung der Vormunde zwischen beiden Sprachen in protokollartigen Eintragungen schwanken, beginnt dieses Kriterium allerdings an Abgrenzungsschärfe zu verlieren. Das Kriterium der zeitlichen Abgrenzung der Verschriftlichungen einzelner Teiltexte ist hingegen zuverlässig. Unten folgen Tabellen zu den Endsequenzen der in diesem Texttyp festgehaltenen Testamente in ihrer Verteilung auf die einzelnen Stadtbuchreihen. Es lässt sich feststellen, dass das am häufigsten vorkommende Endelement der
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Kerntexte die Herrschafts- und Veränderungsklausel ist. Entweder kommt diese allein (29-mal in den AS, 25-mal in dem LT772) vor bzw. in einer Kombination mit der Wahl der Vormunde (30-mal in den AS, 25-mal in dem LT772) oder einer Kombination mit weiteren sich weiderholenden Sinneinheiten wie der Ausschließung der Erbanwärter von der Erbschaft (in den AS und in dem LT772 je dreimal). Die Herrschaftsklausel kann auch – aber ganz selten – mit einem anderen Element als in dem »Stammelementerepertoire« auftreten (vgl. dritte Spalte). Wenn die Wahl der Vormunde und die Herrschaftsklausel auf einmal auftreten, geht in den AS durchgehend die Herrschaftsklausel der Wahl der Vormunde vor und in dem LT772 ist das auch meistens der Fall (17 zu acht). An Platz zwei kommt die Situation vor, in der keines der »Stammelemente« das Testamente abschließt (zwölfmal). Als ein zusätzliches Element einer testamentarischen Eintragung, die separat gerechnet wird, kommt die Adnotation der Bestätigung der Bestimmungen und der ganzen sozialen Handlung durch ein Urteil. Diese steht an der Schwelle zwischen Paratext und einen Element der Endsequenz des Kerntextes. Die Bestätigung der testamentarischen Bestimmungen ist ein häufiges Element der testamentarischen Eintragungen. Das erste Mal in dem Korpusmaterial kommt dieses in ASIX 02. 09. 1500 vor. In den AS fehlen aber die Korpustexte zwischen 1475–1500. Bis in die 30er Jahre des 16. Jahrhunderts – die letzte protokollartige testamentarische Eintragung stammt aus dem Jahre 1532: ASXI 11. 07. 1532 – enthalten 58 von 68 Texten die Angabe zur Bestätigung durch ein Urteil in ihrem Endteil (plus zwei Infratexte in den späteren Texten), sodass es zu einem fast obligatorischen Element wird. Bemerkenswerterweise ist das Vorkommen der Bestätigung im Endteil zweier testamentarischen Eintragungen in den Akten des Rates: vgl. LT772 23. 12. 1513 und LT772 17. 03. 1521. Hier wird auf die delegierte Verfügungsgewalt des Gerichts hingewiesen, vgl. bspw. Zitat aus der zweiten Eintragung: »Welches testament ist bestetiget worden das es krafft vnnd bündt hatt inhaldt der Stadt privilegia vnnd gerechtickeit sam es vor dem gehegte dingk gescheen wer.« Vergleicht man nun die Endsequenzen der protokollartigen testamentarischen Eintragungen mit denen der Czedel, so kann geschlussfolgert werden, dass in den erstgenannten (besonders in den AS) im Gegensatz zu den zweitgenannten die Herrschaftsklausel konsequent die ganze Endsequenz beschließt. Die einzelnen Fälle, in denen etwas zwischen die sich wiederholenden Endelemente dazwischenkommt, wurden in den Tabellen in der linken Kolumne berücksichtigt. So wie in den Czedeln kommen hier auch in einigen Endsequenzen die Sterbeklauseln in Bezug auf die Vormunde/Exekutoren in die Akten des Rates vor – ein Element, das in den AS nicht verwendet wird. Diese wurden aber wegen der Übersichtlichkeit in den Tabellen nicht verzeichnet.
Vormunde Herrschaft + Vormunde
Herrschaft
–
ASIX 14. 06. 1507, ASX 21. 09. 1522, ASX 27. 07. 1526 Herrschaft Vormundschaft und Herrschaft: und Vormundschaft: ASVI 07. 02. 1433, ASVIII 29. 05. 1472, ASVIII 01. 06. 1473, ASVIII 21. 07. 1475, ASVIII 04. 08. 1475, ASIX 24. 04. 1501, ASIX 18. 05. 1506, ASIX 15. 04. 1511, ASIX 28. 11. 1511, ASIX 15. 12. 1512, ASIX 22./23. 10. 1512, ASIX 02. 01. 1513, ASX 28. 02. 1513, ASX 26. 03. 1513, ASX10. 09. 1513, ASX 01. 03. 1515, ASX 01. 04. 1515, ASX 23. 03. 1518, ASX 09. 05. 1518 P. , ASX 09. 05. 1518 N.H, ASX 29. 04. 1519, ASX 12. 08. 1519, ASX 20. 08. 1519, ASX 18. 12. 1520, ASX 08. 08. 1521, ASXI 27. 03. 1530, ASXI 11. 07. 1532
ASV 16. 08. 1426, ASVI 23. 03. 1435, ASVI 02. 10. 1439, ASVI 07. 08. 1444, ASVII 01. 12. 1458, ASVIII 06. 05. 1474, ASIX 11. 11. 1502, ASIX 06. 04. 1503, ASIX 18. 01. 1505, ASIX 22. 01. 1505 ASIII 05. 09. 1393, ASVIII 16. 01. 1461, ASVII 23. 08. 1465, ASIX 02. 09. 1500, ASIX 22. 03. 1501, ASIX 07. 04. 1501, ASIX 24. 04. 1501 S. H., ASIX 13. 05. 1501, ASIX 09. 10. 1501, ASIX 27. 10. 1502, ASIX 08. 02. 1503, ASIX 09. 04. 1505, ASIX 21. 11. 1505, ASIX 17. 07. 1506, ASIX 26. 05. 1507, ASIX 12. 06. 1507, ASIX 05. 05. 1508, ASIX 18. 01. 1510, ASIX 04. 02. 1511, ASIX 01. 04. 1512, ASX 22. 08. 1513, ASX 27. 03. 1514, ASX 30. 10. 1514, ASX 15. 11. 1514, ASX 03. 07. 1515, ASX 22. 09. 1515, ASX 22. 02. 1516, ASX 06. 10. 1516, ASX 10. 09. 1519, ASX 23. 08. 1520
ASIX 07. 04. 1508: Herrschaft + Vormunde + Bekenntnis über die Schulden: ASIX 11. 03. 1511: Vormunde + Bestätigung durch Urteil + Herrschaft, ASIX 09. 10. 1512: Vormunde + Einwilligung der Vormunde + Herrschaft, ASX 04. 07. 1515: Vormunde + Einwilligung der Vormunde + Herrschaft, ASX 30. 04. 1517: Herrschaft + Bestätigung durch Urteil + Vormunde und ihre Einwilligung, ASX 16. 04. 1518: Vormunde + Einwilligung der Vormunde + Herrschaft
ASV 25. 08. 1430: + Verantwortung der Tochter, ASVII 08. 04. 1450: + Ausnahme von der Herrschaftsklausel, ASXI 31. 05. 1532: + Bitte, das Testament einzuschreiben
166 Struktureller Aufbau dreier Texttypen der testamentarischen Eintragungen
Bestätigung durch Urteil
Ausschließung +Vormunde Ausschließung + Herrschaft + Vormunde
Am Ende: ASIX 02. 09. 1500, ASIX 22. 03. 1501, ASIX 24. 04. 1501, ASIX 24. 04. 1501 S.H., ASIX 13. 05. 1501, ASIX 03. 11. 1501, ASIX 30. 11. 1501, ASIX 15. 03. 1502, ASIX 11. 11. 1502, ASIX 08. 02. 1503, ASIX 06. 04. 1503, ASIX 22. 01. 1505, ASIX 09. 04. 1505, ASIX 21. 11. 1505, ASIX 18. 05. 1506, ASIX 05. 05. 1508, ASIX 18. 01. 1510, ASIX 04. 02. 1511, ASIX 15. 04. 1511, ASIX 15. 12. 1512, ASIX 01. 04. 1512, ASIX 09. 10. 1512, , ASIX 02. 01. 1513, ASX 26. 03. 1513, ASX 10. 09. 1513, ASX 30. 10. 1514, ASX 15. 11. 1514, ASX 01. 03. 1515, ASX 01. 04. 1515, ASX 03. 07. 1515, ASX 04. 07. 1515, ASX 22. 09. 1515, ASX 22. 02. 1516, ASX 14. 05. 1516, ASX 19. 09. 1516, ASX 06. 10. 1516, ASX 23. 03. 1518, ASX 16. 04. 1518, ASX 09. 05. 1518 P., ASX 09. 05. 1518 N.H, ASX 29. 04. 1519, ASX 12. 08. 1519, ASX 20. 08. 1519, ASX
Ausschließung ASVII 28. 04. 1458, ASIX 15. 03. 1502 der Verwandten Ausschließung ASVII 28. 03. 1459 M. T, ASIX 03. 11. 1501, ASX 19. 09. 1516 + Herrschaft
Gegen Ende plus noch ein Element des Kerntextes: ASIX 18. 01. 1505: + noch eine Verfügung, ASIX 17. 07. 1506: + Herrschaft, ASIX 26. 05. 1507: + Herrschaft, ASIX 12. 06. 1507: + Herrschaft, ASIX 11. 03. 1511: + Herrschaft,
ASIX 22./23. 10. 1512: + Bestätigung des Rates, ASX 22. 08. 1513: + Bestätigung des Rates, ASX 27. 03. 1514: – wenn nicht gegen das Recht
ASVI 10. 01. 1438: + noch eine Verfügung
ASVII 28. 03. 1459: J. G. + Verantwortung des Bruders und der Schwägerin, ASIX 30. 11. 1501: + Bekenntnis über die Schulden, ASX 14. 05. 1516: Aus + noch eine Verfügung + Herrschaft
Protokollartige Eintragungen
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10. 09. 1519, ASX 23. 08. 1520, ASX 18. 12. 1520, ASX 08. 08. 1521, ASX 21. 09. 1522, ASXI 27. 03. 1530
ASX 30. 04. 1517: + Vormunde und ihre Einwilligung
168 Struktureller Aufbau dreier Texttypen der testamentarischen Eintragungen
Vormundschaft und Herrschaft: AC427 05. 04. 1400, AC427 17. 05. 1400, AC428 03. 03. 1432, AC428 28. 08. 1436
Bestätigung durch Urteil
Am Ende:
Ausschließung AC428 12. 07. 1437, + Vormunde Ausschließung AC429 13. 09. 1452 + Herrschaft + Vormunde Gegen Ende plus noch ein Element des Kerntextes:
Herrschaft und Vormundschaft:
AC427 03. 07. 1400, AC427 08. 06. 1401, AC427 17. 10. 1402, AC428 27. 03. 1416, AC42 08. 04. 1476, AC431 02. 01. 1511, AC432 20. 08. 1516 AC427 25. 05. 1405, AC431 01. 06. 1502, AC431 21. 05. 1511
Ausschließung der Verwandten Ausschließung AC432 02. 09. 1522 + Herrschaft
Vormunde Herrschaft + Vormunde
Herrschaft
–
AC428 30. 09. 1439: Vor + noch eine Verfügung + Herrschaft
Protokollartige Eintragungen
169
LT772 09. 12. 1444, LT772 30. 01. 1446, LT772 14. 05. 1454, LT772 04. 01. 1455, LT772 2. Tag nach 3. Fastensonntag, LT772 27. 03. 1458, LT772 16. 06. 1458, LT772 25. 06. 1459, LT772 12. 05. 1461, LT772 19. 02. 1463, LT772 03. 03. 1463, LT772 22. 11. 1463, LT772 13. 03. 1464, LT772 17. 08. 1470, LT772 24. 07. 1482, LT772 26. 12. 1482, LT772 15. 11. 1488, LT772 28. 01. 1491, LT772 30. 03. 1493, LT772 29. 05. 1498, LT772 12. 06. 1501, LT772 05. 07. 1501, LT772 12. 06. 1507, LT772 13. 10. 1511, LT772 23. 12. 1513
LT772 04. 09. 1451, LT772 31. 12. 1469, LT772 25. 05. 1474, LT772 20. 09. 1476, LT772 13. 02. 1477, LT772 21. 04. 1479
Vormundschaft und Herrschaft: LT772 1439 N. B, LT772 28. 04. 1458, Tagesdatum unklar, LT772 1458, LT772 13. 05. 1472, LT772 28. 07. 1472, LT772 29. 05. 1475, LT772 14. 02. 1477, LT772 20. 12. 1476, LT772 30. 01. 1477, LT772 11. 06. 1482, LT772 08. 08. 1499 (S), LT772 01. 03. 1500, LT772 15. 10. 1511, LT772 11. 01. 1513, LT772 11. 01. 1513
Herrschaft
Vormunde
Herrschaft + Vormunde
Herrschaft und Vormundschaft: LT772 11. 10. 1453, LT772 29. 04. 1456, LT772 07. 02. 1458 (S), LT772 20. 06. 1460, LT772 07. 11. 1460, LT772 07. 01. 1462
LT772 03. 12. 1427, LT772 11. 01. 1439, LT772 19. 01. 1448, LT772 31. 01. 1449, LT772 31. 05. 1456, LT772 12. 01. 1458, LT772 25. 03. 1463, LT772 01. 12. 1472, LT772 09. 05. 1474, LT772 16. 03. 1475, LT772 01. 05. 1477, LT772 12. 08. 1476, LT772 17. 11. 1494, LT772 05. 04. 1498, LT772 17. 03. 1521
–
LT772 17. 06. 1479: Vormunde + Bekenntnis, LT772 20. 11. 1482: + noch eine Verfügung LT772 13. 01. 1443: keine Herrschaft + Vormundschaft LT772 07. 05. 1457: Vormunde + Einwilligung der Frau + Herrschaft + noch eine Verfügung, LT772 12. 11. 1457: Vormunde + Herrschaft + noch eine Verfügung, LT772 12. 04. 1458: Vormunde + Schuld + Herrschaft
LT772 18. 01. 1458: Herrschaft – gegen Ende, aber noch weitere Bekenntnisse, LT772 14. 12. 1465: Herrschaft + Vormundschaft + Verfügungen LT772 1458, LT772 09. 03. 1458 (Ausschließung gegen Ende)
170 Struktureller Aufbau dreier Texttypen der testamentarischen Eintragungen
Bestätigung durch Urteil
Am Ende: LT772 23. 12. 1513, LT772 17. 03. 1521
Ausschließung LT772 24. 11. 1441, LT772 06. 10. 1460 + Vormunde Ausschließung LT772 16. 04. 1456, LT772 04. 08. 1459 + Vormunde + Herrschaft Gegen Ende plus noch ein Element des Kerntextes:
Ausschließung LT772 24. 02. 1452, LT772 31. 01. 1453, LT772 26. 08. 1458, LT772 22. 06. 1459, LT772 24. 06. 1468, der Verwand- LT772 15. 05. 1476 ten Ausschließung LT772 18. 09. 1458, LT772 25. 08. 1459 + Herrschaft
LT772 05. 06. 1451: Vormunde +Ausschließung + Herrschaft + Bitte um Einhaltung
LT772 12. 11. 1472: Ausschließung + Herrschaft + Widerruf früherer Testamente
Protokollartige Eintragungen
171
172
Struktureller Aufbau dreier Texttypen der testamentarischen Eintragungen
10.2.3 Amtliche Paratexte am Anfang der Eintragung: Supratexte Die mündliche Testamentsablegung vor der Behörde hat auch Einfluss auf den Inhalt der Verschriftlichung dieser in Form einer protokollartigen Eintragung. Anders also als bei den Czedel-Abschriften, in denen die Paratexte des Amtes den durch einen Dritten verfassten bzw. formulierten Text umklammern und die Eintragung auf diese Weise polyphon ist, sind die protokollartigen Eintragungen in dieser Hinsicht homogen. Alle Texte also, die den Großtext ausmachen, wurden durch den oder die Kanzleimitarbeiter formuliert. Wie bereits anhand der zahlenmäßigen Verteilung der assertiven Anfangssequenzen vermutet wurde (nur 33-mal in 89 protokollartigen testamentarischen Eintragungen in dem LT772), sind die amtlichen Paratexte in Form von Supratexten im LT772 häufiger als in den AS. Sie machen die einzigen Stellen aus, an der die Angaben des Amtes in Bezug auf die spezifische Kommunikationssituation der sozialen Handlung sprachlich untergebracht werden konnten, und sind tendenziell mehr ausgebaut als die Supratexte in den AS, wo als Hauptplattform für die Vermittlung der in Frage kommenden Angaben die assertiven Anfangsteile gelten. Meine Vermutung lässt sich bestätigen anhand des zusammengetragenen Sprachmaterials in den tabellarischen Zusammenstellungen (siehe Anhang). Supratexte der Behörde bei Testamenten im Texttypus protokollartige Eintragung kommen in den meisten Fällen vor: in 69 der 83 Texte in den AS, 18 der 19 in den AC und 88 der 89 in dem LT772. Das Fehlen der Supratexte wird besonders bei den anfänglichen Eintragungen in den AS beobachtet (vgl. die Zusammenstellung in der Tabelle). Die Verteilung der Angaben, auf die die Eintragungen untersucht wurden, lässt die Supratexte in den AS tatsächlich primär als kurze Aktenvermerke erscheinen, unter denen in 45 Fällen in dieser Position nichts weiter als das Datum der Gerichtstagung steht. Dabei wird das Gerichtsdatum in den Supratexten 69mal genannt, wobei diese Angabe in 24 Kleintexten mit wenigstens einer weiteren Angabe kombiniert wird, besonders mit der Bezeichnung der Textsorte (24-mal in den Supratexten genannt) oder mit der Benennung des Testators (24-mal genannt, darunter elfmal mit weiteren Angaben zu dieser Personen bzw. zu dem Modus der Testamentsablegung). In 16 Supratexten wurde die Bestätigung der testamentarischen Bestimmungen durch das Gericht festgehalten. Bemerkenswerterweise wird in neun Supratexten die geistige Gesundheit festgehalten, die körperliche dagegen gar nicht. Die Supratexte in den Ratsakten sind dagegen im Vergleich zu denen aus den Schöffenbüchern sprachlich umfänglicher ausgebaut. Fast durchgehend umfassen sie das Datum der sozialen Handlung (86-mal in 89 Texten), dabei steht aber nur in elf Fällen das Datum allein. Drei Viertel der einschlägigen Eintragungen beinhalten ferner die Bezeichnung der Textsorte (68-mal), die Benennung des
Protokollartige Eintragungen
173
Testators (67-mal, darunter 26-mal mit weiterführenden Angaben zu ihm und/ oder zur Tatsache des Agierens durch Vormund). Die Testierfähigkeit wird in 31 Supratexten des LT772 thematisiert, wobei die geistige Gesundheit mit zweimal häufiger Gegenstand der Verschriftlichung ist als die Angabe zu dem körperlichen Zustand (28- zu 14-mal). Gegen Ende des 15. Jahrhunderts werden die Supratexte in ihrer Funktion als Plattform der Vermittlung von Angaben des Amtes durch assertive Anfangssequenzen weitgehend abgelöst. Ab der Eintragung LT772 11. 06. 1482 kommen ausgebaute Anfangsteile vor, die u. a. die Angaben zur Testierfähigkeit behandeln. In den späteren Eintragungen konkurrieren aber die beiden in Frage kommenden Kleintexte in dieser Funktion, was besonders bei den sich doppelnden Angaben der Fall ist (v. a. zum Testator und der Textsorte sichtbar ist, vgl. die Zusammenstellungen in der Tabelle). Zu bedenken ist aber, was bereits hervorgehoben wurde, dass der ganze Großtext in der Kanzlei entstanden und schriftlich fixiert wurde. Dies scheint die These zu bekräftigen, dass die Supratexte hauptsächlich eine Navigationsfunktion bzw. eine Funktion des schnellen Nachschlagens erfüllten. In einer Eintragung scheint der Aktenvermerk, der als Supratext vorgesehen war, vergessen zu sein. Der Aktenvermerk wurde nachträglich unter dem Kerntext als Infratext eingetragen und beinhaltet die Benennung der Zeugen (vgl. LT772 11. 01. 1439). Anders als im LT772 sieht es in anderen Aktenbüchern des Rates aus, den AC. Obwohl der Modus der mündlichen Testamentsablegung der gleiche war, unabhängig davon, in welches Aktenbuch der jeweiligen Behörde die protokollartige Verschriftlichung derselben erfolgte, ähneln die testamentarischen Eintragungen in den AC mehr denen aus den AS als denen aus dem LT772. Die Supratexte in den AS sind in ihrer Mehrheit nur Gerichtstagungsdaten (16-mal in den 19 in Frage kommenden Eintragungen; insgesamt kommt das Datum in 18 Supratexten vor). In nur wenigen Eintragungen sind die Gerichtsdaten in den Supratexten mit weiteren Angaben kombiniert (wie der Benennung des Testators: einmal und weiteren Angaben zu ihm – einmal, der Nennung des Grundes der Testamentsablegung: einmal, der Benennung der Zeugen der sozialen Handlung: einmal). Insgesamt lassen sich einige Feststellungen anhand der tabellarischen Zusammenstellungen der Sinneinheiten in den protokollartigen testamentarischen Eintragungen aufstellen: die wichtigste davon ist, dass das einzig obligatorische Element in einer Eintragung mit Verschriftlichung eines Testaments die Benennung des Testators ist. Diese kann allerdings sowohl in einem assertiven Anfangsteil, einem Supratext bzw. einem Juxtatext der Behörde oder aber im eigentlichen Kerntext (Haupttext) des Testaments vorkommen. In dem LT772 kann auch anhand des Korpus von der Nennung des Datums, der Zeugen der
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Struktureller Aufbau dreier Texttypen der testamentarischen Eintragungen
sozialen Handlung und der Bezeichnung der Textsorte als Stammelementen ausgehen, diese Elemente gehören also fast obligatorischen Angaben an. Die zwei erstgenannten fehlen also nur in zwei einschlägigen Eintragungen, die dritte dagegen in vier. In den AS ist von einem starken Einfluss der Entstehungszeit der jeweiligen Eintragung auszugehen: Festgestellt wurde nämlich, dass die Angaben zum Datum und zur Textsorte sich erst im 16. Jahrhundert richtig einbürgern (unter den Korpustexten fehlen sie dann entsprechend ein- und zweimal). Das Gleiche kann man auch für die Testierfähigkeit behaupten, die in den einschlägigen Eintragungen in das AS im 16. Jahrhundert zweimal nicht präsent ist. Unter diesem Aspekt sieht die Situation in dem LT772 ähnlich aus. Hier kann man aber zwei Zeitspannen beobachten, in denen die Testierfähigkeit durchgängig aufkommt: das sind die Texte aus den Jahren 1456–1459 und 1489 bis zum letzten Beleg 1521 (mit einer Ausnahme). Möglicherweise hängt diese Tendenz von dem jeweiligen Ausführer der Eintragungen oder der gängigen Mode ab.
10.2.4 Weitere Paratexte bei protokollartigen testamentarischen Eintragungen Wie bereits angemerkt, sind die protokollartigen testamentarischen Eintragungen einheitlich, also alle Teiltexte des Großtextes stammen von dem oder den Kanzleimitarbeiter(n); sie können aber Verschriftlichungen von sozialen Handlungen anderer Personen sein. Angenommen wird, dass die Paratexte leicht identifizierbar sind, wenn sie graphisch abgesondert sind und als Juxta- oder Infratexte vorkommen. Unter diesem Blickwinkel lassen sich insgesamt 21 Infratexte verzeichnen. Die Frage, dass nicht alle abgesetzten Kleintexte im Fall der protokollartigen Eintragungen als Paratexte zu klassifizieren wären und umgekehrt – auch einige Kleintexte, die nicht abgesetzt wurden, sondern an den Textblock angereiht scheinen, Paratexte sind, wurde bereits in dem Unterkapitel zu den Endsequenzen der Testamente dieses Texttyps erörtert und entscheiden. So wurde u. a. abgeklärt, dass die Bestätigungen der Testamente keine Paratexte im eigentlichen Sinne sind. In den Infratexten werden dagegen meistens Verschriftlichungen zusätzlicher sozialer Handlungen vermutet, bspw. der Widerruf des Testaments durch den Testator (viermal in den AS, dreimal in den AC, zweimal in dem LT772) oder eine Einwilligung der berechtigten Erbnehmer bzw. der zur üblichen Erbfolge Berufenen (LT7722: Tag nach 3. Fastensonntag 1458) oder aber Erklärungen der ernannten Vormunde (vgl. LT 772 04. 09. 1451: Rückzug der Vormunde aus der Vormundschaft). Es können aber in diesen Kleintexten auch typische Aktenvermerke der Behörde erscheinen (wie Erledigungsvermerke, Anmerkungen über die Modifikation des Testaments). Andererseits können Verschriftlichungen weiterer sozialer Handlungen auch am Rande in Form der Juxtatexte eingefügt werden (wie die Widerrufungen des
Protokollartige Eintragungen
175
Testaments). Als Juxtatexte können auch Aktenvermerke angebracht werden, die sich auf den danebenstehenden Passus des Kerntextes beziehen (vgl. die amtliche Cassierung eines Artikels/einer Verfügung in ASX 01. 03. 1515). So wie ein Teil der Supratexte (die Überschriften) haben auch die meisten Juxtatexte die Funktion der Navigation im Stadtbuch (wenn nur Namen der Testatoren genannt werden) bzw. der Navigation im Kerntext (wenn die Juxtatexte die Namen der Vormunde bzw. der Bedachten ausmachen). So wie auch in anderen Texttypen, etwa abgeschriebenen Czedeln oder testamentarischen Bürgerurkunden, kommt es in den Paratexten hin und wieder ausnahmsweise zur Nachholung vergessener Teile der – wahrscheinlich auch von einem Notizblatt abgeschriebener Protokolle (vgl. ASX 4. 07. 1515 und sein Juxtatext). Eine weitere Kategorie der Paratexte sind die Intratexte, in denen sich v. a. die Erledigungsvermerke realisieren. In einigen Fällen kann die Zuordnung zwischen Intra- und Infratexten schwanken: zum einen in den Fällen, in denen die Intratexte am Ende einer Seite im Aktenbuch angebracht werden, zum anderen aber: wenn die Paratexte angereiht an die letzte Zeile des Kerntextes der Eintragung werden. Falls Erledigungsvermerke oder andere soziale Handlungen in Bezug auf das Testament (wie Widerrufungen oder Modifikationen) von dem Kerntext des Testaments sprachlich nicht zu unterschieden sind, zählen der zeitliche Abstand und die Ermessung unter Kenntnis der üblichen Zusammenhänge. Andere Paratexte sind den tabellarischen Zusammenstellungen zu entnehmen. Eines Kommentars bedürfen zwei Fälle: In dem einen macht der Infratext die Wahl der Vormunde/Exekutoren aus, was normalerweise zum Kerntext der Eintragung gehören würde (vgl. LT772 31. 01. 1449). In dem anderen handelt es sich um die Verschriftlichung einer Donation – im Gegensatz zum Testament – und zwar um eine Vergabung des Todes wegen des Mannes zugunsten seiner Ehefrau (vgl. AC427 17. 05. 1400). In diesem Fall stellt sich eine Frage nach der Auseinanderhaltung zwischen Paratext und einer lediglich zum Intertextualitätsnetz gehörender Verschriftlichung einer sozialen Handlung im Texttyp Eintrag. Wie leicht ersichtlich, wiederholen sich die gleichen oder ähnlichen Fragestellungen und Interpretationsschwierigkeiten bzw. – annahmen sowohl bei den Eintragungen mit protokollartigen verfassten Testamenten als auch mit Abschriften der Testamentsskizzen (Testamentczedel). Beide sind auch Texttypen des Eintrags. Auch die Infratexte können nur schwerlich zum Nachfeld eines so verschriftlichen Testaments mitgerechnet werden. Ein quasi anderer Texttyp – zumindest im Verständnis von Libusˇe Spácˇilová (die ihrerseits keine Czedelabschriften in dem Olmützer Korpusmaterial kennt) – sind die Abschriften der Urkunden, in diesem Fall: der Testamentsurkunden. Diese richten sich in ihrer
176
Struktureller Aufbau dreier Texttypen der testamentarischen Eintragungen
Struktur nach einem Schema, das in der Diplomatik bereits bekannt und umgesetzt wurde.
10.3 Testamente in Form von Bürgerurkunden 10.3.1 Die klassische Urkundenstruktur Die Urkundenstruktur verfestigte sich über die Jahrhunderte bis zum Mittelalter. Man kann sie sehr gut als Orientierungshilfe beim Aufbau der eingelegten Krakauer Testamente nutzen. Ähnlich wie Libusˇe Spácˇilová in ihrer Studie zu den Olmützer Testamenten möchte auch ich in der folgenden Analyse das Formular aus dem in der frühen Neuzeit populären Werk Deutsche Rhetorica als Bezugsschema wählen.237 Dabei dient mir das Schema einer Testamentsurkunde aus dem genannten Formularbuch als Referenzpunkt. Unten folgt eine Tabelle, in der sich die lateinischen Benennungen der Sinnelemente mit ihrer Inhaltsstruktur und im Weiteren benutzte Kürzungen finden. In Klammern stehen die Elemente, die sich zwar nicht im Schema aus dem Formularbuch finden, die jedoch zum Aufbau einer klassischen Urkunde gehören, die – dem Vorbild Spácˇilovás folgend – allerdings dem Werk von Klauser/Meyer entnommen ist.238 Textteile
Elemente der Textstruktur
Inhaltsstruktur
Benutzte Kürzung
(Überschrift*) Protokoll
Substantia
(Invocatio) Intitulatio
Benennung des Testierers
Inv Te
Promulgatio Inscriptio
Verkündung Adressat
Pro Ins
Arenga (Promulgatio)
Philosophische Betrachtung (Verkündung)
Arenga
Narratio
Testierfähigkeit Rechtrahmen
TestFä R.Rahm.
Erbe Benennung der Textsorte
Erbe Ts
Rechtshandlung (performative Verben) Vermächtnisse
R.Handl. Verm
Pertinenzformel Veränderungsklausel/Herrschaftsklausel
Pert Verän
Dispositio
237 Vgl. Formular 1486f. XLVIIV; vgl. Spácˇilová 2000, S. 34ff. 238 Vgl. Klaus/Meyer 1962, S. 257f.
Testamente in Form von Bürgerurkunden
177
(Fortsetzung) Textteile
Eschatokoll
Elemente der Textstruktur (Sanctio) Corroboratio (Subsciptio) (Datierung)
Inhaltsstruktur
Benutzte Kürzung
Besiegelung (Unterschrift)
(Apprecatio) (ActumVermerk*)
10.3.2 Die ersten verschlossenen Testamente in Krakau und das Formular 1485 Das erste und einzige deutsche Formularmuster für die Anfertigung von Testamenten, das sich direkt in Krakau nachweisen lässt, wird von Jakub Wysmułek in seiner Arbeit über die Krakauer Testamente aus dem Jahr 2015 erwähnt und in seiner Transkription zitiert.239 Diese Transkription verwende ich in dem folgenden Unterkapitel in den einschlägigen Zitaten aus dem Blatt. Das benannte Testament stammt wahrscheinlich aus dem Jahr 1485. Damit ist es ggf. zwei Jahre älter als das erste in die Stadtbücher eingetragene verschlossene Testament (LT772 17. 11. 1483). Sowohl die Anonymität des Textes als auch seine Allgemeinheit beweisen, dass es sich hier um eine Vorlage handelt. Möglicherweise war es dazu gedacht, den Kanzleimitarbeitern die Arbeit an eventuellen privaten Aufträgen bezüglich der Anfertigung von Testamenten zu erleichtern, oder es sollte der schnelleren Einsicht aller potentiellen Testierer dienen, die in der Stadtkanzlei nach bestimmten Anleitungen zur Testamentsurkundenanfertigung suchen. Das Formular berücksichtigt zwei Bestätigungsbehörden – das Gericht und den Rat – zur Auswahl des Testierers. Man solle nur entsprechend der gewählten Institution an markierter Stelle eintragen, für welche man sich entscheidet: »[…] gib ich dem ersamen rote (adir den scheppen) der stadt Croke zu behalden und zu bewonen bey meynen lebetagen zu meynen gutten willen und ys wider_ ben um von yne zu fordenen und zu namen […]«.240
Was hierbei hervorsticht, ist eine ausgebaute Arenga, die in den frühesten verschlossenen Testamenten in den Krakauer Stadtbüchern in der Regel fehlt.
239 Wysmułek 2015, S. 103f. AMK, Sign. 779. 240 Wie in der Anm. 239.
178
Struktureller Aufbau dreier Texttypen der testamentarischen Eintragungen
Wenn man die Struktur des Textes mit dem klassischen Urkundenschema vergleicht, zeigt sich, dass die Teile Protokoll und Substantia vollständig ausgeführt sind, obwohl die Substantia etwas merkwürdig erscheint: In diesem Formulartext folgt nach einem rhetorischen Glaubensbekenntnis die postmortale Verfügung des gesamten Erbguts zugunsten der nach der normalen Erbfolge berechtigten Kinder; danach folgen einige Elemente des Eschatokolls – die Corroboratio (es wird angegeben, dass der Text eigenhändig geschrieben und mit eigenem Siegel versiegelt worden sei), dem sich wieder weitere Vermächtnisse anschließen – diesmal wird an erster Stelle das Werk der Barmherzigkeit angeführt, erst dann gibt das Formular dem tatsächlichen Testierer freie Hand bei weiteren Bestimmungen. Es wird auch die Bitte geäußert, das Testament nach dem Tode zu öffnen, zu bestätigen und in das Stadtbuch einzutragen: »Idoch das ys bestetiget wirt und in stadt buch ingeschriben das ist bundt und krafft haben solde allenhalben.« Die eingehaltene Form und die Besiegelung genügte als Begründung dafür, dass es gültig sei: »[…] gleich sam ye vor gesassenen rote adir vor gerichte gemacht werre […]«. In dem ausgearbeiteten Text wird v. a. auf die richtige Form achtgegeben. Hierbei wird der Rechtsrahmen nicht konkret genannt, sondern nur die Bemühungen des Verfassers um Einhaltung der gültigen Rechtsnormen beteuert. Diese Tatsache bestätigt einmal mehr die Allgemeingültigkeit des Schemas, das nicht an konkrete Rechtsnormen gebunden ist, sondern nur an die, die zur Zeit der Anfertigung des jeweiligen Testaments rechtskräftig waren, kann aber auch einen betonend rhetorischen Charakter haben. Es könnte aber auch sein, dass es sich um eine Vorlage für Abschriften der eingelegten Testamente handelte, also anzeigte, welche Elemente von der Bürgerurkunde übernommen und ggf. umformuliert oder an das Schema angepasst sein sollten. Als befremdend kann das Vorkommen der Corroboratio inmitten der Substantia empfunden werden, was nicht nur dem klassischen Urkundenschema (und dem Testamentsschema aus der Deutschen Rhetorica), sondern auch der Ausführungspraxis der Krakauer Testamentsurkunden entgegensteht. Prot
Invoc
Form 1: Jezus Maria. In dem nam unsers herren Jesu Cristi.
Intit Prom
3: hab Ich P K burger zu Crake –
Inscrip
–
Testamente in Form von Bürgerurkunden
179
(Fortsetzung) Form 2: So der Almechtigen gott dy menschliche natur sweblich geschossen hot also das der mensch dem tode nicht entgeen mag und ym dy stunde des todis geen verborgen hott auff das das der mensch alle czeit bereit sey dy stunde des todes an zu nehmen So her von diste werlt gefundert wirt Auch das der mensch zeyne gutte dy ym gott verlihen hott, also vorschafferbenen und ferschaffen sal, das her durch gotis genode von seinir sele selikeyt enlangen mochte Das betrachtunde, –
Subst Areng
Prom Narr
TestFä 4: mit gutten czeitigen vor rote, auch wol bedochtem wille, gesunt des leibes do ich das wol gethon mocht awss rechts vornunfft und redlichen vorsachen mich dorczu bewegende R-Rah 6: In aller besten brefftigensten und bestendigensten form undemunge weise und recht so ich ynnee tun kann und mag Erbe 10: alle meyne habe und gutte dy mir gott verlihen hott, ligende und farende in allen orten und enden vor dy gefunden werden dy ich noch mir lossen worde keyns ausgenomen Ts 5: dass meyn geschofft an stadt meynes leczten willes (…) gemacht und geordnet hab RHan Verw
Dispo
Esch
Verm Pert
7: setcz schaff und verordnen von stuke zu stuke 8: als her noch folgt 9: czum ersten… Item….
Verän 11: In dem allen behalde ich mir dy herschafft dy weile ich lebe das zu wandln zu bessrn zu meren zu myndern noch meynen wille und wol gefallen –
Die drei frühesten eingelegten verschlossenen Testamentsurkunden, die in die Krakauer Stadtbüchern abgeschrieben und in diesem Texttyp eingetragen wurden, sind: LT772 17. 11. 1483; ASIX 19. 05. 1508; LT772 26. 01. 1509. Die zwei letztgenannten Texte folgen mit großer Wahrscheinlichkeit den zeitgenössischen Formanforderungen und der gängigen Praxis, was auf Grund der deklarierten Ausführung von gebildeten – und aller Wahrscheinlichkeit nach nicht nur schrift-, sondern auch rechts- und kanzeleistilkundigen Ausführern – zeugt. Der zweite Text aus dem Gerichtsbuch (ASIX 19. 05. 1508) wurde vom Stadtschreiber in privatem Auftrag niedergeschrieben. Der Text aus dem Ratsbuch wurde dagegen eigenhändig von einem Mitglied des Rates in seinem eigenen Namen verfasst. Es ist zwar – wie aus dem Inhalt hervorgeht – kein Haupttestament (da dieses erst angekündigt wird), aber dieser Umstand sollte keinen Einfluss auf
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Struktureller Aufbau dreier Texttypen der testamentarischen Eintragungen
seine Struktur haben, da es sich doch um ein Testament handelt, auch wenn es ein Teiltestament – also ein Testament, dass sich nur auf einen Teil des Erbguts bezieht und nicht alle Erbnehmer, die vorgesehen sind und von der üblichen Erbfolge abweichen, nennt. In diesem konkreten Fall ist das Teiltestament als letztwillige Verfügung der Ehefrau gewidmet. Der erste Text stammt dagegen aus der Zeit vor der Entstehung des klassischen testamentarischen Formulartextes. Ein Vergleich desselben mit den späteren Testamentsurkundenabschriften führt zu folgender Beobachtung: Die einfache Struktur der Testamentsurkunde, die in ihr Schlichtheit an einen Czedel erinnert, erfährt mit der Zeit – nach der Einführung des Formulars 1485 – eine Veränderung, und zwar in Richtung einer vollständigeren Realisierung des Urkundenschemas, auch wenn sich die jeweiligen Ausführungen nicht immer genau an das Formular halten. Zu konstatieren ist, dass das als Formular strukturierte Testament in seiner Formularstruktur in den Texten Anfang des 16. Jahrhunderts nicht strikt eingehalten wird. In den zwei oben genannten Texten fehlt v. a. die schon aus früheren Testamenten bekannte Arenga. Auch Angaben zum Rechtsrahmen werden nicht getätigt und performative Verben der Rechtshandlung (vgl. im Formular: setcz schaff und verordne) fehlen. Das Testament, das vom Stadtschreiber niedergeschrieben wurde, scheint aber besser das vorausgesetzte (neue) Textmuster zu realisieren als der Text aus dem Ratsbuch, und zwar in zweierlei Hinsicht: Einerseits – was die Reihenfolge der Elemente anbelangt – wird er gleich zu Anfang mit der Invocatio eröffnet; andererseits – in Bezug auf den Inhalt – berücksichtigt er in der Narratio die Formel zur Testierfähigkeit des Testators. Die nicht berücksichtigte Veränderungsklausel kann dagegen eher als eine Konvenienz angesehen werden, die sich zwar mit der Zeit eingebürgert hat, aber in der Natur des Rechtsgeschäfts Testament selbst begründet liegt. Im Folgenden wird der Versuch unternommen, die Krakauer Testamentsurkundenabschriften umfassender und gründlicher zu untersuchen. Ich will feststellen, inwieweit sie in ihrem strukturellen Aufbau dem Formular von 1485 und dem gängigen Formularbuch ähneln bzw. von diesen abweichen.
181
Testamente in Form von Bürgerurkunden
Form TS, 17. 11. 1483 Prot
Invoc
1
Intit
3
Prom
1: Ich petir schepcz 2: bekenne vnd thue kunth
Inscrip Subst Areng
TS, 26. 01. 1509 S.178ff. 5: In dem namen der heiligen dreyfeldikeit dy do was zeiner grent(en)losen gütekeit vnd barmkerczikeit gluck vnd selikeit dorczu gerich zw leyen amen
ASIX, 19. 05. 1508 1: In dem namen got(is) Amen
1: Ich hannes Thurzo Burger vnd rothmann der Stadt Croke 2: bekenne offentlich
2: Ich Friderich Schillingk burger Czw Crakow
2
Prom Narra TestFä 4
4: mit wolbedochtem mutte vnbetwungen mit gutt(er) vornu(n)fft vnd witczigem rothe
R-Rah 6 Erbe
10
Ts
5
RHan Verw
7 8
5: von meyne(n) Propper gutte 3: Was ich allhir 3: durch diese 3: mache meyn beschriben habe Czedel ader retestament vnd das ist meyn lec- gister meyner ei- leczten willen ztir wille (gegen gener handtschEnde des Textes rifft das ich noch ausdrück- nochfolgende lich die Bezeich- testament vnd meynen nung: Testament) tectz(te)n willen
4: her noch folgend ist
6: yn sulcher weisze als hernoch folget
182
Struktureller Aufbau dreier Texttypen der testamentarischen Eintragungen
(Fortsetzung) Form TS, 17. 11. 1483 Dispo
Verm
9
Pert
-
Verän 11
Esch
Corb
Subs Dat
Besie
5: Item von irsten… Item…
TS, 26. 01. 1509 S.178ff. 6: Am ersten vnd for allen dingen … Mer…
ASIX, 19. 05. 1508 7: czw dem ersten… Item ….
4: Sundir dy hirschaft behalde ich mir dy weile ich lebe
7: Mir dy herrschaft behaldende das zw wandelen zw meren vnd zw mijnderen noch allem meyne(m) willen vnd wolgefallen Vnd zu wertern geczeunisse allen obgeschribene dingen habe ich disen priff ader register ynwendigk besigelt mit meynem rechten Sigel dem grossen vnd dernoch zwgemacht vnd awswendigk auch do mit forpitschafft vnd forsigelt hab vnd alle obgeschriben artikel geschriben mit meyner eigener handt
6: Geschen vnd geschrib(e)n zu Crakow am nehisten freytage noch Johannis baptiste in deme lxxxii jore
8: Am nesten sonebet noch der heiligen drey konig tag in 1507 ioren noch der geburt Cristi vnsers lieben hern
-
183
Testamente in Form von Bürgerurkunden
(Fortsetzung) Form TS, 17. 11. 1483 Appr
TS, 26. 01. 1509 S.178ff.
ASIX, 19. 05. 1508
7: Do mit phlege ewer der anmemechtige got so file hilt ynne das obgenante testament
10.3.3 Verschlossene Testamente in Krakau im Texttyp Urkundenabschrift Bei den eingelegten privaten Bürgerurkunden handelt es sich um Testamentstexte, die in einer Zeit, in der die deutsche Sprache in der Krakauer Staatskanzlei nur noch verwendet wurde, entstanden sind. Es sind also Texte aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts sind in den Krakauer Stadtbüchern nur dann Eintragungen auf Deutsch anzutreffen, wenn diese Abschriften der auswärtigen – also als Abschriften von Dokumenten, die außerhalb der Kanzlei entstanden – sind. Dies ist auch der Grund dafür, dass sich meine strukturellen und stilistischen Analysen zeitlich nur auf diesen Zeitraum erstrecken. Ich beziehe also nur Testamentsurkunden bis einschließlich 1550 ein (wobei hier das Datum der Einlegung, wenn angegeben, und nicht das der Eröffnung und Einschreibung zählt; vgl. ASXV 20. 05. 1553, in dem aus dem Supratext zu erfahren ist, dass die Urkunde 1550 eingelegt wurde). Darüber hinaus verzichte ich auf die nähere Analyse folgender anderer Texte: Nicht berücksichtigt wurde ASX 01. 10. 1526 (Konradus Krupek) wegen der teilweise schlechten Lesbarkeit. Es ist nicht immer eindeutig festzustellen, ob es sich um eine offene oder verschlossene Testamentsurkunde handelt. Um dieser Problematik gerecht zu werden, bespreche ich eindeutige Vertreter der letzteren separat. Untersucht werden in diesem Kapitel also 46 Abschriften von privaten Testamentsurkunden: 29 aus den AS, zehn aus dem LT772 und sieben aus dem LT773. Letztere sind aber keine im normalen Amtsbetrieb eingeführten Texte, sondern sie wurden in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts beim Gericht eingelegt und warteten wahrscheinlich in dieser Form über Jahrzehnte, bis sie 1556 auf königlichen Befehl in den durch den Rat geführten LT773 abgeschrieben wurden. Eine Bemerkung muss meiner Analyse des Aufbaus der Testamentsurkundenabschriften noch vorausgeschickt werden: Auch wenn die Paratexte der Behörden die Abschriften jeweils mit einer Einführungssequenz einleiten, die auf
184
Struktureller Aufbau dreier Texttypen der testamentarischen Eintragungen
den exakten Wortlaut des Originals hindeuten (von der Art: »welches von Wort zu Wort lautete«), so darf nicht übersehen werden, dass die Texte beim Abschreiben oft verkürzt und modifiziert werden konnten, je nach Ermessen des jeweiligen Kanzleimitarbeiters. Inwieweit diese Praxis vorgenommen wurde, lässt sich nicht mehr herausfinden, da kein Original der privaten Testamentsurkunden erhalten geblieben ist, das mit dessen Abschrift verglichen werden kann. Man kann hier lediglich auf die Erwähnungen zu den Czedelabschriften hinweisen und daraus den Schluss ziehen, dass es sich nicht um inhaltsverändernde Eingriffe gehandelt haben kann. Auch erhaltene Testamentsurkundenabschriften von den sich in Krakau aufhaltenden deutschen Ausländern zeigen z. B. dialektsprachliche Eigentümlichkeiten, die beim Abschreiben nicht beseitigt wurden. Andererseits aber kann man in den Abschriften auch hin und wieder Indizien finden, die von weitergehenden Eingriffen der Kanzleimitarbeiter zeugen könnten. So findet sich in nur einem der Korpustexte eine im Paratext der Behörde direkt thematisierte Kürzung der Abschrift im Vergleich zum Original: »Laus Deo A(nno) 1602 Den 26 tag April iß gehnomen Außzueg deß Testamentß der frauen Magdalena Delß Lenß lautt ihreß Jngelegten Testamentß, so auffm rathauß war Jngelegtt.« (ASXXVIII 26. 04. 1602) Auch kann man mindestens an einer Stelle nachweisen, dass in der Abschrift einige Elemente aus dem Original ausgelassen wurden, obwohl eine Auslassung an dieser Stelle befremdlich wirkt, da sie sich auf die Ernennung der Exekutoren bezieht, aber ausgerechnet deren Namen werden nicht genannt: »Welches Testaments ych kyße myr vnd erwele Zw executorn (etc)« (LT773 1556, S. 4–6, eingelegt 1528). Die Abkürzung »etc« könnte hier aber sowohl vom Testamentsurkundenausführer als auch vom Kanzleimitarbeiter eingebracht worden sein (vgl. Bemerkungen zu den Czedelabschriften und deren Originalen). Wegen des langen Zeitabstands zwischen der Anfertigung des Testaments und dem Eintrag ins Stadtbuch vermute ich aber die zweite Möglichkeit: Die Testamentsbestimmungen waren wahrscheinlich schon ausgeführt worden.
10.3.4 Struktur der verschlossenen Testamente Wie sich die Struktur der verschlossenen Testamente in den Krakauer Stadtbüchern in der untersuchten Periode präsentiert, zeigen die nachfolgenden Tabellen. Es bietet sich ein Vergleich des Formulars aus der Deutschen Rhetorica – wonach die einzelnen Elemente der klassischen Urkundenstruktur geordnet wurden – mit dem Krakauer Formular aus dem Jahr 1485 (siehe jeweils erste Kolonne) an.
Esch
Subst
Prot
Appr
Subscr Dat
Corr
Dispo 13 11
Verän Besieg
7 8
R-Han Verw 9, 12 -
10 5
Erbe TS
Verm Pertin
4 6
TFä R-Rah
2
3
Intit Prom Inscrip
Areng Narra
1
Invoc
Form
5
4
3 2
1
ASIX 30.03. 1502
7
6
5 4
3
2
ASIX 19.05. 1508 1
6
5
4
2
3
ASIX 15.06. 1509 1
1
4
3
2
ASIX 31.03. 1512
2
0
0
ASX 10.12. 1517 1
9
7 8
6
5 3,
4
2
ASX 31.03. 1518 1
2, 11
10
9
6 7
5
4 8
3
ASX 18.07. 1519 1
9
7 8
6
5 3
4
2
ASX 06.08. 1521 1
Testamente in Form von Bürgerurkunden
185
Esch
Subst
Prot
Appr
Subs Dat
Corr
Dispo 13 11
Verän Besieg
7 8
R-Han Verw 9, 12 -
10 5
Erbe TS
Verm Pertin
4 6
TFä R-Rah
2
3
Intit Prom Inscrip
Areng Narra
1
Invoc
Form
2
5
4
3
ASX 06.10. 1525 1
7
6
4 5
2
3
1
ASXI 05.06. 1528
9
1
8 10
7
6
5 4, 0
3, 0
ASXI 23.06. 1531 2
8
6 9
5, 7
3
4
2
ASXI 07.11. 1531 1
8 2, 9 geändert
7
5 6
3
4
ASXI 11.04. 1534 1
13 2
12 10
9 11
8
5 6
7
3
4
ASXI 16.01. 1537 1
0, 11
9 10
7 8
6
4
5
2
3
ASXI 13.02. 1538 1
186 Struktureller Aufbau dreier Texttypen der testamentarischen Eintragungen
Esch
Subst
Prot
Dat Appr
Corr Subs
Dispo
Narra
5 7
8 9, 12
13
TS R-Han
Verw Verm
Pertin Verän
11
6 10
R-Rah Erbe
Besieg
4
TFä
2
Intit Prom
Inscrip Areng
1
3
Invoc
Form
9
8
6 7
4
5
10
2
3
ASXII 14.04. 1540 das eine 1
10
8 11
6
7
3
5
4
2
1
ASXII 14.04. 1540 das andere
0
10
8 9
3
6 7
5
4
2
1
ASXIII 22.03. 1544
8
9
5
6
3
7
4
2
1
ASXIII 18.04. 1544
5
4
3
2
1
ASXIII 16.04. 1546
8
7
6 5
3
4
2
1
ASXIII 02.10. 1546
11
10 12
8 6
5 7, 9
3
4
2
1
ASXIII 14.05. 1547
Testamente in Form von Bürgerurkunden
187
Esch
Subst
Prot
Appr
Subs Dat
Corr
Dispo 13 11
Verän Besieg
7 8
R-Han Verw 9, 12 -
10 5
Erbe TS
Verm Pertin
4 6
TFä R-Rah
2
3
Intit Prom Inscrip
Areng Narra
1
Invoc
Form
10 8
7 9
6
5
4
3
2
ASXIII 21.10. 1547 1
2
9 10
8
7
6
5
4
3
ASXIII 29.11. 1547 1
2
7
6
4
5
3
ASXIV 13.12. 1547 1
6
8
5, 7
3
4
2
ASXIV 26.04. 1548 1
8
6
5
4
3, 7
2
ASXIV 07.11. 1549 1
8
9 7
6
5
4
3
2
ASXIV 12.03. 1550 1, 0
11
12
10
7, 9 8
6
5
4
3
2
ASXV 20.05. 1553 1
188 Struktureller Aufbau dreier Texttypen der testamentarischen Eintragungen
Esch
Subst
Prot
6
5
8
7
6
5
6 7
4, 0 5
2,10
11
7 9
5 6
8
4
3
1
LT772 23.12. 1513
4
9
8
5
7
6
2
3
1
LT772 15.03. 1514
8 9
7
4
6
5
3
2
1
LT772 26.08. 1538
11
13
Pertin Verän
3
3
1, 0 2
LT772 5./6.09. 1513
10 12
8 9, 12
Verw Verm
3
4
1 2
4
LT772 26.01. 1509
Dat Appr
5 7
TS R-Han
11
6 10
R-Rah Erbe
Besieg
4
TFä
1 2
LT772 17.11. 1483
Corr Subs
Dispo
Narra
2
3
Intit Prom
Inscrip Areng
1
Invoc
Form
1
7
5 6
4
3
2
LT772 19.03. 1540
2
6 7
5
4
3
1
LT772 24.11. 1541
Testamente in Form von Bürgerurkunden
189
Esch
Subst
Prot
Dat Appr
Corr Subs
Dispo
Narra
5 7
8 9, 12
13
TS R-Han
Verw Verm
Pertin Verän
11
6 10
R-Rah Erbe
Besieg
4
TFä
2
3
Intit Prom
Inscrip Arenga
1
Invoc
Form
1
7
5 6
3
4
2
LT772 17.02. 1542
10
9
8
7, 11
6
4
5
2 3
1
LT772 02.01. 1544
5
4
3
2
1
LT773 04.11. 1556 S. 1–3 (1516)
5 6
4
2
3
LT773 04.11. 1556 S. 4–6 (1528) 1
2
1
LT773 04.11. 1556 S. 6–8 (1509)
9
7 8
5 6
4
3
2
LT773 04.11. 1556 S. 8–10 (1515) 1
2
6
5
4
3
5
2
LT773 04.11. 1556 S. 11–15 (1522) 1
6
5
1
3
2
LT773 04.11. 1556 S. 31–34 (1519) 4
0
7 8
6
3,0
5
4
2,0
LT773 04.11. 1556 S. 36–38 (1524) 1
190 Struktureller Aufbau dreier Texttypen der testamentarischen Eintragungen
Testamente in Form von Bürgerurkunden
191
Im Folgenden werde ich die eingelegten Testamente, die jeweils die aufeinanderfolgenden Teile der klassischen Urkundenstruktur der Krakauer Bürgertestamente bilden, näher untersuchen: Zu den Elementen des Protokolls gehören in einer klassischen Urkunde vier Elemente: Invocatio, Intitulatio, Promulgatio und Inscriptio. Diese Strukturelemente werden aber in den privaten Testamentsurkunden der Krakauer Bürger nicht überall und umfänglich angewendet. Maximal tauchen drei davon – Invocatio, Intitulatio und Promulgatio – gleichzeitig auf (dies aber nur in zwei Testamentsabschriften in dem LT772, da nur in diesem Aktenbuch Testamentsurkundenabschriften mit einer Promulgatio vertreten sind), nie aber die Inscriptio, die den Adressaten benennen würde. Der häufigste Fall ist das gleichzeitige Vorkommen von zwei der vier nach dem klassischen Urkundenschema zur Verfügung stehenden Sinnelemente: der Invocatio und der Intitulatio, eben 26-mal in dieser Reihenfolge und nur einmal umgekehrt. Selten sind es zwei andere Elemente, die kombiniert werden: die Intitulatio und die Promulgatio (wieder beide in dem LT772). Zwischen der Invocatio und der Intitulatio kann ein Element aus einem anderen Teil des Urkundenschemas stehen: die Arenga aus der Substantia (siebenmal) oder das Datum aus dem Eschatokoll (fünfmal); einmal erscheinen beide. In den restlichen Testamentsurkunden wird nur ein Element des Protokolls umgesetzt, meistens die Intitulatio, die den Testierer benennt. Es finden sich aber auch Testamentstexte, die den ersten Teil des Urkundenschemas auf die Invocatio beschränken, wobei dann der Name des Testierers entweder in der Überschrift oder in der Corroboratio zu finden ist. In einer Urkundenabschrift aus dem LT773 (LT773 04. 11. 1556, S. 6–8 (1509)) ist das Protokoll vollständig abgebaut bzw. kryptisch, sodass sogar der Name des Testierers nur aus dem Paratext der Behörde zu erfahren ist, was aber in diesem Texttyp eher eine Ausnahme darstellt (auch wenn es sich nur um eine Abschrift handelt). Alles in allem kann festgestellt werden, dass die Protokolle der meisten privaten Testamentsurkunden dem Schema des Formulars aus dem Jahr 1485 folgen (Invocatio und Intitulatio, wobei dazwischen ein weiteres Element, hier die Arenga, steht). Nach dem Protokoll erfolgt die Substantia, die im klassischen Urkundenschema drei Elemente umfasst: Arenga, Narratio und Dispositio (dazu kommt noch die Promulgatio, die jedoch in diesem Teil des Urkundenschemas weder im Testamentsurkundenformular in der Deutschen Rhetorica noch in der Ausführung der Krakauer Testamente, deren Abschriften der Untersuchung unterzogen wurden, auftaucht, sondern, wenn sie schon selten umgesetzt wird, bestenfalls im Protokoll erscheint). Die Arenga, obwohl bereits im Formulartext präsent, kommt in den Testamentsurkunden nur 19-mal vor, wovon die meisten Fälle in dem zweiten Viertel des 16. Jahrhunderts verzeichnet werden können. Das erste Mal wird die Arenga
192
Struktureller Aufbau dreier Texttypen der testamentarischen Eintragungen
im (Frauen-)testament ASIX 15. 06. 1509 umgesetzt, wobei in den nachfolgenden Testamentsurkunden bzw. -abschriften in den AS keine Spur von diesem Element zu finden ist. Da die Arenga ein individualisiertes rhetorisches Element ist, obwohl sich auch wiederholende Formulierungen finden (die aber dem Bereich der Stilistik zugehören), wird nun zum Aufbau der Narratio übergegangen. Während die Arenga nicht immer in den Testamentstexten erscheint, kann von der Narratio als einem obligatorischen Teil jedes Testamentsmusters gesprochen werden. Die bereits genannte Ausnahme scheint jedoch wieder einmal die Regel zu bestätigen (LT773 04. 11. 1556, S. 6–8, (1509)). Die Narratio soll die Umstände der sozialen Handlung angeben. In den Testamenten der deutschen Krakauer Bürger ist es der einzige Teil dieser Testamentsurkunden, der keine Elemente aus anderen Teilen einer klassischen Urkunde mit seinen Bestandteilen verflechtet. Ihr wichtigstes Element, das in fast allen (außer der bereits erwähnten Realisierung eines alternativen Textmuster) präsent ist, ist die Benennung der Textsorte. In der Testamentsurkunde LT773, S. 6–8, wird nach einer registerhaften Güterlage dann einfach befohlen, was im Todesfall mit den Vermögensgegenständen zu tun sei: »It(em) Denn benanttenn pfromen herrn vnnd Lewtten Hap ych bepfolenn(sic) mytt dyeßem gereth, So gott waß vbermych verhynnge, domythe Zw thuenn vnd czw loßenn, wye hernoch volgett.« Die Bezeichnung der Textsorte scheint also beinahe obligatorisch zu sein, allerdings kann sie auch wegfallen, wenn aus dem Kontext ersichtlich wird, dass es sich um letztwillige Verfügungen handelt. In einem der Texte (ASX 10. 12. 1517) kann auch von keiner Narratio im klassischen Sinne gesprochen werden; der Testierer und die Textsorte werden aber in der (wahrscheinlich in der Abschrift von dem Original übernommenen) Überschrift benannt. Häufig ist auch die Erwähnung der Testierfähigkeit (in 34 Fällen). In keinem der überlieferten Texte finden sich alle sechs Elemente der Narratio zugleich realisiert, denn in diesem Teil sind die Krakauer Bürgertestamente willkürlich und eher verkürzend verfasst, sowohl in Bezug auf das Testamentsformular aus der Deutschen Rhetorica als auch auf das hauseigene Formular. Angaben zum Erbe werden nur in zwölf Texten erwähnt. Die Nennung des Rechtsrahmens sowie die Formulierung der Rechtshandlung mit Hilfe von Prädikaten (bspw. im Formular 1485: »setcz schaff und verordne«) sind noch seltener (entsprechend fünf- und viermal). Die Verweisstücke, die zur Dispositio überleiten, finden sich in 21 Texten. Die Reihenfolge der ersten fünf Elemente der Narratio ist stark variierend. Das Bild der Variationen innerhalb der Struktur einer Testamentsurkunde vollendet das zentrale Element der Substantia und des Testaments selbst – die Dispositio. Ohne diesen Teil gäbe es kein Testament, da das Ziel der sozialen Handlung des Testierens ist, etwas (letztwillig) zu verfügen. Die Dispositio ist undenkbar ohne die Vermächtnisse, da dieses Element für die Textsorte Testa-
Testamente in Form von Bürgerurkunden
193
ment konstitutiv ist. Häufig (31-mal) kommt auch eine Herrschafts- und Änderungsklausel vor. Die Pertinenz dagegen, die den Restbestand der Habe benennt und darüber verfügt, kommt zwölfmal vor. Neunmal werden allerdings alle drei möglichen Elemente zugleich realisiert. In der Dispositio kommt es zuweilen zur Vermischung zwischen den einzelnen Teilen des klassischen Urkundenschemas. Diese »fremdartigen« eingeschobenen Elemente stammen aus dem Eschatokoll (zweimal das Datum, einmal die Corroboratio, einmal beides). Wohl von einem Nachtrag (seitens des Testamentsurkundenausführers oder des abschreibenden Kanzleimitarbeiters) kann die Rede sein, wenn nach der Corraboratio und dem Datum noch eine Verfügung angehängt wird. Andererseits wird eine solche Strategie auch in dem Formular 1485 selbst zugelassen (zusätzliche Verfügung nach der Corraboratio), obwohl ihre Ausführung in der Krakauer Praxis offenbar eher als eine Ausnahme denn als eine Regel gelten kann und zudem wie ein Nachtrag eingearbeitet ist. Demzufolge kann erst die Unterschrift des Testierers – so sie vorhanden ist – als Ende des Testamentstextes gelten. Der letzte Teil der Testamentsurkunde, das Eschatokoll, ist am kompliziertesten zu analysieren, denn es ist nie sicher, ob und inwieweit der ursprüngliche Text beim Abschreiben abgebaut bzw. verkürzt wurde. Der Umstand, dass kein Siegel nachgebildet wurde, ist dabei verständlich und braucht keine Erklärung, da es sich um eine Abschrift handelt. Dass das Abschreiben einer Unterschrift weggelassen werden konnte, scheint auch plausibel zu sein. Es finden sich auch Belege dafür, dass die Unterschrift in der Eintragung (im Paratext der Behörde oder in der Abschrift der Testamentsurkunde selbst) erwähnt wird, sie sich jedoch in der ausgeführten Abschrift nicht findet. Auch Erwähnungen der angebrachten Siegel finden sich in den das Eschatokoll umgebenden Teiltexten (vgl. weiter das Unterkapitel Inhaltliche Spannung zwischen Paratexten und Testamentsabschrift). Fraglich ist aber, was zur Corraboratio zugerechnet werden kann: ob also zu den Beglaubigungsmitteln außer der Nennung der Unterschrift und der Versiegelung auch die deklariert handschriftliche Ausführung der Testamentsurkunde zugerechnet werden kann (wie im ASXI 7. 11. 1531). Diese Frage muss – nach heutigem Rechtsstand, nach dem einem handschriftlich ausgeführten Testament die gleiche Rechtskraft wie einer notariellen Beglaubigung zukommt – bejaht werden. Problematisch wird es aber, wenn noch weitere Elemente hinzukommen. Fraglich erweisen sich in diesem Zusammenhang – wegen der eindeutigen Zuordnung – die Segenssprüche, die sich auf die Verbleibenden beziehen. Oft sind sie Wünsche an die Erbnehmer oder die Nächsten und Verwandten, etwas zu tun; oder sie ermahnen, ein Versprechen einzuhalten; oder sie sind Segenswünsche, vgl. bspw. ASX 06. 08. 1521); oder sie bitten um die Gnade Gottes für den Testierer selbst (eine Gott-erbarme-dich-Formel, vgl. bspw. ASXI 23. 06. 1531). Allem Anschein nach könnten sie als Apprecatio angesehen werden und somit einen Teil des Eschatokolls ausmachen.
194
Struktureller Aufbau dreier Texttypen der testamentarischen Eintragungen
Aus der Tatsache, dass nur ein Teil der Abschriften Elemente des für jede Urkunde obligatorischen Eschatokolls beinhalten, liegt die These nahe, dass die Kürzungen und Umformungen die Passagen aus diesem Teil der Urkunde beim Abschreiben am stärksten betrafen. Aus der Zusammenstellung der in den Abschriften vorkommenden Elemente des Eschatokolls lässt sich daher eine gewisse Willkür der Auswahl des das Dokument abschreibenden Kanzleimitarbeiters feststellen. In acht Abschriften finden sich keine Elemente des Echatokolls. Am häufigsten angewandt wird das Datum, das 32-mal erscheint, davon jedoch nur 17-mal eindeutig in der Position des Eschatokolls. Es kann auch in einer doppelten Ausführung vorkommen, die darüber hinaus nicht unbedingt übereinstimmen muss mit der Datierung am Anfang des Testaments.241 Zwölfmal zu finden ist in dem Korpusmaterial eine Corraboratio, zehnmal die Unterschrift und fünfmal die Apprecatio. Die drei letztgenannten Elemente kommen immer gegen Ende einer abgeschriebenen Urkunde vor. Festzuhalten ist, dass im Formulartext 1485 das Eschatokoll nicht nur in der Substantia zwischen den Vermächtnissen erscheint, sondern auch (nur) auf eine Art Corroboratio beschränkt ist. Möglicherweise ist letzterer Umstand ein Grund für weitgehende Auslassungen und Kürzungen in diesem Teil der Urkunde, die beim Abschreiben vorgenommen wurden. Auch in dem Testamentsurkundenschema aus dem Formularbuch Deutsche Rhetorica finden sich in dem Eschatokoll nur die Corraboratio ausgeführt, die anderen Elemente scheinen für ein Schema offenbar zu individuell (das Datum, die Unterschrift) und zu fakultativ (Apprecatio). Ein Vergleich der Struktur der verschlossenen Krakauer deutschsprachigen Testamentsurkunden mit dem Schema aus dem Formularbuch Deutsche Rhetorica zeigt, dass die meisten seiner Elemente in der Krakauer Praxis umgesetzt wurden, nicht gleichzeitig jedoch in einem Text. In keinem der untersuchten Texte wurde aber die Inscriptio realisiert. Auch die Promulgatio gehört zu den selten eingesetzten Elementen (lediglich viermal in dem LT772). Dagegen ist die im Korpusmaterial vorkommende Invocatio eine Bereicherung des überlieferten Schemas. Diese stammt aus dem klassischen Urkundenschema, woher auch die fakultative – in den Krakauer Testamentsurkunden jedoch ab und zu vorkommende – Überschrift herrührt ( jeweils die Zahl 0 in den Tabellen). Das Testamentsurkundenmuster in Krakau befolgt also strikt keines der drei Vorbild-
241 Vorgekommen ist auch eine abweichende Datierung im Protokoll und im Eschatokoll, wobei das erste Datum für die Abfassung des Testaments, das zweite Datum für dessen Niederlegung beim entsprechenden Amt (Gericht oder Rat) steht, wie im Testament ASXV 28. 06. 1554. Jedenfalls besteht in diesem Fall keine Ungewissheit wegen der Autorenschaft der Daten (ob diese von dem Ausführer des ursprünglichen Testaments oder von dem abschreibenden Kanzleimitarbeitet herrühren), da beide im Text des Testament vor der (abgeschriebenen) Unterschrift des Testierers (als einem Abschlusszeichen) vorkommen.
Testamente in Form von Bürgerurkunden
195
schemata (klassische Urkunde, Formularbuch, Formular 1485), speist sich jedoch aus allen dreien. Von den 18 möglichen Teilelementen in allen drei Teilen des Schemas wurden gleichzeitig maximal 13 umgesetzt (ASXI 16. 01. 1537). Im Durchschnitt sind es 8,5 in den AS (nicht mitgerechnet ASX 10. 12. 1517), ähnlich in dem LT772 und nur 6,5 in dem LT773 (ohne LT773 S. 6–8 mitzurechnen). Es lässt sich eine leichte Tendenz zum Abbau des Eschatokolls, insbes. was die Corraboratio und die Unterschrift anbelangt in den beiden Ratsbüchern feststellen, noch mehr in Urkundenabschriften aus dem LT773. Das hat offenbar mit den bereits erwähnten Kürzungen dieser nachträglich eingetragenen Texte zu tun. Als Text, der die minimale Struktur des Texttyps Abschrift in das Stadtbuch in Bezug auf die Textsorte Testament realisiert, kann ASIX 31. 05. 1512 gelten, in dem außer dem Datum (das auch in einigen Abschriften ausgelassen wird) nur noch die Intitulatio, die Textsorte und die Vermächtnisse genannt werden. Ein alternatives Textmuster wurde bereits erwähnt (LT773, S. 6–8, 1528). Das Verständnis desselben als eines Testaments beruht auf der Berücksichtigung des Kontextes und der sozialen Situation, in der die Verfügungen vorgenommen werden (eine in der städtischen Behörde eingelegte Urkunde und deren nachträglicher Einzug in den Liber Testamentorum). Ein Beispiel verkürzten Textaufbaus ist auch ASX 10. 12. 1517. In diesem Testament kommt als Einleitungsphrase eine Art Überschrift hinzu, die auf Deutsch Auskunft über die Textsorte und den Testierer gibt. Nach der Invocatio werden die Vermächtnisse angeführt. Diese verkürzte Form findet sich in den Krakauer Stadtbüchern aber nur einmal wieder, auch wenn die Abschriften der Originale in ein paar weiteren Fällen die Überschriften mitbeinhalten, in denen Testsorte und Testierer genannt werden. In den genannten Fällen übernimmt jedoch die Überschrift nicht die inhaltliche Aufgabe des Protokolls, was nur im Text ASX 10. 12. 1517 vorkommt. 10.3.4.1 Der Nachtrag in den verschlossenen Testamentsurkunden Fest steht, dass die Unterschrift, falls es sie in der Abschrift gibt, ein Schlusszeichen des jeweiligen Urkundentextes ist. Die sich der Sequenz zur Besiegelung und eigenhändiger Unterschrift als Schlusszeichen anschließende Beteuerung ist somit mit Sicherheit als ein Nachtrag zu qualifizieren: »Ich Erasmus Banck des Ratts in Cracaw bekenne mit dyser meyner eygenner hanntschrifftt, Da ich dyses Testament vnd meynen leczten willen bey gutter Vornu(n)fft vnd bedacht gemachtt vnd beschlossenn myt Gottes hylff vnd genadenn, vnd bytt das es ßo gehalden wyrde jn allen(n) wye ob stett […]« (ASXVII 24. 05. 1563).
Ähnlich auch im ASXII 14. 04. 1540, obwohl möglicherweise hier auch als »Ergänzung« zur bereits angesagten eigenhändigen Unterschrift:
196
Struktureller Aufbau dreier Texttypen der testamentarischen Eintragungen
»Ich Matis Stosch (sic), denn man nent Schwob hye cZw lannd, das yst meynn Testament, Vnnd lecZter Wyll, wye obenn geschrybenn yst, das yst meynn hanndtschryfft.«
Es kann auch vorkommen, dass sich ein solcher Nachtrag noch mehr vom Text des Testaments absetzt. So kann er in einer anderen Sprache formuliert werden als der des übrigen Testamentstextes. Die Kohärenz beider wird aber durch direkte pronominale Bezüge auch auf der grammatischen Ebene aufrechterhalten. So beteuert bspw. der Autor eines polnisch-sprachigen Testaments auf Deutsch, dass es sein aufrichtiger letzter Wille sei, dieses eingehalten zu wissen. Er nennt auch die erfolgte Besiegelung der Urkunde und die Tatsache, dass diese mit eigener Hand entstanden ist. Wahrscheinlich hat er in der Zeit der sich durchsetzenden polnischen Kanzleisprache diesen Passus nachträglich hinzugefügt, um seinem Testament mehr Gewicht zu verschaffen bzw. um sicher zu gehen, dass sein Text als letztwillige Verfügung verstanden wird.242
10.4 Paratexte der Behörde in den Abschriften der eingelegten verschlossenen Testamente Untersucht nach den Sinneinheiten wurden alle eingelegten verschlossenen Testamente, die bis 1550 – insofern sich dies feststellen ließ – verfasst und eingelegt wurden. In einer Eintragung bezieht sich der vorhandene Supratext der Behörde auf zwei sich ergänzende und gültige Testamentstexte, die gegenseitig abgeschrieben wurden (ASXII 14. 04. 1540). Außer Acht gelassen wurde ein Text (LT772 17. 11. 1483), der gemäß dem Willen der Exekutoren in den LT772 abgeschrieben wurde, obwohl er eigentlich dem Gericht anvertraut worden war, da dieser Umstand Auswirkung auf den Inhalt des Supratextes der Behörde hatte.
10.4.1 Supratexte Supratexte in den Abschriften der verschlossenen Testamente beinhalten meist Angaben zur Kommunikationssituation der Testamentseröffnung. Sie beziehen sich aber oft auch auf die Kommunikationssituation der Testamentseinlegung. Immer da, wo der Supratext auf Latein verfasst wurde, wurde dies auch angemerkt. Dies ist auch der Fall in den Supratexten der sieben nachgetragenen Testamentsurkunden im LT773. Diese gleichen einander: In ihnen wurde nur die Tatsache des Testierens selbst und das Datum der Einlegung der einschlägigen Urkunden beim Gericht niedergeschrieben, was als Vollzug eines königlichen 242 Vgl. ASXX, S. 635, Eintragungsdatum fehlt, Datum der Ausfertigung: 1574.
Paratexte der Behörde in den Abschriften
197
Befehls von 1556 ausgeführt wurde. Diese sieben Texte tauchen wegen ihres verkürzten Inhalts nicht in der nachfolgenden tabellarischen Zusammenstellung auf. In den übrigen verschlossenen eingelegten Testamentsurkunden werden in der Regel in Bezug auf die Kommunikationssituation der Testamentseröffnung sowohl die durch das Amt unternommenen Tätigkeiten genannt (Eröffnung, Bestätigung, Einschreibung) als auch Angaben gemacht zur an der Testamentseröffnung anwesenden interessierten und befugten Personen (wie Ehepartner, natürlichen Erben bzw. zur Teilnahme am Erbgang nach dem Rechtsstand üblicherweise Vorgesehener, bzw. Exekutoren des Testaments) und deren Aktivitäten, etwa Anträgen in Bezug auf das zu eröffnende Testament. Zu diesen zählen die Bitte um Eröffnung des Testaments, die Bitte um amtliche Bestätigung seiner Gültigkeit, die Bitte um Eintragung des Textes ins Stadtbuch, sporadisch die Bitte um Einwilligung der Erbnehmer oder der üblichen Erbberechtigten in die Testamentsbestimmungen. Wohl nicht alle Handlungen müssen im Supratext erwähnt werden, was nicht bedeutet, dass diese nicht stattgefunden haben (bspw. kann die nicht artikulierte, sondern vorausgesetzte Einwilligung in Bezug auf die testamentarischen Bestimmungen geschehen, wenn eine Bitte um Einschreibung und Bestätigung formuliert wurden). Es kann auch der Fall sein, dass sich die Eintragung ins Aktenbuch aus der Verfügung des Testierers noch zu seinen Lebezeiten selbst ergibt, die im Testamentstext oder in einer protokollartigen Eintragung, die bei der Testamentseinlegung angefertigt wurde, ausgedrückt wurde. Der Testierer konnte nicht nur die Personen bestimmen, die zur Eröffnung durch ihn befugt wurden (siehe tabellarische Zusammenstellungen), sondern er konnte sie selbst im Moment der Testamentseröffnung noch präzisieren (vgl. ASXIII 21. 10. 1547: »[…] vnd dem gerichts ampt volkomliche gewaldt vorlihen ßolch testament den dritten tag noch ßeynem todtlychenn absterben(n) cZu opfnen(n) vnnd ynns gerichTS buch cZu volcZihen.« Es kann begründet angenommen werden, dass die Bestimmung des Zeitpunkts der Eröffnung des Testaments durch den Testierer das Amt zu einer unaufgeforderten Eröffnung desselben zu jenem Zeitpunkt verpflichtete. Auch dazu gibt es genügend Belege im Untersuchungsmaterial. Einige Auffälligkeiten, die aus dem Rahmen der meist schon konventionalisierten Supratexte der Behörde bei den Abschriften der privaten Testamentsurkunden fallen beinhalten die Eintragungen aus dem LT772. Zum einen ist hier auf eine detaillierte Auflistung der zur Testamentseröffnung erschienenen Personen im Supratext der Eintragung LT772 24. 11. 1541 hinzuweisen (wobei es auch sein konnte, dass nur in diesem konkreten Fall so viele Personen sich tatsächlich zur Eröffnung eingefunden haben):
198
Struktureller Aufbau dreier Texttypen der testamentarischen Eintragungen
»[…] auff beger des Edlen vnd Namhafftenn hernn Stenczels Salomon als Exequutor (auch ynn gegenwerth for doctor Andreas Opoczno als vormunden vnd volmechtigenn ffrauenn Catherina seyner ehelichen haußfraw vnnd Stanislai Eustachy der parebtibus ßonn der glaichenn Pauli Scherba als volmechtigenn Anne Pyotrowska vnnd Eustachy des obgemeltenn Eustachy de parentibus ßonn vnnd auch Schchensin dambrowsky mytt sampt seynem ßone auch jungfraw dorothea Schukowska als derenn dye sych czw obgenanter ettwan iungffrauen Catherina gu(e)ttern vormaynen gerichtigkait vnnd interesse czu habenn) habenn wyr […]«
Einigermassen aus dem Rahmen zu fallen scheint auch der Supratext LT772 23. 12. 1513, der die nachfolgende Abschrift in den wichtigsten Bestimmungen zusammenfasst sowie LT772 15. 03. 1514, in dem sich die Angaben zur Einlegung und die Anweisungen zur Eröffnung seitens der Testiererin im Text der abgeschriebenen Urkunde selbst findet. Überdies konnten in den Supratexten der Behörde zu den Abschriften der privaten Testamentsurkunden auch Umstände genannt werden, die diese Urkunden beglaubigen. Es handelt sich um Versiegelungen derselben (wobei in einigen Fällen ausdrücklich das eigene Siegel des Testierers genannt wird): ASIX 30. 03. 1502, ASIX 31. 03. 1512, ASX 31. 03. 1518, ASXI 07. 11. 1531, ASXI 11. 04. 1534, ASXI 16. 01. 1537, ASXIII 18. 04. 1544, ASXIII 16. 04. 1546, ASXIII 02. 10. 1546, ASXIV 26. 04. 1548, ASXIV 07. 11. 1549, LT772 05/06. 09. 1513, LT772 23. 12. 1513. Dabei konnte die Versiegelung mit deklarierter eigenhändiger Anfertigung (ASXIII 14. 05. 1547 ASXIV 12. 03. 1550 LT772 26. 01. 1509) oder eigenhändiger Unterschrift (ASXIII 21. 10. 1547 ASXIII 29. 11. 1547 ASV 20. 05. 1553 (eingelegt 1550) einhergehen. Im ersten Supratext zur Testamentseintragung eines solchen Texttyps (ASIX 30. 03. 1502) finden sich noch zwei weitere Angaben, wie die zur Verfügungsgewalt über das wohlgewonnene Gut und die Nennung der Exekutoren. In der einige unübliche Merkmale tragenden Eintragung LT772 23. 12. 1513 ist zusätzlich zum bereits Gesagten festzuhalten, dass der Supratext Rückschlüsse auf die erst vor der Behörde erfolgenden Versiegelung bietet: Es wird festgehalten, dass der Inhalt der Testamentsurkunde bei der Einlegung bekannt war, da er zu diesem Zeitpunkt bestätigt wurde. Auch die Vormunde waren bei der Einlegung anwesend und haben die Vormundschaft angenommen. Die Testamentsurkunde blieb jedoch in verschlossener Form dem Amt anvertraut. Die Abschrift der verschlossene Testamentsurkunde ASIX 15. 06. 1509 beinhaltet keine einführenden Supratexte, die Tatsache der Eröffnung wird aber in einem nachfolgenden Aktenvermerk (Infratext der Behörde) festgehalten.
Bitte des Testierers, das Testament einzuschreiben + Zur Eröffnung
Wille des Testierers, das Testament nach seinem Tode zu eröffnen Bitte des Testierers, das Testament zu bestätigen +
Über die Einlegung + Verweis auf den Einlegungstext
Zur Einlegung des Testaments +
De
Latein
Deutsch
ASIX 31.03. 1512 S Datum + AV nicht abgesetzt
ASIX 19.05. 1508
S Datum + AV – S AV – abgesetzt abgesetzt
ASIX 30.03. 1502
+
De
S Datum + AV nicht abgesetzt
ASX 10.12. 1517
+
+
De
S Datum + AV abgesetzt
ASX 31.03. 1518
+
De
S Datum + AV abgesetzt
ASX 18.07. 1519
+
De
AV abgesetzt
ASX 06.08. 1521
Paratexte der Behörde in den Abschriften
199
Bestätigung
Einwilligung der Erschienenen in die Testamentsbestimmungen Zur Handlung der Behörde
Bitte der Erschienenen um Eröffnung Bitte der Erschienenen um Bestätigung
Wer ist erschienen
(Fortsetzung)
+
+
+
+
AV abgesetzt
S Datum + AV abgesetzt
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
De De Kinder des Tes- Frau mit Vortierers und ihr mund, Tochter Vetter und Söhne
ASX 06.08. 1521
ASX 18.07. 1519
+
De Gebrüder des Testierers, Witwe und ihr Vormund
De De Gesellschaft-ler, Hausfrau, NefGeschwister fe, Verwandter
Latein Exekutoren
Deutsch
ASX 31.03. 1518 S Datum + AV abgesetzt
ASX 10.12. 1517 S Datum + AV nicht abgesetzt
ASIX 31.03. 1512 S Datum + AV nicht abgesetzt
ASIX 19.05. 1508
S Datum + AV – S AV – abgesetzt abgesetzt
ASIX 30.03. 1502
200 Struktureller Aufbau dreier Texttypen der testamentarischen Eintragungen
De
De
Latein
Deutsch
ASX 10.12. 1517 S Datum + AV nicht abgesetzt
ASIX 31.03. 1512 S Datum + AV nicht abgesetzt
ASIX 19.05. 1508
S Datum + AV – S AV – abgesetzt abgesetzt
ASIX 30.03. 1502
Bestätigung mit Vorbehalt (wenn die Rechtsvorschriften eingehalten) +
(Fortsetzung)
De
S Datum + AV abgesetzt
ASX 31.03. 1518
+
De
AV abgesetzt
S Datum + AV abgesetzt De
ASX 06.08. 1521
ASX 18.07. 1519
Paratexte der Behörde in den Abschriften
201
Wille des Testierers, das Testament nach seinem Tode zu eröffnen Bitte des Testierers, das Testament zu bestätigen
Über die Einlegung Verweis auf den Einlegungstext
Zur Einlegung des Testaments
+
+
+
De
De
Latein
S Datum + AV abgesetzt
S Datum+ AV abgesetzt
S
ASXI 23.06. 1531
ASXI 05.06. 1528
ASX 06.10. 1525
+
De
S Datum + AV abgesetzt
ASXI 07.11. 1531
+
De
S Datum + AV abgesetzt
ASXI 11.04. 1534
+
+
+
+
ASXI 13.02. 1538
+
Latein teilweise unleserlich
AV abgesetzt,
ASXI 16.01. 1537
202 Struktureller Aufbau dreier Texttypen der testamentarischen Eintragungen
Bitte der Erschienenen um Eröffnung Bitte der Erschienenen um Bestätigung
+
+
Exekutoren
+
+
+
+
De
De
Frau, Söhne und Eidem
S Datum + AV abgesetzt
ASXI 11.04. 1534
S Datum + AV abgesetzt
ASXI 07.11. 1531
+
Exekutoren
+
De
De
Latein
S Datum + AV abgesetzt
S Datum+ AV abgesetzt
S
ASXI 23.06. 1531
ASXI 05.06. 1528
ASX 06.10. 1525
Bitte des Testierers, das Testament einzuschreiben Zur Eröffnung Wer ist erschie- Exekutoren nen
(Fortsetzung)
+
Exekutoren
Latein teilweise unleserlich
AV abgesetzt,
ASXI 16.01. 1537
Frau, Gebrüder, Exekutoren, Tochter Eidem
+
ASXI 13.02. 1538
Paratexte der Behörde in den Abschriften
203
Bestätigung mit Vorbehalt (wenn die Rechtsvorschriften eingehalten)
Einwilligung der Erschienenen in die Testamentsbestimmungen Zur Handlung der Behörde Bestätigung
(Fortsetzung)
De
De
+
Latein
S Datum + AV abgesetzt
S Datum+ AV abgesetzt
S
ASXI 23.06. 1531
ASXI 05.06. 1528
ASX 06.10. 1525
+
De
De
+
+ Bitte um Einschreiben
S Datum + AV abgesetzt
ASXI 11.04. 1534
S Datum + AV abgesetzt
ASXI 07.11. 1531
Latein teilweise unleserlich
AV abgesetzt,
ASXI 16.01. 1537 ASXI 13.02. 1538
204 Struktureller Aufbau dreier Texttypen der testamentarischen Eintragungen
+ nach Begehr des Exekutors
+
+
+
Latein
De
+
S-Datum, AV abgesetzt
ASXIII 18.04. 1544
S-Datum, AV abgesetzt
ASXIII 22.03. 1544
+
Wille des Testierers, das Testament nach seinem Tode zu eröffnen + Bitte des Testierers, das Testament zu bestätigen
Über die Einlegung Verweis auf den Einlegungstext
Zur Einlegung des Testaments
das andere
das erste S-Datum, AV abgesetzt
De
ASXII 14.04. 1540
ASXII 14.04. 1540
+
De
S-Datum, AV abgesetzt
ASXIII 16.04. 1546
+
+
+
De
S-Datum, AV abgesetzt
ASXIII 02.10. 1546
+
+
+
De
S-Datum + AV abgesetzt
ASXIII 14.05. 1547
Paratexte der Behörde in den Abschriften
205
das andere
das erste S-Datum, AV abgesetzt
De
ASXII 14.04. 1540
ASXII 14.04. 1540
Bitte der Erschienenen um Eröffnung Bitte der Erschienenen um Bestätigung
Bitte des Testierers, das Testament einzuschreiben + Zur Eröffnung Wer ist erschie- Enkel und nen Tochter
(Fortsetzung)
Latein
De
+
-
Exekutor und Sohn
+
+
+
De
S-Datum, AV abgesetzt
S-Datum, AV abgesetzt De
ASXIII 02.10. 1546
ASXIII 16.04. 1546
Exekutoren und Exekutoren Söhne
S-Datum, AV abgesetzt
ASXIII 18.04. 1544
S-Datum, AV abgesetzt
ASXIII 22.03. 1544
-
+
De
S-Datum + AV abgesetzt
ASXIII 14.05. 1547
206 Struktureller Aufbau dreier Texttypen der testamentarischen Eintragungen
Die Einwilligung der Erschienenen in die Testamentsbestimmungen Zur Handlung der Behörde Bestätigung
(Fortsetzung)
das andere
das erste S-Datum, AV abgesetzt
De
ASXII 14.04. 1540
ASXII 14.04. 1540
Latein
De
+
S-Datum, AV abgesetzt
ASXIII 18.04. 1544
S-Datum, AV abgesetzt
ASXIII 22.03. 1544
De
S-Datum, AV abgesetzt
S-Datum, AV abgesetzt De
ASXIII 02.10. 1546
ASXIII 16.04. 1546
De
S-Datum + AV abgesetzt
ASXIII 14.05. 1547
Paratexte der Behörde in den Abschriften
207
+
+
+ nach Begehr eines Verwandten
+
De
De
+
S-Datum, AV abgesetzt
S-Datum, AV bgesetzt
Wille des Testierers, das Testament nach seinem Tode zu eröffnen + Bitte des Testierers, das Testament zu bestätigen
Über die Einlegung Verweis auf den Einlegungstext
Zur Einlegung des Testaments
ASXIII 29.11. 1547
ASXIII 21.10. 1547
+
Latein
S-Datum AV abgesetzt
ASXIV 13.12. 1547
+ nach Begehr + nach Begehr der Exekutoren der Exekutoren
+
+
ASXIV 26.04. 1548
+ nach Begehr der Exekutoren
+
+
De
S-Datum, AV abgesetzt,
ASXIV 07.11. 1549
De
De
+ nach Begehr der Exekutoren
+
+
+
+
S-Datum, AV abgesetzt
S-Datum, AV abgesetzt
+
ASV 20.05. 1553 (eingelegt 1550)
ASXIV 12.03. 1550 1
208 Struktureller Aufbau dreier Texttypen der testamentarischen Eintragungen
Bitte der Erschiene nen um Eröffnung Bitte der Erschienenen um Bestätigung
Wer ist erschienen -
Exekutoren
Bruder
De
De
+
S-Datum, AV abgesetzt
S-Datum, AV bgesetzt
ASXIV 26.04. 1548
+
ASXIII 29.11. 1547
ASXIII 21.10. 1547
Bitte des Testierers das Testament einzuschreiben + Zur Eröffnung
(Fortsetzung)
+
Exekutoren
+
Latein
S-Datum AV abgesetzt
ASXIV 13.12. 1547
+
Exekutoren
+
De
S-Datum, AV abgesetzt,
ASXIV 07.11. 1549
De
De
+
Exekutoren: Gebrüder und Sohn
Eidem
+
S-Datum, AV abgesetzt
S-Datum, AV abgesetzt
+
ASV 20.05. 1553 (eingelegt 1550)
ASXIV 12.03. 1550 1
Paratexte der Behörde in den Abschriften
209
Einwilligung der Erschienenen in die Testamentsbestimmungen Zur Handlung der Behörde Bestätigung
(Fortsetzung)
ASXIII 29.11. 1547
S-Datum, AV abgesetzt
De
ASXIII 21.10. 1547
S-Datum, AV bgesetzt
De
ASXIV 26.04. 1548
Latein
S-Datum AV abgesetzt
ASXIV 13.12. 1547
De
S-Datum, AV abgesetzt,
ASXIV 07.11. 1549
ASV 20.05. 1553 (eingelegt 1550) S-Datum, AV abgesetzt De
ASXIV 12.03. 1550 1 S-Datum, AV abgesetzt De
210 Struktureller Aufbau dreier Texttypen der testamentarischen Eintragungen
Bitte der Erschienenen um Bestätigung
Wer ist erschienen Bitte der Erschiene. nen um Eröffnung
Bitte des Testierers, das Testament einzuschreiben Zur Eröffnung
Wille des Testierers, das Testament nach seinem Tode zu eröffnen Bitte des Testierers, das Testament zu bestätigen
Über die Einlegung Verweis auf den Einlegungstext
Zur Einlegung des Testaments
Bruder +
Frau, Söhne, Eidem +
+
+
+
+
LT772 23. 12. 1513 Der Paratext des Amtes beinhaltet auch einige Punkte aus dem Testament.
+ +
+
LT772 05/06. 09. 1513
+
+
+
LT772 LT772 26. 01. 1509 17. 11. 1483 Eingelegt im Gericht, vorgelegt durch die Exekutoren
HT
HT
HT in Gegenwart ihres Vormundes
HT
LT772 15. 03. 1514 nur Überschrift: lectum, inscirptum, confirmatum
Paratexte der Behörde in den Abschriften
211
Bestätigung mit Vorbehalt (wenn die Rechtsvorschriften eingehalten)
Die Einwilligung der Erschienenen in die Testamentsbestimmungen Zur Handlung der Behörde Bestätigung
(Fortsetzung)
+
LT772 LT772 17. 11. 1483 26. 01. 1509 Eingelegt im Gericht, vorgelegt durch die Exekutoren
+
LT772 05/06. 09. 1513
+
LT772 23. 12. 1513 Der Paratext des Amtes beinhaltet auch einige Punkte aus dem Testament.
S
LT772 15. 03. 1514 nur Überschrift: lectum, inscirptum, confirmatum
212 Struktureller Aufbau dreier Texttypen der testamentarischen Eintragungen
Bitte der Erschienenen um Bestätigung
Wer ist erschienen Bitte der Erschienenen um Eröffnung
Bitte des Testierers, das Testament einzuschreiben Zur Eröffnung
Wille des Testierers, das Testament nach seinem Tode zu eröffnen Bitte des Testierers, das Testament zu bestätigen
Über die Einlegung Verweis auf den Einlegungstext
Zur Einlegung des Testaments
+
Exekutoren und Frau
Exekutoren
+
+
+
+
+
+
+
+
LT772 19.03. 1540
+
LT772 26.08. 1538
+
Exekutoren und andere genannte Leute, die Interesse haben gerechtfertigt sind
+
+ auf Begehr der Exekutoren
+
+
LT772 24.11. 1541
+
Exekutoren
+
+
+
+
LT772 17.02. 1542
+
Exekutoren
+
+ auf Begehr der Exekutoren
+
+
LT772 02.01. 1544
Paratexte der Behörde in den Abschriften
213
Bestätigung mit Vorbehalt (wenn die Rechtsvorschriften eingehalten)
Einwilligung der Erschienenen in die Testamentsbestimmungen Zur Handlung der Behörde Bestätigung
(Fortsetzung)
LT772 26.08. 1538
LT772 19.03. 1540
LT772 24.11. 1541
LT772 17.02. 1542
LT772 02.01. 1544
214 Struktureller Aufbau dreier Texttypen der testamentarischen Eintragungen
Paratexte der Behörde in den Abschriften
215
10.4.2 Weitere Paratexte So wie bei der Analyse der Supratexte, werden auch hier die Testamentsurkundenabschriften aus dem LT773 von weiteren Besprechungen ausgenommen, da es keine gibt. Im Fall der Intratexte und der Juxtatexte kann man auch eine gewisse Tendenz feststellen, die mit dem zeitlichen Faktor ihrer Einschreibung und den damit verbundenen Usus in Verbindung zu bringen ist. Bis in die 40er Jahre des 16. Jahrhunderts sind sowohl in den Gerichtsbüchern als auch in den Ratsbüchern Infratexte als Aktenvermerke zu beobachten; diese beinhalten in den Gerichtsbüchern Angaben zur Bestätigung des Testaments durch ein Urteil und in den Ratsakten Angaben zur Verlesung und manchmal auch zur Bestätigung (vgl. LT772 26. 08. 1538). Möglich sind auch – wie auch in anderen Texttypen – abgesetzte oder nicht abgesetzte, sondern angeschlossene Paratexte (wobei bei den letzteren nicht genau von den Infratexten gesprochen werden kann) mit verzeichneten sozialen Handlungen dazu berechtigter Dritter. Diese können entweder bei der Eröffnung oder im Nachhinein durch Kanzleimitarbeiter eingefügt worden sein. Im zweiten Viertel des 16. Jahrhunderts werden auch Juxtatexte angebracht, die meistens die Textsorte und den Namen des Testierers benennen. In der kleinen Edition im Anhang der vorliegenden Studie (ASIX 19. 05. 1508, Anhang, Nr. 6) kann man eine Testamentsabschrift mit Namen der Bedachten in der Juxtaposition nachlesen.
216
Struktureller Aufbau dreier Texttypen der testamentarischen Eintragungen
ASIX 30.03. 1502
ASIX 19.05. 1508
ASIX 31.03. 1512
ASX 10.12. 1517
ASX 31.03. 1518
ASX 18.07. 1519 1722
ASX 06.08. 1521
Intratext Juxtatext
Infratexte
Bestätigung durch Urteil
Navigation: Namen der Bedachten Angaben deutsch zur Eröffnung und Bestätigung durch Urteil
ASX 06.10. 1525
ASXI 05.06. 1528
TS+Te
TS+Te
nicht lesbar
Paratext: nicht abgesetzt: Nochmal Angaben zu Eröffnung, Einwilligung der bei der Eröffnung Erschienenen
Einwilligung der bei der Eröffnung Erschienenen
Ein Infratext auf einer der Seiten, im ganzen Großtext als Intratext zu verstehen (ein Erledigungsvermerk)
ASXI 23.06. 1531 2563
ASXI 07.11. 1531
ASXI 11.04. 1534
ASXI 16.01. 1537 1245
ASXI 13.02. 1538 2486
TS+Te
TS+Te
TS+Te
TS+Te
Intratext Juxtatext Infratexte
Bestätigung durch Urteil ASXII 14.04. 1540
Intratext Juxtatext
TS+Te
ASXII 14.04. 1540 1
Bestätigung durch Urteil ASXIII 22.03. 1544
TS+Te
ASXIII 18.04. 1544
ASXIII 16.04. 1546
ASXIII 02.10. 1546
ASXIII 14.05. 1547
TS+Te
TS+Te
TS+Te
217
Paratexte der Behörde in den Abschriften
(Fortsetzung) ASXIII 14.05. 1547
ASXII 14.04. 1540
ASXII 14.04. 1540 1
ASXIII 22.03. 1544
ASXIII 18.04. 1544
ASXIII 16.04. 1546
ASXIII 02.10. 1546
ASXIII 21.10. 1547
ASXIII 29.11. 1547
ASXIV 26.04. 1548
ASXIV 13.12. 1547
ASXIV 07.11. 1549
ASXIV ASV 12.03. 20.05. 1550 1553 Erledigungsvermerk als Intratext
TS+Te
TS+Te
TS+Te
TS+Te
Infratexte
Intratext
Juxtatext Infratexte
TS+Te
Erledigungsvermerk LT 772 26. 01. 1509
Intratext
TS+Te
Unterstreichungen innerhalb des Textes
LT 772 05/ 06. 09. 1513
LT 772 23. 12. 1513 Der Paratext des Amtes beinh. auch einige Punkte aus dem Testam.
LT 772 15. 03. 1514 Nur Überschrift: lectum, inscirptum, confirmatum
LT 772 26. 08. 1538
LT 772 19. 03. 1540
LT 772 24. 11. 1541
LT 772 17. 02. 1542
LT 772 02. 01. 1544
218
Struktureller Aufbau dreier Texttypen der testamentarischen Eintragungen
(Fortsetzung) LT 772 26. 01. 1509
Juxtatext Infratexte
LT 772 05/ 06. 09. 1513
Als Infratext am Ende einer der Seiten: Abfindung der Tochter, Angaben zur Verlesung, Latein
LT 772 23. 12. 1513 Der Paratext des Amtes beinh. auch einige Punkte aus dem Testam. Name des Te Gegen Ende aber nicht abgesetzt Angaben zu einem Erbvertrag, Infratext: Angaben zur Verlesung des Testaments, Latein
LT 772 15. 03. 1514 Nur Überschrift: lectum, inscirptum, confirmatum
LT 772 26. 08. 1538
LT 772 19. 03. 1540
TS+Te Angaben zur Verlesung, Latein
Über die Bestätigung, Latein
LT 772 24. 11. 1541
LT 772 17. 02. 1542
LT 772 02. 01. 1544
Sicherheitsmaßnahmen bei der Einlegung und Eröffnung
219
10.5 Sicherheitsmaßnahmen bei der Einlegung und Eröffnung der verschlossenen Testamentsurkunden Im Falle der eingelegten Testamente mussten die Kanzleimitarbeiter besonders darauf achten, dass die eingelegte Urkunde tatsächlich vom Testierer stammt. Darüber hinaus mussten beide den Inhalt dann – nach der Niederlegung des letzten Willens, der sich bereits in einer verschlossenen Form befand – bis zur Eröffnung des Testaments vor der Welt geheimhalten. Das Amt bürgt bei der Eröffnung dafür, dass das bei ihm eingelegte Testament tatsächlich der letzte Wille der betreffenden Person ist und von keinem Dritten inzwischen modifiziert bzw. eingesehen werden konnte. Um die Urkunde zu beglaubigen, wurden bei der Eröffnung eines verschlossenen Testaments Umstände genannt, die sich auf die frühere Handlung der Testamentseinlegung bezogen. Da das Medium Stadtbuch eine mnemotechnische Funktion ausübt, konnte explicit Bezug genommen werden auf eine frühere protokollartige Eintragung bezüglich der Testamentseinlegung oder wenigstens das Datum der Testamentseinlegung genannt werden. Außerdem wurde seitens des Amtes oft die Tatsache beteuert, dass das Testament (testamenti tabulis, vgl. ASXVII 13. 03. 1563) in versiegelter Form eingelegt wurde. Die Versiegelung konnte dabei auch vom Amt erfolgen, zumal dann das Amt auch sehen konnte, was es in Gewahr genommen hatte, vgl. ASXXVII 03. 03. 1598: »[…] testamentu(m) Famati olim Stanislai Briner , quod ad idem iudicium in occluso duobus in locis obsigillatum feria quarta pridie festi sh(antisi)mi Corporis Christi Anno 1597 deposuerat (das Testament des berühmten Stanislaus Briner, welches bei demselben Gericht zweifach verschlossenen und am Ort versiegelt am Mittwoch, Vortag von Fronleichnam (Donnerstag nach Trinitatis) 1597 […]« [= 4. Juni 1597] hinterlegt wurde).
Dieser Umstand wird nur sporadisch genannt; es ist aber vorstellbar, dass ein solcher Brauch praktiziert wurde, da auch in einigen Texten erwähnt wurde, dass das Testament bei der Einlegung vom Amt bestätigt wurde. Hier melden sich aber Bedenken, die sich auf den häufig auftauchenden Vorbehalt beziehen, dass sich nichts findet, was gegen die Ausübung des Magdeburgischen Rechts oder dessen Gerechtigkeit spräche. Ein solcher Vorbehalt könnte auf eine Bestätigung lediglich der formellen Umstände hindeuten, müsste also keine inhaltliche Bestätigung gewesen sein, da diese erst bei der Eröffnung erfolgt sein könnte. Diese Bestätigung mit Vorbehalt ist aber bereits aus den wenigen überlieferten Einlegungstexten bekannt. Angenommen werden kann so doch wenigstens, dass das Testament dem Amt vor der Versiegelung zur Einsicht vorgelegt wurde. Manchmal konnten auch besondere Maßnahmen der Sicherheit der eingelegten und aufbewahrten Testamentsurkunden getroffen werden, wie eine drei-
220
Struktureller Aufbau dreier Texttypen der testamentarischen Eintragungen
fache Versiegelung (vgl. »tribus in locis Sigillo ipsius proprio obsignatum«, ASXX 14. 05. 1578). Aus der Tatsache aber, dass nicht in jedem Fall die Bestätigung bei der Einlegung und die Versiegelung erwähnt wurden, lässt sich ex negativo jedoch nicht der Schluss ziehen, dass diese nicht immer erfolgten. Auch die eigenhändige Niederschrift des Textes wird nicht konsequent in den Supratexten angegeben – auch nicht immer, wenn dieser Umstand selbst im Text der Urkunde steht.
10.6 Inhaltliche Spannungen zwischen Paratexten und Testamentsabschrift Bei den Eintragungen der Abschriften der verschlossenen Testamente besteht zwischen dem Text des abgeschriebenen Testaments und dem amtlichen Supratext eine Spannung, und zwar v. a. in den Elementen der Corraboratio (Unterschrift, erwähnter Umstand der eigenhändigen Anfertigung des Testaments, Versiegelung), die normalerweise in der Abschrift der Urkunde zu vermuten sind, sich aber in beiden Texten doppeln bzw. nur im Supratext vorkommen. Die These, dass nicht immer die Unterschrift vom Original abgeschrieben/abgebildet wurde, obwohl diese auch vorhanden war, wird von der Testamentsabschrift ASXIII 29. 11. 1547 gestützt, denn dort wird sie selbst im Text des Testaments erwähnt: »[…] CZw Vekundt Vnnd besßer sycherhaytt Habe ych mych Anna Salamonin mytt meyner aygener hanndt Vnnderschryeben Vnnd maynn gewonnlych sygell hyerann gedrucket.« In der zahlenmäßigen Zusammenstellung werden solche Fälle berücksichtigt, in denen die Unterschrift abgeschrieben wurde oder nur im Testamentstext erwähnt werden. Element der eglaubigung
Erwähnt nur im Supratext 30 (AS), 3 (LT772)
Erwähnt nur im abgeschriebenen Urkundentext 3 (AS)
Versiegelung
Erwähnt doppelt in beiden
Unterschrift Eigene Handschrift
1 (LT772)
19 (AS) 12 (AS), 1 (LT773)
3 (AS) 4 (AS), 2 (LT772)
Beruf/soziale Stellung
8 (AS), 1 (LT773)
5 (AS), 1 (LT773)
8 (AS), 1 (LT772)
7 (AS), 1 (LT772)
Außer den Elementen der Corraboratio kann man auch den Beruf (bspw. Kaufmann) bzw. die soziale Stellung (bspw. Schöffe, Ratmann) des Testators als eine sich doppelnde bzw. nur im Text des Amtes vorkommende Angabe erkennen. Daraus ist zu schließen, dass diese Angaben seitens der Stadtbehörde als besonders wichtig erachtet wurden.
221
Offene Testamente
10.7 Offene Testamente Als offene Testamente können Texte bezeichnet werden, die vom Testierer zur Niederschrift ins Stadtbuch vorgelegt wurden, die also als eine alternative Lösung zu den verschlossenen Testamenten gelten können, da sie im Gegensatz zu diesen nicht erst nach dem Tode des Testierers eröffnet und eingezogen wurden, sondern direkt auf dessen Antrag zu seinen Lebzeiten. Die offenen privaten Testamentsurkunden haben ihren Ursprung bei den Czedeln und sind deren mehr oder minder ausgebaute Form. Es handelt sich um private Testamentsausführungen, die meist keine ausgeprägte Urkundenstruktur aufweisen. Als erster Text, der an der Grenze zwischen einem Czedel und einem offenen Testament steht, ist der Text im LT772 vom 05. 05. 1481. Hier kann man zwar noch keine Urkundenstruktur erkennen, es wird aber im Text selbst eine ausdrückliche Bitte ausgedrückt, das Testament in das Stadtbuch aufzunehmen: »Ersame weyse h(er)n Ich bitte Ewr(e) ersame weisheit das ir deße nochgeschribne ding(e) noch meyne(m) beger woldet bestetigen in ewe(r) buch also ne[…]wy ich is begere zu lossen noch meyne(m) tode.«
Insgesamt konnten in der untersuchten Periode Abschriften dreier offener Testamentsurkunden verzeichnet werden: ASIX 01. 09. 1508, ASIX 03. 07. 1511 und ASX 23. 02. 1521. Die Texte aus dem 16. Jahrhundert sind dagegen meist mehr strukturiert. Das ist allein schon an der graphischen Ausgestaltung klar erkenntlich: Der Text des vorgelegten Testaments hebt sich klar von den Paratexten des Amtes ab. Die Abschriften der sog. offenen Testamente ähneln der Struktur nach den verschlossenen Testamenten aber nur in einem begrenzten Maße. Das wird aus der folgenden Übersicht einer Auswahl von vier von ihnen, die sich als solche sicher identifizieren ließen, ersichtlich:
Prot
ASIX 01.09. 1508 1 2
0
TFä
4
0
R-Rah Erbe
5
Invoc Intit
ASIX 03. 07. 1511
Prom Inscrip Subst
Areng Prom Narra
ASX 23.02. 1521 1 2
222
Struktureller Aufbau dreier Texttypen der testamentarischen Eintragungen
(Fortsetzung)
TS R-Han Dispo
Verw Verm Pertin Verän
Esch
Corr
ASIX 01.09. 1508 3
ASIX 03. 07. 1511 0
ASX 23.02. 1521 3
6 7
6
4
5
5
Besieg
(Beteuerung des TS)
Subs Dat Appr
0
Der erste und der dritte Text knüpfen in ihrer Struktur am stärksten an eine Urkunde an, da wenigstens ansatzweise das Schema bewahrt wird. Die realisierte Struktur ist aber auch hier weitgehend gekürzt und vereinfacht. Währenddessen integriert der zweite Text die vorhandenen Elemente des Protokolls (Intitulation) in eine Art Überschrift, danach folgen einzelne testamentarische Bestimmungen. Festgestellt kann also werden, dass die Struktur der vom Testierer der Behörde vorgelegten Testamente – ähnlich den früheren Czedel – nicht festgelegt war und die sog. offenen Testamente als Fortsetzung der Czedel aufgefasst werden können, obwohl einige von ihnen in einer urkundenähnlichen Form ausgeführt wurden. Die Wahl der Form scheint dabei offenbar dem Testamentsausführer frei wählbar gewesen zu sein. Die Vorkommensfrequenz der Czedel bzw. der offenen Testamentsurkunden ist aber seit den 70er Jahren des 15. Jahrhunderts sehr niedrig (vgl. die Zusammenstellung im Anhang). Die Frage nach der Anordnung der jeweiligen Bestimmungen in dem Teil Dispositio der eingelegten Testamentsurkunden wird ansatzweise in dem folgenden Kapitel behandelt.
11
Die Architektur der Krakauer Testamente
Eine Textanalyse ist nicht nur die Untersuchung der Architektur eines Textes, sondern auch die Analyse deren Komposition. Während sich die erste mit der Formseite von Texten befasst, ist die zweite auf die inhaltliche Organisation der Texte bedacht.
11.1 Umfang der Testamente Bei der Lektüre der kurzen Eintragungen, die Donationen beinhalten – die meiner Ansicht nach jedoch nicht als Testamente eingestuft werden können –, kann sich die Ansicht einstellen, dass letztwillige Verschriftlichungen mit der Zeit umfänglicher und v. a. auch inhaltlich reichhaltiger und konkreter werden. Um aber zu einer fundierteren Erkenntnis zu gelangen, habe ich per Computer die Zeichen in den Transliterationen der Krakauer Testamente zusammengerechnet, jeweils in der Einteilung in Frauen- und Männertestamente, bei angesetzten Zeiträumen: 1393–1450, 1451–1500, 1501–1550. Ergänzt habe ich die Zusammenstellung um die genauere Hochrechnung des Umfangs der ersten testamentarischen Eintragungen, mit einem Focus auf die Zeit von 1393 bis 1420. Wegen unzureichenden Beweismaterials habe ich die Czedel aus dem Zeitfenster 1501–1550 ausgelassen. Die Ergebnisse für die Protokolle und die Czedel sind der folgenden Tabelle zu entnehmen: Frauentestamente
1393–1420
Protokoll
148,5
Männertestamente Frauentestamente
1393–1420 1393–1420
Protokoll Czedel
141,5 258
Männertestamente Frauentestamente
1393–1420 1393–1450
Czedel Protokoll
363 180
Männertestamente Frauentestamente
1393–1450 1393–1450
Protokoll Czedel
274 304
224
Die Architektur der Krakauer Testamente
Männertestamente Frauentestamente
1393–1450 1451–1500
Czedel Protokoll
371 284
Männertestamente Frauentestamente
1451–1500 1451–1500
Protokoll Czedel
384 280
Männertestamente Frauentestamente
1451–1500 1501–1550
Czedel Protokoll
369 521
Männertestamente
1501–1550
Protokoll
523
Festgestellt werden kann tatsächlich die Tendenz zum Anwachsen des Umfangs der letztwilligen Verschriftlichungen, wobei die Männertestamente die Frauentestamente im 15. Jahrhundert um 20–30 Prozent übertreffen. Im 16. Jahrhundert decken sich diese Befunde. In der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts kann zudem eine nicht zu übersehende Differenz im Umfang zwischen den Verschriftlichungen der Kanzleimitarbeiter (Protokolle) im Vergleich zu denen der im privaten Auftrag wirkenden Schreiber festgestellt werden. Angemerkt werden muss, dass beträchtliche Unterschiede des Umfangs innerhalb der einzelnen Texttypen bestehen. So schwanken die Befunde über die Testamente in den einzelnen Zeitraum gravierend: Bis 1450 konnten sowohl kleine Texte als auch größere verzeichnet werden (kleinster Text unter Protokollen: 65 Zeichen (ASVI 23. 03. 1435), größter: 742 Zeichen (LT772 13. 01. 1443), kleinster unter den Czedeln: 73 Zeichen (AC429 14. 10. 1450), größter: 944 Zeichen (ASVI 18. 09. 1439), ähnlich im Zeitraum bis 1451–1550 (kleinster unter Protokollen: 52 Zeichen (LT772 24. 05. 1474), größter: 1246 Zeichen (LT772 09. 05. 1474), bei den Czedeln kleinster: 111 Zeichen (LT772 27. 09. 1464), größter: 617 Zeichen (LT772 05. 05. 1481). Bei den Protokollen im Zeitfenster von 1501 bis 1550 finden sich nur fünf Texte mit einem Umfang mit über 1.000 Zeichen. Es konnte aber auch ein kleines Protokoll mit nur 84 Zeichen ausfindig gemacht werden (AC431 20. 05. 1506). Die kürzeste Testamentseintragung zählt 52 Zeichen und stammt nicht aus den anfänglichen Texten, sondern aus dem Jahr 1474 (LT772 24. 05. 1474). Ähnliche Beobachtungen gelten auch für die mehr ausgebauten und auch rhetorisch ausgearbeiteten privaten Testamentsurkunden. Der durchschnittliche Umfang eines solchen Textes (der Abschrift) beträgt in den AS 1.421 Zeichen pro Männertestament und 1.283 pro Frauentestament. Die Abschriften in dem LT772 kommen auf entsprechend 1.169 und 1.120 Zeichen (nur ein Beleg eines Frauentestaments). Kürzer sind die Texte aus dem LT773: 805,5 Zeichen für Männertestamente und 634 für Frauentestamente im Durchschnitt. Die Kürzung dieser Abschriften ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass die Texte erst Jahrzehnte nach ihrer Ablegung in das Stadtbuch eingeführt wurden, sodass sich die Behörde einige Auslassungen in den rhetorischen Teilen erlaubte (vgl. auch das Kapitel zu dem Aufbau der privaten Testamentsurkunden). Das umfänglich
Faktoren, die sich auf den Umfang der Testamente auswirken
225
kleinste Testament im Texttyp Urkundenabschrift konnte mit lediglich 360 Zeichen in dem LT772 festgestellt werden (LT772 24. 11. 1541). Die längste private Testamentsurkunde mit ihren Nachträgen zählt 2.568+211+318 Zeichen insgesamt (ASXIII 14. 05. 1547).
11.2 Faktoren, die sich auf den Umfang der Testamente auswirken Jedes Testament ist individuell und es hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie umfangreich es gestaltet wird. Unter diesen sind zu nennen: 1) das Vermögen, das dem Testierer zur Verfügung steht, woraus dieses besteht (Aktiva und Passiva) und ob sich dessen Besitz vernünftig teilen lässt (ein Goldschmied kann anders mit seinen Schmuckstücken verfahren als bspw. jemand, der in die Gruben und Stollen in Olkusz investiert hat – zumal die Teilung in Anteile gegen das wirtschaftliche Interesse der Haupterben stehen kann); 2. die Motive, nach denen sich der Testierer richtete bei der Teilung seines Vermögens (bspw. die Beschenkung möglichst vieler Verwandter und nahestehender Bekannter, um sich nach dem Tod ein Angedenken zu erheischen); 3. seine Beziehungskonstellationen, die mit seiner gesellschaftlichen Stellung einhergingen und die aus dieser möglicherweise resultierenden Pflichten (wie bspw. Legate zum Gemeinwohl, zum Bau von gemeinnützlichen Einrichtungen wie Brücken oder allgemein sog. Wege- und Stege-Legate). Derartige Faktoren können am besten im Zusammenhang mit dem axiologisch-ontologischen Fragenkomplex erörtert werden. Dies würde aber den Umfang der vorliegenden Studie übersteigen. In diesem kurzen Kapitel sei nur kursorisch auf die wichtigsten Elemente hingewiesen, um die die Testamente der Krakauer Bevölkerung in der zu behandelten Periode (wahlweise) bereichert werden konnten, und um den Einfluss dieser Faktoren auf den Umfang der Testamentsmusterausführungen zu würdigen. Zum einen handelt es sich hier um den Umfang der Donationen, also im Laufe der Zeit immer detailliertere Verfügungen bezüglich des Erbgutes, was auch oft mit einer Erweiterung des Erbnehmerkreises einhergeht, dem dann auch entsprechend kleinere Teile des Erbgutes post mortem überlassen wurden. Am frühesten wird diese Zersplitterung bei den Donationen ad pias causas beobachtet (v. a. Spenden und Fundationen zugunsten von Kirchen und Klöstern, nicht selten auch mit der Erwartung einer Gegenleistung in Form von Seelmessen, aber auch Donationen zugunsten sonstiger Werke der Barmherzigkeit, wie Testieren für arme und kranke Mitglieder – nicht selten auch ganzer Gruppen der Gesellschaft). Parallel, aber bereits in der ersten Hälfte des15. Jahrhunderts, stößt der Brauch einer zersplitterten Legaten-Donation zunehmend auf Bedenken erbberechtigter weiterer Verwandter und Freunde.
226
Die Architektur der Krakauer Testamente
Zum anderen wächst der Testamentsumfang auch wegen anderer Elemente an, die sich erst mit der Zeit in den frühneuzeitlichen Verschriftlichungen des letzten Willens einbürgern und fakultativ-funktional bleiben, also nicht die Idee eines Testaments im strengen Sinne ausmachen. Einige von diesen ergeben sich aus den Textgestaltungsmustern eines bestimmten Texttyps. So sind also die religiös-rhetorischen Elemente, die in Arengen der eingelegten Testamente vorgefunden werden können, auf die Formanforderungen des Urkundenschemas zurückzuführen, die ihrerseits aus dem Modus der Testamentsablegung resultieren. Parallel können aber auch mehr oder weniger sachliche Fragen dazu beigetragen haben. Diese beziehen sich entweder auf das Erbgut (1) oder auf die Erbnehmer oder andere Personen (meist nähere Verwandte oder Ehepartner), die in einem gewissen Verhältnis zum Testierer und dem erwarteten Erbe stehen (2). Zur ersten Gruppe (1) sind alle Informationen in Bezug auf das Erbgut/die Erbmasse zu rechnen (es sei angenommen, dass alles, was an Habe in Besitz eines Menschen war und nicht durch testamentarische Verfügungen disponiert wurde – als wenn es kein Testament gäbe – den rechtmäßigen Erben nach der üblichen Erbfolge zufiel). Diese können sich in der Nennung/Aufzählung der vorhandenen Güter äußern, zu denen sowohl Aktiva als auch Passiva gehören. Frühneuzeitliche Testamente können also neben den Dispositionen auch umfangreiche Güter und/oder Schuldenverzeichnisse beinhalten. Diese – meist in registerhafter Form verfassten Textteile – können, was den Umfang anbelangt, fast das ganze Testament ausfüllen (vgl. bspw. LT773 04. 11. 1556, S. 6–8, Text, Nr. 9 in der angehängten Kleinedition). Die Angaben zu den Schulden können auch um das Fälligkeitsdatum erweitert werden. Dabei werden meist nicht nur Schulden genannt, die in die Erbmasse im positiven Sinne fallen und diese erweitern, sondern auch finanzielle (materielle) Verpflichtungen des Testierers, also Schulden, die er abzuzahlen hat. Insofern können besonders bei den protokollartigen Eintragungen Zweifel entstehen, wo das eigentliche Testament beginnt, zumal wenn die einzelnen Textteile (bzw. Teiltexte im Verständnis von Greule/Reimann als Teile einer größeren Ganzheit, eines Großtextes) der Eintragung durch keine kohärenzsichernden sprachlichen Mittel miteinander verbunden werden. Bestes Beispiel liefert hier die Eintragung LT772 24. 11. 1441 (Text Nr. 8 in der angehängten Kleinedition), in dem die beiden Teiltexte graphisch durch eine Leerzeile voneinander getrennt werden. Da es sich aber im genanntem Testament um eine ziemlich neue Erscheinung der Integration der Schuldenverzeichnisse in einen Testamentstext handelt, konnte der notierende Kanzleimitarbeiter seinerseits selber Zweifel haben, ob es sich um einen Text (als Verschriftlichung einer sozialen Handlung) oder um zwei Texte handeln sollte (also ein Testament und ein Schuldenverzeichnis oder Testament mit einem integrierten Schuldenverzeich-
Komposition der Krakauer Testamente
227
nis). Die erwähnte Eintragung ist in ihrem Aufbau aber eine Ausnahme. Üblicherweise stehen die Güter- und Schuldenverzeichnisse in den protokollartigen Eintragungen in einem Textblock mit testamentarischen Verfügungen oder sind sogar unter den Donationen vermerkt. Über die Einführung der Schuldenverzeichnisse in ein neues adaptatives Textsortenmuster, das sich in die Richtung kanonisches Muster zubewegte, zeugt nicht nur ihre Vorkommenshäufigkeit, sondern auch die Tatsache, dass manche Testamente auch Angaben zu negativen Schulden aufweisen (vgl. LT07. 05. 1457: »Item so bin ich nymanden nichtis schuldig keyne mergliche sum(m)a nicht […]«). Zur zweiten Gruppe (2) zusätzlicher Elemente in einem Testament, die sich auf Personen im Umfeld des Testators beziehen, können u. a. folgende mitgerechnet werden: 1) Ergänzungen und Bestätigungen der Morgengaben, 2) weitere Bestimmungen, die die materielle Lage der Witwe zu ihren Lebzeiten oder zu einem bestimmten Zeitpunkt absichern sollten 3) verschiedene Klauseln in Bezug auf die Ausführung des Testaments (die sich auf das Verhalten/Vorgehen der Erbnehmer, der Witwe bzw. der auserkorenen Ausführer (Exekutoren) des Testaments beziehen), 4) die Begründung bzw. Rechtfertigung der Bestimmungen oder der Klauseln in Form einer Beschreibung der Lebens- oder/und Familienverhältnisse. Zu den zuerst erwähnten (Morgengaben) lässt sich sagen, dass diese nicht erst im Testament eingefügt wurden (es entstand nämlich eine rechtliche Pflicht, innerhalb einer kurzen Zeit nach der Hochzeit die Morgengabe vor der städtischen Behörde festzusetzen), wohl aber oft im Testament nachgebessert oder/und ggf. auf bestimmten Gütern gesichert wurden. Es sei angemerkt, dass viele von den genannten zusätzlichen Elementen der ersten und der zweiten Gruppe auch in Form separater Erklärungen (auch abgelegt vor der städtischen Behörde) realisiert werden konnten. Lediglich die Klauseln – v. a. diejenigen, die sich auf das erbetene Verhalten der Erbnehmer bezogen –, konnten außer einem Testament nur inoffiziell – bspw. in einem Brief – festgelegt werden. Sie wiesen nämlich keine Rechtskraft auf, waren keine rechtsgültig bindenden Anweisungen, sondern beruhten auf dem Vertrauen, dass die Hinterbliebenen durch ihre Einhaltung dem Abgeschiedenen über das Grab hinaus Liebe bzw. Ehre erweisen mögen.
11.3 Komposition der Krakauer Testamente In diesem Zusammenhang sei eine Auseinandersetzung mit der von Jakub Wysmułek festgestellten Komposition eines kanonischen Testaments in den Krakauer Stadtakten des ausgehenden 14. und beginnenden 15. Jahrhunderts gewagt. Wysmułek nennt als ein Beispiel des neuen, sich einbürgernden Formulars das Testament von Johannes Michilwicz (ASIII 08. 01. 1395). Dieses be-
228
Die Architektur der Krakauer Testamente
ginnt im Teil Dispositio mit der Sicherung der Morgengabe. Danach folgen die Angaben zu den Donationen, die vor der Testamentsablegung erfolgten, also in diesem Fall die Erziehung eines Kindes aus erster Ehe. Anschließend kommen die Verfügungen/Legate zugunsten der noch nicht eigenständigen Kinder (mit besonderer Regelung der Erbfolge in Bezug auf das bereits erwachsene Kind). Das letzte Legat bezieht sich auf eine Donation zugunsten der opera pietatis, also der Werke der Barmherzigkeit. Die Dispositio endet mit der Ernennung der Vormunde/Exekutoren, die auch in der linearen Abfolge der Sinneinheiten schon früher erwähnt wurden, und zwar in Bezug auf den ihnen von den erbnehmenden Kindern gebührenden Gehorsam. Nach Ansicht von Wysmułek, nach der es sich bei diesem Testament um ein Quasi-Formular gehandelt haben mag, ist insofern zuzustimmen, dass die Krakauer Testamente des 15. und 16. Jahrhunderts tatsächlich verschiedene Elemente umfassen konnten, die für sich selbst in ihrer Mehrheit auch als separate Texte vorstellbar wären. Allerdings lässt sich dabei keine feste Anordnung der einzelnen Teile nachweisen. Sie wirken eher locker, obwohl tatsächlich die Bestimmungen, die sich auf die Frau beziehen (es sei die Regelung der Morgengabe, deren Besserung oder zusätzliche Donationen), dazu tendieren, den Teil Dispositio zu eröffnen. So stehen in den Männertestamenten des Texttyps protokollartige Eintragung in den AS (59) die Dispositionen zugunsten der Frau 14-mal in der Spitzenposition (darunter zweimal mit einer lediglich lebenslänglichen Geltung, also nicht erblich), fünfmal nimmt die Frau diese Position in der Anordnung der Legate ex aquo mit den Kindern ein (indem sie zugleich mit ihnen gemeint wird und ihr ein Kindesteil zuteilwird). In den restlichen 40 Testamenten eröffnet eine andere Verfügung den Teil der Dispositio (es sind verschiedene Dispositionen, die an zweiter Stelle der Häufigkeitsskala stehen, und zwar die Werke der Barmherzigkeit: achtmal; auch ein Bekenntnis kann die sog. Dispositio eröffnen, was siebenmal vorkommt: dreimal handelt es sich um Schulden, zweimal um die Habe, einmal um die Erziehung eines Kindes, einmal um die Begründung der getroffenen Testamentsbestimmungen)243. Zwölfmal ist es aber die Ernennung der Vormunde, die allen anderen Bestimmungen vorangeht. Im Texttyp Czedel(abschrift), zu dem auch das Testament von Johannes Michilwicz gehört, sind es 16 Texte mit Frauendisposition (darunter dreimal davon nicht erblich) von den 43 Männerczedeln. In den Frauentestamenten kommt die Disposition zugunsten des 243 In den Testamentseintragungen im LT772 konnte eine höhere Rate an Bekenntnissen in der Spitzenposition der Dispositio festgestellt werden als in den AS: Es sind 17 Fälle unter 60 Männertestamenten im Texttyp protokollartiger Eintragung. An weiteren Stellen der Häufigkeitsskala bei der Eröffnung des Dispositionsteils stehen: 15-mal etliche Bekenntnisse (sechsmal Habe, siebenmal Schulden, einmal über eine Gesellschaft, einmal über die soziale Aufgabe des Testators als Exekutor eines anderen Testaments und die Ausführung dieser Aufgabe), zehnmal Donationen an die Werke der Barmherzigkeit.
Komposition der Krakauer Testamente
229
Mannes seltener vor: zweimal in den protokollartigen Testamenten in den AS (von 25) und einmal (Mann und Kinder) in den Czedel(abschriften) (von 14). Das könnte aber auch daran liegen, dass vorzüglich verwitwete oder ledige Frauen testierten. Einer eingehenden inhaltlichen Analyse unterworfen habe ich in der vorliegenden Studie alle eingelegten verschlossenen Testamentsurkunden, da diese die am weitesten entwickelte Urkundenform aufweisen. Ein besonderes Augenmerk habe ich dabei auf die Dispositio geworfen, und zwar unter dem Gesichtspunkt des Inhalts. Bei der Analyse habe ich nur semantische (thematische) Blöcke unter dem Aspekt der Person/dem Personenkreis des/der Bedachten, nicht jedoch Isotopieketten oder thematisch-rhematische Strukturen beachtet. Außer Acht gelassen wurden also u. a. rhetorisch-religiöse Elemente der Testamentsurkunden. Die folgende Analyse beschränkt sich auf die testamentarischen Bestimmungen der Donation bei Einbeziehung der Bekenntnisse, ausgelassen werden aber u. a. die Fragen der verschiedenen Klauseln. Als eine Bezugs- und Vergleichsgröße herangezogen werden kann auch das Formular aus dem Jahr 1485, das besonders bei den urkundlichen Testamenten (Abschriften) als maßgeblich gelten kann, das jedoch einen nur grob umrissenen Rahmen des Inhalts angibt. Den Teil Dispositio eröffnet im genannten Text des Formulars das Anvertrauen der Seele der heilwirkenden Macht Gottes und die vergleichbar floskelhafte Verfügung bezüglich des Leibes. Die testamentarischen Bestimmungen der Donation beziehen sich in ihrer Reihenfolge: 1. auf die Kinder, anschließend auf das Werk der Barmherzigkeit, dann kommen nicht mehr spezifizierte andere Dinge hinzu, worunter auch weitere Bestimmungen vorkommen können. Die genannten Donationen heben deutlich das durch die Kanzleimitarbeiter vorausgesetzte Gewicht der postmortalen Spenden zugunsten der meist durch die Kirche geleiteten caritativen Anstalten hervor. Die real abgefassten Testamente zeigen jedoch durch das Leben bedingte weit größere Varietät der testamentarischen Bestimmungen, die auch in deren Reihenfolge unterschiedlich ausfallen.
6 5
Gewaltverleihung Vormunde Herrschaftsvorbehaltsklausel
Begräbnis speziell Befehl, die Schulden zu bezahlen
Bekentnisse/assertiv Über den Glauben
1
3
4
Modifikation ener frrüheren Handlung Ernnenung der Vormunde
Lebenslängliche Absicherung der Frau Widerruf früheren Test.
Zeche Weitere Bestimmungen
Barmherzigkeit Dritte
Frau Mann
Eltern Andere Verwandte
Kinder Enkel Bruder, Schwester, Neffe
Vermächtnisse
ASIX 30.03. 1502
0
11
7
1, 5
3
2, 8 6
ASIX 19.05. 1508
1
4
5 Inkraftbleibung
2 3
6, 8
ASIX 15.06. 1509
-
2, 7 4, 6
1, 3
5
ASIX 31.05. 1512
-
1, 3 4, 6, 8
5, 7
2
ASX 10.12. 1517
0
8
7
1
2
5
3, 6 4
ASX 31.03. 1518
0
1 2
15
14
4, 7
3 12
5, 10
6, 8, 13
ASX 18.07. 1519
-
6
2
3
4
5
ASX 23.02. 1521
230 Die Architektur der Krakauer Testamente
Begründung Testamentsbest.
Über andere güterrechtliche Handlung Über Abrichtung der Kinder
Über sozialen Aufgaben Über Familienverhältnisse
Über Schulden Über Habe Über eine Gesellschaft
(Fortsetzung) ASIX 30.03. 1502 2 Aufzählung
4, 9
10
ASIX 19.05. 1508
7
ASIX 15.06. 1509
ASIX 31.05. 1512
ASX 10.12. 1517
ASX 31.03. 1518
11
9
ASX 18.07. 1519 1
ASX 23.02. 1521
Komposition der Krakauer Testamente
231
4, 6
3, 8, 13
3
8, 10 9
2
4, 6, 9
4 3
13
1 0
Begräbnis speziell Befehl, die Schulden zu bezahlen
Bekentnisse/assertiv Über den Glauben
2
12
Bitte Verg. Sünden -
10 15
Gewaltverleihung Vormunde Herrschaftsvorbehaltsklausel
5
0
11
1
2
7
6
2, 12, 14
1, 3
5, 9
5, 7
ASXI ASXI 11.04. 16.01. 1534 1537
Modifikation einer früheren Handlung Ernennung der Vormunde 9
-
2 3, 8
6
1, 4, 7
7, 9 , 11, 14
ASXI 07.11. 1531
1 9
6, 8 3
5
4, 7
7, 9, 11
ASXI ASXI 05.06. 23.06. 1528 1531
Lebenslängliche Absicherung der Frau Widerruf früheren Test.
6
2 5
Barmherzigkeit Dritte
Zeche Weitere Bestimmungen
7
4
Eltern Andere Verwandte
Frau Mann
3
8
Kinder Enkel Bruder, Schwester, Neffe
Vermächtnisse
ASX ASX 06.08. 06.10. 1521 1525
2
12
13
14
8 1
3, 6 4
7, 9
10 5
ASXI 13.02. 1538
232 Die Architektur der Krakauer Testamente
Begründung Testamentsbest.
Über andere güterrechtliche Handlung Über Abrichtung der Kinder
Über sozialen Aufgaben Über Familienverhältnisse
Über Schulden Über Habe Über eine Gesellschaft
(Fortsetzung) ASXI ASX ASX 06.08. 06.10. 05.06. 1521 1525 1528 1 Aufzählung 1
8
4 6
ASXI 23.06. 1531
1, 5, 10
ASXI 07.11. 1531
ASXI ASXI 11.04. 16.01. 1534 1537 5 kurz, -das keine
ASXI 13.02. 1538 11
Komposition der Krakauer Testamente
233
8
2
4, 7
Herrschaftsvorbehaltsklausel Begräbnis speziell
1 Bestätig.
3
ASXIII 22.03. 1544
9
6
2 4
das andere
ASXII 14.04. 1540 1849
Ernnenung der Vormunde Gewaltverleihung Vormunde
Widerruf früheren Test. Modifikation ener früheren Handlung
Weitere Bestimmungen Lebenslängliche Absicherung der Frau
Dritte Zeche
Mann Barmherzigkeit
Andere Verwandte Frau
Bruder, Schwester, Neffe Eltern
Kinder Enkel
Vermächtnisse
das erste
ASXII 14.04. 1540
1
8
3
4 6
ASXIII 18.04. 1544
9
10
4, 8
ASXIII 16.04. 1546
6
3, 5
ASXIII 02.10. 1546
1
10 9
7
6, 8
5 4
ASXIII 14.05. 1547
234 Die Architektur der Krakauer Testamente
Über Abrichtung der Kinder Begründung Testamentsbest.
Über Familienverhältnisse Über andere güterrechtliche Handlungen
Über eine Gesellschaft Über soziale Aufgaben
Über Schulden Über Habe
Befehl, die Schulden zu bezahlen Bekentnisse/assertiv Über den Glauben
(Fortsetzung)
1, 3, 5 8
9 kurz
0
das erste
ASXII 14.04. 1540
2
4
das andere
ASXII 14.04. 1540 1849
5 5
1
ASXIII 22.03. 1544
5
6
5, 7
2
ASXIII 18.04. 1544
7
3
1
2
ASXIII 16.04. 1546
2
1
4
ASXIII 02.10. 1546
3
2
ASXIII 14.05. 1547
Komposition der Krakauer Testamente
235
7 8 5
Mann Barmherzigkeit
Dritte Zeche
9 10
Ernnenung der Vormunde Gewaltverleihung Vormunde
Herrschaftsvor behaltsklausel Begräbnis speziell
Widerruf früheren Test. Modifikation ener früheren Handlung
Weitere Bestimmungen Lebenslängliche Absicherung der Frau
2
Andere Verwandte Frau
8
10 11
7
3
5
7
12
9
8, 11
5, 7
4
3
4, 6
Bruder, Schwester, Neffe Eltern
ASXIV 26.04. 1548
2, 6 6
ASXIII 29.11. 1547
Kinder Enkel
Vermächtnisse
ASXIII 21.10. 1547
3
12
1, 11
10
4, 6
7
ASXIV 13.12. 1547
8
9
10
3
6
ASXIV 07.11. 1549
7
1
2
ASXIV 12.03. 1550
10
8
6
9
2
4, 7
ASXV 20.05. 1553 (eingelegt 1550)
236 Die Architektur der Krakauer Testamente
Über Abrichtung der Kinder Begründung Testamentsbest.
Über Familienverhältnisse Über andere güterrechtliche Handlungen
Über eine Gesellschaft Über soziale Aufgaben
Über Schulden Über Habe
Befehl, die Schulden zu bezahlen Bekentnisse/assertiv Über den Glauben
(Fortsetzung)
4
1
ASXIII 21.10. 1547
2, 9
1
ASXIII 29.11. 1547
10
1
ASXIV 26.04. 1548
9
2
8
ASXIV 13.12. 1547
5
2, 7
1
ASXIV 07.11. 1549
4
6
5
3
ASXIV 12.03. 1550
5
1
ASXV 20.05. 1553 (eingelegt 1550)
Komposition der Krakauer Testamente
237
Widerruf früheren Test. Ernnenung der Vormunde
Weitere Bestimmungen Lebenslängliche Absicherung der Frau
6
1, 4, 9
Dritte Zeche
2
Mann Barmherzigkeit
9
3, 5
Andere Verwandte Frau
Bruder, Schwester, Neffe Eltern
Enkel
Kinder
Vermächtnisse
2
1, 3
6
5, 7
2, 4, 8
LT772 LT772 LT772 17.11. 26.01. 05/ 1483 1509 06.09. Teil- 1513 testament (nur der Frau)
13
11
5
2
3 6, 9
4
8, 10
7
3
4, 6
3
5 6
4
7
7
3
5
4
6
LT772 LT772 LT772 LT772 23.12. 15.03. 26.08. 19.03. 1513 1514 1538 1540
4
2, 5
3
LT772 24.11. 1541
13
6, 9
3
4
5, 7, 10
4
4
1
2
LT772 LT772 17.02. 02.01. 1542 1544
238 Die Architektur der Krakauer Testamente
Über Familienverhältnisse Über andere güterrechtliche Handlung
Über eine Gesellschaft Über soziale Aufgaben
7
Über Habe
1
8 kurz
Über Schulden
3
Bekentnisse/assertiv Über den Glauben
4
LT772 LT772 LT772 17.11. 26.01. 05/ 1483 1509 06.09. Teil- 1513 testament (nur der Frau)
Begräbnis speziell Befehl, die Schulden zu bezahlen
Gewaltverleihung Vormunde Modifikation einer früheren Handlung Herrschaftsvorbehaltsklausel
(Fortsetzung)
1
7
14
5
1 2
8
1
2
8
8 kurz, wichtigste Schulden 2
1
LT772 LT772 LT772 LT772 23.12. 15.03. 26.08. 19.03. 1513 1514 1538 1540
7 kurz, nur eine
1
6
LT772 24.11. 1541
2
8, 12
1
14
3
5
LT772 LT772 17.02. 02.01. 1542 1544
Komposition der Krakauer Testamente
239
Über Abrichtung der Kinder Begründung der Testamentsbest.
(Fortsetzung)
LT772 LT772 LT772 17.11. 26.01. 05/ 1483 1509 06.09. Teil- 1513 testament (nur der Frau) 12
LT772 LT772 LT772 LT772 23.12. 15.03. 26.08. 19.03. 1513 1514 1538 1540 LT772 24.11. 1541
11
LT772 LT772 17.02. 02.01. 1542 1544
240 Die Architektur der Krakauer Testamente
Befehl, die Schulden zu bezahlen
Herrschaftvorbehalt Begräbnis speziell
Gewaltverleihung Vormunde Modifikation einer frrüheren Handlung
Widerruf früheren Test. Ernnenung der Vormunde
Weitere Bestimmungen Lebenslängliche Absicherung der Frau
Dritte Zeche
Mann Barmherzigkeit
Andere Verwandte Frau
Bruder, Schwester, Neffe Eltern
Kinder Enkel
Vermächtnisse
1 Aufzählung
4b
4a
LT773 04.11. 1556 S. 1–3
5
3 4
LT773 04.11. 1556 S. 4–6
2
3
LT773 04.11. 1556 S. 6–8
7
2
5
3, 6
4
LT773 04.11. 1556 S. 8–10
12
13
3
5
6, 8, 11
LT773 04.11. 1556 S. 11–15
4
2
3
LT773 04.11. 1556 S. 31–34
6
4
2
3, 5
LT773 04.11. 1556 S. 36–38
Komposition der Krakauer Testamente
241
Begründung Testamentsbest.
Über andere güterrechtliche Handlung Über Abrichtung der Kinder
Über soziale Aufgaben Über Familienverhältnisse
Über Habe Über eine Gesellschaft
Bekentnisse/assertiv Über den Glauben Über Schulden
(Fortsetzung)
3
2 Aufzählung
LT773 04.11. 1556 S. 1–3
2
1
LT773 04.11. 1556 S. 4–6
1
LT773 04.11. 1556 S. 6–8 1
LT773 04.11. 1556 S. 8–10
7
2, 9
1 10
LT773 04.11. 1556 S. 11–15 1
LT773 04.11. 1556 S. 31–34 1
LT773 04.11. 1556 S. 36–38
242 Die Architektur der Krakauer Testamente
Komposition der Krakauer Testamente
243
Im Belegmaterial finden sich Beispiele für mehr Erbnehmer als die Kinder bzw. die natürlichen Erben, die in dem Formular erwähnt wurden. Bedacht werden Geschwister, Eheleute (die Frau), Enkel, andere Verwandte wie auch Eltern. Unter nicht verwandten Erbnehmern zu nennen sind Knechte und Mägde, also das Dienstpersonal (besonders wenn sie sich durch Treue auszeichnen und/oder um den Testierer in seiner Krankheit gesorgt haben). Beim Testieren in das Werk der Barmherzigkeit konnten nicht nur einzelne Kirchen und Klöster oder arme Leute bedacht werden. Sporadisch kommen auch unter diesem Etikett Donationen zugunsten der Zechen und zur öffentlichen Kasse (zu Wegen und Stegen) vor. Funktional ähnlich wie die Donationen in das Werk der Barmherzigkeit und zu einzelnen Kirchen und Klöstern (auf das Seelenheil als Ziel bedacht) waren auch die sog. Seelmessen, die aber jeweils ein oder mehrere eigene Artikel im Teil Donatio umfassten. Außer den reinen Vergabungen können im Teil Dispositio solche Elemente vorkommen wie die Verfügungen bezüglich der Schulden, der Wahl der Exekutoren, des Begräbnisses, des geführten Handelsbetriebes etc. sowie Regelungen bezüglich der Morgengabe, die dann im Testament erinnert, sanktioniert bzw. nachgebessert wurden. Vorkommen können auch andere als die deklarativen Elemente, bspw. eine Bitte um Vergebung der Sünden und Missetaten. Alle diese Elemente kann man unter andere Dinge, wie es im Formular 1485 heißt, subsumieren. Die Untersuchung bzgl. der Reihenfolge der einzelnen Bestimmungen ergibt demzufolge eine große Variabilität. Ein Unterschied in Bezug auf die zeitlich früher üblichen Texttypen der Protokolle und Czedel(abschriften) fällt auf: nämlich dass die Schulden in den Testamentsurkunden, wenn schon, dann meistens nur kurz erwähnt werden, sei es durch einen Hinweis oder Verweis auf ein externes Schuldenregister.
12
Exkurs: Vergabungen des Todes wegen in den Krakauer Stadtbüchern
12.1 Akteure der Handlung der Vergabung des Todes wegen und Annahme der Gabe Vergabungen von Todes wegen, die separat vorkommen, also als (besonders von testamentarischen Verfügungen und/oder erbverträglichen Regulierungen) isolierte soziale Handlungen, sind in der Krakauer Kanzlei seltener als Texte, die aufgrund einer testamentarischen Verfügung den Testamenten zuzurechnen sind. Die meisten Vergabungen sind Vergabungen unter Eheleuten und werden gegenseitig ausgeführt. Während der Mann selbstständig handelt, muss die Ehefrau immer durch einen Vormund wirken, sowohl bei der Vergabung als auch beim Empfang der Gabe. Nicht immer wird aber dessen Anwesenheit bei der sozialen Handlung verschriftlicht. Auch die Annahme der Gabe und überhaupt die Anwesenheit der oder des Begabten wird nur ausnahmsweise in den Korpustexten erwähnt: viermal in den AS (einmal eine Gelobung der lebenslänglichen Wohnung für die Donatorin), zweimal in den AC und einmal in dem LT772. Eine etwas außergewöhnliche Form der Vergabung ist die durch einen Mittler vorgenommene Vergabung. Es wird also ein Vertreter eingesetzt, der die Rechtshandlung im Auftrag der Partei ausführt. Solches ist in vier Verschriftlichungen in den AS der Fall. Die eingesetzten Vertreter sind professionelle und mit den Stadtbehörden in Verbindung stehende Personen, vgl. etwa den Swensko vorspreche, dessen Benennung auf seine Funktion hindeutet (ASVII 14. 01. 1455) oder den Stadtschreiber Balthasar Behem (ASIX 23. 04. 1501). Bei den Vergabungen von Todes wegen können sich auch die potenziellen Erben (Erbschaftsanwärter) zu den Überlassungen äußern, indem sie ihre Zustimmung zu einer Modifikation der Erbfolge abgeben. Dies kommt viermal in den AS vor.
246
Exkurs: Vergabungen des Todes wegen in den Krakauer Stadtbüchern
12.2 Vorbemerkungen zur praktischen Absonderung der Vergabungen des Todes wegen Die im Folgenden dargestellten Erkenntnisse beziehen sich auf eine nur vage vorgenommene Unterscheidung zwischen den Testamenten und den Vergabungen des Todes wegen. Ziemlich häufig wird nämlich im zusammengetragenen Korpusmaterial an den Vergabungen des Todes wegen die Herrschaft dem Vergabenden vorbehalten. Dies kann befremdend wirken, da die im Rechtsinstitut vorgesehenen rechtlichen Folgen ex nunc, also vom jetzigen Zeitpunkt an, erwartet werden. Der so verstandene Herrschaftsvorbehalt (als eine im Rechtsinstitut selbst begründete Eigenschaft dieses Rechtsinstituts) kann gravierende Zweifel in Bezug auf die Zuordnung einzelner Texte zu dieser Textsorte aufkommen lassen, bspw. bei der Eintragung AC431 21. 05. 1501 entstehen: »Hot […] abgetret(e)n vnd gancz vnd gar obergeb(e)n […] czw haben vnd czw besytcz(e)n, tut […] czw hab(e)n vnd czw gebrawch(e)n vnd czw besitcz(e)n als das zeyne […]. Allenthalben y doch behelt sy ir dy herschafft dy weile sy lebet das czw wandeln vnd czw widerruffen noch irem willen […]«.
Dieser Fall wurde dann aber aufgrund der Formulierung der Prädikation, die in solcher oder ähnlicher Ausprägung bei vielen anderen Vergabungen des Todes wegen in Abgrenzung zu den Prädikationen der testamentarischen Verfügungen festgestellt wurde, zugunsten einer Zuordnung zu dieser Textsorte entschieden244. Diese Entscheidung ist aber allerdings immer vage. Somit wird auch die bereits in dem theoretischen Teil der vorliegenden Studie dargestellte These der Schwierigkeiten, die manchmal auch an Unmöglichkeit grenzen, anhand der Verschriftlichungen der sozialen Handlung eine praktische Abgrenzung von Vergabungen des Todes wegen und den Testamenten mit Sicherheit vorzunehmen, nur bestätigt. Anscheinend nähert sich in einigen Texten die Rechtsinstitution Vergabung des Todes wegen dem Testament an. Eine sich als möglicherweise plausibel einstellende Vermutung, die Herrschaftsklauseln wäre nichts anderes als das Recht des Vergabenden, Gebrauch von der Gabe zu seinen Lebzeiten zu machen, hält aus zwei Gründen nicht stand: Zum einen – was in der Studie bereits angemerkt wurde – wurden die Herrschafts- und Veränderungsklauseln oft gekürzt, sodass sie literarisch gesehen nur die Herrschaft erwähnen (vgl. auch das Kapitel zur Stilistik), zum anderen aber kann auf Fälle hingewiesen werden, die ausdrücklich den Gebrauch als solchen nennen (etwa wie die im Text LT772 27./28. 07. 1487: »[…] ydoch will sy frey wonen yn dem selb(e)n hawse dy weile sy lebit […]«).
244 Mehr zu den Prädikationen siehe Kapitel Stilistik.
Unterscheidung zwischen den Vergabungen
247
Eine besondere Vorsicht ist des Weiteren in den Vergabungen des Todes wegen vorkommenden Bezeichnungen der Textsorte Testament/letzter Wille gefragt, da diese nicht immer dem Charakter des Textes entsprechen und über die Zuordnung zur Textsorte entscheiden können. So kann bspw. anhand weiterer Indizien – etwa der Erwähnung nur einer Bedachten und einer spezifisch formulierten Prädikatsgruppe – etwa: »Ich gebe meyner hawsfrawen Agnit meyn haws do ich iczunt ynne wone noch meyme tode czu hab(i)n) […]«245 – festgestellt werden, dass die Textsortenbezeichnung in der assertiven Einführungssequenz »peter mit der muter mensifey fecit testamentu(m) suu(m) cora(n) ˙ d(o)m(inu)s Consulib(us) Johe Crancz. lura Waltdorff in hec verba […]« (AC428 23. 01. 1430) irreführend ist. Hier muss auf die Tatsache hingewiesen werden, dass es sich bei der Begrifflichkeit testamentum in diesem Fall um eine vor amtlichen Zeugen bezeugte (testamentum als Zeugnis, Bezeugtes) soziale Handlung geht.
12.3 Unterscheidung zwischen den Vergabungen des Todes wegen und Vergabungen inter vivos Neben der manchmal fraglichen Unterscheidung zwischen den Vergabungen des Todes wegen und den Testamenten ist in den Korpustexten manchmal nicht leicht zu unterscheiden zwischen den Vergabungen als Handlung unter Lebenden und solchen, die auf den Todesfall bezogen sind. Der Zusatz »mit der Tat« kann in die Prädikatsgruppe beider Gruppen gehören, wie die Belege aus dem Korpusmaterial zeigen (vgl. das Kapitel zur Stilistik): im ersten Fall übergeht sowohl das Eigentum als auch der Besitz der Sache gleich an den Bedachten; im zweiten dagegen bekommt der Bedachte, vermögensrechtlich gesehen, erst mal die Anwartschaft auf die Besitzübertragung, obwohl ihm das Eigentum ex nunc zuteil wird. Zur Abgrenzung ist dann immer nach Elementen zu suchen, die die Wirkung der Vergabung/die Übergabe der Gabe erst nach dem Tod des Vergabenden eintreten lassen. Ein Beispiel, das dieses Problem veranschaulicht, ist die gegenseitige Vergabung zwischen zwei Brüdern. Die des einen erfolgt als eine Handlung inter vivos, die andere dagegen ist eine bedingte, nämlich vom Ableben des anderen Geschwisterteils abhängende, Vergabung post mortem. Die erste Handlung hat ein sofortiges Ergebnis, was mit der Formulierung mit der Tat unterstrichen wird: »Hannes groff kan(n)egisser von Breslaw hot abgetret(e)n vnd mit der tadt vbergeb(e)n h(e)rn Martino altariste alhir zw vns(e)r liebe fraw(e) zeyne(n) bruder […]« (AC431 10. 05. 1509). Der Altarist übergibt jedoch seinem Bruder
245 Siehe dazu weitere Analysen im Kapitel Stilistik.
248
Exkurs: Vergabungen des Todes wegen in den Krakauer Stadtbüchern
dieselbe Schuld (eine Rückgabe), auf den Fall, dass er als erster stirbt, es ist also eine Vergabung des Todes wegen: »Widerumb(e) h(e)r Merten altarista obgenan(t) hot hans(e)n groffe zeyne(n) egenan(ten) bruder dy guttwillikeit erczeget vnd geton wo her todes halbe abginge et wen(n) her dy egenan(ten) 200 guld(en) vom h(e)rn han(n)es haller entphang(e)n het das dr [!] obgenan(te) han(n)es groff ader zein(e) erb(e)n sulche 200 guld(en)mog(e)n yn man(e)n vn(d) entphern vom h(e)rn hannes haller vn(d) do mit zw thun vnd zw loss(e)n als mit zeine(m) e[i]g(e)n.«
Wie bereits erwähnt, gehört zur Charakteristik der Vergabungen des Todes wegen, dass das Eigentum an der vergabten Sache mit sofortiger Wirkung auf den Bedachten übergeht. Die Sache selbst wird aber dem Bedachten erst nach dem Tod des Vergabenden überantwortet. Der Charakter der Überlassung, die erst post mortem des Donators erfolgt, ist meistens – aber nicht immer – explizit in der Prädikatsgruppe als eine Temporalangabe erwähnt, bspw.: »Albrecht Bronsky hat alle sey(n) gutir erb vnd farnde nach seyme tode Margarethe(n) Palscheryn vorre[i]ch[t] […]« (ASIV 5. Februar 1412). Er kann aber auch aus anderen Elementen des Textes hergeleitet werden, wie z. B. der Herrschaftsformel, die die Gewalt über die Gabe zu Lebzeiten des Vergabenden ausdrückt. Es ist dann anhand des ganzen Kontextes, in dem die Prädikatsgruppe auftaucht, zu unterscheiden, ob es sich um eine Vergabung oder eine Vergabung des Todes wegen handelt. Ein weiteres Beispiel, in dem nur der Kontext über die Zuordnung der Verschriftlichung zu der Textsorte Vergabung des Todes wegen in Abgrenzung zu der Textsorte einer Handlung inter vivos entscheidet, ist der Text ASIV 12. 04. 1415, in dem der Zukunftsbezug sich über die Formulierung der Gabe manifestiert: »Jokup goltsmedt gipt off kathe(r)ine boltzin tachter syner elicher hausfrawen allis das gut das her yczu(n)t hot vnd hernoch mols ymir mochte habin.«
12.4 Vergabungen des Todes wegen im zusammengetragenen Korpusmaterial Für weitere Analysen konnte ich in den Krakauer Stadtbüchern insgesamt 73 Eintragungen ausfindig machen, deren Kerntexte der Textsorte Vergabungen des Todes wegen zugeordnet werden können, davon 53 in den AS, 15 in den AC und fünf in dem LT772 (siehe die Zusammenstellung im Anhang). Der erste Text stammt aus dem Jahr 1394 (ASIII 10. 07. 1394), der letzte aus dem Jahr 1537 (AC436 20. 08. 1537). Es sind nur diejenigen Texte, die als reine Donationen angesehen werden können, also keine weiteren dispositiven Akte beinhalten. V. a. ausgebaute Texte, die mehrere Verpflichtungen dem Vergabten auferlegen
Vergabungen des Todes wegen im zusammengetragenen Korpusmaterial
249
und ihn dazu anleiten, weitere Vergabungen (Dispositionen) der Gabe zu unternehmen, passen nach den gewählten und gesetzten Kriterien (siehe den theoretischen Teil der vorliegenden Studie) nicht zur Kategorie der Vergabungen des Todes wegen (vgl. bspw. ASV 26. 06. 1423, ASXI 09. 08. 1532, die aus diesem Grund als Testamente eingestuft werden). Zu den Ausnahmen, bei denen ein Text den Vergabungen zugerechnet wird, obwohl er noch weitere Verfügungen beinhaltet, gehört bspw. der in seinem einschlägigen Passus zitierter Text: »Ausgenome(n) vonf m(a)rg g(roschen) dy sy sal geb(i)n h(er)n Mathie seyme Sone der Moglir ordin als ferre als sy do w(er)dinsen vnd das sal sten czu irn gewissin vnd behilde Jm dy hirschaft dy weyle her lebt.« (ASV1. 02. 1430).
Die Weitergabe liegt hier im Gewissen der Bedachten selbst, stellt also keine Verpflichtung sensu stricto dar. Nicht den Vergabungen des Todes wegen zugerechnet wurden solche Texte, die – obwohl sie einige Elemente dieses Rechtsinstituts beinhalten – noch andere Elemente beinhalten, die dem vermögensrechtlichen Charakter der Rechtsinstitution zuwiderlaufen. Zu nennen sind solche Eintragungen wie ASIV 24. 07. 1416, bei der die Vergabung nur eine lebenslange Geltung beansprucht: »Mit eyner sulchin vndirscheit vnd mose dy doryn neme(n) do vnd seczczende daz ap dy eg(enante) frawe Appolonia von got(es) vorhengnisse Ee f- Sturbe wenn der eg(enante) h(er)r Abraham so sullen alle dy vorgeschr(iebenen) gut(er) Erb vnd farnde wed(er) an yn sterbin vnd seyn seyen […]«.
Ähnlich ist es im Donationstext ASIX 31. 07. 1508, in dem einem Mann eine lebenslängliche Wohnung als Rückerstattung der in das Haus investierten Kosten gegeben wird. Es erbt der Sohn oder einer der Söhne, die Rechtsinstitution richtet sich also nach üblicher Erbfolge. In den mit ziemlicher Sicherheit als (reine) Vergabungen des Todes wegen identifizierten Texten, deren Auflistung in den Tabellen im Anhang zu finden sind, überwiegen die Vergabungen zwischen den Eheleuten. Die Eintragungen dagegen, die die Textsorten vermischen, also bspw. Testamente in einem Teil (bspw. die Handlung der Frau) und Vergabungen des Todes wegen im weiteren Teil (bspw. des Mannes zugunsten der Frau), wurden der Gruppe der erstgenannten zugerechnet (vgl. etwa AC427 17. 05. 1400). Ähnlich wurde auch mit ausgebauten Texten verfahren, die unter den testamentarischen Verfügungen Vergabungen eingeflochten haben, was allerdings eine häufige Praxis seit dem 15. Jahrhundert ist. Auch vermischte Texte aus Vergabungen inter vivos und Vergabungen des Todes wegen wurden als keine »reinen« Repräsentanten der zweiten angesehen und daher von der Erfassung in den Zusammenstellungen ausgeschlossen (dies ist bspw. in der Eintragung AC431 10. 05. 1509 der Fall).
250
Exkurs: Vergabungen des Todes wegen in den Krakauer Stadtbüchern
Allerdings wird der Text ASVI 27. 04. 1442, bei dem es zu einer gegenseitigen Vergabung der Eheleute kommt, kombiniert mit einer gemeinsamen Vergabung des Todes wegen beider Eheleute zugunsten ihres gemeinsamen Kindes, die ich in den vorgenommenen Zusammenstellungen den Vergabungen des Todes wegen zugerechnet habe. Die Regel unter den Vergabungen des Todes wegen ist, dass es sich um eine vermögensrechtliche Handlung unter Ehepartnern geht. Dabei handelt es sich sowohl um einseitige (26) und gegenseitig (36) verlaufende Donationen; eine davon war eine gemeinsame Donation (AC428 Tagesdatum unklar 1430, S. 274). Verzeichnet wurden aber auch Abweichungen von dieser Regel: Vergabungen des Todes wegen einer Großmutter zugunsten ihrer Enkelin (ASV 10. Februar 1430), eines Onkels zugunsten seinem Neffen/bruderson (ASVI 26. 01. 1431), einer Witwe zugunsten einer näher unbestimmten Frau, wahrscheinlich aus ihrer Familie (ASVII 19. 09. 1455), eines Ehepaars (eine gemeinsame Vergabung des Todes wegen) zugunsten von pet(er) fetter – der Beiname kann, muss aber nicht (v. a. wegen dessen Nachstellung in Bezug auf den Vornamen) auf verwandtschaftliche Beziehungen hindeuten (AC428, der Tag vor St. Marie 1430), eines Bruders zugunsten seiner Schwester (AC429 05. 04. 1458) und eines Vaters zugunsten seines Sohns (AC436 20. August 1537). Vorkommen können auch Vergabungen, die sich sowohl auf den Ehepartner als auch auf Kinder oder gar zukünftige Kinder beziehen. Es handelt sich also um meist kurze Eintragungen, deren Kerntexte in einem Textblock nicht weiter graphisch unterteilt und ausgearbeitet werden und im Umfang zwischen 50–300 Zeichen schwanken. Es gibt aber sowohl kürzere als auch längere Repräsentanten. Der kürzeste darunter ist der Text 22. 01. 1457 mit 28 Zeichen. Der längste AC432 20. 05. 1518 als herausstechende Ausnahme umfasst 500 Zeichen. Die Vergabungen des Todes wegen kommen in den Krakauer Stadtakten vornehmlich im Texttyp protokollartige Eintragungen vor (68-mal), nur fünfmal sind es Czedelabschriften. Außer den Donationsakten, die obligatorisch für die Textsorte waren, lassen sich keine weiteren spezifischen Elemente der Struktur der Kerntexte ausmachen. So wird wie bei den testamentarischen Eintragungen der Focus auf die Anfang- und Endsequenzen in der Untersuchung gerichtet, dann aber auf die Paratexte, die die Eintragung – verstanden als Großtext – vervollständigen.
Anfangssequenzen der Vergabungen des Todes wegen
251
12.5 Anfangssequenzen der Vergabungen des Todes wegen Die Vergabungen des Todes wegen beginnen meistens ohne eine assertive Anfangssequenz, in medias res, mit dem Donationsakt. Präambeln, also assertative Anfangssequenzen, die die soziale Handlung benennen, kommen in nur sechs Vergabungen des Todes wegen vor (in Czedeltexten: ASVI 09. 09. 1440, ASVII 21. 04. 1447; in protokollartigen Kerntexten: AC428 23. 01. 1430, LT772 01. 08. 1482, ASIX 13. 05. 1501, ASIX 12. 04. 1503). Außer der Nennung der Handlung und des Dontators geben sie Auskunft über ggf. Vormunde, die bei der Ablegung mitagieren, bzw. die Verfassung des Donators. Die soziale Handlung wird dabei als letzter Wille und/oder Testament bezeichnet, nur in einer Präambel findet sich die Begrifflichkeit Gabe verwendet: »[…] mache mey(n) testame(n)t vnd gobe […]« (ASVI 09. 09. 1440). Assertive Anfangssequenzen, die die noch zusätzlich, aber selten vorkommen und vor der Überlassungsprädikation erfolgen, können die Kommunikationssituation näher bestimmen, wozu 1. die Angabe der persönlichen Teilnahme und Anwesenheit mitgerechnet wird, 2. zusätzliche Angaben, die die Verfassung des Donators betreffen, 3. Angaben, die früher erfolgte Kommunikationsakte benennen, 4. Angaben, die die Motive der Überlassung angeben. Diese Erweiterungen der Sinnstruktur der Vergabungstexte gehören jedoch zu den Ausnahmen. Sie gehen der Überlassungsprädikation in Form von präsentischen Partizipien oder nebeneinandergereihten Sätze, die mit der Konjunktion und gebunden werden, voraus: (1) »katherina leupoldynne durch h(er)n Marcus Noldinfesser den sy ir dorczu czuvormu(n)de nam gerichtiglich keyginwortiglich steende […]« (ASV 10. Februar 1430). (2) »Joh(ani)s Jlkus ist kome(n) vor ey(n) geheget dink wol gesu(n)t vnd mit gut(er) vornu(n)ft vnd keige(n)worticlich steende […]« (ASIV 26. Juni 1416). (3) »Der Strenge Ritt(er) H(er)r Abraham Erbling von Bossicz mitsampt seyn(er) eliche(n) hausfrawe(n) der Togu(n)tsamen Appolonien keygenwerticlich steende, fragte von vns orteillichen ausczusprechin ap h(er) mit alle(n) synem vordinten, dirarbten vnd fatirlichen gutt(ern) thuen mochte vnd lasse(n) noch zeyme(n) willen adir gebin wo adir weme her welde do teilte(n) wir ym daz her das thuen mochte , do stunt der egena(n)te h(er)r Abraham vor dem selbin gehegtim dinge wol gesu(n)t amleybe vnd mit gut(er) vornunft […]« (ASIV 24. Juli 1416). (4) »Martin Fogil cziende ken P(ra)ge […]« (AC 427 06. 09. 1400).
252
Exkurs: Vergabungen des Todes wegen in den Krakauer Stadtbüchern
In ausgebauterer Form: »Joerge Swob der fleisher wellende dorothea zein(e) hawsfraw(e)n dy ym alleczeit zw der naru(n)ge trewliche(r) geholffen hot vorsehen […]« (AC431 28. Juli 1508).
Zu den die getroffenen Entscheidungen begründenden Bekenntnissen gehören im Korpusmaterial auch die über die Morgengabe (ASIII 10. 07. 1394), über den Aufwand und die Hilfe der Frau beim Erwerb der Habe (LT772 04. 03. 1477), über den Mangel der Hilfe des Mannes (ASX 16. 05. 1522), über die Abrichtung der Töchter als Abzahlung und Versehung dieser mit Gütern, die sie in die Ehe einbringen (AC436 20. 08. 1537). Die assertiven Anfangsteile bei den Vergabungen des Todes wegen sind ein mögliches, aber kein übliches Element dieser Textsorte, was diese Textsorte strukturell von den Einträgen mit Testamenten unterscheidet.
12.6 Endsequenzen der Vergabungen des Todes wegen Nach demselben Prinzip wie bei den Testamenten im Texttyp Eintrag kann man auch bei den Vergabungen des Todes wegen einige sich wiederholende Endsequenzen erkennen. Es sind Elemente, die keine Donationen mehr darstellen. Unter diesen kann man die Ausschließung der Verwandten und die Herrschaftsklausel als eigene Gruppe feststellen. In den 53 Vergabungen des Todes wegen in den AS überwiegt als Endsequenz die Kombination Ausschließung und die Herrschafts- (und Veränderungs)klausel: 27-mal in dieser Reihenfolge (fast durchgehend in den Textes aus dem 16. Jahrhunderts), nur einmal umgekehrt. Je einmal treten die Ausschließung und die Herrschaftsklausel am Ende des Textes allein auf. In den gegenseitigen Vergabungen des Todes wegen war es auch möglich, dass diese Elemente nur in einem Teil (des Mannes oder der Frau) vorkommen, wobei angemerkt sein konnte, dass sie sich auf beide Textteile der Eintragung beziehen (vgl. ASVII 22. 01. 1457: »[…] vnd behilden Jn ouch beiden dy hirschaft dy weile sy lebin […]«). Einmal gibt es aber auch nur eine einseitige (seitens des Mannes) explizit genannte Herrschaftsklausel im ersten Teil der Eintragung (ASVII 08. 06. 1459). Diese wurde aus Versehen oder absichtlich in der Verschriftlichung der sozialen Handlung der Frau (im zweiten Teil der Eintragung) übergangen. Sechsmal wird die Bestätigung der Behörde (des Gerichts) in Bezug auf die Vergabung des Todes wegen gegen Ende des Textes verschriftlicht. In den AC und in dem LT772 ist derartiges nicht zu finden. Überdies unterscheiden sich die Endsequenzen in den Ratsbüchern im Vergleich zu denen aus den Schöffenbüchern: Das häufigste Element ist die Herrschaftsklausel (fünfmal in den AC, zweimal in dem LT772), je einmal kommt auch die
Paratexte der Behörde
253
simple Ausschließung und je einmal die Kombination von Ausschließung und Herrschaftsklausel vor. Über die gegen Ende der Verschriftlichungen auftauchenden Einwilligungen Dritter wurde bereits im Kontext des Eintragungen mit den Testamenten gesprochen.
12.7 Paratexte der Behörde Zu den anfänglichen Paratexten gehören im Fall der Eintragungen mit den Vergabungen des Todes wegen hauptsächlich Supratexte, die nur das Datum der Gerichtssitzung oder der Handlung vorm Rat beinhalten, ohne weitere Angaben zur Textsorte oder zum Modus des Zustandekommens der Handlung zu tätigen. Dies gilt durchgehend für die protokollartigen Eintragungen in den AS und den AC. Allerdings werden die fünf Czedelabschriften – wie immer die Abschriften dieses Texttyps in den Krakauer Stadtbüchern aussehen – mit einer Quasieinführung der Behörde versehen, die darauf hinweist, dass ab jetzt von einer Vorlage zitiert wird. In einigen wird dabei noch mehr über die Vorlage ausgesagt, bspw. über deren Sprache, die Textsorte und den Texttyp (vgl. ASIII 10. 07. 1394). Diese Einführung der Behörde (hier: des Gerichts) kann in Form einer Überschrift, eines Supratextes vorkommen (ASVI 01. 06. 1442 und ASVII 21. 04. 1447) oder an den Text angehängt werden (ASIII 10. 07. 1394, ASVI 09. 09. 1440, ASVI 27. 04. 1442). In den LT772 dagegen werden in drei der fünf Texte, außer dem Datum der Ablegung, die Zeugen des Amtes in den amtlichen Paratexten genannt, vor denen die Handlung vorgenommen wird (L772 12. 05. 1461, LT772 04. 03. 1477, LT772 01. 08. 1482). Dabei wird, wenn in den Paratexten die Textsorte genannt wurde, jedesmal die irreführende Bezeichnung der Textsorte Testamentum / Testament / letzter Wille verwendet (ASIII 10. 07. 1394, ASVI 09. 09. 1440, ASVI 01. 06. 1442, ASVII 21. 04. 1447, L772 12. 05. 1461, LT772 04. 03. 1477). Die sich auf den Verschenkungscharakter beziehende Bezeichnung findet sich unter den amtlichen Paratexten nur in einigen Juxtatexten in den Eintragungen der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Diese kommen zeitlich nahe nacheinander und wurden in zweierlei Art und Weise formuliert, in den AS: resigna(ti)o bonoru(m) (ASX 02. 05. 1522, ASX 16. 05. 1522, ASX 24. 10. 1522, ASX 23. 01. 1523) und in den AC: donatio mutua (AC434 20. 01. 1532).246 Von welcher Zeit diese Kleintexte stammen, ist – wie bei allen Juxtatexten – aber ziemlich unsicher. (Im Juxtatext ASIX 13. 05. 1501 wird jedoch die Begrifflichkeit »Testamentum« verwendet.) 246 Mehr zu den Bezeichnungen der Textsorten siehe im Kapitel Stilistik.
254
Exkurs: Vergabungen des Todes wegen in den Krakauer Stadtbüchern
Weitere Paratexte kommen nicht vor. Einmal wurde ein Intratext mit einem Erledigungsvermerk verzeichnet (AC436 20. 08. 1537). Die einführenden Paratexte der Behörde beinhalten meistens keine Angaben zur Textsorte (zum rechtlichen Charakter der vorgenommenen Handlung). Allerdings gelten die gleichen Regularitäten wie im Fall der Testamente, wobei am auffälligsten ist, dass sowohl der Texttyp als auch die Wahl der Behörde auf die Ausprägung des Paratextes Einfluss haben. Bei Abschriften von Czedeln wird dieser Umstand, dass es sich um eine Abschrift handelt, durch die Behörde benannt; und auch der Handlungsmodus der Behörde hat Einfluss auf die Ausgestaltung des Paratextes, indem in dem vom Rat geführten Liber Testamentorum Räte als Zeugen der Handlung beim Namen genannt werden (können).
13
Elemente der Stilistik (Formulierungsmuster) i. w. S.
13.1 Analyse des Belegmaterials (Zusammenstellungen im Anhang) Das vorliegende Kapitel basiert in erster Linie auf der Analyse des (nachfolgenden) Anhangs, in dem die wichtigsten Begriffe und Phrasen (Kollokationen) der obligatorischen bzw. sich häufig wiederholenden Sinnelemente zusammengestellt wurden. Da sich diese Ausführungen als Kommentar zum zusammengetragenen und dargebotenen Sprachmaterial verstehen, ist es gerechtfertigt, dass das Kapitel in seinem Umfang kürzer ausfällt als die Teile der vorliegenden Arbeit, die sich strukturellen Fragen widmen. In den Zusammenstellungen habe ich auf diejenigen Fälle geachtet, in denen die Angaben doppelt vorkommen, also sowohl im Kerntext des Testaments (besonders bei einer abgeschriebenen Vorlage bei den Czedeln und den eingelegten Testamentsurkunden) als auch in den einführenden und den Kerntext überschreibenden Paratexten des Amtes vorkommen. Auch habe ich bei den Protokollen Acht gegeben, wenn sich die Angaben im Kerntext und im Paratext unterschieden haben. Dies ist auch dadurch angezeigt, da die erwähnten Teiltexte allem Anschein nach zu unterschiedlichen Zeitpunkten entstanden sind: die erstgenannten bei der Verschriftlichung der sozialen Handlung, die zweitgenannten beim Abschreiben der Notiz ins Reine. Ich habe aus allen von mir identifizierten Testamenten und »reinen« Vergabungen des Todes wegen, die also als eine separate Textsorte zu klassifizieren sind, Bezeichnungen des rechtlichen Charakters der sozialen Handlung (und die daraus resultierende Begrifflichkeit in Bezug auf die Textsorte der Verschriftlichung), Angaben zu dem Testator und zu seiner Testierfähigkeit, die Formulierungen der Herrschaft- und Veränderungsklauseln, wie auch die Phrasen zur Ernennung der Vormunde/Exekutoren, zusammengestellt. Aus den Donationsakten, die in den Legatentestamenten (vgl. den theoretischen Teil der Studie) in größerer Anzahl enthalten sind, habe ich die Prädikationen herausdestilliert. Die pauschalen Zusammenstellungen im vorliegenden Kapitel basieren
256
Elemente der Stilistik (Formulierungsmuster) i. w. S.
zwar auf den genauen Zitaten aus den Tabellen im Anhang, wurden aber vereinheitlicht und der heutigen grammatischen und orthographischen Form der Übersichtlichkeit halber angepasst. Die eingefügten symbolhaften Ergänzungen vom Typus »WER WEM WAS« sind in den Zusammenstellungen nicht als valenzbezogene Daten zu verstehen. Vielmehr handelt es sich lediglich um Platzhalter, die für die ausgelassenen Fragmente der Phrasen und Zitate stehen. Eine Valenzuntersuchung der umgesetzten Verben und der ganzen Prädikatsgruppen wäre ein Unterfangen, das den Rahmen der vorliegenden Untersuchung übersteigen würde.
13.2 Formulierungs- und Handlungsmuster. Die dominante Funktion des Donationsaktes In ihrer programmatischen Studie zur Stilistik hat Barbara Sandig den erwartbaren Zusammenhang zwischen Äußerungs- und Handlungsart (in einem weiteren Sinne verstanden als in der Sprechakttheorie) beschrieben und diesen bei einfachen Sprechhandlungen »Formulierung« genannt.247 Darunter versteht sie den Zusammenhang zwischen der Art der sprachlichen Handlung und der Art der Äußerung. Im Fall der komplexen Sprechhandlungen müssen dann die Arten der von einzelnen gewählten Teilhandlungen und deren Abfolge im Zusammenhang mit deren Äußerungsarten betrachtet werden, was für den einzelnen Text (bestehend aus mehreren sprachlichen Handlungen) die Formulierungsweise ergibt. Die Formulierungsweise der konventionellen Arten von Texten nennt Sandig »Formulierungsmuster«. Sandig betont den inhärenten Zusammenhang zwischen der Realisierung einer sprachlichen Handlung und der Wahl einer bestimmten Art von Äußerung, ohne die die erste nicht zustande kommen kann.248 Die Verzahnung von Stil und Inhalt, die Sandig annimmt, ist bei ihrer Definition des konventionellen Stils eine bestimmte Art von Formulierungsmuster, (die) Sprecher Adressaten gegenüber benutzen, wenn sie Texte nach einem Textmuster äußern.249 Von Bedeutung ist dabei die Feststellung, dass die Befolgung des Formulierungsmusters zur Realisierung eines bestimmten Textmusters führt.250 Die Formulierungsmuster können sich sowohl für den Dominanzsprechakt herausbilden als auch für weitere fakultative Elemente des Vertreters einer bestimmten Textsorte.
247 248 249 250
Sandig 1978, S. 15 und S. 11. Sandig 1978, S. 16. Ebd., S. 26. Ebd., S. 20.
Formulierungs- und Handlungsmuster
257
Den Begriff »Handlungsmuster« in Bezug auf den Text (die Textsorte) führt – in Anlehnung an die Ansätze von Barbara Sandig – Józef Wiktorowicz auf. Unter sprachlichen Handlungsmustern versteht der Warschauer Sprachforscher »Muster, nach denen bei der Formulierung von Texten, die beim Vollzug von relevanten sozialen Handlungen entstehen, bestimmte lexikalische und bestimmte syntaktische Konstruktionen eingesetzt werden«.251 Diese bilden sich nur dann heraus, wenn eine soziale Handlung relevant ist, d. h. wenn sie oft genug schriftlich fixiert wurde, damit sich dabei verwendete Formulierungen etablieren und konventionalisieren können.252 Während also stilistische Phänomene ziemlich weit gefasst werden können, da in der Forschung die Begrifflichkeiten Stil, Handlungsmuster und Formulierungsmuster sich auch stellenweise decken, bringt Józef Wiktorowicz das Stilistische bei den mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Kanzleitexten v. a. auf den lexikalischen Punkt und weist v. a. auf die funktionale Rolle solcher sich wiederholender sprachlicher Mittel hin. »Für jede soziale Handlung gibt es besondere sprachliche Versatzstücke, die in einem Textexemplar eingesetzt werden. In derselben Textsorte verwendet man daher die gleichen lexikalischen Elemente, damit die Produktion von Texten und ihr richtiges Verstehen ermöglicht werden.«253 Diese Auffassung der stilistischen Phänomene wird in meiner der Untersuchung der deutschsprachigen Krakauer Testamente umgesetzt. Wie bereits in der vorliegenden Studie festgehalten, vertrete ich die Ansicht von Sławomira Kaleta-Wojtasik, die, der sprachtheoretischen Tradition beipflichtend, den Donationsakt als den Dominanzakt in Texten der Textsorte Testament (aber auch in der Textsorte Vergabung des Todes wegen, wobei sie diese nicht von Testamenten trennt) sieht und die Präsenz dieses Sprachaktes als grundlegend für Texte mit dem testamentarischen Charakter bezeichnet. Bei dieser Feststellung lehnt sich Kaleta-Wojtasik an die Auffassung von Boz˙ena Z˙migrodzka an und teilt damit die Positionen der polnischen Linguistik. Diese besagt, dass ein komplexes Textmuster, wie es die Textsorte Testament ausweist, 251 Wiktorowicz 2016, S. 97–106, S. 97. 252 Die erwähnte Relevanz ist also in diesem Kontext nicht mit der Wichtigkeit der Texte gleichzusetzen. Wiktorowicz stellt die selten in die Krakauer Stadtbücher eingetragenen Bauaufträge, die doch für die Stadtgemeinschaft von Bedeutung waren, den viel häufiger in die Stadtbücher niedergeschriebenen Texten gegenüber und bestätigt seine These, dass sich nur für die letzteren (z. B. Kaufverträge, Schenkungen, Testamente) sprachliche Formulierungsmuster entwickelt haben. Das Handlungsmuster von Wiktorowicz ist annährend dem Sprechhandlungsmuster von Heinemann/Viehweger (1991), dem Text-Teilmuster bzw. dem Stilmuster von Wolfgang Heinemann (vgl. Heinemann 2000, S. 516) oder den Formulierungsmustern von Sandig gleichzusetzen. Britt-Marie Schuster meint sogar, dass Wiktorowicz’ Text einfach als Handlungsmuster auffasst. Vgl. Schuster 2012, S. 263–281; sowie Simmler 1984, S. 274. 253 Wiktorowicz 2016, S. 250.
258
Elemente der Stilistik (Formulierungsmuster) i. w. S.
eine Sequenz von Sprechakten ist, unter denen eine gewisse Hierarchie herrscht. Diese wird durch den konstitutiven Rahmen bedingt, der die Grundstruktur des Textmusters bildet. Dabei wird das Interpretationsprinzip stillschweigend mitberücksichtigt. Im Fall der Testamente handelt es sich um die temporale Perspektive, die sich immer auf die Zukunft bezieht, d. h. erst nach dem Tode des Testierers erlangt das Testament seine Wirkung.254 Der konstitutive Sprechakt, also eine Reihe von performativen Donationsakten, ist entweder durch die explizit formulierte Zeitangabe begleitet, oder sie ist aus dem Kontext ersichtlich. Quasi automatisch wirkt sich dann auch diese temporale Perspektive auf die anderen Sprechakte im Text aus.255
13.3 Prädikate der Donationen Obwohl es auch ziemlich oft vorkam, dass wenigstens ein Teil der manchmal zahlreichen Donationsakte in der Verschriftlichung eines Testaments elliptisch formuliert wurde, sich also die Prädikation aus den früheren vermögensrechtlichen Artikeln auf nachfolgende beziehen, konnte nur ein letztwilliger Text mit vollständigem Abbau der Prädikationen ermittelt werden (ASV 10. 02. 1430), die von einem privaten Schreiber in Form einer Testamentsvorlage niedergeschrieben wurde. Falls es sich hier um keinen Fehler beim Abschreiben handelt, kann davon ausgegangen werden, dass es um eine Ausnahme geht. Unter den Ausnahmefällen ist auch auf Verschriftlichungen hinzuweisen, die den Donationsakt nicht direkt formulieren, sondern die Vormunde/Exekutoren bevollmächtigen, über die Vermögensmasse zu verfügen. Wie bereits im Kapitel zur Intertextualität gesagt worden ist, können sich solche Bevollmächtigungen auf frühere Ansprachen mit dem Testator beziehen. Meistens handelt es sich dabei um Donationen in die Werke der Barmherzigkeit und in solchen Fällen sollen diese nach dem Ermessen der Vormunde/Exekutoren erfolgen. In einem Regelfall wurde der Donationsakt mittels entsprechender Prädikate mit drei (obligatorischen) Ergänzungen WER (vermacht nach dem Tode) WEM WAS formuliert. Bei der Analyse der Vergabungen des Todes wegen hat sich eine gewisse Regelhaftigkeit bei den Prädikaten ergeben, die aus der Zusammenstellung ersichtlich ist. Die Prädikate der Donationsakte in den »reinen« Vergabungen des Todes wegen, die also nur eine einfache Donation bzw. eine gegenseitige Donation umfassen, bilden Verben, die in den nachfolgenden Tabellen zusammengestellt wurden (in der heutigen grammatischen und orthographischen Form).
254 Vgl. Z˙migrodzka 1997, S. 37. 255 Vgl. ebd., S. 58 und S. 92.
Prädikate der Donationen
259
Unter den 73 reinen Vergabungen des Todes wegen konnten 75 Ausprägungen der Prädikate von Donationen festgestellt werden (ein Teil davon sind gegenseitige Vergabungen, die unterschiedliche Prädikate umsetzen). In der Tabelle unten wurden 69 Realisierungen dargestellt, die dem Schema WER gibt WEM WAS folgen. Unter den sich wiederholenden Verben sind am häufigsten: vorreichen (33-mal), Platz zwei belegt das Verb geben (28-mal), es folgen vorreichen (16-mal) und aufgeben (neunmal), des Weiteren kommen abtreten (achtmal), übergeben (zehnmal), vermachen (viermal), aber auch verschaffen (einmal) und bescheiden (einmal) vor (das auch vorkommende Verb verschreiben wird hierzu nicht mit eingerechnet, da es eine zusätzlich semantische Bedeutung hat, nämlich: auf einer bestimmten Habe sichern). Nur 27-mal besteht die Prädikatsgruppe aus einem Verb. In der Mehrheit der Fälle setzt sie sich aus zwei (38-mal) und selten auch drei Verben (viermal) zusammen. Die Verba performativa können weiter um andere verbale Elemente erweitert werden, vor allen um infinitivsatzartige Konstruktionen mit zu. In den Tabellen unten sind 51 (der 69) Prädikate mit solcher Erweiterung aufgelistet. Diese können entweder nur ein Verb oder zwei bis drei Verben (einmal aus sogar 4) umfassen; weiter können sie noch um modale bzw. weiterführende Bestimmungen erweitert werden, vgl. bspw. AC434 21. 05. 1501: tut sy WEM (ihrem Sohn) abe WAS czw hab(e)n vnd czw gebrawch(e)n vnd czw besitcz(e)n als das zeyne(n) oder auch: AC434 22. 01. ˙ 1514: das er (…) mit d(er) tadt abetritt wn(d) vbirgibet WEM (seiner Frau) WAS Noch seyne(m) tode zw hab(e)n Alzo das sy mit disenn gartn gŭ tt(e)rn thun wn(d) loss(e)n wirt mŏ g(e)n als mit ire(n) ey¨gen Ane alle hyndernus yrkeynes me(n)sche(n). Eine zusätzliche Erweiterung der Prädikatsgruppe sind die modalen Erweiterungen, die sich auf das Prädikat (und nicht seine verbale Erweiterung) beziehen. In wenigen Fällen hat jedes der Verben der Prädikatsgruppe seine eigene verbale Erweiterung, vgl. bspw. ASVII 19. 09. 1455: noch irem tode czu hab(e)n vnd besiczen vorreicht vnd ofgegebin hot domitte czu thun vnd czulossen. Die Prädikatsgruppe kann weiter auch einen temporalen Bezug beinhalten, der darauf hinweist, dass es sich um keine Vergabung inter vivos handelt, sondern um Verschriftlichung einer Handlung post mortem. In den Fällen, wo die Temporalangabe nicht explizit genannt wird, ist der Zukunftsbezug aus dem Kontext der Eintragung zu supponieren, bspw. aus der Existenz der Herrschafts- und Veränderungsklausel, die ihre Gültigkeit bis zum Tod des Vermachenden behält. Der implizite Zukunftsbezug kann aber auch aus dem Kontext hergeleitet werden, wie bspw. in der Eintragung ASIV 12. 04. 1415, in der die Donation sowohl gegenwärtig vorhandene als auch zukünftig hinzukommende Gegenstände der Vermögensmasse umfasst: »Allis das gut das her yczu(n)t hot vnd hernoch mols ymir mochte habin […]« (ähnlich auch in ASV 24. 07. 1416, in der sowohl die Frau als auch eventuelle zukünftige Kinder bedacht werden).
Mit vollkommener Macht – Ganz und gar mit vollkommener – Macht, nach ihrem guten Willen, dass WAS WESSEN Eigen sein soll ohne alle Widersprache und Hindernis der Kinder – –
Zu haben allein mit der Tat und trat WAS WEM ab zu tun und zu lassen
Nach seinem/ihrem Tode Nach meinem Tode
ungehindert
Nach seinem/ihrem Tode
frei –
Nach seinem/ihrem Tode Nach seinem/ihrem Tode
Zu nehmen und zu haben
Zu haben –
Hat beschieden und vorreicht Gebe ich/Gibt/Gab/Hat gegeben er/sie
– –
– –
– –
– Zu haben
Hat aufgegeben und vorreicht
Mit vollkommener Macht –
Nach seinem/ihrem Tode Nach seinem/ihrem Tode
Nach seinem/ihrem Tode
Nach seinem/ihrem Tode
Zu haben und zu lassen mit der Tat – Damit zu tun und zu lassen –
Zu tun und zu lassen Zu haben und zu besitzen
Hat aufgegeben und abgetreten
–
–
Zu haben, zu tun und zu lassen Zu haben und zu besitzen
Hat aufgegeben
–
Zu haben Alzo das … (vgl. das Zitat im Text) –
Abtritt mit der Tat und übergibt
– –
– Ganz und gar Zu haben und zu gebrauchen und – zu besitzen als das seine
Temporale Erweiterung der Prädikatsgruppe –
Hat abgetreten und übergeben Tut ab
Modale Erweiterung der Prädikatsgruppe Ganz und gar
Verbale Erweiterung der Prädikatsgruppe Zu haben und zu besitzen
Prädikat (Prädikatsrahmen) Hat abgetreten und übergeben
260 Elemente der Stilistik (Formulierungsmuster) i. w. S.
–
–
Zu haben
Zu haben und zu besitzen –
–
Gibt und bescheid er/sie Gibt und vorreicht er/sie
Hat gegeben und vorreicht
–
– –
–
–
– –
Nach seinem/ihrem Tode
–
Damit zu tun und zu lassen ungehindert mit alle demselben rechte und in aller weyze als ichs bis doher gehabt und besessen habe mit volkomener macht czu tuen und czu lossen (AC428 23. 01. 1450)
Zu haben und zu besitzen
Nach seinem/ihrem Tode
– –
Zu haben Zu tun und zu lassen haben soll ungehindert
–
Nach seinem/ihrem Tode –
Nach seinem/ihrem Tode
–
– Nach seinem/ihrem Tode
Nach seinem/ihrem Tode Nach seinem/ihrem Tode
– Nach seinem/ihrem Tode
Als sein eigen Gut –
Haben und genießen Zu tun und zu lassen
Temporale Erweiterung der Prädikatsgruppe Nach seinem/ihrem Tode
Modale Erweiterung der Prädikatsgruppe -
Verbale Erweiterung der Prädikatsgruppe Zu haben und zu besitzen
Gib er/sie und abtritt (hat übergeben, angetreten und mächtig gemacht zu vorreichen vor Gericht) Gibt und bescheid er/sie
Hat gegeben und beschieden
Prädikat (Prädikatsrahmen)
(Fortsetzung)
Prädikate der Donationen
261
–
Hat gegeben vorreicht und beschieden Hat gegeben vorreicht und beschieden
–
Modale Erweiterung der Prädikatsgruppe – – –
Zu haben – Zu haben und zu nehmen ohne – alles Widersprechen gleichsam sie das mit allem Rechte erlangt hat und gewonnen
–
Hat vermacht und verschrieben Hat vermacht und verschrieben
Hat vermacht und verschrieben
Nach seinem/ihrem Tode
vor allen Ander(e)n frunden Ader Nach seinem/ihrem Tode glawbiger(e)n gleich sam sich alle
Nach seinem/ihrem Tode Nach seinem/ihrem Tode
seinem/ihrem Tode Nach seinem/ihrem Tode
– vollkommlich -
– Zu haben und besitzen ohne Eintrag keinen Menschen auf Erden
Übergibt er/sie
Hat übergeben und vorreicht Hat übergeben vorreicht und beschieden
Nach seinem/ihrem Tode
–
Nach seinem/ihrem Tode
Temporale Erweiterung der Prädikatsgruppe – Nach seinem/ihrem Tode Nach seinem/ihrem Tode
–
Zu haben zu halten und mit vollkommener Macht zu tun und zu lassen Zu haben
Hat gegeben vorreicht und beschieden
Zu halten und mit vollkommener – macht zu tun und zu lassen mit der Tat von Statten wegen
Verbale Erweiterung der Prädikatsgruppe – – Zu haben vor allen anderen ohne Hindernis keinen Menschen auf Erden
Prädikat (Prädikatsrahmen) Gebe ich auf und vorreiche Hat gegeben und gibt Hat gegeben und mit der Tat gibt
(Fortsetzung)
262 Elemente der Stilistik (Formulierungsmuster) i. w. S.
– Frei Frei mächtig mächtig – Frei
– Damit zu tun und zu lassen
Zu tun und zu lassen Zu tun und zu lassen zu haben
Zu haben Zu haben und damit mächtig zu tun und lassen Mit voller Macht –
Zu haben –
-
Hat vorreicht und mit der Tat ab- Damit zu tun und zu lassen und zu – getreten haben Hat vorreicht und aufgegeben Zu haben Erblich und frei mit vollkommener Macht
Hat vorreicht und aufgegeben Zu haben, zu tun und zu lassen Hat vorreicht und mit der Tat ab- Damit zu tun und zu lassen getreten
Hat vorreicht
Zu haben und zu gebrauchen als das seine/ihre –
–
Zu haben und zu besitzen
Hat vermacht und übergeben
Verschafft er/sie
Nach seinem/ihrem Tode Nach seinem/ihrem Tode
Nach seinem/ihrem Tode
Nach seinem/ihrem Tode
Nach seinem/ihrem Tode
Nach seinem/ihrem Tode
Modale Erweiterung Temporale Erweiterung der Prädikatsgruppe der Prädikatsgruppe recht dor ob(e)r ergangen hett(e)n czw haben ASIX 23. 04. 1501 – Nach seinem/ihrem Tode
Verbale Erweiterung der Prädikatsgruppe
Prädikat (Prädikatsrahmen)
(Fortsetzung)
Prädikate der Donationen
263
Hat vorreicht und übergeben
Hat vorreicht und gegeben
Prädikat (Prädikatsrahmen)
(Fortsetzung)
Nach seinem/ihrem Tode
Mit voller Macht
Zu haben und zu besitzen
Mit voller Macht
Nach seinem/ihrem Tode
–
Nach seinem/ihrem Tode
Nach seinem/ihrem Tode
–
–
Zu genießen und damit zu tun und mächtig zu lassen – –
(vorreicht) Zu haben und (gegeben) damit zu tun und lassen damit zu tun und zu lassen
–
Nach seinem/ihrem Tode
Erblich und mit vollkommener Macht –
Zu haben und zu lassen
Temporale Erweiterung der Prädikatsgruppe Nach seinem/ihrem Tode
Nach seinem/ihrem Tode
Modale Erweiterung der Prädikatsgruppe ganz und gar
Zu haben und zu besitzen damit zu – tun und zu lassen Zu haben und zu lassen Mit vollkommener Macht
Verbale Erweiterung der Prädikatsgruppe Zu haben
264 Elemente der Stilistik (Formulierungsmuster) i. w. S.
265
Prädikate der Testamente
Wie aus der Tabelle weiter ersichtlich wird, sind zwölf Belege für ein einfaches Prädikat mit dem Verb geben vertreten, die offensichtlich – wie auch bei anderen Prädikaten zu beobachten ist ohne Unterschied in Bezug auf das Tempus, dieselbe Funktion eines indirekten deklarativen Aktes tragen. Der Akt der Donation kann aber anders formuliert werden, obwohl der semantische Wert derselbe bleibt. In den unten angeführten Belegen ist der Bedachte (die ersten drei Belege) oder die Erbmasse (bzw. ein Teil dieser, ein Legat) Subjekt des deklarativen Aktes. Alle vier sind protokollartige Verschriftlichungen aus den Ratsbüchern (AC): Prädikat (Prädikatsrahmen)
Verbale Erweiterung der Prädikatsgruppe –
Soll nehmen und haben oder genießen und damit tun und lassen Soll haben und besitzen damit – tun und lassen nach ihrem Wohlgefallen gleichsam das ihr vor dem Gericht übergeben und vorreicht wäre Soll vor aller Teilung ohne alle – Widerrede zuvor aus nehmen WAS soll in gleiche Teilung – gebracht werden vor jedem ungehindert
Modale Erweiterung der Prädikatsgruppe mächtig
Temporale Erweiterung der Prädikatsgruppe –
erblich
Nach seinem/ ihrem Tode
–
–
–
–
Dazu kommen noch zwei Donationsakte, die wohl fehlerhaft in das Stadtbuch von den Notizen der Kanzlei abgeschrieben wurden. Das sind: »[…] noch irem tode eyn habin vnd erbe siczcze(n) ewiklich vnd dabey hot vnd erblichin […]« (ASIV 12. 10. 1414) und die wohl unvollständige elliptische Formulierung (WAS WEM): ASIX 23. 07. 1511.
13.4 Prädikate der Testamente Die Krakauer Testamente der untersuchten Periode sind – worauf in der Studie mehrmals hingewiesen wurde – komplexe Textsorten, die in sich mehrere Akte beinhalten (können). Zu den häufigen Elementen einer solchen Verschriftlichung gehören auch die Vergabungen des Todes wegen, obwohl ihr rechtlicher Status in solchen Fällen für den heutigen Forscher auch noch schwieriger zu entschlüsseln ist als im Falle der einfachen Donationen. Die Zusammenstellun-
266
Elemente der Stilistik (Formulierungsmuster) i. w. S.
gen sind also immer ohne Gewähr in Bezug auf den rechtlichen Charakter des jeweiligen Donationsaktes (ob es ein testamentarischer Akt oder ein Akt mit sofortiger vermögensrechtlicher Wirkung ist). Allerdings konnten in einigen Testamenten die Vergabungen des Todes wegen mit Sicherheit oder ziemlicher Sicherheit festgestellt werden. Dies ist besonders dann der Fall, wenn einer der Ehepartner ein Testament zugunsten des anderen macht und dieser dann im Gegenzug eine Vergabung des Todes wegen seinerseits auf die Verschriftlichung des Testaments folgen lässt, vgl. die Prädikatsgruppen in der Verschriftlichung eines komplexen Testaments ASIX 15. 12. 1512, die sowohl um die Temporalangabe (nach seinem Tode) bereichert wird als sich auch in der verbalen Erweiterung des Prädikats manifestiert (die infinitive Konstruktion mit zu): Hatt er bescheiden noch seyne(m) tode czw̆ haben; gibt wn(d) bescheidt er WEM WAS noch seyne(m) tode zcw habe(n); hat WEM WAS mit der tad gegeby(n) wn(d) obirgeby(n) noch ire(m) tode WEM WAS Zcw habe(n) wn(d) besitze(n). In einem ähnlichen Fall findet sich in den frühen Ratsakten aber nur die Temporalangabe, die das Verb bescheiden näher bestimmt: bescheyd noch irem tode (AC427 17. 05. 1400). Hier sei daran erinnert, dass Otto Loening dieses Verb für die schlesischen Testamente zu einer Distinktionsprädikation in Abgrenzung zu den Prädikaten der Vergabungen des Todes wegen erklärt (vgl. den theoretischen Teil der vorliegenden Studie) – was in Krakau nicht gegeben ist. Ein weiteres Indiz, das sicher auf den rechtlichen Charakter des Donationsaktes als eines Aktes ex nunc schlussfolgern lässt, ist die in der Verschriftlichung des Testaments erwähnte Annahme der Gabe durch die Ehefrau: hot her gegebin WEM WAS dassy das nemen sal vnd gebrawchin als mit dem irn czu thun vnd czu lossen LT772 28. 04. 1458. Ähnlich in: »[…] eigen hatt sy gegeb(e)n mit der tadt […] welche ding herr Anthom Bre(n)dler enttfang(e)n hatt yn sey(n) [?] gewe[ld] wn(d) soll damit thun wn(d) loss(e)n als mit sey¨ne(m) eigen […]« Solche und ähnliche ausgebaute Prädikatsgruppen lassen in den Krakauer Testamenten der untersuchten Periode den Verdacht aufkommen, dass es sich um eine Vergabung des Todes wegen handelt, zumal wenn sie sich auf die Ehepartner beziehen oder als Donationen der Morgengaben (eines spezifischen Falls der Vergabungen des Todes wegen) im Text aufkommen. Auf der anderen Seite soll man aber auch bedenken, dass die Morgengaben und andere Gaben des Todes wegen auch mit einfachen Prädikaten ausgedrückt werden konnten. Die Lage ist allerdings klar bei solchen Verben wie: schenken und aufgeben, die auch in unterschiedlicher Kombination vorkommen können. Die unten angeführten Prädikatsgruppen können wohl ohne größere Bedenken den Vergabungen des Todes wegen zugerechnet werden, da sich diese auf Donationen zugunsten der Ehepartner bzw. Kinder beziehen bzw. es aus dem Kontext zu supponieren ist, dass es sich um eine Vergabung des Todes wegen handelt. Die Donationsprädikate wurden je nachdem, wer zu handeln ver-
Prädikate der Testamente
267
pflichtet ist, in drei Tabellen aufgeteilt. Die erste Tabelle zeigt alle in den Krakauer Testamenten auffindbaren direkt formulierten Donationsakte, die also dem Schema WER (Subjekt) gibt (Prädikat) WEM (Objekt) WAS (Objekt) entsprechen. In der zweiten Tabelle wurden Verbalgruppen zusammengestellt, die einem Dritten (meistens dem/den Testamentsausführern, also den Exekutoren/Vormunden) den Auftrag erteilen, die Vermögensmasse oder einzelne Gegenstände dem Bedachten nach dem Tod des Testierers zu übergeben. Die dritte Tabelle listet dagegen Prädikate auf, die – zumindest grammatisch – den Bedachten zum Subjekt machen, der sich eine Sache nach der Testamentseröffnung nehmen soll. So wie in den Tabellen zu den Vergabungen des Todes wegen wurden auch in den folgenden Tabellen die Donationsausdrücke weitgehend in der heutigen grammatischen Form und nach der heutigen Orthographie eingetragen, was der Übersichtlichkeit und Vereinheitlichung dienen soll. Es wurde auch immer die im Korpusmaterial chronologisch erste angetroffene konkrete Form des Ausdrucks notiert, also unterschiedlich in der grammatischen Person und dem Tempus. Der Übersichtlichkeit der Tabelle halber wurde nur die Signatur des Stadtbuches und das Jahresdatum angegeben (das Tagesdatum ist leicht aus dem Tabellen im Anhang zu entnehmen – es sei denn, es handelt sich um Belege aus sich wiederholenden Jahresdaten).
AS1505
Befehle ich WEM WAS
Hat benumpt, beschieden und gegeben Bescheide ich AS1426, AS1430, AS1472, AS1473, AS1508, AS1511 (14.02), AS1511 (11.03), AS1511 (15.04), AS1511 (28.11), AS1512, AS1515, AS1516, AS1517
benume vn(d) AS1472 gebe hat WEM WAS AS1474 benumet vn(d) bescheid(e)n
WEN ansterbe vnd beneme en alle macht czu habin an allen meyne(n) erbin Hat benumet
Befehle ich und gebe Belässt WEM WAS
Protokolle AS
Prädikat
LT7721441, LT7721444, LT7721439, LT7721439, LT7721449, LT7721453, LT7721454, LT7721456 (16.94), LT7721456 (29.04), LT7721459, LT7721462 (unbestimmt), LT7721463,
LT7721474
LT7721474
LT7721482
AC1476, LT7721475
LT7721476
Protokolle LT772 und AC LT7721444
AS1393 (19.05), AS1393 (28.11), AS1395, AS1419, AS1434, AS1435 (11.03). AS1435 (17.06), AS1438, AS1439 (04.02), AS1439 (04.09), AS1439 (04.09, H.J.), AS1439 (18.09), AS1440
AS1461
AS1393
AS1438
AS1393, AS1444
Czedel(abschriften)
AS1502, AS1508, AS1548, LT7721541
Eingelegte Testamentsurkunden
268 Elemente der Stilistik (Formulierungsmuster) i. w. S.
Erlasse ich die Schulden Gibt WER WEM WAS
AS1438, AS1444, AS1458, AS1461, AS1465, AS1475, AS1501 (22.03), AS1501 (07.04), AS1501 (24.04), AS1501 (30.11), AS1502 (15.03), AS1502 (27.02), AS1502 (11.11), AS1503, AS1507, AS1505 (22.01),
AS1426, AS1472, AS1473, AS1516
Bescheide ich und gebe
Bescheidet nach seinem Tode Hat beschieden und gegeben nach seinem Tode
Protokolle AS
Prädikat
(Fortsetzung)
LT7721427, LT7721443, LT7721446, LT7721451, LT7721453 (31.01), LT7721453 (11.10), LT7721455, LT7721456, LT7721457 (24.03), LT7721457 (07.05), LT7721457 (12.11),
AC1476
AC1400, AC1405
LT7721453
Protokolle LT772 und AC LT7741474, LT7721475, LT7721476, LT7721477, LT7721482, LT7721488, LT7721511
AS1393, AS1423, AS1428, AS1434, AS1435, AS1438 (16.05), AS1438 (11.07), AS1438 (03.10), AS1439 (11.02), AS1439 (04.09), AS1439 (04.09, H.J.), AS1439 (30.10), AS1440 (19.02), AS1440 (10.06), AS1440
LT7721448
AS1439,
(27.05), AS1440 (09.09), AS1441, AS1448 (23.08), AS1448 (18.10), AC1450 (12.10), AC1450 (14.10), AC1450 (15.10), LT7721443, LT7721448, LT7721451, LT7721464, LT7721481 AS1436, AS1440, LT7721451, LT7721464
Czedel(abschriften)
AS1502, AS1508, AS1509, AS1518, AS1519, AS1521 (23.02), AS1521 (06.08), AS1525, AS1531 (26.03), AS1531 (07.11), AS1537, AS1538, AS1540, AS1544, AS1546, AS1548, AS1550,
AS1537
Eingelegte Testamentsurkunden
Prädikate der Testamente
269
Prädikat
(Fortsetzung)
AS1505 (21.11), AS1506 (18.05), AS1506 (17.07), AS1511 (28.11), AS1512 (15.12), AS1512 (09.10), AS1512 (22.10), AS1513, AS1513 (10.09), AS1514, AS1515 (01.03), AS1515 (03.07), AS1515 (04.07), AS1516, AS1517, AS1518 (16.04), AS1518 (09.05), AS1519 (12.08), AS1519 (10.09), AS1519 (06.10), AS1520 (23.08), AS1520 (18.12), AS1532, AC1400, AC1432, AC1502, AC1511
Protokolle AS
Protokolle LT772 und AC LT7721458 (25.01), LT7721458 (07.02), LT7721458 (unbestimmt), LT7721458 (09.03), LT7721458 (12.04), LT7721458 (28.04), LT7721458 (16.06), LT7721458 (26.08), LT7721458 (18.09), LT7721459, (25.08) LT7721459 (09.11), LT7721460, LT7721462 (unklar), LT7721462 (07.01), LT7721463 (25.03), LT7721463 (03.03), LT7721463 (22.11), LT7721464, LT7721468, LT7721469, LT7721470, LT7721472 (12.11), LT7721472 (01.12), LT7721474, LT7721475 (16.03), LT7721475 (29.05), LT7721476 (12.08), LT7721476 (20.09),LT7721476 (20.12), LT7721476 (13.02); LT7721477 (01.05), LT7721482 (11.06), (23.09), AS1444, AS1450, AS1461, AC1400, LT7721448, LT7721452 (24.10), LT7721452 (27.10), LT7721454, LT7721460, LT7721466, LT7721491
Czedel(abschriften)
Eingelegte Testamentsurkunden AS1553, LT7721483, LT7721538, LT7721542
270 Elemente der Stilistik (Formulierungsmuster) i. w. S.
AS1513, AS1519
Protokolle AS
Hat gegeben AS1514 und abgetreten WEM WAS vor allen anderen
gibt sie WEM WAS nach ihrem Tode als ihrem rechten Erben Hat gegeben und gibt nach ihrem Tode
Hat gegeben und gibt Gibt nach seinem Tode
Gebe ich testamentlich
Prädikat
(Fortsetzung)
LT7721472
LT7721488
LT7721472, LT7721521
Protokolle LT772 und AC LT7721472 (24.07), LT7721494, LT7721491, LT7721498, LT7721499, LT7721500, LT7721501 (12.06), LT7721501 (05.07), LT7721511, LT7721513
AS1395, AS1438, AS1448, AS1450
Czedel(abschriften)
AS1526
Eingelegte Testamentsurkunden
Prädikate der Testamente
271
AS1473, AS1512, AS1513 (02.01), AS1513 (26.03), AS1513 (22.08), AS1513 (10.09), AS1515 (01.03), AS1515 (14.07), AS1515 (22.09), AS1516, AS1517, AS1518, AS1519 AS1515, AS1516, AS1522
Protokolle AS
Gibt und vorreicht nach seinem Tode lest WEM WAS, AS1508, AS1532 hat WAS WEM gelassen, lasse ich
Gebe und schaffe ich Gebe und verschaffe ich
Gibt und bescheid nach seinem Tode
Gibt und bescheidet
seinen Freunden Gebe und benume
Prädikat
(Fortsetzung)
AC1432, AC1436
AC1400
AC1400, LT7721460, LT7721463, LT7721500, LT7721511
LT7721460
Protokolle LT772 und AC
AC1433, LT7721463
AS1419
AS1461
Czedel(abschriften)
AS1518, AS1547
AS1546, LT7721538
AS1519
AS1508
Eingelegte Testamentsurkunden
272 Elemente der Stilistik (Formulierungsmuster) i. w. S.
LT7721538
AS1512
Eingelegte Testamentsurkunden
AS1547
LT7721513
AS1450
AS1441
Czedel(abschriften)
Schicke ich WEM WAS Übergebe ich
LT7721500
Protokolle LT772 und AC LT7721500
AS1517, AS1534, AS1534, AS1547 AS1519
Protokolle AS
Schaffe ich WEM WAS Schaffe und gebe ich
Sage ich ihn frei, quitt und ledig der Schuld in Kraft dieses Testaments setze ich WEN oblinge WESSEN
Lässt und gibt, lasse und gebe ich Lässt und gibt zu haben und zu besitzen Mache und schaffe ich WEM WAS
Prädikat
(Fortsetzung)
Prädikate der Testamente
273
will mir (…) WEN zu meinem Erben instituiert und eingesetzt haben
Verschaffe ich und gebe Will ich und mache ich, dass WER soll (teil) nehmen
Vermacht und verschreibt verschaffe ich
Übergebe ich nach meinem Tode Verleihe und gebe ich Vermacht WEM WAS
Prädikat
(Fortsetzung)
AS1507, AS1508, AS1511, AS1530
AS1522
AS1515
Protokolle AS
LT7721513
Protokolle LT772 und AC
LT7721452
AS1440
Czedel(abschriften)
LT7721513
AS1508
AS1538, LT7721514
AS1538, AS1547, AS1549, LT7721538, LT7721541, LT7721544
AS1512, AS1521, AS1540
Eingelegte Testamentsurkunden AS1521
274 Elemente der Stilistik (Formulierungsmuster) i. w. S.
Prädikate der Testamente
275
Es kommen 44 unterschiedlich ausgeprägte Prädikatsgruppen vor. Besonders zwei von ihnen sind besonders häufig. Die Mehrheit der Prädikate/Prädikatsgruppen tauchen in einem oder in ein paar Testamenten auf, nur einzelne von ihnen konnten in einer größeren Anzahl von letztwilligen Texten in dem Korpusmaterial verzeichnet werden. Am häufigsten wird die Konstruktion Subjekt + geben + Objekt umgesetzt: sie kommt in 95 protokollartigen Eintragungen vor, in 25 Czedel(abschriften) und 21 eingelegten Testamentsurkunden (oder sogar 22mal, wenn ihre erweiterte Form: gebe ich testamentlich mitgerechnet wird). Die Konstruktion Subjekt + bescheiden + Objekt kommt in 32 protokollartigen Eintragungen vor (34-mal, wenn die Konstruktionen mit der Temporalangabe nach meinem Tode mitgerechnet werden), 25-mal in den Czedel(abschriften), aber nur viermal in den eingelegten Testamentsurkunden. Die bei der Zusammenstellung der Rekorde vorgenommene Einteilung dieser nach dem jeweiligen Texttyp der Verschriftlichung der Testamente erlaubt weitere Einsichten in den Gebrauch der Prädikate, nämlich: die Phrase gibt und bescheidet wiederholt sich in 18 protokollartigen Eintragungen; jedoch sie ist nur in jeweils einem Text in den Czedel(abschriften) und den eingelegten Testamentsurkunden vertreten. Weiter lässt sich feststellen, dass einige Prädikate erst im 16. Jahrhundert in den Testamenten in Gebrauch kommen, das sind: verschaffen, übergeben, schaffen und schicken. Die zwei letztgenannten wurden in dem untersuchten Korpus nur in den eingelegten Testamentsurkunden verzeichnet. Es wurden 83 Donationsphrasen zusammengetragen, die eine dritte Person zum Ausführer der postmortalischen Übergabe der Vermögensmasse oder des Gegenstandes an einen Bedachten machen. Diese sind:
AS1516
AS1502, AS1503, AS1505, AS1506 (18.05), AS1506 (17.07), AS1508, AS1510, AS1511 (04.02), AS1511 (15.04), AS1511 (28.11), AS1513 (02.01), AS1513 (10.09), AS1515
Hat befohlen, dass WEM WAS gegeben wird Befehle ich zu teilen unter WEN
befehle ich (…) WER AS1450 WAS sollen ausrichten und wenden WOHIN Hat befohlen, dass man WEM WAS soll geben
Befiehlt auszuteilen AS1501 und zu geben Befiehlt auszurichten AS1511
Hat befohlen auszugeben Befehle auszuteilen und zu geben
Hat benumpt zu wenden Befehlt zu geben
LT7721511
LT7721511
AC1400 (ich bevele WEM WAS czu gebende), LT7721459, LT7721493, LT7721499, LT7721511
LT7721474
AS1450
AS1520
AC1400
AS1534
276 Elemente der Stilistik (Formulierungsmuster) i. w. S.
Begehre ich, dass das geteilt werde (unter WEN) Gebe man
Begehre nach meinem Tod, dass man WAS geben soll Ist mein Begehren, WEM WAS zu geben
Begehre ich, dass man WEM gebe WAS Begehre ich, dass man soll geben
AS1505
Befiehlt zu verschaf- AS1507 fen Ist mein Befehl und Willen, dass man WEM WAS geben soll
Hat befohlen zu wen- AS1512 den Befehle ich, dass man verschaffe und wende
Befehle ich und schaffe zu geben befehle ich (…) WER WAS soll wenden WOHIN
LT7721493
AS1439
AS1502
AS1547
AS1521
AS1550
AS1553
AS1538
AS1547
Prädikate der Testamente
277
Hat bescheiden, dass die Vormunde dieses Testaments das Gelt geben und wenden WOHIN
Bescheide ich zu geben Bescheide ich zu geben nach meinem Tode
Bitte ich, dass WER WEM WAS austeilt und gibt Bescheide ich auszugeben
Hat gegeben und beschieden zu geben Gibt sie WEM WAS, dass ihm das nach ihre Tode folgen soll und gegeben soll werden ohne
Gebe WER WEM WAS Hat gegeben und befohlen WEM WAS, dass man das wende WOHIN
AS1426
AS1502, AS1505
AS1500
AS1500, AS1516
AS1501
LT7721460
LT7721427
AS1428
AS1445
AS1445
AS1445
AS1451
AS1518
AS1547
278 Elemente der Stilistik (Formulierungsmuster) i. w. S.
Soll ausrichten WEM AS1507, AS1522
Soll austeilen und geben Soll man austeilen und geben
Soll austeilen WEM WAS Soll unter WEN ausgeteilt werden
Soll man anstellen WEM WAS Sollen anwenden
hat gegeben und benumit zu geben Mag geben und bescheiden WEM WAS
gebe ich WEM WAS also dass sie WEM WAS geben sollen gibt und bescheidet (…) das [die Vormunde] wenden sollen WOHIN
Bescheid ich zu geben und zu bezahlen Hat beschieden und AS1506 befohlen zu geben
AS1521
AC1516
LT7721542
AS1547
AS1548
AS1548
AC1450
AS1457
LT7721501
LT7721458
LT7721482
AC1400
AS1439
LT7721542
Prädikate der Testamente
279
Soll man geben nach meinem Tode Sollen geben
Soll man WEM frei und ledig erlassen und nicht von ihm nehmen Soll man geben
AS1438, AS1439, AS1501, AS1502 (15.03), AS1502 (27.02), AS1518, AS1520, AS1521, AS1532
AS1426, AS1473, AS1475, AS1502, AS1507, AS1508, AS1511 (04.02), AS1511 (11.03), AS1511 (15.04), AS1511 (28.11), AS1512, AS1514, AS1516, AS1519
Sollen ausrichten und AS1465, AS1512 geben Soll erblich besitzen und haben
AC1400, AC1437, LT7721458 (16.06), LT7721458 (26.08), LT7721455, LT7721459, LT7721460, LT7721476,
AC1401, AC1405, AC1437, LT7721444, LT7721451, LT7721452, LT7721457, LT7721458, (14.04), LT7721458 (unbestimmt), LT7721462 (unbestimmt), LT7721475, LT7721476 (20.09), LT7721476 (20.12( LT7721477 (01.05), LT7721477 (14.02), LT7721477 (17.06), LT7721479, LT7721482 (20.11), LT7721482 (26.12), LT7721501
LT7721507
LT7721459, LT7721460
AS1393, AS1395 (18.01), AS1395 (12.11), AS1439 (04.02), AS1439 (04.09), AS1439 (30.11), AS1441, AS1444, AS1450, AS1457,
AS1435
AS1393 (22.08), AS1393 (28.11), AS1393, AS1394, AS1394, AS1448 (23.08), AS1448 (18.10), AS1450, AS1520, AC1433, LT7721452 (24.10), LT7721452 (27.10)
AS1511, AS1512, AS1519, AS1531, AS1537, AS1540, AS1544, AS1547, AS1548, LT7721538, LT7721540
AS1508, AS1508 (19.05), AS1508 (01.09), AS1509, AS1519, AS1528, AS1534, AS1537, AS1538, AS1547, AS1548, LT7721483, LT7721507, LT7721542
AS1528
280 Elemente der Stilistik (Formulierungsmuster) i. w. S.
AS1507
AS1520
Gibt sie WEM WAS, AS1500 dass im das nach ihrem Tode folgen soll und gegeben soll
Sollen geben und vorreichen Auch hat sie gegeben und gibt WEM WAS nach ihrem Tode zu geben
Soll geben und ausrichten nach meinem Tode Sollen geben und AS1475 wenden
Soll geben WEM WAS AS1519 frei und ohne alle Widerrede Sollen geben nach AS1450 meinem Tode WEM WAS
Sollen gegeben werden
LT7721472
LT7721477, LT7721479, LT7721482, LT7721488, LT7721498 (05.04), LT7721498 (29.05), LT7721507, LT7721513 LT7721460
AS1446
AS1439
AS1477, AC1416, AC1450, LT7721452
AS1518
AS1534, LT7721514
Prädikate der Testamente
281
AS1459
AS1444, AS1461
Soll man WEM in seine eigene Hand überantworten
Soll man wenden WOHIN Soll gewandt werden WOHIN
AS1505
Soll wenden WOHIN/ AS1505, AS1519 WORAN Soll wenden und auszahlen
Sollen unter sich teilen Soll man teilen unter WEN
Sollen WAS WEM AS1458 teilen und geben Soll unter WEN teilen
Soll WEM WAS kaufen Soll lassen WEM WAS
werden ohne alle Widersprache Soll geteilt werden zwischen/in
AC1400, AC1450, AC1452, AC1476, LT7721475
LT7721458 (14.04), LT7721458 (unbestimmt)
AS1393 (A.H.), AS1393 (S.M.)
AS1448
LT7721481
AS1547
AS1508
AS1509
AS1547
AS1537, LT7721540
AS1546
AS1519
AS1521 (23.02), AS1521 (06.08), AS1544, AS1546
282 Elemente der Stilistik (Formulierungsmuster) i. w. S.
Schicke ich und schaffe ich, dass WEM WAS ausgerichtet und gegeben werden soll
Schaffe und befehle ich, dass WER geben und ausrichten sollen Schaffe zu geben
Schaffe ich, dass WER WAS ausgibt Schaffe und befehle ich zu geben
Sollen vorreichen und geben Schaffe ich, dass WER soll WAS WEM ausrichten oder geben
Soll verpflichtet sein WEM WAS zu geben Sollen verpflichtet sein WEM WAS zu geben und zu bezahlen
Soll überreichen WEM WAS Sollen sein verbunden WEM zu geben WAS
AS1532
AS1440
AC1436
LT7721513
AS1534
LT7721538
AS1519
AS1534
AS1517
AS1547
AS1547
Prädikate der Testamente
283
schick ich und schaffe ich WEM WAS zu reichen und zu geben Schicke ich und schaffe ich, dass WEM WAS ausgerichtet und gegeben werden soll LT7721513
LT7721513
284 Elemente der Stilistik (Formulierungsmuster) i. w. S.
Prädikate der Testamente
285
49 Donationsphrasen setzen die modale Konstruktion mit sollen bzw. einmal mögen + Infinitiv um. 24 weitere bedienen sich der Konstruktion zu + Infinitiv, acht Prädikatsgruppen werden in dem untergeordneten Dass-Satz mit dem Verb im Indikativ gebildet; dazu kommen noch zwei Imperative, die in einem einfachen Satz vorkommen (wie: WER gebe WEM WAS oder man gebe WEM WAS). Aus der Tabelle ist ersichtlich, dass in allen drei Texttypen der Testamente in Krakau sich die modale Konstruktion mit dem Verb sollen + Infinitiv von geben sich am häufigsten wiederholt: die Phrase Subjekt + soll/sollen + Infinitiv von geben ist in 31 protokollartigen Eintragungen der Krakauer Testamente vertreten, in 15 Czedel(abschriften) und in 13 eingelegten Testamentsurkunden; die Phrase soll/sollen + indefinites Pronomen (man) als Subjekt + Infinitiv von geben kommt in 34 protokollartigen Eintragungen vor, in 13 Czedel(abschriften) und in 14 eingelegten Testamentsurkunden. Es lässt sich auch feststellen, dass die Phrase mit dem Verb befehlen + zu + Infinitiv des Verbs geben, die sich in 18 Testamenten im Texttyp protokollartige Eintragung wiederholt, nur eine Seltenheit in den Czedel(abschriften) und in den Testamentsurkunden ist ( je in einem von diesen vertreten). Man kann weiter festhalten, dass die Verben schaffen und schicken erst im 16. Jahrhundert zum Einsatz kommen, und zwar in den eingelegten Bürgertestamenten. In 24 Testamenten kommen Donationsprädikationen auf, die sich an den Bedachten als Handelnden richten. Hierzu gerechnet werden auch die Satzperioden: Ich will, dass… Ist mein letzter Wille, dass…
AS1393
Czedel(abschriften) Eingelegte Testamentsurkunden AS1528
Soll nehmen und behalten Soll nehmen und haben
Soll frei ohne alle Hindernisse nehmen
Soll WAS nehmen für sich
WAS nehmen die die darzu Recht haben werden , Soll nehmen
Soll haben und nehmen Soll zu voraus haben
Soll WER dieselbe Macht haben die einer hat, an des Angestrobenen statt Soll haben und heben
AS1515
AS1505, AS1516
AS1519, AS1521
AS1518 AS1502
AC1511
LT7721458, LT7721465, LT7721477, LT7721498
AS1395, AS1438, AS1439, AS1451
AS1393
AS1395
AS1416
AS1393
LT7721507 AS1509
AS1512, AS1531, AS1538, LT7721483, LT7721538
AS1509
LT7721483
Soll haben und nehmen ohne alle Hindernisse seiner Kinder und Erben
LT7721544 AC1432, AC1436, AC1439: WEM sullen AS1393, AS1394, haben WAS LT7721448, LT7721475 AS1450 AC1511
Protokolle LT772 und AC
Soll WAS haben
AS1513
AS1508
Protokolle AS
soll WER frei besitzen mit erblichen Rechte Soll empfangen und einnehmen
Soll behalten Soll WAS besitzen
Mag behalten
Prädikation
286 Elemente der Stilistik (Formulierungsmuster) i. w. S.
Ist mein letzter Wille, dass WAS an WEN kommen soll WAS WER will haben erblich
Ich will, dass WER WAS haben soll Will ich, dass WER WAS haben und annehmen soll
Soll nach seinem Tode nehmen WAS soll WEM werden Will ich, dass WAS bei WEM behalten bleibt
Prädikation
(Fortsetzung) Protokolle AS
Protokolle LT772 und AC AC1436
AS1393
AS1416
LT7721514
AS1531
Czedel(abschriften) Eingelegte Testamentsurkunden AS1508 LT7721452 AS1546
Prädikate der Testamente
287
288
Elemente der Stilistik (Formulierungsmuster) i. w. S.
Es überwiegen modale Konstruktionen: Diese kommen in 19 Texten vor: in 17 mit sollen (einmal auch mit mögen und wollen). Zu den sich wiederholenden Konstruktionen gehören nun soll nehmen (in sechs protokollartigen Eintragungen, vier Czedel(abschriften) und fünf eingelegten Testamentsurkunden) und soll haben (entsprechend: in fünf Texten, in drei Texten und in einem Text). In 24 Testamenten sind weiter auch Donationsprädikationen zu finden, die die begabte Vermögensmasse bzw. einen Gegenstand zum Subjekt machen. Fast durchgehend werden solche Donationsprädikatsgruppen mit Hilfe des Modalverbs sollen + Infinitiv gebildet (eine Ausnahme ist eine direkte Imperativform).
AS1473, AS1512
Soll kommen auf WEN/WEM
Soll kommen und fallen an WEN Soll kommen und gefallen an WEN
Soll kommen und erben an WEN
AS1515 AS1515
AS1515 (03.07), AS1515 (04.07) AS1507, AS1515
Soll WEM zu gleichem Teil gehen Soll nach seinem Tode gehörten
soll WAS WEM geburenn vnnd heympfallen Soll gefallen an WEN
soll WEM folgen
Soll fallen und kommen an WEN
Soll erben und gefallen an WEN
Soll fallen an WEN
Sollen bleiben WEM zu tun und zu lassen ungehindert von niemandem Sal gebor(e)n WEM / WAS sollen geburen WEM AS1475
AS1502
Komme und erben an WEN (Imperativ)
Soll ansterben an WEN Soll WESSEN bleiben, soll WEM bleiben
Protokolle AS
Prädikation
AC1452,LT7721456
LT7721491, LT7721511
LT7721501
LT7721458
LT7721459, LT7721477
Protokolle LT772 und AC
AS1436, AS1450
AS1394
LT7721454
AS1451
AS1508
AS1519. AS1531, AS1540, AS1544 AS1508
AS1553 AS1546
AS1508, AS1540, AS1547, LT7721483
AS1519
AS1531 (26.03), AS1531 (07.11), AS1534, AS1546 AS1518
AS1531 AS1519, AS1531, AS1540, AS1544
Czedel(abschriften) Eingelegte Testamentsurkunden
Prädikate der Testamente
289
Protokolle AS
Soll WAS sterben und gefallen zu + Dat WAS soll WEM ganz und gar sein
WAS soll WEM werden WAS soll sterben an/in + AKK AS1433
Soll nach seinem Tode kommen und sterben an WEN Soll sein WESSEN AS1502 WAS soll WEM ganz und gar sein
Prädikation
(Fortsetzung)
LT7721451
Protokolle LT772 und AC
LT7721452 AS1440
AS1394
AS1528
AS1528
Czedel(abschriften) Eingelegte Testamentsurkunden AS1457
290 Elemente der Stilistik (Formulierungsmuster) i. w. S.
Die variierenden Kategorien: Personen und Tempora
291
13.5 Die variierenden Kategorien: Personen und Tempora Bereits die angeführten Tabellen zeigen, wie reichlich die Variabilität der grammatischen Formen in den Krakauer Testamenten war: Wie angedeutet habe ich jeweils die chronologisch erste Vorkommensform des jeweiligen Ausdrucks in der Tabelle erfasst. Bereits anhand dieser angeführten Prädikatsgruppen lässt sich absehen, dass die Donationsakte in unterschiedlichen grammatischen Tempora und in unterschiedlichen grammatischen Personen formuliert werden. Zur Wahl stehen: Präsens, Präteritum und Perfekt, die alle in dem futurischen Bezug verwendet werden, was sich aus der Tatsache ergibt, dass das Testament erst nach dem Tod des Testierers seine Rechtskraft erhielt. Explizite zeitliche Bezüge in Richtung Zukunft bilden modale Konstruktionen mit dem Verben sollen, vereinzelt auch mögen und wollen. Angetroffen werden konnten auch Prädikatsphrasen, deren Teile in unterschiedlichen Tempora stehen, es handelt sich hier um die Doppeltformen hat gegeben und gibt. Die Wahl zwischen Präsens, Präteritum und Perfekt betrifft nur die erste und die zweite Gruppe der Prädikationsphrasen, also wenn die Formulierung dieser sich direkt aufs Agieren des Testierers bezieht (er gibt jemandem etwas nach seinem Tode oder beauftragt einen Dritten, dem Bedachten nach seinem Tode etwas zu geben). In der dritten und vierten Gruppe, in denen sich die Prädikatsphrasen auf den Bedachten bzw. auf das Erbe (Vermögensmasse) oder den Erbteil (Gegenstand) direkt bezieht, sind die Vergangenheitstempora ausgeschlossen. Der Wechsel der Tempora kann auch weiter zur Identifikation zwischen dem Kerntext der Eintragung und den Paratexten beitragen, was im Kapitel zu den Paratexten bei den Czedelabschriften en detail gezeigt wurde. Was die Personenwahl anbelangt, hat es auch nur in den zwei ersten Gruppen einen Sinn, danach zu fragen, ob die Verschriftlichung des Donationsaktes in einer direkten Form (erste Person, ich) oder durch den Ausführer der Schreibaufgabe umformulierten indirekten Form (dritte Person, er/sie) erfolgte. Die mündliche Aussage des Testierers muss in der 1. Person Singular im Präsens erfolgt sein. In der Gruppe drei und vier handelt es sich stets um die dritte Person, da sich der Donationsakt auf einen Dritten bzw. auf eine Sache als Agens bezieht. Gezeigt wird weiter, wie die Wahl des jeweiligen Texttyps der Verschriftlichung der primär mündlichen sozialen Handlung auf ihre grammatische Ausformulierung eingewirkt hat. Offensichtlich bestätigt sich die vorausgesetzte Annahme, die Czedel(abschriften), die in Form eines Schreibauftrags durch einen privaten Schreiber ausgeführt wurden, lösen andere Textmuster, nämlich die protokollartigen Eintragungen, die die Aussage der Testierers vor dem Gremium oder den Vertreter der jeweiligen Behörde schriftlich festhalten, ab. Außer Acht gelassen werden bei der Zusammenstellung und einer eingehenden Analyse die einge-
292
Elemente der Stilistik (Formulierungsmuster) i. w. S.
legten Testamentsurkunden, was seinen Grund darin hat, dass diese immer in der 1. Person Singular formuliert werden. Protokolle
Czedel
AS
LT772
AC
AS
LT772
AC
1.Person 3.Person
8 69
25 54
1 17
55
9 4
3 3
Gemischt Grammatische Tempora
7
9
1
3
Präsens Präteritum
11 1
25 1
3
52
5
2
Perfekt Präsens und Präteritum
14
11 4
6 1
Präsens und Perfekt Präteritum und Perfekt Präsens, Präteritum, Perfekt
50 5 3
40 4 3
8 1
Grammatische Personen
1 1 6
5 2
2 1
Während also in den Czedel(abschriften) meistens die ursprüngliche grammatische Form der Aussage in den betreffenden zwei Kategorien bewahrt wird (vgl. v. a. die Czedel in den AS, die fest durchgehend in 1. Person Singular im Präsens formuliert sind), ist die Variabilität in den protokollartigen Eintragungen viel größer, mit der Tendenz, die primär 1. in die 3. Person umzuwandeln. Auch in den Protokollen überwiegen Präsens bzw. Präsens und Perfekt, die in den Texten einander ablösen können. Überraschend wirken Unterschiede zwischen den Eintragungen in verschiedenen Stadtbuchreihen, die auch innerhalb eines Texttyps notiert wurden. Diese kommen nicht nur in den Protokollen vor, was schon an sich überraschend wirkt, da nicht nur anzunehmen ist, dass dieselbe Kanzlei nicht nur beide Ämter bediente, sondern auch in den Czedel(abschriften), die doch meistens auswärtig angefertigt wurden und in der Kanzlei nur abgeschrieben. Zu den wichtigsten Unterschieden in Bezug auf die jeweiligen Behörden gehört Folgendes: 1. in dem Liber Testamentorum wurde ein Drittel der Protokolle in der ich-Form formuliert, während dies in den Gerichtsakten eine Seltenheit war (in acht von 84 Texten), 2. Ein beachtlicher Teil der Czedel(abschriften) in den Ratsbüchern wurde in der 3. Person Singular formuliert, während dies in den Testamenten dieses Texttyps in den Gerichtsbüchern nicht vorkommt. Die Frage, ob separate Textmuster für die Ratsbücher und separate für die Gerichtsbücher existierten, liegt im Unsicheren – die notierten Unterschiede sind aber eine Tatsache. Was die Unterschiede in den grammatischen Formen der Abschriften von Testamentsvorlagen (Czedel) anbelangt, kann dagegen eine Vermutung bestätigt werden,
Die variierenden Kategorien: Personen und Tempora
293
dass diese bei der Eintragung in die Ratsakten umgewandelt wurden. Warum aber sollte dies nur bei einem Teil der Vorlagen geschehen, und warum handelte es sich nur um die Eintragungen in den Aktenbüchern des Rates? Diese Fragen müssen unbeantwortet bleiben. In insgesamt 20 Texten der Protokolle und Czedel(abschriften) konnte festgestellt werden, dass die grammatische Person innerhalb eines Textes variiert, was wohl durch Fehler des Kanzleimitarbeiters verursacht worden ist. Die Frage, warum innerhalb eines Textes häufig unterschiedliche grammatische Tempora umgesetzt wurden, ist in einem Teil der Fälle funktional zu erklären. Im Kapitel zu den Paratexten bei den Czedeln(abschriften) wurde en detail gezeigt, wie der Wechsel der grammatischen Person und des Tempus’ zur Abgrenzung des hinzugefügten Paratextes als eine Verschriftlichung einer zusätzlichen Handlung von dem Kerntext der abgeschriebenen Testamentsvorlage dienen konnte. Auch die protokollartigen Eintragungen, die en bloc einheitlich von einem Kanzleimitarbeiter formuliert wurden, variieren zum Teil zwischen den Tempora, was sich besonders auf Präsens und Präteritum bezieht. Man kann die Tendenz feststellen, die Handlungen Dritter auch inmitten eines einheitlichen Textes im Perfekt zu verschriftlichen (vgl. bspw. die Abtretung der Morgengabe inmitten des Testaments: ASX 06. 10. 1519 oder: ASVII 08. 04. 1450, wo die Bedachte zu Wort kommt). Oft ist dies gegen Ende der Eintragung der Fall, wo aber nicht nur Handlungen Dritter, sondern auch/oder allein einige Klauseln, wie die Herrschafts- und Veränderungsklausel, stehen können (vgl. bspw. ASX 22. 08. 1513). Auch der Anfang (Anfangsteile der Czedel) steht in manchen Fällen im Perfekt, während der Kerntext im Präsens vorkommt (vgl. bspw. ASVI 02. 10. 1439). Andererseits aber konnten Verschriftlichungen festgestellt werden, die gegen Ende den Tempus Perfekt gegen Präsens ablösen, vgl. bspw. ASX 09. 05. 1518 oder ASX 30. 10. 1514: Im zweiten Fall steht die Herrschaftsklausel am Ende im Präsens, was einer im heutigen Deutsch vermuteten Tendenz zum Tempuswechsel am Anfang und am Ende eines Textes in der umgekehrten Richtung entgegensteht. In den meisten Fällen resultiert die Varianz zwischen den Tempora aus der Tatsache, dass in einem Teil der Texte performative Donationsakte im Präsens und assertive Akte – wie Bekenntnisse oder Berichte über früher vorgenommene sozialen Handlungen – im Perfekt formuliert werden (vgl. bspw. ASIX 02. 09. 1500) oder sie unmotiviert ist (vgl. bspw. ASVIII 01. 06. 1473, wo alle drei in Frage kommenden Tempora variieren). Die einführenden Paratexte der Behörde stehen meistens im Perfekt.
294
Elemente der Stilistik (Formulierungsmuster) i. w. S.
13.6 Latein in den deutschen Eintragungen Bereits das erste erhaltene Krakauer Stadtbuch beinhaltet Eintragungen auf Deutsch, was in der vorliegenden Studie bereits erwähnt wurde (vgl. den theoretischen Teil der vorliegenden Studie). Es handelt sich nicht nur um Abschriften der von den Bürgern eingebrachten Vorlagen (bspw. testamentarischen Czedel), sondern auch um Verschriftlichungen der vor dem Gremium vorgenommenen sozialen Handlungen, die von einem Kanzleimitarbeiter in ihrem Wortlaut formuliert waren. Nach einer aufoktroyierten Pause im Gebrauch des Deutschen wurde dann Latein zur einzigen Amtssprache. Mehr Untersuchungsmaterial bietet sich für einen germanistischen Sprachhistoriker erst ab Ende des 14. Jahrhunderts. Die nachfolgenden Bemerkungen zu der Verflechtung von Latein und Deutsch ergänzen das bereits im theoretischen Teil der vorliegenden Studie Gesagte. Bei der Untersuchung der Struktur und der Formulierung ist festgestellt worden, dass viele Testamente in ihrem Wortlaut lateinische Wörter und Phrasen einflechten. Zu den lateinischen Stammelementen gehören v. a. die den Text organisierenden Gliederungsausdrücke wie Item, aber auch einige Wörter und Wendungen, die sich in mehreren Texten wiederholen, wie bspw. tenere, was für halten/besitzen/Verpflichtet sein (in Bezug auf eine Geldsumme) steht. Im Fall der Czedel(abschriften) kann der Wechsel zwischen Deutsch und Latein zur Abgrenzung von Paratexten beitragen, also Teiltexte der Eintragung markieren, die vom Kanzleimitarbeiter an die Abschrift der Vorlage angeschlossen wurden. In den protokollartigen Eintragungen wirkt dagegen ein solcher Sprachwechsel inmitten eines Textes unmotiviert. Auf Latein erscheinen meistens, wenn überhaupt, die Herrschafts- und Veränderungsklausel und/oder die Wahl der Exekutoren/Vormunde (vgl. auch die nachfolgenden Kapitel). Das am meisten mit lateinischen Einsprengseln beladene, man kann sagen zweisprachig formuliert Testament ist LT772 11. 01. 1439: »Nicolaus Blumme(n)tal der Botn(er) hot sey(n) testament in der weysen gemacht Czum irste(n) hot her bescheiden mathis seynem bruder son alle werg geczew das czu dem hantwerg gehort und alle seyne h[…]gewed Ite(m) ad sanctu(m) Stefa-nu(m) xii m […]r Item ad sancta(m) mariam ad novum Claustrum v m[…]r ad edificato(rum) Item ad hospitale pauperibus x m[…]r Ite(m) ad setaz256 sanctani maxiam in c[…]tulo x m […]r Item katherine uxori sue vor ire morgengobe xx m[…]r d Ite(m) eidem vxori tunicam rubeam und eyn korse et palium rubeum und Ab257 zu ir doran genugen Ite(m) her hot bekannt das her nicht me bey yin hette wenne iii g[…] Ite(m) in tutores elegit domi(ni) Cuncze domi(ni) Wersink et totum Co(n)sulatum und der aller ding be-
256 Der Kürzungsstrich weist auf eine Kürzung hin, die mir aber nicht bekannt ist. 257 Vielleicht auch »Ob«.
Latein in den deutschen Eintragungen
295
helt her yn dy hirschaft der weyle her lebet p(rese)nte d(omi)no Johanne weynke p(ro)co(n)sule Nicolao wirsing et Cuncze korschnerv […]«.
Diese Eintragung wirkt einzigartig auch aus dem Grund, dass sowohl ihr vorausgehende als auch nachfolgende Testamente meistens einsprachig formuliert wurden und nur vereinzelt lateinische Elemente enthalten. Es kann nicht behauptet werden, der Kanzleimitarbeiter kannte die deutsche Entsprechung der Wörter und Wendungen nicht, da er sowohl im kanzlarischen Diskurs verwurzelt war (ihm mussten auch alle drei Verkehrssprachen Krakaus geläufig gewesen sein) als auch wahrscheinlich selber Texte mit Umsetzung solcher formulierte (was auch anhand der Handschrift der jeweiligen Texte im Stadtbuch zu vermuten ist). Die Übersetzungsschwierigkeiten waren also nicht der Grund, warum es in einigen Texten zur Variation des Sprachwechsels kam. Man kann vielmehr von der Zweisprachigkeit der Kanzleimitarbeiter sprechen, für die es kein Problem war, Deutsch und Lateinisch zu schreiben und zu lesen. Sie wählten deshalb aus Versehen oder aber strategisch als Telegrammstil die lateinische Variante (zu erinnern ist an die reichlich im Lateinischen vorhandenen Kürzungen und Ligaturen). Die Paratexte der Behörde, besonders aber die den Rest der Eintragung (den Kerntext) überschreibenden Supratexte, wurden fast durchgehend auf Latein formuliert. Als Ausnahme kann man die zwei Kleintexte bei den Eintragungen mit Czedel(abschriften) in LT772 19. 02. 1454 und LT772 27. 09. 1464 sehen. Üblicherweise wurden auch deutsche Namen mit entsprechenden Endungen latinisiert, vgl. bspw. peter hirsberg wurde zu petrus hirsberg (ASVI 10. 06. 1440), nicht selten (aber auch nicht durchgehend) wurden in den Supratexten die Berufe übersetzt: vgl. bspw. S1: Nicolaus Brenner Aurifaber, S2: nicolaus brenner aurifaber n(oste)r concivis, T: niclos Brenner goltsmed (vgl. protokollartigen Eintragung LT772 22. 11. 1463). Während alle Texttypen der Krakauer Testamente einige lateinische Einsprengsel enthalten, sind es nur protokollartige Eintragungen, die teilweise einige charakteristische Sinnelemente der Textsorte im deutschen Kerntext auf Latein formulieren: zehnmal die Herrschafts- und Veränderungsklausel, neunmal die Ernennung der Vormunde/Exekutoren und dreimal die Phrasen in Bezug auf die Testierfähigkeit.
296
Elemente der Stilistik (Formulierungsmuster) i. w. S.
13.7 Bezeichnung der Textsorte / des rechtlichen Charakters der sozialen Handlung Die Erwägungen hierzu wurden bereits in früheren Analysen der vorliegenden Studie verstreut ausgeführt, nämlich immer dann, wenn es um die Identifizierung der Texte als Vertreter der Textsorte ging. Die primäre Funktion der Bezeichnung der Textsorte ist die Bezeichnung der sozialen Handlung, die unternommen wurde. Diese geht dann über auf die Bezeichnung von deren Verschriftlichung. Im Korpusmaterial werden in Bezug auf die den Gegenstand der Untersuchung betreffende Textsorte auch im heutigen Deutschen verwendete Begrifflichkeiten »Testament« und »letzter Wille« verwendet. Wie aber bereits in vorausgegangenen Kapiteln mehrfach gezeigt wurde, war die Einsetzung dieser Begrifflichkeiten kein eindeutiger Beweis, dass es sich um ein Testament handelte. Der Charakter der Handlung konnte auch – obwohl selten – entweder in einer umschreibenden Weise festgehalten werden oder lediglich aus dem Kontext zu supponieren sein. Anders gestaltete sich die Lage bei den Vergabungen des Todes wegen: Im Fall dieser Textsorte wurde meistens keine Textsortenbezeichnung verwendet, es sei denn, es wurden irrtümlich die Begrifflichkeiten eingesetzt, die auf ein Testament hinweisen sollten. Lediglich in ein paar Juxtatexten wurden die spezifischen Termini »Donatio« bzw. »Resignatio« (mutua) verwendet (vgl. das Kapitel zu den Vergabungen des Todes wegen). Ob aber ein Text einen testamentarischen Charakter hatte (unabhängig davon, ob es sich um ein Testament oder um eine Vergabung des Todes wegen handelte), ist letztlich unsicher nur auf Grund des Donationsaktes zu entscheiden. Unten wurden die deutschen Bezeichnungen der Textsorten (die in den Kerntexten auftauchen) in der Reihenfolge ihrer Häufigkeit zusammengestellt: In den Czedel(abschriften) kommen in den Anfangssequenzen solche Begrifflichkeiten vor: Testament und letzter Wille (zehn), Testament und Schickung des letzten Willens (neun), Testament (sieben), letzter Wille (sechs), Testament und letzter Wille und Seelgerät (eins), Schickung und letzter Wille und Testament (eins), letztes Testament (eins), Testament und letzte Begehrung (eins). In den Protokollen notiert wurden in den anfänglichen Teilen folgende Bezeichnungen: Testament und letzter Wille (47), letzter Wille (21), Testament (14), Testament und Schickung des letzten Willen (elf), Testament und Ordnung (seines) letzten Willens (acht), Testament und Wille (eins), ein Beschied (eins), Testament und Ordnung (seines) letzten Willens und Teilung der Güter (eins), Testament und Ordnung (ihres) letzten Willens und Geschäfts (eins), letzter Wille und Testament oder der Güter Teilung (eins), Schickung und Bereitung des letzten Willens und Testaments (eins), letzter Wille und Schickung der Habe
Die Namen und Bezeichnung der Testatoren
297
(eins), letzter Wille und Ordnung von den Gütern (eins), Testament und letzter Wille und Ordnung von den Gütern (eins). In den eingelegten Testamenten konnten in der Narratio folgende Begrifflichkeiten in Bezug auf die Textsorte festgestellt werden: Testament und letzter Wille (25), letzter Wille (acht), Testament (sieben), Testament und Ordnung meines letzten Willens (zwei), Testament (…) meine Ordinatio und Schickung meines letzten Willens (eins), Testament und meines Willens beständige Anzeigung (eins), letzter Wille und Verordnung (eins), Geschäft meines letzten Willens (eins), Testament und Schickung meines letzten Willens (eins). In allen drei Texttypen der Testamente belegt die erste Stelle in der Vorkommenshäufigkeit der Ausdruck Testament und letzter Wille bzw. letzter Wille und Testament (die durch weitere Elemente bereichert werden konnte, wie die Possessivpronomina, die in den Zusammenstellungen teilweise der Übersichtlichkeit halber übergangen wurden). In den Paratexten der Behörde (darunter auch Supratexten und Juxtatexten) überwiegt dagegen die Begrifflichkeit Testament bzw. Testamentum (176-mal; in einigen Fällen wird in einer Eintragung mal die lateinische und mal die deutsche Version umgesetzt), gefolgt von dem oft verwendeten Ausdruck Testament und letzter Wille / Testamentum et ultima voluntas (31-mal). Andere mögliche Begrifflichkeiten und Ausdrücke kommen nur vereinzelt vor (letzter Wille und Seelgerät, disposicio et donacio, Testament und Schickung des letzten Willens, ordinatio, letzter Wille, letztes Geschäft, Geschäft und letzter Wille). Die Rechtshandlung wird durch die Benennung des Rechtsinstituts (die dann als Textsorte in einer verschriftlichten Form fungiert) und entsprechende Verben, die ihren Vollzug ausdrücken. Zu diesen Verben in den deutschen Ausdrücken gehört hauptsächlich machen und – falls dieses Verb nicht umgesetzt wird – machen und verschaffen (siebenmal), machen und ordnen (sechsmal), verordnen (fünfmal), verordnen und machen (zweimal), für sich nehmen (zweimal), beschreiben lassen (zweimal), beschreiben (zweimal), tun (einmal), verschaffen und verordnen (einmal), schicken und machen (einmal), offenbaren (einmal), bemelen (einmal), schreiben (einmal), aber auch dreigliederige Ausdrücke wie: bestellen schicken und ordnen (einmal) und: setzen, schicken und ordnen (einmal).
13.8 Die Namen und Bezeichnung der Testatoren Da es sich um eine Zeit handelt, in der die Familiennamen noch nicht (immer) festgelegt waren, wurden von mir in der Zusammenstellung alle Bestandteile der Ausdrücke, die zur Identifikation des jeweiligen Testierers beitragen sollten bzw. als von einem gesellschaftlichen Belang angeführt wurden, zitiert. Dabei wurde
298
Elemente der Stilistik (Formulierungsmuster) i. w. S.
jeweils darauf geachtet, wie sich der Testierer selbst bezeichnet (in den abgeschriebenen Texten der Czedel und der eingelegten Testamente) und wie ihn die Behörde spezifiziert. Auch wenn ein großer Teil der Namen und namensartigen Ausdrücke der männlichen Testierer dem heutigen Begriff des bürgerlichen Namens ähnelt, finden sich in dem Korpusmaterial drei andere Möglichkeiten der Identifizierung der Person und zwar durch die Angabe des Wohnortes (1), des Berufs (2), der Verwandtschaftsbeziehungen (3) oder des gesellschaftlichen Titel (plus Verwandtschaftsbeziehungen (4). (1) ASIII 15. 05. 1394, in dem sowohl in dem Text des abgeschriebenen Czedels als auch im Paratext der Behörde nur der Vorname und der Wohnort zu finden sind: AV: Laurencius in plathea s(anc)te An(n)e T: lorencz der do is wone(n)de of sente Anne(n) g[assen] an der ecken ken sen[te] Anne(n) kirche obir. (2) ASVI 04. 09. 1439, in dem in dem Text des abgeschriebenen Czedels über den Testierer ausgesagt wird: AT: lorencz der vorspreche (3) ASIX 03. 11. 1501, in dem in dem Text der protokollartigen Eintragung der Testierer von dem Kanzleimitarbeiter folgend bezeichnet wurde AT: Johannes peter tisschlers zon (4) AC434 02. 09. 1522: AT: der Erhafftige Joannes Antoniu(us) Baccalarius yn dene sibe(n) freye(n) ku¨nsten. ettwe(n) des h(e)rrn Antonij goltschmids von Caschaw son In allen übrigen Testamenten ist die Bezeichnung des Testierers das heute übliche Schema: Vorname + Familienname (bzw. namenartige Bezeichnung). Dabei ist festzuhalten, dass die Angabe des Berufs, falls sie unmittelbar beim Vornamen steht, der Identifizierung der Person dient vgl. bspw. ASVI 09. 09. 1440 AV und AT: Lorencz vorreder, ASX 10. 09. 1513, AT: Lorencz Blechmey¨ster oder AT: ASX 01. 03. 1515 Niclos Schneider. Eine sichere Feststellung, ob es sich um einen Familiennamen (also Personenbezeichnung, die von dem Vater auf die Kinder vererbt wird) handelt, oder um eine durch den tatsächlich ausgeübten Beruf
Die Namen und Bezeichnung der Testatoren
299
präzisierte Personenbezeichnung, bleibt häufig unentschieden, da die Namen der Vorfahren und Nachfahren meisten unbekannt bleiben. Das Schema Vorname + Familienname/Personenbezeichnung kann und wird in den meisten Testamenten durch zusätzliche Elemente bereichert, die v. a. der Angabe des gesellschaftlichen Status des Testierers dienten, seltener der Verwandtschaftsbeziehungen oder des vorigen Wohn- bzw. Stammortes (wenn es sich also um zugezogene Testierer handelte oder solche, die nur zeitweise in Krakau weilten), ganz selten des Wohnortes innerhalb Krakaus. Der gesellschaftliche Status kann auf mannigfaltige Weise ausgedrückt werden: durch die allgemeinen Anredeformen/Titel, die die Zugehörigkeit zu höheren Schichten der Gesellschaft angeben: Herr/Frau, dominus/domina und/ oder durch die mit einer gesellschaftlich beladener Bedeutung versehener Adjektive wie: ersam, erbar, famatus, vorsichtig bei Frauen: erhrenhaft, honesta, tugendsam. Weiter haben ähnliche Funktion auch Angaben zu dem ausgeübten Beruf (besonders wenn es sich um Mitglieder einer Zeche handelt) oder die Angabe zur Bürgerschaft in der Stadt Krakau (die nur einem überschaubaren Teil der Gesamtbevölkerung zuteil war). Festgestellt werden konnte zudem, dass es häufige Unterschiede gab zwischen den Testierbezeichnungen in der abgeschriebenen Vorlage und den Paratexten des Amtes. Auch waren die Angaben innerhalb der protokollartigen Eintragungen in den einzelnen Teiltexten unterschiedlich, also anders als in dem Kerntext und anders als im einführenden Paratext. Während aber die Unterschiede im erstgenannten Fall dadurch erklärt werden können, dass die betreffenden Texte durch zwei Schreibaufgabeausführer zustande kamen (den privaten Schreiber und den Kanzleimitarbeiter), sind die Divergenzen in der umgesetzten Bezeichnung des Testierers im zweiten Fall ungeklärt. Man könnte sich in Bezug auf die Unterschiede, die sich in der Bezeichnung der Testierer zwischen den eingebrachten Vorlagen und den Paratexten fragen, welche Angaben für den jeweiligen Testierer von Belang waren und welche hingegen die Behörde für wichtig hielt. Bei Kenntnis der Belege (siehe die Zusammenstellungen in den Tabellen) kann man annehmen, dass die Paratexte der Behörde die Angaben der Vorlagen entweder wiederholen oder ergänzen oder aber auch in verkürzter Form wiedergeben, vgl. bspw.: ASVII 26. 06. 1451 (Eintragung mit Czedelabschrift): S: Nicolaus Newmeister AT: Nicolaus der Salomean , eidem ecwen Vndirstatschreib(er) czu Crac(ow) Man kann vermuten, dass es für die Kanzleimitarbeiter wichtig war, dass alle wichtigen und zur Identifizierung und gesellschaftlichen Präzisierung des Testierers Angaben an wenigstens einer Stelle im Kontext der Eintragung als
300
Elemente der Stilistik (Formulierungsmuster) i. w. S.
Großtextes genannt werden. Die Vermutung, dass die Paratexte der Behörde mehr auf die soziale und gesellschaftliche Stellung des Testierers ausgerichtet sind als die eingebrachten Vorlagen, ließ sich aber nicht bestätigen, was u. a. folgende Beispiele sowohl vom Anfang als auch vom Ende der untersuchten Periode belegen: ASIII 28. 11. 1393 (eine Eintragung mit Czedelabschrift): AV: Martin(us) Junge T: der erbar man mertin iu(n)ge ASX 18. 07. 1519 (eine Eintragung mit eingelegter privater Testamentsurkunde): AV: Nicolaus schillingk T: Niclos Schillingk burger wnd Rothman czw Krakaw In beiden angeführten Testamenten wird in den abgeschriebenen Testamentsvorlagen mehr über den Testierer ausgesagt als in den ihnen vorausgehenden Paratexten. Die Namen bzw. namenartige Bezeichnungen der Frauen beziehen sich meistens auf die namenartige Bezeichnungen der Ehemänner, die dann die Endung -inne bekommen, die innerhalb des 15. Jahrhunderts und fast durchgehend im 16. Jahrhundert durch die Endung -in ersetzt wird (noch am Anfang des Jahrhundert finden sich beide Formen in protokollartigen Eintragungen, vgl. die Zusammenstellungen im Anhang). Die Vornamen der Frauen können mit oder ohne den Vornamen des Mannes stehen, vgl. bspw.: ASVI 27. 05. 1440 Dorothea Stelmacherynne vs. ASVI 21. 10. 1446 kath(er)ina fritcze platnerin. Anders wurden in manchen Testamenten die Witwen bezeichnet, d. h. die Frau bekam nicht die erwähnte Endung, vgl. bspw. ASV 23. 08. 1419: Clara Jacobs Rolle witwe (im Paratext der Behörde: Clara Jacobi Rolle Rel(i)c(t)a). Mit der Zeit wurden auch polnische Endungen eingesetzt, die die den Familienstand der Frau ausdrückten, was wieder einmal besonders im 16. Jahrhundert sichtbar ist, wobei auch deutsche Namen auf diese Weise behandelt wurden vgl. bspw. einen Paratext des Behörde (Juxtatext): D(omi)na Catharina Strauszowa vs. die Bezeichnung der Testiererin in der abgeschriebenen Testamentsurkunde: Catherina Jorge Straußyn verlossene Wytfe (ASXIII 16. 04. 1546/28. 07. 1546). Weiter kann man auch auf einen weiteren Beleg aufmerksam machen, in dem im Paratext der Behörde die Testiererin nach ihrem Vater mit der typisch altpolnischen Endung -anka benannt wurde (es handelte sich um eine unverheiratete Frau): dye Erennthaffte vnd toguntßame jungffraw Catherina Regulanka (LT772 24. 11. 1541).
Testierfähigkeit
301
13.9 Testierfähigkeit Die Testierfähigkeit umfasst nicht nur die körperliche und geistige Gesundheit, sondern auch die Volljährigkeit, die allerdings jedoch nur einmal im Korpusmaterial erwähnt wird (AC432 20. 08. 1516). Üblich war auch die Angabe des gesundheitlichen Zustands, etwas häufiger in den protokollartigen Eintragungen als in den (zeitlich frühen) abzuschreibenden Vorlagen (mitgerechnet wurden deutsche Phrasen): in 16 der 74 Czedel(abschriften) (dazu zusätzlich in 14 der den Czedelabschriften vorausgehenden Paratexten der Behörde, einmal doppelt), 101 der Kerntexte der Protokolle (dazu in 17 Paratexten der Behörde, den Supratexten), in 35 der 50 privaten Testamentsurkunden (einmal in dem Paratext der Behörde). Nur in einem Teil der Texte wurde sowohl die geistige als auch die körperliche Verfassung angegeben, nicht selten auch in einer negativen Form (wie krank oder schwach, dann meist in Form eines Konzessivsatzes). Unten ist zusammengestellt, welche Elemente die entsprechenden Ausdrücke der Kerntexte in den jeweiligen Texttypen umfassten. Es sind Sinnelemente der entsprechenden Ausdrücke in Aufteilung auf die drei Texttypen (entsprechend: Czedel(abschriften), Protokolle und eingelegte Testamentsurkunden) aufgelistet, in der Reihenfolge der Häufigkeit ihres Vorkommens. Ersichtlich ist die Mannigfaltigkeit der verwendeten Ausdrücke. Nur selten wiederholen sich diese, wie das zwölfmal beim Konzessivsatzes mit den Elementen: schwach + mit guter Vernunft + wohlbedacht in den protokollartigen Eintragungen der Fall war. Es lässt sich feststellen, dass Konzessivsätze eine Besonderheit dieser durch die Kanzleimitarbeiter angefertigten Testamente sind (Sie kommen in den Czedelabschriften gar nicht vor.). Es fällt auch bei der Bewertung der untersuchten Belege die Tatsache auf, dass negative Formen der Testierfähigkeit in Bezug auf die körperliche Gesundheit erst gegen Ende des 15. Jahrhunderts zum Einsatz kommen. Diese vorläufige Konstatierung hält aber nicht stand, wenn lateinische Formeln im Umfeld dieser Texte (insbes. in Paratexten) mitbetrachtet werden; in diesen wird die körperliche Gebrechlichkeit wesentlich früher eingesetzt (um die Hälfte des Jahrhunderts). Mit der Zeit erfahren auch die Testierfähigkeitsphrasen eine Erweiterung um neue Elemente, die bisher nicht eingesetzt wurden, was aus dem Beispiel der drei Texttypen sichtbar ist – die meisten von ihnen sind aber nur Einzelerscheinungen (vgl. bspw. mit frischem Gemüt und Herz).
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Gesunder Leib (volle/gute/ gesunde) (wohlbedachter) Mut Guter Wille Ungezwungen Wohlbedacht frisch Vernunft +
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1 1
1 1
1 1
1 1
2 2
4
gesund Konzessiv Zahl
302 Elemente der Stilistik (Formulierungsmuster) i. w. S.
+
+
Gesunder Leib
+
Guter (freier) Wille
+
Guter /witziger Rat
+
Ungezwungen/ ungenötigt/ gutwillig
+
+
wohlbedacht
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+
+
+
+
+
krank
+
sitzend
+
In dem Sichbette
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Konzessiv
4
4
4
5
5
6
6
6
6
12
Zahl
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2
3 +
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schwach
3
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gesund
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Frisch
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Frisches Gemüt und Herz
+
Gesundes Gemüt
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Gutes Vernehmen
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(wohlbedachter) Mut/ (wohlbedachtes) Gemüt
+
+
+
+
(volle/ gute/gesunde/ gesunde) Vernunft
Testierfähigkeit
303
+
Gesunder Leib
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+
+
wohlbedacht
Frisch
+
+
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+
gesund
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schwach
+
krank
+
sitzend
+
In dem Sichbette
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Konzessiv
1
1
1
1 1
Zahl
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1
1
1
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1
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Ungezwungen/ ungenötigt/ gutwillig +
1
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Guter /witziger Rat
+
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Guter (freier) Wille
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+
+
Frisches Gemüt und Herz
+
Gesundes Gemüt
+
Gutes Vernehmen
+
(wohlbedachter) Mut/ (wohlbedachtes) Gemüt +
+ +
(volle/ gute/gesunde/ gesunde) Vernunft
(Fortsetzung)
304 Elemente der Stilistik (Formulierungsmuster) i. w. S.
+
+
+
+
+
Gesunder Leib
+
+
Genugsame/ Gute Betrachtung
Gesun des Gemüt
Firsches Gemüt und Herz
+
Guter (freier)WWille
+
+
Guter/ witziger Rat
+
+
Ungezwungen/ ungenötigt/ gutwillig
wohlbedacht
frisch
+
gesund
+
schwach
+
krank
sitzend
in dem Sichbette
+
Konzessiv
2
2
2
3
6
Zahl
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2
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1
1
1
1
1
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1
1
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1
1
2
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Gutes Vernehmen
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(wohlbedacht/ witzig) Mut/Gemüt/ Sinn
(volle/ gute/gesunde/ genugsame/geschickte) Vernunft +
Testierfähigkeit
305
306
Elemente der Stilistik (Formulierungsmuster) i. w. S.
13.10 Herrschafts- und Veränderungsklausel Die Herrschafts- und Veränderungsklauseln gehören in den Krakauer Testamenten zu häufigen, jedoch nicht obligatorischen Elementen, da die Möglichkeit eines Widerrufs der testamentarischen Bestimmungen in dem Rechtsinstitut selbst begründet ist. Sie findet sich in 62 der untersuchten 74 Czedel, in 137 der 190 Protokolle und in 32 der 50 eingelegten Testamentsurkunden. In einem der Testamente wird – entgegen der Rechtstradition – die Veränderungsoption ausgeschaltet. Diese Klausel bezieht sich aber nur auf die Zinsen zugunsten der Kirche, die also als eine Gabe zu Lebzeiten des Vergabenden verstanden werden kann: »[…] gibt h(er) mit der tat keyne hirschaft im doryn behaldinde […]« (LT772 13. 01. 1443). Solche Vergabung kann aber nach Einverständnis mit dem Vergabten zurück in die Gesamtmasse fallen, über die der Testierer bis zur Öffnung des Testaments nach seinem Tod verfügen kann, vgl.: »Item so beheldit her Im dy hirschaft in desim testament dy weile her lebit mit voryowortunge frawen vrsule homanynne dy Iren guttin willen dorczu gap von etlicher obgeschrebin guttir wegin dy ir mit der tat gegebin seyn […]« (LT772 25. 08. 1459).
Eine Ausnahme von der Veränderungsklausel bildet eine auf Dritte delegierte Macht, die testamentarischen Verfügungen nachträglich, bereits nach der Eröffnung des Testaments zu ändern. Solches war aber nur für den Fall vorgesehen, dass die Verfügungen nicht mit den gültigen Rechtsnormen übereinstimmen sollten, vgl.: »It(em) obir dise alle ding hat h(e)r paulus seinen vormu(n)d(en) beuol(e)n, ap h(e)r etwes in desim testament nicht mit rechte gemacht hette, das mog(e)n sy wandiln noch ir(e)m best(e)n dirkentnisse, vnd das hat h(e)r yn volle macht gegeb(e)nn.« (LT772 09. 05. 1474).
Eine solche Lösung, obwohl in einer protokollartigen Eintragung enthalten, also durch die Kanzleimitarbeiter adnotiert ist, ist eine Ausnahme. Meistens bezog sich die Herrschafts- und Veränderungsklausel auf den Testierer und seinen freien Willen, der bis zu seinem Tod geändert werden konnte. Unten habe ich in drei Tabellen – jeweils für die Czedel(abschriften), die Protokolle und die eingelegten Testamentsurkunden die umgesetzten Phrasen aufgelistet, in der Reihenfolge der Häufigkeit des Vorkommens:
2
(sich) die Herrschaft behalten
Sich die Macht behalten Mächtig sein
Ein Herr/ eine Frau sein (sich) die Herrschaft und die Macht behalten
Nur Prädikatsrahmen
Prädikatsrahmen
1
1
4
7
Objekt der Herrschaft + Infinitivkonstruktion
3
1
2
Infinitivkonstruktion (ohne Objekt der Herrschaft)
8
30
Objekt der Herrschaft
14
Temporalangabe (ohne Objekt)
1
1
3
7
(Objekt der Herrschaft) + (Infinitivkonstruktion) + Temporalangabe 29 1
Konditionalsatz
1
1
7
1
1
Zusätzlich: Et cetera Modalangabe
Herrschafts- und Veränderungsklausel
307
1
1
(sich) die Herrschaft behalten
Ein Herr/ eine Frau sein (sich) die Herrschaft und die Macht behalten
Mächtig sein (sich) seinen freien Willen behalten
Nur Prädikatsrahmen
Prädikatsrahmen
1
1
1
91
Objekt der Herrschaft
1
6
Infinitivkonstruktion (ohne Objekt der Herrschaft)
1
31
Objekt der Herrschaft + Infinitivsatz
(1 mit Konditionalsatz)
23 (6 mit Infinitivkonstruktion)
Temporalangabe (ohne Objekt)
1
1
(Objekt der Herrschaft) + (Infinitivsatz) + Temporalangabe 82
2
Konditionalsatz
1
1
23
Zusätzlich: Et cetera Modalangabe
308 Elemente der Stilistik (Formulierungsmuster) i. w. S.
(1 mit Infinitivkonstruktion)
1
(1 mit Infinitivkonstruktion)
(1 mit Infinitivkonstruktion)
1 (2 mit Infinitivkonstruktion)
Temporalangabe (ohne Objekt)
(1 mit Infinitivkonstruktion)
1
2
13
Objekt der Herrschaft + Infinitivsatz
1
3
1
(sich) die Macht und Gewalt behalten Sich vorbehalten
1
2
4
Infinitivkonstruktion (ohne Objekt der Herrschaft)
(sich) die Gewalt und Herrschaft behalten (sich) die Gewalt behalten
Objekt der Herrschaft
18
Nur Prädikatsrahmen
(sich) die Herrschaft behalten
Prädikatsrahmen
1
2
(Objekt der Herrschaft) + (Infinitivsatz) + Temporalangabe 16
Konditionalsatz
1
2
1
11
1
1
3
Zusätzlich: Et cetera Modalangabe
Herrschafts- und Veränderungsklausel
309
310
Elemente der Stilistik (Formulierungsmuster) i. w. S.
Unter den möglichen Varianten des Ausdrucks der Herrschaft- und Veränderungsklausel ist die fast durchgehend in allen Texttypen übliche sich die Herrschaft behalten. Diese kann durch die Benennung des Objekts der Herrschaft bereichert werden. Eine Erweiterung der Prädikatsgruppe kann weiter eine Infinitivkonstruktion (seltener ein Konditionalsatz), eine Temporalangabe und/ oder eine Modalangabe bzw. ein modales Element sein. Am Ende des ganzen Ausdrucks der Klausel kann et cetera stehen, was auf eine Kürzung hindeutet bzw. die üblichen weiteren Elemente der Phrase mitdenken lässt. Ein Teil der Ausdrücke in den protokollartigen Eintragungen wurde auf Latein formuliert (alle zehn Stück im 16. Jahrhundert), diese werden von mir in diesem Kapitel bei der sprachlichen Analyse nicht berücksichtigt. Die möglichen Infinitivkonstruktionen beziehen sich auf die Verfügungsgewalt über die enthaltenen testamentarischen Bestimmungen, die häufigste Phrase ist: (die Herrschaft) zu tun und zu lassen; weiter vereinzelt kommen hinzu: (die Herrschaft) zu tun wie ich/ er/sie will; zu tun und zu lassen und zu wandeln; zu wandeln und zu widerrufen und damit zu schaffen (wie er/sie es wird wollen); zu wandeln und zu machen nach seinem/ihrem Willen; (Die Bestimmungen) zu wandeln und zu brechen; zu wandeln, zu erhöhen oder zu verkleinern (nedirn); zu wandeln und anders zu schaffen; zu bestätigen oder zu widerrufen; zu wandeln, zu mehren oder zu mindern; zu mehren, zu mindern oder ganz abzutun; zu mindern, zu mehren, zu machen, wider das Testament zu sich zu nehmen; zu wandeln und zu bessern; zu wandeln und anders zu verschaffen; zu wandeln oder zu lassen; zu verändern; in einem oder mehr Artikeln zu verkehren, zu mindern oder zu mehren oder gar anders machen; zu verändern, zu cassieren, ganz oder zum Teil, zu wandeln, zu widerruffen, zu bessern und zu mindern; zu verändern und cassieren; zu verwandeln, in einem Teil oder ganz und gar zu nichte zu machen; (die Gabe) zu wechseln, zu mehren und zu verkleinern (mydern) und zu wandeln und auch mehr hinzu zu setzen; zu verändern (…) und zu nehmen und zu zulegen. Es fällt die Mannigfaltigkeit der Formulierungen auf, so wie diese auch in einem kleineren Umfang auch in anderen Elementen der Phrasen sichtbar ist. Die mehr ausgebauten Ausdrücke kommen v. a. in den späteren Texten vor, insbes. in den eingelegten Testamentsurkunden. Die Temporalangabe wird durch folgenden Phrasen ausgedrückt: die Weile er/sie lebt; dieweil ich/er/sie lebe; als zuvor (als vor); bis an mein Ende; zu meinen/seinen/ihren Lebtagen, also lange als ich/er/sie lebe, weil ich leben werde; die Weile mir Gott das Leben verleihen wird. Die modalen Elemente betonen den Umfang der Verfügungsgewalt: in voller Macht; nach meinem Willen; nach meinem eigenen guten freien Willen; nach meiner besten Erkenntnis, nach seinem Wohlgefallen, nach meinem behaglichen Willen; (Herr/Frau sein) als zuvor; nach meinem/seinem/ihrem Gefallen; nach meinem/seinem/ihrem Willen und Gefallen; nach meinem/seinem/ihrem Wohlgefallen laut Stadtwilkür und unseren Rechten; nach Gottes Verordnung und
Bezeichnung der Vormunde/Exekutoren
311
meinem/seinem/ihrem Verstand oder Wohlgefallen; nach meinem/seinem/ihrem besten Gefallen, wenn ich das tun will; nach Gottes Willen und Gefallen; nach meinem/seinem/ihrem Willen und Gutdünken.
13.11 Bezeichnung der Vormunde/Exekutoren Als Vormunde wurden in den Krakauer Testamenten nicht nur die Betreuer der unmündigen Kinder und/oder der hinterbleibenden Witwe bezeichnet, sondern auch die Ausführer des Testaments. Die Überlappung dieser Bezeichnung kann wohl davon kommen, dass die Vormunde zugleich weitere Aufgaben in Bezug auf die testamentarischen Bestimmungen auferlegt bekamen, vgl. bspw.: »[…] un(d) hot Im vormu(n)de gekoren un(d) sy mechtig gemacht daz sy sulle(n) das gar ausrichten Lorencz Smersneyder Jan Smersneyd(er) un(d) Stanislaus Zak […]« ˙ (AC429 15. 10. 1450).
Andererseits wird bereits in den frühen Testamenten die Begrifflichkeit Vormund ohne jeglichen Zusatz für die Ausführer des Testaments verwendet: vgl. bspw. ASIII 24. 01. 1393 S.M: »[…] kyse ich Rudolfum vnd Petrum [Brigir] desir dinge czu vormu(n)de […]«. In einigen Testamenten wird die Rolle der Vormunde und die der Ausrichter auseinandergehalten ASX 09. 09. 1440: »Jt(em) czu ausrichtern desir bescheidunge vnd schickunge meyns lecztin willens vnd der obgenanten meynir hausfraw(e)n czu vormu(n)de. kyze ich […].« In anderen Texten kann aber sogar die Begrifflichkeit Beschützer und Beschirmer, die sich wohl in erster Linie auf die Hinterbleibenden zu beziehen scheint, auch auf die testamentarischen Bestimmungen erweitert, vgl. ASXI 13. 02. 1538: »Jte(m) so setze ich beschutzer vnnd beschirmer meiner liebenn hawsfrawen Catharine vnnd dartzu meines testaments vnnd lecZtenn Willens […]«. Die zu Ausführern der Testamente ernannten Personen stammten meistens aus dem Familien- oder engen Bekanntenkreis oder aber gehörten den Stadtbehörden an (Stadträte, Schöffen etc.), weswegen sie als besonders vertrauenswürdig angesehen wurden. Die Funktionsträger konnten in den Testamenten entweder durch die Benennung der Funktion (1) oder umschreibend durch die Angabe des Aufgabenbereiches (2) ernannt werden. 1) In Frage kamen solche Bezeichnungen wie: In den Czedel(abschriften) insgesamt 41-mal: Vormunde (27-mal), Vormunde und Ausrichter (fünfmal), Ausrichter (viermal), Schaffer (zweimal), Vormunde und Vorweser (zweimal), Vorweser und Ausrichter (einmal). In den Protokollen insgesamt 108-mal: Vormunde (63-mal), Exekutoren und Vorweser (sechsmal), Exekutoren (fünfmal), Testamentarier (viermal), Vorweser
312
Elemente der Stilistik (Formulierungsmuster) i. w. S.
(viermal), Testamentarier und Vorweser (viermal), Vormunde und Testamentarier (dreimal), Ausrichter (zweimal), Ausrichter und Vorweser (zweimal), Ausrichter und Vormunde (zweimal), Vorweser und Testamentarier (zweimal), Exekutoren und Vormunde (zweimal), Testamentarier (einmal), Vormunde und Vorweser und Beschirmer (einmal), Vormunde und Beschirmer (einmal), Exekutoren und Vorweser (einmal), Testamentarier und Ausrichter (einmal), Exekutoren, Ausrichter und Testamentarier (einmal), Exekutoren, Vorweser und Testamentarier (einmal), Seelwärter (einmal), Vormunde und Seelwärter (einmal). In den eingelegten Testamenten, insgesamt 39-mal: Vormunde (13-mal) Exekutoren (siebenmal), Testamentarier (fünfmal), Vormunde und Exekutoren (viermal), Vormunde und Vorweser (zweimal), Ausrichter (zweimal), Vormunde, Vorweser, Testamentarier und Ausrichter (einmal), Exekutoren und Vorweser (einmal), Exekutoren, Vorweser und Vormunde (einmal), Beschützer und Beschirmer (einmal), Testamentierer und Beschützer des Testaments (einmal), Vorweser (einmal). 2) Umschreibend wurden folgende Ausdrücke umgesetzt: mache ich mächtig + Infinitivkonstruktion, bemächtigt + zu + Infinitiv, Konstruktionen mit dem Modalverb sollen, aber auch adverbale Nomina vom in Phrasen vom Typus: kiese ich zur Ausrichtung und Vorwesung (vgl. bspw. LT772 06. 10. 1460), sollen Ausrichtung tun (vgl. bspw. LT772 19. 02. 1463). Es kann festgestellt werden, dass die Begrifflichkeiten »Testamentarier« und »Exekutoren« in den deutschen Phrasen erst im 16. Jahrhundert erscheinen, obwohl diese bereits aus der lateinischen Rechtssprachentradition in der Krakauer Stadtkanzlei bekannt waren. Die Wahl der Vormunde/Exekutoren kommt zusammen mit folgenden Verben vor: kiesen, benennen, benumen, im 16. Jahrhundert: auserwählen, erwählen, setzten, jemanden zum Vormund /Exekutor machen.
14
Abschließende Bemerkungen zur Auswertung der Untersuchung
1257 wurde das Magdeburger Recht in Krakau eingeführt. Polnische Herrscher verbanden damit zugleich das Konzept, die Stadt mit deutschen Bürgern zu besiedeln. Dieses Konzept ging auf. Seitdem lebten und starben in Krakau viele Deutsche. Sie hinterließen auch Testamente oder testamentsähnliche Texte, um ihren erworbenen Besitz zu vererben. Um diese Texte ging es in meiner Untersuchung. Gegenstand meiner Untersuchung war die deskriptive Analyse der Textsorte Testament anhand dieses spezifischen historischen Sprachmaterials, nämlich anhand von Krakauer deutschsprachigen Testamenten des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit. Die Untersuchung konzentrierte sich auf denjenigen Zeitraum, als die deutsche Sprache neben Latein und Polnisch zu einer der drei Amts- und Verkehrssprachen in der Krakauer Stadtkanzlei gehörte, d. h. vom Ende des 14. Jahrhunderts bis ungefähr Mitte des 16. Jahrhunderts. Aufgrund lückenhafter Überlieferungen und wegen Machtstreitigkeiten stammt die erste testamentarische Eintragung in den Krakauer Stadtbüchern erst aus dem Jahr 1393. Es kann aber davon ausgegangen werden, dass schon vorher Erbangelegenheiten schriftlich geregelt wurden. Bereits in den 90er Jahren des 14. Jahrhunderts machten deutsche Testamente über 40 Prozent aller für diese Periode festgestellten Vertreter dieser Textsorte aus. Von Anfang an war die von mir unternommene Untersuchung der Krakauer Testamente als Fortsetzung und fundierte Vertiefung der Ansätze zur Erforschung dieser historischen Textsorte, die Józef Wiktorowicz und Sławomira Kaleta-Wojtasik begonnen haben, gedacht. Auch sie richteten ihr sprachhistorisches Forschungsinteresse auf das deutschsprachige Sprachmaterial der Krakauer Stadtkanzlei. In meiner Studie bin ich an einschlägigen Stellen mehrmals auf die beiden Forscher und ihre Ergebnisse eingegangen. Besonders bei denjenigen Aspekten, wo diese zur Grundlagenforschung beitragen, waren sie für meine Untersuchung wertvoll, also hauptsächlich bzgl. der Fragen der Textsortenklassifikation der historischen Texte im Texttyp Stadtbucheintrag. Wegweisend für die methodologische Herangehensweise der Studie waren ferner die zwei
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Abschließende Bemerkungen zur Auswertung der Untersuchung
textlinguistischen Arbeiten zu mittelalterlichen bzw. frühneuzeitlichen Testamenten von Libusˇe Spácˇilová (für Olmütz) und Andreas Bieberstedt (für Lübeck). Sowohl die Materiallage in Krakau als auch die konsequente Befolgung des Ansatzes von Wiktorowicz in Bezug auf die Textsortenzuordnung der historischen Stadtbucheintragungen führten jedoch in mehreren Punkten zu Divergenzen mit der Herangehensweise beider genannter ausländischer Autoren. Diese wurden an entsprechender Stelle dargelegt. Im Kontrast zu den genannten Forschungsergebnissen der anderen Autoren erfasst meine Studie die Krakauer Testamente und ihre Textmuster nicht nur deskriptiv, sondern kann auch als Grundlagenforschung in mindestens einem Aspekt, und zwar in punkto einer dezidierten Abgrenzung der Textsorte Testament zur Textsorte Vergabungen des Todes wegen. Um dies durchzuführen, erwies sich eine Auseinandersetzung mit der Frage nach textinternen und textexternen Merkmalen einer Textsorte sowie teilweise dem ganzen theoretischen Aufbau der Textsortenforschung als unentbehrlich. Nach einigen Erwägungen, die zum Teil eine praktische Anwendung der theoretischen Ansätze zum Gegenstand hatten, wendet sich meine Studie direkt den Analysen zu, die dann auf pragmatischer, struktureller sowie auch stilistischer Ebene untersucht werden. Auch in meinen zusammenfassenden Schlussbemerkungen möchte ich diesen Fragekomplexen adäquat darstellen. Da eine Untersuchung der historischen Texte mit einer modernen theoretischen und methodischen Ausrichtung immer noch als Neuland empfunden werden mag (und von der Autorin der Studie aufgrund der Kenntnis der spärlichen Studien zu historischen Textsorten tatsächlich so empfunden wurde), rechtfertigt sich die umfangreiche Behandlung des theoretischen textlinguistischen Diskurses. Aus der Auseinandersetzung mit diesem speiste sich schließlich der Aufbau meiner Studie. Nur vor diesem theoretischen Hintergrund war es möglich, die Abgrenzung der Textsorte Vergabung des Todes wegen und die Textsorte Testament zu klären. Das breite Textkorpus, das ich einer akribischen Analyse und deskriptiven Beschreibung unterzog, erlaubte nun einerseits auch Phänomene aufzudecken, die nur selten vorkamen und die andere Forschungsbeiträge übersahen, jedoch aus wissenschaftlicher Sicht interessante Befunde darstellen; andererseits war – wegen meiner detaillierten Herangehensweise – trotzdem immer das Ringen um eine möglichst große Übersichtlichkeit der Studie ein besonderes Anliegen und zugleich auch eine Herausforderung der Untersuchungsanordnung. Im Folgenden werde ich die erarbeiteten Fragekomplexe und deren Ergebnisse in verkürzter und prägnanter Form wiedergeben. Diese Fragenkomplexe umfassen sowohl allgemein Fragen der praktischen Anwendung der theoretischen Ansätze zur Erhebung des Korpusmaterials, Abgrenzung und Bestimmung der historischen Textsorte Testament und Vergabung des Todes wegen (1) als auch auf die konkrete deskriptive Beschreibung der Textsorte Testament, die ich
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anhand des zusammengetragenen Textkorpus unternehme. Zur zweiten Gruppe gehören: (2) die deskriptive Beschreibung der Textsorte Testament, also pragmatische Fragen, (3) die deskriptive Beschreibung der Textsorte Testament, also strukturelle Fragen und (4) die deskriptive Beschreibung der Textsorte Testament, also stilistische Fragen. Am Ende des Kapitels setze ich mich abschließend ausblickend mit einer neueren soziogeschichtlichen Studie zum selben Untersuchungsgegenstand auseinander.
1)
Die Spezifik der Untersuchung der historischen Textsorten Testament und Vergabung des Todes wegen
Der Stadtbucheintrag als Verschriftlichung einer sozialen Handlung Die Spezifik der textlinguistischen Untersuchung historischer Texte resultiert auch aus der Spezifik ihrer Vermittlung und Überlieferung. Die Materiallage in Krakau lässt keinen Zweifel daran, dass sich eine Studie zu den Krakauer deutschsprachigen Testamenten auf Einträge in den Stadtbüchern stützen muss. Der ontologisch-rechtlichen Frage nach dem Charakter dieser Texte lässt sich pauschal mit der Annahme entgegnen, dass ein Text der Textsorte Testamente zuzuordnen sei, wenn er eine Verschriftlichung der entsprechenden sozialen Handlung ist. Diese Annahme spart einige sich eventuell einstellende Kontroversen aus, die primär aus der Sicht eines Juristen von Belang sein könnten. Die erste unter diesen würde sich auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens der testamentarischen Bestimmungen beziehen, was die Frage impliziert, ab wann eine Verschriftlichung ein Testament ist und bis wann sie eine Testamentsskizze bleibt. Eine zweite würde die Zuordnung der Abschriften der testamentarischen Urkunden zur Textsorte Testament bestreiten, und zwar mit der Begründung, dass die Anfertigung einer Urkunde ein Teil der sozialen Handlung der Testamentsablegung ist und nur dieses Original also als ein Testament gelten kann. Solchem juristisch geprägten und der neuzeitlichen Rechtspraxis verpflichteten Gedankengang folgt u. a. Andreas Bieberstedt, der demgemäß die Abschriften von Testamentsurkunden aus seiner Untersuchung der Lübecker Testamente aussondert. Es sind v. a. zwei Autoren, auf deren theoretische Forschungserträge meine Arbeit aufbaut: die Untersuchungen von Józef Wiktorowicz und Libusˇe Spácˇilová. Die beiden Forscher inspirierten mich zur Definition der Textsorte »Testament« als Verschriftlichung der Rechtshandlung des Testierens, die eine ganze – rechtlich normierte – Situationskonstellation impliziert. Ob sich diese Rechtshandlung in der Vertextung realisiert oder ob die Vertextung sekundär – nämlich
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zu dokumentarischen Zwecken von den Vertretern der städtischen Kanzlei in einem Aktenbuch vorgenommen wird –, ist für meine Textsortenklassifikation ohne Belang, da als Klassifikationsmaßstab die vorausgehende soziale Situation gilt und nicht deren Verschriftlichung. Ich nehme also an, dass zu einem Vertreter einer Textsorte eine jegliche Verschriftlichung einer sozialen Handlung wird, natürlich wenn sie rechtmäßig, im Rahmen des üblichen Rechtsverkehrs, in einem bestimmten Handlungsbereich258, entsteht. Dies hat zur Konsequenz, dass der Akt der Testamentsablegung nicht unbedingt zeitlich mit deren Verschriftlichung einhergehen muss, also dass die letztere kein inhärentes Teil dieser Handlung sein muss, sondern sich aus ihr lediglich ergibt. Ich pflichte den neueren textanalytischen Ansätzen bei, die den textexternen Textsortenklassifikationskriterien bei der der Textsortenklassifizierung den Vorrang gegeben wird. Damit würde sich also unter der erwähnten Annahme die festzustellende Rechtssituation primär auf den Vollzug der Handlung der Testamentsablegung beziehen. Die Rechtssituation der Verschriftlichung der sozialen Handlung wäre dabei von sekundärer Bedeutung; im Fall der Eintragungen in das Stadtbuch wäre die Schreibintention um den Zug des zirkulären Charakters innerhalb des Kanzleiverkehrs erweitert. In der vorliegenden Sachlage, in der die Erhebungen auf die Stadtbücher ausgerichtet sind und somit unter den Produkten des innerkanzleiischen Schreibverkehrs durchgeführt werden, kann der Bereich der sozialen Handlungen, aus denen sich die jeweiligen Verschriftlichungen ergeben, als homogen, also für die Textsortenklassifizierung der Einträge nicht distinktiv gelten. Unter diesen Prämissen, die aus der Sichtweise eines Linguisten gestellt werden, ist es möglich, die in den Krakauer Stadtbüchern vorkommenden Verschriftlichungen der sozialen Handlung Testamentsablegung in ihrer jeglichen Ausprägung (im jeglichen Texttyp), darunter auch die Abschriften entsprechender Urkunden, der Textsorte Testament zuzuordnen. Diese Annahmen ermöglichen auch erst die Inblicknahme der infrage kommenden Krakauer Stadtbücher auf die darin enthaltenen Repräsentanten dieser Textsorte.
258 Unter einem Handlungsbereich werden bestimmte gesellschaftliche Bereiche und Institutionen verstanden, für die jeweils spezifische Handlungs- und Bewertungsnormen konstitutiv sind, vgl. Mazur 2000, S. 180.
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Was macht ein Testament aus? Wie ist es von einer Vergabung des Todes wegen zu unterscheiden? Bei den Erhebungen in den Stadtbüchern kamen weitere Fragen auf, die zu klären waren, bevor das Korpusmaterial zusammengestellt wurde: Die erste war: Welche unter den zahlreichen und mannigfaltigen Eintragungen in den Krakauer Stadtbüchern sind als Testamente zu klassifizieren? Die meistens dicken Aktenbücher sind nämlich als Sammlungen von Verschriftlichungen verschiedener sozialer Handlungen aufzufassen. Ohne jegliches Inhaltsverzeichnis führen sie in chronologischer Reihenfolge einzelne Eintragungen an (wobei es meistens um die Chronologie des Einschreibens und nicht die des Vollzugs der Handlung geht). Nur im Fall des Liber Testamentorum, eines separaten, den Texten vom testamentarischen Charakter gewidmeten Aktenbuches ist die Materiallage transparenter. Zahlreiche Beispiele, die in der Studie angeführt werden, zeigen, dass sich die textinternen Textmerkmale als tückisch erweisen können. Besonders bei der Begrifflichkeit »Testament« bzw. »testamentum« oder »letzter Wille«, die in den Eintragungen verwendet werden und als Textthema gelten, ist stets Vorsicht geboten. Wie in der Studie belegt wurde, sind solche Bezeichnungen nicht immer zuverlässig und entsprechen nicht dem Charakter der vorgenommenen sozialen Handlungen und dementsprechend auch nicht der Textsorte ihrer Verschriftlichung. In der Tradition der kommunikativ-funktionalen Ansätze, denen sich alle heutigen Forscher mehr oder weniger verpflichtet fühlen, ist die Textfunktion das wichtigste Kriterium für eine Textsortenklassifikation. Nach der von Józef Wiktorowicz unternommenen grundsätzlichen Bewertung der Stadtbucheinträge als mit indirekten sprachlich realisierten Kommunikationsfunktionen versehene Texte ist im Fall von Testamenten von einer indirekt deklarativen Textsorte zu sprechen. Eine deklarative Textsorte gibt eine (feierliche) Erklärung ab, die in der zukünftigen Umsetzung handlungsmächtig werden soll. Aus sprechakttheoretischer Sicht kann im Falle von Testamentshandlungen von einem meist verschriftlichten Dominanzsprechakt gesprochen werden, weil sie die Funktion der Durchsetzung des Inhalts beanspruchen. Kaleta-Wojtasik bietet in diesem Zusammenhang eine semantische Formel an, die es erlaubt, einen Text als Testament zu identifizieren: Ich (X) will, dass nach meinem Tode etwas (Z), was sich in meinem Besitz befindet, jemandem anderes (Y) gehört, und indem ich diese Willenserklärung ablege, bewirke ich, dass mein Wille geschieht. Dieser performative Sprechakt kann in Anlehnung an die theoretischen Ansätze von Anna Wierzbicka, die eine semantische Metabeschreibung der Begriffe mit natürlicher Sprache vorschlägt, durch verschiedene Verben und semantische Mittel ausgeführt werden. Wie auch immer man verschiedene Definitionen von
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Testamenten bewertet, feststeht, dass im Text immer folgende Strukturvorzufinden sein muss: WER gibt WEM WAS mittels eines Verbum performativum mit drei Argumenten. Die Feststellung der genannten Formel erweist sich bei der Materialerhebung der testamentarischen Eintragungen als besonders zuverlässiges Kriterium. Testamentarische Texte sind für mich aber ein breiter (semantischer) Begriff, der nicht nur Testamente umfasst. Es gibt auch Texte, für die ein solcher Akt bezeichnend wäre, nämlich die Morgengabe und die Vergabung des Todes wegen. Während die Morgengaben diese Begrifflichkeit (Morgengabe) selbst in ihrem Inhalt benennen und somit auf den rechtlichen Charakter der vorausgehenden sozialen Handlung abheben, ist dies bei den Vergabungen des Todes wegen nicht der Fall. Besonders bei der Klassifikation dieser beiden Textsorten und ihrer Unterscheidung von den Testamenten ist die Zuhilfenahme von textexternen Kriterien unverzichtbar. Dabei spielen die rechtlichen Unterschiede eine besondere Rolle. Bei der Zuordnung der Texte zu den Testamenten sind die Rechtssituation und die aus ihr resultierende Schreibintention entscheidend (die Intentionen treten allerdings bei den formalisierten Texten wie den Testamenten größtenteils hinter die Funktion zurück). Während die Testamente sowohl das Eigentum als den Besitz der Sache/Vermögensmasse erst nach dem Tod des Testierers auf die Bedachten übergehen lassen, geht deren Eigentum bei den Vergabungen des Todes wegen mit sofortiger Wirkung auf die bedachte Person über, und nur der Besitz bleibt bis zum Tod des Donators beim Letztgenannten. Bei den Vergabungen des Todes wegen kommt noch die Kommunikationssituation als ein Unterscheidungsmarkmal hinzu: Diese ist rechtlich bestimmt und sieht die Anwesenheit (Zustimmung) des Bedachten voraus. Da aber diese genannten Elemente nur relativ selten verschriftlicht werden, kann ich mich bei meiner Klassifizierung der Texte – ähnlich wie bei anderen Forschern wie KaletaWojtasik – nicht auf sie stützen. Ich muss also die Zuordnung der Eintragungen zu der Textsorte »Vergabung des Todes wegen« auf das Fehlen einiger Strukturmerkmale (besonders der Ernennung der Vormunde/Exekutoren) und die Formulierungsweise der Donationsprädikation stützen. Ich habe also die »Vergabungen des Todes wegen« auch nach textinternen Merkmalen klassifiziert, dies jedoch nur der Vollständigkeit halber und unter Vorbehalt. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass für die Zuordnung der Kanzleitexte zu den Textsorten Testament bzw. »Vergabung des Todes wegen« die textexternen Kriterien die wichtigsten sind. Diese Einschätzung ergibt sich aus der Tatsache, dass die Schreibintention aus der Rechtssituation der sozialen Handlung resultiert. Trotzdem erhalten auch die textinternen Textmerkmale, die primär für die Beschreibung der Textsorte und ihrer einzelnen Vertreter geeignet sind, eine unterschiedliche Funktion. Sie dienen der subsidiären Textsortenzu-
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ordnung. Das habe ich am Beispiel der »Vergabungen des Todes wegen« dezidiert beschrieben und damit neue Forschungsaspekte beleuchtet.
Adaptatives Textmuster und die Entwicklung eines neuen kanonischen Textmusters der Testamente Mit der Zeit entwickelte sich ein Textmuster des Testaments, das verschiedene, auch separat denkbare Verschriftlichungen einiger sozialen Handlungen integrierte, sodass die Abgrenzung der Textsorte Vergabung des Todes wegen und der Textsorte Testament nur unter wenig umfangreichen Texten (denjenigen also, die nur eine Donation bzw. eine gegenseitige Donation, besonders unter den Eheleuten enthalten) einen Sinn ergibt. Im 15. Jahrhundert entwickelt sich ein Testamentsmuster, das als Verschmelzung verschiedener sozialer Handlungen angesehen werden kann. Nach der Begrifflichkeit der Lubliner Polonistin und Textsortenforscherin Maria Wojtak könnte behauptet werden, dass adaptative Text(sorten)muster (die also eher eine Gelegenheitserscheinung sind) in kanonische übergehen. In den Krakauer Stadtbüchern lassen sich Beispiele einer adaptativen Realisierungsform der Textsorte Testament finden: So werden bei Gelegenheiten der Testamentsablegung sowohl letztwillige Verfügungen als auch Morgengaben geregelt oder Schuldenverzeichnisse angeführt. Dabei kann man u. U. auch die Urkundenabschriften zu den adaptativen Textmustern des Testaments mitrechnen, da sie an der Schwelle von zwei Texttypen – einer Urkunde und einem Eintrag – stehen, zumal da sie mit einer protokollartigen Einführung der Behörde angeführt werden.
2)
Die deskriptive Untersuchung der Testamente – pragmatische Fragen
Es wurde anhand des Korpusmaterial belegt, dass sich das Phänomen der Zirkularität von kanzlerischen Schreibprodukten bei der Untersuchung der Krakauer testamentarischen Eintragungen belegen lässt. Der pragmatische Aspekt der Textsorte Testament in der von mir vertretenen Auffassung der Verschriftlichung einer sozialen Handlung des Testierens konzentriert sich auch – und sogar primär – auf die Kommunikationssituation, in der diese Handlung zustande kommt, also auch auf die bei dieser Handlung gegenwärtigen Kommunikationspartner und andere Akteure, die durch die Rechtssituation erfordert bzw. zugelassen sind. Die Bestimmung der Kommunikationssituation erweist sich also besonders bei den Verschriftlichungen der sozialen Handlungen (die
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also sozial gültig sein sollten) grundlegend für die Identifizierung des rechtlichen Charakters dieser Handlung und demzufolge der Textsorte ihrer Verschriftlichung. Es folgen nun Fragen, die während der Untersuchung des Korpusmaterials zutage getreten sind.
Die Verschriftlichung der Kommunikationssituation und Kommunikationsumstände der sozialen Handlung Bereits bei der Frage nach der Kommunikationssituation, in der die soziale Handlung einer Vergabung des Todes wegen erfolgte, wurde darauf hingewiesen, dass nicht alle Umstände und Akteure der Handlung (unter Akteuren verstanden werden sowohl Kommunikationspartner als auch beim Vollzug der Handlung anwesende Personen) in der Verschriftlichung immer verzeichnet wurden. Auch wurden Akteure der Testamentsablegung nicht immer erwähnt, auch wenn diese von Rechts wegen an der sozialen Handlung beteiligt sein sollten. Dies bezieht sich besonders auf die Vormunde der Frauen, durch welche sie vor der Behörde zu agieren hatten. Die untersuchten Texte sind in den erwähnten Auslassungen nicht immer konsequent durchgeführt, vielmehr werden diese Tatsachen beliebig erwähnt oder übergangen. Da es sich um gültig abgelegte Testamente handelt, worauf die Tatsache hindeutet, dass sie in die Stadtbücher eingeführt wurden, muss man annehmen, dass ihre Verschriftlichung fakultativ war. Es ist nämlich davon auszugehen, dass besonders die vor der Behörde mündlich aufgesagten und von einem professionellen Kanzleimitarbeiter von Anfang bis Ende verfassten protokollartigen Verschriftlichungen der sozialen Handlung alle für ihre Gültigkeit nötigen Elemente enthalten. Angenommen werden kann weiter, dass die testamentarischen Bestimmungen bereits beim mündlichen Vortragen auf ihre Verträglichkeit mit den Normen des Rechtssystems, also dem Magdeburger Recht und anderen lokalen Rechtsquellen (wie den Willküren der Stadt Krakau) automatisch überprüft wurden und nur diejenigen eingeführt wurden, die sich dieser Prüfung standhielten. Das Gleiche gilt auch für protokollartige Eintragungen, die eine Testamentsskizze zitieren (sog. Czedelabschriften). Ähnliches ergibt sich auch für die Abschriften der privaten Testamentsurkunden. Die explizite Erwähnung dieses Umstandes findet sich in manchen Paratexten der Behörde, die der Abschrift vorausgehen.
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Der Testamentsablegungsmodus in Krakau und die aktive Rolle des Testators Ein Testament vor einer der zwei Krakauer Stadtbehörden, d. h. dem Gericht und dem Rat, konnte entweder – wie bereits erwähnt – durch den Testierer mündlich vorgetragen werden, oder es wurde der Behörde eine Testamentsskizze unterbreitet. Im ersten Fall teilte der Testierer vor dem Gremium oder vor einigen Vertretern dieses Gremiums (falls er bettlägerig sein Testament zu Hause ablegte) mit, wem er was testieren wollte, und einer der Kanzleimitarbeiter (der Stadtschreiber, der Unterstadtschreiber oder ein weiterer Mitarbeiter, die die Historiker für Krakau bisher nicht ermitteln konnten, können die Existenz solcher nur eventuell vermuten, wie Boz˙ena Wyrozumska es tut) fassten diese Aussage in entsprechende Worte, bei Verwendung der in der Stadtkanzlei gängigen Formulierungen und Umsetzung des sich erst herausbildenden Textmusters. Im zweiten Fall war es die Aufgabe eines privaten Schreibers, an den sich der Testierer vorab mit der Bitte um die Testamentsniederschrift wendete, die Schreibaufgabe auszuführen. Der Kanzleimitarbeiter schrieb diese dann in das Stadtbuch ab, konnte aber stets sein schriftliches Produkt, also die Eintragung, ergänzen, indem er den Testierer um zusätzliche Angaben bat – dieser war nämlich bei der Testamentsablegung gegenwärtig. In meiner Studie entdeckte ich Spuren des mündlichen Verfahrens. Erst bei der späteren Testamentsurkundeneinlegung ergab sich bei der Niederschrift der Vorlage keine Möglichkeit zur mündlichen weiterführenden Befragung des Testierers, da dieser bei der Niederschrift des Textes nicht mehr am Leben war.
Abschrift einer Testamentsskizze als ein zusätzlicher (Quasi-)Texttyp in der Krakauer Stadtkanzlei Die Bürgertestamente in den Krakauer Stadtbüchern kommen in zweierlei Texttypen vor: Entweder handelt es sich um einen protokollartigen Eintrag oder um die Abschrift einer Testamentsurkunde. Die protokollartigen Eintragungen könnten in zwei Varianten realisiert werden: Entweder wurden sie vor dem Gremium der Behörde bzw. vor deren Vertreter aufgesagt, oder der Testierer brachte mit sich eine schriftlich fixierte Testamentsskizze mit (eine cedula papirea, Czedel), die hauptsächlich den Teil Dispositio nach der diplomatischen Terminologie umfasste. Wegen dieser Spezifik habe ich mich entschieden, von dieser Variante des Texttyps als von einem separaten Texttyp zu sprechen, ähnlich wie es Spácˇilová bei dem Texttyp Abschrift einer Urkunde tut. Den Modus, eine Art Testamentsentwurf in Form einer Czedel der Stadtbehörde zur Eintragung in das Stadtbuch vorzulegen, kennt die Olmützer Kanzlei im Gegensatz zu Krakau gar nicht.
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Erst im 16. Jahrhundert entwickelte sich in Krakau eine dritte Möglichkeit der Testamentsablegung, und zwar die Einlegung verschlossener privater Testamentsurkunden. Diese Urkunden wurden dann in der Behörde aufbewahrt und erst nach dem Tod des Testierers eröffnet und ggf. ins Aktenbuch der Stadt eingeschrieben.
3)
Die deskriptive Beschreibung der Textsorte Testament – strukturelle Fragen
Ausgehend von der Auffassung von Jörg Meier, dass »der Text im Kommunikationsprozess von den Teilnehmern zunächst von außen erfahren und zugeordnet wird«259, habe ich das Hauptgewicht bei der Beschreibung der Textsorte Testament auf die Struktur als einen identifizierenden Faktor der untersuchten Texte gelegt. Diese Fragestellung wurde detailliert behandelt, um das Textmuster – verstanden als eine Vorstellung von einer Textsorte, die sich in einem konkreten Text jeweils in dem gegebenen Variationsrahmen realisiert – zu erfassen. Der Textaufbau wird aber nicht nur als die Globalstruktur und die Einheiten der Makrostruktur in ihrer linearen Verknüpfung verstanden, sondern es wird auch die Komposition der Testamente, verstanden als eine Anordnung der Textwelt (besonders der Dispositio), die mehr detailliert ist als die Anordnung der Sinneinheiten, in meiner Studie ein Gegenstand der deskriptiven Analyse. Bereits aus der Kenntnis des rechtsgeschichtlichen Hintergrundes ergibt sich, dass die Textsorte Testament eine Entwicklung vollzogen hat: nämlich von der Donation pro remedio animae, also einem Testament zur Seelenrettung, bis hin zum Legatentestament, also zu einem erbrechtlichen Vermächtnis, das in sich mehrere Funktionen verbindet, die dann auf die Ausgestaltung von Struktur und Inhalt der Testamente Einfluss nehmen. Es wurden auch Fragen der graphischen Ausgestaltung der Testamente erörtert, um eine einheitliche Terminologie in Bezug auf die einzelnen verstreuten Sinneinheiten einzuführen.
Testament im Texttyp Eintrag als verkürzte Testamentsurkunde? Die Frage, wie die unterschiedlichen Texttypen betreffs ihrer Struktur zu untersuchen sind, wurde die Herangehensweise von Spácˇilová und von Bierberstedt konsultiert. Diese ist bei beiden Autoren primär auf die Urkundenstruktur gerichtet. Während Bieberstedt nur Texte dieses Texttyps zum Gegenstand seiner
259 Meier 2004, S. 53.
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Untersuchung macht – was zum Teil aus der Materiallage in Lübeck und zum Teil aus der von dem von ihm vertretenen Verständnis der Textsorte resultiert – betrachtet Spácˇilová den Texttyp Eintrag als eine modifizierte Urkundenstruktur und versucht in ihrer Arbeit, die Prinzipien der Umformulierungen in Abhängigkeit von der jeweiligen Kommunikationssituation aufzudecken. Obwohl die frühesten Testamente ad pias causas in Urkundenform abgelegt wurden, ist für Krakau definitiv bezeugt, dass die säkularen Testamente bis ins 16. Jahrhundert im Texttyp Eintrag entstanden sind, der – anders als es Spácˇilová für Olmütz annimmt – als keine Verkürzung einer primär ausgestellten Urkunden zu verstehen ist, sondern als eigenständige Form des Testierens. Es konnten auch keine doppelt eingetragenen Testamente festgestellt werden, die in demselben Wortlaut einmal als Abschrift einer Urkunde, einmal als protokollartiger Eintrag sich einem Vergleich darbieten, was Spácˇilová auf die Idee brachte, den protokollartigen Eintrag als eine modifizierte Variante der Urkundenstruktur anzusehen.
Die unterschiedlichen Textmuster und Fragen nach den Formularen Bei der Untersuchung der Abschrift einer Testamentsurkunde ist die Kenntnis des Schemas einer klassischen mittelalterlichen Urkunde von besonderem Belang, da nach den dort enthaltenen Sinneinheiten auch die durch die Krakauer Bürger eingelegten Testamentsurkunden analysiert werden können. In meiner Studie wurden die überlieferten Abschriften der privaten Testamentsurkunden mit den Schemata der klassischen Urkunde und einer Testamentsurkunde aus dem Formularbuch Deutsche Rhetorica verglichen. Dabei wurde festgestellt, dass sich die Textmuster in Krakau aus beiden speist, sich aber nicht eindeutig auf eines der genannten festlegt. Meine Studie stellt sich aber auch weitere Fragen in Bezug auf die eventuellen Eingriffe, v. a. Kürzungen der abgeschriebenen Urkunden, die wahrscheinlich am deutlichsten im Teil Eschatokoll zu beobachten sind. Ich habe herausgearbeitet, dass auch wenn die Unterschriften – obwohl sie im Text der abgeschriebenen Urkunde auch erwähnt sein können – in der Abschrift fehlen, die Gültigkeit des Dokuments nicht beeinträchtigt war. Als Beglaubigung kann u. U. auch ein einführender Paratext der Behörde gelten, zumal wenn dieser die Umstände der Einlegung der Urkunde beinhaltet, die diese Urkunde als eine unverfälschte und tatsächlich von dem zu dem Zeitpunkt der Testamentseröffnung verstorbenen Testierer stammende identifizieren lassen. Ähnlich kann auch bei den anderen Texttypen behauptet werden, dass die einführende Paratexte der Behörde die Rolle einer Corraboratio übernehmen können: In einigen werden sogar Zeugen der sozialen Handlung genannt. Stets zu bedenken ist auch, dass sich aus der
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bloßen Tatsache der Eintragung des testamentarischen Textes in das Stadtbuch seine Rechtskraft und Gültigkeit ergibt. Der mögliche Vergleich der Testamentsstruktur mit dem Urkundenschema betrifft allerdings nur die Eintragungen aus dem 16. Jahrhundert, nicht aber die früheren Testamente in den Stadtbüchern, da diese nur in den zwei früher bekannten Texttypen realisiert wurden. Anders als bei den privaten Testamentsurkunden und deren Abschriften kann bei den Testamenten im Texttyp Eintrag (und Texttyp Czedelabschrift) keine Befolgung eines Urkundenschemas erkannt werden. Bei derer deskriptiven Untersuchung wird jedoch der Verständlichkeit halber die Terminologie der Diplomatik verwendet. Ungeachtet jeglicher Unsicherheit und Meinungsunterschiede der Historiker bezüglich der Existenz eines Testamentsformulars in Krakau habe ich in meiner Arbeit versucht, auch diese Eintragungen nach sich wiederholenden Sinneinheiten zu befragen. Für solche Einheiten, die mehr als einmal in den Korpustexten auftauchen, habe ich ein kategoriales Raster entwickelt. Da diese Elemente in unterschiedlichen Teilen der ganzen Eintragung vorkommen, habe ich mich in meiner Studie außerdem mit der graphischen Ausgestaltung der Eintragung befasst.
Die Struktur des Testamentsmuster im Texttyp Eintrag und Texttyp Czedelabschrift Von besonderem Belang bei Erfassung und Beschreibung der Struktur dieser zwei Texttypen ist die Absonderung einzelner Teile der Eintragung, also Kleintexte eines Großtextes, um mit der Terminologie von Albrecht Greule und Sandra Reimann zu sprechen. Wendet man ihren theoretischen Ansatz auf mein Untersuchungskorpus an, bezeichnet der kohärente und von nur einem Textproduzenten ausgeführte Text mit den testamentarischen Bestimmungen den Kernoder Haupttext des Testaments. Der Autor des Inhalts dieses Textes muss jedoch nicht mit dem Ausführer der Verschriftlichung übereinstimmen und tut es meistens auch nicht, denn oft beauftragt der Testierer einen professionellen Schreiber mit der Niederschrift seiner testamentarischen Bestimmungen. Der Kern- oder Haupttext ist damit vom komplexen Text (Großtext) abzugrenzen, der als ein Konglomerat verschiedener Kleintexte dargestellt werden kann. Diejenigen Klein- oder Teiltexte, die den Kerntext umlagern und mit ihm in einem inhaltlichen Zusammenhang bleiben, sind sog. Paratexte. Diese sind meist vom Kerntext graphisch abgehoben. Weil dies aber nicht immer der Fall ist, muss man die Spezifik der Aktenführung bei der Textanalyse stets im Blick behalten, denn manchmal werden die Paratexte dem Anfang oder dem Ende des Textblocks auch ohne graphische Abhebung angefügt.
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Für Sinneinheiten, die mehr als einmal in den Korpustexten auftauchen, habe ich – wie erwähnt – ein kategoriales Raster entwickelt. Auf diese Kriterien hin habe ich sowohl den Kerntext selbst (dessen assertiven Anfangssequenzen und den Haupttext selbst) als auch die Paratexte der Behörde befragt. Unter den Letztgenannten geben die einführenden Paratexte der Behörde in vielen Eintragungen wichtige Angaben an, ohne die das Textmuster Testament in dem jeweiligen Texttyp nicht auskommen würde. In der Analyse sich wiederholender Sinnelemente ergab sich zum einen, dass es sich hauptsächlich um Elemente des urkundlichen Protokolls und der Narratio handelt, und zum anderen, dass diese Elemente sich in den genannten Teiltexten doppeln können. Obligatorisch sind nur: die Benennung des Testierers (sein Name bzw. Rufname mit mitbestimmenden Zusätzen) und – im Fall der abgeschriebenen Testamentszettel – der Texttyp, wobei dieser sowohl direkt als auch indirekt ausgedrückt werden kann. In Eintragungen mit Czedelabschriften sind die Paratexte der Behörde eine Stelle, an der manche Angaben, die von dem privaten Ausführer der schriftlichen Vorlagen nicht festgehalten wurden, nachgeholt werden konnten. Die wichtigste dieser Angaben ist die über den Testamentsablegungsmodus. Festgestellt werden konnten auch einige Angaben, die als fast obligatorisch gelten können (wie bspw. die Bezeichnung der Textsorte). Darüber hinaus konnte ich beobachten, dass die Divergenzen und der Verteilung einzelner Sinneinheiten nicht nur durch den Texttyp bedingt sind, sondern diese auch in Bezug auf die Stadtbuchreihe entstehen. Das ist aus der Tatsache abzuleiten, dass die Stadtbuchreihen durch unterschiedliche Behörden, die unterschiedliche Kompetenzen innehatten und unterschiedlich agierten, geführt wurden. So werden also Zeugen der Handlung meistens in den Ratsbüchern (im Liber Testamentorum) erwähnt, da diese bei einem Hausbesuch eines bettlägerigen Testators als ein mit der Aufgabe beauftragter Ausschuss des Gremiums der Ratsleute agierten. Anders würde es sich aber um die Testamentsablegung zu Hause vor Vertretern des Schöffenamtes (des Gerichts) handeln – die Schöffen agieren immer in Form von Gerichtssitzungen: Die Schöffen sind dann nicht Zeugen im eigentlichen Sinne, sondern machen das Gremium aus. Durch die Verteilung der Kompetenzen bedingt ist auch, dass die in den Texten der Eintragungen erwähnten Bestätigungen der testamentarischen Bestimmungen hauptsächlich nur in den Verschriftlichungen der Handlungen vor dem Gericht vorkommen. Es wurde auch auf einige Tendenzen hingewiesen, die sich in bestimmte Zeitspannen auf die Ausgestaltung der Texte geltend erweisen. Aufmerksamkeit verdiente in meiner Studie aber auch die Tatsache der Spannung zwischen den Paratexten der Behörde, den Anfangsteilen des Kerntextes (darunter auch den eventuellen Präambeln) und dem Kerntext (Haupttext) selbst. Man kann feststellen, dass es zu einem Zusammenspiel dieser Ele-
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mente kam, also dass die für das Textmuster wichtigen Angaben in unterschiedlichen Teiltexten vorkommen konnten. Im Fall der Czedelabschriften ergab sich dann die Möglichkeit, die von dem Ausführer der Testamentsskizze versäumten Elemente in den Paratexten der Behörde nachzuholen. Da sowohl die Czedelabschriften als auch die protokollartigen Eintragungen mit keiner Corroboratio, also keiner Beglaubigung, enden, sind die Endsequenzen dieser Texte gegen Ende der Dispositio-Teils (um bei der Terminologie der Diplomatik zu verbleiben) zu suchen: Drei Elemente stehen dabei am Ende der Eintragungen: 1. die Herrschafts- und Veränderungsklausel, 2. die Ernennung der Vormunde und 3. die Ausschließung bestimmter Verwandter vom Erbe. Diese Elemente können, müssen aber nicht, in der Endposition der linearen Anordnung des Textes der Eintragung erscheinen. Am Ende einer Eintragung mit einer Czedelabschrift oder mit einem protokollartigen Testament können auch zusätzlich Paratexte der Behörde auftreten. Im Fall der Erstgenannten ist die Sache relativ einfach, da doch alles, was außerhalb der Abschrift hinzugefügt wurde, als ein durch den Kanzleimitarbeiter hinzugefügter Paratext erscheinen mag. In der Praxis war aber nur selten aus dem Wortlaut der Eintragung ersichtlich, wo die Abschrift endete. Die hinzugefügten und graphisch einfach an den Textblock aneinandergereihten Teile (Kleintexte) mussten also erst anhand der sprachlichen Merkmale (Wechsel der Person, des Tempus) ermittelt werden.
Wie sind die sich an ein Testament anschließenden Eintragungen zu klassifizieren? Es kann festgehalten werden, dass die einer testamentarischen Eintragung nachfolgenden Texte, die in einem inhaltlichen Zusammenhang mit dieser verbleiben, auch Paratexte der Behörde sind. Wenn es sich aber um Aktenvermerke handelt (bspw. Angaben zum Tod des Testierers, dessen Testament in der ursprünglichen Eintragung aufkommt), weckt dies keine größeren Bedenken, dass diese den Großtext der ersten Eintragung ausmachen. Es konnten aber auch Verschriftlichungen weiterer sozialer Handlungen, die in Bezug mit der des Testierens stehen, bspw. der Widerruf des betreffenden Testaments, als Paratext erscheinen. Spácˇilová spricht im Fall des einem Testament nachfolgenden Eintrags, der mit ihm in einem inhaltlichen Zusammenhang verbleibt, vom Nachtrag. Diese Begrifflichkeit verwende ich nur mit Vorsicht und reserviere sie ausschließlich für Abschriften der Testamentsurkunden, da diese meistens mit eindeutigen Schlusszeichen versehen sind, so dass von einem Nachtrag mit Sicherheit gesprochen werden kann. Dessen ungeachtet stellt die Olmützer Forscherin fest, dass diese dem Testament nachfolgenden Texte einerseits anderen Textsorten im Texttyp Eintrag angehören, andererseits aber eine Fortsetzung der
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Textsorte Testament bilden und zu fakultativen Elementen derselben gehören. Somit kann ich behaupteten, dass meine Vermutung von der Zugehörigkeit dieser Texte zum Intertextualitätsnetz auch mit der Ansicht von Spácˇilová verträglich ist. Der Begriff Intertextualitätsnetz ist aber breiter und umfasst auch verstreute Eintragungen im Stadtbuch oder anderen Stadtbüchern und kann sich auch auf weitere Texte beziehen, die nicht im System der Stadtbücher existieren und sogar auf diejenigen, die im privaten Besitz verbleiben (wie Schuldenverzeichnisse).
Die Komposition einer testamentarischen Eintragung – ein Fragenkomplex im Bereich des Textaufbaus Unter der Komposition einer testamentarischen Eintragung verstehe ich primär eine detailliertere Fokussierung auf den Teil des Kerntextes der Eintragung, der zwischen der Anfangssequenz und der Endsequenz steht. Dies entspricht grob gesagt dem Teil Dispositio einer Testamentsurkunde, umfasst also den Artikelkatalog (verstanden als vermögensrechtliche und nicht vermögensrechtliche Bestimmungen des Testaments, vgl. Punkt 1.2. des theoretischen Teils der Studie). In diesem Bereich habe ich Fragen angerissen, die sich auf die Faktoren beziehen, die Einfluss auf den Umfang eines Testaments hatten. Zu diesen konnten sowohl objektive Verhältnisse gehören (wie der Umfang und die die Zusammensetzung der Habe/der Erbmasse, die Beziehungskiste des Testators) als auch subjektive Faktoren (darunter kann unterschiedliche, zum Teil auch aus gesellschaftlichen Verhältnissen resultierende, Intentionen subsumieren – es ist auch einer der wenigen Momente des Testierens, in dem diese zum Tragen kommen, sich also nicht hinter der Textfunktion verbergen). Zu dieser Fragestellung lassen sich aber noch weitere Untersuchungen anstellen.
4)
Die deskriptive Beschreibung der Textsorte Testament – Fragen der Stilistik
Obwohl Texte selbst im ontologischen Sinne keine Handlungen sind, ermöglichen testamentarische Texte die Realisierung von Handlungen. Und wenn von sich wiederholenden sozialen Handlungen durch Texte die Rede ist, kann man unterstellen, dass es Formulierungsmuster sind, die u. a. als etablierte Muster und Konzepte des Einsatzes bestimmter Formulierungen zu verstehen sind. Bei der Identifikation der Testamente erweist sich die jeweilige Feststellung des Donationsaktes, der in verkürzter Form lautet: WER gibt nach seinem Tode
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WEM WAS. Weiter stellen sich Fragen der Unterscheidung der Testamente von weiteren Texten mit einem postmortalischen Charakter, die die Kenntnis rechtsgeschichtlicher Bedingungen voraussetzen. Das Kapitel zur Stilistik (eigentlich zu einigen in den Krakauer Testamenten umgesetzten Formulierungsmustern) behandelte also ausgiebig die Frage nach den Prädikaten in den Testamenten und in den Vergabungen des Todes wegen. Weitere Fragen wendeten sich den im Anhang zusammengestellten sich wiederholenden Phrasen und Wendungen zu. Diese Vorgehendweise entspricht der Auffassung von Józef Wiktorowicz, nach dem sich wiederholende lexikalische Elemente die Identifikation der Vertreter einzelner Textsorten ermöglichen bzw. erleichtern. Auch die Polonistin Maria Wojtak sieht die Spezifik der amtlichen Texte in einer starken Standarisierung. Diese Vereinheitlichung manifestiert sich sowohl auf der Ebene des Textaufbaus als auch u. a. auf der Ebene der verwendeten Formeln, der fachsprachlichen bzw. einfach präzisen Lexik und bestimmter syntaktischen Eigenschafen. Ihre Beobachtungen beziehen sich auch auf älteste polnische Amtstexte, was auf dem deutschen Sprachmaterial auch nur bestätigt wird.260 Die von mir zusammengestellten Prädikationen des Donationsaktes in den Testamenten und den Vergabungen des Todes wegen bereichern und ergänzen den Katalog, der von Kaleta-Wojtasik (in ihrem Beitrag) dargeboten wurde. Ungeachtet der kommunikativen Situation des jeweiligen Textes stellt die Forscherin eine Zusammenstellung der möglichen Exponenten des Prädikativums Besitz vermachen dar. Meine Untersuchungen beschränkten sich aber im Gegensatz zu Kaleta-Wojtasik nicht auf die wenigen gedruckten Quellentexte und gehen auch zeitlich weiter. Auf diese Weise gewann ich einen größeren und detaillierten Überblick über die Problematik. Ich konnte auch aufgrund einer detaillierten und flächendeckenden Untersuchung auf einige Tendenzen im Gebrauch bestimmter Prädikate und des Aufbaus der Prädikatgruppen der »Vergabungen des Todes wegen« und der Testamente hinweisen. Zum einen widersprechen diese der Feststellung Otto Loenings in Bezug auf die schlesischen letztwilligen Texte (vgl. den theoretischen Teil der vorliegenden Studie; das Verb bescheiden wurde in Krakau für beide Textsorten eingesetzt, obwohl es in den Testamenten häufiger erscheint). Zweitens konnte ich die These widerlegen und mit Beispielen belegen, dass ein Donationsakt im Rahmen einer »Vergabung des Todes wegen« immer dann vermutet werden kann, wenn die ihn ausdrückende Prädikatsgruppe um eine verbale Infinitivkomponente erweitert wird. Es kann also festgehalten werden, dass die Indentifikation der Textsorte »Vergabung des Todes wegen« sowohl auf textinternen als auch textexternen Merkmalen beruht, ganz im Sinne von Klaus Brinker, der jedoch den textexternen Merkmalen mehr Gewicht als den erstgenannten in dieser Rolle beimisst (die erstgenannten wären 260 Vgl. Gajda 1992, S. 141–147.
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nach seiner Auffassung hauptsächlich die Textsortenbeschreibung). Da aber die textexternen Merkmale (wie die Rechtssituation, die Personenkonstellation der sozialen Handlung) häufig dem Rezipienten der Stadtbucheintragungen verborgen bleiben, verschiebt sich meine Aufmerksamkeit wegen der verzeichneten Formulierungstendenzen in Richtung der textinternen Merkmale, insbes. der Formulierung der Prädikatsgruppe. Der Ausgangspunkt bei der primären Unterscheidung der Textsorten bleiben jedoch immer noch die äußeren Merkmale, also die Rechtssituation der sozialen Handlung und erst subsidiär, wenn die äußeren Merkmale in der Verschriftlichung nicht mehr erkennbar oder mit anderen Handlungen gemischt ist – springen als Aushilfe die umgesetzten sprachlichen Mittel ein. Eine detaillierte Zusammenstellung der in den Testamenten vorkommenden Prädikate ermöglichte, die Vorkommenshäufigkeit der verschiedenen Formulierung festzuhalten und die Änderungen in diesem Bereich in der untersuchten Zeitspanne zu verfolgen. Dank der Aufteilung nach einzelnen Texttypen wurden weitere Beobachtungen, die sich auf die Unterschiede in der Formulierung bezogen, möglich. Ohne die These von Anna Bartoszewicz zu widerlegen oder zu bestätigen, ob die Wahl zwischen den grammatischen Personen in den jeweiligen Verschriftlichungen vom umgesetzten Textmuster abhänge, wurde auf die Variationen in diesem Bereich hingewiesen. Mindestens teilweise sind dagegen funktionale Variationen zwischen den Tempora zu erklären, die nicht selten innerhalb einer Eintragung stattfinden. Außer der so markierten Abgrenzung der Paratexte vom Kerntext in den Czedel(abschriften) kann man einige Tendenzen im Wechsel der Tempora auch in den protokollartigen Eintragungen feststellen, wie die Formulierung unterschiedlicher Sprechakte. Bevor ich zu den lexikalischen Fragen übergegangen bin, habe ich deshalb auch kurz die Frage des Nebeneinanders der zwei Amtssprachen – des Deutschen und des Lateinischen – behandelt. In diesem Zusammenhang konnte ich zwar einige Stammelemente, die aus dem Lateinischen in die deutschen Testamente übernommen wurde, feststellen (wie bspw. Der Gliederungsausdruck Item) oder aber eine fast durchgehende Tendenz beobachten, die Paratexte der Behörde auf Latein zu formulieren; doch nur ausnahmsweise finden sich in dem Korpusmaterial tatsächlich zweisprachige Testamente, wie das von mir in dem Unterkapitel transliterierte. Die anschließenden Unterkapitel stellen zahlenmäßig die in einzelnen Texttypen der Krakauer Testamente vertretenen Formulierungsmuster vor und versuchen, einige Tendenzen (auch in Bezug auf den Texttyp und die untersuchte Periode) aufzudecken. Obwohl sich aber solche für die Textsortenbezeichnung und die Bezeichnung der Vormunde/Exekutoren feststellen lassen (obschon bereits hier eine ganze Menge Einzelerscheinungen vorkommt), wurde die Suche nach sich wörtlich wiederholenden Phrasen bei der Testierfähigkeit viel
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Abschließende Bemerkungen zur Auswertung der Untersuchung
schwieriger. Ein solches Unterfangen hat dagegen bei den stark individualisierten Bezeichnungen der Testierer nur insofern einen Sinn, wenn auf das Prinzip der Namenbildung der Testierer und Testiererinnen hingewiesen wird. Alles in allem konnte eine große Mannigfaltigkeit der verwendeten Ausdrücke und Formulierungsmuster aller untersuchten Phrasen festgestellt werden, was auch von einer gewissen freien Hand bei der Ausgestaltung der Testamente, auch der im Texttyp Stadtbucheintrag zeugt. Es kann festgestellt werden, dass sich zwar in dem Rechtsverkehr des mittelalterlichen Krakaus ziemlich feste Vorstellungen von dem Inhalt eines Testaments eingebürgert hatten, jedoch stets auch Variationen in der konkreten Formulierung der Stammelemente akzeptiert und häufig vertreten wurden. Bei längeren Phrasen, die sich durch Anreihung sinnähnlicher Elemente zusammensetzten, oder die Verfügungsgewalt über die durch Vergabung erworbene oder ererbte Sache beschrieben, handelte es sich wohl um Bildhaftigkeit und eine gewisse Präzision.
Welcher wissenschaftliche Ertrag ließ sich in Abgrenzung zu Jakub Wysmułeks Studie erzielen? In meiner Dissertation habe ich mich mit demselben Forschungsgegenstand befasst, wie es auch der Historiker Jakub Wysmułek in seiner Doktorarbeit 2015 tat, bereichert allerdings um eine beträchtliche Menge an Testamenten aus der Zeit ab 1500, die Wysmułek nicht mehr in seine Forschung miteinbezieht. Meine Studie als eine linguistische Untersuchung widmete sich aber v. a. der Struktur der Krakauer Testamente und den eingesetzten Formulierungen. Dies ermöglichte sowohl die Abgrenzung der Textsorte »Vergabung des Todes wegen« von der Textsorte »Testament« als auch eine fundierte Hinterfragung einiger seitens des Warschauer Historikers gestellten Feststellungen in Bezug auf die Struktur der Krakauer Testamente. Ich habe mich also gefragt, ob und inwieweit der von Wysmułek zum Testamentsformular erklärte Text tatsächlich ein Muster für die Krakauer Testamentsausführer war. Weiter konnte ich mich auch kritisch zu seiner Idee, eins der tatsächlichen Testamente als Textmuster zu betrachten, äußern. Dank meiner eingehenden linguistischen Einarbeitung in die zu untersuchende Materie kann ich somit eine korrigierte und unter anderen Prämissen als von dem jungen Historiker erstellte Zusammenstellung der Krakauer Testamente und Vergabungen des Todes wegen schaffen. Meine Untersuchungen sprechen dem großen wissenschaftlichen Wert der Studie von Jakub Wysmułek nichts ab, sie verstehen sich aber als eine parallel und unabhängig von seiner Idee entstandene und durchgeführte linguistische Analyse einer (oder vielmehr zweier) Textsorte(n).
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Forschungsdesiderate und geplante Fortsetzung der Untersuchungen
Wie bereits am Eingang der Studie erwähnt, erlaubte die starke Fokussierung auf den Gegenstand keine Abwege bzgl. einer weiten Fragestellung. Deshalb plane ich weitere Beiträge aus anschließenden Untersuchungen zum zusammengestellten Korpus der Krakauer Testamente. Sinnvoll erscheint mir, die linguistischen Möglichkeiten des Modells der Textsortenuntersuchung von Maria Wojtak im Hinblick auf eine pragmatischontologische Ausrichtung auf die letztwilligen Texte des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit anzuwenden. Die Lubliner Linguistin unterscheidet nämlich vier eng zusammenhängende Beschreibungsebenen: 1. die strukturelle, 2. die pragmatische, 3. die stilistische und 4. die ontologische (ontologisch-axiologische) Beschreibungsebene.261 Die von mir angestrebte Untersuchung würde sowohl mit den (obligatorischen und funktionalen) Klauseln von Andreas Bieberstedt als auch mit der Fragestellung von Boz˙ena Z˙migrodzka (Rekonstruktion eines maximalen Textmusters) in Verbindung stehen. Darunter scheint es auch möglich, (unter diesem Aspekt) inhaltliche Aspekte der Frauentestamente (auch im Bereich der Disposition) näher zu erforschen. Es ist allerdings zu befürchten, dass unter strikt strukturellen Aspekten des Aufbaus keine wesentlichen Unterschiede zwischen Frauen- und Männertestamenten zu erwarten sind, da sowohl die einen als auch die anderen durch professionelle Schreiber ausgeführt wurden, die sich auf bestimmte Formulare, den Usus oder wenigstens das diskursive Wissen stützten. Eine vergleichende Untersuchung, die auf kulturelle Unterschiede zwischen den lateinischen, deutschen und polnischen Testamenten als Textsorte in Krakau im späten Mittelalter und der frühen Neuzeit ausgerichtet wäre, so wie sie von Anna Dunin-Dudkowska für polnische und amerikanische letztwillige Verfügungen der Gegenwart nach dem Vier-Beschreibungsebenen-Modell von Maria Wojtak unternommen wurde, wäre gegenstandslos.262 Die Texte in den Krakauer 261 Vgl. u. a. Wojtak 2008, S. 339–352; dies. 2004, S. 16–17 und S. 131–141. 262 Vgl. Schulze 2015, S. 20.
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Stadtbüchern sind nämlich im selben Kulturkreis entstanden und meistens von denselben professionellen Schreibern niedergeschrieben worden. Von Bedeutung ist hierbei auch die Tatsache, dass diese auf derselben rechtlichen Grundlage des aus dem deutschen Gebiet importierten und in Krakau eingebürgerter Rechtskultur entstanden sind. Eine Vergleichsstudie könnte also v. a. den strukturellen Aspekt betreffen, um zu fragen, ob und inwieweit sich die anfänglichen polnischen Rechtstexte auf die lateinische und deutsche Sprache stützen und inwieweit sie eigene textuelle bzw. kompositionelle Wege einschlagen. Das Letztere scheint allerdings wenig wahrscheinlich zu sein. Da die professionellen Schreiber alle drei Sprachen (sowohl das Deutsche und das Lateinische als auch das Polnische) beherrschen mussten, scheinen v. a. solche Texte interessant zu sein, in denen es zur Sprachvermischung kommt, in denen also wegen der Präzisierung oder der mangelnden Kenntnis eines entsprechenden Begriffs ein Wort oder eine Phrase in einer anderen Sprache eingesetzt wird. Eine systematische Untersuchung diesbezüglich steht noch aus, wäre aber ein lohnendes Projekt. Eine genauere Untersuchung der Interferenzen zwischen den sprachlichen Ausgestaltungen der Textsorte Testament müsste auf einer breiten Materialgrundlage die lexikalische, morphologische und syntaktische Ebene umfassen.263 Dies übersteigt allerdings bei weitem die Möglichkeiten einer kleineren Studie, muss also in der nächsten Zukunft erst einmal ein Desiderat bleiben. Auch ein eingehender Versuch der stilistischen Analyse der Testamente als einer amtlichen Textsortenklasse würde eine Vergleichsstudie mit anderen Textsorten der Kanzleitexte erfordern. Die beiden letzten Projekte könnten aber innerhalb einer weiterqualifizierenden Arbeit in Angriff genommen werden. Im Sinne einer über die textlinguistische Ausrichtung hinausgehenden Untersuchung scheint eine genauere Betrachtung der sprachlichen Entwicklung und Unterschiede zwischen den in die Kanzlei von den Bürgern eingebrachten und in der Kanzlei abgeschriebenen Testamentsvorlagen (d. h. Czedel und die späteren Testamentsurkunden) und den kanzleieigenen Produkten, zu denen protokollartigen testamentarische Eintragungen zugerechnet werden können. Hier wären außer den sprachlichen auch u. a. unter stilistischer Hinsicht (Syntax und Lexik) interessante Ergebnisse zu erwarten.
263 Vgl. Kaleta 1999, S. 82.
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