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German Pages 456 [467] Year 2005
Schiotter Teilwertabschreibung und Wertaufholung zwischen Steuerbilanz und Verfassungsrecht
Rechtsordnung und Steuerwesen Band 35 Schriftenreihe begründet von Brigitte Knobbe-Keuk herausgegeben von Wolfgang Schön und Rainer Hüttemann
Teilwertabschreibung und Wertaufholung zwischen Steuerbilanz und Verfassungsrecht
von
Dr. jur. Carsten Schiotter
2005
Verlag
Dr.OttoSchmidt
Köln
.
Meinen Eltern
Geleitwort Zu dieser Schriftenreihe Seit Brigitte Knobbe-Keuk im Jahre 1986 diese Schriftenreihe in der Nachfolge von Werner Flume begründet hat, sind mehr als 30 Bände erschienen, in deren thematischen Mittelpunkt die Frage nach dem Verhältnis zwischen dem Steuerrecht und der allgemeinen Rechtsordnung gestellt ist. Die Entwicklung der Reihe hat gezeigt, dass die vielfältigen Verflechtungen des Steuerrechts mit anderen Rechtsgebieten den gewählten Zuschnitt eindrucksvoll gerechtfertigt haben. Die publizierten Arbeiten nehmen Bezüge zum allgemeinen Zivilrecht, zum Gesellschaftsrecht, zum Bilanzrecht und zu den Wirtschaftswissenschaften ebenso in den Blick wie die Rahmenbedingungen des Verfassungsrechts, des Europarechts und des Internationalen Rechts. Strafrechtliche Zusammenhänge unserer Steuerrechtsordnung werden ebenso beleuchtet wie verfahrensrechtliche Implikationen der Besteuerungspraxis. Der Erkenntnis der Begründerin der Schriftenreihe, dass in den juristischen Fragestellungen aus dem Bereich des Steuerwesens Fragestellungen aus den Teilgebieten der allgemeinen Rechtsordnung zusammentreffen, muss besonders Nachdruck in einer Zeit verliehen werden, in der die innere Stabilität unserer Besteuerungsordnung in hohem Maße gefährdet ist und der Wunsch, aus der eigenen Systematik des Steuerrechts heraus feste Leitlinien für Rechtspolitik und Rechtsanwendung zu gewinnen, hinter den fiskalischen Zwängen der öffentlichen Hand und dem Gestaltungswillen der Steuerpolitik immer weiter zurücktritt. Die Verankerung des Steuerrechts in der allgemeinen Rechtsordnung dient daher auch den Anliegen der Rechtssicherheit und Rationalität unseres Steuerrechts. Darüber hinaus kann durch die Anlehnung an die der Privatautonomie verpflichtete Zivilrechtsordnung sowie durch die Verwirklichung verfassungsrechtlicher und europarechtlicher Freiheitsgewährungen dem Steuerwesen ein Stück rechtsstaatlicher Liberalität zurückgegeben werden. Die Herausgeber wünschen daher, dass die Schriftenreihe in ihrer Gesamtheit einen Beitrag zur Kultur unserer Steuerrechtsordnung zu leisten vermag. München und Osnabrück, im März 2004 Wolfgang Schön
Rainer Hüttemann
VII
Geleitwort
Zu dieser Schrift Die zunehmenden gesetzgeberischen Eingriffe in das Steuerbilanzrecht haben nicht nur die Diskussion über die Zukunft des Maßgeblichkeitsgrundsatzes verstärkt, sondern auch Fragen nach den verfassungsrechtlichen Vorgaben aufgeworfen, die der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Gewinnermittlung zu beachten hat. Wer in dieser Diskussion bestehen will, darf sich nicht mit Schlagwörtern wie der Forderung nach „Besteuerung des vollen Gewinns“ begnügen, sondern muss sich dem Verhältnis von Verfassungsrecht und Bilanzsteuerrecht grundsätzlicher nähern. Dieser anspruchsvollen Aufgabe hat sich Carsten Schlotter mit der vorliegenden Arbeit unterzogen. Am Beispiel der Einschränkung der Teilwertabschreibung und der Einführung des Wertaufholungsgebots durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 entwickelt er verfassungsrechtliche Maßstäbe für die Überprüfung bilanzsteuerlicher Sachverhalte. Im Zentrum seiner gleichheitsrechtlichen Überlegungen steht dabei der Gedanke der „Folgerichtigkeit“. Der Gesetzgeber sei zwar bei der Wahl zwischen verschiedenen Varianten des Betriebsvermögensvergleichs (z.B. nach der traditionellen statischen Bilanztheorie oder nach dem Nettorealisationsgedanken) frei, bei der näheren Ausgestaltung eines Systems aber zur Folgerichtigkeit verpflichtet. Insbesondere gebiete das objektive Nettoprinzip die Anwendung einheitlicher Maßstäbe für die zeitliche Erfassung von Erträgen und Aufwendungen. Abweichungen vom jeweiligen Differenzierungsmaßstab könnten sich jedoch aus anderen Verfassungsprinzipien wie dem Grundsatz der eigentumsschonenden Besteuerung und dem Gebot der Rechtssicherheit ergeben. Auf dieser Grundlage unterzieht Schlotter das geltende Bilanzsteuerrecht und die Änderungen durch das Steuerentlastungsgesetz einer eingehenden verfassungsrechtlichen Überprüfung. Dabei zeigt sich, dass die Einordnung des Realisations- und Imparitätsprinzips als Regel oder begründungsbedürftige Ausnahme entscheidend davon abhängt, welchen systemprägenden Differenzierungsmaßstab man zugrunde legt. Besondere Sorgfalt verwendet Schlotter auf das Wertaufholungsgebot, mit dem der Gesetzgeber einen gewissen Paradigmenwechsel vorgenommen habe. Da diese Korrektur allerdings nur für die Zukunft gelten könne, sei eine rückwirkende steuerliche Erfassung früherer Wertaufholungen unzulässig. Mit seiner gedankenreichen Arbeit zur systematischen Einordnung von Teilwertabschreibung und Wertaufholung hat Schlotter einen grundsätzlichen Beitrag zum Verhältnis von Verfassungsrecht und Steuerbilanzrecht geleistet. München/Bonn, im September 2005 Wolfgang Schön VIII
Rainer Hüttemann
Vorwort
Die vorliegende Arbeit behandelt grundsätzliche Fragestellungen an der Schnittstelle zwischen Verfassungsrecht und Steuerbilanzrecht, die in Literatur und Rechtsprechung bislang nicht ausreichend gedanklich durchdrungen erscheinen, aber von größter dogmatischer und praktischer Relevanz sind. Die Bedeutung des in das Zentrum der Bearbeitung gestellten, vom BVerfG und vom BFH zunehmend betonten Folgerichtigkeitsgedankens in Bezug auf den geltenden Periodisierungsmaßstab im Steuerbilanzrecht lässt sich in seiner Relevanz kaum hoch genug einschätzen, betrifft er doch in letzter Konsequenz die Auslegung des gesamten Steuerbilanzrechts. Die Arbeit wurde im Wintersemester 2004/2005 von der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn als Dissertation angenommen. Für die Veröffentlichung wurde der ursprüngliche Titel der Arbeit „Verfassungsrechtliche und systematische Fragen des Steuerbilanzrechts (dargestellt am Beispiel von Teilwertabschreibung, AfaA und Wertaufholung)“ geändert. Im Rahmen der Aktualisierung wurde die zwischenzeitlich erschienene Literatur und Rechtsprechung bis zum 30. 4. 2005, partiell auch darüber hinaus, berücksichtigt. Mein besonderer Dank gilt meinem hochverehrten Doktorvater Herrn Prof. Dr. Wolfgang Schön, der das Thema der Arbeit angeregt, mir aber bei dessen Umsetzung jeden erdenklichen Freiraum eingeräumt hat. Sein Bemühen um ausgewogene Lösungsansätze empfand ich stets als Ansporn und Vorbild. Ihm und Herrn Prof. Dr. Rainer Hüttemann möchte ich zugleich für die Aufnahme der Arbeit in die Schriftenreihe „Rechtsordnung und Steuerwesen“ danken. Hervorheben möchte ich zudem Herrn Prof. Dr. Christian Waldhoff, der die Mühen der Erstellung des Zweitgutachtens auf sich genommen hat. Danken möchte ich insbesondere auch Herrn Privatdozent Dr. habil. Randolf Schnorr sowie Herrn Dr. Axel Cordewener LL.M., die mir während ihrer Tätigkeit am Bonner Institut für Steuerrecht stets als wertvolle Diskussionspartner zur Seite standen und weiterführende Hinweise gegeben haben. Nicht unerwähnt lassen möchte ich in diesem Zusammenhang auch Herrn Rechtsanwalt Thomas Otto. Großen Dank möchte ich der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft für die hohe Ehre aussprechen, die diese mir mit der Verleihung des Albert-Hensel-Preises 2005 erwiesen hat.
IX
Vorwort
Ganz besonderen Dank schulde ich jedoch meiner Familie sowie Natalie, vor allem aber meinen Eltern, die mir während meiner gesamten Ausbildung auf liebevolle Weise jede erdenkliche Unterstützung haben zu Teil werden lassen. Ohne diesen Rückhalt hätte die Arbeit nicht erstellt werden können. Ihnen sei diese Arbeit gewidmet. Bonn, im Juli 2005
X
Carsten Schlotter
Inhaltsübersicht Seite Geleitwort der Herausgeber.........................................................................VII Vorwort .........................................................................................................IX Inhaltsverzeichnis ...................................................................................... XIII Abkürzungsverzeichnis ........................................................................... XXV
Einleitung und Rechtfertigung des Themas.......................................1 1. Kapitel: Grundstrukturen der steuerlichen Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich (§§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 S. 1 EStG) ...................................................................5 A.
Anzuwendende Normen....................................................................... 5
B.
Inhaltliche Grundsätze der steuerlichen Gewinnermittlung mittels Betriebsvermögensvergleich nach § 5 Abs. 1 S. 1 EStG und § 4 Abs. 1 EStG ................................................................. 11
2. Kapitel: Die Kritik von Realisations- und Imparitätsprinzip vor dem Hintergrund finanzwissenschaftlicher Grundvorstellungen................................. 81 A.
Die Kritik am Steuerbilanzrecht......................................................... 81
B.
Die handelsrechtlichen Gewinnermittlungsgrundsätze als Modell einer sachgerechten Bestimmung wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit (h.M.)................................................................... 83
C.
Notwendigkeit einer Spezifizierung der Kritik.................................. 86
D.
Theoretische Grundvorstellungen zum Vorliegen einer stichtagsbezogenen Änderung im Betriebsvermögen........................ 91
E.
Kritik und h.M. im Lichte der unterschiedlichen Vergleichsmaßstäbe.......................................................................... 114
3. Kapitel: Verfassungsrechtliche Ausgestaltungsdirektiven........ 121
XI
Inhaltsübersicht
A.
Entwicklung eines Prüfungsmaßstabes zur verfassungsrechtlichen Beurteilung von Fragestellungen der Ausgestaltung der steuerlichen Bemessungsgrundlage ................... 121
B.
Das objektive Nettoprinzip .............................................................. 219
C.
Die gesetzliche Ausgestaltung der steuerlichen Gewinnermittlungsregeln durch Betriebsvermögensvergleich als zeitliche Konturierung des objektiven Nettoprinzips................. 227
4. Kapitel: Anwendung der Ergebnisse auf das Subsystem „Steuerbilanzrecht“ .......................................................................... 247 A.
Das Steuerbilanzrecht als Gegenpol zur Überschussrechnung........ 247
B.
Die „periodengerechte Gewinnermittlung“ als Differenzierungsmaßstab bei der Ausgestaltung des Steuerbilanzrechts ............................................................................ 248
C.
Die gesetzgeberischen Reformbestrebungen vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Differenzierungsmaßstäbe ....... 267
5. Kapitel: Das Wertaufholungsgebot im Lichte der unterschiedlichen Differenzierungsmaßstäbe................................ 289 A.
Die ursprüngliche Rechtslage .......................................................... 289
B.
Die Einführung einer Zuschreibungspflicht .................................... 289
C.
Die verfassungsrechtliche Problematik der Zuschreibungspflicht........................................................................ 293
6. Kapitel: Das Merkmal der voraussichtlich dauernden Wertminderung................................................................................. 359 A.
Das Merkmal der voraussichtlich dauernden Wertminderung im Spiegel der unterschiedlichen Grundkonzeptionen .................... 359
B.
Konkretisierung anhand von Einzelfällen........................................ 363
Thesenartige Zusammenfassung der Ergebnisse ............................ 375 Literaturverzeichnis .................................................................................... 381 Stichwortverzeichnis .................................................................................. 421 XII
Inhaltsverzeichnis Seite Geleitwort der Herausgeber.........................................................................VII Vorwort .........................................................................................................IX Inhaltsübersicht.............................................................................................XI Abkürzungsverzeichnis ........................................................................... XXV
Einleitung und Rechtfertigung des Themas.......................................1 1. Kapitel: Grundstrukturen der steuerlichen Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich (§§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 S. 1 EStG) ...................................................................5 A. I.
II. B.
I.
II.
Anzuwendende Normen....................................................................... 5 Der Verweisungsgehalt des Maßgeblichkeitsprinzips (§ 5 Abs. 1 S. 1 EStG) ................................................................................. 7 1. Meinungsspektrum........................................................................ 7 2. Stellungnahme............................................................................... 7 3. Einschränkung des Maßgeblichkeitsprinzips durch die Existenz von Steuervorbehalten.................................................... 9 Die steuerliche Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich gemäß § 4 Abs. 1 EStG ....................... 10 Inhaltliche Grundsätze der steuerlichen Gewinnermittlung mittels Betriebsvermögensvergleich nach § 5 Abs. 1 S. 1 EStG und § 4 Abs. 1 EStG ................................................................. 11 Das Realisationsprinzip...................................................................... 12 1. Grundsätzliche Aussagen und anerkannte Konsequenzen.......... 12 2. Der Realisationszeitpunkt ........................................................... 16 Einordnung des Wirkmechanismus vor dem Hintergrund der Bilanztheorie ...................................................................................... 17 1. Die Bedeutung des Realisationsprinzips vor dem Hintergrund eines statischen Bilanzverständnisses..................... 17 2. Die Bedeutung des Realisationsprinzips vor dem Hintergrund einer eher betriebswirtschaftlich orientierten Bilanztheorie ............................................................................... 21 a) Der Gedanke der Nettorealisation nach Moxter und dessen Konsequenzen .......................................................... 22 XIII
Inhaltsverzeichnis
III.
XIV
b) Die traditionelle Interpretation des Realisationsprinzips in der betriebswirtschaftlichen Literatur................................................................................ 31 3. Auswirkungen der unterschiedlichen Standpunkte im Hinblick auf die Interpretation der Verbindlichkeitsrückstellungen................................................... 33 Einordnung von außerplanmäßigen Abschreibungen im Rahmen der steuerlichen Gewinnermittlung mittels Betriebsvermögensvergleich .............................................................. 36 1. Außerplanmäßige Abschreibungen im Bilanzsteuerrecht........... 36 2. Teilwertabschreibung und AfaA in der Bilanztheorie................. 38 a) Außerplanmäßige Abschreibungen im System des Nettorealisationsprinzips...................................................... 38 aa) Die Begründung aus dem Realisationsprinzip ............ 39 bb) Abgrenzung zum Abschreibungsbedarf aus dem Imparitätsprinzip.................................................. 40 (1) Die Teilwertabschreibung als Ausfluss des Realisationsprinzips?............................................ 45 (2) Abgrenzung der außerplanmäßigen Abschreibung nach dem Realisationsprinzip vom zusätzlichen Abschreibungsbedarf nach dem Imparitätsprinzip .................................................. 48 (3) Berücksichtigung einkommensteuerspezifischer Besonderheiten ..................................................... 50 (3.1) AfaA ........................................................... 50 (3.2) Der zusätzliche Abschreibungsbedarf nach dem Imparitätsprinzip ........................ 55 (3.3) Abgleich mit der Auffassung Leffsons und Baetges ................................. 57 (3.4) Das funktionale Teilwertverständnis nach der Ausschüttungsstatik ..................... 58 b) Außerplanmäßige Abschreibungen im System der statischen Bilanzauffassung ................................................. 60 aa) Das Imparitätsprinzip in der Vermögensstatik ............ 60 bb) Die Bedeutung der AfaA vor dem Hintergrund der Vermögensstatik .................................................... 61 cc) Die Teilwertabschreibung im System der statischen Bilanzauffassung ........................................ 62
Inhaltsverzeichnis
IV. V.
(1) Möglichkeiten einer Teilwertbestimmung im System der statischen Bilanzauffassung ......... 63 (2) Der Teilwert nach dem Konzept von Rechtsprechung und herrschender Lehre ............. 63 (3) Die Rechtsprechungslösung als Ausprägung einer näherungsweisen Erfassung des Fortführungsvermögens ................ 68 (4) Das funktionelle Teilwertverständnis als Alternativmodell einer näherungsweisen Erfassung des Fortführungsvermögens ................ 71 c) Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Teilwertverständnisse........................................................... 73 Die Drohverlustrückstellung im Spiegel der unterschiedlichen Bilanzverständnisse............................................................................ 76 Zusammenfassung.............................................................................. 78
2. Kapitel: Die Kritik von Realisations- und Imparitätsprinzip vor dem Hintergrund finanzwissenschaftlicher Grundvorstellungen................................. 81 A.
Die Kritik am Steuerbilanzrecht......................................................... 81
B.
Die handelsrechtlichen Gewinnermittlungsgrundsätze als Modell einer sachgerechten Bestimmung wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit (h.M.)................................................................... 83
C.
Notwendigkeit einer Spezifizierung der Kritik.................................. 86
D.
Theoretische Grundvorstellungen zum Vorliegen einer stichtagsbezogenen Änderung im Betriebsvermögen........................ 91 Der Kassenvermögensvergleich: Konzeption eines zahlungsorientierten Einkommensbegriffs ........................................ 91 Ableitung und Konzeption der Reinvermögenszuwachstheorie.......................................................... 93 Die Konzeptionen der Reinvermögenszugangstheorie.................... 102 1. Die traditionelle Interpretation der Reinvermögenszugangstheorie nach Schneider........................ 102 2. Der Ansatz Siegels als Neukonturierung der Reinvermögenszugangstheorie? ............................................... 104 3. Stellungnahme........................................................................... 107 Das Nettorealisationsprinzip ............................................................ 111
I. II. III.
IV.
XV
Inhaltsverzeichnis
E.
Kritik und h.M. im Lichte der unterschiedlichen Vergleichsmaßstäbe.......................................................................... 114
3. Kapitel: Verfassungsrechtliche Ausgestaltungsdirektiven........ 121 A.
I.
II.
XVI
Entwicklung eines Prüfungsmaßstabes zur verfassungsrechtlichen Beurteilung von Fragestellungen der Ausgestaltung der steuerlichen Bemessungsgrundlage ................... 121 Art 3 Abs. 1 GG als Ausgangspunkt der verfassungsrechtlichen Beurteilung ................................................. 121 1. Die traditionelle Deutung des Art 3 Abs. 1 GG als Willkürverbot ............................................................................ 122 2. Weitergehende inhaltliche Maßstäbe zur Festlegung des Prüfungsmaßstabes.................................................................... 124 a) Die These von einer bereichsspezifischen Interpretation des Gleichheitssatzes für das Steuerrecht.......................................................................... 125 b) Die These einer hohen Bindungsintensität bei nachteiliger Auswirkung der Regelung im freiheitsrechtlich geschützten Bereich ............................... 127 c) Hohe Bindungsintensität, wenn der Normadressat als Person betroffen ist?........................................................... 128 d) Das Leistungsfähigkeitsprinzip als maßgebliches Differenzierungskriterium im Steuerrecht ......................... 129 aa) Die Bedeutung des Leistungsfähigkeitsprinzip in der Rechtsprechung des BVerfG ........................... 129 bb) Die Auffassung der herrschenden Lehre ................... 133 cc) Die Kritik am Leistungsfähigkeitsprinzip ................. 134 dd) Stellungnahme ........................................................... 136 (1) Das Leistungsfähigkeitsprinzip als einzig sachgerechtes Kriterium der Lastenverteilung ................................................. 136 (2) Der Inhalt des Leistungsfähigkeitsprinzips ........ 139 Die inhaltliche Konturierung des Leistungsfähigkeitsprinzips anhand der tatsächlichen Belastungsgleichheit................................ 142 1. Grundansätze in der finanzwissenschaftlichen Diskussion ...... 143 a) Opfertheorie (nutzentheoretischer Ansatz) ........................ 143 b) Pragmatische Begriffsbestimmung der h.L........................ 144 c) Stellungnahme.................................................................... 145 2. Die sog. Indikatoren wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit......... 147 a) Der Anknüpfungspunkt im EStG und KStG...................... 148
Inhaltsverzeichnis
aa) Das Lebenseinkommen als Indikator steuerlicher Leistungsfähigkeit ................................. 149 (1) Das Modell der Sparbereinigung (nachgelagerte Besteuerung) .............................. 153 (2) Das Modell der Zinsbereinigung (vorgelagerte Besteuerung) ................................ 155 bb) Der Leistungsfähigkeitsindikator „Periodeneinkommen“ im ökonomischen Ideal........ 156 b) Stellungnahme.................................................................... 163 3. Verfassungsrechtliche Einengung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraumes hinsichtlich der Anknüpfung an das Lebens- oder das Periodeneinkommen als Leistungsfähigkeitsindikator? ................................................... 166 a) Das Periodizitätsprinzip als materielles Prinzip der Besteuerung........................................................................ 166 b) Verfassungsrechtliche Notwendigkeit einer einheitlichen praktischen Umsetzbarkeit des Leistungsfähigkeitsindikators zur Herstellung tatsächlicher Belastungsgleichheit? ................................... 172 aa) Verfassungsrechtliche Schlussfolgerungen von Teilen des wirtschaftswissenschaftlichen Schrifttums ................................................................ 172 bb) Stellungnahme ........................................................... 174 c) Finanzverfassungsrechtliche Vorgaben.............................. 177 4. Gesetzgeberische Belastungsentscheidung zugunsten des Leistungsfähigkeitsindikators „Periodeneinkommen“ ............. 178 a) Auswirkungen der Meinungsunterschiede auf überperiodisch wirkende Vorschriften des EStG ............... 184 aa) Auffassung der herrschenden Meinung..................... 185 bb) Der Erklärungsansatz Drüens.................................... 185 cc) Die Deutung von § 10 d EStG vor dem Hintergrund eines innerperiodischen Leistungsfähigkeitsverständnisses ............................ 187 dd) Ergebnis..................................................................... 190 b) Zusammenfassende Beurteilung ........................................ 191 5. Auswirkungen der Belastungsentscheidung zur Besteuerung des Periodeneinkommens auf die Ausgestaltung der Bemessungsgrundlage innerhalb des Einkommen- und Körperschaftsteuerrechts.............................. 192 a) Die Sonderstellung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.................................................... 193 XVII
Inhaltsverzeichnis
III. B. I. II. III.
IV. C.
I. II. III. IV.
XVIII
b) Der „Dualismus der Einkunftsarten“ ................................. 194 aa) Der Standpunkt der herrschenden Lehre................... 198 bb) Der markteinkommenstheoretische Einkommensbegriff ................................................... 200 cc) Die Rechtsprechung des BVerfG............................... 203 dd) Stellungnahme und Kritik ......................................... 204 c) Das Gebot der Folgerichtigkeit und Systemkonsequenz als Ausgestaltungsdirektive ................ 209 d) Zusammenfassung.............................................................. 213 Exkurs: Folgerungen für das Verhältnis der Einkommensbesteuerung zu weiteren Steuerarten .......................... 215 Das objektive Nettoprinzip .............................................................. 219 Das objektive Nettoprinzip in der Rechtsprechung des BVerfG ............................................................................................. 219 Der Meinungsstand in der Literatur ................................................. 220 Die grundsätzliche Berechtigung des objektiven Nettoprinzips .................................................................................... 220 1. Ableitung des objektiven Nettoprinzips aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip ........................................................ 221 2. Ableitung des objektiven Nettoprinzips aus dem Typus der Einkommensteuer (sog. finanzverfassungsrechtliche Begründung).............................................................................. 222 3. Der Umfang des verfassungsrechtlich gebotenen Abzuges der Erwerbsaufwendungen......................................... 223 a) Ableitung des Umfangs der abzugsfähigen Erwerbsaufwendungen aus Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten .................................. 224 b) Ableitung des Umfangs des abzugsfähigen Aufwandes aus dem Gebot der Folgerichtigkeit und Systemkonsequenz (Symmetrieprinzip) ............................ 226 Zwischenergebnis............................................................................. 227 Die gesetzliche Ausgestaltung der steuerlichen Gewinnermittlungsregeln durch Betriebsvermögensvergleich als zeitliche Konturierung des objektiven Nettoprinzips................. 227 Die zeitliche Dimension des objektiven Nettoprinzips.................... 227 Ausgestaltungsdirektiven unter Berücksichtigung von Folgerichtigkeitsüberlegungen......................................................... 228 Anforderungen aus dem Symmetrieprinzip ..................................... 230 Einschränkung des gesetzgeberischen Ausgestaltungsspielraumes ? ........................................................... 233
Inhaltsverzeichnis
V.
1. Markteinkommensprinzip ......................................................... 233 2. Einschränkung des gesetzgeberischen Ausgestaltungsspielraums aus Gründen der Gleichbehandlung mit Beziehern von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit ?........................................................ 234 3. Einschränkung des Ausgestaltungsspielraumes aus Gründen der Objektivierung der Gewinnermittlung................. 235 4. Schlussfolgerung: Das Steuerbilanzrecht zwischen Differenzierungsmaßstab und gegenläufigen weiteren Verfassungsprinzipien ............................................................... 237 5. Das Prinzip der eigentumsschonenden Besteuerung als weitere verfassungsrechtliche Ausgestaltungsgrenze ............... 238 Möglichkeit eines Pluralismus steuerlicher Gewinnbegriffe? ......... 245
4. Kapitel: Anwendung der Ergebnisse auf das Subsystem „Steuerbilanzrecht“ .......................................................................... 247 A.
Das Steuerbilanzrecht als Gegenpol zur Überschussrechnung........ 247
B.
Die „periodengerechte Gewinnermittlung“ als Differenzierungsmaßstab bei der Ausgestaltung des Steuerbilanzrechts ............................................................................ 248 Schlussfolgerung der Rechtsprechung: Der Maßgeblichkeitsgrundsatz als Ansatz für Folgerichtigkeitsüberlegungen......................................................... 249 Reinvermögenszuwachstheorie und Nettorealisationsgedanke als mögliche Differenzierungsmaßstäbe im geltenden Bilanzsteuerrecht.............................................................................. 251 1. Verfassungsrechtliche Beurteilung vor dem Hintergrund des „Vermögens“vergleichs als Differenzierungskriterium......................................................... 252 a) Ausgangspunkt................................................................... 252 b) Möglicher Verstoß gegen das Symmetrieprinzip ............... 253 c) Die verfassungsrechtliche Bedeutung des Realisationsprinzips ........................................................... 255 d) Verfassungsrechtliche Beurteilung des Imparitätsprinzips............................................................... 259 e) Zwischenergebnis............................................................... 260 2. Verfassungsrechtliche Beurteilung vor dem Hintergrund des Nettorealisationsgedankens als
I.
II.
XIX
Inhaltsverzeichnis
III. C. I.
II.
XX
systemkonturierendem Differenzierungskriterium des Bilanzsteuerrechts ..................................................................... 261 a) Verfassungsrechtliche Betrachtung des Realisationsprinzips ........................................................... 262 b) Betrachtung des Imparitätsprinzips.................................... 263 Zusammenfassung............................................................................ 264 Die gesetzgeberischen Reformbestrebungen vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Differenzierungsmaßstäbe ....... 267 Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen einer Einschränkung bzw. Abschaffung der Teilwertabschreibung unter den Bedingungen eines vermögensstatischen Differenzierungsmaßstabes .............................................................. 268 1. Die Einschränkung der Teilwertabschreibung auf eine „voraussichtlich dauernde Wertminderung“ ............................. 268 2. Verfassungsrechtliche Möglichkeiten eines Verbots der Teilwertabschreibung nach der Vermögensstatik...................... 269 a) Verfassungsrechtliche Notwendigkeit periodendurchbrechender Verlustausgleichsmechanismen zur Kompensation von Systemverletzungen bei der Gewinnermittlung? ........ 272 aa) Meinungsspektrum .................................................... 272 bb) Stellungnahme ........................................................... 274 b) Einschränkung der Gestaltungskompetenz durch das Leistungsfähigkeitsprinzip und das Prinzip der eigentumsschonenden Besteuerung? ................................. 277 aa) Meinungsspektrum .................................................... 278 bb) Die reinvermögenszuwachstheoretische Bemessung von Vermögensminderungen als notwendiger Ausfluss des Leistungsfähigkeitsprinzips und einer eigentumsschonenden Besteuerung?......................... 281 Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen einer Einschränkung bzw. Abschaffung der Teilwertabschreibung unter dem Regime des Nettorealisationsgedankens als verfassungsrechtlichem Differenzierungsmaßstab .......................... 283 1. Die Einschränkung der Teilwertabschreibung auf eine „voraussichtlich dauernde Wertminderung“ ............................. 283 2. Möglichkeiten einer Abschaffung der Teilwertabschreibung vor dem Hintergrund des Nettorealisationsprinzips........................................................... 284
Inhaltsverzeichnis
III.
a) Das Prinzip der eigentumsschonenden Besteuerung als gegenläufige Abwägungsdeterminante......................... 284 b) Die Ebene der Bemessungsgrundlage bei der Gewinnermittlung .............................................................. 285 c) Notwendigkeit alternativer Verlustausgleichsmechanismen?........................................ 285 Zusammenfassung............................................................................ 288
5. Kapitel: Das Wertaufholungsgebot im Lichte der unterschiedlichen Differenzierungsmaßstäbe................................ 289 A.
Die ursprüngliche Rechtslage .......................................................... 289
B.
Die Einführung einer Zuschreibungspflicht .................................... 289
C.
Die verfassungsrechtliche Problematik der Zuschreibungspflicht........................................................................ 293 Die verfassungsrechtliche Beurteilung von Wertzuschreibungen vor dem Hintergrund von Reinvermögenzuwachstheorie und Nettorealisationsgedanken....... 294 1. Die Beurteilung des Wertaufholungsgebotes nach den Leistungsfähigkeitsvorstellungen der Reinvermögenszuwachstheorie.......................................................................... 294 2. Die theoretische Bedeutung der Wertaufholung unter Zugrundelegung des Nettorealisationsgedankens..................... 299 3. Zusammenfassende Beurteilung ............................................... 303 Die verfassungsrechtliche Beurteilung der Wertzuschreibungspflicht bei Teilwertabschreibungen und AfaA, die nach dem 1. 1. 1999 neu gebildet werden....................... 303 1. Der ursprünglich gewählte Differenzierungsmaßstab im Steuerbilanzrecht....................................................................... 304 2. Die Problematik gesetzgeberischer Reformvorhaben: Möglichkeit der Veränderung des Beurteilungsmaßstabes durch eine Korrektur der gesetzgeberischen Belastungsentscheidung.............................................................................. 313 3. Implementierung eines neuen systemprägenden Differenzierungsmaßstabes im Bilanzsteuerrecht? ................... 315 4. Unklarheiten aufgrund der Rücknahme der Entscheidung zur Eliminierung der Teilwertabschreibung aus der steuerlichen Gewinnermittlung ................................................. 321
I.
II.
XXI
Inhaltsverzeichnis
III.
IV.
5. Übertragung der Ergebnisse auf Wertaufholungen in Bezug auf erst nach dem 1. 1. 1999 vorgenommene Teilwertabschreibungen und AfaA............................................ 325 Verfassungsrechtliche Beurteilung der Wertaufholungspflicht in Bezug auf Teilwertabschreibungen und AfaA, die (z.T. weit) vor dem 1. 1. 1999 gebildet wurden und bei denen eine Wertaufholung bereits vor dem 1. 1. 1999 stattgefunden hat .......... 328 1. Beurteilung des Wertzuschreibungsgebotes vor dem Hintergrund der Rückwirkungsproblematik ............................. 328 a) Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Rückwirkung im Einkommensteuerrecht .......................... 330 aa) Die traditionelle Unterscheidung zwischen echter und unechter Rückwirkung ............................ 330 bb) Die Unterscheidung zwischen Rückbewirkung von Rechtsfolgen und tatbestandlicher Rückanknüpfung ....................................................... 331 cc) Der Einfluss des Prinzips der Abschnittsbesteuerung .............................................. 334 dd) Tendenzen zur Überwindung der traditionellen verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung ................ 335 b) Beurteilung des Wertaufholungsgebotes vor dem Hintergrund der gefundenen Ergebnisse............................ 340 c) Alternativbetrachtung unter Zugrundelegung der neueren Rechtsprechung .................................................... 349 2. Beurteilung vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlichen Gehalts des Realisationsprinzips......... 352 Verfassungsrechtliche Beurteilung der Wertaufholungspflicht in Bezug auf vor dem 1. 1. 1999 gebildete Teilwertabschreibungen und AfaA, bei denen die Werterholung erst nach dem 1. 1. 1999 eintritt................................ 353 1. Leistungsfähigkeitsprinzip ........................................................ 353 2. Beurteilung der zukünftigen Wertaufholungen vor dem Hintergrund der Rückwirkungsproblematik ............................. 354
6. Kapitel: Das Merkmal der voraussichtlich dauernden Wertminderung................................................................................. 359 A.
Das Merkmal der voraussichtlich dauernden Wertminderung im Spiegel der unterschiedlichen Grundkonzeptionen .................... 359
B.
Konkretisierung anhand von Einzelfällen........................................ 363
XXII
Inhaltsverzeichnis
I. II. III.
Abnutzbares Anlagevermögen ......................................................... 363 Nichtabnutzbares Anlagevermögen ................................................. 367 Umlaufvermögen ............................................................................. 372
Thesenartige Zusammenfassung der Ergebnisse .......................... 375 Literaturverzeichnis .................................................................................... 381 Stichwortverzeichnis .................................................................................. 421
XXIII
Abkürzungsverzeichnis a.A. a.a.O. Abt. ADHGB a.E. a.F. AfA AfaA AG AK AktG Anm. AO AöR Art. BB Bd. Beck HDR BFH BFHE BFH/NV
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DB ders. DFGT
Der Betrieb (Zeitschrift) derselbe Deutscher Finanzgerichtstag
XXV
Abkürzungsverzeichnis
DJT DM DÖV DStR DStRE DStZ DStZ/A DStJG DVBl EFG EGV
Deutscher Juristentag Deutsche Mark Die Öffentliche Verwaltung (Zeitschrift) Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) Deutsches Steuerrecht-Entscheidungsdienst Deutsche Steuerzeitung (Zeitschrift) Deutsche Steuerzeitung Ausgabe A (Zeitschrift bis 1989) Jahrbuch der Deutschen Steuerjuristische Gesellschaft Deutsche Verwaltungsblätter (Zeitschrift)
EStG e.V.
Entscheidungen der Finanzgerichte Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Einkommensteuergesetz eingetragener Verein
f.,ff. FG FinArch FN FR FS
folgende Finanzgericht Finanzarchiv (Zeitschrift) Fußnote Finanzrundschau (Zeitschrift) Festschrift
GE GewStG GG ggf. GmbHR GoB GoStB GrS GS GuV
Geschäftseinheiten Gewerbesteuergesetz Grundgesetz gegebenenfalls GmbH-Rundschau (Zeitschrift) Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung Grundsätze ordnungsmäßiger steuerlicher Bilanzierung Großer Senat Gedächtnisschrift Gewinn- und Verlustrechnung
HFR HGB h.L. h.M.
Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung Handelsgesetzbuch herrschende Lehre herrschende Meinung
XXVI
Abkürzungsverzeichnis
Hrsg. HS
Herausgeber Halbsatz
IAS i.E. i.d.F. IDW IFRS IFSt Inf i.S. i.S.d. i.Ü.
International Accounting Standards im Ergebnis in der Fassung Institut der Wirtschaftsprüfer International Financial Reporting Standards Institut „Finanzen und Steuern“ Die Information über Steuer und Wirtschaft (Zeitschrift) im Sinne im Sinne des/der im Übrigen
JbFStR JA JuS Jura JZ
Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht Juristische Arbeitsblätter (Zeitschrift) Juristische Schulung (Zeitschrift) Juristische Ausbildung (Zeitschrift) Juristenzeitung (Zeitschrift)
Kap. KOR
Kapitel Zeitschrift für kapitalmarktorientierte Rechnungslegung (Zeitschrift) Kölner Steuerdialog (Zeitschrift) Körperschaftsteuergesetz Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft (Zeitschrift)
KÖSDI KStG KritV
m.E. mwN
meines Erachtens mit weiteren Nachweisen
NJW Nr. NVwZ NWB
Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift) Nummer Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (Zeitschrift) Neue Wirtschaftsbriefe (Zeitschrift)
OFD ÖJT ÖStZ
Oberfinanzdirektion Österreichischer Juristentag Österreichische Steuerzeitung (Zeitschrift) XXVII
Abkürzungsverzeichnis
ÖStZB
Beilage zur Österreichischen Steuerzeitung
preuß. Preußisches OVG preuß. OVGSt
Preußisch Preußisches Oberverwaltungsgericht Entscheidungen des Preußischen Oberverwaltungsgerichts in Steuersachen
RFH RFHE RGBl. RIW
Reichsfinanzhof Entscheidungen des Reichsfinanzhofs Reichsgesetzblatt Recht der Internationalen Wirtschaft (Zeitschrift) Rechtskräftig Randnummer Reichsoberhandelsgericht Entscheidungen des Reichsoberhandelsgerichts Reichssteuerblatt
rkr. Rn ROHG ROHGE RStBl. S. Sp. sog. Stbg StBp StbJb StEntlG SteuerStud StNOG StRefG-E StuB StuW StVj
Seite/Satz Spalte sogenannte/sogenannter Die Steuerberatung (Zeitschrift) Die steuerliche Betriebsprüfung (Zeitschrift) Steuerberater-Jahrbuch Steuerentlastungsgesetz Steuer und Studium (Zeitschrift) Gesetz zur Neuordnung von Steuern v. 16. 12. 1954 Entwurf eines Steuerreformgesetzes 1998 Steuern und Bilanzen (Zeitschrift) Steuer und Wirtschaft (Zeitschrift) Steuerliche Vierteljahresschrift (Zeitschrift)
Tz.
Textziffer
u.a. usw. u.U.
unter anderem und so weiter unter Umständen
v. VfGH
vom (österreichischer) Verfassungsgerichtshof
XXVIII
Abkürzungsverzeichnis
vgl. VVdStRL VwGH
vergleiche Veröffentlichungen der Vereinigung deutscher Staatsrechtslehrer (österreichischer) Verwaltungsgerichtshof
WoBauFG WPg WRV
Wohnungsbauförderungsgesetz Die Wirtschaftsprüfung (Zeitschrift) Weimarer Reichsverfassung
z.B. ZBB
zum Beispiel Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft (Zeitschrift) Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge (Zeitschrift) Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung (Zeitschrift) Zeitschrift für die handelswissenschaftliche Forschung (Zeitschrift) Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht (Zeitschrift) Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) Zeitschrift für Rechtspolitik (Zeitschrift) zum Teil
ZEV Zfbf Zfhf ZGR ZHR ZRP z.T.
XXIX
Einleitung und Rechtfertigung des Themas Das Bilanzsteuerrecht steht an einem wichtigen Wendepunkt in seiner Entwicklung. Während die frühere Gesetzgebung weitgehend dem Maßgeblichkeitsprinzip und den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung (§ 5 Abs. 1 S. 1 EStG) verpflichtet war, ist nunmehr zu beobachten, dass unter Berufung auf das Leistungsfähigkeitsprinzip zunehmend mit dieser Tradition gebrochen wird1. In Abkehr von der Maßgeblichkeit wird die steuerbilanzielle Gewinnermittlung mehr und mehr verselbständigt. Dabei steht als besonders prägnante Änderung die vollständige Abkehr vom Imparitätsprinzip durch die zunächst geplante2 Abschaffung der Teilwertabschreibung im Raum, die angesichts heftiger Kritik3 dann aber im Rahmen des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/20024 auf die Einschränkung der Möglichkeiten zum Ansatz des niedrigeren Teilwertes lediglich bei einer „voraussichtlich dauernden Wertminderung“ reduziert wurde (§§ 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 2, Nr. 2 S. 2 EStG). Daneben hat der Gesetzgeber weiterhin die Möglichkeit belassen, eine Absetzung für außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzung (AfaA) vorzunehmen (§ 7 Abs. 1 S. 7 EStG). Durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24. 3. 1999 wurde jedoch die Einführung eines steuerlichen Wertaufholungsgebotes Realität5. Dieses erfasst gemäß §§ 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 4, Nr. 2 S. 3 EStG nicht nur die Teilwertabschreibungen, sondern bezieht sich nach § 7 Abs. 1 S. 7 EStG auch auf die AfaA. Die gesetzgeberischen Tendenzen zur Abschaffung bzw. weiteren Einschränkung des Imparitätsprinzips sind als Fortsetzung einer Entwicklung zu verstehen, die bereits mit dem Verbot zum Ansatz von Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften (§ 5 Abs. 4a EStG)6 eingeleitet wurde, und die es sich zum Ziel gesetzt hat, das geltende Bilanzsteuerrecht unter Bezugnahme auf das Prinzip der Besteuerung nach Maßgabe 1 2 3
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BT-Drucks. 14/23 v. 9. 11. 1998, S. 171f. BT-Drucks. 14/23 v. 9. 11. 1998, Begründung zu § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG, S. 172. Kritisch etwa IDW-Fachausschuss WPg 1999, 26, 30; Jakobs/Lohrbacher GmbHR 1998, 1204, 1207; Hoffmann/Rüsch DStR 1999, 45, 46; Küting/Kessler DStR 1998, 1937, 1944 FN 52; Uelner in: IFSt-Schrift Nr. 369, Zum geplanten Verbot der Teilwertabschreibung, 1999, S. 23ff; Uelner StuB 1999, 84ff; a.A. Schneider DB 1999, 105, 108. StEntlG 1999/2000/2002 v. 24. 3. 1999, BGBl. I S. 402. BT-Drucks. 14/443, S. 22f. § 5 Abs. 4a EStG in der Fassung des Gesetzes zur Fortführung der Unternehmenssteuerreform v. 29. 10. 1997, (BGBl. I S. 2590).
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Einleitung und Rechtfertigung des Themas
wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit neu zu ordnen7. Andererseits müssen die im Rahmen des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 erwogenen bzw. umgesetzten Änderungen jedoch als schwerwiegende Eingriffe in die bisherige Tradition steuerlicher Gewinnermittlung angesehen werden, die in steuersystematischer und insbesondere verfassungsrechtlicher Hinsicht zahlreiche ungeklärte Fragestellungen aufwerfen, denen im Rahmen der vorliegenden Untersuchung nachgegangen werden soll. Als besondere Schwierigkeit erweist sich dabei, dass trotz der zentralen Bedeutung in kaum einem anderen Bereich des Verfassungsrechts bereits bzgl. der elementaren verfassungsrechtlichen Grundfragen solche Unsicherheiten und Diskrepanzen im Meinungsstand existieren, wie es im Verhältnis Steuerrecht - Verfassungsrecht der Fall ist. Die Konsequenzen zeigen sich insbesondere im Steuerbilanzrecht, dessen Materie bislang nur ansatzweise verfassungsrechtlich durchdrungen ist. Nachfolgend soll daher versucht werden, die aus dem Handelsbilanzrecht für das Steuerbilanzrecht rezipierten, traditionellen Grundsätze, d.h. den ausschüttbaren bzw. steuerbaren Gewinn im Rahmen der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich nach dem Realisationsprinzip und dem Imparitätsprinzip zu ermitteln, vor dem Hintergrund des Verfassungsrechts einzuordnen. Um einen festen Ausgangspunkt für die weiteren Betrachtungen zugrundelegen zu können, soll dazu zunächst die Systematik der bilanziellen Gewinnermittlung vor dem Hintergrund der Bilanztheorie systematisiert werden, wobei ein besonderes Augenmerk auf die Bedeutung des Realisations- und des Imparitätsprinzips gelegt wird. Diese systematischen Betrachtungen dienen anschließend als Basis für die Darstellung der Kritik am Imparitätsprinzip und damit der bisherigen Ausgestaltung des Steuerbilanzrechts (und indirekt auch am Maßgeblichkeitsprinzip). Systematisiert man wiederum die Kritik anhand der finanzwissenschaftlichen Erkenntnisse über die unterschiedlichen theoretischen Ausgestaltungsmöglichkeiten eines Vermögensvergleichs, wird sich zeigen, dass sich im Lager der Kritiker eine Vielzahl unterschiedlicher Positionen vereinen, die ihrerseits aus ganz unterschiedlichen Gründen verschiedene Grundvorstellungen zur „richtigen“ Periodisierung im Rahmen der steuerlichen Gewinnermittlung zugrundelegen. Die Bezugnahme auf das Spektrum der Periodisierungsmöglichkeiten ermöglicht ferner eine Einschätzung über die Reichweite des „Reformbedarfs“, der sich ergibt, wenn man das geltende Bilanzsteuerrecht an dem jeweils favorisierten Periodisierungsmaßstab misst. Ferner erklärt sich, warum in der Diskussion über das Bilanzsteuerrecht unter Bezugnahme auf das Leistungsfähigkeitsprinzip über die Eliminierung des Imparitätsprinzips hi7
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BT-Drucks. 14/23, S. 170f.
Einleitung und Rechtfertigung des Themas
nausgehend auch die Abschaffung der Verbindlichkeitsrückstellungen, teilweise sogar die komplette Aufgabe des Systems und der Übergang zu einer Geldrechnung gefordert wird, von anderen Autoren hingegen die grundsätzlichen Strukturen des traditionellen Bilanzsteuerrechts heftig verteidigt werden. Die aus dem interdisziplinären Blick gewonnenen Erkenntnisse über die unterschiedlichen theoretischen Ausgestaltungsmöglichkeiten eines Vermögensvergleichs führen zu der Notwendigkeit einer Überprüfung, welche Rahmenbedingungen das Verfassungsrecht bei der Ausgestaltung des Steuerbilanzrechts eigentlich setzt. Um einerseits die Forderungen namhafter Autoren8 nach einer verfassungsrechtlich motivierten Reform des Steuerbilanzrechts zu würdigen und andererseits die aufgezeigten gravierenden Änderungen des geltenden Steuerbilanzrechts im Bereich der zu untersuchenden Materie beurteilen zu können, stellt sich insbesondere die Frage, ob und inwieweit ein verfassungsrechtlicher Beurteilungsmaßstab zur Verfügung steht, anhand dessen die gesetzgeberische Ausgestaltung der Bemessungsgrundlage im Steuerbilanzrecht untersucht werden kann. Die Grundrechtsbindung des Steuergesetzgebers gemäß Art 1 Abs. 3 GG und der Charakter des Steuerrechts als Eingriffsrecht9 verleihen der Frage nach einem verfassungsrechtlichen Kontrollmaßstab entscheidenden Nachdruck. Im Zentrum der Überlegungen stehen insoweit die Berechtigung und die Konkretisierung des Leistungsfähigkeitsprinzips und des objektiven Nettoprinzips. Im Rahmen der Arbeit muss dabei insbesondere untersucht werden, ob die Verfassung einen bestimmten Differenzierungs- oder Periodisierungsmaßstab in Konkretisierung des Leistungsfähigkeitsprinzips favorisiert. Besonderes Gewicht ist dabei auf die Klärung der Problematik zu legen, ob ein verfassungsrechtlicher Differenzierungsmaßstab den Anforderungen einer belastungsgleichen Steuerbemessung für alle Einkunftsarten10 genügen muss. Ziel der Arbeit muss damit u.a. sein, die das weitere Verständnis vorentscheidende Problematik zu klären, ob die vom Gesetzgeber vorgenommene Unterscheidung verschiedener Subsysteme der Einkommensermittlung verfassungsrechtlichen Bestand haben kann.
8 Stellvertretend für alle seien hier nur Weber-Grellet DB 1994, 288, 291; Kort FR 2001, 53ff jeweils mwN genannt. 9 Weber-Grellet, Steuerbilanzrecht, 1996, § 1 Rn 1; Hennrichs DStJG 24 (2001), 301, 308; Drüen FS Kruse, 2001, S. 191f. 10 In diesem Rahmen muss vor dem Hintergrund der finanzwissenschaftlichen Erkenntnisse geklärt werden, wie ein System auszusehen hätte, das zu einer belastungsgleichen Steuerbemessung führt.
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Einleitung und Rechtfertigung des Themas
Erst nachdem die Berechtigung der Unterscheidung verschiedener Subsysteme dargelegt ist, kann anschließend unter Rückgriff auf die finanzwissenschaftlichen Erkenntnisse hinsichtlich der möglichen Ausgestaltungen eines Betriebsvermögensvergleichs der bedeutsamen Frage nachgegangen werden, durch welchen Differenzierungsmaßstab die steuerliche Gewinnermittlung durch Vermögensvergleich im geltenden Recht erklärt werden kann. Anhand dieser Ergebnisse und unter Berücksichtigung weiterer bedeutsamer Verfassungsprinzipien, wie etwa dem Prinzip einer eigentumsschonenden Besteuerung, kann eine Beantwortung der durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragestellungen bzgl. des Imparitäts- und Realisationsprinzips versucht werden. Wenn die systematischen und verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen des Steuerbilanzrechts und damit auch die Bedeutung des Realisations- und des Imparitätsprinzips offen gelegt sind, erfordert das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 schließlich eine Überprüfung, ob und inwieweit sich das steuerliche Wertaufholungsgebot in diesen Rahmen einfügt. Am Beginn der Arbeit soll jedoch, wie bereits angedeutet, eine kurze bilanztheoretische Bestandsaufnahme stehen, die die gesetzliche Ausgestaltung der Systematik der steuerbilanziellen Gewinnermittlung verdeutlicht. Dabei soll versucht werden, sowohl die Teilwertabschreibung als auch die AfaA in dieses System einzubetten.
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1. Kapitel: Grundstrukturen der steuerlichen Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich (§§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 S. 1 EStG) A.
Anzuwendende Normen
Im Rahmen der betrieblichen Einkunftsarten erfolgt die Zuordnung einzelner Vermögensänderungen für buchführende und bilanzierende Gewerbetreibende1 nach den Regeln der handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung (§ 5 Abs. 1 S. 1 EStG)2. Diese Bezugnahme auf die handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung wird als Maßgeblichkeitsprinzip bezeichnet3. Für gewisse Gewerbetreibende bedient 1
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Die Maßgeblichkeit der Handelsbilanz gilt für Gewerbetreibende, die aufgrund inländischer gesetzlicher Vorschriften oder freiwillig Bücher führen und regelmäßig Abschlüsse machen. Erfasst werden somit insbesondere Steuerpflichtige, die Kaufleute i.S.d. §§ 1ff HGB sind und die nach §§ 238, 242, 264, 336, 340 - 340o, 341-341o HGB zur Buchführung verpflichtet sind (vgl. auch § 140 AO). Der Maßgeblichkeitsgrundsatz gilt auch für Körperschaften (§ 8 Abs. 1 KStG). Buchführungspflichten ergeben sich ferner aus den § 141 AO. Nach § 141 Abs. 1 S. 2 AO gelten für Steuerpflichtige, die allein für steuerliche Zwecke Bücher und Bilanzen führen, die §§ 238, 240 bis 242 Abs. 1 und 243 bis 256 des HGB. Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 5 Abs. 1 S. 1 EStG ist jedoch stets die Eigenschaft als Gewerbetreibender. Erforderlich ist somit, dass ein gewerbliches Unternehmen i.S.v. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG betrieben wird (vgl. Weber-Grellet in: Schmidt, EStG, 24. Auflage, 2005, § 5 Rn 7). Die Maßgeblichkeit des Betriebsvermögens zum Schluss eines Wirtschaftsjahres, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung auszuweisen ist, führt für den steuerlichen Vermögensansatz dazu, dass die handelsrechtlichen Maßstäbe zur Bestimmung der Frage verwendet werden, ob in steuerlicher Hinsicht eine stichtagsbezogene Veränderung des Betriebsvermögens vorliegt. So liegt die besondere Bedeutung des Maßgeblichkeitsprinzips nicht nur in der Anordnung eines Betriebsvermögensvergleichs, als vielmehr auch in der Bestimmung der Grundsätze, wie eine stichtagsbezogene Änderung des Betriebsvermögens festzustellen ist. Die Ergebnisse der kaufmännischen Buchführung wurden erstmals durch das bremische EStG vom 17. 12. 1874 und das EStG für das Königsreich Sachsen vom 22. 12. 1874 auch für die steuerliche Gewinnermittlung relevant. Über die Ablösung der bis dahin geltenden (quellentheoretisch motivierten, vgl. später Fuisting, Die preußischen direkten Steuern, 1. Band, 7. Auflage, 1907, § 6 Anm. 1) Einnahmen-AusgabenRechnung als Ermittlungsmodell des Unternehmenserfolges herrschte keineswegs Einmütigkeit. Vielmehr war der Anknüpfung an die handelsrechtliche Bilanz als steuerrechtliches Erfolgsermittlungsmodell eine heftige Kontroverse vorausgegangen, vgl. Sigloch BFuP 2000, 157, 159 mwN. Diese Regelung wurde am 7. 3. 1881 von der
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Grundstrukturen der steuerlichen Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich
sich der Gesetzgeber bei der Festlegung des steuerbaren Gewinns somit inhaltlich der Sachkunde des Handelsbilanzrechts4. Nach der gesetzlichen Systematik ist § 5 Abs. 1 S. 1 EStG als eine der allgemeineren Regelung des § 4 Abs. 1 EStG nachgeordnete Sonderregelung zu verstehen, so dass § 5 Abs. 1 S. 1 EStG als spezialgesetzliche Regelung die allgemeineren, in § 4 Abs. 1 EStG enthaltenen Bestimmungen zu verdrängen scheint5. Dennoch muss berücksichtigt werden, dass die Gewinnermittlungen des § 4 Abs. 1 EStG und des § 5 Abs. 1 EStG in einer engen Beziehung zueinander stehen6. § 5 Abs. 1 S. 1 EStG knüpft zunächst in seiner Technik an § 4 Abs. 1 EStG an, so dass die Anordnung des § 4 Abs. 1 EStG als zentrale Norm für die Gewinnermittlung verstanden werden kann7. § 5 Abs. 1 S. 1 EStG bezieht sich ferner für das am Schluss des Wirtschaftsjahres anzusetzende Betriebsvermögen ausdrücklich auf § 4 Abs. 1 EStG. Umgekehrt wirkt die Bedeutung des § 5 Abs. 1 EStG auch auf die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG hinüber. Der Gesetzgeber hat in § 4 Abs. 1 EStG keineswegs ein vollständiges System entwickelt, so dass die handelsrechtlichen GoB tendenziell auch bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG bedeutsam werden8. Letztlich kann man sogar davon sprechen, dass sich alle bedeutsamen Bilanzierungsprinzipien erst aus den handelsrechtlichen Grundsätzen ergeben. Weber-Grellet ist somit voll zuzustimmen, wenn er betont, dass die besondere Bedeutung des Maßgeblichkeitsprinzips vor allem in der Bestimmung von Regeln zur zeitlichen Zuordnung von Ertrag und Aufwand liegt9.
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Hansestadt Hamburg am 24. 6. 1891 auch von Preußen übernommen. Auf das gesamte Reichsgebiet wurde das Maßgeblichkeitsprinzip erstmals durch § 33 Abs. 2 EStG 1920 vom 29. 3. 1920 angewandt und auch 1925 und 1934 beibehalten. Die heute geltende Formulierung der Anbindung an die handelsrechtlichen Grundsätze findet sich seit dem StNOG 1954, vgl. Weber-Grellet DB 1997, 385; Mathiak in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 5 Rn A 87ff mwN. Vgl. Schön StuW 1995, 366, 374. Crezelius in: Kirchhof, Kompaktkommentar, 5. Auflage, 2005, § 5 Rn 1; Meurer in: Lademann, EStG, § 4 Rn 46; Wacker in: Blümich, EStG, § 4 Rn 9; Pickert DStR 1989, 374, 375. Mathiak in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 5 Rn A 36. Crezelius in: Kirchhof, Kompaktkommentar, 5. Auflage, 2005, § 4 Rn 3; Mathiak in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 5 Rn A 36; Kanzler FR 1998, 421, 423f. Vgl. dazu 1. Kap. A. II. Weber-Grellet DB 1994, 288; vgl. auch Schulze-Osterloh DStJG 23 (2000), 67, 70.
Anzuwendende Normen
I.
Der Verweisungsgehalt des Maßgeblichkeitsprinzips (§ 5 Abs. 1 S. 1 EStG)
Problematisch und bis heute umstritten ist jedoch, welcher Inhalt dieser Verweisung eigentlich zukommt. Die Beantwortung der vorstehend aufgeworfenen Frage ist allerdings unabdingbar, wenn es im weiteren Verlauf der Arbeit darum geht, die zeitliche Zuordnung von Geschäftsvorfällen im Bilanzsteuerrecht an der Verfassung zu messen. 1.
Meinungsspektrum
Nach wohl herrschender Meinung10 ist mit der Bezugnahme auf die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung gemäß § 5 Abs. 1 S. 1 EStG eine Inkorporierung sämtlicher Vorschriften des Handelsbilanzrechts der §§ 238ff HGB zuzüglich einiger ungeschriebener Gewinnermittlungsgrundsätze und damit eine Verweisung auf das gesamte jeweilige Normensystem des HGB verbunden, soweit dieses die Gewinnermittlung regelt. Demgegenüber finden sich in der Literatur11 eine Vielzahl von Stimmen, die einen restriktiveren Standpunkt einnehmen. § 5 Abs. 1 S. 1 EStG nimmt nach dieser Auffassung nur auf diejenigen handelsrechtlichen Normen Bezug, die sich als „echte“ Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung darstellen können12 bzw. Ausdruck handelsrechtlicher GoB seien13. 2.
Stellungnahme
Sowohl der Annahme der Existenz GoB-widrigen Handelsrechts als auch der Beschränkung der Verweisung auf obere Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung ist gemeinsam, dass sie die „Unmaßgeblichkeit“ einzelner handelsrechtlicher Normen für die steuerbilanzielle Gewinnermittlung begründen sollen14. Zweck der restriktiven Interpretation des Verweisungsge10 Schön StuW 1995, 366, 374; Lang in: Tipke/Lang, 17. Auflage, 2002, § 9 Rn 311; Mathiak FS Beisse, 1997, S. 323, 325ff; Mathiak in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 5 Rn A 382; Beisse BB 1990, 2007, 2011; Hennrichs StuW 1999, 138, 140f; Hennrichs DStJG 24 (2001), 301, 303f; Clemm BFuP 1990, 547. 11 Schulze-Osterloh StuW 1989, 242, 247f; Schulze-Osterloh StuW 1991, 284, 285f; Schulze-Osterloh DStJG 14 (1991), 123, 127ff; Kempermann in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 5 Rn B 38; noch restriktiver Weber-Grellet DB 1994, 2405f; Weber-Grellet StbJb 1994/95, 97, 103. 12 Weber-Grellet DB 1994, 2405f. Weber-Grellet erkennt aber an, dass Bilanzierungsnormen des HGB, die unterhalb dieser postulierten Grundsatzebene stehen, u.U. im Wege der Analogie herangezogen werden können. 13 Schulze-Osterloh StuW 1989, 242, 247f; Kempermann in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 5 Rn B 38. 14 Hennrichs StuW 1999, 138, 141.
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Grundstrukturen der steuerlichen Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich
haltes des § 5 Abs. 1 S. 1 EStG ist somit, bereits an dieser wichtigen Schnittstelle einen gewissen handelsrechtlichen Normbestand aus der steuerrechtlichen Gewinnermittlung auszuklammern, der nach Ansicht der genannten Autoren steuerrechtlichen Zwecksetzungen nicht entspricht. Motivation ist daher, einer vermeintlichen Zweckdivergenz von handelsbilanzieller und steuerbilanzieller Gewinnermittlung frühstmöglich entgegenzuwirken15. Insofern ist es auch nicht verwunderlich, wenn die Auffassung der zweiten Meinungsgruppe weder mit historischen noch systematischen Erwägungen vereinbar ist. So bezogen sich die historischen Vorläufer des Maßgeblichkeitsgrundsatzes stets auf den jeweiligen Normenbestand des HGB16. Mit der sprachlichen Reduzierung der Verweisung durch das EStG 1925 sollte keine sachliche Änderung verbunden werden17. In systematischer Hinsicht lässt sich insbesondere gegen die Auffassung Weber-Grellets einwenden, dass § 141 Abs. 1 S. 2 AO für bestimmte Steuerpflichtige, die zwar nicht handelsrechtlich wohl aber für steuerliche Zwecke der Buchführungspflicht unterliegen, für den Inhalt der Buchführung auf die §§ 238, 240 bis 242 Abs. 1 und 243 bis 256 HGB verweist. Diese Bezugnahme lässt sich aber nur erklären, wenn man die Verweisung des § 5 Abs. 1 S. 1 EStG ebenfalls als Bezugnahme auf den konkreten Normbestand des HGB versteht, denn es ist nicht einzusehen, warum Nicht-Kaufleute insoweit einer strengeren Bindung an das HGB unterliegen sollen als Kaufleute18. Zusammenfassend lässt sich somit feststellen, dass das Anliegen einer restriktiven Interpretation des Verweisungsgehaltes des Maßgeblichkeitsgrundsatzes nur dann Berechtigung hat, wenn man im Hinblick auf den Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit tatsächlich von einer Zweckdivergenz von Handels- und Steuerbilanz ausgeht. Und selbst im Hinblick auf diese Zielsetzung erscheint das Vorgehen der in der Kritik ste-
15 Vgl. dazu 2. Kap. A. 16 § 5 Abs. 3 des Bremischen EStG v. 17. 12. 1874 bezog sich auf die ordnungsgemäß aufgestellte Jahresbilanz. Nach § 22 des Sächsischen EStG v. 22. 12. 1874 war der Gewinn nach den Grundsätzen zu berechnen, der durch das Handelsgesetzbuch vorgeschrieben war. Eine ähnliche Formulierung findet sich in § 14 prEStG 1891, wonach der Gewinn nach den Grundsätzen berechnet werden sollte, wie solche für die Inventur und Bilanz durch das Handelsgesetzbuch vorgeschrieben sind. Vgl. auch § 33 Abs. 2 EStG 1920, vgl. insoweit Schön StuW 1995, 366, 374; Hennrichs StuW 1999, 138, 140. 17 Stobbe in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 5 Rn 72 mwN; Schön StuW 1995, 366, 374; Mathiak FS Beisse, 1997, S. 323, 326f; Hennrichs StuW 1999, 138, 140. 18 So insbesondere Schön StuW 1995, 366, 374f; Mathiak FS Beisse, 1997, S. 323, 328f; Hennrichs StuW 1999, 138, 140.
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Anzuwendende Normen
henden Auffassung zweifelhaft. So muss Weber-Grellet19 zugeben, dass zu den oberen Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung die Prinzipien der Bilanzwahrheit, der Vollständigkeit, der Kontinuität, des Stichtagsprinzips, das Verursachungsprinzip, das Realisationsprinzip, aber auch das Vorsichtsprinzip gehören. Es sind jedoch gerade die Auswirkungen des Vorsichtsprinzips, die nach Weber-Grellet20 mit der verfassungsrechtlichen Forderung nach Besteuerung des „vollen“ Gewinns kollidieren sollen. Insofern kann die restriktive Interpretation des § 5 Abs. 1 S. 1 EStG nach dieser Ansicht eigentlich auch nur ein erster Schritt sein, der jedoch nur dann seine Berechtigung hat, wenn er aus Gründen einer Besteuerung nach Maßgabe des Leistungsfähigkeitsprinzips tatsächlich geboten ist. 3.
Einschränkung des Maßgeblichkeitsprinzips durch die Existenz von Steuervorbehalten
In den Steuergesetzen sind zahlreiche Steuervorbehalte enthalten, die den Maßgeblichkeitsgrundsatz wieder durchbrechen. Einerseits enthalten §§ 5 Abs. 2 bis 5 EStG Sondervorschriften, die den Ansatz dem Grunde nach betreffen. Bedeutsame Abweichungen ergeben sich dabei insbesondere im Bereich der Rückstellungen. Ferner enthält § 5 Abs. 6 EStG den sog. Bewertungsvorbehalt, nach dem die steuerlichen Bewertungsvorschriften der § 6 ff EStG als Spezialvorschriften vorrangig Geltung beanspruchen (Ansatz der Höhe nach)21. Bedeutsam ist in diesem Zusammenhang ferner, dass sich die Anerkennung als Betriebsausgaben allein nach steuerlichen Gesichtspunkten richtet (§ 5 Abs. 6 i.V.m. §§ 4 Abs. 4, 5 EStG). Zusammenfassend kann somit festgehalten werden, dass sich die mittels des Maßgeblichkeitsprinzips gemessene Leistungsfähigkeit insoweit nach den im Handelsrecht geltenden Vermögensermittlungsgrundsätzen richtet soweit kein ausdrücklich normierter Steuervorbehalt eingreift, der die aus dem Maßgeblichkeitsgrundsatz folgende Vermögensermittlung wieder durchbricht, was i.E. zu einer alternativen Zuordnung erfolgswirksamer Geschäftsvorfälle führt.
19 Weber-Grellet StbJb 1994/95, 97, 103. 20 Vgl. 2. Kap. A. 21 Vgl. nur Pezzer DStJG 14 (1991), 3, 15. Aus der Existenz steuerlicher Sondervorschriften jedoch de lege lata auf die praktische Irrelevanz des Maßgeblichkeitsgrundsatz zu schließen, geht an der Sache vorbei. Eine Aufzählung des verbleibenden Anwendungsbereichs findet sich u.a. bei Hennrichs StuW 1999, 138, 142.
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Grundstrukturen der steuerlichen Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich
II.
Die steuerliche Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich gemäß § 4 Abs. 1 EStG
Für Unternehmer, die nicht in den Anwendungsbereich der Sondervorschrift des § 5 Abs. 1 EStG fallen22, bestimmt sich der steuerbare Gewinn nach der allgemeinen Gewinnermittlungsvorschrift des § 4 Abs. 1 EStG. §§ 4 ff EStG formulieren jedoch, wie bereits angedeutet, kein vollständiges, eigenständiges System steuerlicher Gewinnermittlungsvorschriften23. § 4 Abs. 1 S. 6 EStG sieht lediglich vor, dass bei der Ermittlung des Gewinns die Vorschriften über die Betriebsausgaben, über die Bewertung und über die Absetzung für Abnutzung oder Substanzverringerung zu befolgen sind. Es fehlen insbesondere jedoch die grundsätzlichen Regelungen der Bilanzierung dem Grunde nach24. Gemäß § 141 Abs. 1 S. 2 AO gelten unter den Voraussetzungen des § 141 Abs. 1 S. 1 AO (bedeutsam insbesondere für Land- und Forstwirte25) die §§ 238, 240 - 242 Abs. 1 und 243 - 256 HGB sinngemäß, sofern sich aus den Steuergesetzen nicht etwas anderes ergibt. Für die in § 141 Abs. 1 S. 1 AO beschriebenen Steuerpflichtigen erweisen sich die wesentlichen handelsrechtlichen Gewinnermittlungsgrundsätze somit auch für die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG als bedeutsam. Zur Lückenfüllung, bedeutsam insbesondere im Hinblick auf selbständig Tätige, geht die h.M.26 darüber hinausgehend jedoch auch allgemein davon
22 Der personale Anwendungsbereich des § 4 Abs. 1 EStG betrifft selbständig Tätige, die freiwillig Bücher führen und regelmäßig Abschlüsse machen, buchführungspflichtige Land- und Forstwirte, nach § 13a Abs. 2 EStG Land- und Forstwirte, die die Voraussetzungen des § 13a Abs. 1 S. 1 EStG erfüllen und eine Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 1 EStG beantragen, sowie Land- und Forstwirte, die nicht zur Buchführung verpflichtet sind, aber ein Wahlrecht zugunsten einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG ausgeübt haben. Darüber hinaus findet die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG etwa auch auf Gewinne ausländischer Betriebsstätten Anwendung, soweit diese für die inländische Besteuerung unbeschränkt einkommen- oder körperschaftsteuerpflichtiger Personen von Bedeutung sind, sowie Gewinne ausländischer Personengesellschaften, die weder über Betriebsstätten oder ständige Vertreter im Inland verfügen, soweit Gewinnanteile für die inländische Besteuerung unbeschränkt steuerpflichtiger Gesellschafter von Bedeutung sind. 23 Pickert DStR 1989, 374, 375. 24 Pickert DStR 1989, 374, 375 FN 5. 25 Vgl. Lang DStJG 4 (1981), 45, 61. Nicht unter § 141 AO fallen Steuerpflichtige mit Einkünften aus selbständiger Arbeit, die unabhängig von Umsatz, Gewinn und Betriebsvermögen nicht buchführungspflichtig sind (Drüen in: Tipke/Kruse, AO, § 141 Rn 7). 26 BFH GrS v. 4. 7. 1990, BStBl II 1990, 830, 834; Wacker in: Blümich, EStG, § 4 Rn 9; Plückebaum in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 4 Rn A 36; Crezelius in: Kirch-
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Inhaltliche Grundsätze der steuerlichen Gewinnermittlung
aus, dass die handelsrechtlichen Gewinnermittlungsgrundsätze § 4 Abs. 1 EStG in materiellrechtlicher Hinsicht ergänzen. Der Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG benötige die handelsrechtlichen GoB, denn ohne das Normensystem des HGB über die Buchführung und den Jahresabschluss sei ein Vergleich zweier Schlussbilanzen gar nicht möglich27. Zur Begründung wird ferner auf § 4 Abs. 2 EStG verwiesen, da die Vorschrift zur Bilanzänderung einen positivrechtlichen Anhaltspunkt vermittle, dass mit der Bilanz i.S.d. § 4 Abs. 1 EStG eine nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung errichtete Bilanz gemeint ist28. Teilweise29 wird in die Auslegung jedoch der Gedanke des § 141 Abs. 1 S. 2 AO einbezogen, mit der Folge, dass Land- und Forstwirte sowie selbständig Tätige die handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung nur sinngemäß anzuwenden haben. Zu den anwendbaren Grundsätzen gehören anerkanntermaßen der Grundsatz der Einzelbewertung, das Realisationsprinzip, das Anschaffungskostenprinzip, das Imparitätsprinzip, das Stichtagsprinzip sowie die Pflicht zum Ansatz von Rückstellungen30. Darüber hinaus zeichnet sich insbesondere in der Rechtsprechung die Tendenz ab, die §§ 5 Abs. 2 - 5 EStG entsprechend auf die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG anzuwenden, da nicht erkennbar ist, dass sich die zitierten Regelungen ausschließlich auf die Bilanz des Kaufmanns beziehen sollen31.
B.
Inhaltliche Grundsätze der steuerlichen Gewinnermittlung mittels Betriebsvermögensvergleich nach § 5 Abs. 1 S. 1 EStG und § 4 Abs. 1 EStG
Nachfolgend soll skizziert werden, nach welchen Grundsätzen die steuerliche Gewinnermittlung mittels Betriebsvermögensvergleich die das Ergebnis beeinflussenden Vorgänge einzelnen zeitlichen Abschnitten zuordnet. We-
27 28 29 30 31
hof, Kompaktkommentar, 5. Auflage, 2005, § 4 Rn 3; Schulze-Osterloh DStJG 14 (1991), 123, 127; Lang in: Tipke/Lang, 17. Auflage, 2002, § 9 Rn 189. Lang in: Tipke/Lang, 17. Auflage, 2002, § 9 Rn 189. Lang DStJG 4 (1981), 45, 62. Plückebaum in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 4 Rn A 36. BFH v. 9. 8. 1989, BStBl II 1990, 175, 176; Wacker in: Blümich, EStG, § 4 Rn 23. BFH v. 20. 11. 1980, BStBl II 1981, 398; BFH v. 8. 11. 1979, BStBl II 1980, 146; Kanzler FR 1998, 421, 423f; Kanzler in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, vor §§ 4 - 7 EStG Rn 23; Wacker in: Blümich, EStG, § 4 Rn 9; kritisch Mathiak in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 5 Rn A 38.
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Inhaltliche Grundsätze der steuerlichen Gewinnermittlung
aus, dass die handelsrechtlichen Gewinnermittlungsgrundsätze § 4 Abs. 1 EStG in materiellrechtlicher Hinsicht ergänzen. Der Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG benötige die handelsrechtlichen GoB, denn ohne das Normensystem des HGB über die Buchführung und den Jahresabschluss sei ein Vergleich zweier Schlussbilanzen gar nicht möglich27. Zur Begründung wird ferner auf § 4 Abs. 2 EStG verwiesen, da die Vorschrift zur Bilanzänderung einen positivrechtlichen Anhaltspunkt vermittle, dass mit der Bilanz i.S.d. § 4 Abs. 1 EStG eine nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung errichtete Bilanz gemeint ist28. Teilweise29 wird in die Auslegung jedoch der Gedanke des § 141 Abs. 1 S. 2 AO einbezogen, mit der Folge, dass Land- und Forstwirte sowie selbständig Tätige die handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung nur sinngemäß anzuwenden haben. Zu den anwendbaren Grundsätzen gehören anerkanntermaßen der Grundsatz der Einzelbewertung, das Realisationsprinzip, das Anschaffungskostenprinzip, das Imparitätsprinzip, das Stichtagsprinzip sowie die Pflicht zum Ansatz von Rückstellungen30. Darüber hinaus zeichnet sich insbesondere in der Rechtsprechung die Tendenz ab, die §§ 5 Abs. 2 - 5 EStG entsprechend auf die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG anzuwenden, da nicht erkennbar ist, dass sich die zitierten Regelungen ausschließlich auf die Bilanz des Kaufmanns beziehen sollen31.
B.
Inhaltliche Grundsätze der steuerlichen Gewinnermittlung mittels Betriebsvermögensvergleich nach § 5 Abs. 1 S. 1 EStG und § 4 Abs. 1 EStG
Nachfolgend soll skizziert werden, nach welchen Grundsätzen die steuerliche Gewinnermittlung mittels Betriebsvermögensvergleich die das Ergebnis beeinflussenden Vorgänge einzelnen zeitlichen Abschnitten zuordnet. We-
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hof, Kompaktkommentar, 5. Auflage, 2005, § 4 Rn 3; Schulze-Osterloh DStJG 14 (1991), 123, 127; Lang in: Tipke/Lang, 17. Auflage, 2002, § 9 Rn 189. Lang in: Tipke/Lang, 17. Auflage, 2002, § 9 Rn 189. Lang DStJG 4 (1981), 45, 62. Plückebaum in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 4 Rn A 36. BFH v. 9. 8. 1989, BStBl II 1990, 175, 176; Wacker in: Blümich, EStG, § 4 Rn 23. BFH v. 20. 11. 1980, BStBl II 1981, 398; BFH v. 8. 11. 1979, BStBl II 1980, 146; Kanzler FR 1998, 421, 423f; Kanzler in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, vor §§ 4 - 7 EStG Rn 23; Wacker in: Blümich, EStG, § 4 Rn 9; kritisch Mathiak in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 5 Rn A 38.
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Grundstrukturen der steuerlichen Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich
sentliche Bedeutung für die Ermittlung eines stichtagsbezogenen Vermögensstandes erlangen das Realisationsprinzip und das Imparitätsprinzip32.
I.
Das Realisationsprinzip
1.
Grundsätzliche Aussagen und anerkannte Konsequenzen
Das Realisationsprinzip ist seit Inkrafttreten des Bilanzrichtliniengesetzes in § 252 Abs. 1 Nr. 4, 2. HS HGB gesetzlich festgeschrieben. Die Bindung der Gewinnermittlung an das Realisationsprinzip wird nach einem Wort Döllerers33 aber als „alter - man kann schon sagen: uralter - Grundsatz ordnungsmäßiger Buchführung“ angesehen34. Gewinne sind danach nur zu berücksichtigen, wenn sie am Abschlussstichtag realisiert sind; am Bilanzstichtag noch nichtrealisierte Gewinne dürfen nicht ausgewiesen werden35. Durch die Verknüpfung mit § 252 Abs. 1 Nr. 4, 1. HS HGB wird teilweise geschlossen, dass das Realisationsprinzip Ausfluss des Vorsichtsprinzips ist36. Welcher Bedeutungsgehalt dem Realisationsprinzip exakt zukommt ist bis heute unklar und wird in der Literatur dementsprechend uneinheitlich beurteilt37. Einigkeit besteht allerdings darüber, dass sich die gesetzliche Anordnung jedenfalls auf den Ausweis von Erträgen bezieht38. Indem Gewinne 32 Vgl. nur Beisse FS Moxter, 1994, S. 3, 14; Leffson, Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung, 7. Auflage, 1987, S. 467. 33 Döllerer BB 1974, 1541, 1543. 34 Anfänge des Realisationsprinzips finden sich bereits bei dem Franziskanermönch und Mathematiker Luca Pacioli, Summa de Arithmetica, Geometrica, Propertioni et Proportionalita, Venedig, 1494 und Jacques Savary, Le parfait Négociant, Paris, 1675, der Kommentierung der Ordenance de Commerce von 1673: „Waren seien mit dem Kostenpreis (prix coutant) anzusetzen, ein erst zu erzielender Gewinn sei Sache der Bilanz des nächsten Jahres“ a.a.O. S. 326, zitiert nach Großfeld/Dieckmann WPg 1988, 419, 421; vgl. Baetge BFuP 1994, Meinungsspiegel, S. 40. 35 Selchert in: Küting/Weber, 4. Auflage, 1995, § 252 Rn 81; Hense/Geißler in: Beck`scher Bilanzkommentar, 5. Auflage, 2003, § 252 Rn 43. 36 BFH v. 29. 22. 1973, BStBl II 1974, 202; Kempermann in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 5 Rn B 83; Moxter, Bilanzrechtsprechung, 5. Auflage, 1999, S. 49; Weber-Grellet DStR 1996, 896, 897; Hense/Geißler in: Beck`scher Bilanzkommentar, 5. Auflage, 2003, § 252 Rn 29, 43; Adler/Düring/Schmaltz, 6. Auflage, 1995, § 252 Rn 63. 37 Vgl. zum Meinungsstand Groh DB 1999, 978f, Schulze-Osterloh in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 17. Auflage, 2000, § 42 Rn 15; Meinungsspiegel BFuP 1994, S. 39ff; vgl. dazu 1. Kap. B. II. 38 Vgl. Siegel FS Forster, 1992, S. 585, 587f; Adler/Düring/Schmaltz, 6. Auflage, 1995, § 252 Rn 80; Schulze-Osterloh in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 17. Auflage, 2000, § 42 Rn 15.
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Inhaltliche Grundsätze der steuerlichen Gewinnermittlung
erst im Realisationszeitpunkt berücksichtigt werden, folgt daraus, dass nichtrealisierte Wertsteigerungen von Gegenständen im Betriebsvermögen erst dann eine Veränderung des Vermögensbestandes bewirken, wenn sich die Wertsteigerungen durch einen Umsatzakt am Markt manifestiert haben. Ziel dieser Vorgehensweise ist es, in den Periodengewinn nur hinreichend objektivierte und gesicherte Erträge einzubeziehen39. Im Hinblick auf nichtrealisierte Wertsteigerungen fungiert das Realisationsprinzip als „Ausschüttungssperre“. Nichtrealisierte Wertsteigerungen werden grundsätzlich nicht als verteilungsfähiger Gewinn angesehen40. Einkommensteuerrechtlich gedeutet konturiert das Realisationsprinzip als Element der handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung die bilanzsteuerrechtliche Bemessungsgrundlage und damit das objektive Nettoprinzip folglich dahingehend, dass eine Veränderung eines Vermögensbestandes erst dann erfolgswirksam zur Kenntnis genommen wird, wenn sich die Wertsteigerung durch einen Realisationsakt (Umsatzakt)41 konkretisiert hat. Nichtrealisierte Wertsteigerungen innerhalb des Betriebsvermögens werden nach diesen Grundsätzen somit grundsätzlich nicht als steuerbares Einkommen angesehen. Das Realisationsprinzip legt fest, dass der Sach- oder Dienstleistende seinen Anspruch auf die Gegenleistung nach Eintritt der Realisation zu aktivieren hat42. Umgekehrt muss der zur Gegenleistung Verpflichtete diese Verpflichtung passivieren. Nach dem Realisationszeitpunkt wird beim Aktivierenden somit nicht mehr der Vermögensgegenstand bzw. das Wirtschaftsgut, sondern die aus dem Absatz erzielte Gegenleistung in der Bilanz ausgewiesen, die nunmehr die realisierten Gewinnanteile enthält43. Das so verstandene Realisationsprinzip bezieht sich zumindest indirekt auch auf die dem betreffenden Geschäft zuzurechnenden Aufwendungen, da die ausscheidenden, nach dem Anschaffungswertprinzip erfassten Wirtschaftsgüter (bzw. deren Anschaffungs- oder Herstellungskosten) im Realisationszeitpunkt ausgebucht werden.
39 Vgl. nur Schiele, Unternehmensbesteuerung und Handelsbilanz, 2000, S. 76. 40 Moxter BB 1984, 1780, 1781. 41 Gewinn wird allerdings auch ohne Umsatzakt bei Vorliegen einer der steuerlichen Ersatztatbestände realisiert, z.B. Entnahme gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 1 EStG, Betriebsaufgabe nach § 16 Abs. 3 EStG usw. (Entstrickungsprinzip). Ferner wird bei entsprechender gesetzlicher Anordnung trotz eines Umsatzaktes ausnahmsweise kein Gewinn realisiert, vgl. z.B. § 6 b EStG usw. 42 Woerner BB 1988, 769, 772. 43 Winnefeld, Bilanzhandbuch, 3. Auflage, 2002, E Rn 91.
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Grundstrukturen der steuerlichen Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich
Ferner ist zu beachten, dass dem Realisationsprinzip neben dieser Funktion des Erfolgsausweises beim zur Sach- oder Dienstleistung Verpflichteten vor allem eine Bedeutung für den Bilanzansatz bei einem ein Wirtschaftsgut erwerbenden Unternehmer zukommt. Nach geltendem Recht wird der Anschaffungsvorgang beim Erwerbenden grundsätzlich erfolgsneutral behandelt (Aktiventausch). Ausgaben werden nach dem Anschaffungswertprinzip faktisch neutralisiert, wenn sie zur Entstehung eines Wirtschaftsgutes führen oder dazu beitragen44. Die erfolgsneutrale Behandlung von Beschaffungsbzw. Herstellungsvorgängen und damit das in § 253 Abs. 1 HGB; §§ 6 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG kodifizierte Anschaffungs- und Herstellungskostenprinzip kann damit als wesentlicher Ausfluss des Realisationsprinzips gedeutet werden45, denn wenn Gewinne nach dem Realisationsprinzip erst im Zeitpunkt des Absatzgeschäftes entstehen, dürfen Beschaffungs- bzw. Herstellungsvorgänge nicht zu einem Erfolgsausweis führen46. Bilanztechnisch wird dieses Ziel dadurch umgesetzt, dass das Gesetz für solche Wirtschaftsgüter, deren Zugang gewinnwirksam ist, d.h. zu einer Vermehrung des Reinvermögens und nicht nur zu einer Vermögensumschichtung führt, besondere Aktivierungsrestriktionen vorsieht47. Die Anschaffungs- und Herstellungskosten werden bis zu einer Realisation als Wertobergrenze fortgeführt, um damit den Ausweis von nicht durch einen Umsatzakt realisierten positiven Erfolgsbeiträgen zu verhindern. Im Gegensatz zu dessen gesetzlicher Einordnung als Bewertungsvorschrift berührt das Realisationsprinzip somit wesentlich Ansatzfragen und ist damit in erster Linie ein Bilanzierungsprinzip, das Aussagen über die zeitliche Zuordnung von Erträgen trifft48.
44 Vgl. Siegel BFuP 1994, 1, 3. 45 Kempermann in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 5 Rn B 83; Hennrichs DStJG 24 (2001), 301, 315; Leffson, Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung, 7. Auflage, 1987, S. 251, 252; Jüttner, GoB-System, Einzelbewertungsgrundsatz und Imparitätsprinzip, 1993, S. 80; Adler/Düring/Schmaltz, 6. Auflage, 1995, § 253 Rn 32. 46 Schiele, Unternehmensbesteuerung und Handelsbilanz, 2000, S. 76; Jüttner, GoBSystem, Einzelbewertungsgrundsatz und Imparitätsprinzip, 1993, S. 80, weist richtigerweise darauf hin, dass die erfolgsmäßige Neutralisierung von Vermögenszugängen alternativ zum Anschaffungskostenprinzip auch durch eine Wertaufholungsrücklage erfolgen könnte, ohne das Realisationsprinzip zu verletzen. Da ein solches Institut jedoch aufgrund der Existenz des Realisationsprinzips nicht vorgesehen ist, kann dies nur bedeuten, dass das Anschaffungswertprinzip aus dem Realisationsprinzip folgt. 47 Moxter, Bilanzrechtsprechung, 5. Auflage, 1999, S. 48. 48 Selchert in: Küting/Weber, 4. Auflage, 1995, § 252 Rn 7; Siegel/Schmitt in: Beck HDR, B 161 Rn 7; Kempermann in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 5 Rn B 83;
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Inhaltliche Grundsätze der steuerlichen Gewinnermittlung
Ferner ist insbesondere der Grundsatz der Nichtbilanzierung schwebender Verträge als Konsequenz des in § 252 Abs. 1 Nr. 4, 2. HS HGB normierten Realisationsprinzips aufzufassen49. Bei schwebenden Geschäften handelt es sich um zweiseitig verpflichtende Verträge i.S.d. § 320 BGB, die auf einen Leistungsaustausch gerichtet sind und bei denen der zur Sach- oder Dienstleistung Verpflichtete seiner Hauptleistungspflicht noch nicht nachgekommen ist50. Wäre allein das Vollständigkeitsprinzip von Relevanz, müsste der zur Sach- oder Dienstleistung Verpflichtete bereits bei Vertragsschluss seine Forderung auf die Gegenleistung aktivieren51. Dies hätte zur Folge, dass ein Forderungsüberschuss im Sinne einer günstigen Wertdifferenz zwischen Forderung und Verpflichtung als, gemessen an den Maßstäben des Realisationsprinzips, künftiger Gewinn ausgewiesen werden müsste52. Insofern wird der Grundsatz der Vollständigkeit vom Realisationsprinzip durchbrochen. Um den Realisationszeitpunkt zu beachten, werden Vorleistungen des zur Zahlung Verpflichteten erfolgsneutral behandelt53. Damit bestimmt das Realisationsprinzip durch die Festlegung des Realisationszeitpunktes ebenfalls, wann bei einem Umsatzgeschäft die Schwebephase beendet wird.
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Adler/Düring/Schmaltz, 6. Auflage, 1995, § 252 Rn 79; Schulze-Osterloh DStJG 23 (2000), 67, 71; Woerner BB 1988, 769, 772. Kempermann in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 5 Rn B 99; Wiesbrock, Die Verlustrückstellung im Steuer- und Verfassungsrecht, 1999, S. 35, 81; Kessler, Rückstellungen und Dauerschuldverhältnisse, 1992, S. 132; Hommel, Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung für Dauerschuldverhältnisse, 1992, S. 36; vgl. auch Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmensteuerrecht, 9. Auflage, 1993, S. 141; a. A. eine weit verbreitete Auffassung (vgl. nur Schmidt/Meyer DB 1975, 68, 69), die darauf abstellt, dass sich Forderung und Verbindlichkeit bei Vertragsschluss ausgeglichen gegenüber stehen. Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmensteuerrecht, 9. Auflage, 1993, S. 141; Kempermann in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 5 Rn B 98; Mathiak StuW 1983, 262, 263. Woerner BB 1988, 769, 771f. Vgl. Schön BB 1994 (Beilage 9), S. 1, 11. Auch bei einem schwebenden Beschaffungsgeschäft wäre nach dem Vollständigkeitsprinzip die Forderung auf einen Gegenstand, der zu einer Mehrung des Betriebsvermögens führt, erfolgswirksam zu berücksichtigen. Die Nichtbilanzierung schwebender Geschäfte stellt nun sicher, dass dies nicht geschieht. Weiter wird durch das Anschaffungskostenprinzip sichergestellt, dass sich diese Betriebsvermögensmehrung solange nicht gewinnerhöhend auswirkt, bis diese durch einen weiteren Umsatzakt realisiert wurde. BFH v. 4. 8. 1976, BStBl II 1976, 675, 676.
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Grundstrukturen der steuerlichen Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich
2.
Der Realisationszeitpunkt
Über den Realisationszeitpunkt, für den theoretisch mehrere Möglichkeiten in Betracht kommen54, trifft das Gesetz keine Aussagen. Eine Gewinnrealisierung zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses könnte mit dem Vollständigkeitsgebot des § 246 Abs. 1 HGB begründet werden55. § 266 Abs. 2 B II 1 HGB setzt jedoch voraus, dass Forderungen aus Lieferungen und Leistungen aktiviert werden. Hieraus kann der Schluss gezogen werden, dass eine Gewinnrealisation grundsätzlich eine Lieferung oder eine sonstige vergleichbare Leistung voraussetzt, der Vertragsschluss somit als Realisationszeitpunkt nicht in Betracht kommt56. Auch die ganz h.M.57 lehnt unter Hinweis auf die Vertragsrisiken eine Realisation zum „frühen“ Zeitpunkt des Vertragsschlusses ab. Abgelehnt wird von der herrschenden Meinung58 ferner, eine Realisation erst im Zeitpunkt des Zuflusses der Gegenleistung anzunehmen59. Vermittelnd wird daher überwiegend60 der Realisationszeitpunkt im Zeitpunkt des Gefahrübergangs angesetzt, da der Kaufmann in diesem Zeitpunkt das seinerseits Erforderliche getan hat und der Anspruch auf die Gegenleistung nicht mehr mit der Einrede des § 320 BGB behaftet ist, sondern als durchsetzbares Forderungsrecht zu einem vollwertigen Wirtschaftsgut aufgewertet ist. Soweit Erträge nicht aus Umsatzgeschäften stammen ist es notwendig, den Realisationszeitpunkt sowie die Art und Weise der Realisation entsprechend den Grundsätzen für Umsatzgeschäfte festzulegen61.
54 Eine umfangreiche Diskussion alternativer Realisationszeitpunkte findet sich bei Lüders, Der Zeitpunkt der Gewinnrealisierung im Handels- und Steuerbilanzrecht, 1987, S. 21ff und Leffson, Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung, 7. Auflage, 1987, S. 258ff; vgl. auch Heibel, Handelsrechtliche Bilanzierungsgrundsätze und Besteuerung, 1981, S. 32. 55 Vgl. Wiesbrock, Die Verlustrückstellung im Steuer- und Verfassungsrecht, 1999, S. 20. 56 Moxter, Bilanzrechtsprechung, 5. Auflage, 1999, S. 49. 57 BFH v. 25. 4. 1986, BStBl II 1986, 552; Piltz BB 1985, 1386; Hense/Geißler in: Beck`scher Bilanzkommentar, 5. Auflage, 2003, § 252 Rn 44. 58 Leffson, Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung, 7. Auflage, 1987, S. 258ff. 59 A.A. Schneider FS Leffson, 1976, S. 101, 116; vgl. dazu Siegel FS Forster, 1992, S. 582, 592f. 60 BFH v. 12. 5. 1993, BStBl II 1993, 786; Pezzer DStJG 14 (1991), 3, 22; Hense/Geißler in: Beck`scher Bilanzkommentar, 5. Auflage, 2003, § 252 Rn 45. 61 Leffson, Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung, 7. Auflage, 1987, S. 269.
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Inhaltliche Grundsätze der steuerlichen Gewinnermittlung
II.
Einordnung des Wirkmechanismus vor dem Hintergrund der Bilanztheorie62
1.
Die Bedeutung des Realisationsprinzips vor dem Hintergrund eines statischen Bilanzverständnisses63
Nach einem vor allem im juristischen Schrifttum vertretenen eher statisch orientierten Bilanzverständnis64 ist die Gewinnermittlung auf den stichtagsbezogenen Stand des Betriebsvermögens bezogen. Im Ausgangspunkt der Überlegungen steht somit stets die Darstellung eines stichtagsbezogenen Vermögensstandes65. Insbesondere die Handelsbilanz sei vom Gesetzgeber als Vermögensübersicht konzipiert worden. Ziel sei es, den Gläubigern einen stichtagsbezogenen Überblick über die Vermögenssituation des Kaufmannes zu erteilen66. Insofern sei es Zweck der Bilanz, Auskunft darüber zu geben, ob das gegenwärtige Aktivvermögen noch die Schulden decken kann67. Grundlage dieses Bilanzverständnisses ist die bereits im Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch von 1861 kodifizierte (Art 29 ADHGB 1861) und bis heute geltende Forderung (§ 242 Abs. 1 HGB), dass der Kaufmann einen Abschluss über das Verhältnis seines Vermögens und seiner Schulden aufzustellen hat68. Die Darstellung eines stichtagsbezogenen Vermögensstandes wurde jedoch nie als ausschließlicher Zweck der Handelsbilanz angesehen. Vielmehr bildete die in diesem Sinne verstandene Bilanz stets auch die
62 Vgl. Euler, Das System der Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung, 1996; nur grob zusammenfassend Ritzrow SteuerStud 2000, 526ff. 63 Vgl. zur Deutung dieser Auffassung als Spielart der Reinvermögenszuwachstheorie 2. Kap. D. II. 64 Schön BB 1994 (Beilage 9), 1, 3f; Kraus StuW 1988, 133, 141; Kessler DStR 1994, 567, 569ff; Kammann, Stichtagsprinzip und zukunftsorientierte Bilanzierung, 1988, 62; Kempermann in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 5 Rn B 91; Wassermeyer WPg 2002, 10, 12f. 65 Vgl. Euler DStJG 7 (1984), 155, 157; Hommel, Bilanzierung immaterieller Anlagewerte, 1998, S. 40. 66 Vgl. Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 9. Auflage, 1993, S. 10f. 67 Schön BB 1994 (Beilage 9), S. 1, 4; Lamprecht in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 5 Rn D 15; Kessler DStR 1994, 567, 569f; Küting/Kessler DStR 1993, 1045, 1048; Kammann, Stichtagsprinzip und zukunftsorientierte Bilanzierung, 1988, S. 40f, 46, 248; Scheidle/Scheidle BB 1980, 719, 720f; vgl. Wüstemann Zfbf 1995, 1029, 1031; Heddäus, Handelsrechtliche Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung für Drohverlustrückstellungen, 1997, S. 17ff. 68 Vgl. Heddäus, Handelsrechtliche Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung für Drohverlustrückstellungen, 1997, S. 19.
17
Grundstrukturen der steuerlichen Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich
Grundlage für die Erfolgsermittlung69. Als ausschüttungsfähig gelten dabei nur diejenigen Vermögensbestandteile, die nicht benötigt werden, um bestehende Schulden zu decken70. Im Ertragssteuerrecht steht naturgemäß allein der Vergleich der stichtagsbezogenen Vermögensstände und damit die Erfolgsermittlung im Vordergrund der Betrachtung71. Da der Gesetzgeber die Bilanz als statische Vermögensübersicht normiert habe, sei aber auch der Bilanzgewinn als stichtagsbezogener Vermögenszuwachs zu interpretieren72. Dieser Vergleich signalisiere, inwieweit sich die Fähigkeit des Steuerpflichtigen verändert habe, über die Abdeckung bestehender Schulden hinaus Zahlungen zu leisten73. Stellt man sich auf den Standpunkt, die Bilanz sei eine Vermögensübersicht, kann man das Stichtagsvermögen entweder zerschlagungsstatisch74 oder fortführungsstatisch75 interpretieren76. In der Literatur hat sich mittlerweile die Auffassung durchgesetzt, dass die fortführungsstatische Betrachtung die Bedingungen eines lebenden Unternehmens besser kennzeichne. Darüber hinaus hat auch der Gesetzgeber durch die Entscheidung zugunsten des Going-Concern-Prinzips erkennbar eine Wertentscheidung zugunsten des Fortführungsvermögens getroffen. Auf eine Darstellung der Erfordernisse einer fortführungsstatischen Vermögensbemessung kann jedoch vorerst verzichtet werden, wenn es allein darum geht, die Wirkungsweise des Realisationsprinzips zu erörtern. Insoweit bestehen zwischen einer zerschlagungsstatischen und einer fortführungsstatischen Vermögensbemessung keine Unterschiede77.
69 Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmensteuerrecht, 9. Auflage, 1993, S. 11; Küting/Kessler DStR 1998, 1937, 1940. 70 Vgl. Hommel, Bilanzierung immaterieller Anlagewerte, 1998, S. 40. 71 Schön BB 1994 (Beilage 9), S. 1, 4. 72 Kammann, Stichtagsprinzip und zukunftsorientierte Bilanzierung, 1988, S. 52; Schön BB 1994 (Beilage 9), S. 1, 4; vgl. Hommel, Bilanzierung immaterieller Anlagewerte, 1998, S. 39f. 73 Küting/Kessler DStR 1998, 1937, 1940. 74 Die Zerschlagungsstatik geht zurück auf das Reichsoberhandelsgericht, Urteil v. 3. 12. 1873, ROHGE 12, 15, 17. 75 Als Begründer der Fortführungsstatik wird Herman Veit Simon genannt, Simon, Die Bilanzen der Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften, 3. Auflage, 1899, S. 289ff, vgl. zur Schuldendeckungskontrolle durch Ermittlung des Fortführungsvermögens, Heddäus, Handelsrechtliche Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung für Drohverlustrückstellungen, 1997, S. 21ff. 76 Vgl. Hommel, Bilanzierung immaterieller Anlagewerte, 1998, S. 40. 77 Vgl. Euler, Das System der Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung, 1996, S. 25ff, 55ff.
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Besteht die Aufgabe der Bilanz in der Abbildung des Schuldendeckungspotentials, so müssen in dieser als Vermögensübersicht ausgestalteten Bilanz die aktivierten Wirtschaftsgüter als werthaltige Posten und nicht als bloße „Zahlungsspeicher“ verstanden werden78. Zudem müssen sämtliche entstandenen Schulden ausgewiesen werden. Das Ziel der Darstellung eines stichtagsbezogenen Vermögensbestandes macht es eigentlich erforderlich, die tatsächlichen Vermögenswerte in umfassender Weise zu ihren jeweiligen stichtagsbezogenen Zeitwerten (und dies unabhängig davon, ob man eine Zerschlagungsstatik oder eine Fortführungsstatik zugrundelegt) offen zu legen79. Gemessen an diesem Anspruch dient das Realisationsprinzip dazu, den wahrheitsgetreuen Vermögensausweis aus Gründen der Vorsicht nach oben hin zu begrenzen80. Das Ziel des Realisationsprinzips, positive Wertänderungen erst nach Bestätigung durch einen Umsatzakt eintreten zu lassen, wird in einem zweiten Schritt, der erfolgsneutralen Bewertung der aktivierten Wirtschaftsgüter, erreicht (Anschaffungswertprinzip)81. Insofern verfolgt das oben beschriebene Instrumentarium lediglich den Zweck, die Voraussetzungen für eine erfolgsneutrale Behandlung positiver Erfolgsbeiträge zu schaffen82. Folglich wird sichergestellt, dass sich nichtrealisierte Wertsteigerungen in Form von gestiegenen Zeitwerten nicht auf den stichtagsbezogenen Vermögensstand auswirken. Unter dem Blickwinkel des Gläubigerschutzes erscheinen nichtrealisierte Wertsteigerungen nicht als (werthaltige) Aktiva, die zur Schuldendeckung geeignet sind83. Für die Erfolgsermittlung hat dies zur Konsequenz, dass die aus nichtrealisierten Wertsteigerungen resultierenden positiven Erfolgsbeiträge vom Gesetzgeber weder als ausschüttbarer noch als steuerbarer Gewinn angesehen werden. Fortführungsstatisch gesprochen wird durch das Realisationsprinzip die Möglichkeit zur Approximation des Effektivvermögens relativiert, da der Ausweis unrealisierter Vermögenssteigerungen, die 78 Vgl. Wassermeyer WPg 2002, 10, 12. 79 Küting/Kessler StuB 2000, 21, 23; Kammann, Stichtagsprinzip und zukunftsorientierte Bilanzierung, 1988, S. 255f. 80 BFH v. 27. 6. 2001, BStBl II 2003, 121, 123; Siegel FS Forster, 1992, S. 585, 597ff; Kammann, Stichtagsprinzip und zukunftsorientierte Bilanzierung 1988, S. 255f; Küting/Kessler StuB 2000, 21, 23; vgl. auch Euler, Das System der Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung, 1996, S. 25, 57. 81 Adler/Düring/Schmaltz, 6. Auflage, 1995, § 252 Rn 63. 82 Um einordnen zu können, ob stichtagsbezogen ein positiver oder ein negativer Erfolgsbeitrag aus dem aktivierten Wirtschaftsgut resultiert, ist dabei zwangsläufig eine saldierende Betrachtung notwendig, bei der die Aufwendungen mit dem als Gegenleistung erzielten Ertrag verglichen werden. 83 Vgl. Euler, Das System der Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung, 1996, S. 27.
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die Ertragswertbeiträge verkörpern, untersagt wird84. Das Realisationsprinzip dient im Rahmen der statischen Bilanzauffassung folglich nicht der Periodisierung, sondern allein der vorsichtigen Vermögensermittlung85. Insofern ist es auch zu kurz gegriffen, wenn der statischen Bilanzauffassung vorgeworfen wird, das gesetzliche Anschaffungswertprinzip lediglich als Objektivierungsrestriktion zu verstehen86. Das eigentliche Ziel besteht nach dem oben Gesagten vielmehr darin, in Abweichung von der an sich zutreffenden Zeitwertkonzeption aus Gründen der Verhältnismäßigkeit auf eine Erfassung von nichtrealisierten Wertsteigerungen zu verzichten87. Vor diesem Hintergrund ist auch nicht ersichtlich, warum der Bilanzzweck der Ermittlung eines entziehbaren Gewinns ausschließlich für die am Nettorealisationsprinzip orientierte Bilanzauffassung reklamiert wird. Eine durch das Verhältnismäßigkeitsprinzip kupierte statische Betrachtung erfüllt diesen Zweck ebenfalls. Ein statisch geprägtes Bilanzverständnis hat ferner Auswirkungen auf die Deutung der Funktion der AfA. Da das Realisationsprinzip allein positive Wertänderungen bis zu deren Bestätigung durch einen Umsatzakt erfolgsneutral behandeln will, erfordert eine eher statische Interpretation der Bilanz eine Darstellung der Vermögenslage, bei der eingetretene Wertminderungen der Anlagegegenstände bei deren Wertansatz berücksichtigt werden88. Dies entspricht der Absicht, im Rahmen der Ermittlung des Schuldendeckungspotentials zu ermitteln, welchen Beitrag der Anlagegegenstand zur Deckung der Ansprüche von Gläubigern leisten kann. Ein Anschaffungs- oder Herstellungsvorgang führt nach statischer Betrachtung zwar zu einer Vermögensminderung durch den Abfluss des Geldbetrages, der zur Anschaffung des erworbenen Wirtschaftsgutes aufgewandt wurde. Diese Vermögensminderung wird jedoch durch die Aktivierung des angeschafften Wirtschaftsgu84 Vgl. Euler, Das System der Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung, 1996, S. 56; Heddäus, Handelsrechtliche Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung für Drohverlustrückstellungen, 1997, S. 23. 85 Kammann, Stichtagsprinzip und zukunftsorientierte Bilanzierung, 1988, S. 262; vgl. auch Euler, Das System der Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung, 1996, S. 26; Moxter BB 1984, 1780, 1781. 86 So Moxter FS Klein, 1994, S. 827, 829; Wüstemann Zfbf 1995, 1029, 1037. 87 Kammann, Stichtagsprinzip und zukunftsorientierte Bilanzierung, 1988, S. 256. 88 BFH BStBl III 1955, 165, 171; BFH v. 7. 2. 1975, BStBl II 1975, 478, 479; KnobbeKeuk, Bilanz- und Unternehmensteuerrecht, 9. Auflage, 1993, S. 186; Knobbe-Keuk DB 1985, 144, 146f; Costede StuW 1986, 45f; Meyer BB 1986, 986, 987; Werndl in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 7 Rn A 13; vgl. auch Adler/Düring/Schmaltz, 6. Auflage, 1995, § 253 Rn 352; Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, 2000, S. 139 FN 887 a. E..
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tes kompensiert89. Somit wird die Anschaffung oder Herstellung eines Wirtschaftsgutes als ein vermögensumschichtender Vorgang betrachtet90. Die Funktion der AfA von den ursprünglichen Anschaffungskosten wird folglich darin gesehen, den durch die betriebliche Nutzung eintretenden Wertverlust an abnutzbaren Wirtschaftsgütern als Betriebsausgabe zu erfassen91. In Abhängigkeit davon, ob man eine zerschlagungsstatische oder eine fortführungsstatische Interpretation bevorzugt, unterscheidet sich jedoch die Zielvorstellung der AfA, gilt es doch unterschiedliche Vermögenswerte zu approximieren92. Vor diesem Hintergrund können die schematischen AfA des Steuerrechts insofern als Instrumente zur Erfassung eines typisierten Vermögenswertverzehr angesehen werden93. Dabei bilden kraft gesetzlicher Anordnung (§ 253 HGB; § 6 Abs. 1 Nr. 1, 2 EStG) die Anschaffungs- oder Herstellungskosten die Bemessungsgrundlage für die Abschreibungen94. Zusammenfassend kann somit festgestellt werden, dass das Realisationsprinzip nach statischer Bilanzauffassung Ausfluss einer vorsichtigen Gewinnermittlung ist. Eine Periodisierung von Aufwendungen durch das Realisationsprinzip ist im System einer statischen Gewinnermittlung rein faktischer Natur, so dass dem Realisationsprinzip eine irgendwie geartete Periodisierungsfunktion für Aufwendungen nicht entnommen werden kann. 2.
Die Bedeutung des Realisationsprinzips vor dem Hintergrund einer eher betriebswirtschaftlich orientierten Bilanztheorie
Demgegenüber wird von einer anderen, eher „dynamisch“ orientierten Auffassung95, deren Vertreter weitgehend dem betriebswirtschaftlichen Lager angehören, der Zweck der kaufmännischen Rechnungslegung in der Er89 Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, 2000, S. 139 FN 887; vgl. auch Wassermeyer WPg 2002, 10, 12f. 90 Wassermeyer WPg 2002, 10, 12. 91 Vgl. bereits Preußisches OVG v. 27. 11. 1896, Preuß. OVGSt 5, 270, 277; KnobbeKeuk DB 1985, 144, 146; vgl. auch Euler, Das System der Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung, 1996, S. 58; Nolde in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 7 Rn 9; Wassermeyer WPg 2002, 10, 12. 92 Vgl. Euler, Das System der Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung, 1996, S. 26, 58. 93 Vgl. Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, 2000, S. 138f FN 887; Knobbe-Keuk DB 1985, 144, 147; Nolde in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 7 Rn 9. 94 Wassermeyer WPg 2002, 10, 12. 95 Moxter StuW 1989, 232, 234ff; Wüstemann Zfbf 1995, 1029, 1031; vgl. auch Siegel FS Forster, 1992, S. 585, 588f; Schulze-Osterloh FS Forster, 1992, S. 653, 657; Leffson, Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung, 7. Auflage, 1987, S. 251f.
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folgsermittlung gesehen. Unter Berücksichtigung dieser Zielsetzung wird dem Realisationsprinzip - zumindest tendenziell - ein ungleich höheres Gewicht zugewiesen, als dies im Rahmen der statischen Bilanzauffassung der Fall ist. a)
Der Gedanke der Nettorealisation nach Moxter und dessen Konsequenzen
Am weitesten reicht der insbesondere auf Moxter96 zurückgehende Versuch, im Wege einer Neuinterpretation des Realisationsprinzips dieses als allgemeines Periodisierungsprinzip zu deuten und unmittelbar auf Ertrag und Aufwand zu beziehen (sog. Gedanke der Nettorealisation)97. Indem das Realisationsprinzip auf die Realisation von „Gewinn“ und damit auf eine Erfolgskategorie bestehend aus Ertrag und zugehörigem Aufwand abstelle, werde durch das Realisationsprinzip der Ertrag eines Geschäftsvorfalls mit dem jeweils zugehörigen Aufwand final verknüpft. Ausgangspunkt dieser These ist somit die oben skizzierte Eigenschaft des Realisationsprinzips, den Gewinn an einen Umsatzakt zu binden98. Hervorgehoben wird vor allem, dass die Wirkungsweise des Realisationsprinzips darin bestehe, die Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten bis zum Realisationsakt durch Aktivierung erfolgsneutral auszuweisen, um die darin enthaltenen Aufwendungen den zugehörigen künftigen Erträgen zuzuordnen (Prinzip periodengerechter
96 Moxter BB 1984, 1780, 1783f; Moxter StuW 1983, 300, 304f; Moxter StuW 1989, 232, 233ff; Moxter FS Offerhaus, 1999, S. 619, 625; Moxter, Grundsätze ordnungsgemäßer Rechnungslegung, 2003, S. 46; Moxter DStR 2004, 1098, 1099f; zustimmend Ballwieser (Meinungsspiegel) BFuP 1994, 42; Ballwieser in: Münchener Kommentar, HGB, § 252 Rn 72; Leffson, Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, 7. Auflage, 1987, S. 271ff; Walz in: Heymann, HGB, 2. Auflage, 1999, § 252 Rn 32; Herzig FS Schmidt, 1993, S. 209, 211; Kleindiek in: Staub, HGB, 4. Auflage, 2002, § 252 Rn 26; vgl. dazu Kammann, Stichtagsprinzip und zukunftsorientierte Bilanzierung, 1988, S. 122ff; Mayr BB 2002, 2323, 2325; Fatouros DB 2005, 117, 120. 97 Moxter, Grundsätze ordnungsgemäßer Rechnungslegung, 2003, S. 46; Herzig FS Schmidt, 1993, S. 209, 211; Mayr BB 2002, 2323, 2327; vgl. auch Siegel BFuP 1994, 1, 3; Groh DB 1999, 978f; Dauber, Das Realisationsprinzip als Grundprinzip der steuerlichen Gewinnermittlung, 2003, S. 162ff. 98 Moxter FS Döllerer, 1988, S. 447, 449; Moxter StuW 1989, 232, 233f; Herzig FS Schmidt, 1993, S. 209, 211; Hommel, Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung bei Dauerschuldverhältnissen, 1992, S. 22; Heddäus, Handelsrechtliche Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung für Drohverlustrückstellungen, 1997, S. 15; Mayr ÖStZ 2001, 226, 227; Jüttner, GoB-System, Einzelbewertungsgrundsatz und Imparitätsprinzip, 1993, S. 100; Euler Zfbf 1991, 191, 194; Breidert, Grundsätze ordnungsmäßiger Abschreibung auf abnutzbare Anlagegegenstände, 1994, S. 3ff.
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Gewinnermittlung)99. Im Realisationsprinzip liege daher verallgemeinernd gesprochen die Anweisung, die den Erträgen zuzuordnenden Aufwendungen erst im Zeitpunkt der Leistungserbringung zu berücksichtigen und sie bis dahin durch Aktivierung aufzuschieben oder durch Passivierung vorzuziehen100. Das Realisationsprinzip fungiert danach als zentrales Periodisierungskriterium, das die bilanzrechtliche Gewinnentstehung bindet und damit verantwortlich für den zeitgerechten Ausweis von Ertrag und Aufwand ist101. Dem Anschaffungswertprinzip liegt nach dieser Sichtweise die Hypothese zugrunde, dass erfolgsneutral zugegangene Wirtschaftsgüter zumindest in Höhe ihrer Anschaffungs- oder Herstellungskosten künftige Erträge alimentieren. Vor dem Realisationszeitpunkt liegende Geschäftsvorfälle führen nach dem Realisationsprinzip nicht zu einer positiven Veränderung des Ausschüttungspotentials. Erst mit Erreichen des Realisationszeitpunktes soll der regelmäßig eintretende Wertsprung von den Anschaffungs- und Herstellungskosten auf die Höhe der als Gegenleistung erhaltenen Forderung zu einem Gewinnausweis führen, weil ab diesem Moment ein Ertragsüberschuss als entstanden betrachtet wird102. Nur der realisierte Gewinn ist ausschüttungsoffen, da erst ab dem Realisationszeitpunkt mit hinreichender Sicherheit darauf geschlossen werden kann, dass Einnahmen fließen, die über den geleisteten Aufwendungen liegen. Ein Verlust realisiert sich nach diesem Mechanismus hingegen dann, wenn die Nettoeinnahmen die angefallenen Aufwendungen unterschreiten (Aufwandsüberschuss)103. Im Hinblick auf den Alimentationsgedanken104 fungiert das Realisationsprinzip somit als zentrale Norm für Ansatz- und Bewertungsfragen105. Als Aktivierungskonsequenz folgt aus diesem Verständnis des Realisationsprinzips, dass in ei-
99 Hommel, Bilanzierung immaterieller Anlagewerte, 1998, S. 50; Hommel, Grundsätze ordnungsgemäßer Bilanzierung für Dauerschuldverhältnisse, 1992, S. 22; Moxter StuW 1989, 232, 234; Moxter FS Döllerer, 1988, S. 447, 449; Euler Zfbf 1991, 191, 194; Mayr ÖStZ 2001, 226, 227; so nun auch Weber-Grellet FR 2001, 900; kritisch Wassermeyer WPg 2002, 10, 12f. 100 Vgl. Groh DB 1999, 978. 101 Ballwieser in: Münchener Kommentar, HGB, § 252 Rn 73; vgl. Kessler DStR 1994, 567, 569. 102 Mellwig FS Moxter, 1994, S. 1071, 1081. 103 Mellwig FS Moxter, 1994, S. 1071, 1081. 104 Der Alimentationsgedanke entspricht im Wesentlichen der Idee des „matching principle“ der amerikanischen Rechnungslegungsprinzipien, vgl. Husmann/Geiger SteuerStud 1998, 399, 404; Moxter, Grundsätze ordnungsgemäßer Rechnungslegung, 2003, S. 47. 105 Vgl. Jüttner, GoB-System, Einzelbewertungsgrundsatz und Imparitätsprinzip, 1993, S. 100 mwN.
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nem Geschäftsjahr anfallende Ausgaben, die erst Erträge späterer Perioden alimentieren, grundsätzlich nicht erfolgswirksam werden dürfen106. Das Anschaffungswertprinzip als Ausfluss des Realisationsprinzips sehe daher die Notwendigkeit vor, für (bestimmte) Aufwendungen die Aufwandswirksamkeit durch einen Aktivposten bis zum (Ertrags-) Realisationszeitpunkt zu korrigieren107. Aktiviert werden müssten nach diesem Bilanzverständnis somit eigentlich nicht die angeschafften Maschinen etc., sondern die Ausgaben für die Maschinenanschaffung nach Maßgabe der künftig zu erwartenden Beiträge für Leistungen (Umsätze)108. Diese Grundsätze werden jedoch durch das Vermögensermittlungsprinzip objektivierungsbedingt erheblich eingeschränkt109, indem die Bilanzposten weitgehend vergegenständlicht werden110. Eine erfolgsneutrale Erfassung der Ausgabe kann nach dem Gesetz nur dann erfolgen, wenn diese bis zum Bilanzstichtag zu einem greifbaren und selbständig bewertbaren Vermögenswert geführt hat111. Objektivierungsbedingt setzt die Aktivierung daher das Vorliegen eines Vermögensgegenstandes voraus, so dass nicht die künftige Erträge alimentierenden Aufwendungen, sondern allein die als Vermögensgegenstand konkretisierten Umsatzträger aktiviert werden112. Falls sich der Ausgabengegenwert nicht hinreichend objektivieren lässt, folgt aus dem Vermögensermittlungsprinzip, dass eine Aktivierung ausscheidet, obwohl eine bilanzielle Erfassung nach 106 Hommel, Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung für Dauerschuldverhältnisse, 1992, S. 22; Weber-Grellet FR 2001, 900. 107 Das Realisationsprinzip wirkt somit als grundlegendes Ansatz- und Bewertungsprinzip, vgl. Hommel, Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung für Dauerschuldverhältnisse, 1992, S. 22f; Moxter, Grundsätze ordnungsgemäßer Rechnungslegung, 2003, S. 148. 108 Moxter StuW 1983, 300, 305. 109 Hommel, Bilanzierung immaterieller Anlagewerte, 1998, S. 49; Moxter StuW 1989, 232, 234; Wüstemann Zfbf 1995, 1029, 1035. Die Objektivierungs- und Vereinfachungsprinzipien stehen somit nicht eigenständig neben dem Fundamentalprinzip, sondern schränken dieses ein. 110 Beisse FS Moxter, 1994, S. 3, 16; vgl. auch Streim (Meinungsspiegel) BFuP 1994, 46. 111 Hommel, Bilanzierung immaterieller Anlagewerte, 1998, S. 50. 112 Moxter FS Döllerer, 1988, S. 447, 451; Moxter StuW 1989, 232, 234; Moxter FS RFH-BFH, 1993, S. 533, 535; Hommel, Bilanzierung immaterieller Anlagewerte, 1998, S. 50, 206ff; Hommel, Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung für Dauerschuldverhältnisse, 1992, S. 24f; Ballwieser BFuP 1990, 477, 482; Eibelshäuser FS Beisse, 1997, S. 153, 157; Breidert, Grundsätze ordnungsmäßiger Abschreibungen auf abnutzbare Anlagegegenstände, 1994, S. 9. Im Sinne einer dynamischen Bilanzinterpretation hat der BFH jedoch zeitweise den Begriff des Vermögensgutes extensiv interpretiert, um so künftige Erträge alimentierenden Aufwendungen aktivieren zu können.
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den Gewinnermittlungsgrundsätzen geboten scheint113. Objektivierungsbedingt werden nach dem Prinzip des entgeltlichen Erwerbs selbst erstellte immaterielle Wirtschaftsgüter von der Aktivierung gänzlich ausgenommen. Zusammenfassend kann man somit feststellen, dass eine Aktivierung nur dann erfolgt, wenn dem Grunde nach sichere Werte vorliegen; ansonsten gehen die angefallenen Betriebsausgaben in den Aufwand der gleichen Periode ein114. Die zentrale Bedeutung des Vermögensermittlungsprinzips im geltenden Bilanzrecht macht es somit unmöglich, das geltende Bilanzrecht in einem streng dynamischen Sinn zu interpretieren115, der nach Schmalenbach116 auf die Bemessung eines vergleichbaren, die Unternehmensentwicklung abbildenden Gewinns abzielt. Um sich terminologisch zu distanzieren, bezeichnet sich die dargestellte Bilanzinterpretation als ausschüttungsstatische Bilanzauffassung117. Den restriktiven Ansatzvoraussetzungen korrespondiert ferner ein eingeschränkter Wertansatz in dem Sinne, als nicht alle mit dem Zugang des Wirtschaftsgutes verbundenen Kosten als Anschaffungs- oder Herstellungskosten erfasst werden118. Im Hinblick auf diese Grundsätze wird darauf hingewiesen, dass das Vermögensermittlungsprinzip 113 Hommel, Bilanzierung immaterieller Anlagewerte, 1998, S. 50. 114 Mayr ÖStZ 2001, 226, 227. 115 Vgl. Moxter BB 1984, 1780, 1782; Moxter StuW 1989, 232, 237; Moxter FS Clemm, 1996, S. 231, 233; Hommel, Bilanzierung immaterieller Anlagewerte, 1998, S. 37f FN 175; Breidert, Grundsätze ordnungsmäßiger Abschreibungen auf immaterielle Anlagegegenstände, 1994, S. 5f. 116 Schmalenbach, Dynamische Bilanz, 13. Auflage, 1962, S. 43ff. Zudem ergeben sich auch weitere Unterschiede der periodengerechten Gewinnermittlung als Ausdruck des Realisationsprinzips zur periodengerechten Gewinnermittlung i.S. des dynamischen Bilanzverständnisses. Zwar erfordert die Zielsetzung Schmalenbachs, eine zum Zwecke der besseren Betriebssteuerung herzustellende Periodenvergleichbarkeit, ebenfalls eine periodengerechte Gewinnermittlung (vgl. Moxter FS Döllerer, 1988, S. 447, 448). Allerdings muss berücksichtigt werden, dass Schmalenbach wegen der für ihn maßgeblichen Bilanzaufgabe der Betriebssteuerung eine ganz andere Vorstellung eines periodengerechten Gewinns vertrat, als dieser aus dem Nettorealisationsprinzip resultiert. Im Sinne der Vergleichbarkeit der Periodengewinne sollte nach Schmalenbach dem Realisationsprinzip zunächst nur eine eingeschränkte Bedeutung zukommen, da eine Realisationsrechnung zu einem verspäteten Erfolgsausweis führe (Schmalenbach, Dynamische Bilanz, 5. Auflage, 1931, S. 174; vgl. Moxter FS Döllerer, 1988, S. 447, 448f). Diese Auffassung beruhte nicht zuletzt auf dem Standpunkt, auf einer ersten Stufe einen erzielten Gewinn dynamischer Prägung zu ermitteln und erst in einer zweiten Stufe zu fragen, welcher Teil hiervon entzogen und der Gewinnverwendung zugeführt werden kann (vgl. Moxter FS Clemm, 1996, S. 231, 234). 117 Wüstemann Zfbf 1995, 1029, 1030ff. 118 Vgl. Breidert, Grundsätze ordnungsmäßiger Abschreibungen auf immaterielle Anlagegegenstände, 1994, S. 9.
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die Bilanzierungsvorschriften zwar für Eröffnungsbilanzen und Einlagenvorgänge dominiert, für den Bereich der Folgebilanzen jedoch die Aufgabe der zutreffenden Vermögensermittlung wiederum hinter die ausschüttungsstatische Gewinnermittlung zurücktritt119. Indem das Realisationsprinzip den Gewinn an einen Umsatzakt binde, würden die Vermögensermittlungsprinzipien durch die Gewinnermittlungsprinzipien (insbesondere bei der Bewertung) eingeschränkt120. Dem Vermögensermittlungsprinzip fällt in diesem Zusammenhang nur eine konkretisierende Aufgabe zu, in dem es den Ausweis des ausschüttbaren Gewinns mit einer bestimmten Vermögensänderung verbindet121. Wenn man mittels des Realisationsprinzips die erfolgswirksame Geltendmachung von Aufwendungen streng an den durch einen Umsatzakt erzielten Ertrag bindet und das Realisationsprinzip insofern den Zeitpunkt der Erfolgswirksamkeit von Aufwand festlegt122, folgt aus diesem Alimentationsgedanken, dass Ausgaben im Idealfall nach Maßgabe der Alimentierung von Umsätzen zu verrechnen sind123. Ein in dieser Weise extensiv verstandenes Realisationsprinzip prägt in entscheidender Weise das theoretische Verständnis der planmäßigen Abschreibungen (steuerrechtlich AfA)124. Betreffen neutralisierte Aufwendungen mehrere Perioden, hat dies zur Konsequenz, dass die im Anschaffungsjahr erfolgsneutral zu behandelnden Anschaffungs- oder Herstellungskosten auf die jeweiligen Perioden ihrer Nutzung entsprechend dem Grundsatz der Nettorealisation aufwandswirksam zu 119 Hommel, Bilanzierung immaterieller Anlagewerte, 1998, S. 49; Wüstemann Zfbf 1995, 1029, 1036; Breidert; Grundsätze ordnungsmäßiger Abschreibungen auf abnutzbare Anlagegegenstände, 1994, S. 5. 120 Wüstemann Zfbf 1995, 1029, 1035f; Hommel, Bilanzierung immaterieller Anlagewerte, 1998, S. 48. 121 So explizit Hommel, Bilanzierung immaterieller Anlagewerte, 1998, S. 49. 122 Moxter StuW 1989, 232, 234; Moxter FS Offerhaus, 1999, S. 619, 625; Leffson, Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung, 7. Auflage, 1987, S. 301; Moxter, Grundsätze ordnungsgemäßer Rechnungslegung, 2003, S. 46; Jüttner, GoB-System, Einzelbewertungsgrundsatz und Imparitätsprinzip, 1993, S. 100; Hommel BB 2001, 247, 248; Eibelshäuser FS Beisse, 1997, S. 153, 160. 123 Hommel, Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung für Dauerschuldverhältnisse, 1992, S. 22; Hommel BB 2001, 247, 248; Breidert, Grundsätze ordnungsmäßiger Abschreibungen auf abnutzbare Anlagegegenstände, 1994, S. 9, 12f; Ballwieser in: Münchener Kommentar, HGB, § 252 Rn 84f; vgl. auch Mellwig in: Beck HDR, B 164 Rn 21. 124 Mayr ÖStZ 2001, 226, 228; Ballwieser in: Münchener Kommentar, HGB, § 252 Rn 82; Moxter, Grundsätze ordnungsgemäßer Rechnungslegung, 2003, S. 47, 204; Dauber, Das Realisationsprinzip als Grundprinzip der steuerlichen Gewinnermittlung, 2003, S. 192f.
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verteilen sind125. Macht man den Gedanken der Nettorealisation zur Grundlage der Betrachtungen, müssen Ausgaben, die künftigen Erträgen zuzuordnen sind, aktiviert und damit neutralisiert werden. Hieraus folgt, dass Aufwand dann (und in der Höhe) entsteht, soweit eine Ausgabe für die Zukunft nicht mehr ertragswirksam ist126. Einer konsequenten Zuordnung der Aufwendungen zu den alimentierten Erträgen korrespondiert dabei eine umsatzbzw. ertragsproportionale Abschreibung127. Die ratio der Abschreibungen besteht somit im System des Nettorealisationsgedankens darin, die Anschaffungs- oder Herstellungskosten periodisch so abzubauen, dass der mit Hilfe des abnutzbaren Anlagegegenstandes erwirtschaftete Gewinn in Abhängigkeit vom Umsatz realisiert wird. Idealtypisch müssen dabei die Anschaffungs- oder Herstellungskosten zur Summe der sonstigen Ausgabe, die bei der Umsatzerzielung anfallen (zu nennen sind insbesondere Instandhaltungskosten), addiert und die daraus resultierenden Gesamtaufwendungen im Verhältnis auf die zurechenbaren Erträge verteilt werden128. Will man diesen Grundsätzen idealtypisch genügen, hat dies zur Folge, dass exakte Kenntnisse über die Höhe der erzielbaren Erträge sowie über die Höhe und den Zeitpunkt etwaiger zusätzlicher Ausgaben benötigt werden129. Über das Realisationsprinzip lassen sich verhältnismäßig einfach sichere Erträge bestimmen. Hingegen gestaltet sich eine an der Nettorealisationsidee orientierte Aufwandszuordnung als äußerst schwierig, da ohne ein Abstellen auf das restliche Einnahmenüberschusspotential eine ertragsproportionale Aufwandsbemessung nicht geleistet werden kann. Eine periodische Aufwandszuordnung verlangt zudem nach Rechtssicherheit. Eine ertragsproportionale Aufwandszuordnung hätte zur Konsequenz, dass eine Aufwandsverteilung im Hinblick auf einen veränderten Erkenntnisstand zum jeweiligen Stichtag neu vorgenommen werden müsste. Objektivierungsbedingt und im Interesse der Rechtssicherheit wird daher auch vor dem Hintergrund der Idee der Nettorealisation die Notwendigkeit gesehen, die Höhe der nach dem Realisationsprinzip zu berücksichtigenden Aufwendungen nicht jedes Jahr neu zu bemessen. 125 Euler Zfbf 1991, 191, 194; Hommel BB 2001, 247, 248. 126 Moxter StuW 1983, 300, 305. 127 Hommel BB 2001, 247, 248; Breidert, Grundsätze ordnungsmäßiger Abschreibungen auf abnutzbare Anlagegegenstände, 1994, S. 9f; Moxter, Grundsätze ordnungsgemäßer Rechnungslegung, 2003, S. 206; kritisch dazu Siegel FS Forster, 1992, S. 585, 597; Siegel BFuP 1994, 1, 10; Mellwig in: Beck HDR, B 164 Rn 21. 128 Vgl. Breidert, Grundsätze ordnungsmäßiger Abschreibungen auf abnutzbare Anlagegegenstände, 1994. S. 12. 129 Breidert, Grundsätze ordnungsmäßiger Abschreibungen auf abnutzbare Anlagegegenstände, 1994, S. 10.
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Trotz der Prognoserisiken verpflichtet auch das HGB zur Erstellung eines Abschreibungsplanes im Zugangszeitpunkt und fordert eine einmalige Schätzung der künftigen, mit der Maschine erzielbaren Umsätze in der Nutzungsdauer und etwaiger zusätzlicher Ausgaben in einzelnen Nutzungsjahren, mit der Verpflichtung, sich auch in Zukunft grundsätzlich dem Abschreibungsplan zu unterwerfen130. Dies geschieht, um auch für die Folgeperioden zu gewährleisten, dass Gewinne nach Maßgabe der getätigten (prognostizierten) Umsätze realisiert werden131. Die planmäßige Abschreibung zielt in diesem Sinne auf die realisationsprinzipkonforme Zuordnung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten zu den Erträgen des spezifischen Wirtschaftsgutes132. Der Alimentationsgedanke stößt bei der praktischen Umsetzung jedoch schnell an seine Grenzen. Dies liegt darin begründet, dass der umsatzproportionalen Verteilung der Erwerbsausgaben durch die Ungewissheit der zukünftigen Leistungsabgabe eines Wirtschaftsgutes und der praktisch sehr eingeschränkten Zurechenbarkeit von Umsatzerlösen zu bestimmten Einzelinvestitionen enge Grenzen gesetzt sind133. Als problematisch erweist sich in diesem Zusammenhang vor allem die kausale Zuordnung von Erträgen aus dem Verkauf von Fertigerzeugnissen zu einzelnen am Herstellungsprozess beteiligten Wirtschaftsgütern. Die Prognostizierung eines Umsatzverlaufs muss sich deshalb darauf beschränken, aufgrund von Indizien, wie der voraussichtlichen Absatzentwicklung der von der Maschine gefertigten Erzeugnisse und der Beanspruchung, den Umsatzverlauf ohne Angabe absoluter Beträge zu bestimmen134. Vorausgesetzt ist ferner eine 130 Eibelshäuser FS Beisse, 1997, S. 153, 159; Breidert, Grundsätze ordnungsmäßiger Abschreibungen auf abnutzbare Anlagegegenstände, 1994, S. 10. 131 Eibelshäuser FS Beisse, 1997, S. 153, 160. 132 Euler Zfbf 1991, 191, 194; Böcking Zfbf 1989, 491, 496; Moxter, Bilanzrechtsprechung, 5. Auflage, 1999, S. 228; Hommel BB 2001, 247, 248; Eibelshäuser FS Beisse, 1997, S. 153, 160. Lehnt man den umfänglichen Aussagegehalt des Realisationsprinzips ab, geht aber trotzdem von einer Gewinnkonzeption aus, besteht die Notwendigkeit, die Anschaffungs- und Herstellungskosten nach den Grundsätzen der Abgrenzung der Sache und der Zeit nach den Erträgen zuzuordnen (Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzen, 6. Auflage, 2003, S. 166ff; Schiele, Unternehmensbesteuerung und Handelsbilanz, 2000, S. 77; vgl. Eibelshäuser FS Beisse, 1997, S. 153, 160). Dieser Verteilungsmaßstab präferiert grundsätzlich keine bestimmte Methode der Aufwandverteilung, sondern harmoniert mit allen geläufigen planmäßigen Absetzungsmethoden und bleibt daher hinter dem Aussagegehalt des Realisationsprinzips deutlich zurück. 133 Hommel BB 2001, 247, 248; Moxter StuW 1983, 300, 305 spricht insoweit von einem Verstoß gegen das Erfordernis der Rechtssicherheit. 134 Breidert, Grundsätze ordnungsmäßiger Abschreibungen auf abnutzbare Anlagegegenstände, 1994, S. 11; Eibelshäuser FS Beisse, 1997, S. 153, 160.
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Prognose der Nutzungsdauer. Nach diesen Maßstäben fordert der Gedanke des „matching principle“ eine periodengerechte Zuordnung von Aufwand und Ertrag in dem Sinne, dass bei sinkenden Umsatzerwartungen und gleich bleibenden Kosten eine degressive Abschreibung angewandt werden muss135. Schwierigkeiten bereitet zudem die nach dem Grundsatz der Nettorealisation eigentlich erforderliche Berücksichtigung des Restwertes eines Wirtschaftsgutes136. Bindet man die Abschreibungsgrundsätze an das Prinzip der Nettorealisation, fordert der Sinn und Zweck der Abschreibungsvorschriften die Gesamtaufwendungen im Verhältnis der durch Nutzung und Veräußerung erzielten Erträge periodengerecht zu verteilen137. Alternativ wird vereinfachend vorgeschlagen, lediglich den Differenzbetrag von Anschaffungs- oder Herstellungskosten und Restwert abzusetzen, da nur in dieser Höhe auf die Nutzungsdauer der Anlage zu verteilender Aufwand vorliegt138. Im Rahmen der steuerrechtlichen Gewinnermittlung hat der Gesetzgeber angesichts der Zurechnungsschwierigkeiten und aus Vereinfachungsgründen Regeln zur planmäßigen Abschreibung in den AfA normiert. § 7 Abs. 1 S. 1 EStG sieht vor, die Anschaffungs- oder Herstellungskosten abnutzbarer Anlagegegenstände per AfA gleichmäßig auf die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer zu verteilen. Anders als bei den planmäßigen Abschreibungen der Handelsbilanz sind für das Steuerbilanzrecht die Methoden, nach denen die AfA bemessen wird, streng reglementiert. Bereits aus der gesetzlichen Einbettung folgt insofern, dass der linearen AfA aufgrund ihrer einfachen Struktur als Regelabschreibung eine Vorrangstellung gegenüber anderen möglichen Abschreibungsmethoden eingeräumt wird139. Bei beweglichen Anlagegegenständen kann der Steuerpflichtige statt der linearen AfA gemäß § 7 Abs. 1 S. 6 EStG eine AfA nach Maßgabe der Leistung des Wirtschaftsgutes in Anspruch nehmen, wenn diese wirtschaftlich begründet ist und der Steuerpflichtige den auf das einzelne Jahr entfallenden Umfang der Leistung nachweist. Bei beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens kann der Steuerpflichtige ferner eine degressive Abschreibung vornehmen, wobei 135 Moxter, Bilanzrechtsprechung, 5. Auflage, 1999, S. 228; Breidert, Grundsätze ordnungsmäßiger Abschreibungen für abnutzbare Anlagegegenstände, 1994, S. 60. 136 Vgl. Breidert, Grundsätze ordnungsgemäßer Abschreibungen auf abnutzbare Anlagegegenstände, 1994, S. 13; Hommel BB 2001, 247, 251. 137 Breidert, Grundsätze ordnungsmäßiger Abschreibungen auf abnutzbare Anlagegegenstände, 1994, S. 13. 138 Moxter, Bilanzrechtsprechung, 5. Auflage, 1999, S. 234f; Hommel BB 2001, 247, 251; Breidert, Grundsätze ordnungsmäßiger Abschreibungen auf abnutzbare Anlagegegenstände, 1994, S. 13. 139 Vgl. nur Moxter, Bilanzrechtsprechung, 5. Auflage, 1999, S. 226f.
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der anzuwendende Hundertsatz höchstens das Doppelte des bei der linearen AfA in Betracht kommenden Hundertsatzes betragen kann und 20 von Hundert nicht übersteigen darf (§ 7 Abs. 2 S. 2 EStG). Nach den gesetzlichen Regelungen sind degressive AfA und Abschreibungen nach Maßgabe der Leistung des Wirtschaftsgutes lediglich als nur in engen steuerlichen Grenzen zulässige Ausnahmefälle konzipiert. Misst man die lineare AfA am Gedanken der Nettorealisation kann festgestellt werden, dass die lineare AfA nur unter engen Vorraussetzungen als realisationsprinzipkonforme Regelabschreibung angesehen werden kann. Voraussetzung hierfür ist, dass die Subtraktion der Ausgaben von den umsatzproportionalen Gesamtaufwendungen zu einer gleichmäßigen Abschreibungsbelastung der einzelnen Perioden führt140. In der Realität wird man im Regelfall mit gleich bleibenden Umsätzen bei steigenden Ausgaben oder mit sinkenden Umsätzen bei gleich bleibenden Ausgaben rechnen, so dass im Hinblick auf den Gedanken der Nettorealisation eine degressive Abschreibung als Regelabschreibung eine größere Berechtigung hätte141. Da sich die Differenzen zu einer am Realisationsprinzip orientierten Abschreibungsbemessung wegen der entweder durch Gesetz oder AfA-Tabellen festgelegten Nutzungsdauer auch nicht durch eine Variierung der Nutzungsdauer herstellen lässt142, muss davon ausgegangen werden, dass im Steuerrecht Vereinfachungserwägungen dominieren. Nimmt man den Gedanken der Nettorealisation zum Ausgangspunkt der Beurteilung, muss somit festgestellt werden, dass der Gesetzgeber durch die Festschreibung gesetzlicher AfA-Methoden bei allen steuerrechtlichen Methoden von den individuellen Umsatz- und Ausgabenerwartungen abstrahiert, so dass keine Abschreibungsbemessung erfolgt, wie diese aus dem Realisationsprinzip eigentlich resultiert143. Moxter144 hat auf Basis eines am Realisationsprinzip orientierten Bilanzverständnisses somit zu Recht darauf hingewiesen, dass die steuergesetzliche Ausgestaltung der Regelungen über die Abnutzungsabsetzungen einen Kompromisscharakter aufweise. Das auch im Steuerbilanzrecht angestrebte Ziel einer periodengerechten, realisationsprinzipkonformen Aufwandszuordnung werde zwar grundsätzlich auch bei der Bemessung der planmäßi140 Breidert, Grundsätze ordnungsmäßiger Abschreibungen auf abnutzbare Anlagegegenstände, 1994, S. 59. 141 Breidert, Grundsätze ordnungsmäßiger Abschreibungen auf abnutzbare Anlagegegenstände, 1994, S. 60. 142 Vgl. dazu Breidert, Grundsätze ordnungsmäßiger Abschreibungen auf abnutzbare Anlagegegenstände, 1994, S. 64f; Hommel BB 2001, 247, 248ff. 143 Eibelshäuser FS Beisse, 1997, S. 153, 163; Breidert, Grundsätze ordnungsmäßiger Abschreibungen auf abnutzbare Anlagegegenstände, 1994, S. 61f, 65. 144 Moxter, Bilanzrechtsprechung, 5. Auflage, 1999, S. 227f.
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gen AfA angestrebt, trete aber im Bilanzsteuerrecht wegen der in den Grenzen der Abschreibungsdegression gegebenen Abschreibungsfreiheit hinter Vereinfachungs- und Typisierungserwägungen zurück145. Trotz der weitgehenden gesetzlichen Normierung der AfA bleiben aber wichtige Abschreibungsdeterminanten insbesondere die Nutzungsdauer offen. Objektivierungsbedingt wird zur Schätzung der Nutzungsdauer dabei auf die Erfahrungswerte zurückgegriffen, die in den AfA-Tabellen veröffentlicht werden. b)
Die traditionelle Interpretation des Realisationsprinzips in der betriebswirtschaftlichen Literatur
Der umfassenden Neuinterpretation des Realisationsprinzips i.S. des Nettorealisationsgedankens wird jedoch auch in Teilen der betriebswirtschaftlichen Literatur heftig widersprochen146. Neben der Kritik aus dem Lager derjenigen Autoren, die die Bilanz als Vermögensübersicht zur Schuldendeckungskontrolle verstehen147, lehnen die „Moxter-Konzeption“ auch eine Vielzahl von Autoren148 ab, die grundsätzlich einer „Gewinnkonzeption“ anhängen und insofern den durch das Realisationsprinzip ausgewiesenen Ertrag in Zusammenhang mit dem betrieblichen Aufwand interpretieren. Beiden kritischen Standpunkten ist gemein, dass sie den Terminus „Gewinn“ in § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB zunächst i.S. von Ertrag verstehen, was zur Folge hat, dass das Realisationsprinzip auf die mit der Leistungserbringung verbundenen Aufwendungen nicht anwendbar ist. Aufgabe des Realisationsprinzips ist es danach, allein die Periodenerträge zu bestimmen149. Zwar kann auch von dieser Meinungsgruppe nicht ignoriert werden, dass durch das Anschaffungs- oder Herstellungskostenprinzip Aufwendungen bis zum Realisationszeitpunkt neutralisiert werden, so dass bei Ertragsrealisierung indirekt auch die dem Geschäft zurechenbaren Ausgaben zu Aufwand wer145 Hommel BB 2001, 247, 248; Moxter, Bilanzrechtsprechung 5. Auflage, 1999, S. 228; Moxter FS 75 Jahre RFH BFH, 1993, S. 533, 542; Eibelshäuser FS Beisse, 1997, S. 153, 160, 163; Breidert, Grundsätze ordnungsmäßiger Abschreibungen auf abnutzbare Anlagegegenstände, 1994, S. 61, 65. 146 Mellwig in: Beck HDR, B 164 Rn 21f; Schulze-Osterloh in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 17. Auflage, 2000, § 42 Rn 15; Leffson, Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung, 7. Auflage, 1987, S. 317; Baetge (Meinungsspiegel) BFuP 1994, S. 41f; vgl. vom Standpunkt eines statischen Bilanzverständnisses auch Siegel FS Forster, 1992 S. 585ff; Siegel BFuP 1994, 1, 4ff. 147 Siegel BFuP 1994, 1, 8. 148 Mellwig in: Beck HDR, B 164 Rn 21f; Leffson, Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung, 7. Auflage, 1987, S. 317; Schiele, Unternehmensbesteuerung und Handelsbilanz, 2000, S. 77; Baetge (Meinungsspiegel) BFuP 1994, S. 41f. 149 Mellwig in: Beck HDR, B 164 Rn 17.
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den. Diese Ausprägung wird jedoch lediglich als Reflex des Realisationsprinzips verstanden150. Auf eine allgemeine Konzeption des bilanzrechtlichen Gewinns als Umsatzgewinn i.S. des Nettorealisationsgedankens wird aus diesem Effekt jedoch noch nicht geschlossen151. Befürwortet man jedoch mit Baetge, Leffson und Mellwig im Ausgangspunkt eine Periodenabgrenzung anhand einer Gewinnkonzeption, da Aufwendungen allein deshalb getätigt werden, um Erträge zu erzielen, und lehnt man im Gegensatz zum Nettorealisationsgedanken aber eine Aufwandsverrechnung i.S. einer anteiligen Zuordnung der Aufwendungen zu den nach dem Realisationsprinzip bemessenen Periodenerträgen nach den Regeln der Nettorealisation152 ab, ist es allerdings unabdingbar, alternative Kriterien einer Aufwandsbemessung zu formulieren. In diesem Sinne ergänzt die wohl noch überwiegende betriebswirtschaftliche Literatur das allein auf Erträge zu beziehende Realisationsprinzip um selbständige Grundsätze der Aufwandsverrechnung153. Wesentliche Bedeutung erlangt dabei zunächst der
150 Baetge (Meinungsspiegel) BFuP 1994, 41; vgl. auch Wassermeyer WPg 2002, 10, 12. 151 Gegen die umsatzbezogene Interpretation der Abschreibungen hat sich insbesondere Siegel gewandt (Siegel FS Forster, 1992, S. 585, 597, ebenso Mellwig in: Beck HDR, B 164 Rn 21). Siegel a.a.O. geht grundsätzlich von der dominierenden Bedeutung des Vorsichtsprinzips aus Gründen des Gläubigerschutzes aus. Dieses soll den Gewinnausweis auf eine Größe beschränken, bei deren Ausschüttung das AnfangsSchuldendeckungspotential nicht angegriffen wird (Siegel BFuP 1994, 1, 8). In diesem Sinne geht Siegel davon aus, dass Ausgaben grundsätzlich sofort zu Aufwand werden, es sei denn, das Gesetz sehe eine Aktivierung i.S. des Anschaffungswertprinzips vor. 152 In der Literatur (Siegel FS Forster, 1992, S. 585, 597; Mellwig in: Beck HDR, B 164 Rn 21) wurde die Notwendigkeit einer typisierenden Abschreibungsbemessung damit begründet, dass die ertragsproportionale Abschreibungsbemessung als konsequente Zuordnung von Aufwand zu den alimentierten Erträgen gegen den Gedanken des Realisationsprinzips verstößt. Wenn es das Realisationsprinzip verbiete, erwartete Gewinne im Jahresabschluss auszuweisen, könnten erst recht keine erwarteten Gewinne in künftigen Jahresabschlüssen unterstellt werden, wie dies eine ertragsproportionale Abschreibung voraussetze (Siegel FS Forster, 1992, S. 585, 597). Siegel möchte statt dessen die Bemessung planmäßiger Abschreibungen an der Entwicklung des Marktwertes des Anlagegutes orientieren, da dieser Betrag darüber Auskunft gebe, welchen Beitrag das Anlagegut am jeweiligen Stichtag zur Deckung von Gläubigeransprüchen leisten kann. Gegen diese Argumentation hat Eibelshäuser FS Beisse, 1997, S. 153, 162 eingewandt, dass Ertragserwartungen nicht nur im Rahmen der umstrittenen Abgrenzungsfunktion eingeräumt werden, sondern auch im Rahmen des unbestrittenen Anschaffungswertprinzips. 153 Vgl. vor allem Baetge (Meinungsspiegel), BFuP 1994, 41f.
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Grundsatz der Abgrenzung der Sache nach154. Werden Erträge am Markt realisiert, werden die ihnen sachlich zuzurechnenden Aufwendungen spätestens im Zeitpunkt ihres Bekanntwerdens zugerechnet155. Ergänzt wird der Grundsatz der Abgrenzung der Sache nach durch den Grundsatz der Abgrenzung der Zeit nach156. Der Grundsatz der Abgrenzung der Zeit nach regelt die Periodisierung von Aufwendungen, die einem Ertrag nicht unmittelbar sachbezogen zuzuordnen sind, nach rein zeitlichen Kriterien. Die Bemessung der Abschreibungen nach den Grundsätzen der Abgrenzung der Sache und der Zeit nach führt u.a. dazu, dass nach Festlegung der Schätzgrößen nicht allein eine einzige Abschreibungsmethode ihre Berechtigung hat. Vielmehr sind grundsätzlich alle gängigen Abschreibungsmethoden mit den Abgrenzungsgrundsätzen vereinbar. Da sich die traditionelle betriebswirtschaftliche Sichtweise in ihrem grundsätzlichen konzeptionellen Bilanzverständnis aber nicht vom Nettorealisationsgedanken unterscheidet, soll diese Auffassung nachfolgend lediglich am Rande berücksichtigt werden. 3.
Auswirkungen der unterschiedlichen Standpunkte im Hinblick auf die Interpretation der Verbindlichkeitsrückstellungen
Die weitreichenden Konsequenzen der unterschiedlichen Ausgangspunkte im Bilanzverständnis werden insbesondere dann deutlich, wenn man über den bisher angesprochenen Bereich die Verbindlichkeitsrückstellungen in den Blickpunkt rückt. Wenn man mit Teilen der betriebswirtschaftlichen Literatur157 dem Realisationsprinzip eine umfassende Bedeutung für die zeitliche Erfassung von 154 Schiele, Unternehmensbesteuerung und Handelsbilanz, 2000, S. 77; Mellwig in: Beck HDR, B 164 Rn 17, 22; Baetge (Meinungsspiegel) BFuP 1994, 41; Leffson, Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung, 7. Auflage, 1987, S. 300ff; Husmann/Geiger SteuerStud 1998, 399, 401; vgl. auch Schreiber in: Blümich, EStG, § 5 Rn 251. 155 Baetge (Meinungsspiegel) BFuP 1994, 42. 156 Baetge (Meinungsspiegel) BFuP 1994, 42; Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzen, 6. Auflage, 2003, S. 168. 157 Moxter FS Döllerer, 1988, S. 447, 449; Moxter FS Havermann, 1995, S. 487, 497; Moxter StuW 1989, 232, 234f; Böcking Zfbf 1989, 491, 496; Herzig DStJG 14 (1991), 199, 204f; Herzig DB 1990, 1341, 1347; Hommel, Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung für Dauerschuldverhältnisse, 1992, S. 23; Euler BB 2001, 1897; Mayr BB 2002, 2323, 2327; Dauber, Das Realisationsprinzip als Grundprinzip der steuerlichen Gewinnermittlung, 2003, S. 162ff; nunmehr wohl auch Weber-Grellet FR 2001, 900; Weber-Grellet DB 2002, 2180, 2182; Weber-Grellet StbJb 2002/2003, 241, 268; in Ansätzen Schulze-Osterloh FS Forster, 1992, S. 653, 656ff; SchulzeOsterloh DStJG 23 (2000) 67, 72.
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Aufwand zumessen will, wirkt sich diese Sichtweise des Realisationsprinzips vor allem auf die Interpretation der Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten (§ 249 Abs. 1 1. Alt HGB) aus158. Angesprochen sind somit die Passivierungskonsequenzen, die aus dem vorgestellten Verständnis des Realisationsprinzips als Nettorealisationsprinzip resultieren. Wenn im Rahmen einer umfassenden Periodisierung, Aufwendungen den zugehörigen Erträgen zugeordnet werden müssen, hat dies u.a. zur Folge, dass noch zu tätigende Ausgaben (Ausgabenantizipationen) in Bezug auf bereits realisierte Erträge als Aufwand der Rechnungsperiode passiviert werden müssen159. Ein korrekter periodenbezogener Gewinnausweis erfolgt nach diesen Grundsätzen nur dann, wenn nicht ignoriert wird, dass die erzielten Erträge durch voraussehbare Zahlungsverpflichtungen gemindert sind160. In diesem Sinne wurzeln die Verbindlichkeitsrückstellungen im Realisationsprinzip161. Dem als Periodisierungsprinzip verstandenen Realisationsprinzip kommt dann allerdings auch eine rückstellungsbegrenzende Wirkung zu, wenn
158 Vgl. nur Ballwieser in: Münchener Kommentar, HGB, § 252 Rn 85, § 249 Rn 8; Hahne/Sievert DStR 2003, 1992; Euler BB 2001, 1897; Mayr BB 2002, 2323 2327; Dauber, Das Realisationsprinzip als Grundprinzip der steuerlichen Gewinnermittlung, 2003, S. 162ff; Moxter DStR 2004, 1098f; vgl. auch Fatouros DB 2005, 117, 120. Im Bereich der Rückstellungsbildung ist im Gegensatz zum Abschreibungsproblem eine größere Akzeptanz des Realisationsprinzips als allgemeinem Periodisierungsprinzip zu verzeichnen. Auch der BFH (BFH v. 19. 5. 1987, BStBl II 1987, 848, 850; BFH v. 25. 8. 1989, BStBl II 1990, 550, 553; vgl. neuerdings wieder BFH v. 25. 3. 2004, BB 2004, 1620, 1621f) hat den Nettorealisationsgedanken partiell in seine Rechtsprechung zur Verbindlichkeitsrückstellung aufgenommen, ohne diesen jedoch i.S. eines allgemeinen Periodisierungskriteriums konsequent auszubauen. Berndt BB 2004, 1623 weist zu Recht darauf hin, dass das Urteil des IV. Senates des BFH (v. 25. 3. 2004, DB 2004, 1620) in gewissem Gegensatz zu der neueren Rechtsprechung des I. Senates steht (vgl. BFH v. 27. 6. 2001, BStBl II 2003, 121) 159 Moxter FS Döllerer, 1988, S. 447, 449; Moxter FS Havermann, 1995, S. 487, 497; Mayr ÖStZ 2001, 226, 227. Gegen die Deutung des Realisationsprinzips als umfassendes Periodisierungsprinzip Weber-Grellet DStR 1996, 896, 903. Weber-Grellet begründet seine Auffassung damit, dass nur ausnahmsweise realisierter Aufwand zu stornieren ist, wenn eine Aktivierung gesetzlich vorgeschrieben ist. Wenn dies nicht der Fall ist, müsse der realisierte Aufwand sofort abgezogen werden. 160 Vgl. zu diesem Gedanken auch Kirchhof, Karlsruher Entwurf zur Reform des Einkommensteuergesetzes, 2001, S. 38. 161 Mayr ÖStZ 2001, 226, 227; Ballwieser in: Münchener Kommentar, HGB, § 252 Rn 85.
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Aufwendungen nicht vergangene oder gegenwärtige, sondern zukünftige Erträge alimentieren162. Demgegenüber lehnt es die statisch orientierte Bilanzauffassung163 ab, Schlussfolgerungen aus dem Realisationsprinzip für die Erfolgswirksamkeit von Aufwendungen zu ziehen. Das Realisationsprinzip nimmt im Rahmen einer statischen Bilanzinterpretation lediglich die Funktion ein, durch erfolgsneutrale Bewertung den Ausweis nichtrealisierter Wertsteigerungen zu verhindern164. Für den Bereich der Verbindlichkeitsrückstellungen hat diese statisch motivierte Sichtweise165 zur Konsequenz, dass unter Betonung des Schuldcharakters der Rückstellung geprüft wird, ob die drohende Verbindlichkeit bereits aktuell zu einer stichtagsbezogenen Minderung des Betriebsvermögen führt166. Die bilanzrechtliche Grundlage für dieses Vorgehen wird dabei vor allem im Vollständigkeitsgebot des § 246 Abs. 1 HGB gesehen, welches integral die Forderung nach einem umfassenden Schuldenausweis beinhaltet167. Auf dieser theoretischen Grundlage leuchtet unmittelbar ein, dass nach dieser Auffassung der Terminus „wirtschaftliche Verursachung“ richtigerweise i.S. von „wirtschaftlicher Entstehung“ zu verstehen ist168. Eine Schuld ist bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise dann entstanden, wenn entweder bereits eine rechtliche Verpflichtung besteht oder wenn sich ein Kaufmann auch ohne Rechtspflicht einer Außenverpflichtung nicht mehr einseitig entziehen kann169. 162 Herzig DStJG 14 (1991), 199, 211ff; Moxter StuW 1983, 300, 304ff; Moxter FS Döllerer, 1988, S. 447, 455ff; Moxter, Grundsätze ordnungsgemäßer Rechnungslegung, 2003, S. 49; vgl. auch Kleindiek in: Staub, HGB, 4. Auflage, 2002, § 249 Rn 34ff; Kessler DStR 2001, 1903, 1904. 163 Grundlegend Siegel FS Forster, 1992, S. 585, 599; Siegel BFuP 1994, 1, 4ff; Schön BB 1994 (Beilage 9), 1, 4ff. Dieser Auffassung hat sich unlängst der I. Senat des BFH (v. 27. 6. 2001, BStBl II 2003, 121ff) in einer ausführlich begründeten Entscheidung angeschlossen; zustimmend auch Wassermeyer WPg 2002, 10, 11ff; Koths DB 2001, 1849; Kessler DStR 2001, 1903, 1904; Christiansen, DStR 2002, 1196. 164 BFH v. 27. 6. 2001, BStBl II 2003, 121, 123; Siegel FS Forster, 1992 S. 585ff; Siegel BFuP 1994, 1, 4ff; Siegel DB 2002, 707, 708. 165 Schön BB 1994 (Beilage 9), 1, 4ff. 166 Siegel FS Forster, 1992, S. 585, 599; Woerner StVj 1993, 193, 204f; Kammann, Stichtagsprinzip und zukunftsorientierte Bilanzierung, 1988, S. 194; Schön BB 1994 (Beilage 9), 1, 4. 167 BFH v. 27. 6. 2001, BStBl II 2003, 121, 123; Kessler DStR 2001, 1903, 1904. 168 Schön BB 1994 (Beilage 9), 1, 4. 169 Schön BB 1994 (Beilage 9), 1, 4; Kessler DStR 2001, 1903, 1905. Vgl. auch Siegel DStR 2002, 1192; Siegel DStR 2002, 1636f; Siegel DB 2002, 707, 708; Siegel BB 2003, 304, der das Kriterium der Unentziehbarkeit i.S. der Möglichkeit eines sanktionslosen Unterlassens interpretiert und eine in diesem Sinne verstan-
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Grundstrukturen der steuerlichen Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich
III.
Einordnung von außerplanmäßigen Abschreibungen im Rahmen der steuerlichen Gewinnermittlung mittels Betriebsvermögensvergleich
1.
Außerplanmäßige Abschreibungen im Bilanzsteuerrecht
Im Gegensatz zu der handelsrechtlichen Regelung, die mit dem Institut des gemilderten Niederstwertprinzips eine einheitliche Regelung getroffen hat, unterscheidet das Steuerrecht im Rahmen der Folgebewertung bei der Wertfindung für Wirtschaftsgüter des abnutzbaren Anlagevermögens zwischen den Abschreibungen für außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzungen (AfaA) und der Teilwertabschreibung. Gemäß § 253 Abs. 2 S. 3 HGB können bei Vermögensgegenständen des Anlagevermögens außerplanmäßige Abschreibungen vorgenommen werden, um Vermögensgegenstände mit dem niedrigeren Wert anzusetzen, der ihnen am Abschlussstichtag beizulegen ist. Bei voraussichtlich dauernder Wertminderung ist der Ansatz des niedrigeren beizulegenden Wertes verpflichtend (gemildertes Niederstwertprinzip)170. Auch bei Gegenständen des Umlaufvermögens besteht insoweit eine Abwertungspflicht nach § 253 Abs. 3 S. 1, 2 HGB (strenges Niederstwertprinzip). Der Steuerpflichtige hat bei abnutzbaren Gegenständen des Anlagevermögens zunächst die Möglichkeit, eine „Absetzung für außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzung“ (AfaA) nach § 7 Abs. 1 S. 7 EStG vorzunehmen. Bis zu den Änderungen durch das StEntlG 1999/2000/2002 hatte der Steuerpflichtige nach §§ 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 2; Nr. 2 S. 2 EStG zudem stets die Möglichkeit, den niedrigeren Teilwert anzusetzen, wenn der Teilwert eines Wirtschaftsgutes am Bilanzstichtag hinter den fortgeführten Anschaffungs- und Herstellungskosten zurückblieb. § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG definiert dabei den Teilwert als den Betrag, den ein Unternehmer des dene Unentziehbarkeit auch dann einfordert, wenn die rechtliche Entstehung einer Verbindlichkeit bereits vorliegt. Nach der hier vertretenen Ansicht erscheint diese Restriktion Siegels, die eine negative Investitionsentscheidung des Kaufmanns ins Kalkül zieht, jedoch vor dem Hintergrund des Going-Concern-Prinzips als zu weitgehend (so auch Christiansen DStR 2002, 1196; Christiansen DStR 2002, 1637f; kritisch auch Gosch DStR 2002, 977, 980; Mayr BB 2003, 305). 170 Der Gesetzgeber verzichtet im Rahmen des Anlagevermögens bei einer voraussichtlich kurzzeitigen Wertminderung auf den Zwang zur Vornahme einer außerplanmäßigen Abschreibung, da die Gegenstände des Anlagevermögens dem Unternehmen auf Dauer zu dienen bestimmt sind und daher eine baldige Veräußerung der wertgeminderten Veräußerungsgegenstände nicht zu erwarten ist. Insofern wird erwartet, dass die Restnutzungsdauer länger ist, als die Dauer der Wertminderung; vgl. nur Döring in: Küting/Weber, Handbuch der Rechnungslegung, 4. Auflage, 1995, § 253 Rn 146.
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Inhaltliche Grundsätze der steuerlichen Gewinnermittlung
ganzen Betriebes im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde, wobei davon auszugehen ist, dass der Betrieb fortgeführt wird. Umstritten ist angesichts des Wortlautes des § 7 Abs. 1 S. 7 EStG, ob eine Pflicht zur Vornahme der AfaA besteht. Eine gewichtige Auffassung in Rechtsprechung und Literatur geht von einer Pflicht zur Vornahme einer AfaA bei Vorliegen der Voraussetzungen und zwar alsbald nach Eintritt der Abnutzung, spätestens im Jahr der Entdeckung aus171. Demgegenüber will eine andere Ansicht172 eine Pflicht zur Vornahme einer AfaA nur dann annehmen, wenn das Wirtschaftsgut infolge der außergewöhnlichen Abnutzung aus dem Betriebsvermögen ausscheidet. Solange das Wirtschaftsgut noch vorhanden ist, soll der Steuerpflichtige ein Wahlrecht haben, die AfaA vorzunehmen oder es bei der normalen AfA zu belassen, soweit nicht in der Handelsbilanz eine außerplanmäßige Abschreibung erfolgen muss173. Nach dem Wortlaut des EStG kann jeweils eine Teilwertabschreibung geltend gemacht werden. Aufgrund der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz resultiert aus dem steuerlichen Abschreibungswahlrecht nach allgemeiner Auffassung jedoch immer dann ein Abschreibungszwang, wenn nach den handelsrechtlichen Vorschriften eine Abschreibung auf den niedrigeren beizulegenden Wert zwingend erfolgen muss174. Beachtenswert erscheint in diesem Zusammenhang, dass der Abschreibungszwang aufgrund eines niedrigeren beizulegenden Wertes dabei die Problematik überwindet, dass der Teilwert vielfach als ein spezifischer steuerrechtlicher Wertmaßstab verstanden wird, der unabhängig vom Handelsrecht und dessen GoB entwickelt worden ist175. Dahinter steht wohl der Gedanke, dass selbst wenn der niedrigere Teilwert eines Wirtschaftsgutes und der nach dem handelsrechtlichen Niederstwertprinzip zu bestimmende Wert eines Vermögensgegenstandes in Nuancen voneinander abweichen sollten, beiden Wertmaßstäben eine gemeinsame Zielsetzung immanent ist.
171 BFH v. 7.5. 1969, BStBl II 1969, 170; BFH v. 1. 12. 1992, BStBl II 1994, 11, 12, wo ein Wahlrecht für den AfaA-Zeitpunkt abgelehnt wird; Plückebaum DB 1962, 1417, 1418; Werndl in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 7 Rn B 157. 172 FG Rheinland-Pfalz v. 23. 4. 1975, EFG 1975, 457; Brandis in: Blümich, EStG, § 7 Rn 395; Nolde in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 7 Rn 257; Drenseck in: Schmidt, EStG, 24. Auflage, 2005, § 7 Rn 128. 173 Nolde in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 7 Rn 257. 174 BFH v. 29. 4. 1965, BStBl III 1965, 448; BFH v. 6. 11. 1975, BStBl II 1977, 377, 379; Kessler DB 1999, 2577. 175 Adler/Düring/Schmaltz, 6. Auflage, 1995, § 253 Rn 470.
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Grundstrukturen der steuerlichen Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich
Bedeutsame Unterschiede zwischen den Gewinnermittlungsarten der § 4 Abs. 1 EStG und § 5 Abs. 1 EStG werden heute ausschließlich in Bezug auf die Frage diskutiert, inwieweit das steuerliche Wahlrecht zur Teilwertabschreibung durch das handelsrechtlichen Niederstwertprinzip zu einer Abschreibungspflicht wird. Wohl überwiegend wird insoweit die Ansicht vertreten, dass lediglich die Gewinnermittlung nach § 5 Abs. 1 EStG, nicht dagegen diejenige nach § 4 Abs. 1 EStG die Beachtung des handelsrechtlichen Niederstwertprinzips verlange176. Demgegenüber steht eine andere Auffassung auf dem Standpunkt, dass für diejenigen Steuerpflichtigen, die in den Anwendungsbereich von § 141 Abs. 1 AO fallen, das Niederstwertprinzip des § 253 HGB dem steuerlichen Wahlrecht vorgehe177. Wenn man berücksichtigt, dass der Verweis des § 5 Abs. 1 S. 1 HGB als Verweis auf den jeweiligen Normenbestand des HGB zu verstehen ist und zudem § 4 Abs. 2 EStG einen Hinweis darauf gibt, dass die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung auch für die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG anzuwenden sind, spricht viel dafür, das Wahlrecht zur Teilwertabschreibung auch im Rahmen des § 4 Abs. 1 EStG durch das Niederstwertprinzip zu begrenzen. Aus der Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 1 EStG, wonach die der Abnutzung unterliegenden Wirtschaftsgüter mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten, vermindert um die Absetzungen für Abnutzungen nach § 7, also auch jener nach § 7 Abs. 1 S. 7 EStG, anzusetzen sind, ergibt sich ferner, dass AfaA und Teilwertabschreibungen im Verhältnis der Subsidiarität zueinander stehen178. 2.
Teilwertabschreibung und AfaA in der Bilanztheorie
Nachfolgend soll anhand der oben dargestellten Bilanzkonzeptionen versucht werden, AfaA und Teilwertabschreibung steuersystematisch einzuordnen und, soweit möglich, voneinander abzugrenzen. Dazu sind im Ausgangspunkt die Ergebnisse zugrundezulegen, die im Rahmen der Herleitung der Bedeutung der planmäßigen AfA gefunden wurden. a)
Außerplanmäßige Abschreibungen179 im System des Nettorealisationsprinzips
Im Rahmen der weiteren Untersuchung soll zunächst der Frage nachgegangen werden, ob und inwieweit der Gedanke der Nettorealisation die Vor176 Kanzler in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, vor §§ 4-7 Rn 24. 177 Ehmcke in: Blümich, EStG, § 6 Rn 576. 178 Werndl in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 7 Rn B 170; Winkeljohann in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 6 Rn 556. 179 Der Terminus außerplanmäßige Abschreibungen wurde hier als Oberbegriff gewählt.
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Inhaltliche Grundsätze der steuerlichen Gewinnermittlung
nahme außerplanmäßiger Abschreibungen voraussetzt. Anschließend soll überprüft werden, wie sich der aus dem Realisationsprinzip zu begründende Abschreibungsbedarf von einem zusätzlichen durch das Imparitätsprinzip geforderten Abschreibungsbedarf abgrenzen lässt. Anhand dieser Ergebnisse soll schließlich eine Einordnung der steuerlichen Kategorien AfaA und Teilwertabschreibung vorgenommen werden. aa)
Die Begründung aus dem Realisationsprinzip
Nach obiger Darstellung fordert eine realisationsprinzipkonforme Abschreibungssystematik eine ertrags- bzw. umsatzproportionale Aufwandsrealisierung, die jedoch aus Gründen der Rechtssicherheit mittels eines nach den Informationen des Zugangszeitpunktes zu erstellenden Abschreibungsplanes erfolgt. Die planmäßige Abschreibungsbemessung wird ihrer aus dem (Netto-) Realisationsprinzip folgenden Aufgabe, den jeweiligen Aufwand nach dem Prinzip umsatzproportionaler Aufwandszuordnung zu bestimmen, jedoch stets dann nicht mehr gerecht, wenn unvorhergesehene Ereignisse oder ein verbesserter Einblick in die Ertragslage die Determinanten des Abschreibungsplanes ändern und den stichtagsbezogenen Ansatz eines abnutzbaren Anlagegegenstandes als überhöht erscheinen lassen180. Vor dem Hintergrund der Zielsetzung der Ausschüttungsstatik, einen vorsichtig ermittelten, entziehbaren Gewinn auszuweisen, stehen naturgemäß negative Entwicklungen der Plandeterminanten im Vordergrund der Betrachtungen. Eine realisationsprinzipkonforme Aufwandszuordnung führt daher zu der Notwendigkeit der Aufstellung eines korrigierten Abschreibungsplanes, um die planmäßigen Abschreibungen künftiger Perioden so zu bemessen, dass die Anschaffungs- oder Herstellungskosten nach Maßgabe der neuen Informationen verteilt werden181. Gemessen am Realisationsprinzip haben außerplanmäßige Abschreibungen somit zunächst die Funktion, planmäßige Abschreibungen insoweit zu korrigieren, als sich die Fähigkeit, künftige Umsätze zu alimentieren, stärker abgenutzt hat als ursprünglich erwartet182. In 180 Breidert, Grundsätze ordnungsmäßiger Abschreibungen auf abnutzbare Anlagegegenstände, 1994, S. 28; Euler Zfbf 1991, 191, 195; Mellwig in: Beck HDR, B 164 Rn 24f. Umgekehrt kann eine günstige Veränderung der Plandeterminanten auch zu der Erkenntnis führen, dass dem Gedanken der Nettorealisation ein geringerer Aufwandsansatz entsprechen würde, als derjenige, der durch den ursprünglichen Abschreibungsplan vorgegeben ist. 181 Euler Zfbf 1991, 191, 195; vgl. auch Mellwig in: Beck HDR, B 164 Rn 24. 182 Euler Zfbf 1991, 191, 195; Eibelshäuser FS Beisse, 1994, S. 153, 164; Breidert, Grundsätze ordnungsmäßiger Abschreibungen auf abnutzbare Anlagegegenstände, 1994, S. 30.
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einem solchen Fall tritt der Vorrang des Abschreibungsplanes hinter dem Ziel einer nach dem Nettorealisationsprinzip zutreffenden Aufwandsbemessung zurück. Die außerplanmäßige Abschreibung hat somit die Funktion einer Nachholabschreibung, die sich aus dem Vergleich der tatsächlich durchgeführten mit der nach gegenwärtigem Kenntnisstand richtigen planmäßigen Abschreibung ergibt183. Als Gründe für eine außerplanmäßige Abschreibung kommen unter dem Gesichtspunkt der Nettorealisation die negative Änderung aller Plandeterminanten (zurechenbare Erträge, weitere Aufwendungen) in Betracht. Folglich erweist sich der Gedanke der Nettorealisation insbesondere für die Interpretation außerplanmäßiger Abschreibungen als bedeutsam184. Die Abschreibungsnachholung bei abnutzbaren Anlagegegenständen ist gemessen am zutreffenden Abschreibungsplan und damit dem Realisationsprinzip Aufwand vergangener Perioden, so dass dem Realisationsprinzip entsprechend der überhöht ausgewiesene Gewinn der vergangenen Perioden korrigiert wird185. Das Realisationsprinzip fordert somit einen Wertansatz, der sich bei von vornherein richtiger, am Realisationsprinzip orientierter Abschreibung ergeben hätte. Daher bleibt zunächst festzuhalten, dass ein i.S. der Nettorealisation verstandenes Realisationsprinzip die Vornahme außerplanmäßiger Abschreibungen erfordert. bb)
Abgrenzung zum Abschreibungsbedarf aus dem Imparitätsprinzip
Nachfolgend soll untersucht werden, ob und nach welchen Kriterien sich ein zusätzlicher Abschreibungsbedarf aus dem Imparitätsprinzip begründen lässt. Das Imparitätsprinzip hat seinen gesetzlichen Anknüpfungspunkt in § 252 Abs. 1 Nr. 4 1. HS HGB. Gemäß § 252 Abs. 1 Nr. 4 1. HS HGB sind alle Risiken und Verluste zu erfassen, die vor dem Abschlussstichtag entstanden und zu diesem Zeitpunkt bereits vorhersehbar sind. Bei der Interpretation des Imparitätsprinzips bleiben die oben beschriebenen grundsätzlichen Unterschiede in den Bilanzauffassungen nicht ohne Bedeutung. Zu fragen ist daher zunächst, welche Zielsetzung dem Imparitätsprinzip im System eines vom Nettorealisationsgedanken geprägten Bilanzrechts zukommt. Nach dem extensiven Verständnis des Realisationsprinzips darf Aufwand entsprechend dem Grundsatz der Nettorealisation eigentlich erst dann er183 Breidert, Grundsätze ordnungsmäßiger Abschreibungen auf abnutzbare Anlagegegenstände, 1994, S. 46. 184 Die insoweit relevanten Gedanken wurden bzgl. des Handelsbilanzrecht entwickelt, sind im Hinblick auf die theoretischen Grundlagen für das Steuerbilanzrecht aber gleichsam bedeutsam, vgl. Groh DB 1999, 978, 984. 185 Euler Zfbf 1991, 191, 195.
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folgsmindernd angesetzt werden, wenn die damit zusammenhängenden Erträge realisiert sind186. Im Fall eines negativen Saldos aus Aufwand und am Absatzmarkt erzielbaren Ertrages (negativer Erfolgsbeitrag) durchbricht das Imparitätsprinzip diese Betrachtung, indem es orientiert an einer betont vorsichtigen Gewinnermittlung anordnet, künftige negative Erfolgsbeiträge (Ausschüttungsbelastungen)187 bereits vor ihrer Realisation zu berücksichtigen188. Ziel ist es, die Verluste (i. S. eines Überschusses der Aufwendungen über die erwarteten Erträge) aus dem zukünftigen Geschäftsjahr ihrer Realisierung189 in das Geschäftsjahr ihrer Entstehung vorzuziehen, um auf diese Weise künftige Abrechnungsperioden verlustfrei zu halten190. Dementsprechend wird der periodische Gewinn um den Betrag gekürzt, der benötigt wird, um die in künftigen Geschäftsjahren eintretenden Verluste zu de-
186 Unerheblich ist insoweit, ob man das Realisationsprinzip als allgemeines Periodisierungsprinzip versteht oder nur auf positive Erfolgsbeiträge erstreckt und eine Aufwandsperiodisierung der Sache und der Zeit nach betreibt, vgl. Schulze-Osterloh DStJG 23 (2000), 67, 70ff; Dauber, Das Realisationsprinzip als Grundprinzip der steuerlichen Gewinnermittlung, 2003, S. 109ff, 208ff, 230. 187 In den Blick genommen wird dabei der zu erwartende Saldo aus den am Absatzmarkt erzielbaren Erträgen in Relation zu dem dafür benötigten Aufwand. 188 Moxter StuW 1989, 232, 236; Moxter FS Loitlsberger, 1991, S. 473, 476ff; Moxter FS Klein, 1994, S. 827, 829ff; Moxter, Grundsätze ordnungsgemäßer Rechnungslegung, 2003, S. 55ff; Euler Zfbf 1991, 191ff; Hommel, Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung für Dauerschuldverhältnisse, 1992, S. 11; Breidert BB 2001, 978, 983ff; Selchert in: Küting/Weber, Handbuch der Rechnungslegung, 4. Auflage, 1995, § 252 Rn 71f; Siepe in: Baetge, Rückstellungen in der Handels- und Steuerbilanz, 1991, S. 31, 34, 53; Mayr ÖStZ 2001, 226, 229; Walz in: Heymann, HGB, 2. Auflage, 1999, § 252 Rn 38; Ballwieser in: Münchener Kommentar, HGB, § 252 Rn 96; Kleindiek in: Staub, HGB, 4. Auflage, 2002, § 252 Rn 33; Schildbach StbJb 1990/91, 30, 32f; grundlegend für dieses Verständnis bereits Koch WPg 1957, 1ff; Koch Zfhf 1960, 319, 331ff; Leffson, Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, 7. Auflage, 1987, S. 301ff. Diese Deutung des Imparitätsprinzips wird wiederum durch Vereinfachungs- und Objektivierungsprinzipien ergänzt. Die wichtigsten dem Imparitätsprinzip zugeordneten Objektivierungsgrundsätze sind dabei das Abschlussstichtagsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB), das Einzelbewertungsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB) und das Fortführungsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB), vgl. Moxter StuW 1989, 232, 236. 189 Nach dem Nettorealisationsprinzip als allgemeinem Periodisierungsprinzip ist Aufwand erst dann realisiert, wenn der zugehörige Ertrag realisiert ist. 190 Moxter StuW 1989, 232, 236; Schildbach StbJb 1990/91, 30, 32f; Walz in: Heymann, HGB, 2. Auflage, 1999, § 252 Rn 38; Ballwieser in: Münchener Kommentar, HGB, § 252 Rn 96; Heddäus, Handelsrechtliche Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung für Drohverlustrückstellungen, 1997, S. 13ff, 32ff.
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cken191. In dieser Funktion ist das Imparitätsprinzip systematisch als Ausprägung des Vorsichtsprinzips zu interpretieren192. Nach ausschüttungsstatischer Auffassung ist das Imparitätsprinzip ebenso wie das Realisationsprinzip nicht als Vermögens- sondern als Gewinnermittlungsprinzip zu verstehen193. Wenn aus der Ausschüttungsbemessungsfunktion der Bilanz die Gewinn- und Verlustrealisierung als Realisierung eines Ertrags- oder Aufwandsüberschusses verstanden werden muss, kann dies nur bedeuten, dass eine Kategorie, die negative Erfolgsbeiträge schon vor dem eigentlichen Realisationsakt berücksichtigt, d.h. den nach dem Realisationsprinzip sich ergebenden Erfolg i.S. des Imparitätsprinzips durch einen zu antizipierenden negativen Erfolgsbeitrag korrigiert, konsequenterweise ebenfalls nur als Erfolgskategorie zur Erfassung von Aufwandsüberschüssen interpretiert werden kann194. In seiner Funktion als Gewinnermittlungsprinzip ordnet sich das Imparitätsprinzip insofern dem Realisationsprinzip unter195 und ergänzt dieses im Hinblick auf künftige, noch unrealisierte Aufwandsüberschüsse196. Das Imparitätsprinzip betrifft somit in erster Linie den Ausweiszeitpunkt der negativen Erfolgsbeiträge, in dem dieses abweichend vom Realisationsprinzip bereits eine Berücksichtigung im Jahr der Konkretisierung des Verlustes vorsieht197. Der Zweck des in diesem Sinne verstandenen Imparitätsprinzips besteht demnach nicht in der zutreffenden Einsicht in das Stichtagsvermögen, sondern in der Bestimmung einer umsatzbezogenen Ausschüttungsrichtgröße198. Vom Standpunkt eines als umfassendes Periodisierungsprinzip verstandenen Realisationsprinzips wird durch das Imparitätsprinzip somit keine gegenwärtige, sondern eine zukünftige Vermö191 Heddäus, Handelsrechtliche Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung für Drohverlustrückstellungen, 1997, S. 14. 192 Bordewin FR 1998, 226; Beisse FS Moxter, 1994, S. 3, 14; Leffson, Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung, 7. Auflage, 1987, S. 468; Walz in: Heymann, HGB, 2. Auflage, 1999, § 252 Rn 38. 193 Wüstemann Zfbf 1995, 1029, 1032; Heddäus, Handelsrechtliche Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung für Drohverlustrückstellungen, 1997, S. 13; Moxter FS Klein, 1994, S. 827, 830f; Mellwig FS Moxter, 1994, S. 1071, 1081. 194 Mellwig FS Moxter, 1994, S. 1071, 1081; Mellwig Beck HDR, B 164 Rn 24; Euler Zfbf 1991, 191, 193; Hommel, Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung für Dauerschuldverhältnisse, 1992, S. 11. 195 Hommel/Berndt FR 2000, 1305, 1306; Hommel/Berndt DStR 2000, 1745, 1750; Mellwig FS Moxter, 1994, S. 1071, 1081; Jüttner, GoB-System, Einzelbewertungsgrundsatz und Imparitätsprinzip, 1993, S. 104, 151, 154. 196 Euler Zfbf 1991, 191, 193. 197 Jüttner, GoB-System, Einzelbewertungsgrundsatz und Imparitätsprinzip, 1993, S. 154. 198 Wüstemann Zfbf 1995, 1029, 1032; Hommel/Berndt FR 2000, 1305, 1306.
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Inhaltliche Grundsätze der steuerlichen Gewinnermittlung
genslage abgebildet199. Dieser Bezugnahme auf eine zukünftige Vermögenslage entspricht es, im Imparitätsprinzip einen Grundsatz der Verlustantizipation zu sehen200. Somit wird die Berücksichtigung von Wertminderungen erzwungen, die sich als Beeinträchtigung des Bilanzstichtagsvermögens darstellen und mit deren zukünftiger Realisierung aus der Sicht des Bilanzstichtages zu rechnen ist201. Rechnung getragen wird damit der Zielsetzung, im Hinblick auf die Gläubigerinteressen einen unbedenklich ausschüttbaren Betrag auszuweisen202. Als unbedenklich ausschüttbar wird ein Gewinn aber nur dann angesehen, wenn nach seiner vollständigen Ausschüttung an die Unternehmenseigner (bzw. den Fiskus) nicht noch Verluste abzudecken sind203. Dabei bezieht sich das Imparitätsprinzip nicht auf das Gesamtergebnis des Unternehmens, vielmehr wird der negative Erfolgsbeitrag einzelner Geschäfte angesprochen (Grundsatz der Partialverlustantizipation)204. Einer umfassenden, nicht objektivierbaren Verlustantizipation steht das Einzelbewertungsprinzip entgegen. Antizipiert werden lediglich Aufwandsüberschüsse, die bestimmten Wirtschaftsgütern und Schulden konkret zurechenbar sind sowie Aufwandsüberschüsse aus einzelnen schwebenden Rechtsge199 Moxter StuW 1989, 232, 236; Moxter FS Klein, 1994, 827, 831f; Heddäus, Handelsrechtliche Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung für Drohverlustrückstellungen, 1997, S. 13ff, 32ff; Hommel, Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung für Dauerschuldverhältnisse, 1992, S. 11; Mellwig FS Moxter, 1994, S. 1076, 1081; Euler Zfbf 1991, 191; Böcking Zfbf 1989, 491, 500f; vgl. auch Groh DB 1999, 978, 979. 200 Hommel/Berndt FR 2001, 1305, 1306; Moxter FS Klein, 1994, 827, 832; Moxter, Grundsätze ordnungsgemäßer Rechnungslegung, 2003, S. 55; Jüttner, GoB-System, Einzelbewertungsgrundsatz und Imparitätsprinzip, 1993, S. 151; Schildbach StbJb 1990/91, 30, 33; Walz in: Heymann, HGB, 2. Auflage, 1999, § 252 Rn 38; Kleindiek in: Staub, HGB, 4. Auflage, 2002, § 252 Rn 33. 201 Moxter FS Offerhaus, 1999, S. 619, 629; Wüstemann Zfbf 1995, 1029. 202 Die Ausschüttungsstatik sieht das Ziel der bilanziellen Gewinnermittlung somit in der Bestimmung eines vorsichtig ermittelten, verteilungsfähigen und ausschüttbaren Gewinns. Diese Zielsetzung beansprucht dabei sowohl für die handelsrechtliche als auch für die steuerliche Gewinnermittlung gleichermaßen Gültigkeit, vgl. Moxter StuW 1989, 232, 236; Euler Zfbf 1991, 191f. Handelsrechtlich führt das Imparitätsprinzip insoweit zu einer Ausschüttungssperre, die über das Maßgeblichkeitsprinzip ebenfalls eine Steuersperre bewirkt. Das Ziel dieser vorsichtigen Gewinnermittlung ist insbesondere im Schutz des Bestandes des Unternehmens zu sehen, vgl. Heddäus, Handelsrechtliche Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung für Drohverlustrückstellungen, 1997, S. 16f mwN; Moxter DB 1997, 1477, 1478; Kessler StuB 2000, 1091, 1093. 203 Heddäus, Handelsrechtliche Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung für Drohverlustrückstellungen, 1997, S. 14; Hommel FR 2000, 1305, 1306. 204 Groh StuW 1976, 32f; Euler Zfbf 1991, 191, 193; Breidert BB 2001, 979, 983.
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schäften205. Dementsprechend konkretisiert sich das Imparitätsprinzip im Steuerbilanzrecht – zumindest nach überwiegender Ansicht206 - in zweifacher Weise: -
auf der Aktivseite der Steuerbilanz durch das Gebot der Abschreibung auf den niedrigeren Teilwert
-
auf der Passivseite der Bilanz fand sich bis 1997207 eine weitere Säule des Imparitätsprinzips in den Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften (§ 5 Abs. 1 S. 1 EStG i.V.m. § 249 Abs. 1 S. 1 HGB)
Das Imparitätsprinzip wird zudem durch das Stichtags- und das Fortführungsprinzip objektiviert und präzisiert208. Objektivierungsbedingt wird das Ermessen des Bilanzierenden insoweit begrenzt, als das Drohen von Aufwandsüberschüssen grundsätzlich nach den Verhältnissen des Bilanzstichtages zu beurteilen ist209. Nach dem Fortführungsprinzip können schließlich nur die bei Unternehmensfortführung zu erwartenden Aufwandsüberschüsse antizipiert werden210. Vor dem Hintergrund des Gedankens der Nettorealisation erweist sich jedoch die Abgrenzung des aus dem Realisationsprinzip zu begründenden außerplanmäßigen Abschreibungsbedarfs im Verhältnis zum Abschreibungsbedarf nach dem Imparitätsprinzip als problematisch. Ein Abgrenzungsbedarf lässt sich insbesondere für den Fall feststellen, wenn der einem Wirtschaftgut zurechenbare Gesamtertrag den korrespondierenden Gesamtaufwand unterschreitet.
205 Euler Zfbf 1991, 191, 196; Moxter BB 1984, 1780, 1785. 206 Vgl. Groh DB 1999, 978, 979; Wiesbrock, Die Verlustrückstellung im Steuer- und Verfassungsrecht, 1999, S. 22f; Hense/Geißler in: Beck`scher Bilanzkommentar, 5. Auflage, 2003, § 252 Rn 41; Siegel FS Forster, 1992, S. 585, 588; Adler/Düring/Schmaltz, 6. Auflage, 1995, § 252 Rn 63. Vgl. demgegenüber die veränderte Sichtweise der vermögensstatischen Betrachtung. 207 Abgeschafft durch Einführung des § 5 Abs. 4a EStG durch des Gesetzes zur Fortführung der Unternehmenssteuerreform vom 29. 10. 1997. 208 Hommel, Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung für Dauerschuldverhältnisse, 1992, S. 11; vgl. Jüttner, GoB-System, Einzelbewertungsgrundsatz und Imparitätsprinzip, 1993, S. 165. 209 Euler Zfbf 1991, 191, 193. 210 Euler Zfbf 1991, 191, 193.
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Inhaltliche Grundsätze der steuerlichen Gewinnermittlung
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Die Teilwertabschreibung als Ausfluss des Realisationsprinzips?
Breidert211 hat insoweit die Auffassung vertreten, dass der nicht durch Umsätze gedeckte Teil der Gesamtaufwendungen in voller Höhe in der Periode des Erkenntniszeitpunktes belastet wird. Eine Begründung für dieses Ergebnis findet Breidert im Realisationsprinzip, das nach ihrem Verständnis voraussetzt, dass nur das aktiviert werden darf, was mit künftigen Nettoeinnahmen verbunden ist. Das Realisationsprinzip hat nach diesem Verständnis die Funktion, einen Vermögenswert darzustellen, der als Indikator des verbliebenen Einnahmenüberschusspotentials angesehen werden kann212. Äußerungen, die die Teilwertabschreibung als Ausprägung des Realisationsprinzips verstehen wollen213, haben in dem vorstehend beschriebenen Gedankengut ihren Ursprung. Diese Begründung kann jedoch vor dem Hintergrund des Prinzips der Nettorealisation nicht überzeugen. Aus dem Gedanken der Nettorealisation folgt, dass diejenigen Aufwendungen zu aktivieren sind, die Umsätze nach dem Bilanzstichtag alimentieren214. Im theoretischen Ideal führt dies zu einer umsatzproportionalen Aufwandsverteilung. Dabei wird der verteilungsfähige Aufwand im Zeitpunkt des Zugangs eines andere Erträge alimentierenden Wirtschaftsgutes durch die Anschaffungs- oder Herstellungskosten festgelegt. In den Folgebilanzen soll dieser Betrag zusammen mit den weiteren notwendigen Aufwendungen umsatzproportional auf die bereits erzielten sowie die in Zukunft erwarteten zurechenbaren Erträge verteilt werden. Groh215 hat den Gedanken der Nettorealisation zutreffend dahin charakterisiert, dass in einem so verstandenen Realisationsprinzip die Anweisung liegt, die zugehörigen Aufwendungen erst im Zeitpunkt der Leistungserbringung zu berücksichtigen und sie bis dahin zu aktivieren. Der sich daraus ergebende Abschreibungsbetrag kann aber nicht mit einem stichtagsbezogenen Mindestertragspotential gleichgesetzt werden. Dies zeigt sich an folgendem Beispiel: Für den Fall, dass die Summe der zurechenbaren Gesamterträge die Summe der Gesamtaufwendungen unterschreitet hat das Prinzip der Nettorealisation 211 Breidert, Grundsätze ordnungsmäßiger Abschreibungen auf abnutzbare Anlagegegenstände, 1994, S. 37. 212 Breidert, Grundsätze ordnungsmäßiger Abschreibungen auf abnutzbare Anlagegegenstände, 1994, S. 10. 213 Eibelshäuser FS Beisse, 1997, S. 153, 162ff; Glanegger in: Schmidt, EStG, 24. Auflage, 2005, § 6 Rn 227. 214 Hommel, Bilanzierung immaterieller Anlagewerte, 1997, S. 50; Moxter StuW 1989, 232, 234. 215 Groh DB 1999, 978.
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lediglich zur Konsequenz, dass sich der Aufwandsüberschuss umsatzproportional realisiert. Dies beweist aber, dass der Gedanke der Nettorealisation nicht dazu führt, mittels der abgeschriebenen Anschaffungs- oder Herstellungskosten das jeweilige Mindestertragspotential wiederzuspiegeln. Hiervon abweichende Ergebnisse lassen sich auch nicht aus dem Grundsatz der Objektivierung begründen, da das Vermögensermittlungsprinzip lediglich dazu dient, den Gedanken der Nettorealisation einzuschränken216. Die um Abschreibungen geminderten Buchwerte können im System einer Nettorealisation daher nicht, wie Breidert es versucht, als Aktivierung des verbliebenen Einnahmeüberschusspotentials als Ausfluss des Realisationsprinzips verstanden werden, da ja dann gerade keine umsatzproportionale Aufwandverteilung mehr erreicht wird. Der Gedanke einer konsequenten Aktivierung des (verbliebenen) Einnahmeüberschusspotentials passt eigentlich auch überhaupt nicht in ein System, das sich am Prinzip der Nettorealisation orientiert, sondern vielmehr in das Bild einer stichtagsbezogenen Ermittlung des Fortführungsvermögens auf Basis der Einzelbewertung nach der Fortführungsstatik, bei dem in diesem Sinne auch unrealisierte Ertragsüberschüsse erfasst werden217. Dahinter steckt die Auffassung, dass die Veränderung des Einnahmepotentials einer Zurechnungseinheit den richtigen stichtagsbezogenen Wertansatz gewährleistet. Letztlich würde daraus eine reinvermögenszuwachstheoretische Betrachtung resultieren218. Das Realisationsprinzip hat sich jedoch gerade gegen diese Annahme gewandt. Wenn man allgemein auf Einnahmepotentiale rekurriert, konterkariert dies den Gedanken des Realisationsprinzips, auf gegenwärtige Erträge abzustellen. In Wahrheit hat damit auch die Deutung des Realisationsprinzips nach Moxter eine begrenzende und vereinfachende Funktion, deren Problematik dann kulminiert, wenn es im Rahmen der Abschreibungsbemessung darum geht, ohne zukünftige Ertragserwartungen, die Höhe der gegenwärtigen Aufwendungen zu bestimmen. Zu Recht wird daher von der ganz herrschenden Meinung219 innerhalb der Anhängerschaft des Nettorealisationsgedankens die Notwendigkeit betont, die aus dem Gedanken der Nettorealisation zu begründenden außerplanmäßigen Abschreibungen vom zusätzlichen Abschreibungsbedarf des Imparitätsprinzips abzugrenzen.
216 Hommel, Bilanzierung immaterieller Anlagewerte, 1997, S. 49. 217 Vgl. 2. Kap. D. I. Vgl. nunmehr Moxter DStR 1998, 509, 510. Korrekterweise wäre der Ansatz des Gegenwartswertes (Abzinsung) der Summe der zukünftigen Einnahmenüberschüsse geboten. 218 Vgl. dazu 2. Kap. D. I. 219 Euler Zfbf 1995, 191, 195; Mellwig in: Beck HDR, B 164 Rn 42.
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Für die hier als Beispiel angeführte Fallkonstellation, bei der die einem Wirtschaftsgut zuzurechnenden Erträge so niedrig sind, dass diese die Summe der Gesamtaufwendungen nicht erreichen (Gesamtaufwandsüberschuss), genügt das aus dem Nettorealisationsgedanken folgende Prinzip umsatzproportionaler Aufwandszurechnung nicht der Zielsetzung der Ausschüttungsstatik, einen unbedenklich ausschüttbaren Gewinn auszuweisen. Eine umsatzproportionale Neuverteilung der Gesamtaufwendungen würde lediglich dazu führen, dass sich der Verlust im Verhältnis der Umsätze auf die Nutzungsdauer realisiert220. Klarstellend sei darauf hingewiesen, dass Verlustrealisierung in diesem Zusammenhang die Realisierung eines Aufwandsüberschusses bedeutet. In diesem Spezialfall lässt sich das Konzept einer verlustfreien Bewertung daher auch nicht allein aus dem Realisationsprinzip begründen. Unbedenklich ausschüttbar ist ein Gewinn vielmehr nur dann, wenn entsprechend dem Imparitätsprinzip drohende Aufwandsüberschüsse aus dem Jahr ihrer Realisierung ins Jahr der wirtschaftlichen Entstehung vorgezogen werden (sog. Konzept der verlustfreien Bewertung). Das Imparitätsprinzip sieht nach der Ausschüttungsstatik in diesem Sinne eine Wertkorrektur bei abnutzbaren Anlagegegenständen (aber auch bei nicht abnutzbaren Anlagegegenständen und Gegenständen des Umlaufvermögens) i.S. einer Partialverlustkonzeption vor, wenn aus Sicht des Bilanzstichtages die Realisierung eines Aufwandsüberschusses in künftigen Perioden droht. Erst das Imparitätsprinzip fordert somit einen Wertansatz, der auch unter Berücksichtigung einer außerplanmäßigen Abschreibung den aus dem Realisationsprinzip folgenden Wertansatz unterschreiten kann221. Gemessen an diesen Ausführungen kann festgestellt werden, dass die außerplanmäßigen Abschreibungen des Handelsbilanzrechts entgegen ihrer einheitlichen Zusammenfassung ihre Wurzeln sowohl im Realisationsprinzip als auch im Imparitätsprinzip haben. Vor dem Hintergrund dieser theoretischen Betrachtung erscheint daher die Lösung des Steuerbilanzrechts vorzugswürdig, mit den AfaA und den Teilwertabschreibungen zwei Rechtsinstitute zu unterscheiden.
220 Vgl. Breidert, Grundsätze ordnungsmäßiger Abschreibungen auf abnutzbare Anlagegegenstände, 1994, S. 37. 221 A.A. Breidert, Grundsätze ordnungsmäßiger Abschreibungen auf abnutzbare Anlagegegenstände, 1994, S. 37 nach deren Auffassung bereits aus dem Realisationsprinzip folgt, dass nur aktiviert werden darf, was auch in Zukunft durch Nettoeinnahmen gedeckt ist.
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(2)
Abgrenzung der außerplanmäßigen Abschreibung nach dem Realisationsprinzip vom zusätzlichen Abschreibungsbedarf nach dem Imparitätsprinzip
Theoretisch ist damit auch eine überschneidungsfreie Abgrenzung von aus dem Realisationsprinzip zu begründenden außerplanmäßigen Abschreibungen und dem Anwendungsbereich des Imparitätsprinzips denkbar. Will man die beiden skizzierten Funktionen trennen, wären jedoch exakte Feststellungen über die vergangenen und zukünftigen zurechenbaren Erträge erforderlich. Vor dem Hintergrund der schon mehrfach angesprochenen unlösbaren Zurechnungsproblematik bleibt eine trennscharfe Abgrenzung beider Funktionen daher eher theoretischer Natur222. Oben wurde bereits angedeutet, dass für die Bemessung des ursprünglichen Abschreibungsplans aufgrund der Zurechnungs- und Prognoseproblematik keine absoluten Erträge zugrundegelegt werden können, sondern lediglich ein geschätzter Umsatzverlauf ohne Angabe absoluter Zahlen. Vor diesem Hintergrund ergibt sich, dass sich auch die außerplanmäßige Abschreibungen nach dem Realisationsprinzip an einer verkürzten Nutzungsdauer aber auch an verringerten Umsatzerwartungen orientieren müssen223. Die Bemessung der zusätzlichen Abschreibungen und damit der Korrekturbedarf richtet sich somit danach, wie die ursprünglichen Abschreibungen unter Berücksichtigung der jetzigen Kenntnis bemessen worden wären224. Festzuhalten bleibt damit, dass auch die außerplanmäßige Abschreibungsbemessung nach dem Realisationsprinzip vereinfachend ohne Bezugnahme auf den Gesamtaufwand und Gesamtertrag erfolgen muss. Die Zurechnungs- und Prognoseproblematik führt ferner dazu, dass grundsätzlich nicht festgestellt werden kann, ob die Summe der Gesamtaufwendungen die Summe der zurechenbaren Gesamterträge übersteigt. Damit ist aber gleichsam vorgezeichnet, dass auch das Imparitätsprinzip nicht mehr trennscharf an den oben dargestellten Grundsätzen ansetzen kann. Die vorstehenden Ausführungen verdeutlichen, wie sich der außerplanmäßige Abschreibungsbedarf nach dem Realisationsprinzip unter 222 Vor dem Hintergrund des Alimentationsgedankens könnte man lediglich versuchen zwischen Wirtschaftsgütern zu unterscheiden, die keine anderen Erträge alimentieren als diejenigen aus ihrem Verkauf und solchen Wirtschaftsgütern, deren Aufgabe vor dem Hintergrund der Nettorealisation darin besteht, Erträge zu alimentieren, die nicht aus der Veräußerung des Anlagegutes resultieren. Die Zurechnungsprobleme würden damit allein für die zweite Kategorie von Bedeutung werden. 223 Vgl. Breidert, Grundsätze ordnungsmäßiger Abschreibungen auf abnutzbare Anlagegegenstände, 1994, S. 30ff, 34ff. 224 Vor dem Hintergrund des Realisationsprinzips erscheint es daher auch nicht überzeugend, wenn bei Nutzungsdauerverkürzung lediglich der Abschreibungsplan dahingehend geändert wird, dass der Restwert auf die kürzere Nutzungsdauer verteilt wird.
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tatsächlichen Bedingungen vereinfacht gestaltet. In dem durch diesen Rahmen festgelegten Korrekturbedarf erschöpft sich dann aber auch die zusätzliche Abschreibungsbemessung nach dem Realisationsprinzip. Damit ist aber noch keine Verlustfreiheit zukünftiger Perioden garantiert, wie sie durch das Imparitätsprinzip angestrebt wird. Wenn aber aufgrund der Zurechnungsproblematik keine korrekte Trennung zwischen den nach dem Realisationsgedanken notwendigen Abschreibungen und dem zusätzlichen Abschreibungsbedarf nach dem Imparitätsprinzip mehr möglich ist, besteht vor dem Hintergrund der Festlegung eines entziehbaren Gewinns die Notwendigkeit das Imparitätsprinzip pauschal darauf zu beziehen, ob der nach Vornahme der aus dem Realisationsprinzip folgenden außerplanmäßigen Abschreibung verbliebene Restwert noch durch zukünftige Einnahmen gedeckt werden kann. Somit hat der Gedanke der Typisierung der Abschreibungsbemessung auch eine wesentliche Bedeutung für die Reichweite des Imparitätsprinzips. Das Imparitätsprinzip löst sich bei seiner Vorgehensweise von den abgeschriebenen Anschaffungs- oder Herstellungskosten und bestimmt denjenigen Teil der Aufwendungen, der noch von zukünftigen zurechenbaren Erträgen gedeckt ist, vollkommen eigenständig als losgelöste Wertkategorie. Moxter225 führt in diesem Sinne aus, dass die Frage, ob eine Verlust aus einem vorhandenen Wirtschaftsgut drohe, allein davon abhängt, inwieweit der am Abschlussstichtag gegebene Buchwert des Wirtschaftsgutes durch die dem Wirtschaftsgut zuzurechnenden Nettoeinnahmen gedeckt wird226. Aus Anlagegegenständen drohen dann keine Aufwandsüberschüsse, wenn diese stichtagsbezogen höchstens mit den zu diesem Zeitpunkt erwarteten zurechenbaren Nettoerträgen bewertet werden227. Mellwig228 führt in dem gleichen Sinne aus, dass eine Abschreibung auf einen Betrag unter die fortgeführten Anschaffungs- und Herstellungskosten dann in Betracht kommt, wenn die künftig aus der Nutzung des Wirtschaftsguts zu erwartenden Erträge unter dem bisherigen Buchwert zuzüglich ggf. noch anfallender weiterer Aufwendungen liegen. Damit ergibt sich zugleich ein Vorrang einer außerplanmäßigen Abschreibung aus dem Realisationsprinzip vor einer zusätzlichen Herabsetzung des Restbetrages aus dem Imparitätsprinzip.
225 226 227 228
Moxter FS Klein, 1994, S. 827, 832. So auch Winkeljohann in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 6 Rn 577. Euler Zfbf 1991, 191, 196. Mellwig FS Moxter, 1994, S. 1079, 1085.
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(3)
Berücksichtigung einkommensteuerspezifischer Besonderheiten
(3.1) AfaA Die obigen Ausführungen haben ergeben, dass sich der Steuergesetzgeber bei der Ausgestaltung der AfA wesentlich von Vereinfachungs- und Typisierungserwägungen hat leiten lassen und insofern einer realisationsprinzipkonformen Abschreibungsbemessung nur ansatzweise Rechnung getragen hat. Es erfolgt faktisch keine Aufwandsverteilung i.S. einer umsatzproportionalen Aufwandszuordnung. Vor dem Hintergrund der Idee der Nettorealisation muss jedoch berücksichtigt werden, dass der Gedanke der umsatzproportionalen Aufwandszuordnung Maßstab für die gesetzlichen Vereinfachungen bleibt. Dies hat zur Folge, dass auch die gesetzlichen Vereinfachungen im Ausgangspunkt vor dem Hintergrund der Aufwandverteilungsthese zu sehen sind, die dem Gedanken der Nettorealisation zugrundeliegt229. Eine am Gedanken der Nettorealisation orientierte Aufwandsbemessung verfolgt nach dem oben Gesagten auch nicht das Ziel, den Wertverzehr des Wirtschaftsgutes in dem Sinne darzustellen, dass mittels der Abschreibungsbemessung der jeweilige Stichtagswert i.S. des Ertragswertes des Wirtschaftsgutes möglichst korrekt wiedergegeben werden soll. Die tatsächlichen Zwänge, insbesondere die Zurechnungsproblematik, bedingen lediglich die Berücksichtigung einer gesetzlich vertypten Aufwandsverteilung. Entsprechend dem Grundgedanken der Aufwandsverteilung ist dabei nicht entscheidend, ob sich das Wirtschaftsgut verbraucht, sondern ob sich die Aufwendungen verbrauchen230. Nimmt man die Idee der Nettorealisation zum Ausgangspunkt der Beurteilung, wird aber auch für das Steuerbilanzrecht die Notwendigkeit anerkannt, die durch die planmäßigen AfA vorgenommene Aufwandsverteilung aus Gründen, die bislang keinen Eingang in die regulären AfA gefunden haben, durch AfaA zu korrigieren, wenn die bisherige Verteilung entsprechend der 229 Eine umsatzproportionale Aufwandszuordnung hat zur Folge, dass die aufgewandten Gesamtkosten periodengerecht auf die jeweils alimentierten Gesamterträge umsatzproportional verteilt werden. AfA dienen weniger der Wertermittlung des Anlagevermögens zum Abschlussstichtag, als vielmehr der typisierten Periodisierung der angefallenen Ausgaben zur Ermittlung eines periodengerechten Gewinns. 230 Drenseck in: Schmidt, EStG, 24. Auflage, 2005, § 7 Rn 2f; Mayr ÖStZ 2001, 226, 228 FN 34; Jakob/Wittmann FR 1988, 540, 544; Nolde in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 7 Rn 9; Wiedmann, Bilanzrecht, 2. Auflage, 2003, § 253 Rn 31; Eibelshäuser FS Beisse, 1997, S. 153, 163; Söhn StuW 1991, 270; Kruse FR 1981, 473, 478; Hommel, Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung für Dauerschuldverhältnisse, 1992, S. 23 spricht in diesem Zusammenhang von einer Unterordnung des Abschreibungsprinzips unter das Realisationsprinzip.
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ursprünglich angenommenen Verhältnisse aufgrund der ursprünglich angenommenen Nutzungsdauer nicht mehr vertretbar erscheint231. Vor dem Hintergrund der Nettorealisation sind die AfaA somit zu Recht als Ausprägung des Realisationsprinzips verstanden worden232. Insofern erweist es sich ferner als zutreffend, wenn in der Literatur233 die Interpretation der regulären AfA als Ausgangspunkt für das Verständnis der AfaA gewählt wird. Die steuerspezifischen Besonderheiten bei der Bemessung der AfA lassen jedoch vermuten, dass sich die Notwendigkeit der Berücksichtigung von Vereinfachungs- und Objektivierungserwägungen bei der Interpretation der AfaA fortsetzt. Grundsätzliche Meinungsverschiedenheiten bestehen jedoch darüber, wie den Vereinfachungs- und Objektivierungserfordernissen im Rahmen der AfaA Rechnung getragen werden soll. Teilweise234 wird geltend gemacht, dass für die AfaA jegliche Änderungen von Plandeterminanten relevant werden können, die grundsätzlich in die steuerliche Abschreibungsbemessung eingehen. Demgegenüber wird überwiegend235 der Standpunkt vertreten, dass der Vereinfachungs- und Objektivierungsaspekt der AfaA insbesondere dadurch erreicht werde, dass die zusätzliche Abschreibungsbemessung mit einem außergewöhnlichen Ereignis verknüpft wird. Das außergewöhnliche Ereignis wird dabei dahingehend konkretisiert, dass außergewöhnliche Einwirkungen technischer oder wirtschaftlicher Art vorliegen müssen, die von außen unmittelbar auf das Wirtschaftsgut einwirken müssen236 und zu einer Minderung der Nutzbarkeit führen. Dabei wird eine außergewöhnliche technische Abnutzung auf eine Beeinträchtigung der Substanz des Wirtschaftsgutes bezogen237. Von der au231 Breidert, Grundsätze ordnungsmäßiger Abschreibungen auf abnutzbare Anlagegegenstände, 1994, S. 84; Groh DB 1999, 978, 984; Mayr ÖStZ 2001, 226, 227; Glade DB 2000, 844, 845; Drenseck in: Schmidt, EStG, 24. Auflage, 2005, § 7 Rn 123; vgl. auch Nolde in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 7 Rn 243. 232 Mayr ÖStZ 2001, 226, 227; Groh DB 1999, 978, 984; Dauber, Das Realisationsprinzip als Grundprinzip der steuerlichen Gewinnermittlung, 2003, S. 236; Glade DB 2000, 844 spricht davon, dass es sich bei den AfaA um tatsächlich realisierte Verluste handelt. 233 Werndl in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 7 Rn B 157; Plückebaum DB 1962, 1385, 1387. 234 Breidert, Grundsätze ordnungsmäßiger Abschreibungen auf abnutzbare Anlagegegenstände, 1994, S. 84ff. 235 Mayr ÖStZ 2001, 226, 228, 230; Glade DB 2000, 844ff. 236 BFH v. 30. 8. 1994, BFHE 176, 327, 332; Brandis in: Blümich, EStG, § 7 EStG Rn 388; Jakobs/Lohrbacher GmbHR 1998, 1204, 1206. 237 Drenseck in: Schmidt, EStG, 24. Auflage, 2005, § 7 Rn 123; Brandis in: Blümich, EStG, § 7 Rn 393; Nolde in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 7 Rn 253; Werndl in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 7 Rn B 139.
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ßergewöhnlichen technischen Abnutzung ist die außergewöhnliche wirtschaftliche Abnutzung zu unterscheiden, die die dauernde Abnahme der wirtschaftlichen Nutzbarkeit eines Wirtschaftsgutes aufgrund außergewöhnlicher Umstände erfasst238. Dabei stellt die Unrentabilität des Betriebes oder eine verminderte Ertragsfähigkeit allein keinen außergewöhnlichen Umstand und damit keinen ausreichenden Grund für eine AfaA dar239. Zusammenfassend lässt sich somit feststellen, dass nach h.M. die AfaA die verminderte Nutzbarkeit eines Wirtschaftsgutes aufgrund außergewöhnlicher Ereignisse in den Blickpunkt rückt240. Bei Eintritt eines außergewöhnlichen Ereignis, müsse trotz der gesetzlich vertypten Abschreibungsbemessung beachtet werden, dass sich die aktivierten Ausgaben nicht mehr im vorhergesehen Maß eignen, künftige Umsätze zu alimentieren241. Stellt man sich demgegenüber auf den ersten Standpunkt, ist die AfaA insbesondere bei einer negativen Änderung der Nutzungsdauer von Bedeutung, da die Nutzungsdauer eines Wirtschaftsgutes Eingang in die planmäßige Abschreibungsbemessung des Steuerrechts findet. Vor dem Hintergrund einer am Realisationsprinzip orientierten Abschreibungsbemessung führt eine Nutzungsdauerverkürzung dazu, dass den zuvor alimentierten Erträgen ein im Vergleich zur ursprünglichen AfA-Bemessung höherer Aufwand zugewiesen werden muss und zwar unabhängig davon, ob sich die Nutzungsdauer durch ein äußeres, nicht vorhersehbares Ereignis oder durch eine Neueinschätzung der schon im Anschaffungs- oder Herstellungszeitpunkt bestehenden Einflussfaktoren verkürzt242. Dies führt bei einer sofortigen Nutzungsbeendigung zu einer vollständigen Ausbuchung des Wirtschaftsgutes. Erfolgt lediglich eine Nutzungsdauerverkürzung muss dagegen lediglich auf den Betrag abgeschrieben werden, der sich bei Orientierung der AfA an der verkürzten Nutzungsdauer ergeben hätte243. In ihrer Eigenschaft als Korrektur der AfA muss die AfaA jegliche Nutzungsdauerverkürzung berücksichtigen, die bei vollkommener Voraussicht in die Bemessung der AfA eingeflos-
238 BFH v. 8. 7. 1980, BStBl II 1980, 743; Brandis in: Blümich, EStG, § 7 Rn 394; Werndl in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 7 Rn B 144; Nolde in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 7 Rn 254; Handzik in: Littmann/Bitz/Pust, EStG, § 7 Rn 260. 239 BFH v. 8. 7. 1980, BStBl II 1980, 743; BFH v. 27. 1. 1993, BStBl II 1993, 702. 240 Glade DB 2000, 844; Drenseck in: Schmidt, EStG, 24. Auflage, 2005, § 7 Rn 122. 241 Mayr ÖStZ 2001, 226, 229. 242 Breidert, Grundsätze ordnungsmäßiger Abschreibungen auf abnutzbare Anlagegegenstände, 1994, S. 85. 243 Breidert, Grundsätze ordnungsmäßiger Abschreibungen auf abnutzbare Anlagegegenstände, 1994, S. 106.
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sen wäre244. Demgegenüber nimmt die h.M.245 nicht jede Verkürzung der Nutzungsdauer zum Anlass für eine AfaA, sondern berücksichtigt nur solche Nutzungsdauerverkürzungen, die aus einem außergewöhnlichen Ereignis resultieren. Hat sich die Nutzungsdauer tatsächlich verkürzt, scheint es im Hinblick auf den Gedanken der Nettorealisation vorzugswürdig246, die AfaA im oben genannten Sinne so zu bemessen, dass auf den Wert abgeschrieben wird, der sich fiktiv bei von vornherein richtiger Berücksichtigung der Nutzungsdauer bei der AfA ergeben hätte. Die erste Auffassung zieht vor dem Hintergrund der Vereinfachungsfunktion der AfA im Steuerrecht in Zweifel, verminderte Umsatzerwartungen durch eine AfaA zu berücksichtigen, insbesondere wenn diese keine Verkürzung der Nutzungsdauer nach sich ziehen247. Die Berücksichtigung geringerer Umsatzerwartungen sei nach dem Grundsatz der Nettorealisation zwar geboten, da dies dazu führe, dass den bereits alimentierten Umsätzen proportional ein höherer Aufwandsanteil zugewiesen werden muss. Es sei jedoch zu berücksichtigen248, dass der Steuergesetzgeber bei den Regel-AfA aus Vereinfachungsgründen von den konkreten Umsatzerwartungen abstrahiert habe. Dies habe dann aber zur Folge, dass verminderte Umsatzerwartungen zur Begründung einer AfaA nicht ausreichen. Demgegenüber grenzt die zweite Auffassung249 verminderte Umsatzerwartungen grundsätzlich nicht aus dem Anwendungsbereich der AfaA aus, sondern lässt ausreichen, dass ein außergewöhnliches Ereignis vorliegt, aus dem eine verminderte Rentabilität oder Ertragsfähigkeit des Wirtschaftsgutes resultiert250. In diesem Fall müsse durch eine Verminderung der AfA-Bemessung der Tatsache Rechnung getragen werden, dass der verminderten Rentabilität des Objekts nur noch ein verminderter Aufwand zugeordnet werden kann. Vor dem Hinter-
244 Breidert, Grundsätze ordnungsmäßiger Abschreibungen auf abnutzbare Anlagegegenstände, 1994, S. 87; Werndl in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 7 Rn B 166; Mittelbach, DStZ 1983, 507, 508; a.A. jedoch die h.M. 245 Brandis in: Blümich, EStG, § 7 Rn 390. 246 Werndl in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 7 Rn B 166. 247 Breidert, Grundsätze ordnungsmäßiger Abschreibungen auf abnutzbare Anlagegegenstände, 1994, S. 95, 106; 152. 248 So Breidert, Grundsätze ordnungsmäßiger Abschreibungen auf abnutzbare Anlagegegenstände, 1994, S. 91ff, 106 mit Einschränkungen bei der Leistungs-AfA, vgl auch Anm. zu BFH v. 8. 7. 1980, HFR 1981, 7. 249 Brandis in: Blümich, EStG, § 7 Rn 394; Nolde in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 7 Rn 254. 250 Diese Vorgehensweise bleibt hinter dem Prinzip der Nettorealisation insoweit zurück, als eine verminderte Ertragsfähigkeit eines Wirtschaftsgutes nur im Fall eines außergewöhnlichen Ereignisses berücksichtigt wird.
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grund des Gedankens der Nettorealisation wäre insofern auf den Betrag abzuschreiben, der aus einer ertragsproportionalen Aufwandsverteilung resultieren würde. Aufgrund der Zurechnungsproblematik kann bei der Bemessung der AfaA jedoch lediglich der Umsatzverlauf ohne Anknüpfung an absolute Zahlen Berücksichtigung finden251. Zusammenfassend lässt sich vor dem Hintergrund des Nettorealisationsgedankens somit feststellen, dass nach beiden vorgestellten Ansichten der steuerrechtliche AfaA die Funktion zukommt, die abgeschriebenen Wertansätze i.S. einer Nachholabschreibung zu korrigieren, wenn die Rückbeziehung der am Abschlussstichtag vorliegenden Erkenntnisse auf den Anschaffungs- oder Herstellungszeitpunkt dazu führt, dass die typisierte Abschreibungsbemessung nicht mehr angemessen erscheint252. Die AfaA stellt systematisch gesehen damit eine Korrektur der fortgeschriebenen Anschaffungs- und Herstellungskosten dar, die sich von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten als Bemessungsgrundlage aber nicht löst253. Aus einer unterschiedlichen Einschätzung der Vereinfachungs- und Objektivierungsfunktion ergeben sich jedoch Unterschiede im Hinblick auf den Grund und die Bemessung der AfaA. Misst man die vorstehend umrissenen Auffassungen am Ideal einer Nettorealisation, kann festgestellt werden, dass beide Ansichten hinter den Idealergebnissen zurückbleiben. Die Idee der Nettorealisation ist damit nur ansatzweise verwirklicht. In der Literatur254 wurde die Frage aufgeworfen, ob die AfaA auf abnutzbare Wirtschaftsgüter beschränkt bleiben können oder ob deren Zielsetzung es erfordert, den Anwendungsbereich der AfaA auch auf nichtabnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens und das Umlaufvermögen zu erstrecken. 251 Man könnte überlegen, den Abschreibungsbetrag durch Ermittlung des verbliebenen Mindestertragspotentials zu bemessen. Gemessen an den Idealvorstellungen der Nettorealisation führt eine derartige Abschreibungsbemessung jedoch nicht immer zu Ergebnissen, die sich aus dem Realisationsprinzip begründen lassen. Man bedenke nur den oben dargelegten Fall, bei dem der zurechenbare Gesamtertrag durch den Gesamtaufwand überschritten wird. Wenn der Gesamtertrag den Gesamtaufwand übersteigt, alimentiert jeder Aufwandsteil mehr Ertrag, dann wäre der Ansatz des Mindestertragspotentials gemessen am Gedanken einer ertragsproportionalen Abschreibung jedoch zu hoch bemessen. Im übrigen entstammt eine Bemessung mit dem Ertragswert eher dem Konzept einer statischen Vermögensbemessung. 252 Breidert, Grundsätze ordnungsmäßiger Abschreibungen auf abnutzbare Anlagegegenstände, 1994, S. 106. 253 Glade DB 2000, 844, 845f. 254 Vgl. Glade DB 2000, 844ff; Mayr ÖStZ 2001, 226, 230; vgl. auch Gesetzesbegründung zum Entwurf des StEntlG 1999/2000/2002, BT-Drucks. 14/23, S. 238; 14/265, S. 172.
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Vor dem Hintergrund des Nettorealisationsgedankens wird teilweise255 der Standpunkt eingenommen, dass die AfaA dadurch charakterisiert sind, dass sich im Fall des Eintritts eines außergewöhnlichen Ereignisses, die aktivierten Ausgaben nicht mehr eignen, künftige Umsätze zu alimentieren. Daraus sei jedoch der allgemeine, für alle Wirtschaftsgüter geltende Gedanke herzuleiten, dass immer dann, wenn eine Alimentierung künftiger Umsätze aufgrund eines außergewöhnlichen, nachweisbaren Ereignisses scheitert, die Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Wirtschaftsgutes i.S. des Realisationsprinzips abgeschrieben werden müssen. Meines Erachtens ist diese Auffassung vor dem Hintergrund der Idee der Nettorealisation nicht zwingend, da vernachlässigt wird, dass als Bezugspunkt des Nettorealisationsgedankens und der daraus folgenden ertragsproportionalen Aufwandszuordnung ein zurechenbarer vergangener Ertrag vorhanden sein muss. Wenn darauf abgestellt wird, dass die aktivierten Aufwendungen verbraucht sind, da keine künftigen Umsätze mehr alimentiert werden können256, wird aber nicht auf einen tatsächlichen Ertrag, sondern lediglich auf das Ertragspotential abgestellt. Ein solches Vorgehen hätte höchstens dann seine Berechtigung, wenn vorausgesetzt werden könnte, dass jedes Wirtschaftsgut innerhalb des betrieblichen Zusammenhangs für jeden Ertrag seine Bedeutung hat. Die Idee einer allgemeinen Umsatzalimentierung aller Erträge durch jedes Wirtschaftsgut wird im geltenden Einkommensteuerrecht jedoch schon im Hinblick auf den Einzelbewertungsgrundsatz nicht prinzipiell zugrundegelegt. Im Rahmen der gesetzgeberischen Typisierungsbefugnis kann es dem Gesetzgeber angesichts der Zurechnungsprobleme damit auch nicht verwehrt sein, typisierend Wirtschaftsgüter festzulegen, bei welchen er annimmt, dass diese andere Erträge als diejenigen aus ihrer Veräußerung alimentieren. Entscheidet sich der Gesetzgeber aber gegen eine Fremdalimentierung, bezieht sich deren Abwertung auf einen künftigen Realisationsakt und stellt damit eine Verlustantizipation i.S. des Imparitätsprinzips dar. (3.2) Der zusätzliche Abschreibungsbedarf nach dem Imparitätsprinzip Vor dem vorstehend umrissenen Hintergrund erschließt sich auch der Abschreibungsbedarf nach dem Imparitätsprinzip. Nach dem Nettorealisationsprinzip gehen realisierte Erträge und die ihnen zurechenbaren Aufwendungen in das Periodenergebnis ein, unabhängig davon, ob das einzelne Umsatzgeschäft mit Gewinn oder Verlust abgeschlossen hat257. Was dabei als 255 Mayr ÖStZ 2001, 226, 230; Glade DB 2000, 844ff. 256 So Mayr ÖStZ 2001, 226, 228. 257 Mayr ÖStZ 2001, 226, 229.
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realisierter Aufwand i.S. des Einkommensteuergesetzes anzusehen ist, wird durch die AfA und die AfaA typisiert festgelegt258. Diejenigen Aufwandsbestandteile, die danach nicht als realisiert angesehen werden, müssen folglich den zukünftigen Erträgen zugeordnet werden. Wenn insofern eine weitergehende259 Berücksichtigung von Aufwand erfolgt, tritt diese im Bereich des noch nicht Realisierten auf260. Eine zusätzliche Korrektur des negativen Saldos aus verbliebenem Aufwand und noch erzielbaren Erträgen kann ausschließlich als Ausprägung des Imparitätsprinzips verstanden werden. Unerheblich erscheint insofern, ob durch das Imparitätsprinzip ein Restaufwand erfasst wird, der eigentlich auch nach den Idealvorstellungen der Nettorealisation als realisierter Aufwand abgeschrieben werden müsste, jedoch bislang nicht als zurechenbarer Aufwand erfasst ist261. In diesem Sinne sind auch die Teilwertabschreibungen stets als Ausprägung des Imparitätsprinzip zu verstehen. Dazu knüpft die Teilwertabschreibung am abgeschriebenen Buchwert an und setzt diesen herab, wenn die zu erwartenden zukünftigen zurechenbaren Erträge den verbliebenen Aufwand überschreiten262. Der Sinn und Zweck der Teilwertabschreibung ist damit auch bei Gegenständen des abnutzbaren Anlagevermögens allein darin zu sehen, unter Einbeziehung des Bereichs des Nichtrealisierten künftige 258 Gemessen an einer idealtypischen Umsetzung der Idee der Nettorealisation bleibt diese typisierte Festlegung des Aufwandes natürlich hinter dem Ideal zurück. 259 Jüttner, GoB-System, Einzelbewertungsgrundsatz und Imparitätsprinzip, 1993, S. 103 hat vor diesem Hintergrund zu Recht darauf hingewiesen, dass die Regelungsweite des Imparitätsprinzips enger ist, als diejenige des Realisationsprinzips. Nach dem Nettorealisationsgrundsatz regelt das Realisationsprinzip das Ob und Wann von Erfolgsbeiträgen, während das Imparitätsprinzip allein die zeitliche Zuordnung betrifft. 260 Aus dem vorstehend Gesagten erschließt sich, dass der Anwendungsbereich der Teilwertabschreibung erst dort beginnt, wo die AfaA Raum lässt. 261 A.A. Breidert, Grundsätze ordnungsmäßiger Abschreibungen auf abnutzbare Anlagegegenstände, 1994, S. 152ff; Eibelshäuser FS Beisse, 1997, S. 153, 162ff; Glanegger in: Schmidt, EStG, 24. Auflage, 2005, § 6 Rn 227. Vor dem Hintergrund des Gedankens der Nettorealisation kann dann gemessen am theoretischen Ideal aber kein überschneidungsfreier Bereich von Realisationsprinzip und Imparitätsprinzip mehr bestimmt werden. Das Imparitätsprinzip greift immer dann ein, wenn trotz AfaA noch ein Aufwandsüberschuss verbleibt. Durch Loslösung von den konkreten zurechenbaren Erträgen werden mit dem Imparitätsprinzip nunmehr Fälle erfasst, die im Ideal eigentlich bereits aus dem Realisationsprinzip zu einer außerplanmäßigen Abschreibung führen. Selbst wenn in der Vergangenheit Einnahmenüberschüsse erzielt worden sind, kann es zu einem künftigen Aufwandsüberschuss (zukünftige Verluste) kommen, wenn man den Stichtagswert mit dem künftigen Einnahmenpotential vergleicht. 262 Moxter StuW 1989, 232, 237.
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Perioden verlustfrei zu halten (Verlustantizipation)263. Der Ansatz des niedrigeren Teilwertes löst sich von den abgeschriebenen Anschaffungs- und Herstellungskosten und ermittelt einen eigenständigen Wertansatz, der Auskunft über die Mindestumsatzalimentierungsfähigkeit des Wirtschaftsgutes gibt. Euler hat vor dem Hintergrund des Gedankens der Nettorealisation in diesem Sinne richtigerweise darauf hingewiesen, dass sich der einkommensteuerliche Teilwert und der handelsrechtliche (verlustantizipierende) niedrigere beizulegende Wert entsprechen264. Während bei abnutzbaren Gegenständen des Anlagevermögens ein extensives Realisationsprinzip zur Notwendigkeit einer Abschreibungskorrektur führen kann, und ein niedrigerer Wertansatz im Hinblick auf die Ermittlung des entziehbaren Gewinns sowohl aus dem Realisationsprinzip als auch aus dem Imparitätsprinzip begründet werden kann, kann bei nichtabnutzbaren Gegenständen des Anlagevermögens und beim Umlaufvermögen der Ansatz eines niedrigeren Wertes allein aus dem Imparitätsprinzip begründet werden. Dies liegt darin begründet, dass aufgrund einer unwiderleglichen gesetzgeberischen Wertung nicht angenommen werden kann, dass diese Wirtschaftsgüter andere Umsätze als diejenigen aus ihrer eigenen Veräußerung alimentieren. Die Vereinfachung führt dazu, dass aus den Wirtschaftsgütern selbst Aufwendungen und Erträge resultieren, die einander i.S. eines Ertrags- oder Aufwandsüberschusses gegenübergestellt werden können. Zusammenfassend kann somit festgestellt werden, dass nach ausschüttungsstatischem Bilanzverständnis die AfaA ihre systematische Fundierung im Realisationsprinzip finden, während die Teilwertabschreibung dem Imparitätsprinzip zuzuordnen ist265. (3.3) Abgleich mit der Auffassung Leffsons und Baetges Unter Berücksichtigung der notwendigen Typisierungen ergeben sich in dieser Hinsicht auch keine wesentlichen Abweichungen zu der bereits oben angeführten, in der Betriebswirtschaft vertretenen Auffassung, die den Gedanken der Nettorealisation von vornherein ablehnt, aber grundsätzlich eine Aufwandszuordnung nach den Kriterien der Abgrenzung der Zeit und der Sache nach vornimmt. Auch nach dieser Ansicht beschränkt sich die Bedeutung des Imparitätsprinzips darauf, zukünftige Perioden von negativen Er263 Jüttner, GoB-System, Einzelbewertungsgrundsatz und Imparitätsprinzip, 1993, S. 170ff; Dauber, Das Realisationsprinzip als Grundprinzip der steuerlichen Gewinnermittlung, 2003, S. 229. 264 Euler Zfbf 1991, 191, 208. 265 Gleicher Ansicht Mayr ÖStZ 2001, 226, 228ff; Dauber, Das Realisationsprinzip als Grundprinzip der steuerlichen Gewinnermittlung, 2003, S. 229, 237.
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folgsbeiträgen freizuhalten, die aus einem Überschuss der verbleibenden Aufwendungen über die zu erwartenden Erträge resultieren266. (3.4) Das funktionale Teilwertverständnis nach der Ausschüttungsstatik Die vorstehend erörterte Funktion der Teilwertabschreibung im System der ausschüttungsstatischen Bilanzauffassung hat wesentliche Auswirkung auf dessen inhaltliche Bestimmung. Einem ausschüttungsstatischen Bilanzverständnis korrespondiert eine funktionelle Interpretation der Teilwertabschreibung267. Wenn der Zweck der Teilwertabschreibung entsprechend dem Imparitätsprinzip darin zu sehen ist, künftige Perioden verlustfrei zu halten und daher eine Vorwegnahme am Abschlussstichtag drohender künftiger Ausschüttungsbelastungen voraussetzt, erfordert dies Feststellungen über das Vorliegen künftiger negativer Erfolgsbeiträge268. Ein Verlust i.S. des funktionalen Teilwertverständnisses droht nur dann, wenn der am Bilanzstichtag verbliebene aktivierte Ausgabenrest nicht mehr durch die diesem objektiviert zuzurechnenden, künftigen Nettoeinnahmen gedeckt wird, so dass durch den Abgang des Wirtschaftsgutes zukünftige Gewinn- und Verlustrechnungen belastet würden269. Von wesentlicher Bedeutung erweist sich auch hier der Einzelbewertungsgrundsatz. Danach sind nur Aufwandsüberschüsse vorwegzunehmen, die den einzelnen Wirtschaftsgütern konkretisiert zurechenbar sind270. Dies resultiert nicht zuletzt aus der Einordnung des Imparitätsprinzips als Gewinnermittlungsvorschrift und dessen Unterordnung unter das Nettorealisationsprinzip bzw. dem von diesem bestimmten Sinn und Zweck der Bilanz. Diese konzeptionelle Ausgestaltung erfordert es, den Teilwert einnahmenorientiert und damit absatzmarktorientiert zu interpretieren271. Für eine Teilwertabschreibung irrelevant ist somit grundsätzlich das 266 Vgl. nur Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzen, 6. Auflage, 2003, S. 213f. 267 Grundlegend Moxter FS Loitlsberger, 1991, S. 473, 476ff; Moxter FS Klein, 1994, S. 827, 830ff; Moxter, Bilanzrechtsprechung, 5. Auflage, 1999, S. 253ff; so auch Mellwig FS Moxter, 1994, S. 1071, 1083ff; Wüstemann Zfbf 1995, 1029ff; Mayr ÖStZ 2001, 226, 229f; Hommel/Berndt DStR 2000, 1745, 1750; Hommel/Berndt FR 2000, 1305, 1306ff; Breidert BB 2001, 979, 983f; Euler Zfbf 1991, 191, 207f. 268 Moxter FS Loitlsberger, 1991, S. 473ff; Moxter FS Klein, 1994, S. 827, 830ff; Moxter DStR 1998, 509, 510; Mellwig FS Moxter, 1994, S. 1069ff; Euler Zfbf 1991, 191ff. 269 Moxter StuW 1989, 232, 236; Moxter FS Klein, 1994, S. 827, 832; Hommel/Berndt FR 2001, 1305, 1306; Wüstemann Zfbf 1995, 1029, 1032; vgl. auch Müller-Dott FS Ritter, 1997, S. 215, 221. 270 Vgl. Winkeljohann in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 6 Rn 577. 271 Moxter, Grundsätze ordnungsgemäßer Rechnungslegung, 2003, S. 212; vgl. Kessler WPg 1996, 2, 5.
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bloße Absinken eines stichtagsbezogenen Zeitwertes eines Wirtschaftsgutes unter seinen Buchwert, der anhand von Substitutionserwägungen ermittelt wurde272. Die Notwendigkeit, den aktivierten Ausgaben künftige Nettoeinnahmen zuzuordnen, erweist sich jedoch aufgrund der Zurechnungsproblematik als Schwäche der Konzeption273. Die Zuordnung künftiger Einnahmen gelingt beim Umlaufvermögen lediglich bei Waren und Fertigerzeugnissen sowie bei allgemein zur Veräußerung bestimmten Wirtschaftsgütern über die Einschätzung der Preisverhältnisse am Absatzmarkt274. Fällt der Absatzmarktpreis unter die Anschaffungs- und Herstellungskosten, sinken damit auch objektiviert die Mindestertragserwartungen aus dem Objekt275. Demgegenüber erscheint die Zuordnung von Einnahmen bei Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen unmöglich276. Gleiches gilt grundsätzlich für Teile der Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens277. Insoweit wird vorgeschlagen, ersatzweise zur Lösung der Zurechnungsprobleme auf die Preisverhältnisse am Beschaffungsmarkt zurückzugreifen278. Dahinter steht die Überlegung, dass sich die Preisverhältnisse am Beschaffungsmarkt zumindest hilfsweise in das System einer einnahmeorientierten Teilwertbemessung einordnen lassen279. Die Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsgutes könne als Mindestnettoertragserwartungen des jeweiligen Wirtschaftsgutes interpretiert werden, da diese den Gegenwartswert der Nettoertragserwartungen des Marktes aus einer Investition widerspiegeln280. Fallen die Wiederbeschaffungskosten unter die aktivierten Anschaffungs- und Herstellungskosten, sinken somit auch die mit einem Wirtschaftsgut verbundenen Mindestertragserwartungen, so dass eine Teilwertabschreibung vorzunehmen ist. 272 Moxter DStR 1998, 509, 511; Hommel/Berndt FR 2000, 1305, 1306. 273 Müller-Dott FS Ritter, 1997, S. 215, 221; vgl. auch Jüttner, GoB-System, Einzelbewertungsgrundsatz und Imparitätsprinzip, 1993, S. 171f. 274 Vgl. Müller-Dott FS Ritter, 1997, S. 215, 221; Jüttner, GoB-System, Einzelbewertungsgrundsatz und Imparitätsprinzip, 1993, S. 175; Euler Zfbf 1991, 191, 203; Moxter, Grundsätze ordnungsgemäßer Rechnungslegung, 2003, S. 211. 275 Jüttner, GoB-System, Einzelbewertungsgrundsatz und Imparitätsprinzip, 1993, S. 176. 276 Moxter FS Klein, 1994, S. 827, 835. 277 Moxter, Grundsätze ordnungsgemäßer Rechnungslegung, 2003, S. 213. 278 Moxter FS Klein, 1994, S. 827, 834f; Moxter, Grundsätze ordnungsgemäßer Rechnungslegung, 2003, S. 211f. 279 Moxter, Grundsätze ordnungsgemäßer Rechnungslegung, 2003, S. 211. 280 Jüttner, GoB-System, Einzelbewertungsgrundsatz und Imparitätsprinzip, 1993, S. 172, 175; Hommel/Berndt DStR 2000, 1745, 1751; Hommel/Berndt FR 2000, 1305, 1311; Moxter FS Klein, 1994, S. 827, 832; Moxter DStR 1998, 509, 511; Mellwig in: Beck HDR, B 164 Rn 50.
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b)
Außerplanmäßige Abschreibungen im System der statischen Bilanzauffassung
Da sich das Realisationsprinzip im System der Vermögensstatik als Ausfluss des Vorsichtsprinzips ausschließlich darauf bezieht, einen Ausweis nichtrealisierter stichtagsbezogener Zeitwerte zu verhindern, die ansonsten im Rahmen eines Vergleichs zweier Vermögensübersichten zu einem steuerpflichtigen Ertrag führen würden, kann sich ein außerplanmäßiger Abschreibungsbedarf nicht aus dem Realisationsprinzip erklären. Nachfolgend soll daher untersucht werden, ob sich die außerplanmäßigen Abschreibungen aus dem Imparitätsprinzip erklären lassen. Dazu muss geprüft werden, welche Funktion dem Imparitätsprinzip im System einer vermögensstatischen Bilanzauffassung überhaupt zukommt. aa)
Das Imparitätsprinzip in der Vermögensstatik
Dem Ziel, mittels der Bilanz das Vermögen zur Schuldendeckungskontrolle zu ermitteln, korrespondiert die Notwendigkeit, das Imparitätsprinzip in Unterordnung unter diesen Zweck zu interpretieren281. Falls die Buchwerte über den tatsächlichen stichtagsbezogenen Vermögenswerten282 liegen, macht es eine richtige Darstellung der Vermögenslage am Bilanzstichtag notwendig, die höheren Buchwerte auf den niedrigen Wert abzuschreiben283. Insofern hat das Imparitätsprinzip nach statischem Bilanzverständnis den Zweck, im Rahmen eines korrekten Vermögensausweises eingetretene, aber noch nichtrealisierte Stichtagsvermögensminderungen bilanziell zu berücksichtigen284. Das Imparitätsprinzip stellt in einer statischen Bilanz somit klar, dass Vermögensminderungen unabhängig von der Realisation vermögens- und 281 Vgl. Wüstemann Zfbf 1995, 1029, 1031; Heddäus, Handelsrechtliche Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung bei Drohverlustrückstellungen, 1997, S. 24. 282 Nach statischem Bilanzverständnis kann wiederum zwischen Zerschlagungsstatik und Fortführungsstatik unterschieden werden. Nach zerschlagungsstatischer Interpretation soll das Imparitätsprinzip sicherstellen, dass stichtagsbezogene Zerschlagungsvermögensminderungen erfasst werden. Demgegenüber sollen nach fortführungsstatischer Interpretation des Imparitätsprinzips stichtagsbezogene Minderungen des Fortführungsvermögens abgebildet werden, vgl. dazu Euler, Das System der Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung, 1996, S. 28, 58. 283 Vgl. Wüstemann, Zfbf 1995, 1029, 1031, 1036. 284 Küting/Kessler StuB 2000, 21, 23; Küting/Kessler DB 1997, 2441, 2442; Küting/Kessler DStR 1993, 1045, 1048; Kammann, Stichtagsprinzip und zukunftsorientierte Bilanzierung, 1988, S. 248; vgl. auch Kessler DStR 1994, 567, 569f; Kessler StuB 2000, 1091, 1094; Bordewin FR 1997, 226, 227; Groh DB 1999, 978, 979; Hennrichs DStJG 24 (2001), 301, 317ff; Hoffmann DStR 2000, 15, 16; Leplow, Das Wertaufholungsgebot in der Handels- und Steuerbilanz, 2002. S. 154.
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damit gewinnmindernd zu erfassen sind285. Der Terminus „Imparitätsprinzip“ resultiert daher statisch formuliert aus der ungleichen Behandlung positiver und negativer Vermögensänderungen286. Während Vermögenswertsteigerungen nach den Regeln des Realisationsprinzips erst dann ergebniswirksam berücksichtigt werden dürfen, wenn diese durch einen Umsatzakt realisiert wurden, werden Vermögenswertminderungen nach den Regeln des Imparitätsprinzips schon dann ergebnismindernd angesetzt, wenn diese stichtagsbezogen entstanden sind. Gemessen an diesem Verständnis kann es dabei nicht auf die bloße Belastung künftiger Gewinn- und Verlustrechnungen ankommen, da sonst nicht jede Minderung des Stichtagsvermögens berücksichtigt werden könnte287. Nach diesem Verständnis ist es eigentlich auch gerechtfertigt, die Verbindlichkeitsrückstellungen als Element des Imparitätsprinzips zu verstehen288, da unter Rekurrierung auf den Schuldcharakter geprüft wird, ob durch die zukünftige Verbindlichkeit das Stichtagsvermögen bereits gegenwärtig konkret gemindert ist. Kammann289 hat daher vor dem Hintergrund der Vermögensstatik zutreffend darauf hingewiesen, dass sich das Imparitätsprinzip letztlich als bloße zusammenfassende Umschreibung einzelner Ausprägungen der systematischen Grundkonzeption der Vermögensstatik darstellt und daher von weiten Teilen der Literatur zu Unrecht allein auf den Verlustaspekt bezogen wird. Anders ausgedrückt bezeichnet das Imparitätsprinzip nichts anderes als den Regelfall eines vermögensstatischen Wertansatzes. bb)
Die Bedeutung der AfaA vor dem Hintergrund der Vermögensstatik
Nach den Vorstellungen der Vermögensstatik erfordert eine zutreffende Bemessung des durch Vermögensvergleich zu ermittelnden Gewinns, jede stichtagsbezogene Wertminderung im Rahmen des Vermögensvergleichs zu berücksichtigen290. Wenn die AfA entsprechend der Wertverzehrthese als Instrument der Darstellung eines typisierten Vermögenswertes verstanden wer285 Vgl. Euler, Das System der Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung, 1996, S. 29, 58. 286 Kempermann in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 5 Rn B 101; Adler/Düring/ Schmaltz, 6. Auflage, 1995, § 252 Rn 92. 287 Vgl. Heddäus, Handelsrechtliche Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung für Drohverlustrückstellungen, 1997, S. 17. 288 Hennrichs DStJG 24 (2001), 301, 319. 289 Kammann, Stichtagsprinzip und zukunftsorientierte Bilanzierung, 1988, S. 261; Kammann DStR 1980, 400, 403; im Ergebnis auch Hennrichs DStJG 24 (2001), 301, 319. 290 Vgl. zu diesem statischen Verständnis Küting/Kessler DStR 1998, 1937, 1940.
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Grundstrukturen der steuerlichen Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich
den muss, kann sich jedoch auch unter dem Regime der Vermögensstatik das Bedürfnis ergeben, die typisierte Wertbemessung der AfA zu durchbrechen, wenn außergewöhnliche Umstände dies i.S. einer zutreffenden stichtagsbezogenen Vermögensdarstellung erfordern. Nach vermögensstatischem Verständnis dient die AfaA somit der Korrektur des durch die AfA typisierten Wertansatzes. Wegen der Unterordnung der AfaA unter die AfA müssen jedoch auch im System der statischen Bilanzauffassung die Zwänge beachtet werden, die sich aus der Beachtung der gesetzgeberischen Typisierungen ergeben. cc)
Die Teilwertabschreibung im System der statischen Bilanzauffassung
Durch die vorstehenden Überlegungen ist gleichsam auch die systematische Beurteilung der Teilwertabschreibung vorgezeichnet. Ebenso wie die AfaA verfolgt die Teilwertabschreibung im System der statischen Bilanzauffassung das Ziel der Darstellung eines stichtagsbezogenen Vermögenswertansatzes eines Wirtschaftsgutes291. Teilwertabschreibungen weisen daher eingetretene Verluste aus, die aus stichtagsbezogenen Wertminderungen von Wirtschaftsgütern resultieren292. In Anknüpfung an den verminderten stichtagsbezogenen Vermögenswert versucht man daher beim Vermögensvergleich insoweit auf eine Größe abzustellen, die die resultierende Nettogröße möglichst wenig verfälscht293. Die gemeinsame Funktion von AfaA und Teilwertabschreibungen vor dem Hintergrund einer fortführungsstatischen stichtagsbezogenen Vermögensdarstellung verbietet somit auch eine differenzierende Unterordnung der AfaA unter das Realisationsprinzip und der Teilwertabschreibung unter das Imparitätsprinzip. Beide Institute verfolgen das Ziel, eingetretene stichtagsbezogene Vermögensverluste auszuweisen. Der eingeschränkte Geltungsbereich der AfaA sowie die bei der Abschreibungsbemessung zu beachtenden Typisierungszwänge führen jedoch dazu, dass der stichtagsbezogene Teilwert den unter Einbeziehung der AfaA ermittelten Wertansatz unterschreiten kann.
291 Groh DB 1999, 978, 981; Küting/Kessler DStR 1998, 1937, 1940; Küting/Kessler StuB 2000, 21, 25; Uelner StuB 1999, 84, 86; Hoffmann/Rüsch DStR 1999, 45, 51; vgl. auch Albert StuB 1999, 591, 592. 292 Küting/Kessler DStR 1998, 1937, 1940; Küting/Kessler StuB 2000, 21, 25; Leplow, Das Wertaufholungsgebot in der Handels- und Steuerbilanz, 2002, S. 154; Groh, DB 1999, 978, 979; Hennrichs DStJG 24 (2001), 301, 317ff; Uelner StuB 1999, 84, 86; Uelner in: IFSt-Schrift Nr. 369, Zum geplanten Verbot der Teilwertabschreibung, 1999, S. 23ff; Hoffmann/Rüsch DStR 1999, 45, 51. 293 Vgl. Hennrichs DStJG 24 (2001), 301, 323.
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(1)
Möglichkeiten einer Teilwertbestimmung im System der statischen Bilanzauffassung
Nachfolgend soll untersucht werden, auf welche Weise im System der fortführungsstatischen Bilanzauffassung der (niedrigere) stichtagsbezogene Wertansatz eines Wirtschaftsgutes ermittelt werden kann. Zunächst soll dazu, ausgehend vom Wortlaut des § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG, gefragt werden, wie Rechtsprechung und herrschende Lehre zur Interpretation ihres Teilwertverständnisses gelangen. In einem zweiten Schritt soll dieses Vorgehen mit den Anforderungen an die Bestimmung eines fortführungsstatischen Zeitwertes abgeglichen werden. (2)
Der Teilwert nach dem Konzept von Rechtsprechung und herrschender Lehre
Eine wortlautkonforme Auslegung der Teilwertdefinition des § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG impliziert zunächst die Bestimmung des potentiellen Gesamtkaufpreises des Betriebes, um anschließend diesen Gesamtkaufpreis auf die einzelnen Wirtschaftsgüter aufzuteilen294. Dabei besteht die Bedeutung des Teilwertbegriffs darin, den Mehrwert zu erfassen, den ein Wirtschaftsgut wegen seiner Zugehörigkeit zu einem bestimmten Betriebsvermögen gegenüber dem gemeinen Wert besitzt295. Die Idee der klassischen Teilwertlehre verfolgte somit das Ziel, einen Wertmaßstab zu entwickeln, der die Bedeutung der einzelnen Wirtschaftsgüter für die Gesamtheit des Unternehmens berücksichtigen sollte, da man bei der Bewertung der Wirtschaftsgüter mit dem gemeinen Wert die Übereinstimmung der Summe der Einzelwerte mit dem Gesamtwert des Betriebes vermisste296. Mit dieser Gedankenführung wird jedoch gleichzeitig die Möglichkeit einer grundsätzlichen Auslegung des Teilwertes i.S. der Zerschlagungsstatik sanktioniert. Ziel der Zerschlagungsstatik ist es, ein Effektivvermögen zu ermitteln, ohne das Unternehmen als Ganzes zu bewerten und den hierdurch erlangten Ertragswert einzelnen Wirtschaftsgütern und Schulden zurechnen zu müssen297. Das Liquidationsvermögen repräsentiert insofern den niedrigst möglichen Unternehmenswert, so dass die Ermittlung des Stichtagszerschlagungsvermögens als 294 Vgl. Mellwig FS Moxter, 1994, S. 1071, 1072; Euler Zfbf 1991, 191, 204; Siepe FS Forster, 1992, S. 607, 611. 295 Begründung zum EStG 1934, RStBl 1935, 33, 38; Euler DStJG 7 (1984), 155, 161; BFH. v. 30. 1. 1980, BStBl II 1980, 327; Winkeljohann in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 6 Rn 573. 296 Euler DStJG 7 (1984), 155, 161. 297 Vgl. Heddäus, Handelsrechtliche Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung für Drohverlustrückstellungen, 1997, S. 20.
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vereinfachtes Verfahren zur Approximation des Unternehmenswertes verstanden werden kann. § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG konzipiert den Teilwert dagegen als Anteil am Gesamtkaufpreis des Unternehmens und damit nach betriebswirtschaftlichen Erkenntnissen am Ertragswert des Unternehmens298. Es hat sich jedoch schnell gezeigt, dass das Anliegen der klassischen Teilwertlehre, aus dem Gesamtwert des Unternehmens Einzelwerte herzuleiten, nicht durchführbar ist299. Objektivierungsprobleme resultieren daraus, dass sich der Ertragswert des Unternehmens aus Sicht eines gedachten Erwerbers nur durch eine auf Schätzungen basierenden Gesamtbewertung ermitteln lässt300 und dieser Ertragswert nicht willkürfrei einzelnen Wirtschaftsgütern zurechenbar ist301. In der Literatur wurde angesichts dieser Schwierigkeiten bezweifelt, ob dem Gesetzgeber überhaupt die Absicht unterstellt werden kann, die Ableitung von Teilwerten aus einem den Ertragswert berücksichtigenden Gesamtunternehmenswert angeordnet zu haben302. Vielfach wird vermutet, dass nur sichergestellt werden sollte, dass bei der Bewertung einzelner Wirtschaftsgüter deren Bedeutung für das Unternehmen als Ganzes berücksichtigt wird303. Die Position der Rechtsprechung zum Teilwert ist nicht zuletzt vor dem Hintergrund dieser Erkenntnisse zu verstehen. Im Hinblick auf die dargestellten Schwierigkeiten hat sich die Rechtsprechung von der klassischen Teilwertlehre gelöst und ist den Schwierigkeiten bei der Ermittlung des Gesamtkaufpreises und dessen Aufteilung auf die Wirtschaftsgüter dadurch begegnet, dass sie Teilwertvermutungen aufstellte304. Die Grundlage dieser 298 Siehe nur Moxter, Grundsätze ordnungsmäßiger Unternehmensbewertung, 2. Auflage, 1983, S. 9ff; Breidert BB 2001, 979, 980; Moxter, Bilanzrechtsprechung, 5. Auflage, 1999, S. 248; Euler, Das System der Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung, 1996, S. 49. 299 Vgl. Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmensteuerrecht, 9. Auflage, 1993, S. 175; Mellwig FS Moxter, 1994, S. 1071, 1072; Moxter FS Loitlsberger, 1991, S. 473, 479f. 300 Vgl. dazu Wiesbrock, Die Verlustrückstellung im Steuer- und Verfassungsrecht, 1999, S. 175f; Arndt/Piltz Grundzüge des Besonderen Steuerrechts, Bd. 1, 1996, S. 373. 301 Siepe FS Forster, 1992, S. 607, 611; Wiesbrock, Die Verlustrückstellung im Steuerund Verfassungsrecht, 1999, S. 176; Breidert BB 2001, 979, 980; Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 9. Auflage, 1993, S. 175; Werndl in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 6 Rn B 329; Moxter, Bilanzrechtsprechung, 5. Auflage, 1999, S. 248. 302 Siepe FS Forster, 1992, S. 607, 611; Doralt DStJG 7 (1984), 141ff. 303 Winkeljohann in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 6 Rn 582; Siepe FS Forster, 1992, S. 607, 611. 304 Euler DStJG 7 (1984), 155, 162; Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 9. Auflage, 1993, S. 176; Wiesbrock, Die Verlustrückstellung im Steuer- und
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Inhaltliche Grundsätze der steuerlichen Gewinnermittlung
Objektivierungsbemühungen bildet die sog. Substitutionsthese305. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass ein den Betrieb fortführender Erwerber den Wert eines Wirtschaftsgutes in den Aufwendungen sieht, die er erspart, weil er das Wirtschaftsgut nicht mehr beschaffen muss306. Insofern orientiert die wortlautgeprägte Interpretation der Rechtsprechung die Bestimmung des Teilwertes grundsätzlich an einem isolierten, betriebsindividuellen Marktwert, den ein Unternehmenserwerber für das zu bewertende Wirtschaftsgut zahlen würde. Zunächst lässt sich die Substitutionsthese des BFH als Bemühung um Objektivierung verstehen, da der Teilwert als Einzelwert unter Berücksichtigung der betrieblichen Verwendung interpretiert wird, wobei der Standpunkt eines objektiven Erwerbers zugrundegelegt wird307. Darüber hinaus fungiert die Substitutionsthese nach der Rechtsprechung aber insbesondere als Wertermittlungsvorschrift308. Indem der Teilwert einzelner Wirtschaftsgüter als Anteil am Reproduktionsvermögen interpretiert wird, misst man dem einzelnen Wirtschaftsgut einen Vermögenswert in Höhe der für seine Beschaffung erforderlichen Ausgaben zu. Die Wiederbeschaffungskosten spiegeln insoweit typischerweise den anteiligen Wert des einzelnen Wirtschaftsguts wieder. Die Bemessung des Einzelbewertungsvermögens orientiert sich somit nach der Rechtsprechung und der herrschenden Lehre am Substanzwert des Wirtschaftsgutes309. Grundsätzlich gilt die Vermutung, dass der Teilwert jedes Wirtschaftsgutes im Zeitpunkt des Erwerbes oder einem anschaffungsoder herstellungsnahen Zeitpunkt den Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten entspricht310. Für nicht abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermö-
305 306 307 308 309
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Verfassungsrecht, 1999, S. 178; Moxter, Bilanzrechtsprechung, 5. Auflage, 1999, S. 252. Dennoch spricht die Rechtsprechung bis in die neueste Zeit von einer Aufteilung des Gesamtkaufpreises auf einzelne Wirtschaftsgüter (vgl. BFH v. 23. 1. 1991, BFH NV 1992, 369). Vgl. Breidert BB 2001, 979, 980f. RFH v. 14. 12. 1926, StuW 1927, 109; BFH v. 29. 4. 1999, BStBl II 1999, 681; vgl. Mellwig FS Moxter, 1994, S. 1071, 1073; Breidert BB 2001, 979, 980. Vgl. Breidert BB 2001, 979, 980f; Mellwig FS Moxter 1994, S. 1071, 1079; Ortmann-Babel in: Lademann, EStG, § 6 Rn 377. Vgl. Breidert BB 2001, 979, 981. Werndl in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 6 Rn B 331, B 337; Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 9. Auflage, 1993, S. 176; Glanegger in: Schmidt, 24. Auflage, 2005, § 6 Rn 215; Winkeljohann in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 6 Rn 582; vgl auch Breidert BB 2001, 979, 983; Moxter FS Klein, 1994, S. 827, 829. RFH v. 30. 8. 1932, RStBl 1933, 30; BFH v. 13. 10. 1976, BStBl II 1977, 540; BFH v. 7. 11. 1990, BStBl II 1991, 342; BFH v. 8. 9. 1994, BStBl II 1995, 309, 310; BFH v. 4. 3 1998, BFH NV 1998, 1086.
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Grundstrukturen der steuerlichen Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich
gens gilt nach der Rechtsprechung die Vermutung, dass deren Teilwert auch zu einem späteren Zeitpunkt den historischen Anschaffungs- oder Herstellungskosten entspricht311. Bei Wirtschaftsgütern des abnutzbaren Anlagevermögens besteht ferner die Vermutung, dass der Teilwert den um Absetzungen für Abnutzung geminderten Anschaffungs- oder Herstellungskosten entspricht312. Bei marktgängigen Wirtschaftsgütern sollen gemäß dem Substitutionswertgedankens unter Anschaffungs- oder Herstellungskosten nicht die historischen Kosten zu verstehen sein, sondern die am Stichtag aufzuwendenden Wiederbeschaffungskosten313. Von den Wiederbeschaffungskosten abzuziehen sei aber der eingetretene Wertverzehr314. Diese Vermutung beruht auf der Annahme, dass ein Kaufmann für ein Wirtschaftsgut nicht mehr aufwendet, als dieses für seinen Betrieb wert ist und dass ein fiktiver Erwerber ebenso handeln würde315. Nach dieser Sichtweise bilden die Wiederbeschaffungskosten daher selbst die Teilwertvermutung316. Demgegenüber ist von einer anderen Auffassung317 vorgeschlagen worden, auch in dieser Konstellation die Wiederbeschaffungskosten nicht bei der Bestimmung des Inhaltes der Teilwertvermutung, sondern nur als Korrekturmaßstab bei deren Widerlegung zu berücksichtigen. Für Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens gilt dagegen stets die Vermutung, dass der Teilwert den Wiederbeschaffungskosten am Bilanzstichtag entspricht318. Der Sinn der Teilwertvermutungen ist somit darin zu sehen, dem Steuerpflichtigen die Beweislast für einen von ihm behaupteten niedrigeren Teilwert aufzulegen319. Der Steuerpflichtige hat jedoch die Möglichkeit, diese Vermutungen durch einen entsprechenden Nachweis zu entkräften320. Eine Entkräftung kommt dann in Betracht, wenn die Anschaffung eine Fehlmaß311 BFH v. 9. 2. 1977, BStBl II 1977, 413; BFH v. 21. 7. 1982, BStBl II 1982, 758, 760; Winkeljohann in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 6 Rn 594. 312 RFH v. 10. 3. 1930, RStBl 1930, 360; BFH v. 17. 1. 1978, BStBl II 1978, 335; Schult/Richter DStR 1991, 1261, 1263; Winkeljohann in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG § 6 Rn 595. 313 BFH v. 17. 9. 1987, BStBl II 1988, 488; BFH v. 15. 10. 1997, BStBl II 1998, 305, Weber-Grellet, Steuerbilanzrecht, 1996, § 19 Rn 9. 314 Werndl in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 6 Rn B 376. 315 BFH v. 4. 3. 1998, BFH NV 1998, 1086. 316 Vgl. Winkeljohann in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 6 Rn 595. 317 Ehmcke in Blümich, EStG, § 6 Rn 608; Winkeljohann in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 6 Rn 595. 318 BFH v. 13. 10. 1976, BStBl II 1977, 540; BFH v. 31. 1. 1991, BStBl II 1991, 232. 319 Moxter, Bilanzrechtsprechung, 5. Auflage, 1999, S. 252. 320 Vgl. nur Winkeljohann in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 6 Rn 598.
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Inhaltliche Grundsätze der steuerlichen Gewinnermittlung
nahme darstellt, oder wenn der Wert des betreffenden Wirtschaftsguts unter den seinerzeit gezahlten und aktivierten Betrag gesunken, oder das Wirtschaftsgut überhaupt nicht mehr vorhanden ist321. In jedem Fall bildet aber der Nettoeinzelveräußerungspreis die Wertuntergrenze. Der wichtigste Fall eines stichtagsbezogenen gesunkenen Vermögenswertes wird aufgrund der soeben dargestellten Ableitung (Substitutionsthese) in gesunkenen Wiederbeschaffungskosten gesehen322. Hinzu kommt allerdings ein weiterer Gesichtspunkt. Nicht betriebsnotwendige Wirtschaftsgüter würde ein potentieller Unternehmenserwerber für entbehrlich halten und bei Nichtvorhandensein auch nicht anderweitig beschaffen. Trotz nicht gesunkener Wiederbeschaffungskosten soll daher eine Minderung des Vermögenswertes eingetreten sein, wenn der gedachte Erwerber das Wirtschaftsgut zumindest nicht zu den jeweiligen Wiederbeschaffungskosten beschaffen würde (Fehlmaßnahme). Der Teilwert dieser Wirtschaftsgüter liegt dementsprechend unter dem Wiederbeschaffungswert, bemisst sich aber zumindest nach deren voraussichtlichem Veräußerungserlös323. Waren und Fertigerzeugnisse, die zur Veräußerung bestimmt sind, sollen nach einer teilweise vertretenen Auffassung zu ihren Nettoveräußerungserlösen angesetzt werden, wobei jedoch ein durchschnittlicher Unternehmerlohn abzuziehen ist, da auch ein Erwerber den erzielbaren Veräußerungserlös entsprechend verringern würde324. Der BFH hat in seiner Rechtsprechung jedoch auch hier schon auf die Substitutionsthese zurückgegriffen. Zusammenfassend kann insoweit festgestellt werden, dass die Teilwertdefinition des Gesetzes von der Rechtsprechung und überwiegenden Auffassung in der Literatur i.S. des Substitutionswerttheorems ausgelegt wird und mit Hilfe eines Systems von Teilwertvermutungen und Entkräftungsmöglichkeiten praktikabel gemacht wird. Der Teilwert einzelner Wirtschaftsgüter wird letztlich als Anteil am Reproduktionsvermögen interpretiert und daher aufgrund einer beschaffungsmarktorientierten Bewertung bestimmt, die sich maßgeblich an den Wiederbeschaffungskosten orientiert. Eine Begründung für diese Haltung wird im Wortlaut des Teilwertbegriffs gefunden, der die Bilanzierenden auf die Wertschätzung eines eine Unternehmensfortführung gedenkenden potentiellen Erwerbers verweist325. Diese Bezugnahme bringe eine beschaffungsmarktorientierte Bewertung mit sich, da ein solcher Er321 BFH v. 21. 7. 1982, BStBl II 1982, 758, 760. 322 BFH v. 20. 5. 1988, BStBl II 1988, 274. 323 Glanegger in: Schmidt, EStG, 24. Auflage, 2005, § 6 Rn 228; Schildbach StbJb 1990/91, 30, 38. 324 BFH v. 27. 10. 1983, BFHE 139, 282, 283. 325 Vgl. Kessler WPg 1996, 2, 5.
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Grundstrukturen der steuerlichen Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich
werber für jedes betriebsnotwendige Wirtschaftsgut nur die stichtagsbezogenen Wiederbeschaffungskosten vergüten würde326. Damit wird dem einzelnen Wirtschaftsgut grundsätzlich ein Vermögenswert in Höhe der für die Wiederbeschaffung erforderlichen Ausgaben zugelegt327. Moxter328 hat diese Interpretation daher treffend als am Vermögenswertanteil orientierten Teilwert bezeichnet. (3)
Die Rechtsprechungslösung als Ausprägung einer näherungsweisen Erfassung des Fortführungsvermögens
Die obigen Darlegungen haben gezeigt, dass sich die klassische Teilwertlehre gegen die Bewertungsdominanz des gemeinen Wertes richtete. Grundsätzlich scheidet eine zerschlagungsstatische Interpretation des Teilwertes damit aus. Nachfolgend soll überprüft werden, wie sich die Teilwertidee zu einem fortführungsstatischen Bilanzverständnis verhält. Eine fortführungsstatische Bilanzierung zeichnet sich dadurch aus, dass bei der Bilanzierung nicht vom Gedanken der Unternehmenszerschlagung, sondern von der realistischeren Annahme einer Unternehmensfortführung ausgegangen wird329. Um einen stichtagsbezogenen Einblick in die Vermögenslage geben zu können, muss es daher das Ziel sein, am Bilanzstichtag das Bilanzvermögen als Effektivvermögen auszuweisen330. Die Darstellung eines stichtagsbezogenen Vermögensstandes unter der Annahme der Unternehmensfortführung führt zur Notwendigkeit einer unternehmensbezogenen Ertragswertermittlung331. Das Fortführungsvermögen setzt sich aus der Gesamtheit der positiven und negativen Komponenten zusammen, die in ihrer Gesamtheit den Unterneh326 Müller-Dott FS Ritter, 1997, S. 215, 222ff; Winkeljohann in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 6 Rn 620. 327 Vgl. Moxter FS Klein, 1994, S. 827, 828f. 328 Moxter FS Klein, 1994, S. 827, 828ff; vgl. auch Müller-Dott FS Ritter, 1997, S. 215, 218f. 329 Eine fortführungsstatische Ermittlung des Jahresabschlusses stimmt nur dann mit einer zerschlagungsstatischen überein, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine Unternehmensliquidation bestehen, mithin der Gedanke der Unternehmensfortführung aufgegeben wird, vgl. Euler, Das System der Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung, 1996, S. 49. 330 Wüstemann Zfbf 1995, 1029, 1031. 331 Vgl. Moxter, Grundsätze ordnungsmäßiger Unternehmensbewertung, 2. Auflage, 1983, S. 9ff; Heddäus, Handelsrechtliche Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung für Drohverlustrückstellungen, 1997, S. 22; Euler, Das System der Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung, 1996, S. 49; Wüstemann, Zfbf 1995, 1029, 1030; vgl. auch Kraft, Steuergerechtigkeit und Gewinnermittlung, 1991, S. 58.
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Inhaltliche Grundsätze der steuerlichen Gewinnermittlung
menswert abbilden332. Dabei bezieht sich das Effektivvermögen nicht lediglich auf das Liquidationsvermögen als niedrigst möglichen Ertragswert, sondern umfasst den Unternehmenswert als Ertragswert i. S. einer Gesamtbewertung. Das Ziel, mittels der Bilanz die Entwicklung des Fortführungsvermögens zum Maßstab der Veränderung der periodischen Leistungsfähigkeit zu machen, führt somit zur Notwendigkeit das Vermögen auf Basis des Ertragswertes des Gesamtunternehmens zu ermitteln333. Wenn man zur Darstellung des Vermögens objektivierungsbedingt334 auf eine Einzelbewertung zurückgreift, muss es nach den Grundsätzen der Fortführungsstatik das theoretische Ziel sein, mittels der Einzelbewertung das Effektivvermögen im oben genannten Sinne zu approximieren335. Dieses Ziel scheint sicher zu gelingen, wenn man den Unternehmenswert als Ausgangsbasis für eine verursachungsgerechte Zurechnung zu einzelnen Vermögenspositionen nimmt336. Von diesem Gedankengut ist auch die klassische Teilwertidee geprägt, die versucht, aus dem Gesamtwert des Unternehmens Einzelwerte abzuleiten, deren Summe mit dem Gesamtwert des Unternehmens übereinstimmen337. In Anlehnung an das theoretische Ideal der gesetzliche Teilwertdefinition ist somit davon auszugehen, dass die klassische Teilwertidee elementar der fortführungsstatischen Bilanzauffassung zuzuordnen ist. Im Hinblick auf dieses gemeinsame Gedankengut erweist sich jedoch als gemeinsames Hauptproblem von Teilwertdefinition und Fortführungsstatik, eine verursachungsgerechte Zurechnung von Ertragswertbeiträgen zu einzelnen Vermögenspositionen zu gewährleisten. Ein solches Vorhaben hat sich jedoch - wie bereits dargestellt - als unmöglich erwiesen. Diese Zurechnungsproblematik erfordert eine Einzelbewertung ohne zuvor das Unternehmen als Ganzes zu bewerten (Aufbau von unten her338). Die obigen Ausführungen haben gezeigt, dass sich die Rechtsprechung insoweit am Substanzwert des einzelnen Wirtschaftsgutes orientiert. Die skizzierte Vorgehensweise der Rechtsprechung lässt sich damit als eine mögliche Methode zur Wertbestimmung des Fortführungsvermögens auf Basis der Einzelbewertung charakterisieren. Mit ihren Teilwertvermutungen hat die Rechtsprechung jedoch sämtliche Gesamtertragswertgesichtspunkte auf332 Heddäus, Handelsrechtliche Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung für Drohverlustrückstellungen, 1997, S. 22; Euler, Das System der Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung, 1996, S. 50. 333 Vgl. Euler, Das System der Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung, 1996, S. 49. 334 Vgl. Euler, Das System der Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung, 1996, S. 62. 335 Vgl. Wüstemann Zfbf 1995, 1029, 1031. 336 Vgl. Wüstemann Zfbf 1995, 1029, 1031. 337 Vgl. Euler DStJG 7 (1984), 155, 161. 338 Hommel, Bilanzierung immaterieller Anlagewerte, 1996, S. 45.
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gegeben, die Inhalt der Teilwertdefinition sind339. Nur durch Ergänzung des Reproduktionswertes durch den Geschäftswert ergibt sich der Ertragswert i.S. des vom Gesetz gemeinten Gesamtkaufpreises des Unternehmens340. Im geltenden Bilanzrecht wird der originäre Geschäfts- oder Firmenwert jedoch bilanziell vernachlässigt341, was zwangsläufig zu Abweichungen vom Ideal einer fortführungsstatischen stichtagsbezogenen Vermögensermittlung führt. Diese Fehldarstellung des Fortführungsvermögens wird aber in Kauf genommen, da die andernfalls erforderliche willkürliche Aufteilung des Geschäfts- oder Firmenwertes mit den Objektivierungsbedürfnissen bilanzrechtlicher Gewinnermittlung kollidieren würde342. Vor dem Hintergrund der fortführungsstatischen Zielvorstellung, der Ermittlung des stichtagsbezogenen Effektivvermögens, bleibt die Vermögensdarstellung der Rechtsprechung somit hinter dem theoretischen Ideal zurück. Eine umfassende Effektivvermögensapproximation lässt sich anhand des vereinfacht und objektiviert ermittelten Bilanzvermögens auch gar nicht erreichen343, da eine Einzelbewertung von Gegenständen zum Zwecke der Gewinnermittlung zwangsläufig frei von Gesamtertragswertgesichtspunkten sein muss344. Hommel spricht somit zu Recht davon, dass durch die Pflicht zur Einzelbewertung die Ermittlung des zutreffenden Fortführungsvermögens verhindert wird345. Trotz der Unzulänglichkeiten ist jedoch zu berücksichtigen, dass durch Rückgriff auf den Zeitwert zumindest vereinfachend dem Ziel entsprochen wird, den stichtagsbezogenen Vermögenswert näherungsweise zu approximieren346, wenn auch teilweise347 geltend gemacht wird, dass dieses 339 Euler DStJG 7 (1984), 155, 162. 340 Mellwig FS Moxter, 1984, S. 1071, 1073; Siepe FS Forster, 1992, S. 607, 612; Breidert BB 2001, 979, 981; Heddäus, Handelsrechtliche Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung für Drohverlustrückstellungen, 1997, S. 22f mit dem Hinweis darauf, dass der Ertragswert eines Unternehmens nur in seltenen Ausnahmefällen mit dem Reproduktionswert eines Unternehmens übereinstimmt. 341 Doralt DStJG 7 (1984), 141, 151f; vgl. auch Moxter FS Klein, 1994, S. 827, 829. 342 Doralt DStJG 7 (1984), 141, 151; vgl. Euler Zfbf 1991, 191, 208 in Bezug auf die ausschüttungsstatische Bilanzauffassung. 343 Vgl. Hommel, Bilanzierung immaterieller Anlagewerte, 1998, S. 43f; Wüstemann Zfbf 1995, 1029, 1031. 344 Vgl. Euler DStJG 7 (1984), 155, 163. 345 Hommel, Bilanzierung immaterieller Anlagewerte, 1998, S. 46. 346 Wüstemann Zfbf 1995, 1029, 1031. 347 Moxter, Bilanzrechtsprechung, 5. Auflage, 1999, S. 250; Wüstemann Zfbf 1995, 1029, 1031; Hommel, Bilanzierung immaterieller Anlagewerte, 1998, S. 43f. Die Verfehlung des Ziels einer Effektivvermögensapproximation ist für die genannten Autoren Anlass, die Fortführungsstatik abzulehnen und das Bilanzrecht i.S. der Ausschüttungsstatik zu deuten, vgl. Heddäus, Handelsrechtliche Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung für Drohverlustrückstellungen, 1997, S. 34.
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Ziel nur sehr unzureichend erfüllt wird. Dennoch muss konstatiert werden, dass bei bestimmten Wirtschaftsgütern deren Effektivvermögensanteil mit den Wiederbeschaffungskosten exakter dargestellt wird als mit gemeinen Werten348. Zusammenfassend kann somit festgestellt werden, dass die Konzeption der Rechtsprechung mit ihren Teilwertvermutungen nicht dem fortführungsstatischen Ideal entspricht, auf Basis einer Einzelbewertung das Effektivvermögen verursachungsgerecht zu approximieren. Die Substanzwertmethode der Rechtsprechung kann jedoch als (eine mögliche) vereinfachte Methode der Darstellung eines auf Basis der Einzelbewertung ermittelten Fortführungsvermögens charakterisiert werden. Verzerrungen werden dabei objektivierungsbedingt in Kauf genommen. Von der effektivvermögensunabhängigen Bewertung der Einzelwirtschaftsgüter weicht der BFH nur dann ab, wenn das Unternehmen nachhaltig mit Verlusten arbeitet und deswegen objektiv nachprüfbare Maßnahmen ergreift, um den Betrieb so bald wie möglich stillzulegen349. In diesem Fall wird die Unrentabilität des gesamten Betriebes als Widerlegung des Grundsatzes der Unternehmensfortführung berücksichtigt350. Nach den Grundsätzen der Zerschlagungsstatik wird in diesem Fall lediglich eine Schuldendeckungskontrolle durch Ermittlung des Zerschlagungsvermögens durchgeführt. Rechtsprechung und h.L. verstehen das Imparitätsprinzip somit gemäß einer an der Substitutionsthese orientierten Wertermittlung grundsätzlich als Institut zur Berücksichtigung von Wertminderungen im Reproduktionsvermögen (Vermögenswertminderungen)351. Entsprechend dem theoretischen Ausgangspunkt wird das Imparitätsprinzip allein als Vermögensermittlungsprinzip und nicht als Gewinnermittlungsprinzip verstanden352. (4)
Das funktionelle Teilwertverständnis als Alternativmodell einer näherungsweisen Erfassung des Fortführungsvermögens
Es wurde bereits angedeutet, dass auf Basis einer die betriebliche Verwendung berücksichtigenden Einzelbewertung die Substanzwertmethode aber lediglich eine mögliche Auslegungsmethode zur näherungsweisen Erfassung des stichtagsbezogenen Vermögens darstellt353. Die Bemessung des Einzelbewertungsvermögens läßt sich alternativ jedoch am Modell einer ertrags348 349 350 351 352 353
Moxter, Bilanzrechtsprechung, 5. Auflage, 1999, S. 250. BFH v. 2. 3. 1973, BFHE 109, 63, 65ff. Doralt DStJG 7 (1984), 141, 152. Vgl. Breidert BB 2001, 979, 982. Vgl. Wüstemann Zfbf 1995, 1029, 1031. Breidert BB 2001, 979, 983.
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Grundstrukturen der steuerlichen Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich
wertorientierten Einzelbewertung orientieren354. Eine ertragswertorientierte Einzelbewertung stellt zur stichtagsbezogenen Wertbestimmung auf die in den einzelnen Bilanzposten verkörperten (Netto-)Einnahmeerwartungen ab355. Diese Bewertungsmethode unterscheidet sich deutlich vom Gedanken der Nettorealisation. Im Gegensatz zum Nettorealisationsprinzip werden nicht nur tatsächlich realisierte Erträge in das Blickfeld gerückt, um diese dann ertragsproportional dem korrespondierenden Aufwand zuzuordnen356. Vielmehr werden von vornherein künftige Erträge und Aufwendungen i.S. von Mindestertragspotentialen saldiert betrachtet, um damit den Einzelertragswert eines Wirtschaftsgutes zu bestimmen. Vor diesem Hintergrund wird einleuchtend, warum auch vom Standpunkt einer statischen Betrachtungsweise Stimmen laut werden, die die Orientierung an den Wiederbeschaffungskosten bei der Bewertung aufgrund der Möglichkeit eines Ausweises von Scheinverlusten kritisieren357. Die hiermit angesprochene Methode der Wertbestimmung von Einzelwirtschaftsgütern entspricht im Ergebnis der oben aufgezeigten Möglichkeit einer funktionellen Teilwertbemessung i.S. der Ausschüttungsstatik358. Nimmt man dies zur Kenntnis, führt dies zu dem interessanten Ergebnis, dass die einzelertragswertorientierte Teilwertbemessung sowohl mit der fortführungsstatischen Betrachtungsweise, als auch mit der funktionellen Teilwertbestimmung i.S. des dem
354 Breidert BB 2001, 979, 983. 355 Breidert BB 2001, 979, 983. 356 Wenn im Rahmen der Nettorealisation Einschätzungen der zurechenbaren Erträge erforderlich werden, geschieht das ausschließlich im Hinblick auf die ertragsproportionale Zuordnung von Erträgen und Aufwand. 357 Kessler WPg 1996, 2, 5. Dies lässt sich auch handelsrechtlich begründen. Kessler (WPg 1996, 2, 5; vgl. auch Naumann, Die Bewertung von Rückstellungen in der Einzelbilanz nach Handels- und Ertragsteuerrecht, 2. Auflage, 1993, S. 314) hat darauf hingewiesen, dass, wenn man mit der statischen Bilanzauffassung die Primäraufgabe der Handelsbilanz darin sieht, stichtagsbezogen eine Information über die Schuldendeckungsfähigkeit des Aktivvermögens des Kaufmanns zu geben, nur eine an der jeweiligen Verwendungsmöglichkeit ausgerichtete Bewertung von Vermögensgegenständen eine verminderte Fähigkeit zur Begleichung von Schulden signalisiert. 358 Ein Unterschied besteht lediglich darin, dass der Einzelertragswert bei der hier betrachteten Konzeption von vornherein zur stichtagsbezogenen Wertbestimmung eines Wirtschaftsgutes eingesetzt wird. Demgegenüber wird im Rahmen der Ausschüttungsstatik der Einzelertragswert nur ermittelt, um zu kontrollieren, ob aus dem Saldo der Erträge und dem verbliebenen Aufwand zukünftig Ausschüttungsbelastungen zu erwarten sind. Wenn dies der Fall ist wird der Einzelertragswert i.S. des funktionellen Teilwertverständnisses angesetzt, da die verbliebenen Aufwendungen nur Erträge in dieser Höhe verlustfrei alimentieren können.
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Inhaltliche Grundsätze der steuerlichen Gewinnermittlung
Nettorealisationsgedanken untergeordneten Imparitätsverständnisses vereinbar ist. Für eine ertragswertorientierte Einzelbewertung ist charakteristisch, dass eine Ableitung des Teilwertes aus dem Gesamtvermögen wegen der Unmöglichkeit der Durchführung gar nicht angestrebt wird. Gerade dieses Faktum wird jedoch zum Anlass für Kritik359 genommen, wenn darauf hingewiesen wird, dass die funktionale Teilwertbestimmung nicht mit der gesetzgeberischen Konzeption des Teilwertes zu vereinbaren ist. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass es für keine der vorgestellten Methoden der Einzelbewertung möglich ist, entsprechend der Absicht der klassischen Teilwertlehre für die Wirtschaftgüter Einzelwerte zu finden, die sich in ihrer Summe mit dem ertragsabhängigen Gesamtwert des Betriebes decken bzw. die sich aus dem Gesamtertragswert ableiten lassen360. Insofern unterscheiden sich die aufgezeigten Möglichkeiten zur Teilwertbestimmung auch nicht in ihrer grundsätzlichen Berechtigung. Beide Methoden können konzeptionell das in der Teilwertdefinition eingeforderte Ideal nicht erfüllen. Bei beiden Methoden stellt sich der Saldo aus Gesamt- und Einzelbewertung als Geschäfts- oder Firmenwert dar361. Beide Methoden unterscheiden sich insbesondere auch nicht in der grundsätzlichen Bedeutung des Geschäfts- oder Firmenwertes als Residualgröße, sondern lediglich in der Verteilung des Restwertes auf den Geschäfts- oder Firmenwert. Die bilanzielle Vernachlässigung des originären Geschäftswertes führt folglich auch bei einem einzelertragswertorientierten Teilwertverständnis zu Abweichungen vom fortführungsstatischen Ideal362. c)
Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Teilwertverständnisse
Die aufgezeigten unterschiedlichen Möglichkeiten zur Bemessung des Teilwertes können in wesentlichen Bereichen zu abweichenden Ergebnissen führen. Unterschiede zwischen der klassischen, an den Wiederbeschaffungskosten orientierten Teilwertkonzeption der Rechtsprechung und der am Einzelertragswert ausgerichteten Betrachtungsweise ergeben sich stets dann, wenn trotz eines am Abschlussstichtags gefallenen Vermögenswertes keine Ausschüttungsbelastung zu erwarten ist363. Dies liegt darin begründet, dass sinkende Wiederbeschaffungskosten nach Abschluss des Beschaffungsgeschäftes nicht zwangsläufig zu einem Verlust beim anschließenden Absatz359 360 361 362 363
Müller-Dott FS Ritter, 1997, S. 215, 219ff. Vgl. Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 9. Auflage, 1993, S. 175. Wüstemann Zfbf 1995, 1029, 1030. Euler Zfbf 1991, 191, 208. Vgl. Müller-Dott FS Ritter, 1997, S. 215, 217.
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geschäft führen. Zwar führt ein zum Abschlussstichtag gefallener Vermögenswertanteil oftmals zu einer Ausschüttungsbelastung in gleicher Höhe364. Bei einer Reihe von Fällen droht trotz gefallener Wiederbeschaffungskosten aber keine zukünftige Ausschüttungsbelastung, da der Wert des Vermögensgegenstandes durch die zu erwarteten Nettoeinnahmen gedeckt ist365. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn die zurechenbaren Nettoeinnahmen die Wiederbeschaffungskosten übersteigen. Aus Sicht des Nettorealisationsgedankens und einer daran orientierten Auslegung des Imparitätsprinzips führt eine Verlustberechnung nach der Konzeption der Rechtsprechung anhand von Wiederbeschaffungskosten in diesem Fall nicht zur Berücksichtigung drohender Verluste, sondern lediglich zur Erfassung entgangener Gewinne366. Eine Berücksichtigung entgangener Gewinne ist vor dem Hintergrund der systematischen Einordnung des Imparitätsprinzips jedoch nicht angezeigt, da durch nicht vermiedene Ausgaben oder nichtrealisierte Einnahmen eine Belastung künftiger Ausschüttungen nicht zu erwarten ist. Die Orientierung an den Wiederbeschaffungskosten erweist sich insofern als bilanzzweckwidrig. Die Unterordnung des Imparitätsprinzips unter den Nettorealisationsgedanken determiniert somit zwangsläufig das funktionale Teilwertverständnis367. Versteht man das Imparitätsprinzip demgegenüber mit der statischen Bilanzauffassung als Anweisung zur Ermittlung niedrigerer Zeitwerte, kann es auf die Belastung künftiger Gewinn- und Verlustrechnungen nicht ankommen, da ansonsten nicht jede Minderung des Stichtagsvermögens berücksichtigt werden könnte368. Insoweit ist die Fragestellung eine ganz andere. Es interessieren lediglich die Möglichkeiten einer praktikablen und objektivierten Bestimmung des stichtagsbezogenen Wertansatzes. Vor diesem Hintergrund hat auch die Teilwertkonzeption der Rechtsprechung eine Berechtigung. Ein zwingender Vorrang für einen einzelertragswertorientierten Teilwert besteht daher von diesem Standpunkt aus nicht.
364 Moxter FS Klein, 1994, S. 827, 832. 365 Moxter FS Klein, 1994, S. 827, 832. Wiesbrock, Die Verlustrückstellung im Steuerund Verfassungsrecht, 1999, S. 46 weist daher zu Recht darauf hin, dass ein Beschaffungsgeschäft als solches bei isolierter Betrachtung noch nicht zu einem Verlust führt, sondern dazu die Absatzseite mit einbezogen werden muss. 366 Moxter FS Klein, 1994, S. 827, 833; Müller DB 1996, 689, 694; Mellwig FS Moxter, 1994, S. 1069, 1074; vgl. auch Dauber, Das Realisationsprinzip als Grundprinzip der steuerlichen Gewinnermittlung, 2003, S. 230f; Schneider DB 1999, 105, 108. 367 Moxter FS Klein, 1994, S. 827, 831f; Mellwig FS Moxter, 1994, S. 1069, 1074. 368 Vgl. Heddäus, Handelsrechtliche Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung für Drohverlustrückstellungen, 1997, S. 17.
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Inhaltliche Grundsätze der steuerlichen Gewinnermittlung
Andererseits kann festgestellt werden, dass die vom BFH aus dem Wortlaut des § 6 Abs. 1 S. 3 EStG abgeleiteten Teilwertvermutungen dem Konzept einer aufwandsüberschussfreien Bewertung immer dann entsprechen, wenn bei diesem hilfsweise auf die Wiederbeschaffungskosten als Indiz für die künftigen Nettoertragserwartungen zurückgegriffen werden muss. Dies führt dazu, dass sich beide Auffassungen häufig in einem Gleichklang befinden. Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass auch unter Zugrundelegung eines Verständnisses der Teilwertabschreibung als Verlustantizipationsvorschrift entsprechend zu den Teilwertvermutungen der h.M. ein Regel-AusnahmeVerständnis beibehalten werden kann. Um der Gefahr interessengesteuerter Abwertungen entgegenzutreten, liegt es nahe, eine dahingehende Vermutung zugrundezulegen, dass die (fortgeführten) Anschaffungs- oder Herstellungskosten durch die künftigen Erträge gedeckt sind369. Es obliegt dann dem Steuerpflichtigen einen entsprechenden Nachweis zu führen, dass entgegen dieser Vermutung eine künftige Ausschüttungsbelastung zu erwarten ist. Ist hinsichtlich der zukünftigen Nettoertragserwartungen hilfsweise auf die Wiederbeschaffungskosten zurückzugreifen, kann sich der Nachweis auf diese beziehen. Die Idee einer funktionalen Teilwertbestimmung hat wesentlichen Auftrieb durch den Gedanken einer Angleichung der handelsrechtlichen und steuerlichen Wertbegriffe erfahren370. Da große Teile der Literatur den Primärzweck der Handelsbilanz in der Bestimmung eines die Gläubiger schützenden, maximal entziehbaren Gewinns sehen und Gewinn- bzw. Verlustrealisierung in der Ausschüttungsbemessungsbilanz die Realisierung eines Ertrags- bzw. Aufwandsüberschusses bedeute371, sei die handelsrechtliche Erfolgsbemessung im Grundsatz mit der steuerlichen, am Nettorealisationsgedanken (und einem diesem untergeordneten Imparitätsprinzip) ausgerichteten Erfolgsbemessung identisch372. Insoweit hat die Rechtsprechung zugeben müssen, dass ihre Interpretation des steuerlichen Teilwertes zu einem Verlustmaßstab führen kann, der sich vom handelsrechtlichen Verlustmaßstab des niedrigeren beizulegenden Wertes unterscheidet373. Die Diskrepanzen seien jedoch 369 Vgl. Mellwig in: Beck HDR, B 164 Rn 49. 370 Vgl. Müller-Dott FS Ritter, 1997, S. 215, 217; Euler Zfbf 1991, 191ff. 371 Mellwig FS Moxter, 1994, S. 1069, 1081; demgegenüber besteht nach einer anderen gewichtigen Auffassung der Primarzweck der Handelsbilanz in einer realistischen Schuldendeckungskontrolle, vgl. nur Kammann, Stichtagsprinzip und zukunftsorientierte Bilanzierung, 1988, S. 258ff. Abzustellen ist daher auch in der Handelsbilanz in streng statischer Tradition auf die Wertentwicklung von Vermögensgegenständen und Verbindlichkeiten und nicht auf Erfolgsbeiträge. 372 Euler Zfbf 1991, 191, 193. 373 Vgl. Winkeljohann in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 6 Rn 620 mwN.
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Grundstrukturen der steuerlichen Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich
hinzunehmen, da es sich beim Teilwert um einen spezifischen steuerlichen Wert handele, was wegen § 5 Abs. 6 EStG unbedenklich sei374.
IV.
Die Drohverlustrückstellung im Spiegel der unterschiedlichen Bilanzverständnisse
Der aus dem Realisationsprinzip folgende Grundsatz der Nichtbilanzierung schwebender Geschäfte375 kann ebenfalls gemäß einer imparitätischen Sichtweise durchbrochen werden376. Da nach dem oben Gesagten bei schwebenden Geschäften weder Aktiva noch Passiva bilanziert werden, wird der drohende Verlust als Aufwand in Form einer Rückstellung erfasst. Erfolgswirksam passiviert wird dabei der zu erwartende negative Saldo377 aus dem Vergleich von Leistung und Gegenleistung oder anders ausgedrückt, die zu erwartende Abwertungsdifferenz378. Bei einem schwebenden Absatzgeschäft muss daher der Wert der Gegenleistung hinter dem Wert der eigenen Verpflichtung zurückbleiben379. Bei einem schwebenden Beschaffungsgeschäft droht demgegenüber ein negativer Saldo und damit ein Verlust, wenn der Wert des beschafften Gegenstandes hinter dem Wert der Gegenleistungsverpflichtung zurückbleibt380. Mit einer am Nettorealisationsgedanken orientierten Akzentuierung geht, wie oben bereits erörtert, eine Deutung des Imparitätsprinzips als Prinzip der Verlustantizipation einher381. Das Imparitätsprinzip gebietet insofern, einen gemessen an den Grundsätzen des Realisationsprinzips drohenden Verlust aus dem schwebenden Geschäft auszuweisen. Der Sinn und Zweck der Drohverlustrückstellungen ist demnach darin zu sehen, künftige AbrechWinkeljohann in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 6 Rn 621. Küting/Kessler DStR 1993, 1045, 1046ff. Vgl. Schön BB 1994 (Beilage 9) S. 1, 11. Eine saldierende Betrachtung ist dabei beiden Bilanztheorien immanent. Schön BB 1994 (Beilage 9), S. 1, 11; Wiesbrock, Die Verlustrückstellung im Steuerund Verfassungsrecht, 1999, S. 23. 379 Wiesbrock, Die Verlustrückstellung im Steuer- und Verfassungsrecht, 1999, S. 36; Bedeutung erlangt diese Form der Drohverlustrückstellung für die Fälle, bei denen sich ein drohender Verlust erst nach Abschluss eines Absatzgeschäftes abzeichnet. 380 BFH v. 1. 3. 1982, BB 1982, 1527; Adler/Düring/Schmaltz, 6. Auflage, 1995, § 253 Rn 243; Wiesbrock, Die Verlustrückstellung im Steuer- und Verfassungsrecht, 1999, S. 40. 381 Vgl. Kessler DStR 1994, 567, 569; explizit mit dieser Deutung Moxter StuW 1989, 232, 236; Leffson, Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung, 7. Auflage, 1987, S. 382ff; Euler, Zfbf 1990, 1036, 1040ff; Dauber, Das Realisationsprinzip als Grundprinzip der steuerlichen Gewinnermittlung, 2003, S. 208ff; ferner in Bezug auf die Teilwertabschreibung, Moxter FS Klein, 1994, S. 827, 830.
374 375 376 377 378
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Inhaltliche Grundsätze der steuerlichen Gewinnermittlung
nungsperioden von Verlusten freizustellen382. Diese Betrachtung verlangt, wie schon bei der Teilwertabschreibung dargestellt, grundsätzlich eine verwendungs-, nicht eine beschaffungsorientiert niedrigere Bewertung383. Allerdings können Wiederbeschaffungskosten im Fall der Bewertung von abnutzbarem Anlagevermögen hilfsweise die zu erwartenden Nettoerträge eines Vermögensgegenstandes approximieren384. Nach statischer Bilanzauffassung hat die Drohverlustrückstellung ebenso wie die Teilwertabschreibung im Rahmen einer Vermögensübersicht die Funktion, eingetretene aber noch nichtrealisierte Stichtagsvermögensminderungen aus schwebenden Geschäften auszuweisen385. Von diesem Verständnis ausgehend können Drohverlustrückstellungen als Unterfall der Verbindlichkeitsrückstellungen verstanden werden386. Beide Formen der Rückstellungen dienen einem korrekten und vollständigen Schuldenausweis387. Übersteigt im Rahmen eines schwebenden Vertrages die Verpflichtung den Anspruch, ist die Schuldendeckungsfähigkeit in Höhe des Verpflichtungsüberschusses geschmälert388. Die Drohverlustrückstellung unterscheidet sich von der Verbindlichkeitsrückstellung lediglich darin, dass diese in Abweichung vom allgemeinen Verrechnungsverbot des § 246 Abs. 2 HGB die gegenseitige Leistungsverpflichtung in saldierter Form erfasst, wenn der Saldo zu Lasten des Bilanzierenden ausfällt389. Die Verbindlichkeitsrückstellung bringt somit eine reine Verbindlichkeit zum Ausdruck, während die Drohverlustrückstellung einen Verpflichtungsüberschuss aus einem gegenseitigen 382 Moxter StuW 1989, 232, 236. 383 Heddäus, Handelsrechtliche Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung für Drohverlustrückstellungen, 1997, S. 104. 384 Mellwig FS Moxter, 1994, S. 1071, 1086 FN 46. 385 Vgl. Kessler DStR 1994, 567, 569; Kessler StuB 2000, 1091, 1094; Küting/Kessler DStR 1998, 1937, 1940; Küting/Kessler StuB 2000, 21, 25; Piltz StbJb 1999/2000, 221, 224; Hoffmann DStR 1999, 1545, 1547; Hoffmann StuB 2000, 248, 250; Schön BB 1994 (Beilage 9), S. 1, 11; Bordewin FR 1998, 226, 227 mit dem Hinweis, dass die Grundlage für die Verlustentstehung bereits mit Abschluss des Verlustgeschäftes gelegt worden ist. 386 BFH v. 16.11.1982, BStBl II 1983, 361, 363; BFH v. 25. 8. 1989, BStBl II 1989, 346; Arndt/Piltz, Grundzüge des Besonderen Steuerrechts, 1996, S. 362; KnobbeKeuk, Bilanz- und Unternehmensteuerrecht, 9. Auflage, 1993, S. 116; Döllerer BB 1974, 1541, 1542; Arndt/Wiesbrock DStR 2000, 718, 720; vgl. auch Adler/Düring/Schmaltz, § 249 Rn 137; Schön BB 1994 (Beilage 9), S. 1, 11. 387 Kessler DStR 1994, 567, 569; vgl. Heddäus, Handelsrechtliche Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung für Drohverlustrückstellungen, 1997, S. 18. 388 Vgl. Heddäus, Handelsrechtliche Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung für Drohverlustrückstellungen, 1997, S. 18. 389 Kessler DStR 1994, 567, 569; Küting/Kessler DB 1997, 2441, 2442.
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Grundstrukturen der steuerlichen Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich
Vertrag berücksichtigt390. Diese Berücksichtigung des Verpflichtungsüberschusses stellt sicher, dass trotz Abkehr vom Vollständigkeitsprinzip der Vermögensnachteil im Betriebsvermögen geltend gemacht werden kann391. Versteht man den durch eine Drohverlustrückstellung ausgewiesenen Verlust vermögensorientiert i.S. der oben dargestellten klassischen Teilwertinterpretation, fungieren gesunkene Wiederbeschaffungskosten als maßgeblicher Bewertungsmaßstab, da sie den anteiligen Vermögenswert der zu beschaffenden Leistungen verkörpern392.
V.
Zusammenfassung
Zusammenfassend lässt sich somit feststellen, dass das Imparitätsprinzips in Abhängigkeit von der jeweils favorisierten Bilanzauffassung eine ganz unterschiedliche systematische Fundierung besitzt. Der Terminus „Imparitätsprinzip“ resultiert gemessen an der Idee der Nettorealisation aus der ungleichen Behandlung erwarteter, aber noch nichtrealisierter Gewinne (Ertragsüberschuss) einerseits und Verluste (Aufwandsüberschuss) andererseits oder statisch formuliert aus der ungleichen Behandlung positiver und negativer Vermögensänderungen393. Während positive Erfolgsbeiträge nach den Regeln des Realisationsprinzips erst dann ergebniswirksam berücksichtigt werden dürfen, wenn diese durch einen Umsatzakt realisiert wurden, müssen negative Erfolgsbeiträge nach den Regeln des Imparitätsprinzips schon dann ergebnismindernd angesetzt werden, wenn diese zwar entstanden sind, eine Realisation aber voraussehbar aussteht394. Die Höhe des im Rahmen des objektiven Nettoprinzips ergebnismindernd anzusetzenden Betrages ergibt sich dabei aus einer Zusammenschau der gesetzlichen Regeln über den Ansatz dem Grunde nach und deren Bewertung. Unter Zugrundelegung der Idee der Nettorealisation kennzeichnet die durch das Imparitätsprinzip ausgewiesene Vermögenslage eine, gemessen am (Netto-)Realisationsprinzip, künftige Sichtweise (Verlustantizipation). Durch die Antizipation des künftigen Aufwandsüberschusses in das Jahr seiner Verursachung soll sichergestellt werden, dass nur ein unbedenklich ausschüttbarer Gewinn ausgewiesen wird. 390 Kessler DStR 1994, 567, 569; Schön BB 1994 (Beilage 9), S. 1, 11. 391 Schön BB 1994 (Beilage 9), S. 1, 11; vgl. Heddäus, Handelsrechtliche Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung für Drohverlustrückstellungen, 1997, S. 18. 392 Vgl. Heddäus, Handelsrechtliche Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung für Drohverlustrückstellungen, 1997, S. 104. 393 Kempermann in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 5 Rn B 101; Adler/Düring/ Schmaltz, 6. Auflage, 1995, § 252 Rn 92. 394 Wiesbrock, Die Verlustrückstellung im Steuer- und Verfassungsrecht, 1999, S. 22.
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Inhaltliche Grundsätze der steuerlichen Gewinnermittlung
Demgegenüber hat das Imparitätsprinzip nach vermögensstatischer Betrachtung die Funktion, stichtagsbezogene, eingetretene Wertminderung im Betriebsvermögen auszuweisen. Unter diesem Blickwinkel erscheint nicht das Imparitätsprinzip, sondern vielmehr das Realisationsprinzip als Ausprägung einer vorsichtigen Gewinnermittlung, da dieses dazu dient, stichtagsbezogen eingetretene, nichtrealisierte Wertsteigerungen entgegen der an sich zutreffenden Zeitwertkonzeption von der Besteuerung freizustellen. Im Hinblick auf diesen Aspekt erscheint es sachgerecht davon zu sprechen, dass auch der nach statischen Grundsätzen ermittelte Gewinn auf eine unbedenklich ausschüttbare Größe reduziert ist. Ohne sich an dieser Stelle für eine bestimmte Bilanzauffassung entscheiden zu müssen, kann damit festgestellt werden, dass das objektive Nettoprinzip im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erfassung positiver und negativer Erfolgsbeiträge durch das Realisationsprinzip und das Imparitätsprinzip vom Steuergesetzgeber nach unterschiedlichen Maßstäben ausgestaltet worden ist. Systematisch gesehen konturiert das Imparitätsprinzip das objektive Nettoprinzip auf der „Aufwandseite“ somit nach anderen Grundsätzen als das Realisationsprinzips auf der „Ertragsseite“. Ob diese zeitliche Konturierung des objektiven Nettoprinzips in Anlehnung an die handelsrechtlichen Gewinnermittlungsgrundsätze im Rahmen der steuerlichen Gewinnermittlung verfassungsrechtlichen Bestand haben kann, wird zunehmend in Zweifel gezogen. Wenngleich auch in Normen des Steuerbilanzrechts Vorschriften enthalten sind, die einen Ausweis eingetretener, nichtrealisierter Wertminderungen fordern, hat sich die verfassungsrechtliche Kritik an dieser gesetzgeberischen Konturierung des objektiven Nettoprinzips, jedoch hauptsächlich am Maßgeblichkeitsprinzip (§ 5 Abs. 1 S. 1 EStG) selbst als Ursache eines Gewinnausweises nach Maßgabe des Imparitäts- und des Realisationsprinzips entzündet. Die Kritik ist aber aufgrund dessen struktureller Äquivalenz für die steuerliche Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG ebenfalls bedeutsam. Insbesondere muss auch berücksichtigt werden, dass die steuerlichen Pendants zum handelsrechtlichen Niederstwertprinzip letztlich an die handelsrechtlichen Prinzipien angelehnt sind und, wenn überhaupt, nicht entscheidend von den handelsrechtlichen Grundsätzen abweichen.
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2. Kapitel: Die Kritik von Realisations- und Imparitätsprinzip vor dem Hintergrund finanzwissenschaftlicher Grundvorstellungen A.
Die Kritik am Steuerbilanzrecht
Die (bis 1997) auch für die steuerbilanzielle Gewinnermittlung (uneingeschränkt) bedeutsame Methode der handelsrechtlichen Gewinnermittlung nach Maßgabe des Realisations- und des Imparitätsprinzips und die damit verbundene periodische Zuordnung des umfänglich nach der Veränderung des Reinvermögens bemessenen Einkommens ist zunehmend in verfassungsrechtlich motivierte Kritik geraten. Eine in der Literatur vielfach vertretene Auffassung1, deren nachdrücklichster Vertreter wohl Weber-Grellet ist, sieht in der steuerlichen Gewinnermittlung nach Maßgabe der handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung einen Verstoß gegen die Besteuerung nach Maßgabe wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit und damit gegen die Steuergerechtigkeit. In letzter Konsequenz fordert diese Meinungsgruppe ein eigenständiges, vom Handelsbilanzrecht abgekoppeltes Steuerbilanzrecht, welches nicht an den Grundsätzen handelsrechtlicher ordnungsgemäßer Buchführung (GoB) orientiert ist, sondern an Grundsätzen ordnungsmäßiger steuerlicher Bilanzierung (GoStB), die aus dem Prinzip der Besteuerung nach Maßgabe der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit entwickelt werden müssen2. Auch das Steuerbilanzrecht sei staatliches Ein-
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Weber-Grellet DB 1994, 288, 289; Weber-Grellet DB 1994, 2405; Weber-Grellet StbJb 1994/95, 97, 104; Weber-Grellet DB 1997, 385ff; Weber-Grellet DStR 1998, 1343, 1344f; Weber-Grellet StuW 1999, 311, 314f; Weber-Grellet in: Schmidt, EStG, 24. Auflage, 2005, § 5 Rn 27; Weber-Grellet, Steuern im modernen Verfassungsstaat, 2001, S. 327ff; Weber-Grellet StuB 2002, 700, 701; Weber-Grellet in: Bertl/Egger/Gassner/Lang/Nowotny, Die Maßgeblichkeit der handelsrechtlichen Gewinnermittlung für das Steuerrecht, 2003, S. 267, 271ff; Siegel BB 1994, 2237, 2243; Siegel StuB 2000, 29, 30ff; Doralt DB 1998, 1357; Werndl ÖStZ 1997, 189, 198; Thiel BB 1999, 828f; Thiel StbJb 1997/98, 309ff; Schneider DB 1999, 106f; Kort FR 2001, 53ff; Strunk StuB 2003, 397, 398f; Lauth DStR 2000, 1365, 1366ff; kritisch auch Ballwieser BFuP 1990, 477, 492f; Schulze-Osterloh DStJG 23 (2000), 67, 75; Lang in: Tipke/Lang, 17. Auflage, 2002, § 9 Rn 310; Dauber, Das Realisationsprinzip als Grundprinzip der steuerlichen Gewinnermittlung, 2003, S. 103ff; Herzig/Bär DB 2003, 1, 3. Weber-Grellet DB 1994, 288, 289; Siegel StuB 1999, 195, 196; vgl. auch Hoffmann StuB 2000, 1039f und BFH GrS v. 7. 8. 2000, DStR 2000, 1682, 1687.
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Die Kritik von Realisations- und Imparitätsprinzip
griffsrecht und somit an die Verfassung gebunden3. Deshalb müsse das Steuerbilanzrecht den Grundsätzen des Leistungsfähigkeitsprinzips genügen4. Von einer solchen Bindung könne wegen der unterschiedlichen Zwecksetzungen der Rechenwerke jedoch nicht gesprochen werden5. Folge der Anbindung der steuerlichen Gewinnermittlungsgrundsätze an die Handelsbilanz sei nämlich, dass sich der Staat mit den übrigen Anteilseignern grundsätzlich auf eine Stufe stellen lassen muss, was den staatlichen Steueranspruch im Hinblick auf das Vorsichtsprinzip erheblich reduziere. Die Steuerbilanz sei nicht wie die Handelsbilanz dem Gläubigerschutz verpflichtet, sondern einer periodenreinen Ermittlung des Gewinns6. Es sei daher Zweck der Steuerbilanz, für eine dem Grundsatz der Gleichbehandlung entsprechende Ermittlung des Gewinns zwecks Messung der Leistungsfähigkeit zu sorgen7. Mit den Worten des BFH8 gesprochen, bezwecke die steuerliche Gewinnermittlung, den „vollen Gewinn“ zu erfassen, während die Handelsbilanz maßgeblich dem Gläubigerschutz verpflichtet sei und unter Zugrundelegung des imparitätischen Realisationsprinzips lediglich einen vorsichtig bemessenen, ausschüttbaren Gewinn ermitteln soll9. Weber-Grellet10 führt insoweit an, dass das Realisationsprinzip mit seiner umsatzgebundenen und das Imparitätsprinzip mit seiner verlustantizipierenden Wirkung darauf hindeuten, dass der primäre Sinn der handelsrechtlichen Jahresüberschussermittlung darin bestehe, den Betrag zu ermitteln, der ohne Gefährdung des 3 Vgl. nur BFH GrS v. 7. 8. 2000, DStR 2000, 1682, 1687; Weber-Grellet, Steuerbilanzrecht, 1996, § 1 Rn 1; Weber-Grellet StuB 2002, 700, 701; Drüen FS Kruse, 2001, S. 191f. 4 Vgl. nur Weber-Grellet StuB 2002, 700, 701f; Lauth DStR 2000, 1365, 1367f; Dauber, Das Realisationsprinzip als Grundprinzip der steuerlichen Gewinnermittlung, 2003, S. 83; Kort FR 2001, 53, 59f. 5 Vgl. nur Weber-Grellet in: Bertl/Egger/Gassner/Lang/Nowotny, Die Maßgeblichkeit der handelsrechtlichen Gewinnermittlung für das Steuerrecht, 2003, S. 267, 273ff. 6 Vgl. nur Strunk StuB 2003, 397, 398f. 7 Siegel StuB 1999, 195, 196; Weber-Grellet DB 1994, 288, 289; Weber-Grellet StuB 2002, 700, 701; Lauth DStR 2000, 1365, 1376; Wagner in: Chmielewicz/Schweitzer, Handwörterbuch des Rechnungswesens, 3. Auflage, 1993, Sp. 1870; Kort FR 2001, 53, 59f. 8 BFH v. 3. 2. 1969, BStBl II 1969, 291, 293. 9 Weber-Grellet DB 1994, 288, 289; Moxter FS Goerdeler, 1987, S. 362, 368; Böcking, Verbindlichkeitsbilanzierung, 1994, S. 28; Lauth DStR 2000, 1365, 1368; Dziadkowski/Henselmann in: Beck HDR, B 120 Rn 294; Steck StuB 2002, 487, 489. Auch in den USA wird ein steuerrechtseigener Maßstab vorgegeben: „The focus of this equity analysis is the taxpayer`s economic ability to pay tax, regardless of the manner in which the taxpayer`s activities might be reported for financial accounting purposes.“, vgl. Kahle WPg 2002, 178, 184. 10 Weber-Grellet DB 1994, 288, 289.
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Die handelsrechtlichen Gewinnermittlungsgrundsätze
Unternehmens und damit ohne Schmälerung künftiger Entnahmemöglichkeiten entzogen werden kann11. Dabei werde insbesondere der Aspekt des Gläubigerschutzes in Form des Vorsichtsprinzips betont, der es u.a. erfordere, dass der bilanzierende Kaufmann den „Eigenkapitalanteil“ des drohenden Verlustes zurückhält12. Aufgrund dieser Zweckdivergenz seien Handelsbilanz und Steuerbilanz inkompatibel. Die handelsrechtliche Anknüpfung durch das Maßgeblichkeitsprinzip könne auch nicht durch die historische Schutzfunktion des Handelsbilanzrechts gegen eine übermäßige Erfolgsbeteiligung des Steuergläubigers gerechtfertigt werden, da diese Funktion von den Grundrechten übernommen worden sei13. Insofern wird geltend gemacht, dass das Fundamentalprinzip einer Besteuerung nach Maßgabe wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit Vorrang vor dem Maßgeblichkeitsgrundsatz haben müsse, dem aus Vereinfachungsgründen lediglich ein rechtstechnisches Prinzip zugrundeliege14.
B.
Die handelsrechtlichen Gewinnermittlungsgrundsätze als Modell einer sachgerechten Bestimmung wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit (h.M.)
Die These von der Unbrauchbarkeit des Maßgeblichkeitsprinzips für die steuerliche Gewinnermittlung ist demgegenüber in weiten Teilen der Literatur auf nachhaltigen und heftigen Widerspruch gestoßen15. Dabei wird ins11 Eine umfängliche Diskussion über die unterschiedlichen Zwecksetzungen der Handelsbilanz erscheint unnötig, da kaum geleugnet werden kann, dass die Zielsetzung der Handelsbilanz neben der Aufgabe der Informationsvermittlung auch die Aufgabe einer Abrechnungsgrundlage für ausgeschüttete Gewinne enthält. Dabei gewinnt der Gläubigerschutz in Form des Vorsichtsprinzips elementaren Einfluss auf die Definition des ausschüttbaren Gewinns, vgl. Siegel StuB 1999, 195, 195f; Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzen, 6. Auflage, 2003, S. 86ff; Dauber, Das Realisationsprinzip als Grundprinzip der steuerlichen Gewinnermittlung, 2003, S. 79f. 12 Siegel StuB 2000, 29, 32; Weber-Grellet StuB 2002, 700, 703; vgl. auch Steck StuB 2002, 487, 490. 13 Weber-Grellet DB 1994, 288, 290; Steck StuB 2002, 487, 490. 14 Pezzer DStJG 14 (1991), 3, 18ff. 15 Kessler DStR 1994, 1289, 1294ff; Küting/Kessler DStR 1998, 1937, 1940; Küting/Kessler StuB 2000, 21ff; Groh DB 1999, 978, 979ff; Groh in: Kleindiek/Oehler, Die Zukunft des deutschen Bilanzrechts, 2000, S. 169, 170; Schön StuW 1995, 366, 370ff; Schön StbJb 1998/99, 331ff; Hauser/Meurer WPg 1998, 269; Bordewin FR 1998, 226, 232; Scholtz DStZ 1999, 698, 699f; Gassner/Lang, Das Leistungsfähigkeitsprinzip im Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht, 2000, S. 80ff; Hennrichs StuW 1999, 138, 145; Hennrichs DStJG 24 (2001), 301, 314ff; Niemann in: IFSt-
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Die handelsrechtlichen Gewinnermittlungsgrundsätze
Unternehmens und damit ohne Schmälerung künftiger Entnahmemöglichkeiten entzogen werden kann11. Dabei werde insbesondere der Aspekt des Gläubigerschutzes in Form des Vorsichtsprinzips betont, der es u.a. erfordere, dass der bilanzierende Kaufmann den „Eigenkapitalanteil“ des drohenden Verlustes zurückhält12. Aufgrund dieser Zweckdivergenz seien Handelsbilanz und Steuerbilanz inkompatibel. Die handelsrechtliche Anknüpfung durch das Maßgeblichkeitsprinzip könne auch nicht durch die historische Schutzfunktion des Handelsbilanzrechts gegen eine übermäßige Erfolgsbeteiligung des Steuergläubigers gerechtfertigt werden, da diese Funktion von den Grundrechten übernommen worden sei13. Insofern wird geltend gemacht, dass das Fundamentalprinzip einer Besteuerung nach Maßgabe wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit Vorrang vor dem Maßgeblichkeitsgrundsatz haben müsse, dem aus Vereinfachungsgründen lediglich ein rechtstechnisches Prinzip zugrundeliege14.
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Die handelsrechtlichen Gewinnermittlungsgrundsätze als Modell einer sachgerechten Bestimmung wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit (h.M.)
Die These von der Unbrauchbarkeit des Maßgeblichkeitsprinzips für die steuerliche Gewinnermittlung ist demgegenüber in weiten Teilen der Literatur auf nachhaltigen und heftigen Widerspruch gestoßen15. Dabei wird ins11 Eine umfängliche Diskussion über die unterschiedlichen Zwecksetzungen der Handelsbilanz erscheint unnötig, da kaum geleugnet werden kann, dass die Zielsetzung der Handelsbilanz neben der Aufgabe der Informationsvermittlung auch die Aufgabe einer Abrechnungsgrundlage für ausgeschüttete Gewinne enthält. Dabei gewinnt der Gläubigerschutz in Form des Vorsichtsprinzips elementaren Einfluss auf die Definition des ausschüttbaren Gewinns, vgl. Siegel StuB 1999, 195, 195f; Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzen, 6. Auflage, 2003, S. 86ff; Dauber, Das Realisationsprinzip als Grundprinzip der steuerlichen Gewinnermittlung, 2003, S. 79f. 12 Siegel StuB 2000, 29, 32; Weber-Grellet StuB 2002, 700, 703; vgl. auch Steck StuB 2002, 487, 490. 13 Weber-Grellet DB 1994, 288, 290; Steck StuB 2002, 487, 490. 14 Pezzer DStJG 14 (1991), 3, 18ff. 15 Kessler DStR 1994, 1289, 1294ff; Küting/Kessler DStR 1998, 1937, 1940; Küting/Kessler StuB 2000, 21ff; Groh DB 1999, 978, 979ff; Groh in: Kleindiek/Oehler, Die Zukunft des deutschen Bilanzrechts, 2000, S. 169, 170; Schön StuW 1995, 366, 370ff; Schön StbJb 1998/99, 331ff; Hauser/Meurer WPg 1998, 269; Bordewin FR 1998, 226, 232; Scholtz DStZ 1999, 698, 699f; Gassner/Lang, Das Leistungsfähigkeitsprinzip im Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht, 2000, S. 80ff; Hennrichs StuW 1999, 138, 145; Hennrichs DStJG 24 (2001), 301, 314ff; Niemann in: IFSt-
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Die Kritik von Realisations- und Imparitätsprinzip
besondere betont, dass das Leistungsfähigkeitsprinzip die Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz nicht ausschließe, da dem Maßgeblichkeitsprinzip nicht nur ein rechtstechnisches Prinzip zugrundeliege, sondern auch eine bestimmte Sichtweise von Leistungsfähigkeit16. Die Bilanzierungsgrundsätze des Handelsrechts17 seien als Ausgleich der widerstreitenden Interessen des Anteilseigners an einer Steigerung des ausschüttungsfähigen Gewinns und des Unternehmensgläubigers an einer niedrigen Bewertung des Gesellschaftsvermögens zur Erhaltung der Haftungsmasse konzipiert18. Die Gläubiger sollen durch die Ermittlung eines Gewinnes geschützt werden, der unbedenklich, ohne dass den Gläubigern haftende Kapital anzugreifen, an die Anteilseigner ausgeschüttet werden kann. Die danach ausgerichtete handelsbilanzielle Gewinnermittlung verfolge das Ziel, einen ausschüttungsfähigen Gewinn zu ermitteln, der sich auf eine möglichst objektive, von den Interessen der Beteiligten unabhängige Gewinnermittlung stütze. Vermögenszuwächse sollen daher erst dann ausgewiesen werden, wenn diese nicht mehr mit Unwägbarkeiten oder Zweifeln behaftet sind19. Damit werde eine Vorstellung von Leistungsfähigkeit konturiert, die einer langfristigen Sicherung des Unternehmens und dem Gläubigerschutz Rechnung trägt20. Auch bezüglich der Ermittlung des steuerbaren Gewinns lasse sich ein ähnlich gelagerter Interessenkonflikt zwischen dem an einem hohen Gewinnausweis interessierten Fiskus und dem an einer niedrigen Bewertung interessierten Steuerpflichtigen feststellen, der unter dem Gleichheitssatz in die
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Schrift Nr. 387, Grundsätze ordnungsgemäßer Bilanzierung - international betrachtet, 2000, S. 94ff; Treptow StbJb 1998/99, 81, 87; Himmelreich FS W. Müller, 2001, S. 613, 617; Drüen FR 2001, 992, 995; Pezzer DStJG 14 (1991), 3, 24; Uelner in: IFSt-Schrift Nr. 369, Zum geplanten Verbot der Teilwertabschreibung, 1999, S. 23ff; Uelner StuB 1999, 84ff; Clemm/Nonnenmacher FS von Wallis, 1985, S. 227, 241; Döllerer BB 1971, 1333f; Euler StuW 1998, 15, 18f; Euler Zfbf 1991, 191ff; Versin, Derogation des Maßgeblichkeitsprinzips im Einkommensteuerrecht?, 2003, S. 184f; vgl. aber auch die Äußerung von Lang in: Tipke/Lang, 16. Auflage, 1998, § 9 Rn 350: § 5 Abs. 4a EStG ist steuerrechtlich systemgerecht. Gassner/Lang, Das Leistungsfähigkeitsprinzip im Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht, 2000, S. 81; Schön StuW 1995, 366, 375. Zu nennen ist hier vor allem das Vorsichtsprinzip in seinen einzelnen Ausprägungen. Schön StuW 1995, 366, 376; vgl. auch Schnorr StuW 2004, 305, 315. Bezogen auf die Handelsbilanz hat z.B. das Realisationsprinzip die Aufgabe, Erträge erst dann auszuweisen, wenn diese hinreichend sicher sind, um zu verhindern, dass Gewinn vorzeitig ausgewiesen und ausgeschüttet werden, Leffson, Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung, 7. Auflage, 1987, S. 251. Gassner/Lang, Das Leistungsfähigkeitsprinzip im Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht, 2000, S. 81.
Die handelsrechtlichen Gewinnermittlungsgrundsätze
Forderung nach einer objektiven, von den Interessen der Verfahrensbeteiligten möglichst unabhängigen Gewinnermittlung münde21. Insoweit entspreche der oben beschriebene Primärzweck der Handelsbilanz weitgehend dem Zweck der Steuerbilanz, der darin bestehe, einen Gewinn zu ermitteln, der vom Unternehmen an den Fiskus abgeführt werden kann, ohne die Steuereinnahmequelle zu gefährden22. Dieser Forderung werde durch die durch den Maßgeblichkeitsgrundsatz bewirkte Übernahme der handelsbilanziellen Leistungsfähigkeitsvorstellung mit ihrer Anknüpfung an sichere Werte Rechnung getragen. Der Maßgeblichkeitsgrundsatz vermittele somit durch die Begrenzung des entnahmefähigen Gewinns einen Schutz vor einem übermäßigen Steuerzugriff durch den Fiskus23. In dieser Interpretation stelle § 5 Abs. 1 S. 1 EStG sicher, dass die handelsrechtliche und die steuerrechtliche Gewinnermittlung von einem einheitlichen Leistungsfähigkeitsverständnis ausgehen24. Die Leistungsfähigkeit wird folglich in dem Sinne einheitlich beurteilt, dass es nur eine an der Gewinnverteilungsfunktion der Bilanz ausgerichtete Leistungsfähigkeit gibt25, die sich am Gläubigerschutz und an einer langfristigen Unternehmenssicherung orientiert26. Es sei nicht ersichtlich, dass mit dieser gesetzgeberischen Entscheidung für ein bestimmtes Verständnis von steuerlicher Leistungsfähigkeit bzgl. der bilanziellen Gewinnermittlung ein Rahmen gewählt wurde, der das pauschale Urteil erlaube, diese Art der Bestimmung von steuerlicher Leistungsfähigkeit sei nicht sachgerecht27. Diese Sichtweise erscheint insbesondere dann plausibel, wenn man den Staat als Steuergläubiger im Hinblick auf die Teilhabe am Unternehmenserfolg nicht anders behandeln möchte wie die übrigen Gesellschafter28. Somit 21 Schön StuW 1995, 366, 376; vgl. auch Schnorr StuW 2004, 305, 315. 22 Eibelshäuser FS Beisse, 1997, S. 153, 156; Gassner in: Bertl/Egger/Gassner/Lang/Nowotny, Die Maßgeblichkeit der handelsrechtlichen Gewinnermittlung für das Steuerrecht, 2003, S. 283, 298. 23 Mössner Stbg 1998, 145, 149f. 24 Pezzer DStJG 14 (1991), 3, 20ff; Gassner/Lang, Das Leistungsfähigkeit im Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht, 2000, S. 81. 25 Döllerer BB 1988, 238. 26 Söffing FS Budde, 1995, S. 635, 656ff. 27 Gassner/Lang, Das Leistungsfähigkeitsprinzip im Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht, 2000, S. 81. 28 Döllerer BB 1971, 1333, 1334; Döllerer BB 1988, 238, 240; Strobl StbJb 1994/95, 77, 83f; Gassner in: Bertl/Egger/Gassner/Lang/Nowotny, Die Maßgeblichkeit der handelsrechtlichen Gewinnermittlung für das Steuerrecht, 2003, S. 283, 298; Crezelius DB 1994, 689, 691; Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmensteuerrecht, 9. Auflage, 1993, S. 27; Knobbe-Keuk BB 1988, 1086, 1088f; Beisse FS Beusch, 1993, S. 77, 85f; Moxter StuW 1994, 97, 99; Moxter BB 1997, 195; Moxter DB 1997, 1477, 1478;
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Die Kritik von Realisations- und Imparitätsprinzip
könne auch nicht behauptet werden, dass mit der Gewinnermittlung in maßgeblicher Anlehnung an die Handelsbilanz nicht der „volle Gewinn“ erfasst werde, zumal diese Forderung weitgehend konturenlos sei und keine Anhaltspunkte für die konkrete Ausgestaltung der Steuerbilanz enthalte29. Nach diesem Argumentationsmuster sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, die auf die verfassungsrechtliche Notwendigkeit einer Aufgabe der traditionellen Gewinnermittlungsgrundsätze schließen lassen.
C.
Notwendigkeit einer Spezifizierung der Kritik
Die obige Betrachtung hat ergeben, dass das Maßgeblichkeitsprinzip als gesetzgeberische Konkretisierung des objektiven Nettoprinzips zu verstehen ist, dessen besondere Bedeutung vor allem in der zeitlichen Zuordnung von Veränderungen des Betriebsvermögens liegt. Inhaltlich richtet sich die hier ins Auge gefasste Kritik am Maßgeblichkeitsprinzip somit gegen die aus den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung resultierenden Prinzipien zur zeitlichen Zuordnung der Erfolgsbeiträge. Offenbar wird für die steuerrechtliche Gewinnermittlung eine von den handelsrechtlichen Grundprinzipien abweichende Zuordnung befürwortet. Insofern erscheint es wenig hilfreich, pauschal zu behaupten, das Maßgeblichkeitsprinzip als solches laufe der steuerlichen Zielsetzung, der Erfassung des „vollen Gewinns“ unter Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten, zuwider30. Eine verfassungsrechtliche Überprüfung muss sich vielmehr auf die Frage konzentrieren, inwieweit die einzelnen Bilanzierungsprinzipien den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Ausgestaltung der steuerlichen Bemessungsgrundlage genügen31. In dieser Eingrenzung zeigt sich, dass sich die Kritik an der steuerlichen Gewinnermittlung nach den Grundaussagen des Maßgeblichkeitsprinzips insbesondere auf die zeitliche Zuordnung negativer Erfolgsbeiträge nach
Schön StuW 1995, 366, 377; Schön StbJb 1998/99, 353f; Schön ZHR 161 (1997), 133, 142; Schön WPg-Sonderheft 2001, 74, 79; Stobbe FR 1997, 361, 362; Himmelreich FS W. Müller, 2001, S. 613, 617; Söffing FS Budde, 1995, S. 635, 658f; vgl. auch Kahle WPg 2002, 178, 179. 29 So insbesondere Schön StuW 1995, 366, 376; Gassner/Lang, Das Leistungsfähigkeitsprinzip im Einkommen- und Körperschaftsteuerecht, 2000, S. 8; Moxter BB 1997, 195; vgl. insoweit auch die Ausführungen von Kahle WPg 2002, 178, 185. 30 Vgl. Kahle WPg 2002, 178, 185. 31 Dauber, Das Realisationsprinzip als Grundprinzip der steuerlichen Gewinnermittlung, 2003, S. 88ff.
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könne auch nicht behauptet werden, dass mit der Gewinnermittlung in maßgeblicher Anlehnung an die Handelsbilanz nicht der „volle Gewinn“ erfasst werde, zumal diese Forderung weitgehend konturenlos sei und keine Anhaltspunkte für die konkrete Ausgestaltung der Steuerbilanz enthalte29. Nach diesem Argumentationsmuster sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, die auf die verfassungsrechtliche Notwendigkeit einer Aufgabe der traditionellen Gewinnermittlungsgrundsätze schließen lassen.
C.
Notwendigkeit einer Spezifizierung der Kritik
Die obige Betrachtung hat ergeben, dass das Maßgeblichkeitsprinzip als gesetzgeberische Konkretisierung des objektiven Nettoprinzips zu verstehen ist, dessen besondere Bedeutung vor allem in der zeitlichen Zuordnung von Veränderungen des Betriebsvermögens liegt. Inhaltlich richtet sich die hier ins Auge gefasste Kritik am Maßgeblichkeitsprinzip somit gegen die aus den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung resultierenden Prinzipien zur zeitlichen Zuordnung der Erfolgsbeiträge. Offenbar wird für die steuerrechtliche Gewinnermittlung eine von den handelsrechtlichen Grundprinzipien abweichende Zuordnung befürwortet. Insofern erscheint es wenig hilfreich, pauschal zu behaupten, das Maßgeblichkeitsprinzip als solches laufe der steuerlichen Zielsetzung, der Erfassung des „vollen Gewinns“ unter Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten, zuwider30. Eine verfassungsrechtliche Überprüfung muss sich vielmehr auf die Frage konzentrieren, inwieweit die einzelnen Bilanzierungsprinzipien den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Ausgestaltung der steuerlichen Bemessungsgrundlage genügen31. In dieser Eingrenzung zeigt sich, dass sich die Kritik an der steuerlichen Gewinnermittlung nach den Grundaussagen des Maßgeblichkeitsprinzips insbesondere auf die zeitliche Zuordnung negativer Erfolgsbeiträge nach
Schön StuW 1995, 366, 377; Schön StbJb 1998/99, 353f; Schön ZHR 161 (1997), 133, 142; Schön WPg-Sonderheft 2001, 74, 79; Stobbe FR 1997, 361, 362; Himmelreich FS W. Müller, 2001, S. 613, 617; Söffing FS Budde, 1995, S. 635, 658f; vgl. auch Kahle WPg 2002, 178, 179. 29 So insbesondere Schön StuW 1995, 366, 376; Gassner/Lang, Das Leistungsfähigkeitsprinzip im Einkommen- und Körperschaftsteuerecht, 2000, S. 8; Moxter BB 1997, 195; vgl. insoweit auch die Ausführungen von Kahle WPg 2002, 178, 185. 30 Vgl. Kahle WPg 2002, 178, 185. 31 Dauber, Das Realisationsprinzip als Grundprinzip der steuerlichen Gewinnermittlung, 2003, S. 88ff.
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Notwendigkeit einer Spezifizierung der Kritik
dem Imparitätsprinzip konzentriert32. Von einem einheitlichen Bild der Kritik kann indes keine Rede sein. Im Rahmen der Diskussion um die steuerliche Berechtigung des Imparitätsprinzips ist ein spektakulärer Streit33 darüber entstanden, ob die Korrekturen auf die Abschaffung der Bildung von Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften beschränkt bleiben können oder ob die angeführten Erwägungen nicht auf die steuerliche Teilwertabschreibung ausgedehnt werden müssen. Vor allem Siegel aber auch Weber-Grellet haben insoweit nachdrücklich die Position bezogen, dass sie die Bildung von Drohverlustrückstellungen ablehnen, während die Teilwertabschreibung nach ihrer Auffassung jedoch weiterhin ihre Berechtigung haben soll34. Demgegenüber hat der Steuergesetzgeber35 im Hinblick auf die 1998 erwogene Abschaffung der Teilwertabschreibung die Auffassung vertreten, dass das handelsrechtliche Imparitätsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB) und damit auch das Niederstwertprinzip (§§ 253 Abs. 2 S. 3; Abs. 3 HGB) mit dem Gebot einer Besteuerung nach Maßgabe wirtschaftlicher Leistungsfähigkeitsprinzip unvereinbar sei. Grundsätzlich sei erst die Realisation des Verlustes steuerlich zu berücksichtigen. Insofern habe auch die Teilwertabschreibung keine Berechtigung in der steuerlichen Gewinnermittlung. Begründet wurde das geplante Verbot einer steuerlichen Teilwertabschreibung ferner mit einem Vergleich mit Beziehern von Überschusseinkünften, insbesondere Arbeitnehmern36. Demnach war die geplante Abschaffung der Teilwertabschreibung im StEntlG 1999/2000/2002 als konsequente Weiterentwicklung der Abschaffung der Drohverlustrückstellung gedacht. Im Entwurf wurde jedoch zugleich betont, dass sowohl bei Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens als auch des Umlaufvermögens eine AfaA weiterhin möglich sein soll (§ 7 Abs. 1 S. 5 a.F. EStG). Offenbar sah 32 Weber-Grellet DB 1997, 2233, 2235; Lauth DStR 2000, 1365, 1368; Schulze-Osterloh DStJG 23 (2000), 67, 70ff. 33 Siegel StuB 1999, 195ff; dagegen Küting/Kessler StuB 2000, 21ff; dagegen wiederum Siegel StuB 2000, 29ff; dagegen Hoffmann StuB 2000, 248ff; dagegen wiederum Siegel StuB 2000, 564ff, mit Replik von Hoffmann StuB 2000, 568ff; vgl. auch Ott StuB 2000, 569ff. Fortsetzung des Streites durch Kessler StuB 2000, 1091ff, mit Erwiderung von Siegel StuB 2000, 1096ff mit Replik von Kessler StuB 2000, 1095f. 34 Siegel StuB 1999, 195, 200; Siegel StuB 2000, 29, 33; Siegel StuB 2000, 564ff; Siegel StuB 2000, 1096ff; vgl. auch die Äußerungen Weber-Grellets DB 1998, 2435, 2437, 2439; Weber-Grellet StbJb 1997/98, 275, 287 in Bezug auf die Einschränkung der Teilwertabschreibung. 35 Vgl. BT-Drucks. 14/23, S. 238, Begründung zu § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG; zustimmend Scheffler StuB 2000, 489, 494. Die Notwendigkeit einer Gleichbehandlung von Drohverlustrückstellungen und Teilwertabschreibungen sehen auch Heddäus BB 1997, 1463, 1469; Küting/Kessler StuB 2000, 21, 25f; Kessler StuB 2000, 1091ff. 36 BT-Drucks. 14/265, S. 171.
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Die Kritik von Realisations- und Imparitätsprinzip
der Gesetzgeber in der Geltendmachung von AfaA keinen Widerspruch zum Leistungsfähigkeitsprinzip. Darüber hinaus finden sich wesentlich weitergehend aber auch Stimmen, die jegliche Rückstellungsbildung aus der Steuerbilanz verbannen wollen37. Diese Stellungnahmen finden ihre Grundlagen in einer Auffassung, die unter Berufung auf den Gleichheitssatz eine vollständige Aufgabe der Gewinnermittlung mittels Vermögensvergleich und den Übergang zu einer Überschussrechnung zwecks Vereinheitlichung der Bemessungsgrundlagen fordert38. Diese nachhaltig vorgetragene Kritik hat den Gesetzgeber seit Beginn der neunziger Jahre zu weitreichenden Korrekturen im Steuerbilanzrecht veranlasst, die zu wesentlichen Einschnitten in die traditionelle Struktur des bisherigen Bilanzrechts geführt haben. Besonders markant erscheint in diesem Zusammenhang die Einfügung des § 5 Abs. 4a EStG durch das Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform vom 29. 10. 1997, die die bislang nach dem Grundsatz der Maßgeblichkeit auch für die Steuerbilanz vorgeschriebene Passivierung von Drohverlustrückstellungen39 untersagt. Das umfassende Passivierungsverbot des § 5 Abs. 4a EStG bewirkt nunmehr, dass der drohende Verlust ebenso wie der nichtrealisierte Gewinn erst im Zeitpunkt dessen Realisierung ergebniswirksam angesetzt werden kann. Im Rahmen des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 war in Fortführung dieser gesetzgeberischen Tendenzen zunächst eine vollständige Eliminierung des Imparitätsprinzips aus der steuerlichen Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich durch Abschaffung der Möglichkeit einer Teilwertabschreibung vorgesehen. Obwohl dieses Vorhaben letztlich nicht verwirklicht wurde, sondern die Geltendmachung einer Teilwertabschreibung lediglich von der Voraussetzung einer „voraussichtlich dauernden Wertmin37 Doralt DB 1998, 1357f. 38 Vgl. Wagner in: Hax, Kern, Schröder, Zeitaspekte in betriebswirtschaftlicher Theorie und Praxis, 1989, S. 261, 263ff; Wagner in: Smekal/Sendlhofer/Winner, Einkommen versus Konsum, 1999, S. 15ff; vgl. auch Ehrhardt-Rauch DStZ 2001, 423ff; WeberGrellet, Steuern im modernen Verfassungsstaat, 2001, S. 330; Weber-Grellet StuB 2002, 700, 706; vgl. dazu nun auch Tipke FS Kruse, 2001, 215, 219; einem Übergang zu einem Kassenvermögensvergleich offen gegenüberstehend auch Hennrichs StuW 1999, 138, 153; Lauth DStR 2000, 1365, 1371; Herzig/Hausen DB 2004, 1ff. Erwähnenswert scheint in diesem Zusammenhang, dass der Ertrag aus Gewerbebetrieb in der Zeit vor dem Maßgeblichkeitsprinzips in den Preußischen Einkommensteuergesetzen 1851 und 1873 aufgrund einer Art Einnahmen-Überschussrechnung ermittelt wurde, vgl. Sigloch BFuP 2000, 157, 159. 39 Zur Ansatzpflicht von Drohverlustrückstellungen nach dem Maßgeblichkeitsgrundsatz vgl. zuletzt BFH GrS v. 23. 6. 1997, BStBl II 1997, 735.
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Notwendigkeit einer Spezifizierung der Kritik
derung“ abhängig gemacht wurde, bleibt zu befürchten, dass der Gesetzgeber bei zukünftigem Haushaltsbedarf sein Vorhaben wieder aufgreifen wird. Die gesetzgeberischen Bestrebungen zur Abschaffung eines imparitätisch ermittelten Erfolgsausweises sind trotz der auf unterschiedlichen Prämissen beruhenden systematischen Fundierung des Imparitätsprinzips schon allein wegen ihres Eingriffs in die bisher geltende Systematik der steuerlichen Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich heftig kritisiert worden40. Bemerkenswert erscheint insbesondere, dass erhebliche Kritik an den gesetzgeberischen Änderungen auch aus den Reihen derjenigen resultierte, die den Nettorealisationsgedanken konturiert haben und so erst die gedankliche Grundlage für die gesetzgeberischen Umgestaltungsmaßnahmen geschaffen haben41. Die gesetzgeberischen Einschnitte blieben jedoch nicht auf den Bereich des eigentlichen Imparitätsprinzips beschränkt. Einschränkungen des Maßgeblichkeitsprinzips wurden ferner im Bereich der Bildung von Verbindlichkeitsrückstellungen vorgenommen. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang die Verschärfung der Voraussetzungen der Bildung von Rückstellungen für Patentrechtsverletzungen und Dienstjubiläen (§§ 5 Abs. 3, Abs. 4 EStG). In § 5 Abs. 4 b EStG ist darüber hinaus ein Verbot der Rückstellungsbildung für Aufwendungen, die Anschaffungs- oder Herstellungskosten für ein Wirtschaftsgut sind, sowie für die Entsorgungskosten radioaktiver Brennelemente vorgesehen. Schließlich müssen Verbindlichkeiten mit einer Laufzeit ab 12 Monaten sowie Verpflichtungsrückstellungen abgezinst werden (§§ 6 Abs. 1 Nr. 3, 6 Abs. 1 Nr. 3a lit. e EStG). Um den Standpunkt von Kritik und h.M. sowie die gesetzgeberischen Korrekturen auf Systematik und Berechtigung untersuchen zu können, erscheint somit eine Analyse geboten, welche möglichen Grundvorstellungen entwickelt werden können, nach denen das objektive Nettoprinzip in zeitlicher Hinsicht in sich konsistent konturiert werden kann, wenn sich der Gesetzgeber dafür entschieden hat, auf die Entwicklung eines Erwerbsvermögens ab-
40 Bordewin FR 1997, 226, 231f; Küting/Kessler StuB 2000, 21, 26ff; Herzig, IAS/IFRS und steuerliche Gewinnermittlung, 2004, S. 310ff; Esterer Symposium Jacobs, 2005, S. 110. 124; vgl. auch Wiesbrock, Die Verlustrückstellung im Steuer- und Verfassungsrecht, 1999, S. 85f. Wiesbrock weist zutreffend darauf hin, dass die Bildung von Drohverlustrückstellungen nicht lediglich eine Gestaltungsmöglichkeit zur Legung stiller Reserven ist, sondern als Ausprägung des Imparitätsprinzips der Berücksichtigung von Vermögensminderungen dient; a.A. Weber-Grellet DB 1997, 2233, 2235, der die Abschaffung der Drohverlustrückstellungen unter steuerlichen Gesichtspunkten als systemgerecht bezeichnet; so nun auch FG Rheinland-Pfalz v. 18. 11. 2002, EFG 2003, 289, 292; FG Bremen v. 26. 8. 2004, EFG 2004, 1588, 1590. 41 Moxter DB 1997, 1477, 1478: „Fiskalischer Beutefeldzug“.
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Die Kritik von Realisations- und Imparitätsprinzip
zustellen42. Allein diese Grundvorstellungen legen den Regelfall fest, wann im Rahmen eines Vermögensvergleichs eine Änderung des Betriebsvermögens angenommen werden kann. Aus diesem Grund ist insbesondere der h.M.43 in der Aussage zuzustimmen, dass sich die Kritik immer dann als zu pauschal erweist, wenn die Forderung nach Erfassung des „vollen Gewinns“ erhoben wird, ohne preiszugeben, welcher Vergleichsmaßstab zur Beurteilung von Realisationsprinzip und Imparitätsprinzip dienen soll. Küting/Kessler haben in diesem Sinne zutreffend bemerkt, dass der Gegenstand der Steueranknüpfung, die Veränderung der steuerlichen Leistungsfähigkeit zwischen zwei Stichtagen gemessen durch die jeweilige Vermögensänderung innerhalb des Wirtschaftsjahres, eine Präzisierung des Leistungsfähigkeitsindikators „Vermögensänderung“ fordert44. Es scheint somit geboten aufzuzeigen, auf welche Art und Weise das nach der Veränderung des Reinvermögens bemessene Einkommen periodisiert werden kann45. Jede der dabei angesprochenen Grundvorstellungen weist der jeweiligen Periode einen Gewinn zu, der gemessen an der jeweiligen Grundvorstellungen den „vollen Gewinn“ umschreibt. Erst anhand dieser Grundvorstellungen erscheint es möglich, die für das Steuerrecht relevante Periodisierung nach dem Realisationsprinzip und dem Imparitätsprinzip i.S. eines Regel-AusnahmeVerhältnisses einzuordnen. In einem zweiten Schritt müssen die herausgearbeiteten Grundvorstellungen zum Vorliegen einer Vermögensänderung bei einem Vermögensvergleich jedoch im Hinblick auf etwaige verfassungsrechtlichen Präferenzen bewertet werden.
42 Vgl. Kahle WPg 2002, 178, 185. 43 Vgl. auch Drüen FR 2001, 992, 995; Hennrichs DStJG 24 (2001), 301, 309; dezidiert Kahle WPg 2002, 178, 185. 44 Küting/Kessler StuB 2000, 21, 22f; Kahle WPg 2002, 178, 185. 45 Mit dieser Fragestellung auch Wiesbrock, Die Verlustrückstellung im Steuer- und Verfassungsrecht, 1999, S. 135.
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Theoretische Grundvorstellungen
D.
Theoretische Grundvorstellungen zum Vorliegen einer stichtagsbezogenen Änderung im Betriebsvermögen46
I.
Der Kassenvermögensvergleich: Konzeption eines zahlungsorientierten Einkommensbegriffs
Eine theoretische Möglichkeit besteht darin47, zur Steuerbemessung nicht auf die Verfügungsmacht über knappe Ressourcen allgemein abzustellen, sondern lediglich an die Verfügungsmacht über Finanzmittel anzuknüpfen48. Der zur Einkommensermittlung berücksichtigte Reinvermögensbestand wird allein auf das reine Kassenvermögen reduziert, so dass zur Steuerbemessung einer Periode lediglich der Kassenbestand zweier Stichtage ins Verhältnis gesetzt werden kann (sog. Kassenvermögensvergleich)49. Da bei diesem Konzept die Erfolgsrealisation mit den jeweiligen Zahlungszeitpunkten zusammenfällt, kann das periodische Einkommen auch stromorientiert als Differenz der in der Periode zu- bzw. abgeflossenen Ein- und Auszahlungen dargestellt werden50. Die daraus resultierenden Konsequenzen werden insbesondere dann deutlich, wenn man die Wirkung der Anschaffung eines Wirtschaftsgutes mit mehrperiodigem Nutzungspotential auf die Steuerbemessungsgrundlage in den Blickpunkt rückt51. Nach diesem Leistungsfähigkeitsverständnis min46 Vgl. zur nachfolgenden Kategorisierung, Schiele, Unternehmensbesteuerung und Handelsbilanz, 2000, S. 48ff; Sigloch FS Schneider, 1995, S. 673, 680ff; Kraft, Steuergerechtigkeit und Gewinnermittlung, 1991, S. 48ff. 47 Sinn, Kapitaleinkommensbesteuerung, 1985, S. 125ff; Dorenkamp StuW 2000, 121ff; Wagner in: Smekal/Sendlhofer/Winner, Einkommen versus Konsum, 1999, S. 15ff; Wenger in: Smekal/Sendlhofer/Winner, Einkommen versus Konsum, 1999, S. 37ff. 48 Vgl. Kraft, Steuergerechtigkeit und Gewinnermittlung 1991, S. 53; Lauth DStR 2000, 1365, 1371; Sigloch FS Schneider, 1995, 673, 682; Nguyen-Thanh/Rose/Thalmeier StuW 2003, 169ff. 49 Vgl. Sigloch FS Schneider, 1995, S. 673, 682. 50 Sigloch FS Schneider, 1995, S. 673, 682; Schiele, Unternehmensbesteuerung und Handelsbilanz, 2000, S. 48; Kraft, Steuergerechtigkeit und Gewinnermittlung, 1991, S. 52. Damit unterscheidet sich diese Konzeption aber auch von der EinnahmenÜberschuss-Rechnung des § 4 Abs. 3 EStG, die lediglich als Vereinfachung der Vermögensvergleichsrechnung angesehen wird und für Anlagevermögen eine Periodisierung vorsieht. Vgl. zum Verhältnis des § 4 Abs. 3 EStG zur nachgelagerten Besteuerung Dorenkamp StuW 2000, 121, 123. 51 Vgl. Siegel StuB 2000, 1096, 1097; Kraft, Steuergerechtigkeit und Gewinnermittlung, 1991, S. 53.
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Die Kritik von Realisations- und Imparitätsprinzip
dert sich im Beschaffungszeitpunkt die steuerliche Bemessungsgrundlage durch Abgang liquider Mittel (Sofortabschreibung), obwohl als Gegenleistung ein Gegenstand mit gleichwertigem Nutzungspotential erworben wird und insofern lediglich die finanzielle nicht aber die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit abgenommen hat52. Im Rahmen der cash-flow-Besteuerung sind im Hinblick auf die Erfassung bzw. Ausgrenzung der Kreditfinanzierung mehrere Modelle zu unterscheiden53. Durch die enge Definition des zu berücksichtigenden Reinvermögens entfallen bei dieser Methode der Bemessung des stichtagsbezogenen Reinvermögens jegliche Bewertungsprobleme, so dass eine intersubjektive Nachprüfbarkeit jederzeit gegeben ist54. Vergleicht man die steuerliche Gewinnermittlung in Anlehnung an das Maßgeblichkeitsprinzip mit einem am Kassenvermögensvergleich orientierten Vergleichsmaßstab, können im Hinblick auf die zeitliche Zuordnung von Erfolgsbeiträgen keinerlei Gemeinsamkeiten festgestellt werden. In letzter Konsequenz55 führt eine rein zahlungsorientierte Interpretation des Vermögensvergleichs im Gegenteil sogar zu der Forderung, für das Steuerrecht die traditionelle Gewinnermittlung mittels bilanziellem Betriebsvermögensvergleich komplett aufzugeben und durch eine Überschussrechnung zu ersetzen56.
52 Kraft, Steuergerechtigkeit und Gewinnermittlung, 1991, S. 53; Hommel BB 2001, 247, 248. 53 Vgl. Sigloch FS Schneider, 1995, S. 673, 682; eine detaillierte Darstellung der verschiedenen Konzepte der Cash-Flow-Besteuerung findet sich bei Bach in: Smekal/Sendlhofer/Winner, Einkommen versus Konsum, 1999, S. 85ff. Die unterschiedlichen Varianten der Cash-Flow-Besteuerung unterscheiden sich insbesondere dadurch, ob lediglich realwirtschaftliche oder real- und finanzwirtschaftliche (Kreditaufnahme, Kredittilgung und Zinszahlung) Zahlungen berücksichtigt werden. 54 Vgl. Sigloch FS Schneider, 1995, S. 673, 682; Schiele, Unternehmensbesteuerung und Handelsbilanz, 2000, S. 48; Kraft, Steuergerechtigkeit und Gewinnermittlung, 1991, S. 53. 55 Küting/Kessler StuB 2000, 21, 26. 56 Diese Konsequenz zieht letztlich auch Weber-Grellet DStR 1998, 1343, 1348f. Einem Systemwechsel in Richtung Überschussrechnung zur Gewinnermittlung im betrieblichen Bereich stehen u.a. auch Hennrichs StuW 1999, 138, 152f; Ehrhardt-Rauch DStZ 2001, 423ff; Tipke FS Kruse, 2001, S. 215, 218f; Schreiber StuW 2002, 105, 108; Lauth DStR 2000, 1265, 1371; Nguyen-Thanh/Rose/Thalmeier StuW 2003, 169ff; Herzig/Hausen DB 2004, 1ff offen gegenüber. An dieser Stelle sei nur angemerkt, dass die Weber-Grellet`sche Konzeption einer Überschussrechnung für den gewerblichen Bereich nicht soweit geht, dass damit in den Belastungswirkungen eine cash-flow-Steuer auf Basis einer nachgelagerten Besteuerung angestrebt werden. Die Weber-Grellet`sche Idee einer Überschussrechnung soll an innerperiodischen Gleichmäßigkeitsvorstellungen orientiert bleiben, während durch das Konzept der nachgela-
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Theoretische Grundvorstellungen
II.
Ableitung und Konzeption der Reinvermögenszuwachstheorie
Im Gegensatz zum Kassenvermögensvergleich kann man den Versuch machen, einen Vermögensvergleich umfassend auszugestalten. Korrekterweise müsste dabei der Vermögensvergleich an das Gesamtvermögen des Unternehmens anknüpfen. Beim Gesamtvermögensvergleich wird Vermögen umfassend i.S. zukünftiger Zahlungen interpretiert. Angeknüpft wird insofern an den Gesamtwert der Unternehmung i.S. des Barwertes aller erwarteten zukünftigen Einnahmenüberschüsse57. Unter Zugrundelegung der Bedingungen eines vollkommenen Kapitalmarktes und sicherer Erwartungen unterscheiden sich Periodenanfangsvermögen und Periodenendvermögen lediglich durch den Zeiteffekt, der auf der um eine Periode geringeren Abzinsung des zukünftigen Zahlungsstroms beruht58. Als Differenz beider Vermögensstände und damit als Einkommen stellt sich folglich der Zins auf das Anfangsvermögen dar. Das Einkommen i.S. des kapitaltheoretischen (ökonomischen) Gewinns59 entspricht damit den Zinsen auf den Ertragswert60. Ein positiver oder negativer Anfangskapitalwert selbst zählt nicht zum steuerpflichtigen Ertrag61. Damit hat der kapitaltheoretische Gewinn eine ausschließlich prospektive Ausrichtung. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die genannte Zinsdifferenz jeweils entnahmefähig ist, ohne dass sich der Ertragswert ändert62. Der kapitaltheoretische Gewinn definiert folglich Einkommen als den Betrag, der bei Erhalt der Einkommensquelle entnommen werden kann. Unter den Bedingungen eines vollkommenen Kapitalmarktes und vollkommener Voraussicht zeigt sich, dass der kapitaltheoreti-
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gerten Besteuerung überperiodische Gleichmäßigkeitsvorstellungen verwirklicht werden sollen. Schiele, Unternehmensbesteuerung und Handelsbilanz, 2000, S. 49. Moxter, Betriebswirtschaftliche Gewinnermittlung, 1982, S. 45, 47; Koniarski, Einkommen als Maßstab steuerlicher Leistungsfähigkeit, 1984, S. 87. Zurückgehend auf Lindahl, The concept of income in: Economic essays in honour of Gustav Cassel, 1933, S. 399ff; Hicks, Value and Capital, 1946, S. 172ff. Schneider, Investition, Finanzierung und Besteuerung, 1990, S. 191ff; Koniarski, Einkommen als Maßstab steuerlicher Leistungsfähigkeit, 1984, S. 72; Moxter, Betriebswirtschaftliche Gewinnermittlung, 1982, S. 147; Sigloch FS Schneider, 1995, S. 673, 680; kritisch Wenger in: Smekal/Sendlhofer/Winner, Einkommen versus Konsum, 1999, S. 37, 50ff Der kapitaltheoretische Gewinn führt somit zur Erhaltung des Anfangsertragswertes, vgl. Sigloch FS Schneider, 1995, S. 673, 680. Koniarski, Einkommen als Maßstab steuerlicher Leistungsfähigkeit, 1984, S. 72.
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sche Gewinn den idealen Indikator steuerlicher Leistungsfähigkeit darstellt63. Darüber hinaus wird auch Entscheidungsneutralität erreicht64. Lässt man diese einschränkenden Voraussetzungen fallen und geht von der in der Realität geltenden Bedingung eines unvollkommenen Kapitalmarktes und Unsicherheit aus, erweist sich der kapitaltheoretische Gewinn jedoch nicht mehr als geeignete Konzeption zur Darstellung steuerlicher Leistungsfähigkeit65. Eine prospektive Ermittlung aller künftigen Einzahlungsüberschüsse der Unternehmung, wie dies für den kapitaltheoretischen Gewinn vorausgesetzt ist, ist unter den Bedingungen unvollkommener Information und der Ungewissheit künftiger Entwicklungen schlichtweg unmöglich66. Gibt man die Prämisse vollkommener Sicherheit auf, muss daher insbesondere ein sich im Zeitverlauf ändernder Erwartungshorizont berücksichtigt werden. Einkommen kann daher nicht als uniforme Einkommensreihe ermittelt werden67. Der kapitaltheoretische Gewinn ist damit nur bei Grenzinvestitionen ohne Unter- und Überrenditen mit den Konzepten der Reinvermögenszuwachstheorie vergleichbar68. Aufgrund dieser Unzulänglichkeiten des kapitaltheoretischen Gewinns will der Einkommensbegriff der Reinvermögenszuwachstheorie69 jede Änderung 63 Vgl. Kraft, Steuergerechtigkeit und Gewinnerermittlung, 1991, S. 49; Koniarski, Einkommen als Maßstab steuerlicher Leistungsfähigkeit, 1984, S. 86ff. 64 Vgl. Schneider DB 1999, 105f; Kraft, Steuergerechtigkeit und Gewinnermittlung, 1991, S. 49; Sigloch FS Schneider, 1995, S. 773, 680. 65 Koniarski, Einkommen als Maßstab steuerlicher Leistungsfähigkeit, 1984, S. 87ff; Kraft, Steuergerechtigkeit und Gewinnermittlung, 1991, S. 48ff; Schneider DB 1999, 105f. 66 Als besonders problematisch erweisen sich sog. windfall profits (als windfalls bezeichnet man unerwartete Vermögenszuwächse über den Plangewinn, vgl. Moxter, Betriebswirtschaftliche Gewinnermittlung 1982, S. 148) und Zinsänderungen, vgl. Koniarski, Einkommen als Maßstab steuerlicher Leistungsfähigkeit, 1984, S. 76. 67 Kraft, Steuergerechtigkeit und Gewinnermittlung, 1991, S. 50. 68 Sigloch FS Schneider, 1995, S. 673, 680. 69 Die Reinvermögenszuwachstheorie wurde maßgeblich von Haig und Simons als Fortführung der von Schanz`schen Einkommensvorstellungen in den USA entwickelt. Robert M. Haig, The Cocept of Income - Economic and Legal Aspects in: Haig: The Federal Income Tax, New York, 1921, S. 1ff (Wiederabdruck in: Readings in the Economics of Taxation, Hrsg. American Econ. Assoc., London 1959, S. 54ff); Henry C. Simons, Personal Income Taxation, 1938, S. 41ff, 50, 80ff; Ebnet, Die Besteuerung des Wertzuwachses, 1978, S. 87ff; Hackmann in: Hansmeyer, Staatsfinanzierung im Wandel, 1983, S. 661, 669ff; Döring DStR 1977, 271ff; Royal Commission on Taxation, 1966, Bd. 3, S. 39ff; vgl. auch Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium für Finanzen, Schriftenreihe des Bundesministeriums der Finanzen, Heft 9, 1967, S. 23ff; vgl. auch Koniarski, Einkommen als Maßstab steuerlicher Leitungsfähigkeit,
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Theoretische Grundvorstellungen
des in der zu beurteilenden Periode erzielten Zuwachses an Konsummöglichkeiten als Periodengewinn erfassen und die Kapitalwerte in die periodische Bemessungsgrundlage integrieren70. Dies hat im Gegensatz zum vorstehend erörterten Kassenvermögensvergleich die bedeutsame Folge, dass bei Anschaffung eines Wirtschaftsgutes mit mehrperiodigem Nutzungspotential trotz Minderung der finanziellen Leistungsfähigkeit aufgrund des Zugangs eines Gegenstand mit gleichwertigem Nutzenpotential eine Änderung der Leistungsfähigkeit mangels Veränderung der Verfügungsmacht über knappe Ressourcen nicht anerkannt werden kann71. Der Umfang des in den Betriebsvermögensvergleich einzubeziehenden stichtagsbezogenen Reinvermögens wird im Rahmen der Reinvermögenszuwachstheorie durch das Kriterium der wirtschaftlichen Verursachung konkretisiert. Von stichtagsbezogener Relevanz sind demnach alle positiven und negativen Reinvermögenselemente, die wirtschaftlich entstanden sind72. Aufgrund der ausschließlichen Bezugnahme auf die Wertentwicklung von Wirtschaftsgütern und der Irrelevanz einer marktmäßigen Realisation von Wertänderungen umfasst das Reinvermögen im Gegensatz zur Reinvermögenszugangstheorie auch wirtschaftliche Vorteile und Lasten, die nicht selbständig veräußerbar sind, sondern nur im Rahmen einer Gesamtveräußerung des Unternehmens übertragen werden können73. Zur Bemessung des stichtagsbezogenen Reinvermögens wäre somit korrekterweise auf das Gesamtvermögen abzustellen74. Beurteilungsmaßstab ist nach der Reinvermögenszuwachstheorie die
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1984, S. 102ff; Kammann, Stichtagsprinzip und zukunftsorientierte Bilanzierung, 1988, S. 80. Vgl. Koniarski, Einkommen als Maßstab steuerlicher Leistungsfähigkeit, 1984, S. 78; Kraft, Steuergerechtigkeit und Gewinnermittlung, 1991, S. 57f. Vgl. Kraft, Steuergerechtigkeit und Gewinnermittlung, 1991, S. 53; Siegel StuB 2000, 1096, 1097; Hommel BB 2001, 247, 248; vgl. auch Wassermeyer WPg 2002, 10, 12. Gemessen an diesen Vorstellungen wird durch einen reinen Kassenvergleich, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Steuerpflichtigen nur sehr unzureichend abgebildet, da durch die Sofortabschreibung das Nutzungspotential des angeschafften Gegenstandes mit Null angesetzt wird. Unabhängig von der jeweiligen Ausgestaltung ist allen Varianten der Reinvermögenszugangstheorie jedoch gemein, dass eine Minderung des stichtagsbezogenen Reinvermögens im Hinblick auf den jeweiligen Gegenstand lediglich allmählich eintreten kann. Vgl. Kraft, Steuergerechtigkeit und Gewinnermittlung, 1991, S. 61. Hackmann in: Hansmeyer, Staatsfinanzierung im Wandel, 1983, S. 661, 669f; vgl. Kraft, Steuergerechtigkeit und Gewinnermittlung, 1991, S. 57; Schneider, Steuerbilanzen, 1978, S. 54f. Die Ansatzfähigkeit ist somit unabhängig von der Verkehrsfähigkeit und richtet sich allein nach dem potentiellen Erfolgsbeitrag für das Gesamtunternehmen. Sigloch FS Schneider, 1995, S. 673, 680f. Von dieser Erkenntnis hat sich bereits die ursprüngliche Teilwertidee leiten lassen.
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Die Kritik von Realisations- und Imparitätsprinzip
periodenbezogene Wertentwicklung des Gesamtvermögens. Theoretisch richtig wäre es, die stichtagsbezogene Gesamtbewertung mit dem Ertragswert durchzuführen75. Das periodische Einkommen ergibt sich dann aus der Differenz der Ertragswerte am Ende und zu Beginn des Abrechnungszeitraums, die jeweils vor dem Hintergrund des jeweiligen Kenntnisstandes ermittelt werden76. Unter den Bedingungen eines vollkommenen Kapitalmarktes und Sicherheit führt dies zum Ausweis des kapitaltheoretischen Gewinns77. Die tatsächlichen Unzulänglichkeiten führen jedoch zu der Notwendigkeit, das Kriterium der wirtschaftlichen Entstehung restriktiv in dem Sinne zu interpretieren, dass ein Reinvermögenselement erst dann zu berücksichtigen ist, wenn eine damit in Zusammenhang stehende Änderung des Marktwertes des Gesamtunternehmens erkennbar ist78. Die Notwendigkeit der Ermittlung des stichtagsbezogenen Vermögensstandes mittels Gesamtbewertung erscheint vor dem Hintergrund der Notwendigkeit intersubjektiv nachprüfbarer Ergebnisse jedoch nicht praktikabel. Aus Gründen der Objektivierung muss daher zur Ermittlung einer Vermögensänderung hilfsweise auf eine Einzelbewertung zurückgegriffen werden79. Beim Einzelvermögensvergleich können Verbundeffekte aber nicht ausreichend erfasst werden, so dass das zur Einkommensmessung herangezogene Vermögen gegenüber dem Gesamtvermögensvergleich erheblich eingeschränkt wird80. Mit dieser Einordnung wird auch der Zeitpunkt der Entstehung eines einzelnen positiven oder negativen Reinvermögenselemen75 Vgl. Schneider, Steuerbilanzen, 1978, S. 59; Kraft, Steuergerechtigkeit und Gewinnermittlung, 1991, S. 58; Moxter DStR 1998, 509, 510; Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, 2000, S. 138; Sigloch FS Schneider, 1995, S. 673, 680f. 76 Sigloch FS Schneider, 1995, S. 673, 681. 77 Kraft, Steuergerechtigkeit und Gewinnermittlung, 1991, S. 49. 78 Hackmann in: Hansmeyer, Staatsfinanzierung im Wandel, 1983, S. 661, 669; vgl. Kraft, Steuergerechtigkeit und Gewinnermittlung, 1991, S. 62. Wiesbrock hat darauf hingewiesen, dass die Aufteilung des Gesamtwertes auf Einzelwirtschaftsgüter bei einem die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen determinierenden Betriebsvermögensvergleich eigentlich entbehrlich erscheint, da als Maßstab nur die Veränderung der Leistungsfähigkeit im ganzen interessiert und nicht der Beitrag einer einzelnen wirtschaftlichen Position, vgl. Wiesbrock, Die Verlustrückstellung im Steuer- und Verfassungsrecht, 1999, S. 176f. 79 Hackmann in: Hansmeyer, Staatsfinanzierung im Wandel, 1983, S. 661, 669, 675f; Royal Commission on Taxation, 1966, Bd. 3. S. 50ff; Jüttner; GoB-System, Einzelbewertungsgrundsatz und Imparitätsprinzip, 1993, S. 137ff; Kahle WPg 2002, 178, 184; vgl. auch Wiesbrock, Die Verlustrückstellung im Steuer- und Verfassungsrecht, 1999, S. 176f. 80 Sigloch FS Schneider, 1995, S. 673, 681.
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Theoretische Grundvorstellungen
tes insofern bestimmt, als es auf dessen Auswirkungen auf den Marktwert des Unternehmens ankommt. Als problematisch erweist sich jedoch, was als einzelnes positives oder negatives Reinvermögenselement anzusehen ist. Auf Basis des Prinzips der Einzelbewertung bestehen für die Bestimmung des stichtagsbezogenen Stands des Reinvermögens prinzipiell zwei Möglichkeiten81, die schon im Hinblick auf die Festlegung eines fortführungsstatischen Teilwertmaßstabes angerissen wurden. Das Konzept der wiederbeschaffungsgeprägten Zeitwertstatik löst die Problematik der Periodenabgrenzung, indem im Rahmen einer streng statischen Betrachtungsweise positive und negative Reinvermögenselemente, verstanden als Vermögenswerte, einzeln mit den jeweiligen stichtagsbezogenen Zeitwerten erfasst werden82. Objektivierungsbedingt orientiert man sich somit zur Darstellung der positiven und negativen Reinvermögenselemente an den zivilrechtlichen Strukturen von Gegenständen und Schulden83. In diesem Sinne wird die Veränderung des Reinvermögens durch die Wertentwicklung der einzelnen Reinvermögenselemente gekennzeichnet, wobei sich Vermögensmehrungen als Gewinne, Vermögensminderungen als Verluste darstellen84. Nach diesen Grundsätzen enthalten alle in der Bilanz ausgewiesenen Positionen werthaltige Einzelposten. Gegenübergestellt werden danach die in den Aktiva enthaltenen Werte und die rechtlich oder wirtschaftlich entstandenen Verpflichtungen, die nach der Verkehrsanschauung Dritten gegenüber bestehen85. Der jeweilige Zeitwert eines positiven oder negativen Reinvermögenselementes wird unter Fortführungsgesichtspunkten grundsätzlich wiederbeschaffungsorientiert danach bestimmt, welchen Preis ein potentieller Erwerber für den Gegenstand zahlen würde. Schulden (negative Reinvermögenselemente) müssen in diesem Sinne mit den sog. Wegschaffungskosten erfasst werden, also dem Betrag der aufgewandt wer-
81 Vgl. Breidert BB 2001, 979, 983; Glanegger in: Schmidt, EStG, 24. Auflage, 2005, § 6 Rn 215. 82 Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, 1981/88 S. 366; KnobbeKeuk, Bilanz- und Unternehmensteuerrecht, 9. Auflage, 1993, S. 15f; Küting/Kessler StuB 2000, 21ff; vgl. Kraft, Steuergerechtigkeit und Gewinnermittlung, 1991, S. 57, 58, 86; siehe auch Schneider, Steuerbilanzen, 1978, S. 59. 83 Kammann, Stichtagsprinzip und zukunftsorientierte Bilanzierung, 1988, S. 254; vgl. auch Heddäus, Handelsrechtliche Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung für Drohverlustrückstellungen, 1997, S. 18. 84 Küting/Kessler StuB 2000, 21, 22ff; Küting/Kessler DStR 1998, 1937ff; Kessler DB 1997, 2441, 2445f; ähnlich auch Kammann, Stichtagsprinzip und zukunftsorientierte Bilanzierung, 1988, S. 360; Hennrichs StuW 1999, 138, 142f. 85 Vgl. Kraft, Steuergerechtigkeit und Gewinnermittlung, 1991, S. 62.
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den muss, um sich des Passivums zu entledigen86. Die Vermögensänderung resultiert dann aus einer Veränderung dieser Einzelwerte. Moxter87 hat diese Konzeption treffend als am Vermögenswertanteil orientiert bezeichnet. Demgegenüber erscheint es jedoch ebenfalls möglich, sich zur Bestimmung eines Reinvermögenselementes im Ausgangspunkt an dem Gedanken der Zuordnung von Ertrag und jeweils zugehörigem Aufwand zu orientieren (vgl. insoweit den Nettorealisationsgedanken)88. Der Einzelbewertungsgrundsatz i.S. der jeweils in Augenschein genommenen Zurechnungseinheit wird somit zwangsläufig in Anlehnung an die Gewinnermittlungsprinzipien konturiert89. Die wertmäßige Entwicklung wird dann jedoch nicht in Vermögensänderungen, sondern in Erfolgsbeiträgen gemessen90. Ein positives Reinvermögenselement liegt nach dieser Konzeption dann vor, wenn ein Einnahmenüberschuss über die die Erträge alimentierenden Aufwendungen vorliegt, der zukünftig positiv in die GuV-Rechnung einfließt91. Umgekehrt führt ein Aufwandsüberschuss mit entsprechenden negativen Auswirkungen auf die GuV-Rechnung zu einem negativen Reinvermögenselement. Im Unterschied zum Nettorealisationsgrundsatz wird insoweit aber nicht auf bereits realisierte Erträge abgestellt, vielmehr wird an die jeweiligen Potentiale unter Einbeziehung der künftigen Ertragserwartungen angeknüpft92. Die Beurteilung eines Reinvermögenselementes wird dabei insbesondere von der Veränderung der Erkenntnislage determiniert, da jeweils die Erkenntnisse des Stichtages zugrundegelegt werden müssen. Von besonderer Relevanz erweist sich somit der Einzelertragswert eines Wirtschaftsgutes. Im Gegensatz zu einer ertragswertorientierten Gesamtbewertung orientiert sich eine ertragswertorientierte Einzelbewertung an den im einzelnen Bilanzposten verkörperten positiven und negativen Nettoeinnahmeerwartungen93. Die Nettoeinnahmen ergeben sich aus den mit dem Wirtschaftsgut erzielbaren Bruttoeinnahmen abzüglich der diesem Wirtschaftsgut zuzurechnenden Aufwendungen94. Die dem Wirtschaftsgut zuzurechnenden Nettoeinnahmen 86 Vgl. Heddäus, Handelsrechtliche Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung für Drohverlustrückstellungen, 1997, S. 26. 87 Moxter FS Klein, 1994, S. 827. 88 Siehe nun Moxter DStR 1998, 509, 510. 89 Jüttner, GoB-System, Einzelbewertungsgrundsatz und Imparitätsprinzip, 1993, S. 124ff. 90 Vgl. Heddäus, Handelsrechtliche Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung für Drohverlustrückstellungen, 1997, S. 18. 91 Vgl. Moxter DStR 1998, 509, 510. 92 Vgl. Moxter DStR 1998, 509, 510. 93 Breidert BB 2001, 979, 983. 94 Breidert BB 2001, 979, 983, 984.
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Theoretische Grundvorstellungen
bestimmen den Wertansatz am Abschlussstichtag95. Das für die Reinvermögenszuwachstheorie relevante Kriterium der wirtschaftlichen Entstehung muss folglich dahingehend verstanden werden, dass die durch Aufwand geschaffenen Reinvermögensbestandteile lediglich mit ihren Nettoertragserwartungen zu bewerten sind. Im Unterschied zur zunächst erörterten Betrachtung werden im Rahmen dieser Konzeption die betrieblichen Zusammenhänge stärker berücksichtigt indem man unter Zugrundelegung einer umsatzbezogenen Betrachtung auf den erwarteten Saldo zwischen Erträgen und zugehörigem Aufwand aus einzelnen Geschäftsvorfällen abstellt96. Eine Wertermittlung von Einzelwirtschaftsgütern anhand von Erwägungen der Substitution ist bei dieser Konzeption nur noch in Ausnahmefällen möglich97. Ein drohender Aufwandsüberschuss mindert nach dieser Betrachtungsweise bereits das stichtagsbezogene Reinvermögen, da dieser von einem gedachten Erwerber des ganzen Unternehmens in dessen Kaufpreiskalkül negativ angesetzt würde98. Legt man diese Vorstellungen zu Grunde, erscheint der Begriff der Verlustantizipation vor dem Hintergrund der Idee der Reinvermögenszuwachstheorie als Missverständnis99. Die Darstellung verdeutlicht vielmehr, dass in Abhängigkeit von der Perspektive des jeweiligen Betrachters, die Wirkungen des Imparitätsprinzips nach dem Nettorealisationsgedanken zwar zukunftsbezogen interpretiert werden können, nach den Vorstellungen der Reinvermögenszuwachstheorie aber gegenwartsbezogen verstanden werden müssen. Moxter100 spricht unter diesem Gesichtspunkt insofern treffend von der Janusköpfigkeit der Kurzformel von den „künftigen“ Verlusten. Unabhängig davon, welche Konkretisierung man letztlich favorisiert, sind unter den idealen Bedingungen eines vollkommenen Kapitalmarktes101 nichtrealisierte Wertsteigerungen auf Basis der Reinvermögenszuwachstheorie zweifellos als positive Änderung der Leistungsfähigkeit einzustufen. Eine positive Wertentwicklung eines Wirtschaftsgutes steigert in diesem Sinne gleichermaßen das jeweilige Stichtagsvermögen wie ein potentieller Einnahmenüberschuss, da nach der Verkehrsauffassung alle wirtschaftlichen 95 96 97 98 99 100 101
Breidert BB 2001, 979, 984. Moxter DStR 1998, 509, 510; Hommel/Berndt FR 2000, 1305, 1307. Vgl. Müller-Dott FS Ritter, 1997, S. 215, 221. Moxter DStR 1998, 509, 510. Treffend Groh DB 1999, 978, 979f. Moxter DStR 1998, 509, 510. Dieser beinhaltet eine einheitliche Marktpreisbildung, beliebig teilbare Objekte, unendlich schnelle Reaktionsgeschwindigkeit und eine sichere Erwartungsbildung der Marktteilnehmer, vgl. Koniarski, Einkommen als Maßstab steuerlicher Leistungsfähigkeit, 1984, S. 85.
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Die Kritik von Realisations- und Imparitätsprinzip
Vorteile bei der Bestimmung des Reinvermögensumfanges positiv einfließen102. Unter den Bedingungen eines vollkommenen Kapitalmarktes kann die Wertänderung wegen der Voraussetzung der beliebigen Teilbarkeit ohne Gesamtliquidation der Vermögensposition in Geld transformiert werden, so dass lediglich ein Vermögensartunterschied vorliegt, der den Umfang der Leistungsfähigkeit nicht beeinflusst103. Eine Besteuerung nach Maßgabe eines Reinvermögenszuwachskonzeptes vermeidet somit die Bildung stiller Reserven104. Problematisch erscheint jedoch, ob diese Auffassung auch im Hinblick auf die tatsächlich existierenden Gegebenheiten eines unvollkommenen Kapitalmarktes aufrecht erhalten werden kann. Zunächst wird gegen eine Erfassung nichtrealisierter Wertänderungen eingewandt, dass insbesondere im Hinblick auf die weitgehend fehlenden Marktpreise für gebrauchte Wirtschaftsgüter häufig erst der Verkauf eine sichere, schätzungsfreie Bestimmung der Marktwerte ermögliche105. Zum anderen wird geltend gemacht, dass aufgrund der Unteilbarkeit realer Vermögenssachwerte im Hinblick auf die Besteuerung nichtrealisierter Wertzuwächse Liquiditätsprobleme resultieren können, die im Extremfall eine Veräußerung erfordern, zumindest aber zu einer Kreditaufnahme in Höhe des Steueranteils am Wertzuwachs führen können106. Dennoch beziehen sich die vorgebrachten Argumente vordringlich auf Praktikabilitätserwägungen. Die Möglichkeit der Beleihung beweist nämlich, dass bereits nichtrealisierte Wertsteigerungen zu einer auch im Rechtsverkehr anerkannten Erhöhung wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit führt, die auch von einem gedachten Erwerber berücksichtigt würde107. Nach der Reinvermögenszuwachstheorie wird somit jede stichtagsbezogene Vermögensänderung, ob realisiert oder nicht, als Ausdruck einer veränderten Zahlungsfähigkeit gewertet108. Folglich kann an dieser Stelle festgestellt Vgl. Kraft, Steuergerechtigkeit und Gewinnermittlung, 1991, S. 62. Koniarski, Einkommen als Maßstab steuerlicher Leistungsfähigkeit, 1984, S. 103. Hackmann FinArch 43 (1985), 421, 422. Schneider, Steuerbilanzen, 1978, S. 54ff; Kraft, Steuergerechtigkeit und Gewinnermittlung, 1991, S. 58, 62f; ähnliches gilt für die Bewertung selbstgeschaffener, nicht verkehrsfähiger Wirtschaftsgüter. 106 Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, 1981/88, S. 173f; vgl. auch Gutachten der Steuerreformkommission, 1971, S. 68f. 107 Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, 1981/88, S. 173; Tipke DStJG 4 (1981), 1, 7; Costede StuW 1996, 19, 23; Kammann, Stichtagsprinzip und zukunftsorientierte Bilanzierung, 1988, S. 81; vgl. auch Koniarski, Einkommen als Maßstab steuerlicher Leistungsfähigkeit, 1984, S. 102. 108 Küting/Kessler StuB 2000, 21, 23; Koniarski, Einkommen als Maßstab steuerlicher Leistungsfähigkeit, 1984, S. 103; Schön StbJb 1997/98, 332. 102 103 104 105
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Theoretische Grundvorstellungen
werden, dass die Reinvermögenszuwachstheorie eine Grundvorstellung periodischer Zuordnung von Erfolgsbeiträgen bildet, die grundsätzlich alle nichtrealisierten Wertänderungen inklusive von Wertsteigerungen der Periode ihrer wirtschaftlichen Entstehung zuordnet. Nimmt man die Vorstellungen der Reinvermögenszuwachstheorie zum Beurteilungsmaßstab für die gegenwärtige Ausgestaltung der steuerlichen Gewinnermittlung mittels Betriebsvermögensvergleichs muss zunächst festgestellt werden, dass sich der Steuergesetzgeber objektivierungsbedingt an einem Einzelvermögensvergleich orientiert. Insbesondere das Realisationsprinzip als eines der dominierenden Bilanzierungsprinzipien wäre ohne eine Einzelbewertung nicht denkbar, da das Realisationsprinzip nur eine Gewinnermittlung auf Basis einzelner Umsatzakte zulässt109. Die beiden dargestellten Pole repräsentieren dabei das Meinungsspektrum zur Umsetzung der Reinvermögenszuwachstheorie auf Basis der Einzelbewertung. Unabhängig davon, welcher Standpunkt zur Konkretisierung des Vermögensvergleichs auf Basis der Einzelbewertung präferiert wird, kann ferner festgestellt werden, dass allein das Realisationsprinzip als Element einer vorsichtigen Gewinnermittlung erscheint, da entgegen den der Reinvermögenszuwachstheorie immanenten Leistungsfähigkeitsvorstellungen nichtrealisierte Wertsteigerungen steuerlich nicht erfasst werden110. In diesem Sinne müssen auch Küting/Kessler zugeben, dass der Gesetzgeber das durch die Reinvermögenszuwachstheorie vorgegebene Messkonzept nicht einheitlich durchgehalten hat, sondern sich für einen Kompromiss entschieden habe, indem er bzgl. der stichtagsbezogenen Erfassung von Vermögensminderungen auf die Reinvermögenszuwachstheorie abstellt, bei der Erfassung von Wertsteigerungen jedoch an den Vorstellungen der Reinvermögenszugangstheorie orientierte Maßstäbe zugrundelegt. Demgegenüber kann festgestellt werden, dass die nach dem Imparitätsprinzip ausgewiesene Vermögenslage in Bezug auf stichtagsbezogene Wertminderungen an einem reinvermögenszuwachstheoretischen Leistungsfähigkeitsverständnis orientiert ist111. Sowohl Teilwertabschreibung als auch AfaA112 drücken nach dieser These eine stichtagsbezogene Minderung des Betriebsvermögens aus. Des weiteren
109 Jüttner, GoB-System, Einzelbewertungsgrundsatz und Imparitätsprinzip, 1993, S. 124. 110 Vgl. Euler, Das System der Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung, 1996, S. 55ff; Küting/Kessler StuB 2000, 21, 23; Kammann, Stichtagsprinzip und zukunftsorientierte Bilanzierung, 1988, S. 83ff. 111 Küting/Kessler StuB 2000, 21, 23. 112 Zugrundegelegt werden muss insofern die Wertverzehrthese.
101
Die Kritik von Realisations- und Imparitätsprinzip
sind Rückstellungen ebenfalls als gegenwärtige Minderungen des Betriebsvermögens anzusehen113.
III.
Die Konzeptionen der Reinvermögenszugangstheorie
Eine weitere Möglichkeit besteht darin, den Vermögensvergleich nach den Vorstellungen der Reinvermögenszugangstheorie auszugestalten. 1.
Die traditionelle Interpretation der Reinvermögenszugangstheorie nach Schneider114
Aufgrund der genannten Schwierigkeiten wird die These, dass auch nichtrealisierte Vermögensänderungen eine Änderung von Leistungsfähigkeit verkörpern, insbesondere von den Vertretern der Reinvermögenszugangstheorie bestritten115. Im Gegensatz zum Modell einer cash-flow-Steuer orientiert sich die Reinvermögenszugangstheorie Schneiders116 an der Prämisse, dass durch Anschaffung eines Wirtschaftsgutes die Leistungsfähigkeit eines Steuerpflichtigen nicht verändert wird. Grundlage seiner theoretischen Vorstellung ist das sog. „reine“ Realisationsprinzip117. Dabei ist der Realisationsbegriff bei dieser Grundform in einem engen Sinne zu interpretieren. Eine Erfolgsrealisation findet danach erst in dem Zeitpunkt statt, in dem bei einem Umsatzgeschäft am Absatzmarkt die Änderung der ökonomischen Verfügungsmacht durch eine Markttransaktion abschließend festgestellt werden kann. Entscheidend für die Änderung des Leistungspotentials ist somit die Bewirkung der Gegenleistung, im Regelfall der Zufluss der Einnahmen118 (sog. Grundsatz der Barrealisation)119. In die Differenzbildung zwischen dem Vermögensbestand am Periodenende und dem Vermögensbe113 Hennrichs DStJG 24 (2001), 301, 317ff. 114 Zur Interpretation der Reinvermögenszugangstheorie nach Schneider, vgl. Kraft, Steuergerechtigkeit und Gewinnermittlung, 1991, S. 55f, 63, 71f, 77f, 86; Sigloch FS Schneider, 1995, S. 673, 684; Koniarski, Einkommen als Maßstab steuerlicher Leistungsfähigkeit, 1984, S. 103, 108f; Kahle WPg 2002, 178, 186; vgl. dazu auch Kammann, Stichtagsprinzip und zukunftsorientierte Bilanzierung, 1988, S. 80f. 115 Schneider, Steuerbilanzen, 1978, S. 54ff; Schneider StuW 2004, 293, 303; zustimmend auch Kahle WPg 2002, 178, 186. 116 Schneider, Steuerbilanzen, 1978, S. 54ff. 117 Schneider, Steuerbilanzen, 1978, S. 54. 118 Schneider, Steuerbilanzen, 1978, S. 54; Schneider Zfbf 1971, 352, 379ff; Schneider StuW 2004, 293, 303; Sigloch FS Schneider, 1995, S. 673, 684; Kahle WPg 2002, 178, 186; vgl. Kraft, Steuergerechtigkeit und Gewinnermittlung, 1991, S. 71. 119 Schneider StuW 2004, 293, 303; Sigloch FS Schneider, 1995, S. 673, 684 bezeichnet die Vorstellungen Schneiders als besondere Anschaffungswertbilanz mit Barrealisation; so auch Kahle WPg 2002, 178, 186.
102
Theoretische Grundvorstellungen
stand am Periodenanfang sind zur Ermittlung des Einkommens nur Elemente einzubeziehen, die einer engen Auslegung des Realisationsgedankens genügen. Durch die Anknüpfung der Erfolgsentstehung an Markttransaktionen erfordert das „reine“ Realisationsprinzip, den Reinvermögensumfang auf Güter zu begrenzen, die einer selbständigen Veräußerung durch Markttransaktionen zugänglich sind120. Der Kreis der in den Vermögensvergleich einzubeziehenden Wirtschaftsgüter ist somit von vornherein auf die einzeln verkehrsfähigen Wirtschaftsgüter beschränkt, die dem Steuerpflichtigen zurechenbar sind121. Die Bewertung dieser Wirtschaftsgüter ist durch die Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten eindeutig vorgegeben122. Wenn die Erfolgswirksamkeit erst durch einen Umsatzmarkt am Absatzmarkt festgestellt werden kann, folgt daraus, dass Anschaffungsausgaben für Güter, die über mehrere Perioden im Unternehmen genutzt werden, erfolgsneutral zu behandeln sind123. Wertänderungen werden danach unabhängig davon, ob es sich um reine Preisänderungen oder Wertänderungen unter Einbeziehung von Wertminderungen durch Abnutzung handelt, erst durch den Realisationsakt am Absatzmarkt im Zeitpunkt ihres endgültigen Ausscheidens als Minderung der ökonomischen Verfügungsmacht erfasst124. Da nach dem „reinen“ Realisationsprinzip Aufwand erst bei Ausscheiden eines Wirtschaftsguts aus dem Betrieb entsteht, sind beispielsweise periodische Aufwandsverrechnungen der Anschaffungsausgaben für abnutzbare Anlagen nicht möglich125. Forderungen und Verpflichtungen im Hinblick auf die vertraglich geschuldete Leistung aus gegenseitigen schwebenden Umsatzgeschäften werden bei einer Beurteilung nach Maßgabe des „reinen“ Realisationsprinzips bis zum Zufluss der Gegenleistung ignoriert. Da nach diesem Leistungsfähigkeitsver-
120 Schneider, Steuerbilanzen, 1978, S. 61; vgl. auch Kraft, Steuergerechtigkeit und Gewinnermittlung, 1991, S. 55. 121 Schneider, Steuerbilanzen, 1978, S. 61. Nicht einbezogen werden können somit vor allem der erworbene Geschäftswert oder nicht urheberrechtlich geschützte Immaterialgüter. 122 Vgl. Kahle WPg 2002, 178, 186. 123 Schneider, Steuerbilanzen, 1978, S. 61. 124 Schneider, Steuerbilanzen, 1978, S. 65; vgl. Kraft, Steuergerechtigkeit und Gewinnermittlung, 1991, S. 56, 78. 125 Schneider, Steuerbilanzen, 1978, S. 65; vgl. auch Schneider StuW 2004, 293, 303. Durch die Erfassung von Wirtschaftsgütern mit ihren Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten unterscheidet sich die hier vorgestellte Reinvermögenszugangstheorie entscheidend von der oben beschriebenen an überperiodischen Gleichmäßigkeitsvorstellungen orientierten cash-flow-Besteuerung, die einen Sofortabzug von Aufwand vorschreibt.
103
Die Kritik von Realisations- und Imparitätsprinzip
ständnis nur solche regelmäßigen und einmaligen Vermögensänderungen erfasst werden, die durch einen Umsatzakt am Markt126 realisiert werden127, können Vermögenssteigerungen nur dann registriert werden, wenn sich die Wertsteigerung durch einen Zufluss geldwerter Mittel realisiert hat128. Vermögensminderungen, insbesondere auch Vermögensminderungen im Bestand des Anlagevermögens, werden in einer solchen Gedankenwelt dementsprechend erst dann anerkannt, wenn die Vermögensminderung durch einen Umsatzakt bestätigt wurde. Daher findet eine Vorwegnahme von Verlusten durch Teilwertabschreibungen oder Drohverlustrückstellungen nicht statt129. Die Unternehmung belastende Reinvermögenselemente, die nicht aus gegenseitigen Umsatzgeschäften resultieren, dürfen nach diesen Grundsätzen erst dann erfolgswirksam erfasst werden, wenn diese unvermeidbar sind130. Bei dem Vermögensvergleich nach den Vorstellungen der strengen Reinvermögenszugangstheorie handelt es sich um einen Spezialfall des Einzelvermögensvergleichs, was zur Folge hat, dass das zur Einkommensbemessung herangezogene Vermögen im Gegensatz zum Gesamtvermögensvergleich deutlich eingeschränkt ist. Schneider setzt für seinen Vorschlag allerdings einen unbeschränkten sofortigen Verlustausgleich voraus131. Da Änderungen der vermögensmäßigen Zusammensetzung grundsätzlich erst bei Mittelzu- bzw. abfluss registriert werden, bewirkt eine reinvermögenszugangstheoretische Erfassung zudem eine Kumulation von Wertzuwächsen, die im Hinblick auf das geltende Recht zu Progressionsverzerrungen führt. Ferner eröffnet die Anknüpfung am Zufluss dem Steuerpflichtigen Möglichkeiten die Periodenzuordnung willentlich zu steuern132. 2.
Der Ansatz Siegels als Neukonturierung der Reinvermögenszugangstheorie?
Einen alternativen Standpunkt bei der Konturierung der Reinvermögenszugangstheorie hat unlängst Siegel bezogen, der sich deutlich von der traditio-
126 127 128 129 130
Bzw. durch einen Ersatzrealisationstatbestand. Kraft, Steuergerechtigkeit und Gewinnermittlung, 1991, S. 55. Vgl. Schreiber StuW 2002, 105, 108; Kahle WPg 2002, 178, 186. Schneider StuW 2004, 293, 302; vgl. auch Schreiber StuW 2002, 105, 108. Vgl. Sigloch FS Schneider, 1995, S. 673, 684; nach Auffassung von Schreiber (StuW 2002, 105, 109) können Rückstellungen in der vereinfachten Vermögensrechnung entfallen. Zukünftige ungewisse Auszahlungen sollen erst dann den Gewinn mindern, wenn diese tatsächlich geleistet wurden. 131 Vgl. Sigloch FS Schneider, 1995, S. 673, 684; Kahle WPg 2002, 178, 186. 132 Vgl. Beiser ÖStZ 2000, 413, 417.
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Theoretische Grundvorstellungen
nellen Betrachtungsweise133, die Reinvermögenszugangstheorie umsatzbezogen zu verstehen, abhebt. Auch Siegel grenzt sich mit seiner Konzeption ausdrücklich von einer cash-flow-Besteuerung ab134. Für ihn begründet die Reinvermögenszugangstheorie lediglich die Notwendigkeit, an Zahlungsvorgänge anzuknüpfen. Steuerliche Leistungsfähigkeit im Sinne der Reinvermögenszugangstheorie könne nur auf Zahlungen und Zahlungsäquivalente zurückgeführt werden135. In diesem Sinn soll nach Siegels Konzeption eine Vermögensmehrung nur dann vorliegen, wenn eine Einzahlung erfolgt, soweit diese zu keiner Rückzahlungsverpflichtung führt136. Insoweit unterscheidet sich die Auffassung Siegels nicht von der oben dargestellten umsatzbezogenen Betrachtungsweise. Demgegenüber soll nach Siegel eine steuerlich zu berücksichtigende Vermögensminderung bereits dann vorliegen, wenn einer Auszahlung kein realisierbarer Gegenwert (Zahlungsäquivalent) mehr gegenübersteht137. Unter diesen Prämissen stellt eine Teilwertabschreibung eine realisierte, eingetretene Vermögensminderung im Betriebsvermögen dar, weil dieser durch die Anschaffung des Wirtschaftsgutes eine Auszahlung vorangegangen ist und dem Kassenbestand kein gleichhohes Geldäquivalent mehr gegenübersteht138. Demgegenüber muss nach dieser Konzeption einer Rückstellung für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften die steuerliche Anerkennung versagt bleiben, da insoweit noch keine Auszahlung vorausgegangen ist. Ein Verlust ist unter diesen Prämissen hier nicht eingetreten, sondern nur erwartet, da nach Siegel eine eingetretene Vermögensminderung erst mit der Auszahlung anzunehmen ist139. Der Begriff des Reinvermögenszugangs wird hinsichtlich der Vermögensminderung folglich mit einem Zahlungsvorgang verbunden, der sich auch auf die Anschaffung eines Wirtschaftsgutes beziehen kann. Antizipiert und damit nicht eingetreten bzw. realisiert sind nach diesem Standpunkt nur diejenigen Verluste, denen noch keine 133 Vgl. die vorstehend erörterte markteinkommenstheoretische Interpretation der Reinvermögenszugangstheorie von Schneider, Steuerbilanzen, 1978, S. 54ff; vgl. auch die Darstellungen bei Hoffmann StuB 2000, 248, 249f; Kessler StuB 2000, 1091, 1092; Groh DB 1999, 978, 980. 134 Siegel StuB 2000, 1096, 1097. 135 Siegel StuB 2000, 29, 33; Siegel StuB 2000, 564, 567. 136 Siegel StuB 2000, 1096, 1097, siehe insbesondere die Hervorhebung in FN. 8. 137 Siegel StuB 2000, 1096, 1097. Nach Siegel mindert die Auszahlung das Einkommen nur insoweit, als ihr keine möglichen Einzahlungen gegenüberstehen. Einzahlungen sind nur anzusetzen, als ihnen keine erwarteten Auszahlungen gegenüberstehen, so Siegel StuB 2000, 29, 33. 138 Siegel StuB 2000, 564, 567. 139 Siegel StuB 2000, 564, 567.
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Die Kritik von Realisations- und Imparitätsprinzip
Auszahlungen vorangegangen sind140. Ein Umsatzakt am Absatzmarkt ist für die Realisierung des Wertverlustes im Gegensatz zur strengen Reinvermögenszugangstheorie bei dieser Betrachtung somit nicht von Relevanz. Für die Realisierung von Vermögensminderungen soll ein Umsatzakt am Beschaffungsmarkt ausreichen. Im Hinblick auf diese Prämissen wird auch deutlich, warum Siegel zu der auf den ersten Blick erstaunlichen These gelangt, dass die Abschaffung der Drohverlustrückstellung zwangsläufig die Aufrechterhaltung der Teilwertabschreibung bedingt141. Alternativ zu einem gänzlichen Verbot der Drohverlustrückstellungen in der Steuerbilanz schlägt Siegel142 vor, die Drohverlustrückstellung in einer veränderten Form aufrecht zu erhalten, die es ermöglicht, den Aufwand bereits vor der Auszahlung zu berücksichtigen, wobei ökonomisch jedoch grundsätzlich dieselbe steuerliche Entlastung der Auszahlung erreicht werden müsse. Notwendig sei insoweit, eine Drohverlustrückstellung in abgezinster Form143 zu bilden, ohne dass später eine Aufzinsung des Barwertes erfolgt144. Denn nur auf diese Weise können unerwünschte steuerliche Korrespondenzlücken vermieden werden, die zu nicht gerechtfertigten Zinseffekten führen145.
140 141 142 143 144 145
Siegel StuB 2000, 564, 567. Siegel StuB 2000, 29, 33; Siegel StuB 2000, 564. Siegel StuB 2000, 564, 565f; Siegel StuB 2000, 1096, 1097f. Erforderlich ist eine Abzinsung der Auszahlung mit einem normierten Zinssatz. Siegel StuB 2000, 1096, 1097. Zu Illustrationszwecken dient insoweit das Beispiel von Siegel StuB 2000, 1096, 1097f: Ein Steuerpflichtiger erwartet im Jahre t=10 einen Verlust in Höhe von 1000. Angenommen wird ein Gewinnsteuersatz von 45% bei einer risikofreien Verzinsung von 3,5%. 1. Lösungsvorschlag Siegels: Periode t Aufwand Steuerwirkung in Periode t Effekt in Periode 10 0 0 0 0 10 1000 450 450 2. alternativer Lösungsvorschlag Siegels: Periode t Aufwand Steuerwirkung in Periode t 0 708.92 319.01
Effekt in Periode 10 450
In Periode 0 wird der Barwert der zu erwartenden Auszahlung mit (1000/1,03510 =) 708,92 als Aufwand anerkannt, der zu einer sofortigen Steuerminderzahlung von 319,01 führt. Gemessen an der angenommenen Rendite vermehrt sich dieser Betrag in 10 Jahren auf 450.
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Theoretische Grundvorstellungen
3.
Stellungnahme
Fraglich bleibt somit, ob diese Neuorientierung bei der Interpretation der Reinvermögenszugangstheorie überzeugen kann. Siegels Standpunkt setzt sich in erheblichem Maße in Widerspruch zu dem traditionellen umsatzbezogenen Verständnis des Reinvermögenszugangsprinzips146. Wenn Siegel es sich zum Ziel gesetzt hat, neben reinvermögenszugangstheoretisch realisierten Wertsteigerungen nur realisierte Wertminderungen zu berücksichtigen und er damit von einem „einheitlichen Leistungsfähigkeitsverständnis“ ausgehen will, fordert eine konsequente Umsetzung dieser Position, den Realisationsbegriff im Hinblick auf Wertsteigerungen und Wertminderungen nach identischen Kriterien zu bestimmen147. Da Siegel im Hinblick auf die Realisation von Vermögensminderungen die Position vertritt, dass realisierte Wertminderungen bereits dann vorliegen sollen, wenn ein Kaufmann eine Auszahlung getätigt hat und der dafür erhaltene im Betriebsvermögen befindliche Gegenwert eine Wertminderung erfährt, müssten diese Vorstellungen konsequenterweise auch auf Wertsteigerungen übertragen werden. In konsequenter Umsetzung würde daraus jedoch ein Realisationsbegriff resultieren, nach dem alle Änderungen im Betriebsvermögen –Vermögensminderungen aber auch Vermögenssteigerungen- unabhängig von einem späteren Umsatzakt am Absatzmarkt, zu einer Änderung des Betriebsvermögens führen, wenn der Gewerbetreibende Auszahlungen getätigt hat und sich nachfolgend das für die Auszahlung erhaltene Geldäquivalent im Wert ändert148. Da Siegel im Hinblick auf die Erfassung nichtrealisierter Wertsteigerungen dennoch die Notwendigkeit eines Realisationsaktes am Absatzmarkt zugrundelegt, geht er entgegen seinen Prämissen in Wahrheit davon aus, dass dieser Leistungsfähigkeitsmaßstab aus Gründen der Verhältnismäßigkeit eingeschränkt werden muss. Kessler ist somit voll zuzustimmen, wenn dieser betont, dass die Position Siegels im Hinblick auf die Erfassung von „nichtrealisierten“ Wertsteigerungen gemessen am eigenen Realisationsverständnis inkonsequent ist149. Indem Siegel keine einheitlichen Kriterien im Hinblick auf die Erfassung von positiven und negativen Wertänderungen im Betriebsvermögen entwickelt, verstößt er gegen seinen eigenen Anspruch, gleiche Kriterien für Wertminderungen und Wertsteigerungen anzuwenden, denn Ziel der Reinvermögenszugangstheorie ist es, positive und negative
146 Ein solches Begriffsverständnis klingt auch bei Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmensteuerrecht, 9. Auflage, 1993, S. 268f an. 147 Vgl. Kessler StuB 2000, 1091, 1092. 148 So auch ausdrücklich Kessler StuB 2000, 1091, 1093. 149 Kessler StuB 2000, 1091, 1093.
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Die Kritik von Realisations- und Imparitätsprinzip
Änderungen im Vermögen nach gleichen Maßstäben zu beurteilen150. Dies gelingt allerdings nicht durch ein gespaltenes Verständnis des Reinvermögenszugangs einmal bezogen auf den Absatzakt (Wertsteigerungen) und einmal bezogen auf den Beschaffungsakt von Wirtschaftsgütern (Wertminderungen). Insoweit ist es unzureichend, wenn das Reinvermögenszugangsprinzip mit dem Abstellen auf Zahlungen gleichgesetzt wird151. Eine in sich konsistente Umsetzung der Reinvermögenszugangstheorie macht es erforderlich, i.S. Schneiders, stets auf den Absatzakt abzustellen. Somit kann festgestellt werden, dass die konsequente Anwendung der Thesen Siegels lediglich als eine Spielart der Reinvermögenszuwachstheorie verstanden werden kann. Konturiert wird insoweit das Merkmal der wirtschaftlichen Verursachung, als nunmehr Aussagen über den Zeitpunkt der Minderung des Betriebsvermögens getroffen werden. Siegel will insoweit einen negativen Erfolgsbeitrag erst dann anerkennen, wenn einer Auszahlung kein entsprechendes Äquivalent mehr gegenübersteht; alternativ hält er allenfalls eine abgezinste Variante der Drohverlustrückstellungen für zulässig. Ob unter den Prämissen der Reinvermögenszuwachstheorie allerdings eine unterschiedliche Behandlung von Drohverlustrückstellungen und Teilwertabschreibungen gefordert werden kann, unterliegt erheblichen Zweifeln. In der Literatur findet sich eine große Zahl von Stimmen, die in Orientierung am Gedankengut der Reinvermögenszuwachstheorie nicht nur im gesunkenen Teilwert152 eine Minderung des Betriebsvermögens sehen, sondern auch in den Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften bereits eingetretene Stichtagsvermögensminderungen erblicken153. Macht man die einzelertragswertorientierte Sicht der Reinvermögensänderung im Rahmen der Reinvermögenszuwachstheorie zur Beurteilungsgrundlage, lässt sich eine unterschiedliche Behandlung von Teilwertabschreibung und Drohverlustrückstellung nicht begründen. Stellt man auf die Ertragspo150 Schön StuW 1995, 366, 373; Schneider, Steuerbilanzen, 1978, S. 53ff; Kessler StuB 2000, 1091, 1092. 151 So Siegel StuB 2000, 1096, 1097 FN 8. 152 Kessler DStR 1994, 1289, 1294f; Küting/Kessler DStR 1998, 1937, 1940; Küting/Kessler StuB 2000, 21, 26f; Kessler StuB 2000, 1091, 1092; Hoffmann StuB 2000, 248, 250f; Hennrichs StuW 1999, 138, 142f; Groh Gastkomm. DB 1998, Heft 48 S. I; Jakobs/Lohrbacher GmbHR 1998, 1204, 1207; vgl. auch Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, 1988, S. 369. 153 Kessler DStR 1994, 1289, 1294f; Küting/Kessler DStR 1998, 1937, 1940; Küting/Kessler StuB 2000, 21, 24ff; Hoffmann StuB 2000, 248, 250; Hoffmann DStR 2000, 580, 581f; Kessler StuB 2000, 1091, 1092; Bordewin FR 1998, 226, 227; Arndt/Wiesbrock DStR 2000, 718, 719f; umfassend Wiesbrock, Die Verlustrückstellung im Steuer- und Verfassungsrecht, 1999.
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Theoretische Grundvorstellungen
tentiale aus einzelnen Geschäften ab, liegt es nahe, auch ohne Leistungsaustausch eine Vermögensminderung anzuerkennen, wenn die Nettoertragserwartungen unter dem korrespondierenden Aufwand liegen. Gemessen an diesem Verständnis ist Hoffmann154 in der Aussage zuzustimmen, dass die Position Siegels dazu führt, dass vorhandene, aber noch nichtrealisierte Verluste, nur auf der Passivseite, nicht aber auf der Aktivseite der Bilanz eliminiert werden. Zu prüfen bleibt allerdings, ob die Konzeption Siegels als Ausprägung einer vermögensorientierten Zeitwertstatik verstanden werden kann. Auch unter dem Regime der vermögensorientierten Zeitwertstatik lässt sich jedoch grundsätzlich eine unterschiedliche Behandlung von Drohverlustrückstellungen und Teilwertabschreibung nicht begründen. Dies wird insbesondere dann verständlich, wenn man diejenigen Fallgruppen der Drohverlustrückstellungen ins Auge fasst, bei denen kein aktivierbares Wirtschaftsgut angeschafft wird. Siegels Forderung könnte daher lediglich eine Berechtigung für Beschaffungsgeschäfte haben, die nachfolgend zur Aktivierung der Anschaffungskosten führen. Vom Standpunkt der Vermögensstatik erscheint es aber nicht einsichtig, warum eine Vermögensminderung erst dann angenommen werden sollte, wenn das beschaffte Wirtschaftsgut Eingang in das Betriebsvermögen gefunden hat und hierfür eine Auszahlung getätigt wurde155. Die wirtschaftliche Verursachung der Wertminderung ist vielmehr bereits im Abschluss des Beschaffungsgeschäftes zu sehen. Drohverlustrückstellungen haben somit nach statisch-rechtlicher Interpretation eine elementare Funktion bei der Darstellung eines vollständigen und zutreffenden Schuldenausweises, da das Vermögen am Bilanzstichtag in Höhe des Verpflichtungsüberschusses gemindert ist, wenn die rechtliche Verpflichtung den rechtlichen Anspruch übersteigt156. Somit kann vom Standpunkt der Vermögensstatik eine unterschiedliche Behandlung von Drohverlustrückstellungen und Teilwertabschreibungen ebenfalls nicht gerechtfertigt werden157, da jeweils eingetretene, aber noch nichtrealisierte Vermögensverluste ausgewiesen werden. Der Alternativvorschlag Siegels, die Drohverlustrückstellungen in abgezinster Form aufrecht zu erhalten, deutet jedoch auf Implikationen hin, die mit 154 155 156 157
Vgl. Hoffmann StuB 2000, 248, 250. Vgl. Scheffler StuB 2000, 489, 493. Kessler DStR 1994, 567, 569. Groh DB 1999, 978, 981; Bordewin FR 1998, 226, 232; Hoffmann DStR 1999, 1545ff; Hoffmann StuB 2000, 248, 250; Küting/Kessler StuB 2000, 21, 27; Kessler StuB 2000, 1091, 1092ff; vgl. auch Scheffler StuB 2000, 489, 493. Sigloch BFuP 2000, 157, 162 spricht insoweit von einer „logischen Parallelität“.
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Die Kritik von Realisations- und Imparitätsprinzip
der Zeitwertmethode zur Konturierung der Reinvermögenszuwachstheorie verbunden werden können. Will man i.S. einer Zeitwertstatik den stichtagsbezogenen Stand der wertmäßigen Entwicklung von Wirtschaftsgütern und Schulden messen, muss bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise berücksichtigt werden, dass sich für am Bilanzstichtag bereits fällige Schulden andere Wertansätze ergeben als für Schulden, die erst in künftigen Abrechnungsperioden fällig werden158. Die Bewertung von Schulden hat sich bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise somit an dem Betrag zu orientieren, den ein potentieller Erwerber des Betriebes mehr zahlen würde, wenn die Verbindlichkeit nicht bestünde159. Dies führt nicht zum Ansatz des Nennwertes, sondern des Barwertes der Schuldposition160. Der Ansatz von Drohverlustrückstellungen zu ihrem Barwert ist folglich immer dann maßgebend, wenn der Sinn und Zweck des Imparitätsprinzips darin gesehen wird, die am Abschlussstichtag gegebenen negativen Vermögensbestandteile (Schulden) zu ihren Zeitwerten zu erfassen161. Festzuhalten ist somit, dass das alternative Verständnis der Reinvermögenszugangstheorie von Siegel nicht durchweg überzeugen kann. Eine in sich konsistente Umsetzung des Reinvermögenszugangsgedankens kann somit allein in der traditionellen Variante der strengen Reinvermögenszugangstheorie nach Schneider gesehen werden. Misst man die geltende Ausgestaltung des steuerlichen Vermögensvergleichs an den Vorstellungen der strengen Reinvermögenszugangstheorie fällt insbesondere auf, dass die bisherige Bestimmung des Realisationszeitpunktes wegen des Verzichts auf den Zahlungseingang nicht mit den Schneider`schen Vorstellungen zu vereinbaren ist. Gemessen an den Vorstellungen der strengen Reinvermögenszugangstheorie stellt auch die nach dem Impari158 Vgl. Heddäus, Handelsrechtliche Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung für Drohverlustrückstellungen, 1997, S. 26; Hennrichs DStJG 24 (2001), 301, 326. Letztlich müssen unterverzinsliche Forderungen, überverzinsliche Verbindlichkeiten, Verbindlichkeitsrückstellungen sowie Drohverlustrückstellungen mit ihrem Barwert angesetzt werden; vgl. Wüstemann Zfbf 1995, 1029, 1031f. 159 Vgl. Heddäus, Handelsrechtliche Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung für Drohverlustrückstellungen, 1997, S. 26. 160 Wüstemann Zfbf 1995, 1029, 1031ff; Heddäus, Handelsrechtliche Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung für Drohverlustrückstellungen, 1997, S. 28. 161 Vgl. Heddäus, Handelsrechtliche Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung für Drohverlustrückstellungen, 1997, S. 29. Will man demgegenüber mit dem Imparitätsprinzip künftige Ausschüttungsbelastungen antizipieren, lässt sich ein Bedürfnis für eine Abzinsung von Drohverlustrückstellungen nicht feststellen, vgl. Heddäus, Handelrechtliche Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung für Drohverlustrückstellungen, 1997, S. 26ff; Wüstemann Zfbf 1995, 1029, 1031f.
110
Theoretische Grundvorstellungen
tätsprinzip abgebildete Vermögenslage keinen korrekten Ausweis steuerlicher Leistungsfähigkeit dar, da der Verlust noch nicht realisiert worden ist. In diesem Sinne haben AfaA im Rahmen der strengen Reinvermögenszugangstheorie ebenso wie Teilwertabschreibungen keine Berechtigung, da es insoweit an einem umsatzbezogenen Veräußerungsakt und damit an einem Realisationsakt fehlt. Drohverlustrückstellungen und Teilwertabschreibungen dürfen unter dem Blickwinkel eines an der Reinvermögenszugangstheorie orientierten Leistungsfähigkeitsprinzips ebensowenig unterschiedlich behandelt werden, wie bei einer reinvermögenszuwachstheoretisch ausgerichteten Sicht162. Gemessen an den Vorstellungen der strengen Reinvermögenszugangstheorie hat demnach nicht nur die Abschaffung der Drohverlustrückstellungen ihre Berechtigung, vielmehr wäre auch die Abschaffung der Teilwertabschreibung die folgerichtige Konsequenz163.
IV.
Das Nettorealisationsprinzip
Schließlich besteht die Möglichkeit, den steuerlichen Vermögensvergleich in Anlehnung an den Gedanken der Nettorealisation konzeptionell auszugestalten164. Zu den Konsequenzen, die aus einer systematischen Orientierung am Nettorealisationsgedanken resultieren, kann auf die Ausführungen des 1. Kapitels im Rahmen der Darstellung der Ausschüttungsstatik verwiesen werden165. Grundsätzlich festzustellen ist zudem, dass die Umsetzung des Nettorealisationsprinzips einen Einzelvermögensvergleich erfordert. Da das Realisationsprinzip nur eine Gewinnermittlung auf Basis einzelner Umsatzakte zulässt, folgt das Einzelbewertungsprinzip unmittelbar aus dem Realisationsprinzip166. Als problematisch hinsichtlich der Anerkennung des Nettorealisationsgedankens als Systematisierungsmaßstab könnte sich erweisen, dass entsprechend der obigen Darstellung das Realisationsprinzip als Gewinnermittlungsprinzip von einem Vermögensermittlungsprinzip deutlich abgegrenzt wird. Selbst wenn man im Hinblick auf die Anordnung des § 4 Abs. 1 EStG davon ausgeht, dass die steuerliche Gewinnermittlung generell auf einen
162 Küting/Kessler StuB 2000, 21, 26; Hoffmann StuB 2000, 248, 250f; Hoffmann DStR 2000, 580, 581. 163 Vgl. Sigloch FS Schneider, 1995, S. 673, 684. 164 Vgl. dazu Mayr ÖStZ 2001, 221ff; Kirchhof, Karlsruher Entwurf zur Reform des Einkommensteuergesetzes, 2001, S. 38. 165 Vgl. 1. Kap. B. II. 2. a). 166 Jüttner, GoB-System, Einzelbewertungsgrundsatz und Imparitätsprinzip, 1993, S. 124.
111
Die Kritik von Realisations- und Imparitätsprinzip
Vergleich zweier stichtagsbezogener Betriebsvermögen angelegt ist167, bestehen m.E. jedoch keine Bedenken in einer am Realisationsprinzip orientierten umsatzbezogenen Erfolgsermittlung einen tauglichen Maßstab zur Konkretisierung eines stichtagsbezogenen Vermögensstandes zu erkennen. Eine allein vom Realisationsprinzip dominierte Gewinnermittlung hat zwar nicht wie die Reinvermögenszuwachstheorie und die strenge Reinvermögenszugangstheorie unmittelbar zum Ziel, einen stichtagsbezogenen Vermögensstand zu ermitteln168. Dennoch kollidiert die Zielsetzung eines vom Nettorealisationsgedanken dominierten Bilanzverständnisses, die Ermittlung eines periodengerechten Erfolges169, nicht grundsätzlich mit dem System der Darstellung der Veränderung eines stichtagsbezogenen Vermögensbestandes. Moxter170 hat zu Recht darauf hingewiesen, dass auch ein am Umsatz verdienter Überschuss das Reinvermögen im Rahmen eines Betriebsvermögensvergleiches erhöht und sich somit als Reinvermögenszuwachs niederschlägt. Das stichtagsbezogene Betriebsvermögen wird nur nach anderen Kriterien ermittelt, als dies bei Zugrundelegung einer reinvermögenszuwachstheoretischen Betrachtung der Fall ist. Somit steht m.E. nichts im Wege, den Nettorealisationsgedanken als Grundmodell zur Konkretisierung einer stichtagsbezogenen Vermögensänderung anzuerkennen. Die obige Untersuchung hat ergeben, dass die konsequente Umsetzung des Nettorealisationsgedankens zahlreiche Objektivierungsprobleme nach sich zieht. Dennoch lassen sich tendenzielle Aussagen treffen, die eine systematische Beurteilung der geltenden steuerlichen Gewinnermittlung gemessen am Nettorealisationsprinzip zulassen. Die umsatzbezogene Verknüpfung von Ertrag und jeweils zugehörigem Aufwand führt dazu, dass nach dem Nettorealisationsprinzip sowohl der Ausweis von Verbindlichkeiten als auch die Passivierung von Verbindlichkeitsrückstellungen eine theoretische steuerli-
167 Dies erscheint insofern zweifelhaft, weil § 5 Abs. 1 S. 1 EStG pauschal auf die Gewinnermittlung nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung verweist und nicht auf das Erfordernis eines stichtagsbezogenen Betriebsvermögensvergleiches Bezug nimmt. 168 Es ist anerkannt, dass es sich bei der Reinvermögenszuwachstheorie und der Reinvermögenszugangstheorie um vermögensbasierte Leistungsfähigkeitsvorstellungen handelt, die einen stichtagsbezogenen Vermögensstand kennzeichnen, vgl. Küting/Kessler StuB 2000, 21, 23f. 169 Vgl. Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmensteuerrecht, 9. Auflage, 1993, S. 10; Ritzrow SteuerStud 2000, 525, 527; Wiesbrock, Die Verlustrückstellung im Steuerund Verfassungsrecht, 1999, S. 7; Mayr ÖStZ 2001, 226, 227. 170 Moxter StuW 1989, 232, 233.
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Theoretische Grundvorstellungen
che Berechtigung haben171. Verbindlichkeitsrückstellungen bilden aufgrund der Zurechnung zu bereits alimentierten Erträgen vergangenen Aufwand ab172. Ferner lassen sich trotz zahlreicher Objektivierungsprobleme AfA und AfaA in die Gedankenwelt einer am Nettorealisationsgedanken ausgestalteten Bemessungsgrundlage integrieren173. Im Gegensatz dazu erscheint vor dem Hintergrund eines extensiv verstandenen Nettorealisationsprinzips die bilanzielle Berücksichtigung nichtrealisierter Verluste in der Periode ihrer wirtschaftlichen Entstehung als Systembruch, wenn man zum Maßstab nimmt, dass positive Erfolgsbeiträge erst bei deren Realisation berücksichtigt werden174. In diesem Sinne möchte insbesondere Schulze-Osterloh das Imparitätsprinzips aus der steuerlichen Gewinnermittlung eliminieren, da durch dieses lediglich eine zukünftige Vermögenslage des Kaufmannes abgebildet (antizipiert) werde, die im Bereich des Unrealisierten liege175. Da sich nach kaufmännischen Konventionen ein Aufwandsüberschuss aber noch nicht realisiert habe, bestehe kein Grund, diesen bereits in die Periode seiner wirtschaftlichen Entstehung zu antizipieren. Aus diesen Prämissen wird der Schluss gezogen, dass zukünftige Erfolgsbeiträge nach kaufmännischen Konventionen bei der Bemessung der aktuellen wirtschaftlichen Lage unter Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten keine Rolle spielen müssen176. Kein einheitliches Meinungsbild besteht innerhalb der Verfechter des Nettorealisationsgedankens allerdings in Bezug auf die Frage, ob die Abschaffung des Imparitätsprinzips von der Gewährung eines unbeschränkten Verlustrücktrages begleitet werden muss. Während ein Großteil der Literatur von einem solchen Erfordernis ausgeht, hat sich die Kommission des Karlsruher Entwurfs eines Einkommensteuergesetzes überwiegend auf den Standpunkt gestellt, dass die Umsetzung des Nettorealisationsprinzips nicht die Gewährung eines unbeschränkten
171 Mayr ÖStZ 2001, 226, 227; vgl. auch Wiesbrock, Die Verlustrückstellung im Steuerund Verfassungsrecht, 1999, S. 79; Schulze-Osterloh DStJG 23 (2000), 67, 70; vgl. 1. Kap. B. II. 3. mwN. 172 In diesem Sinne auch Groh BB 1988, 27. 173 Vgl. 1. Kap. B. II. 2. a); 1. Kap. B. III. 3. a) aa) 1). 174 Mayr ÖStZ 2001, 226, 229f; Weber-Grellet DB 1997, 2233, 2235; Schulze-Osterloh DStJG 23 (2000), 67, 70; vgl. bereits Walb, Finanzwirtschaftliche Bilanz, 2. Auflage, 1947, S. 91. 175 Schulze-Osterloh DStJG 23 (2000), 67, 72f. 176 Vgl. nur Schulze-Osterloh DStJG 23 (2000), 67, 73.
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Die Kritik von Realisations- und Imparitätsprinzip
Verlustrücktrags erfordert177. Diese Position ist jedoch selbst innerhalb der Kommission nicht ohne Widerspruch geblieben178.
E.
Kritik und h.M. im Lichte der unterschiedlichen Vergleichsmaßstäbe
Die Darstellung der unterschiedlichen Grundmodelle zur Ausgestaltung eines Vermögensvergleichs verdeutlicht die verschiedenen Möglichkeiten der zeitlichen Berücksichtigung von Geschäftsvorfällen, wenn die Entwicklung eines Erwerbsvermögens zur Grundlage der Steuerbemessung gemacht werden soll. Die Vielzahl der dabei zu unterscheidenden Ausgestaltungsmöglichkeiten eröffnet zugleich, warum die Kritik an der steuerlichen Gewinnermittlung und insbesondere dem Maßgeblichkeitsprinzip in ihrer Reichweite deutlich divergiert. Prinzipiell können so viele unterschiedliche Standpunkte zur Ausgestaltung des „richtigen“ Vermögensvergleichs oder allgemein gesprochen, der richtigen Bemessungsgrundlage, vertreten werden, wie in sich konsistente Vorstellungen zur Ausgestaltung des Vermögensvergleichs unterschieden werden können. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass mit dem Gedanken der Nettorealisation179 und der insbesondere von Schneider entwickelten strengen Reinvermögenszugangstheorie prinzipiell zwei Auffassungen unterschieden werden können, nach denen die imparitätische Berücksichtigung von Verlusten lediglich unter dem Gesichtspunkt kaufmännischer Vorsicht seine Berechtigung hat, vor der Grundsystematik jedoch als Systembruch erscheint. Aus diesem Meinungsspektrum rühren auch die Äußerungen, die ein Bedürfnis zur Beseitigung des Imparitätsprinzips im Allgemeinen und der Teilwertabschreibung im Speziellen betonen. Relevant ist bei Zugrundelegung einer solchen Sichtweise allein, dass die negativen Erfolgsbeiträge
177 Kirchhof, Karlsruher Entwurf zur Reform des Einkommensteuergesetzes, 2001, S. 37. 178 Siehe Kirchhof, Karlsruher Entwurf zur Reform des Einkommensteuergesetzes, 2001, S. 37. 179 Mayr ÖStZ 2001, 226, 227ff; Kirchhof, Karlsruher Entwurf zur Reform des Einkommensteuergesetzes, 2001, S. 38; vgl. auch wenn in Einzelheiten geringfügig abweichend Schulze-Osterloh DStJG 23 (2000), 67, 75: „Im Rahmen des sich aus der verfassungsrechtlich gesicherten Grundstruktur von Einkommen- und Körperschaftsteuer ergebenden objektiven Nettoprinzips ist das Realisationsprinzip in seiner Anwendung auf die Ertrags- und auf die Aufwandseite unter dem Gesichtspunkt des Leistungsfähigkeitsprinzips von herausragender Bedeutung.“; siehe auch S. 73 und S. 80.
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Die Kritik von Realisations- und Imparitätsprinzip
Verlustrücktrags erfordert177. Diese Position ist jedoch selbst innerhalb der Kommission nicht ohne Widerspruch geblieben178.
E.
Kritik und h.M. im Lichte der unterschiedlichen Vergleichsmaßstäbe
Die Darstellung der unterschiedlichen Grundmodelle zur Ausgestaltung eines Vermögensvergleichs verdeutlicht die verschiedenen Möglichkeiten der zeitlichen Berücksichtigung von Geschäftsvorfällen, wenn die Entwicklung eines Erwerbsvermögens zur Grundlage der Steuerbemessung gemacht werden soll. Die Vielzahl der dabei zu unterscheidenden Ausgestaltungsmöglichkeiten eröffnet zugleich, warum die Kritik an der steuerlichen Gewinnermittlung und insbesondere dem Maßgeblichkeitsprinzip in ihrer Reichweite deutlich divergiert. Prinzipiell können so viele unterschiedliche Standpunkte zur Ausgestaltung des „richtigen“ Vermögensvergleichs oder allgemein gesprochen, der richtigen Bemessungsgrundlage, vertreten werden, wie in sich konsistente Vorstellungen zur Ausgestaltung des Vermögensvergleichs unterschieden werden können. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass mit dem Gedanken der Nettorealisation179 und der insbesondere von Schneider entwickelten strengen Reinvermögenszugangstheorie prinzipiell zwei Auffassungen unterschieden werden können, nach denen die imparitätische Berücksichtigung von Verlusten lediglich unter dem Gesichtspunkt kaufmännischer Vorsicht seine Berechtigung hat, vor der Grundsystematik jedoch als Systembruch erscheint. Aus diesem Meinungsspektrum rühren auch die Äußerungen, die ein Bedürfnis zur Beseitigung des Imparitätsprinzips im Allgemeinen und der Teilwertabschreibung im Speziellen betonen. Relevant ist bei Zugrundelegung einer solchen Sichtweise allein, dass die negativen Erfolgsbeiträge
177 Kirchhof, Karlsruher Entwurf zur Reform des Einkommensteuergesetzes, 2001, S. 37. 178 Siehe Kirchhof, Karlsruher Entwurf zur Reform des Einkommensteuergesetzes, 2001, S. 37. 179 Mayr ÖStZ 2001, 226, 227ff; Kirchhof, Karlsruher Entwurf zur Reform des Einkommensteuergesetzes, 2001, S. 38; vgl. auch wenn in Einzelheiten geringfügig abweichend Schulze-Osterloh DStJG 23 (2000), 67, 75: „Im Rahmen des sich aus der verfassungsrechtlich gesicherten Grundstruktur von Einkommen- und Körperschaftsteuer ergebenden objektiven Nettoprinzips ist das Realisationsprinzip in seiner Anwendung auf die Ertrags- und auf die Aufwandseite unter dem Gesichtspunkt des Leistungsfähigkeitsprinzips von herausragender Bedeutung.“; siehe auch S. 73 und S. 80.
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Kritik und h.M. im Lichte der unterschiedlichen Vergleichsmaßstäbe
gemessen an der favorisierten Grundsystematik keine gegenwärtigen, sondern künftige sind und daher bei Beurteilung der aktuellen wirtschaftlichen Lage keine Rolle spielen müssen180. Bezogen auf diese Vorstellung von Leistungsfähigkeit erscheint es auch gerechtfertigt, im Zusammenhang mit dem Imparitätsprinzip vom Grundsatz der Verlustantizipation zu sprechen, da dieses Prinzip den Ausweis nichtrealisierter und damit tatsächlich nicht eingetretener Verluste verlangt. Richtiger Zeitpunkt der Berücksichtigung ist danach die zukünftige Abrechnungsperiode, in der der Verlust nach dem jeweiligen Realisationsverständnis auszuweisen ist. Demzufolge hätten die Ausprägungen des Imparitätsprinzip als Ausdruck des Vorsichtsprinzip keinen Platz mehr in einer steuerbilanziellen Gewinnermittlung181. Unterschiede zwischen entstandenen, aber noch nichtrealisierten Verlusten (Teilwertabschreibung) und Verpflichtungsüberschüssen zukünftiger Perioden (Drohverlustrückstellung) gibt es bei einer solchen Betrachtung nicht. Beide Konzeptionen unterscheiden sich jedoch in ihrer Reichweite. Während die am Nettorealisationsprinzip orientierte Interpretation des Leistungsfähigkeitsprinzips weitgehend auf die Abschaffung des Imparitätsprinzip beschränkt werden kann, würde die konsequente Umsetzung der Grundsystematik der strengen Reinvermögenszugangstheorie eine umfassende Neukonzeptionierung des Bilanzsteuerrechts insbesondere im Bereich der AfA erfordern. Wenn darüber hinaus jedoch die Forderung nach einer vollständigen Eliminierung der Rückstellungsbildung aus der Steuerbilanz gefordert wird182, lässt sich dies auch nicht mehr mit der Idee der Nettorealisation vereinbaren183. Die damit verbundenen Vorstellungen führen in letzter Konsequenz zu der Forderung, bei der Einkünfteermittlung allein ein zahlungsorientiertes Verständnis zugrundezulegen184, die jedoch dann nicht mehr als Bilanz, sondern als Überschussrechnung verstanden werden muss. Demgegenüber findet der Reinvermögensausweis nach Maßgabe des Imparitätsprinzips eine systematische Fundierung in den Vorstellungen der Reinvermögenszuwachstheorie. Konzeptionelle Unterschiede in der Bestimmung 180 Schulze-Osterloh DStJG 23 (2000), 67, 72f; vgl. Arndt/Wiesbrock DStR 2000, 718, 720. 181 Schulze-Osterloh DStJG 23 (2000), 67, 73; vgl. auch Siegel StuB 1999, 195, 196. 182 So Doralt DB 1998, 1357f. 183 Vgl. nur Mayr ÖStZ 2001, 226, 227f mwN. 184 Vgl. nur Nguyen-Thanh/Rose/Thalmeier StuW 2003, 169ff. In diesem Zusammenhang ist auch die Äußerung Arndt/Wiesbrocks DStR 2000, 718, 720 zu verstehen, die geltend machen, dass alternativ eine Vorstellung zugrundeliege, die Leistungsfähigkeit unter Ignorierung von wirtschaftlichen Belastungen an den im Betrieb vorhandenen verfügbaren finanziellen Mitteln misst; vgl. auch Tipke FS Kruse, 2001, 215, 218f.
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Die Kritik von Realisations- und Imparitätsprinzip
der Minderung des Reinvermögens innerhalb des Lagers der Anhänger der Reinvermögenszuwachstheorie resultieren allein aufgrund unterschiedlicher Ansätze zur Konkretisierung des Einzelvermögensvergleichs. Damit kann festgehalten werden, dass das Imparitätsprinzip mit seinen maßgeblichen Ausprägungen der Teilwertabschreibung und der Drohverlustrückstellung im Rahmen einer reinvermögenszuwachstheoretischen Betrachtung geradezu systemimmanent ist. Ein Systembruch ist dann jedoch im Realisationsprinzip zu sehen. Entscheidende Bedeutung für die Berechtigung der Kritik kommt somit der Frage zu, ob aus verfassungsrechtlichen Gründen eine bestimmte Ausgestaltung der betrieblichen Gewinnermittlung zu bevorzugen ist. In diesem Sinne betonen vor allem Weber-Grellet185 und Schneider186, dass es der Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung erfordere, die betriebliche Gewinnermittlung im Vergleich zu den Überschusseinkünften nicht zu privilegieren. Eine reinvermögenszuwachstheoretische Betrachtungsweise sei daher aus Gründen der Gleichbehandlung mit Beziehern von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit verfassungsrechtlich sanktioniert, da im Rahmen dieser Einkünfte aus tatsächlichen Gründen auf ein Zuflussprinzip abgestellt werden müsse. Wenn zur Konturierung des Leistungsfähigkeitsprinzips aber nicht die Auffassung der Reinvermögenszuwachstheorie zugrundegelegt werden dürfe, entspreche eine durch handelsrechtliche Grundsätze motivierte steuerliche Gewinnermittlung nicht dem nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip zu besteuernden Gewinn187. Da die Einkommensteuer als Einheitssteuer eine gleichwertige Behandlung der Einkunftsarten und tatsächliche Belastungsgleichheit fordere, verstoße vor allem das Imparitätsprinzip gegen die Gleichmäßigkeit der Besteuerung, da beispielsweise Arbeiter und Vermieter nicht in der Lage seien, drohende Ausgaben steuerwirksam zu berücksichtigen188. Es passe daher nicht zueinander, die Steuerminderung jetzt zu erhalten, während die Realisation des Verlustes erst in einer späteren Periode zu erwarten sei189. Die steuerliche Berücksichtigung als Aufwand bei zeitlich späterer Realisation, ermögliche es, die Zinswirkung in Bezug auf die frühere Steuerminderzahlung auszunutzen, was letztlich zu erheblichen Verzerrungen der ökonomischen Wirkung führe (steuerliche KorresponWeber-Grellet DB 1994, 288, 289; Lauth DStR 2000, 1365, 1368. Schneider, Steuerbilanzen, 1978, S. 55f; vgl. auch Wagner DStR 1997, 517ff. Siegel StuB 1999, 195, 196. Schulze-Osterloh DStJG 23 (2000), 67, 70ff; Weber-Grellet DB 1994, 288, 289; vgl. zu dieser Argumentation auch Schneider, Steuerbilanzen, 1978, S. 55f. 189 Siegel StuB 2000, 29, 32; Doralt DB 1998, 1357 spricht insoweit von einem zinslosen Staatskredit.
185 186 187 188
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Kritik und h.M. im Lichte der unterschiedlichen Vergleichsmaßstäbe
denzlücke). Insbesondere im Hinblick auf den mittlerweile abgeschafften § 5 Abs. 4a EStG wurde das Beispiel190 angeführt, dass eine Rückstellung von € 10 Mio. bei angenommener Ertragsteuerbelastung von 50 % zu einer Steuerstundung in Höhe von € 5 Mio. führe. Dieser Liquiditätsvorteil führe bei einer angenommenen Rendite von 5 % (nach Steuern) zu einem Finanzierungsvorteil von € 250 000 (2,5 % der drohenden Verbindlichkeit). Gemessen an längeren Zeiträumen könne auf diese Weise die Verbindlichkeit sogar überkompensiert werden. Insofern finanziere der Staat und damit die Allgemeinheit die drohende Verbindlichkeit. Neben dem Argument der Gleichbehandlung aller Einkunftsarten tritt allerdings noch eine weitere Argumentationsstruktur. Bezüglich der bilanziellen Berücksichtigung von Drohverlustrückstellungen hat Weber-Grellet191 die Auffassung vertreten, dass diese Form der Antizipation von Verlusten lediglich unter dem Gesichtspunkt des Schutzes von Anteilseignern und Gläubigern berechtigt sei, nicht aber im Hinblick auf den steuerbilanziellen Zweck der Ermittlung des periodischen Gewinns. Dem liegt allgemeiner formuliert die These zu Grunde, dass das Imparitätsprinzip als Ausprägung einer vorsichtigen Gewinnermittlung gegenüber dem Fiskus im Unterschied zu den Anteilseignern keine Rolle spielen dürfe, da Anteilseigner bei Verlusteintritt nicht zur Erstattung zuvor ausgezahlter Gewinne verpflichtet seien, während vom Fiskus in dieser Situation die Erstattung zuvor erhobener Gewinnsteuern zu erwarten sei192. Funktionell habe dies im Rahmen eines unbeschränkt zu gewährenden Verlustabzuges nach § 10 d EStG zu geschehen, der auch auf § 10 a GewStG zu erstrecken sei. Aufgrund dieser Rückzahlungspflicht bestehe kein Grund, den Fiskus wie die Gesellschafter den Preis einer geringen Ausschüttungsbasis zahlen zu lassen193. Eine Gleichstellung des Staates als Teilhaber mit den übrigen Anteilseignern, wie sie durch das Maßgeblichkeitsprinzip vorgesehen ist, erweise sich wegen dieser Möglichkeit als nicht haltbar194. Insofern entspreche der handelsrechtlich nach dem Vorsichtsprinzip ausschüttbare Gewinn nicht dem nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip zu besteuernden Gewinn195. Die Einbeziehung künftiger Verluste in die
190 Beispiel nach Doralt DB 1998, 1357; vgl. auch das Beispiel bei Siegel StuB 2000, 1096, 1097. 191 Weber-Grellet DB 1994, 288, 291. 192 Siegel StuB 1999, 195, 196; Schreiber FS Beisse, 1997, S. 491, 504. 193 Siegel StuB 1999, 195, 196; Siegel BB 1994, 2237, 2243; Scheffler StuB 2000, 489, 494; Schreiber FS Beisse, 1997, S. 491, 504. 194 Siegel StuB 1999, 195, 196; Schulze-Osterloh DStJG 23 (2000), 67, 74. 195 Siegel StuB 1999, 195, 196.
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Die Kritik von Realisations- und Imparitätsprinzip
Steuerbilanz sei somit als Systembruch zu werten. Ein autonomes Steuerbilanzrecht dürfe daher das Imparitätsprinzip nicht enthalten196. Weitergehend stellt sich jedoch vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlichen Forderung nach einer Gleichbehandlung aller Einkunftsarten allgemein die Frage, ob nicht die Methode der bilanziellen Gewinnermittlung vollständig aufzugeben und durch eine für alle Einkunftsarten einheitlich geltende Überschussrechnung zu ersetzen ist197. Daher scheint es auch nicht verwunderlich, dass neben dem Imparitätsprinzip auch die Berechtigung der Rückstellungsbildung generell198 anhand einer ökonomischen Wirkungsanalyse in Zweifel gezogen wird, die die finanzielle Vorteilhaftigkeit dieser Einkommensermittlungsmethodik darstellen soll199. Vielfach wird betont, dass insbesondere bei Pensionszusagen häufig zu beobachten sei, dass ein Endkapitalwert entstehe der über den Wert der eigentlichen Pensionszusage hinausgehe200. Die vorstehende Analyse hat belegt, dass sich sowohl Gegner als auch Befürworter eines am Maßgeblichkeitsprinzip orientierten steuerlichen Vermögensvergleichs zur Begründung ihrer Position auf systematisch tief fundierte Grundvorstellungen beziehen können. Die Möglichkeit, verschiedene Differenzierungsmaßstäbe zu entwickeln, führt somit zur alles entscheidenden Frage, welcher Differenzierungsmaßstab bei einer verfassungsrechtlichen Überprüfung angelegt werden muss bzw. darf. Betont man die Notwendigkeit einer einheitlichen Einkünfteermittlung201 aller Einkunftsarten, erscheint sogar der Ruf nach einer Ablösung des Steuerbilanzrechts vom Handelsbilanzrecht und der Entwicklung eigenständiger steuerlicher Bilanzierungs196 Schulze-Osterloh DStJG 23 (2000), 67, 71f. 197 Wagner DStR 1997, 517ff; Wagner DB 1998, 2073, 2077ff; Weber-Grellet BB 1999, 2659, 2666; Lauth DStR 2000, 1365, 1371; Herzig/Hausen DB 2004, 1, 3ff; vgl. nun auch Tipke FS Kruse, 2001, 215, 219; kritisch Dziadkowski BB 2000, 399, 401. 198 Doralt DB 1998, 1357f. 199 Doralt DB 1998, 1357; Siegel BB 1994, 2237; Siegel StuB 1999, 195ff; Siegel StuB 2000, 29, 32; Schneider DB 1999, 105, 106f. 200 Siegel, Steuerwirkungen und Steuerpolitik in der Unternehmung, 1982, S. 117ff. Nimmt man jedoch den Kassenvermögensvergleich zum Beurteilungsmaßstab erscheint es von vornherein verkürzt, lediglich auf die Zinswirkungen einer steuerlichen Entlastung vor Auszahlung hinzuweisen. Umgekehrt müsste auch der gegenteilige Effekt einer Nachverrechnung von Auszahlungen bei aktivierten Wirtschaftsgütern in die Betrachtung einbezogen werden, die dazu führt, dass gegenüber der an sich gebotenen Sofortabschreibung eine Steuerentlastung in spätere Perioden verlagert wird. Sigloch BFuP 2000, 157, 174 hat daher zu Recht darauf hingewiesen, dass eine Bilanz gegenüber einer Zahlungsrechnung nicht einseitig Vorteile aufweist. 201 So auch Tipke FS Kruse 2001, S. 215, 218.
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Kritik und h.M. im Lichte der unterschiedlichen Vergleichsmaßstäbe
prinzipien zu kurz gegriffen, da auch ein eigenständiges Steuerbilanzrecht die ungleiche Ermittlung der Einkünfte verschiedener Einkunftsarten nicht beseitigen würde. Unklar ist ferner die Fragestellung geblieben, inwieweit eine Abschaffung des Imparitätsprinzips von der Einräumung eines unbegrenzten Verlustrücktrages begleitet sein muss. Die damit aufgeworfenen Fragestellungen führen auf die Grundproblematik zurück, welche Anforderungen an eine verfassungskonforme Ausgestaltung der steuerliche Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer gestellt werden müssen. Dabei ist der maßgebliche Prüfungsrahmen insbesondere aus den Grundrechten zu entwickeln.
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3. Kapitel: Verfassungsrechtliche Ausgestaltungsdirektiven A.
Entwicklung eines Prüfungsmaßstabes zur verfassungsrechtlichen Beurteilung von Fragestellungen der Ausgestaltung der steuerlichen Bemessungsgrundlage
I.
Art 3 Abs. 1 GG als Ausgangspunkt der verfassungsrechtlichen Beurteilung
Da das Grundgesetz im Gegensatz zur Weimarer Reichsverfassung1 keine speziellen Bestimmungen enthält, nach welchen Grundsätzen die Staatsbürger an den öffentlichen Lasten zu beteiligen sind, steht im Mittelpunkt der verfassungsrechtlichen Beurteilung von Fragestellungen im Bereich des Steuerrechts traditionell der in Art 3 Abs. 1 GG verankerte Gleichheitssatz2. Das Grundgesetz bestimmt in Art 3 Abs. 1 GG, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind. Art 3 Abs. 1 GG verlangt neben der Rechtsanwendungsgleichheit vor allem nach Rechtssetzungsgleichheit3. Dabei fordert der Gleichheitssatz als Kriterium zur Sanktionierung der Rechtssetzungsgleichheit weder eine formale Gleichbehandlung noch eine faktische Gleichheit. Um vorgegebene Unterschiede nicht zu nivellieren, verlangt Art 3 Abs. 1 GG lediglich eine normative Gleichheit in dem Sinne, dass eine Bewertung der von der öffentlichen Gewalt vorgenommenen Gleichbehandlungen und Ungleichbehandlungen vorgenommen werden muss4. Der Gleichheitssatz 1
2 3 4
Art 134 WRV enthielt neben der allgemeinen Bestimmung des Art 109 Abs. 1 WRV eine spezielle steuerliche Ausprägung des Gleichheitssatzes, die alle Staatsbürger ohne Unterschied verpflichtete, im Verhältnis ihrer Mittel zu allen öffentlichen Lasten nach Maßgabe der Gesetze beizutragen. Vgl. auch Art 123 Abs. 1 der Verfassung des Freistaates Bayern von 1946, der vorsah, dass alle im Verhältnis ihres Einkommens und Vermögens und unter Berücksichtigung ihrer Unterhaltspflicht zu den öffentlichen Lasten heranzuziehen sind. Angemerkt sei aber, dass der Grundsatz in der damaligen Zeit keine entscheidenden Impulse geben konnte und auch nicht zu entsprechenden Gerichtsverfahren geführt hat, vgl. Anschütz, WRV, 14. Auflage, 1933, Art 134 Anm. 4. Rodi NJW 1991, 2865; Friauf DStJG 12 (1989), 27 mwN; Sachs StVj 1994, 75, 78; Arndt NVwZ 1988, 787. Schoch DVBl 1988, 863, 873; Arndt NVwZ 1988, 787; Kirchhof StuW 1984, 297. Eckhoff, Rechtsanwendungsgleichheit im Steuerrecht, 1999, S. 68ff; Alexy, Grundrechte, 1985, S. 361f.
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Verfassungsrechtliche Ausgestaltungsdirektiven
selbst enthält jedoch keine Prüfungsmaßstäbe, anhand derer eine verfassungsrechtlich relevante Ungleichbehandlung festgestellt werden kann5. Dem Gleichheitsgrundsatz ist im Gegensatz zu den Freiheitsgrundrechten ein Schutzbereich fremd6. Demzufolge gerät die Frage nach dem Maßstabsinhalt des Gleichheitssatzes zum Kernproblem der Interpretation des allgemeinen Gleichheitssatzes7. Wenn aber der Gleichheitssatz dem Gesetzgeber bei der Rechtssetzungsgleichheit die Rolle der maßgeblichen Entscheidungs- und Differenzierungsinstanz zukommen lässt, muss bereits an dieser Stelle festgestellt werden, dass diese Verteilung der Regelungskompetenz bei der Entwicklung eines verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstabes berücksichtigt werden muss. Andererseits ist jedoch ebenfalls in Rechnung zu stellen, dass Art 1 Abs. 3 GG nach einer umfassenden Bindung sämtlicher Staatsgewalt verlangt. Die inhaltliche Ausgestaltung des Gleichheitssatzes wird daher von der Auflösung dieses Spannungsverhältnisses zwischen gesetzgeberischer Gestaltungsfreiheit und verfassungsrechtlicher Bindung geprägt. 1.
Die traditionelle Deutung des Art 3 Abs. 1 GG als Willkürverbot
Das BVerfG hat in ständiger Rechtsprechung8 und unter maßgeblicher Einflussnahme von Leibholz9 das oben beschriebene Dilemma der Bindung des Gesetzgebers an den Gleichheitssatz durch eine Interpretation als Willkürverbot10 gelöst. Das Verbot beschränkt sich weitgehend auf die Forderung, weder wesentliches Gleiches willkürlich ungleich, noch wesentlich Ungleiches willkürlich gleich zu behandeln. Dabei liegt Willkür dann vor, wenn sich kein vernünftiger aus der Natur der Sache11 folgender oder sonstwie einleuchtender Grund für die Gleich- oder Ungleichbehandlung finden lässt12. Da eine vom Gesetzgeber vorgesehene Ungleichbehandlung durch 5 6 7 8 9 10 11
12
Wiesbrock, Die Verlustrückstellung im Steuer- und Verfassungsrecht, 1999, S. 98. Huster JZ 1994, 541ff. Schoch DVBl 1988, 863, 873; Bryde/Kleindiek Jura 1999, 36, 37. BVerfGE 1, 14, 52; 4, 144, 155; 50, 177, 186; 51, 295, 300; 65, 141, 156; 76, 256, 329. Leibholz, Die Gleichheit vor dem Gesetz, 2. Auflage, 1959, S. 72. Eckhoff, Rechtsanwendungsgleichheit im Steuerrecht, 1999, S. 135, bezeichnet diese Lösung als minimalistische Lösung des Problems. Kirchhof in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts V, 1992, § 124 Rn 210, weist darauf hin, dass die Bezugnahme auf die Natur der Sache grundlegend von dem rechtsphilosophischen Prinzipienstreit von Naturrecht und Positivität zu unterscheiden ist. Gemeint sei damit das realitätsbezogene Erfordernis der Sachgerechtigkeit. BVerfGE 1, 14, 52; 49, 189, 209; 57, 107, 115; 63, 255, 261f; 71, 146, 154f; 74, 203, 214.
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Entwicklung eines Prüfungsmaßstabes zur verfassungsrechtlichen Beurteilung
jeden anerkennenswerten Grund gerechtfertigt werden konnte, lag ein Verstoß gegen Art 3 Abs. 1 GG daher grundsätzlich nur dann vor, wenn überhaupt kein sachlicher Rechtfertigungsgrund zu finden war. Mit der Beschränkung auf ein Willkürverbot hat das BVerfG somit bereits in seiner frühen Rechtsprechung von der Notwendigkeit der differenzierten Entwicklung eines zureichenden Grundes für die Ungleichbehandlung abgesehen13. Schoch14 hat in diesem Zusammenhang darauf verwiesen, dass mit der nur negativ wirkenden Willkürprüfung eine Gleichheitsprüfung in Wahrheit gar nicht mehr erfolgt, da es an der logischen Voraussetzung des Gleichheitsurteils, der Bildung von Vergleichsgruppen fehlt. Man kann dies jedoch auch weniger streng dahingehend ausdrücken, dass dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum bei der Auswahl des Differenzierungsmerkmals zuerkannt wird, wobei die Auswahl eines bestimmten Merkmals lediglich nicht willkürlich sein darf15. Diese restriktive Deutung als Willkürverbot könnte ihre Bestätigung in der Lehre von den funktionellen Grenzen des Gleichheitssatzes16 finden. Dieser Ansatz will im Hinblick auf den Gewaltenteilungsgrundsatz die Gestaltungsaufgabe des Gesetzgebers von der Kontrollaufgabe des Bundesverfassungsgerichts abgrenzen. Da den verschiedenen Staatsgewalten unterschiedliche Funktionen zukommen, müsse auch der Gleichheitssatz eine unterschiedliche funktionsspezifische Bedeutung haben. Die Verfassung habe die Differenzierungskompetenz primär dem Gesetzgeber zugewiesen. Dies führe dazu, dass der Kontrollmaßstab des Bundesverfassungsgerichts diese Grundentscheidung respektieren muss, will er sich nicht Funktionen anmaßen, die dem Gesetzgeber übertragen sind. Folglich könne das Bundesverfassungsgericht „eine gesetzgeberische Regelung nur dann beanstanden, wenn sich überhaupt kein sachlicher Gesichtspunkt für eine Gleich- oder Ungleichbehandlung finden lässt“17. Andererseits entbinde der Gleichheitssatz den Gesetzgeber nicht davon, ein sachgerechtes und sachgemäßes Gesetz zu schaffen. Diese Auffassung ist gerade in neuerer Zeit gewichtigen Einwänden ausgesetzt. Zunächst ist zu berücksichtigen, dass sich der Verfassungsgeber durch Art 1 Abs. 3 GG dazu bekannt hat, auch die Legislative umfassend verfasSchoch DVBl 1988, 863, 875. Schoch DVBl 1988, 863, 875. Arndt NVwZ 1988, 787, 788. Hesse FS H. Huber, 1981, S. 261; Hesse AöR 109 (1984), 174, 185ff; Schuppert DVBl 1988, 1191; vgl. auch Katzenstein, Sondervotum BVerfGE 74, 28, 30; ähnlich auch Bryde/Kleindiek Jura 1999, 36, 37f. 17 Hesse FS H. Huber, 1981, S. 261, 269.
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sungsrechtlich zu binden. Wenn dann zur Kontrolle ein Verfassungsgericht eingesetzt wird, scheint es überzeugend, dass sich die Kompetenz des Bundesverfassungsgerichts aus dem materiellen Gehalt der Verfassung ergeben muss und nicht umgekehrt der gerichtlich durchsetzbare Teil der Verfassung aus der Kontrollkompetenz abgeleitet wird18. Schließlich erscheint auch fraglich, warum die verfassungsrechtliche Funktionenzuordnung eine so weitgehende und insbesondere pauschale restriktive Interpretation des Gleichheitssatzes erfordert. Eckhoff19 weißt richtigerweise darauf hin, dass dem verfassungsgerichtlichen Funktionenzusammenhang auch dann entsprochen wird, wenn je nach „Sachzusammenhang, normativem Kontext und Beeinträchtigungsintensität unterschiedliche Gestaltungsspielräume respektiert“ werden, „indem unterschiedlich stringente Kontrollmaßstäbe angelegt werden“. Eine generelle Deutung des Gleichheitssatzes als Willkürverbot ist daher nicht durch die funktionellen Grenzen des Gleichheitssatzes geboten20. 2.
Weitergehende inhaltliche Maßstäbe zur Festlegung des Prüfungsmaßstabes
Wenn somit bis hierhin festgestellt werden kann, dass das Willkürverbot lediglich die minimalistischste Bindung21 an den Gleichheitssatz darstellt, ist dennoch weiter zu fragen, ob die Verfassung jedenfalls in Teilbereichen nicht weitergehende Bindungen erfordert bzw. selbst voraussetzt. Diese Fragestellung erscheint auch dann von Bedeutung, wenn man im Hinblick auf das soeben angesprochene Argument der grundsätzlichen Kompetenzverteilung zwischen Gesetzgeber und verfassungsgerichtlicher Kontrolle, zumindest für den Regelfall die Beschränkung auf eine Willkürprüfung anerkennen will22. Dem Grundgesetz selbst sind an verschiedenen Stellen Wertmaßstäbe zu entnehmen, die gesetzgeberische Differenzierungen verbieten oder gestatten23. Auf eine Übernahme der in Art 134 WRV enthaltenen Anordnung zur Differenzierung nach der Leistungsfähigkeit als maßgeblichem Differenzierungskriterium für das Steuerrecht ist jedoch, wie bereits erwähnt, verzichtet worden. Trotz fehlender Positivierung von verfassungs18 Eckhoff, Rechtsanwendungsgleichheit im Steuerrecht, 1999, S. 139; Huster, Rechte und Ziele, 1993, S. 121. 19 Eckhoff, Rechtsanwendungsgleichheit im Steuerrecht, 1999, S. 139. 20 Alexy, Theorie der Grundrechte, 1985, S. 375f. 21 Vgl. Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, 1983, S. 156; Zacher, AöR 93 (1968), 341, 357; Eckhoff, Rechtsanwendungsgleichheit im Steuerrecht, 1999, S. 141. 22 Bryde/Kleindiek Jura 1999, 36, 38; Zippelius VVDStRL 47 (1989), 7, 26. 23 Rüfner in: Bonner Kommentar, GG, Art 3 Abs. 1 Rn 44ff.
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rechtlichen Wertmaßstäben, geht das BVerfG in seiner Rechtsprechung24 davon aus, dass es Konstellationen gibt, die eine über das Willkürverbot hinausgehende verfassungsrechtliche Kontrolle erfordern25. Im Hinblick auf diese Erkenntnis verwendet das BVerfG in neuerer Rechtsprechung eine engere Formel, die auch in die Rechtsprechung des BFH übernommen wurde26. Danach wird der allgemeine Gleichheitssatz nur dann verletzt, wenn der Staat eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten27. Zwar hat diese Rechtsprechung trotz der scheinbar engeren Fassung in weiten Teilen nicht zu Ergebnissen geführt, die über den durch das Willkürverbot gezogenen Rahmen hinausgehen28, dennoch kann nicht geleugnet werden, dass das BVerfG im Hinblick auf den spezifischen Regelungszusammenhang unterschiedliche Anforderungen stellt und damit von einem gestuften Gestaltungsspielraum ausgeht29. Das Spektrum reicht dabei vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse30. Ohne den Anspruch, eine allgemeine Dogmatik für die Frage zu entwickeln31, für welche Fallkonstellation welcher Prüfungsmaßstab anzuwenden ist, sollen nachfolgend die für das Steuerrecht erheblichen Erwägungen herausgearbeitet werden. a)
Die These von einer bereichsspezifischen Interpretation des Gleichheitssatzes für das Steuerrecht
Das BVerfG hat in seiner Rechtsprechung immer wieder die Auffassung vertreten, dass der Gleichheitssatz bereichsspezifisch zu einer unterschiedlich
24 BVerfGE 88, 87, 96. 25 A.A. noch Ipsen in: Neumann/Nipperdey/Scheuner, Die Grundrechte, Bd. 2, 1954, S. 111, nach dessen Auffassung eine gesetzgeberische Bindung allein aus anderen Vorschriften der Verfassung gefolgert werden kann. 26 BFH vom 17. 10. 1990, BStBl II 1991, S. 136. 27 Erstmals BVerfGE 55, 72, 88; vgl. auch BVerfGE 68, 287, 301; 82, 60, 86; 83, 395, 401; 85, 238, 245; 92, 365, 407; 97, 332, 344. 28 BVerfGE 65, 141, 148; 71, 39, 58; 76, 256, 329f; 85, 238, 244ff; vgl. andererseits aber BVerfGE 82, 126, 146ff; 87, 1, 36, wo mit Hilfe der neuen Formel über das Willkürverbot hinausgegangen wird. Vgl. für das Steuerrecht BVerfGE 79, 106, 124; 83, 395, 401; 85, 238, 244f. 29 Vgl. Jarass NJW 1997, 2546. 30 BVerfGE 88, 87, 96. 31 Vgl. insoweit den Versuch Husters, Rechte und Ziele, 1993; Huster JZ 1994, S. 541ff; vgl. auch den Gruppierungsversuch von Bryde/Kleindiek Jura 1999, 36, 38ff.
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Verfassungsrechtliche Ausgestaltungsdirektiven
hohen Bindungsintensität führt32. Für das Gebiet des Steuerrechts geht das BVerfG33, zumindest für die Erschließung von Steuerquellen, die Bestimmung der Steuerart und die Festsetzung des Steuersatzes von einem weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers aus. „Der Gesetzgeber habe hinsichtlich der Erschließung von Steuerquellen weitgehende Gestaltungsfreiheit. Er könne sich in Ausübung seines Steuerfindungsrechts von finanzpolitischen, volkswirtschaftlichen, sozialpolitischen oder steuertechnischen Erwägungen leiten lassen“34. Gegensätzlich zu diesem Standpunkt wird in der Literatur35 eine besonders hohe Bindungsintensität des Gleichheitssatzes im Steuerrecht gefordert. Begründet wird diese Auffassung durch einen Vergleich mit dem Wahlrecht. Wenn für das Wahlrecht als wichtigstem staatsbürgerlichem Recht eine strenge Geltung des Gleichheitssatzes vertreten werde, müsse dies erst recht für die wichtigste staatsbürgerliche Pflicht, die Zahlung von Steuern, gelten36. Diese gegensätzlichen Standpunkte verdeutlichen, dass der Gedanke der bereichsspezifischen Anwendung des Gleichheitssatzes für sich genommen zu allgemein ist, um daraus Schlussfolgerungen zu ziehen. Zu beachten ist, dass sowohl die eine als auch die andere Aussage die Gefahr in sich birgt, auf eine pauschale Behauptung hinauszulaufen. Eine bereichsspezifisch unterschiedliche Interpretation des Gleichheitssatzes ist erst das Ergebnis von Wertungen, die aus anderen Wertmaßstäben resultieren. Die Forderung nach einer bereichsspezifischen Interpretation des Gleichheitssatzes ist letztlich nichts anderes als die Forderung, die spezifischen Sachzusammenhänge und die Systematik des geregelten Sachbereichs zu erfassen und zu berücksichtigen37. Daher lässt sich eine genauere Aussage über die Bindungsintensität im Steuerrecht auch erst nach einer Analyse der diese Materie betreffenden sachspezifischen Gesichtspunkte treffen. Somit ist die These einer bereichs-
32 BVerfGE 75, 108, 157; 88, 87, 96; 93, 319, 348f; 105, 73, 110f; BVerfG NJW 1991, 2129. 33 BVerfGE 13, 181, 202f; 26, 302, 310; BVerfG FR 1999, 528ff; vgl. auch Arndt NVwZ 1988, 787, 789. 34 BVerfGE 21, 54, 63. 35 Papier in: Benda/Maihofer/Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts, 2. Auflage, 1994, § 18 Rn 108; vgl. auch Schuppert DVBl 1988, 1191, 1193. 36 Papier in: Benda/Maihofer/Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts, 2. Auflage, 1994, § 18 Rn 108f; vgl. auch Vogel/Waldhoff in: Vogel, Grundlagen des Finanzverfassungsrechts: Sonderausgabe des Bonner Kommentars zum Grundgesetz, 1999, Rn 527. 37 Eckhoff, Rechtsanwendungsgleichheit im Steuerrecht, 1999, S. 151; Jüptner, Leistungsfähigkeit und Veranlassung, 1989, S. 16f.
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spezifischen Anwendung des Gleichheitssatzes nichts anderes als eine Forderung nach Sachgerechtigkeit oder Systemgerechtigkeit38. Auch der oben angeführte Vergleich mit der Wahlgleichheit lässt sich im Hinblick auf diesen Gedanken relativieren. Der Gesetzgeber hat die Wahlgleichheit gesetzlich zu konstituieren. Wenn der Gesetzgeber ein System schafft, dem der Gedanke einer formalen Gleichheit innewohnt, mit der Folge, dass die Differenzierungsmöglichkeiten minimalisiert sind, muss er sich an seiner formalen Konzeption festhalten lassen39. Letztlich liegt auch hier lediglich die Forderung nach Systemkonsequenz zu Grunde40. b)
Die These einer hohen Bindungsintensität bei nachteiliger Auswirkung der Regelung im freiheitsrechtlich geschützten Bereich
Eine weitere Begründung für den einen oder anderen Standpunkt könnte sich in der neueren differenzierteren Rechtsprechung des BVerfG finden, nach der eine besonders intensive Bindungsintensität dann behauptet wird, wenn es sich bei der betroffenen Regelung um eine belastende Regelung handelt oder um eine solche, die sich nachteilig auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten auswirkt41. Wie undifferenziert und pauschal diese These letztlich ist, zeigt sich für das Steuerrecht gerade an der Entwicklung der Rechtsprechung des BVerfG zum Eigentumsgrundrecht des Art 14 Abs. 1 GG im Hinblick auf die Auferlegung von staatlichen Geldleistungspflichten42. Während früher apodiktisch behauptet wurde, dass die Auferlegung von Geldleistungspflichten den Schutzbereich des Art 14 Abs. 1 GG nicht berühre, da die Steuern nicht aus einem konkreten Eigentumsobjekt, sondern aus dem Vermögen zu leisten sind, wurde diese Position in jüngerer Zeit43 aufgegeben. Um Wertungswidersprüche im Hinblick auf die angeführte These zur besonderen Bindungsintensität im freiheitsrechtlich geschützten Bereich zu vermeiden, hätte dieser Wandel in der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung konsequenterweise dazu führen müs-
38 Eckhoff, Rechtsanwendungsgleichheit im Steuerrecht, 1999, S. 150. 39 Jüptner, Leistungsfähigkeit und Veranlassung, 1989, S. 16. 40 Jüptner, Leistungsfähigkeit und Veranlassung, 1989, S. 16 stützt sich dabei auf Degenhart, Systemgerechtigkeit, 1976, der eine über das Willkürverbot hinausgehende Bindungsintensität dann vertritt, wenn ein Prinzip einem Grundrecht nahe steht. 41 BVerfGE 74, 9, 24; 88, 87, 96; 91, 346, 363; 105, 73, 110. 42 siehe dazu 3. Kap. C. IV. 5. 43 BVerfGE 87, 152, 169; 93, 121, 137ff.
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sen44, dass die Position des Gerichtes zur Bindungsintensität des Gleichheitssatzes im Steuerrecht neu definiert wird. c)
Hohe Bindungsintensität, wenn der Normadressat als Person betroffen ist?
Das BVerfG hat verschiedentlich eine engere Bindung des Gesetzgebers angenommen, wenn die in Rede stehenden Regelungen den einzelnen als Person betreffen, den gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum jedoch umso weiter gezogen, je mehr ein allgemeiner Sachverhalt im Vordergrund der Regelung steht und damit der Normadressat hinter den Lebenssachverhalt zurücktritt45. Unterschieden wird somit zwischen der Ungleichbehandlung von Lebenssachverhalten und der Ungleichbehandlung von Normadressaten46. Da Recht aber immer menschliches Verhalten regelt, und somit jede Differenzierung anhand eines Sachverhaltes letztlich auch als personenbezogene Differenzierung gedeutet werden kann47, beinhaltet dieser Abgrenzungsversuch die Gefahr, jede Differenzierung als personenbezogen zu klassifizieren. Zu denken wäre daher allenfalls an eine restriktive Interpretation dieses Ansatzes etwa in der Art, dass man darauf abstellt, ob die Differenzierung mit in der Person des Normadressaten liegenden Merkmalen begründet werden kann48. Gemessen an diesen Maßstäben können besondere Rechtfertigungsbedürfnisse für die Erhebung von Steuern aufgestellt werden, die eindeutig und ausschließlich an persönliche Merkmale des Steuerpflichtigen (z.B. das Geschlecht, das Alter) anknüpfen. Im übrigen wird das Differenzierungskriterium bei verschiedenen Steuerarten jedoch rein sachverhaltsbezogen durch den Steuergegenstand festgelegt49. Die unterschiedliche Behandlung von Personen im Steuerrecht ist nur Reflex der unterschiedlichen Behandlung von Sachbereichen. Somit könnte man daran denken, mit Hilfe dieses Ansatzes eine gesetzgeberische Gestaltungsfreiheit bei der Auswahl des Steuergegenstandes zu begründen. Aussagen über die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Ausgestaltung der Bemessungsgrundlage in44 So auch Eckhoff, Rechtsanwendungsgleichheit im Steuerrecht, 1999, S. 150. Eine solche Korrektur ist nicht erfolgt, wie das Bekenntnis in BVerfG FR 1999, 528, 531 eindeutig belegt; siehe auch Papier Stbg 1999, 49, 54. 45 BVerfGE 82, 126, 146; 88, 87, 96; 96, 1, 6; 99, 88, 94. 46 Sachs JuS 1997, 124, 127; Bryde/Kleindiek Jura 1999, S. 36, 39. 47 Drüen in: Tipke/Kruse, AO, § 3 Rn 48, 58; Bryde/Kleindiek Jura 1999, 36, 40; Sachs JuS 1997, 124, 127f. 48 Bryde/Kleindiek Jura 1999, 36, 40. 49 Drüen in: Tipke/Kruse, AO, § 3 Rn 48; vgl. auch Prokisch FS Vogel, 2000, S. 293, 307; Kirchhof StuW 1984, 297, 300f; Wiesbrock, Die Verlustrückstellung im Steuerund Verfassungsrecht, 1999, S. 97.
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nerhalb einer bestimmten Steuerart können diesem Kriterium ebenfalls nicht entnommen werden. Soweit ersichtlich ist jedoch nie versucht worden, mittels eines Umkehrschlusses von der Sachbezogenheit der Materie auf eine größtmögliche Ausgestaltungsfreiheit bei der Konturierung der steuerlichen Bemessungsgrundlage zu schließen. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass sich im Steuerrecht die Sachlage wegen der mangelnden Personenbezogenheit in der Regel grundlegend von anderen Regelungsbereichen unterscheidet50. Im Regelfall kann für die Prüfung des Gleichheitssatzes das Differenzierungsziel dem Zweck des Gesetzes entnommen werden und nur aus dem Zweck ergibt sich, auf welche (personenbezogenen) Unterschiede der Gesetzgeber abstellen darf51. Im Steuerrecht stellen die Steuergesetze ein solches Maß nicht zur Verfügung, da der staatliche Finanzbedarf keine personenbezogene Unterscheidung rechtfertigt52. Um so dringlicher stellt sich deshalb die Frage nach einem steuerspezifischen Differenzierungskriterium. Die Suche nach einem solchen Kriterium erscheint schon allein deswegen zulässig, weil das BVerfG einzelnen Strukturierungsversuchen bei der Bestimmung des Prüfungsmaßstabes nie Ausschließlichkeitscharakter beigemessen hat. d)
Das Leistungsfähigkeitsprinzip als maßgebliches Differenzierungskriterium im Steuerrecht
aa)
Die Bedeutung des Leistungsfähigkeitsprinzip in der Rechtsprechung des BVerfG53
Zur Präzisierungen des Prüfungsmaßstabes im Steuerrecht wurde in der Rechtsprechung des BVerfG unter Betonung der bereichsspezifischen Anwendung des Gleichheitssatzes immer wieder auf den Gedanken der Steuergerechtigkeit54 verwiesen55. Nach Auffassung des BVerfG fordert der im allgemeinen Gleichheitssatz verankerte Grundsatz der Steuergerechtigkeit, dass die Steuerlasten auf die Steuerpflichtigen im Verhältnis der wirtschaft-
Kirchhof StuW 1984, S. 297, 300f. Prokisch FS Vogel, 2000, S. 293, 307. Prokisch FS Vogel, 2000, S. 293, 307. Vgl. dazu die detaillierte Darstellung bei Gassner/Lang, Das Leistungsfähigkeitsprinzip im Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht, 2000, S. 13ff. 54 Allgemein zur Steuergerechtigkeit Tipke FS Kriele, 1997, S. 947ff. 55 St. Rspr. seit BVerfGE 6, 55, 70; 9, 237, 244; 13, 331, 338; 18, 224, 232; 31, 54, 67; 26, 301, 310; 29, 327, 335; 35, 324, 335; 38, 61, 97; 43, 108, 120; 49, 343, 360; 50, 386, 391; 61, 319, 343; 65, 325, 354; 66, 214, 223; 67, 290, 297; 68, 143, 152; 68, 287, 310; 72, 200, 260; 74, 182, 199f; 93, 121, 134. Zur Entwicklung der Rechtsprechung Herzog FS 75 Jahre RFH-BFH, 1993 S. 105, 106f.
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lichen Leistungsfähigkeit verteilt werden56. Dies gelte insbesondere im Einkommensteuerrecht, das auf die Leistungsfähigkeit des einzelnen Steuerpflichtigen angelegt sei57. Art 3 Abs. 1 GG wird somit als bedeutendster Anknüpfungspunkt für das Prinzip der Besteuerung nach Maßgabe wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit gesehen58. Wenn das BVerfG mit diesen Äußerungen die Bedeutung des Leistungsfähigkeitsprinzips als Differenzierungskri56 A.A. Leisner, Der Gleichheitsstaat, 1980, S. 189ff nach dessen Auffassung das Leistungsfähigkeitsprinzip dem Gerechtigkeitsgedanken nicht genügt, da es in Wahrheit in der Bevölkerung gar keine Zustimmung erfahre. 57 BVerfGE 8, 51, 68f; 9, 237, 243; 13, 290, 297; 27, 58, 64; 32, 333, 339; 43, 108, 120; 61, 319, 343f; 66, 214, 223; 67, 290, 297; 68, 287, 310; 82, 60, 86; 99, 216, 232; vgl. auch Birk/Barth in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, § 4 Rn 41; Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, 1983, S. 123ff; Kirchhof StuW 1984, 297, 303ff; Kirchhof StuW 2000, 316, 317; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band 1, 2. Auflage, 2000, S. 491; Birk/Kulosa FR 1999, 433, 438; Lang in: Tipke/Lang, 17. Auflage, 2002, § 4 Rn 81ff; Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, 1981/88, S. 97f; Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, 2000, S. 9ff; Jakob, Einkommensteuer, 3. Auflage, 2003, § 1 Rn 7ff; Pezzer DStJG 14 (1991), 3, 24f; Mellinghoff Stbg 2005, 1, 3. 58 So insbesondere das BVerfGE 8, 51, 68f; 9, 237, 243; 13, 290, 297; 27, 58, 64; 32, 333, 339; 43, 108, 120; 61, 319, 343f; 66, 214, 223; 67, 290, 297; 68, 287, 310; 82, 60, 86; 99, 216, 232; aus der Literatur etwa Vogel DStJG 12 (1989), 123, 141; Kirchhof StuW 1984, 297ff; Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, 1983, S. 135; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band 1, 2. Auflage, 2000, S. 298ff mwN; Wendt DÖV 1988, 710ff; Wendt DStJG 28 (2005), 47, 48; Papier DFGT 1 (2004), 25, 33; Desens, Das Halbeinkünfteverfahren, 2004, S. 346f; vgl. auch Gassner/Lang, Das Leistungsfähigkeitsprinzip im Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht, 2000, S. 64, 72; Dauber, Das Realisationsprinzip als Grundprinzip der steuerlichen Gewinnermittlung, 2003, S. 91. Eine andere weit verbreitete Auffassung (BFH v. 9. 5. 2001, BStBl II 2001, 552; Weber-Grellet StuB 2002, 700, 701; Weber-Grellet, Steuern im modernen Verfassungsstaat; Vogel/Waldhoff in: Vogel, Grundlagen des Finanzverfassungsrechts: Sonderausgabe des Bonner Kommentars zum Grundgesetz, 1999, Rn 517ff) leitet das Leistungsfähigkeitsprinzip nicht allein aus Art 3 Abs. 1 GG ab, sondern aus einem Zusammenwirken des Gleichheitssatzes mit den Freiheitsrechten (insbesondere Art 12, 14 GG), dem Demokratieprinzip sowie dem Sozialstaatsgedanken. Diese Auffassung stellt also letztlich auf das Ergebnis der ggf. gegenläufigen Wertentscheidungen des GG ab und bezeichnet eine Besteuerung, die innerhalb des Gestaltungskorridors liegt, der dem Gesetzgeber nach Abwägung sämtlicher relevanten Wertmaßstäbe der Verfassung verbleibt, als leistungsfähigkeitsgerechte Besteuerung. Die Bezugnahme des Leistungsfähigkeitsprinzips auf das Ergebnis von Wertungen birgt indes die Gefahr in sich, die relevanten Einzelwertungen zu verschleiern. Daher erscheint es nach der hier vertretenen Auffassung schon aus Gründen der Transparenz vorzugswürdig, ausgehend von Art 3 Abs. 1 GG einen Differenzierungsmaßstab zu entwickeln und diesen dann in Beziehung zu den Freiheitsrechten und dem Sozialstaatsprinzip zu setzen.
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terium in den Blickpunkt rückt, ist damit jedoch noch nichts über den Stellenwert dieses Prinzips ausgesagt. Insbesondere zu Beginn der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung sah das BVerfG59 im Leistungsfähigkeitsprinzip lediglich eines von mehreren denkbaren Differenzierungskriterien60. Prokisch61 betont daher vollkommen zu Recht, dass dem Leistungsfähigkeitsprinzip, insbesondere in der frühen Verfassungsrechtsprechung, weniger die Funktion eines verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstabes zukam, sondern vielmehr das steuerliche System beschrieben werden sollte. Aussagen in späteren Urteilen62 lassen jedoch darauf schließen, dass das BVerfG das Leistungsfähigkeitsprinzip in seiner Bedeutung aufgewertet hat und dieses nunmehr als allein maßgebliches Differenzierungskriterium in den Mittelpunkt der Betrachtung rückt. Im Zusammenhang mit der Frage der einkommensteuerrechtlichen Berücksichtigung zwangsläufiger Unterhaltsaufwendungen äußerte sich das BVerfG63 dahingehend, dass aus dem Prinzip der Besteuerung nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip folge, dass auch solche Ausgaben einkommensteuerlich von Bedeutung sind, die unvermeidbar im privaten Bereich anfallen. Diese unabweisbare Sonderbelastung dürfe der Gesetzgeber ohne Verstoß gegen die Steuergerechtigkeit nicht außer Acht lassen64. Ohne weiteren Hinweis auf die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers bezeichnet das BVerfG65 das Leistungsfähigkeitsprinzip in diesem Zusammenhang als obersten Besteuerungsgrundsatz. Eine Fortsetzung dieser Tendenzen findet sich in der Rechtsprechung zur Verpflichtung der Freistellung des Existenzminimums66. Trotz dieser grundsätzlichen Anerkennung des Gebots zur Besteuerung nach Maßgabe der wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit betont das BVerfG in einer Vielzahl von Entscheidungen67 und in vielfacher Hinsicht aber auch weiterhin den Gestaltungsspielraum des Steuergesetzgebers. Im Rahmen der Entwicklung der Rechtsprechung hat das BVerfG hervorgehoben, dass es nicht in allen Einzelheiten nachzuprüfen vermag, ob der Steuergesetzgeber das Leistungsfähigkeitsprinzip in reiner Form verwirklicht68. Ein weiter Gestal59 60 61 62 63 64 65 66 67 68
BVerfGE 6, 55, 59; 9, 237, 243. Wiesbrock, Die Verlustrückstellung im Steuer- und Verfassungsrecht, 1999, S. 102. Prokisch FS Vogel, 2000, S. 293, 303. BVerfGE 66, 214, 222ff. BVerfGE 61, 319, 343f; 99, 216ff; 99, 246, 261f. BVerfGE 61, 319, 343f; 66, 214, 222ff; 68, 143, 152f; so auch Wendt FS Tipke, 1995, S. 47, 50ff; a.A. noch Benda DStZ 1984, S. 159, 160. BVerfGE 66, 213, 222ff. BVerfGE 82, 60, 86f; 82, 198ff; 87, 153, 169ff; 91, 93, 108ff; BVerfG JZ 1999, 721ff. BVerfGE 47, 1, 29f; 65, 354; 93, 121, 136. BVerfGE 43, 108, 120; 47, 1, 29f; vgl. auch BVerfGE 68, 143ff.
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Verfassungsrechtliche Ausgestaltungsdirektiven
tungsspielraum des Steuergesetzgebers wird vom BVerfG in ständiger und neuester Rechtsprechung insbesondere auch dann angenommen, wenn es um die Erschließung von Steuerquellen geht69. Zwar folge aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip, dass jeder Steuerpflichtige nach seiner Leistungsfähigkeit gleichmäßig zur Finanzierung der allgemeinen Staatsaufgaben herangezogen wird. Aus dem Gebot der möglichst gleichmäßigen Belastung aller Steuerpflichtigen sei jedoch keine Beschränkung des gesetzgeberischen Entscheidungsspielraumes bei der Auswahl des Steuergegenstandes herzuleiten70. Festzuhalten bleibt somit, dass die Rechtsprechung des BVerfG zum Leistungsfähigkeitsprinzip von einer differenzierten Betrachtungsweise geprägt ist71. Das BVerfG misst dem Leistungsfähigkeitsprinzip im Steuerrecht in Abhängigkeit von der jeweiligen Fragestellung unterschiedliches Gewicht zu, indem es alternativ den Gestaltungsspielraum oder die Bindung an das Leistungsfähigkeitsprinzip betont. Dabei zeigt sich, dass dem Leistungsfähigkeitsprinzip lediglich auf dem Gebiet der Familienbesteuerung und der Berücksichtigung des existenznotwendigen Bedarfs (subjektives Nettoprinzip)72 herausragende Bedeutung zugemessen wird73. Andererseits argumentiert das BVerfG immer dann restriktiv, wenn es zu beurteilen gilt, ob gesetzliche Ausgestaltungen im Ertragsteuerrecht mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip vereinbar sind. In diesem Zusammenhang hat das BVerfG vielfach betont, dass sich das Leistungsfähigkeitsprinzip als vieldeutig erweise, wenn daraus konkrete Schlüsse gezogen werden sollen. Dem Gesetzgeber verbleibe somit ein von ihm zu konkretisierender Gestaltungsspielraum. Sachs74 hat zu Recht festgestellt, dass ungeachtet der Sonderrolle, die in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung mit dem Begriff der Steuergerechtigkeit beansprucht wird, bei der Interpretation des Art 3 Abs. 1 GG für weite Teile des Steuerrechts dessen herkömmlicher Charakter als Willkürverbot grundlegend bleibt.
69 BVerfGE 46, 224ff; 49, 343, 360; 65, 325, 354; 74, 182, 200; 84, 239, 271; 93, 165, 177f; BVerfG FR 1999, 528, 531 unter deutlicher Zurückweisung des Vorlagebeschlusses des FG Niedersachsen v. 24. 6. 1998, EFG 1998, 1428. 70 BVerfGE 84, 239, 271; BVerfG FR 1999, 528, 531. 71 Vgl. Gassner/Lang, Das Leistungsfähigkeitsprinzip im Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht, 2000, S. 25; Prokisch FS Vogel, 2000, S. 293, 305; 72 Vgl. dazu Lang in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Auflage, 2002, § 4 Rn 113; Kirchhof StuW 1985, 319, 328. 73 Vgl. Gassner/Lang, Das Leistungsfähigkeitsprinzip im Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht, 2000, S. 25; Prokisch FS Vogel, 2000, S. 293, 305. 74 Sachs StVj 1994, S. 75, 78.
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Entwicklung eines Prüfungsmaßstabes zur verfassungsrechtlichen Beurteilung
bb)
Die Auffassung der herrschenden Lehre
Von weiten Teilen der Literatur75 wird immer wieder die herausragende Bedeutung des Prinzips der Besteuerung nach Maßgabe der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit als Lastenverteilungsprinzip im Steuerrecht hervorgehoben. Das Leistungsfähigkeitsprinzip stellt nach herrschender Auffassung in der Literatur das Fundamentalprinzip der Besteuerung dar, welches Verfassungsrang besitze76. Zumindest gelte dies bei reinen Fiskalzwecknormen77. Daraus folge, dass sich die Steuerbelastung des Steuerpflichtigen an der individuellen finanziellen Leistungsfähigkeit auszurichten habe78. Die Notwendigkeit der Orientierung der Steuerbelastung an der Fähigkeit, Steuern zu zahlen, führt zur Unterscheidung einer horizontalen und einer vertikalen Komponente des Leistungsfähigkeitsprinzips79. Im Hinblick auf die horizontale Komponente sind Steuerpflichtige gleich zu belasten, die die gleiche Leistungsfähigkeit aufweisen. Demgegenüber verlangt die vertikale Komponente des Leistungsfähigkeitsprinzips, Steuerpflichtige unterschiedlich zu belasten, wenn diese sich in ihrer persönlichen Leistungsfähigkeit unterscheiden. Aus der Anknüpfung an die individuelle Leistungsfähigkeit wird ferner hergeleitet, dass die Besteuerung nur an solche Tatbestände anknüpfen darf, die dem Steuerpflichtigen auch eine entsprechende Zahlungsfähigkeit vermitteln80. Birk81 hat die Funktion des Leistungsfähigkeitsprinzips da75 Wendt DÖV 1988, 710, 712f; Haller, Die Steuern, 2. Auflage, 1971, S. 14ff; Jachmann StuW 1998, 293; Birk/Kulosa FR 1999, 433, 438; Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, 1983, S. 135; Lang in: Tipke/Lang, 17. Auflage, 2002, § 4 Rn 81ff; Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, 1981/88, S. 97f; Weber-Grellet, Steuern im modernen Verfassungsstaat, 2001, S. 161ff; Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, 2000, S. 9ff; Jakob, Einkommensteuer, 3. Auflage, 2003, § 1 Rn 7ff; Pezzer DStJG 14 (1991), 3, 24f; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band 1, 2. Auflage, 2000, S. 479ff; Tipke StuW 1988, 262, 269f; Wiesbrock, Die Verlustrückstellung im Steuer- und Verfassungsrecht, 1999, S. 108ff; Herzig, IAS/IFRS und steuerliche Gewinnermittlung, 2004, S. 18; Mellinghoff Stbg 2005, 1, 3. 76 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band 1, 2. Auflage, 2000, S. 479ff mwN; Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, 2000, S. 9ff; Jachmann, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, 1996, S. 7. 77 Vgl. dazu Arndt NVwZ 1988, 787, 790f mwN. 78 Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, 2000, S. 9; Lang DStJG 4 (1981), 45, 78ff. 79 Vgl. Wiesbrock, Die Verlustrückstellung im Steuer- und Verfassungsrecht, 1999, S. 100. 80 Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, 2000, S. 9. 81 Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, 1983, S. 135.
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Verfassungsrechtliche Ausgestaltungsdirektiven
hingehend zusammengefasst, dass das Leistungsfähigkeitsprinzip ein Besteuerungsprinzip sei, das den Gleichheitssatz in einer bestimmten, von sozialen Grundwertungen der Verfassung her gebotenen Weise konturiert. Dieser Steigerung des Stellenwertes des Leistungsfähigkeitsprinzips korrespondiert zwangsläufig eine Anhebung des Rechtfertigungsniveaus. Ein Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip kann nur dann gerechtfertigt werden, wenn dem damit verfolgten Zweck ein förderungswürdiger Rang zukommt, der den Verstoß gegen die Verteilungsgerechtigkeit aufwiegen kann82. cc)
Die Kritik am Leistungsfähigkeitsprinzip
Gegen die Annahme, das Gebot der Besteuerung nach Maßgabe wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit sei das einzige sachgerechte Differenzierungskriterium im Steuerrecht, hat sich aus steuerrechtlicher Sicht insbesondere eine mit dem Namen Kruse83 verbundene Auffassung gewandt. Das Prinzip der steuerlichen Leistungsfähigkeit sei lediglich ein sachliches Differenzierungskriterium, das neben anderen gleichrangigen Kriterien als Steuerlastenverteilungsmaßstab herangezogen werden kann84. Folge dieser Ansicht ist, dass der Steuergesetzgeber nicht an verfassungsrechtlich vorgegebene Prinzipien der steuerlichen Lastenverteilung gebunden wäre. Das Ermessen des Steuergesetzgebers wäre erst dann überschritten, wenn die vom Gesetz vorgenommene Differenzierung nicht mehr durch sachliche Gründe zu rechtfertigen ist85. Der Gleichheitssatz bliebe demnach auch für das Steuerrecht auf ein Willkürverbot reduziert. Kruse begründet seine Ansicht mit der These, die Auferlegung von Steuerlasten sei ausschließlich ein staatlicher Willensakt. Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers sei die notwendige Folge der Tatsache, dass sich aus dem Finanzbedarf des steuerberechtigten Gemeinwesens keine Sachlogik der Steueranknüpfung ableiten ließe86.
82 Wendt DÖV 1988, 710, 713. 83 Kruse DStJG 5 (1982), 71, 77ff; Kruse, Lehrbuch des Steuerrechts, Band 1, 1991, S. 45ff; Kruse FS Friauf, 1996, S. 793, 795ff; Kruse FS Ritter, 1997, S. 413, 417ff ; Arndt FS Mühl, 1981, S. 17, 26ff ; Arndt NVwZ 1988, 787, 790f; Bodenheim, Der Staat 17 (1978), 481, 494f, 505f; Crezelius, Steuerrechtliche Rechtsanwendung und allgemeine Rechtsordnung, 1983, S. 350f; Leisner, Der Gleichheitsstaat, 1980, S. 189ff; Leisner StuW 1983, 97ff; Mitschke StuW 1980, 122ff; Koblenzer SteuerStud 1999, 390, 392f; Weber-Fas, Allgemeines Steuerrecht, 1979, S. 14, 61; Durchlaub, Zur Steuerpflicht der Gewinne aus der Veräußerung von Privatvermögen, 1993, S. 38ff, Uhländer, Vermögensverluste im Privatvermögen, 1997, S. 83ff, 89f. 84 Arndt FS Mühl, 1981, S. 17, 29; Koblenzer SteuerStud 1999, S. 390, 392f; 85 BVerfGE 23, 50, 60; 46, 224, 233. 86 Kruse, Lehrbuch des Steuerrechts, Band 1, 1991, S. 46.
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Entwicklung eines Prüfungsmaßstabes zur verfassungsrechtlichen Beurteilung
Ein anderer Argumentationstopos in der vielschichtigen Diskussion87 liegt in dem immer wieder vorgetragenen Vorwurf, dass sich das Leistungsfähigkeitsprinzip als vieldeutig erweise, wenn daraus konkrete Schlüsse gezogen werden sollen88. Moniert wird daher die beliebige Interpretierbarkeit des Leistungsfähigkeitsprinzips. Die Inhaltslosigkeit des Prinzips der Besteuerung nach Maßgabe wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit hat aus finanzwissenschaftlicher Sicht insbesondere Littmann89 betont. Auch das BVerfG90 hat auf die Schwierigkeiten hingewiesen, wenn es darum geht, aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip konkrete Schlüsse zu ziehen. Bodenheim91 wirft insbesondere der rechtswissenschaftlich geprägten Literatur vor, dass sie nicht um eine inhaltliche Konturierung des Leistungsfähigkeitsprinzips bemüht sei, sondern dieses auf die inhaltslose Formel „der Fähigkeit, Steuern zahlen zu können“ reduziere. So verwundert es nicht, wenn Gassner/Lang92 dem Leistungsfähigkeitsprinzip jedweden Nutzen für die Steuerrechtsdogmatik absprechen.
87 Einen weiteren Argumentationsansatz vertritt Leisner StuW 1983, S. 97ff. Leisner sieht im Leistungsfähigkeitsprinzip ein Instrument sozialistischer Zielsetzung, das den Leistungswillen zerstöre, die Freiheit des einzelnen unzulässig beschneide und damit eine völlige Egalisierung und Nivellierung bewirke und somit abzulehnen sei. Leisner wendet sich dabei mit seiner Kritik insbesondere gegen die Begründung eines progressiven Tarifverlaufs mit Hilfe der Leistungsfähigkeit. Leisner verkennt bei seiner Argumentation jedoch die Funktion des Leistungsfähigkeitsbegriffs bei der Konturierung der steuerlichen Bemessungsgrundlage. Zudem sieht Leisner im Leistunsgfähigkeitsbegriff die Legitimationsgrundlage des staatlichen Eingriffs, vgl. dazu auch Birk StuW 1983, 293ff; Kraft, Steuergerechtigkeit und Gewinnermittlung, 1991, S. 13. Walz, Steuergerechtigkeit und Rechtsanwendung, 1980, S. 110, 116ff, 158ff und Blaurock JA 1980, 142, 146 wenden sich u.a. gegen die Praktikabilität des Leistungsfähigkeitsprinzips. Ferner sehen sie das Leistungsfähigkeitsprinzip auch im Hinblick auf dessen zahlreiche Durchbrechungen in Frage gestellt. 88 BVerfGE 43, 108, 120; 47, 1, 27; Littmann FS Neumark, 1970, S. 113ff; Weber-Fas BB 1979, 1253, 1254; Arndt FS Mühl, 1981, S. 17, 19f, 36f; Martens KritV 1987, S. 39ff; Wagner BB 2002, 1885, 1888; Gassner/Lang ÖStZ 2000, 643, 644. 89 Littmann FS F. Neumark, 1970, S. 113ff. Littmann bezieht sich in seiner Argumentation allerdings vorwiegend auf die opfertheoretische Interpretation des Leistungsfähigkeitsprinzips, Littmann FS Neumark, 1970, 113, 126ff. 90 BVerfGE 43, 108, 120; 47, 1, 27. 91 Bodenheim, Der Zweck der Steuer, 1979, S. 229 FN 173. 92 Gassner/Lang, Das Leistungsfähigkeitsprinzip im Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht, 2000, S. 118ff; dagegen Beiser ÖStZ 2000, 413; ablehnend auch Birk StuW 2000, 328f; Lang FS Kruse, 2001, S. 313, 318.
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Verfassungsrechtliche Ausgestaltungsdirektiven
dd)
Stellungnahme
Bei näherer Betrachtung weist die Kritik am Leistungsfähigkeitsbegriff eine doppelte Struktur auf. Einerseits richtet sich die Kritik am Leistungsfähigkeitsprinzip gegen dessen Berechtigung als ausschließlich zulässiges Differenzierungskriterium mit Verfassungsrang. Andererseits steht jedoch vor allem die inhaltliche Unbestimmtheit des Prinzips im Vordergrund der Erörterungen. Dieses Argument zielt weniger auf die prinzipielle Anerkennung des Leistungsfähigkeitsprinzips als theoretisches Differenzierungskriterium. Vielmehr wird im Hinblick auf die Vieldeutigkeit der möglichen Schlussfolgerungen dessen Tauglichkeit zur Differenzierung bezweifelt. Falls den Gegnern des Leistungsfähigkeitsprinzips in einem der beiden Punkte Recht zu geben ist, hätte dies zur Folge, dass sich der verfassungsrechtliche Kontrollmaßstab häufig i.E. auf die Minimalanforderungen des Willkürverbotes zu beschränken hätte93. Unter Berücksichtigung der doppelten Struktur der fundamentalen Kritik soll daher untersucht werden, welche Bedeutung dem Leistungsfähigkeitsprinzip bei der Ausgestaltung des Gleichheitssatzes zukommt. (1)
Das Leistungsfähigkeitsprinzip als einzig sachgerechtes Kriterium der Lastenverteilung
Gegen den Ausgangspunkt der verfassungsgerichtlichen Argumentation, die Ableitung des Leistungsfähigkeitsprinzips aus dem Grundsatz der Steuergerechtigkeit, wurden seit jeher gewichtige Einwände formuliert94. Geltend gemacht wurde vor allem, dass mangels wissenschaftlich begründbarer Sachkriterien der Inhalt der Gerechtigkeit durch die subjektiven Vorstellungen der Beurteilenden bestimmt wird95. Insbesondere erscheint es im Hinblick auf Art 1 Abs. 3 GG auch nicht zulässig, die in den vom demokratisch legitimierten Gesetzgeber ergangenen Gesetzen zum Ausdruck gekommenen Vorstellungen per se als gerecht anzusehen96. Überzeugend erscheint in diesem Zusammenhang auch das Argument zu sein, dass Gleichheit lediglich ein Element der Gerechtigkeit darstellt. Insofern könne, wenn die Ar-
93 Vgl. insofern insbesondere die Ausführungen Kruses, Lehrbuch des Steuerrechts, Band 1, 1991, S. 45ff. 94 Döring, Veräußerungsgewinne und steuerliche Gerechtigkeit, 1977, S. 243, 300; Meßmer BB 1981 (Beilage 1) S. 1, 5f; Eckhoff, Rechtsanwendungsgleichheit im Steuerrecht, 1999, S. 142ff; Stein in: AK, GG, 2. Auflage, 1989, Art 3 Rn 30f. 95 Rose StuW 1985, 330, 332. 96 Eckhoff, Die Rechtsanwendungsgleichheit im Steuerrecht, 1999, S. 145f; Wiesbrock, Die Verlustrückstellung im Steuer- und Verfassungsrecht, 1999, S. 91; vgl. zu dieser Fragestellung Tipke StuW 1980, 281.
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gumentation nicht zirkulär werden soll, zwar die Gerechtigkeit mit Hilfe des Gleichheitssatzes bestimmt werden, nicht aber umgekehrt die Gleichheit durch den Gedanken der Gerechtigkeit97. Die verfassungsgerichtliche Anknüpfung an die Steuergerechtigkeit erscheint jedoch in einem anderen Licht, wenn man sich verdeutlicht, welche Zielsetzung mit diesem Argumentationsmuster eigentlich verfolgt wird. Insbesondere Tipke98 hat geltend gemacht, dass materielle Gerechtigkeit nach sachgerechten Prinzipien verlange. Bezuggenommen wird somit eigentlich gar nicht auf eine allgemeine Theorie der Gerechtigkeit, sondern auf das Gebot einer bereichsspezifisch verstandenen Sachgerechtigkeit99. Eckhoff hat richtigerweise darauf hingewiesen, dass die Forderung nach der Berücksichtigung sachspezifischer Zusammenhänge darauf zielt, außerrechtlichen Erkenntnissen, vermittelt über den allgemeinen Gleichheitssatz, Verfassungsrang zu verleihen100. In der Tat wird der Gesetzgeber bereits durch die Auswahl des Regelungsgegenstandes mit den sachbereichsbezogenen Gegebenheiten der ausgewählten Wirklichkeit konfrontiert101. Seine Aufgabe ist es, diese Realität zu erfassen und in Recht umzusetzen102. Zu prüfen ist daher, inwieweit natürliche Gegebenheiten der zu regelnden Sachmaterie „Besteuerung“ dem Gesetzgeber, über das Verbot bloßer Willkür hinausgehend, rechtliche Vorgaben verleihen können. Es stellt sich also die Frage nach der Existenz eines sachspezifischen Differenzierungskriteriums, welches in angemessenem Verhältnis zum Ziel der Differenzierung steht103. Eine solche Prüfung geht von der Erkenntnis aus, dass eine Bewertung von Differenzierungskriterien nur im Hinblick auf das Regelungsziel erfolgen kann, welches wiederum im spezifischen Sachzusammenhang zu sehen ist104. Die Steuer zielt als belastende Abschöpfung finanzieller Mittel darauf, dem einzelnen Steuerpflichtigen die angesprochenen Mittel zu entziehen, um sie in den Dienst der Finanzierung der öffentlichen Aufgaben zu stellen105. Es geht also um die Auferlegung finanzieller 97 So explizit Eckhoff, Die Rechtsanwendungsgleichheit im Steuerrecht, 1999, S. 145 mit FN 51; Tipke FS Zeidler, 1987, S. 717, 731. 98 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band 1, 2. Auflage, 2000, S. 259, 273f, 316ff. 99 Kirchhof StuW 1984, 297, 301; Rüfner in: Bonner Kommentar, GG, Art 3 Abs. 1 Rn 29; vgl. auch BVerfGE 76, 256, 329; 80, 109, 118 und Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band 1, 2. Auflage, 2000, S. 273. 100 Eckhoff, Rechtsanwendungsgleichheit im Steuerrecht, 1999, S. 151. 101 Vgl. Kirchhof in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrecht V, 1992, § 124 Rn 215, 220. 102 Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, 2000, S. 23; Kirchhof StuW 1984, 297, 301. 103 Wiesbrock, Die Verlustrückstellung im Steuer- und Verfassungsrecht, 1999, S. 98f. 104 Eckhoff, Rechtsanwendungsgleichheit im Steuerrecht, 1999, S. 151. 105 Wendt DÖV 1988, 710, 712.
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Lasten, die individuelle Belastung eines Steuersubjektes durch einen Steuergegenstand106. Im Hinblick auf dieses Regelungsziel muss ein Steuergesetzgeber diejenigen Personen durch Entzug finanzieller Mittel belasten, die in der Lage sind, die finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen107. Gemessen am beschriebenen Regelungsziel im Steuerrecht ist eine Belastung nach Maßgabe der Zahlungsfähigkeit des Steuerpflichtigen und damit eine Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit das einzige sachgerechte Differenzierungskriterium für Steuergesetze108. Wendt109 hat daher zu Recht darauf hingewiesen, dass ein anderer Maßstab die Eigenart des allgemeinen Finanzierungsinstruments der Steuer verfehlen würde. Steuerpflichtige sind somit dann als wesentlich gleich zu betrachten, wenn sie die gleiche Leistungsfähigkeit aufweisen110. Dem Prinzip einer Besteuerung nach Maßgabe der individuellen wirtschaftlichen Leistungsfähig106 Kirchhof in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts IV, 1990, § 88 Rn 107. 107 Kirchhof StuW 1984, 297, 298 macht somit richtigerweise darauf aufmerksam, dass nicht der Mensch als solcher zum Vergleichsmaßstab erhoben werden darf, sondern der Mensch in seiner Erwerbs- oder Zahlungsfähigkeit. Würde lediglich auf den Menschen als solchen abgestellt, müsste jeder Mensch gleich mit einer Kopfsteuer in gleicher Höhe belegt werden. 108 Eckhoff, Rechtsanwendungsgleichheit im Steuerrecht, 1999, S. 152; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band 1, 2. Auflage, 2000, S. 287, 322ff; Tipke StuW 1988, 262, 270; Kirchhof StuW 1984, 297, 301; Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, 1983, S. 59ff; 123ff; Lang: in Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Auflage, 2002, § 4 Rn 76, 81; Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, 2000, S. 9ff; Wendt DÖV 1988, 710, 712; Wiesbrock, Die Verlustrückstellung im Steuer- und Verfassungsrecht, 1999, S. 99; Isensee FS Ipsen, 1977, S. 418. Abgesehen vom Kopfsteuerprinzip, welches als Lastenverteilungsmaßstab ungeeignet ist (vgl. Lang in: Tipke/Lang, 17. Auflage, 2002, § 4 Rn 86) kommt als alternativer Lastenverteilungsmaßstab zum Leistungsfähigkeitsprinzip insbesondere das häufig von Ökonomen präferierte Äquivalenzprinzip in Betracht; dazu Schön Symposium Kirchhof, 2003, 143, 156ff. Nach dem Äquivalenzprinzip wird die Steuer als Gegenwert für die staatliche Leistungserbringung gesehen. Eine Besteuerung nach Maßgabe des Äquivalenzprinzips lässt sich, wie Eckhoff, Rechtsanwendungsgleichheit im Steuerrecht, 1999, S. 155 belegt hat, allerdings nicht mit dem Grundgesetz vereinbaren. Eine Verknüpfung von Staatseinnahmen mit den Staatsausgaben wiederspricht zumindest dem gegenwärtigen Steuerbegriff der Verfassung. Ferner liefe ein Verteilungsmaßstab nach Maßgabe des Äquivalenzprinzips darauf hinaus, die Finanzierung von demjenigen zu verlangen, der auf staatliche Leistungen angewiesen ist, weil er diese nicht selbst finanzieren kann. Ein Verstoß gegen das Sozialstaatsprinzip liegt daher auf der Hand. 109 Wendt DÖV 1988, 710, 713. 110 Wiesbrock, Die Verlustrückstellung im Steuer- und Verfassungsrecht, 1999, S. 99.
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keit kommt daher die Rolle des grundlegenden Lastenverteilungsmaßstabes zu111. Im Hinblick auf diese Prämissen muss man sich mit Jachmann112 auf den Standpunkt stellen, dass eine Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit verfassungsrechtlich vorgegeben ist und nicht lediglich ein Gebot der Folgerichtigkeit auf der Grundlage einer gesetzgeberischen Entscheidung für das Leistungsfähigkeitsprinzip113. Die Forderung, den Gesetzgeber nicht an verfassungsrechtlich vorgegebene Prinzipien der Lastenverteilung zu binden, würde die Vorgaben der Sachgerechtigkeit des Steuerrechts missachten. Diese Interpretation des Maßstabsinhaltes des allgemeinen Gleichheitssatzes im Steuerrecht trägt auch den Bedenken Rechnung, die gegen einen auf ein Willkürverbot reduzierten Inhalt des Art 3 Abs. 1 GG formuliert wurden. Die Verpflichtung auf ein bestimmtes Differenzierungskriterium (tertium comperationis) beschränkt den Gesetzgeber in seiner Vergleichsbildung zwar von vornherein auf solche Vorstellungen, die mit dem Differenzierungskriterium vereinbar sind. Andererseits wird auf diese Weise sichergestellt, dass sich der Gesetzgeber überhaupt ein gesetzgeberisches Gleichheitsurteil bilden muss, das Auskunft über Gleichheit und Ungleichheit gibt. (2)
Der Inhalt des Leistungsfähigkeitsprinzips
Die Aussage, das Leistungsfähigkeitsprinzip sei als einzig sachgerechter Lastenverteilungsmaßstab das taugliche Ordnungsprinzip für das Steuerrecht, kann jedoch lediglich als ein erster Zwischenschritt betrachtet werden. Seine Aufgabe als maßgebliches Differenzierungskriterium kann das Leistungsfähigkeitsprinzip nur dann leisten, wenn es gelingt, konkrete Schlussfolgerungen aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip zu ziehen114. Von besonderer Relevanz ist somit die in der Literatur vertretene These, das Leistungsfähigkeitsprinzip sei zu unbestimmt, um daraus konkrete Schlüsse zu ziehen (sog. Vieldeutigkeitsthese)115. Der Vorwurf findet sich zum einen im Hinblick auf die Ausgestaltung des Steuertarifs formuliert. Wesentlich bedeutsamer erscheint jedoch, wenn die Unbestimmtheit des Leistungsfähigkeitsprinzips in Bezug auf die Ausgestaltung der Bemessungsgrundlage gerügt wird. Ziel eines Lastenverteilungsmaßstabes muss die leistungsfähigkeitsadäquate Definition einer Steuerbemessungsgrundlage sein, da die Auswahl 111 Kraft, Steuergerechtigkeit und Gewinnermittlung, 1991, S. 17 112 Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, 2000, S. 24 FN 112. 113 Vgl. insoweit Schoch DVBl 1988, 863, 881. 114 Wendt DÖV 1988, 710, 714. 115 Arndt FS Mühl, 1981, S. 17, 29ff; Arndt NVwZ 1988, 787; Gassner/Lang ÖStZ 2000, 643, 644.
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Verfassungsrechtliche Ausgestaltungsdirektiven
und Gestaltung der Steuerbemessungsgrundlagen das Leistungsfähigkeitsprinzip überhaupt erst konkretisiert116. Sollte eine derartige Konkretisierung des Leistungsfähigkeitsprinzips nicht gelingen, hätte dies zur Folge, dass der Gleichheitssatz in weiten Teilen des Steuerrechts lediglich als Willkürverbot gehandhabt werden könnte. Somit würde sich im Ergebnis die ablehnende Ansicht bestätigen. Der Kritik an der Unbestimmtheit des Leistungsfähigkeitsprinzip ist zunächst insoweit zuzustimmen, als diese verdeutlichen will, dass sich weite Teile von Rechtsprechung und Literatur vielfach auf das Leistungsfähigkeitsprinzip berufen, ohne dass jedoch eine angemessene Auseinandersetzung mit den Inhalten dieses Prinzips erfolgt117. In dieser Handhabung mutiert das Leistungsfähigkeitsprinzip zweifellos zu einer Leerformel mit ausschließlich rechtspolitischem Stellenwert118. Daher muss untersucht werden, ob sich der Inhalt des Leistungsfähigkeitsprinzips auf konkrete Maßstäbe verdichten lässt. Wenn dies gelingt, wäre auch der von den Kritikern vorgetragene Vorwurf der Unbestimmtheit zurückgewiesen. Erforderlich kann in diesem Zusammenhang aber lediglich sein, dass die inhaltliche Ausgestaltung des Leistungsfähigkeitsprinzip nicht unbestimmbar bleibt119. Zunächst drängt sich in diesem Zusammenhang die Frage auf, ob das Grundgesetz selbst einen bestimmten Inhalt des Leistungsfähigkeitsprinzips voraussetzt. Dies ist jedoch, zumindest wenn man die Frage umfassend versteht, nicht der Fall. Der Begriff der steuerlichen Leistungsfähigkeit ist im Grundgesetz nicht geregelt. Dieser wurde vielmehr im Wege der Verfassungsauslegung zur Konturierung der Differenzierungsmaßstäbe des allgemeinen Gleichheitssatzes im Steuerrecht entwickelt. Wenn sich zudem, wie sich insbesondere aus der von der finanzwissenschaftlichen Literatur geführten Diskussion120 ergibt, bereits im Ansatz ganz unterschiedliche Standpunkte zur „richtigen“ Bestimmung der Leistungsfähigkeit unterscheiden lassen, verdeutlicht dies, dass der Inhalt des Leistungsfähigkeitsprinzips nicht aus der Verfassung selbst, sondern nur mit Hilfe externer Maßstäbe erschlossen werden kann121. Wenn demgegenüber in der Literatur gewisse Vorstellungen 116 Lang in: Tipke/Lang, 17. Auflage, 2002, § 4 Rn 92. 117 Wiesbrock, Die Verlustrückstellung im Steuer- und Verfassungsrecht, 1999, S. 106, 109; Lang FS Kruse 2001, S. 313, 319. 118 Gassner/Lang ÖStZ 2000, 643, 644. 119 Wiesbrock, Die Verlustrückstellung im Steuer- und Verfassungsrecht, 1999, S. 108. 120 Vgl. dazu 2. Kap. D; 3. Kap. A. II. 121 Dies bedeutet aber nicht, dass jede ökonomisch vertretbare Interpretation des Leistungsfähigkeitsprinzips von vornherein verfassungsrechtliche Anerkennung finden muss. Den spezifischen Leistungsfähigkeitsvorstellungen können weitere Grenzen
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Entwicklung eines Prüfungsmaßstabes zur verfassungsrechtlichen Beurteilung
zum verfassungsrechtlichen Inhalt des Leistungsfähigkeitsprinzips erklärt werden, muss beachtet werden, dass dies häufig nur bereichsbezogen, im Hinblick auf konkrete Fragestellungen geschieht122. Die Existenz verschiedener Auffassungen über den Inhalt von Leistungsfähigkeit belegt, dass dem Leistungsfähigkeitsprinzip keineswegs ein eindeutiger Inhalt zukommt. Insofern bestehen keine Zweifel, dass das Leistungsfähigkeitsprinzip in hohem Maße konkretisierungsbedürftig123 und daher von vornherein auf eine gewisse inhaltliche Ausgestaltung durch den Gesetzgeber angelegt ist124. Um dem Vorwurf der beliebigen Ausfüllbarkeit zu entgehen, müssen dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers allerdings inhaltliche Grenzen gesetzt werden, wenn das Leistungsfähigkeitsprinzip nicht lediglich als ein von den subjektiven Einstellungen des jeweiligen Interpreten geprägtes programmatisches Bekenntnis verstanden werden soll. Das Leistungsfähigkeitsprinzip würde einen erheblichen Rationalitätsgewinn als Differenzierungskriterium verzeichnen, wenn es gelingt, verschiedene in sich konsistente Leistungsfähigkeitsvorstellungen zu entwickeln und auf diese Weise den Begriffsinhalt bestimmbar zu verdichten. Vielversprechend erscheint dabei, externe (ökonomische) Kriterien zu Hilfe zu nehmen. durch entgegenstehende verfassungsrechtliche Wertungen, insbesondere aus den Freiheitsrechten, gesetzt werden. Dies verdeutlicht, dass das Leistungsfähigkeitsprinzip im verfassungsrechtlichen Kontext lediglich in Zusammenschau mit anderen Prinzipien gesehen werden darf (sog. Prinzipienpluralismus), vgl. Lang DStJG 24 (2001), 49, 57. 122 Vgl. dazu Gassner/Lang ÖStZ 2000, 643. Beispielsweise beziehen sich die Forderungen nach einer markteinkommenstheoretischen Bestimmung des Einkommensbegriffs ausschließlich auf die Einkommensteuer. Weitere durch das Leistungsfähigkeitsprinzip zu beantwortende Fragen sind dadurch nicht betroffen. In der Literatur wird nicht der Inhalt des Prinzips definiert, sondern insbesondere im Binnenbereich der Einkommensteuer die Existenz von Unterprinzipien behauptet, an denen das geltenden Recht gemessen wird. Eine Auseinandersetzung mit der Markteinkommenstheorie erfolgt daher auch im Rahmen der Konturierung des Einkommensbegriffs. 123 Vgl. Hennrichs DStJG 24 (2001), 301, 309; Schön StuW 1995, 366, 371; Reiff DStZ 1998, 858; Versin StuB 2000, 1207, 1208; Birk, Steuerrecht, 7. Auflage, 2004, Rn 157; Lang FS Kruse, 2001, S. 313, 316; Lang DStJG 24 (2001), 49, 57; Lang in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Auflage, 2002, § 4 Rn 83ff; Dauber, Das Realisationsprinzip als Grundprinzip der steuerlichen Gewinnermittlung, 2003, S. 98; Birk StuW 2000, 328, 329; Herzig, IAS/IFRS und steuerliche Gewinnermittlung, 2004, S. 18. 124 Eckhoff, Rechtsanwendungsgleichheit im Steuerrecht, 1999, S. 157; Birk in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO FGO, § 4 AO Rn 456ff; Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, 1983, S. 54ff; a.A. Wiesbrock, Die Verlustrückstellung im Steuer- und Verfassungsrecht, 1999, S. 110, nach dessen Auffassung es der Effektivität des Grundrechtsschutzes widerspricht, die Konkretisierung des Leistungsfähigkeitsprinzips dem Gesetzgeber zu überlassen.
141
Verfassungsrechtliche Ausgestaltungsdirektiven
In diesem Falle ist zwar die Notwendigkeit einer gesetzgeberischen Auswahlentscheidung festzustellen, jedoch wäre durch die Wahl eines bestimmten Ausgestaltungsmaßstabes der weitere Belastungsmaßstab determiniert. Es wäre zu kurz gegriffen, von dieser Ausgestaltungsbefugnis auf die generelle Untauglichkeit des Leistungsfähigkeitsgrundsatzes als maßgebliches Differenzierungskriterium im Steuerrecht zu schließen125. Vor dem Ziel einer inhaltlichen, willkürfreien Konturierung des Prinzips kann dem Gesetzgeber ohne weiteres eine Auswahlkompetenz dahingehend zugestanden werden, eine spezifische, in sich konsistente Leistungsfähigkeitsvorstellung als Differenzierungskriterium auszuwählen. Nachfolgend soll daher unter Zuhilfenahme ökonomischer Ansätze versucht werden, verschiedene Leistungsfähigkeitsvorstellungen zu entwickeln, die als Grundlage der gesetzgeberischen Gestaltungsmöglichkeiten angesehen werden können. Im Zentrum der Überlegungen soll dabei zunächst das vielfach propagierte Ideal einer synthetischen Einkommensteuer mit belastungsgleichen Steuerwirkungen stehen.
II.
Die inhaltliche Konturierung des Leistungsfähigkeitsprinzips anhand der tatsächlichen Belastungsgleichheit
Die Funktion des Leistungsfähigkeitsprinzips als verfassungsrechtliches Differenzierungskriterium bzgl. der Verteilung von Steuerlasten legt zunächst den Schluss nahe, dass eine ausschließlich am Leistungsfähigkeitsprinzip orientierte Differenzierung der Steuerlasten zu einer nach wirtschaftlichen Kriterien zu bestimmenden, belastungsgleichen Steuerwirkung beim Steuerpflichtigen führen muss126. Im Hinblick auf diesen Gedanken wird im Zusammenhang mit Art 3 Abs. 1 GG in der Literatur stets das Ziel der Gleichheit im Belastungserfolg als Ausprägung der „Allgemeinheit“ der Besteuerung betont127. Erwiese sich dieser Standpunkt als richtig, wäre der Inhalt des Leistungsfähigkeitsprinzips durch das Ziel der Belastungsgleichheit von vornherein auf solche Konzeptionen beschränkt, die zu belastungsgleichen Steuerwirkungen beim Steuerpflichtigen führen. Im Hinblick auf diese 125 Wiesbrock, Die Verlustrückstellung im Steuer- und Verfassungsrecht, 1999, S. 110. 126 Grundlegend BVerfGE 84, 239, 268ff; 96, 1, 6ff; 99, 280, 289; 105, 73, 111; zuletzt BVerfG v. 9. 3. 2004, NJW 2004, 1022, 1027; Mellinghoff Stbg 20051, 4; vgl. zu dieser Fragestellung Tipke FS Kruse, 2001, 215, 218; Drüen, Periodengewinn und Totalgewinn, 1999, S. 106; Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, 2000, S. 23; Jachmann, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, 1996, S. 6f; Söhn FinArch 46 (1988), 154, 167. 127 Tipke FS Kruse, 2001, 215, 218; Schulze-Osterloh DStJG 23 (2000), 67, 68; vgl. auch Schön in: Kirchhof/Neumann, Freiheit, Gleichheit, Effizienz, 2001, S. 121, 123.
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Entwicklung eines Prüfungsmaßstabes zur verfassungsrechtlichen Beurteilung
Argumentationsstruktur soll nachfolgend untersucht werden, wie ein Einkommensteuersystem auszusehen hätte, das der Forderung nach einer gleichen Belastungswirkung beim Steuerpflichtigen Rechnung trägt. Die Existenz eines oder mehrerer solcher Systeme vorausgesetzt, muss jedoch im weiteren Gang der Untersuchung hinterfragt werden, ob das Grundgesetz den Gesetzgeber tatsächlich auf eine dieser Vorstellungen von Leistungsfähigkeit verpflichtet, oder ob vielmehr bereits die Prämisse dieser Argumentation in Frage zu stellen ist. Falls das Grundgesetz die gesetzgeberische Auswahlfreiheit nicht auf Systeme belastungsgleicher Steuerwirkungen beschränken sollte, kann im Hinblick auf die oben angestellten Überlegungen das Leistungsfähigkeitsprinzip seine Funktion als verfassungsrechtlicher Differenzierungsmaßstab i.S. eines Schutzmechanismusses nur dann erfüllen, wenn es gelingt, die Inhalte des Prinzips durch alternative Kriterien, wie etwa den Grundsatz der Folgerichtigkeit und Systemkonsequenz und der Bildung von Subsystemen, auf ein bestimmtes Regel-Ausnahme-Verhältnis zu verdichten. Das Ideal belastungsgleicher Steuerwirkungen könnte dann jedoch nicht gewahrt werden. 1.
Grundansätze in der finanzwissenschaftlichen Diskussion
Insbesondere die finanzwissenschaftliche Literatur hat sich nachhaltig mit der Frage beschäftigt, wie eine Besteuerung ausgestaltet werden muss, damit diese zu belastungsgleichen Steuerwirkungen führt. Ausgangspunkt der unterschiedlichen Überlegungen war dabei stets die Frage, anhand welcher Kriterien die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen zu messen ist. Hierzu werden in der Literatur vollkommen unterschiedliche Standpunkte diskutiert. a)
Opfertheorie (nutzentheoretischer Ansatz)
Einem nutzentheoretischen Ansatz128 liegt die These zu Grunde, dass der Erwerb ökonomischer Verfügungsmacht kein Selbstzweck ist, sondern die Zielgröße wirtschaftlichen Handelns in der individuellen Bedürfnisbefriedigung liegt. Leistungsfähigkeit müsse sich aus der individuellen Fähigkeit, Steuern aufzubringen, ergeben. Da die Steuer aber letztlich aus dem Einkommen gezahlt werden muss, führt die Steuer dazu, dass weniger Einkommen verwendet werden kann129. Diese Wechselbeziehung ermöglicht es, 128 Zurückgehend auf Rousseau, Discurs sur l’économie politique, 1755 und Mill, Principles of Political Economy with Some of Their Applications to Social Philosophy, 1. Auflage, 1848, S. 468; Haller, Die Steuern, 3. Auflage, 1981, S. 42, 44, 65ff. 129 Mayer, Besteuerung, S. 200 zitiert nach: Jüptner, Leistungsfähigkeit und Veranlassung, 1986, S. 26.
143
Verfassungsrechtliche Ausgestaltungsdirektiven
den Umfang der Bedürfnisbefriedigung, den der zu Besteuernde zu erreichen in der Lage ist, mit der persönlichen Leistungsfähigkeit gleichzusetzen. Da die Steuer ein Opfer des einzelnen für den Staat darstellt, müsse die Steuer so bemessen werden, dass bei jedem die Bedürfnisbefriedigung in gleichem Maße eingeschränkt werde. Wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wird damit als individuelle Opferfähigkeit interpretiert. Die Bemessung der Steuer richtet sich damit nach dem individuellen Nutzen. Dieses Opfer müsse bezogen auf den Opfernden gleich sein. Nach dem opfertheoretischen Ansatz kommt steuerliche Gleichheit somit in der Auferlegung einer gleichen Nutzeneinbuße zum Ausdruck. Da aber Bedürfnisbefriedigungspotential nicht allein durch ökonomische Verfügungsmacht sondern auch durch andere Faktoren insbesondere durch psychischen Bedürfnisbefriedigung entsteht, ist von bedeutenden Vertretern130 dieser Ansicht gefordert worden, u.a. den über das Normalmaß hinausgehenden Freizeitnutzen als Kriterium der Bedürfnisbefriedigung bei der Besteuerung leistungssteigernd zu berücksichtigen. Zur Beantwortung der Frage, welches Bedürfnisbefriedigungspotential durch Einkommen vermittelt wird, entwickelte die Finanzwissenschaft zur Bestimmung des gleichen Steueropfers die sog. Grenznutzentheorie. Ausgangspunkt dieser Theorie ist die Annahme, dass bei steigenden Verbrauchsmengen eines Gutes in der Zeit, der durch jede weitere konsumierte Einheit erzielbare Nutzen abnehme, wenn sich der Konsum der übrigen Güter nicht ändere131. Übertragen auf das Einkommen bedeutet dieser Grundsatz daher, dass der Nutzen eines Zuwachses an Einkommen, bezogen auf den vorhandenen Einkommensbestand, eine unterschiedliche Wertigkeit aufweist. b)
Pragmatische Begriffsbestimmung der h.L.
In Abkehr von der opfertheoretischen Ableitung versucht die mittlerweile ganz herrschende Auffassung132 in der Literatur, das Leistungsfähigkeitsprinzip ausschließlich auf ökonomisch messbare Größen zurückzuführen133. Trotz dieses Versuchs der Objektivierung wird innerhalb dieser Ansicht jedoch nicht bestritten, dass sich auch eine irgendwie geartete ökonomische Verfügungsmacht nicht als unmittelbar messbare Größe darstellt, sondern 130 Haller, Die Steuern, 3. Auflage, 1981, S. 47ff. 131 Vgl. Birk in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, § 4 AO Rn 452. 132 Hackmann in: Hansmeyer, Staatsfinanzierung im Wandel, 1983, S. 661, 666f, Ebnet, Die Besteuerung des Wertzuwachses, 1978, S. 55ff; Lang in: Tipke/Lang, 17. Auflage, 2002, § 4 Rn 95; vgl. auch Matussek, Zum Werbungskostenbegriff im Einkommensteuerrecht, 2000, S. 44. 133 Bach StuW 1991, 116, 117, 120; Kraft, Steuergerechtigkeit und Gewinnermittlung, 1991, S. 40ff.
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Entwicklung eines Prüfungsmaßstabes zur verfassungsrechtlichen Beurteilung
nur anhand von Indikatoren gemessen werden kann, deren Ziel es sein muss, die individuelle ökonomische Verfügungsmacht umfassend in allen Teilbereichen zu erfassen134. Die Fragestellung konzentriert sich daher in einem zweiten Schritt auf das Problem, welchen wirtschaftlichen Vorgängen und Zuständen steuerlich belastbare wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zugeordnet werden kann. Zur Lösung hat man in der Literatur gewissen ökonomischen Zuständen die Funktion eines Indikators wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit beigemessen. Als Indikatoren wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit werden das Einkommen, das Vermögen sowie der Konsum genannt135. c)
Stellungnahme
Die Argumentation der zweiten Meinungsgruppe erfordert es, die zu diskutierende Problematik in zwei Fragestellungen136 aufzuspalten. Zunächst geht es um eine erste Eingrenzung der Sachverhalte, die bei der Ausgestaltung der Steuerbemessungsgrundlage von Relevanz sein sollen. Es stellt sich insbesondere die Frage, ob und inwieweit der Gesetzgeber durch eine Anknüpfung an das individuelle Bedürfnisbefriedigungspotential, psychische Sachverhalte in die Bestimmung der Leistungsfähigkeit einbeziehen will, um belastungsgleiche Steuerwirkungen zu erzielen137. Im Hinblick auf die Schwierigkeiten, die aus einem solchen Ansatz resultieren, hat sich der Gesetzgeber grundsätzlich zu Recht gegen eine solche Sichtweise entschieden138 und sich auf die Erfassung des sog. Markteinkommens beschränkt139. Dabei geht der Gesetzgeber von der Erkenntnis aus, dass insbesondere die Bestimmung des 134 Kraft, Steuergerechtigkeit und Gewinnermittlung, 1991, S. 41. 135 Lang in: Tipke/Lang, 17. Auflage, 2002, § 4 Rn 95; Lang FS Tipke, 2001, S. 313, 326; Kraft, Steuergerechtigkeit und Gewinnermittlung, 1991, S. 4; Schön in: Kirchhof/Neumann, Freiheit, Gleichheit, Effizienz, 2001, S. 121, 123. 136 Vgl. Kirchhof in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 2 Rn A 344, 350. 137 An dieser Stelle soll darauf hingewiesen werden, dass insbesondere auch der traditionelle Einkommensbegriff nach von Schanz-Haig-Simons darauf zielte, die gesamte Konsumleistungsfähigkeit in ihrem periodischen Entstehen zu erfassen, so dass nicht nur Vermögenszu- und abgänge erfasst werden, sondern auch die privaten Nutzungen und Wertschöpfungen (Imputed Income), v. Schanz FinArch 13 (1896), 1ff; vgl. Lang in: Kirchhof/Neumann, Freiheit, Gleichheit, Effizienz, 2001, S. 37, 41; Prokisch FS Vogel, 2000, 293, 300. 138 Die Nutzungswertbesteuerung von Immobilien wurde zu Recht als Relikt bezeichnet, da die Besteuerung des Nutzwertes den einzigen Fall im Steuerrecht bildete, bei dem „Imputed Income“ der Besteuerung unterworfen wurde. In verfassungsrechtlicher Hinsicht erscheint die partielle Erfassung von Imputed Income vor dem Hintergrund der vom Gesetzgeber getroffenen Systementscheidung zumindest als verfassungsrechtlich problematisch (Prokisch FS Vogel, 2000, 293, 300; a.A. BVerfGE 9, 3, 9f). 139 Lang in: Kirchhof/Neumann, Freiheit, Gleichheit, Effizienz, 2001, S. 37, 42.
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Verfassungsrechtliche Ausgestaltungsdirektiven
individuellen Bedürfnisbefriedigungspotentials zu unlösbaren Problemen führt. Bereits das Beispiel der Einbeziehung des Freizeitnutzens verdeutlicht die Schwierigkeiten, wenn man bedenkt, dass die Frage unbeantwortet bleibt, wie der Freizeitnutzen gemessen werden soll und wie diejenigen Steuerpflichtigen zu behandeln sind, die ihr Hobby zum Beruf gemacht haben. Es existiert schon kein geeigneter Nutzenindikator, der die verschiedenen Bedürfnisbefriedigungspotentiale innerpersonal zueinander gewichtet140. Eine individuelle Nutzenfunktion ist theoretisch nicht ableitbar141. Die Problematik kulminiert schließlich dann, wenn es darum geht interpersonale Nutzenvergleiche anzustellen142. Angesichts dieser Probleme muss auch der Versuch einer nutzentheoretischen Ableitung der Bemessungsgrundlage scheitern. Somit ist eine Ableitung des Leistungsfähigkeitsprinzips aus der individuellen Opferfähigkeit nicht in der Lage, Aussagen über die Steuerlastverteilung zu treffen. Insofern ist es auch nicht verwunderlich, wenn die Opfertheorie heute weitgehend nur noch bei der Bestimmung des Tarifverlaufs thematisiert wird143. Oftmals ist auch die finanzwissenschaftliche Kritik144 an der inhaltlichen Unbestimmtheit des Leistungsfähigkeitsprinzips im Hinblick auf eine opfertheoretische Interpretation zu sehen145. Die Entscheidung an ökonomisch messbare Größen anzuknüpfen, eliminiert dagegen ei140 Jüptner, Leistungsfähigkeit und Veranlassung, 1987/88, S. 27. Haller, Die Steuern, 3. Auflage, 1981, S. 65ff hat zur Lösung vorgeschlagen, dass monetäre Nutzenindikatoren durch die demokratisch gewählte Instanz festgelegt werden. Dagegen Kraft, Steuergerechtigkeit und Gewinnermittlung, 1991, S. 39 FN 8, Jüptner, Leistungsfähigkeit und Veranlassung, 1987/88, S. 28f mit dem Hinweis, dass alle Opfertheorien vor dem Dilemma stehen, ihren theoretischen Ausgangspunkt der individuellen Bedürfnisbefriedigung verlassen zu müssen, und auf einen Durchschnittsmenschen abzustellen, um ihre Theorie handhabbar zu machen. Ein solches Vorgehen verkehrt jedoch den eigenen Anspruch, da nun Leistungsfähigkeit nicht mehr vorgefunden, sondern postuliert wird. 141 Kraft, Steuergerechtigkeit und Gewinnermittlung, 1991, S. 39. 142 Jüptner, Leistungsfähigkeit und Veranlassung, 1987, S. 27; Dziadkowski StuW 1977, 364. 143 Lang in: Tipke/Lang, 17. Auflage, 2002, § 9 Rn 741. Vgl. auch den Hinweis bei Birk, Steuerrecht, 7. Auflage, 2004, Rn 36; Reding/Müller, Allgemeine Steuerlehre, 1999, S. 61ff, dass die Grenznutzentheorie nicht einmal klären konnte, ob der Tarif progressiv, proportional oder gar degressiv verlaufen soll. 144 Schmidt in: Neumark/Andel/Haller, Handbuch der Finanzwissenschaft II, 3. Auflage, 1980, S. 119, 145f; Neumark, Grundsätze gerechter und ökonomisch rationaler Steuerpolitik, 1970, S. 135; Ebnet, Die Besteuerung des Wertzuwachses, 1. Auflage, 1978, S. 37ff. 145 Wenn man wie Littmann FS Neumark, 1970, S. 113ff dem Leistungsfähigkeitsprinzip allein im Hinblick auf diese Aspekte ein „Valet“ sagen will, übersieht man die anderweitigen Konkretisierungsmöglichkeiten.
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Entwicklung eines Prüfungsmaßstabes zur verfassungsrechtlichen Beurteilung
ne Vielzahl von Unsicherheitsfaktoren bei der Ausgestaltung der Bemessungsgrundlage zur Erfassung der individuellen (Konsum)-Leistungsfähigkeit. Zudem ermöglicht die Sichtweise der ganz h.M. eine Konzentrierung auf die leistungsfähigkeitsgerechte Konturierung der Bemessungsgrundlage, wohingegen die Frage der Ausgestaltung des Steuertarifs vernachlässigt werden kann. Zu Recht setzt sich daher die Erkenntnis146 durch, dass das Leistungsfähigkeitsprinzip keinen progressiven Steuertarif voraussetzt. Dieser lässt sich daher nicht aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip, sondern vielmehr aus dem Sozialstaatsprinzip begründen147. 2.
Die sog. Indikatoren wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit
Angesichts des Befundes, dass mehrere ökonomisch messbare Vorgänge als Ausprägung steuerlicher Leistungsfähigkeit verstanden werden können148, erweist es sich als hilfreich, das Leistungsfähigkeitsprinzip durch Anknüpfung an Indikatoren wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit (Einkommen, Vermögen, Konsum) zu konkretisieren149. Dabei bezeichnet das Einkommen als dynamische Stromgröße den Vorgang des Vermögenserwerbs, das Vermögen als statische Bestandsgröße den kumulierten Mittelerwerb und der Konsum wiederum als dynamische Stromgröße den Güterverbrauch mit dem Ziel der Bedürfnisbefriedigung150. Nimmt man das Ziel der Herstellung von Belastungsgleichheit zum Ausgangspunkt der Beurteilung, muss dennoch beachtet werden, dass die schematische Kategorisierung in Einkommen, Vermögen und Konsum der Problematik insofern nicht gerecht wird, als jeglicher Steuerzugriff jeden der genannten Indikatoren, wenn auch in unterschiedlichem Maße, belastet151. Die Kategorien müssen somit wie Lang152 es ausgedrückt hat in einer intertemporalen Gesamtschau gewürdigt werden. Wesentliche Bedeutung erlangt dabei der Zeitpunkt des Steuerzugriffs und der Umfang der einzubeziehenden Leistungsfähigkeitsindikation153.
146 Tipke, Steuergerechtigkeit in Theorie und Praxis, 1981, S. 97ff; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band 1, 2. Auflage, 2000, S. 403ff; vgl. auch Schön Symposium Kirchhof, 2003, S. 143, 163. 147 Lang DStJG 24 (2001), 49, 57; Lang in: Tipke/Lang, 17. Auflage, 2002, § 4 Rn 197. 148 Lang in: Tipke/Lang, 17. Auflage, 2002, § 4 Rn 95. 149 Wala/Knoll ÖStZ 2001, 139, 141. 150 Vgl. Lang in: Tipke/Lang, 17. Auflage, 2002, § 4 Rn 95; Kraft, Steuergerechtigkeit und Gewinnermittlung, 1991, S. 42, 44, 46. 151 Lang in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Auflage, 2002, § 4 Rn 95ff. 152 Lang FS Kruse, 2001, S. 313, 327. 153 Lang FS Kruse, 2001, S. 313, 327.
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Verfassungsrechtliche Ausgestaltungsdirektiven
a)
Der Anknüpfungspunkt im EStG und KStG
Mit Schaffung des EStG und des KStG hat sich der Gesetzgeber entschieden, eine Einkommensbesteuerung zu verwirklichen. Nachfolgend soll untersucht werden, welche Schlussfolgerungen aus der gesetzgeberischen Entscheidung zur Belastung des „Einkommen“ für die Ausgestaltung der Bemessungsgrundlage zu ziehen sind, insbesondere wenn man das Ziel des Leistungsfähigkeitsprinzips im Auge behält, belastungsgleiche Steuerwirkungen zu erreichen. Ohne an dieser Stelle auf einzelne Einkommenstheorien einzugehen, kann hierzu für die weitere Betrachtung von dem gemeinsamen Ausgangspunkt aller Einkommensdefinitionen ausgegangen werden, dass Einkommen als Maßgröße steuerlicher Leistungsfähigkeit den Erwerb knapper Ressourcen in einem festgelegten Zeitabschnitt umfasst154. Dieser theoretische Ausgangspunkt erfordert es aber, Zeitpunkte zu bestimmen, an denen die spezifische Änderung der Leistungsfähigkeit festgestellt werden muss155. Die weitreichendste Möglichkeit besteht zweifellos darin, das Lebenseinkommen eines Steuerpflichtigen als Indikator steuerlicher Leistungsfähigkeit anzusehen. Andererseits ist aber zu berücksichtigen, dass nach geltendem Einkommensteuerrecht die Einkommensteuer nicht einmalig am Lebensende des Steuerpflichtigen erhoben wird, sondern in periodischen Abschnitten (Periodenbelastung). Die periodische Steuererhebung in Steuerabschnitten dient elementar dazu, den staatlichen Finanzbedarf in einer Haushaltsperiode zu sichern. Demzufolge muss die periodische Steuererhebung als Vorgabe der Einkommensbesteuerung angesehen werden. Somit stellt sich die Frage, ob nicht das Periodeneinkommen den relevanten Leistungsfähigkeitsindikator abbildet. Die mit dieser Belastungsentscheidung in Zusammenhang stehenden Fragestellungen haben weitreichendes Gewicht, da die angesprochene Unterscheidung die Weichen stellt, ob i.S. der klassischen Einkommenstheorie das periodisch entstehende Bedürfnisbefriedigungspotential156 gemessen werden soll oder aber i.S. einer modernen Lehre eine Konsumorientierung der Besteuerung von Einkommen vorgenommen wird157. Dennoch besteht, wie die weitere Untersuchung belegen wird, gera154 Kraft, Steuergerechtigkeit und Gewinnermittlung, 1991, S. 44. 155 Zu dieser Fragestellung Koniarski, Einkommen als Maßstab steuerlicher Leistungsfähigkeit, 1984, S. 60; ferner Homburg, Allgemeine Steuerlehre, 3. Auflage, 2004, S. 218ff, 224ff. 156 Die Idee, die Konsumleistungsfähigkeit in ihrem Entstehen zu erfassen, setzte sich im Verlauf des 19. Jahrhunderts durch und fand ihren Abschluss im von SchanzHaig-Simons-Concept, vgl. Lang FS Kruse 2001, S. 313, 328. 157 Vgl. Lang in: Kirchhof/Neumann, Freiheit, Gleichheit, Effizienz, 2001, S. 37, 41ff.
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Entwicklung eines Prüfungsmaßstabes zur verfassungsrechtlichen Beurteilung
de im Hinblick auf diese Gesichtspunkte ein Theoriedefizit, aus dem zahlreiche Unsicherheiten bei der Beurteilung verfassungsrechtlicher Fragestellungen resultieren. Um die mit dieser Belastungsentscheidung verbundenen Konsequenzen aber überhaupt in ihrem Bedeutungsgehalt offen zu legen, soll zunächst geprüft werden, wie eine in sich konsistente Umsetzung des einen oder anderen Leistungsfähigkeitsindikators im Rahmen einer steuerlichen Bemessungsgrundlage auszusehen hätte. Unter der theoretischen Vorgabe der Notwendigkeit einer abschnittsweisen Steuererhebung aufgrund eines stetigen Finanzbedarfs158 soll zunächst untersucht werden, ob und inwieweit eine Anknüpfung an den Leistungsfähigkeitsindikator „Lebenseinkommen“ überhaupt geeignet ist, ökonomisch belastungsgleiche Wirkungen herzustellen, wenn die Steuer periodisch erhoben wird159. Alternativ stellt sich natürlich die Frage, wie eine Bemessungsgrundlage ökonomisch ideal ausgestaltet sein muss, wenn man das Periodeneinkommen als geeigneten Anknüpfungspunkt einer leistungsgerechten Besteuerung favorisiert. aa)
Das Lebenseinkommen als Indikator steuerlicher Leistungsfähigkeit
Die überwiegende Auffassung in der juristischen Literatur160 sieht das reinvermögenszugangstheoretisch ermittelte Lebenseinkommen als sachgerechten Indikator einer Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, der dem Umstand Rechnung trägt, dass die Steuern nur aus dem Einkommen und dem Vermögen als gespeichertem Einkommen geleistet werden können161. Die Wurzel dieses Gedankengutes liegt nicht im Steuerrecht, 158 Lang DStJG 24 (2001), 49, 65. 159 Vgl. zu dieser Problematik Lang DStJG 24 (2001), 49, 64ff. 160 Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, 1981/88, S. 186f; Lang in: Tipke/Lang, 17. Auflage, 2002, § 9 Rn 44; Lang/Englisch StuW 2005, 1, 7ff, 12; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band 2, 2. Auflage, 2003, S. 629f, 756; Raupach/Schenking in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 2 Rn 601; Friauf, DStJG 12 (1989), 3, 18; Bach StuW 1991, 117, 126f; Hackmann StuW 1980, 318; Mitschke StuW 1980, 122ff, 252ff; Engels/Mitschke/Strakloff, Staatsbürgersteuer, 1974, S. 8, 37; Weber-Grellet, Steuern im modernen Verfassungsstaat, 2001, S. 278; vgl. auch Dorenkamp StuW 2000, 121, 125f und Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmensteuerrecht, 9. Auflage, 1993, S. 304. Diesen Standpunkt hat insbesondere auch der BFH und das BVerfG aufgegriffen, BFH v. 31. 3. 2004, BFH/NV 2004, 1212, 1213f; BFH v. 5. 6. 2002, BFH/NV 2002, 1549, 1551; BFH v. 11. 2. 1998, BStBl II 1998, 485, 486; vgl. auch BFH v. 28. 7. 1961, BStBl III 1961, 436; BVerfG v. 2. 7. 1991, HFR 1992, 423, 424; vgl. dazu auch Lehner in: Lehner, Verluste im nationalen und Internationalen Steuerrecht, 2004, S. 1, 14f. 161 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band 2, 2. Auflage, 2003, S. 755.
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Verfassungsrechtliche Ausgestaltungsdirektiven
sondern in den Wirtschaftswissenschaften162. In der Finanzwissenschaft hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass die Abschnittsbesteuerung letztlich willkürlich ist. Das Ideal einer Einkommensbesteuerung wird in der Besteuerung des Lebenseinkommens gesehen163. Seine Fortsetzung findet diese Auffassung in der betriebswirtschaftlichen Betrachtung vom Totalgewinn des Unternehmens, die sich strikt gegen eine Zerlegung in Abschnittsgewinne wendet164. Diesem Gedankengut korrespondiert, dass das Periodizitätsprinzip nicht als materiellrechtliches Prinzip der Einkommensbesteuerung, sondern lediglich als technisch-budgetäres Prinzip gedeutet wird165. Nach dieser Ansicht steht das Prinzip der Abschnittsbesteuerung in Widerspruch zum Grundsatz der Besteuerung nach der (Lebens-)Leistungsfähigkeit und werde nur praktiziert, um den Staatshaushalt periodisch mit Einnahmen zu versorgen. Dabei erschöpft sich der Gegenstand der juristischen Kritik166 am Periodizitätsprinzip vor allem in der Bemängelung von interperiodischen Progressionsverzerrungen bedingt durch den progressiven Steuertarif167 und von Verlustausgleichsbeschränkungen, die aus der periodischen Einkommensbesteuerung unter Zugrundelegung des geltenden pragmatischen Einkommensbegriffs resultieren168. Die Anknüpfung an das Ideal einer Besteuerung des Lebenseinkommens bei gleichzeitiger Zerlegung in Periodeneinkommen wirft allerdings ein Prob162 Vgl. Drüen, Periodengewinn und Totalgewinn, 1999, S. 70. 163 Neumark, Wirtschafts- und Finanzprobleme des Interventionsstaates, 1961, S. 48f; Hackmann, Die Besteuerung des Lebenseinkommens, 1979, S. 47ff; Mitschke StuW 1980, 122ff, 252ff; a.A. Schneider FinArch 42 (1984), 407ff. 164 Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmensteuerrecht, 9. Auflage, 1993, S. 304; Weber-Grellet, Steuerbilanzrecht, 1996, S. 30; Thiel, Bilanzrecht, 4. Auflage, 1990, Rn 199. In der Betriebswirtschaftslehre wurde schon früh (vgl. Schmalenbach Zfhf 13 (1919), 1ff) davon ausgegangen, dass der Jahresabschluss eines Betriebes letztlich eine willkürliche Größe sei. Der ideale Zeitraum der Rechnungslegung müsse daher von der Eröffnung des Betriebes bis zu dessen Schließung reichen. 165 Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, 1981/88, S. 186ff; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band. 1, 2. Auflage, 2000, S. 503 mwN; vgl. auch NguyenThanh/Rose/Thalmeier StuW 2003, 169, 170. Auch der BFH (BFH v. 28. 5. 2003, BB 2003, 1159, 1161) hat sich in seinem Beschluss zur Mindestbesteuerung dieser Sichtweise angeschlossen: „das Periodizitätsprinzip des § 2 Abs. 7 EStG ist nur einfachgesetzlicher Natur“. 166 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band 2, 1. Auflage, 1993, S. 668ff; v. Groll in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 10 d Rn A 10. 167 Das gängige Beispiel ist insoweit der Profisportler, der sein Einkommen innerhalb einer kurzen Erwerbszeit erwirtschaftet. 168 Darstellung von weiteren Argumenten bei Koniarski, Einkommen als Maßstab steuerlicher Leistungsfähigkeit, 1984, S. 62f.
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lem auf, dem im juristischen Schrifttum bislang nicht ausreichend Beachtung geschenkt wurde169. Es stellt sich nämlich die Frage, ob das Lebenseinkommen überhaupt nach der traditionellen Methode der Besteuerung in Periodeneinkommen aufgeteilt werden und anlässlich der Mittelentstehung steuerlich erfasst werden kann, wenn man am Lebenseinkommen als zu belastendem Leistungsfähigkeitsindikator festhält. Im juristischen Schrifttum hat insbesondere Lang170 in jüngeren Stellungnahmen darauf hingewiesen, dass die grundsätzliche Problematik der Besteuerung von Abschnittseinkommen darin besteht, dass die Erhebungstechnik Einfluss auf die Höhe des zu belastenden Leistungsfähigkeitsindikators „Lebenseinkommen“ nehmen kann171. Eine Besteuerung von investiertem bzw. gespartem Periodeneinkommen führt dazu, dass sich das zum Konsum zur Verfügung stehende Vermögen sowie das Lebensendvermögen nicht nur um die Höhe der geleisteten Steuerzahlungen verringert, sondern zusätzlich um die möglichen Kapitaleinkünfte, die infolge der Belastung des gesparten Periodeneinkommens nicht erzielt werden können172. Der Steuerpflichtige erzielt aufgrund der periodischen Steuererhebung somit bereits ein geringeres Vor-Steuer169 Lang DStJG 24 (2001), 49, 75: „Jüngere finanzwissenschaftliche Erkenntnisse werde praktisch kaum wahrgenommen, das Anliegen intertemporal neutraler Besteuerung schlicht nicht verstanden.“ 170 Lang in: Tipke/Lang, 17. Auflage, 2002, § 4 Rn 119; Lang in: Kirchhof/Neumann, Freiheit, Gleichheit, Effizienz, 2001, S. 37, 42f; Lang FS Kruse, 2001, S. 313, 331f; Lang DStJG 24 (2001), 49, 66ff. 171 Vgl. Dorenkamp StuW 2000, 121, 125. 172 Dorenkamp StuW 2000, 121, 125. Dorenkamp a.a.O. belegt dies mit dem Beispiel zweier Steuerpflichtiger, die in ihrem zwei Perioden betragenden Leben jeweils vor Steuern ein Lebenseinkommen von € 105000 erwirtschaften. Der Steuersatz soll 50 % betragen. Der erste Steuerpflichtige erwirtschaft den gesamten Betrag in Periode 1 und konsumiert die € 105000 sogleich. Der andere Steuerpflichtige erwirtschaftet in Periode 1 lediglich € 100000 und erzielt mit diesem Betrag € 5000 Zinseinnahmen in Periode 2. Gemessen an der Lebensleistungsfähigkeit müsste die Steuerlast identisch sein, also bei dem angenommenen Steuersatz € 52500 betragen. Unter Zugrundelegung einer periodischen Besteuerung verfügt aber nur der erste Zensit, der sofort konsumiert, über diesen Betrag. Der zweite Zensit hat in der ersten Periode eine Steuerlast von € 50000. Durch diese Steuerlast verringert sich das zur Verfügung stehende Investitionskapital auf € 50000 und damit die in Periode zwei erzielten Zinseinkünfte auf € 2500. Darauf ist wiederum eine Steuer von € 1250 zu entrichten. Im Unterschied zum ersten Steuerpflichtigen beträgt das verbleibende Lebenseinkommen des zweiten Zensiten nur noch € 51250. Zu den Belastungsverzerrungen über eine größere Periode vgl. das Beispiel von Lang in: Tipke/Lang, 17. Auflage, 2002, § 4 Rn 119; vgl. auch die Darstellung in tabellarischer Form bei Lang in: Kirchhof/Neumann, Freiheit, Gleichheit, Effizienz, 2001, S. 37, 43, und bei Sigloch FS Schneider, 1995, S. 673, 687f.
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Lebenseinkommen als in einer Welt ohne Steuern173. Eine Abschnittsbesteuerung führt wegen der Abschöpfung periodisch entstehender Leistungsfähigkeit somit zu einer Verringerung des Investitionskapitals. Diejenigen, die im Lebenseinkommen den „richtigen“ Indikator steuerlicher Leistungsfähigkeit sehen, müssen in der Erfassung der Erträge, die aus Ersparnisbildung resultieren, eine unzulässige Mehrfachbelastung sehen174. Somit kann festgestellt werden, dass sich eine Aufteilung des Lebenseinkommens in kapitalorientiert bestimmtes Periodeneinkommen grundsätzlich nicht dazu eignet, den Leistungsfähigkeitsindikator „Lebenseinkommen“ adäquat zu erfassen. Durch die traditionelle Besteuerung des entstehenden Periodeneinkommens kann dem Leistungsfähigkeitsindikator „Lebenseinkommen“ folglich nicht entsprochen werden. Wenn die herrschende Auffassung in der juristischen Literatur unter den Bedingungen periodischer gewinnabhängiger Zahlungen dennoch am Lebenseinkommen als richtigem Indikator steuerlicher Leistungsfähigkeit festhält, verkennt diese Auffassung die Belastungswirkungen, die dem Faktor „Zeitpunkt der Besteuerung“ wesensimmanent anhaften175. Um entsprechend der Basisannahme der „Optimal Taxation Theory“ den richtigen Leistungsfähigkeitsindikator „Lebenseinkommen“ in ein System einer periodischen Steuererhebungstechnik zu integrieren, sind von Seiten der Wirtschaftswissenschaften Modelle entwickelt worden, die heute unter dem Stichwort „Konsumorientierung der Einkommensbesteuerung“ diskutiert werden176. In Anbetracht der Erkenntnis, dass eine Besteuerung des Periodeneinkommens Einfluss auf die Höhe des Lebenseinkommens nimmt, war es das Ziel der wirtschaftswissenschaftlichen Überlegungen, ein Steuersystem zu entwickeln, bei dem sich das Lebenseinkommen vor und nach der Steuererhebung ausschließlich durch die geleisteten Steuerzahlungen unterscheidet (sog. intertemporale Neutralität)177. Angestrebt war, den Steuerpflichtigen eine Entscheidungsneutralität zwischen gegenwärtigem und zukünftigem Konsum zu gewährleisten, die ihr Abschnittseinkommen nicht komplett im Erwerbsabschnitt konsumieren. Belastungsgleichheit liegt dieser Auffassung zu Folge demnach dann vor, wenn Steuerpflichtige bei gleichen Barwerten der Zahlungsüberschüsse vor Steuern auch gleiche Barwerte 173 Dorenkamp StuW 2000, 121, 125. 174 Vgl. zum Ganzen auch Kraft, Steuergerechtigkeit und Gewinnermittlung, 1991, S. 45f mwN zur wirtschaftswissenschaftlichen Literatur. 175 Vgl. Sigloch FS Schneider, 1995, S. 673, 685ff. 176 Vgl. nur Kaiser, Konsumorientierte Reform der Unternehmensbesteuerung, 1992; Dorenkamp StuW 2000, 121, 124ff; Schön StuW 2002, 23, 34. 177 Schreiber StuW 2002, 105, 110; vgl. auch Schön Symposium Kirchhof, 2003, S. 143, 154f.
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der Steuerzahlungen ermitteln178. Gemeinsam ist diesen Überlegungen daher, dass sie nicht kapitalorientiert möglichst frühzeitig am entstehenden „(Perioden-)Einkommen“ als maßgeblichem Leistungsfähigkeitsindikator festhalten, sondern die in Form von Konsumausgaben vorliegende Mittelverwendung in den Mittelpunkt der Betrachtung rücken179. Im Rahmen einer konsumorientierten, periodisch erhobenen „Einkommen“steuer fungiert somit der persönliche Konsum als Indikator der steuerlichen Leistungsfähigkeit (sog. Konsumleistungsfähigkeit)180. Die unmittelbare Verwandtschaft mit den älteren nutzentheoretischen Leistungsfähigkeitsvorstellungen ist dabei nicht zu verkennen181. Nachfolgend sollen lediglich die beiden Umsetzungsmodelle skizziert werden, die in der wissenschaftlichen Diskussion die größte Aufmerksamkeit erweckt haben182. (1)
Das Modell der Sparbereinigung (nachgelagerte Besteuerung)
Bei der sparbereinigten Einkommensbesteuerung werden gesparte bzw. investierte Einkünfte als Quelle zukünftigen Einkommens aus der periodischen Bemessungsgrundlage ausgegrenzt183. Bezüge aus Investitionen werden als Einkommen erst bei deren konsumtiver Verwendung steuerlich erfasst184. Versteuert wird bei dem Konzept der Sparbereinigung somit nur der Teil des Einkommens, der nach Abzug der Ersparnis für den laufenden Konsum ausgegeben werden soll185. Spar- und Investitionsanteile werden erst 178 Wagner StuW 2001, 354, 359; Schreiber StuW 2002, 105, 110. 179 Kraft, Steuergerechtigkeit und Gewinnermittlung, 1991, S. 42f. 180 Wala/Knoll ÖStZ 2001, 139, 141; Lang DStJG 24 (2001), 49, 78. Nicht übersehen werden darf dabei, dass die konsumorientierte Einkommensbesteuerung im Gegensatz zu den indirekten Verbrauch- und Aufwandsteuern eine Form der direkten Besteuerung darstellt. Die Konsumleistungsfähigkeit wird bislang partiell durch die indirekten Verbrauch- und Aufwandsteuern belastet. 181 Vgl. Schneider FinArch 42 (1984), 407, 409f. 182 Vgl. Gröpl FR 2001, 568, 569ff; Lang in: Kirchhof/Neumann, Freiheit, Gleichheit, Effizienz, 2001, S. 37, 44; Lang DStJG 24 (2001), 49, 79ff; Kiesewetter StuW 1997, 24ff. 183 Vgl. Rose in: Oberhauser, Probleme der Besteuerung I, 1998, S. 99, 100f; Kiesewetter StuW 1997, 24, 29; Lang in: Smekal/Sendlhofer/Winner, Einkommen versus Konsum, 1999, S. 143, 156; Wagner DStR 1997, 517, 521; Dorenkamp StuW 2000, 121, 122ff; Dorenkamp DStZ 2002, 668, 671. 184 Dorenkamp StuW 2000, 121, 122. 185 Gröpl FR 2001, 568, 570; Wala/Knoll ÖStZ 2001, 139, 141. Die große Schwierigkeit einer nachgelagerten Besteuerung besteht in der dadurch notwendigen Abgrenzung, ob eine Konsum oder eine Spar- bzw. Investitionsentscheidung des Steuerpflichtigen vorliegt. Insbesondere würde eine solche Art der Besteuerung Kontrollmechanismen hinsichtlich des Sparens und des Entsparens erfordern. Auch international könnte die Einführung einer sparbereinigten Steuer zu Verzerrungen führen.
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dann steuerpflichtig, wenn diese zu Konsumzwecken aufgelöst werden. Somit findet in der Phase der Kapitalauflösung eine Vollbesteuerung statt und zwar unabhängig davon, ob es sich um bloße Vermögensrückflüsse oder um Erträge handelt186. Methodisch wird die Sparbereinigung durch eine Überschussrechnung erreicht187. Da nicht mehr das konsumierbare Periodeneinkommen, sondern der tatsächliche persönliche Konsum zum steuerlichen Anknüpfungspunkt avanciert, ist nicht mehr die Entstehungsseite des Einkommens, sondern die Einkommensverwendung in Form der Konsumausgaben von Relevanz für die Ausgestaltung der steuerlichen Bemessungsgrundlage, während die Besteuerung der investierten Einkommensbestandteile bis zur Transformation in tatsächliche Konsumausgaben aufgeschoben wird188. Ein sparbereinigtes Steuersystem integriert die Einkünfteverwendung in die periodische Besteuerung und belastet somit eine periodenbezogene nutzentheoretische Konsumleistungsfähigkeit. Mit den Worten Tipkes189 gesprochen wird damit nicht das zum Konsum verfügbare, sondern das zum Konsum verwendete Einkommen belastet. Investierte Einkünfte werden daher nicht komplett von der Besteuerung freigestellt, sondern auch bei einer sparbereinigten Einkommensbesteuerung einmal belastet190. Das Modell der nachgelagerten Besteuerung unterscheidet sich von der klassischen „reinvermögenszugangstheoretischen“ (Perioden-)Einkommensbesteuerung nach dem Schanz-Haig-Simons-Konzept hinsichtlich des Zeitpunktes des steuerlichen Zugriffs auf investierte Einkommensbestandteile191. Lang192 hat völlig zu Recht darauf aufmerksam gemacht, dass die Neuerung der modernen Lehre nicht darin besteht, das Einkommen konsumorientiert i.S. eines Konsumpotentials zu definieren, vielmehr wendet sich die neue Lehre gegen die Periodendefinition der Konsumleistungsfähigkeit. Wie die angeführten Beispiele belegt haben, sind die Belastungswirkungen von
Gröpl FR 2001, 568, 570. Lang DStJG 24 (2001), 49, 79; vgl. insbesondere auch 2. Kap. D. I. Niehus DStZ 2000, 697, 698. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band 2, 1. Auflage, 1993, S. 573. Im Hinblick auf das oben (vgl. FN 172) genannte Zahlenbeispiel könnte der zweite Steuerpflichtige in Periode 1 die erwirtschafteten € 100000 steuerfrei ansparen und mit diesem Kapital bei dem angenommenen Zinssatz € 5000 Zinsen erzielen. Die Entsparnis in Periode 2 bewirkt eine Steuerlast von € 52500. Dem Steuerpflichtigen verbleiben demnach € 52500 für den Konsum. 191 Dorenkamp StuW 2000, 121, 122; Lang DStJG 24 (2001), 49, 77: „Traditionelle und konsumorientierte Einkommensteuer unterscheiden sich also im Besteuerungszeitpunkt und nicht durch den Umfang der Bemessungsgrundlage, wie von Juristen häufig angenommen wird“. 192 Lang in: Kirchhof/Neumann, Freiheit Gleichheit, Effizienz, 2001, S. 37, 42. 186 187 188 189 190
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nachgelagerter und traditioneller Periodeneinkommensbesteuerung wegen der Auswirkungen auf die Höhe des Investitionskapitals völlig verschieden. Nicht ganz unproblematisch erscheint das System einer nachgelagerten Besteuerung allerdings im Hinblick auf das Prinzip der Individualbesteuerung, da eine konsequente Durchführung des Systems dazu führen kann (bzw. sogar im Regelfall dazu führt), dass eine Besteuerung erst beim Rechtsnachfolger eintritt. Dieser Aspekt führt zu der Frage, ob es zur steuerlichen Erfassung des Lebenseinkommens erforderlich erscheint, den Teil des beim Tode des Steuerpflichtigen nicht konsumierten Einkommens einer Lebensendbesteuerung zu unterwerfen. Eine Individualbezogenheit in dem Sinne, dass das von einem Steuerpflichtigen erworbene Einkommen wenigstens einmal im Laufe seines Lebens besteuert würde, ließe sich nur dann erreichen, wenn das Lebensendvermögen als gespartes Einkommen besteuert würde. Es spricht viel für den Standpunkt, dass die Idee der Einkommensbesteuerung des Grundgesetzes individualistisch angelegt ist und daher eine Individualbezogenheit wenigstens im aufgezeigten Sinne realisiert werden muss. Um das Lebenseinkommen und nicht den Lebenskonsum zu erfassen, ist die steuerliche Belastung des Lebensendvermögens somit zwingend. (2)
Das Modell der Zinsbereinigung (vorgelagerte Besteuerung)
Zu ähnlichen193 ökonomischen Wirkungen, wenn auch durch eine andere Methodik, gelangt das Alternativkonzept einer Zinsbereinigung der Einkommensteuer (auch vorgelagerte Besteuerung genannt)194. Bei dem Modell einer zinsbereinigten Einkommen- und Gewinnsteuer werden statt der laufenden Ersparnis die Zinseinkünfte in Höhe der marktüblichen Verzinsung der Investitionen oder Ersparnisse (sog. Grenzverzinsung) zum Abzug von der Bemessungsgrundlage zugelassen und damit von der Besteuerung frei-
193 Bei Existenz eines vollkommenen Kapitalmarktes unterscheiden sich die Wirkungen eines zinsbereinigten Einkommensteuersystems von denen der sparbereinigten Einkommensbesteuerung nicht, vgl. Niehus DStZ 2000, 697, 699; Wenger in: Rose, Standpunkte zur aktuellen Steuerreform, 1997, S. 115, 132; Wala/Knoll ÖStZ 2001, 139, 142. Wenger in: Smekal/Sendlhofer/Winner, Einkommen versus Konsum, 1999, S. 37, 49 führt an, dass die Systeme der Sparbereinigung und der Zinsbereinigung zwar bei Kapitalmarktvollkommenheit, nicht jedoch bei Kapitalmarktunvollkommenheit identisch reagieren, die daraus resultierenden Unterscheide jedoch keine Überlegenheit eines Systems erkennen lasse. 194 Wenger FinArch 41 (1983), 207, 240ff; Boadway/Bruce, Journal of Public Economics 24 (1984), S. 231ff. Eine zinsbereinigte Besteuerung wurde 1994 in Kroatien eingeführt. Im Jahre 2000 ist Kroatien jedoch zur klassischen Einkommensbesteuerung übergegangen.
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gestellt195. Steuerlich erfasst werden somit nur marktunübliche Überrenditen196. Die zinsbereinigte Einkommensteuer ermöglicht es, konzeptionell die Idee der steuerlichen Anknüpfung an die Einkommensentstehung beizubehalten197. Während die nachgelagerte Besteuerung eine Besteuerung entlang von Zahlungsströmen darstellt (cash-flow-Steuer) und sich folglich eine Bewertung des Vermögensbestandes erübrigt, bleibt diese Problematik bei einer zinsbereinigten Einkommensbesteuerung zwar erhalten, ihre Auswirkungen werden aber durch die Zinskorrektur in der Bemessungsgrundlage neutralisiert198. bb)
Der Leistungsfähigkeitsindikator „Periodeneinkommen“ im ökonomischen Ideal
Als ökonomisches Alternativmodell einer Besteuerung des Lebenseinkommens kommt eine Ausrichtung der Besteuerung am Leistungsfähigkeitsindikator „Periodeneinkommen“ in Betracht. Dieses an der Mittelentstehung ausgerichtete Einkommensverständnis wird im Gegensatz zur konsumorientierten Betrachtungsweise als kapitalorientierte Einkommenstheorie bezeichnet199. Im Rahmen eines kapitalorientierten Systems bildet das gesamte Einkommen, unabhängig von seiner Verwendung für investive oder konsumtive Zwecke, die steuerliche Bemessungsgrundlage200. Eine Besteuerung von Periodeneinkommen knüpft im Gegensatz zu den oben beschriebenen Modellen einer konsumorientierten Einkommensbesteuerung allein an der Verwirklichung von Mittelerwerb an und leitet sich somit aus einer nichtnutzentheoretischen Bezugsgröße ab201. Belastet wird, wiederum mit den
195 Siehe dazu Lang DStJG 24 (2001), 49, 81f. Für eine zinsbereinigte Besteuerung wird angeführt, dass sie den Finanzbedürfnissen des Staates zumindest in der Phase der Implementierung eines solchen Steuersystems besser gerecht wird. Da auch theoretisch eine Besteuerung im Zeitpunkt der Einkommensentstehung erhalten bleibt, werden ebenfalls erhebungstechnische Gründe als Vorzug genannt. Schon aus Akzeptanzgründen dürfte aber die Tatsache problematisch sein, dass Steuerpflichtige mit hohem Kapitaleinkommen im Gegensatz zu Steuerpflichtigen mit gleich hohem Arbeitseinkommen periodisch gesehen ganz unterschiedlich belastet werden, vgl. Dorenkamp StuW 2000, 121, 128. Zu der verfassungsrechtlichen Problematik einer periodischen Vergleichbarkeit siehe sogleich. 196 Gröpl FR 2001, 568, 570 FN 26. 197 Wala/Knoll ÖStZ 2001, 139, 142. 198 Niehus DStZ 2000, 697, 699. 199 Gröpl FR 2001, 568, 570. 200 Wala/Knoll ÖStZ 2001, 139, 141. 201 Schneider FinArch 42 (1984), 407, 409f; vgl. Lang DStJG 24 (2001), 49, 77.
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Worten Tipkes202 gesprochen, nicht das konsumierte, sondern das zum Konsum zur Verfügung stehende konsumierbare Einkommen (Konsumpotential). Mit der Festlegung auf einen periodisch umrissenen Besteuerungsabschnitt ist damit natürlich die Frage aufgeworfen, wie ein Einkommensbegriff theoretisch ausgestaltet sein muss, damit gemessen am Leistungsfähigkeitsindikator „Periodeneinkommen“ gleiche Belastungswirkungen zwischen den unterschiedlichen Einkunftsarten erzielt werden können203. Erforderlich ist insoweit eine allgemeingültige Regel, nach der die Einkünfte aller Einkunftsarten gleich ermittelt werden204. Da der Faktor „Zeitpunkt des Steuerzugriffs“ nach den obigen Betrachtungen nicht vernachlässigt werden kann, sondern vielmehr ein spezifisches Besteuerungsmodell in seinen Wirkungen konturiert, kommt es entscheidend auf die periodische Zuordnung der Einkommenserzielung an. Damit ist von vornherein klar, dass es im Hinblick auf ein theoretisches Ideal nicht im Belieben stehen kann, ob man auf unrealisierte Wertsteigerungen oder aber erst auf den realisierten Mittelzufluss abstellt. Ein ökonomisch idealer Einkommensbegriff muss damit zugleich Aussagen über den Umfang des Einkommens und den Zeitpunkt der Einkommensentstehung enthalten. Diesem Ideal einer periodengerechten Zuordnung von Einkommen wird einzig die mit den Namen von Schanz-HaigSimons205 verbundene Reinvermögenszugangstheorie gerecht206. Während sich von Schanz hinsichtlich der Bedeutung des Realisationsprinzips nicht ganz widerspruchsfrei äußerte207, was dazu führt, dass über die Bedeutung des Realisationsprinzip in den von Schanz`schen Überlegungen bis heute keine Einigkeit herrscht208, hat sich jedoch bereits H.C. Simons209 eindeutig
202 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band 2, 1. Auflage, 1993, S. 573; vgl. auch Dorenkamp StuW 2001, 253, 256. 203 Vgl. zu dieser Fragestellung Wala/Knoll ÖStZ 2001, 139, 144f. 204 Wala/Knoll ÖStZ 2001, 139, 144; Pollak in: Kirchhof/Neumann, Freiheit, Gleichheit, Effizienz, 2001, S. 49, 50. 205 Von Schanz, FinArch 13, (1896), 1ff, 44ff; Haig, The concept of Income - Economic and Legal Aspects in: Haig: The Federal Income Tax, 1921, (Wiederabdruck in: Readings in the Economics of Taxation, Hrsg. American, Econ. Assoc, 1959, S. 54ff); Simons, Personal Income Taxation, 1938, S. 81. 206 Vgl. Pollak in: Kirchhof/Neumann, Freiheit, Gleichheit, Effizienz, 2001, S. 49, 50. 207 Von Schanz, FinArch 13 (1896), 1, 44, 46. 208 Vgl. einerseits Schneider FS Leffson, 1976, S. 101, 108f, Schneider, Steuerbilanzen, 1978, S. 50f und andererseits Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, 1981/88, S. 172 FN 676; offenlassend Seicht in: Bertl/Egger/Gassner/Lang/Nowotny, Die Maßgeblichkeit der handelsrechtlichen Gewinnermittlung für das Steuerrecht, 2003, S. 13, 33.
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dafür ausgesprochen, auch den nichtrealisierten Reinvermögenszuwachs als Einkommen zu definieren210. Wenn man das Periodeneinkommen zum Vergleichsmaßstab erhebt, erscheint diese Betrachtung wegen der Notwendigkeit einer exakten zeitlichen Zuordnung des Mittelerwerbs auch einzig konsequent. Schneider und unlängst Küting/Kessler211 haben richtigerweise darauf hingewiesen, dass der von Schanz-Haig-Simon`sche Einkommensbegriff wegen der Erfassung nichtrealisierter Vermögensänderung zur Vermeidung von Missverständnissen treffender mit Reinvermögenszuwachstheorie bezeichnet werden sollte. Von dieser Terminologie wurde auch in dieser Bearbeitung Gebrauch gemacht. Wesentliches Merkmal einer konsequenten Besteuerung des Periodeneinkommens ist damit stets, dass ein Erwerbsvermögen definiert wird, dessen Bestandveränderungen periodengerecht verteilt werden. Besondere Probleme im Hinblick auf eine einheitliche, in sich konsistente steuerliche Erfassung des Periodeneinkommens auf Basis eines Reinvermögensvergleichs werfen jedoch die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit auf. Die Herstellung von ökonomischer Belastungsgleichheit auf Basis des Periodeneinkommens erfordert die Anwendung der Reinvermögenszuwachstheorie für das Sach-, Finanz- und Humanvermögen gleichermaßen212. Beim Humanvermögen ist im geltenden Recht jedoch eine Steuer realisiert, die nach dem Zu- und Abflussprinzip des § 11 EStG allein auf laufende Zahlungsüberschüsse abstellt213. Diese Form der Besteuerung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit geht auf deren quellentheoretische Herkunft zurück214. Die geltende Besteuerung von Arbeitseinkommen lässt sich in ihren ökonomischen Wirkungen aber als cash-flow Besteuerung bzw. nachgelagerte Besteuerung interpretieren215. Im Unterschied dazu gilt im Bereich des Sach-
209 210 211 212 213 214 215
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Lion FG von Schanz II, 1928, S. 273, 287f hat erstmals auf die Unklarheit bei von Schanz aufmerksam gemacht hat und deutlich zwischen den Konzepten der Reinvermögenszugangstheorie und der Reinvermögenszuwachstheorie unterschieden. Lion vertritt die Auffassung, dass von Schanz die Reinvermögenszugangstheorie gemeint habe. Simons, Personal Income Taxation, 1938, S. 81. Vgl. die Darstellung der Reinvermögenszuwachstheorie in 2. Kap. D. II. Schneider, Steuerbilanzen, 1978, S. 50f; Küting/Kessler StuB 2000, 21, 23; vgl. auch Lion FG von Schanz II, 1928, S. 273, 287. Wala/Knoll ÖStZ 2001, 139, 145. Wagner DStR 1997, 517; 519f; Wenger in: Smekal/Sendlhofer/Winner, Einkommen versus Konsum, 1999, S. 37, 41; Dorenkamp StuW 2000, 121, 124. Vgl. Lang in: Tipke/Lang, 17. Auflage, 2002, § 9 Rn 181. Dorenkamp StuW 2000, 121, 124; Wenger in: Smekal/Sendlhofer/Winner, Einkommen versus Konsum, 1999, S. 37, 41; Pollak in: Kirchhof/Neumann, Freiheit, Gleichheit, Effizienz, 2001, S. 49, 52.
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und Finanzvermögens das divergente Konzept einer Besteuerung des periodischen ökonomischen Gewinns. Im Hinblick auf die oben dargestellten Wirkungen der unterschiedlichen Besteuerungskonzepte216, ist das Ziel einer tatsächlichen Gleichheit im Belastungserfolg durch das Nebeneinander der unterschiedlichen Systeme aber nicht zu erreichen217. Auch die quellentheoretische historische Fundierung der Arbeitseinkünfte ist im Hinblick auf das tatsächliche Belastungsergebnis irrelevant218. Ein theoretisches Ideal einer Besteuerung von Periodeneinkommen führt daher nur dann zu einer tatsächlichen Belastungsgleichheit, wenn die Grundsätze der Besteuerung des ökonomischen Gewinns auf das Humanvermögen übertragen werden219. Dagegen bestehen in theoretischer Hinsicht keine Bedenken. Das Humanvermögen könnte als Summe der abdiskontierten prognostizierten Zahlungsüber-
216 Aus Klarstellungsgründen soll hier nochmals betont werden, dass mit den unterschiedlichen Besteuerungskonzepten einerseits die Konsumorientierung der Einkommensteuer gemeint ist, deren Maßstab nach Ansicht der Wirtschaftswissenschaften in Form einer Cash-flow-Steuer bei den Arbeitseinkünften im geltenden System praktiziert wird und andererseits das traditionelle System einer periodischen Gewinnbesteuerung, das für alle Sach- und Finanzvermögen gilt. 217 Explizit Wagner DStR 1997, 517, 519: „Entweder wir bleiben dabei, die Einkünfte weiterhin nach verschiedenen Methoden zu ermitteln: Dann braucht man allerdings hochtrabende Absichten einer gleichmäßigen Besteuerung nicht weiter zu verkünden. Es finden dann kleine Korrekturen statt, doch die großen Ausnahmen bleiben bestehen. Dies sollten wir dann aber auch ehrlich sagen und der Öffentlichkeit keinen Sand in die Augen streuen. Zumindest Wissenschaftler dürfen da ehrlich sein.“ Ähnlich Wenger in: Smekal/Sendlhofer/Winner, Einkommen versus Konsum, 1999, S. 37, 43f: „offenes Bekenntnis zu willkürlichen Steuerreformen“. 218 In diesem Zusammenhang ist eine Gruppenbildung in dem Sinne, dass die quellentheoretisch fundierten Einkunftsarten als Überschusseinkunftsarten (insbesondere im Hinblick auf das Zu- und Abflussprinzip des § 11 EStG) eine einheitlich zu betrachtende Gruppe darstellen, voreilig. Die Zinsbesteuerung wird als Überschusseinkunftsart nach dem Zu- und Abflussprinzip gemäß § 11 EStG besteuert. Dennoch haben die obigen Ausführungen gezeigt, dass allein das Abstellen auf Zahlungsströme im Rahmen des Zu- und Abflussprinzips die Einkommensbesteuerung nicht konsumorientiert entscheidungsneutral ausgestaltet. Nach den wirtschaftswissenschaftlichen Erkenntnissen werden allein die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Gruppe nachgelagert besteuert, vgl. Wenger in: Smekal/Sendlhofer/Winner, Einkommen versus Konsum, 1999, S. 37, 43. Demgegenüber wird das Sach- und Finanzvermögen als weitere Gruppe betrachtet, welches im Rahmen des traditionellen periodischen Konzepts wiederum durch verschiedene Ermittlungsarten berechnet wird. 219 Wagner DStR 1997, 517, 519; Wagner DB 1999, 1520, 1523; Wenger in: Smekal/Sendlhofer/Winner, Einkommen versus Konsum, 1999, S. 37, 50ff.
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schüsse aus der Verwendung der Arbeitskraft bilanziert und verglichen werden220. Eine belastungsgleiche Besteuerung des Periodeneinkommens in Verwirklichung eines innerperiodischen Vergleichsmaßstabes erfordert somit eine einheitliche Bestandsvergleichsrechnung nach der Reinvermögenszuwachstheorie unter Einbeziehung des Humanvermögens221. Eine strenge Ausrich220 Dorenkamp StuW 2000, 121, 124 mwN; Wagner DStR 1997, 517, 519. Demgegenüber macht Wenger in: Smekal/Sendlhofer/Winner, 1999, S. 37, 50ff geltend, dass die konsistente Umsetzung eines solchen Systems logisch unmöglich ist. 221 Vgl. zu den daraus resultierenden Problemen Sinn, Steuersystem und wirtschaftliche Entwicklung - Beihefte zur Konjunkturpolitik - Zeitschrift für angewandte Wirtschaftsforschung, Heft 33, 1986, S. 13; Pollak in: Kirchhof/Neumann, Freiheit, Gleichheit, Effizienz, 2001, S. 49, 52. Erkennt man dies, wird auch verständlich, warum Wagner StuW 2001, 354ff, den Karlsruher Entwurf zur Reform des Einkommensteuergesetzes der Arbeitsgruppe um Paul Kirchhof einer Kritik aus der ökonomischen Perspektive unterziehen konnte. Der Karlsruher Entwurf hat sich -wie viele Reformvorschläge vor ihm- zum Ziel gesetzt, das EStG von allen Lenkungs-, Interventions- und Verfremdungstatbeständen zu befreien, um eine einfache, maßvolle und gerechte Einkommensteuer auf die herkömmlichen Grundprinzipien zurückzuführen (Kirchhof, Karlsruher Entwurf zur Reform des Einkommensteuergesetzes, 2001, S. 19). Dies soll einer materiell gleichen Belastung aller Einkommensteuerpflichtigen dienen (a.a.O., S. 24). Als wichtigster Schritt zur Herstellung einer tatsächlich gleichen Belastung aller Einkunftsarten sollen die Einkünfte in einem einzigen Grundtatbestand (erwerbswirtschaftliches Handeln) erfasst werden (a.a.O., S. 24, 28). Angeknüpft werden soll hierbei an das Periodeneinkommen und nicht an das Lebenseinkommen (vgl. u.a. Kirchhof DStR 2001, VI.) Wagner (StuW 2001, 354, 357ff) hat vor dem Hintergrund dieser Zielsetzung nach den obigen Ausführungen zu Recht darauf hingewiesen, dass „die vom Karlsruher Entwurf angestrebte Wirkungsneutralität des Steuersystems“ nicht bereits „durch eine begriffliche Vereinheitlichung der „Grundtatbestände“ für die nach dem Entwurf steuerbaren erwerbswirtschaftlichen Einkünfte herbeigeführt werden kann“. Nimmt man die nach der Zielsetzung der belastungsgleichen Besteuerung des Periodeneinkommens erforderliche reinvermögenszuwachstheoretische Betrachtung zum Beurteilungsmaßstab, verfehlt der Karlsruher Entwurf sein Ziel in mehrfacher Hinsicht. Mit einer am Periodeneinkommen orientierten belastungsgleichen Steuerwirkung bei allen Einkunftsarten ist es nicht vereinbar (vgl. Wagner StuW 2001, 354, 359f), wenn der Karlsruher Entwurf weiterhin einen „Dualismus der Methoden der Einkünfteermittlung“ aufrecht erhält (a.a.O., § 3 Abs. 1, Abs. 3; § 6, § 9; § 10, vgl. dazu Scheffler StuB 2001, 904, 905; Schreiber StuW 2002, 105, 107f; Wassermeyer DStR 2001, 920, 921). Ferner bedeutet der Vorschlag einer nachgelagerten Besteuerung von Leistungen zur Zukunftssicherung (a.a.O., § 9) einen eklatanten Bruch in der Systematik der kapitalorientierten Einkommensbesteuerung (vgl. Kiesewetter/Niemann StuW 2003, 60, 61f). Schließlich treten Zerrwirkungen gemessen am ökonomischen Maßstab der Belastungsgleichheit auch innerhalb der Gewinnermitt-
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tung der Einkommensbesteuerung am Maßstab des Periodeneinkommens würde ein innerperiodisches Gleichmäßigkeitskonzept perfekt verwirklichen. Gleichsam wird durch diese strenge ökonomische Modellvorstellung ein Ideal eines periodischen Leistungsfähigkeitsbegriffs markiert. Gemessen an diesem ökonomischen Ideal lassen sich einige traditionelle Grundsätze des geltenden Einkommensteuerrechts in ihren Belastungswirkungen222 nicht mehr als Elemente einer Besteuerung des Leistungsfähigkeitsindikators „Periodeneinkommen“ interpretieren, sondern sind in ihren ökonomischen Wirkungen zumindest partiell der nachgelagerten Besteuerung zuzuordnen223. Dorenkamp224 führt insbesondere an, dass sich das Realisationsprinzip im Bilanzsteuerrecht als Element einer nachgelagerten Besteuerung begreifen lässt. Gemessen an dem mit der Besteuerung des Periolung durch Vermögensvergleich auf, die zwar grundsätzlich von der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz ausgeht (a.a.O., §§ 3 Abs. 3, 10), diese jedoch in entscheidenden Punkten durch eigenständige steuerliche Regelungen modifiziert (vgl. dazu umfassend Scheffler StuB 2001, 904ff). Nach der insoweit anzulegenden reinvermögenszuwachstheoretischen Betrachtungsweise ist es geradezu widersprüchlich, wenn der Karlsruher Entwurf durch Verbot von Drohverlustrückstellung und Teilwertabschreibung sowie durch teilweises Verbot der Rückstellungsbildung, reinvermögenszuwachstheoretisch erforderliche Periodisisierungsinstrumentarien aus der steuerlichen Gewinnermittlung durch Vermögensvergleich eliminiert. Legt man indes entgegen der Zielsetzung des Entwurfs einen konsumorientierten Maßstab (vgl. insoweit Bareis StuW 2002, 135, 136ff) mit den sich daraus ergebenden alternativen Möglichkeiten einer belastungsgleichen Steuerwirkung an, lässt sich feststellen, dass sich der Karlsruher Entwurf bei ökonomischer Betrachtung im Grundsatz der Methodik einer nachgelagerten Besteuerung annähert, wenn in § 3 Abs. 1 die Einkünfte als Erwerbseinnahmen abzüglich Erwerbsausgaben definiert werden. Abgesehen davon, dass sich eine Einnahmen-Ausgaben-Rechnung nicht zu dem Ziel einer gleichen ökonomischen Belastung des Periodeneinkommens verhält, erscheint die Verweigerung eines Sofortabzuges für Investitionen in § 7 des Entwurfs nach dem oben Gesagten inkonsequent. Wenn auch grundsätzlich an der Methodik der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich festgehalten wird, führen die umfangreichen speziellen steuerlichen Regelungen schließlich lediglich dazu, dass sich die steuerbilanzielle Gewinnermittlung an eine zahlungsorientierte Berechnung annähert (vgl. Scheffler StuB 2001, 904, 912). Auch dadurch werden Unterschiede in den Belastungswirkungen aber lediglich vermindert, keineswegs jedoch behoben. 222 Damit ist allerdings noch keine Aussage über die verfassungsrechtliche Möglichkeit von Durchbrechungen der Belastungswirkungen gesagt. Zudem stellt sich zunächst die Frage, ob das GG den Gesetzgeber überhaupt auf ein Modell verpflichtet, das belastungsgleiche Steuerwirkungen erzeugt, vgl. dazu 3. Kap. A. II. 5 dd). 223 Vgl. die exemplarische Darstellung bei Niehus DStZ 2000, 697, 701ff; Dorenkamp StuW 2000, 121, 124f; Lang DStJG 24 (2001), 49, 80. 224 Dorenkamp StuW 2000, 121, 124.
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Verfassungsrechtliche Ausgestaltungsdirektiven
deneinkommens verbundenen idealen Einkommensbegriff der Reinvermögenszuwachstheorie225 bewirkt die Verschonung der Erfassung von Wertsteigerungen bis zum Realisationszeitpunkt eine Abweichung von dem durch die innerperiodische Gleichmäßigkeitsvorstellung vorgegebenen Belastungsideal. Im Belastungsergebnis226 entspricht der Aufschub der Steuererhebung den Belastungswirkungen des Alternativsystems der nachgelagerten Besteuerung, da durch die Nichtbesteuerung des in investiver Verwendung belassenen Vermögenszuwachses ein größeres Einkünfteerzielungsvermögen zur Erwirtschaftung von Kapitaleinkommen zur Verfügung steht als bei der Bildung von Ersparnissen aus steuerbaren Einkünften227. Im Bilanzsteuerrecht können ferner diejenigen Abschreibungsvorschriften tendenziell im Zusammenhang mit einer nachgelagerten Besteuerung gesehen werden, die den Abschreibungsumfang vom tatsächlichen Wertverzehr abkoppeln und somit gemessen an der Reinvermögenszuwachstheorie zu einer beschleunigten steuerlichen Abschreibung führen228. Darüber hinaus kann auch die Steuerfreiheit privater Veräußerungsgewinne i.S. einer nachgelagerten Besteuerung interpretiert werden229. Aus der Perspektive einer nachgelagerten Besteuerung fordert eine systematische Gleichbehandlung von Löhnen und Veräußerungsgewinnen eine steuerlich wirksame Abschreibung des Anschaffungspreises des Investitionsobjektes im Investitionszeitpunkt. Wenn die Sofortabschreibung des Kaufpreises versagt wird, stellt die volle Besteuerung von Veräußerungsgewinnen gemessen an den überperiodischen Gleichmäßigkeitsvorstellungen aber eine Benachteiligung des Anlegers gegenüber den Arbeitnehmern dar, der seine Werbungskosten idR sofort abziehen kann, da der Aktionär kann den Anschaffungspreis erst im Veräußerungszeitpunkt mit seinen Einnahmen aus der Veräußerung verrechnen kann230. Die gegenwärtige Steuerfreiheit privater Veräußerungsgewinne kann somit als, wenn auch nur typisierende Kompen-
225 Es sei nochmals ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich allein durch diesen Einkommensbegriff gemessen am innerperiodischen Vergleichskonzept eine belastungsgleiche Wirkung erzielen lässt. 226 An diesem Befund ändert sich auch nichts, wenn das Realisationsprinzip systematisch in Beziehung zum Reinvermögenszuwachsmodell gesetzt und vor diesem Hintergrund gerechtfertigt wird. 227 Dorenkamp StuW 2000, 121, 124. 228 Dorenkamp StuW 2000, 121, 124. 229 Wenger in: Smekal/Sendlhofer/Winner, Einkommen versus Konsum, 1999, S. 37, 47f; Wenger StuW 2000, 177ff; Wagner DStR 1997, 517ff; vgl. auch Wagner DB 1999, 1520, 1522ff. 230 Wenger in: Smekal/Sendlhofer/Winner, Einkommen versus Konsum, 1999, S. 37, 47.
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Entwicklung eines Prüfungsmaßstabes zur verfassungsrechtlichen Beurteilung
sation des aus der Versagung der Sofortabschreibung resultierenden Zinsverlustes angesehen werden231. Nicht zuletzt kann, wie bereits erwähnt, auch die geltende Besteuerung von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit i.S. einer nachgelagerten Besteuerung interpretiert werden. Ähnliches galt auch für Teilbereiche232 der Altersvorsorge, wenn Einzahlungen in Vorsorgeinstitute zum steuerlichen Abzug zugelassen wurden, hingegen die Auszahlungen aus der Versorgungssituation voll zu versteuern waren233. Verallgemeinernd kann man sagen, dass die im EStG vorgesehene Überschussrechnung der §§ 8ff EStG und die vereinfachte Gewinnermittlung des § 4 Abs. 3 EStG vom Grundsatz her eine Sparbereinigung des Einkommens bewirken. Eine Relativierung tritt jedoch dadurch ein, dass nach §§ 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 7 EStG und § 4 Abs. 3 S. 3, 4 EStG die Anschaffungs- und Herstellungskosten nicht im Jahr der Investitionsausgabe abgeschrieben werden können. b)
Stellungnahme
Den oben genannten Idealkonzepten liegen unterschiedliche Gleichmäßigkeitsvorstellungen zu Grunde234. Die theoretischen Überlegungen einer nachgelagerten Besteuerung sind letztlich nur Modelle, den überperiodischen Vorstellungen in Anknüpfung an einen Leistungsfähigkeitsindikator „Lebenseinkommen“ im Rahmen einer periodischen Steuererhebung gerecht zu werden235. Ziel ist eine Gleichbehandlung des gegenwärtigen mit dem 231 Wenger in: Smekal/Sendlhofer/Winner, Einkommen versus Konsum, 1999, S. 37, 47; Wagner DStR 1997, 517, 521. In dieser Betrachtung verkehrt sich die traditionelle Sichtweise, die unter Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten eine Einbeziehung privater Veräußerungsgewinne geradezu fordert, in ihr Gegenteil. 232 Z.B. hatte die staatliche Versorgungszusage keine einkommensteuerlichen Folgen, während die Pensionsbezüge in vollem Umfang der Einkommensbesteuerung unterlagen. Nachgelagerte Wirkungen treten auch bei der betrieblichen Altersvorsorge auf, vgl. Birk StuW 1999, 321, 322. 233 Vgl. Dorenkamp StuW 2000, 121, 124; Wenger in: Smekal/Sendlhofer/Winner, Einkommen versus Konsum, 1999, S. 37, 44f; Gröpl FR 2001, 568, 573ff; Lang DStJG 24 (2001), 49, 80. 234 Die Idee unterschiedlicher Vorstellungen von Gleichheit findet sich schon bei Schneider FinArch 42 (1984), 407, wenn er ausführt, dass in der jüngeren wissenschaftlichen Diskussion die Frage in den Vordergrund tritt, ob als Maßstab zur Verwirklichung von Gleichmäßigkeit der Besteuerung statt des Jahreseinkommens das Lebenseinkommen zu wählen sei; in diesem Sinne auch Kammann, Stichtagsprinzip und zukunftsorientierte Bilanzierung, 1988, S. 156; Homburg, Allgemeine Steuerlehre, 3. Auflage, 2004, S. 218, 224. 235 Dorenkamp StuW 2001, 253, 256; Lang DStJG 24 (2001), 49, 65. Insofern ist den Ausführungen von Kraft, Steuergerechtigkeit und Gewinnermittlung, 1991, S. 42 zu
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zukünftigen Konsum i.S. einer intertemporal neutralen Steuerwirkung236. Ein Abstellen auf das Periodeneinkommen verwirklicht demgegenüber eine innerperiodische Gleichmäßigkeitsvorstellung237. Jedes Konzept gelangt gemessen an den Gleichmäßigkeitsvorstellungen der Gegenmeinung an seine Grenzen. Identische Belastungswirkungen zwischen allen Einkunftsarten lassen sich nur im Binnenbereich der spezifischen Leistungsfähigkeitsvorstellungen unter Zugrundelegung eines streng idealisierten Systems erreichen. Es kann nicht geleugnet werden, dass jedes Konzept für sich genommen schlüssig ist. Letztlich können in den dargestellten Ausformungen einerseits im Lebenseinkommen und andererseits im Periodeneinkommen unterschiedliche Indikatoren wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit gesehen werden238. In ihren ökonomischen Wirkungen sind die Belastungswirkungen von traditioneller Einkommensbesteuerung und konsumorientierter Einkommensteuer jedoch grundverschieden. Vergleicht man die unterschiedlichen Besteuerungskonzepte, führen diese weder im Ausweis des Periodenerfolges noch in der Summe des Totalerfolges wegen des nicht zu vernachlässigenden Zeitaspektes zu identischen Ergebnissen. Im Vergleich der ökonomischen Belastungswirkung hat sich die Vorstellung, durch intertemporal einmalige Belastung des Einkommens seien gleiche Belastungswirkungen zu erzielen, als nicht richtig erwiesen. Auch bei dem Modell der nachgelagerten Einkommensbesteuerung werden investierte Einkünfte einmal belastet239. Die herrschende Auffassung in der juristischen Literatur unterliegt somit einer Fehlvorstellung, wenn sie davon ausgeht, dass es auf den Zeitpunkt der Besteuerung nicht ankomme, wenn sichergestellt wird, dass das zu besteuernde Einkommen einmal belastet wird240. Dies zeigt sich insbesondere an § 4 Abs. 3
236 237 238 239 240
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widersprechen, wenn sie anführt, dass von den Befürwortern einer konsumorientierten Besteuerung nicht Gerechtigkeitsargumente, sondern die Entscheidungsneutralität zwischen gegenwärtigem Konsum und zukünftigem Konsum geltend gemacht werden. Schön in: Kirchhof/Neumann, Freiheit, Gleichheit, Effizienz, 2001, S. 121, 124; Schön Symposium Kirchhof, 2003, S. 143, 154ff. Dorenkamp StuW 2000, 121, 126; Dorenkamp StuW 2001, 253, 256. Dorenkamp StuW 2001, 253, 256. Dorenkamp StuW 2000, 121, 122f. In Abhängigkeit davon, ob man im Rahmen einer vollständigen, reinvermögensorientierten Einkommensermittlung das periodische Einkommen mittels eines Bestandsvermögensvergleichs oder mittels eines Kassenvermögensvergleichs ermittelt, führen die unterschiedlichen Ermittlungsmodelle nur bei Abwesenheit von gewinnabhängigen Zahlungen zu einem identischen Totalerfolg (vgl. Sigloch FS Schneider, 1995, S. 673, 685f). Diese Aussage lässt sich jedoch dann nicht mehr aufrechterhalten, wenn die unterschiedlichen Periodengewinne zu gewinnabhängigen Auszahlungen in
Entwicklung eines Prüfungsmaßstabes zur verfassungsrechtlichen Beurteilung
EStG. In Rechtsprechung241 und herrschender Lehre242 wird stets der Grundsatz der Gesamtgewinngleichheit betont, der die Auslegung der Einkommensermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG im Verhältnis zu § 4 Abs. 1 EStG dominiert. Man geht davon aus, dass auf Dauer gesehen beide Gewinnermittlungsarten zu demselben Gesamtgewinn führen müssen, da jeder Geschäftsvorfall irgendwann zu Einnahmen und Ausgaben führen müsse. Dorenkamp243 hat jedoch zu Recht darauf aufmerksam gemacht, dass sich § 4 Abs. 3 EStG trotz der einmaligen Belastung der Geschäftsvorfälle als der nachgelagerten Besteuerung entsprechende cash-flow-Besteuerung interpretieren lässt (sofortige Erfolgswirksamkeit von Investitionen in Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens). Vom Grundsatz her bliebe durch die sofortige Abzugsmöglichkeit von Investitionsausgaben, Investitionskapital steuerlich unbelastet. Erst die Ausnahmen der Sätze 3 und 4 vom grundsätzlichen Kassenrechnungsprinzip des § 4 Abs. 3 EStG führen zu einer Annäherung der Belastungswirkungen der vereinfachten Gewinnermittlung an die Belastungswirkungen des Betriebsvermögensvergleichs. Wenn eine Entscheidung über die alternativen Leistungsfähigkeitsmodelle in die Definitionskompetenz des einfachen Gesetzgebers fällt, muss jedoch, solange man das Ziel belastungsgleicher Steuerwirkungen verfolgt, sichergestellt werden, dass sich die gesetzgeberische Entscheidungskompetenz lediglich auf eine Auswahl zwischen diesen beiden Grundvorstellungen beschränkt. Die Bestimmung des zum Konsum verwendeten oder des zum Konsum verfügbaren Einkommens als maßgebliche Größe und ein darauf zugeschnittenes Steuermesskonzept stellen dabei eine Auswahl des Steuergegenstandes dar244.
241 242 243 244
unterschiedlicher Höhe führen (vgl. Sigloch FS Schneider, 1995, S. 673, 686f; Erhardt-Rauch DStZ 2001, 423). BFH v. 23. 2. 1984, BStBl II 1984, 516, 518; BFH v. 8. 9. 1988, BStBl II 1989, 32, 34. Weber-Grellet in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 4 Rn D 10. Dorenkamp StuW 2000, 121, 123. Dorenkamp StuW 2000, 121, 126f; vgl. auch Kiesewetter/Niemann StuW 2003, 60; Giloy FR 1979, 133, 136, der ebenfalls von gesetzgeberischen Wertvorstellungen ausgeht.
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Verfassungsrechtliche Ausgestaltungsdirektiven
3.
Verfassungsrechtliche Einengung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraumes hinsichtlich der Anknüpfung an das Lebensoder das Periodeneinkommen als Leistungsfähigkeitsindikator?
a)
Das Periodizitätsprinzip als materielles Prinzip der Besteuerung
Wie bereits dargelegt, ordnet die herrschende Auffassung in der juristischen Literatur das Periodizitätsprinzip in seinem Rechtscharakter lediglich als technisches Prinzip ein. Es hat sich jedoch gezeigt, dass der von der herrschenden Meinung präferierte Leistungsfähigkeitsindikator „Lebenseinkommen“ nicht durch ein System adäquat belastet werden kann, welches das Periodeneinkommen besteuert. In diesem Fall werden zwei Systeme zusammengebracht, die sich in ihren Belastungsergebnissen strikt alternativ zueinander verhalten. Im Hinblick auf diesen Befund soll daher im folgenden den Argumenten der Gegenmeinung besonderes Gewicht eingeräumt werden, die im Periodizitätsprinzip ein materielles Prinzip der Besteuerung sieht. Wenn sich die Richtigkeit dieser These bestätigen würde, könnte dies zur Folge haben, dass der oben dargestellte Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers verfassungsrechtlich dahingehend verengt wäre, dass allein das Periodeneinkommen als zulässiger Leistungsfähigkeitsindikator herangezogen werden dürfte. Eine insbesondere von Kirchhof und Schick vertretene Auffassung245 versteht das Periodizitätsprinzip als materielles Prinzip der Einkommensbesteuerung. Kirchhof246 sieht in der im Einkommen vergegenständlichten ökonomischen Handlungsfreiheit nur eine Freiheit in der Zeit. Begründet wird diese Ansicht damit, dass der Steuerpflichtige über sein Einkommen nur zeitbe245 Kirchhof in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 2 Rn A 136, A 362; Kirchhof StuW 1985, 319, 329; Kirchhof Gutachten zum 57. DJT (1988), F 75f; Kirchhof StuW 2000, 221, 225; Kirchhof DStJG 24 (2001), 1, 17f; Kirchhof in: Kirchhof/Neumann: Freiheit, Gleichheit, Effizienz, 2001, S. 13, 19; Kirchhof in: Kirchhof, Kompaktkommentar, 5. Auflage, 2005, § 2 Rn 17f; Schick, Der Verlustrücktrag, 1976, S. 12ff; Kammann, Stichtagsprinzip und zukunftsorientierte Bilanzierung, 1988, S. 169ff; Küting/Kessler StuB 2000, 21, 24; Trzaskalik StuW 1979, 97, 104, 110; Elicker StuW 2002, 217, 221; Koniarski, Einkommen als Maßstab steuerlicher Leistungsfähigkeit, 1984, S. 64f; Liesenfeld DStR 2002, 1833, 1836; Sieker DStJG 25 (2002), 145, 168; Eckhoff DStJG 28 (2005), 19, 38; in diesem Sinne auch BVerfGE 87, 153, 179; kritisch Lang/Englisch StuW 2005, 3, 10; vgl. zum Ganzen auch Lehner in: Lehner, Verluste im nationalen und Internationalen Steuerrecht, 2004, S. 1, 13. 246 Kirchhof in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 2 Rn A 136; Kirchhof StuW 1985, 319, 329; Kirchhof DStR 1983, 279, 282f; Kirchhof Gutachten zum 57. DJT (1988) F 75f. Anzumerken ist aber, dass Kirchhof (StuW 1985, 319, 329; Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 2 Rn A 136) nur im Periodizitätsprinzip, nicht aber im Annuitätsprinzip einen Teil des materiellen Einkommensteuerrechts sieht.
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Entwicklung eines Prüfungsmaßstabes zur verfassungsrechtlichen Beurteilung
zogen verfüge, da sich die Privatnützigkeit des Hinzuerwerbs, alle für den Steuerpflichtigen unverzichtbaren Aufwendungen und die zur Erhaltung der Erwerbsquelle benötigten Ausgaben nur für die jeweilige Gegenwart, nicht aber für das Lebenseinkommen des Steuerpflichtigen bestimmen ließen247. Freiheitskonform sei daher nur die gegenwartsgerechte, nicht die periodenübergreifende Steuer248. Ferner weise auch der verfassungsrechtliche Legitimationsgrund die Einkommensteuer als zeitbezogene Belastung des Privateinkommens aus. Die Aussage des Grundgesetzes in Art 14 Abs. 2 S. 2 GG, dass der Eigentumsgebrauch „zugleich“ dem Wohle der Allgemeinheit dienen soll, sei dahingehend zu verstehen, dass der Eigentumsgebrauch zeitgleich mit der Privatnützigkeit für eine Besteuerung zur Verfügung stehen soll249. Schließlich setzten die Finanzkraft des Steuerstaates und seine Haushaltsplanung ständig fließende Steuerquellen voraus250. Schick251 begründet die verfassungsrechtliche Notwendigkeit einer Abschnittsbesteuerung mit Art 3 Abs. 1 GG und dem Grundsatz der Steuergerechtigkeit. Steuerliche Gleichheit und Gerechtigkeit forderten insbesondere eine Vergleichbarkeit in der Zeit252. Dabei müsse der Vergleichszeitraum für alle Steuerpflichtigen überschaubar und gleich lang sein. Aus diesen Prämissen wird der Schluss gezogen, dass lediglich das Periodeneinkommen als Indikator steuerlicher Leistungsfähigkeit in Betracht kommen kann. Die Forderung nach einer zeitgerechten Verteilung der individuellen Steuerlast bzw. Periodengerechtigkeit und damit ein periodenbezogenes Leistungsfähigkeitsdenken erfordern ein Anknüpfen der Besteuerung an den Mittelerwerb253. Einem auf dieser Sichtweise beruhenden System ist ferner immanent, dass sowohl das Einkommen, das zur Ersparnisbildung verwendet wird, wie auch die daraus resultierenden Erträge Einkommen darstellen, da in jedem Zuwachs der ö247 Kirchhof StuW 1985, 319, 329; vgl. auch Koniarski, Einkommen als Maßstab steuerlicher Leistungsfähigkeit, 1984, S. 65f mit dem Hinweis, dass der Staat im Sozialrecht bei der Bedürftigkeit von Personen entsprechend der Bedürfnisperiode unabhängig von den Verhältnissen der Vorperiode Transferzahlungen leisten muss. 248 Kirchhof DStR 1983, 279, 282f. 249 Kirchhof DStR 1983, 279, 282f, Kirchhof in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 2 Rn A 137. 250 Kirchhof in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 2 Rn A 136. 251 Schick, Der Verlustrücktrag, 1976, S. 12ff. 252 Schick, Der Verlustrücktrag, 1976, S. 12ff; Lehner in: Lehner, Verluste im nationalen und Internationalen Steuerrecht, 2004, S. 1, 15. 253 Kirchhof in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 2 Rn A 137 führt aus, dass die Einkommensbesteuerung, die verfassungsrechtlich als Zugriff auf jüngst erworbenes Vermögen qualifiziert werden muss, nur als gegenwartsgerechte, auf einen überschaubaren Zeitabschnitt bezogene Besteuerung grundrechtskonform ist, vgl. Dorenkamp StuW 2000, 121, 126.
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Verfassungsrechtliche Ausgestaltungsdirektiven
konomischen Dispositionskraft innerhalb der Periode eine Erhöhung steuerlicher Leistungsfähigkeit zu sehen ist254. Im Hinblick auf diese Argumente stellt sich natürlich die Frage, ob die Verwirklichung einer periodischen, beim Mittelerwerb ansetzenden Einkommensteuer, durch ein verfassungsrechtliches Periodizitätsprinzip vorgegeben ist. Namentlich Kirchhof und Schick ist natürlich zuzugeben, dass ihre Schlussfolgerung in historischer Tradition stehen. Auch von Schanz255 war der Auffassung, dass allein der Reinvermögenszugang eines Kalender- oder Wirtschaftsjahres die Maßgröße sei, die wirtschaftliche Sachverhalte vergleichbar mache256. Ausgangspunkt der Kirchhof`schen Überlegungen ist die These, dass der Steuerpflichtige sein Einkommen in der Gegenwart benötige und daher nur über eine finanzielle Leistungsfähigkeit in der Zeit verfüge. Er geht dabei, wie er selbst zugibt, von einem Typus der Einkommensteuer aus, bei dem nicht ein Erwerber, der ein möglichst großes Lebenseinkommen ansammelt, im Vordergrund steht, sondern ein Steuerpflichtiger, der in der jeweiligen Gegenwart seinen Bedarf deckt und sein Einkommen zu gegenwärtigem Nutzen mehrt257. Diese Auffassung Kirchhofs beruht im Wesentlichen auf der Unterstellung258 von Gegenwartskonsum. Dorenkamp259 hat richtigerweise darauf hingewiesen, dass die Vorstellung einer nur zeitbezogenen Leistungsfähigkeit immer dann nicht berechtigt ist, wenn durch gespartes Periodeneinkommen die Bedürfnisbefriedigung in zukünftige Besteuerungsperioden verlegt werden kann. Auch in der Zukunft vermag das Einkommen in seiner gespeicherten Form als Vermögen, Verfügungsmacht zu vermitteln. Die Kirchhof`schen Thesen erscheinen vor allem deshalb befremdlich, weil er sich in seiner Argumentation mit den eigenen nutzentheoretischen Vorgaben in Widerspruch setzt. Wenn Kirchhof auf die Eigentumsnutzung abstellt, knüpft er an einen Begriff des Nutzenkonzepts an. Gerade dieses Merkmal der Bedürfnisbefriedigung spricht aber für eine überperiodische Betrachtung, da die Bedürfnisbefriedigung nicht zwangsläufig an die 254 Kraft, Steuergerechtigkeit und Gewinnermittlung, 1991, S. 47f. 255 Von Schanz FinArch 13 (1896), 1, 5f. 256 Nutzentheoretische Überlegungen in Form eines überperiodischen Leistungsfähigkeitsdenkens waren der Schanz`schen Vorstellung fremd, vgl. Schneider FinArch 42 (1984), 407. 257 Kirchhof in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 2 Rn A 136. 258 Raupach/Schencking in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 2 EStG Rn 601 sprechen sogar von einer lebensfremden Unterstellung. Vgl. in diesem Zusammenhang auch die bei Drüen, Periodengewinn und Totalgewinn, 1999, S. 90 FN 475 angegebenen Zahlenbeispiele aus empirischen Studien. 259 Dorenkamp StuW 2000, 121, 126.
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Entwicklung eines Prüfungsmaßstabes zur verfassungsrechtlichen Beurteilung
Periode der Mittelentstehung geknüpft ist260. Letztlich läuft die Argumentation Kirchhofs damit auf die Behauptung hinaus, das Grundgesetz ermögliche lediglich eine Anknüpfung an das Periodeneinkommen, nicht aber an das Lebenseinkommen als maßgeblichen Leistungsfähigkeitsindikator. Gewichtiger ist somit der Hinweis auf die Gegenwartsgerechtigkeit der Besteuerung261. Dieser Gedanke kommt bei Schick262 deutlicher zum Ausdruck, wenn er einwendet, dass die Anwendung des Gleichheitssatzes in zeitlicher Hinsicht überschaubare Sachverhalte voraussetze, die miteinander verglichen werden können. Schick zieht daraus den Schluss, dass erst die Festlegung einer Vergleichsperiode einen einheitlichen Vergleichsmaßstab ermögliche. Art 3 Abs. 1 GG bezieht sich dann auf die Änderung der Leistungsfähigkeit in der Vergleichsperiode. Der Vergleichsmaßstab setzt damit zwangsläufig am Mittelerwerb an. Die oben angesprochenen Probleme sind einer solchen Denkweise fremd und geraten erst dann in den Blickpunkt, wenn man die Vergleichsperiode auf das Lebenseinkommen des Steuerpflichtigen verlängert. Dieser Betrachtung ist zuzugeben, dass das Lebenseinkommen eines Menschen bzw. der Totalgewinn eines Betriebes als individualbezogene Größen ungleiche Zeiträume darstellen. Das Abstellen auf unterschiedlich lange Steuerbemessungszeiträume birgt die Gefahr in sich, dass durch Inflations- und Zinseffekte sowie Steuertarifänderungen Belastungsungleichheiten entstehen263. Um eine Vergleichbarkeit in der Zeit herzustellen wurden in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur264 verschiedene Vorkehrungen gegen die genannten Effekte diskutiert. Angesichts dessen erscheint der Schluss auf die verfassungsrechtliche Notwendigkeit, lediglich auf ein Periodeneinkommen als Leistungsfähigkeitsindikator abzustellen, als zu weitgehend. Art 3 Abs. 1 GG fordert in diesem Zusammenhang nicht mehr als Vorkehrungen, die eine Vergleichbarkeit in der Zeit gewährleisten265. Zu überprüfen bleibt daher lediglich, ob aus Gründen des periodischen Finanzbedarfs des Staates und der Rechtssicherheit auf ein verfassungsrechtlich gebotenes Periodizitätsprinzip und die Notwendigkeit einer BesteueKraft, Steuergerechtigkeit und Gewinnermittlung, 1991, S. 43. Kirchhof in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 2 Rn A 137. Schick, Der Verlustrücktrag, 1976, S. 13. Drüen, Periodengewinn und Totalgewinn, 1999, S. 90; Mitschke StuW 1980, 122, 124ff. 264 Vgl. die Diskussion zwischen Mitschke StuW 1980, 122, 124ff; Mitschke StuW 1981, 255 und Hackmann StuW 1980, 318ff; Hackmann StuW 1982, 51; ferner Hackmann, Die Besteuerung des Lebenseinkommens, Ein Vergleich von Besteuerungsverfahren, 1979. 265 In Ansätzen auch Drüen, Periodengewinn und Totalgewinn, 1999, S. 90f und 101.
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rung des periodischen Einkommenserwerbs geschlossen werden kann. Drüen266 macht richtigerweise geltend, dass das staatliche Finanzinteresse267 und das Prinzip der Rechtssicherheit268 Güter von Verfassungsrang sind, die mit der Idee einer Besteuerung des Lebenseinkommens grundsätzlich kollidieren. Da der Steuergesetzgeber beim Ausgleich kollidierender verfassungsrechtlicher Prinzipien aber keinem Prinzip auf Kosten eines anderen einseitig Vorrang einräumen darf, falls die Verfassung nicht selbst ein Rangverhältnis anordnet269, müssen demnach auch überperiodische Leistungsfähigkeitsideen im Verhältnis zu diesen Verfassungsgütern gesehen werden270. Jedes der kollidierenden Prinzipen legt somit negativ gewisse Mindestanforderungen fest, die nicht unterschritten werden dürfen. Ohne auf Details einzugehen, ist Drüen darin zuzustimmen, dass das Prinzip der Rechtssicherheit Besteuerungszeiträume erfordert, bei denen sowohl in formeller als auch in materieller Hinsicht endgültige Ergebnisse zu erwarten sind. Diese verfassungsrechtlich gebotenen Mindestanforderungen werden dann nicht erfüllt, wenn im Wege einer Durchschnittsbesteuerung zwar an periodischen Veranlagungszeiträumen festgehalten wird271, die Steuerlast vergangener Perioden aber vom zukünftigen Einkommen abhängt und durch Steuernachforderungen oder -erstattungen korrigiert werden muss272. Eine nachgelagerte oder eine zinsbereinigte Besteuerung dürfte im Hinblick auf diese Gesichtspunkte 266 Drüen FR 1999, 1097, 1105; Drüen, Periodengewinn und Totalgewinn, 1999, S. 93ff, 96ff. 267 Drüen, Periodengewinn und Totalgewinn, 1999, S. 94f; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band III/2, 1994, S. 824. Zu den verschiedenen Möglichkeiten der Herleitung des Charakters eines Rechtsgutes von Verfassungsrang Drüen, Periodengewinn und Totalgewinn, 1999, S. 94f. 268 BVerfGE 72, 175, 196; Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, 1981/88, S. 189. Das Prinzip der Rechtssicherheit wurzelt im Rechtsstaatsprinzip vgl. Herzog in: Maunz/Dürig Art 20 Rn 61; Leibholz/Rinck/Hesselberger, GG, Art 20 Rn 641. Drüen, Periodengewinn und Totalgewinn, 1999, S. 93f unterscheidet zusätzlich zwischen den objektiven und den subjektiven Komponenten der Rechtssicherheit. Die objektive Komponente der Rechtssicherheit bezieht sich danach auf die Überschaubarkeit und Klarheit der Besteuerungsperiode und das Verbot tatbestandlicher und tariflicher Rückwirkung. Die subjektive Ausprägung der Rechtssicherheit wird demgegenüber im Vertrauensschutz gesehen. 269 Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band I, 2. Auflage, 1984 S. 133; Band III/2, 1994, S. 625ff; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Auflage, 1995, Rn 72. 270 Um dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers beim Ausgleich der Prinzipien Rechnung zu tragen, hat Drüen, Periodengewinn und Totalgewinn, 1999, S. 98 den anschaulichen Begriff eines Optimierungskorridors eingeführt. 271 Mitschke StuW 1981, 255, 256, 260. 272 So Drüen, Periodengewinn und Totalgewinn, 1999, S. 93, 99.
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jedoch verfassungskonform sein273. Somit zeigt sich, dass sich eine Besteuerung, die sich überperiodisch am Leistungsfähigkeitsindikator Lebenseinkommen orientiert, im Hinblick auf diese Aspekte verfassungskonform verwirklichen lassen würde274. Wenn sich der Gesetzgeber demgegenüber von vornherein für einen innerperiodischen Leistungsfähigkeitsbegriff und die damit verbundene Gerechtigkeitsvorstellung entscheidet, löst sich die verfassungsrechtliche Kollisionslage weitgehend275 von selbst auf. Es liegt auf der Hand, dass einer solchen Sichtweise die Gebote der Rechtssicherheit und des budgetären Dispositionsschutzes weitgehend immanent sind. Festzuhalten bleibt somit, dass der gesetzgeberische Gestaltungsspielraum unter dem Gesichtspunkt der Vergleichbarkeit nicht von Verfassungs wegen auf eine Anknüpfung an den Leistungsfähigkeitsindikator Periodeneinkommen verdichtet ist. Einer Besteuerung des Leistungsfähigkeitsindikators Lebenseinkommen sind verfassungsrechtlich zwar Grenzen gesetzt, die sich durch geeignete Vorkehrungen aber bewältigen lassen. Insofern kommt dem Gesetzgeber prinzipiell ein Wahlrecht zwischen den genannten Alternativen zu. Auch Tipke276 geht insoweit277 von einem gewissen gesetzgeberischen Wertungsspielraum bei der Ausfüllung des Leistungsfähigkeitsprinzips aus, die es gestatte, sich für die eine oder andere Version zu entscheiden, ohne mit der Verfassung in Konflikt zu geraten278.
273 Englisch, Dividendenbesteuerung, 2005, S. 184f. 274 Lang/Englisch StuW 2005, 3, 12; Lang DStJG 24 (2001), 49, 64. Erst wenn man sich für den Leistungsfähigkeitsindikator „Lebenseinkommen“ entschieden hat, stellt sich die Frage, in welchem Verhältnis dieser Indikator zum Verfassungsgut Finanzinteresse zu gewichten ist. Gleiches gilt für das Prinzip der Rechtssicherheit und den budgetären Dispositionsschutz. 275 Zur Problematik des § 10 d EStG vgl. 4. Kap. C. I. 2. a) bb). 276 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band 2, 1. Auflage, 1993, S. 573. 277 Tipke, Die Steuerrechtsordnung Band 2, 1. Auflage, 1993, S. 570ff spricht terminologisch abweichend von einer Entscheidung, das erzielte und konsumierbare oder nur das tatsächlich konsumierte Einkommen als Bemessungsgrundlage heranzuziehen. Das konsumierte Einkommen bezeichnet in seiner Terminologie aber eine konsumbasierte Einkommensteuer (S. 571ff), vgl. nun auch Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band 2, 2. Auflage, 2003, S. 638ff. 278 Zustimmend auch Dorenkamp StuW 2000, 121, 126f; Dorenkamp StuW 2001, 253, 256 und Niehus DStZ 2000, 697, 700; Lang DStJG 24 (2001), 49, 74ff; Englisch, Dividendenbesteuerung, 2005, S. 192f.
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Verfassungsrechtliche Ausgestaltungsdirektiven
b)
Verfassungsrechtliche Notwendigkeit einer einheitlichen praktischen Umsetzbarkeit des Leistungsfähigkeitsindikators zur Herstellung tatsächlicher Belastungsgleichheit?
aa)
Verfassungsrechtliche Schlussfolgerungen von Teilen des wirtschaftswissenschaftlichen Schrifttums
Die skizzierten wirtschaftswissenschaftlichen Überlegungen haben Teile der Literatur zu verfassungsrechtlichen Überlegungen veranlasst. Hinter diesen Überlegungen steht die Erkenntnis, dass die aufgezeigten Systeme lediglich unter idealisierten Bedingungen innerhalb ihres Binnenbereiches einheitliche Belastungswirkungen zwischen den einzelnen Einkunftsarten verwirklichen können. Durchbrechungen des Systems führen zwangsläufig zu „Korrespondenzlücken“ und damit zu einer Abkehr vom Ziel der Herstellung tatsächlicher Belastungsgleichheit. Wenn aber die Forderung nach einem gerechten Steuersystem, welches alle Einkunftsarten belastungsgleich besteuert, nur dann erhoben werden kann, wenn die Einkünfte für alle Einkunftsarten nach einer allgemein gültigen Regel ermittelt werden279, liegt es nahe, dass die wirtschaftswissenschaftliche Literatur ein Leistungsfähigkeitsverständnis nur dann anerkennt, wenn dieses sich unter realen Bedingungen einheitlich verwirklichen lässt. Unter diesem Gesichtspunkt sind in den Augen vieler Wirtschaftswissenschaftler das System der klassischen kapitalorientierten Einkommensteuer und das System einer konsumorientierten Einkommensteuer nicht gleichwertig. Eine einheitliche Vermögensvergleichsrechnung und damit ein Modell zur Besteuerung des Periodengewinns, welches belastungsgleiche Ergebnisse ermöglicht, kommt wegen der Notwendigkeit der bilanziellen Erfassung des Humankapitals, das sich nach dem Ertragswert der Arbeitskraft bemisst, wegen der unlösbaren Bewertungsprobleme nicht ernsthaft in Betracht280. Wenn demnach eine Übertragung der Grundsätze eines Vermögensvergleichs auf das Humankapital nur theoretisch, nicht aber praktisch möglich ist, andererseits ein Nebeneinander der Subsysteme der Einkünfteermittlung aber zu tatsächlichen Belastungsunterscheiden führt, fordert ein Teil der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur281 im Hinblick auf die Not279 Wala/Knoll ÖStZ 2001, 139, 144; Knoll StuB 2002, 391, 393; Schreiber StuW 2002, 105, 108. 280 Wagner in: Hax/Kern/Schröder, Zeitaspekte in Betriebswirtschaftlicher Theorie und Praxis, 1989, S. 261, 268; Wagner DStR 1997, 517, 519; Wagner DB 1999, 1520, 1523; Dorenkamp StuW 2000, 121, 124; Wala/Knoll ÖStZ 2001, 139, 145. 281 Wenger FinArch 41 (1983), 206, 216; Wenger in: Smekal/Sendlhofer/Winner, Einkommen versus Konsum, 1999, S. 37, 46ff, Wagner DStR 1997, 517, 520; Kahle WPg 2002, 178, 186; Wala/Knoll ÖStZ 2001, 139, 145; vgl. auch Elicker StuW
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Entwicklung eines Prüfungsmaßstabes zur verfassungsrechtlichen Beurteilung
wendigkeit belastungsgleicher Steuerwirkungen, die Grundsätze der cashflow Steuer nicht nur auf das Humankapital, sondern auch auf das Sach- und Finanzvermögen anzuwenden, um damit wenigstens eine überperiodische Belastungsgleichheit herzustellen282. Dies hat zur Folge, dass neben der menschlichen Arbeitskraft alle herkömmlichen Bilanzpositionen mit einem Buchwert von Null angesetzt werden müssen, was dazu führen würde, dass Sparer und Unternehmer jede Investition in Finanz- und Sachanlagen sofort abschreiben dürften283. Da auch in praktischer Hinsicht keine durchgreifenden Bedenken bestehen, sei allein durch eine nachgelagerte Besteuerung und den damit verbundenen überperiodischen Gleichmäßigkeitsvorstellungen eine gleichmäßige Belastung von Sach-, Finanz- und Humanvermögen zu erreichen284. Alternativ komme wegen der weitgehend gleichen ökonomischen Wirkungen lediglich eine zinsbereinigte Einkommensteuer in Betracht. Wenn man im Hinblick auf Art 3 Abs. 1 GG auf die Notwendigkeit einer einheitlichen für alle Einkunftsarten praktikablen steuerlichen Ermittlungsmethode rekurriert, zeigt sich, dass vor diesem Hintergrund für die vorstehende Meinungsgruppe keine alternative Möglichkeit zur Interpretation des Leistungsfähigkeitsprinzips existiert. Eine solche Sichtweise hätte jedoch zur Folge, dass sich die gesetzgeberische Auswahlentscheidung lediglich an der Leistungsfähigkeitsvorstellung orientieren dürfte, die unter 2002, 217, 219ff, 230; Elicker, Entwurf einer proportionalen Netto-Einkommensteuer, 2004, S. 78ff, der die verfassungsrechtliche Notwendigkeit einer Sofortabschreibung aus dem Grundsatz der eigentumsschonenden Besteuerung deduzieren will. Aus Art 14 Abs. 1 GG sei abzuleiten, dass der Staat bei der realitätsgerechten Ausgestaltung der Bemessungsgrundlage den Abzug von Betriebsausgaben nicht beliebig verzögern dürfe. Der Steuerzugriff müsse die Wirkungen des ihm innewohnenden Liquiditätsentzuges beachten. Damit dürfe unter Liquiditätsgesichtspunkten nicht ignoriert werden, dass das angeschaffte oder hergestellte Wirtschaftsgut nicht in gleichem Maße zur Steuerzahlung eingesetzt werden kann, sondern in dem betrieblichen Zusammenhang verhaftet ist. M.E. übersieht Elicker, dass die Verschiebung des Steuerabzuges durch die AfA selbst keine Steuerzahlungspflicht auslöst. Aus diesem Grunde kann der Gesetzgeber im Rahmen eines Vermögensvergleichs davon ausgehen, dass das für die Hingabe finanzieller Mittel erhaltene Substitut eine äquivalente Leistungsfähigkeit verkörpert. Zudem erscheint die Implementierung eines typisierten Wertverzehrs auch unter dem Aspekt der folgerichtigen Ausgestaltung des Vermögensvergleichs nicht bedenklich. Art 14 Abs. 1 GG tritt dementsprechend nur dann in ein Spannungsverhältnis zu den Grundsätzen der folgerichtigen Ausgestaltung des Vermögensvergleichs, wenn es um die Besteuerung von Wertzuwächsen geht. 282 Wala/Knoll ÖStZ 2001, 139, 145. 283 Wenger in: Smekal/Sendlhofer/Winner, Einkommen versus Konsum, 1999, S. 37, 46. 284 Wenger in: Smekal/Sendlhofer/Winner, Einkommen versus Konsum, 1999, S. 37, 43ff.
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Verfassungsrechtliche Ausgestaltungsdirektiven
ökonomischen Gesichtspunkten zu gleichen Belastungswirkungen führt. Der verfassungsrechtliche Vergleichsmaßstab wäre damit durch die Überschussrechnung (bzw. äquivalent durch die zinsbereinigte Einkommensteuer) vorgegeben285. Diese Argumentation findet zunehmend auch in der juristischen Literatur286 ihre Anhängerschaft und erscheint insbesondere im Hinblick auf die hier in Rede stehenden gesetzgeberischen Bestrebungen zur Einschränkung des Imparitätsprinzips von besonderer Bedeutung. In den Begründungen zum Entwurf eines Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 hat der Gesetzgeber287, im Anschluss an eine erhebliche Zahl von Stimmen in der Literatur288, angedeutet, dass sich nach seiner Auffassung die Interpretation des Leistungsfähigkeitsprinzips für das Einkommensteuerrecht allein an solchen Leistungsfähigkeitsvorstellungen auszurichten habe, die für alle Einkunftsarten gleichermaßen gelten können. In Orientierung an diesen Maßstäben wird dabei (letztlich auch nicht ganz konsequent) unter Einbeziehung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit eine ausschließlich am Realisationsprinzip orientierte Leistungsfähigkeitsvorstellung als Belastungsmaßstab entwickelt, die das geltende System der steuerlichen Gewinnermittlung in Anlehnung an die handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung (§ 5 Abs. 1 EStG) ins verfassungsrechtliche Abseits stellt. Nach dem vorstehend Gesagten muss festgestellt werden, dass eine konsequente Umsetzung des Gleichbehandlungsgedankens jedoch den Übergang zu einer cash-flow-Rechnung erfordern würde. bb)
Stellungnahme
Orientiert man sich bei der Interpretation des Leistungsfähigkeitsprinzips an der Forderung, belastungsgleiche Steuerwirkungen zwischen allen Einkunftsarten herzustellen, werfen die vorstehenden Ausführungen in verfassungsrechtlicher Hinsicht die Frage auf, ob sich das Leistungsfähigkeitsprinzip zwangsläufig an überperiodischen Gleichmäßigkeitsvorstellungen orientieren muss, da allein eine an diesen Vorstellungen orientierte steuerliche Ermittlungsmethode in der Praxis für alle Einkunftsarten einheitlich umgesetzt werden kann289. Die vorstehende Argumentation erscheint auf den ersten Blick zunächst überzeugend. Jüngere wirtschaftswissenschaftliche 285 So insbesondere Wagner in: Smekal/Sendlhofer/Winner, Einkommen versus Konsum, 1999, S. 15ff. 286 Vgl. nur Dorenkamp DStZ 2002, 668, 673. 287 BT-Drucks. Nr. 14/23 v. 9. 11. 1998, Begründung zu § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG. 288 Vgl. nur Weber-Grellet DB 1994, 288, 289; Schneider, Steuerbilanzen, 1978, S. 50ff. 289 Vgl. zu dieser Fragestellung auch Englisch, Dividendenbesteuerung, 2005, S. 188f.
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Entwicklung eines Prüfungsmaßstabes zur verfassungsrechtlichen Beurteilung
Stellungnahmen belegen jedoch, dass auch in den Wirtschaftswissenschaften die Diskussion noch im Fluss ist290. Entgegen seiner früheren Ansicht fordert insbesondere Schneider291 eine Besteuerung des ex post verwirklichten Einkommens292. Eine intertemporale Gleichmäßigkeit durch eine Konsumorientierung der Besteuerung in Abhängigkeit von den lebenslangen Konsumausgaben sei bislang nur im Modell für ein Ex-ante-Planungsgleichgewicht unter praktisch unerfüllbaren Voraussetzungen erreicht worden293. Zweifel an einer konsumorientierten Einkommensteuer werden zudem unter dem Gesichtspunkt der Verteilungsgerechtigkeit (und damit der gesellschaftlichen Akzeptanz) erörtert, da ein solches System große steuerfreie Kapitalakkumulationen in privater Hand zur Folge hat294. Hinzu kommen die angedeuteten praktischen Umsetzungsschwierigkeiten einer konsumorientierten Einkommensteuer. Ohne den Streit unter wirtschaftswissenschaftlichen Gesichtspunkten entscheiden zu können, belegen die vorstehenden Ausführungen, dass beide aufgezeigten ökonomischen Ideale in der Praxis nicht ohne Schwierigkeiten und Unsicherheiten realisierbar sind. Insofern kann als Ergebnis festgestellt werden, dass eine durchgehende Vorzugswürdigkeit eines ökonomischen Modells bislang nicht festgestellt werden kann295. Die Tatsache, dass die wirtschaftswissenschaftliche Diskussion noch im Fluss ist, zeigt, dass noch nicht endgültig einzuschätzen ist, ob das konsumorientierte Einkommensverständnis endgültig dem traditionellen, kapitalorientierten Einkommensverständnis vorzuziehen ist, oder ob die „moderne Lehre“ lediglich eine Modeerscheinung ist, die sich im Laufe der Zeit überlebt296. Schon im Hin290 Schneider in: Smekal/Sendlhofer/Winner, Einkommen versus Konsum, 1999, S. 1ff; Homburg in: Rose: Standpunkte zur aktuellen Steuerreform, 1997, S. 107ff; Homburg, Allgemeine Steuerlehre, 3. Auflage, 2004, S. 186; Niehus, DStZ 2000, 697, 699f mit der Darstellung weiterer Argumente; vgl. auch Schön in: Kirchhof/Neumann, Freiheit, Gleichheit, Effizienz, 2001, S. 121, 124. 291 Seit Schneider BB 1987, 693ff; Schneider in: Smekal/Sendlhofer/Winner, Einkommen versus Konsum, 1999, S. 1ff; anders noch Schneider, Grundzüge der Unternehmensbesteuerung, 4. Auflage, 1985, S. 31. 292 Schneider in: Smekal/Sendlhofer/Winner, Einkommen versus Konsum, 1999, S. 1, 9f; Bareis StuW 2002, 135; 137 mwN; vgl. auch Schreiber StuW 2002, 105. 293 Schneider in: Smekal/Sendlhofer/Winner, Einkommen versus Konsum, 1999, S. 1, 6f. 294 Schön in: Kirchhof/Neumann, Freiheit, Gleichheit, Effizienz, 2001, S. 121, 124; Niehus DStZ 2000, 697, 700. 295 Niehus DStZ 2000, 697, 700; Dorenkamp StuW 2000, 121, 126f. 296 Auch die Einkommensteuer wurde lange Zeit unangefochten als „Königin der Steuern“ gefeiert (vgl. Popitz, Einkommensteuer in: Handbuch der Staatswissenschaften, Band III, 4. Auflage, 1926, S. 402). Es wurde geradezu selbstverständlich die
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Verfassungsrechtliche Ausgestaltungsdirektiven
blick auf diese Gesichtspunkte kann der Annahme nicht zugestimmt werden, dass allein die überperiodischen Gleichmäßigkeitsvorstellungen mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip und damit mit Art 3 Abs. 1 GG zu vereinbaren sind. Das Verfassungsrecht sollte gegenüber sich wandelnden wirtschaftswissenschaftlichen Auffassungen zwar prinzipiell offen sein. Gerade vor dem Hintergrund der Erkenntnis, dass sich wirtschaftswissenschaftliche Vorstellungen (wieder) wandeln können297, sollte das Verfassungsrecht jedoch seine Funktion im Auge behalten, dauerhafte Gültigkeit in seinen Aussagen zu bewahren. Diese Funktion lässt sich allein dadurch erreichen, dass die Verfassung gegenüber den verschiedenen Leistungsfähigkeitsvorstellungen offen bleibt. Aus juristischer Sicht erweist sich jedoch ein weiterer Gesichtspunkt als weitaus gewichtiger. Wenn insbesondere in der ökonomischen Literatur betont wird, dass eine gleichmäßige Methode zur Erfassung des Humankapitals und des Sach- und Finanzvermögens zu suchen sei, wird mit dieser Forderung nach der Umsetzung tatsächlicher Belastungsgleichheit ausschließlich die ökonomische Wirkung der letztlich verwirklichten Regelungen in den Blick genommen. Verfassungsrechtlich und damit unter einem juristisch-normativem Blickwinkel fungiert das Leistungsfähigkeitsprinzips gemäß seinem Ursprung im Gleichheitssatz jedoch ausschließlich als Differenzierungsmaßstab zur Festlegung eines Regel-Ausnahme-Verhältnisses. Dabei kann jedoch höchstens an den Differenzierungsmaßstab selbst die Forderung gestellt werden, dass dieser ein ökonomisches Ideal i.S. einer tatsächlichen Belastungsgleichheit verkörpert und insoweit das systemimmanente Regel-Ausnahme-Verhältnis verdeutlicht. Ausnahmen, die - was insbesondere für die Besteuerung des Humankapitals bedeutsam ist - verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden können (übrigens auch mit tatsächlichen Umsetzungsschwierigkeiten), stehen dabei verfassungsrechtlich zwar unter Rechtfertigungszwang, sind jedoch grundsätzlich zulässig298. Gemessen an dieser prinzipiellen Struktur erscheint es unangemessen, die Forderung nach der Verwirklichung tatsächlicher Belastungsgleichheit zum Selbstzweck zu erheben. Im Ergebnis lässt sich somit festhalten, dass das Grundgesetz die überperiodischen Leistungsfähigkeitsvorstellungen aus grundrechtlicher Sicht nicht präferiert.
Schlussfolgerung gezogen, dass dem Leistungsfähigkeitsprinzip allein die synthetische Einkommensteuer gerecht werden könne. 297 Vgl. dazu Lang FS Kruse, 2001, S. 313, 328f. 298 Vgl. Heun in: Dreier, GG, 2. Auflage, 2004, Art 3 Rn 25 FN 162.
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Entwicklung eines Prüfungsmaßstabes zur verfassungsrechtlichen Beurteilung
c)
Finanzverfassungsrechtliche Vorgaben
Die vorstehenden Überlegungen bewerten die verschiedenen Leistungsfähigkeitsvorstellungen ausschließlich unter dem Blickwinkel der Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Weitere verfassungsrechtliche Schwierigkeiten kommen jedoch hinzu, wenn die finanzverfassungsrechtlichen Anforderungen des Grundgesetzes in die Betrachtung einbezogen werden sollen. Kursorisch sei hier nur folgendes angemerkt: Nach Auffassung der Rechtsprechung sind die Typenbegriffe der Art 105ff GG unter Anknüpfung an das herkömmliche deutsche Steuerrecht auszulegen299. Unter Berufung auf die Verwendung des Terminus „Einkommensteuer“ in Art 106 GG könnte in diesem Sinne hervorgebracht werden, dass der Verfassungsgeber den Begriff der Einkommensteuer unter historischen Gesichtspunkten nur kapitalorientiert verstanden haben kann und dementsprechend auch zwischen Steuern auf das Einkommen und Steuern auf den Verbrauch unterschieden habe300. Ein Einkommensteuersystem, das auf dem Grundgedanken einer steuerlichen Freistellung des investierten Sparkapitals im Abflusszeitpunkt basiert, ist mit den tradierten kapitalorientierten Einkommensvorstellungen nicht zu vereinbaren, sondern führt zu einer empfindliche Umgestaltung des Typenbegriffs der Einkommensteuer. Unter diesem Aspekt könnte man zu der Auffassung gelangen, dass die finanzverfassungsrechtlichen Typisierungen einer Konsumorientierung der Einkommensteuer entgegenstehen. Dennoch sollte folgendes beachtet werden: Vielfach wird betont, dass sich der Steuergesetzgeber innerhalb der von der Verfassung verbindlich vorausgesetzten Typisierungen halten muss und insbesondere Durchmischungen von Typenbegriffen unzulässig sind, da ansonsten die Verteilungsvorschriften der Art 106 Abs. 3, Abs. 4, 107 GG unterlaufen würden301. Wenn aber der Zweck der finanzverfassungsrechtlichen Vertypung von Steuerarten allein darin liegt, das Steueraufkommen angemessen zwischen Bund und Ländern zu verteilen, können die finanzverfassungsrechtlichen Vorgaben einem veränderten Begriffsverständnis nicht entgegenstehen, wenn die Neuorientierung als Fortentwicklung einer typisierten Steuerart verstanden werden kann und ferner eine klare Abgrenzbarkeit zu anderen Steuerarten gewahrt bleibt302. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass eine verfassungsrechtliche Zementierung des Begriffsverständnisses tradierter Steuern somit nicht mit den finanzverfassungsrechtlichen Vorga299 300 301 302
BVerfGE 7, 244, 252; 16, 206, 317. Vgl. Gröpl FR 2001, 620, 621. Vogel DStJG 12 (1989), 123, 142f. Gröpl FR 2001, 620, 621.
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Verfassungsrechtliche Ausgestaltungsdirektiven
ben des Grundgesetzes begründet werden kann. Die Nennung verschiedener steuerrechtlicher Typenbegriffe, insbesondere in Art 106 GG der Finanzverfassung, ermöglicht insofern nur begrenzte Rückschlüsse. Misst man eine konsumorientierte Einkommensteuer an den aufgezeigten Kriterien, ist festzustellen, dass eine Konsumeinkommensteuer noch als Fortentwicklung der traditionellen Einkommensteuer verstanden werden kann. Eine Konsumeinkommensteuer führt lediglich zu einer Verschiebung der Besteuerungszeitpunkte und nicht zur vollständigen Ausgrenzung gesparter und investierter Einkommensteile. Da zudem das Gebot der Individualbesteuerung berücksichtigt werden muss, wird weiterhin das Lebenseinkommen und nicht der Lebenskonsum besteuert, so dass insbesondere auch die Abgrenzbarkeit gegenüber der Umsatzsteuer gewahrt bleibt303. Festzuhalten bleibt somit, dass die Verwirklichung der Idee einer konsumorientierten Einkommensteuer, orientiert an einer neutralen Erfassung des Lebenseinkommens, auch unter Berücksichtigung der finanzverfassungsrechtlichen Vorgaben nicht ausgeschlossen erscheint. 4.
Gesetzgeberische Belastungsentscheidung zugunsten des Leistungsfähigkeitsindikators „Periodeneinkommen“
Zu prüfen bleibt daher, welche grundsätzliche Leistungsfähigkeitsvorstellung der Gesetzgeber im Bereich des hier interessierenden Einkommen- und Körperschaftsteuerrechts verwirklichen wollte. Selbst wenn sich im weiteren Verlauf der Arbeit herausstellen sollte, dass die Idee eines belastungsgleichen Differenzierungsmaßstabes nicht die des Grundgesetzes ist, ergeben sich aus dieser Entscheidung jedoch weitreichende Konsequenzen im Hinblick auf das systematische Verständnis der Einkommen- und Körperschaftsteuer.
303 Dorenkamp StuW 2000, 121, 127. Problematisch wäre jedoch, wenn die insbesondere von Seiten der betriebswirtschaftlichen Literatur erhobene Forderung, den Konsum als Indikator steuerlicher Leistungsfähigkeit heranzuziehen, zu der Idee führt, auf eine direkte Besteuerung gänzlich zu verzichten und das Besteuerungssystem auf eine indirekte Besteuerung umzustellen. Zur verfassungsrechtlichen Problematik i.S. eines negativen Steuerfindungsrechts auf die Erhebung finanzverfassungsrechtlicher geregelter Steuern zu verzichten, vgl. Siekmann in: Sachs, Grundgesetz, 3. Auflage, 2002, Art 105 Rn 48ff mwN. Weiterführend wäre zu fragen, ob die Idee der Besteuerung im Grundgesetz nicht insoweit individualistisch angelegt ist, dass ein gänzlicher Verzicht auf eine Einkommensbesteuerung (verstanden in einem umfassenden Sinne unter Einschluss einer konsumorientierten Besteuerung) und eine Hinwendung zu einer ausschließlichen Konsumbesteuerung nicht mit der Verfassung vereinbar ist.
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Entwicklung eines Prüfungsmaßstabes zur verfassungsrechtlichen Beurteilung
Grundsätzlich ist das geltende Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht als Abschnittsbesteuerung ausgestaltet. Der Gesetzgeber hat die Einkommensteuer in § 2 Abs. 7 EStG als eine Jahressteuer definiert. Gemäß § 2 Abs. 7 S. 2 EStG sind die Grundlagen für ihre Festsetzung jeweils für ein Kalenderjahr zu ermitteln. § 25 Abs. 1 EStG sieht ferner vor, dass die Einkommensteuer nach Ablauf des Kalenderjahres, dem Veranlagungszeitraum, nach dem Einkommen festgesetzt wird, das der Steuerpflichtige in diesem Veranlagungszeitraum bezogen hat. Der Steueranspruch entsteht gemäß § 36 Abs. 1 EStG mit Ablauf des Kalenderjahres. Parallel dazu ist auch die Körperschaftssteuer in § 7 Abs. 3 S. 1 KStG als Jahressteuer definiert. Die Grundlagen für ihre Festsetzung sind gemäß § 7 Abs. 3 S. 2 KStG jeweils für ein Kalenderjahr zu ermitteln. Die Verweisung des § 31 Abs. 1 KStG auf § 25 Abs. 1 EStG stellt sicher, dass der Veranlagungszeitraum das Kalenderjahr ist, mit dessen Ablauf grundsätzlich304 der Steueranspruch entsteht (§ 30 Nr. 3 KStG). Aus diesem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung folgt, dass die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer das innerhalb eines Jahres ermittelte steuerpflichtige Einkommen sein soll. Die Beurteilung ändert sich auch nicht deshalb, weil in § 4 a EStG alternativ zum Kalenderjahr das Wirtschaftsjahr als Gewinnermittlungszeitraum genannt wird. Die Besonderheit liegt nur darin, dass der Jahresgewinn in bestimmten Fällen zunächst nach den Verhältnissen eines vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahres ermittelt (§ 4 a Abs. 1 EStG) und erst dann auf einen Jahresgewinn umgerechnet wird (§ 4 a Abs. 2 EStG)305. Von Interesse ist insoweit insbesondere § 4 a Abs. 2 Nr. 2 EStG, wonach bei Gewerbetreibenden der Gewinn des Wirtschaftsjahrs als in dem Kalenderjahr bezogen gilt, in dem das Wirtschaftsjahr endet. § 7 Abs. 4 S. 1 KStG bestimmt darüber hinaus, dass bei Steuerpflichtigen, die nach dem HGB verpflichtet sind Bücher zu führen, der Gewinn nach dem Wirtschaftsjahr zu ermitteln ist, für das sie regelmäßig Abschlüsse machen306. Wenn das Wirtschaftsjahr vom Kalenderjahr abweicht, gilt nach § 7 Abs. 4 S. 2 KStG der Gewinn aus Gewerbebetrieb als in dem Kalenderjahr bezogen, in dem das Wirtschaftsjahr endet. Von Teilen der Literatur307 wird aus der Grundentscheidung des Gesetzgebers in §§ 2 Abs. 7 EStG, 7 Abs. 3 KStG zu Recht hergeleitet, dass der Gesetzgeber das 304 Ausnahmen in §§ 30 Nr. 1 und Nr. 2 KStG. 305 Heinicke in: Schmidt, EStG, 24. Auflage, 2005, § 4 a Rn 1. 306 § 7 Abs. 4 KStG verdrängt insoweit § 4 a Abs. 1 Nr. 2 EStG, der keine Anwendung findet, vgl. Streck, KStG, 6. Auflage, 2003, § 7 Anm. 6. 307 Küting/Kessler StuB 2000, 21, 24; Handzik in: Littmann/Bitz/Pust, EStG, § 2 Rn 355; Hennrichs DStJG 24 (2001), 301, 309 FN 40; Versin StuB 2000, 1207, 1208; Drüen, Periodengewinn und Totalgewinn, 1999, S. 103; Englisch, Dividendenbesteuerung, 2005, S. 182; wohl auch Schön BB 1997, 1333, 1335.
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Periodeneinkommen als maßgeblichen Indikator steuerlicher Leistungsfähigkeit ansieht und damit überperiodischen Gerechtigkeitsvorstellungen bzw. dem Lebenseinkommen als Indikator steuerlicher Leistungsfähigkeit eine Absage erteilt hat. Im Gegensatz zu Einkommensteuergesetzen des frühen 19. Jahrhunderts erfolgt auch keine Besteuerung nach einem mehrjährigen Durchschnitt308. Insbesondere die periodische steuerliche Erfassung von Erträgen aus gespartem bzw. investiertem Einkommen von der steuerlichen Entstehungsseite her ohne tarifliche Begünstigung verdeutlicht, dass die Einkommensbesteuerung traditionell kapitalorientiert war. Problematisch erscheint bei der Überprüfung der gesetzgeberischen Belastungsentscheidung jedoch, dass nach obiger Darstellung einige der geltenden Vorschriften des EStG zu Belastungswirkungen führen, die bei ökonomischer Interpretation nicht dem System der Besteuerung des Periodeneinkommens entstammen, sondern dem Alternativsystem der Besteuerung des Lebenseinkommens angenähert sind. Damit ist ein grundsätzliches Dilemma aufgezeigt. Die pragmatische Einkommensdefinition des geltenden Einkommensteuerrechts verhält sich nicht zu den strengen Anforderungen, die durch die oben dargestellten ökonomischen Idealmodelle vorgezeichnet wurden. Wenn man verfassungsrechtliche Aussagen treffen will, muss man jedoch zwei Fragenkreise strikt auseinanderhalten. Einerseits die Grundentscheidung für einen der beiden möglichen Leistungsfähigkeitsindikatoren. Andererseits die Überprüfung der geltenden, oftmals pragmatisch gefassten Einkommensvorschriften an dieser Grundentscheidung. Insofern erscheint es unzulässig, von der überperiodischen ökonomischen Belastungswirkung einiger Normen insgesamt auf eine Belastungsentscheidung zugunsten des Leistungsfähigkeitsindikators Lebenseinkommen zu schließen. Erforderlich ist insoweit zunächst eine bewusste Entscheidung für ein System mit Geltung für das gesamte Einkommensteuerrecht. Im Hinblick auf diese Anforderungen kann nicht angenommen werden, dass sich der Gesetzgeber bewusst für eine Orientierung an überperiodischen Gleichmäßigkeitsvorstellungen mit entsprechenden ökonomischen Wirkungen entschieden hat. Die Grundkonzeption des Gesetzgebers war traditionell davon geprägt, das Einkommen kapitalorientiert von der Entstehungsseite zu erfassen. Diese Feststellung wird auch nicht dadurch eingeschränkt, dass sich der Gesetzgeber insoweit nicht am ökonomischen Ideal der Reinvermögenszuwachstheorie orientiert hat, sondern auf eine pragmatische Bestimmung309 von Einkunftsarten mit unterschiedlichen Einkommensermittlungsmethoden zurückgegrif308 Darstellung der Historie bei v. Groll in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 10 d Rn A 130ff; Drüen, Periodengewinn und Totalgewinn, 1999, S. 26f. 309 Vgl. Becker in: Handkommentar der Reichssteuergesetze, Band II/1, 1928, S. 3f.
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fen hat. Ohne sich über die daraus resultierenden ökonomischen Belastungsunterschiede bewusst zu werden, hat der Gesetzgeber beide Methoden als gleichwertige Alternativen angesehen, entstehendes Einkommen zu definieren. Damit zeigt sich jedoch, dass der Gesetzgeber eine Vergleichbarkeit von Leistungsfähigkeit über die Entstehungsseite formulieren wollte. Diese Überlegungen sind ausgerichtet am Leistungsfähigkeitsindikator „Periodeneinkommen“ und mit überperiodischen Gleichmäßigkeitsvorstellungen von der Konzeption nicht vereinbar. Schließlich muss beachtet werden, dass die Ideen einer Konsumorientierung der Einkommensteuer erst verhältnismäßig spät entwickelt wurden. Die wesentlichen gesetzgeberischen Grundentscheidungen wurden zu einer Zeit getroffen, zu der die wesentlichen Unterschiede der Wirkungsmechanismen noch gar nicht systemkonturierend berücksichtigt werden konnten. In der historischen Tradition des Reichseinkommensteuergesetzes von 1934 hat die Einkommensteuer von ihrer grundsätzlichen Zielrichtung somit eine kapitalorientierte Ausgestaltung gefunden. Ergänzend soll noch angemerkt werden, dass die oben angesprochenen Beispiele einer überperiodischen Belastungswirkungen nicht eine Dimension erreichen, die es erlauben würde, auf eine Systementscheidung zugunsten eines überperiodischen Gleichmäßigkeitskonzeptes zu schließen. Insofern sind die genannten Abweichungen vom innerperiodischen reinvermögenszuwachstheoretischen Belastungsideal Probleme eines Vergleichs des realen Einkommensverständnisses mit einem idealen ökonomischen Einkommensbegriff. Sie betreffen demnach die Frage, ob die Entscheidung für ein innerperiodisches Belastungskonzept das damit verbundene ökonomische Ideal zum Maßstab des verfassungsrechtlichen Inhaltes des Leistungsfähigkeitsprinzips erhebt. Dennoch darf nicht übersehen werden, dass es dem Gesetzgeber auch möglich sein muss, seine Belastungsentscheidung zu revidieren. Insofern ist zu untersuchen, ob Elemente der in der Unternehmensteuerreform 2001 eingeführten Neuerungen als Ansätze eines Systemwechsels hin zu einem Konsumorientierung der Besteuerung gedeutet werden können. Dorenkamp310 hat darauf aufmerksam gemacht, dass einige Neuerungen des Steuersenkungsgesetzes als partiell nachgelagerte Besteuerung interpretiert werden können. Eine nur partielle Einführung einer nachgelagerten Besteuerung bedeutet eine Einschränkung der Intensität des überperiodisch wirkenden Besteuerungsmodells in dem Sinne, dass gespartes Periodeneinkommen nicht vollumfänglich bis zu seiner konsumtiven Verwendung von der Besteuerung freigestellt wird, sondern einem Proportionalsteuersatz unterworfen wird,
310 Dorenkamp StuW 2000, 121, 128f.
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der den Spitzensteuersatz unterschreitet311. Dorenkamp312 hat darauf hingewiesen, dass gerade eine überperiodische Interpretation des Gleichheitssatzes eine Begründung für die Implementierung einer nachgelagerten Besteuerung für thesaurierte Gewinne im unternehmerischen Bereich liefern kann. Gleichfalls ist seinen Ausführungen aber darin zuzustimmen, dass eine mögliche neue gesetzgeberische Belastungsentscheidung nur dann konsequent getroffen würde, wenn nicht nur die im unternehmerischen Bereich investierten Einkünfte in eine nachgelagerte Besteuerung einfließen, sondern diese Art der Besteuerung auf alle investierten Einkünfte erstreckt würde313. Man könnte insofern überlegen, ob die Sondertarifierung thesaurierter Gewinne als eine Übergangsregelung zur Änderung der ertragsteuerlichen Belastungsentscheidung hin zu einer nachgelagerten Besteuerung gerechtfertigt werden kann314. Ein gesetzgeberisches Ziel, alle gesparten bzw. investierten Anteile aus der progressiven Einkommensbesteuerung auszunehmen und einem niedrigeren Proportionalsteuertarif zu unterwerfen, wird in den gesetzgeberischen Überlegungen aber nicht ausreichend erkennbar315. In den Brühler Empfehlungen wurde statt dessen, von der traditionellen innerperiodischen Deutung des Gleichheitssatzes ausgehend, die Absenkung des Körperschaftsteuersatzes auf 25 % und die Option der Personenunternehmen als Kapitalgesellschaften behandelt zu werden (§ 4 a KStG), mit Gemeinwohlüberlegungen gerechtfertigt316. Dieser Rechtfertigungsversuch der Brühler Empfehlungen unter Zugrundelegung des tradierten Gleichheitsverständnisses verdeutlicht, dass die überperiodische Dimension gar nicht erkannt wird. Die Tatsache, dass der Gesetzgeber den oben genannten Effekten nur begrenzt im unternehmerischen Bereich Rechnung tragen will, führt somit dazu, dass den überperiodischen Gleichheitsvorstellungen de facto keine allgemeingültige Relevanz zugesprochen werden kann317. Ferner ist 311 Dorenkamp StuW 2000, 121, 128. 312 Dorenkamp StuW 2000, 121, 129. 313 Dorenkamp StuW 2000, 121, 129; so auch Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, 2000, S. 84. 314 Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, 2000, S. 84f, führt an, dass eine vorläufige Sondertarifierung für die Gewinneinkunftsarten lediglich als Übergangsregelung durch die Nichtbesteuerung von Veräußerungsgewinnen im Rahmen der Überschusseinkünfte gerechtfertigt werden kann. 315 Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, 2000, S. 85. 316 Brühler Empfehlungen zur Reform der Unternehmensbesteuerung, BMFSchriftenreihe, Heft 66, S. 88. 317 An dieser Stelle soll auf die historische Entwicklung bei der Einführung des § 10 d EStG hingewiesen werden. Auch § 10 d hatte zunächst ausschließlich im unternehmerischen Sektor Relevanz und wurde später auf Selbständige ausgedehnt. Erst das
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auch bei einer partiellen Freistellung investierter Einkünfte zu beachten, dass hinsichtlich der Erfassung der nicht freigestellten Einkünfte ohnehin an den tradierten Vorstellungen festgehalten wird. Gemessen an der traditionellen innerperiodischen Betrachtung vermitteln thesaurierte Gewinne318 keine Minderung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Eine Sondertarifierung ist daher gemessen am traditionellen Belastungskonzept rechtfertigungsbedürftig, da sie eine Privilegierung darstellt. Gemeinwohlbelange stellen in diesem Zusammenhang nach der Rechtsprechung319 einen tauglichen Rechtfertigungsgrund dar. Somit lässt sich feststellen, dass sich der Steuergesetzgeber prinzipiell durch eine bis jetzt nicht revidierte Entscheidung dafür entschieden hat, das zum Konsum verwendbare Einkommen (kapitalorientiert) zu besteuern. Demnach ist für die Ausgestaltung der einkommensteuerlichen Bemessungsgrundlage von einem innerperiodischen Vergleichsmaßstab auszugehen320. Drüen321 gelangt ebenfalls zu der Einschätzung, dass sich der Gesetzgeber für eine Besteuerung des Periodeneinkommens entschieden hat. Deutliche Unterschiede bestehen aber in der Begründung322. Da das Leistungsfähigkeitsprinzip als unbestimmtes Prinzip von einem Teil der Literatur auf die Einzelperiode, von einem anderen Teil der Literatur jedoch auf die Totalperiode bezogen werde, könne dieses Prinzip zur Klärung der vorliegenden Frage nicht beitragen, sondern „verstelle nur den Blick auf die Frage nach den verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen, die der periodischen Be-
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EStÄndG vom 20. 04. 1976 (BGBl. I, 1054) brachte eine bedeutsame Änderung, als von nun an alle Einkunftsarten in den Verlustabzug einbezogen wurden. Diese Aussage bezieht sich derzeit generell auf alle Formen „gesparten Einkommens“. BVerfGE 93, 121, 148; BFH v. 24. 2. 1999, BStBl II 1999, 450, 460. Ausführlich zu einer Rechtfertigung des Sondertarifes bei nicht entnommenen Gewinnen als Sozialzwecknorm ausgehend vom traditionellen innerperiodischen Gleichheitskonzept Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, 2000, S. 85ff. Vgl. in diesem Zusammenhang Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band 2, 1. Auflage, 1993, S. 571, 588; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band 2, 2. Auflage, 2003, S. 638, der davon ausgeht, dass sich der Gesetzgeber gegen eine Konsumorientierung der Einkommensteuer entschieden hat, bei der Beurteilung von Normen innerhalb des EStG aber dennoch die Auffassung vertritt, dass das Lebenseinkommen den geeignetsten Maßstab steuerlicher Leistungsfähigkeit bildet. Dabei wird jedoch übersehen, dass der Leistungsfähigkeitsindikator Lebenseinkommen durch eine Besteuerung des Periodeneinkommens nicht adäquat belastet werden kann. Drüen, Periodengewinn und Totalgewinn, 1999, S. 106. Drüen, Periodengewinn und Totalgewinn, 1999, S. 91; Drüen FR 1999, 1097, 1105.
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steuerung zugrundeliegen“323. Drüen geht bei seiner Betrachtung von einem Spannungsverhältnis zwischen verschiedenen Verfassungsgütern aus. Nach seiner Auffassung kollidiert das materielle Gerechtigkeitsgebot „Besteuerung des Lebenseinkommens“ mit dem Verfassungsgut „Sicherstellung des periodisch anfallenden staatlichen Finanzbedarfs“ und dem Gebot der Rechtssicherheit. Um die Bezugnahme auf ein Gerechtigkeitsgebot „Besteuerung des Lebenseinkommens“ zu begründen, argumentiert Drüen folgendermaßen: Nach Drüen hat Schicks Forderung nach vergleichbaren Besteuerungszeiträumen ihre Berechtigung. Er gibt aber zu bedenken, dass die steuerlichen Belastungsfolgen trotz gleicher Besteuerungsperioden für den Einzelnen ungerecht sein können. Unter Hinweis, dass Gerechtigkeit zwar immer Gleichheit bedeute, Gleichheit aber nicht immer Gerechtigkeit, konstatiert er, dass das Gebot materieller Gerechtigkeit gegen kurze Bemessungszeiträume spreche324. Für Drüen folgt aus diesem Spannungsverhältnis ein verfassungsrechtlicher Optimierungsauftrag an den Gesetzgeber, dieses Spannungsverhältnis unter Wahrung des Gebotes der praktischen Konkordanz aufzulösen. Trotz Einbeziehung eines überperiodischen Prinzips materieller Gerechtigkeit in die Prinzipienkollision gelangt Drüen325 von seinem Standpunkt aus zu dem Ergebnis, dass sich der Gesetzgeber bei seiner Entscheidung für ein Annuitätsprinzip verbunden mit einem periodischen Bemessungszeitraum innerhalb des möglichen Optimierungskorridors gehalten hat. Der Gesetzgeber habe sich demnach für eine Dominanz des Prinzips der Rechtssicherheit entschieden326. Somit besteht trotz der unterschiedlichen Prämissen im Ergebnis Einigkeit zwischen der hier vertretenen Ansicht und dem Ansatz Drüens, dass die Ertragsteuern aus juristischer Sicht keine Lebenszeitsteuern sind. a)
Auswirkungen der Meinungsunterschiede auf überperiodisch wirkende Vorschriften des EStG
Aus den dargelegten unterschiedlichen Ansätze resultieren jedoch erhebliche Unterschiede bei der Einordnung „überperiodisch wirkender“ Vorschriften
323 Drüen, Periodengewinn und Totalgewinn, 1999, S. 88. 324 Drüen, Periodengewinn und Totalgewinn, 1999, S. 91. 325 Drüen, Periodengewinn und Totalgewinn, 1999, S. 103, 106; Drüen FR 1999, 1097, 1105. 326 Da das Prinzip materieller Gerechtigkeit jedoch ebenfalls eine Untergrenze des möglichen Entscheidungskorridors bildet, fordert Drüen, Periodengewinn und Totalgewinn, 1999, S. 102, Abmilderungen und Durchbrechungen der Grundentscheidung. Dazu sogleich.
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des EStG. Von besonderem Interesse ist dabei die systematische Einordnung von § 10 d EStG. aa)
Auffassung der herrschenden Meinung
Von dem Ausgangspunkt, dass das Periodizitätsprinzip lediglich als technisches Prinzip der Einkommensbesteuerung einzuordnen sei, welches das Lebenseinkommen als richtigen Leistungsfähigkeitsindikator in Abschnitte zerteile, bezieht sich die juristische Kritik327 am Periodizitätsprinzip weitgehend auf die Bemängelung von Progressionsverzerrungen und Verlustausgleichsbeschränkungen. Teilweise328 werden im Hinblick auf eine „Lebenszeitgerechtigkeit“ mit verfassungsrechtlichem Anspruch Ausgleichsmechanismen zur Beseitigung der periodischen Steuerwirkung gefordert. Die Gewährung des Verlustabzuges stelle einen solchen Ausgleichsmechanismus i.S. eines abschnittsübergreifend verstandenen objektiven Nettoprinzips dar329. Abgesehen davon, dass nach obiger Betrachtung das Lebenseinkommen durch eine Besteuerung des Periodeneinkommens nicht adäquat belastet werden kann, muss von den Verfechtern330 einer Orientierung der Besteuerung am Lebenseinkommen allerdings zugegeben werden, dass durch den Verlustabzug die Einkommensteuerbelastung nur partiell dem Ideal einer Besteuerung nach dem Lebenseinkommen angenähert ist, da lediglich für die Dauer der Verlustverteilung eine Durchschnittsbesteuerung erreicht wird331. Und selbst dieser Glättungseffekt tritt nur sehr unvollkommen in Erscheinung, da Einkommensschwankungen, die nicht zu Verlusten führen, in der geltenden Konzeption unbeachtlich bleiben. bb)
Der Erklärungsansatz Drüens
Drüen erkennt zwar an, dass sich der Gesetzgeber für eine periodische Steuerbemessung entschieden habe. Dennoch darf auch seiner Auffassung nach, 327 Vgl. die Darstellung in 3. Kap. A. II. 2. a) aa). 328 Orth FR 1981, 525, 530; Lang StuW 1976, 76, 81; Wiesbrock, Die Verlustrückstellung im Steuer- und Verfassungsrecht, 1999, S. 227; Berg/Schmich DStR 2002, 346, 347f. 329 BVerfG v. 2. 7. 1991, HFR 1992, 423, 424; BFH v. 28. 7. 2961, BStBl III 1961, 436; BFH v. 11. 2. 1998, BStBl II 1998, 485, 486; Jachmann, Nachhaltige Entwicklung und Steuern, 2003, S. 146; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band 2, 2. Auflage, 2003, S. 671; v.Groll in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 10d Rn A 70; vgl. auch Lang/Englisch StuW 2005, 1, 8ff. 330 V. Groll in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 10 d Rn A 12; Knobbe-Keuk, Bilanzund Unternehmensteuerrecht, 1993, S. 304. 331 Vgl. auch Drüen, Periodengewinn und Totalgewinn, 1999, S. 28; Schick, Der Verlustrücktrag, 1976, S. 17.
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eine verfassungsrechtlich beachtliche Untergrenze, die sich aus dem Gebot materieller Gerechtigkeit ergeben soll, nicht völlig unbeachtlich bleiben332. Die Sachgerechtigkeit erfordere zumindest Durchbrechungen und Milderungen der Abschnittsbesteuerung. Den aus dem Prinzip materieller Gerechtigkeit resultierenden Beschränkungen des gesetzgeberischen Entscheidungsspielraums333, müsse insofern durch einen periodendurchbrechenden Verlustabzug als verfassungsrechtlich beachtlicher Untergrenze Rechnung getragen werden. Einen ähnlichen Ausgangspunkt scheint auch das BVerfG334 in einem Beschluss im Zusammenhang mit der Beschränkung des Verlustvortrages (§ 10 d Abs. 4 EStG 1976) einzunehmen. Das BVerfG deutet § 10 d Abs. 4 EStG 1976 als gesetzgeberische Entscheidung des Wertungswiderspruchs zwischen dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung und dem Grundsatz des abschnittsübergreifenden Nettoprinzips als Ausfluss des Leistungsfähigkeitsprinzips335. M.E. kann diese Argumentation nicht überzeugen. Drüens Ausführungen zeigen verfassungsrechtliche Grenzen auf, die dem Gesetzgeber gesetzt sind, wenn er sich für eine Besteuerung des Lebenseinkommens entschieden hat. Wenn Drüen davon ausgeht, dass das Gebot materieller Gerechtigkeit für eine Besteuerung des Lebenseinkommens spricht, übergeht er allerdings die dem Steuergesetzgeber zugewiesene Belastungskompetenz, in dem er diese letztlich durch seine eigene ersetzt. Wenn Kirchhof und Schick von der Verwirklichung von Periodengerechtigkeit336 sprechen, verdeutlicht dies, dass insbesondere auch einer Konzeption, die von einer Periodenleistungsfähigkeit ausgeht, eine bestimmte Gerechtigkeitsvorstellung zugrundeliegt. Allein die Tatsache, dass das BVerfG das Leistungsfähigkeitsprinzip aus der Steuergerechtigkeit ableitet, zeigt, dass einer bestimmten Vorstellung von 332 Drüen, Periodengewinn und Totalgewinn, 1999, S. 100ff. 333 Nach der hier vertretenen Auffassung stellt die Entscheidung der Erfassung des Periodeneinkommens als Leistungsfähigkeitsindikator bereits eine Entscheidung für eine bestimmte Gerechtigkeitsvorstellung dar; so auch Kammann, Stichtagsprinzip und zukunftsorientierte Bilanzierung, S. 156ff. Wenn Drüen, Periodengewinn und Totalgewinn, 1999, S. 100, anerkennen muss, dass Legalität unter der Herrschaft des Grundgesetzes zugleich Legitimität bedeutet, weist dies in die hier vertretene Richtung. 334 BVerfG DStR 1991, 1278f. 335 Das BVerfG übersieht zumindest für den Fall des Verlustvortrages jedoch, dass ein Verlustvortrag regelmäßig nicht das Fiskalinteresse in Form eines budgetären Dispositionsschutzes des Staates und das Prinzip der Rechtssicherheit berührt. Das Prinzip der Rechtssicherheit verlangt lediglich abgeschlossene Besteuerungszeiträume, die zeitnah Klarheit schaffen. So auch Drüen, Periodengewinn und Totalgewinn, 1999, S. 103 FN 567. 336 Schick, Der Verlustrücktrag, 1976, S. 13.
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Leistungsfähigkeit ein jeweiliges Verständnis von Gerechtigkeit korreliert337. Drüen kann somit seinen eigenen Anspruch nicht erfüllen und das Leistungsfähigkeitsprinzip auch bei seiner Beurteilung nicht unberücksichtigt lassen. Indem er überperiodische Gerechtigkeitsvorstellung favorisiert, entscheidet er sich zwangsläufig für eine überperiodische Sicht von Leistungsfähigkeit. Zusätzlich muss auch Drüen entgegengehalten werden, dass dieser verkennt, dass sich bei der insoweit vorzunehmenden wirtschaftlichen Betrachtungsweise das Lebenseinkommen durch eine Belastung des Periodeneinkommens nicht adäquat belastet werden kann. Insofern muss am oben gefundenen Ergebnis festgehalten werden, wonach die Auswahl des Periodeneinkommens oder des Lebenseinkommens als zu belastenden Leistungsfähigkeitsindikator eine von Verfassungs wegen nicht vorgegebene Belastungsentscheidung des Steuergesetzgebers darstellt. cc)
Die Deutung von § 10 d EStG vor dem Hintergrund eines innerperiodischen Leistungsfähigkeitsverständnisses
Somit stellt sich die Frage, welche Bedeutung einem periodendurchbrechenden Verlustabzug im Rahmen des innerperiodischen Belastungskonzepts zukommen kann. Zunächst gilt es jedoch anzumerken, dass selbst für den Fall, dass § 10 d EStG mit der Entscheidung für einen innerperiodischen Leistungsfähigkeitsbegriff nicht geboten sein sollte338, dies die Richtigkeit der hier vertretenen Ansicht nicht zwangsläufig in Frage stellt. Mit einem solchen Ergebnis wäre lediglich die Aussage verbunden, dass § 10 d EStG nicht zum verfassungsrechtlich gebotenen Bestand an Steuerrechtsnormen gehört und somit zur Disposition des Steuergesetzgebers steht339. Küting/Kessler340 haben vom Standpunkt eines am Periodeneinkommen ausgerichteten Leistungsfähigkeitsbegriffs jüngst dargelegt, dass der von der h.M. gezogene Schluss, die Gewährung eines periodendurchbrechenden Verlustrücktrages sei als Hinwendung zur Totalperiode zu interpretieren, keineswegs zwingend ist. Betrachte man den Grundmechanismus des § 10 d 337 Auch Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band 1, 2. Auflage, 2000, S. 497 und Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band 2, 1. Auflage, 1993, S. 573, 902 geht von unterschiedlichen Gerechtigkeitsvorstellungen aus; so auch Niehus DStZ 2000, 697, 700; Kammann, Stichtagsprinzip und zukunftsorientierte Bilanzierung, 1988, S. 156. 338 Vgl. Kirchhof/Geserich in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 1 Rn D 252. 339 Vgl. insoweit BVerfG v. 8. 3. 1978, HFR 1978, 293; Brandt in: Lademann, EStG, § 10d Rn 4; vgl. auch Lang/Englisch StuW 2005, 1, 11. 340 Küting/Kessler StuB 2000, 21, 25; dezidiert aber bereits Kammann, Stichtagsprinzip und zukunftsorientierte Bilanzierung, 1988, S. 172ff; ebenso Jakob, Einkommensteuer, 2003, § 2 Rn 134; vgl. auch Lehner in: Lehner, Verluste im nationalen und Internationalen Steuerrecht, 2004, S. 1, 16.
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EStG liege vielmehr der Gedanke nahe, dass das Prinzip der Periodengerechtigkeit der Besteuerung durch die in § 10 d EStG eingeräumte Möglichkeit eines „überperiodischen“ Verlustabzuges nicht durchbrochen, sondern vielmehr konsequent verwirklicht werde, da eine gesunkene Leistungsfähigkeit mit einem „Steuerguthaben“ honoriert werde341. Die Bedeutung des § 10 d EStG könne somit darin gesehen werden, individuelle Härten zu vermeiden, die sich dadurch ergeben, dass ein negatives Einkommen nicht zu negativen Steuern führt342. Auch Kirchhof343 scheint vor dem Hintergrund, dass das Periodizitätsprinzips als materielles Prinzip der Besteuerung anzusehen ist, den Verlustabzug des § 10 d EStG als verfassungsrechtlich344 geboten zu erachten. Wenn man im Rahmen des innerperiodischen Reinmodells eine reinvermögenszuwachstheoretische Betrachtung zugrundelegt, kann nicht geleugnet werden, dass der periodenbezogenen Deutung des § 10 d EStG zumindest eine hohe Plausibilität zu bescheinigen ist. Innerhalb der periodenbezogenen Leistungsfähigkeitsperspektive führen Periodenverluste nicht lediglich dazu, dass in der spezifischen Periode nur „keine“ Leistungsfähigkeit vorliegt. Vielmehr darf nicht übersehen werden, dass es zu einer negativen Periodenleistungsfähigkeit kommt. Da diese Periodenverluste nicht zwangsläufig zu ausgleichenden Transferzahlungen des Staates führen, muss man, will man diese negative Leistungsfähigkeit nicht negieren345, das negative Periodenergebnis zwangsläufig in andere Besteuerungsperioden hineinwirken lassen. Die Geltung des Periodizitätsprinzips wird durch diese Sichtweise nicht in Frage gestellt. Angesichts dieser Erklärung können Versuche, in § 10 d EStG eine Abkehr in Richtung einer Besteuerung des Lebenseinkommens zu se341 Kammann, Stichtagsprinzip und zukunftsorientierte Bilanzierung, 1988, S. 173. 342 Küting/Kessler StuB 2000, 21, 24. 343 Kirchhof DStR 1983, 279, 283 FN 36; vgl. auch Koniarski, Einkommen als Maßstab steuerlicher Leistungsfähigkeit, 1984, S. 67; Jakob, Einkommensteuer, 2003, § 2 Rn 134: periodenübergreifender Verlustabzug (§ 10 d) als ein Element leistungsfähigkeitsgerechter Besteuerung; Weber-Grellet, Steuern im modernen Verfassungsstaat, 2001, S. 277. 344 Hinsichtlich der Wechselwirkungen zwischen einem eventuellen verfassungsrechtlichen Gebot des Verlustabzugs mit den verschiedenen Zeitpunkten der Erfassung steuerlich relevanter Wertänderungen sei auf 2. Kap. D. verwiesen. 345 Verweigert man einen solchen Schluss, müssen nach dem Periodizitätsprinzip die einzelnen Steuerjahre getrennt voneinander betrachtet werden, so dass bei strikter Anwendung das Ergebnis eines Steuerjahres das Ergebnis eines anderen nicht beeinflussen kann, vgl. Reiff DStZ 1998, 858, 859. Nur in Bezug auf eine solche Sichtweise kann, wie es die Rechtsprechung praktiziert hat, ein gleichrangiges Spannungsverhältnis zwischen Periodizitätsprinzip und objektivem Nettoprinzip konstruiert werden, vgl. BVerfG DStR 1991, 1278f.
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hen, nicht überzeugen. Dieser Befund zeigt, dass die grundsätzliche Struktur des geltenden Verlustabzugs des § 10 d EStG nur durch eine Deutung in Anlehnung an Küting/Kessler346 erklärt werden kann. Überperiodischen Gleichheitsvorstellungen wird durch diese Regelung in tatsächlicher Hinsicht nur sehr ansatzweise und von der Konzeption her gar nicht entsprochen. Wenn die Regelung des § 10 d EStG insoweit als konsequente Orientierung der Besteuerung am Periodeneinkommen gedeutet werden muss, ist aber insofern ein Gleichklang mit der Auffassung Drüens zu verzeichnen, als die Berücksichtigung negativer Leistungsfähigkeit in anderen Besteuerungsperioden ebenfalls mit den Verfassungsgütern der Rechtssicherheit und des budgetären Dispositionsschutzes in eine Kollisionslage geraten kann. Der Gesetzgeber ist demnach gehalten einen Ausgleich der Prinzipien zu treffen, ohne ein Prinzip völlig zu opfern. Dass insoweit einem Verlustrücktrag durch die Fiskalinteressen des Staates engere (betragsmäßige und zeitliche) Grenzen gesetzt sind als einem Verlustvortrag, versteht sich von selbst. Selbst wenn man dem vorstehend erörterten Ansatz vor dem Hintergrund des Periodizitätsprinzips keine verfassungsrechtliche Relevanz zusprechen will, darf jedoch ein zweiter bedeutsamer Aspekt des § 10 d EStG nicht ignoriert werden, der bei der Diskussion um die Funktion des § 10 d EStG meist im Hintergrund steht347. Die obige Argumentation wäre nur dann erschöpfend, wenn der Gesetzgeber tatsächlich, dem innerperiodischen Ideal entsprechend, einen reinvermögenszuwachstheoretischen Differenzierungsmaßstab verwirklicht hätte. Demgegenüber resultieren zahlreiche Probleme im Hinblick auf die Periodengerechtigkeit aus der Tatsache, dass der Steuergesetzgeber einen pragmatischen Einkommensbegriff gewählt hat, der von dem beschriebenen reinvermögenszuwachstheoretischen Ideal abweicht. Friktionen entstehen vor allem dann, wenn in Abkehr vom ökonomischen Ideal auf ein Zufluss- Abflussprinzip abgestellt bzw. ein Realisationsprinzip verwirklicht wird. Die von der herrschenden Meinung vorgetragene Kritik an Progressionsverzerrungen resultiert vornehmlich daraus, dass sowohl das Zufluss- als auch das Realisationsprinzip bei der Besteuerung von Veräußerungsgewinnen dazu führen kann, dass Wertsteigerungen kumuliert in einer Periode steuerlich erfasst werden. Insofern stellt sich die Frage, ob die Verfassung unter Periodengerechtigkeitsgesichtspunkten einen Ausgleich beispielsweise durch eine Tarifmilderung verlangt. Umgekehrt kann die, gemessen am reinvermögenszuwachstheoretischen Ideal, verspätete Berück346 Küting/Kessler StuB 2000, 21, 24f. 347 Vgl. Kammann, Stichtagsprinzip und zukunftsorientierte Bilanzierung, 1988, S. 173.
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Verfassungsrechtliche Ausgestaltungsdirektiven
sichtigung von Verlusten im Zeitpunkt deren Realisation oder des Vermögensabflusses dazu führen, dass diese steuerlich überhaupt nicht geltend gemacht werden können348. Insofern stellt sich auch hier die Frage, ob die Verfassung nicht einen Ausgleich verlangt. Mangels anderweitiger Ausgleichsmechanismen, müsste diese weitere Funktion dem Anwendungsbereich des § 10 d EStG zugewiesen werden349. Dabei werden allerdings entgegen der Auffassung der herrschenden Meinung nicht die Friktionen zwischen Periodenbesteuerung und Lebenseinkommen ausgeglichen, sondern die Belastungsunterschiede, die durch die Auswahl eines alternativen Einkommensbegriff im Vergleich zu dem reinvermögenszuwachstheoretischen Ideal der Periodenbesteuerung resultieren350. Selbst wenn sich erweisen sollte, dass der Gesetzgeber nicht allgemein auf einen reinvermögenszuwachstheoretischen Differenzierungsmaßstab verpflichtet ist, hat der Gedanke einer möglichen Ausgleichsfunktion des § 10 d EStG bei der Durchbrechung des Differenzierungsmaßstabes eine weitergehende Relevanz351. Angesichts dieses Befundes können im Hinblick auf den zweiten angesprochenen Aspekt Aussagen über die verfassungsrechtlichen Gehalt des § 10 d EStG erst dann getroffen werden, wenn die komplexen verfassungsrechtlichen Grenzen bei der Ausgestaltung des Einkommensbegriffs gezogen wurden. dd)
Ergebnis
Entsprechend der oben getroffenen Annahme kann der Begriff Leistungsfähigkeit bezogen auf das Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht daher kraft einer bis jetzt nicht revidierten gesetzgeberischen Entscheidung weiterhin nur innerperiodisch verstanden werden. Eine anderweitige neue Belastungsentscheidung wurde bislang nicht getroffen. Dies determiniert gleichzeitig, dass im Rahmen der weiteren Bearbeitung auch ein innerperiodisches Leistungsfähigkeitsverständnis zugrundegelegt werden muss. Die Begriffe Einkommen und Gewinn sind daher von der Mittelentstehung zu beurteilen. Im Ergebnis ist Drüen352 somit voll zuzustimmen, wenn er im Gegenstand der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer nicht das Lebenseinkommen eines Menschen und nicht den Totalgewinn eines Betriebes besteuert sieht. Bezogen auf die Unternehmensbesteuerung bedeutet dies, dass 348 Dies ist immer dann der Fall, wenn das Unternehmen in Folgeperioden keine Gewinne erzielt, vgl. Berg/Schmich DStR 2002, 346, 348. 349 Vgl. Siegel StuB 1999, 195, 197. 350 Vgl. 4. Kap. C. I. 2. a); 4. Kap. C. II. 2 a). 351 Vgl. 4. Kap. C. I. 2. a). 352 Drüen, Periodengewinn und Totalgewinn, 1999, S. 103, 106.
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Entwicklung eines Prüfungsmaßstabes zur verfassungsrechtlichen Beurteilung
somit nicht die gesamte Wertveränderung der sich im Betriebsvermögen befindlichen Wirtschaftsgüter oder die Differenz aller Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben zur maßgeblichen Größe wird, sondern der Gewinn oder Verlust der jeweiligen Besteuerungsperiode353. b)
Zusammenfassende Beurteilung
Die Vielzahl der aufgezeigten Schwierigkeiten belegen den immensen Diskussionsbedarf, wenn es darum geht, einen Lastenverteilungsmaßstab im Steuerrecht zu entwickeln. Die Komplexität der Probleme und die dadurch bedingte Offenheit des Leistungsfähigkeitsprinzips für zahlreiche Subinterpretationen hat nicht zuletzt dazu geführt, dass der Terminus der Leistungsfähigkeit oft als Schlagwort missbraucht wird. Das Grundgesetz selbst steht einer Vielzahl von Interpretationen offen und kann lediglich äußerste Grenzen ziehen. Der verfassungsrechtliche Auftrag zur einfachgesetzlichen Ausgestaltung harmoniert insbesondere mit Forderungen, die einen besonderen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers im Steuerrecht fordern. Auf der anderen Seite beinhaltet der Gestaltungsauftrag aber auch die Verpflichtung für den Gesetzgeber, eine bestimmte Vorstellung von Leistungsfähigkeit (u.U. bezogen auf den jeweiligen Steuertypus) zu entwickeln, die dann aber zum Maßstab des eigenen Handelns avanciert. Der damit angesprochene Grundsatz der Folgerichtigkeit und Systemgerechtigkeit ermöglicht Aussagen darüber, wann der Gleichheitssatz streng i.S. einer Bindungswirkung anzuwenden ist und wann dies nicht der Fall ist, die Entscheidung somit dem gestalterischen Ermessen des Gesetzgebers obliegt. Allein diese Sichtweise wird der Komplexität der Materie gerecht und ermöglicht es, das Grundgesetz nicht auf ökonomische Theorien zu verpflichten, die vor einem Auffassungswandel nicht gefeit sind. In diesem Rahmen kann das Leistungsfähigkeitsprinzip auch seine Funktion als verfassungsrechtlicher Lastenverteilungsmaßstab übernehmen. Für das hier interessierende Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht muss daher von der oben gefundenen innerperiodischen Interpretation des Einkommens bzw. Gewinns ausgehend versucht werden, weitere verfassungsrechtliche Aussagen über die Ausgestaltung der Bemessungsgrundlage zu treffen.
353 So ausdrücklich Drüen, Periodengewinn und Totalgewinn, 1999, S. 103; Schön BB 1997, 1333, 1335.
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Verfassungsrechtliche Ausgestaltungsdirektiven
5.
Auswirkungen der Belastungsentscheidung zur Besteuerung des Periodeneinkommens auf die Ausgestaltung der Bemessungsgrundlage innerhalb des Einkommen- und Körperschaftsteuerrechts
Der Entscheidung für einen innerperiodischen Gleichmäßigkeitsmaßstab und damit der Entscheidung für die Anknüpfung an das Periodeneinkommen als Leistungsfähigkeitsindikator korrespondiert nach der obigen ökonomischen Betrachtung strenggenommen ein reinvermögenszuwachstheoretischer Einkommensbegriff unter Einbeziehung des Humankapitals, wenn man idealerweise eine gleichmäßige Belastungswirkung zwischen allen Einkunftsarten anstrebt354. Diese gesetzgeberische Belastungsentscheidung könnte sich in verfassungsrechtlicher Hinsicht insbesondere vor dem Hintergrund als bedeutsam erweisen, als die Konkretisierungsbedürftigkeit des Leistungsfähigkeitsprinzips dem Gesetzgeber zwar einen gewissen Handlungsspielraum lässt, ihn aber darauf verpflichtet, eine einmal getroffene Wertentscheidung systemgerecht und folgerichtig umzusetzen und durchzuhalten355. Diese enge Korrespondenz zwischen Einkommensbesteuerung und reinvermögenszuwachstheoretischem Einkommensbegriff zur belastungsgleichen Erfassung aller Einkunftsarten innerhalb des innerperiodischen Systems erweist sich in verfassungsrechtlicher Hinsicht jedoch als schwerwiegendes Problem. In Bezug auf den verfassungsrechtlich gebotenen Inhalt des Leistungsfähigkeitsprinzips356 stellt sich insofern die Frage, ob die ökonomische Idealvorstellung eines reinvermögenszuwachstheoretischen Einkommensbegriffs durch die gesetzgeberische Entscheidung zur Belastung des Periodeneinkommens folgerichtig zum Inhalt eines verfassungsrechtlichen Leistungsfähigkeitsprinzips geworden ist, mit der Folge, dass Abweichungen von diesem Begriffsinhalt wegen der Verschiebung der Belastungswirkung verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden müssen. Als Rechtfertigungsgründe kämen insoweit tatsächliche Erfassungsschwierigkeiten, gegenläufige Wert354 Vgl. 3. Kap. A. II. 2. a) bb). 355 BVerfGE 93, 121, 136; 99, 88, 95; 99, 280, 296; 105, 73, 112; Starck in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Band 1, 4. Auflage, 1999, Art 3 Rn 33ff; Kirchhof in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts V, 1992, § 124 Rn 222ff; Kirchhof in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts IV, 1990, § 88 Rn 113; Kirchhof StuW 1984, 297, 301; Kirchhof AöR 128 (2003), 1, 44f; Schön StuW 1995, 366, 369f; Beil, Der Belastungsgrund des steuerstaatlichen Synallagmas, 2000, S. 69f; Weber-Grellet, Steuern im modernen Verfassungsstaat, 2001, S. 147ff; Prokisch FS Vogel, 2000, S. 293ff; Hennrichs DStJG 24 (2001), 301, 310. 356 Zugrundegelegt werden kann nach dem oben Gesagten nur der durch die gesetzgeberische Belastungsentscheidung konturierte einkommenspezifische Begriffsinhalt.
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entscheidungen der Verfassung und insbesondere der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz357 in Betracht. Andererseits ist jedoch zu überprüfen, ob und inwieweit das Grundgesetz den Steuergesetzgeber für die Ausgestaltung der Bemessungsgrundlage durch die Belastungsentscheidung zugunsten der Erfassung des Periodeneinkommens überhaupt in ökonomisch stringenter Weise auf die Reinvermögenszuwachstheorie als Differenzierungskriterium festlegt. Es ist nämlich denkbar, dass die Verfassung -unabhängig von den ökonomischen Belastungswirkungen- sowohl in umfänglicher als auch in ermittlungstechnischer Hinsicht dem Gesetzgeber eine Definitionskompetenz im Hinblick auf die Festlegung und Ausgestaltung des Periodeneinkommens zuweist. Eine solche Betrachtung hätte zur Folge, dass der Einkommensbegriff dem Gesetzgeber durch die Entscheidung zur Besteuerung des Periodeneinkommens nicht vorgegeben ist, sondern erst durch die gesetzlichen Regelungen normativ konstituiert würde. a)
Die Sonderstellung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit
Nach obiger Darstellung darf sich die Fragestellung, ob der einkommensteuerliche Einkommensbegriff durch eine Entscheidung für ein innerperiodisches Gleichheitsverständnis durch die Reinvermögenszuwachstheorie folgerichtig festgelegt wird, nicht lediglich auf das Sach- und Finanzvermögen beschränken, sondern muss ebenfalls auf die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit ausgedehnt werden. Eine Übertragung der reinvermögenszuwachstheoretischen Belastungsgrundsätze auf die Besteuerung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erscheint, wie im Laufe der Arbeit schon mehrfach betont wurde, im Hinblick auf die praktische Umsetzung nicht möglich. Die obige Betrachtung hat ergeben, dass sich die Arbeitseinkünfte zwar theoretisch, nicht aber praktisch durch einen Vergleich des Humanvermögens ermitteln lassen. Insofern kommt eine einheitliche Anwendung der Messmethode „periodischer Vermögensvergleich“ zur Bestimmung des Einkommensgegenstandes nicht für alle Einkunftsarten in Betracht. Nicht umsonst kommt den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit daher traditionell eine Sonderstellung zu. Die wirtschaftswissenschaftlichen Erkenntnisse haben gezeigt, dass die jetzige zahlungsorientierte Form der Besteuerung der Arbeitseinkünfte in ihren ökonomischen Wirkungen als nachgelagerte Besteuerung zu interpretieren ist und daher zwangsläufig zu einem anderen ökonomischen Belastungserfolg führt als eine periodische Einkommensbe-
357 U.a. stellt sich die Frage, ob das Grundgesetz den Steuergesetzgeber auf das Markteinkommen einschränkt.
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steuerung358. Unter Einbeziehung der Besteuerung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit kann somit eine in den ökonomischen Wirkungen konsistente Besteuerung des Einkommens bzw. Gewinns auf Basis des Periodeneinkommens und damit eine Gleichheit im Belastungserfolg zwischen allen Einkunftsarten nicht erreicht werden359. Selbst wenn man den Gesetzgeber aufgrund seiner Entscheidung zur Besteuerung des Periodeneinkommens auf einen reinvermögenszuwachstheoretischen Differenzierungsmaßstab festlegt, haben die obigen Betrachtungen gezeigt, dass dieses Faktum verfassungsrechtlich unbeachtlich ist, da das Grundgesetz den Gesetzgeber nur auf eine normative Gleichheit und nicht auf die Herstellung einer tatsächlich gleichen Belastungswirkung verpflichtet360. Nimmt man die Vorstellungen der Reinvermögenszuwachstheorie zum Maßstab, bedeutet dies jedoch, dass die unterschiedlichen Belastungswirkungen bei der Ermittlung der Arbeitseinkünfte durch die praktischen Gegebenheiten gerechtfertigt werden müssen. b)
Der „Dualismus der Einkunftsarten“
Nachfolgend soll im Hinblick auf die aufgeworfene Fragestellung weiterführend untersucht werden, ob und inwieweit die Verfassung den Gesetzgeber folgerichtig darauf verpflichtet, die reinvermögenszuwachstheoretischen Belastungsgrundsätze wenigstens im Bereich der Besteuerung des Sach- und Finanzvermögens als Belastungsmaßstab umzusetzen. Erweist sich demgegenüber, dass die Verfassung nicht voraussetzt, dass der Differenzierungsmaßstab einheitlich i.S. der periodischen Erfassung des Reinvermögenszuwachses verstanden werden muss, sondern vielmehr die Implementierung von Subsystemen gestattet ist, verschiebt sich entsprechend das Rechtfertigungsbedürfnis, so dass auch die Methodik der Erfassung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nicht unter Rechtfertigungszwang stünde. Die damit angesprochenen Probleme werden im Hinblick auf den Umfang des zu erfassenden Periodeneinkommens zumindest ausschnittsweise unter dem Stichwort „Dualismus der Einkunftsarten“ diskutiert. Die Frage, inwieweit die Verfassung dem Gesetzgeber materielle Richtmarken für die 358 Dorenkamp StuW 2000, 121, 124; Wenger in: Smekal/Sendlhofer/Winner, Einkommen versus Konsum, 1999, S. 37, 43ff. 359 Wenger in: Smekal/Sendlhofer/Winner, Einkommen versus Konsum, 1999, S. 37, 46ff: Forderungen nach einem Systemwechsel hin zu einer nachgelagerten Besteuerung werden in den Wirtschaftswissenschaften ausschließlich damit begründet, dass allein durch überperiodische Leistungsfähigkeitsvorstellungen eine Gleichheit im Belastungserfolg zwischen allen Einkunftsarten erreicht werden kann. 360 Lang FS Kruse, 2001, S. 313, 316.
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Ausgestaltung der Bemessungsgrundlage im Einkommensteuerrecht setzt und demnach den Umfang des steuerpflichtigen Einkommens selbst vorgibt, ist seit einigen Jahrzehnten Gegenstand einer heftigen juristischen Kontroverse, in der sich noch keine Einigung abzeichnet. Wie bereits angedeutet, ist der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Einkommensteuergesetzes vom reinvermögenszuwachstheoretischen Ideal abgewichen und hat statt dessen ein pragmatisches Einkommensverständnis zugrundegelegt. Das Gesetz differenziert in § 2 Abs. 2 EStG zunächst zwischen zwei Arten der rechnerischen Ermittlung der Einkünfte. Unterschieden werden einerseits die Vermögensvergleichsrechnung gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 EStG, die auf Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbständiger Arbeit Anwendung findet und die Überschussrechnung gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG als Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten, die bei den anderen Einkunftsarten gelten soll. Aus dieser Differenzierung wird traditionell der Dualismus der Einkunftsarten abgeleitet, der die Systematik des geltenden Einkommensteuerrechts maßgeblich bestimmt. Die an diese Unterscheidung anknüpfende Diskussion reduziert die verfassungsrechtliche Problematik überwiegend auf die Frage des materiell zu erfassenden Besteuerungsgegenstandes. Die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbständiger Arbeit werden als Gewinneinkünfte grundsätzlich durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt, durch den insbesondere auch Bestandveränderungen des Vermögens erfasst werden. Folge dieser Sichtweise ist vor allem, dass Veräußerungsgewinne von im Betriebsvermögen gehaltenen Wirtschaftsgütern zu steuerlich relevantem Einkommen führen. Währenddessen lassen die Überschusseinkünfte den Bestand des Vermögens prinzipiell außer Acht und beschränken sich auf die Erfassung des Einkommens, das durch Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten ermittelt wird. § 8 Abs. 1 EStG bestimmt insofern, dass Einnahmen aus allen Gütern bestehen, die in Geld- oder Geldeswert bestehen und dem Steuerpflichtigen im Rahmen einer Einkunftsart des § 2 Abs. 1 Nr. 4-7 EStG zufließen. Bei globaler Betrachtung der Besteuerungsgegenstände der zu den Überschusseinkünften zählenden Tatbestände361 stellt das EStG in quellentheoretischer Tradition362 hinsichtlich der Qualifikation als 361 Bei dieser globalen Betrachtung sollen die bekannten gesetzlichen Ausnahmetatbestände der §§ 17; 22 Nr. 2 EStG außer Betracht gelassen werden, die Gewinne aus der Veräußerung von Vermögensgegenständen zum Objekt der Einkommensteuer machen, obwohl die betreffenden Vermögensgegenstände nicht im Betriebsvermögen gehalten werden. 362 Fuisting, Die preußischen direkten Steuern, 4. Band, Grundzüge der Steuerlehre, 1902, S. 110.
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Einkunft dabei nicht auf die Entwicklung des Vermögensstamms ab. Eine Folge dieser gesetzlichen Differenzierung ist somit die prinzipielle Nichterfassung von Wertsteigerungen im Bereich der privaten Vermögensbestandssphäre. Der im Einkommensteuergesetz angelegte Einkommensdualismus ist in weiten Teilen des Schrifttums auf heftige Kritik gestoßen, da der Gesetzgeber mit zweierlei Maß messe363. In der Literatur wurde an der Diskussion um den Dualismus der Einkunftsarten jedoch bemängelt, dass die erhobene Kritik „unter falscher Flagge segele“364. Zu Recht wurde geltend gemacht, dass sich die Forderung nach der einkommensteuerlichen Erfassung aller Veräußerungsgewinne nicht gegen die Methode der Einkünfteermittlung, sondern gegen den Gegenstand der Einkommensteuer richte365. Die unterschiedliche Besteuerung der Veräußerungsgewinne beruhe nicht systembedingt und zwingend auf den unterschiedlichen Methoden der Einkünfteermittlung. Zwar korrespondieren die formellen Anforderungen des § 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG weitgehend mit den materiellrechtlichen Anforderungen der Überschusseinkünfte, dies ist jedoch keineswegs zwingend. Dass die Trennlinie nicht parallel zu den Belastungsgegenständen verläuft, verdeutlicht § 4 Abs. 3 EStG. Wichtig ist somit, herauszustellen, dass der „Gewinn“ i.S. des § 2 Abs. 2 Nr. 1 EStG ermittlungstechnisch auch durch eine Überschussrechnung ermittelt werden kann. Demgegenüber enthält die Überschussrechnung in § 8 Abs. 1 EStG einen Einnahmebegriff, mit dem Veräußerungsgewinne durchaus zu erfassen sind366. Durchlaub367 hat zu Recht betont, dass die in § 23 EStG als Veräußerungsgewinn bezeichnete Größe kein Gewinn i.S. des § 4 Abs. 1 EStG, sondern das Ergebnis einer Überschussrechnung ist, in deren Rahmen der Veräußerungspreis nach § 23 Abs. 4 EStG eine Einnahme i. S. des § 8 Abs. 1 EStG darstellt368. Diese Betrach363 Vgl. nur Tipke FS Paulick, 1973, S. 391, 397ff; Lang, Reformentwurf zu Grundvorschriften des Einkommensteuergesetzes, 1985, S. 3; vgl. auch Möstl DStR 2003, 720, 721; Elicker StuW 2002, 217, 230. 364 Handzik/Hellwig in: Littmann/Bitz/Pust, EStG, § 2 Rn 101 (frühere Kommentierung Stand 2001); Durchlaub, Zur Steuerpflicht der Gewinne aus der Veräußerung von Privatvermögen, 1993, S. 29; Uhländer, Vermögensverluste im Privatvermögen, 1997, S. 87. 365 Durchlaub, Zur Steuerpflicht der Gewinne aus der Veräußerung von Privatvermögen, 1993, S. 37. 366 Durchlaub, Zur Steuerpflicht der Gewinne aus der Veräußerung von Privatvermögen, 1993, S. 29. 367 Durchlaub, Zur Steuerpflicht der Gewinne aus der Veräußerung von Privatvermögen, 1993, S. 29. 368 Vgl. Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, 1981/88, S. 221.
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tungen zeigen, dass eine Integration der Vermögensbestandssphäre in den steuerlichen Belastungsgegenstand nicht notwendig zu einer Klassifizierung als Gewinneinkunftsart führt. Ermittlungstechnisch kann eine Einkünfteberechnung ebenfalls mittels einer Kassenrechnung erfolgen. Umgekehrt führt eine Entscheidung, die Vermögensbestandssphäre nicht in der Bemessungsgrundlage zu erfassen jedoch zwangsläufig dazu, dass eine Vermögensvergleichsrechnung als Rechenmethode für die Einkünfteermittlung ausscheidet. Gemessen an einem reinvermögenszuwachstheoretischen Belastungsmaßstab erfolgt eine theoretische Trennlinie daher zunächst aus der gesetzlichen Entscheidung, ein Erwerbsvermögen zu definieren und dessen Entwicklung zum Gegenstand der Einkommensteuer zu machen. In ermittlungstechnischer Hinsicht kann ferner unabhängig davon eine zeitliche Differenzierung als zweite theoretische Trennlinie unterschieden werden, die, wie gezeigt, nicht notwendigerweise parallel zu der Ersten verläuft. Die Unterscheidung zwischen dem Umfang des steuerpflichtigen Einkommens und der Berechnungsmethode, die den Zeitpunkt der Erfassung als Einkommen determiniert, ermöglicht es, die wesentlichen verfassungsrechtlichen Fragestellungen transparenter zu gestalten369. Gemessen an den reinvermögenszuwachstheoretischen Vorstellungen wird die Fragestellung jedoch verkürzt. Das reinvermögenszuwachstheoretische Ideal gibt nicht nur darüber Auskunft, ob die Vermögenswertsphäre in das steuerpflichtige Einkommen einzufließen hat, sondern legt auch den Zeitpunkt der steuerlichen Erfassung fest. Die zeitliche Komponente hat aber bislang kaum Eingang in die juristische Diskussion gefunden. Stellungnahmen, die betonen, dass eine Gleichheit im Belastungserfolg bereits dann erreicht werden kann, wenn sichergestellt wird, dass einmalig eine steuerliche Berücksichtigung stattfindet, verkennen sogar gänzlich die Bedeutung des Zeitaspektes. So erscheint es auch nicht verwunderlich, wenn das Problem einer Gleichheit im Belastungserfolg weitgehend auf die Frage reduziert wird, ob das Prinzip einer Besteuerung nach Maßgabe wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit es erfordert, alle reinvermögenszugangstheoretisch begründeten Einkommensbestandtei369 Die Aufspaltung in zwei Fragenkomplexe wird der Gesamtproblematik insofern nicht gerecht, als dadurch der Schluss nahegelegt wird, die Fragen könnten streng voneinander getrennt beurteilt werden. Dies ist jedoch nicht der Fall. Die ökonomische Analyse hat gezeigt, dass ein innerperiodisch belastungsgleich wirkender Einkommensbegriff zugleich umfänglich und zeitlich festgelegt ist. Insofern ist auch die Fragestellung nach der verfassungsrechtlichen Wirkkraft eines solchen Differenzierungsmaßstabes eine einheitliche. Dies erkennen richtigerweise Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, 1981/88, S. 173 unter Verweis auf Simons, Personal Income Taxation, 1938, S. 81; Tipke DStJG 4 (1981), 4ff; vgl. auch Costede StuW 1996, 19, 23.
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le einmal zu besteuern370. Wenn die Fragestellung, ob der Gesetzgeber innerhalb des Sach- und Finanzvermögens bei der Ausgestaltung der Bemessungsgrundlage durch seine Belastungsentscheidung für die Besteuerung des Periodeneinkommens auf einen reinvermögenszuwachstheoretischen Einkommensbegriff folgerichtig verpflichtet ist, jedoch ausschnittsweise dahingehend diskutiert wird, ob der Gesetzgeber hinsichtlich des Einkommensumfangs folgerichtig auf eine Einbeziehung der Vermögensbestandssphäre festgelegt ist, ermöglicht die reduzierte Fragestellung allerdings auch eine Antwort auf die hier aufgeworfene Problematik371. In der Diskussion spiegelt sich doch erkennbar die auch hier relevante Frage wieder, ob das Grundgesetz aus Gründen der Folgerichtigkeit einen Einkommensbegriff favorisiert, der nach den Belastungsmaßstäben der Reinvermögenszuwachstheorie ausgerichtet ist, oder ob es trotz der gesetzgeberischen Entscheidung zur Besteuerung des Periodeneinkommens lediglich einen gesetzlich normierten Einkommensbegriff kennt. aa)
Der Standpunkt der herrschenden Lehre
Nach einer vielfach vertretenen Meinung, deren nachdrücklichster Vertreter wohl Tipke372 ist, kommt dem Grundsatz der Besteuerung nach Maßgabe wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit bereits bei der Bestimmung von Gegenstand und Grundtatbestand der Einkommensteuer maßgebliche Bedeutung 370 Bei Ausklammerung der zeitlichen Dimension wird die Besteuerung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gar nicht als Ausnahme erkannt. 371 Die Problematik der Geltung des Vorsichtsprinzips im Bilanzsteuerrecht und insbesondere dessen verfassungsrechtliche Grenzen sind im Zusammenhang mit dem formellen Dualismus zu sehen. Die verfassungsrechtliche Argumentation bzgl. der Zulässigkeit wirtschaftlicher Belastungsunterschiede, hervorgerufen durch eine unterschiedliche Bestimmung des materiellen Steuergegenstandes, soll allerdings den Ausgangspunkt für die Überprüfung der Zulässigkeit wirtschaftlicher Belastungsunterschiede in Folge einer unterschiedlichen zeitlichen Erfassung bei der Besteuerung, hervorgerufen durch den formellen Dualismus bieten. Es ist zu zeigen, dass die bzgl. des materiellen Dualismus entbrannte Diskussion auf die Frage der unterschiedlichen periodischen Erfassung auszudehnen ist. Insofern muss die verfassungsrechtliche Problematik einer unterschiedlichen Bestimmung der Besteuerungsgegenstände zunächst dargestellt werden, um die dort zu ziehenden Schlüsse inhaltlich übertragen zu können. 372 Tipke StuW 1971, 2, 10; Tipke FS Paulick, 1973, S. 391, 397ff; Tipke StuW 1980, 289ff; Tipke JuS 1985, 347ff; Tipke FS Stoll, 1990, S. 229ff; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band 2, 1. Auflage, 1993, S. 649ff; Tipke BB 1994, 437ff; Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, 2000, S. 23f; Jüptner, Leistungsfähigkeit und Verfassung, 1989, S. 88ff; Biergans/Wasmer FR 1985, 57, 62; Merkenich, Die unterschiedlichen Arten der Einkünfteermittlung im deutschen Einkommensteuerrecht, 1982, S. 44ff; Jehner DStR 1990, 6ff.
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zu373. Das Leistungsfähigkeitsprinzip wird als Kriterium verstanden, das verfassungsrechtlich über die Steuerwürdigkeit eines wirtschaftlichen Vorgangs entscheidet374. Tipke hat allerdings erkannt, dass sich der Inhalt des Leistungsfähigkeitsprinzips nicht ohne weiteres aus sich heraus erschließt. Er muss in Übereinstimmung mit dem hier vertretenen Standpunkt anerkennen, dass das Leistungsfähigkeitsprinzip, zumindest bei der Frage, ob das konsumierbare Einkommen zu besteuern oder aber eine konsumbasierte Einkommensbemessungsgrundlage zu entwickeln ist, letztlich wertungsoffen ist375. Unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Entscheidung gegen eine konsumorientierte Einkommensbesteuerung, zieht Tipke allerdings den Schluss, dass sich auf Basis eines solchen Leistungsfähigkeitsverständnisses mit verfassungsrechtlichem Anspruch der Umfang des steuerpflichtigen Einkommens konturieren lasse. Dabei will er als Vergleichsmaßstab die umfänglichste aller Einkommenstheorien, die von Schanz`sche Reinvermögenszugangstheorie zugrundelegen376. Ohne auf die zeitliche Komponente einzugehen, hätte dies zur Folge, dass von Verfassungs wegen, die Entwicklung eines umfassend zu verstehenden Vermögensbestandes eines Steuerpflichtigen zum Inhalt der Einkommensbesteuerung gemacht werden müsste. Die Nichtbesteuerung privater Veräußerungseinkünfte würde danach gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip verstoßen. Hinsichtlich der systematischen Vorgehensweise sei angemerkt, dass Tipke aus der gesetzgeberischen Entscheidung für die Besteuerung des konsumierbaren Einkommens offenbar ableiten will, dass der Gesetzgeber folgerichtig auf den Einkommensbegriff verpflichtet ist, der das konsumierbare Einkommen innerhalb dieses Systems am umfänglichsten erfasst377. Durchbrechungen dieses Prinzips
373 Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, 2000, S. 24. 374 Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, 2000, S. 24; Biergans/Wasmer FR 1985, 62. 375 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band 2, 1. Auflage, 1993, S. 572f. 376 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band 1, 2. Auflage, 2000, S. 502ff. Anzumerken ist insoweit, dass Tipke bei seiner Argumentation die zeitliche Komponente ausblendet. Die von von Schanz entwickelte Reinvermögenszugangstheorie wurde in den USA insbesondere von Haig und Simons aufgegriffen und zu einer Reinvermögenszuwachstheorie ausgebaut. Dennoch spricht man heute pauschal von dem S-H-S concept of income, vgl. Pechman, Comprehensive Income taxation, 1977, S. 7ff. 377 Wenn man berücksichtigt, dass Tipke dem zeitlichen Gesichtspunkt nicht ausreichend Aufmerksamkeit widmet, müsste dies unter Zugrundelegung der hier getroffenen Ableitungen dazu führen, dass der Gesetzgeber folgerichtig auf einen reinvermögenszuwachstheoretischen Einkommensbegriff verpflichtet ist.
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stünden danach verfassungsrechtlich unter Rechtfertigungszwang378. Wendet man diesen Standpunkt auf die Ausgestaltung der einkommensteuerlichen Bemessungsgrundlage an, wäre der Gesetzgeber unter Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten folgerichtig darauf verpflichtet, die Reinvermögenszuwachstheorie zum Differenzierungsmaßstab zu machen. Unter Zugrundelegung einer solchen Konturierung hat der Gedanke einer konsequenten Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit wegen der Universalität der Erfassung aller Steigerungen wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit eine die steuerlichen Belastungen verschärfende Tendenz379. Er zielt auf eine stete Verbreiterung der Bemessungsgrundlage380. bb)
Der markteinkommenstheoretische Einkommensbegriff
Einer reinvermögenszuwachstheoretischen Interpretation des Einkommensbegriffs als verfassungsrechtlichem Differenzierungsmaßstab steht vor allem Kirchhof kritisch gegenüber. Kirchhof381 hat den Versuch unternommen, dem Grundgesetz selbst einen Einkommensbegriff zu entnehmen, um insoweit verfassungsrechtlich verbindliche Aussagen über Art und Umfang des nach seiner Ansicht nach richtigen Periodeneinkommens382 treffen zu können383. Nach Auffassung von Kirchhof darf die Einkommensbesteuerung als Ausdruck der Sozialbindung des Eigentums gemäß Art 14 Abs. 2 GG nur das am Markt erwirtschaftete, disponible Einkommen erfassen. Grundlage für die Sozialpflichtigkeit des privat erworbenen Eigentums (Art 14 Abs. 2 GG) und damit für die Steuerbarkeit des Einkommen sei die Herleitung des individuellen Erwerbs vom Marktgeschehen, der von der staatlichen Wirtschaftsgemeinschaft bereitgehaltenen Angebots- und Nachfragekraft sowie der staatlichen Organisations- und Rechtshilfen für das Tauschen von Waren 378 Angesprochen sind hier Regelungen, die keine fiskalischen, sondern soziale Zwecke (vor allem wirtschafts-, kultur- oder gesundheitspolitische Zwecke) verfolgen. 379 Beisse FS Moxter, 1994, S. 3, 23; Kraus-Grünwald FS Beisse, 1997, S. 285. 380 Wie die programmatischen politischen Bekenntnisse im Zusammenhang mit Steuerreformen in jüngerer Vergangenheit erkennen lassen, hat das Ziel einer Verbreitung der Bemessungsgrundlage unter Absenkung der Steuertarife Eingang in die aktuelle Steuerpolitik gefunden. 381 Kirchhof in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 2 Rn A 365; Kirchhof, Gutachten 57. DJT (1988), F 14ff. 382 Zur Richtigkeit der Belastung des Periodeneinkommens nach Kirchhof, vgl. 3. Kap. A. I. 3. a). Kirchhof betrachtet somit das Einkommen nicht von der Verwendungssondern von der Entstehungsseite her. 383 Demgegenüber wird in der Literatur eine markteinkommenstheoretische Einkommenssicht aus den Vorschriften des EStG abgeleitet, vgl. Wittmann StuW 1993, 35, 36f; Ruppe in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, Einf. EStG Rn 17. Diese einfachgesetzliche Ableitung kann im vorliegenden Zusammenhang jedoch nicht interessieren.
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Entwicklung eines Prüfungsmaßstabes zur verfassungsrechtlichen Beurteilung
und Dienstleistungen384. Nach Kirchhof resultiert somit die Sozialpflichtigkeit des Einkommens, die den Zugriff des Steuergesetzgebers legitimiert, erst aus dem Kontakt des privatnützigen Vermögens mit dem Markt als staatlicher Instanz385. Aus der Tatsache, dass die Gemeinschaft einen Markt organisiert und zur Verfügung stellt und somit erst eine individuelle Erwerbstätigkeit ermöglicht, soll ihr im Gegenzug das Recht erwachsen, auf die durch den Marktkontakt erzielten Erträge anteilig zurückzugreifen. Anders ausgedrückt sieht die Markteinkommenstheorie in der Abhängigkeit der Einkommensentstehung von dem durch den Steuerstaat repräsentierten Markt den Belastungsgrund der Einkommensteuer386. Diese verfassungsrechtliche Ableitung des Einkommensbegriffs hat maßgebliche Auswirkungen auf die gesetzgeberischen Möglichkeiten zur Ausgestaltung der einkommensteuerlichen Bemessungsgrundlage387. Nach dem markteinkommenstheoretischen Einkommensbegriff388 repräsentiert nicht jede Wertschöpfung steuerpflichtiges Einkommen389, sondern nur der Teil des Einkommens, der durch Teilnahme am Markt erzielt worden ist. Im Hinblick auf die Konturierung der einkommensteuerlichen Bemessungsgrundlage wird aus den Grundsätzen der Markteinkommenstheorie ferner geschlossen, dass unter Zugrundelegung eines am Markteinkommen ausgerichteten Einkommensbegriffs, Einnahmen aus der Veräußerung von Privatvermögen einkommensteuerlich trotz eines Marktkontaktes nicht erfasst werden dürfen, da diese Wirtschaftsgüter der privaten Lebensführung gewidmet sind; es sollen gerade keine Einnahmen durch gewinnorientierte Nutzung einer dem Markt zugewandten Erwerbsgrundlage erzielt werden390. Dem steuerlich zu erfassenden (Markt-)Einkommen sollen dabei jedoch nicht jegliche außerhalb des steuerlichen Betriebsvermögen stattfindenden Vermögensumschichtungen entzogen werden, sondern lediglich die Vorgänge, die sich im Vermögen des Steuerpflichtigen abspielen, das überhaupt Kirchhof in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 2 Rn A 365. Vgl. Schön BB 1997, 1333, 1340. Kirchhof in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts IV, 1990, § 88 Rn 137. Zur Bedeutung einer markteinkommenstheoretischen Sichtweise im Hinblick auf die inhaltliche Ausgestaltung des objektiven Nettoprinzips bei den Gewinneinkünften, vgl. 3. Kap. C. IV. 1. 388 Ruppe in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, Einf. EStG Rn 17; Biergans/Stockinger FR 1982, 1, 5f; Wendt DÖV 1988, 710, 717; Kirchhof in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 2 Rn A 365ff; Lehner/Waldhoff in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 1 Rn A 152; Matussek, Zum Werbungskostenbegriff im Einkommensteuerrecht, 2000, S. 66f. 389 Wittmann StuW 1993, 35, 36. 390 Wendt DÖV 1988, 710, 717. 384 385 386 387
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nicht als Erwerbsgrundlage für eine Gewinn- oder Überschusseinkunftsart eingesetzt wird391. Besondere Auswirkungen hat ein markteinkommenstheoretischer Einkommensbegriff auch auf die Ausgestaltung der Bemessungsgrundlage bzgl. des Zeitpunktes der Erfassung von Vermögenswertänderungen. Hierauf soll jedoch erst später eingegangen werden. Da dieses verfassungsrechtlich motivierte Einkommensverständnis der Markteinkommenstheorie entscheidend von dem hier in Rede stehenden reinvermögenszuwachstheoretischen Einkommensbegriff abweicht, kann nach dieser Auffassung nur der Schluss gezogen werden, dass die gesetzgeberische Entscheidung zur Besteuerung des Periodeneinkommens den Gesetzgeber nicht darauf verpflichtet, einen reinvermögenszuwachstheoretischen Vergleichsmaßstab anzulegen. Verfassungsrechtlich verbindliche Ausgestaltungsmaßstäbe für die Konturierung der einkommensteuerlichen Bemessungsgrundlage würden vielmehr aus Art 14 Abs. 2 GG resultieren. Diese dogmatische Ableitung der Markteinkommenstheorie aus Art 14 Abs. 2 GG wird jedoch nicht durchweg geteilt. Eine andere Auffassung in der Literatur, die vielfach dem Meinungsspektrum der Markteinkommenstheorie zugeordnet wird392, leitet eine verfassungsrechtliche Legitimation der Markteinkommenstheorie aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip ab393. Ziel dieser Bestrebungen ist somit nicht, einen eigenen verfassungsrechtlichen Einkommensbegriff zu entwickeln, sondern das idealiter (nach der Veränderung des Reinvermögens) zu bemessende Einkommen auf einen juristisch praktikablen Umfang zu reduzieren394. Dieser Ansatz harmoniert grundsätzlich mit der auch hier aufgeworfenen Fragestellung, ob die gesetzgeberische Entscheidung zur Besteuerung des Periodeneinkommens aus Gründen der Belastungsgleichheit zwischen allen Einkunftsarten den Gesetzgeber darauf verpflichtet, einen reinvermögenszuwachstheoretischen Differenzierungsmaßstab anzulegen. Die Forderung nach einer verhältnismäßigen Besteuerung weist den reinvermögenszuwachstheoretischen Einkommensbegriff lediglich in verfassungsrechtliche Schranken. Wenn dabei aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Besteuerung darauf geschlossen wird, dass der Gesetzgeber nichtrealisierte Wertsteigerungen ein391 Wendt DÖV 1988, 710, 717. Wendt sieht es daher als geboten an, Einnahmen aus dem Einsatz von „privatem Erwerbsvermögen“ einkommensteuerlich zu erfassen. 392 Matussek, Zum Werbungskostenbegriff im Einkommensteuerrecht, 2000, S. 63. 393 Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, 1981/88, S. 174; Tipke DStJG 4 (1981), 4ff; Wittmann StuW 1993, 35, 45f; vgl. auch Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, 2000, S. 13ff; Leplow, Das Wertaufholungsgebot in der Handels- und Steuerbilanz, 2002, S. 157f. 394 Tipke DStJG 4 (1981), 4ff; Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, 1981/88, S. 24, 344; vgl. auch Costede StuW 1996, 19, 24.
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Entwicklung eines Prüfungsmaßstabes zur verfassungsrechtlichen Beurteilung
kommensteuerlich nicht erfassen dürfe, geht es konzeptionell darum, einen Differenzierungsmaßstab zu durchbrechen, der durch Berücksichtigung unrealisierter Wertänderungen an der tatsächlichen Leistungsfähigkeit395 des Steuerpflichtigen orientiert ist. Dies bedeutet allerdings, dass vorausgesetzt wird, dass ein reinvermögenszuwachstheoretischer Differenzierungsmaßstab den idealen Vergleichsmaßstab im Einkommensteuerrecht bildet396. Erst in einem zweiten Schritt wird dann überprüft, ob diese Leistungsfähigkeitsvorstellung zu einem umfassenden Einkommensbegriff führen kann, der in jeder Hinsicht verfassungsrechtlich zulässig ist397. Wenn in der Literatur beide Schritte zu einem markteinkommenstheoretischen Einkommensverständnis zusammengezogen werden, wird dabei jedoch verdeckt, dass sich die Fragestellungen auf unterschiedlichen verfassungsrechtlichen Ebenen bewegen. Im Hinblick auf die vorgeordnete Fragestellung der Festlegung des maßgeblichen Differenzierungskriteriums im Einkommensteuerrecht bleibt festzustellen, dass nach dieser Ansicht die reinvermögenszuwachstheoretischen Leistungsfähigkeitsvorstellungen den idealen Vergleichsmaßstab bilden398. cc)
Die Rechtsprechung des BVerfG
Auch das BVerfG legt den Gesetzgeber in ständiger Rechtsprechung nicht auf einen bestimmten ökonomischen Vergleichsmaßstab fest399. Das BVerfG400 gesteht dem Gesetzgeber traditionell einen weiten Gestaltungs395 So Costede StuW 1996, 19, 23. 396 Costede StuW 1996, 19, 23; Tipke DStJG 4 (1981), 4ff; Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, 1981/88, S. 172ff; vgl. auch Wittmann StuW 1993, 35, 45 und Beil, Der Belastungsgrund des steuerstaatlichen Synallagmas, 2000, S. 108. 397 Abweichungen vom Ideal der Reinvermögenszuwachstheorie bedürfen daher einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung. 398 So u.a. Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, 1981/88, S. 172ff; Costede StuW 1996, 19, 23; vgl. auch Hennrichs DStJG 24 (2001), 301, 315; Beil, Der Belastungsgrund des steuerstaatlichen Synallagmas, 2000, S. 108; Söhn FS Tipke, 1995, 343, 351; Wiesbrock, Die Verlustrückstellung im Steuer- und Verfassungsrecht, 1999, S. 130. Von dem Ziel einer belastungsgleichen Steuerwirkung ausgehend, wird von dieser Ansicht richtigerweise auch nicht getrennt beurteilt, ob die Vermögenssphäre zu berücksichtigen ist und wann diese Wertveränderungen von der Einkommensteuer zu erfassen sind. Der Gesetzgeber wird auf das Ideal einer Reinvermögenszuwachsbesteuerung festgelegt, die auf beide Fragen Antworten gibt. 399 BVerfGE 26, 302, 310ff; vgl. auch BVerfGE 28, 227, 237ff. 400 BVerfGE 26, 302, 310ff; 27, 111, 127; 28, 227, 237ff; 99, 88, 95; BVerfG FR 1999, 528, 531; Kruse, Lehrbuch des Steuerrechts I, 1991, S. 45; Kruse StuW 1990, 322, 324; Durchlaub, Zur Steuerpflichtigkeit der Gewinne aus der Veräußerung von Privatvermögen, 1992, S. 38f, 48; Jakob, Einkommensteuer, 2003, § 1 Rn 13.
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Verfassungsrechtliche Ausgestaltungsdirektiven
spielraum bei der Erschließung von Steuerquellen zu. Aus dem Gebot der möglichst gleichmäßigen Belastung aller Steuerpflichtigen können nach dieser Rechtsprechung401 keine Beschränkungen des gesetzgeberischen Entscheidungsspielraumes bei der Auswahl des Steuergegenstandes abgeleitet werden. Dabei erstreckt das BVerfG diesen Standpunkt auch auf den Binnenbereich des Einkommensteuerrechts402. Dem Gesetzgeber steht es danach prinzipiell frei, auf die Entwicklung eines Erwerbsvermögens abzustellen oder aber in quellentheoretischer Tradition bestimmte Einkunftsarten zu definieren. Obwohl in jüngerer Zeit unter dem Einfluss literarischer Stellungnahmen403 zunehmend der Gedanke der Systemkonsequenz und Folgerichtigkeit Eingang in die verfassungsrechtliche Rechtsprechung findet404, hat das BVerfG seine Rechtsprechung nicht dahingehend geändert, dass es den Gesetzgeber folgerichtig auf einen reinvermögenszuwachstheoretischen Vergleichsmaßstab verpflichtet. Vielmehr lassen sich sogar deutliche Anhaltspunkte erkennen, dass das BVerfG den Gedanken der Folgerichtigkeit erst nach der gesetzgeberischen Entscheidung zur Bestimmung des Einkommensgegenstandes ansetzen will405. Falls sich dieser Standpunkt bestätigen sollte, könnte aus der gesetzgeberischen Entscheidung zur Belastung des Periodeneinkommens nicht zwangsläufig auf die Notwendigkeit einer reinvermögenszuwachstheoretisch auszugestaltenden einkommensteuerlichen Bemessungsgrundlage geschlossen werden. dd)
Stellungnahme und Kritik
Der Versuch Kirchhofs, die sozialpflichtige Teilnahme des Eigentums am Marktgeschehen als verfassungsrechtliche Grenzmarke für den Einkommensbegriff heranzuziehen, kann nicht überzeugen. Hiergegen sprechen entscheidende Gesichtspunkte. Nicht überzeugen kann zunächst das Argument, dass für den staatlichen Erfolgsbeitrag im Rahmen des Einkommensentstehungsprozesses quasi ein Entgelt in Form einer Steuer entrichtet werden muss. Zweifelhaft erscheint bereits, den Markt als staatliche Veranstaltung 401 BVerfG FR 1999, 528, 531. 402 BVerfGE 26, 302, 310ff. 403 Kirchhof StuW 1984, 297, 301ff; Kirchhof AöR 128 (2003), 1, 44f; Schön StuW 1995, 366, 370ff; Papier Stbg 1999, 49, 54; ähnlich Jüptner, Leistungsfähigkeit und Veranlassung, 1989, S. 88ff. 404 BVerfGE 93, 121, 136; 99, 88, 95; 105, 73, 112. 405 In diesem Sinne betont das BVerfG (BVerfGE 105, 73, 122) auch in jüngster Zeit in der Entscheidung zur Besteuerung der Altersbezüge, dass der Gesetzgeber nicht verpflichtet ist, unterschiedliche Einkünfte unabhängig von deren Rechtsgrund und Finanzierung wegen ihrer Eigenschaft als „Altersbezüge“ steuerlich grundsätzlich gleich zu behandeln.
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Entwicklung eines Prüfungsmaßstabes zur verfassungsrechtlichen Beurteilung
anzusehen406. Im Kern führen diese äquivalenztheoretisch407 angehauchten Ideen Kirchhofs dazu, dass aus der Marktgebundenheit für die Einkommensbesteuerung gesondert eine eigene Legitimation für den Steuerzugriff entwickelt wird408. Wenn man auf den Gesichtspunkt der staatlichen Mitwirkung abstellt, wird man die Zurverfügungstellung der staatlichen Rechtsordnung jedoch nicht nur bei der Einkommensteuer, sondern bei jeder Steuer in Rechnung stellen müssen409. Somit erscheint es bereits zweifelhaft allein für die Einkommensteuer eine gesonderte Legitimationsgrundlage zu suchen. Ferner lässt sich auch aus der grundsätzlichen Rollenverteilung zwischen Staat und Steuerpflichtigem nicht zwangsläufig auf die Thesen Kirchhofs schließen. Zunächst ist zu berücksichtigen, dass bereits aus dem rechtsstaatlichen Verteilungsprinzip mittelbare Konsequenzen resultieren. Es erscheint schon im Ansatz zweifelhaft, die Grundrechte als Abwehrrechte im status negativus zur Legitimation staatlicher Eingriffe heranzuziehen410. Die wirtschaftsorientierten Grundrechte als Freiheitsrechte garantieren dem einzelnen, sich freiheitsrechtlich zu betätigen, so dass das Wirtschaften grundsätzlich den Privaten überlassen wird411. Dies führt im Umkehrschluss allerdings dazu, dass sich der Staat zumindest nicht umfassend erwerbswirtschaftlich finanzieren darf, wenn man in der Grundrechtsträgerschaft die Legitimationsgrundlage jeglicher Erwerbstätigkeit sieht412. Dieser grundrechtlichen Absicherung der Privatwirtschaft korrespondiert aber die Grundpflicht des einzelnen, den Staat am individuellen ökonomischen Er406 Isensee, Verhandlungen 57. DJT (1988), N 36; Steichen FS Tipke, 1995, S. 365, 371; Wendt DÖV 1988, 710ff. 407 Vgl. dazu Neumann in: Kirchhof/Neumann, Freiheit, Gleichheit, Effizienz, 2001, S. 23, 27; Schön Symposium Kirchhof, 2003, S. 143, 157; Beil, Der Belastungsgrund des steuerstaatlichen Synallagmas, 2000, S. 104; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band 2, 1. Auflage, 1993, S. 558f; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band 2, 2. Auflage, 2003, S. 615, 628f; Tipke StuW 2002, 148, 156 mit dem treffenden Hinweis, dass das die Markteinkommenstheorie das Leistungsfähigkeitsprinzip unnötig mit dem Äquivalenzprinzip vermische. 408 Vgl. dazu Beil, Der Belastungsgrund des steuerstaatlichen Synallagmas, 2000, S. 99f. 409 Wittmann StuW 1993, 35, 43f; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band 2, 1. Auflage, 1993, S. 531ff. 410 Steichen FS Tipke, 1995, S. 365, 370ff; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band 2, 1. Auflage, 1993, S. 530ff. 411 Steichen FS Tipke, 1995, S. 365, 374; Vogel/Waldhoff in: Vogel, Grundlagen des Finanzverfassungsrechts: Sonderausgabe des Bonner Kommentars zum Grundgesetz, 1999, Rn 541. 412 Wittmann StuW 1993, 35, 41 mit weiteren Ableitungen; Kirchhof FS Vogel, Symposium, 1996, S. 27, 32f; Steichen FS Tipke, 1995, S. 365, 374; Wendt DÖV 1988, 710, 715; Beil, Der Belastungsgrund des steuerstaatlichen Synallagmas, 2000, S. 118f; vgl. auch Wieland DStJG 24 (2001), 29, 33, 135.
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folg partizipieren zu lassen413. Überzogen scheint jedoch, wenn von der staatlichen Angewiesenheit auf derivative Formen der Einnahmenerzielung darauf geschlossen wird, dass der ökonomische Erfolg des Bürgers sich ausschließlich am Markt manifestiert. Aus Art 14 GG lässt sich zwar auf den Steuerstaat schließen. Weitergehende zwingende Aussagen über den Umfang des steuerpflichtigen Einkommens lassen sich aus dieser vom Grundgesetz in Art 14 Abs. 1 GG vorausgesetzten Rollenverteilung jedoch nicht entnehmen. Isensee414 hat somit zu Recht darauf hingewiesen, dass sich für die konkrete Ausgestaltung der Einkommensteuer aus der Eigentumsgarantie lediglich eine Grenze, nicht aber die Bemessung der Einkommensbesteuerung herleiten lässt. Dieser Argumentation ist insbesondere im Hinblick auf den Aspekt zuzustimmen, dass der Markt zwar der übliche Ort der Einkommensentstehung ist, jedoch nicht der einzig denkbare. In diesem Sinne hat Schön415 zu Recht geltend gemacht, dass der Kontakt eines Wirtschaftsgutes mit dem Marktgeschehen in keinem zwingenden Zusammenhang mit dem Inhalt der subjektiven Leistungsfähigkeit steht, die durch die Einkommensbesteuerung erfasst werden soll. Gemessen an reinvermögenszuwachstheoretischen Leistungsfähigkeitsvorstellungen verkürzt die Markteinkommenstheorie den Einkommensbegriff in unzulässiger Art und Weise, indem sie Einkommen von vornherein über den Belastungsgrund des Marktkontaktes konstruiert416. Insofern kann auch nicht überzeugen, wenn - wie dies dem Kirchhof`schen Markteinkommensbegriff immanent ist - eine Veränderung von Leistungsfähigkeit per definitionem erst registriert wird, wenn diese durch einen Gütertausch am Markt durch Zufluss eines anderen Eigentumsobjektes verwirklicht worden ist. Bei wirtschaftlicher Betrachtung bestimmt sich die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen nicht aus der Gegenleistung, die der Steuerpflichtige durch einen Umsatzakt am Markt erzielen kann, die Veränderung von Leistungsfähigkeit liegt vielmehr in der Leistung selbst417. Der Versuch, aus dem Austausch von Eigentum am Markt, Schlüsse auf die Ausgestaltung des einkommensteuerlichen Differenzierungsmaß413 Isensee, Verhandlungen des 57. DJT (1988), N 32ff; Vogel/Waldhoff in: Vogel, Grundlagen des Finanzverfassungsrechts: Sonderausgabe des Bonner Kommentars zum Grundgesetz, 1999, Rn 541. 414 Isensee, Verhandlungen des 57. DJT (1988), N 36; vgl. auch Uelner, Verhandlungen des 57. DJT (1988), N 13. 415 Schön StuW 1995, 366, 373; Schön FS Offerhaus, 1999, S. 385, 396; vgl. auch Beil, Der Belastungsgrund des steuerstaatlichen Synallagmas, 2000, S. 107. 416 Vgl. Söhn FS Tipke, 1995, S. 343, 352f; Schön FS Offerhaus, 1999, S. 385, 396; aus Sicht der Finanzwissenschaft Andel, Finanzwissenschaft, 4. Auflage, 1998, S. 315 FN 1. 417 So ausdrücklich Costede StuW 1996, 19, 23.
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Entwicklung eines Prüfungsmaßstabes zur verfassungsrechtlichen Beurteilung
stabes zu ziehen, ist somit mit der herrschenden Lehre418 abzulehnen. Damit fehlt allerdings auch der im Hinblick auf die hier aufgeworfene Frage nach dem Umfang des steuerpflichtigen Einkommens von Kirchhof vorgenommen Differenzierung zwischen Erwerbsvermögen und Privatvermögen die theoretische Grundlage. Als Ergebnis lässt sich somit festhalten, dass entgegen der Ansicht Kirchhofs aus Art 14 GG keine zwingenden Vorgaben für die Ausgestaltung der einkommensteuerlichen Bemessungsgrundlage und damit des Leistungsfähigkeitsprinzips abgeleitet werden können. Fraglich ist daher weiterhin, ob der Gesetzgeber durch die Belastungsentscheidung zur Erfassung des Periodeneinkommens folgerichtig darauf verpflichtet ist, alle Formen der periodenbezogenen Steigerung wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit in der einkommensteuerlichen Bemessungsgrundlage zu erfassen. Wenn man das Problem auf den Umfang des steuerpflichtigen Einkommens reduziert, hätte dies zur Folge, dass der Gesetzgeber jede Wertsteigerung im Vermögen des Steuerpflichtigen registrieren müsste. Zur Beantwortung der voranstehend aufgeworfenen Frage hat Schön419 entscheidend darauf hingewiesen, dass die Einkommensteuer - wie alle anderen Steuern - nicht auf die vollständige Erfassung der subjektiven Leistungsfähigkeit420 eines Steuersubjektes gerichtet ist. Dies hat zur Folge, dass der reinvermögenzuwachstheoretische Einkommensbegriff dem Gesetzgeber innerhalb des von ihm gewählten Systems einer Besteuerung des Periodeneinkommens zwar eine Obergrenze bei der Bestimmung der maximal besteuerbaren Einkommensobjekte setzt421, umgekehrt aber nicht aus dem Vorliegen einer reinvermögenszuwachstheoretisch begründbaren Leistungsfähigkeit auf das Vorliegen von Einkommen geschlossen werden muss. Im 418 Isensee, Verhandlungen des 57. DJT (1988), N 36; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band 2, 2. Auflage, 2003, S. 615ff; Schön StuW 1995, 266, 374; Schön FS Offerhaus, 1999, S. 385, 394ff; Beil, Der Belastungsgrund des steuerstaatlichen Synallagmas, 2000, S. 105ff; Steichen FS Tipke, 1995, S. 365, 370ff; Meincke DB 1988, 1869, 1869f; Weber-Grellet, Steuern im modernen Verfassungsstaat, 2001, S. 81. 419 Schön StuW 1995, 366, 370; vgl. auch Schön in: Kirchhof/Neumann, Freiheit, Gleichheit, Effizienz, 2001, S. 121, 123. 420 Bezuggenommen wird hier wohl auf das breiteste Einkommensverständnis der Reinvermögenszuwachstheorie. 421 Dies bedeutet jedoch keinesfalls, dass in jeglicher Zunahme reinvermögenszuwachstheoretisch begründbarer wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit auch eine Zunahme an steuerlicher Leistungsfähigkeit gesehen werden kann. Die relevanten Grenzen folgen dann nicht aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip, sondern aus anderen Wertungen der Verfassung. In diesem Zusammenhang sei auf die mögliche Überschreitung der Ausgestaltungskompetenz bei der Entscheidung zur einkommensteuerlichen Erfassung nichtrealisierter stiller Reserven im Rahmen des steuerlichen Wertaufholungsgebotes hingewiesen (siehe dazu 5. Kap. C. I. 1.).
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Hinblick auf diese Zusammenhänge wurde in der Literatur zu Recht geltend gemacht, dass das EStG als Einkommensteuergesetz und nicht als Gesetz zur Besteuerung der Zunahme an wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit ausgestaltet ist422. Insofern kann - wiederum mit den Worten Schöns423 gesprochen - das Leistungsfähigkeitsprinzip nicht von vornherein den Umfang des steuerpflichtigen Einkommens präjudizieren, sondern nur den Maßstab seiner näheren Ausgestaltung bilden. Wenn aber dem Grundgesetz nicht entnommen werden kann, dass sämtliche reinvermögenszuwachstheoretisch begründbare Leistungsfähigkeit steuerlich zu erfassen ist, kann dies im Umkehrschluss nur bedeuten, dass der Gesetzgeber trotz seiner Entscheidung zur Besteuerung des Periodeneinkommens nicht folgerichtig auf einen reinvermögenszuwachstheoretischen Vergleichsmaßstab bei der Ausgestaltung der einkommensteuerlichen Bemessungsgrundlage festgelegt ist424. Damit steht gleichfalls fest, dass eine Gleichheit im Belastungserfolg zwischen den verschiedenen Einkunftsarten von der Verfassung nicht angestrebt wird. Das Grundgesetz weist dem Steuergesetzgeber somit eine Auswahlkompetenz zu. Dieser ist aufgefordert zu bewerten, welche wirtschaftlichen Vorgänge er als einkommensteuerlich erheblich ansehen und diesen somit einkommensteuerliche Leistungsfähigkeit zumessen will425. Eine Berufung auf einen Leistungsfähigkeitsbegriff, der untrennbar mit der zugegebenermaßen umfänglichsten Einkommensdefinition, der Reinvermögenszuwachstheorie, verbunden ist, spiegelt demnach auch nur ein mögliches Verständnis von steuerlicher Leistungsfähigkeit wieder. Mit der gleichen verfassungsrechtlichen Berechtigung kann sich der Gesetzgeber auch für eine andere Einkommenstheorie und damit auch für ein damit gekoppeltes Verständnis steuerlicher Leistungsfähigkeit entscheiden. Es erscheint in den Grenzen des Willkürverbotes auch nicht verfassungsrechtlich bedenklich, wenn der Steuergesetzgeber innerhalb des Einkommensteuergesetzes differenziert und bezogen auf unterschiedliche Steuergegenstände verschiedene Einkommensbegriffe kreiert und diese in Koexistenz bestehen lässt 422 Meincke in: Littmann/Bitz/Meincke, EStG, § 2 Rn 102 (Kommentierung: Stand Juni 1991); Durchlaub, Zur Steuerpflichtigkeit der Gewinne aus der Veräußerung von Privatvermögen, 1992, S. 38. 423 Schön StuW 1995, 366, 371; Hennrichs DStJG 24 (2001), 301, 308f; Durchlaub, Zur Steuerpflichtigkeit der Gewinne aus der Veräußerung von Privatvermögen, 1992, S. 38f, 50; Brinkmann, Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung und formeller Gesetzesbegriff, 1982, S. 107. 424 Diese Erkenntnis ist dabei sowohl auf die Frage des Umfanges und das Problem des zeitlichen Ansatzes von Einkommensänderungen zu beziehen. 425 Durchlaub, Zur Steuerpflichtigkeit der Gewinne aus der Veräußerung von Privatvermögen, 1992, S. 39.
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Entwicklung eines Prüfungsmaßstabes zur verfassungsrechtlichen Beurteilung
(Subsystembildung)426. Mit dieser inhaltlichen Konturierung ist dann auch der vom BVerfG427 ständig wiederholten Formel zuzustimmen, dass der Gesetzgeber bei der Auswahl des steuerlichen Anknüpfungspunktes frei ist und mithin auch innerhalb des Einkommensteuergesetzes Belastungsentscheidungen treffen kann. Eine verfassungsrechtliche Verpflichtung zur Herstellung tatsächlicher Belastungsgleichheit in Bezug auf alle Einkunftsarten ist somit im Grundgesetz nicht angelegt428. Die Konkretisierungsbedürftigkeit des Einkommensbegriffs führt jedoch zu der gesetzgeberischen Verpflichtung, Regeln zur Umschreibung von Periodeneinkommen zu normieren429, die Auskunft darüber enthalten müssen, inwieweit die Vermögenssphäre in das steuerlich relevante Einkommen einbezogen wird und nach welcher Ermittlungsmethode das Periodeneinkommen bestimmt werden soll430. In einer ersten Konkretisierungsstufe bedeutet dies, dass der Gesetzgeber im Hinblick auf den Umfang des zu erfassenden Steuerobjekts danach differenzieren darf, ob er die Entwicklung eines Erwerbsvermögens zugrundelegt oder aber lediglich auf einzelne Geschäftsvorfälle abstellt. c)
Das Gebot der Folgerichtigkeit und Systemkonsequenz als Ausgestaltungsdirektive
Die vorstehend abgeleiteten Wertungen haben maßgebliche Auswirkungen für die Reichweite des Gleichheitssatzes im Einkommensteuerrecht. Wie die vorstehende Analyse gezeigt hat, kann unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Belastungsentscheidungen mit der reinvermögenszuwachstheoretischen Betrachtung zwar ein Vergleichsmaßstab gefunden werden, der im ökonomischen Modell bei konsequenter Anwendung auf alle Einkunftsarten zu belastungsgleichen Steuerwirkungen im Rahmen einer Besteuerung des Periodeneinkommens führt. Bereits die Sonderstellung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit hat jedoch gezeigt, dass eine in sich konsistente Umsetzung dieses theoretischen Konzeptes in der Praxis ausscheidet. Da die Einkommensteuer ferner nicht darauf gerichtet ist, jegliche Steigerung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit steuerwirksam zu erfassen, kann aber auch nicht davon ausgegangen werden, dass das Grundgesetz eine Gleichheit im Belastungserfolg bei allen Einkunftsarten anstrebt. Dies hat allerA.A. Schreiber StuW 2002, 105, 108. BVerfGE 49, 343, 360; 74, 182, 200; 83, 343, 368; 84, 348, 359. BFH v. 10. 11. 1999, BStBl II 2000, 131, 137f (= FR 2000, 261, 266). Hennrichs DStJG 24 (2001), 301, 308; vgl. i. E. auch Uelner in IFSt-Schrift Nr. 369, Zum geplanten Verbot der Teilwertabschreibung, 1999, S. 18; Versin StuB 2000, 1207, 1208. 430 Vgl. insoweit die Ausführungen Hennrichs DStJG 24 (2001), 301, 309; Drüen, Periodengewinn und Totalgewinn, 1999, S. 149f. 426 427 428 429
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Verfassungsrechtliche Ausgestaltungsdirektiven
dings zur Folge, dass die Gleichheit im Belastungserfolg zwischen allen Einkunftsarten nicht länger als externer Maßstab zur Konturierung des Leistungsfähigkeitsprinzips herangezogen werden kann, wenn es um die Bestimmung des verfassungsrechtlichen Inhalts dieses Prinzips geht. Somit scheiden aber auch die aus dieser Prämisse gezogenen Konkretisierungen als verfassungsrechtlich zwingender Prüfungsmaßstab aus431. Da die Stellung des Leistungsfähigkeitsprinzips als einzig tauglicher Differenzierungsmaßstab in verfassungsrechtlicher Hinsicht jedoch nach inhaltlichen Kriterien verlangt, die eine Überprüfung des gesetzgeberischen Handelns gewährleisten, stellt sich mit Nachdruck das Problem einer alternativen Konkretisierung, die den oben aufgestellten Anforderungen genügt. Wenn der verfassungsrechtliche Gehalt des Leistungsfähigkeitsprinzip unter der Prämisse der Besteuerung des Periodeneinkommens nicht mehr mit der ökonomischen Theorie der Besteuerung des nichtrealisierten Vermögenszuwachses gleichgesetzt werden muss, sondern dem Gesetzgeber im Hinblick auf den Zuschnitt des steuerbaren Einkommens trotz seiner Entscheidung zur Besteuerung des Periodeneinkommens eine Auswahl- und Definitionskompetenz zukommt, kann dies in verfassungsrechtlicher Hinsicht nur bedeuten, dass sich eine verfassungsrechtliche Argumentation mit dem „steuerlichen“ Leistungsfähigkeitsprinzip lediglich an den vom Gesetzgeber zugrundegelegten Vorstellungen (Einkommensverständnis) orientieren darf432. Somit ist zwar weiterhin davon auszugehen, dass das Leistungsfähigkeitsprinzip als maßgebliches Differenzierungskriterium anzusehen ist, der Inhalt des Vergleichsmaßstabes ist dabei jedoch bezogen auf das Einkommensteuerrecht nicht zwangsläufig der Reinvermögenszuwachstheorie zu entnehmen, sondern aus einer Abfolge von verschiedenen Belastungsgrundentscheidung des Gesetzgebers433. Insofern reduziert sich der Gehalt des in diesem Sinne verstandenen „steuerlichen“ Leistungsfähigkeitsprinzips auf ein Gebot der Systemgerechtigkeit und Folgerichtigkeit434. 431 Vgl. den Hinweis von Herzog DStZ 1988, 287, 289f; Uhländer, Vermögensverluste im Privatvermögen, 1997, S. 90. 432 Vgl. auch Drüen FS Kruse, 2001, S. 191, 200f. 433 In diesem Sinne auch BVerfGE 105, 73, 112, 125f; Crezelius DB 1994, 689, 691; Gassner/Lang, Das Leistungsfähigkeitsprinzip im Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht, 2000, S. 84ff; Schön StuW 1995, 366, 370; Hennrichs DStJG 24 (2001), 301, 308f. 434 BVerfGE 93, 121, 136; 99, 88, 95; 105, 73, 112, 125f; Kirchhof in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts IV, 1990, § 88 Rn 113; Kirchhof StuW 1984, 297, 301; Kirchhof Stbg 1995, 68, 71f; Kirchhof AöR 128 (2003), 1, 44f; Schön StuW 1995, 366, 370; Hennrichs DStJG 24 (2001), 301, 310; Hüttemann StbJb 2002/2003, 35, 43; ähnlich Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher
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Entwicklung eines Prüfungsmaßstabes zur verfassungsrechtlichen Beurteilung
Auch in der Rechtsprechung des BVerfG ist zunehmend die Tendenz zu erkennen, dass Sondervorschriften am inneren System von Einzelsteuergesetzen zu messen sind435. Zu Recht bemerkt daher Kirchhof436, dass das Gebot der Folgerichtigkeit und Widerspruchsfreiheit zu einem zentralen Prüfungsmaßstab in der jüngeren Rechtsprechung des BVerfG avanciert. Insbesondere im Hinblick auf den Binnenbereich von Steuergesetzen kann festgestellt werden, dass das BVerfG die einzelnen Steuerarten in ihrer gesetzlichen Ausformung als System begreift und eine Folgerichtigkeit der Ausgestaltung vom Gesetzgeber fordert437. Besondere Anerkennung hat der Gedanke der Folgerichtigkeit bei der Ausgestaltung der einkommensteuerlichen Bemessungsgrundlage auch in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung438 und der Rechtsprechung des BFH gefunden439. Im Vorlagebeschluss zur Verfassungswidrigkeit der Beschränkung der Jubiläumsrückstellungen vom 10. 11. 1999 hat der BFH die Auffassung vertreten, dass dem Steuergesetzgeber
435
436 437 438 439
Freiheit, 2000, S. 23; Dauber, Das Realisationsprinzip als Grundprinzip der steuerlichen Gewinnermittlung, 2003, S. 95; Prokisch FS Vogel, 2000, S. 293ff; Drüen FS Kruse, 2001, S. 191, 200; Schreiber in: Blümich, EStG, § 5 Rn 256a; Papier DFGT 1 (2004), 25, 34; Mellinghoff Stbg 2005, 1, 5. Vgl. allgemein zum Gedanken der Folgerichtigkeit Schoch, DVBl 1988, 863, 878f; Degenhart, Systemgerechtigkeit und Selbstbindung des Gesetzgebers als Verfassungspostulat, 1976, S. 49ff; 79ff; Weber-Grellet, Steuern im modernen Verfassungsstaat, 2001, S. 147ff; Desens, Das Halbeinkünfteverfahren, 2004, S. 378ff; Schön DStJG 28 (2005), 210, der zu Recht betont, dass der Grundsatz der Folgerichtigkeit seine besondere Überzeugungskraft daraus gewinnt, dass er als „goldene Mitte“ zwischen einer übermäßigen aus der Verfassung deduzierten Steuerrechtsordnung einerseits und dem reinen Willkürverbot andererseits anzusehen ist. Zur Abgrenzung von Systemgerechtigkeit und Folgerichtigkeit, Prokisch FS Vogel, 2000, S. 293, 294ff. Vgl. auch den Hinweis von Prokisch, dass sich das Gebot der Folgerichtigkeit aus dem Gedanken der Systemgerechtigkeit entwickelt hat; tendenziell kritisch Schuppert FS Zeidler, 1987, S. 691, 713. Vgl. bereits BVerfGE 18, 315, 334ff; 18, 366, 372; 24, 112, 119; 32, 78, 83ff. Der Gedanke der Folgerichtigkeit und Systemkonsequenz wird jedoch insbesondere in der neueren Rechtsprechung zum zentralen Prüfungsmaßstabe in der Dogmatik des Gleichheitssatzes ausgebaut vgl. BVerfGE 84, 239, 271; 93, 121, 136; 99, 88, 96; 99, 280, 290; 101, 132, 138; 101, 151, 155; 101, 297, 310; 105, 17, 47f; 105, 73, 125f, BVerfG v. 7. 5. 1998, NJW 1998, 2341, 2342; vgl. auch BFH v. 10. 11. 1999, BStBl II 2000, 131; FG Münster v. 7. 9. 2000, EFG 2000, 1253, 1254. Kirchhof AöR 128 (2003), 1, 44; ebenso Mellinghoff Stbg 2005, 1, 5; v. Groll in: Lehner, Verluste im nationalen und Internationalen Steuerrecht, 2004, S. 23, 34. BVerfGE 84, 239, 271; 99, 88, 95; 99, 280, 290; 105, 17, 47; 105, 73, 126. FG Niedersachsen v. 11. 6. 1999, EFG 1999, 977, 980; FG Niedersachsen v. 28. 7. 2003, EFG 2003, 1467; FG Münster v. 25. 6. 2002, EFG 2003, 1481, 1482. BFH v. 10. 11. 1999, BStBl II 2000, 131, 137f; vgl. auch ÖVfGH ÖStZB 1998, 119ff.
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Verfassungsrechtliche Ausgestaltungsdirektiven
zwar bei der Auswahl des Steuergegenstandes ein weitreichender Gestaltungsspielraum zukomme, dadurch dem Gesetzgeber aber aufgegeben werde, die einmal getroffene Belastungsentscheidung i.S. der Belastungsgleichheit umzusetzen440. Zu diesen selbstgesetzten Maßstäben gehören nach Auffassung des BFH auch die Einzelheiten im Zusammenhang mit der Fixierung der Bemessungsgrundlage in §§ 2 Abs. 2 – Abs. 7 EStG441. Wenn aus der Belastungsentscheidung zur Besteuerung des Periodeneinkommens nicht auf eine bestimmte Einkommensvorstellung geschlossen werden darf, bedeutet dies, dass dem Gesetzgeber auch hinsichtlich des Einkommenszuschnitts eine Definitionskompetenz zukommt, die dann aber das weitere Begriffsverständnis folgerichtig determiniert. Bei diesen grundsätzlichen Belastungsentscheidungen ist der Gesetzgeber zwar nicht völlig frei, inhaltlich ist er insoweit aber lediglich auf das Willkürverbot verpflichtet442. Somit bewahrheiten sich grundsätzlich die Thesen des BVerfG, nach der dem Steuergesetzgeber einerseits bei der Auswahl des Steuergegenstandes ein weiter Gestaltungsspielraum zukommt443, die systematische Unterscheidung mehrerer Einkunftsarten andererseits für sich allein gesehen aber eine Ungleichbehandlung nicht rechtfertigen kann, mithin ein sachlicher Grund vorliegen muss444. Hat der Gesetzgeber aber einmal eine Belastungsentscheidung getroffen und damit dokumentiert, wie er die steuerliche Leistungsfähigkeit im Rahmen einer Einkunftsart bemessen will, ist er im weiteren Verlauf seines Handelns durch den Grundsatz der Folgerichtigkeit an diese Belastungsentscheidung gebunden und hat diese umzusetzen445. Dabei ist der Inhalt der gesetzgeberischen Belastungsentscheidungen mit Hilfe der
440 BFH v. 10. 11. 1999, BStBl II 2000, 131, 137f. 441 BFH v. 10. 11. 1999, BStBl II 2000, 131, 137f. 442 BVerfGE 84, 348, 363f; 96, 1, 6. In diesem Zusammenhang erscheint es gewiss nicht willkürlich, wenn der Gesetzgeber danach unterscheidet, dass Landwirte, Gewerbetreibende und Selbständige im Gegensatz zu den Beziehern der übrigen Einkünfte grundsätzlich ein dieser Tätigkeit gewidmetes Vermögen einsetzen und insoweit bei seiner Belastungsentscheidung auf die Entwicklung dieses Betriebsvermögens abstellt, (vgl. Gesetzesbegründung zum EStG 1925, RT-Drucks. 3/796); so auch Kruse DStJG 18 (1995), 115, 131f. Demgegenüber konnte das BVerfG (BVerfGE 105, 73, 127ff) im Hinblick auf die unterschiedliche Besteuerung von Sozialversicherungsrenten und beamtenrechtlichen Versorgungsbezügen hinreichende sachliche Gründe für eine Rechtfertigung der Ungleichbehandlung nicht erkennen. 443 Vgl. BVerfGE 21, 54, 63; 50, 57, 77; vgl. in neuerer Zeit BVerfG FR 1999, 528ff. 444 BVerfGE 84, 348, 364; 96, 1, 6; 105, 73, 126, 128. 445 BFH v. 10. 11. 1999, BStBl II 2000, 131, 137f; vgl. auch Drüen FS Kruse, 2001, S. 191, 200; Kirchhof AöR 128 (2003), 1, 44.
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Entwicklung eines Prüfungsmaßstabes zur verfassungsrechtlichen Beurteilung
einfachgesetzlichen Regelungen zu erschließen446. Die Kontrolldichte des Gleichheitssatzes geht somit mit dem gestuften Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers einher. Im Hinblick auf mögliche Durchbrechungen des durch eine Belastungsentscheidung kreierten Systems muss auch eine verfassungsrechtliche Kontrolle stets über ein Willkürverbot hinausgehen. In die hier vertretene Auffassung fügt sich insbesondere auch die oben aufgezeigte Rechtsprechung zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Ausgestaltung des subjektiven Nettoprinzips ein. Eine besondere Bindung des Steuergesetzgebers konnte das BVerfG deswegen annehmen, weil andere verfassungsrechtliche Wertungen, insbesondere die Menschenwürde und der Schutz von Ehe und Familie den gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum bei der Ausgestaltung des Leistungsfähigkeitsprinzips auf ein Mindestmaß verdichten447. Diese subjektive Komponente des Leistungsfähigkeitsprinzips soll allerdings nicht weiter interessieren, weil die hier interessierenden Fragen der verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Ausgestaltung der Bemessungsgrundlage, ausschließlich die objektive Komponente des Leistungsfähigkeitsprinzips betreffen448. d)
Zusammenfassung
Dem Gesetzgeber steht es bei der Konturierung des Steuerobjektes im Rahmen der Kreierung der Bemessungsgrundlage in den Grenzen des Willkürverbotes somit frei, ob er im quellentheoretischen Sinne lediglich an einen bestimmten wiederkehrenden Ertrag anknüpft oder aber auf die Wertentwicklung eines als Erwerbsvermögen definierten Vermögensbestandteils des Steuerpflichtigen abstellt und damit die Wertentwicklung selbst zur Grundlage der Besteuerung macht. Dabei steht es dem Gesetzgeber in den genannten Grenzen auch frei, für die steuerliche Gewinnermittlung ein Betriebsvermögen als Summe bzw. Zusammenfassung verstrickter Vermögenswerte zu definieren und dessen Wertentwicklung zur Grundlage der Besteuerung zu machen und außerhalb dieses betrieblichen Bereiches lediglich punktuell und ausschnittsweise auf die Wertentwicklung eines per definitionem festge446 In diesem Sinne sind wohl auch die Ausführungen Gassner/Langs ÖStZ 2000, 643, 644 zu verstehen, wenn diese darauf hinweisen, dass das Leistungsfähigkeitsprinzip aus den Grundsätzen des EStG abgeleitet werden muss. Nach Gassner/Lang a.a.O. „widerspricht ein Auslegungsergebnis, das gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip verstößt, in Wahrheit bestimmten Vorschriften des EStG.“ 447 Prokisch FS Vogel, 2000, S. 293, 305; Lang in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Auflage, 2002, § 4 Rn 240, 244; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band 1, 2. Auflage, 2000, S. 365ff; Wendt FS Tipke, 1995, S. 47, 51f. 448 So auch Wiesbrock, Die Verlustrückstellung im Steuer- und Verfassungsrecht, 1999, S. 101.
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Verfassungsrechtliche Ausgestaltungsdirektiven
legten privaten Erwerbsvermögens abzustellen. Im Anschluss an eine zulässige gesetzgeberische Belastungsentscheidung kann sich der von Verfassungs wegen durchzuführende Vergleich als Folge der Systemkonsequenz jedoch nur innerhalb der durch die Belastungsentscheidung auseinanderdividierten Gruppen bewegen. Anders ausgedrückt kann sich der anzulegende Differenzierungsmaßstab nur auf diejenigen Steuerpflichtigen erstrecken, die vom Regelungsgehalt der zu prüfenden Norm betroffen sind449. Bei Beurteilung der steuerlichen Lastengleichheit wird dann nicht auf eine Belastungsgleichheit zwischen verschiedenen Einkünftebeziehern abgestellt, vielmehr werden von vornherein nur die Bezieher gleichartiger Einkünfte in den Blick genommen450. In diesem Zusammenhang bestätigt sich somit die vom BVerfG vertretene These einer bereichsspezifischen Anwendung des Gleichheitssatzes451. Insofern relativiert sich in verfassungsrechtlicher Hinsicht auch die Problematik der praktischen Unmöglichkeit einer einheitlichen reinvermögenszuwachstheoretischen Erfassung von Beziehern von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit und Beziehern von Vermögenseinkünften. Gestattet man dem Gesetzgeber, das Periodeneinkommen von vornherein normativ zu konstituieren, sind grundsätzlich auch Subsysteme452 denkbar. Verfassungsrechtlich kann dies dann aber lediglich zu der Forderung führen, dass sich die innere Folgerichtigkeit auf das jeweilige Subsystem beziehen muss. Diese Betrachtung führt somit zu der bedeutsamen verfassungsrechtlichen Erkenntnis, dass die Methodik der Besteuerung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nicht zum ausschließlichen Vergleichsmaßstab erhoben werden muss. Autoren, die unter Berufung auf den Gleichheitssatz die ökonomischen Belastungswirkungen des Arbeitseinkommens auf das Sach- und Finanzvermögens übertragen wollen, muss somit entgegengehalten werden, dass ein über das Willkürverbot hinausgehender Vergleich von Einkünften 449 Wiesbrock, Die Verlustrückstellung im Steuer- und Verfassungsrecht, 1999, S. 98; Schulze-Osterloh DStJG 23 (2000), 67, 68; Schulze-Osterloh FS Friauf, 1996, S. 633, 634. 450 Schulze-Osterloh DStJG 23 (2000), 67, 68; Schulze-Osterloh FS Friauf, 1996, S. 833, 834; Kruse FS Ritter, 1997, S. 413, 422. 451 BVerfGE 82, 60, 86. 452 Dezidiert Hennrichs DStJG 24 (2001), 301, 311; vgl. auch die Überlegungen in BVerfGE 105, 73, 128ff, die im Grundsatz eine Subsystembildung im Bereich der Besteuerung von Sozialversicherungsrenten und Beamtenpensionen unter Berücksichtigung des Aspekts gestattet, dass sich ein Arbeitnehmer seine Altersversorgung selbst aus versteuertem Einkommen aufgebaut hat und sich lediglich gegen die tatsächliche Umsetzung wendet, vgl. Jakob, Einkommensteuer, 3. Auflage, 2003, Rn 426.
214
Entwicklung eines Prüfungsmaßstabes zur verfassungsrechtlichen Beurteilung
aus nichtselbständiger Arbeit mit Einkünften des Sach- und Finanzvermögen mangels Vergleichbarkeit nicht in Betracht kommt453.
III.
Exkurs: Folgerungen für das Verhältnis der Einkommensbesteuerung zu weiteren Steuerarten
Angesichts der vorstehenden Überlegungen kann auch kursorisch die Problematik angerissen werden, welche Funktion dem Leistungsfähigkeitsprinzip zukommt, wenn man gleichzeitig andere Steuerarten in den Blickpunkt rückt. Vertritt man mit einer gewichtigen Meinung die Auffassung, dass das Leistungsfähigkeit unter dem Gesichtspunkt der Verteilungsgerechtigkeit belastungsgleiche Steuerwirkungen einfordert, stellt sich die schwierige Frage, ob und inwieweit die gesetzgeberische Entscheidung für eine bestimmte Deutung des Leistungsfähigkeitsprinzips im Rahmen des Einkommensteuerrechtes (Erfassung des Periodeneinkommen), Auswirkungen auf die Berechtigung hat, andere Steuern neben der Einkommensteuer zu erheben, die auf anderen Systemgrundlagen basieren454. Setzt man sich ein System mit belastungsgleichen Steuerwirkungen zum Ziel, muss nach den obigen Ausführungen beachtet werden, dass belastungsgleiche Steuerwirkungen nur auf zwei grundlegend verschiedene Arten erreicht werden können (Erfassung der Konsumleistungsfähigkeit in ihrem periodischen Entstehen oder konsumorientierte Einkommensteuer), die sich schon im Ausgangspunkt unterscheiden und die jeweils eigene Indikatoren bevorzugen. Konsequenterweise müsste man sich daher auf den Standpunkt stellen, dass sich der Gesetzgeber mit der Entscheidung für die Erfassung des Periodeneinkommens für das gesamte Steuerrecht verbindlich auf eine bestimmte Vorstellung von Leistungsfähigkeit festgelegt hat. Dies hätte zur Folge, dass sich auch Steuern auf den Vermögensbestand sowie auf die Vermögensverwendung an diesem Begriff von Leistungsfähigkeit messen lassen müssten. Ein entsprechendes Verständnis wird, auf den Bereich der Besteuerung des Vermögens beschränkt, insbesondere im Vermögensteuerbeschluss des BVerfG455 angedeutet. Das BVerfG führt im Anschluss an einen Teil der Literatur456 aus, dass eine Vermögensteuer nur so bemessen werden dürfe, dass sie in ihrem 453 Im Ergebnis ebenso Uelner in: IFSt-Schrift Nr. 369, Zum geplanten Verbot der Teilwertabschreibung, 1999, S. 18; Hennrichs DStJG 24 (2001), 301, 311. 454 Niehus DStZ 2000, 697, 700 FN 42 deutet diese Fragestellung ohne Lösungsvorschlag an. 455 BVerfGE 93, 121ff. 456 Vgl. nur Kirchhof in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 2 Rn A 181.
215
Verfassungsrechtliche Ausgestaltungsdirektiven
Zusammenwirken mit den sonstigen Steuerbelastungen die Substanz des Vermögens, den Vermögensstamm, unberührt lässt und aus den üblicherweise zu erwartenden, möglichen Erträgen (Sollerträgen) bezahlt werden kann457. Wenn man auf Erträge, wenn auch auf Sollerträge, rekurriert, bedeutet dies nichts anderes, als dass ein selbständiger Leistungsfähigkeitsindikator „Vermögen“ im Hinblick auf die einkommenstheoretische Deutung des Leistungsfähigkeitsprinzips von der Entstehungsseite negiert wird. In der Konsequenz geht diese Auffassung aber natürlich nicht soweit, wie diejenigen Meinungen, die sogar eine gänzliche Berechtigung der Vermögenssteuer verneinen458. Problematisch erscheint vor dem Hintergrund einer festgelegten Interpretation des Leistungsfähigkeitsprinzips vor allem die Rechtfertigung von Steuern, deren zeitlicher Anknüpfungspunkt in der Vermögensverwendung liegt. Eine Sichtweise, die ausschließlich auf einem vom Periodeneinkommen entwickelten Verständnis von Leistungsfähigkeit basiert, würde den Schluss nahe legen, Steuern auf die Vermögensverwendung könnten unter dem Gesichtspunkt des Leistungsfähigkeitsprinzips überhaupt nicht gerechtfertigt werden459, sondern lediglich im Bereich der Lenkungsnormen Berechtigung haben460. Eine solche Deutung muss man auch dann bevorzugen, wenn man betont, dass der verfassungsrechtliche Anspruch auf die Steuerfreiheit des existentiell notwendigen Bedarfs vornehmlich in Bezug auf die oben her457 Gegen diese Interpretation der Vermögensteuer dezidiert Böckenförde BVerfGE 93, 149ff, der grundsätzlich an der Fundustheorie und damit an der herkömmlichen Interpretation der Vermögensteuer festhält. Damit bringt er gleichsam zum Ausdruck, dass der einkommensteuerrechtliche Leistungsfähigkeitsbegriff seiner Ansicht nach nicht als Prüfungsmaßstab auf andere Steuertypen übertragen werden darf. Art 106 GG zeigt demnach, dass die dort genannten Steuerarten verfassungsrechtlich erlaubt sind. 458 Tipke, Die Steuerrechtsordnung Band 2, 2. Auflage, 2003, S. 951f; Schneider in: Smekal/Sendlhofer/Winner, Einkommen versus Konsum, 1999, S. 1, 10. 459 BFH v. 26. 6. 1984, BFHE 141, 369, 382; Drüen in: Tipke/Kruse, AO, § 3 Rn 50a; Rüfner in: Bonner Kommentar, GG, Art 3 Abs. 1 Rn 199; vgl. demgegenüber den Versuch Langs FS Kruse, 2001, S. 313, 329f einer Einbindung der Verbrauchssteuern in ein System eines am Lebenseinkommen orientierten Leistungsfähigkeitsverständnisses. 460 In diesem Zusammenhang wird stets darauf hingewiesen, dass die Nutzungs- und Verfügungsfreiheit Ausfluss der Eigentumsfreiheit sei. Die Verfügungsentscheidung des einzelnen dürfe aus sich heraus keine Auswirkungen auf die steuerliche Belastung haben und könne höchstens Anknüpfungspunkt für eine lenkende Besteuerung sein; vgl. Kraft, Steuergerechtigkeit und Gewinnermittlung, 1991, S. 39; Frenz StuW 1997, 116, 127; Hackmann in: Hansemeyer, Staatsfinanzierung im Wandel, 1983, S. 661, 665, 667.
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Entwicklung eines Prüfungsmaßstabes zur verfassungsrechtlichen Beurteilung
ausgearbeitete Vorstellung des Einkommensteuerrechts entwickelt wurde, während eine indirekte Besteuerung grundsätzlich nicht nach der Existenznotwendigkeit des Konsums differenziert461. Eine stärkere Gewichtung einer indirekten Besteuerung, welche sich an dem nutzentheoretischen Indikator Konsum orientiert, könnte also dazu führen, dass der verfassungsrechtlich gewährte Anspruch unterlaufen wird462. Gewichtiger erscheint jedoch, dass eine Kumulation verschiedener Steuerarten unter Zugrundelegung unterschiedlicher Leistungsfähigkeitsverständnisse zwangsläufig dazu führt, dass belastungsgleiche Steuerwirkungen nicht mehr erzielt werden können. In Konflikt gerät man bei dieser Interpretation jedoch mit den Art 106ff GG der Finanzverfassung, die die traditionellen Steuern zwischen Bund und Ländern verteilen. Wenn man aber bedenkt, dass die tradierte Deutung der Begriffe verhindern kann, dass die Sicht der Dinge durch neuere Gerechtigkeitserwägungen korrigiert wird, wird verständlich, dass sich insbesondere Tipke463 dafür einsetzt, dass die Steuertypen der Finanzverfassung durch das Leistungsfähigkeitsprinzip überlagert werden464. Andererseits kann man sich mit der im Schrifttum wohl überwiegend465 vertretenen Auffassung auf den Standpunkt stellen, dass die Nennung der verschiedenen Steuertypen in der Finanzverfassung, die ursprünglich in ihrer historisch gewachsenen, herkömmlichen Bedeutung aufgenommen wur461 Auf diesem Gesichtspunkt basierte auch die im 19. Jahrhundert formulierte sozialistische Kritik an einer indirekten Besteuerung. 462 Die Problematik wird freilich auch von den Autoren gesehen, die eine indirekte Besteuerung durch einen „Systemwechsel“ auf eine nutzentheoretische Interpretation des Leistungsfähigkeitsprinzips rechtfertigen. Um die Umsatzsteuerfreiheit des existentiell notwendigen Bedarfs sicherzustellen, wird insbesondere die Idee von Steuervergütungen an den Verbraucher erwogen, vgl. Lang StuW 1990, 107, 126. 463 Vgl. den Streit zwischen Tipke BB 1994, 437, 438ff; Tipke DÖV 1995, 1027ff und Vogel JZ 1993, 1125ff; Vogel FS Tipke 1995, S. 93ff über das Verhältnis des Leistungsfähigkeitsprinzips zu den Steuertypen der Finanzverfassung. Nach Lang in: Tipke/Lang, 17. Auflage, 2002, § 3 Rn 6 kann aus der Erwähnung der Vermögensteuer in Art 106 Abs. 2 Nr. 2 GG kein verfassungsrechtlicher Bestandsschutz hergeleitet werden, wenn neue Erkenntnisse die Unvereinbarkeit einer Steuer mit den Grundrechten begründen. Entsprechendes dürfte für die Umsatzsteuer gelten. 464 Lang in: Tipke/Lang, 17. Auflage, 2002, § 4 Rn 101. Anzumerken ist hier jedoch, dass Tipke BB 1994, 437, 440 seinerseits von der Möglichkeit einer Einkommensverwendungssteuer ausgeht. Er erläutert die grundsätzliche Problematik anhand der Grundsteuer, den Verkehrssteuern und den besonderen Verbrauchssteuern, vgl. auch Tipke StuW 1994, 58ff, Tipke FS Kriele, 1997, 947, 953f 465 Vogel JZ 1993, 1125ff; Vogel FS Tipke, 1995, S. 93ff; Matussek, Zum Werbungskostenbegriff im Einkommensteuerrecht, 2000, S. 54; Seer StbJb 2000/2001, 15, 21; Drüen FS Kruse, 2001, S. 191, 201f.
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Verfassungsrechtliche Ausgestaltungsdirektiven
den466, die Möglichkeit einer in diesem Sinne ausgestalteten Belastungsentscheidung des Steuergesetzgebers selbst voraussetzt oder zumindest toleriert467. Dieser Standpunkt lässt sich zudem mit der auch hier vertretenen Sichtweise der Bedeutung des Leistungsfähigkeitsprinzips in Übereinstimmung bringen. Verlässt man nach dem oben Gesagten die Prämisse, dass die Verfassung belastungsgleiche Steuerwirkungen einfordert, kann man den Gleichheitssatz auf den Binnenbereich einer Steuer begrenzen, indem man an die spezifischen gesetzgeberischen Belastungsentscheidungen anknüpft. Daher können unterschiedliche Gesichtspunkte kombiniert werden, etwa in der Art, dass für jede spezifische Steuerart zwar eine bestimmte Vorstellung von Leistungsfähigkeit entwickelt werden muss, die maßgeblichen Vorstellungen wiederum aber unterschiedlichen Grundkonzepten entspringen können468. Leistungsfähigkeit ist somit überhaupt nur relativ bezogen auf die jeweils in Rede stehende Steuer interpretierbar und hat daher lediglich eine Binnenwirkung469. Weitergehend können sogar innerhalb einer Steuer einzelne Subsysteme etabliert werden. Die maßgeblichen Indikatoren können ohne Entscheidung für eine bestimmte Sichtweise verschiedenen theoretischen Grundmodellen entnommen werden. Insofern können insbesondere auch die indirekten Steuern als Ausdruck einer eigenständigen, wenn auch nicht am traditionellen Verständnis der Entstehung von Konsumpotential ausgerichteten Sichtweise interpretiert werden470. Auch in diesen Zusammenhang lässt sich insoweit die immer wieder vom BVerfG471 wiederholte Wendung einordnen, der Gesetzgeber habe bei der Erschließung von Steuerquellen weitgehende Gestaltungsfreiheit. Die Freiheit bei der Auswahl der einzuführenden Steuern setzt die Freiheit bei der Wahl der Indikatoren von Leistungsfähigkeit voraus. Von diesem Standpunkt aus determiniert erst die in der Grundentscheidung getroffene Begriffsbestimmung von Leistungsfähigkeit über den Gedanken der Systemkonsequenz und Folgerichtigkeit die Anforderungen, die das Leis466 BVerfGE 7, 244, 252; Vogel DStJG 12 (1989), 123, 142. 467 BVerfGE 93, 121, 136. Dies muss andererseits aber nicht heißen, dass der materielle Inhalt der in der Finanzverfassung genannten Steuertypen zwangsläufig in dem historischen Kontext verstanden werden muss, vgl. Seer StbJb 2000/2001, 15, 21. 468 Drüen FS Kruse, 2001, S. 191, 201f. 469 Es sei an dieser Stelle nur kurz darauf hingewiesen, dass ein Nebeneinander der Indikatoren Einkommen und Konsum, die ihrerseits wiederum Ausdruck verschiedener Grundvorstellungen sind, zu einer Belastung führen kann, die auf Basis der Lastentragfähigkeitskonzeption oder des Nutzenkonzeptes allein nicht zu erzielen wäre. 470 Kirchhof in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 2 Rn A 196; Reiß in: Tipke/Lang, 17. Auflage, 2002, § 14 Rn 1; Bach StuW 1991, 116, 128. 471 BVerfGE 13, 181, 203f; 65, 325, 354; 81, 108, 117.
218
Das objektive Nettoprinzip
tungsfähigkeitsprinzip an die weitere Ausgestaltung des Steuertatbestandes stellt472.
B.
Das objektive Nettoprinzip
Die Feststellung, dass der Gesetzgeber von Verfassungs wegen letztlich eine in den aufgezeigten Grenzen beliebige473 Belastungsentscheidung treffen kann, sagt für sich gesehen wenig aus und muss, um eine verfassungsrechtlich vorgeformte Struktur der Bemessungsgrundlage überprüfen zu können, um eine weitere Fragestellung ergänzt werden. Die Aufgabe des Gesetzgebers einen Ausschnitt der Leistungsfähigkeit zu bestimmen, der steuerlich belastet werden soll, wirft die Frage auf, ob der Gesetzgeber bei dieser Belastungsentscheidung lediglich an Einnahmen oder Erträge anknüpfen kann oder ob Erwerbsaufgaben zum Abzug zugelassen werden müssen. Im zweiten Falle wäre die Einkommensteuer von vornherein auf das Reineinkommen des Steuerpflichtigen bezogen474. Den Grundsatz, dass nicht die Erwerbseinnahmen besteuert werden, sondern nur die um die Erwerbseinkünfte geminderten Einnahmen bezeichnet man als objektives Nettoprinzip475.
I.
Das objektive Nettoprinzip in der Rechtsprechung des BVerfG
Inwieweit diesem Grundsatz Verfassungsrang zukommt, ist in der Rechtsprechung des BVerfG bis heute nicht geklärt476. Das BVerfG477 hat zunächst abgelehnt, das objektive Nettoprinzip als Sachgesetzlichkeit der Einkommensteuer anzuerkennen. Eine Grenze der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit sah das Gericht lediglich darin, dass die Grundstruktur der Einkommen- und Körperschaftsteuer als einer Steuer, die auf einem von einem 472 Eckhoff, Rechtsanwendungsgleichheit im Steuerrecht, 1999, S. 158. 473 Der Beliebigkeit wird aber eine rein praktische Grenze durch den immensen Finanzbedarf des Staates gesetzt. Diese Tatsache führt dazu, dass letztlich ein Großteil der finanziellen Leistungsfähigkeit steuerlich erfasst wird. 474 Schön StuW 1995, 366, 368. 475 Tipke StuW 1974, 84; Kirchhof in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 2 Rn A 127; Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, 2000, S. 11; Klein DStZ 1995, 630; Wendt DÖV 1988, 710, 719; Knepper FG Haas, 1996, S. 201; Seeger in: Schmidt, EStG, 24. Auflage, 2005, § 2 Rn 10. 476 Vgl. Wiesbrock, Die Verlustrückstellung im Steuer- und Verfassungsrecht, 1999, S. 113; Schulze-Osterloh in: Sachs, Grundgesetz, 3. Auflage, 2002, Art 3 Abs. 1 GG Rn 161; Schön StuW 1995, 366, 368; Schön FR 2001, 381, 382f. 477 BVerfGE 34, 103, 117.
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Das objektive Nettoprinzip
tungsfähigkeitsprinzip an die weitere Ausgestaltung des Steuertatbestandes stellt472.
B.
Das objektive Nettoprinzip
Die Feststellung, dass der Gesetzgeber von Verfassungs wegen letztlich eine in den aufgezeigten Grenzen beliebige473 Belastungsentscheidung treffen kann, sagt für sich gesehen wenig aus und muss, um eine verfassungsrechtlich vorgeformte Struktur der Bemessungsgrundlage überprüfen zu können, um eine weitere Fragestellung ergänzt werden. Die Aufgabe des Gesetzgebers einen Ausschnitt der Leistungsfähigkeit zu bestimmen, der steuerlich belastet werden soll, wirft die Frage auf, ob der Gesetzgeber bei dieser Belastungsentscheidung lediglich an Einnahmen oder Erträge anknüpfen kann oder ob Erwerbsaufgaben zum Abzug zugelassen werden müssen. Im zweiten Falle wäre die Einkommensteuer von vornherein auf das Reineinkommen des Steuerpflichtigen bezogen474. Den Grundsatz, dass nicht die Erwerbseinnahmen besteuert werden, sondern nur die um die Erwerbseinkünfte geminderten Einnahmen bezeichnet man als objektives Nettoprinzip475.
I.
Das objektive Nettoprinzip in der Rechtsprechung des BVerfG
Inwieweit diesem Grundsatz Verfassungsrang zukommt, ist in der Rechtsprechung des BVerfG bis heute nicht geklärt476. Das BVerfG477 hat zunächst abgelehnt, das objektive Nettoprinzip als Sachgesetzlichkeit der Einkommensteuer anzuerkennen. Eine Grenze der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit sah das Gericht lediglich darin, dass die Grundstruktur der Einkommen- und Körperschaftsteuer als einer Steuer, die auf einem von einem 472 Eckhoff, Rechtsanwendungsgleichheit im Steuerrecht, 1999, S. 158. 473 Der Beliebigkeit wird aber eine rein praktische Grenze durch den immensen Finanzbedarf des Staates gesetzt. Diese Tatsache führt dazu, dass letztlich ein Großteil der finanziellen Leistungsfähigkeit steuerlich erfasst wird. 474 Schön StuW 1995, 366, 368. 475 Tipke StuW 1974, 84; Kirchhof in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 2 Rn A 127; Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, 2000, S. 11; Klein DStZ 1995, 630; Wendt DÖV 1988, 710, 719; Knepper FG Haas, 1996, S. 201; Seeger in: Schmidt, EStG, 24. Auflage, 2005, § 2 Rn 10. 476 Vgl. Wiesbrock, Die Verlustrückstellung im Steuer- und Verfassungsrecht, 1999, S. 113; Schulze-Osterloh in: Sachs, Grundgesetz, 3. Auflage, 2002, Art 3 Abs. 1 GG Rn 161; Schön StuW 1995, 366, 368; Schön FR 2001, 381, 382f. 477 BVerfGE 34, 103, 117.
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Verfassungsrechtliche Ausgestaltungsdirektiven
Steuersubjekt bezogenen Gewinn bezogen ist, nicht verändert werden dürfe478. Aussagen über den Umfang des gebotenen Abzuges lassen sich dem jedoch nicht entnehmen. In späteren Urteilen lässt das BVerfG479 diese Frage ausdrücklich offen, fügt dem aber hinzu, dass der Gesetzgeber selbst für den Fall einer verfassungsrechtlichen Geltung des Nettoprinzips, von diesem abweichen könne, wenn er hierfür sachlich einleuchtende Gründe hätte. Demgegenüber wird in neueren Entscheidungen480 die Bedeutung des objektiven Nettoprinzips hervorgehoben, eine Äußerung zum Verfassungsrang aber vermieden. Eine verfassungsgerichtliche Klärung der Bedeutung des objektiven Nettoprinzips ist durch den Vorlagebeschluss des BFH481 wegen der Verfassungswidrigkeit der Beschränkung von Jubiläumsrückstellungen zu erhoffen. Eine verfassungsrechtliche Geltung des objektiven Nettoprinzips würde diesen Grundsatz zwangsläufig zu einer Rahmenbedingung für die Ausgestaltung der Bemessungsgrundlage machen.
II.
Der Meinungsstand in der Literatur
Die Literatur bietet hinsichtlich der Beurteilung dieser Frage kein einheitliches Bild. Teilweise482 wird in Anlehnung an die frühe verfassungsgerichtliche Rechtsprechung die Ansicht vertreten, dass es dem Gesetzgeber frei stehe, welche Vermögenszuwächse er als Einkommen besteuert und welche Abzüge er zulässt. Diametral entgegengesetzt dazu steht die wohl überwiegende Auffassung in der Literatur. Im Rahmen der Diskussion um eine Typisierung des Erwerbsaufwandes hat beispielsweise der 57. DJT die Meinung vertreten, dass das Nettoprinzip zu den identitätskonstituierenden Merkmalen der Einkommensteuer gehöre und als solches nicht zur Disposition des Gesetzgebers stehe483.
III.
Die grundsätzliche Berechtigung des objektiven Nettoprinzips
Im Hinblick auf die unterschiedlichen Auffassungen in Rechtsprechung und Literatur muss nachfolgend der Frage nachgegangen werden, inwieweit das objektive Nettoprinzip zu den identitätskonturierenden Merkmalen der Ein478 479 480 481 482 483
220
BVerfGE 34, 103, 118. BVerfGE 81, 228, 236f; vgl. auch BVerfGE 27, 57, 65. BVerfGE 99, 88, 96f; 99, 280, 290f. BFH v. 10. 11. 1999, BStBl II 2000, 131, 137f. Maunz in: Maunz/Dürig/Herzog, GG, Art 105 Rn 48. Isensee, Verhandlungen des 57. DJT (1988), Sitzungsberichte, N 214, N 46ff; vgl. auch Lang/Englisch StuW 2005, 3, 6; Elicker StuW 2002, 217, 220.
Das objektive Nettoprinzip
kommensteuer gehört. Unklar ist ferner auch, in welchem Umfang Abzüge zugelassen werden müssen. Nachfolgend sollen daher zunächst die Argumentationen nachvollzogen werden, die bislang für die verfassungsrechtliche Notwendigkeit einer Nettobesteuerung gegeben wurden. Unter Berücksichtigung dieser Erkenntnisse, soll anschließend versucht werden, eine Antwort auf die Frage nach dem verfassungsrechtlich gebotenen Umfang des Abzuges der Erwerbsaufwendungen zu finden. 1.
Ableitung des objektiven Nettoprinzips aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip
Ein Großteil der Literatur argumentiert auf Basis des Leistungsfähigkeitsprinzips dahingehend, dass eine Steuer nur dann zugreifen darf, wenn und soweit wirtschaftliche Leistungsfähigkeit vorhanden ist484. Daraus folge, dass eine Besteuerung nicht an Bruttoeinnahmen anknüpfen darf, da erst die Reineinkünfte eine zutreffende objektive wirtschaftliche Leistungsfähigkeit indizieren485. Insofern erfordere das Leistungsfähigkeitsprinzip, dass alle erwerbssichernden Aufwendungen zum Abzug zuzulassen sind. Diese Auffassung liegt auch der neueren Rechtsprechung des BFH zugrunde. Der BFH betont im Vorlagebeschluss über die Verfassungswidrigkeit der Beschränkung der Jubiläumsrückstellungen486, dass „in der zuvor beschriebenen Einwirkung auf die Steuerfestsetzung (...) zugleich eine Verletzung des dem Grundschema der Einkommensbesteuerung in § 2 EStG zugrundeliegenden Nettoprinzips“ zu sehen sei, „demzufolge nur das Nettoeinkommen (Erwerbseinnahmen abzüglich der Erwerbsaufwendungen und der existenzsichernden Aufwendungen) besteuert wird und damit ein Verstoß gegen das hierdurch garantierte Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit“ vorliege. Auch im Beschluss über die sog. Mindestbe-
484 Tipke StuW 1980, 1, 3; Birk StuW 2000, 328, 331f; Haarmann Stbg 2001, 145, 146. 485 Müller-Franken StuW 1997, 3, 16; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band 2, 2. Auflage, 2003, S. 762ff; Vogel NJW 1974, 2105; Lang: in Tipke/Lang, 17. Auflage, 2002, § 9 Rn 42; Handzik in: Littmann/Bitz/Pust, EStG, § 2 Rn 16; Weber-Grellet, Steuern im modernen Verfassungsstaat, 2001, S. 176; Haarmann Stbg 2001, 145, 146; Matussek, Zum Werbungskostenbegriff im Einkommensteuerrecht, 2000, S. 70; Lehner in: Lehner, Verluste im nationalen und Internationalen Steuerrecht, 2004, S. 1f; vgl. auch Schön FR 2001, 381, 382; Lang/Englisch StuW 2005, 1, 5; Elicker StuW 2002, 217, 220. Lehner in: Lehner, Verluste im nationalen und Internationalen Steuerrecht, 2004, S. 1, 7ff ergänzt die gleichheitsrechtliche Komponente allerdings um eine freiheitsrechtliche Ableitung des objektiven Nettoprinzips aus Art 14 GG. 486 BFH v. 10. 11. 1999, BStBl II 2000, 131, 137f.
221
Verfassungsrechtliche Ausgestaltungsdirektiven
steuerung sieht der BFH487 das Nettoprinzip als eine unmittelbare Ausprägung des Leistungsfähigkeitsprinzips an. Die Ableitung des objektiven Nettoprinzips aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip hat jedoch Kritik erfahren488. Ein Großteil der Bedenken, die sich gegen die Ableitung des objektiven Nettoprinzips aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip richten, wenden sich dabei jedoch nicht gegen den Gedanken der Nettobesteuerung an sich, sondern vielmehr gegen die Konsequenzen, die aus dieser Ableitung gezogen werden489. Die Bedenken tragen jedoch nicht, wenn man sich an dieser Stelle auf die Feststellung beschränkt, dass das objektive Nettoprinzip als Ausfluss des Leistungsfähigkeitsprinzip lediglich als identitätskonturierendes Element der Einkommensbesteuerung vorgegeben ist. Diese Leitlinie dürfte, worauf Schön490 hingewiesen hat, grundsätzlich auch mit der neueren Rechtsprechung des BVerfG harmonierbar sein. Selbst wenn man sich, wie es das BVerfG teilweise getan hat, auf den Standpunkt stellt, dass das objektive Nettoprinzip nicht unmittelbar aus der Verfassung zu folgern ist, sondern lediglich aus einer positivistischen Entscheidung des Gesetzgebers, muss nunmehr jedoch berücksichtigt werden, dass das BVerfG nach neuerer Rechtsprechung den Gesetzgeber vor allem im Steuerrecht auf eine folgerichtige Durchführung der selbst gewählten Leitlinien verpflichtet491. Diese Auffassung wird ferner durch eine weitere Ableitungsmöglichkeit des objektiven Nettoprinzips gestützt. 2.
Ableitung des objektiven Nettoprinzips aus dem Typus der Einkommensteuer (sog. finanzverfassungsrechtliche Begründung)
Neuere Stellungnahmen492 knüpfen bei ihrer Betrachtung an den finanzverfassungsrechtlichen Typus der Einkommensteuer an. Ausgangspunkt dieser Auffassung ist, dass das Grundgesetz die Einkommen- und die Körperschaftsteuer erwähnt, ohne sie jedoch zu definieren. Im historischen Kontext gesehen kann dies aber nur bedeuten, dass der Grundgesetzgeber im Jahre 487 BFH v. 9. 5. 2001, BStBl II 2001, 552, 553; so auch FG Berlin v. 4. 3. 2002; EFG 2002, 597, 598; FG Münster v. 7. 9. 2000, EFG 2000, 1253, 1254. 488 Kruse FS Ritter, 1997, 413, 416ff. 489 Kruse FS Ritter, 1997, 413, 417ff. 490 Schön FR 2001, 381, 383; zustimmend Lang/Englisch StuW 2005, 3, 6. 491 Vgl. Kirchhof StuW 2000, 316, 323f; Schön FR 2001, 381, 383; Lang/Englisch StuW 2005, 3, 6; vgl. auch Lehner in: Lehner, Verluste im nationalen und Internationalen Steuerrecht, 2004, S. 1, 3; Desens, Das Halbeinkünfteverfahren, 2004, S. 356. 492 Schön StuW 1995, 366, 368; Schön FR 2001, 381, 382; Schulze-Osterloh DStJG 23 (2000), 67, 69f; Schulze-Osterloh DStJG 23 (2000), 173.
222
Das objektive Nettoprinzip
1949 das Einkommensverständnis der preußischen und Weimarer Steuergesetzgebung rezipiert493 und damit an die Wesensmerkmale494 der Gesetze des Jahres 1934 angeknüpft hat. Die amtliche Begründung zum Einkommensteuergesetz 1934495 belegt jedoch, dass sowohl die Einkommensteuer als auch die Körperschaftsteuer nicht allein auf Einnahmen oder Erträge abgestellt haben, sondern stets auf eine Nettogröße, die als Differenz von Einnahmen und Ausgaben verstanden wurde. Konsequenterweise kann damit im historischen Kontext auch die Bedeutung des Reineinkommens als steuerliche Maßgröße hervorgehoben werden496. Dieses traditionelle Begriffsverständnis impliziert demnach, dass das objektive Nettoprinzip zum elementaren Bestand des finanzverfassungsrechtlichen Typus der Einkommensteuer gehört. Entgegen der Auffassung des BVerfG bleibt somit festzuhalten, dass das objektive Nettoprinzip als solches nicht zur Disposition des Gesetzgebers steht. Somit hat der Gesetzgeber den Abzug der Erwerbsaufwendungen sicherzustellen. 3.
Der Umfang des verfassungsrechtlich gebotenen Abzuges der Erwerbsaufwendungen
Unsicherheiten bestehen jedoch im Hinblick auf die Frage, welche tatsächlichen Aufwendungen dem verfassungsrechtlich gebotenen Abzug der Erwerbsaufwendungen zuzuordnen sind. Aufgrund der Zweifel im Hinblick auf die grundsätzliche Anerkennung des objektiven Nettoprinzips wurden in der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung bislang keine brauchbaren Kriterien entwickelt. Festzustellen ist zudem, dass die finanzverfassungsrechtliche Begründung des objektiven Nettoprinzips nicht darauf zielt, Aussagen über den Umfang des durch das objektive Nettoprinzip gebotenen Abzuges der Erwerbsausgaben zu treffen497. Die erforderlichen Wertungen sind daher anderen Prinzipien zu entnehmen. 493 Vgl. Schön StuW 1995, 366, 368; Vogel in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts IV, 1990, § 87 Rn 55. 494 Dieses Anknüpfen bedeutet, dass nicht die Einzelheiten der Gesetze von 1934 zu dem verfassungsrechtlichen Typus der jeweiligen im GG genannten Steuer gehören, wohl aber die Wesensmerkmale, vgl. Vogel/Waldhoff in: Bonner Kommentar, GG, Vorb. Art 104a - 115 Rn 579. 495 RStBl. 1935, 33, 34. 496 Schulze-Osterloh DStJG 23 (2000), 67, 69. 497 Schön StuW 1995, 366, 369; vgl. auch Schulze-Osterloh DStJG 23 (2000), 173. Die Aussage, dass das objektive Nettoprinzip identitätskonstituierendes Element sei, die nähere Ausgestaltung jedoch dem einfachen Gesetzgeber obliege, rückt das objektive Nettoprinzip in die Nähe einer Institutsgarantie. Jedenfalls wäre eine Einkommensteuer, die nur an Roheinnahmen anknüpft unzulässig.
223
Verfassungsrechtliche Ausgestaltungsdirektiven
a)
Ableitung des Umfangs der abzugsfähigen Erwerbsaufwendungen aus Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten
Diejenigen, die sich zur Begründung des objektiven Nettoprinzips auf das Leistungsfähigkeitsprinzip beziehen, versuchen auch den Umfang der steuerlich zu berücksichtigenden Erwerbsaufwendungen mit Hilfe des Leistungsfähigkeitsprinzips zu bestimmen498. Als besonders unbefriedigend wird traditionell empfunden, dass eine unterschiedliche Berücksichtigung von Aufwendungen bei Werbungskosten und Betriebsausgaben konzeptionell daraus resultiert, dass die Veräußerung nebst Veräußerungskosten und die Wertminderung von Wirtschaftsgütern und der Untergang von nicht abnutzbaren Gütern des Anlagevermögens bei den Gewinneinkünften erfasst werden, bei den Überschusseinkünften hingegen nicht, wenn man von den Spekulationsgeschäften nach § 23 EStG absieht499. Im Zentrum der Überlegungen steht somit zumeist die Frage, ob im Hinblick auf das Leistungsfähigkeitsprinzip Vermögensverluste auch außerhalb der betrieblichen Einkünfte im Rahmen der Überschusseinkünfte als Werbungskosten zu erfassen sind500. Das Problem wird meist im Hinblick auf die Frage nach der Existenz eines Überschussvermögens diskutiert501 und kann keinesfalls als geklärt angesehen werden. Unter Anknüpfung an die Kritik zum Dualismus der Einkunftsarten wird angeführt, dass das bei den Überschusseinkunftsarten eingesetzte Vermögen aus Gründen der Gleichbehandlung (Art 3 Abs. 1 GG)
498 Vgl. Prinz in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 9 EStG Rn 187. 499 V. Bornhaupt DStJG 3 (1980), 149, 166. 500 Gerade in letzter Zeit wird der Grundsatz der Unbeachtlichkeit der Vermögenssphäre im Rahmen der Überschusseinkünfte bei der Bestimmung des Werbungskostenbegriffs zunehmend ganz oder teilweise in Zweifel gezogen, vgl. Alt StuW 1994, 138, 152; Krüger, Führen Werbungskosten zu Überschusserzielungsvermögen, 1995, S. 218; in Ansätzen auch Prinz in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 9 EStG Rn 186; Thürmer in: Blümich, EStG, § 9 EStG Rn 136. Im Rahmen der Diskussion ist dabei wiederum zwischen einer einfachgesetzlichen und einer verfassungsrechtlichen Ebene zu unterscheiden. Auf einfachgesetzlicher Ebene wird versucht, den anerkanntermaßen zu engen Begriff der Werbungskosten (vgl. v. Bornhaupt DStJG 3 (1980), 149, 176ff) durch eine dem § 4 Abs. 4 EStG entnommene kausale Interpretation zu erweitern. Diese kausale Deutung hat in der Rechtsprechung des BFH partiell dazu geführt, dass auch im Rahmen der Überschusseinkünfte Vermögensverluste als Werbungskosten geltend gemacht werden können (vgl. BFH v. 28. 11. 1977, BFHE 124, 43, 49; BFH v. 4. 7. 1990, BStBl II 1990, 830; BFH v. 31. 2. 1992, BStBl II 1992, 805). 501 Alt, Das Überschussvermögen im Einkommensteuerrecht, 1994; Alt StuW 1994, 138, 147.
224
Das objektive Nettoprinzip
genauso behandelt werden muss, wie das Betriebsvermögen502. Insofern widerspreche es der Steuergerechtigkeit, wenn sich der Umfang der betrieblichen (§ 4 Abs. 4 EStG) und nichtbetrieblichen (§ 9 Abs. 1 S. 1 EStG) Erwerbsaufwendungen nach unterschiedlichen Regeln bestimmt. Parallel zum oben dargestellten Versuch, den Umfang der steuerlich zu erfassenden Erträge mit Hilfe einer reinvermögenszuwachstheoretischen Betrachtung zu bestimmen, kann ein solcher Ansatz im Extremfall dazu führen, dass aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip hergeleitet wird, dass der Umfang aller abzugsfähigen Ausgaben einheitlich einer reinvermögenszugangstheoretischen Sichtweise zu entnehmen ist. Dies hätte zur Folge, dass jegliche Vermögensverluste des Steuerpflichtigen, den abzugsfähigen Ausgaben zuzuordnen wären, da sämtliche Vermögensverluste nach einer reinvermögenszuwachstheoretischen Betrachtung die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit schmälern. Wenn man somit, wie das Leistungsfähigkeitsprinzip in einer umfänglichen Interpretation dies nahezulegen scheint, somit davon ausgeht, dass auch Vermögensverluste im Bereich der Überschusseinkünfte die finanzielle Leistungsfähigkeit mindern, führt das allerdings zu dem Ergebnis, dass entgegen der gesetzgeberischen Intention, die Vermögenswertkomponente in die steuerliche Bemessungsgrundlage einfließt und zwar auf der Aufwandseite503. Genauso wenig wie der Gesetzgeber dazu verpflichtet werden kann, jegliche reinvermögenszuwachstheoretisch begründbare Mehrung wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit zu besteuern, kann der Gesetzgeber aber dazu verpflichtet werden, jede reinvermögenszuwachstheoretisch begründbare Minderung wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit zum Abzug zuzulassen504. Der Gesetzgeber ist von Verfassungs wegen nicht auf eine reinvermögenszuwachstheoretische Leistungsfähigkeitsvorstellung festgelegt. Insofern wird der Umfang der steuerlich zu berücksichtigenden Erwerbsaufwendungen, ebenso wie der Umfang der steuerpflichtigen Erträge, verfassungsrechtlich nicht vorgegeben. Nachzuprüfen bleibt jedoch auch hier, inwieweit der gesetzgeberische Gestaltungsspielraum durch die Grundsätze der Systemgerechtigkeit und Folgerichtigkeit eingeschränkt ist.
502 Alt StuW 1994, 138, 147. Bezuggenommen wird insoweit wiederum auf das Ziel einer Belastungsgleichheit. Alt nimmt allerdings eine Einschränkung dahingehend vor, dass dies nur dann gelte, wenn das Überschussvermögen gleiche Funktionen bei der Einkünfteerzielung hat. Er definiert somit ein beschränkt steuerverhaftetes Betriebsvermögen. 503 Matussek, Zum Werbungskostenbegriff im Einkommensteuerrecht, 2000, S. 123, 125. 504 So im Ergebnis auch Kruse FS Ritter, 1997, 413, 421.
225
Verfassungsrechtliche Ausgestaltungsdirektiven
b)
Ableitung des Umfangs des abzugsfähigen Aufwandes aus dem Gebot der Folgerichtigkeit und Systemkonsequenz (Symmetrieprinzip)
Die grundsätzliche Freiheit des Gesetzgebers, eine Belastungsentscheidung dahingehend zu treffen, welchen Ausschnitt der Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen er einkommensteuerlich erfassen will, kann im Hinblick auf die Bestimmung des Umfang des verfassungsrechtlich gebotenen Abzuges im Rahmen des objektiven Nettoprinzips nicht unberücksichtigt bleiben, wenn man sich vor Augen hält, dass das Einkommen von vornherein nur als Nettogröße definiert werden kann505. Um im Hinblick auf die getroffene Systementscheidung, die subjektive steuerliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen ermitteln zu können, fordert der Gleichheitssatz, die Positionen auf der Einnahmen- und auf der Ausgabenseite im Grundsatz nach den gleichen Kriterien festzulegen506. Wenn also eine grundsätzliche Belastungsentscheidung dahingehend getroffen wird, ein Erwerbsvermögen zu definieren und Wertsteigerungen steuerlich zu erfassen, dann gebietet eine folgerichtige Umsetzung dieser Belastungsentscheidung im Hinblick auf das objektive Nettoprinzip, Wertminderungen innerhalb dieses Erwerbsvermögens zum Abzug zuzulassen507. Wiesbrock508 hat in diesem Zusammenhang richtigerweise darauf hingewiesen, dass die verfassungsrechtliche Orientierung an der Wertentwicklung eines Vermögensstandes auch nicht mit den Vorgaben des BVerfG zum objektiven Nettoprinzip in Widerspruch steht. Das BVerfG hat bei seiner Rechtsprechung zum objektiven Nettoprinzip zwar bislang weniger den Vergleich zweier Vermögenspositionen, sondern die Differenz zwischen Betriebserträgen und -ausgaben in den Blick genommen509. Wenn man sich aber den Zusammenhang zwischen Vermögensänderungen und Aufwand und Ertrag verdeutlicht, ergeben sich daraus jedoch keine Friktionen. Einzelne Vermögensänderungen führen bei stichtagsbezogener Betrachtung jeweils zu Aufwand oder Ertrag510. Umgekehrt führt die gesetzgeberische Entscheidung, nicht auf die Entwicklung eines Erwerbsvermögens abzustellen und Wertsteigerungen des Erwerbsvermögens steuerlich nicht zu erfassen aber dazu, dass negative Wertentwicklungen im Erwerbsvermögen ebenfalls nicht berücksichtigt werden 505 Vgl. Wendt DStJG 28 (2005), 47, 50. 506 Schön StuW 1995, 366, 371; so auch Schnorr StuW 2003, 222, 228. 507 Dezidiert Kammann, Stichtagsprinzip und zukunftsorientierte Bilanzierung, 1987, S. 270. 508 Wiesbrock, Die Verlustrückstellung im Steuer- und Verfassungsrecht, 1999, S. 134f. 509 Vgl. aber BVerfG BStBl II 1985, 181ff. 510 Wiesbrock, Die Verlustrückstellung im Steuer- und Verfassungsrecht, 1999, S. 135.
226
Die gesetzliche Ausgestaltung der steuerlichen Gewinnermittlungsregeln
müssen. Die Wertminderung liegt in diesem Fall außerhalb der erfassten Sphäre. Die hier vorgenommene Ableitung dürfte im Wesentlichen der von Schön511 erhobenen Forderung nach einer „strukturellen Äquivalenz von Einnahmen und Ausgaben“ entsprechen.
IV.
Zwischenergebnis
Als Zwischenergebnis ist somit festzuhalten, dass der Gesetzgeber nicht die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Steuerpflichtigen erfassen muss. Der Grundsatz der Systemkonsequenz und Folgerichtigkeit fordert jedoch eine konsequente Umsetzung der einmal getroffenen Belastungsentscheidung. Dies bedeutet für die Konturierung des objektiven Nettoprinzips, dass der Umfang der zum Abzug zuzulassenden Erwerbsaufwendungen durch die Entscheidung über den Umfang des erfassten Einkommens determiniert wird. Im hier interessierenden Bereich der steuerlichen Gewinnermittlung hat dies zur Folge, dass der Gesetzgeber sowohl positive als auch negative Wertentwicklungen des Betriebsvermögens steuerlich berücksichtigen muss. Wegen der dem Einkommensteuergesetz immanenten Unterscheidung zwischen Privatvermögen und Betriebsvermögen bleibt jedoch maßgebliche Voraussetzung für den Ansatz von Ertrag und Aufwand die Zuordnung zum Betrieb (in § 4 Abs. 4 EStG als betriebliche Veranlassung umschrieben)512.
C.
Die gesetzliche Ausgestaltung der steuerlichen Gewinnermittlungsregeln durch Betriebsvermögensvergleich als zeitliche Konturierung des objektiven Nettoprinzips
I.
Die zeitliche Dimension des objektiven Nettoprinzips
Wenn demnach durch gesetzgeberische Entscheidung konkretisiert ist, welche Posten bei der Ermittlung der Einkünfte als Einnahmen oder Erträge anzusehen und welche Posten von diesen Einnahmen oder Erträgen steuerwirksam abzuziehen sind, muss dieses Ergebnis in verfassungsrechtlicher Hinsicht um die Problematik der zeitlichen Zuordnung dieser Erträge und Aufwendungen ergänzt werden513. Insofern ist Küting/Kessler514 zuzustim511 Schön StuW 1995, 366, 371. 512 Schulze-Osterloh DStJG 23 (2000), 67, 70. 513 Schulze-Osterloh DStJG 23 (2000), 67, 70; vgl. auch Dauber, Das Realisationsprinzip als Grundprinzip der steuerlichen Gewinnermittlung, 2003, S. 105.
227
Die gesetzliche Ausgestaltung der steuerlichen Gewinnermittlungsregeln
müssen. Die Wertminderung liegt in diesem Fall außerhalb der erfassten Sphäre. Die hier vorgenommene Ableitung dürfte im Wesentlichen der von Schön511 erhobenen Forderung nach einer „strukturellen Äquivalenz von Einnahmen und Ausgaben“ entsprechen.
IV.
Zwischenergebnis
Als Zwischenergebnis ist somit festzuhalten, dass der Gesetzgeber nicht die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Steuerpflichtigen erfassen muss. Der Grundsatz der Systemkonsequenz und Folgerichtigkeit fordert jedoch eine konsequente Umsetzung der einmal getroffenen Belastungsentscheidung. Dies bedeutet für die Konturierung des objektiven Nettoprinzips, dass der Umfang der zum Abzug zuzulassenden Erwerbsaufwendungen durch die Entscheidung über den Umfang des erfassten Einkommens determiniert wird. Im hier interessierenden Bereich der steuerlichen Gewinnermittlung hat dies zur Folge, dass der Gesetzgeber sowohl positive als auch negative Wertentwicklungen des Betriebsvermögens steuerlich berücksichtigen muss. Wegen der dem Einkommensteuergesetz immanenten Unterscheidung zwischen Privatvermögen und Betriebsvermögen bleibt jedoch maßgebliche Voraussetzung für den Ansatz von Ertrag und Aufwand die Zuordnung zum Betrieb (in § 4 Abs. 4 EStG als betriebliche Veranlassung umschrieben)512.
C.
Die gesetzliche Ausgestaltung der steuerlichen Gewinnermittlungsregeln durch Betriebsvermögensvergleich als zeitliche Konturierung des objektiven Nettoprinzips
I.
Die zeitliche Dimension des objektiven Nettoprinzips
Wenn demnach durch gesetzgeberische Entscheidung konkretisiert ist, welche Posten bei der Ermittlung der Einkünfte als Einnahmen oder Erträge anzusehen und welche Posten von diesen Einnahmen oder Erträgen steuerwirksam abzuziehen sind, muss dieses Ergebnis in verfassungsrechtlicher Hinsicht um die Problematik der zeitlichen Zuordnung dieser Erträge und Aufwendungen ergänzt werden513. Insofern ist Küting/Kessler514 zuzustim511 Schön StuW 1995, 366, 371. 512 Schulze-Osterloh DStJG 23 (2000), 67, 70. 513 Schulze-Osterloh DStJG 23 (2000), 67, 70; vgl. auch Dauber, Das Realisationsprinzip als Grundprinzip der steuerlichen Gewinnermittlung, 2003, S. 105.
227
Verfassungsrechtliche Ausgestaltungsdirektiven
men, wenn diese betonen, dass das Gebot der Gleichmäßigkeit der Besteuerung neben der sachlichen Dimension eine zeitliche Dimension aufweist. Für den Bereich der Besteuerung des Betriebsvermögens bedeutet dies, dass verfassungsrechtliche Maßstäbe gefunden werden müssen, nach denen die einzelnen Geschäftsvorfälle vor dem Hintergrund der Erfassung des Periodeneinkommens einzelnen Perioden zuzuordnen sind.
II.
Ausgestaltungsdirektiven unter Berücksichtigung von Folgerichtigkeitsüberlegungen
Die obige Betrachtung515 hat gezeigt, dass die gesetzgeberische Belastungsentscheidung zur Besteuerung des Periodeneinkommens nicht zwangsläufig dazu führt, dass die gesamte periodenbezogen zu bestimmende, wirtschaftliche Leistungsfähigkeit i.S. der Reinvermögenszuwachstheorie als verfassungsrechtlicher Belastungsmaßstab fungiert. Vielmehr hat sich ergeben, dass ein im steuerrechtlichen Sinne zu verstehender normativer Leistungsfähigkeitsbegriff als relevanter Vergleichsmaßstab heranzuziehen ist, der insbesondere durch das Gebot der Folgerichtigkeit seine konkrete Ausgestaltung erfährt. Belastungsgleiche Steuerwirkungen werden somit von vornherein nicht angestrebt. In diesem Sinne braucht auch die weitere verfassungsrechtliche Diskussion über die Anforderungen an die zeitliche Ausgestaltung der einkommensteuerlichen Bemessungsgrundlage keinem ökonomischen Ideal mehr nachzustreben. Herauszustellen ist ferner, dass nach dem oben Gesagten die Methodik des objektiven Nettoprinzips für sich gesehen keine Berechnungsmethode der Einkünfteermittlung vorschreibt oder begünstigt516. Eine Verwirklichung des objektiven Nettoprinzips ist sowohl im Rahmen der unterschiedlichen Methoden eines Vermögensvergleichs als auch im Rahmen einer Überschussrechnung ohne weiteres möglich. Somit gilt auch hier, dass die finanzverfassungsrechtlichen Vorgaben allein keine Aussagen über den durch die unterschiedlichen Berechnungsmethoden fraglichen Zeitpunkt eines eventuellen Abzuges treffen. Die finanzverfassungsrechtliche Ableitung fordert lediglich, dass ein Abzug zugelassen werden muss, äußert sich aber nicht über das wann. Ob beispielsweise ein Abzug bereits beim Drohen von Aufwand, bei dessen Realisation oder aber erst bei einer Auszahlung aus dem Be514 Küting/Kessler StuB 2000, 21, 24; vgl. auch Lang/Englisch StuW 2005, 3, 6ff; Elicker StuW 2002, 217, 220f. 515 Vgl. 3. Kap. A. II. 5. 516 Vgl. Schön StuW 1995, 366, 369; vgl. auch dezidiert Hüttemann StbJb 2002/2003, 35, 43.
228
Die gesetzliche Ausgestaltung der steuerlichen Gewinnermittlungsregeln
triebsvermögen geboten ist, ist daher nach der finanzverfassungsrechtlichen Ableitung des objektiven Nettoprinzips nicht ohne weiteres verfassungsrechtlich vorgegeben. Zur Konkretisierung der verfassungsrechtlich relevanten steuerlichen Leistungsfähigkeit als Prüfungsmaßstab ist es somit zwingend erforderlich, den Belastungsmaßstab in Orientierung am Folgerichtigkeitsgedanken im Hinblick auf die periodische Zuordnung von Erfolgsbeiträgen weiterzuentwickeln. Bei der zeitlichen Ausgestaltung der einkommensteuerlichen Bemessungsgrundlage bleibt dabei die oben aufgezeigte Belastungsentscheidung, entweder ein Einkünfteerzielungsvermögen zu definieren oder den Einkünftebegriff in quellentheoretischer Tradition auszugestalten, nicht ohne Auswirkungen. Die quellentheoretische Methode bringt es zwangsläufig mit sich, auf den Mittelzufluss bzw. -abfluss abzustellen. Im Bereich der Überschusseinkünfte musste der Gesetzgeber daher zwangsläufig das Zuflussprinzip zugrundelegen (§ 11 EStG). Demgegenüber verbleiben dem Gesetzgeber theoretisch mehrere Möglichkeiten, den stichtagsbezogenen Stand einer Veränderung des Betriebsvermögens festzustellen, wenn er sich, wie dies im betrieblichen Bereich geschehen ist, dafür entschieden hat, auf die Entwicklung eines Erwerbsvermögens abzustellen (§§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 EStG)517. Grundsätzlich kann der Gesetzgeber dabei jede der oben dargestellten, in sich konsistenten Varianten eines Vermögensvergleichs zugrundelegen. Unergiebig erscheint daher auch der Versuch, eine reinvermögenszuwachstheoretische Erfolgszuordnung im betrieblichen Bereich quasi als Summe der Belastungsentscheidungen zur Erfassung von Wertänderungen des Betriebsvermögens und der Entscheidung zur Besteuerung des Periodeneinkommens zu konstruieren. Die oben angeführte Ausgestaltungskompetenz des Gesetzgebers bei der Konturierung des Steuerobjektes hat zu der wichtigen Erkenntnis geführt, dass das im Rahmen der steuerlichen Leistungsfähigkeit zu erfassende Periodeneinkommen nur normativ verstanden werden kann518. Im Hinblick auf die zeitliche Dimension des objektiven Nettoprinzips kann dies für die Ausgestaltung des Periodengewinns aber nur bedeuten, dass insoweit ebenfalls lediglich ein normativer Ansatz erfolgen kann519. Wesentliche Bedeutung erlangt somit auch hier das Kriterium der inneren Folgerichtigkeit520. 517 Insoweit sei auf die Darstellung in 2. Kap. D. verwiesen; vgl. insbesondere auch Sigloch FS Schneider, 1995, S. 673, 680ff; vgl. auch Kammann, Stichtagsprinzip und zukunftsorientierte Bilanzierung, 1988, S. 73. 518 Vgl. 3. Kap. A. II. 5 b) dd). 519 Drüen, Periodengewinn und Totalgewinn, 1999, S. 147ff. 520 Hennrichs DStJG 24 (2001), 301, 310; Schön StuW 1995, 366, 371.
229
Verfassungsrechtliche Ausgestaltungsdirektiven
Eine ähnliche Position hat unlängst auch der BFH521 vertreten, der zu der vorgenannten Frage im Hinblick auf die steuerliche Abschaffung der Jubiläumsrückstellungen Stellung genommen hat. Nach Auffassung des BFH kommt dem Gesetzgeber bei der Auswahl des Steuergegenstandes ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Ebenso wie nach der auch hier vertretenen Ansicht, ist der BFH522 der Auffassung, dass der Gesetzgeber durch die Verfassung nicht auf ein bestimmtes Modell wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit festgelegt ist. Der BFH führt in diesem Sinne aus, dass es dem Gesetzgeber daher auch nicht verwehrt ist, ein Leistungsfähigkeitsmodell zugrundezulegen, dem weder Rückstellungen noch Abschreibungen auf einen niedrigeren Stichtagswert immanent sind. Somit wird nicht die Notwendigkeit gesehen, reinvermögenszuwachstheoretisch begründbare stichtagsbezogene Vermögensminderungen in der Periode des Eintritts der Vermögensminderung zu berücksichtigen. Eine ähnliche Linie hatte bereits der österreichische VfGH vertreten523. Der Gesetzgeber habe insoweit einen Gestaltungsspielraum, der durch eine Belastungsentscheidung ausgefüllt werden könne. An diese Belastungsentscheidung sei der Gesetzgeber jedoch durch den Grundsatz der Folgerichtigkeit und Systemkonsequenz gebunden524.
III.
Anforderungen aus dem Symmetrieprinzip
In verfassungsrechtlicher Hinsicht drängt sich somit zunächst die Frage nach der Reichweite des Folgerichtigkeitsgedankens bei der zeitlichen Ausgestaltung des objektiven Nettoprinzips auf. Insbesondere stellt sich die Frage, ob der Gesetzgeber bei der Festlegung der Voraussetzungen positiver und negativer Reinvermögensänderungen von vornherein unterschiedliche Kriterien anwenden darf. Die obige Analyse hat ergeben, dass das Gebot der folgerichtigen Umsetzung der gesetzgeberischen Belastungsentscheidung im Rahmen der Konturierung des objektiven Nettoprinzip es erfordert, für die Ertrags- und die Aufwandsseite einheitliche Maßstäbe anzulegen (Symmetrieprinzip). Dies hat zur Folge, dass die gesetzgeberische Entscheidung, Wertsteigerungen innerhalb eines als solchen definierten Erwerbsvermögens einkommensteu521 BFH v. 10. 11. 1999, BStBl II 2000, 131, 137f ( = FR 2000, 261, 266f). Da sich in der Rechtsprechung des BVerfG zu der vorstehend umrissenen Problematik bislang keine eindeutigen Direktiven herausgebildet haben, erscheint die Rechtsprechung des BFH von zentraler Bedeutung. 522 BFH v. 10. 11. 1999, BStBl II 2000, 131, 137f 523 Österr. VfGH ÖStZB, 1998, 119. 524 BFH v. 10. 11. 1999, BStBl II 2000, 131, 137f; BVerfGE 93, 121, 136f; Kirchhof StuW 1984, 297, 312; Schön StuW 1995, 366, 371.
230
Die gesetzliche Ausgestaltung der steuerlichen Gewinnermittlungsregeln
erlich zu erfassen, folgerichtig dazu führt, Wertminderungen zum Abzug zuzulassen. In konsequenter Fortführung dieses Gedankens kann dies für die Beurteilung der Frage, ob eine stichtagsbezogene Vermögensänderung vorliegt, aber nur bedeuten, dass auch die Kriterien, nach denen das Vorliegen einer stichtagsbezogenen Wertveränderung beurteilt wird, sowohl für positive als auch für negative Änderungen im Reinvermögensbestand einheitlichen Maßstäben genügen müssen. Auch hier fordert der Gedanke der inneren Folgerichtigkeit ein Symmetrieprinzip525. Im Hinblick auf die zeitliche Konkretisierung des objektiven Nettoprinzips kann somit nur ein in sich konsistentes Modell von steuerlicher Leistungsfähigkeit als Vergleichsmaßstab implementiert werden, das einheitliche Bemessungskriterien für die Ertrags- und die Aufwandseite zugrundelegt. Anders ausgedrückt besteht die Notwendigkeit einer symmetrischen Behandlung von positiven und negativen Reinvermögensänderungen im Rahmen des Differenzierungsmaßstabes. Nicht überzeugen kann somit, wenn in der Literatur526 unter Berufung auf den gesetzgeberischen Ausgestaltungsspielraum bei der zeitlichen Ausgestaltung des objektiven Nettoprinzips die Möglichkeit angedacht wird, einzelne Geschäftsvorfälle einer bestimmten Besteuerungsperiode als in dieser Periode entstandenen Gewinn oder Verlust kasuistisch zuzuordnen. Im Hinblick auf die im Raum stehende Abschaffung des Imparitätsprinzips wurde beispielsweise erwogen, die Eliminierung des Imparitätsprinzips aus der Steuerbilanz isoliert damit zu rechtfertigen, dass hinsichtlich der betroffenen negativen Erfolgsbeiträge kein endgültiges steuerliches Abzugsverbot angestrebt werde527. Dies habe zur Folge, dass eine Verletzung des objektiven Nettoprinzips gar nicht in Betracht komme. Bezieht man den gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum jedoch isoliert auf einzelne Geschäftsvorfälle, übersieht man die verfassungsrechtlichen Bindungen, die aus dem Folgerichtigkeitsgrundsatz resultieren, was bereits im Ansatz in die allseits beklagte Prinzipienlosigkeit führt528. Fordert man aus dem Folgerichtigkeits525 Hennrichs DStJG 24 (2001), 301, 311; so nun auch Herzig, IAS/IFRS und steuerliche Gewinnermittlung, 2004, S. 21. 526 So insbesondere Schreiber in: Blümich, EStG, § 5 Rn 883b; tendenziell auch Bordewin FR 1998, 226, 233; Lambrecht in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 5 Rn Ea 22. 527 Schreiber in: Blümich, EStG, § 5 Rn 883b. 528 Die Möglichkeit eines weiten Spielraums bei der zeitlichen Ausgestaltung des objektiven Nettoprinzips wurde auch in der Rechtsprechung (BFH v. 9. 5. 2001, BStBl II 2001, 552ff; BFH v. 6. 3. 2003, BStBl II 2003, 516, 517; BFH v. 29. 4. 2005, BB 2005, 1459, 1551) im Rahmen der verfassungsrechtlichen Beurteilung der Mindestbesteuerung nach § 2 Abs. 3 EStG betont. Der BFH führt in diesem Sinne aus, dass in der Periode entstandene Verluste nicht zwangsläufig sofort zu verrechnen sind. Es
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Verfassungsrechtliche Ausgestaltungsdirektiven
grundsatz dagegen symmetrische Kriterien für die Einnahmen- und Ausgabenzuordnung, erscheint es grundsätzlich verfassungsrechtlich bedenklich, Elemente eines Subsystems mit denen eines anderen Subsystems zu mischen529. Auf Basis der gesetzgeberischen Belastungsentscheidung, bei der Gewinnermittlung das Betriebsvermögen einzubeziehen, bestehen nach obiger Betrachtung530 nur wenige in sich konsistente Grundvorstellungen zur inhaltlichen Konturierung des stichtagsbezogenen Reinvermögens. Allein diese Grundvorstellungen sind unter Folgerichtigkeitsgesichtspunkten jedoch geeignet, systemkonturierende Vergleichsmaßstäbe zu setzen. Das gesetzgeberische Auswahlermessen bei der Wahl eines Differenzierungskriteriums beschränkt sich somit darauf, sich für eine der in sich konsistenten Grundvorstellungen als Vergleichsmaßstab zu entscheiden. Damit scheidet auch die Gefahr einer beliebigen Ausgestaltung des objektiven Nettoprinzips aus. Ferner bestätigt sich die von Schön531 formulierte Erkenntnis, dass die grundgesetzlich gebotene „Folgerichtigkeit“ der Gesetzgebung oftmals mit Rücksicht auf die ökonomische Erkenntnislage präzisiert werden kann.
genüge vielmehr, dass die Verluste überhaupt, sei es auch in einem anderen Veranlagungszeitraum steuerlich Berücksichtigung finden müssen (BFH v. 9. 5. 2001, BStBl II 2001, 552, 554; BFH v. 6. 3. 2003, BStBl II 2003, 516, 517; BFH v. 29. 4. 2005, BB 2005, 1459, 1551; kritisch zu Recht Lang/Englisch StuW 2005, 3, 4). Verfolgt man diesen Ansatz der Rechtsprechung konsequent weiter, ist zu befürchten, dass die Ausgestaltung des objektiven Nettoprinzips in der vollkommenen Maßstabslosigkeit endet. Unklar bleibt bei dieser Vorgehensweise vor allem die grundlegende Frage, wann nach Auffassung des BFH von einem periodenbezogen entstandenen Verlust auszugehen ist. Eine Klärung erscheint jedoch schon allein vor dem Hintergrund der Notwendigkeit der Konturierung des Periodeneinkommens relevant. Erst wenn diese Frage geklärt ist, kann in einem zweiten Schritt gefragt werden, unter welchen Voraussetzungen eine Verwirklichung des Differenzierungsmaßstabes auf Ebene der Bemessungsgrundlage durchbrochen werden kann (Vgl. dazu 4. Kap. C. I. 2; 4. Kap. C. II. 2.). Vermischt man hingegen beide Komplexe, werden die relevanten Belastungsentscheidungen des Gesetzgebers verdeckt. Die vorstehend skizzierte Auffassung birgt somit die Gefahr in sich, die einkommensteuerliche Bemessungsgrundlage mit beliebigem Inhalt auszugestalten, was bereits vor dem Hintergrund des Folgerichtigkeitsgedankens bedenklich erscheint. 529 Hennrichs DStJG 24 (2001), 301, 311; Schön StuW 1995, 366, 370f; Drüen FR 2001, 992, 999. 530 Vgl. 2. Kap. D. 531 Schön in: Kirchhof/Neumann, Freiheit, Gleichheit, Effizienz, 2001, S. 121, 127.
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Die gesetzliche Ausgestaltung der steuerlichen Gewinnermittlungsregeln
IV.
Einschränkung des gesetzgeberischen Ausgestaltungsspielraumes ?
1.
Markteinkommensprinzip
Der vorstehend aufgezeigte gesetzgeberische Gestaltungsspielraum bei der Wahl eines Differenzierungskriteriums ist nach dem oben Gesagten auch nicht von vornherein durch die Vorstellungen der Markteinkommenstheorie eingeschränkt. Nach dem Markteinkommensprinzip dürfen bei der Einkommensteuer nur Vermögenserwerbungen in Geld oder Geldeswert (Tausch) erfasst werden, die aus einer Teilnahme am Markt erwirtschaftet worden sind532. Wären die markteinkommenstheoretischen Vorstellungen verfassungsrechtlich vorgegeben, ließe sich daraus die allgemeine Forderung ableiten, dass das zu versteuernde Einkommen allein neu zugegangene Wirtschaftsgüter erfassen darf, nicht jedoch Wertsteigerungen, die sich im Bestand der vorhandenen Wirtschaftsgüter der Steuerpflichtigen abspielen533. Unter dem Regime der Markteinkommenstheorie stünde demzufolge zwangsläufig das Realisationsprinzip im Zentrum der Überlegungen auf der Suche nach dem relevanten Differenzierungsmaßstab. Vor diesem Hintergrund gewinnen insbesondere zwei Ausgestaltungsmöglichkeiten des steuerlichen Betriebsvermögensvergleichs an Überzeugungskraft. Mayr534 hat darauf hingewiesen, dass das Prinzip der Nettorealisation folgerichtig den Markteinkommensbegriff mit der Gewinnermittlung verzahnt. Diese Verbindung zwischen Markteinkommenstheorie und Nettorealisationsgedanken liegt auch den Überlegungen zum Bilanzsteuerrecht im Karlsruher Entwurf eines Einkommensteuergesetzes zu Grunde535. Mit der Markteinkommenstheorie harmoniert jedoch auch grundsätzlich die strenge Reinvermögenszugangstheorie nach Schneider. Unabhängig welcher Differenzierungsmaßstab aus dem Markteinkommensprinzip abgeleitet wird, kann jedenfalls festgestellt werden, dass bei konsequenter Anwendung eines markteinkommenstheoretischen Einkommensbegriffs der erfolgswirksame Ansatz unrealisierter Wertverluste im Allgemeinen und damit von Teilwertabschreibungen im Speziellen nicht zulässig sein dürfte536. Aufgrund der bereits dargestellten
532 Vgl. nur Pezzer DStJG 14 (1991), 3, 14. 533 Wendt DÖV 1988, 710, 719; Kirchhof, Gutachten für den 57. DJT (1988) F 14ff; Kirchhof StuW 1985, 319, 327. 534 Mayr ÖStZ 2001, 226, 227. 535 Kirchhof, Karlsruher Entwurf zur Reform der Einkommensbesteuerung, 2001, S. 38. 536 Vor dem Hintergrund der Markteinkommenstheorie ausdrücklich Matussek, Zum Werbungskostenbegriff im Einkommensteuerrecht, 2000, S. 70 FN 325: „Folglich kommt es auch für die Vermögensminderung auf ihre Realisierung an.“ Im Ergebnis
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Verfassungsrechtliche Ausgestaltungsdirektiven
Argumente537 kann der Versuch einer verfassungsrechtlichen Ableitung des Markteinkommensprinzips jedoch nicht überzeugen. 2.
Einschränkung des gesetzgeberischen Ausgestaltungsspielraums aus Gründen der Gleichbehandlung mit Beziehern von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit ?
Eine Einschränkung des gesetzgeberischen Ausgestaltungsspielraumes bei der Wahl des Differenzierungskriteriums lässt sich nach dem oben Gesagten auch nicht aus einem verfassungsrechtlichen Gebot der tatsächlichen Gleichbehandlung aller Einkunftsarten ableiten. Eine konsequente Umsetzung dieses Gedankens würde den Gesetzgeber streng genommen dazu verpflichten, einen Kassenvermögensvergleich i.S. einer nachgelagerten Besteuerung einzuführen538. Dieser Argumentationsansatz wurde jedoch bereits an anderer Stelle der Arbeit zurückgewiesen539. Die Reduzierung des steuerlichen Leistungsfähigkeitsprinzips auf den Gedanken der folgerichtigen Ausgestaltung der Bemessungsgrundlage eröffnet dem Gesetzgeber in den Grenzen des Willkürverbotes aufgrund partieller Belastungsentscheidungen540 die Möglichkeit der Bildung von Subsystemen541. Wenn dem Gesetzgeber aber die Bildung von in sich geschlossenen Subsystemen gestattet ist, bedeutet dies, wie Hennrichs542 zutreffend herausgestellt hat, dass es nicht überzeugend ist, ein Subsystem anhand von einzelnen Elementen eines anderen Subsystems verfassungsrechtlich zu beurteilen. In den Kategorien des Gleichheitssatzes gesprochen bilden die einzelnen Subsysteme mit ihren un-
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wohl auch Pezzer DStJG 14 (1991), 3, 23f; vgl. auch die Darstellung bei Schön StuW 1995, 366, 373. Vgl. 3. Kap. A. II 5. b) dd). Wenn beispielsweise im Nettorealisationsgedanken oder in der strengen Reinvermögenszuwachstheorie im Hinblick auf das Gleichbehandlungsgebot mit den Arbeitseinkünften verfassungsrechtlich zulässige Ausgestaltungsmöglichkeiten des Vermögensvergleichs gesehen werden, zeigt dies, dass teilweise zwar eine Annäherung, letztlich aber keine echte Gleichbehandlung der Einkunftsarten angestrebt wird. Vgl. 3. Kap. A. II. 5. b) dd); kritisch zum Gleichbehandlungsargument auch Strahl StuB 1999, 145, 147; Versin StuB 2000, 1207, 1208; Uelner in: IFSt-Schrift Nr. 369, Zum geplanten Verbot der Teilwertabschreibung, 1999, S. 18. Die Möglichkeit einer partiellen Belastungsentscheidung betont auch Wiesbrock, Die Verlustrückstellung im Steuer- und Verfassungsrecht, 1999, S. 98, wenn er betont, dass für den Bereich der Gewerbetreibenden eine eigene bereichsspezifische Anwendung des Gleichheitssatzes geboten ist; so auch Schulze-Osterloh FS Friauf, 1996, S. 835, 836. Hennrichs DStJG 24 (2001), 301, 311; Hennrichs StuW 1999, 138, 146; vgl. auch Drüen FR 2001, 992, 998f. Hennrichs DStJG 24 (2001), 301, 311.
Die gesetzliche Ausgestaltung der steuerlichen Gewinnermittlungsregeln
terschiedlichen Besteuerungskonzeptionen jeweils für sich gesehen in sich konsistente Vergleichsgruppen. Eine Vergleichbarkeit der einzelnen Subsystemen untereinander ist dagegen nicht ohne weiteres gegeben543. Die Forderung, den Steuergesetzgeber aus Gründen der Gleichbehandlung lediglich auf solche Differenzierungsmaßstäbe zu verpflichten, die auch praktisch bei allen Einkunftsarten realisiert werden können544, hat demnach kein verfassungsrechtliches Gewicht. 3.
Einschränkung des Ausgestaltungsspielraumes aus Gründen der Objektivierung der Gewinnermittlung
Im Ansatz unergiebig müssen aber auch Versuche bleiben, den gesetzgeberischen Ausgestaltungsspielraum bei der Auswahl eines Differenzierungskriteriums durch die Betonung der Notwendigkeit einer Objektivierung der Gewinnermittlung einzuschränken. Mit der Forderung nach einer „Objektivierung der Gewinnermittlung“ wird stets das Bestreben verbunden, die steuerliche Bemessungsgrundlage von subjektiven Wertungen zu befreien, mit deren Hilfe der Steuerpflichtige vermeintlich eine niedrigere steuerliche Belastung erreichen kann545. Der Steuerpflichtige soll seine Steuerlast nicht selbst festlegen dürfen546. Als verfassungsrechtlicher Anknüpfungspunkt für die Notwendigkeit von Objektivität im Steuerbilanzrecht kann vor allem das Gebot der Rechtssicherheit und das Übermaßverbot genannt werden, die zu der Forderung führen, die auf Grundlage eines Steuerbilanzrechts ermittelten Werte nachprüfbar und willkürfrei zu gestalten547. Hinzu kommt, dass auch der Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung einen willkürfreien Ansatz objektiv feststellbarer Positionen verlangt, da nur objektiv nachprüfbare Bilanzierungsregeln eine Vergleichbarkeit der Steuerpflichtigen ermöglichen548. Um eine willkürfreie Gewinnermittlung zu gewährleisten, wird meist der Markt als objektive Beurteilungsinstanz in den Vordergrund 543 Uelner in: IFSt-Schrift Nr. 369, Zum geplanten Verbot der Teilwertabschreibung, 1999, S. 18; Versin StuB 2000, 1207, 1208; Herzig DB 1999, Heft 2, I. 544 So Schneider, Steuerbilanzen, 1978, S. 57; Weber-Grellet DB 1994, 288, 289; Zimmermann, Probleme der Gerechtigkeit der Einkommensbesteuerung, 1978, S. 318ff. 545 Niemann in: IFSt-Schrift Nr. 387, Grundsätze ordnungsgemäßer Bilanzierung - international betrachtet, 2000, S. 109. 546 BFH v. 20. 1. 1999, BStBl II 1999, 369; Arbeitskreis Bilanzrecht der Hochschullehrer Rechtswissenschaft BB 2002, 2372, 2379. 547 Hennrichs DStJG 24 (2001), 301, 313 mwN; Weber-Grellet StuB 2002, 700, 702; vgl. auch Arbeitskreis Bilanzrecht der Hochschullehrer Rechtswissenschaft BB 2002, 2372, 2379. 548 Weber-Grellet, Steuerbilanzrecht, 1996, § 2 Rn 4; Hennrichs DStJG 24 (2001), 301, 313; Dauber, Das Realisationsprinzip als Grundprinzip der steuerlichen Gewinnermittlung, 2003, S. 107.
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Verfassungsrechtliche Ausgestaltungsdirektiven
gestellt. Dies führt mitunter zu dem Schluss, dass der Gesetzgeber von vornherein nur auf solche Differenzierungsmaßstäbe abstellen dürfe, die für den Erfolgsausweis intersubjektiv eindeutig nachprüfbare Zahlungsvorgänge zugrundelegen549 oder zumindest den Marktkontakt zum Ausgangspunkt ihrer Betrachtungen machen. Aufgrund der vorstehenden Überlegungen werden demgegenüber die Vorstellungen der Reinvermögenszuwachstheorie sanktioniert, da in reinvermögenszuwachstheoretisch begründbaren Reinvermögensänderungen mangels intersubjektiver Nachprüfbarkeit allein noch keine sichere Änderung des Reinvermögens begründet liege550. In diesem Sinne wird im Imparitätsprinzip ein Einfallstor für das gezielte Anlegen stiller Reserven und das ungerechtfertigte Verschieben von Steuerzahlungen in spätere Perioden gesehen551, was dem Gebot einer Objektivierung der Gewinnermittlung widerspreche552. Bei der obigen Betrachtung553 hat sich jedoch gezeigt, dass immense Objektivierungsprobleme (dabei steht der Aspekt der Zuordnung im Vordergrund) auch unter dem Regime des Nettorealisationsgedankens auftreten, obwohl dem Nettorealisationsgedanken der Marktkontakt als theoretische Grundlage dient554. Insofern erscheint es auch nicht verwunderlich, wenn teilweise auch die Möglichkeit einer Rückstellungsbildung unter Objektivierungsgesichtspunkten in die Kritik gerät. Wenn von der verfassungsrechtlichen Notwendigkeit einer willkürfreien Steuerbemessung zwingend auf die alleinige Anerkennung bestimmter Differenzierungsmaßstäbe geschlossen wird, kann dem nicht gefolgt werden. Richtig ist vielmehr, dass das Verfassungsgebot einer nachprüfbaren Steuerbemessung in ein Spannungsverhältnis zu einigen der dargestellten Differenzierungskriterien treten kann555. Der oben bezeichnete Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers wäre jedoch nur dann von vornherein auf bestimmte Differenzierungskriterien eingeengt, wenn durch die anderen Differenzierungsmaßstäbe per se kein willkürfreier Ansatz erreicht werden könnte. Hiervon kann jedoch nicht gesprochen werden, wie die oben dargestellten Objektivierungsrestriktionen sowohl im Rahmen der Reinvermögenszu549 Beim reinen Kassenvermögensvergleich handelt es sich dann aber gerade nicht mehr um eine bilanzielle Gewinnermittlung. 550 Kraft, Steuergerechtigkeit und Gewinnermittlung, 1991, S. 58; Siegel StuB 2000, 29, 31. 551 Vgl. nur BT-Drucks. 14/265, S. 171. 552 Weber-Grellet DB 1997, 2235, 2237. 553 Vgl. 1. Kap. B. III. 2. a). 554 Mayr ÖStZ 2001, 226, 227. 555 Siehe Kammann, Stichtagsprinzip und zukunftsorientierte Bilanzierung, 1988, S. 134. Betroffen sind vor allem die Reinvermögenszuwachstheorie und der Nettorealisationsgedanke.
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Die gesetzliche Ausgestaltung der steuerlichen Gewinnermittlungsregeln
wachstheorie556 als auch im Hinblick auf die Umsetzung des Nettorealisationsgedankens beweisen. Unter Berücksichtigung der Möglichkeit von Objektivierungsrestriktionen kann daher auch keine Konkretisierung des Leistungsfähigkeitsprinzips von vornherein eine Vorrangstellung einnehmen. Vor diesem Hintergrund erscheint es auch unzutreffend, den Erfolgsausweis alternativer Ausgestaltungsmöglichkeiten partiell als Vergleichsmaßstab heranzuziehen und diesen zum alleinigen Maßstab einer objektiven Steuerbemessung zu machen557. Das Gebot einer willkürfreien Steuerbemessung verdichtet den bezeichneten gesetzgeberischen Auswahlspielraum nicht von vornherein auf bestimmte Differenzierungskriterien, sondern stellt lediglich das Gebot auf, bei der Umsetzung eines Differenzierungsmaßstabes die verfassungsrechtlich fundierte Forderung nach willkürfreien Werten zu erfüllen. Aus verbleibenden Unsicherheiten im Hinblick auf das Gebot der Objektivierung auf einen verfassungsrechtlichen Handlungsbedarf zu schließen, schießt eindeutig über das Ziel hinaus558. Somit bleibt festzuhalten, dass sich vor dem Hintergrund des Gedankens der „Objektivierung der Gewinnermittlung“ der Ausgestaltungsspielraum des Gesetzgebers nicht von vornherein auf einzelne Differenzierungsmaßstäbe reduziert. 4.
Schlussfolgerung: Das Steuerbilanzrecht zwischen Differenzierungsmaßstab und gegenläufigen weiteren Verfassungsprinzipien
Aus der vorstehend umrissenen Problematik lassen sich jedoch weitere bedeutsame Aussagen gewinnen. Hat sich der Gesetzgeber für einen bestimmten Differenzierungsmaßstab entschieden, kann die aus diesem System abzuleitende Steuerbemessung in ein Konkurrenzverhältnis zu anderen eben-
556 Insoweit ist durchaus die Notwendigkeit von Schätzungen zu konstatieren, die auch erhebliche Probleme bereiten können. Die Objektivierungsrestriktionen führen jedoch dazu, dass nicht davon gesprochen werden kann, dass dem Steuerpflichtigen institutionell eine willkürliche Festlegung der eigenen Steuerlast gewährt wird. Wenn auf eine erhöhte Missbrauchsanfälligkeit eines Systems hingewiesen wird, verdeutlicht dies aber höchstens, dass den Erfordernissen der Objektivierung in noch stärkerem Maße Aufmerksamkeit geschenkt werden muss. 557 Eine Beliebigkeit im Anlegen stiller Reserven in dem Sinne, dass jede imparitätische Verlustberücksichtigung per se unberechtigt ist, scheidet schon allein im Hinblick auf die theoretische Fundierung von vornherein aus. 558 So auch Hennrichs DStJG 24 (2001), 301, 321; Dauber, Das Realisationsprinzip als Grundprinzip der steuerlichen Gewinnermittlung, 2003, S. 107. In diesem Sinne hat Moxter BB 1979, 1102, 1104 zu Recht darauf hingewiesen, dass die Objektivierung der Bilanz nicht zum Selbstzweck erhoben werden darf.
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Verfassungsrechtliche Ausgestaltungsdirektiven
falls zu beachtenden verfassungsrechtlichen Prinzipien treten559. Die Notwendigkeit einer objektivierbaren Ausgestaltung der Bemessungsgrundlage verdeutlicht insofern exemplarisch den Konflikt mit dem Verfassungsgebot einer willkürfreien Steuerbemessung560. Treten Kollisionslagen zwischen dem gewählten Differenzierungsmaßstab und einem der weiteren bedeutsamen Verfassungsprinzipien auf, stehen beide Grundsätze zunächst gleichrangig nebeneinander561. Es ist grundsätzlich dem gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum überlassen, wie er die Kollision im Rahmen der praktischen Konkordanz auflöst. Dem Gesetzgeber ist es dabei jedoch nicht gestattet, einem Verfassungsprinzip auf Kosten eines anderen ausschließliche Geltung zu verschaffen und die Prinzipienkollision einseitig zu lösen, es sei denn die Verfassung selbst ordnet eine Reihenfolge an562. Folge der Auflösung der Kollisionslage kann ein verfassungsrechtliches Bedürfnis zur Relativierung einer in einem bestimmten Differenzierungsmaßstab zum Ausdruck gekommenen Leistungsfähigkeitsvorstellung sein. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob neben dem bereits angerissenen Prinzip der Rechtssicherheit auch aus der Eigentumsgarantie Restriktionen abzuleiten sind563. 5.
Das Prinzip der eigentumsschonenden Besteuerung als weitere verfassungsrechtliche Ausgestaltungsgrenze
Verfassungsrechtliche Grenzen bei der Ausgestaltung der steuerlichen Bemessungsgrundlage kann Art 14 GG aber nur dann ziehen, wenn der Eigentumsfreiheit überhaupt Bedeutung für den Steuerzugriff zukommt. Dies erscheint insbesondere deshalb zweifelhaft, weil dem Bürger keine konkreten Eigentumsobjekte entzogen, sondern lediglich abstrakte Zahlungspflichten auferlegt werden, die lediglich das Vermögen als Ganzes betreffen564. In Anlehnung an die These, dass Art 14 GG zwar den Bestand einzelner, durch die Rechtsordnung anerkannter Vermögenswerte, nicht aber das Vermögen als 559 Lang DStJG 24 (2001), 49, 58, 115, Hennrichs DStJG 24 (2001), 301, 310ff; Herzig/Bär DB 2003, 1, 6. Insoweit ist jedoch zu konstatieren, dass in Abhängigkeit von dem gewählten Differenzierungskriterium unterschiedliche Kollisionspotentiale auftreten. Wie bereits angedeutet treten beispielsweise bei einem Kassenvermögensvergleich oder bei der strengen Reinvermögenszugangstheorie nach Schneider keine Konflikte in Bezug auf eine intersubjektive Nachprüfbarkeit auf, vgl. insbesondere Kraft, Steuergerechtigkeit und Gewinnermittlung, 1991, S. 58ff. 560 Kammann, Stichtagsprinzip und zukunftsorientierte Bilanzierung, 1988, S. 134. 561 Kammann, Stichtagsprinzip und zukunftsorientierte Bilanzierung, 1988, S. 134; Hennrichs DStJG 24 (2001), 301, 314. 562 Vgl. allgemein Drüen, Periodengewinn und Totalgewinn, 1999, S. 96ff. 563 Hennrichs DStJG 24 (2001), 301, 312, 314. 564 St. Rspr. seit BVerfGE 4, 7, 17; 30, 250, 271f; Papier in: Maunz/Dürig, GG, Art 14 Rn 160.
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Die gesetzliche Ausgestaltung der steuerlichen Gewinnermittlungsregeln
Ganzes schütze, hat das BVerfG565 bereits frühzeitig die Auffassung vertreten, dass die Auferlegung von Geldleistungspflichten den Schutzbereich der Eigentumsgarantie grundsätzlich überhaupt nicht berühre. Ein Verstoß gegen Art 14 GG komme jedoch dann in Betracht, wenn die Geldleistungspflichten den Steuerpflichtigen übermäßig belasten und seine Vermögensverhältnisse grundlegend beeinträchtigten566. Von der h.L.567 wurde die Haltung des BVerfG seit langem als innerlich widersprüchlich charakterisiert. Wenn es zutreffe, dass Art 14 GG nicht gegen die Auferlegung von Geldleistungspflichten schütze und folglich die Auferlegung von Geldleistungspflichten den Schutzbereich nicht tangiere, müsse konsequenterweise eine Verletzung der Eigentumsgarantie in jedem Falle ausscheiden568. Umgekehrt folge jedoch aus der Effektuierung des Eigentumsgrundrechts im Falle übermäßiger Lasten, dass auch die maßgerechte Last den Schutzbereich des Art 14 GG als rechtfertigungsbedürftiger und rechtfertigungsfähiger Eingriff berühre569. Aus diesen Gründen wird in der Literatur570 angenommen, dass Art 14 GG dem Zugriff des Steuergesetzgebers materielle Grenzen setzt, die über das Verbot der konfiskatorischen Besteuerung hinausgehen. Unklar und umstritten ist lediglich die Konstruktion mit deren Hilfe der Eigentumsgrundsatz für das Steuerrecht effektuiert wird. Gemeinsam ist allen Ansatzpunkten, dass der Steuerzugriff nicht lediglich als Begründung einer Zahlungsverpflichtung i.S. einer abstrakten Geldschuld verstanden, sondern als eine Beeinträchtigung konkreter Schutzgüter spezifiziert wird. Dabei knüpft
565 BVerfGE 4, 7, 17; 30, 250, 271; 45, 272, 296; 65, 196, 209; 81, 122; 95, 267, 300; BFH v. 11. 8. 1999, BStBl II 1999, 771ff. 566 BVerfGE 14, 211, 224; 30, 250, 272; 70, 219, 230; BFH v. 27. 7. 1967, BFHE 89, 422, 441; BFH v. 11. 8. 1999, BStBl II 1999, 771, 773; vgl. auch Mellinghoff Stbg 2005, 1, 6. 567 Friauf DÖV 1980, 480, 484f; Isensee FS Klein, 1994, S. 611, 620; Schenke FS Armbruster, 1976, S. 177, 181f. 568 Friauf DStJG 12 (1989), 3, 22; Schenke FS Armbruster, 1976, S. 177, 181f; Isensee FS Klein, 1994, S. 611, 620. 569 Isensee FS Klein, 1994, S. 611, 620; Friauf DÖV 1980, 480, 484f. 570 Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, 1999, S. 37ff; Leisner, Die verfassungsrechtliche Belastungsgrenze der Unternehmen, 1996, S. 64ff; Leisner NJW 1995, 2591ff; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band 1, 2. Auflage, 2000, S. 449ff; Friauf DÖV 1980, 480ff; Lehner, Einkommensteuerrecht und Sozialhilferecht, 1993, S. 365; Papier in: Maunz/Dürig, GG, Art 14 Rn 170ff; Schön BB 1997, 1333, 1339; Hennrichs DStJG 24 (2001), 301, 312; Kirchhof AöR 128 (2003), 1, 12ff; Beker DStZ 2004, 32, 33; Möstl 2003, 720, 724; Herzig, IAS/IFRS und steuerliche Gewinnermittlung, 2004, S. 16f; Papier DFGT 1 (2004), 25, 31; Mellinghoff Stbg 2005, 1, 6.
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Verfassungsrechtliche Ausgestaltungsdirektiven
eine Auffassung in der Literatur571 an diejenigen vermögenswerten Rechtspositionen an, die der Steuerpflichtige zur Erfüllung der Steuerschuld aufgibt. Bedenkt man jedoch, dass die Auferlegung einer abstrakten Geldschuld im Falle des Verbrauchs der erwirtschafteten Mittel durch eine Darlehensaufnahme finanziert werden muss, ist nach dieser Auffassung keine hinreichende Abgrenzung zur allgemeinen Handlungsfreiheit gegeben. Im übrigen ist es mit dieser Sichtweise nicht möglich, eine gedankliche Linie zwischen Steuertatbestand und darauf bezogener Verhältnismäßigkeitsprüfung herzustellen. Im Hinblick auf diese Schwierigkeiten wird teilweise572 dagegen bereits die inhaltliche Anknüpfung des Steuertatbestandes an das Eigentum zum Anlass genommen, die Steuer an Art 14 Abs. 1 GG zu messen. Diese Position lenkt die Aufmerksamkeit zu Recht auf den durch einen bestimmten Steuertatbestand bewirkten Freiheitseingriff. Die freiheitsrechtlichen Grenzen des Steuerzugriffs können sich allein aus der Beeinträchtigung der in den Blickpunkt gerückten freiheitlichen Position ergeben573. Berücksichtigt man die Verbindung zwischen konkretem Steuertatbestand und daran anknüpfender Geldzahlungspflicht, greift die Steuer in das durch Art 14 Abs. 1 GG geschützte Recht auf ertragsorientierte Nutzung einer konkreten Eigentumsposition ein574. In diesem Sinne scheint sich mittlerweile zunehmend die Erkenntnis575 durchzusetzen, dass zumindest die ertragsabhängigen Steuern als mittelbarer Eingriff in das Recht auf Eigentumsnutzung zu 571 Friauf DÖV 1980, 480, 488; Sendler DÖV 1971, 16, 22; Depenheuer in: v. Mangoldt/Klein/Starck, 4. Auflage, 1999, Art 14 Rn 173; Seer DStJG 23 (2000), 87, 99; vgl. auch Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band 1, 2. Auflage, 2000, S. 449. 572 Schön StuW 1995, 366, 372. 573 Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, 2000, S. 36f. 574 Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, 2000, S. 36f; Jachmann StuW 1996, 97, 100f; Papier in: Maunz/Dürig, GG, Art 14 Rn 170; Papier in: Benda/Maihofer/Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts, 2. Auflage, 1994, § 18 Rn 98; Vogel/Waldhoff in: Vogel, Grundlagen des Finanzverfassungsrechts: Sonderausgabe des Bonner Kommentars zum Grundgesetz, 1999, Rn 543; vgl. auch Huber DÖV 1999, 173, 179f im Hinblick auf die Problematik einer Abschöpfung von Wertzuwächsen infolge von bauplanungsrechtlichen Maßnahmen (sog. Planungsgewinne). Das BVerfG (E 87, 153, 169) bezeichnet dies dahingehend, dass die Steuer in die allgemeine Handlungsfreiheit gerade in deren Ausprägung im vermögensrechtlichen Bereich (Art 14 Abs. 1 GG) eingreife. 575 Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, 2000, S. 37ff; Papier in: Maunz/Dürig, GG, Art 14 Rn 170; Papier, Der Staat 11 (1972), 483, 492ff; Schenke FS Armbruster, 1976, S. 177, 190ff; Schuppert FS Zeidler, 1987, S. 691ff; Jarass in: Jarass/Pieroth, GG, 7. Auflage, 2004, Art 14 Rn 16; Englisch StuW 2003, 237, 244f; Nachreiner ZEV 2005, 1, 2; kritisch Beil, Der Belastungsgrund des steuerstaatlichen Synallagmas, 2000 S. 87.
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Die gesetzliche Ausgestaltung der steuerlichen Gewinnermittlungsregeln
qualifizieren sind. Unerheblich scheint insoweit, dass jene Belastungen nicht das unmittelbare Ziel des Eingriffs sind, da die Einkommensteuer im allgemeinen nicht deswegen auferlegt wird, um die Eigentumsnutzung zu erschweren, sondern um durch Teilhabe an der aus der Eigentumsnutzung resultierenden Leistungsfähigkeit den staatlichen Finanzbedarf zu decken. Denn über die Figur des mittelbaren Eingriffs werden auch faktische, vorhersehbare Grundrechtsbeeinträchtigungen dem verfassungsrechtlichen Rechtfertigungsregime unterworfen576. Dabei sind die Eingriffe in die Eigentumsgarantie unstrittig577 als Inhalts- und Schrankenbestimmung zu qualifizieren, da der Steuergesetzgeber durch den Steuertatbestand abstraktgenerell die Pflichten des Eigentümers festlegt. Wenn somit der Schutzbereich des Art 14 Abs. 1 GG effektuiert ist, avanciert die Frage nach der Verhältnismäßigkeit des konkreten Steuerzugriffs zum zentralen Prüfungskriterium578. Damit gelingt es zugleich, den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz über die allgemeine Fundierung im Rechtsstaatsprinzip hinaus zusätzlich freiheitsrechtlich abzusichern. Schwierigkeiten bereitet es insofern jedoch, eine Zweck-Mittel-Relation zwischen Eingriffszweck und Eingriffsgewicht herzustellen, da die Notwendigkeit der staatliche Einnahmeerzielung der immer gleich bleibende Zweck des Steuerzugriffs bleibt579. Folglich kann die Prüfung des Übermaßverbotes nur an der Eingriffintensität des konkreten Steuerzugriffs ausgerichtet werden580. Zur Beurteilung der Unangemessenheit eines Steuereingriffs ist der staatliche Einnahmeerzielungszweck zu der beschränkten grundrechtlichen Freiheit in Relation zu setzen. Aus dieser grundsätzlichen Bindung an die Eigentumsgarantie folgt, dass der Steuergesetzgeber die Steuerquelle als solche nicht in ihrem Bestand gefährden darf, sondern im Zugriff auf die Ertrags-
576 Papier in: Maunz/Dürig, GG, Art 14 Rn 170; Schenke FS Armbruster, 1976, S. 177, 190ff. 577 Vgl. nur Bryde in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 1, 5. Auflage, 2000, Art 14 Rn 66; Vogel/Waldhoff in: Vogel, Grundlagen des Finanzverfassungsrechts: Sonderausgabe des Bonner Kommentars zum Grundgesetz, 1999, Rn 544 mwN; Englisch StuW 2003, 237, 245; Kirchhof AöR 128 (2003), 1, 15; Nachreiner ZEV 2005, 1, 3. 578 Wiesbrock, Die Verlustrückstellung im Steuer- und Verfassungsrecht, 1999, S. 252; Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, 2000, S. 42; Lang DStJG 4 (1981), 45, 80. 579 Papier in: Maunz/Dürig, GG, Art 14 Rn 177, Söhn FinArch 46 (1988), 154, 166; Vogel GS Martens, 1987, 265, 270; Breuer VVDStRL 39 (1981), 384; Jachmann StuW 1996, 97, 102; Englisch StuW 2003, 237, 245. 580 Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, 2000, S. 42; Jachmann StuW 1996, 97, 102; Nachreiner ZEV 2005, 1. 3.
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Verfassungsrechtliche Ausgestaltungsdirektiven
kraft der jeweiligen Vermögensgüter beschränkt ist581. Kirchhof582 hat insoweit vom Grundsatz einer eigentumsschonenden Besteuerung gesprochen, was nach der Konkretisierung des BVerfG grundsätzlich bedeutet, dass der Gesetzgeber in seinem Zugriff lediglich auf den Ertrag beschränkt ist, eine Substanzbesteuerung hingegen nicht möglich ist. Ein Rückgriff auf die Vermögenssubstanz erscheint in der Regel unverhältnismäßig583. Dieser Erkenntnis hat sich nunmehr auch das BVerfG in seiner Rechtsprechung angenähert584. Schön585 hat darüber hinausgehend zu Recht darauf hingewiesen, dass aus dieser verfassungsrechtlichen Trennung zwischen unantastbarer Substanz und steuerpflichtigem Ertrag, verbindliche Vorgaben für die Ausgestaltung der Bemessungsgrundlage herzuleiten sind. Aus der Trennung zwischen besteuerbarem Ertrag und nicht besteuerbarer Eigentumssubstanz folge, dass der Gesetzgeber nicht beliebig Einnahmen und Ausgaben als Ausgangsgrößen des Ertrages definieren kann, um nicht die Grenze der Substanzbesteuerung zu unterlaufen586. Die Übertragung dieses Ansatzes auf den bilanziellen Vermögensvergleich bereitet jedoch erhebliche Schwierigkeiten, zumindest wenn man mit der herkömmlichen Ansicht587 von einem objektbezogenen Eigentumsbegriff im Rahmen des Schutzbereich des Art 14 Abs. 1 GG ausgeht. Versuche, zwischen absolut geschützter Substanz und sozialpflichtigem Ertrag abzugrenzen, überzeugen in erster Linie dort, wo der Steuergesetzgeber einen quellentheoretischen Einkommensbegriff zugrundegelegt hat. Demgegenüber ist die steuerliche Gewinnermittlung durch einen Einkommensbegriff geprägt, der sich nur als vermögensmäßige Nettogröße interpretieren lässt. Die Mehrung des Betriebsvermögens lässt sich mit anderen Worten nicht als Aliud begreifen, so dass die strenge Unterscheidung zwischen Substanz und Ertrag nicht ohne weiteres griffig ist. Schön588 sieht demzufolge die eigentliche Crux für den Versuch, das Eigentumsgrundrecht für die steuerliche Gewinnermittlung fruchtbar zu machen, in der „Inkommensurabilität des Schutzgutes des Art 14 Abs. 1 GG einerseits und des synthetischen Einkommens581 Wendt DÖV 1988, 710, 719; Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, 2000, S. 46; Nachreiner ZEV 2005, 1, 3. 582 Kirchhof VVDStRL 39 (1981), 213, 226ff; Kirchhof AöR 128 (2003), 1, 19; Hennrichs DStJG 24 (2001), 301, 312; Elicker StuW 2002, 217, 226; vgl. auch Englisch StuW 2003, 237ff; Jachmann StuW 1996, 97, 101. 583 Elicker StuW 2002, 217, 225. 584 BVerfGE 93, 121, 136ff; vgl. auch Nachreiner ZEV 2005, 1, 3. 585 Schön BB 1997, 1333, 1339. 586 Schön BB 1997, 1333, 1339; vgl. auch Elicker StuW 2002, 217, 225. 587 Jarass in: Jarass/Pieroth, GG, 7. Auflage, 2004, Art 14 Rn 16. 588 Schön StuW 1995, 366, 372.
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Die gesetzliche Ausgestaltung der steuerlichen Gewinnermittlungsregeln
begriffs andererseits“. Seiner Ansicht nach kann wegen des objektbezogenen Einkommensverständnisses für das Bilanzsteuerrecht keine verfassungsrechtliche Aussage über die Reichweite der unantastbaren Vermögenssubstanz getroffen werden. Die unterschiedlichen definitorischen Möglichkeiten bei der Implementierung möglicher Einkommensbegriffe erweisen sich in der Tat als Problem. Für eine erste Konturierung ist jedoch die Erkenntnis hilfreich, dass die Begrifflichkeiten „Substanz“ und „Ertrag“ nur in Anlehnung an ein bestimmtes Einkommensverständnis konkretisiert werden können. Ohne Zugrundelegung einer Einkommenstheorie und damit eines gewissen Leistungsfähigkeitsverständnisses ist die Abgrenzung eine Hohlformel und nicht zu handhaben. Wenn das Grundgesetz aber verschiedenen Einkommensverständnissen offen gegenübersteht, bedeutet dies, dass die bereichsspezifische Entscheidung des Gesetzgebers für ein Einkommensverständnis insoweit auch Auswirkungen auf die Interpretation des erfassbaren Ertrages hat. Wenn der Gesetzgeber verfassungsrechtlich eine Belastungsentscheidung i.S. eines bestimmten Einkommensverständnisses getroffen hat, ist er durch den Grundsatz der Systemkonsequenz und Folgerichtigkeit an diese Wertung gebunden. In dieser Entscheidung liegt daher zugleich eine Konturierung des Inhalts der Begrifflichkeiten Substanz und Ertrag589, solange der Gesetzgeber die selbst statuierte Sachgesetzlichkeit nicht durch eine neue zulässige Belastungsentscheidung korrigiert. Wenn der Gesetzgeber beispielsweise einen reinvermögenszuwachstheoretischen Einkommensbegriff zugrundelegt, bedeutet dies, dass der Begriff des Ertrages i.S. des Art 14 Abs. 1 GG zunächst entsprechend weitgezogen ist. In einem zweiten Schritt stellt sich im Hinblick auf das beeinträchtigte Recht einer ertragsorientierten Eigentumsnutzung unter dem Blickwinkel der Eingriffsintensität jedoch stets die Frage, ob der Gesetzgeber bei der Konturierung der Bemessungsgrundlage beispielsweise auch tatsächlich alle reinvermögenszuwachstheoretisch definierbaren Erträge berücksichtigen darf. Wenn auf die konkrete Nutzung einer bestimmten Eigentumsposition Bezug genommen werden muss590, leuchtet unmittelbar ein, dass diese Betrachtung den Ansatz für eine verfassungsrechtliche Kontrolle ermöglicht, in welcher Phase der Eigentumsnut589 In diesem Sinne ist BVerfGE 50, 57, 105 darin zuzustimmen, dass inflationsbedingte Wertverluste keine Substanzbesteuerung darstellen, wenn die gesetzgeberische Konzeption darauf zielt, die Vermögensbestandssphäre steuerlich unberücksichtigt zu lassen. 590 Diese Betrachtung verbietet eine Gesamtbetrachtung in dem Sinne, dass bei der verfassungsrechtlichen Betrachtung auf die Summe aller Eigentumsnutzungen abgestellt wird.
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Verfassungsrechtliche Ausgestaltungsdirektiven
zung der steuerliche Zugriff erfolgen kann. Damit wird ersichtlich, dass die Nettogröße „Gewinn“ insoweit aufgespalten werden muss, als untersucht werden muss, ob die in die Nettogröße einfließenden Geschäftsvorfälle ihrerseits den Anforderungen an einen verhältnismäßigen Steuerzugriff entsprechen. Die weitreichende Definitionskompetenz des Steuergesetzgebers bei der Festlegung des Differenzierungsmaßstabes gerät somit in ein Spannungsverhältnis mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, der zu Relativierungen des Differenzierungsmaßstabes führen kann. Im Grenzbereich stellt somit die konsequente, aber unverhältnismäßige Umsetzung eines Differenzierungsmaßstabes gleichsam eine unzulässige „Substanzbesteuerung“ dar591. Als Ergebnis ist daher festzuhalten, dass Art 14 Abs. 1 GG den gesetzgeberischen Steuerzugriff durch die Grenzen des zugrundegelegten Differenzierungsmaßstabes beschränkt, wobei die einzelnen Geschäftsvorfälle innerhalb der präferierten Einkommenstheorie ihrerseits jedoch wiederum einer Verhältnismäßigkeitskontrolle zu unterziehen sind. Sieht man das Prinzip einer eigentumsschonenden Besteuerung in erster Linie durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verwirklicht, bedeutet dies, dass der Gesetzgeber einen von ihm gewählten Differenzierungsmaßstab nur insoweit idealtypisch verwirklichen darf, solange daraus keine unverhältnismäßige Belastung des Steuerpflichtigen resultiert. Ist dies der Fall, kommt dem Prinzip einer eigentumsschonenden Besteuerung eine gegenüber dem Differenzierungsmaßstab dominierende Rolle zu. Kammann592 führt in diesem Sinne völlig zutreffend aus: „Die Vorstellung, bilanzielle Vorsicht sei ein spezifischer Ausfluss des handelsrechtlichen Gläubigerschutzgedankens und habe von hier aus angesichts grundsätzlich abweichender Bilanzzwecke im Steuerrecht keinen legitimen Platz, passe nicht in ein dem Grundsatz der gleichmäßigen Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit unterworfenes Steuerrecht, ist von Grund auf verfehlt. Auf wirtschaftliche Leistungsfähigkeit kann und darf steuerlich nicht um jeden Preis zugegriffen werden. Die Idee der Besteuerung des vollen Gewinns wird durch das Erfordernis einer maßvollen, verhältnismäßigen Besteuerung moderiert. Der Vorsichtsgedanke ist von hier aus nicht nur vom Handelsrecht abgeleitet, sondern originär steuerlicher Natur.“
591 Vgl. in diesem Sinne beispielsweise die Äußerung von Kammann, Stichtagsprinzip und zukunftsorientierte Bilanzierung, 1988, S. 85f. 592 Kammann, Stichtagsprinzip und zukunftsorientierte Bilanzierung, 1988, S. 85f; vgl. auch Dauber, Das Realisationsprinzip als Grundprinzip der steuerlichen Gewinnermittlung, 2003, S. 107.
244
Die gesetzliche Ausgestaltung der steuerlichen Gewinnermittlungsregeln
V.
Möglichkeit eines Pluralismus steuerlicher Gewinnbegriffe?
Von besonderer Bedeutung erscheint des weiteren, dass der Gesetzgeber mit einer Geldrechnung in § 4 Abs. 3 EStG593 und dem Betriebsvermögensvergleich in §§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 EStG zwei unterschiedliche Methoden der steuerlichen Gewinnermittlung unterschieden hat, was dazu führt, dass die jeweilig ausgewiesenen Periodengewinne erheblich voneinander abweichen594. Drüen595 spricht insoweit plastisch von einem „Dualismus der Gewinnermittlung“. In verfassungsrechtlicher Hinsicht stellt sich auch hier die Frage, ob die unterschiedliche Ausgestaltung der Gewinnermittlungsarten verfassungsgemäß ist. Berücksichtigt man, dass der Gesetzgeber von Verfassungs wegen nicht auf die Herstellung tatsächlicher Belastungsgleichheit verpflichtet ist, eröffnet sich für den Gesetzgeber grundsätzlich auch die Möglichkeit, jeweils Subsysteme zu schaffen, die jedoch für sich den Anforderungen der inneren Folgerichtigkeit genügen müssen596. Daraus ergeben sich für die Gewinnermittlung durch Überschussrechnung und die bilanzielle Gewinnermittlung unterschiedliche systemprägende Anforderungen. Die unterschiedliche Ausgestaltung der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich und Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG als solche wäre demgegenüber nur dann verfassungswidrig, wenn der Gesetzgeber die Grenzen des Willkürverbotes597 missachtet hätte. In diesem Zusammenhang erscheint es jedoch nicht willkürlich, wenn der Gesetzgeber berücksichtigt hat, dass die Einkommenserzielung von Freiberuflern nicht darauf angelegt ist, das Einkommen durch Umsetzung von Vermögen zu erwirtschaften598. Teilweise wird darüber hinaus einschränkend gefordert, dass die unterschiedliche Ausgestaltung bei generalisierender Betrach-
593 § 4 Abs. 3 EStG statuiert einen gesonderten Gewinnbegriff für die Überschussrechnung, der sich als Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben errechnet. Ein Kassenvermögensvergleich i.S. einer ausschließlichen Betrachtung der finanziellen Leistungsfähigkeit ist in § 4 Abs. 3 EStG aufgrund der Einschränkungen der S. 3 und 4 des § 4 Abs. 3 EStG jedoch nicht vorgesehen, vgl. Dorenkamp StuW 2000, 121, 123. 594 Drüen, Periodengewinn und Totalgewinn, 1999, S. 147. 595 Drüen, Periodengewinn und Totalgewinn, 1999, S. 112. 596 Vgl. Schön StuW 1995, 366, 371; Hennrichs StuW 1999, 138, 145; Hennrichs DStJG 24 (2001), 301, 310; vgl. auch Herzig, IAS/IFRS und steuerliche Gewinnermittlung, 2004, S. 22. 597 Vgl. BVerfGE 84, 348, 363f; 96, 1, 6. 598 Drüen, Periodengewinn und Totalgewinn, 1999, S. 107; vgl. auch Arnold StuW 2005, 148, 154.
245
Verfassungsrechtliche Ausgestaltungsdirektiven
tungsweise ein System nicht einseitig begünstigen darf599. Selbst wenn man diese einschränkende Voraussetzung berücksichtigt, kann im aufgezeigten Zusammenhang nicht von einer generellen Begünstigung einer Gewinnermittlungsmethode gesprochen werden. Die bilanzielle Gewinnermittlung nach dem Imparitäts- und Realisationsprinzip berücksichtigt zwar Vermögensminderungen vor den entsprechenden Auszahlungszeitpunkten und erweist sich insofern als vorteilhaft. Andererseits darf aber nicht übersehen werden, dass positive Vermögenszuwächse in den Grenzen des verfassungsrechtlich Möglichen ebenfalls zeitlich vor dem Zufluss der Gegenleistung bereits im Realisationszeitpunkt erfasst werden600.
599 Diese Forderung erhebt insbesondere Schön StuW 1995, 366, 371 in Bezug auf die unterschiedliche Behandlung von quellentheoretisch motivierten Überschusseinkünften einerseits und der bilanziellen Gewinnermittlung andererseits. 600 Arnold StuW 2005, 148, 154.
246
4. Kapitel: Anwendung der Ergebnisse auf das Subsystem „Steuerbilanzrecht“ A.
Das Steuerbilanzrecht als Gegenpol zur Überschussrechnung
Im Hinblick auf die Zielsetzung der Arbeit sollen im weiteren lediglich die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Ausgestaltung des Subsystems „Steuerbilanzrecht“ interessieren1. Die Möglichkeit der Bildung von in sich geschlossenen Subsystemen bildet die systematische Legitimation für dieses 1
Genauso könnte man jedoch ein Subsystem „Überschussrechnung“ im Hinblick auf die Anforderungen des Folgerichtigkeitsprinzips und die weiteren verfassungsrechtlichen Grenzen untersuchen. Die systematische Herangehensweise unterscheidet sich dabei nicht von der nachfolgenden Analyse des Subsystems „Betriebsvermögensvergleich“. Der Grundsatz der folgerichtigen Umsetzung des einmal gewählten Differenzierungsmaßstabes erfordert es m.E., sowohl die Einnahmen- als auch die Ausgabenseite symmetrisch allein an Zahlungsströmen auszurichten. Systemfremd erscheint es daher, wenn die Überschussrechnung ihrerseits mit Elementen der Periodisierung kombiniert wird (vgl. Elicker StuW 2002, 217, 231f; Dorenkamp StuW 2000, 121, 123; Arnold StuW 2005, 148, 150). Insbesondere die AfA mit der dadurch verbundenen Verzögerung des Ansatzes von Betriebsausgaben in eine Periode nach der eigentlichen Verausgabung der Mittel stellt im System einer Einnahmen-Überschussrechnung einen Fremdkörper dar (deutlich Elicker StuW 2002, 217, 232; Elicker, Entwurf einer proportionalen Nettoeinkommensteuer, 2004, S. 126; Hennrichs StuW 1999, 138, 153; Wagner DB 1998, 2073, 2075; Dorenkamp StuW 2000, 121, 123; Arnold StuW 2005, 148, 154; vgl. auch Küting/Reuter StuB 2004, 312, 315; a.A. jedoch Weber-Grellet BB 1999, 2659, 2666; Herzig/Bär DB 2003, 1, 8; Herzig, IAS/IFRS und steuerliche Gewinnermittlung, 2004, S. 386ff). Die Regelung des § 4 Abs. 3 S. 3 EStG erweist sich aus diesem Grunde geradezu als ein Musterbeispiel einer inkonsequenten Besteuerung, in dem Elemente einzelner Subsysteme miteinander kombiniert werden. Zukünftige Reformvorhaben, die es sich zum Ziel gesetzt haben, das Steuerbilanzrecht durch eine Einnahmen-Überschussrechnung zu ersetzen, sollten diesem Gesichtspunkt allein wegen der verfassungsrechtlichen Dimension des Folgerichtigkeitsgedankens mehr Beachtung schenken, als dies gegenwärtig der Fall ist. Ohne insoweit auf weitere Details einzugehen, sind nach der hier vertretenen Ansicht die aus dem Differenzierungsmaßstab resultierenden Aspekte der zeitlichen Zuordnung von negativen Geschäftsvorfällen zudem in ein Verhältnis zu den Anforderungen aus dem Grundsatz der eigentumsschonenden Besteuerung zu setzen. Vor dem Hintergrund dieses Spannungsverhältnisses dürfte zu fordern sein, dass eine Gewinnermittlung auf Basis der Einnahmen-Überschussrechnung durch einen periodenübergreifenden Verlustausgleich flankiert werden muss (Kempermann DStJG 28 (2005), 103, 120).
247
Anwendung der Ergebnisse auf das Subsystem „Steuerbilanzrecht“
bereichsspezifische Vorgehen. Wenn dabei der Charakter des Subsystems als Steuerbilanzrecht beschrieben wird, hat dies zunächst eine Abgrenzungsfunktion. Indem der Gesetzgeber eine bilanzielle Gewinnermittlung von der Überschussrechnung unterscheidet, bringt dieser zum Ausdruck, dass die bilanzielle Gewinnermittlung nicht an einem Kassenvermögensvergleich orientiert sein soll, der wesentlich durch das Zu- und Abfließen von Einnahmen und Ausgaben geprägt ist2. Vielmehr soll mittels einer bilanziellen Gewinnermittlung versucht werden, den betrieblichen Gewinn möglichst periodengerecht zu bestimmen3. Das Ziel einer periodengerechten Gewinnermittlung bildet somit den Ansatzpunkt für weitere Folgerichtigkeitsüberlegungen4.
B.
Die „periodengerechte Gewinnermittlung“ als Differenzierungsmaßstab bei der Ausgestaltung des Steuerbilanzrechts
Entsprechend der vorstehend vorgenommenen Ableitung wird die Frage nach der (folge-)„richtigen“ Ausgestaltung einer periodengerechten Gewinnermittlung zur Ausschüttungsbemessung zum zentralen Ausgangsmaßstab für die verfassungsrechtliche Beurteilung des Bilanzsteuerrechts. Dies führt jedoch unweigerlich zu der Folgefrage, nach welchem Vergleichsmaßstab man periodengerechte Gewinne bemisst. Im Verlaufe der Arbeit wurden mit der Reinvermögenszuwachstheorie, der strengen Reinvermögenszugangstheorie und dem Nettorealisationsgedanken verschiedene Möglichkeiten einer in sich konsistenten Ausgestaltung einer bilanziellen Gewinnermittlung unterschieden. Dabei kann durchaus davon gesprochen werden, dass jede der dargestellten Gewinnermittlungsmethoden für sich reklamiert, einen periodengerechten Gewinn auszuweisen5. Wenn der gesetzgeberische Entscheidungsspielraum nicht notwendig auf einen bestimmten Differenzierungsmaßstab verdichtet ist, liegt es im Hinblick auf das vorstehend Gesagte 2 3
4 5
Vgl. Mathiak in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 5 Rn A 40. Hennrichs DStJG 24 (2001), 301, 310, 314f; Hennrichs StuW 1999, 138, 145; Lang in: Tipke/Lang, 17. Auflage, 2002, § 9 Rn 59; Dauber, Das Realisationsprinzip als Grundprinzip der steuerlichen Gewinnermittlung, 2003, S. 107; vgl. auch Mayr ÖStZ 2001, 226, 227. Hennrichs StuW 1999, 138, 146; Dauber, Das Realisationsprinzip als Grundprinzip der steuerlichen Gewinnermittlung, 2003, S. 107. Vgl. einerseits Hennrichs DStJG 24 (2001), 301, 310f; andererseits betonen beispielsweise Schulze-Osterloh DStJG 23 (2000), 67, 70 und Mayr ÖStZ 2001, 226, 227, dass der Nettorealisationsgedanke zu periodengerechten Gewinnen führt.
248
Anwendung der Ergebnisse auf das Subsystem „Steuerbilanzrecht“
bereichsspezifische Vorgehen. Wenn dabei der Charakter des Subsystems als Steuerbilanzrecht beschrieben wird, hat dies zunächst eine Abgrenzungsfunktion. Indem der Gesetzgeber eine bilanzielle Gewinnermittlung von der Überschussrechnung unterscheidet, bringt dieser zum Ausdruck, dass die bilanzielle Gewinnermittlung nicht an einem Kassenvermögensvergleich orientiert sein soll, der wesentlich durch das Zu- und Abfließen von Einnahmen und Ausgaben geprägt ist2. Vielmehr soll mittels einer bilanziellen Gewinnermittlung versucht werden, den betrieblichen Gewinn möglichst periodengerecht zu bestimmen3. Das Ziel einer periodengerechten Gewinnermittlung bildet somit den Ansatzpunkt für weitere Folgerichtigkeitsüberlegungen4.
B.
Die „periodengerechte Gewinnermittlung“ als Differenzierungsmaßstab bei der Ausgestaltung des Steuerbilanzrechts
Entsprechend der vorstehend vorgenommenen Ableitung wird die Frage nach der (folge-)„richtigen“ Ausgestaltung einer periodengerechten Gewinnermittlung zur Ausschüttungsbemessung zum zentralen Ausgangsmaßstab für die verfassungsrechtliche Beurteilung des Bilanzsteuerrechts. Dies führt jedoch unweigerlich zu der Folgefrage, nach welchem Vergleichsmaßstab man periodengerechte Gewinne bemisst. Im Verlaufe der Arbeit wurden mit der Reinvermögenszuwachstheorie, der strengen Reinvermögenszugangstheorie und dem Nettorealisationsgedanken verschiedene Möglichkeiten einer in sich konsistenten Ausgestaltung einer bilanziellen Gewinnermittlung unterschieden. Dabei kann durchaus davon gesprochen werden, dass jede der dargestellten Gewinnermittlungsmethoden für sich reklamiert, einen periodengerechten Gewinn auszuweisen5. Wenn der gesetzgeberische Entscheidungsspielraum nicht notwendig auf einen bestimmten Differenzierungsmaßstab verdichtet ist, liegt es im Hinblick auf das vorstehend Gesagte 2 3
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Vgl. Mathiak in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 5 Rn A 40. Hennrichs DStJG 24 (2001), 301, 310, 314f; Hennrichs StuW 1999, 138, 145; Lang in: Tipke/Lang, 17. Auflage, 2002, § 9 Rn 59; Dauber, Das Realisationsprinzip als Grundprinzip der steuerlichen Gewinnermittlung, 2003, S. 107; vgl. auch Mayr ÖStZ 2001, 226, 227. Hennrichs StuW 1999, 138, 146; Dauber, Das Realisationsprinzip als Grundprinzip der steuerlichen Gewinnermittlung, 2003, S. 107. Vgl. einerseits Hennrichs DStJG 24 (2001), 301, 310f; andererseits betonen beispielsweise Schulze-Osterloh DStJG 23 (2000), 67, 70 und Mayr ÖStZ 2001, 226, 227, dass der Nettorealisationsgedanke zu periodengerechten Gewinnen führt.
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Die „periodengerechte Gewinnermittlung“ als Differenzierungsmaßstab
nahe, dem Gesetzgeber eine Entscheidung zuzugestehen, die sich im Grundsatz an einer der aufgezeigten Theorien orientiert. Dennoch kann hier nicht unberücksichtigt bleiben, dass insbesondere die Rechtsprechung bei der Anknüpfung des Folgerichtigkeitsgedankens einen anderen Ansatzpunkt gewählt hat.
I.
Schlussfolgerung der Rechtsprechung: Der Maßgeblichkeitsgrundsatz als Ansatz für Folgerichtigkeitsüberlegungen
Nach Auffassung des BFH6 hat „die in § 2 Abs. 2 EStG für die verschiedenen Einkunftsarten festgelegte Art der Einkünfteermittlung und das in § 5 Abs. 1 S. 1 EStG verankerte Prinzip der Maßgeblichkeit der Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung für die Steuerbilanz“ grundlegende systemkonturierende Bedeutung. Der BFH betont somit, dass sich der Gesetzgeber bei der Bemessung gewerblicher Gewinne für einen Vermögensvergleich entschieden habe, der inhaltlich nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung erfolgen soll. Diese Belastungsentscheidung verbiete es dem Gesetzgeber, in Teilbereichen grundlos von dieser Entscheidung abzuweichen7. Systematisch gesehen hebt der BFH somit den Maßgeblichkeitsgrundsatz selbst über den Folgerichtigkeitsgedanken zum primären Ansatzpunkt für eine verfassungsrechtliche Überprüfung von gesetzgeberischen Eingriffen in das tradierte Steuerbilanzrecht8. In der Literatur9 wurde in Anknüpfung an diesen Gedankengang nicht nur die verfassungsrechtliche Berechtigung des Imparitätsprinzips begründet, vielmehr wurden die vom BFH aufgestellten Grundsätzen als allgemein gültiges Instrumentarium auch für die verfassungsrechtliche Beurteilung des Verbots der Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften fruchtbar gemacht. Gemessen an den handelsrechtlichen Vorstellungen bedeute die Abschaffung der Drohverlustrückstellungen eine verfassungsrechtlich zu beanstandende Systemwidrigkeit. Sieht man in § 5 Abs. 1 S. 1 EStG die grundlegende Systementscheidung für das Steuerbilanzrecht und misst daran weitergehend auch eine Abschaffung oder Einschränkung der Teilwertabschreibung, muss festgestellt werden, dass eine vollständige 6
7 8 9
BFH v. 10. 11. 1999, BStBl II 2000, 131, 137f; zustimmend Hey BB 2000, 1453, 1455; vgl. auch Schulze-Osterloh FS Friauf, 1996, S. 833, 836f; Hennrichs StuW 1999, 138, 146; Hüttemann StbJb 2002/2003, 35. 43. Hoffmann DStR 2000, 580, 581; vgl. auch Hey BB 2000, 1453, 1454f. So auch Knobbe-Keuk BB 1988, 1086, 1088; Schreiber in: Blümich, EStG, § 5 Rn 256a. Hoffmann DStR 2000, 580, 581; Höfer DStR 2000, 372.
249
Anwendung der Ergebnisse auf das Subsystem „Steuerbilanzrecht“
Eliminierung der Teilwertabschreibung dem Grundgedanken des § 253 HGB widerspricht. Demgegenüber erscheint die Einschränkung der Möglichkeit einer Teilwertabschreibung lediglich bei einer „voraussichtlich dauernden Wertminderung“ höchstens insoweit systematisch bedenklich und damit verfassungsrechtlich rechtfertigungsbedürftig, als die Restriktion im Gegensatz zu der handelsrechtlichen Regelung auch das Umlaufvermögen betrifft. Grundsätzlich ist dem BFH in der Annahme zuzustimmen, dass die Verfassung den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers nicht von vornherein auf eine bestimmte theoretische Vorstellung von Leistungsfähigkeit reduziert10. Dem Gesetzgeber ist in Übereinstimmung mit der Position des BFH auch im Hinblick auf die zeitliche Konturierung des objektiven Nettoprinzips grundsätzlich eine Belastungsentscheidung bei der Festlegung des Vergleichsmaßstabes zuzugestehen11. Problematisch erscheint jedoch, ob man dem BFH in der These folgen kann, dass in der Entscheidung des Gesetzgebers für die Maßgeblichkeit der Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung (§ 5 Abs. 1 S. 1 EStG) der systemkonturierende verfassungsrelevante Vergleichsmaßstab gefunden ist. Dies erscheint nicht zuletzt wegen der im EStG seit langem vorgesehenen Möglichkeit eines steuerlichen Bewertungsvorbehaltes (§ 5 Abs. 6 EStG) zweifelhaft12. Vom BFH wird diese Problematik einfach ignoriert13. Die Existenz des § 5 Abs. 6 EStG belegt jedoch, dass der Gesetzgeber nicht unbesehen den Bestand der handelsrechtlichen Rechnungslegungsvorschriften übernehmen wollte. Vielmehr war von vornherein geplant, dass die steuerliche Bewertung von der handelsrechtlichen abweichen kann. Im Rahmen der Diskussion um die Rückstellungsproblematik kann man diesem Einwand lediglich formal entgegenhalten, dass von § 5 Abs. 6 EStG nur Bewertungsvorschriften erfasst sind, während es bei dem steuerlichen Verbot von Rückstellungen lediglich um ein Ansatzverbot dem Grunde nach geht14. Folge dieser Auffassung wäre jedoch, dass mit § 5 Abs. 6 EStG ein Einfallstor gefunden wäre, mit dessen Hilfe sich der Gesetzgeber durch eine einfachgesetzliche „Vorkehrung“ partiell von seinen verfassungsrechtlichen Bindungen freigestellt hätte. Ein solches Vorgehen erscheint gerade vor dem Hintergrund bedenklich, dass mittlerweile davon gesprochen wer10 Vgl. auch Hey BB 2000, 1453, 1454f. 11 Österr. VfGH ÖStZB 1998, 119, 121f; Uelner in: IFSt-Schrift Nr. 369, Zum geplanten Verbot der Teilwertabschreibung, S. 24f. 12 Vgl. Uelner in: IFSt-Schrift Nr. 369, Zum geplanten Verbot der Teilwertabschreibung, 1999, S. 24; Uelner StuB 1999, 84, 87. 13 So auch Hoffmann DStR 2000, 580, 582; Höfer DStR 2000, 372. 14 Hoffmann DStR 2000, 580, 582.
250
Die „periodengerechte Gewinnermittlung“ als Differenzierungsmaßstab
den kann, dass der Steuergesetzgeber das Maßgeblichkeitsprinzip systematisch durchbricht15. Es erscheint wenig überzeugend, wenn die verfassungsrechtliche Bindung des Gesetzgebers von der bilanztechnischen Umsetzung eines Regelungszieles abhängig gemacht wird. Die partielle Beschränkung der Rechtsprechung auf den Vermögensvergleich nach § 5 Abs. 1 S. 1 EStG stimmt auch nachdenklich, wenn man bedenkt, dass unter Zugrundelegung der Auffassung der Rechtsprechung die Frage offen bleibt, welche Kriterien im Rahmen des Vermögensvergleichs nach § 4 Abs. 1 EStG als Vergleichsmaßstab herangezogen werden sollen. Uelner16 hat daher in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hingewiesen, dass die vom Gesetzgeber zu beachtenden Sachgesetzlichkeiten in einem größeren Zusammenhang gesehen werden müssen. Ausgangspunkt der weiteren Überlegungen zur Ermittlung der vom Gesetzgebers zugrundegelegten Sachgesetzlichkeiten muss daher, wie bereits vermutet, die Grundentscheidung zur periodengerechten Gewinnermittlung mittels einer Vergleichsrechnung bleiben17.
II.
Reinvermögenszuwachstheorie und Nettorealisationsgedanke als mögliche Differenzierungsmaßstäbe im geltenden Bilanzsteuerrecht
Berücksichtigt man, dass sich der Gesetzgeber mit seiner Entscheidung gegen einen Kassenvermögensvergleich zugleich für eine periodengerechte Gewinnermittlung entschieden hat, muss jedoch im Hinblick auf die oben dargestellten Möglichkeiten einer „richtigen“, in sich konsistenten Periodisierung beantwortet werden, welche der genannten Grundformen einer bilanziellen Gewinnermittlung als zentrales Differenzierungskriterium des Bilanzsteuerrechts anzusehen ist. Die Auswahlkompetenz fällt nach der hier vertretenen Auffassung dem Gesetzgeber zu18. Die gesetzliche Ausgestal15 Vgl. die Aufzählung bei Himmelreich FS Müller, 2001, S. 613, 617f; Erle in: Kleindiek/Oehler, Die Zukunft des deutschen Bilanzrechts, 2000, S. 177, 183ff. 16 Uelner StuB 1999, 84, 87; vgl. in der Tendenz auch Hoffmann DStR 2000, 580, 581, Hennrichs StuW 1999, 138, 145f, wenn dem Vermögensvergleich als Alternativkonzept eine Einnahmen-Ausgaben-Rechnung gegenübergestellt wird. 17 Vgl. Uelner StuB 1999, 84, 87. 18 A.A. Dauber, Das Realisationsprinzip als Grundprinzip der steuerlichen Gewinnermittlung, 2003, S. 114, die eine Systematisierung des Bilanzsteuerrechts mittels der Reinvermögenszuwachstheorie grundsätzlich ablehnt. Als Begründung für ihre Position führt Dauber an, dass die Reinvermögenszuwachstheorie Leistungsfähigkeit durch das gehaltene Vermögen indiziere. Da sich der Gesetzgeber im Einkommensteuerrecht jedoch für die Besteuerung des Einkommens entschieden habe, könne die Reinvermögenszuwachstheorie folgerichtig auch nicht als Indikator zur Bestimmung des Einkommens herangezogen werden, da ansonsten die Grenze zur Vermögensbesteuerung
251
Anwendung der Ergebnisse auf das Subsystem „Steuerbilanzrecht“
tung insbesondere der AfA im geltenden Steuerbilanzrechts lässt darauf schließen, dass der Gesetzgeber offenbar nicht die strenge Reinvermögenszugangstheorie i.S. von Schneider19 als verfassungsrechtlich bedeutsamen Differenzierungsmaßstab zugrundelegen wollte. Somit stehen bei der verfassungsrechtlichen Ordnung des Bilanzsteuerrechts im Wesentlichen zwei Differenzierungsmaßstäbe im Zentrum der Überlegungen anhand derer das geltende Bilanzsteuerrecht systematisiert werden kann20. Zum einen wird das geltende Steuerbilanzrecht vor dem Hintergrund eines reinvermögenszuwachstheoretischen Vergleichsmaßstabes interpretiert21. Zum anderen finden jedoch zunehmend Systematisierungsbemühungen auf Grundlage des Nettorealisationsgedanken statt22. Da nicht ohne weiteres ersichtlich ist, welcher Differenzierungsmaßstab im Steuerbilanzrecht zur Konkretisierung der periodengerechten Gewinnermittlung verfolgt wird, soll nachfolgend zunächst versucht werden, das geltende Bilanzsteuerrecht im Kontext der beiden Differenzierungsmaßstäbe verfassungsrechtlich auszuarbeiten. 1.
Verfassungsrechtliche Beurteilung vor dem Hintergrund des „Vermögens“vergleichs als Differenzierungskriterium
a)
Ausgangspunkt
Vor dem Ausgangspunkt, dass sich der Gesetzgeber mit der steuerlichen Gewinnermittlung mittels Betriebsvermögensvergleich systemkonturrierend dafür entschieden habe, die Gewinnermittlung möglichst periodengerecht
19 20 21 22
aufgehoben werde; so bereits Schneider, Steuerbilanzen, 1978, S. 54ff. Nach der hier vertretenen Auffassung kann diese doch eher formale Argumentation nicht überzeugen. Aus der Entscheidung des Gesetzgebers für eine Einkommensbesteuerung kann nicht abgeleitet werden, dass der Gesetzgeber gehindert ist, auf einen reinvermögenszuwachstheoretischen Differenzierungsmaßstab zur Bestimmung des Einkommens zurückzugreifen. Verfassungsrechtlich könnte die vorstehend zitierte Auffassung Daubers nur dann überzeugen, wenn durch diese Methodik der Einkünfteermittlung eine hinreichende Abgrenzbarkeit zum Typus der Vermögenssteuer nicht mehr gewährleistet ist und aus diesem Grunde die im Grundgesetz vorgesehene finanzverfassungsrechtliche Verteilungssystematik des Steueraufkommens gestört wäre, vgl. Vogel DStJG 12 (1989), 123, 142f; Gröpl FR 2001, 620, 621. Hiervon kann jedoch nicht ausgegangen werden, da das Einkommen im Rahmen des reinvermögenszuwachstheoretisch geprägten Betriebsvermögensvergleichs als Saldogröße ermittelt wird, die Vermögenssteuer hingegen auf einen Stichtag fokussiert ist. Aus diesem Grunde kann die reinvermögenszuwachstheoretische Saldogröße ohne weiteres als Einkommen i.S.d. Einkommensteuer verstanden werden. Vgl. 2. Kap D. III. 1. Vgl. dazu 1. Kap. B. II. Vgl. nur Uelner StuB 1999, 84, 87; Hennrichs DStJG 24 (2001), 301, 309ff, 314ff. Vgl. nur Mayr ÖStZ 2001, 226ff.
252
Die „periodengerechte Gewinnermittlung“ als Differenzierungsmaßstab
auszugestalten, konkretisiert eine verbreitete Auffassung in der Literatur23 diesen Gesichtspunkt dahingehend, dass periodengerechte Gewinnermittlung vor dem Hintergrund der gesetzlichen Konkretisierung in § 4 Abs. 1 EStG bedeute, dass der Periodengewinn als Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluss des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres, vermehrt um den Wert der Entnahmen und vermindert um den Wert der Einlagen zu ermitteln sei24. Der wirtschaftliche Erfolg soll sich daher in einem Bestandsvergleich ausdrücken, der die Vermögensänderungen innerhalb der Steuerperiode bemisst25. Bezuggenommen wird damit auf die Vorstellungen der Vermögensstatik26. Ein Bestandsvergleich i.S. der Vermögensstatik ist als Spielart der Reinvermögenszuwachstheorie zu verstehen27. Eine Beurteilung, wann Wertänderungen einkommenswirksam sind, erfolgt somit unter dem Aspekt, wann mögliche Marktteilnehmer eine vermögensändernde Wirkung annehmen würden28. b)
Möglicher Verstoß gegen das Symmetrieprinzip
Sieht man den vermögensstatischen Vergleichsmaßstab als systemkonturierend für die steuerbilanzielle Gewinnermittlung an, fällt auf, dass die Umsetzung des systemkonturierenden Maßstabes im geltenden Bilanzsteuerrecht nur unvollständig erfolgt ist. Restriktionen erfolgen nach dieser Sichtweise insbesondere aus dem Realisationsprinzip29, das dem Ausweis nichtrealisierter Vermögensänderungen und deren Einbeziehung in die so ermittelte synthetische Rechengröße „Periodengewinn“ entgegensteht. Man kann somit davon sprechen, dass die Erfolgsermittlung im System des Vermögensvergleichs nach oben kupiert wird. Küting/Kessler30 haben, wohl eher 23 Hennrichs DStJG 24 (2001), 301, 309f; Uelner StuB 1999, 84, 87; Uelner in: IFStSchrift Nr. 369, Zum geplanten Verbot der Teilwertabschreibung, 1999, S. 23ff. 24 Uelner StuB 1999, 84, 87; Hennrichs DStJG 24 (2001), 301, 309f; Hoffmann DStR 2000, 580f; wohl auch Schön BB 1997, 1333, 1338; Kammann, Stichtagsprinzip und zukunftsorientierte Bilanzierung, 1988, S. 126. 25 Crezelius in: Kirchhof, Kompaktkommentar, 5. Auflage, 2005, § 4 Rn 8. 26 Vgl. 1. Kap. B. II. 1. 27 Vgl. 2. Kap. D. II. Neuerdings lassen Äußerungen von Moxter DStR 1998, 509, 510 darauf schließen, dass dieser ebenfalls einen reinvermögenszuwachstheoretischen Differenzierungsmaßstab im Bilanzsteuerrecht verwirklicht sieht. Bezuggenommen wird bei der Konkretisierung des Stichtagsvermögens jedoch weniger auf den Vermögenswert eines Wirtschaftsgutes, sondern vielmehr auf die erwarteten Einnahmen- oder Ausgabenüberschüsse. 28 Koniarski, Einkommen als Maßstab steuerlicher Leistungsfähigkeit, 1984, S. 103. 29 Vgl. bereits die Darstellung in 2. Kap. D. II. mwN. 30 Küting/Kessler StuB 2000, 21, 23.
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Anwendung der Ergebnisse auf das Subsystem „Steuerbilanzrecht“
den geltenden Zustand beschreibend, als rechtlich wertend, betont, dass sich der Gesetzgeber bei der Erfassung von Vermögensminderungen für die Reinvermögenszuwachstheorie entschieden habe, während er die Erfassung von positiven Veränderungen des Reinvermögens weitgehend nach der Reinvermögenszugangstheorie ausrichte31. Siegel32 hat hierauf Bezug genommen und kritisiert, dass im Ergebnis in der durch das Handelsrecht vorgegebenen Geltung eines imparitätischen Realisationsprinzips eine asymmetrische Vorstellung von steuerlicher Leistungsfähigkeit verwirklicht werde. Um Korrespondenzlücken zu vermeiden, dürfe der begriffliche Inhalt des Leistungsfähigkeitsprinzips aber nur einheitlich nach einer der sich alternativ verhaltenden Theorien bestimmt werden. Wenn berücksichtigt werden soll, dass die Anknüpfung an nichtrealisierte Sachverhalte im Hinblick auf die fehlenden liquiden Mittel faktisch zu einer Substanzbesteuerung führe und der Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung sichere Werte voraussetze, die aufgrund des mit einer Wertzuwachsbesteuerung verbundenen Schätzungsermessens nicht gewährleistet seien, sei allein die Konzeption der Reinvermögenszugangstheorie vorzugswürdig33. Berücksichtigt man, dass der Gedanke der Folgerichtigkeit nach dem vorstehenden Überlegungen eine symmetrische Umsetzung des einmal gewählten zeitlichen Zurechnungsmaßstabes fordert, erscheint der von Siegel34 formulierte Vorwurf, die steuerliche Gewinnermittlung nach dem Realisations- und dem Imparitätsprinzip sei lediglich eine asymmetrische Umsetzung des Leistungsfähigkeitsprinzips, prima facie von besonderem Gewicht. Siegel selbst gibt jedoch zu, dass seine Kritik an der im Maßgeblichkeitsprinzip begründeten Ungleichbehandlung positiver und negativer Reinvermögensänderungen wesentlich aus „einer wirtschaftlichen Betrachtung der Dinge“ resultiert35. Dabei wird ausschließlich die ökonomische Wirkungsweise der letztlich verwirklichten Regelung in den Blick genommen36. Übersehen wird 31 Vgl. auch Siegel StuB 2000, 29, 31. Zu beachten sind jedoch die Unterschiede der Interpretation der Reinvermögenszugangstheorie bei Siegel, vgl. 2. Kap D. III. 2., im Unterschied zu der strengen Interpretation der Reinvermögenszugangstheorie nach Schneider. 32 Siegel StuB 2000, 29, 30f. 33 Siegel StuB 2000, 29, 31; Schneider, Grundzüge der Unternehmensbesteuerung, 1994, S. 42; Kraft, Steuergerechtigkeit und Gewinnermittlung, 1991, S. 62f. 34 Siegel StuB 2000, 29, 31f; der Vorwurf findet sich aber auch bei Kraft, Steuergerechtigkeit und Gewinnermittlung, 1991, S. 143, 159. 35 Siegel StuB 2000, 29, 31. 36 Lüders, Der Zeitpunkt der Gewinnrealisierung im Handels- und Steuerbilanzrecht, 1987, S. 88 bezeichnet es als entscheidende Schwäche der Argumentationen, die unter Berufung auf Art 3 Abs. 1 GG eine stärkere Betonung des Zuflussprinzips in der steu-
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Die „periodengerechte Gewinnermittlung“ als Differenzierungsmaßstab
bei dieser Betrachtung jedoch, dass eine Belastungsentscheidung für eine bestimmte Leistungsfähigkeitsvorstellung in Verbindung mit dem korrespondierenden verfassungsrechtlichen Gewicht aus dem juristischen Blickwinkel prinzipiell nur einen Ausgestaltungsmaßstab liefert und nicht von vornherein das Ergebnis in den Blick nimmt. So gesehen reduziert sich der verfassungsrechtliche Gehalt des Leistungsfähigkeitsprinzips stets auf ein formales Prinzip in dem Sinne, dass es ein Regel-Ausnahme-Verhältnis begründet. Dies bedeutet, dass die durch ein Subsystem konkretisierte Vorstellung steuerlicher Leistungsfähigkeit nicht in Reinform verwirklicht werden muss, sondern lediglich einen Maßstab liefert, der Abweichungen als solche kennzeichnet und ihnen die Notwendigkeit einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung zuweist37. Im vorstehend beschriebenen Sinne dürften auch die Äußerungen Küting/Kessler zu verstehen sein. Ihnen geht es nicht um die Implementierung einer „Mischtheorie“. Vielmehr sollen durch die vorstehend aufgeführte Umschreibung die Auswirkungen der Gewinnermittlungsgrundsätze des Maßgeblichkeitsprinzips in ihrer Wirkungsweise gekennzeichnet werden. Systematisch gesehen erheben Küting/Kessler aber allein eine reinvermögenszuwachstheoretische Betrachtungsweise zum einheitlichen Beurteilungsmaßstab38. Siegel39 hat diese Vorgehensweise zu Recht als juristisch-formal gekennzeichnet. c)
Die verfassungsrechtliche Bedeutung des Realisationsprinzips
Spezifiziert man diese Argumentation im Hinblick auf die Notwendigkeit einer in sich konsistenten Umsetzung der Vermögensstatik als Ausprägung der Reinvermögenszuwachstheorie, stellt man fest, dass die steuerliche Nichterfassung unrealisierter Gewinne bzw. Wertzuwächse verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden muss40. Aus diesem Blickwinkel spiegelt
37
38 39 40
erlichen Gewinnermittlung fordern, dass sich diese auf die Feststellung von bestehenden Unterschieden beschränken. Vgl. auch insoweit Lüders, Der Zeitpunkt der Gewinnrealisierung im Handels- und Steuerbilanzrecht, 1987, S. 88; Lang FS Kruse, 2001, S. 313, 320. In diesem Rahmen stehen die aufgezeigten Differenzierungsmöglichkeiten zunächst einmal als Alternativkonzepte nebeneinander, mit deren Hilfe der Inhalt des Grundsatzes steuerlicher Leistungsfähigkeit im Hinblick auf den Zeitpunkt der Berücksichtigung von Änderungen des Betriebsvermögens zur Festlegung eines Regel-Ausnahme-Verhältnisses konkretisiert werden kann. Vgl. Siegel StuB 2000, 29, 32. Siegel StuB 2000, 29, 32. Vgl. nur Hennrichs DStJG 24 (2001), 301, 316; Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, 1981/88 S. 173f; für eine Diskussion um eine stärkere Entfaltung der Reinvermögenszuwachstheorie im Steuerbilanzrecht de lege ferenda Kirchhof DStR 2003 (Beihefter 5), 1, 3.
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Anwendung der Ergebnisse auf das Subsystem „Steuerbilanzrecht“
sich die durch das Vorsichtsprinzip angeordnete vorsichtige Gewinnermittlung in erster Linie im Realisationsprinzip wieder41. Gibt man nämlich dem Wertansatz in der Steuerbilanz den Sinn, die in den einzelnen Wirtschaftsgütern verkörperte reinvermögenszuwachstheoretische Leistungsfähigkeit zum Bilanzstichtag auszudrücken42, erscheint es nur konsequent die periodische Wertentwicklung der Wirtschaftsgüter bilanziell nachzuvollziehen. In der Literatur43 wird zu Recht betont, dass der Verzicht auf eine Besteuerung unrealisierter Vermögenszuwächse als Produkt einer maßvollen, verhältnismäßigen, das Eigentum schonenden Besteuerung gerechtfertigt werden kann. Der Verzicht auf eine Besteuerung nichtrealisierter Vermögenswertsteigerungen trägt zunächst dem Gesichtspunkt Rechnung, dass nichtrealisierte Wertsteigerungen unter Objektivierungsgesichtspunkten nur eine wenig gesicherte Leistungsfähigkeit zum Ausdruck bringen44. Der Wert eines Wirtschaftsgutes kann einigermaßen sicher erst bei seiner Realisation am Markt festgestellt werden. Gewichtiger scheint im Hinblick auf das Prinzip einer eigentumsschonenden Besteuerung jedoch der Hinweis, dass mittels des Realisationsprinzips berücksichtigt werde, dass dem Steuerpflichtigen der Erfolg des Wertzuwachses erst nach einem Realisationsakt in liquiden Mitteln zur Verfügung steht und erst zu diesem Zeitpunkt die unmittelbare Zahlungsfähigkeit des Steuerpflichtigen erhöht ist45. Elicker46 hat in 41 Vgl. BFH v. 27. 6. 2001, BB 2001, 1893, 1896; Siegel FS Forster, 1992, S. 585, 596ff. 42 Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, 2000, S. 138. 43 Küting/Kessler StuB 2000, 21, 25; Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, 1981/88, S. 171ff; Lang in: Tipke/Lang, 17. Auflage, 2002, § 8 Rn 32; Lang DStJG 4 (1981), 45, 77ff; Schön BB 1997, 1333, 1340; Esterer, Symposium Jacobs, 2005, S. 110, 116; Arnold StuW 2005, 148, 154; Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, 2000, S. 141; Kammann, Stichtagsprinzip und zukunftsorientierte Bilanzierung, 1988, S. 84ff, 359f; Pezzer DStJG 14 (1991), 3, 13; Hennrichs DStJG 24 (2001), 301, 316; Leplow, Das Wertaufholungsgebot in der Handels- und Steuerbilanz, 2002, S. 157; Koniarski, Einkommen als Maßstab steuerlicher Leistungsfähigkeit, 1984, S. 103ff; Zeitler DB 2003, 1529, 1531; Schaumburg Stbg 2004, 545, 546; vom Standpunkt der alternativen Interpretation der Reinvermögenszuwachstheorie nun auch Moxter DStR 1998, 509, 510. 44 Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, 1981/88, S. 174; Lang DStJG 4 (1981), 45, 77f; Koniarski, Einkommen als Maßstab steuerlicher Leistungsfähigkeit, 1984, S. 104; Kammann, Stichtagsprinzip und zukunftsorientierte Bilanzierung, 1988, S. 84; Arnold StuW 2005, 148, 154. 45 Vogel StuW 1974, 193, 199; Kammann, Stichtagsprinzip und zukunftsorientierte Bilanzierung, 1988, S. 85; Zeitler DB 2003, 1529, 1531; Leplow, Das Wertaufholungsgebot in der Handels- und Steuerbilanz, 2002, S. 157; vgl. auch Koniarski, Einkommen als Maßstab steuerlicher Leistungsfähigkeit, 1984, S. 105.
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Die „periodengerechte Gewinnermittlung“ als Differenzierungsmaßstab
diesem Sinne zu Recht betont, dass sich eine Zahlungsfähigkeit des Steuerpflichtigen insbesondere auch nicht aus einer Beleihbarkeit von Unternehmensvermögen ableiten lässt. Dies ist vor allem damit zu begründen, dass unter den realen Bedingungen eines unvollkommenen Kapitalmarktes die Möglichkeiten und die Bedingungen einer Kreditaufnahme nicht unberücksichtigt bleiben dürfen47. Vor allem gilt es aber zu beachten, dass das Vorhandensein von Liquidität nicht von der Willensentscheidung eines Dritten abhängig gemacht werden sollte. Dieser Gesichtspunkt wirft jedoch die Frage auf, ob im Hinblick auf das verfassungsrechtliche Prinzip einer eigentumsschonenden Besteuerung dem Kriterium „Liquidität“ eine derartige Relevanz zugesprochen werden muss, dass erst im Zeitpunkt des Geldvermögenszuwachses ein positiver Erfolgsbeitrag registriert werden darf48. Diese strenge Sichtweise hätte zur Konsequenz, dass der geltende Realisationszeitpunkt vor dem verfassungsrechtlichen Hintergrund auf seine Berechtigung überdacht werden muss. Nach dem oben Gesagten kann sich das Prinzip einer eigentumsschonenden Besteuerung jedoch nur dann gegen den reinvermögenszuwachstheoretischen Differenzierungsmaßstab durchsetzen, wenn der Verzicht auf den Eingang liquider Mittel im Rahmen des Realisationsprinzips vor dem Hintergrund des Art 14 Abs. 1 GG als schlicht unverhältnismäßig erscheinen würde. In diesem Zusammenhang gilt es zu berücksichtigen, dass die verfassungsrechtliche Struktur der Steuer als Inhalts- und Schrankenbestimmung keinen Steuerzugriff in den Eigentumsbestand rechtfertigen kann, will man nicht die spezielle Schrankensystematik der Art 14 Abs. 2 S. 2, Abs. 3, 15 GG unterlaufen49. Dies bedeutet aber, dass der Steuerzugriff nicht mittelbar zu einem Veräußerungszwang und damit zur Aufgabe des zur Eigentumsnutzung eingesetzten Eigentumsobjekts zwingen darf50. In diesem Fall schlägt der Eingriff in die Nutzungsgarantie in einen steuerlich unzulässigen Eingriff in 46 Elicker StuW 2002, 217, 220; Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, 1981/88, S. 154f. 47 Elicker StuW 2002, 217, 220; Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, 1981/88, S. 154f. 48 So Schneider mit seiner Interpretation einer strengen Reinvermögenszugangstheorie; vgl. zu dieser Fragestellung, Lüders, Der Zeitpunkt der Gewinnrealisierung im Handels- und Steuerbilanzrecht, 1987, S. 91. 49 Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, 2000, S. 44; Papier in: Maunz/Dürig, GG, Art 14 Rn 171f. 50 Vgl. Jachmann StuW 1996, 97, 102: Wahrung der grundsätzlichen Verfügungsbefugnis des Eigentümers; vgl. in diesem Sinne auch Diskussionsbeitrag, Diskussionsbericht Eikenberg in: Kleindiek/Oehler, Die Zukunft des deutschen Bilanzrechtes, 2000, 201, 202; Herzig/Bär DB 2003, 1, 5.
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Anwendung der Ergebnisse auf das Subsystem „Steuerbilanzrecht“
die Bestandgarantie des Eigentums um51. Hat der Steuerpflichtige hingegen seine Dispositionsbereitschaft durch einen Realisationsakt nach außen dokumentiert, liegt kein gleichartiger Eingriff in die Dispositionsautonomie des Steuerpflichtigen mehr vor. Ein Zwang zur Veräußerung eines konkreten Eigentumsobjekts, welches nach dem Willen des Steuerpflichtigen auch zukünftig der ertragsorientierten Eigentumsnutzung dienen soll, kann sich dann nicht ergeben. Insoweit scheint es dem Steuerpflichtigen unter Angemessenheitsgesichtspunkten mangels gleichartigem Interesse an dem Fortbestand als bloße Forderung zumutbar, den Gegenanspruch notfalls zu liquidieren52, zumal der geltende Realisationszeitpunkt die Gefahrtragungsregeln berücksichtigt, so dass auch von einer „gesicherten Leistungsfähigkeit“ gesprochen werden kann53. Zusammenfassend bleibt somit festzustellen, dass der Verzicht auf den Eingang liquider Mittel nicht als unverhältnismäßig angesehen werden kann. Umgekehrt können die Einschränkungen des Differenzierungsmaßstabes durch das Realisationsprinzip verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden. Diese Sichtweise hat aber zur Konsequenz, dass eine vorsichtige Gewinnermittlung entgegen vielfacher Annahme nicht nur aus dem Handelsrecht abgeleitet werden kann, sondern dieser vielmehr auch eine originär steuerliche Natur zukommt54. Mit der Berücksichtigung der genannten Aspekte wird dem oben beschriebenen Grundsatz Rechnung getragen, dass der Ge51 Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, 2000, S. 47; Loritz BB 1993, 225, 229; Huber DÖV 1999, 173, 179ff. 52 Vgl. Moxter DStZ 2000, 157, 160. 53 Vgl. auch Moxter DStR 1998, 509, 510, der lediglich von einer gewissen Liquiditätsnähe spricht. 54 Hennrichs DStJG 24 (2001), 301, 324f; Kammann, Stichtagsprinzip und zukunftsorientierte Bilanzierung, 1988, S. 85f; 360. Auf weitere Aspekte des Vorsichtsprinzips und die Problematik steuerlicher Wahlrechte soll hier nicht weiter eingegangen werden. Angemerkt sei nur soviel, dass auch eine Lösung dieser Problematik vor dem Hintergrund der vorstehend beschriebenen verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen bzw. Kollisionslagen gefunden werden muss. Eine konsequente Umsetzung der Reinvermögenszuwachstheorie würde beispielsweise eine Abzinsung von Rückstellungen nach sich ziehen, da eine erst in Zukunft fällige Auszahlung in ihrer Belastungswirkung nicht mit einer sofort fälligen Schuld gleichgestellt werden kann. Berücksichtigt man hingegen die anderen bedeutsamen Verfassungsprinzipien, kann der Verzicht auf ein Abzinsungsgebot jedoch gerechtfertigt werden, vgl. Hennrichs DStJG 24 (2001), 301, 327. Es widerspricht dem Realisationsprinzip, zu unterstellen, das Unternehmen könne in jedem Fall Erträge in Höhe der Sollverzinsung erwirtschaften. Insbesondere kann sich ein Unternehmer im Rahmen seiner Dispositionsfreiheit auch dazu entschließen, mit den gebundenen Mitteln überhaupt keine Rendite zu erwirtschaften.
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Die „periodengerechte Gewinnermittlung“ als Differenzierungsmaßstab
setzgeber im Rahmen eines Ausgestaltungsspielraumes die Möglichkeit hat, die folgerichtige Umsetzung des einmal gewählten Beurteilungsmaßstabes „Vermögensvergleich“ im Hinblick auf die insoweit kollidierenden Verfassungsprinzipien einer willkürfreien und nachprüfbaren Steuerbemessung und einer eigentumsschonenden Besteuerung einzuschränken. Diese durch das Vorsichtsprinzip markierte Sichtweise zeigt sich im übrigen nicht nur bei der Erfassung von Vermögensmehrungen, sondern auch bei der Beurteilung von Vermögensumschichtungen. § 5 Abs. 2 EStG dokumentiert dies durch das Verbot einer Aktivierung nicht entgeltlich erworbener Immaterialgüter des Anlagevermögens. Die Möglichkeit eines gewinnmindernden Abzuges der hierfür aufgewandten Kosten ohne Aktivierung eines vermögenswerten Äquivalents verdeutlicht die allgemeine Absicht des Gesetzgebers, Vermögen, dessen Wertäquivalenz nicht zweifelsfrei ist, aus der weiteren Betrachtung auszuscheiden55. d)
Verfassungsrechtliche Beurteilung des Imparitätsprinzips
Umgekehrt erscheint nach dem zugrundegelegten vermögensstatischen Vergleichsmaßstab die imparitätische Berücksichtigung nichtrealisierter Wertminderungen geradezu systemimmanent, wenn es um die Darstellung des dem gewählten Differenzierungsmaßstab entsprechenden periodengerechten Gewinnes geht56. Bedeutsam ist dabei zunächst, dass sich das Imparitätsprinzip nach vermögensstatischer Sicht nicht lediglich auf Teilwertabschreibungen, AfaA und Drohverlustrückstellungen bezieht, sondern, da dieses quasi den Regelzustand der vermögensstatischen Gewinnermittlung kennzeichnet, insbesondere auch Verbindlichkeiten und Verbindlichkeitsrückstellungen erfasst. Beurteilt man Teilwertabschreibungen und AfaA als außerplanmäßige steuerliche Abschreibungen anhand der Vorstellungen der Vermögensstatik, muss folglich zunächst festgestellt werden, dass ihr Ansatz im Rahmen einer Periodenabgrenzung anhand eines stichtagsbezogenen Vermögensvergleichs systematisch gefordert ist. Teilwertabschreibungen 55 Küting/Kessler StuB 2000, 21, 23. 56 Küting/Kessler StuB 2000, 21, 24f; Hennrichs DStJG 24 (2001), 301, 319ff; Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, 1981/88, S. 369 in Bezug auf die Teilwertabschreibung; Kammann, Stichtagsprinzip und zukunftsorientierte Bilanzierung, 1988 S. 263; Groh DB 1999, 978, 980f; IDW-Fachausschuss WPg 1999, 26, 30; Uelner StuB 1999, 84, 87; Jakobs/Lohrbacher GmbHR 1998, 1204; Bordewin FR 1998, 226, 232 in Bezug auf die Drohverlustrückstellungen; Hüttemann StbJb 2002/2003, 35, 44; vgl. auch Strahl StuB 1999, 145ff; Euler, Das System der Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung, 1996, S. 29, 58; zustimmend auch Lang in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Auflage, 2002, § 9 Rn 318; Schaumburg Stbg 2004, 545, 546; Arnold StuW 2005, 148, 155.
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Anwendung der Ergebnisse auf das Subsystem „Steuerbilanzrecht“
und AfaA haben insoweit, wie bereits festgestellt wurde, den Zweck, eingetretene Stichtagsvermögensminderungen abzubilden und sind somit Ausdruck einer periodengerechten Gewinnermittlung. Darüber hinaus ist zudem ein Gleichklang mit dem Prinzip der Unternehmensschonung zu verzeichnen, da auch ein Imparitätsprinzip, welches dem Ausweis unrealisierter Stichtagsvermögensverluste dient, eine kapitalerhaltende Wirkung zukommt57. Im Gegensatz zum Realisationsprinzip beziehen sich die insoweit erforderlichen Verhältnismäßigkeitserwägungen jedoch weniger auf den einzelnen Geschäftsvorfall als vielmehr auf die Auswirkungen auf das Unternehmen an sich. Ambivalent und teilweise gegenläufig gestaltet sich im Rahmen der Prinzipienkollision allein die Notwendigkeit einer Objektivierung der Gewinnermittlung als Ausfluss des Prinzips der Rechtssicherheit. Die daraus resultierenden Restriktionen des Schätzungsermessens dürfen jedoch nicht dahin (miss-)verstanden werden, dass aufgrund der Notwendigkeit einer objektiven Gewinnermittlung der eigentliche Differenzierungsmaßstab konterkariert wird. Erforderlich ist daher, überspitzt ausgedrückt, keineswegs eine Eindeutigkeit in dem Sinne, dass lediglich an objektiv nachprüfbare, schätzungsfreie Zahlungsvorgänge angeknüpft werden darf. Welche Objektivierungsrestriktionen im Rahmen einer vermögensstatischen Betrachtung bei der AfaA und der Teilwertabschreibung gesetzlich vorgesehen sind, wurde bereits im Rahmen der einführenden systematischen Einordnung der Institute erörtert. Insofern ist nicht ersichtlich, dass die Gewährung der Möglichkeit einer AfaA und einer Teilwertabschreibung gegen das Prinzip der Rechtssicherheit verstößt. Hinsichtlich verbleibender Unsicherheiten kann hier der Grundsatz gelten, dass im Zweifel Verluste als gemacht gelten. Gemessen an dem zugrundegelegten Vergleichsmaßstab und unter Berücksichtigung auch der anderen bedeutsamen Verfassungsprinzipien ist die gewinnmindernde Berücksichtigung von stichtagsbezogenen Vermögensverlusten nach dem Imparitätsprinzip somit kein Produkt einer vorsichtigen, nicht mehr vom Steuerbilanzzweck gedeckten Gewinnermittlung, sondern durch die im zugrundegelegten Subsystem verwirklichte Leistungsfähigkeitsvorstellung vorgezeichnet. e)
Zwischenergebnis
Sieht man mit einem Großteil der Literatur im Gedankengut der Vermögensstatik den systemprägenden Differenzierungsmaßstab im Steuerbilanzrecht, 57 Kammann, Stichtagsprinzip und zukunftsorientierte Bilanzierung, 1987, S. 256f; vgl. auch Herzig WPg 2005, 211, 219; Arnold StuW 2005, 148, 155.
260
Die „periodengerechte Gewinnermittlung“ als Differenzierungsmaßstab
muss festgestellt werden, dass die zeitliche Ausgestaltung des objektiven Nettoprinzips durch Zuordnung der Erfolgsbeiträge nach dem Realisationsund dem Imparitätsprinzip unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden ist. Folglich sind auch keine Anhaltspunkte ersichtlich, die die Auffassung stützen, dass der nach handelsrechtlichen Vorstellungen ausschüttbare Gewinn von dem unter Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten zu bestimmenden steuerlichen Gewinn abweicht58. Damit scheinen gleichsam auch bedeutsame Einwände gegen die Berechtigung des Maßgeblichkeitsprinzips ausgeräumt. Im Grundsatz ergeben sich daher keine verfassungsrechtlichen Bedenken, den Fiskus im selben Verhältnis am Gewinn eines Unternehmens partizipieren zu lassen wie die Gesellschafter59. 2.
Verfassungsrechtliche Beurteilung vor dem Hintergrund des Nettorealisationsgedankens als systemkonturierendem Differenzierungskriterium des Bilanzsteuerrechts
Ob in einer vermögensstatischen Interpretation des Prinzips steuerlicher Leistungsfähigkeit, hergeleitet aus dem Wortlaut des § 4 Abs. 1 EStG, der geltende systemkonturierende Ausgestaltungsmaßstab für das Bilanzsteuerrecht gefunden ist, wird in der Literatur von einer zunehmend vertretenen Ansicht bezweifelt. Eine gewichtige Auffassung60 interpretiert wesentliche Elemente des geltenden Steuerbilanzrechts vor dem Hintergrund des Nettorealisationsgedankens61, was zur Folge hat, dass das Realisationsprinzip nicht nur auf den Zeitpunkt des Ausweises von Erträgen, sondern auch auf den Ansatzzeitpunkt von Betriebsausgaben anzuwenden ist62. In dieser Sichtweise wird dem (Netto-)Realisationsprinzip als allgemeinem Periodisierungsprinzip die Funktion zugewiesen, periodengerechte Gewinne abzubilden63. Dieser Auffassung steht nicht von vornherein entgegen, dass der Gesetzgeber in § 4 Abs. 1 EStG ausdrücklich angeordnet hat, den bilanziellen Ge58 So insbesondere Gassner/Lang, Das Leistungsfähigkeitsprinzip im Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht, 2000, S. 81; Döllerer BB 1971, 1333, 1334; Schön BB 1994 (Beilage 9), 1, 4; Hüttemann StbJb 2002/2003, 35, 39ff. 59 Döllerer BB 1971, 1333, 1334; Schön StbJb 1998/99, 353f; Schön ZHR 161 (1997), 133, 142. 60 Vgl. die umfangreichen Nachweise in 1. Kap. B. II. 2. a). 61 Gleichgestellt werden müssen insoweit diejenigen Auffassungen, die eine strenge Geltung des Nettorealisationsprinzips zwar ablehnen, dem Realisationsprinzip aber dennoch eine Abgrenzungsfunktion für Aufwendungen zumessen. 62 Aus verfassungsrechtlicher Sicht Schulze-Osterloh DStJG 23 (2000), 67, 72; SchulzeOsterloh FS Forster, 1992, S. 653, 656ff. 63 Vgl. nur Mayr ÖStZ 2001, 226, 227; Schulze-Osterloh DStJG 23 (2000), 67, 72.
261
Anwendung der Ergebnisse auf das Subsystem „Steuerbilanzrecht“
winn mittels eines Vermögensvergleichs ermitteln zu wollen. Sieht man im Nettorealisationsgedanken den Ausgestaltungsmaßstab für eine periodengerechte Gewinnermittlung, muss berücksichtigt werden, dass nach dem oben Gesagten auch dieser Differenzierungsmaßstab zur Konturierung des Leistungsfähigkeitsprinzips in ein Konkurrenzverhältnis zu den oben umschriebenen, ebenfalls bedeutsamen Verfassungsprinzipien tritt64. Unter Objektivierungsgesichtspunkten relativiert sich dann jedoch die Anweisung des § 4 Abs. 1 EStG, die einen Vermögensvergleich anordnet in dem Sinne, dass diese als Objektivierungsrestriktion verstanden werden kann65. Berücksichtigt man zudem, dass die wesentliche Eigenschaft der Nettorealisation in der Periodisierung liegen soll, erscheint der gedankliche Schritt zur periodengerechten Gewinnermittlung für viele geradezu vorgezeichnet. a)
Verfassungsrechtliche Betrachtung des Realisationsprinzips
Beurteilt man das Realisationsprinzip vor dem Hintergrund des Nettorealisationsgedankens, muss festgestellt werden, dass dem Realisationsprinzip als zentralem Ausgangspunkt aller Überlegungen zwar eine überragende Funktion (insbesondere für die Aufwandszuordnung) zukommt, andererseits aber die Festlegung des Realisationszeitpunktes für die Erfassung positiver Erfolgsbeiträge selbst nicht weiter hinterfragt wird. Insbesondere die Ausführungen Moxters belegen indes, dass es vor dem Hintergrund einer gedanklichen Verknüpfung von Ertrag und Aufwand durchaus denkbar ist, zukünftige Ertrags- und Aufwandserwartungen in die Überlegungen einzubeziehen66. Nun hat sich der Gesetzgeber jedoch gerechtfertigterweise dafür entschieden, bloße Ertragserwartungen aus dem periodischen Gewinn auszugrenzen und lediglich realisierte Erträge einzubeziehen. Diese Begrenzung hat gleichsam erhebliche Konsequenzen für den Umfang des regelmäßig zu berücksichtigenden Aufwandes, da nur noch derjenige Aufwand berücksichtigt werden kann, der i.S. einer Alimentierung den realisierten Erträgen zuzuordnen ist. Die Festlegung des Ertragsrealisationszeitpunktes determiniert somit das weitere Systemverständnis der Nettorealisation. Vor diesem Hintergrund erscheint es bedeutsam herauszustellen, dass nach dem oben Gesagten die gegenwärtige Festlegung des Realisationszeitpunktes als Basis eines Nettorealisationsprinzips selbst keinen verfassungsrechtlichen Beden64 Vgl. 3. Kap. C. IV. 4. und 5. 65 Vgl. dazu die Ausführungen in 1. Kap. B. II. 2 a) mwN. Beisse FS Moxter, 1994, S. 3, 17 hat insoweit zu Recht darauf hingewiesen, dass Objektivierung im Bilanzrecht Vergegenständlichung bedeute; vgl. auch Hommel, Bilanzierung immaterieller Anlagewerte, 1998, S. 49f; Moxter StuW 1989, 232, 234; Euler, Das System der Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung, 1996, S. 109ff. 66 Vgl. dazu 1. Kap. B. III. 2. a) aa) (2).
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Die „periodengerechte Gewinnermittlung“ als Differenzierungsmaßstab
ken begegnet67. Erst auf dieser Grundlage hat daher auch die Idee der Nettorealisation ihre systematische Berechtigung68. In diesen Rahmenbedingungen führt die Verknüpfung von realisierten Erträgen mit den zugehörigen Erträgen dazu, dass die AfaA als Ausprägung des Realisationsprinzips anzusehen sind69, deren steuerliche Anerkennung somit systemkonform erscheint. Berücksichtigt man zudem die Objektivierungsrestriktionen70, bestehen gegen eine steuerliche Anerkennung der AfaA vor dem Systematisierungsmaßstab der Nettorealisation keine verfassungsrechtlichen Bedenken. b)
Betrachtung des Imparitätsprinzips
Interpretiert man das Imparitätsprinzip vor dem System der Nettorealisation, muss festgestellt werden, dass sich die imparitätische Berücksichtigung von negativen Erfolgsbeiträgen unter dem Aspekt der periodengerechten Gewinnermittlung zunächst als Systembruch darstellt71. Insofern ist zu beachten, dass im Gegensatz zur Bedeutung des Imparitätsprinzips im Rahmen der vermögensstatischen Sichtweise, dem Imparitätsprinzip vor dem Nettorealisationsgedanken bereits im Ansatz eine ganz anders geartete Funktion zukommt. Eine idealtypische Umsetzung des Differenzierungsmaßstabes kann unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten jedoch auch unter dem Regime des Nettorealisationsgedankens nicht verlangt werden. Vielmehr kann im Imparitätsprinzips unter Folgerichtigkeitsgesichtspunkten nur dann eine verfassungsrechtlich unzulässige Durchbrechung des einmal gewählten Differenzierungsmaßstabes gesehen werden, wenn eine Rechtfertigung nicht gelingt. Betrachtet man das Imparitätsprinzips vor dem Hintergrund des Nettorealisationsgrundsatzes, kommt diesem die Funktion zu, zukünftige Gewinnund Verlustrechnungen von den Auswirkungen erfolgsmindernder Dispositionen der Vorperioden freizuhalten72. Als ausschüttbar und damit steuerbar wird somit nur derjenige Teil des Gewinns angesehen, der um negative Erfolgsbeiträge bereinigt ist, deren Deckung ansonsten aus Gewinnen nach 67 Vgl. 4. Kap. B. II. 1. c). 68 Hinter den oben dargestellten ökonomischen Idealen bleibt dieses Verständnis der Nettorealisation jedoch zurück. 69 Vgl. 1. Kap. B. III. 2. a) aa) (1). 70 Vgl. 1. Kap. B. III. 2. a) aa) (2) (2.4) (2.4.1). 71 Mayr ÖStZ 2001, 226, 229; vgl. im übrigen die Ausführungen in 1. Kap. B. III. 2. a) aa) (2) (2.4) (2.4.2). 72 Hommel/Berndt FR 2000, 1305, 1306; Heddäus, Handelsrechtliche Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung für Drohverlustrückstellungen, 1997, S. 14.
263
Anwendung der Ergebnisse auf das Subsystem „Steuerbilanzrecht“
dem Bilanzstichtag erwirtschaftet und finanziert werden müsste73. Das Imparitätsprinzip wirkt in dieser Funktion aber nicht nur verlustbegründend, sondern auch verlustbegrenzend, da weder fiktive Verluste noch entgangene Gewinne antizipiert werden dürfen74. Betrachtet man diese Zwecksetzung, ist nicht zu verkennen, dass das Imparitätsprinzip mit seinem verminderten Mittelentzug (Kapitalerhaltung) unter Liquiditätsgesichtspunkten dazu beiträgt, den tatsächlichen Bestand von Unternehmen als Verdienstquelle langfristig zu sichern, so dass diese Eigentümern und Arbeitnehmern nachhaltig als Einkommensquelle dienen können75. Damit übernimmt das Imparitätsprinzip im System eines am Nettorealisationsgedankens orientierten Belastungsmaßstabes eine Funktion, die zu einer eigentumsschonenden Steuerbemessung beiträgt76. Mayr77 hat unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten für die Berechtigung von Teilwertabschreibungen ergänzend darauf hingewiesen, dass das Imparitätsprinzip insbesondere auch der Dispositionsautonomie des Steuerpflichtigen Rechnung trägt, da dieser nicht gezwungen ist, entsprechende Wirtschaftsgüter zu veräußern, um den Verlust steuerlich geltend machen zu können. Berücksichtigt man diese Gesichtspunkte im Hinblick auf das oben aufgezeigte Spannungsverhältnis zwischen Differenzierungsmaßstab und anderen Verfassungsprinzipien, dürfte damit die Teilwertabschreibung im Speziellen, aber auch das Imparitätsprinzip allgemein verfassungsrechtlich zu rechtfertigen sein.
III.
Zusammenfassung
Unabhängig davon, ob man einen vermögensstatischen, die Reinvermögenszuwachstheorie konkretisierenden Vergleichsmaßstab zum Ausgangs73 Hommel/Berndt FR 2000, 1305, 1306; Heddäus, Handelsrechtliche Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung für Drohverlustrückstellungen, 1997, S. 14; vgl. auch Euler, Das System der Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung 1996, S. 114f; bereits Koch WPg 1957, 1, 5 hatte das Imparitätsprinzips als „Grundsatz finanzieller Vorsorge“ i.S. der Kapitalerhaltung gekennzeichnet. 74 Herzig/Rieck WPg 1999, 305, 314. 75 Leffson, Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, 7. Auflage, 1987, S. 93; Heddäus, Handelsrechtliche Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung für Drohverlustrückstellungen, 1997, S. 16f; Schulze-Osterloh DStJG 23 (2000), 67, 74; vgl. auch Kessler StuB 2000, 1091, 1094; Elicker StuW 2002, 217, 224. Die besondere Schutzbedürftigkeit von Unternehmen in der Besteuerung i.S. einer betriebsschonenden Besteuerung hat auch das BVerfG verschiedentlich gesondert hervorgehoben, vgl nur BVerfG v. 22. 6. 1995, BStBl II 1995, 671, 674. 76 Mayr ÖStZ 2001, 226, 230f; Hommel/Berndt FR 2000, 1305, 1306; vgl. auch Herzig WPg 2005, 211, 219. 77 Mayr ÖStZ 2001, 226, 230f.
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Die „periodengerechte Gewinnermittlung“ als Differenzierungsmaßstab
punkt der verfassungsrechtlichen Beurteilung wählt oder aber an die Idee der Nettorealisation anknüpft, kann somit festgestellt werden, dass eine Ausrichtung des Steuerbilanzrechts am Realisationsprinzip und am Imparitätsprinzip verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist. Beide Grundvorstellungen zur Bemessung einer durch Vermögensvergleich ermittelten Leistungsfähigkeit führen in ihrem theoretischen Ideal zunächst jedoch zu einem anderen zeitlichen Erfolgsausweis, als dies durch das Imparitätsprinzip und das Realisationsprinzip über den Maßgeblichkeitsgrundsatz für die steuerliche Gewinnermittlung vorgegeben ist78. Aufgrund der gegensätzlichen Voraussetzungen unter denen eine Änderung der stichtagsbezogenen Leistungsfähigkeit angenommen wird, geraten somit entweder das Imparitätsprinzip oder das Realisationsprinzip in Relation zu den idealtypischen Anforderungen des Vergleichsmaßstabes in verfassungsrechtlichen Rechtfertigungszwang. Da die unterschiedlichen Differenzierungsmaßstäbe jedoch unterschiedliche Bereiche des Steuerbilanzrechts unter verfassungsrechtlichen Rechtfertigungszwang stellen, erscheint bemerkenswert, dass der alte bilanztheoretische Streit über den Gedanken der Folgerichtigkeit auch eine verfassungsrechtliche Dimension aufweist. Unabhängig davon, welchen der beiden verbliebenen Differenzierungsmaßstäbe man letztlich favorisiert, kann zudem festgestellt werden, dass der traditionell in seinen Grundstrukturen nach dem Realisations- und dem Imparitätsprinzip ermittelte Gewinn den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die qualitative Ausgestaltung einer Steuerbilanz entspricht. Die handelsbilanzielle Ausschüttungsbemessung kann daher im Hinblick auf den hier behandelten Gesichtspunkt über die Maßgeblichkeit des § 5 Abs. 1 S. 1 EStG auch zur Grundlage einer steuerlichen Zahlungsbemessung gemacht werden. Dies resultiert nicht zuletzt aus einer Vergleichbarkeit von Kollisionslagen bei der Ausschüttungsbemessung. Während sich aus steuerrechtlicher Sicht ein Spannungsverhältnis aus dem Differenzierungsmaßstab in Relation zu den ebenfalls zu beachtenden Objektivierungsanforderungen aus dem Prinzip der Rechtssicherheit und den Grenzen aus der Eigentumsgarantie ergibt, resultiert im Hinblick auf die Ausschüttungsbemessung handelsrechtlich ein identisch gelagerter Interessenkonflikt aus den divergierenden Interessen der eine Gewinnverkürzung fürchtenden Minderheitsgesellschafter und der an einer Kapitalerhaltung interessierten Gläubiger79. Berücksichtigt man dies, besteht zumindest in den aufgezeigten traditionellen Grundstrukturen entgegen zahlreichen kritischen Stimmen in der Literatur auch keine Notwendig78 Vgl. insoweit die Darstellung in 2. Kap. D. II. und IV. 79 Döllerer in: Baetge, Der Jahresabschluss im Widerstreit der Interessen, 1983, S. 157, 162f.
265
Anwendung der Ergebnisse auf das Subsystem „Steuerbilanzrecht“
keit, die Steuerbilanz von der handelsbilanziellen Gewinnermittlung zu entkoppeln80. Für eine formelle Abkopplung des Bilanzsteuerrechts vom Handelsbilanzrecht lässt sich daher vornehmlich anführen, dass die Handelsbilanz zunehmend unter den Einfluss primär informationsgeprägter, internationaler Rechnungslegungsgrundsätze gerät81. Ob und inwieweit eine Verknüpfung des Steuerbilanzrechts mit den internationalen Rechnungslegungsgrundsätzen zulässig wäre, soll an dieser Stelle nicht vertieft untersucht werden82. Angemerkt sei hier nur soviel: Eine Analyse der internationalen Rechnungslegungsgrundsätze auf ihre verfassungsrechtliche Tauglichkeit für die Steuerbemessung müsste nach der hier vertretenen Auffassung ihren Ausgangspunkt in den genannten theoretischen Möglichkeiten der Ausgestaltung eines Vermögensvergleichs nehmen. Darüber hinaus ist es erforderlich, auch den weiteren relevanten Verfassungsprinzipien, insbesondere dem Grundsatz der eigentumsschonenden Besteuerung, Rechnung zu tragen. Untersucht man etwa die Fair-ValueBewertung für Finanzinstrumente83 an diesen Maßstäben, ist festzustellen, dass das Konzept der Zeitwertbewertung zwar grundsätzlich als Ausfluss einer an der Reinvermögenszuwachstheorie orientierten Besteuerung seine theoretische steuerliche Berechtigung hat. Die Schranken, die aus dem Gebot der eigentumsschonenden Besteuerung resultieren, gestatten es jedoch 80 So auch Euler StuW 1998, 15, 18. 81 Vgl. nur Euler StuW 1998, 15, 16. 82 Vgl. zu dieser Problematik ausführlich Kahle WPg 2002, 178ff; Arbeitskreis Bilanzrecht der Hochschullehrer Rechtswissenschaft BB 2002, 2372ff; Herzig/Bär DB 2003, 1, 4; Oestreicher/Spengel RIW 2001, 889, 892; Oestreicher/Spengel DB 1999, 593ff; Pellens/Gassen KOR 2001, 137, 139; Arbeitskreis „Steuern und Revision“ im Bund der Wirtschaftsakademiker (BWA) e.V. DStR 2004, 1267f; Herzig, IAS/IFRS und steuerliche Gewinnermittlung, 2004, S. 31, 84ff; Herzig WPg 2005, 211ff; vgl. auch Schön WPg-Sonderheft 2001, 74ff; Zeitler DB 2003, 1529, 1531f; Kirsch DStZ 2004, 470, 475f; Schynol NWB Fach 17, 1797ff; Prinz DStR 2003, 1359, 1363f; Arnold StuW 2005, 148, 150. Euler in: Kleindieck/Oehler, Die Zukunft des deutschen Bilanzrechts, 2000, S. 193, 195 hält die Kopplung des Steuerbilanzrechts, das ausschließlich Zahlungen bemessen soll, an ein informationsgeprägtes Handelsbilanzrecht für widersinnig; kritisch auch Arbeitskreis Bilanzrecht der Hochschullehrer Rechtswissenschaft BB 2002, 2372ff; Ballwieser KOR 2001, 139; Herzig/Bär DB 2003, 1, 4, Zeitler DB 2003, 1529, 1531; Herzig, IAS/IFRS und steuerliche Gewinnermittlung, 2004, 31. 83 Kritisch zur Fair-Value-Bewertung unter Durchbrechung des Anschaffungskostenprinzips insbesondere Hoffmann/Lüdenbach DStR 2002, 871, 873ff; Arnold StuW 2005, 148, 150; vgl. auch Scharpf, Rechnungslegung von Financial Instruments nach IAS 39, 2001, S. 144ff; Wehrheim/Lenz StuB 2005, 455, 459; zur Erosion des Realisationsprinzips in den IFRS vgl. Wüstemann/Kierzek BB 2005, 427ff.
266
Die gesetzgeberischen Reformbestrebungen
nicht, auf diese nichtrealisierten Wertsteigerungen zurückzugreifen84. Dies verdeutlicht, dass eine unbesehene Maßgeblichkeit der IAS-Bilanz für die steuerliche Gewinnermittlung nicht innerhalb des verfassungsrechtlichen Ausgestaltungsrahmens liegen dürfte, der dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der steuerlichen Gewinnermittlung verbleibt85. Neben diesen materiellrechtlichen Gründen werden zudem auch aus dem Demokratieprinzip rührende Bedenken gegen eine Maßgeblichkeit auf Basis der IAS/IFRS angeführt, die daraus resultieren, dass in Folge der mittelbaren Anknüpfung an die Rechnungslegung eines privaten Standartsetters eine demokratische Legitimation zweifelhaft erscheint86. Es ist jedoch zu konstatieren, dass sich derartige Bedenken durch das Procedere des Endorsement relativeren dürften.
C.
Die gesetzgeberischen Reformbestrebungen vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Differenzierungsmaßstäbe
Wenn das traditionelle Steuerbilanzrecht somit sowohl anhand einer reinvermögenszuwachstheoretischen Sichtweise als auch anhand des Nettorealisationsgedankens verfassungsrechtlich durchdrungen werden kann, soll nun in einem weiteren Schritt untersucht werden, ob sich die in der Diskussion um das StEntlG 1999/2000/2002 angedachten bzw. realisierten Reformvorhaben bzgl. der Teilwertabschreibung und der Wertaufholung in diese Rahmenbedingungen einfügen lassen. Dabei soll neben einer Überprüfung der Einschränkung der Möglichkeit einer Teilwertabschreibung auch der verfassungsrechtliche Spielraum einer Abschaffung der Teilwertabschreibung ausgelotet werden. Dem Wertaufholungsgebot ist ein eigenes Kapitel gewidmet. 84 Vgl. dazu 5. Kap. C. I. 1. 85 Herzig/Bär DB 2003, 1, 5; Zeitler DB 2003, 1529, 1531; Prinz DStR 2003, 1359, 1363; vgl. auch Grotherr in: Bertl/Egger/Gassner/Lang/Nowotny, Die Maßgeblichkeit der handelsrechtlichen Gewinnermittlung für das Steuerrecht, 2003, S. 221, 262; Gassner in: Bertl/Egger/Gassner/Lang/Nowotny, Die Maßgeblichkeit der handelsrechtlichen Gewinnermittlung für das Steuerrecht, 2003, S. 283, 306; Esterer Symposium Jacobs, 2005, S. 110, 123f; Bohl DB 2004, 2381, 2382. 86 Vgl. dazu Arbeitskreis Bilanzrecht der Hochschullehrer Rechtswissenschaft BB 2002, 2372, 2378; Kirchhof ZGR 2000, 681ff; Herzig/Bär DB 2003, 1, 4; Herzig, IAS/IFRS und steuerliche Gewinnermittlung, 2004, S. 31; Herzig WPg 2005, 211, 213; Hommelhoff/Schwab FS Kruse, 2001, S. 693, 698ff; Schnorr StuW 2004, 305, 307; Esterer Symposium Jacobs, 2005, S. 110, 118; Arnold StuW 2005, 148, 150; Herzig Symposium Jacobs, 2005, 127, 131; a.A. Oestreicher/Spengel RIW 2001, 891; Heintzen BB 2001, 825ff.
267
Die gesetzgeberischen Reformbestrebungen
nicht, auf diese nichtrealisierten Wertsteigerungen zurückzugreifen84. Dies verdeutlicht, dass eine unbesehene Maßgeblichkeit der IAS-Bilanz für die steuerliche Gewinnermittlung nicht innerhalb des verfassungsrechtlichen Ausgestaltungsrahmens liegen dürfte, der dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der steuerlichen Gewinnermittlung verbleibt85. Neben diesen materiellrechtlichen Gründen werden zudem auch aus dem Demokratieprinzip rührende Bedenken gegen eine Maßgeblichkeit auf Basis der IAS/IFRS angeführt, die daraus resultieren, dass in Folge der mittelbaren Anknüpfung an die Rechnungslegung eines privaten Standartsetters eine demokratische Legitimation zweifelhaft erscheint86. Es ist jedoch zu konstatieren, dass sich derartige Bedenken durch das Procedere des Endorsement relativeren dürften.
C.
Die gesetzgeberischen Reformbestrebungen vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Differenzierungsmaßstäbe
Wenn das traditionelle Steuerbilanzrecht somit sowohl anhand einer reinvermögenszuwachstheoretischen Sichtweise als auch anhand des Nettorealisationsgedankens verfassungsrechtlich durchdrungen werden kann, soll nun in einem weiteren Schritt untersucht werden, ob sich die in der Diskussion um das StEntlG 1999/2000/2002 angedachten bzw. realisierten Reformvorhaben bzgl. der Teilwertabschreibung und der Wertaufholung in diese Rahmenbedingungen einfügen lassen. Dabei soll neben einer Überprüfung der Einschränkung der Möglichkeit einer Teilwertabschreibung auch der verfassungsrechtliche Spielraum einer Abschaffung der Teilwertabschreibung ausgelotet werden. Dem Wertaufholungsgebot ist ein eigenes Kapitel gewidmet. 84 Vgl. dazu 5. Kap. C. I. 1. 85 Herzig/Bär DB 2003, 1, 5; Zeitler DB 2003, 1529, 1531; Prinz DStR 2003, 1359, 1363; vgl. auch Grotherr in: Bertl/Egger/Gassner/Lang/Nowotny, Die Maßgeblichkeit der handelsrechtlichen Gewinnermittlung für das Steuerrecht, 2003, S. 221, 262; Gassner in: Bertl/Egger/Gassner/Lang/Nowotny, Die Maßgeblichkeit der handelsrechtlichen Gewinnermittlung für das Steuerrecht, 2003, S. 283, 306; Esterer Symposium Jacobs, 2005, S. 110, 123f; Bohl DB 2004, 2381, 2382. 86 Vgl. dazu Arbeitskreis Bilanzrecht der Hochschullehrer Rechtswissenschaft BB 2002, 2372, 2378; Kirchhof ZGR 2000, 681ff; Herzig/Bär DB 2003, 1, 4; Herzig, IAS/IFRS und steuerliche Gewinnermittlung, 2004, S. 31; Herzig WPg 2005, 211, 213; Hommelhoff/Schwab FS Kruse, 2001, S. 693, 698ff; Schnorr StuW 2004, 305, 307; Esterer Symposium Jacobs, 2005, S. 110, 118; Arnold StuW 2005, 148, 150; Herzig Symposium Jacobs, 2005, 127, 131; a.A. Oestreicher/Spengel RIW 2001, 891; Heintzen BB 2001, 825ff.
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Anwendung der Ergebnisse auf das Subsystem „Steuerbilanzrecht“
Zunächst soll bei der Bearbeitung weiterhin von der Berechtigung der Reinvermögenszuwachstheorie und des Nettorealisationsgedankens als mögliche Differenzierungskriterien ausgegangen werden. Im Rahmen der verfassungsrechtlichen Betrachtung der Änderung der Teilwertabschreibung wird sich jedoch zeigen, dass eine genaue Analyse geboten ist, für welchen der beiden Differenzierungsmaßstäbe sich der Gesetzgeber entschieden hat.
I.
Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen einer Einschränkung bzw. Abschaffung der Teilwertabschreibung unter den Bedingungen eines vermögensstatischen Differenzierungsmaßstabes
1.
Die Einschränkung der Teilwertabschreibung auf eine „voraussichtlich dauernde Wertminderung“
In der Literatur wurde bereits im Hinblick auf den handelsrechtlichen Grunddisput über das Ordnungssystem der Handelsbilanz kritisiert, dass das Kriterium der voraussichtlich dauernden Wertminderung nicht mit dem System der Vermögensstatik harmoniere87. Der Differenzierungsmaßstab Vermögensvergleich erfordere es, jegliche objektivierbare stichtagsbezogene Wertminderung zu berücksichtigen; auf deren voraussichtliche Dauer könne es insoweit nicht ankommen88. Gemessen an einer zeitwertorientierten Betrachtung der Vermögenswerte am Bilanzstichtag kann es unter „Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten“ in der Tat lediglich von Bedeutung sein, ob eine stichtagsbezogene Wertminderung vorliegt oder nicht. Berücksichtigt man indes, dass der jeweilige Differenzierungsmaßstab in einem Spannungsverhältnis zu anderen Verfassungsprinzipien steht, erscheint die gesetzgeberische Restriktion beim Teilwertansatz trotz der Verfälschung des Belastungsmaßstabes jedoch nicht ohne weiteres verfassungsrechtlich unzulässig. Die Unterscheidung einer dauerhaften von einer vorübergehenden Wertminderung dient bei vermögensorientierter Betrachtung dem auch von der Verfassung anerkannten Zweck der Vereinfachung der Rechnungslegung89. Bedeutsam wird dieser Aspekt vor allem beim Anlagevermögen unter dem Gesichtspunkt, dass im Hinblick auf den gesetzlich vorausgesetzten dauernden Verbleib des Wirtschaftsgutes im Betriebsvermögen lediglich vorüberge87 Hommel/Berndt DStR 2000, 1745, 1750; vgl. auch Jüttner, GoB-System, Einzelbewertungsgrundsatz und Imparitätsprinzip, 1993, S. 164. 88 Hommel/Berndt DStR 2000, 1745, 1750. 89 Hennrichs DStJG 24 (2001), 301, 323; Richter in: Handbuch des Jahresabschlusses, Abt II/1 Rn 257; vgl. auch Hommel/Berndt DStR 2000, 1745, 1749; Versin, Derogation des Maßgeblichkeitsprinzips im Einkommensteuerrecht?, 2003, S. 100.
268
Die gesetzgeberischen Reformbestrebungen
hende Wertminderungen ausgeblendet bleiben können90. Unter diesem Vereinfachungsaspekt überzeugt demgegenüber die Erstreckung des Kriteriums der voraussichtlich dauernden Wertminderung auf das Umlaufvermögen nicht so richtig91, da dort im Unterschied zum Anlagevermögen ein dauernder Verbleib im Betriebsvermögen gerade nicht vorausgesetzt wird, so dass gerade keine häufigen Wertkorrekturen zu befürchten sind. Da Umlaufvermögen für den Absatz oder den Verbrauch bereit gehalten wird, kann das Kriterium der dauernden Wertminderung beim Umlaufvermögen nur dahin verstanden werden, dass die vorausgesetzte Wertminderung voraussichtlich noch im Zeitpunkt von Verbrauch oder Veräußerung vorhanden sein muss92. Interpretiert man die Reinvermögenszuwachstheorie hingegen i.S. von Moxter anhand von Ertragspotentialen, ist die restriktivere Anwendung des niedrigeren Teilwertansatzes lediglich bei einer voraussichtlich dauernden Wertminderung vor dem Hintergrund zu verstehen, dass aus einer nur vorübergehenden Wertminderung in der Regel keine Belastungen künftiger Gewinnund Verlustrechnungen resultieren93. Mangels drohender künftiger Verluste, wäre die Einschränkung daher systemgerecht und verfassungsrechtlich zulässig. 2.
Verfassungsrechtliche Möglichkeiten eines Verbots der Teilwertabschreibung nach der Vermögensstatik
Misst man das zunächst geplante Verbot der Teilwertabschreibung an den Grundsätzen der Zeitwertstatik, muss festgestellt werden, dass eine vollständige Eliminierung der Teilwertabschreibung aus der Steuerbilanz den zum Ausgangspunkt gewählten systemkonturierenden Differenzierungsmaßstab durchbricht94. Gleiches gilt aber auch dann, wenn man die Interpretation der Reinvermögenszuwachstheorie nach Moxter zugrundelegt95. Vor dem Hintergrund reinvermögenszuwachstheoretischer Vorstellungen als zentralem Differenzierungskriterium des Steuerbilanzrechts ist mit einer in der Li-
Hennrichs DStJG 24 (2001), 301, 323. Groh DB 1999, 978, 982. Groh DB 1999, 978, 982; Hennrichs DStJG 24 (2001), 301, 324. Moxter DStR 1998, 509, 510. Sowohl aus der Perspektive eines Unternehmenserwerbers als auch unter dem Gesichtspunkt der Reinvermögenszuwachstheorie stellt ein Absinken des Teilwertes einen eingetreten Verlust dar; Küting/Kessler StuB 2000, 21, 24f; Uelner StuB 1999, 84, 87f; Uelner in: IFSt-Schrift Nr. 369, Zum geplanten Verbot der Teilwertabschreibung, S. 24ff. Konzeptionelle Unterschiede bestehen allein im Hinblick auf die Möglichkeit der Berücksichtigung entgehender Gewinne. 95 Moxter DStR 1998, 509, 510.
90 91 92 93 94
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Anwendung der Ergebnisse auf das Subsystem „Steuerbilanzrecht“
teratur verbreiteten Auffassung96 zudem im steuerrechtlichen Verbot der Bildung von Drohverlustrückstellungen (§ 5 Abs. 4a EStG) ein Verstoß gegen die selbst statuierte Sachgesetzlichkeit (Art 3 Abs. 1 GG) zu erkennen. Im Hinblick auf diesen Differenzierungsmaßstab werden die gesetzgeberischen Tendenzen zur vollständigen Eliminierung des Imparitätsprinzips aus der Steuerbilanz unter Berufung auf den Gedanken der Folgerichtigkeit und Systemkonsequenz zu Recht als systemwidrig beanstandet97. Bereits im Rahmen der Rechtfertigung der aus der Abschaffung der Drohverlustrückstellungen resultierenden Ungleichbehandlung hat sich die Frage gestellt, ob der Umstand rechtfertigend berücksichtigt werden kann, dass die Abschaffung des Imparitätsprinzips nicht zu einem endgültigen Abzugsverbot führt, sondern den negativen Erfolgsbeitrag lediglich in das Jahr der „Verlustentstehung“ verschiebt98. Während ein Teil der Literatur99 eine Rechtfertigung unter diesem Gesichtspunkt ausdrücklich ablehnt, sympathisiert wiederum eine andere Ansicht mit einer solchen Argumentationsführung unter Hinweis auf den gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum bei der Konkretisierung des objektiven Nettoprinzips100. Nach der hier vertretenen Konzeption erweist sich eine Rechtfertigung der Ungleichbehandlung unter Hinweis auf den vorübergehenden Charakter des Abzugsverbots als nicht tragfähig. Dies liegt darin begründet, dass sich die verfassungsrechtliche Wirkkraft des Leistungsfähigkeitsprinzips nicht darin erschöpft, dass sich der Gesetzgeber dafür entschieden hat, auf die Entwicklung eines als solchen definierten Erwerbsvermögens abzustellen. Das Gebot der Verteilungsgerechtigkeit zwingt den Gesetzgeber insofern zur Festlegung von symmetrischen Kriterien, anhand deren der Regelfall einer Veränderung des stichtagsbezogenen Reinvermögens bemessen werden kann. Das so umrissene Periodeneinkommen ist damit Ausdruck einer gewissen Gerechtigkeitsvorstellung. Diese verfassungsrechtlichen Grenzmarken, die dem Ge96 Lambrecht in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 5 Rn Ea 22; Wiesbrock, Die Verlustrückstellung im Steuer- und Verfassungsrecht, 1999, S. 157ff, 203ff; Arndt/Wiesbrock DStR 2000, 718, 719f; Hoffmann DStR 2000, 580, 581. 97 Uelner StuB 1999, 84, 87; Hüttemann StbJb 2002/2003, 35, 44. 98 Vgl. Lambrecht in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 5 Rn Ea 22; Wiesbrock, Die Verlustrückstellung im Steuer- und Verfassungsrecht, 1999, S. 226ff; Bordewin FR 1998, 226, 233; Schreiber in: Blümich, EStG, § 5 Rn 883b. 99 Wiesbrock, Die Verlustrückstellung im Steuer- und Verfassungsrecht, 1999, S. 227f. 100 Lambrecht in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 5 Rn Ea 22; Schreiber in: Blümich, EStG, § 5 Rn 883b; vgl. auch Weber-Grellet FR 2000, 267, 268; BFH v. 9. 5. 2001, BStBl II 2001, 552ff; BFH v. 6. 3. 2003, BStBl II 2003, 516, 517; BFH v. 29. 4. 2005, BB 2005, 1459, 1551; dagegen Schulze-Osterloh FS Friauf, 1996, S. 833, 843 in Bezug auf Jubiläumszuwendungen.
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Die gesetzgeberischen Reformbestrebungen
setzgeber bei der zeitlichen Ausgestaltung des objektiven Nettoprinzips gesetzt sind, würden unbesehen übergangen, würde man dem Gesetzgeber insoweit einen Gestaltungsspielraum einräumen. Der angesprochene Begründungsversuch kann somit bei näherer Betrachtung nicht zur Rechtfertigung der Ungleichbehandlung herangezogen werden. Ist somit der Umfang der Systembindung umrissen, stellt sich die Frage, welche Anforderungen an eine Durchbrechung des Differenzierungsmaßstabes zu stellen sind. Wenn man im Leistungsfähigkeitsprinzip, das zugegebenermaßen seine inhaltliche Konturierung durch den Gesetzgeber erhalten muss, das einzig zulässige Differenzierungskriterium im Rahmen des Art 3 Abs. 1 GG erkennt, korrespondiert diesem Verständnis zwangsläufig, dass nicht jede finanzpolitisch, volkswirtschaftlich, sozialpolitisch oder steuertechnisch motivierte Erwägung des Gesetzgebers geeignet sein kann, den Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip zu rechtfertigen. Ansonsten würde die verfassungsrechtliche Wirkkraft des Prinzips der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit ignoriert. Wiesbrock101 hat in diesem Zusammenhang zu Recht betont, dass die Forderung nach einem gewissen Rechtfertigungsniveau auch nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung des BVerfG steht, wonach dem Gesetzgeber bei der Erschließung von Steuerquellen eine weitgehende Gestaltungsfreiheit zuzugestehen ist. Die weite Ausgestaltungsfreiheit in den Grenzen des Willkürverbotes erstreckt sich lediglich auf eine Festlegung, welchem wirtschaftlichen Vorgang steuerbare Leistungsfähigkeit zugeordnet werden soll. Aufgrund der verfassungsrechtlichen Wirkkraft dieses selbst auferlegten Leistungsfähigkeitsverständnisses muss das zum Differenzierungsmaßstab erhobene System dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der einkommensteuerlichen Bemessungsgrundlage dagegen engere Grenzen setzen. Zur Rechtfertigung von für den Steuerpflichtigen nachteiligen Durchbrechungen des Systems ist zu fordern, dass die vom Gesetzgeber angegebene Zielsetzung den durch die Durchbrechung des Systems gekennzeichneten Verstoß gegen die steuerliche Verteilungsgerechtigkeit aufwiegen kann. Verweist der Gesetzgeber zur Rechtfertigung im Wesentlichen auf die Notwendigkeit der Gegenfinanzierung von Steuerausfällen, kann ein solcher Rechtfertigungsversuch mit der h.M.102 nicht anerkannt werden. Die Notwendigkeit einer Gegenfinanzierung von Steuerausfällen kann den Staat nicht von der Verpflichtung zur Verteilungsgerechtig101 Wiesbrock, Die Verlustrückstellung im Steuer- und Verfassungsrecht, 1999, S. 225. 102 Söffing StbJb 1988/89, 121, 126; Bordewin in: Bordewin/Brandt, EStG, vor §§ 4-5 EStG, Rn 14; Lambrecht in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 5 Rn Ea 22; Wiesbrock, Die Verlustrückstellung im Steuer- und Verfassungsrecht, 1999, S. 230f; Moxter DB 1997, 1477.
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Anwendung der Ergebnisse auf das Subsystem „Steuerbilanzrecht“
keit entbinden, die als Grundvoraussetzung einer jeden Steuererhebung zu begreifen ist. Insofern konnte der Gesetzgeber die Abschaffung der Drohverlustrückstellung nicht damit begründen, dass Steuerausfälle kompensiert werden mussten, die aus der Senkung der Steuertarife im unternehmerischen Bereich und dem Wegfall der Gewerbekapitalsteuer resultierten103. Auch eine Abschaffung der Teilwertabschreibung kann daher nicht mit fiskalischen Interessen gerechtfertigt werden. Eine Abschaffung der Teilwertabschreibung als Element einer vollständigen Eliminierung des Imparitätsprinzips kann zudem nicht aus dem Spannungsverhältnis der verschiedenen verfassungsrechtlichen Prinzipien begründet werden. Die verfassungsrechtliche Wirkkraft des Prinzips der Rechtssicherheit geht im Spannungsverhältnis der verfassungsrechtlichen Prinzipien nicht soweit, dass dieses einen Systembruch rechtfertigen kann, da dies dazu führen würde, dass die Grundidee des Differenzierungsmaßstabes als Belastungs- und Verteilungsmaßstab vollständig hinter ein anderes Verfassungsprinzip zurücktreten müsste. Die Betonung der Notwendigkeit einer objektiven Steuerbemessung darf daher nicht den eigentlichen Periodisierungsmaßstab konterkarieren. Fraglich erscheint jedoch, ob angesichts der Existenz alternativer steuerlicher Verlustausgleichsmechanismen zwangsläufig von einem durch die Systemdurchbrechung implizierten Gleichheitsverstoß und damit von einer Verletzung des objektiven Nettoprinzips gesprochen werden kann. a)
Verfassungsrechtliche Notwendigkeit periodendurchbrechender Verlustausgleichsmechanismen zur Kompensation von Systemverletzungen bei der Gewinnermittlung?
In der Literatur ist heftig umstritten, ob die Abschaffung des Imparitätsprinzips auf Ebene der Gewinnermittlung durch alternative Methoden einer steuerlichen Verlustberücksichtigung (sofortiger Verlustausgleich, Verlustrücktrag, Verlustvortrag) kompensiert werden kann. aa)
Meinungsspektrum
Eine vielfach vertretene Auffassung scheint davon auszugehen, dass die durch den Periodisierungsmaßstab festgelegte Gerechtigkeitsvorstellung nicht zwingend auf Ebene der Bemessungsgrundlage umgesetzt werden muss, wenn die Ansicht vertreten wird, dass jegliche Einschnitte in den durch Vermögensvergleich vorgegebenen Erfolgsmaßstab und damit insbe103 BT-Drucks. 13/7242, S. 21ff bezogen auf den Entwurf des Steuerreformgesetzes 1998 v. 18. 3. 1997.
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Die gesetzgeberischen Reformbestrebungen
sondere auch die Abschaffung des Imparitätsprinzips von der Einführung eines sofortigen Verlustausgleichs, zumindest jedoch von der Einführung eines unbeschränkten Verlustrücktrages begleitet sein muss104. Der Forderung nach einem unbeschränkten Verlustrücktrag wird insoweit verfassungsrechtliches Gewicht beigemessen105. Dies erscheint nicht zuletzt deshalb bemerkenswert, weil ein unbegrenzter Verlustrücktrag in die Etatsouveränität des Parlaments eingreift (budgetärer Dispositionsschutz)106. Begründet wird die kompensatorische Einführung eines unbeschränkten Verlustrücktrages häufig mit dem Argument, der Fiskus müsse auf diese Weise im Zeitpunkt des Eintretens der Risiken die Rückzahlung zuvor erhaltener Gewinnausschüttungen in Form von Gewinnsteuern gewährleisten107. Offenbar wird eine Notwendigkeit erkannt, einen gewissen überperiodischen Ausgleich zu gewährleisten. Bezuggenommen wird zur Begründung dieses Ergebnisses teilweise auf die schon oben108 erörterte These vom Lebenseinkommen bzw. der Lebensdauer eines Unternehmens als richtigem Leistungsfähigkeitsindikator109. Gemessen an diesen überperiodischen Leistungsfähigkeitsvorstellungen führt eine in späteren Perioden eingetretene Minderung der Leistungsfähigkeit dazu, dass die überperiodisch verstandene Gesamtleistungsfähigkeit des Unternehmens abnimmt. Aus diesem Faktum resultiert die Notwendigkeit, „zuviel erhaltene Steuern“ zurückzuerstatten. Ein unbeschränkter Verlustrücktrag nimmt vor diesem Hintergrund die Funktion ein, eine abschnittsübergreifend verstandene Besteuerung nach Maßgabe der Leistungsfähigkeit zu gewährleisten, da ein zeitlich und höhenmäßig beschränkter Verlustrücktrag dazu führen kann, dass in Verlustperioden realisierte Vermögensminderungen steuerlich gar nicht berücksichtigt werden, was zu einer endgültigen Verletzung des überperiodisch verstandenen Leis104 Schneider, Steuerbilanzen, 1978, S. 55f; Siegel StuB 1999, 195, 196 FN 14; Siegel BB 1994, 2243; Schulze-Osterloh DStJG 23 (2000), 67, 75; Weber-Grellet DB 1994, 288, 291; Scheffler StuB 2000, 489, 494; Schön StuW 1995, 366, 369; Hey BB 2000, 1453, 1454; Berg/Schmich DStR 2002, 346, 248; Herzig WPg 2005, 211, 219; Arnold StuW 2005, 148, 155; a.A Arndt/Wiesbrock DStR 2000, 718ff; Wiesbrock, Die Verlustrückstellung im Steuer- und Verfassungsrecht, 1999, S. 157ff; wohl auch Hoffmann DStR 2000, 580, 581f. 105 Stobbe FR 1997, 365; Schön JbFStR 1999/2000, 212f; Haarmann JbFStR 1999/2000, 213; Berg/Schmich DStR 2002, 346, 347f. 106 Drüen, Periodengewinn und Totalgewinn, 1999, S. 94f; Schön JbFStR 1999/2000, 212. 107 Siegel StuB 1999, 195, 196. 108 Vgl. 3. Kap. A. II. 2. a) aa). 109 Vgl. Berg/Schmich DStR 2002, 346, 347f; Wiesbrock, Die Verlustrückstellung im Steuer- und Verfassungsrecht, 1999, S. 227f; Schön JbFStR 1999/2000, 212; Müller DB 1996, 689, 694.
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Anwendung der Ergebnisse auf das Subsystem „Steuerbilanzrecht“
tungsfähigkeitsprinzips führt110. Hinter diesen Gedanken soll offenbar auch der Gedanke des budgetären Dispositionsschutz zurücktreten, da dieser keine verfassungswidrige Besteuerung legitimieren kann111. Demgegenüber findet sich eine (allerdings nicht widerspruchslos gebliebene)112 Gegenposition zu dieser Auffassung nunmehr jedoch im Karlsruher Entwurf zur Reform des Einkommensteuergesetzes113. bb)
Stellungnahme
Bei einer Beurteilung ist zunächst zu berücksichtigen, dass sich der Gesetzgeber dafür entschieden hat, die Ausgestaltung des Einkommensteuerrechts an innerperiodischen Gleichmäßigkeitsvorstellungen zu orientieren, so dass das „Periodeneinkommen“ als Indikator der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit anzusehen ist. Insofern erscheinen die am Lebenseinkommen orientierten Erklärungsversuche114 zur verfassungsrechtlichen Notwendigkeit eines überperiodischen Verlustabzuges von vornherein zweifelhaft. Vielmehr muss eine Lösung auf Basis des Periodeneinkommens als Leistungsfähigkeitsindikator gefunden werden115. Wesentliche Bedeutung erlangt nach dem oben Gesagten insoweit jedoch die systematische Grundkonzeption des Periodisierungsmaßstabes. Wenn das Periodeneinkommen nach den Grundsätzen der Zeitwertstatik ermittelt wird, bleibt diese Zielsetzung unter Berücksichtigung des Folgerichtigkeits110 Vgl. Wiesbrock, Die Verlustrückstellung im Steuer- und Verfassungsrecht, 1999, S. 227; Stobbe FR 1997, 361 365 FN 29; Berg/Schmich DStR 2002, 346, 348. 111 Vgl. hierzu Drüen, Periodengewinn und Totalgewinn, 1999, S. 95. Es stellt sich jedoch die Frage, ob bei Zugrundelegung dieser Konzeption durch das Verfassungsgut des budgetären Dispositionsschutzes gewisse Einschränkungen des Verlustrücktrages gerechtfertigt werden können, da insoweit zwei Verfassungsprinzipien miteinander kollidieren. 112 Vgl. Kirchhof, Karlsruher Entwurf zur Reform des Einkommensteuergesetzes, 2001, S. 37 FN 1 (Bareis); kritisch auch Hüttemann StbJb 2002/2003, 35, 45; Scheffler StuB 2001, 904, 908. 113 Kirchhof, Karlsruher Entwurf zur Reform des Einkommensteuergesetzes, 2001, S. 34f. 114 Der BFH hat in seinen Beschlüssen zur Mindestbesteuerung BFH v. 9. 5. 2001, BStBl II 2001, 552, 553f; BFH v. 28. 5. 2003, BB 2003, 1159, 1160, ebenfalls die Auffassung vertreten, dass eine sofortige Verlustverrechnung nicht geboten ist, wenn sichergestellt ist, dass der Verlust überhaupt geltend gemacht werden kann. Auch er stützt sich dabei jedoch auf ein überperiodisch verstandenes Leistungsfähigkeitsprinzip. Die obige Betrachtung hat jedoch gezeigt, dass allein anhand einer periodischen Sichtweise geklärt werden kann, wann überhaupt ein Periodenverlust vorliegt, der dann zum Abzug zugelassen werden muss. 115 So auch BVerfG HFR 1978, 293, vgl. demgegenüber BVerfG DStR 1991, 1278.
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Die gesetzgeberischen Reformbestrebungen
gedankens für die Frage, wann Periodenverluste entstehen, nicht ohne Auswirkungen. Die Verlagerung der Erfolgszeitpunkte in spätere Abrechnungsperioden verletzt somit grundsätzlich die vom Gesetzgeber selbst statuierte Sachgesetzlichkeit und kann im Extremfall dazu führen, dass Vermögensverluste überhaupt nicht mehr steuerlich erfasst werden können116. Durch den Grundsatz der Folgerichtigkeit hat der durch den Differenzierungsmaßstab konturierte Umfang der Änderung der periodischen Leistungsfähigkeit ein besonderes verfassungsrechtliches Gewicht erhalten. Stellt man sich die Frage, ob das durch den Differenzierungsmaßstab vorgegebene Ergebnis bereits auf Ebene der Einkünfteermittlung selbst verwirklicht werden muss, spricht vieles dafür, den Gesetzgeber zu verpflichten, die dem Differenzierungsmaßstab entsprechende Periodenbelastung bereits auf Ebene der Einkünfteermittlung sicherzustellen. Insbesondere kann jede Verlagerung von dieser Ebene dazu führen, dass die systemkonturierende Belastungsentscheidung des Gesetzgebers verdeckt wird. Andererseits sollte man jedoch auch in Rechnung stellen, dass die Systemkonsequenz nicht um ihrer selbst willen praktiziert wird, sondern in erster Linie ein bestimmtes periodisches Belastungsergebnis sicherstellen soll. So folgt aus den Vorstellungen einer reinvermögenszuwachstheoretischen Vermögensbemessung in erster Linie eine Richtgröße für das stichtagsbezogen zu bestimmende Jahreseinkommen. Dies hat zur Folge, dass Durchbrechungen des Belastungsmaßstabes in ihren ökonomischen Wirkungen an dem Maßstab der steuerlichen Periodengerechtigkeit gemessen werden müssen117. Wenn stichtagsbezogene Vermögensverluste nicht im Jahr ihrer wirtschaftlichen Entstehung, sondern erst im Jahr ihrer Realisation geltend gemacht werden können, führt dies dazu, dass die Steuerbelastung für die jeweilige Periode, gemessen am zugrundegelegten reinvermögenszuwachstheoretischen Systematisierungsmaßstab, zu hoch ausgewiesen wird118. Folglich wird nicht der eigentlich angestrebten reinvermögenszuwachstheoretischen Periodenbelastung entspro116 Vgl. auch Herzig WPg 2005, 211, 219. 117 Vgl. Küting/Kessler StuB 2000, 21, 28. Entgegen Drüen, Periodengewinn und Totalgewinn, 1999, S. 100, ist in die Abwägung über die Entscheidung zur Besteuerung des Periodeneinkommens nicht ein inhaltlich diffus bleibendes „Prinzip materieller Gerechtigkeit“ einzubeziehen, dass aus Gerechtigkeitsgründen gewisse überperiodische Durchbrechungen einer strikten Abschnittsbesteuerung fordere. Nach der hier vorgenommenen Betrachtung folgt der Inhalt dieser Gerechtigkeitserwägungen aus der gesetzgeberischen Entscheidung zur Besteuerung des Periodeneinkommens selbst. Überperiodische wirkende Ausgleichsmechanismen dienen also dazu, die aus dem reinvermögenszuwachstheoretischen Belastungsideal folgenden Belastungswirkungen herzustellen. 118 Vgl. Berg/Schmich DStR 2002, 346, 348.
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Anwendung der Ergebnisse auf das Subsystem „Steuerbilanzrecht“
chen. Durch alternative Ausgleichsmechanismen kann jedoch auch außerhalb der Ebene der Einkünfteermittlung sichergestellt werden, dass der durch den Differenzierungsmaßstab angestrebten Periodenbelastung zumindest mittelbar und in jedem Fall Rechnung getragen werden kann. Insofern passt der Gedanke der Notwendigkeit einer „Erstattung zuviel gezahlter Steuern“ im Rahmen einer alternativen Methode des Verlustausgleichs auch auf den hier erwogenen periodischen Erklärungsansatz. Von einer endgültigen Verletzung der Periodengerechtigkeit kann daher nicht gesprochen werden, wenn die Durchbrechung der steuerlichen Periodengerechtigkeit auf Ebene der Einkünfteermittlung kompensiert wird119, so dass letztlich auch dem Belastungsmaßstab genügt werden kann. Somit erscheint es (noch) zulässig, die periodengerechte Belastung auch außerhalb der Ebene der Einkünfteermittlung zu verwirklichen. Insoweit ist aber zu berücksichtigen, dass lediglich durch einen sofortigen Verlustausgleich oder einen unbeschränkten Verlustrücktrag sichergestellt werden kann, dass der Grundsatz der Periodengerechtigkeit nicht endgültig verletzt wird120. Ein Verlustvortrag kann diesen Zweck nur dann erfüllen, wenn das Unternehmen in Zukunft wieder steuerbare Gewinne erzielt. Selbst wenn man berücksichtigt, dass der Verlustausgleich oder der Verlustrücktrag in ein Spannungsverhältnis zum budgetären Dispositionsschutz tritt, können aus diesem nur geringe zeitliche und betragsmäßige Einschränkungen der Steuererstattung verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden, da es der Gesetzgeber durch Wahl einer dem Differenzierungsmaßstab entsprechenden reinvermögenszuwachstheoretischen Verlustbemessung selbst in der Hand hat, die Berechtigung eines solchen auszuschließen121.
119 Ähnlich Hennrichs DStJG 24 (2001), 301, 324. Insoweit strenger Küting/Kessler StuB 2000, 21, 28, nach deren Auffassung diese Ausgleichswirkungen nicht in den Anwendungsbereich des Verlustrücktrages fallen. Vorkehrungen seien bereits auf Ebene der Bemessungsgrundlage durch Teilwertabschreibungen und Rückstellungen zu verwirklichen. 120 So auch Hennrichs DStJG 24 (2001), 301, 324; tendenziell auch Hüttemann StbJb 2002/2003, 35, 45. 121 Daraus ergibt sich, dass die Berechtigung eines unbeschränkten Verlustrücktrages immer dann zweifelhaft ist, wenn der Gesetzgeber auf Ebene der Bemessungsgrundlage die steuerliche Geltendmachung negativer Erfolgsbeiträge an deren wirtschaftlicher Entstehung orientiert. Eine verfassungsrechtliche Notwendigkeit eines Verlustrücktrages besteht in diesem Fall nur dann, wenn man es trotz einer an innerperiodischen Gleichmäßigkeitsvorstellungen orientierten Sichtweise des Leistungsfähigkeitsprinzips für verfassungsrechtlich geboten hält, dass der Steuerpflichtige die Möglichkeit haben muss, diese negative Periodenleistungsfähigkeit selbst auszugleichen. Dahin tendierend Küting/Kessler StuB 2000, 21, 23f; vgl. 3. Kap. A. II. 4. a).
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Die gesetzgeberischen Reformbestrebungen
Es sei nur kurz angemerkt, dass neben der Verlustkomponente des objektiven Nettoprinzips auch der Gewinnaspekt122 von systemabweichenden Zerrwirkungen betroffen ist. Die Herstellung der periodengerechten Belastungswirkung führt dazu, dass immer dann ein verfassungsrechtlicher Ausgleich aufgrund von Progressionseffekten gewährleistet werden muss, wenn das Realisationsprinzip eine Kumulation von Erträgen aus Wertsteigerungen verschiedener Perioden bedingt123. Zusammenfassend kann somit festgestellt werden, dass der Gesetzgeber aus Gründen der Systemkonsequenz unter dem Regime eines vermögensstatischen Differenzierungskriteriums Einschnitte ins Imparitätsprinzip auf Ebene der Einkünfteermittlung nur unter Gewährung anderweitiger, gleichwertiger Ausgleichsmechanismen vornehmen darf. b)
Einschränkung der Gestaltungskompetenz durch das Leistungsfähigkeitsprinzip und das Prinzip der eigentumsschonenden Besteuerung?
In der Literatur finden sich ferner Ansätze124, die einen imparitätischen Vermögensausweis im Rahmen des steuerlichen Vermögensvergleichs auf Ebene der Gewinnermittlung zwingend aus der Verfassung ableiten wollen.
122 Somit besteht einerseits das Problem, dass eine Kumulation von Wertsteigerungen im Jahr der Realisation zu einer höheren Progression führen kann, als dies der Fall wäre, wenn die Wertentwicklung kontinuierlich bei deren wirtschaftlichen Entstehung erfasst würde. Dies erklärt sich daraus, dass „ökonomische Zerrwirkungen“ aufgrund des progressiven Steuertarifs insbesondere dann auftreten, wenn die Wertentwicklung eines Erwerbsvermögens erfasst werden soll. Eingeschlossen werden bei dieser Betrachtung Einkünfte aus „privatem Erwerbsvermögen“. Bei Einkünften, die nach den Vorstellungen der Quellentheorie ausgestaltet wurden, stellt sich das Problem naturgemäß nicht. Im Rahmen einer quellentheoretischen Betrachtung wird die spezifische Vermögenserwerbssphäre ausgeblendet, so dass entsprechende Änderungen in dieser Vermögenserwerbssphäre weder in positiver, noch in negativer Hinsicht berücksichtigt werden. 123 Dies gilt auch dann, wenn bei einer reinvermögenszuwachstheoretischen Betrachtung, die Nichterfassung nichtrealisierter Wertsteigerungen mit Verhältnismäßigkeitserwägungen begründet wird. 124 Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, 1981/88, S. 368f; Pezzer DStJG 14 (1991), 3, 24f; Lamprecht in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 5 Rn D 32; Wiesbrock, Die Verlustrückstellung im Steuer- und Verfassungsrecht, 1999, S. 157ff; Arndt/Wiesbrock DStR 2000, 718, 719ff; Hommel/Berndt FR 2000, 1305, 1306; vgl. auch Hey BB 2000, 1453, 1454; restriktiver Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, 2000, S. 140.
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Anwendung der Ergebnisse auf das Subsystem „Steuerbilanzrecht“
aa)
Meinungsspektrum
Nach Auffassung von Arndt/Wiesbrock125 fordert eine verfassungskonforme Umsetzung des objektiven Nettoprinzips, Minderungen im Betriebsvermögen im Ergebnis anhand eines am reinvermögenszuwachstheoretischen Gedankengut ausgerichteten Leistungsfähigkeitsverständnisses zu ermitteln. Wiesbrock126 beruft sich zur Begründung auf die Rechtsprechung des BVerfG127, wonach Steuernormen, die mit der Anerkennung bzw. Versagung von Betriebsausgaben zu tun haben, nur dann als mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip vereinbar angesehen werden, wenn diese der wirtschaftlichen Belastung des Unternehmens durch den zu beurteilenden Geschäftsvorfall ausreichend Rechnung tragen und sich die gesetzliche Regelung in einem der wirtschaftlichen Realität angemessenen Rahmen bewegt. Wenn hieraus auch keine konkreten Maßstäbe zu entnehmen seien, verdeutliche die Entscheidung jedoch den richtungsweisenden Charakter der wirtschaftlichen Realität. In Anlehnung an die gesetzliche Teilwertkonzeption sehen Arndt/ Wiesbrock128 zur Beurteilung dieser Umstände die Perspektive eines gedachten Erwerbers als besonders geeignet an129. Verluste sind demnach auf der Basis des Reinvermögensvergleichs zu dem Zeitpunkt entstanden, zu dem diese ein gedachter Erwerber des ganzen Unternehmens in seinem Kaufpreiskalkül ansetzen würde. Nach dieser Auffassung ist damit sowohl eine Teilwertabschreibung als auch eine vermögensmindernde Berücksichtigung drohender Verluste aus schwebenden Geschäften verfassungsrechtlich gefordert130. Küting/Kessler131 haben präzisierend darauf hingewiesen, dass durch eine reinvermögenszuwachstheoretische Erfassung von Wertminderungen negativen Entwicklungen im Betriebsvermögen frühzeitig Rechnung getragen werde132. Eine frühzeitige Aufdeckung dieser Tendenzen sei insbe-
125 Arndt/Wiesbrock DStR 2000, 718ff; Wiesbrock, Die Verlustrückstellung im- Steuerund Verfassungsrecht, 1999, S. 157ff. 126 Wiesbrock, Die Verlustrückstellung im Steuer- und Verfassungsrecht, 1999, S. 158. 127 BVerfG BStBl II 1985, 181, 186. 128 Arndt/Wiesbrock DStR 2000, 718, 719; Wiesbrock, Die Verlustrückstellung im Steuer- und Verfassungsrecht, 1999, S. 148ff; 157ff. 129 So auch Moxter DStR 1998, 509, 510; Moxter DB 1997, 1477, 1478; Lambrecht in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 5 Rn Ea 17. 130 Arndt/Wiesbrock DStR 2000, 718, 719f. 131 Es ist nicht anzunehmen, dass Küting/Kessler die theoretische Berechtigung alternativer Konzepte zur zeitlichen Konturierung des objektiven Nettoprinzips verkennen. Ihrer Ansicht nach stellt die reinvermögenszuwachstheoretische Betrachtung lediglich das vorzugswürdige Konzept der periodischen Steuerbemessung auf Grundlage eines Vermögensvergleiches dar. 132 Vgl. Kessler StuB 2000, 1091, 1094f.
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Die gesetzgeberischen Reformbestrebungen
sondere erforderlich, um rechtzeitig Vorsorge zur Deckung der Mehraufwendungen zu treffen. Dieser Aspekt des Imparitätsprinzips wird als Grundsatz der Kapitalerhaltung bezeichnet133. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass mittels des Imparitätsprinzips nicht automatisch die Erhaltung des am Geschäftsjahresbeginn vorhandenen Eigenkapitalbestandes gelingt134. Die ausschüttungsstatische Bilanzauffassung hat somit die Zielsetzung des Imparitätsprinzips allein darin gesehen, Ausschüttungen von Kapital zu unterbinden, das für die Abdeckung zukünftiger negativer Erfolgsbeiträge benötigt wird, um damit das Unternehmen an sich langfristig zu sichern135. Kammann hat zutreffend darauf hingewiesen, dass allerdings auch ein Imparitätsprinzip, dass i.S. einer Offenlegung eingetretener Stichtagsvermögensverluste verstanden wird, eine kapitalerhaltende Wirkung hat136. Eine Steuererstattung, die an den Eintritt eines Geschäftsjahresverlustes geknüpft ist, sei im Hinblick auf diese Funktion nicht rechtzeitig zur Stelle, da die finanziellen Anspannungen mit Gefährdung der Gewinnquelle eingetreten sind, bevor der Ausgleich wirksam wird137. Im übrigen widerspreche ein System, das die Berücksichtigung eines Verlustes erst im Zeitpunkt dessen Realisation registriert den wirtschaftlichen Realitäten, da auch Kreditgeber bei ihren Mittelvergabeentscheidungen zugrundelegen, dass wirtschaftlich entstandene, negative Erfolgsbeiträge bereits gegenwärtig die Fähigkeit belasten, Zahlungen zu erbringen138. Mit einer ähnlichen Argumentation sieht auch Moxter139 ein verfassungsrechtliches Bedürfnis, reinvermögenszuwachstheoretisch begründbare Verluste (i.S. eines negativen Saldos aus Ertrag und Aufwand) auf Basis eines Reinvermögensvergleichs dann als entstanden zu betrachten, wenn diese ein gedachter Erwerber des ganzen Unternehmens in seinem Kaufpreiskalkül negativ ansetzen würde, da der gedachte Erwerber in dieser Rechnung das Reinvermögen erfasse140. Moxter favorisiert im Ge133 Z.B. Leffson, Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, 7. Auflage, 1987, S. 93ff. 134 Vgl. Heddäus, Handelsrechtliche Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung für Drohverlustrückstellungen, 1997, S. 16. 135 Vgl. Heddäus, Handelsrechtliche Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung für Drohverlustrückstellungen, 1997, S. 17f mwN. 136 Kammann, Stichtagsprinzip und zukunftsorientierte Bilanzierung, 1988, S. 257. 137 Moxter DStR 1998, 509, 510; Moxter DStZ 2000, 157, 160; vgl. auch Versin, Derogation des Maßgeblichkeitsprinzips im Einkommensteuerrecht?, 2003, S. 184f. 138 Kessler StuB 2000, 1091, 1094f; Ott StuB 2000, 569, 570. 139 Moxter DStR 1998, 509, 510; Moxter DB 1997, 1477, 1478; so auch Bordewin FR 1998, 226, 232. 140 So auch Arndt/Wiesbrock DStR 2000, 718, 719f; Wiesbrock, Die Verlustrückstellung im Steuer- und Verfassungsrecht, 1999/2000/2002, S. 157ff; Bordewin FR 1998, 226, 232; Wassermeyer DStR 2001, 920, 923; Lambrecht in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 5 Rn Ea 17; vgl. bereits Moxter DB 1997, 1477, 1478.
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Anwendung der Ergebnisse auf das Subsystem „Steuerbilanzrecht“
gensatz zu Küting/Kessler jedoch eine umsatzbezogene Konkretisierung des stichtagsbezogenen Reinvermögensstandes im Rahmen der Reinvermögenszuwachstheorie141. Eine weitere Argumentationsfigur, die von der verfassungsrechtlichen Notwendigkeit einer imparitätischen Verlustberücksichtigung ausgeht, findet sich bei Lang und Pezzer142. Pezzer143 führt unter Berufung auf Lang aus, dass der Zuwachs an Reinvermögen einer Periode aus Gründen des Übermaßverbotes nur dann der Besteuerung unterworfen werden kann, wenn er gesichert erscheint144. Da ein mit Unwägbarkeiten oder Zweifeln behaftetes Vermögen aber keinen sicheren Indikator steuerlicher Leistungsfähigkeit im Rahmen eines Vermögensvergleichs abbilde, folge daraus die Notwendigkeit, unsicheres Vermögen aus der Bemessungsgrundlage zu eliminieren145. Da das zu verlierende Vermögen bereits zu Beginn der Verlustvorgänge zu einem unsicheren Vermögen werde, sei es zur Vermeidung einer Übermaßbesteuerung erforderlich, Verluste im Rahmen der Gewinnermittlung frühzeitig zu erfassen146. Teilweise wurden diese Grundsätze auch als Beweislastregel im Rahmen des Steuerverhältnisses formuliert. Das Übermaßverbot fordere, dass bestehende Unsicherheiten zugunsten des Steuerpflichtigen 141 Nach Moxter DStR 1998, 509, 510 erweist sich das Realisationsprinzip als das eigentliche Vorsichtsprinzip, da Gewinne (i.S. eines Überschusses von Erträgen über den zugehörigen Aufwand) nach der gesetzgeberischen Konzeption erst nach Bestätigung durch einen Umsatzakt am Markt erfolgswirksam berücksichtigt werden. Vgl. insofern Moxters Aussage: „Im geltenden Recht habe das Imparitätsprinzip indessen nicht primär die Aufgabe Zeitwerte bzw. das von ihnen verkörperte Vermögen wiederzugeben, ein Konglomerat aus Gewinn- und Vermögensermittlung ergebe keinen rechten Sinn.“ (Moxter StuW 1989, 232, 236) 142 Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, 1981/88, S. 144ff, 276, 368ff; Pezzer DStJG 14 (1991), 3, 24; vgl. auch Hennrichs DStJG 24 (2001), 301, 318f; Wiesbrock, Die Verlustrückstellung im Steuer- und Verfassungsrecht, 1999, S. 253; Hommel/Berndt FR 2000, 1305, 1306. 143 Pezzer DStJG 14 (1991), 3, 24f. 144 Der verfassungsrechtliche Anknüpfungspunkt für die Heranziehung des Übermaßverbotes dürfte insoweit in Art 14 Abs. 1 GG liegen; Wiesbrock, Die Verlustrückstellung im Steuer- und Verfassungsrecht, 1999, S. 253. 145 Pezzer DStJG 14 (1991), 3, 24; Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, 1981/88, S. 368; Lamprecht in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 5 Rn D 32; Hey BB 2000, 1453, 1454; im Ergebnis auch Wiesbrock, Die Verlustrückstellung im Steuer- und Verfassungsrecht, 1999, S. 253. 146 Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, 1981/88, S. 368; einschränkend Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, 2000, S. 140, die den Gedanken umkehrt und einen sicheren Verlust fordert, der aber bereits dann vorliegen soll, wenn dieser sich im Verkehrswert des Betriebsvermögens niederschlägt.
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Die gesetzgeberischen Reformbestrebungen
ausschlagen müssen. Im Zweifel sei anzunehmen, dass ein unsicherer Gewinn nicht gemacht, ein unsicherer Verlust aber eingetreten sei147. bb)
Die reinvermögenszuwachstheoretische Bemessung von Vermögensminderungen als notwendiger Ausfluss des Leistungsfähigkeitsprinzips und einer eigentumsschonenden Besteuerung?
Zunächst ist denjenigen Strömungen entgegenzutreten, die eine imparitätische Verlustbemessung zwingend aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip selbst ableiten wollen. Es hat sich gezeigt, dass sich das Leistungsfähigkeitsprinzip in seinem Inhalt auf ein Gebot der Systemkonsequenz und Folgerichtigkeit beschränkt. Daher kann es schon unter Berücksichtigung der Konkretisierungskompetenz des Gesetzgebers bei der Wahl des Differenzierungsmaßstabes zur Ausgestaltung des Leistungsfähigkeitsprinzips nicht überzeugen, eine entsprechende Verlustberücksichtigung zwingend aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip abzuleiten. Die vorstehenden Überlegungen haben zudem gezeigt, dass selbst wenn sich der Gesetzgeber für einen reinvermögenszuwachstheoretischen Differenzierungsmaßstab entschieden hat, eine Verwirklichung der Systemkonsequenz außerhalb der Bemessungsgrundlage möglich erscheint. Ferner erscheint auch die Bezugnahme auf das Kriterium des „unsicheren Vermögens“ eher vordergründig geeignet, einen imparitätischen Vermögensausweis zur Vermeidung einer Übermaßbesteuerung verfassungsrechtlich zu fundieren148. Ausgangspunkt der Beurteilung muss nach dem oben Gesagten auch hier das Verhältnis zwischen den verschiedenen zu berücksichtigenden Verfassungsprinzipien bleiben. Dabei ist als Anknüpfungspunkt der vorstehend dargelegten Erwägungen das in Art 14 GG verankerte Gebot einer einkommensschonenden Besteuerung zu sehen149, was dazu führt, dass die Zulässigkeit der Systemdurchbrechung zusätzlich im Lichte des Spannungsverhältnisses zum Prinzip der eigentumsschonenden Besteuerung beurteilt werden muss. Entscheidend ist somit, ob das Übermaßverbot als Ausprägung des Prinzips einer eigentumsschonenden Besteuerung zu einer imparitätischen Verlustberücksichtigung auf Ebene der Gewinnermittlung zwingt und damit einem alternativen steuerlichen Verlustausgleich entgegensteht. Wie bereits dargelegt, hat die imparitätische Verlustberücksichtigung die Funktion, Ausschüttungen in einer Situation zu verhindern, in der künftige 147 Schön DStJG 23 (2000), 172. 148 Kritisch auch Müller DB 1996, 689, 694. 149 Hennrichs DStJG 24 (2001), 301, 311; Kirchhof VVDStRL 39 (1981), 215, 226ff.
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Anwendung der Ergebnisse auf das Subsystem „Steuerbilanzrecht“
Belastungen des Unternehmens bereits vorhersehbar sind. Dadurch wird unbestreitbar auch der Liquiditätssicherung der Unternehmen Rechnung getragen (Gedanke der Insolvenzprävention). In diesem Sinne hat auch der Hinweis150 seine Berechtigung, dass die Ignorierung wirtschaftlich entstandener Reinvermögensminderungen und die damit verbundene Steuerbelastung dazu führen kann, dass eine wirtschaftlich angespannte Lage des Unternehmens durch Entzug liquider Mittel weiter verstärkt werden kann. Dennoch erscheint es zweifelhaft, das Imparitätsprinzip mit dem Argument der Vermeidung einer Übermaßbesteuerung auf der Ebene der Gewinnermittlung zu verfestigen. Sicherlich ist zu konstatieren, dass eine reinvermögenszuwachstheoretische Steuerbemessung für wirtschaftlich verursachte negative Erfolgsbeiträge im Vergleich zu den Alternativkonzeptionen bereits frühzeitig zu einer geringeren steuerlichen Belastung des Unternehmens führt. Andererseits stellt sich jedoch die Frage, ob der Gesetzgeber bei der Berücksichtigung negativer Erfolgsbeiträge wirklich jede steuerliche Belastung vermeiden muss, um unter allen Umständen zu verhindern, dass die vorhersehbare wirtschaftliche Belastung zu einer Insolvenz beiträgt. Da jeglicher Einzelvermögensvergleich151 auf Zukunftsschätzungen beruht, wäre dann unter dem Aspekt einer eigentumsschonenden Besteuerung zu fordern, die Schätzungen möglichst großzügig zu halten und nur äußerste Objektivierungsgrenzen zu ziehen. Im Spannungsverhältnis der beteiligten Verfassungsprinzipien kann es dem Gesetzgeber i.S. einer nachprüfbaren Gewinnermittlung jedoch gestattet werden, zur Verringerung von Prognoseschwächen die Realisierung eines Verlustes abzuwarten und somit dem Grundsatz der Objektivierung der Gewinnermittlung ein stärkeres Gewicht einzuräumen. Es erscheint daher nicht schlicht unverhältnismäßig, dem Gesetzgeber die Möglichkeit zuzugestehen, auf die an sich periodengerechte Berücksichtigung reinvermögenszuwachstheoretisch begründbarer Verluste zu verzichten, wenn dieser im Fall der Bewahrheitung der Prognose dann als solventer Schuldner bereits erhaltene Erfolgsbeiträge in das Unternehmen zurückführt. Es würde somit den verfassungsrechtlichen Rahmen sprengen, aus dem Verbot der Übermaßbesteuerung eine verfassungsrechtliche Verpflichtung abzuleiten, durch frühzeitigen Verzicht auf eine Besteuerung wirtschaftlich verursachter negativer Erfolgsbeiträge unter allen Umständen an deren späteren finanziellen Deckung mitzuwirken152. Insoweit reichen die genannten Effekte nicht aus, den gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum 150 Kessler StuB 2000, 1091, 1094; Moxter DStR 1998, 509, 510, vgl. zu diesem Problemkreis auch Elicker StuW 2002, 217, 225. 151 Mit Ausnahme des reinen Kassenvermögensvergleichs. 152 Im Ergebnis ebenso Siegel StuB 2000, 1096, 1098.
282
Die gesetzgeberischen Reformbestrebungen
zwingend einzugrenzen153. Die Ignorierung wirtschaftlich verursachter Reinvermögensminderungen bei der Ermittlung des stichtagsbezogenen Reinvermögens wäre höchstens dann verfassungsrechtlich bedenklich, wenn die Einbeziehung „unsicheren Vermögens“ in die Ermittlung des stichtagsbezogenen Reinvermögensbestandes endgültig zu einer Verletzung der Periodengerechtigkeit und damit zu einer übermäßigen Steuerbelastung führen würde. Ähnliche Vorstellungen scheinen im übrigen auch dem österreichischen VfGH und Teilen der Literatur zugrundezuliegen, wenn diese es für verfassungsrechtlich zulässig halten, dass der Steuergesetzgeber Anschauungen zugrundelegt, mit denen die Abschaffung von Rückstellungen insgesamt begründet werden kann154. Schließlich würde sich die Frage stellen, warum der Steuergesetzgeber nicht auch im Rahmen der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG zur Gewährung von Drohverlustrückstellungen und Teilwertabschreibungen verpflichtet ist. Nur unter den vorstehend erörterten Restriktionen kann somit der Rechtsprechung155 zugestimmt werden, wenn diese verschiedentlich betont hat, dass der Gesetzgeber hinsichtlich der Berücksichtigung von Verlusten einen gewissen Ermessensspielraum hat.
II.
Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen einer Einschränkung bzw. Abschaffung der Teilwertabschreibung unter dem Regime des Nettorealisationsgedankens als verfassungsrechtlichem Differenzierungsmaßstab
1.
Die Einschränkung der Teilwertabschreibung auf eine „voraussichtlich dauernde Wertminderung“
Bewertet man die Einschränkung der Möglichkeiten einer Teilwertabschreibung lediglich bei einer voraussichtlich dauernden Wertminderung vor dem Hintergrund des Nettorealisationsgedankens, muss berücksichtigt werden, dass das Imparitätsprinzip im System einer am Realisationsprinzip orientierten Gewinnermittlung lediglich durch den Grundsatz einer eigentumsschonenden Besteuerung gerechtfertigt werden kann. Aufgrund des konzeptionellen Unterschiedes bei der Erfolgsermittlung bestimmt sich der Umfang der Belastung des gegenwärtigen Reinvermögens durch einen zukünftigen negativen Geschäftsvorfall weniger an den Zeitwerten, als am zu erwartenden Aufwandsüberschuss156. Wenn aber die Belastung der künftigen Ge153 Schulze-Osterloh DStJG 23 (2000), 67, 73. 154 Österr. VfGH ÖStZB 1998, 119, 122; Schön StuW 1995, 366, 369; vgl. auch Hey BB 2000, 1453, 1454. 155 Vgl. nur BFH v. 17. 10. 1990, BStBl II 1991, 136, 140. 156 Moxter DStR 1998, 509, 510; Hommel/Berndt DStR 2000, 1745, 1750.
283
Anwendung der Ergebnisse auf das Subsystem „Steuerbilanzrecht“
winn- und Verlustrechnung zum Beurteilungsmaßstab erhoben wird, können niedrigere Bilanzstichtagswerte von Wirtschaftsgütern dann unberücksichtigt bleiben, wenn diese keinen zukünftigen Aufwandsüberschuss verkörpern157. Berücksichtigt man, dass beim Anlagevermögen aus nur vorübergehenden Wertminderungen grundsätzlich keine die künftigen Abrechnungsperioden belastenden Aufwandsüberschüsse zu erwarten sind, erscheint die gesetzgeberische Einschränkung des Teilwertansatzes lediglich bei voraussichtlich dauerhaften Wertminderungen zumindest für das Anlagevermögen durch den konzeptionellen Ausgangspunkt sogar vorgezeichnet158. Unklarheiten ergeben sich jedoch bzgl. der Bedeutung des Merkmals der voraussichtlich dauernden Wertminderung hinsichtlich des Umlaufvermögens, da dieses schon von seiner Bestimmung nicht zum dauerhaften Verbleib im Betriebsvermögen bestimmt ist. Vor dem Hintergrund der Zwecksetzung des Imparitätsprinzips im System der Nettorealisation kann im Ausgangspunkt jedoch kein Zweifel daran bestehen, dass der zugehörige Realisationsakt als Bezugspunkt gewählt werden muss. Die gesetzlichen Restriktionen der Möglichkeit einer Teilwertabschreibung sind im Gefüge des Nettorealisationsgedankens somit bereits durch das zugrundeliegende Systemverständnis zu erklären159. 2.
Möglichkeiten einer Abschaffung der Teilwertabschreibung vor dem Hintergrund des Nettorealisationsprinzips
a)
Das Prinzip der eigentumsschonenden Besteuerung als gegenläufige Abwägungsdeterminante
Geht man vom Nettorealisationsgedanken als periodenkonkretisierendem Differenzierungsmaßstab aus, ergibt sich im Gegensatz zu der oben vorgenommenen reinvermögenszuwachstheoretischen Betrachtungsweise keine systembedingte Notwendigkeit einer Verlustantizipation i.S. eines derartigen Verständnisses des Imparitätsprinzips. Betrachtet man aber das Verhältnis zwischen dem vom System der Nettorealisation geforderten Erfolgsausweis und dem Prinzip einer eigentumsschonenden Besteuerung, lässt sich nach dem oben Gesagten kein Gleichklang der Verfassungsprinzipien, sondern 157 Moxter DStR 1998, 509, 510; Hommel/Berndt FR 2000, 1305, 1308; Hommel/Berndt DStR 2000, 1745, 1750f. 158 Vgl. auch Schildbach StbJb 1990/91, 30, 33; Moxter DStR 1998, 509, 510; vgl. auch Hommel/Berndt DStR 2000, 1745, 1750ff. 159 Moxter DStR 1998, 509, 510; Jüttner, GoB-System, Einzelbewertungsgrundsatz und Imparitätsprinzip, 1993, S. 168ff. Einzelfragen hierzu werden in 6. Kap. A. behandelt.
284
Die gesetzgeberischen Reformbestrebungen
vielmehr ein gewisses Spannungsverhältnis feststellen. Im Rahmen einer eigentumsschonenden Besteuerung müssen diejenigen wirtschaftlichen Überlegungen in die Bemessung des Periodeneinkommens einfließen, die Auswirkungen auf den Bestand eines Unternehmens haben können, die aber in der Struktur des Differenzierungsmaßstabes nicht zwangsläufig einen entsprechenden Niederschlag finden. Die formale Sichtweise des Differenzierungsmaßstabes muss insoweit durch eine wirtschaftliche Betrachtung gewissermaßen relativiert werden. b)
Die Ebene der Bemessungsgrundlage bei der Gewinnermittlung
Die Möglichkeit einer Eliminierung des Imparitätsprinzips aus der Steuerbilanz wird auch vor dem Ausgangspunkt des Nettorealisationsgedankens im Hinblick auf den Grundsatz einer eigentumsschonenden Besteuerung bestritten160. Umgekehrt vertritt jedoch eine gewichtige Meinungsgruppe161 innerhalb der Autoren, die das Nettorealisationsprinzip als Periodisierungsmaßstab ansehen, die Auffassung, dass eine Relativierung des durch den Nettorealisationsgedanken vorgegebenen Erfolgsausweises durch das Imparitätsprinzip auf Ebene der Gewinnermittlung im Hinblick auf eine eigentumsschonende Besteuerung nicht geboten ist. Selbst wenn man berücksichtigt, dass im Hinblick auf nichtrealisierte negative Erfolgsbeiträge der hier zugrundegelegte Differenzierungsmaßstab in ein Spannungsverhältnis zum Prinzip einer eigentumsschonenden Besteuerung tritt, kann sich bereits nach den soeben getroffenen162 Erwägungen dieses Prinzip gegenüber der aus dem System folgenden Erfolgsermittlung jedoch nicht insoweit durchsetzen, als eine imparitätische Berücksichtigung negativer Erfolgsbeiträge zwingend auf Ebene der Gewinnermittlung zu erfolgen hätte. I.E. ist somit bereits aus diesem Grund der zweiten Auffassung beizupflichten. Folglich kann auch unter Zugrundelegung des Nettorealisationsgedankens davon gesprochen werden, dass dem Gesetzgeber ein Ermessensspielraum hinsichtlich der zeitlichen Berücksichtigung von Verlusten zukommt. c)
Notwendigkeit alternativer Verlustausgleichsmechanismen?
Nachfolgend soll aber untersucht werden, ob diese Sichtweise im Hinblick auf einen alternativ zu gewährenden Verlustausgleich relativiert werden muss. Berücksichtigt man allein den Nettorealisationsgedanken als periodenkonkretisierenden Differenzierungsmaßstab, ergibt sich im Gegensatz zu 160 Hommel/Berndt FR 2000, 1305, 1306. 161 Mayr ÖStZ 2001, 226, 227ff; Schulze-Osterloh DStJG 23 (2000), 67, 72ff; Kirchhof, Karlsruher Entwurf zur Reform des Einkommensteuergesetzes, 2001, S. 38. 162 Vgl. 4. Kap. C. I. 2. b) bb).
285
Anwendung der Ergebnisse auf das Subsystem „Steuerbilanzrecht“
der oben vorgenommenen reinvermögenszuwachstheoretischen Betrachtungsweise kein verfassungsrechtliches Bedürfnis einer alternativen Verlustberücksichtigung, verursacht durch eine Durchbrechung des systemkonturierenden Differenzierungsmaßstabes. In diesem Sinne hat auf Basis eines weitgehend am Realisationsprinzip orientierten Steuerbilanzrechts der Arbeitskreis unter Vorsitz von Kirchhof die (allerdings innerhalb des Arbeitskreises nicht ohne Widerspruch gebliebene163) Auffassung vertreten, dass im Rahmen einer periodischen Betrachtung, die Eliminierung des Imparitätsprinzips aus dem Steuerbilanzrechts nicht durch die Einführung eines Verlustrücktrages flankiert werden müsse164. Für diesen Standpunkt lässt sich anführen, dass dem Gesetzgeber nach dem oben Gesagten die Kompetenz zukommt, durch Wahl eines systemkonturierenden Periodisierungsmaßstabes bei der Ausgestaltung des Periodeneinkommens festzulegen, in welcher Periode einkommensteuerlich zu berücksichtigende Verluste entstehen. Andererseits darf aber auch hier das Differenzierungskriterium nicht isoliert betrachtet werden, sondern es muss gerade im Rahmen der anzulegenden periodischen Betrachtungsweise als gegenläufige Abwägungsdeterminante der Grundsatz einer eigentumsschonenden Besteuerung beachtet werden, der zu einer Durchbrechung des eigentlichen Systems zwingen kann. Die Tatsache, dass sich das Prinzip einer eigentumsschonenden Besteuerung nicht auf Ebene der Bemessungsgrundlage gegenüber dem System zwingend durchsetzt, darf aber nicht zu dem Schluss führen, dass dieser Grundsatz bei der Konturierung der periodischen Belastungswirkung vollständig vernachlässigt werden darf. Vielmehr muss das skizzierte Spannungsverhältnis auch hier zu der weitergehenden Fragestellung führen, ob die konsequente Umsetzung der Nettorealisationsidee auf Ebene der Gewinnermittlung zumindest alternative Verlustausgleichsmechanismen in Form eines sofortigen Verlustausgleiches oder zumindest eines Verlustvortrages oder eines Verlustrücktrages erfordert. Wie bereits dargelegt, muss die kapitalerhaltende Wirkung des Imparitätsprinzips als Ausfluss einer eigentumsschonenden Besteuerung charakterisiert werden165. Berücksichtigt man zudem, dass im Rahmen der Auflösung der verfassungsrechtlichen Kollisionslage kein Verfassungsprinzip zugunsten eines anderen vollständig aufgegeben werden darf, zeigt dies bereits, dass eine vollständige Vernachlässigung der Aspekte der Eigentumsscho163 Bareis StuW 2002, 135, 142; zustimmend Scheffler StuB 2001, 904, 908. 164 Kirchhof, Karlsruher Entwurf zur Reform des Einkommensteuergesetzes, 2001, S. 34f. 165 Mayr ÖStZ 2001, 226, 230f; Hommel/Berndt FR 2000, 1305, 1306; vgl. auch Schreiber StuW 2002, 105, 109.
286
Die gesetzgeberischen Reformbestrebungen
nung bei der Bemessung des Periodeneinkommens im Hinblick auf die Berücksichtigung vorhersehbarer, aber noch nichtrealisierter Verluste, nicht verfassungsgemäß sein kann. Die Kollisionslage wäre einseitig gelöst. Die strenge Orientierung am Nettorealisationsgedanken würde insbesondere in unverhältnismäßiger Weise den Kernbestand der aus der Eigentumsgarantie abzuleitenden Dispositionsautonomie des Steuerpflichtigen antasten166. Wenn unklar bleibt, ob ein Unternehmen zukünftig ausreichend Erträge erwirtschaften kann, wäre ein Steuerpflichtiger, um sicher zu gehen, die Verluste überhaupt steuerlich geltend machen zu können, sonst regelmäßig gezwungen, die betroffenen Wirtschaftsgüter zu veräußern167. Bei Branchen mit hohen alten Lagerbeständen würde dies bei einem entsprechenden Preisverfall dazu führen, dass der Warenbestand auf den Markt geworfen werden müsste, was im übrigen zu einem zusätzlichen Preisdruck beitragen würde168. Gemessen an diesem Umstand hat die Forderung, endgültig nur derjenige periodische Vermögenszuwachs steuerlich zu belasten aus dem nicht noch Verluste abzudecken sind, die erst aus Gewinnen nach dem Bilanzstichtag finanziert werden müssen, durchaus ihre Berechtigung169. Verzichtet der Gesetzgeber auf Ebene der Gewinnermittlung auf entsprechende Vorkehrungen, fordert der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Besteuerung und damit auch der eigentumsrechtliche Substanzschutz somit Maßnahmen, die ein entsprechendes Belastungsergebnis zumindest außerhalb der Ebene der eigentlichen Gewinnermittlung sicherstellen170. Geschieht dies nicht, werden die Mindestanforderungen des Verhältnismäßigkeitprinzips verletzt. Somit muss festgestellt werden, dass auch unter Zugrundelegung des Nettorealisationsgedankens als Differenzierungsmaßstab eine vollständige Abschaffung des Imparitätsprinzips zumindest von der Gewährung alternativer Verlustausgleichsmechanismen begleitet sein muss.
166 Mayr ÖStZ 2001, 226, 230. Auch insoweit bestätigt sich daher die oben vorgenommene Einordnung des Steuerzugriffs als mittelbarer Eingriff in das Recht auf Eigentumsnutzung und die darauf bezogene Interpretation des Verhältnismäßigkeitsprinzips. 167 Vgl. auch Schreiber StuW 2002, 105, 109. 168 Mayr ÖStZ 2001, 226, 230 FN 68. 169 Vgl. Hommel/Berndt FR 2000, 1305, 1306; so i. E. auch Haarmann JbFStR 1999/2000, S. 213. 170 Englisch DStJG 28 (2005), 215 betont daher vollkommen zu Recht, dass Art 14 GG die anhand des Differenzierungsmaßstabes vorgegebene Periodisierung aufbrechen kann.
287
Anwendung der Ergebnisse auf das Subsystem „Steuerbilanzrecht“
III.
Zusammenfassung
Die vorstehenden Ausführungen belegen die unterschiedlichen verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen, wenn man den durch die Steuerreformen tangierten Bereich in die Überlegungen einbezieht. Trotz der unterschiedlichen Ausgangspunkte der jeweils angewandten Differenzierungsmaßstäbe ergibt sich aus dem verfassungsrechtlichen Prinzipiengefüge im Ergebnis ein bemerkenswerter Gleichklang: Während alternative Verlustausgleichsmechanismen bei einer Abschaffung der Teilwertabschreibung auf Ebene der Gewinnermittlung im Rahmen eines vermögensstatischen Differenzierungsmaßstabes bereits aufgrund der Systemdurchbrechung zu fordern sind, resultiert deren Notwendigkeit bei einer Orientierung am Nettorealisationsgedanken allein aus Gründen der Eigentumsschonung. Rückt man das neu eingefügte Merkmal der voraussichtlich dauernden Wertminderung in den Blickpunkt, kann dessen Berechtigung wiederum nach beiden Differenzierungskriterien begründet werden. Im Detail bestehen jedoch unterschiedliche Auslegungsdirektiven im Hinblick auf die Funktion der Teilwertabschreibung im jeweiligen Systemgefüge. Bereits diese unterschiedlichen Ergebnisse machen eine Diskussion notwendig, welcher Differenzierungsmaßstab dem Bilanzsteuerrecht nun tatsächlich zugrundeliegt. Da sich die aufgezeigte Problematik über bloße Auslegungsdivergenzen jedoch verschärft, wenn man über den bislang angesprochenen Bereich auch das Wertaufholungsgebot in die Überlegungen einbezieht, soll eine Diskussion in diesem Rahmen erfolgen.
288
5. Kapitel: Das Wertaufholungsgebot im Lichte der unterschiedlichen Differenzierungsmaßstäbe A.
Die ursprüngliche Rechtslage
Nach bisher geltendem Recht konnte eine Teilwertabschreibung in der Folgezeit auch dann beibehalten werden, wenn sich der Teilwert durch Änderung der Verhältnisse wieder erhöht hatte. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 4 und § 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 3 i.d.F. des WoBauFG vom 22. 12. 1989 konnte auf abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die aufgrund eines gesunkenen Teilwertes in der Vergangenheit außerplanmäßig abgeschrieben wurden, der höhere Teilwert angesetzt werden, wenn der Teilwert zwischenzeitlich wieder gestiegen war, wobei die Anschaffungs- und Herstellungskosten, vermindert um die AfA gemäß § 7 EStG nicht überschritten werden durften. Somit war in der bisherigen Gesetzeslage ein Zuschreibungswahlrecht vorgesehen, das dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit bot, eine Wertaufholung ganz oder teilweise bis zur Höhe des über dem letzten Bilanzansatz liegenden Teilwertes vorzunehmen1. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 3 EStG konnte der Steuerpflichtige das Wahlrecht bei Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens und des Anlagevermögens, die nicht der Abnutzung unterliegen, entsprechend anwenden. Da somit eine Wertzuschreibung gegen den Willen des Steuerpflichtigen nicht vorgesehen war, hatte dies für die steuerliche Praxis zur Folge, dass aus zwischenzeitlich eingetretenen Teilwerterhöhungen stille Reserven gebildet wurden, die erst bei einem nachfolgenden Realisationsakt aufgedeckt wurden2. Wertzuwächse an betrieblich verstrickten Wirtschaftsgütern blieben somit nach überkommener Rechtslage während der Dauer der Betriebszugehörigkeit unberücksichtigt und wurden erst im Moment der Gewinnrealisierung steuerlich erfasst.
B.
Die Einführung einer Zuschreibungspflicht
Das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 sieht nun erstmals mit steuerlicher Wirkung die Einführung einer zwangsweisen Wertzuschreibung vor (Wertaufholungsgebot). Dabei ist die Idee eines steuerlichen Wertaufholungsgebotes nicht neu. Bereits in den Petersberger Steuervorschlägen v. 22.
1 2
Küting StuB 1999, 1, 2. Vgl. Schön BB 1997, 1333.
289
5. Kapitel: Das Wertaufholungsgebot im Lichte der unterschiedlichen Differenzierungsmaßstäbe A.
Die ursprüngliche Rechtslage
Nach bisher geltendem Recht konnte eine Teilwertabschreibung in der Folgezeit auch dann beibehalten werden, wenn sich der Teilwert durch Änderung der Verhältnisse wieder erhöht hatte. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 4 und § 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 3 i.d.F. des WoBauFG vom 22. 12. 1989 konnte auf abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die aufgrund eines gesunkenen Teilwertes in der Vergangenheit außerplanmäßig abgeschrieben wurden, der höhere Teilwert angesetzt werden, wenn der Teilwert zwischenzeitlich wieder gestiegen war, wobei die Anschaffungs- und Herstellungskosten, vermindert um die AfA gemäß § 7 EStG nicht überschritten werden durften. Somit war in der bisherigen Gesetzeslage ein Zuschreibungswahlrecht vorgesehen, das dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit bot, eine Wertaufholung ganz oder teilweise bis zur Höhe des über dem letzten Bilanzansatz liegenden Teilwertes vorzunehmen1. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 3 EStG konnte der Steuerpflichtige das Wahlrecht bei Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens und des Anlagevermögens, die nicht der Abnutzung unterliegen, entsprechend anwenden. Da somit eine Wertzuschreibung gegen den Willen des Steuerpflichtigen nicht vorgesehen war, hatte dies für die steuerliche Praxis zur Folge, dass aus zwischenzeitlich eingetretenen Teilwerterhöhungen stille Reserven gebildet wurden, die erst bei einem nachfolgenden Realisationsakt aufgedeckt wurden2. Wertzuwächse an betrieblich verstrickten Wirtschaftsgütern blieben somit nach überkommener Rechtslage während der Dauer der Betriebszugehörigkeit unberücksichtigt und wurden erst im Moment der Gewinnrealisierung steuerlich erfasst.
B.
Die Einführung einer Zuschreibungspflicht
Das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 sieht nun erstmals mit steuerlicher Wirkung die Einführung einer zwangsweisen Wertzuschreibung vor (Wertaufholungsgebot). Dabei ist die Idee eines steuerlichen Wertaufholungsgebotes nicht neu. Bereits in den Petersberger Steuervorschlägen v. 22.
1 2
Küting StuB 1999, 1, 2. Vgl. Schön BB 1997, 1333.
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Das Wertaufholungsgebot im Lichte der unterschiedlichen Differenzierungsmaßstäbe
1. 19973 wurde das Konzept einer steuerlichen „Zwangsrealisation“ stiller Reserven verfolgt. In Orientierung an diesem Gedankengut fand sich die Idee der Einführung eines Wertaufholungsgebotes schließlich in dem Entwurf eines Steuerreformgesetzes 1998 v. 18. 3. 1997 (StRefG-E 1998) der damaligen Bundesregierung wieder4. Aufgrund des Scheiterns des Gesetzesvorhabens wurde das Wertaufholungsgebot zu diesem Zeitpunkt letztlich jedoch nicht eingeführt. Im Rahmen der Diskussion um das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 wurden die Vorschläge von der rot-grünen Bundesregierung jedoch erneut aufgegriffen. Im Zuge der zunächst geplanten Abschaffung der Teilwertabschreibung sah der Entwurf eines Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vor, das Wertbeibehaltungswahlrecht bei Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens und des Umlaufvermögens in ein Wertzuschreibungsgebot umzuwandeln5. Die Wertaufholungspflicht sollte daraus resultieren, dass in der Vergangenheit vorgenommene Teilwertabschreibungen aufgrund der Streichung der Passagen über die Möglichkeit eines niedrigeren Teilwertansatzes mangels Aufrechterhaltung ihrer Existenz wieder rückgängig gemacht werden müssen6. Insoweit war jedoch problematisch, ob der Gesetzgeber das Ziel eines generellen Wertaufholungsgebots verfolgte oder ob die Pflicht zur Wertzuschreibung lediglich dann eintreten sollte, wenn die Gründe für die ehemalige Teilwertabschreibung weggefallen waren. Aus der Begründung zu § 52 Abs. 7 EStG in der Fassung des Entwurfs zum Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 ging jedoch hervor, dass „früher vorgenommene Teilwertabschreibungen im Wege der steuerlichen Zuschreibung rückgängig zu machen sind“7. Diese Formulierung deutet eindeutig darauf hin, dass es die gesetzgeberische Intention war, ein generelles Wertaufholungsgebot einzuführen8. Auffällig ist insoweit, dass die durch den Entwurf des Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 geplante Regelung von der ursprünglich in den Petersberger Steuervorschlägen vorgesehen Gesetzesfassung erheblich divergierte. Die Petersberger Steuervorschläge gingen noch davon aus, dass ein Zwang zur Wertaufholung für Einzelkaufleute, Personen- und Kapitalgesellschaften nur dann bestehen sollte, wenn der Grund
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Reform der Einkommensbesteuerung - Vorschläge der Steuerreformkommission v. 22. 1. 1997, „Petersberger Steuervorschläge“; veröffentlicht in: HHR-Kongress v. 4./5. 3. 1999, Materialsammlung, S. 13f. BT-Drucks. 13/7242 sowie BT-Drucks. 13/7775. BT-Drucks 14/23, S. 172f. Küting StuB 1999, 1, 2. BT-Drucks. 14/23, S. 255. Küting StuB 1999, 1, 3.
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Die Einführung einer Zuschreibungspflicht
für die außerplanmäßige Abschreibung im nachhinein entfallen ist9. Der aus den Petersberger Steuervorschlägen resultierende Gesetzesentwurf, Art 1 des StRefG-E 1998, wollte dieses Ziel durch eine Streichung des Wahlrechts zur Wertaufholung in § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 4; Nr. 2 S. 3 EStG verwirklichen. Die enge Anlehnung des Entwurfs an die Petersberger Steuervorschläge lässt darauf schließen, dass eine Wertaufholung nur dann vorgenommen werden sollte, wenn die Wertaufholung aus einem Wegfall des Abschreibungsgrundes resultierte10. Korrespondierend sollte nach § 52 Abs. 7 i.d.F. des StRefGE 1998 die Bildung einer Wertaufholungsrücklage ermöglicht werden, die die Verteilung des Zuschreibungsgewinns auf fünf Jahre gestattete11. Der Entschluss die Teilwertabschreibung beizubehalten, diese aber sowohl im Anlage- als auch im Umlaufvermögen an eine voraussichtlich dauernde Wertminderung zu knüpfen, hat schließlich dazu geführt, dass auch das Wertaufholungsgebot in modifizierter Form verwirklicht wurde. Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG sind Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die der Abnutzung unterliegen, mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten oder dem an deren Stelle tretenden Wert, vermindert um die Absetzungen für Abnutzung, erhöhte Absetzungen, Sonderabschreibungen, Abzüge nach § 6 b EStG und ähnliche Abzüge anzusetzen. Bei einer voraussichtlich dauernden Wertminderung kann der Steuerpflichtige den niedrigeren Teilwert ansetzen (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG). Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 4 EStG sind Wirtschaftsgüter, die bereits am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres zum Anlagevermögen des Steuerpflichtigen gehört haben, in den folgenden Wirtschaftsjahren gemäß Satz 1 anzusetzen, es sei denn, der Steuerpflichtige weist nach, dass ein niedrigerer Teilwert nach Satz 2 angesetzt werden kann. Das geltende Gesetzesrecht sieht somit vor, dass rechtmäßig vorgenommene Teilwertabschreibungen zum nachfolgenden Bilanzstichtag grundsätzlich ganz oder teilweise rückgängig zu machen sind, es sei denn der Steuerpflichtige weist nach, dass die Voraussetzungen einer Teilwertabschreibung, nämlich eine voraussichtlich dauernde Wertminderung am Bilanzstichtag fortbestehen und daher der Teilwert weiterhin unter dem Wertansatz nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG liegt12. Während im Rahmen des 9 Reform der Einkommensbesteuerung – Vorschläge der Steuerreformkommission v. 22. 1. 1997 „Petersberger Steuervorschläge“, S. 16; vgl. auch Herzig/Rieck WPg 1999, 305, 311. 10 Küting StuB 1999, 1, 8; die Gesetzesbegründung in BT-Drucks. 13/7242 zu Artikel 1, Nr. 2 bb), S. 14 ist insoweit jedoch nicht eindeutig. 11 BT-Drucks. 13/7242, S. 5, 16f; vgl. auch Köster/Patt/Wendt/Wischmann in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, Steuerreform 1999/2000/2002, § 6 EStG Rn R 3. 12 Fischer in: Kirchhof, Kompaktkommentar, 5. Auflage, 2005, § 6 Rn 110; Schneider ZBB 2000, 121, 127.
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Das Wertaufholungsgebot im Lichte der unterschiedlichen Differenzierungsmaßstäbe
handelsrechtlichen Wertaufholungsgebotes für Kapitalgesellschaften (§ 280 Abs. 1 HGB) vorausgesetzt ist, dass die Gründe, die zur Abschreibung geführt haben, nicht mehr bestehen dürfen, scheint der Steuergesetzgeber von einer solchen Begrenzung abgesehen zu haben, was bedeutet, dass eine Zuschreibungspflicht allein von der Erhöhung des Teilwertes abhängig ist13. Für eine solche Deutung spricht, dass der Gesetzgeber im Rahmen der Gesetzesbegründung von einer „Neubewertung“ spricht14. § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG sieht für andere als die in Nummer 1 bezeichneten Wirtschaftsgüter des Betriebs (Grund und Boden, Beteiligungen, Umlaufvermögen) vor, dass diese mit den Anschaffungs- und Herstellungskosten oder dem an deren Stelle tretenden Wert, vermindert um Abzüge nach § 6 b EStG und ähnliche Abzüge, anzusetzen sind, es sei denn, der Teilwert ist aufgrund einer voraussichtlich dauernden Wertminderung niedriger. § 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 3 EStG stellt durch einen Verweis auf § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 4 EStG sicher, dass auch für diese Wirtschaftsgüter das Wertaufholungsgebot eingreift. Um zu verhindern, dass das Wertaufholungsgebot bzgl. der Teilwertabschreibungen durch Umdeklarierung bisheriger Teilwertabschreibungen in AfaA „unterlaufen“ wird, hat der Gesetzgeber versucht, das Wertaufholungsgebot des § 6 EStG zu ergänzen und die Wertaufholung ebenfalls auf die AfaA erstreckt15. Gemäß § 7 Abs. 1 S. 7 EStG ist bei AfaA in den Fällen der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 oder § 5 Abs. 1 EStG eine entsprechende Zuschreibung vorzunehmen, wenn der Grund für die AfaA in späteren Wirtschaftsjahren entfällt. Hier ist aus der Formulierung jedoch zu schließen, dass die Beweislast für das Vorliegen der Zuschreibungsvoraussetzungen beim Fiskus liegt16. Von der Neuregelung sind nach dem gesetzgeberischen Willen nicht nur diejenigen Wirtschaftsgüter betroffen, die nach dem 1. 1. 1999 auf den niedrigeren Teilwert abgeschrieben wurden. Mangels einer zeitlichen Beschränkung sollen von der Wertaufholungspflicht alle Teilwertabschreibungen betroffen sein, die seit der Eröffnung der DM-Eröffnungsbilanz von 1948 bzw. 1990 (neue Bundesländer) gebildet wurden17. Dies hat zur Folge, dass mit dem Wertaufholungsgebot lang zurückreichende Teilwertabschreibungen rückgängig gemacht werden müssen. § 52 Abs. 16 S. 3ff EStG sieht zur Groh DB 1999, 978, 983; Herzig/Rieck WPg 1999, 305, 311. Herzig/Rieck WPg 1999, 305, 311. BT-Drucks. 14/443, S. 25; Siegel in: Beck HDR, B 169 Rn 60. Drenseck in: Schmidt, EStG, 24. Auflage, 2005, § 7 Rn 129; Siegel in: Beck HDR, B 169 Rn 60. 17 Stobbe/Loose FR 1999, 405, 408; Köster/Patt/Wendt/Wischmann in: Herrmann/Heuer/ Raupach, EStG, Steuerreform 1999/2000/2002, § 6 EStG Rn R 7.
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Die verfassungsrechtliche Problematik der Zuschreibungspflicht
Abmilderung der steuerlichen Belastung durch die Zuschreibungsgewinne die Möglichkeit vor, die Zuschreibungsgewinne aus der Rückgängigmachung von Teilwertabschreibungen mittels einer Wertaufholungsrücklage auf fünf Jahre zu erstrecken. Bei der AfaA ist im Hinblick auf § 52 Abs. 21 S. 2 EStG nicht ganz klar, ob sich die Zuschreibungspflicht auch auf solche AfaA bezieht, die schon in vor dem 31. 12. 1998 endenden Wirtschaftsjahren vorgenommen wurden. Aufgrund der insoweit einschränkungslosen Formulierung des § 52 Abs. 21 S. 2 EStG wird man davon ausgehen müssen, obwohl der Gesetzgeber auf die Möglichkeit verzichtet hat, den Zuschreibungsgewinn mittels einer Wertaufholungsrücklage zu verteilen18. Insofern ist eine sachliche Parallelität zwischen der Wertaufholung bei nicht dauernder Wertminderung (§ 6 Abs. 1 EStG) und der Zuschreibung bei Wegfall der Gründe für eine AfaA (§ 7 Abs. 1 S. 7 EStG) gegeben.
C.
Die verfassungsrechtliche Problematik der Zuschreibungspflicht
Die verfassungsrechtliche Dimension der Einführung eines Wertaufholungsgebotes wird deutlich, wenn man berücksichtigt, dass die Wertaufholung zumindest so interpretiert werden kann, dass der Gesetzgeber entgegen bisheriger Tradition Wertsteigerungen ohne einen willentlichen Realisationsakt der Besteuerung unterwirft. In verfassungsrechtlicher Hinsicht stellt sich zunächst die Frage nach der Zulässigkeit dieses Vorgehens. Diese Grundproblematik betrifft Teilwertabschreibungen, die erst nach Einführung des Wertaufholungsgebotes unter den strengeren Anforderungen der dauernden Wertminderung geltend gemacht wurden gleichermaßen, wie auch den „Altbestand“ an Teilwertabschreibungen, die im Zeitraum vor dem Inkrafttreten des Gesetzes vorgenommen wurden. Die Problematik muss jedoch in einem zweiten Schritt um die Fragestellung ergänzt werden, ob auch in der Vergangenheit gebildete stille Reserven von der Zuschreibungspflicht erfasst werden dürfen, wie dies in § 52 Abs. 16 EStG für die Teilwertabschreibung und in § 52 Abs. 21 EStG für die AfaA vorgesehen ist. Zu unterscheiden sind somit drei Fallgruppen19: -
Wertaufholungen bei Teilwertabschreibungen und AfaA, die nach dem 1.1.1999 neu gebildet wurden
18 So auch Brandis in: Blümich, EStG, § 7 EStG Rn 404 und die Verwaltungsauffassung, OFD Frankfurt a.M, Vfg. v. 9. 7. 2001, DStR 2001, 1934f. 19 Herzig/Rieck WPg 1999, 305, 316.
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Die verfassungsrechtliche Problematik der Zuschreibungspflicht
Abmilderung der steuerlichen Belastung durch die Zuschreibungsgewinne die Möglichkeit vor, die Zuschreibungsgewinne aus der Rückgängigmachung von Teilwertabschreibungen mittels einer Wertaufholungsrücklage auf fünf Jahre zu erstrecken. Bei der AfaA ist im Hinblick auf § 52 Abs. 21 S. 2 EStG nicht ganz klar, ob sich die Zuschreibungspflicht auch auf solche AfaA bezieht, die schon in vor dem 31. 12. 1998 endenden Wirtschaftsjahren vorgenommen wurden. Aufgrund der insoweit einschränkungslosen Formulierung des § 52 Abs. 21 S. 2 EStG wird man davon ausgehen müssen, obwohl der Gesetzgeber auf die Möglichkeit verzichtet hat, den Zuschreibungsgewinn mittels einer Wertaufholungsrücklage zu verteilen18. Insofern ist eine sachliche Parallelität zwischen der Wertaufholung bei nicht dauernder Wertminderung (§ 6 Abs. 1 EStG) und der Zuschreibung bei Wegfall der Gründe für eine AfaA (§ 7 Abs. 1 S. 7 EStG) gegeben.
C.
Die verfassungsrechtliche Problematik der Zuschreibungspflicht
Die verfassungsrechtliche Dimension der Einführung eines Wertaufholungsgebotes wird deutlich, wenn man berücksichtigt, dass die Wertaufholung zumindest so interpretiert werden kann, dass der Gesetzgeber entgegen bisheriger Tradition Wertsteigerungen ohne einen willentlichen Realisationsakt der Besteuerung unterwirft. In verfassungsrechtlicher Hinsicht stellt sich zunächst die Frage nach der Zulässigkeit dieses Vorgehens. Diese Grundproblematik betrifft Teilwertabschreibungen, die erst nach Einführung des Wertaufholungsgebotes unter den strengeren Anforderungen der dauernden Wertminderung geltend gemacht wurden gleichermaßen, wie auch den „Altbestand“ an Teilwertabschreibungen, die im Zeitraum vor dem Inkrafttreten des Gesetzes vorgenommen wurden. Die Problematik muss jedoch in einem zweiten Schritt um die Fragestellung ergänzt werden, ob auch in der Vergangenheit gebildete stille Reserven von der Zuschreibungspflicht erfasst werden dürfen, wie dies in § 52 Abs. 16 EStG für die Teilwertabschreibung und in § 52 Abs. 21 EStG für die AfaA vorgesehen ist. Zu unterscheiden sind somit drei Fallgruppen19: -
Wertaufholungen bei Teilwertabschreibungen und AfaA, die nach dem 1.1.1999 neu gebildet wurden
18 So auch Brandis in: Blümich, EStG, § 7 EStG Rn 404 und die Verwaltungsauffassung, OFD Frankfurt a.M, Vfg. v. 9. 7. 2001, DStR 2001, 1934f. 19 Herzig/Rieck WPg 1999, 305, 316.
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Das Wertaufholungsgebot im Lichte der unterschiedlichen Differenzierungsmaßstäbe
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Wertaufholungen bei Teilwertabschreibungen und AfaA, die vor dem 1.1.1999 gebildet wurden und bei denen die Wertaufholung vor dem 1.1.1999 stattgefunden hat
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Wertaufholungen bei Teilwertabschreibungen und AfaA, die vor dem 1.1.1999 gebildet wurden, bei denen eine Wertaufholung aber erst nach dem 1.1.1999 stattgefunden hat bzw. stattfinden wird.
I.
Die verfassungsrechtliche Beurteilung von Wertzuschreibungen vor dem Hintergrund von Reinvermögenzuwachstheorie und Nettorealisationsgedanken
Zur Systematisierung soll zunächst anhand der unterschiedlichen Differenzierungsmaßstäbe zur Messung einer stichtagsbezogenen Reinvermögensänderung untersucht werden, wie eine Wertaufholung steuersystematisch zu beurteilen ist. Da die Wertaufholung quasi die „Rückgängigmachung“ der Teilwertabschreibung bzw. AfaA darstellt, erweist sich in diesem Zusammenhang von grundlegender Bedeutung, welche Funktion der Teilwertabschreibung bzw. AfaA unter Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten zukommt. 1.
Die Beurteilung des Wertaufholungsgebotes nach den Leistungsfähigkeitsvorstellungen der Reinvermögenszuwachstheorie
Legt man die Vorstellungen der Reinvermögenszuwachstheorie20 als maßgeblichen Differenzierungsmaßstab im Bilanzsteuerrecht zugrunde, beurteilt sich die dem Steuerpflichtigen zuzuweisende Leistungsfähigkeit nach der stichtagsbezogen Reinvermögensänderung des Betriebsvermögens. Bei der Beurteilung der Reinvermögensänderung kommt es nicht auf einen Realisationsakt an, da der Wertzuwachs des Betriebsvermögens eine Steigerung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Unternehmers darstellt und zwar unabhängig davon, ob ein Gegenwert in das Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen gelangt ist21. Umgekehrt mindern bereits wirtschaftlich verursachte negative Erfolgsbeiträge unabhängig von einem Realisationsakt das stichtagsbezogene Reinvermögen. An diesem Befund ändert sich auch nichts, wenn man den Differenzierungsmaßstab zudem in Zusammenschau mit den anderen, ebenfalls bedeutsamen Verfassungsprinzipien bewertet22. Verändern sich im Hinblick auf einen nachfolgenden Stichtag die insoweit relevanten Determinanten, so dass der Teilwert eines Wirtschaftsgutes wie20 Tipke DStJG 4 (1981), 2ff. 21 Costede StuW 1996, 19, 23. 22 Vgl. 4. Kap. B.
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Die verfassungsrechtliche Problematik der Zuschreibungspflicht
der steigt, würde eine konsequente Umsetzung des reinvermögenszuwachstheoretischen Periodisierungsmaßstabs es erfordern, die positive Änderung des Teilwertes in der Periode des Wertzuwachses als periodenbezogenen Neuzuwachs an steuerlicher Leistungsfähigkeit einkommensteuerlich zu erfassen. In Bezugnahme auf diesen theoretischen Standpunkt wird in der Literatur23 zu Recht geltend gemacht, dass die Einführung eines steuerlichen Wertaufholungsgebotes unter dem Blickwinkel der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit zu befürworten ist. Konsequenterweise wird demgegenüber ein Wertaufholungswahlrecht kritisch beurteilt, da es dem Steuerpflichtigen erlaube, sein Reinvermögen ohne erkennbaren Grund niedriger anzusetzen, als es tatsächlich ist, wenn die Wertminderung nachträglich entfällt24. Da allein der Stichtagswert entscheidend ist, kann es insoweit nicht auf den Wegfall des konkreten Grundes für die Wertminderung ankommen. Wegen der gleichgerichteten Funktion von Teilwertabschreibung und AfaA vor dem Hintergrund der Reinvermögenszuwachstheorie ergeben sich insoweit keine Unterschiede bei der Beurteilung des Wertaufholungsgebotes bei der AfaA. Bei der AfaA ist jedoch zu berücksichtigen, dass diese objektivierungsbedingt mit einem konkreten äußeren Ereignis verbunden ist. Wegen dieser engen Verbindung erscheint es daher konsequent, bei der AfaA auf den Wegfall des konkreten Grundes abzustellen. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen ein steuerliches Wertaufholungsgebot bestehen somit auch nicht im Hinblick auf den Differenzierungsmaßstab, sondern vielmehr unter dem Aspekt, ob unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten auf diese Ausprägung nichtrealisierter Wertzuwächse zurückgegriffen werden darf (Aspekt der eigentumsschonenden Besteuerung). In der Literatur wird überwiegend (insbesondere im Zusammenhang mit der Einführung einer Bodenwertzuwachsteuer) in der Besteuerung nichtrealisierter Wertzuwächse eine unzulässige Substanzbesteuerung gesehen25. Die gleichen Erwägungen liegen auch einer für das Bilanzrecht26 entwickelten
23 Küting StuB 1999, 1, 4; Herzig/Rieck WPg 1999, 305, 315; vgl. auch Ringwald INF 1999, 321, 323. 24 Küting StuB 1999, 1, 4. 25 Friauf DVBl 1972, 652, 657f; Klein DÖV 1973, 433, 438f; Leisner, Wertzuwachsbesteuerung und Eigentum, 1978, S. 148ff; Vogel StuW 1974, 193, 199; Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, 2000, S. 47; vgl. auch Leplow, Das Wertaufholungsgebot in der Handels- und Steuerbilanz, 2002. S. 157; Zeitler DB 2003, 1529, 1531. 26 Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, 1981/88, S. 173ff, 344ff; Lang in: Tipke/Lang, 17. Auflage, 2002, § 4 Rn 107, § 8 Rn 32f, § 9 Rn 50f; Costede StuW 1996, 19, 24f; Tipke DStJG 4 (1981), 4ff; Hennrichs DStJG 24 (2001), 301,
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Das Wertaufholungsgebot im Lichte der unterschiedlichen Differenzierungsmaßstäbe
Auffassung zugrunde, die zwar grundsätzlich in nichtrealisierten Wertzuwächsen im reinvermögenszuwachstheoretischen Sinne eine prinzipiell steuerbare wirtschaftliche Leistungsfähigkeit anerkennt, jedoch aus Gründen einer eigentumsschonenden Besteuerung einen Rückgriff auf nichtrealisierte Wertsteigerungen nur dann zulassen will, wenn dies zur Sicherstellung des Steuerzugriffs erforderlich ist (Entstrickungsprinzip). Im Rahmen der oben vorgenommenen verfassungsrechtlichen Einordnung des Realisationsprinzips vor dem Hintergrund eines reinvermögenszuwachstheoretischen Differenzierungskriteriums hat sich erwiesen, dass der Grundsatz einer eigentumsschonenden Besteuerung den Gesetzgeber zwar nicht darauf verpflichtet, den Zugang liquider Mittel für den steuerlichen Zugriff abzuwarten. Unter Berücksichtigung des Prinzips einer eigentumsschonenden Besteuerung wäre es aber unverhältnismäßig, die Steuerpflicht an einen Tatbestand zu knüpfen, bei dem der Steuerpflichtige zur Erfüllung der Steuerpflicht zur Veräußerung des eingesetzten Eigentumsobjekts gezwungen wäre. Jachmann27 hat dies - wie oben28 bereits erörtert wurde - dahingehend formuliert, dass eine mittelbare Veräußerungspflicht grundsätzlich eine unverhältnismäßige Konfiskation darstellt. Insofern ist das Realisationsprinzip unter den genannten Aspekten nicht nur verfassungsrechtlich gerechtfertigt, sondern grundsätzlich auch verfassungsrechtlich geboten. Es kann auch nicht überzeugen, wenn für den Bereich des gewerblich genutzten Vermögens geltend gemacht wird29, dass die Besteuerung nichtrealisierter Wertzuwächse nicht zwangsläufig als Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewertet werden könne, da die Vermögensobjekte ausschließlich der Einkommenserzielung dienen, ohne dass spezifische persönliche Interessen am Objekt berücksichtigt werden müssten. Vor dem Hintergrund des Bestandsschutzes eines jeden Eigentumsobjekts spielen die spezifischen Interessen des Steuerpflichtigen am konkreten Eigentumsobjekt nur eine untergeordnete Rolle. Im Hinblick darauf, dass ein strenger Vermögensvergleich mit einer periodengerechten Erfassung der tatsächlichen Wertsteigerung aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nicht für zulässig erachtet werden
317; Versin, Derogation des Maßgeblichkeitsprinzips im Einkommensteuerrecht?, 2003, S. 184; Zeitler DB 2003, 1529, 1531; vgl. auch Herzig/Bär DB 2003, 1, 5. 27 Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, 2000, S. 47; vgl. auch Herzig/Bär DB 2003, 1, 5; Arnold StuW 2005, 148, 154. 28 Vgl. 3. Kap. C. IV. 5; 4. Kap. B. II. 1. b) insbesondere auch zu dem Umstand, dass unter den realen Bedingungen eines unvollkommenen Kapitalmarktes die Möglichkeit einer Beleihung nicht als Rechtfertigung einer Besteuerung nichtrealisierter Wertsteigerungen herangezogen werden kann, vgl. dazu auch 2. Kap. D. II. 29 Koniarski, Einkommen als Maßstab steuerlicher Leistungsfähigkeit, 1984, S. 106f.
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Die verfassungsrechtliche Problematik der Zuschreibungspflicht
kann, liegt es auch nicht fern, das Realisationsprinzip als Verfassungsprinzip zu verstehen30. Schön31 hat im Rahmen einer Begutachtung des in den Petersberger Beschlüssen vorgesehenen Wertaufholungsgebotes diese Überlegungen dezidiert auf das steuerliche Wertaufholungsgebot übertragen und die Auffassung vertreten, dass die Erfassung nichtrealisierter Wertsteigerungen im Rahmen eines Wertaufholungsgebotes nicht mit Art 14 Abs. 1 GG zu vereinbaren sei. Seiner Auffassung zu Folge, erscheint es unter den Prämissen der Reinvermögenszuwachstheorie verfassungsrechtlich höchst problematisch, dass der Gesetzgeber durch die Wertaufholung im Bilanzsteuerrecht erstmals auf eine Leistungsfähigkeit zurückgreife, die auf einer neu eingetretenen nichtrealisierten Wertsteigerung beruht32, ohne den willentlichen Realisationsakt des Steuerpflichtigen abzuwarten. Die konsequente Umsetzung dieser Überlegungen würde zu einer verfassungsrechtlichen Absicherung des Wertbeibehaltungsrechts führen, wenn der Gesetzgeber entsprechend dem reinvermögenszuwachstheoretischen Differenzierungsmaßstab den Ansatz nichtrealisierter Wertminderungen (durch Teilwertabschreibungen und AfaA) bei der periodischen Steuerbemessung vorsieht. Herzig/Rieck33 haben demgegenüber zu Bedenken gegeben, dass das Wertaufholungsgebot jedoch nicht gegen das Anschaffungswertprinzip als Konkretisierung des Realisationsprinzips verstößt, da die fortgeführten Anschaffungs- oder Herstellungskosten bei der Wertaufholung nicht überschritten werden. Eine unbegrenzte steuerliche Erfassung des Wertzuwachses würde durch eine Wertobergrenze in jedem Fall verhindert. Wenn aber ein Verstoß gegen das Anschaffungswertprinzip als Ausprägung des Realisationsprinzips nicht festgestellt werden kann, komme auch generell ein Verstoß gegen das Realisationsprinzip nicht in Betracht. Bei der Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit des Wertaufholungsgebotes vor dem Hintergrund eines reinvermögenszuwachstheoretischen Differenzierungsmaßstabes kommt es entscheidend auf die Gewichtung des Differenzierungsmaßstabes im Rahmen der Auflösung des Spannungsverhältnisses der verschiedenen Verfassungsprinzipien an. Entscheidet sich der Ge30 Vogel StuW 1974, 193, 199. 31 Schön BB 1997, 1333, 1340; in Bezug auf das Realisationsprinzip allgemein Wiesbrock, Die Verlustrückstellung im Steuer- und Verfassungsrecht, 1999, S. 137; Küting/Kessler StuB 2000, 21, 23. 32 So Schön BB 1997, 1333, 1339f; Hauber/Dieterlein BB 1998, 2293, 2294; zweifelnd auch Uelner JbFStR 1997/98, S. 36f. 33 Herzig/Rieck WPg 1999, 305, 314; Schwenke BB 1997, 2408, 2410; Versin, Derogation des Maßgeblichkeitsprinzips im Einkommensteuerrecht?, 2003, S. 105.
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Das Wertaufholungsgebot im Lichte der unterschiedlichen Differenzierungsmaßstäbe
setzgeber dafür, den Steuertatbestand streng am reinvermögenszuwachstheoretischen Differenzierungsmaßstab auszugestalten, ändert sich an dieser verfassungsrechtlichen Grundkonstellation nichts. Maßgeblicher Anknüpfungspunkt für verfassungsrechtliche Restriktionen des reinvermögenszuwachstheoretischen Leistungsfähigkeitsverständnisses ist insoweit der grundrechtliche Schutz des Steuerpflichtigen aus Art 14 GG34. Gemessen an den reinvermögenszuwachstheoretischen Maßstäben macht es insoweit aber keinen Unterschied, ob ein Wirtschaftsgut von vornherein im Wert steigt oder aber zunächst im Wert sinkt und dann anschließend wieder steigt. Besteuert wird hier ein periodenbezogener Neuzuwachs an Leistungsfähigkeit, aus dem, mangels eines Umsatzaktes am Markt, auch im Rahmen des Wertaufholungsgebotes ein mittelbarer Veräußerungszwang für den Steuerpflichtigen resultieren kann. Insoweit verkennt die Argumentation Herzig/Riecks, dass sich die eigentliche Bedeutung des Realisationsprinzips, verstanden in seiner Ableitung aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip, nicht im objektivierenden Anschaffungswertprinzip erschöpft. Eine andere Beurteilung könnte sich höchstens vor der Hintergrund der Möglichkeit ergeben, dass es unter Zugrundelegung des reinvermögenszuwachstheoretischen Differenzierungskriteriums nicht ausgeschlossen erscheint, dass der Steuergesetzgeber die für die Ausgestaltung des Steuerbilanzrechts bedeutsamen Verfassungsprinzipien auch in der Art gewichten kann, dass die Abschaffung des Imparitätsprinzips auf Ebene der Bemessungsgrundlage verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden wäre. Vor dem Hintergrund eines reinvermögenszuwachstheoretischen Differenzierungsmaßstabes kann die verfassungsrechtliche Berechtigung eines Verzichts auf außerplanmäßige Abschreibungen im Spannungsverhältnis der Verfassungsprinzipien nach den obigen Ausführungen aber allein mit Vereinfachungsund Objektivierungserwägungen (typisierte AfA-Bemessung) begründet werden. Folge der stärkeren Gewichtung eines objektiven Bilanzansatzes ist dann, dass auf Ebene der Gewinnermittlung ausschließlich auf ein System einer typisierten AfA-Bemessung zurückgegriffen wird (fortgeführtes Anschaffungswertprinzip). Insoweit kann man sogar von einer gewissen Berechtigung sprechen, das Anschaffungswertprinzip auf Ebene der Gewinnermittlung faktisch als Regelmaßstab anzuerkennen. Damit stellt sich aber die Frage, ob entsprechend den Ausführungen Herzig/Riecks35 eine Teilwertabschreibung oder AfaA mit Rückkehr zum Anschaffungswertprinzip möglich ist, wenn die fortgeführten Anschaffungs- oder Herstellungskosten als Obergrenze beachtlich bleiben. Berücksichtigt man, dass die Anerken34 Schön BB 1997, 1333, 1339. 35 Herzig/Rieck WPg 1999, 306, 314.
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Die verfassungsrechtliche Problematik der Zuschreibungspflicht
nung der fortgeführten Anschaffungswerte als Regelmaßstab vor dem Hintergrund eines reinvermögenszuwachstheoretischen Differenzierungskriteriums nur durch eine Objektivierungsdominanz zu rechtfertigen ist, erscheint das Vorgehen Herzig/Riecks äußerst zweifelhaft. Während durch einen objektivierungsbedingten Ausschluss die fortgeführten Anschaffungswerte unterschreitender Stichtagswerte ein wirklicher Vereinfachungseffekt erzielt werden kann, kann das Argument der Objektivierung hinsichtlich der Zurückführung der Teilwertabschreibung und AfaA zum Regelmaßstab gerade nicht überzeugen. Gewährt man dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit, in der Bilanz einen dem Differenzierungsmaßstab entsprechenden niedrigeren Wert in einer objektivierten Art und Weise anzusetzen, erscheint es vor dem Hintergrund des gewählten Differenzierungsmaßstabes geradezu widersinnig, wenn der die fortgeführten Anschaffungs- oder Herstellungskosten unterschreitende Wertansatz unter Objektivierungsgesichtspunkten plötzlich als korrekturfähiger Posten angesehen wird, der auf den typisierten Regelmaßstab der fortgeführten Anschaffungs- oder Herstellungskosten zurückgeführt werden kann. Ein solches Vorgehen würde auch unter Berücksichtigung von Objektivierungsmöglichkeiten letztlich zur Konterkarierung des eigentlichen Differenzierungsmaßstabes führen, da wegen der weiterhin bestehenden Möglichkeit eines die Typisierung unterschreitenden Wertansatzes überhaupt kein Vereinfachungseffekt erzielt werden kann. Man darf somit nicht übersehen, dass bei Anerkennung objektivierter außerplanmäßiger steuerlicher Abschreibungen der systemkonturierende Differenzierungsmaßstab Ausgangspunkt der Betrachtungen bleiben muss. Die Betrachtung Herzig/Riecks würde diesen Gesichtspunkt gänzlich in Frage stellen und missachten, dass objektivierte stichtagsbezogene Wertminderungen keine beliebig entziehbare Steuervergünstigung darstellen. 2.
Die theoretische Bedeutung der Wertaufholung unter Zugrundelegung des Nettorealisationsgedankens
Unter dem Blickwinkel des Nettorealisationsgedankens würde sich das Problem einer Wertaufholung im Anschluss an Teilwertabschreibungen gar nicht stellen, wenn dieser Periodisierungsmaßstab von vornherein idealtypisch umgesetzt worden wäre. Bei konsequenter Orientierung an einem vom Nettorealisationsprinzip geprägten Leistungsfähigkeitsprinzip hätte eine imparitätische Bestimmung der Reinvermögensänderung und damit die Teilwertabschreibung keinen Platz in der steuerbilanziellen Gewinnermittlung. Gemessen an diesem Differenzierungsmaßstab erscheint die Gewährung der Möglichkeit eines niedrigeren Teilwertansatzes als eine durch das Prinzip einer eigentumsschonenden Besteuerung gerechtfertigte Antizipation einer eigentlich erst zukünftig zu berücksichtigenden Betriebsvermögensminde299
Das Wertaufholungsgebot im Lichte der unterschiedlichen Differenzierungsmaßstäbe
rung. Wenn aber die Bildung von Teilwertabschreibungen nicht durch den Differenzierungsmaßstab verfassungsrechtlich gesichert, sondern lediglich im Zusammenspiel der gegenläufigen Verfassungsprinzipien als eigentumsschonende Besteuerung zu verstehen ist, muss die Rückgängigmachung der Teilwertabschreibung durch das Wertaufholungsgebot als eine am Leistungsfähigkeitsgedanken orientierte „Korrektur unnötig gewordener bzw. nicht gebrauchter Vorsicht“36 verstanden werden37, wenn die Gründe für den eigentumsschonenden Steuerzugriff an einem späteren Bilanzstichtag nicht mehr bestehen. Das vor dem Hintergrund der Nettorealisation verstandene Imparitätsprinzip bezweckt, nur solche Verluste zu antizipieren, die in Zukunft auch tatsächlich zur Realisation gelangen, nicht aber die Beibehaltung von Antizipationsbeträgen aus vergangenen berechtigten Verlustantizipationen, wenn sich eine Verlustantizipation aus Sicht des Bilanzstichtages als nunmehr unangebracht erweist38. Anders ausgedrückt hat eine Wertaufholung stets dann eine Berechtigung, wenn es voraussichtlich nicht mehr zu einer Belastung zukünftiger GuV-Rechnungen kommen wird, so dass sich der Antizipationsbetrag aus Sicht des Stichtages als unbegründet herausstellt39. Da insoweit aber allein die voraussichtlichen Nettoertragserwartungen von Bedeutung sind, kann es auch nach dieser Betrachtung nicht auf den Wegfall des konkreten Abschreibungsgrundes ankommen40. Übersteigen die Nettoertragserwartungen wieder den Buchwert sind die Gründe der Vorsorge entfallen, so dass lediglich der Betrag der Besteuerung zugeführt wird, der ohne die sich nunmehr als unbegründet darstellende Teilwertabschrei36 Moxter AG 1979, 145; Streim WPg 1983, 671, 675; Kühnberger/Lenz/Stachuletz DB 1982, 3, 8. 37 So im Ergebnis wohl Küting StuB 1999, 1, 7; Küting FS Brönner, 2000, S. 227, 236; Stobbe/Loose FR 1999, 405, 408f; Ehmke in: Blümich, EStG, § 6 Rn 579b; Schwenke BB 1997, 2408, 2411; Herzig/Rieck WPg 1999, 306, 314; Sarrazin JbFStR 1997/98, S. 37; Harms/Küting in: Küting/Weber, Handbuch der Rechnungslegung, 3. Auflage, 1990, § 280 Rn 51; a.A. Schön BB 1997, 1333, 1340; Dauber, Das Realisationsprinzip als Grundprinzip der steuerlichen Gewinnermittlung, 2003, S. 231. 38 Herzig/Rieck WPg 1996, 306, 314; Schwenke BB 1997, 2408, 2411. 39 Schwenke BB 1997, 2408, 2411; Herzig/Rieck WPg 1999, 305, 314. 40 A.A. insoweit Leplow, Das Wertaufholungsgebot in der Handels- und Steuerbilanz, 2002, S. 150ff, der die Neubewertungsmethode mit den steuerbilanziellen Bewertungsgrundsätzen (Realisationsprinzip, Anschaffungskostsneprinzip, Imparitätsprinzip) für unvereinbar hält und statt dessen im Rahmen einer Ursachenanalyse den Wegfall des zur Wertminderung führenden Grundes fordert. Nach den hier gesetzten Prämissen müssen die steuerbilanziellen Grundsätze jedoch streng vor dem Hintergrund des jeweiligen Systematisierungsmaßstabes verstanden werden. Orientiert man sich insoweit am Maßstab der Nettorealisation zeigen die hier vorgenommenen Untersuchungen indes, dass es bzgl. der Teilwertzuschreibung auf einen Wegfall des konkreten Abschreibungsgrundes nicht ankommen kann, vgl. dazu unten 5. Kap. C. II. 5.
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Die verfassungsrechtliche Problematik der Zuschreibungspflicht
bung bereits in früheren Abschnitten einer Besteuerung offen gestanden hätte41. Dementsprechend geht es nicht um die Besteuerung nichtrealisierter Wertsteigerungen, sondern um die Rückgängigmachung der Prognose eines sich nicht bestätigenden negativen Erfolgsbeitrages42. Gemessen am Nettorealisationsgedanken stellt die Teilwertabschreibung somit zwar keine beliebig entziehbare Steuervergünstigung dar43, jedoch sind durchaus Konstellationen denkbar, in denen es gerechtfertigt erscheint, zum eigentlichen Periodisierungsmaßstab zurückzukehren. Abweichend gestaltet sich demgegenüber die Beurteilung der Wertaufholung bei Absetzungen für außergewöhnliche Abnutzungen. Im Gegensatz zur Teilwertabschreibung hat die AfaA nicht die Funktion, negative Erfolgsbeiträge aus künftigen Abrechnungsperioden ins Jahr ihrer Entstehung vorzuziehen. Gemessen an den am Nettorealisationsprinzip orientierten Leistungsfähigkeitsvorstellungen stellen AfaA vielmehr realisierte, d.h. vergangenen Perioden zuzuordnende Aufwendungen dar44. Zur Beurteilung des der Vergangenheit zuzurechnenden Aufwandes ist aus Sicht des Bilanzstichtages jedoch eine Prognose über den Umfang der technischen oder wirtschaftlichen Abnutzung notwendig. Im Unterschied zur Teilwertabschreibung reichen betriebsgewöhnliche Vorgänge, bloße Wertminderungen oder eine verringerte Ertragsfähigkeit hierzu nicht aus45. Vielmehr muss objektivierungsbedingt ein von außen kommendes Ereignis unmittelbar auf das Wirtschaftsgut einwirken und zwar in der Art, dass entweder ein erhöhter Substanzverzehr oder eine zusätzliche Minderung der wirtschaftlichen Nutzbarkeit des Wirtschaftsgutes eintritt. Berücksichtigt man, dass der Ansatz einer AfaA von einer objektivierten Prognose abhängig ist, besteht auch bzgl. der AfaA das Risiko einer fehlerhaften Aufwandsbemessung. Aufgrund der un41 Herzig/Rieck WPg 1999, 305, 315; hinsichtlich des Handelsbilanzrecht hat Streim WPg 1983, 671, 675 die Situation folgendermaßen umschrieben: „Das Regelungsgefüge „Abwertungspflicht/-wahlrecht - Wertaufholungsgebot“ ist symmetrisch: es verlangt von den Gesellschaftern einen Verzicht auf Ausschüttungskompetenz, wenn dies aus Gründen des Gläubigerschutzes angebracht erscheint, und es gewährt Verwendungskompetenz zurück, wenn das zusätzliche Gläubigerrisiko nicht mehr besteht. ...... Die Kombination „Abwertungspflicht/-wahlrecht - Wertaufholungsverbot“ führt dagegen nach dem Wegfall der Abwertungsgründe zu einer Besserstellung der Gläubiger auf Kosten der Gesellschafter; sie ist deshalb asymmetrisch. Nur die symmetrische Regelung stellt eine faire Lösung des Interessenkonflikts zwischen Gesellschaftern und Gläubigern dar.“ 42 Weber-Grellet StuB 1999, 1289, 1294. 43 Herzig/Rieck WPg 1999, 305, 314. 44 Mayr ÖStZ 2001, 226, 229. 45 BFH v. 8. 7. 1980, BStBl II 1980, 743, 744; Brandis in: Blümich EStG, § 7 EStG Rn 387; Lambrecht in: Kirchhof, Kompaktkommentar, 5. Auflage, 2005, § 7 Rn 100.
301
Das Wertaufholungsgebot im Lichte der unterschiedlichen Differenzierungsmaßstäbe
terschiedlichen Funktion der AfaA kann eine Wertaufholung bei den AfaA unter dem Gesichtspunkt der am Nettorealisationsprinzip orientierten Leistungsfähigkeitsvorstellung aber nur dann ihre Berechtigung haben, wenn der spezifische Grund für die Zuordnung eines erhöhten Aufwandes zu den vergangenen Perioden nachträglich wieder entfallen ist. Nur der Wegfall dieses Grundes berechtigt zur Annahme, dass die für die Verteilung des Aufwandes maßgeblichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten nicht in der durch die AfaA zum Ausdruck gebrachten Höhe den in der Vergangenheit alimentierten Erträge zuzuordnen sind. Der Unterschied zu der Teilwertabschreibung erklärt sich somit daraus, dass im Rahmen der AfaA die Anschaffungs- und Herstellungskosten eine unveränderliche Zuordnungsgröße bilden und es lediglich darum geht, diesen Aufwand möglichst realitätsgerecht auf die alimentierten Erträge zu verteilen, während im Rahmen der Teilwertabschreibung bei der Prognostizierung zukünftiger Aufwandsüberschüsse die Wertentwicklung im Hinblick auf die Bestimmung des erzielbaren Ertrages von Relevanz ist. Während der Aufwand durch die Anschaffungs- und Herstellungskosten somit eine fixe Größe bildet, ist die Ertragsgröße aufgrund der Wertentwicklung variabel. Das Prognoserisiko beschränkt sich bei den AfaA somit auf eine Fehleinschätzung bzgl. des außergewöhnlichen Ereignisses, das ausschlaggebend für die Abweichung von der typisierten Schätzungsgrundlagen der AfA war. Orientiert man sich bei der Betrachtung am Nettorealisationsgedanken, relativiert sich in verfassungsrechtlicher Hinsicht zudem der Gesichtspunkt der durch die Wertaufholung hervorgerufenen Liquiditätsprobleme infolge der steuerwirksamen Zuschreibungserträge. Gemessen am Nettorealisationsgedanken wird dem Unternehmen durch einen erhöhten Abschreibungsaufwand im Hinblick auf eine stichtagsbezogene Prognose Liquidität zugeführt (Kapitalerhaltungsfunktion)46. Stellt sich im nachhinein heraus, dass sich ein negativer Erfolgsbeitrag überhaupt nicht verwirklichen wird, erweist sich die ehemals berechtigte Liquiditätszuführung jedoch nunmehr als ungerechtfertigt. Die Wertaufholung bewirkt insofern eine Korrektur der zuvor zu Unrecht einbehaltenen Liquidität. Ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz lässt sich bei Wertaufholungen, die ihren Ursprung im Imparitätsprinzip haben, unter diesen Gesichtspunkten nicht erkennen. Berücksichtigt man, dass die AfaA ebenfalls nur auf einer stichtagsbezogenen Prognose beruhen, kann sich im Hinblick auf eine mögliche Fehleinschätzung ebenfalls ein Aufholungsbedarf ergeben, um zu einer am Stichtag orientierten korrekten Aufwandsbemessung im Rahmen des Nettorealisations46 Schwenke BB 1997, 2408, 2411; Herzig/Rieck WPg 1999, 305, 315; Stobbe/Loose FR 1999, 405, 409; Streim WPg 1983, 671, 675.
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Die verfassungsrechtliche Problematik der Zuschreibungspflicht
gedankens zurückzukehren. Man kann insofern auch hier davon sprechen, dass im Rahmen einer Korrektur eines Aufwandpostens eine dem Unternehmen unberechtigt zugeführte Liquidität entzogen wird. Im Gegensatz zu der am Vermögenswert orientierten Auslegung der Reinvermögenszuwachstheorie handelt es sich somit auch hier nicht um die Besteuerung eines Neuzuwachses an Leistungsfähigkeit. Diese Beurteilung resultiert im Wesentlichen aus einer durch den Realisationsakt geprägten Deutung des Einzelbewertungsgrundsatzes, da insoweit eine gedankliche Verbindung zu bereits alimentierten Erträgen hergestellt werden kann. 3.
Zusammenfassende Beurteilung
Damit kann festgehalten werden: Man kann durchaus davon sprechen, dass sich das Wertaufholungsgebot nach beiden hier betrachten Differenzierungsmaßstäben an der Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen orientiert. Dennoch unterscheiden sich die Ansätze in ihrem Vorgehen fundamental. Nach den Leistungsfähigkeitsvorstellungen der Reinvermögenszuwachstheorie resultiert der durch eine Wertaufholung abgebildete Zuwachs an Leistungsfähigkeit stets aus einer neu eingetretenen unrealisierten Vermögensmehrung47. Demgegenüber wird unter Zugrundelegung des Nettorealisationsgedankens durch die Wertaufholung eine verfassungsrechtlich gerechtfertigte, aber im Hinblick auf veränderte Umstände nicht mehr gebotene vorübergehende Minderung der Bemessungsgrundlage wieder auf den regulären Vergleichsmaßstab (d.h. die an sich zutreffende Leistungsfähigkeit) zurückgeführt und insoweit das Leistungsfähigkeitsprinzip gestärkt48.
II.
Die verfassungsrechtliche Beurteilung der Wertzuschreibungspflicht bei Teilwertabschreibungen und AfaA, die nach dem 1. 1. 1999 neu gebildet werden
Da sich vor dem Hintergrund dieser systematischen Grundlagen, die verfassungsrechtliche Berechtigung des Wertaufholungsgebotes unterschiedlich beurteilt, kommt dem vom Gesetzgeber zugrundegelegten Systemverständnis entscheidende Bedeutung zu. Ein Wertaufholungsgebot in Bezug auf Teilwertabschreibungen und AfaA, die nach dem 1. 1. 1999 neu gebildet wurden, ist folglich nur dann verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn sich der Gesetzgeber im Steuerbilanzrecht systemprägend am Nettorealisationsprinzip orientieren würde.
47 Vgl. Schön BB 1997, 1333, 1340. 48 Stobbe/Loose FR 1999, 405, 409; Herzig/Rieck WPg 1999, 305, 315.
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Das Wertaufholungsgebot im Lichte der unterschiedlichen Differenzierungsmaßstäbe
1.
Der ursprünglich gewählte Differenzierungsmaßstab im Steuerbilanzrecht
Vor dem Hintergrund der Wertaufholungsproblematik ist somit entscheidend, für welche der theoretisch möglichen Grundvorstellungen zur Beurteilung einer stichtagsbezogenen Reinvermögensänderung sich der Gesetzgeber als Vergleichsmaßstab entschieden hat. Eine Antwort gibt insofern die Entstehungsgeschichte, wobei die Grundlagen im Handelsbilanzrecht zu finden sind49. Die nach dem ADHGB von 1861 erstellte Bilanz sollte einen Einblick in die wahre Vermögenslage des Kaufmanns gewähren50. Die Handelsbilanz wollte den Gläubigern einen Überblick über die Vermögenssituation des Kaufmann geben, um eine Kontrolle zu gewährleisten, ob das stichtagsbezogene Aktivvermögen noch die Schulden decken kann51. Das Handelsbilanzrecht sah daher vor, Vermögensgegenstände mit „dem Werte anzusetzen, der ihnen in dem Zeitpunkte beizulegen ist, für welchen die Aufstellung stattfindet“52. Dabei bildete der gemeine Wert die maßgebliche Wertkategorie53, der von Rechtsprechung und Literatur i.S. eines Liquidationswertes54 ausgelegt wurde (Zerschlagungsstatik). Durch das Prinzip einer zerschlagungsorientierten Vermögensermittlung war zudem und geradezu selbstverständlich das Einzelbewertungsprinzip vorgegeben55. Bereits 1873 hat das Reichsoberhandelsgericht bei der Bewertung die Beziehung des Wirtschaftsgutes zum Betrieb jedoch insofern berücksichtigt, als nicht die Liquidation des Geschäfts, sondern dessen Fortführung beabsichtigt war56. Vor dem Hintergrund der Darstellung des nach den vorstehenden Grundsätzen ermittelten Stichtagsvermögens war dem historischen Gesetzgeber eine hinter den tatsächlichen Vermögensverhältnissen zurückbleibende Bilanzierung fremd57. Verfolgt wurde eine Stichtagszeitwertkonzeption58. Diese auf 49 Kammann, Stichtagsprinzip und zukunftsorientierte Bilanzierung, 1988, S. 256; Sigloch BFuP 2000, 157, 160ff. 50 Vgl. Art 31 ADHGB. 51 Vgl. Schön BB 1994 (Beilage 9), S. 1, 4. 52 Art 31 ADHGB. 53 Vgl. Koch WPg 1957, 1, 3. 54 ROHG v. 3. 12. 1873, ROHGE 12, 15, 19. 55 Euler, Das System der Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung, 1996, S. 32. 56 ROHG v. 3. 12. 1873, ROHGE 12, 15, 19; vgl. auch Schön ZHR 161 (1997), 133, 140. 57 Kammann DStR 1980, 400, 402. 58 ROHG v. 3. 12. 1873, ROHGE 12, 15, 17; vgl. Großfeld/Dieckmann WPg 1988, 419, 424f; Schön ZHR 161 (1997), 133, 139; Barth, Die Entwicklung des deutschen Bilanzrechts, Bd. 1, 1953, S. 139.
304
Die verfassungsrechtliche Problematik der Zuschreibungspflicht
die Darstellung der tatsächlichen Vermögensverhältnisse abzielende Bilanz bildete gleichsam die Grundlage der Erfolgsermittlung, in dem die beiden stichtagsbezogenen Vermögensdarstellungen ins Verhältnis gesetzt wurden. Der ausgewiesene Gewinn ermittelte sich folglich als Vermögensdifferenz aus einem nach zeitwertstatischen Gesichtspunkten ermittelten Vermögen59. 1884 wurde erstmals in Art 185 a ADHGB, in Widerspruch zu dem allgemeinen für die kaufmännische Bilanz geltenden Grundsatz des Art 31 ADHGB, als aktienrechtliche lex specialis vorgesehen, dass der jeweils anzusetzende beizulegende Wert im geltenden System des Vermögensvergleichs nach oben hin durch die Anschaffungs- oder Herstellungskosten begrenzt werden sollte. Diese Regelung fand handelsrechtlich eine besondere Rechtfertigung im Wesen der Kapitalgesellschaften, die durch Ausschüttung nichtrealisierter Wertzuwächse endgültig das Haftungskapital der Gläubiger schmälerten60. Ausgehend vom damaligen Gewinnverständnis als Differenz zweier Vermögensstände, sollte der Ausweis unrealisierter Wertzuwächse61 als „ausschüttbarer Gewinn“ verhindert werden. Somit tritt zwar der Gewinnermittlungsaspekt62 gegenüber dem Vermögensermittlungsaspekt in den Vordergrund. Es ist aber im Hinblick auf die Entstehungsgeschichte nicht ersichtlich, dass mit der Einführung des Realisationsprinzips die ursprünglichen Grundlagen des Gewinnbegriffs verlassen und ein nach neueren betriebswirtschaftlichen Erkenntnissen zu bestimmendes allgemeines Periodisierungskriterium etabliert werden sollte, i.d.S., dass diesem zumindest eine begrenzte Bedeutung für die periodische Aufwandszuordnung zukommt (Gedanke der Nettorealisation). Im historischen Kontext sollte lediglich auf der Grundlage des Vermögensvergleichs der Ausweis nichtrealisierter Vermögenswertsteigerungen i.S. des Vorsichtsprinzips verhindert werden63. Ei59 ROHG v. 3. 12. 1873, ROHGE12, 15, 17; Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmensteuerrecht, 9. Auflage, 1993, S. 14. 60 Vgl. Simon, Die Bilanzen der Aktiengesellschaften und der Kommanditgesellschaften auf Aktien, 3. Auflage, 1899, S. 335. 61 Nach Simon, Die Bilanzen der Aktiengesellschaften und der Kommanditgesellschaften auf Aktien, 3. Auflage, 1899, S. 334 wurde, wie sich aus den Nürnberger Protokollen ergebe, die Fassung des Art 31 ADHGB gerade aus dem Grunde gewählt, um Werterhöhungen berücksichtigen zu können. 62 Motive zur Aktienrechtsnovelle von 1884 (Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, 5. Legislaturperiode, IV. Session 1884, 3. Band, Anlagen zu den Verhandlungen des Reichstages, Berlin, 1884) S. 301, zitiert nach Moxter BB 1984, 1780, 1781. 63 Preußisches OVG v. 30. 12. 1905, Preuß. OVGSt 10, 310, 313ff; Simon, Die Bilanzen der Aktiengesellschaften und der Kommanditgesellschaften auf Aktien, 3. Auflage, 1899, S. 335ff. Motive zur Aktienrechtsnovelle von 1884, a.a.O., S. 303, zitiert nach Moxter BB 1984, 1780; allgemein zur Deutung des Realisationsprinzips vor dem Hin-
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Das Wertaufholungsgebot im Lichte der unterschiedlichen Differenzierungsmaßstäbe
ne allgemeine Periodisierungsfunktion kann dem Realisationsprinzip somit nicht beigelegt werden64, da das zerschlagungsstatische Realisationsprinzip nicht der Periodisierung, sondern ausschließlich der vorsichtigen Gewinnermittlung dient65. Gewinne wurden daher i.S. von Erlösen und nicht als um Aufwendungen geminderte Nettoerlöse verstanden. Wenn im Zusammenhang mit dem Realisationsprinzip von dessen besonderer Bedeutung für die Ausschüttungsbemessung gesprochen wurde, muss dies vor dem Hintergrund der Systematik der zugrundeliegenden Gewinnermittlung gesehen werden. Die Ergebnisse der kaufmännischen Buchführung wurden erstmals durch das bremische EStG vom 17. 12. 1874 und das EStG für das Königsreich Sachsen vom 22. 12. 1874 auch für die steuerliche Gewinnermittlung relevant66. Diese Regelung wurde am 7. 3. 1881 von der Hansestadt Hamburg67, von Preußen erst am 24. 6. 1891 im Rahmen der Miquel`schen Steuerreform übernommen68. Durch diese Steuerreformen wurde die bis dahin geltende Einnahmen-Ausgaben-Rechnung als Erfolgsermittlungsmodell für den Unternehmensgewinn abgelöst69. Zwar wurde mit dieser Neuausrichtung bereits der Übergang zur Reinvermögenszuwachstheorie vollzogen, dennoch kann kaum angenommen werden, dass es den Gesetzgebern dieser Zeit darum ging, den vorherrschenden Einkommensbegriff der Quellentheorie zu
64 65 66
67 68 69
tergrund der Zerschlagungsstatik, Euler, Das System der Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung, 1996, S. 26f. BFH v. 27. 6. 2001, BB 2001, 1893, 1896; Siegel FS Forster, 1992, S. 596, 603ff. Vgl. Euler, Das System der Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung, 1996, S. 26. Vgl. § 22 des Sächsischen EStG v. 22. 12. 1874: „.... Beim Handels- und Gewerbebetrieb ist der Reingewinn nach den Grundsätzen zu berechnen, wie solche für die Inventur und Bilanz durch das Handelsgesetzbuch vorgeschrieben sind und sonst dem Gebrauche eines ordentlichen Kaufmanns entsprechen; insbesondere gilt dies vom Zuwachs und andererseits von der Abnutzung des Anlagekapitals sowie von Forderungen, von Schulden und deren Zinsen.....“ Gemäß Anlage B zu § 5 Abs. 3 des bremischen EStG v. 17. 12. 1874 sind zum reinen Einkommen zu rechnen: „6. Die Einnahmen aus Gewerbe... Wenn der Gewerbetreibende kaufmännische, den Bestimmungen des Handelsgesetzbuches entsprechende Geschäftsbücher führt, so hat er das steuerpflichtige reine Einkommen nach der ordnungsgemäß aufgestellten Jahresbilanz zu berechnen. 7. Der Gewinn aus Handelsgeschäften, so wie sich derselbe aus dem nach den Bestimmungen des Handelsgesetzbuches aufgestellten Jahresabschluß ergibt.....“; jeweils zitiert nach Mathiak in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 5 Rn A 114, A 117. Vgl. Mathiak in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 5 Rn A 118. Vgl. § 14 des preußischen EStG v. 24. 6. 1891. Vgl. Sigloch BFuP 2000, 157, 159 mwN.
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Die verfassungsrechtliche Problematik der Zuschreibungspflicht
verlassen70. Vielmehr wurde die Tragweite der Neuerungen gar nicht erkannt71. Friktionen resultierten somit anfangs daraus, dass die an die handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung anknüpfende steuerliche Gewinnermittlung im Widerspruch zu den damals herrschenden Anschauungen der Quellentheorie stand72. Dieser Widerspruch spiegelte sich beispielsweise im preußischen EStG 1891 wieder, das in § 14 Abs. 1 die Gewinnermittlung nach kaufmännischen Grundsätzen vor dem quellentheoretischen Hintergrund grundsätzlich der Einnahmen-AusgabenRechnung unterordnete (....in Gemäßheit der allgemeinen Grundsätze)73. Besondere Bedeutung erlangte dieser Widerspruch im Hinblick auf die grundsätzliche theoretische Frage, ob der Wertzuwachs des Anlagevermögens als Wertzuwachs im Stammvermögen in den steuerbaren Gewinn einzubeziehen war. Trotz der aufgrund des Wortlautes naheliegenden Dominanz des quellentheoretischen Gedankenguts74 räumte das Preußische OVG75 dem Vermögensvergleich eine Vorrangstellung ein, mit der Folge, dass die Wertsphäre des Betriebsvermögens in die steuerlichen Betrachtungen mit einbezogen werden musste. Erst diese Rechtsprechung bewirkte eine entscheidende Emanzipation der Bilanz als eigenständige Grundlage der steuerlichen Gewinnermittlung76. Dieses Verständnis wurde dann auch bald von der Gesetzgebung rezipiert77. Das traditionelle Bilanzsteuerrecht kannte keine autonome Konzeption des bilanziellen Gewinns, sondern lehnte sich an diejenige des Handelsbilanzrechts an78. Vor diesem Hintergrund ist auch der damalige gesetzgeberische Gewinnbegriff des Steuerbilanzrechts zu verstehen. Der Verweis auf ein vermögensorientiertes zeitwertstatisch konzipiertes Handelsbilanzrecht bedeutete somit, dass sich auch der durch die Steuerbilanz ausgewiesene Gewinn im Ausgangspunkt als eine durch Differenzbildung zweier stichtagsbe70 Insofern ist zu berücksichtigen, dass die v. Schanz`sche Reinvermögenszugangstheorie erst im Jahr 1896 formuliert wurde. 71 Sigloch BFuP 2000, 157, 159. 72 Vgl. Drüen FR 2001, 992, 994; Sigloch BFuP 2000, 157, 159; Mathiak in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 5 Rn A 122. 73 Drüen FR 2001, 992, 994; Barth, Die Entwicklung des deutschen Bilanzrechts, Bd. 2, Teilband 1, 1955, S. 205. 74 Fuisting, Die preußischen direkten Steuern, 4. Band, 1902, S. 173. 75 Preußisches OVG v. 13. 12. 1895, Preuß. OVGSt 4, 241, 243ff. 76 Drüen FR 2001, 992, 994. 77 Vgl. § 13 preuß. EStG v. 19. 6. 1906, Preuß GS 1906, 260; Mathiak in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 5 Rn A 122. 78 Vgl. 1. Kap. A. I. 2. mit dem Hinweis, dass sich die steuerbilanzielle Gewinnermittlung auf den gesamten Normenbestand des HGB bezog.
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Das Wertaufholungsgebot im Lichte der unterschiedlichen Differenzierungsmaßstäbe
zogen zu ermittelnder, zeitwertbezogener Vermögensstände ermittelte Größe darstellte79. In Anlehnung an die zum Handelsbilanzrecht ergangene Rechtsprechung zur Bewertung des Betriebsvermögens forderte das preußische Oberverwaltungsgericht in diesem Sinne für die Steuerbilanz, den Wert anzusetzen, den die zu bewertenden Gegenstände bei fortgesetztem Betrieb haben80. Somit wurde durch die Rechtsprechung des Sächsischen und später des Preußischen Oberverwaltungsgerichts die Auffassung vertreten, dass im Rahmen des steuerlichen Vermögensvergleichs auch die nichtrealisierte Wertsteigerung uneingeschränkt zu erfassen sei81. Dabei wurde in der Tradition der Zeitwertstatik geradezu selbstverständlich von einer Einzelbewertung der in der Bilanz ausgewiesenen Vermögenswerte ausgegangen82. Die Bezugnahme auf eine stichtagsbezogene Gesamtbewertung des Unternehmens oder eine erweiterte Interpretation des Einzelbewertungsgrundsatzes i.S. von auf einzelne Geschäfte bezogenen Ertragspotentialen83 war dem Gesetzgeber fremd. Es erscheint somit bedeutsam herauszustellen, dass diese Vorstellungen erst auf späteren wirtschaftswissenschaftlichen Erkenntnissen bei der Konturierung der Reinvermögenszuwachstheorie beruhen. In dieser Tradition ordnete das erste Reichseinkommensteuergesetz von 1920 unter ausdrücklicher Berufung auf die theoretischen Überlegungen von Schanz die Versteuerung nichtrealisierter Werterhöhungen ausdrücklich an84. 192185 wurde der gemeine Wert als steuerrechtliche Wertkategorie im Hinblick auf die Inflation zunächst wahlweise durch das Anschaffungs- oder Herstellungskostenprinzip des § 33a EStG nach oben begrenzt. Dieser behielt seine besondere Bedeutung aber dann, wenn der gemeine Wert unter den fortgeführten Anschaffungs- oder Herstellungskosten lag86. Diese Regelung wurde durch §§ 19 Abs. 1, Abs. 2 EStG 1925 bestätigt. Gemäß § 19
79 Vgl. auch Lang DStJG 4 (1981), 45, 62. 80 Preußisches OVG v. 17. 5. 1897, Preuß. OVGSt 6, 30, 43. Somit zeigt sich, dass die Entscheidung des Reichsoberhandelsgerichtes auch in der preußischen Steuerrechtsprechung seine Zustimmung fand. 81 Vgl. Barth, Die Entwicklung des deutschen Bilanzrechts, Bd. 2, Teilband 1, 1955, S. 114, 210ff mwN. 82 Vgl. Maassen, Der Teilwert im Steuerrecht, 1968, S. 9. 83 Vgl. dazu 2. Kap. D. II. 84 Vgl. Barth, Die Entwicklung des deutschen Bilanzrechts, Bd. 2, Teilband 1, 1955, S. 114; Becker StuW 1925, Sp. 1799, 1811. 85 Novelle v. 24. 3. 1921 zum EStG 1920, RGBl. 1921, Nr. 34, S. 313, 318; so auch § 19 Abs. 2 EStG 1925. 86 Vgl. Becker StuW 1925, Sp. 1799, 1811; Mellwig FS Moxter, 1994, S. 1069, 1076; Sigloch BFuP 2000, 157, 160; Mathiak in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 5 Rn A 127.
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Die verfassungsrechtliche Problematik der Zuschreibungspflicht
Abs. 1 EStG 1925 war für die einzelnen dem Betrieb gewidmeten Gegenstände für den Schluss des Steuerabschnitts der gemeine Wert zugrundezulegen.. Der Steuerpflichtige konnte aber nach § 119 Abs. 2 EStG 1925 den Anschaffungs- oder Herstellungspreis unter Abzug der zugelassenen Ansetzungen für Abnutzungs- und Substanzverringerungen ansetzen87. Erst durch § 6 Nr. 1 und Nr. 2 EStG 1934 wurde das Anschaffungs- und Herstellungskostenprinzip zur allgemeinverbindlichen Wertobergrenze erhoben. Dies geschah nach der gesetzgeberischen Begründung mit dem Ziel, die steuerliche Gewinnermittlung an die kaufmännische Übung anzupassen88. Diese Bezugnahme kann im Hinblick auf das damalige systematische Verständnis der Handelsbilanz als zeitwertstatische Vermögensübersicht und der Adaption dieses Verständnisses für die Steuerbilanz als Grundlage der Gewinnermittlung aber nur dahingehend interpretiert werden, dass das Anschaffungs- oder Herstellungskostenprinzip und damit das Realisationsprinzip entsprechend dem im Handelsbilanzrecht vorherrschenden Verständnis auch im Steuerbilanzrecht als Ausprägung einer vorsichtigen Gewinnermittlung verstanden wurde. Die vorstehend erörterten Grundlagen des gesetzgeberischen Gewinnbegriffs werden zudem dadurch gestützt, dass i.S. der zeitwertstatischen Konzeption stets der Ausweis von unter die Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten gesunkenen Stichtagszeitwerten vorgesehen war. In diesem Sinne konnte der Steuerpflichtige von Beginn an den niedrigeren gemeinen Wert ansetzen. In dieser Tradition hielt auch das EStG 1925 am (niedrigeren)89 gemeinen Wert als Alternative zu den Anschaffungs- und Herstellungskosten fest. Seit dem EStG 1934 wurde die Wertkategorie des gemeinen Wertes durch den Teilwert ersetzt. Der Steuerpflichtige konnte insofern den niedrigeren Teilwert ansetzen, wobei durch die Veränderung des Bewertungsmaßstabes jedoch keine Veränderung des grundlegenden Systemverständnisses angestrebt wurde. Dies lässt sich verdeutlichen, wenn man in einer Parallelbetrachtung die Ursprünge des Teilwertbegriffs in die Betrachtung einbezieht. Im Rahmen der stichtagsbezogenen Bewertung der einzelnen Vermögenspositionen der Bilanz erlangte der Gedanke der Unternehmensfortführung frühzeitig eine zu-
87 Vgl. Jaeger, Der Teilwert, 1984, S. 8. 88 Begründung zum Einkommensteuergesetz v. 16. 10. 1934, RStBl. 1935, 33, 38. 89 Becker StuW 1925, Sp. 1799, 1823 weist darauf hin, dass der Zweck des Wahlrechtes darin zu sehen war, dem Steuerpflichtigen die Berücksichtigung von Konjunkturverlusten zu ermöglichen.
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Das Wertaufholungsgebot im Lichte der unterschiedlichen Differenzierungsmaßstäbe
nehmende Bedeutung90. Diese Entwicklung ging von der Handelsbilanz aus91, fand wegen der engen Verbindung aber auch schnell Eingang in das Steuerbilanzrecht92. Der Fortführungsgedanke fand einen deutlichen Niederschlag in der Begründung zum Entwurf des EStG 192593, nach der sich die Bewertung von Anlagegegenständen nach dem gemeinen Wert daran orientieren soll, was ein Käufer des ganzen Betriebes, der das Unternehmen fortsetzen will, bei Berechnung des Kaufpreises für den ganzen Betrieb für diesen Gegenstand ansetzen würde. Mirre94 prägte schließlich den Begriff des Teilwertes, der zunächst Eingang in die Rechtsprechung des RFH95 gefunden hat, ehe er in § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG 1934 in der Gesetzgebung des EStG 1934 seinen Niederschlag fand. Als problematisch könnte sich jedoch erweisen, dass ein stichtagsbezogener Vermögensreinzuwachs auf Basis des Fortführungsgedankens nach neueren betriebswirtschaftlichen Erkenntnissen lediglich durch eine Gesamtbewertung des Unternehmens erfolgen kann, die sich nach dessen Ertragswert zu richten hat96, eine vom Gesamtwert des Unternehmens abgeleitete Einzelbewertung aber schlicht unmöglich ist. Vor dem historischen Hintergrund erscheint es jedoch höchst zweifelhaft, ob der Gesetzgeber überhaupt eine derartige Vorgehensweise beabsichtigt hat. Im Fortführungsgedanken kann kein Bekenntnis zu einem ertragswertorientierten Gesamtbewertungsverfahren gesehen werden. Man beabsichtigte vielmehr eine betriebsbezogene Einzelbewertung97. Dabei war die Erwerberfiktion als Objektivierungsrestriktion zu verstehen, die im Grunde gar nicht das Wertverständnis betraf. Beurteilt man die historische Entwicklung vor dem Hintergrund der oben gewonnen finanzwissenschaftlichen Erkenntnisse, lässt sich zudem feststellen, dass, selbst wenn man auf den Gesamtertragswert abstellt, diese fortführungsstatische Betrachtung als Spielart der Reinvermögenszuwachstheorie
90 Simon, Die Bilanzen der Aktiengesellschaften und der Kommanditgesellschaften auf Aktien, 2. Auflage, 1898, S. 296f; Jaeger, Der Teilwert, 1984, S. 6ff; vgl. Mellwig FS Moxter, 1994, S. 1069, 1077. 91 Vgl. bereits ROHG v. 3. 12. 1873, ROHGE 12, 15, 19; vgl. Schön ZHR 161 (1997), 133, 139f. 92 Preußisches OVG v. 17. 5. 1897, Preuß. OVGSt 6, 30, 43; vgl. auch Versin, Derogation des Maßgeblichkeitsprinzips im Einkommensteuerrechts?, 2003, S. 97. 93 Verhandlungen des Reichstags, III. Wahlperiode 1924, Bd. 400, Nr. 795, S. 50. 94 Mirre, Zeitschrift des Deutschen Notarvereins 13 (1913), 155, 167ff. 95 RFH v. 14. 12. 1926, RFHE 20, 87, 88. 96 Moxter AG 1979, 141, 143. 97 Vgl. Mellwig FS Moxter, 1994, S. 1069, 1078.
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Die verfassungsrechtliche Problematik der Zuschreibungspflicht
einzuordnen ist98. Die einzelbewertete Methodik unterscheidet sich lediglich im Zielerreichungsgrad, nicht jedoch in der grundsätzlichen Art und Weise der Periodisierung. Im historischen Kontext kann man somit höchstens davon ausgehen, dass in Anlehnung an die damaligen neueren Erkenntnisse der Fortführungsstatik die ursprüngliche Interpretation der Reinvermögenszuwachstheorie als Differenzierungskriterium verändert wurde. Man berücksichtigte, dass der Gedanke der Unternehmensfortführung zu einer Verbesserung des Zielerreichungsgrades führt, ohne die grundsätzliche Methodik der Periodisierung durch einen anderen Differenzierungsmaßstab zu ersetzen. Jedenfalls ist nicht ersichtlich, dass die im Grunde genommen statische Konzeption der Bilanz als Grundlage des Vermögensvergleiches durch die Einbeziehung des Gedankens der Unternehmensfortführung wieder verlassen werden sollte. Berücksichtigt man den Ursprung des steuerbilanziellen Gewinnverständnisses durch Vermögensvergleich, darf auch nicht unter Zugrundelegung späterer betriebswirtschaftlicher Erkenntnisse unbesehen darauf abgestellt werden, dass im Hinblick auf den Aspekt der Gewinnermittlung, ein anderer als der vom Gesetzgeber zugrundegelegte Periodisierungsmaßstab den gesetzgeberischen Zielvorstellungen besser gerecht wird99. Insofern ist es im Hinblick auf den vom Gesetz präferierten Periodisierungsmaßstab auch unergiebig, wenn auf den ausschließlichen Gewinnermittlungszweck des Steuerbilanzrechts abgestellt100 wird und unter Bezugnahme auf diese Zwecksetzung bei der Gewinnermittlung ein anderer Periodisierungsmaßstab behauptet wird, als der vom Gesetz selbst vorgesehene. Erkennt man somit den statischen Hintergrund der Steuerbilanz, kann die Aufwandsstundung durch das Realisationsprinzip in historischer Tradition allenfalls als rein Faktische charakterisiert werden, wobei betont werden muss, dass eine Aufwandsstundung vor dem Hintergrund des gesetzgeberischen Differenzierungsmaßstabes eigentlich nicht beabsichtigt ist. Damit zeigt sich aber, dass die betriebswirtschaftliche Interpretation des Realisationsprinzips als allgemeines Periodisierungskriterium (Nettorealisation) und damit auch die daran angelehnte Deutung des Imparitätsprinzips den ur-
98 Heddäus, Handelsrechtliche Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung für Drohverlustrückstellungen, 1997, S. 24. 99 Vgl. nur Euler, Das System der Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung, 1996, S. 196 mwN. 100 Vgl. nur Heddäus, Handelsrechtliche Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung für Drohverlustrückstellungen, 1997, S. 17; Mellwig FS Moxter, 1994, S. 1069, 1081.
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Das Wertaufholungsgebot im Lichte der unterschiedlichen Differenzierungsmaßstäbe
sprünglichen gesetzgeberischen Vorstellungen nicht entsprach101. Somit ist auch in Bezug auf das Steuerbilanzrecht nicht ersichtlich, dass dem Realisationsprinzip eine Bedeutung als grundlegendes Periodisierungskriterium bei der Gewinnermittlung beigemessen wurde. Berücksichtigt man diesen historischen Kontext, erklärt sich auch der Ursprung des Gedankens, den Fiskus lediglich wie einen stillen Teilhaber an dem nach dem handelsbilanziellen Verständnis ermittelten Unternehmenserfolg partizipieren zu lassen102. Ordnet man das Imparitätsprinzip vor dem Hintergrund dieses Gedankenguts in das traditionelle Bilanzrechtsgefüge ein, erscheint es daher mit Kammann plausibel anzunehmen, dass im Rahmen des wahrheitsgetreuen Vermögensausweises an eine Einschränkung „nach unten“ hin nie gedacht worden war103. Es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber seit jeher von der Vorstellung ausging, dass die durch das Imparitätsprinzip ausgewiesene Vermögenslage den Anforderungen des Differenzierungsmaßstabes widerspricht104. Eine Relativierung war lediglich in dem Sinne zu verzeichnen, dass entgegen der früheren zerschlagungsstatischen Interpretation eine fortführungsstatische Wertbestimmung bevorzugt wurde105. Vor diesem Hintergrund ist es nur konsequent, dass Becker106 in zeitwertstatischer Tradition eine Wertaufholung bis zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten aus allgemeinen Erwägungen der Realisation dezidiert abgelehnt hat. Diese Interpretation fand schließlich auch Eingang in die damalige Gesetzgebung (§ 20 Abs. 1 S. 1 EStG 1925), die davon ausging, dass der Steuerpflichtige an dem niedrigeren Wertansatz festgehalten werden sollte107. Die ursprünglichen gesetzgeberischen Vorstellungen wurden auch später nicht wieder verändert. Dies zeigt bereits, dass im Rahmen der Umsetzung des BiRiLG das Realisationsprinzip weiterhin als Ausfluss des Vorsichts-
101 Kammann, Stichtagsprinzip und zukunftsorientierte Bilanzierung, 1988, S. 256ff, 262. 102 Vgl. Lambrecht in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 5 Rn Ea 13. 103 Kammann, Stichtagsprinzip und zukunftsorientierte Bilanzierung, 1988, S. 256ff, 262; deutlich auch Großfeld/Dieckmann WPg 1988, 419, 425f; vgl. auch Küting/Kessler DStR 1998, 1937, 1940. 104 Auch Küting/Kessler StuB 2000, 21, 23 scheinen davon auszugehen, dass sich der Gesetzgeber einheitlich für eine reinvermögenszuwachstheoretische Leistungsfähigkeitsbetrachtung entschieden hat. 105 Kammann, Stichtagsprinzip und zukunftsorientierte Bilanzierung, 1988, S. 256. 106 Becker StuW 1925, Sp. 1799, 1811f; vgl. auch Leplow, Das Wertaufholungsgebot in der Handels- und Steuerbilanz, 2002, S. 122 unter Hinweis auf RFH v. 11. 4. 1922, RFHE 9, 108, 111f. 107 Vgl. Schön BB 1997, 1333, 1337; Leplow, Das Wertaufholungsgebot in der Handelsund Steuerbilanz, 2002. S. 123.
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Die verfassungsrechtliche Problematik der Zuschreibungspflicht
prinzips verstanden wurde108. Durch das BiRiLG wurde das Realisationsprinzip allgemeinverbindlich, rechtsformunabhängig als Ausfluss vorsichtigobjektivierter Bilanzierung kodifiziert. Diese Erwägungen lassen sich zwanglos auch auf das Steuerbilanzrecht i.S. einer objektivierten und eigentumssichernden Besteuerung übertragen. Somit sind keine Anzeichen für eine zwischenzeitliche gesetzgeberische Abkehr von der ursprünglichen Idee einer zeitwertstatischen Bilanz ersichtlich. Gestützt wird eine solche Deutung ferner durch Äußerungen, die in der Begründung zur zunächst geplanten Abschaffung der Teilwertabschreibung anklingen. Wenn in der Gesetzesbegründung von einer „Abkehr von dem bisherigen Grundsatz“ gesprochen oder angeführt wird, dass die tradierten Vorstellungen „inzwischen“ als „unbefriedigend“ angesehen werden müssen109, deutet dies darauf hin, dass ein imparitätischer Reinvermögensausweis vor einem eventuellen Anschauungswandel als integraler Bestandteil der steuerlichen Gewinnermittlungsvorschriften akzeptiert wurde. Ein Rechtfertigungszwang i.S. eines Widerspruchs zu den geltenden Leistungsfähigkeitsvorstellungen wurde gar nicht gesehen. Festzuhalten bleibt daher, dass sich der Gesetzgeber bislang in historischer Tradition an einem reinvermögenszuwachstheoretischen Differenzierungsmaßstab orientiert hat. 2.
Die Problematik gesetzgeberischer Reformvorhaben: Möglichkeit der Veränderung des Beurteilungsmaßstabes durch eine Korrektur der gesetzgeberischen Belastungsentscheidung
Hat man einen Systematisierungsmaßstab gefunden, erfordert der Grundsatz der Folgerichtigkeit, die verfassungsrechtliche Beurteilung von gesetzgeberischen Reformvorhaben am geltenden Systemverständnis auszurichten110. Im Rahmen der verfassungsrechtlichen Beurteilung von Reformvorhaben, die in tradierte Eckpfeiler der bisherigen Ausgestaltung der einkommensteuerlichen Bemessungsgrundlage eingreifen und diese verändern, erscheint es jedoch u.U. zu kurz gegriffen, die bis dato geltenden Systemvorstellungen zugrundezulegen. Vielmehr kann Anlass bestehen, darüber nachzudenken, ob der Gesetzgeber den von ihm bisher zugrundegelegten Vergleichsmaßstab aufgeben und durch eine neue gesetzgeberische Belastungsentscheidung ersetzen will111. Ein solcher Systemwechsel hätte die bedeutsame Fol108 Vgl. Kammann, Stichtagsprinzip und zukunftsorientierte Bilanzierung, 1988, S. 125; Moxter BB 1984, 1780, 1781. 109 BT-Drucks. 14/23, S. 170. 110 Vgl. nur Leisner, Kontinuität als Verfassungsprinzip, 2002, S. 235ff. 111 Leisner, Kontinuität als Verfassungsprinzip, 2002, S. 242.
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Das Wertaufholungsgebot im Lichte der unterschiedlichen Differenzierungsmaßstäbe
ge, dass sich im Zuge eines Wandels der gesetzgeberischen Vorstellungen ebenfalls die verfassungsrechtlichen Beurteilungsmaßstäbe verändern und sich daher das bisherige Regel-Ausnahme-Verhältnis verschiebt. Aufgeworfen ist daher die grundlegende Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der Gesetzgeber prinzipiell berechtigt ist, seine ursprünglich zugrundegelegten Vorstellungen aufzugeben und durch neue zu ersetzen. Der bisherige Gang der Arbeit hat gezeigt, dass der Gesetzgeber nicht von vornherein auf ein bestimmtes Verständnis steuerlicher Leistungsfähigkeit verpflichtet ist. Im Rahmen möglicher Alternativen verbleibt dem Steuergesetzgeber eine Auswahlentscheidung, die durch eine Belastungsentscheidung ausgefüllt werden muss. Wenn der Gesetzgeber von Verfassungs wegen nicht auf einen bestimmten Differenzierungsmaßstab bei der inhaltlichen Konturierung des Leistungsfähigkeitsprinzips festgelegt ist, kann dies aber nur bedeuten, dass es dem Gesetzgeber frei stehen muss, seine ursprüngliche Belastungsentscheidung zu korrigieren und durch eine alternative zu ersetzen. Der Steuergesetzgeber ist folglich nur insoweit an die von ihm selbst vorgegebenen Sachstrukturen gebunden, soweit diese nicht ihrerseits wieder geändert werden sollen112. Bezogen auf die hier in Rede stehende Problematik folgt daraus, dass dem Steuergesetzgeber die Möglichkeit verbleiben muss, bei der Ausgestaltung der steuerlichen Gewinnermittlung von den handelsbilanziellen Vorstellungen abzurücken113. Die Möglichkeit der Korrektur einer gesetzgeberischen Belastungsentscheidung trägt insbesondere auch Bedenken Rechnung, die prinzipiell gegen die Berechtigung einer am Gedanken der Folgerichtigkeit orientierten Auslegung des Gleichheitssatzes vorgetragen wurde. In der Literatur114 aber auch vom BVerfG selbst115 wurde zu Recht nachdrücklich darauf hingewiesen, dass der Gedanke der Folgerichtigkeit und Systemkonsequenz zu einer Verkrustung von gesetzlichen Strukturen führen kann, wenn dem Gesetzgeber nicht die Möglichkeit belassen wird, seine Anschauungen zu ändern und zu revidieren116. Es erscheint somit voreilig, die mit der Abschaffung der Drohverlustrückstellungen eingeleitete Tendenz zur Einschränkung des Imparitätsprinzips gemessen an den reinvermögenszuwachstheoretischen Vorstellungen zu be112 BFH v. 10. 7. 2002, BFH NV 2002, 1568, 1569; Vogel DStZ/A 1975, 409, 412; Prokisch FS K. Vogel, 2000, S. 293, 310. 113 Österr. VfGH ÖStZB 1998, 119, 121f; FG Hamburg v. 7. 7. 1995, EFG 1995, 964; Hey BB 2000, 1453, 1454f; implizit wohl auch Schön StuW 1995, 366, 369. 114 Schuppert FS Zeidler, 1987, S. 691, 697; Leisner, Kontinuität als Verfassungsprinzip, 2002, S. 241. 115 BVerfGE 60, 16, 43. 116 Daraus jedoch den Folgerichtigkeitsgedanken generell abzulehnen, erscheint zu weitgehend.
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Die verfassungsrechtliche Problematik der Zuschreibungspflicht
urteilen, wenn nicht sichergestellt ist, dass der alte Vergleichsmaßstab weiterhin von Relevanz bleiben soll. Falls mit dem Einschnitt in die bisherigen Grundsätze der Ausgestaltung der Bemessungsgrundlage tatsächlich ein Systemwechsel zu einer anderen Methode der Bemessung von Leistungsfähigkeit verbunden sein sollte, ist es zudem vorstellbar, dass der Gesetzgeber vorübergehend nicht den gesamten Normbestand an dem neuen Vergleichsmaßstab ausrichten muss117. Da ein solches Vorgehen es aber methodisch erfordert, die systemdurchbrechende Norm bereits am neuen System zu messen und der Beurteilende insofern ex ante auf eine gewisse Kenntnis der neuen Systemvorstellungen angewiesen ist, ist vom Gesetzgeber jedoch zu fordern, dass dieser seine Absicht zu einer Revidierung der gesetzgeberischen Belastungsentscheidung über die Veränderung einer einzelnen Norm hinaus ausreichend dokumentiert. Der Verzicht auf dieses Kriterium würde bedeuten, dass lediglich im nachhinein festgestellt werden könnte, ob durch den Systembruch tatsächlich ein Systemwechsel angestrebt war oder nicht. Da ein Systemwechsel aber den Beurteilungsmaßstab des alten Systems partiell außer Kraft setzt, hätte die Unsicherheit über den anzulegenden verfassungsrechtlichen Vergleichsmaßstab eine fatale Wirkung. 3.
Implementierung eines neuen systemprägenden Differenzierungsmaßstabes im Bilanzsteuerrecht?
Bezieht man die vorstehenden Erwägungen auf die zunächst abgeschafften Drohverlustrückstellungen, bleibt zunächst festzuhalten, dass der Gesetzgeber im Rahmen der Begründung des § 5 Abs. 4a EStG seiner Dokumentationspflicht nicht nachgekommen ist, falls dieser es mit der Abschaffung der Drohverlustrückstellung bereits beabsichtigt haben sollte, im Rahmen eines wie auch immer gearteten Systemwechsels das Imparitätsprinzip vollständig aus der steuerlichen Gewinnermittlung zu eliminieren118. Grundsätzlich ist daher denjenigen Stimmen in der Literatur119 zuzustimmen, die die Abschaffung der Drohverlustrückstellungen i.E. vor dem Hintergrund der traditionellen Vorstellungen eines zeitwertstatischen Gewinnbegriffs beurteilen wollten.
117 Insoweit sei in systematischer Hinsicht nochmals auf den oben angedachten Rechtfertigungsversuch Jachmanns verwiesen; vgl. 3. Kap. A. II. 4. 118 Dieses Versäumnis erklärt auch, warum in der verfassungsrechtlichen Diskussion insoweit die Möglichkeit eines Systemwechsels bislang vernachlässigt wurde. 119 Wiesbrock, Die Verlustrückstellung im Steuer- und Verfassungsrecht, 1999, S. 203ff; Arndt/Wiesbrock DStR 2000, 718, 719ff; Bordewin FR 1998, 226, 229f.
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Das Wertaufholungsgebot im Lichte der unterschiedlichen Differenzierungsmaßstäbe
Eine entsprechende Begründung, anhand derer auf eine Veränderung der gesetzgeberischen Systemvorstellungen geschlossen werden kann, könnte aber im Zuge der Begründung des vorübergehend geplanten Verbotes der Bewertung des Betriebsvermögens mit dem niedrigeren Teilwert nachgereicht worden sein120. Im Rahmen der Begründung zum Entwurf eines Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 haben die Regierungsfraktionen nachdrücklich die Auffassung vertreten, dass das Imparitätsprinzip mit dem steuerlichen Leistungsfähigkeitsprinzip unvereinbar sei121. Wörtlich heißt es dort122: „Arbeitnehmer und Bezieher von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, aus Kapitalerträgen oder aus Renten werden nach den Grundsätzen von Zufluss und Abfluss besteuert. Dagegen ermitteln bilanzierende Unternehmer ihre steuerlichen Einkünfte durch Vermögensvergleich in enger Anlehnung an die handelsrechtliche Gewinnermittlung. Der Vermögensvergleich bietet vielfach Möglichkeiten, „stille Reserven“ zu bilden und damit den Ausweis erwirtschafteter Gewinne zu verlagern. Damit wird die Besteuerung entweder ganz oder teilweise über viele Jahre hinweg - mit entsprechenden Zinsvorteilen - vermieden. ... Daher wird die steuerliche Gewinnermittlung im Zuge der Steuerreform objektiviert. Die Bindung an die Handelsbilanz (Maßgeblichkeit) wird insoweit aufgegeben. Die Bildung stiller Reserven wird beschränkt, damit die betroffenen Steuerpflichtigen - ähnlich wie Arbeitnehmer - nach ihrer tatsächlichen Leistungsfähigkeit besteuert werden. Stille Reserven entstehen vor allem durch überhöhte und trotz Wertaufholung beibehaltene Teilwertabschreibungen und im Rahmen der Bildung von Rückstellungen. ... Die vorgesehenen Gegenfinanzierungsmaßnahmen im Unternehmensbereich stellen keine Steuererhöhung dar, sondern nur eine zeitliche Verschiebung der Besteuerung. Abweichend vom bisherigen Recht sollen sich Verluste nicht vorzeitig, sondern erst bei Realisation steuerlich auswirken. .... ... Bei der Geltendmachung von steuerlichen Verlusten soll – wie schon nach bisher geltendem Recht bei der Erfassung von Gewinnen – das sog. Realisationsprinzip eingreifen, d.h. Verluste werden immer dann aber auch dann erst berücksichtigt,
120 BT-Drucks. 14/265, S. 171f. 121 BT-Drucks. 14/23, S. 172; 14/265, S. 172. 122 BT-Drucks. 14/265, S. 171f.
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Die verfassungsrechtliche Problematik der Zuschreibungspflicht wenn sie tatsächlich eintreten. Dies bedeutet eine Abkehr von dem bisherigen Grundsatz, Verluste bereits dann zu berücksichtigen, wenn sie wahrscheinlich werden können. ... ... Die Gesetzesänderung bezweckt den Ausschluss der Teilwertabschreibung. Steuerlich unberücksichtigt bleiben damit Buchverluste des abnutzbaren Anlagevermögens. Die Besteuerung richtet sich in erster Linie nach der Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen. Damit unvereinbar ist das handelsrechtliche Imparitätsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB) und damit auch das Niederstwertprinzip (§ 253 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 HGB). Grundsätzlich ist erst die Realisation des Verlustes steuerlich zu berücksichtigen. ...“
Bei einer Beurteilung erweist es sich zunächst als problematisch, dass die Abschaffung des Imparitätsprinzips nach den obigen Überlegungen auch bei einer grundsätzlichen Ausrichtung an der Zeitwertstatik im verfassungsrechtlichen Prinzipiengefüge erklärt werden kann123. Die vorstehend zitierten Erwägungen im Hinblick auf das Imparitätsprinzip lassen sich in systematischer Hinsicht jedoch nur dann widerspruchsfrei in das Steuerbilanzrecht einfügen, wenn das Imparitätsprinzip entgegen seiner traditionellen, zeitwertstatischen Begründung als Ausnahme von dem vom Gesetzgeber bislang zugrundegelegten Differenzierungsmaßstab verstanden wird. Wenn der Gesetzgeber in der Begründung zum Entwurf eines Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 nunmehr deutlich zum Ausdruck bringt, dass eine imparitätische Vermögensermittlung in Zukunft der vom Gesetzgeber zugrundegelegten Vorstellung von Leistungsfähigkeit und damit dem Differenzierungsmaßstab widersprechen soll, kann dies im Rahmen einer systematischen Betrachtung nur bedeuten, dass der Gesetzgeber den Willen dokumentiert, den bisherigen Vergleichsmaßstab aufzugeben und durch einen neuen zu ersetzen124. Insofern kann auch nicht angenommen werden, dass unter grundsätzlicher Beibehaltung der tradierten Sichtweise von Leistungsfähigkeit lediglich eine Neugewichtung im Rahmen der Prinzipienkollision vorgenommen werden soll und insoweit den Vereinfachungserwägungen eine dominierende Rolle gegenüber dem an sich zutreffenden Differenzierungsmaßstab zugewiesen werden soll. Sind somit deutliche Anhaltspunkte für einen Systemwechsel ersichtlich, drängt sich jedoch mit Nachdruck die Frage auf, ob der Gesetzgeber hinrei123 Vgl. 4. Kap. C. I. 2. 124 In Bezug auf das Maßgeblichkeitsprinzip allgemein auch Drüen FR 2001, 992, 998.
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chend deutlich gemacht hat, welche „neue“ Leistungsfähigkeitsvorstellung er in Zukunft als Differenzierungskriterium heranziehen will125. Lässt sich auch durch Auslegung - nicht ermitteln, welches Systemverständnis an die Stelle des bisherigen Differenzierungsmaßstabes treten soll, muss in verfassungsrechtlicher Hinsicht vom Fortbestand des traditionellen Systemverständnisses ausgegangen werden126. Wenn der Gesetzgeber zur Begründung seiner Erwägungen auf das ZuflussAbflussprinzips127 abstellt und darüber hinaus betont, dass Rückstellungen unberechtigt zum Ausweis stiller Reserven führen, könnte dies darauf hindeuten, dass der Gesetzgeber zukünftig plant, die betriebliche Gewinnermittlung durch bilanziellen Vermögensvergleich gänzlich außer Kraft zu setzen und durch eine Einnahmen-Überschuss-Rechnung zu ersetzen. Eine derartig einschneidende Systementscheidung würde das ganze Bilanzsteuerrecht in seinen Grundfesten erschüttern und müsste letztlich das Ziel erkennen lassen, den bisherigen Vermögensvergleich aufzugeben. Angesichts der Tatsache, dass der Gesetzgeber im Grundsatz am traditionellen Betriebsvermögensvergleich als Grundlage der Gewinnermittlung festhält, ist jedoch nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber beabsichtigt hat, einen reinen Kassenvermögensvergleich als neuen Vergleichsmaßstab zu etablieren. Ein solch eklatanter Systemwechsel könnte nach dem oben Gesagten128 nicht auf die Abschaffung des Imparitätsprinzips beschränkt bleiben, sondern dürfte auch im Hinblick auf den Ansatz von Forderungen und Rückstellungen nicht ohne Auswirkungen bleiben129. Zudem wäre zu überlegen, ob man konsequenterweise eine Sofortabschreibung zulässt. Selbst wenn man unter Berücksichtigung auf Übergangsaspekte keine sofortige, idealtypische Umsetzung des neuen Belastungsmaßstabes (im Spannungsverhältnis mit den übrigen Verfassungsprinzipien) einfordert, müssten sich bei konsequentem Vorgehen jedoch zumindest Anhaltspunkte finden lassen, die darauf hindeuten, dass zukünftig ein reiner Kassenvermögensvergleich die systematische 125 Drüen FR 2001, 992, 998f hat völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass der Begriff der „Objektivierung“ der Gewinnermittlung schillernd ist und bei mangelnder Konturierung „auch gesetzliche Neuregelungen des Bilanzsteuerrechts zulässt, die nach Ansicht des Instituts der Wirtschaftsprüfer den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung „in eklatanter Weise“ widerspricht“. 126 So im Ergebnis Hey BB 2000, 1453, 1455. 127 Hervorgehoben wird insbesondere das Ziel, die Bezieher von gewerblichem Einkommen mit den Beziehern von Überschusseinkünften gleichzustellen, vgl. BTDrucks. 14/23, S. 170f; BT-Drucks. 14/265, S. 170f. 128 Vgl. 2. Kap. D. I. 129 Uelner in: IFSt-Schrift Nr. 369, Zum geplanten Verbot der Teilwertabschreibung, 1999, S. 25; vgl. auch Hoffman StuB 2000, 568.
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Grundlage der steuerlichen Gewinnermittlung bilden soll. Eine solch umfassende Absicht geht aus dem gesetzgeberischen Anliegen der Eliminierung des Imparitätsprinzips jedoch nicht hervor, selbst wenn man in die Betrachtungen die Tendenzen zur Einschränkung der Rückstellungsbildung einbezieht130. Eine ähnliche Sichtweise hat kürzlich auch Hey131 vertreten. Hey132 hat geltend gemacht, dass die zahlreichen Einschränkungen des Maßgeblichkeitsprinzips im Bereich der Rückstellungsbildung weder als Aufgabe noch als schrittweise Einschränkung des Prinzips gewertet werden können, da unklar bleibe, welche neue Systementscheidung hinter den Änderungen stehe133. Gemessen an der Vielzahl der möglichen Differenzierungsmaßstäbe lässt sich diese Aussage in ihrer vollen Reichweite zwar nicht aufrechterhalten. Wenn man aber berücksichtigt, dass sich die Äußerungen auf die zeitweilige Abschaffung der Rückstellungen für Jubiläumszuwendungen beziehen, die systematisch als Unterart der Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten interpretiert werden können134, erscheint dieser Standpunkt nach dem oben Gesagten jedoch dann sinnvoll, wenn allein der Kassenvermögensvergleich als potentieller neuer Beurteilungsmaßstab in den Blickpunkt gerückt wird. Ein Systemwechsel in Richtung dieses Vergleichsmaßstabes scheint in der Tat nicht verfolgt zu werden, weil entsprechend dem traditionellen Differenzierungsmaßstab die gesetzgeberische Grundentscheidung zur Bildung von Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten gemäß § 249 Abs. 1 S. 1 HGB i.V.m. § 5 Abs. 1 S. 1 EStG beibehalten wurde und sich die Änderung lediglich darauf beschränkte, ein Element dieser Systematik zu eliminieren. Angesichts der sich aus der Gesetzesbegründung ergebenden Friktionen kann kaum angenommen werden, dass der Gesetzgeber die volle Tragweite seiner Thesen erkannt hat. Dennoch stellt sich die Frage, ob nicht das eigentliche Anliegen des Reformvorhabens, die vollständige Abschaffung des Imparitätsprinzips, hinreichend deutlich auf eine Umorientierung des Vergleichsmaßstabes in Richtung eines am Nettorealisationsprinzip orientierten 130 131 132 133 134
Vgl. insoweit den Überblick bei Schulze-Osterloh DStJG 23 (2000), 67, 79ff. Hey BB 2000, 1453, 1455. Hey BB 2000, 1453, 1455. Vgl. auch DStJG BB 1988, 1089, 1091. Hey BB 2000, 1453, 1455; Schulze-Osterloh FS Friauf, 1996, S. 833, 842; vgl. insoweit BFH v. 10. 11. 1999, BStBl II 2000, 131, 132 ( = FR 2000, 261, 262). Gemessen an dem durch den Nettorealisationsgedanken ausgedrückten Leistungsfähigkeitsverständnis hätten Jubiläumsrückstellungen vor dem Hintergrund dieses Vergleichsmaßstabes ihre verfassungsrechtliche Berechtigung, wenn man betont, dass die Zuwendungen aufgrund der in der Vergangenheit getätigten Arbeitsleistungen gezahlt werden.
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Leistungsfähigkeitsverständnisses schließen lässt135. Vergegenwärtigt man sich die Grundlagen dieses Systemverständnisses und bezieht das Realisationsprinzip entgegen der historischen Tradition auch unmittelbar auf Aufwendungen, führt dieses Verständnis dazu, dass sowohl Verbindlichkeiten, als auch Verbindlichkeitsrückstellungen unter Leistungsfähigkeitspunkten ihre Berechtigung haben136. Lediglich das Imparitätsprinzip bildet als Systemdurchbrechung gemessen an den Maßstäben der Nettorealisation eine zukünftige Vermögenslage ab137. Eine Reform unter Zugrundelegung eines am Realisationsprinzip orientierten Vergleichsmaßstabes kann sich somit darauf beschränken, das Imparitätsprinzip aus der steuerlichen Gewinnermittlung zu verbannen, i.ü. aber am grundsätzlichen Bilanzgefüge festhalten138. Für einen gesetzgeberisch intendierten Systemwechsel zu einem am (Netto-)Realisationsprinzip ausgerichteten Differenzierungsmaßstab spricht ferner, dass laut amtlicher Begründung zum Gesetzentwurf eines Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 im Gewinnermittlungsrecht vom Imparitätsprinzip zum Realisationsprinzip übergegangen werden sollte139. Die Betonung eines eigenständigen Charakters des Imparitätsprinzips im Widerspruch zum Differenzierungsmaßstab kennzeichnet eine deutliche Absetzung von den tradierten zeitwertstatischen Vorstellungen von steuerlicher Leistungsfähigkeit, in dessen Rahmen das Imparitätsprinzip quasi den Regelfall des Systematisierungsmaßstabes bezeichnete. Allein in Unterordnung unter ein als allgemeines Periodisierungsprinzip verstandenes Realisationsprinzip konnte der Gesetzgeber aber das Imparitätsprinzip als Ausnahme innerhalb eines fortbestehenden Bilanzgefüges ansehen. Mit dieser gesetzgeberischen Bezugnahme auf die neueren betriebswirtschaftlichen Erkenntnisse der Bilanztheorie erklärt sich zudem auch, warum der Gesetzgeber trotz seiner „Objektivierungsabsicht“ ohne weiteres von einer fortdauernden Berechtigung der Rückstellungsbildung ausgehen konnte140. Für diese Betrachtung spricht zudem der im Entwurf des Steuerentlas135 Insbesondere Mayr ÖStZ 2001, 226, 229f; Schulze-Osterloh DStJG 23 (2000), 67, 70ff sehen die Tendenzen zur Abschaffung oder Einschränkung des Imparitätsprinzips vor dem Hintergrund des Nettorealisationsgedankens. 136 Schulze-Osterloh DStJG 23 (2000), 67, 72; Mayr ÖStZ 2001, 226, 229; vgl. 2. Kap. D. IV. 137 Vgl. 4. Kap. B. II. 2. b). 138 Vgl. Mayr ÖStZ 2001, 226, 230f. 139 BT-Drucks. 14/23, S. 172; vgl. auch Gassner/Lang, Das Leistungsfähigkeitsprinzip im Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht, 2000, S. 98. 140 Insoweit muss auch berücksichtigt werden, dass die gesetzgeberische Normierung der Verteilungsrückstellung in § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. d systematisch allein mit dem Nettorealisationsgedanken erklärt werden kann, vgl. insoweit Küting/Kessler
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Die verfassungsrechtliche Problematik der Zuschreibungspflicht
tungsgesetzes zum Ausdruck141 gebrachte Wille zur Beibehaltung der AfaA, die sich nach dem oben Gesagten stimmig in das Gefüge der Nettorealisationsidee einpasst142. Die Beschränkung des Reformvorhabens auf das Ziel einer vollkommenen Abschaffung des Imparitätsprinzips durch ein Verbot der Teilwertabschreibung ermöglicht somit, über die in Teilbereichen zu weit formulierte Gesetzesbegründung hinwegzusehen und zumindest die Orientierung an den Vorstellungen des (Netto-)Realisationsprinzips als neuen Beurteilungsmaßstab im Hinblick auf das Leistungsfähigkeitsprinzip zu akzeptieren. Somit bleibt festzuhalten, dass der Gesetzgeber m.E. hinreichend konkret sein Anliegen zum Ausdruck gebracht hat, in Zukunft einen am (Netto-)Realisationsprinzip orientierten Leistungsfähigkeitsmaßstab anlegen zu wollen. Wenn dadurch zwar keine Gleichstellung mit der steuerlichen Belastung von Arbeitnehmern erreicht werden kann, ist dennoch zu konstatieren, dass durch die Orientierung am Nettorealisationsgedanken zumindest eine gewisse Annäherung erfolgt. 4.
Unklarheiten aufgrund der Rücknahme der Entscheidung zur Eliminierung der Teilwertabschreibung aus der steuerlichen Gewinnermittlung
Von einer konsequenten Neuausrichtung des Bilanzsteuerrechts an einem am Nettorealisationsprinzip orientierten Leistungsfähigkeitsverständnis könnte man allerdings nur dann sprechen, wenn der Gesetzgeber die Konsequenz aufgebracht hätte und entsprechend seinem ursprünglichen Vorhaben neben den Drohverlustrückstellungen auch die zweite Säule des Imparitätsprinzips, die Teilwertabschreibungen, vollständig abgeschafft hätte143. Der Gesetzgeber hat jedoch auf die Verwirklichung dieses Vorhabens verzichtet und sich statt dessen darauf beschränkt, den Ansatz des niedrigeren Teilwertes von einer voraussichtlich dauernden Wertminderung abhängig zu machen. In unmittelbarem Zusammenhang dazu ist ferner zur Vermeidung einer Bildung stiller Reserven das bisherige Wertbeibehaltungswahlrecht
DStR 1998, 1937, 1940 und Ortmann-Babel in: Lademann, EStG, § 6 Rn 864d. Für eine Verteilungsrückstellung ist charakteristisch, dass die rechtliche Verpflichtung bereits voll umfänglich vor dem Bilanzstichtag entstanden ist, der Rückstellungsbetrag jedoch nach Maßgabe der wirtschaftlichen Verursachung über den Zeitraum der Nutzungsabgabe verteilt wird. Würde man hier die Kriterien der Statik heranziehen, wäre der Aufwand allein durch Bildung einer Einmalrückstellung zu berücksichtigen. 141 Vgl. dazu Glade DB 2000, 844ff. 142 Mayr ÖStZ 2001, 226, 229. 143 Schulze-Osterloh DStJG 23 (2000), 67, 72ff.
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Das Wertaufholungsgebot im Lichte der unterschiedlichen Differenzierungsmaßstäbe
entfallen. Der Gesetzgeber hat sich somit durch ein partielles Festhalten am Imparitätsprinzip zumindest in seinen gesetzlichen Ausprägungen nicht eindeutig zu einer vollständigen Umsetzung eines am Realisationsprinzip orientierten Leistungsfähigkeitsverständnisses bekannt. In verfassungsrechtlicher Hinsicht erscheint die partielle Beibehaltung des Imparitätsprinzips in Form der Teilwertabschreibung nicht bedenklich, wenn man nach dem oben Gesagten berücksichtigt, dass das Imparitätsprinzip im Hinblick auf einen am Nettorealisationsgedanken orientierten Differenzierungsmaßstab verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden kann144.
144 Ohne insoweit die Berechtigung der Teilwertabschreibung in Frage zu stellen, sind unter dem Blickwinkel von Art 3 Abs. 1 GG und dem daraus abzuleitenden Gebot der folgerichtigen Umsetzung der einmal getroffenen Belastungsentscheidung verfassungsrechtliche Bedenken jedoch im Hinblick darauf anzumelden, dass der Gesetzgeber eine Verlustantizipation nur noch bei denjenigen Steuerpflichtigen ermöglicht, bei denen die Anschaffungs- und Herstellungskosten als Wirtschaftsgut aktivierungsfähig sind, vgl. Heddäus BB 1997, 1463, 1466; Schulze-Osterloh DStJG 23 (2000), 67, 80; Hoffmann DStR 2000, 15, 17; Moxter DStR 1998, 509, 514; Herzig, IAS/IFRS und steuerliche Gewinnermittlung, 2004, S. 311. Legt man den Nettorealisationsgedanken als neuen Differenzierungsmaßstab zu Grunde, muss zwar berücksichtigt werden, dass das Imparitätsprinzip als eine Durchbrechung des eigentlichen Differenzierungsmaßstab zu kennzeichnen ist. Diese Durchbrechung lässt sich jedoch als Ausfluss einer eigentumsschonenden Besteuerung verfassungsrechtlich rechtfertigen. Auch im Hinblick auf die Durchbrechung des Differenzierungsmaßstabes „Nettorealisationsgedanken“ ist jedoch eine Folgerichtigkeit vom Gesetzgeber einzufordern. Diesem Gebot widerspricht es, wenn sich der Gesetzgeber einerseits dafür entscheidet, die grundsätzliche Berechtigung der Teilwertabschreibung und damit mittelbar auch des Imparitätsprinzips in der Steuerbilanz anzuerkennen, er andererseits aber die passivische Ausprägung des Imparitätsprinzips, die Drohverlustrückstellung, aus der Steuerbilanz eliminiert. Diese Ungleichbehandlung lässt sich auch nicht verfassungsrechtlich rechtfertigen. Drohverlustrückstellungen und Teilwertabschreibungen betreffen ökonomisch gesehen gleichwertige Sachverhalte, die sich lediglich durch das Faktum Aktivierbarkeit eines Wirtschaftsgutes unterscheiden (Herzig/Rieck BB 1998, 311, 314; Moxter DB 1997, 1477; Sigloch BFuP 2000, 157, 162; Küting/Kessler StuB 2000, 21, 27; Kessler StuB 2000, 1091, 1093; Groh DB 1999, 978, 981; Bordewin FR 1998, 226, 232; Hoffmann DStR 1999, 1545ff; Hoffmann StuB 2000, 248, 250; vgl. auch Scheffler StuB 2000, 489, 493; Heddäus BB 1997, 1463, 1469f sowie 2. Kap. D. III. 3.). Damit erscheint es willkürlich, die Anerkennung des Imparitätsprinzips auf die Aktivseite der Bilanz zu beschränken. Dieser Gesichtspunkt hat indes bislang leider keinen Eingang in die einschlägige Rechtsprechung gefunden. Das FG Rheinland-Pfalz (v. 18. 11. 2002, EFG 2003, 289, 292) sowie das FG Bremen (v. 26. 8. 2004, EFG 2004, 1588, 1590) halten § 5 Abs. 4a EStG für verfassungsrechtlich unproblematisch und begründen dieses Ergebnis in erster Linie damit, dass es dem Gesetzgeber bei der Konturierung des Leistungsfä-
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Die verfassungsrechtliche Problematik der Zuschreibungspflicht
Diese gesetzgeberische Inkonsequenz im Hinblick auf die Umsetzung des neuen Vergleichsmaßstabes wirft jedoch die Frage auf, ob der Gesetzgeber mit dem Verzicht auf ein Verbot der Teilwertabschreibung auch sein Vorhaben aufgegeben hat, den reinvermögenszuwachstheoretischen, zeitwertstatischen Vergleichsmaßstab durch ein neues Leistungsfähigkeitsverständnis zu ersetzen. Schulze-Osterloh145 hat in diesem Zusammenhang jedoch zu Recht darauf hingewiesen, dass trotz der späteren gesetzgeberischen Entscheidung, auf das Verbot der Teilwertabschreibungen zu verzichten und sich mit deren Einschränkung zu begnügen, dennoch keine Anhaltspunkte ersichtlich sind, die darauf hindeuten, dass der Gesetzgeber die von ihm geäußerte Auffassung hinsichtlich des Systemverständnisses wieder zurückgenommen hat. Dies belegt insbesondere der Rechtfertigungsversuch, mit dem die Entscheidung zur eingeschränkten Beibehaltung der Teilwertabschreibung begründet wurde. Der Gesetzgeber hat die unter der einschränkenden Voraussetzung einer voraussichtlich dauernden Wertminderung verbliebene Möglichkeit des niedrigeren Teilwertansatzes mit den berechtigten Einwänden des Einzel-, Groß- und Buchhandels gerechtfertigt146. Dieser Rechtfertigungsversuch verdeutlicht, dass nach Auffassung des Steuergesetzgebers die in eingeschränkter Form beibehaltene Teilwertabschreibung unter Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten nicht zum verfassungsrechtlich gebotenen Bestand an Steuerrechtsnormen gehören soll. Letztlich wird speziell der Ausnahmecharakter der Teilwertabschreibung und damit generell des gesamten Imparitätsprinzips betont147. Dieser Ausnahmecharakter der Teilwertabschreibung in Relation zu der planmäßigen Bilanzierung nach den higkeitsprinzips im Steuerbilanzrecht frei stehe, sich an der Realisation eines Verlustes zu orientieren. Da die Drohverlustrückstellung jedoch nicht dem Realisationsprinzip, sondern dem Imparitätsprinzip folge, sei die Abschaffung der Drohverlustrückstellung vor diesem Hintergrund als Ausprägung des Leistungsfähigkeitsprinzips zu verstehen. Eine Ungleichbehandlung könne des weiteren auch nicht im Verhältnis zur Verbindlichkeitsrückstellung erblickt werden, da Verbindlichkeitsrückstellungen als Ausprägung des Realisationsprinzips zu verstehen sein. Damit rekurriert die finanzgerichtliche Rechtsprechung im Ergebnis auf den Nettorealisationsgedanken als verfassungsrechtlichen Differenzierungsmaßstab und deduziert aus diesem ein RegelAusnahme-Verhältnis. Auf die Inkonsequenzen des Verbotes der Drohverlustrückstellungen im Verhältnis zur Teilwertabschreibung und deren verfassungsrechtliche Konsequenzen wird jedoch nicht eingegangen. Es bleibt zu hoffen, dass der BFH die Gelegenheit nutzen wird, dies im Rahmen der Revision nachzuholen. 145 Schulze-Osterloh DStJG 23 (2000), 67, 70. 146 BT-Drucks. 14/443, S. 18, 43; vgl. Kessler DB 1999, 2577, 2578. 147 Angesprochen sind hier die Zins- und Liquiditätsvorteile, die aus der gemessen an den neuen Leistungsfähigkeitsvorstellungen zeitlich vorgelagerten steuerlichen Berücksichtigung resultieren.
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Das Wertaufholungsgebot im Lichte der unterschiedlichen Differenzierungsmaßstäbe
fortgeschrieben Anschaffungs- oder Herstellungskosten hat sich auch sehr deutlich in der Normstruktur der §§ 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 4, Nr. 2 S. 2, 3 EStG einfachgesetzlich niedergeschlagen. Abnutzbare Anlagegüter sind grundsätzlich mit den um die jährlichen Absetzungen für Abnutzung nach § 7 EStG geminderten Anschaffungs- oder Herstellungskosten anzusetzen. Nur ausnahmsweise darf dieser Ansatz durch eine Teilwertabschreibung unterschritten werden. Dieses Regel-Ausnahme-Verhältnis setzt sich zudem in den Folgejahren fort, da der Steuerpflichtige den niedrigeren Teilwertansatz nur beibehalten darf, wenn wiederum der Nachweis einer fortbestehenden voraussichtlich dauernden Wertminderung gelingt. Die Feststellungslast trägt insoweit der Steuerpflichtige148. Zu berücksichtigen ist zudem, dass die Teilwertabschreibung auch nicht in der ursprünglichen, sondern lediglich in einer verschärfter Form beibehalten wurde, indem als neues Tatbestandsmerkmal nunmehr eine voraussichtlich dauernde Wertminderung für deren Inanspruchnahme vorausgesetzt wird. Verdeutlicht man sich, dass der Gesetzgeber dem Imparitätsprinzip keine systematische Notwendigkeit mehr zusprechen will und dass das Kriterium der voraussichtlich dauernden Wertminderung mit dem System der bislang verfolgten Vermögensstatik eigentlich nicht harmoniert149, dieses indes im Rahmen des Nettorealisationsgedankens eine deutliche systematische Berechtigung hat150, spricht auch diese Einschränkung der Möglichkeit eines niedrigeren Teilwertansatzes für einen Systemwechsel zum Nettorealisationsprinzip. Nur vor dem Hintergrund dieser Sichtweise kann schließlich auch die zeitgleiche Einführung des Wertaufholungsgebotes in der letztlich gewählten Ausgestaltung systematisch richtig verstanden werden. Herzig/Rieck151 haben zu Recht darauf aufmerksam gemacht, dass im Rahmen der Beurteilung des Wertaufholungsgebotes berücksichtigt werden muss, dass die Frage der steuerlichen Berechtigung des Imparitätsprinzip und die Einführung eines Wertaufholungsgebotes systematisch eng miteinander verknüpft sind. Wenn somit auch die eingeschränkte Beibehaltung der Teilwertabschreibung im Lichte des neuen Differenzierungsmaßstabes beurteilt werden muss, hat dieses Verständnis zwangsläufig Auswirkungen auf die Interpretation des steu-
148 Vgl. BT- Drucks. 14/443, S. 22. 149 Hommel/Berndt DStR 2000, 1745, 1750; vgl. auch Jüttner, GoB-System, Einzelbewertungsgrundsatz und Imparitätsprinzip, 1993, S. 164. 150 Vgl. 4. Kap. C. II. 1. 151 Herzig/Rieck WPg 1999, 305; vgl. auch Leplow, Das Wertaufholungsgebot in der Handels- und Steuerbilanz, 2002, S. 171; Prinz DStR 2000, 661, 666; Schulze zur Wiesche WPg 1999, 689, 693.
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Die verfassungsrechtliche Problematik der Zuschreibungspflicht
erlichen Wertaufholungsgebotes, das ja erst im Zuge dieses Verständniswandels Eingang in das Steuerbilanzrecht gefunden hat. Dazu sogleich. 5.
Übertragung der Ergebnisse auf Wertaufholungen in Bezug auf erst nach dem 1. 1. 1999 vorgenommene Teilwertabschreibungen und AfaA
Bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung derjenigen Wirtschaftsgüter, die erst nach dem 1. 1. 1999 auf den niedrigeren Teilwert abgeschrieben werden bzw. worden sind und sich eine Wertaufholung somit nur auf den nachfolgenden Zeitraum beziehen kann, kann man sich daher argumentativ darauf zurückziehen, dass der Gesetzgeber im Rahmen der Begründung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 deutlich gemacht hat, dass er den bisherigen reinvermögenszuwachstheoretischen Vergleichsmaßstab durch ein am (Netto-)Realisationsprinzip orientiertes Leistungsfähigkeitsverständnis ersetzt hat. Aus diesem gesetzgeberischen Systemwechsel folgt, dass die Möglichkeit zum Ansatz des niedrigeren Teilwerts gemessen am „neuen Leistungsfähigkeitsverständnis“ nicht mehr zum verfassungsrechtlich gebotenen Bestand an Steuerrechtsnormen gehört und dass der Vergleichsmaßstab eigentlich einen höheren Wertansatz fordert. Aus der Entstehungsgeschichte des in der jetzigen Form verwirklichten Wertaufholungsgebotes geht sehr deutlich hervor, dass der Gesetzgeber die Wertaufholung insofern als Korrektiv des an sich nicht berechtigten Teilwertansatzes verstanden hat, was nach der obigen Darstellung als verfassungsrechtlich zulässig zu erachten ist152. Wie bereits angedeutet, erweist es sich - im Gegensatz zu der wohlbegründeten Auffassung von Leplow153 – m.E. dann aber auch als systemkonsequent, dass der Gesetzgeber die Wertaufholung nicht davon abhängig gemacht hat, dass der ursprüngliche Grund für die Minderung des Teilwertes weggefallen ist154. Zur Verdeutlichung erscheint es sinnvoll, noch einmal den Grund für den niedrigeren Teilwertansatz vor dem Hintergrund eines am Nettorealisationsprinzip orientierten Leistungsfähigkeitsverständnisses in das Blickfeld zu rücken. Die Teilwertabschreibung verfolgt nach dieser Vorstellung den Zweck, in Durchbrechung des Systematisierungsmaßstabes des Nettorealisationsgedankens, negative Erfolgsbeiträge resultierend aus Wirt152 5. Kap. C. I. 2. 153 Leplow, Das Wertaufholungsgebot in der Handels- und Steuerbilanz, 2002, S. 150ff, 178. 154 So auch Prinz DStR 2000, 661, 666; Groh DB 1999, 978, 983; Herzig/Rieck WPg 1999, 305, 311; Kusterer DStR 2000, 1083, 1084; Ehmcke in: Blümich, EStG, § 6 Rn 579d.
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Das Wertaufholungsgebot im Lichte der unterschiedlichen Differenzierungsmaßstäbe
schaftsgütern des Anlage- oder Umlaufvermögens zu berücksichtigen, die sich als Beeinträchtigung des Stichtagsvermögens darstellen und mit deren künftiger Realisierung aus Sicht des Bilanzstichtages zu rechnen ist155. Durch diese Antizipation negativer Erfolgsbeiträge im Rahmen des Imparitätsprinzips sollen künftige Perioden verlustfrei gehalten werden. In Folge von Zurechnungsschwierigkeiten werden die gesunkenen Nettoertragserwartungen hilfsweise typisierend und näherungsweise durch die Wiederbeschaffungskosten bestimmt. Wenn sich der Teilwert - gleich aus welchen Gründen - nachträglich wieder erholt hat, ist jedoch nicht mehr mit der künftigen Realisierung eines negativen Erfolgsbeitrages zu rechnen. Auf den Grund für den Wegfalls der negativen Prognose kommt es insoweit gar nicht an156. Dabei ist ebenfalls in Rechnung zu stellen, dass auch die Wertaufholung in Folge eines gestiegenen Teilwertes aufgrund von Zurechnungsschwierigkeiten hilfsweise auf die Größe der gestiegenen Wiederbeschaffungskosten zurückgreifen muss. Gestiegene Wiederbeschaffungskosten implizieren insoweit typisiert gesehen steigende Nettoertragserwartungen. Da aus dem Blickwinkel der Nettorealisation lediglich eine negative Erfolgsprognose korrigiert wird, kann auch nicht davon gesprochen werden, dass eine neu entstandene Leistungsfähigkeit der Besteuerung unterworfen wird. Eine derartige Sichtweise stammt aus der Gedankenwelt eines reinvermögenszuwachstheoretischen Leistungsfähigkeitsmaßstabes und ist mit der Idee der Nettorealisation nicht vereinbar. Neben der systematischen Auslegung lässt sich für dieses Ergebnis auch der Wortlaut des Gesetzes sowie die historische Auslegung anführen. Sowohl der Wortlaut als auch die Struktur der §§ 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 4, Nr. 2 S. 2, 3 EStG sprechen sehr deutlich gegen eine Einschränkung der Zuschreibungspflicht157. Die Wertzuschreibung ist in § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 4 EStG als schlichter Automatismus ausgestaltet, der dann eingreift, wenn dem Steuerpflichtigen der Nachweis nicht gelingt, dass auch zum folgenden Bilanzstichtag eine voraussichtlich dauernde Wertminderung vorliegt158. Anhaltspunkte für die Notwendigkeit eines Wegfalles des konkreten Abschreibungsgrundes sind im Gegensatz zu § 7 Abs. 1 S. 7 EStG nicht ersichtlich. Auch der Gesetzesbegründung ist nicht zu entnehmen, dass die Wertaufholung im Anschluss an eine Teilwertabschreibung vom Wegfall des Abschreibungsgrundes abhängig sein soll. Die Gesetzesbegründung hält vielmehr eine bloße 155 Moxter FS Offerhaus, 1999, S. 619, 629; vgl. auch Wüstemann Zfbf 1995, 1029. 156 Herzig/Rieck WPg 1999, 305, 317. 157 Dies gibt auch Leplow, Das Wertaufholungsgebot in der Handels- und Steuerbilanz, 2002, S. 131, 135ff, 148 zu. 158 Herzig/Rieck WPg 1999, 305, 312.
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Die verfassungsrechtliche Problematik der Zuschreibungspflicht
Werterhöhung als ausreichend für eine Teilwertzuschreibung159. Berücksichtigt man zudem, dass dieses Verständnis nach den hier vorgetragenen systematischen Überlegungen auch gerade einer Interpretation des Imparitätsprinzips im Lichte des Nettorealisationsgedankens entspricht, kann man im Gegensatz zu der Auffassung von Leplow160 nicht davon ausgehen, dass in der Gesetzesbegründung offen bleibt, wann von einer Werterhöhung auszugehen ist. Wie bereits dargelegt, lässt sich ein anderweitiges Ergebnis auch nicht aus einem Vergleich mit dem Wertaufholungsgebot des § 7 Abs. 1 S. 7 EStG ableiten161. Eine parallele Betrachtung der beiden Institute erscheint nur vor dem Hintergrund eines reinvermögenszuwachstheoretischen Systematisierungsmaßstabes gerechtfertigt. Die systematische Verankerung der AfaA im Rahmen einer am Nettorealisationsprinzip orientierten Betrachtung hat jedoch gezeigt162, dass der Gesetzgeber die Wertaufholung bei den AfaA zu Recht vom Wegfall des Grundes für die außergewöhnliche Absetzung abhängig gemacht hat. Wenn man im Rahmen einer Wertaufholung den jeweiligen Grund, der zur Teilwertabschreibung geführt hat, hinsichtlich des Wegfalls der steuerlichen Teilwertabschreibung ignoriert, könnte es sich ferner als verfassungsrechtlich problematisch erweisen, dass im Wege einer auf andere Ursachen zurückgehenden Wertsteigerung auch solche Erhöhungen des Teilwertes erfasst werden, die allein inflationsbedingt zu einer rein nominellen Erhöhung des Teilwertes führen. Schön163 hat insoweit darauf hingewiesen, dass es im Rahmen der Wertaufholung zu einer steuerlichen Erfassung von Scheingewinnen kommen kann, was im Widerspruch zu einer realen Besteuerung der Leistungsfähigkeit stehe und im Extremfall zu einer Besteuerung der Unternehmenssubstanz führen könne164. In der maßgeblichen Entscheidung des BVerfG hinsichtlich der Problematik der Berücksichtigung inflationärer Verzerrungen im Rahmen der Besteuerung von Erträgen aus Kapitalvermögen hat das BVerfG entscheidend darauf abgestellt, dass Zinseinkünfte in 159 BT-Drucks. 14/443, S. 22: „Hat sich der Wert des Wirtschaftsgutes nach einer vorangegangenen Teilwertabschreibung wieder erhöht, so wird die Betriebsvermögensmehrung nunmehr bis zum Erreichen der Bewertungsobergrenze steuerlich erfasst.“ 160 Leplow, Das Wertaufholungsgebot in der Handels- und Steuerbilanz, 2002, S. 172. 161 So jedoch Leplow, Das Wertaufholungsgebot in der Handels- und Steuerbilanz, 2002, S. 174ff. 162 Vgl. 5. Kap. C. I. 2. 163 Schön BB 1997, 1333, 1341. 164 Die Problematik tritt in verschärfter Form auf, wenn eine Wertaufholung von weit in der Vergangenheit abgeschriebene Wirtschaftsgüter vorgenommen werden soll.
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Das Wertaufholungsgebot im Lichte der unterschiedlichen Differenzierungsmaßstäbe
quellentheoretischer Tradition nur aus den periodischen Erträgen ermittelt werden, während die inflationsbedingten Verluste das im Rahmen der Quellentheorie unbeachtliche Erwerbsvermögen betreffen. Wenn man somit darauf abstellt, dass im Rahmen der Gewinneinkünfte die Entwicklung eines Betriebsvermögens zur Grundlage der Besteuerung gemacht wird, könnte man daran denken, dass inflationsbedingte Effekte im Rahmen des Betriebsvermögensvergleich zu eliminieren sind. Solange man jedoch die Zugrundelegung des Nominalwertprinzips i.E. für verfassungsrechtlich unbedenklich hält165, kann dieser Vorwurf nicht die Erfassung inflationären Scheingewinne durch Wertaufholungen verhindern166. Festzuhalten bleibt somit, dass §§ 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 4, Nr. 2 S. 2, 3 EStG und § 7 Abs. 1 S. 7 EStG verfassungsrechtlich unbedenklich sind, soweit die Wertzuschreibung Teilwertabschreibungen und AfaA betrifft, die nach dem 1. 1. 1999 vorgenommen wurden.
III.
Verfassungsrechtliche Beurteilung der Wertaufholungspflicht in Bezug auf Teilwertabschreibungen und AfaA, die (z.T. weit) vor dem 1. 1. 1999 gebildet wurden und bei denen eine Wertaufholung bereits vor dem 1. 1. 1999 stattgefunden hat
1.
Beurteilung des Wertzuschreibungsgebotes vor dem Hintergrund der Rückwirkungsproblematik
Rückwirkende Gesetze kennzeichnen sich dadurch, dass sie eine bis zu ihrem Inkrafttreten bestehende Rechtslage mit Wirkung für die Vergangenheit durch neues Recht ordnen, dass sie also an die Stelle der für einen vergangenen Zeitraum geltenden Ordnung nachträglich eine andere treten lassen167. Die Rückwirkungsproblematik resultiert somit aus einem Interessenwiderstreit zwischen dem Steuerpflichtigen, der sich in seinem Verhalten an der geltenden Rechtsordnung orientiert hat und darauf vertraut, dass seine Dispositionen nicht nachträglich wieder vernichtet werden und dem Bedürfnis des Staates auf die verschiedenen konjunkturellen, sozialen oder gesellschaftlichen Entwicklungen schnell und effektiv reagieren zu können168. Die 165 166 167 168
328
BVerfGE 50, 57ff. So wohl auch Herzig/Rieck WPg 1999, 305, 311. BVerfGE 13, 179, 282. BVerfGE 18, 138, 144; 72, 200, 242f; 76, 256, 347f; Maurer in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts III, 1988, § 60 Rn 1f; Wermeckes DStZ 1999, 479, 480; Isensee FS Klein, 1994, S. 611, 612; Schulze-Fielitz in: Dreier, GG, 1998, Art 20 Rn 134ff.
Die verfassungsrechtliche Problematik der Zuschreibungspflicht
Schutzwürdigkeit des Vertrauens des Bürgers resultiert nicht zuletzt daraus, dass die staatliche Rechtsordnung sogar verlangt, dass sich der Bürger an staatlichen Entscheidungen orientiert169. Als maßgeblicher verfassungsrechtlicher Anknüpfungspunkt zur Sicherung der Interessen des Steuerpflichtigen wird allgemein das Rechtsstaatsprinzip des Art 20 Abs. 3 GG in seinen Ausprägungen170 der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes genannt171. Rechtssicherheit verlangt keine Starrheit des Rechts in der Zeit, aber sie fordert Kontinuität i.S. einer stetigen, Grundsätze bewahrenden, vorhersehbaren und im Übergang schonenden Weiterentwicklung des Rechts172. Dieser objektiven Komponente korreliert in subjektiver Hinsicht der Gedanke des Vertrauensschutzes173. Mit dieser dogmatischen Verortung gibt man zu erkennen, dass das Rückwirkungsverbot ein Rechtsgrundsatz von selbständiger Bedeutung ist, der sich nicht in der Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips auf grundrechtlicher Ebene erschöpft174. Dennoch sollte nicht übersehen werden, dass neben die die rechtsstaatliche Komponente stets der Verbürgungsgehalt der Grundrechte tritt175. Insoweit ist allerdings zu beachten, dass für den Fall der Einschlägigkeit des Rechtsstaatsprinzips der Grundsatz des Vertrauensschutzes so dominant ist, dass es regelmäßig keiner weiteren Ausführungen anhand der unmittelbar aus dem Grundrecht folgenden Verhältnismäßigkeitskontrolle mehr bedarf176. Im Rahmen der Auflösung des Spannungsverhältnisses geht es um die Frage, unter welchen Voraussetzungen der Staat zwecks Erlangung fiskalischer Vorteile in das Vertrauen des Steuerpflichtigen in den Fortbestand einer 169 Brüning NJW 1998, 1525. 170 BVerfGE 22, 241, 248; 63, 152, 175; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band 1, 2. Auflage, 2000, S. 147. 171 BVerfGE 45, 142, 174; Jarass in: Jarass/Pieroth, GG, 7. Auflage, 2004, Art 20 Rn 47; Spindler DStJG 27 (2004), 69, 72; Mellinghoff DStJG 27 (2004), 25, 30. 172 Münch DStR 1997, 1674. 173 Maurer in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts III, 1988, § 60 Rn 2, 19. 174 Brüning NJW 1998, 1525. 175 Wermeckes DStZ 1999, 479, 480; Spindler DStR 1998, 953, 954; Maurer in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts III, 1988, § 60 Rn 24; Brüning NJW 1998, 1525, 1527. Die Grundrechte müssen ohnehin als verfassungsprozessualer Ansatz für die Geltendmachung der Verfassungswidrigkeit eines rückwirkenden Gesetzes genutzt werden. Da der Vertrauensschutz zunächst im objektiven Rechtsstaatsprinzip basiert, muss über den Umweg des Art 2 Abs. 1 GG eine Verletzung subjektiver Rechte geltend gemacht werden. Gemessen an der allgemeinen Handlungsfreiheit muss der Einzelne Beschränkungen nur auf Grundlage von Gesetzen hinnehmen, die im Einklang mit der verfassungsrechtlichen Ordnung in ihrer Gesamtheit stehen, vgl. Pieroth JZ 1990, 279, 283; Wermeckes DStZ 1999, 479, 482. 176 Brüning NJW 1998, 1525, 1527; Fiedler NJW 1988, 1624, 1625.
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Das Wertaufholungsgebot im Lichte der unterschiedlichen Differenzierungsmaßstäbe
Rechtslage eingreifen darf177. Dabei besteht jedoch kein allgemeiner Rechtssatz, der es dem Gesetzgeber unter dem Gesichtspunkt des Rechtsstaatsprinzips grundsätzlich verbietet, an abgeschlossene, der Vergangenheit angehörende Sachverhalte anzuknüpfen. a)
Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Rückwirkung im Einkommensteuerrecht
aa)
Die traditionelle Unterscheidung zwischen echter und unechter Rückwirkung
Zur Kategorisierung differenziert das BVerfG in seiner Rechtsprechung seit 1960 zwischen der sog. echten (retroaktiven) Rückwirkung und der unechten (retrospektiven) Rückwirkung178. Eine echte Rückwirkung soll nach der Rechtsprechung des BVerfG179 dann vorliegen, wenn der Gesetzgeber nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift. Eine echte Rückwirkung soll verfassungsrechtlich grundsätzlich unzulässig sein. Demgegenüber soll ein Gesetz lediglich unecht, retrospektiv zurückwirken, wenn dieses auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffene Rechtsposition nachträglich beeinträchtigt180. Anhand dieser Kategorisierung differenziert das BVerfG auf der Rechtsfolgenseite. Ein echt rückwirkendes Gesetz ist aufgrund der aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Prinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes grundsätzlich unzulässig181. Ausnahmsweise182 soll eine echte Rückwirkung aufgrund fehlender Vertrauenslage jedoch nach einem allerdings nicht abschließenden Ausnahmenkatalog183 dann zulässig sein, wenn der Bürger im Zeitpunkt, auf den sich das rückwirkende Gesetz bezieht, mit dieser Regelung rechnen musste184, wenn das geltende Gesetz unklar und
177 Wiesbrock, Die Verlustrückstellung im Steuer- und Verfassungsrecht, 1999, S. 259. 178 BVerfGE 11, 139, 145f; vgl. Lang WPg 1998, 163, 164; Leisner, Kontinuität als Verfassungsprinzip, 2002, S. 479ff; Spindler DStJG 27 (2004), 69, 74; Mellinghoff DStJG 27 (2004), 25, 30. 179 BVerfGE 11, 139, 145f; 23, 12, 32; 24, 220, 229; 30, 250, 267; 30, 367, 386; 57, 361, 391. 180 BVerfGE 11, 139, 146; 23, 12, 32; 30, 250, 267. 181 BVerfGE 13, 261, 271; 21, 117, 131f; 24, 220, 229; 88, 384, 403; 95, 64, 86; BVerfG NJW 1998, 1547, 1548. 182 BVerfGE 13, 261, 271f; 30, 367, 387ff; 37, 363, 397. 183 So BVerfG BStBl II 1986, 628, 646. 184 BVerfGE 37, 363, 397f; 45, 142, 173f; 89, 48, 67.
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Die verfassungsrechtliche Problematik der Zuschreibungspflicht
verworren war185, wenn die bisherige Regelung ungültig oder ihre Geltung zweifelhaft war oder eine verfassungsrechtliche Lücke geschlossen werden muss186 oder wenn zwingende Gründe des Gemeinwohls, die dem Gebot der Rechtssicherheit übergeordnet sind, die Anordnung einer Rückwirkung rechtfertigen187. Umgekehrt soll sich demgegenüber das Regel-AusnahmeVerhältnis im Fall der unechten Rückwirkung gestalten188. Gesetze mit unechter Rückwirkung sind nach der traditionellen Rechtsprechung des BVerfG189 grundsätzlich zulässig. Der gesetzgeberischen Regelungsbefugnis sollen lediglich im Einzelfall Grenzen gesetzt sein, wenn diese sich aus einer Abwägung zwischen dem Vertrauen des Steuerpflichtigen in den Fortbestand der Regelung und dem gesetzgeberischen Anliegen für das Gemeinwohl ergeben190. Aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kann sich nach Rechtsprechung des BVerfG die Notwendigkeit einer Übergangsregelung ergeben, um nachhaltige Auswirkungen abzumildern. Neuere Entwicklungen in der Rechtsprechung der Finanzgerichte und des BFH191 zeigen jedoch, dass die Rechtsprechung im Bereich der unechten Rückwirkung gegenwärtig eine neue Akzentuierung des Regel-Ausnahme-Verhältnisses vornimmt und die traditionelle These der grundsätzlichen Zulässigkeit der unechten Rückwirkung zunehmend in Frage stellt192. Statt dessen betont die Rechtsprechung nunmehr die Notwendigkeit einer offenen Abwägung des Bestandsinteresses des Steuerpflichtigen gegen das Gestaltungsinteresse des Gesetzgebers193. bb)
Die Unterscheidung zwischen Rückbewirkung von Rechtsfolgen und tatbestandlicher Rückanknüpfung
Demgegenüber hat der Zweite Senat des BVerfG an die Stelle der bisherigen Terminologie eine normbezogene, nicht tatsachenbezogene Definition setzen wollen und unterscheidet seit 1986 zwischen der „Rückbewirkung von 185 BVerfGE 30, 272, 286; 45, 142, 173; 88, 384, 404. 186 BVerfGE 19, 187, 197f; 67, 129, 131f. 187 BVerfGE 2, 380, 405; 13, 261, 272; 30, 250, 268ff; 30, 367, 390f; 72, 200, 260; 88, 384, 404; BVerfG BStBl II 1986, 628, 647; BVerfG NJW 1998, 1547, 1549. 188 Vgl. Spindler DStR 1998, 953, 956; Lang WPg 1998, 163, 165; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band 1, 2. Auflage, 2000, S. 152. 189 BVerfGE 75, 246, 280. 190 BVerfGE 30, 250, 268; 30, 392, 404; 74, 129, 155; 75, 246, 280. 191 BFH v. 16. 12. 2003, BStBl II 2004, 284, 293; BFH v. 5. 2. 2005, ZIP 2005, 570, 572; Vorlagebeschluss des FG Köln v. 25. 7. 2002, EFG 2002, 1236f; Spindler DStJG 27 (2004), 67, 88; Pezzer DStJG 27 (2004), 269, 288; Mellinghoff DStJG 27 (2004), 25, 46. 192 Vgl. Spindler DStJG 27 (2004), 67, 88. 193 Vgl. dazu 5. Kap. C. III. 1. c).
331
Das Wertaufholungsgebot im Lichte der unterschiedlichen Differenzierungsmaßstäbe
Rechtsfolgen“ und der „tatbestandlichen Rückanknüpfung“194. Eine Rückbewirkung von Rechtsfolgen soll dabei aus der Vorverlegung des zeitlichen Anwendungsbereiches einer Norm auf einen Zeitpunkt resultieren, der vor dem Zeitpunkt liegt, zu dem die Norm rechtlich existent geworden ist195. Demgegenüber beziehe sich die tatbestandliche Rückanknüpfung lediglich auf den sachlichen Anwendungsbereich der Norm196. Das Rechtsstaatsprinzip soll nach Auffassung des BVerfG nur durch ein Rückbewirkung von Rechtsfolgen betroffen sein. Währenddessen soll die tatbestandliche Rückanknüpfung an den dadurch berührten Grundrechtspositionen gemessen werden197. Unberührt von der Neukonturierung der Voraussetzungsseite soll weiterhin das Regel-Ausnahme-Verhältnis auf der Rechtsfolgenseite bleiben198. Im Fall der tatbestandlichen Rückanknüpfung stellt sich ohne weitere inhaltliche Relevanz allein die Frage, ob der Vertrauensschutz im Rahmen der Verhältnismäßigkeit aufgeht199 oder als selbständige Schranken-Schranke eigenständige Relevanz behält200. Der Versuch, den Begriff der Rückwirkung über die Eigenart der bewirkten Rechtsfolge zu entwickeln, konnte jedoch nicht überzeugen, da eine zeitliche Zuordnung einer Rechtsfolge zur Vergangenheit nicht möglich ist201. Die Vergangenheit als solche ist für den Gesetzgeber unabänderlich, so dass die Rückbewirkung von Rechtsfolgen lediglich als Fiktion ihre Berechtigung hat202. Diese bewirkt dann, dass sich ab einem gewissen Zeitpunkt die Rechtslage so darstellt, wie diese sich ergeben hätte, wenn die fragliche Änderung bereits in der Vergangenheit vorgenommen worden wäre203. Die Rechtsfolgen, im Steuerrecht die belastenden Zahlungsfolgen, erreichen den Adressaten faktisch lediglich in der Zukunft204. Die Rückwirkungsproblematik besteht somit immer darin, dass zukünftige Rechtsfolgen von vergange-
194 BVerfGE 72, 200, 242; 72, 302, 321f; BVerfG v. 3. 12. 1997, FR 1998, 377, 380; zustimmend Fiedler NJW 1988, 1624ff. 195 BVerfGE 72, 200, 242. 196 BVerfGE 72, 200, 242; 76, 256, 346. 197 BVerfG NJW 1998, 1547, 1548; Schweyer/Dannecker BB 1999, 2375, 2377. 198 Brüning NJW 1998, 1525, 1527. 199 So wohl BVerfG NJW 1997, 722, 724f. 200 So Brüning NJW 1998, 1525, 1527. 201 Vogel JZ 1988, 833, 838; Vogel FS Heckel, 1999, S. 875, 877; Schön BB 1997, 1333, 1336; Reimer DStZ 2001, 725, 726; Pieroth JZ 1990, 279, 280f. 202 Vogel FS Heckel, 1999, S. 875, 877f; Kirchhof StuW 2000, 221, 223; Hahn in: IFStSchrift Nr. 269, Zur Rückwirkung im Steuerrecht, 1987, S. 17ff. 203 Vogel FS Heckel, 1999, S. 875, 877. 204 Kirchhof StuW 2000, 221, 223; Vogel JZ 1988, 833, 838; Schön BB 1997, 1333, 1336.
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Die verfassungsrechtliche Problematik der Zuschreibungspflicht
nen Tatsachen abhängig gemacht werden205. Dies zeigt aber, dass auch die Rückbewirkung von Rechtsfolgen nur als eine tatbestandliche Rückanknüpfung angesehen werden kann, die allerdings durch die Besonderheit gekennzeichnet ist, dass die Voraussetzungen für die Änderung der Rechtslage ausschließlich in der Vergangenheit erfüllt worden sind206. Mit dieser Erkenntnis leuchtet auch unmittelbar ein, dass insoweit kein struktureller Unterschied zu solchen Gesetzen besteht, die, wenn auch ohne Fiktion, ihre Rechtsfolgen ausschließlich von Tatsachen in der Vergangenheit abhängig machen207. Damit zeigt sich, dass auch unter dem Regime der neuen Kriterien, ähnlich wie bei der Beurteilung der Abgeschlossenheit des Sachverhaltes im Rahmen der echten Rückwirkung, Abgrenzungsschwierigkeiten aus der Struktur der jeweiligen einfachgesetzlichen Vorschriften resultieren208. Letztlich erklären die dargelegten Zusammenhänge die Entstehung des Begriffspaares der echten und unechten Rückwirkung209. Somit erscheint es nicht verwunderlich, dass durch die Differenzierung des Zweiten Senats kein entscheidender Erkenntnisfortschritt erreicht werden konnte, so dass mittlerweile in der Literatur210 die Unterschiede in der Rechtsprechung der Senate des BVerfG zu Recht auf terminologische Differenzen reduziert werden. Zusammenfassend lässt sich somit feststellen, dass es gemeinsames Ziel der oben dargestellten Abgrenzungsschemata bleiben muss, Kriterien zu entwickeln, unter welchen Voraussetzungen die Abgeschlossenheit eines Sachverhaltes angenommen werden muss211. Trotz des normspezifischen Ansatzes des Zweiten Senats hat sich gezeigt, dass auch für die Beurteilung nach diesen Kriterien entscheidend ist, ob von einer ausschließlichen Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen in der Vergangenheit gesprochen werden 205 Kirchhof StuW 2000, 221, 224; Vogel FS Heckel, 1999, S. 875, 878; Schneider, Gesetzgebung, 2. Auflage, 1991, S. 299f. 206 Vogel FS Heckel, 1999, S. 875, 877f; vgl. auch Mellinghoff DStJG 27 (2004), 25, 43. 207 Vogel JZ 1988, 833, 838, Vogel FS Heckel, 1999, S. 875, 878; Brüning NJW 1998, 1525, 1526; Schön BB 1997, 1333, 1336; vgl. auch Götz FS BVerfG II, 1976, S. 424, 425ff; zustimmend auch Lang WPg 1998, 163, 168. 208 Brüning NJW 1998, 1525, 1526; Fiedler NJW 1988, 1624, 1628. 209 Brüning NJW 1998, 1525, 1526. 210 Vgl. Schön BB 1997, 1333, 1334; Wermeckes DStZ 1999, 479, 480; Pieroth JZ 1990, 279, 283; Brüning NJW 1998, 1525, 1526; Spindler DStR 1998, 953, 955; Kruse/Drüen in: Tipke/Kruse, AO, § 4 Rn 15ff; Schaumburg DB 2001, 1884, 1885; Pleyer NJW 1999, 3156, 3157; Reimer DStZ 2001, 725, 727; Spindler DStJG 27 (2004), 69, 75; Höreth/Schiegl/Zipfel BB 2004, 857, 858f. 211 Vgl. Lang WPg 1998, 163, 169; Hey BB 1998, 1444, 1446; Wiesbrock, Die Verlustrückstellung im Steuer- und Verfassungsrecht, 1999, S. 263; Wermeckes DStZ 1999, 479, 480.
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Das Wertaufholungsgebot im Lichte der unterschiedlichen Differenzierungsmaßstäbe
kann. Infolgedessen kann es nicht auf die Rechtsfolge, sondern ausschließlich auf die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des Gesetzes ankommen212. cc)
Der Einfluss des Prinzips der Abschnittsbesteuerung
Wenn somit nach der vom BVerfG zugrundegelegten Dogmatik eine echte Rückwirkung entscheidend dadurch gekennzeichnet ist, dass die Rechtsfolgen ausschließlich von Tatsachen der Vergangenheit abhängig gemacht werden, stellt sich insbesondere für das Steuerrecht die Frage, wann von einem ausschließlichen Vergangenheitsbezug auszugehen ist. Im Hinblick auf die dargelegten Zusammenhänge erscheint es nicht verwunderlich, dass Erster und Zweiter Senat des BVerfG im Bereich der Steuergesetzgebung ihre Differenzierung übereinstimmend durch das Prinzip der Abschnittsbesteuerung konkretisieren213. Man kann sogar davon sprechen, dass die Rückwirkungsdogmatik der Rechtsprechung durch das Prinzip der Abschnittsbesteuerung eine konkret-steuerliche Ausgestaltung erhalten hat. Das BVerfG stellt in einer weitgehend normativ geprägten Sichtweise zur Beurteilung der Abgeschlossenheit eines Sachverhaltes bei periodisch veranlagten Steuern entscheidend auf die Abgeschlossenheit des gesetzlichen Tatbestandes ab, wobei es jedoch nicht auf den Zeitpunkt der Handlung des Steuerpflichtigen, sondern auf das Entstehen der Steuerschuld i.S. des Eintritts der Rechtsfolge ankommen soll214. Das EStG und das KStG bestimmen insoweit (§ 36 Abs. 1 EStG i.V.m. § 25 Abs. 1 EStG, §§ 7 Abs. 3 KStG, 30 Nr. 3 KStG), dass die Einkommensteuer erst mit Ablauf des Kalenderjahres entsteht und für dieses veranlagt wird. Nach diesen Koordinaten liegt eine echte Rückwirkung (Rückbewirkung von Rechtsfolgen) demnach nur dann vor, wenn im Zeitpunkt der Verkündung des neuen Gesetzes die Steuerschuld bereits entstanden ist215. Ein nach Ablauf des Veranlagungszeitraumes verkündetes Gesetz muss daher mit Wirkung für den abgelaufenen Veranlagungszeitraum beschlossen werden216. Ein rein formales Abstellen auf das Entstehen des Steueranspruchs hat ferner zur Konsequenz, dass die Regeln der tatbestandlichen Rückanknüpfung (unechten Rückwirkung) auch auf Dispositionen 212 Vogel JZ 1988, 833, 838; Vogel FS Heckel, 1999, S. 875, 878. 213 BVerfGE 13, 261, 271; 13, 274, 278; 13, 279, 282; 18, 135, 142f; 27, 375, 386; 30, 272, 285; 30, 392, 401ff; 72, 200, 276ff; 97, 67, 80; vgl. auch Schön BB 1997, 1333, 1336. 214 BVerfGE 13, 274, 277; 72, 200, 250, 253; a.A. BFH v. 3. 11. 1982, BFHE 137, 275, 286. 215 BVerfGE 19, 187, 195; 72, 200, 252f; zustimmend Schreiber in: Blümich, EStG, § 5 Rn 883b; vgl. Wernsmann JuS 2000, 39; Wermeckes DStZ 1999, 479, 483. 216 Spindler DStR 1998, 953, 957.
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Die verfassungsrechtliche Problematik der Zuschreibungspflicht
Anwendung finden, die während eines Veranlagungszeitraumes getroffen werden217. dd)
Tendenzen zur Überwindung der traditionellen verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung
Die Rückwirkungsdogmatik des BVerfG ist in der Literatur218 immer wieder auf heftige Kritik gestoßen. Hauptsächlich wendet sich die Kritik des steuerrechtlichen Schrifttums gegen die Annahme, die Offenheit eines Sachverhaltes ende erst mit dem Veranlagungszeitraum219. Bemängelt wird vor allem, dass die vage Differenzierung zwischen echter und unechter Rückwirkung ungeeignet sei, überzeugende verfassungsrechtliche Differenzierungsmaßstäbe zu liefern, da auch im Rahmen der unechten Rückwirkung eine vollständige Entwertung einer früher begründeten Rechtsposition möglich sei. Die Rechtsprechung des BVerfG berge somit die Gefahr in sich, dass bei rein formaler Interpretation durch alleiniges Abstellen auf ein zukünftiges Entstehen der Steuerschuld ein Änderungsgesetz trotz Neubeurteilung eines vergangenen Sachverhaltes lediglich den Anforderungen unterworfen wird, die an eine unechte Rückwirkung gestellt werden. Die Unterscheidung vermenge die auf Sachverhaltsebene angesiedelte Vertrauensbetätigung mit der Verwirklichung des Steuertatbestandes220. Wenn auch die Beurteilung der Abgeschlossenheit des Sachverhaltes nach dem Entstehen der Steuerpflicht zu eindeutigen Ergebnissen zu gelangen scheint, dürfe nicht unberücksichtigt bleiben, dass diese Abgrenzung dem eigentlichen Anlass der Rückwirkungsproblematik, der Gewährleistung von Vertrauensschutz nicht gerecht wird221. 217 Vgl. Schaumburg DB 2001, 1884, 1887; Reimer DStZ 2001, 725, 726. 218 Lang WPg 1998, 163ff; Lang in: Tipke/Lang, 17. Auflage, 2002, § 4 Rn 177ff; Bauer JuS 1984, 241, 249; Münch DStR 1997, 1674, 1675f; Vogel FS Heckel, 1999, S. 875ff; Goutier/Müller BB 1997, 2242ff; Hey BB 1998, 1444ff; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band 1, 2. Auflage, 2000, S. 156ff; Schaumburg DB 2000, 1884, 1887ff; Arndt/Schumacher NJW 1998, 1538; Kirchhof DStR 1979, 275, 279; Jachmann JA 2000, 152, 153; Reimer DStZ 2001, 725, 729; Hey, Steuerplanungssicherheit als Rechtsproblem, 2002, 203ff. 219 Friauf DStJG 12 (1989), 3, 17; Vogel/Waldhoff in: Vogel, Grundlagen des Finanzverfassungsrechts: Sonderausgabe des Bonner Kommentars zum Grundgesetz, 1999, Rn 493; Lang WPg 1998, 163, 166; Lang in: Tipke/Lang, 17. Auflage, 2002, § 4 Rn 175; Spindler DStR 1998, 953, 958; Sondervotum Steinberger BVerfGE 72, 276ff; Pezzer DStJG 27 (2004), 169, 276; Kirchhof DStJG 27 (2004), 1, 4; Mellinghoff DStJG 27 (2004), 25, 43. 220 Lang WPg 1998, 163, 170; Lang in: Tipke/Lang, 17. Auflage, 2002, § 4 Rn 175; Spindler DStR 1998, 953, 958. 221 Wiesbrock, Die Verlustrückstellung im Steuer- und Verfassungsrecht, 1999, S. 263.
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Das Wertaufholungsgebot im Lichte der unterschiedlichen Differenzierungsmaßstäbe
Wenn somit in weiten Teilen der Literatur Einigkeit über die Unzulänglichkeiten in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung besteht, herrscht gleichwohl keineswegs Klarheit darüber, anhand welcher Kriterien die aufgezeigten Schwierigkeiten überwunden werden können. Eine in der Literatur222 wohl vorherrschende Ansicht stellt vor allem darauf ab, dass der rechtsstaatlich und grundrechtlich garantierte Vertrauensschutz maßgeblich darauf basiert, dass der Einzelne sein Vertrauen im Vertrauen auf den Bestand der Rechtslage betätigt hat. Zur Überwindung der Rechtsprechung des BVerfG wird deshalb ein tätigkeitsbezogener, teilweise vereinheitlichter Vertrauensschutz formuliert223, der auf die Abgeschlossenheit der wirtschaftlichen Disposition abstellt, damit es der Gesetzgeber nicht in der Hand habe, durch die Definition späterer Steuerentstehung die Rückwirkung zu negieren. Auch die jüngere Rechtsprechung zeigt sich zunehmend von dieser Kritik beeindruckt. Ansatzweise hat die geforderte Neuinterpretation des Rückwirkungsverbotes in der Entscheidung des BVerfG zur Schiffsbausubvention nunmehr einen ersten Niederschlag in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung gefunden224. Überraschend hat das BVerfG im Hinblick auf eine Steuerverschonungssubvention mit Lenkungscharakter offengelassen, ob für den konkreten Fall die Regeln der echten oder der unechten Rückwirkung anzuwenden seien. Ähnliche Tendenzen sind auch in der Rechtsprechung des BFH225 zu beobachten, wobei der BFH einen stärkeren Dispositionsschutz nicht auf den Bereich steuerlicher Lenkungsnormen beschränken, sondern auch im Bereich der reinen Fiskalzwecknormen angewandt wissen will226. Hinter den Einwänden des dispositionsbezogenen Rückwirkungsbegriffs steht zunächst das berechtigte Anliegen, den von der Rechtsprechung praktizierten Kunstgriff der Anknüpfung an das Entstehen der Steuerschuld am 222 Friauf BB 1972, 669, 676; Münch DStR 1997, 1674, 1675; Lang WPg 1998, 163, 168; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band 1, 2. Auflage, 2000, S. 153ff; Hey BB 1998, 1444, 1446; Hey, Steuerplanungssicherheit als Rechtsproblem, 2002, 203ff; Schaumburg DB 2000, 1884, 1888. 223 Vgl. vor allem Lang WPg 1998, 163, 165ff; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band 1, 2. Auflage, 2000, S. 153ff; Schaumburg DB 2000, 1884ff jeweils mwN; Eilers FS Isensee, 2002, S. 421, 433 mit dem Hinweis, dass der dispositionsbezogene Rückwirkungsbegriff nicht auf die aktive wirtschaftliche Betätigung reduziert werden dürfe, sondern auch auf den Schutz unterlassener Dispositionen des Steuerpflichtigen zu erstrecken sei. 224 BVerfGE 97, 67, 80. 225 BFH v. 16. 12. 2003, BStBl II 2004, 284ff; BFH v. 3. 2. 2005, ZIP 2005, 570, 572; vgl. auch BFH v. 12. 10. 2000, FR 2001, 258ff. 226 Vgl. Höreth/Schiegl/Zipfel BB 2004, 857, 861.
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Die verfassungsrechtliche Problematik der Zuschreibungspflicht
Ende des Veranlagungszeitraums zu überwinden227. Im Kern beruht das Vertrauensschutzbedürfnis des Steuerpflichtigen darauf, dass der Steuergesetzgeber im geltenden Recht kein System eines belastungsgleichen Steuerrechts verwirklicht hat228. Damit werden steuerliche Gestaltungen ermöglicht, die es nahe legen, die wirtschaftliche Disposition zur Grundlage der Abgeschlossenheit eines Sachverhaltes zu machen. Trotz der auf den ersten Blick überzeugenden Argumente wirft eine dispositionsbezogene Ausgestaltung der Rückwirkungsdogmatik jedoch auch weitreichende Fragestellungen auf. Die Anknüpfung der Rückwirkungsdogmatik an die Vertrauensbetätigung durch den Steuerpflichtigen hätte letztlich zur Konsequenz, dass die Unterscheidung zwischen echter und unechter Rückwirkung entbehrlich würde. Eine Vereinheitlichung des Rückwirkungsbegriffs229 wäre die Folge, was aber auch dazu führen würde, dass die differenzierte Rechtfertigungsebene neu überdacht werden müsste230. Es droht ein offener Abwägungsprozess unter Verlust der bisherigen Schrankenziehung für den Gesetzgeber231. Das Festhalten an dem traditionellen Unterscheidungskriterium der Abgeschlossenheit eines Sachverhaltes bietet dagegen die Gewähr für die Rationalisierung des Abwägungsprozesses, indem es die echte Rückwirkung grundsätzlich in das verfassungsrechtliche Abseits stellt. Ein dispositionsbezogener einheitlicher Rückwirkungsbegriff, der auch zukünftige Veranlagungszeiträume tangiert, basiert zudem wesentlich auf der Annahme, dass sich periodenübergreifende wirtschaftliche Zusammenhänge nicht artifiziell in Veranlagungszeiträume zerlegen lassen232. Falls damit auf das Prinzip einer Lebenseinkommensbesteuerung rekurriert wird, muss dieser Auffassung bereits im Hinblick auf das oben Gesagte widersprochen werden. Gesetzgeberisches Ziel des EStG, KStG ist es, das gegenwärtige Periodeneinkommen und damit die periodische Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen zu erfassen233. Grundlage der Beurteilung muss insoweit die periodische Steuerbemessung bleiben, wodurch jeweils eigenständige, abgeschlossene Abschnitte 227 Schaumburg DB 2000, 1884, 1888. 228 Vgl. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band 1, 2. Auflage, 2000, S. 154f. 229 Lang WPg 1998, 163, 168ff; Lang in: Tipke/Lang, 17, Auflage, 2002, § 4 Rn 178; Schaumburg DB 2000, 1884, 1887; Hey BB 1998, 1444, 1447; Spindler DStR 2001, 725, 728; vgl. bereits Friauf BB 1972, 669, 675. 230 Daher besteht die Gefahr, dass die erweiterte Einbeziehung von Sachverhalten mit geringeren Anforderungen auf Rechtfertigungsebene einhergeht. 231 Mellinghoff DStJG 27 (2004), 25, 41; Schön DStJG 27 (2004), 61; vgl. auch Englisch/Plum StuW 2004, 342, 356. 232 Hey BB 1998, 1444, 1446. 233 Vgl. 3. Kap. A. II. 4.; siehe Kirchhof StuW 2000, 221, 225; Schön BB 1997, 1333, 1342; Küting/Kessler StuB 2000, 21, 24; Hennrichs DStJG 24 (2001), 301, 309; Beker DStR 2004, 621, 622.
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Das Wertaufholungsgebot im Lichte der unterschiedlichen Differenzierungsmaßstäbe
erzeugt werden. Erkennt man dies, bildet daher der Abschlusszeitpunkt des jeweiligen Besteuerungszeitraums den maßgeblichen Stichtag für das Vorliegen einer echten oder einer unechten Rückwirkung234. Gerade dieser Gesichtspunkt verdeutlicht aber - jedenfalls für reine Fiskalzwecknormen - die Berechtigung, eine Lösung der Rückwirkungsproblematik vor dem Hintergrund der Abschnittsbesteuerung unter Beibehaltung des traditionellen Kriteriums der Abgeschlossenheit des Sachverhaltes zu suchen235. Abzustellen ist aber insoweit nicht auf das Entstehen der Steuerschuld, sondern auf die systematischen Grundsätze zur Bemessung des gegenwärtigen Periodeneinkommens236. Entwickelt man unter dieser Prämisse die Rückwirkungsdogmatik, muss beachtet werden, dass der Gesetzgeber aufgrund seiner weitreichenden Gestaltungsbefugnis grundsätzlich frei in der Entscheidung ist, welches Leistungsfähigkeitsverständnis er zur Bestimmung der periodischen Leistungsfähigkeit zugrundelegt. Was als periodische Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen anzusehen ist, wird grundsätzlich durch die Entscheidung für ein bestimmtes Leistungsfähigkeitsverständnis determiniert. Entscheidende Bedeutung kommt daher dem vom Gesetzgeber zum Vergleichsmaßstab erhobenen (Sub-)System zur Bestimmung der periodischen Leistungsfähigkeit zu. In Anlehnung an dieses System bildet der Gesetzgeber Vorschriften. In der Formulierung von Steuertatbeständen gibt der Gesetzgeber für die spezifische Steuerperiode aber gleichzeitig abschließend zu erkennen, welcher Ausschnitt der dieser Periode zugehörigen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen als periodenbezogene steuerliche Leistungsfähigkeit steuerlich erfasst werden soll. Wenn sich der Gesetzgeber im Rahmen der oben bezeichneten Prinzipienkollision gerechfertigterweise dagegen entschieden hat bzw. entscheiden muss, die nach dem Differenzierungsmaßstab begründbare, gesamte periodische Leistungsfähigkeit steuerlich zu erfassen, darf er diese Entscheidung nicht nachträglich korrigieren. Unter diesen Prämissen erscheint das Ausscheiden aus einem steuerlichen Tatbestand mindestens ebenso schutzwürdig wie die Verwirklichung des Steuertatbestandes237. Irre234 Schön BB 1997, 1333, 1334; Wiesbrock, Die Verlustrückstellung im Steuer- und Verfassungsrecht, 1999, S. 266 235 Schön BB 1997, 1333, 1334ff; vgl. auch Birk/Kulosa FR 1999, 433, 438; Wermeckes DStZ 1999, 479, 485. 236 Beker DStR 2004, 621, 622; Schön BB 1997, 1333, 1342; Lang WPg 1998, 163, 174 stimmt dem insoweit zu, wenn er darauf abstellt, ob die Norm zum systematischen Kern der geregelten Materie gehört. 237 Birk/Kulosa FR 1999, 433, 438; zustimmend Micker BB 2002, 120, 123; Höreth/Schiegl/Zipfel BB 2004, 857, 862; vgl. auch Eilers FS Isensee, 2002, S. 421, 433.
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Die verfassungsrechtliche Problematik der Zuschreibungspflicht
levant ist insofern, ob der Gesetzgeber in der jeweiligen Periode durch Zugrundelegung alternativer Leistungsfähigkeitsvorstellungen oder einen anderen tatbestandlichen Zuschnitt der Steuernormen einen größeren Ausschnitt der periodischen Leistungsfähigkeit hätte erfassen können238. Insofern steht die nachträgliche Änderung der Rechtsfolgenlage i.S. einer Einbeziehung in den gesetzlichen Tatbestand einer echten Rückwirkung gleich239. Das Ende des Veranlagungszeitraumes bildet somit die zeitliche Grenze, die es verhindert, dass der Gesetzgeber seine Belastungsentscheidung für diesen Veranlagungszeitraum in der Zukunft wieder verändert. Berücksichtigt man diese Gesichtspunkte, kann sich lediglich bei systemdurchbrechenden Steuervergünstigungen und Lenkungsnormen eine Berechtigung ergeben, die im Vertrauen auf den Fortbestand der Gesetzeslage vorgenommene Disposition eigens zu gewichten240. Zusammenfassend lässt sich somit feststellen: Dem dispositionsbezogenen Rückwirkungsbegriff ist es zu verdanken, dass sich die Erkenntnis durchsetzt, dass es für die Grundsätze über die Rückwirkung von Gesetzen nicht auf die Entstehung der Steuerschuld ankommen kann, sondern ausschließlich auf die Verwirklichung der Tatbestandsvoraussetzungen des Gesetzes abgestellt werden muss241. Konsequenterweise soll nach Vogel eine echte Rückwirkung dann vorliegen, wenn und soweit eine im Gesetz neu oder verändert vorgesehene Rechtsfolge auch oder nur in Fällen gelten soll, in denen ihre Tatbestandsvoraussetzungen ausschließlich vor Verkündung des
238 Vgl. BFH v. 5. 3. 2001, BStBl II 2001, 405, 406. Der Gesetzgeber kann eine Leistungsfähigkeit vergangener Perioden durch entsprechende Formulierung eines Steuertatbestandes nur dann zukünftig erfassen, falls er in der Vergangenheit nicht die gesamte für diese Periode begründbare periodische Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen erfasst hat. Gerade in der nachträglichen Verbreiterung der Bemessungsgrundlage liegt eine Wurzel der Rückwirkungsproblematik. 239 FG Baden-Württemberg v. 8. 12. 2000, DStR 2001, 119, 120; Birk/Kulosa FR 1999, 433, 438; Landsittel/Haug BB 1997, 2218, 2222; Papier Stbg 1999, 49, 57; im Ergebnis Schön BB 1997, 1333, 1334; siehe auch Vogel FS Heckel, 1999, S. 875, 878; vgl. auch BFH v. 5. 3. 2001, BStBl II 2001, 405f. 240 Vgl. dazu Hey StuW 1998, 298, 312ff. 241 Vogel FS Heckel, 1999, S. 875, 878; zustimmend Mellinghoff DStJG 27 (2004), 25, 43; Spindler DStJG 27 (2004), 69, 86; Leisner, Kontinuität als Verfassungsprinzip, 2002, S. 567f. Der Verwirklichung des Steuertatbestandes muss insoweit unter Vertrauensschutzgesichtspunkten das Ausscheiden aus einem steuerlichen Tatbestand gleichgestellt werden. Vgl. auch Hey, Steuerplanungssicherheit als Rechtsproblem, 2002, S. 265 mit dem Hinweis, dass bei partieller Tatbestandsverwirklichung darauf abgestellt werden müsse, ob der Steuerpflichtige alles für den Eintritt der Rechtsfolge Erforderliche getan hat.
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Das Wertaufholungsgebot im Lichte der unterschiedlichen Differenzierungsmaßstäbe
Gesetzes erfüllt worden sind242. Wenn aber die Erfüllung von Tatbestandsvoraussetzungen und damit die Dogmatik des geltenden Steuerrechts zur wesentlichen Betrachtungsgrundlage wird243, erscheint es bei der Beurteilung der Abgeschlossenheit von Sachverhalten bei reinen Fiskalzwecknormen naheliegend, nicht allein die Disposition des Steuerpflichtigen, sondern insbesondere die Systematik der periodischen Steuerbemessung ins Zentrum der Betrachtungen zu stellen244. b)
Beurteilung des Wertaufholungsgebotes vor dem Hintergrund der gefundenen Ergebnisse
Beurteilt man das in §§ 52 Abs. 16, Abs. 21 S. 2 EStG vorgesehene Modell einer Wertzuschreibung vor dem Hintergrund dieser Grundsätze, muss im Hinblick auf die oben gefundenen systematischen Erkenntnisse untersucht werden, ob ein noch offener oder bereits ein abgeschlossener Sachverhalt vorliegt245. Von einem Großteil der Literatur246 sowie vom FG Rheinland-Pfalz247 werden die Regelungen der §§ 52 Abs. 16, Abs. 21 EStG lediglich als Fälle einer unechten Rückwirkung eingeordnet und somit grundsätzlich als verfassungsrechtlich zulässig angesehen. Schwenke248 hat zur Begründung dieser Auffassung zunächst auf die Rechtsprechung des BVerfG249 hingewiesen, wonach der Gesetzgeber grundsätzlich nicht gehindert sei, für die Zukunft die steuerlichen Folgen eines in der Vergangenheit liegenden Verhaltens zu verschärfen. Diese rein formale Interpretation des Rückwirkungsverständ242 Vogel FS Heckel, 1999, S. 875, 878; Leisner, Kontinuität als Verfassungsprinzip, 2002, S. 568f; Spindler DStJG 27 (2004), 68, 86. 243 Leisner, Kontinuität als Verfassungsprinzip, 2002, S. 567. 244 Schön BB 1997, 1333, 1334f; Vogel FS Heckel, 1999, S. 875, 882f; Leisner, Kontinuität als Verfassungsprinzip, 2002, S. 567f. Bei Lenkungsnormen hat der dispositionsbezogene Rückwirkungsbegriff eine höhere Bedeutung, da der Gesetzgeber durch den Anreiz zu einer bestimmten Handlung herausfordert, wobei der zukünftige Bestand des Anreizes zur wesentlichen Grundlage des Kalküls des Disponierenden wird. 245 Vgl. Schön BB 1997, 1333, 1334. 246 Schwenke BB 1997, 2408, 2409; Küting StuB 1999, 1, 7; Küting FS Brönner, 2000, S. 227, 235; Stobbe/Loose FR 1999, 405, 408f; Schreiber in: Blümich, EStG, § 5 Rn 883b; Siegel in: Beck HDR, B 169 Rn 66; Ehmke in: Blümich, EStG, § 6 Rn 579b; offengelassen von Herzig/Rieck WPg 1999, 305, 316. 247 FG Rheinland-Pfalz v. 20. 8. 2003, EFG 2003, 1681f rkr. 248 Schwenke BB 1997, 2408, 2409; Küting FS Brönner, 2000, S. 227, 235f; vgl. auch Küting StuB 1999, 1, 7; Stobbe/Loose FR 1999, 405, 408; Lambrecht in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 5 Rn Ea 24 bzgl. der Drohverlustrückstellungen. 249 BVerfGE 72, 200, 254.
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Die verfassungsrechtliche Problematik der Zuschreibungspflicht
nisses nach der Zuordnung der Steuerzahlungspflicht zu einem zukünftigen Veranlagungszeitraum ist jedoch nach dem oben Gesagten zu Recht auf Ablehnung gestoßen250, da der Gesetzgeber sonst ohne materielle Kontrolle Vertrauenspositionen der Vergangenheit allein durch buchungstechnische Zuordnung wieder zerstören könnte. Die Beurteilung der Abgeschlossenheit eines Sachverhaltes kann folglich ohne materielle Kriterien nicht auskommen. In materieller Hinsicht begründet diese Auffassung ihren Standpunkt mit der Erwägung, dass sich die mittels der Teilwertabschreibung angestrebte Verlustantizipation lediglich auf einen zukünftigen Sachverhalt bezieht, der erst mit Realisierung des Verlustes endgültig abgeschlossen ist251. Für diese Sichtweise lässt sich ferner anführen, dass über die endgültige Belastung des Betriebsvermögens erst bei Ausscheiden des Wirtschaftsgutes aus dem Betriebsvermögen entschieden wird. Diese Gesichtspunkte legen es durchaus nahe, im Rahmen des Wertaufholungsgebots von einem noch offenen Sachverhalt auszugehen, so dass die strengen Anforderungen an die Rechtfertigung einer echten Rückwirkung keine Anwendung finden könnten. Trotz dieser auf den ersten Blick beachtlichen Argumentation darf aber nicht übersehen werden, dass das dieser Auffassung zugrundeliegende Verständnis des Imparitätsprinzips nicht mit dem vom Gesetzgeber in dem hier beachtlichen Zeitraum selbst statuierten Leistungsfähigkeitsverständnis korreliert252. Von besonderer Bedeutung erscheint somit, dass die Einkommen- und Körperschaftsteuer im Rahmen der Erfassung der periodischen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen im hier behandelten Bereich der Gewinneinkunftsarten auf die Erfassung der periodischen Reinvermögensänderung zielt, wobei der Gesetzgeber vor dem 31. 12. 1999 die periodische Veränderung des Reinvermögens durch die Vorstellungen der Reinvermögenszuwachstheorie konkretisiert hat253. Schön254 ist unter diesen Prämissen für den hier in Rede stehenden Zeitraum voll zuzustimmen, wenn dieser bemerkt, 250 Schön BB 1997, 2411, 2412; Lang WPg 1998, 163, 167 FN 27. 251 Küting FS Brönner, 2000, S. 227, 235; Stobbe/Loose FR 1999, 405, 409; vgl. auch Lang WPg 1998, 163, 167; Eilers FS Isensee, 2002, S. 421, 431. 252 Ähnlich Wiesbrock, Die Verlustrückstellung im Steuer- und Verfassungsrecht, 1999, S. 265; implizit auch Schön BB 1997, 1333, 1335. Den Ausführungen der Gegenansicht liegt ein Verständnis von Leistungsfähigkeit zugrunde, das nicht an der Reinvermögenszuwachstheorie, sondern an einem der alternativen Leistungsfähigkeitsverständnisse orientiert ist. Dabei wird jedoch verkannt, dass der Gesetzgeber in der Vergangenheit von einem solchen Leistungsfähigkeitsverständnis nicht ausgegangen ist. 253 Vgl. 5. Kap. C. II. 254 Schön BB 1997, 1333, 1335, 1342; Wermeckes DStZ 1999, 479, 484.
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Das Wertaufholungsgebot im Lichte der unterschiedlichen Differenzierungsmaßstäbe
dass der Gegenstand der periodischen Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer nicht die gesamte Wertveränderung der betrieblichen Wirtschaftsgüter während ihrer Zugehörigkeit zu einem Betriebsvermögen ist, sondern lediglich der Zuwachs oder die Wertminderung des Betriebsvermögens im jeweiligen Besteuerungszeitraum (Gegenwartseinkommen). Bedenken gegen die Argumentation der ersten Meinungsgruppe resultieren somit vor allem aus dem Differenzierungsmaßstab, den der Gesetzgeber zum Maßstab seines Handelns gemacht hat. Nach reinvermögenszuwachstheoretischer Sichtweise stellen wirtschaftlich verursachte Wertminderungen periodenbezogene Minderungen des Betriebsvermögens dar255. Wenn man berücksichtigt, dass sich der Gesetzgeber im Rahmen der bilanziellen Gewinnermittlung für eine reinvermögenszuwachstheoretische Leistungsfähigkeitsvorstellung entschieden hat, wird deutlich, dass die Wertaufholung im Anschluss an eine vorausgegangene Teilwertabschreibung als neuentstandene wirtschaftliche Leistungsfähigkeit in der Periode ihrer wirtschaftlichen Entstehung hätte besteuert werden müssen. Die Tatsache, dass der Gesetzgeber nichtrealisierte Wertsteigerungen in der Entstehungsperiode tatbestandsmäßig nicht erfasst hat, verdeutlicht somit unter dem Gesichtspunkt des Gegenwartseinkommens einen endgültigen Verzicht auf eine steuerliche Erfassung. Durch eine Zwangsrealisation der aus dem Wertbeibehaltungswahlrecht resultierenden stillen Reserven wird somit auf wirtschaftliche Vorgänge zurückgegriffen, die sich ausschließlich in vergangenen, abgeschlossenen Steuerperioden abgespielt haben. Dieser verfassungsrechtlichen Einordnung könnte jedoch entgegenstehen, dass eine steuerliche Erfassung nichtrealisierter Wertsteigerungen nach der gesetzlichen Konzeption von vornherein nicht im Jahr der wirtschaftlichen Entstehung, sondern erst zukünftig bei Vorliegen eines sogenannten Realisationstatbestandes vorgesehen war. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass der reinvermögenszuwachstheoretische Beurteilungsmaßstab lediglich vorsieht, den Wertzuwachs der konkret betrachteten Steuerperiode zur Bemessung der periodischen Leistungsfähigkeit heranzuziehen. Der Gesetzgeber hat mit Verstreichenlassen der Steuerperiode jedes Mal neu seinen Willen bekundet, auf eine Besteuerung des dieser Periode zuzuweisenden nichtrealisierten Wertzuwachses zu verzichten. Dieser Verzicht erstreckt sich auch auf eine mögliche steuerliche Erfassung in späteren Perioden. Ein Abstellen auf eine Gesamtleistungsfähigkeit mehrerer Steuerperioden würde die besondere Bedeutung des Periodizitätsprinzips im Hinblick auf den zugrundegelegten Leistungsfähigkeitsmaßstab konterkarieren. Die negative Belastungsentscheidung, innerhalb der Steuerperiode nicht auf nichtrealisierte Wertsteige255 A.A. Schwenke BB 1997, 2408, 2411.
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Die verfassungsrechtliche Problematik der Zuschreibungspflicht
rungen zurückzugreifen, verweist den Gesetzgeber somit endgültig auf die zweite Möglichkeit der steuerlichen Erfassung der nichtrealisierten Wertzuwächse bei Ausscheiden aus dem Betriebsvermögen. Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte war das schutzwürdige Vertrauen des Steuerpflichtigen darauf gerichtet, dass eine Realisierung grundsätzlich erst bei Vorliegen eines willentlich herbeizuführenden Realisationstatbestandes eintritt. Nichtrealisierte Wertsteigerungen stehen somit lediglich unter der Hypothek einer späteren steuerlichen Erfassung bei Verwirklichung eines Realisationstatbestandes256. Das Realisationsprinzip steht der hier vorgenommenen Betrachtung somit nicht entgegen, sondern unterstützt diese vielmehr noch257. Im Rahmen des reinvermögenszuwachstheoretischen Belastungsmaßstabes bestehen insoweit auch keine Unterschiede zur Wertaufholung bei den AfaA. Demnach sind die §§ 52 Abs. 16, Abs. 21 EStG Fälle einer echten Rückwirkung. Mit einer gewichtigen Meinungsgruppe258 ist die Neuregelung damit an den wesentlich strengeren Maßstäben der „echten“ Rückwirkung zu messen. Die Qualifikation als echte Rückwirkung legt nach überwiegender Ansicht zugleich das Rechtfertigungsniveau fest. Grundsätzlich erscheint die echte Rückwirkung verfassungsrechtlich unzulässig. Lediglich in eng begrenzten Ausnahmen tritt der Vertrauensschutz des Steuerpflichtigen hinter die öffentlichen Interessen zurück. Diesen Fällen gleichgestellt sind Konstellationen, in denen von vornherein kein schutzwürdiges Vertrauen bestand. Somit lassen sich diesbezüglich die bereits genannten Fallgruppen skizzieren: Ausnahmsweise259 ist eine echte Rückwirkung aufgrund fehlender Vertrauenslage zulässig, wenn der Bürger im Zeitpunkt auf den sich das rückwirkende Gesetz bezieht mit dieser Regelung rechnen musste260, wenn das geltende Gesetz unklar und verworren war261, wenn die bisherige Regelung ungültig oder ihre Geltung zweifelhaft war oder eine verfassungsrechtliche Lücke geschlossen werden muss262. Zudem können zwingende Gründe des Ge-
256 Costede StuW 1996, 19, 24f. 257 I. E. Schön BB 1997, 1333, 1335. 258 Schön BB 1997, 1333ff; Wermeckes DStZ 1999, 479, 484; Pickhardt DStZ 1997, 671, 673; i. E. Lang WPg 1998, 163, 170; Hey BB 2000, 1453, 1457; Wiesbrock, Die Verlustrückstellung im Steuer- und Verfassungsrecht, 1999, S. 265ff in Bezug auf die Drohverlustrückstellungen; tendenziell kritisch auch Mayer-Wegelin in: Bordewin/Brandt, EStG, § 6 Rn 145g. 259 BVerfGE 13, 261, 271f; 30, 367, 387ff; 37, 363, 397. 260 BVerfGE 37, 363, 397f; 45, 142, 173f; 89, 48, 67. 261 BVerfGE 30, 272, 286; 45, 142, 173; 88, 384, 404. 262 BVerfGE 19, 187, 197f; 67, 129, 131f.
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meinwohls, die dem Gebot der Rechtssicherheit übergeordnet sind, die Anordnung einer Rückwirkung rechtfertigen263. Schön264 hat nachgewiesen, dass es seit Einführung des Anschaffungs- bzw. Herstellungskostenprinzips im Steuerbilanzrecht einer jahrzehntelangen gesetzgeberischen Tradition entsprach, nicht zwangsweise auf nichtrealisierte Wertzuwächse zurückzugreifen. Dieser Grundsatz bezog sich nach der gesetzgeberischen Konzeption aber nicht allein auf solche Wertzuwächse, die die fortgeführten Anschaffungs- oder Herstellungskosten überschritten, sondern auch auf die Werterholungen im Anschluss an vorangegangene Teilwertabschreibungen265. Im Rahmen einer steuerneutralen266 Umsetzung der Bilanzrichtlinie267 wurde durch die Einführung des § 280 Abs. 2 HGB zudem eine ansonsten aufgrund der Maßgeblichkeit bestehende Pflicht zur Wertzuschreibung bei Wegfall des außerplanmäßigen Abschreibung führenden Grundes (§ 280 Abs. 1 HGB) bei den betroffenen Kapitalgesellschaften vermieden und daher das schon vorher bestehende Wertbeibehaltungswahlrecht bekräftigt. Die Rechtslage war daher weder unklar und verworren, noch sind unter Berücksichtigung des in diesem Zeitraum geltenden vermögensstatischen Differenzierungsmaßstabes Anhaltspunkte erkennbar, die die bisherige Rechtslage als verfassungswidrig erscheinen lassen. Somit konnte sich insoweit auch ein schutzwürdiges Vertrauen der Steuerpflichtigen im Hinblick auf ein Wertbeibehaltungswahlrecht entwickeln. Fraglich erscheint jedoch, ob die Steuerpflichtigen aufgrund der Überlegungen zur Einführung eines Wertaufholungsgebotes im Rahmen des Entwurfs eines Steuerreformgesetzes 1998 zukünftig mit einer entsprechenden steuerlichen Regelung rechnen mussten, so dass ab diesem Zeitpunkt das schutzwürdige Vertrauen erschüttert war. Es kommt somit darauf an, welche Qualität ein Ereignis haben muss, damit von einem Wegfall des Vertrauensschutzes ausgegangen werden kann. Zudem gilt es, die Anforderungen in zeitlicher Hinsicht zu dimensionieren. Theoretisch denkbar sind insoweit ganz unterschiedliche Zeitpunkte268. Einerseits kann man erwägen, bereits vorlegislatorischen Ankündigungen eine vertrauenszerstörende Wirkung zu263 BVerfGE 2, 380, 405; 13, 261, 272; 30, 250, 268ff; 30, 367, 390f; 72, 200, 260; 88, 384, 404; BVerfG BStBl II 1986, 628, 647; BVerfG NJW 1998, 1547, 1549. 264 Schön BB 1997, 1333, 1337; so auch Wermeckes DStZ 1999, 479, 484. 265 Schön BB 1997, 1333, 1337. 266 Vgl. BT-Drucks. 10/4268, S. 109, 146; Reinhard DB 1983, 1557, 1558. 267 Vgl. Art 35 Abs. 1 c) dd) und Art 39 Abs. 1 d) der 4. Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaft über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen vom 25. 7. 1978 (4. EG-Richlinie 78/660 EWG). 268 Vgl. Spindler DStR 1998, 953, 955f.
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zusprechen269. Denkbar sind jedoch auch der Zeitpunkt der Beschlussfassung im Bundestag270, der Zeitpunkt des Zustandekommens des Gesetzes durch Zustimmung des Bundesrates271 sowie schließlich das Inkrafttreten des Gesetzes nach Art 82 GG272. Für einen der letztgenannten Zeitpunkte spricht, dass ein Gesetzesbeschluss erst mit Zustimmung des Bundesrates vertrauensrechtlich endgültig geworden und daher geeignet ist, den alten Vertrauenstatbestand abzulösen. Bei einem zustimmungsbedürftigen Bundestagsbeschluss kann bei entsprechenden Mehrheitsverhältnisses ein Gesetzesvorhaben jederzeit durch Verweigerung der Zustimmung durch den Bundesrat scheitern oder im Vermittlungsausschuss eine wesentliche Umgestaltung erfahren273. Betont man den Zweck des Art 82 GG, Rechtsnormen der Öffentlichkeit so zugänglich zu machen, dass sich die Betroffenen zuverlässige Kenntnis von deren Inhalt verschaffen können274, spricht sogar viel dafür, die vertrauenszerstörende Wirkung erst an den Publikationsakt zu knüpfen. Insbesondere in der Rechtsprechung des BVerfG275 hat sich hingegen die Auffassung herausgebildet, grundsätzlich auf den Zeitpunkt des endgültigen Gesetzesbeschlusses des Bundestages abzustellen, da mit diesem Beschluss der wesentliche Unsicherheitsfaktor über das „ob“ und „wie“ der Neuregelung beseitigt werde. Die bloße Ankündigung von Reformvorhaben oder die Verabschiedung eines Gesetzesentwurfes sollte nach der bisherigen Rechtsprechung des BVerfG indes nicht geeignet sein, das schutzwürdige Vertrauen der Steuerpflichtigen zu erschüttern276. Vorlegislatorischen Maßnahmen kann daher grundsätzlich keine vertrauenszerstörende Wirkung zukommen277. Das BVerfG hat es ausnahmsweise jedoch für unbedenklich gehalten, bereits an die bloße Ankündigung einer gesetzlichen Neuregelung anzuknüpfen, wenn diese der Herstellung der alten Rechtslage nach einer zwischenzeitlichen Änderung der höchstrichterlichen Rechtspre269 So BFH v. 28. 3. 1966, BStBl III 1966, 454, 456; BFH v. 26. 8. 1986, BStBl II 1987, 57, 58. 270 Vgl. BVerfGE 97, 67, 79; Hummel DStR 2003, 1, 2f. 271 Vgl. Lang WPg 1998, 163, 171f. 272 So Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band 1, 2. Auflage, 2000, S. 160; in der Tendenz auch Lang WPg 1998, 163, 172; Schaumburg DB 2000, 1884, 1888. 273 Vgl. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band 1, 2. Auflage, 2000, S. 160. 274 Bauer in: Dreier, GG, 1998, Art 82 Rn 8 mwN. 275 BVerfGE 14, 288, 298; 23, 12, 33; 30, 272, 287; 72, 242, 261f; Hummel DStR 2003, 1. 2f; vgl. Hey BB 1998, 1444, 1448; Lang in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Auflage, 2002, § 4 Rn 175; Schulze-Fielitz in: Dreier, GG, 1998, Art 20 Rn 147. 276 BVerfGE 30, 272, 287; 43, 291, 292; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band 1, 2. Auflage, 2000, S. 160; Schaumburg DB 2000, 1884, 1888. 277 BVerfGE 72, 200, 260ff; Arndt/Schumacher NJW 1998, 1538, 1539; Lang WPg 1998, 163, 171f; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band 1, 2. Auflage, 2000, S. 160.
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chung dient278. Das BVerfG hat nunmehr im Beschluss über die Sonderabschreibungen für Handelsschiffe jedoch angedeutet, dass es auch in weiteren Konstellationen durch entsprechende vorlegislatorische Ankündigung das schutzwürdige Vertrauen der Steuerpflichtigen entfallen lassen will279. Folgt man der überwiegenden Auffassung, kann, ohne auf die Qualität einer vorlegislatorischen Ankündigung eingehen zu müssen, festgestellt werden, dass die Ankündigung der Pläne zur Einführung eines Wertaufholungsgebotes im Rahmen des Steuerreformgesetzes 1998 nicht geeignet war, das schutzwürdige Vertrauen der Steuerpflichtigen in den Fortbestand des Wertbeibehaltungswahlrechts zu zerstören. Selbst wenn man entgegen der wohl überwiegenden Auffassung aber bereits vorlegislatorischen Aktivitäten vertrauensschädliche Wirkung zumessen will, dürfte im Hinblick auf das Wertaufholungsgebot nicht unberücksichtigt bleiben, dass die ursprünglichen Pläne des Entwurfs eines Steuerreformgesetzes 1998 zur Einführung einer Wertzuschreibungspflicht nicht verwirklicht wurden. Ein zwar angekündigtes, letztlich aber nicht verwirklichtes Gesetzesvorhaben kann aber nicht geeignet sein, auch für die Zukunft eine Vertrauenslage zu zerstören280. Andernfalls könnte sich der Gesetzgeber durch eine Vielzahl an Ankündigungen ohne einen konkreten Umsetzungswillen in einem Gesetzesvorhaben selbst ein Instrumentarium schaffen, den Vertrauensschutz für zukünftige Steuerreformen mehr oder wenig beliebig außer Kraft zu setzen281. Insofern hat die Abkehr vom ursprünglichen Gesetzesvorhaben, die ursprüngliche Vertrauensgrundlage wieder aufleben lassen, so dass ohne erneute Ankündigung eines Gesetzesvorhabens diese Vertrauenslage weiterbestand. Die generelle Änderbarkeit eines Gesetzes kann i.ü. nicht das schutzwürdige Vertrauen der Steuerpflichtigen erschüttern, da andernfalls vom Prinzip der durch Gesetz vermittelten Rechtssicherheit nichts übrig bliebe282. Fraglich bleibt daher, ob sich die rückwirkende Erfassung nichtrealisierter Wertsteigerungen vor dem Hintergrund zwingender Allgemeinwohlbelange rechtfertigen lässt. Die ursprünglichen Pläne des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 zur Abschaffung des Imparitätsprinzips wurden vor allem mit dem Ziel einer Objektivierung der Gewinnermittlung begründet. Darunter muss man nach dem oben Gesagten eine Abkehr von der bisherigen Tradition eines vermögensstatisch ausgerichteten Vermögensvergleichs und eine Hinwendung zu einer am Realisationsprinzip orientierten Betrachtungs278 279 280 281 282
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BVerfGE 81, 228, 239. BVerfG NJW 1998, 1547, 1549; vgl. Schaumburg DB 2000, 1884, 1888. Vgl. auch Arndt/Schumacher NJW 1998, 1538, 1539. Vgl. BVerfGE 95, 64, 88f. Hey BB 1998, 1444, 1448.
Die verfassungsrechtliche Problematik der Zuschreibungspflicht
weise verstehen, um die steuerliche Gewinnermittlung in den Belastungswirkungen den Einkunftsarten mit einer Zuflussbesteuerung zumindest anzunähern. Diesem Ziel sollte u.a. durch Abbau stiller Reserven Rechnung getragen werden, die durch beibehaltene Teilwertabschreibungen trotz Wertaufholung entstanden sind283. Letztlich sollten ferner die Voraussetzungen für eine Absenkung des Steuersatzes auf Unternehmensgewinne auf 35 % ermöglicht werden284. Zu prüfen ist somit zunächst, ob das gesetzgeberische Anliegen einer Reform der einkommensteuerlichen Bemessungsgrundlage i.S. eines Systemwechsels zu einer am Nettorealisationsgedanken ausgerichteten Besteuerung, einen zwingenden Grund zur Rechtfertigung der echten Rückwirkung darstellen kann. Dies ist, um das Ergebnis vorweg zu nehmen, nicht der Fall. Zwar fällt es in die Kompetenz des Steuergesetzgebers, systemkonturierende Belastungsentscheidungen im Steuerrecht zu treffen und auch alte Entscheidungen zu korrigieren. In dieser Hinsicht kann man auch durchaus davon sprechen, dass ein Gemeinwohlinteresse an einer zukünftigen neuen systematischen Ausrichtung der steuerlichen Bemessungsgrundlage im Bilanzsteuerrecht besteht. Nicht mit diesem zukunftsbezogenen Gemeinwohlinteresse rechtfertigen kann man jedoch den gesetzgeberischen Versuch, die Ausprägungen des bisherigen systemkonturierenden Vergleichsmaßstabes dadurch zu entwerten, indem diese Ausprägungen durch einen Korrekturgewinn an die neuen systematischen Vorstellungen angepasst werden. Würde man in einer solchen Konstellation eine Rechtfertigung unter Gemeinwohlbelangen zulassen, könnte der Gesetzgeber ungehemmt systemkonturierende Belastungsentscheidungen vergangener Besteuerungsperioden zurücknehmen und diese durch seine gewandelten Vorstellungen ersetzen. Die Möglichkeit der Implementierung eines neuen Belastungsmaßstabes für die Zukunft hängt aber überhaupt nicht davon ab, dass die Altfälle in die neue Systematik einbezogen werden. Schön285 hat daher in Bezug auf das Wertaufholungsgebot zu Recht formuliert, dass ein zwingendes öffentliches Interesse an einer Umgestaltung der steuerlichen Gewinnermittlung nur dann vorliegt, wenn die beabsichtigte Objektivierung nur gelingen kann, wenn auch die vergangenen Wertaufholungen steuerlich erfasst werden. Dies ist aber nicht der Fall, da der Gesetzgeber das Wertaufholungsgebot ohne weiteres lediglich auf Wertaufholungen nach dem 1. 1. 1999 hätte erstrecken können.
283 BT-Drucks. 14/23, S. 170. 284 BT-Drucks, 14/23, S. 170. 285 Schön BB 1997, 1333, 1338.
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Das Wertaufholungsgebot im Lichte der unterschiedlichen Differenzierungsmaßstäbe
Zu fragen bleibt daher letztlich, ob das staatliche Bedürfnis einer zusätzlichen Einnahmeerzielung zur Finanzierung einer Absenkung der Steuersätze ein die echte Rückwirkung rechtfertigendes, zwingendes öffentliches Interesse darstellen kann. Die Zulässigkeit einer derartigen Argumentation wird jedoch von der ganz herrschenden Auffassung286 zu Recht verneint. Kirchhof287 hat in diesem Sinne darauf hingewiesen, dass die bloße Absicht, staatliche Einnahmen zu erzielen, kein Kriterium des Allgemeinwohls sein kann, da dieses Ziel auch durch eine sprunghafte und willkürliche Besteuerung erreicht wird. Dies muss umso mehr gelten, wenn der auszugleichende Finanzbedarf durch andere steuersenkende Maßnahmen in vorhersehbarer Weise selbst geschaffen wird. Schließlich kann auch die Möglichkeit einer schrittweisen Verteilung des Zuschreibungsgewinnes an dem Befund der Verfassungswidrigkeit nichts ändern. Dies liegt bereits darin begründet, dass eine quantitative Abmilderung einer verfassungswidrigen Regelung diese nicht verfassungsgemäß machen kann. Somit bleibt festzuhalten, dass die durch steuerliche Erfassung von Wertaufholungen vor dem 1. 1. 1999 verursachte echte Rückwirkung verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt werden kann. Die Erwägungen für die Teilwertabschreibung können insoweit ohne weiteres auf die AfaA übertragen werden. 286 BVerfGE 105, 15, 45; BFH v. 16. 12. 2003, BStBl II 2004, 284, 293; FG Köln v. 25. 7. 2002, EFG 2002, 1236, 1239; Kirchhof DStR 1979, 275, 278; Schön BB 1997, 1333, 1338; Wiesbrock, Die Verlustrückstellung im Steuer- und Verfassungsrecht, 1999, S. 268; Wermeckes DStZ 1999, 479, 484. Nach Auffassung des FG Köln v. 25. 7. 2002, EFG 2002, 1236, 1239; Mellinghoff DStJG 27 (2004), 25, 52 sowie von Spindler DStJG 27 (2004), 67, 86f soll jedoch eine unvorhergesehene Haushaltsbelastung, die das ordnungsgemäße Funktionieren des Staates gefährdet, als ein dem Vertrauen übergeordnetes zwingendes staatliches Finanzinteresse anerkannt werden. Treiber (DB 2004, 453, 457) hat herausgestellt, dass bei grundsätzlicher Anerkennung dieses Rechtfertigungsgrundes auch die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts (Art 115 GG) als derartige Sondersituation angesehen werden könnte. Dann ist es angesichts von Art 23 GG jedoch nur noch ein kleiner Schritt, auch die Verpflichtung zur Vermeidung übermäßiger öffentlicher Defizite (Art 104 Abs. 1 EGV) als überwiegendes öffentliches Interesse zu begreifen (vgl. Treiber DB 2004, 453, 457). Der Staat könnte in diesem Fall ungehemmt rückwirkende Gesetze erlassen. Aus diesen Gründen ist die Auffassung des FG Köln, Mellinghoffs und Spindlers abzulehnen. Schön DStJG 27 (2004), 61f; Pezzer DStJG 27 (2004), 269, 280; kritisch auch Treiber DB 2004, 453, 457 haben zu Recht darauf hingewiesen, dass sich der Staat beim Gegenwarts- oder Zukunftseinkommen bedienen kann. Eine Rückwirkung muss jedoch ausgeschlossen sein, da sonst die Abwägung für den Steuerpflichtigen nicht mehr vorhersehbar ist. 287 BFH v. 16. 12. 2003, BStBl II 2004, 284, 293; Kirchhof DStR 1979, 275, 278.
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Die verfassungsrechtliche Problematik der Zuschreibungspflicht
c)
Alternativbetrachtung unter Zugrundelegung der neueren Rechtsprechung
Selbst wenn man jedoch entgegen der hier vorgenommenen Einordnung die Auffassung vertritt, die Berücksichtigung vergangener Wertaufholungen sei aus den genannten Gründen lediglich als unechte Rückwirkung zu qualifizieren, bestehen erhebliche Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Regelung288. In Abkehr von der früheren Rechtsprechung des BVerfG und des BFH erachten Tendenzen in der neueren Rechtsprechung289 nicht jeden Fall der unechten Rückwirkung als grundsätzlich verfassungsrechtlich zulässig. Unter Bezugnahme auf die Idee eines dispositionsbezogenen Rückwirkungsbegriffs führt der IX. Senat des BFH in seinem Vorlagebeschluss v. 16. 12. 2003290 aus: „Aus dem Gebot der Rechtssicherheit und des daraus folgenden Vertrauensschutzes ergeben sich Grenzen auch für solche Gesetze, die ihrer Wirkung auf Tatbestände erstrecken, deren Verwirklichung bereits begonnen hat. Denn im Vertrauen auf die Beständigkeit und Berechenbarkeit des Rechts, das der Staatsbürger dem ordnungsgemäß gesetzten Recht entgegenbringen darf und das ihm ermöglicht, auf längere Zeit zu planen und zu disponieren, wird der Bürger getäuscht, wenn der Gesetzgeber an zurückliegende oder in der Entwicklung befindliche Tatbestände andere ungünstigere Rechtsfolgen anknüpft als diejenigen, auf welche sich der Steuerpflichtige bei seiner Disposition einrichten konnte.“
Damit zeigt sich, dass immer dann, wenn der Gesetzgeber an ein bereits vor der Verkündung des Gesetzes „ins Werk gesetzte Verhalten“ nachträglich ungünstigere Rechtsfolgen knüpft, in jedem Einzelfall eine Abwägung dahin stattzufinden hat, inwieweit und mit welchem Gewicht das Vertrauen des Steuerpflichtigen in die bestehende günstigere Rechtslage schützenswert ist und ob die öffentlichen Belange, die grundsätzlich tauglich sind, eine nachträgliche Änderung zu rechtfertigen, dieses Vertrauen überwiegen291.
288 A.A. FG Rheinland-Pfalz v. 20. 8. 2003, EFG 2003, 1681f rkr; Ehmke in: Blümich, EStG, § 6 Rn 579b; Schwenke BB 1997, 2408, 2409; Stobbe/Loose FR 1999, 405, 408f. 289 BVerfGE 105, 17, 37; BFH v. 5. 3. 2001, BStBl II 2001, 405; BFH v. 16. 12. 2003, BStBl II 2004, 284, 293; BFH v. 5. 2. 2005, ZIP 2005, 570, 572; Vorlagebeschluss des FG Köln v. 25. 7. 2002, EFG 2002, 1236f; Spindler DStJG 27 (2004), 67, 88; Pezzer DStJG 27 (2004), 269, 288; Mellinghoff DStJG 27 (2004), 25, 46. 290 BFH v. 16. 12. 2003, BStBl II 2004, 284, 293. 291 BVerfGE 105, 17, 37; BFH v. 16. 12. 2003, BStBl II 2004, 284, 293; BFH v. 5. 2. 2005, ZIP 2005, 570, 572; FG Köln v. 25. 7. 2002, EFG 2002, 1236, 1238; Spindler
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Das Wertaufholungsgebot im Lichte der unterschiedlichen Differenzierungsmaßstäbe
Zur Rationalisierung des somit erforderlichen Abwägungsprozesses erscheint es notwendig, Kriterien zu entwickeln, die die schutzwürdigen Interessen des Steuerpflichtigen auf einen Fortbestand der ursprünglichen Rechtslage qualitativ bewerten292. Ein bedeutender Anknüpfungspunkt in diesem Zusammenhang ist sicherlich die Frage, wie sich die geänderte Norm in Relation zu der Systematik der geregelten Materie verhält. Lang293 hat völlig zu Recht betont, dass das Vertrauen in den Bestand von Grundvorschriften, die zum systematischen Kern der geregelten Materie gehören, besonders schutzwürdig erscheint. Der besondere Vorzug dieses Kriteriums ist sicherlich darin zu sehen, dass die Bezugnahme auf die systematische Fundierung einer Norm in besonderer Weise mit dem verfassungsrechtlichen Gebot der folgerichtigen Umsetzung der einmal getroffenen Belastungsentscheidung harmoniert294. Ferner überwindet dieses Kriterium Schwierigkeiten, die aus einer ausschließlich dispositionsbezogenen Sichtweise des Vertrauenstatbestandes resultieren. Versteht man den Vertrauenstatbestand rein dispositionsbezogen, bereitet etwa auch die Beurteilung des Wertaufholungsgebotes Probleme, da die wirtschaftlichen Dispositionen des Steuerpflichtigen nicht in einem nach außen hervortretenden Verhalten des Steuerpflichtigen, in einem Akt der Vertrauensbetätigung, dokumentiert werden295. Orientiert man sich indes an der steuerlichen Systematik des Subsystems Steuerbilanzrecht, wird die Problematik sehr wohl fassbar. Beurteilt man das Wertaufholungsgebot anhand dieses Kriteriums, zeigt sich, dass der bisherige Verzicht auf eine zwangsweise Wertaufholung zum Kernbestand des Gewinnermittlungsrechts gehörte und aus diesem Grunde das Vertrauen der Steuerpflichtigen als besonders schutzwürdig erscheinen lässt. Die obigen systematischen Betrachtungen haben verdeutlicht, dass das Subsystem Steuerbilanzrecht vor der Umsetzung der Regelungen des Steuerentastungsgesetzes anhand eines reinvermögenszuwachstheoretischen Dif-
292 293
294 295
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DStJG 27 (2004), 67, 88; Schaumburg EFG 2002, 1239; Pezzer DStJG 27 (2004), 269, 277. Englisch/Plum StuW 2004, 342, 356; Pezzer DStJG 27 (2004), 268, 277. Lang WPg 1998, 163, 170, 174; Lang in: Tipke/Lang, 17. Auflage, 2002, § 4 Rn 180; Englisch/Plum StuW 2004, 342, 356, 358; so nun auch BFH v. 16. 12. 2003, BStBl II 2004, 284, 295. BFH v. 16. 12. 2003, BStBl II 2004, 284, 295. Lang (WPg 1998, 163, 170; Lang in: Tipke/Lang, 17. Auflage, 2002, § 4 Rn 180) hat zur Konkretisierung des Kriteriums der wirtschaftlichen Disposition bilanzspezifisch darauf abgestellt, dass die Rechnungslegung in Handels- und Steuerrecht als Vertrauensbetätigung zu werten sei, die weitgehend von einer gesetzlich geregelten Rechtslage abhänge, vgl. auch Hey BB 2000, 1453, 1457 unter Berufung auf die Abschlussfunktion der periodischen Bilanzaufstellung.
Die verfassungsrechtliche Problematik der Zuschreibungspflicht
ferenzierungsmaßstabes zu systematisieren war296. Die systematische Einordnung von Wertaufholungen, die vor dem 1. 1. 1999 eintraten, hat sich damit an der Reinvermögenszuwachstheorie und nicht am Nettorealisationsgedanken auszurichten. Ordnet man das Wertaufholungsgebot im Subsystem Betriebsvermögensgleich unter systematischen Gesichtspunkten ein, ist nach dem oben Gesagten daher festzustellen, dass der Verzicht auf die Besteuerung nichtrealisierter Wertsteigerungen, die auf einem Neuzuwachs an Leistungsfähigkeit im Anschluss an eine Teilwertabschreibung oder AfaA beruhten, unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten vor dem Hintergrund einer eigentumsschonenden Besteuerung geradezu gefordert war. Der verfassungsrechtliche Gehalt des Realisationsprinzips verbot es, auf diese wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zurückzugreifen. Die im Nettorealisationsgedanken verankerte Idee einer Rückgängigmachung der Teilwertabschreibung bzw. AfaA im Wege einer Korrektur nicht gebrauchter Vorsicht war einem derartigen Denken unbekannt. Damit ist in Bezug auf das Kriterium der systematischen Berechtigung der ursprünglichen Rechtslage festzustellen, dass der steuerliche Verzicht auf ein Wertaufholungsgebot als Ausfluss des Realisationsprinzips und damit eines Fundamentalprinzips der steuerlichen Gewinnermittlung verstanden werden muss, welches einen besonderen Vertrauensschutz genießt. Die besondere Schutzwürdigkeit des Vertrauens des Steuerpflichtigen wird ferner dadurch unterstrichen, dass der Gesetzgeber diese Rechtslage über Jahrzehnte anerkannt und immer wieder bestätigt hat297. Dieses Vertrauen in die systematischen Grundprinzipien der bisherigen Rechtslage würde enttäuscht, wenn die gesetzgeberische Grundentscheidung revidiert und die gebildeten Bilanzpositionen in späteren Perioden wieder vernichtet würden. Das schutzwürdige Vertrauen der Steuerpflichtigen in den Verzicht auf eine zwangsweise Realisierung vergangener Wertaufholungen kann im Rahmen der nach der neueren Rechtsprechung anzustellenden Abwägung auch nicht durch gegenläufige öffentliche Interessen überwunden werden. Wie bereits dargestellt kann in der Absicht des Gesetzgebers zur Gegenfinanzierung kein schutzwürdiges öffentliches Interesse gesehen werden, das geeignet wäre, das schutzwürdige Vertrauen der Steuerpflichtigen zu überwinden298. Darüber hinaus kann der Gesetzgeber eine Einbeziehung von Wertaufholungen, die durch Ereignisse vor dem 1. 1. 1999 hervorgerufen wurden, auch nicht durch das gesetzgeberische Interesse an der Neuausrichtung des Subsystems Steuerbilanzrecht an den Vorstellungen des Nettorealisationsgedan296 Vgl. 5. Kap. C. II. 1. 297 Vgl. 5. Kap. C. III. 1. b). 298 Vgl. 5. Kap. C. III. 1. b).
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Das Wertaufholungsgebot im Lichte der unterschiedlichen Differenzierungsmaßstäbe
kens und damit an der Verwirklichung eines Systemwechsels rechtfertigen. Zwar ist es richtig, dass das Vertrauen in den Fortbestand von Grundvorschriften, die zum systematischen Bestand der geregelten Materie gehören nur so lange schutzwürdig ist, wie der Gesetzgeber an seiner Belastungsentscheidung festhalten will299. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass zur Durchführung dieses Systemwechsels die Einbeziehung der Altfälle schlicht nicht erforderlich war. Dieser Gesichtspunkt verdeutlicht zugleich, dass dem Vertrauensschutz auch nicht durch die Möglichkeit einer steuerlichen Verteilung des Zuschreibungsgewinns Rechnung getragen werden kann300. Es ist zwar grundsätzlich anerkannt, dass das Vorliegen einer Übergangsregelung eine unechte Rückwirkung rechtfertigen kann301. Allerdings darf nicht verkannt werden, dass auch an eine Übergangsregelung qualitative Anforderungen zu stellen sind, damit dieser rechtfertigende Wirkung beigemessen werden kann302. Aus dem staatlichen Änderungsinteresse müssen sachliche Gründe abzuleiten sein, die eine Einbeziehung von Altfällen in die Übergangsregelung erforderlich machen. Dies ist jedoch nicht der Fall, da dem Gesetzgeber die Neuausrichtung des Subsystems Steuerbilanzrecht am Nettorealisationsgedanken und die damit verbundene Möglichkeit der Einführung eines Wertaufholungsgebotes auch dann möglich gewesen wäre, wenn der Gesetzgeber lediglich Wertaufholungen berücksichtigt hätte, die aus Ereignissen nach dem 1. 1. 1999 resultieren. Somit kann festgehalten werden, dass unabhängig davon, ob man eine echte oder unechte Rückwirkung annimmt, die Einbeziehung vergangener vor dem 1. 1. 1999 verursachter Wertaufholungen, nicht mit der Verfassung in Einklang steht. 2.
Beurteilung vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlichen Gehalts des Realisationsprinzips
In Anbetracht des Umstandes, dass Wertaufholungen, die bereits in Steuerperioden vor dem 31. 12. 1998 stattgefunden haben, unter dem Regime des für diesen Zeitraum bedeutsamen reinvermögenszuwachstheoretischen Differenzierungsmaßstabes als Neuzuwachs an steuerlicher Leistungsfähigkeit der jeweiligen vergangenen Steuerperiode zu interpretieren sind, stellt sich über die Rückwirkungsproblematik hinaus zusätzlich die verfassungsrechtli299 300 301 302
352
BFH v. 16. 12. 2003, BStBl II 2004, 284, 295. A.A. FG Rheinland-Pfalz v. 20. 8. 2003, EFG 2003, 1681f rkr. Maurer in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts III, 1988, § 60 Rn 51ff. Schön BB 1997, 1333, 1342; Maurer in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts III, 1988, § 60 Rn 53.
Die verfassungsrechtliche Problematik der Zuschreibungspflicht
che Frage, ob der Gesetzgeber in Anlehnung an reinvermögenszuwachstheoretische Leistungsfähigkeitsvorstellungen unrealisierte steuerliche Reserven ohne einen willentlichen Dispositionsakt des Steuerpflichtigen in die einkommensteuerliche Bemessungsgrundlage einbeziehen darf303. Die obigen Betrachtungen haben insoweit ergeben, dass die Grundsätze einer eigentumsschonenden Besteuerung den steuerlichen Zugriff auf nichtrealisierte Wertzuwächse grundsätzlich verfassungsrechtlich sanktionieren. Ausnahmen lassen sich lediglich für diejenigen Konstellationen begründen, bei denen durch Entstrickung eine endgültige Vereitelung des steuerlichen Zugriffs zu befürchten ist. Gerade dieser Gesichtspunkt kann zur Begründung der Erfassung vergangener Wertsteigerungen jedoch nicht herangezogen werden, da die wertaufholungsbedingte Besteuerung bei Wirtschaftsgütern ansetzt, die im Betriebsvermögen verbleiben. Festzuhalten bleibt somit, dass auch unter dem Gesichtspunkt des Eigentumsschutzes ein Rückgriff auf vergangene Wertaufholungen verfassungswidrig erscheint.
IV.
Verfassungsrechtliche Beurteilung der Wertaufholungspflicht in Bezug auf vor dem 1. 1. 1999 gebildete Teilwertabschreibungen und AfaA, bei denen die Werterholung erst nach dem 1. 1. 1999 eintritt
In verfassungsrechtlicher Hinsicht stellt sich des weiteren die Frage, ob es zulässig erscheint, Teilwertabschreibungen und AfaA zu korrigieren, die bereits in den Wirtschaftsjahren vor dem 31. 12. 1998 vorgenommen wurden, bei denen die Voraussetzungen des Zuschreibungsgebotes aber erst nach dem 1. 1. 1999 erfüllt werden. Diese Fallgruppe ist dadurch charakterisiert, dass zwar lediglich künftige Ereignisse zur Grundlage der Besteuerung gemacht werden, angeknüpft wird hierzu jedoch an Gegebenheiten, die bereits vor dem 31. 12. 1998 angelegt wurden. 1.
Leistungsfähigkeitsprinzip
Unter Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten sowie im Hinblick auf das Prinzip einer eigentumsschonenden Besteuerung begegnet die Verwendung der vergangenen Teilwertabschreibungen und AfaA als Wertaufholungspotential
303 Schön BB 1997, 1333, 1339ff. Insoweit erscheint es argumentativ unzulässig lediglich darauf hinzuweisen, dass die Wertaufholung als Korrektur der steuermindernden Berücksichtigung nicht mehr zu erwartender Verluste zu verstehen sei, so Schwenke BB 1997, 2408, 2411.
353
Das Wertaufholungsgebot im Lichte der unterschiedlichen Differenzierungsmaßstäbe
gemessen an dem nunmehr zugrundezulegenden Differenzierungsmaßstab des Nettorealisationsgedankens keinen verfassungsrechtlichen Bedenken304. 2.
Beurteilung der zukünftigen Wertaufholungen vor dem Hintergrund der Rückwirkungsproblematik
Überprüft werden soll aber, ob das in der Vergangenheit geschaffene Wertaufholungspotential unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes für eine Besteuerung im Rahmen einer Wertzuschreibung zur Verfügung stehen kann. Bedeutsam könnte insoweit sein, dass die Steuerpflichtigen bei Ansatz des niedrigeren Teilwertes oder der Vornahme der AfaA davon ausgegangen sind, diesen Wertansatz auch zukünftig beibehalten zu können. Insbesondere im Hinblick auf die an Gewicht zunehmenden Tendenzen in der Literatur, die Rückwirkungsdogmatik dispositionsbezogen auszugestalten, stellt sich die Frage, ob der Vertrauensschutz auf den laufenden Veranlagungszeitraum beschränkt werden kann oder ob konsequenterweise Vertrauensschutz auch für zukünftige Veranlagungszeiträume gewährt werden muss, falls in diesen Jahren Rechtsfolgen aufgrund der Disposition eintreten305. Aus der Gleichstellung der vertrauensrechtlichen Abgeschlossenheit des Jahresabschlusses mit einer rechtsgeschäftlichen Disposition des Steuerpflichtigen306 könnte man versucht sein, unter Vertrauensschutzaspekten herzuleiten, dass die ehemals begründeten Bilanzansätze auch für die Zukunft erhalten bleiben müssen307. Stellt man sich auf diesen Standpunkt, würde eine zwangsweise Auflösung der in früheren Veranlagungszeiträumen gebildeten stillen Reserven folglich ausscheiden, ein Wertaufholungspotential aus in der Vergangenheit gebildeten stillen Reserven nicht zur Verfügung stehen. Die vorstehende Argumentation findet zunächst ihre Grundlage in der Vereinheitlichung des Vertrauensschutzgedankens infolge der Anknüpfung an den Dispositionsakt, woraus auch eine Tendenz zur Vereinheitlichung der Anforderungen an die verfassungsrechtliche Rechtfertigung folgt.
304 Vgl. 5. Kap. C. I. 2. Der Unterschied gegenüber Schön BB 1997, 1333, 1343f erklärt sich daraus, dass Schön zur Zeit des Entwurf eines Steuerreformgesetzes 1998 von einer Fortgeltung des traditionellen vermögensstatischen Differenzierungsmaßstabes ausgehen konnte. 305 So Arndt/Schumacher NJW 1998, 1538, 1539; vgl. zu dieser Fragestellung auch Wernsmann JuS 2000, 39, 41f; Reimer DStZ 2001, 725, 731f; Hey, Steuerplanungssicherheit als Rechtsproblem, 2002, S. 317. 306 Lang WPg 1998, 163, 170; Lang in: Tipke/Lang, 17. Auflage, 2002, § 4 Rn 179. 307 Lang WPg 1998, 163, 174 spricht insoweit von der Notwendigkeit eines Bestandes bis zum Abschluss der Disposition.
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Die verfassungsrechtliche Problematik der Zuschreibungspflicht
Im Rahmen der periodischen Betrachtung kann es im Bereich der Fiskalzwecknormen aber keinen absoluten Bestandschutz im Hinblick auf den künftigen Fortbestand von Gesetzesvorschriften geben. Wenn dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Periodeneinkommens die Kompetenz zugestanden werden muss, den das Leistungsfähigkeitsprinzip ausfüllenden Differenzierungsmaßstab im Zusammenspiel mit den insoweit bedeutsamen anderen verfassungsrechtlichen Prinzipien festzulegen und auch wieder zu ändern, steht der Vertrauensschutz unter dem Vorbehalt, dass der Gesetzgeber eine gesetzliche Regelung einem bestimmten Differenzierungsmaßstab anpasst. Insoweit muss der Steuerpflichtige sich darauf einstellen, dass die Gesetzesordnung in einem stetigen Wandel begriffen ist und es daher ein Vertrauen in eine unabänderliche Gesetzeslage nicht geben kann308. Die Dispositionsmöglichkeiten des demokratisch legitimierten Gesetzgebers wären unvertretbar beschränkt, wenn der Gesetzgeber bei der Umsetzung dieser Systemwechsel an der Einwirkung auf bestehende Rechtsverhältnisse gehindert wäre309. Ein besonderer Vertrauensschutz kommt im Rahmen einer echten Rückwirkung lediglich solchen Sachverhalten zu, die unter steuersystematischen Gesichtspunkten als abgeschlossen zu betrachten sind310. Dabei ist im Rahmen der Betrachtung des Periodeneinkommens nach den oben gewonnenen Erkenntnissen darauf abzustellen, ob ein steuerlicher Sachverhalt unter Zugrundelegung des in der jeweiligen Periode maßgeblichen Differenzierungsmaßstabes als Gegenwartseinkommen zu erfassen gewesen wäre. Knüpft der Gesetzgeber jedoch lediglich an einen in der Vergangenheit liegenden Umstand an und begründet der Sachverhalt im Rahmen eines veränderten, nunmehr zugrundezulegenden Differenzierungsmaßstab aber erst zukünftiges Einkommen, liegt lediglich eine unechte Rück308 Kirchhof StuW 2000, 221, 229; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band 1, 2. Auflage, 2000, S. 164; vgl. auch BFH v. 16. 12. 2003, BStBl II 2004, 284, 295. 309 Jochum NJW 2004, 1427, 1429. 310 Eine stärkere Gewichtung des Dispositionsaktes kommt jedoch dann in Betracht, wenn der Steuerpflichtige durch einen steuerlichen Anreiz zu einem bestimmten Verhalten herausgefordert wird. Wenn der Steuerpflichtige durch einen Dispositionsakt dem „Locken des Gesetzgebers folgt“, begründet die wirtschaftliche Disposition auch für die Zukunft einen stärkeren Vertrauensschutz für Lenkungsnormen als bei Fiskalzwecknormen. Die vorstehend vorgenommene Unterscheidung harmoniert insoweit grundsätzlich auch mit der in der Literatur vertretenen Auffassung (Isensee FS Klein, 1994, S. 611, 613f; Vogel JZ 1988, 833, 838; Papier Stbg 1999, 49, 57; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band 1, 2. Auflage, 2000, S. 166f.; Leisner, Kontinuität als Verfassungsprinzip, 2002, S. 574, 576ff; Kirchhof StuW 2000, 221, 223), wonach reine Fiskalzwecknormen einen geringeren Vertrauensschutz genießen als sog. Lenkungsnormen, da Fiskalzwecknormen bloße Rahmenbedingungen für das Handeln des Steuerpflichtigen bilden, nicht aber den Anlass für Dispositionen darstellen.
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Das Wertaufholungsgebot im Lichte der unterschiedlichen Differenzierungsmaßstäbe
wirkung vor. Insoweit folgt aus der verfassungsrechtlichen Anerkennung von Systemwechseln, dass die Modalität, an die der zukünftige Sachverhalt anknüpft, vor dem Hintergrund des neuen Differenzierungsmaßstabes einen veränderten Bedeutungsgehalt erfahren kann. Berücksichtigt man dies, erscheint eine Anknüpfung an einen irgendwie gearteten Dispositionsakt insoweit als zu starr. Vielmehr bestätigt sich auch in dieser Hinsicht die besondere Bedeutung der periodischen Betrachtungsweise. Beurteilt man Wertaufholungen, die zwar an vergangene Teilwertabschreibungen und AfaA anknüpfen, bei denen eine Wertaufholung jedoch erst infolge künftiger Ereignisse stattfindet unter diesen Gesichtspunkten, muss von einer unechten Rückwirkung ausgegangen werden311. Die obigen Darlegungen haben gezeigt, dass den Teilwertabschreibungen und AfaA unter dem Regime des Nettorealisationsgedankens eine veränderte Bedeutung zukommt, was wiederum entscheidende Auswirkungen auf das Verständnis des Wertaufholungsgebotes und dessen verfassungsrechtliche Berechtigung hat312. Im Rahmen dieses Verständnisses können vergangene Teilwertabschreibungen und AfaA durchaus ein Wertaufholungspotential darstellen, auf das infolge eines künftigen Vorganges (veränderte Einschätzung des negativen Erfolgsbeitrages bzw. Neueinschätzung des Alimentationsverhältnisses) einkommenswirksam zurückgegriffen werden kann. Anhaltspunkte, unter denen diese unechte Rückwirkung verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen würde, sind im Hinblick auf die zukünftigen Wertaufholungen nicht ersichtlich. Selbst wenn man mit der neueren Rechtsprechung313 und Teilen der Literatur314 nicht jeden Fall einer unechten Rückwirkung für grundsätzlich verfassungsrechtlich zulässig erachtet, sondern eine am Einzelfall orientierte Abwägung des Vertrauens des Steuerpflichtigen gegen die für die Änderung streitenden öffentlichen Interessen verlangt, muss vorliegend festgestellt werden, dass die Einbeziehung vergangener Teilwertabschreibungen und AfaA in das zukünftige Wertaufholungspotential vor dem Hintergrund der Idee einer einheitlichen Umsetzung des Nettorealisationsgedankens in Bezug auf nach dem 1. 1. 1999 stattfindende Ereig311 So im Ergebnis Schön BB 1997, 1333, 1343; Stobbe in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 6 Rn 625. 312 Vgl. die systematischen Überlegungen zur Nettorealisation 1. Kap. B. III. 2. a) aa); 5. Kap. C. I. 2. 313 BVerfGE 105, 17, 37; BFH v. 5. 3. 2001, BStBl II 2001, 405; BFH v. 16. 12. 2003, BStBl II 2004, 284, 293; BFH v. 5. 2. 2005, ZIP 2005, 570, 572; Vorlagebeschluss des FG Köln v. 25. 7. 2002, EFG 2002, 1236f. 314 Spindler DStJG 27 (2004), 67, 88; Pezzer DStJG 27 (2004), 269, 288; Mellinghoff DStJG 27 (2004), 25, 46; Höreth/Schiegl/Zipfel BB 2004, 857, 859.
356
Die verfassungsrechtliche Problematik der Zuschreibungspflicht
nisse, die eine gegenwärtige Steigerung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit abbilden, verfassungsrechtlich gerechtfertigt erscheint. Dem öffentlichen Änderungsinteresse stehen in diesem Fall auch keine überwiegenden Vertrauensinteressen des Steuerpflichtigen gegenüber, denn das Vertrauen des Steuerpflichtigen reduziert sich in diesem Fall nicht auf die umfängliche Aufrechterhaltung vergangener Belastungsentscheidungen zur Konturierung des jeweiligen Periodeneinkommens, sondern auf die bloße Hoffnung in den Aufrechterhaltung der bisherigen Rechtslage.
357
6. Kapitel: Das Merkmal der voraussichtlich dauernden Wertminderung Nach §§ 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 2, Nr. 2 S. 2 EStG i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 erfordert der Ansatz eines niedrigeren Teilwertes ab dem ersten nach dem 31.12.1998 endenden Wirtschaftsjahr in Anlehnung an das Handelsrecht eine voraussichtlich dauernde Wertminderung, wobei die Nachweispflicht für den niedrigeren Teilwert beim Steuerpflichtigen liegt1. Dabei ist im Gegensatz zur handelsrechtlichen Regelung unerheblich, ob es sich um ein Wirtschaftsgut des Anlage- oder Umlaufvermögens handelt. Weiterhin ist zu beachten, dass die Erfüllung dieses Tatbestandsmerkmals auch Voraussetzung für die Beibehaltung des niedrigeren Teilwertes, d.h. der Vermeidung einer zwingenden steuerlichen Wertaufholung ist2. Dem Merkmal der voraussichtlich dauernden Wertminderung kommt daher in Zukunft eine zentrale Rolle zu. Da das Gesetz selbst keine Definition des Begriffs enthält, erweist es sich von besonderer Bedeutung, Auslegungsdirektiven aufzuzeigen.
A.
Das Merkmal der voraussichtlich dauernden Wertminderung im Spiegel der unterschiedlichen Grundkonzeptionen
Der Systemwechsel hinsichtlich des Differenzierungsmaßstabes im Bilanzsteuerrecht legt es nahe, das neu eingefügte Merkmal der voraussichtlich dauernden Wertminderung im Lichte der Funktion des Imparitätsprinzips zu interpretieren, die diesem unter dem Regime des Nettorealisationsgedankens zukommt3. Führt man sich diese Zwecksetzung vor Augen, ist entscheidend herauszustellen, dass das Imparitätsprinzip zum Ziel hat, künftige Abrechnungszeiträume von entstandenen, aber noch nichtrealisierten Ausschüttungsbelastungen frei zu halten. Daher werden Verluste antizipiert, die zwar voraussehbar sind, die sich nach der Idee der Nettorealisation aber erst in den folgenden Perioden realisieren würden. Dieser Interpretation des Imparitätsprinzips korrespondiert die oben aufgezeigte funktionale Interpretation der Teilwertabschreibung. Eine voraussichtlich dauernde Wertminderung liegt vor dem Hintergrund eines derartigen Verständnisses des Imparitätsprinzips dann vor, wenn der Steuerpflichtige nach den Erkenntnissen des 1 2 3
Strahl KÖSDI 2000, 12371, 12372. Schneider ZBB 2000, 121, 127; vgl. auch Fleischmann StuB 2000, 230, 231. Hommel/Berndt DStR 2000, 1745, 1750.
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6. Kapitel: Das Merkmal der voraussichtlich dauernden Wertminderung Nach §§ 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 2, Nr. 2 S. 2 EStG i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 erfordert der Ansatz eines niedrigeren Teilwertes ab dem ersten nach dem 31.12.1998 endenden Wirtschaftsjahr in Anlehnung an das Handelsrecht eine voraussichtlich dauernde Wertminderung, wobei die Nachweispflicht für den niedrigeren Teilwert beim Steuerpflichtigen liegt1. Dabei ist im Gegensatz zur handelsrechtlichen Regelung unerheblich, ob es sich um ein Wirtschaftsgut des Anlage- oder Umlaufvermögens handelt. Weiterhin ist zu beachten, dass die Erfüllung dieses Tatbestandsmerkmals auch Voraussetzung für die Beibehaltung des niedrigeren Teilwertes, d.h. der Vermeidung einer zwingenden steuerlichen Wertaufholung ist2. Dem Merkmal der voraussichtlich dauernden Wertminderung kommt daher in Zukunft eine zentrale Rolle zu. Da das Gesetz selbst keine Definition des Begriffs enthält, erweist es sich von besonderer Bedeutung, Auslegungsdirektiven aufzuzeigen.
A.
Das Merkmal der voraussichtlich dauernden Wertminderung im Spiegel der unterschiedlichen Grundkonzeptionen
Der Systemwechsel hinsichtlich des Differenzierungsmaßstabes im Bilanzsteuerrecht legt es nahe, das neu eingefügte Merkmal der voraussichtlich dauernden Wertminderung im Lichte der Funktion des Imparitätsprinzips zu interpretieren, die diesem unter dem Regime des Nettorealisationsgedankens zukommt3. Führt man sich diese Zwecksetzung vor Augen, ist entscheidend herauszustellen, dass das Imparitätsprinzip zum Ziel hat, künftige Abrechnungszeiträume von entstandenen, aber noch nichtrealisierten Ausschüttungsbelastungen frei zu halten. Daher werden Verluste antizipiert, die zwar voraussehbar sind, die sich nach der Idee der Nettorealisation aber erst in den folgenden Perioden realisieren würden. Dieser Interpretation des Imparitätsprinzips korrespondiert die oben aufgezeigte funktionale Interpretation der Teilwertabschreibung. Eine voraussichtlich dauernde Wertminderung liegt vor dem Hintergrund eines derartigen Verständnisses des Imparitätsprinzips dann vor, wenn der Steuerpflichtige nach den Erkenntnissen des 1 2 3
Strahl KÖSDI 2000, 12371, 12372. Schneider ZBB 2000, 121, 127; vgl. auch Fleischmann StuB 2000, 230, 231. Hommel/Berndt DStR 2000, 1745, 1750.
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Das Merkmal der voraussichtlich dauernden Wertminderung
Bilanzstichtages den Buchwert eines Wirtschaftsgutes nicht mehr durch die zukünftigen zurechenbaren Nettoeinnahmen amortisieren kann und daher eine zukünftige Ausschüttungsbelastung zu erwarten ist4. Umgekehrt ist die Wertminderung lediglich vorübergehender Natur, wenn zum Bilanzstichtag zwar der Zeitwert des Wirtschaftsgutes den Buchwert des Wirtschaftsgutes unterschreitet, jedoch der Buchwert nach den Erkenntnissen des Bilanzstichtages voraussichtlich durch die zukünftigen zuzurechnenden Nettoeinnahmen gedeckt ist, eine Ausschüttungsbelastung daher nicht in Betracht kommt5. Eine stichtagsbezogene Minderung des Zeitwertes darf daher nicht zu einer Abschreibung nach dem Imparitätsprinzip führen, wenn die erzielbaren Nettoeinnahmen den Buchwert amortisieren, da ansonsten lediglich entgangene Gewinne berücksichtigt würden, eine Ausschüttungsbelastung aber gar nicht zu erwarten ist6. Angesichts des Systemverständnisses des Imparitätsprinzips im Gefüge der Nettorealisation erscheint es daher angezeigt, das Kriterium der dauerhaften Wertminderung nicht vermögensorientiert zu bestimmen, sondern vielmehr aufwandsüberschussorientiert zu interpretieren7. Mit dieser Ansicht ist im übrigen ohne weiteres vereinbar, dass dem Steuerpflichtigen nach der gesetzlichen Konstruktion die Feststellungslast für das Vorliegen einer voraussichtlich dauernden Wertminderung obliegt. Auch im Rahmen einer ausschüttungsorientierten Interpretation hat es seine Berechtigung von der Vermutung auszugehen, dass der Teilwert den (fortgeführten) Anschaffungs- oder Herstellungskosten entspricht. Dies liegt darin begründet, dass hinsichtlich der von einem Steuerpflichtigen für den Erwerb eines Wirtschaftsgutes geleisteten Aufwendungen grundsätzlich typisiert angenommen werden kann, dass diese durch zukünftige Erträge ausgeglichen werden können8. Dennoch hat die wohl überwiegende Auffassung in der Literatur sowie die Finanzverwaltung9 versucht, das Kriterium der voraussichtlich dauernden Wertminderung vor dem Hintergrund der Vermögensbewertung zu bestim4
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Hommel/Berndt FR 2000, 1305, 1308; Hommel/Berndt DStR 2000, 1745, 1750f; Moxter DStR 1998, 509, 511; Moxter, Bilanzrechtsprechung, 5. Auflage, 1999, S. 255f; Euler Zfbf 1991, 191, 196f; Wüstemann Zfbf 1995, 1029, 1039. Moxter DStR 1998, 508, 511; Hommel/Berndt DStR 2000, 1745, 1751; Hommel/Berndt FR 2000, 1305, 1308; vgl. auch Jüttner, GoB-System, Einzelbewertungsgrundsatz und Imparitätsprinzip, 1993, S. 177. Hommel/Berndt FR 2000, 1305, 1308. Hommel/Berndt DStR 2000, 1745, 1750ff. Hommel/Berndt DStR 2000, 1745, 1751. BMF v. 25. 2. 2000, BStBl I 2000, S. 372ff, Tz 4 offenbar in Anlehnung an die Entscheidung des BFH v. 27. 11. 1974, BStBl II 1975, 294, 295; vgl. Dietrich DStR 2000, 1629, 1631ff; Strahl KÖSDI 2000, 12371, 12373 jeweils mwN.
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Das Merkmal der voraussichtlich dauernden Wertminderung
men. Daher soll kurz skizziert werden, welche Konsequenzen sich aus einem derartigen Standpunkt ergeben. Wie bereits dargestellt, kann die voraussichtlich dauernde Wertminderung eines Wirtschaftsgutes im Rahmen der Vermögensstatik lediglich als Objektivierungs- und Vereinfachungsrestriktion verstanden werden, die den an sich gebotenen Ansatz jeder stichtagsbezogenen Wertminderung begrenzt10. Diese Ableitung kann für die Interpretation des Kriteriums der voraussichtlich dauernden Wertminderung nicht ohne Konsequenzen bleiben. Zu fragen ist daher, über welche Zeitdauer die eigentlich anzusetzende, stichtagsbezogene Wertminderung aufgrund von Vereinfachungserwägungen ignoriert werden kann. In der handelsrechtlichen Literatur, hat sich die Auffassung herausgebildet, dass eine voraussichtlich dauernde Wertminderung ein nachhaltiges Absinken unter den Buchwert voraussetzt11. Ein allgemeingültiges Zeitmaß hierfür wird in der Literatur nicht angegeben. Vielmehr hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass die Art des betreffenden Wirtschaftgutes und dessen Nutzungsdauer berücksichtigt werden muss12. Im Hinblick auf den Ausnahmecharakter liegt es jedoch nahe, den Prognosezeitraum tendenziell kurz zu fassen und im Zweifel von einer voraussichtlich dauernden Wertminderung auszugehen13. Anhaltspunkte für die vermögensorientierte Beurteilung der dauernden Wertminderung werden für das abnutzbare Anlagevermögen ganz überwiegend14 aus dem Handelsrecht und da speziell aus § 154 AktG 1965 hergeleitet, das in vermögensstatischer Tradition15 erstmals handelsrechtlich zwischen einer dauerhaften und einer vorübergehenden Wertminderung unterschieden hat. Nach der zugrundeliegenden Begründung des Regierungsentwurfs zu § 154 AktG sollte eine dauernde Wertminderung dann vorliegen, wenn der Wert, der sich aus den planmäßigen Abschreibungen ergibt, während eines erheblichen Teils der Restnutzungsdauer nicht erreicht wird16. Diese inhaltliche Konkretisierung hat sich vielfach auch für § 253 Abs. 2 HGB durchgesetzt.
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Vgl. 4. Kap. C. I. 1. Vgl. Cattelaens DB 1999, 1185, Schneider ZBB 2000, 121, 129. Vgl. Kessler DB 1999, 2577, 2579; Loitz/Winnacker DB 2000, 2229. Hoyos/Schramm/Ring in: Beck`scher Bilanzkommentar, 3. Auflage, 1995, § 253 Rn 295; Wiedmann, Bilanzrecht, 2. Auflage, 2003, § 253 Rn 66. 14 Kemper/Beyschlag, DStR 1999, 737, 738; Groh DB 1999, 978, 982; Cattelaens DB 1999, 1185; Kölpin StuB 2000, 917; Strahl KÖSDI 2000, 12371, 12373. 15 Vgl. Hommel/Berndt DStR 2000, 1745, 1749. 16 Vgl. Kropff, Aktiengesetz, 1965, § 154 S. 245; vgl. auch BFH v. 27. 11. 1974, BStBl II 1975, 294, 295.
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Das Merkmal der voraussichtlich dauernden Wertminderung
Erhebliche Wertminderungen aus einem besonderen Anlass sollen zudem stets zu einer voraussichtlich dauernden Wertminderung führen17. Zu berücksichtigen ist nach beiden Auffassungen ferner, dass nach der Rechtsprechung des BFH und der ganz überwiegenden Lehre18, die allgemeine Unterscheidung zwischen werterhellenden und wertbeeinflussenden Tatsachen auch für die Problematik bedeutsam ist, ob aus Sicht des Bilanzstichtages eine voraussichtlich dauernde Wertminderung anzunehmen ist19. Die Grundsätze der Wertaufhellung regeln, welche Informationen der Steuerpflichtige bei der Bilanzerstellung berücksichtigen darf20. Das Stichtagsprinzip fordert, dass allein anhand der am Stichtag vorliegenden Informationen zu entscheiden ist, ob die Voraussetzungen für eine Teilwertabschreibung und damit auch eine voraussichtlich dauernde Wertminderung vorliegen21. Daher kann es nicht auf den Informationsstand des Bilanzierenden nach dem Bilanzstichtag ankommen. In die Wertfindung sind vielmehr nur solche Ereignisse einzubeziehen, die ihren Entstehungsgrund vor dem Bilanzstichtag haben und insoweit in wertbeeinflussender Weise Eingang in den Stichtagswert gefunden haben22. Nach dem Bilanzstichtag eintretende Ereignisse, die nicht lediglich die Stichtagsverhältnisse (werterhellend) konkretisieren, sondern diese wertbeeinflussend verändern, dürfen daher nicht berücksichtigt werden23. Auch aus dem Imparitätsprinzip ergibt sich keine Abkehr vom Prinzip des Abschlussstichtages. Dies bedeutet, dass die Abschlussstichtagswerte nicht durch die bis zum Bilanzerstellungstag gegebenen Werte ersetzt werden dürfen. Ferner dürfen werterhellend nur solche Informationen Verwendung finden, die sich auf die Wertminderungen des Abschlussstichtages beziehen und nicht danach eintretende Wertminderungen begründen24.
17 BMF v. 25. 2. 2000, BStBl I 2000, S. 372ff, Tz 4; Cattelaens DB 1999, 1185; Dietrich DStR 2000, 1629, 1632; Kölpin StuB 2000, 917, 919; vgl. auch Adler/Düring/ Schmaltz, 6. Auflage, 1995, § 253 Rn 477. Nach dem oben Gesagten ist der Abschreibungsbedarf in einem solchen Fall jedoch aus der vorrangig anzuwendenden AfaA zu begründen. 18 BFH v. 2. 10. 1992, BFHE 169, 423, 425f; Schneider ZBB 2000, 121, 128. 19 Vgl. Paus NWB Fach 17, S. 1669, 1674. 20 Hommel/Berndt FR 2000, 1305, 1307. 21 Hommel/Berndt FR 2000, 1305, 1307; Kessler DB 1999, 2577, 2578. 22 Hommel/Berndt FR 2000, 1305, 1308. 23 Vgl. Hommel/Berndt DStR 2000, 1745, 1746. 24 Hommel/Berndt FR 2000, 1305, 1308.
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Konkretisierung anhand von Einzelfällen
B.
Konkretisierung anhand von Einzelfällen
Nachfolgend soll kurz skizziert werden, welche Konsequenzen sich aus dem Paradigmenwechsel für die Auslegung des Merkmals der voraussichtlich dauernden Wertminderung im Hinblick auf die unterschiedlichen Wirtschaftsgüter ergeben. Dabei kann nicht im Detail auf die vielfältigen Fragestellungen eingegangen werden, vielmehr sollen die Konsequenzen und Unterschiede, aber auch Gemeinsamkeiten zur vermögensorientierten Interpretation lediglich kursorisch veranschaulicht werden.
I.
Abnutzbares Anlagevermögen
Nach der vermögensorientierten Interpretation ist für das Anlagevermögen entscheidend, dass der jeweilige Stichtagswert während eines erheblichen Teils der weiteren Nutzungsdauer unter dem planmäßigen Restbuchwert liegt25. Dieser Gesichtspunkt wurde zunächst für das Handelsrecht von der wohl überwiegenden Auffassung26 für das abnutzbare Anlagevermögen dahin konkretisiert, dass der Wert eines Wirtschaftsgutes zum Bilanzstichtag mindestens für die halbe Restnutzungsdauer unter dem planmäßigen Restbuchwert liegen muss. Die überwiegende Auffassung in der Literatur und insbesondere die Finanzverwaltung27 will diese Interpretation für das abnutzbare Anlagevermögen auch auf das Steuerrecht übertragen. In der Literatur wurde jedoch zu Recht darauf hingewiesen, dass sich diese These bei sehr langlebigen Wirtschaftsgütern als problematisch erweist, da eine Prognose bei einem Zeitraum von 25 Jahren - so bei Gebäuden nach § 7 Abs. 4 Nr. 2 EStG – nicht durchzuführen ist28. Daher findet sich der Vorschlag, eine Wertminderung dann als dauerhaft anzusehen, wenn der Wert in den nächsten fünf Jahren nicht zum Ausgleich gebracht wird, und nur in den Fällen einer kürzeren Nutzungsdauer auf die Hälfte der Nutzungsdauer des Wirt-
25 Vgl. nur Winkeljohann in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG § 6 Rn 562; Ehmcke in: Blümich, EStG, § 6 Rn 564. 26 Hoyos/Schramm/Ring in: Beck`scher Bilanzkommentar, 3. Auflage, 1995, § 253 Rn 295; Budde/Geißler in: Beck`scher Bilanzkommentar, 4. Auflage, 1999, § 253 Rn 295; Berger/M. Ring in: Beck`scher Bilanzkommentar, 5. Auflage, 2003, § 253 Rn 295. 27 BMF v. 25. 2. 2000, BStBl I 2000, S. 372ff, Tz 6; Kölpin StuB 2000, 917, 918; Glanegger in: Schmidt, EStG, 24. Auflage, 2005, § 6 Rn 218; Loitz/Winnacker DB 2000, 2229; Winkeljohann in. Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 6 Rn 562; Ehmcke in: Blümich, EStG, § 6 Rn 564; vgl. auch Kusterer DStR 2000, 1083, 1084. 28 FG Münster v. 14. 1. 2005, EFG 2005, 683; Dietrich DStR 2000, 1629, 1631; Paus NWB Fach 17, 1669, 1675; kritisch auch Mayer-Wegelin in: Bordewin/Brandt, EStG, § 6 Rn 144b, 144c.
363
Das Merkmal der voraussichtlich dauernden Wertminderung
schaftsgutes abzustellen29. Für diese Ansicht spricht bereits der Umstand, dass das Merkmal der voraussichtlich dauernden Wertminderung im System der Vermögensstatik restriktiv auszulegen ist. Die Unterordnung der Teilwertabschreibung unter ein als Verlustantizipationsinstrument verstandenes Imparitätsprinzip führt im Gegensatz zu der vorstehend beschriebenen Ansicht dazu, dass eine Teilwertabschreibung nur dann erfolgen darf, wenn sich nach Erwerb des Anlagegegenstandes herausstellt, dass die durch dieses erzielbaren Nettoeinnahmeerwartungen so weit hinter den Erwartungen zurückbleiben, dass noch nicht einmal mehr die fortgeführten Anschaffungs- oder Herstellungskosten amortisiert werden können30. Dauerhaft geminderte Nettoertragserwartungen implizieren daher drohende Aufwandüberschüsse, lediglich vorübergehend geminderte Erträge oder gestiegene Aufwendungen können eine derartige Vermutung demgegenüber nicht begründen31. Wie im Laufe der Arbeit bereits mehrfach dargestellt wurde, können aufgrund von Zurechnungsschwierigkeiten künftige Unternehmenseinnahmen aber nicht willkürfrei bestimmten Wirtschaftsgütern zugeordnet werden. Dies setzt naturgemäß auch der Prognose, ob und inwieweit der Buchwert eines Wirtschaftsgutes noch durch die zukünftigen zurechenbaren Nettoeinnahmen gedeckt ist, enge Grenzen. Insbesondere Moxter32 und seine Schüler haben daher unter starker Betonung von Objektivierungsgesichtspunkten vorgeschlagen, zur Schätzung der Ertragserwartungen hilfsweise auf die eigentlich nicht maßgeblichen aktuellen Marktwerte zurückzugreifen und aus dem gefallenen Vermögenswertanteil indiziell auf eine künftige Ausschüttungsbelastung in gleicher Höhe zu schließen. Euler33 hat dies dahingehend begründet, dass gesunkene Wiederbeschaffungspreise zwar nicht kausal mit den künftigen Anlageerträgen verknüpft seien, es jedoch bei gesunkenen Wiederbeschaffungskosten wahr29 FG Münster v. 14. 1. 2005, EFG 2005, 683; Baetge/Brockmeyer in: Leffson, Handwörterbuch unbestimmter Rechtsbegriffe im Bilanzrecht, 1986, S. 385; Dietrich DStR 2000, 1629, 1631f; ähnlich auch Richter in: Handbuch des Jahresabschlusses, Abt II/1 Rn 259 mit der Einschränkung, dass eine Restnutzungsdauer von weniger als drei Jahren nicht erheblich ist. 30 Hommel/Berndt FR 2000, 1305, 1311; Mellwig in: Beck HDR, B 164 Rn 46, 49. 31 Euler Zfbf 1991, 191, 197. 32 Moxter FS Klein, 1994, S. 827, 832; Moxter DStR 1998, 509, 511; vgl. auch Groh StuW 1976, 32, 33; Jüttner, GoB-System, Einzelbewertungsgrundsatz und Imparitätsprinzip, 1993, S. 174: Wiederbeschaffungskosten als marktmäßige Konkretisierung der Mindestertragserwartungen aus einer Investition; Mellwig in Beck HDR, B 164 Rn 50; Euler Zfbf 1991, 191, 198, 208; Hommel/Berndt DStR 2000, 1745, 1751; Hommel/Berndt FR 2000, 1305, 1311. 33 Euler Zfbf 1991, 191, 198.
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Konkretisierung anhand von Einzelfällen
scheinlich sei, dass die in Form von Anschaffungs- oder Herstellungskosten aktivierten Ausgabenvorleistungen nicht mehr entsprechende Nettoerträge alimentieren. Damit zeigt sich, dass eine an der künftigen Belastung der Gewinn- und Verlustrechnung orientierte Verlustbemessung als Leitprinzip auch dann aufrecht erhalten werden kann, wenn sich die Höhe der Belastung der Gewinn- und Verlustrechnung nur hilfsweise bestimmen lässt34. Wenn die künftigen Nettoeinnahmeerwartungen jedoch durch die gefallenen Wiederbeschaffungskosten indiziert sind, stellt sich die Frage, ob in jedem Fall stichtagsbezogen gesunkener Wiederbeschaffungskosten gleichsam auch eine dauerhafte Wertminderung i.S. einer künftigen Ausschüttungsbelastung indiziert ist. Auf Basis des umsatzbezogen verstandenen Imparitätsprinzips wird dies in der Literatur35 verneint, da eine Ausschüttungsbelastung nur droht, wenn die geminderten Nettoertragserwartungen indiziert durch die Wiederbeschaffungskosten bis zur Realisation fortbestehen. Somit stellt sich zunächst die Frage, bis zu welchem Zeitpunkt ein stichtagsnachgelagerter Geschehensablauf berücksichtigt werden kann. In der Literatur36 wurde die Befürchtung geäußert, dass die Finanzverwaltung dazu tendieren könnte, der tatsächlichen Wertentwicklung bis zur Überprüfung der Teilwertabschreibung durch die Betriebsprüfung eine Indizfunktion im Hinblick auf die Sicht am Bilanzstichtag zugrundezulegen37. Gegen eine derartige Betrachtungsweise spricht schon allein die Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 4 EStG, die im Fall einer abweichenden Prognose keine rückwirkende Bilanzberichtigung vorsieht, sondern konzeptionell das Modell einer Wertzuschreibung verfolgt38. Insbesondere unter den Stimmen in der Literatur, die im Grundsatz der Nettorealisationskonzeption anhängen, hat sich insoweit die Tendenz herausgebildet, auf die Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Bilanzerstellung abzustellen39. Entfallen die Gründe für die Ertragsminderung zwischen Bilanzstichtag und Bilanzerstellungstag, sei die Wertminderung nur vorübergehender Natur. Tritt jedoch im maßgeblichen Zeitraum keine Erholung der Nettoertragserwartungen ein, sei von der Dauerhaftigkeit der bis zum Bilanzstichtag bestehenden Wertminderung auszugehen40. Daher sei Moxter DStR 1998, 509, 511. Euler Zfbf 1991, 191, 197f; Mellwig in: Beck HDR, B 164 Rn 51. Kessler DB 1999, 2577, 2580. In der Tendenz Siegel StuB 1999, 928, 929. Kessler DB 1999, 2577, 2580. Euler Zfbf 1991, 191, 198; Wiedmann, Bilanzrecht, 2. Auflage, 2003, § 253 Rn 69; Strahl KÖSDI 2000, 12371, 12375, 12378; Mellwig in: Beck HDR, B 164 Rn 52; Ballwieser in: Münchener Kommentar, HGB, § 253 Rn 55; ebenso Kessler DB 1999, 2577, 2580. 40 Strahl KÖSDI 2000, 12371, 12375. 34 35 36 37 38 39
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Das Merkmal der voraussichtlich dauernden Wertminderung
grundsätzlich zu prüfen, ob die geminderten Nettoertragserwartungen auch am Bilanzerstellungstag noch fortbestehen41. Werden die Nettoertragserwartungen hilfsweise durch Wiederbeschaffungskosten konkretisiert, liege eine dauernde Wertminderung dementsprechend dann vor, wenn eine Werterholung der Wiederbeschaffungskosten bis zum Bilanzerstellungstag ausgeblieben ist42. Diese Sichtweise korrespondiert in zeitlicher Hinsicht mit den Grundsätzen der Wertaufhellung. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass auch in diesem Zeitraum nach den angesprochenen Grundsätzen der Wertaufhellung nur werterhellende, nicht aber wertbeeinflussende Umstände Berücksichtigung finden dürfen. Ein derartiges Vorgehen erscheint aber nur bei Wirtschaftsgütern möglich, denen konkrete Ertrags- und Aufwandserwartungen zugeordnet werden können und daher konkret feststellbar ist, ob die Gründe, die aus Sicht des Bilanzstichtages zu einer Veränderung der Ertragserwartung geführt haben, bis zum Bilanzstichtag ganz oder teilweise entfallen sind. Müssen die Nettoertragerwartungen aufgrund von Zurechnungsschwierigkeiten hilfsweise durch Wiederbeschaffungskosten bestimmt werden, erscheint die pauschale Annahme, eine Werterholung beruhe stets auf Gründen, die bereits zum Bilanzstichtag angelegt sind, vor dem Hintergrund der Wertaufhellungsgedankens bei strenger Betrachtung nicht unbedenklich43. Andererseits dürfte es allerdings zu weit gehen, aus dem Umstand, dass nach dem Stichtagsprinzip das Drohen von Aufwandsüberschüssen nach den Verhältnissen des Bilanzstichtages zu beurteilen ist und konkrete Zuordnungen nicht zu treffen sind, den Schluss zu ziehen, dass ausschließlich auf die Verhältnisse des Bilanzstichtages abzustellen sei. Eine derartige strenge Sichtweise wird, soweit ersichtlich, auch nicht vertreten, da ansonsten das Kriterium der dauernden Wertminderung entgegen der gesetzgeberischen Intention vielfach leer laufen würde. Somit bietet sich folgende Vorgehensweise an: Man kann sich vereinfachend auf den Standpunkt stellen, dass die Wertentwicklung bis zum Zeitpunkt der Bilanzerstellung nur insoweit aufhellenden Charakter hat, als es um die Beurteilung der Dauerhaftigkeit der Wertminderung geht44. Hat sich der Wie41 Vgl. Strahl KÖSDI 2000, 12371, 12375, 12378. 42 Euler Zfbf 1991, 191, 198; Strahl KÖSDI 2000, 12371, 12375, 12378; Mellwig in: Beck HDR, B 164, Rn 52; vgl. auch Kessler DB 1999, 2577, 2580. 43 In der Tendenz wohl auch Hommel/Berndt FR 2000, 1305, 1311; nach Auffassung von Mellwig in: Beck HDR, B 164 Rn 28 (Vorkommentierung) ist demgegenüber ein Verstoß gegen die Grundsätze der Wertaufhellung nicht erkennbar. Soweit eine Werterholung erwartet werden kann, sei diese zum Stichtag bereits angelegt, so dass eine tatsächlich eingetretene Werterholung als Anwendung einer Wertaufhellung zu werten sei. 44 Vgl. Strahl KÖSDI 2000, 12371, 12378.
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Konkretisierung anhand von Einzelfällen
derbeschaffungswert bis zum Bilanzerstellungstag nicht gänzlich erholt, muss von einer voraussichtlich dauernden Wertminderung ausgegangen werden, auch wenn sich nachträglich eine Werterholung nach dem Bilanzstichtag ergeben sollte45. Hinsichtlich des Wertansatzes selbst muss aber auf den Bilanzstichtag abgestellt werden, so dass insoweit der Wiederbeschaffungswert zum Bilanzstichtag auch dann maßgebend ist, wenn eine partielle Werterholung eintritt, die in ihrer Höhe das Niveau der fortgeführten Anschaffungs- oder Herstellungskosten nicht erreicht46. Eine andere Beurteilung würde missachten, dass eine spätere Werterholung nicht zu beachtende wertbeeinflussende Tatsachen enthält47. Bei der Beurteilung der Höhe der Teilwertabschreibung ist somit das Stichtagsprinzip zwingend zu beachten. In diesem Rahmen erscheint es insbesondere bei abnutzbarem Anlagevermögen möglich48, dass trotz der konzeptionellen Unterschiede die oben aufgezeigte vermögenswertorientierte Variante und die ausschüttungsorientierte Auslegung zu identischen Aussagen gelangen. Andererseits muss aber berücksichtigt werden, dass der Rückgriff auf die Wiederbeschaffungskosten tendenziell eine andere Funktion hat. Während die vermögensorientierte Betrachtung danach fragt, ob der niedrigere Wert während eines erheblichen Teils der Restnutzungsdauer unter dem Wert liegt, der sich bei planmäßiger Abschreibung ergibt, muss nach der ausschüttungsorientierten Interpretation auch dann, wenn hilfsweise auf Wiederbeschaffungskosten zurückgegriffen wird, stets berücksichtigt werden, dass es nicht auf den unter den Buchwert geminderten Zeitwert während einer gewissen Dauer ankommt, sondern dass durch dauerhaft gesunkene Wiederbeschaffungskosten eine Minderung der Nettoeinnahmeerwartungen indiziert wird49. Entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung liegt daher eine dauernde Wertminderung vor, wenn die Wiederbeschaffungskosten nachhaltig und dauerhaft unter die fortgeführten Anschaffungs- oder Herstellungskosten fallen.
II.
Nichtabnutzbares Anlagevermögen
Bei Wirtschaftsgütern des nichtabnutzbaren Anlagevermögens ist stets die Besonderheit zu berücksichtigen, dass im Gegensatz zu den abnutzbaren Strahl KÖSDI 2000, 12371, 12375. Strahl KÖSDI 2000, 12371, 12375. So Strahl KÖSDI 2000, 12371, 12378. Und zwar dann, wenn nach Auffassung der Finanzverwaltung und der h.L. davon ausgegangen wird, dass der Wert eines Wirtschaftsgutes während eines erheblichen Teils der Restnutzungsdauer unter dem Wert liegt, der sich bei planmäßiger Abschreibung ergibt. Die Kriterien ergeben sich insoweit aus den obigen Ausführungen. 49 Hommel/Berndt FR 2000, 1305, 1311.
45 46 47 48
367
Das Merkmal der voraussichtlich dauernden Wertminderung
Wirtschaftsgütern der Wertansatz nicht ständig durch planmäßige Abschreibungen gemindert ist50. Auch in diesem Bereich zeigen sich Unterschiede bei der Bestimmung der voraussichtlich dauernden Wertminderung zwischen den beiden möglichen Grundkonzeptionen. Beispiel: Ein Steuerpflichtiger erwirbt ein festverzinsliches Wertpapier zum Nennwert von 100 GE im Anlagevermögen. Der Börsenkurs sinkt zum Bilanzstichtag aufgrund einer nachhaltigen Änderung des Zinsniveaus auf 98 GE. Das Papier soll zum Einlösetermin zum Nennbetrag eingelöst werden.
Vom Standpunkt der vermögensorientierten Begriffsbestimmung wäre es mangels Anhaltspunkten über eine nachhaltige Erholung des Zinsniveaus eigentlich angebracht, von einer voraussichtlich dauernden Wertminderung auszugehen, da der Zeitwert des Wertpapiers bis zu seiner Einlösung und damit länger als die Hälfte der Nutzungsdauer unter dem Buchwert liegt51. Dennoch hat das BMF52 und ein Teil der Literatur die Auffassung vertreten, dass insoweit lediglich von einer vorübergehende Wertminderung auszugehen ist. Gleichgerichtete Aussagen finden sich aber bereits für das Handelsrecht, zumindest für den Fall, dass das Unternehmen in der Lage ist, den Rückzahlungstermin abzuwarten53. Diese Position lässt sich allein mit der Erwägung rechtfertigen, dass von vornherein die vollständige Erholung des Kurswertes vorgezeichnet ist und der Abschlag mit näherrückender Rückzahlung verschwindet54. Dennoch erscheint dieses Ergebnis vor dem Hintergrund einer vermögensstatischen Betrachtungsweise zweifelhaft, da angesichts der Dauer der Wertminderung der Vereinfachungszweck in seinem Ausnahmecharakter nicht die Tatsache überwiegen kann, dass der Zeitwert stets unter dem Buchwert liegt55. Das vom BMF gefundene Ergebnis lässt sich vom Standpunkt der ausschüttungsstatischen Bilanzauffassung jedoch damit begründen, dass der Kaufmann mit der Zuordnung dieser Wertpapiere ins Anlagevermögen bei typisierter Betrachtungsweise zu erkennen gegeben hat, dass er die Wertpapiere 50 Adler/Düring/Schmaltz, 6. Auflage, 1995, § 253 Rn 478; Cattelaens DB 1999, 1185, 1187. 51 Hommel/Berndt DStR 2000, 1745, 1751. 52 BMF v. 25. 2. 2000, BStBl I. 2000, S. 371ff, Tz. 16; zustimmend auch Fleischmann StuB 2000, 230, 231 für Schuldner bester Bonität; Ringwald Inf 1999, 321, 324. 53 Adler/Düring/Schmaltz, 6. Auflage, 1995, § 253 Rn 473. 54 Hommel/Berndt DStR 2000, 1745, 1751; vgl. auch Groh DB 1999, 978, 982. 55 Groh DB 1999, 978, 982; Strahl KÖSDI 2000, 12371, 12377; Hommel/Berndt DStR 2000, 1745, 1751 mit dem auf das Handelsrecht bezogenen Hinweis, dass durch den überhöhten Ausweis in allen folgenden Bilanzen planmäßig und dauerhaft ein zu hohes aktuelles Schuldendeckungspotential ausgewiesen wird.
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Konkretisierung anhand von Einzelfällen
für die Dauer ihrer Laufzeit im Betriebsvermögen belassen will. Die Notwendigkeit einer Antizipation künftiger Ausschüttungsbelastungen lässt sich in dieser Konstellation aber nicht erkennen, da die Rückzahlung zum Nennwert erfolgen wird56. Mit dieser Betrachtung kann auch die Konstellation gelöst werden, bei der zwar eine langfristige Anlage geplant ist, aber das Wertpapier nicht bis zum Einlösetermin gehalten werden soll. Der Steuerpflichtige kann hier eine Teilwertabschreibung aufgrund einer dauernden Wertminderung vornehmen, wenn ihm der Nachweis gelingt, dass bis zu dem von ihm vorgesehenen Verkaufstermin der Kurs nicht mehr die Anschaffungskosten erreichen wird57. Eine ausschüttungsorientierte Teilwertbemessung fordert zudem eine ertragsorientierte Bewertung von Beteiligungen, da sich in diesem Bereich der Rückgriff auf Marktwerte als Ausdruck des Zeitwertes künftiger Beteiligungserträge als nicht befriedigend erweist58. Selbst wenn die Anteile börsennotiert sind, muss berücksichtigt werden, dass der Wert der Beteiligung als Ganzes einen anderen Wert repräsentiert als die Summe der Aktien59, denn die im Wesen der Beteiligung liegende Absicht, eine dauerhafte Verbindung zu dem Unternehmen aufzubauen und zu erhalten60, macht es notwendig, spezifische Ertragselemente zu berücksichtigen, die im Marktpreis nur unzureichend abgebildet werden61. Abzustellen ist daher auf den Ertragswert der Beteiligung, der aus der Abzinsung der aus dem Beteiligungsverhältnis zu erwartenden Ertragsüberschüsse bestimmt wird62.
56 Hommel/Berndt FR 2000, 1305, 1309 mit dem Hinweis, dass es vor diesem Hintergrund auf den Nachweis eines gestiegenen, den Kurs der Wertpapiere vermindernden Zinsniveaus, gar nicht ankommt. Denkbare Rückzahlungsschwierigkeiten sind nicht zu berücksichtigen, wenn sich diese am Abschlussstichtag noch nicht konkretisiert haben. 57 Vgl. auch Fleischmann StuB 2000, 230, 231 mit dem Hinweis, dass sich der Steuerpflichtige in diesem Fall in doppelter Nachweispflicht befindet: Er muss zum einen nachweisen, dass er nicht bis zum Einlösetermin engagiert bleiben will, zum anderen, dass der Kurs des Wertpapiers aus Sicht des Stichtages nicht mehr die Anschaffungskosten erreichen wird. 58 Mellwig in: Beck HDR, B 164 Rn 82; Berger/Gutike in: Beck`sches Handbuch der Rechnungslegung, 5. Auflage, 2003, § 253 Rn 402. 59 Mellwig in: Beck HDR, B 164 Rn 82. 60 Vgl. § 271 Abs. 1 S. 1 HGB. 61 Mellwig in: Beck HDR, B 164 Rn 82. 62 Mellwig in: Beck HDR, B 164 Rn 82; Adler/Düring/Schmaltz, 6. Auflage, 1995, § 253 Rn 465.
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Das Merkmal der voraussichtlich dauernden Wertminderung
Problematisch gestaltet sich das Merkmal der voraussichtlich dauernden Wertminderung, wenn Aktien als Finanzanlage gehalten werden63. Nach Auffassung des BMF64 sollen bloße Kursschwankungen eine lediglich vorübergehende Wertminderung darstellen. Dementsprechend soll ein Steuerpflichtiger, der Aktien zu den historischen Anschaffungskosten von 100 erworben hat, deren Kurs im Wirtschaftsjahr zwischen 70 und 100 geschwankt haben und am Abschlussstichtag 90 betrug, keine Teilwertabschreibung vornehmen können65. Demgegenüber soll eine Teilwertabschreibung zulässig sein, wenn durch diese eine Wertminderung aus besonderem Anlass (als Beispiel wird ein Kurseinbruch aufgrund drohender Insolvenz genannt) und keine bloße Wertschwankung berücksichtigt wird66. Hinter dieser Unterscheidung steckt wohl das Anliegen, zwischen vorübergehenden Kursschwankungen und nachhaltigen Kurseinbrüchen unterscheiden zu können. Weitergehend ist sogar zu vermuten, dass die Finanzverwaltung scheinbar in allen Fällen, bei denen kein besonderer Anlass für einen Kursrückgang festzustellen ist, pauschal von einer bloßen Kursschwankung ausgehen will. Eine derartige Unterscheidung zwischen Kursschwankungen und nachhaltigen Kurseinbrüchen kann aber nicht plausibel durchgehalten werden. Zum einen erscheint es zweifelhaft, dem Steuerpflichtigen die Prognose zuzumuten, er könne die Nachhaltigkeit einer Kursänderung zu einem gewissen Abschlussstichtag erkennen. Zudem unterstellt das BMF, dass immer dann, wenn kein nachhaltiges Ereignis zu befürchten ist, davon ausgegangen werden kann, dass das Kursniveau bei langfristigem Engagement über den Buchwert steigt oder zumindest auf dem Niveau der Anschaffungskosten gehalten wird67. Dies war in der Vergangenheit häufig so, jedoch bestehen keine gesicherten Erkenntnisse, dass dies auch in Zukunft immer so sein wird68. Daher kann nicht davon ausgegangen werden, dass bei Schwankungen im Kursverlauf unterhalb des historischen Anschaffungswertes, dieser Kurs in der Zukunft stets wieder erreicht wird69. Erforderlich wäre deshalb im Einzelfall zu untersuchen, ob Gründe vorgebracht werden können, mit denen ein dauerhafter Kursrückgang begründet werden kann70.
63 64 65 66 67 68 69 70
Vgl. dazu auch Paus NWB Fach 17, S. 1669, 1676f. BMF v. 25. 2. 2000, BStBl I 2000, S. 372ff, Tz. 11. BMF v. 25. 2. 2000, BStBl I 2000, S. 372ff, Tz 19f. BMF v. 25. 2. 2000, BStBl I 2000, S. 372ff, Tz. 22. Fleischmann StuB 2000, 230, 232, 233. Fleischmann StuB 2000, 230, 232. Hommel/Berndt FR 2000, 1305, 1310. Dietrich DStR 2000, 1629, 1632 hat vorgeschlagen nicht auf den konkreten Börsenpreis am Bilanzstichtag abzustellen, sondern auf den Mittelkurs der voraussichtlichen
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Konkretisierung anhand von Einzelfällen
Nachzuprüfen wäre vor allem, ob die Gründe für die negative Kursentwicklung im Bereich des Unternehmens gefunden werden können und nicht lediglich in einer Veränderung des Zinsniveaus oder schlechten Konjunkturaussichten begründet liegen71. In einem zweiten Schritt wäre ferner zu fragen, über welche Zeitdauer die Wertminderung nach vermögensorientierter Betrachtung unter den Anschaffungskosten liegen muss. Aber auch dieses differenzierte Vorgehen erscheint kaum leistbar, weil Börsenkurse sich nicht monokausal erklären lassen72. Diese Gesichtspunkte lassen es angebracht erscheinen, mit der ausschüttungsorientierten Betrachtungsweise in dem gesunkenen Stichtagswert objektivierungsbedingt73 eine künftige Ausschüttungsbelastung in gleicher Höhe zu vermuten. Euler74 hat dies dahingehend formuliert, dass das Sinken des Börsenkurses von Finanzanlagen die durch die Kapitalmarkterwartungen objektivierten künftigen Aufwandsüberschüsse ausdrückt. Dann stellt sich aber auch hier die Frage, inwieweit Informationen bis zum Bilanzerstellungstag Verwendung finden dürfen. Grundsätzlich ist es erforderlich, den Kursverlauf im Wertaufhellungszeitraum zu beachten. Entsprechend der vorgenommenen Differenzierung müssen die Wertminderungen jedoch als dauerhaft angesehen werden, wenn bis zum Tag der Bilanzerstellung die Anschaffungskosten nicht wieder erreicht werden75. Auch eine kurzzeitige Werterholung sollte an diesem Ergebnis nichts ändern, wenn die historischen Anschaffungskosten bis zur Bilanzaufstellung nur an sieben Tagen erreicht oder überschritten werden. Dies lässt sich, wie Strahl76 überzeugend dargelegt hat, mit einer entsprechenden Anwendung der Grundsätze von Abschnitt 45 Abs. 7 S. 9 GewStR 1998 begründen. Wird der Kurs des Bilanzstichtages im Wertaufhellungszeitraum überschritten, ist aber unter den genannten Voraussetzungen dennoch eine Teilwertabschreibung angezeigt, darf in der Bandbreite des Kursspektrums nicht etwa auf den höchsten erreichten Wert abgestellt werden77. Die pauschale Berücksichtigung der verschiedenen Einflüsse, die sich im Börsenkurs widerspie-
71 72 73 74 75 76 77
Schwankungsbreite. Dabei soll die Schwankungsbreite innerhalb eines Zeitraumes von 1 bis 2 Monaten vor und nach dem Bilanzstichtag Berücksichtigung finden. Paus NWB Fach 17, 1669, 1677. Hommel/Berndt FR 2000, 1305, 1310. Hommel/Berndt FR 2000, 1305, 1310; i. E. Strahl KÖSDI 2000, 12371, 12377. Euler Zfbf 1991, 191, 202. Strahl KÖSDI 2000, 12371, 12377; Winkeljohann in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 6 Rn 562. Strahl KÖSDI 2000, 12371, 12377. So scheinbar jedoch BMF. v. 25. 2. 2000, BStBl I 2000, S. 372ff, Tz 21f.
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Das Merkmal der voraussichtlich dauernden Wertminderung
geln, würde, wenn man den Zeitraum nach dem Bilanzstichtag einbezieht, die Grenzen zwischen Wertaufhellung und Wertbeeinflussung verwischen, da nicht festgestellt werden kann, inwieweit eine bestimmte Unternehmensinformation den Kurswert beeinflusst78. Wenn dies aber der Fall ist, wäre es unvermeidbar, dass wertbeeinflussende Faktoren über Kursänderungen als werterhellende Umstände Eingang in die Wertbemessung finden79. Abzustellen ist daher –wie bereits angedeutet- auf den Kurswert am Bilanzstichtag80.
III.
Umlaufvermögen
Nach der gesetzlichen Anordnung können Teilwertabschreibungen auch beim Umlaufvermögen nur aufgrund einer voraussichtlich dauernden Wertminderung vorgenommen werden (§ 6 Abs. 1 Nr. 2. S. 2 EStG). Beim Umlaufvermögen gilt jedoch zu berücksichtigen, dass dieses per definitionem nicht dazu bestimmt ist, dem Geschäftsbetrieb dauernd zu dienen81. Anfangs wurde daher bezweifelt, ob eine voraussichtlich dauernde Wertminderung im Umlaufvermögen überhaupt denkbar ist82. Dies hätte jedoch zur Konsequenz gehabt, dass eine Teilwertabschreibung auf Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens nicht mehr möglich ist83. Dass dies nicht dem gesetzgeberischen Anliegen entspricht, verdeutlicht bereits § 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EStG, der selbst von der Möglichkeit einer Teilwertabschreibung im Umlaufvermögen ausgeht. In der Literatur hat sich schnell die Auffassung84 durchgesetzt, dass maßgeblich auf den Verbrauch oder Verkauf der Wirtschaftsgüter und damit auf den Realisationsakt abzustellen ist. Ein solches Vorgehen entspricht auch einem funktionalen Teilwertverständnis. Beurteilt man die Konstellation eines unterverzinslich gewordenen Wertpapiers im Umlaufvermögen, muss berücksichtigt werden, dass aufgrund der diesem zugeschriebenen Zweckbestimmung nicht erwartet werden kann, dass das Wertpapier bis zu dessen Einlösung gehalten wird85. Muss folglich 78 Vgl. auch Winkeljohann in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 6 Rn 562; Strahl KÖSDI 2004, 14179, 14185f. 79 Hommel/Berndt FR 2000, 1305, 1310. 80 Hommel/Berndt FR 2000, 1305, 1310; Strahl KÖSDI 2000, 12371, 12378. 81 Umkehrschluss aus § 247 Abs. 2 HGB; vgl. auch Loitz/Winnacker DB 2000, 2229. 82 Kemper/Beyschlag DStR 1999, 737, 738; Albert StuB 1999, 591, 594. 83 Vgl. Groh DB 1999, 978, 982. 84 Groh DB 1999, 978, 982; Dietrich DStR 2000, 1629, 1632; Cattelaens DB 1999, 1185, 1187; Kessler DB 1999, 2577, 2579; Kölpin StuB 2000, 917, 918; Siegel StuB 1999, 928, 929; Mayer-Wegelin in: Bordewin/Brandt, EStG, § 6 Rn 144d; Winkeljohann in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 6 Rn 562. 85 Kessler DB 1999, 2577, 2585.
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Konkretisierung anhand von Einzelfällen
davon ausgegangen werden, dass das Wertpapier vor Ablauf eingelöst wird, erscheint es konsequent, auf den bis dahin aus Sicht des Bilanzstichtages voraussichtlich erzielbaren Kurswert abzustellen86. Nachträgliche Zinsänderungen sind insoweit als wertbeeinflussende Faktoren nicht zu berücksichtigen87. Fällt beispielsweise der Kurs börsennotierter Aktien im Umlaufvermögen unter deren Buchwert, erscheint eine Abschreibung auf den niedrigeren Stichtagswert grundsätzlich geboten, denn der am Bilanzstichtag geltende Börsenkurs steht objektivierungsbedingt für den am Abschlussstichtag zukünftig zu erwartenden Verkaufserlös88. Zu berücksichtigen ist aber auch hier die Wertentwicklung bis zum Bilanzerstellungstag89. Werden, wie nach dem oben Gesagten, die ursprünglichen Anschaffungskosten nicht nur kurzfristig überschritten, ist nicht von einer dauernden Wertminderung auszugehen. Im umgekehrten Fall muss dementsprechend eine dauerhafte Wertminderung angenommen werden. Abzustellen ist in dieser Konstellation wiederum auf die Wertverhältnisse zum Bilanzstichtag. Wenn die Finanzverwaltung90 demgegenüber die Kursentwicklung bis zur Bilanzaufstellung berücksichtigen will, kann dies nicht überzeugen, da nach dem oben Gesagten hierin keine Werterhellung gesehen werden kann. Es liegt daher ein Verstoß gegen das Abschlussstichtagsprinzip vor91. Bei Roh-, Hilfs- oder Betriebsstoffen ist es wiederum nicht möglich, eine Verbindung zu den jeweiligen zurechenbaren Ertragsgrößen herzustellen. Auch insoweit muss man sich daher hilfsweise an den am Abschlussstichtag gefallenen Wiederbeschaffungskosten orientieren92.
86 87 88 89 90 91 92
Dietrich DStR 2000, 1629, 1633. Dietrich DStR 2000, 1629, 1633. Hommel/Berndt DStR 2000, 1745, 1751. Strahl KÖSDI 2000, 12371, 12379. BMF v. 25. 3. 2000, BStBl I 2000, S. 372ff, Tz 29. Hommel/Berndt FR 2000, 1305, 1313. Moxter DStR 1998, 509, 511.
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Thesenartige Zusammenfassung der Ergebnisse Die Untersuchung hat gezeigt, welche Schwierigkeiten es bereitet, selbst die grundlegenden Prinzipien des Bilanzsteuerrechts steuersystematisch einzuordnen. In steuersystematischer Hinsicht lassen sich mit der statischen Betrachtungsweise und dem Nettorealisationsgedanken zwei Grundkonzeptionen unterscheiden, anhand derer das geltende Bilanzrecht systematisiert werden kann. Je nach Standpunkt ist dabei entweder das Realisationsprinzip oder das Imparitätsprinzip als Ausnahme von der Grundkonzeption zu verstehen. Will man das Bilanzrecht verfassungsrechtlich durchdringen, ist zunächst die Frage nach dem maßgeblichen Differenzierungsmaßstab zu beantworten. Ausgangspunkt ist insoweit die Problematik, ob das Grundgesetz durch das Leistungsfähigkeitsprinzip, welches als Verfassungsprinzip anzuerkennen ist, einen bestimmten Differenzierungsmaßstab erfordert. Geht man von der Zielvorstellung aus, belastungsgleiche Steuerwirkungen zwischen allen Einkunftsarten bei periodischem Steuerbedarf zu gewährleisten, kommt als Differenzierungsmaßstab lediglich die auf alle Einkunftsarten bezogene Reinvermögenszuwachstheorie oder eine Konsumbesteuerung (insbesondere in Form der nachgelagerten Besteuerung) in Betracht, je nachdem ob man das Periodeneinkommen oder das Lebenseinkommen als maßgeblichen Leistungsfähigkeitsindikator präferiert. Der Gesetzgeber hat sich im Rahmen seines Gestaltungsspielraumes dafür entschieden, das Einkommen von der periodischen Entstehung her zu belasten und damit auf das Periodeneinkommen als Leistungsfähigkeitsindikator abzustellen. Stellt man die Frage, ob die Entscheidung zur Besteuerung des Periodeneinkommens den Gesetzgeber folgerichtig auf einen reinvermögenszuwachstheoretischen Differenzierungsmaßstab verpflichtet, fällt bei näherer Untersuchung auf, dass eine Pflicht zur Herstellung tatsächlicher Belastungsgleichheit aus der Verfassung nicht zwingend hergeleitet werden kann. Dies führt jedoch zu der Konsequenz, dass der Gesetzgeber einen gewissen Spielraum hat, wie er das jeweilige Periodeneinkommen ausgestaltet. Um das Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nicht zu entwerten und auf ein bloßes Willkürverbot zu reduzieren, fordert das Leistungsfähigkeitsprinzip jedoch eine folgerichtige und systemkonsequente Umsetzung der einmal getroffenen Belastungsentscheidungen. Theoretisch ist mit einem in diesem Sinne verstandenen Leistungsfähigkeitsprinzip die Existenz von Subsystemen bei der Konturierung des Periodeneinkommens innerhalb des Einkommensteuerrechts ohne weiteres zu vereinbaren. 375
Thesenartige Zusammenfassung der Ergebnisse
Diese Interpretation führt zu einem bedeutenden Erkenntnisgewinn hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Anforderungen an einen Differenzierungsmaßstab im Rahmen des objektiven Nettoprinzips. Das Gebot der Systemkonsequenz und Folgerichtigkeit fordert eine symmetrische Betrachtung hinsichtlich der Frage, ob das Einkünfteerzielungsvermögen in die steuerliche Bemessungsgrundlage (positiv oder negativ) einzubeziehen ist. Hat sich der Gesetzgeber entschieden, auf die periodische Entwicklung eines Betriebsvermögens abzustellen, müssen weiterhin Kriterien für eine in sich konsistente zeitliche Erfassung der verschiedenen Geschäftsvorfälle festgelegt werden. Das Symmetrieprinzip erfordert auch insoweit identische Kriterien bei der steuerlichen Registrierung von Vermögenszuwächsen und Minderungen. Erkennt man diese systematischen Anforderungen als Minimalkonsens an, lassen sich insbesondere den Finanzwissenschaften mit dem Kassenvermögensvergleich, der Reinvermögenszuwachstheorie, der strengen Reinvermögenszugangstheorie und dem Nettorealisationsgedanken verschiedene Möglichkeiten einer in sich konsistenten Systematisierung eines stichtagsbezogenen Betriebsvermögensvergleichs entnehmen. Die Existenz ganz unterschiedlicher möglicher zeitlicher Ansatzpunkte erklärt das Meinungsspektrum hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Beurteilung des Bilanzsteuerrechts. Für eine juristische Betrachtung ist ferner bedeutsam, dass das den aufgezeigten Anforderungen entsprechende System nicht streng verwirklicht werden muss. Aufgrund der systematischen Verankerung in Art 3 Abs. 1 GG fungiert das in diesem Sinne verstandene Leistungsfähigkeitsprinzip lediglich als Ausgestaltungsmaßstab. Ausnahmen erscheinen verfassungsrechtlich solange unbedenklich, als der Verstoß gegen die aus dem System folgende Verteilungsgerechtigkeit zu rechtfertigen ist. Stellt man die Frage, welcher Differenzierungsmaßstab im geltenden Bilanzsteuerrecht verwirklicht wurde, kann zunächst negativ festgestellt werden, dass sich der Gesetzgeber gegen einen reinen Kassenvermögensvergleich sowie eine Periodisierung nach den Regeln der strengen Reinvermögenszugangstheorie iSv Schneider entschieden hat. Dagegen lässt sich aus der gesetzlichen Struktur des Bilanzrechts nicht ohne weiteres beurteilen, ob der Gesetzgeber einen am Nettorealisationsgedanken orientierten oder einen statischen Vermögensvergleich als Differenzierungs- bzw. Periodisierungsmaßstab präferiert. Will man das Realisationsprinzip und das Imparitätsprinzip verfassungsrechtlich einordnen, muss berücksichtigt werden, dass der jeweilige Differenzierungsmaßstab nicht streng verwirklicht werden muss, sondern viel-
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Thesenartige Zusammenfassung der Ergebnisse
mehr in ein Konkurrenzverhältnis zu weiteren, ebenfalls bedeutsamen verfassungsrechtlichen Prinzipien tritt (Prinzip der eigentumsschonenden Besteuerung; Prinzip der Rechtssicherheit). Beleuchtet man die beiden möglichen Differenzierungsmaßstäbe im beschriebenen Konkurrenzverhältnis, fällt auf, dass sowohl das Realisationsprinzip als auch das Imparitätsprinzip vor dem Hintergrund beider möglichen Differenzierungsmaßstäbe verfassungsrechtlichen Bestand haben können. Unterschiedlich erweist sich nur die Betrachtungsrichtung im Hinblick auf das jeweilige Regel-AusnahmeVerhältnis. Während das Realisationsprinzip bei Zugrundelegung einer statischen Betrachtungsweise gerechtfertigt werden muss und das Imparitätsprinzip vielmehr den Regelfall der Systematik bezeichnet, verkehrt sich diese Betrachtung unter dem Regime der Idee einer Nettorealisation genau in ihr Gegenteil. Vor dem Hintergrund des als umfassendes Periodisierungsprinzip verstandenen Realisationsprinzips mit der Konsequenz einer alimentationsmäßigen Verknüpfung von Ertrag und Aufwand, erscheint das Imparitätsprinzip als Durchbrechung dieses Grundsatzes i.S. einer Antizipation eines zukünftigen Aufwandsüberschusses. Ordnet man das im Rahmen des StEntlG 1999/2000/2002 neu eingeführte Merkmal der voraussichtlich dauernden Wertminderung im jeweiligen verfassungsrechtlichen Prinzipiengefüge ein, kann zudem festgestellt werden, dass das Merkmal je nach präferiertem Differenzierungsmaßstab eine unterschiedliche dogmatische Funktion erfüllt. Während das Kriterium der voraussichtlich dauernden Wertminderung im Rahmen einer zeitwertstatischen Betrachtung nur mit Objektivierungstendenzen gerechtfertigt werden kann, hat das Kriterium im System der Nettorealisation bereits aus systematischen Gründen seine Berechtigung. Die Unterscheidung zwischen dauernder und vorübergehender Wertminderung folgt somit aus dem ausschüttungsstatischen Zweck des Imparitätsprinzips. Die unterschiedliche systematische Einordnung des Merkmals „voraussichtlich dauernde Wertminderung“ führt im Ansatz zu Auslegungsdivergenzen im Hinblick auf die unterschiedlichen theoretischen Grundauffassungen. Untersucht man den verfassungsrechtlichen Spielraum einer vollständigen Beseitigung des Imparitätsprinzips im Steuerbilanzrecht durch Abschaffung auch der Teilwertabschreibung, lässt sich aufgrund des Prinzipiengefüges wiederum ein bemerkenswerter Gleichklang zwischen den beiden Differenzierungskriterien feststellen. Die Abschaffung der Teilwertabschreibung muss von der Gewährung alternativer Verlustausgleichsmechanismen begleitet sein. Entgegen der wohl überwiegenden Auffassung in der Literatur kann dies aber nicht mit dem Lebenseinkommen als zutreffendem Leistungsfähigkeitsindikator begründet werden. Vielmehr ist zur Herleitung die377
Thesenartige Zusammenfassung der Ergebnisse
ses Ergebnisses auf eine periodische Betrachtung abzustellen. Legt man zur Konturierung des Periodeneinkommens einen zeitwertstatischen Differenzierungsmaßstab zugrunde, ist die Notwendigkeit alternativer Verlustausgleichsmechanismen bereits durch die Systemdurchbrechung auf Ebene der Bemessungsgrundlage zu erklären. Würden derartige Mechanismen nicht gewährt, würde die durch den Periodisierungsmaßstab angestrebte Periodenbelastung endgültig verfehlt. Demgegenüber kann unter dem Regime des Nettorealisationsgedankens die Notwendigkeit eines Verlustausgleiches bei der gebotenen periodischen Betrachtung nicht aus dem Systematisierungsmaßstab selbst abgeleitet werden. Insofern zwingt jedoch der aus Art 14 GG herzuleitende Schutz der Dispositionsautonomie auch im Rahmen des Nettorealisationsgedankens zu entsprechenden Korrekturen der Grundsystematik. Bezieht man die Problematik der Wertaufholung in die Betrachtung ein, resultiert aus den beiden Systemverständnissen wiederum eine unterschiedliche Einordnung des Wertaufholungsgebotes. Im Rahmen einer statischen Betrachtungsweise ist eine Wertaufholung im Anschluss an eine vorangegangene Wertminderung (Teilwertabschreibung oder AfaA) als Neuzuwachs an steuerlicher Leistungsfähigkeit zu begreifen. Einer Besteuerung dieses Neuzuwachses an Leistungsfähigkeit steht jedoch Art 14 GG entgegen. Demgegenüber muss die Rückgängigmachung der Teilwertabschreibung durch das Wertaufholungsgebot vor dem Hintergrund der Systematik der Nettorealisation als eine am Ausgestaltungsmaßstab orientierte „Korrektur unnötig gewordener bzw. nicht gebrauchter Vorsicht“ verstanden werden, wenn die Gründe für den eigentumsschonenden Steuerzugriff an einem neuen Stichtag nicht mehr bestehen. Anders ausgedrückt geht es nicht um die Besteuerung nichtrealisierter Wertsteigerungen, sondern um die Rückgängigmachung der Prognose eines sich nicht bestätigenden negativen Erfolgsbeitrages. Diese Betrachtung kann ebenfalls auf die AfaA übertragen werden, die allerdings nach dem Verständnis der Nettorealisation ihre Rechtfertigung im Realisationsprinzip haben, da auch insoweit eine Korrektur der Prognose der Aufwandszurechnung in Betracht kommt. Eine verfassungsrechtliche Beurteilung erfordert daher eine Analyse, welcher der beiden Differenzierungsmaßstäbe im Bilanzsteuerrecht verwirklicht wurde. Ein Rekurs auf die historischen Ursprünge des Handels- und Steuerbilanzrechts verdeutlicht, dass ursprünglich eine statische Betrachtungsweise zugrundegelegt wurde, an der vom Steuergesetzgeber bis in die jüngste Zeit festgehalten wurde. Aus der auffällig dogmatischen Gesetzesbegründung im Rahmen der zunächst geplanten Abschaffung der Teilwertabschreibung wird jedoch ersichtlich, dass der Gesetzgeber einen Paradigmenwech378
Thesenartige Zusammenfassung der Ergebnisse
sel im Systemverständnis vollziehen will. Der Gesetzgeber will das Imparitätsprinzip von diesem Zeitpunkt an als Ausnahmetatbestand vom Realisationsprinzip ansehen. Dies macht aber nur dann einen Sinn, wenn man das Realisationsprinzip umfassend i.S. des Nettorealisationsprinzips versteht und auf Ertrag und Aufwand bezieht. Ein Festhalten am ursprünglichen Verständnis des Imparitätsprinzips als Regelfall einer zeitwertstatischen Betrachtung ist mit einer derartigen Sichtweise nicht mehr vereinbar. Berücksichtigt man zudem, dass die eingeschränkte Beibehaltung der Teilwertabschreibung und die Einführung eines Wertaufholungsgebotes in diesem Kontext zu sehen sind, wird deutlich, dass der Gesetzgeber offenbar von nun an den Nettorealisationsgedanken als Systematisierungsmaßstab anlegen will. Verfassungsrechtlich bestehen gegen einen Paradigmenwechsel keine Bedenken. Die Möglichkeit einer Veränderung der bedeutsamen verfassungsrechtlichen Belastungsentscheidungen ist einer Betrachtung immanent, die dem Gesetzgeber einen Ausgestaltungsspielraum bei der Wahl des Systematisierungsmaßstabes einräumt. Diese Sichtweise liefert auch wertvolle Erkenntnisse im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Problematik des Wertaufholungsgebotes. Da die Wertaufholung im Anschluss an eine vorausgegangene Teilwertabschreibung seit dem Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vor dem Hintergrund des Nettorealisationsprinzips interpretiert werden muss, bestehen aus Art 14 GG keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die steuerliche Erfassung von Wertaufholungen im Anschluss an Teilwertabschreibungen, die erst nach dem 1. 1. 1999 gebildet wurden. Eine andere Beurteilung ergibt sich indes für Wertaufholungen im Anschluss an Teilwertabschreibungen, die in Perioden vor dem 1. 1. 1999 stattgefunden haben. Berücksichtigt man den Zeitpunkt der Änderung im Systemverständnis, wird deutlich, dass vor diesem Zeitpunkt von einer reinvermögenszuwachstheoretischen Sichtweise als Differenzierungsmaßstab ausgegangen werden muss. Diese Betrachtung zeigt, dass durch das Wertaufholungsgebot nunmehr kumuliert nichtrealisierte Wertsteigerungen vergangener Perioden erfasst werden, ohne dass ein Realisationsakt stattgefunden hat. Ein solches Vorgehen erscheint aus zwei Gründen verfassungsrechtlich unzulässig: Zum einen hat der Gesetzgeber in den betroffenen Perioden bewusst darauf verzichtet, die reinvermögenszuwachstheoretisch begründbare Leistungsfähigkeit im Zeitpunkt ihrer wirtschaftlichen Entstehung zu erfassen. Da die nichtrealisierten Wertsteigerungen den vergangenen Perioden zuzuordnen sind, liegt eine echte Rückwirkung vor, die zudem verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt werden kann. Zum anderen stellt sich die Wertaufholung 379
Thesenartige Zusammenfassung der Ergebnisse
vor dem Hintergrund der Reinvermögenszuwachstheorie als Erfassung eines Neuzuwachses einer nichtrealisierten Wertsteigerung dar, so dass zudem ein Verstoß gegen Art 14 GG vorliegt. Der Paradigmenwechsel hat zugleich Auswirkungen auf die Interpretation der Teilwertabschreibung und damit auch auf das Verständnis der voraussichtlich dauernden Wertminderung. Unter dem Regime des Nettorealisationsgedankens ist die Teilwertabschreibung funktional zu verstehen. Dementsprechend liegt eine voraussichtlich dauernde Wertminderung nur dann vor, wenn die dem Wirtschaftsgut zurechenbaren Nettoeinnahmen nicht mehr ausreichen, die fortgeführten Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsgutes zu amortisieren. Bei der Interpretation ist das Abschlussstichtagsprinzip zu beachten, wonach bis zur Bilanzaufstellung lediglich werterhellende, nicht aber wertbeeinflussende Tatsachen Berücksichtigung finden dürfen.
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420
Stichwortverzeichnis Die Zahlen bezeichnen die Seitenzahlen Abgrenzung der Sache nach 33 Abgrenzung der Zeit nach 33 Abschnittsbesteuerung 150 ff., 152, 179, 186, 334 f., 338 – Rückwirkung 334 f., 338 – verfassungsrechtliche Dimension 338 Abschreibung 26 ff., 39 ff., 60 ff. – außerplanmäßige 36 ff., 39 ff., 60 ff. – ertragsproportionale 27, 32, 54 f. – lineare 29 f. – planmäßige 26 – steuerliche Besonderheiten 21, 29 ff. – umsatzproportionale 28, 30 Abschreibungsplan 28, 39 f. Abzinsung 93, 258, 369 ADHGB 304 f. AfA 20 f., 29 ff., 51 – Nettorealisationsgedanke 26 ff. – statische Bilanzauffassung 20 f. AfaA 36 ff., 50 ff., 62, 88, 101, 111, 259 f., 292 ff., 301 ff. – Abgrenzung zur Teilwertabschreibung 56 ff., 62 f. – Nettorealisationsgedanke 50 ff. – statische Bilanzsauffassung 62 – Wertaufholung 292 ff., 301 ff. Alimentationsprinzip 23 ff., 377 – Abschreibungen 23 ff. – Rückstellungen 33 f. Annuitätsprinzip 150, 166, 184 – technisches Prinzip 150, 166 – materielles Prinzip 166
Anschaffungswertprinzip 13 f., 19 Aufwandsrealisierung 39 Ausgestaltungsspielraum 122, 128, 132, 142, 165, 219, 231, 233 ff., 270, 283 – gesetzgeberischer 122, 128, 132, 142, 165, 219, 231 ff., 270, 283 – Verlustberücksichtigung 231 ff., 270 ausschüttbarer Gewinn 18, 79, 84, 305 Ausschüttungsbelastung 41, 58, 74, 359 f., 365 Ausschüttungssperre 13, 43 Ausschüttungsstatik 21 ff. beizulegender Wert 36 f., 57, 76 Belastungsentscheidung 148 f., 178 ff., 250, 255, 275, 314 f., 348 Beleihung 100, 257 Bemessungsgrundlage 3, 13, 21, 54, 86, 91 f., 95, 113, 121, 128 f., 139, 145 f.,156, 179, 193, 200 f.,225, 271, 285, 303, 314, 347 Bestandsschutz 217, 296 Betriebsausgabe 9, 191, 224, 261, 278 Betriebsvermögensvergleich 91ff. – Kassenvermögensvergleich 91 ff. – Nettorealisationsgedanke 21 ff., 111 ff. – Reinvermögenszugangstheorie 102 ff.
421
Stichwortverzeichnis
– Reinvermögenszuwachstheorie 93 ff. – theoretische Ausgestaltungsmöglichkeiten 91 ff. Bewertungsvorbehalt 9, 250 Bilanzverständnis 17 ff. – Ausschüttungsstatik 21 ff. – dynamisches 25 – statisches 17 ff.
Einnahmen-Überschuss-Rechnung 115, 307, 318 – Gegenpol zur Vermögensvergleichsrechnung 91 ff. – Systemwechsel zu einer Überschussrechnung 115 Einzelbewertung 69 ff., 73 entgangener Gewinn 75, 264, 360 Entstrickungsprinzip 13, 296, 353
cash flow 91 ff., 156, 158
Fehlmaßnahme 67 Finanzverfassungsrecht 177 f., 217, 222 Finanzwissenschaften 135, 143, 150 Fiskalzwecknormen 337, 355 Folgerichtigkeit 204, 209 ff., 218, 226 ff., 245, 247 f., 249, 254, 259, 263, 270, 313 – Ableitung 209, 211 – innerhalb von Subsystemen 214 – Kritik 211, 314 – Symmetrieprinzip 226 ff. Fortführungsstatik 18 f., 46, 63, 68 ff., 310 ff.
dauernde Wertminderung 268 f., 283 f., 359 ff. – Nettorealisationsgedanke 283 f. – statische Bilanzauffassung 268 f. Differenzierungsmaßstab 118, 143, 176, 189 f., 194, 200, 202 f., 210, 214, 231, 233, 237, 244, 248, 252 ff., 268 ff., 283 ff., 294 ff., 304 ff. Dispositionsschutz 258, 264 Drohverlustrückstellungen 76 ff., 87, 106 ff., 320 ff. – Abschaffung 270 – Nettorealisationsgedanke 77 – Reinvermögenszugangstheorie 108 f. – statische Bilanzauffassung 78 f. – Verhältnis zur Teilwertabschreibung 108 f., 322 f. – verfassungsrechtliche Aspekte 322 f. Dualismus der Einkunftsarten 194 f. Dynamische Bilanz 25 eigentumsschonende Besteuerung 238 ff., 256 f., 264 422
Gegenwartseinkommen 342, 356 Gemeiner Wert 64, 68, 309 f. Gewinn 82, 90, 93 – kapitaltheoretischer 93 – voller 82, 90 Gewinnermittlung 5 ff., 9 ff., 82, 88, 92, 101, 112, 114, 174, 213, 245, 265, 306 f., 316 – handelsrechtliche 5 ff., 316 – steuerliche 5 ff., 9 ff., 82, 88, 92, 101, 111 f., 114, 174, 213, 242 Gläubigerschutz 19, 82 ff., 244, 301 Gleichheit 121 ff., 142 ff., 160 ff.
Stichwortverzeichnis
– innerperiodische 160 ff., 164, 171, 181 f. – interperiodische 150, 162 f., 170 f. 173, 176, 180 ff. – tatsächliche Belastungsgleichheit 116, 142 ff. Gleichheitssatz, allgemeiner 121 ff. – bereichsspezifische Interpretation für das Steuerrecht 125 ff., 214, 248 – Dogmatik 121 ff. – Folgerichtigkeit 209 ff. – hohe Bindungsintensität bei nachteiliger Auswirkung im freiheitsrechtlich geschützten Bereich 127 – Lehre von den funktionellen Grenzen des Gleichheitssatzes 123 – Leistungsfähigkeitsprinzip 129 ff. – normative Gleichheit 121, 194 – Rechtsanwendungsgleichheit 121 – Rechtssetzungsgleichheit 121 – Ungleichbehandlung von Normadressaten 128 f. – Willkürverbot 122 ff., 132, 134, 136 f., 139 f., 150, 208, 211 ff., 234 f., 245, 271, 375 GoB 6 f., 11, 38, 81 GoStB 81 Grenznutzentheorie 144
259 f., 263 f., 272, 279, 284 ff., 311 f., 316 ff., 347 – Drohverlustrückstellungen 76 ff. – eigentumsschonende Besteuerung 228 ff., 256 f., 263 f. – Kritik 81, 87 – Nettorealisationsgedanke 41 ff., 263 f. – Rechtfertigung 259 f., 263 f. – statische Bilanzauffassung 60 ff., 259 f. – Teilwertabschreibung 56 ff., 63 ff. Individualbesteuerung 155, 178
Historie 5, 304 ff. Humankapital 172 f., 176, 192
Markteinkommenstheorie 200 ff., 233 – Ableitung 201 – Kritik 204 ff. Maßgeblichkeitsprinzip 5 ff., 81 ff., 114 f., 249 ff., 265 ff., 316 f. – Durchbrechungen 9 f.
IAS/IFRS 266 f. – Maßgeblichkeit 266 f. Imparitätsprinzip 39, 41 ff., 60 ff., 79 f., 81 ff., 114 ff., 174, 231,
Kapitalerhaltung 264 f., 279, 302 Kassenvermögensvergleich 91 ff. Konsumeinkommensteuer 148, 152 ff. konsumorientierter Einkommensbegriff 148, 152 ff. Korrespondenzlücke 106, 117, 254 Lebenseinkommen 149 ff., 163, 167, 170 f., 180, 186, 273, 338 Leistungsfähigkeitsprinzip 129 ff. – Belastungsgleichheit 142 f. – Folgerichtigkeit 209 ff. – Indikatoren 147 ff. – Kritik 134 ff. – verfassungsrechtliche Fundierung 130 f. Liquidität 100, 257
423
Stichwortverzeichnis
– Historie 5, 304 ff. – Internationale Rechungslegung 266 f. – Kritik 81 ff., 114 f. – Verweisungsumfang 7 ff. matching principle 23, 29 Mindestertragspotential 46, 72
Neuzuwachs an Leistungsfähigkeit 295, 298, 303, 351, 353, 378, 380 Nutzentheorie 143 ff.
Nachgelagerte Besteuerung 153 ff. Nachholabschreibung 40, 54 Nettoprinzip 132, 219 ff., 226 ff. – finanzverfassungsrechtliche Ableitung 222 f. – Leistungsfähigkeitsprinzip 221 f., 224 f. – objektives 219 ff. – subjektives 132 – Symmetrieprinzip 226 ff. – zeitliche Dimension 227 ff. Nettorealisationsprinzip 22 ff., 41 ff. 111 ff., 114 f., 233, 251 f., 261 ff., 283 ff., 294, 299 ff., 315 ff. – AfA 26 ff. – AfaA 50 ff. – außerplanmäßige Abschreibungen 39 ff. – Differenzierungsmaßstab 251 ff., 261 ff. – Drohverlustrückstellung 76 f. – eigentumsschonende Besteuerung 263 ff. – Imparitätsprinzip 40 ff., 263 ff. – Kritik 31 f. – Reformbestrebungen 283 ff. – Teilwertabschreibung 56 ff. – Systemwechsel 315 ff. – Verbindlichkeitsrückstellungen 34 ff. – Wertaufholung 294, 299 ff. Neutralität 94, 152 – intertemporale 152
Periodeneinkommen 156 ff. Periodisierung 2, 20 ff., 33 ff., 90, 251, 261 f., 272 Praktische Konkordanz 184
424
Objektivierung 235 ff. – willkürfreier Bilanzansatz 236 Opfertheorie 143 ff.
Quellentheorie 158 f., 195, 306 f. Realisationsprinzip 17 ff., 22 ff., 255 ff., 262 f., 294 ff., 353 f. – Nettorealisation 22 ff., 262 f. – statische Bilanzauffassung 17 ff., 255 ff. – verfassungsrechtliche Dimension 255 ff., 294 ff., 353 f. – Wertaufholung 294 ff., 299 ff. Realisationszeitpunkt 13, 16, 110, 162, 246, 257 f., 262 Rechtssicherheit 27, 39, 169 ff., 377 Rechtsstaatsprinzip 235 f., 329 f. – Rückwirkung 329 f. – willkürfreie Bilanzansätze 236 Reinvermögenszugangstheorie 102 ff. – nach Siegel 104 ff. – strenge 102 f. Reinvermögenszuwachstheorie 92 ff. Rückbewirkung von Rechtsfolgen 332 f. Rückstellungen 34 ff., 76 ff. – Drohverlustrückstellungen 76 ff. – Nettorealisationsgedanke 34 f
Stichwortverzeichnis
– statische Bilanzauffassung 35 f. – Verbindlichkeitsrückstellungen 34 ff. Rückwirkung 328 ff. – echte 330 f., 334 ff., 340 ff. – neuere Rechtsprechung 349 ff. – öffentliche Interessen 347 f. – Rechtfertigungsgründe 344 ff. – retroaktive 330 – retrospektive 330 – Rückbewirkung von Rechtsfolgen 332 f. – staatlicher Finanzbedarf 349 – tatbestandliche Rückanknüpfung 332 f. – unechte 330 f., 334 ff., 355 – Wertaufholung 340 ff., 354 ff. Rückwirkungsbegriff 328 ff., 336 – dispositionsbezogener 336 – einheitlicher 336 – traditioneller 330 ff. Rückwirkungsverbot 329, 336 Sachverhalt 330, 334 f. – offener 330, 335 – abgeschlossener 334 Schanz-Haig-Simons-Konzept 145, 154, 157 Schuldendeckungspotential 19 f. Sofortabschreibung 92, 162, 173, 318 Sparbereinigung 153 f. Subsysteme 194, 209, 214, 218, 232, 234 Staatlicher Finanzbedarf 129, 134, 148, 169, 349 Statische Bilanzauffassung 17 ff. – AfA 20 f. – AfaA 62 – außerplanmäßige Abschreibungen 60 ff.
– Fortführungsstatik 18 ff., 310 f. – Imparitätsprinzip 60 ff., 259 f. – Realisationsprinzip 17 ff., 255 ff., 294 ff. – Reformbestrebungen 268 ff. – Teilwertabschreibung 62 ff., 259 f. – Wertaufholung 294 ff. – Zerschlagungsstatik 18 ff., 64, 72, 304 Steuerentlastungsgesetz 1 ff., 37, 87, 174, 267, 289 f., 377 Steuervorbehalt 9, 250 Stichtagsprinzip 9, 11, 362, 366 f. Substitutionsthese 59, 65 Symmetrieprinzip 226 ff., 230 ff. – Folgerichtigkeit 226 ff. – umfängliches 226 ff. – zeitliches 230 ff. Systemkonsequenz 127, 143, 204, 209 ff., 214, 218, 226 ff., 243, 270, 275, 281, 314, 376 – Abgrenzung zur Folgerichtigkeit 211 – verfassungsrechtliche Dimension 209 ff., 226 ff., 270 Systemwechsel 314 f. – Anforderungen 315 – Folgerichtigkeit 314 tatbestandliche Rückanknüpfung 332 f. tatsächliche Belastungsgleichheit 116, 142 ff. Teilwert 37, 309 f., 359 Teilwertabschreibung 56 ff., 62 ff., 259 f., 263 ff. – dauernde Wertminderung 268 f., 283 f., 359 ff. – Imparitätsprinzip 40ff., 62 ff., 259 f., 263 ff. 425
Stichwortverzeichnis
– Nettorealisationsgedanke 56 ff., 263 ff. – statische Bilanzauffassung 62 ff., 259 f. Teilwertverständnis 63 ff., 72 ff. – funktionales 72 ff. – traditionelles 63 ff. Teilwertvermutungen 65 ff. Totalgewinn 150, 190 Überschussrechnung 88, 92, 115, 118, 154, 163, 174, 195 f., 228, 245, 247 f. Umlaufvermögen 47, 55, 67, 250, 269, 290 ff., 372 f. Verlustantizipation 43 f., 56 f., 75 ff., 99, 115, 284, 300, 341 Verlustausgleich 104, 150, 185, 272 ff., 281, 286 ff. Verlustrücktrag 113, 187 ff., 272 ff. Verlustvortrag 186, 189, 272 Verbindlichkeitsrückstellungen 34 ff. – Entziehbarkeit 36 – Nettorealisationsgedanke 34 f. – statische Bilanzauffassung 35 f. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 20, 107, 193, 202, 240 ff., 256 ff., 260, 264, 267, 295 ff. Vertrauensschutz 329 ff., 344 ff., 350 Vieldeutigkeitsthese 139 vollkommener Kapitalmarkt 93, 155 Vollständigkeitsgrundsatz 15 f., 35, 78 Vorsichtsprinzip 9, 12, 42, 60, 82 f., 115, 117, 244, 256, 259, 305 – Gläubigerschutz 117 426
– handelsrechtliches 82 f. – steuerliches 244 Wertaufhellung 362, 366, 371 f., 380 Wertaufholung 288 ff. – AfaA 295 f., 301 f. – Nettorealisationsgedanke 299 ff. – Realisationsprinzip 294 ff. – Rückwirkung 340 ff., 354 ff. – statische Bilanzauffassung 294 ff. – Teilwertabschreibung 295 f., 300 ff. Wertzuwachs 100 ff., 254, 255 ff., 294 ff., 307, 342 f., 353 f. – Art 14 GG 255 ff., 294 ff., 353 f. – nichtrealisierter 12 ff., 100 ff., 255 ff., 294 ff., 305, 308, 342, 353 – Rückwirkung 343 Wirtschaftliche Verursachung 35, 109 Wiederbeschaffungskosten 60, 66 ff., 71 f., 74 ff., 97, 326, 364 ff., 373 Willkürverbot 122 ff., 132, 134, 136 f., 139 f., 150, 208, 211 ff., 234 f., 245, 271, 375 Zeitwert 19 f., 59, 71, 75, 97, 266, 269, 284, 304 ff., 360 ff. Zerschlagungsstatik 18 ff., 64, 72, 304 Zinsbereinigung 155 Zinseffekt 106, 169 Zufluss 16, 102, 104, 116, 157, 189, 206, 229, 246, 257 f., 347 – Realisationsprinzip 16, 257 f. Zweckdivergenz 8, 83