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German Pages 420 [479] Year 2014
Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament Herausgeber / Editor Jörg Frey (Zürich) Mitherausgeber / Associate Editors Markus Bockmuehl (Oxford) · James A. Kelhoffer (Uppsala) Hans-Josef Klauck (Chicago, IL) · Tobias Nicklas (Regensburg) J. Ross Wagner (Durham, NC)
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Hans-Ulrich Weidemann
Taufe und Mahlgemeinschaft Studien zur Vorgeschichte der altkirchlichen Taufeucharistie
Mohr Siebeck
Hans-Ulrich Weidemann, geboren 1969; 1990–96 Studium der Kath. Theologie an der Universität Tübingen und an der Pontificia Università Gregoriana in Rom; 2003 Promotion; 2008 Habilitation; seit 2008 Professor für Neues Testament am Seminar für Katholische Theologie der Philosophischen Fakultät der Universität Siegen.
e-ISBN 978-3-16-153400-3 ISBN 978-3-16-153362-4 ISSN 0512-1604 (Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Natio nalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb. de abrufbar. © 2014 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruck papier gedruckt und von der Großbuchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden.
Den Mönchen des byzantinischen Ritus der Benediktinerabtei des heiligen Mauritius und des heiligen Nikolaus von Myra in Niederaltaich
Vorwort Vorwort
Die vorliegende Studie stellt die überarbeitete Fassung meiner im Sommersemester 2008 an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Tübingen angenommenen Habilitationsschrift dar. Durch meine unmittelbar im Anschluss an das Tübinger Habilitationsverfahren erfolgte Berufung an die Universität Siegen zum Wintersemester 2008/09 fiel die Arbeit zunächst in einen längeren Dornröschenschlaf, aus dem ich sie erst in meinem ersten Forschungssemester, dem Sommersemester 2013, erwecken konnte. Mein Dank gilt zuerst meinem Betreuer und Erstgutachter, Herrn Prof. Dr. Michael Theobald. Die Arbeit entstand während meiner Zeit als sein Assistent am Lehrstuhl für Neues Testament der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Tübingen. Dass diese Zeit für mich theologisch prägend und persönlich bereichernd war, verdanke ich vor allem der Begleitung und Freundschaft Michael Theobalds. Zur Fragestellung wie zur Durchführung der Habilitationsschrift hat er durch vielerlei Hinweise und Diskussionen und nicht zuletzt durch die Einbindung in seine eigene, den engeren Bereich neutestamentlicher Exegese weit überschreitende Forschungstätigkeit maßgeblich beigetragen. Besonders dankbar bin ich dafür, dass das Gespräch mit Michael Theobald auch nach meinem Weggang aus Tübingen nicht abriss. Mein Dank gilt ebenso Herrn Prof. Dr. Hans Reinhard Seeliger. Er hat nicht nur das Zweitgutachten für das Habilitationsverfahren verfasst, sondern hat mir zahlreiche ins Detail gehende, kritische und weiterführende Hinweise gegeben. Insbesondere hat er mein Augenmerk auf die Bedeutung des Tauffastens für die Fragestellung der Arbeit gelenkt, was mir bei der Überarbeitung nochmals eine neue Perspektive eröffnet hat. Die Thematik der Studie hat mich in den auf die Habilitation folgenden Jahren meiner Siegener Lehr- und Forschungstätigkeit immer wieder beschäftigt. Dies ist auch der Grund, warum ich einige Kapitel einer stärkeren Überarbeitung unterzogen habe. Viel verdanke ich der Mitwirkung an den beiden, vor allem von David Hellholm (Oslo) und Dieter Sänger (Kiel) organisierten internationalen und interdisziplinären Projekten „Ablution, Immersion, and Baptism“ sowie „Sacred Meal, Communal Meal, Table Fellowship, and the Eucharist“. Wichtige Anregungen erhielt ich auch durch die Beteiligung an dem in Regensburg und Leuven angesiedelten, von den Kollegen Tobias Nicklas, Andreas Merkt und Joseph Verheyden
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Vorwort
geleiteten internationalen Projekt „Novum Testamentum Patristicum“ (NTP). Insbesondere durch die gemeinsam mit den genannten Kollegen organisierte Siegener NTP-Tagung „Asceticism and Exegesis in Early Christianity“ wurde ich auf die Thematik der frühchristlichen Askese und ihre Implikationen für die Eucharistie- und Mahlpraxis aufmerksam. Für wertvolle Hilfe auf den letzten Metern bin ich schließlich Dr. Michael Jonas sowie den Kollegen Ingo Broer (Siegen), Harald Buchinger (Regensburg), Andreas Hoffmann (Siegen), Hermut Löhr (Münster) und Andreas Müller (Kiel) sehr zu Dank verpflichtet. Ich danke den Herausgebern der „Wissenschaftlichen Untersuchungen zum Neuen Testament“ (WUNT), insbesondere Herrn Prof. Dr. Jörg Frey sowie Herrn Prof. Dr. Hans-Josef Klauck, für die bereits 2008 erfolgte Annahme der Arbeit und für ihre Geduld trotz der langen Verzögerung der Publikation. Frau Bettina Gade und Herrn Matthias Spitzner vom Verlag Mohr Siebeck danke ich herzlich für die Betreuung und für viele wertvolle Hilfen bei der Erstellung der Druckvorlage. Meiner Siegener Wissenschaftlichen Hilfskraft, Frau Lena Lütticke, danke ich für die gründliche Lektüre der ganzen Arbeit. Meiner Studentischen Hilfskraft, Frau Clarissa Richter, danke ich für die Erstellung der umfangreichen Register sowie für die Hilfe bei der Vermeidung einiger Fehler in der Endphase. Gewidmet sei das Buch den Mönchen des byzantinischen Ritus der Benediktinerabtei des hl. Mauritius und des hl. Nikolaus zu Niederaltaich, insbesondere Herrn P. Romanos Werner OSB. Bei ihnen habe ich in den letzten zehn Jahren – und damit während der ganzen Phase der Arbeit an dieser Studie – regelmäßig kürzere und längere Aufenthalte verbracht und dabei auch eine gottesdienstliche Zuflucht gefunden. Für diese geistliche, theologische und persönliche Bereicherung danke ich der Gemeinschaft von Herzen. Siegen, 14. September 2014
Hans-Ulrich Weidemann
Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis
Vorwort ................................................................................................... VII I. Taufe und Mahlgemeinschaft: Einleitung ................................................1 1. Das „pattern“ der nachkonstantinischen Taufgottesdienste .................1 1.1 Die Initiation in den Taufkatechesen des 4. und 5. Jhs. .................2 1.2 Die nachkonstantinische Taufeucharistie.......................................4 2. Die Taufeucharistie: Tradition oder Innovation ...................................5 2.1 Entfaltung und Entwicklung ..........................................................5 2.2 Homogenisierung und Innovation .................................................6 2.3 Die Homogenisierung der Initiation ..............................................7 2.4 Der Hintergrund: Die pastorale Krise des 4. Jhs............................8 2.5 Die Taufeucharistie: Tradition oder Innovation? ...........................9 3. Forschungsgeschichtliche Schlaglichter zur Taufeucharistie.............10 3.1 Richard Reitzensteins „Vorgeschichte der christlichen Taufe“ ....10 3.2 Eine Taufeucharistie (schon) im Neuen Testament? ....................13 3.3 Die Taufeucharistie in der liturgiewissenschaftlichen Forschung....................................................................................16 4. Zur Fragestellung ..............................................................................19 Erster Hauptteil Taufeucharistie und postbaptismale Mähler in Quellen des 2. und 3. Jahrhunderts II. Taufe und Eucharistie in der Didache...................................................27 1. Einleitungsfragen zur Didache ..........................................................29 1.1 Der Text der Didache...................................................................29 1.2 Die Didache als gewachsener Text ..............................................31 1.3 Die Didache und das Matthäusevangelium..................................33 2. Lehre zur Diakrisis – die Intention der Didache................................36 2.1 Die Gliederung der Didache ........................................................37 2.2 Lehre zur Beurteilung..................................................................41 2.3 Der Anlass für die Niederschrift der Didache ..............................42 3. Beobachtungen zu Did 11–16............................................................45
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3.1 Überblick .................................................................................... 45 3.2 Die Situation der Gemeinde ........................................................ 47 3.3 Die Antwort des Didachisten....................................................... 47 3.3.1 Die grundlegende Anweisung 11,1f. ..................................... 47 3.3.2 Der Umgang mit Aposteln und Propheten (11,3–13,7) ......... 48 3.4 Das reine Opfer unter den Heiden (14,1–3)................................. 51 3.5 Episkopen und Diakone (Did 15) ................................................ 54 3.6 Der „apokalyptische“ Abschluss (Did 16) ................................... 55 4. Die „Lehre zur Diakrisis“ (Did 1–10) ............................................... 56 4.1 Die Initiation von Heiden in die Ekklesia.................................... 56 5. Die Taufkatechese (Did 1–6)............................................................. 58 5.1 Der Lebensweg............................................................................ 58 5.2 Der Abschluss der Zweiwegelehre (6,1–3) .................................. 60 6. Wassertaufe und Fasten (Did 7,1–8,1)............................................... 64 6.1 Die Wassertaufe (Did 7,1–3) ....................................................... 64 6.2 Das Tauffasten (Did 7,4) ............................................................. 65 6.3 Abgrenzung zum Fasten der „Heuchler“ (Did 8,1) ...................... 67 6.4 Fasten, Taufe und Eucharistie...................................................... 67 7. Das Gebet (Did 8,2–3) ...................................................................... 68 8. Die Eucharistie (Did 9–10) ............................................................... 69 8.1 Taufe und Eucharistie .................................................................. 70 8.2 Die eucharistischen Formulare .................................................... 72 8.3 Überblick über die Gebete........................................................... 73 8.4 Die Kelcheucharistie (9,1f.) ........................................................ 74 8.5 Die Broteucharistie (9,3f.)........................................................... 78 8.6 Der Ausschluss der Ungetauften (9,5) ......................................... 80 8.7 Das Sättigungsmahl (10,1) .......................................................... 81 8.8 Die Nachtischeucharistie (10,2–5) .............................................. 83 8.9 Weitere Bestimmungen im Anschluss (10,6f.)............................. 86 9. Fazit: Fasten, Taufe und Mahl in der Didache................................... 88 III. Die Taufeucharistie bei Justin ............................................................. 91 1. Die Taufeucharistie in der Apologie.................................................. 91 1.1 Justins Taufeucharistie in der Diskussion .................................... 91 1.2 Das Taufbad als Weihe an Gott.................................................... 95 1.3 Das Tauffasten (Apol I 61,2) ....................................................... 96 1.4 Die Wassertaufe (Apol I 61,3) ..................................................... 97 1.5 Der „Exkurs“ über die Erleuchtung (Apol I 62–64) .................... 98 1.6 Die Taufeucharistie (Apol I 65)................................................. 100 1.7 Die Erklärung der eucharistischen τροφή (Apol I 66) ............... 104 1.8 Die Sonntagseucharistie (Apol I 67) ......................................... 109 2. Die Taufeucharistie im „Dialog mit Tryphon“ ................................ 111
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2.1 Adressaten und Abfassungszweck des Dialogs .......................... 111 2.2 Das Opfer des Weizenmehles (Dial 40–42) ............................... 113 3. Fazit: Taufe und Taufeucharistie bei Justin ..................................... 116 IV. Taufeucharistien in den Paulus- und den Petrusakten ........................ 119 1. Die apokryphen Apostelakten als liturgiegeschichtliche Quelle ...... 119 1.1 Bekehrung und Initiation ........................................................... 119 1.2 Asketische Eucharistien.............................................................121 1.3 Taufe und Mahl in den Johannes- und den Andreasakten ..........122 2. Die Taufeucharistie in den Paulusakten...........................................124 2.1 Die Taufe der Artemilla (PHam p. 2–5) .....................................125 2.2 Der von Petrus getaufte Kapitän Artemon (PHam p. 7) .............127 3. Die Taufeucharistie in den Petrusakten ...........................................128 3.1 Die Quellenlage.........................................................................128 3.2 Die Taufe Theons in den Actus Vercellenses .............................129 V. Die Taufeucharistien der Thomasakten...............................................132 1. Einleitung........................................................................................132 2. Quellenlage und Literarkritik ..........................................................133 3. Eucharistien und asketische Mahlpraxis in den Thomasakten .........135 3.1 Nächtliche Initiation und morgendliche Eucharistie .................. 135 3.2 Fasten und asketische Mahlpraxis .............................................136 4. Die Epiklesen und das „pattern“ des Taufgottesdienstes .................138 5. Die erzählten Taufeucharistien in den Thomasakten .......................140 5.1 Die Taufe des Königs Gundaphor und seines Bruders Gad .......140 5.2 Die Taufe einer von einem verliebten Dämon befreiten Frau ....145 5.3 Die Taufe der Mygdonia ............................................................147 5.4 Die Taufe Sifors, seiner Frau und seiner Tochter.......................150 5.5 Die Taufe Vazans und seines Hauses .........................................151 Exkurs: Der neutestamentliche Bezug des Initiations-„patterns“ in den ActThom...................................................................................153 6. Fazit: Taufe und Taufeucharistie in den Thomasakten.....................155 VI. Taufeucharistien in den Pseudoclementinen .....................................159 1. Die beiden Tischgemeinschaften ..................................................... 159 2. Taufe, Fasten und Tischgemeinschaft.............................................. 163 3. Tauffasten, Taufe und Taufeucharistie der Hauptfiguren ................. 166 3.1 Die Taufe des Clemens und der Menge von Tripolis ................. 166 3.2 Die Taufe der Mattidia...............................................................168 3.2.1 Mattidias Tauffasten in den Homilien und in den Recognitionen ...................................................168
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3.2.2 Taufe und Taufeucharistie Mattidias in den Hom................ 169 3.2.3 Taufe und Taufeucharistie Mattidias in den Rec ................. 170 3.3 Tauffasten und Taufe des Vaters ................................................ 173 3.4 Die Contestatio.......................................................................... 173 4. Zur Literarkritik .............................................................................. 174 5. Fazit: Taufe und Mahlgemeinschaft in den Pseudoclementinen ...... 175 VII. Die Taufeucharistie bei Tertullian ................................................... 178 1. Tauffasten und Wassertaufe in „de baptismo“ ................................. 178 2. Die Taufeucharistie mit Milch und Honig ....................................... 181 3. Die drei Formen der Eucharistie bei Tertullian ............................... 184 3.1 Das abendliche eucharistische Symposion ................................ 184 3.2 Morgendliche Austeilung zuvor konsekrierter Gaben ............... 186 3.3 Die Taufeucharistie ................................................................... 187 4. Fazit: Taufe und Taufeucharistie bei Tertullian ............................... 188 VIII. Die Taufeucharistie in der sog. Traditio Apostolica ....................... 190 1. Einleitungsfragen ............................................................................ 190 1.1 Die Rekonstruktion des verlorenen griechischen Originals ....... 190 1.2 Die literarkritische Beurteilung der Grundschrift ...................... 192 1.3 Die geographische und liturgiegeschichtliche Verortung........... 193 1.4 Die Liturgie der TA ................................................................... 198 2. Der Taufgottesdienst in der sog. Traditio Apostolica ...................... 199 2.1 Der Taufgottesdienst in der „Grundschrift“ der TA ................... 199 2.2 Die Vorbereitung auf die Taufe.................................................. 202 2.3 Das Tauffasten........................................................................... 203 2.4 Wassertaufe und postbaptismale Salbungen .............................. 204 2.5 Die Taufeucharistie (TA 21,27–30) ........................................... 206 2.6 Die Taufkommunion (TA 21,31–37).......................................... 208 3. Zusätzliche Lebensmittel bei den Eucharistien der TA ................... 209 3.1 Öl, Käse und Oliven (TA 5–6)................................................... 209 3.2 Milch und Honig bei der Taufeucharistie (TA 21) ..................... 210 4. Morgendliche Taufeucharistie und abendliches Gemeindemahl...... 214 4.1 Die abendlichen Gemeindemähler in der TA ............................. 215 4.2 Spuren von älteren eucharistischen Gemeindemählern ............. 215 4.3 „Eucharistische Konkurrenz“ zwischen Hausherren und Bischof ............................................................................... 216 5. Fazit: Taufe und Taufeucharistie nach der TA ................................. 218
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Zweiter Hauptteil Taufe und Eucharistie im Neuen Testament IX. Taufe und Mahl in der Apostelgeschichte .........................................223 1. Wassertaufe ohne Mahlgemeinschaft ..............................................223 1.1 Die Umkehrtaufe von Juden an Pfingsten (Apg 2) ....................224 1.2 Die Taufen des Philippus in Samaria (Apg 8)............................225 1.3 Die Taufe des äthiopischen Eunuchen (Apg 8,26–40) ...............227 1.4 Die Taufe des Saulus in Damaskus (Apg 9)...............................231 1.5 Die Taufe des Synagogenvorstehers Krispus (Apg 18)..............233 1.6 Fazit ..........................................................................................235 2. Die Taufen nichtjüdischer „Häuser“ durch Juden............................235 3. Taufe und Geistempfang von Juden und von Heiden ......................236 3.1 Die Bezüge zwischen Pfingst- und Corneliusgeschichte ...........236 3.2 Die Gabe des Geistes für Juden und Heiden.............................. 237 3.3 Die Reaktivierung der Johannestaufe durch Petrus in Apg 2 .....238 3.4 Die Modifikation der Johannestaufe um den Namen Jesu .........240 4. Taufe und Gastfreundschaft im Haus des Cornelius (Apg 10f.) ...... 241 4.1 Kultisch reine Tiere und reine Menschen ..................................241 4.2 Der Eintritt des Petrus in das heidnische Haus ..........................245 4.3 Petruspredigt, Geistgabe und Wassertaufe .................................247 4.4 Postbaptismale Gastfreundschaft...............................................250 5. Die Taufe der Lydia und ihres Hauses (Apg 16,14f.) ...................... 251 5.1 Die jüdischen Missionare ..........................................................251 5.2 Bekehrung der Lydia und Anerkennung ihres Glaubens ............253 5.3 Nötigung zur Gastfreundschaft..................................................255 6. Die Taufe des Gefängniswärters und seines Hauses (Apg 16,25–34) ...............................................................................257 6.1 Die Taufe des ersten „echten“ Heiden .......................................257 6.2 Bewirtung im heidnischen Haus ................................................257 6.3 Die Bezüge zur lukanischen Aussendungsrede .......................... 259 7. Ekklesiologie und Askese: Die lukanische Tendenz ........................261 7.1 Kennt Lukas postbaptismale Mähler?........................................261 7.2 Taufe, Mahl und die Ekklesiologie des Lukas ...........................263 7.3 Taufe, Mahl und Askese bei Lukas ............................................266 7.3.1 Brotbrechen als Nachtwache in Troas..................................... 266 7.3.2 Die asketische Mahlpraxis in der Ekklesia unter den Heiden .269 8. Fazit: Liturgiegeschichtliche Auswertung ......................................272 X. Mahlgemeinschaft und Taufe in Antiochia .........................................276 1. Das lukanische Bild der antiochenischen Ekklesia.......................... 276
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2. Die Tischgemeinschaft von Juden und Nichtjuden in Antiochia nach dem Galaterbrief..................................................................... 279 2.1 Die paulinische Darstellung des Konflikts ................................ 279 2.2 Die Mahlpraxis in Antiochia ..................................................... 282 2.3 Mahlgemeinschaft mit den und „inmitten von“ Heiden............. 285 2.4 Der Rückzug der Juden von den getauften Nichtjuden.............. 287 2.5 Der Zusammenstoß des Paulus mit Petrus................................. 289 3. Tischgemeinschaft und Taufe .......................................................... 292 XI. Taufe, geistliche Speise und geistlicher Trank bei Paulus................. 295 1. Götzenopferfleisch und Götzendienst in Korinth ............................ 295 2. Anliegen und Argumentation des Apostels in 1Kor 8–10 ................ 298 2.1 Das Anliegen des Apostels: ein zweifacher Verzicht ................. 298 2.2 Der erste Argumentationsgang: Werbung um Rechtsverzicht (1Kor 8,1–9,23)......................................................................... 300 2.3 Wer erreicht das Ziel? Das Zwischenstück 9,24–27 .................. 304 2.4 Der zweite Argumentationsgang: Verbot der Teilnahme am Götzenkult (1Kor 10,1–22)............... 307 2.5 Die Präsenz des Christus durch Taufe und Eucharistie.............. 311 2.6 Geistliche Speise und geistlicher Trank..................................... 312 2.7 Die gefährliche Nähe des Kyrios............................................... 315 2.8 Stand und Fall (10,12f.)............................................................. 318 3. Fazit und Überleitung ..................................................................... 319 XII. Taufe, Eucharistie und der Leib Christi bei Paulus.......................... 321 1. Ernst Käsemanns Interpretation der paulinischen Aussagen über den Leib Christi ...................................................................... 321 2. Eucharistie und Leib Christi (1Kor 10,16f.).................................... 323 2.1 Das Anliegen des Apostels: Meidet den Götzendienst (10,14) .. 323 2.2 Die Argumentation des Apostels mit der Eucharistie ................ 324 2.3 Das argumentative Ziel des Apostels: kollektive Verantwortung .......................................................... 327 3. Taufe und Leib Christi (1Kor 12,13) ............................................... 330 3.1 Das Anliegen des Apostels ........................................................ 330 3.2 Der erste Argumentationsgang: Die Akklamation des Kyrios.... 331 3.3 Der zweite Argumentationsgang: Die Vielzahl der Charismen .. 332 3.4 Leib Christi und Taufe............................................................... 333 3.4.1 Zur Analyse von 1Kor 12,13 .................................................. 335 3.4.2 Die Ersteucharistie als Tränkung mit dem Geist..................... 336 4. Fazit: Taufe und Eucharistie im 1. Korintherbrief ........................... 337
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XIII. Die Taufeucharistie im Hebräerbrief ..............................................341 1. „Teilhabe“ als „Anfang“ des Heiles ................................................341 2. Das Ziel der Warnrede Hebr 5,11–6,12 ...........................................342 3. Auslegung des Textes ......................................................................346 3.1 Die Ankündigung einer langen und schweren Rede ..................346 3.2 Das Fundament (Hebr 6,1–3) ....................................................349 Exkurs: Das Verständnis der Wassertaufe(n) im Hebräerbrief .............352 3.3 Die Unmöglichkeit einer erneuten Umkehr (Hebr 6,4–6) .......... 356 3.3.1 Analyse ...............................................................................356 3.3.2 Die Wüstengeneration Israels in 6,4–6................................358 3.3.3 Die Erleuchtung (6,4b) .......................................................359 3.3.4 Das Kosten der himmlischen Gabe (6,4c) ...........................361 3.3.5 Die Teilhabe am Heiligen Geist (6,4d)................................363 3.3.6 Das Kosten des guten Gotteswortes (6,5a)..........................363 3.3.7 Der Abfall ...........................................................................365 3.3.8 Schlussfolgerungen .............................................................366 3.4 Das Beispiel des Erdbodens (Hebr 6,7–8) .................................366 3.5 Abschließende Paränese (Hebr 6,9–12) .....................................368 3.6 Fazit ..........................................................................................369 4. Ausblick: Altar und Lobopfer der Christen nach Hebr 13................ 370 4.1 „Wir haben einen Altar“ (Hebr 13,10) .......................................371 4.2 Gebete als Opfer der Lippen (Hebr 13,15) ................................374 Exkurs: Manna, Honig, Engelsspeise ......................................................378 1. Die Exodusereignisse in biblischen Geschichtsrückblicken ............378 1.1 Neugruppierung und neue Zuordnung von Exodusereignissen ..381 1.2 Theozentrische Zuspitzung ........................................................382 1.3 Versorgung in der Wüste ........................................................... 382 2. Das Manna als Engelsspeise............................................................ 383 2.1 „Brot der Engel“: Das Manna in Ps 77,25 LXX ........................383 2.2 „Engelsnahrung“ und „Ambrosia“: Das Manna im Buch der Weisheit .............................................384 3. „Diese Wabe ist Geist des Lebens“: Joseph und Aseneth ................386 3.1 Die beiden Protagonisten und ihre Tischgemeinschaften...........387 3.2 Jüdische Tischgemeinschaft als Gemeinschaft mit dem Schöpfer ......................................................................389 3.3 Konversion als Hinwendung zum Schöpfer und Wechsel der Tischgemeinschaft ..........................................390 3.4 Aseneths Umkehr ...................................................................... 391 3.5 Die himmlische Honigwabe ...................................................... 392 3.6 Die Honigkommunion Aseneths ................................................ 393 3.7 Die Honigwabe auf Aseneths Mund ..........................................395
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3.8 Kuss und Geist .......................................................................... 396 4. Fazit ................................................................................................ 398 Schlussbetrachtung ................................................................................. 401 Literaturverzeichnis ................................................................................ 413 Quellen .............................................................................................. 413 Hilfsmittel .......................................................................................... 416 Kommentare zu biblischen Büchern .................................................. 416 Sekundärliteratur ................................................................................ 418 Stellenregister ......................................................................................... 439 Autorenregister ....................................................................................... 455 Sachregister ............................................................................................ 460
Kapitel I
Taufe und Mahlgemeinschaft: Einleitung1 I. Einleitung
In seiner klassischen „Geschichte des Taufgottesdienstes in der alten Kirche“ vermutet Georg Kretschmar, dass die erste Teilnahme des Täuflings am vollen Gemeindegottesdienst den Ursprung der gottesdienstlichen Verbindung von Taufe und Mahl darstellt.2 Diese Verbindung bildet die Grundstruktur der nachkonstantinischen Taufgottesdienste, wie sie in den Taufkatechesen des 4. und 5. Jh. eindrücklich belegt sind. Hier ist die Taufeucharistie Höhepunkt, Ziel und Abschluss der gesamten, sich teilweise über Jahre hinziehenden Initiation.
1. Das „pattern“ der nachkonstantinischen Taufgottesdienste 1. Das „pattern“ der Taufgottesdienste
Dass Taufe und Eucharistie in dieser Weise in den „Fahrplan“3 eines rituellen Prozesses eingepasst und auf spezifische Weise einander zugeordnet wurden, setzt ein bestimmtes Verständnis dieser beiden Initiationsvollzüge voraus und generiert zugleich ein solches. Die Reihenfolge der beiden Vollzüge ist nicht umkehrbar und im Unterschied zur Stellung der Salbung(en), die in den verschiedenen Riten längere Zeit unterschiedlich angesetzt wurde(n), auch nicht strittig. Die sich in diesem „Fahrplan“ manifestierende theologische Deutung von Taufe und Taufeucharistie und damit auch des Taufgottesdienstes und der nachkonstantinischen Initiation insgesamt lässt sich an den erhaltenen Taufkatechesen des 4. und 5. Jahrhunderts zeigen. Dazu einleitend einige wenige Hinweise.
1 Den Regeln der deutschen Sprache gemäß werden maskuline Pluralformen inklusiv verwendet. Zitate aus älterer Literatur sind an die neue Rechtschreibung angepasst. 2 KRETSCHMAR, Geschichte 109, unter Verweis auf TA, Tertullian und weitere lateinische Quellen. Ebd. 110: Im 5. Jh. erschien die Taufeucharistie und damit die Erstkommunion „als notwendiger Bestandteil der einen Taufhandlung“. 3 Solche „Fahrpläne“ hat z.B. JOHNSON, Rites, aus den diversen Quellen extrapoliert (vgl. ebd. 122. 85f. u.ö.).
I. Einleitung
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1.1 Die Initiation in den Taufkatechesen des 4. und 5. Jhs. In seiner Einleitung in die Edition der dem Cyrill von Jerusalem zugeschriebenen Mystagogischen Katechesen4 arbeitet Georg Röwekamp heraus, dass im 4. Jh. „das Schicksal Jesu“ immer deutlicher das Grundmuster der sakramentalen Vollzüge bildet. Im Zuge dessen wurde „die christliche Liturgie – in gewisser Weise in Nachfolge des antiken Theaters – zum verwandelnden ‚Drama‘“, und die verschiedensten symbolischen Riten nahmen einen immer größeren Raum ein. Zugleich wurden die in den Provinzen teilweise sehr unterschiedlichen Liturgien einander angeglichen, was eine einheitliche Deutung ermöglicht.5 Der Schlüsselsatz für dieses Verständnis findet sich in der zweiten Mystagogischen Katechese: Christus wurde tatsächlich gekreuzigt, „damit wir, die wir durch Nachahmung (μιμήσει) Anteil an seinen Leiden erhalten haben (τῶν παθῶν αὐτοῦ κοινωνήσαντες), in Wirklichkeit das Heil gewinnen“.6 Dahinter wird einerseits ein ausgefeiltes soteriologisches Konzept sichtbar, das Heilsteilhabe mittels ritueller Nachahmung verspricht.7 Dass diese Entwicklung zugleich Symptom einer Krise der Taufe ist, hat Röwekamp treffend herausgestellt: „Die Taufe ist nun nicht mehr so sehr das eschatologische Sakrament der Sündenvergebung, zu dem es im Laufe der Zeit geworden war und das man möglichst lange hinausschob, sondern wird durch die Teilhabe am Schicksal Jesu zum Übergang in ein reicheres Leben schon jetzt, zur Mysterieneinweihung, die Trost gibt für das irdische Leben. So wurde nicht nur die Frage nach neuen Formen der Heilserfahrung gelöst, sondern auch die Krise der Taufe selbst. Die Eucharistiefeier ist nun ein dramatischer, symbolischer Prozess der ‚Vergöttlichung‘, des4
Zur neueren Diskussion vgl. exemplarisch SLENCZKA, Heilsgeschichte 75f. und 99: Im Unterschied zu den von Cyrill Mitte des 4. Jh. verfassten präbaptismalen Katechesen wurden die mystagogischen Katechesen erst in den letzten beiden Jahrzehnten des 4. Jh., vermutlich von Johannes von Jerusalem verfasst. Außerdem die ausführliche Diskussion bei RÖWEKAMP, Einleitung 8–15, der nach ausführlicher Diskussion ebenfalls für Johannes als den Autor der Mystagogischen Katechesen plädiert. Ebenso DAY, Lectures. 5 Vgl. RÖWEKAMP, Einleitung 75f. Dabei werde die Taufe „nun fast überall als heilsame, symbolische Nachahmung von Tod und Auferstehung Jesu verstanden und gestaltet“, die Eucharistie wiederum „als rituelle Nachahmung des Todes Christi angesehen und gestaltet“ (ebd. 76). Dazu auch ebd. 79f. unter Hinweis auf Parallelen zu den paganen Mysterienfeiern. 6 Cyrill, catech. myst. 2,5 (FC 7, 116–118, RÖWEKAMP). 7 Instruktiv zum Thema „Mimesis und Teilhabe am Heil“ in den Mystagogischen Katechesen SLENCZKA, Heilsgeschichte 107–120. Laut Slenczka ist die μίμησις die liturgische Form, das Heilshandeln Christi nachzuvollziehen. Sie enthält nicht die volle Wirklichkeit, schließlich stirbt der Täufling z.B. im Unterschied zu Christus nicht wirklich, sie vermittelt aber die ganze Wahrheit des Heils (113). Dabei ist es der Täufling (nicht etwa der Priester), der durch das Taufbad und die ihm unmittelbar vorangehenden Riten Christus nachahmt (116.118).
1. Das „pattern“ der Taufgottesdienste
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sen Mitfeier verwandelt“.8 Die Taufeucharistie9 wiederum „vollendet“ den mit der Taufe und den diversen prä- und postbaptismalen Riten begonnenen Prozess10 und bildet damit zugleich den Höhepunkt des „Dramas“. Analoges lässt sich auch in den anderen nachnizänischen Taufkatechesen feststellen. So formuliert Rainer Kaczynski in seiner Einleitung zu den Taufkatechesen des Johannes Chrysostomus im Hinblick auf die Initiation in Antiochia: „Der Sinn der Tauffeier erfüllt sich in der österlichen Eucharistie“.11 Chrysostomus ist für unsere Fragestellung aber auch deswegen lehrreich, weil er in seinen Taufkatechesen zugleich zeigt, dass der „Fahrplan“ des Initiationsgottesdienstes inzwischen sogar die Schriftauslegung beeinflusst: Im Zuge seiner Applikation von Joh 19,34 auf Taufe und Eucharistie12 betont der Kirchenvater, dass Jesus „nach dem Tod Blut und Wasser gab – zuerst aber das Wasser, dann das Blut“.13 Die ursprüngliche Formulierung von Joh 19,34, wonach nach dem Lanzenstich in die Seite Jesu aus dieser „sofort Blut und Wasser herauskamen“,14 wird von Chrysostomus also im Sinne des Taufgottesdienstes in umgekehrter Reihenfolge als zeitliches Nacheinander reformuliert. Für Mailand bezeugt Ambrosius ebenfalls die Vorstellung, dass die Taufeucharistie Ziel der ganzen Initiation ist, dass die Taufe Zugang zum Altar gewährt und darin ihr eigentlicher Zweck besteht. Wie das Aufstreichen von Speichel und Staub auf die Augen des Blindgeborenen, so öffne insbesondere die Wassertaufe die Augen der Täuflinge und gewährt ihnen ad altare zu kommen.15
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RÖWEKAMP, Einleitung 84. Zur Krise der Taufe im 4. und 5. Jh. vgl. auch BRADSearch 217–219 u.ö. 9 Zur Rekonstruktion der Taufliturgie Cyrills vgl. SLENCZKA, Heilsgeschichte 81–86. 10 So RÖWEKAMP, Einleitung 79. 11 KACZYNSKI, Einleitung 89. Ebd. 92 zum österlichen Tauftermin: Neubekehrte wurden zu einem Zeitpunkt durch die Taufe in die Gemeinde aufgenommen, „der ihnen die Teilnahme an dieser Haupteucharistie des Jahres ermöglichte. Dafür bot sich die Osternacht selbst an, die tatsächlich seit dem 4. Jahrhundert zur großen Taufnacht des Jahres wurde“. Vgl. auch SLENCZKA, Heilsgeschichte 227: „Der sakramentale Exodus führt zum Abendmahl“. 12 Dazu auch SLENCZKA, Heilsgeschichte 230–232. Slenczka betont mit Recht, dass Chrysostomus in seiner Typologie „nicht etwa die Sakramente als Abbilder des Kreuzesgeschehens auffasst, sondern umgekehrt die σύμβολα der Sakramente am Kreuz findet“. 13 Chrysostomus, catech. 2/4,18: ἐν πρώτοις δὲ τὸ ὕδωρ εἶτα τὸ αἷμα (FC 6/1, 276,9f., KACZYNSKI). 14 Joh 19,34: καὶ ἐξῆλθεν εὐθὺς αἷμα καὶ ὕδωρ. Laut Nestle-Aland28 gibt es zu der hier gebotenen Reihenfolge der beiden Substanzen keine Varianten. 15 So immer wieder in sacr. 4 (FC 3, 132–154, SCHMITZ). Vgl. auch myst. 8 (43), wonach die abluta plebs zum Altar Christi eilt (FC 3, 236,19f., SCHMITZ). SHAW,
I. Einleitung
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Bei Theodor von Mopsuestia wiederum ist die Eucharistie die Speise der in der Taufe Neugeborenen,16 was ebenfalls den Fahrplan des Taufgottesdienstes und seine rituelle Abfolge voraussetzt. Auch für Theodor ist die Taufeucharistie also „the culmination of the baptismal rite“;17 dies gilt für alle unsere Quellen des 4. und 5. Jh. 1.2 Die nachkonstantinische Taufeucharistie Mit Bryan D. Spinks kann man im Hinblick auf die genannten Taufkatechesen daher von einem klar erkennbaren „basic pattern“ sprechen, was eine „considerable diversity“ nicht aus- sondern einschließt. Dies gilt für die prä- oder postbaptismalen Salbungen, aber auch für die in manchen Lokalkirchen belegte Fußwaschung usw.18 Die von Spinks innerhalb des „basic pattern“ festgestellte Variabilität gilt aber nicht für die Stellung der Taufeucharistie am Ende des Taufgottesdienstes, die in allen uns verfügbaren Quellen feststeht und die damit für die hier rituell inszenierte Konzeption von Initiation wesentlich ist. Der festen Stellung der Taufeucharistie als Abschluss und Ziel des Taufgottesdienstes korrespondiert ihre rituell feststehende Form. Denn die genannten nachkonstantinischen Taufkatechesen setzen durchgehend voraus, dass die Taufeucharistie – verkürzt gesagt – als Darbringung und Konsekration von Brot und (Misch-)Wein gefeiert wurde. Nirgendwo lassen die Taufkatechesen erkennen, dass die Taufeucharistie noch Mahlbzw. symposiale Elemente enthält, geschweige denn dass sie als echtes Mahl gefeiert wurde. Hierzu ebenfalls nur einige wenige und eher zufällige Hinweise: In den dem Cyrill von Jerusalem zugeschriebenen Mystagogischen Katechesen ist durchgehend von Brot und Kelch (bzw. Wein) die Rede.19 Dies ist deswe16
So z.B. in hom. catech. 16,23.24 (FC 17/2, 437–440, BRUNS), außerdem 16,30 (ebd. 444f.). Anhand von Beispielen aus dem Tierreich erläutert Theodor in 16,23 das Grundprinzip, wonach alles Geborene aus der Natur (φύσις) der Gebärerin seine Nahrung erhält. Entsprechend stehe jenen, die aus Gnade und dem Kommen des Hl. Geistes durch die Taufe geboren seien, eine aus Gnade und dem Kommen des Hl. Geistes empfangene Nahrung zu. Zum pneumatologischen Grundzug der Eucharistielehre des Theodor, dessen gebräuchlichster Ausdruck für die Eucharistie der der „geistlichen Speise“ (vgl. 1Kor 10,3f.) ist sowie zum engen Konnex von Taufe und Eucharistie, vgl. BRUNS, Einleitung 284. 17 JOHNSON, Rites 106, unter Verweis auf hom. catech. 3,29. 18 SPINKS, Rituals 67. Zu den verschiedenen Formen des „ritual pattern of baptism“ im 4. und 5. Jh. vgl. insgesamt ebd. 38–67. 19 So z.B. in catech. myst. 3,3 (FC 7, 126,13 RÖWEKAMP); 4,1 (ebd. 134–136); 4,3 (ebd. 136,14–22); 4,9 (142,10–14); 5,7 (ebd. 152,1f.); 5,15 (ebd. 156,15–23) zur eucharistischen Deutung der Brotbitte des Vaterunsers, sowie 5,20–22 (ebd. 162–164) zur Kommunion von Brot und Wein.
2. Die Taufeucharistie: Tradition oder Innovation?
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gen auffällig, weil in dem in catech. myst. 4 explizit kommentierten paulinischen Prätext 1Kor 11,23–34 ja noch die Rede von einem Mahl (τὸ δειπνῆσαι) zwischen Brot- und Becherritus ist – der Mystagoge übergeht jedoch die entsprechende Wendung in seiner Paraphrase des Paulustextes vollständig.20 Johannes Chrysostomus spricht zwar davon, dass jene, die aus dem Wasser gestiegen sind, an den ehrfurchtsgebietenden, mit unzähligen Gütern gedeckten (!) Tisch geführt werden, dort kosten sie dann aber nur vom Leib und Blut des Herrn.21 Ambrosius arbeitet in sacr. 4 mit einer ausgefeilten Konsekrationstheologie gegen die Enttäuschung an, die manche Neugetaufte offenbar beim schlichten Anblick von Brot und Wein auf dem Altar ergriff.22 Und auch Τheodor von Mopsuestia erwähnt ausschließlich Brot und Wein.23 Im Anschluss an Clemens Leonhard lassen sich die Taufeucharistien des 4. und 5. Jhs. also bereits als Exponenten jener hoch stilisierten und ritualisierten Form des Mahles bezeichnen, die die älteren christlichen Mahlfeiern längst abgelöst hatte.24
2. Die Taufeucharistie: Tradition oder Innovation 2. Die Taufeucharistie: Tradition oder Innovation?
2.1 Entfaltung und Entwicklung Die Suche nach Modellen für die Beschreibung und Erklärung dieser stabilen Zu- bzw. Nachordnung von Taufe und Taufeucharistie sowie der konkreten Form der Taufeucharistie ist aktuell im Kontext eines grundlegenden Paradigmenwechsels innerhalb der historischen Liturgiewissenschaften zu verorten. Die ältere Forschung – exemplarisch seien Hans Lietzmann und Josef Andreas Jungmann genannt – hatte sich noch primär um die Rekonstruktion von Ur- bzw. Archetypen bemüht – wenn möglich aus der apostolischen Zeit. Martin Wallraff spricht hier treffend von „UrknallTheorien“, sie gehen von einer Urform christlicher Liturgie als dem (hypothetischen) Startpunkt der Entwicklung aus und postulieren einen einiger20
catech. myst. 4,1 (FC 7, 134–136, RÖWEKAMP). Statt ὡσαύτως καὶ τὸ ποτήριον μετὰ τὸ δειπνῆσαι λέγων (1Kor 11,24), formuliert Cyrill in der Katechese: καὶ λαβὼν ποτήριον καὶ εὐχαριστήσας [= Mt 26,27] εἶπε (ebd. 134,8). 21 catech. 3/2.27 (FC 6/2, 354,12–15, KACZYNSKI). Die Wendung μυρίων γέμουσαν ἀγαθῶν dürfte von Chrysostomus daher hyperbolisch-poetisch gemeint sein und nicht implizieren, dass neben Brot und Wein noch andere Gaben auf der τράπεζα standen. 22 Vgl. auch Wendungen wie calix et panis in sacr. 5,2 (FC 3, 156,14f., SCHMITZ) u.ö. 23 Vgl. v.a. hom. cat. 15,9+13 u.ö., außerdem 16,12 und 16,16: „Und auch wir stellen zu Recht nach dieser Überlieferung beides auf den Altar…“ (FC 17/2, 433, BRUNS). 24 Vgl. LEONHARD, Art. Mahl 1013f.
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I. Einleitung
maßen kontinuierlichen bzw. linearen Verlauf der Liturgiegeschichte,25 daher kann man auch von einem „Kontinuitätsparadigma“ sprechen. Hier kommen Kategorien wie „Verwandtschaft“, „Verzweigung“, „Entfaltung“ oder „Fortsetzung“ zur Anwendung. 2.2 Homogenisierung und Innovation Demgegenüber operiert die neuere Forschung verstärkt mit dem Stichwort „Homogenisierung (von ursprünglich Verschiedenem)“. Laut Martin Wallraff ist nämlich „die Hypothese einer mehr oder minder einheitlichen apostolischen Liturgie durch nichts gestützt, im Gegenteil“, wofür er sich auf ein von Anton Baumstark bereits 1923 formuliertes, in den Liturgiewissenschaften aber erst in jüngerer Zeit konsequent angewendetes Prinzip bezieht.26 Dieses besagt, dass der geschichtliche Werdegang der Liturgien nicht von ältester Einheitlichkeit zu wachsender örtlicher Verschiedenheit, sondern umgekehrt von dieser zu zunehmender Vereinheitlichung fortschreite.27 Baumstark pointiert: „Einheitlichkeit ist nicht der Ausgangspunkt, sondern das Ziel der liturgischen Entwicklung“.28 An diesem Grundprinzip hält auch Robert F. Taft bei allen Anfragen an Baumstark fest: „our present rites or liturgical families are the result of a process of synthesis, unification, and survival of the fittest“.29 Laut Taft ist dies allerdings Teil einer übergeordneten Entwicklung von den Lokalkirchen über die Entstehung föderaler Strukturen hin zu den späteren Patriarchaten: „what was once one loose collection of individual local churches each with its own liturgical uses, evolved into a series of intermediate structures or federations (later called patriarchates) grouped around certain major sees“. Die Vereinheitlichung und Standardisierung der Riten spielte sich konkret innerhalb dieser einzelnen „föderalen“ Strukturen, d.h. in den großen kirchlichen Zentren ab.30
25 Dazu WALLRAFF, Liturgie 80–83. Die „Urknall-Theorie“ bezeichnet Wallraff auch als „stemmatische Methode“. Vgl. auch JOHNSON, Initiation 694f. 26 WALLRAFF, Liturgie 82. 27 BAUMSTARK, Werden 30. Baumstark spricht von „ursprüngliche[r] Mannigfaltigkeit der Liturgie“ und „lokale[r] Sonderhaltung“ (ebd. 34). 28 BAUMSTARK, Werden 35. 29 TAFT, Liturgies 201, unter Bezug auf BAUMSTARK, Werden 29–36 („Mannigfaltigkeit und Einheitlichkeit“), mit der Modifikation: „though the process was more complex than his formulation would seem to allow“. 30 TAFT, Liturgies 203. Direkt davor hatte er die „period of the unification of rites“ so beschrieben: „the Church developed, via the creation of intermediate unities, into a federation of federations of local churches, with ever-increasing unity of practice within each federation, and ever-increasing diversity of practice from federation to federation“.
2. Die Taufeucharistie: Tradition oder Innovation?
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2.3 Die Homogenisierung der Initiation So werden inzwischen gerade auch die nachkonstantinischen Taufgottesdienste in der Fluchtlinie von Homogenisierungsprozessen erklärt. Insbesondere Paul F. Bradshaw und Maxwell E. Johnson haben im Gefolge Georg Kretschmars mehrfach darauf hingewiesen, dass die in den Taufkatechesen des 4. und 5. Jhs. belegte Initiation ein Teilphänomen der „forthand fifth-century ‚homogenizationʻ in liturgical practice“ darstellt.31 Für die nachkonstantinische Zeit spricht Bradshaw von „standardization“ und sogar von „pressures towards conformity“.32 M.E. Johnson dazu: „Therefore what we often appeal to as the early Christian pattern for initiation is but the end of a process of assimilation, adaptation, and change, wherein some of the distinctive and rich theologies and patterns of an earlier period either disappear or are subordinated to others“.33 Richtet man demnach von den nachkonstantinischen Taufgottesdiensten aus den Blick auf die vorkonstantinischen Quellen des 2. und des 3. Jhs., dann wird der Befund zumindest in manchen Bereichen komplexer (anstatt simpler).34 Dieser Prozess der liturgischen Angleichung und Homogenisierung bedeutet nach Bradshaw einerseits eine echte Bereicherung (enrichment), da Elemente aus ganz verschiedenen liturgischen Traditionen zusammenfließen und sich gegenseitig befruchten. Zugleich stellt diese „amalgamation of liturgical customs from different regions“ eine gewisse Verarmung (impoverishment) dar, da parallel dazu andere Elemente reduziert und marginalisiert werden oder ganz verschwinden: „This resulted in the diminution or loss of a number of significant insights and emphases for the Christianity of later centuries“. Mit Robert Taft spricht Bradshaw daher treffend von „selective evolution“,35 der beispielsweise lokale oder gruppenspezifische 31
JOHNSON, Initiation 702. BRADSHAW, Search 222. Zu den Gründen ebd. 222f.: Bradshaw nennt insbesondere die zunehmende (Pilger)Reisetätigkeit von Christen (z.B. in das heilige Land), aber auch die zunehmende Herausforderung durch „häretische Bewegungen“, die ebenfalls den Druck in Richtung auf liturgische Vereinheitlichung erhöht hätten. Analog BRADSHAW, Homogenization 6–9. 33 JOHNSON, Initiation 702. Als Beispiel dafür nennt Johnson die Verschiebung von der präbaptismalen zu einer postbaptismalen Ritualisierung der Geistgabe bei der Initiation (mit Ausnahme der ostsyrischen Riten). Vgl. dazu auch BRADSHAW, Homogenization 3f., sowie zusammenfassend BRADSHAW, Search 225: „[W]hat we tend to regard as the classical pattern of Christian initiation is in reality a construct of the second half of the fourth century, and not something that is rooted in the customs of the apostolic age, which appear on the contrary to have been much more diverse in character“. 34 Vgl. JOHNSON, Initiation 693f.; programmatisch aber schon KRETSCHMAR, Geschichte 5–8. 35 BRADSHAW, Homogenization 9f., analog BRADSHAW, Search 229f., mit TAFT, Liturgies 208, der fortfährt: „the survival of the fittest – of the fittest, not necessarily of the best“. 32
I. Einleitung
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Traditionen oder auch ältere Theologoumena zum Opfer fielen: „the price paid was a loss of some sense of local self-identity“.36 Die Kategorie der Homogenisierung wird von Martin Wallraff durch die der Innovation noch überboten. Er formuliert die These, „dass die christlichen Liturgien der Spätantike gerade nicht primär als Entfaltung, Fortsetzung und Weiterführung urchristlicher Rituale zu verstehen sind, sondern als historische Innovation“37, wobei das Wörtchen „primär“ das Modell flexibel hält. Clemens Leonhard hat diesen Aspekt im Hinblick auf die Initiation konkretisiert. Aus der bloßen Abfolge der Riten folgt laut Leonhard keineswegs, dass die Eucharistie als Teil der christlichen Initiation angesehen wurde. Pointiert: „the idea that baptism and the celebration of the Eucharist belong together could have emerged as an innovation in the third or fourth century“.38 Damit wäre das ältere Paradigma quasi auf den Kopf gestellt. Ob die konsequente Anwendung der Kategorie „Innovation“ im Falle der Taufeucharistie dem Quellenbefund voll gerecht wird, steht nun zur Diskussion. 2.4 Der Hintergrund: Die pastorale Krise des 4. Jhs. Die skizzierten Homogenisierungen des Initiationsgottesdienstes erfolgten laut den genannten Autoren nun keineswegs in erster Linie aufgrund theologischer Triebkräfte. Vielmehr mussten die Entscheidungsträger der kirchlichen Zentren auf eine „unprecedented pastoral crisis“ reagieren.39 Denn nach der sog. konstantinischen Wende sahen sich die kirchlichen Instanzen auch und zunehmend mit Menschen konfrontiert, die sich aus ganz unterschiedlichen Gründen – und nicht alleine oder in erster Linie als Folge einer Bekehrung bzw. einer christlichen Glaubenserfahrung – für das Katechumenat entschieden. Phänomene wie der Taufaufschub, der Rückgang des Gottesdienstbesuchs, die nur noch jährliche Kommunion, das Ausbleiben einer Veränderung des Lebenswandels usw. legen davon be36
BRADSHAW, Search 230, vgl. BRADSHAW, Homogenization 9. TAFT, Liturgies 204, spricht am Beispiel der Eucharistie vom Verlust der „original connection to the religious topography of their place of origin“. 37 WALLRAFF. Liturgie 84. Wallraff exemplifiziert den „innovativen Charakter der spezifisch spätantiken Form des Ritus im Christentum“ ebd. 85–96, dabei nennt er z.B. die Ritualisierung der verba testamenti in den Hochgebeten, die Einführung szenischer Elemente in den Taufgottesdienst, die historisierende Tendenz in der Entfaltung des Osterfestes, die ausgefeilten kultischen Inszenierungstechniken sowie das Hineinwachsen in den öffentlichen Raum und die Übernahme auch öffentlicher Funktionen durch den Ritus. 38 LEONHARD, Justin and the Initiation Meal 5 (bislang unveröffentlicht). 39 BRADSHAW, Fourth Century 109. So aber auch schon KRETSCHMAR, Geschichte 145–152.
2. Die Taufeucharistie: Tradition oder Innovation?
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redtes Zeugnis ab.40 Die oben bereits skizzierte „Dramatisierung“ der Initiation – in Anlehnung an pagane Mysterienkulte – war laut Bradshaw einer der Versuche, diese Krise zu bewältigen.41 In der Folge wurde aus den Initiationsriten – ursprünglich „the outward expression of an inner conversion that had already taken place“ – immer mehr „the means of producing [!] a powerful emotional and psychological impression upon the candidates in the hope of bringing about their conversion“.42 2.5 Die Taufeucharistie: Tradition oder Innovation? Im Anschluss an die skizzierte Diskussionslage stellt sich also die Frage, ob die nachkonstantinische Taufeucharistie und die mit ihr verbundene rituelle Struktur des Taufgottesdienstes Ergebnis von „Entfaltung“ oder von „Homogenisierung“, von „Selektion“ oder gar von „Innovation“ ist? Die Frage lässt sich nicht leicht beantworten und solcherart als Alternativen postulierte Kategorien können auch fatale Suggestionskraft entfalten. Grundsätzlich muss man zunächst sagen: Da bereits in Quellen des 2. und 3. Jhs. Taufeucharistien bzw. postbaptismale Mähler belegt sind, handelt es sich keineswegs um eine „reine“ Innovation. Denn offenbar entstehen auch die nachnizänischen Taufgottesdienste mit ihrer rituellen Sequenz („pattern“) nicht einfach aus dem Nichts, und der von Bradshaw und anderen angenommene Prozess von Vereinheitlichung, Amalgamierung und Selektion der Initiationsgottesdienste lässt ja für die vorkonstantinische Zeit eine pluralere und mannigfachere Praxis gerade auch der postbaptisalen Mähler erwarten. Daher ist es nur folgerichtig, dass Bradshaw, der zwar in verschiedenen Veröffentlichungen deutlich gemacht hat, dass „a standard or normative pattern of early initiation practice“ vor dem 5. Jh. nicht festzustellen ist, zugleich davon ausgeht, dass schon im 3. Jh. „certain fundamental ritual elements“ der späteren Taufgottesdienste identifizierbar sind.43 Diese werden allerdings teilweise in unterschiedlicher Reihenfolge praktiziert und setzen unterschiedliche Tauftheologien voraus und frei. Auch laut Victor 40
Eindrückliche Belege aus Predigten von Cyrill, Augustinus, Ambrosius und v.a. Chrysostomus bei BRADSHAW, Fourth Century 108–115. 41 Vgl. BRADSHAW, Fourth Century 109: „Drawing on mystery religions and creating intricate ceremonial were part of a desperate attempt to deal with the problem of large numbers of pagans who wanted to join the church but often appeared not to have undergone a true conversion“. 42 BRADSHAW, Search 218f., analog BRADSHAW, Fourth Century 111: „the rites of initiation themselves were expected to effect [!] a profound psychological change on the recipients. (…) the dramatic character with which the liturgy was now conciously invested was intended to evoke [!] a conversion experience in those who so far had failed to encounter that in their lives“. 43 BRADSHAW, Search 169.
I. Einleitung
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Saxer war die Initiation schon seit Beginn des 3. Jhs. „un rituel formé, structuré, complexe“.44 Das Taufbad, zuvor „seul rite primitif“, sei inzwischen von anderen Riten – „préparatoires et complémentaires“ – umgeben,45 aber bereits jetzt sei die Taufeucharistie „partie intégrante de l’initiation chrétienne“.46 Dieser Entwicklung voraus liegt zudem das zum ersten Mal in Did 9,5 belegte Verbot für Ungetaufte, an der Eucharistie teilzunehmen.
3. Forschungsgeschichtliche Schlaglichter zur Taufeucharistie 3. Forschungsgeschichte der Taufeucharistie
An dieser Stelle werfen wir nun einen kurzen Blick auf die Forschungsgeschichte zur Taufeucharistie, um den eben beschriebenen Paradigmenwechsel der Liturgiewissenschaft zu illustrieren. Es lassen sich dabei exegetische (3.2) und liturgiewissenschaftliche (3.3) Beiträge unterscheiden, beiden voraus liegt der kühne religionsgeschichtliche Entwurf Richard Reitzensteins (3.1). 3.1 Richard Reitzensteins „Vorgeschichte der christlichen Taufe“ 1929 erschien – als Fortsetzung und Abschluss seiner Arbeiten über die hellenistischen Mysterienreligionen – Richard Reitzensteins „Vorgeschichte der christlichen Taufe“. Reitzensteins Buch ist ein klassischer Exponent der von Wallraff sogenannten Urknalltheorie – mit der pikanten Eigenart, dass der „Urknall“ hier sogar außerhalb der Kirche stattfand. Denn ausgehend von der Analyse der mandäischen Taufliturgie entwickelt Reitzenstein im Hinblick auf die christliche Taufe die These, dass sich der mandäische Brauch keinesfalls aus dem christlichen erklären, sondern umgekehrt „der christliche ohne jede Künstelei aus dem mandäischen verstehen“ lasse.47 Das christliche Taufritual ist laut Reitzenstein „keine freie Schöpfung der ersten Gemeinde“, sondern stand „von Anfang an unter einem gewissen Zwang“,48 da es durch Weiterentwicklungen des älteren mandäischen Rituals entstand, welches sich aber wiederum unter dem Einfluss von persischem (iranischem) Gedankengut vollzog.49 „Die Übereinstimmungen der
44
SAXER, Rites 420. SAXER, Rites 421. 46 SAXER, Rites 423. Saxer beruft sich dafür auf die TA, auf Tertullian und Cyprian. 47 Vgl. REITZENSTEIN, Vorgeschichte 200. 48 REITZENSTEIN, Vorgeschichte 285. 49 Vgl. REITZENSTEIN, Vorgeschichte 216 u.ö. Zum Einfluss persischer Gedanken auf das Mahl bei der Taufe vgl. ebd. 246. 249 sowie 45 u.ö. 45
3. Forschungsgeschichte der Taufeucharistie
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persischen, mandäischen und christlichen Taufe verlangen unbedingt eine Erklärung“.50 Es ist nun gerade die rituelle Verbindung von Taufe und Taufeucharistie, die laut Reitzenstein am (vorchristlichen) Beginn der Entwicklung der christlichen Initiation stand: „Es geht nicht mehr an, die Verbindung von Taufe und Abendmahl, die wir in den Thomasakten, aber auch in der Apostellehre und in so vielen Nachrichten über den ältesten christlichen Kult finden, so äußerlich aufzufassen und zu erklären, wie es meines Wissens meist geschieht. Das Abendmahl bildet wirklich, wenigstens nach seiner einen Auffassung, einen integrierenden Bestandteil der Taufe“.51 Nach dieser atemberaubenden Konstruktion wuchsen Taufe und Eucharistie also nicht erst im Zuge der Liturgiegeschichte irgendwann zu einem komplexen Initiationsgottesdienst zusammen, vielmehr waren sie ursprünglich eine Einheit, aus der umgekehrt das „Abendmahl“ ausgegliedert wurde. Man kann sagen, dass nach Reitzenstein die altkirchlichen Taufgottesdienste die Erinnerung an diese „Vorgeschichte der christlichen Taufe“ bewahrten. Reitzensteins Thesen zur vorchristlichen Entstehung der Mandäer und ihrer ursprünglichen Lokalisierung im Jordanbecken haben sich mit Recht nicht durchgesetzt. Die pointiert und z.T. ungeschützt vorgetragenen Hypothesen, die streckenweise freihändig anmutende Kombination mandäischer Quellen mit neutestamentlichen, persischen, ja sogar indischen Texten dürfte der Rezeption von Reitzensteins Buch schon bald im Wege gestanden haben. Das gilt auch für seine These, Taufe und „Abendmahl“ gehörten ursprünglich zusammen. Ein wichtiges Argument für Reitzenstein bildet dabei die Einheit von Taufe und Mahl bei den Mandäern, die der christlichen Praxis der einmaligen Taufe und der wiederholten Eucharistiefeier vorausliege, die sich aber im christlichen Taufgottesdienst noch erhalten habe.52 Seine Kronzeugen dafür sind Justin53 und die Didache54, aber 50
REITZENSTEIN, Vorgeschichte 250. REITZENSTEIN, Vorgeschichte 125. Allerdings zeigt die Fortsetzung Reitzensteins eigentliches Interesse: „Es handelt sich in ihr nicht um eine rein christliche Gedankenund Kultprägung“. Schon einige Jahre zuvor hatte BOUSSET, Kyrios 232, festgehalten, dass Taufe und erste Teilnahme an der Eucharistie spätestens im nachapostolischen Zeitalter „eine gottesdienstliche Handlung“ bilden. 52 Vgl. dazu REITZENSTEIN, Vorgeschichte 21: „Das mandäische Mysterium scheint einheitlich gedacht zu sein, das Mahl ein integrierender Teil der Taufe zu sein.“ Reitzenstein geht davon aus, dass dieser einheitliche Ritus aus Taufe und Mahl, der bei den Mandäern an allen Festen und bei wichtigen Lebensabschnitten wie der Heirat, aber auch der Rückkehr aus der Fremde usw. wiederholt wird, der christlichen Taufe, die nicht wiederholt wird, vorausliegt. Die Abtrennung des wiederholt gefeierten Abendmahls von der einmalig vollzogenen Taufe sei demgegenüber eine sekundäre Entwicklung im Chris51
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I. Einleitung
auch die Thomasakten. Zu letzteren bemerkt er in einer längeren Fußnote, dass die in ActThom 49f. belegte pneumatologische Deutung der Eucharistie und die Parallelisierung des Empfanges von Leib und Blut Christi (so im an Jesus gerichteten Gebet zu Beginn) mit dem Empfang des Heiligen Geistes (so in der anschließenden Epiklese) – und damit das vollständige Zusammenfließen der Vorstellungen vom „heiligen Geist“ und dem Christus – nur möglich sei, wenn das Abendmahl in einem einheitlichen Ritus mit der Taufe als dem Empfang des Geistes verbunden war.55 Im Neuen Testament findet Reitzenstein diesen ursprünglichen Zusammenhang bereits im Hebräerbrief56 und insbesondere bei Paulus. Dieser scheine „den organischen Zusammenhang von Taufe und Herrenmahl“ zumindest in 1Kor 10,1–4 „noch zu empfinden“.57 Und im Hinblick auf 1Kor 12,13 bemerkt Reitzenstein, dass man in der Formulierung καὶ πάντες ἓν πνεῦμα ἐποτίσθημεν durchaus „eine geschraubte Bezeichnung des Blutes Christi als Geist“ erblicken könne, was aber zur Voraussetzung habe, „dass Paulus so sprechen kann nur, wenn er das Abendmahl als organischen Teil der Taufe empfindet“.58 Diese Formulierungen Reitzensteins verraten eine Reihe von Anachronismen. So bleibt ungeklärt, was er genauer unter „Abendmahl“ versteht und wie sich dies in das Feld der frühchristlichen Mahlpraxis einordnet. Außerdem postuliert Reitzenstein offenbar eine von Beginn an distinkt „christliche“ Praxis und dies in Verbindung mit der Fiktion einer linearen Entwicklung. Beides sind gravierende Defizite dieses Konstruktes. Andererseits hat Reitzenstein doch den Blick auf einige neutestamentliche und tentum. Zur Abtrennung des Abendmahls von der Taufe und seiner Entwicklung zum eigentlichen christlichen Gottesdienst vgl. auch ebd. 247: „Dies Stück der übernommenen Taufe konnte das werden, was den Taufsekten die Gesamthandlung war, der gemeinsame Gottesdienst“. Reitzenstein geht dezidiert davon aus, „dass das wöchentliche Liebesmahl der Christen, von der Taufe abgelöst, zu dem eigentlichen Abendmahl wird und selbständig neben die Taufe tritt“ (288). 53 REITZENSTEIN, Vorgeschichte 39 (das Abendmahl als Teil der christlichen Taufe bei Justin) sowie 187f. 54 Zur Didache vgl. REITZENSTEIN, Vorgeschichte 177–186 (Fazit: „Die Taufliturgie umfasste in ihr das Herrenmahl mit“). Wichtig ist, dass Reitzenstein die Verbindung von Taufe und Mahl auch an den Gebeten der Didache festmacht (179f.). Vgl. außerdem den Nachtrag auf S. 380: der Einsatz des Weinstocks Davids in Did 9,2 (statt des Blutes Christi) macht laut Reitzenstein nur im Ganzen eines Initiationsritus Sinn, da der Weinstock (wie im Mandäischen) die Kirche sei. „Das Ergebnis ist: für ein einheitliches Aufnahmesakrament ist dies Ritual entworfen.“ 55 REITZENSTEIN, Vorgeschichte 121ff. Anm. 5. 56 REITZENSTEIN, Vorgeschichte 176 (in Hebr 6,4 umschließe die Taufe als notwendigen Bestandteil das Abendmahl). 57 REITZENSTEIN, Vorgeschichte 181. 58 REITZENSTEIN, Vorgeschichte 183.
3. Forschungsgeschichte der Taufeucharistie
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altkirchliche Passagen gelenkt, die nach wie vor einer befriedigenden Erklärung harren. Dies zeigt auch der weitere Fortgang der Forschungsgeschichte. 3.2 Eine Taufeucharistie (schon) im Neuen Testament? Im Kontext neutestamentlicher Forschung finden sich nach Reitzensteins Wurf noch einige wenige Versuche, die polare Struktur der altkirchlichen Taufgottesdienste für die Erklärung neutestamentlicher Stellen fruchtbar zu machen, diese wurden allerdings – wie schon bei R. Reitzenstein – teilweise mit eher abwegigen Hypothesen verbunden (und dadurch offenbar in ein gewisses Zwielicht gerückt). In seinem umfang- und materialreichen Aufsatz „Brot, Wasser und Mischwein die Elemente der Taufmesse“ (1932) geht Anton Greiff vom Wasserkelch als einem bei Justin bezeugten Charakteristikum der Taufeucharistie aus. Die Elemente der Taufmesse (Brot, Wasser, Mischwein) stehen nun laut Greiff hinter der Gliederung der ersten sechs Kapitel des Johannesevangeliums,59 nämlich der Mischwein hinter Joh 1,1–3,21 (v.a. die Hochzeit zu Kana), das Wasser des Taufwasserkelches hinter Joh 3,22– 5,47 (v.a. die Lebenswasserreden in Samaria Joh 4, aber auch die „vielen Wasser“ in Ainon Joh 3,22 und der Teich Bethesda Joh 5), das eucharistische Brot dann hinter Joh 6. Diese Deutung des vierten Evangeliums fand keine Nachfolger. Deutlich fundierter sind die Ausführungen von Johannes Betz über die Eucharistie im Neuen Testament (1961). Er vermutet hinter dem Aorist ἐποτίσθημεν in 1Kor 12,13 „eine bestimmte, vergangene, durch die Eucharistie bewirkte Geisttränkung“, nämlich bei der „erstmaligen Kommunion“, „die schon in der Zeit des Neuen Testaments mit der Taufe verbunden war, wie denn auch andere Stellen die beiden Sakramente in einem Atemzug nennen (1Kor 10,2f.; Hebr 6,4; 1Petr 1,2). Von der Taufeucharistie konnte Paulus ohne weiteres im Aorist sprechen.“60 Betz stellt in diesem Zusammenhang auch den „Pneumacharakter des Abendmahls“, d.h. dass das Herrenmahl das Pneuma vermittelt, heraus. Betz rekurriert also für seine Erklärung der genannten Passagen ganz im Sinne der späteren altkirchlichen Belege auf einen mehrstufigen Taufgottesdienst. Gerd Theißen äußerte in seinen „Untersuchungen zum Hebräerbrief“ (1969) die These, dass sich Hebr 6,4f. auf die Taufeucharistie bezieht.61 Allerdings vermutet Theißen im Anschluss an Hebr 13,9f., der Hebr sei 59 Vgl. GREIFF, Brot 28–34. Von dieser Deutung des Johannesevangeliums distanzierte sich die Schriftleitung der ThQ explizit (ebd. 11 Anm. 1). 60 BETZ, Eucharistie 122, so schon REITZENSTEIN, Vorgeschichte 183. 61 THEISSEN, Untersuchungen 56 u.ö., so schon REITZENSTEIN, Vorgeschichte 176.
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deswegen literarisch in die Form der Abendmahlsansprache (unter Wegfall der Taufsituation) gekleidet und in 6,4–6; 10,26ff. und 12,14–24 seien gerade deswegen Traditionen mit eucharistischem Sitz im Leben aufgegriffen, um einen anti-sakramentalen Akzent zu setzen. Gegen eine „magisch verstandene“ Heilsgarantie der Sakramente setze der Hebr das Bild des fordernden und zornigen Gottes, vor dem βρώματα καὶ πόματα versagen. Damit gerät die Eucharistie als „unblutiges und immer wiederholtes Opfer“ in Opposition zum Opfer Christi. Theißen versteht den Hebr damit in Abwehr gegenüber einer Frömmigkeit, für die der Kult im Mittelpunkt steht.62 Auch diese profilierte Deutung des Hebr blieb eine Außenseiterposition. Im Unterschied zu Reitzenstein gehen die genannten Versuche ausschließlich von der später belegten christlichen „Taufmesse“ aus und suchen Spuren einer solchen bereits in den neutestamentlichen Texten. Dieses Vorgehen in den Bahnen des älteren entwicklungsgeschichtlichen Paradigmas hat sich nicht bewährt. Daher ist das Thema aus den meisten Darstellungen des neutestamentlichen Befundes zu Taufe und Eucharistie verschwunden.63 So thematisiert beispielsweise Gerhard Barth in seinem Buch „Die Taufe in frühchristlicher Zeit“ nirgendwo die Taufeucharistie, auch nicht im Kapitel über „Taufvollzug und Taufordnung“.64 Eine offene Frage bilden aber die bereits von Reitzenstein genannten und im Anschluss daran auch von J. Betz und G. Theißen wieder herangezogenen Texte 1Kor 10,1–4; 12,13 sowie Hebr 6,4–6. Der hier sichtbare enge Zusammenhang und die teilweise parallele Funktion von Taufe und Eucharistie verlangen nach wie vor nach einer Erklärung. Eine solche wird inzwischen meistens nicht über die Annahme eines bereits in apostolischer Zeit praktizierten Taufgottesdienstes gesucht, sondern mittels eines Paulus unterstellten Sakramentsbegriffs, einer übergeordneten „Kategorie“ oder anhand von gemeinsamen „Strukturmomenten“. So ist laut Bernd Kollmann bei Paulus „ein Taufe wie Herrenmahl gleichermaßen umfassendes ‚Sakramentsdenkenʻ“ zu konstatieren: „Insgesamt betrachtet Paulus der Sache nach Taufe und Herrenmahl – auch ohne Kenntnis des entsprechenden übergeordneten Begriffes – als die beiden christlichen ‚Sakramenteʻ“.65 Laut Hans-Josef Klauck besitzt Paulus unausgesprochen „einen übergeordneten Begriff, der ihn das Gemeinsame
62
Vgl. dazu THEISSEN, Untersuchungen 53–87. Fehlanzeige herrscht z.B. bei HARTMANN, Namen, die Eucharistie gehört auch nicht zu den von Hartmann herausgearbeiteten „Urmotiven“ der Taufe. 64 BARTH, Taufe 117–127. 65 KOLLMANN, Ursprung 64f. 63
3. Forschungsgeschichte der Taufeucharistie
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der beiden Vollzüge erkennen lässt“.66 Und laut Gerhard Barth subsummiert Paulus in 1Kor 10,1–5 Taufe und Herrenmahl „unter einer übergeordneten Kategorie von Heilsvermittlung“.67 Christoph Burchard wiederum wendet sich gegen die Anwendung eines „Sakraments“-Begriffs auf 1Kor 10. Unter Bezugnahme auf den hellenistisch-jüdischen Bekehrungsroman Joseph und Aseneth schlägt er statt dessen vor: „Paul may have associated baptism and supper because he knew, as a Jew, that adherence to God and blessed food belong together as the chief marks of godly life as opposed to ungodly“.68 Einen nur auf den ersten Blick neuen Weg schlägt Michael Wolter ein. Auch er stellt die Frage, „was für Paulus die Gemeinsamkeit von Taufe und Eucharistie konstituiert, die es ihm möglich macht, beide in 1Kor 10,2–4 unmittelbar nebeneinander zu stellen“, zumal ihm ja ein Begriff „Sakrament“ noch nicht zur Verfügung stand.69 Wolters Antwort: Da Paulus in 1Kor 10,2 auf das Element des Wassers abhebe, mit dem Israel (anders als in Ex 14,22.29!) in Berührung gekommen sei, gehe es ihm um „die Materialität des ‚Elementsʻ, und genau hierin sieht er offenkundig auch die Gemeinsamkeit von Taufe und Herrenmahl bestehen: dass in beiden Fällen die Teilhabe an der Heilswirklichkeit Gottes durch materiale Elemente vermittelt wird, die als gedeutete Zeichen über sich hinausweisen: bei der Taufe durch Wasser sowie beim Herrenmahl durch Brot und Kelch“. Dass im Hintergrund dieser These die sog. augustinische Sakramentenformel steht, ist offenkundig.70 Diese Versuche, die fraglichen paulinischen Passagen mithilfe einer Art Sakramentsbegriff zu erklären, sind letztlich ebenso unbefriedigend wie die älteren Postulate einer apostolischen Taufeucharistie; weder der eine noch die andere lassen sich unbesehen in das Neue Testament zurückprojizieren.
66
KLAUCK, Herrenmahl 255: „Unausgesprochen besitzt er einen übergeordneten Begriff, der ihn das gemeinsam der beiden Vollzüge erkennen lässt“. 67 BARTH, Taufe 77. Neuerdings sieht CORNEHL, Gottesdienst 235, die strukturelle Gemeinsamkeit von Taufe und Herrenmahl „in der Verbindung von Christologie und Eschatologie“. 68 BURCHARD, Importance 283f. 69 WOLTER, Paulus 288. Alle folgenden Zitate ebd. 70 Vgl. dazu Augustinus, Io. ev. tr. 80,3: Accedit verbum ad elementum, et fit sacramentum (CCL 36, 529, WILLEMS). Darauf beruft sich z.B. der „Katechismus der Katholischen Kirche“ von 1993 (KKK §1228).
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3.3 Die Taufeucharistie in der liturgiewissenschaftlichen Forschung Mit Georg Kretschmars grundlegender Studie „Die Geschichte des Taufgottesdienstes in der alten Kirche“ (1970) wurde der genannte Paradigmenwechsel im Falle der Erforschung der christlichen Initiation schon früh begründet und vollzogen. Neben der bislang unerreichten Materialfülle liegt hier das eigentliche Verdienst dieser im wahrsten Sinne des Wortes grundlegenden Studie. Kretschmar beginnt seine Darstellung programmatisch mit dem 3. Jh. (!) und betont schon hier die rituellen Vereinheitlichungstendenzen, die er mit der zeitlich parallelen Durchsetzung des neutestamentlichen Kanons und der damit einhergehenden „Berufung auf apostolischen Ursprung“ verbindet. Angesichts sehr unterschiedlicher Taufbräuche und Taufanschauungen stelle sich das Bild im 1. und 2. Jh. keineswegs einheitlicher dar als im 3. Jh., sondern „sehr viel bunter“, eine „organische Fortsetzung“ lasse sich nicht feststellen.71 Auf die Taufeucharistie in den vornizänischen Quellen kommt Kretschmar zweimal zu sprechen. So zunächst im Kapitel über die Taufe nach der Kirchenordnung Hippolyts und im lateinischen Westen (konkret: Tertullian, Cyprian und die gesamtafrikanischen Konzilien in der Mitte des 3. Jhs.).72 Nicht erst im 5. Jh., sondern bereits bei Hippolyt und Tertullian sei die Taufeucharistie und damit die Erstkommunion als notwendiger Bestandteil der einen Taufhandlung erschienen. Es ist allerdings bemerkenswert, dass Kretschmar gleich zu Beginn die These formuliert, dass die Verflechtung von Taufe und Mahl schon früh so eng geworden sein muss, „dass sich innerhalb der Taufeucharistie sehr archaische Formen des Herrenmahls halten konnten, die im sonntäglichen Gemeindegottesdienst längst verschwunden waren“.73 Dies zeige v.a. die Danksagung über verschiedene im Blick auf die Taufe ausgewählte Nahrungsmittel wie Milch und Honig. Diese weise „deutlich auf eine frühe Zeit zurück, als im Herrenmahl noch ‚Sakramentʻ und Sättigungsmahl miteinander verbunden waren“.74 Deutungsmuster wie dieses sind sichtlich noch dem „alten“ Paradigma verpflichtet, das Kretschmar mit seiner Gesamtsicht bereits überwunden hatte.
71
KRETSCHMAR, Geschichte 7. KRETSCHMAR, Geschichte 109–114. 73 KRETSCHMAR, Geschichte 109, unter Berufung auf das von Anton Baumstark formulierte „Gesetz der Erhaltung des Alten in liturgisch hochwertiger Zeit“. 74 KRETSCHMAR, Geschichte 110. Das prägt auch seine Deutung des Kommunionsvollzugs: In der TA empfangen die Neugetauften nach dem konsekrierten Brot zuerst Wasser, dann Milch und Honig, zuletzt den Wein. Laut Kretschmar schließen Brot und Wein, die bei der Konsekration zusammen an den Anfang gestellt waren, „die hier auf zwei Becher geschrumpfte [!] Mahlzeit ein“ (ebd. 111). 72
3. Forschungsgeschichte der Taufeucharistie
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Kretschmar konzentriert sich insgesamt auf das Proprium der Taufmesse, wie es uns die lateinischen (und ägyptischen75) Quellen überliefern, konkret die zusätzlich zum Weinkelch gereichten Kelche mit einem Gemisch aus Milch und Honig sowie mit Wasser. Milch und Honig, zunächst wohl die Erfüllung der alten Verheißung eines Landes, in dem Milch und Honig fließen (Ex 3,8 u.ö.), werden durchaus verschieden gedeutet. Laut Kretschmar wurden später sogar der Geistempfang bei der Taufe – wenn auch nicht exklusiv, so doch in besonderer Weise – mit der Kommunion bei der Taufeucharistie verknüpft, zumal schon bald nur noch die Neugetauften bei der Taufeucharistie kommunizierten.76 Die „alte Taufeucharistie“ liefert Kretschmar zudem einen „Beleg für die christologische Umprägung ursprünglich eschatologischer Vorstellungen und Riten in der frühen Kirche“.77 Das folgende Kapitel über die Taufe im syrischen und griechischen Osten enthält wichtige Ausführungen zur Taufeucharistie in diesem Traditionsbereich.78 Auch hier sei die Verbindung von Taufe und Herrenmahl im Rahmen einer aus Salbung, Taufbad und Eucharistie bestehenden „dreiteiligen Taufordnung“ überall selbstverständlich, allerdings sei eine eigene Ordnung der Neophytenmesse wie im Westen und in Ägypten nicht erkennbar.79 Dafür sei die „Koordinierung von Salbung, Taufbad und eucharistischem Mahl“ in Syrien „noch viel stärker ausgeprägt und betont“ als in den zunächst untersuchten Quellen.80 Laut Kretschmar wurden die in Bezug auf die Elemente des Herrenmahls entwickelten Konsekrationsvorstellungen mit der Zeit auf das bei der Taufe verwendete Salböl, dann auch auf das Taufwasser übertragen. Umgekehrt werde die dreigliedrige Taufformel zum Modell der Konsekration des Öls und des Brotes oder zumindest für die Deutung der Ölsalbung. So werde bei der fractio panis der Name der Trinität über dem Brot ausgerufen (vgl. ActThom 133), was offenbar zumindest weithin als Konsekration galt.81 Im Hintergrund dieser Entwicklung stehe eine „Geistchristologie“, bei der – wie schon bei Paulus! – die Christologie ganz eng mit der Pneumatologie zusammengehört, so dass die zweite und die dritte Person der Trinität weithin nicht deutlich geschieden seien.82 Daher könne das ganze Taufge75
Vgl. dazu KRETSCHMAR, Geschichte 219. KRETSCHMAR, Geschichte 110, unter Hinweis auf Quellen des 5. Jahrhunderts. 77 KRETSCHMAR, Geschichte 114. 78 KRETSCHMAR, Geschichte 123–127. 79 KRETSCHMAR, Geschichte 117 und 121. 80 KRETSCHMAR, Geschichte 124. 81 Darstellung und Belege bei KRETSCHMAR, Geschichte 123–125. 82 Vgl. dazu die Darstellung bei KRETSCHMAR, Geschichte 118–120, der den Begriff „Geistchristologie“ mit Recht nicht selbst benutzt, da „Geistchristologie“ gerade nicht binitarisch ist, sondern auch zu deutlichen Trinitätsaussagen führt (ebd. Anm. 221). 76
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schehen sowohl christologisch als auch pneumatologisch gedeutet werden. Auf jeden Fall ist der Geist die entscheidende Taufgabe, wichtig ist aber, dass er in allen Handlungen des Taufgottesdienstes als Kraft Gottes wirksam ist, also nicht nur bei der (präbaptismalen) Salbung. Diese wird zwar in einigen Texten besonders eng mit der Gabe des Geistes verbunden und bezeichne die eigentliche Grenze zwischen Kirche und Nichtkirche.83 Doch werde der Geist eben auch im Wasserbad wie in der Taufeucharistie empfangen.84 Im Anschluss an Kretschmar erwähnt Jürgen Roloff in seinem 1995 erschienenen Aufsatz „Der Gottesdienst im Urchristentum“ die Taufeucharistie als „Sonderform“ des eucharistischen Gottesdienstes – neben der Agape und der Passa-Eucharistie.85 Konkret nennt er aber nur die Gaben von Milch und Honig, bezieht sich also augenscheinlich nur auf die sog. Traditio Apostolica. Im Abschnitt über die Taufe erwähnt er dann die vorzugsweise in der Osternacht gefeierte Taufeucharistie (unter Bezug auf Justin und die TA) als liturgische Folgerung des Verständnisses der Taufe als Zulassung zur Eucharistie.86 Nach Vorformen der Taufeucharistie im Neuen Testament fragt er nicht. Ähnlich wie G. Kretschmar orientiert sich auch Reinhard Meßner in seiner Darstellung „Der Gottesdienst in der vornizänischen Kirche“ von 2003 an dem aus den Quellen rekonstruierbaren pluralen Befund. Das früheste Zeugnis für eine Taufeucharistie biete Justin, aber Meßner betont: „Das heißt nicht, dass es vorher (oder anderswo) die Verbindung von Taufe und Eucharistie (noch) nicht gegeben hat; die geringe Zahl der Quellen und deren Kargheit gibt für die Frage einfach keinen Aufschluss. Ab dem 3. Jahrhundert jedenfalls ist die Tatsache, dass die Taufe in die erste Teilnahme an der Eucharistie mündet, überall bezeugt und von fundamentaler Bedeutung für das Verständnis des Taufaktes.“ Daher vermutet Meßner bereits für die Didache, dass das Taufritual in ihrem Traditionsbereich schon ein Ritenkomplex war, der die abschließende Taufeucharistie einschließt, auch wenn man das erst von den Quellen des 3. Jahrhunderts her sagen könne.87 83
KRETSCHMAR, Geschichte 119. Vgl. KRETSCHMAR, Geschichte 119f., der festhält, dass den Syrern nichts an einer sauberen Abgrenzung der Besonderheiten von Salbung und Taufe liegt und es deshalb wenig Sinn hat zu fragen, wo der Geist empfangen werde, bei der Salbung, im Wasser oder erst bei der Taufeucharistie. 85 ROLOFF, Gottesdienst 56. 86 ROLOFF, Gottesdienst 67. 87 MESSNER, Gottesdienst 400f. 84
4. Zur Fragestellung
19
Für Meßner ist es insbesondere die Taufeucharistie, die der christlichen Taufe den Charakter als Initiationsritus in eine neue Gesellschaft, die Kirche, verleiht: „Rituell wird die Aufnahme in die Kirche als Mitfeier der Eucharistie realisiert: in die Gemeinde aufgenommen zu werden, heißt konkret, an der eucharistischen Versammlung teilzunehmen. Die Eucharistie – als symbolische Darstellung der Kirche – ist das Ziel der Taufe; ohne Ersteucharistie ist die Taufe unabgeschlossen.“88 Auch anlässlich der Darstellung der Taufe im mediterranen Raum (v.a. bei Tertullian) betont Meßner den gemeinschaftsstiftenden Akt und den ekklesiologischen Charakter der Taufeucharistie, „in der die Aufnahme in die neue Gesellschaft konkret erfahren wird.“89 Schon in seiner 2001 erschienenen „Einführung in die Liturgiewissenschaft“ hatte Meßner die Taufeucharistie unter der Überschrift „Taufe als Eintritt in die eschatologische Gemeinschaft: ekklesiologischer Bezug“ thematisiert.90 Dieser ekklesiologische Bezug ist bei Meßner so dominant, dass andere Aspekte der Taufeucharistie – wie sie z.B. Kretschmar oder auch Reitzenstein herausgearbeitet hatten (s.o.) – kaum oder gar nicht erwähnt werden. In den syrischen Taufriten dominiert laut Meßner der Aspekt der Neugeburt „aus Wasser und Geist“ (Joh 3,5). Der nach der Taufsalbung aus dem Mutterschoß des Taufwassers „neugeborene Mensch hat auch gleich teil an der Speise des Gottesreiches, der Eucharistie; da er Bruder bzw. Schwester Christi geworden ist, kann er am ‚Tisch des Messiasʻ teilhaben. Erst in der Taufeucharistie vollendet sich der Vorgang des Christwerdens“.91
4. Zur Fragestellung 4. Zur Fragestellung
Innerhalb der oben skizzierten Koordinaten der aktuellen Forschungsdiskussion und im Anschluss an die Forschungsgeschichte zur Taufeucharistie stellt sich nun die folgende zweigeteilte Aufgabe: 1. Die in den Taufkatechesen des 4. und 5. Jhs. belegte Taufeucharistie ist das Resultat von Standardisierungs- und Homogenisierungsprozessen. Diese Sicht hat Konsequenzen für die liturgiegeschichtliche Einordnung der vorkonstantinischen Taufgottesdienste, deren rituelle, lokale und theologi88
MESSNER, Gottesdienst 401. MESSNER, Gottesdienst 418. 90 MESSNER, Einführung 82f. („Taufe in den Leib Christi hinein heißt demnach: Taufe in die Eucharistie hinein“), vgl. auch 101f. („Taufe als Eintritt in die Eucharistiegemeinschaft“). 91 MESSNER, Gottesdienst 408. 89
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sche Diversifikation herauszuarbeiten ist. Wenn wir also in einem ersten Schritt die wichtigsten vorkonstantinischen Belege für Taufeucharistien bzw. postbaptismale Mähler durchmustern, kann es nicht darum gehen, lineare Entwicklungen zu postulieren oder gar „durch Vergleichung (…) bis zum liturgischen Brauch der apostolischen Zeit und der Jerusalemer Jüngergemeinde vorzudringen“92. Vielmehr soll zunächst ein plurales und lokal differenziertes Bild der postbaptismalen eucharistischen Mähler im 2. und 3. Jh. rekonstruiert werden: Welches „ritual pattern“ ist hier konkret verwirklicht und welches Verständnis von Taufe und Eucharistie ist hierin greifbar? Exemplarisch auszuwerten und in einen größeren Kontext der jeweiligen Mahlpraxis einzuordnen sind dafür die Hinweise auf eine Taufeucharistie als Abschluss des Taufgottesdienstes, wie sie sich in der Apologie Justins des Märtyrers sowie seinem „Dialog mit Trypho“, außerdem in den apokryphen Petrus-, Paulus- und Thomasakten, den Pseudoclementinen, bei Tertullian sowie in der sogenannten Traditio Apostolica finden. Einzusetzen ist jedoch mit der Didache, da hier zum ersten Mal die Wassertaufe als notwendige Zulassungsbedingung für ein „Essen und Trinken von eurer Eucharistie“ formuliert ist (Did 9,5). Dabei wäre es anachronistisch, sich auf jene Belege zu beschränken, die nach unserem heutigen Verständnis eindeutig „eucharistisch“ sind, bei denen es also nur um klar identifizierbare und von anderen Mahlvollzügen unterscheidbare Brot- und (eventuell) Weinriten geht. Anzusetzen ist bei postbaptismalen Mahlzeiten in einem umfassenden Sinne, da sonst die Gefahr besteht, symposiale Kultmähler, die ja z.B. noch bei Paulus den Rahmen für den im engeren Sinne eucharistischen Ritus abgaben, vorschnell aus dem Blick zu verlieren.93 Tatsächlich ist die Einteilung christlicher Mähler in sakral oder profan für die ersten Jahrhunderte ebenso anachronistisch wie ihre Einteilung in „Agapen“ und „Eucharistien“.94 Die Quellen sind laut Leonhard nach kultischen Elementen von Mählern zu durchsuchen, nicht aber nach einem Mahltyp wie „Kultmahl“ neben anderen Mahltypen.95 Dies gilt gerade auch für die „Taufeucharistie“. Die Rekonstruktion der postbaptismalen Mähler ist insgesamt im Kontext der neueren Debatten um die frühchristliche Eucharistie zu verorten und teilt ihre Prämissen. Mit Recht wird in Abkehr von älteren genealogischen Modellen und monolinearen Ableitungshypothesen die Komplexität 92
So das Programm LIETZMANNs, Messe V. Dazu knapp auch LEONHARD, Art. Mahl 1013f., der die hoch stilisierte und ritualisierte Form des Mahls von den „älteren, christl[ichen] Kult-M[ählern]“ unterscheidet. Vgl. auch KLINGHARDT, Mahlgemeinschaft 1–19 und 523–534; MCGOWAN, Eucharists 10–17, sowie ausführlich SMITH, Symposium. 94 Mit MCGOWAN, Eucharists 13f. und passim. 95 LEONHARD, Art Mahl 1067f. 93
4. Zur Fragestellung
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und Heterogenität der frühchristlichen wie überhaupt der Mähler des antiken Mittelmeerraumes betont.96 Grundsätzlich zustimmen wird man der Einordnung der frühchristlichen (wie auch der jüdischen) Mähler in den Referenzrahmen des griechischrömischen Gemeinschaftsmahls. Ebenfalls plausibel ist es, das Vereinsmahl als wichtigstes Rahmenmodell heranzuziehen. Dies alles gilt auch für die postbaptismalen Mähler. Allerdings müssen die beiden Prämissen rein formal bleiben, sie dürfen auf keinen Fall zu inhaltlichen Vorentscheidungen und neuen Ableitungstheorien führen, wie es im Kontext des „neuen Paradigmas“97 dann doch zuweilen geschieht. Problematische Folgen haben die genannten Prämissen nämlich dort, wo ein idealtypisch rekonstruiertes Modell des antiken Gemeinschaftsmahles98 oder auch des Vereinsmahles zur generellen Norm erhoben wird und daraus neue Ableitungstheorien generiert werden. Daher kritisiert z.B. Hans Joachim Stein mit Recht an Matthias Klinghardt, dass dieser nicht nur die heterogene Mahlpraxis konkreter Vereine erhebt, sondern das Material zu einem Gesamtbild zusammenstellt, „das dann eher einem Durchschnittstypus von Verein entspricht, den es so nie gegeben hat. Dadurch entgeht ihm nicht nur die Vielfalt an Vereinsmählern mit ihren unterschiedlichen Räumen, Speisen, Getränken und Deutungen, sondern ebenso die Vielfalt innerhalb der christlichen Mahlkultur“.99 Diesem Vorwurf müssen sich auch andere, im Kielwasser Klinghardts entstandene Arbeiten stellen.100 Analog zu den idealtypisch konstruierten „Gattungen“ im Kontext neutestamentlicher Exegese kann dieser synthetische Durchschnittstypus des Mahles aber ausschließlich dazu dienen, die in den Quellen belegten konkreten und heterogenen Mahlformen genauer zu beschreiben. Auch innerhalb des neuen Paradigmas besteht also die Tendenz zu linearen Erklärungsmodellen, wenn z.B. von vorneherein postuliert wird, dass „die“ frühchristlichen Mähler bis ins 3. Jh. hinein vollständige abendliche
96
So auch WICK, Gottesdienste 378, und STEIN, Mahlfeiern 19f. Ausführlich LEONArt Mahl, außerdem KLINGHARDT, Gemeinschaftsmahl. 97 Ein solches proklamiert TAUSSIG, Paradigm. 98 Ein solches postuliert z.B. HEILMANN, Wein 13f., im Anschluss an Klinghardt und Taussig. Auch WICK, Gottesdienste 120–126, entwirft im Anschluss an Klinghardt eine idealtypische Form von Deipnon und Symposion. Viel differenzierter formuliert dagegen LEONHARD, Art. Mahl 1014: „Die älteren M[ahl]feiern (Eucharistiefeiern) weisen große Ähnlichkeiten mit den M[ählern] der griech.-röm. Welt auf. Es bieten sich mannigfache Vergleichspunkte“. Ebd. 1070 weist er dem Vereinsmahl eine Schlüsselfunktion für die Entwicklung der christlichen Eucharistie zu, bezieht aber „Feierformen, die diesem sozialen Modell nicht entsprechen“, konstitutiv mit ein. 99 STEIN, Mahlfeiern 11. Zuzustimmen ist auch seiner Kritik an D.E. SMITH ebd. 14f. 100 Dies gilt z.B. für TAUSSIG, Paradigm, und HEILMANN, Wein.
HARD,
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Mahlzeiten waren.101 Problematische Vorentscheidungen sind auch dort festzustellen, wo die Mahlgebete von Did 9 und 10 zu Schlüsseltexten für Vollzug und Mahltheologie der frühchristlichen Mähler insgesamt erklärt werden, während umgekehrt der Befund bei Justin den Protagonisten des neuen Paradigmas gewisse Schwierigkeiten bereitet.102 Vielleicht stellen die bei Justin, aber auch in den apokryphen Apostelakten bezeugten Eucharistien für das „neue“ Paradigma ein ähnliches Störpotential dar wie die Eucharistie der Didache für das alte. Alle diese Annahmen sind zunächst an den konkreten Texten zu verifizieren, ohne bereits zuvor eine allgemeine frühchristliche Praxis zu postulieren, die einer idealtypisch konstruierten griechisch-römischen Mahlstruktur entsprechen muss. Es wird m.E. dem komplexen Befund nicht gerecht, nur das alte Narrativ „Von Jesu letztem Abendmahl zur Eucharistie der Kirche“ durch ein neues Narrativ zu ersetzen mit dem Inhalt: „Vom griechisch-römischen Symposium zur stilisierten Eucharistie mit Brot und Wein“. Auch die Unterscheidung „full meals“ vs. „symbolic meals“ ist zu schematisch, denn schon der paulinische Befund, aber auch die Didache zeigen, dass es durchaus frühchristliche Formen von „full meals“ gab, bei denen Brot und Becher eine besondere Bedeutung hatten und durch spezifische Gebete und Handlungen vom Rest des Mahles klar unterschieden waren.103 Anzusetzen ist also bei den konkreten postbaptismalen Mählern bzw. Taufeucharistien. Bei der Analyse der Quellen ist insbesondere darauf zu achten, ob die Neugetauften ihre erste postbaptismale Eucharistie noch im Kontext eines Gemeindemahles empfingen, bzw. – in Anlehnung an Tobias Georges formuliert – ob hier eine abendliche Mahlfeier als Taufeucharistie gefeiert wird104 oder ob sich eine von den Gemeindemählern getrennte Taufeucharistie nachweisen lässt. Feiert die ganze Gemeinde mit den Neugetauften die Eucharistie oder nur der Täufer und seine Helfer? Wie verhalten sich Tauf- und Sonntagseucharistie zueinander? Gibt es Überschneidungen oder Mischformen? Ein entscheidendes Kriterium ist dabei die Tageszeit der jeweiligen Eucharistieform: Wie verhält sich z.B. eine 101
HEILMANN, Wein 16 Anm. 116. Ebd. 17 spricht er von einer „Entwicklungsbewegung“ von Mählern hin zu stark ritualisierten Formen des Mahls, was Hypothesen sowohl über deren Ausgangs- als auch über deren Endpunkt impliziert, die erst noch am komplexen Quellenbefund zu belegen wären. 102 Vgl. KLINGHARDT, Gemeinschaftsmahl 500–509, und HEILMANN, Wein 219–222. 103 Mit THEOBALD, Leib 159 (im Anschluss an R. Meßner), ist daran zu erinnern, dass Paulus dem Essen von dem einen gebrochenen Brot (1Kor 10,17) und dem Trinken aus dem „Becher des Herrn“ (vgl. 1Kor 10,21) gegenüber dem Symposium, in dessen Rahmen diese Vollzüge ja stattfanden, ein großes Eigengewicht zuschreibt. Aber auch bei der Eucharistie der Didache sind Becher und Brot durch die Eingangsgebete klar herausgehoben (Did 9). 104 Vgl. GEORGES, Apologeticum 567. 577 u.ö.
4. Zur Fragestellung
23
(früh)morgendliche Taufeucharistie zum abendlichen eucharistischen Gemeindesymposium? Außerdem steht Georg Kretschmars These, dass sich in der Taufeucharistie „sehr archaische Formen des Herrenmahls halten konnten, die im sonntäglichen Gemeindegottesdienst längst verschwunden waren“105, nach wie vor zur Debatte. Ebenfalls sind die Quellen auf einen möglichen Konnex von Tauffasten und Taufeucharistie zu untersuchen. 2. In einem zweiten Schritt wenden wir uns dann jenen neutestamentlichen Texten zu, die von postbaptismalen Mahlzeiten erzählen oder einen Zusammenhang bzw. Parallelen zwischen Taufe und Eucharistie (bzw. dem Gemeindemahl) herstellen. Bei den in der Diskussion über die Wurzeln der Taufeucharistie angesprochen Texten gibt es m.E. nach wie vor einen Problemüberhang. Weder das Postulat eines bereits in apostolischer Zeit praktizierten Taufgottesdienstes samt Taufeucharistie noch das Operieren mit einem Begriff wie „Sakrament“, der Taufe und Eucharistie gleichsam überwölben soll, hat sich hier als fruchtbar erwiesen. Daher sind diese z.T. schon von Richard Reitzenstein angesprochenen Texte, insbesondere 1Kor 10,1–4 sowie 1Kor 12,13 und Hebr 6,4–6, erneut exegetisch in den Blick zu nehmen. Im Sinne des oben genannten weiten Mahlbegriffs sind jene der lukanischen Tauferzählungen hinzuzunehmen, in denen im Anschluss an die Taufe postbaptismale Mähler oder zumindest Gastfreundschaftsszenen platziert sind (solche finden sich in Apg 10f. und 16). Wie sich diese wiederum zum „Brotbrechen“ verhalten, muss erst noch geklärt werden. Hinzu kommt eine Auswertung der Tischgemeinschaft von Juden und getauften Nichtjuden in der Ekklesia von Antiochien (Gal 2,11–14) und deren Wechselbeziehung zur antiochenischen (?) Tauftheologie (Gal 3,28). Auch hier kann es nicht darum gehen, lineare Abhängigkeiten zu konstruieren, zumal eine Rekonstruktion von Liturgien des 1. Jhs. sowieso utopisch ist. Ziel der exegetischen Analyse ist es vielmehr, den narrativen und argumentativen „Gebrauch“ zu erhellen, den Paulus, Lukas sowie der auctor ad Hebraeos von den in ihren Gemeinden praktizierten Riten – Wassertaufe und eucharistische Mähler – machen. Die den Texten in jeder Hinsicht vorausliegenden Riten sind nämlich Argument, nicht Thema, anders gesagt: Auf die Riten wird jeweils im Kontext eines Diskurses rekurriert, den es exegetisch zu analysieren gilt. Indem die genannten Autoren Taufe und eucharistische Mähler in den Dienst ihrer Argumentation stellen, entfalten sie keineswegs nur bereits vorhandene Sinnpotenziale – ob Riten solche überhaupt besitzen, ist die Frage –, sondern generieren sie erst und steuern sie. Ob damit die Entwicklung der nächsten Jahrhunderte in eine bestimmte Richtung „vorgespurt“ wurde, ist dann zu diskutieren. 105
KRETSCHMAR, Geschichte 109 (s.o.).
I. Einleitung
24
Zur Terminologie: Im Anschuss an Andrew McGowan verwende ich die Begriffe „Eucharistie“ und „eucharistisch“ in einem weiteren Sinne für alle Mahlformen, bei denen bestimmte, zumeist terminologisch anhand der semantischen Felder εὐχαριστεῖν bzw. εὐλογεῖν identifizierbare Gebete eine zentrale Rolle spielen.106 Im engeren Sinne verwende ich diese Begrifflichkeit für Riten, bei denen ausschließlich oder fast ausschließlich Brot und Wein bzw. Wasser verwendet werden, bei denen der Aspekt der Darbringung und der Konsekration im Vordergrund steht und die auf die Konsumption der konsekrierten Nahrungsmittel ausgerichtet sind. Im Unterschied dazu spreche ich von eucharistischen Symposien bzw. eucharistischen Mählern oder auch „eucharistischen Mahlfeiern“107, wenn die Brotund (eventuell) Wein-Riten in eine vollständige Mahlzeit (missverständlich „Sättigungsmahl“, anachronistisch „Agape“ genannt) eingebunden sind. Allerdings sind die Grenzen zwischen diesen Formen fließend und beide können in Gemeinden auch parallel bestehen. Die breit belegte „asketische“ Eucharistiepraxis108 macht den Befund noch komplexer. So macht Paul F. Bradshaw darauf aufmerksam, dass die Unterscheidung von „Sättigungsmahl“ und bloßer „Eucharistie“ mit Brot und Wein bzw. Wasser im Falle frühchristlicher Gemeinden vielleicht zu schablonenhaft ist, schließlich sind unter bestimmten sozialen Vorzeichen durchaus „Sättigungsmähler“ mit Brot, Wasser und Wein vorstellbar.109 Gemeinsam mit Maxwell E. Johnson formuliert er daher: „bread, wine, and water could have been in sufficient quantities to constitute a filling meal, as could the leftovers that were taken to those unable to be present“.110
106
Vgl. MCGOWAN, Eucharists 12: „One thing Christian ritual meals in the early centuries virtually all seem to have in common is the giving of thanks (eucharistia) or of blessing (eulogia), commonly accepted as synonymous in at least some texts and communities as terminology of prayer. By ‚eucharistic mealsʻ, therefore, I mean the communal meals of early Christians, in which these processes of giving thanks tended to play a central part“. Auch KLINGHARDT, Gemeinschaftsmahl 518, sieht in den Gebeten, die über die Speisen gesprochen wurden, den allen Zeugnissen gemeinsamen entscheidenden Akt, in dem sich die Gemeinde ihrer religiösen Identität versicherte. 107 So auch GEORGES, Apologeticum 581. MCGOWAN, Eucharists 11 u.ö., spricht von „eucharistic meal“ sowie von „Christian ritual meal“ und unterscheidet „Eucharist as food“ von „Eucharist as token“. 108 Grundlegend dazu MCGOWAN, Eucharists. 109 Vgl. dazu ausführlich BRADSHAW, Origins 64–68. Bradshaw sieht „no actual evidence at all that Eucharist and meal were ever distinguished in this way in primitive Christianity.“ Unter Hinweis auf jüdische asketische Mähler sowie Mahlzeiten der ärmeren Bevölkerung betont er, dass eine Mahlzeit aus Brot, Salz und Wasser „might not have been as unusual to Jews and others in the ancient world as it appears to modern eyes“. Sein Fazit: „In such situations, what took place was not so much the separation of meal from Eucharist as simply a reduction in quantity, from substantial portions to no more than token amounts“. 110 BRADSHAW/JOHNSON, Eucharistic Liturgies 28.
Erster Hauptteil
Taufeucharistien und postbaptismale Mähler in Quellen des 2. und 3. Jahrhunderts
Kapitel II
Taufe und Eucharistie in der Didache II. Taufe und Eucharistie in der Didache
Um es paradox zu formulieren: Die Didache1 ist für unsere Fragestellung gerade deswegen von großer Bedeutung, weil sie weder eine postbaptismale Mahlgemeinschaft noch gar eine Taufeucharistie kennt. Dies wird aus der folgenden Analyse deutlich. In der Didache wird – anlässlich der Mitteilung der Eucharistiegebete – zum ersten Mal in den uns greifbaren Quellen die Taufe auf den Namen des Herrn zur Voraussetzung für die Teilnahme an dem eucharistischen Gemeindemahl erklärt: Did 9,5 5
a b c d
Niemand aber esse oder trinke von eurer Eucharistie (ἀπὸ τῆς εὐχαριστίας ὑμῶν), außer die auf den Namen des Herrn Getauften (ἀλλ’ οἱ βαπτισθέντες εἰς ὄνομα κυρίου). Denn auch (καὶ γάρ) über dieses (περὶ τούτου, d.h. „eure Eucharistie“) hat gesagt der Kyrios: „Nicht gebt das Heilige den Hunden!“
In Did 9f. wird also nicht nur der Inhalt von Eucharistiegebeten vor und nach dem Mahl vorgeschrieben, sondern auch das Getauftsein der Mahlteilnehmer. Die Formulierung dokumentiert indirekt eine abweichende Praxis, die der Verfasser bekämpfen will, zugleich aber die zentrale Bedeutung, die er den eucharistischen Mählern beimisst. Dazu passt die Beobachtung, dass die Mahl- und Speisenthematik die gesamte Didache durchzieht: Schon die erste περί-Vorschrift2 Did 6,3, das Götzenopferfleisch zu meiden, hat als die letzte Bestimmung der Zweiwegelehre vor der Taufe eine grundlegende Funktion. Neben der sonntäglichen Eucharistie (14,1–3) kennt die Didache noch andere Mähler,3 z.B. die eigens durch Propheten anberaumten Mahlfeiern (11,9). Matthias Klinghardt betont außerdem mit Recht, „dass die gesamte ‚Ständelehreʻ Did
1 Im Folgenden werden die Didache-Ausgaben von RORDORF/TUILLIER, WENGST und SCHÖLLGEN benutzt. 2 Vgl. noch 7,1, 9,1 und 11,3. 3 Vgl. ZANGENBERG, Milieu 52.
II. Taufe und Eucharistie in der Didache
28
11ff. am Mahl orientiert ist“.4 Leitgedanke der Didache ist demnach der „Gesichtspunkt der Zulassung bzw. der Abgrenzung“5 – und zwar zum Mahl der Gemeinde als dem Mahl der Heiligen, bei dem „das Heilige“ (9,5) bzw. „pneumatische Speise und Trank“ (10,3) genossen werden, durch die die Mahlgenossen „Teilhaber an dem Unsterblichen“ (4,8: κοινωνοὶ ἐν τῷ ἀθανάτῳ) werden. Bei den Mählern bringen sie aber zugleich das reine Opfer dar, das laut Mal 1,11 an jedem Ort und zu jeder Zeit dem Herrn dargebracht wird, dessen Name wunderbar ist unter den Heiden (14,1–3). Clemens Leonhard weist zudem darauf hin, dass die Erstlingsgabe von Wein oder Öl an Propheten beim Öffnen einer Flasche (13,6) nur während der Mahlversammlung praktikabel ist.6 Dann dürfte aber auch die in 13,3–4 formulierte Anweisung, die Erstlinge von Kelter und Tenne, von Rindern und Schafen den Armen zu geben, wenn sich keine Propheten in der Gemeinde aufhalten, in den Kontext der gottesdienstlichen Mahlfeiern gehören.7 Hierzu passt dann, dass die Eucharistiegebete und Rubriken von Did 9+10 noch erkennen lassen, dass diese Gemeindemähler echte Symposien waren, bei denen neben „geistiger Speise und geistigem Trank“, die ewiges Leben vermitteln, noch weitere Nahrungsmittel genossen wurden (10,3), und sich der abschließende Dank an Gott auf dies „alles“ bezog (10,4). Aber nicht nur die Mähler, sondern auch das Fasten hat für die Did große Bedeutung, das zeigen nicht nur die Ausführungen zum präbaptismalen Fasten von Täufer und Täufling (7,4), sondern auch die Tatsache, dass dem Fasten fürbittende Kraft zugeschrieben wird (1,3). Mit der Rubrik von 9,5 beschränkt der Didachist also den Zugang zu eucharistischen Mählern mit all ihren soteriologischen wie caritativen Dimensionen auf Getaufte. Diese Regulierung ist mit der Festlegung der zu sprechenden Eucharistiegebete und der Abgrenzung von den „Heuchlern“ in Fragen der täglichen Gebets- sowie der Fastenpraxis (8,1–3) zusammen4
KLINGHARDT, Gemeinschaftsmahl 480. Und weiter: „Die ausführliche Regelung zur Diakrisie insbesondere der Propheten ist nötig, um einerseits den Missbrauch durch die (Mahl-)Unterstützung zu verhindern, andererseits aber um die verbotene Beurteilung des Pneumas zu vermeiden (...) Aber nicht nur die Regelungen zur Aufnahme von Propheten und Lehrern gehören unter dem Gesichtspunkt der Unterstützung in diesen Mahlkontext, sondern der gesamte Zusammenhang bis einschließlich Did 15.“ Klinghardt spricht daher zu Recht von „Symposarchie“ (ebd. 489). Auch ZANGENBERG, Milieu 64, betont im Hinblick auf 15,1–3, „that ἐπίσκοποι and διάκονοι fulfill a particular function at the communal gatherings in the κυριακὴ τοῦ κυρίου (14,1–3)“. 5 KLINGHARDT, Gemeinschaftsmahl 481. 6 LEONHARD, Art. Mahl 1075 – „nicht aber z.B. beim Zubereiten von Speisen in einem Haus oder gar als allgemeine Anweisung zur ökonomischen Unterstützung der Propheten“. 7 Dazu THEOBALD, Eucharistie als Quelle 224–229, v.a. 228.
1. Einleitungsfragen
29
zusehen. Der Zugang zu den Gemeindemählern ist damit insbesondere für nichtgetaufte Juden versperrt.8 Analog dazu wird die Rezitation z.B. jüdischer Tischgebete verhindert. Mit dieser Regelung vollzieht oder verstärkt der Didachist also offenbar den Bruch mit jüdischer Tischgemeinschaft. Damit ist die Fragestellung der folgenden Analyse der Didache vorgegeben. Kontext und Anlass der Weisung von 9,5 sollen erarbeitet und als Teil der übergeordneten Strategie der Didache erklärt werden.
1. Einleitungsfragen zur Didache 1. Einleitungsfragen
1.1 Der Text der Didache9 Das Grundproblem der Textüberlieferung der Didache ist, dass sie nur in einem einzigen Manuskript, als Teil eines in Leder gebundenen, 120 Seiten umfassenden Pergament-Kodex aus dem 11. Jahrhundert, (fast) vollständig überliefert wurde, der 1873 vom Metropoliten Philotheos Bryennios in der Bibliothek des griechisch-orthodoxen Patriarchats im Kloster vom Hl. Grab in Konstantinopel entdeckt und 1883 ediert wurde. Der textliche Wert dieses Manuskripts und damit jener Fassung der Didache, die allen Editionen dieses Textes zugrundeliegt, wurde wiederholt in Frage gestellt, und zwar einerseits aus philologischen Gründen,10 andererseits mit Blick auf die beiden Papyrusfragmente der Didache, die zum Bryennios-Text z.T. gewichtige Varianten aufweisen, was zunächst die Unsicherheit der Textüberlieferung dieses Textes dokumentiert. So wichtig eine „interne“ philologische Analyse des Bryennios-Textes ist, wichtiger noch ist die Frage nach der Vorlage, die der Verfasser der Konstantinopolitanischen (Jerusalemischen) Handschrift (Hierosolymitanus 54 [= H]) – nach Ausweis des Manuskripts der Schreiber Leon11 – abgeschrieben hat. Das Bryennios-Manuskript (H) ist eine Textsammlung, daher ist es für die textkritische Diskussion um den Wert des Didache-Textes wichtig, die Situation des Manuskripts einzubeziehen. Der Text der Didache findet sich auf den fol. 76a–80b, der Text bricht in 16,8 (mit τοῦ οὐρανοῦ) abrupt ab. Wichtig sind die folgenden zwei Beobachtungen: (1.) Nach dem abrupten Ende des Didache-Textes lässt der 8
Dass ungetaufte Heiden keinen Zugang zu den Gemeindemählern haben, dürfte unbestritten gewesen sein und geht klar aus der Zweiwegelehre hervor. 9 Ausführlich dazu PARDEE, Genre 74–80. 10 Diesen Weg beschritt PETERSON, Probleme. 11 Λέων νοτάριος καὶ ἀλείτης: So auf fol. 120a. Vollendet wurde das Manuskript am 11. Juni 1056.
II. Taufe und Eucharistie in der Didache
30
Schreiber den Rest der Seite (ca. 1/3) frei, erst auf dem nächsten fol. 81 beginnt er mit dem nächsten Text (dem Brief der Maria von Cassoboloi an Ignatius von Antiochien). Dieser Umstand wurde des Öfteren als Hinweis darauf gedeutet, dass Leon Platz ließ, um den Text der Did später zu vollenden.12 Klar ist, dass die Vorlage des Kopisten nur bis zu diesen Worten reichte.13 Nun ist aber (2.) wichtig, dass der Text der Didache der letzte einer ganzen Gruppe von Schriften aus dem 1. und 2. Jahrhundert ist (fol. 39a–80b).14 Dieser voran steht die Synopsis Veteris et Novi Testamenti des Ps.-Chrysostomos (fol. 1a–38b). Bei diesen teilweise freien Seiten in H haken nun Huub van de Sandt und David Flusser ein. Denn neben dem bereits genannten fol. 80b ließ Leon nämlich auch noch fol. 29a sowie fol. 38b teilweise leer. Das bedeutet, dass sich vom Beginn des Barn auf fol. 39a bis zum Ende der Did auf fol. 80b keine freigelassenen Seiten finden. Diese zum Teil freigelassenen Seiten sind umso auffälliger, als Leon die nach der Nennung seines Namens samt Datum („Kolophon“) verbleibenden fol. 120a–120b mit einer Abhandlung über die Genealogie Jesu füllte, um keinen wertvollen Platz zu verschwenden. Wie erklären sich also die drei teilweise freien Seiten in Leons Manuskript? Eine einleuchtende Erklärung bieten van de Sandt/Flusser: „The reason for the omission is related to the scribe’s habit of reproducing his sources. After he had finished copying a codex, he left the rest of the page empty and begann to copy the following source at the top of the next page“.15 Wenn dem so ist, dann finden wir auf den fol. 39a–80b die Abschrift eines Codex, der die apostolischen Väter Barn, 1/2Clem, Did sowie die Liste der biblischen Bücher enthielt.16 Was die textliche Beurteilung dieses mutmaßlichen Codex angeht, so weisen van de Sandt/Flusser darauf hin, „that also the bilingual list of the Jewish Old Testament writings, located between 2 Clement and the Didache, may have originated in the first part of the second century.“17 Demnach hätte Leon für die fol. 39–80 seines Manuskripts einen sehr alten Codex benutzt, der für Barn, 1/2Clem und Did wahrscheinlich eine Textform aus dem zweiten Jahrhundert wiedergibt: „The source of this text, extending from 12
So NIEDERWIMMER, Did 34f. NIEDERWIMMER, Did 34. 14 Voran stehen Barn (fol. 39a-51b), 1Clem (fol. 51b–70a), 2Clem (fol. 70a–76a), sowie eine „Liste der Namen biblischer Bücher, wie sie bei den Hebräern benutzt werden“ (ὀνόματα τῶν βιβλίων παρ’ ἑβραίοις, fol. 76a). 15 VAN DE S ANDT/F LUSSER, Did 22. 16 Außerdem hatte Leon nach dieser Theorie zwei Codices der Synopsis Veteris et Novi Testamenti des Ps.-Chrysostomus vor sich, wobei der zweite mit Jesaja (fol. 29b) beginnt, sowie einen Codex, der den Brief der Maria von Cassoboloi an Ignatius von Antiochien und die recensio longior der Ignatiusbriefe enthielt (fol. 81a–120a). 17 VAN DE S ANDT/F LUSSER, Did 21, vgl. ebd. 18–21 zu dieser Liste. 13
1. Einleitungsfragen
31
Barnabas to the end of the Didache (fol. 39a–89b) should probably be assigned to an earlier period than was previously thought. It may have originated in the patristic period and contained a major part of the so-called Apostolic Fathers.“18 Seiner Abschrift dieses alten Codex hat Leon demnach sinnvollerweise die Synopse des Alten und Neuen Testaments aus der Feder von (Ps.-)Chrysostomos vorangestellt und eine Sammlung der Ignatiusbriefe angefügt.19
Sollte diese Beobachtung zutreffen, dann hätten wir im Falle von H tatsächlich eine den beiden Oxyrhynchus-Papyrusblättern (POxy 1782) aus dem Ende des 4. Jahrhunderts vorausliegende Textform der Didache vor uns. Damit ist allerdings keineswegs ausgeschlossen, dass sich in H sekundäre Interpolationen und Schreibfehler finden können. 1.2 Die Didache als gewachsener Text Die Heterogenität des in der Didache verarbeiteten Materials erfordert ein komplexes Modell der Genese des Textes. Konsens ist, dass der Text Material aus verschiedenen Zeiten und Situationen, sowie Texte verschiedener Gattungen enthält. Das diesem Umstand vordergründig Rechnung tragende Modell Schöllgens, laut dem die Didache aus thematisch geordneten Blöcken besteht, die keinen inneren Zusammenhang haben,20 wird aber zunehmend abgelehnt. Demgegenüber hält Aaron Milavec mit Recht fest: „the order of events within the Didache follows the order whereby a candidate comes to experience these events“.21 Ähnlich formuliert Jonathan A. Draper: „Studies of the Didache usually examine its instructions on baptism, fasting, prayer and eucharist in isolation from each other. Ritual theory would see a fundamental continuity between all the rituals of a community in terms of process goals and axiomatic values“.22 Dies gilt allerdings zunächst nur für Did 1–10! Der Forschung stellt sich daher die Aufgabe, ein Modell zur Erklärung der Didache zu entwickeln, das sowohl die Genese des Textes als auch Absicht und Aufbau des Endtextes (genauer: des Bryennios-Textes) erklären hilft, das sowohl die übergeordneten Linien des Textes im Blick behält, das aber andererseits die „Kleinteiligkeit der Schrift“23 nicht vorschnell überspringt.
18
Did 22f. SANDT/FLUSSER, Did 22: „He may have had his doubts about the antiquity and genuineness of these two works, but nevertheless, utilized them because they both treated subjects which were also dealt with in his ancient source“. 20 SCHÖLLGEN, Kirchenordnung 20, dagegen DRAPER, Role 48; MILAVEC, Paradigm 59f., vgl. 56 Anm. 20 (gegen die Vorstellung, die Didache sei „a kind of literary collage that was composed by cutting and pasting together literary units that were already at hand and that served purposes foreign to the Didache“). 21 MILAVEC, Paradigm 61. 22 DRAPER, Process 126. 23 SCHÖLLGEN, Kirchenordnung 21. 19
VAN DE S ANDT/F LUSSER, VAN DE
II. Taufe und Eucharistie in der Didache
32
Diskutiert werden dabei im Wesentlichen zwei Modelle:24 (1.) Das erste Modell sieht den Text der Didache als „evolved literature“.25 Laut diesem Modell gab es keinen Autor bzw. Redaktor, „but only an ongoing process of correction and updating by a community“.26 Der Bryennios-Text wird hier stärker als „Momentaufnahme“ innerhalb einer weitergehenden Textgeschichte verstanden.27 (2.) Das zweite, plausiblere Modell rechnet mit einem „Didachisten“ als zentralem Bezugspunkt, der einerseits als Redaktor bzw. Kompilator ältere und älteste Überlieferungen vereinigt, andererseits als Autor an bestimmten Stellen der Didache selbst in Erscheinung tritt. So stammen laut K. Niederwimmer die durchweg archaischen Charakter tragenden Quellen der Didache aus dem (Ende des) 1. Jahrhundert(s),28 die Redaktion der Quellen und vordidachistischen Traditionen durch den Didachisten erfolgte am Beginn des 2. Jahrhunderts (um 110 oder 120).29 Gegen kompliziertere Hypothesen unterscheidet Niederwimmer grundsätzlich zwischen vordidachistischer Tradition (bzw. Überlieferungen) und didachistischer Redaktion: „Anfang des zweiten Jahrhunderts (...) hat ein im ursprünglich judenchristlichen Milieu lebender christlicher Autor durch Kompilation eine Art Regel-Schrift hergestellt, eben unsere Did“.30 Hiervon sind spätere Glossen (die in die Text-, nicht in die Redaktionsgeschichte gehören) nochmals zu unterscheiden. Ein ähnliches Modell vertreten van de Sandt/Flusser, sie 24
Kompliziertere Modelle, die z.B. mit mehreren Redaktionsschichten rechnen, sind aktuell kaum noch in der Diskussion zu finden. Auch SCHÖLLGEN, Kirchenordnung 22f., gibt einfachen Hypothesen den Vorzug. 25 ASCOUGH, Analysis 206 (unter Hinweis auf Kraft, Audet und Giet): „Almost all scholars agree that there are a number of redactional layers to be found in the Didache. As ‚evolved literatureʻ it has come into being over a period of time and represents a number of authors and a variety of concepts“. 26 So DRAPER, Torah 350 Anm. 16. 27 Vgl. DRAPER, Process 128. „This basic structure [!] of instruction, fasting, baptism, prayer, eucharist has been partially obscured [!] in the Didache by the redactional insertion of new material, especially in the section on prayer and fasting, to refer to the ongoing post-baptismal practice of the community, but also at the end of the eucharistic prayer to affirm the right of the prophet to preside“. Drapers Beobachtungen, dass an manchen Stellen der Didache eine Verschiebung vom Initiationsgottesdienst hin zum regelmäßigen Gemeindegottesdienst stattfindet, sind wertvoll; ob diese Beobachtungen allerdings (nur) literarkritisch auszuwerten sind, ist die Frage, denn immerhin impliziert dieses Urteil eine postulierte „basic structure“ und damit eine Reihe von Vorentscheidungen. 28 Laut NIEDERWIMMER, Did 184f., deutet z.B. die παῖς-Christologie in den Mahlgebeten (9,2.3; 10,2.3) auf ein hohes Alter dieser Gebete und deren Herkunft aus dem frühen Judenchristentum Palästinas hin. 29 So NIEDERWIMMER, Did 78f. 30 NIEDERWIMMER, Did 66. Die 4 angenommenen Quellen (Zwei-Wege-Traktat, Agende, Kirchenordnung, Apokalypse) ebd. 67.
1. Einleitungsfragen
33
verorten den Didachisten jedoch am Ende des ersten Jahrhunderts.31 Enrico Mazza datiert die in Did 9f. überlieferten Eucharistiegebete sogar noch vor das Apostelkonzil, und zwar wegen der hier formulierten Prophetenchristologie und wegen den Parallelen zu 1Kor 10,16f.32 Die Betrachtung des Textes als „integral text“33 bzw. als „intentional unity“34 schließt jedenfalls eine überlieferungs- und eine redaktionskritische Analyse gerade nicht aus, sondern ein. Darüber darf jedoch die Frage nicht vergessen werden, welche Absicht der Text hat, welche Intention also die „intentional unity“ verfolgt. 1.3 Die Didache und das Matthäusevangelium Datierung und Lozierung der Didache sind schwer zu bestimmen. Ein wichtiger Indikator dürfte das Verhältnis zum Matthäusevangelium sein, das zwischen 80 und 100 n.Chr. in Syrien entstanden sein dürfte.35 Konkret geht es zunächst um die Frage, ob mit dem in der Didache viermal genannten εὐαγγέλιον (Did 8,2; 11,3; 15,3; 15,4) das kanonische Matthäusevangelium, eine seiner (schriftlichen) Vorstufen oder aber eine ihm vorausliegende mündliche Jesusüberlieferung gemeint ist, die dann teilweise auch in das Evangelium eingegangen ist (z.B. aus der sog. „Logienquelle“). Laut K. Niederwimmer gehen alle vier Belege von εὐαγγέλιον in der Did aufgrund der stereotypen Diktion auf denselben Autor – den Redaktor bzw. Kompilator („Didachisten“) – zurück.36 Allerdings bezieht sich εὐαγγέλιον konkret immer auf Logien Jesu, könnte sich also auf (vor)matthäisches Spruchgut bzw. auf Spruchsammlungen wie die Logienquelle beziehen. Laut A. Milavec ist die Didache älter als die kanonischen Evangelien und kennt daher auch das Matthäusevangelium nicht.37 Und H. van de Sandt erwägt am Beispiel von Mt 7,6 im Vergleich mit Did 9,5 „that the Didache in some instances witnesses to an earlier stage of the Matthean tradition“, konkret hält er Did 9,5 für „a more primitive and original version of the saying“ als Mt 7,6.38 Für diese und andere Forscher ist das in der Didache genannte εὐαγγέλιον demnach nicht das kanonische Matthäusevangelium, sondern bezieht sich auf die mündliche Botschaft.39 31
Did 52; ins erste Jahrhundert hinauf geht AUDET, Did 199. MAZZA, Origins 36. 40. 90–97. 33 LANGE, Didache 209. 34 MILAVEC, Paradigm 45, vgl. DERS., Did 43 und 86–88. Die Frage nach der Absicht der Didache bzw. nach dem Anlass für ihre Niederschrift und dem Grund für die vom Autor getroffene Auswahl, stellt Milavec nicht. 35 Vgl. BROER/WEIDEMANN, Einleitung 118–122. 36 NIEDERWIMMER, Did 74. 37 MILAVEC, Paradigm 45f. 48. 63 u.ö. 38 VAN DE S ANDT, Do not 229. 39 So z.B. VAN DE SANDT/FLUSSER, Did 50 Anm. 135: „In fact, nothing in the context of these references [= Did 15,3.4] indicates the presence of materials which were derived from any kown gospel in writing. In these cases, this designation is probably best understood as a reference to oral or written collections of sayings“. 32
VAN DE S ANDT/F LUSSER,
II. Taufe und Eucharistie in der Didache
34
Daneben deuten aber die Fassung des Vaterunsers (vgl. Did 8,3 mit Mt 6,9–13), die Abgrenzung von den „Heuchlern“ gerade beim Gebet und beim Fasten (vgl. Did 8,1.2 mit Mt 6,2.5.16),40 die trinitarische Taufformel (vgl. Did 7,1.3 mit Mt 28,19), die Formulierung des Wortes von der unvergebbaren Sünde (vgl. Did 11,7 mit Mt 12,31),41 die Versöhnung (διαλάσεσθαι) mit dem „Bruder“ als conditio für die Darbringung der Opfer,42 die fehlende Diskussion um die Beschneidung von Heiden43 sowie die offenbar „liberale“ Haltung im Hinblick auf die Gesetzesobservanz von getauften Heiden44 auf ein gemeinsames Milieu von Matthäusevangelium und Didache – und also wohl Syrien – hin. Zumindest steht die Didache dem Matthäusevangelium deutlich näher als einer anderen urchristlichen Schrift. Dabei ist allerdings noch zu bemerken, dass die insbesondere in den Eucharistiegebeten belegte Verbindung von „Leben“ und „Erkenntnis“ (sowie „Glaube“) eine überraschende Parallele zum – wohl ebenfalls in Syrien beheimateten – johanneischen Schrifttum aufweist.45 Dazu vergleiche man v.a. die Broteucharistie Did 9,3f. und die Nachtischeucharistie 10,2–5 mit dem sog. „hohepriesterlichen“ Gebet Joh 17.46 Die für die johanneische 40
Auch in Mt 23 werden Pharisäer und Schriftgelehrte als „Heuchler“ bezeichnet. Did 11,7 wendet das Logion auf den im Geist redenden Propheten an. Die Formulierung lautet: πᾶσα γὰρ ἁμαρτία ἀφεθήσεται, αὕτη δὲ ἡ ἁμαρτία οὐκ ἀφεθήσεται, vgl. Mt 12,31: πᾶσα ἁμαρτία... ἀφεθήσεται..., ἡ δὲ τοῦ πνεύματος βλασφημία οὐκ ἀφεθήσεται. Mk 3,28 und Lk 12,10 sind deutlich weiter entfernt, nur Mt und die Did sprechen z.B. von πᾶσα ἁμαρτία. 42 Vgl. Mt 5,23f. mit Did 14,1–3 (v.a. V. 2). 43 So auch FELDTKELLER, Identitätssuche 149f. Die Didache dokumentiert laut Feldtkeller den Versuch, das Gottesfürchtigen-Kriterium gemeinsam mit dem Tora-Kriterium innerhalb ein und derselben christlichen Gemeinde lebbar zu halten. 44 Vgl. dazu Did 6,1–3 mit Mt 28,19f., wo Jesus den elf Jüngern aufträgt, die getauften und zu Jüngern gemachten Menschen aus „allen Völkern“ (πάντα τὰ ἔθνη) zu lehren „alles zu befolgen, was ich euch geboten habe“. Mit diesem nachösterlichen „Missionsbefehl“, der sich auf die Heiden richtet, wird die vorösterliche programmatische Aussage Mt 5,17–20 (v.a. V. 18f.) im Hinblick auf die Heiden begrenzt. 45 Dazu auch SCHWIEBERT, Knowledge 137–145, der nach einer eingehenden Untersuchung von „reflection and development of shared traditions“ ausgeht (145). 46 Allein die lexikalischen Übereinstimmungen (z.B.: Πάτερ, Πάτερ ἅγιε, δόξα, ζωή [αἰώνιον], γινώσκειν/γνῶσις, ἀγάπη, τελείουν, τὸ ὄνομά σου, πονηρόν) fallen auf, aber auch die gemeinsamen Themen der Einheit (vgl. Did 9,4: συνάχθεν ἐγένετο ἕν, aber auch 10,5 mit Joh 17,21–23), der Heiligung (vgl. Did 10,5: τὴν ἁγιασθείσαν, mit Joh 17,17.19) sowie die starke Betonung der Offenbarungs(mittler)funktion Jesu (vgl. Did 9,2.3; 10,2: ἣς ἐγνώρισας ἡμῖν διὰ Ἰησοῦ τοῦ παιδός σου, mit Joh 17,3.6.8.25f. u.ö.). Auch die in Joh 17 wichtige Vorstellung der reziproken Immanenz von Gott, Jesus und den Glaubenden hat in Did 10,2 (Immanenz des Namens Gottes in den Herzen der Glaubenden) eine gewisse Parallele. Das Thema der eschatologischen Sammlung in das Reich Gottes (Did 9,4; 10,5) erscheint in Joh 17 aufgrund der johanneischen Eschatologie dagegen nur transformiert (vgl. 17,24). 41
1. Einleitungsfragen
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Theologie zentralen Wortfelder „leben“ und „erkennen“ kommen in der Didache auffälligerweise fast nur in den Eucharistegebeten vor,47 hier liegt die „Schnittmenge“ zwischen den beiden Textcorpora. Ferner vgl. aber auch die Kelcheucharistie Did 9,2 mit der Weinstockrede Joh 15,1–5 (ἄμπελος), außerdem ist sowohl in der Did als auch im JohEv die Vorstellung einer Speise „ins ewige Leben (εἰς ζωὴν αἰώνιον)“48 und – damit verbunden – einer pneuma-haltigen Nahrung („geistliche Speise und Trank“) belegt.49 Aufgrund dieses Befundes könnte man vermuten, dass in den johanneischen Gemeinden ähnliche Eucharistiegebete, wie sie in Did 9f. bezeugt sind, verwendet wurden.
Ein relativ gewichtiger Hinweis darauf, dass die Didache in ihrer Endfassung das Matthäusevangelium und nicht eine vormatthäische Spruchsammlung voraussetzt, findet sich aber in Did 11–13. Den Ausführungen über Apostel und Propheten (11,4ff.) steht die Anweisung an die Gemeindemitglieder voran, sie sollen mit Aposteln und Propheten „nach der Weisung des Evangeliums folgendermaßen verfahren“ (11,3: κατὰ τὸ δόγμα τοῦ εὐαγγελίου οὕτω ποιήσατε). Hinter den nachfolgenden Ausführungen, die insbesondere die Unterscheidung der (wahren) Apostel und der „wahren Propheten“ von „Lügenpropheten“ betreffen, steht die matthäische Aussendungsrede, v.a. Mt 10,9f. Dies zeigt insbesondere die zweimalige klare Anspielung auf Mt 10,10 (ἄξιος γὰρ ὁ ἐργάτης τῆς τροφῆς αὐτοῦ) in Did 13,2 (ἄξιος... ὁ ἐργάτης τῆς τροφῆς αὐτοῦ), aber auch schon in 13,1 (ἄξιός ἐστι τῆς τροφῆς αὐτοῦ). Hier liegt der matthäische (= redaktionelle) Text der Aussendungsrede zugrunde.50 In diesem Zusammenhang klingt das Verbot, sich Gold, „Silber“ (ἄργυρος) und Kupfer zu verschaffen (Mt 10,9)51, in Did 11,6 und 11,12 47
γνωρίζειν nur in den Eucharistiegebeten (Did 9,2.3; 10,2, vgl. Joh 15,15; 17,26); γνῶσις in den Eucharistiegebeten (Did 9,3; 10,2; im Joh aber nur verbal), außerdem direkt im Anschluss daran und unter Bezug darauf in Did 11,2 (γνῶσις κυρίου, parallel zu διδαχή); ζωή in der Zweiwegelehre (Taufkatechese: Did 1,1f.; 4,14), in den Eucharistiegebeten (9,9; 10,3; vgl. Joh 17,2f., aber auch sonst, v.a. Joh 5 und 6) sowie – unter Bezug darauf – im Schlusskapitel (Did 16,1: γρηγορεῖτε ὑπὲρ τῆς ζωῆς ἡμῶν). 48 Vgl. Did 10,3 mit Joh 6,27.51.53f.57f. 49 Vgl. dazu Joh 4,10–15; 7,37–39 (das Trinken von lebendigem Wasser als Metapher für den Geistempfang) sowie 6,27. 50 Diff. Lk 10,7: ἄξιος γὰρ ὁ ἐργάτης τοῦ μισθοῦ αὐτοῦ. Da μισθός bei Mt der Lohn im jüngsten Gericht ist, dürfte die Ersetzung von μισθός durch τροφή auf Matthäus zurückgehen (so auch LUZ, Mt II 88). In der Logienquelle stand aller Wahrscheinlichkeit nach μισθός (ebd.; so auch die Rekonstruktion von Q 10,7 bei HOFFMANN/HEIL 54); μισθός ist auch in der Didache eine eschatologische Kategorie (vgl. Did 4,7; 5,2), was erneut ihre Nähe zum matthäischen Sprachgebrauch zeigt. 51 Auch in Lk 9,3 wird verboten, ἀργύριον auf dem Weg mitzunehmen (αἴρετε), womit Lukas das Kupfer(geld) aus seiner Vorlage (Mk 6,8) ersetzt. Matthäus streicht das mk „Kupfer“ nicht, sondern fügt Silber und Gold hinzu, die man sich nicht „verschaffen“ soll (μὴ κτήσεσθε). Laut LUZ, Mt II 97, spiegeln sich in dieser Erweiterung der alten Ausrüstungsregel um das „Erwerbs- und Bettelverbot“ die Erfahrungen mit Wanderradikalen wider, was die Nähe zur Did zeigt. Dabei benutzt Mt nur in 10,9 ἄργυρος („Silber“, diff.
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II. Taufe und Eucharistie in der Didache
nach: insbesondere am Umgang mit ἀργύριον (Silbergeld) unterscheiden sich Apostel und Propheten vom „Lügenpropheten“.52 Nur die niedergelassenen Propheten sollen unter anderem „einen Erstling an Geld“ (ἀργυρίου ἀπαρχή) erhalten, „wie es dir richtig erscheint“ (Did 13,6). Wie das MtEv – und anders als Mk und Lk – spricht die Did vom aktiven Verlangen von Geld.53 Nancy Pardee weist zudem darauf hin, dass die Didache faktisch die Lücke schließt, die das MtEv mit seiner Beschränkung der Wirksamkeit Jesu auf Israel (vgl. Mt 10,5f.; 15,24) in Bezug auf die Heiden lässt. Das in Mt 28,20 angesprochene διδάσκειν der Völker findet sich demnach in der Did.54 Daher dürfte eine Datierung der (Endfassung der) Didache an das Ende des ersten Jahrhunderts und ihre Lokalisierung in Syrien – und zwar in Gemeinden, die das Matthäusevangelium kennen – am wahrscheinlichsten sein. Zumindest die in diesem Text kompilierten Gebete (v.a. das Vaterunser und die Eucharistiegebete) und wahrscheinlich auch die Zweiwegelehre dürften aber auch außerhalb der Gemeinde(n) des Didachisten verbreitet gewesen sein.55
2. Lehre zur Diakrisis – die Intention der Didache 2. Die Intention der Didache
Vor jeder Einzelanalyse des Textes ist der partikuläre Charakter der Didache in Anschlag zu bringen.56 Dies gilt insbesondere für ihre liturgischen Angaben. Die Did-Ordnung bietet nicht – bzw. nicht in jeder Hinsicht – „das Ganze“.57 Damit stellt sich aber die doppelte Frage nach dem Grund für die schriftliche Abfassung der Didache und dem Grund für die selektive Auswahl bei diesem Vorgang: (1.) Warum wurden Texte wie die ZweiLk 9,3), sonst ἀργύριον („Silbergeld“), nämlich im Zusammenhang des „Judaslohnes“ (Mt 26,15; 27,3.5f.9), der Bezahlung der Soldaten am Grab (28,12.15), aber auch im Gleichnis von den Talenten (Mt 25,18.27). 52 Vgl. auch Did 15,1 (Episkopen und Diakone sollen ἀφιλάργυροι sein) sowie 3,5 (μηδὲ φιλάργυρος). 53 Vgl. Did 11,6 (ἀργύριον αἰτῇ) und 11,12 (δός μοι ἀργύρια) mit Mt 10,9 (μὴ κτήσησθε χρυσὸν μηδὲ ἄργυρον...). 54 Vgl. dazu PARDEE, Genre 125, sowie ebd. 155 zur Übereinstimmung zwischen MtEv und Did im Verständnis von διδαχή. 55 Darauf deuten nicht zuletzt die Parallele zwischen Did 10,3 und 1Kor 10,1–5 (vgl. 12,13) sowie die Parallelen in den johanneischen Schriften (s.o.) hin. 56 Hierin liegt die bleibende Bedeutung der Beobachtungen von SCHÖLLGEN, Kirchenordnung, vgl. außerdem ZANGENBERG, Milieu 53. 57 FELMY, Nacht 5: „Der Gottesdienst wäre nach einer Viertelstunde beendet gewesen, hätte er nicht mehr enthalten als die Didache vorschreibt“.
2. Die Intention der Didache
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wegelehre oder die Eucharistiegebete überhaupt aufgeschrieben (verschriftlicht), und: (2.) Warum wurden z.B. genau diese liturgischen Texte ausgewählt, auf- und vorgeschrieben, andere jedoch nicht, obwohl sicherlich weit mehr liturgische Texte in Gebrauch standen, nicht zuletzt Texte jüdischer Herkunft. An dieser Stelle ist Kurt Niederwimmers Beobachtung von Bedeutung, dass wir mit der Didache unter gattungskritischer Hinsicht ein „compositum mixtum“ vor uns haben,58 das sich einer eindeutigen Klassifizierung entzieht. Auszugehen ist bei der Analyse daher von der Zweiteilung des Textes und seinem in 11,1f. formulierten primären Abfassungszweck (s.u. 2.1). Kritisch anzufragen ist die Klassifizierung der Didache als Kirchenordnung, wie sie seit Adolf von Harnack immer wieder behauptet wird. Den gesamten Text wird man aber auch nicht als „Reglement für die kirchliche Praxis, ein Handbuch für die kirchliche Moral, das kirchliche Ritual und die kirchliche Disziplin“59 charakterisieren können. Und Etikettierungen wie „ritual manual“60 bzw. „ritual text“61 oder „oral training programme“ treffen ebenfalls nicht auf den ganzen Text zu, auch wenn damit einzelne Teile des Textes (z.B. die Zweiwegelehre oder auch Did 7–10) korrekt klassifiziert werden können. Auch die Bezeichnung als „community rule“62 hakt. Zusammenfassend wird man sagen müssen, dass die Frage nach dem Abfassungszweck der ganzen Didache vor ihrer gattungskritischen Einordnung zu beantworten ist. 2.1 Die Gliederung der Didache In seinem einflussreichen Kommentar zur Didache gliedert Kurt Niederwimmer den Text in vier „deutlich voneinander abgegrenzte Teile“: Did 1– 6 / 7–10 / 11–15 / 16.63 Allerdings bleiben die Kriterien für diese Gliederung letztlich unklar. Einerseits ist sie zum Teil offenbar an den mit der 58
NIEDERWIMMER, Did 13. Gegen NIEDERWIMMER, Did 13. 60 HARTMANN, Obligatory Baptism 128, konkret im Hinblick auf Did 7 und „its counterpart“ Did 9–10, doch weiß Hartmann, dass dies im engeren Sinne nur für die Kap. 1– 10 gilt. 61 DRAPER, Ritual Process 121. Draper betont mit Recht, dass diese gattungskritische Einordnung methodologische Konsequenzen haben muss: „It consists of instructions on catechesis, baptism, fasting, eucharist and related questions of tithing and leadership and calls out for tools more sensitive to ritual performance.“ 62 DRAPER, Ritual Process 123 Anm. 6. Analogien sieht Draper daher nicht in den Kirchenordnungen ab dem 3. Jh., sondern im Manual of Discipline Qumrans (so auch MILAVEC, Gentile Identity 2: „Effectively, the Didache emerged out of the same Jewish concerns that produced the Mishnah and the Manual of Discipline“). 63 NIEDERWIMMER, Did 11. So auch KNOPF, Did 1, u.v.a. 59
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II. Taufe und Eucharistie in der Didache
Präposition περί markierten thematischen Einschnitten orientiert,64 es sind aber vor allem gattungskritische Erwägungen, die Niederwimmer zur Abgrenzung von „Wege-Traktat, Agende, Kirchenordnung und Apokalypse“ führen und die syntaktischen, aber auch inhaltlichen Erwägungen vorgeordnet werden.65 Durch diese gleich zu Beginn postulierte und dann nicht weiter hinterfragte „Vierteilung“ des Textes bleiben die internen Verbindungslinien zwischen den einzelnen Teilen sowie die Hierarchie der Einschnitte unklar. Achtet man dagegen auf sprachliche und inhaltliche Signale, so fällt auf, dass an zwei Stellen innerhalb der Didache das Voranstehende zusammengefasst und somit vom Verfasser des Textes selbst als Einheit postuliert wird.66 (1.) Zu Beginn des Abschnitts über die Wassertaufe (7,1: περὶ δὲ τοῦ βαπτίσματος) wird die grundlegende Anweisung, auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes in lebendigem Wasser zu taufen, eingeleitet mit der Partizipialphrase ταῦτα πάντα προειπόντες („Nachdem ihr dies alles zuvor gesagt habt“).67 Dies bezieht sich ohne Zweifel auf die zuvor stehende Zweiwegelehre, wobei allerdings umstritten ist, ob diese laut dem Didachisten im Taufgottesdienst zu rezitieren war68 oder ob festgelegt wird, dass der Wege-Traktat „seinen Platz im Rahmen der Taufkatechese und zwar als Unterweisung ante baptismum“ gewinnt, also die Grundlage für die der Taufe vorausgehende katechetische Unterweisung
64 Dies gilt zumindest für 7,1 und auch 11,3. Im Unterscheid dazu markiert 9,1 (nur) den zweiten Teil der Did 7–10 zugrundeliegenden „Agende“, 6,3 (περὶ δὲ τῆς βρώσεως) dagegen nur ein „spezielles Problem“ innerhalb des „Appendix“ an die Zweiwegelehre (NIEDERWIMMER, Did 156). 65 Vgl. NIEDERWIMMER, Did 13. 66 Zu teilweisen analogen Ergebnissen kommt – mit ausführlicher Begründung – PARDEE, Genre passim. 67 Die Apostolischen Konstitutionen (VII 22,1) haben diese Wendung nicht, statt dessen verweisen sie den direkt angeredeten Bischof oder Presbyter auf zuvor Gesagtes (vermutlich in III 16–18) zurück: ἤδη μὲν καὶ πρότερον διεταξάμεθα. Die präbaptismale Katechese in VII 39,1–3 trägt stärker lehrhaften Charakter. 68 GREIFF, Pascharituale 121–125; HARTMANN, Obligatory Baptism 129: „the catalogue of the two ways is here part of the baptismal rite“ (Hervorhebung von mir), vgl. DRAPER, Role 49. Dafür, dass die Zweiwegelehre im Gottesdienst (als Taufpredigt) verlesen wurde, spricht v.a. die Formulierung mit προειπόντες (statt mit διδάσκειν oder μανθάνειν o.ä.). Ergänzend könnte man noch folgende Hinweise nennen: (1.) der durch die Formulierung von 7,1 bestätigte enge Zusammenhang von Kap. 6 und 7; (2.) der persönliche Stil und die Anrede mit „du“, „ihr“ und „mein Kind“ v.a. in Kap. 3f.; (3.) das Fehlen jeden Hinweises auf eine Dauer des Katechumenats etc.; (4.) das Fehlen eines Glaubensinhalts oder einer Glaubenslehre (so z.B. über „Vater, Sohn und Geist“ o.ä.).
2. Die Intention der Didache
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bildete.69 Beides muss sich nicht ausschließen,70 letzteres gilt in jedem Fall.71 Immerhin wird betont, dass die Katechumenen den Text hören (3,8: οὓς ἤκουσας) und bewahren (4,13: φυλάξεις δὲ ἃ παρέλαβες),72 was dazu passen würde, dass die Zweiwegelehre (im Taufgottesdienst und in der Taufkatechese) rezitiert wurde (7,1). Die Täuflinge, von denen Kap. 7ff. handeln, sind also konkret jene, denen das in Kap. 1–6 Dargelegte in der Taufkatechese mitgeteilt bzw. die im Weg des Lebens „trainiert“ wurden. (2.) Eine analoge, aber viel weitreichendere Wendung findet sich in 11,1f.: Did 11 1
a b a b c d e
2
Wer auch immer nun kommt und euch all das Vorhergesagte lehrt, den nehmt gastlich auf (δέξασθε αὐτόν)! Wenn aber der, der lehrt, sich selber abwendet und eine andere Lehre lehrt, um aufzulösen, dann hört nicht auf ihn! [Wenn er aber lehrt,] um zu mehren Gerechtigkeit und Erkenntnis des Herrn, nehmt ihn gastlich auf wie den Herrn (δέξασθε αὐτὸν ὡς κύριον).
Gastlich aufgenommen (δέχεσθαι, d.h. wohl auch im Sinne eucharistischer Mahlgemeinschaft) werden soll, „wer kommt und euch all dies zuvor Gesagte lehrt“ (ὃς ἂν οὖν ἐλθὼν διδάξῃ ὑμᾶς ταῦτα πάντα τὰ προειρημένα). Dies bezieht sich auf das in Kap. 1–10 Gesagte,73 das dadurch zum Kriterium bei der Beurteilung von (Durch-)Reisenden und solchen, die sich in der Ortsgemeinde der Didache niederlassen wollen, wird.74 Denn die Formulie-
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NIEDERWIMMER, Did 159. So auch MESSNER, Gottesdienst 397f., der noch auf eine interessante rabbinische Parallele verweist: „Zwei Schriftgelehrte stehen neben ihm (= dem Proselyten) und machen ihn mit manchen der leichteren und manchen der strengeren Gebote bekannt. Nachdem er untergetaucht und heraufgestiegen ist, gilt er in jeder Hinsicht als Israelit“ (bJeb 47b [GOLDSCHMIDT]). 71 MILAVEC, Did 267: „no one could expect that the candidate for baptism was hearing these words for the first time (...). Now, however, just prior to baptism, the entire first six chapters of the Didache were most probably recited as a fitting ‚liturgical formula‘ prior to baptism itself“. 72 Vgl. Barn 21,1: καλὸν οὖν ἐστίν, μαθόντα τὰ δικαιώματα τοῦ κυρίου, ὅσα γέγραπται, ἐν τούτοις περιπατεῖν. Barn spricht von einem Erlernen der geschriebenen Rechtssatzungen des Herrn, um in ihnen zu wandeln. 73 Überzeugend PARDEE, Genre 84f. 90 („11,1–2 serves as a conclusion to 1,1–10,7“) 137f. 156–160. 185–188. NIEDERWIMMER, Did 212, zieht aus derselben Beobachtung keine Schlussfolgerungen für die Gliederung der Schrift. 74 Vgl. ZANGENBERG, Milieu 51. 70
II. Taufe und Eucharistie in der Didache
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rung ταῦτα πάντα τὰ προειρημένα75 sowie die Rede vom διδάσκειν bzw. der διδαχή sprechen dagegen, die Aussage in 11,1 allein auf die in Kap. 9f. mitgeteilten Eucharistiegebete oder auch nur auf die Zweiwegelehre zu beziehen.76 Es geht in einem übergreifenden Sinn um die διδαχή in der Ekklesia – und zwar unter Einschluss v.a. der Zweiwegelehre, also der Taufunterweisung. Dies zeigt die Stichwortverbindung mit διδαχή und διδάσκειν (vgl. 1,3; 2,1), v.a. aber den Abschluss der Zweiwegelehre in 6,1 (hier wird die ὁδὸς τῆς ζωῆς als ὁδὸς τῆς διδαχῆς bezeichnet),77 außerdem 11,10f. Doch dürfte der Didachist auch die Eucharistiegebete (samt den Rubriken) zur „Beurteilung“ von διδαχή vorgesehen haben.78 Inwiefern? Vielleicht auch, um ein gemeinsames Beten zu ermöglichen, vor allem aber, um konkurrierende Gebete zur Eröffnung und als Abschluss der Gemeindemähler auszuschließen. In den Gebeten wie den Zulassungsbedingungen zur Eucharistie (9,5; 10,6) scheint also für den Didachisten Entscheidendes formuliert zu sein und das dürfte mit dem Selbstverständnis seiner Gemeinde zusammenhängen. Im Anschluss an 11,1 ist im Hinblick auf die Gesamtdisposition der Didache die Schlussfolgerung unabweislich, „dass der Verfasser c. 1–10 als eine zusammengehörige Einheit betrachtet hat“.79 An A. von Harnacks bereits 1884, also kurz nach der Publikation des Bryennios-Manuskripts, philologisch begründeter Zweiteilung der Didache (1–10 / 11–16), ist daher nach wie vor festzuhalten. Laut Harnack „hat man zu unterscheiden: 1.) die Gebote, welche den christlichen Charakter der Gemeinde constituieren, d.h. die Lehren im engeren Sinne des Wortes bilden (I-X), 2.) Bestimmungen über den Gemeindeverkehr und das Gemeindeleben (XI-XV)“.80 An Harnacks Gliederung und seine Beobachtung, dass die Kap. 1–10 der Di-
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Hier steht Perfekt – im Unterschied zu 7,1 (Aorist προειπόντες). Auf die Eucharistiegebete aus Did 9f. (= Const. App. 7,25f.) beziehen den Satz die Apostolischen Konstitutionen, die daher formulieren: ὃς ἐὰν ἐλθὼν οὕτως εὐχαριστῇ, προσδέξασθε αὐτὸν ὡς Χριστοῦ μαθητήν (7,28,1). Auch diese Textänderung durch den Verfasser der Apostolischen Konstitutionen zeigt, dass die Formulierung der Didache über die Kap. 9f. hinausweist. Dagegen möchte SCHÖLLGEN, Kirchenordnung 11, den Satz eher auf die Zweiwegelehre als auf Did 7–10 beziehen. 77 Anders Const. App. 7,19, die statt ἀπὸ ταύτης τῆς ὁδοῦ τῆς διδαχῆς lesen: ἀπὸ τῆς εὐσεβείας. 78 Vgl. die Stichwortverbindung mit γνῶσις: In den Eucharistiegebeten 9,3 und 10,2 dankt die Gemeinde für die durch Jesus bekanntgemachte γνῶσις, in 11,2 ist das Lehren zur „Vermehrung von Gerechtigkeit und Erkenntnis des Herrn (γνῶσις κυρίου)“ Voraussetzung für die gastliche Aufnahme von Fremden. 79 So schon GREIFF, Pascharituale 118, sowie HARNACK, Lehre Prolegomena 45, ebenso PARDEE, Genre 84 u.ö. 80 HARNACK, Lehre Prolegomena 44, vgl. ebd. 60: mit 11,1f. sei „die Lehre im strengen Sinn des Wortes“ abgeschlossen, nun gehe der Verfasser zu etwas anderem über. 76
2. Die Intention der Didache
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dache eine zentrale Rolle für die Konstitution der Gemeinde spielen, ist im Folgenden anzuknüpfen. 2.2 Lehre zur Beurteilung Wichtig ist zunächst, dass sich die beiden Verse 11,1f. allgemein auf „wer auch immer kommt“ (ὃς ἂν ἐλθών) und „denjenigen, der lehrt“ (ὁ διδάσκων) beziehen. Dies spricht entschieden dagegen, dass hier bereits der in 13,2 sowie in 15,1f. neben den Propheten erwähnte „Lehrer“ (διδάσκαλος), ein Angehöriger eines weiteren charismatischen „Standes“, dem der wandernden Lehrer, gemeint ist.81 Andererseits spricht die ganz allgemeine Bezeichnung des Fremden mit den beiden Partizipformen ἐλθών und διδάσκων auch dagegen, dass diese mit den ab 11,3 behandelten Aposteln und Propheten identisch sind.82 Zunächst ist also festzuhalten: Did 11,1f. bezieht sich ganz grundsätzlich auf jeden in die Gemeinde kommenden Fremden, insofern er lehrt.83 Dass damit indirekt auch eine Abgrenzung gegen innergemeindliche Konkurrenzgruppen angezielt ist, kann vermutet werden. Darauf deutet auch hin, dass es in 11,3ff. v.a. um die „Verhaltensweisen des Herrn“ (11,8: οἱ τρόποι κυρίου) geht, an denen das Verhalten der durchreisenden Propheten zu messen ist, während in 11,1–2 die διδαχή bzw. das διδάσκειν der in die Gemeinde Kommenden (ὃς ἂν οὖν ἐλθών) angesprochen ist. Zum Vergleich ist auf 12,1 zu verweisen, wo ganz allgemein formuliert wird: πᾶς δὲ ὁ ἐρχόμενος ἐν ὀνόματι κυρίου (vgl. Mt 21,9) δεχθήτω. Hier wie dort geht es um jeden Christusgläubigen, der in die Gemeinde kommt (ἐλθών/ἐρχόμενος), es folgen jeweils spezifische Einzelfälle.84 Allerdings schließt 11,1f. mit οὖν, 12,1 dagegen mit δέ an das Voranstehende an. 11,1f. bezieht sich klar auf Did 1–10 (= τὰ προειρημένα, s.o.), die „Lehre“ der Ankömmlinge muss sich also an Did 1–10 messen lassen.
In Did 1–10 wird also διδαχή aufgeschrieben, um eine Unterscheidung zwischen ihr und einer ἄλλη διδαχή zu ermöglichen. Im Unterschied zu 81 Gegen SCHÖLLGEN, Lehrer 20 u.ö., allerdings modifiziert Schöllgen seine These auf S. 23. 82 Vgl. die Begründung bei SCHÖLLGEN, Lehrer 21f. (gegen Neymeyr). 83 SCHÖLLGEN, Lehrer 23, betont mit Recht, dass „das Lehren in frühchristlicher Zeit keinem Stand exklusiv vorbehalten“ war und dass die Gemeinde daher „mit häretischen bzw. Unruhe und Unordnung verbreitenden Ankömmlingen rechnen“ muss, „die, wiewohl lehrend, nicht mit dem Anspruch auftraten, zum Stand der Lehrer zu gehören“. 84 Auf 11,1f. folgen die Ausführungen zu den Aposteln und den Propheten, auf 12,1 folgen die Ausführungen zu den durchreisenden „Normalchristen“ (12,2), dann zu denen, die sich niederlassen wollen (12,3–5), woran sich nochmals der Sonderfall der sich niederlassenden „Wandercharismatiker“ (Propheten und Lehrer) anschließt (13,1–7). Für diese beiden Personengruppen wird die in Kap. 12 formulierte generelle Arbeitspflicht aufgehoben.
II. Taufe und Eucharistie in der Didache
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11,3ff. gilt dieses Kriterium für jeden Ankömmling in der Gemeinde, nicht nur für Apostel und Propheten und auch nicht nur für Lehrer. Der Didachist versteht „Lehre“ dabei nicht im Sinne von „Glaubensbekenntnis“ bzw. „Doktrin“, sondern im Sinne der praktischen Einübung in den „Lebensweg“ sowie „in cultischen und hymnischen“ Formeln.85 In dieselbe Richtung, aber mit eigenem Akzent geht aktuell Aaron Milavec. Er setzt beim Begriff διδαχή an, den er mit „training“ übersetzt.86 Dieses „training“ setze „oral performance“ voraus, die schriftlich fixierte Didache sei demnach ein „transcript of an oral training program“, nämlich für Heiden, deren Initiation in die Gemeinde der Didache bevorsteht.87 Milavec betont mit Recht, dass der neuzeitliche Sprachgebrauch „Lehre“, „Lehrer“ und „lehren“ zu einseitig auf die schulische Unterrichtssituation eingeengt ist und bevorzugt für διδαχή daher die Übersetzung „training“, für διδάσκαλος „master-trainer, mentor and spiritual parent“.88 Es geht also nicht (nur) um die Vermittlung von Tatsachen, auch wenn das intellektuelle und das autoritative Moment nicht vergessen werden darf.89 2.3 Der Anlass für die Niederschrift der Didache In den beiden Formulierungen 7,1 und v.a. 11,1f. dürfte auch der Grund für die schriftliche Fixierung der Didache und der Grund für die Auswahl gerade dieser Passagen liegen. Denn wie Paul Bradshaw jüngst mit Recht betont hat, ist bereits die Existenz von verschriftlichten Eucharistiegebeten aus so früher Zeit „surprising“, so dass „special circumstances“ zu diesem „unusual step being taken“ geführt haben müssen.90 Die Kap. 1–10 dienen aber laut 11,1f. dazu, die in der Gemeinde ankommenden Fremden zu be-
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HARNACK, Lehre Prolegomena 34f. Das „Dogmatische“ ist laut Harnack in dieser frühen Phase „im Cultus“ zu suchen, wie die Didache, aber auch Plinius, die apostolischen Väter, Justin sowie Euseb, Hist V 28,5 belegten. 86 MILAVEC, Paradigm 48. In diese Richtung bereits ASCOUGH, Analysis 207: „The initiates experience the status transformation through the training in the ‚two waysʻ and the baptism itself“. 87 MILAVEC, Gentile Identity 2, vgl. DERS., Paradigm 47, Did 39 u.ö. 88 MILAVEC, Did 71. Der antike Sprachgebrauch von διδάσκειν umfasst „lehren, belehren“ im weitesten Sinne, d.h. von der Mitteilung von Tatbeständen, von Wissen und Kenntnissen bis hin zur Aneignung von Fertigkeiten, praktischen Fähigkeiten und Künsten. Schon der Wortstamm weist mit seiner Reduplikation und der σκ-Bildung auf „wiederholte Tätigkeit“ hin (RENGSTORF, in: ThWNT II 138 mit Anm. 3). 89 Vgl. RENGSTORF, in: ThWNT II 139. Im Falle der Did zeigt sich dies in der Betonung des Wortlauts und der autoritativen Mitteilung von Gebetsformularen. 90 Vgl. BRADSHAW, Origins 38f., allerdings ist Bradshaws eigener Vorschlag, die schriftlich fixierten Gebete sollten eine Hilfe für lokale Amtsträger (vgl. 15,1f.) mit „lack of liturgical skill in improvising prayer“ sein, unbefriedigend.
2. Die Intention der Didache
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urteilen.91 Da in den Kap. 11–13 auch andere Kriterien zur Beurteilung von Aposteln, Propheten und anderen Fremden formuliert werden, die z.T. älter zu sein scheinen, dürfte die Anweisung in 11,1f. auf den Didachisten zurückgehen.92 Für die Interpretation der Didache bedeutet dies, dass der Text zunächst von der in 11,1f. formulierten Situation her auszulegen ist. Diese Verse heben sich vom Vorausgehenden wie vom Folgenden ab. Der Didachist reagiert auf eine Herausforderung, indem er seiner Ortsgemeinde eine Art Handbuch bzw. Leitfaden zur Beurteilung der Lehre (διδαχή) der in der Gemeinde ankommenden Fremden zur Verfügung stellt. Diese anhand sprachlicher und struktureller Beobachtungen entwickelte Rekonstruktion des Abfassungszwecks der Didache erhält eine weitere Bestätigung durch eine überraschende formale Parallele im johanneischen Schrifttum:93 In 2Joh 10 verlangt der Presbyter von seiner Adressatengemeinde, ankommende Wandermissionare94 am Maßstab „dieser Lehre“ (ταύτην τὴν διδαχήν) – womit im Kontext die Explikation des Bekenntnissatzes Ἰησοῦς Χριστὸς ἐρχόμενος ἐν σαρκί (V. 7)95 und damit die spezifisch johanneische Offenbarungstradition (wie sie im vierten Evangelium, v.a. aber im 1Joh schriftlich fixiert ist) gemeint sein dürfte – zu prüfen und die Gewährung von Gastfreundschaft96 und sogar den Gruß (χαίρειν) vom Ausgang dieser Prüfung abhängig zu machen. Im Hintergrund steht hier eine innergemeindliche Spaltung (2Joh 7; vgl. 1Joh 2,18–23 u.ö.), doch scheint der Presbyter damit zu rechnen, dass die „Gegenseite“ nun eigene Wandermissionare ausschickt, um für ihre Position zu werben.97 Im Unterschied dazu rekurriert die Didache auf die Taufkatechese, auf Taufe, Fasten, Gebet und – als Höhepunkt – auf die Eucharistie. Hier wird διδαχή nicht in erster Linie vom Bekenntnis, sondern von der gemeindlichen Praxis her verstanden, die von zentraler Bedeutung für das Selbstverständnis und die Selbstdefinition dieser Gemeinde (zumindest in der Sicht des Didachisten) ist. Der mit der Taufkatechese beginnende Initiationsprozess ist nämlich zugleich „Einübung“ in das Gemeindeleben und prägt dieses auch nach der Taufe. So dürfte z.B. die Zweiwegelehre auch über die Initiation hinaus als „Beichtspiegel“ für die innergemeindliche Exhomologese fungiert haben. Die Taufkatechese, die sog. Zweiwegelehre, dient so der Abkehr vom „Todesweg“ des Heidentums
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Gegen GREIFF, Pascharituale 119f. u.ö., nach dem der Zusammenhang durch den Taufgottesdienst in der Paschanacht vorgegeben ist, der aber die Auswahl der in der Didache gebotenen Gebete nicht erklären kann. 92 Überzeugend NIEDERWIMMER, Did 212. 93 Vgl. dazu auch WEIDEMANN, Anfang. 94 Dies dürfte mit εἴ τις ἔρχεται πρὸς ὑμᾶς gemeint sein, da unmittelbar im Anschluss daran davon gesprochen wird, dass der Ankömmling „diese Lehre nicht trägt“. So mit weiteren Gründen auch VOUGA, 1–3Joh 85. 95 Zur Problematik des Präsens vgl. VOUGA, 1–3Joh 83, der überzeugend sowohl die Deutung auf die Inkarnation als auch auf eine futurische Parusie anlehnt. 96 KLAUCK, 2/3Joh 67, betont mit Recht den ekklesiologischen Rahmen dieser Anweisung: „Nicht rein private Gastfreundschaft, sondern Aufnahme in die Haus- und Ortsgemeinde steht zur Debatte.“ 97 Vgl. KLAUCK, 2/3Joh 64f., außerdem VOUGA, 1–3Joh 83–85.
II. Taufe und Eucharistie in der Didache
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und der „Einübung“ in den „Lebensweg“. Dieser Weg des Lebens führt über die Taufe zur Eucharistie, bei der „Leben und Erkenntnis“ vermittelt werden. Wie die geforderte Prüfung der Lehre als Voraussetzung für die Gewährung von Gastfreundschaft konkret vor sich ging, wird leider weder im 2Joh noch in der Did genauer beschrieben.
Anlässlich der Wassertaufe (7,1) macht der Didachist deutlich, dass die Frage des Taufwassers letztlich von sekundärer Bedeutung ist und hinter die trinitarische Taufformel zurücktritt (7,2f.). Die Vorschrift des Tauffastens (7,4) nutzt er, um sich von der Fastenpraxis der „Heuchler“ abzugrenzen (8,1), dasselbe gilt für die Gebetspraxis (8,2f.). Eigenständigkeit und eigene Identität werden konstruiert und dokumentiert, „indem vertrauten Handlungen und Handlungsfeldern signifikant christliche Bedeutungen zugesprochen werden“.98 Dies wird an der „Umpolung“ jüdischer identity markers wie Fasten, Gebet (Vaterunser statt Shema oder Shemone esre) oder Sabbat deutlich. Zugleich ist deutlich „that the Christian longing for a gathering does not include the Jewish hope for a restoration of Israel and Jerusalem“.99 Vermutlich liegt der Abgrenzung von den „Heuchlern“ in Kap. 8 dieselbe Frontstellung wie in 11,1f. zugrunde. Denn die Polemik des Verfassers gegen die (jüdische) Fasten- und Gebetspraxis ist ja ebenfalls Teil der διδαχή (= Did 1–10), an der die in die Gemeinde kommenden Gäste gemessen werden sollen. Vermutlich hatte es die Gemeinde in jüngerer Zeit mit durchreisenden Missionaren zu tun bekommen, deren strengere Gesetzesobservanz sich u.a. an einer jüdischen Fasten- und Gebetspraxis, aber vielleicht auch am Interesse an der rituellen Verwendbarkeit des Taufwassers (Did 7) und eventuell am Gebrauch jüdischer Tischgebete zeigte. Denn die Einschränkung des Verfassers hinsichtlich der Tischgebete der Propheten in 10,7 lautet: τοῖς δὲ προφήταις ἐπιτρέπετε εὐχαριστεῖν ὅσα (!) θέλουσιν. D.h. die Propheten dürfen keineswegs danksagen, was sie wollen (εὐχαριστεῖν ἅτινα θέλουσιν), sondern (nur): soviel sie wollen, und die Bemerkung erfolgt nach dem Zitat der Eucharistiegebete. Daraus folgert M. Slee mit Recht, dass es sich bei 10,7 um eine gegen die Propheten gerichtete Restriktion handelt.100 Die Vorschriften der „Zweiwegelehre“ dienen, wie die den „Lebensweg“ abschließende Formulierung 4,14 belegt, zugleich als „Beichtspiegel“ für die innergemeindliche Exhomologese (4,14),101 insbesondere vor 98
PROSTMEIER, Handeln 55f. SANDT, Gathering 75, vgl. 87f. 100 SLEE, Church 100 u.ö. 101 Did 4,14 lautet: ἐν ἐκκλησίᾳ ἐξομολογήσῃ τὰ παραπτώματά σου, καὶ οὐ προσελεύσῃ ἐπὶ προσευχήν σου ἐν συνειδήσει πονηρᾷ. Direkt darauf folgt der Abschluss des Lebensweges (αὕτη ἐστὶν ἡ ὁδὸς τῆς ζωῆς) und es beginnt der „Todesweg“. Die For99
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der sonntäglichen Eucharistie (14,1), aber auch zur brüderlichen Zurechtweisung (15,3). Daran ist zu erkennen, dass weder die Zweiwegelehre noch die Eucharistiegebete, und natürlich auch nicht die Anweisungen zu Fasten und Gebet, auf die Situation des Katechumenats und des Taufgottesdienstes beschränkt sind. Vielmehr ist davon auszugehen, dass bei der Taufe jene Praxis grundgelegt werden soll, die dann für das Gemeindeleben maßgeblich ist. Gerade weil in diesen im Zusammenhang der Taufe ergehenden „Lehren“ das Selbstverständnis der Didache-Gemeinde (zumindest in der Optik des Didachisten!) gültig ausgedrückt ist, deshalb eignen sich diese Texte zur Diakrisis. Mit den Worten Adolf von Harnacks: „Gerade an der Taufe, dem Fasten, dem Abendmahl resp. an den Gebeten bei dem Vollzug dieser Handlungen, konnte man die Häretiker erkennen“.102
3. Beobachtungen zu Did 11–16 3. Beobachtungen zu Did 11–16
Aufgrund der zuvor festgestellten Gliederung der Didache bietet es sich an, mit dem zweiten Teil (Did 11–16) zu beginnen, da hier Aufschluss über die Situation und das Anliegen des Didachisten zu erwarten sind. Im Anschluss daran gehen wir Did 1–10 durch, laut 11,1f. die διδαχὴ εἰς τὸ προσθεῖναι δικαιοσύνην καὶ γνῶσις κυρίου, die als Kriterium für die Gewährung von Gastfreundschaft fungiert. 3.1 Überblick Der zweite Hauptteil der Didache enthält – wie der erste – heterogenes Material, das thematisch geordnet ist, doch ist nicht zu übersehen, dass der Verfasser den Text als eine zusammenhängende Einheit ansah: „It is fully justified, therefore, to assume that Did 11–15 is a compositional unity which has been created by one author on the basis of a traditional pattern which he modified and expanded with additional materials in the face of the altered circumstances of his time“.103 Auch laut Kurt Niederwimmer ist der Didachist in Did 11–15 in weit stärkerem Maße als bisher in eigener Verantwortung tätig. Der vordidachistischen Quelle weist er nur 11,4–12 zu.104 mulierung 4,14 steht also direkt auf der Nahtstelle zwischen Lebens- und Todesweg. Die öffentliche Exhomologese gehört demnach zum Lebensweg hinzu, die „Übertretungen“ (παραπτώματα) sind durch die beiden Wege markiert (vgl. z.B. 3,1–6 mit Kap. 5). 102 HARNACK, Lehre Text 37. 103 VAN DE S ANDT/F LUSSER, Did 340. Das „traditional pattern“ sehen die Autoren in 1Tim vorgezeichnet (ebd. 339f.). 104 NIEDERWIMMER, Did 211.
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II. Taufe und Eucharistie in der Didache
Dies wird zunächst durch die Stichwortverbindung ψευδοπροφῆται deutlich, mit der der Didachist seine Ausführungen zur Unterscheidung der „wahren“ Apostel bzw. Propheten von Pseudopropheten in Kap. 11 mit der Schluss-Apokalypse in Kap. 16 verbindet.105 Dadurch taucht der Didachist die eher pragmatisch orientierten Verhaltensanweisungen in Kap. 11 in ein eschatologisches Licht: Die zunehmende Zahl von „Lügenpropheten“ hat apokalyptische Dimensionen (16,3: ἐν ταῖς ἐσχάταις ἡμέραις). Hans Reinhard Seeliger hat mit Recht auf den Zusammenhang hingewiesen, der zwischen dem (von G. Schöllgen herausgestellten) „selektiven“ Charakter der Didache und der Warnung vor den ψευδοπροφῆται in 16,3 besteht: „Es ist auffällig, dass das apokalyptische Traditionsstück in 16,3 mit der Warnung vor den Pseudopropheten in den letzten Tagen beginnt. Vor jenen wird also gewarnt, zu deren Entlarvung in Kap. 11,5f.8–10 eigens Kriterien genannt werden. Gerade weil die Didache eine selektive Kirchenordnung ist, kann dies nicht ohne Bedeutung sein“.106
Eine zweite Stichwortverbindung stellt der Didachist mit der „Synaxis“ der Gemeinde her: Das innergemeindliche „Zusammenführen“ (συνάγειν) am Sonntag, das er in 14,1 erwähnt, wird in 16,2 im Zusammenhang der Mahnung, „dichtgeschlossen zusammenzukommen“ (πυκνῶς συνάγειν),107 wiederaufgenommen. Damit laufen die beiden Hauptlinien des zweiten Hauptteils, die Konfrontation mit „falschen Propheten“ und die innergemeindlichen Zusammenkünfte, im „apokalyptischen“ Schlusskapitel zusammen, was erneut die „doppelte Pragmatik“ der Didache – nach „außen“ wie nach „innen“ – bestätigt.
105 Das Stichwort ψευδοπροφῆται erscheint in 11,5.6.8.9.10 und in 16,3. Als ψευδοπροφῆται werden auch „falsche“ Apostel bezeichnet (d.h. im Sinne der Didache: Apostel, die länger als zwei Tage die Gastfreundschaft der Gemeinde ausnutzen oder um Geld bitten: 11,5f.), der Begriff ist also auch in 16,3 in übergeordnetem Sinne (und nicht nur im Hinblick auf das spezifische Prophetenamt) zu verstehen. 106 SEELIGER, Erwägungen 191. 107 πυκνῶς dürfte hier weder „häufig“ noch „zahlreich“ bedeuten, sondern „dicht, fest, dichtgedrängt, festgefügt“ (vgl. MENGE, Großwörterbuch s.v., außerdem KHOMYCH, Admonition 130–134). Dass der Didachist hier zu „häufigen“ Zusammenkünften mahnt, ist unwahrscheinlich, da er in 14,1 gerade die sonntägliche Versammlung angeordnet hat (so auch WENGST, Did 89 Anm. 127). Auch die Übersetzung mit „zahlreich“ ergibt keinen rechten Sinn, denn wie sollte eine Gruppe ermahnt werden, zahlreich zusammenzukommen? (so A. Lindemann, zit. bei KHOMYCH, Admonition 123 Anm. 9).
3. Beobachtungen zu Did 11–16
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3.2 Die Situation der Gemeinde Aus den Kap. 11–16 geht hervor, dass die Ortsgemeinde(n) der Didache von wandernden Aposteln und Propheten,108 aber auch von Ankömmlingen besucht wird, die nicht zu diesen charismatischen „Ständen“ gehören, die aber dennoch „lehren“. Offenbar wollen sich einige von ihnen sogar in der Gemeinde niederlassen. Aufgrund von schlechten Erfahrungen sowie aufgrund der Tendenz z.B. mancher Propheten, sich niederzulassen (13,1), wurde es nötig, ψευδοπροφῆται zu „enttarnen“ – zumal diese als Zeichen der angebrochenen Endzeit wahrgenommen wurden. Gleichzeitig sieht der Didachist offenbar Regelungsbedarf innerhalb der Gemeinde (konkret: Exhomologese vor den sonntäglichen Eucharistiefeiern, Fasten- und Gebetspraxis, Fragen des Taufwassers, „Ämter“ usw.). 3.3 Die Antwort des Didachisten 3.3.1 Die grundlegende Anweisung 11,1f. Den spezifischen Ausführungen περὶ τῶν ἀποστόλοων καὶ προφητῶν (11,3–12) stellt der Didachist eine allgemeine Anweisung voran, mit der er das Voranstehende (Did 1–10) abschließt und zum zweiten Hauptteil seines Textes überleitet. 11,1f. schließt mit οὖν eng an das Voranstehende an und ist bewusst ganz allgemein formuliert: Es geht um die gastliche Aufnahme (δέχεσθαι) von Menschen, die in die Gemeinde kommen (ὁ ἐλθών). Diese Aufnahme wird in 11,1f. daran gebunden, dass „derjenige, der kommt, euch all das lehrt, was bisher gesagt wurde (ταῦτα πάντα τὰ προειρημένα)“. Damit wird die „Lehre“ der Fremden zum Kriterium ihrer Aufnahme in die Gemeinde, und zur Beurteilung dieser Lehre wird der Gemeinde eine Art schriftliches Handbuch in die Hand gegeben – eben Did 1–10! „Das, was sie lehren, soll von der Gemeinde an dem gemessen werden, was der Didachist vorher ausgeführt hat, also an den Zwei Wegen und den Anordnungen über Taufe, Fasten, Beten, Eucharistie und Salböl“.109 Der allgemeine Charakter von 11,1f. spricht dann auch gegen die Identifizierung von ὁ διδάσκων (11,2) mit dem Gemeindestand der „Lehrer“ (13,2; 15,1f.: ὁ διδάσκαλος, οἱ διδάσκαλοι).110 In 11,2 ist eben nicht vom διδάσκαλος die Rede, sondern vom in die Gemeinde kommenden Gast, insofern er „lehrt“.
108
VAN DE S ANDT/F LUSSER, Did 340: „The apostles and prophets do not belong to a past generation but appear to still be active in the church at the time of the editing of the Didache“. 109 So WENGST, Did 37, wenn auch in Details mit anderen Akzenten. 110 So aber SCHÖLLGEN, Kirchenordnung 11 (mit Rordorf u.a.), dagegen mit Recht WENGST, Did 37.
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II. Taufe und Eucharistie in der Didache
Erst in den darauf folgenden Ausführungen (11,3: δέ) werden verschiedene Gruppen unterschieden: nichtsesshafte Apostel (11,4–6), nichtsesshafte Propheten (11,7–12). Analog zu 11,1f. erfolgt dann in 12,1f. eine allgemein formulierte (πᾶς δὲ ὁ ἐρχόμενος) Anweisung zur Aufnahme eines Durchreisenden (παρόδιος). Erneut wird deren „kritische Prüfung“ (δοκιμάζειν) durch die Gemeinde betont. Die σύνεσις der Gemeinde hierfür beruht nicht zuletzt auf dem in Did 1–10 Ausgeführten (11,1). Die im Zusammenhang der Anweisungen für die Apostel ergangene Zweitage-Regel (11,5) wird nun wiederholt, allerdings um einen Tag verlängert (12,2). Die Ausführungen in 12,1f. bilden demnach mit 11,1f. eine inclusio, sie leiten aber zugleich über zum nächsten Thema: der Niederlassung (καθῆσθαι) von ursprünglich wandernden Christen in der Gemeinde. Hier nun steht die allgemeine Anweisung im Hinblick auf Christen, die ein Handwerk beherrschen vorweg (12,3–5), bevor es dann um die Niederlassung eines „wahrhaftigen Propheten“ geht, der wie der Lehrer das Recht hat, von der Gemeinde versorgt zu werden. Die Frage ist, was als Objekt von καταλύειν in 11,2 zu denken ist. Der sonstige Sprachgebrauch könnte auf die Tora als Objekt von „außer Kraft setzen“ bzw. „übertreten“ hindeuten.111 Das würde auch zu 6,2f. passen. Andererseits verweist der Didachist in 11,1 betont auf die voranstehende Entfaltung der διδαχή, so dass es von daher näher liegt, τὴν διδαχήν zu ergänzen und die Formulierung auf die „Auflösung“ des in Kap. 1–10 Gesagten zu beziehen.112
3.3.2 Der Umgang mit Aposteln und Propheten (11,3–13,7) Insbesondere die Apostel stehen in hohem Ansehen, sie sind aufzunehmen „wie der Herr“ (11,4). Der Grund für dieses hohe Ansehen dürfte insbesondere in der nichtsesshaften Lebensform und der radikalen Besitzlosigkeit dieser Apostel zu suchen sein,113 mit der sie die Lebensform und die Besitzlosigkeit Jesu fortsetzen. Diese Lebensform impliziert, dass die Apostel auf die Versorgung durch die Gemeinden, die sie besuchen, angewiesen sind. Ihre Aufgabe ist wahrscheinlich die Mission.114 Die Prüfung der zuerst genannten „Apostel“ scheint noch am wenigsten Probleme zu bereiten: Sie werden ganz an ihrer Wanderexistenz, die sie nicht länger als zwei Tage an einem Ort verweilen lässt, sowie an ihrer radikalen Besitzlosigkeit gemessen, die es ihnen verbietet, mehr als eine 111 Vgl. Mt 5,17 (καταλῦσαι τὸν νόμον); 2Makk 2,22; Josephus, Ant XVI 35; Bell II 393; IV 382; Philo, SpecLeg III 182; Der Tempel als Objekt von καταλύειν (so Mt 26,61; 27,40, vgl. 24,2; Mk 13,2; 14,58; 15,29) scheidet aus. 112 So u.a. HARNACK, Lehre Text 37; NIEDERWIMMER, Did 212. 113 Dies geht indirekt aus 11,5f. hervor: Wahre Apostel bleiben maximal zwei Tage an einem Ort, und sie haben nichts bei sich außer der Wegzehrung für einen Tagesmarsch. 114 So WENGST, Did 39.
3. Beobachtungen zu Did 11–16
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Tagesration Brot mitzunehmen. Die Anweisungen in 11,5f. deuten zwar darauf hin, dass die Gemeinde auch mit „falschen Aposteln“ (vom Didachisten ebenfalls unter ψευδοπροφῆται subsummiert) schlechte Erfahrungen gemacht hat – sie hatten sich vielleicht länger als zwei Tage von der Gemeinde aushalten lassen und hatten um Geld gebeten –, doch sind wahre Apostel klar an ihrer Lebensform und ihrer Besitzlosigkeit zu erkennen. Anders steht es mit den Propheten. Sie sind offenbar weit schwieriger zu beurteilen und die Unterscheidung zwischen einem „wahren, bewährten Propheten“ (11,11: προφήτης δεδοκιμασμένος ἀληθινός) und einem „Lügenpropheten“ (ψευδοπροφήτης) fällt weit schwerer. Der Grund dafür liegt in der Geistbegabung der Propheten. Nicht zufällig wird gleich in 11,7 als erstes Merkmal ihr λαλεῖν ἐν πνεύματι genannt. Es scheint zumindest in der Optik des Didachisten das Erkennungsmerkmal der Propheten gewesen zu sein. Dass es in höchstem Ansehen stand (analog zur Lebensform der Apostel), zeigt auch die Anwendung des (ganz ähnlich auch in Mt 12,31 belegten)115 Herrenwortes von der unvergebbaren Sünde. Wahrscheinlich hing mit diesem Charisma auch das nur den Propheten (d.h. weder den Aposteln noch den Lehrern) zugestandene Privileg zusammen, „dankzusagen, soviel sie wollten“ (10,7). Vom Propheten wird in 11,9 gesagt, dass er „im Geist einen Tisch festsetzt bzw. abgrenzt (ὁρίζων τράπεζαν ἐν πνεύματι),116 von ihm aber nicht essen soll. Vermut115
Vgl. dazu GARROW, Gospel 186–189, der aber zu dem abwegigen Schluss kommt, „that Matthew knew and used Did 11,7“. 116 BAUER/ALAND, Wörterbuch 1177, übersetzen: „der eine Mahlzeit bestellt“; LAMPE, Lexicon s.v. ὁρίζειν: divide, separate / determine, define / appoint, ordain. Die Formulierung ist rätselhaft, gemeint ist vielleicht, eine eigene, von den sonntäglichen Gemeindemählern unterschiedene Mahlfeier anzuberaumen. Immerhin ist in 1Kor 10,21 τράπεζα im eucharistischen Kontext belegt (τραπέζης κυρίου μετέχειν) und zwar in einer Situation, in der Eucharistie und das sog. Sättigungsmahl voneinander unterschieden, aber nicht getrennt sind (vgl. 1Kor 11,17–34). Laut SLEE, Church 114f., ist die Konkurrenzsituation zwischen judenchristlichen Propheten und heidenchristlichen Gemeindemitgliedern vorausgesetzt. Bei der τράπεζα gehe es durchaus um die (im Rahmen einer Mahlzeit erfolgende) Eucharistie. Mit der Vorschrift sollten konkurrierende Eucharistien verhindert werden: „Since in Jewish tradition only someone at the meal could offer the blessings, by preventing the prophet taking part in a meal he convened, the Didachist prevents these visiting prophets deliberately convening a Eucharist (under the guise of spiritual inspiration or charity) in order that they might preside“. Voraussetzung dieser These ist die plausible Annahme, dass in der Didachegemeinde (ähnlich wie z.B. in den PsClementinen, aber auch in 1Kor 11) Eucharistie und Sättigungsmahl noch nicht voneinander getrennt sind. Das vom Propheten im Geist erfolgte „Bestellen eines Tisches“ impliziert dann zugleich die Eucharistie. Analog umfasst das δέχεσθαι von Fremden in der Gemeinde Tischgemeinschaft inklusive Eucharistiegemeinschaft. Auf die Verbindung von Eucharistie und Sättigungsmahl dürfte Did 10,1 (ἐμπίμπλημι) sowie der doppelte Dank für die allen Menschen gegebene Speise und die „uns“ geschenkte „geistliche Spei-
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II. Taufe und Eucharistie in der Didache
lich ist damit gemeint, dass der Prophet zwar eine eucharistische Mahlfeier anordnen und bei dieser die Eucharistiegebete sprechen kann (vgl. 10,7), nicht aber am Mahl teilnehmen soll. Vermutlich hatten zuvor nichtsesshafte Propheten eucharistische Mahlfeiern, bei denen sie als Geistträger die Eucharistiegebete sprachen, zur eigenen Sättigung anberaumt. Unter Voraussetzung ihrer privilegierten Stellung beim Sprechen des Eucharistiegebets scheinen die Propheten also kultische Funktionen gehabt zu haben. Deswegen werden sie in 13,3 auch als „eure Hohenpriester“ bezeichnet (αὐτοὶ γάρ εἰσι οἱ ἀρχιερεῖς ὑμῶν), was wiederum in Verbindung zu den „reinen Opfern“ steht, die laut 14,1–3 bei Brotbrechen und Eucharistie in der Ekklesia dargebracht werden. Diese kultischen Funktionen der Propheten werden nach und nach von anderen (sesshaften) Gemeindemitgliedern übernommen, die jedoch ihr Defizit an pneumatischer Ausstattung mit der Vorgabe „wirksamer“ Formulierungen ausgleichen müssen. Doch macht 11,8 sogleich deutlich, dass das Reden im Geist eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für den Prophetenstand ist, woraus zunächst zu schließen ist, dass es für den Didachisten durchaus Pseudopropheten gab, die dieses Charisma besaßen. Das λαλεῖν ἐν πνεύματι kann für den Didachisten demnach kein alleiniges Kriterium zur Unterscheidung eines wahren von einem falschen Propheten sein. An dieser Stelle nennt der Didachist das entscheidende Kriterium, um ein δοκιμάζειν der Propheten zu ermöglichen: Es ist das ἔχειν τοὺς τρόπους κυρίου (11,8). Da diese „Verhaltenweisen des Herrn“ an dieser Stelle als bekannt eingeführt und nicht näher erläutert werden, ist davon auszugehen, dass diese „Verhaltensweisen, die vom Kyrios gefordert sind“,117 auf die Lebenspraxis des irdischen Jesus abzielen.118 Der Didachist stellt also dem λαλεῖν ἐν πνεύματι als Kriterium zur Beurteilung der Propheten zwei weitere (eng miteinander verbundene) Kriterien an die Seite: das „Lehren der Wahrheit“ (11,10: διδάσκειν τὴν ἀληθείαν) und das „Tun“ (11,10: ποιεῖν) bzw. die „Verhaltensweisen des Herrn“ (11,8). Die Vermutung, dass die (falschen) Propheten für die Didache ein Problem darstellen, wird durch 13,1–7 bestätigt. Aus dieser Passage ist zu entnehmen, dass es Propheten gab, die sich in der Gemeinde niederlassen wollen (θέλων καθῆσθαι πρὸς ὑμᾶς). Da ein wahrer Prophet „seiner Nahrung wert ist“ (13,1, vgl. Mt 10,10) und also – wie die Lehrer (13,2) – ein Anrecht auf Versorgung durch die Gemeinde hatte und nicht arbeiten musste, stellte sich das Problem der Unterscheidung von wahren und fal-
se und Trank“ in Did 10,3 (s.u.), vielleicht auch das Verbot des Opferfleisches in 6,3 hindeuten. 117 κυρίου ist genitivus objectivus. 118 Überzeugend NIEDERWIMMER, Did 219.
3. Beobachtungen zu Did 11–16
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schen Propheten umso dringender.119 Wahrscheinlich liegt hier sogar das eigentliche Problem, das die Pseudopropheten aufwarfen, da es nicht länger um die Versorgung für maximal drei Tage (12,2; vgl. 11,5), sondern um lebenslange Versorgung durch die Gemeinde ging. Dies wird auch dadurch bestätigt, dass in 13,1–7 nur die Propheten als Empfänger der Erstlingsgaben genannt werden.120 Die Vorschriften über die Abgaben an die von der Gemeinde versorgten Charismatiker sind also ganz auf die Propheten zugeschnitten. Indem der Abschnitt über die Versorgung der Propheten durch die Erstlingsabgaben der Gemeinde nach den Ausführungen über die Unterscheidung von wahren und falschen Propheten erscheint, ist deutlich, dass die nun aufgeführten Privilegien nicht für den „überführten“ Falschpropheten gelten, was durch die Formulierung πᾶς προφήτης ἀληθινός (13,1; vgl. 11,11!) noch unterstrichen wird. 3.4 Das reine Opfer unter den Heiden (14,1–3) Die sich direkt an die „Unterhaltsregel“ für Propheten und Lehrer, die sich in der Gemeinde niedergelassen haben,121 anschließenden Ausführungen zur sonntäglichen122 Eucharistiefeier sind extrem fragmentarisch. Keineswegs kommt es dem Didachisten „darauf an, eine ausführliche Anordnung über die Sonntagsfeier zu geben, die durch Überlieferung und Gemeindesitte festgesetzt ist und deren Leitung in berufenen Händen liegt“.123 Vielmehr hat der Didachist im Hinblick auf die sonntägliche Versammlung der Gemeinde nur ein einziges Anliegen, nämlich sicherzustellen, dass die Ekklesia bei Brotbrechen und Eucharistiegebeten Gott das reine Opfer (ἠ θυσία καθαρά) darbringen kann, von dem Mal 1,11 spricht.124 Dafür sind 119
Richtig NIEDERWIMMER, Did 228: „Das Problem ist nicht das Sesshaftwerden, sondern der Lebensunterhalt“. 120 Explizit in 13,3 und 13,6, vorauszusetzen aber auch in 13,4 und 13,7. Die Anweisung zur Zuwendung der Erstlingsgaben an die Armen 13,5 könnte eine spätere Glosse sein (NIEDERWIMMER, Did 232), die darauf hindeutet, dass die Propheten verschwinden. 121 Dazu THEOBALD, Eucharistie als Quelle 224–229. Es ist bemerkenswert, dass laut 15,1f. zwar ἡ λειτουργία τῶν προφητῶν καὶ διδασκάλων auf die von der Gemeinde gewählten Episkopen und Diakone übergeht, die Versorgungspflicht der Gemeinde für „echte“ Propheten und Lehrer jedoch (13,1f.) auf die „Armen“ (13,4). 122 Nicht überzeugen kann DRAPER, Pure Sacrifice 228f., laut dem sich die Wendung κυριακὴ κυρίου nicht auf den Sonntag, sondern auf den jährlichen Versöhnungstag bezieht. Vgl. ebd. 234: „The idea of a weekly confession of sins against God is not on the horizon here, but rather something similar to the ritual of the Day of Atonement“. Vgl. dazu VAN DE SANDT/FLUSSER, Did 303 mit Anm. 99. 123 Gegen KNOPF, Did 35. 124 Vgl. dazu VAN DE SANDT, Holy Meal 19f.: „Terms like ‚sacrificeʻ and ‚pureʻ suggest a temple ritual. (…) the Eucharist table is compared to the temple altar“.
II. Taufe und Eucharistie in der Didache
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zwei Voraussetzungen zu erfüllen:125 Die Exhomologese der Übertretungen126 sowie der Ausschluss all jener Gemeindemitglieder, die noch zwischenmenschliche Konflikte austragen. Die Rede von den παραπτώματα ὑμῶν verweist zurück auf 4,14 (vgl. auch 4,3). Dort heißt es zum Abschluss des Lebensweges: ἐν ἐκκλησίᾳ ἐξομολογήσῃ τὰ παραπτώματά σου, die Verbindung zwischen 4,14 und 14,1 ist offensichtlich. Die bereits im vordidachistischen Zweiwegetraktat stehende Aufforderung, die Sünden zu bekennen,127 hat der Didachist durch die Einfügung von ἐν ἐκκλησίᾳ in 4,14128 und die Stichwortverbindung über παράπτωμα (4,3.14; 14,1) eng mit 14,1–3 verklammert. Die Ausführungen des Lebensweges sind also nicht allein Grundlage der Taufkatechese und als Taufpredigt vermutlich Bestandteil des Taufgottesdienstes, sondern nehmen laut 4,14 als „Beichtspiegel“ auch einen wichtigen Platz im Gemeindeleben ein. Diesen Platz bestimmt der Didachist in 14,1 konkret, indem er dem anhand der Zweiwegelehre vorgenommenen Bekenntnis der Übertretungen (nämlich der Gebote des „Lebensweges“) einen Platz bei der sonntäglichen Versammlung zuweist, genauer: vor dem Brotbrechen. Eben weil die sonntägliche Exhomologese vor dem Brechen des Brotes und der Eucharistie sowie die Versöhnung zerstrittener Gemeindeglieder das entscheidende Anliegen des Didachisten sind, erfahren wir fast nichts über den Zeitpunkt und den Ablauf des sonntäglichen Brotbrechens. Zunächst fällt auf, dass in Did 14 weder der (Wein-)Becher noch ein Sättigungsmahl erwähnt wird, sondern allein vom Brechen des Brotes und vom Eucharistiegebet die Rede ist.129 Vermutlich ist die Wendung κλᾶν ἄρτον καὶ εὐχαριστεῖν hier terminus technicus für die ganze, auch in Did 9f. vorausgesetzte Feier, so dass die Eucharistiegebete im Wesentlichen denjeni-
125
Zur „threefold structure“ und zum Inhalt von Did 14,1–3 vgl. DRAPER, Pure Sacrifice 229–239. 126 Analog zum προ-λέγειν in 7,1 und 11,1 steht in 14,1 προ-ἐξομολογεῖσθαι (zur Textkritik vgl. NIEDERWIMMER, Did 236 Anm. 13). DRAPER, Pure Sacrifice 230f., bezieht παραπτώματα überzeugend auf „transgressions against God as a source of impurity“, ἀμφιβολία dagegen auf „quarrels between members of the community as sources of impurity“. 127 Vgl. Barn 19,12: ἐξομολογήσῃ ἐπὶ ἁμαρτίαις σου, die Aufforderung zum Sündenbekenntnis stand also bereits im Zweiwegetraktat. Allerdings fehlt hier ἐν ἐκκλησίᾳ. 128 So auch HARNACK, Lehre Text 17; KNOPF, Did 19; NIEDERWIMMER, Did 145 Anm. 14. Vgl. DRAPER, Pure Sacrifice 232. 129 Daher folgert z.B. PILLINGER, Taufe 156, dass beim Sonntagsgottesdienst der Didachegemeinde kein Sättigungsmahl stattfand, doch ist dieses argumentum e silentio nicht überzeugend.
3. Beobachtungen zu Did 11–16
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gen von Did 9f. entsprechen.130 Sie mussten daher an dieser Stelle (analog z.B. zur TradAp) nicht nochmals wiederholt werden. Das Interesse unseres Textes richtet sich allein auf die „ritual purity“,131 also den rituellen Zustand derer, die an dieser „Sonntagseucharistie“ teilnehmen. Hinzu kommt, dass wir auch nicht wissen, wann diese Mahlfeier stattfand. Nichts deutet auf eine morgendliche Feier hin, v.a. wenn man davon ausgeht, dass die Mahlfeier im Sinne von Did 9+10 symposialen Charakter hatte und also spätnachmittags bzw. abends stattgefunden haben dürfte. Ob man jedoch den Abend des Sabbats oder den Abend des ersten Wochentages (Sonntag) anzunehmen hat, muss offenbleiben. Der Begriff θυσία bezieht sich wahrscheinlich auf die Eucharistiegebete,132 die ja an Gott gerichtet sind, was aber weder die Vorstellung der eucharistischen Elemente als Opfergaben noch die des Gemeindemahls als Opfermahlzeit nicht ausschließen muss, zumal Opfer in der Antike immer mit einem Mahl verbunden sind.133 Wenn die Propheten, die ja Eucharistiegebete sprechen dürfen, „soviel sie wollen“ (10,7) und die „im Geist eine τράπεζα festsetzen“ können (11,9), in 13,4 als „eure Hohenpriester“ bezeichnet werden, dann dürfte auch hier die Sicht der Gebete als Opfer im Hintergrund stehen. Aus der Formulierung ἡ θυσία ὑμῶν geht hervor, dass die ganze Gemeinde an der Darbringung des Opfers beteiligt ist, was wiederum das Interesse des Didachisten an der Herstellung einer „kollektiven Reinheit“ durch Sündenbekenntnis und Versöhnung erklärt: „moral sins appear to have taken the place of the usual external sources of impurity“.134 Dabei geht es aber wahrscheinlich um die Bewahrung eines in der Taufe erreichten status von Heiligkeit bzw. Reinheit. Der Didachist belässt es nicht bei Anspielungen, sondern zitiert die abschließende Maleachi-Stelle ausführlich (14,3). Damit endet die Passage mit dem Hinweis auf die Heiden, unter denen Gottes Name groß ist. Dass der Verfasser den Maleachi-Text auch über die ihn primär interessierende Thematik der „reinen Opfer“ hinaus zitiert, zeigt, dass die Anwesenheit von (getauften) Heiden in der Ekklesia für ihn von höchster theologischer Bedeutung ist, denn (erst) durch ihre Teilnahme am reinen Opfer der Eucharistie wird die alttestamentliche Verheißung erfüllt. 130 Vgl. WENGST, Did 53: „Die Wendungen vom Brotbrechen und Danksagen machen deutlich, dass hier genau der Vorgang im Blick ist für den in Kap. 9f. die Formulare angegeben wurden: die Eucharistie“. 131 VAN DE SANDT, Do not 242. 132 KLINGHARDT, Gemeinschaftsmahl 479; WENGST, Did 53–57; NIEDERWIMMER, Did 237f. 133 Vgl. MILAVEC, Confession 66. 69. 134 VAN DE S ANDT, Do not 243, unter Hinweis auf die Ersetzung von rituellen Waschungen durch Schuldbekenntnis und Vergebung.
II. Taufe und Eucharistie in der Didache
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3.5 Episkopen und Diakone (Did 15) Es folgt die Aufforderung an Adressaten, „für euch“ Episkopen und Diakone zu wählen. Laut Jürgen Zangenberg liegt hier „the real innovation“ der Didache vor,135 denn offenbar werden nun zwei „Ämter“ eingeführt, die die bisherigen „Propheten und Lehrer“ ersetzen sollen. Im Unterschied zu diesen werden Episkopen und Diakone aber nicht von der Gemeinde versorgt. Dass hier zwei Ämter installiert werden, die ihre Parallelen nicht im judenchristlichen, sondern im heidenchristlich-paulinischen Bereich haben (vgl. Phil 1,1; 1Tim 3), zeigt die zunehmende Entfernung der DidacheEkklesia von ihren judenchristlichen Wurzeln136 und läuft der Tendenz von Kap. 1–10 parallel (s.u.). Der Didachist installiert gerade keine jüdischsynagogale Ältestenverfassung.137 Die dabei als Voraussetzung für die Wahl von Episkopen und Diakonen genannten Eigenschaften weisen (exemplarisch) auf die Zweiwegelehre zurück.138 Man wird daher davon ausgehen, dass das δοκιμάζειν der Episkopen und der Diakone – wie das der Propheten! – anhand der Zweiwegelehre erfolgt, zumal sie die λειτουργία der Propheten und Lehrer ausüben.139 Allerdings kommen die Episkopen und Diakone aus der Gemeinde selbst, sind also im Unterscheid zu den Wanderpropheten dort bekannt.140 Auch die folgende Anweisung zur innergemeindlichen gegenseitigen Zurechtweisung sowie die abschließend genannten „guten Werke“ weisen
135
ZANGENBERG, Milieu 63. Zum folgenden ebd. 63f. NIEDERWIMMER, Did 242: „Das Fehlen der Presbyter zeigt vermutlich, dass die im Traditionsbereich der Did. festzustellende Entwicklung des ‚Ortsklerusʻ nicht spezifisch judenchristlich beeinflusst ist“. Vgl. auch ZANGENBERG, Milieu 64. Zu den Episkopen und Diakonen in Phil 1,1 und 1Tim 3 vgl. auch THEOBALD, Eucharistie als Quelle 168– 177. 137 Vgl. dazu Apg 11,30; 14,23; 15,2.4.22f.; Jak 5,14. 138 Die Eigenschaften der Männer, die „würdig des Herrn“ sind lauten: πραΰς, ἀφιλάργυρος, ἀληθός und δεδοκιμασμένος, wobei letzteres das Ergebnis (Perfekt!) der Prüfung (nach den Prinzipien des Lebensweges?) bezeichnet. πραΰς erscheint gleich zu Beginn der Anawim-Sprüche in 3,7 (vgl. Barn 19,4), die Warnung vor dem Laster des φιλάργυρος steht in 3,5 (vgl. 4Makk 2,8; Lk 16,14; 2Tim 3,2, außerdem Did 11,6.12!), und im Kontext des „Todesweges“ werden die μισοῦντες ἀλήθειαν nach dem Lasterkatalog (5,1) an zweiter Stelle der Übeltäter genannt (5,2). 139 Zur Wendung λειτουργοῦσιν ... τὴν λειτουργίαν als Terminus für den Gottesdienst vgl. THEOBALD, Eucharistie als Quelle 191f. mit Anm. 666. Ebd. 227 Anm. 817 weist er mit Recht auf die Verbindung zu 13,3 hin, wonach die die Propheten „eure Hohenpriester“ sind. 140 Vgl. ASCOUGH, Analysis 208: „they were permanent residents of the community who had community sanction to take the role of the more itinerant leaders while the latter group was absent“. 136
3. Beobachtungen zu Did 11–16
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Rückbezüge zur Zweiwegelehre auf,141 was erneut deren „grundlegende Funktion“ bestätigt. 3.6 Der „apokalyptische“ Abschluss (Did 16) Der Abschluss der Didache besteht aus einer knappen Ermahnung (16,1– 2), auf die eine kleine, mit γάρ angeschlossene Apokalypse (16,3–8) folgt, die aber nicht vollständig überliefert ist. Zunächst fällt auf, dass in diesem „apokalyptischen Schlusskapitel“ „eine apokalyptische Botschaft referiert“ wird, „die schon ergangen zu sein scheint“, d.h. es wird „bereits Bekanntes zur Vertiefung des Wissens repetiert“.142 Der „apokalyptische“ Schlussteil dient also nicht dazu, neue Mysterien zu enthüllen, sondern er schärft erneut die bereits in der Gemeinde bekannten Prinzipien ein: γίνεσθε ἕτοιμοι (16,1). Der Hinweis auf die Parusie des Herrn schärft die Dringlichkeit fest geschlossener Zusammenkünfte ein (16,2, vgl. Barn 4,9f.),143 diese Anweisung ist im Licht von 10,6 (maranatha) und von 14,1 und 4,14 zu lesen: bei der Synaxis ἐν ἐκκλησίᾳ wird das Kommen des Herrn erbeten (maranatha) und rituell antizipiert, daher ist diese auch das Forum für die innergemeindliche Exhomologese.144 Mit Recht formuliert daher T. Khomych: „Taking into account its connection with the eschatological vision presented in Did 16,6 as well as with the Eucharistic petitions in Did 9,4 und 10,5, the unified assembly in Did 16,2 appears as an image and, at the same time, an anticipation of the final gathering expected in the eschaton“.145 Einige der zuvor durch den Text gelegten Fäden laufen in diesem Schlussteil zusammen: So wird erneut das Thema der „Vollkommenheit“ aufgegriffen und mit „der letzten Zeit“ verbunden, also wie in 10,5 eschatologisch konnotiert.146 Dass als Gegenbegriff im selben Kontext die in der Endzeit zunehmende ἀνομία erwähnt wird (16,4), belegt erneut den Zusammenhang von „Vollkommenheit“ und Gesetzesobservanz. Über die 141
Zum ἐλέγχειν vgl. 2,7 (οὐ μισήσεις πάντα ἄνθρωπον, ἀλλὰ οὓς μὲν ἐλέγξεις) sowie 4,3 (ἐλέγξαι ἐπὶ παραπτώμασιν), vor der ὀργή wird in 3,2 gewarnt, zur εἰρήνη vgl. 4,3 (εἰρηνεύσεις δὲ μαχομένους). Zu den Gebeten vgl. 4,14 (außerdem 1,3; 2,7; 8,2f.), zu den Almosen vgl. 1,6, zu πρᾶξις vgl. 2,5 (außerdem 11,10). 142 SEELIGER, Schlußkapitel 187. Ebd. 188: kein späterer Zusatz! 143 Zur Semantik von πυκνῶς vgl. oben. 144 Vgl. dazu MESSNER, Gottesdienst 427: „Nur wer ‚heiligʻ ist, kann angesichts der Parusie bestehen; das Maranatha ist eine eindringliche Warnung, sich diese Konsequenz zu vergegenwärtigen“. Abwegig ist der Versuch von SALZMANN, Lehren 171–174, die Mahnung von Did 16,2 auf Wortversammlungen zu beziehen. 145 KHOMYCH, Admonition 139. 146 Im Zusammenhang des Eucharistiegebets Did 10,5 wird um die Vollendung der Ekklesia in der Liebe Gottes gebetet. Vgl. ferner 1,4 und 6,2 (hier aber nur das Adjektiv τέλειος im Zusammenhang einer Formulierung im Singular).
II. Taufe und Eucharistie in der Didache
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Zweiwegelehre als „Katalog der Mindestanforderungen“ hinaus wird also im Sinne von 6,2f. eine Art „Überschuss“ formuliert, indem die Gesetzesobservanz aller als endzeitliches Ziel der innergemeindlichen Entwicklung vor Augen gestellt wird. Zugleich macht der Kontext deutlich, dass die (durch die Gesetzesobservanz erreichte) „Vollkommenheit“ primär dem Schutz vor den Drangsalen der Endzeit und dem „Ausharren“ gilt und nicht direkt mit der Frage nach dem individuellen Heil verbunden wird. Deswegen begründet (γάρ) die Ankündigung des Anwachsens von Lügenpropheten und Verderbern die Forderung nach Vollkommenheit (16,3). Erneut begegnen hier die ψευδοπροφῆται von Kap. 11, nun ebenfalls als Zeichen der „letzten Tage“ (16,3), was die These bestätigt, dass die zunehmenden Probleme mit Falschpropheten den eigentlichen Anlass für die Abfassung und Auswahl der Didache abgaben. Nach der Ankündigung diverser Zeichen der Endzeit und der letzten Prüfungen bricht der Text mit der Verheißung der Totenauferstehung (nur) der Heiligen (16,7: οὐ πάντων δέ) ab.
4. Die „Lehre zur Diakrisis“ (Did 1–10) 4. „Lehre zur Diakrisis“
4.1 Die Initiation von Heiden in die Ekklesia Laut 11,1f. soll das voranstehende Dokument sowohl das δοκιμάζειν der in die Gemeinde kommenden und lehrenden Christen als auch die innergemeindliche Exhomologese vor der Eucharistiefeier und dem gemeinsamen Gebet sowie die innergemeindliche Zurechtweisung ermöglichen. Dieses vom Didachisten kompilierte Dokument besteht z.T. aus altem Material, das von ihm glossiert wurde. Es orientiert sich an der Initiation von Heiden in die Gemeinde mit dem Ziel ihrer Zulassung zu den eucharistischen Mahlfeiern. Es bietet keineswegs ein Formular oder eine Agende eines Taufgottesdienstes, sondern eine selektive Zusammenstellung normativer Texte und knapp diskutierter strittiger Fragen, die sich allerdings an der Perspektive des initiierten Heiden orientieren. Von daher ist im Hinblick auf die beiden Titel der Didache (διδαχὴ τῶν δώδεκα ἀποστόλων/ διδαχὴ κυρίου διὰ τῶν δώδεκα ἀποστόλων τοῖς ἔθνεσιν) der relative Konsens der Forschung anzufragen, laut dem wahrscheinlich nur der Kurztitel der Didache ursprünglich ist.147 Tatsächlich erhebt die Schrift nirgendwo apostolischen Anspruch, aber die Erwähnung der „Heiden“ im Langtitel, genauer: im incipit, passt gut zum folgenden 147
Laut NIEDERWIMMER, Did 81f. ist wahrscheinlich keiner der beiden Titel original, allerdings erwägt er, ob der ursprüngliche Titel gelautet haben könnte: διδαχὴ (bzw. διδαχαὶ) τῶν ἀποστόλων.
4. „Lehre zur Diakrisis“
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Initiationskontext. So ist vielleicht – mit Knopf – „die zweite, vollere“ Überschrift „die ursprüngliche, die erste die vom Schreiber der Handschrift stammende Verkürzung“.148
Es geht in den ersten Kapiteln der Didache um die Initiation von Heiden(christen) zu den eucharistischen Mählern der Ekklesia. Dies wird bereits aus der deutlichen und ganz in jüdischer Tradition stehenden Grenzziehung zum Heidentum klar, das als „Weg des Todes“ gilt, dem der „Weg des Lebens“ gegenübergestellt wird.149 Deutlich aber auch beim Götzenopferfleisch (6,3) und beim Stichwort „Hund“ (9,5).150 Wenn es aber um die Initiation von Heiden geht, dann ist deutlich, dass wir einen Text aus dem Umfeld der beschneidungsfreien Heidenmission vor uns haben.151 An die Heiden werden ethische und z.T. auch rituelle Minimalforderungen gestellt, die Toraobservanz wird am Ende der Zweiwegelehre (6,2) aber als Ziel, nicht als Voraussetzung der Taufe definiert.152 Der springende Punkt bei der Initiation scheint also weniger die Toraobservanz zu sein als vielmehr die rituelle Reinheit bzw. Heiligkeit,153 ebenfalls wichtige jüdische Anliegen.154 Diese rituelle Reinheit wird in der Didachegemeinde nicht über Beschneidung und Toraobservanz, sondern durch die Taufe erreicht. Durch den komplexen, aus rituellen Handlungen wie ethischen Unterweisungen bestehenden Initiationsprozess werden die (rituell unreinen) Heiden sozusagen „kultfähig“, ein Zustand, den sie im 148 KNOPF, Did 3, so auch HARNACK, Lehre Prolegomena 24–37. Darauf könnte auch die Verwendung zweier unterschiedlicher Tintenfarben durch den Schreiber Leon hindeuten, vgl. dazu VAN DE SANDT/FLUSSER, Did 20f. Ausführlich PARDEE, Genre 101–125, die mit guten Gründen zum selben Ergebnis kommt. 149 HARTMANN, Baptism 129, betont mit Recht den Zusammenhang der Zweiwegelehre mit der Initiation der Heidenchristen: „The instruction of the two ways is a suitable point of departure for our attempts to reconstruct some aspects of the principles of baptism behind the Did. Its inclusion in the rite underlines its initiatory function. The people initiated apparently no longer come from circles in which Jewish morals could be taken for granted. Instead a Gentile background of the converts necessitated a more thorough ethical instruction. At this transition into the new, the old, pagan conditions are depicted as the way of death“. 150 HARTMANN, Baptism 133: „after baptism the believer is holy (not a ‚dogʻ 9,5)“. 151 Dies könnte (!) nach Antiochien weisen, ist aber zumindest ein weiterer Hinweis auf die Herkunft der Didache aus Syrien. Vgl. FELDTKELLER, Identitätssuche 132–135: die Zweiwegelehre der Didache als „die vollständigste und detaillierteste Ausführung des Gottesfürchtigenkriteriums“. 152 DRAPER, Role 63: „The position taken by the Didache is that full observance of the Torah is a goal, not a prerequisite for joining the community“. 153 ἅγιος und ἁγιάζεσθαι in Did 4,2; 7,1.3; 8,2; 9,2.5; 10,2.5.6; 16,7. DRAPER, Process 133, weist auf den Zusammenhang von Heiligkeit und Abgrenzung hin. 154 Vgl. VAN DE SANDT, Do not 246: „The Jewish requirement of being in a state of ritual purity was still the precondition for partaking in the ceremony of eating holy food within the community of the Didache“.
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II. Taufe und Eucharistie in der Didache
Folgenden durch (partielle oder vollständige) Toraobservanz und öffentliches Sündenbekenntnis zu bewahren haben, „damit euer Opfer rein (!) sei“ und durch dieses durch Heiden dargebrachte reine Opfer Mal 1,11 erfüllt würde (14,1–3). Ziel des Initiationsprozesses ist also die Darbringung „reiner Opfer“ durch die Ekklesia bei den Mählern, wofür die Reinigung und Heiligung der ehemaligen Heiden die Voraussetzung darstellt. Diese hat sowohl ethisch-moralische als auch „kultische“ Implikationen.155
5. Die Taufkatechese (Did 1–6) 5. Die Taufkatechese (Did 1–6)
5.1 Der Lebensweg Die Gliederung von Did 1–6 bereitet keine nennenswerten Schwierigkeiten. In 1,1 steht die Inhaltsangabe für die folgenden Kapitel: ὁδοὶ δύο εἰσι. Der nun folgende „Weg des Lebens“ ist durch eine inclusio eingerahmt: ἡ μὲν οὖν ὁδὸς τῆς ζωῆς ἐστιν αὕτη (1,2) – αὕτη ἐστὶν ἡ ὁδὸς τῆς ζωῆς (4,14). Ganz im Sinne der synoptischen und v.a. matthäischen Lehre vom „ersten bzw. größten (μεγάλη καὶ πρώτη ἐντολή) Gebot“ (vgl. Mt 22,38) beginnt der „Weg des Lebens“ mit dem Liebesgebot (gebildet aus Dtn 6,5 und Lev 19,18, vgl. Mt 22,37.39) und der (negativen) goldenen Regel (vgl. Mt 7,12), die wahrscheinlich als „Interpretament des Gebots der Nächstenliebe“ fungiert.156 Dass wir in diesen Versen eine Art Summe bzw. Grundgebot vor uns haben, wird auch durch die folgende Formulierung: τούτων δὲ τῶν λόγων ἡ διδαχή ἐστιν αὕτη deutlich. Der folgende „Lebensweg“ ist demnach als Ausfaltung bzw. „commentary“ zum einleitenden Doppelgebot der Gottesund Nächstenliebe zu begreifen.157
155 Aus diesem Grund stehen alle Einzelgebote und -verbote der Zweiwegelehre unter dem Vorbehalt des „tu davon, was du kannst“ (6,1–3) mit Ausnahme des Genusses von Götzenopferfleisch, welches wiederum nicht zufällig mit kultischen Kategorien (λατρεία) begründet wird. Richtig MILAVEC, Confessions 74: „If mere ‚eatingʻ was regarded as a participation in the worship of pagan gods, then it followed that the community of the Didache must be prepared to regard its own ‚eatingʻ as worship of the living God“. 156 Überzeugend NIEDERWIMMER, Did 92. Bei Mt sind die beiden durch ähnlich klingende Formeln verbunden: über die „goldene Regel“ heißt es: οὗτος γάρ ἐστιν ὁ νόμος καὶ οἱ προφῆται (Mt 7,12), über das doppelte Liebesgebot: ἐν ταύταις ταῖς δυσὶν ἐντολαῖς ὅλος ὁ νόμος κρέμαται καὶ οἱ προφῆται (Mt 22,40). 157 MILAVEC, Did 776, vermutet mit Recht, „that Did 1,2 is the whole of the Way of Life and that 1,3–4,14 constitutes its commentary“. Seine Schlussfolgerung, dass der Lebensweg mit dem „ganzen Joch des Herrn“ (6,2) identisch ist, ist jedoch falsch.
5. Die Taufkatechese (Did 1–6)
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Zu Beginn steht die sog. „sectio evangelica“, die in 2,1 indirekt als „erstes Gebot der Lehre“ charakterisiert wird. Mittels dieses Textes wird die Zweiwegelehre eindeutig „christianisiert“.158 Es folgt als δευτέρα ἐντολὴ τῆς διδαχῆς ein Text, dessen Grundgerüst die sog. zweite Dekalogtafel bildet, die sich in der Reihenfolge der ersten Gebote allerdings weder an Ex 20,13ff. noch an Dtn 5,17ff. LXX anlehnt, sondern an Mt 19,18f. (vgl. Mk 10,19) (Did 2,1–7). Daran schließen sich die Teknon-Sprüche (3,1–6) und die sog. Anawim-Sprüche (3,7–10) an. Die Darlegung des „Weges des Lebens“ mündet ein in Anweisungen, die bereits auf die Zeit nach der Initiation ausblicken (4,2–14).159 Sie gipfeln auffälligerweise in der Anweisung, in den Gemeindeversammlungen die Übertretungen zu bekennen und nicht zum Gebet mit schlechtem Gewissen hinzuzutreten (4,14). Damit wird der Bogen von der Taufunterweisung zur Sonntagseucharistie gespannt (vgl. 4,14 mit 14,1–3).160 Mit 4,12–14 findet der Lebensweg einen deutlichen Abschluss:161 Zunächst fasst V. 12 die voranstehenden Einzelgebote allgemein zusammen.162 Nun ist in der Rückschau von den „Geboten des Herrn“ die Rede, die der Täufling nicht verlassen, sondern bewahren soll und deren Wortlaut nichts hinzuzufügen oder wegzunehmen ist (4,13).163 Hier wird der Katalog von Geboten, Verboten und Ratschlägen verlassen und das Ganze des Le158
Vgl. dazu VAN DE SANDT, Didache redefining 248–253. van de Sandt weist nach, dass eine ursprünglich jüdische Zweiwegelehre durch das „Christianizing segment“ 1,3b– 2,1 sowie durch die abschließende Passage 6,2–3 redaktionell zu einem „text of instruction intended for Gentiles who want to associate themselves with the Judeo-Christian community of the Didache“ umgeformt wurde, der dann zur Taufkatechese eingesetzt wurde. 159 Hier geht es um den zukünftigen täglichen Kontakt mit den „Heiligen“ (4,2), das harmonische Verhalten innerhalb der Gemeinde, die Kindererziehung und das Verhalten zu den Sklaven. Abschließend wird eingeschärft, die Gebote des Herrn (wie im „Weg des Lebens“ dargelegt) zu bewahren, nichts wegzunehmen und nichts hinzuzufügen (4,13). Darauf folgt (!) die Anweisung, in den Gemeindeversammlungen seine Übertretungen zu bekennen. Damit ist deutlich, dass der Weg des Lebens zwar Teil des Katechumenats ist und beim Initiationsgottesdienst rezitiert wird, dass er aber nicht nur dazu dient, den Katechumenen von seinem früheren Lebensstil und sozialen Umfeld zu separieren, sondern auch Verhaltensregeln für das kommende Gemeindeleben bereitstellt. 160 Vgl. MILAVEC, Confession 66. 161 NIEDERWIMMER, Did 144: „Epilog“. 162 Zum Zusammenhang von 4,12 mit der voranstehenden Aufforderung an die Sklaven, sich ihren Herren als Abbild Gottes in Scheu und Furcht zu unterwerfen, vgl. MILAVEC, Did 167: „the novice is bound to please his Lord in the same way that household slaves werde bound to please their masters“. 163 Zu dieser Formel vgl. Dtn 4,2, ferner Dtn 13,1; Jer 33,2 LXX, etc. (NIEDERWIMMER, Did 145). In Did 11,1f. wird „alles bisher Gesagte“ als Maßstab für die Gastfreundschaft (= Mahlgemeinschaft) angewandt („Wer nun kommt und euch dies alles bisher Gesagte lehrt, den nehmt auf“).
II. Taufe und Eucharistie in der Didache
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bensweges bzw. der Zweiwegelehre tritt (metareflexiv) in den Blick: Aus der Anweisung, ἐν ἐκκλησίᾳ die Übertretungen zu bekennen, um nicht „mit schlechtem Gewissen“ zum gemeinsamen Gebet hinzuzutreten (4,14), wird deutlich, dass das Ganze des Lebensweges (Did 1,2–4,13) „als Beichtspiegel für confessio und conversio“ dient.164 Mit der Initiation ist demnach das „Training“ in der Zweiwegelehre nicht abgeschlossen, im Gegenteil weist der Lebensweg über die Initiation hinaus auf das Gemeindeleben. Somit fungiert die Zweiwegelehre nicht nur als „trainingprogramme“ für den Taufgottesdienst. Zugleich wird der Taufbewerber „for future eventualities that will emerge only after baptism when community life becomes a possibility“ vorbereitet.165 Auffälligerweise erscheint in Did 4 zum ersten Mal das Stichwort „Heilige“ (ἅγιοι), nachdem zuvor die „ritual elders“ als diejenigen vorgestellt wurden, in denen der Herr selbst dem Katechumenen begegnet.166 Diese Personen bedeuten ja die „personale Kontinuität“ zwischen Katechumenat und nachbaptismalem Leben der Getauften. 5.2 Der Abschluss der Zweiwegelehre (6,1–3) Auf den knappen und katalogartigen „Weg des Todes“, mit dem gut jüdisch dem heidnischen Lebensstil eine klare Absage erteilt wird (Did 5), folgt die kurze Passage 6,1–3, mit der der Didachist das Ganze der Zweiwegelehre abschließend in den Blick nimmt.167 Dass der Lebensweg hier als ὁδὸς τῆς διδαχῆς bezeichnet wird, verweist einerseits zurück auf 1,3 und 2,1, vor allem aber nach vorne auf 11,1f. Did 6,1–3 1
a
2
b a b c d 164
Sieh zu, dass nicht jemand dich wegführe von diesem Weg der Lehre (ἀπὸ ταύτης τῆς ὁδοῦ τῆς διδαχῆς), sonst lehrt er dich fern von Gott! Denn wenn du tragen kannst das ganze Joch des Kyrios (εἰ μὲν γὰρ δύνασαι βαστάσαι ὅλον τὸν ζυγὸν τοῦ κυρίου), wirst du vollkommen sein (τέλειος ἔσῃ)! Wenn du es aber nicht kannst: Was du kannst (ὃ δύνῃ),
So mit Recht NIEDERWIMMER, Did 146. MILAVEC, Paradigm 55. 166 HARTMANN, Obligatory Baptism 131: „in other words, the living Lord is present in the activity of the teacher who mediates the Lord’s teaching“. LANGE, Didache 216: „The Lord himself appears in his messengers. The Lord does not appear only at the end of time in some apocalyptic manifestation but already now, in the life of the community and as the community dialogues with the world around it“. 167 Vgl. dazu PARDEE, Genre 54–57. 165
5. Die Taufkatechese (Did 1–6)
6,3
e a b c d e
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das tu (τοῦτο ποίει)! Betreffs der Speise jedoch (περὶ δὲ τῆς βρώσεως): Was du kannst (ὃ δύνασαι), (das) trage (βάστασον, vgl. 2a). Vor dem Götzengeschlachteten (τοῦ εἰδωλοθύτου) aber nimm dich sehr in acht! Denn es ist eine λατρεία für tote Götter.
Umstritten ist, wie 6,2–3 im Kontext des ganzen Textes zu beurteilen ist. Laut Niederwimmer hat 6,2 „interpretatorischen Charakter“, dagegen geht die Passage 6,3 „auf eine Spezialfrage ein“, der Text habe also den Charakter eines Epilogs.168 Unumstritten ist, dass dieser Text aus der Feder des Didachisten (Redaktor) stammt, also nicht zum ursprünglich (jüdischen) Zweiwegetraktat gehört.169 Tatsächlich lenkt 6,2 das Auge des Lesers bzw. Hörers zurück auf den eschatologisch bestimmten Anfang in 1,3ff.170 Doch gilt dies nicht für 6,3, denn die Frage nach Speisegeboten war bisher nicht verhandelt worden. Es wird also keineswegs etwas „nachgeholt“,171 vielmehr weist 6,3 nach vorne auf das Thema der Mähler bzw. der Eucharistie in Did 9f. Für diese hat der Satz eine ganz wichtige Funktion: Im Hinblick auf die bei den eucharistischen Symposien genossenen Speisen stellt er es in das Ermessen des Einzelnen, inwiefern die jüdischen Speisegebote einzuhalten sind, zieht aber beim Götzenopferfleisch eine klare Grenze. 6,3 ist also keine Spezialfrage, sondern die Pointe des Epilogs: Die allgemein formulierte Regel in 6,2 wird in 6,3 im Hinblick auf die Speisen konkretisiert. Doch ist zunächst eine weitere Frage zu beantworten. Denn vor der Behandlung der erlaubten Speisen wird dem Täufling verheißen, er werde vollkommen (τέλειος) sein, wenn er „das ganze Joch des Herrn“ (ὅλος ὁ ζυγὸς τοῦ κυρίου) zu tragen vermag. Was aber ist mit dem Ausdruck ὅλος ὁ ζυγὸς τοῦ κυρίου in 6,2 gemeint? (1.) Eine Reihe von Forschern vermutet, ὅλος ὃ ζυγὸς τοῦ κυρίου meine – zumindest zur Zeit des Didachisten – „das Gesetz Christi“, konkret die „mandata Domini“ in 1,3–2,1. K. Niederwimmer begründet dies insbesondere mit der Stichwortverbindung τέλειος in 1,4 und 6,2, mit der der Didachist diese beiden Texte verklammert habe.172 In diese Richtung geht auch A. Milavec. Im Anschluss an Hillel (bSchabb 31a) interpretiert er die negative goldene Regel in 1,2 als „das Ganze der Tora“ und den folgenden Lebensweg 168
NIEDERWIMMER, Did 157. NIEDERWIMMER, Did 153f. Ausführlich VAN DE SANDT/FLUSSER, Did 238–270. 170 So richtig NIEDERWIMMER, Did 157: Im Sinne des Didachisten wolle der ZweiWege-Traktat daher „im Lichte von 1,3b ff. bzw. 6,2 gelesen werden.“ 171 Gegen NIEDERWIMMER, Did 157. 172 Allerdings spricht die Parallele von Did 1,4 zu Mt 5,48 dagegen, hier allzuviel hineinzulegen. 169
II. Taufe und Eucharistie in der Didache
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1,3–4,14 als Kommentar dazu. Entsprechend bezieht er dann „das ganze Joch des Herrn“ auf den „ganzen“ Lebensweg, wie er in Did 1–4 dargelegt ist. Das Grundproblem von Niederwimmers und Milavecs Deutung ist jedoch, dass bei einem Bezug der Formel ὅλος ὁ ζυγὸς τοῦ κυρίου auf den Lebensweg in 6,2 ausgesagt würde, dass den Täuflingen – sozusagen parallel zur Vermittlung des Lebensweges – konzediert würde, „(nur) das zu tun, was du kannst“, d.h. konkret nicht alle Gebote des Lebensweges erfüllen zu müssen. Dies wäre aber ein eklatanter Widerspruch zu der den Lebensweg abschließenden (!) Vorschrift in 4,13, die empfangenen Gebote des Herrn zu bewahren, „weder etwas hinzufügend noch wegnehmend“.173 (2.) Überzeugender ist der Bezug von ὅλος ὁ ζυγὸς τοῦ κυρίου auf das Gesetz des Mose, d.h. die Tora.174 Dann würde der „Lebensweg“ eine Art Minimalanforderung an die Heiden darstellen, die Voraussetzung, am Leben der Ekklesia teilnehmen zu können. Mit J.A. Draper: „Since the Didache is directed to gentiles, the performance of the full torah is not an obligation but a goal towards which one should strive“.175
Den Ausschlag gibt der folgende Vers 6,3, der mit 6,2 ganz eng durch die wiederholte Phrase δύνασαι βαστάσαι bzw. βάστασον verbunden ist. In 6,2 bezieht sich das „was du tragen kannst“ auf ὅλος ὁ ζυγὸς τοῦ κυρίου, in 6,3 auf die Speisen. Nun kann es keinem Zweifel unterliegen, dass sich die Formulierung περὶ δὲ τῆς βρώσεως in 6,3 auf Speisevorschriften bezieht, und zwar „selbstverständlich (!) die Speisegebote bzw. -verbote der alttestamentlich-jüdischen Tradition“.176 Dies wird auch dadurch bewiesen, dass sich in der ganzen Zweiwegelehre kein einziges Speisegebot oder -verbot findet. Die Formulierung ὃ δύνασαι βάστασον muss sich demnach auf etwas beziehen, das außerhalb der Zweiwegelehre steht, das große Autorität besitzt und das allgemein bekannt und anerkannt ist, so dass es keiner weiteren Erläuterung bedarf. Damit können nur die alttestamentlich-jüdischen Speisevorschriften gemeint sein, die an dieser Stelle nicht grundsätzlich abrogiert,177 wohl aber den Möglichkeiten des Einzelnen anheim gestellt würden. Damit ist klar, dass der Ausdruck ὅλος ὁ ζυγὸς τοῦ κυρίου, der in 6,2 an der Stelle von βρῶσις in 6,3 steht, die ganze Tora bezeichnet, allerdings in einer spezifisch christlichen Auslegung, worauf der Genitiv κυρίου hindeutet. Für die Gesetzesobservanz als Ideal der Gemeinde spricht auch das eschatologische Kap. 16, in der die Vollkommenheit für „die letzte Zeit“ 173
Richtig WENGST, Did 96. Inkonsequenterweise bezieht NIEDERWIMMER, Did 145, diese Vorschrift auf „die im voraufgehenden zitierten Gebote und Weisungen“. Das Problem, dass der Didachist in 6,2 diese Vorschrift wieder zurücknehmen würde, sieht Niederwimmer nicht. 174 So WENGST, Did 96, VAN DE SANDT/FLUSSER, Did 241. 265 („In addition to the basic moral code, gentile Christians are recommendend to fully observe the Tora.“). 175 DRAPER, Didache and Matthew 229. 176 NIEDERWIMMER, Did 156; nicht überzeugend HARNACK, Lehre Text 21 u.ö. 177 In diese Richtung gehen dann Const. App. 7,20, was ex negativo den Bezug von Did 6 auf die Tora erhärtet, die von den Const. App. abgeblendet wurde.
5. Die Taufkatechese (Did 1–6)
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gefordert wird (16,2), in der die Gesetzlosigkeit (ἀνομία) zunimmt (16,4). Die Observanz der gesamten Tora führt demnach laut 6,2 die Heidenchristen zur Vollkommenheit; dies gilt laut 6,3 insbesondere für die Speisegebote in 6,3, klar verboten wird jedoch der Genuss von Götzenfleisch. Did 6,3 3
a b c d e
Betreffs der Speise jedoch (περὶ δὲ τῆς βρώσεως): Was du kannst, nimm auf dich (vgl. 6,2). Vor dem Götzengeschlachteten aber nimm dich sehr in acht! Denn es ist eine λατρεία für tote Götter.
Warum kommt die Aufforderung, das „Götzengeschlachtete“ zu meiden, aber gerade an dieser Stelle?178 Mit Recht betont J. Draper die „full weight“ dieser Vorschrift innerhalb des Initiationsprozesses.179 Auch van de Sandt/Flusser sehen in der Vorschrift „the primary issue for the author of Did 6,2–3 and for his community“.180 In 6,3 werde zunächst „an absolute minimum of observation“ formuliert, doch dient diese Vorschrift als grundlegende Grenzziehung (separation): „It functions to produce and maintain clear lines of demarcation between the old and the new social universe. While such a food law would be a basic requirement for maintaining table fellowship between Gentile converts and Jewish-Christians, it also provides a further act of defamiliarization and reorientation“.181 Liest man 6,3 mit 9,5 zusammen, so ist festzustellen, dass die Katechumenen in der Phase vor der Taufe weder an der Gemeindeeucharistie teilnehmen dürfen noch an den heidnischen Opfermählern in den Tempeln noch – da das Verbot des Götzenopferfleisches (anders als in 1Kor 8–10) uneingeschränkt gilt – an heidnischen Mahlzeiten überhaupt (liminale Pha178
MILAVEC, Did 237, vermutet, dass dies mit der Situation der Katechumenen zusammenhängt. Diese sind erst ab ihrer Taufe zur Tischgemeinschaft mit der Gemeinde zugelassen und haben vorher (also noch während ihrer „Trainingsphase“ in den zwei Wegen) noch Tischgemeinschaft mit Heiden (z.B. in ihren Familien). 179 DRAPER, Role 64. 180 VAN DE SANDT/F LUSSER, Did 269: „Yet it is obvious that this prohibition represented the minimum standard. The real way to ‚perfectionʻ is to submit to the whole Law, including the specifically Jewish precepts such as the observance of the food laws, sabbaths, and festivals. The composer of Did 6,2–3 was an exponent of a group of JewishChristians who remained within the ambit of Tora-observance. Compliance with the entire Tora is the ideal but the text shows a tolerant attitude to those who are not capable of bearing ‚the whole yoke of the Lordʻ“. 181 DRAPER, Role 64. Und weiter mit Mary Douglas: „Exclusion of foods from outside the community is a boundary maintenance mechanism which protects the unity and integrity of the group“.
II. Taufe und Eucharistie in der Didache
64
se). Das Minimalgebot trifft also gerade die Tischgemeinschaft, denn heidnische Tischgemeinschaft wird damit unmöglich gemacht. Auch wenn der Katechumene noch nicht an der Gemeindeeucharistie teilnimmt (9,5), so wird er damit insbesondere seiner ehemaligen heidnischen sozialen Bindungen entfremdet („defamiliarization and reorientation“). Das Verbot von Götzenopferfleisch impliziert natürlich zunächst das Verbot der Teilnahme an paganen Kult(mahl)veranstaltungen, sodann das Verbot, Fleisch auf den macella zu kaufen. Die Katechumenen werden also ihre Einkäufe in Zukunft bei jüdischen bzw. „judenchristlichen“ Händlern erledigen müssen.182 Daher gipfelt die Zweiwegelehre im konkreten Verbot, Götzenopferfleisch zu essen. Auffällig ist die „kultische“ Begründung des Verbots: Tempelfleisch ist strikt zu meiden, da es in Verbindung mit kultischer Verehrung toter Götter stehe (λατρεία γάρ ἐστι θεῶν νεκρῶν).
6. Wassertaufe und Fasten (Did 7,1–8,1) 6. Wassertaufe und Fasten (Did 7,1–8,1)
6.1 Die Wassertaufe (Did 7,1–3) Nach der ausführlichen Wiedergabe der Zweiwegelehre fällt auf, wie sparsam die rituellen Angaben zur Wassertaufe sind. Dies spricht erneut gegen die Hypothese, dass hinter Did 7–10 eine „schriftlich fixierte“, „alte Agende“ als „Vorlage“ steht, „die der Didachist ausschreibt“.183 Vielmehr ist umgekehrt davon auszugehen, dass der Didachist aus der katechetischen, liturgischen und „halachischen“ Überlieferung seiner Gemeinde nur das selektiv in seine Schrift einbringt, was seinem in 11,1f. formulierten Ziel dient. Wir erfahren, (1.) dass die Täuflinge vor der Taufe unter Verwendung der Zweiwegelehre zu unterrichten („trainieren“) sind, dass sie (2.) einer Wassertaufe zu unterziehen sind, die in der Regel in fließendem Wasser zu erfolgen hat, und dass (3.) diese Wassertaufe auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des Hl. Geistes gespendet werden soll. Zu (1.): Aus der Formulierung ταῦτα πάντα προειπόντες geht hervor, dass die voranstehende Zweiwegelehre wahrscheinlich Teil des Taufgottesdienstes (s.o.), zumindest aber Grundlage der präbaptismalen Katechese war. Aus 7,1 wird aber auch deutlich, warum der Didachist die Zweiwegelehre 182
DRAPER, Role 64, weist darauf hin, dass der Katechumene aufgrund dieser Vorschrift z.B. seine Nahrungsmittel in Zukunft im jüdischen Viertel der Stadt kaufen dürfte und nicht mehr beim heidnischen Metzger oder auf dem Markt: „This might in turn lead in the end to full observation of the Jewish dietary laws“. 183 Gegen NIEDERWIMMER, Did 158 u.ö.
6. Wassertaufe und Fasten (Did 7,1–8,1)
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in voller Ausführlichkeit niedergeschrieben und damit als wichtigen Teil jener διδαχή aufgefasst hat, nach der laut 11,1f. die Fremden, die in die Gemeinde kommen, beurteilt werden sollen. Denn damit ist das „Training“ in den zwei Wegen mit ihren Verhaltensregeln die entscheidende Bedingung für die Taufe – und nicht z.B. die Beschneidung! Zu (2.): Klar ist, dass für den Didachisten – anders als z.B. für die Thomasakten (s.u.) – die Wassertaufe nicht zur Disposition steht. Von prä- oder postbabtismalen Salbungen schweigt der Text ganz, entscheidend ist der Wasserritus selbst. Er ist laut 9,5 die entscheidende Zugangsvoraussetzung zu den eucharistischen Gemeindemählern. Demgegenüber ist die Art und Qualität des Wassers von untergeordneter Relevanz. Ähnlich wie im Falle der Gesetzesobservanz (6,2f.) herrscht hier eine Art „komparatives Denken“ vor: Es soll das bestmögliche Wasser – in diesem Fall das Wasser mit der größten Nähe zur Quelle184 – Verwendung finden, zugleich zeigen die Ausnahmen, dass „the directives in Did 7 are influenced by Jewish halakhic debates on ritual washings, but at the same time reflect a liberalization of rigorous demands“.185 Einerseits scheint die „Wirksamkeit“ des Wassers von seiner „Entfernung zur Quelle“ abzuhängen (Bewegung und Temperatur), andererseits befindet sich das Ritual bereits „on its way to a stage in which the effect of baptism is unquestioned, even if water is less suitable“.186 Zu (3.): Die trinitarische Taufformel (vgl. Mt 28,19!) steht gleich am Anfang, also noch vor der Nennung des ὕδωρ ζῶν (7,1) und wird in 7,3 wiederholt: „Die Tauformel ist dem Verf[asser] ohne Zweifel das wichtigste“.187 Die Betonung der Taufformel gegenüber dem Wasser dürfte eine polemische Note haben.188 6.2 Das Tauffasten (Did 7,4) Direkt im Anschluss wird das ein- bis zweitägige präbaptismale Fasten (προ-νηστεύειν) erwähnt (7,4), woran sich ein Exkurs zum Thema „Fasten und Gebet“ anschließt.189 Verlangt wird ein ein- bis zweitägiges präbaptismales Fasten des Täufers und des Täuflings, dem sich eventuell andere aus 184
Vgl. DRAPER, Process 133. Dabei geht es um die rituelle Reinheit des Wassers, die umso gesicherter ist, je „näher“ das Wasser in Verbindung mit der Quelle steht. 185 VAN DE S ANDT, Do not 241. 186 VAN DE S ANDT, Do not 241f. 187 HARNACK, Lehre Prolegomena 57f. 188 KRETSCHMAR, Geschichte 47 Anm. 96, vermutet eine absichtliche Stellungnahme gegen jüdische oder judenchristliche Taufsekten (was auch immer das ist). 189 Vgl. Mt 6,5–15 (Gebet) und 6,16–18 (Fasten) und dazu HARTMANN, Obligatory Baptism 128. Von einem Exkurs zu den übergeordneten Taufbestimmungen redet PROSTMEIER, Handeln 65.
II. Taufe und Eucharistie in der Didache
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der Gemeinde anschließen sollten. Dabei ist offensichtlich ein Vollfasten gemeint. Did 7,4 4
a b c
Vor der Taufe soll aber der Taufende und der Täufling (vor-)fasten (πρὸ δὲ τοῦ βαπτίσματος νηστευσάτω190 ὁ βαπτίζων καὶ ὁ βαπτιζόμενος) und einige andere, wenn es ihnen möglich ist (καὶ εἴ τινες ἄλλοι δύνανται). Du sollst aber dem Täufling befehlen, vorher zu fasten ein oder zwei Tage (κελεύσεις δὲ νηστεύσαι τὸν βαπτιζόμενον πρὸ μιᾶς ἢ δύο).
Dieser gemeinschaftliche Aspekt191 des Fastens ist dem Didachisten offenbar ganz wichtig: „The fast is communal and not private“.192 Dies erklärt auch, warum er an der Frage des Fastens die Identität seiner Gemeinde und die Abgrenzung zu den Heuchlern thematisieren kann (8,1). Dass der Täufer mit dem Täufling fastet, hat seinen Grund offenbar darin, dass sich beide auf den Taufakt vorbereiten müssen. Das deutet darauf hin, dass der Vollzug der Taufe noch nicht in den Händen von bestimmten Amts- oder Funktionsträgern lag: Weder Apostel, Propheten oder Lehrer (Did 11–13) noch Episkopen oder Diakone (Did 15) sind exklusiv für die Taufe zuständig. Auf den Vollzug der Wassertaufe und das Aussprechen der „heiligen Formel“193 muss sich der Täufer durch Fasten ebenso vorbereiten wie der Täufling und nach Möglichkeit noch andere aus der Gemeinde, in deren Mitte die Taufe stattfindet. Das präbaptismale Fasten der heidnischen Katechumenen verschärft sozusagen das Verbot des Götzenopferfleisches am Ende der Zweiwegelehre (6,3). Es geht also auch um den „break between the food of the old life and the life-giving food of the new community“.194 Gebrochen wird das gemeinschaftliche Tauffasten bei der ersten eucharistischen Mahlfeier der Gemeinde, an der der Neugetaufte mit dem Täufer und den anderen Gemeindegliedern teilnimmt.
190
Der Bryennios-Codex hat hier προνηστευσάτω (NIEDERWIMMER, Did 164 Anm. 37), die Apostolischen Konstitutionen dagegen νηστευσάτω. 191 Anders MESSNER, Gottesdienst 398, laut dem das Tauffasten primär apotropäischkathartischen Charakter hat und den Leib auf die in der Taufe erfolgende endgültige Befreiung von den Dämonen vorbereitet. Davon steht allerdings nichts im Text. 192 DRAPER, Process 135. 193 So bezeichnet NIEDERWIMMER, Did 160, die trinitarische Taufformel. 194 DRAPER, Process 135.
6. Wassertaufe und Fasten (Did 7,1–8,1)
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6.3 Abgrenzung zum Fasten der „Heuchler“ (Did 8,1) Die weiteren Ausführungen zum Fasten und zum Gebet sind ganz von der Abgrenzung zu den „Heuchlern“ geprägt. Es geht nicht darum, dass gefastet wird, sondern wann und mit wem man fastet, und also nicht allein um ein Überzeugungssystem, sondern um ein „unterscheidendes Handeln“.195 Die Frage ist, wer unter den ὑποκριταί zu verstehen ist. Die Beantwortung dieser Frage hat einschneidende Konsequenzen für die Interpretation der Didache, die weit über das Verständnis von Did 8 hinausgehen. Die verschiedenen Vorschläge lassen sich in drei Gruppen zusammenfassen: (1.) Versteht man unter den ὑποκριταί gesetzesobservante Judenchristen,196 dann handelt es sich um eine innerchristliche Kontroverse z.B. zwischen Heiden- und Judenchristen. (2.) Handelt es sich bei den ὑποκριταί um Juden,197 dann geht es um die Abgrenzung der DidacheGemeinde vom Judentum „an sich“, d.h. die Gemeinde versteht sich selbst als vom Judentum getrennt und diesem gegenüberstehend. (3.) Wenn mit den ὑποκριταί eine andere (inner)jüdische Gruppierung gemeint sein sollte – z.B. pharisäische Kreise (vgl. Mt 23) – so haben wir ein Zeugnis einer „separation from rival group within Judaism“198 vor uns.199
6.4 Fasten, Taufe und Eucharistie Auch die Vorschriften über das Fasten stehen im Kontext der Initiation, wie Ferdinand Prostmeier herausgearbeitet hat. Dabei geht es um die Frage, wann die Didachegemeinde getauft habe, wann also das 1–2tägige präbaptismale Fasten der Katechumenen stattfand. Prostmeier weist mittels einer Kombination der Vorschriften von 7,4; 8,1 und 14,1 nach, dass die Gemeinde aller Wahrscheinlichkeit am Sonntag getauft hat. Vor diesem Hintergrund machen die Fastenvorschriften einen guten Sinn: Indem die Katechumenen am Freitag und am Samstag fasten, befolgen sie das Verbot, mit den „Heuchlern“ am Donnerstag zu fasten, und fasten gemäß 8,1 mit der ganzen Gemeinde am Freitag (Rüsttag). Zusätzlich fasten sie (und jene 195
Vgl. PROSTMEIER, Handeln 70: „Hierdurch wird Fasten zu einem gruppenbildenden Bekenntnis.“ 196 So z.B. RORDORF, La Didachè 23; Juden und Judenchristen mit Tempelfrömmigkeit (Sadduzäische Kreise) (MILAVEC), so nun auch SLEE, Church 92f. („a Christian Pharisaic Group“). 197 So HARNACK, Lehre Prolegomena 58. Differenzierter, aber in dieselbe Richtung NIEDERWIMMER, Did 166 mit Anm. 4: entweder allgemein die Juden oder speziell die Phariäser oder (wieder allgemeiner) die Frommen Israels. Niederwimmer tendiert zu den „Frommen Israels“, bzw. „jüdischen Erweckten und Frommen“, ohne sich festzulegen, wen er damit meint. Ebenso VAN DE SANDT, Didache Redefining 259–264. 198 Vgl. DRAPER, Process 133. 199 Vgl. auch DRAPER, Self-Definition 367: „It seems to me more likely to refer to Pharisees in particular, since there is no evidence that pious Jews ‚in generalʻ kept the Monday and Thursday fast and prayed three times a day“.
II. Taufe und Eucharistie in der Didache
68
Gemeindeglieder, die mit ihnen fasten: 7,4) am Sabbat, was dem jüdischen Verbot, am Sabbat zu fasten, zuwider läuft.200 Gerade das präbaptismale Fasten wird somit zum Unterscheidungsmerkmal gegenüber rivalisierenden jüdischen bzw. judenchristlichen Gruppen. Prostmeiers Fazit: „Die Taufe wird am Herrentag, und zwar vor der Mahlfeier stattgefunden haben, so dass die Neugetauften gleich an dieser teilnehmen konnten (9,5).201 Im Anschluss daran ist aber noch darauf hinzuweisen, dass die eucharistischen Gemeindemähler doch wohl nachmittags oder abends stattfanden, schließlich waren sie laut 10,1 noch mit einem „Sättigungsmahl“ verbunden. Eine eigene Taufeucharistie ist für die Didache gerade nicht belegt. Von daher wäre zu überlegen, ob das eucharistische Mahl, mit dem das präbaptismale Fasten gebrochen wurde,202 im Anschluss an die Taufe am Samstagabend (nach dem Ende des Sabbat) oder am Sonntagabend stattfand.203 M.E. ist beides denkbar, je nachdem, wie die Didache-Gemeinde den Tagesbeginn berechnete.
7. Das Gebet (Did 8,2–3) 7. Das Gebet (Did 8,2–3)
Vom Thema des Fastens geht der Didachist zum Thema des Gebets über. Sein Anliegen ist auch hier die Abgrenzung zu den „Heuchlern“: Das dreimal täglich gebetete Vaterunser ersetzt das Gebet der „Heuchler“, wobei es sich in jedem Fall um jüdische Gebete handeln dürfte.204 Erneut wird die Frontstellung des Didachisten deutlich. Im Hinblick auf 11,1f. wird man sagen können, dass damit der Gemeinde die Aufnahme von Menschen verwehrt wird, die montags und donnerstags fasten sowie dreimal täglich jüdische Gebete beten.205 200
Laut PROSTMEIER, Handeln 71, liegt in dieser Transformation des Sabbat zum christlichen Fasttag für die Katechumenen und jene, die sie begleiten, „das innovatorische Potential, das der Didachist in die liturgische Ordnung seines Gemeindekreises einträgt.“ Schon vor der Eingliederung in die Kirche beginnen die Katechumenen damit eine neue und unterscheidende Lebenspraxis: Sie meiden das Götzenopferfleisch (6,3: Abgrenzung vom Heidentum) und sie fasten am Sabbat vor ihrer Taufe (7,4; 8,1: Abgrenzung vom Judentum). Vgl. dazu auch VAN DE SANDT, Didache Redefining 262f., der mit Recht von „serious neglect of the Sabbath“ spricht. 201 PROSTMEIER, Handeln 69. 202 Vgl. auch VAN DE SANDT, Didache Redefining 262: „The baptismal ritual is likely to have taken place immediately before the sacred meal“. 203 Josephus, Vit 54, erwähnt ein Mittagsmahl am Sabbat zur sechsten Stunde: ἕκτη ὥρα, καθ’ ἥν τοῖς σάββασιν ἀριστοποιεῖσθαι νόμιμόν ἐστιν ἡμῖν. Vgl. außerdem das Verbot, am Sabbat vor der sechsten Stunde zu fasten, in pTaan 3,67a (= pNed 8,40d). 204 NIEDERWIMMER, Did 168, denkt an das Schemone-esre. 205 Das müssen nicht automatisch Juden oder observante „Judenchristen“ sein, man kann auch an „judaisierende“ Heidenchristen denken.
8. Die Eucharistie (Did 9–10)
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Legitimiert wird diese Vorschrift mit dem Gebot des Kyrios selbst (ὡς ἐκέλευσειν ὁ κύριος ἐν τῷ εὐαγγελίῳ αὐτοῦ).206 Umstritten ist dabei, ob sich εὐαγγέλιον auf ein mündliches oder ein schriftliches Evangelium oder gar konkret auf das Matthäusevangelium bezieht.207 Vielleicht kommt der Didachist an dieser Stelle deswegen auf das Vaterunser zu sprechen, weil dieses Gebet ebenfalls Teil der Initiation war,208 d.h. im Anschluss an die Taufe (zum ersten Mal?) von den Neophyten rezitiert wurde.
Wichtig ist aber auch, dass zwischen dem Vaterunser und den direkt im Anschluss gebotenen Eucharistiegebeten eine Reihe von Parallelen bestehen: „most of the ritual symbols of the eucharistic prayers are found also in the Lord’s Prayer“209 und dass die Brotbitte des Vaterunsers im Kontext der Initiation eucharistische Assoziationen entwickelt.210 Sowohl die Parallelen zwischen dem Vaterunser und den Eucharistiegebeten als auch der polemische Kontext, in dem das Vaterunser in unserem Text erscheint, lassen die Schlussfolgerung zu, dass (gerade) diese Gebete in der Didache zitiert werden, weil sie zur Abgrenzung von anderen, rivalisierenden Gruppen eingesetzt wurden und sich damit als eine Art Erkennungsmerkmal der Didache-Gemeinde eignete. Vielleicht kann man sogar soweit gehen zu sagen, dass das Zitat der Eucharistiegebete in Did 9f. andere Mahlgebete (z.B. den jüdischen Kiddush oder die Birkat ha-Mazon) ausschließen soll.
8. Die Eucharistie (Did 9–10) 8. Die Eucharistie (Did 9–10)
Im Anschluss an den „Exkurs“ zur wöchentlichen Fastenpraxis und zum dreimal täglichen Gebet kommt der Didachist auf die εὐχαριστία zu sprechen.211 Dabei werden im Folgenden fast ausschließlich Eucharistiegebete mitgeteilt; der Didachist ist also in erster Linie an diesen Mahlgebeten in206 Dass mit κύριος nicht Jesus, sondern Gott gemeint sei, ist ganz abwegig (gegen MILAVEC, Did 65). 207 KELHOFFER, Book 17–22, kommt zum Schluss, dass sich der Terminus „to a writing of some kind“ bezieht und dass der Didachist „used either Matthew or a preMatthean source“ (22). 208 Als Gebet der Neugetauften direkt nach der Wassertaufe in Const. App. 7,45,1: μετὰ δὲ τοῦτο ἑστὼς προσευχέσθω τὴν εὐχήν, ἣν ἐδίδαξεν ἡμᾶς ὁ Κύριος. Auf das Vaterunser als Gebet der Neugetauften könnte aber bereits in Röm 8,15 angespielt sein: ἐλάβετε πνεῦμα υἱοθεσίας ἐν ᾧ κράζομεν· αββα ὁ πατήρ (so PETERSON, Röm 248f.). 209 DRAPER, Process 137. 210 DRAPER, Process 136. 211 Laut LANGE, Didache 209, bilden die beiden Kapitel „the center and focus of the entire text“.
II. Taufe und Eucharistie in der Didache
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teressiert und weniger am Mahlverlauf und anderen Einzelheiten. Dabei unterscheidet er terminologisch genau zwischen „Gebeten“ (4,14; 8,2f.; 15,4) und „Eucharistien“ (9f.; 14,1), offenbar stehen insbesondere die letzteren mit den „reinen Opfern“ in Verbindung, die die Ekklesia bei der sonntäglichen Synaxis darbringt. 8.1 Taufe und Eucharistie Dass die Reihenfolge der in Did 1–10 angesprochenen Themen und Motive keineswegs zufällig, sondern durch die mehrstufige Initiation bzw. den liturgischen Taufgottesdienst vorgegeben ist, ist eine seit Reitzenstein des Öfteren vorgetragene Hypothese,212 die in neuerer Zeit z.B. durch die Rezeption der Ritualtheorie (v.a. Victor Turners)213 und die Sicht der Taufe als boundary214 bekräftigt wurde. Die grundlegende Annahme dabei lautet, dass die in Did 7,1–3 knapp erwähnte Wasser-Taufe kein „isolated rite“,215 sondern Teil eines Ritengefüges zur Initiation von Heiden in die DidacheGemeinde sei. Daher formuliert Jonathan A. Draper: „My hypothesis is that Didache 7–10 constitutes a (much redacted) sequence of aggregation rites within a broader rite of passage, that it represents the final phase of an extended ritual process of initiation“.216 Draper unterstreicht in diesem Zusammenhang den „coherent ritual process lying behind the whole of 1– 10 as an initiation ritual for Gentile converts“.217 Diese Herangehensweise impliziert die Hypothese, dass der Initiationsprozess nicht nur die Taufkatechese (Taufpredigt) zu Beginn der Didache umfasst, sondern in der Taufeucharistie nach der Wassertaufe seinen Höhepunkt und sein Ziel findet.218 Die in Did 9f. genannte Eucharistie steht laut Jonathan A. Draper also im „context of an initiation ritual
212
REITZENSTEIN, Vorgeschichte 178f. Vgl. dazu v.a. die Arbeiten von ASCOUGH und DRAPER. Laut Turner ist der Initiationsprozess dreigeteilt in die Phasen separation – marginal/liminal phase – aggregation. „Ritual performance is a strategic symbolic process intended to reenact the process of primary socialisation and in doing so to create new significant others who will bind the initiate into a new social world“ (DRAPER, Role 52). Dabei fungiere die Zwei-WegeLehre (Did 1–6) als Separation (Role 53 u.ö.), Fasten, Gebet und Mahl nach der Taufe (Did 8–10) dagegen als „rites of aggregation“ (DRAPER, Ritual Process 125). 214 HARTMANN, Obligatory Baptism 132. 215 So mit Recht MILAVEC, Did 232. 216 DRAPER, Ritual Process 126. 217 DRAPER, Process 153. 218 Vgl. MILAVEC, Paradigm 61: „Thus, if my surmise is correct, the eucharist in the Didache must represent ‚the first eucharist’ and the omission of the confession of failings hints at the fact that this public confession was suppressed whenever new candidates were baptized just prior to the eucharist.“ 213
8. Die Eucharistie (Did 9–10)
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culminating with an aggregator eucharistic meal“.219 Das wiederum hat Konsequenzen für die Interpretation der Eucharistiegebete in Did 9f.: „it must also be noted that these eucharistic prayers are found in the context of initiation into the community“.220 Draper ist weder der erste noch der einzige Vertreter dieser Hypothese. Auch Aaron Milavec geht davon aus, dass „the progression of topics within the Didache“ keineswegs zufällig oder fragmentarisch sei, sondern „that it follows the ordinary progression whereby a candidate whould be ushered step by step into community norms and practices“.221 Die Perspektive ist also diejenige des Täuflings: „the order of events in the Didache follows the order in which a candidate experienced these events“.222 Und Enrico Mazza meint: „Since the first six chapters treat of the catechetical and moral formation of the Christian, and since these chapters are immediately followed by sections on baptism and the Eucharist, we are brought to the conclusion that the first parts are dealing with the rites of Christian initiation. Therefore the Eucharist of chapters 9 and 10 is a particular rite having its explanation in the initiation and it does not represent the ordinary Eucharist of the church“.223 Aber schon Günter Klein hatte vermutet, dass es sich bei der Eucharistie von Did 9f. um eine mit der Sabbatmahlzeit verbundene Taufmahlzeit handelte,224 und auch Renate Pillinger geht davon aus, „dass die Kapitel 9 und 10 einen direkten Bestandteil der Taufliturgie darstellen“.225
Allerdings lässt sich außer der bloßen Reihenfolge des Stoffs keinerlei Hinweis darauf finden, dass es sich bei der Eucharistie von Did 9f. um eine spezielle Taufeucharistie gehandelt haben könnte.226 Keineswegs bildet eine spezifische Taufeucharistie in der Didache den Abschluss der Initiation, vielmehr geht das Anliegen des Didachisten dahin, die Wassertaufe als Zugangsbedingung für die eucharistischen Mahlfeiern der Gemeinde zu formulieren (9,5) und für diese zugleich die Eucharistiegebete vorzuschreiben. Dass im Unterschied zu Did 14 in Did 9f. Zeitangaben fehlen, wird auch damit zusammenhängen, dass z.B. im Falle des Eintreffens von Aposteln oder Propheten, die ja nur zwei Tage bleiben dürfen (Did 11,5), 219 DRAPER, Ritual Process 141. Vgl. auch MILAVEC, Paradigm 58: „If the candidate was meeting his or her ‚new familyʻ for the first time at baptism, it is difficult to imagine that the newly baptized did not celebrate immediately thereafter.“ 220 DRAPER, Ritual Process 153. 221 MILAVEC, Did 235, vgl. 246: „following the normative practice of the community“. 222 MILAVEC, Did 239. 223 MAZZA, Origins 13. 224 KLEIN, Gebete 144f. 225 PILLINGER, Taufe 156. KRAFT, Apostolic Fathers 167f., schließt u.a. aufgrund der Benediktion des Salböls in 10,8 (kopt.) auf „the baptism-confirmation-communion service at Easter time, when catechumens became full members of the community“. Und weiter: „This annual Baptism-Eucharist service seems to provide the most satisfactory setting for Did 9–10 – indeed, for Did 1–10. The climax of this service was the special Eucharistic meal that immediately followed the anointing and baptism of the catechumenen and from which all nonbaptized persons were excluded“ (Hervorheb. von mir). 226 Dagegen auch NIEDERWIMMER, Did 173 Anm. 1. Laut JOHNSON, Rites 37, „it is not clear from the document if ‚first communionʻ functioned as the culmination of the baptism rite itself“.
II. Taufe und Eucharistie in der Didache
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Mahlfeiern anberaumt werden konnten (11,9: ὁρίζων τράπεζαν), die nicht am Sonntag stattfanden.227 8.2 Die eucharistischen Formulare Warum aber schreibt der Didachist hier überhaupt Formulierungen vor (9,1; 10,1: οὕτως εὐχαριστήσατε) – ganz analog zur trinitarischen Taufformel sowie zum dreimal täglich zu betenden Vaterunser? Sicherlich will er eine „Symphonie“ im Gebet gewährleisten,228 auch wenn davon auszugehen ist, dass in der frühen Kirche die Eucharistiegebete frei gesprochen wurden, man sich dabei allerdings aus einem relativ festen Motiv- und Formulierungsarsenal bedient haben dürfte.229 Der Grund liegt sicher nicht in der Gefahr, „that they were becoming obsolete and in danger of being forgotten“.230 Vielmehr wird der Wortlaut der Gebete vorgeschrieben, um andere, konkurrierende Tisch- und Eucharistiegebete auszuschließen und zugleich eine Beurteilung der διδαχή z.B. von Fremden in der Gemeinde zu ermöglichen. Auch wenn in Kap. 9f. die „Heuchler“ nicht mehr erwähnt werden, so ist aufgrund des Kontextes doch deutlich, dass der Didachist mit der Vorschrift οὕτως εὐχαριστήσατε jüdische Tischgebete zu Beginn und zum Abschluss der eucharistischen Symposien ausschließt.231 In den vom Didachisten mitgeteilten und vorgeschriebenen Eucharistiegebeten ist das Selbstverständnis der Didache-Gemeinde auf besonders charakteristische und für ihn gültige Weise formuliert, so dass diese zu einem entscheidenden Kriterium dafür werden, mit wem seine Gemeinde Gastfreundschaft und (Mahl)Gemeinschaft pflegen kann und mit wem nicht. Dies dokumentiert bereits ein knapper Überblick über die Texte der Gebete, deren zentrale Themen die Vermittlung von Leben und Unsterblichkeit (s.u.), v.a. aber die ἐκκλησία selbst ist. Ihr gilt in besonderer Weise der Dank!232 Überhaupt ist ἐκκλησία – neben ἅγιοι233 – die entscheidende 227
Vgl. WICK, Gottesdienste 371. Stark betont von KLINGHARDT, Gemeinschaftsmahl 377, 452ff. 456, vgl. 463 („symphonische“ Einheit im Gebet). 229 Vgl. dazu das Zeugnis Justins und der TradAp (s.u.), und umfassend BOULEY, Freedom passim. 230 Gegen BRADSHAW, Explanation 127. 231 Vgl. auch LEONHARD, Art. Mahl 1075: „Neben der strukturellen Nähe zu rabbinischen M[ählern] fällt die inhaltliche Unabhängigkeit von den nachrabbinisch überlieferten jüd[ischen] Gebetstexten auf“. 232 Bereits REITZENSTEIN, Vorgeschichte 179f., hatte gesehen, dass in den Eucharistiegebeten „der Charakter der Gesamthandlung als Aufnahme in die Gemeinde überall hervorgehoben, ja auf die Taufe selbst fühlbar verwiesen wird“, und dass „nur der Kirche dieser Dank gilt“, weswegen „die Beziehung auf das Essen des Leibes Christi“ fehlen muss (Hervorheb. von mir). Dies ist laut Reitzenstein der entscheidende Hinweis auf die 228
8. Die Eucharistie (Did 9–10)
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Selbstbezeichnung der Didache-Gemeinde (4,2; 10,6; 16,7). Sowohl die Broteucharistie (9,3f.) als auch die Nachtisch-Eucharistie (10,2–5) münden in eine Bitte um die eschatologische Sammlung der Ekklesia in das Reich Gottes (9,4/10,5); auch mit dem „heiligen Weinstock Davids“ dürfte die Heilsgemeinde benannt sein. An diesen Formularen hat das Danksagen der Propheten Maß zu nehmen, Freiheiten werden ihnen nur hinsichtlich der Quantität eingeräumt („soviel sie wollen“).234 Auch die Propheten müssen sich demnach beim Eucharistiegebet an den gegebenen Formularen orientieren bzw. sich an den gegebenen Formularen messen lassen: „the underlying structure of the prayers is not optional“.235 Dass die Eucharistiegebete zum prophetischen λαλεῖν ἐν πνεύματι gehören könnten, welches in 11,7 angesprochen wird, ist nirgendwo angedeutet.236 Die in den Gebeten formulierte „Ekklesiologie“ ist sozusagen eine TaufEkklesiologie, da die Ekklesia, für die hier gedankt wird, durch die Taufe „zustandekommt“. Sie ist es, die die Getauften – auch die getauften, aber nicht beschnittenen Heiden! – zu Heiligen macht, die imstande sind, das reine Opfer darzubringen. Diese „Ekklesiologie“ ist zugleich eine Voraussetzung für die Tischgemeinschaft mit den fremden Gästen. 8.3 Überblick über die Gebete Die drei Gebete in Did 9f. sind strukturell parallel aufgebaut. Die Eucharistie über dem κλάσμα entspricht dabei der voranstehenden Eucharistie über dem Becher: 1. Eucharistieformel, gerichtet an den Vater 2. Nennung des Gegenstandes, für den gedankt wird, sowie des „Mittlers“ Jesus, der ihn „kundgemacht“ hat 3. Doxologie
„Verbindung von Taufe und Mahl“ in der Didache. Auch SCHWIEBERT, Knowledge 71f., betont: „the eschatological gathering of the community, however, is the topic of greatest concern“. 233 ἅγιος (vgl. 9,2.5; 10,2.6., vgl. 4,2; 16,7) und ἁγιάζεσθαι (vgl. 10,5) sind nicht zufällig gerade in den Kap. 9 und 10 gehäuft. 234 Richtig SCHWIEBERT, Knowledge 92f.: „ὅσον concerns extent not manner.“ Schwiebert schließt interessante strukturelle Überlegungen an, inwiefern und wo die Propheten die Formulare ausbauen konnten. 235 SCHWIEBERT, Knowledge 94. 236 Ebenso SCHWIEBERT, Knowledge 93f. Das geht auch aus 11,9 hervor: Ein Prophet ordnet ἐν πνεύματι (so gegen Wengst mit H) eine τράπεζα an; man muss annehmen, dass er auch die Eucharistiegebete spricht, dass er diese ἐν πνεύματι spricht, wird nirgendwo gesagt.
74
II. Taufe und Eucharistie in der Didache
9,2
9,3
10,2
εὐχαριστοῦμέν σοι (...) ὑπὲρ τῆς ἁγίας ἀμπέλου Δαυὶδ τοῦ παιδός σου,
εὐχαριστοῦμέν σοι (...) ὑπὲρ τῆς ζωῆς καὶ γνώσεως,
εὐχαριστοῦμέν σοι (...) καὶ ὑπὲρ τῆς γνώσεως καὶ πίστεως καὶ ἀθανασίας,
ἧς ἐγνώρισας ἡμῖν διὰ Ἰησοῦ τοῦ παιδός σου·
ἧς ἐγνώρισας ἡμῖν διὰ Ἰησοῦ τοῦ παιδός σου·
ἧς ἐγνώρισας ἡμῖν διὰ Ἰησοῦ τοῦ παιδός σου·
Die Broteucharistie ist ohne weitere Zwischenbemerkung in eine Bitte für die Zusammenführung der Kirche in das Gottesreich weitergeführt. Diese stellt eine Beziehung (ὥσπερ – οὕτω) zwischen der Sammlung des Brotes und der eschatologischen Zusammenführung der Kirche her. Das eucharistische Brot ist damit gleichzeitig Lebensträger und eschatologisches Symbol. Die abschließende Doxologie ist gegenüber den bisher ergangenen Doxologien (9,2–4) um das Element der δύναμις erweitert. Dies erinnert nicht zufällig an die das Vaterunser abschließende Doxologie, auch wenn in 8,2 wie in 10,5 die δύναμις vor der δόξα genannt wird. Überhaupt wird man sagen können, dass die Eucharistiegebete der Didache einige signifikante Parallelen zum Vaterunser aufweisen.237 Inhaltlich werden alle Eucharistiegebete der Didache durch zwei Grundlinien geprägt, die (soteriologische) der Gabe des Lebens, sowie die („ekklesiologische“) der Ekklesia als der Heilsgemeinde. 8.4 Die Kelcheucharistie (9,1f.) Direkt im Anschluss an die Aufforderung, dreimal täglich das Vaterunser zu beten (8,3), erfolgen die Anweisungen περὶ δὲ τῆς εὐχαριστίας. Der Neueinsatz mit περί (vgl. zuvor 6,3 und 7,1) sowie die Partikel δέ zeigen, dass nun ein von den täglichen Gebeten deutlich unterschiedenes Thema angeschnitten wird. Überhaupt unterscheidet die Didache terminologisch
237 Die zweite Vaterunserbitte lautet ἐλθέτω ἡ βασιλεία σου, eine Bitte, die im Eucharistiegebet 9,4 transformiert wird. Weitere Anspielungen an das Vaterunser finden sich in der Anrede πάτερ ἡμῶν (9,2.3 = 8,2), in der Bitte um die Heiligung des Vaternamens (vgl. die erste Bitte 8,2: ἁγιασθήτω τὸ ὀνομά σου mit 10,2: εὐχαριστοῦμέν σοι, πάτερ ἅγιε [!], ὑπὲρ τοῦ ἁγίου ὀνομάτός σου) sowie in der Bitte, die Ekklesia von allem Bösen zu erretten (vgl. 10,5: τοῦ ῥύσασθαι αὐτὴν ἀπὸ παντὸς πονεροῦ, mit 8,2: ἀλλὰ ῥῦσαι ἡμᾶς ἀπὸ τοῦ πονεροῦ).
8. Die Eucharistie (Did 9–10)
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klar zwischen den „Gebeten“ (4,14: προσευχή, 8,2f.; 15,4: εὐχή) bzw. „Beten“ (1,3; 2,7; 8,2f.: προσεύχεσθαι) und dem „Danksagen“.238 Zunächst stellt sich die Frage, ob εὐχαριστία in 9,1a „Danksagung bzw. Dankgebet“ meint oder – wie in 9,5a – „eucharistisches Brot und eucharistischer Wein“.239 Denkbar ist auch, dass sich der Ausdruck sowohl auf das Dankgebet als auch auf Brot und Wein, über die das Dankgebet gesprochen wurde, bezieht. Allerdings ist es falsch zu behaupten, dass sich „Eucharistie“ auf „das folgende Gemeinschaftsmahl“ bezieht.240 Denn in den beiden eröffnenden Eucharistien in Did 9 ist ausschließlich von Wein und Brot die Rede, das wird nicht nur aus den Rubriken, sondern auch aus der metaphorischen Redeweise vom „Weinstock Davids“ (9,2d) und dem in eines versammelten κλάσμα bzw. Brot (9,4) deutlich. Die Nachtischeucharistie unterscheidet dann klar die „geistliche Speise“ und den „geistlichen Trank“, die beide „zum ewigen Leben“ führen, von den allen Menschen gegebenen Nahrungsmitteln (10,3). Der in 10,4a ausgesprochene Dank bliebe abstrakt, wenn nicht die Teilhabe an den gewöhnlichen Speisen für alle Menschen ebenfalls im Mahl der Gemeinde vollzogen worden wäre.241 Auffällig ist zunächst die Voranstellung (πρῶτον) des Bechers.242 Die Voranstellung der Bechereulogie ist jüdischerseits beim Passa und anderen Festen, aber auch beim Sabbatmahl243 bezeugt. Allerdings gibt es um die Bechereulogie im Judentum durchaus Diskussionen.244 Neutestamentliche Parallelen bieten 1Kor 10,16f. (vgl. 10,21) sowie Lk 22,17–19, letzteres eindeutig ein Passamahl, bei dem Lukas vor der Broteucharistie von einer
238
So εὐχαριστεῖν innerhalb der Gebete in 9,2.3; 10,2,4. In den rubrikalen Anweisungen 9,1; 10,1.7 sowie in 14,1 dürfte εὐχαριστεῖν den technischen Sinn „das Eucharistiegebet sprechen“ haben. 239 Hierauf könnte die parallele Formulierung περὶ τῆς εὐχαριστίας/ περὶ τοῦ ποτηρίου bzw. τοῦ κλάσματος hinweisen. 240 NIEDERWIMMER, Did 181. Dagegen mit Recht z.B. THEOBALD, Leib 144f. 241 Vgl. THEOBALD, Leib 146: „Das Gebet ‚nach der Sättigungʻ (10,1) geht im Unterschied zu den beiden Vortischgebeten nicht über Wein und Brot, sondern dankt rückblickend ‚für allesʻ (10,4), also die Nahrung ‚zum Genussʻ wie ‚die geistliche Speise und (den geistlichen) Trankʻ (10,3)“. 242 In Did 14,1 ist nichts von einem vorangestellten Kelch zu lesen. Im Eucharistiegebet Const. App. 7,25 ist die Differenzierung zwischen Kelch und Brocken entfallen, zu Beginn wird nur ὑπὲρ τῆς ζωής gedankt und dies dann christologisch ausgebaut (25,2). Die Sammlungsbitte von Did 9,4 ist in 25,3 noch erkennbar, im Anschluss daran wird zuerst für das kostbare Blut und dann für den kostbaren Leib Christi gedankt, hier ist die alte Reihenfolge von Did 9,1–3 noch erkennbar. 243 Vgl. mBer VIII 1. 244 Vgl. dazu die in mBer VIII 8 referierten Unterschiede zwischen Schammaiten (und Hilleliten (BRADSHAW, Origins 76).
II. Taufe und Eucharistie in der Didache
76
Bechereucharistie berichtet.245 In Did 9,5 wird allerdings das „Essen“ vor dem „Trinken“ genannt, in 10,3 die geistliche Speise vor dem Trank.246 Auffällig ist, dass dem πρῶτον kein δεύτερον o.ä. folgt, d.h. es geht dem Didachisten weniger um eine Aufzählung als um die Betonung, dass die Feier mit der Bechereucharistie zu beginnen habe.247 Eine Begründung für die Voranstellung der Bechereucharistie wird nicht gegeben. Es ist auch nicht wahrscheinlich, dass der Didachist damit einen neuen, bis dato unbekannten Ritus einzuführen gedenkt, wohl aber betont er an dieser Stelle die in seiner Gemeinde geübte Voranstellung der Kelcheucharistie. Dadurch steht (1.) der Dank für den „heiligen Weinstock Davids, deines Knechts“ voran und (2.) fällt so auf die um die Fürbitte für die Kirche erweiterte Broteucharistie das größere Gewicht (analog 1Kor 10,16f.). Über dem (wahrscheinlich) mit Wein gefüllten Kelch wird „unserem Vater“ „für den heiligen Weinstock Davids, deines Knechts“ gedankt, „den du uns zu erkennen gegeben hast (ἧς ἐγνώρισας ἡμῖν) durch Jesus, deinen Knecht“. Nach wie vor stark umrätselt ist die Rede vom „heiligen Weinstock Davids“. In den alttestamentlichen Texten bezieht sich das Bild vom Weinstock zunächst (kollektiv) auf Israel,248 doch ist auch die Tendenz erkennbar, die Metapher messianisch oder weisheitlich zu individualisieren.249 Doch kann die individuell-christologische Deutung im Falle von Did 9,2 ausgeschlossen werden.250 Plausibel, wenn auch abstrahierend, ist zunächst die von Niederwimmer im Anschluss an Dibelius formulierte Deutung als Symbol für das Heilsgut, das eschatologische Heil selbst.251 Hierfür spricht die Parallelisierung von 9,2d mit 9,3d (ὑπὲρ τῆς ζωὴς καὶ γνώσεως) und 10,2e (ὑπὲρ τῆς γνώσεως καὶ πίστεως καὶ ἀθανασίας). Vielleicht steht hinter der Formulierung auch der traditionelle jüdische Weinsegen, der von der „Frucht des Weinstocks“ redet und damit den Wein im Becher meint (mBer VI 1). Der Bezug auf den (roten) Wein im Becher ist natürlich bei der Kelcheucharistie ebenso impliziert wie der Bezug auf 245
Dazu THEOBALD, Paschamahl 164–166. Laut KNOPF, Did 25f., geht zwar beim Segen der Becher dem Brot voran, beim Genusse aber das Essen dem Trinken. 247 Richtig GREIFF, Pascharituale 145: „Mit dem Kelchgebet war unter allen Umständen zu beginnen“. 248 So in Hos 10,1; Jer 2,21; Jes 27,2–6; Ps 80,9–12.15f.; vgl. 4Esr 5,23, im Rahmen einer Drohrede Ez 15,1–8; vgl. auch Jes 5,1–7 („Weinberglied“). 249 Vgl. Ez 17,6–8 und 19,10–14 (Bezug auf den davidischen König), aber auch Ps 80,15f. (MT wie LXX), messianisch in syrBar 36–40, sowie auf die Weisheit in Sir 24,17, auf Christus bezogen dann in Joh 15,1–8. 250 Die Deutung des Weinstocks auf Christus gerät mit dem Nachsatz 9,2 ins Gehege. Anders aber KNOPF, Did 26, der die messianische Deutung vorzieht und die Tautologie „erträglich“ findet. 251 NIEDERWIMMER, Did 183. 246
8. Die Eucharistie (Did 9–10)
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das Brot bei der Broteucharistie 9,3, auch wenn weder Wein noch Brot direkt genannt sind. Indem nun aber im Unterschied zu den jüdischen Kelchbenediktionen – aber auch im Unterschied zu Jesu Formulierung beim letzten Abendmahl (vgl. Mt 26,29 par.) – für den „heiligen Weinstock“ (und nicht für die „Frucht des Weinstocks“) gedankt wird, verschiebt sich aber der Fokus des Textes: Anlässlich des roten Weines im Kelch dankt der Beter für den Weinstock, der Blick wandert also von der „Frucht des Weinstocks“ zum Weinstock selbst, genauer: zum heiligen Weinstock Davids. Der Genitiv Δαυίδ ist ein eindeutiger Hinweis darauf, dass die metaphorische Verwendung von ἄμπελος im Hinblick auf das Volk Israel und zwar mit königlich-messianischem Akzent im Blick ist. Wichtiger ist aber das Adjektiv ἅγιος. Wir hatten bereits gesehen, dass für die Didache die Selbstbezeichnung der Gemeindeglieder als „Heilige“ von großer Bedeutung ist (4,1f.; 10,6; 16,7). Die Ekklesia wird in 10,5 als „die Geheiligte“ (τὴν ἁγιασθεῖσαν)252 bezeichnet. Aufgrund dieser Parallele liegt es nahe, im „heiligen Weinstock Davids“ einen Parallelausdruck zur „geheiligten Ekklesia“ zu sehen. Während der „Weinstock Davids“ das Volk Israel bezeichnet, ist der „heilige Weinstock Davids“ die Ekklesia als die durch die Taufe geheiligte Heilsgemeinde, zu der die Heiden durch die Taufe auf den Namen Jesu hinzukommen.253 Die Formulierung ἧς ἐγνώρισας ἡμῖν wäre demnach im Sinne von „den du uns erschlossen hast“ zu verstehen. In einem ausführlichen Exkurs über „Jesus Christus als παῖς Gottes hat Hermut Löhr hervorgehoben, dass diese Bezeichnung Jesu zwar auf älteste Tradition zurückreichen dürfte, aber keineswegs im Sinne einer Niedrigkeitschristologie (z.B. einer „Gottesknechtschristologie“) zu verstehen ist. In der Didache wird dem παῖς Jesus v.a. eine Mittlerfunktion von Gott her zugeschrieben, er vermittelt göttliches Wissen und Gaben – genauer: Leben, Glaube und Unsterblichkeit – an das „wir“ der betenden Gemeinde.254 Auffällig ist, dass Jesus nur in den (alten) Gebeten als παῖς bezeichnet wird (und zwar genauso wie David, vgl. 9,2), wo der Didachist selbst formuliert, verwendet er ὁ κύριος (9,5). Wichtig ist noch, dass παῖς oft nicht mit „Knecht“, sondern mit „Sohn“ übersetzt werden muss.255
252 Allerdings fehlt diese Wendung beim Kopten und wird daher oft als sekundäre Interpolation in H angesehen. 253 Vgl. dazu MILAVEC, Did 361: „In the prayer over the cup, therefore, baptized gentiles joined with the chosen people in giving thanks to the Father for having revealed his choice and his cultivation of Israel“, und ebd. 364: „Drinking the cup of the holy vine, therefore, enabled gentiles to join in fellowship with Israel and to partake of their messianic expectations“. Allerdings steht im Text eben nicht direkt „Israel“ o.ä. 254 LÖHR, Studien 308–334, hier 315. 255 Vgl. LÖHR, Studien 324ff.
II. Taufe und Eucharistie in der Didache
78
8.5 Die Broteucharistie (9,3f.) Die Broteucharistie ergeht über das κλάσμα (9,3a), also den „Brocken“. Dies setzt voraus, dass das Brotbrechen bereits stattgefunden hat und die Teilnehmer an der Eucharistie bereits einen Brotbrocken in der Hand hielten. Dass das Brotbrechen vor dem Sprechen des Eucharistiegebets stattfand, geht aus in Did 14,1 hervor. Man könnte die Angaben aus Did 9f. mit denen aus 14,1 (unter Beachtung von Lk 22,15– 20) folgendermaßen harmonisieren: (1.) Eröffnende Kelcheucharistie; (2.) Brechen des Brotes und Verteilung der κλάσματα; (3.) Broteucharistie; (4.) „Essen und Trinken der Eucharistie“ (9,5, d.h. Essen des κλάσμα und Trinken aus dem Kelch); (5.) Sättigungsmahl (10,1); (6.) Nachtisch-Eucharistie: Dank πρὸ bzw. περὶ πάντων. Allerdings ist die Lesart περὶ δὲ τοῦ κλάσματος in 9,3a umstritten. Zuweilen wird sie als sekundär beurteilt256 und unter Berufung auf die späteren Liturgien ἄρτου vorgezogen. Doch ist dies nicht einleuchtend, zumal die Symbolik des gebrochenen und verstreuten Brotes in der Bitte für die Kirche inhaltlich zentral ist (s.u.). Ein anderes Problem ist jedoch die erneute Nennung von κλάσμα in 9,4a (H) und die sich dann ergebenden Schwierigkeiten mit der Metaphorik. Vielleicht ist κλάσμα in 9,3a zu belassen (wegen 14,1, s.u.), aber in 9,4a zu streichen, so dass 9,4a heißt: ὥσπερ ἦν τοῦτο [die Deixis bezieht sich dann auf das Brot in den Händen aller Teilnehmer] διεσκορπισμένον ἐπάνω τῶν ὀρέων.257 Diese Lösung hat auch den Vorteil, dass man kein τό hinzufügen muss, das im Codex fehlt. Während κλάσμα in 9,3a die lectio difficilior darstellt und also wohl ursprünglich ist,258 ist eine sekundäre Erweiterung von 9,4a mit τὸ κλάσμα gut vorstellbar.
Die Entscheidung der Frage, ob κλάσμα in 9,3 und 9,4 ursprünglich ist oder ob mit den späteren Versionen ἄρτος zu lesen und κλάσμα als spätere (ägyptische?) Lesart zu beurteilen sei, hängt auch mit der Interpretation der hier evozierten Metaphorik zusammen. Der „Brocken“ in der Hand des Betenden eignet sich ja kaum als Symbol der Einheit der Kirche als vielmehr als Symbol der Zerstreuung.259 Gedankt wird im Eucharistiegebet allerdings zunächst für „Leben und Erkenntnis“, die – wie der heilige Weinstock Davids – bereits Realität sind,260 gebeten wird im Anschluss 256
NIEDERWIMMER, Did 185f., VÖÖBUS, Traditions 89. 146ff. Die Const. App. 7,25,1 bieten gar keine Differenzierung von Kelch- und Broteucharistie, haben aber Did 9,4 folgendermaßen: ὥσπερ ἦν τοῦτο [!] διεσκορπισμένον καὶ συναχθὲν ἐγένετο εἷς ἄρτος [!], οὕτως συνάγαγέ σου τὴν ἐκκλησίαν... Die Tilgung der „Berge“ zeigt, dass die Const. App. eben hier das Problem sahen. 258 So mit Recht VAN DE SANDT/FLUSSER, Did 298 Anm. 87. Laut MILAVEC, Did 372, deutet gerade der Terminus κλάσμα auf „its Jewish roots and to its early origins“. 259 Richtige Beobachtung von GREIFF, Pascharituale 148. 260 Vgl. dazu die treffenden Bemerkungen von VÖÖBUS, Traditions 123: „The thanksgiving expresses gratitude for something which is not transcendental and futuristic but for a gift already in the possession of the congregation and within the realm of its experience – it is a gift now enriching the lives of the believers“ (Hervorheb. von mir). 257
8. Die Eucharistie (Did 9–10)
79
daran um die endzeitliche Synaxis der Ekklesia in das Reich Gottes. Wenn in 9,4 darum gebeten wird, dass die Ekklesia „von den vier Enden der Erde“ zusammengeführt werden müsse, impliziert dies, dass sie auf der ganzen Erde zerstreut ist. Die Sammlung der ἐκκλησία wird verglichen (ὥσπερ... οὕτω...) mit dem einst über die Berge zerstreuten und in eins gesammelten Brot in der Hand der Teilnehmer. Der Vergleich ist nicht leicht zu verstehen. Vielleicht liegt eine Anspielung an Ps 71,16 LXX vor, wo vom im Überfluss im Land vorhandenen Getreide gesagt wird, es solle auf den Bergen wogen.
Dieser Gedanke der auf der ganzen Erde verbreiteten Ekklesia ist aber auch innerhalb der Didache wesentlich mit Öffnung für die Heiden verbunden. Denn (allein) die weltweite Zerstreuung der Ekklesia unter die Heiden ermöglicht die Anwendung von Mal 1,11 auf die sonntägliche Eucharistiefeier, laut dem „an jedem Ort und zu jeder Zeit“ ein reines Opfer darzubringen sei, so dass der Name Gottes wunderbar ist unter den Heiden (Did 14,3). Dieser Gedanke (und nicht der z.B. bei Paulus belegte Gedanke der durch das eine Brot symbolisierten Einheit der Kirche) ist es, der in der Brotbitte Did 9,4 anvisiert wird: „Es wird erbeten, dass die Kirche aus ihrer räumlichen Zerstücktheit in aller Welt in eins eingesammelt werde in die βασιλεία τοῦ θεοῦ.“261 Zugleich aber ist die Synaxis der Gemeinde sozusagen die Vorwegnahme der endzeitlichen Synaxis der ganzen Kirche. Indem jeder Gottesdienstteilnehmer ein κλάσμα des einen gebrochenen Brotes in der Hand hat, symbolisiert die versammelte Ekklesia die auf der ganzen Erde verbreitete Ekklesia, die an jedem Ort ein reines Opfer darbringt (14,3), die aber zugleich um ihre endzeitliche Sammlung bittet. Die Didache kennt – wie auch Paulus – sowohl den ursprünglichen Begriff der ἐκκλησία als der aktuellen Versammlung (4,14: ἐν ἐκκλησίᾳ) wie auch zur (Selbst)Bezeichnung der Gemeinde. Wichtig ist, dass der Begriff ἐκκλησία in den Didachegebeten nur im Kontext der endzeitlichen Sammlung (συνάγειν 9,4bc; 10,5f; vgl. 14,1 und 16,2) erscheint, was ebenfalls an den antiken Sprachgebrauch anschließt.262 Das Thema der aktuellen Zerstreuung und der eschatologischen Sammlung der Ekklesia spielt damit eine zentrale Rolle in den Eucharistiegebeten. Nun bildet zwar die Hoffnung auf Sammlung des Volkes Israel in der Endzeit den Hintergrund dieses Motivs.263 Auffällig ist aber, dass die Eu261
CLERICI, Einsammlung 100. Pointiert MILAVEC, Did 376: „In the eucharist prayers, ‚churchʻ is also the event [!] in which the Father summons and gathers together his elect“. 263 Vgl. Dtn 30,3–5; Jes 11,12; Jer 39,37; Ez 11,17; Sach 2,10, in der LXX alle mit συνάγειν formuliert. 262
80
II. Taufe und Eucharistie in der Didache
charistiegebete der Didache keinerlei „continued concern for Jerusalem and the Holy Land“ artikulieren.264 Israel wird – anders als z.B. in der Birkat ha-mazon – nicht genannt, die Wendung „dein Volk Israel“ ist in Did 9f. durch den Begriff ἐκκλησία ersetzt.265 8.6 Der Ausschluss der Ungetauften (9,5) Die rubrikale Bemerkung in 9,5 zeigt, dass der Didachist neben der Mitteilung der Gebetsformulare noch ein weiteres Anliegen hat, nämlich die klare Begrenzung des Teilnehmerkreises auf Getaufte, genauer: auf jene, die „auf den Namen des Herrn getauft sind“. Charakteristisch ist die enge Verbindung von Taufe und Eucharistie und zwar über den Aspekt der Heiligkeit. Vorausgesetzt ist eine Sicht „of baptism in the cultic sense of a prescribed ablution, a ritual bath“ sowie der Eucharistie als „sacred food“, worauf auch der terminus τὸ ἅγιον für Brot und Wein hindeutet, der in jüdischer Tradition gelegentlich für „Opferfleisch“ verwendet wird.266 Mit Huub van de Sandt: „The Jewish requirement of being in a state of ritual purity was still the precondition for partaking in the ceremony of eating holy food within the community of the Didache“.267 Die für die Teilnahme an der Eucharistie verlangte rituelle Reinheit wird an der Wassertaufe und der trinitarischen Taufformel festgemacht (vgl. Did 7). In der Sicht des Didachisten wird die Eucharistie also sowohl durch die Teilnahme von Ungetauften (genauer: von Menschen, die nicht auf den Namen des Herrn getauft sind) als auch durch die „Übertretungen“ der in der Zweiwegelehre grundgelegten Mindeststandards und die internen Zwistigkeiten der Gemeindmitglieder gefährdet.268 Die Rubrik 9,5 lässt deutlich erkennen, dass die eucharistische Tischgemeinschaft, zu der die Heiden durch die Taufe auf den Namen des Herrn Zugang haben, eine heilige Tischgemeinschaft ist, weil dort „das Heilige“ gegessen und getrunken wird, nämlich „eure Eucharistie“, also Brot und
264 Stark betont von VAN DE SANDT/FLUSSER, Did 325–329, 328. Laut van de Sandt/Flusser ist die Didache bereits ein gutes Stück auf dem Weg in Richtung einer exklusivistischen heidenchristlichen Ekklesiologie vorangekommen (wie sie in Justin, Dial 26,1; 80,1; 113,3f.; 139,4f., aber auch 5Esr 2,10–13 und Mt 8,11f.; 21,43 (!) greifbar werde). 265 So VAN DE SANDT/FLUSSER, Did 329. 266 So Lev 2,3; 22,10–16, vgl. Ex 29,33f.; Num 18,8–19, vgl. O. MICHEL, Art. κύων, κυνάριον, in: ThWNT III, 1100–1104, 1101f. 267 VAN DE S ANDT, Do not 246, vgl. 226. 239 u.ö. 268 Vgl. VAN DE SANDT, Do not 246: „The presence of a gentile outsider (Did 7) and a backsliding insider (Did 14) within the community contaminates the holy food“.
8. Die Eucharistie (Did 9–10)
81
Wein, über die zuvor die Eucharistiegebete gesprochen wurden.269 Von der Eucharistie her erscheint die Wassertaufe als ihre notwendige Voraussetzung primär unter dem Aspekt der Reinigung bzw. Heiligung, wobei dieser „Effekt“ offenbar zunehmend an die Verwendung von Wasser und das Aussprechen der trinitarischen Taufformel gebunden wird, auch wenn das Interesse an der rituellen Eignung des Wassers (und damit an der Bevorzugung von fließendem Wasser) noch deutlich zu erkennen ist. Durch die Taufe werden aus „Hunden“ „Heilige“, die (allein) von „dem Heiligen“ essen und trinken dürfen, um so „Teilhaber am Unsterblichen“ (4,8) zu werden. Mit Recht bemerkt J. Zangenberg daher zu Did 9,5: „Baptism and appropriate behavior has replaced circumcision as a criterion for belonging to the group, and participation in the community meal has substituted for taking part in the sacrificial cult in the temple“.270 8.7 Das Sättigungsmahl (10,1) Das „Essen und Trinken von eurer Eucharistie“ erfolgte – nimmt man die Informationen aus 9,5, 10,1 und der Nachtisch-Eucharistie zusammen (s.u.) – wahrscheinlich im Zusammenhang eines Sättigungsmahles. Der Didachist hat jedoch kein Interesse, weitere Details dieses Mahles mitzuteilen, sondern er wendet sich unmittelbar dem Nachtischgebet zu. Aus der Formulierung μετὰ δὲ τὸ ἐμπλησθῆναι kann man jedoch mit ziemlicher Sicherheit erschließen, dass das „Essen und Trinken des Heiligen“ von einem sog. Sättigungsmahl begleitet, vielleicht auch gefolgt war. Auffällig ist, dass der Didachist anlässlich der sonntäglichen Synaxis zwar von Brotbrechen und Eucharistie spricht, nicht jedoch von einem Sättigungsmahl. Das muss aber nicht heißen, dass ein solches nicht stattfand. In Did 10,1 findet es allerdings Erwähnung, um das folgende Eucharistiegebet eindeutig als Nachtischgebet zu charakterisieren. Das impliziert zugleich, dass mit dieser Festlegung jüdische Nachtischgebete wie die Birkat haMazon für die Ekklesia ausgeschlossen sind.271 Mit dem ἐμπλησθῆναι wird im Falle einer vorangehenden Wassertaufe das präbaptismale Fasten des Täuflings wie der Mitfastenden aus der Gemeinde (Did 7,4) gebrochen. Aus 10,1 wird also deutlich, dass zwischen den (nur über Kelch und Brocken gesprochenen!) Gebeten in Did 9,1–4 und der Nachtischeucharistie Did 10,2–5 ein Mahl stattfand, die Gebete „encompass the actions which occur between them“272. Die Frage ist aber, ob ἐμπίμπλημι wörtlich 269
Gegen WENGST, Did 47, meint „das Heilige“ keineswegs das Sättigungsmahl (allerdings geht Wengst ebd. offenbar davon aus, dass diese Mahlzeit nur aus Brot und Wein bestand). 270 ZANGENBERG, Milieu 62. 271 Dazu VAN DE SANDT, Didache Redefining 253–258. 272 VÖÖBUS, Traditions 72.
II. Taufe und Eucharistie in der Didache
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im Sinne von „(sich) sättigen“ zu verstehen ist (wie in Joh 6,12, vgl. auch Lk 6,25) oder eher metaphorisch („genießen“, wie in Röm 15,24), ob die Didachegemeinde also ein wirkliches Mahl zu sich nahm oder (nur) Brot und Wein. Wahrscheinlich ist ἐμπίμπλημι ein Verweis auf Dtn 8,10 LXX. Dort findet sich der Zusammenhang von „essen“, „sich füllen“ und „segnen“: καὶ φάγῃ καὶ ἐμπλησθήσῃ καὶ εὐλογήσεις κύριον τὸν θεόν σου ἐπὶ τῆς γῆς τῆς ἀγαθῆς ἧς ἔδωκέν σοι.273 Hier steht ἐμπίμπλημι im Kontext der Landverheißung und in Kombination mit der Warnung, nach der Inbesitznahme des Landes den Herrn nicht zu vergessen.274 Im Anschluss an Dtn 8,10 und die hier bezeugte Reihenfolge „Sättigung – Segen nach dem Mahl“ entwickelte sich dann die Birkat ha-Mazon.
Wann aber werden im Verlauf dieser Feier die von Speise und Trank der Sättigung (ἐμπλησθῆναι) unterschiedene „geistliche Speise und Trank“ genossen? Hierzu gibt es drei Lösungsmöglichkeiten: (a) Mit dem „Heiligen“ bzw. „eurer Eucharistie“ (9,5) sind die von den Gebeten umschlossenen Speisen und Getränke des Sättigungsmahles gemeint.275 (b) An das dritte Eucharistiegebet276 (nach dem Sättigungsmahl) schließt sich der davon unterschiedene Genuss von „geistlicher Speise und Trank“ an, wofür zuvor gedankt wurde (10,3) und zu dem mit den Worten von 10,6 eingeladen wird. Dann würde sich an das dritte Eucharistiegebet, das somit eine Vorform der späteren Anaphoren darstellte, noch der „Genuss der eucharistischen Elemente“ anschließen.277 Die plausibelste Lösung (c) lautet allerdings, dass einerseits nur Brot und Wein, über die die Vortisch-Eucharistien gesprochen wurden, als „das Heilige“ und „eure Eucharistie“ bzw. (mit den Worten der Nachtischeucharistie) als „geistliche Speise und Trank“ bezeichnet und damit von den übrigen Speisen deutlich unterschieden wurden, dass diese aber andererseits 273
Vgl. noch Dtn 6,11 (καὶ φαγὼν καὶ ἐμπλησθεὶς) und 8,12 (μὴ φαγὼν καὶ ἐμπλησθεὶς καὶ οἰκίας καλὰς οἰκοδομήσας καὶ κατοικήσας ἐν αὐταῖς) und zum Ganzen MAZZA, Origins 16–26. 274 Dtn 6,12: πρόσεχε σεαυτῷ, μὴ ἐπιλάθῃ κυρίου τοῦ θεοῦ σου, 8,11: πρόσεχε σεαυτῷ, μὴ ἐπιλάθῃ κυρίου τοῦ θεοῦ σου, 8,14: ὑψωθῇς τῇ καρδίᾳ καὶ ἐπιλάθῃ κυρίου τοῦ θεοῦ σου. 275 So z.B. VAN DE SANDT, Do not 225. Dafür spricht, dass die Bestimmung in 9,5 bereits nach den Formularen der eröffnenden Gebete steht. 276 Dieses wäre dann „ein Eucharistiegebet im eigentlichen Sinne“ (so FELMY, Nacht 7, unter Hinweis auf die Parallelen zwischen dem dritten Eucharistiegebet der Didache und dem östlichen Ritus des syrisch-palästinensichen Typs). 277 So RORDORF, Mahlgebete 239 (zu 10,6): „Hier wird doch die konkret versammelte Gemeinde angesprochen, hic et nunc etwas zu tun oder zu lassen“, vgl. 241 („Wer heilig ist, der soll herkommen!“). Kurzschlüssig ist die Kritik von DRAPER, Process 142f.
8. Die Eucharistie (Did 9–10)
83
im Rahmen des Sättigungsmahles (wahrscheinlich direkt davor) genossen wurden, so dass mit der Nachtisch-Eucharistie sowohl für die allen Menschen „zum Genuss“ gegebenen Nahrungsmittel, als auch für die „uns“ „zum ewigen Leben geschenkte“ „geistliche Speise und Trank“ gedankt wird. Dass in der Nachtisch-Eucharistie einerseits für „normale“ wie für „geistliche“ Nahrung gedankt wird, spricht dafür, dass beide im Kontext des gleichen Mahles genossen wurden und dass dieser Genuss bereits erfolgt ist.278 Andererseits ist deutlich zu sehen, dass die Didache streng zwischen der normalen und der „geistlichen“ Nahrung unterscheidet. 8.8 Die Nachtischeucharistie (10,2–5) Gemäß Dtn 8,10 folgt auf die Sättigung (ἐμπίμπλημι) die Eucharistie. Dieses Gebet ist z.T. strukturell wiederum analog zu den beiden voranstehenden Eucharistien, allerdings mit einer Reihe von Eigentümlichkeiten. Wieder finden sich zwei Eucharistien (vgl. 9,2+3 mit 10,2+3) und eine Bitte um die eschatologische Synaxis der Ekklesia im Reich Gottes (vgl. 9,4 mit 10,5). Wie J. Schwiebert mit Recht herausgestellt hat, sind in Did 9+10 also drei Gebete vor und drei Gebete nach dem Mahl vorgeschrieben.279 Did 10,2–5 2
3
a b c d e f a b c d
4
a b
278
Wir danken dir (εὐχαριστοῦμέν σοι), heiliger Vater, für deinen heiligen Namen, den du hast Wohnung nehmen lassen in unseren Herzen, und für die Erkenntnis (καὶ ὑπὲρ τῆς γνώσεως) und den Glauben (καὶ πίστεως) und die Unsterblichkeit (καὶ ἀθανασίας), die du geoffenbart hast (ἐγνώρισας) durch Jesus, deinen Knecht. Dir die Herrlichkeit in Ewigkeit! Du, Herr, Allherrscher, hast alles geschaffen (ἔκτισας τὰ πάντα) um deines Namens willen. Speise und Trank hast du gegeben den Menschen zum Genuss (τροφήν τε καὶ ποτὸν ἔδωκας τοῖς ἄνθρώποις εἰς ἀπόλαυσιν). Uns aber hast du geschenkt geistliche Speise und Trank und ewiges Leben durch Jesus deinen Κnecht (ἡμῖν δὲ ἐχαρίσω πνευματικὴν τροφὴν καὶ ποτὸν καὶ ζωὴν αἰώνιον διὰ Ἰησοῦ τοῦ παιδὸς σου). Für alles danken wir dir (περὶ280 πάντων εὐχαρσιτοῦμέν σοι), denn du bist mächtig.
So auch THEOBALD, Leib 146 mit Anm. 91 („Dass die Gemeinde ‚für allesʻ dankt, bedeutet, dass sie sowohl für die Sättigung in der ‚Agapeʻ als auch für die ‚sakramentalen Gabenʻ zu Beginn dankt“) sowie 150f. 279 SCHWIEBERT, Knowledge 59–71. 280 So mit dem Kopten (H liest πρό), vgl. WENGST, Did 80; NIEDERWIMMER, Did 198.
II. Taufe und Eucharistie in der Didache
84
5
c a b c d e f
Dir die Herrlichkeit in Ewigkeit. Gedenke, Herr, deiner Ekklesia, dass du sie bewahrst vor allem Bösen und sie vollendest in deiner Liebe. Und führe sie zusammen von den vier Winden in dein Reich, das du ihr bereitet hast. Denn dein ist die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit!
Allerdings sind die beiden Eucharistien nach dem Mahl nicht mehr auf Kelch und Brocken verteilt wie im Falle der Vortisch-Eucharistien, sondern nehmen den nun in den Herzen wohnenden Namen Gottes (10,2: eine Anspielung auf die Taufe?), das Mahl (10,3: Speise und Trank) sowie die Eucharistie (10,3: geistliche Speise und Trank) in den Blick und danken für alles! Gedankt wird nun also für etwas, das bereits geschenkt wurde, also schon Realität ist, daher ist es in der Logik der Didache-Eucharistien auch wichtig, dass Did 10,2–5 nach dem Essen gesprochen wird.281 Zunächst wird dem „heiligen Vater“ gedankt für „deinen heiligen Namen, den du hast wohnen lassen in unseren Herzen“, und „für die Erkenntnis, den Glauben und die Unsterblichkeit, die du uns geoffenbart hast durch Jesus deinen Knecht“. Damit dankt die Gemeinde für die durch die Taufe gewährten Gaben, das zeigt die Wendung „dein Name, den du in unseren Herzen hast wohnen lassen.“282 Mit den Worten Christoph Markschies’: „Mit dem Hinweis auf die Einwohnung des Namens im Herzen (und damit auf die Taufe) wird zugleich noch einmal deutlich, dass bei dieser εὐχαριστία neben der eschatologischen Zukunft aller Glaubenden und den Heilsereignissen der Vergangenheit auch die individuelle Vergangenheit jedes einzelnen Christen präsent gemacht wird“.283 Durch diese bei der Taufe geschenkte Einwohnung des heiligen Namens Gottes ist den Getauften zugleich „Erkenntnis, Glaube und Unsterblichkeit“ geschenkt.284 Auf diese erste folgt die zweite Nachtischeucharistie, die an den „Herrn, Allherrscher“, der alles geschaffen hat um seines Namens willen, gerichtet ist (10,3). Dieser Rekurs auf die Schöpfermacht Gottes wird – gut jüdisch
281
Deswegen steht auch in 10,3 der Aorist: ἡμῖν δὲ ἐχαρίσω πνευματικὴν τροφὴν καὶ
ποτόν. 282
Die Formulierung ist im Prinzip synonym zur Rede von „denen die der Geist bereitet hat“ (4,10: ἐφ’ οὓς τὸ πνεῦμα ἡτοίμασεν), vgl. dazu auch GREIFF, Pascharituale 100: „Der ‚hl. Nameʻ bedeutet demnach dasselbe wie das ἅγιον πνεῦμα“ unter Hinweis auf 1Kor 3,16; 2Kor 1,21f. 283 MARKSCHIES, Theologie 165 (Hervorheb. von mir). 284 So mit Recht NIEDERWIMMER, Did 195, vgl. auch GREIFF, Pascharituale 101f.
8. Die Eucharistie (Did 9–10)
85
– sofort konkretisiert im Hinblick auf die Nahrung für die Menschheit,285 wobei im Folgenden charakteristischerweise Speise und Trank, die allen Menschenkindern vom Schöpfer zum Genuss gegeben werden, klar unterschieden werden von der „geistlichen Speise und Trank“, die der Schöpfer (nur) „uns“ – den Christen! – „ geschenkt“ hat und zwar „zum ewigen Leben“.
Nahrungsmittel
10,3c τροφὴν τε καὶ ποτόν
10,3d πνευματικὴν τροφὴν καὶ ποτόν
Art der Gabe
ἔδωκας
ἐχαρίσω
Empfänger
τοῖς υἱοῖς τῶν ἀνθρώπων
ἡμῖν δέ
Zweck
εἰς ἀπόλαυσιν
εἰς ζωὴν αἰώνιον
Dank von Seiten der Menschen
ἵνα σοι εὐχαριστήσωσιν
πρὸ πάντων εὐχαριστοῦμέν σοι...
Bei der Interpretation des Gebetes ist sein in 10,1 betonter Charakter als Nachtisch-Eucharistie nicht aus dem Auge zu verlieren. In 10,4a heißt es zusammenfassend: περὶ286 πάντων εὐχαριστοῦμέν σοι, klar ist demnach, dass die Gemeinde „für alles“ zuvor Genannte dankt. Da aber zuvor sowohl von „normaler“ Speise und Trank „zum Genuss“ als auch von „geistlicher Speise und Trank“ „zum ewigen Leben“ die Rede war, liegt es nahe, dass die Ekklesia sowohl in den Dank der Menschheit für die vom Schöpfer zum Genuss gegebene Speise und Trank einstimmt (10,3de), als auch zusätzlich für die (nur) ihr gegebene pneumatische Nahrung dankt, die mehr als das irdische Leben vermittelt, nämlich das ewige Leben (10,3f). Da es sich dabei aber um eine Nachtischeucharistie handelt, ist anzunehmen, dass sowohl „normale“ Speisen und Getränke als auch „geistliche“ Speise und Trank zuvor gegessen und getrunken wurden. Vor dem Hintergrund von Did 9f. ist dies ganz plausibel: Die ἐν ἐκκλησίᾳ versammelte Gemeinde hat zuvor sowohl Wein und Brot genossen, über die die Vortischeucharistien gesprochen wurden und die laut 9,5 als ἡ εὐχαριστία ὑμῶν und τὸ ἅγιον und laut 10,3 als πνευματικὴ τροφὴ καὶ ποτόν bezeichnet werden. Außerdem hat sich die Gemeinde wie alle Menschen an „Speise und Trank“ (10,3) „gesättigt“ (10,1), wofür sie ebenfalls dem Schöpfer dankt.
285
Analog die Nachtischeulogie in Jub 22,6 (vgl. Dtn 8,10): „Und er (Abraham) aß und trank und segnete den höchsten Gott, der geschaffen hat Himmel und Erde, der gemacht hat die ganze Weite der Erde und den Kindern der Menschen zu essen und zu trinken gegeben hat und zu preisen ihren Schöpfer“ (Übers. K. BERGER, JSHRZ II/3, 435). 286 So mit dem Kopten gegen den Bryennios-Text, vgl. NIEDERWIMMER, Did 198.
II. Taufe und Eucharistie in der Didache
86
Brot und Wein werden durch die Eucharistiegebete zu „geistlicher Speise und Trank“. Analoge Vorstellungen sind im jüdischen Bekehrungsroman Joseph und Aseneth belegt, wo Lebensmittel durch die Benediktion, bei der der Name des lebendigen Gottes ausgesprochen wird, zu „gesegnetem Brot des Lebens“, „gesegnetem Becher der Unsterblichkeit“ und zu „gesegnetem Salböl der Unverweslichkeit“ werden (vgl. JosAs 8,5; 15,5; 16,16). Die gesegneten Speisen vermitteln die Heilsgüter – bei JosAs Leben (ζωή), Unsterblichkeit (ἀθανασία) und Unverweslichkeit (ἀφθαρσία), in der Didache – überraschend parallel! – Leben (ζωή), Erkenntnis (γνῶσις), Glaube (πίστις) und Unsterblichkeit (ἀθανασία). Daher sind sie „zum ewigen Leben (εἰς ζωὴν αἰώνιον)“ gegeben und machen diejenigen, die davon essen und trinken zu „Teilhabern am Unsterblichen“ (4,8). Damit sind Brot und Wein, über die die Eucharistiegebete gesprochen wurden „Träger übernatürlicher, eschatologischer Güter“, als pneumatische Speise und Trank sind sie „Träger des Geistes“.287
Das zentrale „eucharistietheologische“ Stichwort der Eucharistiegebete der Didache ist damit Leben und zwar mit stark präsentischem Akzent.288 Der in der Taufkatechese eröffnete „Weg zum Leben“, führt demnach über die Wassertaufe zur Eucharistie und damit zur Teilhabe am Unsterblichen (4,8289). 8.9 Weitere Bestimmungen im Anschluss (10,6f.) Im Anschluss an die Abschlussdoxologie der Nachtischeucharistie folgt noch eine knappe Sequenz von Formeln und Rubriken, die der Forschung nach wie vor große Schwierigkeiten bereiten, die aber offenbar „the climactic close of the entire ritual“290 darstellen. Das Hauptproblem besteht darin, dass 10,6 eine konditionierte Invitatio auszusprechen scheint (εἴ τις ἅγιός ἐστιν, ἐρχέσθω), doch bleibt unklar, wozu hier eingeladen wird. Das Dilemma besteht darin, dass diese Einladung nach dem Nachtischgebet steht, mit dem das Mahl abgeschlossen wird. Hier wurden verschiedene Modelle diskutiert, denen hier nicht nachgegangen werden kann.291 Allerdings entstehen die meisten Schwierigkeiten unter der Prämisse, dass Did 9f. eine Art Agende eines Gottesdienstes darstellen. Doch es wurde bereits gezeigt, dass dies keineswegs der Fall ist: Der Didachist legt nur Formulierungen von Eucharistiegebeten fest, und er erlässt Restriktionen gegen die Teilnahme Ungetaufter am Mahl. 287
MESSNER, Gottesdienst 428f., sowie THEOBALD, Leib 151f. VÖÖBUS, Traditions 123f. 289 Gegen NIEDERWIMMER, Did 141, der die Wendung auf ein zukünftiges Teilen der himmlischen Güter bezieht, wogegen jedoch das Präsens ἔστε spricht. Der Zusammenhang von Eucharistie („Brotbrechen“) und Gütergemeinschaft findet sich auch in Apg 2,42–46. 290 SCHWIEBERT, Knowledge 79. 291 Vgl. dazu den instruktiven Überblick bei THEOBALD, Leib 146–149, außerdem KOCH, Gebete 205–207. 288
8. Die Eucharistie (Did 9–10)
87
10,6 steht zunächst an derselben Stelle wie 9,5, nämlich direkt im Anschluss an das Eucharistiegebet. Allerdings sind in 10,6 – im Unterschied zu 9,5 – liturgische Formeln verarbeitet, worauf auch das zweimalige „Amen“ hinweist. Im Unterschied zu 9,5 redet der Leiter des Mahles die Teilnehmer in 10,6 direkt an.292 Auch ist hier im Unterschied zu 9,5 nicht von der Taufe die Rede.293 Manche Forscher finden in 10,6 Elemente einer „Eingangsliturgie“ zur Eucharistiefeier.294 Der Didachist, der ja keine Agende eines Gottesdienstes wiedergibt, hätte diese zusammen mit anderen liturgischen Formeln – einer Epiklese, einer Akklamation und einem Warnruf295 – im Anschluss an das Nachtischgebet296 platziert, um (parallel zu 9,5) die Restriktion der Teilnahme an der Eucharistie erneut einzuschärfen. Vielleicht handelt es sich bei 10,6 also um eine „künstliche“ Zusammenstellung liturgischer Formeln und Rufe,297 die aus unterschiedlichen Stellen des Gottesdienstes stammen, die bei den Adressaten jedoch die Geltung des heiligen Rechtes in Erinnerung rufen und damit die Bedeutung der voranstehenden Gebete unterstreichen, um die es dem Didachisten ja in erster Linie geht. Mit den „sakralen“ Formeln werden diese gegenüber den konkurrierenden Gebeten stark aufgewertet. Der Hauptgrund für die Nachstellung von 10,6 dürfte dann aber ebenfalls mit 11,1f. zusammenhängen. In der jetzigen Textfolge steht der Umkehrruf (μετανοείτω) und das diesen begründende, warnende maranatha am Ende,298 was die Bedeutung der zuvor vorgetragenen „Lehre“ unterstreicht. Vielleicht ist 10,6 aber auch zur Gänze eschatologisch und also strikt von der Parusie her zu deuten. So hat Paul Bradshaw zu bedenken gegeben, dass das ἐρχέσθω im Kontext einer kleinen Hausgemeinde nicht viel 292
KOCH, Gebete 207. Die Unterschiede zwischen 9,5 und 10,6 betont auch KOCH, Gebete 207. 294 So die klassische These von LIETZMANN, Messe 236f., der allerdings den ganzen Vers 10,6 als liturgischen Dialog aus einem Guss interpretiert, der ursprünglich hinter die Segnung der Elemente und vor die Kommunion gehörte. 295 Der Ruf ἐλθέτω χάρις könnte „die älteste erhaltene eucharistische Epiklese“ darstellen: „der sehnsuchtsvolle Schrei um das Kommen Christi, welches sowohl das eschatologische Kommen als auch dessen Antizipation beim Kultmahl umfasst“. Dem kommenden Herrn wird im Anschluss daran sogleich mit der ὡσαννά-Akklamation gehuldigt (MESSNER, Eucharistie 508). Das abschließende Maranatha ist wie in 1Kor 16,22 als Warnruf bzw. als Fluchformel aufzufassen (PETERSON, 1Kor 373 mit Anm. 553). 296 Vgl. LIETZMANN, Messe 237: „als Nachtrag zum Hauptformular“. In diese Richtung tendiert auch THEOBALD, Leib 149. 297 Wahrscheinlich war der Maranatha-Warnruf bereits zuvor mit der UmkehrForderung verbunden. Darauf könnte das „Amen“ in 10,6 hindeuten, das die ganze Sequenz abschließt. Dann ist das warnende Maranatha vielleicht überhaupt der Grund dafür, dass der Didachist die konditionierte Einladung samt dem Umkehrruf zitiert. 298 Vgl. MESSNER, Gottesdienst 426f. 293
II. Taufe und Eucharistie in der Didache
88
Sinn macht.299 Und Reinhard Meßner bemerkt dazu: „Jedenfalls handelt es sich beim ‚Kommenʻ um die Teilnahme am eschatologischen Heil, um den Eintritt in das Reich Gottes angesichts der Wiederkunft Christi. Da diese zwar nahe bevorsteht, ja im Mahl schon rituell antizipiert wird, aber in ihrer vollen Realität noch aussteht, steht am Ende der Mahlfeier die Ausrufung des eschatologischen Gottesrechts: Nur wer heilig ist, kann vor dem eschatologischen Richter bestehen“.300 Der Ruf ἐρχέσθω wäre demnach auf einer Linie mit den Bitten um die endzeitliche Synaxis der Ekklesia im Gottesreich zu sehen, die in der Mahlfeier antizipiert wird. Laut Michael Jonas301 hat der Redaktor der Didache in 10,6 verschiedene urchristliche Gebets- oder Liturgie-Partikel, die auf die Wiederkunft Christi bezogen sind, zu einer Art pasticcio zusammengefügt und durch ein abschließendes Amen an das vorige Gebet angebunden. Damit integriere der Redaktor Gebetsgut prophetischer Kreise. Dieses eschatologische Szenario bilde eine Art Conclusio der dreistrophigen Nachtischeucharistie. Auch Jonas deutet die Passage also ganz von der eschatologischen Thematik her, die in 10,5 ja bereits anklingt. Im Falle des Bußrufes werde allerdings die Imagination der endzeitlichen Szenerie verlassen, da noch Zeit zur Umkehr bleibe, solange der herbeigewünschte Herr nicht erscheint. Dietrich-Alex Koch302 schließlich deutet die rätselhafte Aufforderung „Wenn jemand heilig ist, komme er“, in engem Zusammenhang mit der abschließenden Konzession an die Propheten, Dankgebete zu sprechen, soviel sie wollen (εὐχαριστεῖν ὅσα θέλουσιν). Laut Koch bestand im Anschluss an das agendarische Schlussgebet die Möglichkeit für freie Dankgebete weiterer Mahlteilnehmer und zwar für jene, die „heilig sind. Im Unterschied zu den Propheten unterliegen sie aber den Vorgaben und Weisungen des Gemeindeleiters.
9. Fazit: Fasten, Taufe und Mahl in der Didache 9. Fazit
Mit Recht betont Jürgen Zangenberg das Anliegen der Didache, zwischen der eigenen Ekklesia und den nichtgetauften Juden eine klare Grenze zu ziehen: „Despite a wide common theological basis with Jewish circles, Didache seems very strict about enforcing a clear separation in tablefellowship and other rituals such as fasting.The adherence to the specifical299
BRADSHAW, Origins 37. Die Vorstellung einer „procession to receive communion“ sei anachronistisch. 300 MESSNER, Gottesdienst 427f. In dieselbe Richtung geht SCHWIEBERT, Knowledge 75f. 301 Zum Folgenden vgl. JONAS, Mikroliturgie 78–83. 302 Zum Folgenden vgl. KOCH, Gebete.
9. Fazit
89
ly Christian interpretation of the Jewish heritage seems to have made practical cohabitation with unbaptized non-believers (in their majority certainly Jews) increasingly problematic“. Zangenberg weiter: „I therefore find it likely that it was not the integration of Gentiles that created the problems, but the increasing integration of the christological confession into communal expressions of piety as a consequence of belonging to the group of baptized“.303 Offenbar sind es vor allem jüdische (in erster Linie doch wohl „judenchristliche“) Ankömmlinge, die der Didachist bei der Kompilation und Redaktion seiner Quellen im Visier hatte. Die Analyse des Textes hat gezeigt, dass der Didachist in den Kap. 1–10 jene „Lehre“ zusammenstellt, die der Gemeinde als Maßstab für die Gewährung von Gastfreundschaft und den Zugang zu den eucharistischen Mählern dienen soll. Dabei spannt Did 1–10 einen weiten Bogen von der Taufkatechese (Zweiwegelehre) über die Wassertaufe auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des Hl. Geistes, Fragen von Gebet und Fasten bis hin zur Eucharistie. Auch die hier festgelegten Eucharistiegebete sind Teil der zur Beurteilung der in die Gemeinde kommenden Fremden formulierten „Lehre“. Die grundlegende Maßnahme ist jedoch die Beschränkung der eucharistischen Mahlfeiern der Gemeinde auf Getaufte (9,5), flankiert ist dies von der Etablierung einer eigenen „christlichen“ Gebets- und Fastenpraxis. Vermutlich zum ersten Mal wird in der Didache also die Taufe als Zulassungsbedingung zur Eucharistie gefordert, wahrscheinlich eine gegenüber dem Aufruf zur μετάνοια in 10,6 sekundäre Entwicklung,304 die sich aber bald überall in der Christenheit durchsetzen wird. Während die Taufe zur Zulassungsbedingung für die eucharistischen Mähler erklärt wird, lässt sich eine eigene Taufeucharistie im Text der Didache nicht erkennen. Hier wird die Eucharistie nach wie vor als (abendliches) Symposion gefeiert, auch wenn Brot und Becher sowohl durch eigene Gebete (Did 9) als auch durch eine spezifische Terminologie (10,3: πνευματικὴ τροφὴ καὶ πότον) klar von den übrigen Speisen unterschieden und im Unterschied zu jenen mit der Vermittlung ewigen Lebens verbunden werden. Doch hat die Maßnahme von Did 9,5 nicht nur Konsequenzen für die eucharistischen Mähler der Ekklesia, sondern auch für die Wassertaufe. Denn indem diese zur notwendigen Bedingung für die Teilnahme an den Gemeindemählern erklärt wird, wird sie umgekehrt auf eben diese Teilnahme ausgerichtet. Wenn das eucharistische Mahl nur für Getaufte zugänglich ist, dann wird dieses zugleich zum Ziel der Taufe. Anders ausge303 304
ZANGENBERG, Milieu 65f. BORNKAMM, Anathema 126.
90
II. Taufe und Eucharistie in der Didache
drückt: Die Taufe eröffnet für die Neugetauften die eucharistische Mahlgemeinschaft. Vermutlich ist diese im Kontext der Abgrenzung der Didache-Gemeinde von einem noch stärker im Verband des Judentums stehenden „Judenchristentum“ formulierte Zulassungsbedingung zu den eucharistischen Mählern eine wichtige Voraussetzung zur Herausbildung der späteren „Taufeucharistie“ als Teil der Initiation. Der in der Didache bereits greifbare Bezug zwischen Taufe und Eucharistie ist zunächst – das hatte bereits Richard Reitzenstein gesehen – ein „ekklesiologischer“. In den Eucharistiegebeten wird für den „heiligen Weinstock deines Knechtes David“ gedankt und um die endzeitliche Sammlung der Ekklesia gebeten. Nichtjuden werden ohne Beschneidung Teil der endzeitlichen Heilsgemeinde, und durch ihre Teilnahme an der Eucharistiefeier erfült sich das Wort des Maleachi, wonach dem Herrn an jedem Ort und zu jeder Zeit ein reines Opfer darzubringen ist – und sein Name (damit) wunderbar ist unter den Heiden (Did 14,1–3). Durch die Taufe ist die Ekklesia instand gesetzt, reine Opfer darzubringen, da die Glaubenden – auch die Nichtjuden – zu ἅγιοι geworden sind. Die Darbringung der reinen Opfer ist an die „Reinheit“ aller Gemeindeglieder und also an ihre Taufe und die Bewahrung des in der Taufkatechese eingeübten „Lebensweges“ gebunden. Pointiert könnte man sagen, dass sich Taufe und Eucharistie gegenseitig bedingen, zumindest dürfte der Didachist dies so gesehen und seine Adressaten davon auch überzeugt haben. Bei der Feier der Eucharistie dankt die Ekklesia sozusagen für ihre eigene Existenz und empfängt gleichzeitig, da sie über Kelch und Brot dankt, pneumatische, Leben, Erkenntnis und Unsterblichkeit vermittelnde Speise und Trank. Denn das eigentliche Ziel des Lebensweges ist es, Teilhaber am Unsterblichen (4,8) zu werden. Dies vollzieht sich in der Eucharistie (10,2)! Der ὁδὸς τῆς ζωής ist demnach ein Weg, der über die Taufe hin zur Eucharistie führt, wo geistliche Speise und Trank genossen werden, die „zum ewigen Leben“ geschenkt wurden (10,3). Die trinitarische Grundstruktur der Taufformel ist auch in den Eucharistiegebeten sichtbar: diese richten ihren Dank an Gott, die Heilsgüter sind kundgemacht durch „Jesus, deinen Knecht“, empfangen wird geistige Speise und Trank, also Wein und Brot als Träger des Heiligen Geistes. Die ζωή, auf die der Lebensweg hinzielt und über die die Gemeinde „wachen“ soll (16,1), ist demnach die, für die in der Eucharistie der Ekklesia gedankt und die dort auch empfangen wird.
Kapitel III
Die Taufeucharistie bei Justin III. Die Taufeucharistie bei Justin
1. Die Taufeucharistie in der Apologie 1. Die Taufeucharistie in der Apologie
Justins Verteidigung („Apologie“) der Christen gegen die Vorwürfe der Gottlosigkeit, der Anthropophagie und des Inzests umfasst nicht nur eine Darlegung ihrer Glaubenslehren, sondern – zum ersten Mal – „les actes essentiels du culte“.1 Dies ist kein Zufall, denn gleich zu Beginn seiner Schilderung der Taufe betont Justin, dass seine Ausführungen ohne diese Darstellung der rituellen Vollzüge den Vorwurf der Unvollständigkeit auf sich ziehen könnten (vgl. Apol I 61,12). Justin geht es also nicht allein um das Überzeugungssystem der Christen, sondern er schildert auch, was mit jenen geschieht, die sich von diesen Lehren „überzeugen“3 lassen. Dabei hebt Justin an den rituellen Vollzügen (nur) das hervor, was seinem interpretativen Anliegen dient und will so die Wahrnehmung seiner implizierten Adressaten lenken. Dafür macht er sie nur auf einige wenige rituelle Elemente des sicherlich phänomenologisch viel reicheren Gottesdienstes aufmerksam, die er für sein Anliegen dienstbar machen kann, bzw. die sich besonders gut dafür eignen. Hinzu kommt, dass für ihn die Lebenswandel und die Lehrinhalte (καὶ βίος καὶ μαθήματα) entscheidender sind als die Mitteilung liturgischer Details.4 1.1 Justins Taufeucharistie in der Diskussion Überschaut man die Kap. 61–67 der sog. ersten Apologie, so fällt zunächst ein besonderer Umstand der Darstellung Justins ins Auge, der einer Erklärung bedarf: Justin kommt im Kontext der genannten Passage zweimal auf 1
SAXER, Rites 57. Im Folgenden werden sowohl die Apologien als auch der Dialog nach den Textausgaben von MARCOVICH zitiert, konsultiert wurden außerdem MUNIER, Apologie, sowie MINNS/PARVIS, Justin. Letztere streichen allerdings die genannte Passage in 61,1 (Begründung ebd. 237 Anm. 4). 3 Vgl. das wichtige Stichwort πείθομαι in Apol I 61,3 und 65,1, das man auch mit „gehorchen“ oder „Vertrauen schenken“ übersetzen kann. 4 So die programmatische Formulierung in Apol I 3,4, und dazu SALZMANN, Lehre 234f. 2
92
III. Die Taufeucharistie bei Justin
die Eucharistie zu sprechen: Zunächst beschreibt er die Eucharistie im Anschluss an die Wassertaufe (Apol I 65,1: μετὰ τὸ οὕτως λοῦσαι); deutlich davon unterschieden handelt er dann von der Sonntagseucharistie (Apol I 67,3: τῇ τοῦ Ἡλίου λεγομένῃ ἡμέρᾳ). Letztere wird erst im Kontext des auf die Taufe folgenden Gemeindelebens – und auch gar nicht an erster Stelle – thematisiert. Getrennt sind die Schilderungen der beiden Eucharistien durch eine Art Exkurs (= Apol I 66) über die eucharistische Speise (66,1: καὶ ἡ τροφὴ αὕτη καλεῖται παρ’ ἡμῖν εὐχαριστία...). Zwar sind auch die Darstellungen der Wassertaufe (Kap. 61) und der Taufeucharistie (Kap. 65) durch einen längeren Exkurs über die Nachäffung des Taufbades durch die Dämonen, aber auch über die „Verblendung“ der Juden, die nicht erkannten „was Vater und was Sohn“ seien, sowie Bemerkungen zu den heidnischen Kore- und Athene-Mythen getrennt.5 Doch schließt Justin in 65,1 wieder an Kap. 61 an.6 Allerdings scheinen die inhaltlichen Unterschiede zwischen beiden Feiern marginal zu sein (s.u.), so dass sich die Frage stellt, ob Justin eventuell dieselbe Feier zweimal schildert. Was sich daraus für die Rekonstruktion der frühchristlichen Initiation im Falle Justins ergibt und ob Justin tatsächlich „das früheste Zeugnis für die Taufeucharistie“ bietet,7 ist v.a. in jüngerer Zeit wieder lebhaft umstritten. Michael Theobald charakterisiert die Kap. 65–67 als „Triptychon (…) zur christlichen Mahlpraxis, das den Höhepunkt der ersten Apologie darstellt“. Dessen Schlussstück bilde die Schilderung des Sonntagsgottesdienstes in Kap 67, während Kap. 65 „den Ablauf der Eucharistie nach Empfang der Taufe (Initiationsgottesdienst oder ‚Taufeucharistieʻ)“ schildere, woraufhin das zentrale Kap. 66 erläutere, was die Eucharistie auszeichne.8 Insbesondere die Passage 67,1f. spricht laut Theobald dafür, dass Justin zuvor, in Kap. 65, eine eigene Taufeucharistie schildert: Mit der zeitlichen Zäsur μετὰ ταῦτα + λοιπόν („danach schließlich“) leite Justin vom Taufgottesdienst am Beginn eines jeden Christenlebens zur regelmäßigen sonntäglichen Eucharistiefeier über.9 Hinzu komme der Rückverweis auf die Fürbitte in 67,5: Laut Theobald dürfte die dort beschriebene Eucharistiefeier im Anschluss an die Taufe erst mit dem Fürbittgebet, auf das der Bruderkuss 5 Allerdings betont STORY, Justin’s Apology, mit Recht, dass es sich bei Apol I 62–64 keineswegs um eine digressio handelt. 6 Vgl. 61,13: ὁ φωτιζόμενος λούεται, mit 65,1: ἡμεῖς δὲ μετὰ τὸ οὕτως λοῦσαι τὸν πεπεισμένον... ἄγομεν... 7 So MESSNER, Gottesdienst 401. 8 THEOBALD, Eucharistie als Quelle 229f. 9 THEOBALD, Eucharistie als Quelle 232, gegen LÖHR, Studien 428, laut dem sich die zeitliche Bestimmung μετὰ ταῦτα auf die Beschreibung des Gottesdienstes in Kap. 65 bezieht und „auf einen gottesdienstlichen Akt nach der Austeilung des Mahles“ weist.
1. Die Taufeucharistie in der Apologie
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folgte, eingesetzt haben; der Rückverweis markiere dann „genau die Stelle, von der an beide Eucharistietypen (die Taufeucharistie und die Sonntagseucharistie) parallel verliefen“.10 Von der Sonntagseucharistie ist die Taufeucharistie laut Theobald auch dadurch unterschieden, dass letztere weder einen Wortgottesdienst noch eine Kollekte enthalten habe, sondern nach Eintreffen der Neugetauften direkt mit dem Fürbittgebet begann. Demgegenüber bestreitet Hermut Löhr grundsätzlich, dass Justin eine eigene, von der Sonntagseucharistie zu unterscheidende Taufeucharistie bezeugt. Laut Löhr schildert Justin in den Kap. 65 und 67 „zweimal denselben Gottesdienst“ und zwar „beim ersten Mal unter Konzentration auf die Mahlfeier, beim zweiten Mahl den gewöhnlichen Gottesdienstablauf in größerer Vollständigkeit“.11 Die doppelte Schilderung der Eucharistie erklärt Löhr folgendermaßen: Die erste Schilderung setze deswegen erst nach der Verlesung und der Ansprache des Vorstehers ein und sei somit auf den „eucharistischen“ Teil des Gottesdienstes konzentriert, da Justin nach der Taufe „zunächst die Mahlfeier darstellen“ wolle, um sie gegen heidnische Riten abzugrenzen und „vielleicht um die von außen geheimnisvollsten Riten der Christen zu erklären“. In Kap. 67 biete er dann „abschließend noch eine Gesamtübersicht über den Gottesdienst“.12 Ein eigener Taufgottesdienst sei also nicht im Blick. Dass in Kap. 65 „dieselbe gottesdienstliche Versammlung“ wie in Kap. 67 gemeint sei,13 geht für Löhr nicht zuletzt aus der Bemerkung ὡς προέφημεν in 67,5 hervor. In einem jüngeren Beitrag14 präzisiert (und modifiziert) Löhr seine Position: Justin schildere in Kap. 65 „den Zutritt des Täuflings und der Paten zu einer schon konstituierten gottesdienstlichen Versammlung“, nicht deren „Zusammentritt nach dem Taufakt an einem anderen Ort“. Gegen die Annahme einer Taufeucharistie spricht für Löhr nun auch die Tatsache, dass Taufe und Gottesdienst laut 65,1 an zwei verschiedenen Orten stattfinden,15 was allerdings genau genommen auch für die meisten nachkonstantinischen Taufgottesdienste, sowie die Petrus- und Paulusakten, die Pseudoclementinen und streng genommen sogar für die TA gilt. Nach wie vor hält Löhr aber daran fest, dass Justins Apologie als frühes Zeugnis für eine spezielle Taufeucharistie ausfalle. In dieselbe Richtung hatte bereits J.C. Salzmann argumentiert: Justin schildere zwar dieselbe Eucharistiefeier, doch finde diese eben in ver10
THEOBALD, Eucharistie als Quelle 234. Vgl. dazu insgesamt LÖHR, Studien 427–435, das Zitat ebd. 430. 12 LÖHR, Studien 431. 13 LÖHR, Studien 430f. 14 LÖHR, Abendmahl 15f. Anm. 40. 15 LÖHR, Abendmahl 15 Anm. 40. 11
III. Die Taufeucharistie bei Justin
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schiedenem Rahmen statt. Er thematisiere sie zweimal, da er mit der wiederholten Einzeldarstellung aufs Deutlichste die Harmlosigkeit der Eucharistie erweisen wolle.16 Noch einen Schritt weiter geht Clemens Leonhard in einem bislang unveröffentlichten Beitrag „Justin and the Initiation Meal“. Die Tatsache, dass Neugetaufte möglichst bald im Anschluss an ihre Wassertaufe an der Eucharistie teilnahmen, beweist für Leonhard gerade nicht, dass die Eucharistie als Teil der Initiation angesehen wurde: „The mere sequence of the rituals does not necessarily imply that the Eucharist was considered to be part of Christian initiation“.17 Die Entwicklung der Eucharistie als Teil der Initiation sei eine „Innovation“ des 3. bzw. 4. Jhs.18 Leonhard unterscheidet grundsätzlich „the celebration of the Eucharist as a meal“ von „rites of consumption“, also von Riten der Konsekration und der Konsumption von „consecrated food“.19 Letztere findet er insbesondere in den Eucharistien der apokryphen Apostelakten, v.a. der Thomasakten, belegt, die keine Symposia, sondern relativ zügige Konsekrationsakte von Brot und Wasser (bzw. Wein) darstellten: „the desire to offer consecrated food to the neophytes may be the reason for the combination of baptism and Eucharist in these cases“. Leonhard weist auch auf Justins „Definition“ des Christen in 61,2f. hin: „Justin does not mention the first participation in the Eucharist as part of the definition of a Christian“, obwohl die Neugetauften in der Regel offenbar direkt im Anschluss an der Eucharistie teilnehmen (64). Dies ist zweifellos richtig, allerdings geht es Justin hier weniger um eine „Definition“ des Christenmenschen, sondern um die Zulassungsbedingungen zur Eucharistie. Leonhards Fazit lautet: „Christian initiation was broadly understood as prerequisite for the participation in the celebration of the Eucharist as long as Christian congregations operated more or less like Roman voluntary associations. The Eucharist was not universally understood to be part or the culmination of initiation. Baptism was the prerequisite for the participation in the Eucharist“ (65). Die Diskussion hat gezeigt, dass im Falle des Justin die Annahme eines regelrechten „Taufgottesdienstes“ im Kontext einer mehrstufigen Initiation 16
SALZMANN, Lehre 238. LEONHARD, Justin 4, vgl. 23: „Baptism and Eucharist are indispensable for the life of the Christian and there is no reason to delay the celebration of the latter. Yet they do not belong to the same ritual.“ 18 So auch LEONHARD, Justin 65f. 19 Vgl. auch LEONHARD, Justin 45: „the distinction between meals and the mere consumption of consecrated bread“. 17
1. Die Taufeucharistie in der Apologie
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problematisch ist.20 Andererseits können jene Autoren, die die Annahme einer eigens anlässlich der Taufe anberaumten Eucharistiefeier bestreiten, letztlich nicht befriedigend erklären, warum Justin in Apol I 65–67 zweimal auf die Eucharistie zu sprechen kommt. Im Folgenden gehen wir daher im Anschluss an die skizzierte Diskussion die entscheidenden Passagen der ersten Apologie nochmals durch. 1.2 Das Taufbad als Weihe an Gott Mit Kap. 61 geht die Schilderung der Glaubenslehren über in eine an den Personen (den Täuflingen) orientierte Darstellung der Initiationsriten. Justin spricht – wohl im Hinblick auf seine Adressaten – nicht von βάπτισμα bzw. βαπτίζειν, sondern im Hinblick auf die Wassertaufe in den Kap. 61–66 von λυτρόν bzw. λούειν.21 Den ganzen Initiationsvorgang bezeichnet er als ἀνατίθησθαι ἑαυτοὺς τῷ θεῷ. Diese Wendung gebraucht Justin – im Unterschied zur spezifischen christlichen Taufterminologie (s.u.) – bereits dreimal zuvor in der Apologie.22 In den Kap. 61 und 65 beschreibt er dann einerseits den rituellen Vollzug dieser „Weihe an Gott“ (ὃν τρόπον), andererseits spielt er (erst) jetzt zur inhaltlichen Erläuterung der Wendung spezifisch christliche Taufterminologie ein: καινοποιεῖσθαι διὰ τοῦ Χριστοῦ (61,1), ἀναγέννησις κτλ. (61,3–5.10; 66,1), φωτισμός κτλ. (61,12f.; 65,1). Diese Begriffe tauchen ausschließlich in den Kap. 61ff. auf, auch von Sünden und Sündenvergebung spricht Justin fast nur in diesem Zusammenhang.23 Die Schilderung (ἐξηγεῖσθαι) der Taufe konzipiert Justin somit als die Erläuterung der Art und Weise (ὃν τρόπον), wie die Christen diese „Weihe an Gott“ rituell vollziehen. Dabei schildert Justin den exemplarischen Fall eines oder mehrerer heidnischer Konvertiten,24 und er betont gleich zu Beginn, dass dies für alle Christen (ihn selbst eingeschlossen) gilt.
20
So aber noch meine eigene Interpretation, vgl. WEIDEMANN, Taufe 1485–1491. Außerhalb der Kap. 61–66 noch in 44,3–5 (Zitat von Jes 1,16). 22 So – neben 61,1 – noch in 14,2 (ἀγαθῷ καὶ ἀγεννήτῳ θεῷ ἑαυτοὺς ἀνατεθεικότες), 25,2 (θεῷ δὲ τῷ ἀγεννήτῳ καὶ ἀπαθεῖ ἑαυτοὺς ἀνεθήκαμεν) und 49,5 (τῷ ἀγεννήτῳ θεῷ διὰ τοῦ Χριστοῦ ἑαυτοὺς ἀνέθηκαν). Den Terminus ἀνατιθέναι benutzt Justin darüberhinaus in 9,6 und 55,7 für das Aufstellen von Weihegeschenken in Tempeln (dazu STANDHARTINGER, Mahl 294 Anm. 60). 23 ἁμαρτάνειν (neben 61,6.10 nur noch in 4,6), ἁμαρτία (61,6.10; 66,1), vgl. auch προαμαρτάνειν (61,2.10). Von einer ἄφεσις (ἁμαρτιῶν) redet Justin in 61,2.10; 66,1. ἁμαρτωλός dagegen erscheint in 15,5.8 (= Zitat von Lk 5,32); 24,1. 24 Die Schilderung der Taufe im Plural könnte auf den Brauch von gemeinschaftlichem Katechumenat und Gemeinschaftstaufen hindeuten, doch wechselt Justin mit Beginn der Taufeucharistie in den Singular. 21
III. Die Taufeucharistie bei Justin
96
1.3 Das Tauffasten (Apol I 61,2) Justin stellt seiner Darstellung der Wassertaufe einige knappe Bemerkungen zur präbaptismalen Katechese und zum präbaptismalen Fasten voran: Apol I 61,2 2
a b c d
e
Diejenigen, die überzeugt werden (ὅσοι ἂν πεισθῶσι) und die glauben (καὶ πιστεύωσι), dass wahr ist, was von uns gelehrt und gesagt wird, und die versichern (καὶ... ὑπισχνῶνται), ihr Leben so führen zu können, diese werden gelehrt, sowohl zu beten (εὔχεσθαί τε) als auch als Fastende bei Gott zu erflehen (καὶ αἰτεῖν νηστεύοντες παρὰ τῷ θεῷ) die Vergebung zuvor begangener Sünden (τῶν προημαρτημένων ἄφεσιν); während wir mitbeten (ἡμῶν συνευχομένων) und mitfasten für sie (καὶ συννηστευόντων αὐτοῖς).
Voraussetzung bzw. Anstoß, die christliche Taufe zu empfangen, ist (1.) das „Überzeugtsein“ und der „Glauben“, dass das von den Christen Gelehrte und Gesagte wahr ist und (2.) die Selbstverpflichtung, die Lebensführung (βιοῦν) danach auszurichten. Die „Lehre“ wie die Lebenspraxis der Christen hatte Justin ja in den vorangehenden langen Kapiteln der Apologie geschildert, so dass er es nun bei einem knappen Hinweis darauf bewenden lassen kann. Zugleich signalisiert Justin seinen Lesern damit, dass die literarische Anordnung der ersten Apologie faktisch dem Katechumenat für die Taufbewerber entspricht, indem zunächst ausgebreitet wird, was die Christen lehren, und im Anschluss daran geschildert wird, was mit jenen geschieht, die sich davon überzeugen lassen. Justin macht leider keine Angaben darüber, wie lange diese Phase des Tauffastens und des Gebets dauert, man wird aber davon ausgehen können, dass es sich um eine relativ kurze, intensive Phase vor der Taufe handelt. Mit νησετεύειν ist hier aller Wahrscheinlichkeit nach ein präbaptismales Vollfasten, nicht nur die Abstinenz von bestimmten Lebensmitteln gemeint. Das Tauffasten steht hier eindeutig im Kontext der Bitte um Vergebung für die vor der Bekehrung begangenen Sünden, wird also zunächst als individuelles Bußfasten präsentiert. Allerdings betont Justin sogleich, dass die Katechumenen weder beim Gebet noch beim Fasten alleine sind, sondern dass „wir“, nämlich eine bestimmte Anzahl Gemeindeglieder (s.u.) mitbeten und mitfasten (ἡμῶν συνευχομένων καὶ συννηστευόντων αὐτοῖς). Zwar ist im Unterschied zur Didache nicht ausdrücklich von einem Fasten des Täufers die Rede (Did 7,4), Justin erwähnt aber eine ganze Gruppe bereits
1. Die Taufeucharistie in der Apologie
97
Getaufter, die die Täuflinge kurz vor ihrer Taufe beim Fasten und beim Gebet begleitet. Wer aber ist diese Gruppe? Aus 61,3 und 65,1 wird deutlich, dass es sich dabei nicht um die ganze Gemeinde handeln kann, denn „wir“ führen den Täuflinge zunächst dorthin, wo Wasser ist (61,3: ἔνθα ὕδωρ ἐστί). Nach der Taufe führen „wir“ den Neugetauften dann dorthin, wo „die bei uns sogenannten Brüder (und Schwestern25)“ versammelt sind (65,1: ἔνθα συνηγμένοι εἰσί). Justin bezeugt also, dass die Täuflinge von einer Teilgruppe aus der Gemeinde beim Fasten und Gebet begleitet werden, diese Gruppe führt die Täuflinge dann zum Taufort und vollzieht ihre Wassertaufe und abschließend brechen alle gemeinsam ihr Fasten bei der Taufeucharistie mit der restlichen Gemeinde. 1.4 Die Wassertaufe (Apol I 61,3) Die Täuflinge werden also zu einem Ort geführt „wo Wasser ist“ (ἔνθα ὕδωρ ἐστί), wobei offenbleibt, ob damit ein Fluss oder z.B. ein Baptisterium gemeint ist. Von dem Ritual selbst erfahren wir also eigentlich nur, dass die Katechumenen an diesem Ort ein „Bad“ (λουτρόν) nehmen, während über sie die trinitarische Taufformel ausgerufen wird.26 An dieser Stelle wechselt Justin die Terminologie und spricht betont (dreimal!) von der ἀναγέννησις, die sich in der Wassertaufe vollzieht, und zwar an den Neugetauften exakt so wie an allen Christen, die Gruppe aus der Gemeinde, die die Täuflinge begleitet hat, eingeschlossen (καὶ ἡμεῖς αὐτοί). Begründet (γάρ) wird diese Aussage von der Neugeburt der Christen in der Taufe damit, dass die Täuflinge „im Namen Gottes, des Allvaters und Herrschers, und unseres Retters Jesus Christus und des heiligen Geistes in dem Wasser ein Bad nehmen“.27 Mit dem anschließenden Jes-Zitat (61,6–8) stellt Justin eine Verbindung zwischen dem Thema „Waschung“ und „Sündenvergebung“ her. Dabei wird auch das Missverständnis ausgeschlossen, es gehe beim „Bad“ der Christen nur um äußerliche Waschung. Die durch die Waschung erreichte 25 Anders als das deutsche Wort „Brüder“ umfasst ἀδελφοί zweifellos Männer und Frauen, die Übersetzung mit „Brüder“ ist daher philologisch falsch. 26 Mit FERGUSON, Baptism 238f., ist davon auszugehen, dass die trinitarische Taufformel bei der Taufe über den Täuflingen ausgerufen wird, auch wenn die undeutliche Formulierung des Justin nicht ausschließt, dass die Kandidaten sie selbst aussprechen. 27 Apol I 61,3. λουτρὸν ποιοῦνται ist Medium (i.S.v. „sich waschen“), vgl. dazu ALLERT, Revelation 244: „It could mean that the candidate goes under the water unassisted while the 3-fold formula is pronounced over him. But, more probable is the idea that the rite cannot be possible without the complete volition of the participant“. Laut Allert gibt es eine Reihe von Hinweisen in Apol I 61, „that indicate a volitional repentance before the actual rite of baptism is performed“. MINNS/PARVIS, Justin 239 Anm. 2, interpretieren das Medium folgendermaßen: „Here, as at the end of the chapter, Justin says that baptism is something the candidate does rather than undergoes“.
III. Die Taufeucharistie bei Justin
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Reinheit erstreckt sich gerade auf die Seelen derer, die sich ihr unterziehen.28 Das Jes-Zitat ist für den Argumentationsgang aber auch deshalb wichtig, weil das Thema der „guten Werke“ eingespielt wird: μάθετε καλὸν ποιεῖν (61,7). In der anschließenden, „von den Aposteln gelernten“ Erklärung (61,9) führt Justin dann die beiden Linien der Wiedergeburt und der Sündenvergebung zusammen. Auffällig ist die starke Betonung des kognitiven Effekts der Taufe: Während „wir“ bei der ersten Geburt „Unwissende“ (ἀγνοοῦντες) und „Kinder der Unwissenheit“ (τέκνα ἀγνοίας) waren, werden „wir“ durch die „Wiedergeburt“ zu „Kindern der Erwählung29 und der Einsicht“ (τέκνα ... προαιρέσεως καὶ ἐπιστήμης); das Taufbad wird laut Justin deshalb „Erleuchtung“ genannt, „weil es den Verstand derer erleuchtet, die dieses erfahren/erlernen“.30 1.5 Der „Exkurs“ über die Erleuchtung (Apol I 62–64) Bevor Justin in seiner Schilderung fortfährt, schiebt er einen längeren „Exkurs“ ein, der jedoch mit dem in Kap. 61 Gesagten in engem Zusammenhang steht. Genauer: Die Ausführungen von Apol I 62–64 schließen an das Stichwort φωτισμός bzw. die Rede vom φωτίζειν τὴν διανοίαν an. Im Zusammenhang des Taufkapitels hatte Justin die auch zuvor dreimal gebrauchte Formulierung „sich selbst Gott weihen“ schrittweise mit „christlicher“ Terminologie gefüllt: Neumachung – Wiedergeburt – Sündenvergebung – Erleuchtung. Vom Taufbad als φωτισμός des Verstandes sprach er dabei nicht zufällig am Ende (und damit als Höhepunkt): Was er damit konkret meint, entfaltet Justin in den folgenden Kapiteln. Die Ausführungen sind „eingerahmt“ von Verweisen auf die Nachäffung christlicher Riten durch die hinter den heidnischen Kulten und Mythologien stehenden Dämonen: Diese äffen die Taufbäder der Christen nach (62,1). Für Justin ist außerdem die Aufstellung von Korebildnissen an Wasserquellen sowie die Vorstellung, Athene sei aus einem Gedanken des Zeus entstanden, eine Parodie auf Gen 1,1f. (Kap. 64). Den eigentlichen Kern seiner Ausführungen stellt jedoch die Unwissenheit der Juden über Vater und Sohn dar. Nach einer kurzen Schilderung des Brauchs, sich beim Betreten des Heiligtums die Schuhe auszuziehen, womit er von den heidnischen Dämonen zu Mose überleitet, legt Justin dar, dass aus dem brennenden Dorn28
Apol I 61,7 (= Jes 1,16): λούσασθε, καθαροὶ γίνεσθε, ἀφέλετε τὰς πονηρίας ἀπὸ τῶν ψυχῶν ὑμῶν. 29 MESSNER, Gottesdienst 401, sieht προαίρησις als Gegenbegriff zu ἀνάγκη und übersetzt „freie Wahl“. 30 Apol I 61,12: καλεῖται δὲ τοῦτο τὸ λουτρὸν φωτισμός, ὡς φωτιζομένων τὴν διάνοιαν τῶν ταῦτα μανθανόντων.
1. Die Taufeucharistie in der Apologie
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busch „unser Christus“ (ὁ ἡμέτερος Χριστός) zu Mose gesprochen (Ex 3,5), ihm den Exodus aus Ägypten durchzuführen befohlen und ihn dafür mit großer Kraft (δύναμις) ausgerüstet habe. Die Tatsache, dass Justin gerade im Zusammenhang des Taufgottesdienstes mehrfach auf den Exodus rekurriert,31 könnte ein Hinweis darauf sein, dass die Taufen in der christlichen Paschanacht stattfanden.
Die christologische Deutung der Dornbusch-Szene und des Exodus ist dann der Hintergrund, vor dem die „Unkenntnis“ der Juden pointiert beschrieben wird, die auch heute noch lehrten (63,1: Ἰουδαῖοι δὲ πάντες καὶ νῦν διδάσκουσι...), dass zu Mose der namenlose Gott (d.h. der Vater) gesprochen habe.32 Der entscheidende Vorwurf Justins an die Juden ist dementsprechend, „dass sie nicht erkannten, was Vater und was Sohn ist“ (63,3: οὐκ ἔγνωσαν Ἰουδαῖοι τί πατὴρ καὶ τί υἱός)33 und in der Folge dessen zu solchen wurden, „die den Sohn als Vater behaupten“ (οἱ γὰρ τὸν υἱὸν πατέρα φάσκοντες). „Basic failure“ des erwählten Volkes ist also „a noetic failure“,34 was sich an der Verwechslung von Vater und Sohn zeigt. Die Kap. 62–64 enthalten somit Justins tiefergehende Erklärung der Wassertaufe unter Ausrufung der trinitarischen Formel. Die eigentliche „Erleuchtung des Verstandes“ bei der Taufe erfolgt durch die – an der trinitarischen Taufformel festgemachten – Erkenntnis, dass es Vater und Sohn und prophetischen Geist gibt und dass in den Heiligen Schriften Sohn und Geist gesprochen haben. Indem Justin an diesem Punkt der Argumentation alttestamentliche Texte einspielt, will er beweisen, dass die Taufe auf Vater, Sohn und Geist keineswegs eine christliche Erfindung ist, sondern aus der ἀποκάλυψις des Sohnes bereits gegenüber Moses herrührt.35
31
So mehrfach in Apol I 62+63. Laut MINNS/PARVIS, Justin 245 Anm. 5, ist an dieser Stelle offensichtlich Material aus einer anderen Quelle – aber vermutlich von Justin selbst – eingefügt worden. 33 Das Leiden Jesu bei der Kreuzigung wurde ihm von den Dämonen (= den Römern?) auferlegt, aber angeordnet von den „unverständigen Juden“ (διατεθῆναι ὑπὸ τῶν ἀνοήτων Ἰουδαίων), auch hier betont Justin das kognitive Defizit der Juden. 34 STORY, Justin’s Apology 177. 35 Schlüsseltext ist Mt 11,27, ihn zitiert Justin gleich zweimal (63,3 und 61,10). Das ἀποκαλύπτειν von Vater und Sohn (bzw. des Sohnes?) durch den Sohn, von dem Mt 11,27 spricht, erfolgt für Justin in der Dornbuschszene, in der der „Sohn Gottes, der auch sein Bote und Gesandter heißt“, zu Moses sprach. Dreimal [!] zitiert Justin in Apol I 63 (mit kleinen Variationen und z.T. ergänzt durch Ex 3,2 und 3,10) eine Zitatkombination aus Ex 3,14 (ἐγώ εἰμι ὁ ὤν) und 3,6 (θεὸς Ἀβραάμ, θεὸς Ἰσαάκ, θεὸς Ἰακώβ, ὁ θεὸς τῶν πατέρων σου) (63,7.11.17). 32
III. Die Taufeucharistie bei Justin
100
1.6 Die Taufeucharistie (Apol I 65) Im Anschluss an die Taufe wird der Neophyt von „uns“ zu „den von uns sogenannten Brüdern und Schwestern (ἀδελφοί)“ geführt, „dorthin, wo sie versammelt sind“ (συνηγμένοι). Diese eingangs gemachte Bemerkung ist wichtig, da sie zeigt, dass die nun geschilderte Taufeucharistie keineswegs nur von den an der Taufe beteiligten Gemeindegliedern, sondern von der ganzen Gemeinde gefeiert wird. Dies zeigt auch der geschilderte Ortswechsel vom Taufort zum Ort der Eucharistiefeier, der also gerade nicht gegen die These einer gesonderten Taufeucharistie spricht,36 sondern vielmehr dokumentiert, dass diese Taufeucharistie Sache der ganzen Gemeinde ist. Der Vergleich mit den Thomasakten belegt dies eindrücklich. Apol I 65,1–5 1
a b c d e f
g h i
j 2
a b a
3
36
Wir aber (ἡμεῖς δὲ), nach dem so (vollzogenen) Waschen (μετὰ τὸ οὕτως λοῦσαι)37, führen denjenigen, der überzeugt wurde und sich uns angeschlossen hat, zu den sogenannten Brüdern, dorthin, wo sie versammelt sind (ἔνθα συνηγμένοι εἰσί). Und,38 nachdem wir kräftig gemeinsame Gebete verrichtet haben (κοινὰς εὐχὰς ποιησάμενοι... εὐτόνως) sowohl für uns selbst als auch für den Erleuchteten (καὶ τοῦ φωτισθέντος) als auch für alle anderen an allen Οrten, dass (ὅπως) wir gewürdigt werden, – wir, die wir die Wahrheit gelernt haben – als sowohl (καὶ) durch Werke gute Staatsbürger (ἀγαθοὶ πολιτευταὶ) als auch als Bewahrer dessen, was geboten wurde (καὶ φύλακες τῶν ἐντεταλμένων), gefunden zu werden (εὑρεθῆναι), dass (ὅπως) wir zur ewigen Rettung gerettet würden (τὴν αἰώνιον σωτηρίαν σωθῶμεν), begrüßen wir einander mit einem Kuss, nachdem wir die Gebete beendet haben. Danach wird dem Vorsteher der Brüder und Schwestern (τῷ προεστῶτι τῶν ἀδελφῶν) Brot und ein Becher mit Wasser und einer Mischung (ἄρτος καὶ ποτήριον ὕδατος καὶ κράματος)39 [bzw. Brot und ein mit Wasser gemischter Becher (ἄρτος καὶ ποτήριον ὕδατι κεκραμένον)]40 (dar)gebracht (προσφέρεται),
Dafür wertet LÖHR, Abendmahl 15 Anm. 40, diese Passage ausschließlich aus. MINNS/PARVIS, Justin 253 Anm. 3 38 So MINNS/PARVIS, Justin 252f mit Anm. 4: καί bezieht sich auf den Hauptsatz 65,2a. Anders MUNIER 302. 37
1. Die Taufeucharistie in der Apologie b c d e f g a a
4 5
b c
d
101
und dieser nimmt (sie), sendet Lob und Ehre dem Vater aller Dinge durch den Namen des Sohnes und des heiligen Geistes empor und vollzieht eine lange Eucharistie (εὐχαριστίαν... ἐπὶ πολὺ ποιεῖται) dafür, dass er dieser Dinge gewürdigt ist. Und wenn er die Gebete und die Eucharistie beendet hat (καὶ οὗ συντελέσαντος τὰς εὐχὰς καὶ τὴν εὐχαριστίαν), akklamiert das ganze anwesende Volk (πᾶς ὁ λαὸς ἐπευφημεῖ),41 indem es „Amen“ sagt. – „Amen“ aber bedeutet in der hebräischen Sprache „So sei es“. – Wenn aber der Vorsteher die Eucharistie gesprochen (εὐχαριστήσαντος δὲ τοῦ προεστῶτος) und das ganze Volk akklamiert hat (καὶ ἐπευφημήσαντος παντὸς τοῦ λαοῦ), geben die bei uns sogenannten Diakone jedem der Anwesenden teilzuhaben (διδόασιν... μεταλαβεῖν) von dem „eucharisierten“ Brot und Wein und Wasser (ἀπὸ τοῦ εὐχαριστηθέντος ἄρτου καὶ οἴνου καὶ ὕδατος); und für diejenigen, die nicht anwesend sind, tragen sie (davon) fort (ἀποφέρουσι).
An das Eintreffen des Neugetauften schließen sich gemeinsame Gebete der versammelten Gemeinde (κοινὰς εὐχὰς ποιησόμενοι) an und zwar „für uns selbst und für den Erleuchteten und für alle überall (ὑπέρ τε ἑαυτῶν καὶ τοῦ φωτισθέντος καὶ ἄλλων πανταχοῦ πάντων)“ (65,1).42 Die Formulierung zeigt zunächst, dass die Präsenz der Neugetauften Konsequenzen für die Formulierung der Gebete hat und dass keineswegs die Neugetauften einfach an einer „normalen“ Eucharistiefeier teilnehmen. Daraus wird man schließen können, dass sich die „sogenannten Brüder und Schwestern“ eben anlässlich der Taufe an einem bestimmten Ort versammelt haben, und dass die (Teil-)Gruppe um die Täuflinge („wir“) zu dieser Versammlung hinzukommt. Andererseits ist klar, dass die Taufeucharistie eine „richtige“ Eucharistiefeier unter Beteiligung der ganzen Gemeinde ist, obwohl man im Anschluss an die Taufe natürlich auch im kleineren Kreise der mit „wir“ bezeichneten Teilgruppe hätte Eucharistie feiern können, zumal „wir“ ja mit den Täuflingen mitgebetet und mitgefastet hatten. Davon kann aber 39
So MUNIER 304. So die Konjektur von καὶ κράματος in κεκραμένον bei MINNS/PARVIS, Justin 252f. Die ausführliche Begründung ebd. Anm. 7. 41 Zum akklamatorischen Charakter des „Amen“ bei der Taufeucharistie vgl. PETERSON, Heis Theos 179f. mit Anm. 2 und 191 Anm. 1. Zum Terminus εὐφημέω vgl. CHANIOTIS, Acclamations 213, der ihn mit „the use of pious language in ritual contexts“ umschreibt. Er umfasst laut Chaniotis „ritual cries and spontaneous acclamations“. 42 Zu diesem Text und seinen Bezügen zu Apol I 14,2f. vgl. auch THEOBALD, Eucharistie als Quelle 250–252. 40
102
III. Die Taufeucharistie bei Justin
keine Rede sein: Wie die Sonntagseucharistie ist die Taufeucharistie Sache der ganzen Gemeinde. Dass im Unterschied zur Sonntagseucharistie der Tag dabei nicht genannt wird, dürfte darauf hindeuten, dass diese besondere Eucharistie eben vom Tauftermin und nicht von einem bestimmten Wochen- oder Festtag abhing. Ob Justin bereits bevorzugte Tauftermine andeutet, ist kaum noch zu ermitteln.43
Was die zusammengekommenen Brüder und Schwestern vor dem Eintreffen der Neugetauften und ihrer Begleiter tun, wird nicht gesagt, Justin richtet den Fokus ganz auf die Neophyten und ihre mitfastenden Begleiter. Auch wenn es letztlich nicht ausgeschlossen werden kann, so gibt es doch keinen Hinweis darauf, dass dem Fürbittgebet ein Wortgottesdienst analog zu dem in Kap. 67 geschilderten voranging.44 Es wäre vermutlich auch fahrlässig, den römischen Behörden einen solchen Wortgottesdienst zu verschweigen.45 Da im Unterschied zur Sonntagseucharistie im Falle der Taufeucharistie keine Kollekte erwähnt wird,46 wird man davon ausgehen, dass die Taufeucharistiefeier erst mit Eintreffen der Neugetauften und ihrer Begleiter begonnen hat. Ob der in 65,3 genannte „Vorsteher“ und die in 65,5 erwähnten Diakone zu der Gruppe um die Täuflinge gehörten und also erst zusammen mit ihnen am Ort der Taufeucharistie eintrafen, geht aus dem Text nicht hervor. Das bereits genannte gemeinsame Fürbittgebet für die Gemeinde, für den Neugetauften und für alle fungierte in diesem Fall als Eröffnung der Taufeucharistie. Dass dabei u.a. darum gebetet wird, δι’ ἔργων ἀγαθοὶ πολιτευταὶ... εὑρεθῆναι, versteht sich bei den Adressaten der Apologie von selbst. Hermut Löhr bemerkt mit Recht, dass die diakonische Dimension des Glaubens gerade in diesem Zusammenhang expliziert wird und dass die Rede von der Erleuchtung und der Erkenntnis der Wahrheit an die Taufe und die mit ihr verbundene Konversion anknüpft.47 Im Anschluss an das Fürbittgebet erfolgt der Friedenskuss (65,2: ἀλλήλους δὲ φιλήματι ἀσπαζόμεθα). Sodann berichtet Justin, dass für den Vorsteher der Brüder und Schwestern (τῷ προεστῶτι τῶν ἀδελφῶν) „Brot 43
Falls in den Ekklesien, die Justin vor Augen standen, beispielsweise im Kontext des jüdischen (bzw. judenchristlichen) Pesachfestes getauft wurde, so deutet Justin dies nirgendwo an. Dies könnte aber auch mit der Intention zusammenhängen, das (Heiden-) Christentum vom Judentum abzugrenzen. 44 So auch LEONHARD, Art. Mahl 1077: Der Rückverweis auf die mit der Initiation kombinierte Feier in 67,5 zeige, „dass das wortzentrierte Segment noch nicht obligatorisch der Eucharistiefeier voranging“. 45 Laut LÖHR, Studien 427, mussten die Gemeindevollzüge „verifizierbar“ sein. 46 Vgl. dazu THEOBALD, Eucharistie als Quelle 242. 47 LÖHR, Abendmahl 17.
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103
und ein Kelch mit Wasser (ποτήριον ὕδατος) und einer Mischung (καὶ κράματος)“ herbeigebracht (oder dargebracht: προσφέρεται) wird.48 Die holprige Formulierung wirft Fragen auf. Der Singular ποτήριον könnte darauf hindeuten, dass Justin einen Kelch meint, der mit Wasser und Wein gefüllt war. In diesem Fall würden κρᾶμα und οἶνος synonym gebraucht werden.49 Andere verstehen die Formulierung so: κρᾶμα = οἶνος καὶ ὕδωρ. In diesem Fall wären ein Kelch mit Wasser und ein (zweiter) Kelch mit einer Mischung (κρᾶμα) von Wasser und Wein herbeigebracht und also bei der Taufeucharistie zusätzlich ein Kelch (nur) mit Wasser verwendet worden. Bei der Austeilung der „eucharisierten“ Gaben formuliert Justin dann: διδόασιν... μεταλαβεῖν ἀπὸ τοῦ εὐχαριστηθέντος ἄρτου καὶ οἴνου καὶ ὕδατος (65,5). Anders als bei der Aufzählung der Gaben beim Herbeitragen wird nun der Wein genannt und das Wasser steht im Anschluss, von κρᾶμα ist nicht die Rede. Dass anlässlich der Austeilung der Gaben nur von „Brot“ und „Wein und Wasser“ die Rede ist, könnte bedeuten, dass aus dem Wasserkelch allein der Täufling trank.50 Bei der Schilderung der Sonntagseucharistie in Apol I 67 spricht Justin dann davon, dass man für den Vorsteher ἄρτος ... καὶ οἶνος καὶ ὕδωρ herbeibringt (67,5). Die Reihenfolge ist also dieselbe wie bei der Kommunionausteilung der Taufeucharistie. Seit Adolf von Harnack wird außerdem aus den ungelenken Formulierungen sowie der Erwähnung von Wasser an anderen Stellen der Apologie auf eine nachträgliche Überarbeitung des Justin’schen Textes geschlossen, der ursprünglich überhaupt nur einen Wasserkelch kannte.51 Einen Hinweis für die Verwendung von Wasser bei der (Tauf?)Eucharistie könnte Justins polemische Erwähnung von Brot und Wasserkelch (ἄρτος καὶ ποτήριον ὕδατος) bei der Initiation in die Mithras-Mysterien (66,4) darstellen.52 In jedem Fall dürfte die textliche Basis wie auch unsere Einsicht in Textgenese und Textüberlieferung zu unsicher sein, um Justin als Zeugen eines Wasserkelches bei der
48 Ob man angesichts des Dativobjekts τῷ προεστῶτι das Verb προσφέρειν hier als „darbringen“ im kultischen Sinne verstehen kann, scheint mir fraglich. Allerdings legt sich in 67,2 und in 13,1 tatsächlich diese Bedeutung nahe. Zur Diskussion vgl. THEOBALD, Eucharistie als Quelle 233 und 243 mit Anm. 867, außerdem LÖHR, Studien 429, und ausführlich STANDHARTINGER, Mahl 296–301 (mit vielen interessanten Belegen), die allerdings auf das Objekt τῷ προεστῶτι in 65,3 nicht weiter eingeht. 49 So Plutarch, praec. coniug. 20, 140F (LCL 222, 312, BABBITT): τὸ κρᾶμα, καίτοι ὕδατος μετέχον πλείονος, οἶνον καλοῦμεν, weitere Belege bei MARCOVICH 126 (App. zur Stelle), dagegen aber GREIFF, Brot 17. 50 Zur altkirchlichen Bezeugung des Wasserkelchs bei der Taufeucharistie als „Taufe der Seele“ vgl. GREIFF, Brot 17–28. 51 So im Anschluss an Harnack und McGowan erwogen von LEONHARD, Art. Mahl 1078. Ausführlich MCGOWAN, Ascetic Eucharists 151–155, außerdem BRADSHAW/J OHNSON, Eucharistic Liturgies 28 („possible“). Immerhin liest der Codex Ottobonianus graecus (C) aus dem 16. Jh. hier nur ὕδατος, der Parisinus graecus (A) hat ὕδατος καὶ κράματος. 52 Dazu aber STANDHARTINGER, Mahl 295 Anm. 63, die mit Recht bezweifelt, ob man für Dionysos- und Mithras-Mysterien allein Wasserriten voraussetzen könne.
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III. Die Taufeucharistie bei Justin
Taufeucharistie auszuwerten. Ob die Zuflucht zur Konjektur von καὶ κράματος in κεκραμένον eine tragfähige Lösung ist, mag dahingestellt bleiben.53
Nach dem Herbeibringen der Gaben erwähnt Justin sowohl die gemeinsamen „Gebete“ als auch die „Eucharistie“ des Vorstehers. In Kap. 65 wie auch in Kap 67 unterscheidet Justin terminologisch genau zwischen diesen beiden Akten.54 Bereits in diesem Zusammenhang deutet er an, dass es – im Unterschied zu den zuerst vollzogenen εὐχαί, die man wohl als doxologischen Lobpreis an Vater, Sohn und Geist zu verstehen hat – bei der im Anschluss daran gesprochenen εὐχαριστία um die zuvor herbeigebrachten Gaben geht.55 Dies wird dadurch bestätigt, dass er das Brot und den mit Wasser vermischten Wein nach dem Sprechen des Eucharistiegebets als τὰ εὐχαριστηθέντα bezeichnet (67,5, vgl. 65,5; 66,2). Erneut betont Justin den Gemeinschaftscharakter der Taufeucharistie, indem er zweimal (!) erwähnt, dass „das ganze anwesende Volk“ die Gebete und die Eucharistie des Vorstehers mit der Akklamation „Amen“ bekräftigt (65,3f.) bzw. zustimmt (65,5). Hinzu kommt, dass er zum Abschluss seiner Schilderung der Taufeucharistie nicht unerwähnt lässt, dass nicht nur jedem der Anwesenden (ἑκάστῳ τῶν παρόντων) die eucharistischen Gaben ausgeteilt werden, sondern auch die Abwesenden in die eucharistische Gemeinschaft des Neugetauften mit der Gemeinde eingeschlossen sind (65,5). Es ist kein Zufall, dass Justin am Ende seines Schilderung diesen kräftigen Akzent setzt: Der συγκατατεθειμένος (65,1) ist Teil der Gemeinschaft der anwesenden wie der abwesenden ἀδελφοί geworden. 1.7 Die Erklärung der eucharistischen τροφή (Apol I 66) Da diese Gemeinschaft wesentlich über das gemeinsame, die Zahl der beim Gottesdienst Anwesenden übersteigende Essen und Trinken der „Eucharistie“ hergestellt wird, ist es ganz der Sache angemessen, dass Justin nun eine Art Exkurs über die eucharistische τροφή anschließt: καὶ ἡ τροφὴ αὕτη καλεῖται παρ’ ἡμῖν εὐχαριστία (66,1). Mit dem Terminus εὐχαριστία hatte Justin bisher die Eucharistiegebete über Brot, Wasser und Mischwein 53
So MINNS/PARVIS, Justin 252f. Ihre auf der Konjektur beruhende und sehr freie Übersetzung lautet: „a cup of wine mixed with water“. 54 In Apol I 65 schreibt Justin, dass der Vorsteher zuerst αἶνον καὶ δόξαν dem Allvater durch den Namen des Sohnes und des Hl. Geistes emporsendet (ἀναπέμπει) und dann eine lange Danksagung „für das Gewürdigtsein mit diesen von ihm“ (ὑπὲρ τοῦ κατηξιῶσθαι τούτων παρ’ αὐτοῦ) anschließt. Direkt im Anschluss daran schreibt er: οὗ συντελέσαντος τὰς εὐχὰς καὶ τὴν εὐχαριστίαν..., er fasst also αἶνος καὶ δόξα mit εὐχαί zusammen, neben die er εὐχαριστία stellt. Ganz analog redet er in Apol I 67,14f. von εὐχαὶ καὶ εὐχαριστίαι. Vgl. dazu auch SALZMANN, Lehre 254. 55 Vgl. Apol I 65,3: εὐχαριστία ὑπὲρ τοῦ κατηξιῶσθαι τούτων παρ’ αὐτου.
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bezeichnet,56 nun wendet er ihn (analog Did 9,5!) auf die „Nahrung“ selbst an. Dies dokumentiert die bei Justin auch andernorts greifbare Fokussierung auf die „konsekrierten Mahlelemente“ Brot und Wein. Zunächst betont er, dass an der eucharistischen Speise nur teilhaben darf, (1.) „wer glaubt, dass das von uns Gelehrte wahr ist“, (2.) „und wer genommen hat das Bad zur Vergebung der Sünden und zur Wiedergeburt“, (3.) „und wer sein Leben so führt, wie der Christus es überliefert hat“. Das anschließende, mit einem γάρ-Satz eingeleitete lange Satzgefüge (66,2) begründet dann, warum die Speise εὐχαριστία genannt wird. Justin betont zunächst, dass „Brot und Trank“57, von denen bisher die Rede ist, keineswegs als „gewöhnlich“ (κοινός) angesehen werden, dass sie also von gewöhnlicher Nahrung scharf unterschieden sind. Die Begründung dieser Aussage erfolgt durch eine (teilweise) Parallelisierung von „Fleischwerdung des Logos“ (Inkarnation) und Eucharistie.58 Apol I 66,1–2 1
a b c d e a
2
b
c d
e f
56
Und diese Speise (ἡ τροφὴ αὕτη) wird bei uns Eucharistie genannt. Von ihr teilzuhaben, ist keinem anderen erlaubt, außer dem, der glaubt, dass das von uns Gelehrte wahr ist, und der sich gewaschen hat mit dem Bad zur Vergebung der Sünden und zur Wiedergeburt, und der so sein Leben führt, wie Christus es uns überliefert hat. Denn nicht wie gewöhnliches Brot und gewöhnlichen Trank empfangen wir dies, sondern (ἀλλ’): In der Weise (ὃν τρόπον), wie durch einen Logos Gottes (διὰ λόγου θεοῦ) Fleisch geworden ist (σαρκοποιηθείς) Jesus Christus unser Retter und Fleisch und Blut (καὶ σάρκα καὶ αἷμα) für unsere Rettung erhielt (ἔσχεν), so (οὕτως) – wurden wir gelehrt [= 2g] – dass auch die durch einen Gebets-Logos (τὴν δι’ εὐχῆς λόγου), der von ihm stammt, mit Eucharistie versehene Speise (εὐχαριστηθεῖσαν τροφήν), aus der unser Fleisch und Blut unserer Umwandlung gemäß ernährt wird, jenes des fleischgewordenen (σαρκοποιηθέντος) Jesus sowohl Fleisch als auch Blut (καὶ σάρκα καὶ αἷμα) ist.
Vgl. Apol I 13,1; 65,3; 67,5. εὐχαριστίαν/ς ποιεῖν (65,3) bzw. ἀναπέμπειν (67,5) ist also deckungsgleich mit εὐχαριστεῖν (65,5; 66,3). 57 Hier in 66,2 spricht er von ἄρτος und πόμα, im „Einsetzungsbericht“ 66,3 dann von ἄρτος und ποτήριον (66,3). 58 Instruktiv zum Logos-Konzept Justins: MINNS/PARVIS, Justin 61–66.
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III. Die Taufeucharistie bei Justin
Die Satzkonstruktion ist nicht einfach zu durchschauen.59 Die Fleischwerdung Jesu Christi ist der grundlegende Vorgang (ὃν τρόπον), von dem aus erklärt wird, warum das im Gottesdienst der Christen verwendete Brot und der Wein von gewöhnlicher Nahrung unterschieden sind (οὕτως καί). Das syntaktische Grundgerüst bildet die AcI-Konstruktion ἐδιδάχθημεν... τὴν τροφὴν... καὶ σάρκα καὶ αἷμα... εἶναι. Der Ausdruck σαρκοποιηθεὶς Ἰησοῦς fungiert als Inclusio.60 Die näheren Umstände des Belehrtseins folgen im Anschluss. Die Inkarnation des Logos bildet eine Analogie zur „Eucharistiewerdung von Brot und Wein“, aber keinen identischen Vorgang.
Ganz umstritten ist die Formulierung δι’ εὐχῆς λόγου τοῦ παρ’ αὐτοῦ (2d). Zunächst ist unklar, wie sich die beiden Genitive εὐχῆς und λόγου zueinander verhalten.61 Die folgenden syntaktischen Möglichkeiten werden diskutiert: (1.) λόγος ist abhängig von εὐχή (= εὐχὴ λόγου). In diesem Fall gibt es die folgenden Interpretationsmöglichkeiten: – „durch ein Gebet des Logos“ (= gen. subj.)62 – „durch ein Gebet um den Logos“ (= gen. obj.)63 – „durch ein Gebet eines Wortes“ (τοῦ παρ’ αὐτοῦ = das von ihm, Christus, kommt, also die von Christus gesprochenen Einsetzungsworte64) (2.) εὐχή ist abhängig von λόγος (= εὐχῆς λόγος, εὐχῆς, gen. expl.), der Ausdruck ist also folgendermaßen zu übersetzen: „durch ein Gebetswort, das von ihm, Christus, kommt“. Diese 2. Möglichkeit ist weit plausibler. Aufgrund der Parallele Apol I 13,1 (λόγῳ εὐχῆς καὶ εὐχαριστίας) liegt die Annahme nahe, dass beiden Stellen die Wendung εὐχῆς λόγος („Wort des Gebets“) zugrunde liegt.65 Ebenfalls ist es naheliegend, dass sich das Pro-
59
Vgl. dazu die Analyse bei MARKSCHIES, Theologie 168f., sowie nun THEOBALD, Eucharistie als Quelle 239–243. 60 HAINTZ, δι’ εὐχῆς λόγου 34. 61 Vgl. zum folgenden PERLER, Logos 300, sowie LÖHR, Studien 433. 62 So NOCILLI, Catechesi 111, HAINTZ, δι’ εὐχῆς λόγου 36. 63 In diesem Fall wäre bereits Justin ein Zeuge für die Logosepiklese, die dann bei Serapion von Thmuis belegt ist, vgl. dazu JOHNSON, Prayers 233–253 („The Epiclesis of the ΛΟΓΟΣ“). Laut PERLER, Logos 180, beweist Justins Text keineswegs eine bereits erfolgte Einführung der Logosepiklese, sondern „erklärt nur deren Entstehung“. 64 So LÖHR, Studien 433, der diese Möglichkeit wegen der unmittelbar folgenden Zitierung der Einsetzungsworte als die wahrscheinlichere ansieht. Ebenso MINNS/PARVIS, Justin 257: „We take the phrase here to refer to the eucharistic prayer, and in particular to the words of institution cited by Justin in the next section“. Auch laut STANDHARTINGER, Mahl 301f., will Justin die Vorstellung evozieren, „dass beim Mahl Brot und Wein in einer Gebetshandlung mit den Worten ‚Dies ist mein Leibʻ und ‚Dies ist mein Blutʻ ‚besprochenʻ werden“. 65 KOLLMANN, Ursprung 144, ebenso THEOBALD, Eucharistie als Quelle 241.
1. Die Taufeucharistie in der Apologie
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nomen αὐτοῦ im Ausdruck τοῦ παρ’ αὐτοῦ auf Christus (nicht auf Gott66) bezieht, da Jesus Christus unmittelbar vorher genannt wird. Schwierig ist auch der Satz: ἐξ ἧς αἷμα καὶ σάρκες κατὰ μεταβολὴν τρέφονται ἡμῶν (2e). Der Plural σάρκες zeigt, dass von Fleisch und Blut der Christen die Rede ist. Das Possessivpronomen ἡμῶν gehört zu κατὰ μεταβολὴν, so dass eine parallele Formulierung zu ὁ σωτὴρ ἡμῶν entsteht. Den Sinn des Satzes hat O. Perler richtig umschrieben: „Die zur Eucharistie gewordene Speise ernährt Fleisch und Blut nicht nach gewöhnlicher Art, sondern unserer Umwandlung gemäß. (...) Fleisch und Blut werden durch die Eucharistie gemäß unserer (bereits jetzt erfolgenden, unsterblich machenden) Umwandlung genährt“.67 Die Wendung κατὰ μεταβολὴν τρέφονται ἡμῶν erläutert demnach positiv die voran stehende negative Formulierung: οὐ γὰρ ὡς κοινὸν ἄρτον οὐδὲ κοινὸν πόμα ταῦτα λαμβάνομεν (2a). Die Aussage Justins lautet also: „Wie durch einen Gottes-Logos Jesus Christus Fleisch geworden ist, so wird durch einen Gebets-Logos die Speise zur Eucharistie“,68 und eben das ist es, was Brot und Wein von „gewöhnlichem Brot und gewöhnlichem Wein“ unterscheidet. Offen bleibt zunächst, welches Gebetswort genau gemeint ist. Das Stichwort ἐδιδάχθημεν leitet zunächst über zum nächsten Abschnitt. Hier nun folgt der sog. „Einsetzungsbericht“, für dessen Wiedergabe sich Justin auf die „Erinnerungen der Apostel, die Evangelien genannt werden“, bezieht (66,3). Klar ist, dass Justin den sog. Einsetzungsbericht nicht im Zusammenhang der Beschreibung der Eucharistiefeier anführt69 und ihn keineswegs als Gebetstext zitiert, sondern um die zu Beginn des Kapitels betonte scharfe Unterscheidung der eucharistischen Gaben von gewöhnlicher Nahrung sowie ihre Bezeichnung als „Fleisch und Blut“ Jesu Christi zu begründen: „The authority of the ‚apostolic memoirsʻ, not an independent lex orandi, provides him with the rationale for the celebration of the Eu-
66
So aber HAINTZ, δι’ εὐχῆς λόγου 35. PERLER, Logos 307, und weiter THEOBALD, Eucharistie als Quelle 241: „Das erläutert Justin nicht weiter, doch dürfte er an eine ‚Ernährungʻ denken, die der leiblichen Auferstehung teilhaftig werden lässt“. Ebenso BRADSHAW/JOHNSON, Eucharistic Liturgies 46: „the bread and the cup become the flesh and the blood of the incarnate Jesus in order to feed and transform the flesh and blood of the believers. His life enables their new life“. So auch STANDHARTINGER, Mahl 299f. mit Anm. 76. 68 PERLER, Logos 303. vgl. LEONHARD, Art. Mahl 1079: „Die Konsekration geschieht durch ein Wort Gottes, der auch die Inkarnation Christi gewirkt hat“, sowie THEOBALD, Eucharistie als Quelle 241. KOLLMANN, Ursprung 146, betont mit Recht, „dass für Justin primär die Inkarnation Jesu und nicht dessen Tod die besondere Qualität der eucharistischen Speise verbürgt“. Entsprechend fehlt in Justins „Einsetzungsbericht“ 66,3 auch ein Hinweis auf Jesu vergossenes Blut! 69 Gegen MARKSCHIES, Theologie 169f. 67
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III. Die Taufeucharistie bei Justin
charist described; the explanation is therefore apparently somewhat separate from the liturgical tradition, in terms of source as well as content“.70 Zunächst fällt in 66,3 auf, dass die Terminologie des „Einsetzungsberichts“ σῶμα καὶ αἷμα lautet und dass jeder Hinweis auf Jesu am Kreuz vergossenes Blut fehlt. Hinzu kommt, dass der sog. Anamnesisbefehl (66,3: τοῦτο ποιεῖτε εἰς τὴν ἀνάμνησίν μου) vor dem Brotwort steht, sich im Text des Justin also keineswegs auf eine Rezitation des Deutewortes Jesu über dem Brot bezieht, sondern auf die beiden direkt voranstehenden Verbalhandlungen λαβόντα ἄρτον καὶ εὐχαριστήσαντα. Zu Jesu „Gedächtnis“ soll laut der apostolischen Anweisung (66,3: οὕτως παρέδωκαν ἐντετάλθαι αὐτοῖς) demnach Brot genommen und darüber das Dankgebet gesprochen werden! Dies wird auch dadurch bestätigt, dass im Falle des Bechers diese beiden Verbalhandlungen exakt wiederholt werden (66,3: ὁμοίως λαβόντα καὶ εὐχαριστήσαντα).71 Damit ergibt sich ein klares Bild: Indem der Vorsteher bei der Eucharistiefeier über das herbeigebrachte Brot und den Becher mit Mischwein „eine lange Danksagung“ (65,3: εὐχαριστίαν... ἐπὶ πολὺ ποιεῖται) „nach seinem Vermögen“ (67,5: ὅση δύναμις αὐτῷ) spricht, tut er genau das, was Jesus bei seinem letzten Mahl getan hat und wovon die damals anwesenden Apostel in ihren Erinnerungen berichten: Er nahm Brot und sagte Dank, er nahm ebenso den Kelch und sagte Dank (66,3). Dadurch erfüllt der Vorsteher den Befehl des Herrn, dies zu seinem Gedächtnis zu tun.72 Weil aber Jesus Christus, der fleischgewordene Logos, Brot und Wein, über das er das Dankgebet gesprochen hatte (εὐχαριστήσαντα), als seinen Leib und sein Blut bezeichnet hatte, deshalb werden Brot und Wein der Christen „durch das von ihm herstammende Gebetswort“ (66,2: δι’ εὐχῆς λόγου τοῦ παρ’ αὐτοῦ) – nämlich das Eucharistiegebet! – Fleisch und Blut des fleischgewordenen Jesus (66,2). Dies deswegen, weil das vom Vorsteher gesprochene und durch das „Amen“ des ganzen Volkes bekräftigte Gebetswort Anteil an der Schöpfermacht des Logos Gottes hat.73 Mit dem 70 MCGOWAN, Text 82. Laut GELSTON, ΔΙ’ ΕΥΧΗΣ ΛΟΓΟΥ 173, sind die Worte Jesu „words of administration rather than words of consecration.“ 71 Vgl. dazu WEIDEMANN, Bundesblut 61f. 72 Vgl. auch GELSTON, ΔΙ’ ΕΥΧΗΣ ΛΟΓΟΥ 174f.: „it is clear that for him the decisive factor was not the repetition of a formula but the giving of thanks over bread and wine. (...) What Justin appears to mean is that consecration of the Eucharistic elements is effected through a prayer of thanksgiving offered in conformity with the pattern of Jesus’ thanksgiving at the Last Supper“. 73 Mit Recht betont von PERLER, Logos 303: „Der liturgische Gebetslogos, der von Christus, dem menschgewordenen Logos, kommt, nimmt an seiner göttlichen Kraft und schöpferischen, umgestaltenden Wirksamkeit teil. Justin denkt sich vielleicht denselben als irgendeine Ausstrahlung des göttlichen Logos geradeso wie es der λόγος σπερματικός in Bezug auf die Erkenntnis ist“.
1. Die Taufeucharistie in der Apologie
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Rekurs auf den Einsetzungsbericht soll also keineswegs der Wortlaut des εὐχῆς λόγος angeführt werden, „sondern der Schriftbeleg dafür erbracht werden, dass die Eucharistie wahrhaft Fleisch und Blut Christi sei“.74 Die abschließende Bemerkung, dass Jesus Christus nur den Aposteln Anteil an seinem Leib und Blut gegeben habe (66,3: καὶ μόνοις αὐτοῖς μεταδοῦναι), bildet eine inclusio mit 66,1 und soll erklären, warum die Eucharistie nur an Getaufte gegeben wird (so auch Did 9,5). Erneut zeigt schon die Wortwahl, dass es Justin in erster Linie um das μεταδοῦναι des Neugetauften an Brot und Becher geht und nicht um seine Einbeziehung in ein gemeindliches Symposion, auch wenn Justin – anders als z.B. die Thomasakten – diesen Vorgang eindeutig in der Eucharistiefeier der gesamten Ekklesia verortet. Abschließend verweist Justin noch kurz auf die Mithras-Mysterien (66,4): Die hier aktiven Dämonen äffen bei der Einweihungszeremonie die christliche Taufeucharistie nach, insofern auch dort „Brot und ein Becher mit Wasser mit gewissen Beiworten belegt werden (ἄρτος καὶ ποτήριον ὕδατος τίθεται ... μετ’ ἐπιλόγων τινῶν)“. Die dämonischen ἐπίλογοι75 bei der Einweihung sind eine Parodie auf die lange εὐχαριστία bei der Taufeucharistie. 1.8 Die Sonntagseucharistie (Apol I 67) Mit ἡμεῖς δέ kehrt Justin nach seiner knappen Erwähnung der Initiation in die Mithras-Mysterien erneut zur Darstellung der christlichen Grundvollzüge zurück, zu denen auch die – allerdings erst später geschilderte – sonntägliche Versammlung (συνέλευσις) der Christen gehört.76 Zunächst betont er aber das soziale Engagement der Gemeindeglieder (67,1f.) und kommt im Anschluss an die Schilderung der Eucharistie (67,3–5) auf die dort gesammelte Kollekte zu sprechen (67,6f.), bevor er begründet, warum sich die Gemeinde gerade am Sonntag versammelt (67,8).77 Die zentrale Aussage, die über den ganzen folgenden Ausführungen steht, lautet: ἡμεῖς δὲ μετὰ ταῦτα λοιπὸν ἀεὶ τούτων ἀλλήλους ἀναμιμνῄσκομεν (67,1). Dieser Satz könnte sich konkret auf den zuvor erzählten „Einsetzungsbericht“ (66,3) beziehen,78 wahrscheinlicher sind 74
So mit Recht PERLER, Logos 302. Zu diesem Neologismus Justins vgl. STANDHARTINGER, Mahl 300, die überzeugend den Bezug zu 61,10 (das ἐπιλέγειν der trinitarischen Taufformel bei der Wassertaufe) herstellt. 76 FERGUSON, Justin 268: „The assembly was part of the total corporate life of the Christian community“. 77 Zum Bauplan des Textes und seiner Rahmung durch die „diakonischen“ Hinweise in Apol I 1 und 6f. vgl. grundlegend THEOBALD, Eucharistie als Quelle 236–238. 78 So LÖHR, Studien 428, dagegen THEOBALD, Eucharistie als Quelle 232. 75
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III. Die Taufeucharistie bei Justin
mit τούτων aber die voranstehenden Ausführungen über die Initiation insgesamt (Apol I 61–66) gemeint. Für Justin ist die christliche Religion ganz wesentlich gegenseitige Erinnerung, und dies charakterisiert auch seine Schilderung der Sonntagsfeier.79 Der hier bereits implizierte Gemeinschaftsgedanke wird im Folgenden vertieft durch die Erwähnung der Hilfe für alle, die Mangel leiden, sowie der immerwährenden Gemeinschaft (σύνεσμεν ἀλλήλους ἀεί). Interessant ist auch die abschließende Bemerkung: „Bei allem, was wir zu uns nehmen, segnen wir (εὐλογοῦμεν) den Schöpfer des Alls durch seinen Sohn Jesus Christus und durch den Heiligen Geist“. Das Stichwort εὐλογοῦμεν erscheint in den Apologien nur an dieser Stelle, hier schimmert noch der jüdische Tischsegen durch, der hier aber auf die „gewöhnlichen“ Mahlzeiten angewendet wird. Die Eucharistie ist bei Justin von den Mahlzeiten klar getrennt. Charakteristisch für die nun im Folgenden geschilderte Sonntagsfeier ist die Existenz einer Art „Wortgottesdienst“, der aus Schriftlesung und einer Predigt durch den Vorsteher besteht. Das anschließende gemeinsame Gebet (67,5, vgl. 65,1) leitet dann über zur eigentlichen Eucharistie, wobei Justin an dieser Stelle auf die Darstellung der Taufeucharistie zurückverweist (67,5: ὡς προέφημεν), um zu zeigen, dass die beiden Eucharistien ab dem Fürbittgebet analog ablaufen: „Der einmal von Christus bestimmte Ritus wird also exakt wiederholt“.80. Während Justin in Kap. 65 bemerkt hatte, dass die Eucharistiegebete der Taufeucharistie „lang“ waren, ersetzt er dies nun durch die Wendung ὅση δύναμις αὐτῷ, die belegt, dass die Eucharistiegebete des Sonntagsgottesdienstes keineswegs feste Formulare hatten, sondern nach persönlichem Vermögen des Vorstehers gesprochen wurden.81 Der Inhalt der Eucharistiegebete könnte z.B. in Apol I 65, aber auch in Dial 41 angedeutet sein. „Fester Bestandteil“ der Sonntagseucharistie ist zudem die Kollekte, das Einsammeln und „Hinterlegen“ von Gaben beim „Vorsteher“.82 79 Vgl. FERGUSON, Justin 268: „Redemption was a matter of constant reminder. (...) The Sunday assembly was part of this remembrance of redemption and relief of needs, and these themes are prominent in the account of the assembly itself“. 80 STANDHARTINGER, Mahl 303. 81 Vgl. dazu BOULEY, Freedom 111–117. Bouley kann philologisch belegen, dass die Wendung ὅση δύναμις αὐτῷ bedeutet, „that not just the manner of praying, but the whole act of praying depended on the bishop. He does not simply bring some additional power to the praying of a set form; the formulation of the prayer itself depends each time on his ability. He prays extemporaneously“ (112f.). Allerdings bedeutet dies laut Bouley keineswegs, dass das Eucharistiegebet unvorhersehbar oder ohne Struktur war, vielmehr gab es gewisse Konventionen und den Gebeten lag ein „flexible pattern“ zugrunde, das auch bei Justin noch erkennbar ist. 82 Dazu THEOBALD, Eucharistie als Quelle 238–247.
2. Die Taufeucharistie im Dialog
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2. Die Taufeucharistie im „Dialog mit Tryphon“ 2. Die Taufeucharistie im Dialog
Im Unterschied zur ersten Apologie finden sich in Justins Dialog mit dem Juden Trypho keinerlei deskriptive Schilderungen von Taufgottesdiensten und Eucharistiefeiern. Dennoch enthält der Dialog wertvolle Informationen über Justins Deutung des Zusammenhangs von Taufe und Eucharistie sowie der Taufeucharistie. 2.1 Adressaten und Abfassungszweck des Dialogs Die Frage nach den Adressaten des Dialogs ist seit langem umstritten. Mit guten Gründen hat Annette Rudolph im Anschluss an eine ganze Reihe anderer Forscher dafür plädiert, „dass die Schrift als Konkurrenz zu jüdischen Missionsschriften anzusehen und in erster Linie an die Heiden“, genauer: „an Heiden in Rom gerichtet [ist], die sich im Entscheidungsprozess zwischen Judentum und Christentum befinden, beides gegeneinander abwägen oder nicht voneinander unterscheiden können.“83 Für die Frage nach den Adressaten und nach der Intention des Dialogs spielen Tryphons Begleiter eine Schlüsselrolle. Diese sind eindeutig Heiden, die sich jedoch offenbar mit dem Gedanken tragen, Proselyten zu werden.84 Sie benehmen sich Justin gegenüber viel unhöflicher als Trypho selbst (vgl. Dial 8f. u.ö.), ihre Konversion zum Christentum scheint weit weniger wahrscheinlich als diejenige Tryphos. Sie fungieren im Text daher als eine Art Negativbeispiel für Heiden, die sich bereits so weit dem Judentum zugewandt haben, dass eine christliche Missionierung aussichtslos zu sein scheint, zumal diese Heiden ein starkes Bewusstsein für die Unterschiede zwischen Judentum und Christentum haben. Demgegenüber wende sich der Dialog an Heiden, „who were broadly sympathetic to both Judaism and Christianity – Gentiles who did not appreciate the differences,
83 RUDOLPH, Volk 43 (im Anschluss an J. Nilson, aber auch B.R. Voss u.a.), so aber auch SKARSAUNE, Proof 258f., vgl. 298. Hintergrund sei die Wettbewerbsituation zwischen Christen und Juden in ihren Missionsbemühungen im 2. Jahrhundert. 84 Im Text selbst deutet darauf z.B. Dial 23,3 hin: „Also will ich dir, Tryphon, und denen, die Proselyten werden wollen (καὶ τοῖς βουλομένοις προσηλύτοις γενέσθαι), eine göttliche Lehre verkünden, welche ich von dem Greise gehört habe“. Justin ruft sie kurz darauf dazu auf, so zu bleiben, wie sie geboren wurden (Dial 23,3: μείνατε ὡς γεγένησθε), also sich nicht der Beschneidung zu unterziehen: „Justin is keen to dissuade Trypho’s companions from taking the final step of circumcision, for he knows (probably from experience) that it is even more difficult to convert to Christ those who have become proselytes to Judaism than it is to convert Jews like Trypho“ (STANTON, Justin 269).
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III. Die Taufeucharistie bei Justin
Gentiles with a weak level of attachment either to Christianity or to Judaism“.85 A. Rudolph hat zudem durch detaillierte Studien überzeugend die These begründet, „dass Justin in seinem Dialog mit Tryphon ein systematisches Interesse verfolgt, indem er seinem jüdischen Gesprächspartner gegenüber den Nachweis erbringen will, dass die biblische Religion eine universale ist und als solche in der neuen Gottesverehrung der Christen verwirklicht wird“.86 Der universalen Religion korrespondiert das universale Gottesvolk. Diesem „ekklesiologischen“ Hauptzweck des Dialogs sind damit z.B. auch die umfangreichen christologischen und soteriologischen Argumentationsgänge zugeordnet. Taufe und Eucharistie haben für dieses Argumentationsziel grundlegende Bedeutung: Die ehemaligen Heiden erhalten in der Taufe die geistliche Beschneidung und bilden so das wahre hohepriesterliche Volk, das Gott mit Gebeten und εὐχαριστίαι auf der ganzen Welt die in Mal 1,10–12 angekündigten reinen und gottgefälligen Opfer darbringt. Anders als in der ersten Apologie fehlt im Dialog eine Beschreibung der rituellen Grundvollzüge des Christentums. Was in Apol I im Anschluss an die Skizze des Ritus kompakt zusammengedrängt erscheint, nämlich die Erklärung bzw. Deutung der Vollzüge (so in den Kap. 62–64 im Anschluss an die Schilderung der Wassertaufe und in Kap. 66 im Anschluss an die Schilderung der Taufeucharistie), das beherrscht den Dialog im Ganzen, da sich das Gespräch mit Trypho und seinen Freunden vor allem um die Interpretation der hl. Schriften und die Deutung geschichtlicher Ereignisse dreht.87 Gerade hier ist die Taufe – dies hat O. Skarsaune nachgewiesen – von zentraler Bedeutung, da sie bei der Typologisierung der alttestamentlichen Kultvorschriften v.a. im Hinblick auf die Sündenvergebung im Mittelpunkt steht: „Sie ist es, die die Vergebung der Sünden gewährt und in dieser ihrer Eigenschaft das Zeremonialgesetz und den Opferkult ersetzt“.88
Dass wir in der Apologie wenig und im Dialog fast nichts über die rituelle Gestalt des Taufgottesdienstes erfahren, hängt nicht zuletzt mit der Tendenz zu Spiritualisierung und Ethisierung zusammen. Justin stellt nicht die christlichen Riten polemisch (z.B. als die einzig „wirksamen“) gegen die jüdischen, sondern er kritisiert z.B. an den jüdischen Reinigungsriten und 85
STANTON, Justin 275. Stantons Vermutung: „Justin and Trypho are rivals, both seeking ‚proselytes‘ among Gentiles; both claim that Scripture supports their appeal to Gentiles“ (ebd. 273). 86 RUDOLPH, Volk 83, vgl. 266–273. 87 So der hermeneutische Grundsatz in Dial 28,2: ἐπειδὴ ἀπό τε τῶν γραφῶν καὶ τῶν πραγμάτων τάς τε ἀποδείξεις καὶ τὰς ὁμιλίας ποιοῦμαι. Mit den πράγματα könnte die Geschichte gemeint sein, konkret: der Sieg der Römer über die Juden, die Verwüstung des Hl. Landes sowie das Hadrian’sche Verbot für beschnittene Männer, Jerusalem zu betreten (vgl. u.a. Dial 16ff. 113f. u.ö.) 88 RUDOLPH, Volk 233, vgl. SKARSAUNE, Proof 313.
2. Die Taufeucharistie im Dialog
113
rituellen Waschungen, dass sie nur den Leib „glänzend machen“ (14,1). Dagegen hänge z.B. das Bad, das Jesaja verkündet hatte, mit der Buße zusammen, Reinigung erfolge „mittels des Glaubens durch das Blut Christi und seinen Tod“ (13,1). 2.2 Das Opfer des Weizenmehles (Dial 40–42) Relevant für unsere Fragestellung ist Dial 41, weil Justin hier im Kontext einer typologischen Lektüre von Lev 14 die Eucharistie nach der Taufe andeutet: Im Anschluss an die Behandlung des Pascha und des Versöhnungstages („das Fasten“) in Dial 40,89 geht Justin nämlich direkt zum „Opfer des Weizenmehles“ über (41,1: ἡ τῆς σεμιδάλεως προσφορά, vgl. Lev 14,10), laut ihm τύπος des eucharistischen Brotes.90 Dial 41,1–3 1
a b c d e f g
h 2
a b c
3
a b c d e f
89 90
Aber auch das Opfer des Weizenmehles (ἡ τῆς σεμιδάλεως δὲ προσφορά), ihr Männer, sagte ich, welches nach der Überlieferung für die vom Aussatz Gereinigten dargebracht wurde (ἡ ὑπὲρ τῶν καθαριζομένων ἀπὸ τῆς λέπρας προσφέρεσθαι παραδοθεῖσα), war ein Typos des Brotes der Eucharistie (τύπος ἦν τοῦ ἄρτου τῆς εὐχαριστίας), den zum Gedächtnis des Leidens (ὃν εἰς ἀνάμνησιν τοῦ πάθους), das er erlitt für die Seelen derjenigen Menschen, die von allem Übel gereinigt wurden (οὗ ἔπαθεν ὑπὲρ τῶν καθαιρομένων τὰς ψυχὰς ἀπὸ πάσης πονηρίας ἀνθρώπων), Jesus Christus unser Herr überlieferte zu tun (παρέδωκε ποιεῖν). [Es folgt eine Passage, in der auf das Eucharistiegebet angespielt wird] Deshalb (ὅθεν) sagt Gott einerseits über (περὶ μέν) die von euch damals (τότε) dargebrachten Opfer, wie ich vorher sagte, durch Malachias, einen der zwölf (Propheten): [Es folgt Mal 1,10–12] Andererseits über (περὶ δέ) die von uns Heiden „an jedem Ort“ ihm dargebrachten Opfer, das heißt [über] das Brot der Eucharistie und ebenso den Kelch der Eucharistie, sagte er damals voraus (προλέγει τότε). Und er sagte auch (εἰπῶν καὶ) dass wir seinen Namen verherrlichen, ihr ihn jedoch entehrt.
Zur Abgrenzung dieses Abschnitts vgl. SKARSAUNE, Proof 177–180. Dazu auch THEOBALD, Eucharistie als Quelle 248f.
114
III. Die Taufeucharistie bei Justin
Der Bezug des „Opfers des Weizenmehls“ auf die Eucharistie ist bemerkenswert.91 Ohne Zweifel bezieht sich Justin auf Lev 14,10,92 allerdings bemerkt Oskar Skarsaune mit Recht: „it may seem arbitrary to pick out the σεμίδαλις and attach such importance to it“.93 Die Hervorhebung des Weizenmehls ist wahrscheinlich das Resultat einer Kombination von Lev 14,10 mit der anti-kultischen Polemik Jes 1,11ff. (vgl. Dial 13). Diese Kombination „may have helped to direct the attention of Christian theologians to this remote text in Lev 14“.94 Vor allem aber hat Skarsaune darauf hingewiesen, dass die Deutung des Weizenmehles aus Lev 14,10 auf die Eucharistie in Zusammenhang mit der frühchristlichen Deutung von Lev 14,2–9 auf die Taufe steht: „What I want to suggest is that Justin may have known the typological tradition discernible in Hebrews and Barnabas, and that a baptismal interpretation of Lev 14,2–9 may easily have suggested an eucharistic interpretation of Lev 14,10: After his cleansing the leper offers a sacrifice (including σεμίδαλις) -> after his cleansing by baptism, the sinner partakes of the eucharist“.95 Dies wird auch dadurch bestätigt, dass Justin in 41,1 bei der Erwähnung des Opfers des Weizenmehles den Kontext von Lev 14,10, also die vorangehende Reinigung des Aussätzigen explizit erwähnt: ἡ τῆς σεμιδάλεως προσφορά, ἡ ὑπὲρ τῶν καθαριζομένων ἀπὸ τῆς λέπρας προσφέρεσθαι παραδοθεῖσα. Das Opfer des Weizenmehles ist für Justin also konkret der Typos für die Taufeucharistie. Deswegen erwähnt er die Opfer des Weizenmehles auch bereits in Dial 13,1 (vgl. Jes 1,13) und zwar im Kontext von Reinigung und Taufe. Justin stellt damit einen typologischen Bezug her „between the offering of the fine wheat flour at the climax of the leper’s cleansing and the offering of the bread of the Eucharist at the climax of Christian Baptism. (...) So the newly baptized’s initiation reaches its climax in the offering of the Eucharist, which is the antitype of the offering
91
SKARSAUNE, Proof 304, spricht von „a rather out-of-the-way-type“. Lev 14,10 LXX lautet: καὶ τῇ ἡμέρᾳ τῇ ὀγδόῃ λήμψεται δύο ἀμνοὺς ἐνιαυσίους ἀμώμους καὶ πρόβατον ἐνιαύσιον ἄμωμον καὶ τρία δέκατα σεμιδάλεως εἰς θυσίαν πεφυραμένης ἐν ἐλαίῳ καὶ κοτύλην ἐλαίου μίαν. 93 SKARSAUNE, Proof 179f. Tatsächlich ist das Weizenmehl nur ein ganz untergeordnetes Element in einem komplexen Ritual, außerdem wird in diesem Zusammenhang nicht der Terminus προσφορά gebraucht. Immerhin lautet Jes 1,13a LXX: οὐ προσθήσεσθε· ἐὰν φέρητε σεμίδαλιν, μάταιον. 94 SKARSAUNE, Proof 304f. 95 SKARSAUNE, Proof 306. Vgl. auch KOLLMANN, Ursprung 144f.: tertium comparationis zwischen Mehlopfer und Eucharistie sei, „dass im Anschluss an eine jeweilige Reinigung (…) im Rahmen kultischer Handlungen Brot bzw. Mehl als ‚Dankesgabenʻ Verwendung finden“. 92
2. Die Taufeucharistie im Dialog
115
of fine wheat flour, and the only sacrifice which God accepts, now that he has rejected the sacrifices and priests of the Old Law.“96 Hinzuzufügen ist noch, dass Justin gerade in diesem Kontext auf den sog. Einsetzungsbericht anspielt.97 Das erinnert an Apol I 66, wo der „Einsetzungsbericht“ mit dem ἀνάμνησις-Wort ebenfalls im Kontext der Taufe angeführt wird. Eventuell deutet dies darauf hin, dass die Passionsanamnese gerade beim Taufgottesdienst stattfand, was wiederum für einen Tauftermin in der christlichen Paschanacht sprechen könnte (!). Auffällig an Dial 41 ist jedoch, dass Justin den τύπος für die Eucharistie wechselt. Hatte er mit dem Opfer des Weizenmehles als Typos für die Taufeucharistie begonnen, so wechselt er in 41,2 zum „reinen Opfer“ von Mal 1,11. An dieser Stelle zitiert Justin aber den ganzen Zusammenhang Mal 1,10–12, setzt also mit der Ablehnung der Opfer am Tempel ein, um dann mit den „vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Untergang“ unter den Heiden dargebrachten „reinen Opfern“ fortzufahren. Dies wurde, so fährt Justin fort (41,3), über die „von uns Heiden an jedem Orte dargebrachten Opfer (θυσιῶν), das heißt, über das Brot der Eucharistie und ebenso über den Kelch der Eucharistie“ vorhergesagt. War das Opfer des Weizenmehles aus Lev 14,10 als Abschluss des Reinigungsrituals Typos für die erste Eucharistie des Neugetauften, so ist das reine Opfer aus Mal 1,11 Typos für die Eucharistie, insofern sie überall und jederzeit unter den Heiden dargebracht wird. Dieser Wechsel des typologischen Bezugs von Lev 14,10 zu Mal 1,10–12 entspricht innerhalb des „Triptychons“ Apol I 65–67 dem Wechsel von der Tauf- zur Sonntagseucharistie. Dial 41 verstärkt somit den in Apol I 65–67 gewonnenen Eindruck, dass Justin die Ersteucharistie des Täuflings als eine eigene, von der Sonntagseucharistie unterschiedene Form der Eucharistie ansieht.
Aus den anderen Passagen des Dialogs, in denen Justin Mal 1,10–12 zitiert,98 wird deutlich, dass Justin diesen Text konkret auf die Eucharistiegebete der Heidenchristen über Brot und Becher bezieht. In 117,1 bezeichnet Justin daher ἡ εὐχαριστία τοῦ ἄρτου καὶ τοῦ ποτηρίου als die Opfer (θυσίαι), die an jedem Ort der Erde von den Christen dargebracht werden. Die von den Christen (Χριστιανοί) als den Würdigen (ὑπὸ τῶν ἀξίων) beim Gedächtnis (ἐπ’ ἀναμνήσει) an das Leiden Christi bei trockener und feuchter Speise – gemeint sind Brot und Kelch – gesprochenen Gebete und
96
So mit Recht COURATIN, Justin 459, allerdings mit weitergehenden Schlussfolgerungen v.a. bzgl. der Taufsalbung. 97 Dial 41,3: [ὁ ἄρτος τῆς εὐχαριστίας], ὃν εἰς ἀνάμνησιν τοῦ πάθους, οὗ ἔπαθεν ὑπὲρ τῶν καθαιρομένων τὰς ψυχὰς ἀπὸ πάσης πονηρίας ἀνθρώπων. 98 Vgl. noch Dial 28,5; 116,3 sowie 117 passim.
116
III. Die Taufeucharistie bei Justin
Danksagungen (εὐχαὶ καὶ εὐχαριστίαι) sind vollkommene und Gott wohlgefällige Opfer (θυσίαι) (vgl. Dial 117,3). Dementsprechend wird das „wahre hohepriesterliche Geschlecht“ nicht allein durch die Taufe konstituiert, sondern (erst) durch die Darbringung der reinen Opfer bei der Eucharistie. So lautet der Schlusssatz von Dial 116 programmatisch: οὐ δέχεται δὲ παρ’ οὐδενὸς θυσίας ὁ θεός, εἰ μὴ διὰ τῶν ἱερέων αὐτοῦ (116,3). Priester sind die Christen also, weil sie Opfer darbringen, die Gott annimmt. Justins Ausführungen im Dialog sind damit eine wichtige Ergänzung der Darstellung der Taufeucharistie in der ersten Apologie. Die Schlüsselbegriffe für seine Typologien sind die des Opfers (θυσία) und der Darbringung (προσφορά).99 Die (durchaus auch jüdisch belegte) Deutung von Gebeten und Danksagungen als Opfer ermöglicht es Justin, sowohl Lev 14,10 (bzw. Jes 1,13) auf die Ersteucharistie des Täuflings als auch Mal 1,10–12 auf die Eucharistien der Heidenchristen insgesamt anzuwenden. In der Taufeucharistie bringen die Christen „die Gabe des Weizenmehles“ zum Dank für ihre Reinigung dar; diese ist zugleich das von den Heiden immer und überall dargebrachte reine Opfer. Beide Typologien haben durchaus eine anti-judaistische Spitze. Lev 14,10 erhält durch die von Justin über die Stichworte σεμιδάλεως προσφοραί hergestellte Verbindung mit der kultkritischen Polemik in Jes 1,13 eine Spitze gegen die jüdischen Reinigungsriten, Mal 1,10–12 wird von ihm mehrfach für sein Ziel, das Christentum im Unterschied zum Judentum als die universale Religion zu erweisen, in Dienst genommen.
3. Fazit: Taufe und Taufeucharistie bei Justin 3. Fazit
Die Auswertung des Befundes bei Justin dem Märtyrer vor dem Hintergrund der jüngeren Diskussion ergibt die folgenden Grundlinien: In den Ekklesien, die Justin vor Augen hat, schloss sich direkt an die Wassertaufe die Teilnahme der Neugetauften und ihrer Begleiter an einer ersten Eucharistiefeier an. Zu dieser Eucharistiefeier versammelte sich die ganze Gemeinde anlässlich der Taufe; da Justin keinen Tag nennt, handelte es sich bei der Taufeucharistie aller Wahrscheinlichkeit nach nicht um denselben Gottesdienst wie jenen, den Justin in Kap 67 der ersten Apologie als zweiteilige Sonntagseucharistie schildert.100 99
Vgl. KLINGHARDT, Gemeinschaftsmahl 507f. Unklar bleibt in beiden Fällen, ob die Eucharistie abends oder morgens stattfindet. Da Justins Eucharistie nicht symposial gefeiert wird, ist eine morgendliche Feier der Tauf- wie der Sonntagseucharistie denkbar (so z.B. LIETZMANN, Messe 257f.), ein abend100
3. Fazit
117
In Apol I 61–65 (sowie in Dial 41) nimmt Justin die Perspektive jener Teilgruppe aus der Gemeinde ein („wir“), die mit den Täuflingen mitfastet und mitbetet und die diese zunächst zur Wassertaufe und danach zur Taufeucharistie begleitet. Für diese Gruppe bilden Wassertaufe und Taufeucharistie also eine klare rituelle Sequenz, mit der Taufeucharistie bricht zudem die ganze Gruppe ihr kollektives Tauffasten. Für die übrige Gemeinde wiederum beginnt die Taufeucharistiefeier mit dem Fürbittgebet beim Eintreffen der Neugetauften samt denjenigen Gemeindemitgliedern, die an der Wassertaufe teilgenommen hatten. Die Neugetauften wurden in das Fürbittgebet zu Beginn des Gottesdienstes explizit eingeschlossen, es folgten der Bruderkuss, das Herbeibringen von Brot und Kelch für den Vorsteher sowie das Eucharistiegebet und die Kommunion. Den Wortgottesdienst und die Kollekte hätte der Neugetaufte demnach frühestens bei seiner ersten Teilnahme an der Sonntagseucharistie erlebt. Justin schildert weder die Taufeucharistie noch die Sonntagseucharistie als Symposium oder in Verbindung mit einem „Sättigungsmahl“, was nicht zuletzt im Hinblick auf seine stadtrömischen Adressaten auffällig ist. Bei der Taufeucharistie wurden offensichtlich nur Brot und Becher (mit Wein und Wasser) „dargebracht“,101 was den typologischen Bezug zwischen der Taufeucharistie und dem Opfer des Weizenmehles im Anschluss an die Reinigung Aussätziger erleichtert haben dürfte. Justin setzt für seinen Bereich also „die Stilisierung des Mahles zur Brot- und Kelchkommunion“ bzw. „ein zur Kommunion stilisiertes Kultmahl“ voraus.102 Der zentrale Vollzug ist die Konsekration von Brot und Wein mittels der Eucharistiegebete103 samt anschließender Kommunion (nur) der konsekrierten Elemente. licher Termin ist aber keineswegs ausgeschlossen (KOLLMANN, Ursprung 150f.). Ausführlich dazu KLINGHARDT, Gemeinschaftsmahl 501–504. Vielleicht sind in Justins Gemeinden weder die Taufen noch die Eucharistien auf bestimmte Tageszeiten festgesetzt. 101 THEOBALD, Eucharistie als Quelle 238–247, vermutet aufgrund von Apol I 67,2 in Verbindung mit 13,1–2, dass die (hauptsächlich aus Naturalien) gespendeten „Liebesgaben“ vor der eigentlichen Eucharistie durch die Diakone dem Vorsteher übergeben wurden, der ihnen die Abendmahlselemente entnahm, auf die sich dann „Gebete und Eucharistien“ bezogen. 102 MESSNER, Gottesdienst 432, gegen KLINGHARDT, Gemeinschaftsmahl 500–509. Mit Recht kommentiert Meßner Justins zweimalige Schilderung der Austeilung von Brot und Wein so: „Dies ist doch eindeutig die Schilderung einer stilisierten Kommunion, nicht eines gemeinsamen Essens und Trinkens zur Sättigung“. Meßner betont allerdings mit Recht, dass diese Stilisierung keinesfalls für alle christlichen Gemeinden des 2. Jh. vorauszusetzen ist (ebd. 434 unter Hinweis auf Tertullian). Ebenso KOLLMANN, Ursprung 146. 148, außerdem KLAUCK, Herrenmahl 148f. 103 Vgl. STANDHARTINGER, Mahl 300: „Das Gebet benennt damit das Medium, mit dem die Wirksamkeit des Ritus überhaupt gewährleistet wird oder das, was aus der profanen (κοινός) Speise eine kultisch angemessene macht“. Für diesen Grundgedanken bietet sie eine Reihe von instruktiven römischen Parallelen.
118
III. Die Taufeucharistie bei Justin
Dies bestätigt der Dialog, der die bereits jüdisch vorbereitete Übertragung von Opferterminologie auf Gebete (vgl. Dial 117,2) nochmals auf die Eucharistiegebete über Brot und Becher engführt (117,1–3, vgl. 41,2f.). Andererseits geht es bei der Taufeucharistie keineswegs nur um die Versorgung des Neugetauften mit „consecrated food“ (Leonhard). Zur Taufeucharistie kommen „die bei uns sogenannten Brüder und Schwestern zusammen“, zu ihnen stoßen die Neugetauften und jene Gemeindeglieder, die die Täuflinge in den letzten Tagen vor der Taufe mit Fasten und Gebet begleitet haben. Die von Clemens Leonhard getroffene Unterscheidung (s.o.) erweist sich im Falle des Justin also als noch zu schematisch.104 Anders als manche der apokryphen Apostelakten (s.u.) bezeugt Justin durchaus einen „richtigen“ Eucharistiegottesdienst der (ganzen) Gemeinde anlässlich von und im Anschluss an Taufen, einen Gottesdienst zudem, der in den wesentlichen Elementen mit der Sonntagseucharistie übereinstimmt. Ob die Taufeucharistie bereits als Teil der Initiation galt oder man doch besser von Ersteucharistie im Anschluss an die Initiation sprechen sollte, ist letztlich eine Frage der Definition.105
104
Vgl. LEONHARD, Justin and the Initiation Meal 45: „the distinction between meals and the mere consumption of consecrated bread“, u.ö. 105 Dies zu LEONHARD, Justin and the Initiation Meal: Zu behaupten, die Eucharistie sei nicht Teil der Initiation (sondern setze sie voraus), impliziert wiederum eine ganz bestimmte Definition von Initiation, laut der nämlich die Initiation mit der Wassertaufe ihren Abschluss findet.
Kapitel IV
Taufeucharistien in den Paulus- und den Petrusakten IV. Taufeucharistien in den Paulus- und den Petrusakten
1. Die apokryphen Apostelakten als liturgiegeschichtliche Quelle 1. Die apokryphen Apostelakten
Die theologische, insbesondere die liturgiegeschichtliche Bedeutung der fünf alten apokryphen Apostelakten, also der Johannes-, Paulus-, Petrus-, Andreas- und Thomasakten, wird zunehmend höher eingeschätzt. Während diese Texte noch für Wilhelm Bousset „den populären Massenglauben des Durchschnitts-Christentums“ und den „Vulgärglauben der katholischen Kirche“ widerspiegelten,1 beurteilt Reinhard Meßner die Thomasakten als „die aussagekräftigsten Quellen für die altsyrische Tradition des Taufgottesdienstes“, da die in diesen enthaltenen liturgischen Gebete „zu den ältesten erhaltenen liturgischen Primärquellen“ gehörten.2 Auch bei der Einschätzung dieser Texte als heterodox (z.B. gnostisch, doketisch etc.), die oft genug anachronistisch nach den Maßstäben einer späteren Orthodoxie erfolgte, ist man vorsichtiger geworden. Die jüngere Forschung schätzt den liturgiegeschichtlichen Quellenwert narrativer und deskriptiver Texte wie der Apostelakten oftmals höher ein als den von präskriptiven Texten („Kirchenordnungen“),3 da die an der Missionstätigkeit, an den Wundertaten und den Predigten einzelner Apostel interessierten Apostelakten liturgische Texte und Handlungen vielfach selbstverständlich voraussetzen und wiedergeben, ohne sie problematisieren, regulieren oder reglementieren zu wollen. 1.1 Bekehrung und Initiation Allerdings stellt sich die Frage, ob diese Literatur mit dem Adjektiv „deskriptiv“ bereits angemessen charakterisiert ist. Da beispielsweise die Mis1
BOUSSET, Kyrios Christos 233. 256. MESSNER, Einführung 41. 85; vgl. MESSNER, Gottesdienst 404–409 und 435–439, sowie MESSNER, Eucharistie passim. Laut LEONHARD, Art. Mahl 1068, bieten die apokryphen Apostelakten „Vergleichsmaterial für die Eucharistiefeiern“. 3 Zu dieser Frage vgl. MESSNER, Einführung 36 und 41f., sowie BRADSHAW, Search 80–110 („Ancient Church Orders: A Continuing Enigma“). Zu den apokryphen Apostelakten als liturgiegeschichtlichen Quellen vgl. auch WINKLER, Initiationsrituale 132–175; DIES., Beobachtungen, sowie CHALASSERY, Spirit 23–34 (zu den Thomasakten). 2
120
IV. Taufeucharistien in den Paulus- und den Petrusakten
sion der Apostel oft großen Erfolg in gehobenen gesellschaftlichen Ständen (bei Königen, Reichen, Fürsten etc.) hat und diese Akten auf die Konversion gerade solcher Personen großen Wert zu legen scheinen, ist diese Literatur auf jeden Fall zunächst „fiktiv“ zu nennen. Inwiefern die Romanfiktion reale Gegebenheiten der Zeit ihrer Abfassung (z.B. Gottesdienste) widerspiegelt, muss von Fall zu Fall geprüft werden.4 Zumal keineswegs klar ist, ob die Akten anhand des Apostels und seiner Worte und Werke, aber auch seiner liturgischen Vollzüge einen Idealzustand evozieren wollen, den es so gerade nicht gegeben hat, sondern der einer ganz anderen, vom Verfasser aus welchen Gründen auch immer als ungenügend oder gar falsch empfundenen Praxis kritisch gegenübergestellt wird, oder ob im Gegenteil die Praxis des Apostels gerade als mit der Praxis der späteren Kirche übereinstimmend dargestellt werden soll. Damit hängt die Frage nach dem Adressatenkreis dieser Texte zusammen. Wenn sie sich nach „innen“ richten, dann ist es eher wahrscheinlich, dass die apostolische Fiktion „innerchristlich“ zur Kritik an bestehenden Zuständen abgezweckt wird, die als nicht der Intention des Apostels entsprechend dargestellt werden sollen. Handelt es sich dagegen um Missionsliteratur, die sich nach „außen“, also an Nichtchristen richtet, dann ist es umgekehrt wahrscheinlicher, dass die hier berichteten Gottesdienste mit den tatsächlich gefeierten ungefähr übereinstimmen, da die Neubekehrten sonst mit einem ganz anderen Ritus konfrontiert wären. Fragt man nach der Intention der apokryphen Apostelgeschichten, so ist zunächst darauf hinzuweisen, dass diese aus z.T. ganz unterschiedlichen Milieus entstammen. Ein wichtiger Anhaltspunkt ist die Schilderung (oder das Fehlen!) ritueller Vollzüge wie Initiation, Taufe, Eucharistie, Salbungen etc. E.V. Gallagher hat allerdings darauf hingewiesen, dass weniger die liturgischen Schilderungen der Initiationsriten und der gottesdienstlichen Vollzüge der Taufliturgien, sondern vielmehr die „successful missionary activity“ der wunderwirkenden Apostel und damit das Thema der „conversion“ im Zentrum des Interesses der Apostelakten stehen,5 allerdings gilt dies m.E. für die Thomasakten nur in eingeschränktem Maß. Grundmuster sei: „the apostles speak or act and many join the faith“.6 Es gehe also um die charismatischen Kräfte der Apostel und den Erfolg von deren Mission. Daraus könne man schließen, dass das Thema der (gottesdienstlichen) „ini-
4
SALZMANN, Lehren 302f., steht dem Quellenwert der Apostelakten skeptisch gegenüber, allerdings ist er primär am „Wortgottesdienst“ interessiert und vernachlässigt den Initiationsgottesdienst fast vollständig. 5 GALLAGHER, Acts14f. 6 GALLAGHER, Acts 17.
1. Die apokryphen Apostelakten
121
tiation“ eher im Windschatten dieser „ideology of conversion“7 steht. Demnach scheinen die Initiationsriten das Vorausgesetzte, auch das Gemeinsame und oft nicht Problematisierte zu sein, während sich in der „ideology of conversion“ der spezifische Akzent der Autoren zeigt.8 Allerdings gehören zur Erstellung dieser literarischen „images of conversion“9 oft genug auch die Schilderungen der rituellen Initiationsvollzüge, und in diesem Zusammenhang ist dann auch von der Taufeucharistie die Rede. Gerade weil diese Texte in der Regel kein Interesse an der Regulierung oder Begründung der Taufgottesdienste haben (oder dies zumindest nicht direkt artikulieren), sondern diese – als Folge der Bekehrung – nur beschreiben bzw. andeuten, sind sie wertvolle Quellen für den Taufgottesdienst im 2. und 3. Jahrhundert. 1.2 Asketische Eucharistien Die Einbeziehung der erhaltenen Teile und Fragmente der apokryphen Apostelakten ist von großer Bedeutung für unsere Untersuchung, da in diesem Traditionsbereich ein starkes Interesse an Nahrungsmitteln und Tischgemeinschaft besteht. Bis auf wenige Ausnahmen werden in den Apostelakten reine Broteucharistien oder Eucharistien mit Brot und Wasser geschildert. Die eucharistische Mahlgemeinschaft hat damit Anteil an einer allgemeinen „asketischen“ Grundausrichtung, wobei diese „Askese“ weniger eine individuelle Übung zur Selbstdisziplinierung darstellt, sondern vielmehr als Opposition gegen die gesellschaftliche und v.a. die religiöse Leitkultur zu verstehen ist.10 Der Verzicht auf Fleisch und auf Wein ist in diesem Kontext zu sehen und daraus erklärt sich auch die schon von Hans Lietzmann herausgestellte „relative Gleichgültigkeit gegen das zweite Element der Eucharistie“.11 Der programmatische und religiös (z.B. dämonologisch) begründete Verzicht auf gewisse Nahrungsmittel (v.a. Fleisch, aber oft auch Wein) führt dazu, dass die Abgrenzung der eigenen Mahlpraxis wie der eigenen Tischgemeinschaft „nach außen“ weit stärker ist, als 7 GALLAGHER, Acts 21. Gerade dies sei typisch für diese Literatur: „the various motifs which the AAA often use to describe the process of conversion and the ideology which those motifs express are, if not unique, relatively distinctive“ (ebd. 28). 8 Vgl. dazu den Kommentar von Junod und Kaestli (CChr.SA 2, 684–686, JUNOD/ KAESTLI). Zum Verhältnis von Initiationsriten und Konversion vgl. auch die knappen Bemerkungen bei GALLAGHER, Acts 29, laut dem sich die (individuellen) Konversionsgeschichten der Akten auf die (gemeinsamen, „common“) Initiationsriten der Gemeinden beziehen. 9 GALLAGHER, Acts 17, vgl. 21: „vividly imagined examples for the text’s dominant understanding of conversion“, sowie 28: „visible images of the invisible transformations“. 10 Vgl. dazu MCGOWAN, Eucharists 271 u.ö. 11 LIETZMANN, Messe 248.
122
IV. Taufeucharistien in den Paulus- und den Petrusakten
die „interne“ Unterscheidung zwischen verschiedenen Mahlzeiten, so dass auch eine Unterscheidung zwischen „gewöhnlichen“ und „sakralen“ Mahlzeiten anachronistisch ist. Durch den Ausschluss bestimmter Nahrungsmittel wird die Exklusivität und Sakralität der Tischgemeinschaft gesteigert.12 1.3 Taufe und Mahl in den Johannes- und den Andreasakten (Überblick) Schon diese knappe und schematische Skizze zeigt die Probleme, die sich bei einer liturgiegeschichtlichen Auswertung dieser Literatur stellen. Hinzu kommt, dass gerade mit den Themen „Taufe und Initiation“ sowie der Eucharistie in diesen Akten sehr unterschiedlich umgegangen wird. So wird in den Johannesakten (zumindest in den uns überlieferten Partien) von keiner Taufe erzählt,13 was allerdings auch mit der fragmentarischen Überlieferung des Textes zusammenhängen kann.14 Die Wortgruppe βαπτίζειν κτλ. kommt in den ActJoh mit Ausnahme der Interpolation 57,9 gar nicht vor, ἀναγέννησις κτλ. und φωτισμός fehlen, λουτρόν erscheint nur im Zusammenhang der Verwünschung des Fortunatus (84,15). Zweimal wird – und dies an zentralen Stellen – eine Eucharistiefeier (nur mit Brot) erwähnt, die Johannes mit anderen feiert (85f.; 106–110).15 Hinzu kommt, dass die (allgemein)christliche Initiation unpolemisch, aber beiläu-
12 Dies ist ein wichtiges Ergebnis der detaillierten Untersuchung der „Ascetic Eucharists“ durch A. McGowan: „Since in these cases exclusion of certain foods is part of a somewhat generalized sacralization of eating, what matters is the distinction between the meals of these communities and other meals, rather more than between the meals of the average day and the meals of Sundays or other times of assembly.“ (MCGOWAN, Eucharists 174). 13 Die Bemerkung in ActJoh 57 (CChr.SA 1, 243, JUNOD/KAESTLI), Johannes habe Antipatros und seine beiden Zwillingssöhne „über Vater, Sohn und Geist unterwiesen und getauft“, ist eindeutig eine spätere Interpolation (so auch JUNOD/KAESTLI, ebd. 242 Anm. 4, sowie LALLEMAN, Acts 167f.), da weder Taufkatechese noch Taufe in den ActJoh sonst erwähnt werden, vor allem aber weil die Erwähnung der Trinität dem „christomonistischen“ Charakter der ActJoh (dazu LALLEMAN, Acts 167f.; SCHÄFERDIEK, Johannesakten, in: SCHNEELMELCHER, Apokryphen II 152f.) widerspricht. 14 Verlorengegangen ist in jedem Falle die Bekehrung der Drusiana und dann des Andronikus, die ab Kap. 37 (vgl. auch Kap 63ff.) vorausgesetzt sind. Die in einer einzigen Handschrift überlieferten Kap. 87–105 beginnen mit einem Rückblick der Drusiana auf eine Begebenheit, deren schriftliche Fassung ebenfalls verloren gegangen ist. Vielleicht war in den verlorengegangenen Passagen von der Taufe bzw. der Initiation Drusianas die Rede. 15 CChr.SA 1, 291–293 sowie 301–305, JUNOD/KAESTLI. In beiden Fällen wird jeweils das Brotbrechen genannt und es werden längere Eucharistiegebete zitiert (λαβὼν ἀρτον ἐκόμισεν εἰς τὸ μνῆμα κλάσαι... / καὶ αἰτήσας ἄρτον εὐχαρίστησεν... καὶ κλάσας τὸν ἄρτον), es folgt eine Brotkommunion (κοινωνήσας... τῆς τοῦ κυρίου εὐχαριστίας / καὶ κλάσας τὸν ἄρτον ἐπέδωκεν ἡμῖν...).
1. Die apokryphen Apostelakten
123
fig in Kap. 84 erwähnt wird.16 Dagegen wird eine Reihe von sonst mit der Taufe verbundenen Begriffen im Kontext des Hymnus Christi und der Offenbarung des Kreuzgeheimnisses genannt.17 Von daher ist die Bezeichnung von ActJoh 94–96 als „mystère initiatique, comportant un hymne et une danse sacrés“ durchaus berechtigt.18 Auch wenn „in den Bekehrungsgeschichten der Johannesakten von einer Taufe nie die Rede“ ist,19 ist daher die Frage, ob die hinter den ActJoh stehenden Kreise überhaupt die Wassertaufe praktizierten,20 wohl falsch gestellt. Der Befund deutet vielmehr darauf hin, dass die Johannesakten das Produkt einer Gruppe innerhalb von christlichen Gemeinden sind und (bereits getaufte) Christen zu einer Art höheren Erkenntnis über die christlichen Glaubensinhalte (im Unterschied zur „offiziellen“ Meinung) führen wollen.21 Auch die Andreasakten sind nicht im ursprünglichen (griechischen) Originaltext und nur fragmentarisch erhalten. Ein Taufgottesdienst mit Taufe und Taufeucharistie wird in den überlieferten Fragmenten nicht geschil16
In einer Art Fluchlitanei, die Johannes dem davoneilenden Fortunatus hinterher ruft, werden u.a. die Elemente des auch anderswo bezeugten Initiationsrituals aufgeführt: „Auferstehung zu Gott“ ist wohl als generelle Überschrift zu deuten, es folgen die präbaptismale Salbung (ἀπὸ εὐωδίας ἧς κοινωνεῖν οὐ μέλλεις), Fasten (ἀπὸ νηστεῖων), Gebet (ἀπὸ δεήσεων), Wassertaufe (ἀπὸ λουτροῦ ἁγίου) und das (Tauf?)Eucharistiegebet (ἀπὸ εὐχαριστίας) (CChr.SA 1, 289–291, JUNOD/KAESTLI). Das ist ein „complete act of initiation“ (MILLER, Materials 378). Daran schließt sich bemerkenswerterweise direkt die Andeutung von Mahlzeiten an (ἀπὸ τροφῆς σαρκός, ἀπὸ πότου, ebd. 291). 17 Vor allem im ersten Teil der „Tanzeucharistie“ (CChr.SA 1, 201–205, JUNOD/K AESTLI) erscheinen u.a. die Verben σῴζειν (95,2f.), λύσειν (95,4f.), γεννᾶν (95,8.9: „gezeugt werden will ich und zeugen will ich – Amen“; „nichtsakramental“ noch in 56,7 und 84,6), direkt gefolgt von φαγεῖν und βρωθῆναι (95,10f.), sowie λούειν (95,16f.: „Gewaschen werden will ich, und waschen will ich – Amen“). Vgl. außerdem φωτίζειν in 97,8 (am Karfreitag wird Johannes von Jesus selbst über die eigentliche Wahrheit der Kreuzigung „erleuchtet“) und γένησις (nur) in 99,2. 18 CChr.SA 2, 627, JUNOD/KÄSTLI. Die beiden gehen außerdem davon aus, dass der Text einen tatsächlich in einer gnostischen Gemeinde praktizierten (Initiations?)Ritus widerspiegelt. 19 SCHÄFERDIEK, Johannesakten 153. 20 So MILLER, Materials 379, der erwägt, ob die Gemeinde hinter den ActJoh „did not practice water baptism, but performed a re-enactment of the convert’s death and resurrection“. 21 BRADSHAW, Origins 124 („a document that belongs to a group that was in all likelihood on the margins of Christianity rather than part of the mainstream“). In diese Richtung geht auch LALLEMAN, Acts passim. Die Durchführung seiner These, dass die ActJoh eine „two-stage-initiation into an eminently spiritual form of Christianity“ anstrebten, enthält viele zutreffende Beobachtungen, auch wenn ihre Kombination mit einem literarkritischen Modell nicht immer überzeugt.
124
IV. Taufeucharistien in den Paulus- und den Petrusakten
dert, es findet sich nur eine Reihe geheimer gottesdienstlicher Versammlungen.22 Im lateinischen „Buch der Wunder des Apostels Andreas“ Gregors von Tours findet sich nur eine Reihe von stereotypen Bemerkungen, dass Andreas alle Bekehrten getauft habe.23 Die Eucharistie ist in Kap. 5 angedeutet.24 Im Unterschied zu den Andreas- und den Johannesakten werden in den Fragmenten der Paulus- und der Petrusakten Taufeucharistien erwähnt. In den Thomasakten spielen die Taufen und Taufeucharistien sogar eine ganz zentrale Rolle, so dass die verschiedenen Konversionsgeschichten hier fast alle in Taufgottesdienste einmünden, die im Vergleich mit den anderen Apostelakten sehr farbig geschildert werden und lange liturgische Texte enthalten.
2. Die Taufeucharistie in den Paulusakten 2. Die Taufeucharistie in den Paulusakten
Wie schon Wilhelm Schneemelcher in seiner Einleitung zur Übersetzung der erhaltenen Fragmente der Paulusakten ausführte, ist die handschriftliche Überlieferungssituation der Paulusakten komplex.25 Eine kritische Ausgabe aller Zeugen steht nach wie vor aus. Im Widerspruch gegen Versuche, aus den vorhandenen Fragmenten eine Art Urfassung zu rekonstruieren, hat Glenn E. Snyder in jüngster Zeit einen alternativen Ansatz entwickelt: Anstatt von einem „original coherent whole“ geht Snyder von „at least three distinct strands of composition“ aus.26
22 Vgl. die Übersicht bei SALZMANN, Lehren 282–284, der diesen Befund auf die „gnostisierende Wortfrömmigkeit“ der Trägerkreise der Andreasakten zurückführt. 23 1,49–51: at ille credentes baptizati sunt in nomine Patris et Filius et Spiritus sancti, accepta peccatorum remissione (CChr.SA 6, 573, PRIEUR); 3,14 (ebd. 575); 4,36f. (ebd. 579); 6,25–28 (Taufe und Einsetzung des Calestus als Bischof; ebd. 585). 24 Nach der Heilung sowohl des Gratinus und seiner Gattin wie auch von deren Sohn heißt es in 5,23–25: Beatus autem apostolus fregit panem et dedit ei. Quae (!) gratias agens, accepit et crededit in Domino cum onmi domo sua (CChr.SA 581, PRIEUR). Interessanterweise erhält nur Gratinus’ Gattin die Eucharistie. Dazu die Bemerkung von ADAMIK, Eroticism 39: „Perhaps because women play larger roles in the AAA, where they are always the initiators concerning the Christian religion. Gregory took over this characteristic from the AAA, but as a true Roman (to the Romans women were always suspicious: Livy 39.8–18; Minucius, Octavius, 8.4) he did not expound on it in Detail because he did not want to emphasize the role of women“. 25 Dazu SCHNEEMELCHER, Apokryphen II 197f., außerdem KLAUCK, Apostelakten 61– 64. Ausführlich SNYDER, Acts 217–256. Einen kommentierten Überblick über alle Textzeugen bietet BARRIER, Acts XIII–XV. 26 SNYDER, Acts 17 u.ö.
2. Die Taufeucharistie in den Paulusakten
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Die nur fragmentarisch erhaltenen Paulusakten bieten für unsere Fragestellung nicht allzu viel Material. Die viel behandelte, in den „Akten des Paulus und der Thekla“ erzählte Selbsttaufe der Thekla ist ein Sonderfall, da es sich hier nicht um eine Initiation im Rahmen eines Gottesdienstes handelt.27 Der Ausdruck σφραγίς ist in diesen Akten auf die Wassertaufe bezogen.28 An verschiedenen Stellen ist von Eucharistiefeiern die Rede, so im Haus des Onesiphoros (Kap. 5) und in einer Grabanlage am Weg nach Daphne (Kap. 25). Eigenartig ist dabei die Geschichte von der Heilung des Hermokrates (PHeid 28f.), bei der vor der Versiegelung von einer Brotmahlzeit die Rede ist: Paulus heilt den wassersüchtigen Hermokrates. Nachdem dieser aus seiner Ohnmacht erwacht ist, wünscht er zu essen. Paulus „gab ihm Brot, damit er äße“, Hermokrates „wurde gesund in jener Stunde und empfing die Gnade des Siegels (σφραγίς), das in dem Herrn, er und seine Frau“. Eine Taufeucharistie wird nicht erwähnt. Eine solche fehlt auch im Falle der Prokla.29 2.1 Die Taufe der Artemilla (PHam p. 2–5) Glenn E. Snyder weist u.a. darauf hin, dass Teile der Paulusakten eine bestimmte „baptismal ideology“ entwickeln.30 Diese zeigt sich insbesondere in der Erzählung von der Taufe des Löwen (der nach seiner Taufe eine ihm entgegenkommende Löwin keines Blickes würdigt).31 27 Dazu nun den detaillierten Kommentar von BARRIER, Acts, v.a. 132–136 (zu 3,25 = 25) und 160–164 (zu 4.9) sowie 173–175 (zu 4.13). Zur abweichenden Kapitelzählung vgl. ebd. XVII–XX. Laut Barrier verweigert Paulus der Thekla zunächst die Taufe, da dies die „apostolische“ Autorität zu lehren und zu taufen nach sich ziehen würde (136). Die in 4.9 erzählte Selbsttaufe wird von Gott selbst mit himmlischen Zeichen legitimiert: „Thecla has been sealed in Christ without the (previously thought) necessary apostolic sanctioning, but rather is directly sealed by God. This is no different than the calling of Paul and the other Apostles“ (164). Deswegen kann sie in 4,15 ihr „Amt“ in Anlehnung an Gal 2,8 (!) beschreiben (dazu BARRIER, Acts 178–181). In Reaktion darauf muss Paulus ihr die Lehrbefugnis zugestehen: ὕπαγε καὶ δίδασκε [!] τὸν λόγον τοῦ θεοῦ (4,16, Text bei BARRIER, Acts 181). Zur Selbsttaufe der Thekla vgl. auch ESCH-WERMELING, Thekla 84–89 (Literarkritik) und 290–295. 28 Vgl. PHeid 20,11 (Thekla bittet Paulus um das Siegel [σφραγίς], der Apostel erwidert, sie werde die Taufe [βάπτισμα] empfangen); 29,20; 39,19 (Theudes bittet um das Siegel, die Erfüllung der Bitte wird nicht berichtet); 56,12; 58,8. 29 In Papyrus Bodmer 41 wird erzählt, dass Paulus Prokla und all die Ihrigen taufte (deutscher Text bei SCHNEEMELCHER, Apokryphen II 241–243, hier 243). Zum Ganzen ausführlich SNYDER, Acts 76–81. Er überlegt ebd. Anm. 72, ob Prokla ursprünglich mit der Frau des Hieronymus identisch war. 30 SNYDER, Acts 226 u.ö. 31 Dazu auch KLAUCK, Die apokryphe Bibel 110–115. Die Geschichte ist laut Klauck „ein besonders exquisites Beispiel für den vor allem aus der syrischen Kirche bekannten
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IV. Taufeucharistien in den Paulus- und den Petrusakten
In diesem Kontext ist nun auch die Taufe der Artemilla in Ephesus und die anschließende Taufeucharistie zu verorten.32 Die leider schlecht erhaltene Artemilla-Episode ist in die Erzählung vom Tierkampf in Ephesus, bei dem Paulus den von ihm getauften Löwen wiedertrifft, eingeschoben. Im Unterschied zum Löwen wird die Initiation der Frau des Prokonsuls Hieronymus als regelrechter Taufgottesdienst in der Nacht vom Sabbat auf den Sonntag geschildert, der in die morgendliche Taufeucharistie ausmündet. Im Gefängnis in Ephesus lauschen Artemilla und ihre Freundin Eubula der (Buß-)Predigt des gefangenen Apostels, den am nächsten Tag der Tierkampf erwartet. Diese Predigt richtet sich interessanterweise nicht gegen die sexuelle Praxis, sondern gegen „Reichtum, Schönheit und Schmuck“ von Frauen. Ihr zentraler Satz lautet: μόνος δὲ ὁ θεὸς μένει καὶ ἡ δι’ αὐτοῦ διδομένη υἱοθεσία (PHam 2,27f.). Nachdem ihr der Apostel verkündet hat, dass nur in dieser Kindschaft Rettung zu finden sei, bittet Artemilla gemeinsam mit Eubula den Paulus, dass er sie „schon wasche in Gott“ (2,35: ἵνα λούσῃ ἤδη ἐν θεῷ).33 Die Frauen sind in Eile, weil für den nächsten Tag der Tierkampf angesetzt ist. Da die Taufe in fließendem Wasser erfolgen muss, kann der Apostel die Frauen nicht im Gefängnis taufen. Ihren Vorschlag, Paulus durch einen Schlosser von den Ketten befreien zu lassen, lehnt dieser ab, da er allein zu Gott Vertrauen habe. Es folgt ein an „meinen Gott, Jesus Christus“ gerichtetes Gebet, das durch die Erscheinung eines schönen Knaben (παῖς) erhört wird, der dem Apostel lächelnd die Ketten löst.34 Der Jüngling, desen σῶμα dem Paulus gleicht und im Dunkeln leuchtet, geht ihnen voran, und so erreichen Paulus, Artemilla und Eubula das Meer. Dort tauft Paulus Artemilla auf den Namen Jesu Christi, nachdem er gebetet und ihr die Hand aufgelegt und außerdem das Meer gesegnet hatte.35
Zusammenhang von Taufe und Eheverzicht“ (ebd. 112), zumal der Löwe in der Gedankenwelt der Paulusakten „die Triebkraft schlechthin, die Sexualität, die trotz ihrer Ausrichtung auf die Fortpflanzung die Menschen letztlich nicht vom Tod befreien kann, sondern den Tod, speziell den geistigen Tod erst recht provoziert“. 32 Ausführlich zu dieser Szene SCHMIDT/SCHUBART, ΠΡΑΞΕΙΣ 85–98; PETERSON, Bemerkungen; SNYDER, Acts 66–99. 33 Es ist unklar, ob es sich dabei um Christus oder um Gott handelt. Mit Recht dazu SNYDER, Acts 73: „So what is important is not the difference between the two but the difference between the divine on the one hand and everyone and everything else on the other“. 34 Dazu PETERSON, Bemerkungen 191: „In dieser Nacht, da Christus von den Toten auferstanden ist, hat er den ganzen Kosmos von den Fesseln befreit. Das ist die leicht verständliche Symbolik des Textes“. 35 PHam 3,31–33: καὶ [προσευξάμενος ὁ Παῦλο]ς ἐπέθηκεν τῇ Ἀρτεμύλλᾳ τὴν χε[ῖρα καὶ....... τὸ ὕ]δωρ ἐν ὀνόματι Χριστοῦ Ἰησοῦ (SCHMIDT/SCHUBART 34).
2. Die Taufeucharistie in den Paulusakten
127
Nachdem der schöne Jüngling die vor Entsetzen über das aufbrausende Meer36 ohnmächtig gewordene Artemilla lächelnd wiederbelebt hat, begeben sich Paulus und die Neugetaufte, „als bereits der Morgen graute“ (4,3: φαίνοντος ἤδη τοῦ ὄρθου), in das Haus (Gefängnis) zurück, wo Paulus Brot bricht, Wasser bringt und Artemilla tränkt (4,4f.: ἔκλασεν ἄρτον ὕδωρ τε προσήνεγκεν ἐπότισεν) und sie dann mit einem Wort zu ihrem Gatten entlässt.37 Erst die Taufeucharistie mit dem Apostel schließt die Initiation Artemillas ab.38 Hinzu kommt aber, dass die Eucharistie am Morgen des Herrentages gefeiert wird, Tauf- und Sonntagseucharistie also zusammenfallen.39 Bemerkenswert ist der klar individualistische Charakter der Szene: Außer Paulus und Artemilla ist nur noch deren Sklavin Eubula anwesend. Die Taufeucharistie dient offensichtlich dazu, die neugetaufte Artemilla mit „konsekriertem“ Brot und Wasser in Kontakt zu bringen. Bei der frühmorgendlichen Taufeucharistie fehlt natürlich auch jeder symposiale Charakter, auch wenn nach der Eucharistie ein ῥῆμα erwähnt wird. 2.2 Der von Petrus getaufte Kapitän Artemon (PHam p. 7) In den Paulusakten findet sich anlässlich der Fahrt des Paulus von Korinth nach Italien eine interessante Notiz über den Kapitän des Schiffes, Artemon.40 Dieser sei von Petrus (!) getauft worden,41 daher kann er mit Paulus während der Überfahrt „Gemeinschaft halten“42 (d.h. v.a. zusammen beten,
36
Gegen diese Rekonstruktion Schmidts (vgl. SCHMIDT/SCHUBART 34f. und 90: „Selbst das Meer nimmt an dem Taufakt besonderen Anteil“) vermutet PETERSON, Bemerkungen 198, eher eine Lichterscheinung im Meer, die der Artemilla das Bewusstsein raubt. 37 Anders SCHMIDT/SCHUBART, ΠΡΑΞΕΙΣ 35ff.: „brach er das Brot, brachte das Wasser, tränkte mit dem Worte [Anm. 5: hier bildlich für die mündliche Predigt] und entließ sie zu ihrem Manne Hieronymus“. Sinnvoller ist es, ῥήματι nicht zum davorstehenden ἐπότισεν, sondern zum nachfolgenden ἀπέλυσεν zu ziehen („er entließ sie mittels eines Wortes“). SNYDER, Acts 74 Anm. 30, erwägt, ob die Wendung „may refer to distribution of the drink while repeating some form of the so-called ‚words of institutionʻ (...) or another ritualized saying“, doch ist das eher unwahrscheinlich. 38 SNYDER, Acts 73f. formuliert das so: „Paul leads Artemilla in post-baptismal sacrament consisting of bread and water and ‚the sayingʻ (ῤῆμα)“. 39 Dazu auch PETERSON, Bemerkungen 201, der einen Zusammenhang zwischen der nächtlichen bzw. frühmorgendlichen Taufe und der Verlegung der Sonntagseucharistie vom Abend auf den Sonntagmorgen herstellt. 40 Vgl. dazu Apg 27,40: ἀρτέμων ist hier laut BAUER/ALAND, Wörterbuch 220, das Vorsegel. 41 Vgl. PHam p. 7,19f.: Ἀρτέμων ὁ [κ]υβερνήτη[ς τοῦ] πλοίου ἦν λελουμένος ὑπὸ Πέτρου (SCHMIDT/SCHUBART 50–52). Vgl. dazu noch PHeid 51f. 42 PHam 7,22f. ἐκοινώνησεν ὁ Ἀρτέμω[ν τῷ] Παύλῳ (SCHMIDT/SCHUBART 52).
128
IV. Taufeucharistien in den Paulus- und den Petrusakten
vielleicht ist auch die Tischgemeinschaft impliziert, allerdings wird kurz darauf von Paulus gesagt, dass er fastet). Laut C. Schmidt ist die Taufe Theons parallel zur Taufe des Artemon im Heidelberger Papyrus der ActPl geschildert; der Autor der Paulusakten setze die älteren Petrusakten voraus und plagiiere sie.43 Da die Paulusakten durch die Bemerkung Tertullians (de bapt 17) auf vor 200 datiert werden können, hat eine Entscheidung in dieser Frage auch Konsequenzen für die Datierung der ursprünglichen (d.h. den Actus Vercellenses vorausliegenden) Version der Petrusakten.
Diese knappe Bemerkung von der Taufe des Artemon durch Petrus ist für unsere Fragestellung deswegen interessant, weil in den Petrusakten tatsächlich von der Taufe und der anschließenden „Taufeucharistie“ eines Kapitäns (der hier Theon heißt) berichtet wird (s.u.). Dies deutet auf eine literarische Verbindung zwischen diesen beiden Akten hin. Vor allem aber zeigt dieser Befund, dass die Taufeucharistie in der Regel dann eigens erwähnt wird, wenn der Vorgang der Initiation selbst (narrativ) geschildert wird.
3. Die Taufeucharistie in den Petrusakten 3. Die Taufeucharistie in den Petrusakten
3.1 Die Quellenlage Die Quellensituation ist im Falle der Petrusakten noch problematischer als bei den anderen alten Apostelakten. Die von Euseb (HistEccl III 3,2) genannten, aber bis auf das Martyrium Petri und wenige Fragmente verlorenen Petrusakten wurden Ende des 19. Jahrhunderts mit den Actus Vercellenses identifiziert, die neben den pseudoclementinischen Recognitionen auf einem in schlechtem Latein geschriebenen Codex aus Vercelli (6./7. Jh.) entdeckt wurden. Diese „bieten eine Momentaufnahme, die eine bestimmte Konstellation innerhalb eines fortlaufenden Prozesses gleichsam einfriert.“44 Diese Konstruktion wurde in jüngerer Zeit von Matthew C. Baldwin in Zweifel gezogen. Er bezweifelt, dass die Actus Vercellenses auf eine griechische Quelle aus dem 2. Jh. zurückgehen, die wiederum eine einheitliche Fassung von „Petrusakten“ dargestellt habe.45 In jedem Fall ist die Diskussion insbesondere der Quelle(n) der Actus Vercellenses und ihrer Datierung wieder offen.
43
SCHMIDT/SCHUBART, ΠΡΑΞΕΙΣ 128. KLAUCK, Apostelakten 122. 45 BALDWIN, Acts 302f. u.ö. 44
3. Die Taufeucharistie in den Petrusakten
129
Die Actus Vercellenses richten ihr Hauptinteresse auf die Auseinandersetzungen zwischen Simon Magus und Petrus, wobei es dem Verfasser nicht um die Lehre des Simon (bzw. der simonianischen Gnosis) geht, von der er wenig zu wissen scheint. Viel wichtiger ist ihm der Kampf zwischen Gott und Satan, wie er im Kampf zwischen Petrus und Simon ausgetragen wird. Dabei spielen die sich gegenseitig überbietenden Wunder die zentrale Rolle.46 Die Petrusakten geben sich radikal asketisch und an Wundern interessiert, ihre Einschätzung als „gnostisch“ wird aber kaum noch vertreten. Wie in den anderen Apostelakten wird die Eucharistie mit Brot und z.T. mit Wasser, aber ohne Wein gefeiert.47 3.2 Die Taufe Theons in den Actus Vercellenses Im 5. Kapitel der Actus Vercellenses wird die Taufe des Kapitäns Theon durch Petrus geschildert. Den Auslöser bildet dabei der Wunsch Theons, mit Petrus gemeinsam zu essen, den er aufgrund einer im Traum gehörten himmlischen Stimme äußert.48 Obwohl dies nicht direkt ausgesprochen wird, ist die Tischgemeinschaft zwischen dem heidnischen Kapitän und dem Apostel ohne die Taufe des ersteren nicht möglich.49 Bemerkenswert dabei ist auch, dass Petrus auf dem Schiff fastet; ein Tauffasten des Täuflings erwähnen die Petrus- wie auch die Paulus- und die Thomasakten nicht. Petrus beginnt daher eine mehrtägige Taufkatechese, an deren Ende Theon um das Siegel bittet, zumal eben eine günstige Windstille die Taufe im Meer ermöglicht.50 Aus der Tatsache, dass alle auf dem Schiff betrunken schliefen, ist zu entnehmen, dass die folgende Taufszene nachts statt46
Vgl. dazu auch SCHNEEMELCHER, Apokryphen II 254, der darauf hinweist, dass dem Simon allgemeine antichristliche Vorwürfe in den Mund gelegt werden, und diese wiederum von Petrus, aber weniger durch Schriftbeweise, sondern vor allem durch Taten und Wunder widerlegt werden. An der Tatsache, dass nicht (wie dann in den Pseudoclementinen) lange theologische Erörterungen, sondern Taten im Mittelpunkt stehen, zeige sich der „volkstümliche Charakter“ der ActPt, denen es mehr auf die erbauliche und praktische Wirkung ankomme als auf theologische Klarheit. Von daher ist Schneemelcher zu Recht skeptisch gegen Etikettierungen wie „häretisch“, „gnostisch“ oder auch „volkstümlich modalistischer Monarchianismus“. 47 So in Kap. 2 der Actus Vercellenses, außerdem im koptischen Papyrus Berl. 8502. 48 AAA 1, 50,10–19, LIPSIUS. 49 Dies ist ein Erzählzug, der auch in den Pseudoclementinen mehrfach auftritt (s.u.). 50 ActPt 5: si ui me dignum habere quem intingas in signo domini, habes occasionem (AAA 1, 50,27–28, LIPSIUS). Hier bezeichnet signum wohl das Kreuzzeichen bei der Wassertaufe, von einer Salbung wird nicht berichtet. Deswegen erwähnt Petrus im anschließenden Eucharistiegebet nicht nur, dass Theon eben getauft wurde, sondern auch, dass er „mit deinem heiligen Zeichen gezeichnet“ wurde (ebd. 51,7f.: et signatus est sancto tuo signo). Zur auffälligen Formulierung mit ting(u)o vgl. FERGUSON, Baptism 229.
IV. Taufeucharistien in den Paulus- und den Petrusakten
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findet. Es folgen die Taufe im Meer auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des Hl. Geistes und eine Christophanie an der Taufstelle: Christus erscheint als Jüngling und spricht den Friedensgruß, die begleitenden Lichteffekte (decore splendidus) zeigen erneut, dass die Szene nachts stattfindet. Daran schließt sich die Taufeucharistie in der Kajüte an: ActPetr 551 a b c d e f g h i j k l m
Und Petrus nahm Brot (at accepit panem Petrus) und sagte Dank dem Herrn (et gratias egit domino), der ihn würdig gemacht hatte für seinen heiligen Dienst (sancto ministerio suo) und weil ihnen erschienen war der Jüngling (et quia uisus fuisset eis iuuenis), der sagte: Friede mit euch! „Bester und allein Heiliger! Denn du bist uns doch erschienen, Gott Jesus Christus. In deinem Namen wurde er eben getauft52 und mit deinem heiligen Zeichen wurde er gezeichnet. Daher teile ich auch in deinem Namen ihm deine heilige Eucharistie mit (sic itaque in tuo nomine eucharistiam tuam communico ei), damit er sei (ut sit) dein vollkommener Diener ohne Tadel für immer“. Als sie aber aßen (aepulantibus autem illis) und sich im Herrn freuten (et gaudentibus in dominum) (…)
Bemerkenswert ist zunächst das Eucharistiegebet: Petrus dankt insbesondere für die zuvor an der Taufstelle ergangene Christophanie. Sodann heißt es, Theon sei signatus est sancto tuo signo (j). Damit dürfte auf das Parusiekreuz-Zeichen angespielt sein, das hier in Verbindung mit der Anrufung von Vater, Sohn und Geist bei der Taufe sowie der Christophanie steht.53 Offenbar wurde Theon bei seiner Taufe mit dem Kreuz bezeichnet. Ob das mit Öl geschah, wie es E. Ferguson für möglich hält, bleibt unklar.54 Die Taufeucharistie selbst wieder hat einen klar individualistischen Zug. In den Worten des Petrus geht es darum, dem neugetauften Kapitän „deine Eucharistie mitzuteilen“ (eucharistiam tuam communico ei), analog zu den Paulusakten geht es also in erster Linie darum, den Neugetauften in Kon-
51
AAA 1, 51,3–11, LIPSIUS. Lipsius liest locutus und korrigiert in lotus (AAA 1, 51). 53 Dazu auch MESSNER, Gottesdienst 437. 54 Vgl. FERGUSON, Baptism 229. 52
3. Die Taufeucharistie in den Petrusakten
131
takt mit der eucharistischen Speise zu bringen.55 Aus dem Gebet des Petrus wird auch deutlich, dass die Taufeucharistie das Ziel der Initiation darstellt, denn erst durch die „Mitteilung deiner Eucharistie“ wird Theon für immer der vollkommene Diener Jesu.56 Mit der anschließenden Mahlnotiz geht der Wunsch Theons, mit Paulus zu essen, endlich in Erfüllung. Undeutlich bleibt, ob nur das Brot der Taufeucharistie gegessen wird. Allerdings fehlt nach wie vor jeder Verweis auf eine Gemeinde: Die Taufeucharistie ist in erster Linie eine Sache zwischen dem Täufling und dem Täufer – und ihrem Herrn!
55 PRIEUR, L’eucharistie 255, bemerkt mit Recht, dass es sich bei der Eucharistie im Schiff um eine private Eucharistie ohne ekklesiale Dimensionen handelt. 56 ActPt 5: sic itaque in tuo nomine eucharistiam tuam communico ei, ut sit consummatus seruus tuus sine repraehensione in perpetuo (AAA 1, 51,8–10, LIPSIUS).
Kapitel V
Die Taufeucharistien der Thomasakten IV. Die Taufeucharistien der Thomasakten
1. Einleitung 1. Einleitung
Die Thomasakten1, die einzigen vollständig überlieferten der alten Apostelakten, bieten im Hinblick auf Initiation und Taufeucharistie ein anderes Bild als die übrigen Apostelakten. Taufen bzw. Salbungen münden hier immer in die Taufeucharistie ein.2 Überhaupt sind sechs der sieben in den Thomasakten erzählten Eucharistien Taufeucharistien (Kap. 27; 49f.; 120f.; 133; 157f.); eine Sonntagseucharistie wird nur in Kap. 29 knapp geschildert. In den Worten Susan E. Myers: „The celebration of the Eucharist in the Acts of Thomas is an important aspect of initiation, although descriptions of it are brief and themes and terminology vary“.3 Viel deutlicher als die anderen Apostelakten haben die Thomasakten eine klar missionarische Ausrichtung. Das zeigt sich schon daran, dass – wie gesagt – fast alle hier geschilderten Gottesdienste Initiationsgottesdienste sind, bei denen der Apostel präbaptismale Salbungen, Wassertaufen und Taufeucharistien vollzieht. Hinzu kommt, dass sich fast alle der z.T. sehr umfangreichen Reden und Predigten des Apostels an Ungetaufte richten, also dezidierte Bekehrungspredigten darstellen.4 Programmatisch für die in den Thomasakten dargestellten Taufgottesdienste ist die Aussage König Misdais, wonach Thomas „die Menschen durch Öl und Wasser und Brot verhext (ἀλαίῳ καὶ ὕδατι καὶ ἄρτῳ τοὺς ἀνθρώπους μαγεύει)“.5 Hier sind – in einer fiktiven Außenperspektive – die drei Stationen des Initiationsgottesdienstes (präbaptismale Ölsalbung – Wassertaufe – Taufeucharistie mit Brot) aufgezählt. Im Vergleich mit der 1
Ich zitiere den griechischen Text nach der Ausgabe von BONNET (AAA 2,2 1959), die syrische Fassung in der englischen Übersetzung von WRIGHT. 2 Vgl. MYERS, Epicleses 132: „A sharing in some form of Eucharist is a feature in every initiation account, and found almost exclusively in initiatory scenes“. 3 MYERS, Epicleses 137. 4 Nur drei Reden hält der Apostel vor bereits Getauften, vgl. ActThom 28; 66; 159f. 5 Kap. 152 (BONNET 261, nochmals ebd.). Anders der Syrer: „he bewitcheth with oil and water and bread and wine“, sowie kurz darauf: „for I know, that as long as he hath not given to thee water and oil and bread and wine, he hath not yet got full power over thee“ (WRIGHT II 285).
2. Quellenlage und Literarkritik
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Ölsalbung ist die Wassertaufe allerdings zweitrangig,6 vermutlich konnte man in dieser Region darauf auch verzichten.7 Brian D. Spinks betont also mit Recht, „that in Thomas it is anointing that is of supreme importance, and that anointing, whether of head alone, or head and body, was prior to any baptism in water, or even perhaps, sufficed without baptism in water“.8 Die Eucharistie wiederum wird in vier der sechs Erzählungen nur mit Brot gefeiert, bei zweien kommt ein Wasserkelch hinzu (Kap. 121. 158).9
2. Quellenlage und Literarkritik 2. Quellenlage und Literarkritik
Im Falle der Thomasakten sind wir mit einer komplexen Überlieferungslage konfrontiert.10 Die Thomasakten sind ursprünglich auf syrisch verfasst, doch ist diese Urfassung verloren. Die erhaltene syrische Fassung scheint an vielen Stellen, aber nicht durchgehend, im Sinn einer späteren liturgischen Praxis überarbeitet worden zu sein. Demgegenüber bietet die erhaltene griechische Fassung oft (aber nicht immer) die ältere Überlieferungsstufe, allerdings ist auch der griechische Text bereits in der ältesten uns greifbaren Fassung offenbar mehrschichtig. Andererseits könnte sich auch in der überlieferten syrischen Fassung Gut erhalten haben, das gegenüber der griechischen Fassung älter ist. Gabriele Winkler, Reinhard Meßner und andere haben die in den Thomasakten mitgeteilten Gebete und Riten in eine liturgiehistorische Entwicklung eingeordnet, um die Frühgeschichte der eucharistischen Epiklese aufzuhellen. Nach Winkler ist die Anrufung des Geistes bei der Eucharistie gegenüber der Taufepiklese sekundär.11 Dies ist plausibel, da in den frühchristlichen Eucharistiefeiern der auferstandene und wiederkommende Herr selbst angerufen wird (maranatha). Winkler hat in diesem Zusammenhang wiederholt darauf hingewiesen, dass innerhalb der Initiationsriten, zu denen auch die Taufeucharistie gehört, ein gewisser Austausch zwischen Salbung, Taufe und Taufeucharistie anzunehmen ist. Laut Winkler ist z.B. die Entfaltung der Epiklese eng mit der Initiation ver-
6 Vgl. dazu auch MYERS, Epicleses 138–141, die nicht nur auf das Fehlen der Wassertaufe in den ersten beiden Initiationserzählungen (Kap. 27 und 49f. im griechischen Text) sowie ihrer knappen und formelhaften Erwähnung in den drei anderen hinweist, sondern auch auf das Fehlen von Gebeten über dem Taufwasser (vgl. ebd. 120), was im Vergleich mit den z.T. umfangreichen und theologisch dichten Gebeten, Akklamationen und Epiklesen über Öl und Brot auffällt. 7 MYERS, Epicleses 140 u.ö. 8 SPINKS, What is „New“ 27. 9 Dazu auch MYERS, Epicleses 133. 10 Dazu die Einleitung von H.J.W. Drijvers in: SCHNEEMELCHER, Apokryphen II 289– 303, v.a. 290f., sowie KLIJN, Acts 1–17. Ausführlich nun MYERS, Epicleses 15–17 (Handschriften). 29–55 (Einleitungsfragen). 11 Vgl. WINKLER, Weitere Beobachtungen 183f.
134
IV. Die Taufeucharistien der Thomasakten
knüpft.12 Dabei geht sie davon aus, „dass die Epiklese ihren Ursprung in den Salbungen hat, der Sitz im Leben also die Tauf-Salbung ist und die Einfügung einer Epiklese bei der Weihe des Brotes sekundär sein dürfte.“13 Die Einfügung der Epiklese in die Eucharistie hat sich demnach im Kontext der Initiationsriten vollzogen. Laut Reinhard Meßner „ist die ursprüngliche Personenepiklese (die mit einer selbständigen Kommunionspendeformel verbunden war) zur Gabenepiklese weiterentwickelt worden, welche von Anfang an um die Erfüllung der Gaben mit dem heiligen Geist (also, in westlicher dogmatischer Terminologie gesprochen: um die Konsekration) bittet, aber immer mit dem Ziel der Geisterfüllung der Kommunikanten vermittels der geisterfüllten Gaben.“ Meßner spricht hier von „Umgestaltung“, die durch die Übernahme der Geistepiklese und zwar als Gabenepiklese aus der Taufliturgie erfolgte.14 Die älteste Schicht innerhalb der Eucharistie dagegen bildete die Christusepiklese: der Auferstandene wird zur Mahlgemeinschaft herbeigerufen, in der sich symbolisch die Parusie ereignet. In einem nächsten Schritt wurde dann eine in Analogie zur Taufepiklese gestaltete Geistepiklese in die Eucharistiehandlung eingefügt (und literarisch in die Christusepiklese eingebaut).15 Damit werde die Gegenwart des Geistes unter den Mahlteilnehmern erfleht (ActThom 49f.). Dies bereitete aber zugleich den Boden für die Weiterentwicklung zu einer Geistepiklese über die eucharistischen Elemente (ActThom 133). Denn: „Eine eucharistische Geistepiklese wird erst sinnvoll, wenn der Geist auf das Brot herabgerufen wird, welches dadurch zu ‚pneumatischer Speise‘ (1Kor 10,3) wird, zu geisthaltigem Brot.“16 Diese Rekonstruktion enthält viele überzeugende Beobachtungen, allerdings stellt sich die Frage, ob die hier vorausgesetzte historisch lineare Entwicklung17 nicht auf einer zu „sauberen Trennung“ von Christologie und Pneumatologie beruht, die für die Frühzeit kaum plausibel gemacht werden kann. Schon für Paulus gilt ja, dass der Herr im Pneuma präsent ist (vgl. 2Kor 3,17) und einen „geistigen Leib“ (1Kor 15,44: σῶμα πνευματικόν) hat, daher kann Paulus im selben Zusammenhang von den eucharistischen Elementen als „geistliche Speise und Trank“ (1Kor 10,3f.) und als „Leib und Blut Christi“ (1Kor 10,16f.) reden. Daher haben sich an dieses Modell in jüngerer Zeit berechtigte Rückfragen geheftet. So bemerkt Gerard Rouwhorst dazu, dass sich diese Rekonstruktionen „auf eine isolierte Analyse der liturgischen Passagen der Thomasakten“ stützen.18 Brian D. Spinks stellt die von Winkler entworfene „narrative of a linear development“19 grundsätzlich in Frage und plädiert statt dessen dafür, die Thomasakten als „a witness to a variety of ritual patterns which co-existed“ anzusehen.20 Die Unterschiede zwischen der griechischen und der syrischen Fassung sowie die Unterschiede zwischen den einzelnen Initiationserzählungen „point to (…) a variety of coexisting practices rather than a linear development or ritual 12
Vgl. WINKLER, Nochmals zu den Anfängen 220. WINKLER, Weitere Beobachtungen 180. 14 MESSNER, Eucharistie 513. 15 Vgl. MESSNER, Gottesdienst 436f. 16 MESSNER, Eucharistie 506. 17 Auch BRADSHAW, Origins 128, bezweifelt, ob es eine „single original form of epiclesis“ gegeben habe oder ob nicht eher eine „primitive diversity“ am Anfang stand. 18 ROUWHORST, Rolle 173 Anm. 40. 19 SPINKS, What is „New“ 23. 20 SPINKS, Baptismal Patterns 50, vgl. 52. 13
3. Eucharistien und asketische Mahlpraxis
135
progression“.21 Meßner hat dem wiederum grundsätzlich zugestimmt, auch wenn er weiterhin an dem genannten Modell festhält und zumindest jüngere von älterer Tradition unterscheiden möchte.22
3. Eucharistien und asketische Mahlpraxis in den Thomasakten 3. Eucharistien und asketische Mahlpraxis
3.1 Nächtliche Initiation und morgendliche Eucharistie Überschaut man die Thomasakten im Hinblick auf die Eucharistie so ergibt sich, dass diese Akten zwei Formen der morgendlichen Eucharistie kennen: die Sonntags- und die Taufeucharistie. Hinzu kommt ein davon klar unterschiedenes (und also nicht im engeren Sinne „eucharistisches“) abendliches Gemeindemahl. Wichtig im Hinblick auf die liturgische Praxis der hinter den ActThom stehenden Trägerkreise sind die exemplarischen Zeitangaben. So findet die programmatische erste Schilderung einer Versiegelung, nämlich die des Königs Gundaphor und seines Bruders Gad, explizit bei Nacht statt.23 Die Taufeucharistie wiederum wird (erst) im Morgengrauen gefeiert.24 Im Unterschied dazu dürfte das in Kap. 29 geschilderte Mahl mit Brot, Öl, Gemüse und Salz, das der Apostel durch eine Eulogie einleitet,25 am Abend des Sabbat eingenommen worden sein, da „der Herrentag bereits heraufdämmern sollte“.26 Die anschließende Sonntagseucharistie wiederum feiert der Apostel direkt nach dem Aufstehen. Das hier installierte Schema dürfte für alle anschließend erzählten Taufen bzw. Salbungen sowie die Taufeucharistien gelten.27 Die Thomasakten kennen also eine nächtliche Initiation mit anschließender morgendlicher Eucharistie mit Brot und (zumindest manchmal) 21
SPINKS, What is „New“ 25. MESSNER, Gottesdienst 408 Anm. 330. 23 ActThom 26 endet mit der Bemerkung: νύξ γάρ ἦν (BONNET 142). 24 ActThom 27: αὔγους δὲ γεναμένου καὶ διαφαύσαντος (BONNET 143). 25 εὐλογήσας (BONNET 146). 26 ἔμελλεν γὰρ ἡ κυριακὴ ἐπιφέειν (BONNET 146, vgl. Lk 23,54). Deswegen fastet der Apostel am Sabbat noch, dies gilt allerdings nicht für die anderen, die sowohl am abendlichen Mahl als auch an der morgendlichen Eucharistie teilnehmen. 27 Auch die Salbung und die Taufe der Mygdonia finden offenbar des Nachts, die anschließende Taufeucharistie dann gegen Morgen statt. So muss Mygdonia in Kap. 120 ihre Amme Marcia aufwecken, damit diese Wasser, Brot und Öl für die Initiation herbeibringt (BONNET 230: κρασὶν ὕδατος καὶ ἕνα ἄρτον καὶ ἔλαιον). Nach der Taufeucharistie kehrt Thomas ins Gefängnis zurück (Kap.122), wo die Wachen noch schlafen. Mit Beginn von Kap. 123 ist dann ein neuer Tag angebrochen (BONNET 232: ἄμα ἕωθεν). Die Nacht wird außerdem zu Beginn der Initiation König Vazans erwähnt (Kap. 155: ἔτι νυκτὸς οὔσης, BONNET 264). 22
136
IV. Die Taufeucharistien der Thomasakten
Wasser) sowie eine morgendliche Sonntagseucharistie mit Brot, aber auch noch ein abendliches Gemeinschaftsmahl mit Brot, Öl, Gemüse und Salz. Sowohl dieses als auch jene stehen unter asketischen Vorzeichen. Taufe und Salbung wiederum zielen klar auf die morgendliche Eucharistie hin, die Teilnahme an den abendlichen Gemeindemählern ist nur noch eine sekundäre Konsequenz der Initiation. Im Unterschied zur Didache werden die Täuflinge also nicht in (abendliche) eucharistische Gemeindesymposien initiiert, vielmehr mündet die Wassertaufe bzw. die Taufsalbung direkt ein in den individuellen Empfang des durch die Epiklese konsekrierten eucharistischen Brotes.28 Die Eucharistien der Thomasakten haben also keinen symposialen, die Gemeindemähler keinen eucharistischen Charakter.29 Vielmehr bricht der Apostel Brot, über das zuvor eine Geistepiklese (Kap. 50) oder andere Gebete gesprochen wurden, und macht die Neugetauften „zu Teilhabern an der Eucharistie des Christus“.30 Außer einem Wasserbecher31 werden keine anderen Speisen erwähnt. In den Thomasakten schließt die Taufeucharistie also eindeutig die Initiation ab, ja sie bildet offenbar bereits ihren Höhe- und Zielpunkt. Deutlich ist zu erkennen, dass diese Form der rituellen Sequenz ein bestimmtes Verständnis von Initiation wie von Eucharistie voraussetzt bzw. generiert. 3.2 Fasten und asketische Mahlpraxis Wie bereits bemerkt, stehen sowohl die Eucharistien als auch die Mähler der Thomasakten unter nahrungsasketischen Vorzeichen. Der Apostel Thomas selbst wird als Verkörperung nicht nur der Sexual-, sondern auch der Nahrungsaskese portraitiert. Schon zu Beginn der Akten erregt er Aufsehen, weil er weder isst noch trinkt (ActThom 5). Programmatisch heißt es dann noch vor der ersten Eucharistie über ihn:
28 Wir erfahren auch nicht, ob der Apostel selbst von der Eucharistie gegessen hat, die Schilderung zielt ganz darauf ab, dass der Apostel die Neugetauften zu „Teilhabern an der Eucharistie des Christus“ macht (Kap. 27), das gebrochene Brot „austeilt“ bzw. „gibt“ (Kap. 50: διαδόναι, ἔδωκεν, BONNET 166f.; Kap. 133: ἐπέδωκεν, BONNET 240; Kap. 158: ἔδωκεν, BONNET 269) und die Neugetauften „teilhaftig macht am Leib Christi und am Becher des Gottessohnes“ (Kap. 121: κοινωνὸν ἐποίησεν, BONNET 231). 29 Deswegen geht der Verteilung von Brot, Öl, Gemüse und Salz eine Eulogie und keine Eucharistie voraus (Kap. 29). 30 ActThom 27: κλάσας ἄρτου κοινωνοὺς αὐτοὺς κατέστησεν τὴς εὐχαριστίας τοῦ Χριστοῦ (BONNET 143). 31 Im Syrischen kommt bisweilen ein Weinbecher hinzu.
3. Eucharistien und asketische Mahlpraxis
137
ActThom 2032 20
Denn unablässig lebt er abstinent und betet (συνεχῶς γὰρ νηστεύει καὶ εὔχεται), d.h. nur Brot isst er mit Salz (καὶ ἄρτον ἐσθίει μόνον), und sein Trank ist Wasser (καὶ ποτὸν αὐτοῦ ὕδωρ), und er trägt ein einziges Gewand sowohl bei gutem Wetter als auch im Winter, und nichts nimmt er von irgendjemand an, und was er hat gibt er anderen.
Das Präsens von νηστεύειν bezeichnet in diesem Zusammenhang offenbar die Enthaltsamkeit von bestimmten Lebensmitteln, d.h. die Abstinenz v.a. von Fleisch und Wein. Der Apostel enthält sich aber auch von dem in Kap. 29 genannten Gemüse und vom Öl, beides dürfen die anderen Getauften am Abend des Sabbats genießen – zumal der Apostel selbst diese Speisen zusammen mit Brot und Salz segnet und sie ihnen gibt. Er selbst verharrt bei dieser Gelegenheit aber in seinem Fasten, d.h. er isst gar nichts, „da der Herrentag heraufdämmerte“.33 Das Substantiv νηστεία bedeutet hier in Kap. 29 offenbar ein strenges Vollfasten. Dass der Apostel ausschließlich Brot Salz und Wasser zu sich nimmt und dass dieses Essverhalten mit seinem Gebetsleben zusammenhängt, wird in Kap. 104 erneut betont,34 in Kap. 139 rühmt sich der Apostel selbst seines Fastens bzw. seiner Abstinenz.35 Bemerkenswert vor diesem Hintergrund ist nun das Fehlen des Tauffastens vor den doch häufig erzählten Taufen und Taufeucharistien. Dieser eigentümliche Zug der Thomasakten wird verständlich, wenn man die Mahlpraxis des Apostels (s.o.), aber auch z.B. die Aktivitäten der Mygdonia betrachtet: Für die Ehefrau des Charys hat der Glaube an Jesus Christus die Konsequenz, dass sie sich sowohl der Tisch- als auch der Geschlechtsgemeinschaft mit ihrem Ehemann entzieht.36 Im Hinblick auf den Zusammenhang von Taufverständnis und Mahlideologie in den Thomasakten kann man also sagen: Bekehrung zu Jesus Christus bedeutet Bekehrung zur abstinenten Mahl- und zur häufigen Fastenpraxis. Pointiert gesagt: Das νηστεύειν dient hier nicht der Vorbereitung auf Taufe und Eucharistie, son32 BONNET 131. Weitere Varianten ebd. (τὸ βρῶμα αὐτοῦ ἄρτος καὶ ὕδωρ κτλ.), die inhaltlich keine Differenzen aufweisen. Der Syrer ganz analog (WRIGHT II 161f.). 33 ActThom 29 (BONNET 146): αὐτος δὲ παρέμεινεν τῇ ἑαυτοῦ νηστείᾳ, ἔμελλεν γὰρ ἡ κυριακὴ ἐπιφέειν. 34 ActThom 104 (BONNET 217): ὃ δὲ ἐσθίει ἄρτος ἐστὶν καὶ ἅλας, καὶ τὸ ποτὸν αὐτοῦ ὕδωρ ἀφ’ ἑσπέρας ἕως ἑσπέρας, πολλὴν εὐχὴν ποιούμενος. Gebete und Fasten zusammen auch in Kap. 139 (BONNET 246) und 145 (BONNET 253). 35 ActThom 139 (BONNET 246): Der Apostel rühmt sich seiner Armut, seiner Weisheitsliebe, seiner Demut, seines Fastens (νηστείᾳ), seines Gebets sowie der Gemeinschaft (κοινωνίᾳ) mit dem Heiligen Geist und den Brüdern und Schwestern. 36 Vgl. dazu exemplarisch ActThom 89–100.
IV. Die Taufeucharistien der Thomasakten
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dern ist die Folge der Bekehrung und die Konsequenz der Taufe. Bei den nur mit Brot und z.T. mit Wasser gefeierten Taufeucharistien wird in den Thomasakten kein präbaptismales Fasten gebrochen, vielmehr eröffnen diese Taufeucharistien eine postbaptismale asketische Mahlpraxis!
4. Die Epiklesen und das „pattern“ des Taufgottesdienstes 4. Taufgottesdienst und Epiklesen
In den Thomasakten besteht eine enge Verbindung zwischen den Taufsalbungen und der Taufeucharistie. Dies zeigt schon die Tatsache, dass bei der ersten wie bei der zweiten Initiation Epiklesen eingefügt sind.37 Diese Epiklesen charakterisiert Gerard Rouwhorst als „eine gleichzeitig als Segnung bezeichnete Invokation, eine Anrufung und Herabrufung eines oder mehrerer göttlicher Namen“.38 Auffällig und laut Carolyn Johnson „unique among these early church traditions“39 sind diese beiden Geistepiklesen der ActThom durch ihre Länge und die Art der Attribute, die dem Geist beigelegt werden. Dass überhaupt der heilige Geist bei der Ölsalbung (ActThom 27) und bei der Eucharistie (ActThom 50) angerufen wird, fällt auf, da sonst alle Gebete an Jesus gerichtet sind.40 Da auch die Thomasakten Anteil an der „christozentrische[n] Frömmigkeit der Akten“41 haben, in der Vater und Geist stark zurücktreten, und sonst Christus als „Offenbarer des verborgenen göttlichen Wesens (...) Adressat hymnischer Anrufung“ ist,42 sind die beiden Geistepiklesen – aber auch die beiden an das Salböl gerichteten Gebete (Kap. 121 und 157), „was imgrunde auf eine Geist-Epiklese hinauskommt“43 – umso auffallender. R. Meßner und andere gehen daher mit guten Gründen davon aus, dass es sich bei diesen Epiklesen „nicht um literarische Produkte der Autoren bzw. Kompilatoren der Akten handelt, sondern dass diese in gottesdienstlichem Gebrauch stehende Gebete in ihre literarischen Werke eingebaut haben“,44 was Modifikationen natürlich nicht ausschließt. 37
Laut MYERS, Epicleses 141, wurden diese liturgischen Texte vom Redaktor der ActThom programmatisch hier eingefügt – „given the significance accorded to anointing and Eucharist in the region“. 38 ROUWHORST, Rolle 174, am Beispiel von ActThom 133 sowie 49f. 39 JOHNSON, Epicleses 182. 40 Vgl. ActThom 10; 25; (37) 39; 47f.; 53; 60f. (72f.); 80 (97) (107); 144–148; 167. 41 BRUNS, Gebet 149. 42 BRUNS, Gebet 158. 43 KRUSE, Geist-Epiklesen 35 Anm. 6. 44 MESSNER, Eucharistie 503, vgl. ebd. 504: „Wir haben es also wahrscheinlich mit liturgischen Primärquellen des 2. Jahrhunderts zu tun“. Analog MESSNER, Gottesdienst 345–347. Ebenso MYERS, Epicleses 87. 107 u.ö.
4. Taufgottesdienst und Epiklesen
139
Bemerkenswert ist in jedem Fall, dass beide an den Geist gerichtete Epiklesen im Kontext der Initiation stehen45 – das gilt auch für die Epiklese über dem Brot in Kap. 50. Mit Recht bemerkt daher Susan Myers: „Calling upon the Spirit, declaring her to have power, to be a revealer of knowledge of mysteries, who brings joy and rest – all of these claims made of the Spirit in the Acts of Thomas occur within the context of initiation. The means by which one can receive the Spirit and enjoy the benefits of knowing her is through ritual action“.46 Umso auffälliger ist dann aber das Fehlen von Gebeten oder gar Epiklesen über dem Taufwasser!47 Orientiert man sich an diesen Gebetsvollzügen, dann lassen die Taufgottesdienste der Thomasakten ein bipolares „pattern“ erkennen, in das die Wassertaufe fakultativ einbezogen werden, im Einzelfall aber auch entfallen kann. Auf der narrativen Ebene zeigen die beiden Epiklesen den Konnex zwischen Salbung und Eucharistie. Durch die Salbung und die sie begleitende Epiklese wird auf die Täuflinge der Heilige Geist herabgerufen, die dadurch zu Geistträgern werden wie Christus.48 Dem entspricht, dass Judas vor der Taufe Vazans und seiner Gefährten Jesus darum bittet, dass sein Heiliger Geist in ihnen wohne49, worauf sich das Ölgebet anschließt, das wiederum eine an Jesus gerichtete Epiklese enthält.50 Die Epiklese bei der Taufsalbung artikuliert zugleich die Vorstellung der Initiation als (Neu)Geburt: Der bei der Salbung herbeigerufene Geist (die Mutter) „gebiert“ den Täufling als ihr „Zwillingsküken“.51 In den eucharistischen Epiklesen werden Christus und der Geist als Mahlgenossen herbeigerufen. In der Taufeucharistie werden die Neugetauften zu „Teilhabern“ des Geistes, der sie eben geboren hat. Durch das Essen des Brotes, über dem der Geist (die Mutter) angerufen wird, kommt es zur „Kommunion“ der Neugetauften mit dem Geist.
45 Vgl. JOHNSON, Epicleses 191: „These prayers display an elaborate set of symbols fort he Holy Spirit – symbols called upon to aid in the initiation of the new believers“. 46 MYERS, Epicleses 219. 47 Das Wassergebet in Kap. 52 (BONNET 168: ἔλθετε [!] τὰ ὕδατα ἀπὸ τῶν ὑδάτων καὶ ἀποσταλέντα ἡμῖν...) ist gerade kein Gebet über Taufwasser und steht auch nicht im Kontext der Initiation, auch wenn MYERS, Epicleses 91 mit Anm. 96, mutmaßt, es sei ursprünglich ein Taufwassergebet gewesen. 48 So MESSNER, Gottesdienst 405. 49 ActThom 156: καὶ οἰκείτω ἐν αὐτοῖς τὸ ἅγιόν σου πνεῦμα (BONNET 266). 50 ActThom 157: Ἰησοῦ ἐλθέτω ἡ νικητικὴ αὐτοῦ δύναμις (…) (BONNET 267). 51 So nur im griechischen Text in Kap. 50 (BONNET 166). Die Mutter, die in der eben angedeuteten Taufe die Frau und die anderen als ihre Zwillingsküken geboren hat, wird nun zur Eucharistie erneut herbeigerufen.
IV. Die Taufeucharistien der Thomasakten
140
5. Die erzählten Taufeucharistien in den Thomasakten 5. Die erzählten Taufeucharistien
5.1 Die Taufe des Königs Gundaphor und seines Bruders Gad (ActThom 26–27) Die erste Schilderung eines Taufgottesdienstes mit abschließender Taufeucharistie in den Thomasakten bildet den Höhepunkt der „zweiten Tat“ des Apostels, der „Erbauung des himmlischen Palastes“ für den indischen König Gundaphor (syr. Gūdnaphar) (ActThom 17–29). Interessanterweise schließt die Erzählung jedoch mit der in den ActThom einzigen Schilderung einer Sonntagseucharistie (Kap. 29), die von der Taufeucharistie (Kap. 27) deutlich getrennt ist.52 Der Apostel soll dem König einen Palast bauen. Als der König erfährt, dass ihm der Apostel einen himmlischen Palast gebaut hat, will er Thomas töten lassen. Doch dann teilt ihm sein gestorbener, aber wieder zum Leben erwachter Bruder Gad mit, dass im Himmel tatsächlich ein prachtvoller Palast für ihn errichtet wurde. Der König und sein Bruder kommen daraufhin zum Glauben an Jesus Christus und wenden sich an den Apostel (Kap. 24). Dieser stimmt zunächst einen an den Herrn Jesus gerichteten Lobpreis an, innerhalb dessen er – programmatisch für die ganze Initiationstheologie der Thomasakten – formuliert: „Und jetzt nimm um meines Bittens und Flehens willen den König und seinen Bruder an und vereinige sie mit deiner Herde“.53 Ab diesem Punkt gehen die griechische und die syrische Version auseinander: syrische Fassung (Wright II 165) Salbung
and anoint them
Wassertaufe
and purify them from their uncleanness,
52
griechische Fassung (Bonnet 140) καθαρίσας54 αὐτοὺς τῷ σῷ λουτρῷ
Wassertaufe
Zwischen den beiden knappen Eucharistieschilderungen steht nach einer kurzen Notiz über den massenhaften Bekehrungserfolg des Apostels eine längere Predigt (Kap. 28), auf die ein knapper Dialog mit den Umstehenden sowie eine Art asketischer Agape (Brot, Öl, Gemüse und Salz [syr.: Brot und Oliven]) folgt, an der der Apostel wegen des Herrentages nicht teilnimmt (syr.: gerade teilnimmt). In der Nacht vor dem Herrentag hat Thomas eine Erscheinung Christi, am Morgen werden dann zunächst die anwesenden Brüder gesegnet und anschließend die Eucharistie gefeiert (Kap. 29) (BONNET 143– 146/WRIGHT II 167–169). 53 BONNET 140: καὶ κατάμειξον αὐτοὺς εἰς τὴν σὴν ποίμνην. 54 Klare Anspielung auf die Wassertaufe, vgl. Eph 5,26 und dazu KLIJN, Acts 72.
5. Die erzählten Taufeucharistien καὶ ἀλείψας αὐτοὺς τῷ σῷ ἐλαίῳ ἀπὸ τῆς περιεχούσης αὐτοὺς πλάνης
TaufEucharistie
and guard them from wolves
φύλαξον δὲ αὐτοὺς καὶ ἀπὸ τῆς λύκων
and feed them in Thy meadows,
φέρων αὐτοὺς ἐν τοῖς σοῖς λειμῶσι
and let them drink of Thy fountain... (vgl. Ps 23,4)
πότισον δὲ αὐτοὺς ἀπὸ τῆς ἀμβροσιώδους σου πηγῆς...
141 Salbung
Taufeucharistie
Der Grieche verändert die wohl ursprüngliche, vom Syrer aufgrund der syrischen Praxis noch bewahrte Reihenfolge von Salbung und Wassertaufe und macht somit aus der (älteren) präbaptismalen eine postbaptismale Salbung.55 Doch ist dies umstritten.56 In beiden Fällen ist jedoch die Taufeucharistie ganz eindeutig Teil und Ziel der Initiation. Die Unterschiede zwischen den Versionen könnten damit zusammenhängen, dass sich bereits hier, dann aber auch in der anschließenden Schilderung des Taufgottesdienstes selbst, die liturgische Praxis der jeweiligen Gemeinden bzw. Kirchenprovinzen widerspiegelt.
Nachdem Gundaphor und Gad in die Nachfolge des Apostels eingetreten sind, immer in seiner Nähe bleiben und den Bedürftigen helfen, bitten sie um „das Siegel“,57 das hier im Kontext klar ein Erkennungszeichen ist, an dem „der Gott, den du predigst, seine Schafe erkennt“. Der Apostel antwortet: „Ich freue mich und bitte euch auch, [gr.: dieses Siegel zu nehmen und] mit mir an dieser Eucharistie teilzunehmen und dem Segen des Herrn teilzuhaben und aufgrund desselben vollendet zu werden“.58 Auch bei der anschließenden Schilderung des Taufgottesdienstes differieren die griechische und die syrische Fassung erheblich. Stellt man in Rechnung, dass die griechische Fassung die Taufriten den in ihrem Traditionsbereich herrschenden liturgischen Realitäten anpasst, dass andererseits 55
KLIJN, Acts 72: „The difference has to be explained by the baptismal practice in the Western and Eastern church.“ 56 Laut KRUSE, Geist-Epiklesen 36, übersah der manichäische Redaktor des griechischen Textes bei seiner Tilgung der Wassertaufe den Hinweis auf das λουτρόν in Kap. 25. Ganz anders dagegen MYERS, Initiation 152f. sowie MYERS, Epicleses 68, laut der λουτρόν im griechischen Text sekundär ist. 57 Griechisch: τὴν σφραγῖδα τοῦ λόγου (Kap. 26; BONNET 141; v.l. τοῦ λουτροῦ [C]), syrisch: the sign of baptism. 58 So griechisch (Kap. 26, BONNET 141f.). Im Syr. wird das Siegel kein zweites Mal erwähnt, doch ist dieses vom Kontext her vorauszusetzen: „I too rejoice, and I ask of you to partake of the Eucharist and of the blessing of this Messiah whom I preach“. Die Teilnahme an der Eucharistie ist die Antwort des Thomas auf die Bitte um das Siegel.
142
IV. Die Taufeucharistien der Thomasakten
die überlieferte syrische Fassung zwar die ältere liturgische Form der syrischen Urfassung bewahrt, dafür aber den Wortlaut der Epiklese überarbeitet hat, dann ergibt sich der komplexe Befund, dass man sich zur Erhebung der rituellen Gestalt des Taufgottesdienstes der syrischen, zur Rekonstruktion des ursprünglichen Wortlautes der Epiklesen aber der griechischen Fassung anzuvertrauen hat. syrische Fassung (Wright II 166f.)
griechische Fassung (Bonnet 142f.)
Schließung des Bad(ehauses) für 7 Tage In der Nacht des 8. Tages Herbeibringen des Öles Eintritt in das von vielen und Entzünden der Lampen, „denn es war Nacht“. Lampen erhellte Bad, angeführt vom Apostel „Siegelung“ durch den Apostel Christophanie mit Friedensgruß im Badehaus (für die Ungetauften nur Audition)
präbaptismale Salbung
Hauptsalbung mit Öl, dabei „Komm“-Epiklese
(Wassertaufe impliziert?59)
„Enthüllung“ des Kyrios durch seine Stimme, Friedensgruß, nur Audition für die, die noch nicht „die zusätzliche Versiegelung des Siegels“ empfangen haben.60 Ausgießen des Öls auf das postbaptismale Salbung (?) Haupt, anschließend Ganzkörpersalbung (?)61 Dabei „Komm“-Epiklese als „zusätzliche Versiegelung“62
59 Die Wassertaufe vor der Ölsalbung wird im griechischen Text in Kap. 25 (BONNET 140) angedeutet: καθαρίσας αὐτοὺς τῷ σῷ λουτρῷ καὶ ἀλείψας αὐτοὺς τῷ σῷ ἐλαίῳ... 60 Kap. 27 (BONNET 142): οὐδέπω γὰρ ἦσαν δεξάμενοι τὸ ἐπισφράγισμα τῆς σφραγῖδος. 61 Vgl. dazu SPINKS, What is „New“ 25, der gegen die Rekonstruktion G. Winklers auf die griechische Formulierung des Vorgangs (καὶ ἀλείψας καὶ χρίσας [!] αὐτοῦς) hinweist: „That implies more than pouring oil on the head“. 62 Die „Komm“-Epiklese endet – anders als im Syrischen – mit dem Satz „und versiegele sie zusätzlich auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“
5. Die erzählten Taufeucharistien
Wassertaufe
Taufeucharistie
143
Wassertaufe auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes Christophanie (junger Mann mit Lampe)
Christophanie (junger Mann mit Lampe)
Eucharistie beim Morgengrauen
Eucharistie beim Morgengrauen
Freude und Jubel
Freude und Jubel
Taufeucharistie
Bei der Hauptsalbung ruft der Apostel den Hl. Geist unter einer Vielzahl von Namen und Prädikaten an, die hier nicht im Einzelnen entfaltet werden können.63 Reinhard Meßner formuliert treffend: „Die Sprachgestalt des Salbungsritus, damit der Geistbegabung, ist die Epiklese“.64 Zuerst ruft der Apostel den „heiligen Namen Christi“ an, womit wahrscheinlich das χρῖσμα, die Salbung gemeint ist.65 Laut Susan Myers wird damit zu Beginn der Epiklese „a strong connection between the Spirit and the Anointed one“ hergestellt,66 was durchaus programmatisch ist. Wichtig ist v.a. die
(BONNET 143: καὶ ἐπισφράγισον αὐτοὺς εἰς ὄνομα πατρὸς καὶ υἱοῦ καὶ ἁγίου πνεύματος). Damit hat der Grieche die Schilderung des Syrers von der auf die Epiklese folgenden Wassertaufe auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Hl. Geistes umgeformt. Eine auf die Salbung folgende Wassertaufe erwähnt der Grieche nicht, die Leser aus seinem (d.h. nicht dem syrischen) Traditionsbereich dürften sie unter dem „Siegel“ subsummiert haben, die (nun postbaptismale) Salbung wird zur „zusätzlichen Versiegelung“. Um diesen Kunstgriff zu ermöglichen, spricht der Grieche von der postbaptismalen Salbung als ἐπισφράγισμα τῆς σφραγῖδος, eine wahrscheinlich von ihm selbst geprägte, sonst nicht belegte Wendung. 63 Vgl. dazu die Auslegung bei KRUSE, Geist-Epiklesen 35–43, der v.a. die Fülle an alttestamentlichen Anspielungen aufzeigt. 64 MESSNER, Gottesdienst 407. 65 Überzeugend KRUSE, Geist-Epiklesen 37. Angerufen wird weder der Name Jesu noch der Kyrios, sondern laut Kruse die Salbung, die als Chiffre für den Hl. Geist eintrete: „Die scheinbare Namensepiklese ist also nur eine Verhüllung für eine Geist-Epiklese.“ Ähnlich WINKLER, Weitere Beobachtungen 196f.: Hinter dem Namen des Gesalbten verberge sich die Mutter, der Geist, der (dem) die gesamte Anrufung gilt. „Aufgrund des Vorgangs der Salbung wird bei der Epiklese zur Salbung zuerst der Name des ‚Gesalbten‘ angerufen. Bei dieser Anrufung des ‚Namens des Messias‘ wird die in dem ‚Gesalbten‘ innewohnende Macht, nämlich der ‚Geist der Heiligkeit‘, dem die Epiklese gilt, geoffenbart und präsent gemacht.“ 66 MYERS, Epicleses 187.
144
IV. Die Taufeucharistien der Thomasakten
mehrmalige Anrufung des Geistes als „Mutter“.67 Im Hintergrund steht die Vorstellung der Taufe als Geburt aus dem Hl. Geist (vgl. Joh 3,3.5), der dadurch zur Mutter der Getauften wird. Auch die Prädikation als „Kraft des Höchsten“ (vgl. Lk 1,35 bei der Verkündigung an Maria!) ist in diesem Zusammenhang zu verstehen. Der Täufling wird als ein vom Geist geborenes „Zwillingsküken“ Christi gesehen, der ja ebenfalls vom Geist geboren ist.68 Wie bereits zweimal, in Kap. 25 und in Kap. 26 vom Apostel selbst angedeutet, ist die Taufeucharistie Höhepunkt und Ziel69 der Initiation. In ihr realisiert sich die „Vereinigung mit seiner Herde“. Dennoch fällt bereits bei der ersten Taufeucharistie auf, was im Prinzip für alle weiteren gilt: „Im Gegensatz zu der großen Aufmerksamkeit, mit der auf die Taufriten eingegangen wird, erscheint der Bericht über die Eucharistiefeier im großen ganzen dürftig“.70 Die „spektakulären“ Szenen wie die beiden Christophanien und die rezitierte Epiklese stehen im Kontext der Taufsalbung, nicht der Eucharistie. „Der rituelle Kristallisationspunkt ist der Akt des Brotbrechens“.71 Die knappe Formulierung des Geschehens zeigt, dass dieses Brotbrechen auf die Gemeinschaft des Täuflings mit „der Eucharistie des Christus“ hinzielt: κλάσας ἄρτον κοινωνοὺς (!) κατέστησεν τῆς εὐχαριστίας τοῦ Χριστοῦ.72 Es geht also nicht um eine (symposiale) Mahlgemeinschaft mit anderen Getauften oder dem Täufer, vielmehr mündet die Initiation in „die Mahlgemeinschaft mit Christus dem Auferstandenen“,73 die zu Freude und Jubel führt. Zustande kommt diese Mahlgemeinschaft durch die Herbeirufung des Geistes, der Mutter, wie die Epiklese in Kap. 50 zeigt (s.u.). Mit der symposialen fehlt auch eine soziale Dimension im Sinne von „Brot teilen“,74 auch in dieser Hinsicht ist die Trennung von Eucharistie und Gemeindemahl in den Thomasakten konsequent vollzogen. 67
Zweimal beim Griechen in Kap. 27: ἐλθὲ ἡ μήτηρ ἡ εὔσπλαγχνος (BONNET 142), ἐλθὲ ἡ μήτηρ τῶν ἑπτὰ οἴκων (17f.), beim Syrer ist die Anrufung des Geistes als barmherzige Mutter entfallen, doch hat er die Anrufung „come, mother of seven houses“ bewahrt, hat also nichts gegen das Mutter-Epitheton (WRIGHT II 166). Zur „Mutter der sieben Häuser“ vgl. auch MARKSCHIES, Theologie 189, sowie MYERS, Epicleses 94–96 und 189–194. 68 Vgl. JOHNSON, Epicleses 203 mit Anm. 108 (im Anschluss an Drijvers). 69 Der Grieche spricht hier von τελειωθῆναι ἐν αὐτῇ, wobei sich αὐτῇ sowohl auf εὐχαριστία wie auch auf εὐλογία τοῦ Κυρίου beziehen kann. 70 WINKLER, Initiationsrituale 165. 71 MESSNER, Gottesdienst 435. 72 Kap. 27 (BONNET 143), der Syrer hat: „he broke the Eucharist and let them partake of the table of the Messiah“ (WRIGHT II 167). 73 So MESSNER, Eucharistie 501. 74 So THEOBALD, Eucharistie als Quelle 91f., zum lukanischen Sprachgebrauch.
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Der „asketischen“ Form der frühmorgendlichen Taufeucharistie ohne Wein entsprechen die abendlichen Mahlzeiten, die ohne Fleisch und Wein eingenommen werden, also ebenfalls „asketischer“ Natur sind. Das zeigt die im Anschluss an die Initiation Gundaphors und Gads in Kap. 29 geschilderte abendliche Mahlzeit der Glaubenden (s.o.), die aus Brot, Öl, Gemüse und Salz [syr.: Brot und Oliven(öl?)] besteht. Die Eucharistie am Sonntagmorgen wird dann – wie die Taufeucharistie in Kap. 27 – nur mit Brot gefeiert (in der griechischen wie der syrischen Fassung). Die erste Schilderung der Taufeucharistie ist also bewusst als Eröffnung von asketischer Mahlpraxis (beim gewöhnlichen Mahl wie bei der Sonntagseucharistie) gestaltet. 5.2 Die Taufe einer von einem verliebten Dämon befreiten Frau (ActThom 49f.) Die fünfte Tat des Apostels ist die Befreiung einer Frau von einem in sie verliebten Dämon. Nach dem Exorzismus, dem traurigen Abschied des Dämons von der geliebten Frau und einem langen Jesusgebet segnet der Apostel die Frau. Daraufhin bittet sie ihn um das Siegel, das hier klar als apotropäisches Schutzzeichen aufgefasst wird.75 Wieder differieren Grieche und Syrer bei der Schilderung des Taufgottesdienstes erheblich voneinander.
75
syrische Fassung (Wright II 188)
griechische Fassung (Bonnet 165)
Gang zum nahen Fluss
Herantreten der Frau
Wassertaufe auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Hl. Geistes
Handauflegung und Versiegelung auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Hl. Geistes
(Taufe vieler anderer mit ihr)
(Versiegelung vieler anderer mit ihr)
Taufeucharistie
Taufeucharistie
Kap. 49: δός μοι τὴν σφραγῖδα, ἵνα μὴ ὑποστρέψῃ εἰς ἐμὲ πάλιν ὁ ἐχθρὸς ἐλεῖνος (BONNET 165), ebenso der Syrer (WRIGHT II 188). Zum Siegel vgl. noch MYERS, Initiation 154f. sowie ausführlich MYERS, Epicleses 111–115. Der Begriff in den Thomasakten ist mehrdeutig, er kann sowohl „the whole rite“ der Initiation bezeichnen als auch einen Einzelaspekt, dann aber stets die Ölsalbung (Initiation 157, analog Epicleses 115).
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IV. Die Taufeucharistien der Thomasakten
Im Unterschied zur zweiten „Tat“ des Apostels liegt nun der Schwerpunkt der Darstellung eindeutig auf der Taufeucharistie. Wir erfahren, dass ein weiß gedeckter Tisch (τράπεζα) aufgestellt wird, auf den der Diakon das Segensbrot legt.76 Der Apostel spricht zunächst ein Gebet zu Jesus, das (in der wohl ursprünglicheren griechischen Fassung) mit einer an ihn gerichteten „Komm“-Epiklese endet. Eine große, an den Geist, die Mutter, gerichtete Epiklese schließt sich an, die am Ende aufgerufen wird, „mit uns“ an der Eucharistie teilzunehmen.77 Ebenfalls wird noch mitgeteilt, dass das Brot kreuzförmig eingeschnitten und dann an die Neugetauften ausgeteilt wird.78 Wichtig für die Frage nach dem theologischen Verständnis der Taufeucharistie ist die Geistepiklese über dem Brot: Die Mutter, der Geist, wird in die eucharistische Versammlung gerufen, mit ganz analogen Wendungen wie zuvor bei der Ölsalbung. Stand die Epiklese dort in Verbindung mit der Vorstellung der Initiation als (Neu)Geburt – der bei der Salbung herbeigerufene Geist (die Mutter) „gebiert“ den Täufling als ihr „Zwillingsküken“79 – so wird hier die Präsenz des Geistes bei der Eucharistie erfleht, damit das Verborgene offenbar werden kann und die eschatologische Ruhe geschenkt wird. Der Geist wird so immer wieder „als Offenbarer, als Künder von Ge76
Beide Fassungen sprechen nur vom Segensbrot, ein Wein- oder Wasserkelch wird nicht erwähnt. In beiden Fassungen spricht Thomas aber vom Leib und Blut Christi (BONNET 166; WRIGHT II 199). Der (Gebets)Rede von Leib und Blut entspricht in keiner der beiden Fassungen Brot und Wein, es gibt daher keinen Grund, hier eine sekundäre Interpolation zu vermuten. LIETZMANN, Messe 244, vermutet, dass das erste, an Jesus gerichtete und von der nachfolgenden Geist-Epiklese durch den Einschub von καὶ ἤρξατο λέγειν deutlich abgetrennte Gebet ursprünglich „einem Ritus“ angehörte, „der Brot und Wein als Elemente benutzt und sie dem Leib und Blut des Herrn gleicht“. Das an Jesus gerichtete erste Gebet mündet in eine Epiklese des ὄνομα Jesu und „dürfte ein wirkliches altes Eucharistiegebet sein“. Lietzmann bezeichnet daher die Taufeucharistie in ActThom 50 als „Mosaikarbeit“. 77 Vgl. dazu die These von MESSNER, Eucharistie 506f. Laut Meßner ist die an Christus gerichtete Komm-Epiklese die älteste Form der eucharistischen Epiklese. Der Auferstandene wird zur Eucharistie als symbolischer Antizipation der Parusie herbeigerufen, die Eucharistie ist das Mahl mit dem Auferstandenen. In diese eucharistische Christusepiklese wird laut Meßner sekundär eine Geistepiklese analog zum Taufgottesdienst (vgl. Kap. 27) eingeschoben. Dies macht nur Sinn, wenn der Geist auf die Gaben (und nicht auf die Personen, die ja eben neu gezeugt wurden) herabgerufen wird. 78 Dazu überzeugend MESSNER, Gottesdienst 437, laut dem es sich hier nicht um einen Ritus zum Gedächtnis der heilbringenden Passion Jesu Christi handelt, sondern um „ein eschatologisches Kreuz, das Zeichen des wiederkehrenden Christus, das ihm bei der Parusie vorausgeht. Das Kreuz, das der Apostel in das Brot einritzt, zeigt eine Christophanie an“. 79 So nur im griechischen Text in Kap. 50 (BONNET 166). Die Mutter, die in der eben angedeuteten Taufe die Frau und die anderen als ihre Zwillingsküken geboren hat, wird nun zur Eucharistie erneut herbeigerufen.
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heimnissen, also gleichsam als der, der das Schweigen Gottes bricht“ herabgerufen. Das Offenbarsein Gottes durch den Geist ist hier eine zentrale Aussage.80 Mit der letzten „Komm“-Bitte (ἐλθὲ καὶ κοινώσησον ἡμῖν ἐν ταύτῃ τῇ εὐχαριστίᾳ, ganz analog der Syrer) wird die Linie von Kap. 27 und 49 weitergeführt. In Kap. 27 hieß es, dass der Apostel den König und seinen Bruder zu „Teilhabern (κοινωνούς) der Eucharistie des Christus machte“,81 in Kap. 49 bittet der Apostel Jesus: ἐλθὲ καὶ κοινώνησαν ἡμῖν.82 In Kap. 50 wird nun deutlich, dass die Mahlgenossen in der Taufeucharistie zu „Genossen“ des Geistes werden, der sie eben geboren hat. Der Rückverweis auf die Taufe innerhalb der Eucharistie-Epiklese ist daher kein Zufall und könnte darauf hindeuten, dass die Epiklese sekundär aus der Taufe in die Eucharistie übertragen wurde. Durch das Essen des Brotes, über dem der Geist (die Mutter) angerufen wird, kommt es zur „Kommunion“ der Neugetauften mit dem Geist. Dass der Verfasser die Eucharistie-Epiklese gerade in Kap. 50 mitteilt und damit das „Segensbrot“ als geisterfüllte Speise qualifiziert, ist kein Zufall, sondern literarisch geschickt, da sich direkt ein Strafwunder bei der Eucharistie anschließt, durch das ein junger Mörder überführt und zur Umkehr gebracht wird. Diese Geschichte der beim Empfang der Eucharistie verdorrenden Hände (Kap. 51) ist umso effektvoller, da sowohl der an Jesus gerichtete Ruf zu kommen und „mit uns“ Gemeinschaft zu haben, als auch die Herbeirufung des Geistes voransteht. 5.3 Die Taufe der Mygdonia (ActThom 120f.) Die (beim Griechen)83 neunte „Tat“ des Apostels besteht in der Bekehrung von Mygdonia, der Gattin des Charys, und in ihrer Verpflichtung zu Keuschheit und Nahrungsaskese. In diesem Fall sind die syrische und die griechische Fassung der Erzählung „remarkably similar“84. Charakteristisch ist der enge Zusammenhang von Initiation, Keuschheit und Tischgemeinschaft. So bittet Mygdonia den Apostel: „Ich bitte dich nun, sorge für mich und bete für mich, damit die Barmherzigkeit des Gottes, der von dir gepredigt wird, auf mich komme85 und ich seine Wohnung werde und mit 80
Vgl. MARKSCHIES, Theologie 192. BONNET 143. So auch der Syrer (WRIGHT II 167). 82 BONNET 166. So auch der Syrer (WRIGHT II 189), der allerdings ausschmückt. 83 Die Taufe der Mygdonia ist beim Griechen als eine eigene „Tat“ (die zehnte) abgetrennt, beim Syrer bildet die ganze Geschichte von Mygdonia und Karīsh eine einzige (die achte) Tat. 84 MYERS, Epicleses 68. 85 Vgl. dazu die Anrufung des Geistes als „vollkommene Barmherzigkeit“ bei der Taufepiklese (ἐλθὲ... ἡ εὐσπλαγχνία ἡ τελεία, Kap. 27 BONNET 142, der Syrer analog: 81
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IV. Die Taufeucharistien der Thomasakten
euch teilhabe am Gebet und an der Hoffnung und am Glauben an ihn [syr. statt dessen: und an den Danksagungen] und dass ich [gr.: das Siegel empfange und (so)] ein heiliger Tempel werde und er selbst in mir wohne.“86 Die Vorstellung, durch die Initiation zum heiligen Tempel und zur Wohnung Christi zu werden, verträgt sich nicht mit Eheleben und sexueller Aktivität, aber auch nicht mit der heidnischen Tischgemeinschaft,87 was zu einer Reihe von Verwicklungen führt. Mygdonia bittet den Apostel darum, ihr das Siegel zu geben, bevor dieser aus dem Leben scheidet. Interessant sind die sich an die Bitte anschließenden Vorbereitungen für die Initiation, in die auch Mygdonias Amme Marcia (syr. Narcia) involviert ist. Mygdonia bittet Marcia, „meine Genossin am ewigen Leben zu werden, damit ich von dir vollkommene Nahrung [syr. Erziehung] empfange.“88 Mygdonia fordert Marcia auf, Brot sowie eine „Mischung von Wasser“ – nämlich für die Taufeucharistie! – zu bringen.89 Es folgt – in beiden Fassungen!90 – die (präbaptismale) Hauptsalbung der Mygdonia durch den Apostel, begleitet von einem zunächst an das Hei-
WRIGHT II 166) und bei der Brotepiklese (ἐλθὲ τὰ σπλάγχνα τὰ τέλεια, Kap. 50, BONNET 166; der Syrer analog: WRIGHT II 188) sowie als „barmherzige Mutter“ bei der Taufepiklese (ἐλθὲ ἡ μήτηρ ἡ εὔσπλαγχνος, Kap. 27; BONNET 142, nicht beim Syrer). 86 So der Grieche Kap. 87 (BONNET 203), der Syrer erwähnt das Siegel nicht, ersetzt außerdem πίστις durch „(be united with you... in) thanksgiving“, sonst analog (WRIGHT II 222). 87 Mygdonia kündigt ihrem Gatten nicht nur den ehelichen Beischlaf, sondern auch die Tischgemeinschaft, vgl. dazu Kap. 90. 95. 96f. 88 Kap. 120: Γενοῦ μοι κοινωνὸς τῆς αἰωνίου ζωῆς (BONNET 230, so auch der Syrer, WRIGHT II 257). 89 Der Grieche hat hier: ἄρτον μοι ἀνελομένη κόμισον καὶ ὕδατος κρασίν (BONNET 230, analog ebd.: κρασὶν ὕδατος καὶ ἕνα ἄρτον καὶ ἔλαιον κόμισον). Der Syrer spricht dagegen von „a mingled draught of wine“ (WRIGHT II 257, vgl. ebd. 258:; „a mingled draught in a cup“). Doch ist die Fassung des Griechen auf jeden Fall ursprünglicher. Dafür spricht auch, dass Marcia ihrer Herrin anbietet, „statt des Wassers“ (ἀντὶ ὕδατος) Metreten von Wein zu bringen, was Mygdonia ablehnt (der Syrer streicht „statt des Wassers“, die Ablehnung der Mygdonia bezieht sich hier nur auf die Menge des Weines, den Narcia herbeibringen will, vgl. WRIGHT II 258). MESSNER, Eucharistie 500: „Dass hier nicht eine ‚Mischung‘ (κρᾶσις) von Wasser und Wein (wie in der syrischen Version) gemeint ist, sondern ein ‚Becher Wasser‘ (κρασίν = κρασίον), beweist die Kommunionschilderung (cap. 121), der gemäß neben dem Brot ποτήριον ὕδατος gereicht wird. Vom Blut Christi ist in dieser Eucharistie nicht die Rede, sondern die Kommunikanten erhalten Anteil am ‚Becher des Gottessohnes‘.“ 90 Dieser Befund schließt m.E. die Annahme einer systematischen und gezielten Überarbeitung der griechischen Fassung aus.
5. Die erzählten Taufeucharistien
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lige Öl gerichteten Gebet,91 bei dem allerdings wiederum die griechische und die syrische Version differieren.92 Nach der Entkleidung der Mygdonia und dem Anlegen eines leinernen Kleides93 folgt die Wassertaufe auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes in einer nahegelegenen Quelle. Auf die Taufe und Ankleidung der Mygdonia folgt die Taufeucharistie: syrische Fassung (Wright II 258f.)
griechische Fassung (Bonnet 230f.)
he fetched and brake the Eucharist
ἄρτον κλάσας
and (filled) the cup,
καὶ λαβὼν ποτήριον ὕδατος
and let Mygdonia partake of the table of the Messiah and of the cup of the Son of God
κοινωνὸν ἐποίησεν αὐτὴν τῷ τοῦ Χριστοῦ σώματι καὶ ποτηρίου τοῦ υἱοῦ τοῦ θεοῦ
„Kommunionspruch“ des Apostels und Antwort einer Stimme aus dem Himmel, daraufhin Bekehrung der Amme und deren Sieglung (nicht ausgeführt).
Wieder ist der Aspekt der κοινωνία der entscheidende theologische Akzent der Taufeucharistie. Anders als bei den vorigen Eucharistien wird betont, dass Mygdonia Gemeinschaft mit dem Leib Christi und dem Kelch des Gottessohnes hat. Dass gerade dieser Aspekt bei der knappen Schilderung der Taufeucharistie betont wird, hat seinen Grund wahrscheinlich darin, dass die Initiation den Verzicht der Mygdonia auf den sexuellen Verkehr
91
Bemerkenswert ist die Verbindung von Öl und Kreuz, die hier (wie in Kap. 157) erscheint. Im Hintergrund steht die Vorstellung, dass im Paradies ein Olivenbaum stand, die auf das Kreuz als Lebensbaum übertragen und von daher mit dem Öl in Verbindung gebracht wurde (KLIJN, Acts 206). 92 Beim Syrer wird – nach der einleitenden Anrede des Heiligen Öles – Jesus selbst darum gebeten, seine Kraft auf das Öl zu senden und seine Heiligkeit in ihm wohnen zu lassen. Durch das Gebet wird das Öl zum Träger der Kraft und der Heiligkeit Jesu (WRIGHT II 258). Beim Griechen ist nicht ganz klar, an wen die Bitte ἐλθέτω ἡ δύναμίς σου (BONNET 231) gerichtet ist. Vgl. WINKLER, Weitere Beobachtungen 190f. Nach dem griechischen Text soll die Macht des heiligen Öles über Mygdonia kommen: „Das heißt, es liegt nach der griechischen Version gar keine Weihe des Öls vor, sondern die Epiklese wird bei der Salbung über Mygdonia gesprochen“. Es handelt sich also in der griechischen Version eigentlich um eine Personenepiklese! 93 Laut dem Syrer folgt auf die Kopfsalbung und das Ölgebet eine von der Amme ausgeführte Ganzkörpersalbung (WRIGHT II 258). Hier dürfte der Syrer ältere Tradition bewahrt (Salbung durch Frauen) haben. Zum Gender-Aspekt der Ganzkörpersalbungen vgl. instruktiv SPINKS, What is „New“ 26f., im Anschluss an Ruth Meyers.
150
IV. Die Taufeucharistien der Thomasakten
sowie die Tischgemeinschaft mit ihrem Gatten besiegelt.94 Mygdonia ist nun Genossin des Leibes Christi (und nicht mehr des Körpers ihres Gatten) und des Bechers des Gottessohnes (und nicht mehr Tischgenossin des Charys. 5.4 Die Taufe Sifors, seiner Frau und seiner Tochter (ActThom 131–133) Die Geschichte von der Taufe Sifors, seiner Frau und seiner Tochter gehört eigentlich in den größeren Zusammenhang der Mygdonia-CharysGeschichte.95 Der Apostel ist bei Sifor eingezogen, der ihm ein Triclinium als Lehrzimmer zur Verfügung stellt. Als der General den Willen äußert, dass er und seine kleine Familie das Siegel empfangen, hält Thomas eine kurze Predigt über die Taufe. Deren Grundaussage ist: „Diese Taufe ist Vergebung der Sünden.“ Diese Aussage wird im Folgenden v.a. mit dem Stichwort „Wiedergeburt“ erläutert: die Taufe „gebiert wieder den neuen Menschen“,96 was auf die in der ersten Geist-Epiklese (Kap. 27) entfaltete pneumatologische Tauftheologie anspielt. Auf einen kurzen Lobpreis der Taufe folgt – und zwar wieder in beiden Fassungen, der griechischen wie der syrischen! – zunächst die präbaptismale Ölsalbung (des Hauptes). Der dabei gesprochene Lobpreis richtet sich klar auf den heiligen Geist,97 so dass S. Myers mit Recht schlussfolgert: „The oil is apparently understood to bestow the Holy Spirit here as 94 Vgl. dazu die Worte, die Mygdonia nach der Taufe an ihren Gatten Charys richtet: „Du hast jene Hochzeit gesehen, die vorüberging, diese Hochzeit aber bleibt in Ewigkeit. Jene Gemeinschaft war die des Verderbens, diese ist die des ewigen Lebens (vgl. dazu den „Kommunionspruch“ des Apostels bei der Taufeucharistie: „Du hast dein Siegel empfangen und ewiges Leben“. (...) Du bist ein Bräutigam, der vergeht und zerstört wird, Jesus aber ist der wahrhaftige Bräutigam, da er in Ewigkeit unsterblich bleibt“ (Kap. 124, BONNET 233f.; analog der Syrer: WRIGHT II 261f.). 95 Daher steht sie beim Griechen am Schluss der eigentlich der Taufe Mygdonias gewidmeten „zehnten Tat“, beim Syrer ist sie Teil der großangelegten „achten Tat“. 96 Kap. 132 (BONNET 239). Die Taufpredigt ist in verschiedenen griechischen Fassungen überliefert (vgl. ebd.). Die Aussagen „Diese Taufe ist Vergebung der Sünden“ und „Sie gebiert wieder den neuen Menschen“ sind beiden Fassungen fast wortgleich gemeinsam. Neben anderen Unterschieden wird das Stichwort κοινωνόν anders konnotiert: Laut U ist die Taufe κοινωνὸν τῶν ἁμαρτιῶν ἀφέσεως, dagegen hat P: καὶ πνεύματος ἁγίου γίνεται κοινωνός. 97 Kap. 132 (BONNET 239f.): Σοὶ δόξα ἡ σπλάγχνων ἀγάπη (vgl. dazu aus der Taufepiklese Kap. 27 [142] sowie aus der Brotepiklese Kap. 50 [166]), σοὶ δόξα τὸ τοῦ Χριστοῦ ὄνομα (vgl. dazu aus der Taufepiklese Kap. 27 [142]), σοὶ δόξα ἡ ἐν Χριστῷ δύναμις ἱδρυμένη (vgl. dazu aus der Taufepiklese Kap. 27 [142]). Der Syrer hat als erste Doxologie „Glory to thee, beloved fruit“, die anderen sind analog (WRIGHT II 267). Zum Ölgebet in Kap. 132 vgl. auch MYERS, Epicleses 120f., die v.a. auf die Parallelen zur Geistepiklese in Kap. 27 hinweist.
5. Die erzählten Taufeucharistien
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well as in the epicleses in chapter 27“.98 Es folgt die Wassertaufe auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des Hl. Geistes. Auf präbaptismale Salbung und Wassertaufe folgt die Taufeucharistie. Wieder wird nur Brot erwähnt. Dieses Brot ist das „Brot des Lebens, dessen Esser unvergänglich bleiben sollen.“ Die Kraft, Sünden zu vergeben und diejenigen, die es essen, „unsterblich zu machen“, erhält das Brot, weil es „gewürdigt wurde, eine Gabe zu empfangen“. Was damit gemeint ist, wird sofort im Anschluss daran deutlich: „Wir nennen über dir den Namen der Mutter, des verborgenen Mysteriums der verborgenen Herrschaften und Gewalten, wir nennen über dir den Namen deines Jesus“.99 Durch das „Nennen“ (ἐπιφημίζειν) des Namens der Mutter (des Geistes) und Jesu empfängt das Brot die „Kraft des Segens“, es wird dadurch zu „geisthaltiger Speise“. Reinhard Meßner hat die hier greifbare Eucharistietheologie prägnant so formuliert: „Der Geist ist sozusagen Inhalt der Eucharistie; diese ist geisterfüllte, vom Geist durchwirkte und deshalb auch dem von ihr genießenden Menschen den Geist vermittelnde Speise, wie der Leib des irdischen Jesus vom göttlichen Geist durchdrungen war und deshalb dem Menschen das Heil vermittelte.“100 Auffällig ist, dass das Brot zweimal mit der Sündenvergebung in Verbindung gebracht wird,101 ein Gedanke, der offensichtlich aus dem Zusammenhang mit der Taufe resultiert. Aus der Taufe drang der Gedanke der Sündenvergebung in die Taufeucharistie hinüber. 5.5 Die Taufe Vazans und seines Hauses (ActThom 155–158) Die letzte Tauferzählung steht direkt vor dem Martyrium des Apostels und schließt so das Lebenswerk des Thomas ab. Auffällig ist, dass die Gebete, die der Apostel während des nächtlichen Taufgottesdienstes spricht, von
98
MYERS, Epicleses 121. So der Grieche (BONNET 240). Der Syrer ersetzt dies sekundär durch eine „orthodoxe“ trinitarische Formel (WRIGHT II 268). Vgl. MYERS, Epicleses 69. 100 MESSNER, Eucharistie 510f. Grundlage ist die „Gabenepiklese als Geistepiklese“ (ebd.). 101 Kap. 133: σὺ εἶ ὁ καταξιώσας δέξασθαι δωρεὰν ἵνα γένῃ ἡμῖν ἄφεσις ἁμαρτῶν (BONNET 240) (...) ἀπὸ ἁμαρτιῶν ἀπολούσονται (ebd.). Der Zusammenhang von Taufeucharistie und Sündenvergebung erscheint aber bereits in Kap. 50, wo der Apostel der neugetauften Frau das Brot mit den Worten reicht: „Dies sei dir zur Vergebung der Sünden und ewigen Übertretungen“ (BONNET 166, anders der Syrer: „Let this Eucharist be unto you for life and rest, and not for jugdment and vengeance“, WRIGHT II 190). Drastisch wird dieser Zusammenhang illustriert von der direkt angeschlossenen Geschichte vom durch die Taufeucharistie überführten Mörder (Kap. 51). Von Sündenvergebung spricht auch das Eucharistiegebet Kap. 158 im Hinblick auf das vergossene Blut Jesu (BONNET 268/WRIGHT II 190). 99
152
IV. Die Taufeucharistien der Thomasakten
Anspielungen auf die Passion Jesu durchzogen sind.102 Im Anschluss an ein Gebet über dem Salböl, das eine an Jesus gerichtete Epiklese enthält,103 vollzieht der Apostel die Hauptsalbung an Vazan, Tertia und Mnesar, die anschließende Ganzkörpersalbung vollzieht er selbst nur an Vazan, die beiden Frauen werden von Mygdonia gesalbt. Es schließt sich die Wassertaufe auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes an. Direkt im Anschluss daran beginnt die Taufeucharistie mit „Brot und Becher“.104 Im Gebet ist vom Essen des Leibes und vom Trinken des Blutes Jesu die Rede. Hier ist eindeutig der Einfluss des sog. Einsetzungsberichts zu erkennen, doch kommt dies hier nicht überraschend, da sich überhaupt sowohl im Ölgebet als auch v.a. im Eucharistiegebet eine Reihe von Anspielungen auf die Passionsberichte finden.105 Diese dienen inhaltlich dazu, die durch die Eucharistie empfangenen Gaben Jesu mit seinen Leiden bei der Passion sowie seiner Auferstehung in Beziehung zu setzen. Vom Becher ist bei der anschließenden Taufeucharistie auch nicht mehr die Rede, dort heißt es nur, dass Judas „die Eucharistie bricht“ und austeilte.106 Laut Lietzmann ist das über Brot und Becher gesprochene Gebet aus zwei Teilen zusammengesetzt, wobei der erste Teil aus der Liturgie stammen könnte. Den zweiten Teil (die mit ἀντί beginnenden Passionsvergleiche) bezeichnet er dagegen als „matte Reflexion“,107 Reinhard Meßner spricht von „eucharistischer Meditation“.108
102
Schon beim Eingangsgebet erwähnt der Apostel die Kreuzigung ὑπὲρ πολλῶν, Hadesfahrt und Auferstehung Jesu (Kap. 156; BONNET 265), analog der Syrer, WRIGHT II 188), beim Ölgebet führt die Assoziation von der Olive über das Holz (des Olivenbaumes) zum Kreuzesholz und der Passion (BONNET 266, analog der Syrer, WRIGHT II 189). Christus scheint auf dem Öl vorgestellt zu sein, so wie er damals auf dem Kreuzesholze lag (vgl. KLIJN, Acts 241). Das Eucharistiegebet ist dann ganz von Passionsanklängen durchzogen (BONNET 268; WRIGHT II 290). 103 Dazu MESSNER, Gottesdienst 409. Anstelle einer Personenepiklese wird hier der Geist auf die Materie Öl herabgerufen, dass er auf dem Öl „wohne“ und dieses dadurch zur pneumatischen Salbe werde, die die Fähigkeit enthält, den Geist zu vermitteln. Pointiert ebd.: „Der Geist wird im Ölweihegebet sozusagen in das Öl hineingemischt“. 104 Allerdings erfahren wir keineswegs, was sich im Kelch befindet. MCGOWAN, Eucharists 192, plädiert daher mit guten Gründen für Wasser. Der Syrer spricht dagegen von „a mingled cup“ (WRIGHT II 290). 105 Auffälligerweise wird im Ölgebet auf die Begegnung Jesu mit seinen Feinden aus der Johannespassion angespielt (vgl. 267,9f. mit Joh 18,6), im Eucharistiegebet dagegen ausschließlich auf Szenen aus der Matthäuspassion. Beide Evangelien werden mit guten Gründen in Syrien lokalisiert. 106 ActThom 158: καὶ κλάσας τῆν εὐχαριστίαν ἔδωκεν... (BONNET 269). 107 LIETZMANN, Messe 247. 108 MESSNER, Eucharistie 499. Dagegen ROUWHORST, Rolle 173.
Exkurs: Der neutestamentliche Bezug der Initiation
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Exkurs: Der neutestamentliche Bezug des Initiations-„patterns“ in den ActThom Exkurs: Der neutestamentliche Bezug der Initiation
In ihrer einflussreichen liturgiegeschichtlichen Auswertung des Befundes der ActThom hatte Gabriele Winkler die in den Tauferzählungen der Kap. 27 sowie 132 allein genannte präbaptismale Hauptsalbung als älteste Schicht gedeutet und mit dem biblischen Motiv der Königssalbung in Verbindung gebracht.109 Ihre eigentliche These geht darüber aber noch hinaus: „in the oldest Syriac documents, Christian baptism is shaped after Christ’s baptism in the Jordan“.110 Laut Winkler liegt hier der Grund dafür, dass die Ölsalbung gegenüber der Wassertaufe klar im Vordergrund steht. Dieser Position Winklers hat sich Reinhard Meßner angeschlossen: In ActThom 27; 121 (gr) und 132 liege die ältere Gestalt des ostsyrischen Taufritus mit Hauptsalbung und Personenepiklese vor, auf die die Taufeucharistie folgte. Diese Form der Initiation beschreibt auch er „als rituelle Reinszenierung der Taufe Christi“.111 Gerade in den Thomasakten trete ein Taufverständnis und eine Gestalt des Taufgottesdienstes zutage, „die ganz von der als Urbild der christlichen Taufe verstandenen Taufe Jesu her geprägt sind.“112 Diesen von Winkler, Meßner und anderen postulierten neutestamentlichen Bezug haben Paul F. Bradshaw113 und Bryan D. Spinks jedoch in Frage gestellt. Spinks dazu: „Finally, though Winkler is correct to note the importance of oil in this strand of Syrian tradition, it is difficult to understand why she fastens on the Synoptic account of the baptism of Jesus as the paradigm for this pattern“. Mit Recht bemerkt Spinks, dass sich die Herabkunft des Geistes auf Jesus in den synoptischen Erzählungen erst im Anschluss an Jesu Taufe durch Johannes im Jordan ereignet (Mk 1,10 par): 109
Zum Folgenden vgl. v.a. WINKLER, Original Meaning 29–43, der von Winkler ausgebreitet biblische Hintergrund ebd. 33f. Zur Taufsalbung als königlich-messianische Salbung vgl. auch MESSNER, Gottesdienst 406f. 110 WINKLER, Original Meaning 36, und weiter: „As Jesus had received the anointing through the divine presence in the appearance of a dove, and was invested as the Messiah, so in Christian baptism every candidate is anointed and, in connection with this anointing, the gift of Spirit is conferred“. Pointiert ebd.: „What happened at the Jordan is dramatically reinvoked in the earliest Syriac documents“. 111 MESSNER, Eucharistie 498, im Anschluss an WINKLER, Initiationsrituale 132–175, sowie WINKLER, Original Meaning (s.o.). 112 MESSNER, Gottesdienst 404f. 113 Vgl. BRADSHAW, Search 149–153 und 227. Prägnant ebd. 151: „While it is obviously true that Christ’s baptism in the Jordan was increasingly [!] adopted as the model for Syrian baptismal practice, it is unlikely to have been its original archetype, or we would have expected to see the immersion followed by the anointing rather than the other way round“.
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IV. Die Taufeucharistien der Thomasakten
„in the Synoptic accounts of the baptism of Jesus, for all their differences, the descent of the Spirit, or messianic declaration, comes after the baptism in water“.114 Im Sinne dieser Anfragen wird man noch auf die dritte, dem Cyrill von Jerusalem zugeschriebene Mystagogische Katechese verweisen können, denn dort wird gerade die postbaptismale Salbung der Täuflinge mit dem Verweis auf die Taufe Jesu im Jordan und die daran anschließende (!) Herabkunft des Heiligen Geistes auf ihn begründet: „Und für euch ebenso die Salbung, als ihr heraufgestiegen seid aus dem Brunnen der heiligen Wasser – der Antitypos desjenigen, mit dem der Gesalbte gesalbt wurde, das aber ist der heilige Geist (…).“115 Weil die Neugetauften die postbaptismale Ölsalbung und damit typologisch Teilhabe am Heiligen Geist empfangen haben, deswegen sind sie εἰκόνες Χριστοῦ.116
Aber auch Bradshaw und Spinks können keinen neutestamentlichen Hintergrund für die präbaptismale Hauptsalbung benennen,117 daher ist die Frage, ob es ein neutestamentliches „Modell“ dieser Initiationssequenz gibt, nach wie vor unbeantwortet. Dabei kann die Lösung nicht zweifelhaft sein: Es ist die in Apg 10f. belegte Abfolge von Geistgabe, Wassertaufe und Mahlgemeinschaft, die für die Ausbildung der syrischen Initiation mit der hier charakteristischen präbaptismalen Salbung sowie den Taufepiklesen das Vorbild abgab. Die rituelle Reinszenierung dieses Schemas lag insofern nahe, als es in der Konzeption des Lukas eben um die (erstmalige und daher paradigmatische) Initiation von Heiden ging.118 Auch in der Corneliusgeschichte ist ja die Gabe des Geistes an die Nichtjuden der entscheidende Akt. Mit der Anordnung der Wassertaufe im Namen Jesu Christi reagiert der lukanische Petrus nur auf dieses Geschehen. Zum Konflikt mit „denen aus der Beschneidung“ kommt es dann aufgrund der Mahlgemeinschaft im Anschluss an die Geistgabe (11,3), die Wassertaufe der Nichtjuden wird in Apg 10 nicht erzählt und in Apg 11,1– 114
SPINKS, Baptismal Patterns 50, in Auseinandersetzung mit WINKLER, Original Meaning 36. Im Unterschied zu den Synoptikern wird im Johannesevangelium eine Wassertaufe Jesu gar nicht direkt erwähnt, es geht allein um die Herabkunft des Geistes auf Jesus (vgl. Joh 1,32–34). 115 Cyrill, catech. myst. 3,1: καὶ ὑμῖν ὁμοίως [!] ἀναβεβηκόσιν ἀπὸ τῆς κολυμβήθρας τῶν ἱερῶν ναμάτῶν χρῖσμα, τὸ ἀντίτυπον ὃ ἐχρίσθη Χριστός. Τοῦτο δέ ἐστιν τὸ ἅγιον Πνεῦμα... (FC 7, 124, RÖWEKAMP). 116 Dazu ausführlich SLENCZKA, Heilsgeschichte 120–124. 117 Nicht überzeugend (und kaum verständlich) ist die von SPINKS, Baptismal Patterns 50, vorgeschlagene Alternative zu Winklers These: „the incarnation of Jesus and then his baptism, where the messianic Spirit hovers at conception to bring forth new birth“. 118 Für die zum Glauben an Christus kommenden Juden vgl. Apg 2,38: Hier ist im Unterschied zur Corneliusgeschichte die Abfolge Wassertaufe – Geistempfang impliziert (analog 19,5f.) und auch nicht von einer postbaptismalen Mahlgemeinschaft die Rede.
6. Fazit
155
18 gar nicht mehr erwähnt. Die beiden „Brennpunkte“ der ganzen Corneliusgeschichte sind die Geistgabe an die Heiden und Petri Annahme der Gastfreundschaft (samt Mahlgemeinschaft) im Haus des Cornelius. Apg 10–11
ActThom
10,44: „Das Pneuma fiel herab auf alle, die das Wort hörten…“
präbaptismale Taufsalbung mit Epiklese bzw. Ölgebet
10,48: „Und er befahl, das sie im Namen Jesu Christi getauft würden…“
(Wassertaufe)
11,3: „Du hast mit ihnen Tischgemeinschaft gehabt…“
Taufeucharistie mit Epiklese bzw. Gebet über dem Brot
Daher ist die Abfolge von Taufsalbung, Wassertaufe und Taufeucharistie in den Thomasakten nur im Hinblick auf Apg 10f. erklärbar, denn weder die synoptischen Erzählungen von der Taufe Jesu noch die lukanische Pfingstgeschichte und auch nicht die anderen lukanischen Tauferzählungen geben das Vorbild dieser Sequenz ab – dies gilt nur für die Corneliusgeschichte! Man kann also sagen, dass die apokryphen Thomasakten im Anschluss an den in der kanonischen Apostelgeschichte erzählten Geistempfang des ersten Nichtjuden und seines Hauses weitere Erzählungen von der Konversion von einzelnen, namentlich genannten Nichtjuden aus der Oberschicht konzipiert haben. Im Unterschied zu Apg 10 ist allerdings der Empfang des Geistes nun an die präbaptismale Ölsalbung und die Epiklese gebunden. Das älteste syrische Initiations-„pattern“ orientierte sich demnach gerade nicht an Jesu Taufe im Jordan, sondern am Geistempfang des Cornelius und seiner anschließenden Taufe. Hier wie dort kommt dem präbaptismalen pneumatologischen Geschehen – und nicht der Wassertaufe! – die entscheidende Bedeutung zu und der ganze Vorgang mündet ein in die Mahlgemeinschaft.
6. Fazit: Taufe und Taufeucharistie in den Thomasakten 6. Fazit
Die Thomasakten nehmen – was Taufe und Eucharistie angeht – eine Sonderstellung unter den alten Apostelakten ein, da sie an der Initiation ein ungleich größeres Interesse haben als diese. Alle zum Teil in epischer Länge erzählten Bekehrungsgeschichten münden in Taufgottesdienste ein, die ebenfalls anschaulich geschildert werden. Diese Taufgottesdienste haben eine bipolare Grundstruktur („pattern“): Taufsalbung und Taufeucharistie bilden ihre feste Achse, was durch die verschiedenen Epiklesen im Kontext von Salbung und Eucharistie unterstützt wird. Hinzu kommt die Wassertaufe, in der Regel nach, zuweilen
156
IV. Die Taufeucharistien der Thomasakten
auch vor der Salbung, in jedem Fall aber ihr gegenüber klar zweitrangig, so dass sie im Einzelfall sogar (wie in Kap. 27 der griechischen Fassung) ganz entfallen kann. Die Taufeucharistie wiederum ist ein vollständiger, wenn auch zumeist knapp geschilderter Kultakt: Es geht nicht nur um die Austeilung „konsekrierter“ Speisen, vielmehr dominiert der epikletische und pneumatologische Grundzug. Treffend formuliert daher Reinhard Meßner, dass in den Thomasakten das Eucharistiegebet als Epiklese erscheint.119 Christus wie auch der als Mutter titulierte Heilige Geist werden zum Mahl herbei- und (vielleicht auf einer sekundären Entwicklungsstufe120) auf das Element des Brotes herabgerufen.121 Demgegenüber ist der gemeinschaftliche, besser: der gemeindliche Aspekt stark reduziert; wie in den Paulus- und den Petrusakten haben faktisch nur der Täufer und die Neugetauften eucharistische Gemeinschaft. Wie ebenfalls noch in den Thomasakten erkennbar ist, setzt der syrische Taufgottesdienst mit dem für ihn charakteristischen „epikletischen“ Verständnis von Taufsalbung und Taufeucharistie die Ablösung des Brotritus von dem Gemeindemahl, seine Verlagerung vom Abend auf den Morgen und seine Fusion mit der Initiation voraus. Im Unterschied zu den Paulusakten, wo Paulus Artemilla in der Nacht vom Sabbat auf den Sonntag tauft, ist in den Thomasakten die Sonntagseucharistie von der Taufeucharistie jedoch unterschieden.122 Indem der einstige Mahleröffnungsritus vom abendlichen Symposium abgelöst und Teil der nächtlichen bzw. morgendlichen Initiation wurde, genauer: als zweiter Höhepunkt neben die epikletisch ausgestaltete Taufsalbung trat, wurde ein kaum zu überschätzender Prozess gegenseitiger Anreicherung ausgelöst. So liegt nach Gerard Rouwhorst der Ursprung der eucharistischen Epiklese in der Taufe, genauer: im Kontext der präbaptismalen Salbung; von dort sei sie dann sekundär mit dem eucharistischen Mahl verbunden worden.123 Der „Austausch“ von theologischen Grundaussagen geht aber über die Epiklese hinaus.124 So belegen die Thomasakten z.B. eine Namensanrufung sowohl bei der Ölsalbung (ActThom 27; 132; 157) als auch bei der Eucharistie (49; 133). Aber auch von Sündenvergebung ist sowohl bei einer Spendefor119
MESSNER, Gottesdienst 435. So MESSNER, Gottesdienst 438, unter Hinweis auf ActThom 133. 121 Vgl. MYERS, Epicleses 91: „these are prayers for a heavenly figure not only to be present, but to join in a liturgical action“. 122 Dazu auch PETERSON, Bemerkungen 201f. 123 ROUWHORST, Rolle 182 u.ö. 124 WINKLER, Weitere Beobachtungen 197, vermutet eine analoge Entwicklung beim Sanctus (vgl. dazu DIES., Nochmals zu den Anfängen 221ff., sowie ausführlich DIES., Das Sanctus). Laut Winkler ist der Ursprung der Epiklese wie des Sanctus mit der Initiation verkettet. 120
6. Fazit
157
mel bei der Austeilung der Eucharistie (50), bei der Taufpredigt (132) und bei der Taufeucharistie (133; 158) die Rede.125 Ob man hier nun lineare Entwicklungen von primären zu sekundären Schauplätzen oder eher eine ursprüngliche Vielfalt annehmen möchte; klar ist, dass es der gemeinsame liturgische Rahmen des Taufgottesdienstes war, innerhalb dessen sich die gegenseitige theologische „Anreicherung“ der Einzelriten vollzog.
Der frühe syrische Befund belegt daher, dass Salbung, Wassertaufe und Eucharistie nicht nur formal durch den Taufgottesdienst miteinander verbunden waren (dieser also nur eine Art „Fahrplan“ der Initiation vorgegeben hätte), sondern dass der komplexe Taufgottesdienst das Feld absteckte, innerhalb dessen die einzelnen Riten hochkreative und produktive Beziehungen zueinander aufnahmen. Da der Taufgottesdienst offensichtlich stark als Einheit verstanden wurde, bestand auch kein großes Interesse an einer präzisen und konsistenten Verortung einzelner „Effekte“ der Taufe – wie Sündenvergebung und Geistverleihung – an jeweils einer bestimmten rituellen Handlung. Die in den Thomasakten geschilderten Taufgottesdienste sind auch deshalb von großer Bedeutung, weil einzelne Theologoumena, Gebete und Akklamationen, aber auch Epiklesen, mal bei der Salbung, mal bei der Eucharistie erscheinen. Hierzu trug auch die Tatsache, dass die Trinitätstheologie noch nicht in „orthodoxen“ Formeln verfestigt und die Zuschreibungen an die göttlichen Personen noch nicht fein säuberlich voneinander abgegrenzt waren,126 ihren Teil bei. Wenn z.B. bereits bei Paulus der auferstandene Herr und der Geist noch ganz eng miteinander verbunden sind,127 dann ist das „Oszillieren“128 zwischen der Anrufung Jesu und des Geistes innerhalb der Epiklesen ebenso verständlich wie der offensichtlich kurze Weg vom urchristlichen maranatha bei der Eucharistie (1Kor 16,22; Apk 22,20; Did 10,6) hin zur Geistepiklese, zumal sich weder bei Paulus noch in der Didache der an den Auferstandenen gerichtete maranatha-Ruf und die Vorstellung, bei der Eucharistie werde „geistliche Speise und Trank“ genossen, ausschließen (vgl. 1Kor 10,3f. mit Did 10,3 und 1Kor 16,22 mit Did 10,6). Daher wird man von vorneherein mit gegenseitiger „Befruchtung“ bzw. Beeinflussung und wechselseitiger Übernahme von Vorstellungen und Ausdrucksformen rechnen. Tatsächlich scheint – zumindest in einem missionarischen Kontext, der weite Kreise des frühen Christentums geprägt haben dürfte – die Initia125
So auch ROUWHORST, Rolle 183. MARKSCHIES, Theologie 190, spricht davon, dass die Unterscheidung der drei Personen der Trinität in den Gebeten der ActThom „nur sehr lose durchgeführt“ ist. 127 Vgl. v.a. die Identifizierung von ὁ κύριος und τὸ πνεῦμα in 2Kor 3,17, aber auch 1Kor 15,44f., wonach der Auferstandene eine pneumatische Auferstehungsleiblichkeit besitzt, durch die er wiederum beim Herrenmahl zugegen sein kann. 128 WINKLER, Nochmals zu den Anfängen 216 u.ö., präzisiert bei DIES., Weitere Beobachtungen 196. 126
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IV. Die Taufeucharistien der Thomasakten
tion in theologischer wie in liturgiegeschichtlicher Hinsicht ein fruchtbarer „Schoß“129 gewesen zu sein – was die frühe Tauf- und Eucharistietheologie angeht sicherlich der fruchtbarste!
129 Das Bild des Taufgottesdienstes als Schoß bei WINKLER, Nochmals zu den Anfängen 229.
Kapitel VI
Taufeucharistien in den Pseudoclementinen VI. Taufeucharistien in den Pseudoclementinen
Die Pseudoclementinen1 sind für unsere Fragestellung von besonderem Interesse und dies nicht nur, weil sich in diesem Schrifttum zwei kurze Schilderungen von Taufeucharistien (in je zwei Versionen) finden. Vor allem aber ist in wichtigen Passagen dieses Schrifttums die Mahlgemeinschaft von Juden mit Heiden das zentrale Anliegen, allerdings in einer ganz bestimmten Abzweckung, geht es doch um die Aufnahme von Heiden in die heilige jüdische Tischgemeinschaft. Diese ist darüber hinaus „asketisch“ geprägt, da der Genuss von Wein und Fleisch explizit verboten ist. Die Taufe von Heiden, insbesondere des Clemens und seiner Familie, steht damit ganz unter dem Vorzeichen ihrer Reinigung und Heiligung, um gemeinsame Mahlzeiten mit dem jüdischen Apostel und den bereits Getauften zu ermöglichen. Taufe heißt hier also Initiation zur jüdischen Tischgemeinschaft. Im Unterschied zu den Thomasakten werden grundlegende theologische Aussagen mit den asketisch-jüdischen Abendmahlzeiten des Petrus sowie mit der Taufe verbunden, nicht dagegen am Taufgottesdienst oder gar an der Taufeucharistie festgemacht.
1. Die beiden Tischgemeinschaften 1. Die beiden Tischgemeinschaften
Ein wichtiges Erzählmotiv des die Pseudoclementinen durchziehenden „Clemensromans“ ist der Ausschluss des (ungetauften) Clemens von der Tischgemeinschaft des Petrus mit seinen (bereits getauften) Jüngern (darunter auch die beiden Zwillingsbrüder, die sich später als Brüder des Clemens entpuppen werden). Vertröstet Petrus den jungen Mann beim ersten getrennten Mahl noch auf spätere Einsicht,2 so liefert er nach der nächsten (wiederum getrennt eingenommenen) Abendmahlzeit eine erste Erklärung: Petrus hat keine Tischgemeinschaft mit jenen (Heiden), die noch nicht „gereinigt“ sind (qui nondum purificati sunt). Begründet wird diese Haltung 1
Ich zitiere nach den Ausgaben von STRECKER (GCS). Hom 1,22,3: καὶ τροφῆς αὐτὸς μεταλαβὼν ἰδίᾳ, vgl. Rec 1,19,2–5. Auf die Frage nach dem Grund für die Trennung sagt Petrus zunächst: Δῴη σοι ὁ θεὸς κατὰ πάντα ἐξομοιωθῆναι μοι καὶ βαπτισθέντα τῆς αὐτῆς μοι μεταλαβεῖν τραπέζης (Hom 1,22,5) = Det tibi deus exaequari nobis in omnibus, ut percepto baptismate possis ad eandem nobiscum convernire mensam (Rec 1,19,5). 2
160
VI. Taufeucharistien in den Pseudoclementinen
damit, dass jemand, der jemals in den heidnischen Götzendienst, vor allem aber in das Essen von Götzenopferfleisch involviert war, einen unreinen Geist hat. Dieser in den Heiden wohnende unreine Geist, der durch die reinigende Taufe ausgetrieben werden muss (ut exeat ab eo spiritus inmundus), hat in der Optik des Verfassers vor allem mit dem Genuss heidnischer Speisen zu tun. In diesem Horizont markiert die Taufe den Wechsel der Tischgemeinschaft.3 Die Vorstellung, dass die Dämonen v.a. dann Einfluss auf den Menschen gewinnen, wenn dieser an den heidnischen Mahlzeiten teilnimmt, ist in Hom 8,20,3 direkt formuliert: „Ihr müsst aber wissen, dass die Dämonen über niemanden Macht haben, es sei denn er war zuvor ihr Tischgenosse“.4 Diese dämonologische Qualifizierung der heidnischen Mahlzeiten bezieht sich insbesondere auf den Genuss von Fleisch und Wein. Hieran ist zu sehen, dass in der Optik der Pseudoclementinen die Grenzziehung zwischen Juden und Heiden, die Denunzierung paganer Mähler als „Mahlzeiten der Dämonen“5 und das asketische Anliegen im Hinblick auf die eigene Mahlgemeinschaft untrennbar miteinander verbunden sind. In den Pseudoclementinen wird übermäßiger Essensgenuss generell negativ gewertet,6 und das Essen von Fleisch gilt als widernatürlich.7 Darüber hinaus werden aber Fleisch- bzw. Blutgenuss und Wein direkt mit den unreinen Geistern in Verbindung gebracht, die im Menschen wohnen und die ihn dazu verführen.8 Das bei der Schlachtung vergossene Blut wiederum 3
Vgl. Rec 2,71ff. und dazu VIELBERG, Klemens 39: „Mit einer Assoziationskette aus dem Bereich des Speisens (convivium ago, degustare, conviva, mensa, convivium) weckt Petrus in seinen Zuhörern die Vorstellung zweier Tischgemeinschaften, die räumlich und geistig voneinander getrennt sind: hier der getauften Christen, dort der unreinen und von Dämonen besessenen Heiden.“ Analog Hom 8,22f. 4 Übersetzung nach WEHNERT, Hom 148. Der Text lautet: εἰδέναι δὲ ὑμᾶς χρὴ ὅτι οὐδενὸς οἱ δαίμονες ἔχουσιν ἐξουσίαν, ἐὰν μὴ πρότερόν τις αὐτοῖς ὁμοδίαιτος γένηται. ὁμοδίαιτος hat ein ganz umfassendes Bedeutungsspektrum, vgl. LIDDELL/SCOTT s.v.: living or eating with others; LAMPE, Lexicon s.v.: eating with, sharing the life, being, acting as a friend, living together (mit Belegen). Zusammen leben ist gleichbedeutend mit zusammen essen und umgekehrt. 5 τράπεζα δαιμόνων (vgl. 1Kor 10,21) z.B. in Hom 7,4,2 und 7,8,1 u.ö. 6 Vgl. dazu z.B. Hom 8,11,1–3. Laut Hom 13,18,4 beweist die maßvolle Frau (ἡ σώφρων γυνή) Selbstbeherrschung bei Speisen und Getränken (αὐταρκείᾳ βρωμάτων καὶ ποτῶν), damit nicht ihr fett gewordener Leib durch sein Gewicht ihre Seele zu gesetzlosen Begierden (πρὸς ἐπιθυμίας ἀνόμους) hinabzieht. 7 So in Hom 8,15,3: παρὰ φύσιν. 8 Hom 11,15,6: „Denn die Ausdünstung des dortigen Blutes und das Trankopfer des Weines (ἡ γὰρ τοῦ ἐκεῖ αἵματος ἀναθυμίασις καὶ ἡ τῶν οἴνων σπονδή) befriedigt gerade auch die unreinen Geister, die in euch verborgen sind“ (WEHNERT, Hom 173). Laut Hom 8,15,4 wurde Fleisch zum ersten Mal von den zur Menschengestalt herabgesunkenen Dämonen verspeist, was ihnen die mit ihnen zusammenlebenden Menschen dann nachmachten (8,16,1).
1. Die beiden Tischgemeinschaften
161
verseucht die einstmals reine Luft und verursacht Krankheiten und frühen Tod.9 Durch die den Dämonen beim Götzendienst dargebrachte Nahrung dringen diese beim Verzehr z.B. des Opferfleisches in den menschlichen Körper ein. Dämonen üben also v.a. durch Nahrungsmittel Macht über den Menschen aus.10 Dies erklärt Hom 9,10 so: Weil die Dämonen Geistwesen sind, können sie ihre Begierde nach Speisen, Getränken und Geschlechtsverkehr nur dann befriedigen, wenn sie in Menschen eingehen und sich seiner Organe, insbesondere seiner Zähne und seiner Geschlechtsorgane, bedienten.11 Daher ist es auch nicht überraschend, dass Petrus’ Erzrivale Simon Magus mit Tieropfern und der Verführung zum Weingenuss, die in Orgien endet, in Verbindung gebracht wird.12 Auch die alttestamentlichen Geschichten von den Gigantensöhnen (Gen 6), die als erste Fleisch gegessen haben sollen, oder die Noahgeschichte werden in diesen Zusammenhang gestellt.13 Selbst eine direkte Verbindung zwischen Fleischgenuss und Kannibalismus wird behauptet.14 Dem stehen die Mahlzeiten gegenüber, die Petrus mit den getauften Heiden hält. Sie sind zunächst dadurch ausgezeichnet, dass auf Fleisch und Wein verzichtet wird, was die Abgrenzung gegenüber den heidnischen Mählern deutlich macht. Noch wichtiger ist aber, dass die Mahlzeiten des Petrus Hebraeorum ritu (κατὰ τὴν Ἑβραίων συνήθη πίστιν),15 also nach jüdischem Brauch, ablaufen: Vor dem Essen erfolgt die Benediktion, nach dem Essen – in gewisser Analogie zur Didache – die Danksagung.16 Sogar von Tauchbädern vor der Mahlzeit17 wie auch vor dem Gebet18 wird erzählt. 9
Vgl. Hom 8,17,1f. Hom 9,9,2: „Denn die Dämonen, die ihre Macht aus der ihnen hingegebenen Nahrung ziehen, werden durch euch selbst [durch eure Hände, Hebraismus] in eure Körper hineingebracht (οἱ γὰρ δαίμονες διὰ τῆς αὐτοῖς ἀποδοθείσης τροφῆς ἐξουσίαν ἔχοντες ὑπὸ τῶν ὑμετέρων χειρῶν εἰς τὰ ὑμέτερα εἰσκρίνεται σώματα)“ (WEHNERT, Hom 153). 11 Vgl. WEHNERT, Hom 153. 12 Laut Hom 7,3,1 hat Simon ein Rind geopfert und „euch mitten auf der Agora bewirtet (εἱστίασεν ὑμᾶς ἐν μέσῃ τῇ ἀγορᾷ)“. Im Anschluss daran hätten sich die Tyrer durch viel Wein hinreißen lassen (καὶ οὕτως ὑμεῖς οἴνω πολλῷ παρενεχθέντες) und zusammen mit den bösen Dämonen auch ihren Fürsten freundlich aufgenommen (ἅμα τοῖς πονηροῖς δαίμοσιν τὸν ἄρχοντα αὐτῶν ἐφιλοφρονεῖσθε), vgl. WEHNERT, Hom 137. 13 Vgl. Hom 8,15f. (Rec 1,29f.); 9,2–23 (Rec 4,13–36). 14 Hom 8,16,2. Das Essen von Tierfleisch führt hier fast zwangsläufig zum Essen von Menschenfleisch. 15 Rec 5,36,4; Hom 10,26,3 lautet in der Übersetzung von WEHNERT, Hom 167: „Nachdem er nun den Segen gesprochen und Gott für den Genuss gedankt hatte, wie es dem vertrauten Glauben der Hebräer entspricht…“ 16 Rec 1,19,4: et post cibum cum laudem dedisset deo et gratias egisset; 2,72,7: his dictis cum benedixisset, cibum sumpsit. et post haec cum gratias egisset deo, ingressus 10
162
VI. Taufeucharistien in den Pseudoclementinen
Jürgen Wehnert hat überzeugend dargelegt, dass das Wortfeld βάπτισμα/βαπτίζειν in den PsClem zwei Ritualkomplexen zugeordnet ist: „Das Nomen βάπτισμα und das aktivisch bzw. passivisch verwendete Verb βαπτίζειν bezeichnen einen einmalig gespendeten bzw. empfangenen Initiationsritus, medial verwendetes βαπτίζεσθαι hingegen die von den Mitgliedern der Gruppe selbst durchgeführten Waschungen, um nach Kontaminationen rituelle Reinheit zurückzugewinnen“.19 Die Analogie zum Hebräerbrief fällt hier unmittelbar ins Auge.20 Laut Wehnert gehören die regelmäßigen Waschungen zum ältesten Gut der PsClem, nämlich zur Simon-Petrus-Novelle; Während sie in den Hom weiter tradiert sind, werden sie in den Rec dann aber fast ganz getilgt.21
Dazu passt auch, dass Petrus gegenüber dem Heiden Clemens betont, dass – aus jüdischer Optik – der Glaube an Jesus der einzige Unterschied zwischen „uns“ und den nichtglaubenden Juden ist.22 In den Pseudoclementinen ist es fast unmöglich, unterschiedliche Formen der Mahlzeiten der Getauften voneinander abzuheben, z.B. eine „Eucharistie“ von einem „normalen“ Sättigungsmahl zu unterscheiden. Nur die Taufeucharistien haben hier ein gewisses Eigenprofil (s.u.). Die grundlegende Opposition besteht nicht zwischen eucharistischer und anderer Mahlzeit, sondern „between all the eating they do and the eating that all others do“.23 Die Grenzen zwischen den heidnischen und den jüdischchristlichen Tischgemeinschaften werden durch den Verzicht auf Fleisch und Wein, aber auch durch die Gebete „nach jüdischem Brauch“ und die Taufe als conditio sine qua non für die Tischgemeinschaft gezogen. Insofern ist für die Pseudoclementinen charakteristisch, „that the application
quievit. Hom 1,22,4: εὐλογήσας δὲ ἐπὶ τῆς τροφῆς καὶ εὐχαριστήσας μετὰ τὸ κορεσθῆναι, Hom 10,26,2–3: καὶ οὕτως τροφῆς μετελάβομεν, εὐλογήσας οὖν καὶ ἐπευχαριστήσας τῷ θεῷ ἐπὶ τῷ εὐφρανθῆναι κατὰ τὴν Ἑβραίων συνήθη πίστιν. Darauf bezieht sich dann die nächste summarische Schilderung: καὶ συνήθως ἁλῶν σὺν τοῖς φιλτάτοις μεταλαβὼν ἡσύχασεν (Hom 11,34,1). Außerdem Hom 12,25,1: γενομένων δὲ ἡμῶν καὶ τροφῆς μεταλαβόντων καὶ συνήθως εὐχαριστησάντων... Daher sind die Tischgebete vor und nach dem Essen auch dann vorauszusetzen, wenn sie nicht mehr eigens erwähnt werden (so in Rec 4,3; Hom 2,53; 6,26; 8,24; 9,23 u.ö.). 17 Rec 5,36,3; Hom 9,23,3; 10,26,2, und dazu auch FERGUSON, Baptism 249f. 18 So z.B. in Hom 11,1,1. Waschungen nach dem Geschlechtsverkehr z.B. in Hom 11,30,1–3 und 11,33,4. 19 WEHNERT, Taufvorstellungen 1078, außerdem FERGUSON, Baptism 249–255. 20 Vgl. den rätselhaften Plural βαπτισμοί in Hebr 6,1f. und 9,10, und dazu GÄBEL, Kulttheologie 391. 21 Dazu WEHNERT, Taufvorstellungen 1091 und 1102. 22 Rec 1,43,2: de hoc enim solo nobis qui credimus in Iesum, adversum non credentes Iudaeos videtur esse differentia. 23 Mit Recht betont von MCGOWAN, Eucharists 141. Und weiter: „Thus the relatively soft boundaries established between different non-sacrificial foods reflect the tremendous emphasis placed on the hard boundaries between the Christian communities and the rest of society“ (Hervorheb. von mir).
2. Taufe, Fasten und Tischgemeinschaft
163
of any sacral emphasis to communal eating was general, rather than specific to one type of meal“.24 Die Mahlgemeinschaft des Petrus mit den Getauften ist demnach (auch) „eucharistisch“, es handelt sich keineswegs um ein „profanes Abendessen“. Offensichtlich spiegeln diese Passagen der Pseudoclementinen eine Praxis wider, wonach Eucharistie und Mahl untrennbar miteinander verbunden sind. Dagegen spricht auch nicht die regelmäßig berichtete Eucharistie nach der Mahlzeit (d.h. am Ort der jüdischen Birkat ha-Mazon), wie das eucharistische Nachtischgebet der Didache (10,1–5) klar zeigt. Die asketische Mahlzeit des Petrus wird durch die Benediktion und die Nachtischeucharistie „eucharistisch“. Da Tischgemeinschaft also grundsätzlich auch Gebetsgemeinschaft bedeutet, ist es nur konsequent, dass sich Petrus auch zum Gebet von Clemens absondert.25
2. Taufe, Fasten und Tischgemeinschaft 2. Taufe, Fasten und Tischgemeinschaft
Im Unterschied zu den rituellen Waschungen ist die einmalige Taufe in erster Linie Voraussetzung für die Tischgemeinschaft von Heiden mit (an Jesus glaubenden) Juden wie Petrus. Sie ist dies insbesondere wegen ihrer reinigenden und ihrer exorzistischen Funktion.26 Anders gesagt: die reinigende und exorzistische Funktion der Taufe dient der Herstellung der Tischgemeinschaft von Juden und Heiden.27 Auch gegenüber Mattidia, der Mutter des Clemens, betont Petrus religionis nostrae observantiam (τὴν ἡμετέρας θρησκείας τὴν πολιτείαν). Nachdem er – eher formelhaft – die monotheistische Gottesverehrung, die Gesetzesobservanz, das Ehren der Eltern, Keuschheit und Gerechtigkeit betont hat, fügt er deren praktische Konsequenz hinzu:
24
MCGOWAN, Eucharists 121. Rec 4,37,3: at Petrum paululum me secedere praecipiens orationis causa. 26 Die exorzistische Funktion der Taufe ist auch betont in Hom 9,19. 27 Dazu passt, dass Petrus in Rec 2,72,5 Clemens stellvertretend für alle Heiden die alleinige Verantwortung für den baldigen Vollzug der Taufe zur Herstellung der Tischgemeinschaft zuweist: unusquisque ergo in sua habet potestate, breve aut longum paenitentiae suae tempus exigere, it ideo in vobis est, quando velitis ad nostram convenire mensam, et non in nobis, quibus permissum non est sumere cum aliquo cibum, nisi prius fuerit baptizatus. 25
VI. Taufeucharistien in den Pseudoclementinen
164 Hom 13,4,328 3
a b c d e f
Außerdem leben wir nicht ἀδιαφώρως,29 vom Tisch der Heiden genießen wir nicht. Ebensowenig können wir Tischgemeinschaft mit ihnen haben (συνεστιᾶσθαι αὐτοῖς) wegen ihrer unreinen Lebensführung. Doch wenn wir sie überzeugt haben, das zu denken und zu tun, was der Wahrheit entspricht, und sie getauft haben unter einer dreimalseligen Namensanrufung (βαπτίσαντες αὐτοὺς τρισμακαρίᾳ τινὶ ἐπονομασίᾳ), dann haben wir Tischgemeinschaft mit ihnen (τότε αὐτοῖς συναλιζόμεθα).
Daher kann Petrus auch die durch die Sendung Jesu manifeste Aufgabe der Zwölf Apostel so beschreiben: nos iussit exire ad praedicandum et invitare vos ad cenam regis caelestis (Rec 4,35,5). Die Einladung an die Heiden30 zur Teilnahme am Festmahl, das der himmlische König für die Hochzeit seines Sohnes veranstaltet (vgl. Mt 22,2–14), ist damit eine der zentralen Aufgaben der Apostel. Hier ist die alte Vorstellung der eucharistischen Mahlgemeinschaft als der Realisierung des eschatologischen Festmahls zu greifen. Die Tischgemeinschaft von Juden und Heiden wird demnach vom Verfasser im Lichte von Mt 22,2–14 gelesen. Es schließt sich sofort die Aufforderung an, das bei der Taufe erhaltene Hochzeitskleid fleckenrein zu bewahren. Eine der zentralen Gefährdungen für die Reinheit des Hochzeitskleides ist – neben Glaubensabfall und moralischen Vergehen – participare daemonum mensae. Um dies zu vermeiden, werden die sog. Jakobusklauseln angeführt.31 Der in Richtung auf die Heiden betonten reinigenden und exorzistischen Funktion der Taufe entspricht in Rec 1,39 komplementär die gegenüber den Juden betonte sündentilgende Funktion der Taufe, die damit den jüdischen Opferkult ersetzt.32
28
Par Rec 7,29,3: sed et illud observamus mensam cum gentilibus non habere communem, nisi cum crederint et recepta veritate baptizari fuerint ac trina quadam beati nominis invocatione consecrati, et tunc cum eis cibum sumimus. 29 Vgl. WEHNERT, Hom 195 mit Anm. 3: „Darüber hinaus aber leben wir nicht indifferent, d.h. unter Missachtung jüdischer Speisevorschriften“. 30 Zur Einladung an die Heiden vgl. auch Rec 5,12+13! So auch Hom 8,22,4: Die Heiden sind eingeladen, nach Umkehr und Taufe zur Vergebung der Sünden εἰς τοῦ θεοῦ δεῖπνον εἰσάγειν, obwohl sie zu Anfang vom Festmahl (εὐωχία) ausgeschlossen waren. 31 Vgl. Hom 7,8, radikalisiert in Hom 8,19,1. Vgl. Rec 4,36. 32 Der Hinweis auf die Zerstörung des Tempels und die Zerstreuung der Juden zeigt, dass diese Ereignisse bereits in der Vergangenheit liegen, daher ist die Polemik gegen den jüdischen Opferkult auf wenige Stellen beschränkt. Laut WEHNERT, Taufvorstellungen 1095–1099 (vgl. 1076), ist in Rec 1,27–71 eine das Jerusalemer Wirken des Herrenbruders Jakobus berichtende Sonderquelle aus der ersten Hälfte des 3. Jh. eingearbeitet.
2. Taufe, Fasten und Tischgemeinschaft
165
Die Taufe als Sündenvergebung und Wiedergeburt hat zunächst zur Konsequenz, dass die Tischgemeinschaft der Dämonen (Hom 7,8,1: τραπέζης δαιμόνων μὴ μεταλαμβάνειν), d.h. konkret die heidnischen Götzenmähler, verlassen werden („Wechsel der Tischgemeinschaft“). Dass die Taufe auf den Wechsel der Tischgemeinschaft hinzielt, zeigt insbesondere die dringende Bitte Mattidias, die getauft werden will, um endlich mit ihren wiedergefundenen Söhnen wieder Gemeinschaft beim Mahle haben zu dürfen.33 Damit hängt auch zusammen, dass in den Pseudoclementinen ein großes Interesse am Fasten herrscht. Zur Vertreibung der Dämonen seien Armut, Fasten und Elend das zweckmäßigste Hilfsmittel, da sie den vom Dämon zur Befriedigung seiner Begierden benutzten menschlichen Körper in einen Mangelzustand versetzen (Hom 9,10,3). Die meisten Passagen, in denen das Fasten thematisiert wird, beziehen sich auf das Tauffasten.34 Wer getauft werden will, muss beginnen zu fasten.35 Das Tauffasten kann verkürzt, keinesfalls kann aber davon abgesehen werden,36 und es kann auch nicht mit einem anders motivierten Fasten „verrechnet“ werden.37 Das Fasten vor der Taufe dient insbesondere dazu, den Täufling zu „enthellenisieren“.38 Das Fasten ist also nicht allein Vorbereitung auf die Taufe, vielmehr zielt das präbaptismale Fasten auf die postbaptismale Mahlgemeinschaft und begleitet so den mit der Taufe vollzogenen „Wechsel der Tischgemeinschaft“.
33
Rec 7,34,1: uti ne una, inquit, die damnum patiar consortii et societatis natorum meorum, par Hom 13,9,1: ἵνα (φησίν) μηδεμία ἡμέρα ἄμοιρος γένηται, ἀφ’ ἧς τὰ ἐμαυτῆς ἀπέλαβον τέκνα, ἐν ᾗ μὴ συνεστιάσθην αὐτοῖς. 34 Fasten: Hom 9,10.3; 12,30,2; Rec 1,72,1; Tauffasten: Hom 3,73,1; 11,35 (Clemens); 13,9,3; 13,10,7 (Mattidia); Rec 3,67,3; 6,15,2 (Clemens); 7,34–37 (Mattidia); 10,72,5 (Clemens’ Vater). 35 So die Anweisung des Petrus in Hom 3,73,1. 36 So selbst im Falle der tugendhaften Mattidia Hom 13,9,3 und 13,10,7: Diese muss, bevor sie sich taufen lassen kann, fasten, wenn auch nur einen Tag. 37 Vgl. Hom 13,11,2: Mattidia hat zwei Tage lang „vor Freude“ nichts gegessen und nur ein wenig Wasser getrunken, aber laut Petrus war dies „kein Fasten für die Taufe, weil es nicht deswegen geschah“ (WEHNERT, Hom 198). 38 Hom 13,9,3: ἐπεὶ πολλῶν ἡμερῶν αὐτὴν ἀφελληνισθῆναι [!] ἔδει. WEHNERT, Hom 197, übersetzt: „Andernfalls [d.h., wenn sie nicht fasteten] müssten sie sich viele Tage lang von ihrer griechischen Lebensweise befreien“.
VI. Taufeucharistien in den Pseudoclementinen
166
3. Tauffasten, Taufe und Taufeucharistie der Hauptfiguren 3. Tauffasten, Taufe und Taufeucharistie
Im Falle der Pseudoclementinen lassen sich summarische Erwähnungen von Taufen39 von detaillierten Schilderungen der Initiation unterscheiden. Eine Taufeucharistie wird nur im Falle der letzteren erwähnt, insbesondere anlässlich der Taufe der Mattidia. Letztere ist überhaupt eine der zentralen Figuren dieses Schrifttums. Laut Jürgen Wehnert zielte der Romanverfasser „auf die Oberschicht der römischen Gesellschaft, die im adeligen Mann Clemens und in der adeligen Frau Mattidia beispielhaft repräsentiert ist.“40 3.1 Die Taufe des Clemens und der Menge von Tripolis Obwohl Clemens die eigentliche Hauptperson der Pseudoclementinen ist, wird seine Taufe, auf die der Text ja eigentlich hinzielt, nur angekündigt: Petrus führt Clemens, der einige Tage fasten musste, zu den Quellen, die in der Nähe des Meeres waren, um ihn „in nie versiegendem Wasser zu taufen“ (Hom 11,35,1). Die Taufe selbst wird nur konstatiert, nicht erzählt, ebenso fehlt eine explizite Taufeucharistie. Der Schwerpunkt der Darstellung liegt auf der Freude der Brüder über die „gottgeschenkte Neugeburt“ des Clemens (11,35,2), die sich in einem Freudenmahl manifestiert: „Der Ich-Erzähler verliert über seinen Empfang des lebensverändernden Ritus kein Wort, sondern leitet sogleich zum anschließenden Gemeinschaftsmahl mit den Brüdern über“.41 Hom 11,35,1f. Zeitangabe und Aufforderung zum Tauffasten
Rec 6,15,2f.
τριῶν οὖν μηνῶν πληρωθέντων hoc autem modo per tres conνηστεῦσαί μου κελεύσας tinuos menses cum verbum dei ἡμερῶν, docere et plurimos convertet ad fidem, ad ultimum ieiunare me iussit
39 Vgl. z.B. Hom 3,73,1–3; 7,5,1; 7,12,2; 20,23,5; Rec 3,72,3 (am Festtag!); 10,68 u.ö. Eine Bekehrungsnotiz ohne Taufbad findet sich z.B. in Hom 7,8,3. WEHNERT, Taufvorstellungen 1081f., weist darauf hin, dass in diesen Passagen nur von (nichtjüdischen) Bewohnern griechischer Städte wie Caesarea, Sidon, Berytus, Tripolis oder Laodicea die Rede ist. 40 WEHNERT, Taufvorstellungen 1092. Dies im Unterschied zu den Taufsummarien der Novelle, die Massenbekehrungen anonymer Heiden schildern. Wehnert weist die beiden Textkomplexe verschiedenen literarischen Schichten der PsClem zu. 41 WEHNERT, Taufvorstellungen 1092. Hom 11,35,32 lautet: „Nachdem nun unsere Brüder wegen meiner gottgeschenkten Neugeburt es sich hatten wohl schmecken lassen…“ (WEHNERT, Hom 179).
3. Tauffasten, Taufe und Taufeucharistie
167
Gang zum Meer und Taufe
ἀγαγών με εἰς τὰς ἐν τῇ et post ieiunium in fontibus qui θαλάσσῃ πλησίον οὔσας πηγάς, contigui habentur mari, perennis ὡς εἰς ἀέναον ἐβάπτισεν ὕδωρ. aquae mihi baptismum dedit.
Freudenmahl mit den Brüdern
οὕτως οὖν εὐωχηθέντων τῶν cumque pro regenerationis gratia ἀδελφῶν ἡμῶν ἐπὶ τῇ divinitus mihi conlata feriati cum θεοδωρήτῳ μου ἀναγεννήσει… fratribus et laeti egessimus…
Einige Tage nach der Taufe des Clemens folgt in den Homilien die Massentaufe einer „großen gehorsamen Menschenmenge“, die Petrus von diversen Krankheiten und Dämonen befreit hatte, in den Quellen in der Nähe des Meeres (Hom 11,36,2), und nun wird auch die Taufeucharistie erwähnt: καὶ εὐχαριστίαν κλάσaς. Den Höhepunkt der Erzählung bildet allerdings die Einsetzung des Marones, „der ihn aufgenommen hatte und nun schon vollkommen war“, zum Bischof. Der eigentliche Akzent liegt also auf der Gemeindegründung, für die der Initiationsgottesdienst einerseits und die Einsetzung eines Bischofs (samt Presbyter, Diakonen und Witwen) andererseits konstitutiv ist: „zur Taufe gehört auch die nachfolgende gemeinsame Feier der Eucharistie, und wenn erst einmal eine Reihe Getaufter da ist, dann muss die Gemeinde durch die Einsetzung von Ämtern strukturiert und somit vollends zur Gemeinde gemacht werden“.42 Im Unterschied dazu schließt sich diese Szene in den Recognitionen direkt an die Taufe des Clemens an.43 Mit Meinolf Vielberg kann man hier von einer bewussten „Kollokation“ der beiden Initiationsvollzüge sprechen.44 Dadurch soll vermutlich insinuiert werden, dass auch der neugetaufte Clemens an dieser Eucharistie teilnimmt. Hom 11,36,2
Rec 6,15,4
Taufe der Menge
(…) ὁ Πέτρος μολλῶν πεπεισμένων ὄχλων νόσους, πάθη, δαίμονας ἀπελάσας καὶ εἰς τὰς ἐν τῇ θαλάσσῃ πλησίον οὔσας πηγὰς βαπτίσας
quibus profectis, ipse eos qui fidem domini plene receperant, deducens ad fontes quos mari contiguos supra diximus baptizavit,
Taufeucharistie
καὶ εὐχαριστίαν κλάσας
et eucharistiam fragens cum eis,
42
So die treffende Formulierung von SALZMANN, Lehren 310. Dafür streicht der Verfasser der Rec auch die in Hom 11,35,2–6 ausführlich erzählte Ansprache an die Presbyter, die μετ’ οὐ πολλὰς ἡμέρας nach der Taufe des Clemens stattfindet. 44 VIELBERG, Klemens 42. Vielberg weist zudem darauf hin, dass durch dieses literarische Arrangement die mit der Menge gefeierte Taufeucharistie faktisch abends stattfindet. 43
168
VI. Taufeucharistien in den Pseudoclementinen
Einsetzung des Μαροώνην Marones zum Biτὸν ἀποδεξάμενον αὐτόν, schof (während der ἤδη λοιπὸν τέλειον ὄντα, Taufeucharistie?) ἐπίσκοπον καταστήσας (...)
Maronem qui eum hospitio receperat, perfectum iam in omnibus, constituit eis episcopum (...)
Sowohl in den Hom als auch in den Rec wird die Taufeucharistie in diesem Zusammenhang offenbar gerade deswegen erwähnt, weil sie in Verbindung mit der Einsetzung des Marones zum Bischof steht, vermutlich fand diese während der Eucharistiefeier statt. Anders als bei der Taufe der Mattidia (s.u.), aber auch des Clemens (s.o.), geht es hier nicht in erster Linie um die Zulassung zur Mahlgemeinschaft, sondern um die (aufgrund der Massentaufe notwendige) Gründung und Ordnung einer Gemeinde. 3.2 Die Taufe der Mattidia Vergleicht man die Initiation der Mattidia, der Mutter des Clemens und seiner beiden Brüder, mit der ihres Sohnes (s.o.), so fallen zwei Schwerpunkte der Darstellung auf: Zunächst die breit diskutierte Frage des Tauffastens sowie das Gemeinschaftsmahl als Ziel des ganzen Vollzugs. Am Beispiel der Mattidia wird also erneut deutlich, dass die Taufe primär als Voraussetzung von Tischgemeinschaft gesehen wird. Das eigentliche Ziel der Mattidia ist es, mit ihren Söhnen gemeinsam Mahl halten zu können. Deswegen will sie getauft werden.45 3.2.1 Mattidias Tauffasten in den Homilien und den Recognitionen Nach der Wiedervereinigung mit ihren Söhnen möchte Mattidia unverzüglich getauft werden, damit kein einziger Tag mehr vergeht, an dem sie nicht gemeinsam mit ihren Kindern essen kann (Hom 13,9,1 par Rec 7,34,1). Petrus allerdings betont, das Mattidia fasten muss, bevor sie sich taufen lässt, und sei es einen einzigen Tag (Hom 13,9,3 par Rec 7,34,3). Diese extreme Kürze des Tauffastens wird dezidiert als Ausnahme dargestellt, da Mattidia bereits Glauben bewiesen hat. Von diesem kurz darauf 45
Hom 13,9,1: ἵνα μηδεμία τις ἡμέρα ἄμοιρος γένηται, ἀφ’ ἧς τὰ ἐμαυτῆς ἀπέλαβον τέκνα, ἐν ᾗ μὴ συνεστιάσθην αὐτοῖς. Vgl. 13,11,3: Das Problem ist das χωρίσαι τῆς τραπέζης, sowie 13,11,4: Faustinus wünscht, dass seine Mutter σὺν ἡμῖν ἁλῶν μεταλαβεῖν δυνηθῇ. Par Rec 7,34,1: ... ut et se ipsam et hospitam suam evocaret sine mora ac baptizaret, uti ne una, inquit, die damnum patiar consortii et societatis natorum meorum. Petrus macht im Anschluss daran deutlich, dass es um die Mahlgemeinschaft geht, vgl. 34,2 (et nolo vos matris convivio sociari?), v.a. aber 7,36,3f.: Sed forte, inquit, volens deus matrem nostram nec una die agnitis nobis separari a consortio mensae nostrae. (...) et statim ab initio agnitionis nostrae nobiscum pariter mensae consortio frueretur.
3. Tauffasten, Taufe und Taufeucharistie
169
erneut bekräftigten eintägigen Tauffasten (Hom 13,10,7 par Rec 7,35,7) kann Petrus Mattidia nicht dispensieren, obwohl diese seit zwei Tagen vor Freude über das Wiedersehen mit ihren Söhnen gar nichts gegessen hat, was sowohl die Ehefrau des Petrus als auch ihr eigener Sohn bezeugen (Hom 13,11,1–2 par Rec 7,36,1–2). Es hilft alles nichts; Petrus muss hart bleiben: „Dies ist jedoch kein Fasten der Taufe, das nicht deswegen geschah“.46 Aus dieser sorgfältig inszenierten Szene wird deutlich, dass das Tauffasten ein strenges Vollfasten ist, das aber auf die Taufe ausgerichtet sein muss und daher nicht mit einem anders motivierten Nahrungsverzicht „verrechenbar“ ist. In Erwiderung auf weitere vergebliche Versuche der Familie, ihn zur sofortigen Taufe zu überreden, bestimmt der Apostel, dass alle gemeinsam – also Mattidia, ihre schon getauften Söhne und Petrus selbst – einen Tag fasten sollten (Hom 13,12,2 par Rec 7,37,1). Hinzu kommt, dass „die Stunde des heutigen Tages nicht zur Taufe geeignet ist“ (Hom 13,12,2; dies fehlt in Rec), Taufen also nur morgens stattfinden können. Das gemeinschaftliche Fasten wird in den Hom dann begleitet von der abendlichen „Lehre des Petrus“ über die Tugendhaftigkeit von Männern und Frauen und die Gefahren des Ehebruchs (Hom 13,13,1–21,3). 3.2.2 Taufe und Taufeucharistie Mattidias in den Homilien In den Hom findet die Taufe der Mattidia dann in den frühen Morgenstunden in Quellen nahe des Meeres statt (Hom 14,1,1f.), die anschließende „Taufeucharistie“ allerdings erst viele Stunden später (14,1,4), also doch wohl nachmittags bzw. abends. Dies hat in erster Linie erzähltechnische Gründe, da Petrus durch die Begegnung mit Clemens’ Vater so lange aufgehalten wird. Die Wartezeit verbringen Mutter und Söhne im Gespräch. Aus der Darstellung geht aber deutlich hervor, dass nicht die Taufe das Entscheidende ist, sondern das, wofür sie die notwendige Bedingung ist, nämlich die Mahlgemeinschaft mit anderen getauften Nichtjuden. Diese von Mattidia ersehnte abendliche Mahlgemeinschaft realisiert sich in der Taufeucharistie. Die Taufeucharistieszene selbst lautet in der Fassung der Homilien:47 Hom 14,1,4 1,4
d e
Als aber Petrus nach etlichen Stunden kam, brach er das Brot zur Eucharistie (τὸν ἄρτον ἐπ’ εὐχαριστίᾳ κλάσας)
46 Hom 13,11,2: ἀλλ’ οὐκ ἔστιν τοῦτο νηστεία βαπτίσματος, ὃ μὴ δι’ αὐτὸ γέγονεν, par Rec 7,36,2: sed non es, inquit, hoc ieiunium baptismi, quod non propter baptismum ieiunatum est. 47 Vgl. WEHNERT, Hom 202.
VI. Taufeucharistien in den Pseudoclementinen
170 f g h i j
und tat Salz darauf (καὶ ἐπιθεὶς ἅλας) und reichte es zuerst der Mutter (τῇ μητρὶ πρῶτον ἐπέδωκεν) und nach ihr uns, ihren Söhnen (μετ’ αὐτὴν ἡμῖν τοῖς υἱοῖς αὐτῆς). Und so hatten wir Tischgemeinschaft mit ihr (καὶ οὕτως αὐτῇ συνεστιάθημεν) und richteten Segensgebete an Gott (καὶ τὸν θεὸν εὐλογήσαμεν).
Anders als bei den üblichen Mahlzeiten des Petrus (s.o.) wird diese erste Abendmahlzeit nach der Taufe der Mattidia nicht durch eine Eulogie eingeleitet und durch eine Eucharistie abgeschlossen, vielmehr bricht Petrus das Brot zur Eucharistie, streut Salz darauf und reicht es zuerst (!) der Mutter und danach ihren Söhnen. Auf diese Weise (οὕτως) hat die nun auch durch die Taufe wiedervereinigte Familie Mahlgemeinschaft (συνεσθίειν). Aus der Formulierung mit οὕτως wird man schließen können, dass diese Mahlzeit ausschließlich aus Brot und Salz bestand.48 Eine Benediktion wird in diesem Fall erst danach erwähnt.49 Wichtig ist aber, dass die ganze Gruppe mit der Taufeucharistie und der Mahlgemeinschaft das tags zuvor von Petrus angeordnete kollektive Fasten bricht, das gilt auch für den Apostel selbst. 3.2.3 Taufe und Taufeucharistie Mattidias in den Recognitionen Während die Rec die ausführliche Debatte über das Tauffasten fast unverändert übernehmen (s.o.), setzen sie im Hinblick auf die Taufe doch einige eigene Akzente. Hier erklärt Petrus den Juden gegenüber schon relativ am Anfang die Heilsnotwendigkeit von Taufe und Eucharistie und deutet so eine zweistufige Initiation aus Wassertaufe und Taufeucharistie an:50 Rec 1,63,3 63,3
a b c d
Denn ich zeigte ihnen (= den Juden), dass sie auf keine andere Weise gerettet werden können (aliter enim nullo modo eos ostendi posse salvari), als nur indem sie durch die Gnade des Heiligen Geistes (nisi per sancti spriritus gratiam) [1.] unter dreifacher Anrufung abgewaschen zu werden zur Taufe eilen (trinae invocationis dilui baptismate properarent) [2.] und die Eucharistie Christi empfangen (et eucharistiam Christi domini sumerent) (…)
48 Anders WEHNERT, Hom 202: „Anschließend aßen wir gemeinsam mit ihr“. Rec übersetzt „et post haec simul cum ea prandimus“, erzählt also eine Taufmahlzeit. 49 Rec übersetzt die Wendung καὶ τὸν θεὸν εὐλογήσαμεν mit: et simul glorificavimus deum, offenbar um Anklänge an den Tischsegen bzw. das Segensgebet zu vermeiden. WEHNERT, Hom 202, übersetzt „und dankten Gott“. 50 Zur von der lateinischen an manchen Punkten abweichenden syrischen Fassung WEHNERT, Taufvorstellungen 1096f.
3. Tauffasten, Taufe und Taufeucharistie
171
Etwas später findet sich ein für die Initiation programmatischer Text in Rec 3,67:51 Nachdem Petrus Zachäus zum Bischof eingesetzt hat, fordert er das Volk auf, nach einer dreimonatigen Zeit der Vorbereitung (durch Katechese und Fasten) in die festo die Taufe zu empfangen: Rec 3,67,3–4 67,3
a b c
67,4
a b c d e
Ein Werk regelmäßiger Fasten soll er vollziehen (ieiuniis frequentibus operam inpendat), und sich selbst in allen Dingen beurteilen/erproben/prüfen (ac semetipsum in omnibus probet), damit er nach Ablauf von drei Monaten am Festtag getauft werden kann (ut tribus his mensibus consummatis in die festo possit baptizari). Es werde aber getauft ein jeder von euch in fließendem Wasser (baptizabitur autem unusquisque vestrum in aquis perennibus), der Name der dreifachen Seligkeit ausgerufen über sich (nomine trinae beatitudinis invocato super se). Zuerst aber sei er gesalbt mit Öl, das durch Gebet geheiligt ist (perunctus primo oleo per orationem sanctificato), damit er, so vollends dadurch konsekriert (ut ita demum per haec consecratus), empfangen kann von den heiligen Dingen (possit percipere de sanctis).
Im Unterschied zu Rec 1,63 ist hier eine dreistufige Initiation angedeutet: Die präbaptismale Ölsalbung und die Wassertaufe, bei der die Dreifaltigkeit angerufen wird, machen aus dem Neugetauften einen consacratus, was wiederum die Voraussetzung für den Empfang der (Tauf)Eucharistie (percipere de sanctis) ist. Diese Passage bleibt in den PsClem singulär,52 zumal die präbaptismale Salbung sprachlich nachklappt und (zumal im Vergleich mit 1,67) nachgetragen aussieht. Der Abschnitt dient aber nicht zuletzt dazu, die Taufe und die Taufeucharistie der Mattidia in Rec 7,38 vorab zu kommentieren. Denn wie in der Parallele Hom 14,1 ist in Rec 7,38 von einer Taufsalbung Mattidias direkt keine Rede, was vermutlich die dem Verfasser der Recognitionen vorliegende, ältere Fassung war. Als Redaktor hat er zwar keine Taufsalbung der Mattidia im Sinne von 3,67,4 eingefügt, hat aber den ganzen
51
Dazu auch MESSNER, Gottesdienst 409 mit Anm. 333, ausführlich WEHNERT, Taufvorstellungen 1099–1102. In der syrischen Fassung findet die Taufe am „Pascha“ statt, die Wendung percipere de sanctis kann sich auf die Taufeucharistie wie auch auf die mit der Taufe verbundenen Heilsgaben beziehen (ebd. 1101). 52 Die Parallelstelle Hom 3,73,1 spricht nur davon, dass alle, die die Taufe empfangen wollen, zehn Tage lang fasten und sich täglich die Hände auflegen lassen sollen. Die Taufsalbung mit Öl wird außerdem angedeutet in Rec 1,45–48, hier wird zudem mehrfach auf Taufe und Geistempfang Jesu rekurriert.
VI. Taufeucharistien in den Pseudoclementinen
172
Initiationsvorgang unter die Überschrift ordo mysterii gestellt,53 die in den Hom kein Pendant hat. Rec 7,38,1 38,1
a b c d
38,2
a b c
Demnach, wie es der ordo mysterii erfordert und die ratio, wurde sie am folgenden Tag im Meer getauft. Und nachdem sie in das Gasthaus zurückgekehrt war (et regressa ad hospitium), wurde sie in alle Mysterien der Religion folgerichtig (der Reihenfolge nach?) eingeweiht (omnibus consequenter mysteriis religionis inbuitur). Es waren aber anwesend auch wir, ihre Söhne: Nicetas und Aquila und ich, Clemens. Und danach frühstückten wir gemeinsam mit ihr (et post haec simul cum ea prandimus) und verherrlichten zugleich Gott (…)
Vermutlich sind die beiden genannten Passagen der Rec aufeinander abgestimmt worden, um die in der Vorlage von Rec 7,38 (wie in 1,67) noch fehlende präbaptismale Taufsalbung indirekt einzubringen. Wenn nämlich in Rec 7,38,1a vom ordo mysterii die Rede ist, dann bezieht sich das im Lichte von 3,67,4 auf die genannte dreistufige Initiation. Hinzu kommt, dass auch die in den Hom erzählte zeitliche Verzögerung zwischen der morgendlichen Taufe und der Stunden später stattfindenden Taufeucharistie in den Rec entfallen ist. An Mattidias Taufe schließt sich ihre „Einweihung in die Mysterien der Religion“ unmittelbar an, womit vielleicht die nachgeholte Taufkatechese, wahrscheinlicher aber eine morgendliche (!) Taufeucharistie gemeint ist. Auf letzteres dürfte die betonte Anwesenheit der Söhne (38,2a) hindeuten. Im Unterschied zu den Hom wird das anschließende Frühstücksmahl der Mutter mit ihren Söhnen von der Taufeucharistie terminologisch und narrativ klar abgesetzt.54 Mit der Taufeucharistie und diesem Frühstück brechen die Familienmitglieder gemeinsam das tags zuvor von Petrus angeordnete kollektive Tauffasten. Jürgen Wehnert weist die Erzählung von der Taufe Mattidias der „Romanfassung des Stoffes aus der Mitte des 3. Jahrhunderts“ zu, die auf eine ältere Petrus-Simon-„Novelle“ 53
VIELBERG, Klemens 46: „Kultordnung“. Eine gewisse Parallele ist die Wendung religionis nostrae observantia (Rec 7,29,1), ihr entspricht τῆς ἡμετέρας θρησκείας τὴν πολιτείαν (Hom 13,4,1), WEHNERT, Hom 195, übersetzt: „die Ordnung unserer Religion“. Hier geht es allerdings nicht um kultische Vollzüge. 54 Das zeigt die Formulierung in Rec 7,38,2: et post [!] haec simul cum ea prandimus [!] et simul glorificavimus deum. Laut VIELBERG, Klemens 46, ist die Bezeichnung prandimus in den Rec singulär, das dürfte auf eine bewusste Absetzung des gemeinsamen Essens von der Taufeucharistie hindeuten.
3. Tauffasten, Taufe und Taufeucharistie
173
aufmontiert worden sei. Für diese sei „eine Annährung an großkirchliche Taufvorstellungen“ und eine terminologische Orientierung am großkirchlichen sakramentalen Denken charakteristisch.55 Wie unsere Analyse der Taufeucharistie und der postbaptismalen Mahlgemeinschaft zeigt, gilt dies insbesondere für die Recognitionen. Sowohl die terminologische Unausgeglichenheit der Taufeucharistie mit den anderen Mählern der PsClem als auch die v.a. in Rec eindeutige Trennung zwischen der Eucharistie („Mysterien“) und dem Mahl, deuten in dieselbe Richtung.
3.3 Tauffasten und Taufe des Vaters In Rec 10,72 wird (nur) die Taufe des Vaters am Sonntag erwähnt, ihr geht allerdings ein kollektives Fasten des ganzen Volkes voraus, das offenbar mit dem Tauffasten von Clemens’ Vater zusammenfällt. Die Taufeucharistie des Vaters fällt hier offenbar mit der Sonntagseucharistie zusammen. Rec 10,72,5 72,5
a b c
Und er ordnete ein Fasten an für das ganze Volk an (indixit autem ieiunium omni plebi), und als der Herrentag kam (et veniente die dominica). taufte er ihn (baptizavit eum).
Hierzu gibt es keine direkte Parallele in den Homilien. Allerdings fällt auf, dass Clemens’ Vater laut Hom 20,11 (par Rec 10,52) an der Mahlgemeinschaft mit Petrus teilnimmt, seine Taufe muss also bereits erfolgt sein. Vielleicht erzählen die Homilien deswegen nichts von der Taufe des Vaters. 3.4 Die Contestatio In der auf den Brief des Petrus an Jakobus folgenden Διαμαρτυρία des Jakobus56 findet sich eine Art Initiationszeremonie für jemanden, dem die (folgenden) Homilien anvertraut werden. Diese ist in Anlehnung an den Taufgottesdienst gestaltet, und wie dieser wird auch sie mit einer Eucharistiefeier (mit Brot und Salz) abgeschlossen: „Der Verfasser hat für die Verpflichtung der Einzuweihenden einen Taufritus zum Vorbild genommen“.57 55
WEHNERT, Taufvorstellungen 1084 und 1091. Laut Wehnert orientiert sich PseudoClemens zwar terminologisch an der „einen Kirche“, spricht aber nicht von ihr, da er Mitglied einer esoterischen Sondergruppe sei, die um Distanz zum großkirchlichen Laxismus bemüht ist. 56 Dazu auch WEHNERT, Taufvorstellungen 1093. 57 So richtig STRECKER, Judenchristentum 142, und weiter: „Auf die Taufe greift der Terminus ἀναγεννᾶσθαι zurück, ebenso die Vorstellung vom ὕδωρ ζῶν, und das Gemeinschaftsmahl, das dem Gelübde folgt, steht – ungeachtet seines jetzigen Verständnisses in der Verbindung mit dem Weiheritus – an der Stelle der Eucharistie, die in der alten Kirche im Anschluss an die Taufe gefeiert zu werden pflegte“.
174
VI. Taufeucharistien in den Pseudoclementinen
Jakobus ruft die siebzig Ältesten zusammen, um Regelungen für den Umgang mit den (folgenden) Aufzeichnungen des Petrus zu treffen: Nach sechsjähriger Probezeit soll der Empfänger der Bücher, der beschnitten sein soll (!), mit dem, der sie ihm übergeben will, an einen Ort gehen, wo fließendes Wasser ist und wo sonst die Taufen stattfinden. Dort soll er unter Anrufung von Himmel, Erde, Wasser und Luft eine lange Selbstverpflichtung (ein Schwur ist verboten) sprechen, die Bücher unter keinen Umständen an Unberufene weiter zu geben. Im Anschluss an die abschließende Selbstverfluchung heißt es: καὶ μετὰ τοῦτο ἄρτον καὶ ἅλατος μετὰ τοῦ παραδιδόντος μεταλαβέτω (4,3). Die eucharistische Gemeinschaft zwischen dem Übergeber und dem Empfänger der Bücher verstärkt offenbar die zuvor am Ort der Taufe abgelegte Verpflichtung.
4. Zur Literarkritik 4. Zur Literarkritik
Die voranstehenden Übersichten zeigen, dass die narrativen Schilderungen der Taufeucharistien (bei der Taufe der Mattidia und im Anschluss an die Taufe des Clemens anlässlich der Ernennung des Marones zum Bischof) im Kontext grundsätzlicher Aussagen zur Taufe als Voraussetzung der Mahlgemeinschaft mit Petrus stehen. Ebenfalls deutlich ist, dass keines dieser mit Initiation und Eucharistie verbundenen Themen mit den weite Teile der Pseudoclementinen beherrschenden Auseinandersetzungen mit Simon (z.B. um die Syzygienlehre) direkt zusammenhängt. Daher betont Andrew McGowan mit Recht: „However we deal with the complex tradition-history of the documents, there is no sign of disagreement on the key issues of appropriate ritual eating and of diet in general“.58 Die „klassische“ Hypothese sieht so aus, dass Abschnitte, die Hom und Rec gemeinsam sind, auf die „Grundschrift“ der Pseudoclementinen zurückgeführt werden. Zu dieser Grundschrift, die Mitte des dritten Jahrhunderts in Koilesyrien entstand, gehören bereits entscheidende Bestandteile des Clemensromanes59 und in diesem Fall auch die von uns herausgestellten Schilderungen von Taufeucharistien sowie die meisten der Aussagen über den Zusammenhang von Taufe und Tischgemeinschaft. Laut G. Strecker griffen dann der arianische Homilist und der orthodox-katholische Rekognist unabhängig voneinander Anfang bis Mitte des vierten Jahrhunderts auf diese Grundschrift zurück, wobei Strecker noch eine weitere Quelle, die Kerygmata Petrou, identifizieren zu können meint. Dass er dabei ausschließlich auf inhaltliche Kriterien zurückgreifen kann („judenchristliche Theologie“), hat Widerspruch provoziert. Dennoch hält auch Jan N. Bremmer nach wie vor an der Annahme einer Grundschrift fest, die er mit anderen als Periodoi Petrou bezeichnet. Grundsätzlich geht Bremmer davon aus, dass Rec „the original structure“, Hom 58 59
MCGOWAN, Eucharists 181. Vgl. STRECKER, Die Pseudoclementinen 440f.
5. Fazit
175
dagegen „the original thought“ dieser Grundschrift besser bewahrt habe.60 Die Grundschrift datiert er ins frühe 3. Jh. und lokalisiert sie in Edessa.61 Das Alternativmodell stammt von Jürgen Wehnert. Für ihn wird hinter Rec und Hom „keine statische literarische Größe sichtbar“ (i.S.e. Grundschrift), sondern ein mehrschichtiger Überlieferungsprozess.62 Laut Wehnert sind sowohl die „Entwicklungsgeschichte“ als auch die „Familiengeschichte des Clemens“ sekundär und oft ungeschickt auf eine (ältere, d.h. „vor-pseudoclementinische“) Novelle von der Auseinandersetzung zwischen dem Apostel Petrus und dem Zauberer Simon Magus „aufmontiert worden“. Die Novelle weise enge Beziehungen zu den Petrusakten auf und stamme aus dem Ende des zweiten oder Beginn des dritten Jahrhunderts. Um die Mitte des dritten Jahrhunderts erfolgte dann die „pseudoclementinische Bearbeitung“ dieser Novelle, die Hom stammen aus dem letzten Drittel des dritten, die Rekognitionen vom Anfang des vierten Jahrhunderts. Dieser Rekonstruktion der Entstehungsgeschichte ordnet Wehnert die in den PsClem greifbaren Taufvorstellungen zu.63 In der ältesten Schicht, der Petrus-Simon-Novelle, bezeichnet das Wortfeld βάπτισμα/βαπτίζειν einerseits den einmaligen Initiationsritus für Heiden, andererseits wiederholbare Reinigungsriten jüdischer Provenienz für getaufte Heiden wie für Juden. Eine sakramentale Deutung der Taufe als Ritus der Sündenvergebung, der Neugeburt und der Rettung für Heiden und für Juden werde erst mit der Überarbeitung der Novelle durch den Romanverfasser eingebracht. Dies bedeute die entscheidende Zäsur im sich wandelnden Taufverständnis der Literarschichten.64 Der in Rec 1 verarbeiteten Sonderquelle gilt die Taufe zudem als ein für Juden bestimmter Sündenvergebungsritus, der die entsprechenden Opferriten des Tempelkultes ablöst. Dass die Taufe in die exklusive jüdische und zugleich asketische Mahlgemeinschaft initiiert, verbindet laut Wehnert die verschiedenen Taufvorstellungen.
5. Fazit: Taufe und Mahlgemeinschaft in den Pseudoclementinen 5. Fazit
Ein zentrales Anliegen wesentlicher Passagen der Pseudoclementinen ist die Initiation von Heiden in die jüdische Mahlgemeinschaft, die nicht durch Beschneidung, sondern durch die Taufe ermöglicht wird. Laut den Pseudoclementinen erhält ein Heide (nur) durch die Taufe Zutritt vor allem zu den gemeinsamen Mahlzeiten,65 aber auch zum gemeinsamen Gebet mit christusgläubigen Juden wie Petrus und seinen Schülern. Sowohl die Mahlzeiten als auch die Gebetspraxis wird dabei dezidiert jü60
BREMMER, Pseudo-Clementines 1f. BREMMER, Pseudo-Clementines 8f. Hom und Rec stammen demnach aus dem 4. Jh. 62 Vgl. zum Folgenden WEHNERT, Taufvorstellungen 1072–1077 sowie WEHNERT, Hom 30–36. 63 Dazu ausführlich WEHNERT, Taufvorstellungen passim, der Überblick ebd. 1108– 1111. 64 WEHNERT, Taufvorstellungen 1110. 65 FERGUSON, Baptism 254: „The Pseudo-Clementines make much of baptism as admitting one to table fellowship“. Dass die in den PsClem zu findenden Aussagen über die Taufe sich darin aber nicht erschöpfen, zeigen WEHNERT, Taufvorstellungen, sowie FERGUSON, Baptism 255–263 („Baptismal Doctrine“). 61
176
VI. Taufeucharistien in den Pseudoclementinen
disch gezeichnet. Die Taufe ermöglicht in den Pseudoclementinen demnach in erster Linie den „Wechsel der Tischgemeinschaft“, durch die Taufe wird Heiden ermöglicht, Tischgemeinschaft mit (christusglaubenden) Juden und anderen, bereits getauften Nichtjuden zu halten. Dafür muss die Taufe allerdings vom Tauffasten flankiert sein, um den Taufkandidaten von den paganen Nahrungs- und Opfergewohnheiten auch körperlich zu trennen. Wie in den alten Apostelakten ist die Mahlpraxis des Petrus asketisch, Fleisch und Wein werden vor allem mit dämonologischer Begründung abgelehnt. Anders als in den Apostelakten ist diese asketische Tendenz jedoch in den grundlegenden Gegensatz von heidnischer und jüdischer Tischgemeinschaft integriert, was darauf hindeuten könnte, dass zumindest die älteren Schichten der Pseudoclementinen in ein judenchristliches Milieu gehören (das allerdings in der Beschneidungsfrage fest auf dem Boden des sog. Apostelkonzils steht!).66 Der entscheidende Gegensatz von heidnischer und „jüdischer“ Mahlpraxis wird nun – anders als z.B. in JosAs – weniger an den jeweiligen Gebeten festgemacht, sondern insbesondere an den Nahrungsmitteln selbst, nämlich an Fleisch und Wein. In diesen Gegensatz wird selbst das Manna eingespannt, denn dieses diente laut Hom 8,15,2–4 keineswegs der Versorgung in der Wüste, sondern sollte die „ins Fleisch gefesselten“ Dämonen vom Fleischkonsum abhalten. Exemplarisch wird dies an der Person des Heiden Clemens sowie seiner Familie durchgeführt. Die Wiedererkennung der verloren geglaubten Familienmitglieder läuft ihrer sukzessiven Vereinigung am Tisch des Herrn parallel. Die beiden Zwillinge sind dabei bereits von Beginn des Romans an Teil der Tischgemeinschaft Petri, zu ihnen gesellt sich Clemens, die Hauptfigur, nach drei Monaten hinzu. Im Anschluss daran werden die Mutter und dann der Vater durch die Taufe in die Mahlgemeinschaft mit Petrus initiiert. Obwohl der Schwerpunkt der Darstellung auf der (zumeist abendlichen) Tischgemeinschaft liegt, ist die Taufeucharistie als eine besondere Form der Eucharistie im Anschluss an die Taufe in den Pseudoclementinen bezeugt. Im Falle der Mattidia wird die Taufeucharistie in den Homilien sogar um mehrere Stunden verzögert, findet also zumindest nicht morgens direkt nach der Taufe statt. Die Taufe zielt in den Pseudoclementinen sowohl erzählerisch als auch theologisch klar auf die Mahlgemeinschaft hin, was auch die große Bedeutung des Tauffastens belegt. Diese Sicht der Taufe als notwendiger Bedingung für die Mahlgemeinschaft schlägt sich allerdings nur an ganz wenigen (und vielleicht – folgt 66 Vgl. Hom 20,23/Rec 10,68–71: Petrus bleibt in Antiochia, der Stadt der beschneidungsfreien Heidenmission!
5. Fazit
177
man der Literarkritik Wehnerts – späten) Stellen in Andeutungen einer Art Taufeucharistie nieder. Offensichtlich hat die Fixierung auf die asketische und von jüdischer Gebetspraxis geprägte Mahlgemeinschaft kein gesteigertes Interesse an dieser in zeitlich benachbarten Quellen bezeugten Sonderform der Eucharistie aufkommen lassen.67 Anders als in diesen Quellen liegt das Interesse der Pseudoclementinen also gerade nicht darin, die Neugetauften möglichst unmittelbar nach der Taufe mit „konsekrierter Nahrung“ in Kontakt zu bringen (dies gilt erst für die Recognitionen), es überwiegt der gemeinschaftliche und damit der – trotz der asketischen Grundoption – symposiale Aspekt der Mahlfeiern.
67
Darauf weist auch FERGUSON, Baptism 255, hin.
Kapitel VII
Die Taufeucharistie bei Tertullian VII. Die Taufeucharistie bei Tertullian
Zwei Fragen richten wir an den Befund bei Tertullian: (1.) Kennt der nordafrikanische Autor eine eigene Taufeucharistie und (2.) wie verhält sich diese zu den sonstigen, in seinen Schriften erkennbaren Formen der eucharistischen Feier? Die erste Frage ist schnell beantwortet, da Tertullian eine eigene Form der Taufeucharistie mit der Gabe einer „Mischung“ (societas bzw. concordia) von Milch und Honig an die Neugetauften kennt. Diese Form der Eucharistie ist nun im Sinne der zweiten Frage der bei Tertullian erkennbaren eucharistischen Mahlpraxis insgesamt zuzuordnen.
1. Tauffasten und Wassertaufe in „de baptismo“ 1. Tauffasten und Wassertaufe in „de baptismo“
Zunächst ist festzustellen, dass gerade jener Traktat Tertullians, der ganz der Taufe gewidmet ist, keinen direkten Hinweis auf eine Taufeucharistie enthält, nämlich die zwischen 200 und 206 verfasste, wohl an Taufbewerber (darüber hinaus aber auch an Getaufte)1 gerichtete Schrift de baptismo. Nun zeigt aber ein näherer Blick auf diese Schrift, dass ihr eigentlicher Anlass die Ablehnung der (Wasser-)Taufe2 durch eine durchaus erfolgreiche (gnostische?) „äußerst giftige Viper de Gaiana3 haeresi“, ist, die „sich neulich hier aufhielt“. Diese „monströse Frau (monstroissima)“ hat ihren Widerspruch gegen die Wassertaufe vermutlich mit dem minderwertigen „stofflichen“ Charakter des Wassers, aber auch mit der Tatsache begründet, dass außer Paulus keiner der Apostel getauft war (vgl. Kap. 12), dass 1
Vgl. dazu Tertullian, bapt. 1. Als Adressaten nennt Tertullian neben den Katechumenen Gläubige, die Versuchungen ausgesetzt sein könnten. Im Folgenden zitiere ich de baptismo nach der Ausgabe von SCHLEYER (FC 76, 2006), vgl. damit aber auch die Edition von BORLEFFS (CCL 1). 2 Dass es vor allem um die Wassertaufe geht, zeigt auch die gleich zu Beginn erfolgende Selbstbezeichnung der Christen als der Fischlein, die im Wasser geboren werden und im Wasser verbleiben müssen, um gerettet zu werden (Tertullian, bapt. 1,3 [SCHLEYER 160,13f.]). Gleich im Anschluss erwähnt er (nur) das Untertauchen und die kurze Taufformel bzw. -befragung (ebd. 2,1). 3 Gegen BORLEFFS (CCL 1, 277,8, analog Schleyer) ist hier nicht de Caina haeresi, sondern (mit B) de Gaiana haeresi zu lesen, v.a. weil die Verwerfung der Taufe für die Kainiten nirgendwo anders bezeugt ist. Vgl. dazu SCHOLTEN, Kainiten 973: „Vermutlich handelt es sich bei der Gaiana haeresis um die Anhänger eines nicht identifizierbaren Gaius (oder Cainus)“.
1. Tauffasten und Wassertaufe in „de baptismo“
179
auch Abraham nicht getauft war (13) und dass Paulus von sich sagte, er sei nicht gesandt, um zu taufen (14). Vielleicht lässt sich aus Tertullians Darlegungen auch erschließen, dass die Wassertaufe gegenüber der Taufsalbung und der Handauflegung als eigentlichem Vollzug der Geistverleihung stark abgewertet wurde. Demnach steht keineswegs der komplexe Taufgottesdienst im Zentrum von de baptismo, sondern der Text handelt vor allem de sacramento aquae nostrae4 und wendet sich gegen Versuche, „die Wassertaufe zu destruieren“.5 Gleich zu Beginn formuliert Tertullian als eine Grundaussage seiner Sakramententheologie, dass man nicht daran zweifeln könne „ob Gott die Materie, die er in seiner gesamten Schöpfung verwandte, auch in seinen eigenen Sakramenten [Plural!] sichtbar werden ließ, ob die Materie, die das irdische Leben lenkt, auch für das himmlische sorgt.“6 Gegenüber der Bestreitung des Wassers sieht Tertullians Strategie dann so aus, dass er zunächst unter Rekurs auf die Genesis das verehrungswürdige Alter dieser Substanz (antiqua substantia) seit der Schöpfung hervorhebt. Im Anschluss daran erinnert er an Gen 1, wonach gerade das Element des Wassers als Sitz des Geistes (divini spiritus sedes) gewürdigt wurde und dann das Leben hervorbrachte (Kap. 3). Diese Szene dient Tertullian als Beleg dafür, dass schon zu Beginn der Schöpfung die „Natur“ des Wassers geheiligt wurde und ihr die Möglichkeit verliehen wurde, selbst zu heiligen (4,1).7 Bei der Taufwasserweihe wird das Wasser durch die Anrufung Gottes (4,4) instand gesetzt, den Schmutz der Sünde abzuwaschen8 Zur Erklärung bietet Tertullian zusätzlich den Engel aus dem Teich Betheda auf (Joh 5,4.), der bei der Bereitung des Taufewassers seinen Beistand leiste.9 Diese Einführung des Engels ermöglicht es Tertullian, die Geistverleihung an die Täuflinge in den postbaptismalen Riten zu verorten, auch wenn Engel und Geist an einigen Stellen in gewisser Spannung zueinander stehen.10 Laut Tertullian erhält der Getaufte jedenfalls keineswegs „in 4
Tertullian, bapt. 1,1 (FC 76, 160,1; SCHLEYER). Tertullian, bapt. 1,2: baptismum destruens (FC 76, 160,10, SCHLEYER). 6 Tertullian, bapt. 3,6 (FC 76, 166,13–16, SCHLEYER): non esse dubitandum, si materiam, quam in omnibus rebus et operibus suis deus disposuit, etiam in sacramentis propriis parere fecit, si quae vitam ternam gubernat etiam caelesti procurat. (dt. Übersetzung: FC 76, 167, SCHLEYER). 7 Dazu vgl. die Ausführungen bei SCHLEYER, Einleitung 58f. 8 Dies ist der bei Tertullian dominante Effekt der Wassertaufe, vgl. bapt. 1,1; 4,5; 5,6 u.ö. 9 Vgl. Tertullian, bapt. 4,5 (FC 76, 170,6–8, SCHLEYER), 5,5 (174,3–13), 5,6 (174,14f.), 6,1 (176,9–15). Der bei der Taufe amtierende Engel ist laut Tertullian figura für den im Anschluss an die Wassertaufe verliehenen Geist (6,1). Zum Engel im Taufwasser vgl. auch SCHLEYER, Einleitung 63f. 10 Das Taufwasser als Sitz des Geistes z.B. in 8,3 (FC 76, 180,14–20, SCHLEYER). 5
VII. Die Taufeucharistie bei Tertullian
180
aqua“ den heiligen Geist, vielmehr wird er durch die Wassertaufe „auf den Heiligen Geist vorbereitet.11 Diesen erhält er bei der auf die postbaptismale Salbung (7,1–2) folgenden Handauflegung (8,1–5). Von Bedeutung für unsere Fragestellung ist jedoch das Tauffasten, das Tertullian kurz vor Ende der Schrift knapp erwähnt: Tertullian, bapt. 20,112 20,1
a b c d e
Diejenigen, die unmittelbar vor der Taufe stehen, sollen häufig Gebete verrichten (Ingressuros baptismum orationibus crebris) – Es geziemt sich, mit Fasten und Kniebeugen und Nachtwachen zu beten (ieiuniis et geniculationibus et pervigiliis orare oportet) – [und] unter Bekenntnis aller in der Vergangenheit begangenen Verfehlungen ([et] cum confessione omnium retro delictorum), damit sie darstellen auch die Taufe des Johannes (ut exponant etiam baptismum Iohannis): [es folgt Mt 3,6]
Das Tauffasten begleitet also die kurze intensive Phase direkt vor der Taufe, für die laut Tertullian das häufige Gebet entscheidend ist (1a). Das Gebet ist mit Fasten und Kniebeugen in Vigilien angemessen zu intensivieren (1b). Dass es vom (nicht-öffentlichen) Bekenntnis der vor der Taufe begangenen Verfehlungen begleitet wird (1c), stellt für Tertullian den Bezug zur Johannestaufe her (1d). Indem das Tauffasten die auf die Vergebung zuvor begangener Sünden ausgerichteten Gebete unterstützt, bereitet es auf die Wassertaufe vor, in der diese Sünden ja „abgewaschen“ werden (s.o.). Aus der Passage wird deutlich, dass bei Tertullian nur die Täuflinge fasten, ein Mitfasten des Täufers oder von Gemeindegliedern kennt Tertullian nicht. Dazu passt, dass die Spendung der Taufe in der Regel von Amtsträgern, am besten vom Bischof, sonst von Presbyter oder Diakonen, vollzogen werden soll (17,1). Allerdings konzediert Tertullian für Notlagen und als Ausnahme die – grundsätzlich erlaubte! – Laientaufe (17,2–3), verlangt aber von den Laien umso mehr „disciplina verecundiae et modestiae“.13 Gebrochen wird das präbaptismale Fasten des Täuflings jedoch in der Taufeucharistie. Die von Tertullian in mehreren anderen Passagen seiner Schriften bezeugte Sonderform einer Milch- und Honigkommunion dürfte mit der genannten Konzentration des Tauffastens auf den Täufling zusammenhängen.
11 Tertullian, bapt. 6,1 (FC 76, 176,9–11, SCHLEYER): non quod in aqua spiritum sanctum consequimur, sed in aqua emundati sub angelo spiritui sancto praeparamur. 12 FC 76, 212,4–7, SCHLEYER. 13 Tertullian, bapt. 17,2 (FC 76, 204,11f., SCHLEYER).
2. Die Taufeucharistie mit Milch und Honig
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2. Die Taufeucharistie mit Milch und Honig 2. Die Taufeucharistie mit Milch und Honig
Dass in Nordafrika zur Zeit Tertullians eine spezielle Taufeucharistie üblich und selbstverständlich war,14 zeigen vier weitere Belege aus seinen Schriften: (1.) In seiner Schrift De praescriptione haereticorum (um 203?) kommt er im Zusammenhang der praescriptio proprietatis (Kap. 36–40), mit der den Häretikern jedes Eigentumsrecht an den christlichen Schriften abgesprochen werden soll, auch auf das Taufbekenntnis und die Initiation zu sprechen. Um den Glauben der apostolischen Kirchen, insbesondere der römischen, zu illustrieren, bietet er zunächst eine knappe Zusammenfassung des bei der Taufe gesprochenen Glaubensbekenntnisses und fährt fort, dass die Kirche ihren Glauben aus Gesetz und Propheten, Evangelien und Apostelbriefen schöpft. In klarer Anspielung auf die dreigliedrige Initiation (Wassertaufe – postbaptismale Salbung – Eucharistie) formuliert er dann, dass die Kirche diesen Glauben „mit Wasser besiegelt (eam aqua signat), ihn mit dem Hl. Geist bekleidet (sancto spiritu uestit), ihn nährt durch die Eucharistie (eucharistia15 pascit)“, es folgt die Ermahnung zum Martyrium16 und die Verweigerung der Aufnahme eines jeden, der sich im Widerspruch zu dieser Einrichtung befindet (et ita adversus hanc institutionem neminem recipit).17 Nicht allein das Glaubensbekenntnis, sondern gerade auch die Initiation sowie die Bereitschaft zum Martyrium sind die institutio, anhand derer Kirchengemeinschaft hergestellt wird. (2.) In einer antijüdischen Passage der Schrift de resurrectione mortuorum (nach 206) spielt Tertullian ebenfalls auf die Taufeucharistie an, indem er den rein auf irdische Güter hoffenden Juden abspricht, „panem caelesti repromissum et oleum diuinae unctionis et aquam spiritus et uinum animae uigorantis ex uite Christo“ zu kennen.18 Ein weiterer Irrtum der Juden sei es, Palästina für das heilige Land zu halten, da vielmehr der Leib des Herrn das heilige Land für alle Getauften sei, wahrhaft heilig durch die Einwoh-
14
Zu der aus den Schriften Tertullians erkennbaren „Ceremony of Baptism“ vgl. auch FERGUSON, Baptism 340–345, sowie BRADSHAW, Search 156f. 15 Bei Tertullian meint eucharistia die Speise, nicht die liturgische Feier, Belege bei MCGOWAN, Agape 171 u.ö. 16 Mit Taufbekenntnis und Initiation sowie dem Martyrium hat Tertullian wahrscheinlich die Eckpunkt einer christlichen Biographie vor Augen (so auch SALZMANN, Lehren 401f.). 17 Tertullian, prae-scr. 36,5 (CCL 1, 217,15–21, REFOULÉ). FERGUSON, Baptism 345 Anm. 36, verweist noch auf prae-scr. 40. 18 Tertullian, resurr. 26,10 (CCL 2, 955,39–41, BORLEFFS).
182
VII. Die Taufeucharistie bei Tertullian
nung des Hl. Geistes und fließend von Milch und Honig.19 Diese Verbindung des gelobten Landes mit dem Leib des Herrn und dem Melikraton bei der Taufeucharistie begegnet auch in TA 21, sie stammt aus dem Taufgottesdienst. (3.) Auch im ersten Buch seiner Schrift gegen Marcion (um 207) dient die Taufeucharistie als Argument und zwar als Argument gegen die marcionitische Trennung des deus melior vom creator. Das ironisch formulierte Hauptargument Tertullians lautet, dass Gott „bei seinen eigenen Sakramenten die Armseligkeiten des Demiurgen nötig hat“.20 Er belegt dies – und setzt dabei offenbar ebenfalls wieder die Plausibilität dieses Argumentes mit der Liturgie voraus – mit einzelnen Elementen des Taufgottesdienstes, und hält dabei sogar deren Reihenfolge bei der nordafrikanischen Initiation ein: Wasser – Öl – eine Mischung aus Honig und Milch – das eucharistische Brot. Tertullian, adv. Marc. I 1421 3
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Es war ihm bis jetzt noch nicht einmal das vom Demiurgen geschaffene Wasser zu schlecht (sed ille quidem usque nunc nec aquam reprobauit creatoris), um die Seinen abzuwaschen (qua suos abluit), auch nicht Öl (nec oleum), um die Seinen zu salben (quo suos ungit), auch nicht die Mischung von Honig und Milch (nec mellis et lactis societatem), um die Seinen [wie Kleinkinder] zu füttern (qua suos infantat), auch nicht Brot (nec panem), worin er seinen eigenen Leib gegenwärtig sein lässt (quo ipsum corpus suum repraesentat).
Tertullian erinnert Marcion augenscheinlich an dessen eigenen Taufgottesdienst, wo dieser das Heil eben durch Gaben der Schöpfung vermittelt bekam. Da dies für Marcion ein gültiges Argument darstellen muss, ist zu schließen, dass der hier angedeutete Taufgottesdienst auch bei den Marcioniten analog praktiziert wurde.22 Aus der Formulierung mit „infantat“ geht hervor, dass die Gabe von Milch und Honig bei der Taufeucharistie
19
Tertullian, resurr. 26,11 (CCL 2, 955,41–47, BORLEFFS). Tertullian, adv. Marc. I 14,3 (CCL 1, 455,23, KROYMANN): etiam in sacramentis propriis egens mendicitatibus creatoris. 21 Tertullian, adv. Marc. I 14,3 (CCL 1, 455,19–22, KROYMANN). 22 FERGUSON, Baptism 345, diskutiert, ob diese Praxis der Taufeucharistie bereits für die Zeit Marcions anzunehmen ist oder erst für die Zeit Tertullians. 20
2. Die Taufeucharistie mit Milch und Honig
183
als Kindernahrung, d.h. als symbolische Ernährung der in der Taufe Neugeborenen verstanden wurde.23 (4.) In de corona 3 (um 211) dient die (mehrstufige) Initiation der Christen Tertullian als Beweis für seine These, dass eine kirchliche „Gewohnheit“ (consuetudo), auch wenn sie nicht durch die Schrift belegt ist, dennoch aus der Überlieferung stammen kann (sine dubio de traditione manauit). Im Anschluss an die Wassertaufe erwähnt er hier die Taufeucharistie mit Milch und Honig: Tertullian, coron. 3,324 3
a b c
Als solche, die aufgenommen wurden (Inde suscepti), kosten wir zuerst eine Mischung von Milch und Honig (lactis et mellis concordiam praegustamus) und enthalten uns von jenem Tage an eine ganze Woche des täglichen Bades.
Natürlich ist die Wassertaufe durch die Schrift belegt, aber die anderen Elemente des Taufgottesdienstes – wie die Absage an den Teufel, seine Herrlichkeit und seine Engel, vor allem aber die Taufeucharistie mit dem Genuss einer Mischung von Milch und Honig direkt im Anschluss an die Wassertaufe, ferner die einwöchige Enthaltung vom täglichen Bad nach der Taufe, der morgendliche Empfang der Eucharistie aus der Hand der Vorsteher etc.25 – sind es eben nicht. Das „prae-gustamus“ in 3b könnte darauf hindeuten, dass der Kelch mit dem Gemisch aus Milch und Honig vor den eucharistischen Gaben Brot und Wein gereicht wurde. Das passt zu seiner oben festgestellten Deutung als Kindernahrung: Die durch Wassertaufe, Taufsalbung und Handauflegung neugeborenen Christen erhalten als erste Nahrung die Nahrung von Kindern (adv. Marc. I 14,3: infantat). Für diese und andere „disciplinae“ gebe es jedenfalls keine Schriftbegründung vielmehr sei die Tradition deren „auctrix et consuetudo confirmatrix et fides obseruatrix“.26 Tertullians Argument mit der Taufeucharistie, genauer: mit dem in der Schrift nicht belegbaren Genuss von Milch und Honig vor dem Empfang von Leib und Blut Christi, ist nur unter der Voraussetzung plausibel und durchschlagend, dass die Taufeucharistie (gerade mit ihren Sonderformen) unhinterfragte und unumstrittene liturgische Realität war.
23
Am Ende (!) von bapt. zitiert Tertullian Tit 3,5, wo die Wassertaufe „Bad der Widergeburt“ (20,5: lavacro novi natalis) genannt wird (FC 76, 214,16, SCHLEYER). 24 Tertullian, coron. 3,3 (CCL 2, 1042,17–1043,19, KROYMANN). 25 Tertullian, coron. 3,2f. (CCL 2, 1042,8–1043,19, KROYMANN). 26 Tertullian, coron. 4,1 (CCL 2, 1043,1, KROYMANN).
VII. Die Taufeucharistie bei Tertullian
184
3. Die drei Formen der Eucharistie bei Tertullian 3. Die drei Formen der Eucharistie
Die Taufeucharistie tritt im Falle Tertullians nun als dritte Form der Eucharistie neben zwei andere: das abendliche eucharistische Symposion als nach wie vor bestehende „normale“ Form der Eucharistiefeier (3.1)27 sowie die morgendliche Austeilung zuvor konsekrierter Gaben (3.2). Dass Tertullian eine abendliche und eine morgendliche Form der Feier kennt, ist unbestritten. Während aber die ältere Forschung diese beiden Formen als abendliche „nichtsakramentale Agape“ und morgendliche „sakramentale Eucharistiefeier“ gedeutet hat, zeichnet sich inzwischen ein anderer Konsens ab. In diesen Konsens ist nun aber der oben skizzierte Befund zur Taufeucharistie neu einzuzeichnen. 3.1 Das abendliche eucharistische Symposion Tertullian schildert in apol. 39 ein nachmittägliches bzw. abendliches Mahl als tugendhaftes Symposion der Gemeinde.28 Es wird durch Mahleingangsgebete eingeleitet und es dient – im Unterschied zu den ausufernden Mählern der paganen Umwelt – der moderaten Sättigung (39,17), weswegen er es als cenula bezeichnet (39,14). Zwar nennt Tertullian Brot nicht explizit, deutet aber in 39,18 den Wein an. Das Mahl endet mit der Waschung der Hände und dem Hereintragen des Lichts (Lucernarium), es schließt sich der Lobpreis Gottes (deo canere) an, der von einzelnen vorgetragen wird (39,18). Ein Gebet beendet die Feier, die demnach eine zweigeteilte, d.h. symposiale Struktur aufweist. Ich gebe hier apol. 39,14–19 in den uns interessierenden Passagen in der Übersetzung von T. Georges wieder:29 Tertullian, apol. 3930 14
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Was also ist verwunderlich daran, wenn sich so große Liebe in gemeinsamen Mahlzeiten ausdrückt (si tanta caritas convivatur)?
GEORGES, Gemeindemahl 280, spricht von „dem einen eucharistischen Gemeindemahl“ und ebd. 282 davon, dass „die abendliche Mahlfeier der Christen in Karthago zu Tertullians Zeit als Eucharistie gefeiert wurde“. 28 Dazu ausführlich GEORGES, Apologeticum 545–584, sowie THEOBALD, Eucharistie als Quelle 264–281, außerdem KLINGHARDT, Gemeinschaftsmahl 514–516. Mit T. Georges, M. Theobald und anderen ist davon auszugehen, dass Tertullian in Apol 39 eine einzige abendliche (!) Gemeindeversammlung schildert, wobei er zunächst sich auf die Wortbeiträge konzentriert (39,2–7), dann auf das Mahlgeschehen selbst (39,14–19). 29 GEORGES, Apologeticum 564f. 30 Tertullian, apol. 39 (CCL 1, 152,60–153,92, DEKKERS).
3. Die drei Formen der Eucharistie
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(…) Unser Mahl (coena nostra) zeigt sein Wesen am Namen: Es wird als das benannt, was bei den Griechen Liebe (dilectio) heißt. (…) Wenn der Anlass für das Gemeinschaftsmahl (convivii) ehrbar ist, so beurteilt die übrige Abfolge der Mahlordnung nach dem Anlass. Da das Mahl einer Glaubensverpflichtung (religionis officio) entstammt, duldet es nichts Gemeines und nichts Unanständiges. Man legt sich nicht eher zu Tisch (discumbitur), als man ein Gebet zu Gott verkostet hat (quam oratio ad deum praegustetur); man isst so viel wie Hungrige vertragen, man trinkt so viel wie es Sittsamen gut tut. So sättigt man sich wie jemand, der eingedenk ist, dass er Gott auch in der Nacht anbeten muss; so unterhält man sich wie jemand, der weiß, dass Gott zuhört. Nachdem das Wasser zum Händewaschen gereicht ist und die Lichter entzündet sind, wird ein jeder aufgefordert hervorzutreten, um so, wie er es den göttlichen Schriften oder der eigenen Begabung nach kann, Gott Lob zu singen: Damit wird geprüft, in wiefern er getrunken hat. Ebenso beendet ein Gebet das Gemeinschaftsmahl (convivium). Hierauf geht man auseinander, nicht zu Schlägertrupps oder Lustwandlerscharen oder ausschweifenden Unternehmungen, sondern zu eben der Sorge um Anstand und Sittsamkeit, wie Leute, die nicht so sehr ein Mahl verspeist haben (coenam coenaverint) als vielmehr eine Lebenslehre (quam disciplinam).
„Unser Mahl“ (cena nostra) trage den Namen „Liebe“ (dilectio), auch nennt Tertullian es hier „Gemeinschaftsmahl“ (convivium) (39,17.18). Vor allem aber sei es „religionis officium“ (39,17). Dies spricht dafür, dass die von Tertullian hier „Agape“ genannte Feier immer noch „the normal eucharistic practice in North Africa at this time“31 und „clearly still the central liturgical event of the community“32 war. Nur dieses Mahl nennt Tertul31
BRADSHAW/JOHNSON, Eucharistic Liturgies 32, im Anschluss an Andrew McGo-
wan.
32
MCGOWAN, Rethinking 168.
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VII. Die Taufeucharistie bei Tertullian
lian cena dei und convivium dei.33 „Agape wäre somit Bezeichnung nicht für einen anderen Ritus als die Eucharistie, sondern eben für diese selbst“.34 Wir haben also „in Apologeticum 39 Tertullians bewusst selektive Darstellung der zentralen eucharistischen Mahlfeier der karthagischen Gemeinde zu sehen“.35 Im Rahmen dieses Gemeindesymposion wurden auch die eucharistischen Handlungen vollzogen, bzw. in der Begrifflichkeit Tertullians: empfing man die Eucharistie.36 Die Konsekration von Brot und Wein wird sich während der bzw. durch die von Tertullian genannten Mahleingangsgebete vollzogen haben,37 denn das convivium beginnt laut 39,17 mit dem Gebet (oratio ad deum praegustetur). 3.2 Morgendliche Austeilung zuvor konsekrierter Gaben Dieser abendlichen symposialen Eucharistiefeier, bei der Brot und Wein mittels der zu Beginn gesprochenen Gebete (39,17) konsekriert werden, tritt ein morgendlicher Gottesdienst als „a sort of subsidiary eucharistic ritual“38 an die Seite, bei dem vermutlich das abends konsekrierteBrot an weitere Gemeindeglieder verteilt wird. Das könnte aus coron. 3,3 hervorgehen, wo Tertullian u.a. ausführt: Tertullian, coron. 3,339 3
a
Obwohl das Sakrament der Eucharistie (Eucharistiae sacramentum) sowohl zur Essenszeit (et in tempore uictus – also abends!)40 als auch für alle (et omnibus – also im Kontext eines Mahles, an dem alle teil-
33 Tertullian, spect. 13 (CCL 1, 239,14, DEKKERS) und uxor. II 8.8 (CCL 1, 394,47, KROYMANN), vgl. MCGOWAN, Rethinking 168. 34 Treffend GEORGES, Gemeindemahl 283. Laut GEORGES, Apologeticum 577, wurde die abendliche Mahlfeier der Christen in Karthago zu Tertullians Zeit „als Eucharistie gefeiert“. 35 GEORGES, Gemeindemahl 291. 36 MCGOWAN, Rethinking 169: „the meal did include the sacral food called ‚eucharistʻ“. 37 Zum möglicherweise für „insider“ angedeuteten eucharistischen Hintergrund dieser Formulierung vgl. GEORGES, Gemeindemahl 289f.: Der Grund dafür, dass Tertullian hier nicht eindeutig von Brot und Wein als Leib und Blut Christi redet, liege im apologetischen Charakter der ganzen Schrift, die sich ja an nichtchristliche Leser wendet. Um den Vorwürfen von Mord und Kannibalismus keine weitere Nahrung zu geben (vgl. apol. 7,1) habe Tertullian an dieser Stelle direkte Anklänge an eucharistische Terminologie vermieden. Vgl. dazu auch THEOBALD, Eucharistie als Quelle 267, im Anschluss an GEORGES, Apologeticum 578f.. Überzeugende Argumente für die Annahme einer bewussten Auslassung von Brot und Wein durch Tertullian bietet GEORGES, Gemeindemahl 283–287, analog DERS., Apologeticum 578–581. 38 MCGOWAN, Rethinking 173. 39 Tertullian, coron. 3,3 (CCL 2, 1042f., KROYMANN).
3. Die drei Formen der Eucharistie
b
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nahmen) vom Herrn eingesetzt wurde (mandatum a Domino), empfangen wir es auch in frühmorgendlichen Versammlungen (etiam antelucanis coetibus) aus den Händen von niemand anderem als den Vorstehern (nec de aliorum manu quam praesidentium sumimus).
Bei diesen „additional communal gatherings held in the mornings“ geht es laut Bradshaw und Johnson um „the act of receiving communion from elements consecrated at a preceding evening meal“.41 Doch ist das nicht sicher: In einer kurzen Passage in orat. 19 erwähnt Tertullian Gemeindemitglieder, die morgens den Leib des Herrn empfangen und diesen bis zum Ende des Stationsfastens am frühen Nachmittag aufbewahren. In diesem Zusammenhang spricht Tertullian von „Opfergebeten“ (sacrificorum orationibus); falls damit die Eucharistiegebete gemeint sind, würde das eine morgendliche Konsekration des Brotes bedeuten.42 In jedem Fall betont aber Clemens Leonhard mit Recht, dass das abendliche Symposion „noch als grundlegende Feier erscheint, während die Morgenfeier ihr gegenüber sekundär ist“.43 3.3 Die Taufeucharistie Neben diesen beiden Feierformen ist aber noch die Taufeucharistie als dritte Form zu erkennen. Da im Anschluss an die Taufe nirgendwo ein eucharistisches Symposium im Sinne von Apol 39 angedeutet wird, dürfte die Taufeucharistie doch wohl frühmorgens bzw. nachts stattgefunden haben – vor allem dann, wenn die Taufen in der Pascha-Vigil stattfanden, die Tertullian ja als Tauftermin bevorzugt.44 Bei der Taufeucharistie wurden den Neugetauften Milch und Honig gereicht und zwar vor den eigentlichen eucharistischen Gaben Brot und 40
Vgl. GEORGES, Apologeticum 577. BRADSHAW/JOHNSON, Eucharistic Liturgies 33. 32, im Anschluss an MCGOWAN, Rethinking 169f.; dieser spricht von „additional practice of receiving the sacral food – ‚eucharist’ – outside the context of the communal supper which was its normal setting“. Prägnant ebd. 171: „the morning event is not a complete but token form of meal-ritual, but simply the distribuition of the sacral food in portable form independent of a meal“. 42 Tertullian, orat. 19,1–4 (FC 76, 250,11–17, SCHLEYER). 43 LEONHARD, Art. Mahl 1083, analog MCGOWAN, Rethinking 169. 44 Vgl. dazu Tertullian, bapt. 19,1–3 (FC 76, 210,9–212,3, SCHLEYER). Tertullians Bevorzugung von Pascha als Tauftermin hängt mit seiner Rezeption der paulinischen Tauftheologie zusammen (vgl. auch BRADSHAW, Search 159), werden wir doch laut 19,1 „in die Passion des Herrn hineingetunkt“: passio domini, in qua tungiumur (FC 76, 210,10 SCHLEYER), vgl. Röm 6,3f. Nach dem Pascha seien auch die Tage der Pentekoste für die Taufspendung gut geeignet (19,2), aber letztlich gehöre dem Herrn ja jeder Tag, daher sei auch jede Zeit geeignet für die Taufe (19,3). 41
188
VII. Die Taufeucharistie bei Tertullian
Wein. Wir wissen nun im Falle Tertullians nicht, ob wir dabei von einer Konsekration oder – analog zur morgendlichen Verteilung der Eucharistie – nur von einer Distribution von Milch, Honig, Brot und Wein an die Neugetauften auszugehen haben. Geht man im Falle der Morgenfeiern von einer Verteilung bereits zuvor, nämlich durch die Mahlgebete des abendlichen Symposions konsekrierter Speisen aus (s.o.), dann könnte man für die Taufeucharistie Analoges vermuten. Allerdings ist es insbesondere im Falle von Taufen in der Pascha-Vigil doch schlecht vorstellbar, dass hier bereits zuvor (wann?) konsekrierte Gaben verteilt wurden. Die sog. Traditio Apostolica bezeugt dann klar eine Konsekration sowohl von Milch und Honig als auch von Brot und Wein (sowie von Wasser) bei der Taufeucharistie (TA 21), Ähnliches ist auch für Tertullian vorauszusetzen. In jedem Fall brechen die Neugetauften mit der Kommunion von Milch und Honig ihr Tauffasten; diese Form der Taufeucharistie ist damit nur dort bezeugt, wo das Tauffasten ausschließlich Sache der Täuflinge war.
4. Fazit: Taufe und Taufeucharistie bei Tertullian 4. Fazit
Dieser Befund ist nun für die liturgiegeschichtliche Einordnung dieser Form von Taufeucharistie von Bedeutung. Im Unterschied zu jenen Quellen, die keine symposialen Eucharistiefeiern mehr kennen (Justin, Thomasakten), könnte der Befund bei Tertullian, aber auch in der TA darauf hindeuten, dass sich die spezifische Taufeucharistie mit Milch und Honig dort herausbildete, wo nach wie vor eucharistische Gemeindesymposien stattfanden. Die Gabe von Milch und Honig bei der Taufeucharistie ist nämlich für jene Schriften belegt, die noch eine abendliche Mahlfeier kennen, sei es ein eucharistisches Symposion im engeren Sinne (Tertullian), sei es ein von der Eucharistie bereits getrenntes, aber dennoch sakrales Gemeindemahl im Sinne späterer Agapen (TA). Dann wird man die Gabe von Milch und Honig an die Neugetauften aber nicht als „Rest des früheren Sättigungsmahles“45 und auch nicht als „verstörende Erinnerungen an ein überreichhaltiges Herrenmahl“46 ansehen können, immerhin kennt Tertullian noch die symposiale Form der Eucharistie als Normalform, und auch die TA bezeugt zumindest ein abendliches Agapemahl unter Vorsitz des Bischofs. Vielleicht kann man Milch und Honig bei der (morgendlichen?) Taufeucharistie als „Platzhalter“, „Repräsentation“ oder „Vorgeschmack“ des abendlichen Symposions ansehen. Die Neugetauften erhalten bei der Taufeucharistie also zunächst die „Kindernahrung“ Milch und 45
GEERLINGS, Einleitung 193, zu TA 21. LEONHARD, Art. Mahl 1098, im Anschluss an MCGOWAN, Ascetic Eucharists 89, vgl. 107–115. 46
4. Fazit
189
Honig sowie Leib und Blut Christi, bevor sie dann zu den abendlichen Gemeindemählern hinzutreten.
Kapitel VIII
Die Taufeucharistie in der sog. Traditio Apostolica VIII. Die Taufeucharistie in der Traditio Apostolica
In der TA werden zweimal Eucharistien geschildert, zunächst die Eucharistiefeier zum Abschluss der (sonntäglichen) Bischofsweihe (Kap. 4) und dann die Taufeucharistie als Abschluss des Taufgottesdienstes (Kap. 21).1 Hinzu kommt die Andeutung einer sonntäglichen Eucharistie (TA 22),2 aber auch deutliche Hinweise auf die Existenz abendlicher Gemeindemähler, deren genauer Ablauf und deren Verhältnis zu den genannten Eucharistien jedoch umstritten sind.
1. Einleitungsfragen 1. Einleitungsfragen
Ähnlich wie die Didache so ist auch die sog. Traditio Apostolica in jüngster Zeit wieder stark in die Diskussion geraten. Diese hat dazu geführt, dass die „klassischen“ Forschungspositionen zu diesem vielschichtigen Dokument massiv in Frage gestellt werden, so dass man sogar von der „deconstruction of the author and the unity of the document“3 spricht. Da die Diskussion derzeit noch in vollem Gange ist, ist es kaum möglich, konsensfähige Ergebnisse zu referieren. Vielmehr soll durch eine Skizze der aktuellen Diskussionslage das Feld abgesteckt werden, innerhalb dessen die Frage nach der Taufeucharistie in der TA zu stellen ist. 1.1 Die Rekonstruktion des verlorenen griechischen Originals Eine mutmaßlich älteste griechische Version des Dokuments ist (bis auf wenige Fragmente) verloren.4 Dennoch „kann die Existenz einer Grundschrift aus vorkonstantinischer Zeit schwerlich geleugnet werden, ebensowenig die Tatsache, dass diese über weite Strecken auf der Basis des erhaltenen Materials zwar mühsam, aber doch recht zuverlässig rekonstruiert 1
Im Folgenden orientiere ich mich an der Kapitelzählung nach Botte, die auch Geerlings seiner Übersetzung in den FC zugrundelegt, die aber auch von BRADSHAW/JOHNSON/P HILIPPS, TA, übernommen wird. Dort findet sich auch die auf Dix zurückgehende (modifizierte) Verszählung. 2 Allerdings nur im äthiopischen Text und in den Canones Hippolyti (FC 1, 272, GEERLINGS). 3 BALDOVIN, Hippolytus 525. 4 Zu den verschiedenen Textfassungen vgl. EKENBERG, Initiation 1012–1018.
1. Einleitungsfragen
191
werden kann“.5 Es existieren eine lateinische und eine sahidische Version, die beide (auf Umwegen) auf die verlorene griechische Urfassung zurückgehen dürften. Die lateinische Version ist dabei die älteste (aus einem Manuskript des späten 5. Jahrhunderts), auch scheint sie sich streckenweise sehr nahe am griechischen Text zu bewegen. Dennoch wird sie heute skeptisch beurteilt,6 zumal sie größere Lücken enthält; insbesondere fehlen weite Teile des Taufgottesdienstes.7 Die arabische Version ist nahe an der sahidischen, füllt allerdings mehrere Lücken von dieser auf und übernimmt auch nicht alle Fehler, scheint also von einer älteren, „besseren“ sahidischen Fassung abhängig zu sein. Die äthiopische Version ist offenbar die Übersetzung einer arabischen Version, die aber nicht mit der erhaltenen arabischen Fassung identisch gewesen sein dürfte. Grundsätzlich ist aber von einer „interconnectedness“ der sahidischen, äthiopischen und arabischen Fassung auszugehen,8 weswegen die drei Zeugen oft zusammengenommen werden. Laut Ekenberg sind sie meist, aber nicht immer, der ebenfalls zusammenhängenden zweiten Zeugengruppe (der Lateiner, die Canones Hippolyti, das Testamentum Domini sowie Buch VIII der Apostolischen Konstitutionen) vorzuziehen.9 Die Übersetzung ins Bohairische stammt von 1804. Bisher galt es als eine der Hauptaufgaben der TA-Forschung, die Urfassung aus den verschiedenen überlieferten Übersetzungen und Bearbeitungen zu rekonstruieren. Inzwischen beurteilt man die Erfolgsaussichten – und die methodologische Berechtigung – solcher Bemühungen skeptisch. J.F. Baldovin charakterisiert die hypothetische Urfassung der TA mit M. Metzger daher als „phantom document“ und hält fest: „It is impossible to reconstruct it from the existing translations and/or from documents such as the Canons of Hippolytus and Testamentum Domini that are clearly dependent on it“.10 Und weiter: „A continuous document does not exist in any coherent way – nor was it ever transcribed independent of a collection of similar documents, at least as far as we can tell“.11 Heute besteht Einigkeit darin, dass das komplizierte Material der Versionen und Bearbeitungen zunächst ausreichend zur Kenntnis genommen 5
WALLRAFF, Liturgie 77f. Die Kritik richtet sich u.a. konkret auf die Ausgabe von W. Geerlings (FC 1, mit dem Text von Botte), vgl. dazu BRADSHAW/JOHNSON/PHILIPPS, TA 11–13; MARKSCHIES, Wer schrieb 584. 7 Zur Textbasis der Kap. 15–21 vgl. die hilfreiche Übersicht bei EKENBERG, Initiation 1014f. L enthält von den Kap. 15–21 nur 21,14b–38. 8 EKENBERG, Initiation 1015. 9 EKENBERG, Initiation 1015f., Bsp. ebd. Allerdings stimmen an manchen Stellen die lateinische und die äthiopische Fassung überein. 10 BALDOVIN, Hippolytus 525, vgl. BRENT, Hippolytus 195. 11 BALDOVIN, Hippolytus 531. 6
192
VIII. Die Taufeucharistie in der Traditio Apostolica
werden muss.12 Deren Umfang und Reihenfolge variieren z.T. stark.13 Die Rekonstruktion des griechischen Originals der TA kann dabei höchstens das Ziel, nicht jedoch den Ausgangspunkt der Untersuchungen bilden. Aus den Überschneidungen der einzelnen erhaltenen Textzeugen kann man allerdings näherungsweise auf einen gemeinsamen Grundbestand schließen, der am Anfang des literarischen Überlieferungsprozesses gestanden hat. 1.2 Die literarkritische Beurteilung der (hypothetischen) Grundschrift Wie auch immer man die Möglichkeiten einschätzt, von den überlieferten Übersetzungen und Bearbeitungen zur Urfassung der TA zu gelangen, Einigkeit besteht darin, dass dieses Dokument als „living literature“14 und „multi-layered work“15 zu charakterisieren ist. Bereits die rekonstruierte Grundschrift scheint ein in sich gewachsener Text zu sein,16 in dem Spannungen,17 Doppelungen18 und Spuren von Redaktion und Kompilation feststellbar sind. Sehr stark betonen Bradshaw, Johnson und Philipps diesen Aspekt: „we judge the work to be an aggregation of material from different sources, quite possibly arising from different geographical regions and probably from different historical periods, from perhaps as early as the mid-second century to as late as the mid-fourth, since none of the textual witnesses to it can be dated with any certainty before the last quarter of that century“.19 Laut Paul Bradshaw gehörten umfangreiche Textteile zur alten Grundschrift (z.B. Kap. 2 sowie 7–14 u.a.), allerdings wehrt er sich gegen eine Verortung des Dokuments in Rom sowie gegen den Abschluss der Redaktionsarbeit im 3. Jahrhundert.20 So seien z.B. 12
Zum textlichen Befund (Textzeugen, Übersetzungen, Versionen späterer Kirchenordnungen) vgl. ausführlich BRADSHAW/JOHNSON/PHILIPPS, TA 6–11. 13 Vgl. dazu BRADSHAW/JOHNSON/PHILIPPS, TA 15f. 14 Der von Marcel Metzger geprägte Ausdruck wird zustimmend aufgenommen von BRADSHAW/JOHNSON/PHILIPPS, TA 13f.; BRADSHAW, Problems 615; BRADSHAW, Search 5. 91f.; MARKSCHIES, Wer schrieb 584f.; BRENT, Hippolytus 195f.; STEWART-SYKES, Liturgy 244; STEWART-SYKES, TA 26, dort mit der Einschränkung: „this does not mean that there was at no time a text which represented a finished product, at least as far as the Roman community which produced it was concerned“. 15 BRADSHAW, Problems 616. So auch STEWART-SYKES, TA 22, obwohl dieser alle redaktionellen Vorgänge in einer „Schule des Hippolytus“ in Rom verortet. 16 MARKSCHIES, Wer schrieb 585. 17 Z.B. im Numerus der angeredeten Personen, in den Vorschriften für Bischof oder Priester. 18 Vgl. TA 35 mit 41. 19 BRADSHAW/JOHNSON/PHILIPPS, TA 14. 20 Vgl. dazu v.a. BRADSHAW, Who wrote 204: „There are just too many elements in the text which, on the basis of comparison with parallels with other early Christian literature, appear to belong to a rather later date than that“. Beispiele hierfür seien der Gebrauch von Öl bei den Exorzismen oder die griechischen Termini typos und antitypos bei der Eucharistie (dagegen, nicht unplausibel, STEWART-SYKES, Liturgy 236f.).
1. Einleitungsfragen
193
einzelne Elemente des Eucharistiegebets in Kap. 4 sicher mindestens in die Mitte des Zweiten Jahrhunderts zu datieren, andererseits zeige der Einsetzungsbericht das Vorhandensein (viel) späterer Redaktionsarbeit.21 A. Stewart-Sykes postuliert eine alte römische Grundschrift (= P, paradosis), die ganz analog zur Didache v.a. Anweisungen für Taufe und Eucharistie enthielt. Diese Grundschrift wurde dann innerhalb der sog. Hippolytischen Schule von zwei Redaktoren überarbeitet, dem Verfasser des Elenchus (= REL), der die Rolle des Bischofs innerhalb seiner Teilgemeinde gegenüber den Presbytern verteidigen wollte, später dann vom Verfasser des Contra Noetum (= RCN), der den römischen Monepiskopat voraussetzt. Letzterer ist eben jener Hippolytus, der dem Gesamtwerk seinen Namen gab. Die Endredaktion datiert Stewart-Sykes ins dritte Jahrhundert.22
1.3 Die geographische und liturgiegeschichtliche Verortung Aktuell stehen sich in der Frage der geographischen Verortung der TA – konkret die Frage nach dem römischen Ursprung des Dokuments – zwei Lager gegenüber: (a) Sowohl die römische Provenienz als auch die Verbindung zu Hippolyt wird von Forschern wie z.B. P. Bradshaw, C. Markschies und R. Meßner energisch bestritten.23 Laut C. Markschies ist eine (hypothetische) Grundschrift zuerst „apostolisiert“, später dann „clementisiert“ bzw. „hippolytisiert“ worden.24 Aber auch Kompromisslösungen werden diskutiert.25 Damit hängt die Frage nach möglichen Parallelen zu anderen Werken des Hippolyt zusammen.26 Auffällig ist zunächst, dass die Wirkungsgeschichte des Dokumentes eher nach Osten weist, was seine Rezeption z.B. in den Apostolischen Konstitutionen zeigt.27 Doch ist dies bei näherem Hinsehen ein Argument von zweifelhaftem Wert, denn dies kann auch damit zusammenhängen, dass in den nichtchalcedonensischen Kirchen des Ostens (z.B. Ägypten, Äthiopien, Syrien) das kanonische Recht der ökumenischen Konzilien, das in den chalcedonensischen Kirchen die älteren Kirchenordnungen ablöste, nicht rezipiert
21
STEWART-SYKES, Liturgy 236, lapidar dagegen: „one had to be the first“. STEWART-SYKES, TA 11f. 23 Vgl. z.B. BRADSHAW, Problems 621 („literary fiction“), MARKSCHIES, Wer schrieb 587ff. 24 Zeugen der ersten Stufe seien die Apostolischen Konstitutionen, das Testamentum Domini und die lateinische Übersetzung der Veroneser Sammlung. Zeugen der zweiten Stufe (im späten vierten bzw. fünften Jahrhundert) seien die sogenannte Epitome und die koptische Übersetzung (vgl. MARKSCHIES, Wer schrieb 589f.). 25 So erwägt z.B. BRADSHAW, Problems 622, die „possibility that Hippolytus may after all have had some involvement in the compilation of the church order, perhaps as the author of some of the source material used, or perhaps as one of the hands that actually helped add to the growing collection of material from diverse places.“ 26 Vgl. dazu BRADSHAW, Problems 620–622. 27 Vgl. BRADSHAW/JOHNSON/PHILIPPS, TA 5f. 22
194
VIII. Die Taufeucharistie in der Traditio Apostolica
wurde. Diese kirchenrechtliche „Abkopplung“ sorgte dafür, dass hier das ältere Recht der Kirchenordnungen in Geltung blieb.28
Was den römischen Ursprung des Dokuments angeht, vertritt P. Bradshaw eine extrem skeptische Position. Im Anschluss an R. Taft formuliert er einen „test of exclusivity“, d.h. dass Ähnlichkeiten zwischen zwei Texten nur hier und nirgendwo sonst begegnen dürfen, wenn Schlüsse für eine Lozierung gezogen werden sollen.29 Unter dem Vorzeichen dieser Regel findet Bradshaw nicht ein einziges Element der TA, das zweifelsfrei römisch ist.30 Im Gegenteil enthalte die TA auch Vorschriften, die sicher niemals in Rom praktiziert wurden, wie der tägliche Exorzismus der Katechumenen.31 Das Grundproblem liegt für Bradshaw daher in den Unterschieden zwischen den in der TA und den in den späteren römischen Quellen dokumentierten Riten.32 Allerdings betont auch Bradshaw mit Recht, „we actually know very little about what third-century Roman liturgy might have been like“.33 Die Verbindung Hippolyts von Rom mit der TA34 erfolgte aufgrund seiner Erwähnung in einer Zwischenüberschrift der Epitome im 8. Buch der Apostolischen Konstitutionen an der Parallelstelle zum Beginn der sahidischen Version der TA und der Erwähnung einer ἀποστολικὴ παράδοσις auf einer 1553 in Rom gefundenen, derzeit in den vatikanischen Museen ausgestellten Statue.35 Auf der Cathedra, auf der die dargestellte Person sitzt, ist rechts eine Liste der Werke des Hippolytus eingemeißelt.36 Das Problem ist aber, dass die Statue ursprünglich offenbar eine weibliche Figur darstellte, außerdem sind drei der bedeutendsten Werke Hippolyts von Rom gar nicht verzeichnet: die Refutatio, Contra Noe-
28
Hinweis von H.-R. SEELIGER. Vgl. BRADSHAW/JOHNSON/PHILIPPS, TA 14. Diesen Ansatz kritisiert BRENT, St Hippolytus 211–214, als „radical doubt“, „atomistic approach“ und „empiricism that rests its case on admitting as evidence only what can be tightly deduced from available data that are unambiguous“. 30 BRADSHAW, Who wrote 196. Eine gewisse Ausnahme sei die doppelte postbaptismale Salbung, die „a distinctively Roman liturgical parallel“ habe (ebd 197; dagegen nun MESSNER, Grundstruktur). 31 BRADSHAW, Who wrote 198, unter Hinweis auf nordafrikanische, antiochenische und jerusalemische Parallelen („and nowhere at all in the West“). 32 BRADSHAW, Problems 616: „Apart from the baptismal interrogations and the double post-baptismal anointing, there is nothing distinctively Roman about it“. 33 BRADSHAW, Who wrote 195. 34 Vgl. dazu SCHOLTEN, Hippolytos II 524f. 35 Vgl. BALDOVIN, Hippolytus 523: „The key to putting the document, the author and the title together is the statue“. 36 Hierzu vgl. BRENT, Hippolytus 115–203; BRADSHAW/JOHNSON/PHILIPPS, TA 2–5 (skeptisch); BRENT, St Hippolytus 214–216. 29
1. Einleitungsfragen
195
tum und der Danielkommentar. Umstritten ist auch, ob dem Kompilator der TA Hippolyts Contra Noetum bekannt war.37
(b) Allen Brent und Alistar Stewart-Sykes verorten die TA nach wie vor in Rom38 und zwar (laut Stewart-Sykes) als Produkt einer „Schule des Hippolytus“. Stewart-Sykes formuliert die „hypothesis of two authors as successive leaders of the same school“, die insbesondere zwei verschiedene Amts-Theologien vertreten. Zugrunde liege aber beiden Redaktoren eine alte Grundschrift. Für A. Brent ist der Name Hippolytus eine Art Chiffre für eine römische Hauskirche (besser: Schule), deren Geschichte und v.a. deren Haltung zum sich (aus der Hauskirche des Zephyrinus und des Callistus) entwickelnden römischen Monepiskopat die Genese des Textes beeinflusst hat.39 Daher zeige auch die (weibliche!) Statue keinen individuellen männlichen Autor, sondern symbolisiere (kollektiv) die Schule. Was die in der TA erkennbare Liturgie angeht, ist für Brent klar „that the rite is Eastern within a second century Roman community“,40 so dass es kein Wunder ist, dass die TA „both Eastern and Roman material“ enthalte.41 Daher wirft er Bradshaw und anderen vor, kulturelle Differenzen mit geographischen Distanzen zu verwechseln.42 Es sei daher gut vorstellbar, daß Hippolytus (bzw. die verschiedenen Autoren) einer „Eastern community in Rome“ entstammten.43 So zeigen neuere Forschungen zur Tauftheologie, dass es unmöglich ist, in der frühesten Zeit eine „typisch östliche“ (d.h. von Joh 3,5 geprägte Sicht der Taufe als Wiedergeburt aus dem mütterlichen Geist) von einer „typisch westlichen“ (d.h. in den Bahnen von Röm 6 laufende Sicht der Taufe als Mitvollzug von Tod und Auferstehung Jesu) Sicht zu unterscheiden.44
37
Dies erwägen BRENT, St Hippolytus 302, BRADSHAW, Problems 6f.; BALDOVIN, Hippolytus 542. Dagegen aber MARKSCHIES, Wer schrieb 592–597. 38 Ebenso SALZMANN, Lehren 368f. 39 Vgl. BALDOVIN, Hippolytus 529. Bei Brent erzähle die TA „a tale of reconciliation with the monarchical episcopate at Rome.“ 40 BRENT, St Hippolytus 208 Anm. 7. 41 BRENT, St Hippolytus 208. 42 Vgl. BRENT, St Hippolytus 210. Ein Beispiel dafür sei Viktor von Rom, der nach heutiger Auffassung „rival congregations within Rome itself“ exkommunizierte und nicht in erster Linie weit entfernte Gemeinden. 43 BRENT, St Hippolytus 218, vgl. 231: „a writer in an Eastern tradition originally operating as proestos of one house-school group in a fractionalized Roman community, around a statue that securely locates a Roman group’s eastern concern about Passover and the date of Easter“. 44 Vgl. dazu nun JOHNSON, Baptism passim.
196
VIII. Die Taufeucharistie in der Traditio Apostolica
Auch für Stewart-Sykes ist die in der TA erkennbare Liturgie römisch, sogar „typically Roman“.45 Diese Grundthese hat jedoch eine Voraussetzung: nämlich die Einsicht, dass es Mitte des zweiten Jahrhunderts (aus dieser Zeit stammen laut Stewart-Sykes die ältesten Partien der Schrift, insbesondere Teile des Taufgottesdienstes in TA 20f.) keineswegs die römische Liturgie gab, ebensowenig wie es die römische Kirche gab. Brent und Stewart-Sykes betonen hier die „cultural diversity of Rome“.46 Charakteristisch auch für Stewart-Sykes’ Ansatz ist die Verbindung der Genese der TA mit der Entwicklung der römischen Gemeinden hin zum Monepiskopat.47 Am Anfang stehen „a series of entirely independent communities“, „a number of self-governing churches with leaders described with various titles“ – und damit ist auch eine Mehrzahl von Gemeindeleitern sowie „a variety of understandings of the nature of the office“ anzunehmen. Dies geht aus der Grußliste des Römerbriefs, aber auch aus dem Hirten des Hermas sowie dem 1Clem hervor, weitere Hinweise lassen sich Justin sowie Marcion entnehmen. Aus den Versammlungen der stadtrömischen Gemeindeleiter dürfte sich dann der Monepiskopat entwickelt haben. Vor allem aber sei – zumindest für die ersten Jahrhunderte – keine „normative liturgy for the churches of the period“ anzunehmen.48 Da die Bevölkerung Roms gemischt war, sei das Erscheinen anderer, z.B. „östlicher“ oder „nordafrikanischer“ Elemente – besser: Elemente, zu denen es z.B. „östliche“ oder „nordafrikanische“ Parallelen gibt – in den in der TA beschriebenen Liturgien keine Überraschung.49 Dass die „Hippolytische Gemeinde“ zur Zeit Callistus’ gegen die Etablierung des Monepiskopats war, zeigt laut Stewart-Sykes der Elenchus, der von einem (später mit Hippolyt identifizierten) Bischof zu Beginn des 3. Jahrhunderts verfasst wurde und der mit dem ersten Redaktor der ursprünglichen TA identisch sein soll. Dieser begriff sich als „bishop among others“ und bekämpfte den Monepiskopat.50 Das Martyrium des Hippolyt 45
STEWART-SYKES, TA 19, vgl. Liturgy 238: „we do not know that the liturgy of TA is not Roman“. 46 STEWART-SYKES, Liturgy 239. 47 Vgl. zum Folgenden STEWART-SYKES, TA 12–16, sowie die Werke von Allen Brent und Peter Lampe, auf die sich Stewart-Sykes explizit bezieht. P. Lampes Untersuchungen zur frühchristlichen Sozialgeschichte in Rom wurden allerdings von SCHÖLLGEN, Probleme, einer vernichtenden Kritik unterzogen. 48 STEWART-SYKES, TA 19. 49 STEWART-SYKES, Liturgy 235: „there was no single liturgy in the Rome of the period since the cultural diversity of the city would inevitably be reflected in the liturgical practices that were known“. 50 Vgl. STEWART-SYKES, TA 25: „REL is concerned to protect the role of the bishop against powerful presbyters in his community (…), as well as against the claims of episkope made elsewhere in the Roman Church“, sowie ebd. 49: „The first was a presby-
1. Einleitungsfragen
197
im Jahre 235 an der Seite (!) des Monepiskopus Pontianus deutet dann laut Stewart-Sykes darauf hin, dass sich die Hippolytische Gemeinde inzwischen mit dem Monepiskopat abgefunden und sich mit dem amtierenden römischen Bischof ausgesöhnt hatte. Dieser Hippolytus verstand sich als „presbyter in communion with a single bishop in the city“.51 Die Diskussion um den römischen Charakter der in der TA erkennbaren Liturgie ist in vollem Gange. Stewart-Sykes argumentiert unter Voraussetzung einer großen Kontinuität zwischen der TA und späteren römischen Dokumenten.52 Bradshaw kontert mit dem Hinweis auf die „enormous changes that Christian liturgy in general underwent during the fourth century“, was zu einer großen „discontinuity“ mit früheren Quellen führe.53 Andererseits konzediert er selbst: „Since so little is known about Roman liturgical practice prior to the sixth century, it is impossible to say how great the changes might have been in the intervening period“.54 Hier sind zwei grundlegend verschiedene Ansätze erkennbar. Während Bradshaw nur jene Elemente als spezifisch römisch anerkennen will, für die es Parallelen in anderen, eindeutig römischen Quellen gibt, geht Stewart-Sykes bis zum Erweis des Gegenteils von der römischen Provenienz dieser Liturgie(n) aus – allerdings im Kontext seiner oben entwickelten These, dass es im zweiten und dritten Jahrhundert keineswegs die römische Liturgie (wie auch nicht die römische Kirche) gab. Bradshaws Ansatz geht von der „geographical and temporal diversity of the contents“55 der TA aus und zwar aufgrund von liturgiehistorischem und philologischem Vergleichsmaterial, Stewart-Sykes dagegen postuliert „single provenance and
ter-bishop in a Roman school at the beginning of the third century, a social and theological conservative who opposed the growth of the Roman monepiscopate“. 51 Vgl. STEWART-SYKES, TA 25: „RCN is a presbyter who recognizes a single bishop in Rome, and who sees himself as a presbyter in communion with other presbyters and with that monepiscopus“, sowie ebd. 141: „The second was a presbyter in the same school, who was reconciled to the wider Roman church under its episcopal leader Pontianus“. 52 Vgl. STEWART-SYKES, Liturgy 238: „There is development, certainly, but not disjunction.“ 53 BRADSHAW, Who wrote 196. 54 BRADSHAW/JOHNSON/PHILIPPS, TA 6. 55 BRADSHAW, Who wrote 206, vgl. BRADSHAW/JOHNSON/PHILIPPS, TA 14: „We thus think it unlikely that it represents the practice of any single Christian community, and that it is best understood by attempting to discern the various individual elements and layers that constitute it.“ Dagegen STEWART-SYKES, Liturgy 245:„However, if one of the sources was Roman [was Bradshaw ja durchaus erwägt], then it has to be explained how a document travelled back and forth across the empire, being redacted at every turn, and then ends up back in Italy in its final form in order to be translated in the fifth century, leaving no trace of such a complex redactional history in any text except in the two conclusions“.
198
VIII. Die Taufeucharistie in der Traditio Apostolica
multiple authorship“56 und kommt zu der Schlussfolgerung: „there is nothing in the liturgical practices of the document, that is in contradiction to a third-century and Roman provenance.“57 Mit gewisser Berechtigung weist er zudem nach, dass sich Bradshaws zwei Prämissen – (1.) wir wissen fast nichts über die römische Liturgie des 3. Jahrhunderts; (2.) wir müssen von großer Diskontinuität zwischen dem 2./3. und dann ab dem 4. Jahrhundert ausgehen – widersprechen.58 1.4 Die Liturgie der TA Umstritten ist auch, inwiefern der Text tatsächlich gefeierte Liturgie(n) widerspiegelt – sei es in Rom oder anderswo – oder ob es sich (zumindest teilweise) um „composite literary creations, artificially made up of elements drawn from different local traditions rather than comprising a single authentic rite that was ever celebrated in that particular form anywhere in the world“ handelt.59 Nicht auszuschließen ist, dass die in der TA beschriebene Liturgie so nie existiert hat.60 So geht z.B. R. Meßner mit guten Gründen davon aus, dass die doppelte postbaptismale Salbung in TA 21 keineswegs einen tatsächlich vollzogenen Ritus widerspiegelt, sondern dass hier zwei oder mehr Schichten zu unterscheiden sind.61 Überhaupt sind jene mit der Rolle des Bischofs befassten Passagen grundsätzlich „verdächtig“, literarisch späteren Schichten anzugehören, da an diesen Stellen das eigentliche Anliegen des Autors bzw. Kompilators der TA greifbar ist, für den gilt: „the purpose of Apostolic Tradition is not simply to describe a social (or ecclesial) reality but also to assist in constructing one“.62 Daher ist von Fall zu Fall zu prüfen, ob der Verfasser hier eine neue Praxis einführen will (die seiner Auffassung des Bischofsamtes wie der anderen Ämter Ausdruck verleiht) oder ob er z.B. eine allgemein anerkannte und nicht weiter problematisierte liturgische Praxis voraussetzt.
56
STEWART-SYKES, Liturgy 238. STEWART-SYKES, Liturgy 235. 58 STEWART-SYKES, Liturgy 237. 59 BRADSHAW, Problems 617. Bradshaw zieht daraus die methodologische Konsequenz, dass die einzelnen „small parts of the rites“ je für sich zu untersuchen und der liturgievergleichenden Analyse zu unterziehen sind, vgl. dazu BRADSHAW/JOHNSON/ PHILIPPS, TA 14. 60 BALDOVIN, Hippolytus 542. 61 MESSNER, Grundstruktur 894f. 62 STEWART-SYKES, TA 50. 57
2. Der Taufgottesdienst
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2. Der Taufgottesdienst in der sog. Traditio Apostolica 2. Der Taufgottesdienst
In den Kap. 20f. der TA werden der Taufgottesdienst und seine Vorbereitungen geschildert, dies allerdings mit dem klaren Anliegen, die liturgischen „Rollen“ (und damit die Rangordnung) des Bischofs, der Presbyter und der Diakone festzulegen. Diesem Anliegen ist die Darstellung des Taufgottesdienstes insgesamt dienstbar gemacht. Man wird dennoch davon ausgehen können, „dass im 21. Kapitel im wesentlichen der Taufgottesdienst im Entstehungsbereich der TA wiedergegeben wird“.63 Dabei ist zu erkennen, dass die Taufe in der TA ein Ritenkomplex ist, der in die Taufeucharistie einmündet. Man kann sogar sagen, „that initiation is regarded as consisting of two basic elements: what is called ‚baptismʻ, and the ‚offeringʻ, i.e. the eucharist“.64 Charakteristisch für die Taufeucharistie sind insbesondere die Kelche mit Milch und Honig sowie – beim Lateiner – der Wasserkelch. Wie bei Justin und den Taufgottesdiensten der Thomas- und anderer Akten fehlt ein Hinweis auf einen Wortgottesdienst. 2.1 Der Taufgottesdienst in der „Grundschrift“ der TA Die Rekonstruktion der den verschiedenen Übersetzungen und Bearbeitungen zugrundeliegenden (griechischen) Urfassung der TA bildet in der Regel den Ausgangspunkt einer literarktischen Analyse dieses Textes, konkret die Frage nach den Bearbeitungsstufen und Urfassungen. An dieser Stelle herrscht auch über die eben skizzierten Forschungslager hinweg relativ großer Optimismus, alte und älteste Quellenschriften der TA noch erkennen zu können. Sowohl A. Stewart-Sykes als auch Bradshaw, Johnson und Philipps zählen in ihren Kommentaren zur TA die Passagen über die Taufe und die Taufeucharistie zu den ältesten Teilen der TA. Für Stewart-Sykes gehört Kap. 21 „in essence“ zur alten Grundschrift (= P), an manchen Stellen ist die Hand von REL sichtbar.65 Die alte Grundschrift umfasst laut Stewart-Sykes – analog zur Didache – nur Taufe und Eucharistie, in die insbesondere REL seine Amtstheologie einbringe.66 Erst REL stellte die Ordinationskapitel dem Taufgottesdienst voran. 63
SCHÖLLGEN, Abfassungszweck 67, gegen die Auffassung, dass der Verfasser hier ein eigenes Konzept vorstellt und gegen eine verbreitete Form- und Sorglosigkeit etwa in kleineren Gemeinden angehen will. Dies ist möglich, doch sieht Schöllgen mit Recht dafür keinen konkreten Anhaltspunkt im Text. 64 EKENBERG, Initiation 1028, unter Hinweis auf TA 21 (im sahidischen Text). Mit Recht betont er aber, dass das Stichwort βάπτισμα hier nicht nur die Wassertaufe umfasst (wie z.B. in 21,4.5.11.18), sondern „water baptism and all that which is conected to it“. 65 STEWART-SYKES, TA 124. Zur REL gehörten der Hinweis auf den Bischof, die Vorbereitung der Öle in V. 6f. sowie die Verse 21–25. 66 STEWART-SYKES, TA 29f.
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VIII. Die Taufeucharistie in der Traditio Apostolica
Bradshaw/Johnson/Philipps gehen von einem „core-document“ aus der Mitte des zweiten Jahrhunderts (!) aus, dessen Wortlaut zwar nicht sicher zu rekonstruieren, dessen Inhalt jedoch noch zu erkennen sei.67 Dieses „core-document“ bestehe aus drei Teilen (bzw. es wurde älteres Material zu drei „short collections“ vereinigt). Die drei Teile seien (1.) „directives about appointment to ministry“68, (2.) „directives about the initiation of new converts“69 sowie (3.) „directives about community meals and prayer“70. Hinter Kap. 20f. ist demnach noch eine alte Grundschrift über den Taufgottesdienst erkennbar, die dieser Rekonstruktion zufolge ganz kurz war „and did not mention any specific ministers at all.“71 Die auf Presbyter, Diakone und Bischof bezogenen Passagen, die zudem durch ihre Konkretheit („extremely precise“) auffallen, gehörten sämtlich späteren Redaktionen an. Was die Taufeucharistie angeht, legen sich Bradshaw/Johnson/Philipps nicht fest. Sie charakterisieren den Abschnitt 21,27–42 als „uncharacteristic mix of rubrical directions with catechetical and theological interpretation“72 und rechnen die Verse 27f.; 31f. 34 und 37f. nur unter „perhaps parts of“ zur alten Grundschrift gehörig. Sicher ausgeschieden werden V. 29 (Wasserkelch); 30 (Erklärung des Bischofs); 33 (Diakone); 35 („und im Herrn Jesus Christus“) sowie die Abschlussformel V. 38 („Aussendungsbefehl“). Das Problem ist auch, dass die Versionen im Detail hier stark differieren. Im Hinblick auf die Kelche mit Honig, Milch und Wasser erwägen Bradshaw/Johnson/Philipps, dass die lateinische Fassung womöglich die liturgische Praxis in Rom zur Zeit der Veronenser Übersetzung widerspiegelt.73 Doch ist dies ganz unwahrscheinlich, auch wenn die genaueren Umstände der Austeilung von Milch und Honig im Kontext der Taufeucharistie unklar sind. Die Autoren müssen selbst zugeben: „the baptismal practice of milk and honey is an attested early practice in some churches“74, daher scheint ihr Insistieren darauf, dass die lateinische Version „no precise [sic] parallels anywhere“ habe, zu stark. Vor allem beziehen Bradshaw/Johnson/Philipps bei der Frage, ob der Brauch zur Taufe (woher die theologische Bedeutung stamme) oder zur Eucharistie (in deren Kontext er vollzogen wurde) gehöre, zu wenig die Existenz der Taufeucharistie als einer besonderen, von der Sonntagseucharistie unterschiedenen Form mit ein.
Die Diskussion um eine sehr alte Grundschrift der TA hat viele wertvolle Beobachtungen und Einsichten gezeitigt. Überzeugend ist die konsensfähige Einsicht, dass die an den Ämtern und an den liturgischen Aufgaben des 67
BRADSHAW/JOHNSON/PHILIPPS, TA 14f. Es enthalte die Kap. 2,1–4; 7,1; 8,1; 9,1–2(?); 10,1–3(?); 11; 12; 13; 14. 69 Dieser Teil enthalte TA 15–20; 21,1–5.12–18.20.25f. und eventuell Teile von 21,27f.31f.34.37f. 70 Mit den Kap. 23; 24 (= 29B); 25 (= 29C); 26 (?); 27; 28,4–6; 29A; 30A; 31, 32; 33; 35. Dabei ordnen sie die Kap. 24+25 (Botte) (analog zur äthiopischen Reihenfolge) nach Kap. 29 ein, vgl. dazu BRADSHAW/JOHNSON/PHILIPPS, TA 141. 71 BRADSHAW, Who wrote 204; vgl. BRADSHAW, Search 161. 72 BRADSHAW/JOHNSON/PHILIPPS, TA 128. 73 BRADSHAW/JOHNSON/PHILIPPS, TA 135. 74 BRADSHAW/JOHNSON/PHILIPPS, TA 135, unter Hinweis auf Barn 6,18f., Clemens von Alexandrien; für Nordafrika Tertullian (coron. 3) und das Verbot dieser Praxis im späten 4. Jahrhundert (die den Gebrauch voraussetzt); für Rom Hieronymus sowie den Brief Johannes des Diakons an Senarius und das Sacramentarium Veronense. 68
2. Der Taufgottesdienst
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Bischofs und der Presbyter und Diakone orientierten Anweisungen späteren Schichten entstammen. Problematisch ist dann aber m.E. der Rückschluss auf eine „ämterfreie“ Grundschrift, die ein vollständiges Dokument gebildet haben soll. Denn während die TA in den uns überlieferten Fassungen eine klare Intention erkennen lässt – sie „reagiert nur auf ihr missfallende Zustände“75 – ist ein solcher Abfassungszweck für die hypothetische Grundschrift kaum anzugeben. Bei den dreistufigen Modellen von Bradshaw/Johnson/Philipps wie von Stewart-Sykes wird die Frage i.d.R. nicht beantwortet, welche Veranlassung, welchen Zweck und welche Intention ein unspezifisch an „euch“ adressiertes, extrem kurzes „core document“ hätte und nach welchen formkritischen Kriterien es zu isolieren ist. Eine durchaus plausible Theorie hat Wenrich Slenczka skizziert.76 Er geht dabei von der Beobachtung aus, dass in TA 3–8 viele Gebete zitiert werden, die von Klerikern zu sprechen sind, während sich in TA 21 die liturgischen Zitate weitgehend auf Sendeformeln beschränken, hinzu kommen z.B. Abrenuntiationsformeln, Tauffragen, die Salutation sowie die Spendeformeln der Mahlfeier. Es fehlen Weihegebete über Wasser und Öl, ein Prosphoragebet und auch ein Konsekrationsgebet für Milch, Honig und Wasser. Slenczka: „Dieser Sachverhalt lässt sich am besten dadurch erklären, dass wir es in TA 21 mit einem Text zu tun haben, der sich ursprünglich nicht an den Klerus richtet, sondern an Taufanwärter. Ihnen müssen Weihe- und Konsekrationsformeln nicht gesagt werden, sondern nur die Spendeformeln“.77 In diesem Fall hätte der Kompilator der TA einen ursprünglich für Taufbewerber gedachten Text zur Grundlage gemacht, um die Zuständigkeiten von Bischof und Presbytern bzw. Diakonen zu regeln. Hier gab es in seiner Sicht offenbar Missstände, aufgrund derer v.a. die Rolle des Bischofs gestärkt werden sollte. Durch die Voranstellung der Bischofskonsekration vor den Taufgottesdienst und die Herausarbeitung der liturgischen Kompetenz des Bischofs bei letzterem wird dieser Intention programmatisch Ausdruck verliehen. Dasselbe wiederholt sich im Falle der abendlichen Gemeindemähler, die nur bei Anwesenheit des Bischofs ihren eigentlichen „kultischen“ Charakter erhalten (s.u.). Wenn Wilhelm Geerlings demnach in seiner Einleitung zur Ausgabe der TA schreibt, in dieser sei „bereits die endgültige Hierarchisierung der Gemeinde mit einer klaren Trennung von Kle-
75
SCHOLTEN, Hippolytus II 525. Zum Folgenden SLENCZKA, Heilsgeschichte 19f. 77 SLENCZKA, Heilsgeschichte 20. 76
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VIII. Die Taufeucharistie in der Traditio Apostolica
rus und Laien erreicht“,78 dann wird man dies dahingehend zu präzisieren haben, dass die TA mit dem Ziel der Etablierung und Durchsetzung dieser Trennung sowie der Konzentration von liturgischer Vollmacht auf den Bischof abgefasst wurde. Statt vom Wachstum eines nur durch literarkritische Subtraktion zu erhaltenden „core“-Dokuments ist daher (redaktionskritisch) von der Integration von Überlieferungen durch den Verfasser bzw. Kompilator der griechischen Urfassung der TA auszugehen.79 Diese Überlieferungen könnten z.T. schriftlicher Natur sein, doch dürfte es sich dabei im Wesentlichen um die liturgische Praxis seiner Gemeinde gehandelt haben, wobei man damit rechnen muss, dass der Autor die literarische Darstellung dieser Praxis seinem Zweck unterordnet. 2.2 Die Vorbereitung auf die Taufe TA 20 zeigt im Vergleich mit TA 17, dass es zwei „Klassen“ von Katechumenen gibt.80 Die electi werden zunächst geprüft (20,1f.). Falls sie für würdig befunden werden, wird ihnen erlaubt, im Gottesdienst das Evangelium zu hören (V. 2). Außerdem werden sie täglich exorziert (V. 3). Worauf der tägliche Exorzismus, dessen Praxis umstritten ist und der auch nur im Osten ab dem 4. Jahrhundert belegt ist,81 abzielt, zeigt die ebenfalls in diesem Zusammenhang ergehende Vorschrift, dass eine menstruierende Frau die Taufe an einem anderen Tag empfangen soll (20,6)82. Bradshaw/Johnson/Philipps bemerken zu Recht, dass sich der Ausschluss menstruierender Frauen sonst nur auf die Zulassung zur Eucharistie bezieht83 und vermuten daher „a baptismal extension of the inherited notion of ritual impurity encountered elsewhere in relationship to the 78
GEERLINGS, Einleitung 143, Hervorheb. von mir. Ebd. 207 spricht er davon, dass in der TA „das Zweistufensystem von Klerus und Laien mit einer klar gegliederten Ämterfolge ausgebildet“ (!) sei. 79 In diese Richtung geht auch SCHOLTEN, Hippolytus II 525: „Wieweit die ‚Traditio‘ vorliegendes Material exzerpiert, ist nicht auszumachen; sie reagiert nur auf ihr missfallende Zustände (z.B. durch Begrenzung des Einflusses der Diakone) und ist nicht als umfassende Kirchenordnung anzusehen“. 80 Der Text von 20,1–10 ist nicht auf lateinisch überliefert, sondern sahidisch, arabisch und äthiopisch. 81 BRADSHAW/JOHNSON/PHILIPPS, TA 109. 82 Die Vorschrift erscheint auch in den Canones des Hippolyt sowie im Testamentum Domini 2,6. 83 BRADSHAW/JOHNSON/PHILIPPS, TA 109f., unter Hinweis auf Dionysius von Alexandria (248–265), ad Basilidem 2. Gegen den Ausschluss von menstruierenden Frauen von der Eucharistie agitiert dann Didasc 6,21. SCHOLTEN, Hippolytus II 527, weist darauf hin, dass im Judentum die Taufe von menstruierenden Frauen erlaubt ist, was ebenfalls dagegen spricht, die Vorschrift der TA nur auf die Wassertaufe zu beziehen.
2. Der Taufgottesdienst
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eucharist“84, da die Taufeucharistie als Höhepunkt und Ziel der Initiation bei ihnen nicht im Blick ist. Viel einleuchtender ist es jedoch, dass menstruierende Frauen von der Taufe ausgeschlossen werden, weil diese in die Eucharistie mündet. Menstruierende Frauen werden auch nach den Exorzismen und der Wassertaufe sofort wieder in den Zustand ritueller Unreinheit versetzt. Auch die Anweisung 20,10 bezieht sich auf die Taufeucharistie: Die Täuflinge sollen nichts zum Taufgottesdienst mitbringen (vgl. 21,5: Ablegen von Juwelen und aller „fremder Dinge“ vor dem Eintauchen ins Taufbad) außer dem, was sie zur Eucharistie benötigen.85 Erst das Testamentum Domini spezifiziert hier, dass die Täuflinge einen Brotlaib für die Taufeucharistie mitbringen (20,8). 2.3 Das Tauffasten Laut dem sahidischen Text sollen die Täuflinge angewiesen werden, am Freitag zu fasten (νηστεύειν... παρασκευή).86 Am Sabbat folgt dann eine Versammlung mit dem Bischof, der sie erneut exorziert, daran schließt sich die Nachtwache auf den Herrentag mit Schriftlesungen und Unterweisung an. Diese Vigil dauert bis zum Beginn des Taufgottesdienstes mit dem Hahnenschrei. Klar ist, dass – ebenso wie bei Tertullian – nur die Täuflinge fasten, ein Mitfasten des Täufers oder von anderen Gemeindemitgliedern wird nirgendwo im komplexen Textbestand der TA angedeutet. Der sahidische Text schreibt in TA 33 vor, dass eine νηστεία grundsätzlich bis zum Ende des Fastens einzuhalten ist, laut dem Lateiner geht es hier konkret um das Pascha-Fasten, das erst mit der oblatio beendet ist. Vielleicht hat der sahidische Text hier verallgemeinert.87 Das Fasten kann im Falle von Schwangerschaft oder Krankheit auf den Sabbat vor Pascha verkürzt werden, die Erlaubnis von Brot und Wasser zeigt, dass ein strenges Vollfasten auch gelockert werden kann. Davon ist beim Tauffasten aber keine Rede. Aus dem sahidischen Text TA 23 wird deutlich, dass die Teilnahme an der Eucharistie grundsätzlich das Fasten bricht, denn der Bischof kann nur dann fasten, wenn der ganze λαός fastet, da er sein Fasten beim Brot84
BRADSHAW/JOHNSON/PHILIPPS, TA 110. Die arabische und äthiopische Variante, dass jeder danksage, ist offenbar aufgrund einer Textverderbnis des sahidischen Textes („eucharistia“) entstanden (vgl. BRADSHAW/J OHNSON/P HILIPPS, TA 108). 86 FC 1, 254,11f., GEERLINGS. Der arabische und der äthiopische Text gehen wieder parallel. 87 Das Pascha wird anlässlich des nachzuholenden Fastens im sahidischen Text erst in der zweiten Hälfte explizit erwähnt (FC 1, 290,8–19, GEERLINGS), beim Lateiner schon zu Beginn des Abschnitts. 85
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VIII. Die Taufeucharistie in der Traditio Apostolica
brechen beendet.88 Die Schlussfolgerung lautet, dass das Tauffasten von TA 20 mit der Taufeucharistie am Ende des Taufgottesdienstes gebrochen wird. 2.4 Wassertaufe und postbaptismale Salbungen Die – so die sahidische Fassung – παράδοσις des Taufgottesdienstes (Kap. 21) beginnt mit der Wassertaufe. Bemerkenswert ist hier, dass der Taufgottesdienst mit dem Gebet über dem Taufwasser bei Hahnenschrei beginnt. Da der Taufgottesdienst in die Taufeucharistie einmündet, hat diese keinen symposialen Charakter mehr, da sie explizit am Morgen gefeiert wird. Die Eucharistie im Anschluss an die Bischofsweihe ist auf den Sonntag festgelegt (Kap. 2: die dominica). W. Geerlings stellt dazu die plausible Erwägung an, dass die Bischofsweihe nur an einem Sonntag stattfinden konnte, solange der Sonntag der einzige Tag war, an dem das Herrenmahl gefeiert wurde. Schließlich feierte der Neukonsekrierte seine erste Eucharistie mit der Gemeinde.89
Keineswegs haben wir hier eine Agende des Gottesdienstes vor uns, vielmehr bildet der Taufgottesdienst eine Art roten Faden, an dem entlang der Verfasser die unterschiedlichen Einzelanweisungen, um die es ihm geht und die der Grund für die Abfassung der TA sind, auflistet. So beschäftigt er sich zunächst mit dem für die Taufe geeigneten Wasser (21,1f, vgl. Did 7,1–3), es folgt die Anweisung, in welcher Reihenfolge die einzelnen Altersgruppen bzw. Geschlechter zu taufen sind (21,3–5). Nach diesen „technischen“ Vorschriften wendet er sich dem Bischof und der Weihe der Öle – des Öles der Eucharistie und des Öles des Exorzismus – zu. Bei der anschließenden Schilderung der „präbaptismalen“ Salbung, der Wassertaufe mit den Tauffragen und der postbaptismalen Salbung gilt sein Interesse primär der „Rollenverteilung“ zwischen den Diakonen und den Presbytern sowie dem Bischof (21,8–19). Daneben werden auch die Formulare für die Taufabsage sowie das trinitarisch strukturierte Glaubensbekenntnis bei der Taufe wörtlich wiedergegeben, doch scheint auch dies im Dienst der genannten „Rollenverteilung“ zu stehen. Der anschließende Ritus der Salbung der Getauften durch den Bischof bei deren Eintritt in die Kirche (21,21–24) ist in seiner Bedeutung und Genese umstritten. 88 FC 1, 272, GEERLINGS. Der Text ist sahidisch, arabisch, äthiopisch und in der Epitome überliefert. Vorausgesetzt ist, dass sich der Bischof individuellen Wünschen nach einer „Darbringung“ (προσφέρειν) fügen und in diesem Fall beim Brotbrechen auch kosten (γεύεται) muss. Damit bricht er sein Fasten. Analog Tertullian, orat. 19,1–5 (FC 76, 250,11–15, SCHLEYER). 89 GEERLINGS, Einleitung 162, und weiter: „Vermutlich ist der Zeitpunkt auch noch näher auf den Sonntagmorgen einzugrenzen“.
2. Der Taufgottesdienst
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Handelt es sich dabei um den Abschluss der (Wasser)Taufe oder eher um einen Willkommensritus beim Eintritt in die Kirche?90 Laut R. Meßner handelt es sich bei der Stirnsignierung um einen eigenständigen uralten Taufritus als Abschluss der komplexen Taufhandlung („Siegel“),91 der jetzige Text der TA ist demnach sekundär und spiegelt keineswegs einen tatsächlich vollzogenen Ritus wider. Hinzu kommt, dass aus dem Gebet des Bischofs (lateinisch und bohairisch, aber auch arabisch und äthiopisch überliefert) nicht klar wird, wo genau das Wirken des heiligen Geistes zu verorten ist.92 Umstritten ist bereits, welche Fassung vorzuziehen ist: Der Lateiner verbindet den Hl. Geist klar mit der vorangegangenen Wassertaufe als dem Bad der Wiedergeburt (vgl. Tit 3,5) und der dort vollzogenen Sündenvergebung.93 Die im Anschluss daran erfolgende Bitte, in die Neugetauften „deine Gnade“ zu senden, bezieht sich aller Wahrscheinlichkeit nach auf die anschließende Hauptsalbung mit dem oleum sanctificatum. Die bohairische Fassung (analog der Araber und der Äthiopier, ebenso die syrische Fassung) hat statt dessen „mache sie würdig, mit deinem heiligen πνεῦμα erfüllt zu werden und sende auf sie deine Gnade...“.94 Die östlichen Zeugen verbinden also den heiligen Geist nicht direkt mit dem Taufbad, sondern gehen davon aus, dass eine Erfüllung mit dem heiligen Geist noch aussteht. Präzise formuliert A. Stewart-Sykes: „Much of the debate is in any event fruitless, as there is no actual epiclesis of the Holy Spirit in the prayer here, for the prayer that the newly-baptized may be worthy to receive the Spirit is not an invocation of the Spirit on the candidates but is a prayer that the candidates may merit being filled with the spirit at a later point, perhaps in their reception of the eucharistic gifts, but more probably in the subsequent episcopal unction“.95 Der Gedanke einer Erfüllung mit dem Heiligen Geist findet sich auch in der Anaphora in Kap. 4.96 Die dort formulierten Vorstellungen dürften für beide Eucharistien der TA gelten, auch wenn klar ist, dass das Formular in Kap. 4 nur eine Art „Vorschlag“ für die frei formulierten Hochgebete darstellt: „Clearly the document makes no pretense whatsoever that this is the eucharistic prayer of the Church. It is an example of a prayer given in a specific situation (the ordination of the bishop); later in the document (no. 9) it is clear 90
So die Positionen Kavanaghs und Turners, referiert bei JOHNSON, Rites 84. MESSNER, Grundstruktur 896. 92 Vgl. dazu auch BRADSHAW, Search 163f. 93 D(omi)ne D(eu)s, qui dignos fecisti eos remissionem mereri peccatorum per lauacrum regenerationis sp(irit)u s(an)c(t)i, inmitte in eos tuam gratiam... (FC 1, 264,6– 11, GEERLINGS). 94 BRADSHAW/JOHNSON/PHILIPPS, TA 118, analog STEWART-SYKES, TA 112, zur Diskussion vgl. ebd. 116f. 95 STEWART-SYKES, TA 123. 96 So der Lateiner: Et petimus ut mittas sp(iritu)m tuum s(an)c(tu)m in oblationem sanctae ecclesiae: in unum congregans des omnibus qui percipiunt sanctis in repletionem sp(iritu)s s(an)c(t)i ad confirmationem fidei in ueritate... (FC 1, 226,14–21, GEERLINGS 226; analog die lateinische Übersetzung der äthiopischen Fassung durch Botte). BRADSHAW/J OHNSON/P HILIPPS, TA 40 übersetzen den Lateiner: „...[that] gathering [them] into one you will give to all who partake of the holy things [to partake] in the fullness of the Holy Spirit“, und den Äthiopier: „may you give to all who [par]take holiness, both for filling with the Holy Spirit and for strengthening the faith in truth“. Zur Epiklese der Anaphora der TA vgl. ausführlich MAZZA, Origins 141–149, sowie DRISCOLL, Uncovering 357f. 91
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VIII. Die Taufeucharistie in der Traditio Apostolica
that the prayers proposed are models and that the bishop gives thanks according to his ability [note: at least in the Eastern translations]“.97 Zum Thema „der Geist im Getauften“ vgl. auch noch Kap. 4198 und 4299.
2.5 Die Taufeucharistie (21,27–30) Die im Anschluss an das gemeinsame Gebet und den Friedensgruß als „a climax of the entire baptismal act“100 geschilderte Taufeucharistie ist dann durch die Kelche mit Milch und Honig sowie (beim Lateiner) mit Wasser ausgezeichnet und von der „normalen Eucharistie“ deutlich unterschieden. Zunächst bringen die Diakone die Gabe (offeratur oblatio/προσφορά) zum Bischof, es handelt sich dabei sicher um die Gaben der Täuflinge (20,10).101 Der Bischof wird angewiesen, das Eucharistiegebet zunächst über das Brot, dann über den Kelch mit Wein und Wasser zu sprechen. Die beiden eucharistischen Elemente werden in den Bahnen des sog. Einsetzungsberichts – der ja in der „Musteranaphora“ Kap. 4 bereits Teil des Hochgebets ist! – als „Antitypen“ von Jesu Leib102 und Blut erklärt. Der eigenartige Hinweis innerhalb des lateinischen Textes auf den griechischen Terminus ἀντίτυπος (21,27: antitypum, quod dixit graecus similitudinem103) muss kein Hinweis auf Interpolation sein, im Gegenteil könnte der lateinische Übersetzer versucht haben, seinen 97 BALDOVIN, Hippolytus 538. Vgl. ebd. 540: „After all we have here not the Eucharistic prayer of the Roman (or any other) Church but rather a Eucharistic prayer that is proposed for a specific occasion“. 98 Sowohl der Lateiner als auch die östlichen Übersetzungen überliefern den Brauch, sich mit „feuchtem Atem“ (udo flatu) zu bezeichnen (allerdings könnte mit stm auch sputum gemeint sein, auch die sahidische Version hat „Speichel“), indem dieser mit der Hand aufgenommen wird. Dieser Ritus wird auf die Taufe und die Gabe des Geistes zurückgeführt. STEWART-SYKES, TA 167, erwägt „the possibility that the prayer of the newly baptized was believed to be especially efficacious“, obwohl dies nur in Afrika bezeugt ist (vgl. Tertullian, bapt. 20). 99 Hier hat L2 die Version, dass der Teufel durch den „Geist in dir“ in die Flucht geschlagen wird (FC 1, 310,5, GEERLINGS) und zwar durch das Ausatmen, nicht durch Spucken (wie vor der Taufe), vgl. STEWART-SYKES, TA 160. 100 EKENBERG, Initiation 1033. 101 Der sahidische Text hat an beiden Stellen prosphora (TILL/LEIPOLDT 23). 102 Alle Versionen der TA sprechen sowohl vom „Leib“ als auch vom „Fleisch“ Christi. Der Kopte hat bereits hier σάρξ (TILL/LEIPOLDT 23), also die im vierten Evangelium (Joh 6,51–58), bei Ignatius und auch bei Justin (Apol I 66,6.10; diff. 66,14 MARKOVICH) belegte eucharistische Terminologie (vgl. auch beim Äthiopier DUENSING 63,20), bei der Spendeformel dann σῶμα. Der Lateiner redet erst im Anschluss an den Milchkelch davon, dass Christus sein Fleisch hingegeben hat (dedit carnem suam), von dem sich die Gläubigen nähren (GEERLINGS 268,1f.). 103 FC 1, 266,20f., GEERLINGS, laut SLENCZKA, Heilsgeschichte 22, ist der Verfasser hier durcheinander geraten.
2. Der Taufgottesdienst
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Lesern die Terminologie des ihm vorliegenden griechischen Originals an dieser Stelle mitzuteilen.104
Es folgt die Anweisung an den Bischof, das Eucharistiegebet über die Mischung aus Milch105 und Honig (Melikraton) sowie (nur beim Lateiner106) über das Wasser zu sprechen (21,28f.). Beides gehört also „zu der Konsekration der Elemente des Herrenmahls dazu“.107 Milch und Honig werden zunächst mit dem gelobten Land verbunden, das wiederum sofort als das zur Nahrung der Gläubigen hingegebene Fleisch Christi identifiziert wird.108 Es fließen hier also drei Vorstellungen ineinander: (1.) die Verheißung des Landes, wo Milch und Honig fließen, also die Güter der eschatologischen Vollendung, (2.) die Nahrung für kleine Kinder sowie (3.) das Fleisch Christi als Speise. Primär dürfte aber der Rekurs auf die Kindernahrung sein, zumal diese im Text ausdrücklich genannt wird; diese hat dann weitere Deutungen freigesetzt. Dass das „Land, wo Milch und Honig fließen“, mit der Fleisches-Existenz Jesu verbunden wurde, bezeugt auch Barn 6,8–19. Jesus in seinem der Erde entstammenden Fleisch ist das im AT als Bundesgabe Gottes gewähnte Land, dessen Gütezeichen der Reichtum an Milch und Honig ist.109 Auch in der TA ist das gottverheißene Land das Fleisch Christi, durch die Teilnahme an der Taufeucharistie und damit am Fleisch und Blut Christi erfüllt sich zugleich der verheißene Einzug in das gelobte Land. Im Hintergrund steht die Taufe als Neugeburt, eine Vorstellung, die laut M.E. Johnson ebenso im Westen wie im Osten die dominante theologische Auffassung der Taufe ist.110 104
Gegen BRADSHAW/JOHNSON/PHILIPPS, TA 129, anders STEWART-SYKES, TA 125. Der Wortlaut einer Milch-Eucharistie ist im äthiopischen Textbestand überliefert (Text bei DUENSING 123,7–125,8). Leitmotive sind die Ernährung der eben neugeborenen Glaubenden durch die „Milch des Lebens“, die aus der Brust des mütterlichen Geistes stammt, und die Gaben von Milch und Honig, die von der heiligen Kirche fließen, die ebenfalls als Mutter der Glaubenden bezeichnet wird. 106 Das Testamentum Domini kennt ebenfalls die Deutung des Wassers als Reinigung des „inneren Menschen“, d.h. der Seele, doch verbindet es diese bereits mit dem Wasser, das mit dem eucharistischen Wein vermischt wurde. Einen eigenen Wasserkelch kennt es nicht (mehr). 107 SLENCZKA, Heilsgeschichte 24. 108 Beim Kopten: „und über Milch und Honig, gemischt zur Erfüllung der den Vätern gegebenen Verheißungen, denn er sprach: ‚ich will euch ein Land geben, das von Milch und Honig fließt‘. Das ist das Fleisch Christi, das er uns gegeben hat, damit sich die, die an ihn glauben, davon nähren wie kleine Kinder. Er wird die Bitterkeit des Herzens durch die Süße des Wortes auflösen“ (TILL/LEIPOLDT 23), analog der Äthiopier (DUENSING 61,19–63,7) und der Lateiner (FC 1, 266,24–268,6, GEERLINGS). 109 Vgl. BETZ, Milch 172. 110 Vgl. JOHNSON, Baptism. Johnson weist nach, dass eine sich in den Bahnen von Joh 3,5 bewegende Taufauffassung auch im Westen dominant war. Die paulinische Tauftheologie in Röm 6 wird nicht in den liturgischen Texten, sondern nur bei der Interpretation 105
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VIII. Die Taufeucharistie in der Traditio Apostolica
Beim Lateiner wird abschließend über dem (nur hier belegten) Wasserkelch das Eucharistiegebet gesprochen und er wird als „aquam uero in oblationem in indicium lauacri“, als „Zeichen“ der Reinigung für den „inneren Menschen“, das ist die Seele (animale), gedeutet, die dasselbe empfangen soll wie der Leib (bei der Wassertaufe).111 Der Genuss des konsekrierten Wassers „bewirkt den inneren Wandel des Menschen und bringt damit das Taufgeschehen zum Abschluss“.112 2.6 Die Taufkommunion (21,31–37) Nach der Anweisung an den Bischof, den Neugetauften dies alles zu erklären, folgt das Brechen des Brotes und dessen Austeilung mit einer Spendeformel.113 Bei der anschließenden (durch Presbyter oder Diakone gespendeten) Kelchkommunion hat der Lateiner die Reihenfolge Wasser – Milch und Honig – Wein,114 dazu eine an das Taufbekenntnis zurückweisende trinitarisch strukturierte Spendeformel.115 Die „besonderen“ Taufeucharistie-Kelche mit Wasser und dem Milch-Honig-Gemisch werden also von den „normalen“ eucharistischen Elementen Brot und Wein gerahmt, durch die Spendeformeln wird erneut das trinitarische Taufbekenntnis präsent. Dazu passt, dass der Lateiner die Vorschrift überliefert, die Eucharistie vor allem anderen zu empfangen (TA 36).116 Der Kopte (wie auch die Canones des Hippolyt) hat dagegen die „gute Ordnung“ (εὐταξία) Wein – Milch und Honig, die auf das Blut Christi verweisende Spendeformel erfolgt wohl nur beim Weinkelch.117 Milch und Honig schließen hier die Taufkommunion
des Taufgeschehens v.a. in den Taufkatechesen herangezogen (einzige Ausnahme bildet das Sacramentarium Gelasianum). 111 FC 1, 268,8–11, GEERLINGS. 112 SEELIGER, Käse 199. Anders SLENCZKA, Heilsgeschichte 24f. 113 Beim Lateiner: „Panis caelestis in Christo Iesu“ (FC 1, 268,19f., GEERLINGS), beim Kopten: „Das ist das Brot des Himmels, das σῶμα Christi“ (TILL/LEIPOLDT 23), beim Äthiopier: „Dieses himmlische Brot (ist) das Fleisch Christi“ (DUENSING 63,13f.). 114 FC 1, 268,24–30, GEERLINGS. Die Reihenfolge ist also anders als bei der Konsekration. Dazu SEELIGER, Käse 198: „Ganz offensichtlich sind die Materien der ersten Kommunion der Täuflinge nicht in einer steigernden Weise angeordnet. Vielmehr rahmen Brot und Wein die Kommunion mit Wasser und Milch“. 115 FC 1, 270,1–10, GEERLINGS. Beim Lateiner wird durch die Spendeformel der Wasserkelch mit Gott, dem allmächtigen Vater, die Milch-Honig-Mischung mit dem Herrn Jesus Christus und der abschließende Weinkelch mit dem Heiligen Geist und der heiligen Kirche in Verbindung gebracht. 116 FC 1, 292,19–294,5, GEERLINGS. 117 TILL/LEIPOLDT 23–25. Obwohl der Kopte wie der Äthiopier bei der Bereitung davon sprechen, dass Milch und Honig vermischt werden (TILL/LEIPOLD 23; DUENSING 61,20), scheint zumindest der Äthiopier bei der Austeilung je einen Kelch mit Honig und Milch vorauszusetzen (DUENSING 63,16f.), so dass er mit dem Weinkelch ebenfalls auf
3. Zusätzliche Lebensmittel bei Eucharistien
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ab. Der Äthiopier hat dagegen drei Kelche in der Reihenfolge Honig – Milch – Wein,118 beim Wein ebenfalls eine auf das Blut Christi verweisende Spendeformel, bei Milch und Honig dagegen „In Gott, dem allmächtigen Vater“.119
Auffällig ist, dass bei der Austeilung von Milch und Honig kein Hinweis auf das Land, wo Milch und Honig fließen, erfolgt, eine eschatologische Sinndimension der Taufkelche hier also fehlt.120 Vielmehr ist die Spendeformel beim Lateiner trinitarisch gefasst (so dass Milch und Honig in Bezug zu Jesus Christus treten), beim Kopten, Araber und Äthiopier dagegen christologisch, sie werden sogar – mehr oder weniger deutlich – mit Leib und Blut Christi in Verbindung gebracht. Die Assoziation von Milch und Honig mit dem „Land, wo Milch und Honig fließen“, gehört demnach nicht in den Ritus selbst, sondern in den Bereich von dessen (allegorischer) Erklärung. Sie steht im Text deshalb im Zusammenhang mit der Eucharistie über Milch und Honig, um dem Bischof das entscheidende Stichwort für seine daran anschließende Predigt zu liefern, mit der er diesen Brauch erklären (rationem reddat) soll.121 Milch und Honig sind vieldeutig und können im Verlauf des Ritus sowie in den unterschiedlichen Varianten des Textes durchaus unterschiedlich gedeutet werden.
3. Zusätzliche Lebensmittel bei den Eucharistien der TA 3. Zusätzliche Lebensmittel bei Eucharistien
3.1 Öl, Käse und Oliven (TA 5–6) Die TA kennt aber neben Milch und Honig bei der Taufeucharistie „fakultativ und gelegenheitsweise neben Brot und Wein auch andere eucharistische Gaben und Materien“.122 Bemerkenswert ist zunächst, dass die lateinische Fassung im Anschluss an die „Darbringung von Brot und Wein“ nach der Bischofsweihe noch Formulare für die Darbringung von Öl für die
drei Kelche kommt. Aus der mittelalterlichen arabischen Fassung gewinnt man den Eindruck, dass Milch und Honig hier als Leib und Blut Christi ausgeteilt werden. 118 DUENSING 63,16–19. 119 DUENSING 63,18. Diese Spendeformel wird beim Lateiner beim Wasserkelch gesprochen (FC 1, 270,4, GEERLINGS). 120 So auch BETZ, Milch 180f. 121 FC 1, 268,12f., GEERLINGS, ebenso TILL/LEIPOLDT 23; DUENSING 63,10f. Vgl. dazu auch SLENCZKA, Heilsgeschichte 25. 122 SEELIGER, Käse 198. Seeliger ordnet den Befund bei der Taufeucharistie in einen größeren Zusammenhang, die Praxis neben Brot und Wein auch andere Gaben auf den Altar zu stellen, ein.
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VIII. Die Taufeucharistie in der Traditio Apostolica
Krankensalbung (Kap. 5) sowie für Käse und Oliven (Kap. 6) anfügt.123 Es liegt nahe, die zuletzt genannten Lebensmittel „as part of the same meal as the elements of bread and wine“ zu verstehen.124 Hans Reinhard Seeliger hat das aufgrund antiker Belege überzeugend so gedeutet, dass die eucharistische Feier gegebenenfalls zu einem bewusst einfachen Mahl erweitert werden konnte, indem neben Brot und Wein noch andere eucharistische Gaben dargebracht wurden: „Die Eucharistiefeier der TA kann fakultativ zu einem Mahl erweitert werden, das den Charakter der Sättigung mit dem Nötigsten oder der Wegzehrung hat. Sie nahm damit auf Grund ihrer Frugalität den Charakter eines kleinen Frühstücks (ientaculum) an“.125 3.2 Milch und Honig bei der Taufeucharistie (TA 21) Analoges gilt vermutlich für die Taufeucharistie, allerdings sind Milch und Honig hier keineswegs fakultativ, sondern gehören offensichtlich konstitutiv zu dieser hinzu. Das zeigt sich auch daran, dass Milch und Honig in der Taufeucharistie klar als eucharistische Gabe angesehen werden.126 Anders als bei der sonntäglichen Eucharistie nach der Bischofsweihe geht es bei der Taufeucharistie also wohl nicht um „die Erweiterung des eucharistischen Mahles im Stile eines asketischen kleinen Frühstücks“.127 Die Eucharistie über Milch und Honig ist auch nicht das Überbleibsel einer früheren Zeit, „als im Herrenmahl noch ‚Sakramentʻ und Sättigungsmahl
123 Der Lateiner formuliert „si quis oleum offert“ (Kap. 5) bzw. „si quis caseum et oliuas offeret“ (Kap. 6) (FC 1, 228, GEERLINGS). Im Falle des Öls spricht er von einer Danksagung (gratias referat dicens), eine solche wird im Falle von Käse und Öl nicht explizit genannt, allerdings formuliert er: similiter… ita dicat. MCGOWAN, Ascetic Eucharists 98, bemerkt: „Cheese (probably soft cheese or curd in this case) may be practically or symbolically identical with milk“, sowie ebd. 106: „cheese is actually seen as milk in solid form“. Zur Textkritik im Falle der Öldarbringung (sanctitas vs. sanitas) vgl. SEELIGER, Käse 204–206. 124 Erwogen von MCGOWAN, Ascetic Eucharists 105. Auch BRADSHAW/JOHNSON/ PHILIPPS, TA 49, halten es für sicher, „that these ‚offeringsʻ would be made within the eucharistic rite“. Deutlich SEELIGER, Käse 197, der darauf hinweist, dass die Darbringung von Öl, Käse und Oliven mit dem selben Verb „offere“ bezeichnet wird, und schlussfolgert, man könne dies „nur im Zusammenhang der an dieser Stelle ohnehin erläuterten eucharistischen Liturgie verstehen“. 125 SEELIGER, Käse 204. Erhellende antike Belege für (u.a.) Käse und Oliven als frugale Mahlzeiten, einfaches Frühstück, Reiseproviant und Grundnahrungsmittel der einfachen Bevölkerung ebd. 203f. Für das Öl verweist er auf 1Kön 17,12. 126 Richtig SLENCZKA, Heilsgeschichte 24: „Die folgende Konsekration des MilchHonig-Gemisches und des Wassers in TA 21 gehört zu der Konsekration der Elemente des Herrenmahls dazu. Sie sind auch grammatikalisch angeschlossen, indem sie von gratias agat abhängen“. 127 SEELIGER, Käse 207.
3. Zusätzliche Lebensmittel bei Eucharistien
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miteinander verbunden waren“.128 Milch und Honig deuten vielmehr darauf hin, dass die Taufeucharistie um Elemente symbolischer Kindernahrung erweitert wurde, die beiden Elemente also mit einem Verständnis der Taufe als Neugeburt in Verbindung zusammenhängen. Diese Nahrungsmittel setzten dann wiederum weitere Deutungsmuster frei. Vom Honig ist im Neuen Testament kaum die Rede, und nie vom „Land wo Milch und Honig fließen“. Überhaupt treten Milch und Honig nie zusammen auf. „Milch“ wird übertragen vom christlichen Elementarunterricht in 1Kor 3,2 und Hebr 5,12f. gebraucht, schließlich liegt bei diesem Element die Assoziation mit Neugeborenen und Kindern auf der Hand.129 Wenn „Wilder Honig“ (μέλι ἄγριον) laut Markus die Speise Johannes des Täufers (neben Heuschrecken) bildet (Mk 1,6 par Mt 3,4), dann wird dieser damit dezidiert als Wüstenbewohner gezeichnet (vgl. Jes 40,3 in Mk 1,2).130 Laut O. Böcher soll der alkoholfreie Honigtrank den Wein ersetzen.131 Scheidet das Neue Testament als direkter Hintergrund für den Milchund Honigkelch bei der Taufeucharistie aus, dann dürften die diversen antiken Vorstellungen über die Entstehung des Honigs und seine Verwendung einschlägig sein.132 Meist wurde die Biene nicht als Erzeugerin, sondern als Sammlerin eines bereits fertigen Produkts angesehen,133 das aus der Luft kommt und letztlich himmlischen bzw. göttlichen Ursprungs ist.134 Aber nicht allein die himmlische Herkunft des Honigs galt in der Antike als bei128
So KRETSCHMAR, Geschichte 110f., im Sinne seiner Hypothese, dass sich im Taufgottesdienst „sehr archaische Formen des Herrenmahls halten konnten“ (ebd. 109). Doch ist der Brückenschlag vom frühchristlichen Sättigungsmahl zu den beiden zusätzlichen Kelchen bei der Taufeucharistie doch wohl zu gewagt. Vgl. auch die (skeptische) Darstellung bei BRADSHAW/JOHNSON/PHILIPPS, TA 134, die dies jedoch (nur) wegen des Bezugs auf die Ostervigil ablehnen, ebenfalls ablehnend KILMARTIN, Cups 267. 129 Wörtlich als Nahrung (Milch von der Herde) in 1Kor 9,7. 130 Der Identifikation mit Elijah dient v.a. der Mantel des Täufers (vgl. Mk 1,6 mit 2Reg 1,8 LXX). 131 SALLINGER/BÖCHER, Honig 461. 132 Instruktiv sind die Überblicke bei USENER, Milch; außerdem SALLINGER/BÖCHER, Honig; WIMMER, Biene; WASZINK, Biene (incl. Diskussion); BETZ, Gottes Milch; sowie WETZ, Eros 168–187. 133 Seneca, epist. 84,4: quibusdam enim placet non faciendi mellis scientiam esse, sed colligendi; analog Aristoteles, hist. an. 5,22 (553b28–31). SALLINGER/BÖCHER, Honig 440, nennen nur drei Autoren, die den tatsächlichen Zusammenhängen nahe kamen, nämlich Theophrast, vielleicht Pollux, sowie Seneca, der ebd. auch noch eine andere Auffassung überliefert, nach der die Biene bei der Herstellung des Honigs aktiv beteiligt ist. 134 Vgl. WIMMER, Biene 10f.; SALLINGER/BÖCHER, Honig 439f. Daher bezeichnet Vergil den Honig als caelestia dona (Vergil, georg. IV 1). Plinius, nat. 11,11 (30) überliefert die Meinung, der Honig falle aus der Luft auf die Blätter, Honig ist daher „Schweiß des Himmels“ (caeli sudor), Speichel der Sterne (siderium saliva) oder der Saft der sich reinigenden Luft (purgantis se aeris sucus). Weiteres Material bei WASZINK, Biene 6–9.
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VIII. Die Taufeucharistie in der Traditio Apostolica
nahe gesichert. Der Honig war – neben der Milch – auch Nahrung des Goldenen Zeitalters, die Bienen galten als letzte Zeugen der verlorenen glücklichen Zeit, in der Eichenbäume von Honig trieften.135 Damit dürfte zusammenhängen, dass der Honig als Götterspeise angesehen wurde,136 die Gemeinschaft mit den Göttern gewährt und Unsterblichkeit verleiht,137 und in vielen Kulten, nicht zuletzt bei Opfern für die Toten, eine wichtige Rolle spielte. Hinzu kommt, dass auch ein Zusammenhang von Honig mit musikalischer und dichterischer Inspiration, aber auch Prophetie gesehen wurde, wozu nicht zuletzt die Herstellung von berauschenden Getränken auf Honigbasis seinen Teil beigetragen haben dürfte.138 Wenn von wunderbarer Speisung mit Honig berichtet wird, dann ist neben dem nährenden Aspekt der Initiationsaspekt nicht zu verkennen.139 Götterkinder (selbst der neugeborene Zeus!) erhielten als erste Nahrung Honig (meist mit Wasser oder Milch verdünnt), durch den Honig „sollten die Kinder auch die Welt der Götter berühren, die auf gleiche Weise ernährt wurden“.140 Im Alten Testament ist Honig zwar als Opfermaterie ausgeschlossen (Lev 2,11),141 darf aber als Erstlingsgabe dargebracht werden (2Chron 31,5) und ist auch als Nahrung von Kindern belegt (Jes 7,15). Mit der stereotypen Wendung „Land, wo Milch und Honig fließen“,142 werden Reichtum und Überfluss des Landes Kanaan beschrieben.143 Gemäß dem eschatologischen Schema einer Entsprechung von Ur- und Endzeit wurden auch 135
SALLINGER/BÖCHER, Honig 440.446f. Dies auch deswegen, weil Honig und Milch schon für Plato „unschuldige Nahrungsmittel“ waren, da zu ihrer Gewinnung weder geerntet noch geschlachtet werden musste. 136 So Porphyrios bei USENER, Milch 400 Anm. 9: θεῶν τροφῆς οὔσης τοῦ μέλιτος. 137 Varro, rust. III 16,5 (WIMMER, Biene 11, weiteres Material bei WASZINK, Biene 11ff.). Laut SALLINGER/BÖCHER, Honig 445f., dürfte Honig der „Realitätsgrund“ für die Vorstellung von Nektar und Ambrosia sein. 138 WASZINK, Biene passim, außerdem SALLINGER/BÖCHER, Honig 444, sowie WETZ, Eros 180–184. Interessant ist, dass die Beziehung des Dionysos zu Biene und Honig älter sein dürfte als die zum Wein (ebd.). 139 SALLINGER/BÖCHER, Honig 452: „Wenn Neugeborenen H[onig] eingeflößt wurde, so ist dies weniger als echte Speisung, sondern als eine Art Initiationsritus zu verstehen. Erst durch den Genuss von Honig oder Milch wurden sie in die menschliche Gemeinschaft aufgenommen“. 140 SALLINGER/BÖCHER, Honig 435f. und 445f. (Belege). 141 Vermutlich aufgrund der Tatsache, dass er gären konnte, was man sich ja bei der Herstellung von berauschenden Honiggetränken zunutze machte. 142 Vgl. z.B. Ex 3,8.17; 13,5; 33,3; Lev 20,24; Num 13,27; 14,8; 16,13f.; Dtn 6,3; 11,9; 26,9.15; 27,3; 31,20; Jos 5,6; Jer 11,5; 32,22; Ez 20,6.15 u.ö. 143 Im Unterschied zu Fleisch, Wein und anderen Reichtümern des Landes dürfen Milch und Honig auch während des Fastens genossen werden, d.h. Milch und Honig sind zugleich „reine“ Speisen (vgl. dazu die Drohrede Jes 7,18–25, wonach jene, die im zerstörten Land übriggeblieben sind, nur noch Milch [Rahm] und Honig essen können).
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vom Neuen Jerusalem „Quellen, die von Milch und Honig fließen“, erhofft (5Esr 2,19; Sib 3,746). Der Vergleich des Manna mit Honig zeigt, dass auch das Alte Testament Anteil an dem oben skizzierten Vorstellungszusammenhang hat.144 Schon in Ex 16,31 heißt es vom Manna: „Es war weiß wie Koriandersamen und sein Geschmack wie Kuchen mit Honig“.145 Obwohl es sich hier nur um einen Vergleich handelt, dürfte dieser Vers den Ausgangspunkt für eine weitergehende gegenseitige symbolische Anreicherung von Manna und Honig gebildet haben. Honig und Manna verbindet demnach ihr süßer Geschmack, aber auch ihr himmlischer Ursprung, wie die antiken Parallelen zeigen. In frühjüdischen Texten wie JosAs wurde diese Manna-Honig-Verbindung dann weiter ausgebaut. In den verschiedenen Fassungen der TA wird die Mischung aus Milch und Honig zwar mit dem Land, wo Milch und Honig fließen, verbunden, doch wird dieses umgehend mit dem Fleisch Christi identifiziert.146 Dass diese Identifizierung des „Landes“ (γῆ) mit dem Menschen Jesus Christus bzw. seinem „Fleisch“ traditionell ist, zeigt Barn 6,8–10.147 Das konsekrierte Brot wird bei der Taufeucharistie als „Brot des Himmels“, also in Anspielung auf das Manna, ausgeteilt,148 zumindest nach der lateinischen Fassung werden aber Milch und Honig ebenfalls mit einer christologischen Spendeformel verteilt.149 Der Bezug auf das „Land, wo Milch und Honig fließen“, gehört dagegen in den Bereich der Predigt. Das Hauptinteresse ist also doch ein christologisches.
144
SALLINGER/BÖCHER, Honig 458, vermuten, dass gerade die „angeblich überirdische Herkunft des Manna“ der Grund dafür war, dass dieses nicht direkt als Honig bezeichnet wurde. 145 Die LXX übersetzen: τὸ δὲ γεῦμα αὐτοῦ ὡς ἐγκρὶς ἐν μέλιτι. In der Parallelstelle Num 11,7f. fehlt ein Vergleich mit Honig. 146 FC 1, 266,24–268,6, GEERLINGS; TILL/LEIPOLD 23; DUENSING 61,19–63,7. 147 Zu der Identifizierung des „Landes“ mit Jesus in seinem der Erde entstammenden Fleisch und den impliziten Anklängen an Taufe und Eucharistie vgl. ausführlich BETZ, Milch 169–174. JOHNSON, Baptism and Chrismation 319–321, hält es für möglich, dass Barn hier auf die Taufeucharistie mit Milch und Honig anspielt (vgl. 6,13 und 6,17). 148 Beim Lateiner: „Panis caelestis in Christo Iesu“ (FC 1, 268,19f., GEERLINGS), beim Kopten: „Das ist das Brot des Himmels, das σῶμα Christi“ (TILL/LEIPOLDT 23), beim Äthiopier: „Dieses himmlische Brot (ist) das Fleisch Christi“ (DUENSING 63,13f.). 149 FC 1, 270,1–10, GEERLINGS. Beim Lateiner wird durch die Spendeformel der Wasserkelch mit Gott, dem allmächtigen Vater, die Milch-Honig-Mischung mit dem Herrn Jesus Christus und der abschließende Weinkelch mit dem Heiligen Geist und der heiligen Kirche in Verbindung gebracht. Der Äthiopier bietet die Formel „In Gott, dem allmächtigen Vater“, die der Lateiner beim Wasserkelch hat, bei Milch und Honig (DUENSING 63,18). Beim Kopten folgt der Milch- und Honigkelch auf den Weinkelch, die auf das Blut Christi verweisende Spendeformel erfolgt wohl nur beim Weinkelch (TILL/LEIPOLDT 23–25).
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VIII. Die Taufeucharistie in der Traditio Apostolica
In der TA fließen bei Milch und Honig demnach bereits verschiedene Bedeutungen ineinander, durch die Kommunion gemeinsam mit dem Weinkelch scheinen diese Flüssigkeiten auch christologische Bedeutung angenommen zu haben – falls sie diese nicht bereits von Anfang an hatten! Denn dass der Bezug zum Land, wo Milch und Honig fließen, vom Bischof in der Predigt erklärt werden soll, aber in der anschließenden Kommunion keine Rolle mehr spielt, könnte darauf hindeuten, dass Milch und Honig ursprünglich eher als Nahrung für Neugeborene verstanden und daher mit dem als Speise verstandenen Fleisch Christi verbunden wurden. Kleine Kinder empfangen eben Milch und Honig!150 Daher dürfte der Hintergrund für die Milch bei der Taufeucharistie eher im pneumatologischen Verständnis der Taufe als Neugeburt aus dem mütterlichen Geist und der Eucharistie als geistlicher Speise und Trank zu suchen sein. Der Brauch, Milch und Honig bei der Taufeucharistie zu konsekrieren und zur Kommunion auszuteilen, war in Teilen der Alten Kirche längere Zeit üblich, wurde später aber zunehmend wieder unterdrückt, um „Missverständnisse“ und Verwechslungen mit den „eigentlichen“ eucharistischen Elementen zu vermeiden.151
4. Morgendliche Taufeucharistie und abendliches Gemeindemahl 4. Taufeucharistie und Gemeindemahl
Im Unterschied zu Tertullian erwähnt die TA 21 Eucharistiegebete des Bischofs über den eucharistischen Gaben. Bei der Taufeucharistie werden also keineswegs zuvor „konsekrierte“ Gaben verteilt, statt dessen findet als Abschluss des Taufgottesdienstes eine „richtige“ Eucharistiefeier mit der Darbringung von Brot und Wein sowie von Milch und Honig (und beim Lateiner außerdem von Wasser) statt. Da die Taufe am frühen Morgen stattfindet (s.o.), belegt die TA – ähnlich wie die apokryphen Apostelakten – im Falle des Taufgottesdienstes die Verlagerung der Eucharistiefeier auf den Morgen. Von den ebenfalls in der TA belegten abendlichen Gemeindemählern ist die Eucharistie also in diesem Fall bereits abgelöst – oder zumindest möchte der Kompilator der TA eine solche Ablösung forcieren! 150
Auch in dem äthiopischen Eucharistiegebet über die Milch ist das „Land, wo Milch und Honig fließen“, nur ganz indirekt (und übertragen auf die Kirche) präsent, primär geht es um die Nahrung kleiner Kinder aus den Brüsten des mütterlichen Geistes: „wir, das Geschlecht deiner Weide, die wir durch das Wort der (Wieder-)Geburt genährt werden mit Milch der Speise von deiner Gnade am Busen unserer heiligen Mutter, indem der Heilige Geist durch das Wort tröstet“. (DUENSING 123). Ein eschatologischer Sinn ist kaum noch zu erkennen, die Gabe von Milch und Honig wird rein präsentisch verstanden. 151 So gegen Ende des 4. Jahrhunderts z.B. im Breviarum Hipponense can. 23, in späteren Synodenbeschlüssen, außerdem in den postolischen Konstitutionen III 47,2f., vgl. dazu die Belege bei SEELIGER, Käse 199f.; KILMARTIN, Cups 256.
4. Taufeucharistie und Gemeindemahl
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4.1 Die abendlichen Gemeindemähler in der TA Aus der Sicht der TA ist es konsequent, dass die abendlichen Gemeindemähler nur noch in theologisch depotenzierter Form thematisiert werden. Umso erstaunlicher ist aber, dass die TA überhaupt noch solche Mähler kennt, auch wenn die bischöfliche Eucharistie schon aus diesen ausgelagert ist. An den hier beschriebenen Gemeindemähler nehmen nur Getaufte teil, wie in allen Versionen der TA extra betont wird.152 Dass die Katechumenen nicht am konsekrierten Brot und Wein Anteil bekommen und außerdem ihren Wein gesondert „darbringen“, zeigt den „kultische[n] Charakter dieser Gemeinschafts-M[ähler]“153 und dürfte darauf hindeuten, dass diese Regelungen ursprünglich ein eucharistisches Gemeindemahl betrafen.154 Dass sie trotz dieser Absonderung aber keineswegs von der Anwesenheit beim Mahl generell ausgeschlossen sind, könnte auf das hohe Alter dieser Regelungen hindeuten, zumal dies im Widerspruch zu Kap. 18f. steht.155 Die Taufe ist also nicht allein die „Zulassungsbedingung“ für die Teilnahme an der Eucharistiefeier, die Taufe ermöglicht auch die Teilnahme an abendlichen Mählern in Häusern christlicher Hausherren. Diese werden gerade nicht als „profane“ Abendessen von der Eucharistie abgegrenzt, wenn auch deutlich von ihr unterschieden.156 Eucharistie und Gemeindemahl sind in der Optik der TA zwei verschiedene Formen gemeinsamen Essens, zu der nur Getaufte Zugang haben. 4.2 Spuren von älteren eucharistischen Gemeindemählern In TA 22–30 werden Anweisungen zu diesen abendlichen Gemeindemahlzeiten überliefert. „Teile des Materials in diesen Kapiteln sind wahrscheinlich älter als die Kompilation u[nd] Überarbeitung des Textes im 4. Jh.“, diese Mähler werden zudem „als Feiern mit hoher Dignität beschrieben“.157 152
So der Lateiner (TA 27): Catechuminus in cena dominica non concumbat (FC 1, 280,1f., GEERLINGS). „Herrenmahl“ ist hier (anders als bei Paulus) die Bezeichnung für das von der Eucharistie unterschiedene Gemeindemahl („Agape“). Ebenso der Kopte (TILL/LEIPOLDT 27) und der Äthiopier (DUENSING 69,14f.). Zu der in der TA bezeugten festen Institution eines Gemeindemahls mit „eucharistischer Färbung“ vgl. den Kommentar bei GEERLINGS 195–198. 153 LEONHARD, Art. Mahl 1087. 154 Darauf deutet auch hin, dass das abendliche Gemeindemahl nach den Canones Hippolyti mit dem Empfang der Eucharistie begann, vgl. dazu auch LIETZMANN, Messe 199f. 155 So BRADSHAW/JOHNSON, Eucharistic Liturgies 19, sowie LEONHARD, Art. Mahl 1988. 156 Vgl. dazu die Bemühungen, die beim Gemeindemahl gesprochene Eulogie von der Eucharistie zu unterscheiden (TA 26: FC 1, 278, GEERLINGS; TILL/LEIPOLDT 25; DUENSING 69). 157 So LEONHARD, Art. Mahl 1086, im Anschluss an G. Rouwhorst.
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VIII. Die Taufeucharistie in der Traditio Apostolica
So spricht der Lateiner hier sogar von „cena dominica“ (Kap. 27, vgl 1Kor 11,20).158 A. Stewart-Sykes wie auch Bradshaw, Johnson und Philipps gehen davon aus, dass insbesondere TA 25–27 ursprünglich eucharistische Texte enthält.159 Laut Stewart-Sykes waren zudem die Kap. 36–38 ursprünglich auf das Sättigungsmahl bei der Eucharistie, später auf die private Kommunion zu Hause bezogen.160 Bradshaw stimmt mit der frühen Datierung dieses Materials überein, geht allerdings davon aus, dass die Kapitel „an early appendage to the core“ darstellen.161 Schwierig ist die Beurteilung des im äthiopischen Text erhaltenen Luzernars samt anschließender Kelchbenediktion (Kap. 25 Botte).162 Laut Bradshaw/Johnson/Philipps sind in dem äthiopisch überlieferten Kap. 25 noch Elemente eines älteren eucharistischen Gemeindemahles erhalten, das mit einer Bechereucharistie begann, worauf sich eine Austeilung des vom Bischof gebrochenen Brotes an die Mahlteilnehmer anschloss.163 Das Interesse des Textes geht auch hier klar dahin, die Rolle des Bischofs zu betonen, der den Kelch zu benedizieren und danach die Brotstücke auszuteilen hat.164 Allerdings dürften gerade in Kap. 26 noch die jüdischen Wurzeln dieser eucharistischen Symposien in den Häusern erkennbar sein, wo eine individuelle Danksagung der Mahlteilnehmer über ihrem Kelch erwähnt ist, also eine Kelcheucharistie angedeutet wird, die nicht dem Bischof vorbehalten ist.165 4.3 „Eucharistische Konkurrenz“ zwischen Hausherren und Bischof Diese hier verhandelten Mähler finden offenbar auf Einladung eines wohlhabenden Hausherren (Kap. 28: qui vocat vos) in dessen Haus (Kap. 27: 158 FC 1, 280,1f. GEERLINGS. Im Sahidischen steht hier laut Botte, der „cena domini“ übersetzt, der paulinische Begriff δεῖπνον. 159 Vgl. dazu STEWART-SYKES, TA 30f. Laut Stewart-Sykes hat REL die ursprünglich eucharistischen Kapitel (vgl. 141: „ancient eucharistic rite“) v.a. durch die Einfügung von Kap. 28 zu einer „private dinner party“ umgewandelt. 160 STEWART-SYKES, TA 159. 161 BRADSHAW, Who wrote 200. 162 Dazu BRADSHAW/JOHNSON/PHILIPPS, TA 156–160, die das Kapitel als 29C nach 29B (= Kap. 24 Botte) einordnen. KLINGHARDT, Gemeinschaftsmahl 511, nimmt an, dass die Bemerkungen zur Kelchsegnung und zur Austeilung der Brotstücke nicht auf das Luzernarium, sondern auf das anschließend (in Kap. 26) erwähnte Gemeinschaftsmahl zu beziehen sind. 163 Dazu auch BRADSHAW/JOHNSON, Eucharistic Liturgies 18f. 164 So im äthiopischen Kap. 25, analog dann aber im äthiopisch wie sahidisch erhaltenen Kap. 26. Beide Fassungen betonen an dieser Stelle, dass das hier verteilte Brot keine Eucharistie ist wie der Leib des Herrn. 165 So BRADSHAW/JOHNSON/PHILIPPS, TA 142. Kap. 26 ist in dieser Form nur sahidisch, arabisch und äthiopisch erhalten, der Lateiner enthält die fragliche Passage nicht.
4. Taufeucharistie und Gemeindemahl
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sub tecto eius) statt.166 Die TA betont aber, dass der Bischof den Vorsitz hat, und in dieser Vorschrift dürfte sich ihr eigentliches Anliegen gegenüber einer konkurrierenden Praxis manifestieren.167 Denn neben den klar „eucharistischen“ Elementen dieser abendlichen Mähler deutet auch die Aufwertung des Bischofs darauf hin, dass hier eine ältere Praxis – nämlich das abendliche eucharistische Symposium in Hausgemeinden unter dem Vorsitz des (nichtordinierten?) Hausherren – bewahrt, dass diese Praxis jedoch zu einem zwar vom Hausherrn gestifteten, aber vom Bischof vollzogenen Gemeindemahl transformiert wurde, aus dem die an den Bischof gebundene „Eucharistie“ ausgegliedert wurde.168 Mit den Regelungen der TA sollen demnach „konkurrierende“ eucharistische Symposien älteren Typs verhindert werden, die in Häusern unter dem Vorsitz von Hausherren stattfanden! Mit Wilhelm Geerlings kann man zwar sagen: „Die Kleriker (Bischof, Presbyter, Diakone) stehen den Laien gegenüber“.169 Doch diese Formulierung trifft eher das fiktive Bild, das die TA entwirft, und unterschätzt die pragmatische Absicht, die gerade in der Etablierung dieser Gegenüberstellung besteht. Man geht daher besser mit Charles A. Bobertz von einer zunehmenden Spannung zwischen „the still emerging authority of the Christian priesthood“ und „the social authority of patrons in a genuinely hierarchical society“ aus,170 die in der TA zugunsten ersterer aufgelöst wird. Dies zeigen gerade die Ausführungen zu den Gemeindemählen in den Häusern. Dem Gastgeber wird für den Fall, dass Kleriker anwesend sind, jede aktive Rolle bestritten, insbesondere hat er nicht den Mahlvorsitz inne und er eröffnet das Mahl auch nicht. Die Aufteilung der Mahlgaben wird von einem Presbyter oder Diakon vorgenommen, liegt also auch nicht in seinen Händen. Wenn keine Kleriker anwesend sind, hat der Hausherr zwar den Vorsitz, aber es gilt: „Laicus enim benedictionem facere non potest“ (Kap. 28). Er darf nur von dem, was übrigbleibt, anderen schicken (Kap. 28). Bobertz betont daher mit Recht 166
Vgl. dazu insgesamt BOBERTZ, Role. LEONHARD, Art. Mahl 1087, sieht eine Auseinandersetzung mit dem römischen Patronatssystem im Gange, im Zuge derer die privaten Patrone zu Spendern reduziert werden, deren Gaben der Bischof verwalte. Prägnant LIETZMANN, Messe 197: Ist kein Kleriker anwesend, sinke die Mahlfeier „von ihrer liturgischen Höhe zu einer bloßen Speisung herab“. 168 Da aber der Bischof hier wie dort mit dem Kelch hantiert und Brotstücke verteilt, rechnet der Text mit der Möglichkeit der Verwechslung, weswegen zumindest die sahidische und die äthiopische Fassung in Kap. 26 klarstellen, dass das verteilte Brot keine Eucharistie ist. 169 GEERLINGS, Einleitung 143. In der TA wird also m.E. weniger eine „kirchliche Verfassungswirklichkeit“ sichtbar, die „durch eine klare Trennung von Klerus und Laien gekennzeichnet“ ist (ebd. 160), als vielmehr der Versuch, eine solche durchzusetzen, insbesondere auf Kosten der Hausherren. 170 BOBERTZ, Role 182. 167
218
VIII. Die Taufeucharistie in der Traditio Apostolica
„the absence of a specific role for the patron“ und „the consequent loss in patronal status“.171 Es ist also offensichtlich, dass die Spannungen in den Kap. 23–30 dadurch entstanden sind, dass ältere Vorgaben für symposiale Eucharistien in Hausgemeinden unter dem Vorsitz des jeweiligen Hausherren nun unter klerikalen Vorzeichen redigiert wurden.172 Zugleich wurden die – ganz auf den Bischof zentrierten – Eucharistiefeiern aus den abendlichen Mählern in den Häusern ausgelagert. Die „Agapen“ wurden beibehalten, nicht zuletzt wegen ihres sozialkaritativen Charakters.
5. Fazit: Taufe und Taufeucharistie nach der TA 5. Fazit
Die TA belegt – ebenso wie der nordafrikanische Theologe Tertullian – den Brauch, den Neugetauften bei der Taufeucharistie neben dem eucharistischen Brot und Wein einen ebenfalls konsekrierten Kelch mit Milch und Honig zu reichen. Damit brechen die Neugetauften ihr Tauffasten. Laut der TA konsekriert der Bischof nicht nur Brot und Wein, sondern auch die zusätzlichen Gaben der Taufeucharistie. Die Taufeucharistie bildet damit neben der Eucharistie nach der Bischofsweihe und der (in Kap. 22 angedeuteten) Sonntagseucharistie eine eigene Form der Eucharistiefeier. Was bei jenen fakultativ möglich war (Kap. 5f.), gehörte bei dieser konstitutiv hinzu, nämlich die Darbringung weiterer Lebensmittel neben Brot und Wein – in diesem Fall Milch und Honig sowie an manchen Orten Wasser. Anlässlich der Taufe wurde die Eucharistie also zu einer kleinen Mahlzeit ausgeweitet. Die in den verschiedenen Fassungen der TA durchaus nicht eindeutigen Deutungen der einzelnen Elemente der Taufeucharistie belegen auch hier die „rather comprehensive view of baptism, Eucharist and their relation to one another“.173 Ob die verschiedenen Formen der Eucharistie von den abendlichen Gemeindemählern in den Privathäusern bereits für alle Gemeindeglieder klar getrennt waren, oder ob der Kompilator der TA diese Trennung forcieren wollte, ist letztlich unklar. Auffällig sind ja die Hinweise darauf, dass die abendlichen Gemeindemähler durchaus eucharistisch gefeiert wurden und nur für Getaufte zugänglich sind. Das Anliegen der TA besteht offensichtlich darin, die verschiedenen Formen der Eucharistie wie auch den Vorsitz bei den abendlichen Mählern in Privathäusern der Kontrolle durch den Bi171
BOBERTZ, Role 181. In diese Richtung auch STEWART-SYKES, TA 141. 173 KILMARTIN, Cups 263. BETZ, Milch 178: „Als Proprium der Taufeucharistie sagen die Sonderkelche etwas über die Taufe, die Eucharistie und über deren Zusammenhang aus“. 172
5. Fazit
219
schof oder andere Kleriker zu unterwerfen. Die im Hinblick auf das traditionelle Material in den Kap. 22–30 teilweise gewaltsam anmutende „DeEucharistisierung“ der abendlichen Mähler ist ebenso Teil dieser Strategie wie auch die Verlagerung der von dem Mahl getrennten Eucharistien auf den Morgen des Sonntags174 bzw. des Tauftags.
174
Mit GEERLINGS, Einleitung 162.
Zweiter Hauptteil
Taufe und Eucharistie im Neuen Testament
Kapitel IX
Taufe und Mahl in der Apostelgeschichte IX. Taufe und Mahl in der Apostelgeschichte
1. Wassertaufe ohne Mahlgemeinschaft 1. Wassertaufe ohne Mahlgemeinschaft
Kommt man vom altkirchlichen Befund zur Apostelgeschichte, so fallen gravierende Unterschiede ins Auge. Denn zwar bietet der dritte Evangelist im zweiten Teil seines Doppelwerkes eine ganze Reihe von Tauferzählungen, deren exemplarischen Charakter Friedrich Avemarie herausgearbeitet hat.1 Sowohl die ausführlichen Tauferzählungen als auch die summarischen Taufnotizen haben in der lukanischen Konzeption eine wichtige Funktion, auch wenn keineswegs alle Christusglaubenden die Taufe auf den Namen Jesu empfangen.2 Aber nirgendwo wird die Wassertaufe (βαπτίζειν κτλ.) mit dem Brotbrechen (κλάσις ἄρτου bzw. κλᾶν ἄρτον), in der Apostelgeschichte terminus technicus für den eucharistischen Brotritus, in direkte Verbindung gebracht. Zunächst ist eine Klärung des lukanischen Sprachgebrauchs im Hinblick auf das „Brotbrechen“ nötig. Dort wo Lukas mahleröffnende Vollzüge erzählt, bezeichnet κλᾶν ἄρτον konkret das Zerbrechen bzw. Zerreißen des Brotfladens.3 Daneben benutzt der Evangelist die Wendungen κλᾶν [τὸν] ἄρτον bzw. κλάσις [τοῦ] ἄρτου aber auch summarisch für den gesamten Eröffnungsritus der Mahlzeit, der aus dem Nehmen des Brotfladens, dem Sprechen des Segens- bzw. Dankgebets sowie dem Zerreißen des Fladens und der Austeilung der Stücke an die Mahlteilnehmer besteht.4 Laut Apg 20,7.11 ist dieser ehemalige Eröffnungsritus in der heidenchristlichen Ekklesia von Troas bereits von einem Mahl getrennt
1
Dazu AVEMARIE, Tauferzählungen 44–49. Vgl. außerdem SCHRÖTER, Taufe 559f., laut dem die Tauferzählungen in der Apg „in den Kontext der numerischen und geographischen Ausbreitung der Kirche gehören“. 2 Apollos kennt nur die Johannestaufe und wird auch nicht „nachgetauft“ (18,24f.), und weder vom Prokonsul Sergius Paulus (Apg 13,12), noch vom Areopagiten Dionysios (17,34) berichtet Lukas eine Taufe, dasselbe gilt von den in 1,13f. aufgezählten Mitgliedern der Jerusalemer Urgemeinde. 3 So in Lk 9,15f. (κατέκλασεν); 22,19; 24,30 sowie in Apg 27,35. 4 So in Lk 24,35, wonach der auferstandene Jesus von den Emmausjüngern „am Brotbrechen erkannt wurde“ (ὡς ἐγνώσθη αὐτοῖς ἐν τῇ κλάσει τοῦ ἄρτου), was alle vier in 24,30 genannten Handlungen (λαβὼν τὸν ἄρτον / εὐλόγησεν / καὶ κλάσας / ἐπεδίδου αὐτοῖς) umfasst. Ebenso in Apg 2,42 und 2,46.
IX. Taufe und Mahl in der Apostelgeschichte
224
und zum eigentlichen Vollzug geworden.5 Keineswegs bezeichnet κλᾶν ἄρτον bzw. κλάσις ἄρτου dagegen die gesamte Mahlzeit.6 Die lukanische Fassung des letzten Paschamahles Jesu zeigt darüber hinaus, dass ein Weinritus gerade nicht Bestandteil des lukanischen „Brotbrechens“ ist.7 Vielleicht begingen die Gemeinden, in denen der Evangelist wirkte, das „Brotbrechen“ nur mit Brot8 und ohne Gemeindemahl, in jedem Fall ist dies die Form, die er seinen Adressaten als Ideal vor Augen stellt!
1.1 Die Umkehrtaufe von Juden an Pfingsten (Apg 2) Dass Lukas die Wassertaufe keineswegs mit dem, was er unter „Brotbrechen“ versteht, in eine direkte Verbindung bringt oder letzteres gar als notwendigen Bestandteil eines Initiationsritus sieht, zeigt bereits die Pfingsterzählung (Apg 2,1–41). In deren Kontext fordert Petrus seine Zuhörer aus der jüdischen Bevölkerung Jerusalems auf, die Wassertaufe auf den Namen Jesu Christi empfangen: Apg 2,38–42 2,38
5
a b c
Petrus aber [sprach] zu ihnen: „Kehrt um, und es lasse sich taufen ein jeder von euch (καὶ βαπτισθήτω ἕκαστος ὑμῶν)
In Apg 20,11 steht γευσάμενος ganz parallel zu κλάσας τὸν ἄρτον und hat im Unterschied zu Lk 14,24 (τοῦ δεῖπνου) kein Objekt (vgl. Apg 10,10 und 23,14). Das Verb bezieht sich also wohl nicht auf eine volle Mahlzeit, vielmehr „ist das Objekt des ‚Essensʻ aus dem Kontext zu erschließen: das Brot“ (SCHNEIDER, Apg II 287 Anm. 32). Analog Apg 27,35: Auch Paulus isst vor den Augen der Schiffsbesatzung offenbar nur Brot! Von einer Verteilung des gesegneten und gebrochenen Brotes an die Besatzung ist nicht die Rede, erst recht nicht von einem gemeinsamen Essen (συνεσθίειν). Vielmehr erweckt Lukas den Eindruck, dass Paulus und die Besatzung je für sich essen. Zumindest beginnt Paulus alleine zu essen, die anderen fassen daraufhin guten Mut und nehmen dann ebenfalls Nahrung zu sich (προσελάβοντο τροφῆς). 6 Das zeigt die sorgfältige Formulierung in Apg 2,46, wo Lukas zwischen „Brotbrechen“ und dem μεταλαμβάνειν τροφῆς genau unterscheidet: κλῶντές τε κατ’ οἶκον ἄρτον, μετελάμβανον τροφῆς ἐν ἀγαλλιάσει καὶ ἀφελότητι καρδίας. Anders z.B. ASCOUGH, Function 211f. WENDEL, Gemeinde 183f., ordnet die beiden mit τε... τε... verbundenen Partizipien in 2,46 (τε προσκαρτεροῦντες... κλῶντες τε...) dem finiten Verb μετελάμβανον τροφῆς unter und nimmt daher an, dass die Gemeinde nicht nur abendliche, vom „Brotbrechen“ eingeleitete Mähler in den Häusern, sondern auch öffentliche „missionarische“ Mahlzeiten im Tempel abhielt. Dazu THEOBALD, Eucharistie als Quelle 87 mit Anm. 271, und 97 mit Anm. 306. 7 Die „Verzichtserklärung“ Lk 22,18 schließt das eigentlich aus, vor allem fehlt aber ein „Anamnesiswort“ gerade bei dem die Paschamahlzeit abschließenden Becherwort Jesu (Lk 22,20). Vgl. dazu ausführlich WEIDEMANN, Engelsgleiche 43–47, außerdem THEOBALD, Eucharistie als Quelle 90f. 8 So auch THEOBALD, Eucharistie als Quelle 90f. Theobald nimmt darüber hinaus eine einmal jährlich in der Paschanacht begangene Mahlfeier an, bei der auch Wein Verwendung fand.
1. Wassertaufe ohne Mahlgemeinschaft
d 41
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42
225
auf den Namen Jesu Christi zur Vergebung eurer Sünden, und ihr werdet empfangen die Gabe des Heiligen Geistes“. (…) Diejenigen nun (οἰ μὲν οὖν), die sein Wort annahmen, ließen sich taufen (ἐβαπτίσθησαν),9 und hinzugefügt wurden an jenem Tag ungefähr 3000 Seelen. Sie hielten aber (δέ) fest an der Lehre der Apostel und an der Gemeinschaft, am Brotbrechen (τῇ κλάσει τοῦ ἄρτου) und an den Gebeten.
Keineswegs folgt auf die Taufnotiz von 2,41 eine Schilderung postbaptismaler Vollzüge oder gar einer postbaptismalen Mahlgemeinschaft. Zwar erwähnt Lukas im Kontext seines direkt angeschlossenen ersten Summars (2,42–47) zweimal das Brotbrechen (2,42.46), allerdings gehört dieses neben der Lehre der Apostel, der (Güter-)Gemeinschaft und den Gebeten zu jenen Dingen, die die Neugetauften „festhielten“. Nirgendwo deutet Lukas an, dass das „Brotbrechen“ im Unterschied zu den anderen genannten Bestandteilen des Gemeindelebens der Urgemeinde zur Initiation gehört hätte.10 Hinzu kommt, dass die „Pfingstpredigt“ des Petrus laut 2,15 am Vormittag („zur dritten Stunde“) stattfindet, die mit dem Brotbrechen eingeleiteten täglichen Mahlfeiern, an denen auch die neugetauften Juden „festhielten“, dagegen abends.11 Ganz im Sinne der Didache eröffnet die Wassertaufe den zur Umkehr bereiten Jerusalemer Juden von Apg 2 den Zugang zu den abendlichen Mahlfeiern der „Urgemeinde“. Ein von dieser Mahlfeier abgelöstes und direkt an die Taufe angeschlossenes „Brotbrechen“ erwähnt Lukas nicht. 1.2 Die Taufen des Philippus in Samaria (Apg 8) Die meisten (!) der weiteren lukanischen Tauferzählungen bestätigen dieses Bild. Im Zusammenhang der Philippusmission erzählt Lukas, dass 9
Zum kausativen Passiv im Unterschied zum „echten Passiv“ (so in Gal 3,27) vgl. HOFIUS, Glaube und Taufe 266 mit Anm. 45 und 46. 10 Vielmehr geht es Lukas laut THEOBALD, Leib 140, darum, dass „erst nach der pfingstlichen Herabkunft des Geistes und seinem Wirksamwerden in der durch ihn entstandenen Ekklesia bzw. nach der Taufe Eucharistie möglich ist“. 11 Darauf deuten Lk 9,12 („der Tag begann, sich zu neigen“); 22,14 und 24,29 hin, indirekt auch Apg 2,46, wonach sich die Urgemeinde doch wohl tagsüber im Tempel aufhält, und dann abends in den Jerusalemer Hausgemeinden das Brot bricht. Laut Apg 20,7–12 findet das „Brotbrechen“ im Kontext einer nächtlichen Vigilfeier statt, von einem Gemeindemahl ist aber keine Rede. Die einzige Ausnahme bildet Apg 27,33–38, wonach Paulus das Brot in der Morgendämmerung bricht, doch handelt es sich hier um eine außergewöhnliche Situation und außerdem nicht um ein Gemeindemahl.
226
IX. Taufe und Mahl in der Apostelgeschichte
„Samaria das Wort Gottes angenommen hat“ (8,14), konkret: indem sich samaritanische „Männer und Frauen taufen ließen“ (8,12: ἐβαπτίζοντο ἄνδρες τε καὶ γυναῖκες). Lukas betont dabei zwar ausdrücklich, dass Philippus – anders als z.B. der alexandrinische Judenchrist Apollos (18,25) – die Taufe „auf den Namen des Herrn Jesus“ (8,16 εἰς τὸ ὀνόματι τοῦ κυρίου Ἰησοῦ) spendet, spricht ihr aber explizit ab, den Hl. Geist zu vermitteln – hierfür ist die Anreise der beiden „Hebräer“ Petrus und Johannes notwendig; erst durch deren Gebet und Handauflegung empfangen die auf den Namen Jesu getauften Samaritaner den Geist (8,18).12 Vielleicht fehlte schon in den alten Philippusstoffen eine Geistmitteilung an die Getauften.13 Lukas macht sich diesen Zug in jedem Fall zunutze, um die Samariamission des Hellenisten Philippus als Expansion der Jerusalemer Ekklesia zu schildern und nicht etwa als Gründung einer eigenen Ekklesia. Die Erzählung hat demnach eine spezifische Funktion für die geographisch strukturierte Ekklesiologie des Lukas. Durch das Agieren des Aposteltandems werden die neu für den Christusglauben erschlossenen samaritanischen Gebiete der sich von Jerusalem aus ausbreitenden Ekklesia angegliedert. Die Philippusmission ist für Lukas also ein entscheidender Schritt zur Konstituierung der Ekklesia auf dem Territorium des Heiligen Landes, denn v.a. durch die Tauftätigkeit des Philippus wird aus der „Ekklesia in Jerusalem“ (8,1: ἡ ἐκκλησία ἡ ἐν Ἱεροσολύμοις, vgl. 5,11) die „Ekklesia durch ganz Judäa und Galiläa und Samaria“ (9,31: ἡ ἐκκλησία καθ᾽ ὅλης τῆς Ἰουδαίας καὶ Γαλιλαίας καὶ Σαμαρείας).14 Lukas nutzt das Fehlen einer Geistmitteilung an Getaufte in den Philippusstoffen also nicht alleine, um die Bestätigung und Sanktionierung der Samariamission durch die Jerusalemer Apostel einzubringen.15 Vielmehr breitet sich die in Jerusalem entstandene Ekklesia durch die Mission des vertriebenen Hellenisten auf dem Gebiet des Heiligen Landes weiter aus.16 12
διὰ τῆς ἐπιθέσεως τῶν χειρῶν τῶν ἀποστόλων δίδοται τὸ πνεῦμα AVEMARIE, Tauferzählungen 254–266, hat dies plausibel auf vorlukanische, wohl auf Philippus selbst zurückgehende Erzählzüge zurückgeführt. 14 Lukas benutzt den Begriff ἐκκλησία bisher für die Jerusalemer Urgemeinde (5,11; 8,1.3; vgl. 15,4.22). Es gibt keinen Grund zu bezweifeln, dass dies auch im Hintergrund von 9,31 steht (anders dann erst ab 13,1). Es geht also um die Jerusalemer Ekklesia, insofern sie sich über das Gebiet des Landes Israel verbreitet hat. Die Episode in Apg 8 zeigt ja gerade, dass es Lukas auf diese „Anbindung“ ankam. Eine nachösterliche Mission Galiläas erzählt Lukas nicht, vermutlich geht er davon aus, dass durch die Wirksamkeit Jesu (Lk 4,14) und die positive Resonanz dort (im Unterschied zu Samaria: Lk 9,51– 56; 17,11–19) bereits der Boden bereitet war. 15 AVEMARIE, Tauferzählungen 216. 16 In Apg 9 erwähnt Lukas dann auch „Heilige“ in Lydda (9,32), Bekehrte in Scharon (9,35) sowie „Heilige und Witwen“ (9,41) bzw. eine Jüngerin (9,36) sowie Jünger (9,38) in Joppe. Auf der anderen Seite verschleiert Lukas die Entstehung der Ekklesia in Damaskus. 13
1. Wassertaufe ohne Mahlgemeinschaft
227
Den Programmsatz für diesen Vorgang hatte Lukas schon zu Beginn der Apg dem auferstandenen Jesus in den Mund gelegt: Apg 1,8 8
a b c d
e
Aber ihr werdet Kraft empfangen, indem der heilige Geist auf euch kommt. Und ihr werdet meine Zeugen sein: sowohl in (ἔν τε) Jerusalem als auch (καί) in ganz Judäa und (καί) Samaria; und bis (καὶ ἕως) an das Ende der Erde (Jes 49,6 LXX).17
Sieht man genauer hin, so steht die duale, „geographisch strukturierte“ Ekklesiologie des dritten Evangelisten im Hintergrund auch dieses Satzes: Deutlich wird die Zeugenschaft der Apostel auf dem Gebiet (ἐν) des Heiligen Landes (8d: Jerusalem, Judäa und Samaria18) von der dynamischen Bewegung „bis (ἕως) an das Ende der Erde“ unterschieden.19 1,8a-d umfasst damit den bis Apg 9,31 reichenden Erzählbogen. Man kann sagen, dass 1,8d das martyrologisch formuliert, was in 9,31 dann ekklesiologisch ausgedrückt wird. 1.3 Die Taufe des äthiopischen Eunuchen durch Philippus (Apg 8,26–40) Wie schon im Pfingstkapitel vermeidet es Lukas auch in Apg 8,12, von der Taufe von samaritanischen „Häusern“ oder Familien zu reden, sondern er spricht nur davon, dass „Männer und Frauen“ getauft wurden. Hierzu passt, dass darauf dann die Taufen von drei durchaus „dubiosen“ Einzelgestalten erzählt werden, nämlich von Simon Magus, des äthiopischen Eunuchen sowie des Verfolgers der Jerusalemer Ekklesia, Saulus. Die erste von ihnen, die Erzählung von der Taufe des Simon Magus, der zu Philippus in eine Art Jüngerschaftsverhältnis eintritt, hat einen klar individualistischen Zug: ἦν προσκαρτερῶν τῷ Φιλίππῳ.20 Besonders ausge17 Laut BARRETT, Acts I 80, meint γῆ hier wie in 13,47 „Erde“, nicht „Land“ (mit Belegen). Tatsächlich spricht das Zitat von Jes 49,6 in Apg 13,47 eindeutig dafür, dass Lukas auch in 1,8 die Wendung ἕως ἐσχάτου τῆς γῆς als Anspielung auf die genannte Jesajastelle verstanden hat (ebenso HAENCHEN, Apg 150). 18 Galiläa wird hier nicht mehr erwähnt, da Jesus im ersten Teil des Doppelwerkes hier selbst gewirkt hat. Zur Diskussion BARRETT, Acts I 80f. 19 SCHNEIDER, Apg I 203, unterscheidet mit Recht „drei konkrete Etappen“ in 8d von der „Umschreibung des Endpunktes“ in 8e. Die Zweigliedrigkeit der Verheißung betont v.a. BURCHARD, Zeuge 134 Anm. 309. 20 AVEMARIE, Tauferzählungen 260, vermerkt dazu mit Recht die Parallelen zur Johannestaufe.
228
IX. Taufe und Mahl in der Apostelgeschichte
prägt ist dieser individualistische Zug aber im Falle des äthiopischen Eunuchen. Diese Tauferzählung nimmt im lukanischen Text eine eigenartige Zwischenstellung ein. Die Lukas vorliegenden Philippusüberlieferungen könnten mit der Taufe des Äthiopiers bereits eine die Grenzen des Judentums überschreitende Dynamik der frühchristlichen Mission dargestellt haben, doch hat Lukas diesen Aspekt deutlich abgeblendet, wobei ihm die charakteristischen Eigentümlichkeiten der Philippustaufe – nämlich ihr unpneumatischer Charakter sowie das in diesen Stoffen herrschende Desinteresse an einer Gemeindebildung – entgegen gekommen sein dürften. Besonders letzteres prägt ja die Geschichte von der Taufe des Äthiopiers, der im Anschluss an seine Taufe seines Weges zieht und weder den Geist verliehen bekommt, noch sich einer Ekklesia anschließt. Im Unterschied zu den Tauferzählungen von Apg 10f. und 16 ist weder von einer Taufe der Begleiter des Eunuchen (8,38) die Rede21 noch von irgendeiner Art von postbaptismaler Gemeinschaft von Täufling und Täufer.22 Ob sich der Eunuch irgendwo einer Gemeinde anschließt oder aber in seiner Heimat zu missionieren und selbst Gemeinden zu gründen beginnt, erfahren wir nicht. Friedrich Avemarie dazu: „Was der Taufe des Äthiopiers fehlt, ist die kirchliche Verbindlichkeit, wie sie bei der Bekehrung des Kornelius durch das beglaubigende Dabeisein weiterer Christen, die anschließende Gastfreundschaft und vor allem die Zustimmung der Jerusalemer Gemeinde geschaffen wird. Aber gerade wegen dieser Defizite eignet sich die Episode vorzüglich, eine allmählich sich anbahnende Entwicklung zu illustrieren, die erst später und an anderer Stelle zum Durchbruch kommen soll.“23 Im Unterschied zum gehobenen gesellschaftlichen und politischen Status,24 seiner Volkszugehörigkeit25 und zu seiner Kastration (s.u.) bleibt das Verhältnis des Eunuchen zum Judentum undeutlich, was in der Forschung 21
Vgl. dazu Apg 10,44–48; 16,15; 16,31.33; 18,8. Dem entspricht auch der eigenartige Erzählzug der Entrückung des Philippus direkt nach der Taufe des Äthiopiers durch das Pneuma (8,39). Die Aufgabe des Philippus ist demnach mit Verkündigung und Taufe restlos erfüllt. Vgl. dazu AVEMARIE, Tauferzählungen 268. Laut Avemarie geht das Translokationsmotiv wahrscheinlich auf Lukas selbst zurück und soll das Ausbleiben einer postbaptismalen Gemeinschaft zwischen Philippus und dem Eunuchen, von der die Überlieferung nichts wusste, erklären (ebd. 293f.). 23 AVEMARIE, Tauferzählungen 67. 24 Der Eunuch wird als δυνάστης der Königin des Volkes, der er als Αἰθίοψ angehört, und als Verwalter ihres Schatzes bezeichnet (LEUTZSCH, Eunuch 407). WILSON, Male 418, betont, dass der Eunuch also einer Frau dient. Reiseausstattung und Lesekompetenz zeigen die gehobene soziale Stellung des Eunuchen, dazu ausführlich WILSON, Male 404f. und 418–420, die „the inextricable connection between status, gender and ethnicity“ herausarbeitet. 25 Zur Charakterisierung als Αἰθίοψ vgl. LEUTZSCH, Eunuch 410–413, sowie WILSON, Male 411–417. 22
1. Wassertaufe ohne Mahlgemeinschaft
229
zu unterschiedlichen Charakterisierungen geführt hat. Lukas teilt seinen Adressaten mit, dass der Mann nach Jerusalem gereist war, um anzubeten (8,27: προσκυνήσων), und dass er auf der Rückreise26 laut aus dem Buch des Propheten Jesaja liest (8,28.30.32ff.). Daher hat man den Mann als (bildungsbeflissenen) Heiden27, als „Halbjuden“28 oder gar als Proselyten29 identifiziert; Lukas wollte ihn aber vermutlich als Gottesfürchtigen darstellen, auch wenn er ihn weder als σεβόμενος noch als φοβούμενος bezeichnet.30 Martin Leutzsch formuliert präzise: „In der vom lukanischen Doppelwerk repräsentierten Variante der Jesusbewegung ist der Eunuch ein Vertreter jener paganen Oberschichten mit Sympathien für das Judentum, denen besondere Aufmerksamkeit gilt“.31 Neben seiner gehobenen sozialen Stellung ist dieser Mann (8,27: ἀνήρ) für Lukas aber insbesondere wegen seines Eunuchentums von Bedeutung. Fünfmal bezeichnet er ihn als εὐνοῦχος (8,27.34.36.38.39). Aber das Eunuchentum des Äthiopiers ist nicht nur Teil der Kommunikation zwischen implizitem Autor und seinen Adressaten. Die Leser können aus der Tatsache, dass Philippus den Mann laut aus der Jesajarolle lesen hört (8,30), schließen, dass dieser an der Stimme des Äthiopiers erkannt haben müsste, dass es sich um einen Eunuchen handelt.32 Nach der lukanischen Darstel26
Der Eunuch bewegt sich also schon zu Beginn der Geschichte nicht auf den Zion zu, sondern bewegt sich von dort weg. 27 So LINDEMANN, Eunuch 127.132f.: Lukas denke an einen aus einem fernen Land stammenden wohlhabenden hohen Beamten, der aus Interesse den jüdischen Kult kennenlernen und die jüdische Religion von deren Quellen her studieren will. Sein religiöses Interesse habe weder am Jerusalemer Heiligtum noch durch die Lektüre des prophetischen Textes eine Antwort gefunden. Ähnlich SCHMIDT, Bekehrung 192f., laut dem der Äthiopier „als erster bekehrter Heide zu gelten“ hat. 28 SCHMITHALS, Apg 84 (allerdings in Anführungszeichen). Ebd.: Im Verständnis des Lk handle es sich um einen „Quasi-Israeliten“, „der als Verschnittener nicht beschnitten werden konnte: ein halber Israelit, der ein voller Israelit gerne werden möchte, aber nicht werden kann“. 29 JERVELL, Apg 271. 274. 30 So auch LEUTZSCH, Eunuch 407f., laut dem Lukas ihn wahrscheinlich als Sympathisanten des Judentums darstellen wollte, „der an Ritualen und religiösen Anschauungen des Judentums partizipiert und seine Affinität zur jüdischen Religion durch Patronage zeigen kann, ohne durch Konversion Vollmitglied des jüdischen Volkes geworden zu sein“. Das Beispiel des Offiziers in Kapharnaum Lk 7,3–5 zeige, dass die Bezeichnung „gottesfürchtig“ für solche lukanischen Erzählfiguren nicht zwingend ist. 31 LEUTZSCH, Eunuch 425. 32 Vgl. dazu Philostratos, Vitae sophisticarum 1,8 (489) (LCL 134, 22, WRIGHT): Der als Hermaphrodit geborene (διφυὴς δὲ ἐτέχθη καὶ ἀνδρόθηλυς) Favorinus wird – neben seiner Bartlosigkeit – v.a. an seinem Stimmklang erkannt (ἐδηλοῦτο δὲ καὶ τῷ φθέγματι), denn diese hörte sich schrill, dünn und hoch an (ὀξυηχὲς γὰρ ἠκούετο καὶ λεπτὸν καὶ ἐπίτονον), ganz so „wie die Natur es den Eunuchen auferlegte“ (ὥσπερ ἡ φύσις τοὺς εὐνούχους ἥρμοκεν). Zur „weiblichen“ Stimme von Eunuchen außerdem Lukian, Eunuch
230
IX. Taufe und Mahl in der Apostelgeschichte
lung hat Philippus also ganz bewusst einen Eunuchen und damit jemanden, der laut Dtn 23,1 LXX von der ἐκκλησία κυρίου ausgeschlossen war, getauft. Fragt man, welche Assoziationen das Stichwort εὐνοῦχος bei den impliziten Lesern vermutlich auslösen sollte, so dürften laut der Quellenlage33 insbesondere zwei im Vordergrund stehen: Die Ambiguität im Hinblick auf die Geschlechterrollen,34 vor allem aber die Unfruchtbarkeit, also die Unfähigkeit zur Zeugung von Nachkommen.35 Zwei zeitgenössische Stimmen mögen hier genügen: Laut Lukian von Samosata ist ein Eunuch „weder Mann noch Frau (οὔτε ἄνδρα, οὔτε γυναῖκα), sondern irgendwie zusammengesetzt (τι σύνθετον), hybrid (μικτόν) und monströs (τερατῶδες), (und damit) außerhalb der menschlichen Natur (ἔξω τῆς ἀνθρωπείας φύσεως)“.36 Und auch Philo von Alexandrien37 betont, dass Eunuchen (die er auch „Verstümmelte“, „Gequetschte“ usw. nennt) „weder Mann noch Frau“ sind (Ebr 211. 212), und er verwendet für sie das Stichwort ὁ ἀνδρόγυνος (SpecLeg III 38). Wichtig für Philo ist insbesondere die Unfruchtbarkeit von Eunuchen: Eunuchen sind „zeugungsunfähig und unfruchtbar, und d.h. entmannt“ (Ebr 211). Diese Unfruchtbarkeit bringt er bemerkenswerterweise direkt mit dem Thema der Unsterblichkeit in Verbindung: Eunuchen seien „ausgetreten aus der Männergesellschaft, geflohen auch aus der Gesellschaft der Frauen, weder ein männliches noch ein weibliches Wesen, ohne Samen spenden noch empfangen zu können, von beiden Seiten angefeindet, zu keiner von beiden gehörend, eine Fehlprägung der Münze Mensch, ohne Anteil an der Unsterblichkeit (ἄμοιρος ἀθανασίας), die durch Aufeinanderfolge von Kindern oder Nachkommen für immer lebendig erhalten wird, ausgeschlossen auch aus der Versammlung und der heiligen Ekklesia (ἐκκλησίας ἱερᾶς) (es folgt Dtn 23,1)“ (Somn II 184).
Während Lukas an der Ambiguität der Geschlechterrollen offensichtlich kein größeres Interesse hat,38 steht für ihn der Aspekt der Unfähigkeit zur Fortpflanzung im Vordergrund. Laut Philo (s.o.) bedeutet diese ja sogar, keinen Anteil an der Unsterblichkeit zu haben. Für Lukas dagegen sind 7 (τέλος δὲ λεπτόν τι καὶ γυναικεῖον ἐμφθεγξάμενος) und 10 (τὸ φώνημα γυναικεῖος) (LCL 302, 338+342, HARMON). 33 Vgl. ausführlich dazu KUEFLER, Manly Eunuch, sowie HESTER, Eunuchs. 34 Dazu auch LEUTZSCH, Eunuch 423f. 35 LEUTZSCH, Eunuch 412f. (vgl. 421), betont mit Recht, dass der Eunuch von Lukas nicht als marginale oder diskriminierte Person dargestellt wird. Ausführlich hat HESTER, Eunuchs 18–24, belegt, dass Eunuchen in der Antike keineswegs immer (oder auch primär) als sexuell enthaltsam bzw. als zu Sexualakten unfähig angesehen wurden. 36 Lukian, Eunuch 6 (LCL 302, 336, HARMON); dazu auch HESTER, Eunuchs 20, und WILSON, Male 406f. 37 Vgl. dazu auch HESTER, Eunuchs 28–30. 38 Mit LEUTZSCH, Eunuch 425. Auch wenn man von den philonischen Stellen her sagen könnte, dass Philippus eben nicht nur „Männer und Frauen“ (8,12), sondern auch jemanden tauft, der „weder Mann noch Frau“ und also androgyn ist, so bezeichnet Lukas den Eunuchen doch explizit als „Mann“ (8,27).
1. Wassertaufe ohne Mahlgemeinschaft
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Heirat, Sexualität und Fortpflanzung auf den gegenwärtigen Äon beschränkt und werden mit diesem vergehen.39 Dass Philippus ausdrücklich (und bewusst) einen Eunuchen tauft, steht daher im Kontext der lukanischen Relativierung der Fortpflanzung und ihrer theologischen Überhöhung. Man kann sagen, dass sich Lukas damit in den von Jes 56,3–5 eröffneten Gegendiskurs zu Dtn 23,1 (samt seiner jüdischen Wirkungsgeschichte, s.o.) einschreibt.40 Am „dürren Holz“ des Äthiopiers, der ja – untypisch für Lukas – keinen Namen trägt, erfüllt sich die Prophetie von Jes 56,5 wonach Eunuchen einen Namen erhalten werden, der mehr wert ist als Söhne und Töchter. 1.4 Die Taufe des Saulus in Damaskus (Apg 9) Im Unterschied zu den Ereignissen in Samaria wird im Falle des Saulus ein einzelner Jude in einer bereits bestehenden „judenchristlichen Gruppe“41 in Damaskus getauft. Der Jude Saulus wird, nachdem er von heiligem Geist erfüllt wird (Apg 9,1742), getauft (9,18), wobei er den Namen Jesu anruft (22,16), und schließt sich damit den christusgläubigen Juden von Damaskus an (9,19). Die Saulusepisode enthält damit sowohl den Aspekt der Initiation als auch den der Sündenvergebung. Allerdings scheint die Taufe des Saulus nicht vor der Gemeinde, sondern „spontan durch eine Einzelperson“ vollzogen worden zu sein.43 Auch wenn das Subjekt des Passivs ἐβαπτίσθη letztlich unklar bleibt, so wird es sich doch um Ananias gehandelt haben. Dieser redet Paulus jedoch bei der Handauflegung mit „Saul, Bruder“ an (9,17; 22,13).
In der lukanischen Darstellung trägt die Taufe des Saulus noch deutliche Spuren einer Bußtaufe, der sich der ehemalige Verfolger „zur Vergebung der Sünden“ (22,16) zu unterziehen hatte. Dazu passt auch das dreitägige Fasten des erblindeten Paulus (9,9), das „für den Erzähler ein Bußfasten des Verfolgers als Folge der Erschütterung durch die Audiovision und 39
Vgl. Lk 20,34–36 und dazu WEIDEMANN, Engelsgleiche 35–38, ferner Lk 23,29 (vgl. 21,23). 40 Laut LEUTZSCH, Eunuch 418, leistet Jes 56 „in der Gattung der Gottesrede, was das Buch Ruth (gegenüber Dtn 23,4) und das Buch Jona (gegenüber Dtn 18,21f.) im Medium der Erzählung tun: einen Gegendiskurs zu einer Norm des Dtn eröffnen“, nämlich zu Dtn 23,1. Vgl. dazu auch Sap 3,14–4,1. 41 Lukas vermeidet für die Christusgläubigen in Damaskus den Begriff „Ekklesia“, er redet statt dessen von „denen, die des Weges sind“ (9,2), von „Jüngern“ (9,10.19.25) und von denen, „die deinen Namen anrufen“ (9,14). Die Anfänge der Damaszener Judenchristenheit lässt er (wie die Roms, vgl. 28,15) ganz im Dunkeln, da sich diese seinem ekklesiologischen Schema querstellen. 42 Die Erfüllung mit Heiligem Geist wird mit der Handauflegung verbunden, die jedoch zugleich einen Heilungsgestus darstellt. 43 Vgl. HENGEL/SCHWEMER, Paulus 75.
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IX. Taufe und Mahl in der Apostelgeschichte
kaum ein Hinweis auf das institutionelle Fasten vor der Taufe, das erst wesentlich später bezeugt wird“,44 ist. Saulus, der die „Jünger des Herrn“ brutal verfolgte (26,9–11), wird aufgefordert, den Namen des Herrn zur Abwaschung seiner Sünden anzurufen (22,16; vgl. 26,18). Die Bußtaufe des Verfolgers Saulus ist also in gewisser Weise eine Analogie zu der in Apg 2,41 erzählten Bußtaufe von 3000 Jerusalemer Juden, die ihre Mitschuld an der Hinrichtung Jesu bereuen (s.u.). Im Unterschied zu den Taufen in den Philippusstoffen, aber analog zur Massentaufe der Pfingstgeschichte bildet im Falle des Saulus nicht die Taufe, sondern die postbaptismale Gemeinschaft des Getauften mit den „Jüngern“ in Damaskus den Höhepunkt des Textes: „Er war aber einige Tage bei den Jüngern in Damaskus“ (9,19).45 Dieser Zug gehörte laut F. Avemarie schon zur vorlukanischen Version der Geschichte: „Die Taufnotiz wird kaum bereits das Ende der [vorlukanischen – H.W.] Erzählung gebildet haben. Denn um zu zeigen, dass die Intervention des Ananias eine Situation geschaffen hatte, die auch für die bislang Verfolgten verbindlich war, musste wenigstens Saulus’ Aufnahme in die örtliche Gemeinde erwähnt werden“.46 Noch vor dieser Bemerkung spielt Lukas – komplementär zum Fasten – die Mahlthematik ein: „Und nachdem er Speise genommen hatte, kam er wieder zu Kräften“. Dass diese nach der Taufnotiz knapp erwähnte Nahrungsaufnahme, durch die der vom (Buß-)Fasten Geschwächte wieder zu Kräften kommt (9,19), die Teilnahme am Gemeindemahl impliziert, deutet Lukas nirgendwo an. Natürlich dürfte eine Integration des Neugetauften in die Mähler der Gemeinde insinuiert sein,47 doch im Unterschied zu Apg 2,46 vermeidet Lukas die klare Benennung dieses Aspekts, auch wenn das Stichwort τροφή Apg 9,19 mit 2,46 verbindet.48
44
HENGEL/SCHWEMER, Paulus 143. So auch ASCOUGH, Function 220f. 46 AVEMARIE, Tauferzählungen 331. 47 Dennoch betont ASCOUGH, Function 221: „Receiving food, presumably from Ananias and the other believers, demonstrates that Paul is now an ‚insiderʻ. (…) meals function as a means of inclusion and exclusion. (...) the taking of food marks Paul’s new identity as among the believers“. Allerdings fragt man sich dann, warum Lukas keine Gemeindemahlszene anschließt. 48 Anders HEIL, Meal Scenes 246: „Saul’s sharing of meal hospitality in the house of Judas with Ananias and the other disciples at Damascus suggests eucharistic connotations to the audience. (…) Since the audience knows that the meal fellowship of an ideal believing community includes regular devotion to the eucharistic breaking of the bread (2,42.46), Saul’s meal fellowship with the Damascus disciples for some days implies his sharing in their eucharistic meals“ (Hervorheb. von mir). Wieder fragt man sich, warum Lukas das nicht so deutlich sagt, wie Heil es möchte. 45
1. Wassertaufe ohne Mahlgemeinschaft
233
1.5 Die Taufe des Synagogenvorstehers Krispus durch Paulus (Apg 18) Aufschlussreich ist auch die Darstellung der Taufe des korinthischen Synagogenvorstehers Krispus und seines Hauses, die Lukas in die Entstehungsgeschichte der korinthischen Ekklesia eingefügt hat. Zwar wissen wir aufgrund von Hinweisen aus den Korintherbriefen des Apostels Paulus, dass diese um das Jahr 50/51 von ihm gemeinsam mit Silas und Timotheus (2Kor 1,19; Apg 18,5) gegründete Ekklesia sich aus Juden und Heiden zusammensetzte,49 doch stellt Lukas die Dinge charakteristisch anders dar. Bei der Schilderung dieser Entstehungsgeschichte konstruiert der Evangelist – ganz analog zur antiochenischen Ekklesia (s.u.) – nämlich zwei Phasen. Zunächst insinuiert er eine Art „jüdische Phase“ (18,1–6): Paulus kommt von Athen nach Korinth und trifft dort das jüdische Ehepaar Aquila und Priszilla, bei denen er wohnt und arbeitet. Jeden Sabbat versucht er, in der Synagoge Juden und Griechen zu überzeugen.50 Lukas schildert dabei weder das Haus von Aquila und Priszilla als Hausgemeinde noch berichtet er von Missionserfolgen. Als die Juden Silas und Timotheus aus Mazedonien eintreffen, verstärkt Paulus seine Missionstätigkeit unter Juden, stößt aber auf Widerstand und Lästerung51 (18,6). Paulus reagiert mit resigniertem Fazit und der Ankündigung: ἀπὸ τοῦ νῦν (!) εἰς τὰ ἔθνη πορεύσομαι (18,6). Nach dem mittels einer Zeichenhandlung samt Drohwort visualisierten Bruch mit der örtlichen Synagoge folgt die zweite Phase: Paulus verlagert seine Missionstätigkeit von der Synagoge ins Haus des Titius Justus. Diese Verlagerung von der Synagoge in das Haus (εἰς οἰκίαν) ist schon an sich bedeutsam, hinzu kommt, dass es sich dabei um das Haus eines Nichtjuden, wenn auch eines Gottesfürchtigen, handelt. Von Taufen berichtet Lukas nun erst nach dem Bruch des Paulus mit der korinthischen Synagoge und seinem Umzug in ein nichtjüdisches Haus. Wie D.L. Matson richtig beobachtet hat, ist dieser „change of spatial settings“ sofort von Erfolg gekrönt: „Paul enters the house of a Gentile but converts a Jew!“52 Für Lukas dürfte diese Erzählung eine doppelte Funktion gehabt haben: Einerseits demonstriert sie, dass nach wie vor auch Juden zum Glauben an Christus kommen, allerdings nicht mehr (nur) durch die Verkündigung in der Synagoge (vgl. 19,8), sondern (auch und vor allem) durch Verkündi-
49
Vgl. dazu nur 1Kor 1,23f.; 7,18f.; 9,20f. sowie 12,13. Das Imperfekt ἔπειθεν in 18,4 ist ein Imperfekt de conatu, so mit Recht ZERWICK/GROSVENOR, Analysis 412: „was trying to convince“. 51 ECKEY, Apg 515 (unter Verweis auf Apg 13,46): „Das ist die schärfste Form der Zurückweisung“. 52 MATSON, Household 175f. 50
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IX. Taufe und Mahl in der Apostelgeschichte
gung in den Häusern (vgl. 28,23f.).53 Andererseits kommt der Synagogenvorsteher in der lk Darstellung erst zum Glauben, als der Bruch mit der Synagoge schon vollzogen ist, er „konvertiert“ also zu einer von der Synagoge (gezwungenermaßen) abgelösten Ekklesia! Und obwohl sein ganzes Haus ebenfalls zum Glauben kommt (18,8), erzählt Lukas nichts von einer Hausgemeinde im Haus des Krispus! Auffällig ist, dass mit Krispus und seinem Haus (also Juden!) noch „viele der Korinther, die zuhörten, gläubig wurden und sich taufen ließen“. Mit den πολλοὶ τῶν Κορινθίων sind wahrscheinlich Nichtjuden gemeint.54 Im Kontext des lukanischen Geschichtsbildes heißt das: Juden, die außerhalb der „Ekklesia durch ganz Judäa, Galiläa und Samaria“ zum Glauben an Jesus Christus kommen und die Taufe empfangen, werden Teil von Ekklesien unter den Heiden. Lukas verstärkt diesen Akzent noch, wenn er kurz darauf „die Juden“ (!) „einmütig“ (!) gegen Paulus auftreten (18,12)55 lässt und damit demonstriert, dass die korinthische Ekklesia samt dem „Haus“ des Krispus von „den Juden“ getrennt ist. Mit Krispus und seinem Haus auf der einen und den anderen gläubig gewordenen Korinthern auf der anderen Seite entsteht in Korinth zwar faktisch eine „gemischte“ Gemeinde, doch lautet der Gallio gegenüber von jüdischer Seite vorgebrachte Vorwurf, Paulus überrede die Menschen, Gott wider das Gesetz zu verehren (18,13). Die getauften Juden leben also laut Lukas in der korinthischen Ekklesia nicht länger gesetzesobservant (vgl. außerdem 21,21; 24,14–16; 26,22f.; 28,17!). Die durch die paulinische Mission entstandene Ekklesia ist also faktisch „heidenchristlich“, das gilt auch für die in ihr lebenden getauften Juden. Im Unterschied zu den zuvor erzählten Taufen von Nichtjuden durch Juden, fehlt bei dieser Erzählung der Taufe eines Juden samt seines ganzen „Hauses“ eine explizite Mahlschilderung oder das Thema der Gastfreundschaft. Dieses setzt Lukas also offenbar nur bei christusgläubigen Juden ein, die die Gastfreundschaft von getauften Heiden in Anspruch nehmen (s.u.)! Auch die vielumrätselte Episode von der „Nachtaufe“ von etwa zwölf „Jüngern“ in Ephesus, die nur die Johannestaufe empfangen und noch nichts vom Heiligen Geist gehört hatten, ist im Hinblick auf die postbaptismale Mahlgemeinschaft keine Ausnahme.56 Ana53 Vgl. MATSON, Household 181: „That Crispus’s conversion occurs after, not before, Paul enters the house of Titius Justus shows that the household mission has not rejected the Jews as such“. 54 HAENCHEN, Apg 472, vermutet, dass die Bekehrung des sehr angesehenen Archisynagogus auf die Gottesfürchtigen Korinths großen Eindruck gemacht und weitere Bekehrungen zur Folge gehabt hat. 55 Apg 18,12: κατεπέστησαν ὁμοθυμαδὸν (!) οἱ Ἰουδαῖοι (!) τῷ Παύλῳ. 56 Zu den vielfältigen Problemen dieser Erzählung vgl. ausführlich AVEMARIE, Tauferzählungen 413–440, sowie GIESEN, Von Täufer- und Jesusanhängern. Laut Giesen sind
2. Die Taufen nichtjüdischer „Häuser“
235
log zur Wassertaufe der samaritanischen Frauen und Männer erzählt Lukas auch in Ephesus von einer postbaptismalen Handauflegung, auf die hin der Geist sich in Zungenrede manifestiert (vgl. 19,5f. mit 8,17). Im Falle der ephesinischen Jünger ist allerdings keineswegs die Anreise von Jerusalemer Aposteln nötig: Außerhalb des Hl. Landes vollzieht Paulus selbst sowohl Wassertaufe als auch Handauflegung. Aber auch hier ist im Anschluss daran weder vom Brotbrechen noch von postbaptismaler Mahlgemeinschaft die Rede.
1.6 Fazit Der kurze Blick auf die genannten lukanischen Tauferzählungen hat gezeigt, dass dem in den Quellen des 2. und 3. Jhs. regelmäßig belegten Zusammenhang von Taufe und Eucharistie bei Lukas nirgendwo ein auf die Wassertaufe folgendes Brotbrechen entspricht. Insofern legt sich der Schluss nahe, dass es sich bei jenem tatsächlich um eine Innovation handelt, deren Rahmenbedingungen wiederum eigens zu untersuchen wären. Doch ist hier zunächst Vorsicht geboten: Denn wie die sogleich zu besprechenden Passagen aus der Apostelgeschichte zeigen, ist der lukanische Befund durchaus nicht eindeutig bzw. einheitlich, außerdem ist die Darstellung insgesamt durch ein ganz spezifisches Interesse („Tendenz“) des dritten Evangelisten geprägt, die im Hinblick auf eine liturgiegeschichtliche Auswertung des Befundes in Anschlag zu bringen ist.
2. Die Taufen nichtjüdischer „Häuser“ durch Juden 2. Die Taufen nichtjüdischer „Häuser“
Von den genannten Tauferzählungen der Apostelgeschichte heben sich drei deutlich ab: Es sind dies die Erzählungen von Taufe des gottesfürchtigen Hauptmanns Cornelius durch die jüdischen Begleiter des Petrus in Cäsarea (Apg 10,1–11,18), die von der Taufe der gottesfürchtigen Lydia durch Paulus oder seine jüdischen Begleiter in Philippi (16,13–15) sowie die Erzählung von der Taufe des namenlos bleibenden Gefängnisaufsehers ebendort (16,25–34); letzterer ist nach den beiden Gottesfürchtigen der erste „echte“ Heide, der mit seinem Haus die Taufe empfängt. In diesen drei Fällen handelt es sich also um Taufen von Nichtjuden durch christusgläubige Juden. Hinzu kommt, dass es sich in allen drei Fällen nicht um reine Individualtaufen handelt, sondern um Taufen ganzer nichtjüdischer „Häuser“,57 auch wenn der jeweilige Hausherr bzw. die Hausherrin im Fokus steht. Der entscheidende Unterschied ist aber, dass diese drei Tauferzählungen im Unterschied zu den anderen direkt in Szenen von Gastfreundschaft im die μαθηταί in Ephesus „Sympathisanten des Täufers und des historischen Jesus“, die aufgrund der Verkündigung des Paulus und durch den Empfang von Taufe und Handauflegung „aus ihrem vorösterlichen in den nachösterlichen Status“ übergehen (142f.). 57 Vgl. dazu ÖHLER, Das ganze Haus 221 und 231.
236
IX. Taufe und Mahl in der Apostelgeschichte
Anschluss an die Taufe einmünden. In diesen Erzählungen ist mit Joel B. Green also „the consistent pattern (…) of the collocation of household baptism with hospitality“58 festzustellen. Die eigentlichen Taufnotizen bilden dabei keineswegs den narrativen Höhe- oder Zielpunkt dieser Erzählungen, weswegen sie – im Unterschied zu den zuvor genannten – auch gar keine „Tauferzählungen“ im engeren Sinne sind.59 Es geht bei ihnen aber auch nicht in erster Linie um die Gründung „heidenchristlicher“ Hausgemeinden (dies ist nur im Falle der Lydia so)60 und erst recht nicht um eine Begründung der in den Gemeinden gelebten Mahlgemeinschaft von Juden und Heiden.61 Denn diese ist für Lukas kein Thema mehr. Entscheidend ist zunächst die Akzeptanz von Gastfreundschaft durch die jüdischen Missionare in nichtjüdischen Häusern.
3. Taufe und Geistempfang von Juden und von Heiden 3. Taufe und Geistempfang
3.1 Die Bezüge zwischen Pfingst- und Corneliusgeschichte Wenn wir uns nun vor diesem Hintergrund den drei genannten Tauferzählungen zuwenden, so ist zunächst deutlich, dass deren erste, nämlich die Corneliusgeschichte (Apg 10,1–11,18), für Lukas programmatischen Charakter hat. Dieser manifestiert sich nicht nur in ihrer Länge und erzählerischen Ausgestaltung, sondern insbesondere in den von Lukas zwischen ihr und der Pfingsterzählung in Apg 2 hergestellten Bezüge. Die beiden Erzählungen sind schon durch die Wendung ἡ δωρεὰ τοῦ ἁγίου πνεύματος (2,38 / 10,45) miteinander verbunden.62 Vor allem aber greift Lukas im Zuge der Corneliusgeschichte zwei Erzählzüge wieder auf, die er bereits in der Pfingsterzählung entwickelt hatte: die Geistbegabung der Jerusalemer Kerngemeinde an Pfingsten, die das Modell für die Geistbegabung der 58
GREEN, Household 90. Auch GILLMAN, Hospitality 182, hat mit Recht den folgenden Grundsatz als „pattern“ dieser drei Taufgeschichten der Apg identifiziert: „baptism is followed by hospitality“. Vgl. ebd. 183: In Apg 16 gehe es um „Paul’s acceptance of hospitality and table fellowship with gentiles“. 59 So auch AVEMARIE, Tauferzählungen 59. 60 Vgl. dazu auch ÖHLER, Haus 221f. Öhler selbst sieht den Akzent auf der Einheit des Hauses (ebd. 227 und 231), vor allem aber in der Etablierung einer christlichen „Alltagsfrömmigkeit“: „Entscheidend für Lukas ist vielmehr, dass im Haus jene Gemeinschaft gepflegt wird, die auch in der Gemeinde gelebt wird“. Das bezieht er auf die Mahlgemeinschaft von Juden mit Heiden, die aber in der lukanischen Konzeption gerade temporär ist. 61 Gegen ÖHLER, Haus 229. 62 Vgl. noch 11,17: τὴν ἴσην δωρεάν. Vom Hl. Geist als „Gabe Gottes“ ist sonst nur noch in 8,20 die Rede.
3. Taufe und Geistempfang
237
Nichtjuden im Haus des Cornelius abgibt (3.2), sowie die Reaktivierung (3.3) und Modifizierung (3.4) der Johannestaufe durch Petrus am Pfingstfest, die dann auch die Nichtjuden im Haus des Cornelius empfangen. Man muss davon ausgehen, dass Lukas diese Erzählzüge der Pfingstgeschichte schon im Hinblick auf die Corneliusgeschichte konzipiert hat. Hinzu kommt die Organisation der Jerusalemer Urgemeinde in Hausgemeinschaften, in denen sich nach Lukas das Gemeindeleben, darunter v.a. das „Brotbrechen“, die gemeinsamen Mahlzeiten und die Gebete abspielen (vgl. 2,46).63 Die Corneliusgeschichte wiederum spielt betont in einem „Haus“ (s.u.). 3.2 Die Gabe des Geistes für Juden und Heiden Dass Lukas die Pfingst- und die Corneliuserzählung deutlich aufeinander abgestimmt hat, erweist sich im Duktus der Lektüre insbesondere im Rückblick, also von der Corneliusgeschichte her. Der lukanische Petrus selbst betont nämlich dreimal (!), dass die Nichtjuden im Haus des Cornelius den Geist empfangen hätten „wie auch wir“ (ὡς καὶ ἡμεῖς).64 Damit rekurriert er zweifellos auf den in Apg 2,1–4 erzählten spektakulären Geistempfang der zuvor in Apg 1,13f. aufgezählten und in 1,15 auf etwa hundertzwanzig bezifferten Personen.65 Wichtig ist dabei: An Cornelius und seinem Haus hat sich laut Petrus also nicht der den neugetauften Juden in Apg 2,38 von Petrus verheißene Geistempfang nach der Taufe wiederholt, sondern der sich in Zungenrede (2,4) und Gotteslob (2,11) manifestierende66 Geistempfang der „Keimzelle 63
Dazu Apg 4,31 und 5,42, außerdem 8,3 (Saulus dringt in die Häuser ein), sowie 12,12 („genügend“ Gläubige im Haus der Maria) und 12,17 (Jakobus und die Brüder [Jesu?] sind nicht im Haus der Maria). KLAUCK, Hausgemeinde 51, summiert den Befund der Apg so: „Wo kein Haus, dort auch kein christliches Leben“. 64 Apg 10,47: οἵτινες τὸ πνεῦμα τὸ ἅγιον ἔλαβον ὡς καὶ ἡμεῖς, 11,15: ἐπέπεσεν τὸ πνεῦμα τὸ ἅγιον ἐπ᾽ αὐτοὺς ὥσπερ καὶ ἐφ᾽ ἡμᾶς ἐν ἀρχῇ, 15,8: δοὺς τὸ πνεῦμα τὸ ἅγιον καθὼς καὶ ἡμῖν. 65 2,1: „sie alle waren an einem Ort“, 2,2: „das ganze Haus“. 66 Vgl. 10,46: ἤκουον γὰρ αὐτῶν λαλούντων γλώσσαις καὶ μεγαλυνόντων τὸν θεόν mit 2,4 (καὶ ἤρξαντο λαλεῖν ἑτέραις γλώσσαις) und 2,11 (ἀκούομεν λαλούντων αὐτῶν ταῖς ἡμετέραις γλώσσαις τὰ μεγαλεῖα τοῦ θεοῦ) sowie in 19,6. Indirekt in 8,17f.: Simon „sah, dass durch das Auflegen der Hände der Apostel der Geist gegeben wurde“, er erkennt das offenbar an der Zungenrede. HAENCHEN 254.259 u.ö. weist also mit Recht darauf hin, dass Lukas in Apg 8 unter „Geist“ etwas ganz Konkretes und vor allem Sichtbares versteht. Er denkt also offenbar an sichtbare Manifestationen des Geistes, wie sie sich z.B. in der Zungenrede und der Prophetie äußern (vgl. 19,6). Denn Simon sieht (8,18: ἰδών), dass durch Auflegen der Hände der Apostel der Geist gegeben wird. Was bei der Philippusmission laut Lukas also zunächst ausblieb, ist der sichtbare Erweis des Geistes. In 2,5–13 liegt der Akzent demgegenüber auf dem Hören (2,6.8.11).
238
IX. Taufe und Mahl in der Apostelgeschichte
der Urgemeinde“67. Obwohl das Haus des Cornelius im Anschluss an den Geistempfang die Wassertaufe erhält, stellt der lukanische Petrus ihren Geistempfang mit dem der Urgemeinde am Pfingstfest auf eine Stufe. 3.3 Die Reaktivierung der Johannestaufe durch Petrus in Apg 2 Durch eine Reihe von Hinweisen macht Lukas deutlich, dass es sich bei der Wassertaufe, zu der Petrus im Anschluss an seine Pfingstpredigt einigermaßen überraschend auffordert, um die reaktivierte und um den Namen Jesu modifizierte Johannestaufe handelt.68 Der Leser des Doppelwerks wird sich daran erinnern, dass die Wassertaufe Johannes des Täufers „eine Taufe der Umkehr zur Vergebung der Sünden“ war (Lk 3,3). Dieser Aspekt ist auch im Kontext der Pfingstpredigt entscheidend. Denn als deren Publikum definiert Lukas eindeutig die jüdische Bevölkerung Jerusalems (2,5), zu ihr gehören – wie die Liste in Apg 2,9–11 zeigt69 – auch Juden aus der Diaspora sowie Proselyten. Petrus redet diese in 2,14 mit „judäaische Männer und alle, die in Jerusalem wohnen“, in 2,22 mit „Männer Israels“ und in 2,29 mit „Männer, Brüder!“ an. Diesen – und nur diesen – jüdischen Bewohnern Jerusalems verkündigt Petrus nicht nur die Erfüllung der in Joel 3 verheißenen endzeitlichen Geistausgießung und die in den Bahnen von Ps 110,1 formulierte Erhöhung Jesu Christi „zur Rechten Gottes“, sondern er behaftet seine Zuhörer auch bei ihrer Verantwortung für den Kreuzestod Jesu (2,22f.36). Mit diesem Vorwurf des Mordes an Jesus endet die Petruspredigt effektvoll.70 Eben dieser Vorwurf – „Gott hat ihn sowohl zum Kyrios als auch zum Messias gemacht, diesen Jesus, den ihr gekreuzigt habt!“ – sticht den Zuhörern ins Herz und lässt sie die Frage an Petrus richten, was sie denn tun sollten (2,37).71 Die Aufforderung, umzukehren und die Taufe zur Vergebung der Sünden zu empfangen, ist die Antwort des Petrus auf diese Frage der Zuhörer. Die Aufforderung, die Taufe zu empfangen, steht also in direktem Zusammenhang mit dem Schuldvorwurf an die Juden Jerusa67 HAENCHEN, Apg 120. KLAUCK, Hausgemeinde 48: „das Urbild dessen, was für Lukas Kirche gründet und ausmacht“. Vermutlich deswegen schildert Lukas in Apg 2,41 keinen Geistempfang der zu Umkehr und Taufe bereiten Jerusalemer Juden. 68 Wenn Petrus die Jerusalemer Juden in Apg 2,38 zur Taufe auf den Namen Jesu auffordert und zugleich ihnen die Gabe des Heiligen Geistes verheißt, dann ist deutlich, dass hier wie in 1,5 (vgl. Lk 3,16 und Apg 11,16) Wassertaufe und Geistgabe voneinander unterschieden, aber zueinander in Beziehung gesetzt sind. 69 Zu den vielfältigen Problemen dieser Liste vgl. BARRETT, Acts I 121–124. 70 Richtig SCHNEIDER, Apg I 277. Die Rede setzt in V. 36 mit der feierlichen Proklamation an „das ganze Haus Israel“ neu ein (οὖν). Anders als in 2,24 und 2,32 steht nun Gottes Heilstat zuerst, der an die jüdischen Zuhörer gerichtete Vorwurf der Mitwirkung an der Kreuzigung Jesu am Ende. 71 Vgl. dazu AVEMARIE, Tauferzählungen 113.
3. Taufe und Geistempfang
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lems. Die Taufe zur Vergebung „eurer Sünden“72 bedeutet zugleich die „Rettung aus diesem verkehrten Geschlecht (γενεὰ σκολιά)“ (2,40).73 Diese Szene hatte Lukas im Kontext seiner Passionserzählung schon vorbereitet: Denn durch die Beteiligung an der Kreuzigung Jesu lädt der von Johannes bereits getaufte πᾶς ὁ λαός (Lk 3,21) schwere Schuld auf sich, indem „das Volk“ (23,13: ὁ λαός) beim Pilatusprozess gemeinsam mit Hohepriestern und Oberen dreimal nach Jesu Tod verlangt.74 Angesichts der Kreuzigung Jesu steht es dann dabei und betrachtet das Schauspiel (θεωρία) seines Todes (23,35).75 Dieses führt zu einer ersten Reuegeste (Lk 23,48, vgl. 23,35).76 Den Vorwurf, am Tod Jesu schuldig geworden zu sein, erhebt der lk Petrus auch später noch einmal gegen die Bevölkerung Jerusalems sowie explizit gegen die Hohenpriester.77 Aber auch der Hellenist Stephanus beschuldigt den Hohen Rat (Apg 6,15) des Verrats und des Mordes an dem Gerechten, Jesus (7,52f.).78 Dass Lukas mit diesem Vorwurf ganz bewusst umging und ihn nur gegen die Bewohner Jerusalems richtet, zeigen die außerhalb Jerusalems lokalisierten Varianten: In Cäsarea erwähnt Petrus bei seiner Ansprache im Haus des Cornelius, dass „sie“ Jesus umbrachten, indem sie ihn ans Holz hängten. Aus dem Kontext – nämlich konkret der im Anschluss an die χώρα τῶν Ἰουδαίων erfolgende gesonderte Erwähnung Jerusalems – wird klar, dass damit nur die Juden Jerusalems gemeint sind.79 Auch Paulus wirft in seiner an die „Männer Israels und ihr, die ihr Gott fürchtet,“ gerichteten Predigt in der Syn72
Vgl. Apg 2,38: εἰς ἄφεσιν τῶν ἁμαρτιῶν ὑμῶν (!), mit Lk 3,3 und Mk 1,5. AVEMATauferzählungen 117: Das finale εἰς ἄφεσιν τῶν ἁμαρτιῶν ὑμῶν werde allein durch den Imperativ βαπτισθήτω bestimmt, dem es adverbial untergeordnet sei. Die Vergebung erscheine dadurch unmittelbar als Zweck und Folge der Taufe. 73 AVEMARIE, Tauferzählungen 114: „Wo Schuld kollektiv ist, muss Vergebung zugleich die Entlassung aus der Gemeinschaft der Schuldigen bedeuten“. Avemarie betont ebd. 180 mit Recht die „Verklammerung“, die sich aus der Entsprechung zwischen dem Bußruf, der Vergebung und Rettung aus dem verkehrten Geschlecht verheißt, und dem Vorwurf der Schuld der Zuhörer am Tode Jesu ergibt. 74 V.a. in 23,13–25 ruft das mit Hohepriestern und Oberen versammelte Volk dreimal (!) nach der Kreuzigung Jesu (23,18: παμπληθεί, 23,21.23). Die mk Notiz, nach der die Hohepriester das Volk aufwiegeln (Mk 15,11), streicht Lk. Bei der Kreuzigung ist das Volk ebenfalls präsent (23,35), es bereut allerdings nach dem Tod Jesu (23,48). 75 Im Unterschied zu den Archonten (Lk 23,35), den Soldaten (23,36) und dem einen der beiden Schächer (23,39) wird vom λαός nicht ausgesagt, er habe den Gekreuzigten verspottet oder gelästert (vgl. damit Mk 15,29). 76 Den Bezug zwischen Lk 23,48 und Apg 2,37 sieht schon BENGEL, Gnomon 309: „Qui spectatores duntaxat fuerat [per antistites prius concitati ad exclamandum τὸ Crucifige, at nunc aliter plane affecti (…)], salutaria jam cogitabant et ad pentecostem Act. 2. praeparabantur: sed qui fecerant, fere erant in aestu“. WOLTER, Lk 763, bemerkt z.St. mit Recht, dass das Volk Unrechtsbewusstsein erkennen lässt, aber noch keine Umkehr vollzieht. Man kann hinzufügen: Die Umkehr vollziehen (nur) jene Bewohner Jerusalems, die die von Petrus zu Pfingsten verkündigte Wassertaufe empfangen. 77 Petrus an die Bewohner Jerusalems in Apg 2,22–24 und 3,13–15; an den Hohen Rat in 4,10 (ὃν ὑμεῖς [!] ἐσταυρώσατε) und in 5,30 (ὃν ὑμεῖς [!] διεχειρίσασθε κρεμάσαντες ἐπὶ ξύλου). 78 Stephanus an den Hohen Rat in 7,52 (οὗ νῦν ὑμεῖς προδόται καὶ φονεῖς ἐγένεσθε). 79 So auch JERVELL, Apg 312. RIE,
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IX. Taufe und Mahl in der Apostelgeschichte
agoge im pisidischen Antiochien den Mord an Jesus konkret den Bewohnern Jerusalems und ihren Oberen (13,27) vor und eben nicht kollektiv allen Juden.80 Den Aufruf zur Taufe platziert Lukas also in den Kontext einer innerjüdischen Umkehrpredigt, mit der sich der Galiläer Petrus an die jüdischen Bewohner Jerusalems wendet, die fünfzig Tage zuvor am Pesachfest bei Jesu Tod präsent waren.
Eben weil es um die Beteiligung der Jerusalemer Juden – und nur von ihnen! – an Jesu Kreuzigung am zurückliegenden Pesachfest geht, erwähnt Lukas in 2,5–11 gerade nicht die eventuell nur zum Pfingstfest in Jerusalem weilenden Festpilger,81 sondern nur die Bewohner Jerusalems, seien es Judäer, seien es Diasporajuden (2,5.14). 3.4 Die Modifikation der Johannestaufe um den Namen Jesu Modifiziert wird die Bußtaufe des Johannes bei ihrer Reaktivierung durch Petrus nun aber dadurch, dass sie „auf den Namen Jesu“ (2,38: ἐπὶ τῷ ὀνόματι Ἰησοῦ Χριστοῦ) erfolgt.82 Dadurch wird die Taufe in Verbindung mit dem gekreuzigten, nun aber erhöhten und zum bevorstehenden Endgericht kommenden Parusiechristus gebracht. Mit den – zumindest für Lukas synonymen – Wendungen ἐπὶ τῷ ὀνόματι Ἰησοῦ Χριστοῦ (2,38), ἐν τῷ ὀνόματι Ἰησοῦ Χριστοῦ (10,48), εἰς τὸ ὄνομα τοῦ κυρίου Ἰησοῦ (8,16; 19,5)83 markiert Lukas insbesondere den Unterschied der Taufe des Petrus gegenüber der Johannestaufe. Treffend hat F. Avemarie diese Taufe daher als „Synthese aus der rettenden Anrufung des Namens Jesu und dem Wasserritus des Johannes“ bezeichnet.84 Eine Modifizierung der Johannestaufe durch den Namen Jesu lag v.a. deswegen nahe, weil diese ja zunächst das Ziel hatte, aus dem an der Kreuzigung Jesu kollektiv schuldig gewordenen „Geschlecht“, d.h. der jüdischen Bewohner Jerusalems, zu retten. Es war also eine ganz „spezifische Sünde“, auf die sich die judenchristliche Taufe im Unterschied zu den bei der Johannestaufe bekannten Sünden (Mk 1,5 par Mt 3,6) bezog: die „Sünde“ kollektiver Beteiligung an der Kreuzigung Jesu. 80
Unvorsichtig BARRETT, Acts I 142: „Luke fixes responsibility for the crucifixion of Jesus upon the Jews“. Exegetisch falsch HAENCHEN, Apg 143: „Die Juden sind eigentlich an Jesu Tod schuld, die Heiden waren nur Werkzeuge“. Ebd. 146 spricht er von der „Schuld des Judentums“! 81 FITZMYER, Acts 261: V. 36 (ὃν ὑμεῖς ἐσταυρώσατε) „refers above all to the Jews of Jerusalem who handed Jesus over to Pilate (see 2:23), it cannot refer to Diaspora Jews visiting Jerusalem for the feast“, ebenso HAENCHEN, Apg 132. 82 Zum Sprachlichen vgl. die Übersicht bei SCHRÖTER, Taufe 563–566, ausführlich AVEMARIE, Tauferzählungen 26–43. 83 Vgl. auch 10,43: Sündenvergebung διὰ τοῦ ὀνόματος αὐτοῦ. 84 AVEMARIE, Tauferzählungen 114, und weiter: „zusammengehalten in der schon für diesen grundlegend gewesenen Dimension der Umkehr und Vergebung“.
4. Taufe und Gastfreundschaft im Haus des Cornelius (Apg 10f.)
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4. Taufe und Gastfreundschaft im Haus des Cornelius (Apg 10,1–11,18) 4. Taufe und Gastfreundschaft im Haus des Cornelius (Apg 10f.)
Mit den Pastoralreisen des Petrus nach Lydda und Joppe (9,32–43) ist die lukanische Darstellung am entscheidenden Wendepunkt angelangt. Die Ekklesia hat sich im ganzen „Land der Juden wie auch in Jerusalem“ (vgl. 10,39) ausgebreitet, aus der Ekklesia in Jerusalem ist die Ekklesia durch ganz Judäa, Galiläa und Samarien geworden. Da deren einstiger Verfolger in Damaskus die Taufe empfangen hat, hat sie Frieden, wandelt in der Ehrfurcht des Herrn und mehrt sich durch den Beistand des heiligen Geistes (9,31); zugleich ist „damit aber auch der Schlusspunkt der Judenmission in Palästina gesetzt“.85 Die nun folgende Corneliusgeschichte markiert demgegenüber einen klaren Neueinsatz. Im Unterschied zu Antiochia gehört Caesarea sozusagen zum jüdischen Kernland. Indem Lukas die Corneliusgeschichte direkt vor den Bericht über die Öffnung der antiochenischen Ekklesia für „Hellenisten“ (11,19f.) platziert, macht er deutlich, dass durch das Wirken des Hl. Geistes ein erstes nichtjüdisches Haus auf jüdischem Territorium zum Glauben kam und die Taufe wie den Geist empfing. Dieses Haus aus „Fremdstämmigen“, also Nichtjuden, beherbergt, wenn auch nur in den ersten Tagen seines Bestehens, den „jüdischen Mann“ Petrus (10,28) als Gast (10,48; 11,3). Die Initiative für dieses Geschehen geht ausschließlich von Gott aus (s.u.), während z.B. die antiochenische Ekklesia von vertriebenen Hellenisten begründet wird (11,19). Wir können an dieser Stelle und für unseren Zusammenhang keine detaillierte Exegese der Erzählung vornehmen, sondern fokussieren vier für unsere Fragestellung relevante Aspekte. 4.1 Kultisch reine Tiere und reine Menschen Dass Lukas mit der Wendung κοινὸν καὶ ἀκάθαρτον, die in 10,14 (vgl. 11,8) auf zu schlachtende Tiere und in 10,28 ex negativo auf Menschen appliziert wird, eine Achse durch seine Erzählung legt, ist deutlich. Sie erscheint in allen Fällen im Mund des Petrus, den Lukas hier auffallend jüdisch „konservativ“ schildert: Er hält die jüdischen Gebetszeiten (10,9) und betont der Himmelsstimme gegenüber, noch nie etwas „Profanes oder Unreines“ gegessen zu haben (10,14: κοινὸν καὶ ἀκάρθατον; 11,8). Allerdings wohnt er in Joppe bei einem Gerber (9,43; 10,6.32).86 Der Moment 85
So mit Recht LÖNING, Verhältnis 311. JIPP, Visitations 206f., weist noch auf Folgendes hin: „Thus, on four occasions Luke uses hospitality language to remind his readers that Peter is engaged in a hospitality relationsship with Simon the tanner (ξενίζω, 10,6.18, μένω 9,43)“. 86
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IX. Taufe und Mahl in der Apostelgeschichte
der Applikation dieser Wendung auf Menschen ist der Wendepunkt der ganzen Geschichte: Petrus, begleitet von christusgläubigen Juden aus Joppe (10,23: τινες τῶν ἀδελφῶν, vgl. V. 45: οἱ ἐκ περιτομῆς πιστοί), begibt sich in das Haus des Cornelius (10,25–27). Eben an dieser Stelle, also nach dem Eintritt in das Haus des Heiden, appliziert Petrus die Vision auf das Verhältnis des „jüdischen Mannes“ zum „Fremdstämmigen“ (10,28): Gott habe ihm – eben durch die Vision – gezeigt (ἔδειξεν), keinen Menschen für profan oder unrein (κοινὸν ἢ ἀκάθαρτον) zu halten. Hier vollzieht Petrus den entscheidenden Erkenntnisfortschritt:87 „The animals in the vision, then, are (as the rest of the narrative makes clear) a symbolic map of humanity“.88 Cornelius wiederum wird „mit seinem ganzen Haus“ vom Erzähler als fromm und gottesfürchtig charakterisiert,89 der ganze Haushalt des Cornelius glaubt also an den Gott Israels (10,2). Dies schließt auch einen seiner Soldaten ein (10,7), der Kreis um ihn wird dann in 10,24 noch um Verwandte und enge Freunde erweitert90 – entsprechend fällt der Geist auch auf alle Hörer der Petruspredigt (10,44). Im Unterschied zum äthiopischen Eunuchen ist Cornelius also nicht alleine. Frömmigkeit und Glaube des Cornelius zeigen sich v.a. in den Almosen, die Cornelius „dem Gottesvolk“ (τῷ λαῷ) gibt und den beständigen Gebeten zu Gott (10,2.4.34).91 Mit C. Stenschke kann man also sagen: „Cornelius is introduced as an exceptional Gentile“92, und: „Cornelius is not a typical Gentile, but as Jewish as a Gentile can be without ceasing to be Gentile“.93 Im Hinblick auf die im Text dreimal gebrauchte Wendung κοινὸν καὶ ἀκάθαρτον kann man daher also sagen, dass Cornelius gerade nicht als ἀκάθαρτος geschildert
87 ESLER, Community 94, macht allerdings mit Recht darauf aufmerksam, dass Petrus bereits durch die Einladung an die nichtjüdische Delegation des Cornelius ins Haus des Gerbers Simon eine erste Konsequenz aus der zuvor ergangenen Vision zieht. 88 JIPP, Visitations 208. 89 δίκαιος sonst von Juden: vgl. Lk 1,6; 2,25 (von Symeon: ὁ ἄνθρωπος οὗτος δίκαιος καὶ εὐλαβὴς); außerdem 23,50. 90 ÖHLER, Haus 221, weist auf die Spannung zwischen 11,45 („Du und dein ganzes Haus“) und 10,24 hin. 91 Vgl. Tob 12,8, wonach es gut ist, zu beten und zu fasten, Almosen zu geben und gerecht zu sein, außerdem Lev 2,9.16; 5,12; 6,8; 24,7, Num 5,26; Sir 35,5–6; vor allem Lk 11,41! Die Almosen des Cornelius haben ihn also nicht unrein gelassen, wohl aber κοινός. 92 STENSCHKE, Luke’s Portrait (Hervorheb. von mir). 93 STENSCHKE, Luke’s Portrait 150. Mit Recht betont Stenschke ebd. gegen Taeger, dass die εὐσέβεια des Cornelius ausschließlich in jüdischen Kategorien gefasst ist. Allerdings neigt Cornelius wie andere Heiden bei Lukas auch (vgl. Apg 12,22f.; 14,11; 28,4– 6) dazu, Menschen göttliche Ehren zu erweisen (10,25f.) (zu diesem „only pagan element surfacing in Cornelius’ description“ ebd. 151f.).
4. Taufe und Gastfreundschaft im Haus des Cornelius (Apg 10f.)
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wird, wohl aber als κοινός, da er nicht durch Beschneidung (vgl. 11,3) zum Judentum übergetreten ist. Die beiden Kategorien werden bereits in der Vision des Petrus – nun angewandt auf Tiere – voneinander unterschieden.94 In dieser „Korrespondenzvision“ zur Engelerscheinung vor Cornelius geht es um die von der Tora grundgelegte Unterscheidung der Tiere: Das vom Himmel herabkommende σκεῦός τι ὡς ὀθόνην μεγάλην enthält in Anlehnung an Gen 1,20.24 Exemplare aller Tiergruppen der Schöpfung (10,12). Die Aufforderung, sich zu erheben, zu schlachten und zu essen, verweigert Petrus, der sie offenbar für eine Versuchung oder eine Art Test hält. Er begründet seine Weigerung damit, er habe noch niemals etwas „Gewöhnliches“ (κοινόν) oder gar etwas Unreines (ἀκάθαρτον) gegessen (10,14, analog 11,8). Petrus teilt die Tiere also offenbar in drei Kategorien ein: κοινὸν, ἀκάθαρον sowie (impliziert) καθαρόν. Im Tuch selbst befindet sich laut der Aussage des Petrus aber offenbar nur „profanes“ (κοινὸν) und „unreines“ (ἀκάθαρον) Getier. Dieser Sprachgebrauch geht hier nicht direkt auf den Pentateuch zurück, wo in erster Linie zwischen „rein“ und „unrein“ unterschieden wird (mit verschiedenen semantischen Feldern).95 Die Anwendung von κοινός auf Lebensmittel, konkret Tiere, hat aber frühjüdische und frühchristliche Parallelen.96 Insbesondere 1Makk 1,47 und 62 sind hier aufschlussreich.97 κοινός wären demnach jene Tiere, die eigentlich καθαρός sind, aber durch Kontakt mit unreinen Tieren eben „profaniert“ 94
So auch WITHERINGTON, Acts 350. Diese hat in Lev 11 und Dtn 14 die Wortfelder βδέλυγμα, βδελύσσειν κτλ. und ἅγιος, ἁγιάζειν κτλ., sowie die Opposition καθαρῶν und ἀκαθάρτων, außerdem μιαίνειν κτλ. Vgl. auch Lev 10,10 LXX: „Ihr sollt unterscheiden zwischen τῶν ἁγίων καὶ τῶν βεβήλων und zwischen τῶν ἀκαθάρτων καὶ τῶν καθαρῶν (analog 11,47a). „essbar“ vs. „nicht essbar“ in Lev 11,47. 96 Mk 7,2.5; Röm 14,14; Apk 21,27, Vorprägung durch 1Makk 1,47.62 und 4Makk 7,6 (unrein machen). 97 1Makk 1,47.62: Antiochus befiehlt, man solle im Jerusalemer Tempel „Altäre, Heiligtümer und Götzentempel“ (βωμοὺς καὶ τεμένη καὶ εἰδώλια) errichten und Schweine und „profanierte“ Tiere opfern (καὶ θύειν ὕεια καὶ κτήνη κοινὰ). Dennoch bleiben viele in Israel standhaft und aßen nichts, was „profaniert“ war (τοῦ μὴ φαγεῖν κοινὰ). κοινά bezieht sich in diesem Kontext wohl nicht auf levitisch „unreine“ Tiere (das sind die genannten Schweine), sondern auf Lebensmittel, die – obwohl eigentlich essbar – durch Kontakt mit den unreinen Tieren oder durch unkoschere Schlachtungs- bzw. Zubereitungsmethoden „profaniert“ bzw. „verunreinigt“ waren. Dieser Sprachgebrauch auch in Mk 7,2.5 („verunreinigte Hände“). Dazu BOLTON, Who 621: „κοινός is to be distinguished from ἀκάθαρτος which, in a Pentateuchal comestible context (Lev 11; Deut 14) means ‚essentially unclean foodʻ as opposed to κοινός which means, in Deuterocanonical terms (i.e. 1Macc 1,47.62), ‚clean food, that has become contaminatedʻ“, sowie ebd. Anm. 28: „Unclean foods were de iure inedible, while contaminated food could be resanctified or cleansed by faith, Rom 14,14.20“. 95
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IX. Taufe und Mahl in der Apostelgeschichte
werden.98 Bemerkenswert ist in jedem Fall, dass Lukas mit κοινός eine Vokabel neben ἀκαθάρτος stellt, die er auch neutral oder gar positiv verwendet werden kann.99 Vermutlich wird man diese Formulierung mit der Präsentation des Cornelius als „as Jewish as a Gentile can be“ (Stenschke) zusammen sehen müssen. Lukas differenziert dann innerhalb der „Fremdstämmigen“ (10,28) zwischen Gottesfürchtigen (10,2; 16,14) und „echten“ Heiden. Doch zurück zum Zusammenhang zwischen der Tiervision und dem Verhalten des Petrus gegenüber Nichtjuden. Lukas hatte im Evangelium Mk 7,1–23 mit der darin enthaltenen Bemerkung des Evangelisten, Jesus habe alle Speisen für rein erklärt (Mk 7,19: καθαρίζων πάντα τὰ βρώματα) ersatzlos gestrichen! Denn die Aufhebung der Unterscheidung zwischen reinen und unreinen Tieren erfolgt nach dem lukanischen Geschichtsbild erst jetzt: Indirekt bereits durch den Rekurs auf die Schöpfungsgeschichte, direkt dann durch die Himmelsstimme in 10,13.15 wird die v.a. im Buch Leviticus entwickelte Unterscheidung von reinen und unreinen Tieren aufgehoben.100 Wir lassen die Frage dahingestellt, ob die Vision und ihre Deutung durch Petrus nahtlos zusammenpassen oder ob gewisse Spannungen auf literarische Uneinheitlichkeit schließen lassen.101 Uns interessiert hier zunächst der alttestamentliche Zusammenhang von Speisegeboten – konkret der Unterscheidung von reinen und unreinen Tieren – und der Abgrenzung Israels von den „Völkern“. Ein solcher Zusammenhang lässt sich vor allem in Lev 11,41–47 und 20,22–26 feststellen, aber beispielsweise auch in Dtn 14,21 (im Kontext von 14,3–21) und Lev 10,10. In Lev 11 wird die Unreinheit, die aus dem Verzehr unreiner Tiere resultiert, der Heiligkeit Gottes gegenübergesellt. Weil Gott heilig ist (Lev 11,44.45), müssen die Israeliten heilig sein. Die Anweisung, zwischen essbaren und nicht essbaren Tieren zu unterscheiden (11,46f.), ist demnach die Konsequenz aus der Heiligkeit Gottes und der Konstitution Israels als Gottes Eigentumsvolk durch den Exodus (11,45): „Gott selbst lässt Israel an der ihm eigenen Heiligkeit partizipieren, indem er sein Volk durch die Herausführung aus Ägypten heiligt“.102 Analog schließt in Dtn 14,21 der Verweis auf die Heiligkeit des Gottesvolkes die in 14,3–21 ausgeführten Speisegebote ab.103 Laut Lev 20 ist die Anweisung, zwischen reinen und unreinen Tieren zu „sondern“, die Folge der Aussonderung Israels aus den Völkern durch Gott zu seinem Eigentum 98
So auch JIPP, Visitations 208. Positiver Gebrauch von κοινός in Apg 2,44 und 4,32. 100 Hinzu kommt, dass das Leintuch voller Tiere aus dem Himmel kommt (10,11; 11,5) und am Ende der Vision wieder in den Himmel hinaufgezogen wird (10,16; 11,10: ἅπαντα). 101 Vgl. dazu exemplarisch die Problemanzeige bei BARRETT, Acts I 493f. 102 EGO, Reinheit 134. 103 In der LXX: ὅτι λαὸς ἅγιος εἶ κυρίῳ τῷ θεῷ σου. 99
4. Taufe und Gastfreundschaft im Haus des Cornelius (Apg 10f.)
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(20,24/26). Wie in Lev 11 besteht ein direkter Zusammenhang zwischen der Heiligkeit Gottes, der Heiligkeitsforderung an Israel und dem Verbot unreiner Tiere. Aber mehr noch: Gott empfindet laut 20,22f. für die Völker „Ekel“ (καὶ ἐβδελυξάμην αὐτούς). Und: Gott selbst (!) hat die unreinen Tiere als solche „ausgesondert“, die Unterscheidung der Tiere durch die Israeliten ahmt damit das Handeln Gottes in der Schöpfung nach.104 Mit Beate Ego kann man sagen, dass „die Speisegebote als Chiffre für die Trennung Israels von den Völkern erscheinen“, und weiter: „Die Trennung zwischen reinen und unreinen Tieren bildet zum einen auf ontologischer Ebene die durch Gottes Erwählung herbeigeführte Sonderstellung Israels inmitten der Völker ab. Zum anderen führt sie ganz pragmatisch auch zu einer faktischen Sonderstellung Israels, da die Einhaltung der Speisegebote im alltäglichen Lebensvollzug tatsächlich jede Gemeinsamkeit mit den Nichtisraeliten verunmöglicht“.105
Zweifellos rekurriert Lukas auf diesen Zusammenhang. Die vom Himmel dem Petrus gezeigte Aufhebung der den Speisegeboten zugrundeliegenden Unterscheidung von „reinen“, „gewöhnlichen“ und „unreinen“ Tieren impliziert, wie Petrus beim Eintritt in das Haus des Cornelius erkennt, die Aufhebung der Grenze zwischen dem „Gottesvolk“ und den „Völkern“, allerdings in einem ganz bestimmten Sinne: Wie die „unreinen“ Tiere von Gott „rein gemacht“ wurden (10,15: ὁ θεὸς ἐκαθάρισεν), so hat Gott auch die Nichtjuden gereinigt, was die Herabkunft des Geistes auf sie demonstrieren wird. Die Grenze zwischen Israel und den Völkern fällt im lukanischen Sinne also dadurch, dass Gott selbst Israels Heiligkeit und Reinheit auf Heiden ausweitet und sich so „ein Volk aus den Heiden nimmt“ (15,14, s.u.). Im Unterschied zu den Tieren bleibt die Unterscheidung von Juden und Heiden jedoch gerade bestehen! Es geht also keineswegs darum, dass nun „alles gleich (profan)“ ist, sondern dass Gott etwas „gereinigt“ bzw. „für rein erklärt“ hat (was es zuvor nicht war).106 Dies bezieht sich laut der Vision des Petrus auf alle Tiere, laut seiner Anwendung der Vision auf Menschen dagegen auf jene Menschen unter allen Völkern, die „Gott fürchten und Gerechtigkeit tun“ (10,35). Faktisch sind dies dann jene, die zum Glauben an Jesus Christus kommen, den Herrn aller (10,36: πάντων κύριος), und die Taufe empfangen. An solchen werden Juden weder „unrein“ noch „profan“. 4.2 Der Eintritt des Petrus in das heidnische Haus107 Petri Eintritt in das Haus des Cornelius wird von Lukas mit großem erzählerischen Aufwand vorbereitet. Vor dem Apostelfürsten betritt bereits ein 104
Dazu EGO, Reinheit 140. EGO, Reinheit 142. 106 Zum Aorist ἐκαθάρισεν vgl. die Diskussion bei BARRETT, Acts I 509. 107 Zum Folgenden ARTERBURY, Custom. 105
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IX. Taufe und Mahl in der Apostelgeschichte
Engel das Haus des Hauptmanns.108 Gerade gegenüber seinen Jerusalemer Kritikern betont Petrus, dass der Engel im Haus des Cornelius stand (ἐν τῷ οἴκῳ αὐτοῦ σταθέντα). Der Eintritt des Petrus in das heidnische Haus erfolgte also, nachdem bereits ein „heiliger Engel“ (10,22) dort „hineinging“ (10,3) und darin „gestanden“ (11,13) hatte.109 Dieser kommt vom Himmel, zu dem zuvor Almosen und Gebet des Cornelius „aufgestiegen“ sind (10,4.31). Es ist eben der Engel, der dem Cornelius aufträgt, Petrus holen zu lassen (10,5) – eben in sein Haus (10,22: εἰς τὸν οἶκον αὐτοῦ). Um diesen Auftrag zu erfüllen, muss die Delegation des Cornelius, die doch offensichtlich aus drei unbeschnittenen Männern besteht, zum Haus Simons des Gerbers nach Joppe ziehen. Petrus wiederum wird vom Pneuma darüber informiert, dass drei Männer, die Abgesandten des Cornelius, an der Türe stehen (10,19). Die Anspielung auf den Besuch der drei Männer bei Abraham (Gen 18) dürfte kein Zufall sein,110 und tatsächlich zieht Petrus auch nicht sofort mit ihnen mit zu Cornelius, sondern ruft sie herein (10,23: εἰσκαλεσάμενος) und erweist ihnen Gastfreundschaft (ἐξένισεν). Dieser explizite Erweis von Gastfreundschaft fällt auch deswegen auf, weil Petrus ja selbst in dem Haus, in das er die drei Männer aufnimmt, zu Gast ist (10,6: ξενίζεται). Dennoch agiert er hier als Gastgeber, was für den Fortgang der Geschichte erhebliche Bedeutung hat. Indem zunächst Petrus die drei von Cornelius gesandten Männer gastfreundlich „einlädt und bewirtet“111 (von denen einer noch dazu ebenfalls ein gottesfürchtiger Soldat ist), nimmt er in Gestalt der Abgesandten den „Sender“ selbst gastfreundlich bei sich auf – und damit einen zwar frommen und gottesfürchtigen, aber dennoch unbeschnittenen Hauptmann. Da die antike Ideologie der Gastfreundschaft auf Reziprozität beruht, bereitet Petrus bereits durch die Aufnahme der drei Männer die Erwiderung der Gastfreundschaft durch Cornelius vor.112
108 Dieser Eintritt des Engels in das Haus wird dreimal explizit erwähnt: 10,3: εἰσελθόντα πρὸς αὐτὸν (vgl. 10,22), 10,30: προσευχόμενος ἐν τῷ οἴκῳ μου (!) καὶ ἰδοὺ ἀνὴρ ἔστη ἐνώπιόν μου, 11,13: εἶδεν [τὸν] ἄγγελον ἐν τῷ οἴκῳ αὐτοῦ σταθέντα. 109 Vgl. MILLER, Vision 313f. 110 Vgl. Gen 18,2 LXX (καὶ ἰδοὺ τρεῖς ἄνδρες) mit Apg 10,19 (ἰδοὺ ἄνδρες τρεῖς ζητοῦντές σε). 111 Die Delegation umfasst laut 10,7 immerhin zwei Haussklaven und einen gottesfürchtigen Soldaten, also Heiden. Dazu BARRETT, Acts I 512: „Peter gives proof of his readiness to have dealings with Gentiles, and to enter a Gentile house by inviting Gentiles into the house where he is staying“. 112 ARTERBURY, Custom 67: „Peter’s response to Cornelius’ emissaries is Peter’s response to Cornelius. As a result, once Peter has extended hospitality to Cornelius’s household, he has already forged a hospitality relationship with Cornelius“.
4. Taufe und Gastfreundschaft im Haus des Cornelius (Apg 10f.)
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Mit dem Eintreten des Petrus und seiner sechs jüdischen Begleiter113 in das Haus des Cornelius (10,25.27) wird diese dann realisiert.114 Deutlich benennt der lk Petrus beim Eintritt die Grenze, die er eben überschreitet: „Ihr wisst, wie ungehörig es für einen jüdischen Mann ist, mit einem Fremdstämmigen (ἀλλοφύλῳ) zu verkehren oder gar zu ihm zu gehen“ (10,28). Petrus hatte zuvor bereits den vor ihm niedergefallenen Cornelius berührt und aufgerichtet (10,26).115 Die im Haus des Cornelius versammelte Gruppe aus Juden und Heiden wird vom Hausherrn selbst als πάντες ἡμεῖς ἐνώπιον θεοῦ bezeichnet und also als gottesdienstliche Versammlung innerhalb des Hauses charakterisiert.116 4.3 Petruspredigt, Geistgabe und Wassertaufe Der von Petrus beim Eintritt in das Haus des Cornelius gemachte Erkenntnisfortschritt führt nun zu einer christologischen Umakzentuierung: Hatte Petrus den auferstandenen und zur Rechten Gottes erhöhten Christus in Jerusalem als Κύριος verkündigt (2,34–36; vgl. 4,33; 5,14), so nun in Cäsarea als πάντων Κύριος. Jesus Christus verkündigte den Söhnen Israels den Frieden – doch ist Jesus eben der Herr aller (10,36). Petrus verkündigt den gottesfürchtigen Heiden die einzelnen Stationen der Jesusvita (10,37–41), wobei bemerkenswerterweise die Tauftätigkeit Johannes des Täufers117 und die Geistbegabung Jesu am Anfang (10,37f.), die Mahlgemeinschaft mit dem Auferstandenen jedoch am Ende (10,41118) steht. Die Petruspredigt liefert damit schon die entscheidenden Deutungskategorien für die folgenden Ereignisse: Der Geistempfang setzt die nichtjüdischen Zuhörer in eine gewisse Analogie zum von Gott mit Heiligem Geist gesalbten Jesus von Nazareth, ihre anschließende Wassertaufe steht in der Verlängerung der „Taufe, die Johannes verkündigte“ und die Mahlgemeinschaft mit Petrus, einem der Osterzeugen, weitet die Mahlgemein-
113
Vgl. dazu 11,12. Die jüdische Delegation im nichtjüdischen Haus umfasst also sieben beschnittene Männer, womit Lukas vermutlich eine subtile Verbindung zum Siebenerkreis der Hellenisten in Jerusalem herstellt. 114 Dass der heilige Geist vom Erzähler betont als Gabe (δωρεά) bezeichnet wird (10,45), könnte ebenfalls in diesen Zusammenhang gehören, da der Gast ein Gastgeschenk mitbringt. 115 Petrus sagt zu Cornelius: ἄνθρωπός εἰμι (10,26), er benutzt also bei ihrer ersten Begegnung die beide Männer verbindende Kategorie, bevor er dann in 10,28 von sich als ἀνὴρ Ἰουδαίος und von Cornelius als ἀλλόφυλος redet. 116 JERVELL, Apg 309: „Die ersten Nicht-Juden in der Kirche sind also aus einer gottesdienstlichen Versammlung gekommen“. 117 Eine Wassertaufe Jesu wird gerade nicht erzählt! 118 συνεφάγωμεν καὶ συνεπίομεν αὐτῷ. Keineswegs geht es hierbei nur oder in erster Linie „um die Beglaubigung der Realität der Auferstehung“ (so aber ROLOFF, Apg 173).
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IX. Taufe und Mahl in der Apostelgeschichte
schaft des Auferstandenen mit „den von Gott zuvor erwählten Zeugen“ auf das Haus des Cornelius aus. Mit Recht formuliert daher John P. Heil: „By accepting the hospitality that includes meal fellowship from Cornelius, Peter is extending to his gentile assembly the meal fellowship he shared with the risen Jesus as one of those who ate and drank with him“.119 Das Thema der Mahlgemeinschaft (συνεσθίειν) spielt ja in der Kritik der Jerusalemer am Verhalten des Petrus die entscheidende Rolle, allerdings ist zu beachten, dass die Mahlgemeinschaft selbst gar nicht explizit erzählt wird.
Im Unterschied zu den innerjüdischen Predigten (s.o.) fehlt natürlich der Vorwurf an die Hörer, am Tod Jesu (mit)schuldig zu sein.120 Zum Abschluss seiner Rede spricht Petrus zwar von der Sündenvergebung durch den Namen Jesu (10,43), doch bleibt dies allgemein. Immerhin wird Cornelius von seinen Leuten als „gerechter und gottesfürchtiger Mann“ (10,22) bezeichnet, eine Einschätzung, der sich Lukas als Erzähler offenbar anschließt (10,1–4).121 Hier ist deutlich die Transformation der innerjüdischen Bußtaufe zu einer Initiationstaufe zu sehen, die notwendig mit einer Verallgemeinerung des Sündenbegriffs einhergeht. Die Osterzeugen hatten laut Petrus den Auftrag, dem jüdischen Volk (τῷ λαῷ) dies alles zu verkündigen und zu bezeugen, Jesus sei der von Gott bestimmte Richter der Lebenden und der Toten. Der Hinweis auf das jüdische Volk als (Erst-)Adressaten der apostolischen Predigt wird in 10,42f. bereits „ausbalanciert“, indem Jesus als der von Gott eingesetzte Richter der Lebenden und der Toten prädiziert wird, vor allem aber durch die abschließende Aussage, dass jeder, der an ihn glaubt (πάντα τὸν πιστεύοντα), durch seinen Namen Vergebung der Sünden empfängt.122 Damit schließt sich der Kreis zum anfänglichen Christusprädikat Κύριος πάντων! Das im Anschluss erzählte „Pfingsten der Heiden“ – genauer: die Geistbegabung von Juden und Heiden während der Christusverkündigung des Petrus – zeigt dann den eigentlichen Sinn des von der Himmelsstimme proklamierten ἐκαθάρισεν (10,15) auf. Gegenüber den Jerusalemern berichtet Petrus in 11,15, dass während seiner Verkündigung im Haus des Cornelius auf die unbeschnittenen Hörer der Hl. Geist herabfiel – „so wie auch auf uns am Anfang“. Direkt im Anschluss daran zitiert Petrus das Wort des Auferstandenen aus Apg 1,5 und begründet so seine Unfähigkeit, „Gott zu 119
HEIL, Meal Scenes 255, vgl. 267. Der in 10,39 formulierte Vorwurf richtet sich faktisch gegen Einwohner des „Landes der Juden und in Jerusalem“. 121 Allerdings fehlt in 11,1–18 eine positive Charakterisierung des Cornelius. 122 JERVELL, Apg 312: „die Heiden bekommen Anteil an dem, was Israel gegeben wird“. 120
4. Taufe und Gastfreundschaft im Haus des Cornelius (Apg 10f.)
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wehren“ (11,16, vgl. 10,47). Das Logion bietet damit für Petrus den Interpretationsschlüssel sowohl für das „Pfingsten der Juden“ (Apg 2) als auch für das „Pfingsten der Heiden“. Der sicht- und hörbare Geistempfang (vgl. Apg 2,4.11 mit 10,46) wird als das von Jesus selbst angekündigte βαπτισθῆναι ἐν πνεύματι ἁγίῳ identifiziert, das nun aber überraschenderweise die Entscheidung zum βαπτισθῆναι ἐν ὑδάτι nach sich zieht. Dies macht Petrus dann auf dem sog. Apostelkonvent erneut deutlich: Gott gibt Heiden ebenfalls den Hl. Geist und reinigt deren Herzen durch den Glauben (15,8f.). Bemerkenswert ist, dass Petrus weder in Apg 11 noch in Apg 15 den Namen des Cornelius erwähnt.123 Vielmehr scheint er als eine Art „Türöffner“ für den Beginn der Heidenmission zu fungieren; Lukas geht es offensichtlich weniger um ihn als um die Tatsache, dass nun „die Heiden“ (τὰ ἔθνη) das Wort Gottes angenommen haben (11,1),124 dass Gott auch „den Heiden“ (τοῖς ἔθνεσιν) die Umkehr zum Leben gegeben hat (11,18), vor allem aber dass auf „die Heiden“ (ἐπὶ τὰ ἔθνη) die Gabe des Geistes ausgegossen wird (10,45). Die Nichtjuden erhalten also den Hl. Geist, „wie auch wir“, d.h. die Juden (10,47; 11,17: ὡς καὶ ἡμεῖς). Der Punkt ist, dass der Geist auf alle (ἐπὶ πάντας) fällt, die das Wort hören (10,44). Für Lukas gilt: „the conversion of τὰ ἔθνη lies in the heart of the Cornelius story“.125 Auf dieses Ereignis laufen auch mehrere Linien zu, die Lukas bereits in früheren Kapiteln der Apg ausgelegt hat.126 Petrus befiehlt daher, dass die im Haus des Cornelius versammelten Nichtjuden getauft würden im Namen Jesu Christi. Damit empfängt nun zum ersten Mal ein nichtjüdisches Haus die modifizierte Johannestaufe.127 Anders als die Jerusalemer Kerngemeinde werden die Heiden, die den Geist empfangen, getauft. Der lukanische Petrus versteht die Geistbegabung der Heiden also nicht als Ersatz, sondern als Ermöglichung für die Wassertaufe. 123
MATSON, Household 113: „The reception of the Holy Spirit by the household at Acts 10,44–48 becomes the occasion for the disappearance of Cornelius from the story and, ultimately, from the pages of Acts“. 124 Vgl. damit 8,14: δέδεκται ἡ Σαμάρεια τὸν λόγον τοῦ θεοῦ. 125 MATSON, Household 93. 126 Vgl. dazu z.B. Lk 24,47 (εἰς πάντα τὰ ἔθνη); Apg 1,8 (καὶ ἕως ἐσχάτου τῆς γῆς); und dann in der Pfingstrede des Petrus z.B. 2,17 (= Joel 3,1: ἐπὶ πᾶσαν σάρκα); 2,21 (= Joel 3,5); 2,39 (καὶ πᾶσιν τοῖς εἰς μακράν). Damit wird bereits zu Beginn der Apostelgeschichte eine Art „Verheißungsüberschuss“ produziert, der dann ab Kap. 8 schrittweise eingelöst wird: Zunächst durch die Annahme des Evangeliums in Samaria und die Taufe des Äthiopiers, es folgt die Bekehrung des künftigen Heidenapostels Paulus und der Beginn der Reisetätigkeit des Petrus in Judäa (9,32, vgl. dagegen 8,1), mit der die Corneliusgeschichte vorbereitet wird. 127 Allerdings ist zu bedenken, dass Petrus die Wassertaufe der Heiden weder in Kap. 11 noch in Kap. 15 explizit erwähnt. Entscheidend ist die Geistgabe!
IX. Taufe und Mahl in der Apostelgeschichte
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4.4 Postbaptismale Gastfreundschaft Zwar bilden, wie gesagt, die Verkündigung und die damit verbundene Geistgabe an Juden und Heiden den Höhepunkt der Geschichte und auch den Referenzpunkt für die folgenden Rekurse auf dieses Geschehen,128 allerdings keineswegs ihr Ende: Nachdem Petrus in Reaktion auf den an der Zungenrede sichtbaren Geistempfang der Nichtjuden deren Wassertaufe „im Namen Jesu Christi“ angeordnet hat, bitten ihn die neugetauften Nichtjuden im Gegenzug, „einige Tage zu bleiben (10,48: ἐπιμεῖναι ἡμέρας τινάς)“. Erst mit dieser Bitte bricht Lukas die Corneliusgeschichte ab. Dass das Stichwort (ἐπι)μένειν für Lukas insbesondere Tisch- und Mahlgemeinschaft impliziert, zeigt nicht nur eine Reihe von Belegen im Lukasevangelium,129 sondern auch die unmittelbar danach berichtete Reaktion in Jerusalem: Apg 10,47–11,3 47
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1
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„Könnte wohl jemand das Wasser verweigern (τὸ ὕδωρ δύναται κωλῦσαι), dass diese nicht getauft würden (τοῦ μὴ βαπτισθῆναι τούτους), die den heiligen Geist empfangen haben wie auch wir (οἵτινες τὸ πνεῦμα τὸ ἅγιον ἔλαβον ὡς καὶ ἡμεῖς)?“ Und er befahl, dass sie im Namen Jesu Christi getauft würden (βαπτισθῆναι). Dann (τότε) baten sie ihn, einige Tage zu bleiben (ἐπιμεῖναι ἡμέρας τινάς). Es hörten aber die Apostel und die Brüder, die in Judäa waren, dass auch die Heiden angenommen hatten (ὅτι καὶ τὰ ἔθνη ἐδέξαντο) das Wort Gottes. Als aber hinaufstieg Petrus nach Jerusalem, stritten mit ihm die aus der Beschneidung (οἱ ἐκ περιτομῆς) und sagten zu ihm: „Eingekehrt (εἰσῆλθες) bist du bei Männern, die eine Vorhaut haben (πρὸς ἄνδρας ἀκροβυστίαν ἔχοντες), und du hast mit ihnen gegessen (καὶ συνέφαγον αὐτοῖς)!“
Im Unterschied zur Philippustaufe in Samaria regt sich im Falle des Cornelius in Jerusalem massiver Widerstand. Die Kritik, die Petrus dort von
128
Apg 11,15 und 15,8. Dazu v.a. aus der Emmausgeschichte Lk 24,29 (μεῖνον μεθ’ ἡμῶν… καὶ εἰσῆλθεν τοῦ μεῖναι σὺν αὐτοῖς), hier wird das μένειν im Folgenden dann in Tischgemeinschaft und Brotbrechen (!) konkretisiert (24,30), außerdem Lk 9,4; 10,7f. (s.u.) und 19,5. 129
5. Die Taufe des Lydia und ihres Hauses (Apg 16,14f.)
251
„den Beschnittenen“130 zu hören bekommt, richtet sich allerdings weder auf die Annahme des Heils durch Unbeschnittene noch gegen deren Taufe – sie richtet sich vielmehr gegen Petri Betreten eines heidnischen Hauses und die Tischgemeinschaft mit Unbeschnittenen, auch wenn beide Aktivitäten des Petrus nur temporär waren.131 Durch diese Inszenierung richtet Lukas den Fokus auf den entscheidenden Punkt, nämlich die Gastfreundschaft, die Beschnittene in Häusern getaufter Unbeschnittener in Anspruch nehmen, und die Tischgemeinschaft, die sie zeitweise mit ihnen haben. Die Vorwürfe kontert Petrus mit der Nacherzählung seiner Tier-Vision (11,4–10) und mit der Rekapitulation seines geistgeführten Weges in das Haus des Cornelius (11,11–14). Den Höhepunkt bildet der Bericht von der dort erfolgten Geistgabe an jene „wie auch auf uns am Anfang“ (11,15).132 Die Jerusalemer beruhigen sich; weil die Nichtjuden bei der Verkündigung den Geist empfingen, ist das Verhalten des Petrus vom Geist selbst legitimiert. Doch im Sinne des Lukas ist eben auch nur das konkrete Verhalten des Petrus in Cäsarea legitimiert: die Inanspruchnahme von Gastfreundschaft in einem Haus getaufter Nichtjuden „für einige Tage“! Die von den Jerusalemern monierte Tischgemeinschaft von Juden und getauften Heiden ist also zeitlich befristet. Und die Gründung einer im engeren Sinne gemischten Ekklesia steht bei Lukas sowieso nicht zur Debatte – das gilt nicht einmal für die antiochenische (s.u.).
5. Die Taufe der Lydia und ihres Hauses (Apg 16,14f.) 5. Die Taufe des Lydia und ihres Hauses (Apg 16,14f.)
5.1 Die jüdischen Missionare Im Anschluss an seine Erzählung vom „Apostelkonvent“ berichtet Lukas davon, dass Barnabas und Paulus, begleitet von den Jerusalemer Propheten Judas und Silas, nach Antiochien zurückkehren, um dort die Entscheidung des Jakobus bekannt zu machen. Als es zum Streit zwischen ihnen kommt, begibt sich Paulus mit Silas nach Syrien und Zilizien, während Barnabas mit Johannes Markus nach Zypern segelt. Ab jetzt steht Paulus im Mittelpunkt der Darstellung, zunächst begleitet vom Jerusalemer Propheten Silas, zu dem in Lystra noch Timotheus, Sohn einer jüdischen Mutter, hinzukommt, den Paulus „um der Juden willen“ beschneidet (16,3). Diese Szene hat Lukas offensichtlich ganz bewusst den beiden folgenden Tauferzählun130
Lukas formuliert hier wohl absichtlich so, als wären οἱ ἐκ περιτομῆς eine Fraktion innerhalb der Urgemeinde. JERVELL, Apg 314, formuliert problematisch, es seien „alle Christen gemeint“. 131 Darauf deuten auch die Aoristformen εἰσῆλθες und συνέφαγες hin. 132 Vgl. Apg 10,47; 11,15 und 15.8.
252
IX. Taufe und Mahl in der Apostelgeschichte
gen vorangestellt: Wie Petrus in Apg 10 so wird auch Paulus in Apg 16 von Lukas explizit „jüdisch“ portraitiert. So ist es auch nicht verwunderlich, dass er sich mit seinen Begleitern am Sabbat in Philippi selbstverständlich dorthin begibt, wo sie eine Gebetsstätte (προσευχή) vermuten, nämlich außerhalb der Stadtmauern an einem Fluss (16,13). Diese Schilderung der jüdischen Missionare steht ganz im Dienst der lukanischen Erzählstrategie: Wenn gerade diese christusgläubigen Juden, denen niemand Laxheit in Gesetzesfragen vorwerfen kann, die Gastfreundschaft in Häusern getaufter Nichtjuden akzeptieren, dann ist damit deren Glaubensstand aus jüdischer Sicht eindeutig legitimiert, auch wenn in den Tauferzählungen der Kap. 16 und 18 kein Geistempfang erzählt wird. Lukas schildert die drei also als „judenchristliches“ Missionsteam beschnittener (!) Männer, in dem Silas „die Verbindung und Übereinstimmung mit Jerusalem“ verkörpert.133 Sie besuchen die Ekklesien, die Paulus und Barnabas auf der antiochenischen Missionsreise gegründet hatten, aber neue Ekklesien werden zunächst nicht gegründet. Das ändert sich erst mit der Überfahrt nach Griechenland – auf Einladung eines dem Paulus im Traum erschienen Makedoniers (16,9) – und der Ankunft in Philippi, einer römischen Kolonie (Latinismus κωλονία), in der es zur Zeit des Paulus wie des Lukas kaum Juden gab.134 Hier erfolgt nun die „Erstbekehrung nach dem Apostelkonzil“135 und zwar die Taufe der Lydia, einer reichen136 gottesfürchtigen Frau (16,14: καὶ τις γυνή... σεβομένη τὸν θεόν), samt ihres Hauses in Philippi. In gewisser Analogie zur Corneliusgeschichte ist die Ankunft von Paulus, Silas und Timotheus137 in Philippi – wie auch der Glaube der Lydia! – nicht das Ergebnis menschlicher Planung, sondern mehrerer Eingriffe „von oben“.138 Nach einigen Tagen begeben sich die Männer am Sabbat vor die 133
JERVELL, Apg 409. Vgl. auch seine Beobachtung ebd. 412f., wonach es in der Apg nur jüdische Missionare gibt. 134 Dazu ausführlich STERCK-DEGUELDRE, Frau 50–62, 103–108 und 203–207. Für die Existenz von Juden in der Kolonie gibt es weder ein literarisches noch ein epigraphisches Zeugnis, was die zeitweise oder permanente Anwesenheit einiger weniger Juden natürlich nicht ausschließt. 135 STERCK-DEGUELDRE, Frau 205. 136 Darauf deutet nicht nur der Beruf der Purpurhändlerin hin, sondern auch die Tatsache, dass sie einem eigenen Haus vorsteht, in das Paulus und seine Gefährten zeitweise einziehen können. Ausführlich zu ihr STERCK-DEGUELDRE, Frau 133–159 sowie 210– 238, außerdem GILLMAN, Hospitality 185f. Zum Purpur vgl. Lk 16,19; Apk 18,12.16 sowie Ez 27,16. LANG, Neues über Lydia? 40–42, unterscheidet mit Recht die historische von der lukanischen Lydia, nur letztere interessiert uns hier. 137 Hinzu kommt eventuell der „Wir“-Erzähler dieser Geschichte, also handelt es sich um vier Männer. 138 Vgl. dazu 16,6 (das Pneuma hindert sie daran, in der Asia zu verkünden), 16,7 (das Pneuma Jesu verhindert die Reise nach Bithynien); 16,9f. (das Nachtgesicht des Paulus
5. Die Taufe des Lydia und ihres Hauses (Apg 16,14f.)
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Stadttore von Philippi an einen Fluss, wo sie eine Gebetsstätte (προσευχή) vermuten139 und reden zu den dort versammelten Frauen (16,13). Der lukanische Paulus bleibt also selbst hier in der mehr oder weniger rein heidnisch-römischen Kolonie Philippi seiner bisherigen „Missionsstrategie“ treu.140 5.2 Bekehrung der Lydia und Anerkennung ihres Glaubens Unter den hier versammelten Frauen befindet sich auch Lydia, eine aus Thyatira zugewanderte Griechin. Wie Cornelius zu den jüdischen Gebetszeiten seine Gebete verrichtet, so begibt sich Lydia am Sabbat zur jüdischen Gebetsstätte (vgl. 16,13 mit 10,2.30). Erneut greift der Herr selbst ein, indem er ihr Herz der Predigt des Paulus öffnet (16,13)141, allerdings wird nur von Lydia berichtet, dass sie zum Glauben an den Herrn kommt. Im Unterschied zur Corneliusgeschichte erzählt Lukas aber mit keinem Wort von einem Empfang des Geistes (oder einer Verheißung desselben)! Sein Fokus liegt ganz auf dem Geschehen, das sich an die Taufe der Lydia und ihres Hauses anschließt: Apg 16,15 15
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Als sie aber getauft war (ὡς δὲ ἐβαπτίσθη) – und ebenso ihr Haus (καὶ ὁ οἶκος αὐτῆς), bat sie (παρεκάλεσεν), indem sie sagte: „Wenn ihr zu dem Urteil gekommen seid (εἰ κεκρίκατέ), dass ich gläubig an den Kyrios bin (με πιστὴν τῷ Κυρίῳ εἶναι), [dann] kehrt in mein Haus ein (εἰσελθόντες εἰς τὸν οἶκόν μου) und bleibt (μένετε)!“ Und sie nötigte uns (καὶ παρεβιάσατο ἡμᾶς).
mit dem Ruf nach Mazedonien). Und schließlich „öffnet der Herr das Herz“ der Lydia (16,14). Damit erklärt Lukas sowohl die Tatsache, dass Paulus vor seiner Ankunft in Philippi keine neuen Ekklesien gründet, als auch den Umstand, dass unter den versammelten gottesfürchtigen oder jüdischen Frauen nur Lydia zum Christusglauben kommt. 139 Ausführlich STERCK-DEGUELDRE, Frau 68–112, der Apg 16,13 so versteht, dass in einer römischen Kolonie wie Philippi die Synagoge außerhalb der Stadtmauer (pomerium) zu finden ist. Auch für AVEMARIE, Tauferzählungen 404, handelt es sich hier um ein Synagogengebäude. 140 Vgl. 9,20; 13,5.14.46; 14,1 141 Dazu STENSCHKE, Luke’s Portrait 291–293.
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IX. Taufe und Mahl in der Apostelgeschichte
Im Anschluss an die Taufe der Lydia und der Angehörigen ihres Hauswesens,142 die fast lapidar in einem Nebensatz geschildert wird (15a), bittet Lydia: „Wenn ich nach eurem Urteil gläubig an den Herrn bin,143 dann kommt herein in mein Haus und bleibt“ (15d–g). Diese Aussage wird in ihrem Gewicht meist unterschätzt, obwohl sie für Lukas wichtiger zu sein scheint144 als die quasi im Vorbeigehen erwähnte Taufe. Klar ist zunächst, dass es Lukas weniger um die Person der Lydia als Erstbekehrter geht, „sondern ebenfalls um ihren οἶκος, von dem aus das Evangelium schließlich zur πόλις gelangt“.145 Doch auch darauf ruht nicht der eigentliche Akzent. Zunächst ist ja bemerkenswert, dass Paulus, Silas und Timotheus – im Unterschied zu Petrus – das Haus der Lydia bislang gar nicht betreten haben – und es offenbar auch nicht vorhaben! Tatsächlich geht es hier auch um „Gastfreundschaft“ und „orientalische Höflichkeit“146, doch ist zunächst die Formulierung mit einem Konditionalsatz beachtlich: Das positive Urteil über den Glauben147 der Frau ist die conditio für die Einkehr in ihr Haus, diese ist aber zugleich Bestätigung für jenen! Treffend formuliert daher J. Gillman: „She offers hospitality, with the assumption that, if accepted, her faith in the Lord would be ‚judgedʻ authentic by the apostles. That she was baptized by them was not sufficiently evident in her mind to establish this. By pressing the invitation, Lydia succeeded in getting the apostles to accept“.148
Mit ihrer Annahme der Gastfreundschaft sollen Paulus und die anderen Juden den Glauben der Lydia an den Kyrios als aus ihrer Sicht vollgültigen bestätigen, auch wenn gerade kein an seinen „Effekten“ sichtbarer Geistempfang erfolgt. Deswegen legt Lukas Lydia einen Konditionalsatz (εἰ) in den Mund: Das positive Urteil der Missionare über den Glauben der Frau ist sprachlich als conditio für die Einkehr in ihr Haus formuliert, diese aber zugleich die Bestätigung für jenen.149 142
Es ist unklar, wie man sich dies vorzustellen hat. Streng vom Text aus gesehen, würde man die Hausgenossen der Lydia unter den anwesenden Frauen vermuten. Doch vielleicht formuliert Lukas hier auch nur extrem knapp. 143 πιστήν in Apg 16,15e kann Substantiv oder Adjektiv sein, vgl. auch πιστοί in 10,45 und πιστής in 16,1. 144 Richtig GILLMAN, Hospitality 187: „main concern“. 145 STERCK-DEGUELDRE, Frau 244. 146 So CONZELMANN, Apg 91, und HAENCHEN, Apg 433. 147 Sehr schön bemerkt CONZELMANN, Apg 91: „πιστήν weist auf den Umschwung gegenüber V. 14 (σεβομένη) hin“. 148 GILLMAN, Hospitality 187f. 149 Eine sprachlich ganz ähnlich formulierte „conditio“, die allerdings ebenso wenig eine echte Bedingung ausdrückt wie Lydia in Apg 16,15, findet sich im Munde der Heidin Aseneth im hellenistisch-jüdischen Bekehrungsroman Joseph und Aseneth: Aseneth
5. Die Taufe des Lydia und ihres Hauses (Apg 16,14f.)
255
Durch die Einkehr in ihr Haus (was die Mahlgemeinschaft einschließen dürfte) bestätigt Paulus den Glauben der Frau an den Herrn, v.a. aber dessen Konsequenz der Gemeinschaft zwischen den judenchristlichen Missionaren und der Heidenchristin.150 „Now Lydia desires for herself and her household, as newly baptized gentile converts, the meal fellowship with Paul and his companions that will incorporate them into the believing community as full participants“.151 Hinzu kommt, dass μένειν oft Essen und Trinken und damit Tischgemeinschaft impliziert,152 was ebenfalls auf die Corneliusgeschichte zurückweist (10,48). Für Lukas wird die neu entstandene christliche Hausgemeinde in Philippi im Haus der Lydia somit durch die Anwesenheit der judenchristlichen Missionare als Gäste legitimiert. Dafür reicht die bloße Taufe der Heiden offenbar nicht aus. Die Akzeptanz der Gastfreundschaft von Seiten der judenchristlichen Missionare hat in der lukanischen Sicht demgegenüber einen ekklesiologischen Mehrwert. 5.3 Nötigung zur Gastfreundschaft Auffällig ist aber auch der Nachsatz, dass die Neugetaufte Paulus und seinen Anhang „nötigte“ (παρεβιάσατο), in ihr Haus einzukehren (16,15h).153 Das setzt voraus, dass Paulus und seine judenchristlichen Begleiter zögern, das Haus der Lydia zu betreten.154 Der Grund dafür kann nur darin liegen, dass Lukas hier die drei judenchristlichen Missionare Paulus, Silas und Timotheus eben als strenge Juden zeichnet (s.o.), die vor dem Betreten des wendet sich hier an den Engelfürsten und formuliert: εἰ [!] εὗρον χάριν ἐνώπιόν σου, κύριε (…) (JosAs 16,13). Es folgt die Bitte um Tischgemeinschaft (16,14): δέομαί σου, κύριε, κάθισον (…) καὶ παραθήσω σοι τράπεζαν (…) καὶ φάγεσαι (…) καὶ πίεσαι (…). Wie Lydia die Akzeptanz der Gastfreundschaft in ihrem Haus durch Paulus und die anderen Juden zum „Testfall“ für ihren Glauben macht, so macht Aseneth die Tischgemeinschaft mit dem Engelsfürsten zum „Testfall“ dafür, Gnade gefunden zu haben vor ihm, d.h. dass ihre in den vorangehenden Kapiteln ausführlich geschilderte Umkehr und Buße zum Ziel geführt haben. Karin und Jerker BLOMQVIST haben mich außerdem brieflich auf eine ganze Reihe von Parallelen v.a. in griechischen Gebeten hingewiesen (z.B. Homer, Ilias 1.503f.). Wie in diversen Grammatiken notiert (vgl. BDR § 454.2 zu εἴπερ), kann εἰ in diesem Kontext als kausale (nicht im engeren Sinne konditionale) Konjunktion verwendet werden; Apg 16,15 und JosAs 16,13 belegen diesen Sprachgebrauch. 150 Vgl. FITZMYER, Acts 586: „Paul and his companions sojourn in the house of Lydia; thus Jewish Christians accept the hospitality of a Gentile Christian host. Luke depicts Paul doing what Peter has done (Acts 10)“. 151 HEIL, Meal Scenes 269–276, hier 274. 152 Vgl. dazu v.a. Lk 10,7f., außerdem 9,4; 19,5 und 24,29 und dazu HEIL, Meal Scenes 273. 153 JIPP, Visitations 243 Anm. 94, verweist noch auf Gen 19,3 LXX, wonach Lot die beiden Engel zur Einkehr in sein Haus „nötigt“ (κατεβιάζετο αὐτούς). 154 GILLMAN, Hospitality 188.
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IX. Taufe und Mahl in der Apostelgeschichte
heidnischen Hauses und der dann unvermeidlichen Tischgemeinschaft zurückzaudern155 – ganz analog zum lukanischen Petrus. In der Lydiageschichte machen also auch Paulus, Silas und Timotheus eine Entwicklung durch: „By accepting her offer of hospitality, Paul too is presented as moving in a new direction“.156 Hinzu kommt, dass in Apg 16,15 ein Rückverweis auf die Emmausgeschichte vorliegen dürfte: Laut Lk 24,29 „nötigen“ die beiden Jünger den auferstandenen Jesus (καὶ παρεβιάσαντο αὐτόν), er solle bei ihnen „bleiben“ (μεῖνον μεθ’ ἡμῶν), da der Tag sich bereits geneigt habe, worauf Jesus „hineinging“, um bei ihnen zu „bleiben“ (καὶ εἰσῆλθεν τοῦ μεῖναι σὺν αὐτοῖς). Es schließt sich direkt eine Art Mahlszene an: Jesus spricht dann den Tischsegen und bricht das Brot (24,30). Die Frage ist nun, ob Lukas auch im Falle der Lydia-Geschichte mittels der Stichwortverbindung durch „hineingehen“ und „bleiben“ konkret auf das Brotbrechen hinaus will. Impliziert also das „Bleiben“, zu dem Lydia die jüdischen Männer nötigt, von denen sie die Taufe empfangen hat, die eucharistische Mahlgemeinschaft im Anschluss an die Taufe? In diesem Fall wäre es nicht übertrieben, das Haus, das laut 16,40 zur „Ermahnung“ der Brüder und Schwestern dient, als „place of both word and sacrament“, als „sacred space for the newly formed people of God“ zu charakterisieren.157 Nun sind die Anspielungen auf die Emmausgeschichte sicherlich nicht zufällig. Allerdings fokussiert Lukas hier weder die postbaptismale Mahlgemeinschaft noch das Brotbrechen, sondern gestaltet die Szene im Sinne einer „Legitimierung“ des Glaubens und der Taufe der Lydia durch Paulus und seine Begleiter aus. Damit hat die Mission in Philippi zugleich einen festen Mittelpunkt erhalten (vgl. 16,40).158 Indem Paulus zum ersten Mal die Gastfreundschaft einer zum Glauben gekommenen nichtjüdischen Frau akzeptiert, begründet er also zugleich die erste Hausgemeinde auf europäischem Boden (vgl. 16,9f.). Bei seiner späteren Rückkehr in diese Hausgemeinde trifft er dort οἱ ἀδελφοί – die Brüder und Schwestern (16,40).
155
So auch ESLER, Community 101. GILLMAN, Hospitality 190, im Anschluss an R.I. Pervo. 157 MATSON, Household 149. 158 Vgl. HAENCHEN, Apg 433. ROLOFF, Apg 245, spricht treffend vom „Kristallisationskern“ der werdenden Gemeinde in Philippi und von der „ersten Hausgemeinde auf europäischem Boden“. 156
6. Die Taufe des Gefängniswärters und seines Hauses (Apg 16,25–34)
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Neben diesem missionsgeschichtlichen Aspekt dürfte auch die Tatsache, dass es sich hier um eine Frau handelt, für Lukas von großer Bedeutung gewesen sein, zumal er weitere „Frauengeschichten“ folgen lässt.159
6. Die Taufe des Gefängniswärters und seines Hauses (Apg 16,25–34) 6. Die Taufe des Gefängniswärters und seines Hauses (Apg 16,25–34)
6.1 Die Taufe des ersten „echten“ Heiden Nach der Taufe des gottesfürchtigen Hauptmanns Cornelius (und seines Hauses) und der gottesfürchtigen Purpurhändlerin Lydia (und ihres Hauses) folgt die Taufe des ersten „echten“ Heiden, des anonymen philippischen Gefängniswärters (Apg 16,33f.), samt seines Hauses Die drei Tauferzählungen weisen damit eine klare dramatische Entwicklung auf.160 Wie bisher, so steht auch hier der Gefängniswärter als Hausvorstand bzw. -besitzer im Zentrum. Anders als die beiden Gottesfürchtigen, die als Beter geschildert werden, fragt er, was er tun müsse, um gerettet zu werden (16,30). Bemerkenswert ist der Rückbezug dieser Frage zur Pfingstgeschichte (vgl. 2,37).161 „Glaube an den Herrn Jesus!“, bekommt der Gefängniswärter zu hören, aber die verheißene Rettung schließt explizit sein Haus mit ein: „…und du wirst gerettet werden – du und dein Haus!“ (16,31): „Sein Glaube ist entscheidend für die Rettung des Hauses“.162 Im Unterschied zur Lydiageschichte wird hier ausdrücklich auch den Mitgliedern des Hauses das Wort verkündigt (16,32). 6.2 Bewirtung im heidnischen Haus Auffällig ist, dass Lukas erst im Anschluss daran eine Art „Konversion“ des Gefängniswärters schildert, der – nach dem Vorbild des barmherzigen Samariters – die Wunden seiner einstigen Opfer verbindet.163 Vor allem aber: Deutlicher noch als bei den beiden vorangehenden Tauferzählungen 159 Vgl. z.B. Apg 17,4 (nicht wenige der vornehmsten Frauen von Thessaloniki).12 (nicht wenige der vornehmen Frauen von Beröa).34 (eine Athenerin namens Damaris und andere Frauen). 160 Vgl. HEIL, Meal Scenes 276f. 161 STENSCHKE, Luke’s Portrait 200f., unterlegt der Frage des Gefängnisaufsehers eine spezifisch pagane Note und grenzt sie so (etwas überscharf) von analogen Fragen von Juden ab: „The jailer did not realise the full extent of his need of Christian salvation“. Ob die anschließende Diskussion um Glauben vs. Tun hier am Platz ist, sei dahingestellt. 162 ÖHLER, Haus 223. 163 Vgl. Lk 10,34: Der Samariter „trat hinzu, verband seine Wunden und goss Öl und Wein darauf“, einen lexikalischen Bezug stellt Lukas allerdings nicht her.
IX. Taufe und Mahl in der Apostelgeschichte
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von Cornelius und Lydia mündet die Geschichte des Kerkermeisters nach Verkündigung und Taufe (16,30–33) in eine Mahlszene, genauer: eine Bewirtungsszene ein: Apg 16,33–34 33
34
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Und er nahm sie auf (παραλαβὼν αὐτούς) in jener Stunde der Nacht und wusch ihnen die Striemen (ἔλουσεν ἀπὸ τῶν πληγῶν). Und getauft wurde er selbst (καὶ ἐβαπτίσθη αὐτός) und alle die Seinen sogleich. Und er führte sie hinauf in das Haus, setzte [ihnen] einen Tisch vor (παρέθηκεν τράπεζαν) und jubelte mit seinem ganzen Haus (καὶ ἠγαλλιάσατο πανοικεί), gläubig geworden an Gott (πεπιστευκὼς τῷ θεῷ).
Wie im Falle der Lydia betreten Paulus und Silas das Haus des Gefängniswärters erst im Anschluss an die Taufe. Von einem Zögern auf Seiten der Juden oder einer „Nötigung“ von Seiten des Heiden ist nichts zu lesen – Paulus und Silas fallen hinter das bei Lydia Erreichte nicht mehr zurück. Was den Gefängniswärter angeht, betont Stenschke mit Recht: „For no other Gentile is the contrast between prior to and under faith more striking. (…) the actions of the Gentile Christian jailer transcended the requirements of hospitality (…) The hospitality extended to Jews indicates a relationship diametrically opposed to the anti-Judaism elsewhere noted for Gentiles prior to faith“.164 Im Falle des „echt heidnischen“ Gefängniswärters in Philippi ordnet Lukas das Thema des Mahles von Juden im nichtjüdischen Haus keineswegs dem der Gastfreundschaft zu und unter. Von einem längeren Aufenthalt ist auch gar nicht die Rede, vielmehr führt der frisch getaufte Gefängniswärter Paulus und Silas in sein Haus und bereitet einen Tisch! Zweifellos bildet diese Schilderung den Höhepunkt der Erzählung. Da diese Bewirtungsszene weit nach Mitternacht stattfindet (16,25.33), ist hier keineswegs eine „normale“ Abendmahlzeit geschildert, die den Missionaren vorgesetzt wird, sondern ein speziell angesetztes Freudenmahl nach der Taufe. Wie bei den anderen Mahlschilderungen könnte das „Brotbrechen“ impliziert sein,165 aber Lukas blendet diesen Aspekt erneut ganz aus. Der entscheidende Punkt ist vielmehr, dass der heidnische Kerkermeister – anders 164
STENSCHKE, Luke’s Portrait 373f. Auffällig ist wiederum die Parallele zu JosAs: Auch Aseneth stellt vor den Engelsfürsten eine τράπεζα hin, vgl. die Ankündigung in 15,14: καὶ παραθήσω σοι τράπεζαν [BURCHARD 200,3]... und die Ausführung 16,1: καὶ παρέθηκεν τράπεζαν καινήν... [200,8f.] mit Apg 16,34 (παρέθηκεν τράπεζαν). 165 Gegen CONZELMANN, Apg 93; ROLOFF, Apg 247. Unentschieden BARRETT, Act II 799; JERVELL, Apg 426 redet von „Mahlgemeinschaft“.
6. Die Taufe des Gefängniswärters und seines Hauses (Apg 16,25–34)
259
als die Gottesfürchtigen Cornelius und Lydia – seinen jüdischen Gästen doch wohl keine koscheren Speisen vorsetzt. Was genau sich auf dieser τράπεζα befand, lässt Lukas ja offen. Ebenfalls offen bleibt, ob jüdische Täufer und getaufte Nichtjuden an diesem Tisch gemeinsam essen, also Tischgemeinschaft haben, oder ob Lukas nur eine Bewirtung von Juden durch getaufte Nichtjuden schildern will. Die Formulierung selbst spricht eindeutig für letzteres! Bewirtet werden die christusgläubigen Juden also mit heidnischen Speisen. D.L. Matson spricht daher mit Recht von einer „radicalization of the table-fellowship theme“.166 6.3 Die Bezüge zur lukanischen Aussendungsrede Dass es Lukas nicht um Tischgemeinschaft, sondern nur um die Bewirtung von Juden durch Nichtjuden im nichtjüdischen Haus (und mit nichtjüdischen Speisen) geht, zeigt der meist übersehene, von Lukas aber über die Stichworte μένειν und παρατίθημι hergestellte lexikalische Bezug zwischen den drei genannten Taufmahlerzählungen der Apg – vor allem der letzteren in Philippi! – und der sog. Aussendungsrede in Lk 10,1–16!167 Lk 10,7
Lk 10,8
Apg
καὶ δέχωνται ὑμᾶς, ἐσθίετε τὰ παρατιθέμενα ὑμῖν
10,48 (ἐπιμεῖναι) 16,15 (μένετε) 11,1 (ἐδέξαντο) 11,3 (συνέφαγες αὐτοῖς) 16,34 (παρέθηκεν τράπεζαν)
ἐν αὐτῇ δὲ τῇ οἰκίᾳ μένετε
ἐσθίοντες καὶ πίνοντες τὰ παρ’ αὐτῶν ἄξιος γὰρ ὁ ἐργάτης τοῦ μισθοῦ αὐτοῦ.
In Lk 10 hatte der lukanische Jesus zweimal das Thema des Essens in Häusern und Städten angesprochen, wofür ein Äquivalent in der ersten Aussendungsrede (Lk 9,1–6 par Mk 6,7–13) fehlt.168 Es ist Konsens, dass Lukas den aus der Logienquelle stammenden Stoff zu einer zweiten Aussen-
166
MATSON, Household 166. Vgl. v.a. Lk 10,8: ἐσθίετε τὰ παρατιθέμενα ὑμῖν, mit Apg 16,34: παρέθηκεν τράπεζαν. Außerdem μένειν in Lk 10,7 (ἐν αὐτῇ δὲ τῇ οἰκίᾳ μένετε) sowie dann in Apg 10,48 (τότε ἠρώτησαν αὐτὸν ἐπιμεῖναι ἡμέρας τινάς) und in 16,15 (εἰσελθόντες εἰς τὸν οἶκόν μου μένετε). οἶκος bzw. οἰκία als Gebäude, in das man hineingeht, in Lk 10,5.7 sowie in Apg 16,15.32.34 (vgl. auch 10,25.27f.; 11,3). 168 Nur indirekt in Lk 9,4. Dort heißt es, dass die Zwölf – die ja laut 9,3 u.a. kein Brot mitnehmen dürfen – in dem Haus, in dem sie eingekehrt sind, bleiben sollen (μένετε), bis sie von dort wieder aufbrechen. Damit ist natürlich die Akzeptanz von Gastfreundschaft impliziert. 167
260
IX. Taufe und Mahl in der Apostelgeschichte
dungsrede gestaltet, die die kommende Völkermission vorwegnimmt.169 Das zeigt schon die Zahl der ausgesandten Jünger.170 Wir beschränken uns hier ganz auf das Thema der Speisen. Da die Jünger nicht auf der Straße, sondern in den Häusern tätig werden sollen,171 ist dieses Thema von Wichtigkeit, auch hier zeigt sich schon der indirekte Bezug zu den „häuslichen“ Taufgeschichten in Apg 10 und 16. Jesus behandelt zunächst den Eintritt in das Haus (10,5–7: εἰσέλθετε οἰκίαν), dann den Eintritt in die Stadt (10,8–11: πόλιν εἰσέρχησθε). Betont wird in beiden Fällen, dass die Boten essen sollten, was man ihnen vorsetzt.172 Wilfried Eckey bemerkt dazu mit Recht, dass diese Speiseregel „Desinteresse an koscherem Essen bezeugt“ und innerlukanisch außerdem Apg 10,1– 11,18 voraussetzt.173 Diese Anweisungen Jesu im LkEv werden dann im Kontext der Öffnung der Ekklesia zu den Heiden radikalisiert, indem die jüdischen christusgläubigen Missionare die Tischgemeinschaft mit getauften Nichtjuden akzeptieren.174 Erst hier werden in der Konzeption des lukanischen Doppelwerkes die unreinen Tiere für rein erklärt; Mk 7,19b hat im LkEv ja kein Pendant. Die genannte „Radikalisierung“ erfolgt allerdings im Rahmen einer zeitlich befristeten und auf den unmittelbaren Nachgang zur Taufe von Nichtjuden begrenzten Gastfreundschaft. Die vorbehaltlose Annahme der Gastfreundschaft ohne Rücksicht auf Qualität oder rituelle Reinheit der Speisen dient laut der Aussendungsrede der Evangeliumsverkündigung. Diese Vorschriften werden auch in Lk 22,35–38 nicht modifiziert. Durch 169
BOVON, Lk II 45. WOLTER, Lk 380, bemerkt allerdings, von einer Sendung der Boten über Israel hinaus und einer Einkehr in nichtjüdische Häuser könne nicht einmal entfernt die Rede sein. Dennoch wird man der zweiten Aussendungsrede eine Pragmatik für das lk Doppelwerk zusprechen müssen. 170 Zur Diskussion um die Zahl der Jünger vgl. BOVON, Lk II 49. Dass im Hintergrund die Völkerliste Gen 10 steht, ist unbestritten. 171 Vgl. WOLTER, Lk 375. 172 Lk 10,7: ἐν αὐτῇ δὲ τῇ οἰκίᾳ μένετε [!] ἐσθίοντες καὶ πίνοντες τὰ παρ’ αὐτῶν·(τὰ παρ’ αὐτῶν = die von ihnen aufgetischten Speisen und Getränke); 10,8: καὶ εἰς ἣν ἂν πόλιν εἰσέρχησθε καὶ δέχωνται [!] ὑμᾶς, ἐσθίετε τὰ παρατιθέμενα ὑμῖν (= die euch vorgesetzten Speisen). Vermutlich verdankt sich 10,8 der lk Redaktion, was den Bezug zu 16,34 unterstreicht. 173 ECKEY, Lk I 459, vgl. 465, sowie KLEIN, Lk 378: „Die lukanische Formulierung [in V. 8] bezieht sich auf Essen, das den Reinheitsvorschriften nicht entspricht“. Anders dagegen WOLTER, Lk 377 und 380, der aber den Bezug zu den Tauferzählungen in Apg 10f. und 16 nicht sieht. 174 Dass die Aussendungsrede in Lk 10 bereits implizit das Thema der Heidenmission vorwegnimmt, wird oft gesehen. Das zeigt bereits die Zahl 70 (bzw. 72), skeptisch bleibt allerdings WOLTER, Lk 377. Der mittels der Stichwörter μένειν und παρατίθηναι hergestellte Bezug zwischen der Aussendungsrede und den Tauferzählungen der Apg wird demgegenüber oft übersehen.
7. Ekklesiologie und Askese: die lukanische Tendenz
261
den Rückbezug der drei genannten Tauferzählungen auf die Aussendungsrede macht Lukas klar, dass die damaligen Worte Jesu über die vorbehaltlose Annahme von Speisen und Getränken bei der Evangeliumsverkündigung im Kontext der missionarischen Öffnung der Ekklesia für Nichtjuden ihre eigentliche Erfüllung finden. Zugleich aber – und das zeigt die asketische Schilderung des Brotbrechens in Troas (s.u.) – heißt das, dass dieses „Essen, was man euch vorsetzt“ auf die postbaptismalen Mähler im Kontext dieser Öffnung begrenzt bleiben soll. Keineswegs stellt sich Lukas die sonntäglichen Mähler der Ekklesia oder gar das Brotbrechen als Fortsetzung dieser Art von postbaptismalem Festmahl vor. Das zeigt auch das Stichwort ἀγαλλιᾶσθαι, mit dem Lukas das Mahl von 16,34 mit dem täglichen abendlichen Mahl der Jerusalemer Urgemeinde verbindet, das sich ἐν ἀγαλλιάσει vollzog (vgl. auch 2,26 = Ps 15,9 LXX). Statt auf die Tischgemeinschaft zwischen Juden und Nichtjuden abzuheben, betont Lukas, dass der Kerkermeister die jüdischen Missionare bewirtet und mit seinem ganzen Haus in Jubel ausbricht.
7. Ekklesiologie und Askese: die lukanische Tendenz 7. Ekklesiologie und Askese: die lukanische Tendenz
7.1 Kennt Lukas postbaptismale Mähler? Friedrich Avemarie hat zu den hier untersuchten postbaptismalen Mahlszenen bemerkt, es gehe Lukas bei seiner Darstellung offenbar um die Einbeziehung der Familien und um die Gemeinschaft der Neugetauften mit den Verkündigern,175 also um „die unmittelbare Fortsetzung der durch die Taufe geschaffenen Gemeinschaft in Gastfreundschaft und gemeinsamem Mahl“.176 Avemarie geht sogar noch weiter und stellt die folgende Erwägung an: „Möglicherweise war Lukas der Überzeugung, dass zu einem vollständigen Taufritual auch die Feier eines eucharistischen Mahles gehörte, wenngleich sich das nicht sicher nachweisen lässt.“177 Diese Schlussfolgerung könnte man aus dem dargestellten Befund tatsächlich ziehen, dennoch bildet dieser Aspekt schwerlich den Zielpunkt seiner Erzählstrategie. Zweifellos bildet die Wassertaufe der Nichtjuden in keinem der drei Fälle den Höhe- und Zielpunkt der Erzählung. Doch kündigt sich hier bereits der spätere altkirchliche Initiationsprozess mit seiner 175
AVEMARIE, Tauferzählungen 409. AVEMARIE, Tauferzählungen 411. 177 AVEMARIE, Tauferzählungen 50. Unter Hinweis auf 2,42.46 bemerkt er dann allerdings, „dass sich im Mahl Gemeinschaft nicht erst konstituiert, sondern bereits bestehende Gemeinschaft erneut manifestiert“. 176
262
IX. Taufe und Mahl in der Apostelgeschichte
Kulmination in der Taufeucharistie an? Bilden die lukanischen Taufmähler einen „missing link“ zwischen der Urkirche und der nachkonstantinischen Initiation? Zunächst fällt ja auf, dass der dritte Evangelist solche Szenen nur im Anschluss an die Taufen nichtjüdischer Hausbesitzer und ihres Hauses durch christusgläubige Juden schildert. Und es geht zweitens immer darum, dass die jüdischen Missionare – Petrus und Paulus samt Begleitern – die ihnen angetragene Gastfreundschaft in den nichtjüdischen Häusern in vollem Umfang akzeptieren, allerdings nur für eine bestimmte Zeit. Nur für genau diese Konstellation gilt, was J. Gillman präzise so formuliert hat: „the acceptance of hospitality in their home was also an integral part of the full initiation experience“. Gillman zieht daraus die Konsequenz: „ritual initiation itself was not sufficient to establish the new status of the converts socially, or to verify the quality of their faith theologically“.178 Damit ist deutlich, dass sich diese drei genannten Szenen gar nicht in erster Linie im Hinblick auf das Initiationsverständnis des Lukas auswerten lassen. Wenn die judenchristlichen Missionare Petrus und Paulus, aber auch deren jeweilige judenchristlichen Begleiter, die Gastfreundschaft getaufter Heiden – wenn auch zunächst unter Widerständen – akzeptieren, dann haben diese Szenen in erster Linie legitimatorische Funktion und zwar für den Glauben der getauften Nichtjuden – und damit indirekt für die hier sich konstituierende Ekklesia unter den Heiden insgesamt. Durch die postbaptismale Mahlgemeinschaft der jüdischen Missionare mit den von ihnen getauften, aber nicht beschnittenen Nichtjuden werden diese – um einen modernen Begriff trotz des Anachronismus zu gebrauchen – als „gleichberechtigt“ anerkannt. Doch legitimiert werden soll gerade nicht die volle Tischgemeinschaft von Juden und Heiden in der Ekklesia.179 Ebenso ist es nicht korrekt zu behaupten, das Ziel der paulinischen Mission in der Apg sei „that of initiating Christian communities where Jews and Gentiles share common eucharistic meals“.180 Denn in der Apg ist bei genauerem Hinsehen weder von „gemischten Ekklesien“ noch von einer dauerhaften Tischgemeinschaft von Juden und Heiden die Rede. Die in Apg 10 und 16 geschilderte Gastfreundschaft ist vielmehr – wie Gastfreundschaft immer – zeitlich begrenzt und also nur temporär, man kann fast von einer Ausnahmesituation im 178
GILLMAN, Hospitality 194. So aber ESLER, Community 96 u.ö. 180 So ebefalls ESLER, Community 96. Dies hält er aufrecht, obwohl er ebd. 98 korrekt vermerkt, dass die Frage der Tischgemeinschaft auf dem Apostelkonvent gar keine Rolle spielt. Ebd. 105 behauptet er erneut „the prominence Luke accords to table-fellowship“ und schließt aus dieser durch den Textbefund gar nicht gedeckten Behauptung dann auf eine aus Juden und Heiden gemischte Ekklesia, für die Lukas schreibe (ausführlich bereits ebd. 24–45). 179
7. Ekklesiologie und Askese: die lukanische Tendenz
263
Kontext des Gründungsgeschehens sprechen! Lukas kreiert Szenen der Gastfreundschaft (bzw. Bewirtungsszenen) und keine Szenen echter und v.a. dauerhafter Mahlgemeinschaft von christusglaubenden Juden mit getauften Nichtjuden, er schildert keine Ekklesien, in denen christusgläubige Juden im Verein mit Nichtjuden jüdisch leben. Es ist also deutlich, dass die spezifisch lukanische Darstellung ganz von der Intention („Tendenz“) des dritten Evangelisten geprägt ist. Diese lässt sich anhand zweier Stichworte darstellen, greifbar ist nämlich ein ekklesiologisches (7.2)sowie ein asketisches (7.3) Interesse des Lukas. 7.2 Taufe, Mahl und die Ekklesiologie des Lukas Für die hier vertretene These, dass die drei Tauferzählungen eine ekklesiologische Stoßrichtung haben, hat Karl Löning mehrere entscheidende Hinweise geliefert.181 Mit Recht formuliert er im Hinblick auf die Corneliusgeschichte, dass die hier erzählte Tischgemeinschaft „keine ekklesiologisch programmatische Pioniertat, die die neue Einheit von Beschnittenen und Unbeschnittenen in Christus dartut“, sei, „sondern ein einmaliger, vorübergehender Kontakt, für den der Himmel Dispens erteilt hat“. Programmatische Schilderungen brüderlichen Zusammenlebens von Juden und Heiden fehlten entsprechend bzw. seien von Lukas durch die (auch nur angedeutete) Inanspruchnahme von zeitlich begrenzter Gastfreundschaft ersetzt. Löning betont, dass die Corneliusgeschichte die Heidenmission als solche legitimiere, indem Gott selbst – auch gegen den Willen des Hauptprotagonisten Petrus – für ihre Eröffnung sorge. Denn die Heidenmission sei von Gott selbst um der Heiden willen geplant und verwirklicht. Eine Legitimation der Heidenmission an sich ist also gar kein Problem des Lukas mehr! Nicht die Existenz der Heidenkirche stellt laut Löning für Lukas das theologische Problem dar, „sondern ihr Nicht-Verhältnis zum Judentum“, genauer: das Problem „der Beziehungslosigkeit der nachpaulinischen heidenchristlichen Kirche zum Diasporajudentum“. Das von Lukas in der Apg bearbeitete ekklesiologische Problem sei also ein Kontinuitätsproblem, das Problem der Kontinuität der Kirche mit der Geschichte Israels. Lukas kann dieses Kontinuitätsproblem (anders als Paulus) nicht mehr durch den Nachweis eines judenchristlichen „Heiligen Restes“ in den heidenchristlichen Missionsgemeinden lösen, mit denen die getauften Heiden Mahlgemeinschaft haben. Statt dessen kompensiert er dies laut Löning durch die Existenz des palästinensischen Judenchristentums, das er ja zu Beginn der Apg als wahres Judentum dargestellt hat. Löning prägnant: „Beziehungen zum Judenchristentum sind damit zugleich Beziehungen 181
Zum Folgenden die instruktive Darstellung bei LÖNING, Realität 2616–2621.
IX. Taufe und Mahl in der Apostelgeschichte
264
zum Judentum. Beziehungen zum Judenchristentum Palästinas wiegen mangelnde Beziehungen zum Diasporajudentum auf. Der positive Nachweis der Partizipation der heidenchristlichen Kirche an der Heilsgeschichte Israels kann so auf innerkirchlicher Ebene erbracht werden: Zwar nicht durch den Augenschein an Ort und Stelle, aber durch das Gesamtbild der universalen Kirche, wie Lukas es schildert“.182 Dem entspricht die lukanische, narrativ entfaltete Ekklesiologie: „Lukas schildert das Verhältnis von Juden und Heiden in der Kirche als nachbarschaftliches Verhältnis zweier Ausprägungen kirchlicher Selbstverwirklichung, also prinzipiell als ein auch äußeres Verhältnis“.183 Gemischte Gemeinden sind demnach ein Übergangsphänomen (und taugen daher auch nicht zur Bewältigung der genannten Kontinuitätsproblematik), die ekklesiologisch entscheidende Frage des Apostelkonvents ist die, „ob auch die Heiden nach den Normen leben sollen, die für die Judenchristen gelten“. Diesen Erwägungen lässt sich Maria Neubrands Sicht der lukanischen Ekklesiologie an die Seite stellen, die sie mittels einer detaillierten Auslegung von Apg 15 entwickelt hat. In der Darstellung des Lukas wurde auf dem Apostelkonvent laut Neubrand die Frage erörtert, „ob nur das christusgläubige Israel (ὁ λαός) Kirche Jesu Christi sein kann“.184 Lukas stelle als Ergebnis des Konvents dar, dass auch christusgläubige Nichtjuden gleichwertiger Teil der Ekklesia Jesu Christi sind, ohne Juden werden zu müssen, weil sie von Gott als ein eigener, zweiter λαός erwählt und anerkannt sind. Dieses wiederum hat entsprechende Konsequenzen für die Lebensführung der Heidenchristen, die in den sog. Jakobusklauseln formuliert sind. Schlüsseltext für Neubrands Auslegung ist die Jakobusrede auf dem Apostelkonvent (Apg 15,13–21), insbesondere V. 14.185 Apg 15,14 14
a b c
Symeon hat dargelegt (Συμεὼν ἐξηγήσατο) [vgl. Lk 2,25–35, v.a. V. 32], wie Gott zuerst darauf gesehen hat (καθὼς πρῶτον ὁ θεὸς ἐπεσκέψατο), zu nehmen aus den Heiden ein Volk für seinen Namen (λαβεῖν ἐξ ἐθνῶν λαὸν τῷ ὀνόματι αὐτοῦ).
Mit dieser Aussage erkenne Jakobus der nichtjüdischen Christusanhängerschaft den Erwählungstitel λαός zu. Neubrand erblickt hierin eine bewusste erwählungstheologische Aussage, mit der der nichtjüdischen Christusan182
LÖNING, Realität 2619. LÖNING, Realität 2619. 184 NEUBRAND, Israel 79. 185 Dazu NEUBRAND, Israel 108–130. 183
7. Ekklesiologie und Askese: die lukanische Tendenz
265
hängerschaft ein eigenständiger Erwählungsstatus als λαός zugebilligt186 und somit die Frage nach deren religionssoziologischen Status beantwortet werde: „Aufgrund ihrer Christuszugehörigkeit durch Geistempfang und Taufe sind auch Nichtjuden in die unmittelbare Nähe zu Gott gekommen und dadurch – analog zu Israel – als ein von Gott erwählter λαός anzusehen“.187 Überzeugend ist auch, dass die sog. Jakobusklauseln188 zumindest auf der Ebene des lukanischen Werkes keineswegs ein reibungsloses Miteinander von Juden und Heiden in gemischten Gemeinden außerhalb des Hl. Landes ermöglichen sollen, erst recht gehe es nicht um die Ermöglichung der Tischgemeinschaft von Juden und Heiden unter Rücksichtnahme auf die jüdischen Teilnehmer.189 Diese Problematik werde vielmehr regelmäßig aus dem antiochenischen Zwischenfall (Gal 2,11–14) in den lukanischen Text eingetragen. Dagegen spricht auch, dass die kultische Reinheit von jüdischen Christusanhängern nirgendwo in Frage oder zur Debatte steht. Vielmehr müssen diese Enthaltungsgebote als notwendige Konsequenz aus der Anerkennung der nichtjüdischen Christusanhängerschaft als λαός gesehen und interpretiert werden.190 Die durch den Heiligen Geist vollzogene „Reinigung“ der Nichtjuden (Apg 15,8f.) darf nicht durch „Verunreinigungen“ gefährdet werden.191
Für die heilsgeschichtliche Legitimierung der Ekklesien unter den Heiden im Rahmen dieser geographisch strukturierten „Zwei-Völker-Ekklesiologie“ spielen die drei genannten postbaptismalen Gastfreundschaftsszenen eine entscheidende Rolle. Eben weil die beiden entscheidenden jüdischen Missionare zu Beginn der beschneidungsfreien Heidenmission die Gastfreundschaft in Häusern getaufter Heiden akzeptierten, sind die Ekklesien unter den Heiden, d.h. die Ekklesien außerhalb Palästinas, auch dann heilsgeschichtlich legitimiert, wenn sie von den örtlichen Diasporasynagogen getrennt sind.192 186
Anders, aber nicht exakt gemäß dem Wortlaut von Apg 15 formuliert JIPP, Visitations 240f.: „Thus, the λαός of God, his special possession, is now inclusive of Gentiles, whose hearts have been cleansed by faith“. 187 NEUBRAND, Israel 116. Dadurch werde die nichtjüdische Christusanhängerschaft „als eigene Erwählung legitimiert. Der nichtjüdischen Christusanhängerschaft wird dadurch gegenüber dem Volk Israel ein eigenständiger Status als ‚Volk Gottesʻ und eine zu Israel analoge Funktion im Heilsplan Gottes zugesprochen. Sie sind ‚Volk Gottesʻ, werden aber nicht ‚Israelʻ“. 188 Dazu NEUBRAND, Israel 220–249. 189 So NEUBRAND, Israel 243. 246 u.ö. 190 NEUBRAND, Israel 223. 247 u.ö. 191 Neubrand lehnt entsprechend eine Herleitung der Jakobusklauseln aus der sog. Fremdlingsgesetzgebung Lev 17–18 ab (228–235) und sieht die später sog. noachitischen Gebote im Hintergrund (ebd. 239–243). 192 Vermutlich stellt Lukas deswegen die Urgemeinde im Jerusalem der 50er Jahre als „gesetzeseifernden“ Teil des Jerusalemer Judentums dar, was auch für das dortige Judenchristentum nach dem ersten jüdischen Krieg – also zur Zeit des Lukas – zutreffen dürfte.
IX. Taufe und Mahl in der Apostelgeschichte
266
7.3 Taufe, Mahl und Askese bei Lukas Neben der Ekklesiologie gibt es noch ein zweites Anliegen des Lukas, das ihn zu seiner charakteristischen Darstellung der Taufmähler führt: nämlich sein asketisches Anliegen. Hier liegt auch der eigentliche Grund, warum Lukas bei seinen Schilderungen der postbaptismalen Gastfreundschaft das Brotbrechen allerhöchstens indirekt angedeutet hat. Denn im Unterschied zur Urgemeinde (vgl. Apg 2,46) steht das Brotbrechen der Ekklesia unter den Heiden für Lukas im Zeichen der Abstinenz (νηστεύειν, vgl. Lk 5,35), nämlich der Nahrungs- und der Schlafaskese! 7.3.1 Brotbrechen als Nachtwache in Troas Dies wird deutlich, wenn man die einzige (und daher exemplarische) Schilderung des sonntäglichen Brotbrechens einer Ekklesia unter den Heiden heranzieht, die Lukas in der Apg platziert, nämlich das nächtliche Brotbrechen in Troas (Apg 20,7–12). Da dieses gerade nicht im Kontext eines fröhlich-üppigen abendlichen Symposions, sondern als nächtliche asketische Vigil gefeiert wird, vermeidet Lukas jeden direkten Zusammenhang zu den postbaptismalen Mählern. Die knappe Erzählung ist das erste „Bild“ eines zweiteiligen narrativen Diptychons, mit dem Lukas den Abschied des Paulus (und damit zugleich sein Vermächtnis) inszeniert. Dem nächtlichen Brotbrechen samt der Totenerweckung des Eutyches am ersten Tag der Woche (20,7–12) korrespondiert die Abschiedsrede des Paulus vor den Ältesten von Ephesus in Milet (20,17–38). Die beiden Szenen sind in einen längeren Reisebericht eingepasst, mit dem Lukas die letzte Reise des Paulus in Freiheit von Ephesus nach Jerusalem erzählt (20,1–21,17), sie enthalten das „TatVermächtnis“ und das „Wort-Vermächtnis“ des Paulus.193 Apg 20,7–8 7
8
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193
Als wir uns nun am ersten Tag der Woche versammelt hatten (συνηγμένων), um Brot zu brechen (κλάσαι ἄρτον), redete Paulus zu ihnen, weil er am folgenden Tag abreisen wollte, und er dehnte die Rede bis Mitternacht aus (μέχρι μεσονυκτίου). Und es waren viele Lampen in dem Obergemach (ἦσαν δὲ λαμπάδες ἱκαναὶ ἐν τῷ ὑπερῴῳ), in dem wir versammelt waren (οὗ ἦμεν συνηγμένοι).
THEOBALD, Leib 135, im Anschluss an J. Wanke.
7. Ekklesiologie und Askese: die lukanische Tendenz
267
Zunächst zur Zeit des Gottesdienstes: Im Unterschied zum ersten Summarium der Apostelgeschichte (Apg 2,46) ist in den Ekklesien unter den Heiden, also in den Missionsgemeinden außerhalb des Heiligen Landes, das wöchentliche Brotbrechen „am ersten Tag der Woche“ maßgeblich.194 Hinzu kommt aber, dass sich dieser exemplarische Gottesdienst über Mitternacht (20,7) bis zum Morgengrauen hinzieht (20,11). Mit ihrem abendlichen Beginn steht diese Versammlung im Doppelwerk keineswegs allein,195 allerdings fällt sie dadurch aus dem Rahmen, dass sie bis zum Morgen dauert. Wir haben also eine Art Vigil vor uns. Damit entspricht die Ekklesia in Troas den Mahnungen Jesu, zu wachen und zu beten. Auffällige Bezüge weist das nächtliche Brotbrechen zu Lk 12,35–38 auf, ein Text, in dem es nicht zufällig um die rechte Vorbereitung auf die Parusie geht.196 Im Zentrum dieser kleinen Komposition steht die von zwei Seligpreisungen (37abc/38abc) gerahmte Mahlverheißung (37d–g), eingeleitet wird sie von einer Mahnung, in der nicht nur gegürtete Hüften, sondern auch brennende Lampen gefordert werden: Lk 12,35–38 35 36
37
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Eure Hüften sollen gegürtet [Ex 12,11] und eure Lampen angezündet sein (καὶ οἱ λύχνοι καιόμενοι), und ihr sollt Menschen gleichen, die ihren Kyrios erwarten (προσδεχομένοις τὸν Κύριον ἑαυτῶν), wenn er die Hochzeit verlässt, damit, wenn er kommt und anklopft, sie ihm sofort öffnen können. Selig jene Sklaven, die der Kyrios, wenn er kommt (οὓς ἐλθὼν ὁ Κύριος) wachend finden wird (εὑρήσει γρηγοροῦντας). Amen, ich sage euch: Er wird sich gürten und sie sich zu Tisch niederlegen lassen und sie der Reihe nach bedienen (καὶ παρελθὼν διακονήσει αὐτοῖς).
194 Umstritten ist, ob sich die Ekklesia am Samstag- oder am Sonntagabend versammelt, wahrscheinlicher ist letzteres (vgl. Lk 24,1). Zur Diskussion THEOBALD, Leib 136f. WICK, Gottesdienste 286f., geht von der Nacht vom Sabbat auf den Sonntag aus. 195 Auch die wunderbare Brotvermehrung sowie das Emmausmahl beginnen am Abend, vgl. Lk 9,11–17 (V. 12) und 24,13–32 (V. 29). Auch die „Stunde“ des letzten Paschmahls Jesu (22,14) ist natürlich der Abend. 196 Zu diesem Text vgl. ausführlich THEOBALD, Eucharistie als Quelle 41–48.
IX. Taufe und Mahl in der Apostelgeschichte
268 38
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Und wenn er in der zweiten oder dritten Nachtwache kommt und sie so findet: Selig sind jene.
Laut diesem Text soll die Lebensweise der Leser „stets parusiefest“ sein.197 Sie ist dies aber nur dann, wenn sie nächtens wachen. Dieses „Wachen“ der in V. 37 seliggepriesenen Sklaven zeigt sich – neben dem Umgürten der Hüften und dem Öffnen der Türe – an den brennenden Lampen: „Umgürtete Hüften und brennende Lampen machen Sklaven zu nächtlichen προσδεχόμενοι ihres Herrn“.198 Von daher ist es wahrscheinlich, dass die vielumrätselte Bemerkung in Apg 20,8 darauf anspielt, auch wenn Lukas keinen direkten Stichwortbezug herstellt: Das nächtliche Brotbrechen in Troas findet in einem mit vielen Lampen erleuchteten Obergemach statt. Die Ekklesia entspricht also genau der in Lk 12,35–38 von Jesus geforderten Haltung: Sie wacht und betet bei brennenden Lampen die ganze Nacht bis zum Morgen (αὐγή) in Erwartung des kommenden Kyrios, das nächtliche Brotbrechen steht also ganz im Zeichen eschatologischer Erwartung.199 Laut Lk 12,37 findet das eigentliche Festmahl ja erst bei der endzeitlichen Ankunft des Kyrios statt. Zwar ist ungewiss, wann dies geschehen wird; wenn er aber kommt, „wird es ein glänzendes Festmahl geben, bei dem er als Tischdiener auftreten und alle bedienen wird“.200 Überhaupt ist das reichhaltige Bankett als biblisch vorgeprägtes Symbol für die himmlische Vollendung (vgl. Jes 25,6) bei Lukas durchweg eschatologisiert.201 Gegessen und getrunken wird erst bei Ankunft des Kyrios, die Zeit bis zur Parusie ist die Zeit des nächtlichen Wachens. Wer diese mit Ess- und Trinkgelagen verbringt, riskiert es, bei der unerwartet frühen Rückkehr des Kyrios grausamer Strafe zu verfallen (Lk 12,45–48)! Dies zeigt auch das Schlusswort der letzten öffentlich gehaltenen Rede Jesu mit seiner Aufforderung zum unablässigen Wachen und Gebet:
197
WOLTER, Lk 459. WOLTER, Lk 461. 199 Anders als THEOBALD, Leib 162 u.ö., würde ich deswegen nicht von einem „österlichen Eucharistieverständnis bei Lukas“ sprechen. Die sonntägliche Feier des Brotbrechens ist gerade nicht „ganz in das Licht der Auferweckung getaucht“ (ebd. 140), sondern ins Dunkel des nächtlichen Wartens auf den Kyrios gehüllt. Deswegen müssen im Sinne von Lk 12,35 Lampen angezündet werden. 200 THEOBALD, Eucharistie als Quelle 41. 201 Lk 13,27–30; 14,15; 22,15–18 sowie 22,30 und dazu SMITH, Table Fellowship 626–629. 198
7. Ekklesiologie und Askese: die lukanische Tendenz
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Lk 21,34–36202 34
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Hütet euch davor, dass eure Herzen beschwert werden durch Verkatertsein, durch Rausch und durch Sorgen des Alltags (ἐν κραιπάλῃ καὶ μέθῃ καὶ μερίμναις βιωτικαῖς),203 so dass jener Tag plötzlich über euch kommt [V. 35] wie ein Fangnetz. Denn er wird über die auf der Oberfläche der gesamten Erde Wohnenden hereinbrechen. Seid vielmehr wachsam und betet allezeit (ἀγρυπνεῖτε δὲ ἐν παντὶ καιρῷ δεόμενοι),204 dass ihr in der Lage seid, all dem zu entrinnen, was geschehen wird, und vor dem Menschensohn zu bestehen.
In diesen Zusammenhang gehört auch die in das nächtliche Brotbrechen eingelagerte Totenerweckungsgeschichte (20,9f./12). Hier geht es nicht in erster Linie darum, die Erzählung soteriologisch anzureichern.205 Vielmehr dient der einschlafende Eutyches als Negativbeispiel und soll – auch wenn er seinem Namen gemäß Glück im Unglück hat, weil Paulus anwesend ist – die tödliche Gefahr ins Bewusstsein der Leser rufen, die einem Glaubenden droht, der vor der Ankunft des Kyrios vom Schlaf übermannt wird. Im Lukasevangelium korrespondiert daher den Ermahnungen zur Wachsamkeit die eindeutig negative Konnotation des Schlafes,206 der Völlerei und des Rausches. 7.3.2 Die asketische Mahlpraxis in der Ekklesia unter den Heiden Der exemplarische Gottesdienst in Troas ist aber nicht nur durch die Nachtwache, sondern vor allem durch Abstinenz gekennzeichnet. Dabei entspricht diese nächtliche Gemeindeversammlung zwar strukturell dem letzten Symposion Jesu in der Darstellung des Lukas (Lk 22,14–38): Auf
202
Übersetzung nach WOLTER, Lk 667. Zum hellenistischen Hintergrund des durch zu starken Alkoholgenuss „schweren Herzens“ sowie zur Semantik von κραιπάλη und μέθη vgl. WOLTER, Lk 683. 204 Zum Schlusssatz der Endzeitrede (Lk 21,5–36) vgl. WOLTER, Lk 684: „Als ethischen Modus dieser Existenzorientierung nennt Lukas hier wie auch schon in 18,1–8c das beharrliche Beten“. Analog zur Endzeitrede Jesu mahnt auch Paulus in Apg 20,31: διὸ γρηγορεῖτε... 205 So aber THEOBALD, Leib 137–140. 206 In die Verklärungsszene bringt Lukas in Lk 9,32 das Motiv des Schlafes ein: Weil Petrus und die Zebedaiden das Gespräch Jesu mit Mose und Elija über seinen „Ausgang“ in Jerusalem verschlafen, deswegen müssen sie an Ostern vom Auferstandenen nachträglich belehrt werden (24,25–27.32.44–46). Der Schlaf verhindert hier die Teilhabe an himmlischen Geheimnissen. In der Ölbergszene dagegen mildert Lukas in 22,45f. den markinischen Text insofern ab, als die Jünger am Ölberg „vor Traurigkeit“ einschlafen. 203
IX. Taufe und Mahl in der Apostelgeschichte
270
das Mahl folgt ein Symposion.207 Im Falle der Troasgeschichte wird nun aber im Unterschied zu Lk 22,20 und zu Apg 2,46 gerade kein „richtiges“ Mahl erwähnt, vielmehr erweckt der Evangelist in Apg 20,11 den Eindruck einer reinen „Brotkommunion“ des Paulus.208 Apg 20,11 11
a b c d e
Er aber stieg hinauf (ἀναβὰς δέ) und brach das Brot (καὶ κλάσας τὸν ἄρτον) und aß (καὶ γευσάμενος) und redete noch lange bis zum Morgengrauen (ἄχρι αὐγῆς). So verließ er sie (οὕτως ἐξῆλθεν).
Offenbar möchte Lukas den Eindruck nächtlicher Schlemmereien gerade vermeiden. Dies wiederum entspricht den mehrfachen Warnungen des lukanischen Jesus vor sorglosem oder gar übermäßigem Essens- und Trinkgenuss, laut ihm ein Zeichen dafür, dass die Menschen den drohenden Tag des Menschensohnes vergessen und sich im Diesseits eingerichtet haben.209 207
Wie jenes ist dieses dreigeteilt, auch wenn die einzelnen Teile situationsbedingt und überlieferungsgebunden je unterschiedlich ausgeführt sind: (1.) Einleitende Worte vor Mahlbeginn (Lk 22,15f. / Apg 20,7, hier aber zu einem längeren „Lehrteil“ ausgebaut); (2.) Deipnon: Mahleinleitung mit Brotbrechen (in Lk 22,117f. zusätzlich mit einem ersten Kelchritus) sowie angedeuteter Mahlzeit (Lk 22,19) bzw. Brotkommunion (Apg 20,11); (3.) Symposion: Reden (Lk 22,21–38 / Apg 20,11). WICK, Gottesdienste 288, verweist darauf, dass Lukas für die Unterweisung nach dem Brotbrechen das Stichwort ὁμιλεῖν verwendet, das einen „viel weniger strengen Lehrcharakter“ als διαλέγομαι, sondern „die Bedeutung der vertraulichen Unterhaltung über ein Thema“ habe (Lk 24,14.15; Apg 24,26). Auch die lk Begrifflichkeit deutet also noch auf einen nach dem Deipnon folgenden sympotischen Teil hin. Umso auffälliger ist dann das Schweigen über ein Mahl und der Wegfall der (strukturell am Übergang vom Deipnon zum Symposion stehenden) Becherhandlung im Falle der Troasgeschichte. M.E. ist diese Struktur also nicht „der besonderen Situation“ der Anwesenheit des Apostels geschuldet (so aber THEOBALD, Leib 137), sie dürfte vielmehr die für Lukas normale bzw. erwünschte gewesen sein. 208 In Apg 20,11 steht γευσάμενος ganz parallel zu κλάσας τὸν ἄρτον und hat im Unterschied zu Lk 14,24 (τοῦ δείπνου) kein Objekt (vgl. Apg 10,10 und 23,14). Das Verb bezieht sich also wohl nicht auf eine volle Mahlzeit, vielmehr „ist das Objekt des ‚Essens’ aus dem Kontext zu erschließen: das Brot“ (SCHNEIDER II 287 Anm. 32). Anders THEOBALD, Leib 137. 209 Vgl. dazu den Weheruf über die Satten Lk 6,25, außerdem Lk 12,19 (Der reiche Kornbauer sagt zu sich selbst: „Ruh dich aus, iss, trink, sei fröhlich“, woraufhin Gott in jener Nacht seine Seele fordert); 12,22f. („Sorgt euch nicht um die Seele, was ihr essen sollt, auch nicht um den Leib, was ihr anziehen sollt, denn die Seele ist mehr als Nahrung und der Leib [mehr] als die Kleidung“); 12,29f. („Sorgt euch nicht, was ihr essen und was ihr trinken sollt und seid nicht beunruhigt“) sowie dann v.a. 12,45: Der hier geschilderte Sklave, den die unerwartet frühe Rückkehr seines Kyrios beim Ess- und Trinkgelage überrascht, ist die Gegenfigur zu seinen Kollegen von 12,35–38. WOLTER, Lk 465,
7. Ekklesiologie und Askese: die lukanische Tendenz
271
Schon das „normale“ Essverhalten kann darauf hindeuten, dass Menschen die Zeichen der Zeit nicht erkannt haben und dementsprechend vom „Tag des Menschensohnes“ überrascht werden.210 Dennis E. Smith formuliert daher mit Recht: „The luxurious meal functions as a symbol for the debauchery of ‚this ageʻ“.211 Erinnerungsfunktion kommt im lukanischen Doppelwerk also alleine dem „Brotbrechen“ zu.212 Bedenkt man dazu noch, dass bei der lukanischen Erzählung vom letzten Mahl Jesu mit den Aposteln ein Anamnesisbefehl nur nach Brothandlung und Brotwort steht,213 so fügen sich die Indizien zu einem widerspruchsfreien Bild: Für Lukas ist die Mahlpraxis der Ekklesien, genauer: das Brotbrechen, durch Nachtwachen und Abstinenz gekennzeichnet. Letztere betrifft insbesondere und eindeutig den Wein, der nirgendwo erwähnt wird. Im Falle der Urgemeinde deutet Lukas zwar die mit dem Brotbrechen verbundenen bzw. von ihm eingeleiteten Gemeindemähler noch an, im Kontext der Paulusmission ist davon keine Rede mehr.214 Den Programmsatz für diese asketische Eucharistiepraxis formuliert der lukanische Jesus, wenn er – anders als in seiner Vorlage Mk 2,19f. – die Zeit nach der Wegnahme des Bräutigams als Zeit dauerhafter Abstinenz
weist auf erhellende LXX-Parallelen zur Trias ἐσθίειν, πίνειν und μεθύσκεσθαι für die Beschreibung üppiger Gelage hin: 2Sam 11,13; Hhld 5,1; Jes 49,26. Negativ wird auch der reiche Schlemmer in Lk 16,19 gezeichnet, in V. 21 ist von seiner τράπεζα die Rede. Zum Ganzen instruktiv SMITH, Table Fellowship 623–629 („Eating and Drinking as a Symbol of Luxury“). 210 Lk 17,26–30 und dazu WEIDEMANN, Engelsgleiche 25–27. Essen und Trinken ist hier – ebenso wie Heirat und Handel – Ausdruck dafür, gedankenlos der kommenden Katastrophe „jenes Tages“ entgegenzugehen. Vgl. dazu auch die Mahnungen zur Sorglosigkeit bzgl. Nahrung und Kleidung in Lk 12,22–24. Nach 12,29f. charakterisiert die Sorge um Essen und Trinken „die Völker der Welt“. 211 SMITH, Table Fellowship 624. 212 Dieser Ausdruck umfasst laut Lk 22,19 das Nehmen (Erheben) des Brotes und das Sprechen des Eucharistiegebets sowie das Brechen des Brotes und das Austeilen der Brotstücke. Dazu auch THEOBALD, Eucharistie als Quelle 90–92. 213 Demgegenüber ist die Becherhandlung gerade nicht als zu wiederholender Ritus geschildert, sondern als einmaliger Akt Jesu mit den Aposteln. Ausführlich dazu WEIDEMANN, Engelsgleiche 43–47. 214 Vgl. dazu Apg 2,46 (μετελάμβανον τροφῆς), anders dann in 20,11 (s.o.). Wie in Troas isst Paulus auch in Seenot auf dem Schiff (27,35f.) im Anschluss an das Eucharistiegebet und das Brotbrechen nur vom gebrochenen Brot – und nur Paulus isst vom gebrochenen Brot (λαβὼν ἄρτον εὐχαρίστησεν τῷ θεῷ ἐνώπιον πάντων καὶ κλάσας ἤρξατο ἐσθίειν), während die übrige Besatzung andere Speisen zu sich nimmt, aber nicht am gebrochenen Brot partizipiert (εὔθυμοι δὲ γενόμενοι πάντες καὶ αὐτοὶ προσελάβοντο τροφῆς). Nur in Lk 22,20 ist das auf das Brotbrechen folgende Paschmahl angedeutet (μετὰ τὸ δειπνῆσαι).
272
IX. Taufe und Mahl in der Apostelgeschichte
beschreibt: „Sie werden abstinent leben in jenen Tagen“ (Lk 5,35).215 Vor diesem Hintergrund haben die Taufmähler in der Apg den Status von Ausnahmen.
8. Fazit: Liturgiegeschichtliche Auswertung des lukanischen Befundes 8. Fazit
Der mühsame exegetische Durchgang durch die lukanischen Tauferzählungen hat ergeben, dass sein ekklesiologisches wie sein asketisches Anliegen dem dritten Evangelisten die Hand bei der Darstellung der postbaptismalen Szenen führen. Diese exegetisch klar rekonstruierbare Tendenz prägt die lukanischen Erzählungen auf eine Weise, dass sie sich kaum direkt als Quellen für die Geschichte der (späteren) Taufgottesdienste auswerten lassen. Sollte Lukas von postbaptismalen eucharistischen Mählern Kenntnis gehabt haben – was nicht unwahrscheinlich ist (s.u.) –, dann hat er diese fast durchgehend ausgeblendet, ebenso wie die symposialen Formen der Eucharistie. Weder das zum Gedächtnis Jesu vollzogene „Brotbrechen“ noch ein gemeinschaftliches Mahl sind Teil der Initiation oder gar Ziel, Höhepunkt und Abschluss der Taufe. Die oben unter 7.3 genannten Belege aus dem LkEv machen deutlich, dass üppige Mähler als Kontext des „Brotbrechens“ für Lukas generell nicht in Frage kommen, nicht einmal dann, wenn sie Ausdruck der Freude über Umkehr und Taufe von Verlorenen sind. Für Lukas ist das „Brotbrechen“ zu Jesu Gedächtnis in den Ekklesien unter den Heiden – wie er in der Troaserzählung (Apg 20,7–11) exemplarisch deutlich macht – kein abendliches Symposium. Symposiale Bilder und Metaphern werden nur noch eschatologisch gebraucht, das „Brotbrechen“ steht dagegen im Sinne von Lk 12,35 unter den Vorzeichen des nächtlichen Wachens und der Abstinenz. Lukas favorisiert also eindeutig die Ablösung des Brotbrechens vom Mahl und damit die Transformation der einstigen Mahleröffnung zum eigentlichen Kultakt. Damit einher geht das offenbar bewusste Verschweigen des Weinritus. Wenn Lukas im Unterschied zu diversen Quellen des 2. und 3. Jh., aber auch im Unterschied zum Zeugnis des Paulus das gemeinschaftlich-gemeindliche Mahl – ob als eucharistisches Mahl oder als „Sät215
Lk 5,35: τότε νηστεύσουσιν ἐν ἐκείναις ταῖς ἡμέραις. Vgl. damit Mk 2,20: καὶ τότε νηστεύσουσιν ἐν ἐκείνῃ τῇ ἡμέρᾳ [!]. Mit νηστεύειν meint Lukas – anders als Markus – also nicht unbedingt ein zeitlich limitiertes „Fasten“ (so nur bei „amtlichen“ Gemeindevollzügen in Apg 13,1–3 und 14,23), sondern dauerhafte Abstinenz („Enthaltsamkeit“), v.a. von Wein, aber wohl auch von übermäßigem Essen. Belege für diesen Sprachgebrauch bei WOLTER, Lk 230.
8. Fazit
273
tigungsmahl“ – ganz abblendet und nirgendwo zum Forum für wichtige Einsichten, Erfahrungen oder auch Konflikte macht,216 dann wird man doch annehmen dürfen, dass er hier keine ekklesiale Realität schildert, sondern versucht, eine solche zu kreieren oder zu beeinflussen. Hinzu kommt, dass Lukas offenbar noch kein morgendliches Brotbrechen kennt.217 Man gewinnt aus der lukanischen Darstellung nicht den Eindruck einer Ablösung des Brotbrechens vom Mahl und der Verlagerung des ersteren in die Nacht oder (z.B. im Sinne Tertullians oder der Thomasakten) auf den Morgen; vielmehr insinuiert Lukas die Reduktion des eucharistischen Symposiums auf die Mahleröffnung mit Brot unter Auslagerung der „Sättigung“ in den privaten Bereich. Der Programmsatz für die Mahlpraxis der Ekklesia steht in Lk 5,35. Sowohl die lukanische Tendenz als auch andere Quellen aus der Zeit um die Jahrhundertwende (v.a. die Diadache) legen nahe, dass wir es in der Apostelgeschichte mit einem lukanischen Idealbild zu tun haben, das nur mit größter Vorsicht liturgiegeschichtlich auswertbar ist, auch wenn die Konzentration auf das Brotbrechen in der fraglichen Zeit sicher nicht nur das Privatanliegen eines asketisch gesinnten Evangelisten war. Immerhin belegen z.B. die späteren Apostelakten und auch die Pseudoclementinen die Weiterentwicklung dieses Paradigmas hin zu „asketischen“ Taufeucharistien, zur asketischen Mahlpraxis und zur Hochschätzung des Fastens. Umso bemerkenswerter ist dann aber, dass Lukas – entgegen seiner eigenen Tendenz – den Zusammenhang von Taufe und postbaptismaler Mahlgemeinschaft durchaus noch kennt, und zwar im Kontext einer ganz bestimmten missionarischen Situation: der Taufe nichtjüdischer „Häuser“ durch jüdische Missionare. Dort, wo im Rahmen der von christusgläubigen Juden betriebenen beschneidungsfreien Heidenmission ganze Hausgemeinschaften die Wassertaufe empfangen, verschweigt Lukas nicht, dass es im Anschluss an die Taufe zur Mahlgemeinschaft kommt, genauer: dass die christusgläubigen Juden die Gastfreundschaft in heidnischen Häusern akzeptieren – mit allen Konsequenzen. Lukas vermeidet hier aber jede direk216 Dies zeigt sich z.B. in der Erzählung von der Taufe des Saulus: Nach seiner Taufe nimmt Paulus laut Lukas Nahrung zu sich und kommt wieder zu Kräften (Apg 9,19), aber Lukas verschweigt, wann, wo und mit wem Paulus in der fremden Großstadt aß. Dass er „mit den in Damaskus (lebenden) Jüngern einige Tage zusammen war“ (ebd.), bezieht sich gerade nicht auf Gemeindemähler. Mit Ausnahme der Urgemeinde (2,46) und den drei genannten Tauferzählungen schildert Lukas nirgendwo ein gemeinschaftliches Essen von Christusgläubigen. Im Gegenteil: Die fünf jüdischen „Propheten und Lehrer“ der antiochenischen Ekklesia – darunter Barnabas und Paulus – fasten während ihres Kultdienstes für den Herrn: λειτουργούντων δὲ αὐτῶν τῷ κυρίῳ καὶ νηστευόντων (Apg 13,2). 217 Das morgendliche Brotbrechen des Paulus auf dem Schiff kann aufgrund der außergewöhnlichen narrativen Inszenierung dafür nicht als Beleg herangezogen werden.
274
IX. Taufe und Mahl in der Apostelgeschichte
te Anspielung auf die Eucharistie (lukanisch: „Brotbrechen“), ordnet den Aspekt der Mahlgemeinschaft ganz der (zeitlich begrenzten) Gastfreundschaft unter und stellt die Szenen mittels Stichwortverbindung in die Fluchtlinie der sog. Aussendungsrede Lk 10. In präzise dieser Konstellation der Heidenmission durch christusgläubige Juden bildet nicht die Wassertaufe, sondern erst die von den nichtjüdischen Getauften gewährte und von den jüdischen Täufern akzeptierte Gastfreundschaft den Abschluss des ganzen Vorgangs, eingeschlossen ist dabei ausdrücklich die Mahlgemeinschaft (συνεσθίειν). Wie Karl Löning wahrscheinlich gemacht hat, zielte die vorlukanische Fassung der Corneliusgeschichte ursprünglich auf die Mahlgemeinschaft von Juden und Heiden hin.218 Löning geht (mit E. Haenchen) davon aus, dass die Petrusvision „von vorneherein nicht auf die Aufhebung alttestamentlicher Speisegebote, sondern auf die Beseitigung der Trennung von Beschnittenen und Unbeschnittenen hin“ und also „für den jetzigen Zusammenhang konzipiert“ sei,219 ja dass sie ein konstitutives Element der Corneliusüberlieferung bildete. In diesem Fall wäre in dem Vorwurf der Jerusalemer an Petrus in 11,3 die ursprüngliche Stoßrichtung der Corneliusgeschichte noch zu erkennen. Dies wird auch dadurch untermauert, dass der erste Vorwurf, das „Hineingehen“ des Petrus „zu Männern mit Vorhaut“, in der Corneliusgeschichte ausführlich und kunstvoll erzählt wird, so dass der erzählerische Ausfall des zweiten, gravierenderen Vorwurfs umso mehr ins Auge fällt. Der Vorwurf der Jerusalemer an Petrus, er sei bei Unbeschnittenen eingekehrt und habe mit ihnen Mahl gehalten, „steht, was das Mahlmotiv angeht, beziehungslos im Kontext. Dieser erzählerische Verstoß ist möglicherweise damit zu erklären, dass Lukas in seiner Vorlage eine Mahlszene getilgt hat“.220 Diese Hypothese kann Löning auch vom Duktus der Erzählung in Apg 10 her plausibel machen: „Im Mahl kommt das Nebeneinander von Beschnittenen und Unbeschnittenen entsprechend dem Inhalt der Petrusvision (vgl. V. 12) zum Ausdruck, während ein Taufritus nur den Aspekt der Initiation pointiert, also lediglich dem Spannungsgehalt des ersten Erzählabschnitts gerecht wird“.221 Lukas habe diesen Gedanken der Gemeinschaft
218
Zum folgenden insgesamt LÖNING, Korneliustradition. LÖNING, Korneliustradition 4. 220 LÖNING, Korneliustradition 10. 221 LÖNING, Korneliustradition 11. Löning legt dar, dass die Corneliusgeschichte zwei (!) Mangelsituationen entwickelt, die beide (!) behoben werden müssten. Im ersten Abschnitt wird Cornelius dargestellt als jemand, der dem „Volk“ durch seine Spenden verbunden ist, aber als Römer zu diesem nicht hinzugehört. Dieser Mangel wird mit der Taufe des Cornelius behoben. Im zweiten Abschnitt allerdings wird durch die Petrusvision die Frage nach der Legitimität von Essen trotz des anstößigen Nebeneinanders von rein und unrein thematisiert (dies ist ja die Pointe der Petrusvision, nicht die unreinen Tiere). Die durch die Petrusvision erzeugte Spannung verlangt nach einer Mahlsszene zwischen Juden und Heiden als Abschluss der Initiation der Heiden. Diese fehlt in der lk Fassung von Apg 10, doch bietet 11,3 einen Hinweis darauf, dass sie sich ursprünglich dort befunden hat. Hinzu kommt, dass die Begleiter des Petrus, die nach Lukas lediglich Zeugenfunktion haben (10,11f.), in der vorliegenden Fassung von Apg 10 eigentlich überflüssig sind, da Petrus Cornelius auch alleine hätte taufen können: „Die ἀδελφοί aus 219
8. Fazit
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von Juden und Heiden in der einen Kirche, wie sie sich in der Mahlgemeinschaft manifestiere, in den Hintergrund gerückt und statt dessen den Akzent ganz auf den Gedanken der Gleichheit von Juden und Heiden hinsichtlich der Geistbegabung gelegt. Schließlich war die Frage der Tischgemeinschaft für ihn kein Problem mehr.
Die genannten Tauferzählungen sind unter diesen Voraussetzungen dann aber doch liturgiegeschichtlich auswertbar, belegen sie doch indirekt, dass im Kontext der beschneidungsfreien Heidenmission der postbaptismalen Mahlgemeinschaft von Nichtjuden und Juden eine grundlegende Bedeutung zukam. Sie vollendete und „ratifizierte“ die Taufe der Nichtjuden. Die bei den gemeinsamen Mahlfeiern gemachten Erfahrungen und die daraus und in Wechselwirkung mit ihnen generierten theologischen Einsichten könnten die der Wassertaufe weit überstiegen haben. Auch wenn die Apostelgeschichte also weder für die Taufliturgie der von ihr erzählten Zeit (30er und 40er Jahre) noch für die ihrer eigenen Adressaten (um die Jahrhundertwende) direkt auswertbar ist, so ist in jenen lukanischen Tauferzählungen, die auf die postbaptismale Gastfreundschaft – und in deren Rahmen auf eine Mahlgemeinschaft von Juden und Nichtjuden – hinzielen, doch eine Spur erkennbar, der im folgenden nachzugehen ist. Diese Spur führt aufgrund der fragmentarischen Quellenlage zwangsläufig nach Antiochia, zur ersten aus Juden und Nichtjuden gemischten Ekklesia, die wir kennen.
Joppe sind aber wichtig als Teilnehmergruppe am gemeinsamen Mahl, weil sonst Petrus nur als ‚Gastʻ am Tisch des Kornelius erschienen wäre“ (ebd. 11).
Kapitel X
Mahlgemeinschaft und Taufe in Antiochia X. Mahlgemeinschaft und Taufe in Antiochia
1. Das lukanische Bild der antiochenischen Ekklesia 1. Das lukanische Bild der antiochenischen Ekklesia
In Anknüpfung an das vorige Kapitel werfen wir zunächst einen Blick auf die lukanische Schilderung der Entstehung der antiochenischen Ekklesia. Es zeigt sich, dass Lukas diese mit seiner zuvor skizzierten „Zwei-VölkerEkklesiologie“ abgeglichen hat. Im Unterschied zur direkt voranstehenden Corneliusgeschichte empfängt im Falle Antiochias nicht ein einzelner nichtjüdischer oikos die Taufe, vielmehr entsteht eine Ekklesia in einer Großstadt (11,26) – und damit zum ersten Mal ein Pendant zur Jerusalemer Ekklesia (11,22)! Apg 11,19–21 19
a
20
b c d e a b c d e
21
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Diejenigen zwar nun (μὲν οὖν), die zerstreut worden waren infolge der Bedrängnis, die wegen Stephanus entstanden war (τῆς γενομένης ἐπὶ Στεφάνῳ), zogen durch bis nach Phönizien, Zypern und Antiochia. Sie predigten das Worte niemandem (μηδενὶ λαλοῦντες τὸν λόγον) außer Juden allein (εἰ μὴ μόνον Ἰουδαίοις). Es waren aber ein paar unter ihnen (ἦσαν δέ τινες ἐξ αὐτῶν), Männer aus Zypern und Kyrene, die, als sie nach Antiochia kamen (οἵτινες ἐλθόντες εἰς Ἀντιόχειαν), auch zu „den Hellenisten“ redeten (ἐλάλουν καὶ πρὸς τοὺς Ἑλληνιστὰς) und ihnen verkündigten den Kyrios Jesus (εὐαγγελιζόμενοι τὸν κύριον Ἰησοῦν). Und es war die Hand des Kyrios mit ihnen, und eine große Zahl kam zum Glauben und wandte sich dem Kyrios zu (ἐπέστρεψεν ἐπὶ τὸν κύριον).
Der lukanische Text1 wirft eine Reihe von Fragen auf. Zunächst fällt die eigentümliche Konstruktion seiner Beschreibung des Geschehens in Antiochien auf. Sprachlich durch eine μέν-οὖν-δέ-Konstruktion voneinander 1
Zur Herkunft der Passage aus der Feder des Lukas vgl. ÖHLER, Barnabas 203.
1. Das lukanische Bild der antiochenischen Ekklesia
277
abgehoben, beschreibt Lukas zwei Vorgänge: Zunächst erzählt er von der Mission von aus Jerusalem geflohenen Juden (vgl. 8,4) in Phönizien, auf Zypern und in Antiochia, die sich ausschließlich (μόνον) auf Juden richtet (19a–e: μέν). Ob sie Erfolg hatte, sagt Lukas nicht. Eine kleine (Unter-)Gruppe dieser Jerusalemer Juden,2 nämlich Männer aus Zypern und Kyrene, wendet sich in Antiochia dann „auch an Hellenisten“ (καὶ πρὸς τοὺς Ἑλληνιστὰς), also an griechischsprachige Nichtgriechen (Syrer).3 Aus der Gegenüberstellung zu Ἰουδσαῖοι in V. 19 folgt eindeutig, dass es sich bei den „Hellenisten“ in 11,20 um Nichtjuden handelt. In Antiochia wenden sich demnach „Hellenisten“, also griechischsprachige Juden (Apg 6,1), an „Hellenisten“, also griechischsprachige Nichtjuden. Die Verkündigung des Kyrios hat großen Erfolg.4 Mit Recht spricht Markus Öhler hier von der „Gegenüberstellung“ zweier Gruppen, „die auf den verschiedenen Ansprechpartnern der Verkündigung beruht“,5 wobei Lukas das Augenmerk im Folgenden ausschließlich auf die zweite Gruppe richtet: Alle Aussagen in 11,22–26 beziehen sich also auf jene Gruppe von Nichtjuden, die von der KyriosVerkündigung der hellenistischen Juden erreicht wird.6 Auch wenn in V. 26 dann die Stichworte ἐκκλησία und Χριστιανοί fallen, dann ist damit offenbar die aus griechischsprachigen Nichtjuden rekrutierte „große Menge“ gemeint, die von Barnabas und Paulus unterwiesen wird. In Apg 11,19–26 erzählt Lukas also die Entstehungsgeschichte einer zweiten Ekklesia neben der von Jerusalem. Die antiochenische Ekklesia wird zwar von Jerusalem aus gegründet,7 nämlich durch Juden, die aufgrund der Verfolgung im Anschluss an die Ermordung des Stephanus Jerusalem verlassen mussten; die Jerusalemer Ekklesia entsendet zudem Barnabas nach 2 Zur Wendung τινες ἐξ αὐτῶν vgl. JERVELL, Apg 322: „nicht viele“, sowie ÖHLER, Barnabas 203: „In v. 20 wird eine kleine Gruppe hinsichtlich ihrer Herkunft beschrieben“. 3 Zur Definition von „Hellenisten“ ausführlich ZUGMANN, „Hellenisten“. Zur Textkritik vgl. ebd. 5–7. Lukas formuliert hier ganz vage. Als „Hellenisten“ bezeichnet er in 6,1 und 9,29 griechischsprachige Juden. Daher folgert BROADHEAD, Jewish Ways 98, fälschlicherweise: „By Hellenists, Luke likely means Greek-speaking Jews“, doch beachtet er die Gegenüberstellung von V. 19 (μὲν οὖν) und 20 (δέ) nicht. Richtig dagegen ÖHLER, Barnabas 206. 4 εὐαγγελιζόμενοι τὸν κύριον Ἰησοῦν und dazu PERVO, Acts 292: „The Jesus worshiped by these mixed Jewish-Gentile urban communities was a powerful heavenly being, not a Galilaean prophet…“. 5 ÖHLER, Barnabas 203. 6 Die Wendung περὶ αὐτῶν in V. 22 bezieht sich eindeutig auf die in V. 20–21 genannte Gruppe. Die V. 20f. und 22–24 werden zudem durch den fünfmal wiederholten Christustitel Κύριος zusammengebunden. 7 Falsch BROADHEAD, Jewish Ways 99. Keineswegs ist die antiochenische Ekklesia eine „extension of the Jerusalem community“.
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X. Mahlgemeinschaft und Taufe in Antiochia
Antiochien, der dann die dortige Ekklesia leitet. Dennoch zeigt der Sprachgebrauch des Lukas, dass er eine eigene, selbständige Gruppe darstellen will. Unterstrichen wird das dadurch, dass eben diese von Barnabas und Paulus zu einer Ekklesia versammelte und unterwiesene Gruppe von „Hellenisten“ dann laut V. 26 zum ersten Mal als Χριστιανοί bezeichnet wird.8 Ebenfalls indirekt deutet Lukas die Problematik an, wenn er auf die Notiz der antiochenischen Kollekte für die von der Hungersnot betroffenen „Brüder, die in Judäa wohnten“, sofort zur Schilderung der nächsten Verfolgung der Jerusalemer Urgemeinde übergeht.9
Bemerkenswert ist nun, dass Lukas den „gemischten“ Charakter dieser Ekklesia in Antiochia systematisch verschleiert. So nennt er statt Juden oder Nichtjuden zweimal einen ὄχλος ἱκανός, der sich den Christusglaubenden anschließt (11,24.26). Insinuiert werden soll offenbar, dass sich dieser weiterhin aus den in V. 20 genannten „Hellenisten“ rekrutiert. Irgendwelche Probleme des Zusammenlebens von Juden und Nichtjuden kommen nicht zur Sprache,10 insbesondere werden (im Unterschied zu 11,3) weder die Tischgemeinschaft noch Probleme damit erwähnt. Faktisch erzählt Lukas also von der Entstehung einer „heidenchristlichen“ Ekklesia – genauer: einer Ekklesia unter den Heiden – aufgrund der Verkündigung von vertriebenen Diasporajuden.11 Diese steht dann zunächst unter der Leitung von zwei (11,25f.), später von fünf Juden, die als Propheten und Lehrer wirken (13,1). Dass die antiochenische Ekklesia für Lukas eine Ekklesia unter den Heiden darstellt, zeigt sich auch in 15,1: Lukas erzählt hier, dass „einige aus Judäa“ nach Antiochia herabkommen und dort „zu den Brüdern“ sagen: „Wenn ihr (!) nicht beschnitten seid nach der Weise des Mose, dann könnt ihr (!) nicht gerettet werden“.12 Die in der 2. Person Plural angesprochenen „Brüder“ sind also Unbeschnittene!
Ob es neben dieser „heidenchristlichen“ Ekklesia noch „judenchristliche“ Gruppierungen in den Synagogen gab, ob also die Missionspredigt der ver8
Diese Verbindung zwischen V. 26f und 26cde wird durch τε signalisiert. Die Kollekte wird zwar von den Juden Barnabas und Saulus nach Jerusalem überbracht (11,30), dennoch handelt es sich zweifellos (auch) um das Geld von Nichtjuden. Die dann beginnende Verfolgung durch Herodes Agrippa wird auf „jene Zeit“ (κατ’ ἐκεῖνον) datiert. Diese ist sicherlich nicht durch die Kollekte ausgelöst, allerdings fällt auf, dass sich das ursprünglich gute Ansehen der Urgemeinde innerhalb der Bevölkerung Jerusalems offenbar dramatisch verschlechtert hat (12,3!). 10 Mit Recht betont von WEISER, Apg I 277, vgl. auch CONZELMANN, Apg 75. 11 Richtig daher HAENCHEN, Apg 308: „In Antiochia entsteht die erste heidenchristliche Gemeinde“. 12 Dazu PESCH, Apg II 75. 9
2. Die Tischgemeinschaft von Juden und Heiden nach Gal 2,11–14
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triebenen Jerusalemer Juden unter Juden Erfolg hatte, und ob diese Juden in irgendeiner Weise Gemeinschaft mit der nichtjüdischen „Ekklesia“ hatten, lässt Lukas offen.13 Schon diese knappe Skizze macht deutlich, dass die Darstellung der Entstehung und der Zusammensetzung der antiochenischen Ekklesia in Apg 11 massiv von der lukanischen „Zwei-VölkerEkklesiologie“ geprägt ist. Im Unterschied zu den lukanischen Tauferzählungen haben wir allerdings im Falle der antiochenischen Ekklesia das Zeugnis des Paulus, dem wir uns nun zuwenden.
2. Die Tischgemeinschaft von Juden und Nichtjuden in Antiochia nach dem Galaterbrief 2. Die Tischgemeinschaft von Juden und Heiden nach Gal 2,11–14
Dass die antiochenische Ekklesia entgegen der Darstellung des Lukas zur fraglichen Zeit ein ganz anderes Profil hatte, zeigen spärliche, aber aussagekräftige Hinweise im Galaterbrief des Paulus. Für unsere Fragestellung ist weder eine detaillierte Auslegung von Gal 2,11–14 noch eine umfassende Rekonstruktion des antiochenischen Konflikts nötig. Daher geht es uns hier nur darum, die hinter der Schilderung des Paulus noch erkennbare antiochenische Mahlpraxis zu rekonstruieren. Dieses Unterfangen wird allerdings dadurch erschwert, dass Paulus seine Darstellung bereits auf die galatische Situation Mitte der 50er Jahre und auf die Briefpragmatik des Schreibens hin abzweckt.14 2.1 Die paulinische Darstellung des Konflikts Paulus schildert den sog. antiochenischen Zwischenfall direkt im Anschluss an seine Darstellung des Jerusalemer Abkommens (2,1–10). Zwar ist umstritten, inwieweit die beiden Ereignisse ursprünglich miteinander in Verbindung standen, unbestreitbar ist aber, dass Paulus einen direkten Zusammenhang sieht15 und diesen auch sprachlich explizit macht.16 In jedem 13 Richtig LÖNING, Kirchliche Realität 2620: „Dabei vermeidet Lukas nähere Angaben darüber, wie sich diese Erfolge auf Juden und Griechen verteilen (und ob überhaupt beide Gruppen in der Ortsgemeinde vertreten sind). Der Eindruck, dass hier eine Ortsgemeinde aus Juden- und Heidenchristen entsteht, ist so vage, dass die Frage nach der inneren Ordnung und dem Selbstverständnis dieser Kirche sich nicht unausweichlich stellt.“ Aufgrund dieser Vagheit kann z.B. BROADHEAD, Jewish Ways 99, behaupten: „At no point does Luke show the community at Antioch becoming primarily Gentile“. Laut Broadhead präsentiert Lukas die antiochenische Ekklesia „as a community of followers of Jesus drawn from a wide variety of Jews“. Doch ist dies schon aufgrund von Apg 15,1 keinesfalls richtig. 14 Dazu BROER/WEIDEMANN, Einleitung 408–434. 15 Dazu DUNN, Gal 116, der „the juxtaposition of the two events“ in Gal 2, nämlich Apostelkonvent und antiochenischer Zwischenfall, so interpretiert: „Paul evidently re-
X. Mahlgemeinschaft und Taufe in Antiochia
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Fall bildet der antiochenische Zwischenfall den Höhepunkt der mit 1,13 beginnenden narratio des Briefes. Deswegen sind einige Details des antiochenischen Konflikts auch nicht mehr aufzuhellen, weil Paulus das Geschehen nur kurz anreißt, es vor allem aber bereits im Hinblick auf die Situation in Galatien formuliert. Uns geht es im Folgenden also in erster Linie darum, aus der knappen Erzählung des Apostels die Situation in der antiochenischen Ekklesia zu rekonstruieren. Gal 2,11 11
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Als aber Kephas nach Antiochien kam, widerstand ich ihm ins Angesicht, weil er gerichtet/verurteilt war.17
Paulus schildert zunächst den eigentlichen Zusammenstoß zwischen ihm und Kephas in Antiochien, wobei er mit der Wendung κατὰ πρόσωπον αὐτῷ ἀντέστην bereits andeutet, dass dieser in aller Öffentlichkeit stattfand.18 Zugleich bewertet er das Verhalten des Petrus noch bevor er es schildert: Durch sein Verhalten in Antiochien, genauer: seine Verhaltensänderung, hat sich Petrus selbst die Verurteilung zugezogen.19 Aufgrund dieser Verurteilung (ὅτι) leistet Paulus Widerstand. Mit Recht charakterigarded the Antioch incident as the real test of the Jerusalem agreement“. Hinzuzufügen wäre aber: als Testfall für das paulinische Verständnis der Jerusalemer Entscheidung. Laut MUSSNER, Gal 136, ist der Hinweis des Paulus auf seinen Widerstand gegen den „Felsenmann“ der stärkste Beweis für die in 1,11f. formulierte These, dass Paulus sein Evangelium nicht von Menschenhand empfangen hat. Entsprechend deutet Mußner das δέ in 2,11 weiterführend. Auch laut SCHLIER, Gal 82, kam im Zusammenstoß der beiden Männer die Unabhängigkeit des paulinischen Evangeliums besonders zur Geltung. 16 Das zeigen zunächst jene Personen, die in beide Ereignisse verwickelt sind: Neben Paulus selbst sind dies v.a. Petrus (2,7–9/2,11–14) und Barnabas (2,1.9/2,13), aber auch Jakobus (2,9/2,12). Stichwortverbindungen stellt Paulus insbesondere durch die Wendung ἡ ἀλήθεια τοῦ εὐαγγελίου (2,5/2,14), aber auch durch τὰ ἔθνη (2,2.9/2,12.14) und περιτομή (2,7f./2,12) sowie durch ἀναγκάζειν (2,3/2,14) her. Ob er die als „eingeschlichene Falschbrüder“ beschimpften Gegner auf dem sog. Apostelkonvent (2,4) mit den „Jakobusleuten“ (2,12) oder/und mit „denen aus der Beschneidung“ (2,13) gleichsetzen bzw. diese polemisch in die Nähe jener rücken will, ist umstritten. 17 ὅτι κατεγνωσμένος ἦν. Laut BAUER/ALAND, Wörterbuch 832 (mit Belegen), entweder durch sein Verhalten oder in der öffentlichen Meinung, wahrscheinlich meint Paulus ersteres. 18 Zur Wendung κατὰ πρόσωπον vgl. die bei MUSSNER, Gal 137 Anm. 15 aufgelisteten Βelege. Ihr entspricht in V. 14 ἔμπροσθεν πάντων, es geht also um den öffentlichen Widerspruch gegen Kephas. ἀντέστην meint den aktiven oder passiven Widerstand und setzt einen Angriff voraus. 19 κατεγνωσμένος ist vermutlich ein passivum divinum (MUSSNER, Gal 138 Anm. 16 u.v.a.). Der Widerstand des Paulus ist dann die Konsequenz (ὅτι) aus dem Urteil Gottes.
2. Die Tischgemeinschaft von Juden und Heiden nach Gal 2,11–14
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siert M. Öhler diesen Vers als „eine Leseanweisung für die Adressaten und Adressatinnen“ des Galaterbriefes.20 Zunächst berichtet Paulus, dass Petrus nach Antiochien kam (11a). Bezieht man voranstehende Schilderung des Jerusalemer Abkommens mit ein (2,1–10) und geht mit der Mehrheitsmeinung davon aus, dass dieses vor dem antiochenischen Konflikt zu datieren ist,21 dann kommt Petrus nicht nur als eine der „Säulen“ (2,9) nach Antiochien, sondern als Repräsentant des „Evangeliums der Beschneidung“ (2,7: τὸ εὐαγγέλιον τῆς περιτομῆς) und als Träger des „Apostolats der Beschneidung (2,8: ἡ ἀποστολὴ τῆς περιτομῆς). Es ist ja durchaus bemerkenswert, dass Petrus in der paulinischen Darstellung des Jerusalemer Abkommens derart hervorgehoben und als „Apostel der Beschneidung“ identifiziert wird, während der doch als erster der Säulen genannte Herrenbruder Jakobus ganz im Hintergrund bleibt. Dass dies den strategischen Interessen des Paulus genügt, zeigt schon die Formulierung von 11a mit ὅτε δέ, aus der hervorgeht, dass für Paulus das Folgende in sachlichem Gegensatz zum zuvor geschilderten Jerusalemer Abkommen steht.22 In 2,12–13 begründet (γάρ) Paulus nun, warum Petrus ein Verurteilter war. Gal 2,12-13 12
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Bevor nämlich kamen einige von Jakobus (τινας ἀπὸ Ἰακώβου), hielt er Tischgemeinschaft mit den (bzw. inmitten unter den) Heiden (μετὰ τῶν ἐθνῶν συνήσθιεν). Als sie aber kamen, zog er sich zurück (ὑπέστελλεν) und sonderte sich ab (καὶ ἀφώριζεν ἑαυτόν), aus Furcht vor denen aus der Beschneidung (φοβούμενος τοὺς ἐκ περιτομῆς). Und mit ihm heuchelten auch die übrigen Juden, so dass selbst Barnabas fortgerissen wurde durch ihre Heuchelei.
Aus dem Text geht zunächst hervor, dass Petrus sein Verhalten in Antiochia an einem bestimmten Punkt geändert hat. Es ist genau dieser Aspekt, den Paulus aufspießt, weniger sein Mahlverhalten an sich. Das zeigt auch V. 18, wo Paulus diesen Gedanken ins Grundsätzliche wendet: „Wenn ich das erneut aufbaue (πάλιν [!] οἰκοδομῶ), was ich abgerissen hatte, erweise ich mich selbst als Übertreter!“ Petrus – der Träger des „Apostolats der 20
ÖHLER, Essen 160. Mit KONRADT, Datierung 20 (ebd. Anm. 5 weitere Vertreter dieser Position). 22 Vgl. dazu 1,15; 2,12c; 4,4 und dazu KONRADT, Datierung 23. 21
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X. Mahlgemeinschaft und Taufe in Antiochia
Beschneidung“! – hat sich nach seiner Ankunft in Antiochien also der dort herrschenden Mahlpraxis angeschlossen. Diese Mahlpraxis wird in 2,12b mit der Wendung μετὰ τῶν ἐθνῶν συνεσθίειν beschrieben. Aus dieser eigentümlich feierlichen Formulierung ist zunächst zu schließen, dass die Tischgemeinschaft zwischen Juden und Heiden in der antiochenischen Ekklesia zumindest in der Sicht des Paulus programmatischen Charakter hatte.23 Indem Petrus an den antiochenischen Mahlfeiern teilnimmt, hält er also „förmliche Tischgemeinschaft“ mit Nichtjuden.24 Nun wird auch deutlich, warum Paulus bei seiner Schilderung des Jerusalemer Abkommens die Person und den Apostolat des Petrus so massiv hervorhebt (2,7f.) und zugleich den Herrenbruder Jakobus nur im Kontext des Handschlags der κοινωνία erwähnt (2,9): Indem Petrus als der Träger des „Apostolats der Beschneidung“ am antiochenischen μετὰ τῶν ἐθνῶν συνεσθίειν teilnahm, sanktioniert er in den Augen des Paulus nicht nur die antiochenische Mahlpraxis, sondern auch eine bestimmte – nämlich die paulinische – Interpretation des Jerusalemer Abkommens. 2.2 Die Mahlpraxis in Antiochia Wie können wir uns diese programmatischen Tischgemeinschaften des Näheren vorstellen? In jüngerer Zeit wurde mehrfach darauf hingewiesen, dass von einer generellen Abgrenzung von Juden gegenüber Heiden gerade in der Diaspora keine Rede sein kann25 und dass es zwischen totaler Assimilation und radikaler Separation (wie sie dann von paganen Autoren angegriffen wird) eine ganze Bandbreite verschiedener Formen von Tischgemeinschaft zwischen Juden und Nichtjuden gab. Tatsächlich belegen die Quellen ein breites Spektrum an Möglichkeiten,26 und dieses ist auch für 23 Dazu ZAHN, Gal, 115. Paulus formuliert hier mit μετά c. gen. statt wie in 1Kor 5,11 mit einfachem Dativ (τῷ τοιούτῳ μηδὲ συνεσθίειν, analog auch Apg 11,3: συνέφαγες αὐτοῖς), außerdem benutzt er den Artikel: τὰ [!] ἔθνη. Der Begriff συνεσθίειν spielt laut STEIN, Mahlfeiern 98, auf die Tischgemeinschaft und nicht auf die konkret genossenen Speisen an, was einen Personalkonflikt impliziere. 24 Imperfekt μετὰ τῶν ἐθνῶν συνήσθιεν und dazu wieder ZAHN, Gal 115. Das Imperfekt zeigt (im Unterschied zum Aorist συνέφαγεν in Apg 11,3), dass es sich um eine länger andauernde und regelmäßige Praxis handelte, eben um ἐθνικῶς ζῆν (Gal 2,14). 25 Zum Problem vgl. v.a. COHEN, Beginnings 53–68; BARCLAY, Jews 434–437, sowie BIRD, Incident 345f. Hingewiesen wird z.B. auf Tob 1,10f. (manche Juden essen in Ninive Speisen, die auch Heiden essen, Tobit gerade nicht). Eine Trennung von Nichtjuden bei Mahlzeiten bezeugen neben Tob 1,10f. z.B. Dan 1,3–17; Jdt 10–12; 2Makk 5,27; Jub 22,6, JosAs 7,1 u.a. Aus diesen Texten kann man aber zugleich auf andere, konkurrierende Praktiken im antiken Judentum (v.a. in der Diaspora) schließen. Vgl. auch KONRADT, Datierung 26 mit Anm. 26, der auf Juvenal, Sat 14,96–99, und Josephus, Bell VII 45, verweist. 26 Skizziert bei BARCLAY, Jews 435 mit Anm. 50: Juden bringen eigene Speisen zu paganen Gastmählern (Jdt 12,1–4.19), oder sie essen nur bestimmte Speisen (Josephus,
2. Die Tischgemeinschaft von Juden und Heiden nach Gal 2,11–14
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die antiochenische Praxis vorauszusetzen. Auch der Verzicht auf die Beschneidung eines Nichtjuden musste nicht automatisch dessen Abkehr von der Synagoge bedeuten.27 Hinzu kommt die Situation in Antiochien. Die nichtjüdischen Mitglieder der antiochenischen Ekklesia dürften sich wohl v.a. aus den bei Josephus erwähnten antiochenischen „Gottesfürchtigen“ rekrutiert haben,28 die auch zuvor schon enge Anbindung an die Synagogen hatten. Josephus berichtet ja, dass die antiochenischen Juden „ständig eine Menge Griechen veranlassten, zu ihren Gottesdiensten“ in die mit den Weihegeschenken des Tempels prächtig ausgestattete Synagoge zu kommen, und mehr noch: „sie machten sie gewissermaßen zu einem Teil von sich“.29 Zwar führt Josephus diese letzte Bemerkung inhaltlich nicht weiter aus, doch wird man daraus schließen können, dass es in Antiochien eine größere Anzahl von „Gottesfürchtigen“ gab, die an den – in griechischer Sprache gefeierten – Synagogengottesdiensten und „in gewisser Weise“ (τρόπῳ τινί) auch am jüdischen Gemeindeleben teilnahmen, wozu sicher auch jüdische Mähler gehörten. Eine der wesentlichen Voraussetzungen dafür war der hohe Hellenisierungsgrad der antiochenischen Juden und die Tatsache, dass viele Juden „mit Griechen und hellenisierten Syrern eine gemeinsame
Vita 14; Röm 14,1–2), oder sie halten sich bei Gebeten und Libationen zurück (Arist 184f.), oder sie sitzen separat (JosAs 7,1). STEIN, Mahlfeiern, verweist auf den Aristeasbrief, der eine Tischgemeinschaft von Juden und Nichtjuden nicht generell ablehne (74f.), sowie auf Philo, Ebr 20f. (77). Wichtig ist Sir 31,12–32,13, wo offenbar die Teilnahme von Juden an Symposien in Häusern nichtjüdischer Gastgeber thematisiert wird (vgl. 13,9f.). S.J.D. COHEN betont (wie auch J.M.G Barclay), dass die meisten Diasporajuden die Speisegebote zumindest bis zu einem gewissen Grad hielten, aber dennoch von einer generellen Abgrenzung nicht die Rede sein kann: „The bulk of the evidence suggests that the musings of the anti-Jewish writers are highly exaggerated and that diaspora Jews maintained their Jewish identity even as they integrated themselves into gentile society“ (COHEN, Beginnings 54). 27 BIRD, Incident 332f., verweist auf den Fall des Königs Izates von Adiabene (Josephus, Ant XX 17–50) sowie auf Philo, QE II 2, und auf Exag 152–192 des Tragikers Ezechiel. 28 WOLTER, Paulus 33, betont mit Recht, dass diese es waren, die den Charakter der sich in Antiochien konstituierenden Gemeinde der Jesusanhänger prägten, und nicht die offenbar nicht sehr zahlreichen antiochenischen Juden, die ebenfalls für den Glauben an Jesus Christus gewonnen worden waren. 29 Josephus, Bell VII 45: ἀεί τε προσαγόμενοι ταῖς θρησκείαις πολὺ πλῆθος Ἑλλήνων, κἀκείνους τρόπῳ τινὶ [!] μοῖραν αὐτῶν πεποίηντο. Dieses positive Verhältnis der Juden Antiochiens zu ihrer griechischen Umgebung endete laut Josephus mit dem jüdischen Krieg (ebd. 46–62). Aus Ant XII 119f. lässt sich die weitgehende Hellenisierung der Juden Antiochias erschließen, allerdings zeigt das Ölprivileg nach wie vor die Bedeutung der Reinheitsregeln. Von „Judenfreunden“ (ἰουδαΐζοντες) in syrischen Städten spricht Josephus in Bell II 463.
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X. Mahlgemeinschaft und Taufe in Antiochia
sprachliche Basis hatten“.30 Die von Josephus gemachte Einschränkung τρόπῳ τινί wird man darauf beziehen, dass diese Griechen sich bei aller Hinwendung zur Synagoge nicht beschneiden ließen31 und deswegen auch bei einer regen Teilnahme am jüdischen Gemeindeleben immer eine sowohl in der Eigen- wie auch der Fremdwahrnehmung klar von den antiochenischen Juden unterscheidbare Gruppe bildeten. John M.G. Barclay ordnet das in Gal 2,12 erwähnte συνεσθίειν daher zunächst mit Recht in den Zusammenhang eines „general pattern of interaction“ zwischen Juden und Nichtjuden in Antiochien ein, „although the Christian movement seems to have specially fostered such contact“.32 Deswegen haben M. D. Nanos und andere darauf hingewiesen, dass es sich bei dem antiochenischen μετὰ τῶν ἐθνῶν συνεσθίειν um mehr als um die auch sonst mögliche und unter antiochenischen Juden sicherlich umfänglich praktizierte Zulassung von Nichtjuden als Gäste bei jüdischen Mählern oder um die Akzeptanz von Einladungen zu Mahlfeiern in nichtjüdischen Häusern handeln musste. Da eine Mahlgemeinschaft von Juden mit Heiden für die Diaspora keineswegs generell auszuschließen ist, waren die antiochenischen Mahlfeiern wohl durch „the way that these Gentiles were being identified at these meals“ ausgezeichnet – laut Nanos wurden die Heidenchristen bei diesen Mahlfeiern weder als Gäste noch als zukünftige Proselyten behandelt, sondern „as though these Gentiles and Jews were all equals, although these Gentiles were not Jews“, und als „full and equal members of this Jewish subgroup“,33 genauer: „social equals, righteoused ones of God on the same terms as the Jewish participants – as proselytes would be“.34 Das Problem war also „not the nature of the food in these shared meals, but the implication that the meals identified Gentiles as equals with Jews without making them come via the route of proselytization. The presenting issue was not
30 ZUGMANN, „Hellenisten“ 177; zu Syrien vgl. den Überblick ebd. 169–182, außerdem BARCLAY, Jews 242–258. 31 So auch HENGEL/SCHWEMER, Paulus 291. 32 BARCLAY, Jews 254 Anm. 55. Ebd. 253f. stellt er die komplexe Situation zwischen Juden und Griechen in Syrien dar, die keineswegs „wholly antagonistic“ war. 33 NANOS, Stake 300f., vgl. ebd.: „they were no longer merely pagan guests yet also not on the way to becoming proselytes. They instead were being treated as representatives of the nations to be regarded on a par with proselytes“. Ebd. 304 Hinweise, wie sich dies konkret bei Tisch auswirkte (Sitzordnung, Verteilung der Speisen), hinzuzufügen wäre das Sprechen der Tisch- bzw. Eucharistiegebete. 34 NANOS, Stake 316.
2. Die Tischgemeinschaft von Juden und Heiden nach Gal 2,11–14
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that Peter ate with Gentiles but the way that he ate with Gentiles, i.e. as if they were covenantally faithful Jews“.35 Man kann diese Argumentation noch von anderer Seite stützen. Paulus betont ja bei seiner Schilderung des Jerusalemer Abkommens, dass er den antiochenischen „Heidenchristen“ Titus mit nach Jerusalem genommen hatte. In diesem Fall wird man mit J.D.G. Dunn davon auszugehen haben, dass Titus während des Apostelkonvents sicherlich nicht „in splendid isolation“ seine Mahlzeiten eingenommen hat.36 Obwohl Paulus selbst dies nicht erwähnt (was angesichts des antiochenischen Zwischenfalls zumindest bemerkenswert ist), ist doch davon auszugehen, dass Titus an den Mahlfeiern der Jerusalemer Urgemeinde teilgenommen hat.37 Die Präsenz von Nichtjuden als Gäste jüdischer Mahlfeiern dürfte also für die Jerusalemer (wie für viele andere Juden der Antike auch) kein Problem gewesen sein. Daraus ist zu schließen, dass die antiochenische Praxis in Jerusalem bekannt war,38 allerdings ist die Frage, wie sie dort genauer wahrgenommen wurde. Die Präsenz des Titus auf dem Konvent vermittelte vermutlich den Eindruck, dass die Antiochener nichtjüdische (aber getaufte) Gäste zu jüdischen Mahlfeiern zugelassen hatten, was – wie gesagt – so außergewöhnlich gar nicht war und auch keinen Anstoß erregen musste.
Inwieweit es in Antiochien auch um die Einhaltung jüdischer Speisegebote ging, ist vor diesem Hintergrund schwer zu sagen. Grundsätzlich war das Problem in Antiochien „not the food itself, but the company that the food was consumed in“.39 Nirgendwo findet sich ein Hinweis darauf, dass die antiochenischen Christen unkoschere Speisen zu sich genommen hätten und sich der Konflikt durch die Rückkehr zu Speisegeboten hätte beheben lassen.40 2.3 Mahlgemeinschaft mit den und „inmitten von“ Heiden Kehren wir nochmals zu der auffälligen paulinischen Wendung μετὰ τῶν ἐθνῶν συνεσθίειν zurück. Die Konstruktion mit μετά + Gen. dürfte hierbei nicht nur auf die Gemeinschaft abheben (diese Funktion erfüllt schon das 35
BIRD, Incident 350. In diese Richtung auch STEIN, Mahlfeiern 99: die Aufrechterhaltung der gemeinsamen Mahlfeiern „als Ausdrucksform dafür, dass in Christus Juden und Nichtjuden zu einer neuen Gemeinschaft miteinander zusammengeschlossen sind“. 36 DUNN, Gal 122. 37 In diesem Falle wäre Gal 2,3 sinngemäß zu ergänzen: Aber nicht einmal Titus, der bei mir war, wurde, obwohl er ein Grieche ist, gezwungen, sich beschneiden zu lassen, um an der Gemeinschaft der Heiligen teilzuhaben bzw. um mit uns Juden zusammen zu essen. 38 SUHL, Briefe 90f. 39 BIRD, Incident 344, vgl. 349f. Laut STEIN, Mahlfeiern 98, deutet V. 12 (συνεσθίειν) auf einen „Personenkonflikt“, V. 14 (ἰουδαΐζειν) dagegen auf einen „Realienkonflikt“ hin. Stein entscheidet sich salomonisch dafür, dass Personen- und Realienkonflikt ineinander spielten. 40 NANOS, Stake 303 u.ö.; BIRD, Incident 347.
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Präfix συν-), sondern eine quasi lokale Nuance mittransportieren, denn μετά + Gen. heißt nicht nur „zusammen mit, in Gemeinschaft von“, sondern in Konstruktionen mit Nomina im Plural insbesondere „inmitten von, unter“!41 Nimmt man dies ernst, dann könnte das bedeuten, dass Petrus an Mählern in Häusern von Nichtjuden teilnahm, also „regelmäßig inmitten der Heiden mit ihnen Tischgemeinschaft hielt“. Ob es sich dabei um das Herrenmahl, um gemeindliche Symposien oder um „private Kommensualität“ handelte, lässt sich nicht mehr sagen. Paulus hat jedenfalls kein Interesse daran, verschiedene Mahlformen oder -anlässe voneinander abzuheben. Darauf deutet auch die dieses Verhalten interpretierende Wendung ἐθνικῶς ζῆν in V. 14 hin (s.u.). Aus V. 13 ist jedenfalls zu schließen, dass es die anderen antiochenischen Juden ebenso hielten, dass also auch sie regelmäßig an Mählern in nichtjüdischen Häusern teilnahmen. Vermutlich spielte sich das ekklesiale Leben und seine rituellen, sozialen und caritativen Grundvollzüge zumindest dieses Teils der antiochenischen Christusgläubigen hauptsächlich in nichtjüdischen Häusern ab, schließlich waren sowohl die jüdischen Gemeindegründer (Apg 11,19-21) als auch Barnabas und Paulus keine Antiochener. Petrus hätte sich demnach nach seinem Eintreffen in Antiochia vollumfänglich dem sich in nichtjüdischen Häusern abspielenden Gemeindeleben angeschlossen. Dass in diesem Umfeld die nichtjüdischen Christusgläubigen keineswegs „Gäste“ an jüdischen Mählern waren (s.o.), dürfte feststehen – und vielleicht den Stein des Anstoßes für die Jakobusleute dargestellt haben. Ob es in solchen Fällen zu einer Nichtbeachtung von Speisegeboten kam, ist nicht mehr zu ermitteln.42 Wichtiger ist hier m.E. die Außenwahrnehmung: Für die Jakobusleute hält Petrus Tischgemeinschaft in nichtjüdischen Häusern – womit der von Paulus ja referierte Grundsatz des Apostelkonvents verletzt ist: „Wir zu den Völkern, sie aber zur Beschneidung“ 41
LIDDELL/SCOTT, Lexicon 1108f., nennt für μετά c. gen. als erste (!) Bedeutung: „in the midst of, among, between, with pl. Nouns“ (Belege ebd.), dann als zweite Bedeutung „in common, along with, by aid of (implying a closer union than σύν)“, sowie drittens „later in one’s dealings with“. Analog BAUER/ALAND, Wörterbuch 1029, die Gal 2,12 aber erst unter „zur Bez. der Gemeinschaft bei irgendeiner Tätigkeit od. einem Erleben“ (1031) einordnen. Eine klar lokale Bedeutung von μετά + Gen liegt z.B. in Apk 21,3 vor: ἰδοῦ ἡ σκηνὴ τοῦ θεοῦ μετὰ τῶν ἀνθρῶπων, καὶ σκηνώσει μετ’ αὐτῶν. Wichtiger ist aber die klare Parallele zu Gal 2,12 in JosAs 7,1: Dort stellt man im Haus des Pentephres für Joseph einem eigenen Tisch auf, „denn Joseph hielt nicht Tischgemeinschaft inmitten der Ägypter (διότι Ἰωσὴφ οὐ συνήσθιε μετὰ τῶν Αἰγυπτίων)“, d.h. er verweigert nicht nur die Speisen der Ägypter, sondern grenzt sich auch räumlich ab, indem er sich an einen eigene Tisch setzt. Hier wie im Gal zeigt die Konstruktion durch das Präfix σύν- den sozialen Aspekt (Tischgemeinschaft), durch die Formulierung mit μετά dagegen den lokalen Aspekt an. 42 Vgl. dazu ÖHLER, Essen 194f.
2. Die Tischgemeinschaft von Juden und Heiden nach Gal 2,11–14
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(2,9). Die Jakobusleute dürften also den Wortlaut des Jerusalemer Abkommens auf ihrer Seite gehabt haben. 2.4 Der Rückzug der Juden von den getauften Nichtjuden Als Jakobusleute43 eintreffen, zieht sich Petrus von der Tischgemeinschaft mit den Heidenchristen zurück – laut Paulus „aus Furcht vor denen aus der Beschneidung (οἱ ἐκ περιτομῆς)“. Es ist letztlich unentscheidbar, ob sich diese Wendung auf die Jakobusleute, auf die Jerusalemer Gegner des Paulus beim Apostelkonvent oder auf die antiochenischen Juden bezieht.44 Paulus scheint jedenfalls kein Interesse daran zu haben, die Beziehungen zwischen diesen beiden Gruppen deutlicher zu präzisieren, seine vage Ausdrucksweise ist offensichtlich gewollt. Bemerkenswert an der Formulierung des Paulus ist die lexikalische Verbindung zur Beschneidungsthematik in Gal 2,1–10.45 Ebenfalls offen bleibt, warum Petrus vor diesen Juden in Furcht geraten sein sollte. Paulus berichtet von keinerlei Forderungen der Jakobusleute46 – erst recht weiß er von keinen Forderungen an die antiochenischen Nichtjuden.47
43 τινες ἀπὸ Ἰακώβου. ἀπό wird i.d.R. als Hinweis auf eine offizielle Delegation gewertet, so VOUGA, Gal 53; noch drastischer ELMER, Paul 112: „James (…) sent envoys from his pro-circumcision putsch to force matters at Antioch“; so auch BIRD, Incident 338: „formally authorized emissaries from James“. Laut MUSSNER, Gal 139f., ist vielmehr die Frage, ob ἐλθεῖν mit τινας oder ἀπὸ Ἰακώβου zu verbinden sei, in dieser Sache entscheidend. Nach ausgiebiger Diskussion entscheidet er sich – ebenso wie SCHLIER, Gal 83 – für die Abgesandten-These. Analog ÖHLER, Essen 160. 44 Konsens herrscht darin, dass es um Juden geht, die jene Heiden, die in Gemeinschaft mit Juden treten wollen, beschneiden lassen wollen (so mit vielen anderen NANOS, Stake 288, vgl. ebd. 303: „they are labeled by Paul according to their interest in the traditional way to negotiate the inclusion – not exclusion – of Gentiles seeking full membership amomg Jewish communities“). Exemplarische Lösungsvorschläge: (1.) οἱ ἐκ περιτομῆς sind identisch mit den Jakobusleuten (MUSSNER, Gal 141; ELMER, Paul 104– 106). (2.) οἱ ἐκ περιτομῆς sind Jerusalemer Juden (SUHL, Briefe 93, mit B. Reicke) bzw. Judenchristen. SUHL, Briefe 104, interpretiert die Sequenz so: Die Jakobusleute hätten Petrus auf die Gefahr hingewiesen, die durch nicht-christliche Eiferer für das Gesetz in Jerusalem drohten. Der Rückzug von der Tischgemeinschaft erfolgte also „ausschließlich aus taktischen Gründen und ohne innere Überzeugung“. (3.) οἱ ἐκ περιτομῆς sind antiochenische Juden, die nicht an Christus glauben, mit denen die antiochenischen Judenchristen aber noch in teilweise engem Kontakt standen (NANOS, Stake 316; BIRD, Incident 339). 45 Ponitiert ELMER, Paul 105: „Paul links the delegation from James with the procircumcision putsch in Jerusalem“. In diese Richtung geht auch ÖHLER, Essen 161. 46 Anders ÖHLER, Barnabas 81, laut dem „die Jakobusleute die Einhaltung von Speisevorschriften forderten“. Textgemäß formuliert BIRD, Incident 338: Die Jakobusleute „provided the catalyst for the ensuing events by activating Peter’s fear of those of the circumcision“, vgl. ebd. 343: „These men triggered Peter’s fear“.
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Dem Wortlaut von V. 12f. zufolge führt alleine das Eintreffen der Jakobusleute dazu, dass sich Petrus sowie die anderen Juden Antiochias von den Mahlzeiten bei und mit den Heiden zurückziehen.48 Durch das Eintreffen der Jakobusleute wird also keineswegs die Beachtung von Speisevorschriften zum Problem,49 sondern die Frage der echten Tischgemeinschaft zwischen Juden und Nichtjuden. Der „Rückzug“ und das „Absondern“ des Petrus hießen dabei wohl konkret, dass dieser nicht mehr an Mahlfeiern in nichtjüdischen Häusern teilnahm, was Paulus (und offenbar nur Paulus!) als klaren Bruch mit der bisherigen Praxis wahrnahm. Petrus beendet laut Paulus also nicht ein unkoscheres Essverhalten, sondern das συνεσθίειν μετὰ τῶν ἐθνῶν! Mit dramatischen Konsequenzen: Im Gefolge des Petrus ziehen sich auch die anderen antiochenischen Juden von den gemeinsamen Mählern mit den Nichtjuden zurück, es entstehen vermutlich getrennte Tischgemeinschaften in jüdischen und nichtjüdischen Häusern. In jedem Fall werden die antiochenischen Juden nicht länger bei Mählern in nichtjüdischen Häusern erschienen sein, sondern das συνεσθίειν ganz in Häuser christusgläubiger Juden verlegt haben, von deren Existenz in Antiochien wir demnach indirekt aus Gal 2,12f. erfahren. Dort werden auch die Jakobusleute untergekommen sein und in dieser Örtlichkeit jene Mähler abgehalten haben, denen sich bald Petrus und die antiochenischen christusgläubigen Juden anschlossen. Auslöser für diesen Vorgang dürfte gewesen sein, dass sich die Jakobusleute – anders als Petrus zuvor – weigerten, Häuser christusgläubiger Nichtjuden zu betreten bzw. Einladungen zu dortigen Mahlfeiern zu akzeptieren. Um Mahlgemeinschaft mit den sicherlich hoch angesehenen Jakobusleuten zu haben, mussten Petrus und die antiochenischen Juden demnach in jüdische Häuser kommen. Die vielleicht anfänglich nur für die Zeit des Aufenthalts der Jakobusleute vorgesehenen Mahlfeiern unter eindeutig jüdischen Vorzeichen könnten sich dann bald etabliert haben. Falls nämlich Paulus bei dem ganzen Vorgang gar nicht anwesend war,50 ist damit zu rechnen, dass sowohl die antiochenischen Juden als auch Petrus nach der Abreise der Jakobusleute
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PAINTER, Just James 69: „Their message did not concern minimal requirements for Gentiles but demanded fundamental separation of the two missions in the withdrawal of Jewish believers from table fellowship with Gentile believers“; vgl. BIRD, Incident 346. 48 NANOS, Stake 292. Ob die Jakobusleute von den antiochenischen Judenchristen die Beachtung der jüdischen Gebote und daher die Trennung der Tische verlangten (so VOUGA 52), ist nicht direkt gesagt. 49 Gegen ÖHLER, Barnabas 82, laut dem sich die Heidenchristen „nicht an jüdische Forderungen anpassten“. 50 KONRADT, Datierung 29, unter Hinweis auf die Imperfekte ὑπέστελλεν καὶ ἀφώριζεν ἑαυτόν, vgl. ÖHLER, Barnabas 51 und 85f.
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an der Praxis festhielten, nicht länger an nichtjüdischen Mählern teilzunehmen.51 2.5 Der Zusammenstoß des Paulus mit Petrus Eine Kritik des Paulus an den Jakobusleuten wird nicht laut.52 Es ist daher unglaubwürdig, dass diese im Stile der „Falschbrüder“ die Beschneidung der Heidenchristen direkt gefordert hätten.53 Auch dass sich Jakobus für die Durchsetzung der Gesetzesobservanz bei Judenchristen zuständig wusste, steht nicht im Text.54 Es kommt auch zu keiner Auseinandersetzung des Paulus mit den Jakobusleuten (die vielleicht schon abgereist waren), vielmehr konfrontiert er Petrus in aller Öffentlichkeit. Dabei ist auffällig, auf welche Instanz sich Paulus nun beruft (und auf welche nicht). Gal 2,14 14
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Als ich aber sah, dass sie nicht geraden Weges gingen (ὅτι οὐκ ὀρθοποδοῦσιν) in Übereinstimmung mit der Wahrheit des Evangeliums (πρὸς τὴν ἀλήθειαν τοῦ εὐαγγελίου)55 sagte ich zu Kephas vor allen: „Wenn du obwohl du ein Jude bist (Ἰουδαῖος ὑπάρχων), heidnisch und nicht jüdisch lebst (ἐθνικῶς καὶ οὐχὶ Ἰουδαϊκῶς ζῇς), wie zwingst du die Heiden zu judaisieren? (πῶς τὰ ἔθνη ἀναγκάζεις ἰουδαΐζειν)
Der Text ist aus mehreren Gründen bemerkenswert. Zunächst fällt auf, dass sich Paulus keineswegs auf den zuvor ja referierten Konsens des Apostelkonvents beruft (Gal 2,6–9), sondern auf „die Wahrheit des Evangeliums“. Diese Wendung hatte Paulus bereits in 2,5 gebraucht und sein 51
Dazu ÖHLER, Essen 163–165. Öhler datiert die antiochenische Auseinandersetzung auf das Jahr 52 und bringt sie in Verbindung mit der Notiz Apg 18,22. Als erfolgreicher Verkündiger des Evangeliums unter den Nichtjuden kehrte Paulus laut Öhler in seine Heimatgemeinde zurück und muss feststellen, dass sich Juden wie Nichtjuden dort inzwischen einer anderen Praxis zugewandt hatten. Öhler rechnet damit, dass die Jakobusleute beim Eintreffen des Paulus bereits wieder abgereist waren, da sich Paulus nur mit Petrus auseinandersetzt. 52 Gegen ELMER, Paul 106: „James’ people are obviously equated with the false brothers (Gal 2,4)“. Ebd. 113 folgert er aus dem Fehlen einer paulinischen Kritik, „that James never wavered from his pro-circumcision position“ (was gegen alle Quellen ist). 53 So aber ELMER, Paul 112 u.ö. Getrennte Tische seien demnach für diejenigen Heidenchristen vorgesehen, die sich der Beschneidung verweigerten. 54 Mit Recht SUHL, Briefe 90, gegen Pratscher. 55 HOFIUS, Wahrheit 18 mit Anm. 7.
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X. Mahlgemeinschaft und Taufe in Antiochia
unnachgiebiges Verhalten auf dem Apostelkonvent damit begründet. Paulus dürfte mit dieser Wendung auf den christologischen Inhalt des Evangeliums abheben.56 Wichtiger ist aber seine rhetorische Strategie: Indem er sich nämlich keineswegs auf den Jerusalemer Konsens beruft, sondern umgekehrt diesen an der „Wahrheit des Evangeliums“ misst, hat er einen Referenzpunkt kreiert, von dem aus er auch Positionen kritisieren kann, die den Wortlaut des Jerusalemer Abkommens auf ihrer Seite haben. Dass dies gerade für die Jakobusleute zutreffen könnte, betont z.B. J.D.G. Dunn mit Recht.57 Auf keinen Fall sollte man dem Herrenbruder Jakobus oder seinen Abgesandten eine Verletzung des Abkommens unterstellen.58 Nur so lässt sich ihr „Erfolg“ bei den jüdischen Christusgläubigen erklären, vor allem bei Barnabas, der ja am Apostelkonvent teilnahm. Dies erklärt aber auch das Schweigen des Paulus, der sich zwar auf die „Wahrheit des Evangeliums“ beruft, nicht aber einen Bruch des Jerusalemer Abkommens behauptet.59 Im Verständnis des Paulus haben sich die Jerusalemer durch ihren Handschlag (2,9) der Wahrheit des Evangeliums unterstellt. Die Akzeptanz der beschneidungsfreien antiochenischen Missionspraxis ist für Paulus die zwangsläufige Konsequenz daraus. Eben weil Paulus an eine Instanz appelliert, die seiner Auffassung nach dem Jerusalemer Abkommen zeitlich voraus- und sachlich zugrunde liegt, kann er Petrus des Widerspruchs zum Evangelium überführen, obwohl der sich vermutlich an das Jerusalemer Abkommen hielt, bzw. zu dessen Wortlaut zurückgekehrt ist. Auch das Jerusalemer Abkommen misst Paulus am Maßstab der „Wahrheit des Evangeliums“, was darauf hindeutet, dass dessen Interpretation durchaus strittig war. Die Position der Jakobusleute lässt sich wiederum mit einem Seitenblick auf Apg 11 und 15 erklären: Aus der Sicht Jerusalems (die Lukas bei Abfassung seines Doppelwerkes in ekklesiologischer Hinsicht offensichtlich weiterhin teilt) waren in Antiochien zwei Ekklesien entstanden, eine „aus der Beschneidung“ und eine „aus der Vorhaut“. Die Jakobusleute waren in Antiochien sicherlich in Hausgemeinden jüdischer Provenienz mit 56
Überzeugend HOFIUS, Wahrheit 22–26, vgl. außerdem ÖHLER Essen 162. DUNN, Gal 129. 58 Reine Phantasie ist die dramatische Darstellung bei ESLER, Gal 136f., ebenso die Schilderung einer Art Konterrevolution bei ELMER, Paul 112 u.ö. 59 Vgl. VOUGA, Gal 52: „Die Wertungen und Forderungen des Paulus in Gal 2,11–14 haben nicht in Gal 2,6–10, sondern in Gal 1,10–17 und 2,15–21 ihre Begründung“, und 53: „das Urteil ὅτι κτλ. erfolgt nicht aus der Vereinbarung von Gal 2,9, sondern aus dem paulinischen Verständnis des Evangeliums“, sowie erneut 55: Das „Wahrheitskriterium des Christentums“ werde durch das Evangelium Gottes und „weder von den ‚Säulenʻ noch durch die Vereinbarung von Gal 2,6–10 bestimmt“. ESLER, Gal 138, sieht diesen Einwand gegen seine Darstellung, blendet ihn aber ab. 57
2. Die Tischgemeinschaft von Juden und Heiden nach Gal 2,11–14
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ihren eucharistischen Mahlfeiern zu Gast. Aus ihrer Sicht hatten nun sowohl Petrus als auch die christusgläubigen Juden Antiochias mit ihrer Praxis des συνεσθίειν μετὰ τῶν ἐθνῶν gegen das Jerusalemer Abkommen verstoßen, das eine institutionalisierte Teilnahme von Juden an Mahlfeiern mit Nichtjuden und noch dazu in nichtjüdischen Häusern gar nicht vorsah. Paulus wiederum wirft Petrus ein Doppeltes vor, nämlich (1.), dass er selbst „heidnisch und nicht jüdisch“ lebe, obwohl er doch ein Jude sei (14de), und (2.), dass er die Nichtjuden zum ἰουδαΐζειν zwinge (14f). Der erste Vorwurf nagelt Petrus bei seinem widersprüchlichen Verhalten fest. Mit ἐθνικῶς ζῆν dürfte konkret das μετὰ τῶν ἐθνῶν συνεσθίειν gemeint sein, das Petrus in Antiochia praktiziert hatte. Die Wendung ἐθνικῶς καὶ οὐχὶ Ἰουδαϊκῶς ζῇς bezieht sich demnach in erster Linie auf die „company“, also auf die Tischgemeinschaft des Petrus mit „den Heiden“ (2,12)60 sowie auf die „location“, also die Teilnahme an Mählern in nichtjüdischen Häusern. Damit macht Paulus Petrus indirekt zum Kronzeugen dafür, wie die Konsensformel von 2,9 – „Wir zu den Heiden, sie zu den Beschnittenen“ – gerade nicht zu verstehen ist, nämlich nicht im Sinne einer Trennung der Tischgemeinschaften und damit eines Bruchs der bisherigen antiochenischen Praxis. Doch der Vorwurf gegen Petrus geht tiefer: Mit seinem anfänglichen Verhalten in Antiochia hatte Petrus etwas „niedergerissen“ (2,18), nämlich die im Gesetz formulierte Unterscheidung von Juden und Heiden, und war dabei „auf dem geraden Weg gemäß der Wahrheit des Evangeliums weitergegangen“ (vgl. 2,14). Indem er nun aber die Unterschiede zwischen Juden und Heiden „wieder aufrichtet“ (2,18) und damit die Wahrheit des Evangeliums verlässt, macht sich Petrus laut Paulus selbst zum Übertreter (2,18). Schwieriger zu beurteilen ist, inwieweit Petrus durch sein Verhalten die antiochenischen Heiden zum ἰουδαΐζειν zwingt. Für Nanos, Bird und andere ist damit faktisch die Beschneidung gemeint,61 es gehe um „changing their identity, not just their behaviour“.62 Allerdings lässt sich aus den Belegen, die Shaye J.D. Cohen bei seiner ausführlichen Analyse dieses Verbs zusammengestellt und interpretiert hat,63 schließen, dass dieses Verb in der Regel gerade nicht die Konversion zum Judentum durch Beschneidung, 60 Vgl. MUSSNER, Gal 145. Dass sich Petrus allerdings in Antiochien „großzügig über die jüdischen Speisegesetze hinweggesetzt“ habe, steht nicht im Text. 61 BIRD, Incident 352f., ebenso ESLER, Gal 137; NANOS, Stake 302 („to Judaize, that is, to become Jewish proselytes“). 62 NANOS, Stake 304. 63 Dazu COHEN, Beginnings 175–197. Cohen unterscheidet „a political meaning“ (= to side with the Jews) von „ a cultural meaning“ (= to adopt to Jewish custom and manners). Cohen betont zudem, dass das Verb erst in späteren christlichen Quellen „to become a Jew“ bedeute.
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X. Mahlgemeinschaft und Taufe in Antiochia
sondern die öffentliche (auch politische) Loyalitätserklärung mit Juden sowie die Übernahme jüdischer Gebote, Gebräuche und Sitten bezeichnet. Angewendet wird das Verb sinnvoll nur auf Nichtjuden. M. Öhler hat den von Cohen und anderen ausgebreiteten Befund dann für den antiochenischen Zwischenfall ausgewertet.64 Die von Paulus hier verwendeten Begriffe ἰουδαϊκῶς und Ἰουδαῖοι, ἐθνικῶς und ἔθνη sowie ἰουδαΐζειν seien „ethnisch konnotiert, nicht religiös“. Paulus gehe es darum, dass die Nichtjuden durch das Verhalten des Petrus gezwungen werden, sich „zum Ethnos der Judäer hinzuwenden“, was nicht unbedingt die Eingliederung in dieses Ethnos, sondern die Übernahme kultureller Eigenheiten (wie Mahlpraktiken) sowie die Abgrenzung von anderen ἔθνη impliziert haben dürfte.65 Trotz alledem: „judaisierende“ Heiden sind und bleiben eben „Heiden“!66 Der paulinische Vorwurf lautet also: Indem Petrus sich von der Tischgemeinschaft zurückzieht, werden die antiochenischen Heidenchristen gezwungenermaßen zu „Judaisierern“, d.h. zu Nichtjuden, die sich öffentlich mit dem Ethnos der Judäer durch die Einhaltung von Speisegeboten usw. solidarisieren, ohne selbst „gleichberechtigter“ Teil dieses Ethnos zu werden. Tischgemeinschaft mit jüdischen Christusgläubigen – z.B. mit wichtige Bezugspersonen wie Barnabas, mit prominenten Aposteln wie Petrus oder mit hochangesehenen Abgesandten aus Jerusalem – wird ihnen nur noch als Gästen in jüdischen Häusern und bei Mählern unter jüdischem Vorzeichen und Vorsitz gewährt.
3. Tischgemeinschaft und Taufe 3. Tischgemeinschaft und Taufe
Nun ist in Gal 2,11–14 nirgendwo von der Taufe die Rede, auch wenn anzunehmen ist, dass die antiochenischen Heidenchristen zumindest mehrheitlich getauft waren.67 Gegenüber Petrus argumentiert Paulus keineswegs mit der Taufe der Nichtjuden, sondern mit der „Wahrheit des Evangeliums“ und dem „Kanon von der Rechtfertigung“ (2,16), der nicht allein die Heiden, sondern gerade auch „uns Juden“ als Sünder erweist.68 Dennoch korrespondiert dem programmatischen μετὰ τῶν ἐθνῶν συνεσθίειν Antiochias die von Paulus in Gal 3,27f. eingespielte Taufüber64
Vgl. zum Folgenden ÖHLER, Essen 168–183. Zu diesem wichtigen Aspekt vgl. ÖHLER, Essen 195f. 66 Laut Josephus, Bell II 545, sowie Est 8,17 ist „judaisieren“ nicht identisch mit der Beschneidung. Dazu COHEN, Beginnings 181–185. 67 Von den Judenchristen ist zumindest Paulus getauft, Petrus dagegen vermutlich nicht. Über Barnabas und die drei anderen in Apg 13,1 genannten „Propheten und Lehrer“ der Ekklesia Antiochiens wissen wir in dieser Hinsicht nichts. 68 Dazu ausführlich THEOBALD, Kanon. 65
3. Tischgemeinschaft und Taufe
293
lieferung69 in einer Weise, dass über deren antiochenische Wurzeln breiter Konsens besteht.70 Die Taufformel in Gal 3,28 proklamiert die Aufhebung der Unterschiede von „Juden und Griechen“, die Transformation beider – auch der Juden! – und ihrer beider Inkorporation in Christus: „denn alle seid ihr einer (εἷς) in Christus“.71 Die im Hintergrund dieser Formel stehende Ekklesiologie hat also gerade nicht die „Egalisierung im Blick, die das Bekenntnis zum Κύριος bewirkt“,72 und es geht auch nicht um die Legitimation einander erwiesener Gastfreundschaft, sondern um die Aufhebung aller Unterschiede und die Begründung einer neuen, quer zu diesen ehemaligen Unterschieden liegenden Identität.73 Mit der Formulierung von Gal 6,15 sind die Glaubenden Neue Schöpfung Dies betrifft auch diejenigen, die „von Natur aus Juden“ sind (Gal 2,15). Daniel Boyarin hat nun die Taufformel aus Gal 3,28 auf „an ecstatic experience“ zurückgeführt, „in which not social roles are modified but ontological categories in the pneumatic moment of initiation“. Paulus erinnere seine galatischen Adressaten hier an „their ecstatic experience at baptism“.74 Im Hinblick auf die „heidenchristlichen“ Galater mag dies plausibel sein; betrachtet man aber den mutmaßlichen Entstehungskontext der Formel in der antiochenischen Ekklesia, so ist keineswegs ausgemacht, dass Einsichten wie diejenige, dass es unter den auf Christus Getauften weder Jude noch Grieche gibt, am Anfang der Entwicklung standen und dass das συνεσθίειν μετὰ τῶν ἐθνῶν dann die daraus gezogene Konsequenz 69
Dazu HELLHOLM, Tauftraditionen 436–439. Exemplarisch HELLHOLM, Tauftraditionen 439; BECKER, Paulus 110–119; RAU, Jesus 86–96, WOLTER, Paulus 35–38. 136f. Ob man darin zugleich eine vorpaulinische Taufformel erblicken muss, stellen HENGEL/SCHWEMER, Paulus 438f., mit Recht in Frage. Auch HELLHOLM, Tauftraditionen 452f., schließt nicht aus, dass Paulus – zusammen mit seinen Mitarbeitern – an der Formulierung wenigstens einiger der in seinen Briefen feststellbaren vorgeformten Traditionsstücke selber beteiligt war. 71 Vgl. HELLHOLM, Tauftraditionen 437f. Laut MUSSNER, Gal 264, ist εἷς hier Oppositum zu Ἰουδαῖκος und Ἕλλην usw. WOLTER, Paulus 36, spricht davon, dass die Getauften eine neue Identität erhalten, „von der alle anderen Identitätszuschreibungen überformt werden, die außerhalb der Gemeinde Jesu Christi und ihrer Sinnwelt in Geltung stehen“. Ebd. 137: Als Taufe „auf Christus“ konstituiere die Taufe nicht nur eine neue, „sondern vor allem ein und dieselbe eine Identität“: die Bestimmtheit durch Jesus Christus. 72 Richtig RAU, Jesus 87, und weiter: „… sondern eine Realität wird beschworen, in die eintritt, wer sich taufen lässt: Es ist eine durch Christus bestimmte Welt, in der der sonst bestehende Zwang einer Identifikation mit der Existenz als Jude/Jüdin oder Grieche/Griechin nicht besteht“. 73 Treffend WOLTER, Paulus 37: Mit der Aufhebung der alten Grenze zwischen Juden und Griechen werde eine neue aufgerichtet, „die der Menschheit ebenfalls zwei Basisidentitäten zuschreibt – nur dass eben der Grenzverlauf ein anderer ist“. 74 BOYARIN, Paul 23f. Konsequent postuliert Boyarin daher eine paulinische Taufpraxis, die „similar to the initiatory rites of the Mysteries“ sei. 70
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X. Mahlgemeinschaft und Taufe in Antiochia
gewesen wäre – im Gegenteil! Nirgendwo wird auf die Taufe als Grundlage der antiochenischen Praxis verwiesen. Ob die Taufe bereits die conditio sine qua non für die Teilnahme am συνεσθίειν war, wissen wir nicht. Das deutet erneut darauf hin, dass diese Tauftheologie mit den Jerusalemern ebenso wenig konsensfähig war wie die mit ihr korrespondierende antiochenische Form der Tischgemeinschaft. Vielleicht reagierte Paulus mit dieser Formel sogar auf die Jerusalemer „Zwei-Völker-Ekklesiologie“, in jedem Fall ist hier eine andere Ekklesiologie manifestiert als beispielsweise in Apg 15,14 oder in den noch erkennbaren Motiven der Jakobusleute in Antiochia. Vermutlich war es die Hintanstellung ethnischer Unterschiede bei den Mahlfeiern, die programmatische Einbeziehung getaufter Nichtjuden in die Tischgemeinschaft, die Etablierung von Mahlfeiern in Häusern getaufter Nichtjuden sowie die gemeinsame Akklamation Jesu als des Κύριος,75 die den Anstoß zur entsprechenden Zuspitzung der Taufformeln gegeben haben. Vielleicht hat sich auch beides in Wechselwirkung zueinander vollzogen. Die negative Formulierung der Formel Gal 3,28 deutet zudem darauf hin, dass sie erst anlässlich von Konflikten ihre endgültige Form erreicht hat, vielleicht gar anlässlich von Konflikten um die Tischgemeinschaft wie dem sog. antiochenischen Zwichenfall. Deswegen ist auch Vorsicht geboten, antiochenische Formeln wie Gal 3,28 kurzerhand zu vorpaulinischem Gut zu erklären, vermutlich spiegelt diese Formel die antiochenische Mahlpraxis und die Konflikte um sie eher wider und begründet sie, als dass sie in Gang gesetzt hätte. Viel plausibler ist eine Rekonstruktion, wonach die Taufformel zur Verteidigung und zur Legitimation der beim συνεσθίειν gemachten Erfahrungen und insbesondere der durch das συνεσθίειν rituell dargestellten und zugleich rituell erzeugten ekklesialen Identität76 entstanden wäre. Dafür spricht zudem, dass die Formel auch das Weiterbestehen sozialer („Herr/Sklave“) sowie geschlechtlicher („männlich/weiblich“) Grenzen bestreitet, was die Verarbeitung weiterer Krisen anzeigen könnte. In jedem Fall wendet sich Gal 3,27f. explizit gegen jede Form von „Zwei-Völker-Ekklesiologie“. So wird man die Praxis der Taufe von christusgläubigen Heiden von der theologischen Reflexion über die Taufe und der Ausformung von tauftheologischen Parolen doch unterscheiden müssen. Der antiochenische Konflikt wäre damit ein Beleg dafür, dass sich die Tauftheologie der frühen Kirche nicht zuletzt anlässlich von Mahl-Praxis Mahl-Erfahrungen und Mahl-Krisen herausbildete und also eher jene diese voraussetzt als umgekehrt. 75 Darauf verweist RAU, Jesus 93, u.ö. Gerade bei Paulus ist die Akklamation Jesu als Kyrios einheitsstiftend zwischen Juden und Heiden, vgl. dazu v.a. Röm 10,8b-13, ferner Phil 2,9-11 und 1Kor 12,1-3. 76 Vgl. auch ÖHLER, Essen 193–199.
Kapitel XI
Taufe, geistliche Speise und geistlicher Trank bei Paulus XI. Taufe, geistliche Speise und geistlicher Trank bei Paulus
In 1Kor 10,1–5 setzt Paulus Wassertaufe und Eucharistie an prominenter Stelle als Argument ein. Die beiden Vollzüge werden dabei einerseits einer bestimmten Deutung unterzogen – insbesondere werden sie in das Sprachgewand einer Art Exodus-Typologie1 gekleidet –, sie aber liefern andererseits in ebendieser Deutung das grundlegende Argument, mit dem Paulus seine Adressaten dazu bewegen möchte, nicht (länger?) an paganen Opferschlachtungen teilzunehmen. Denn es ist die als Folgerung (διόπερ) seiner bisherigen Darlegungen präsentierte Aufforderung: φεύγετε ἀπὸ τῆς εἰδωλολατρίας (10,14), die faktisch das von Anfang an feststehende Ziel seiner ganzen Darlegung bildet: Die korinthischen Christen sollen sich von Orten fernhalten, an denen „für Dämonen geschlachtet“ (10,20) wird.2 Mit diesem Imperativ spitzt er die zuvor genannten diversen Gefährdungen der Väter (10,6–10) auf diesen für die korinthische Situation entscheidenden Aspekt zu. Um den argumentativen Rekurs des Apostels auf Taufe und Eucharistie zu verstehen – und das ohne Zuhilfenahme eines beiden Vollzügen gemeinsamen „Sakraments“-Begriffs und ohne Annahme eines beide Vollzüge umfassenden Initiationsgottesdienstes –, ist es nötig, das argumentative Anliegen des Apostels detailliert zu rekonstruieren.
1. Götzenopferfleisch und Götzendienst in Korinth 1. Götzenopferfleisch und Götzendienst (1Kor 8–10)
Entscheidend für das Verständnis der Ausführungen von 10,1–22 ist die Einsicht, dass Paulus in 1Kor 8–10 das Essen von Götzenopferfleisch scharf von der Teilnahme an heidnischen Kultveranstaltungen, genauer: der Opferschlachtung, unterscheidet. Während er die Teilnahme an Opfern in 10,1–22 thematisiert und eindeutig untersagt (10,7.14.20f.), unterscheidet er im Hinblick auf den Fleischverzehr verschiedene Situationen, in denen die korinthischen Christen theoretisch in Kontakt mit Fleisch aus heidnischen Tempeln kommen könnten: das Essen von Fleisch im Tempel1 Dazu vgl. aber die Erwägungen bei ZELLER, 1Kor 326 und 333, der den Rückgriff auf die Vätergeschichte als negatives exemplum bestimmt und einige Vorbehalte gegen die Angemessenheit der Kategorie „Typologie“ formuliert. 2 LINDEMANN, 1Kor 223: „ἀπό zeigt den räumlichen Aspekt an“.
296
XI. Taufe, geistliche Speise und geistlicher Trank bei Paulus
bezirk (8,10: ἐν εἰδωλείῳ), der Kauf von Fleisch auf dem macellum (10,25f.) und die Essenseinladung bei heidnischen Mitbürgern (10,27– 29a), wobei er hier wiederum zwischen verschiedenen Situationen differenziert. Dabei ist umstritten, was der eigentliche Anstoß für die Ausführungen des Apostels war. Erkennbar ist zunächst, dass Christen an Mahlzeiten ἐν εἰδωλείῳ κατακείμενον (8,10) teilnehmen und dabei von anderen Gemeindemitgliedern gesehen werden. Undeutlich ist bereits, was mit εἰδωλείον gemeint ist. Der Begriff muss nicht unbedingt den heidnischen Tempel selbst meinen, sondern kann sich auch auf die angrenzenden Anlagen beziehen.3 Nicht überzeugend ist der Vorschlag von Matthias Konradt, der in 8,10 geschilderte Fall der Mahlzeiten im Tempel sei das „Hauptproblem“ und faktisch das einzige Problem in 8,7–10,22. Dieses stürze Paulus – anders als die Frage direkter Kultteilnahme und die Frage nach dem auf dem Markt gekauften oder bei Einladungen vorgesetzten Fleisch – in ein Dilemma. Laut Konradt behandelt Paulus in 1Kor 8,7–10,22 also „ein und dieselbe Problematik, nämlich die Teilnahme von Christen an Mahlzeiten ἐν εἰδωλείῳ, und legt sukzessiv eine Reihe unterschiedlicher Begründungen vor, die so oder so jede Partizipation an solchen Mahlfeiern einen Riegel vorschieben“.4 Schon nach 8,7–9,27 seien Tempelbesuche – aus welchem Anlass auch immer – für Christen durch die notwendige Rücksichtnahme auf die „Schwachen“ faktisch ausgeschlossen, da die Gefahr, gesehen zu werden, immer bestehe.5 Die Argumentation in 1Kor 10 bilde dann den „finalen Stoß gegen die Praxis der korinthischen ‚Starken‘“6, wie sie in 8,10 angedeutet sei. Anders Volker Gäckle. Im Anschluss an D. Newton und eine ganze Reihe von Ritualforschern geht er von einer für antike Opfer grundsätzlichen Unterscheidung von Opferritus und Opfermahl bzw. von Opfernden und Mahlteilnehmern aus7 und formuliert im
3 Vgl. dazu Dan 1,2 LXX. Da Paulus in 10,1–22 die Teilnahme an heidnischen Kulten kategorisch ausschließt, wird es sich bei dem in 8,10ff. geschilderten Fall wohl nicht um ein heidnisches Kultmahl im engeren Sinne, sondern um eine Mahlzeit in einem dem Tempel zugeordneten Tempelrestaurant handeln (so LINDEMANN, 1Kor 196f. Zum „durch die Literatur geisternden ‚Restaurant‘-Begriff“ vgl. aber LAMPE, Implikationen 585 mit Anm. 3). Anders KLAUCK, Herrenmahl 248, der den Widerspruch zwischen 8,10 und 10,1–22 literarkritisch auswertet. 4 KONRADT, Gericht 395. Vgl. ebd. 397: „Aus Paulus’ aspektreicher Argumentation folgt damit als unbedingte Konsequenz, dass ein Christenmensch im Götzentempel grundsätzlich nichts zu suchen hat“. 5 KONRADT, Gericht 370. 6 KONRADT, Gericht 392. 7 GÄCKLE, Die Starken 156–159.159–161. Eine Partizipation an Schlachtopferhandlungen des heidnischen Kultes, an die sich der gesellige Verzehr von Geopfertem unmittelbar anschloss, unterscheidet nun auch LAMPE, Implikationen 584f., vom den geselligen Mählern im Tempelbezirk, zu denen Vereine oder Privatleute einluden. Aus Plutarch, Sept. sap. conv. 2 (146D) und 3 (148B–149F) (LCL 222, 348–368, BABBITT), lässt sich entnehmen, dass die Teilnehmer am Opferakt und am Mahl nicht notwendigerweise alle
1. Götzenopferfleisch und Götzendienst (1Kor 8–10)
297
Anschluss daran die These, dass Paulus in 10,20f. „die zweifellos ehrenvolle und prestigeträchtige Teilnahme am eigentlichen Opferritual und dem damit verbundenen Essen der τραπεζώματα im Kreis der im engeren Sinne am Opferritus Beteiligten meint“.8 Das impliziert natürlich, das es in Korinth Gemeindemitglieder gab, die aufgrund ihrer gesellschaftlichen Position zu entsprechenden Anlässen eingeladen wurden.9 Im Unterschied zu diesem eigentlichen Opferakt habe Paulus keine grundsätzlichen Vorbehalte gegen eine Teilnahme an privaten oder kommunalen Mählern im Tempelbezirk, wie in 8,10 angedeutet. Zwar empfiehlt er aus innergemeindlicher Rücksichtnahme auf die Schwachen den Besuch dieser Mähler nicht und er legitimiert diesen auch keineswegs, aber er verbietet ihn auch nicht.10 „Sowohl die Terminologie in 10,14–22 (θυσταστήριον, θύειν, θυσία, ποτήριον, τράπεζα) als auch die Spannung zu 8,10 legen nahe, dass Paulus sich mit seinem apodiktischen Verbot auf die Teilnahme an dem eigentlichen Opferritus bezieht“.11 Die Argumente V. Gäckles überzeugen, zumal sich damit auch andere Probleme des Textes klären. So spielt Paulus in 1Kor 10,7 auf das „Goldene Kalb“ an, doch zitiert er keineswegs eine Stelle, in der dieses explizit genannt wird. Das von ihm gewählte Zitat aus Ex 32,6 (ἐκάθισεν ὁ λαὸς φαγεῖν καὶ πεῖν καὶ ἀνέστησαν παίζειν) differenziert vielmehr zwischen dem „Essen und Trinken des Volkes“ und dem „Aufstehen“ zum eigentlichen Götzendienst.12 Des Weiteren redet Paulus in 10,18 im Hinblick auf den Jerusalemer Tempelkult von οἱ ἐσθίοντες τᾶς θυσίας und von den κοινωνοὶ τοῦ θυσιαστηρίου (statt z.B. von κοινωνοὶ τοῦ θεοῦ), weil er hier das alttestamentliche Opferpersonal der Priester und Leviten mit dem Kultpersonal heidnischer Opferriten vergleicht: „Ebenso wie jene haben auch diese das exklusive Recht, vom eigentlichen Opferfleisch zu essen
dieselben waren, der Kontakt der Mahlteilnehmer mit dem Kult des Tempels konnte also weniger direkt ausfallen als bei den Opfermahlzeiten. 8 GÄCKLE, Die Starken 162. Vgl. ebd. 273: „Alle drei Handlungen, von denen in V. 20f. die Rede ist, nämlich die Darbringung von Opfern, das Trinken aus einem religiös definierten Kelch (ποτήριον δαιμονίων) und die Anteilhabe an der Speise eines religiös definierten Tisches (τράπεζα δαιμονίων), wurden nur vom offiziellen Kultpersonal der Priester bzw. der speziell eingeladenen Kultfunktionäre vollzogen (...). Die große Mehrheit der Teilnehmer der öffentlichen Mahlfeier dürfte diese Handlungen noch nicht einmal gesehen, geschweige denn an ihnen partizipiert haben“. 9 GÄCKLE, Die Starken 273. 10 GÄCKLE, Die Starken 161–163 sowie 181. Im Hintergrund von 1Kor 10,14–22 steht demnach nicht ein kultisches Opfermahl im Allgemeinen, sondern der eigentliche Opferakt, der von einem begrenzten und oftmals elitären Kreis vollzogen wurde. Dieser eigentliche Opferritus und das damit verbundene Essen der τραπεζώματα fanden in einem räumlich und personell verschiedenen Kontext als das anschließende Opferfest statt. 11 GÄCKLE, Die Starken 181. 12 Diese Differenzierung wird auch von KONRADT, Gericht 376, deutlich wahrgenommen, doch im Sinne seiner Prämisse (s.o.) sofort wieder für letztlich bedeutungslos erklärt, da Paulus bereits vor einem „Essen von Götzenopferfleisch“ warne, damit die Korinther nicht im „nächsten Schritt“ sich dazu hinreißen lassen, götzendienerische Riten zu vollziehen. Doch abgesehen davon, dass das Opfermahl auf die rituelle Schlachtung folgt: Götzendiener werden die Israeliten, indem sie „aufstehen, um (kultisch) zu tanzen“.
XI. Taufe, geistliche Speise und geistlicher Trank bei Paulus
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und ebenso wie jene stellt sie dies in einen Gemeinschaftsbezug mit dem Kultort und der hier verehrten Macht.“13 Auch laut Dietrich-Alex Koch unterscheidet Paulus grundsätzlich zwischen εἰδωλόθυτον und εἰδωλατρία.14 In 10,1–22 gebe Paulus der Position der „Schwachen“ auch inhaltlich recht, während er in 1Kor 8 nur die Respektierung ihrer Position als Gegebenheit gefordert hatte. Damit ziehe er eine auch gegenüber dem Starken mit seiner γνῶσις objektive Grenze.15 Ergänzt wird Gäckles Auslegung von den Ausführungen Peter Lampes zu den dämonologischen Implikationen der paulinischen Argumentation in 1Kor 10. Dieser weist aus antiken Quellen (v.a. Plutarch) nach, dass die Vokabel δαίμων sowohl in paganer wie christlicher Sprache häufig mit dem Opferschlachten, dem vergossenen Tierblut, aber auch dem Töten generell verbunden ist.16 An Orten, an denen Blut vergossen wird, erwarte „der antike Mensch“ eine besonders hohe Dämonenpräsenz. Die Gefahr der Gemeinschaft und Kontamination mit Dämonen bestehe demnach insbesondere am Altar mit dem frischen Schlachtopfer: „Christen wurden aus der Sicht des Paulus nur dann in die Machtsphäre von Dämonen hineingezogen, wenn sie einem Schlachtopfer am Altar eines Tempels beiwohnten“.17 Deswegen komme Paulus auch nur anlässlich des Schlachtopferaktes am heidnischen Altar auf Dämonen zu sprechen, bei Fragen des Verzehrs von Opferfleisch im Tempelbezirk, des Fleischkaufs auf dem macellum sowie der Essenseinladungen argumentiere Paulus ausdrücklich nicht dämonologisch, sondern mit dem „schwachen“ Mitchristen.
2. Anliegen und Argumentation des Apostels in 1Kor 8–10 2. Das Anliegen des Apostels in 1Kor 8–10
2.1 Das Anliegen des Apostels: ein zweifacher Verzicht Im Anschluss an diese Diskussion ist deutlich, dass Paulus in 1Kor 8–10 seine korinthischen Adressaten von einem doppelten Verzicht überzeugen will: Sie sollen (1.) unter bestimmten Bedingungen auf das Essen von „Götzenfleisch“ verzichten, nämlich sowohl auf die Teilnahme an Mahlzeiten ἐν εἰδωλείῳ, als auch auf das Essen von „Götzenfleisch“ im privaten Rahmen, wenn es eindeutig als solches deklariert wird (vgl. 10,28). Außerdem sollen sie sich (2.) grundsätzlich vom eigentlichen Opferakt, also der Schlachtung, sowie dem anschließenden Opfermahl fernhalten. Die Umsetzung dieser Anweisung dürfte für die meisten korinthischen Christen den faktischen Verzicht auf Fleisch bedeutet haben.
13
GÄCKLE, Die Starken 272, unter Hinweis auf Lev 7,6; 10,12–15; Num 18,8–10; Dtn 18,1–4. 14 KOCH, Christentum 193. So auch GÄCKLE 258 u.ö. 15 KOCH, Christentum 152. 16 LAMPE, Implikationen passim, hier 594. 17 LAMPE, Implikationen 589.
2. Das Anliegen des Apostels in 1Kor 8–10
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Um dieses doppelte Ziel zu erreichen, entwickelt Paulus zwei unterschiedliche Argumentationsstrategien.18 Etwas schematisch lässt sich die im Falle der Tempelmähler und der Privatmahlzeiten entworfene „ekklesiologische“ Argumentation mit dem „schwachen“ Gemeindebruder und seinem Gewissen von der anlässlich der Teilnahme am Opfer bemühten „pneumatologisch-christologischen“ bzw. „dämonologischen“ Argumentation unterscheiden. Die Rekurse auf Taufe und Eucharistie stehen im Kontext der zweiten Argumentationslinie (1Kor 10,1–22). In beiden Fällen bildet allerdings die hohe Christologie des Apostels den eigentlichen Referenzrahmen seiner Argumentation: Christus ist für den „schwachen“ Bruder gestorben (8,11), und er gewährt in Taufe und Eucharistie Anteil an seiner Person und seinem Werk (10,1–22). Damit formuliert Paulus den Heilsaspekt wie auch das „Gefährdungspotential“ für die Gemeinde christologisch. Es wurde des Öfteren vermutet, dass Paulus deswegen auf Taufe und Eucharistie zu sprechen kommt, weil sich die Korinther zur Begründung einer gefahrlosen Teilnahme an heidnischen Kulten auf die apotropäischen oder magisch-sakramentalen Wirkungen von Taufe und Eucharistie berufen hätten. Doch geht aus der ersten Argumentation des Paulus in 1Kor 8–9 klar hervor, dass die „Starken“ in Korinth ihre Teilnahme an den heidnischen Kulten mit ihrer γνῶσις, ihrer ἐξουσία und ihrer ἐλευθερία begründeten. Für einen „magischen Sakramentalismus“ aufseiten der Korinther gibt es dagegen keinen überzeugenden Beleg.19 Die im Rahmen der Typologie gemachten Anspielungen auf Taufe und Herrenmahl in 1Kor 10,1–4 implizieren keineswegs, dass die Korinther ein „magisches Sakramentsverständnis“ vertreten hätten.20 Nicht die Korinther dürften mit Taufe und Herrenmahl (in magisch-apotropäischem Sinne) ihre Teilnahme an heidnischen Opferkulten legitimiert haben, sondern umgekehrt führt Paulus Taufe und Eucharistie an, um seine Anweisung, sich vom Götzenopfer fernzuhalten (10,14), zu begründen.21
18
Analog SCHRAGE, 1Kor II 220, der die Rücksichtnahme auf den „Schwachen“ vom Verbot der Teilnahme an heidnischen Kultveranstaltungen unterscheidet. 19 Dagegen mit Recht GÄCKLE, Die Starken 194–197 (mit W. Schmithals und D. Aune) und 258f., sowie ZELLER, 1Kor 329. 20 So auch KONRADT, Gericht 380: „Demzufolge, was aus 1Kor 8 als Position der ‚Starken‘ ersichtlich ist, kann man schwerlich davon ausgehen, dass sie der Meinung waren, eines besonderen Schutzes zu bedürfen, um an Mahlfeiern ἐν εἰδωλείῳ teilnehmen zu können. Eher ist zu erwarten, dass sie diese Veranstaltungen eben als harmlos einstuften“. 21 So auch KONRADT, Gericht 380, laut dem der Rekurs auf Taufe und Abendmahl als Paulus’ eigene Handschrift zu werten ist. Motiviert sei der Rekurs aber durch das „Gefühl einer Heilssicherheit“, „das auf die in Taufe (vgl. dazu auch 15,29) und Abendmahl empfangenen geistlichen Gaben bezogen war und von dem Paulus Notiz genommen hatte“. Mit 10,1–4 hole Paulus die Korinther also „bei ihrem Selbstverständnis ab“.
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XI. Taufe, geistliche Speise und geistlicher Trank bei Paulus
2.2 Der erste Argumentationsgang: Werbung um Rechtsverzicht (1Kor 8,1–9,23) Im Falle der Teilnahme an Mählern ἐν εἰδωλείῳ stellt sich dem Apostel ein echtes Problem, schließlich teilt Paulus selbst ja die dem Verhalten der „Starken“ zugrundeliegende „Erkenntnis“, wonach „es keinen Götzen gibt in der Welt und keinen Gott (θεός) außer dem einen (εἷς)“ (8,4). Hinzu kommt, dass er diese Erkenntnis allen Mitgliedern der Ekklesia zuspricht: πάντες [!] γνῶσιν ἔχομεν.22 Er stimmt prinzipiell auch der daraus abgeleiteten ἐξουσία (8,9; vgl. 9,4) zu,23 an Mählern im Bezirk heidnischer Tempel teilzunehmen. Hiervon nimmt er auch nichts zurück. Vielmehr versucht er im Folgenden auf der Basis dieser Erkenntnis und ohne in Widerspruch dazu zu geraten, die „starken“ Korinther dazu zu bewegen, auf die Teilnahme an Mählern im Tempelbezirk – und damit faktisch auf Fleischgenuss insgesamt – zu verzichten. Trotz ihrer Erkenntnis sollen sie aus Liebe zum „schwachen“ Gemeindebruder also Rechtsverzicht üben. Diesen Rechtsverzicht stellt er wiederum in den Kontext eines asketischen Lebensentwurfes. Liebe (ἀγάπη) und Verzicht (ἐγκράτεια) bilden also die entscheidenden Kriterien, mit denen der Apostel der Trias γνῶσις, ἐλευθερία und ἐξουσία ausbalanciert. Daher stellt Paulus gleich zu Beginn der korinthischen Gnosis mit der ἀγάπη ein zweites Prinzip zur Seite, die im Unterschied zu jener nicht „aufbläht“, sondern „auferbaut“ (8,1–3). Erst nachdem dies geklärt ist, setzt er nochmals zur Behandlung der Götzenopferfragestellung an (8,4). Auf die ἀγάπη rekurriert Paulus wegen der συνείδησις des „schwachen“24 Gemeindemitgliedes, d.h. der inneren (Selbst-)Beurteilung des Menschen an vorgegebenen Maßstäben.25 Das „Gewissen“ einiger Gemeindeglieder ist „schwach“, weil es eben an der oben genannten Erkenntnis gebricht, wonach es „keinen Götzen in der Welt gibt“. Deswegen spricht Paulus von jenen generell als „Schwachen“ (8,11: ὁ ἀσθενῶν26). 22
Der unbestreitbare Widerspruch zu 8,7 (ZELLER, 1Kor 293, vgl. auch ECKSTEIN, Syneidesis 236) zeigt, dass die Formulierung in 8,1 „mehr taktisch“ motiviert ist. 23 LINDEMANN, 1Kor 202, treffend (zu 9,4): „ἐξουσία meint wie in 8,9 die Inanspruchnahme eines Rechts“. 24 Mit Recht betont ECKSTEIN, Syneidesis 242, dass die Bezeichnung „schwach“ für Paulus nicht eine Kritik an den Schwachen impliziert, sondern „eine Herausforderung an die Starken, die Verantwortung gegenüber den Schwachen wahrzunehmen“. 25 Dazu ECKSTEIN, Syneidesis 232–256. Gerade im Kontext der Götzenopferfleischdebatte (1Kor 8,7–13 und 10,23–11,1) thematisiert Paulus die συνείδησις der Getauften. Damit meine er jene Instanz, die reflexiv über das Verhalten der Person urteilt, sie zeigt also in diesem Fall an, ob das Verhalten des „Schwachen“ seinen Wertmaßstäben entspricht (243). Diese sind von mangelnder γνῶσις und der vorchristlichen Praxis geformt. 26 Der „Schwache“ ist laut 8,7 derjenige Gemeindebruder, der „das Götzengeschlachtete als solches isst“, d.h. für den das aus den heidnischen Tempeln stammende Fleisch
2. Das Anliegen des Apostels in 1Kor 8–10
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Mit Dieter Zeller kann man also vermuten, dass die Bekehrung dieser Christen eher henotheistischer (bzw. monolatrischer) als monotheistischer Natur war.27 Wenn solche Christen Götzenfleisch konsumieren, weil sie andere das ebenfalls tun sehen (8,10), dann ist dieses für sie gerade nicht „neutral“, sondern sie essen es ὡς εἰδωλόθυτον (8,7). Damit werden sie entweder von ihrem Gewissen als Sünder überführt,28 oder sie halten das Essen von Götzenfleisch für erlaubt, obwohl sie die Existenz der „Götzen“, denen zu Ehren es geopfert wurde, nicht bestreiten. Dem „schwachen“ Gemeindebruder, für den doch Christus gestorben ist, durch das sichtbare Essen von Götzenopferfleisch Anstoß zu geben, dies qualifiziert Paulus ganz massiv als Sünde gegen Christus (8,12). In 8,13 wechselt Paulus dann in die erste Person Singular und leitet so die Ausführungen von 9,1–23 ein. Die ganze Argumentation zielt dabei auf 9,22 im Kontext von V. 19–23 hin.29 1Kor 8,13 13
a b c
Darum (διόπερ): Wenn (εἰ) eine Speise Anstoß gibt meinem Bruder, werde ich in Ewigkeit kein Fleisch essen (οὐ μὴ φάγω κρέα εἰς τὸν αἰῶνα), um nicht (ἵνα μή) dem Bruder Anstoß zu geben.
Dieter Zeller bemerkt zu 8,13 treffend: „Die pauschale Formulierung scheint Paulus zum Vegetarier zu machen“,30 denn Paulus redet hier nicht (nur) von „Götzengeschlachtetem“ (εἰδωλόθυτα), sondern ganz allgemein
nicht religiös neutral ist. Daher wird sein Gewissen auch dann belastet, wenn er andere Gemeindemitglieder beim Essen im Tempel beobachtet (8,10f.). Vgl. LINDEMANN, 1Kor 195: Εs geht „um ein Essen, das sehr wohl unter dem Vorzeichen der neuen ‚Erkenntnis‘ (s. V. 4f.) steht [daher benutzt Paulus hier auch das Wort εἰδωλόθυτα und nicht ἱερόθυτα], aber sie essen so, als hätte das Fleisch wirklich mit dem εἴδωλον zu tun“. 27 ZELLER, 1Kor 293. 28 In diese Richtung ZELLER, 1Kor 293: Ιhr Gewissen registriere die Sünde als solche. Präzise beschreibt ECKSTEIN, Syneidesis 255, die Situation der akuten Gefährdung des Bruders: „Da für den Schwachen nicht zur Diskussion steht, ob sein Urteil über das gebotene Verhalten von objektiv zutreffenden Voraussetzungen ausgeht, sondern lediglich, ob er sich so verhält, wie es auf Grund seiner eigenen Voraussetzungen als allein richtig erscheinen muss, bewirkt das Insistieren des Starken auf seiner γνῶσις und ἐξουσία bei dem Schwachen nicht etwa Erkenntnis und Entwicklung seines νοῦς, sondern die Verurteilung des angepassten Verhaltens durch die Syneidesis“. Dadurch werde der Schwache faktisch vom Starken misshandelt. 29 GÄCKLE, Die Starken 245, mit Recht: „Die V. 19–23 bilden die Zielaussage des ganzen c. 9“, ebd. 251: „Skopus des ganzen Kapitels“. 30 ZELLER, 1 Kor 297. Natürlich gibt der Kontext und der genaue Wortlaut das nicht her; dass der Vers so verstanden werden konnte, scheint mir jedoch sicher zu sein.
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XI. Taufe, geistliche Speise und geistlicher Trank bei Paulus
von „Fleisch“ (κρέας).31 Da der „schwache“ Gemeindebruder in einer antiken Großstadt fast nie sicher sein konnte, woher das Fleisch letztlich kommt, rät Paulus faktisch zum generellen Verzicht auf Fleisch – einerseits natürlich zum Verzicht auf Fleischverzehr im Tempelareal (8,10f.), aber doch sicher ebenso auf Fleischverzicht bei den korinthischen „Herrenmählern“, also den eucharistischen Gemeindemahlzeiten, die aus einem Brot- und Weinritus sowie dem davon gerahmten sog. Sättigungsmahl bestanden (vgl. dazu 1 Kor 11,17–3432) – zumindest falls (εἰ) es „schwache“ Gemeindemitglieder gibt. Die (zugestandene) γνῶσις und die ἐξουσία sollen von den „Starken“ also nicht genutzt werden, solange es „Schwache“ in der Ekklesia gibt. Paulus hat das Ziel, die uneingeschränkt bejahte „Freiheit“ der Getauften in eine Freiheit zum Verzicht zu konkretisieren.33 Dafür inszeniert er sich ab 8,13 selbst als Modell. Treffend formuliert Matthias Konradt: „Paulus’ knappe Apologie mündet damit sogleich ein in das durch 8,13 eingestielte Hauptanliegen, sich den ‚Starken‘ als exemplum zu präsentieren. Mit seinem Rekurs auf seinen apostolischen Dienst sucht Paulus eine Analogie zum von den ‚Starken‘ geforderten Rechtsverzicht auszuarbeiten“.34 Dieter Zeller meint, der Apostel rechne damit, man könne ihn für sein in 8,13 propagiertes Verhalten zur Rede stellen, da der Verzicht auf Fleisch nicht der von ihm selbst hochgehaltenen Freiheit entspreche.35 Um dies zu entkräften rekurriert Paulus nun zweimal auf sein eigenes Beispiel:36 Er, der aufgrund seiner Berufung (9,1) und der Existenz seiner Gemeinden als dem „Siegel seines Apostolats“ (9,2) alle ἐξουσίαι hat, er hat diese ihm „rechtmäßig“ zustehenden Vollmachten nicht genutzt (9,12.15.18), wobei er insbesondere auf den Verzicht auf Unterhalt durch seine Gemeinde abhebt. Es ist bemerkenswert, dass Paulus dabei seine ἐξουσία φαγεῖν καὶ πεῖν betont (9,4), anstatt direkt das Recht auf Unterhalt durch die Ekklesien anzusprechen, um das es ja eigentlich geht (9,6–15a). So hebt er als erstes „seine grundsätzliche Freiheit in Nahrungsfragen“ hervor,37 und stellt so seinen Verzicht auf Versorgung durch die Gemeinden in diese Perspektive. 31 Dennoch bezieht ECKSTEIN, Syneidesis 252, den Begriff in erster Linie auf „alles im Tempelbereich geschlachtete Fleisch“, was aber nicht überzeugt. Auch dass V. 13 die Möglichkeit offen lasse, bei jüdischen Metzgern Fleisch zu kaufen, steht nicht im Text. 32 Dazu ausführlich HOFIUS, Herrenmahl 208–223. 33 So BRÄNDL, Agon 193. ZELLER, 1Kor 298, überschreibt sein Kapitel zu 1Kor 9,1– 27 mit „Freiheit im Verzicht auf Rechte – das Beispiel des Apostels“. 34 KONRADT, Gericht 362. 35 ZELLER, 1Kor 299. 36 Vgl. dazu auch LINDEMANN, 1Kor 200, und SCHRAGE, 1Kor II 279f. ZELLER, 1Kor 300, weist mit Recht auf den Bezug zu 11,1 hin. 37 LINDEMANN, 1Kor 202.
2. Das Anliegen des Apostels in 1Kor 8–10
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Hinzu kommt der Verzicht auf die Ehe und damit auf die Begleitung durch die Ehefrau, die ebenfalls von den Ekklesien zu versorgen ist (vgl. 9,5 mit 7,7.9) – was beispielsweise von den übrigen Aposteln sowie von Petrus und den Herrenbrüdern in Anspruch genommen wird.38 Diese beiden exemplarischen Rekurse auf seine Freiheit in Nahrungsfragen sowie auf seine Ehelosigkeit wird Paulus dann in 9,25 ins Grundsätzliche überführen (s.u.), zuvor aber führt er seinen Verzicht auf Unterhalt durch die Gemeinden weiter aus (9,6–18). Mit Beispielen aus dem täglichen Leben (V. 7), mit einem Wort aus der Tora (V. 8–10), mit der Metapher von Saat und Ernte (V. 11f.), mit den Anweisungen Gottes für den Tempeldienst und die Versorgung der Priester (V. 13–14) begründet er erst sein Recht auf Unterhalt, um sodann zu betonen, er selbst habe davon keinen Gebrauch gemacht, also Rechtsverzicht praktiziert (V. 15–18): Sein Ruhm wie sein Lohn bestehe in der „kostenlosen Verkündigung des Evangeliums“.39 In 9,19–23 zeigt Paulus sodann, dass sein zuvor geschildertes Verhalten im Dienst seines missionarischen Zieles steht, „möglichst viele zu gewinnen“. Um dies zu erreichen habe er, der doch von allen Menschen unabhängig (ἐλεύθερος... ἐκ πάντων) sei, sich allen zum Sklaven gemacht.40 Er, der den Schwachen ein Schwacher wurde (9,22), indem er auf Fleisch verzichtet (8,13), sucht nicht das ihm selbst Zuträgliche, sondern das der „Vielen“ (10,33). Der Rechtsverzicht des Paulus entspricht also dem Evangelium von Christus, der sein Leben für andere dahingegeben hat, während das Beharren auf der eigenen Erkenntnis, Freiheit und Vollmacht dem Evangelium zuwiderläuft.41 Den folgenden drei Beispielen liegt die klassische Unterscheidung von Juden und Nichtjuden zugrunde.42 Mit dem Stichwort ἀσθενής (V. 22f.) schwenkt Paulus zurück zur Thematik des Götzenopferfleisches. Die Inclusio zeigt, dass sein erster Argumentationsgang damit abgeschlossen ist. 1Kor 9,22 22
a b c d 38
Geworden bin ich den Schwachen (τοῖς ἀσθενέσιν) ein Schwacher, damit ich die Schwachen gewänne. Allen bin ich alles geworden, damit ich von allen einige rette.
Mit Recht betont LINDEMANN, 1Kor 202, dass „die schon in 7,7 erwähnte Ehefrage jedenfalls Teil seiner ἐξουσία“ ist. 39 ZELLER, 1Kor 309. 40 Mit ZELLER, 1Kor 316, der ἐκ πάντων als maskulinen Plural deutet. 41 Vgl. KONRADT, Gericht 363. 42 Vgl. GÄCKLE, Die Starken 246: „Die unter dem Gesetz“ = gottesfürchtige Nichtjuden, die nach der Tora leben; „Die ohne Gesetz“ = unmoralisch lebende Nichtjuden. Anders ZELLER, 1Kor 317, der τοῖς ὑπὸ νόμου auf Juden bezieht.
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XI. Taufe, geistliche Speise und geistlicher Trank bei Paulus
Mit τοῖς ἀσθενέσιν sind – trotz der voranstehenden Dreierreihe – doch wohl primär die „Schwachen“ von 8,7–13 gemeint.43 Im Unterschied zu V. 20f. lässt Paulus nun auch das vergleichende ὡς sowie ein konzessives Partizip weg, und es fehlt eine entsprechende antithetische Aussage über die „Starken“.44 Dies zeigt, dass Paulus die Haltung der Schwachen gerade nicht als korrekturbedürftig ansieht und sich außerdem rhetorisch mit dieser Gruppe identifizieren will.45 Von 8,7–13 her formuliert: Obwohl er selbst doch γνῶσις und ἐλευθερία besitzt, ist er aus Liebe ein Schwacher geworden, d.h. er verzichtet auf Fleisch. Wie alle Ausführungen zur Götzenfleischproblematik steht auch diese Sequenz im Horizont des μιμηταί μου γίνεσθε von 11,1a: Die angeredeten Korinther sollen ihren Apostel auch insofern nachahmen, dass sie „den Schwachen zugute Schwache werden“, also um des Evangeliums willen zumindest in den genannten Situationen auf Fleisch verzichten. 2.3 Wer erreicht das Ziel? Das Zwischenstück 9,24–27 Im Anschluss daran leitet Paulus nun zu den folgenden Ausführungen und damit zu seinem zweiten Anliegen über, indem er die Adressaten mit οὐκ οἴδατε direkt anredet. Mit dieser Übergangspassage beginnt bereits der zweite Argumentationsgang, der bis 10,22 reicht.46 Man sollte daher die enge Anbindung von 10,1–5 an die voranstehende Passage 9,24–27 nicht unterbelichten.47 Genauer: Nach einem kleinen Exkurs (9,26f.: ἐγώ) schließt Paulus in 10,1 an 9,24f. an. Die Korinther werden nun als ἐν σταδίῳ τρέχοντες angesprochen, sie befinden sich analog zu „unseren Vätern“ sozusagen in der Wüste zwischen dem Schilfmeer und dem gelobtem Land.48
43
Anders SCHRAGE, 1Kor II 346: Ängstliche und abergläubische Nichtchristen, die Paulus durch Zurückhaltung von brüskierender Freiheit gewinnen will. 44 SCHRAGE, 1Kor II 346 u.v.a. 45 Überzeugend GÄCKLE, Die Starken 247. Anders dann in Röm 14,1–15,7: Paulus identifiziert sich hier eindeutig als „Starker“ (15,1), eine Aussage wie 1Kor 9,22 fehlt. 46 οὐκ οἴδατε als Gliederungssignal noch in 3,16; 5,6; 6,2.3.9.15.16.19; 9,13. SCHRAGE, 1Kor II 278: „Zuzugeben ist nur, dass V. 24–27 deutlich mit 10,1ff. zusammen gehört“, anders dann aber ebd. 361. BRÄNDL, Agon 196, mit Recht: „ein Übergangsabschnitt“. Mit dem folgenden Abschnitt 10,1–5 verbinde die Passage v.a. das Stichwort πάντες (ebd. 200). Anders ZELLER, 1Kor 320f.: „Schlussappell“. 47 Vgl. ZELLER, 1Kor 326, laut dem sich das γάρ in 10,1 auf 9,24 bezieht (womit er in gewisser Weise seinen eigenen Ausführungen auf S. 321 widerspricht). 48 ZELLER, 1Kor 326 weist (gegen seine eigene Gliederung) auf strukturelle Parallelen zwischen 10,1ff. (Heilserfahrung „aller“ vs. Verderben der Mehrheit) und 9,24 („alle“ vs. „einer“) hin.
2. Das Anliegen des Apostels in 1Kor 8–10
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1Kor 9,24–10,1 24
a b c d e f a b c d e a b c d e a b c d e a b c
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1
Wisst ihr nicht, dass die, die auf der Rennbahn laufen (οἱ ἐν σταδίῳ τρέχοντες), zwar alle (πάντες μέν) laufen, aber (nur) einer (εἷς δέ) den Preis empfängt? Lauft so (οὕτως τρέχετε), dass ihr (ihn) erlangt. Jeder aber, der am Wettkampf teilnimmt (πᾶς δὲ ὁ ἀγωνιζόμενος), ist in allem enthaltsam (πάντα ἐγκρατεύεται), jene zwar, damit sie einen vergänglichen Siegeskranz empfangen, wir dagegen einen unvergänglichen! ICH laufe nun so (ἐγὼ τοίνυν οὕτως τρέχω), nicht wie ins Ungewisse. So boxe ich, nicht wie einer, der in die Luft schlägt, Vielmehr zerschlage ich meinen Leib (ἀλλ’ ὑπωπιάζω μου τὸ σῶμα) und führe (ihn) so49 in die Versklavung (καὶ δουλαγωγῶ), damit ich nicht, nachdem ich anderen verkündigt habe, selbst ungeeignet werde (αὐτὸς ἀδόκιμος γένωμαι). Ich will euch nämlich (γάρ) nicht in Unkenntnis darüber lassen, Brüder und Schwestern, dass unsere Väter alle unter der Wolke waren (...)
Paulus bemüht hier nicht nur ein neues Motivfeld (nämlich die AgonMetaphorik) und eine neue Begrifflichkeit, die an Kap. 7 anschließt (nämlich ἐγκράτεια),50 sondern verschiebt auch die Thematik: Nun geht es um den umfassenden Verzicht um des eigenen Heiles willen – und um die Möglichkeit, dieses Heil zu verspielen.51 Diese Möglichkeit deutet er in 9,24 an, wenn er betont, dass nur einer der Läufer im Stadion den Siegespreis erhalten wird. Bevor er diesen Gedanken anhand der Exodusgeschichte in 10,1ff. weiter ausführt, schiebt er einen ins Grundsätzliche reichenden Exkurs ein 49
Explikatives καί. Durch das Zerschlagen des σῶμα wird dieses dem Kyrios unterworfen. 50 Vgl. damit 1Kor 7,1–9, v.a. V. 9 (ἐγκρατεύονται). 51 Vgl. KONRADT, Gericht 367. Im Unterschied zu 8,11 geht es hier nun um das eigene Heil, nicht nur um das des Bruders, auch dies zeigt, dass hier schon 10,1–22 im Blick ist.
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XI. Taufe, geistliche Speise und geistlicher Trank bei Paulus
(9,25–27). Die bisherigen Ausführungen zum (gewünschten) Fleischverzicht der Korinther und zum (praktizierten) Fleisch-, Unterhalts- und Eheverzicht des Apostels selbst (9,4f.) werden nämlich mit 9,25 ins Grundsätzliche überführt: „Jeder, der an einem Wettkampf teilnimmt, lebt vollkommen enthaltsam (πᾶς δὲ ὁ ἀγωνιζόμενος πάντα ἐγκρατεύεται)“. Unbestritten ist, dass Paulus hier auf den vor den Wettkämpfen geübten Verzicht der Athleten auf Alkohol und bestimmte Nahrungsmittel, vor allem aber auf Geschlechtsverkehr anspielt.52 Dass die ganz allgemein formulierte Sentenz über den Kontext hinausgeht, zeigt schon der terminologische Bezug zu 1Kor 7,7–9.53 Dort meinte Paulus mit dem Verb ἐγκρατεύεσθαι den Verzicht auf die Ausübung von Sexualität, ohne zu „brennen“,54 und er nimmt für sich selbst in Anspruch, dieses Charisma zu besitzen. Von daher ist deutlich, dass Paulus in 9,25 seinen eigenen, sexuell wie diätetisch enthaltsamen Lebensstil als den Bedingungen des Christenlebens (Wettkampf) angemessen präsentiert. Die in der Literatur zu findenden Versuche, diese Konsequenz zu umgehen, überzeugen nicht.55 Paulus stellt hier den geforderten Verzicht auf das Fleisch in den Horizont einer schmerzlichen Inzuchtnahme des eigenen Leibes.56 Er fordert 52 Belege bei BRÄNDL, Agon 201 mit Anm. 81 und 82; ausführlich dazu POPLUTZ, Athlet 270–277. Genannt werden zum Thema Sexualaskese der Wettkämpfer v.a. Plato, Leg VIII 839e–840a und Philostrat, Gym 48–52, zum Thema der Weinaskese Epiktet, Ench 29, und ebenfalls Philostrat, Gym 48–52. Weitere Belege bei SCHRAGE, 1Kor II 366. Vgl. auch BRÄNDL, Agon 227f., zum spezifischen Kontext der Isthmien mit dem Fazit: „Im Grunde kann man nur bei den panhellenischen Spielen von πάντα ἐγκρατεύεσθαι (1Kor 9,25) sprechen“. Erhellend zur Stellung der Enthaltsamkeit im Agon-Motiv außerdem ebd. 101–103 zur philonischen und 61f. zur stoischen AgonMetaphorik. Weiter die materialreichen Ausführungen bei POPLUTZ, Athlet 270–276 sowie 151–153 (zu Epiktet). Warum Poplutz ebd. 276 eine „enkratische Tendenz“ bei Paulus trotz Verweis auf 1Kor 7,1–9 und 8,4–13 in Abrede stellt, bleibt unbegründet (in ähnliche Richtung SCHRAGE, 1Kor II 367). 53 Vgl. auch Gal 5,23. Dort zählt die ἐγκράτεια zu den Früchten des Geistes. Die Bezüge notiert BRÄNDL, Agon 201f. Zum ganzen auch schon VÖGTLE, Tugend- und Lasterkataloge 149f., der den Bezug auf die „sinnlichen Begierden“ deutlich sieht. 54 1Kor 7,9: εἰ δὲ οὐκ ἐγκρατεύονται, γαμησάτωσαν. In 1Kor 7,5 formuliert er διὰ τὴν ἀκρασίαν ὑμῶν. 55 POPLUTZ, Athlet 276, unterscheidet beispielsweise künstlich „die Anspannung und Konzentration mit Blick auf das Ziel“ (die allein gemeint sei) von der „asketischen Selbstreduktion“ (die nicht gemeint sei), die Bezüge zu 1Kor 7,8f. sieht sie ebenso wenig wie die zur Nahrungsaskese in 1Kor 8,13. 56 Mit Recht ZELLER, 1Kor 323f. gegen einen Bezug auf die Peristasenkataloge, wie ihn z.B. BRÄNDL, Agon 208f. herstellt. Dagegen spricht die Wendung ὑποπιάζω μου τὸ σῶμα, wo es doch nicht darum geht, die Konsequenzen des apostolischen Dienstes bewusst in Kauf zu nehmen (so Brändl ebd.). Warum Paulus nach KONRADT, Gericht 367f. „damit nicht strenge leibliche Askese“ empfehle, erschließt sich mir nicht, zumal Konradt auch den Bezug von 9,24–27 zu 1Kor 7 ignoriert.
2. Das Anliegen des Apostels in 1Kor 8–10
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also mehr als den aktiven Verzicht auf alles, was zwar theoretisch erlaubt ist, dennoch aber vom Erreichen des Zieles ablenken könnte. Und es geht um mehr als um einen Lebensstil, der von „vorsichtiger Zurückhaltung und Selbstdisziplin geprägt ist“,57 nämlich um den aktiven Kampf gegen das eigene σῶμα (9,27).58 Mit den folgenden Ausführungen macht Paulus dann klar, dass die ἐξουσία der Korinther an der εἰδωλολατρία (ebenso wie an der πορνεία) eine klare Grenze findet. In dieser Hinsicht gibt Paulus also den „Schwachen“ auch inhaltlich recht. Damit erfolgt in der „asketischen“ Passage der entscheidende Übergang zu den Ausführungen in 10,1–22,59 evoziert sie doch das Bild des Wettlaufes ἐν σταδίῳ, bei dem nur einer (εἷς) den Kampfpreis (βραβεῖον) erringt. Beide Abschnitte verbindet also das Motiv, „dass nicht jeder, der einen Weg beginnt (sei es als Läufer in der Kampfbahn oder sei es Israel auf dem Wüstenzug) zwangsläufig auch am Ziel ankommt bzw. den Sieg davonträgt“.60 Indem er das Bild von Start und Ziel bzw. von Anfang und Ende des Wettkampfes evoziert, nimmt Paulus die Thematik von Kap. 10 vorweg: Mit 9,24 gesprochen: Ein Start beim Wettlauf garantiert noch keinen Siegespreis; mit 10,1–5 gesprochen: Taufe und Eucharistie garantieren noch keinen Einzug in das gelobte Land. 2.4 Der zweite Argumentationsgang: Verbot der Teilnahme am Götzenkult (1Kor 10,1–22) Der entscheidende Grundgedanke des Absatzes und des Rekurses auf Taufe und Eucharistie ist der der gefährlichen Nähe bzw. Präsenz des Christus in seinem πνεῦμα. Um dies zu fokussieren, wechselt Paulus nun nicht nur das Bildfeld, sondern auch die Gattung und schließt eine Art Midrasch über das Schicksal „aller unserer Väter“ der Exodusgeneration an. Am Beispiel dieser Wüstengeneration verdeutlicht er die Gefährdung der Ek-
57
So GÄCKLE, Die Starken 259. Dazu auch WEIDEMANN, Hausherren 287–290. 59 So mit BRÄNDL, Agon 199f., der die Gegenüberstellung von πάντες und εἷς herausstellt, auch wenn Paulus ja formuliert ἵνα καταλάβετε und also insinuiert, dass mehrere oder gar alle der Korinther das Ziel erreichen können. Ebd. 225–227: Bei den panhellenistischen Kranzspielen wurde im Unterschied zu provinziellen Agonen nur der Sieger geehrt. Vgl. dazu auch POPLUTZ, Athlet 261f., die die Kontrastierung aus jeweils einer pluralen und unbestimmt bleibenden Größe (alle, jene, andere) und einer bestimmten und fest umrissenen Größe (einer, wir, ich) instruktiv herausarbeitet. Weiter dann ebd. 269: „Der kommunikative Clou besteht aber nun gerade darin, dass dieser singuläre Sieger mit einer pluralen Größe gleichgesetzt wird: Ihr sollt der eine Sieger sein!“ Auch KONRADT, Gericht 370, wertet die Passage als Überleitung zu 10,1ff. 60 GÄCKLE, Die Starken 259, im Anschluss an NEWTON, Deity 325f. 58
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XI. Taufe, geistliche Speise und geistlicher Trank bei Paulus
klesia durch eine Teilnahme von Gemeindegliedern an der εἰδωλολατρία und bereitet so den folgenden Abschnitt 10,14–22 vor.61 In beiden Durchgängen kommt der Eucharistie die entscheidende argumentative Funktion zu, dabei im ersten Argumentationsgang in Verbindung mit der Taufe (vgl. 10,3f. im Ganzen von 10,1–13 sowie 10,16f. im Ganzen von 10,14–22).62 Diese Funktion hat die Eucharistie nicht nur wegen der Unvereinbarkeit von christlicher Mahlfeier und heidnischem Kult.63 Vielmehr: Die Zugehörigkeit zum durch Taufe und Eucharistie konstituierten Leib Christi bewahrt keineswegs vor dem Gericht, wenn insbesondere εἰδωλολατρία, aber auch πορνεία, πειράζειν τὸν Χριστόν oder γογγύζειν nicht unterlassen werden.64 Paulus setzt dabei voraus, dass die „unseren Vätern“ gewährten Heilsgaben dieselben sind, die in seiner Gegenwart den „Leib Christi“ konstituieren.65 Wichtig zum Verständnis von 1Kor 10,1–5 ist also der Kontext der Passage, v.a. 9,24f.. und 10,9.
61
Unklar ist, ob V. 14 als zusammenfassende Folgerung (διόπερ) aus dem Ganzen von 10,1–13 noch zum ersten Teil gehört oder ob mit der Anrede ἀγαπητοί μου ein neuer Abschnitt beginnt, in dem Paulus neue Argumente einführt. Vielleicht charakterisiert man V. 14 salomonisch mit „Schlussfolgerung und Überleitung“ am besten. Zum Problem vgl. BROER, Darum 305. 62 So auch HAHN, Teilhabe 339: „Der Hinweis auf das sakramentale Geschehen ist wie in V. 1–4 kein selbständiges Thema, sondern Prämisse für das Folgende“, ebenso 352: die Aussagen über das Herrenmahl in 10,16f. haben „keinerlei selbständige Bedeutung“, sondern „eine ausgesprochen argumentative Funktion“. 63 Allerdings setzt diese Unvereinbarkeit natürlich eine „sachliche Analogie des Herrenmahls zum Essen der τραπεζώματα und zum Trinken des Libationskelches im Rahmen des Opferritus voraus“ (GÄCKLE, Die Starken 265). Diese sachliche Analogie besteht für Paulus im κοινωνία-Gedanken. 64 So die beiden ersten der Beispiele in 10,7 und 10,8, für die Paulus in der Gemeindesituation in Korinth klare Parallelen sieht (vgl. 10,8 mit 1Kor 5f. und 10,7 mit 1Kor 8– 10). Die Warnung vor dem εἰδωλολατρεύειν ist durch das (einzige) Schriftzitat (Ex 32,6 LXX) gegenüber den anderen drei Warnungen deutlich hervorgehoben. Das ἐκπειράζειν τὸν Χριστόν verweist bereits auf 10,22, das γογγύζειν scheint keinen konkreten Anhalt in Korinth zu haben, vielleicht will Paulus ja ein „Murren“ gegen seine eigene Person im Keim ersticken. 65 Richtig SCHRAGE, 1Kor II 395f.: „Nur dann, wenn schon die Gaben des wandernden Gottesvolkes Anteil am Pneuma und am präexistenten Christus vermitteln, kann die paulinische Argumentation überzeugen (…). Im Alten wie im Neuen Bund geben die geistliche Speise und der geistliche Trank realiter und nicht nur gleichnishaft und symbolisch Anteil am Christus. (…) Christus war nicht nur der Spender himmlischer Gaben, er war als Pneuma zugleich in der Gabe präsent“. ZELLER, 1Kor 328, betont, „dass die Israeliten ebenso gute Heilsbedingungen wie die Christen hatten, weil die geistlichen Gaben denselben Ursprung hatten“; ebenso KONRADT, Gericht 373.
2. Das Anliegen des Apostels in 1Kor 8–10
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9
a b c
Wisst ihr nicht, dass die, die auf der Rennbahn laufen (οἱ ἐν σταδίῳ τρέχοντες), zwar alle (πάντες μέν) laufen, aber (nur) einer (εἷς δέ) den Preis empfängt? Lauft so (οὕτως τρέχετε), dass ihr (ihn) erlangt. Jeder aber, der am Wettkampf teilnimmt (πᾶς δὲ ὁ ἀγωνιζόμενος), ist in allem enthaltsam (πάντα ἐγκρατεύεται), jene zwar, damit sie einen vergänglichen Siegeskranz empfangen, wir dagegen einen unvergänglichen! (…) Ich will euch nämlich (γάρ) nicht in Unkenntnis darüber lassen, Brüder und Schwestern, dass unsere Väter alle unter der Wolke waren (οἱ πατέρες ἡμῶν πάντες ὑπὸ τὴν νεφέλην ἦσαν), und alle durch das Meer hindurchgingen (καὶ πάντες διὰ τῆς θαλάσσης διῆλθον), und alle auf Mose getauft wurden in der Wolke und im Meer (καὶ πάντες εἰς τὸν Μωϋσῆν ἐβαπτίσθησαν ἐν τῇ νεφέλῃ καὶ ἐν τῇ θαλάσσῃ), und alle dieselbe geistliche Speise aßen (καὶ πάντες τὸ αὐτὸ πνευματικὸν βρῶμα ἔφαγον), und alle denselben geistlichen Trank tranken (καὶ πάντες τὸ αὐτὸ πνευματικὸν ἔπιον πόμα). Sie tranken nämlich aus dem geistlichen Felsen, der nachfolgte (ἔπινον γὰρ ἐκ πνευματικῆς ἀκολουθούσης πέτρας); der Fels aber war der Christus (ἡ πέτρα δὲ ἦν ὁ Χριστός). Und doch hatte Gott an den meisten von ihnen (ἐν τοῖς πλείοσιν αὐτῶν) keinen Gefallen, sie wurden nämlich in der Wüste niedergestreckt (κατεστρώθησαν γὰρ ἐν τῇ ἐρήμῳ). (…) Lasst uns auch nicht den Christus provozieren (μηδὲ ἐκπειράζωμεν τὸν Χριστόν) wie [ihn] einige von ihnen provozierten (καθώς τινες αὐτῶν ἐπείρασαν), und durch die Schlangen gingen sie zugrunde.
Der Text von 1Kor 10,1–13 ist klar gegliedert:66 Auf die als Litotes formulierte Eingangswendung 1ab folgt ein knapper Bericht dessen, was „allen 66
Vgl. dazu BROER, Darum 306f.
310
XI. Taufe, geistliche Speise und geistlicher Trank bei Paulus
unseren Vätern“ (οἱ πατέρες ἡμῶν πάντες) widerfahren ist (10,1c–4c). Der Abschnitt wird durch das fünfmalige πάντες mit 9,24f. zusammengehalten. In V. 5 folgt die Gegenaussage (ἀλλά), dass – obwohl πάντες das Geschilderte widerfahren ist – Gott an „den meisten von ihnen“ kein Wohlgefallen hatte,67 „sie wurden nämlich niedergestreckt in der Wüste“ (5b), starben also vor Erreichen des gelobten Landes.68 Auf eine kurze hermeneutische Zwischenbemerkung, dass οἱ πατέρες ἡμῶν zu τύποι ἡμῶν geworden sind (10,6), folgen vier z.T. analog aufgebaute Beispiele (V. 7–10), die sowohl die Begierde nach Bösem (6b) illustrieren – und damit begründen, warum Gott kein Wohlgefallen an ihnen hatte (5a) – als auch ihre Vernichtung durch Gott (5b) darstellen. Die Warnung an die Korinther, nicht wie die Väter zu ἐπιθυμηταὶ κακῶν zu werden (6b), fungiert dabei als eine Art allgemein formulierter Obersatz zum Folgenden.69 Der inhaltlich relativ unspezifische Ausdruck wird im Folgenden durch die Stichworte εἰδωλολάτραι γίνεσθαι (V. 7), πορνεύειν (V. 8), ἐκπειράζειν τὸν Χριστόν (V. 9) und γογγύζειν (V. 10) gefüllt. Dabei ist die erste Warnung vor dem Götzendienst von den drei folgenden nochmals deutlich abgehoben, da nur ihr ein Schriftzitat an die Seite gestellt wird (Ex 32,6 LXX), was ihr Gewicht deutlich verstärkt.70 Auf die vier warnenden Beispiele folgt eine zweite hermeneutische Bemerkung (10,11), die an 10,6 anschließt, aber mit dem Verweis auf die „Enden der Äonen“ die in 10,6.11 entfaltete Schrifthermeneutik mit der eschatologischen Situation der Ekklesia begründet. Es folgt dann eine mit ὥστε eingeleitete erste Schlussfolgerung (10,12f.).
Paulus nimmt die in der Tora erzählten Ereignisse durch den Filter der großen Geschichtsrückblicke wahr, wie sie in den Psalmen 78 und 105 sowie im großen Bußgebet Neh 9 erscheinen, denn auch dort werden die Führung durch die Wolken- und Feuersäule, der Durchzug durch das Meer, die Gabe des Manna und die Gabe des Wassers aus dem Felsen bei allen Unterschieden im Detail im selben Kontext genannt.71
67
Dies ist eine Verwerfungsaussage, vgl. OROPEZA, Paul 119. Vgl. Num 14,30; 26,65: Von der Auszugsgeneration erreichen nur Josua und Kaleb das gelobte Land. 69 Vgl. dazu die Argumentation bei KONRADT, Gericht 374f. 70 Dabei kann man das Zitat aus Ex 32,6 so verstehen, dass zwischen der Mahlgemeinschaft (ἐκάθισεν ὁ λαὸς φαγεὶν καὶ πεῖν) und dem eigentlichen Götzendienst (καὶ ἀνέστησαν παίζειν) unterschieden wird. Das würde erneut die doppelte Ausrichtung der paulinischen Argumentation unterstützen. Die überzeugenden Ausführungen hierzu bei KONRADT, Gericht 375f., laufen eigentlich seiner Intention zuwider (s.o.). Zu den Manna-Bezügen von 10,9 (Num 21) und 10,10 (Ex 16,2f.) überzeugend WICK, Gottesdienste 197f. 71 Siehe dazu ausführlich den Exkurs „Manna, Honig, Engelsspeise“. 68
2. Das Anliegen des Apostels in 1Kor 8–10
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Das zeigt schon die Wendung „unsere Väter“, die Paulus aus Neh 9 übernimmt.72 Insbesondere ist aber die eigentümliche Formulierung, diese unsere Väter seien „alle unter (ὑπό) der Wolke“ (10,1b) gewesen, von Ex 13f. nicht gedeckt – sie schließt aber an Ps 105,39 an, wonach Gott beim Exodus „eine Wolke zur Decke ausbreitete“.73 Die Wolkensäule wird hier „umgedeutet zur schützenden Decke analog zum schützenden Adler aus dem Moselied (vor allem Dtn 32,11)“.74 Eben deswegen kann Paulus sodann sagen, dass „unsere Väter in der Wolke und im Meer auf Mose getauft wurden“ (10,2). Dieser nach dem Vorbild der Taufe auf Jesus Christus formulierte Gedanke lag auch deswegen nahe, weil das Volk nach dem Durchzug laut Ex 14,31 „Gott und Mose glaubte“.75 2.5 Die Präsenz des Christus durch Taufe und Eucharistie Bemerkenswert ist nun, wie Paulus die göttliche Präsenz an den Requisiten der Exodustradition festmacht. Dass Stiftshütte, Lade und Gesetzestafeln fehlen, leuchtet unmittelbar ein. Ebenso wenig übernimmt er aber beispielsweise die in Ps 78,14 eigens betonte „Idee der permanenten Präsenz Gottes unter den Gestalten von Wolke und Feuer“.76 Obwohl ja die Wolken- und Feuersäule in Ps 78,14 sowie in Neh 9,12.19 als Tag und Nacht andauernde Begleitung und damit als dauerhafte Präsenz Gottes bei seinem Volk beschrieben und so „gleichsam zur Chiffre für die begleitende Nähe Gottes auf dem Weg des Gottesvolkes“77 geworden ist, deutet Paulus diese überraschenderweise gerade nicht christologisch aus. Im Gegenteil nennt 72
Neh 9,9 = 2Esr 19,9 LXX: καὶ εἶδες τὴν ταπείνωσιν τῶν πατέρων ἡμῶν ἐν Αἰγύπτῳ (…). Im Kontext der Verfehlungen „unserer Väter“ dann V. 16 und V. 34.36 73 In der LXX „Eine Wolke breitete er aus zur Schutzdecke für sie (εἰς σκέπην)“ (HOSSFELD/ZENGER, Ps III 95: „als Deckung“). Vgl. außerdem Num 10,36 LXX (dort aber gerade nicht auf den Durchzug durch das Meer bezogen): καὶ ἡ νεφέλη ἐγένετο σκιάζουσα ἐπ᾽ αὐτοῖς ἡμέρας ἐν τῷ ἐξαίρειν αὐτοὺς ἐκ τῆς παρεμβολῆς, sowie 14,14. Ferner Sap 19,7, wo von der Wolke, die das Lager überschattete, im Kontext des Durchzugs durch das Rote Meer die Rede ist. Außerdem richtet Gott die Wassermassen laut Ps 77,13 LXX auf „wie einen Schlauch“. 74 HOSSFELD/ZENGER, Ps III 108, und weiter: „Dabei wird die Wolke wie in Ex 24,16 zum Verhüllungszeichen für Gott“. 75 Ex 14,31: ἐφοβήθη δὲ ὁ λαὸς τὸν κύριον καὶ ἐπίστευσαν τῷ θεῷ καὶ Μωϋσῇ τῷ θεράποντι αὐτοῦ. Dass Christus in der Gestalt des Mose gegenwärtig gewesen ist wie im Felsen (so KLAUCK, Herrenmahl 253), ist m.E. nicht zu erkennen. Denn immerhin stirbt Mose ja vor Erreichen des gelobten Landes. 76 HOSSFELD/ZENGER, Ps ΙΙ 434. Die LXX formuliert hier, dass Väter tagsüber ἐν (!) νεφέλῃ und die ganze Nacht ἐν φωτισμῷ πυρός geführt wurden, allerdings bezieht sich dies auf Gott. Vgl. dazu auch Ps 105,39 sowie Dtn 1,33 (ἐν πυρὶ νυκτὸς / ἐν νεφέλῃ ἡμέρας). Bei Paulus wurden die Väter „in der Wolke und im Meer“ auf Mose getauft. 77 HIEKE, Esr 212. Vgl. dazu auch Ps 99,7: Gott redete in der Wolkensäule zu Moses und Aaron.
312
XI. Taufe, geistliche Speise und geistlicher Trank bei Paulus
er die Wolke nur im Kontext der „Taufe auf Mose“ (10,2), verengt ihre Anwesenheit also auf die eigentliche Durchzugsgeschichte und stellt keinen Bezug zwischen Wolke und Gott her. Den Aspekt der permanenten göttlichen Präsenz verlagert er dagegen ganz auf die „geistliche Speise“ und vor allem auf den „geistlichen Trank“ aus dem „nachfolgenden (!) geistlichen Felsen“, der „der Christus war“ (10,3f.). Paulus hat das Motiv der Gottespräsenz beim Exodus also von der Wolke auf den Felsen übertragen und gleichzeitig christologisch bzw. pneumatologisch transformiert. Beim Wüstenzug im πνεῦμα präsent ist der präexistente Christus: „Was die Wüstengeneration mit Manna und Wasser empfangen hat, war also ein Vorausbild, ja eine Partizipation an dem durch Christus vermittelten geistlichen Heil“.78 Dies ist deswegen möglich, weil die Mannagabe laut Ex 16,35 (vgl. Num 32,13; Dtn 2,7; Jos 5,12) die ganze Wüstenwanderung Israels begleitete. Im Falle des Felsenwassers setzt Paulus die frühjüdische Vorstellung voraus, die den Felsen in Analogie zur täglichen Mannaspeisung und mittels einer Kombination von Ex 17,5–7 mit Num 20,11 und Num 21,16–18 als „mitwandernden“ interpretierte.79 Aber schon Neh 9,21 spricht davon, dass Gott die Väter vierzig Jahre lang in der Wüste versorgt hat, was sich offensichtlich auf Manna- und Wassergabe (9,20) bezieht! 2.6 Geistliche Speise und geistlicher Trank Paulus bezeichnet aber das Manna weder als „Himmelsbrot“ (Ps 77,24; 104,40 LXX) noch als „Brot der Engel“ (Ps 77,25 LXX, vgl. Sap 16,20) oder gar als „ambrosische Speise“ (Sap 19,21), und er redet auch nicht vom „Wasser aus dem Felsen“ oder von „Flüssen in der Wüste“. Terminologisch greift er hier weder auf den Pentateuch noch auf die genannten Geschichtsrückblicke zurück. Statt dessen bezeichnet er Manna und Felsenwasser in der Sprache frühchristlicher Eucharistiegebete als πνευματικὸν βρῶμα und πόμα, vermutlich deswegen, weil den Korinthern diese oder eine ähnliche eucharistische Terminologie bekannt war.80
78
MERKLEIN, 1Kor II 246, der darauf hinweist, dass Paulus mit der Identifizierung des mitwandernden Felsens mit dem präexistenten Christus „von der typologischen zur eigentlichen Rede übergewechselt“ ist. Bereits Israel partizipierte demnach an dem von Paulus christologisch gedachten Heil. In dieselbe Richtung geht BROER, Darum 311f. 79 Belege (v.a. LibAnt 10,7 und 11,15) bei SCHRAGE, 1Kor II 394 Anm. 68, sowie bei MERKLEIN, 1Kor II 246. 80 Einen wie auch immer gearteten Zusammenhang mit den Eucharistiegebeten der Didache nehmen viele Forscher an, so schon BETZ, Eucharistie 119. Allerdings wird sich – so mit BROER, Darum 311 – ein fester vorpaulinischer Sprachgebrauch kaum erweisen lassen.
2. Das Anliegen des Apostels in 1Kor 8–10
313
Konsultiert man nun die Eucharistiegebete der Didache, so fällt auf, dass dort die Wendung „geistliche Speise und Trank“ im Kontext der Vermittlung ewigen Lebens und Unsterblichkeit steht. Schon im Eucharistiegebet über das Brot (bzw. über die κλάσμα81) in Did 9,3f. dankt die Ekklesia „für das Leben (ὑπὲρ τῆς ζωῆς), das du geoffenbart hast durch Jesus deinen Knecht“. Im abschließenden Eucharistiegebet „nach der Sättigung“ (Did 10,2–5) wird dieser Aspekt nochmals wiederholt und verstärkt: Did 10,2–4 2
3
a b c d e f a b c d
4
a b c
Wir danken dir (εὐχαριστοῦμέν σοι), heiliger Vater, für deinen heiligen Namen, den du hast Wohnung nehmen lassen in unseren Herzen, und für die Erkenntnis (καὶ ὑπὲρ τῆς γνώσεως) und den Glauben (καὶ πίστεως) und die Unsterblichkeit (καὶ ἀθανασίας), die du geoffenbart hast (ἐγνώρισας) durch Jesus, deinen Knecht. Dir die Herrlichkeit in Ewigkeit! Du, Herr, Allherrscher, hast alles geschaffen (ἔκτισας τὰ πάντα) um deines Namens willen. Speise und Trank hast du gegeben den Menschen zum Genuss (τροφήν τε καὶ ποτὸν ἔδωκας τοῖς ἄνθρώποις εἰς ἀπόλαυσιν). Uns aber hast du geschenkt geistliche Speise und Trank und ewiges Leben durch Jesus deinen Κnecht (ἡμῖν δὲ ἐχαρίσω πνευματικὴν τροφὴν καὶ ποτὸν καὶ ζωὴν αἰώνιον διὰ Ἰησοῦ τοῦ παιδὸς σου). Für alles danken wir dir (περὶ82 πάντων εὐχαρσιτοῦμέν σοι), denn du bist mächtig. Dir die Herrlichkeit in Ewigkeit! (…)
Hier gehört die Unsterblichkeit zu den Heilsgütern, für die – neben Erkenntnis und Glaube – Gott explizit gedankt wird. Vor allem aber steht die Wendung „geistliche Speise und Trank“ hier in direkter Linie mit dem „ewigen Leben“. Während der Schöpfer Speise und Trank „den Menschen zum Nutzen“, also zum Erhalt des geschaffenen Lebens, gegeben hat, vermitteln geistige Speise und Trank „uns“ ewiges Leben.83 Durch den Empfang von Becher und Brot bei den eucharistischen Mählern werden die Getauften „Teilhaber am Unsterblichen“ (Did 4,8: ἐν τῷ ἀθανάτῳ κοινωνοί). Die Eucharistiegebete der Didache setzen also die Vorstellung einer Vermittlung von ewigem Leben und Unsterblichkeit durch Speisen und 81 So liest H, vgl. WENGST, Did 78, sowie NIEDERWIMMER, Did 185f. und 188, der die Emendation ebenfalls für wahrscheinlich hält. 82 So mit dem Kopten (H liest πρό), vgl. WENGST, Did 80; NIEDERWIMMER, Did 198. 83 Dazu auch THEOBALD, Leib 150.
XI. Taufe, geistliche Speise und geistlicher Trank bei Paulus
314
Getränke voraus, über die Gebete gesprochen werden. Dieses Motiv lässt sich im hellenistisch-jüdischen Bekehrungsroman Joseph und Aseneth belegen,84 aber auch im Johannesevangelium.85 In diesen beiden Schriften ist es – wie bei Paulus – noch dazu mit der Mannatopik verbunden, was auf einen alten Zusammenhang hindeutet. Im Unterschied zur Didache wendet Paulus die eucharistische Wendung πνευματικὸν βρῶμα bzw. πόμα nun aber direkt auf Manna und Felsenwasser der Exoduszeit an. Dies bot sich schon deswegen an, weil auch in Neh 9,19f. (= 2Esr 19,19f. LXX) von der Gabe des ἀγαθὸν πνεῦμα die Rede ist und zwar – im Unterschied zu seinem Bezugstext Num 11,25–29! – als einer Gabe an alle Israeliten und in einem Atemzug mit Mannagabe und Felsenwasser: 2Esr 19,20 LXX 20
a b c d
Und deinen guten Geist hast du ihnen gegeben (καὶ τὸ πνεῦμά σου τὸ ἀγαθὸν ἔδωκας), um sie zu unterweisen. Und dein Manna (τὸ μαννα σοῦ) hast du ihrem Mund nicht vorenthalten, und du gabst ihnen Wasser (καὶ ὕδωρ ἔδωκας αὐτοῖς) für ihren Durst.
Von diesem Schrifttext her lag es nahe, die Geistgabe direkt mit der wunderbaren Speisung und Tränkung zu verbinden, was Paulus ja auch tut. Die Gabe des πνεῦμα, von der Neh 9,20 (2Esr 19,20 LXX) redet, wird von Paulus also auf die Gabe von Manna und Felsenwasser bezogen und zugleich eucharistisch rückgebunden. Indem er aber die eucharistische Terminologie auf Manna und Felsenwasser anwendet, mit denen die Exodusgeneration während der Zeit ihrer Wüstenwanderung versorgt wurde, zeigt Paulus, dass das ewige Leben bzw. die Unsterblichkeit, die die eucharistischen Elemente vermitteln, keineswegs unverlierbar sind,86 schließlich „hatte Gott an den meisten von ihnen keinen Gefallen, sie wurden nämlich in der Wüste niedergestreckt“ (1Kor 10,5). Dieser Hinweis auf das Verderben der Exodusgeneration in der Wüste berührt sich mit der johanneischen Verwendung dieses Motivzusammenhangs. Im Kontext des sog. „Lebensbrotdialogs“ in Joh 6 betont auch der johanneische Jesus, dass „eure Väter in der Wüste das Manna (!) gegessen haben und starben“ (6,49, ebenso 6,58). Hier wie in 1Kor 10,3f. dürfte ein Verständnis der Eucharistie als lebensvermittelnde Speise im Hintergrund stehen, wie es sich z.B. in den Eucharistiegebeten der Didache manifestiert. Auch 84
Vgl. dazu den Exkurs „Manna, Honig, Engelsspeise“. Vgl. dazu v.a. Joh 6,27: „die Speise, die bleibt ins ewige Leben, die der Menschensohn euch geben wird“, außerdem 6,32f.; 6,35; 6,47–51 und 6,53–58, ferner 4,14. 86 Vgl. dazu auch THEOBALD, Leib 155, sowie LINDEMANN, 1Kor 219. 85
2. Das Anliegen des Apostels in 1Kor 8–10
315
für ein pneumatologisches Verständnis der Eucharistie finden sich in diesem Text einige Hinweise.87 Im Unterschied zu Paulus hält der vierte Evangelist im Sinne der Didache daran fest, dass das „Brot aus dem Himmel“ Speise ins ewige Leben (vgl. 6,27) darstellt. Damit muss er aber zugleich – ebenfalls anders als Paulus – bestreiten, dass „eure Väter in der Wüste“ überhaupt jemals das wahre Brot aus dem Himmel (vgl. 6,32) gegessen haben. Laut dem vierten Evangelisten war demnach das Manna, das die Väter damals aßen, gerade nicht das „Brot aus dem Himmel“, von dem Ps 78,24 (Joh 6,31) und andere alttestamentliche Texte sprechen: „Was im Manna-Wunder geschah, war lediglich leibliche Speisung, welche die Tiefendimension wahrer ζωή nicht erreichte“.88 Denn nur „das aus dem Himmel herabgekommene Brot“ gibt dem Kosmos Leben (6,33). Diese radikale Loslösung des biblischen Textes vom Geschehen in der Wüste, die sich terminologisch in der Differenzierung von „Manna“ und „Brot aus dem Himmel“ (bzw. „Brot des Lebens“ usw.) zeigt, ist Teil der Strategie des Evangelisten, den Text der Schriften Israels von der ursprünglich mit ihm verbundenen Geschichte des jüdischen Volkes abzukoppeln und als exklusives Christuszeugnis für die eigene Gruppe zu reklamieren.89 Im Unterschied dazu behauptet Paulus gerade die Präsenz Christi beim Exodus.
Während das Sterben der Väter in der Wüste für den vierten Evangelisten „beweist“, dass diese niemals mit „dem Brot aus dem Himmel“ in Kontakt gekommen waren, widerlegt es laut Paulus das Missverständnis, der Genuss von Geistspeise und Geisttrank verleihe quasi automatisch Anteil an der Unsterblichkeit. Weil „unsere Väter“ gewisse Frevel nicht unterließen (nämlich εἰδωλολατρία, πορνεία, ἐκπειράζειν τὸν Χριστόν sowie γογγύζειν), hatte Gott an ihnen keinen Gefallen. Das Sterben der Väter, das der vierte Evangelist als fast schon „natürliche“ Folge ihres Mangels an Lebensspeise darstellt, ist im Gegensatz dazu für Paulus Zeichen des Gerichtes Gottes (1Kor 10,5) bzw. der Provokation Christi (10,9). 2.7 Die gefährliche Nähe des Kyrios Paulus flankiert diese eucharistische Akzentuierung der Exodusgeschichte durch die weitere Transformation der pneumatologischen in eine christologische Mannatypologie: Indem er den nachfolgenden Felsen in 10,4 als den präexistenten Christus identifiziert, stellt er ihn als den Spender des „geistigen Trankes“ (und damit indirekt auch der „geistigen Speise“)90 dar. Paulus entwickelt diese für seine Adressaten vermutlich neue Identifizierung des Felsens deswegen, um mit ihrer Hilfe die Präsenz des Christus (!) 87 So wird in 6,27 die Verheißung wonach der Menschensohn eine Speise geben wird, die ins ewige Leben bleibt, mit seiner Versiegelung durch den Vater begründet, was sich auf die Geistverleihung anlässlich der Taufe Jesu beziehen dürfte. Dazu THEOBALD, Eucharistie 201–209 und ausführlich 219–237. 88 THEOBALD, Schriftzitate 337. 89 Zu dieser Reduktion der Schrift Israels auf die Dimension des Textes und der damit einhergehenden Ablösung von der hinter ihr stehenden Geschichte Israels vgl. THEOBALD, Schriftzitate 338f. 344–348. 90 So mit Recht BROER, Darum 311.
XI. Taufe, geistliche Speise und geistlicher Trank bei Paulus
316
beim Exodus herauszustreichen – eine andauernde Präsenz, da der Felsen ja dem Volk „nachfolgt“! Diese Auslegung wird bestätigt durch die kurz darauf folgende Aufforderung in 10,9: 1Kor 10,9 9
a b c
Lasst uns auch nicht den Christus provozieren (μηδὲ ἐκπειράζωμεν τὸν Χριστόν), wie [ihn] einige von ihnen provozierten (καθώς τινες αὐτῶν ἐπείρασαν); und durch die Schlangen gingen sie zugrunde.
Die Aufforderung ist die vorletzte von vier in der zweiten Person Plural formulierten und jeweils mit μηδέ eingeleiteten Warnungen in V. 7–10. Sie sticht durch ihre explizit christologische Formulierung klar aus ihrer Umgebung heraus. Diese ist umso auffälliger, als Paulus mit dem Stichwort ἐκπειράζειν in 9a auf Ps 77,18 LXX zurückgreift,91 auch wenn 9c zeigt, dass er insgesamt auf die Schlangenepisode von Num 21,4–6 hinauswill.92 Erneut zeigt sich, dass der Apostel die Exodusereignisse durchweg durch den Filter der Geschichtspsalmen wahrnimmt. Allerdings sind Ps 77,18 und Num 21,4–6 inhaltlich durch das Motiv der Unzufriedenheit des Volkes mit der Versorgungslage verbunden und eben darauf will Paulus hinaus, wobei er das Stichwort „herausfordern“ aus Ps 77, die tödliche Bestrafung durch die Schlangen dagegen aus Num 21 entnimmt. Da Christus laut 10,4 der Spender des Felsenwassers (und auch des Manna) ist, bedeutet die in Ps 77,18 erwähnte Forderung des Volkes nach βρώματα eine Provokation Christi. Zwar nennt Paulus τὸν Χριστόν als Objekt des (ἐκ)πειράζειν direkt nur bei der Aufforderung in 9a und lässt in 9b offen, wen genau „einige“ aus der Wüstengeneration „versucht“ hätten. Zweifellos ist aber in 9b dasselbe Objekt zu ergänzen: Laut Paulus wurde der im mitwandernden Felsen präsente Christus (10,4) durch das Verhalten einiger aus der Wüstengeneration herausgefordert,93 denen die wunderbar bereitgestellten Le91
Ps 77,18 LXX: καὶ ἐξεπείρασαν τὸν θεὸν ἐν ταῖς καρδίαις αὐτῶν τοῦ αἰτῆσαι βρώματα ταῖς ψυχαῖς αὐτῶν, vgl. auch LINDEMANN, 1Kor 221. (ἐκ)πειράζειν fehlt in Num 21,5f. Keineswegs formuliert Paulus jedoch nur „im Vorblick auf die in 10,15–22 angesprochene Problematik“ (so KONRADT, Gericht 378), sondern zugleich „im Rückblick“ auf 10,4. 92 Dort allerdings fehlt das Stichwort (ἐκ)πειράζειν, in Ps 77,18 wiederum fehlt eine Anspielung auf die Schlangenplage. 93 Auch WOLFF, 1Kor 219f., liest den Text so, „dass schon die Israeliten den – präexistenten – Christus herausforderten, der sie nach V. 4 mit dem Felsen begleitete“. Gegenüber τὸν κύριον und τὸν θεόν ist τὸν Χριστόν nicht nur besser bezeugt, sondern im Hinblick auf Ps 77,18 sowie Num 21,5f. LXX auch die lectio difficior. Für die Ursprünglichkeit von Χριστόν spricht v.a. auch V. 4 (so auch LINDEMANN, 1Kor 221).
2. Das Anliegen des Apostels in 1Kor 8–10
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bensmittel Manna und Felsenwasser nicht genügten. Die Folge: „Solche Herausforderung des Herrn bleibt nicht unbeantwortet, wie das alttestamentliche Beispiel lehrt“.94 Die Präsenz Christi beim Exodus ist also grundsätzlich heilvoll (durch die Versorgung des Volkes mit „geistlicher Speise und Trank“), aber bei entsprechendem Verhalten zugleich gefährlich! Unterlässt das Gottesvolk nicht den Götzendienst, die Unzucht, die Provokation des Christus sowie das Murren, dann wird ihm die Nähe seines Herrn zum Gericht: „Taufe und Eucharistie feien nicht davor, das Wohlgefallen Gottes zu verlieren“.95 Paulus wird sich mit seinen Adressaten einig darin gewesen sein, dass Taufe und Eucharistie das πνεῦμα vermitteln; gegenüber den Korinthern schärft er aber ein, dass die beiden Vollzüge gerade dadurch mit dem Kyrios selbst konfrontieren. Entscheidend ist also der Grundgedanke, dass im und durch das πνεῦμα der Kyrios selbst – sei es der Präexistente, sei es der Erhöhte – wirkt und präsent wird.96 Deswegen bezeichnet Paulus den Felsen als πνευματικόν, da er jene Gabe spendet, mittels derer der präexistente Christus gegenwärtig wird. In der klassischen Formulierung Ernst Käsemanns ist das πνεῦμα für Paulus „Erscheinungsweise des erhöhten Herrn, der in ihr epiphan wird. Man wird durch sie in seine praesentia gestellt und steht fortan ‚in seinem Angesicht‘. Im Pneuma kommt der Kyrios zu uns und ergreift von uns Besitz, beschlagnahmt uns für sich“.97 Die Pointe der paulinischen Argumentation mit Taufe und Eucharistie in 10,1–5 besteht also nicht in der Warnung, dass die Israeliten „gefallen“ sind, obwohl sie die Taufe auf Mose und dazu Geistspeise und Geisttrank empfangen haben. Manna und Felsenwasser führten Israel aufgrund der Präsenz Christi im Pneuma in eine gefährliche Nähe des Herrn, die ihm 94
SCHRAGE, 1Kor II 401. BROER, Darum 312. 96 Vgl. HAHN, Teilhabe 343: „In dem von Christus ausgehenden Geist ist seine Heilsmacht irdisch präsent“. Dazu auch WOLTER, Paulus 169f. ZELLER, 1Kor 513, sieht in 1Kor 15,45 mit Recht eine „christologische Engführung“ der Pneumatologie. STUHLMACHER, Theologie I 355, schreibt zu 2Kor 3,17f.; 1Kor 15,45 und Röm 8,9–10: Im Pneuma sehe Paulus „die Präsenz des gekreuzigten und auferstandenen Herrn bei seiner Gemeinde und in jedem einzelnen Glaubenden“. Dass Gottes Geist „die neue Seins- und Wirkungsweise des Auferstandenen, seine dynamische und wirkungsmächtige Gegenwart“ ist, betont auch SCHNELLE, Theologie 245 (unter Berufung auf 2Kor 3,17f. und 1Kor 15,45). Aus der einzigartigen Beziehung zu Gott speise sich „das Sein und das Wirken des Erhöhten als Pneuma“ (Hevorheb. v. mir). Im Hinblick auf 1Kor 10,4 ergänzt Schnelle, dass laut Paulus sogar dem Präexistenten „das Attribut des Pneumas“ zukomme. 97 KÄSEMANN, Anliegen 19, vgl. 24. Dies gilt auch dann, wenn man Käsemanns Auffassung einer Frontstellung des Paulus gegen einen korinthischen „Sakramentalismus“ nicht teilt. 95
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XI. Taufe, geistliche Speise und geistlicher Trank bei Paulus
zum Unheil wurde, als es bestimmte Handlungen nicht unterlassen hat. Daher hatte trotz oder vielmehr gerade wegen der Präsenz Christi im πνεῦμα „Gott an den meisten von ihnen kein Wohlgefallen, sie wurden nämlich in der Wüste hingestreckt“ (10,5). Selbst Mose starb ja vor dem Einzug in das gelobte Land!98 Die Präsenz Christi bei Exodus und Wüstenzug ist zwar heilvoll, aber auch gefährlich. Die Intention des Apostels im Hinblick auf seine korinthischen Adressaten liegt auf der Hand: Der durch Taufe und Eucharistie gewährte Heilsstand der Christusglaubenden wird durch die Teilnahme am paganen Opferkult massiv gefährdet, weil das vor allem durch die Eucharistie vermittelte πνεῦμα mit dem zum Heil wie zum Gericht wirksamen Herrn konfrontiert. Pointiert ausgedrückt: Wie der Exodus so führen auch Taufe und Eucharistie in die gefährliche Nähe des Herrn. 2.8 Stand und Fall (10,12f.) Die Pointe dieses ersten Argumentationsganges bildet V. 12: ὥστε ὁ δοκῶν ἑστάναι βλεπέτω μὴ πέσῃ. Mit Recht betont Wolfgang Schrage: „Die Sakramente gewähren nach Paulus tatsächlich einen Stand, ein ἑστάναι, aber solcher Stand ist immer zugleich ein gefährdeter, ständig vom πίπτειν bedrohter“,99 auch wenn Paulus hier nicht unbedingt eine so allgemeine Aussage über den „Stand“ des Getauften anvisiert, sondern vielmehr den „Stand“ der Korinther als einen durch die Teilnahme am heidnischen Kult gefährdeten ansieht.100 ἑστάναι und πίπτειν sind durch die vorherigen Verse klar bestimmt: Das „Stehen“ bezieht sich auf den durch die Initiation, also durch Taufe und Eucharistie erreichten und befestigten „status“ der Korinther, das „Fallen“ auf die Möglichkeit, dennoch dem Gericht Gottes zu verfallen. Paulus spricht hier insbesondere die „Starken“ an, denen er die Gefahr des „Fallens“ vor Augen stellt.101 In dieses wäre aber die Ekklesia als Ganze einbezogen (s.u.), Paulus hat also eine reale Gefährdung der korinthischen Ekklesia durch die Teilnahme am Götzenopfer vor Augen.102 Eben weil Paulus die gefährliche Präsenz des Kyrios evoziert, deswegen schließt er die Sequenz in fast schon beruhigendem Ton ab:103 Die zu be98
Vgl. Num 20,12; Dtn 1,37; 3,27; 32,48–52 sowie Ps 106,32. SCHRAGE, 1Kor II 409. 100 Präzise LINDEMANN, 1Kor 222: „So wie die Ausstattung mit den vor allem in V. 1b–4a beschriebenen Gaben nicht bedeutete, dass diese unverlierbar waren, so gilt das auch jetzt. Eben das zeigt das Beispiel der Väter“. 101 BROER, Darum 317. 102 LINDEMANN, 1Kor 222. 103 So BROER, Darum 307: „Paulus wollte nicht mit dem bedrohlichen Inhalt von V. 12 enden, sondern den Korinthern gerade auch in dieser von ihm beschriebenen Situation der Versuchung Mut machen“, ebenso 322. 99
3. Fazit
319
stehende „Prüfung“ (πειρασμός) geht nicht über das menschlich Ertragbare (ἀνθρώπινος) und die Kräfte der Glaubenden (ὑπὲρ ὃ δύνασθε) hinaus, obwohl man natürlich auch an ihnen scheitern kann. Mit der betonten Zusprache von Gottes Treue (πιστὸς δὲ ὁ θεός) balanciert Paulus die mit Christi Nähe zusammenhängende Gefährdung aus: Gott wird mit der Prüfung auch den guten Ausgang (τὴν ἔκβασιν) bewirken.104 Das bedeutet aber nicht, dass Paulus hier seine zuvor gegebene Warnung abschwächt, im Gegenteil ist der Vers „vielmehr als Verstärkung der Warnung und als Aufforderung zu ihrer Befolgung an die Korinther zu verstehen“.105
3. Fazit und Überleitung 3. Fazit
Da der paulinische Argumentationsgang in 1Kor 10,14–22 weitergeht, ziehen wir an dieser Stelle nur ein knappes Fazit als Überleitung zum nächsten Kapitel.106 Um die korinthischen „Starken“ zu einem Verzicht auf die Teilnahme an paganen Opfern zu bewegen, verweist Paulus auf die Wüstengeneration, die ihm – gut jüdisch – als warnendes Beispiel dient. Vermutlich kennen die Korinther eine mannatypologische Deutung der Eucharistie, Paulus dreht diese in 1Kor 10 aber sozusagen um: Nicht die Eucharistie wird als Himmelsbrot und Engelsspeise präsentiert, sondern umgekehrt Manna und Felsenwasser als „Eucharistie“, als „geistliche Speise und Trank“. Wie die Korinther waren „unsere Väter“ von Christus selbst mit Speisen übernatürlicher Herkunft und Art versorgt worden. Paulus setzt aber mit V. 4 einen weiteren eigenen Akzent: Wie die Korinther hatten es „unsere Väter“ in der Wüste mit Christus selbst zu tun und zwar ganz konkret durch Speise und Trank – und dennoch hatte Gott kein Wohlgefallen an „unseren Vätern“. Indem er die Taufe mit dem Durchzug durch das Meer und die Eucharistie mit Mannawunder und Felsenwasser verbindet, fixiert Paulus nicht nur eine bestimmte Reihenfolge der Vollzüge. Seine Exodus-Typologie „funktioniert“ nur, wenn Brot und Becher eine besondere, aus den übrigen Speisen des Mahles herausgehobene Funktion hatten und dies den Korinthern auch einleuchtete. Im Unterschied zum συνεσθίειν in Gal 2,11–14 stellt Paulus in 1Kor 10,3f./16f. eindeutig Brot und Becher in den Fokus (vgl. auch 11,23–25), auch wenn das von diesen gerahmte „Sättigungsmahl“ für die korinthische wie für die antiochenische Ekklesia vorauszusetzen ist (vgl. 1Kor 11,17–34). Daraus wird man schließen, dass Brot und Becher von den Korinthern im Anschluss an die Lehre des Paulus vor Ort 104
Zum Ganzen ZELLER, 1Kor 334f. BROER, Darum 325. 106 Vgl. auch den Exkurs „Manna, Honig, Engelsspeise“. 105
320
XI. Taufe, geistliche Speise und geistlicher Trank bei Paulus
bei der Gemeindegründung in jedem Fall schon als soteriologisch qualifiziert angesehen wurden. In seinem ersten Brief entwickelt Paulus dann die vorliegende pneumatologische und (damit zugleich) christologische Akzentuierung: Im Pneuma ist der Kyrios selbst in seinen Gaben präsent. Dem tritt in 10,16 eine kreuzestheologische Deutung in den Bahnen der Kultätiologie von 11,23–25 an die Seite. Mit den genannten beiden Weichenstellungen dürfte Paulus sowohl die spätere Entwicklung der altkirchlichen Eucharistiefeiern als auch die Entstehung und Entwicklung von Taufeucharistien maßgeblich beeinflusst haben.
Kapitel XII
Taufe, Eucharistie und der Leib Christi bei Paulus XI. Taufe, Eucharistie und der Leib Christi bei Paulus
Im ersten Korintherbrief stellt Paulus auf charakteristische Weise eine Verbindung zwischen Taufe und Eucharistie her. Diese Verbindung erfolgt aber weder über einen gemeinsamen „Sakraments“-Begriff noch über den Rekurs auf eine gottesdienstliche Verbindung zwischen ihnen (obwohl letzteres nicht auszuschließen ist), sondern durch die metaphorische Rede vom σῶμα, der einzigen dezidiert christologischen Kennzeichnung der Ekklesia.1
1. Ernst Käsemanns Interpretation der paulinischen Aussagen über den Leib Christi 1. Ernst Käsemann über den Leib Christi
Es war insbesondere Ernst Käsemann, der in zwei ungefähr zwanzig Jahre auseinander liegenden Aufsätzen grundlegende Einsichten zu diesem Thema formuliert hat, an die im Folgenden erinnert sei. Schon in seinem 1947/48 erschienenen Aufsatz „Anliegen und Eigenart der paulinischen Abendmahlslehre“ hatte er anlässlich der „Parallelität paulinischer Aussagen über Taufe und Abendmahl“ in 1Kor 10,17 und 12,13 prägnant festgehalten: „Taufe wie Abendmahl gliedern nach Paulus in den Christusleib ein. Das eben ist für ihn das Geschehen des Sakraments schlechthin“.2 Diese Eingliederung erfolge durch die Gabe des πνεῦμα, laut Käsemann die sakramentale Gabe schlechthin.3 Die beiden Vollzüge sind also deswegen miteinander parallelisiert, weil beide den Geist vermitteln: „Glieder seines Leibes werden wir, indem der Christus als Pneuma in uns eingeht“.4 In seinem 1969 zum ersten Mal erschienenen Aufsatz „Das theologische Problem des Motivs vom Leib Christi“ betont Käsemann dann einleitend, dass Paulus in Röm 12,4f. und in 1Kor 12,12–27 vom Christusleib nicht 1
Darauf macht SÖDING, Leib 277, aufmerksam. KÄSEMANN, Anliegen 14. 3 KÄSEMANN, Anliegen 15, vgl. ebd. 16: „Indem der Christus als πνεῦμα sich selber gibt, gliedert er uns in seinen Leib ein. Und wenn die Parallelität von Taufe und Abendmahl an diesem Punkte zugestanden werden muss, so hat man in diesem Gedanken auch das leitende Interesse von 1Kor 10,3f. zu sehen“. 4 KÄSEMANN, Anliegen 17, und weiter: „beides fällt im sakramentalen Akt zusammen und weist, wo immer davon die Rede ist, auf diesen sakramentalen Akt zurück“. 2
322
XI. Taufe, Eucharistie und der Leib Christi bei Paulus
als bloßer Metapher rede und auch nicht nur einen Vergleich anstellen wolle. Die Formulierung: „Wir sind ein Leib in Christus“, sei ebenso eine Identitätsaussage wie: „In einem Geist sind wir alle in einen Leib getauft“. Mit diesen Identitätsaussagen werde eine Realität anvisiert, die der Vergleich entfalte: „Der erhöhte Christus hat wirklich einen irdischen Leib, und die Glaubenden werden in ihrem ganzen Sein realiter darin eingegliedert, haben sich deshalb auch entsprechend zu verhalten“.5 Obwohl die Rede vom Christusleib laut Käsemann nicht von Paulus selbst gebildet wurde,6 stehe er doch im Zentrum der paulinischen Ekklesiologie, die durch den Gegensatz der Äone Adams und Christi, der gefallenen und erlösten Schöpfung, strukturiert werde. Käsemann bemerkt in diesem Aufsatz zu 1Kor 10,16f.: „Wie die Taufe in den Christus eingliedert, so gibt nach dieser letzten Stelle das eucharistische Element derart Anteil am Leibe des gekreuzigten Christus, dass damit unsere Gliedschaft am Christusleibe neu bekundet und ergriffen wird“.7 Und kurz darauf formuliert er: „Solche leibliche Vereinigung durch das gemeinsame Essen und die Teilhabe am eucharistischen Element, das traditionell ‚Leib Christiʻ genannt wird, bewirkt, dass die Eingliederung in den Christusleib der Kirche sich erneut vollzieht und bestätigt wird“.8 Ernst Käsemann hat auf die enge Vernetzung zwischen Taufe und Eucharistie mit der Rede vom Leib Christi aufmerksam gemacht. Insbesondere die von ihm wie auch von anderen beobachtete „Parallelität paulinischer Aussagen über Taufe und Abendmahl“ und die Bezüge zur Konstitution des bzw. zur Eingliederung in den Leib Christi dürften eine wesentliche Voraussetzung dafür darstellen, dass in manchen Bereichen der frühen Kirche Taufe und Herrenmahl dann in der genannten Weise aufeinander bezogen wurden. Demgegenüber fällt es nicht ins Gewicht, dass auch Käsemann noch oft mit dem Begriff „Sakrament“ operiert, den er allerdings vom paulinischen Befund her pneumatologisch füllt. Hinzu kommt aber, dass er die im ersten Aufsatz noch betonte „Parallelität paulinischer Aussagen über Taufe und Abendmahl“ im zweiten leicht abschwächt. Denn seine Wortwahl zeigt, dass er Taufe und Eucharistie im Hinblick auf den Leib Christi nun in eine Art Sequenz einordnet und damit ihre „Parallelität“ in gewisser Weise wieder unterläuft: Während die Wassertaufe in den Leib Christi „eingliedert“, „bekundet“ die Eucharistie diese Gliedschaft „neu“, sie „vollzieht“ die Eingliederung „erneut“ und „bestätigt“ sie (s.o.). 5
KÄSEMANN, Problem 181f. KÄSEMANN, Problem 183–185. 7 KÄSEMANN, Problem 192. 8 KÄSEMANN, Problem 194. 6
2. Eucharistie und Leib Christi (1Kor 10,16f.)
323
Im Anschluss an Käsemann sind daher im Folgenden erneut die beiden genannten Stellen aus dem 1Kor im Horizont unserer Fragestellung zu untersuchen. Dabei geht es insbesondere um den argumentativen Gebrauch, den Paulus von Taufe und Eucharistie macht.
2. Eucharistie und Leib Christi (1Kor 10,16f.) 2. Eucharistie und Leib Christi (1Kor 10,16f.)
2.1 Das Anliegen des Apostels: Meidet den Götzendienst (10,14) In 1Kor 10,1–22 ist die Eucharistie gar nicht Thema, sondern liefert zweimal das entscheidende Argument (10,3f./16f.). Wie im vorigen Kapitel gezeigt, geht es Paulus hier darum, seine Adressaten davon zu überzeugen, sich vom Bereich des Götzenkultes fernzuhalten: φεύγετε ἀπὸ τῆς εἰδωλολατρίας (10,14). Diese Aufforderung bildet „das Zentrum und den Skopus von 10,1–22“.9 Die Formulierung mit ἀπό c. Gen. hat räumliche Konnotationen, gemeint ist also: „Fliehet den Ort, an dem Götzendienst vollzogen wird“, konkret also den heidnischen Altar als Ort der Opferschlachtung, den Paulus in 10,21 als „Tisch“ der Dämonen bezeichnet. Dass es tatsächlich um „mehr“ geht als um Feiern von Berufsgenossenschaften oder Familienfesten, bei denen es zu einem „Liegen ἐν εἰωλείῳ“ kommt (8,10), und dass Paulus dieses keineswegs „inkriminiert“, zeigt die Wortwahl des Apostels in 10,18–21, der hier – und nur hier! – von θύειν und von θυσίαι, vom ποτήριον und von der τράπεζα δαιμονίων,10 von κοινωνοὶ τῶν δαιμονίων und von μετέχειν spricht.11 Zuvor hatte Paulus am Beispiel „unserer Väter“ dargelegt, dass die durch Taufe und Eucharistie vermittelten Heilsgaben keineswegs unverlierbar sind, sondern gerade dann massiv gefährdet sind, wenn Christus durch Götzendienst, aber auch durch Porneia und Murren herausgefordert wird. Dieses Verhalten ist ausgeschlossen, weil die Taufe und insbesondere die Eucharistie nicht allein himmlische Gaben vermitteln, sondern eine verpflichtende EigentumsRelation zum Herrn begründen. Deswegen (διόπερ) ist der Ort der paganen Opfer zu fliehen (10,14). Im nun folgenden Abschnitt schließt Paulus daran an und baut diesen Gedanken – nun unter (erstmaliger?) Anwendung der „Leib“-Metapher – weiter aus. Das zentrale Argument liefert wiederum die Eucharistie. 9
GÄCKLE, Die Starken 264f. ποτήριον und τράπεζα sind christliche Termini, Paulus benutzt hier absichtlich nicht die entsprechenden paganen Äquivalente (φιάλη und θυσιαστήριον, vgl. GÄCKLE, Die Starken 272), um die Analogien zu verstärken. 11 Gegen KONRADT, Gericht 391f., richtig GÄCKLE, Die Starken 272. 10
324
XI. Taufe, Eucharistie und der Leib Christi bei Paulus
2.2 Die Argumentation des Apostels mit der Eucharistie Seinen Rekurs auf das Herrenmahl leitet Paulus mit dem Hinweis auf die eigene Urteilsfähigkeit der Korinther ein, die selbst beurteilen sollen, was der Apostel nun sagt (ὅ φημι).12 Wie schon in 10,3f. dient die Eucharistie als Argument (sie ist nicht Thema im engeren Sinne), und zwar als Argument für die vorangestellte Anweisung, vom (Ort des) Götzendienstes fernzubleiben. Die Voraussetzung für die Plausibilität des Arguments ist die „sachliche Analogie des Herrenmahls zum Essen der τραπεζώματα und dem Trinken des Libationskelches im Rahmen des Opferritus“.13 Paulus redet daher nun nicht mehr typologisch von „unseren Vätern“, sondern von dem, was „wir“ bei der Eucharistie tun (10,16f.), er setzt also direkt bei der korinthischen Praxis an: In den präsentischen Formulierungen „Segenskelch, den wir segnen“ und „Brot, das wir brechen“ dürfte er auf Termini zurückgreifen, die den Korinthern bekannt und geläufig sind.14 Angespielt ist dabei auf die Segensgebete, mit denen das Herrenmahl eröffnet und beschlossen wurde.15 Daraus ergibt sich aber unmittelbar eine Frage, deren Beantwortung zum Verständnis der paulinischen Argumentation mit der Eucharistie entscheidend ist: Warum rekurriert Paulus hier auf das, was „wir“ tun – „wir“, also die ganze Ekklesia –, wenn eine Teilnahme am paganen Kult doch immer nur von einzelnen Gemeindegliedern praktiziert wird, noch dazu von solchen, die sozial entsprechend gestellt sind? Warum fehlen spezifische Verhaltensregeln für eben jene, die das von Paulus Inkriminierte praktizieren? Vom Ende der Argumentation her ist klar, dass sich die Korinther deswegen vom Götzenkult fernhalten sollen (10,14), weil dadurch die Eifersucht des Kyrios erregt wird (10,21f.), mit dessen Leib und Blut sie im Herrenmahl in κοινωνία getreten sind.16 Denn weil sich die paganen Opfer nicht auf „Nichts“, sondern (z.B. mit Ps 95,5 LXX) auf Dämonen richten, werden die Teilnehmer am Opfer – unabhängig von ihrer jeweiligen Erkenntnis – zu κοινωνοὶ τῶν δαιμονίων. Dies aber gerät nicht nur in Konkurrenz zu der beim Herrenmahl hergestellten κοινωνία mit Blut und Leib 12
Laut ZELLER, 1Kor 337, ein rhetorischer Trick. GÄCKLE, Die Starken 265, und weiter: „Was im Vollzug des Herrenmahls geschieht, vollzieht sich aus paulinischer Sicht in analoger Weise auch in diesem Kontext. Das ist die Grundvoraussetzung der paulinischen Argumentation in 10,14–22“. 14 So auch SCHRAGE, 1Kor II 431 („vorpaulinische Ausdrucksweise“). Zum ποτήριον τῆς εὐλογίας vgl. v.a. JosAs 8,5.9, 19,5, zum Ausdruck HOFIUS, Herrenmahl 212f. 15 HOFIUS, Herrenmahl 228, und weiter: „Diese über dem Brot und über dem Kelch gesprochenen Gebete sind Segenshandlungen, die konsekratorischen Charakter haben“. 16 Von KÄSEMANN, Anliegen 25, treffend mit „das Verfallen an eine Machtsphäre“ übersetzt. 13
2. Eucharistie und Leib Christi (1Kor 10,16f.)
325
des Kyrios (10,16), sondern es provoziert die Eifersucht des Kyrios, der sich in diesem Konfliktfall zweifellos als der Stärkere erweisen wird (10,22).17 Warum aber ist davon die Ekklesia insgesamt betroffen? Warum trifft das Verderben nicht nur denjenigen, der den Ort der Götzenopfers betritt? Der Eucharistie kommt in diesem Argumentationsgang die entscheidende Funktion zu. 1Kor 10,16–17 16
a b c d e f
17
a b c
Der Becher des Segens (τὸ ποτήριον τῆς εὐλογίας), den wir segnen (ὃ εὐλογοῦμεν), ist er nicht Teilhabe am Blut Christi (οὐχὶ κοινωνία ἐστὶν τοῦ αἵματος τοῦ Χριστοῦ)? Das Brot (τὸν ἄρτον), das wir brechen (ὃν κλῶμεν), ist es nicht Teilhabe am Leib Christi (οὐχὶ κοινωνία τοῦ σώματος τοῦ Χριστοῦ ἐστιν)? Denn [da es] ein Brot [ist] (ὅτι εἷς ἄρτος), ein Leib sind wir, die Vielen (ἓν σῶμα οἱ πολλοί ἐσμεν), denn wir alle haben Teil an dem einen Brot (οἱ γὰρ πάντες ἐκ τοῦ ἑνὸς ἄρτου μετέχομεν).
Ferdinand Hahn hat überzeugend herausgearbeitet, dass die Abfolge der drei Aussagen in 10,16f. eine Steigerung bedeutet und auf V. 17 hinzielt: Während sich die κοινωνία τοῦ αἷματος auf die Teilhabe am Sühnetod Christi bezieht, an dem der eucharistische Kelch Anteil gibt, so führt die κοινωνία τοῦ σώματος τοῦ Χριστοῦ in V. 16b darüber hinaus, da mit σῶμα τοῦ Χριστοῦ „nicht einseitig an den Gestorbenen“, sondern „zugleich an den leibhaft Auferstandenen gedacht“ sei (vgl. Röm 7,4): „Die κοινωνία betrifft also über die Teilhabe an der Heilswirkung des Sterbens Christi hinaus das Anteilbekommen an der Person des Auferstandenen und seinem weitergehenden Handeln“. Mit V. 17 erreiche der Gedankengang dann die letzte Stufe, da das Anteilbekommen am Brot zugleich die Zugehörigkeit, die Teilhabe am „Leib Christi“ als der konkreten Wirklichkeit der neuen Schöpfung begründet.18 Umstritten ist nach wie vor, ob die Eucharistie im Sinne des Paulus in den Leib Christi integriert oder aber diesen überhaupt erst konstituiert. Wolfgang Schrage beispielsweise versteht die Passage im Sinne der Integration: „Teilhabe am sakramentalen σῶμα aber bedeutet Integration in das 17 18
Vgl. dazu auch 1Kor 11,27–31! HAHN, Teilhabe 352f.
326
XI. Taufe, Eucharistie und der Leib Christi bei Paulus
ekklesiologische σῶμα“.19 Anders dagegen Dieter Zeller, laut dem diese „Körperschaft“ durch den Genuss des Leibes Christi sogar „konstituiert“ wird.20 Nach Johannes Betz ist der ekklesiologische Leib begründet in dem empfangenen Brot, „er ist also erst Wirkung oder Folge des letzteren und von diesem deutlich zu unterscheiden. (…) Das Brot ist nicht nur ein Gleichnis, sondern der Realgrund dafür, dass wir Vielen zur Einheit des Leibs Christi zusammengeschlossen werden“.21 Auch laut Michael Wolter sieht Paulus „den Leib nicht als eine vorgegebene, weil unabhängig von seinen Gliedern existierende Größe“ an, vielmehr werde der Leib erst durch die Vielzahl seiner Glieder konstituiert: „Der Leib Christi hat nicht Glieder, sondern er besteht aus den Gliedern“.22 Der paulinische Argumentationsduktus weist m.E. eindeutig in Richtung der letzteren Alternative. In 10,16 appelliert der Apostel an die eucharistische Praxis seiner Adressaten, wobei er das Stichwort σῶμα τοῦ Χριστοῦ einspielt. Mit V. 17 wendet Paulus dann auf diejenigen, die durch das gebrochene Brot am Leib Christi Anteil haben, das Bild vom σῶμα an: Wir, die Vielen, sind deswegen (ὅτι) ein Leib, weil wir an dem einen eucharistischen Brot teilhaben. Dass ein politisches oder soziales menschliches Kollektiv „Leib“ genannt werden kann, zeigen die in der Debatte um die paulinische „Leib“-Metaphorik immer wieder ins Feld geführten antiken Belege zur Genüge.23 Paulus übernimmt also eine bekannte politisch-soziale Metapher,24 stellt sie hier allerdings in die Fluchtlinie der Eucharistie, offenbar angeregt durch die beiden aus der Abendmahlstradition stammenden Wendungen σῶμα τοῦ Χριστοῦ (vgl. 1Kor 11,23–29) und οἱ πολλοί (vgl. Mk 14,24 sowie Röm 12,525). Die Adressaten erfahren demnach, dass sie durch die Teilhabe26 an Leib und Blut Christi ἓν σῶμα werden.
19
SCHRAGE, 1Kor II 440, und weiter: „Das Ηerrenmahl (…) stellt in das σῶμα (τοῦ Χριστοῦ), das die Kirche ist. Wie die Taufe in den Leib Christi eingliedert (…), so stellt auch das Abendmahl in den geschichtlichen Leib Christi“. 20 ZELLER, 1Kor 338, und weiter: „Die Gläubigen werden in gewissem Sinn zu dem, was sie essen“. 21 BETZ, Eucharistie 112. Den Gedanken, dass der eucharistische Leib den ekklesiologischen aufbaue, bringt er im Folgenden mit Did 9,4 in Verbindung. 22 WOLTER, Paulus 291f. 23 Vgl. dazu die Kommentare, außerdem SÖDING, Leib 289–296, sowie WOLTER, Paulus 289f. und 293f. 24 Vgl. WOLTER, Paulus 291. 25 Dazu THEOBALD, Römerbrief 292. 26 Zur Formulierung κοινωνία c. gen. rei vgl. HOFIUS, Herrenmahl 224f. Die Wendung bringe „die reale Teilhabe (bzw. das reale Anteilgewinnen/Anteilhaben) an der im Genitiv genannten Größe zum Ausdruck“.
2. Eucharistie und Leib Christi (1Kor 10,16f.)
327
2.3 Das argumentative Ziel des Apostels: kollektive Verantwortung Keineswegs bildet 10,17 also einen Exkurs oder ein Nebengeleis.27 Mit der Wendung ἓν σῶμα οἱ πολλοί ἐσμεν leitet Paulus die Einheit der Vielen als Leib aus ihrer κοινωνία mit Leib und Blut Christi ab. Einerseits begründet also die „Teilhabe“ am „Segenskelch, den wir segnen“ und am „Brot, das wir brechen“, die κοινωνία mit dem Blut und dem Leib Christi. Entscheidend aber ist, dass durch die Teilhabe aller an dem einen Brot zugleich die gemeinsame Verantwortung gegenüber dem Kyrios grundgelegt wird. Paulus geht es also im Kontext von 10,14–22 um mehr als um die gegenseitige Verwiesenheit der Glieder des Leibes aufeinander. Warum also betont Paulus in V. 17 die „horizontale“ Gemeinschaft der Vielen, obwohl es ihm doch in V. 16 und 18–21 ganz um die κοινωνία mit den Dämonen auf der einen und die mit dem Kyrios auf der anderen Seite geht? Zunächst ist gesagt, dass die in V. 16 akzentuierte κοινωνία mit Blut und Leib Christi für alle Gemeindeglieder gilt, da alle an dem einen eucharistischen Brot teilhaben. In 10,1–13 hatte Paulus deutlich gemacht, dass die Versorgung mit „geistiger Speise und Trank“ dem Einzelnen keineswegs das Bleiben im „Stand“ des Heiles garantiert. In 10,16–22 geht er darüber hinaus und begründet mit der Eucharistie die gegenseitige Verwiesenheit der einzelnen Glieder aufeinander, die er – in anderem Zusammenhang – in 12,26ab so formuliert: „Wenn ein Glied leidet, leiden alle Glieder zusammen“. Und in 8,11f. hatte er betont, dass die Korinther gegen Christus sündigen, wenn sie sich an den Brüdern versündigen, indem sie ihr schwaches Gewissen kränken – weil Christus für eben diesen Bruder gestorben ist. Auf die in 1Kor 10 anvisierte Situation übertragen heißt das nun aber, dass die Teilnahme Einzelner an den heidnischen Opfern die korinthische Ekklesia als Ganze gefährdet, da eben „wir, die Vielen, ein Leib sind“. Die in 10,22 beschworene Gefahr, die vom eifersüchtigen Kyrios ausgeht, bedroht damit die Ekklesia insgesamt. Deswegen aktiviert Paulus hier die Metapher vom „Leib“. Noch einmal: Weil „wir, die Vielen“ durch die Teilhabe am einen eucharistischen Brot ein Leib sind, deswegen hat das Verhalten Einzelner auch Konsequenzen für die Ekklesia als Ganze.28 Der Rekurs auf die „initiatorische Funktion“ der Eucharistie steht also im Dienst des paulinischen Argumentationszieles: Weil die Teilnahme einzelner (z.B. sozial entsprechend gestellter) Gemeindemitglieder an der εἰδωλολατρία bzw. am θύειν δαιμονίοις den „Leib“ als Ganzen gefährdet, 27
So aber ZELLER, 1Kor 337f., anders mit Recht LINDEMANN, 1Kor 224: „das Ziel der Argumentation“. 28 Erwogen auch von GÄCKLE, Die Starken 270: Die Teilnahme der Starken an den heidnischen Götzenritualen habe immer auch Folgen für die horizontale Dimension der christlichen κοινωνία.
328
XI. Taufe, Eucharistie und der Leib Christi bei Paulus
wenn der Kyrios provoziert wird, deswegen sollen die Korinther den Ort der Opferschlachtung meiden. In 1Kor 10,1–22 dient die Eucharistie dem Apostel also in doppelter Hinsicht als Argument: Einerseits begründet das Essen und Trinken des eucharistischen Brotes und Weines die κοινωνία mit Leib und Blut Christi, was die Teilnahme an heidnischen Opfern kategorisch ausschließt. Andererseits wird durch die Teilhabe aller am einen Brot auch die gemeinsame (quasi kollektive) Verantwortung gegenüber dem Kyrios grundgelegt, was sowohl die Auswirkung der Taten Einzelner auf die Gesamtheit (vgl. 12,26), als auch die durch die Liebe motivierte Rücksichtnahme der „Starken“ auf die „Schwachen“ (8,9–12) einschließt. Dass es Paulus zentral auf den Gedanken der κοινωνία ankommt, zeigt sich auch daran, dass er diesen in V. 18 am Beispiel des Jerusalemer Tempelkultes weiter ausführt. Doch geht es ihm bei seinem Vergleich ausschließlich um die durch das Essen der Opfer (θυσίαι) hergestellte κοινωνία mit derjenigen Macht, der der Kult gilt.29
Indem Paulus – mit den korinthischen „Starken“ – die Existenz der heidnischen Gottheiten entschieden negiert (10,19, vgl. 8,4), aber zugleich hervorhebt, dass die Teilnahme an Kultmahlzeiten in jedem Fall – also sowohl im Kult der Ekklesia (10,16) als auch im Jerusalemer Tempelkult (10,18), aber eben auch im heidnischen Götzenkult (10,20f.) – eine κοινωνία begründet, gerät er in ein Dilemma, das er in 10,19 selbst andeutet: Womit bzw. mit wem wird die κοινωνία im Götzenkult begründet, wenn es doch „keinen Götzen gibt in der Welt und keinen Gott außer dem einen“ (8,4). Seine gut jüdische Antwort30 lautet: Die heidnischen Opfer richten sich nicht auf Nichts (trotz 8,4 und 10,19), sondern auf Dämonen: „Götzen sind zwar, objektiv betrachtet, nonexistent, aber die Dämonen inszenieren ihre Verehrung, um dem einen Gott die alleinige Verehrung zu entziehen“.31 Allerdings behauptet Paulus gerade nicht, dass diejenigen, die an den heidnischen Opferriten teilnehmen, oder auch die ganze Gemeinde, durch die Dämonen gefährdet wären, in ihren Machtbereich geraten oder ihren Angriffen ausgesetzt wären. Daher lehnt Paulus auch die Vorstellung einer 29
Diskutiert wird, ob Paulus in 10,18 noch einmal auf die in 10,7 angedeutete Verehrung des Goldenen Kalbes anspielt. Diskussion bei GÄCKLE, Die Starken 271 und KONRADT, Gericht 387f., die sich beide aber mit Recht letztlich für den Jerusalemer Opferkult entscheiden. 30 Bemerkenswert ist die LXX-Übersetzung von Ps 96,5. Dort heißt es im masoretischen Text: „Denn alle Götter der Völker sind Nichtse“. Während die LXX den Begriff אליליםsonst meist mit εἴδωλα übersetzt und damit auf die Götterbilder anspielt (Lev 19,4; 26,1; Jes 2,8.18.20; 10,10f.; 31,7), benutzt sie an dieser Stelle sowie in Ps 105,37 und in Dtn 32,17 δαιμωνία (vgl. HOSSFELD/ZENGER, Ps II 668). 31 Treffend KONRADT, Gericht 389.
2. Eucharistie und Leib Christi (1Kor 10,16f.)
329
„dämonischen Infizierung“ des Opferfleisches ab. Die Gefahr für die Ekklesia geht vielmehr – genau wie die Gefahr für „unsere Väter“ in der Wüste! – vom Kyrios Jesus Christus selbst aus.32 Er ist es, der durch das Verhalten der Korinther gereizt wird (10,22a), wie er bereits in der Wüste provoziert wurde (10,9); und dieser gereizte Kyrios ist es, der eine Gefahr für die Ekklesia darstellt. 1Kor 10,20–22 20
a b c d
21
a b
22
a b
Denn vielmehr das, was sie opfern (ἀλλ’ ὅτι ἃ θύουσιν), das opfern sie Dämonen und nicht Gott (δαιμονίοις καὶ οὐ θεῷ [θύουσιν]). Ich will aber nicht, dass ihr Teilhaber der Dämonen werdet (ὑμᾶς κοινωνοὺς τῶν δαιμονίων γίνεσθαι)! Ihr könnt nicht den Becher des Kyrios trinken und den Becher der Dämonen! Ihr könnt nicht am Tisch des Kyrios Anteil haben (μετέχειν) und am Tisch der Dämonen! Oder wollen wir den Kyrios zur Eifersucht reizen (ἢ παραζηλοῦμεν τὸν Κύριον)? Sind wir etwa stärker als er (μὴ ὶσχυρότεροι αὐτοῦ ἐσμεν)?
Mit 10,22a knüpft Paulus also an 10,9 an und überträgt die biblische Rede vom eifersüchtigen Gott auf Christus.33 Im Hintergrund steht eine christologische Relecture des Moseliedes Dtn 32 LXX.34 Das Problem sind also keineswegs die Dämonen an sich, sondern die Tatsache, dass der heidnische Kult, eben weil „jemand“ in seinem Hintergrund steht, zu einer κοινωνία führt – wie der christliche und der jüdische Kult auch. Anders als diese führt jener aber nicht zu einer κοινωνία mit dem einen lebendigen Gott (8,4) und damit dem einen Herrn (8,6), sondern zu einer κοινωνία mit Dämonen, was die Eifersucht des Kyrios erregt.
32
Die Wendungen in 10,21 (Becher bzw. Tisch des Kyrios) zeigen eindeutig, dass auch in V. 22 mit dem Kyrios Christus gemeint ist! 33 Richtig LINDEMANN, 1Kor 227. 34 Dazu v.a. die Passage Dtn 32,16–21. In Dtn 32,17 LXX heißt es: ἔθυσαν δαιμονίοις καὶ οὐ θεῷ. Hier übersetzen die LXX den Ausdruck שדיםder hebräischen Wortbedeutung entsprechend mit δαιμονίοις. Paulus spielt darauf in 1Kor 10,20 an (vgl. noch Bar 4,7 und Ps 105,37 LXX). Den in Dtn 32,19 LXX (καὶ εἶδεν κύριος [!] καὶ ἐζήλωσεν) genannten eifernden Kyrios bezieht Paulus in 1Kor 10,22 auf Christus. Außerdem wird in Dtn 32,18 die Ernährung des Volkes durch Gott in der Wüste angeführt (θεοῦ τοῦ τρέφοντός σε).
330
XI. Taufe, Eucharistie und der Leib Christi bei Paulus
3. Taufe und Leib Christi (1Kor 12,13) 3. Taufe und Leib Christi (1Kor 12,13)
Für Paulus konstituiert aber nicht alleine die Teilhabe an dem einen Brot die Gemeinde als Leib; laut 1Kor 12,13 konstituiert ebenso die Taufe den Leib bzw. integriert in ihn. Darauf deuten schon die sprachlichen Parallelen zwischen 12,13 und 10,17 hin: Während „wir alle“ (πάντες) durch die Teilhabe an dem einen Brot (εἷς ἄρτος) zu „einem Leib“ (ἓν σῶμα) werden, werden „wir alle“ (ἡμεῖς πάντες) bei der Taufe durch den einen Geist (ἐν ἑνὶ πνεύματι) zu einem Leib (εἰς ἓν σῶμα) getauft. Paulus schreibt also der Taufe wie der Eucharistie „initiatorische Potenz“ zu, genauer: Beide Vollzüge konstituieren „den einen Leib“. 3.1 Das Anliegen des Apostels Die zu untersuchende Stelle steht im Kontext der Ausführungen des Apostels περὶ τῶν πνευματικῶν (12,1), womit entweder die Geistbegabten (οἱ πνευματικοί) oder die Geistesgaben (τὰ πνευματικά) gemeint sind.35 Die Ausführungen zielen letztlich auf die Auseinandersetzung um die Glossolalie in Kap. 14. Aus 14,37 ist zu entnehmen, dass die πνευματικοί eine Gruppe innerhalb der korinthischen Ekklesia darstellten,36 einer Ekklesia, die jedoch insgesamt die Geistesgaben in hohen Ehren hielt.37 Das Merkmal, das sie von der Restgemeinde abhob und ihren Anspruch besonderer Geistbegabung legitimierte, war wahrscheinlich die Glossolalie, die eben in Kap. 14 eine eigene Behandlung erfährt, nachdem Paulus mit den voranstehenden Ausführungen dafür den Grund gelegt hatte. Dem glossolalischen Lobpreis Gottes wird dort die „Prophetie“ als ein verständliches Sprechen deutlich übergeordnet.38 35
Für πνευματικοί plädiert HORN, Angeld 183 u.ö., dagegen LINDEMANN, 1Kor 263 („nicht die Personen sind das Thema, sondern die Sache“). 36 Paulus spricht davon, dass „jemand“ (τις) meine, er sei Prophet oder Pneumatiker. 37 Vgl. 14,12: ζηλωταί ἐστε πνευμάτων, sowie 1,7. Laut ZELLER, 1Kor 382f. hatte Paulus bei seinem Aufenthalt in Korinth den „Pneumatismus“ erst entfacht, der ihm nach einigen Jahren über den Kopf zu wachsen drohte. 38 Vgl. den programmatischen Schlusssatz 14,39: „Eifert danach, prophetisch zu reden, und hindert nicht das Reden in Zungen“, der auf 14,1 zurückweist, wo Paulus das Eifern insbesondere um das Prophezeien empfohlen hatte. Auf 14,39 zielt aber bereits die Aufforderung 12,31 hin, um die größeren Geistesgaben zu eifern, auf die das „Hohelied der Liebe“ (12,31b–13,13) folgt. Von Kap. 13 leitet Paulus dann mit der genannten Aufforderung 14,1a zurück zum Thema der πνευματικά, konkret der Zungenrede, der er aber das prophetische Reden vorordnet. Das in Kap. 13 formulierte Kriterium der ἀγάπη wird also auf die in Kap. 12 entwickelte Problemlage περὶ τῶν πνευματικῶν angewendet und führt zu einer Bevorzugung der Prophetie vor der Zungerede, da nur sie „auferbaut“ (vgl. 14,3f.) und „Frucht trägt“ (vgl. 14,14).
3. Taufe und Leib Christi (1Kor 12,13)
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Bereits in Kap. 12 bereitet der Apostel diese Pointe vor und zwar, indem er die Bedeutung der Glossolalie quasi von zwei Seiten aus zu begrenzen sucht: Indem er ihr erstens die Akklamation Jesu als des Kyrios voran (12,2f.) und ihr zweitens andere Charismen an die Seite stellt. Dies ist in 12,10 das Charisma der „Übersetzung der Zungenrede“ (ἑρμηνεία γλοσσῶν), in Kap. 14 dann die Prophetie, die ihr klar übergeordnet wird.39 3.2 Der erste Argumentationsgang: Die Akklamation des Kyrios Nach einem knappen Rekurs auf die von heidnischen Kulten geprägte Vergangenheit der Korinther, mit der er die Zweideutigkeit pneumatischekstatischer Phänomene andeutet,40 verbindet er in grundsätzlicher Weise die Akklamation41 Κύριος Ἰησοῦς mit dem πνεῦμα ἅγιον.42 Damit stellt Paulus gleich zu Beginn seiner Ausführungen περὶ τῶν πνευματικῶν dreierlei klar: (1.) Jeder, der Jesus als den Kyrios akklamiert, ist „Pneumatiker“,43 d.h. den Geistbesitz können keineswegs diejenigen in der korinthischen Ekklesia für sich exklusiv reklamieren, die über die ihrer Meinung nach herausragende der πνευματικά verfügen, die Glossolalie. Denn „das grundlegende christologische Bekenntnis ‚Herr ist Jesusʻ (vgl. Röm 10,9) ist einzig in der Kraft des Heiligen Geistes möglich und deshalb das wahre, eindeutige und hinreichende Kennzeichen für den Geistbesitz. Jeder, der an den ge-
39
Nach 14,5 ist nur der Zungenredner, der auch über das Charisma der Übersetzung verfügt (vgl. damit 12,10.30), demjenigen, der prophetisch redet, nicht unterlegen. Zum Charisma der „Übersetzung“ vgl. auch 14,13 und 14,26–28. 40 Vgl. SCHRAGE, 1Kor III 119. 41 Vgl. PETERSON, 1Kor 281–284. Peterson betont, dass Κύριος hier kein Christustitel ist (daher sei der Ruf Κύριος Ἰησοῦς auch weder eine begriffliche Aussage noch eine Art Glaubensbekenntnis), sondern „nichts weiter als ein in die Sprache der Begrüßungsrufe gehörendes Wort“ (282). Bei der Akklamation dieser mit Kraft geladenen Rufe „geschieht etwas“ (283), konkret unterstellt sich die ihren Kyrios akklamierende Ekklesia seinem Herrschaftsbereich, richtet seine Herrschaft mittels der Akklamation geradezu erst auf. Dieser performative Akt ist für Peterson der Grundvollzug von Ekklesia. Zu Petersons Deutung der Akklamationen im 1Kor vgl. ausführlich WEIDEMANN, Paulus 277–285. Petersons Anstoß wird differenziert aufgenommen von ZELLER, 1Kor 387, laut dem die Voranstellung des Prädikats (κύριος) der Formel akklamatorischen Charakter verleiht. Petersons künstliche Entgegensetzung von „Akklamation“ und „Bekenntnis“ lehnt Zeller ab. 42 Es ist umstritten, ob die andere in 12,3 genannte Akklamation „Verflucht sei Jesus!“ tatsächlich in der korinthischen Gemeinde oder aber in heidnischen Kulten vorkam. 43 Vgl. SCHRAGE, 1Kor III 125: „Jeder, der sich zum Kyrios Jesus bekennt, ist Pneumatiker“, allerdings ist der Ruf Κύριος Ἰησοῦς kein Bekenntnis, sondern eine mit Kraft erfüllte Akklamation (wohl im Rahmen des urchristlichen Gottesdienstes).
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XI. Taufe, Eucharistie und der Leib Christi bei Paulus
kreuzigten und auferstandenen Christus glaubt und ihn als den Herrn anruft, hat also den heiligen Geist – und zwar ohne jedes Defizit“.44 (2.) Paulus verbindet den Geist mit einer Akklamation, die durchaus verständlich ist – und beispielsweise nicht in der Sprache der Engel (13,1) oder in unverständlicher Glossolalie (Kap. 14) gesprochen wird. Der Ruf Κύριος Ἰησοῦς eignet sich dafür besonders gut, weil die antiken Akklamationen trotz ihrer Verständlichkeit auf göttliche Inspiration zurückgeführt und als mit Kraft erfüllt angesehen wurden.45 (3.) Zugleich bindet er hier die Pneumatologie an die Christologie zurück.46 Paulus gibt damit der korinthischen Ekklesia und ihren Gliedern das Kriterium zur „Prüfung der Geister“ und zur Unterscheidung bestimmter „pneumatischer“ Phänomene in den Gemeindeversammlungen an die Hand: Der Geist Gottes, der heilige Geist, äußert sich im Ruf Κύριος Ἰησοῦς. 3.3 Der zweite Argumentationsgang: Die Vielzahl der Charismen Zur Vorbereitung seiner zweiten Argumentationslinie stellt er dann das eine Pneuma, den einen Kyrios und den einen Gott der διαίρεσις χαρισμάτων gegenüber (12,4–6). Bevor er also die ganze Fülle der Geistesgaben ausbreitet (12,7–10), betont er ihren einen göttlichen Ursprung. Beides, sowohl die Aufzählung der verschiedenen Charismen als auch ihre Rückführung auf den einen Geist, den einen Herrn und den einen Gott steuert gegen die korinthische Hervorhebung bestimmter Gaben, v.a. der Glossolalie. Daher betont Paulus auch in V. 7, dass jedem (!) die „Sichtbarmachung“ des Geistes (ἡ φανέρωσις τοῦ πνεύματος) zum Nutzen gegeben wird.47 Nach der Liste von neun (!) Charismen in 12,8–10, bei der die Glossenrede auffälligerweise erst gegen Ende und nach der Prophetie genannt und ihr zudem das Charisma der ἑρμενεία γλωσσῶν an die Seite gestellt wird, folgt V. 11 als eine Art Zusammenfassung: Alle diese Charismen wirkt ein und derselbe Geist (τὸ ἓν καὶ τὸ αὐτὸ πνεῦμα), der einem jeden das Eigene zuteilt, wie er will. Im Unterschied zu 12,4–6, aber ganz im Einklang mit
44
HOFIUS, 1. Korinther 12, 415. Vgl. PETERSON, Heis Theos 145 sowie 172 (zu 1Kor 12,3), außerdem PETERSON, 1Kor 283f. Zu κύριος als „acclamatory epithet“ in paganen Akklamationen vgl. CHANIOTIS, Acclamations 209–211. 46 VOS, Rätsel 259, formuliert als Ziel der Aussage, „dass der Wirkungsbereich des Geistes mit dem Herrschaftsbereich des Herrn zusammenfällt.“ 47 PETERSON, 1Kor 287: „das Pneuma macht sich selbst sichtbar und zwar in den Charismen, die dem einzelnen gegeben werden. (…) Das Pneuma macht sich sichtbar, das soll heißen, es manifestiert sich“. 45
3. Taufe und Leib Christi (1Kor 12,13)
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12,5–9 fokussiert Paulus hier nun den Geist als die Wirkursache der διαιρέσεις χαρισμάτων. Es ist klar zu erkennen, dass Paulus auf diese Vielzahl, die auf den einen Geist zurückgeführt wird, hinauswill. Nicht vergessen werden darf dabei, dass dieses eine Pneuma in 12,3 mit der Akklamation Jesu als Kyrios verbunden und in 12,4–6 mit eben diesem Kyrios und mit Gott, der alles48 in allem wirkt, gleichgeordnet wurde. Dabei verschiebt sich die paulinische Argumentation von den Charismen selbst (12,4–6) hin zu denjenigen, die sie empfangen. Von der Erörterung der einzelnen Charismen geht Paulus also über zur Erörterung der einzelnen „Pneumatiker“.49 Die Pointe liegt im ἑκάστῳ von V. 7 und dann abschließend in V. 11: Jedem (und jeder) wird vom einen Geist gesondert50 das zugewiesen, was er, der Geist, will. Einzig und allein das Wirken und Wollen des Geistes – und nicht die Empfänger mit ihren Anlagen, Fähigkeiten oder Begabungen – bewirkt die Zuteilung.51 Dies gilt für alle genannten Charismen, also nicht allein diejenigen, die sich spektakulär äußern. Die neunfache Charismenliste V. 8–10 ist demnach von den beiden Aussagen, dass jeder Gaben des Geistes erhält, gerahmt. Dies muss nicht bedeuten, dass jeder in der korinthischen Ekklesia eines der aufgezählten, außergewöhnlichen Charismen besaß, sondern umgekehrt: Die aufgezählten neun Charismen sind jeweils besonderer Ausdruck des einem jeden Gemeindeglied verliehenen Geistes. Daher geht es Paulus auch nicht in erster Linie darum, „die unterschiedlichen Erscheinungsformen des πνεῦμα zu beschreiben und dabei gerade zu betonen, dass den διαρέσεις χαρισμάτων das eine πνεῦμα gegenübersteht.“52 Vielmehr geht es ihm darum zu zeigen, dass jeder und jede in der korinthischen Ekklesia von diesem einen Geist erhalten hat – und daher kommt er im nächsten Abschnitt folgerichtig auf die Taufe zu sprechen. 3.4 Leib Christi und Taufe Die in V. 11 formulierte Grundthese begründet (γάρ) Paulus in V. 12 mit einem Vergleich von Leib und Christus: Wie der Leib einer ist (trotz seiner vielen Glieder), so ist es auch der Christus.53 Diese Aussage, dass der Christus (trotz seiner vielen Glieder) einer ist, begründet er in V. 13 mit 48
Mit den Formulierungen, dass Gott „alles in allem (be)wirkt“ (12,6) bzw. dass der Geist „dies alles (be)wirkt“ (12,11) unterstreicht Paulus, dass Gott sich nicht nur im Außerordentlichen, sondern in allen Charismen bekundet (SCHRAGE, 1Kor III 163f.). 49 PETERSON, 1Kor 290. 50 ἰδίᾳ entspricht κατ’ ἰδίαν, vgl. BDR § 286,2. 51 Vgl. ZELLER, 1Kor 394. 52 So LINDEMANN, 1Kor 268. 53 SCHRAGE, 1Kor III 211: ὁ Χριστός steht hier als Breviloquenz für seinen Leib.
XI. Taufe, Eucharistie und der Leib Christi bei Paulus
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der Taufe und (vermutlich) der Eucharistie.54 Mit V. 14 folgt als Explikation der Leibmetapher55 dann eine Art Fabel, in der die Körperteile zueinander sprechen (12,14–26).56 Abgeschlossen wird diese Passage mit V. 27, wo Paulus der korinthischen Ekklesia explizit zuspricht, Leib Christi zu sein (nicht: zu ihm zu gehören). 1Kor 12,11–27 11
12
13
a b c a b c d e f a
b c d 14
a b
27
a c
Alles das aber wirkt der eine und derselbe Geist (πάντα δὲ ταῦτα ἐνεργεῖ τὸ ἓν καὶ τὸ αὐτὸ πνεῦμα), indem er jedem gesondert austeilt (διαιροῦν ἰδίᾳ ἑκάστῳ) wie er will (καθὼς βούλεται). Denn wie der Leib einer ist (καθάπερ γὰρ τὸ σῶμα ἕν ἐστιν) und viele Glieder hat, alle Glieder des Leibes aber, obwohl viele (πολλὰ ὄντα), einen Leib bilden (ἕν ἐστιν σῶμα) – so auch der Christus (οὕτως καὶ ὁ Χριστός)!57 Denn auch in einem [o. durch einen] Geist (ἐν ἑνὶ πνεύματι) wurden wir alle (ἡμεῖς πάντες) zu einem Leib [o. in einen Leib hinein] getauft (εἰς ἓν σῶμα ἐβαπτίσθημεν), es seien Juden oder Heiden, es seien Sklaven oder Freie, und wir wurden alle mit einem Geist getränkt [o. begossen] (καὶ πάντες ἓν πνεῦμα ἐποτίσθημεν). Auch ist der Leib nämlich nicht ein Glied (καὶ γὰρ τὸ σῶμα οὐκ ἔστιν ἓν μέλος), sondern viele (ἀλλὰ πολλά). (…) Ihr aber seid (der) Leib Christi (ὑμεῖς δέ ἐστε σῶμα Χριστοῦ) und – einzeln genommen58 – Glieder (καὶ μέλη ἐκ μέρους.)
54 ZELLER, 1Kor 395: Paulus untermauere V. 11 mit einem bildhaften Vergleich, dessen Berechtigung dann V. 13 erweise. 55 SCHRAGE, 1Kor III 209. 56 Dazu SÖDING, Leib 279–282, der herausarbeitet, dass es Paulus im ersten Teil der Bildrede (12,14–19) um die Ermutigung der „Schwachen“ geht, während im zweiten Teil (12,20–26) die „Angesehenen“ dazu gebracht werden sollen, die Bedeutung der anderen Christen und ihres Dienstes anzuerkennen. Auch laut WOLTER, Paulus 294, geht es in 12,22–24 um eine gezielte Aufwertung der als schwächer und minderwertig geltenden Teile des Leibes“. 57 Überzeugend SCHRAGE, 1Kor III 211: „So verhält es sich auch mit dem Christus“. 58 Dazu ZELLER, 1Kor 401.
3. Taufe und Leib Christi (1Kor 12,13)
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In V. 12 und V. 27 formuliert Paulus den Grundgedanken, dass das Verhältnis zwischen „dem Christus“ und den Christen nicht nur demjenigen von Leib und Gliedern entspricht, sondern dass die korinthische Ekklesia σῶμα Χριστοῦ ist. Die Leser wissen ja bereits aus 10,17, dass sie durch die gemeinsame Eucharistiefeier als Leib konstituiert wurden. In 12,13 bezieht Paulus nun auch die Taufe in diese Überlegungen mit ein und stellt alles in einen pneumatologischen Kontext. 3.4.1 Zur Analyse von 1Kor 12,13 Zunächst stellen sich einer Auslegung von 1Kor 12,13 jedoch eine Reihe philologischer Probleme in den Weg. Was die Form des Textes angeht, hat jüngst David Hellholm eine detaillierte rhetorisch-stilistische Analyse der Formel vorgenommen und dabei auf die „inklusive Parallelität“ von 13a und 13d hingewiesen, die mittels Inclusio, Anaphora und Epiphora, Assonanz und Homoioteleuton erzielt wird.59 Diese Beobachtungen lassen sich dahingehend auswerten, dass wir in 13a/d einen durch 13b/c unterbrochenen Parallelismus vor uns haben: 13
a d
καὶ γὰρ ἐν ἑνὶ πνεύματι ἡμεῖς πάντες εἰς ἓν σῶμα ἐβαπτίσθημεν […] καὶ πάντες ἓν πνεῦμα ἐποτίσθημεν.
Die Beantwortung der Frage, ob es sich bei dieser „Eingliederungsformel“60 um einen synonymen oder um einen synthetischen Parallelismus handelt, hängt an den Entscheidungen in mehreren philologischen Einzelfragen. Unklar ist zunächst, ob die Wendung ἐν ἑνὶ πνεύματι in 13a lokal zu verstehen ist oder ob damit der „personal agent“ des Passivs ἐβαπτίσθημεν bezeichnet werden soll.61 Ebenfalls umstritten ist, ob εἰς ἓν σῶμα lokale oder finale Bedeutung hat.62 59
HELLHOLM, Tauftraditionen 423f. Hellholm fasst diese morphologischen Figuren unter „Wiederholungsformen“ (repetitiones) zusammen und wertet seine Beobachtungen für den Aufweis vorgeformter Tauftradition aus. Die Eingliederungsformel hatte laut Ηellholm ursprünglich ihren „Sitz im Leben“ als Taufaffirmation der Neophyten nach dem Taufakt (429). 60 So HELLHOLM, Tauftraditionen 429, weil hier von der Eingliederung (aller Glieder) εἰς ἓν σῶμα durch die Taufe die Rede sei. 61 Ausführlich dazu O’DONNELL, Views 326–336. O’Donnell hält es nach Durchsicht aller relevanten neutestamentlichen Belege und unter Berücksichtigung des paulinischen Sprachgebrauchs für wahrscheinlich, „that the prepositional phrase ἐν ἑνὶ πνεύματι represents the agent of the verb“ (366). Demnach wurden „wir durch ein πνεῦμα zu einem Leib getauft“. SCHRAGE, 1Kor III 216, und LINDEMANN, 1Kor 272, plädieren für ein instrumentales Verständnis (wie in 6,11). 62 Bei lokaler Bedeutung der Wendung würden „wir“ in den einen Leib hineingetauft, bei finalem Verständnis wird der (zuvor nicht bestehende) Leib durch die Taufe konstitu-
336
XI. Taufe, Eucharistie und der Leib Christi bei Paulus
Vielleicht hilft in diesem Falle eine salomonische Lösung tatsächlich auch inhaltlich weiter: Im Unterschied zu 10,17 könnte Paulus im Falle der Taufe mit Bedacht zweideutig formuliert haben und so den „kollektiven“ Aspekt mit der – bei der Taufe ja stärker präsenten – „individuellen“ Perspektive verbunden haben: Während der und die Einzelne durch seine und ihre Taufe in eine bereits bestehende Größe – eben den durch die Eucharistie konstituierten „Leib Christi“ – hineingenommen wurde, kann man im Blick auf die gesamte Gemeinde sagen, dass der „Leib Christi“ eben durch die Taufe entstanden ist. Um es nochmals anders auszudrücken: Während die Taufe in diachroner Hinsicht die Eingliederung des individuellen Getauften in das σῶμα bedeutet, kommt dieses, synchron betrachtet, durch die Taufe der einzelnen Glieder erst zustande.63 Wenn Michael Wolter also folgendermaßen formuliert: „Das eine Brot und der eine Geist gliedern die Mahlteilnehmer und die Getauften aber nicht in einen bereits vorhandenen Leib ein, sondern lassen den Leib allererst entstehen“,64 dann wird man das im Hinblick auf die Taufe und unter Berücksichtigung der vermutlich absichtlich uneindeutigen Formulierung in 1Kor 12,13 noch differenzieren müssen. Denn wie sollte der „Leib Christi“ im Falle der Taufe eines oder einer Einzelnen denn erst zustandekommen? Konstitution und Eingliederung dürften daher komplementäre Aspekte bezeichnen, die Paulus zusammenbindet. 3.4.2 Die Ersteucharistie als Tränkung mit dem Geist Dies gilt analog auch für die Tauf- bzw. Ersteucharistie. In V. 13d ist nach wie vor umstritten, ob ἐποτίσθημεν mit „bewässern, gießen“ oder mit „zu trinken geben“ zu übersetzen ist.65 Während 1Kor 3,6–8 (ἐγὼ ἐφύτευσα, Ἀπολλῶς ἐπότισεν) auf ersteres hindeutet, spricht 10,4 (πνευματικὸν πόμα) für letzteres: Hatte Paulus dort davon gesprochen, dass „unsere Väter alle denselben geistigen Trank tranken“, so könnte er im Anschluss daran in 12,13d formulieren, dass „wir alle mit dem einen Geist getränkt wurden“.66 In diesem Fall hätten wir also einen synthetischen Parallelismus vor uns: iert. SCHRAGE, 1Kor III 216, plädiert wie schon im Falle von 1Kor 10,17 für ein lokales Verständnis: Es gehe um die „Eingliederung [!] in den einen Leib“, der Christusleib sei „als solcher vorgegeben [!] und nicht erst das Resultat menschlichen Sozialisations- und Einheitsstrebens der einzelnen Glieder“. Wie schon KÄSEMANN, Anliegen 14, versteht Schrage εἰς lokal, bezeichnet werde das Ziel und nicht der Zweck oder der Effekt der Taufe. 63 Im Anschluss an LINDEMANN, 1Kor 271: „Taufe bedeutet Eingliederung in das σῶμα, zugleich aber auch das Entstehen jenes dann im Folgenden beschriebenen Leibes“. 64 WOLTER, Paulus 292. 65 Vgl. dazu den Überblick bei HELLHOLM, Vorgeformte Tauftraditionen 425–427. 66 Zum Bezug der beiden Stellen aufeinander vgl. auch HORN, Angeld 170, aber auch schon PETERSON, 1Kor 293.
4. Fazit
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Paulus ginge es zunächst darum, der ekklesial auf die Konstituierung des Leibes bzw. individuell auf die Eingliederung in den einen Leib hinzielenden Taufe die Innerlichkeit des πνεῦμα an die Seite zu stellen.67 Dass er in beiden Fällen metaphorisch vom πνεῦμα als einer Flüssigkeit redet, ist unbestreitbar. Da es Paulus hier aber konkret um den Empfang des Geistes geht, wird man fragen können, welchen gottesdienstlichen „Haftpunkt“ die paulinische Metaphorik hat.68 Und hier spricht der Rückbezug zu 1Kor 10,3f. sowie die Parallelführung von 12,13 mit 10,17 doch deutlich für das „Herrenmahl“. Obwohl der Aorist ἐποτίσθημεν also vielleicht auch der Parallelität mit ἐβαπτίσθημεν geschuldet ist, dürfte hier die direkt auf die Taufe folgende „Taufeucharistie“69 oder auch eine unabhängig von der Taufe erfolgte „Ersteucharistie“ gemeint sein. Dass Paulus auf die Eucharistie als „geistlichen Trank“ anspielt und das Brot nicht erwähnt, liegt einerseits daran, dass er hier zweimal vom πνεῦμα metaphorisch als einer Flüssigkeit spricht. Hinzu kommt, dass er andererseits offenbar die Parallelisierung von Meerwunder und Felsenwasser im Kopf hat, wie sie Ps 77,13–16 LXX direkt vornimmt.70 Überhaupt zeigt Paulus wie auch andere biblische Zeugnisse in 1Kor 10,4 wie in 12,13 ein größeres Interesse am Wasser.71 In jedem Fall überbietet die Aussage von 13d die von 13a durch den Aspekt der Innerlichkeit: In der Ersteucharistie wurden die Glaubenden mit dem πνεῦμα getränkt, das sich seither in den unterschiedlichen Geistbegabungen manifestiert (vgl. 12,7) – von denen die Glossolalie nur eine und nicht einmal die für den Aufbau der Ekklesia entscheidende ist.
4. Fazit: Taufe und Eucharistie im 1. Korintherbrief 4. Fazit
Die Exegese der entsprechenden Passagen des 1Kor zeigt, dass Paulus auf Eucharistie und Taufe als jene Vollzüge zu sprechen kommt, die alle Korinther betreffen. Unter Rekurs auf Taufe und Eucharistie kann er dabei an gemeinsame Erfahrungen appellieren und diese für sein diskursives Anliegen in Dienst nehmen. Diese gemeinsamen Erfahrungen beziehen sich auf 67
Vgl. WOLTER, Paulus 160: Mithilfe der beiden Metaphern in 12,13 mache Paulus deutlich, dass die Christenmenschen die Gabe des Geistes von außen und von innen erhalten haben. 68 So haftet die Metapher vom „einen Leib“ in 10,17 ja offensichtlich am gottesdienstlich verwendeten einen Brot, an dem „die Vielen“ teilhaben. 69 So BETZ, Eucharistie 122. 70 Vgl. Ps 77,13 LXX: διέρρηξεν θάλασσαν… / 15: διέρρηξεν πέτραν… und dazu HOSSFELD/ZENGER, Ps II 420, sowie den Exkurs „Manna, Honig, Engelsspeise“. 71 Vgl. dazu auch Jes 48,21, wo nur vom Wasser aus dem Felsen die Rede ist und nicht vom Manna. Ebenso BETZ, Eucharistie 122.
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XI. Taufe, Eucharistie und der Leib Christi bei Paulus
die rituellen Vollzüge, die die korinthischen Adressaten kennen: das Sprechen des Segensgebetes über dem Segensbecher und das Trinken daraus, das Brechen, Austeilen und Essen des Brotes, über das ebenfalls Segensgebete gesprochen werden, das Übergossenwerden mit Wasser bei der Taufe. Diese rituellen Vollzüge versieht Paulus mit einer christologischen bzw. pneumatologischen Deutung72 und stellt sie zugleich in den Dienst seiner jeweiligen Argumentation. Eine entscheidende Rolle nimmt hier die metaphorische Rede von der Gemeinde als Leib bzw. als Leib Christi ein. Der Gedankengang des 1Kor lässt noch erkennen, dass Paulus zunächst die in der antiken Literatur mehrfach belegte, also den Adressaten doch wohl bekannte politischsoziale Metapher des „Leibes“ auf die Eucharistie feiernde Gemeinde anwendet: Weil es ein Brot ist, an dem alle teilhaben – und dieses Brot zugleich „Anteil am Leib Christi“ gibt – deswegen werden alle Mahlteilnehmer zu einem Leib.73 Vermutlich ist in 1Kor 10,16f. noch erkennbar, was den Apostel zur Transformation der bekannten Metapher vom Leib in die ekklesiologische vom „Leib Christi“ inspirierte. Daher hat die Auffassung von Ulrich Wilckens und anderer einiges für sich, dass der paulinische Leib-Christi-Gedanke – trotz 1Kor 12,13 – nicht aus Motiven der Tauftradition entstanden sein kann. Vielmehr zeigt das Fehlen jedes Hinweises auf die Taufe in Röm 12,4, der Terminus σῶμα sowie eben 1Kor 10,16f., dass er in der Eucharistie wurzelt.74 Während der Apostel im Kontext des Herrenmahles mit der LeibMetapher die Zusammengehörigkeit der Gemeindeglieder betont, die in der Teilhabe an dem einen Brot gründet, betont er im Kontext von Taufe und Ersteucharistie die Pluralität der zusammengehörenden Glieder. Weil Paulus im Kontext der Charismendebatte den Geistbesitz an die Akklamation des Kyrios und den Geistempfang an Taufe und Ersteucharistie zurückbindet, kann er dann auch formulieren, dass „wir alle durch einen Geist zu einem Leib getauft“ wurden. Sowohl die Taufe durch den einen Geist als auch die Teilhabe an dem einen Brot konstituieren nach diesen Texten jeweils den einen Leib und gliedern den Einzelnen in ihn ein. Wie sich Taufe und Herrenmahl zueinander verhalten, thematisiert Paulus gerade nicht, sondern akzentuiert beide als geistgewirkte und geistvermittelnde Vollzüge. Zugleich fehlen eindeutige Hinweise darauf, dass die Taufe bereits als Zulassungsbedingung für die Teilnahme an der Eucharistie gewertet würde. Vielmehr stehen Taufe und Eucharistie zwar in dieser Reihenfolge (die die „normale“ gewesen sein dürfte, aber nicht unbedingt 72
Dabei wird er sicherlich an sein eigenes katechetisches Wirken in Korinth anknüp-
fen.
73 74
Vgl. WOLTER, Paulus 289. WILCKENS, Röm III 12f.
4. Fazit
339
die zwangsläufige gewesen sein muss75), doch geht es Paulus nicht um ihre gegenseitige Zuordnung, sondern um ihre Funktion, die er streckenweise parallel beschreibt. In seinem 1950 zum ersten Mal erschienenen Aufsatz „Das Anathema in der urchristlichen Abendmahlsliturgie“ hatte Günther Bornkamm herausgestellt, dass „die paulinischen Briefe in keiner Weise das Recht“ geben, „die Taufe von Anfang an als conditio sine qua non für die Beteiligung an der Feier des Herrenmahles anzusehen“.76 Bornkamm verweist auf 1Kor 16,22 und Did 10,6, wo sakralrechtliche Formeln wie μαραναθα oder ἀνάθεμα Unwürdige vor einer Teilnahme am Herrenmahl warnen, die Grenze aber gerade nicht zwischen Getauften und Ungetauften gezogen werde – anders dann in Did 9,5, aber das dortige Verbot der Teilnahme Ungetaufter an der Eucharistie setze eine andere, in Did 10,6 bezeugte ältere Praxis gerade voraus. Zur Zeit des Apostels Paulus stand laut Bornkamm das Anathema über den Ungläubigen dort, wo später die Gemeinde die Grenze zwischen Getauften und Ungetauften zog. Spuren solcher Abwehrformeln, die Ungläubige (nicht aber Ungetaufte) vom Herrenmahl fernhalten sollten, erblickt Bornkamm noch an anderen Stellen.77
Vielleicht kann man vom korinthischen Befund her die These formulieren, dass die eucharistischen Mähler zumindest im Kontext einer missionierenden und expandierenden Stadtgemeinde, wo die Gemeindeversammlungen nicht hinter verschlossenen Türen stattfanden,78 sondern man im Gegenteil mit der Anwesenheit von ἄπιστοι rechnen musste (1Kor 14,23), durchaus als der eigentliche Initiationsakt erlebt werden konnte. Dies dürfte vor allem für die erste Teilnahme eines oder einer Neubekehrten an der Mahlfeier der örtlichen Ekklesia gelten, selbst wenn es noch keine eigene Taufeucharistiefeier als Abschluss eines Taufgottesdienstes gab. Wir stoßen hier auch auf eine Art Analogie zwischen dem ersten Korinther- und dem Galaterbrief. In beiden Briefen bindet Paulus vergleichbare Aussagen sowohl an das Gemeindemahl als auch an die Taufe: Im Galaterbrief entspricht das von christusgläubigen Juden Antiochias praktizierte συνεσθίειν μετὰ τῶν ἐθνῶν der in Gal 3,28 formulierten Überzeugung, dass es unter den auf Christus Getauften weder Jude noch Grieche gibt, sondern alle einer sind in Christus. Vermutlich ist mit der Wendung εἷς ἐν Χριστῷ eben das gemeint, was im 1Kor und Röm als „Leib Christi“ bzw. sogar als „der Christus“ (1Kor 12,12: ὁ Χριστός) bezeichnet wird,79 auch 75
Vgl. dazu die Erwägungen bei BORNKAMM, Anathema 125f. BORNKAMM, Anathema 126. Zum Folgenden ebd. 123–126. 77 So in Apk 22,17–21, Röm 16,17–20 (im Anschluss an die Aufforderung zum hl. Kuss 16,16) 1Kor 11,27f. sowie in Hebr 6,6; 10,29 und 13,10. 78 Anders z.B. Joh 20,19.26 sowie Apg 12,12–17 (jeweils verschlossene Türen); beide Texte dürften Verfolgungssituationen widerspiegeln (vgl. Joh 20,19: „Furcht vor den Juden“ sowie Apg 12,1–4). 79 Vgl. WOLTER, Paulus 294. 76
340
XI. Taufe, Eucharistie und der Leib Christi bei Paulus
wenn es Paulus hier auf die Einheit von einst Getrenntem, im 1Kor dagegen auf die Gemeinschaft von bleibend Verschiedenem ankommt. Im ersten Korintherbrief wiederum sind die Taufe und die Teilhabe am gebrochenen Brot und am gesegneten Segensbecher direkt auf die Konstitution bzw. die Eingliederung in den Leib Christi bezogen, den – in den Worten Ernst Käsemanns – „Bereich seiner irdischen Herrschaft“.80
80
KÄSEMANN, Problem 199.
Kapitel XIII
Die Taufeucharistie im Hebräerbrief XIII. Die Taufeucharistie im Hebräerbrief
1. „Teilhabe“ als „Anfang“ des Heiles 1. Teilhabe als Anfang des Heils
Mehrfach kommt der auctor ad Hebraeos mit Nachdruck auf die Anfänge des Heilsstandes seiner Adressaten zu sprechen1 (2,1–4; 3,14; 5,11–6,12; 10,19–39), um einzuschärfen, auf welchem Fundament sie stehen und was zu verlieren sie in Gefahr sind. Er thematisiert diese Anfänge im Kontext der paränetischen Teile, in denen einerseits „die Spitze des theologischen Gedankens“ liegt,2 die andererseits aber auch die Krise erkennen lassen, die der Autor bei seinen Adressaten diagnostiziert: Etliche sondern sich von den Versammlungen der Gemeinde ab (10,25), werfen die Zuversicht weg (10,32–39) und leisten der Sünde keinen erbitterten Widerstand mehr (12,4). Deswegen ruft er dazu auf, sich „der früheren Tage zu erinnern, in denen ihr nach der Erleuchtung einen heftigen Kampf durchgestanden habt“ (10,32). Bereits in 2,3f. spricht der Autor die ἀρχή des erhabenen Heils an, das im Reden des Herrn seinen Ausgang nahm3 und von den Hörenden weitergegeben wurde, rekurriert dann aber unmittelbar auf die „Zeichen, Wunder, mannigfachen Krafttaten und Zuteilungen des heiligen Geistes“, mit denen Gott selbst die „Befestigung“ des Heiles bei „uns“ nach seinem Willen beglaubigte. In 3,14 formuliert der Autor dann den Grund für diese Rekurse auf die Anfänge: „Denn wir sind Teilhaber Christi, gesetzt den Fall, dass wir den Anfang des ‚Standesʻ bis zum Ziel fest bewahren“.4 Hier stellt der Verfas1 RISSI, Theologie 3, nennt mit 2,3f.; 6,4–6 und 10,32–34 drei Stellen, doch sind 3,14 (ἡ ἀρχὴ τῆς ὑποστάσεως) und 10,22 hinzuzunehmen, vielleicht auch 4,14 (Festhalten am Bekenntnis) und 12,22 (προσεληλύθατε). 2 MICHEL, Hebr 27. 3 Vgl. 2,3 mit 1,1f. Im λαλεῖν des Herrn, das von den Ohrenzeugen (1. Generation) bei den Adressaten des Hebr (2. Generation) befestigt wurde, redet Gott selbst „zu uns im Sohn“ (ἐλάλησεν ὑμῖν ἐν υἱῷ). 4 Hebr 3,14: μέτοχοι γὰρ τοῦ Χριστοῦ γεγόναμεν, ἐάνπερ τὴν ἀρχὴν τῆς ὑποστάσεως μέχρι τέλους βεβαίαν κατάσχωμεν. Der Satz begründet die voranstehende Warnung vor dem Abfall vom lebendigen Gott und die Aufforderung, einander Tag für Tag zu ermahnen (3,12f.). Durch ἐάνπερ wird 14b in Bezug zur Bedingung 14a gesetzt (vgl. BDR §
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ser eine grundlegende Verbindung her zwischen der ἀρχή des Glaubensweges der Christen und ihrer Anteilhabe an Christus: Die „Befestigung“ von Christi Reden „bei uns“ (2,3) bedeutet konkret die Anteilgabe an Christus selbst (3,14).5 Diese ist aber wiederum an die Bewahrung der ἀρχή gebunden. Diesen entscheidenden Gedanken der am Anfang grundgelegten Teilhaberschaft an Christus greift der Verfasser in 5,11–6,12 erneut auf und expliziert ihn,6 wobei er nun aber – im Kontext der Initiation (6,1– 5)! – von der „Teilhaberschaft am Heiligen Geist“ redet und damit wiederum an 2,4 anschließt.
2. Das Ziel der Warnrede Hebr 5,11–6,12 2. Das Ziel der Warnrede Hebr 5,11–6,12
Die Ausführungen über den besorgniserregenden Zustand der Leser unterbrechen den Zusammenhang von 5,9f. (Christus als Hoherpriester nach der Ordnung Melchisedeks) und 7,1ff. („Denn dieser Melchisedek…“). Die genaue Abgrenzung der Einheit nach hinten ist zwar umstritten, doch spricht die Inklusion mit νωθροί (5,11/6,12) dafür, 5,11–6,12 als Einheit und 6,13–20 als Exposition zum folgenden Hauptteil des Hebr anzusehen.7 Dabei liegt im scheinbaren Widerspruch zwischen dem Urteil 5,11 (ἐπεὶ νωθροὶ γεγόνατε ταῖς ἀκοαῖς) und der Warnung 6,12 (ἵνα μὴ νωθροὶ γένησθε)8 die Pointe der Argumentation: Die Feststellung von 5,11 bezieht sich zunächst (nur) auf die Gehörorgane bzw. die Hörfähigkeit9 der Adres-
454,2): Wir sind [Perfekt!] nur dann Teilhaber Christi, wenn wir den Anfang unseres Standes bis zum Ende festhalten. ὑπόστασις dürfte in Hebr 3,14 (im Unterschied zu 1,3 und 11,1) bedeuten: „Lage, Zustand, Verfassung“ (BAUER/ALAND, Wörterbuch 1688), ἡ ἀρχὴ τῆς ὑποστάσεως meint entsprechend den Beginn des Christenstandes, und zwar wohl im Sinne des θεμέλιον von 6,1f. und gerade nicht im Sinne einer anfänglichen „Haltung“ (so BRAUN, Hebr 96) oder eines anfänglichen „Vertrauens“ (so MICHEL, Hebr 190) der Christen. 5 2,1–4 wird mit 3,14 durch die Stichwortverbindung mit βέβαιος (2,2), ἐβεβαιώθη (2,3) und βεβαίαν (3,14) in enge Beziehung gesetzt. 6 Dies zeigt die variierende Wiederaufnahme der Stichworte μέτοχοι (6,4, vgl. 5,13: ὁ μετέχων), ἀρχή (5,12; 6,1, vgl. 6,1: θεμέλιον) und τέλος (vgl. 5,14: τελείων, 6,1: ἐπὶ τὴν τελειότητα, 6,11: πρὸς τὴν πληροφορίαν τῆς ἐλπίδος ἄχρι τέλους). 7 So GRÄSSER, Hebr I 322 (6,13–20 sei „Exposé zum Hauptteil“), analog BRAUN, Hebr 149f. (6,13–20 sei „ohne Paränese“, vgl. ebd. 183), ähnlich LANE, Hebr 130.134 („with 6,13 there is a change in literary genre“). WEISS, Hebr 327–329, fasst zwar 5,11– 6,20 zusammen, aber 5,11–6,12 bilde eine Einheit für sich. 8 Analog die Spannung zwischen 10,19 und 10,39. 9 ἡ ἀκοή bedeutet die Hörfähigkeit (1Kor 12,17), den Akt (Mt 13,14), aber auch das Organ (Mk 7,35, hier ebenfalls Plural) des Hörens sowie das Gehörte, die Predigt (Hebr 4,2).
2. Das Ziel der Warnrede Hebr 5,11–6,12
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saten. Sie dient pädagogisch-rhetorischen Zwecken10 und ist daher von der abschließenden Warnung vor einer gefährlichen Abstumpfung her zu lesen und führt auf sie hin (nicht umgekehrt). Die Abstumpfung hat nach dem Urteil des Autors an den „Ohren“ der Hörer bereits begonnen, weswegen seine Darlegungen über Christus, den Hohenpriester, lange und komplex werden müssen: „Man muss sehr deutlich mit ihnen reden, wenn sie verstehen sollen, was man ihnen zu sagen hat“.11 Da der Verfasser „the fact of retrogression and the possibility of apostasy“12 diagnostiziert, also in der beginnenden Ermüdung der Adressaten auf ihrem Glaubensweg bereits erste Anzeichen für den befürchteten Abfall von Gott zu erkennen meint, stellt er der Entfaltung des Hohenpriestertums Jesu Christi (Hebr 7–10) diesen Text voran, der dadurch fast den Charakter einer Prüfung erhält, der sich der Empfänger eines Geheimnisses vor dem Eintritt in das Heiligtum zu unterziehen hat.13 Doch soll der Text nicht alleine den Adressaten durch die Besinnung auf die Anfänge ihres Glaubensweges erneut das Fundament ins Gedächtnis rufen, auf dem sie stehen und das zu verlassen sie in Gefahr sind.14 Indem der Verfasser seinen Lesern die Anfangsunterweisungen (6,1f.) knapp ins Gedächtnis ruft, sie aber dabei mit Etiketten wie „Anfangselemente der Gottessprüche“ (5,12), „Milch“ (5,12f.) sowie „Anfangswort Christi“ und „Fundament“ (6,1) versieht, qualifiziert er die folgenden Ausführungen über Jesus Christus, den Hohenpriester nach der Ordnung Melchisedeks, zugleich als „lange und schwer darzulegende Rede“ (5,11), „feste Speise (5,12) und „Vollkommenheit“ (6,1). Dafür operiert der auctor ad Hebraeos offenbar mit einem aus hellenistischer Pädagogik entstammendem Zweistufenschema,15 in das sein knapper Rekurs auf den christlichen Elementarunterricht in 6,1–3 eingeordnet wird.16 Wenn er in 6,1–3 die Adressaten dann aber faktisch doch als τέλειοι anspricht, da er die Anfangsunterwei10
Vgl. ATTRIDGE, Hebr 157 („a rhetorical move, an ironic captatio benevolentiae“). RIGGENBACH, Hebr 141. 12 ELLINGWORTH, Hebr 301, vgl. ebd. 304: „γεγόνατε implies retrogression: the readers have fallen back“. 13 So die schöne Formulierung von MICHEL, Hebr 231. Vgl. auch ebd. 26: „Offenbar war es Tradition, vor dem Offenbarungsempfang die Würdigkeit des Hörers festzustellen“. 14 LANE, Hebr 139: „The exhortation extended to the community in 6,1–12 is precisely a reminder of that solid foundation“. 15 Sprachlich ausgedrückt u.a. in den folgenden Gegensatzpaaren: νωθροὶ ταῖς ἀκοαῖς/ τὰ αἰσθητήρια γεγυμνασμένα, νήπιος/τέλειος, γαλά/στερεὰ τροφή, τὰ στοιχεῖα τῆς ἀρχῆς τῶν λογίων τοῦ θεοῦ/λόγος δικαιοσύνης usw. 16 ATTRIDGE, Hebr 156: „The pericope basically operates with a dichotomy between fundamental, traditional doctrines, schematically listed in 6,1–2, and advanced teachings, which finally consist of a new reflection on the central and basic Christian doctrine of Christ’s salvific death“. 11
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sung über Christus hinter sich lässt (ἀφέντες), so hat er damit zugleich die folgenden Ausführungen als zur Vollkommenheit führend (ἐπὶ τὴν τελειότητα φερώμεθα) charakterisiert.17 Als „Vollkommene“ muss der Verfasser die Adressaten aber auch deswegen ansprechen, weil sie laut 6,4f. bereits Teilhaber des Heiligen Geistes geworden sind. Ernst Käsemann hat die Funktion dieses Rekurses auf die Initiation in Hebr 5,11–6,12 folgendermaßen beschrieben: „Sind nämlich die Briefempfänger der festen Nahrung noch nicht zugänglich, so steht die Wirksamkeit ihrer Taufe in Frage und dann erscheinen sie als in die Zeit des Anfangsunterrichtes vor der Taufe zurückgeworfen. Da sie aber tatsächlich getauft sind, würde das einen inzwischen erfolgten Abfall vom Christentum, also ein ἀνασταυροῦν bzw. ein παραδειγματίζειν des Gottessohnes voraussetzen und ein ἀνακαινίζειν εἰς μετάνοιαν ausschließen. Weil diese Folgerung absolut zwingend ist, kann und darf der die Empfänger liebende Verfasser sich auf ihre Voraussetzung nicht einlassen und muss allen Befürchtungen zum Trotz und den sichtbaren Ermüdungserscheinungen der Empfänger zum Trotz diese als τέλειοι behandeln und die Anfangsgründe verlassen“.18
Die paränetische Einfügung 5,11–6,12 gehorcht also einer doppelten Pragmatik: Einmal charakterisiert der Autor damit die im Folgenden entfaltete eigene Lehrunterweisung (= den λόγος πολὺς δυσερμήνευτος λέγειν) als „feste Speise“, die zum reifen Erwachsenenalter gehört und zur Vollkommenheit führt, daher der (allgemeinen) christlichen Elementarunterweisung überlegen ist und somit angemessen für „Teilhaber am heiligen Geist“. Zugleich warnt der Autor seine Leser in scharfer Form vor dem Abfall (6,6: παραπεσότας). Denn das durch Umkehr und Glauben gelegte Fundament sowie die bei der Initiation vermittelte Teilhaberschaft am Heiligen Geist können nicht wiederholt, können nicht erneuert werden. Der einzige legitime Weg führt „nach vorne“. Die folgenden Ausführungen zum Hohenpriesteramt Christi und der Heilsbedeutung seines Todes sind dementsprechend nicht einfach nur der Anfangsunterweisung qualitativ überlegen, sondern sie stellen in der Sicht des Verfassers ihre notwendige Konsequenz dar, um die beginnende Abstumpfung und den drohenden Abfall von manchen der Adressaten zu verhindern. Die Teilhaberschaft am Ηeiligen Geist, die im Anschluss an die Anfangsunterweisungen den Beginn des Glaubensweges der Adressaten bedeutet, bildet in der Auffassung des auctor ad Hebraeos also den Punkt, hinter den es kein Zurück mehr gibt. Dieser Beginn des Glaubensweges und damit das Fundament, das bei den Adressaten gelegt ist, wird eingespielt, um die Größe und Fülle der Gaben Gottes – im Bild von 6,7 gesprochen: die 17 18
Vgl. BRAUN, Hebr 157 (zu 6,1): „Darum sollen die Hörer mitmachen“. KÄSEMANN, Gottesvolk 120f.
2. Das Ziel der Warnrede Hebr 5,11–6,12
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Menge des auf die Erde fallenden Regens – mit der Unmöglichkeit der „zweiten Umkehr“ (6,6) zu kontrastieren. Da der Verfasser auf die Spannung zwischen den Gaben Gottes und dem Abfall ausgerechnet derer, die diese empfangen haben, hinaus will, legt es sich für ihn nahe, diesen Sachverhalt unter erneuter Anspielung auf die Wüstengeneration Israels zu schildern (s.u.), wobei er vielleicht auf einen traditionellen Zusammenhang rekurriert. Der Rekurs auf die Taufe steht daher im Dienste von 6,12. Der entscheidende Punkt für den Verfasser ist aber, wie gesagt, der Gedanke der Anteilhabe, ein auch sonst für ihn sehr wichtiges Thema, das in 6,4 aber charakteristisch formuliert wird:19 Die Glaubenden sind diejenigen, die erleuchtet wurden, die die himmlische Gabe, das gute Wort Gottes und die Kräfte des kommenden Äon geschmeckt haben (γευσάμενοι) und die (damit?) zu Teilhabern am heiligen Geist geworden sind (μέτοχοι γενηθέντες πνεύματος ἁγίου). Die den Adressaten am „Anfang“ gewährten Gaben begründen demnach die Teilhabe an der himmlischen Welt, von der im Folgenden viel die Rede ist (9,24 u.ö.). Damit stellt sich aber für die folgende Auslegung des Textes die Frage, an welchem ekklesialen „Vollzug“ der Verfasser die Eröffnung dieser Teilhabe festmacht, an welche rituellen Erfahrungen seiner Adressaten er also appelliert, um diese in seinem Sinne zu codieren und für seine Argumentation in den Dienst zu nehmen. Die Tatsache, dass der auctor ad Hebraeos in diesem Kontext keineswegs von βαπτίζειν, ἀφιέναι τᾶς ἁμαρτίας etc. spricht, hat zu dem Urteil geführt, es sei „völlig abwegig, in 6,4 einen Hinweis auf die Taufe zu finden“.20 Unter Vorwegnahme eines der bei der Auslegung erzielten Ergebnisse ist daher bereits an dieser Stelle zu sagen, dass der Verfasser die Teilhabe am Heiligen Geist nicht mit der Wassertaufe verbindet, zumal diese für ihn aufgrund seines anthropologischen Modells, aber auch aufgrund der in seinem Gesichtsfeld praktizierten Reinigungsrituale offensichtlich ambivalent bleibt und daher für seine Intention nicht einsetzbar ist. Ausgehend von der unbestrittenen Tatsache, dass der Autor den Beginn des Glaubensweges der Adressaten anvisiert (worauf nicht zuletzt die Aoriste hindeuten), stellt sich also die Frage, wie er hier von diesem Beginn spricht und warum er es auf diese Art und Weise tut.
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Vgl. dazu das Wortfeld μετέχειν κτλ. und κοινωνεῖν κτλ. in 2,14; 3,1 (κλήσεως ἐπουρανίου μέτοχοι); 3,14 (μετοχοὶ τοῦ Χριστοῦ); 5,13; 7,13; 10,33 (κοινωνοὶ τῶν οὕτως ἀναστρεφομένων γενηθέντες); 12,8 (Teilhaber an Gottes Züchtigungen); 13,16 (κοινωνίας μὴ ἐπιλανθάνεσθε). 20 So RISSI, Theologie 6.
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3. Auslegung des Textes 3. Auslegung von Hebr 5,11–6,12
3.1 Die Ankündigung einer langen und schweren Rede (Hebr 5,11–14) Hebr 5,11–14 11
a
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b a b
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Darüber21 eine lange und schwer darzulegende Rede22 zu halten23 ist24 es an uns (ἡμῖν), da ihr träge geworden seid (νωθροὶ γεγόνατε)25 an den Ohren (ταῖς ἀκοαῖς). Denn obwohl ihr [bereits] „Gebildete“26 (διδάσκαλοι) sein müsstet wegen der [Länge der verstrichenen] Zeit (διὰ τὸν χρόνον) habt ihr es wieder nötig, dass euch jemand lehrt (τοῦ διδάσκειν ὑμᾶς τινά27) die „Elemente des Anfangs“ der Worte Gottes28 (τὰ στοιχεῖα τῆς ἀρχῆς τῶν λογίων τοῦ θεοῦ), das heißt (καὶ), ihr seid [wieder?] solche geworden, die Milch nötig haben (γεγόνατε χρείαν ἔχοντες γάλακτος) – und nicht feste Speise (οὐ στερεᾶς τροφῆς). Denn jeder (πᾶς), der an Milch teilhat (ὁ μετέχων γάλακτος), ist unerfahren im „Wort der Gerechtigkeit“29 (ἄπειρος λόγου δικαιοσύνης),
Περὶ οὗ kann sich entweder auf den direkt zuvor genannten Melchisedek beziehen (5,10, dann wäre οὗ maskulin), oder auf das Thema des Hohenpriestertums Christi „nach der Ordnung des Melchisedek“, wie es in 5,1–10 und dann in Kap. 7ff. entfaltet wird. WESTCOTT, Hebr 133, betont mit Recht. „The reference to Melchizedek simply appears to be too limited“, daher sei die neutrische Deutung vorzuziehen. 22 Vgl. zu πολὺς λόγος Apg 15,32; 20,2. 23 πολὺς ὁ λόγος und (λόγος) δυσερμήνευτος λέγειν stehen parallel: Die Ausführungen des Autors sind umfangreich, und der Gegenstand, über den er sprechen wird, ist schwer darzulegen. Der epexegetische Infinitiv λέγειν drückt das Ziel aus (vgl. BDR § 393) und zeigt, dass es in 5,11a um die Schwierigkeit der Rede, also wohl i.S. von passenden Formulierungen, und noch nicht um die des Hörens (11b) geht. So auch ELLINGWORTH, Hebr 300. GRÄSSER, Hebr I 322: „Es handelt sich um eine wechselseitige Bedingtheit der Verstehensschwierigkeiten“. 24 Laut RIGGENBACH, Hebr 140, ist ἐστίν zu ergänzen. 25 I.S. von „schwerhörig, denkfaul“. Der Begriff ist in Hebr 5f. durch den Gegensatz zu γεγυμνασμένος (5,14) und σπουδή (6,11f) „eindeutig bestimmt, hat also die Bedeutung gleichgültig, indolent, ohne Initiative und Schneid“ (GRÄSSER, Hebr I 323). 26 So mit Recht GRÄSSER, Hebr I 324. 27 Nicht: τίνα (zur Begründung siehe RIGGENBACH, Hebr 141). 28 KOESTER, Hebr 301, bezieht den Ausdruck οἱ λόγοι τοῦ θεοῦ (vgl. Dtn 33,9f.) auf die heilige Schrift als „oracles of God“, ähnlich LANE, Hebr 140 („a preliminary and insufficient teaching based upon the OT, without specific reference to Christ“). Dann würden die στοιχεῖα τῆς ἀρχῆς τῶν λογίων τοῦ θεοῦ etwas anderes bedeuten als der τῆς ἀρχῆς τοῦ Χριστοῦ λόγος, dessen Elemente in 6,1f. aufgezählte werden. Nur die letzteren bilden das „Fundament“. Anders z.B. RIGGENBACH, Hebr 147, BRAUN, Hebr 152: „γάλα, στοιχεῖα und der τῆς ἀρχῆς τοῦ Χριστοῦ λόγος meinen dasselbe“.
3. Auslegung von Hebr 5,11–6,12 b a
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denn er ist ein Unmündiger (νήπιος, Kind). Dagegen gebührt den Vollkommenen [= den „Reifen“, den Erwachsenen30] die feste Speise (τελείων δὲ ἐστιν ἡ στερεὰ τροφή), [d.h.31] denen, die wegen des [ihres?] Zustandes (τῶν διὰ τὴν ἕξιν32) trainierte Sinnesorgane haben (τὰ αἰσθητήρια γεγυμνασμένα ἐχόντων)33 zur Unterscheidung zwischen gut und böse (πρὸς διάκρισιν καλοῦ τε καὶ κακοῦ).
Im ersten Abschnitt des Textes kündigt der Verfasser Ausführungen über das Hohepriesteramt Christi nach der Ordnung Melchisedeks an, die aufgrund der Abstumpfung seiner Adressaten lange und schwierig darzulegen sind. Der Abschnitt erhält eine gewisse inhaltliche Rahmung, indem der Verfasser zu Beginn das stumpfe Gehör (αἱ ἀκοαί) seiner Adressaten (5,11) und am Ende die „trainierten“ Sinnesorgane der Reifen bzw. Erwachsenen erwähnt, mithilfe derer die Unterscheidung von Gut und Schlecht vonstatten geht (5,14). Doch der Verfasser bemüht nicht alleine die Sinnesorgane, die hier natürlich für ein tieferes Verständnis und nicht alleine für sinnliche Wahrnehmung stehen. Ebenso spielt er den Gegensatz von Milch und fester Speise ein, parallel dazu den von Unmündigen und Reifen. Doch steht die „Stumpfheit der Ohren“ voran: Der Vorwurf der Verfassers, die Adressaten hätten noch immer (oder wieder?) die Elementarbelehrungen nötig, obwohl sie längst fortgeschritten sein sollten, beruht auf 5,11! Der Verfasser beginnt sein „Propädeutikum“34, indem er eine lange und schwer darzulegende Rede ankündigt (5,11a), dann aber sogleich zur „Denkfaulheit“ seiner Adressaten überleitet (11b). Mit V. 11 hat er damit bereits die Spannung markiert, die die folgenden Ausführungen prägt. Das in 4,14–16 und 5,5–10 bereits angedeutete Hohepriesteramt Christi bedarf der umfangreichen und komplexen Ausführungen, nämlich eines λόγος πολὺς καὶ δυσερμήνευτος λέγειν, genauer: eines λόγος τέλειος. 29
RIGGENBACH, Hebr 143f. (analog MICHEL, Hebr 236f.), deutet δικαιοσύνης als hebraisierenden Genitiv an Stelle des Adjektivs: „richtige Rede“ im Sinne von „normaler Rede, wie sie Erwachsenen bei ihrem Verkehr zur Verständigung dient.“ Dagegen aber z.B. LÖHR, Umkehr 170: δικαιοσύνη bezeichne das Rechte, die Rechtschaffenheit (vgl. Hebr 1,9; 11,33, 12,11), die Wendung λόγος δικαιοσύνης demnach „Rede vom rechten Wandel“. 30 THEISSEN, Untersuchungen 59: „die Vollkommenen sind eben die zum Abendmahl zugelassenen Christen“. 31 Epexegetischer Genitiv: Die τέλειοι sind diejenigen, die trainierte Sinnesorgane haben. 32 Vgl. Sir 30,14 und Dan 1,15 LXX. RIGGENBACH, Hebr 143, übersetzt: „da sie ihrer Altersstufe wegen geübte Sinnesorgane haben“. 33 Vgl. Aristoteles, Pol VII 4 (1319a22–23): γεγυμνασμένοι τὰς ἕξεις. 34 GRÄSSER, Hebr I 317.
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V. 12 begründet (γάρ) diese Ankündigung einer langen und schwierigen Rede: Obwohl die Adressaten aufgrund der längeren Gemeindegeschichte inzwischen eigentlich selbst „Lehrer“35 sein müssten, zeigt ihre Abgestumpftheit, dass sie eigentlich nach wie vor die Belehrung über die Anfangselemente des christlichen Glaubens benötigen (διδάσκειν ὑμᾶς), also trotz der verstrichenen Zeit nicht über den Anfangsunterricht hinausgekommen sind. Dass damit der Taufunterricht gemeint ist, ist offensichtlich.36 Dies wird mit dem epexegetisch angeschlossenen V. 12c verdeutlicht: Die Angeredeten sind (wiederum) solche geworden, die Milch und nicht fester Speise bedürfen.37 Keineswegs will aber der Autor seine Leser mit „Milch“ abspeisen, sondern gibt ihnen „feste Speise“, nämlich seine Ausführungen in Hebr 7ff., die aber aufgrund ihrer „Schwerhörigkeit“ lang und umständlich sein werden. Auch Erich Gräßer weist mit Recht darauf hin, dass der auctor ad Hebraeos seinen Adressaten im Folgenden keineswegs „Milch“ vorsetzt, sondern eben doch „feste Speise“, d.h. den in 5,11 angekündigten πολὺς λόγος καὶ δυσερμήνευτος λέγειν. Über die „Milch“, d.h. doch wohl die in 6,1f. angesprochene Elementarunterweisung, geht er schnell hinweg. Der Autor bedient sich also einer rhetorischen Technik, sein Tadel ist nicht ganz ernst gemeint.38 Laut H. Löhr will der Hebr der mangelnden Erkenntnis durch fortschreitende Belehrung aufhelfen, nicht durch schulmeisterndes Wiederholen der Anfangsgründe des Glaubens. Entsprechend verstehe er „die Darbietung seiner Hohepriesterauffassung als neue Lehre, eine Vertiefung und Neufassung des Bekenntnisses“.39
Indem der Autor mit V. 13f. in Form eines allgemeinen Grundsatzes (πᾶς) vom theoretischen zum praktischen Aspekt hinüberwechselt, bereitet er das versöhnliche Ende in 6,12 bereits vor.40 Gleichzeitig führt er eine neue Me-
35
Überzeugend dazu GRÄSSER, Hebr I 324, laut dem διδάσκαλος hier unjüdisch gedacht ist und ganz allgemein „Menschen mit einem bestimmten Bildungsgrad“ meint und somit „als Metapher für Bildung gebraucht“ ist „wie umgekehrt νήπιος für Ungebildetheit“. Der auctor ad Hebraeos spricht hier (nur) deshalb von διδάσκαλοι, um das πάλιν χρείαν ἔχετε τοῦ διδάσκειν ὑμᾶς zu kontrastieren. Der Ausdruck ist daher ganz von 12b her zu verstehen, es geht auch nicht darum, dass die Angeredeten „wenigstens die Anfangsgründe lehren können“ (so aber BRAUN, Hebr 151). 36 BRAUN, Hebr 152; THEISSEN, Untersuchungen 55. 37 Zu diesem Motivzusammenhang vgl. 1Kor 3,1f.; Eph 4,13f.; 1Petr 2,2. 38 GRÄSSER, Hebr I 325. In dieselbe Richtung geht auch LANE, Hebr 135: „he clearly regarded his readers as mature. (…) Consequently, the portrayal of them as infants who have to be nurtured with milk is not an actual description of some or of all members of the community. It is irony, calculated to shame them“. 39 LÖHR, Umkehr 168. 40 GRÄSSER, Hebr I 331. Vgl. WESTCOTT, Hebr 134: „As yet however this dulness had not extended to action though such an issue was not far off“.
3. Auslegung von Hebr 5,11–6,12
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tapher, die der athletischen Übung (γυμνάζειν), ein. Die τέλειοι sollen durch „trainierte“ Sinnesorgane gut und schlecht unterscheiden können.41 3.2 Das Fundament (Hebr 6,1–3) Hebr 6,1–3 1
a
2
b c d e a
3
b c d a b
Deswegen (διό), indem wir „das Wort des Anfangs über42 Christus“ [unbehandelt43] lassen (ἀφέντες τὸν τῆς ἀρχῆς τοῦ Χριστοῦ λόγον), wollen wir uns der „Reife“44 zuwenden (ἐπὶ τὴν τελειότητα φερώμεθα); denn wir legen nicht erneut ein Fundament (μὴ πάλιν θεμέλιον καταβαλλόμενοι) der Abkehr von toten Werken (μετανοίας ἀπὸ νεκρῶν ἔργων) sowie des Glaubens an Gott (καὶ πίστεως ἐπὶ θεόν), der Lehre45 über die Taufen (βαπτισμῶν διδαχῆς) und über die Auflegung der Hände (ἐπιθέσεώς τε χειρῶν) und über die Auferstehung der Toten (ἀναστάσεώς τε νεκρῶν) sowie über das ewige Gericht (καὶ κρίματος αἰωνίου). Und dies [καὶ τοῦτο = die Zuwendung zur „Reife“ 1b] werden wir tun (ποιήσομεν), wenn Gott es zulässt.
Der Anschluss mit διό („deshalb, daher, deswegen“) überrascht zunächst. Zuvor, in 5,11–14, hatte der Autor den Eindruck erweckt, dass er seine Adressaten für „Unmündige“ hält, die der „Milch“ des christlichen Elementarunterrichts bedürften und die die „feste Speise“ der Vollkommenheitslehre nicht vertrügen. Doch zeigt 6,1–3, dass dem nicht so ist. Tatsächlich zählt er in 6,1f. offensichtlich die erwähnten στοιχεῖα τῆς ἀρχῆς τῶν λογίων τοῦ θεοῦ bzw. die Grundelemente des τῆς ἀρχῆς τοῦ Χριστοῦ λόγος auf,46 aber nur um im selben Atemzug zu betonen, diese nicht weiter
41
Vgl. LÖHR, Umkehr 169f. mit Anm. 181. Genitivus objectivus: LÖHR, Umkehr 175. 43 Zum rhetorischen Topos „ein Thema liegenlassen“ BRAUN, Hebr 157; ELLINGWORTH, Hebr 311. 44 ELLINGWORTH, Hebr 312: „Maturity“ (Kontrast zu νήπιος). LÖHR, Umkehr 175: „Vollkommenheitslehre“. 45 Anders SEEBERG, Katechismus 251f., LANE, Hebr 132.140, ATTRIDGE, Hebr 163; sowie BRAUN, Hebr 160, die διδαχήν statt διδαχῆς lesen und daher das „Fundament“ nur auf Umkehr und Glauben beziehen. Überzeugend für διδαχῆς plädieren RIGGENBACH, Hebr 149, und LÖHR, Umkehr 176. ELLINGWORTH, Hebr 314: „A final decision is impossible“. 46 BRAUN, Hebr 157. 42
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zu behandeln und sich der „Vollkommenheit“ zuzuwenden.47 „Der rhetorische Duktus der Darlegungen (und nicht etwa eine negative Hörerbeurteilung!) erfordert die Weglassung der Grundlehre. Von der ersten Zeile an hat unser Verf. nur die Absicht, die Vollkommenheitslehre vorzutragen“.48 An die Grundlehren soll nur erinnert und diese sollen dadurch vergegenwärtigt werden.49 Daher steht die zentrale Aussage von 6,1 im Hauptsatz 1b: „the exortation to progress“50. Der wohl auf Überlieferung zurückgehende51 „Katechismus“ besteht zunächst aus dreimal zwei Begriffspaaren. Das erste Paar (Abkehr von toten Werken und Glauben an Gott52) bezieht sich auf den Beginn des Glaubensweges, also die „Bekehrung“,53 das zweite Paar (Lehre über die „Taufen“ und die Auflegung der Hände) auf die Initiation in die Gemeinde,54 das dritte Paar (Lehre über die Totenauferstehung und das ewige Gericht) auf die „letzten Dinge“: „The six items listed in 6,1–2 span the journey of faith from initial repentance to final judgement.“55 Das erste Element des Katechismus, μετάνοια, wird dann in 6,6 wieder aufgenommen: eine wiederholte „Erneuerung zur Umkehr“ ist unmöglich. Da τε enger verbindet als καί,56 scheinen das erste Paar (verbunden mit καί) und die beiden letzten Paare (verbunden mit τε–τε–καί) untereinander verbunden, während das erste und das zweite Paar keine Verbindung auf47
Zur Überlegenheit der τελειότης über die μετάνοια vgl. Philo, Abr 26, sowie die bei BRAUN, Hebr 158 genannten Stellen. 48 GRÄSSER, Hebr I 333. 49 LÖHR, Umkehr 173. 50 WESTCOTT, Hebr 144. 51 Darauf gibt es einige Hinweise (vgl. auch ATTRIDGE, Hebr 164). Zunächst ist die jüdische (judenchristliche) Prägung des Katechismus überhaupt ein Hinweis auf Überlieferung (WEISS, Hebr 336f.). Außerdem spricht der Hebr sonst nie von einer ἀνάστασις νεκρῶν, sondern „sagt die Sache mit ‚Stadtʻ und ‚Vaterlandʻ aus 11,10.15. Seine dualistische Einstellung auf das Himmlische hindert ihn, vom Auferstehungs-σῶμα bei Jesus oder den Christen zu sprechen“ (BRAUN, Hebr 162). 52 Die Formulierung mit ἐπί (πίστις ἐπὶ θεόν) impliziert eine Bewegung auf Gott hin, mit Gott als Ziel. Vgl. KOESTER, Hebr 310: „Repentence means turning away from sin, while faith means turning to God“. 53 Die Formulierung μετανοίας ἀπὸ νεκρῶν ἔργων deutet darauf hin, dass v.a. die Bekehrung von Heiden im Blick ist (so auch BRAUN, Hebr 160; GRÄSSER, Hebr I 338, Belege ebd.). 54 Ähnlich GRÄSSER, Hebr I 344. 55 KOESTER, Hebr 311. In diese Richtung auch LÖHR, Umkehr 181, laut dem die ersten beiden Paare „in irgendeiner Weise mit dem Beginn des christlichen Glaubens und dem Eintritt in die Glaubensgemeinschaft“ zu tun haben, das letzte Paar dagegen „ein Stück Lehre über das von allen erwartete Ende“ bietet. 56 Vgl. BDR § 443.
3. Auslegung von Hebr 5,11–6,12
351
weisen (1+2). Das erste Begriffspaar ist also von θεμέλιον abhängig, das zweite und dritte dagegen von διδαχῆς.57 Das „Fundament“, das der Verfasser nicht erneut zu legen beabsichtigt, aber dennoch aufzählt, besteht also aus drei Elementen: μετάνοια, πίστις58 und διδαχή, d.h. aus der Abkehr von den toten Werken, dem Glauben an Gott und der (anschließenden59) Belehrung der Neubekehrten, womit wohl auf den (präbaptismalen) Katechumenenunterricht angespielt ist. Als Inhalt dieser διδαχή wiederum nennt der auctor ad Hebraeos zwei Paare, wobei sich das erste Paar offenbar auf die Initiation in die Gemeinde („Taufen“ bzw. Waschungen sowie Handauflegung60), das zweite Paar dagegen auf die sog. „Letzten Dinge“ (Totenauferstehung und ewiges Gericht) bezieht. Auffällig ist, dass das Gericht den Schlusspunkt bildet (vgl. 9,27 sowie 10,26–31), womit die direkt folgende Warnung 6,4–6 bereits angedeutet sein dürfte. Im Unterschied zu den anderen Elementen der Anfangsunterweisung geht es im Falle von „Taufen“ und Handauflegung also konkret darum, wie bestimmte rituelle Vollzüge zu verstehen sind. Dass der Verfasser im Falle der „Taufen“ dabei denselben Begriff benutzt wie im Falle von Waschungen des ersten Bundes, ist dabei aufschlussreich (s.u.): Alte und neue Heilsordnung verbindet die – im Falle der ersteren ja in der Tora angeordnete und geregelte – Praxis von βαπτισμοί. Das, was die christlichen „Taufen“ von den jüdischen unterscheidet, wird offenbar in der Lehre dargelegt und könnte mit dem Stichwort „Handauflegung“ angedeutet sein, das ja zudem im Singular steht. Inhaltlich dürfte dieses Unterscheidende auch in 10,22 greifbar sein (s.u.). Dass dieser Katechismus nichts „spezifisch Christliches“ (aber auch nichts „spezifisch Jüdisches“) enthält und ein Zusammenhang mit einem jüdischen Proselytenkatechismus bestehen könnte, wurde oft beobachtet.61 Parallelen dazu sind Barn 18–20 und Did 1–6.
57
So auch THEISSEN, Untersuchungen 53f.; WEISS, Hebr 336; GRÄSSER, Hebr I 337; BRAUN, Hebr 160 (im Anschluss an Seeberg, Riggenbach, Wilckens und Thüsing): Die vier letzten Stücke der Fundamentalunterweisung hängen alle von „Lehre“ ab. 58 Zum Beieinander von μετάνοια und πίστις vgl. Mk 1,15; Apg 17,30f.; 20,21. 59 THEISSEN, Untersuchungen 53f.: „Dass διδαχή nicht schon bei den ersten zwei Gliedern steht, hat wohl seine Bedeutung, wenn man bedenkt, dass die Glieder eine zeitliche Reihenfolge implizieren; Bekehrung und Glaube an Gott sind schon vorausgesetzt, ehe der Unterricht beginnt – wer sollte an ihm auch sonst Interesse haben?“ 60 Damit könnte (!) auf die Geistverleihung angespielt sein, vgl. Apg 8,17.19; 9,17; 19,6 (RIGGENBACH, Hebr 150). LÖHR, Umkehr 180, vermutet einen die Taufe begleitenden Akt. 61 Vgl. BRAUN, Hebr 157; GRÄSSER, Hebr I 334–336. ELLINGWORTH, Hebr 313. „Such a sharp dichotomy is alien to a Jewish Christian writing mainly to readers in the same tradition“. Ausführlich LÖHR, Umkehr 181–187.
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XIII. Die Taufeucharistie im Hebräerbrief
In 6,1f. wird also das Fundament nicht erneut gelegt, wohl aber wird an das Fundament erinnert! Mit Recht bemerkt daher Craig Koester: „Despite chiding them for needing milk, he proceeds to give them solid food. At the same time, he does not refrain from the basics altogether, and by listing the teachings he is not going to review (6,1b–2), he actually brings these teachings to mind“.62 Die Erinnerung dient dazu, die folgenden Ausführungen über die in der Initiation in die Gemeinde grundgelegte „Teilhaberschaft am Heiligen Geist“ vorzubereiten. Zuvor stellt der Autor aber noch sein Vorhaben unter den Willen Gottes (6,3).63 τοῦτο ποιήσομεν bezieht sich konkret auf ἐπὶ τὴν τελειότητα φερώμεθα von 6,1b.64 „Den das θεμέλιον übersteigenden λόγος τέλειος wollen wir unter Vorbehalt der permissio Dei behandeln – nämlich in c. 7“.65 Doch schreitet der Autor noch nicht direkt zur Vollkommenheitslehre weiter, sondern fügt noch eine scharfe Warnung an, die sich aus den bisherigen Ausführungen ergibt.
Exkurs: Das Verständnis der Wassertaufe(n) im Hebräerbrief Exkurs: Wassertauf(n) im Hebr
Bevor wir mit der Auslegung von Hebr 6,4–6 fortfahren können, ist es nötig, im Anschluss an das eben Dargelegte das vom auctor ad Hebraeos vertretene Verständnis der Wassertaufe zu skizzieren. Dabei ist beim eigentümlichen Sprachgebrauch des Verfassers anzusetzen, der in Hebr 6,2 den Terminus βαπτισμοί im Kontext der „Anfangsworte über Christus“ benutzt. Eine crux stellt dabei die Pluralform dar, die eine ganze Reihe von nicht überzeugenden Deutungsvorschlägen generiert hat.66 Hinzu kommt 62 KOESTER, Hebr 310. Koester sieht eine Paralelle zur rhetorischen paralepsis oder praeteritio (Rhet. ad Her. 4.27 §37). Analog LANE, Hebr 139. Zu den Verbindungslinien zwischen dem „Katechismus“ 6,1f. und dem Rest des Briefes vgl. ebd. 140. Laut Lane dienen die folgenden Kapitel des Hebr dazu, „the christological structure of the foundation“ zu explizieren. 63 So mit Recht LANE, Hebr 140f.: „The development of the christological structure of the foundation articles as well as the attainment of the goal of spiritual maturity places both the writer and his audience in dependence upon the blessing of God“. 64 ELLINGWORTH, Hebr 317; WEISS, Hebr 339, RIGGENBACH, Hebr 154, ebenso ATTRIDGE, Hebr 165: „The demonstrative τοῦτο must refer back to the main verb“. Anders, aber nicht überzeugend SEEBERG, Katechismus 256f. 65 GRÄSSER, Hebr I 343. 66 Diskutiert werden in der Literatur die Unterscheidung von Wasser- und Geisttaufe (so SEEBERG, Katechismus 2543f., THEISSEN, Untersuchungen 55; BERGER, Theologiegeschichte 135), „teaching about the distinction between Christian baptism and Jewish proselyte baptism“ (so ELLINGWORTH, Hebr 315) bzw. „distinction between Christian baptism and pagan lustration rites or, more likely, Jewish rituals of purification, including John’s baptism“ (so ATTRIDGE, Hebr 164, ähnlich WESTCOTT, Hebr 147f., RIGGEN-
Exkurs: Wassertauf(n) im Hebr
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die befremdliche Tatsache, dass der Verfasser in 9,10 mit demselben Terminus – und ebenfalls im Plural – die von der Tora vorgeschriebenen jüdischen Reinigungsvollzüge bezeichnet. In 9,1–10 zählt der auctor ad Hebraeos nämlich δικαιώματα des ersten Bundes für den Kult und das Heiligtum auf, darunter bemerkenswerterweise auch das Manna (9,4, s.u.). Der Verfasser sieht die Grenze des am irdischen Tempel vollzogenen Kultes darin, dass die hier dargebrachten Gaben und Opfer denjenigen, der diesen Kult vollzieht, nicht im Hinblick auf sein Gewissen (συνείδησις) vollkommen machen können. Denn es handele sich hierbei um δικαιώματα σαρκός über Speisen und Getränke sowie diverse Waschungen (διαφόροις βαπτισμοῖς). Dabei spricht der Hebr dem irdischen Kult aber keineswegs jede Wirksamkeit ab, vielmehr begrenzt er diese auf den Bereich des „Fleisches“, ein Begriff, der im Hebr weniger negativ als vielmehr „limitierend“ gemeint ist:67 Laut 9,13 verhelfen das Blut der Böcke und Stiere sowie die Asche der Roten Kuh nämlich zur „Reinheit des Fleisches“ (πρὸς τὴν τῆς σαρκὸς καθαρότητα) der Befleckten – und das ist durchaus ernst gemeint. Die genannte lexikalische Übereinstimmung zwischen 6,2 und 9,10 ist nun ein klarer Hinweis darauf, dass der auctor ad Hebraeos das, was später als „die christliche Taufe“ bezeichnet wird, ganz im Kontext ritueller Waschungen und Lustrationsriten versteht,68 diese Vollzüge vor allem aber in seine „dual strukturierte“ Anthropologie eingepasst hat. Diese Interpretation lässt sich anhand von 10,21f. weiter begründen: Hebr 10,19–22 19
a
21 22
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BACH,
Weil wir nun haben, Brüder, Freimut (ἔχοντες οὖν, ἀδελφοί, παρρησίαν) (…) sowie einen Hohenpriester über das Haus Gottes, so lasst uns hinzutreten (προσερχώμεθα) mit wahrhaftigem Herzen in der Fülle des Glaubens, als solche, denen die Herzen besprengt wurden (ῥεραντισμένοι τὰς καρδίας), (und so) weg vom schlechten Gewissen (ἀπὸ συνειδήσεως πονηρᾶς), und als solche, denen der Leib gewaschen wurde mit reinem Wasser (καὶ λελουσμένοι τὸ σῶμα ὕδατι καθαρῷ).
Hebr 151), sowie ein früher Hinweis auf das dreimalige Untertauchen bzw. Begießen des Hauptes (vgl. Did 7, so BRAUN, Hebr 161). 67 So LÖHR, Anthropologie 180, laut dem dem Begriff σάρξ im Hebr „nicht so sehr ein pejorativer als vielmehr ein limitierender Aspekt“ innewohnt. Vgl. weiter ebd. 183 sowie GRÄSSER, Hebr II 140. 68 GRÄSSER, Hebr I 341, vermutet Waschungen, die sich an die Taufe anschlossen und auch weiterhin beibehalten wurden. KARRER, Hebr II 40, verweist auf „Reinigungsvielfalt im Judentum und frühen Christentum“ (unter Hinweis auf Tertullian, orat. 13 sowie PsClem, Hom 10,1 und 11,1).
354
XIII. Die Taufeucharistie im Hebräerbrief
Dass es in 10,22 um die Taufe, genauer: dass es in 10,22c um die Wassertaufe geht, ist unbestritten.69 Dann fällt aber die hier vorgenommene Unterscheidung von καρδία bzw. συνείδησις und σῶμα ins Auge,70 im Zuge derer die Wassertaufe eindeutig dem σῶμα zugeordnet wird: Dieses sei „gewaschen (gebadet) mit reinem Wasser“ (vgl. Ez 36,25). Wie aber hängen dann „Besprengung“ des Herzens und „Waschung“ des Leibes zusammen?71 Laut H. Braun werden in 10,22bc „die beiden Seiten der Taufe“ angesprochen, wobei „die geistliche Wirkung“ wichtiger sei und daher voran stehe. Mit Recht unterscheidet er anhand der Begrifflichkeit die innere von der äußeren Wirkung der Taufe,72 erstere richtet sich auf καρδίαι bzw. συνείδησις, letztere auf das σῶμα. Im Anschluss daran hat G. Gäbel dann überzeugend dargestellt, dass äußere und innere Reinigung im Sinne des Hebr nicht auf zwei verschiedene Akte verteilt sind, sondern auch die innere Reinigung dem Taufakt zugeordnet ist, was der Hebr mit dem Rekurs auf das Reinigungsritual von Num 19 ausdrücke.73 Demnach spricht der auctor ad Hebraeos der Wassertaufe der Adressaten – analog zu den Waschungen im „ersten Bund“ – eine auf den Leib bzw. das Fleisch bezogene, begrenzte Wirksamkeit zu. Tatsächlich ist die „Waschung“ des Leibes mit reinem Wasser eine notwendige Bedingung für das „Hinzutreten“,74 doch entscheidend ist die „Herzensbesprengung“.75 Mit dieser Metapher rekurriert der Verfasser auf 9,13f. sowie auf 12,24: „Besprengt“ wurden die Herzen der Glaubenden mit dem Blut Christi. G. Gäbel dazu: „Wie der innere Aspekt der Anthropologie dem himmlischen
69 Vgl. MICHEL, Hebr 346; WEISS, Hebr 529f., charakterisiert den Vers als „Tauferinnerung“. Zum Ganzen vgl. v.a. GÄBEL, Kulttheologie 387f. 70 Vgl. GRÄSSER, Hebr III 23: In 10,22 werden zwei Konditionen für das προσέρχεσθαι formuliert, allerdings wendet sich Gräßer m.E. fälschlicherweise gegen eine „dichotomische“ Exegese. 71 Vgl. dazu GÄBEL, Kulttheologie 388, und weiter: „In welchem Sinne kann im Blick auf die Taufe von einer Besprengung die Rede sein; wie verhält sich diese metaphorische Aussage zum konkreten Taufvollzug?“ 72 Dazu BRAUN, Hebr 310f., ebenso GÄBEL, Kulttheologie 386f. Allerdings denkt der Hebr laut Braun „bei der ja einmaligen Taufe (…) kaum ernsthaft an eine bloß kultischäußerliche Reinigung“, doch verbaut sich Braun hier mit seiner Auslegung von 6,2 (βαπτισμοί = dreimaliges Untertauchen bei der Taufe, s.o.) den Blick. 73 GÄBEL, Kulttheologie 391. 74 Das zeigt auch der alttestamentliche Hintergrund der Formulierung: vgl. dazu v.a. Lev 16,4 LXX (Ex 29,4). 75 Vgl. RIGGENBACH, Hebr 318: Die Taufe „stünde (…) auf einer Stufe mit den rituellen Waschungen des Judentums und gehörte also zu den δικαιώματα σαρκός 9,10, wenn sie nichts anderes als eine Reinigung des Leibes wäre“.
Exkurs: Wassertauf(n) im Hebr
355
Heiligtum zugeordnet ist, so erfährt das Herz des Menschen seine Reinigung durch das im himmlischen Jerusalem redende αἷμα ῥαντισμοῦ“.76 Mit Recht deutet Gäbel an, dass die genannten Ausführungen des Hebr zur Wassertaufe nur auf dem Hintergrund einer entsprechenden Anthropologie verständlich werden. Hier kommt nun insbesondere Hermut Löhr das Verdienst zu, die „anthropologische Anschauung“ des Hebräerbriefes einer eingehenden Analyse unterzogen und dabei deren grundlegende Bedeutung für das Verständnis des Briefes herausgearbeitet zu haben. Löhr zeigt, dass sich der Verfasser des Briefes insbesondere im Hinblick auf die Paraklese einer „dichotomischen Anthropologie“ bedient.77 In entscheidenden Passagen unterscheide der Verfasser – bei variabler Begrifflichkeit – eine „äußerliche Sphäre“ von der „Wesensmitte“ des Menschen, ohne eine ausdifferenzierte und terminologisch fixierte Anthropologie vorzulegen. Zugleich würden unterscheidende anthropologische Termini (wie z.B. σάρξ und σῶμα einerseits, πνεῦμα, καρδία, ψυχή und συνείδησις andererseits) metonymisch für zwei Heils- und Kultordnungen und ihre Wirksamkeit verwendet.78 Zu 10,22 schreibt Löhr daher treffend: „Die für den Zugang zum heiligen Bereich notwendige Reinheit ist umfassend; sie betrifft den ganzen Menschen in voneinander unterschiedenen Dimensionen: Reines Herz sowie reines σῶμα sind notwendig und möglich. Der Mensch ist so andererseits nicht ganz σῶμα, dieser Begriff bezeichnet vielmehr nur einen und, bedenkt man die Gegenüberstellung zu καρδία und συνείδησις (vgl. 9,13f.), den eher äußerlichen Aspekt des Menschen. Wiederum ist kein scharfer Dualismus, wohl aber eine dichotomische Anthropologie impliziert“.79 Im Anschluss an Löhr kann man daher sagen, dass der Hebräerbrief die christliche Wassertaufe – analog zu den Waschungen des ersten Bundes – dem äußerlichen Aspekt des Menschen zuordnet. Die Wassertaufe „rei76
GÄBEL, Kulttheologie 386. RIGGENBACH, Hebr 317, deutet die Formulierung treffend als bildlichen Ausdruck für die persönliche Zuwendung der in Christi Sterben erfolgten Sündensühne, d.h. für die Zuteilung der Sündenvergebung an den Einzelnen. 77 Dazu auch LÖHR, Anthropologie 186: Die erkennbare anthropologische Dichotomie des Hebr werde nirgendwo zu einer dualistischen Anthropologie konstruiert. Auch GRÄSSER, Hebr II 139, stellt eine Verbindung her zwischen der in 9,9f. entfalteten „Zwei-Zelte-Theorie“ und einem anthropologischen Dualismus – den er allerdings für die Auslegung z.B. von 10,22 leider nicht anwendet. 78 LÖHR, Anthropologie 183. Ebd. 185f. der Hinweis, dass der Hebr die anthropologisch differenzierende Begrifflichkeit einsetzt, um „einerseits Begrenzungen, andererseits Ausrichtung und Bezüge des Menschen“ zu beschreiben. Dies führt er ebd. 195–199 weiter aus. Laut Löhr öffnet die eine dichotomische Anthropologie implizierende Begrifflichkeit das Bild des Menschen hin zur Transzendenz. 79 LÖHR, Anthropologie 185. Löhr bemerkt ebd. mit Recht, dass im Hebr weder σῶμα noch ψυχή jeweils metonymisch für den ganzen Menschen steht.
XIII. Die Taufeucharistie im Hebräerbrief
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nigt“ den Leib des Menschen, macht ihn kultfähig. Herz und Gewissen dagegen bedürfen der „Besprengung“ mit dem sühnenden Blut Jesu. Mit den Worten Gäbels: „Die innere, eschatologische Reinigung macht die Taufe einmalig und unwiederholbar. Das unterscheidet sie von allen anderen Reinigungsvollzügen“.80 Und weiter: „Hebr vertritt die einmalige Taufe (…) und weiß daneben von Tauchbädern (βαπτισμοί 6,2), welche von den Adressaten praktiziert werden. Diese werden zum Stoff der elementaren Anfangsunterweisungen gezählt. Ihr Wert ist gering (vgl. 9,10). (…) Die Taufe reinigt den Leib und das Herz. Der Bezug auf den inneren Aspekt der Anthropologie, das Herz/Gewissen, zeichnet sie vor anderen Reinigungsvollzügen aus“.81 3. Auslegung von Hebr 5,11–6,12
3.3 Die Unmöglichkeit einer erneuten Umkehr (Hebr 6,4–6) Hebr 6,4–6 4
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5
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6
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Denn es ist unmöglich (ἀδύνατον γὰρ), diejenigen, die einmal erleuchtet wurden (τοὺς ἅπαξ φωτισθέντας) und geschmeckt haben die himmlische Gabe (γευσαμένους τε τῆς δωρεᾶς τῆς ἐπουρανίου), und die (damit?) Teilhaber wurden am Heiligen Geist (καὶ μετόχους γενηθέντας πνεύματος ἁγίου), und die das gute Wort Gottes geschmeckt haben (καὶ καλὸν γευσαμένους θεοῦ ῥῆμα) samt den Kräften des kommenden Äons (δυνάμεις τε μέλλοντος αἰῶνος), die aber [dann] abgefallen sind (καὶ παραπεσόντας), [diese] wieder zu erneuern zur Umkehr (πάλιν ἀνακαινίζειν εἰς μετάνοιαν), die doch [damit] kreuzigen sich zum Schaden den Gottessohn (ἀνασταυροῦντας82 ἑαυτοῖς83 τὸν υἱὸν τοῦ θεοῦ), und ihn zum Gespött machen (καὶ παραδειγματίζοντας).
3.3.1 Analyse Wir haben ein einziges Satzgefüge vor uns. Der Hauptsatz, ein von ἀδύνατον abhängiger AcI, steht in 4a.6b: „Denn es ist unmöglich, diejeni80
GÄBEL, Kulttheologie 391. GÄBEL, Kulttheologie 400. 82 Das Kompositum ἀνα-σταυροῦντας muss nicht „erneut kreuzigen“ heißen (Belege für die Bedeutung „kreuzigen“ bei ATTRIDGE, Hebr 171 Anm. 63; LÖHR, Umkehr 208); ἀνά meint nicht Wiederholung (dies wäre πάλιν, vgl. 6,6b), sondern verstärkt vielleicht den Aspekt des „Hinaufgezogenwerdens“ bei der Aufrichtung des Kreuzes. 83 Dativus incommodi. Zum Ganzen treffend LÖHR, Umkehr 209: „Der Abfall stellt eine direkte, persönliche, aber unheilvolle Beziehung zwischen dem Apostaten und Jesus her“. 81
3. Auslegung von Hebr 5,11–6,12
357
gen, die einmal erleuchtet wurden […], wieder zur Umkehr zu erneuern.“ Dem partizipialen Akkusativobjekt τοὺς ἅπαξ φωτισθέντας sind zunächst drei weitere Partizipien im Aorist beigeordnet: γευσαμένους, μετόχους γενηθέντας, γευσαμένους. Diese vier Partizipialbestimmungen stehen dem fünften Partizip παραπεσόντας kontrastierend gegenüber, mit ihnen beschreibt der Verfasser die Größe der Heilsgaben Gottes und die Festigkeit des durch Umkehr und Glauben, durch Taufe und Handauflegung (vgl. 6,1f.) erreichten Fundaments. Treffend formuliert Erich Gräßer: „[N]achdem Hebr mit vier Partizipien die Höhe und Größe des Gnadenstandes geschildert hat, nennt er das eine Partizip, das ihn mit einem Schlage null und nichtig werden lässt: καὶ παραπεσόντας“.84 Die vier genannten Partizipien sind durch τε–καί–καί–τε verbunden.85 Im Vergleich mit καί zeigt τε eine engere Zusammengehörigkeit an,86 demnach bildet 4bc einen ersten, zusammengehörigen Ausdruck: Die einmalige Erleuchtung gehört mit dem Kosten der himmlischen Gabe zusammen. Der dritte Partizipialausdruck 4d (μετόχους γενηθέντας πνεύματος ἁγίου) ist dann mit καί angeschlossen. Da der Verfasser hier zugleich das ihm auch sonst wichtige Sprachspiel von Teilhabe und Gemeinschaft (μέτοχοι)87 bemüht, dürfe er sein eigentliches Anliegen in dem von ihm bevorzugten „Sprachspiel“ formulieren. Das καί wird also explikativ zu verstehen sein. Richtig M. Rissi: „Die ersten beiden Begriffe und die beiden letzten werden durch ein enklitisches τε zusammengebunden, während das dritte, mittlere Glied nach hinten und vorn mit καί herausgehoben wird: Der Heilige Geist. Die zentrale Stellung des Geistes verleiht diesem offensichtlich besondere Bedeutung und erklärt die ihm vorangestellten und nachfolgenden Gaben: sie sind vom Geist gewirkt. Durch den Geist wird erlebt, was diese vier Wirklichkeiten anzeigen“.88
Der nur beim ersten Partizip stehende Artikel τούς dürfte sich wie auch das ἅπαξ auf alle vier folgenden Partizipien beziehen.89 Nichts im Text deutet darauf hin, dass die weiteren Glieder die „Konsequenzen“ aus der Erleuchtung darlegen.90
84
GRÄSSER, Hebr I, 354. Zu den verschiedenen Möglichkeiten der Koordination und Subordination vgl. WESTCOTT, Hebr 149. 86 Vgl. BDR § 443 mit den Beispielen Joh 4,42; 6,18; Apg 2,37.40 etc. RIGGENBACH, Hebr 155, nennt noch Hebr 1,3. 87 Hebr 1,9; 2,14; 3,1.14; 5,13; 7,13; 12,8. 88 RISSI, Theologie 5. 89 GLEASON, Old Testament 76 mit Anm. 48f. 90 So aber GRÄSSER, Hebr I 350. 85
358
XIII. Die Taufeucharistie im Hebräerbrief
3.3.2 Die Wüstengeneration Israels in 6,4–6 Die in 6,1–3 gemachte Ankündigung, sich der τελειότης zuzuwenden und nicht erneut ein Fundament zu legen, wird in 6,4–6 mit der Unmöglichkeit einer erneuten Umkehr begründet (γάρ).91 „Der Verzicht auf einen erneuten Elementarunterricht hängt eng zusammen mit der Unmöglichkeit, aufs Neue mit der Umkehr zu beginnen, wenn man ‚gefallenʻ ist“.92 Eine Wiederholung der Grundlegung wäre also sinnlos, weil es nur eine einmalige Erneuerung zur Umkehr (ἀνακαινίζειν εἰς μετάνοιαν) geben kann: „Man vollzieht sie einmal und dann für immer. Tritt man davon zurück, so gilt auch dies für immer“.93 Nicht zuletzt aufgrund der Stichwortverbindung mit μετάνοια (6,1/6) sowie des grundlegenden Gegensatzes zwischen ἅπαξ und πάλιν ist klar, dass es nach wie vor um die Anfänge des Glaubensweges geht.94 Ziel des Abschnitts ist also nicht in erster Linie die Ablehnung der sog. „zweiten Buße“, vielmehr steht diese ganz im Dienst der Einschärfung des gelegten Fundaments, die wiederum den Ausgangspunkt für den λόγος τέλειος bildet. Der Rekurs auf das ἅπαξ der Initiation dient also als eine Art Folie, auf der die Warnung vor dem Abfall (παραπίπτειν) umso eindringlicher ausfällt. Die Adressaten werden pointiert als Menschen beschrieben, die in einem menschliche Möglichkeiten weit übersteigenden Maße von Gott mit überwältigenden Gaben beschenkt wurden. Entscheidend hierbei ist: Da das Ziel des Abschnittes die Warnung vor dem Abfall von Gott ist (s.o.), lag es für den Autor nahe, die zu Beginn des Glaubensweges gewährten Heilsgaben nicht mit den „klassischen“ Termini zu beschreiben, sondern bei ihrer Formulierung auf die Gaben Gottes an Israels Wüstengeneration anzuspielen. Wir haben demnach in Hebr 6,4–6 den nach 3,7–4,13 zweiten Rekurs auf die Exodusgeneration im Hebräerbrief vor uns! Hatte der Verfasser dort die gegenwärtige Situation der Glaubenden „in typologischer Entsprechung zu der der Wüstengeneration“ gesehen95 und dies als eine
91 BRAUN, Hebr 164: „Gottes Erlaubnis (V. 3) ist nötig, denn (γάρ) für Abgefallene wäre eine zweite Buße und damit der Weg zur τελειότης ausgeschlossen.“ LÖHR, Umkehr 188, bezieht γάρ konkret auf die conditio Iacobaea von V. 3. 92 MICHEL, Hebr 240. So auch DESILVA, Hebrews 226: „6,4–8 underscores the necessity of accepting the author’s agenda as proposed in 6,1. (…) Once again, the author moves into a consideration of the danger of not moving forward in trust and loyal obedience“. 93 GRÄSSER, Hebr I 347. 94 So auch ELLINGWORTH, Hebr 318, der auf weitere Parallelen bzw. Bezüge hinweist. Laut BRAUN, Hebr 165, ist φωτίζειν terminus technicus für die Taufe (nicht überzeugend ist aber seine Auffassung, der Hebr vermeide ein ausdrückliches βαπτίζειν aufgrund seiner „Sakraments-Reserviertheit“). 95 GRÄSSER, Hebr II 171.
3. Auslegung von Hebr 5,11–6,12
359
Art Midrasch zu Ps 94,7–11 auf dem Hintergrund von Num 14 gestaltet,96 so sind die Bezugstexte im Falle von 6,4–6 die Geschichtsrückblicke in Ps 78 und 105 sowie insbesondere im Bußgebet Nehemias in Neh 9. In beiden Fällen wird die Wüstengeneration aber deswegen eingespielt – einmal als Typos, dann als Lieferant der Sprache – um vor dem Abfall vom lebendigen Gott zu warnen.97 Denn Glaube ist laut 3,14 Beständigkeit! Hinzu kommt, dass die beiden Passagen durch das entscheidende Stichwort μέτοχοι miteinander vernetzt sind.98 Trotz dieser Bezüge richtet sich erst in jüngerer Zeit das Interesse der Forschung – und zwar auffälligerweise v.a. der englischsprachigen – auf den alttestamentlichen Hintergrund der Formulierungen von Hebr 6,4–6.99 3.3.3 Die Erleuchtung (6,4b) Wie Paulus so nimmt auch der Verfasser des Hebräerbriefes die Exodustradition durch den Filter der Geschichtsrückblicke in Ps 78 und 105 sowie Neh 9 wahr. Das zeigt bereits das erste Partizip φωτισθέντας (vgl. auch Hebr 10,32), das fälschlicherweise oft auf dem Hintergrund hellenistischer und gnostischer Vorstellungen gedeutet wurde. Doch ist es plausibler, hier eine Anspielung auf die den Auszug Israels und den Durchzug durch das Meer begleitende Feuersäule zu sehen.100 So wird z.B. in der LXX-Fassung des großen Bußgebets in Neh 9 zweimal von der Feuersäule gesagt, dass sie den Weg der Israeliten erleuchtete (φωτίζειν),101 analog in Ps 77,14 und
96
Dazu WEISS 267 mit Anm. 52. Vgl. Hebr 3,12–19 mit 6,6. 98 Vgl. Hebr 3,14: μέτοχοι γὰρ τοῦ Χριστοῦ γεγόναμεν, mit 6,4: καὶ μετόχους γενηθέντας πνεύματος ἁγίου. Zu diesem Bezug vgl. WEISS, Hebr 264. Zu 3,14 im Lichte von 2,14 treffend LÖHR, Umkehr 213: „Der Tatsache, dass der Erlöser Anteil hatte an Blut und Fleisch (2,14 verwendet das Verb μετέχειν) entspricht nun umgekehrt, als Heilsgut, die in 3,14 ausgesagte Anteilhabe der Gläubigen an Christus“. 99 Zum Folgenden vgl. insbesondere GLEASON, Old Testament (1998), MATHEWSON, Reading (1999), sowie EMMRICH, Hebrews (2003). Ältere Literatur ebd. Allerdings werten die genannten Autoren ihre Beobachtungen nicht oder kaum im Hinblick auf Taufe und Eucharistie aus. In den deutschsprachigen Kommentaren herrscht über weite Strecken Fehlanzeige, vgl. aber MICHEL, Hebr 241f. mit Anm. 100 Zur Wolken- und Feuersäule vgl. Ex 13,21f. Die im Hebräischen analog zur Beschreibung der Wolkensäule ergehende Bemerkung V. 21b, dass die Feuersäule des Nachts vor ihnen herzog, „um ihnen zu leuchten, damit sie bei Tag und Nacht wandern könnten“, fehlt in der LXX. Wahrscheinlich war die Vorlage des Übersetzers an dieser Stelle fehlerhaft. Symmachus und Theodotion ergänzen deswegen: τοῦ φαίνειν αὐτοῖς ὁδεύειν ἡμέρας καὶ νυκτός. 101 Neh 9,12 = 2Esr 19,12 LXX: καὶ ἐν στύλῳ πυρὸς τὴν νύκτα τοῦ φωτίσαι αὐτοῖς τὴν ὁδόν, ähnlich Neh 9,19 = 2Esr 19,19 LXX: τὸν στῦλον τοῦ πυρὸς τὴν νύκτα φωτίζειν αὐτοῖς τὴν ὁδόν, ἐν ᾗ πορεύσονται ἐν αὐτῇ. 97
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XIII. Die Taufeucharistie im Hebräerbrief
104,39 LXX. Auch Ps 42,3 LXX enthält eine klare Anspielung auf die Erleuchtung der Exodusgeneration durch die Feuersäule.102 Das Buch der Weisheit ist dann überhaupt primär an der Feuersäule (18,3: ἀνθ᾽ ὧν πυριφλεγῆ στῦλον) interessiert, an der es explizit das Licht (φῶς) hervorhebt, das Gottes Heiligen – im Unterschied zu den Ägyptern (18,4.6, vgl. 17,2.5 u.ö.)! – leuchtete (18,1, vgl. Ex 10,21).103 Die Feuersäule steht hier parallel zur „Sonne, die nicht stach (ἥλιον ἀβλαβῆ)“ (18,3). Auch Philo von Alexandrien hebt an der Wolken- und Feuersäule primär den Aspekt der Führung durch Licht hervor, und zwar auffälligerweise auch am Tag: Laut ihm strahlte die Wolke, die die Gestalt einer großen Säule (κίων) angenommen hatte, am Tag „sonnenartigen Schein“ (ἡλιοειδὲς φέγγος), bei Nacht „flammenartigen“ (φλογοειδές) aus, und zeigte den Israeliten so den Weg.104 Noch einen Schritt weiter geht Justin, bei dem aus der Feuersäule dann der στῦλος φωτός geworden ist, der den Israeliten leuchtete (ἔλαμπεν).105
Doch was meint der Verfasser genau mit „Erleuchtung“? Im Unterschied zu 1Kor 10,1f. fehlt jede Anspielung auf den Durchzug durch das Meer, daher dürfte die Wassertaufe nicht im Blick sein, zumal diese bereits in 6,2 genannt wurde (s.o.). Von „Erleuchtung“ redet der Verfasser dann erneut in 10,32: „Erinnert euch aber an die früheren Tage, in denen ihr Erleuchtete (φωτισθέντες: nachdem ihr erleuchtet wurdet) einen großen Kampf der Leiden bestanden habt“. Auch hier dürfte nicht direkt der Taufakt angesprochen sein,106 auch wenn die Erleuchtung bei oder im Umfeld der Taufe verortet wurde.107 So wird man – auch im Hinblick auf die oben genannten Belege sowie den religionsgeschichtlichen Hintergrund der Erleuchtungsthematik – die kognitive bzw. intellektuelle Dimension des Begriffs beto102 In Ps 42,3 bittet der Beter: „Sende dein Licht (τὸ φῶς σου) und deine Wahrheit. Diese sollen mir den Weg weisen (ὡδήγησαν, vgl. Ps 77,29!) und mich führen zu deinem heiligen Berg (καὶ ἤγαγόν με εἰς ὄρος ἅγιόν σου) und zu deinen Zelten“. 103 Vgl. auch Philo, VitMos I 145, laut dem die Israeliten während der Plagen auch dann noch im hellen Sonnenlicht waren, als über Ägypten dichte Finsternis hereinbrach. 104 Philo, VitMos I 166: νεφέλη γὰρ εἰς εὐμεγέθη κίονα σχηματισθεῖσα προῄει τῆς πληθύος (vgl. dazu Dec 44), ἡμέρας μὲν ἡλιοειδὲς ἐκλάμπουσα φέγγος, νύκτωρ δὲ φλογοειδές, ὑπὲρ τοῦ μὴ πλάζεσθαι κατὰ τὴν πορείαν, ἀλλ’ ἀπλανεστάτῳ ἕπεσθαι ἡγεμόνι ὁδοῦ. Die Wolke heißt ebd. 178: ἡ ὁδηγὸς νεφέλη. Vielleicht bildet dieser Zusammenhang auch den Hintergrund des Herrenwortes in Joh 8,12: Hier bezeichnet sich der johanneische Jesus als „Licht der Welt“ und redet im selben Atemzug von der Nachfolge! 105 Justin, Dial 131,3. Diese Lichtsäule besaß laut Justin ein unauslöschliches Licht (φῶς), was den Vorzug der Israeliten vor jedem anderen Volk zeigte. 106 Gegen BRAUN, Hebr 326. Braun behauptet, dass der Begriff „terminus technicus“ für die Taufe ist; der Verfasser vermeide aufgrund einer (m.E. fiktiven) „SakramentsReserviertheit“ an beiden Stellen Verben wie βαπτίζειν (ebd. 165). 107 In diese Richtung GRÄSSER, Hebr III 60f. mit Anm. 13.
3. Auslegung von Hebr 5,11–6,12
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nen und die Wendung auf die direkt zuvor genannte „Abkehr von den toten Werken“, auf „den Glauben an Gott“ sowie die inhaltlich knapp entfaltete „Lehre“ beziehen. Es geht also um den „intellektuellen Aspekt der Bekehrung und des Gläubigwerdens“, der direkt an die zuvor genannte μετάνοια und πίστις sowie die διδαχή anschließt, während die Wassertaufe ja nicht eigens hervorgehoben wird.108 3.3.4 Das Kosten der himmlischen Gabe (6,4c) Eng mit der Erleuchtung verbunden (τε) ist das Essen der himmlischen Gabe.109 Mit der Wendung γευσαμένους τε τῆς δωρεᾶς τῆς ἐπουρανίου ist eindeutig auf die Gabe des Manna angespielt, denn die Bezeichnung des Manna als ἡ δωρεὰ ἡ ἐπουράνιος schließt erneut an Neh 9 (2Esr 19 LXX), aber auch an Ex 16,4 und Ps 77,24 LXX an, wo vom διδόναι des Manna aus dem Himmel bzw. durch Gott die Rede ist.110 Wie der Hebr spricht auch Philo vom Manna als einer δωρεά,111 im frühen Christentum kann dann der Heilige Geist, aber auch die Eucharistie so bezeichnet werden.112 In Neh 9,19f., vor allem aber in Ps 104,39–41 LXX stehen die Wolkenund Feuersäule in unmittelbarer Nachbarschaft zur Gabe des Brotes aus dem Himmel (samt dem Wasser aus dem Felsen).113 In Sap 16,3 wird das
108 Dazu LÖHR, Umkehr 189–191, der zudem mit Recht auf die inhaltlich sehr ähnlichen Aussage in 10,26 hinweist, wo von der ἐπίγνωσις ἀληθείας die Rede ist. Diese Wendung dürfte der Autor als Synonym zu φωτίζειν bzw. φωτισμός gebraucht haben. RIGGENBACH, Hebr 155, spricht treffend von der „Verleihung eines centralen Einblicks [!] in Wesen und Wert der mit Christus dargebotenen Gnade“, MICHEL, Hebr 241 Anm. 2, sieht einen didaktischen, keinen sakramental verstandenen Bezug. 109 So auch E. GRÄSSER, Hebr I 348f. 110 Neh 9,15 = 2Esr 19,15 LXX: καὶ ἄρτον ἐξ οὐρανοῦ ἔδωκας αὐτοῖς εἰς σιτοδείαν αὐτῶν, Ex 16,4: ᾿Ιδοὺ ἐγὼ ὕω ὑμῖν ἄρτους ἐκ τοῦ οὐρανοῦ, vgl. 16,15: Οὗτος ὁ ἄρτος, ὃν ἔδωκεν κύριος ὑμῖν φαγεῖν·, Ps 77,24f. LXX: καὶ ἔβρεξεν αὐτοῖς μαννα φαγεῖν / καὶ ἄρτον οὐρανοῦ ἔδωκεν αὐτοῖς·/ ἄρτον ἀγγέλων ἔφαγεν ἄνθρωπος, vgl. auch Ps 104,40 LXX: ἄρτον οὐρανοῦ ἐνέπλησεν αὐτούς·, sowie Sap 16,20: ἀνθ᾽ ὧν ἀγγέλων τροφὴν ἐψώμισας τὸν λαόν σου καὶ ἕτοιμον ἄρτον ἀπ᾽ οὐρανοῦ παρέσχες αὐτοῖς ἀκοπιάτως πᾶσαν ἡδονὴν ἰσχύοντα καὶ πρὸς πᾶσαν ἁρμόνιον γεῦσιν·. Analog dann Justin, Dial 131,3 (23f.): οἷς εἱς τροφὴν καὶ ἄρτον ἴδιον ἀγγέλων οὐρανίων, τὸ μάννα, ἔβρεξεν. 111 Philo, LegAll III 166. 112 Der Heilige Geist als δωρεά in Apg 2,38 (vgl. 8,20; 10,45; 11,17; Barn 1,2), die Eucharistie als δωρεά in Ignatius, Smyr 7,1; Irenäus, adv. haer. V 2,3. 113 Anders als in Neh 9,19f. (2Esr 19,19f. LXX) wird in V. 12–15 allerdings unmittelbar nach der Erwähnung der Feuersäule (V. 12) und vor der Gabe des Manna und des Wassers aus dem Felsen (V. 15) – gegen die Chronologie in Ex – die Gabe des Sabbats und des Gesetzes am Sinai genannt (V. 13f.). Vgl. auch Ps 78,14–16, wo nach der Wolken- und Feuersäule unmittelbar die Tränkung aus dem Felsen erwähnt wird (das Manna folgt in V. 24f.).
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XIII. Die Taufeucharistie im Hebräerbrief
Manna als ξένη γεῦσις (= fremdartige Speise) bezeichnet, an der die Israeliten Anteil hatten (μετάσχωσι).114 Dass der auctor ad Hebraeos in 6,4 nicht explizit von τὸ μάννα spricht, ist verständlich, da er diesen Begriff für die wunderbare Speise der Wüstenwanderung reserviert hat und umgekehrt der Wüstengeneration keineswegs die Versorgung mit „himmlischer Speise“ im vollen Sinne zusprechen kann. Den goldenen Krug mit Manna (vgl. Ex 16,33 LXX) erwähnt er bei der Aufzählung der Gerätschaften, die sich im Allerheiligsten befinden (9,4), auffälligerweise im selben Kontext wie die βαπτισμοί (s.o.). Treffend formuliert daher H. Braun: Der Hebr „allegorisiert nicht wie Philo und 1K 10,3, rationalisiert und etymologisiert nicht wie Josephus, eschatologisiert nicht wie Sib sBar Rabbinen Apk, dualisiert, jedenfalls hier beim Manna, nicht wie Joh“.115 Die Christen essen in der Eucharistie natürlich kein Manna, sondern: Der Hebr schildert die Eucharistie in Anspielung auf die Mannagabe so, dass diese als „Abbild und Schatten der himmlischen Dinge“ (8,5, vgl. 9,23), als „Parabel für die gegenwärtige Zeit“ (9,9) bzw. als „Schatten der künftigen Güter“ (10,1) von jener erscheint. Dass der konkrete Name „Manna“ für die Eucharistie vermieden und diese statt dessen als „himmlische Speise“ bezeichnet wird, teilt Hebr 6,4 mit anderen frühchristlichen Bezugnahmen auf das Manna als Typos für die Eucharistie – allen voran mit Paulus (1Kor 10,3f.).116
Dies alles dürfte dafür sprechen, dass in Hebr 6,4ab auf die beiden zentralen Gaben Gottes an die Exodusgeneration, die Wolken- und Feuersäule („erleuchten“) sowie das Manna („Schmecken der himmlische Gabe“), angespielt ist.117 Ersteres wird auf die kognitive Erleuchtung bei der Bekehrung und beim Taufunterricht, letzteres auf die Taufeucharistie, genau114
γεύεσθαι und μετέχειν sind beide auch in eucharistischem Kontext belegt (Apg 20,11; 1Kor 10,21). In Ex 16,31; Num 11,8 LXX ist vom γεῦμα (= Geschmack) des Manna die Rede (vgl. Sap 16,20). 115 BRAUN, Hebr 252. 116 THEOBALD, Selig 405–409, unterscheidet überzeugend eine typologische von einer apokalyptisch-eschatologischen Auslegungslinie in der Manna-Thematik, die eucharistietheologischen Bezugnahmen auf das Manna in der frühchristlichen Literatur (1Kor 10,1– 13; Hebr 6,4–6; Joh 6,32–35; Did 10,3) schließen an erstere an. Kennzeichnend für diese typologische Linie ist laut Theobald, „dass der konkrete Name ‚Mannaʻ vermieden und statt dessen Umschreibungen geboten werden, die geeignet sind, den gemeinten Gehalt dieser himmlischen Speise sichtbar zu machen“ (408). Auf die genannten Belege trifft dies durchgehend zu. Theobald macht darüberhinaus noch auf Apk 12,6 aufmerksam (die Ernährung der Frau in der Wüste, ebd. 427f.). Laut Theobald weist das Motiv der Sättigung der Frau in der Wüste auf Israels Sättigung mit Manna hin und ist zugleich Typos für die Eucharistie. 117 Kein Wort zum Manna verliert GRÄSSER, Hebr I 350, ebenso WESTCOTT, Hebr 150; Schwankend BRAUN, Hebr 165f.: Einerseits legten „der stark übertragene Gebrauch von γεύεσθαι und Hb 13,9“ den Gedanken an die Eucharistie „nicht gerade nahe“, allerdings möchte man die Eucharistie „hinter der Taufe in der Tat erwarten“. Auch ATTRIDGE, Hebr 170, geht von einem „general image for the gracious bestowal of salvation“ aus. WEISS, Hebr 343, lässt offen, ob „das Abendmahl“ gemeint ist.
3. Auslegung von Hebr 5,11–6,12
363
er: auf die nach der Taufkatechese, Wassertaufe und Handauflegung gefeierte Ersteucharistie der Getauften zu beziehen sein. 3.3.5 Die Teilhabe am Heiligen Geist (6,4d) Wenn nun in Hebr 6,4 explikativ folgt: καὶ μετόχους γενηθέντας πνεύματος ἁγίου, dann ist das eine klare Parallele zum Bußgebet von Neh 9, wo direkt auf die Erwähnung der Feuersäule, die nachts den Weg der Israeliten erhellte (φωτίζειν), die Erinnerung daran folgt, dass Gott ihnen seinen guten Geist gab, um sie zu unterweisen.118 Damit ist wahrscheinlich auf die Geistbegabung der 70 Ältesten angespielt (Num 11,16f.24–30), die aber in Neh 9,20 als Geistgabe an alle Israeliten reformuliert wird. Diese Geistgabe im Kontext des Exodus wird auch im Bußgebet Jes 63,7–14 erwähnt (V. 10f., vgl. Hag 2,5) und zwar erneut im Kontext einer Anklage der Exodusgeneration.119 Ausgehend von der Geistbegabung der 70 Ältesten der Exodusgeneration – genauer: von der Ausweitung des auf Mose allein ruhenden Geistes auf die Ältesten, „dass sie mit dir die Last des Volkes tragen“ (Num 11,17) – schildert der auctor ad Hebraeos den zentralen „Effekt“ der Eucharistie als Teilhaberschaft am heiligen Geist. Durch die kognitive Erleuchtung im Umfeld der Taufe und durch das Kosten der himmlischen Gabe in der Ersteucharistie wurden die Adressaten zu Teilhabern des Heiligen Geistes. 3.3.6 Das Kosten des guten Gotteswortes (6,5a) Bei der folgenden Wendung καὶ καλὸν γευσαμένους θεοῦ ῥῆμα δυνάμεις τε μέλλοντος αἰῶνος zeigt die Wiederaufnahme des Partizips γευσαμένους von 4c, dass der Autor noch immer die Eucharistie vor Augen hat,120 auch wenn er auf diese nach wie vor im Sprachspiel der Wüstengeneration rekurriert. Im Hintergrund steht zunächst die Abfolge von Geistgabe und Mannaspeisung aus Neh 9,20f. Mit der Formulierung spielt der Verfasser aber zugleich auf Dtn 8,3 LXX an, wo über den hebräischen Text hinaus ein Zusammenhang zwischen dem Manna und dem ῥῆμα (!) aus Gottes Mund hergestellt wird: Die Speisung mit dem Manna (LXX: καὶ ἐψώμισέν σε τὸ μάννα), „das deine Väter nicht kannten“, erfolgt, um zu verkündigen, 118 2Esr 19,20 LXX (Neh 9,20): καὶ τὸ πνεῦμά σου τὸ ἀγαθὸν ἔδωκας συνετίσαι αὐτοὺς, es folgt direkt angeschlossen die Erwähnung der Gabe des Manna und des Felsenwassers. 119 In Jes 63,10 wird die Auflehnung der Exodusgeneration als Empörung „gegen seinen heiligen Geist“ geschildert (αὐτοὶ δὲ ἠπείθησαν καὶ παρώξυναν τὸ πνεῦμα τὸ ἅγιον αὐτοῦ), in V. 11 fragt das von Gott gestrafte Volk: ποῦ ἐστιν ὁ θεὶς ἐν αὐτοῖς τὸ πνεῦμα τὸ ἅγιον; 120 In diese Richtung auch BETZ, Eucharistie 157: Die Identität des Partizips zeige, dass beides Mal die gleiche Sache gemeint sei.
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XIII. Die Taufeucharistie im Hebräerbrief
dass der Mensch nicht vom Brot allein lebe, sondern von jedem Wort (ἐπὶ πάντι τὰ ῥήματι), das aus Gottes Mund hervorgeht.121 Ist damit im Kontext des Deuteronomiums vermutlich die Gabe des Gesetzes gemeint, nach dem Israel sein Leben ausrichten soll, so deutet der Verfasser des Hebräerbriefes mit dem „Schmecken des guten Wortes Gottes“ doch wohl die christologische Dimension der Eucharistie an (vgl. z.B. Hebr 1,2; 2,3 und 6,1): Wie das Manna auf das ῥῆμα Gottes, so verweist die Eucharistie auf den, in dem Gott zu uns gesprochen hat. Wie in Dtn 8,2–18 ist auch in Sap 16,20–26 die Mannathematik mit einer Wort-Gottes-Theologie verbunden.122 In Sap 16,20f. ist zunächst von der Gabe des Manna die Rede: Gott habe sein Volk mit der Speise der Engel (ἀγγέλων τροφή) genährt und ihm unermüdlich fertig zubereitetes Brot vom Himmel (ἕτοιμον ἄρτον ἀπ᾽ οὐρανοῦ) gegeben (s.o.). Im Anschluss daran heißt es dann aber in 16,26: „Nicht die verschiedenen Arten von Früchten ernähren den Menschen, sondern dein Wort (τὸ ῥῆμά σου) erhält alle, die dir vertrauen.“123 Auch das Stichwort δυνάμεις findet sich im Kontext der Exodusgeschichte124, allerdings erhält der Ausdruck im Hebr durch den Zusatz μέλλοντος αἰῶνος eine spezifische eschatologische Konnotation. Eine offensichtliche Verbindung besteht zu Hebr 2,4, wo – ebenfalls im Kontext des Beginns des Glaubenswegs! – von „Zeichen und Wundern sowie mannigfaltigen Krafterweisen und Zuteilungen des Heiligen Geistes“ (!) die Rede ist. 6,5b lässt sich dann nur so erklären, dass die Krafterweise des künftigen Äons insbesondere bei der Eucharistiefeier erfahren wurden, was zu der eschatologischen Ausrichtung frühchristlicher Mahlfeiern passen würde. Mit der Mannathematik verbunden ist eine apokalyptisch-eschatologische Traditionslinie.125 Hier wird die Erwartung formuliert, dass sich das Mannawunder in der Endzeit wiederholen wird, wobei es hier zunächst um reale Speisung und Sättigung geht.126 Laut syrBar 29,8 werden in der Endzeit „aus der Höhe Mannaschätze wiederum hernieder121 ἄρτος und ῥῆμα aber auch schon in Ex 16,15f. LXX: Οὗτος ὁ ἄρτος, ὃν ἔδωκεν κύριος ὑμῖν φαγεῖν·/ τοῦτο τὸ ῥῆμα, ὃ συνέταξεν κύριος. Dies versteht schon Philo, Leg All III 169 und 173, so, dass das Manna allegorisch das Wort (ῥῆμα) Gottes als Nahrung der Seele (ψυχὴς τροφή) bedeute. Zu Dtn 8,3 analog ebd. 174–176. Zum ganzen auch THEISSEN, Untersuchungen 57f. 122 Zur typologischen Verbindung von Manna und Wort Gottes vgl. auch THEOBALD, Selig 406f. Das Manna als Symbol des nährenden Gotteswortes neben Ex 16,16– 20.31.32–34 noch in Ps 19,11; 119,103; Spr 24,13f.; Sir 24,20. 123 Sap 16,26 LXX: ἵνα μάθωσιν οἱ υἱοί σου, οὓς ἠγάπησας, κύριε, ὅτι οὐχ αἱ γενέσεις τῶν καρπῶν τρέφουσιν ἄνθρωπον, ἀλλὰ τὸ ῥῆμά σου τοὺς σοὶ πιστεύοντας διατηρεῖ. 124 Vgl. v.a. Ps 77,4.26 LXX sowie 105,8 LXX u.ö. 125 Zu dieser hilfreichen Differenzierung vgl. THEOBALD, Selig 406. 126 Vgl. THEOBALD, Selig 408.
3. Auslegung von Hebr 5,11–6,12
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kommen“. Der Text fährt fort: „sie werden zehren dann davon in jenen Jahren, weil die es sind, die ans Ende der Zeit (vgl. 1Kor 10,11!) gekommen sind“.127 Damit zusammen hängt die Vorstellung, dass das Manna seit dem Einzug Israels in das gelobte Land im Himmel – z.B. als Engelsspeise128 – verborgen ist.129 Die Rede vom „Schmecken der Kräfte des kommenden Äons“ setzt also diese Vorstellung einer endzeitlichen Mannagabe und ihren frühchristlichen Bezug auf die Eucharistie voraus.
3.3.7 Der Abfall Das letzte Partizip παραπεσόντας ist relativ unspezifisch. R.C. Gleason und M. Emmrich plädieren zwar mit guten Gründen für eine Anspielung auf den Aufruhr des Volkes bei Kadesh-Barnea, wo das Volk wieder nach Ägypten umkehren, also den Exodus rückgängig machen will (vgl. Num 14,4),130 und Gleason formuliert treffend: „In summary, like the Exodus generation, the initial readers of Hebrews were at their ‚Kadeshʻ“.131 Tatsächlich dürfte auf dieses Ereignis in Hebr 6,6 wie in Hebr 3,7–4,13 angespielt sein,132 allerdings formuliert der Autor in Hebr 6,6 wohl bewusst allgemein, um den Text transparent für jede Art von „Apostasie“, jede Auflehnung gegen Gott trotz der von ihm empfangenen Gaben und Heilsgüter zu machen. Damit stellt sich der Autor von Hebr 6,4–6 wie auch Paulus und Justin in die Tradition von Neh 9 und Ps 78, wo insbesondere die Führung Israels durch die Wolken- und Feuersäule und die Gabe des Manna an die Wüstengeneration mit dem Vorwurf des Abfalls von Gott verbunden wird.133 Wenn der Autor also in scharfer Form den „Abgefallenen“ vorwirft, sie kreuzigten den Sohn Gottes sich zum Schaden in dem Sinne, dass sie ihn 127
Übersetzung KLIJN, JSHRZ V/5, S.142. So Ps 78,25; Sap 16,20; vgl. Justin, Dial 57,2. 129 Vgl. dazu v.a. Apk 2,17: Das im Himmel vorhandene „verborgene Manna“ wird die künftige Speise der „Überwinder“ sein und ihnen Anteil am ewigen Leben schenken. Ausführlich dazu THEOBALD, Selig 405–409. Weiter die bei STRACK/BILLERBECK, kommentar III 793f. genannten rabbinischen Belege für die Vorstellung, dass in der himmlischen Welt der Seelen das Manna die Speise der Gerechten ist, deren Zubereitung im dritten Himmel erfolgt. So auch im Targum PsJon zu Ex 16,4.15 und zu Num 22,28 (vgl. MALINA, Manna 44). Laut AntBib 19,10 gibt es im Himmel einen bestimmten Ort, von wo das Manna für das Volk herabregnete. 130 GLEASON, Old Testament 78f. und EMMRICH, Hebrews 87 131 GLEASON, Old Testament 83. 132 Vgl. auch MATHEWSON, Reading 212f. 133 Vgl. z.B. Ps 78,12–16 (Exodus mit Wolken- und Feuersäule, Wasser aus dem Felsen) mit V.17ff. (Sünde des Volkes), sowie V. 23ff. (Manna) mit V. 30ff. (erneuter Abfall); Neh 9,12–15 (Wolken- und Feuersäule, Gabe des Sabbat und des Gesetzes, Manna) mit V. 16–18 (Goldenes Kalb); 1Kor 10,1–4 mit V. 5; sowie Justin, Dial 20; 73; 131! Vgl. auch Philo, VitMos I 199–209 (Gabe des Manna und der Wachteln) mit 210 (Verzweiflung über den Wassermangel). 128
XIII. Die Taufeucharistie im Hebräerbrief
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dem Gespött preisgeben (6,6),134 dann bringt er damit den für ihn ungeheuerlichen Vorgang auf den Punkt, dass diejenigen, die in der Taufeucharistie von Gott das Maximum erhalten haben, ihrem „Wohltäter“ wiederum das Maximum an öffentlicher Schande zurückgeben.135 Denn damit leugnen sie faktisch in aller Öffentlichkeit, die Wohltaten empfangen zu haben.136 3.3.8 Schlussfolgerungen Der auctor ad Hebraeos erinnert in 6,4–6 im Anschluss an seine knappe Erwähnung der präbaptismalen Unterweisung (6,1f.), die auch Unterweisung über die Wassertaufe(n) einschloss, seine Adressaten an ihr „persönliches Affiziertsein in der Vergangenheit“137. Diese Grundlegung ihres Heilsstandes erfolgte konkret in der Erst- bzw. Tauf-Eucharistie, bei der ihre Anteilhabe am Heiligen Geist grundgelegt wurde. Doch steht diese Erinnerung an die Taufeucharistie ganz im Dienst der Warnung vor dem παραπίπτειν, genauer: Den Ernst der Warnung unterstreicht die Erinnerung an die Größe der bei der Eucharistie erhaltenen Gaben. Aus diesem Grund spricht der Autor von der Eucharistie als dem „Essen der himmlischen Gabe“ und assoziiert damit die Gabe des Manna an die Wüstengeneration – deren Leiber in der Wüste verwesten (vgl. 3,17). 3.4 Das Beispiel des Erdbodens (Hebr 6,7–8) Hebr 6,7–8 7
a b c
8
d a
134
Denn Erde [Erdboden] (γῆ γάρ), die getrunken hat den oftmals auf sie fallenden Regen (ἡ πιοῦσα τὸν ἐπ’ αὐτῆς ἐρχόμενον πολλάκις ὑετὸν) und die [dann] eine Pflanze hervorbringt (καὶ τίκτουσα βοτάνην138), – nützlich für jene, durch die sie auch beackert wird (εὔθετον ἐκείνοις δι’ οὓς καὶ γεωργεῖται) – [diese] empfängt Segen von Gott (μεταλαμβάνει εὐλογίας ἀπὸ τοῦ θεοῦ·). Bringt sie aber Dornen und Disteln139 hervor (ἐκφέρουσα δὲ ἀκάνθας καὶ τριβόλους),
Vgl. GRÄSSER, Hebr I 370f.: „Dafür geht Jesus (was nach Meinung des Hebr offenbar nötig wäre, aber natürlich ausgeschlossen ist), nicht ein zweites Mal ans Kreuz. Apostaten aber machen den ersten und einmaligen Gang Jesu ans Kreuz zum Gespött (6,4; 10,29), statt mit dem Gekreuzigten die Schmach zu tragen (12,2; 13,13)“. 135 Vgl. DESILVA, Hebrews 48f. („offering insult to their benefactor“) unter Hinweis auf Seneca, de beneficiis III 1,1: Keine Dankbarkeit abzustatten gegenüber (empfangenen) Wohltaten ist schändlich und bei allen Menschen so angesehen (non referre beneficiis gratiam et est turpe et aput omnes habetur). 136 Seneca, de beneficiis III 1,3: ingratus, qui beneficium accepisse se negat, quod accepit. 137 Treffend LÖHR, Umkehr 196. 138 Vgl. Gen 1,11 sowie Sach 10,1 LXX.
3. Auslegung von Hebr 5,11–6,12 b c d
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[dann ist es] untauglich (ἀδόκιμος) und [ist daher] dem Fluch [bereits] nahe (καὶ κατάρας ἐγγύς140), dessen Ziel das Verbrennen [ist] (ἧς τὸ τέλος εἰς καῦσιν).141
Die im Sinne von 6,4f. initiierten Christen werden mit einem Stück Land verglichen, auf das oftmals Regen fällt. Nach dem „Essen“ der himmlischen Gabe geht es also nun – im Bild – um das „Trinken“ des Regens. Bemerkenswerterweise kann Paulus von einem „Getränktwerden“ mit heiligem Geist (1Kor 12,13) und vom eucharistischen „geistigen Trank“ (10,4) reden, Analoges findet sich im vierten Evangelium (vgl. Joh 4,10– 15; 6,35; 7,37–39).142 Mit dem Bild vom auf die Erde fallenden Regen führt der Autor dann in 6,7 die Manna-Thematik von 6,4 noch fort, da die Herabkunft des Manna vom Himmel nicht nur als Gottes διδόναι, sondern in Ex 16,14 und Ps 78,24 auch als „regnen“ beschrieben wird,143 was dann v.a. von Philo noch verstärkt wird.144 Auch πολλάκις dürfte indirekt an die Mannagabe anschließen, die laut Ex 16,35 40 Jahre lang, also während der gesamten Wüstenwanderung bis an die Grenzen des Landes Kanaan erfolgte, und laut Jos 5,12 mit dem ersten Paschafest im gelobten Land endete. Vermutlich hat der Verfasser also hier die sich an die Taufeucharistie (ἅπαξ) anschließenden weiteren Eucharistiefeiern (πολλάκις) im Blick. Hermut Löhr hat darauf hingewiesen, dass schon das Bild des Ackerlandes die Deutung auf ein Kollektiv nahelegt.145 Analog zu Paulus sieht der Verfasser also „das mögliche Fehlverhalten Einzelner als gefährlich für die ganze Gruppe an; nicht sieht er die Gefahr darin, dass die ganze Gemeinde abzufallen droht, wohl aber die andere, dass durch den Abfall Einzelner die Gemeinde insgesamt gefährdet werden könnte“.146 Dies erklärt 139 140
Vgl. Gen 3,17f., aber auch Jes 5,2.6; Hos 10,8. Vgl. BAUER/ALAND, Wörterbuch 432: nicht weit vom Fluch = dem Fluch verfal-
len.
141
Vgl. zum Gerichtsmotiv noch Hebr 10,27 und 12,29, aber auch bereits 6,2. Ganz auf die Predigt bezieht GRÄSSER, Hebr I 359, den Regen. 143 So in Ex 16,4 LXX: ᾿Ιδοὺ ἐγὼ ὕω ὑμῖν ἄρτους ἐκ τοῦ οὐρανοῦ, und Ps 77,24 LXX: καὶ ἔβρεξεν αὐτοῖς μαννα φαγεῖν (so auch Justin, Dial 131,24). Dem entspricht der Vergleich des Manna mit Reif (Ex 16,14: πάγος, vgl. auch Sap 16,22) und mit Tau (Ex 16,13; Num 11,9: δρόσος), zumal es bei Sonnenlicht schmilzt (Ex 16,21). 144 Vgl. Philo, VitMos I 199–203, der das Manna als „sonderbarer und unbekannter Regen, aber kein Wasser“ beschreibt (200). Bei seinem Anblick fragen die Israeliten: τίς τε ὁ ὑετὸς οὗτός ἐστιν; (ebd.), kurz darauf heißt es, dass Gott für den Sabbat Speise doppelt regnen lässt (205: ὁ θεὸς ὕει διπλᾶ). So auch Dec 16 (οὐρανοῦ μὲν ὕοντος τροφὰς τὸ καλούμενον μάννα). 145 LÖHR, Umkehr 237. 146 LÖHR, Umkehr 241. 142
XIII. Die Taufeucharistie im Hebräerbrief
368
auch die wiederholten Bezugnahmen des Hebr auf die Wüstengeneration, wo ja ebenfalls das Fehlverhalten Einzelner oder einzelner Gruppen das Volk insgesamt gefährdeten. Auffällig ist, dass der Segen nicht mit dem Regen identisch ist (so aber Ez 34,26; Mal 3,10), sondern auf die durch den Regen hervorgebrachten Nutzpflanzen folgt. Aber auch Dornen und Disteln sind ein Resultat der Bewässerung des Bodens, in beiden Fällen hat der Ackerboden dieselbe Voraussetzung.147 Doch würde eine weitergehende Bewässerung des Bodens nur das Wachstum des Unkrauts fördern, daher „hilft“ nur die Verbrennung. Mit dem Bild der Verbrennung des untauglichen Bodens, der trotz der reichlichen Beregnung nur Dornen und Disteln hervorbringt, erinnert der Autor seine Leser indirekt an das „ewige Gericht“ der präbaptismalen Katechese (6,2). Nicht nur der kommende Äon (vgl. 6,5), auch das „ewige Gericht“ wirft offenbar seine Schatten voraus, letzteres dann, wenn die Getauften auf die in der Ersteucharistie empfangenen Gaben nicht mit Glauben und geduldigem Ausharren reagieren (vgl. 6,12.15). 3.5 Abschließende Paränese (Hebr 6,9–12) Hebr 6,9–12 9
10
11
12
a b c d e a b c d e a b
a b
147 148
Wir sind aber im Hinblick auf euch fest überzeugt (πεπείσμεθα δὲ περὶ ὑμῶν), Geliebte (ἀγαπητοί), vom Besseren [= des günstigeren Falles gewiß148] (τὰ κρείσσονα) und [d.h.] „dem Heil Dienlichen“ (καὶ ἐχόμενα σωτηρίας) – selbst wenn wir so reden (εἰ καὶ οὕτως λαλοῦμεν). Denn nicht ungerecht (ἄδικος) ist Gott, dass er vergäße eure Werke und die Liebe, die ihr erwiesen habt auf seinen Namen hin (ἧς ἐνεδείξασθε εἰς τὸ ὄνομα αὐτοῦ), als ihr den Heiligen dientet (διακονήσαντες τοῖς ἁγίοις), – und ihr dient [auch jetzt noch nach wie vor] (καὶ διακονοῦντες)! Wir aber wünschen (ἐπιθυμοῦμεν δὲ), dass jeder Einzelne von euch denselben Eifer beweise (ἕκαστον ὑμῶν τὴν αὐτὴν ἐνδείκνυσθαι σπουδὴν) zur Fülle der Hoffnung bis zum Ziel [Ende] (πρὸς τὴν πληροφορίαν τῆς ἐλπίδος ἄχρι τέλους), damit ihr nicht träge [stumpf] werdet (ἵνα μὴ νωθροὶ γένησθε), [sondern] vielmehr Nachahmer derjenigen [werdet], die durch Glauben und Geduld die Verheißungen [die verheißenen Güter] erben149 (μιμηταὶ δὲ τῶν διὰ πίστεως καὶ μακροθυμίας κληρονομούντων τὰς ἐπαγγελίας).
Vgl. BRAUN, Hebr 175. So BAUER/ALAND, Wörterbuch 913.
3. Auslegung von Hebr 5,11–6,12
369
Die anschließenden Ausführungen des Autors zeigen erneut, dass er seine Adressaten mitnichten für „unbrauchbaren Ackerboden“ hält, da sie sehr wohl „Nutzpflanzen“ für jene, die ihn beackern, hervorbringen. Diese sind die guten Werke, die Liebe und der Dienst an den „Heiligen“: „Was dem Verfasser trotz allen Besorgnis erregenden Symptomen noch immer Zuversicht für den Heilsstand der Leser gibt, ist die Erwägung, dass Gottes Gerechtigkeit das gesamte Verhalten der Leser und insbesondere ihren Liebesdienst in Vergangenheit und Gegenwart nicht unbeachtet läßt.“150 Das Fundament ist also gelegt (6,1), der vom Himmel her bewässerte Ackerboden bringt Frucht (6,7). Mit V. 12 schlägt der Autor den Bogen zurück zu 5,11, das zeigt nicht allein die Wiederaufnahme des Begriffs νωθροί, sondern auch die Weiterführung des Lehrer/Schüler-Motivs mit der Aufforderung, Nachahmer (μιμηταί) zu werden (vgl. 13,7). Anstatt erneut über die Anfangselemente des Christusglaubens belehrt zu werden (5,12: διδάσκειν ὑμᾶς), sollen die Adressaten jene nachahmen, die durch Glauben und Geduld bereits Erben der Verheißungen sind. Damit werden konkret sowohl die „alttestamentlichen Frommen“ gemeint sein (vgl. Hebr 11), in erster Linie Abraham (6,13ff.), vielleicht aber auch die verstorbenen Gemeindeleiter (13,7).
3.6 Fazit Die Auslegung von Hebr 6,4–6 im Kontext und unter Berücksichtung des hier aktivierten Sprachspieles der Exodus- und Mannaüberlieferung hat gezeigt, dass der Verfasser seine Adressaten an ihre Tauf- bzw. Ersteucharistie erinnert und diese in der Rückschau zum entscheidenden Vollzug der „Initiation“ stilisiert. Während die Wassertaufe als „äußerlicher“ Ritus in gewisser Hinsicht – nicht zuletzt aufgrund ihrer phänomenologischen Nähe zu jüdischen Reinigungsriten – ambivalent bleibt und vom Autor daher mit dem ins „Innere“ der Person zielenden Sühnegeschehen flankiert wird (10,22), führt er die Ersteucharistie auf den für ihn entscheidenden Vorgang der Anteilgabe am Heiligen Geist eng. Aufgrund der Nähe zu 1Kor 10,1–5 wird man davon ausgehen können, dass diese pneumatologische Deutung den Adressaten nicht vollkommen neu war, doch dürfte die konkrete Ausgestaltung eine eigene Leistung des Verfassers im Dienste seines Argumentationszieles darstellen. Dieses besteht darin, trotz der sichtlichen Wiederholbarkeit der Mahlfeier (insofern in seiner Gemeinde vermutlich auch Reinigungsriten praktiziert wurden, die als Wiederholung der Erst149
I.S. von: die Erbschaft der verheißenen Güter angetreten haben. RIGGENBACH, Hebr 166, betont mit Recht, dass es um die zugesagten Güter, nicht um die Zusagen geht. 150 RIGGENBACH, Hebr 162.
XIII. Die Taufeucharistie im Hebräerbrief
370
Taufe verstanden werden konnten) die Einmaligkeit und Unwiederholbarkeit der „Anfänge“ des Glaubensweges einzuschärfen. Unter Anspielung auf ein vermutlich von den Adressaten geteiltes pneumatologisches Verständnis der Eucharistie schärft er ein, dass die „Anteilhabe am Heiligen Geist“ eben einmalig bei der Taufeucharistie grundgelegt wurde.
4. Ausblick: Altar und Lobopfer der Christen nach Hebr 13 4. Altar und Lobopfer der Christen nach Hebr 13
Es ist hier nicht der Ort, die anlässlich der Auslegung von Hebr 6,4–6 gewonnenen Einsichten in die komplexe Diskussion um die Eucharistie im Hebräerbrief einzubringen. Es kann nur festgehalten werden, dass der dargestellte Befund keineswegs die These stützt, der Hebr sei den „Sakramenten“ gegenüber reserviert oder gar feindlich eingestellt. Vielmehr ist für den Hebr davon auszugehen, dass „eine eucharistische Praxis unter religions- wie theologiegeschichtlichem Aspekt für seine Gemeinde durchaus vorauszusetzen ist“.151 Für Knut Backhaus bildet die urchristliche Herrenmahlsfeier sogar den ursprünglichen Reflexionszusammenhang des Hebräerbriefes.152 Auch laut Ulrich Wilckens hat der Hebr bei der Ausarbeitung seiner Hohenpriesterlehre selbstverständlich die sonntägliche Eucharistiefeier im Blick und spreche Adressaten an, denen das Herrenmahl ganz und gar vertraut war.153 Der Autor setzt eine eucharistische Praxis demnach voraus, nimmt sie für seine Argumentation in den Dienst (ohne die Praxis selbst nochmals darlegen oder begründen zu müssen) und versucht zugleich, seinen Adressaten eine bestimmte interpretatorische Perspektive auf das Geschehen zu implantieren. Dies zeigt nicht nur seine Darlegung zur Taufeucharistie, sondern auch jene Passage am Ende des Schreibens, die laut Erich Gräßer „den eigentli-
151 BACKHAUS, Per Christum 269, vgl. außerdem, BACKHAUS, Bund 230f. Da dem Hebr weder eine theologische Außenseiterposition nachzuweisen ist, noch der Gemeinde, der das Schreiben entstammt, konventikelhafte Züge unterstellt werden können, ist die „normale“ eucharistische Praxis, die sowohl für das paulinisch geprägte Christentum als auch für die stadtrömische Gemeinde (vgl. Justin, Apol I 65–67, aber auch 1Clem 40; 44) vorauszusetzen ist, „auch für Hebr erwartbar, unabhängig davon, ob sie sich literarischen Niederschlag verschafft“. Denn wenn sich der Hebr von der üblichen Praxis bewusst absetzen wollte, wäre zu erwarten, dass er dies deutlicher zum Ausdruck bringt. 152 BACKHAUS, Bund 232 = Per Christum 268. Damit einher geht die gattungskritische Bestimmung des Schreibens als „schriftgebundener, soteriologischer sermo“, eine „die Christus-Homologie deutende Glaubensrede im situativen Kontext der gottesdienstlichen Schriftlesung“ (ebd. 266). 153 WILCKENS, Zur Hohenpriesterlehre 481.
4. Altar und Lobopfer der Christen nach Hebr 13
371
chen Höhepunkt des Hebr“ darstellt: Hebr 13,7–17.154 Dies ist sie auch deswegen, weil der Autor hier die Konsequenzen seiner zuvor entwickelten Hohenpriester-Christologie für die Gemeinde darlegt.155 Otto Michel hat mit Recht darauf hingewiesen, dass in V. 15 drei Forderungen den Abschluss des Textes bilden, „die alle auf den kultischen Charakter des Gottesvolkes Bezug haben“.156 Umso auffälliger ist dann, dass das Thema des Mahles im Zentrum der Komposition steht.157 Dieser Bezug auf das Essen verbindet 6,4–6 mit 13,10f. Auch auf Abendmahlsterminologie in 13,10– 15 wurde hingewiesen.158 Hinzu kommt, dass der Verfasser in V. 9 vor „fremden und mannigfaltigen Lehren“ warnt, bei denen Speisen eine wichtige Rolle zu spielen scheinen.159 Grundsätzlich kann man also sagen, dass die gemeindliche ἐπισυναγωγή, deren Missachtung der Verfasser in 10,25 beklagt, in Kap. 13 von der zuvor entwickelten Hohenpriesterlehre her mit kultischer Begrifflichkeit gedeutet wird.160 Hierzu nur einige wenige Hinweise. 4.1 „Wir haben einen Altar“ (Hebr 13,10) Der Abschnitt ist durch die Aufforderung, der verstorbenen ἡγούμενοι ὑμῶν zu gedenken (V. 7) bzw. den aktuellen zu folgen (V. 17), gerahmt.161 Im Unterschied zur voranstehenden Gruppe aus Einzelsprüchen (13,1–6), haben wir einen geschlossenen Gedankengang vor uns.
154 GRÄSSER, Hebr III 399. Gräßer überschreibt den Abschnitt treffend mit „Der Gottesdienst des Neuen Bundes“ (ebd. 363 sowie 376); THEOBALD, Eucharistie als Quelle 120, spricht von einer „Weisung zur rechten Feier des Gottesdienstes“. 155 Vgl. THEOBALD, Eucharistie als Quelle 124. Dies gilt insbesondere für die Wiederaufnahme des Bezugs auf den Großen Versöhnungstag in V. 10–12. 156 MICHEL, Hebr 486. 157 Schon 13,9 spricht von den Speisen, von denen gewisse Menschen keinen Nutzen haben, V. 10 dann vom „Altar, von dem zu essen diejenigen kein Recht haben, die dem Zelt dienen“. 158 BORNKAMM, Anathema 130, nennt φαγεῖν, αἷμα παρὶ ἁμαρτίας sowie σῶμα und geht davon aus, „dass der Hebr dabei zugleich an das Herrenmahl denkt“. 159 THEOBALD, Eucharistie als Quelle 129, unter Hinweis auf 10,25. 160 GRÄSSER, Hebr III 26f., sieht in 10,25 mit Recht den Aufruf zur „Gottesdiensttreue“ formuliert, schließlich könne sich der Verfasser den Vollzug der vita christiana losgelöst vom Gottesdienst gar nicht vorstellen. Dass er die gottesdienstliche Versammlung hier (noch) ganz „unkultisch“ beschreibt (ebd. 28f. u.ö.) ist zweifellos richtig, umso mehr fällt dann die in Kap. 13 vollzogene „Aufladung“ mit kultischer Begrifflichkeit auf (Altar, Opfer, s.o.), die Gräßer allerdings gewaltsam gegen den Strich zu bürsten versucht. 161 BRAUN, Hebr 457. GÄBEL, Kulttheologie 448f.; Zur Abgrenzung der Texteinheit und zu ihrer konzentrischen Struktur vgl. ausführlich THEOBALD, Eucharistie als Quelle 119–124.
372
XIII. Die Taufeucharistie im Hebräerbrief
Der Text beginnt mit der Aufforderung, „eurer Vorsteher“ zu gedenken, „die euch das Wort Gottes gesagt haben“. Es geht also um das (liturgische) Gedächtnis von einstigen, inzwischen verstorbenen162 Gemeindeleitern, die der Gemeinde das Evangelium gepredigt hatten. Die folgende Akklamation: „Jesus Christus, gestern und heute derselbe, und in Ewigkeit“, beginnt in der Vergangenheit (also mit den einstigen Vorstehern) und greift über die Gegenwart in die Zukunft aus. Damit betont der Verfasser schon zu Beginn des Abschnitts die Ewigkeit und Kontinuität der in Jesus Christus ergangenen Offenbarung (vgl. 1,2), der gegenüber die „mannigfaltigen und fremden Lehren“, durch die sich die Adressaten nicht abbringen lassen sollen (13,9), nur negativ konnotiert sein können. Der Inhalt dieser Lehren scheint den Adressaten bekannt gewesen zu sein, wir erfahren nur, dass es offenbar um „Speisen“ (βρώματα) geht. Trotz einer Reihe anderslautender Vorschläge dürfte es hier im Wesentlichen um jüdische Mahlzeiten bzw. Speisevorschriften gehen.163 Die Wendung οἱ περιπατοῦντες ἐν βρώμασιν dürfte also Menschen meinen, deren Lebenswandel in hohem Maße von (jüdischen) Speisegeboten geregelt ist,164 was aber auch eine polemische Verzerrung darstellen könnte – vielleicht soll auch eine konkurrierende Mahlfeier oder Mahlpraxis als „jüdisch“ diffamiert werden. Immerhin gehören Speisen und Opfer nach 13,10f. zusammen.165 Der Autor stellt den „Speisen“ polemisch die „Gnade“ gegenüber, die das Herz befestigt. In V. 10 macht der Autor dann einen klaren Gegensatz auf zwischen „uns“ und „denen, die dem Zelt dienen“:
162
Darauf deutet die Wendung ἡ ἔκβασις τῆς ἀναστροφῆς hin, die „Lebensende“ oder „Erfolg des Wandels“ bedeuten kann. In jedem Fall ist das Ganze des Lebens der Vorsteher Gegenstand der Betrachtung (ἀναθεωρεῖν). 163 KLAUCK, Thysiastērion 364, betont mit Recht, dass es keinesfalls um das Herrenmahl geht. Nicht überzeugend ist der beispielsweise von THEISSEN, Untersuchungen 77, vollzogene Kurzschluss zwischen βρώματα und „Sakramenten“. 164 So auch WILCKENS, Zur Hohenpriesterlehre 485. Laut BORNKAMM, Bekenntnis 195 geht es dem Hebr um die Unvereinbarkeit von christlichem und jüdischem Gottesdienst. WILCKENS, Zur Hohepriesterlehre 487, hat vorgeschlagen, 13,9ff. mit der Bemerkung in 10,25 zusammenzusehen, dass sich einige angewöhnt hätten, die gottesdienstlichen Versammlungen der Christen zu verlassen – vielleicht um aufgrund des Betreibens jüdischer Lehrer an jüdischen Mählern teilzunehmen; erwogen wurde dies schon von MICHEL, Hebr 349. Skeptisch gegen eine solche Festlegung bleibt THEOBALD, Eucharistie als Quelle 129f., laut dem der Autor „eine ganze Palette möglicher Mahlfeiern“ im Blick hat, die für seine Adressaten attraktiver als die der Gemeinde gewesen sein könnten. Vgl. die ausführliche Diskussion bei MICHEL, Hebr 495–498. 165 RIGGENBACH, Hebr 437.
4. Altar und Lobopfer der Christen nach Hebr 13
373
Hebr 13,10 10
a b
Wir haben einen Altar (ἔχομεν θυσιαστήριον), von dem zu essen diejenigen kein Recht haben, die dem Zelt dienen (οἱ τῇ σκηνῇ λατρεύοντες).
Auffällig ist die Behauptung, die christliche Gemeinde hätte einen Altar, von dem man isst (ἐξ οὗ φαγεῖν), der also mit einem Mahlgeschehen verbunden ist.166 Hinzu kommt die Anspielung auf eine regelrechte „Ausschlussformel“, wie sie auch in Did 9,5 sowie in Offb 22,14f. im Mahlkontext belegt ist (vgl. 1Kor 16,22).167 Dass der Terminus „Altar“ hier verwendet wird, dürfte wohl durch den Gegensatz zum „Zelt“ bedingt sein; θυσιαστήριον ist also zunächst als Gegensatzbegriff gebraucht.168 Die Vokabel gehört der jüdisch-christlichen Sondersprache an und bezieht sich meist auf den Jerusalemer Opferaltar.169 Der entscheidende Punkt ist, dass bestimmte Menschen von der Mahlgemeinschaft ausgeschlossen werden.170 Man kann nun annehmen, dass zwischen οἱ τῇ σκηνῇ λατρεύοντες und οἱ περιπατοῦντες ἐν βρώμασιν zumindest polemisch ein Zusammenhang hergestellt werden soll. Im Sinne des Hebr sind diejenigen, die sich der Observanz bestimmter Speisegebote unterwerfen, mit denen identisch, die im Alten Bund am Zeltheiligtum ihren priesterlichen Dienst verrichteten.171 Solche haben zu „unserem Altar“ keinen Zutritt.172 Das exegetische Problem wird nun darin gesehen, dass der Hebr eigentlich nur ein himmlisches Heiligtum anerkennt, das das Vorbild des irdi-
166
Dass die Christen ihrem „Altar“ keine „Speisen“ entnehmen, wie GRÄSSER, Hebr III 376–382 durchgehend behauptet, steht nicht im Text. Es ist zwar richtig, dass der Verfasser vom φαγεῖν ἐκ θυσιαστήριον nicht positiv, sondern nur negativ spricht (GÄBEL, Kulttheologie 457), diese Negation bezieht sich jedoch (nur) auf „die dem Zelt Dienenden“! Dass „wir“ im Unterschied zu denjenigen, „die dem Zelt dienen“, umgekehrt vom Altar zu essen das Recht haben, legt sich zwanglos nahe. 167 Dazu MICHEL, Hebr 501f. 168 WILCKENS, Zur Hohepriesterlehre 486. 169 Nachweise bei KLAUCK, Thysiastērion 359–361. 170 WILCKENS, Zur Hohepriesterlehre 486: „Diese Entgegensetzung gewinnt nur dann einen Sinn, wenn damit der Mahlgottesdienst der Christen im Gegensatz zum Opferdienst des alten Bundes gemeint ist. Das ‚Essenʻ dort und das ‚Essenʻ hier schließen sich gegenseitig aus“. 171 BORNKAMM, Bekenntnis 195: „Der Hebr sieht die Gemeinde in der Gefahr, sich allerlei Speisevorschriften zu unterwerfen, am jüdischen Kultus zu beteiligen und so durch Rückkehr in das ‚Lagerʻ (V. 13), d.h. in das schützende Gehege der jüdischen Gemeinde ihre Sicherheit zu erkaufen“. 172 GRÄSSER, Hebr III 378f., bezieht den Ausdruck „Zeltdiener“ auf die Christen! Dagegen mit Recht THEOBALD, Eucharistie als Quelle 131f. mit Anm. 427.
374
XIII. Die Taufeucharistie im Hebräerbrief
schen (jüdischen) ist (8,5).173 Allerdings fehlt bei der Aufzählung derjenigen Gegenstände im irdischen Zelt, die als Abbild des himmlischen Tempels fungieren, gerade der Altar (vgl. 9,1–28)! Hinzu kommt, dass nirgendwo im Text steht, es handle sich um einen himmlischen Altar.174 4.2 Gebete als Opfer der Lippen (Hebr 13,15) Doch dürfte diese Alternative überhaupt falsch gestellt sein.175 Zunächst einmal ist wichtig zu sehen, dass der Verfasser jene Gruppe, die laut V. 10 einen Altar besitzt, nämlich „wir“, in V. 12 näher qualifiziert: Laut V. 12 hat Jesus außerhalb des Tores gelitten, um durch sein eigenes Blut das Volk zu heiligen (ἵνα ἁγιάσῃ διὰ τοῦ ἰδίου αἵματος τὸν λαόν). Mit Recht erblickt Erich Gräßer in dem ἵνα-Satz die soteriologisch zentrale Aussage des Textes.176 In ihr laufen mehrere Linien des Briefes zusammen: Laut 10,10 beispielsweise sind „wir“ ein für allemal Geheiligte (ἡγιασμένοι ἐσμὲν) durch die Darbringung des Leibes Jesu Christi (vgl. 7,27).177 Und gemäß 10,14 hat Jesus durch ein einziges Opfer (θυσία) jene für immer vollendet, die geheiligt werden (τοὺς ἁγιαζομένους) (vgl. auch 2,11). Zu beachten ist, dass der Hebr an diesen Stellen immer kollektiv redet.178 Insbesondere in 13,12 geht es nicht um die individuelle Zuwendung des Sühnetodes Jesu, sondern um die Heiligung eines Volkes, das durch diesen Vorgang für kollektive kultische Vollzüge („Lobopfer“, V. 15) qualifiziert wird. Der Begriff ἁγιάζειν bezeichnet also die Aussonderung einer Gruppe (!) aus dem Profanen und die Eröffnung des Zugangs zum Sakralen und
173 Scharf formuliert MICHEL, Hebr 502: „Wenn Hebr plötzlich in 13,10 von einem ‚Altarʻ innerhalb der neutestamentlichen Gemeinde spricht, dessen Dienst offenbar in Aktion steht, dann widerspricht dies zunächst der Grundanschauung unseres Briefes überhaupt“, und er erwägt, ob der Vers nicht aus einer anderen Überlieferung gespeist ist. 174 So aber GÄBEL Kulttheologie 450 u.ö. 175 Schon MICHEL, Hebr 503, weist darauf hin, dass der Hebr eine Alternative zwischen Golgotha und dem konkreten Mahlgeschehen nicht empfunden hat und eine bestimmte Abendmahlslehre voraussetzt (sie aber nicht entwickelt): „Man isst vom Tisch des Herrn und vom Altar des Herrn im Mahlgeschehen, das den Tod des Herrn proklamiert“. 176 GRÄSSER, Hebr III 384. Der Satz biete die knappste Zusammenfassung der andernorts breit entfalteten Hebr-Christologie und ihrer soteriologischen Bedeutung für die Gemeinde. 177 Damit ist die leibliche Selbsthingabe Jesu gemeint, vgl. GÄBEL, Kulttheologie 194. 178 Diese „kollektive“ Dimension fehlt bei den ansonsten zutreffenden Ausführungen GÄBELs, Kulttheologie 464: „Wenn in 13,12 vom ἁγιάζειν τὸν λαόν die Rede ist, dann ist die Heiligung auf den inneren Aspekt (καρδία, συνείδησις) der Adressaten zu beziehen, der, wie mehrfach ausgeführt, für Hebr dem himmlischen Heiligtum und seinem Kultgeschehen korreliert“.
4. Altar und Lobopfer der Christen nach Hebr 13
375
„damit die Verleihung der Kultfähigkeit“.179 Im Unterschied zu Kap. 10 geht es in Kap. 13 aber nicht mehr um den freien Zutritt in das himmlische Heiligtum durch das Blut Jesu (vgl. 10,19 mit 9,12–14), sondern um den „irdischen“ Kult der durch Jesu Blut geheiligten Gemeinde, auch wenn diese gerade durch den Kult zur himmlischen Festversammlung hinzugetreten ist (12,22–24).180 Dieser Gedanke kulminiert in V. 15: Der durch Jesu Blut grundgelegten Heiligkeit und Kultfähigkeit „des Volkes“ entspricht nicht nur, dass es aus dem Bereich des „Lagers“ hinausgeht (13,12f.), sondern auch, dass es selbst „Opfer“ darbringt (V. 15f.). Deswegen bildet die Konstatierung der Kultfähigkeit des Volkes („Heiligung“) in 13,12 die Grundlage für die Aufforderung in V. 15, durch ihn (δι’ αὐτοῦ), nämlich den Hohepriester Jesus, allezeit ein „Opfer des Lobes“ (θυσίαν αἰνέσεως) darzubringen für Gott, eine „Frucht der Lippen“, die seinen Namen preisen. Hebr 13,15f. 15
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Durch ihn lasst uns also darbringen ein Opfer des Lobes (ἀναφέρωμεν θυσίαν αἰνέσεως) allezeit für Gott, das heißt: eine Frucht der Lippen (καρπὸν χειλέων), die einmütig seinen Namen anerkennen [bzw. bekennen, oder: preisen]. Die Wohltätigkeit und Gemeinschaft aber vergesst nicht, denn an solchen Opfern (θυσίαις) hat Gott Wohlgefallen.
Dass dies ein himmlischer Vorgang ist, steht gerade nicht im Text,181 im Gegenteil macht eine solche Lokalisierung im Falle des sogleich genannten „Wohltuns und Anteilgebens“ (V. 16) auch gar keinen Sinn. Beides gehört für den Verfasser gerade zusammen, schließlich sind das gottesdienstliche Lobopfer der Gemeinde und die innergemeindlich geübte Solidarität zusammen jene Opfer (θυσίαι), an denen Gott laut 16b Wohlgefallen hat. Beides ist also „auf Erden“ zu lokalisieren und beides steht im Kontext des Gottesdienstes.182 Dies gilt aber auch für den Altar, den „wir“ laut V. 10 haben. Eine schematische Gegenüberstellung von „irdischem“ und „himmlischem“ Bereich kommt in Hebr 13 sichtlich an ihre Grenzen, denn es ist eben das 179
Soweit mit Recht GÄBEL, Kulttheologie 197. Dazu HOFIUS, Gemeinschaft 321f. 181 Gegen GÄBEL, Kulttheologie 452f., der dieses Adjektiv, das in 13,7–17 gar nicht vorkommt, inflationär in seine Auslegung einbringt. Dass der Altar des himmlischen Heiligtums auf Erden steht, betont mit Recht WICK, Gottesdienste 325f., auch wenn seine Deutung auf das Kreuz und die Kreuzesnachfolge nicht üerzeugt, da es in 13,10 ja um das Essen vom Altar geht. 182 Dazu THEOBALD, Eucharistie als Quelle 140f., im Anschluss an MICHEL, Hebr 525. 180
376
XIII. Die Taufeucharistie im Hebräerbrief
Volk auf dem Weg in die zukünftige Stadt, das „geheiligt“ ist und liturgische wie caritative „Opfer darbringt“.183 Diese Formulierungen und ihr Kontext zeigen, dass es in V. 15 „um das liturgische Gebet der Gemeinde geht, dessen Grundformel per Christum in Deum lautet“.184 In dieser Passage wird demnach die in den zentralen Briefpassagen entwickelte Hohepriesterlehre eindrücklich auf den – irdischen! – Gottesdienst der Gemeinde hin ausbuchstabiert. Deswegen also redet der Hebr davon, dass „wir“ Gott durch Christus ein Lobopfer (θυσία αἰνέσεως), nämlich die „Frucht der Lippen“, darbringen (13,15),185 zu dem dann noch das diakonische Handeln (V. 16)186 und der Gehorsam gegenüber den Gemeindeleitern (V. 17) treten. Mit dem Lobopfer der Lippen sind Gebete gemeint, aber wohl nicht allein hymnische Lobpreislieder, sondern auch die Eucharistiegebete, die als „Opfer“ verstanden wurden (vgl. Did 14,1–3).187 Das „Lobopfer“ ist also nicht alleine als „Antwort“ auf das im Herrenmahl gegenwärtige Opfer Christi zu verstehen,188 sondern die Eucharistiegebete selbst sind „Opfer des Lobes“ und „Frucht der Lippen“.189
183 Dies zu GÄBEL, Kulttheologie 459. THEOBALD, Eucharistie als Quelle 125, beschreibt das treffend als „Umschlag von der vertikalen Zuordnung vorabbildender und eigentlicher Heilsordnung in die Horizontale geschichtlich-sozialer Realität“, wobei dem noch die gottesdienstliche bzw. liturgische Realität hinzuzufügen wäre. 184 THEOBALD, Eucharistie als Quelle 135. Weitere Belege ebd. 136f. 185 Gegen WICK, Gottesdienste 320f. Vgl. Ps 49,14.23 und Hos 14,3 LXX sowie 1QS 9,4ff. Zum alttestamentlich-frühjüdischen Hintergrund vgl. GRÄSSER, Hebr III 390f. 186 Dazu ausführlich THEOBALD, Eucharistie als Quelle 139–141, laut dem der Lobpreis über den eucharistischen Gaben nur die eine Seite der Medaille ist, zu der „Wohltätigkeit“ und „Gemeinschaft“ (εὐποιΐα καὶ κοινωνία) hinzutreten müssen. 187 Dem stimmt THEOBALD, Eucharistie als Quelle 136, ausdrücklich zu. Ganz im Banne einer anachronistischen Entgegensetzung von „Wortgottesdienst“, in dem das dankbare Lob der Gemeinde laut wird, und „kultischen Praktiken“, die mit Speisen zu tun haben, sowie einer postulierten Eucharistie-Reserve des Verfassers steht dagegen GRÄSSER, Hebr III 389–392, der die Eucharistiegebete nicht als Teil des frühchristlichen „Lobopfers“ erkennt. Analog BRAUN, Hebr 469: Statt den verbotenen Opfer-βρώματα von 13,9f. gehe es nun um das den Christen angemessene Opfer, den Preis des Namens Gottes. Auch RIGGENBACH, Hebr 446f., stellt den Preis Gottes den materiellen Gaben gegenüber. 188 So aber BORNKAMM, Bekenntnis 194–196, der an dem Zusammenhang von Lobopfer und Herrenmahl festhält, dies allerdings so versteht, dass die Lobopfer (= der kultische Lobpreis) die lobpreisende und bekennende Antwort der Gemeinde auf das im Kult, d.h. bei der Feier des Herrenmahles gegenwärtige Opfer Christi darstellen. 189 Zu den Gebeten als Opfer vgl. Did 14,1–3; 1Clem 40,1f.; Justin, Dial 117, vgl. auch Dial 28 und 41 (Mal 1,10–12); Irenäus, adv. Haer IV 17,6; 18,6; Tertullian, adv. Marc. III 22,6; IV 1,8; Origenes, orat. 31,4 u.ö. und dazu GRÄSSER, Hebr III 390f.; KLINGHARDT, Gemeinschaftsmahl 507f., sowie THEOBALD, Eucharistie als Quelle 136f.
4. Altar und Lobopfer der Christen nach Hebr 13
377
Otfried Hofius hat dies treffend so formuliert: Auch wenn der Eintritt in das himmlische Heiligtum bzw. in Gottes „Ruhe“ dem Volk Gottes erst noch bevorsteht, „so wird dieses eschatologische εἰσέρχεσθαι doch bereits jetzt antizipiert: in dem gottesdienstlichen προσέρχεσθαι, mit dem die versammelte Gemeinde ihrem Gott naht. Im Gottesdienst ‚dienenʻ die Glaubenden priesterlich ‚dem lebendigen Gottʻ (9,14), indem sie das ‚Lobopferʻ darbringen, nämlich ‚die Frucht der Lippen, die seinen Namen preisenʻ (13,15). Diese gottesdienstliche θυσία αἰνέσεως ist die Antizipation des eschatologischen Gotteslobes, d.h. des σαββατισμός von 4,9“.190 Der Hebräerbrief nimmt die Eucharistefeier seiner Gemeinde also doppelt in den Dienst seines Anliegens: Die bei der Ersteucharistie nach der Wassertaufe (und nicht bei der Wassertaufe selbst) vermittelte Anteilhabe am Heiligen Geist benutzt er zur Warnung vor dem Glaubensabfall und schärft die Unmöglichkeit einer weiteren „Erneuerung“ der Getauften ein. Die in seiner Gemeinde wie in anderen frühjüdischen und frühchristlichen Traditionen als „Lobopfer der Lippen“ verstandenen Eucharistiegebete der Gemeinde dagegen dienen – ebenso wie das aus der Herrenmahlsparadosis stammende „Kelchwort“ Hebr 9,20191 – der Plausibilisierung der im Zentrum des Briefes entfalteten Hohenpriesterchristologie. Aus dem Selbstopfer des Sohnes folgt für den Verfasser demnach die kultische Qualifizierung des „Volkes“ zur Darbringung von „Opfern“, liturgischer wie caritativer. Der Verfasser will seine Adressaten also gerade mit der Implementierung eines kultischen Verständnisses des christlichen Gottesdienstes und der christlichen Caritas dazu motivieren, an den Gemeindeversammlungen teilzunehmen (10,25).
190
HOFIUS, Gemeinschaft 321. Ebd. weist Hofius mit Recht auch darauf hin, dass die Aussagen über das gottesdienstliche προσέρχεσθαι und das im Gottesdienst Gott dargebrachte „Lobopfer“ mit dem Abschnitt 12,22–24 zuammenzuschauen ist. Zu den Eucharistiegebeten vgl. auch die wichtigen Hinweise bei HOFIUS, Herrenmahl 228f. und 234– 237. 191 Dass das markinisch-matthäische Kelchwort auf die Formulierung in Hebr 9,20 eingewirkt hat und der auctor ad Hebraeos also auf dem Höhepunkt und im Zentrum seiner Ausführungen über Christus den Hohenpriester auf den sog. Einsetzungsbericht (bzw. die Herrenmahlsparadosis) rekurriert, wird mit Recht von der Mehrheit der Forschung angenommen. Vgl. dazu nur MICHEL, Hebr 320; BACKHAUS, Bund 199f.; WILCKENS, Zur Hohepriesterlehre 482f.; dagegen z.B. RIGGENBACH, Hebr 278 mit Anm. 54. Unentschieden GÄBEL, Kulttheologie 406 Anm. 334.
Exkurs
Manna, Honig, Engelsspeise Exkurs: Manna, Honig, Engelsspeise
1. Die Exodusereignisse in biblischen Geschichtsrückblicken 1. Exodusereignisse in Geschichtsrückblicken
Sowohl Paulus als auch der auctor ad Hebraeos sprechen von Taufe und Eucharistie unter Anspielung auf den Exodus, genauer: Die Exoduserzählung liefert die Sprache, um Taufe und Eucharistie in einer bestimmten Hinsicht thematisieren. Paulus in 1Kor 10,1–4 wie auch der Verfasser von Hebr 6,4–6 greifen aber nicht „direkt“ auf die Exodusereignisse, d.h. auf die Basistexte aus dem Buch Exodus (und Numeri) zurück, sondern sehen sie sozusagen durch den Filter der großen Geschichtsrückblicke der Psalmen 78 und 105/106 (= 77 und 104/105 LXX) sowie des großen Bußgebets in Neh 9 (= 2Esr 19 LXX), und dies jeweils in der LXX-Fassung.1 Diese Texte stehen sich formgeschichtlich, teilweise aber auch inhaltlich nahe.2 Indem die beiden genannten Autoren diese Texte auf Taufe und v.a. auf die Eucharistie beziehen, stellen sie sich in eine innerjüdische Entwicklungslinie, die im Folgenden nachzuzeichnen ist. Dabei geht es vor allem um die Transformation des Manna zur Engelsnahrung und zur Speise der Unsterblichkeit. Umgekehrt lassen sich der tauftheologischen und eucharistischen Relecture der biblischen Prätexte auch wertvolle Hinweise über das frühchristliche Verständnis von Taufe und Eucharistie gewinnen. 1
Dass Paulus in 1Kor 10 auf Ps 78 und 105 (und nicht direkt auf Ex) zurückgreift, registriert auch F.-L. Hossfeld in den gemeinsam mit E. Zenger verfassten Psalmenkommentaren. So schreibt er zu Ps 105: „Im ‚Midrasch zur Exoduserzählungʻ (vgl. 1Kor 10,5) hat Paulus die Exoduserzählung von Ps 105,39–41 vor Augen“ (HOSSFELD/ZENGER, Ps III 115). Und zu Ps 78: „Einen weiteren Schwerpunkt der Rezeption hat Ps 78 in der Geschichtsreflexion von 1Kor 10. Paulus spielt in V. 3 auf das Mannaund Wachtelwunder aus Ps 78,24ff. an. In V. 4 rekurriert er auf das Wasserwunder von 78,15f. und in V. 5 erinnert er an den Tod der Israeliten in der Wüste gemäß 78,31. In 1Kor 10,9 könnte er auch auf das Theologoumenon des sündhaften Erprobung Gottes durch Israel in 78,18.56 anspielen“ (HOSSFELD/ZENGER, Ps II 78). 2 Die enge formgeschichtliche Verbindung von Neh 9 mit Ps 106 registriert SCHUNCK, Neh 268. Auch HIEKE, Neh 210, spricht von Berührungspunkten von Neh 9 mit den sog. „Geschichtspsalmen“ Ps 78; 105; 106; ferner mit Ps 135 und 136. Vgl. auch ebd. 223f. zur literarischen Gattung „Bußgebet“ von Neh 9 und Ps 106. Dominantes Element sei „Geschichtsdarstellung als Sündenbekenntnis“.
1. Exodusereignisse in Geschichtsrückblicken
379
Zur besseren Orientierung seien die entscheidenden Passagen aus den drei genannten alttestamentlichen Texten vorangestellt: Neh 9,11–21 (= 2Esr 19,11–21 LXX) 11
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Und das Meer (τὴν θάλασσαν) hast du vor ihnen zerteilt, und sie konnten inmitten (ἐν μέσῳ) des Meeres auf trockenem Boden hindurch ziehen. (…) Und in (bzw. mittels) einer Wolkensäule geleitetest du sie (ἐν στύλῳ νεφέλης ὡδήγησας) bei Tag und in (mittels) einer Feuersäule (ἐν στύλῳ πυρός) die Nacht hindurch, um ihnen den Weg zu erhellen (τοῦ φωτίσαι αὐτοῖς τὴν ὁδόν), auf dem sie ziehen sollten. (…) Und Brot aus dem Himmel (ἄρτον ἐξ οὐρανοῦ) gabst du ihnen (ἔδωκας αὐτοῖς) zu ihrer Sättigung (εἰς σιτοδείαν αὐτῶν), und Wasser aus einem Felsen (καὶ ὕδωρ ἐκ πέτρας) ließest du für sie fließen gegen ihren Durst. (…) Die Wolkensäule (τὸν στῦλον τῆς νεφέλης) wich tagsüber nicht von ihnen, um sie auf dem Weg zu führen (ὁδηγῆσαι αὐτοὺς ἐν τῇ ὁδῷ), noch die Feuersäule (τὸν στῦλον τοῦ πυρὸς) nachts, um ihnen den Weg zu erleuchten (φωτίζειν αὐτοῖς τὴν ὁδόν), auf dem sie ziehen sollten. Und deinen guten Geist hast du ihnen gegeben (καὶ τὸ πνεῦμά σου τὸ ἀγαθὸν ἔδωκας), um sie zu unterweisen. Und dein Manna (τὸ μαννα σοῦ) hast du ihrem Mund nicht vorenthalten, und du gabst ihnen Wasser (καὶ ὕδωρ ἔδωκας αὐτοῖς) für ihren Durst.
Ps 78,13–16.23–25 (= Ps 77,13–16.23–25 LXX) 13
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Er spaltete das Meer (διέρρηξεν θάλασσαν) und führte sie hindurch (καὶ διήγαγεν αὐτούς), er richtete die Wassermassen auf wie einen (Wein-)Schlauch (ἔστησεν ὕδατα ὡσεὶ ἀσκὸν) und leitete sie durch eine (bzw. in einer) Wolke bei Tag (καὶ ὡδήγησεν αὐτοὺς ἐν νεφέλῃ ἡμέρας) und die ganze Nacht durch das (bzw. im) Leuchten eines Feuers (καὶ ὅλην τὴν νύκτα ἐν φωτισμῷ πυρός). Er spaltete einen Felsen in der Wüste (διέρρηξεν πέτραν ἐν ἐρήμῳ), und tränkte sie wie mit einer großen Flut (καὶ ἐπότισεν αὐτοὺς ὡς ἐν ἀβύσσῳ πολλῇ),
Exkurs: Manna, Honig, Engelsspeise
380 16
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23 24
25
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und ließ Wasser aus einem Felsen hervorströmen (καὶ ἐξήγαγεν ὕδωρ ἐκ πέτρας) und ließ wie Flüsse Wassermassen herabströmen. (…) Und er gebot den Wolken von oben, und Türen des Himmels (θύρας οὐρανοῦ) öffnete er. Und er ließ regnen für sie Manna zu essen (καὶ ἔβρεξεν αὐτοῖς μαννα φαγεῖν), und Himmelsbrot gab er ihnen (καὶ ἄρτον οὐρανοῦ ἔδωκεν αὐτοῖς). Brot der Engel aß der Mensch (ἄρτον ἀγγέλων ἔφαγεν ἄνθρωπος). Vorrat sandte er ihnen bis zur Sättigung (εἰς πλησμονήν).
Ps 105,39–41 (= Ps 104,39–41 LXX) 39
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Er breitete eine Wolke aus zur Bedeckung für sie (διεπέτασεν νεφέλην εἰς σκέπην αὐτοῖς), und ein Feuer, um ihnen die Nacht zu erleuchten (καὶ πῦρ τοῦ φωτίσαι αὐτοῖς τὴν νύκτα). Sie baten, und es kam sowohl ein Wachtelschwarm (ὀρτυγομήτρα3), als auch mit Himmelsbrot sättigte er sie (καὶ ἄρτον οὐρανοῦ ἐνέπλησεν αὐτούς). Er zersprengte einen Felsen (διέρρηξεν πέτραν), und Wasser flossen (καὶ ἐρρύησαν ὕδατα), in Wüsten liefen Flüsse (ἐπορεύθησαν ἐν ἀνύδροις ποταμοί).
Diese Texte referieren und selektieren nicht alleine die im Pentateuch erzählten Ereignisse, sie erheben „das Paradigmatische der fundierenden Ereignisse selbst zum Thema“.4 Auffälligerweise spielt dabei die Sinaiüberlieferung weder in Ps 78 noch in Ps 105 eine Rolle.5 Dies ist allerdings in Neh 9 anders.6 Paulus wie der auctor ad Hebraeos setzen die in den genannten Texten vorgenommene Relecture der im Pentateuch erzählten Ereignisse des Exodus und der Wüstenzeit in vierfacher Hinsicht voraus, wobei uns neben der Neugruppierung (1.1) und der theozentrischen Zuspitzung der Exodusereignisse (1.2) sowie dem Aspekt der Versorgung (1.3) vor allem die sich 3 ὀρτυγομήτρα in der LXX auch in Ex 16,13; Num 11,31.32 und in Sap 16,2. μήτρα bedeutet eigentlich den Mutterschoß, gemeint ist hier aber offenbar ein Wachtelschwarm. 4 So GÄRTNER, Geschichtspsalmen 381, zu Ps 78 und 105/106 (dort hervorgehoben). 5 SEILER, Text-Beziehungen 107, im Anschluss an G. von Rad, sowie 184. 6 In Neh 9 ist die durch Mose vermittelte Gesetzgebung am Sinai zwischen das Geleit in Wolken- und Feuersäule (Neh 9,12) und die Versorgung des Volkes mit Manna und Wasser (Neh 9,15) platziert.
1. Exodusereignisse in Geschichtsrückblicken
381
hier entwickelnde Deutung des Manna als Engelsspeise und „LebensMittel“ interessiert (siehe 2.). 1.1 Neugruppierung und neue Zuordnung von Exodusereignissen Gegenüber den narrativen Pentateuch-Passagen werden die Exodusereignisse, insbesondere die Wüstenwunder, in diesen Texten bereits selektiert, gruppiert und teilweise einander neu zugeordnet. So werden in Ps 105,39– 41 drei Paare von Wundern geschildert: „Die Wolken und Feuersäule zum Schutz und zur Führung (V. 39), die Speisung durch Wachteln und Manna (V. 40) sowie das Wasser aus dem Felsen (V. 41)“.7 Hinzu kommt, dass Wolke und Feuerschein in V. 39 nicht mehr im Zusammenhang der Rettung am Schilfmeer stehen.8 In Ps 78 wiederum wird die Geschichte des Volkes Israel „gerafft und mehrfach in eigenwilliger Abfolge dargestellt“,9 das zeigt z.B. die Parallelisierung der beiden Wasserwunder in 78,12–16,10 während die wunderbare Speisung erst in V. 23–30 beschrieben wird. Im Unterschied zu Ps 105 scheint hier eine Steigerung von der Wasserspende über die Mannaspeisung zur Wachtelgabe intendiert zu sein.11 Grundsätzlich ist der Psalm durch die Abfolge von göttlichen Wundertaten, Ungehorsam des Volkes und der Reaktion Gottes darauf, strukturiert.12 In gewisser Analogie dazu ist auch der dem Wüstenaufenthalt Israels gewidmete Abschnitt im Bußgebet Neh 9 (V. 12–21) nicht an der Abfolge des Pentateuch, sondern an einem dreigliedrigen Schema orientiert: (1.) Neh 9,12–15: JHWHs gütige Fürsorge, die sich an der Wolken- bzw. Feuersäule, der Gabe guter Gesetze und Gebote am Sinai, der Gabe von Brot und Wasser sowie der Landverheißung zeigt. (2.) 9,6–19a: Der undankbare Ungehorsam des Volkes, v.a. beim Goldenen Kalb. (3.) 9,19b–21: JHWHs bleibende Güte, die sich erneut in der Wolken- und Feuersäule, der Gabe von Manna und Wasser sowie der Geistgabe manifestiert.13
7
HOSSFELD/ZENGER, Ps III 99. Beobachtet von GÄRTNER, Geschichtspsalmen 177, die zudem darauf hinweist, dass die Überlieferung von Wolkensäule und Feuerschein in Ps 105,39 mit einer tempeltheologischen Kategorie („Decke“, vgl. Ex 35,12; 38,24; 40,21; Num 3,25f.31; 4,25f.) gedeutet wird. 9 HOSSFELD/ZENGER, Ps II 420. Ebd. eine Reihe von Beispielen. Vgl. auch 434. 10 Diese sind noch dazu durch das Stichwort „spalten“ (V. 13/15) verbunden. 11 HOSSFELD/ZENGER, Ps II 435. Sie registrieren auch die enorme Steigerung des Wunders gegenüber Ex 16,13. 12 SEILER, Text-Beziehungen 124 u.ö. 13 SCHUNCK, Neh 276f. Die Geistgabe tritt hier an die Stelle der (unwiederholbaren) Sinaioffenbarung. 8
382
Exkurs: Manna, Honig, Engelsspeise
1.2 Theozentrische Zuspitzung Bemerkenswert ist außerdem, dass Mose in den genannten Texten (im Unterschied zur narrativen Darstellung des Pentateuch) stark zurücktritt14 und dass im Gegenzug Gottes Macht und sein souveränes Handeln ganz in den Mittelpunkt rücken.15 Judith Gärtner spricht daher treffend von der „theozentrische[n] Zuspitzung der rekapitulierten Ereignisse gegenüber der Überlieferung“.16 Einmal wird so die Präsenz Gottes beim Exodus und in der Wüste stark herausgestellt, ein Motiv, das Paulus in 1Kor 10,1–13 dann christologisch und eucharistisch transformiert. Vor allem aber stehen sich Gott und sein (widerspenstiges) Volk viel stärker als in den Pentateuchtexten direkt gegenüber! So werden beispielsweise in Ps 78 die Verfolger der Israeliten und ihr Schicksal gar nicht erst erwähnt.17 Entsprechend wird die Schuld des Volkes Gott gegenüber deutlicher akzentuiert: „Es geht um die Verfehlungen der Väter im Angesicht der Wundertaten Gottes“.18 In den genannten Texten werden die Heilstaten Gottes direkt mit dem Ungehorsam und der Widerspenstigkeit des Volkes kontrastiert.19 Daran knüpfen Paulus20 wie auch der auctor ad Hebraeos unmittelbar an. 1.3 Versorgung in der Wüste Damit verbunden ist die Beobachtung, dass Ps 105 die Überlieferung auf den für seine Geschichtskonzeption wesentlichen Aspekt konzentriert: den der Versorgung!21 Die im Pentateuch mit den Wundertaten Gottes verbun14 SEILER, Text-Beziehungen 108f. und 124f. zu Ps 78. In Ps 106 allerdings ist der Gotteszorn von vorneherein durch die Erwählung des Mose begrenzt, der für sein Volk in die Bresche springt und den Zorn abwendet (GÄRTNER, Geschichtspsalmen 380). 15 Vgl. dazu GÄRTNER, Geschichtspsalmen 63 u.ö.: Insbesondere in Ps 78 sei JHWH das eigentliche Subjekt der Handlung, Mose komme gar keine Bedeutung zu. Gärtner weist nach, dass diese Verschiebung gegenüber dem Pentateuch theologischen Interessen gehorcht. So werde in 78,13 (Stichwort „spalten“) die Herrschaft JHWHs über das Wasser betont (63f.), in 78,23 erweise sich JHWH als Herr des Himmels und des Wetters, der den Wolken gebietet und die Himmelstüren öffnet, um seinem Volk Anteil an himmlischer Speise zu gewähren (69f.) usw. 16 GÄRTNER, Geschichtspsalmen, 182, zu Ps 105 (Hervorhebung dort). 17 SEILER, Text-Beziehungen 109. 18 GÄRTNER, Geschichtspsalmen 73, zu Ps 78. Vgl. ebd. 378: „Der Versorgung und dem Schutz des Schöpfers stehen aber die Verfehlungen Israels entgegen, die seit seinen Anfängen als Gottesvolk integraler Bestandteil der Gottesbeziehung sind“. 19 Vgl. dazu z.B. die Auflistung der auf die menschliche Sünde bezogenen Terminologie in Ps 78 bei SEILER, Text-Beziehungen 105. 20 Vgl. auch HOSSFELD/ZENGER, Ps II 443, laut denen Paulus in 1Kor 10,9 auf das Theologoumenon der sündhaften Erprobung Gottes durch Israel in Ps 78,18.56 anspielen könnte. Allerdings verschweigen sie, dass Paulus den Text christologisch liest. 21 Beobachtet von GÄRTNER, Geschichtspsalmen 248, ebenso SEILER, TextBeziehungen 114 und 125 zu Ps 78.
2. Das Manna als Engelsspeise
383
denen Fragen wie die nach der Lokalisierung der jeweiligen Ereignisse, nach der Ration des Manna, aber auch die Sabbat-Thematik, spielen keine Rolle.22 Gerade die „Geschichtspsalmen“ 78 und 105 rücken das bewahrende Handeln Gottes in der Wüste in den Fokus, auch dieser Aspekt wird v.a. von Paulus, aber auch vom auctor ad Hebraeos direkt ausgewertet.
2. Das Manna als Engelsspeise 2. Das Manna als Engelsspeise
Wenn Paulus vom Manna als πνευματικὸν βρῶμα spricht (1Kor 10,3) und der Verfasser des Hebräerbriefes mit der Wendung ἡ δωρεὰ ἡ ἐπουρανία darauf anspielt (Hebr 6,4), dann setzen sie bei dieser Übertragung von Mannatopik auf die Eucharistie eine innerbiblische wie frühjüdische Weiterentwicklung der Mannavorstellungen voraus. Die entscheidenden Etappen dieser Entwicklung sind die LXX-Übersetzung von Ps 78,25 und die Anreicherung der Mannasymbolik im Buch der Weisheit.23 2.1 „Brot der Engel“: Das Manna in Ps 77,25 LXX In Ex 16,4 wird das Manna als „Brot aus dem Himmel“ ()לחם מן־השמים bezeichnet. Diese Wendung greifen Ps 105,40 ( )לחם שמיםund Neh 9,15 ( )לחם משמיםdirekt auf. Dem folgen auch die LXX, die in Ex 16,4 die Wendung ἄρτοι ἐκ τοῦ οὐρανοῦ bieten und dies mit leichten Varianten in die Übersetzung von Ps 105,40 (ἄρτον οὐρανοῦ) und Neh 9,15 (ἄρτον ἐξ οὐρανοῦ) übernehmen. Den für die Wirkungsgeschichte entscheidenden neuen Akzent setzt allerdings der Verfasser von Ps 78: Dieser spricht zwar in V. 24b in Anlehnung an Ex 16,4 vom Manna als „( דגן שמיםKorn bzw. Getreide des Himmels“), stellt dem in V. 25a dann aber die Wendung „( לחם אביריםBrot von Starken“) an die Seite. Aufgrund des Parallelismus dürften mit אבירים schon im hebräischen Text des Psalms himmlische Wesen gemeint sein,24 auch wenn die Wendung ein hapax legomenon darstellt. Wenn dem so ist dann wird hier „nicht allein der Ort angegeben, von dem her die Versor-
22
SEILER, Text-Beziehungen 114 zu Ps 78. Wichtige Anregungen zum Folgenden verdanke ich der bislang ungedruckten Dissertation von P. RYTEL-ANDRIANIK: Manna, Bread from Heaven. Jn 6:22–59 in the Light of Psalm 78:23–25 and Its Interpretation in Early Jewish Sources (Jerusalem 2012). 24 So auch KRAUS, Ps II 709, und HOSSFELD/ZENGER, Ps II 435: „hier wohl himmlische Wesen im Unterschied zu den irdischen Starken von Ps 50,13 und 68,31“. 23
384
Exkurs: Manna, Honig, Engelsspeise
gung mit Nahrung zu erwarten ist, vielmehr lässt Gott seinem Volk ‚himmlische Speiseʻ zuteil werden“.25 Die der hebräischen Formulierung eventuell noch innewohnende Unschärfe wird dann durch die LXX vereindeutigt. Sie übersetzen דגן שמיםin Ps 78,24b mit ἄρτος οὐρανοῦ, und לחם אביריםin V. 25a mit ἄρτος ἀγγέλων. Indem sie sowohl דגןals auch לחםmit ἄρτος wiedergeben, verstärken sie den Bezug der beiden Wendungen aufeinander: Das Brot vom Himmel ist das Brot der Engel. Im Unterschied dazu übersetzt Aquila in Ps 78,25: ἄρτον δυναστῶν ἔφαγεν ἀνήρ, analog Theodotion, Symmachus wiederum bietet: ἄρτον μεγάλων ἔφαγεν ἄνθρωπος.26 Die drei bleiben also näher am hebräischen Wortlaut und vermeiden so vielleicht die Vorstellung einer Engelsnahrung. Die LXX dagegen identifizieren die in Ps 78,25 genannten „Starken“ als Engel, zumal in V. 23–25 ja viermal vom „Himmel“ die Rede ist. Deutlicher als in der hebräischen Fassung des Psalms ist in Ps 77,25a LXX nun der Kontrast zwischen menschlicher und himmlischer Sphäre betont: „Der Mensch“ (ἄνθρωπος [!]) isst „Brot der Engel“ (ἄρτον ἀγγέλων). Das Manna ist hier die himmlische Nahrung, von der sich normalerweise die Engel ernähren,27 die aber während der Wüstenzeit auf das Volk Israel herabregnete. Zwar bezeichnet Josephus das Manna als θεῖον βρῶμα, meint das aber offenbar als reine Herkunftsbezeichnung.28 Eine Rezeption der hellenistisch-jüdischen Transformation des Manna zur Engelsspeise und Unsterblichkeitsnahrung (s.u.) ist bei ihm nicht festzustellen.
2.2 „Engelsnahrung“ und „Ambrosia“: Das Manna im Buch der Weisheit An die Aussagen von Ex 16 über das Manna, vor allem aber an die LXXÜbersetzung von Ps 78,25 schließt dann das Buch der Weisheit an und führt sie entscheidend weiter.29 Hier wird in den Bahnen des Pentateuch 25
SEILER, Text-Beziehungen 114, der damit schon in Ps 78,25 MT den Gedanken ausgedrückt findet, „dass es die Speise himmlischer Wesen ist, mit der Gott sein Volk ernährt“. 26 Vgl. FIELD, Origenis Hexaplorum II 225. 27 Dazu auch LibAnt 19,5 (Scitote autem, quoniam panem angelorum manducastis quadraginta annis) sowie bYom 75b [Bar.]: Rabbi Aqiba bezeichnet das Manna hier als Speise der Dienstengel, was auf den Widerspruch R. Jismaels stößt, laut dem die Engel nichts essen (GOLDSCHMIDT III 215). Weitere Belege bei WINSTON, Wisd 298. 28 Josephus, Ant III 30 im Kontext von § 26–32. Die Speise ist „göttlich“, weil sie von Gott kommt. Überirdische Kräfte sind mit ihr offenbar nicht verbunden, auch auf die Engel geht Josephus hier nicht ein. 29 Instruktiv dazu RYTEL-ANDRIANIK, Manna 174–218, wichtige Hinweise aber auch in BEAUCHAMP, Salut. Zu den Exodus-Motiven in Sap 16,15–29 auch CHEON, Exodus 56–67; zu 19,18–21 ebd. 104–106. Leider geht Cheon nicht auf die in Sap greifbare spezifische Deutung des Manna ein.
2. Das Manna als Engelsspeise
385
auf die Süßigkeit des Manna und seinen wechselnden Geschmack angespielt30 und sein Aussehen wird mit dem von Eis (Num 11,7 LXX: εἶδος κρυστάλλου) verglichen.31 Entscheidend ist aber, dass der Verfasser des Buches der Weisheit das Manna in 16,20 als ἀγγέλων τροφή, in 19,21 dann aber als ἀμβροσίας τροφή bezeichnet und damit auf der schon von Ps 78,25 eingeschlagenen Bahn einen entscheidenden Schritt weitergeht. Die Engelsspeise wird hier in erster Linie als Nahrung des Gerechten verstanden, entsprechend ist jede Kritik an Israel verstummt.32 Die beiden entscheidenden Passagen aus dem Buch der Weisheit, die zudem durch die Bezeichnung des Manna mit τροφή aufeinander bezogen sind, lauten: Sap 16,20 20
a b c a b c
21
Im Unterschied dazu nährtest du mit Engelsspeise dein Volk (ἀγγέλων τροφὴν ἐψώμισας τὸν λαόν σου), und fertiges Brot reichtest du vom Himmel her ihnen unermüdlich dar (καὶ ἕτοιμον ἄρτον ἀπ’ οὐρανοῦ παρέσχες αὐτοῖς ἀκοπιάτως), es gewährte jeden Genuss und entsprach jedem Geschmack. Denn zwar zeigte dein Wesen deine Süßigkeit gegenüber deinen Kindern, als es der Lust (eines jeden), der es zu sich nahm, zu Willen war, und sich verwandelte in das, was immer jemand wollte.
Sap 19,21 21
a b
Flammen wiederum zerstörten nicht das Fleisch von hineingeratenen Lebewesen, die leicht zu verderben sind (εὐφθάρτων), und es schmolz nicht die eisförmige (κρυσταλλοειδὲς), leicht schmelzende (εὔτηκτον) Art der ambrosischen Speise (γένος ἀμβροσίας τροφῆς).
Auch für den Verfasser des Weisheitsbuches ist das Manna, das Israel in der Wüste von Gott zur Verfügung gestellt wurde, in Wirklichkeit die Nahrung der Engel, durch das Adjektiv ἀμβροσίας führt er diese Charakterisierung aber noch einen entscheidenden Schritt weiter: Die Engelsspeise ist eine Speise, die Unsterblichkeit vermittelt. Denn das Wortfeld ἀμβροσία/ἀμβροσίος bedeutet ursprünglich schlicht „Unsterblichkeit“, auch wenn mit „Ambrosia“ in den meisten paganen Texten konkret die Nahrung, aber auch die Kosmetik (z.B. Salbe) der Unsterblichen gemeint 30
In Sap 16,20f. spielt das Stichwort γλυκύτης auf die honigartige Süße des Manna an (Ex 16,31), der wechselnde Geschmack wird hier und in 16,25 mehrfach betont. 31 Vgl. Sap 16,22 (κρυστάλλος) und v.a. 19,21 (κρυσταλλοειδές) mit Num 11,7 LXX. 32 Die Hauptaussage lautet in den Worten CHEONs, Exodus 67: „creation slackens from its normal course for beneficence on behalf of the righteous. It means that all creation is subject to God and works for the benefit of the righteous“.
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Exkurs: Manna, Honig, Engelsspeise
ist.33 In Verbindung mit „Nektar“ bezeichnet es meist (allerdings nicht immer) die feste Speise, was ebenfalls zur Anwendung auf das Manna in Sap 19,21 passt. Mit Recht bemerkt also P. Rytel-Andrianik zu Sap 19,21: „with the expression ἀμβροσίας τροφῆς he adds a new quality to the manna, which is not present in the Hebrew Bible. It is a crucial stepp. To do this, he applies the typical Hellenistic word ἀμβρόσιος (the term used in Greek mythology fort he eternal-life giving food of the gods) in reference to the manna, which was described in Wis 16,20 as ἀγγέλων τροφήν and ἕτοιμον ἄρτον ἀπ’ οὐρανοῦ. (…) Wisd 19,21 adds a new quality to the entire biblical manna tradition (…), namely, that it is the food of immortality“.34
3. „Diese Wabe ist Geist des Lebens“: Joseph und Aseneth 3. Joseph und Aseneth
Von hier aus führt die Linie dann weiter zum hellenistisch-jüdischen Bekehrungsroman Joseph und Aseneth.35 Neu ist in diesem Text, dass das als Honigwabe erscheinende himmlische Manna mit den jüdischen Gebeten über Brot, Becher und Salböl sowie mit diesen Lebensmitteln selbst in Verbindung gebracht wird. Welche Beziehung zwischen dem himmlischen Manna und dem gesegneten Brot, Becher und Salböl hergestellt wird, muss eine genauere Analyse des Textes zeigen. Dessen Erzählstrategie wird in einem mahlideologischen Referenzrahmen entwickelt: In JosAs stehen sich die jüdische und die heidnische Tischgemeinschaft schroff gegenüber. Sie sind vor allem dadurch unterschieden, dass die „jüdische Art zu essen“ mit himmlischen Lebenskräften in Verbindung bringt, die heidnische dagegen 33 Bedeutungen und Belege in LIDDELL/SCOTT, Lexicon 79 („immortality, rare in general sense (…) usu[ally] elixir of life“), außerdem F. GRAF, Art. Ambrosia, in: DNP I (1996) 581f. Interessant ist die Verbindung von Ambrosia mit Honig, z.B. bei Porphyrius, de antro nympharum 19. 34 RYTEL-ANDRIANIK, Manna 210f. Vgl. bereits BEAUCHAMP, Salut 509: „Précisément, à cause de sa qualité d’être incorruptible, la manne est désignée par cet adjectif qu’il faut prendre non au sens faible de ‚douxʻ ou ‚sucréʻ mais au sens étymologique et encore senti au temps de l’auteur, d’aliment conférant l’immortalité, ou, du moins, convenant aux immortels“. 35 Zitiert wird nach der Kapitel- und Verseinteilung der kritischen Ausgabe von Chr. BURCHARD (2003), die im Wesentlichen mit JSHRZ II/4 übereinstimmt. Diese wurde auch von der darauf aufbauenden Revision von Uta Barbara FINK übernommen. Wichtige Hinweise zu JosAs verdanke ich dem (bisher nicht veröffentlichten) Beitrag Dieter Sängers zum Sacred-Meals-Projekt (SÄNGER, Brot des Lebens). Sänger begründet dort nochmals ausführlich die Präferenz für Burchards Langttext sowie die Einordung der Schrift als ursprünglich griechischsprachig und jüdisch, sie sei vermutlich zwischen 50 v. und 30 n.Chr. in Alexandrien entstanden. Als christlichen Text versteht ihn dagegen LEONHARD, Art. Mahl 1062–1064.
3. Joseph und Aseneth
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mit dem Tod: „Das göttliche Leben, das der Mensch braucht, bekommt er täglich. und zwar nicht, indem er das Gesetz lernt und hält oder mystische Erfahrungen macht; erst recht nicht, indem er sich von einem Kerygma rufen lässt, das in einem besonderen Heilsereignis gründet, sondern indem er auf eine bestimmte, jüdische Art isst, trinkt und sich salbt und die heidnische Art meidet“.36 Es geht also wesentlich um Brot, Trank und Öl als Träger übernatürlicher Lebenskräfte. Die Produkte haben diese Qualität aber nicht aus sich selbst (und auch von Speisegeboten ist nicht die Rede), sondern aufgrund der Benediktionen, die jüdische Mahlteilnehmer insbesondere vor und nach dem Essen, aber auch bei anderen Gelegenheiten sprechen. Sowohl diese soteriologische Qualität des jüdischen Essens als auch das jüdische Beten, das den Speisen diese Qualität erst verleiht, werden mit einer himmlischen Honigwabe symbolisiert. 3.1 Die beiden Protagonisten und ihre Tischgemeinschaften Doch wenden wir uns knapp der Erzählung und ihren Protagonisten zu: Ausgehend von der knappen Notiz Gen 41,45, laut der der Pharao dem Joseph Aseneth, die Tochter Potiphars, des Priesters zu On, zur Frau gab, wird im ersten Hauptteil (JosAs 1–21) erzählt, wie Aseneth unter der Führung des Engelsfürsten Jüdin wurde, damit sie Joseph heiraten konnte. Der Roman füllt also eine Lücke im biblischen Text und nutzt diese zugleich, um aus der Gestalt der Aseneth, die zudem nach ihrer Bekehrung in „Zufluchtsstadt“ umbenannt wird (15,7: πόλις καταφρυγῆς, vgl. 16,16; 19,5.8), eine Art „Rollenmodell“ für Proselyten zum Judentum zu machen. So wird Aseneth bereits zu Beginn präsentiert: als eine große und wohlgestaltete Jungfrau, die aber nicht den ägyptischen Jungfrauen gleicht, sondern „den Töchtern der Hebräer“, nämlich Sara, Rebekka und Rahel (1,5). In ihrer körperlichen Gestalt ist ihre künftige Bestimmung schon angelegt, obwohl ihre Charaktereigenschaften nicht sehr schmeichelhaft sind (2,1) und sie zudem nicht alleine das Zimmer ihres Turmes mit Götzenbildern schmückt (2,3), sondern auch ihre reiche Gewandung und ihr Schmuck sind mit den Namen der ägyptischen Götter bedeckt (3,6). Joseph wird Aseneth als der „Starke Gottes (ὁ δυνατὸς τοῦ θεοῦ)“ angekündigt, gottesfürchtig, besonnen und jungfräulich wie Aseneth selbst,37 stark an Weisheit und Verstand „und Geist Gottes ist auf ihm und Gnade des Herrn mit ihm (καὶ πνεῦμα θεοῦ ἐστιν ἐπ’ αὐτῷ καὶ χάρις κυρίου μετ’ αὐτοῦ)“ (4,7). Der Anblick des mit prachtvoller Kleidung angetanen Joseph (5,5) erschüttert Aseneth, da ihr der junge Jude erscheint wie die 36 37
BURCHARD, JSHRZ II/4 604. Vgl. dazu auch JosAs 7,2–6.7–8.
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Sonne selbst (6,2), und sie erkennt ihn gerade an seinem strahlenden Äußeren als „Sohn Gottes (υἱὸς τοῦ θεοῦ)“ (6,3). Bereits hier wird eine narrative Strategie von JosAs deutlich, die mehrfach zum Einsatz kommt: Leibhaftige Schönheit und Stärke sind deutliche Hinweise auf innewohnende himmlische Kräfte.38 Woher Joseph diese hat, wird in der folgenden Mahlszene angedeutet, denn der Jude isst nicht mit den Ägyptern, sondern am separaten Tisch: διότι Ἰωσὴφ οὐ συνήσθιε (!) μετὰ τῶν Αἰγυπτίων (7,1). Bei der folgenden Begrüßungsszene wehrt Joseph Aseneths Kuss ab mit den Worten: JosAs 8,5 5
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Nicht geziemt es einem gottverehrenden Mann (ἀνδρὶ θεοσεβεῖ), der segnet mit seinem Mund Gott den Lebenden (τὸν θεὸν τὸν ζῶντα) und isst gesegnetes Brot des Lebens (ἄρτον εὐλογημένον ζωῆς) und trinkt gesegneten Kelch der Unsterblichkeit (ποτήριον εὐλογημένον ἀθανασίας) und der sich salbt mit gesegneter Salbe der Unverweslichkeit (χρίσματι εὐλογημέν ἀφθαρσίας), zu küssen eine fremde Frau (φιλῆσαι γυναῖκα ἀλλοτρίαν), welche segnet mit ihrem Mund tote und stumme Bilder und isst von ihrem Tisch Brot der Erwürgung und trinkt aus ihrem Trankopfer Kelch des Hinterhalts und die sich salbt mit der Salbe des Verderbens.
Jüdisches Segnen und Essen sind also eng miteinander verbunden.39 Mit εὐλογεῖν ist nicht die Rezitation des Shema und anderer jüdischer Gebete, sondern konkret das Sprechen jüdischer Benediktionen gemeint, insbesondere der Tischgebete, da Brot und Becher zuerst genannt werden. Sie und die Salbe werden mit dem Adjektiv εὐλογημένον also als durch Benediktionen gesegnet ausgewiesen. Die Genitive, die den Effekt von Essen, Trinken und Salben bezeichnen, nämlich die Vermittlung von Leben, Unsterblichkeit und Unverweslichkeit, hängen also mit dieser Eigenschaft des „Gesegnetseins“ durch Bendiktionen zusammen.40 Daher stellt die auf 5b folgende dreigliedrige Formel 5cde die Explikation bzw. die Konsequenzen 38
Dazu BURCHARD, Untersuchungen 115–117 sowie JSHRZ II/4 607f. Nach Burchard wird Joseph aus den „Söhnen Gottes“ hervorgehoben, weil in ihm die Lebensfülle „konzentriert ist“, was sich an seiner übermenschlichen Schönheit, Einsicht, Weisheit, Tugend, Kraft etc. zeigt. 39 Überzeugend BURCHARD, Asenethroman 427: 5b macht die Grundaussage, für die die drei folgenden Sätze wichtige, nicht notwendig erschöpfende Beispiele geben. 40 Vgl. dazu BURCHARD, Importance 273: „It is this [= εὐλογεῖν] which seems to give bread, cup, and ointment the effect of causing ζωή, ἀθανασία, and ἀφθαρσία“.
3. Joseph und Aseneth
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der Tischgebete dar: Weil der gottesfürchtige Mann den lebendigen Gott mit seinem Mund segnet, deshalb isst er gesegnetes Brot des Lebens, trinkt aus dem gesegneten Kelch und salbt sich mit gesegneter Salbe. Während also die Juden durch die jüdischen Gebete, bei denen der lebendige Gott Israels gesegnet wird, ihre Nahrungsmittel zu gesegnetem Brot des Lebens und zu gesegnetem Becher der Unsterblichkeit und ihre Salbe zu gesegneter Salbe der Unverweslichkeit machen, so essen Heiden, die ihre Götter anrufen (7,5), Brot der Erwürgung, trinken aus dem Becher des Hinterhalts und salben sich mit der Salbe des Verderbens.41 Durch das „Segnen“ der toten und stummen Bilder und das Essen von ihrem Tisch (11,8), also am „Tisch der Götter der Ägypter“ (12,5) holen sich die Heiden buchstäblich den Tod.42 3.2 Jüdische Tischgemeinschaft als Gemeinschaft mit dem Schöpfer Aus diesem Grund wird insbesondere im ersten Teil von JosAs die Grenze zwischen Juden und Heiden gerade im Hinblick auf Mahlzeiten und Tischgemeinschaft (συνεσθίειν: 7,1) gezogen: „Schuld daran ist verschiedenes Essen“.43 Die Frage nach der Verehrung des wahren oder der falschen Götter ist unablösbar mit der Frage der Tischgemeinschaft verbunden, ja fast mit ihr identisch.44 Diese Inszenierung zweier sich ausschließender Tischgemeinschaften vollzieht sich in JosAs im Referenzrahmen einer eigentümlichen Schöpfungstheologie.45 Ulrich Mell hat im Zusammenhang seiner Untersuchun41
BURCHARD, Importance 273, weist darauf hin, dass in 8,5 im Falle der heidnischen Speisen ein Äquivalent zum Adjektiv εὐλογημένος fehlt. Das pagane Brot, der Becher und die Salbe haben die genannten negativen Effekte, weil sie nicht jüdisch gesegnet sind. 42 Zum todbringenden Essen vgl. auch aus dem Gebet Aseneths 11,8f.: „Ich segnete die toten und stummen Bilder und aß von ihrem Opfer und mein Mund ist befleckt von ihrem Tisch“, analog 11,16; 12,5 sowie 21,13f. aus Aseneths Psalm. 43 BURCHARD, Untersuchungen 127. Das Verbot, eine Heidin zu küssen, hängt ebenfalls damit zusammen. Das Kussverbot markiert wie das Verbot der Tischgemeinschaft die Grenze zwischen Juden und Heiden, zwischen Leben und Tod: „Grund ist der Mund. Bei Heiden, die Götzen preisen und an ihrem todbringenden Kult teilnehmen, ist er verunreinigt“ (BURCHARD, Küssen 319). Wie beim Essen, so fungieren auch Kussverbot und Küssen hauptsächlich während Aseneths Übertritt zum Judentum als Zeichen von Ausund Eingrenzung (ebd. 322), mehr noch: durch den Kuss des Geistträgers Joseph wird der Aseneth Geist des Lebens, Geist der Weisheit und Geist der Wahrheit (19,11) vermittelt, durch den Kuss ihres Schwiegervaters Jakob wird sie endgültig in das Gottesvolk aufgenommen (22,9) (ebd. 321). 44 Vgl. dazu LIEBER, Table 64f.: „Food is a powerful symbol in Joseph and Aseneth in that it sharply defines the social boundaries that are so important to the text as a whole (…). Meals are thus a central symbol for constructing identity in the text“. 45 Zum Folgenden auch WEIDEMANN, Victory 328–332.
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gen zur Wendung „Neue Schöpfung“ mit Recht herausgearbeitet, dass in JosAs keineswegs der Gegensatz einer die alte Schöpfung überholenden neuen Schöpfung angezielt ist: „Das totaliter-aliter einer neuen Schöpfung liegt außerhalb des Denkhorizontes. Gottes menschliche Schöpfung ist hierarchisch abgestuft zwischen dem erwählten Volk und den Heiden (…). Heil ist für den Heiden als göttliche Erhöhung zum wahren geschöpflichen Menschsein als Jude möglich und nötig“.46 Es gibt also nur eine wahre Schöpfung, an der die Heiden jedoch keinen vollen Anteil haben. Ihren defizitären Status des bloßen Geschöpfs können sie nur durch die Konversion zum Judentum verlassen.47 3.3 Konversion als Hinwendung zum Schöpfer und Wechsel der Tischgemeinschaft Erst durch seine Bekehrung von den heidnischen Göttern hin zum Gott Israels kommt ein nichtjüdscher Mensch also überhaupt erst in Kontakt mit dem Schöpfer und Lebendigmacher. „Schöpfung“ ereignet sich für ihn (nicht am Anfang seiner kreatürlichen Existenz, sondern) durch die Umkehr zum lebendigen Gott. Eben diesen Vorgang erzählt JosAs am Beispiel der Aseneth. Das zeigt auch das Gebet, das Joseph spricht und das programmatisch für alles Folgende ist: Das Gebet Josephs (JosAs 8,9) 9
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„Herr, Gott meines Vaters Israel, Höchster, Starker Jakobs, der alles lebendigmachte (ὁ ζωοποιήσας τὰ πάντα) und rief von der Finsternis ins Licht (καὶ καλέσας ἀπὸ τοῦ σκότους εἰς τὸ φῶς) und von dem Irrtum (πλάνης) in die Wahrheit (ἀλήθειαν) und vom Tod (θανάτου) in das Leben (ζωήν); Du, Herr, segne (σύ, κύριε, εὐλόγησον) diese Jungfrau und erneuere sie wieder mit deinem Geist (ἀνακαίνισον αὐτὴν τῷ πνεύματί σου) und forme (ἀνάπλασον) sie wieder mit deiner verborgenen Hand und belebe sie wieder mit deinem Leben (ἀναζωοποίησον αὐτὴν τῇ ζωῇ σου). Und sie esse Brot deines Lebens (καὶ φαγέτω ἄρτον ζωῆς σου) und trinke den Kelch deines Segens (καὶ πιέτω ποτήριον εὐλογίας σου). Und zähle sie hinzu zu deinem Volk, das du erwählt hast, bevor das All wurde.
MELL, Schöpfung 251. MELL, Schöpfung 246f.
3. Joseph und Aseneth m n o
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Und sie gehe hinein in deine Ruhe (κατάπαυσίν σου), die du bereitest deinen Auserwählten, und sie lebe in deinem ewigen Leben bis in die Ewigkeit (καὶ ζηςάτω ἐν τῇ αἰωνίῳ ζωῇ σου εἰς τὸν αἰῶνα χρόνον)
Gott wird hier angerufen als derjenige, der „alle Dinge lebendigmacht“ (8,9b).48 Die Prädikation wird jedoch weitergeführt und erläutert durch ein dreifaches „Rufen“: von der Finsternis in das Licht, vom Irrtum zur Wahrheit und vom Tod ins Leben (8,9c). Insbesondere die letzten beiden Prädikationen sind bemerkenswert, denn hier wird deutlich, dass Gottes Schöpfungshandeln keineswegs auf den Beginn der Schöpfung begrenzt ist, sondern sich insbesondere dort ereignet, wo Menschen vom Irrtum zur Wahrheit finden und (so) ins Licht kommen – also (auch) bei ihrer Konversion zum Judentum.49 Diese bedeutet konkret den Übergang „vom ungesegneten Genuss von Brot, Becher und Salbe zum gesegneten (…), um vom Tod zum Leben zu kommen“.50 3.4 Aseneths Umkehr Aseneths im Folgenden ausführlich berichtete tagelange Bußübungen und Bußgebete haben Erfolg: Am Morgen (!) spaltet sich der Himmel und „ein Mensch aus dem Himmel“ tritt trotz verschlossener Türen zu Aseneth (14,1–6). Dieser stellt sich als „Herrscher des Hauses des Herrn und Heerführer aller Heere des Höchsten“ vor (14,7f.). Auffällig ist, dass dieser Engelfürst in allem dem Joseph gleicht (14,9: καὶ ἰδοῦ ἀνὴρ κατὰ πάντα ὅμοιος τῷ Ἰωσήφ), er ist also eine Art himmlisches Gegenbild Josephs. Hier liegt auch der Schlüssel zum Verständnis der später in den Text eingeführten himmlischen Honigwabe: Der himmlische Mensch zeigt durch die Honigwabe nicht alleine die eschatologische Hoffnung von Juden und Proselyten, sondern zugleich das, was sich beim jüdischen Essen Tag für Tag ereignet. Der Engelfürst verkündet Aseneth, dass ihr Name von seiner eigenen Hand im Buch des Lebens verzeichnet ist (15,4), und fährt fort:
48
ὁ ζωοποιήσας τὰ πάντα, so auch in JosAs 8,3. Vgl. dazu noch 12,1: ὁ κτίσας τὰ πάντα καὶ ζωοποιήσας (12,1) 49 Vgl. HOFIUS, Gottesprädikation 60, laut dem die Wendung ὁ ζῳοποιῶν τοὺς νεκρούς in JosAs von vorneherein präsentischen Sinn hat: „Gemeint ist dezidiert und ausschließlich die durch Gott ermöglichte Bekehrung, die in Analogie zur Schöpfung gesehen und als Neuschöpfung bzw. als Übergang vom Tod zum Leben verstanden wird“. 50 BURCHARD, Asenethroman 428.
Exkurs: Manna, Honig, Engelsspeise
392 JosAs 15,5 5
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Siehe, vom heutigen Tage an wirst du wiedererneuert (ἀνακαινισθήσῃ) und wiedergeformt (ἀναπλασθήσῃ) und wieder lebendig gemacht (ἀναζωοποιηθήσῃ) werden. Und du wirst essen gesegnetes Brot des Lebens und trinken gesegneten Kelch der Unsterblichkeit und dich salben mit gesegneter Salbe der Unverweslichkeit.
Der Engel kündigt also mit fast identischem Wortlaut die Erfüllung des Fürbittgebets Josephs (8,9) an.51 Nicht schon die eigentliche Umkehr, wohl aber die hier erzählte, am achten Tag erfolgende „Annahme“ der Umkehr Aseneths durch Gott wird mit Schöpfungstermini ausgesagt – und eben an diesem Tag isst Aseneth wieder. Die Umkehr der Heidin zum Gott Israels führt dazu, dass sich an ihr nun erstmals Gottes Schöpfungstätigkeit – insbesondere das Lebendigmachen – vollziehen kann. So kann von Aseneths Bekehrung zum Judentum auch als Erlösung aus der Finsternis und Heraufführung aus den Grundfesten des Abgrunds (15,12) gesprochen werden, und so kann Aseneth auch bitten, ἐκ τῆς γῆς weggerissen zu werden, um vor dem „Löwen“, dem hinter dem heidnischen Götterkult stehenden Satan, gerettet zu werden (12,8–10). 3.5 Die himmlische Honigwabe Darauf folgt die entscheidende Szene der Gastfreundschaft: Aseneth bittet den Engelfürsten, sich auf ihr (reines und unbeflecktes) Bett zu setzen, um von einem eigens gebrachten Tisch Brot und Wein zu essen. Als der Engelfürst zustimmt, stellt sie einen neuen Tisch (τράπεζαν καινήν) vor ihn hin, doch er bittet sie, ihm eine Honigwabe zu bringen (16,1: φέρε δή μοι καὶ κηρίον μελίσσης). Eine solche glaubt Aseneth nicht in ihrer Vorratskammer zu haben, findet sie aber dann tatsächlich (16,2–8). Schon aus der ersten Beschreibung der Honigwabe in 16,8 geht hervor, dass es sich um eine himmlische Substanz, genauer um das himmlische Manna handelt:52 JosAs 16,8 8
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Die Wabe war groß, weiß wie Schnee und voller Honig (καὶ ἦν τὸ κηρίον
Dazu MELL, Schöpfung 257: „Wie die Vorsilbe ἀνά- vor der in JosAs gebrauchten Schöpfungs- und Erneuerungsterminologie erkennen lässt, fällt die Konversion des Heiden unter das Erlösungskonzept einer nur von Nichtjuden nachzuholenden Umkehr zum wahren jüdischen Gottesglauben und Menschsein in der einen Schöpfung“. 52 Laut BURCHARD, Asenethroman 429, sind sich „die Gelehrten“ darüber einig.
3. Joseph und Aseneth
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μέγα καὶ λευκὸν ὡσεὶ χιὼν καὶ πλήρης μέλιτος) und der Honig war wie Tau vom (dritten) Himmel (καὶ ἦν τὸ μέλι ἐκεῖνο ὡς δρόσος τοῦ οὐρανοῦ) und sein Hauch (Duft?) war wie ein Hauch des (Geistes des) Lebens (καὶ ἡ πνοὴ αὐτοῦ ὡς πνοὴ ζωῆς).
Nach dieser wunderbaren Bereitstellung der Honigwabe – Aseneth fragt sich sogar, ob sie aus dem Mund des Engels hervorgekommen sein könnte, sei ihr Hauch doch wie der Atem seines Mundes (16,11) –, folgen zwei grundlegende Szenen: zunächst die „Honigkommunion“ der Aseneth (16,12–16) und anschließend der Bau einer Honigwabe auf Aseneths Mund durch Bienen, die aus der Wabe hervorkommen, nachdem der Engel diese mit seinem Finger kreuzförmig eingeritzt hat (16,17–19). 3.6 Die Honigkommunion Aseneths Bevor der Engel selbst von der Wabe isst und auch Aseneth ein Stück davon in den Mund steckt – es kommt also sozusagen zu einem Mannaσυνεσθίειν zwischen Engel und Aseneth (16,15) – spricht der Engel eine doppelte Seligpreisung aus: Er preist sowohl Aseneth selig (μακαρία εἶ σύ), als auch all jene Nichtjuden, die sich dem Gott Israels anschließen (vgl. 15,7), denn auch diesen wird verheißen, von dieser Wabe zu essen: JosAs 16,14 14
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Selig bist du, Aseneth, denn enthüllt sind dir die unsagbaren Mysterien des Höchsten. Und selig sind alle, die sich anschließen Gott, dem Herrn, durch Umkehr, denn von dieser Wabe werden sie essen (ὅτι ἐκ τούτου τοῦ κηρίου φάγονται), denn (διότι) diese Wabe ist Geist des Lebens (τοῦτο τὸ κηρίον ἐστὶ πνεῦμα ζωῆς). (…) Deswegen essen alle Engel Gottes von ihr und alle Erwählten Gottes und alle Söhne des Höchsten, denn eine Wabe des Lebens ist diese (ὅτι κηρίον ζωῆς ἐστι τοῦτο), und jeder, der auch immer von ihr isst (καὶ πᾶς ὃς ἂν φάγῃ ἐξ αὐτοῦ), wird nicht sterben in Ewigkeit (οὐκ ἀποθανεῖται εἰς τὸν αἰῶνα χρόνον).
Dass die „Wabe des Lebens“ als Engelsspeise identifiziert wird, zeigt erneut, dass es sich dabei um Manna handelt (vgl. Ps 78,24f. und Sap 16,20f.), doch ist das Manna hier – ganz im Sinne von Sap 19,21 (ἀμβροσίας τροφή) – als Träger von Lebenskraft dargestellt, mehr noch:
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Exkurs: Manna, Honig, Engelsspeise
Das ewige Leben im himmlischen Paradies hängt am Essen des Manna. Das himmlische Manna ist demnach Ursache und Garant für das ewige Leben sowohl der Engel als auch der erwählten Menschen bei Gott. Wenn die himmlische Honigwabe zugleich als „Geist des Lebens“ identifiziert wird, dann dürfte hier die Vorstellung im Hintergrund stehen, dass die Lebensmittel durch die Tischgebete zu Trägern des Geistes Gottes werden.53 Christoph Burchard hat darauf hingewiesen, dass die Gabe des Manna zunächst nur Aseneth zuteil wird. Im Unterschied zu Aseneth gilt die Verheißung, von der himmlischen Wabe essen zu dürfen, für die anderen Proselyten nicht vom Tage ihrer Bekehrung zum jüdischen Gott an, sondern erst im zukünftigen Leben. Darauf deutet das Futur φάγονται hin: Im Unterschied zu den Engeln und zu Aseneth selbst werden diejenigen, die sich Aseneths Bekehrung anschließen, erst in Zukunft von der Honigwabe essen. Somit wird an Aseneth veranschaulicht, womit alle diejenigen, die sich durch Umkehr Gott dem Herrn anschließen, rechnen dürfen: ewiges Leben zu haben und im Himmel zusammen mit den Engeln und allen Auserwählten Manna zu essen.54 Darüberhinaus wird aber ein enger Bezug zwischen dem himmlischen Manna und dem täglichen jüdischen Essen hergestellt: Joseph hatte in seinem Gebet in Kap. 8 für Aseneth von Gott erbeten, ihr ἄρτος ζωῆς σου zu essen und vom ποτήριον ἀθανασίας εὐλογίας σου zu trinken zu geben, und der Engelsfürst hatte ihr angekündigt, sie werde von diesem Tage an ἄρτος ζωῆς εὐλογημένος essen, vom ποτήριον ἐμπεπλεσμένον ἀθανασίας trinken und sich mit χρῖσμα εὐλογημένον τῆς ἀφθαρσίας salben. Aber weder Aseneth noch eine andere Person der Erzählung erhält je Brot, Wein und Öl! Mehr noch: Nachdem Aseneth von der himmlischen Honigwabe gegessen hat (16,15), sagt der Engelfürst zu ihr: „Siehe, du hast ἄρτον ζωῆς gegessen und hast (aus dem) ποτήριον ἀθανασίας getrunken und hast dich mit χρίσματι ἀφθαρσίας gesalbt“ (16,16).55 Burchard erklärt das so: „Aseneth bekommt also mit dem Honig, was nach 8,5 den frommen Juden kennzeichnet, was Joseph nach 8,9 für sie erbat und der Engel in 15,5 ihr zusagte“, das Manna vertritt bei diesem ersten Essen der bekehrten Aseneth demnach das „irdische“ Lebensbrot usw.56 Der Proselyt, der nach seiner Konversion Lebensbrot isst, aus dem 53
Dazu vgl. HOFIUS, Herrenmahl 225; THEOBALD, Eucharistie 223–226, und THEOLeib 151f. 54 BURCHARD, Importance 276, sowie BURCHARD, Asenethroman 430. 55 JosAs 16,16: ἰδοὺ δὴ ἔφαγες [!] ἄρτον ζωῆς καὶ ἔπιες [!] ποτήριον ἀθανασίας καὶ κέχρισαι [!] χρίσματι ἀφθαρσίας. Die Aoriste zeigen, dass sich die Verbalhandlungen bereits vollzogen haben, obwohl Aseneth laut 16,15 nur von der Honigwabe gegessen hatte. 56 BURCHARD, Asenethroman 430. Vgl. BURCHARD, Importance 277: „Aseneth alone had manna and felt its effects“, und weiter: „the blessed bread, cup, and ointment are BALD,
3. Joseph und Aseneth
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Unsterblichkeitsbecher trinkt und sich mit Unverweslichkeitsöl salbt, tut dies „dank und ähnlich Aseneths Honigessen und mit den gleichen persönlichen Folgen als Ziel im ewigen Leben“.57 Die literarische Kommunionsszene fungiert als Interpretationsschlüssel, mit ihr kann der Leser die tägliche jüdische Gebetspraxis deuten. Durch das Essen der himmlischen Honigwabe wird Aseneth selbst in eine Art Engelwesen transformiert:58 „Her conversion is not merely a metanoia, a change of mind, but a radical transformation of her ontic condition“.59 3.7 Die Honigwabe auf Aseneths Mund Doch geht die Szene noch weiter: Im Anschluss an ihre Honig- bzw. Manna-Kommunion wird Aseneth von Bienen, die wunderbar aus der kreuzförmig eingeritzten Wabe hervorkommen, bedeckt, während andere, größere Bienen eine Wabe auf ihrem Mund bauen (16,19f.): JosAs 16,1960 19
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Und sie brachen hervor aus der Wunde der Wabe, schwärmten um Aseneths Angesicht und bauten auf ihrem Mund und auf ihren Lippen eine Wabe, gleich jener Wabe, die bei dem Menschen lag.
Christian Wetz hat eine Reihe von instruktiven Parallelen zu dieser Szene gesammelt.61 Vergleichbarer „Wabenbau auf den Mündern späterhin prowhat ordinary people receive as a substitute for the manna to sustain them as perfectly as possible under earthly circumstances and as a guarantee that they will eat the real thing in heaven“. 57 Vgl. BURCHARD, Asenethroman 431. Anders noch BURCHARD, Untersuchungen 129–131: „Diese selbstverständliche Ineinssetzung“ der himmlischen Honigwabe mit dem Brot des Lebens, dem Kelch der Unsterblichkeit und dem Öl der Unverweslichkeit „besagt, dass Aseneths Honigessen nicht irgendeine rituelle Verwendung von Honig spiegelt (die es gegeben hat), sondern dass der Honig zeigen soll, was ἄρτος, ποτήριον und χρῖσμα, d.h. das tägliche Essen der Juden, eigentlich sind“. Aseneth müsse also „essen, was sie eigentlich sind“. Dieses „Eigentliche“ sei das himmlische Manna, die Speise der Engel und die Ursache ewigen Lebens. „Aseneth isst also Manna, und da sie gleichzeitig die Proselyten darstellt, isst sie, was Proselyten faktisch essen, wenn sie more judaico leben“. 58 LIEBER, Table 66: „The meal itself effects her transformation from death to life.“, vgl. ebd. 68: „She shares the honeycomb with the anthropos and thus assimilates the benefits of immortality – she is transformed into an angelic being – the eternal ‚city of refuge‘.“ 59 LIEBER, Table 77. 60 Übersetzung E. REINMUTH. 61 WETZ, Eros 180–184.
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minenter Persönlichkeiten“ (Wetz) wird in der Antike von Pindar, Platon und Homer erzählt. Der wunderbare Wabenbau führt im Fall dieser Männer zu außergewöhnlichen Leistungen im Bereich der Dichtkunst und der Rhetorik, beides Künste, die mit dem Mund ausgeübt werden. Die Bienen und ihre Wabe stellen sozusagen den himmlischen Ursprung und die übermenschliche Größe der musischen und rhetorischen Begabung dar. Der Verfasser von JosAs hat sich dieses antiken Motivs bedient, es aber auf eine andere orale Performanz bezogen, nämlich die Gebete. Denn im Falle der ägyptischen Proselytin geht es darum, dass sie in Zukunft mit ihrem Mund den Gott Israels segnen und zugleich Brot, Wein und Öl mittels der Tischgebete benedizieren wird. Treffend formuliert daher Burchard, dass Aseneth hier die Gabe erhält, „durch ihren Mund, das heißt kraft Wortes, Lebensbrot zu produzieren“.62 3.8 Kuss und Geist Nachdem Aseneths Mund durch die himmlischen Bienen mit der wunderbaren Wabe versehen wurden, gibt es nun auch für Joseph keinen Grund mehr, ihr den Kuss zu verweigern (19,10f., vgl. 8,5–7). Auffällig ist, dass Joseph ihr mit seinem ersten Kuss „Geist des Lebens“ gibt (19,11: καὶ ἔδωκεν αὐτῇ πνεῦμα ζωῆς), der Kuss des Joseph steht also in einer gewissen Analogie zur Gabe der Honigwabe durch den Engelsfürsten.63 Joseph kann Aseneth mittels seines Kusses Geist übermitteln, da er selbst durch die jüdisch gesegneten Speisen mit πνεῦμα erfüllt ist (vgl. 4,7) und da sein Mund durch die Tischgebete, mit denen der lebendige Gott Israels gesegnet wird, sozusagen selbst zu einer Quelle des Geistes geworden ist (vgl. 8,6), zumal durch seine Gebete Brot, Wein und Öl zu Lebens-Mitteln werden. Nachdem Aseneth von Joseph mittels dreier Küsse Geist des Lebens, der Weisheit und der Wahrheit empfangen hat, wird der eine Gott als Gott gepriesen, der die Toten lebendigmacht (20,7: τῷ ζωοποιοῦντι τοὺς νεκρούς). Ulrich Mell hat mit Recht darauf aufmerksam gemacht, dass im Hintergrund dieser Schlüsselszene des Romans eine Gen 2,7 LXX umdeutende Exegese von zwei „Menschenklassen“ steht: Einmal der (heidnische) Mensch aus χοῦν ἀπὸ τῆς γῆς (Gen 2,7a), dem die (soteriologische) Todesperspektive seiner Erdhaftigkeit zueignet, und zum anderen der (jüdi62 BURCHARD, Asenethroman 430. Vgl. schon BURCHARD, Importance 277: „The fact that this second comb is on her mouth (cf. V. 9. 11) may point to her capacity to bless bread, cup, and ointment“. 63 Mit einem zweiten Kuss erhält Aseneth πνεῦμα σοφίας, mit dem dritten πνεῦμα ἀληθείας (19,11). Mit zweien der drei Küsse ist damit auf die einstige Bitte Josephs angespielt, Gott möge Aseneth vom Tod zum Leben und vom Irrtum zur Wahrheit führen (8,9).
3. Joseph und Aseneth
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sche) Mensch, der durch Einhauchung göttlicher πνοὴ ζωῆς... εἰς ψυχὴν ζῶσαν (vgl. Gen 2,7b; JosAs 27,10) zum vollkommenen Menschsein mit (soteriologischer) Heilsperspektive von Gott geschaffen wurde.64 „Der die Toten lebendigmacht“ ist zwar eines der Hauptprädikate Gottes im zeitgenössischen Judentum (vgl. auch Röm 4,17), doch wird es durch den Kontext eindeutig auf die Bekehrung der Aseneth zum Judentum bezogen.65 Als Heidin war Aseneth in dem Sinne eine „Tote“, als sie keinen Kontakt zum lebendigmachenden Gott Israels und keinen Zugang zu den lebengebenden, weil benedizierten jüdischen Nahrungsmitteln hatte. Aseneth gehört nun zu den gottverehrenden Frauen (vgl. 8,6), nun sind auch die Mahlgemeinschaften mit Joseph (20,8) und dann mit ihrem Schwiegervater Jakob66 (22,10) möglich, mit denen sie – wie anfangs von Joseph erbeten (8,9) – in das erwählte Volk integriert wird. Fazit: JosAs belegt eindrücklich die Weiterentwicklung der alttestamentlichen Manna-Vorstellungen in einem hellenistischen Diaspora-Milieu. Hier ist das Manna nicht mehr die Gabe der Endzeit; eschatologische und apokalyptische Manna-Vorstellungen sind kaum noch zu erkennen. Statt dessen ist das Manna in den Bahnen von Ps 78,25 und Sap 16,20f.; 19,21 zur Nahrung der Engel und damit zur Lebensspeise und zum Vermittler von Unsterblichkeit geworden. Als Engelsspeise und Himmelsbrot wird das Manna in den Antagonismus von heidnischer und jüdischer Tischgemeinschaft eingespannt und damit für eine auf Proselytismus und Mission ausgerichtete Textpragmatik fruchtbar gemacht. Jüdisches und heidnisches Essen sind nicht in erster Linie durch die Art der Speisen unterschieden, es geht in JosAs nicht um reine und unreine, um erlaubte und verbotene Lebensmittel; jüdisches und heidnisches Essen sind qualitativ, genauer: soteriologisch unterschieden. Dieser „Qualitätsunterschied“ wird in JosAs mit der himmlischen Honigwabe symbolisiert. Von ihr bekommt Aseneth nach ihrer Umkehr zu essen; die ihr entströmenden Bienen bauen außerdem eine Honigwabe auf ihrem Mund. Mit diesen eindrücklichen Bildern werden sowohl das Essen von mit jüdischen Tischgebeten gesegneten Speisen als auch das Sprechen dieser Tischgebete soteriologisch gedeutet. Der Mensch erhält (nur) durch jüdisches Essen – genauer: durch Speisen, die mittels an den lebendigen Gott gerichteter Tischgebete mit Lebenskraft und πνεῦμα erfüllt sind – Zugang zu himmli64
MELL, Schöpfung 246. Vgl. auch JosAs 27,10: dort ist die „Lebendigmachung“ gleichbedeutend mit der Erlösung von den Götzenbildern und aus der Verwesung des Todes. 66 Auch Jakob ist trotz seines Alters von erstaunlicher Schönheit (22,7), was ebenfalls auf die himmlischen Kräfte in lebenslang genossenem jüdischen Essen zurückzuführen ist. 65
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schem und ewigen, aber auch zum erfüllten irdischem Leben.67 Pointiert: Durch die Gebete erhalten jüdische Speisen „Manna-Qualität“, werden sie mit Engelsspeise und Himmelsbrot vergleichbar. Brot, Becher und Salbe sind demnach, sofern jüdische Benediktionen über ihnen gesprochen werden, „earthly substitutes for celestial manna which is spirit of life by essence“.68
4. Fazit 4. Fazit
Die voranstehenden Ausführungen haben gezeigt, dass Paulus wie auch der auctor ad Hebraeos bei ihrem Aufgreifen der Exodustypologie die in den Geschichtspsalmen 78 und 105 wie auch im Bußgebet Neh 9 greifbaren Weiterentwicklungen und Relecture-Prozesse der Pentateuchtexte voraussetzen. Neben einigen anderen Details gilt das insbesondere für die Transformation des Manna in „Engelsbrot“, die zwar schon in der hebräischen Fassung von Ps 78,25 angelegt ist, dann aber insbesondere im hellenistischen Judentum aufgegriffen und zur „Speise der Unsterblichkeit“ weiterentwickelt wurde. Vermutlich bildet die bei Paulus wie auch im Hebr belegte Vorstellung, dass im Gottesdienst der Ekklesia Engel präsent sind (1Kor 11,10) bzw. dass die Ekklesia sich beim Gottesdienst mit der himmlischen Festversammlung tausender Engel vereinigt (Hebr 12,22–24),69 den Hintergrund für die Adaption des Motivs auf die Eucharistie. Denn in einem in dieser Weise angelologisch gedeuteten gottesdienstlichen Kontext ist die Verbindung der Eucharistie mit dem Himmelbrot und der Engelsspeise (Ps 78[77],24f., Sap 16,20f.) natürlich naheliegend, v.a. wenn der Gottesdienst eine Mahlfeier ist. Wie die Israeliten in der Wüste, so erhalten die Christen im Gottesdienst „Himmelsbrot“. Allerdings vermeiden es sowohl Paulus als auch der auctor ad Hebraeos, das eucharistische Brot direkt als „Himmelsbrot“, „Engelsspeise“ oder „Engelsnahrung“, – oder gar als „Ambrosia“ –, den Becher als „Felsenwasser“ oder „Wüstenstrom“ zu bezeichnen. Beide akzentuieren statt dessen den pneumatologischen Charakter der Eucharistie: Brot und Wein, über die die Eucharistiegebete gesprochen werden, sind „geistige Speise und geistiger Trank“ (1Kor 10,3.4, vgl. Did 10,3), die diejenigen, die von ihnen essen und trinken, zu „Teilhabern am Heiligen Geist“ ma67
Deswegen wird der Aseneth nach der Honigkommunion verheißen, dass „von heute an“ ihr Fleisch strotzt wie die Blumen des Lebens vor dem Land des Höchsten, und ihre Gebeine gedeihen usw., auch werde ihre Jugend kein Alter sehen (16,16). 68 BURCHARD, Importance 278, vgl. 280. 69 Dazu HOFIUS, Gemeinschaft 316 (Paulus) und 319–322 (Hebr).
4. Fazit
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chen (Hebr 6,4). Dieses pneumatologische Verständnis der Eucharistie konnte zwar an den Duktus von Neh 9,20 anschließen, wonach die Gabe „deines guten Geistes“ mit der Gabe von Manna und Felsenwasser in einem Atemzug genannt wird, stammt aber ursprünglich doch wohl aus der Welt der frühchristlichen Eucharistiegebete70 und setzt die frühchristlichen Geist-Erfahrungen voraus. Paulus und den Verfasser des Hebräerbriefes verbindet außerdem, dass beide auf Taufe und Eucharistie im Kontext von drastischen Warnungen rekurrieren.71 Gerade in diesem polemischen Kontext ist der Exodus „Sprachspender“ für Taufe und Eucharistie.72 Am Beispiel der Wüstengeneration werden die Adressaten davor gewarnt, trotz der bei Taufe und Eucharistie erhaltenen Gaben wieder von Christus abzufallen. Bemerkenswert ist zuletzt, dass die Eucharistie in diesem Kontext nicht in den Bahnen des Kreuzestodes Christi und auch nicht unter den Vorzeichen der sog. „Einsetzungsberichte“ gedeutet wird. Die Anwendung der innerjüdisch zur Engelsspeise weiterentwickelten Mannasymbolik auf die Eucharistie führt dazu, dass auch die in dieser Traditionslinie mit dem Manna verbundenen Gaben – ewiges Leben, Unsterblichkeit, πνεῦμα – mit der Eucharistie verbunden werden. Pointiert gesagt, geht es hier nicht um Leib und Blut Christi, sondern um die von Jesus Christus garantierten Heils- und Lebensgaben.73 Hier ist die Nähe zu den genannten jüdischen Texten noch am deutlichsten. In diesem Kontext ist auch der sog. Überwinderspruch in Apk 2,17 zu verorten: „Dem Siegenden – ich werde ihm geben von dem verborgenen Manna (δώσω αὐτῷ τοῦ μάννα τοῦ κεκρυμμένου)“. Verheißen wird hier eine zukünftige, offenbar postmortale Mahlgemeinschaft der „Überwinder“ mit Jesus Christus, bei der diese aus seiner (!) Hand von dem im Himmel verborgenen Manna erhalten.74 Im Unterschied zu Sap 19,21 wird den Überwindern aber nicht ein „Ambrosia“ verheißen, sondern eben das verborgene Manna 70
Dafür spricht auch, dass sich in Did 10 keine Anspielungen auf das Manna oder das Felsenwasser finden. 71 Auch Apk 2,17 steht in polemischem Kontext, vgl. dazu THEOBALD, Selig 405–409: Die Verheißung himmlischer Speise kompensiert den Verzicht auf Fleischgenuss. 72 Vgl. dazu THEOBALD, Selig 428, der neben dem Exodus noch das Paradies (Baum und Wasser des Lebens) und den Bund (Neuer Bund, Blut des Bundes) als alttestamentliche Sprachspender für die Eucharistie identifiziert. 73 Dazu STEIN, Mahlfeiern 322f., dort im Hinblick auf das Eucharistieverständnis der Johannesapokalypse: „Die Speisen und Getränke repräsentieren nicht ihn persönlich, sondern die von ihm garantierten Lebensgaben. Aber nur weil Christus als Gastgeber und Gast persönlich inmitten der Mahlgemeinschaft ist, können Wasser und Brot auch für Lebenswasser und Manna stehen“. 74 Dazu THEOBALD, Selig 405, der mit Recht das Attribut τοῦ κεκρυμμένου dahingehend interpretiert, dass das Manna im Himmel verborgen ist. Ebd. 408: „Das im Himmel jetzt schon vorhandene ‚Engelsbrotʻ wird die zukünftige Speise der ‚Überwinderʻ sein; sie wird ihnen Anteil am ‚ewigen Lebenʻ schenken“.
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und – in deutlichem Rückbezug zur biblischen Urgeschichte – die Möglichkeit, vom Baum des Lebens zu essen (vgl. 2,7 und 22,4.14.19). Offenbar ist das himmlische Manna hier als Frucht des paradiesischen Lebensbaumes vorgestellt.
Dass Paulus seine exodustypologischen Ausführungen über Taufe und Eucharistie in 1Kor 10,1–4 sofort mit einer kreuzestheologischen Deutung von Brot und Becher als κοινωνία mit Leib und Blut Christi flankiert (10,16) und damit an die aus der Passionsüberlieferung stammende Kultätiologie anspielt (vgl. 11,23–25), zeigt, dass dieser Akzent gerade nicht selbstverständlich war.75 Dieser Rückbezug der Gaben auf den Geber und die kreuzestheologische Akzentuierung der Eucharistiegebete sind die eigentlichen Anliegen des Apostels.76
75 THEOBALD, Leib 155, vermutet schon in 1Kor 10,5 eine Aussage „gegen den Duktus des eucharistischen Segensgebets“, denn hier macht Paulus klar, dass geistliche Speise und Trank eben nicht Unsterblichkeit vermitteln. 76 In 1Kor 11,26 formuliert Paulus ausdrücklich sein Anliegen: „Jedes Mal, wenn ihr dieses Brot esst und den Becher trinkt, verkündigt ihr den Tod des Herrn (τὸν θάνατον τοῦ κυρίου καταγγέλλετε), bis er kommt“. Mit Recht bezieht HOFIUS, Herrenmahl 235, dieses (im Falle eines Imperativs geforderte, im Falle eines Indikativs konstatierte) καταγγέλλειν auf die Eucharistiegebete über Brot und Wein: „Mit diesen Gebeten, die in der Gestalt des Lobpreisens den Kreuzestod (und die Auferstehung) Jesu als rettende Heilstat Gottes proklamieren, vollzieht die zum Mahl versammelte Gemeinde die ἀνάμνησις ihres Herrn“.
Schlussbetrachtung Schlussbetrachtung
Die „Vorgeschichte der altkirchlichen Taufeucharistie“ lässt sich nicht als lineare Entwicklungsgeschichte erzählen, die von einer urkirchlichen Initiationspraxis in die Taufgottesdienste des 4. und 5. Jhs. einmündet. Hier sind Wassertaufe und Eucharistie in einen „Fahrplan“ von Initiationsgottesdiensten eingebunden, deren Grundstruktur von der jeweiligen Verbindung von Wassertaufe, Salbung(en) und Eucharistie geprägt wird. Die Eucharistie bildet dabei immer Ziel, Höhepunkt und Abschluss der Initiation, dies allerdings in einer ganz bestimmten, auf die Eucharistiegebete über Brot und Wein sowie die Kommunion der so konsekrierten Elemente konzentrierten Form. Im Anschluss an die Analysen der einzelnen Quellen sollen die Ergebnisse nicht nochmals aufgelistet werden. Es kann aber auch nicht darum gehen, Entwicklungslinien vom neutestamentlichen Zeugnis hin zu den nachkonstantinischen Gottesdiensten zu konstruieren, gar eine „genetische Erklärung“ der Taufeucharistie vorzulegen, wie sie seit Reitzenstein in diversen Formen vorgetragen wurde. Anstatt eine von den nachkonstantinischen Taufeucharistien aus konzipierte „Vorgeschichte“ zu entwerfen, sollen abschließend knapp jene Formationen bzw. „Dispositive“1 skizziert werden, innerhalb derer bestimmte Praktiken und Semantiken von Wassertaufe und Mahl (Eucharistie) ausformuliert und zueinander in Beziehung 1
Ich benutze den Begriff „Dispositiv“ in einem allgemeinen und eher formalen Sinne zur Bezeichnung von heterogenen Ensembles aus miteinander vernetzten diskursiven und nicht-diskursiven Praktiken, Institutionen, Gegenständen und Akteuren und wende ihn auf die zur Verhandlung stehenden antiken Quellen an, ohne ein konkretes DispositivKonzept (z.B. Foucaults) vorauszusetzen (vgl. dazu die Übersicht bei LANDWEHR, Diskursanalyse 76–79, ausführlich BÜHRMANN/SCHNEIDER, Diskurs). Da es sich bei den in dieser Arbeit behandelten Quellen um Texte handelt, die gerade (auch) nichtsprachliche Praktiken, vor allem Riten, in denen mit Gegenständen operiert wird, thematisieren und diese regulieren, verändern, deuten, verstetigen, ersetzen oder verhindern wollen, ist der Begriff des Dispositivs m.E. gut geeignet, um den Gesamtkomplex zu bezeichnen, innerhalb dessen die Texte eine bestimmte diskursive Funktion erfüllen. Dies gilt unbeschadet der Tatsache, dass eine echte Adaption des Dispositiv-Konzepts auf historische, v.a. antike Quellen noch aussteht. Die für die Dispositiv-Forschung grundlegende Analytik von Machtbeziehungen und Machtpraktiken kann man für diese Quellen insbesondere darauf beziehen, dass diese Texte (wie andere auch) darauf angelegt sind, mittels argumentativer, stilistischer und rhetorischer Strategien die Rezipienten zu überzeugen; jede Form von Überzeugung ist aber auch eine Form von Macht (LANDWEHR ebd. 117).
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Schlussbetrachtung
gesetzt wurden. Dabei soll es sowohl um die Transformations-, Differenzierungs- wie Homogenisierungsprozesse gehen als auch um die Beschreibung des „Materials“, das diesen Prozessen unterworfen wurde, und um das „Potential“, das dieses Material in den jeweiligen kirchlichen und gesellschaftlichen Konstellationen entfaltete oder nicht. Man wird die Taufeucharistien des 4. und 5. Jhs. zunächst nicht als „Innovationen“ im engeren Sinne bezeichnen können, da in einer Reihe älterer Quellen bereits verschiedene Formen von Taufeucharistien und postbaptismalen Mählern belegt sind. Die Analyse hat aber gezeigt, dass ritueller Vollzug, eucharistische Gaben, theologische Deutung sowie die Verortung innerhalb der eucharistischen wie der allgemeinen Mahlpraxis der jeweiligen Trägergruppen stark variieren und also selbstverständlich Teil der vorkonstantinischen liturgischen Pluralität waren. Eine Rekonstruktion von Entwicklungslinien ist aus verschiedenen Gründen problematisch, und dies nicht nur, weil die Quellenlage eine solche nicht in vollem Umfang erlaubt. Die bei den einzelnen Quellen ansetzende Analyse zeigt nämlich, dass die Riten innerhalb der verschiedenen, anhand der Quellenlage umrisshaft rekonstruierbaren „Dispositive“ mit ganz verschiedenen, sich teilweise aber auch überlappenden Deutungen versehen wurden, und sich ihr Vollzug, aber auch die an ihnen beteiligten Personengruppen teilweise erheblich unterschieden. Die wichtigsten dieser „Dispositive“ seien im Folgenden knapp skizziert. In den frühchristlichen Schriften des 1. Jhs. lässt sich erkennen, dass die Öffnung der innerjüdischen Ekklesia für Nichtjuden und der Verzicht auf ihre Integration in das Volk Israel durch Beschneidung und Gesetzesobservanz eine entscheidende Weichenstellung auf dem Weg zur Ausbildung von „Taufeucharistien“ war. In den uns erhaltenen Quellen lassen sich die Umstände der innerjüdisch vollzogenen Wassertaufe auf den Namen Jesu nur noch schemenhaft erkennen, zumal diese Quellen der beschneidungsfreien Heidenmission verpflichtet sind. Vermutlich lässt sich aus der stark lukanisch geprägten Darstellung des ersten Pfingstfestes der sog. Urgemeinde um Petrus (Apg 2,1–36) und seines Aufrufs an die Jerusalemer Juden, umzukehren und die Wassertaufe auf den Namen Jesu Christi zu empfangen (Apg 2,38), noch erkennen, dass der Aspekt der Bußtaufe innerhalb dieser Konstellation im Vordergrund stand. Vielleicht wurden hier auch schon Verbindungen zwischen den diversen Geist-Erfahrungen und dem Wasserritus hergestellt. Nirgendwo lässt sich hier aber ein Hinweis darauf finden, dass Taufe und Mahlgemeinschaft in ähnlicher Weise parallelisiert oder aufeinander bezogen werden konnten, wie dann im Kontext der Öffnung der „judenchristlichen“ Ekklesia für Nichtjuden im Zuge der Entstehung der antiochenischen Ekklesia und ihrer Mission.
Schlussbetrachtung
403
Erst innerhalb der nun entstehenden „gemischten“ ekklesialen Formationen ergaben sich offenbar Situationen, in denen die Mahlgemeinschaft von christusglaubenden Juden mit getauften Nichtjuden zum Ereignis oder auch zum Problem werden konnte. Hier wurden neue Formen von Identität und Gemeinschaft generiert, damit ergab sich aber zugleich die Notwendigkeit von deren Erklärung, Legitimation und Verteidigung. Spätestens nach dem auf dem sog. „Apostelkonvent“ (Gal 2,1–10/Apg 15,4–33) beschlossenen Verzicht auf die Beschneidung der zum Glauben an Christus kommenden Heiden stellte sich die Frage nach der Mahlgemeinschaft, und zwar insbesondere in den schon entstandenen und den neu entstehenden „gemischten“ Ekklesien – die in der Optik einiger der Teilnehmer an dieser Konferenz der Jerusalemer Urgemeinde mit der Delegation aus Antiochia offenbar gar nicht vor(her)gesehen war. In der Darstellung des Paulus geradezu programmatische Züge hatte die Tischgemeinschaft von christusgläubigen Juden mit auf Christus getauften, aber nicht beschnittenen Nichtjuden in der Ekklesia von Antiochia (Gal 2,11–14). Die aus dem Galaterbrief noch erkennbare antiochenische Praxis des συνεσθίειν μετὰ τῶν ἐθνῶν zeigt, dass hier – zumindest in der Sicht des Paulus – die Einheit und die neue Existenz der Mahlteilnehmer in Christus nicht nur irgendwie zum Ausdruck kam, sondern vollzogen wurde. Das dürfte auch die Tischgemeinschaft von Juden und Heiden in nichtjüdischen „Häusern“ eingeschlossen haben, aus denen sich die christusgläubigen Juden Antiochias gemeinsam mit Petrus beim Eintreffen der Jakobusleute aber wieder zurückzogen. Eine durch die Tischgemeinschaft von Juden und Heiden inspirierte „Ekklesiologie“ hat sich dann offensichtlich in der vermutlich „antiochenischen“, in jedem Fall aber paulinischen Tauftheologie von Gal 3,27f. manifestiert. Man darf annehmen, dass sie sich im Zuge von Konflikten wie dem sog. „antiochenischen Zwischenfall“ herausbildete. Sie wendet sich explizit gegen eine „Zwei-VölkerEkklesiologie“, die eine echte Tischgemeinschaft von christusgläubigen Juden und getauften Nichtjuden gar nicht oder nur unter dem Vorzeichen der Gastfreundschaft vorsah. Demgegenüber wird in Gal 3,28 die Unterscheidung von „Jude“ und „Grieche“ ebenso für in Christus aufgehoben erklärt wie die Unterscheidung von Sklaven und Freien oder von männlich und weiblich. Die bei den antiochenischen Mahlfeiern gemachte Erfahrung, dass es in Christus „weder Jude noch Grieche“ gibt, wird nun explizit an die Taufe auf Christus gebunden. Es liegt nahe, die damit angegriffene Ekklesiologie auf Seiten der „Jakobusleute“ sowie maßgeblicher Protagonisten der Jerusalemer Urgemeinde zu verorten, wo Nichtjuden höchstens als Gäste von Mahlfeiern in jüdischen Häusern akzeptiert wurden. Wahrscheinlich konnten sich diese Kreise aber auf den Wortlaut des sog. Apostelkonvents berufen; nur so lässt sich das Verhalten des Petrus und der an-
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Schlussbetrachtung
tiochenischen christusgläubigen Juden beim „antiochenischen Zwischenfall“ (Gal 2,11–14), aber auch das auffällige Schweigen des Paulus und sein Rekurs auf „die Wahrheit des Evangeliums“ (2,5.14) statt auf das Jerusalemer Abkommen erklären. In der Tradition dieser Jerusalemer „Zwei-Völker-Ekklesiologie“ steht offenbar der Evangelist Lukas – allerdings aus dezidiert „heidenchristlicher“ Perspektive. Vor allem aber schreibt Lukas offenbar in einem Umfeld, in dem die „gemischten“ Ekklesien antiochenischen Typs weitgehend verschwunden waren. Sein theologisches Anliegen besteht daher in einer Art heilsgeschichtlicher Legitimation der „Ekklesien unter den Heiden“, die keine Gemeinschaft mit den Diasporajuden ihrer Umgebung haben. Deswegen lässt er im zweiten Teil seines Doppelwerkes die Taufen von Nichtjuden durch Juden in Szenen von Gastfreundschaft einmünden – und nicht in programmatische Szenen der Tischgemeinschaft von Juden und Heiden, einschließlich des eucharistischen „Brotbrechens“. Diese Gastfreundschafts- und Bewirtungsszenen leisten in der narrativen Konstruktion des Lukas also faktisch das, was die Tischgemeinschaft von Juden und Nichtjuden in Antiochien geleistet hatte. Indem Lukas seine beiden Hauptprotagonisten, die christusglaubenden Juden Petrus und Paulus, gemeinsam mit ihren jüdischen Begleitern in nichtjüdische Häuser einkehren und dort an Mählern teilnehmen lässt (Apg 10,48; 11,3; 16,15; 16,34), portraitiert er sie als dem vorgängigen Wirken des Geistes gehorsam und dokumentiert im Modus der Erzählung, dass Gott in den Ekklesien unter den Heiden sich neben Israel ein „Volk aus den Heiden“ für seinen Namen sammelt (Apg 15,14) und dass der Glaube die Herzen dieser Nichtjuden reinigt (15,9). Die drei lukanischen Erzählungen von Taufen nichtjüdischer „Häuser“ durch christusgläubige Juden in der Apostelgeschichte fallen deshalb gegenüber den anderen lukanischen Tauferzählungen klar aus dem Rahmen. Die Geistbegabung des Cornelius und seines Hauses (Apg 10,44f.), die Petrus mit der Geistbegabung der Urgemeinde am Pfingsttag auf eine Stufe stellt (10,47; 11,15; 15,8), dient der Legitimation weiterer Taufen heidnischer „Häuser“ im Zuge der Paulusmission (16,11–15.25–34). Hier ist jeweils nicht die Wassertaufe das entscheidende Ereignis, und die Taufnotiz bildet nicht den Höhe- und Zielpunkt der Erzählung, sondern die Gastfreundschafts- bzw. die Bewirtungsszene. Die detaillierte Analyse der lukanischen Erzählungen ergibt daher, dass sich diese gegen eine direkte liturgiegeschichtliche Auswertung sperren. Lukas weiß zwar von postbaptismalen Mählern im Falle der Taufen nichtjüdischer Häuser durch christusgläubige Juden, charakterisiert diese aber als zeitlich befristete Ausnahmen. Dort, wo er konkret eine τράπεζα nennt (16,34), schildert Lukas das Mahl als Bewirtung von Juden durch Nichtjuden und gerade nicht als συνεσθίειν μετὰ τῶν ἐθνῶν. Im Sinne der lukani-
Schlussbetrachtung
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schen Aussendungsrede essen die jüdischen Boten das, was man ihnen vorsetzt (vgl. Lk 10,8f. mit Apg 11,3; 16,15 und v.a. 16,34), und begründen damit die Nichtgeltung der jüdischen Speisegebote in den Ekklesien unter den Heiden. Mit den genannten Szenen legitimiert Lukas – in den Bahnen seiner „geographisch strukturierten Zwei-Völker-Ekklesiologie“ – also die Entstehung und die Praxis der Ekklesien unter den Heiden. Hinzu kommt, dass Lukas das „Brotbrechen“ in diesen Ekklesien unter das Vorzeichen von Lk 5,35 sowie von Lk 22,15–20 stellt und als asketischen Ritus schildert. Festmähler und Symposien sind im dritten Evangelium immer negativ konnotiert (Lk 6,25; 12,19; 12,45–48; 16,19; 21,34), außer in eschatologischer Hinsicht: Feierlich gegessen und getrunken wird erst bei der Ankunft des Kyrios (Lk 13,27–30; 14,15; 22,15–18 und 22,30). Die Zeit bis zur Parusie verbringt die Ekklesia dagegen mit nächtlichem Wachen und brennenden Lampen (vgl. Lk 12,35–38; 18,1–8; 21,36 mit Apg 20,7–11; 20,31). Lukas favorisiert demnach die Ablösung des Brotbrechens vom Mahl, die Transformation der einstigen Mahleröffnung zum eigentlichen Kultakt, bei dem das Brot selbst Objekt der Segenshandlung ist (vgl. Lk 9,16: εὐλόγησεν αὐτούς), sowie die Transformation des Symposiums zu einer nächtlichen Vigilfeier. Diese deutlich erkennbare Tendenz des Lukas kommt im Falle der postbaptismalen Mähler im Kontext der Taufe von nichtjüdischen „Häusern“ an ihre Grenzen. Lukas erzählt hier Begebenheiten aus den frühen 40er (Corneliusgeschichte) und den frühen 50er Jahren (Paulus in Philippi), die Erzählungen sind aber seinen ekklesiologischen und asketischen Anliegen um die Jahrhundertwende verpflichtet. Trotz der narrativen Transformation in zeitlich begrenzte Gastfreundschaftsszenen ist noch erkennbar, dass Lukas hier ältere Überlieferungen verarbeitet, die auf die postbaptismale Mahlgemeinschaft von Juden und Heiden im Sinne von Gal 2,12 hinausliefen. Die Rekonstruktion der lukanischen ekklesiologischen wie asketischen Tendenz zeigt also paradoxerweise gerade die Bedeutung der postbaptismalen Mahlgemeinschaft im Kontext der beschneidungsfreien Heidenmission auf. Es ist nun aber äußerst bemerkenswert, dass auch nach dem Verschwinden von „gemischten“ Ekklesien – und auch nach der kanonischen Durchsetzung des lukanischen Doppelwerkes mit seinen eben skizzierten Tendenzen – in anderen und späteren frühchristlichen Dispositiven postbaptismale Mähler und Taufeucharistien belegt sind. Ein Hauptgrund dafür dürfte in der Tatsache bestehen, dass insbesondere Paulus Taufe und Eucharistie mit Deutungsmustern versehen hatte, die auch in veränderten ekklesialen Formationen produktiv weiterentwickelt werden konnten.
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Schlussbetrachtung
Bei allen Unterschieden im Detail bringen sowohl Paulus als auch der Verfasser des Hebräerbriefes die Eucharistie mit dem Manna (und dem Felsenwasser) der Exodusgeschichte in Verbindung. Damit setzen sie die innerjüdische Weiterentwicklung des „Brotes vom Himmel“ (Ex 16,4) zur „Engelsspeise“ und zur Speise, die Leben und Unsterblichkeit vermittelt, voraus (Ps 78,24f.; Sap 16,20f.; 19,21; JosAs), aber auch die Zuordnung von Manna und πνεῦμα (Neh 9,20f.; JosAs). Dieses Vorgehen bot sich an, weil die Eucharistie mit Brot und Wein schon bei den Adressaten des Apostels als πνευματικὸν βρῶμα und πνευματικὸν πόμα verstanden wurde, als Speise und Trank von himmlischer Herkunft und Art und als Träger und Vermittler des πνεῦμα. Es liegt nahe, hier eine Verbindung zum Eucharistiegebet nach dem Mahl in Did 10,2–5 anzunehmen, wo eine analoge Terminologie für Brot und Wein belegt ist, über die zu Beginn des eucharistischen Mahles die Eucharistiegebete gesprochen wurden. Paulus wie auch der Autor des Hebräerbriefes nehmen die Exodusereignisse dabei durch den Filter biblischer Geschichtsrückblicke wahr, wie sie sich v.a. in Ps 78; Ps 105 und Neh 9 finden. Indem Paulus die Eucharistie mit Manna und Felsenwasser, die Taufe dagegen mit dem Durchzug durch das Meer assoziiert, bringt er beide Vollzüge in eine bestimmte Reihenfolge, die vermutlich in den meisten Fällen die übliche gewesen sein dürfte und die sich dann bald überall durchsetzen wird. Die Zusammenstellung bedeutet aber auch eine klare Betonung der Eucharistie gegenüber der Taufe. In 1Kor 10,1–4 wird nicht die Wassertaufe, sondern die Eucharistie mit dem πνεῦμα in Verbindung gebracht: Gegenüber der kontinuierlichen Vermittlung des πνεῦμα durch den (im Falle der Exodusgeneration präexistenten) Christus während der Wüstenwanderung fällt die als Bindung an Mose gedeutete Taufe „in der Wolke und im Meer“ doch deutlich ab, erscheint als „Durchgangsstadium“ im engeren Sinne des Wortes. Nicht erkennbar ist aber, dass die Wassertaufe hier bereits die Zulassungsbedingung für die Teilnahme an der Eucharistie bildet. Diese Tendenz ist im Falle des Hebräerbriefes noch deutlicher greifbar. Dessen Verfasser steht im Banne einer „dualen“ Anthropologie, die sein Verständnis der Wassertaufe ambivalent macht. Die Wassertaufe hat als „Waschung des Leibes mit reinem Wasser“ zwar eine gewisse Bedeutung, das Entscheidende findet aber durch die „Besprengung des Herzens“ statt, durch die das „böse Gewissen“ gereinigt wird (Hebr 10,22). Während der Unterricht über die „Taufen“ (6,2: βαπτισμῶν διδαχή) zu den Anfangselementen der Glaubensunterweisung gehört und diese aufgrund der offensichtlichen Parallelen zu jüdischen Reinigungsriten (9,10) ambivalent bleiben, macht die Ersteucharistie die Neugetauften und durch den Taufunterricht „Erleuchteten“ zu μετοχοὶ πνεύματος ἁγίου (6,4). Anders als bei Paulus gehört das Manna (Hebr 9,4) wie auch die jüdischen Speisen und Ge-
Schlussbetrachtung
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tränke und die diversen jüdischen Waschungen in den Bereich der „Satzungen des Fleisches“ (9,10); die Christusgläubigen wiederum empfangen in der Eucharistie „die himmlische Gabe“ (6,4) und schmecken „das gute Wort Gottes“ (6,5). Da der Verfasser aber das am Anfang des Christenweges einmalig gelegte Fundament einschärfen will, bindet er die Teilhaberschaft am Heiligen Geist nicht an die regelmäßige, sondern an die Ersteucharistie im Kontext der „Anfänge“ des Glaubensweges, hinter die es kein Zurück mehr geben kann (6,6). Im Hebr hat die Wassertaufe also die Geistvermittlung ganz an die Eucharistie abgetreten. Diese pneumatologische Aufwertung der Ersteucharistie steht klar im Dienste der Drohung, dass das einmal gelegte Fundament nicht mehr zu verlassen ist (Hebr 6,1– 12, vgl. 10,19–39; 12,18–25). Im 1. Korinther- wie im Hebräerbrief bilden die in den genannten Geschichtsrückblicken bereits entsprechend gruppierten und transformierten Exodusereignisse ein sprachliches und traditionsgeschichtliches „Feld“, innerhalb dessen Taufe und Eucharistie artikuliert werden. Durch die Mannatypologie und die Parallelisierung von Taufe und Eucharistie mit den biblisch erzählten Exodusereignissen werden die genannten Vollzüge mit einem entsprechenden Potential ausgestattet, das später weiter transformiert werden kann. Damit werden nicht nur Deutungen der beiden Vollzüge generiert, sondern auch deren später kodifizierte Reihenfolge und innere Zuordnung vorgespurt. Zugleich hat aber insbesondere Paulus die Grenzen dieses ganz auf die Gabe von Leben und Unsterblichkeit abgestellten Eucharistieverständnisses erkannt und christologisch, v.a. kreuzestheologisch gegengesteuert, indem er die aus der Passionsüberlieferung stammende „Kultätiologie“ rezipierte und auf die eucharistische Mahlpraxis seiner Ekklesia projizierte (vgl. 1Kor 11,23–25 mit 10,16f.). Neben der „typologischen“ Verbindung von Taufe und Eucharistie mit Ereignissen aus der Exodustradition lässt sich im Kontext der paulinischen Heidenmission aber noch eine weitere, für die späteren Ausformungen der Taufeucharistie wichtige Weichenstellung erkennen. Denn Paulus verbindet Taufe und Eucharistie mit der bekannten Metaphorik einer Gemeinschaft als Leib zu einer Ekklesiologie des Leibes Christi. Taufe und Eucharistie kommen in diesem Diskurs auffälligerweise weitgehend parallele Funktionen zu, da der Leib gemäß 1Kor 10,17 und 12,13 durch die Taufe wie durch die Eucharistie konstituiert wird. Beide Vollzüge haben im Hinblick auf den Leib Christi also konstituierende wie initiatorische „Potenz“, da Paulus beiden eine pneumatologische wie eine christologische Dimension zuspricht.
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Schlussbetrachtung
Laut Paulus ist die Eucharistie nicht das Ziel der Taufe (oder eines Initiationsprozesses), sondern sie ist – analog zur Taufe – Vollzug von Initiation, genauer: Sie ist selbst Initiation, nämlich die Initiation in den Leib Christi, aber insofern als sie den Leib Christi zugleich konstituiert. Im Anschluss an Günter Bornkamm ist also festzuhalten, dass die Taufe im 1Kor keineswegs Zulassungsbedingung für die Eucharistie ist und dass die Grenze nicht eindeutig zwischen Ungetauften und Getauften gezogen wurde. Laut Paulus integrieren beide Vollzüge in den Leib Christi und konstituieren diesen zugleich, und beide vermitteln den Geist. Diese paulinischen Aussagen machen die spätere Entstehung von Taufeucharistien in anderen ekklesialen Formationen verständlich. Es ist diese von Paulus hergestellte Parallelität der beiden Vollzüge, die zu ihrer liturgischen Zusammenordnung führte – diese spätere Einbindung beider Vollzüge in ein Initiations-„pattern“ führte aber paradoxerweise dazu, dass die initiatorische „Potenz“ der Eucharistie ebenso in den Hintergrund trat wie ihre grundlegende Bedeutung für die Konstituierung des Leibes Christi. Während hier also in der Folgezeit Potential ungenutzt blieb, führte die Zusammenordnung der beiden Vollzüge in einen Taufgottesdienst zur neuen gegenseitigen Anreicherung der beiden Riten. Doch noch bevor dies geschah, wurde in Did 9,5 zum ersten Mal explizit die Teilnahme an der Eucharistie auf Teilnehmer begrenzt, die auf den Namen Christi getauft sind. Diese Beschränkung des Mahles auf Getaufte hat nicht nur Konsequenzen für die Eucharistie (vor allem im Hinblick auf die Zusammensetzung der Mahlteilnehmer), sondern auch für die Wassertaufe „auf den Namen des Herrn“. Denn indem diese zur Zulassungsbedingung für die Eucharistie erklärt wird, wird sie zugleich auf die Eucharistie ausgerichtet, wenn auch zunächst eher indirekt, doch ist das Potential zur weiteren Entfaltung und Transformation dieser Eigenschaft angelegt. Damit verbunden ist aber zugleich die Konzentration der „initiatorischen Potenz“ auf die Wassertaufe, umgekehrt wird die Eucharistie hier bereits zum Ziel der Initiation. Die Vorschrift von Did 9,5 ist ursprünglich durch die in 11,1f. angedeutete Absicht der ganzen Schrift motiviert. Die Beschränkung der Eucharistie auf jene, die auf den Namen des Kyrios getauft sind, ist mit der Absicht zusammenzusehen, konkurrierende jüdische Tischgebete ebenso zu verunmöglichen (Did 9f.) wie jüdische Fasten- und Gebetspraxis (Did 8). Diese Beschränkung enthält natürlich ein Potential, das in anderen Formationen dann zur Entfaltung kam. Weiteres Potential entfaltete zweifellos das Tauffasten. Schon in frühen Quellen ist es belegt, in der Didache (Did 7,4) und bei Justin (Apol I 61,2).
Schlussbetrachtung
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Diese beiden frühesten Quellen des Tauffastens bezeugen zudem, dass ursprünglich nicht nur die Täuflinge fasteten, sondern auch andere aus der Gemeinde (allerdings nicht die ganze Gemeinde); die Didache nennt zudem explizit den Täufer als Mitfastenden (Did 7,4). Es ist bemerkenswert, dass auch in den Pseudoclementinen dieses alte Gut noch bewahrt ist (Hom 13,12,2 par Rec 7,37,1). Das Tauffasten ist in diesen Quellen ein kollektiver Vollzug wie auch die Taufe selbst, werden die Täuflinge doch von einer Teilgruppe der Gemeinde beim Fasten und beim Gebet begleitet. Laut Justin findet die Wassertaufe zudem in der Mitte gerade dieser „mitfastenden und mitbetenden“ Gruppe statt. Nun lässt die Didache noch erkennen, dass das Tauffasten ursprünglich auf die „Qualifizierung“ des Täuflings und des Täufers ausgerichtet war, indem es die letzte Phase der Taufvorbereitung begleitete und dabei wohl insbesondere die Gebete der Täuflinge wie auch der anderen beteiligten Gemeindemitglieder intensivieren sollte. Laut Justin beten die fastenden Glaubenden beispielsweise um Vergebung zuvor begangener Sünden (Apol I 61,2). Nun lag es nahe, das Tauffasten im Anschluss an die Taufe mit der Eucharistie zu brechen – darin lag das entscheidende „Potential“ des Tauffastens. Dies gilt unabhängig von der Form, in der die Eucharistie gefeiert wurde, sei es als abendliches eucharistisches Gemeindemahl (Didache), sei es als Taufeucharistie mit Brot und Wein (Justin), sei es als morgendliche Austeilung konsekrierten Brotes oder anderer Formen postbaptismaler Eucharistie. Eine bedeutende Transformation erlebte das Tauffasten offensichtlich durch das Verschwinden des Mitfastens des Täufers und anderer Mitglieder der Gemeinde. So fasten laut Tertullian und der sog. Traditio Apostolica nur noch die Täuflinge, das ist auch in manchen Passagen der Pseudoclementinen so. Dies dürfte mit der „Professionalisierung“ der Taufe zusammenhängen, deren Vollzug zunehmend in die Hände von Amtsträgern geriet. Diese Entwicklung wiederum war die Voraussetzung dafür, die Taufeucharistie speziell auf die Neugetauften auszurichten, die ja alleine ihr präbaptismales Fasten mit dieser Feier brachen. In diesem Kontext hat sich dann offenbar eine besondere Form der Taufeucharistie entwickelt, bei der neben Brot und Wein auch Milch und Honig sowie – laut der lateinischen Version der sog. Traditio Apostolica (TA 21) – zusätzlich Wasser konsekriert wurden. Diese Form ist uns bemerkenswerterweise nur für solche Quellen belegt, in denen ausschließlich die Täuflinge fasten und die außerdem die Eucharistie nicht asketisch feiern, also auch Wein konsekrieren, nämlich bei Tertullian und in der sog. Traditio Apostolica. Diese Konstellation deutet darauf hin, dass Milch und Honig als Nahrung der Neugetauften eben Kindernahrung insinuieren sollte. Eine weitere Übereinstimmung zwischen Tertullian und der Traditio
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Schlussbetrachtung
Apostolica besteht – bei allen Unterschieden im Detail – darin, dass beide noch abendliche Gemeindemähler kennen, im Falle Tertullians offenbar nach wie vor die eigentlichen eucharistischen Mähler. Nochmals zurück zu Justin: Dieser bezeugt eine eigene Taufeucharistie, an der die Täuflinge im Anschluss an ihre Wassertaufe teilnahmen (Apol I 65). Bemerkenswert ist aber, dass diese Taufeucharistiefeier – im Unterschied zu den Taufeucharistien der apokryphen Apostelakten – hier Sache der ganzen Gemeinde war. Denn die „bei uns sogenannten Brüder und Schwestern“ versammelten sich also nicht alleine zur Eucharistie am Herrentag, sondern kamen auch anlässlich von Taufen zur Eucharistie zusammen. Diese Feier beginnt offenbar mit dem Fürbittgebet beim Eintreffen der Neugetauften sowie jener Gruppe aus der Gemeinde, die mit den Täuflingen mitgefastet und mitgebetet hatte, und die sie zuerst zum Taufort und von dort zum Ort der Eucharistiefeier begleitet hatte. Das gemeinsame Tauffasten wird im Kreise der Gemeinde mit der gemeinsamen Taufeucharistie gebrochen. Ein ganz anderes Dispositiv setzen die erzählten Taufeucharistien der apokryphen Apostelakten voraus, wo in der Regel der Täufer (also der wundertätige Apostel) ausschließlich den zumeist aus der Oberschicht stammenden Täuflingen die Eucharistie reicht, die nur aus Brot (sowie manchmal Wasser) besteht. Zwar hängt dies auch mit der erzählerischen Situation zusammen, die eben den Apostel und die von ihm bekehrten und getauften Einzelgestalten in den Fokus stellt. Aber nirgendwo scheinen die Autoren einen theologischen Grund gehabt oder einen Anlass gesehen zu haben, die massiv individualistischen Taufeucharistien in größere ekklesiale Kontexte einzubinden. Damit hängt zusammen, dass in den Apostelakten klar der christologische bzw. christozentrische Akzent der Eucharistie überwiegt: Der Apostel macht die neugetauften durch die Eucharistie zu „Teilhabern“ des Christus. Die im Anschluss an die nächtliche Taufen gefeierten morgendlichen Taufeucharistien der Thomasakten setzen bereits bestimmte Transformationen voraus: die Verlagerung der Eucharistie (auch der Sonntagseucharistie) auf den Morgen, die Ablösung von Eucharistie und Gemeindemahl, die Konzentration der Eucharistie auf das Brot. Vor allem aber dokumentieren die Thomasakten die Einbindung der einzelnen Vollzüge in eine – im Falle der Thomasakten bipolare, nämlich aus Taufsalbung und Taufeucharistie bestehende – Initiationssequenz. Innerhalb dieses „pattern“ reichern sich die Riten gegenseitig an. Im Falle der Thomasakten betrifft das insbesondere die epikletische Grundstruktur von Taufsalbung und Taufeucharistie. In diesem Traditionsbereich wurde offenbar das bereits bei Paulus, aber auch in der Didache und im Hebräerbrief belegte pneumatologische Ver-
Schlussbetrachtung
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ständnis der Eucharistie (1Kor 10,3f.: πνευματικὸν βρῶμα / πνευματικὸν πόμα, vgl. Did 10,3 und Hebr 6,4) charakteristisch weiterentwickelt. Auffälligerweise wird in diesem Traditionsbereich die Geistverleihung nicht mit der Wassertaufe verbunden, sondern mit der Haupt- bzw. Ganzkörpersalbung. Dieser durch Ölbenediktionen und Epiklesen massiv aufgewertete Salbungsakt wird – im Zuge einer charakteristischen Rezeption von Apg 10f. – der Wassertaufe vorangestellt, wohingegen in anderen Bereichen der alten Kirche die theologische und liturgische Rezeption der Taufe Jesu zur rituellen Entwicklung der postbaptismalen Salbung führte. Mit der deutlich geringeren Bedeutung der Wassertaufe gegenüber der Taufsalbung hängt offenbar das Verschwinden des Tauffastens in den apokryphen Apostelakten zusammen. Hinzu kommt, dass in den Thomasakten die asketische, d.h. nur mit Brot und (manchmal) mit Wasser gefeierte Taufeucharistie eine asketische Eucharistie- wie Mahlpraxis eröffnet. Ganz auf die postbaptismale Mahlgemeinschaft ausgerichtet ist die Taufe in den Pseudoclementinen. Dieser Grundzug gilt, auch wenn die einzelnen Fassungen und deren jeweilige literarische Schichten durchaus eigene Akzente setzen, so z.B. bei der Frage, ob die Wassertaufe nur für Heiden oder auch für Juden gilt, usw. Im Falle der Mattidia wird eine Taufeucharistie angedeutet (Hom 14,1,4; Rec 7,38,1), die Clemensnovelle innerhalb der PsClem rezipiert hier offenbar den rituellen Stand der sie umgebenden christlichen Lokalgruppen, auch wenn das Ziel nach wie vor die Mahlgemeinschaft der getauften Christusgläubigen miteinander und mit dem jüdischen Apostel ist. Dies zeigt z.B. die Taufe des Clemens, die direkt auf die postbaptismale Mahlgemeinschaft hinzielt (Hom 11,35,1f.; Rec 6,15,2f.). Diese Mahlgemeinschaft steht unter asketischen Vorzeichen, da Wein und v.a. Fleisch als dämonisch infiziert gelten, vor allem aber findet sie „Hebraeorum ritu“ statt. Ohne die Wassertaufe gibt es für Nichtjuden keine Tischgemeinschaft, weder mit anderen Getauften noch mit christusgläubigen Juden. Die offenbar nur spät und begrenzt rezipierte Taufeucharistie wird in diese Parameter eingeordnet und bildet eine Art Schwelle zur Mahlgemeinschaft. Abschließend bleibt festzuhalten, dass die jeweils in den Quellen belegte konkrete Form einer Taufeucharistie bzw. eines postbaptismalen Mahles zunächst detailliert im Kontext der diskursiven wie der nicht-diskursiven Formationen zu analysieren ist, in denen sie thematisiert werden, bevor eine Genealogie der Taufgottesdienste rekonstruiert werden kann. Dass dies für die Eucharistie insgesamt, aber auch für die Taufe gilt, ist evident.
Literaturverzeichnis Literaturverzeichnis
Bibliographiert werden hier nur diejenigen Quellen, die in der Arbeit eigens behandelt werden. Die bibliographischen Angaben der anderen antiken Schriften finden sich direkt in den Fußnoten. Die antiken Schriften werden in der Regel nach LACL und LIDDELL/SCOTT abgekürzt.
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Stellenregister Stellenregister
I. Altes Testament I. Altes Testament
Genesis 1 1,1f. 1,20 1,24 2,7 (LXX) 6 18 19,3 (LLX) 41,45
179 98 243 243 396f. 161 246 255 387
Exodus 3,2 (LXX) 3,5 (LXX) 3,6 (LXX) 3,8 3,10 (LXX) 3,14 (LXX) 13,21f. 14,22 14,29 14,31 16,2f. 16,4 16,4 (LXX) 16,15f. (LXX) 16,31 16,31 (LXX) 16,35 17,5–7 20,13ff. 24,16 29,4 32,6 (LXX) 35,12
99 98f. 99 17 99 99 359 15 15 311 310 383 361, 367 364 213 213 312, 367 312 59 311 354 297, 308, 310 381
Levitikus 2,3 2,11
80 212
7,6 10,10 10,12 10,22–26 11 11,41–47 14 (LXX) 14,2–9 (LXX) 14,10 (LXX) 16,4 (LXX) 17f. 19,4 19,18 22,10–16 26,1
298 244 298 244f. 243 244f. 114 114 113–116 354 265 328 58 80 328
Numeri 10,36 (LXX) 11,7f. (LXX) 11,7 (LXX) 11,16f. 11,24–30 11,25–29 14,4 14,14 (LXX) 14,30 18,8–10 19 20,11 21 21,4–6 21,5f. (LXX) 21,16–18 26,65
311 213 385 363 363 314 365 311 310 298 354 312 310 316 316 312 310
Deuteronomium 1,33 (LXX) 4,2 5,17ff. (LXX)
311 59 59
Stellenregister
440 6,5 6,12 (LXX) 8,2–18 8,3 (LXX) 8,10 (LXX) 8,11 (LXX) 8,14 (LXX) 13,1 14 14,21 18,1–4 23,1 (LXX) 32,11 32,16–21 (LXX) 32,17 (LXX) 32,18 (LXX) 32,19 (LXX)
58 82 364 363 82, 83, 85 82 82 59 243 244 298 230f. 311 329 328, 329 329 329
Josua 5,12
367
2. Samuel 11,13
271
2. Regnum (LXX) 1,8 211 1. Könige 17,12
210
2. Chronik 31,5
212
Nehemia 9 9,9 9,11–21 9,12–21 9,12.19 9,12 9,15 9,19f. 9,19 9,21
310f., 359, 363, 365, 378, 398 311 379 381 311 359, 380 361, 380 314, 361 359 312
2. Esra (LXX) 19 19,9 19,11–21
363, 378 311 379
19,12 19,15 19,19f. 19,19
359 361 314, 361 359
Tobit 1,10f. 12,8
282 242
Judit 10–12 12,1–4 12,19
282 283 283
Ester 8,17
292
1. Makkabäer 1,47 1,62
243 243
2. Makkabäer 2,22 5,27
48 282
Psalmen 15,9 (LXX) 42,3 (LXX) 71,16 (LXX) 77 (LXX)
261 360 79 311f., 316, 359–361, 378–384 77,13–25 379 77,13–16 (LXX) 337, 381 77,13 (XX) 311 77,18 (LXX) 316 77,24 (LXX) 312, 315, 361 77,25 (LXX) 312, 383f. 77,29 (LXX) 360 78 310, 359, 367, 378– 384, 393, 398, 406 78,12–16 381 78,13–25 379, 382 78,14 311 78,23–30 381 78,25 365, 383f., 397 80,9–12 76 80,15f. 76 94,7–11 359 95,5 (LXX) 324, 328 96,5 328
II. Neues Testament 99,7 104 (LXX) 104,39–41 (LXX) 104,40 (LXX) 105
441
105 (LXX) 105,37 (LXX) 105,39–41 105,39 (LXX) 106 110,1
311 378–383 360f., 380f. 312 310, 359, 378–383, 398 378, 328, 329 380f. 311 318, 378, 382 238
10,10f. 25,6 27,2–6 40,3 48,21 49,6 (LXX) 49,26 56,3–5 63,7–14
328 268 76 211 337 227 271 231 363
Jeremia 2,21 33,2 (LXX)
76 59
Hohes Lied 5,1
271
Ezechiel 15,1–8 17,6–8 19,10–14 34,26 36,25
76 76 76 368 354
Daniel 1,2 (LXX) 1,3–17 1,15 (LXX)
296 282 347
Hosea 10,1
76
Joël 3
238, 249
Maleachi 1,10–22 1,10–12 (LXX) 1,11 3,10
376 112, 115f. 28, 51, 58, 79, 115 368
Weisheit 16,20–26 16,20f. 18,1–6 19,7 19,21 Jesus Sirach 24,17 30,14 31,12–32,13 Jesaja 1,11f. (LXX) 1,13 (LXX) 1,16 5,1–7 7,15 7,18–25
364 312, 361, 384–386, 397, 398 360 311 312, 384–386, 393, 397, 399 76 347 283 114 114, 116 95, 97f. 76 212 212
II. Neues Testament II. Neues Testament
Matthäus 3,4 3,6 5,17–20 5,17 5,18f. 5,48
211 180, 240 34 48 34 61
6,2 6,5 6,9–13 6,16 7,6 7,12 8,11f.
34 34 34 34 33 58 80
Stellenregister
442 10,5f. 10,9 10,10 11,27 12,31 13,14 15,24 19,18f. 21,43 22,2–14 22,37–40 24,2 25,18 25,27 26,15 26,27 26,29 26,61 27,40 28,12 28,15 28,19f. 28,19 28,20
36 35, 36 35, 50 99 34, 49 342 36 59 80 164 58 48 36 36 36 5 77 48 48 36 36 34 34, 65 36
Markus 1,2 1,5 1,6 1,10 2,20 3,28 6,8 7,1–23 7,2 7,5 7,35 10,19 13,2 14,24 14,58 15,29
211 240 211 153f. 272 34 35 244 243 243 342 59 48 326 48 48
Lukas 1,35 3,3 3,21 5,32 5,35 6,25
144 238 239 95 272f., 405 82
7,3–5 9,3f. 9,3 9,15 9,16 9,32 10 10,7 10,5–11 11,41 12,10 12,35–38 12,35 16,14 16,34 17,26–30 20,34–36 21,34–36 22,14–38 22,15–20 22,17–19 22,18–20 22,19 22,20 23,13 23,35–48 23,54 24,1 24,29 24,30 24,35
229 259 35, 36 223 405 269 274 35, 255 260 242 34 268 272 54 261 271 231 269 269f. 78, 405 75f. 224 223, 271 271 239 239 135 267 250, 256, 267 223, 250 223
Johannes 1,1–3,21 1,32–34 3,22–5,47 3,22 3,3 3,5 5,4 6,12 6,27 6,31–33 6,32–35 6,49 6,51–58 6,58 8,12 15,1–8 15,1–5
13 154 13 13 144 19, 144, 195, 207 179 82 35, 314, 315 315 362 314 206 314 360 76 35
II. Neues Testament 15,15 17 18,6 19,34 20,19 20,26
35 34f. 152 3 339 339
Apostelgeschichte 1,5 248f. 1,8 227 2 224f., 238–240 2,1–36 402 2,4 249 2,5–13 237 2,11 249 2,15 225 2,37 239, 257 2,38 154, 238–240, 402 2,41 225, 232 2,42–46 86, 261 2,46 267, 271, 273 6,1 277 7,2f. 263 8 225–227, 237 8,12 227, 230 8,16 240 8,26–40 227–231 8,27 230 8,39 228 9 231f. 9,19 273 9,31 226f. 9,32–43 241 10f. 23, 154f., 228, 241– 251 10 155, 274, 241–251 10,1–11,18 241–251 10,3 246 10,13 244f. 10,14–28 241f. 10,15 244f. 10,23 246 10,25 242 10,26 247 10,28 247 10,35f. 245 10,37–41 247 10,42f. 248 10,44 155, 249, 404 10,47 237, 249, 404
10,48 11,1–18 11,3
443
11,4–15 11,12 11,15 11,19–21 11,19 11,22–26 11,24 11,26 11,30 11,45 12,3 13,1 13,2 13,26 15,1 15,8 15,13–21 15,14 16 16,3 16,13 16,14f. 16,15 16,25–34 16,34 18 18,5f. 18,12f. 18,22 19,5f. 20,7–12 20,7 20,11 20,17–38 21,21 22,16 24,14–16 27,33–38 27,35
155, 240, 255, 404 154–155 154, 155, 274, 282, 404 251 247 237, 250, 290, 404 276f. 241 277f. 278 278 278 242 278 278, 292 273 233 278 237, 250, 265, 404 264f. 294 23, 236, 240 251f. 253 251–257 404 235, 257–261 404 233–235 233 234 289, 154, 235 225, 266f., 272 223, 270 223f., 270f. 266 234 231,232 234 225 224
Römer 6 6,3 7,4 8,9f. 8,15
195, 207 187 325 317 69
Stellenregister
444 10,8–13 12,4f. 12,4 12,5 14,1f. 14,14 15,24 1. Korinther 3,1–4 3,2 3,6–8 3,16 5,11 7,7–9 7,7 8–10 8,1–9,23 8,4 8,7 8,9 8,10 8,11 8,13 9,4 9,6–18 9,7 9,19–23 9,22 9,24–27 9,24 9,25 9,27 10,1–22 10,1–13 10,1–5 10,1–4 10,3f. 10,3 10,4 10,5 10,7–10 10,7f.
294 321 338 326 283 243 82 348 211 336 84 282 306 303 63, 295–320 300–304 300 300f. 300 296f. 299, 327 301f. 300, 302 302f. 211 301 303f. 304–307 304f. 306 307 295–299, 307–311, 328 307–319, 327, 362, 382 15, 36, 295, 304, 311– 315, 317, 369 12, 14, 23, 299, 311– 315, 360, 378, 400, 406 4, 134, 157, 311–315, 321, 362, 398 134, 383 315f., 319, 336, 367 310, 314, 315, 378, 400 310 308
10,7 10,9 10,12f. 10,14–22 10,14 10,16–22 10,16f. 10,16 10,17 10,18–21 10,18 10,20–22 10,21 11,1 11,10 11,17–34 11,20 11,23–34 11,23–29 11,23–25 11,24 11,26 11,27–31 12,1–3 12,1 12,3 12,4–6 12,7 12,8–10 12,11 12,12–17 12,12 12,13 12,14–19 12,17 12,20–26 12,22–24 12,27 12,31 13 14,23 14,37 14,39 15,44–45 15,44 15,45 16,22
297 315f., 331, 378 318f. 38, 297 323f. 327, 328 33, 75f., 76, 134, 308, 322, 323–329, 338 320 22, 321, 330, 336, 337, 407 323 328 329 22, 49, 75, 160 304 398 49, 302 216 5 326 320 5 400 325 294 330 331 332f. 332f. 332f. 332f. 321 335, 339 12, 13f., 23, 36, 321, 330–337, 367, 407 334 342 334 334 335 330 330 339 330f. 330 157 134 317 87, 157, 373
II. Neues Testament 2. Korinther 1,19 1,21f. 3,17f. 3,17
233 84 317 134, 157
Galater 2,1–14 2,3 2,5 2,7–9 2,8 2,9 2,11–14 2,11 2,12.14 2,12f. 2,12 2.13 2,14 2,18 3,27f. 3,28 5,23 6,15
280 285 289 281f. 125 290, 291 265, 279–292, 319 23, 280 285 281f., 287f. 284, 285f., 287, 405 286 289–292 281, 291 292–294, 403 23, 294, 339 306 293
Epheser 4,13f.
348
Philipper 1,1 2,9–11
54 294
1. Timotheus 3
54
2. Timotheus 3,2
54
Titus 3,5
183, 205
Hebräerbrief 2,1–4 2,3 2,4 3,7–4,13 3,14 4,2 4,9
341f. 342 364, 358, 365 341f., 359 342 377
4,14–16 5,5–10 5,11–6,12 5,11–14 5,11 5,12f. 5,12 6,1–12 6,1–5 6,1–3 6,1f. 6,1 6,2 6,3 6,4–6 6,4f. 6,4 6,6 6,7–8 6,9–12 6,12 6,13–20 9,1–10 9,9f. 9,10 9,14 9,20 10,10 10,14 10,22 10,25 10,26ff. 10,26 10,32 11,10 11,15 12,14–24 12,22–24 13 13,9f. 13,7–17 13,10 13,12 13,15 13,16f.
445 347 347 342–345 346–349 342f., 346, 348, 369 211, 343 348 343 342 343, 349–352, 358 162, 348, 349–356, 357 358 352f., 356, 368 352 14, 23, 356–366, 378, 406f. 13, 344, 356–366 12, 13, 345, 356–366, 367, 383, 399 344f., 350, 356–366 366–368 368f. 342, 345 342 353 355 162, 353, 356 377 377 374 374 351, 354f., 369 371, 372, 377 14 361 360 350 350 14 375, 377, 398 370–377 13f., 371, 372 371 371–374 374f. 371, 374–377 374–377
Stellenregister
446 1. Petrus 1,2 2,2
13 348
1. Johannes 2,18–23
43
2. Johannes 7 10
43 43
Offenbarung 2,17 12,6 21,3 21,27 22,14f. 22,17–21 22,20
399f. 362 286 243 373 339 157
III. Frühjüdisches Schrifttum III. Frühjüdisches Schrifttum
Aristeasbrief 184f.
283
Syrischer Baruch 29,8 365 36–40 76 4. Esra 5,23
76
5. Esra 2,10–13 2,19
80 213
15,5 15,7 15,14 16,1 16,8 16,13 16,14–16 16,14 16,16 16,19f. 19,11 19,5 27,10
86, 392, 394 387 258 258 392f. 254–255 393–395 255 86, 398 395f. 396 324 397
Ezechiel der Tragiker
Flavius Josephus
Exagoge 152–192
Antiquitates Iudaicae III 30 384 XII 119f. 283 XVI 35 48 XX 17–50 283
283
Joseph und Aseneth 1,5 387 2,1–3 387 3,6 387 4,7 387 5,5 387 6,2f. 388 7,1 282, 283, 286, 388, 389 7,5 389 8,5 86, 324, 388f., 394 8,9 324, 390f., 392, 394 11,8 389 12,5 389 14,1–9 391
De Bello Iudaico II 393 II 463 II 545 IV 382 VII 45 VII 46–62
48 283 292 48 282, 283 283
Vita 14 54
283 68
IV. (Früh-)Christliches Schrifttum Jubiläen 22,6
III 182
447 48
85, 282
4. Makkabäer 2,8 7,6
54 243
Mischna mBer VI 1 mBer VIII 1 mBer VIII 8
76, 75, 75,
De vita Mosis (Vit Mos) I 145 360 I 166 360 I 178 360 I 199–210 365 I 199–203.205 367 Legum allegoriae (LegAll) III 166 361 III 169.173 364
Philo von Alexandrien Quaest in Exodum (QE) II 2 283
De Abrahamo (Abr) 26 350
Pseudo–Philo De decalogo (Dec) 16 367 44 360
Liber Antiquitatum Biblicarum 10,7 312 11,15 312 19,5 384 19,10 365
De ebrietate (Ebr) 20f. 283 211.212 230
Talmud bJeb 47b bYom 75b
De somniis (Somn) II 184 230
39 384
De specialibus legibus (Spec Leg) III 38 230
IV. (Früh-)Christliches Schrifttum IV. (Früh-)Christliches Schrifttum
Acta Andreae
123
Acta Johannis 56,7 57 57,9 84 84,6 84,15 85f. 94–96 95,2f. 95,4f. 95,8f. 95,10f.
123 122 122 122 123 122 122 123 123 123 123 123
97,8 99,2 106–110
123 123 122
Acta Pauli (PHam) 2–5 125–127 2,3 126 2,27f. 126 3,31–33 126 4,3 127 4,4f. 127 7 127f. 7,19f. 127 7,22f. 127
Stellenregister
448 Acta Pauli (PHeid) 20,11 125 28f. 125 29,20 125 39,19 125 51f. 127 56,12 125 58,8 125 Acta Petri (Actus Vercellenses) 5 129–131 Acta Thomae 5 20 24 25f. 25 26f. 26 27
28f. 28 29 49f. 49 50 51 52 66 87 89–100 90 95 96f. 104 120f. 120 121 122 123 124
136 137f. 140f. 144 141, 142 140–145 135, 141, 144 132, 133, 135, 136, 138, 140, 142f.,144, 146, 147, 148, 150f, 153, 156 140 132 132, 135, 136, 137, 140, 145 12, 133, 134, 138, 145–147, 156 147, 148 136, 138, 139, 144, 146, 147, 148, 150, 151,157 147 139 132 148 137 148 148 148 137 132, 147–150 135, 148, 149 133,136, 138, 148, 149, 153 135 135 150
131–133 132 133 139 145 152 155–158 155 156 157f. 157 158 159f.
150f. 150, 153, 156f. 17, 132, 134, 136, 138, 151, 156f. 137 137 132 151f. 135 139, 152 132 138, 139, 149, 156, 133, 136, 151, 152, 157 132
Ambrosius De Sacramentis 4 5,2
3, 5 5
De Mysteriis 8 (43)
3
Apostolische Konstitutionen 3,16–18 38 3,47,2f. 214 7,20 62 7,22,1 38 7,25f. 40 7,25 75 7,25,1 78 7,25,2 75 7,25,3 75 7,28,1 40 7,39,1–3 38 7,45,1 69 8 191, 194 Augustinus In Iohannis evangelium tractatus 80,3 15 Barnabasbrief 1,2 4,9f. 6,8–19 6,8–10
361 55 207 213
IV. (Früh-)Christliches Schrifttum 6,13 6,17 6,18f. 18–20 19,4 19,12 21,1
213 213 200 351 54 52 39
1. Clemensbrief 40 44
370 370
4,12–14 4,13 4,14 5 5,1 5,2 6,1–3 6,1 6,2f. 6,2 6,3
Cyrill von Jerusalem Mystagogicae Catecheses 2,5 2 3,1 154 3,3 4 4,1 4, 5 4,3 4 4,9 4 5,7 4 5,15 4 5,20–22 4 Didache 1–10 1–6 1,1 1,2–4,13 1,2 1,3–4,14 1,3–2,1 1,3 1,4 2,1 2,7 3f. 3,1–6 3,5 3,7 3,8 4 4,2–14 4,2 4,3 4,8 4,10
31, 37, 39, 40–42, 44, 45, 48, 54, 56–58, 70f., 89 37, 39, 58–64, 70, 351 58 60 58, 61 58, 62 59, 61 28, 40, 55, 60, 75 55, 61 40, 59, 60 55, 75 38 45, 59 36, 54 54 39 60 59 57, 59, 73 52, 55 28, 81, 86, 313 84
7–10 7 7,1–8,1 7,1–3 7,1.3 7,1 7,4 8–10 8,1–3 8,1f. 8,1 8,2f. 8,2 8,3 9–10 9f. 9 9,1f. 9,1 9,2f. 9,2 9,3f. 9,3 9,4 9,5
10,1–5 10,1
449 59f. 39, 59, 62 35, 44f., 52, 55, 58– 60, 70, 75, 79 45, 60 54 35, 54 34, 58, 60–64 40 48, 56, 59, 61, 63, 65 55, 57, 58, 61–63 27, 38, 49, 57, 61–63, 66, 68, 74 37, 38, 40, 64, 70 37, 44, 65, 80 64–68 44, 64f., 70, 204 34, 57 27, 38f., 42, 44, 65 28, 44, 65–68, 81, 96, 408 70 28 34 44, 66–68 44, 55, 68f., 70, 75 33, 57, 74 34, 74 69–88 33, 35, 37, 52f., 61, 69, 70–73, 80, 83, 85, 86 22, 28, 75, 78, 89 74–77 27, 38, 72, 75 32, 34, 35, 74, 75, 83 12, 35, 74–77 34, 73, 74, 78–80, 313 35, 40, 74, 76f., 78 34, 35, 55, 73–75, 78, 79, 83, 326 10, 20, 27–29, 33, 40, 57, 63f., 65, 68, 71, 75f., 77, 78, 80–82, 85, 87, 89, 105, 373, 408 163 49, 68, 72, 75, 78, 81– 83, 85
450 10,2–5 10,2f. 10,2 10,3 10,4 10,5 10,6f. 10,6 10,7 10,8 11–16 11–15 11–13 11,1f. 11,1 11,2 11,3–13,7 11,3 11,4ff. 11,5f. 11,5 11,6 11,7 11,8 11,9 11,10 11,11 11,12 12,1f. 12,1 12,2 12,3–5 13,1–7 13,1 13,2 13,3f. 13,3 13,4 13,5 13,6 13,7 14
Stellenregister 34, 73, 81, 83–86, 313, 406 32, 83 34, 35, 40, 57, 74, 76, 84, 90 28, 35, 36, 49, 75f., 82, 84f., 89, 90, 157, 362 28, 75, 85 34, 35, 55, 57, 73, 74, 77, 79, 83, 88 86–88 40, 55, 57, 73, 77, 82, 86–89, 157, 339 44, 49f., 53, 75 71 40, 45–56 38, 45 35, 42, 66 37, 39–45, 47f., 56, 59, 60, 64f., 68, 87 40, 43, 48, 52 35, 40, 47, 48 48–51 27, 33, 35, 38, 41, 48 35 46, 48, 49 46, 48, 51, 71 35, 36, 54 34, 49, 73 41, 50 27, 49, 53, 72, 73 50 49, 51 35, 36, 54 48 41 48, 51 41, 48 41, 50f. 35, 47, 50f. 35, 41, 47, 50f. 28 50f., 54 51, 53 51 28, 36, 51 51 52, 71, 80
14,1–3 14,1 14,3 15 15,1–3 15,1f. 15,3 15,4 16 16,1 16,2 16,3–8 16,3 16,4 16,7
27f., 34, 50, 51–53, 58, 59, 90, 376 45, 46, 52, 55, 67, 70, 75, 78f. 53, 79 54f. 28 41, 42, 47, 51 33, 45 33, 70, 75 55f. 35, 90 46, 55, 63, 79 55 46, 56 55, 63 56, 57, 73, 77
Eusebius Historia Ecclesiastica III 3,2 128 V 28,5 42 Gregor von Tours Liber de miraculis Andreae apostoli 1,49–51 124 3,14 124 4,36f. 124 5,23–25 124 6,25–28 124 Irenäus von Lyon Adverus Haereses (AdvHaer) IV 17,6 376 IV 18,6 376 V 2,3 361 Johannes Chrysostomos Catecheses Baptismales II 4,18 3 III 2.27 5 Justin der Märtyrer Apologia pro Christianis I 3,4 91
IV. (Früh-)Christliches Schrifttum 13,1f. 13,1 14,1 41,1 61–67 61–66 61–65 61 61,1 61,2f. 61,2 61,3–5 61,3 61,6–8 61,7 61,9 61,10 61,12f. 61,12 62–64 62,1 63,1 63,3 64 65–67 65f. 65 65,1–5 65,1 65,2 65,3f. 65,3 65,5 66 66,1 66,2 66,3 66,4 66,6 66,10 66,14 67 67,1f. 67,2 67,3–5 67,3
117 103, 105, 106, 113 113 114 91–94 95 117 92, 95, 98 91, 95 94 96f. 95 91, 97f. 97 98 98 95, 99, 109 95 98 92, 98f., 112 98 99 99 94, 98 92–95 92, 95, 115, 370 92–95, 100–104, 110, 410 100 91, 92, 95, 97, 101, 104 100, 102 104 102, 105, 108 102–104 92, 104–109, 112, 115 92, 95, 104f., 109 104, 105–108 105, 107–109 103, 109 206 206 206 92, 93, 102, 103, 104, 109f., 116 92, 109 103, 117 109 92
67,5 67,6f. 67,8
451 92f., 102–104, 105, 108, 110 109 109
Dialogus cum Tryphone 8f. 111 13 114 13,1 114 16ff. 112 20 365 23,3 111 26,1 80 28 376 28,2 112 28,5 115 40–42 113–116 40 113 41 110, 113, 115, 117, 376 41,1–3 113 41,2 115, 118 41,3 115 57,2 365 73 365 80,1 80 113f. 112 113,3f. 80 116,3 115, 116 117 376 117,1–3 118 117,1 115 117,3 116 131 365 131,3 360, 361 131,24 367 139,4f. 80 Pseudoclementinen Homiliae 1,22,3 1,22,4 1,22,5 2,53 3,73,1 6,26 7,3,1 7,4,2 7,8
159 162 159 162 165, 171 162 161 160 164
Stellenregister
452 7,8,1 7,8,3 8,15,2–4 8,15,3 8,15,4 8,16,1 8,16,2 8,19,1 8,20,3 8,22f. 8,22,4 8,24 9,9,2 9,10 9,10,3 9,19 9,23 9,23,3 10,1 10,26,2f. 10,26,2 10,26,3 11,1 11,1,1 11,15,6 11,30,1–3 11,33,4 11,34,1 11,35 11,35,1 11,35,2–6 11,35,2 11,35,32 11,36,2 12,25,1 12,30,2 13,4,1 13,4,3 13,9,1 13,9,3 13,10,7 13,11,1f. 13,11,3 13,11,4 13,11,12 13,12,2 13,13,1–21,3 13,18,4 14,1 14,1,1f.
160, 165 166 176 160 160 160 161 164 160 160 164 162 161 161 165 163 162 161f. 353 162 161f. 161 353 161f. 160 161f. 161f. 162 165 166f., 411 167 166f., 411 166 167f. 162 165 172 164 165, 168 165, 168 165, 169 169 168 168 165 169 169 160 171 169
14,1,4 20,11 20,23
169f., 410 173 176
Recognitiones 1 1,19,2–5 1,19,4 1,19,5 1,27,71 1,39 1,43,2 1,45–48 1,63 1,63,3 1,67 1,72,1 2,71ff. 2,72,5 2,72,7 3,67,3f. 3,67,3 4,3 4,35,5 4,36 4,37,3 5,12.13 5,36,3 5,36,4 6,15,2 6,15,4 7,29,1 7,29,3 7,34–37 7,34,1 7,34,2 7,34,3 7,35,7 7,36,3f. 7,36,1f. 7,37,1 7,38 7,38,1 7,38,2 10,52 10,68–71 10,72,5
175 159 161 159 164 164 162 171 171 170f. 171, 172 165 160 163 161 171 165, 171 162 164 164 163 164 161f. 161 166f., 410 167f. 172 164 165 165, 168 168 168 169 168 169 169 171, 172 172, 411 172 173 176 165, 173
Contestatio 4,3
174
IV. (Früh-)Christliches Schrifttum Tertullian Adversus Marcionem I 14,3 182f. III 22,6 376 IV 1,8 376 Apologeticum 7,1 39 39,2–7 39,14–19 39,14 39,17f. 39,17 39,18
186 184–186 184 184 184 185 184, 185, 186 184
De baptismo 1 1,1 1,2 1,3 2,1 3 3,6 4,1 4,4 4,5 5,5 5,6 6,1 7,1f. 8,1–5 8,3 12 13 14 17 17,1 17,2f. 19,1–3 19,1 19,2 19,3 20 20,1 20,5
178 179 179 178 178 179 179 179 179 179 179 179 179, 180 180 180 179 178 178 178 128 180 180 187 187 187 187 206 180 183
De corona 3
200
3,1 3,2f. 3,2 3,3 4,1 De oratione 13 19 19,1–5 19,1–4
453 184 183 184 183, 186f. 183 353 187 204 187
De praescriptione haereticorum 36–40 181 36,5 181 De resurrectione mortuorum 26,10 181 26,11 182 De spectaculis 13
186
Ad uxororem II 8.8
186
Theodor von Mopsuestia Katechetische Homilien 15,9 5 15,13 5 16,12 5 16,16 5 16,23f. 4 16,30 4 Traditio Apostolica 2 192, 204 2,1–4 200 3–8 201 4 190, 193, 205 5f. 209f., 218 7–14 192 7,1 200 8,1 200 9 205f. 9,1f. 200 10,1–3 200 11 200 12 200 13 200
Stellenregister
454 14 15–21 15–20 17 18f. 20f. 20 20,1–10 20,1f. 20,2 20,3 20,6 20,8 20,10 21 21,1f. 21,3–5 21,4f. 21,5 21,6f. 21,8–19 21,11 21,14–38
200 191 200 202 215 196, 199, 200 202, 204 202 202, 204 202 202 202 203 203, 206 188, 190, 198, 199, 201, 204, 210–214, 409 204 204 199 203 199 204 199 191
21,18 21,21–25 21,21–24 21,27–30 21,27–42 21,27 21,28f. 21,31–37 22–30 22 23–30 23 24 25 26 27 28 29 33 35 36–38 36 41 42
199 199 204 206–208 200 206 207 208f. 215–219 190, 218 218 203f., 207, 208, 209, 213 200 200, 216 215, 216, 217 215, 216 216, 217 200 203 192 216 208 192, 206 206
V. Griechisch-römisches Schrifttum V. Griechisch-römisches Schrifttum
Lukian Eunuch 6 7.10
Septem sapientium convivium 2 (146D) 296 3 (148B–149F) 296 230 229f.
Philostrat De Gymnastica 48–52
Varro De re rustica III 16,5
306
Vitae sophisticarum 1,8 (489) 229 Plutarch Praecepta coniugalia 20, 140F 103
211
Vergil Georgica IV 1
211
Autorenregister Autorenregister
Adamik, T. 124 Allert, C.D. 97 Arterbury, A.E. 245, 246 Ascough, R.S. 32, 42, 54, 70, 224, 232 Attridge, H.W. 343, 349, 350, 352, 356, 362 Audet, J.-P. 32, 33 Avemarie, F. 223, 226, 227, 228, 232, 234, 236, 239, 240, 253, 261 Backhaus, K. 370, 377 Baldovin, J.F. 190, 191, 194, 195, 198, 206 Baldwin, M.C. 128 Barclay, J.M.G. 282, 283, 284 Barrett, .K. 227, 240, 244, 246, 258 Barrier, J.W. 124, 125 Barth, G. 14 Baumstark, A. 6, 16 Beauchamp, P. 384, 386 Becker, J. 293 Bengel, J.A. 239 Berger, K. 85, 352 Betz, J. 13, 14, 207, 209, 211-213, 218, 312, 326, 337, 363 Bird, M.F. 282, 283, 285, 288, 291 Bobertz, C.A. 217, 218 Böcher, O. 211, 212, 213 Bolton, D.L. 243 Bonnet, M. 132 Bornkamm, G. 89, 339, 371, 372, 373, 376, 408 Bouley, A. 72, 110 Bousset, W. 11, 119 Bovon, F. 260 Boyarin, D. 293 Bradshaw, P.F. 3, 7f., 9, 24, 42, 72, 75, 87f., 103, 107, 119,123, 134, 153, 181, 185, 187, 192f., 194, 195-198,
199, 200, 201, 202f., 205, 210, 211, 215, 216 Brändl, M. 302, 304, 306, 307 Braun, H. 342, 344, 346, 348, 349, 350, 351, 353, 354, 358, 360, 362, 368, 371, 376 Bremmer, J.N. 174f. Brent, A. 191, 192, 194, 195f. Broadhead, E.K. 277, 279 Broer, I. 33, 279, 308, 309, 312, 315, 317, 318, 319 Bruns, P. 4, 138 Bührmann, A.D. 401 Burchard, C. 15, 387, 388, 389, 391, 392, 394f., 396, 398 Chalassery, J. 119 Chaniotis, A. 101, 332 Cheon, S. 384, 385 Clerici, L. 79 Cohen, S.J.D. 282, 283, 291f. Conzelmann, H. 254, 258, 278 Cornehl, P. 15 Couratin, A.H. 115 Day, J. 2 DeSilva, D.A. 358, 366 Dibelius, M. 76 Draper, J.A. 31, 32, 37, 38, 51, 52, 57, 62, 63f., 65, 66, 67, 69, 70f., 82 Drijvers, H.J.W. 133, 144 Dunn, J.D.G. 279f., 285, 290 Eckey, W. 233, 260 Eckstein, H.-J. 300, 301, 302 Ego, B. 244, 245 Ekenberg, A. 190, 191, 199, 206 Ellingworth, P. 343, 346, 349, 351, 352, 358 Elmer, I.J. 287, 289, 290
456
Autorenregister
Emmrich, M. 359, 365 Esch-Wermeling, E. 125 Esler, Ph.F. 242, 256, 262, 290, 291 Feldtkeller, A. 34, 57 Felmy, K.C. 36, 82 Ferguson, E. 97, 109, 110, 129, 130, 162, 175, 177, 181, 182 Field, F.E. 384 Fitzmyer, J. 255 Flusser, D. 30, 31, 32f., 45, 47, 51, 57, 61, 62, 63, 78, 80 Gäbel, G. 162, 354-356, 371, 373, 374, 375, 376, 377 Gäckle, V. 296f., 298, 299, 303, 304, 307, 308, 323, 324, 327, 328 Gallagher, E.V. 120f. Garrow, A.J.P. 49 Gärtner, J. 380, 381, 382 Geerlings, W. 188, 190, 191, 201f., 204, 217, 219 Gelston, A. 108 Georges, T. 22, 24, 184, 186 Giesen, H. 234 Gillman, J. 236, 252, 254, 255, 256, 262 Gleason, R.C. 357, 359, 365 Gräßer, E. 342, 346, 347, 348, 350, 351, 352, 353, 354, 355, 357, 358, 360, 361, 362, 366, 367, 370f., 373, 374, 376 Green, J.B. 236 Greiff, A. 13, 38, 40, 43, 76, 78, 84, 103 Grosvenor, M. 233 Haenchen, E. 227, 234, 237f., 240, 254, 256, 274, 278 Hahn, F. 308, 317, 325 Haintz, M. 106, 107 Harnack, A. v. 37, 40f., 42, 45, 48, 52, 57, 62, 65, 103 Hartmann, L. 14, 37, 38, 60, 65, 67, 70 Heil, C. 35 Heil, J.P. 232, 248, 255, 257 Heilmann, J. 21, 22 Hellholm, D. 293, 335, 336 Hengel, M. 231, 232, 284, 293 Hester, J.D. 230
Hieke, T. 311, 378 Hoffmann, P. 35 Hofius, O. 225, 289, 290, 302, 324, 326, 332, 375, 377, 391, 394, 398, 400 Horn, F.W. 330, 336 Hossfeld, F.-L. 311, 328, 337, 378, 381, 382, 383 Jervell, J. 229, 239, 247, 248, 251, 252, 258, 277 Jipp, J.W. 241, 242, 244, 255, 265 Johnson, C. 138, 139, 144 Johnson, M.E. 2, 4, 6, 7, 24, 71, 103, 106, 107, 185, 187, 192, 195, 197, 199, 200, 201, 202f., 205, 207, 210, 211, 213, 215, 216 Jonas, M. 88 Jungmann, J.A. 5f. Junod, E. 121, 122, 123 Karrer, M. 353 Kaczynski, R. 3 Käsemann, E. 317, 321-323, 324, 336, 340, 344 Kästli, J.-D. 121, 122, 123 Kelhoffer, J.A. 69 Khomych, T. 46, 55 Kilmartin, E.J. 211, 214, 218 Klauck, H.-J. 14f., 43, 117, 124, 125, 128, 237, 238, 296, 311, 372, 373 Klein, G. 71 Klein, H. 260 Klijn, A.F.J. 133, 140, 141, 149, 152 Klinghardt, M. 20, 21, 22, 24, 27f., 53, 72, 116, 117, 184, 216, 376 Knopf, R. 38, 51, 52, 57, 76 Koch, D.-A. 86, 87, 88, 298 Koester, C.W. 346, 350, 352 Kollmann, B. 14, 106, 107, 114, 117 Konradt, M. 281, 282, 288, 296, 297, 299, 302, 303, 305, 306, 307, 308, 310, 323, 328 Kraft, R.A. 32, 71 Kraus, H.J. 383 Kretschmar, G. 2, 7, 8, 16-18, 23, 65, 211 Kruse, H. 138, 141, 143 Kuefler, M. 230 Lalleman., P.J. 122, 123 Landwehr, A. 401
Autorenregister Lampe, P. 49, 160, 196, 296, 298 Lane, W. 342, 343, 346, 348, 349, 352 Lang, F.G. 252 Lange, D.G. 33, 60, 69 Leonhard, C. 5, 8, 20, 21, 28, 72, 94, 102, 103, 107, 118, 119, 187, 188, 215, 217, 386 Leutzsch, M. 228, 229, 230, 231 Lieber, A. 389, 395 Lietzmann, H. 5f., 20, 87, 116, 121, 146, 152, 217 Lindemann, A. 46, 229, 295, 296, 300, 301, 302, 303, 314, 316, 318, 327, 329, 330, 333, 335, 336 Löhr, H. 77, 92, 93, 100, 102, 103, 106, 109, 347, 348, 349, 350, 351, 353, 355, 356, 358, 359, 361, 366, 367 Löning, K. 241, 263f., 274f., 279 Luz, U. 35 Malina, B.J. 365 Marcovich, M. 91, 103 Markschies, C. 84, 106, 107, 144, 147, 157, 191, 192, 193, 195 Mathewson, D. 359, 365 Matson, D.L. 233, 234, 249, 256, 259 Mazza, E. 33, 71, 82, 205 McGowan, A.B. 20, 24, 103, 108, 121, 122, 152, 162, 163, 174, 181, 185, 186, 187, 188, 210 Mell, U. 390, 392, 396f. Merklein, H. 312 Meßner, R. 18f., 22, 39, 55, 66, 86, 87, 88, 92, 98, 117, 119, 130, 133, 134, 135, 138, 139, 143, 144, 146, 148, 151, 152, 153, 156, 171, 193, 194, 198, 205 Michel, O. 80, 341, 342, 343, 347, 354, 358, 359, 361, 371, 372, 373, 374, 375, 377 Milavec, A. 31, 33, 37, 39, 42, 53, 58, 59, 60, 61f., 63, 67, 69, 70, 71, 77, 78, 79 Miller, C.A. 246 Miller, R.H. 123 Minns, D. 91, 97, 99, 100, 101, 104, 105, 106 Munier, C. 91, 100, 101 Mußner, F. 280, 287, 291, 293
457
Myers, S.E. 132, 133, 138, 139, 141, 143f., 145, 147, 150f., 156 Nanos, M.D. 284, 285, 287, 288, 291 Neubrand, M. 264, 265 Niederwimmer, K. 30, 32, 33, 37f., 39, 43, 45f., 48, 50, 51, 52, 53, 54, 56, 58, 59, 60, 61f., 64, 66, 67, 68, 71, 75, 76, 78, 83, 84, 85, 86, 313 Nocilli, G.A. 106 Öhler, M. 235, 236, 242, 257, 276, 277, 281, 286, 287, 288, 289, 290, 292, 294 Oropeza, P. 310 Painter, J. 288 Pardee, N. 29, 36, 38, 39, 40, 57, 60 Parvis, P. 91, 97, 99, 100, 101, 104, 105, 106 Perler, O. 106, 107, 108, 109 Pervo, R.I. 256, 277 Pesch, R. 278 Peterson, E. 29, 69, 87, 101, 126, 126f., 156, 331, 332, 333, 336 Philipps, L.E. 192, 197, 199, 200, 201, 202f., 205, 210, 211, 216 Pillinger, R. 52, 71 Poplutz, U. 306, 307 Prieur, J.-M. 130 Prostmeier, F.N. 44, 65, 67f. Rau, E. 293, 294 Reitzenstein, R. 10-12, 13, 14, 23, 70, 72, 90 Rengstorf, K.H. 42 Riggenbach, E. 343, 346, 347, 348, 351, 352, 354, 355, 357, 361, 369, 372, 376, 377 Rissi, M. 341, 345, 357 Roloff, J. 18, 247, 256, 258 Rordorf, W. 47, 67, 82 Rouwhorst, G. 134, 138, 156f. Röwekamp, G. 2, 3 Rudolph, A. 111f. Rytel-Andrianik, P. 383, 384, 386 Sallinger, A. 211, 212, 213 Salzmann, J.C. 55, 91, 93f., 104, 120, 124, 167, 181, 195
458
Autorenregister
Sandt, H. van de 30, 31, 32f., 44, 45, 47, 51, 53, 57, 59, 61, 62 , 63, 65, 67, 68, 78, 80, 81, 82 Saxer, V. 9f., 11, 91 Schäferdiek, K. 122, 123 Schlier, H. 280, 287 Schmidt, C. 126, 127f. Schmidt, K.M. 229 Schmithals, W. 229, 299 Schneemelcher, W. 124, 125, 129, 133 Schneider, G. 224, 227, 238, 270 Schneider, W. 401 Schnelle, U. 317 Schöllgen, G. 31, 32, 36, 40, 41, 46, 47, 196, 199 Scholten, C. 178, 201, 202 Schrage, W. 299, 302, 304, 306, 308, 317, 318, 324, 325f., 331, 333, 334, 335, 336 Schröter, J. 223 Schubart, W. 126, 127, 128 Schunck, K.-D. 378, 381 Schwemer, A.M. 231, 232, 284, 293 Schwiebert, J. 34, 73, 83, 86, 88 Seeberg, A. 349, 351, 352 Seeliger, H.R. 46, 55, 194, 208, 209, 210, 214 Seiler, S. 380, 381, 382, 383, 384 Skarsaune, O. 111, 112, 113, 114 Slee, M. 44, 49, 67 Slenczka, W. 2, 3, 154, 201, 206, 207, 208, 209, 210 Smith, D.E. 20, 21, 268, 271 Snyder, G.E. 124, 125, 126, 127 Söding, T. 321, 334 Spinks, B.D. 4, 133, 134f., 142, 149, 153f. Standhartinger, A. 95, 103, 106, 107, 109, 110, 117 Stanton, G. 111, 112 Stein, H.J. 21, 282, 283, 285, 399 Stenschke, C.W. 242, 244, 253, 257, 258 Sterck-Degueldre, J.-P. 252, 253, 254 Stewart-Sykes, A. 192, 193, 195-198, 199, 201, 205f., 207, 216, 218 Story, C.I.K. 92, 99 Strecker, G. 159, 173, 174 Stuhlmacher, P. 317 Suhl, A. 285, 287, 289
Taft, R.F. 6, 7, 8, 194 Taussig, H. 21 Theißen, G. 13f., 347, 348, 351, 352, 364, 372 Theobald, M. 22, 28, 51, 54, 75, 76, 83, 86, 87, 92f., 101, 102, 103, 106, 107, 109, 110, 113, 117, 144, 184, 186, 224, 225, 266, 267, 268, 269, 270, 271, 292, 313, 314, 315, 326, 362, 364, 365, 371, 372, 373, 375, 376, 394, 399, 400 Usener, H. 211f. Vielberg, M. 160, 167, 172 Vögtle, A. 306 Vööbus, A. 78, 81, 86 Vos, J.S. 332 Vouga, F. 43, 287, 288, 290 Wallraff, M. 5f., 8, 191 Waszink, J.H. 211f. Wehnert, J. 160, 161, 162, 164, 165, 166, 170, 171, 172f., 175, 177 Weidemann, H.-U. 33, 43, 95, 108, 224, 231, 271, 279, 307, 331, 389 Weiser, A. 278 Weiss, H.-F. 342, 350, 351, 352, 354, 359 Wendel, U. 224 Wengst, K. 46, 47, 48, 53, 62, 73, 81, 83, 313 Westcott. B.F. 348, 350, 352, 357, 362 Wetz, C. 211f., 395f. Wick, P. 21, 72, 267, 270, 310, 375 Wilckens, U. 338, 351, 370, 372, 373, 377 Wilson, B. 228 Wimmer, E. 211f. Winkler, G. 119, 133f., 142, 143,144, 149, 153, 154, 156, 157, 158 Winston, D. 384 Witherington, B. III 243 Wolff, C. 316 Wolter, M. 15, 239, 260, 268, 269, 270f., 272, 283, 293, 317, 326, 334, 336, 337, 338, 339 Wright, W. 132 Zahn, Th. 282 Zangenberg, J. 27, 28, 36, 40, 54, 81, 88f.
Autorenregister Zeller, D. 295, 299, 300, 301f., 303, 304, 306, 308, 317, 319, 324, 326, 327, 330, 331, 333, 334 Zenger, E. 311, 328, 337, 378, 381, 382, 383
Zerwick, M. 233 Zugmann, M. 277
459
Sachregister Sachregister
Akklamation 87, 101, 104, 157, 294, 331–333, 338, 372 Altar 3, 5, 52, 209, 244, 298, 323, 371, 373, 374, 378 Askese 24, 121, 129, 136, 138, 140, 145, 147, 159f., 163, 175–177, 210, 261, 263, 266, 271–273, 300, 306f. Becher/Kelch 4, 15–17, 22, 52, 73, 75– 78, 81, 84, 86, 89, 100, 103, 108f., 113, 115, 117f., 136, 150, 152, 183, 199, 200, 206, 209, 211, 213, 216, 217, 218, 297, 313, 319, 325, 329, 386, 388f., 391f., 395, 398–400 – Becher-/Kelchritus 5, 21, 24, 224, 270, 272, 302 – Becher-/Kelchwort siehe Einsetzungsbericht – Kelchbenediktion 77, 216 – Becher-/Kelcheucharistie 35, 76, 78, 117, 208, 216 – Libationskelch 308, 324 – Segensbecher/-kelch 324, 325, 327, 338, 340, 390 – Unsterblichkeitsbecher 395 – Wasserkelch siehe Wasser – Weinbecher/-kelch 17, 52, 136, 146, 208, 213f., 217 Bischof 36, 38, 51, 54, 66, 167f., 171, 199–218 Blut 3, 5, 12, 75, 105–109, 113, 135, 147f., 151f., 160, 183, 186, 189, 206– 209, 213, 298, 324–328, 353f., 356, 360, 374f., 399f. Brot siehe Speisen und Getränke Brotbrechen 23, 50–53, 78, 86, 122, 144, 204, 223–225, 235, 237, 250, 256, 258, 261, 266–274 Broteucharistie/-kommunion 34, 73– 78, 121, 122, 270
Darbringung 5, 24, 34, 51, 53, 58, 70, 79, 90, 103, 116, 204, 209f., 214f., 218, 297, 374–377 Diakon 36, 51, 54, 66, 101, 102, 117, 146, 167, 191f., 201, 206, 208, 212 Einsetzungsbericht/-worte (Kultätiologie) 106–109, 115, 152, 206f., 214, 320, 377, 399f. – Anamnesiswort 224 – Becher-/Kelchwort 224, 270f., 325, 377 – Bechereulogie 75 – Brotwort 271, 325 – Kelchbenediktion 72, 216 Epiklese 87, 106, 133f., 136, 138f., 142– 144, 146–157, 205 Fasten 28, 34, 43–47, 65f., 57, 68, 70, 81, 96, 113, 117f., 123, 129, 135–138, 165– 176, 180, 187f., 203f., 212, 218, 231f., 242, 272f. Felsenwasser 310–319, 337, 379–382, 398f. Fleisch (siehe auch Speisen und Leib) – Auferstehungsleib 105–109 – irdischer Leib 353f., 385, 398 – Leib Christi 206–208, 359 Gastfreundschaft 43–46, 59, 72, 88, 155, 228, 234–236, 246, 251–266, 273–275, 293, 392 Gebet – Brotbitte siehe Vaterunser – Bußgebet 310, 359, 363, 379, 381, 391, 398 – Dankgebet 75, 88, 224 – Eucharistiegebet 27f., 33–35, 37, 40, 42, 44f., 50–54, 69, 71–75, 81f., 86f., 104, 109f., 113, 115, 117, 122, 129f.,
Sachregister
– – – – – –
151f., 156, 187, 193, 206–208, 271, 312–314, 376f., 399f. „Frucht der Lippen“ 374–377 Fürbittgebet 93,102,110,117,390 Mahlgebet 22, 32, 69, 184, 186, 188 Segensgebet 224, 324, 338 Tischgebet 29, 44, 72, 75, 81, 86f., 162f., 389, 394, 396f. Vaterunser 34, 36, 44, 68f., 72, 74
Handauflegung 145, 179f., 183, 226, 231, 235, 351, 357, 363 Konsekration 5, 16, 24, 94, 105–108, 117f., 127, 134, 136, 171, 177, 184, 186–188, 207f., 208, 210, 213–215, 218, 324 Kultmahl 20, 64, 87, 117, 296, 329 Leib (siehe auch Fleisch) – menschlicher Leib 66, 113, 160, 208, 270, 305f., 353f., 356, 366 – Leib des Herrn/Christi 5, 12, 72, 75, 106, 108f., 134, 136, 146, 149–152, 181–189, 206, 209, 216, 322–328, 374, 399f. – Leib Christi (ekklesiologisch) 19, 79, 308, 321–340 Manna 176, 213, 310–317, 319, 337, 353, 361–366, 369, 378–386, 392– 395, 397–400 Maranatha 55, 87, 133, 157 Opfer 14, 28, 34, 50–53, 58, 70, 73, 79, 90, 112–118, 161, 212, 243, 257, 295f., 298f., 318, 319, 323–325, 327f., 353, 372, 374–377, 389 – Opfer der Lippen siehe Gebet/ „Frucht der Lippen“ – Opfermahl 53, 63, 297, 298 – Opferriten 175, 297, 308, 324, 328 – Trankopfer 160, 388 Pascha/Pesach 43, 99, 102, 113, 115, 171, 187, 188, 203, 224, 240, 267 Presbyter 38, 167, 199, 201, 204, 208, 212
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Reinheit und Unreinheit 52f., 57f., 65, 80, 90, 97, 160–162, 164, 202f., 212, 242– 245, 260, 265, 274, 353f., 355, 389, 392, 397 Reinigung 58, 81, 113f., 116f., 207f., 265, 354–356 – Lustrationsriten 352, 353 – Reinigungsriten 112, 115, 345, 352– 354, 356, 369 Speisen und Getränke – Brot 24, 49, 74–82, 85f., 89f., 94, 100– 109, 113–115, 117, 122, 125, 127, 129– 140, 144–148, 151f., 155f., 169f., 173, 182–184, 186, 187f., 203, 206, 208, 209f., 213, 215–218, 224, 256, 259, 266, 270, 273, 312f., 315, 319, 324–326, 327f., 330, 336–338, 340, 361, 364, 379–392, 394, 395, 396, 397–400 – Fleisch 121, 137, 145, 159–162, 176, 212–214, 298–304, 306, 399 (siehe auch Fleisch und Leib) – Gemüse 135–137, 140, 145 – Götzenopferfleisch 27, 49, 57f., 61–68, 80, 160f. – Honig 16–18, 178,180, 182f., 187f., 199–201, 206–214, 218, 386, 391–398 – Käse 210 – Milch 178, 180, 182f., 187f., 199–201, 206–214, 218, 343, 346–349 – Mischwein 104, 108 – Öl 28, 135–137, 140, 145, 204, 387, 394–397 – Oliven 140, 145, 210 – Salz 135–138, 140, 145, 170, 173 – Wasser 35, 94, 100–104, 109, 117, 121, 127, 129, 133, 135–138, 146, 148f., 152, 165, 199–203, 206–218 – Wein 28, 75–77, 80–82, 85f., 90, 94, 101–107, 117, 121, 129, 137, 145–148, 159–162, 176, 183–188, 206–218, 257, 271, 306, 328, 379, 392–396, 398, 400 – Weinstock 35, 73–78, 90, 295, 297f., 300–304, 329 Sättigungsmahl 16, 24, 49, 50, 52, 68, 78, 81–83, 117, 162, 188, 210, 216, 302, 319 – Sättigung 50, 75, 82f., 117, 184, 210, 273, 313, 362, 364, 379f
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Sachregister
Salbung 1, 4, 12, 18, 65, 71, 120, 123, 129, 132–157, 171, 180f., 194, 198, 204, 210, 247, 387 – Hauptsalbung 142f., 148f., 152– 155, 205 – Salbe/Salböl 17, 47, 71, 86, 138, 142, 149, 150, 152f., 171, 181f., 192, 201, 204, 385–398 – Salbungsritus 143 – Taufsalbung 19, 115, 134, 136, 138f., 144, 153, 155f., 171f., 179, 183 Segen 76, 82, 85–87, 110, 126, 137f., 140f., 145, 151, 161, 170, 216, 223f., 324f., 327, 338, 340, 366, 368, 386, 388–392, 396f., 400 – Eulogie/Benediktion 71, 86, 135f., 161, 163, 170, 215, 324, 387f., 398, – Tischsegen 110, 170, 256 Speisegebote/-vorschriften 61, 63, 164, 244f., 260, 274, 283, 285, 287f., 291, 372f., 387 Sünde 34, 49, 52, 95f., 105, 112, 151, 164, 179f., 232, 240, 292, 301, 327, 341, 355, 378, 382 – Sündenbekenntnis 52f., 58, 379 – Sündenvergebung 95, 97f., 112, 150f., 156f., 164f., 175, 205, 225, 231, 238f. 248, 355 Symposion/Deipnon 4, 20–24, 28, 53, 61, 72, 89, 94, 109, 116f., 127, 136, 144, 156, 177, 184–189, 204, 216–218, 266, 269, 270, 272, 273, 283, 286 Sakrament 3, 12–16, 22, 83, 123, 127, 173, 175, 179, 182, 184, 186, 210, 257, 295, 299, 308, 318, 321f., 325, 361, 370, 372 Taufe – Baptisterium 97 – Katechumenat 8, 38, 45, 59f., 95, 97 – Katechumene 39, 59f., 63f., 67f., 97, 178, 194, 202, 215 – Täufling/Neophyt 1–3, 28, 39, 59, 61f., 64, 66, 69, 71, 93–97, 100–103, 115–118, 129, 131, 136, 139, 144, 146, 154, 165, 179f., 188, 203, 206, 208, 228, 275, 335 – (Tauf)Katechese 1–5, 7, 19, 38f., 43, 52, 59, 64, 70, 86, 89f., 96, 122, 129, 154, 171f., 208, 351, 363, 368
– Taufbad 105, 183, 205, 356 – Taufwaschung 53, 80, 97, 113, 162f., 185, 232, 351–355 – Taufwasser 44, 47, 133, 139, 140–143, 145, 204 – Wasserritus 65, 103, 179, 240 – Wassertaufe/-bad 38, 44, 64–66, 69, 70f., 80f., 86, 89, 92, 94, 95, 96f., 99, 109, 112, 116f., 123, 125, 129, 132f., 136, 139, 149, 151–155, 157, 170f., 178–180, 183, 199, 202–205, 208, 223– 235, 238f., 247–250, 261, 273–275, 295, 322, 345, 352–369 Taufe auf den Namen – des Herrn/Jesu Christi 27f., 77, 80, 126, 130, 151, 154f., 223–226, 231f., 238, 240, 248–250, 375 – den Vater, den Sohn und den Hl. Geist 17, 38, 64, 89, 97, 101, 104, 129, 142f., 145, 149, 151f., 171 Taufgottesdienst 38f., 43, 45, 52, 56, 60, 64, 70, 92–94, 99, 111f., 115, 119, 121, 123f., 126, 132, 139–142, 145f., 1511, 153, 155–157, 159, 173, 179, 182f., 190f., 196, 199–201, 203f., 211, 214, 272, 295, 339 – Taufriten 141, 144, 153, 173, 205, 261, 274 – Taufliturgie 71, 120, 134, 275 – Initiationsriten 95, 120–123, 134, 162, 175, 212, 224 – Initiationsgottesdienst 32, 59, 92, 132 – Initiationsliturgie 167 Tisch (τράπεζα) 5, 19, 49, 53, 72f., 146, 159f., 164f., 168, 176, 185, 255, 258f., 267, 271, 298, 323, 329, 374, 388f., 392 Tischgemeinschaft 23, 29, 49, 121f., 127, 129, 137, 147f., 150, 155, 159–165. 168, 170, 174, 176, 250f., 255f., 259–265, 275, 294, 386, 389f., 397 Umkehr 87–89, 147, 164, 225, 238–240, 249, 255, 272, 344f., 349–351, 356–359, 361, 365, 390, 392–394, 397 Unsterblichkeit 28, 72, 77, 81, 83f., 86, 90, 107, 150f., 212, 230, 313–315, 378, 384f., 388f., 392, 395, 397–400 – Unsterblichkeitsbecher siehe Becher/Kelch