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German Pages 189 Year 2008
Veröffentlichungen des Walther-Schücking-Instituts für Internationales Recht an der Universität Kiel Band 171
Tatsachenermittlung im Streitbeilegungsverfahren der Welthandelsorganisation (WTO) Von
Maritheres Palichleb
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
MARITHERES PALICHLEB
Tatsachenermittlung im Streitbeilegungsverfahren der Welthandelsorganisation (WTO)
Veröffentlichungen des Walther-Schücking-Instituts für Internationales Recht an der Universität Kiel Herausgegeben von J o s t D e l b r ü c k, T h o m a s G i e g e r i c h und A n d r e a s Z i m m e r m a n n Walther-Schücking-Institut für Internationales Recht 171
Völkerrechtlicher Beirat des Instituts: Christine Chinkin London School of Economics
Eibe H. Riedel Universität Mannheim
James Crawford University of Cambridge
Allan Rosas Court of Justice of the European Communities, Luxemburg
Lori F. Damrosch Columbia University, New York Vera Gowlland-Debbas Graduate Institute of International Studies, Geneva Rainer Hofmann Johann Wolfgang GoetheUniversität, Frankfurt a.M. Fred L. Morrison University of Minnesota, Minneapolis
Bruno Simma International Court of Justice, The Hague Daniel Thürer Universität Zürich Christian Tomuschat Humboldt-Universität, Berlin Rüdiger Wolfrum Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Heidelberg
Tatsachenermittlung im Streitbeilegungsverfahren der Welthandelsorganisation (WTO) Von
Maritheres Palichleb
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel hat diese Arbeit im Jahre 2006 als Dissertation angenommen.
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Alle Rechte vorbehalten # 2008 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 1435-0491 ISBN 978-3-428-12426-8 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Danksagung Herrn Professor Dr. Alexander Trunk danke ich zunächst für die Inspiration bei der Wahl des Dissertationsthemas und seine Bereitschaft, mein Promotionsvorhaben zu betreuen. Darüber hinaus bin ich ihm für wichtige Gespräche und wertvolle Ratschläge äußerst dankbar. Er hat mir stets mit hervorragendem fachlichen Rat zur Seite gestanden. Herrn Professor Dr. Andreas Zimmermann danke ich für die Übernahme und Erstellung des Zweitgutachtens. Ihm habe ich die Veröffentlichung in der Schriftenreihe des Walther-Schücking-Instituts der Christian-AlbrechtsUniversität zu Kiel zu verdanken. Frau Dr. Sabine Dieckmann danke ich dafür, dass sie mir bei meiner promotionsbegleitenden Tätigkeit als Rechtsanwältin die notwendigen Freiräume gegeben hat, ohne die diese Arbeit nicht hätte entstehen können. Meiner Schwester Uta Söder und ihrem Ehemann Dr. Joachim R. Söder sei für die Korrektur des Manuskripts sehr herzlich gedankt. Meinen Eltern Johannes und Hildegard Muhle danke ich für jegliche Unterstützung und Kraft, die ich in Fülle von ihnen erhalten habe. Es ist gut zu wissen, eine Familie zu haben, auf die man sich verlassen kann. Insbesondere meiner Mutter und meinem Ehemann, Dr. Mario Palichleb, danke ich dafür, dass sie mich während meines Promotionsvorhabens stets bei frohem Mut gehalten und meine Motivation gestärkt haben. In Liebe und Dankbarkeit ist diese Arbeit meinen Eltern und meinem Ehemann gewidmet. Melle, im Mai 2008
Maritheres Palichleb
Inhaltsverzeichnis Teil 1 Einleitung
11
A. WTO und Streitbeilegungsübereinkommen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11
B. System der Streitbeilegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
13
C. Wissenschaftlicher Stand und Ziel der vorliegenden Arbeit . . . . . . . . . . . .
15
D. Tatsachenermittlung im WTO-Streitbeilegungssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vertragliche Regeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vertragskonkretisierung durch die Streitbeilegungsorgane . . . . . . . . . . . . . III. Reformbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17 17 19 21
E. Erarbeitung von Grundsätzen und Regeln zur Tatsachenermittlung . . .
24
Teil 2 Grundlagen der Streitbeilegung
26
A. Aufgabe der Streitbeilegungsorgane . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
26
B. Verfahrensgestaltungsmöglichkeiten und Ermessen eines Panels . . . . . . .
29
C. Rechts- und Hilfsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vertragliche Regeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Völkergewohnheitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Allgemeine Rechtsgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Berichte der (GATT-)Panels und des Appellate Body . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Berichte der GATT-Panels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Berichte der WTO-Panels und des Appellate Body . . . . . . . . . . . . . . . .
33 33 34 38 38 39 41
D. Sicherheit und Vorhersehbarkeit im Multilateralen Handelssystem . . . . .
43
Teil 3 Tatsachenermittlung im Panel- und Rechtsmittelverfahren A. Verfahrensgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Dispositionsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Beginn des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gegenstand des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ende des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
46 46 46 46 47 47
8
Inhaltsverzeichnis II. Verhandlungsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abgrenzung Verhandlungsgrundsatz – Untersuchungsgrundsatz . . . . . . 2. Einordnung des WTO-Streitbeilegungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Beschränkungen des Verhandlungsgrundsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Prozessleitung der Streitbeilegungsorgane . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sachverhaltsaufklärung von Amts wegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Fragerecht der Streitbeilegungsorgane. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Prozessförderungs- und Wahrheitspflicht der Parteien . . . . . . . . . . . III. Beschleunigungsgrundsatz und Zeitlimits . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Vertraulichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Grundsatz des „Due Process“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
48 48 49 51 51 52 58 60 62 63 64
B. Ablauf des Panelverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Antrag auf Einsetzung eines Panels. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zeitplan und Arbeitsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Erste schriftliche Vorlagen der Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Sitzungen und zweite schriftliche Vorlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Beschreibende Teile des Berichtsentwurfs und Zwischenbericht . . . . . . . . VI. Abschlussbericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
69 69 70 71 72 74 75
C. Tatsachenvortrag und Beweisführung der Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Gegenstand des Tatsachenvortrages und des Beweises. . . . . . . . . . . . . . . . . II. Informationsbeschaffung der Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorprozessuale Informationsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Informationsmöglichkeiten der Wirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Informationsmöglichkeiten der Regierungen der Mitgliedstaaten 2. Konsultation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ziel und Zweck des obligatorischen Konsultationsverfahrens. . . . . b) Vertraulichkeit der Konsultationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Darlegungslast und Beweisantritt der Streitparteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Keine allgemeine Informationspflicht der Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Schutz von Geschäftsgeheimnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Mehrere Beschwerdeführer und Beteiligung von „Dritten“ . . . . . . . . . . . . .
75 75 80 80 82 83 83 83 85 88 90 92 94
D. Tatsachenermittlung durch das Panel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Tatsachenprüfung durch das Panel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Prüfungsumfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Prüfungsmaß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Prozessökonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Beweiserhebung des Panels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsätze der Beweiserhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Flexibilität des Panels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Beweisbedürftigkeit und Erheblichkeit des Beweisthemas. . . . . . . .
97 97 97 100 103 107 108 108 110 111
Inhaltsverzeichnis
9
(1) Beweisbedürftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Erheblichkeit des Beweisthemas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beweismittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Urkunden und Augenschein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sachverständige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Sachverständige der Parteien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Sachverständige der Panels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Amicus curiae Eingaben von NGOs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zeugen und Parteivernehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Amtliche Auskunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Beweisverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verspätetes Beweisvorbringen („Präklusion“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Beweiswürdigung und Sachverhaltsfeststellungen des Panels . . . . . . . . . . 1. Beweiswürdigung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Freiheit des Panels bei der Beweiswürdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Negative Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Wesentliche Begründung der Tatsachenfeststellungen . . . . . . . . . . . 2. Beweismaß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Prima facie Fall gemäß Art. 3 Abs. 8 des DSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
111 112 112 113 113 114 115 120 127 128 129 130 133 133 133 137 139 141 143 148
E. Rechtsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Beschränkte Prüfungskompetenz des Appellate Body . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Überprüfung der Beweiswürdigung des Panels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Vervollständigung der Tatsachenfeststellungen des Panels . . . . . . . . . . . . . IV. Fehlende Zurückverweisungsmöglichkeit des Appellate Body . . . . . . . . .
151 152 154 157 162
Teil 4 Gesamtbetrachtung
164
Anhang: Panel Working Procedures (Beispiel) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 Entscheidungsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186
Teil 1
Einleitung A. WTO und Streitbeilegungsübereinkommen Die Welthandelspolitik steht seit geraumer Zeit verstärkt im Rampenlicht einer breiten Öffentlichkeit. Dieses allgemeine Interesse beruht nicht allein auf der zunehmenden Globalisierung von Märkten, sondern auch auf der signifikant gestiegenen Effektivität der diese Globalisierung rechtlich betreffenden Normen infolge der bedeutenden Entwicklung, welche die Welthandelsordnung mit der Gründung der Welthandelsorganisation (WTO)1 zum 1. Januar 1995 genommen hat.2 Die Welthandelsorganisation ist eine internationale Organisation, deren Aufgabe darin besteht, den von ihr umfassten multilateralen3 und plurilateralen4 Handelsabkommen eine gemeinsame organisatorische Struktur zu geben, um ein integriertes, funktionsfähiges und dauerhaftes multilaterales Handelssystem zu entwickeln.5 Diese Ordnung mit den Prinzipien Meistbegünstigung, Inländergleichbehandlung, Transparenz, Gegenseitigkeit und Abbau von Handelshemmnissen hat die Liberalisierung des weltweiten 1 Übereinkommen zur Errichtung der Welthandelsorganisation vom 15. April 1994, veröffentlicht in Bundesgesetzblatt 1994 II S. 1625; s. auch Allgemeines Zollund Handelsabkommen, GATT 1947, vom 30. Oktober 1947, veröffentlicht in Bundesgesetzblatt 1951 II S. 173 Anlagenband 1, 2; s. auch die Internetseite der Welthandelsorganisation www.wto.org. 2 Herrmann, S. 454. 3 Art. II Abs. 1 und 2, Anhang 1 bis 3 des Übereinkommens zur Errichtung der Welthandelsorganisation: z. B. Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen 1994 (GATT 1994); Allgemeines Übereinkommen über den Handel mit Dienstleistungen (GATS); Übereinkommen über Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen; Übereinkommen über technische Handelshemmnisse (TBT); Übereinkommen über die Anwendung gesundheitspolizeilicher und pflanzenschutzrechtlicher Maßnahmen (SPS); Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS). 4 Art. II Abs. 1 und 3, Anhang 4 des Übereinkommens zur Errichtung der Welthandelsorganisation: Übereinkommen über den Handel mit Zivilluftfahrzeugen; Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen. 5 Vgl. Präambel des Übereinkommens zur Errichtung der Welthandelsorganisation.
12
Teil 1: Einleitung
Handels zum Ziel.6 So bietet die Welthandelsorganisation ein Forum für Verhandlungen im Anwendungsbereich bestehender und zum Abschluss künftiger multilateraler Handelsabkommen.7 Die Bedeutung der Welthandelsorganisation wird insbesondere vor dem Hintergrund deutlich, dass sie mittlerweile 151 Mitgliedstaaten zählt.8 Das in den WTO-Übereinkommen kodifizierte Recht für den weltweiten Handel wurde als Ausgleich der wirtschaftlichen und politischen Interessen sowie als Gleichgewicht von Rechten und Pflichten der Mitglieder der Organisation konzipiert.9 Dieses Gleichgewicht kann durch Handelskonflikte über unterschiedliche Rechtsansichten oder Erwartungen an die wirtschaftlichen Auswirkungen der vereinbarten Liberalisierungsmaßnahmen erheblich gestört werden.10 Aufgrund der Komplexität der Regelungen der Vertragstexte der Welthandelsorganisation und der wirtschaftlichen Bedeutung des Welthandels entsteht gleichwohl häufig Streit zwischen den WTO-Mitgliedstaaten über die Auslegung des Welthandelsrechts.11 Daher kommt der mit der Errichtung der Welthandelsorganisation etablierten Vereinbarung über Regeln und Verfahren zur Beilegung von Streitigkeiten (Dispute Settlement Understanding)12 große Bedeutung zu. Dieses neu geschaffene Streitbeilegungssystem hat die Schaffung von Sicherheit und Vorhersehbarkeit im multilateralen Handelssystem zum Ziel.13 Es basiert auf den Grundsätzen über die Streitbeilegung, die bisher aufgrund der Art. XXII und XXIII des GATT 1947 angewendet wurden.14 Sein Anwendungsbereich erstreckt sich auf sämtliche von der Welthandelsorganisation erfassten multilateralen und plurilateralen Handelsübereinkommen.15 Die wesentlichen Verfahrensnormen sind in den 27 Artikeln und 4 Anhängen des DSU sowohl für die Mitglieder der Organisation als auch für deren Streitbeilegungsorgane, insbesondere das Streitbeilegungsgremium (Dispute Settlement Body)16, die Panels und den Appellate Body, enthalten.17 6 7
s. hierzu ausführlich Berrisch, in: Prieß/Berrisch, Teil B.I.1. Art. III Abs. 2 des Übereinkommens zur Errichtung der Welthandelsorganisa-
tion. 8
Stand April 2008. Zuletzt ist Tonga am 27. Juli 2007 beigetreten. Ohlhoff, in: Prieß/Berrisch, S. 681 Rn. 1. 10 Ebd. 11 Herrmann, S. 493. 12 Im Folgenden als „DSU“ bezeichnet; veröffentlicht in Bundesgesetzblatt 1994 II S. 1749; s. auch die Internetseite der Welthandelsorganisation www.wto.org. 13 Art. 3 Abs. 2 S. 1 des DSU. 14 Art. 3 Abs. 1 des DSU; WTO Secretariat, Handbook, S. 1. 15 Anhang 1 des DSU. 16 Im Folgenden auch als „DSB“ bezeichnet. 17 Ohlhoff, in: Prieß/Berrisch, S. 689 Rn. 19. 9
B. System der Streitbeilegung
13
B. System der Streitbeilegung Ein internationales Übereinkommen entfaltet keine Wirkung, wenn die sich aus ihm ergebenden Rechte nicht durchgesetzt werden können, falls einer der Unterzeichner die ihm obliegenden Verpflichtungen nicht erfüllt.18 Daher greift das Streitbeilegungssystem der WTO bei einer Auseinandersetzung zwischen zwei oder mehr Mitgliedstaaten ein, wenn ein Mitglied behauptet, eine Maßnahme, beispielsweise eine Rechtsvorschrift oder eine bestimmte Wirtschaftspolitik eines anderen Staates, verletze seine Interessen. In den meisten Fällen entstehen Streitigkeiten, wenn ein exportierendes Land der Ansicht ist, ein importierendes Land behandele die Exporte nicht in Übereinstimmung mit den Vorschriften der Welthandelsorganisation. Nach gescheiterten bilateralen Versuchen der Konfliktlösung werden zu Beginn des offiziellen Streitbeilegungsverfahrens obligatorische vertrauliche Konsultationen über die Handelsstreitigkeiten zwischen den Regierungen der betroffenen Staaten19 geführt.20 Hierin wird deutlich, dass das DSU einer für beide Streitparteien akzeptablen und mit dem Vertragswerk der Welthandelsorganisation konformen Konfliktlösung einem streitigen Verfahren deutlich den Vorzug gibt.21 Bleiben die Verhandlungen jedoch ergebnislos22, hat jede Streitpartei das Recht auf Einsetzung eines sogenannten Panels,23 eines Schiedskörpers24. Das Panel wird vom Streitbeilegungsgremium eingesetzt, einem aus Vertretern aller Mitgliedstaaten bestehenden Gremium.25 Die drei Panel-Mitglieder, Fachleute mit juristischer und volkswirtschaftlicher Qualifikation, werden im Konsens mit den Streitparteien benannt.26 Das Mandat des Panels wird vom Streitbeilegungsgremium auf der Grundlage des Antrags auf Einsetzung eines Panels der beschwerdeführenden Partei beschlossen.27 Dessen Aufgabe besteht dann darin, eine objektive Beurteilung des vor ihm liegenden Sachverhalts vorzunehmen und die Ver18
WTO Secretariat, Handbook, S. 1. Für die Staaten der Europäischen Union handelt die Europäische Kommission. 20 Art. 4 des DSU. 21 Art. 3 Abs. 7 des DSU. 22 Nur in etwa einem Drittel aller Streitigkeiten wird das offizielle Streitbeilegungsverfahren weitergeführt (Gallagher, S. 8). 23 Art. 4 Abs. 7 und Art. 6 des DSU. 24 Aus Gründen der Gebräuchlichkeit wird im Folgenden der Begriff „Panel“ verwendet. 25 Art. 6 des DSU. 26 Art. 8 des DSU. 27 Art. 7 des DSU. 19
14
Teil 1: Einleitung
einbarkeit mit den einschlägigen Vorschriften zu überprüfen.28 Dazu wird das Verfahren der Parteiverhandlung durchgeführt29, für welches das Panel einen engen Zeitplan festlegt.30 Dieses besteht aus Klage, Klageerwiderung, Replik und Duplik, mündlichen Verhandlungen sowie schriftlichen Fassungen der mündlichen Parteivorträge.31 Hinzu kommen können Fragen seitens des Panels32, Sachverständigengutachten33 sowie Stellungnahmen interessierter Drittbeteiligter34. Im Anschluss tritt das Panel zur Beratung zusammen und erstellt einen in Form eines richterlichen Urteils abgefassten Bericht für das Streitbeilegungsgremium.35 Der Bericht des Panels ist vom Streitbeilegungsgremium anzunehmen, sofern nicht Konsens gegen die Annahme besteht.36 Die unterlegene Streitpartei hat aber das Recht, Rechtsmittel gegen den Panelbericht einzulegen.37 Über dieses Rechtsmittel entscheidet das Ständige Berufungsgremium38 (Appellate Body)39, das aus anerkannten und angesehenen Fachleuten auf dem Gebiet des Welthandels besteht.40 Die Überprüfung beschränkt sich auf die in dem Panelbericht behandelten Rechtsfragen und auf die Rechtsauslegung durch das Panel.41 Der Appellate Body kann die rechtlichen Feststellungen und die Schlussfolgerungen des Panels bestätigen, abändern oder aufheben.42 Sofern nun nicht Konsens gegen die Annahme besteht, wird der Bericht des Appellate Body vom Streitbeilegungsgremium angenommen.43 Für die Überwachung der Umsetzung der in den völkerrechtlich verbindlichen Berichten enthaltenen Empfehlungen und Entscheidungen ist wiederum das Streitbeilegungsgremium zuständig.44 Neben der Beseitigung an28
Art. 11 des DSU. Art. 12 des DSU. 30 Art. 12 und Anhang 3 des DSU. 31 Anhang 3 des DSU. 32 Anhang 3 Abs. 8 des DSU. 33 Art. 13 und Anhang 4 des DSU. 34 Art. 10 und Anhang 3 Abs. 6 des DSU. 35 Art. 15 des DSU. 36 Sogenanntes „Negatives Konsensprinzip“, Art. 16 des DSU. 37 Art. 16 Abs. 4 des DSU. 38 Art. 17 des DSU. 39 Aus Gründen der Gebräuchlichkeit wird im Folgenden der Begriff „Appellate Body“ verwendet. 40 Art. 17 Abs. 3 des DSU. 41 Art. 17 Abs. 6 des DSU. 42 Art. 17 Abs. 13 des DSU. 43 Art. 16 Abs. 14 des DSU. 44 Art. 21 Abs. 6 des DSU. 29
C. Wissenschaftlicher Stand und Ziel der vorliegenden Arbeit
15
gegriffener Maßnahmen45 kommen auch die Kompensation oder die Suspendierung von Konzessionen durch die siegreiche Partei in Betracht46. Insgesamt hat die Lösung internationaler Handelsstreitigkeiten mit der Verabschiedung des Streitbeilegungsverfahrens im Rahmen der Gründung der Welthandelsorganisation eine neue und im Kontext des internationalen Wirtschaftsrechts eine bedeutende juristische Ära eröffnet.47 Das Streitbeilegungssystem gilt allgemein als das „Herzstück“ des multilateralen Handelssystems.48 Ein vormals überwiegend von Diplomatie geprägtes Regelwerk hat sich zu einem rechtlich bindenden und durchsetzbaren System gewandelt, das damit auch erhebliche Auswirkungen auf die Außenhandelspolitik sowie die innere Wirtschaftsverfassung der an diesem System teilnehmenden Staaten hat.49 In der ersten Dekade wurde das Streitbeilegungsverfahren der WTO von den Vertragsstaaten bereits öfter in Anspruch genommen als das des GATT 1947 von seinen Mitgliedern in den 50 Jahren seines Bestehens. Bis zum 1. Januar 2004 wurden 305 Streitigkeiten unter dem DSU notifiziert.50 23 endeten mit der Annahme des Panelberichts, weitere 58 mit der Annahme des Berichtes des Appellate Body im Revisionsverfahren.51
C. Wissenschaftlicher Stand und Ziel der vorliegenden Arbeit Über das Recht der Welthandelsorganisation sind in der wissenschaftlichen Literatur bereits umfangreiche Kompendien erschienen.52 Gegenstand zahlreicher Abhandlungen ist auch das System der Streitbeilegung.53 Ins45
Art. 21 Abs. 1 des DSU. Art. 22 des DSU. 47 Palmeter/Mavroidis, § 4.01, S. 85; Cameron/Gray, S. 248. 48 Hilpold, S. 31; Jackson, The World Trading System, S. 59. 49 Cottier, S. 123; Herrmann, S. 494; Sittmann, S. 752; s. auch ausführlich Tietje, in: Prieß/Berrisch, S. 28 Rn. 30 ff. 50 Leitner/Lester, WTO 1995–2003, S. 169 f. 51 Ebd., 175 f. 52 Matsushita/Schoenbaum/Mavroidis, World Trade Organization; Petersmann, International Trade Law; Prieß/Berrisch, WTO-Handbuch; Senti, WTO; Stoll/ Schorkopf, WTO. 53 Gallagher, Guide to Dispute Settlement; Letzel, Streitbeilegung im Rahmen der WTO; Ortino/Petersmann, WTO Dispute Settlement System 1995–2003; Palmeter/Mavroidis, Dispute Settlement in the WTO; Petersmann, The GATT/WTO Dispute Settlement System; Weiss, Improving WTO Dispute Settlement Procedures; WTO Secretariat, Handbook on the WTO Dispute Settlement System. 46
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Teil 1: Einleitung
besondere sind die Unterschiede zur Konfliktlösung unter dem vormaligen GATT sehr umfangreich betrachtet worden.54 Das Streitbeilegungsverfahren der WTO wird in den völkerrechtlichen und internationalen Kontext eingeordnet55 und mit anderen Übereinkommen, vorwiegend dem North American Free Trade Agreement (NAFTA) verglichen.56 Darüber hinaus werden die Aktivitäten der Streitbeilegungsorgane, die Berichte der Panels und des Appellate Body, mit großem Interesse verfolgt und deren Konzeption und Spruchpraxis ausführlich dargestellt und bewertet.57 Die vorliegende Arbeit beleuchtet die Tatsachenkomponente eines Handelskonflikts unter dem Streitbeilegungsverfahren der WTO. Das Welthandelsrecht stellt – als zentraler Bestandteil des Wirtschaftsvölkerrechts – ein spezielles Gebiet des Völkerrechts dar.58 So kann das WTOStreitbeilegungsverfahren als internationales völkerrechtliches Verfahren bewertet und seine Elemente und Inhalte auf dieser Basis herausgearbeitet werden. Es kann aber auch vor dem Hintergrund nationaler Verfahren zur Rechtsfindung betrachtet werden, seien es Verfahren aus dem angloamerikanischen oder dem kontinentaleuropäischen Rechtskreis. Denn gerade die Tatsachenermittlung in internationalen Verfahren – auch in der WTO – steht zwischen der Verschiedenheit der Traditionen aus dem kontinentaleuropäischen (civil law) und dem angloamerikanischen Rechtskreis (common law).59 Dies ermöglicht zugleich eine Verknüpfung zum nationalen Zivilverfahrensrecht. 54 D’Arcy/Murray/Cleave; Schmitthoff’s Export Trade, S. 506 ff.; Fletcher/Mistelis/Cremona, S. 102 ff.; Herrmann, S. 453; Ipsen, Rule of Law, S. 717; Jansen, S. 333; Sittmann, S. 749; Steger/Hainsworth, in: Cameron/Campbell, S. 25; Stewart/Burr, S. 709; Thomas, S. 53. 55 Döring, Rn. 1217 ff.; Herdegen, § 55 Rn. 1 ff.; Ipsen, Völkerrecht, § 44 Rn. 42; Jackson, World Trading System, S. 31 ff., 124 ff.; Trebilcock/Howse, S. 51 ff.; Greenwald, S. 113; MacBride, S. 643; Marceau/Pedersen, JWT 1999, 87; Pauwelyn, The American JIL 2001, 535. 56 Iwasawa, S. 287; Marceau, JWT 1997, 25; Richardson, in: Cameron/Campbell, S. 285; Specht, S. 57. 57 s. beispielsweise Behboodi, S. 55; Bossche, S. 161; S. 479; Ehlermann, Texas ILJ 2003, 469; Hohmann, EuZW 2000, 421; ders., RIW 2003, 352; ders., RIW 2004, 328; Hudec, S. 1; Jackson, Jurisprudence of GATT and WTO; Little, S. 517; McCall, S. 65; McRae, in: Cameron/Campbell, S. 98; Palmeter, Leiden JIL 1996, 337; Park/Panizzon, S. 221; Pauwelyn, JIEL 1999, 641; Petersmann, in: Cameron/ Campbell, S. 757; Shoyer, S. 277; ders./Solovy, S. 677; Steger, S. 799; dies./Hainsworth, JIEL 1998, 199; Stewart/Karpel, S. 593. 58 Benedek, S. 2 f., 375. 59 Vgl. McRae, JIEL 2004, 3, 8 ff.; Demeyere, S. 247.
D. Tatsachenermittlung im WTO-Streitbeilegungssystem
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In internationalen Verfahren kommt dem angloamerikanischen Rechtskreis, insbesondere dessen Terminologie, eine bedeutende Rolle zu. Dementsprechend liegt besonders umfangreiche Literatur aus diesem Rechtskreis über die Welthandelsorganisation vor. Für die Tatsachenermittlung im WTO-Streitbeilegungsverfahren sind aber auch Ausprägungen des kontinental-europäischen Rechts, insbesondere dessen Ermittlungsgrundsätze, von Bedeutung. Ziel der vorliegenden Arbeit ist die Darstellung der Konzeption und des Ablaufs des Verfahrens zur Tatsachenermittlung im Streitbeilegungsverfahren der Welthandelsorganisation schwerpunktmäßig vor dem Hintergrund des kontinentaleuropäischen Rechts, aber auch der Unterschiede zwischen diesem und dem angloamerikanischen Recht.
D. Tatsachenermittlung im WTO-Streitbeilegungssystem I. Vertragliche Regeln Die rechtliche Beurteilung eines Handelskonfliktes, die zu einer Entscheidung des Streitbeilegungsgremiums führen soll, setzt zwingend die Ermittlung und Kenntnis des dem Streit zugrundeliegenden Sachverhaltes voraus. Streitigkeiten im Geltungsbereich der Welthandelsorganisation sind sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht regelmäßig sehr komplex.60 Da sich ein Rechtsmittel gemäß Art. 17 Abs. 6 des DSU auf die vom Panel behandelten Rechtsfragen und seine Rechtsauslegung beschränkt, kommt der Sachverhaltsermittlung eines Panels tragende Bedeutung zu. Das DSU enthält jedoch nur rudimentäre Regelungen, die das Verfahren zur Sachverhaltsermittlung unmittelbar zum Gegenstand haben. Dies erklärt sich vor dem Hintergrund, dass das DSU insgesamt nur 27 Artikel und 4 Anhänge umfasst. Die Pflicht zur Sachverhaltsermittlung durch ein Panel bestimmt Art. 11 des DSU: Die Aufgabe der Panels besteht darin, das DSB bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben aufgrund dieser Vereinbarung und der unter die Vereinbarung fallenden Übereinkommen zu unterstützen. Demgemäss nimmt das Panel eine objektive Beurteilung der vor ihm liegenden Angelegenheit vor, einschließlich einer objektiven Beurteilung des Sachverhalts61 und der Anwendbarkeit sowie der Vereinbarkeit mit den einschlägigen unter die Vereinbarung fallenden Übereinkommen, und 60 61
WTO Secretariat, Handbook, S. 7. Hervorhebung der Verfasserin.
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Teil 1: Einleitung
trifft andere Feststellungen, die dem DSB helfen, die in den unter die Vereinbarung fallenden Übereinkommen vorgesehenen Empfehlungen abzugeben oder Entscheidungen zu treffen. Die Panels sollen sich regelmäßig mit den Streitparteien beraten und ihnen ausreichend Gelegenheit geben, eine für alle Seiten zufriedenstellende Lösung zu finden.
Den Streitgegenstand bezeichnet Art. 7 Abs. 1 des DSU, der das Standardmandat eines Panels zum Inhalt hat: „Sie prüfen im Licht der einschlägigen Bestimmungen in (Bezeichnung des/der unter die Vereinbarung fallenden Übereinkommen/s, auf das/die sich die Streitparteien beziehen) die von (Name der Partei) in Dokument . . . dem DSB unterbreitete Angelegenheit und treffen Feststellungen, die den DSB bei seinen in diesem/diesen Übereinkommen vorgesehen Empfehlungen oder Entscheidungen unterstützen.“
Demnach ist ein Panel beauftragt, den Sachverhalt objektiv zu beurteilen und sodann die Anwendbarkeit und Vereinbarkeit mit den einschlägigen unter die Vereinbarung fallenden Übereinkommen festzustellen. Wie die objektive Beurteilung des Sachverhalts allerdings vorzunehmen ist, lässt Art. 11 des DSU offen. Art. 12 und Anhang 3 des DSU haben den formellen Ablauf des Panelverfahrens zum Inhalt. Hier werden die schriftlichen Vorlagen der Streitparteien und die Sitzungen des Panels mit den Parteien geregelt. Unmittelbare Vorschriften zur Sachverhaltsermittlung enthalten aber auch diese Bestimmungen nicht. Einzig Art. 13 des DSU spricht die Sachverhaltsermittlung direkt an. Danach hat jedes Panel ein Recht auf Information: Es kann von jeder Einzelperson oder jedem Gremium, die oder das es für geeignet hält, Informationen oder fachlichen Rat einholen. Speziell die Möglichkeit der Konsultation von Sachverständigen regelt Art. 13 Abs. 2 des DSU, wonach ein Panel bei einer von einer Streitpartei aufgeworfenen Sachfrage, die eine wissenschaftliche oder technische Angelegenheit betrifft, einen schriftlichen Gutachterbericht von einer Sachverständigengutachtergruppe einholen kann. Die Einsetzung einer solchen Expertengruppe und deren Verfahrensordnung sind in Anhang 4 des DSU geregelt. Darüber hinaus enthalten die dem DSU unterfallenden Übereinkommen62 vereinzelte Sonderregeln63, welche die Sachverhaltsermittlung eines Panels betreffen. So ist beispielsweise in Art. 11 Abs. 2 des Übereinkommens über die Anwendung gesundheitspolizeilicher und pflanzenschutzrechtlicher Maßnahmen (SPS) sowie in Art. 14 und Anhang 2 des Übereinkommens 62 63
Art. 1 Abs. 2 und Anhang 1 des DSU. Anhang 2 des DSU.
D. Tatsachenermittlung im WTO-Streitbeilegungssystem
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über technische Handelshemmnisse (TBT) die Konsultation von Experten besonders geregelt. In diesen Normen und Anhängen des DSU und der übrigen angesprochenen Abkommen erschöpfen sich bereits die unmittelbaren Bestimmungen zur Ermittlung des Sachverhalts. Gleichwohl stellen sie und die übrigen Verfahrensregeln mit deren mittelbaren Auswirkungen die rechtliche Grundlage der Sachverhaltsermittlung im Streitbeilegungsverfahren der Welthandelsorganisation dar und bilden auf diese Weise das rechtliche Grundgerüst für die Anwendungspraxis. Aus ihnen können die Verfahrensgrundsätze und das Verfahren zur Sachverhaltsermittlung einschließlich der Beweiserhebung abgeleitet werden.
II. Vertragskonkretisierung durch die Streitbeilegungsorgane Aufgrund der wenigen vereinbarten Regeln zur Sachverhaltsermittlung ist es an den Streitbeilegungsorganen, den Panels und dem Appellate Body, die bestehenden Bestimmungen zu konkretisieren. Sie haben sich dabei an dem vertraglich vorgegebenen Grundgerüst zu orientieren. Dabei sehen sich die Panels und der Appellate Body jedoch einigen Besonderheiten des WTO-Streitbeilegungsverfahrens ausgesetzt, die unmittelbare und mittelbare Auswirkungen auf die Sachverhaltsermittlung haben: Die Vorschriften des DSU haben wie rechtliche Bestimmungen allgemein in internationalen Übereinkommen häufig keinen klaren und eindeutigen Wortlaut, da sie als Ergebnis von multilateralen Verhandlungen Kompromissformulierungen enthalten. Die verschiedenen Teilnehmer eines Verhandlungsprozesses bringen ihre unterschiedlichen Positionen in Einklang, indem sie einem Vertragstext zustimmen, der durchaus unterschiedlich verstanden werden kann, damit die Anforderungen der verschiedenen nationalen Vollmachtgeber erfüllt werden können. Selbst ein konträres Verständnis bestimmter Vorschriften kann auf diese Weise entstehen,64 das sich dann häufig in späteren Streitverfahren zwischen zwei oder mehreren Mitgliedstaaten fortsetzt. So sehen sich die Panels und der Appellate Body insbesondere gegensätzlichen Auffassungen hinsichtlich der die Sachverhaltsermittlung betreffenden Verfahrensregeln gegenüber. Dies beruht speziell darauf, dass ebenso wie andere internationale Verfahren auch das Streitbeilegungsverfahren der WTO zwischen der Verschiedenheit des angloamerikanischen und 64
WTO Secretariat, Handbook, S. 3.
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Teil 1: Einleitung
kontinentaleuropäischen Rechtskreises steht.65 Die Grundsätze der Tatsachenermittlung und der Verfahrensablauf differieren in diesen Rechtskreisen zum Teil erheblich.66 So sieht beispielsweise das angloamerikanische Recht die pre-trial discovery, die in Eigenverantwortung der Parteien durchgeführte Sachverhaltsaufklärung vor der Hauptverhandlung, vor, in dessen Rahmen die Parteien zur vollständigen Offenlegung der eigenen Tatsachen- und Beweisdokumente verpflichtet sind.67 Dieses Verfahren ist dem kontinentaleuropäischen Rechtskreis fremd. Hier hat das Gericht umfangreiche Befugnisse zur Tatsachenermittlung.68 Die Panels und der Appellate Body müssen demnach bei der Konkretisierung der Verfahrensbestimmungen, in denen ein Ausgleich der unterschiedlichen Rechtstraditionen angelegt ist, angemessene Entscheidungen zur Tatsachenermittlung treffen. Da das WTO-Recht ein spezieller Bereich des Völkerrechts ist, können die Streitbeilegungsorgane auf anerkanntes völkerrechtliches Gewohnheitsrecht und allgemeine Rechtsgrundsätze zurückgreifen, dies sowohl in Bezug auf gewohnheitsrechtlich anerkannte Auslegungsregeln als auch auf materielle und formelle Verfahrensregeln wie beispielsweise die Regeln zur Beweislast, die im DSU selbst nicht enthalten sind.69 Das Welthandelsrecht als Teil des Wirtschaftsvölkerrechts regelt die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Staaten, so dass dessen primäre Aufgabe in der Reglementierung zwischenstaatlicher Beziehungen besteht.70 Da sich hier also keine privaten, sondern hoheitliche Streitparteien gegenüberstehen, muss der völkerrechtliche Souveränitätsgrundsatz beachtet werden. So ist es Panels verwehrt, Zwangsmittel gegenüber einem Staat einzusetzen, wenn dieser die Vorlage bestimmter erheblicher Dokumente verweigert. In einem solchen Fall kann es einem Panel lediglich gestattet sein, negative Rückschlüsse aus dem Verhalten eines Staates zu ziehen.71 Die Rechtsordnung der Welthandelsorganisation geht aber weit über den rein zwischenstaatlichen Bereich hinaus, da es auch auf das Handeln privater Wirtschaftssubjekte zielt und dieses in seinen funktionellen Geltungs65
s. zu den verschiedenen Rechtskreisen Zweigert/Kötz, Kapitel B I–V. Demeyere, S. 247 ff. 67 Ebd., 250; Hay, Kapitel 3 D I 4. 68 s. im deutschen Zivilverfahrensrecht §§ 142 Abs. 1, 143, 144 Abs. 1, 448 der Zivilprozessordnung. 69 s. hierzu Teil 2 C. II. und III. 70 Cottier, S. 121. 71 s. hierzu Teil 3 D. V. 2. 66
D. Tatsachenermittlung im WTO-Streitbeilegungssystem
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bereich einbezieht.72 Daher kann das zwischenstaatliche Verfahren der Streitbeilegung nicht von privaten Streitigkeiten losgelöst betrachtet werden. Denn hinter den Streitfällen der Welthandelsorganisation stehen konkrete Probleme von Wirtschaftsunternehmungen, welche zwar zwischenstaatlich angegangen werden, inhaltlich aber oft innerstaatliche Auseinandersetzungen von Konkurrenten, beispielsweise eines Importeurs auf der einen und eines Produzenten der gleichen Branche auf der anderen Seite, zum Gegenstand haben. Die Privatwirtschaft spielt insbesondere bei der Erhebung einer Klage und der Beschaffung der erforderlichen Tatsachen und Beweise eine erhebliche Rolle. Dem Schutz vertraulicher Wirtschafts- und Unternehmensdaten ist dabei besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, wie unbestimmt die im DSU enthaltenen Regelungen hinsichtlich der Sachverhaltsermittlung konzipiert sind und welche bedeutende Aufgabe die Streitbeilegungsorgane wahrnehmen. Sie haben in den vergangenen knapp zehn Jahren zu einem umfangreichen „Korpus an richterrechtlicher Konkretisierung“73 der im DSU kodifizierten Verfahrensordnung zur Streitbeilegung beigetragen. Dennoch bestehen Unsicherheiten, da die Panels und der Appellate Body gemäß Art. 3 Abs. 2 des DSU weder Rechtsetzungskompetenzen besitzen und folglich keine neuen und zusätzlichen Verfahrensregeln zur Sachverhaltsermittlung aufstellen können, noch ihre Entscheidungen zu einem case law und zu Präzedenzfällen führen können.74
III. Reformbedarf Obwohl breiter Konsens besteht, dass das Streitbeilegungssystem der Welthandelsorganisation gut funktioniert, sehen ihre Mitglieder und die Streitbeilegungsorgane jedoch auch einen Verbesserungsbedarf.75 So hat der Appellate Body in seinen Berichten wiederholt darauf hingewiesen, dass detailliertere Verfahrensregeln für das Streitbeilegungsverfahren wünschenswert wären. Einen Bedarf sieht er insbesondere nach konkreten Vorschriften zur Sachverhaltsermittlung. Im Zusammenhang eines Antrags einer Streitpartei auf Vorabentscheidung wies der Appellate Body in EC – Regime for the Importation, Sale 72 73 74 75
Tietje, in: Prieß/Berrisch, S. 25 Rn. 21; Kessie, S. 2. Vgl. Tietje, Einführung zur Textausgabe WTO, S. XVIII; auch Leier, S. 207. s. hierzu Teil 2 B. III. WTO Secretariat, Handbook, S. 118.
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Teil 1: Einleitung
and Distribution of Bananas76 darauf hin, dass diese Streitfrage – ohne präjudizielle oder unfaire Wirkung gegenüber einer Partei oder eines Drittbeteiligten zu haben – in einem Panelverfahren frühzeitig entschieden werden könne, wenn Panels über detaillierte Standardarbeitsverfahren verfügten, die unter anderem Vorabentscheidungen ermöglichten.77 In India – Patent Protection for Pharmaceutical and Agricultural Chemical Products äußerte er, in Bezug auf die Sachverhaltsermittlung könne dem gebotenen fairen Verfahren besser nachgekommen werden, wenn Panels Standardarbeitsverfahren an die Hand gegeben würden, welche geeignete Bestimmungen zur Offenlegung von Tatsachen in einem frühen Stadium des Panelverfahrens vorsähen.78 Diese Aussagen wiederholte der Appellate Body in Argentina – Measures Affecting Imports of Footwear, Textiles, Apparel and Other Items. Wie bereits in zwei vorhergehenden Appellate Body Reports79 betont, wären detaillierte Standardarbeitsverfahren für Panels hilfreich, um ein faires und rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechendes Verfahren sicherzustellen.80 Die Aufnahme allgemeiner und spezieller Regeln zur Sachverhaltsermittlung in das DSU ist in naher Zukunft jedoch nicht zu erwarten: Da das Streitbeilegungssystem der neu geschaffenen Welthandelsorganisation fundamentale Unterschiede zum bisherigen GATT-System aufweist, wurde bei Abschluss der Uruguay-Runde eine Überprüfung des DSU innerhalb von vier Jahren nach Inkrafttreten des Abkommens zur Errichtung der Welthandelsorganisation zum 1. Januar 1995 beschlossen. Nach der Ministererklärung von 1994 ist die Ministerkonferenz eingeladen, eine vollständige Überprüfung der Regeln und Verfahren zur Beilegung von Streitigkeiten der Welthandelsorganisation innerhalb von vier Jahren nach Inkrafttreten des Übereinkommens zur Errichtung der Welthandelsorganisation durchzuführen und in der ersten Sitzung nach dem Abschluss dieser Überprüfung eine Entscheidung darüber zu treffen, die Re76 Die im Folgenden zitierten Entscheidungen (Berichte) der WTO-Streitbeilegungsorgane sind am Ende der Arbeit in einem Entscheidungsregister aufgeführt. Dieses enthält auch das Datum der Annahme eines Berichtes durch den DSB. 77 WTO-Dok. WT/DS27/AB/R Rn. 144. Die Dokumente der WTO sind zitiert nach WTO Secretariat, Analytical Index, und als zweite Quelle nach der Internetseite der WTO www.wto.org. 78 WTO-Dok. WT/DS50/AB/R Rn. 92 ff. 79 Originalfußnote: EC – Regime for the Importation, Sale and Distribution of Bananas, WTO-Dok. WT/DS27/AB/R Rn. 144 und India – Patent Protection for Pharmaceutical and Agricultural Chemical Products, WTO-Dok. WT/DS50/AB/R Rn. 95. 80 WTO-Dok. WT/DS56/AB/R Rn. 68.
D. Tatsachenermittlung im WTO-Streitbeilegungssystem
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geln und Verfahren zur Streitbeilegung beizubehalten, zu verändern oder aufzuheben.81 Das Streitbeilegungsgremium (DSB) begann mit der Überprüfung Ende 1997 und führte eine Reihe von informellen Gesprächen auf der Grundlage von Vorschlägen der Mitgliedstaaten durch. Die überwiegende Zahl der Mitglieder war der Ansicht, dass das Übereinkommen verbessert werden soll. Jedoch konnte der DSB weder bis zur Ministerkonferenz von Seattle im Jahre 1999 noch bis zum Beginn der Ministerkonferenz in Doha im November 2001, während der eine neue Handelsrunde eingeleitet wurde, eine Einigung hinsichtlich des Ergebnisses der Überprüfung herbeiführen. Die Doha-Ministererklärung vom 14. November 200182 enthält die Absicht, Verhandlungen zur Verbesserung und Klarstellung der Vereinbarung über Regeln und Verfahren zur Beilegung von Streitigkeiten zuzustimmen. Die Verhandlungen sollten auf dem bereits bestehenden Werk und den zusätzlichen Vorschlägen der Mitglieder basieren. Ziel sei eine Einigung auf Verbesserungen und Klarstellungen bis spätestens Mai 2003. Zu dieser Zeit sollten Schritte unternommen werden, die sicherstellten, dass die Ergebnisse so schnell wie möglich umgesetzt würden.83 Gleichzeitig macht die Erklärung aber auch deutlich, dass die Verhandlungen in Bezug auf das DSU keinen Bestandteil der neuen Handelsrunde bilden, so dass sie nicht mit dem Erfolg oder dem Scheitern der Verhandlungen im Rahmen der Neuen Handelsrunde verknüpft sind.84 Die Überprüfung des DSU konnte jedoch auch bis zum Mai 2003 aufgrund gravierender Meinungsverschiedenheiten unter den Mitgliedern über das Ausmaß der Reform nicht abgeschlossen werden und dauert – nachdem die neu gesetzte Frist Mai 2004 wiederum ergebnislos verstrichen ist – nach wie vor an. Mit der Überprüfung werden breit angelegte Reformen des Streitbeilegungssystems angestrebt. Neuerungen und Verbesserungsvorschläge beziehen sich insbesondere auf die Klärung von Einzelfragen bei der Umsetzung der verbindlichen Entscheidungen des Streitbeilegungsgremiums, größere Transparenz des Verfahrens für Drittbeteiligte und die Zivilgesellschaft und 81 Ministerial Decision on the Application and Review of the Understanding on Rules and Procedures Governing the Settlement of Disputes, enthalten in: Final Act Embodying the Results of the Uruguay Round of Multilateral Trade Negotiations, Marrakesh, 15 July 1994, Dok. LT/UR/A/1, S. 419, im Internet unter www.wto.org. 82 Ministerial Conference – Fourth Session – Doha 9–14 November 2001 – Ministerial Declaration – 14 November 2001, WTO-Dok. WT/MIN(01)/DEC/1, im Internet unter www.wto.org. 83 Ebd., Rn. 30. 84 Ebd., Rn. 47.
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Teil 1: Einleitung
die Einführung ständiger Panelisten. Diskutiert werden aber auch obligatorische Regeln für Stellungnahmen interessierter Dritter, sogenannte amicus curiae-Eingaben, und die Schaffung einer Möglichkeit der Rückverweisung einer Streitigkeit an das Panel durch den Appellate Body.85 Auch wenn insbesondere letztgenannte Reformvorschläge nicht die Einführung allgemeiner und spezieller Regeln zur Tatsachenermittlung in das DSU beinhalten, hätte deren Umsetzung jedoch konkrete Auswirkungen auf die Sachverhaltsaufklärung in einem Streitbeilegungsverfahren.
E. Erarbeitung von Grundsätzen und Regeln zur Tatsachenermittlung Die vorliegende Arbeit soll einen Überblick über die Grundsätze und Regeln sowie das Verfahren der Sachverhaltsermittlung im Streitbeilegungssystem der Welthandelsorganisation geben. Hierzu werden die Vertragstexte, insbesondere die Vereinbarung über Regeln und Verfahren zur Beilegung von Streitigkeiten (DSU) samt Anhängen, herangezogen. Sie bilden das Fundament der Betrachtung. Schwerpunkt ist im weiteren die Auswertung der bereits von den Panels und dem Appellate Body vorgenommenen Konkretisierung der Verfahrensbestimmungen im Hinblick auf die Sachverhaltsermittlung. Mit ihr einhergehend erfolgt eine Darstellung der Anwendungspraxis. Dabei ist zu beachten, dass die Streitbeilegungsorgane häufig ohne weiteres von verfahrensrechtlichen Grundsätzen und Prinzipien ausgehen, ohne diese explizit anzusprechen und näher zu erläutern. Bestimmte Regeln werden als selbstverständlich vorausgesetzt, obwohl sie sich nicht unmittelbar aus den Vertragstexten ergeben. Hinzu kommt, dass die Berichte der Streitbeilegungsorgane in englischer Sprache verfasst werden, und die Panels und der Appellate Body daher die englische bzw. amerikanische Rechtsterminologie verwenden. Einem Begriff wie beispielsweise „burden of proof“ („Beweislast“) kann aber nicht von vornherein sein angloamerikanischer Sinngehalt zugrunde gelegt werden, da er in den unterschiedlichen Rechtskreisen durchaus differenzierte Bedeutung hat. Problematisch ist, dass die Streitbeilegungsorgane die Rechtstermini oftmals nicht näher definieren und teilweise ungenau verwenden. Vor diesem Hintergrund müssen die Berichte auch „zwischen den Zeilen“ gelesen und interpretiert sowie die verwendeten Begriffe mit Inhalten ge85 s. zu den aktuellen Reformvorschlägen der Mitgliedstaaten die Internetseite der WTO www.wto.org.
E. Erarbeitung von Grundsätzen und Regeln zur Tatsachenermittlung
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füllt werden. Auf diese Weise können die Verfahrensregeln herausgearbeitet und kommentiert werden. Hierbei kann auf bereits bestehende Literatur zu den Entscheidungen zurückgegriffen werden. Eine besondere Bedeutung soll den vom WTO-Sekretariat herausgegebenen Werken „A Handbook on the WTO Dispute Settlement System“ und „WTO Analytical Index – Guide to WTO Law and Practice“, sowie dem vom WTO-Sekretariat autorisierten „Guide to Dispute Settlement“ von Peter Gallagher, einem Verhandlungsteilnehmer der Uruguay Runde, beigemessen werden, die zwar keine verbindlichen Interpretationen liefern, denen aber gleichwohl „offizieller Charakter“ zukommt. Die Bearbeitung beginnt mit einer Klarstellung der Aufgaben und Befugnisse der Panels und des Appellate Body im Gesamtgefüge der Welthandelsorganisation und der von ihnen in Bezug auf das Streitbeilegungsverfahren heranzuziehenden Rechtsquellen. Es folgt die Darstellung der Verfahrensgrundsätze, bevor im Hauptteil eine Betrachtung des chronologischen Ablaufs eines Streitbeilegungsprozesses von den obligatorischen Konsultationen der Parteien und deren Informationsbeschaffung über die konkrete Sachverhaltsermittlung des Panels einschließlich der Beweiserhebung und Beweiswürdigung bis hin zur Rechtsmittelinstanz vorgenommen wird. An jeweils erheblicher Stelle werden die Vorschläge aus der Verhandlungsgruppe zur Reform des Streitbeilegungssystems vorgestellt und kommentiert. Zur Veranschaulichung wird auf gleichlautende, entsprechende oder konträre Vorschriften in der deutschen Zivilprozessordnung86 verwiesen. Die Schlussbetrachtung enthält eine Stellungnahme zum derzeitigen Verfahren der Tatsachenermittlung im WTO-Streitbeilegungsverfahren und eine Bewertung des Reformbedarfs.
86
Im Folgenden als „ZPO“ bezeichnet.
Teil 2
Grundlagen der Streitbeilegung A. Aufgabe der Streitbeilegungsorgane Die Uruguay-Runde hat das erstarkte Streitbeilegungssystem innerhalb der Organisationsstruktur der Welthandelsorganisation gegengewichtig zu den Mitgliedern und politischen Organen der Organisation konzipiert und die Welthandelsorganisation damit in einer institutionellen Balance von Mitgliedern, politischen Organen und Streitbeilegung verankert.1 Diese gewaltenteilungsähnliche Struktur weist den Streitbeilegungsorganen die Rolle der Judikative zu, die jedoch begrenzt wird durch die politische Kompetenz der Mitglieder im Rahmen des Streitbeilegungsverfahrens.2 Ziel der Streitbeilegungsorgane ist die Lösung von Handelsstreitigkeiten. Art. 11 des DSU bestimmt den Aufgabenbereich eines Panels: Die Aufgabe des Panels besteht darin, das DSB bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben aufgrund dieser Vereinbarung und der unter die Vereinbarung fallenden Übereinkommen zu unterstützen. Demgemäß nimmt das Panel eine objektive Beurteilung der vor ihm liegenden Angelegenheit vor, einschließlich einer objektiven Beurteilung des Sachverhalts und der Anwendbarkeit sowie der Vereinbarkeit mit den einschlägigen unter die Vereinbarung fallenden Übereinkommen, und trifft andere Feststellungen, die dem DSB helfen, die in den unter die Vereinbarung fallenden Übereinkommen vorgesehenen Empfehlungen abzugeben oder Entscheidungen zu treffen.
Die Aufgabe des Appellate Body beschreibt Art. 17 Abs. 1 und Abs. 6 des DSU: (1) Das Berufungsgremium befasst sich mit Berufungen von Panelentscheidungen. [. . .] (6) Ein Rechtsmittel beschränkt sich auf die in dem Panelbericht behandelten Rechtsfragen und auf die Rechtsauslegung durch das Panel.
Letztgenannter Absatz setzt die Befugnis eines Panels zur Rechtsauslegung voraus.3 1 2 3
Ohlhoff, in: Prieß/Berrisch, S. 682 Rn. 2. Ebd. WTO Secretariat, Handbook, S. 4.
A. Aufgabe der Streitbeilegungsorgane
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Jedoch nimmt die Ministerkonferenz für sich selbst das ausschließliche Recht in Anspruch, eine verbindliche Interpretation eines WTO-Übereinkommens anzunehmen, die Rechte oder Verpflichtungen der Mitgliedstaaten implizieren kann. Das Übereinkommen zur Errichtung der WTO ist in dieser Hinsicht sehr präzise formuliert.4 Art. IX:2 des WTO-Übereinkommens bestimmt: Die Ministerkonferenz und der Allgemeine Rat sind ausschließlich befugt, dieses Übereinkommen und die Multilateralen Handelsübereinkommen auszulegen.
Und Art. 3 Abs. 9 des DSU bestätigt: Diese Vereinbarung lässt die Rechte der Mitglieder unberührt, eine verbindliche Auslegung von Bestimmungen eines unter die Vereinbarung fallenden Übereinkommens durch Beschlussfassung im Rahmen des WTO-Übereinkommens oder eines unter die Vereinbarung fallenden Plurilateralen Handelsübereinkommen zu erwirken.
Es besteht damit eine strikte Differenzierung zwischen der Befugnis zur allgemein verbindlichen Interpretation der Übereinkommen und der Streitbeilegung zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten.5 Daher stellen die Schlussfolgerungen der Panels und die Berichte des Appellate Body keine „Interpretation der Übereinkommen“ dar, selbst wenn sie auf dem üblichen Wege durch das Streitbeilegungsgremium – der Ministerkonferenz in anderer Gestalt – angenommen werden. Nach dem Übereinkommen zur Errichtung der WTO ist für eine Interpretation der Abkommen zumindest der darauf gerichtete Wille und eine Zweidrittel-Mehrheitsentscheidung im Rat erforderlich. Diese Voraussetzungen sind im normalen Verfahren zur Verabschiedung einer Entscheidung im DSU nicht gegeben.6 Die Entscheidungen des DSB stellen die Vertragsbestimmungen lediglich bezüglich der Anwendung auf eine spezifische Fallgestaltung klar, ohne die Rechte und Pflichten der Mitglieder zu beeinflussen und ohne die Übereinkommen in förmlicher Weise zu interpretieren, indem sie die Auffassung der einen oder anderen Streitpartei bestätigen. Das Streitbeilegungsübereinkommen bestimmt daher in Art. 3 Abs. 2 Satz 3 des DSU: Die Empfehlungen und Entscheidungen des DSB können die in den unter die Vereinbarung fallenden Übereinkommen enthaltenen Rechte und Pflichten weder ergänzen noch einschränken.
Art. 19 Abs. 2 des DSU bestätigt: Nach Art. 3 Absatz 2 DSU können das Panel und das Berufungsgremium mit ihren Feststellungen und Empfehlungen die in den unter die Vereinbarung fallen4 5 6
Gallagher, S. 24. Ohlhoff, in: Prieß/Berrisch, S. 686 Rn. 12. Gallagher, S. 24.
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Teil 2: Grundlagen der Streitbeilegung
den Übereinkommen enthaltenen Rechte und Pflichten weder ergänzen noch schmälern.
Das Streitbeilegungsgremium hat also kein Initiativrecht hinsichtlich der Weiterentwicklung der Welthandelsordnung.7 Hinzu kommt, dass die Entscheidungen der Streitbeilegungsorgane nur Wirkung inter partes entfalten.8 Damit wird deutlich, dass die Intention des WTO-Streitbeilegungssystems die Lösung von Streitigkeiten ist und nicht die Interpretation der WTO-Vertragstexte derart, neue Rechte und Pflichten der Mitglieder zu begründen. Dies erkennt auch der Appellate Body an: In US – Measures Affecting Imports of Woven Wool Shirts and Blouses from India hatte er die Frage zu klären, ob die beschwerdeführende Partei ein Recht auf eine Entscheidung des Panels in Bezug auf jeden einzeln vorgebrachten Beschwerdegrund hat. Unter Berücksichtigung des ausdrücklichen Ziels der Streitbeilegung, welches das DSU durchziehe, sei Art. 3 Abs. 2 des DSU nicht dahin zu verstehen, dass Panels oder der Appellate Body mit der Klärung der geltenden Bestimmungen der WTO-Übereinkommen außerhalb des Kontextes der Lösung eines einzelnen Rechtsstreits „Recht setzen“. Ein Panel habe nur diejenigen Beschwerdegründe zu behandeln, die angesprochen werden müssten, um über die streitige Angelegenheit entscheiden zu können.9 In Chile – Taxes on Alcoholic Beverages argumentierte Chile vor dem Appellate Body, die Entscheidung des Panels habe entgegen Art. 3 Abs. 2 Satz 3 und Art. 19 Abs. 2 des DSU die Rechte und Pflichten der Mitglieder nach den Übereinkommen ergänzt. Der Appellate Body war anderer Auffassung: Das Panel habe im vorliegenden Fall keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 2 des DSU begangen und die Rechte und Pflichten der WTO-Mitglieder nicht ergänzt. Die Schlussfolgerungen des Panels enthielten eine korrekte Auslegung und Anwendung der einschlägigen Bestimmungen. Die Beschwerde Chiles wurde zurückgewiesen.10 Weder die Panels noch der Appellate Body können also im formalen Sinne Recht setzen.11 Gleichwohl haben ihre Berichte eine erhebliche faktische Bedeutung über den Einzelfall hinaus. Nachfolgende Panels nehmen häufig auf sie Bezug, übernehmen die in ihnen enthaltenen Rechtsausfüh7
Jansen, EuZW 1994, 333, 335. Ohlhoff, in: Prieß/Berrisch, S. 686 f. Rn. 12; Cameron/Gray, S. 252; Palmeter/ Mavroidis, § 3.03, S. 60. 9 WTO-Dok. WT/DS33/AB/R Rn. 19. 10 WTO-Dok. WT/DS87/AB/R, WT/DS110/AB/R Rn. 79. 11 Bartels, S. 503. 8
B. Verfahrensgestaltungsmöglichkeiten und Ermessen eines Panels
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rungen an entsprechender Stelle und verwenden die bereits bestehenden Berichte als Hilfsmittel.12 Im Ergebnis dürfen die Streitbeilegungsorgane also keine allgemeinverbindlichen (Verfahrens-)Regeln aufstellen, welche die Rechte und Pflichten der Mitglieder einschränken oder erweitern würden. Sie können die bestehenden Regelungen „lediglich“ konkretisieren.13 Zu dieser Differenzierung und der Befugnis des Panels zur Gestaltung eines Streitbeilegungsverfahrens sogleich.
B. Verfahrensgestaltungsmöglichkeiten und Ermessen eines Panels Die Panels sollen gemäß Art. 12 Abs. 1 des DSU im Rahmen eines Streitbeilegungsverfahren die in Anhang 3 des DSU enthaltenen Arbeitsverfahren befolgen. Die Arbeitsverfahren haben den formalen Ablauf eines Panelverfahrens zum Gegenstand und enthalten beispielsweise Regeln zur Wahrung der Vertraulichkeit des Verfahrens (Absatz 2 und 3) und einen ungefähren Zeitplan für die Zuleitung der schriftlichen Vorlagen sowie die Sitzungen der Panels mit den Parteien (Absatz 4 bis 7 und Absatz 12). Anhang 3 Absatz 11 des DSU lässt Raum für zusätzliche panelspezifische Verfahren in der Form, dass an dieser Stelle die paneleigenen Verfahren eingefügt werden können.14 Dass die Panels zum Erlass solch zusätzlicher Verfahren befugt sind, ergibt sich aus Art. 12 Abs. 1 des DSU: Die Panels sollen die Arbeitsverfahren in Anhang 3 befolgen, sofern das Panel nicht nach Rücksprache mit den Streitparteien etwas anderes beschließt.15
Doch welche Befugnisse haben die Panels nach Art. 12 Abs. 1 und Anhang 3 des DSU konkret? Wann liegt eine zulässige Vertragskonkretisierung vor und ab wann ist von einer unzulässigen Schaffung neuer verbindlicher Verfahrensegeln durch die Panels auszugehen? Da bereits viele Panels von ihrer Befugnis gemäß Art. 12 Abs. 1 und Anhang 3 des DSU Gebrauch gemacht und eigene detaillierte Arbeitsverfahren im Anschluss an ihre Einsetzung aufgestellt haben, kann hieraus zunächst abgeleitet werden, wie die Panels selbst ihre Befugnis verstehen und ausüben. 12 13 14 15
s. hierzu ausführlich Teil 2 C. IV. Gallagher, S. 23. Anhang 3 Absatz 11 des DSU lautet: „Zusätzliche panelspezifische Verfahren“. Hervorhebung der Verfasserin.
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Teil 2: Grundlagen der Streitbeilegung
Beispielhaft wird im Folgenden auf die „Panel Working Procedures“ in US – Definitive Safeguard Measures on Imports of Certain Steel Products Bezug genommen, die am Ende der Arbeit wiedergegeben sind. Diese speziellen Arbeitsverfahren des Panels entsprechen in den Absätzen 1 bis 4 denen des Standardarbeitsverfahrens nach Anhang 3 des DSU. Die Absätze 6 bis 9 sowie 13 und 14 entsprechen den Absätzen 5 bis 8 sowie 9 und 10 des Standardarbeitsverfahrens. Ergänzende Regelungen, die nicht im Arbeitsverfahren nach Anhang 3 des DSU enthalten sind, betreffen – die Vorlage kurzer Zusammenfassungen der schriftlichen Stellungnahmen der Parteien (Abs. 5), – die Schriftform der Antworten auf Fragen des Panels (Abs. 9), – einen möglichen Antrag auf Vorabentscheidung (Abs. 10), – die Frist für die Vorlage der Beweise (Abs. 11), – die Pflicht zur Vertraulichkeit der Delegationen der Parteien (Abs. 12), – die Frist für die Vorlage der schriftlichen Fassungen der mündlichen Statements (Art. 13), – die Nummerierung der Anlagen (exhibits) zu den Schriftsätzen der Parteien (Abs. 15), – die direkte Zustellung der Schriftstücke unter den Parteien, die Modalitäten der Zuleitung der Schriftstücke an den DSB, die Anzahl der Kopien der Schriftstücke und die Zuleitung elektronischer Kopien der Schriftstücke in Form von Disketten und E-Mails. Aus vorgenannten speziellen Regelungen des Panels wird deutlich, dass diese zusätzlichen Regeln vorwiegend „technische Belange“ eines konkreten Streitbeilegungsverfahrens betreffen. Diese sollen den ordnungsgemäßen Ablauf des Verfahrens gewährleisten und dem Panel in organisatorischer Hinsicht die Arbeit und letztlich die Entscheidungsfindung erleichtern. Diesem Beispiel entsprechen die zusätzlichen Arbeitsverfahren der Panels im Allgemeinen. Sie enthalten gleichlautende Bestimmungen.16 Dass die Panels zur Verabschiedung solch „technischer Regeln“ befugt sind, entspricht den Vorgaben des DSU. Sie sind geradezu erforderlich, da sie Aspekte wie die Form der Zustellung sowie die Anzahl und Art der Schriftstücke betreffen. Hierzu enthält das DSU keine direkten Regelungen, setzt diese aber gleichzeitig voraus. Insoweit handelt es sich um eine zulässige Vertragskonkretisierung seitens der Panels. 16
Vgl. Palmeter/Mavroidis, § 4.04, S. 108.
B. Verfahrensgestaltungsmöglichkeiten und Ermessen eines Panels
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Die Obergrenzen der Regelungsbefugnis eines Panels lassen sich anhand der Ausführungen des Appellate Body in India – Patent Protection for Pharmaceutical and Agricultural Chemical Products – Complaint by the United States ermitteln: Hier hatte das Panel entschieden, sämtliche Vertragsverletzungsrügen, die bis zum Ende der ersten Sitzung des Panels mit den Parteien erhoben wurden, also nicht nur diejenigen, die zuvor im Mandat des Panels gemäß Art. 7 des DSU bezeichnet worden waren, zu berücksichtigen. Der Appellate Body erklärte dieses Vorgehen für unvereinbar mit dem Wortlaut und Wesen des DSU. Obwohl einem Panel Ermessen bei der Etablierung der eigenen Arbeitsverfahren eingeräumt werde, reiche dieses nicht so weit, dass die wesentlichen Bestimmungen des DSU von einem Panel modifiziert werden könnten. Art. 12 Abs. 1 des DSU bestimme: „Die Panels sollen die Arbeitsverfahren in Anhang 3 befolgen, sofern das Panel nicht nach Rücksprache mit den Streitparteien etwas anderes beschließt“. Dies sei aber alles, was Art. 12 Abs. 1 des DSU besage. Keine Vorschrift des DSU gebe einem Panel die Befugnis, andere ausdrückliche Bestimmungen des DSU nicht zu beachten oder abzuändern. Seine Entscheidungskompetenz sei durch das in Art. 7 des DSU geregelte Mandat bestimmt. Ein Panel habe danach diejenigen Rügen zu betrachten, die im Mandat bezeichnet worden seien. Es dürfe daher keine anderen prüfen und keine Entscheidungskompetenz ausüben, die es nicht besitze.17 In Übereinstimmung mit diesen überzeugenden Ausführungen des Appellate Body lässt sich der Grundsatz aufstellen, dass die Panels gemäß Art. 12 Abs. 1 des DSU ermächtigt sind, unter Beachtung der Vorgaben des DSU und unter Berücksichtigung der Verfahrensgrundsätze eigene Verfahrensregeln aufzustellen. Diese dürfen jedoch nicht dazu führen, dass konkrete Bestimmungen des DSU abgeändert bzw. modifiziert werden. Was im Einzelnen von den Bestimmungen des DSU gedeckt ist, muss im Wege der Vertragskonkretisierung ermittelt werden. Denn nicht nur was ausdrücklich im DSU bestimmt ist, ist zu beachten, sondern auch der indirekte Inhalt – der Gehalt – einer Vertragsregelung. Darüber hinaus hat sich ein Panel bei der Verabschiedung von zusätzlichen Verfahrensregeln stets von dem Ziel eines Streitbeilegungsverfahrens, der Beilegung einer konkreten Streitigkeit, leiten zu lassen. Es darf nur Regelungen treffen, die diesem Ziel dienen, und nicht die Weiterentwicklung des DSU dahingehend vorantreiben, dass es ein detailliertes und ausgefeiltes System mit umfassenden prozessualen Rechten und Pflichten der Streit17
WTO-Dok. WT/DS50/AB/R Rn. 92 f.
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Teil 2: Grundlagen der Streitbeilegung
parteien schafft. Dies ist gemäß Art. 3 Abs. 2 und Abs. 9 des DSU nicht seine Aufgabe, sondern obliegt den Mitgliedstaaten. Vor diesem Hintergrund sind die Panels beispielsweise zur konkreten Fristsetzung für die Vorlage von Beweisen (siehe Absatz 11 des Arbeitsverfahrens in US – Definitive Safeguard Measures on Imports of Certain Steel Products) befugt. Denn ein Streitbeilegungsverfahren ist, um nicht funktionsunfähig zu sein, grundsätzlich an einen Zeitplan einschließlich konkreter Fristen gebunden. Dies ergibt sich neben Art. 12 des DSU auch speziell aus Anhang 3 Abs. 12 des DSU, der einen ungefähren Zeitplan enthält. Ebenso kann ein Panel unter Nutzung des ihm gemäß Art. 13 des DSU eingeräumten Rechts auf Information entscheiden, von welcher Quelle – beispielsweise der einen oder anderen Nichtregierungsorganisation (NGO) – es fachlichen Rat einholen möchte. Diesbezüglich werden dem Panel gemäß Art. 12 Abs. 2 des DSU gewisse Freiheiten, sogenanntes Ermessen (discretion), eingeräumt: Die Panelverfahren sollen ausreichend flexibel18 sein, damit hochwertige Panelberichte sichergestellt sind, ohne die Panelverhandlung ungebührlich zu verzögern.
Mit dieser Vorschrift wird den Panels für die Bestimmung des Ablaufs des Panelverfahrens und insbesondere der Sachverhaltsermittlung bedeutender Entscheidungsspielraum zugebilligt. Dies entspricht der Praxis vieler internationaler Gerichte.19 Unter Ermessen ist dabei aber nicht eine Beliebigkeit bei der Entscheidungsfindung seitens des Panels zu verstehen, mit der Folge, dass ein Panel zwischen mehreren möglichen (Verfahrens-)Entscheidungen fei wählen könnte, sondern es hat vielmehr innerhalb der ihm von den WTO-Mitgliedstaaten eingeräumten Verfahrensgestaltungsmöglichkeiten die einzig richtige Entscheidung zu treffen.20 Im Ergebnis kontrollieren die Panels den Streitbeilegungsprozess innerhalb der Grenzen der Regeln des DSU sowie unter Beachtung der Verfahrensgrundsätze und bestimmen so in Eigenverantwortung den Fahrplan für den Ablauf des Verfahrens.21
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Hervorhebung der Verfasserin. Cameron/Orava, in: Cameron/Campbell, S. 195, 228; WTO Secretariat, Handbook, S. 53; Palmeter/Mavroidis, § 4.06, S. 108. 20 s. zur entsprechenden Definition des sogenannten „richterlichen Ermessens“ im deutschen Prozessrecht Creifelds, Rechtswörterbuch, Stichwort: Ermessen. 21 Palmeter/Mavroidis, § 4.04, S. 108. 19
C. Rechts- und Hilfsquellen
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C. Rechts- und Hilfsquellen Das DSU enthält ebenso wie seine Vorgänger unter dem GATT 1947 keine ausdrückliche Regelung der Rechtsquellen, welche die Panels und der Appellate Body zur Entscheidungsfindung heranziehen sollen.22 Im Unterschied dazu bestimmt Art. 38 Abs. 1 des Statuts des Internationalen Gerichtshofs23 ausdrücklich: Der Gerichtshof, dessen Aufgabe es ist, die ihm unterbreiteten Streitigkeiten nach dem Völkerrecht zu entscheiden, wendet an a) internationale Übereinkommen allgemeiner oder besonderer Natur, in denen von den streitenden Staaten ausdrücklich anerkannte Regeln festgelegt sind; b) das internationale Gewohnheitsrecht als Ausdruck einer allgemeinen, als Recht anerkannten Übung; c) die von den Kulturvölkern anerkannten allgemeinen Rechtsgrundsätze; d) vorbehaltlich des Artikels 5924 richterliche Entscheidungen und die Lehrmeinung der fähigsten Völkerrechtler der verschiedenen Nationen als Hilfsmittel zur Feststellung von Rechtsnormen.
Das Statut nennt diese Rechtsquellen nur deklaratorisch, da ihr Bestand nicht von dem Statut, einem internationalen Vertrag, abhängt, sondern sie das Ergebnis einer langwährenden Staatenpraxis sind.25 Die Frage nach den Rechtsquellen, welche die Panels und der Appellate Body anzuwenden haben, ist sowohl in der Streitbeilegungspraxis des GATT 1947 (und nun der WTO) als auch im Schrifttum diskutiert worden.26 Die folgende Darstellung der Rechts- und Hilfsquellen, welche die Panels und der Appellate Body in verfahrensrechtlicher Hinsicht heranziehen (sollen), orientiert sich an der in Art. 38 Abs. 1 IGH-Statut enthaltenen Auflistung.
I. Vertragliche Regeln An erster Stelle werden im Statut des Internationalen Gerichtshofs die Verträge genannt. Für die prozessualen Regeln eines Streitbeilegungsverfah22
Ohlhoff, in: Prieß/Berrisch, S. 690 Rn. 22; Bartels, S. 502. Statut des Internationalen Gerichtshofs in der Fassung vom 26. Juni 1945, veröffentlicht in Bundesgesetzblatt 1973 II S. 505, abgedruckt in Sartorius II (Beck Verlag), Internationale Verträge – Europarecht, Text Nr. 2. 24 Anmerkung der Verfasserin: Art. 59 des IGH-Statuts lautet: Die Entscheidung des Gerichtshofs ist nur für die Streitparteien und nur in Bezug auf die Sache bindend, in der entschieden wurde. 25 Dahm/Delbrück/Wolfrum, S. 44; Ipsen, Völkerrecht, Vor § 9 Rn. 3. 26 s. zu letzterem ausführlich Bartels, S. 499. 23
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Teil 2: Grundlagen der Streitbeilegung
rens haben die Panels und der Appellate Body dementsprechend zunächst die Vorschriften des DSU heranzuziehen. Darüber hinaus enthalten auch die in den unter das DSU fallenden Übereinkommen besondere oder zusätzliche Regeln und Verfahren.27 Diesbezüglich bestimmen Art. 1 Abs. 2 Satz 1 und 2 des DSU: Die Regeln und Verfahren dieser Vereinbarung gelten vorbehaltlich besonderer oder zusätzlicher Regeln und Verfahren über Streitbeilegung, die in den unter die Vereinbarung fallenden Übereinkommen laut Anhang 2 dieser Vereinbarung enthalten sind. Soweit ein Unterschied zwischen den Regeln und Verfahren dieser Vereinbarung und den besonderen oder zusätzlichen der in Anhang 2 dargelegten Regeln und Verfahren besteht, sind die besonderen oder zusätzlichen Regeln und Verfahren in Anhang 2 maßgebend.
Ein Unterschied zwischen dem DSU und den unter die Vereinbarung fallenden Übereinkommen existiert nur dort, wo die Bestimmungen des DSU und die der besonderen oder zusätzlichen Regeln der unter die Vereinbarung fallenden Übereinkommen sich nicht gegenseitig ergänzen. Sie sind gegenseitig unvereinbar, wenn die Erfüllung der einen Vorschrift zur Verletzung der anderen führt.28 Insgesamt sind die im DSU und den übrigen WTO-Übereinkommen ausdrücklich formulierten Regeln primäre Rechtsquelle für die Streitbeilegungsorgane.
II. Völkergewohnheitsrecht Das Völkergewohnheitsrecht besteht aus Rechtssätzen, die sich in direktem Rechtsverkehr zwischen den Staaten gebildet haben, und zwar in dem Bewusstsein, dass Recht erzeugt, festgestellt oder bestätigt wird. Die Rechtserzeugung des Gewohnheitsrechts setzt eine tatsächliche „Übung“, eine Staatenpraxis voraus.29 Für die Streitbeilegungsorgane der WTO hat das Völkergewohnheitsrecht insbesondere im Hinblick auf die Vertragsauslegung eine besondere Bedeutung. Die Verfahrensbestimmungen des DSU sind – wie Rechtsbestimmungen allgemein in internationalen Übereinkommen – sehr grundsätzlich und nicht immer eindeutig formuliert. In Bezug auf einzelne verfahrensrechtliche Streitfragen ist daher häufig eine Auslegung der einschlägigen Bestimmungen erforderlich.30 27
Vgl. Anhang 2 des DSU. Appellate Body Report in Guatemala – Anti-Dumping Investigation Regarding Portland Cement from Mexico, WTO-Dok. WT/DS60/AB/R Rn. 65 f. 29 Ausführlich Dahm/Delbrück/Wolfrum, S. 55 ff.; Ipsen, Völkerrecht, § 16. 30 WTO Secretariat, Handbook, S. 3; Bartels, S. 515. 28
C. Rechts- und Hilfsquellen
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Bereits Ende der 80er Jahre wurden in der Spruchpraxis des GATT 1947 die allgemeinen völkervertragsrechtlichen Auslegungsgrundsätze stärker beachtet.31 Dieses Vorgehen ist nunmehr in Art. 3 Abs. 2 des DSU ausdrücklich festgelegt: Das Streitbeilegungssystem der WTO ist ein zentrales Element zur Schaffung von Sicherheit und Vorhersehbarkeit im multilateralen Handelssystem. Die Mitglieder erkennen an, dass es dazu dient, die Rechte und Pflichten der Mitglieder aus den unter die Vereinbarung fallenden Übereinkommen zu bewahren und die geltenden Bestimmungen dieser Übereinkommen im Einklang mit den herkömmlichen Regeln der Auslegung des Völkerrechts zu klären.32
Während herkömmliche völkerrechtliche Auslegungsregeln normalerweise ungeschrieben sind,33 enthält gleichwohl die Wiener Vertragsrechtskonvention34 einige gewohnheitsrechtlich anerkannte Bestimmungen zur Vertragsauslegung. So gehören Art. 31 bis 33 der Wiener Vertragsrechtskonvention35 zu den allgemeinen völkergewohnheitsrechtlichen Interpretationsregeln.36 31
Tietje, in: Prieß/Berrisch, S. 33 Rn. 50. Hervorhebung der Verfasserin. 33 WTO Secretariat, Handbook, S. 4. 34 Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969, veröffentlicht in Bundesgesetzblatt 1985 II, S. 926, abgedruckt in Sartorius II (Beck Verlag), Internationale Verträge – Europarecht, Text Nr. 320. 35 Wiener Vertragsrechtskonvention Abschnitt 3: Auslegung von Verträgen Art. 31 Allgemeine Auslegungsregel 1. Ein Vertrag ist nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Zieles und Zweckes auszulegen. 2. Für die Auslegung eines Vertrages bedeutet der Zusammenhang außer dem Vertragswortlaut samt Präambel und Anlagen jede sich auf den Vertrag beziehende Übereinkunft, die zwischen allen Vertragsparteien anlässlich des Vertragsabschlusses getroffen wurde; jede Urkunde, die von einer oder mehreren Vertragsparteien anlässlich des Vertragsabschlusses abgefasst und von den anderen Vertragsparteien als eine sich auf den Vertrag beziehende Urkunde angenommen wurde. 3. Außer dem Zusammenhang sind in gleicher Weise zu berücksichtigen jede spätere Übereinkunft zwischen den Vertragsparteien über die Auslegung des Vertrags oder die Anwendung seiner Bestimmungen; jede spätere Übung bei der Anwendung des Vertrags, aus der die Übereinstimmung der Vertragsparteien über seine Auslegung hervorgeht; jeder in den Beziehungen zwischen den Vertragsparteien anwendbare einschlägige Völkerrechtssatz. Eine besondere Bedeutung ist einem Ausdruck beizulegen, wenn feststeht, dass die Vertragsparteien dies beabsichtigt haben. Art. 32 Ergänzende Auslegungsmittel Ergänzende Auslegungsmittel, insbesondere die vorbereitenden Arbeiten und die Umstände des Vertragsschlusses, können herangezogen werden, um die sich unter 32
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Teil 2: Grundlagen der Streitbeilegung
In US – Standards for Reformulated and Conventional Gasoline stellte der Appellate Body fest, dass die in Art. 31 der Wiener Vertragsrechtskonvention enthaltene „allgemeine Auslegungsregel“ den Status eines gewohnheitsmäßigen oder generellen internationalen Rechts erlangt hat und auf sie von allen Streitparteien und Drittbeteiligten – wenn auch nicht immer in Bezug auf denselben Aspekt – verwiesen worden ist. Als internationales Recht sei die „allgemeine Auslegungsregel“ Teil der „herkömmlichen Regeln der Auslegung des Völkerrechts“ nach Art. 3 Abs. 2 des DSU, die bei der Klärung der geltenden Bestimmungen der WTO-Übereinkommen anzuwenden seien. Das Recht der WTO sei demnach vom allgemeinen Völkerrecht nicht isoliert zu betrachten.37 Im Zusammenhang mit der Anwendung der „herkömmlichen Regeln der Auslegung des Völkerrechts“ führte der Appellate Body in Japan – Taxes on Alcoholic Beverages aus, nach Art. 31 der Wiener Vertragsrechtskonvention stelle der Vertragswortlaut die Grundlage bzw. das Fundament der Interpretation dar.38 In India – Patent Protection for Pharmaceutical and Agricultural Chemical Products – Complaint by the United States konkretisierte der Appellate Body, im Rahmen der Vertragsinterpretation seien der Vertragswortlaut zu untersuchen und die Intention der Vertragsparteien zu bestimmen. Dies solle in Übereinstimmung mit den Prinzipien der Vertragsauslegung in Art. 31 der Wiener Vertragsrechtskonvention geschehen. Nach diesen AusAnwendung des Artikel 31 ergebende Bedeutung zu bestätigen oder die Bedeutung zu bestimmen, wenn die Auslegung nach Artikel 31 a) die Bedeutung mehrdeutig oder dunkel lässt oder b) zu einem offensichtlich sinnwidrigen oder unvernünftigen Ergebnis führt. Art. 33 Auslegung von Verträgen mit zwei oder mehr authentischen Sprachen Ist ein Vertrag in zwei oder mehr Sprachen als authentisch festgelegt worden, so ist der Text in jeder Sprache in gleicher Weise maßgebend, sofern nicht der Vertrag vorsieht oder die Vertragsparteien vereinbaren, dass bei Abweichungen ein bestimmter Text vorgehen soll. Eine Vertragsfassung in einer anderen Sprache als einer der Sprachen, deren Text als authentisch festgelegt wurde, gilt nur dann als authentischer Wortlaut, wenn der Vertrag dies vorsieht oder die Vertragsparteien dies vereinbaren. Es wird vermutet, dass die Ausdrücke des Vertrags in jedem authentischen Text dieselbe Bedeutung haben. Außer in Fällen, in denen ein bestimmter Text nach Absatz 1 vorgeht, wird, wenn ein Vergleich der authentischen Texte einen Bedeutungsunterschied aufdeckt, der durch die Anwendung der Artikel 31 und 32 nicht ausgeräumt werden kann, diejenige Bedeutung zugrunde gelegt, die unter Berücksichtigung von Ziel und Zweck des Vertrags die Wortlaute am besten miteinander in Einklang bringt. 36 Ipsen, Völkerrecht, Vor § 9 Rn. 5. 37 WTO-Dok. WT/DS2/AB/R Rn. 17. 38 WTO-Dok. WT/DS8/AB/R, WT/DS10/AB/R, WT/DS11/AB/R Rn. 11.
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legungsregeln sei das Einfügen von Worten, die im Vertrag nicht enthalten sind, nicht erlaubt. Gleiches gelte für Intentionen, die nicht bezweckt seien. Sowohl Panels als auch der Appellate Body hätten sich von den Regeln der Vertragsinterpretation in Art. 31 der Wiener Vertragsrechtskonvention leiten zu lassen und dürften die in den WTO-Übereinkommen enthaltenen Rechte oder Pflichten nicht ergänzen oder einschränken.39 In EC – Measures Concerning Meat and Meat Products (Hormones) wiederholte der Appellate Body seine Ausführungen in India – Patent Protection for Pharmaceutical and Agricultural Chemical Products – Complaint by the United States. Die grundlegende Regel der Vertragsinterpretation verpflichte dazu, den tatsächlichen Wortlaut in dem zu untersuchenden Übereinkommen zu lesen und auszulegen. Dabei sollten nicht Worte interpretiert werden, die tatsächlich nicht verwandt wurden, aber nach Ansicht des Interpretierenden hätten verwandt werden sollen.40 Weiter stellte der Appellate Body in Japan – Taxes on Alcoholic Beverages und in EC – Customs Classification of Certain Computer Equipment fest, dass Art. 32 der Wiener Vertragsrechtskonvention, der die ergänzenden Auslegungsmittel zum Gegenstand hat, denselben Status wie Art. 31 hat.41 In US – Standards for Reformulated and Conventional Gasoline betrachtete der Appellate Body das Prinzip der effektiven Vertragsinterpretation (ut res magis valeat quam pereat) als eine der logischen Konsequenzen der allgemeinen Auslegungsregel der Wiener Vertragsrechtskonvention. Im Rahmen der Auslegung einer Bestimmung müsse allen in diesem Vertrag enthaltenen Regelungen Bedeutung zukommen. Dabei sei unzulässig, eine Lesart anzunehmen, die im Ergebnis dazu führe, dass ganze Klauseln und Sätze eines Vertrages überflüssig oder unnütz würden. Ein Vertrag müsse als Einheit gelesen werden.42 Wiederholt wurde diese Ansicht in Korea – Definitive Safeguard Measure on Imports of Certain Dairy Products und Argentina – Safeguard Measures on Imports of Footwear.43 Bei der Auslegung der Bestimmungen des DSU sind also – aufgrund der Anwendung völkergewohnheitsrechtlich anerkannter Auslegungsregeln – neben dem Wortlaut als primärem Interpretationsmittel auch der Kontext des Abkommens, Sinn und Zweck der einschlägigen Norm sowie als ergänzen39
WTO-Dok. WT/DS50/AB/R Rn. 45 f. WTO-Dok. WT/DS26/AB/R, WT/DS48/AB/R Rn. 181. 41 WTO-Dok. WT/DS8/AB/R, WT/DS10/AB/R, WT/DS11/AB/R Rn. 31; WTO-Dok. WT/DS62/AB/R, WT/DS67/AB/R, WT/DS68/AB/R Rn. 86, 92. 42 WTO-Dok. WT/DS2/AB/R Rn. 23. 43 WTO-Dok. WT/DS98/AB/R Rn. 81 ff.; WTO-Dok. WT/DS121/AB/R Rn. 81. 40
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Teil 2: Grundlagen der Streitbeilegung
des Mittel der Vertragsauslegung die Entstehungsgeschichte und die Umstände des Vertragsschlusses heranzuziehen.44
III. Allgemeine Rechtsgrundsätze Völkerrechtliche allgemeine Rechtsgrundsätze sind solche, die in den nationalen Rechtsordnungen von grundlegender Bedeutung sind und aufgrund ihres Regelungsbereiches auf die zwischenstaatlichen Beziehungen übertragen werden können. Dabei handelt es sich folglich nicht um allgemeine Grundsätze des Völkerrechts, die dem Völkergewohnheitsrecht zugehören, sondern um im Wege der Rechtsvergleichung zu ermittelnde Prinzipien, die in den verschiedenen Rechtsordnungen ihren Ursprung haben.45 Als allgemeine Rechtsgrundsätze in prozessualer Hinsicht sind zu nennen das Recht auf Gehör, die Prozessökonomie, die Zulässigkeit des indirekten Beweises und die Beweislast auf Seiten der Partei, die ihren Vortrag auf die zu beweisenden Tatsachen stützt.46 In der Spruchpraxis der WTO-Streitbeilegungsorgane wurde wiederholt auf diese prozessualen allgemeinen Rechtsgrundsätze Bezug genommen47 bzw. wurden diese ohne weiteres im Rahmen der Entscheidungen vorausgesetzt. Dieser Rückgriff ermöglicht die Klärung von prozessrechtlichen Fragen, die im DSU nicht geregelt sind. Auf die konkreten Inhalte der oben bezeichneten allgemeinen Rechtsgrundsätze wird später im Detail eingegangen.48
IV. Berichte der (GATT-)Panels und des Appellate Body Das Statut des Internationalen Gerichtshofs nennt als hilfsweise heranzuziehende Rechtsquelle auch Entscheidungen der Gerichtsbarkeit. Da die Entscheidungen der Streitbeilegungsorgane nicht Teil der unter das DSU fallenden Übereinkommen nach Anhang 2 sind, ist die Frage nach ihrer Bedeutung für die Entscheidungspraxis auch in der WTO von zentraler Bedeutung.49 Stellen vorangegangene Berichte von Panels oder dem 44 Ohlhoff, in: Prieß/Berrisch, S. 692 Rn. 25; vgl. auch Cameron/Gray, S. 254 ff.; Ehlermann, JIEL 2003, 695, 698 ff.; McRae, JIEL 2003, 709, 710 ff.; Shanker, S. 723 ff. 45 Ausführlich Dahm/Delbrück/Wolfrum, S. 62 ff.; Ipsen, Völkerrecht, § 17. 46 Sandrock, S. 65 ff., S. 150 ff. 47 Bartels, S. 515 f.; Cameron/Gray, S. 252. 48 s. hierzu im Einzelnen Teil 3 A. V., D. II. und D. IV. 4. 49 Palmeter/Mavroidis, § 3.03, S. 51.
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Appellate Body Präzedenzfälle ähnlich der „precedents“ im US-amerikanischen Recht50 dar? Haben sie bindende Wirkung, wenn in einem späteren Verfahren zwischen denselben oder verschiedenen Mitgliedern die gleiche Rechtsfrage auftritt? Zu unterscheiden ist zwischen der Behandlung von Berichten der Panels unter dem GATT 1947 und der Behandlung von Berichten der Streitbeilegungsorgane der WTO.51 1. Berichte der GATT-Panels Das Streitbeilegungssystem der WTO beruht auch nach den grundlegenden Veränderungen durch die Uruguay-Runde zu großen Teilen auf den früheren Streitbeilegungsgrundsätzen des GATT, deren Verfahren und Praxis sich in einem halben Jahrhundert entwickelt haben.52 Art. XVI:1 des WTO-Abkommens verpflichtet die WTO auf „institutionelle Kontinuität im Hinblick auf den acquis des GATT 1947“53: Sofern in diesem Übereinkommen oder in den Multilateralen Handelsübereinkommen nichts anderes vorgesehen ist, lässt sich die WTO von den Beschlüssen, Verfahren und üblichen Praktiken der VERTRAGSPARTEIEN des GATT 1947 sowie der im Rahmen des GATT 1947 eingesetzten Organe leiten.
Darüber hinaus führt Art. 3 Abs. 1 des DSU aus: Die Mitglieder bekräftigen die Einhaltung der Grundsätze über die Streitbeilegung, die bisher aufgrund der Art. XXII und XXIII des GATT 1947 angewendet und hierin weiterentwickelt und abgeändert wurden.
Damit ist die frühere Praxis unter dem GATT 1947 im System der WTO nicht unbedeutend. Regelmäßig zogen bereits GATT-Panels frühere Berichte aus vorangegangenen Verfahren als Leitlinien bei der Interpretation von Bestimmungen des GATT 1947 heran.54 Zu der Frage, ob Panels und der Appellate Body dieser Praxis folgen sollten, nahm der Appellate Body in Japan – Taxes on Alcoholic Beverages Stellung. Zuvor hatte das Panel in der erstinstanzlichen Entscheidung die Ansicht vertreten, dass frühere Berichte von Panels, die von den Vertragsparteien des GATT 1947 angenommen wurden, sowohl eine von Annex 1A des GATT 1994 als integraler Bestandteil des GATT 1994 erfasste Entscheidung der Vertragsparteien und damit einen Teil der „erfassten Überein50 51 52 53 54
Hay, Kapitel 1 B II. Chua, Precedent and Principals, S. 171. WTO Secretariat, Handbook, S. 1. Ohlhoff, in: Prieß/Berrisch, S. 691 Rn. 25. Ebd., S. 693 Rn. 30.
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kommen“ als auch eine spätere Übung im Sinne von Art. 31 Abs. 3 lit. b) der Wiener Vertragsrechtskonvention darstellen.55 Dieser Auffassung folgte der Appellate Body nicht: Mit Art. XVI:1 des WTO Übereinkommens und Annex 1A des GATT 1994, die das GATT 1947 in das WTO-Übereinkommen inkorporieren, werde die rechtliche Geschichte und Übung unter dem GATT 1947 in das neue Reich der WTO überführt, so dass Kontinuität und Übereinstimmung sichergestellt sei. Dies bestätige die Bedeutung der früheren (Spruch-)Praxis für die WTO-Mitglieder und trage der fortwährenden Bedeutung im neuen System der Welthandelsorganisation Rechnung. Angenommene Panelberichte stellten einen wichtigen Teil des GATT acquis dar. Sie seien oftmals von späteren Panels berücksichtigt worden, schafften legitime Erwartungen bei den WTO-Mitgliedern und sollten daher dort, wo sie für eine Streitigkeit von Bedeutung seien, hinzugezogen werden. Jedoch entfalteten sie – abgesehen von der Lösung der einzelnen Streitigkeit zwischen den Konfliktparteien – keine rechtliche Bindungswirkung. Ihr Charakter und ihr rechtlicher Status habe sich durch das Inkrafttreten der WTO nicht geändert. Aus diesem Grund stimme er hinsichtlich angenommener Panelberichte nicht mit der Ansicht des Panel überein. Jedoch sei er derselben Auffassung wie das Panel, was die nichtangenommenen Panelberichte angehe. Diese hätten sowohl im GATT als auch in der WTO keinen „rechtlichen Status“, da sie von den Vertragsmitgliedern nicht angenommen wurden. Dennoch könne ein Panel in den Begründungen der relevanten nichtangenommenen Panelberichte eine brauchbare Anleitung finden.56 Diesen Standpunkt bestätigte der Appellate Body in späteren Entscheidungen.57 Die Ansicht des Appellate Body überzeugt. Allein durch die Fortentwicklung des GATT zur WTO kann sich die rechtliche Stellung der angenommenen Berichte der GATT-Panels nicht ändern und ihnen ein höheres Gewicht beigemessen werden als zuvor. Sie werden durch das Inkrafttreten der WTO – wie jedoch vom Panel in oben genanntem Fall angenommen – nicht zu zwingendem Vertragsrecht. Ein darauf gerichteter Wille der Mitgliedstaaten ist nicht erkennbar. Die Berichte der GATT-Panels stellen auch keine precedents im vorbezeichneten Sinne dar. Der Appellate Body hat sich in oben genanntem Fall indirekt von einem angloamerikanischen Ansatz der Rechtsfindung 55
WTO-Dok. WT/DS8/R, WT/DS10/R, WT/DS11/R Rn. 6.10. WTO-Dok. WT/DS8/AB/R, WT/DS10/AB/R, WT/DS11/AB/R S. 14 f. 57 Appellate Body Report US – Anti Dumping Act of 1916, WTO-Dok. WT/ DS136/AB/R, WT/DS162/AB/R. 56
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und Rechtserzeugung distanziert.58 Denn es ist späteren Panels theoretisch immer noch möglich, anders zu entscheiden und von der bisherigen Spruchpraxis abzuweichen. Nichts anderes ergibt sich aus den Bestimmungen des DSU. Gleichwohl kommt der bestehenden (GATT-)Spruchpraxis eine erhebliche faktische Bedeutung zu. Dies hat auch der Appellate Body festgehalten, indem er ausführte, die angenommenen Panelberichte schafften eine legitime Erwartung bei den WTO-Mitgliedern und sollten dort, wo sie relevant seien, berücksichtigt werden.59 Wenn also einem Panel oder dem Appellate Body die rechtliche Begründung in einem (GATT-)Panelbericht überzeugend erscheint, ist es sehr wahrscheinlich und auch angemessen, dass sie diese Begründung übernehmen und so der bisherigen Spruchpraxis folgen. Auf diese Weise bieten die früheren Berichte den Streitbeilegungsorganen Anleitung und Argumentationserleichterung, so dass sie nicht immer wieder eine aufwendige (vermeintlich neue) Begründung zu liefern haben. Diese Vorgehensweise ist legitim und erfüllt gleichzeitig das Ziel des Streitbeilegungssystems gemäß Art. 3 Abs. 2 des DSU, Sicherheit und Vorhersehbarkeit im multilateralen Handelssystem sicherzustellen.60 Insgesamt stellen daher die Berichte der früheren GATT-Panels kein „völliges Nullum“ dar. Zwar entfalten sie keine rechtliche Bindungswirkung, sind aber doch faktisch von großer Bedeutung. 2. Berichte der WTO-Panels und des Appellate Body Die Frage nach der Bedeutung bereits angenommener Berichte der WTOPanels und des Appellate Body ist bislang in keiner Entscheidung der WTO-Streitbeilegungsorgane ausdrücklich angesprochen worden.61 Der oben bezeichnete überzeugende Standpunkt des Appellate Body hinsichtlich der angenommenen Panelberichte unter dem GATT lässt sich auch auf die Berichte der Panels und des Appellate Body in der neu geschaffenen Welthandelsorganisation übertragen.62 58
Hilpold, S. 33. s. auch Cameron/Gray, S. 272 ff. 60 Ebd. 61 Palmeter/Mavroidis, § 3.03, S. 55. 62 Ohlhoff, in: Prieß/Berrisch, S. 694 Rn. 34; Palmeter/Mavroidis, § 3.03, S. 55; Appellate Body Report, US – Import Prohibition of Certain Shrimp and Shrimp Products – Recourse to Art. 21.5 by Malaysia, WTO-Dok. WT/DS58/AB/RW Rn. 108 f. 59
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Teil 2: Grundlagen der Streitbeilegung
Die Frage der Bindungswirkung von GATT-Entscheidungen stellte sich vor dem Hintergrund, dass diese im Konsens der Mitgliedstaaten verabschiedet und damit von allen Mitgliedern angenommen wurden. Dies ist bei den Entscheidungen der WTO-Streitbeilegungsorgane aufgrund des nunmehr geltenden negativen Konsensprinzips nicht der Fall. Berichte werden heute automatisch angenommen, ohne dass hierfür eine Annahmeerklärung aller Mitgliedstaaten vorliegen muss.63 So kann in einem „Erstrecht“-Schluss gefolgert werden, dass die Berichte der WTO-Panels und des Appellate Body keine rechtliche Bindungswirkung für spätere Panels entfalten. Dies ist auch überzeugend, da allein die Mitgliedstaaten im Rahmen einer einvernehmlichen Entscheidung berechtigt sind, ihre Rechte und Pflichten zu begründen, einzuschränken oder aufzuheben, und die Streitbeilegungsorgane darauf „beschränkt“ sind, Streitigkeiten beizulegen.64 Insoweit gelten die obigen Ausführungen zu den Berichten der GATTPanels auch in Bezug auf die der WTO-Streitbeilegungsorgane. Die Panels haben die Freiheit, sich der bisherigen Spruchpraxis anzuschließen oder eine eigene rechtliche Argumentation zu entwickeln. Hinzu kommt, dass der als ständiges Gremium eingerichtete Appellate Body nicht starr und fest an seine früheren Entscheidungen gebunden ist.65 Dies entspricht dem kontinentaleuropäischen Ansatz. Entscheidungen des DSB haben daher keine allgemeinverbindliche Geltung und können die Rechte und Pflichten der Mitglieder weder ergänzen noch einschränken. Das Streitbeilegungssystem des DSU kennt folglich keine „präjudizielle Wirkung im technischen Sinne“.66 Gleichwohl entfaltet die bestehende Spruchpraxis der Panels und des Appellate Body legitime Erwartungen unter den Mitgliedern, so dass sie – ebenso wie die Entscheidungen der GATT-Panels – dort, wo sie relevant sind, in Bezug genommen werden (sollen).67
63
s. Art. 16 des DSU. Art. 3 Abs. 2 des DSU; s. auch Teil 2 A. 65 WTO Secretariat, Handbook, S. 91. 66 Ohlhoff, in: Prieß/Berrisch, S. 694 Rn. 34. 67 Palmeter/Mavroidis, § 3.03, S. 56; s. zur „Präzedenzwirkung“ auch Chua, Leiden JIL 1998, 45; Lanye, S. 221; Martha, Netherlands ILR 1997, 346. 64
D. Sicherheit und Vorhersehbarkeit im Multilateralen Handelssystem
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D. Sicherheit und Vorhersehbarkeit im Multilateralen Handelssystem Ein zentrales Ziel des WTO-Streitbeilegungssystems ist die Schaffung von Sicherheit und Vorhersehbarkeit im multilateralen Handelssystem.68 Art. 3 Abs. 2 Satz 1 und 2 des DSU bestimmen: Das Streitbeilegungssystem der WTO ist ein zentrales Element zur Schaffung von Sicherheit und Vorhersehbarkeit im multilateralen Handelssystem. Die Mitglieder erkennen an, dass es dazu dient, die Rechte und Pflichten der Mitglieder aus den unter die Vereinbarung fallenden Übereinkommen zu bewahren und die geltenden Bestimmungen dieser Übereinkommen im Einklang mit den herkömmlichen Regeln der Auslegung des Völkerrechts zu klären.
In Japan – Taxes on Alcoholic Beverages machte der Appellate Body grundsätzliche Ausführungen über die Regeln der Welthandelsorganisation und den Begriff der „Sicherheit und Vorhersehbarkeit“. Die Regeln der Welthandelsorganisation seien zuverlässig, verständlich und durchsetzbar. Sie seien nicht so strikt und starr, dass sie nicht ausreichend Raum für begründete richterliche Entscheidungen böten, die mit einem immerwährenden und ständigen Wechsel der tatsächlichen Gegebenheiten in der realen Welt konfrontiert seien. Die Vertragsregeln dienten dem multilateralen Handelssystem am besten, wenn sie vor diesem Hintergrund interpretiert würden. In diesem Sinne werde die im multilateralen Handelssystem durch die Mitglieder der WTO ersuchte „Sicherheit und Vorhersehbarkeit“ mit der Errichtung des Streitbeilegungssystems erreicht.69 In US – Sections 301--310 of the Trade Act of 1974 führte das Panel aus, Sicherheit und Vorhersehbarkeit im multilateralen Handelssystem sei zentrales Element und Zweck des Systems und fördere das Erreichen breiter Ziele der Präambel. Das Streitbeilegungsübereinkommen sei eines der wichtigsten Instrumente innerhalb der WTO, die Sicherheit und Vorhersehbarkeit des multilateralen Handelssystem und dadurch auch die des Weltmarktes und seiner verschiedenen Akteure zu bewahren. Folglich müssten die Vorschriften des DSU im Lichte dieses Ziels und Zwecks interpretiert werden sowie in einer Weise, die dies am effektivsten steigere. In dieser Hinsicht verweise das Panel nicht nur auf die Formulierung der Präambel, sondern auch auf die positiven Rechtsvorschriften im DSU.70 Die Schaffung von Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit wäre ausgeschlossen, wenn die Streitbeilegungsorgane der WTO ihre frühere Ent68 69 70
WTO Secretariat, Handbook, S. 2. WTO-Dok. WT/DS8//AB/R, WT/DS10/AB/R, WT/DS11/AB/R Rn. 31. WTO-Dok. WT/DS125/R Rn. 7.75.
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Teil 2: Grundlagen der Streitbeilegung
scheidungspraxis in ähnlichen Konstellationen unberücksichtigt ließen. In den ersten Jahren des neuen Streitbeilegungssystems hat sich daher die Übung entwickelt, bei der Entscheidungsfindung die bereits bestehende Judikatur in hohem Maße heranzuziehen und so eine konstante Praxis zu entwickeln.71 Die „Sicherheit und Vorhersehbarkeit“ bezieht sich damit auch auf die Anwendung der Verfahrensvorschriften im Streitbeilegungsübereinkommen. Diese Vorschriften werden durch die nicht ständigen Panelmitglieder angewandt, was einen gewissen Unsicherheitsfaktor beinhaltet. Hier spielt das Sekretariat eine bedeutende Rolle. Gemäß Art. 27 Abs. 1 des DSU hat es u. a. folgende Aufgabe: Das Sekretariat ist dafür verantwortlich, die Panels zu unterstützen, insbesondere in bezug auf die rechtlichen Hintergründe, die Vorgeschichte und Verfahrensfragen der behandelten Angelegenheiten; es leistet Sekretariatsarbeit und technische Unterstützung.
Das Sekretariat hilft damit den Panels bei der Prüfung des WTO-Rechts und sorgt für eine einheitliche Entscheidungspraxis und die konstante, verlässliche Anwendung der Verfahrensvorschriften. Da die Panels im Gegensatz zum Appellate Body, der für eine gewisse Konstanz in der Judikatur steht, nur ad hoc eingesetzt werden und ihnen so das Wissen um frühere Fälle und etablierte Verfahrensregeln unter Umständen fehlen kann, ist diese Aufgabe des Sekretariats besonders wichtig. Darüber hinaus kann es bei der Auslegung der WTO-Bestimmungen und der Handhabung der umfangreichen Vorlagen der Streitparteien behilflich sein.72 Gewöhnlich werden Panels von einem mit wesentlicher Verantwortung für den Gegenstand des Verfahrens ausgestatteten Vertreter der Legal Affairs Devision und einem Vertreter der Division of the Secretariat unterstützt. Aufgabe der Legal Affairs Devision ist es, den Panel-Mitgliedern in Bezug auf Fragen des WTO-Rechts Hinweise zu geben und das Panel dabei zu unterstützen, eine logisch zusammenhängende und folgerichtige Spruchpraxis fortzusetzen, es sei denn, das Panel entscheidet sich aus verständigen Gründen, von der vorherigen Spruchpraxis abzuweichen.73 Auf diese Weise wird gewährleistet, dass die Panels nicht das ihnen aufgrund ihrer Ausbildung in einem bestimmten Rechtskreis vertrauteste und bekannteste Verfahrensrecht anwenden, sondern das unter dem Streitbeilegungsverfahren der WTO und des früheren GATT 1947 geltende. 71 72 73
Ohlhoff, in: Prieß/Berrisch, S. 694 f. Rn. 35; Cameron/Gray, S. 260 ff. Gallagher, S. 52; WTO Secretariat, Handbook, S. 22. Palmeter/Mavroidis, § 4.08, S. 114 f.
D. Sicherheit und Vorhersehbarkeit im Multilateralen Handelssystem
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Im Rahmen der Reform des DSU wird die Einführung eines ständigen Panelspruchkörpers vorgeschlagen.74 Im Hinblick auf die „Sicherheit und Vorhersehbarkeit“ des multilateralen Handelssystems würde diese Neuerung eine erhebliche Verbesserung bringen. Denn auf diese Weise würde die Kontinuität auch im Hinblick auf die Spruchpraxis der Panels, nicht nur des Appellate Body gestärkt, der Einfluss des Sekretariats gemindert und die Legitimität der ersten Instanz vergrößert. Nicht zuletzt würde man zu schnelleren Entscheidungen gelangen, da die sich mittlerweile aufwendig gestaltende Suche geeigneter Panelisten entfiele.75
74 Vgl. hierzu Bourgeois, S. 145 ff.; Davey, JIEL 2003, 177, 177 ff.; Petersmann, JIEL 2003, 237, 241 f. 75 Davey, JIEL 2003, 177, 178 ff.
Teil 3
Tatsachenermittlung im Panel- und Rechtsmittelverfahren A. Verfahrensgrundsätze Das Streitbeilegungsverfahren der Welthandelsorganisation ist ein auf bestimmten Grundsätzen beruhendes vertraglich vereinbartes Verfahren, das der Durchsetzung der Rechte der Vertrags-Mitglieder und der Wahrung des Rechtsfriedens im multilateralen Handelssystem dient.1 In den Verfahrensgrundsätzen kommen diejenigen Wertungen in allgemeiner Form zum Ausdruck, die einzelnen Verfahrensvorschriften zugrunde liegen. Sie bilden damit das Fundament des Streitbeilegungsübereinkommens und sind zum Verständnis sowie bei der Auslegung der prozessualen Vorschriften heranzuziehen.
I. Dispositionsgrundsatz Das Streitbeilegungsverfahren der Welthandelsorganisation wird vom Dispositionsgrundsatz beherrscht.2 Dieser Grundsatz besagt, dass die Streitparteien über Beginn, Gegenstand und Ende des Verfahrens bestimmen.3 1. Beginn des Verfahrens Ist ein WTO-Mitglied der Auffassung, eine Maßnahme eines anderen Mitgliedes verletze seine Interessen, stellt es gemäß Art. 4 Abs. 3 des DSU einen Antrag auf Konsultationen. Im Falle des fruchtlosen Ablaufs dieser Konsultationen hat es das Recht auf Einsetzung eines Panels und kann einen darauf gerichteten Antrag beim Streitbeilegungsgremium stellen. Art. 4 Abs. 7 Satz 1 des DSU bestimmt: Kann eine Streitigkeit durch die Konsultationen nicht innerhalb von sechzig Tagen nach Eingang des Antrags auf Konsultationen beigelegt werden, so kann die beschwerdeführende Partei die Einsetzung eines Panels beantragen. 1 2 3
Art. 3 Abs. 2 des DSU. Im Gegensatz zum Offizialgrundsatz. Vgl. zum deutschen Zivilprozessrecht Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 76.
A. Verfahrensgrundsätze
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Damit ist es an den Mitgliedstaaten der WTO, ein Verfahren zur Streitbeilegung in Gang zu bringen. Dem Streitbeilegungsgremium der WTO ist dieses verwehrt. 2. Gegenstand des Verfahrens Die beschwerdeführende Partei hat die Verfügungsfreiheit über den Streitgegenstand. Sie bestimmt mit ihrem Antrag auf Einsetzung eines Panels gemäß Art. 6 Abs. 2 des DSU – gegebenenfalls in Absprache mit der gegnerischen Streitpartei – dessen Umfang und damit gleichzeitig den Prüfungsumfang seitens des Panels.4 Der Streitgegenstand wird im Verfahren als „Mandat des Panels“ bezeichnet und lautet gemäß Art. 7 Abs. 1 des DSU: Die Panels haben folgendes Mandat, sofern die Streitparteien nicht innerhalb von zwanzig Tagen nach Einsetzung eines Panels etwas anderes vereinbaren: „Sie prüfen im Licht der einschlägigen Bestimmungen in (Bezeichnung des/der unter die Vereinbarung fallenden Übereinkommen/s, auf das/die sich die Streitparteien beziehen) die von (Name der Partei) in Dokument . . . dem DSB unterbreitete Angelegenheit und treffen Feststellungen, die den DSB bei seinen in diesem/diesen Übereinkommen vorgesehenen Empfehlungen oder Entscheidungen unterstützen.“
Das Panel ist an dieses Mandat gebunden und darf seine Entscheidung nicht auf andere Aspekte ausdehnen.5 Der Antrag und damit der Dispositionsgrundsatz haben auch im Rechtsmittelverfahren nach Art. 17 des DSU Bedeutung. Der Appellate Body überprüft den Panelbericht nur im Hinblick auf die vorgetragenen Beschwerden.6 3. Ende des Verfahrens In das Ermessen eines WTO-Mitglieds fällt nicht nur, ein Streitverfahren in Gang zu bringen, sondern auch dessen Ende zu bewirken.7 So kann die beschwerdeführende Partei ihren Antrag zurücknehmen und auf ihn verzichten.8 Art. 12 Abs. 12 Satz 1 und 3 des DSU sieht folgende Möglichkeit vor: 4
Ebenso im deutschen Zivilprozessrecht § 308 Abs. 1 ZPO. s. zum Prüfungsumfang Teil 3 D. I. 1.; auch im deutschen Zivilprozessrecht § 308 Abs. 1 ZPO. 6 Art. 17 Abs. 12 des DSU. 7 WTO Secretariat, Handbook, S. 73. 8 Ähnlich im deutschen Zivilprozessrecht §§ 269, 306 ZPO. 5
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Teil 3: Tatsachenermittlung im Panel- und Rechtsmittelverfahren
Das Panel kann seine Arbeit jederzeit auf Antrag der beschwerdeführenden Partei für einen Zeitraum von höchstens zwölf Monaten aussetzen. [. . .] Wird die Arbeit des Panels für mehr als zwölf Monate ausgesetzt, so erlischt die Genehmigung für die Einsetzung des Panels.
Es ist auch möglich, dass die Streitparteien im Laufe des Prozesses zu einer gütlichen Einigung gelangen und einen Vergleich abschließen.9 Art. 12 Abs. 7 Satz 3 des DSU setzt diesen Fall der Streitbeilegung voraus und bestimmt: Konnte die zwischen den Parteien streitige Angelegenheit bereinigt werden, so beschränkt sich der Bericht des Panels auf eine kurze Beschreibung des Falles und auf die Feststellung, dass eine Lösung gefunden wurde.
Ebenso kann diejenige Partei, die Rechtsmittel zum Appellate Body erhoben hat, diese Beschwerde zurücknehmen.10 Insgesamt bezieht sich die Verfügungsfreiheit der Parteien jedoch nur auf die Einleitung und die Beendigung des Verfahrens, nicht auch auf seinen Ablauf im Einzelnen. Der Prozessbetrieb liegt im Verantwortungsbereich des eingesetzten Panels.11 Die Prozessleitung durch das Panel schränkt die Eigenverantwortung der Parteien für die Prozessführung ein, ändert aber nichts an ihrer Dispositionsfreiheit.12
II. Verhandlungsgrundsatz 1. Abgrenzung Verhandlungsgrundsatz – Untersuchungsgrundsatz Die Sachverhaltsfeststellung und die damit verbundene Wahrheitsfindung in einem gerichtlichen Verfahren ist auf zweierlei Wegen denkbar. Zum einen kann der Spruchkörper alle für die Urteilsfindung notwendigen Tatsachen von Amts wegen erforschen (Untersuchungs- oder Amtsermittlungsgrundsatz). Zum anderen kann es den Parteien überlassen sein, die Tatsachengrundlage des Urteils zu bestimmen (Verhandlungs- oder Beibringungsgrundsatz).13 9
Vergleiche im deutschen Zivilprozessrecht §§ 794 Abs. 1 Nr. 1, 91 a ZPO. Rule 30 (1) der Working Procedures for Appellate Review, dated 1 May 2003, WTO-Dok. WT/AB/WP/7, im Internet unter www.wto.org. 11 Palmeter/Mavroidis, § 4.06, S. 108. 12 Ebenso im deutschen Zivilprozessrecht § 139 ZPO; Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 76. 13 Zum deutschen Zivilprozessrecht Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 77; Schellhammer, Teil 4, Kapitel 3. 10
A. Verfahrensgrundsätze
49
Während der Untersuchungsgrundsatz in Verfahren Anwendung findet, in denen ein öffentliches, hoheitliches, übergeordnetes Interesse an der Aufklärung der Wahrheit besteht, mit der Folge, dass das Gericht den Streitstoff selbst aufzuklären hat, die Feststellungsbedürftigkeit und die Feststellung der Tatsachen also nicht von dem Parteiverhalten abhängig ist, muss der Spruchkörper im Geltungsbereich des Verhandlungsgrundsatzes nur über die streitigen tatsächlichen Behauptungen der Parteien Beweis erheben.14 2. Einordnung des WTO-Streitbeilegungsverfahrens Auf welche grundsätzliche Art und Weise die Sachverhaltsermittlung im Streitbeilegungsverfahren der WTO erfolgt, ist im DSU nicht geregelt. Art. 13 Abs. 1 Satz 1 des DSU bestimmt: Jedes Panel hat das Recht, von jeder Einzelperson oder jedem Gremium, die es für geeignet hält, Informationen oder fachlichen Rat einzuholen.
Und Abs. 2 Satz 1 des Art. 13 des DSU lautet weiter: Die Panels können von jeder einschlägigen Stelle Informationen erbitten und Sachverständige befragen, um deren Gutachten zu bestimmten Aspekten der Angelegenheit einzuholen.
Art. 13 des DSU scheint auf den ersten Blick den Amtsermittlungsgrundsatz vorzusehen. Allein aus dieser Norm kann aber nicht die Geltung dieses Grundsatzes abgeleitet werden.15 Vielmehr sind für die Bestimmung des einschlägigen Verfahrensgrundsatzes der Wortlaut und die systematische Stellung des Art. 13 im Gesamtkontext des DSU, die anderen Verfahrensvorschriften sowie Zweck und Ziel des WTO-Streitbeilegungsverfahrens zu betrachten. Art. 13 Abs. 1 des DSU spricht von dem Recht und nicht von der Pflicht eines Panels. Letzterer Begriff hätte aber eigentlich verwandt werden müssen, sollte aus dieser Norm die Geltung des Amtsermittlungsgrundsatzes geschlossen werden. Weiter steht Art. 13 des DSU nicht vor den übrigen für das Panelverfahren einschlägigen Vertragsbestimmungen und enthält keine grundsätzliche Formulierung dahingehend, dass die Parteien für die Beibringung der Tatsachen und Beweise im WTO-Streitbeilegungsverfahren nicht verantwortlich sind, und dass es alleinige Aufgabe eines Panels sei, den Sachverhalt zu ermitteln. Vielmehr geht aus dem Wortlaut und der systematischen Stellung des Art. 13 im DSU hervor, dass mit ihm nur ein Teilaspekt geregelt ist und er 14 15
Zum deutschen Zivilprozessrecht Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 77 Rn. 44. So aber Letzel, S. 276.
50
Teil 3: Tatsachenermittlung im Panel- und Rechtsmittelverfahren
keinen für das gesamte Verfahren geltenden Verfahrensgrundsatz aufzustellen vermag. Mit Art. 13 wird dem Panel „lediglich“ die Befugnis zur eigenen Sachverhaltsermittlung eingeräumt. Dies ist – einen entsprechenden Willen der Mitgliedsstaaten vorausgesetzt – erforderlich, da sich ein Panel dieses weitgehende Recht ohne vertragliche Grundlage nicht selbst einräumen könnte. Darüber hinaus dient der Panelprozess in erster Linie den Interessen der Streitparteien, der Durchsetzung ihrer Rechte aus den von der WTO umfassten Übereinkommen. Erst als Folge ergibt sich eine Stärkung des multilateralen Handelssystems. Da also das Streitbeilegungsübereinkommen geschaffen wurde, um den Mitgliedstaaten ein Regelwerk an die Hand zu geben, das im Falle einer Vertragsverletzung in Anspruch genommen werden kann, tragen die Streitparteien eine hohe Verantwortung im Verfahren und damit einhergehend auch die für den vollständigen Vortrag des entscheidungserheblichen Sachverhalts.16 Letzteres ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus dem Vertrag, jedoch setzen die Streitbeilegungsorgane dies als selbstverständlich voraus, indem sie bereits zur Beweislast der Streitparteien Stellung genommen haben.17 Diese Ausführungen wären überflüssig und deplaziert, würde im WTO-Streitbeilegungsverfahren der Amtsermittlungsgrundsatz gelten. Dass die Parteien grundsätzlich für die Einführung des Streitstoffes in den Prozess zu sorgen haben, entspricht darüber hinaus auch einem praktischen Bedürfnis. Ein Panel wäre bei der Fülle und Komplexität der ihm unterbreiteten Rechtsstreitigkeiten nicht in der Lage, den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären. Unter der Geltung des Untersuchungsgrundsatzes wäre ein Panel in erheblichem Umfang auf die Mitwirkung der Beteiligten angewiesen, da es den Sachverhalt meist nur im Rahmen des Sachvortrags aufklären könnte, sofern sich eine weitere Aufklärung nicht aus beigezogenen Unterlagen aufdrängt.18 Auch unter dem Aspekt der Wahrheitsfindung ist der Verhandlungsgrundsatz besonders zweckmäßig, weil die Wahrheit durch die Zusammenschau des Vortrags beider Parteien auf einfachere Weise offenkundig wird als durch eine vollständige Untersuchung des Panels. Die subjektiven und gegensätzlichen Interessen der Streitparteien führen dazu, dass der erhebliche Tatsachenstoff insgesamt vollständiger beigebracht und aufgeklärt wird als 16 17 18
Vgl. Gallagher, S. 29; Palmeter/Mavroidis, § 4.09, S. 116. s. hierzu im Detail Teil 3 D. IV. 4. Vgl. zum deutschen Zivilprozessrecht Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 77.
A. Verfahrensgrundsätze
51
dies aufgrund einer Sachverhaltsaufklärung von Amts wegen möglich wäre,19 die in internationalen Verfahren zu einer Blockadehaltung des betroffenen Staates führen könnte. Im Ergebnis ist die Sammlung und die Beibringung des Tatsachenstoffes, der die Entscheidungsgrundlage des Panels bilden soll, sowie die Beschaffung der diesbezüglichen Beweise im WTO-Streitbeilegungsverfahren also den Streitparteien übertragen. Insoweit findet ein kontradiktorisches Verfahren nach der Tradition im common law statt.20 Das Panel ist dadurch aber nicht in seiner Beweiswürdigung, rechtlichen Prüfung (Subsumtion) und Rechtsanwendung (iura novit curia) gehindert, da diese gerade die dem Panel vorbehaltenen Aufgaben darstellen.21 3. Beschränkungen des Verhandlungsgrundsatzes Ein reiner Verhandlungsgrundsatz würde eine Sachverhaltsaufklärung von Amts wegen ausschließen.22 Das Streitbeilegungssystem der Welthandelsorganisation folgt jedoch einer pragmatischen Lösung, indem es den Verhandlungsgrundsatz in einigen Punkten einschränkt. Denn trotz der Parteidisposition und des Parteivortrags ist das Panel mitverantwortlich für eine sachgerechte Lösung des Rechtsstreits. So hat es durch seine Prozessleitung [im Folgenden unter a)], die Sachverhaltsaufklärung von Amts wegen [b)] und das Fragerecht [c)] großen Einfluss auf die Beschaffung der Tatsachen und des Beweismaterials. Ein Panel ist dabei an keinen Parteiantrag gebunden.23 Im Zusammenhang der Beschränkung des Verhandlungsgrundsatzes ist auch die Wahrheits- und Prozessförderungspflicht der Parteien [im Folgenden unter d)] zu erörtern. a) Prozessleitung der Streitbeilegungsorgane Aufgrund der Dispositionsbefugnis der WTO-Mitgliedstaaten wird ein Panelverfahren von ihnen in Gang gesetzt. Die konkrete Durchführung des Prozesses liegt dann im Verantwortungsbereich des Panels. So gehört die Prozessleitung zu den bedeutendsten Pflichten des Panels. Es hat dafür zu sorgen, dass das Panelverfahren ordnungsgemäß und zweckmäßig abläuft, 19
Vgl. ebd. Gallagher, S. 28. 21 Art. 11 des DSU; Palmeter/Mavroidis, § 4.06, S. 108. 22 Vgl. im deutschen Zivilprozessrecht Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 77. 23 Im deutschen Zivilprozessrecht ist der Richter nur noch beim Zeugenbeweis an den Parteiantrag gebunden, §§ 144 Abs. 1, 142 Abs. 1, 143, 448 ZPO. 20
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Teil 3: Tatsachenermittlung im Panel- und Rechtsmittelverfahren
der Rechtsstreit erschöpfend, aber zügig verhandelt und auf kürzestem Weg beendet wird.24 Prozessleitende Entscheidungen liegen im Ermessen des Panels. Sie sind an keine Form gebunden, sondern durch formlose Verfügung oder konkludentes Verhalten, nicht durch Beschluss oder durch Prozessurteil möglich.25 Das Panel kann seine prozessleitenden Anordnungen ändern, um den Prozess sachgerecht und flexibel durchführen zu können.26 In diesem Rahmen setzt es einen Zeitplan fest, bestimmt (und verlängert gegebenenfalls) Fristen und leitet die Sitzungen.27 Die Ausübung der Verfahrensleitung beinhaltet auch, prozessökonomisch zu handeln und unzulässiges und unerhebliches Vorbringen zu vermeiden, zurückzuweisen oder unberücksichtigt zu lassen. Dazu kann das Panel das Verfahren aus Zweckmäßigkeitsgründen beschränken.28 Insgesamt hat das Panel für seine Entscheidung den kürzesten Weg zu wählen und den Panelbericht zu erstellen, sobald der Rechtsstreit zur Entscheidung reif ist.29 b) Sachverhaltsaufklärung von Amts wegen Gemäß dem Beibringungsgrundsatz ist es an den Parteien des WTOStreitbeilegungsverfahrens, die ihnen günstigen Behauptungen aufzustellen und sie zu beweisen.30 Demnach geht die beschwerdeführende Partei, deren Vortrag den behaupteten Anspruch nicht ausreichend darlegt und beweist, ein enormes Risiko ein, den Prozess zu verlieren. Im deutschen Prozessrecht besteht zu Beginn und auch im Laufe des Verfahrens die Möglichkeit, dem Gericht zusätzliche Beweise für die Begründetheit der Klage zugänglich zu machen. Ebenso kann das Gericht selbst in die Sachverhaltsaufklärung einsteigen.31 Das DSU folgt dieser kontinentaleuropäischen Verfahrenspraxis so wie die meisten internationalen Gerichte.32 Denn das Panel hat die Möglichkeit, selbst Informationen über die tatsächliche Sachlage einzuholen und darüber 24 Vergleiche Art. 11, 12 und Anhang 3 des DSU. Weiter im deutschen Zivilverfahrensrecht §§ 139, 273 ZPO. 25 Vergleiche ebd. 26 s. Art. 12 Abs. 2 des DSU; im deutschen Recht zum Verbot der Überraschungsentscheidung Thomas/Putzo, § 139 Rn. 15 f. 27 Art. 12 Abs. 1 und Anhang 3 des DSU. 28 s. zur Prozessökonomie Teil 3 D. II. 29 Ebenso im deutschen Zivilprozessrecht § 300 Abs. 1 ZPO. 30 Gallagher, S. 29; Palmeter/Mavroidis, § 4.09, S. 116. 31 s. zum deutschen Zivilprozessrecht Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 78. 32 Palmeter/Mavroidis, § 4.09, S. 116 f.
A. Verfahrensgrundsätze
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Beweis zu erheben. Art. 13 Abs. 1 und Abs. 2 des DSU gibt ihm dazu umfangreiche Möglichkeiten: (1) Jedes Panel hat das Recht, von jeder Einzelperson oder jedem Gremium, die es für geeignet hält, Informationen oder fachlichen Rat einzuholen. [. . .] (2) Die Panels können von jeder einschlägigen Stelle Informationen erbitten und Sachverständige befragen, um deren Gutachten zu bestimmten Aspekten der Angelegenheit einzuholen. [. . .]
Durch diese Vorschrift ist das Panel bei der Beweiserhebung nicht nur auf den von den Parteien vorgetragenen Streitstoff beschränkt. Vielmehr kann es selbst Beweismittel zur Feststellung der Parteibehauptungen heranziehen und nutzen.33 Es kann ohne entsprechendes Beweisangebot (entsprechenden Beweisantritt) einer Partei schon vor der mündlichen Verhandlung zu deren Vorbereitung (die Einnahme des Augenscheins und) die Begutachtung durch Sachverständige anordnen und ausführen.34 Das Panel kann gemäß Art. 13 Abs. 1 und 2 DSU staatliche Behörden um amtliche Auskunft und Übermittlung von Urkunden ersuchen.35 Auch kann das Panel den Parteien die Vorlage von Urkunden und Dokumenten, auf die sie sich bezogen haben oder nicht, aufgeben.36 Ein Panel darf alle Beweismittel von Amts wegen nutzen. Eine Ausnahme für Zeugen besteht gemäß Art. 13 Abs. 1 („von jeder Einzelperson“) nicht.37 Das umfassende Recht zur Sachverhaltsermittlung und das Ermessen der Panels bei der Bestimmung der dazu angemessenen Mittel hat der Appellate Body bereits in mehreren Entscheidungen hervorgehoben: So hat er in US – Import Prohibition of Certain Shrimp and Shrimp Products ausgeführt, das Recht des Panels, von jeder Einzelperson, jedem Gremium oder jeder einschlägigen Stelle Informationen oder fachlichen Rat einzuholen, umfasse mehr als nur die Möglichkeit und die Auswahl der Quelle einer Information, die eingeholt werde. Dieses Recht umfasse auch die Befugnis zu entscheiden, solch eine Information oder einen Rat nicht einzuholen. Ebenso habe ein Panel die Befugnis, Informationen oder einen Rat, die es eingeholt und erhalten habe, zu akzeptieren oder abzulehnen oder diesbezüglich in sonstiger Weise zu verfügen. Es sei vom Aufgabengebiet eines Panels umfasst, den Bedarf an Informationen im ihm vorliegenden Fall zu bestimmen, die Annehmbarkeit und Relevanz der erhaltenen Information und des erhaltenen Rats zu ermitteln und darüber zu entschei33 34 35 36 37
Ebd. Ebenso im deutschen Zivilprozessrecht §§ 144, 273 Abs. 2 Nr. 4 ZPO. Genauso im deutschen Zivilprozessrecht § 273 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Ebenso im deutschen Zivilprozessrecht §§ 142 Abs. 1, 273 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Anders im deutschen Zivilprozessrecht § 273 Abs. 2 Nr. 4 ZPO.
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Teil 3: Tatsachenermittlung im Panel- und Rechtsmittelverfahren
den, welches Gewicht es dieser Information oder diesem Rat zuschreibt oder dem Erhaltenen überhaupt kein Gewicht beizumessen. Zweck der Art. 12 und 13 des DSU sei, dass das DSU einem durch den DSB eingesetzten Panel weitläufige und umfangreiche Befugnisse einräumt, den Prozess zu übernehmen und zu kontrollieren, indem es sich selbst sowohl über die relevanten Tatsachen des Streits als auch über die anzuwendenden Rechtsnormen und Prinzipien informieren kann. Dies sei erforderlich, damit das Panel seine Pflicht gemäß Art. 11 des DSU erfüllen könne.38 In Canada – Measures Affecting the Export of Civilian Aircraft war Kanada der Auffassung, Brasilien sei verpflichtet, das Bestehen einer Subvention und deren Abhängigkeit von der Exportleistung zu beweisen. Kanada selbst habe die Wahlmöglichkeit, sich gegen ein oder beide Tatbestandsmerkmale zu verteidigen. Wenn es sich nur gegen eines verteidige, dürfe das Panel keine Informationen bezüglich des anderen einholen, gegen das sich Kanada nicht verteidigt habe. Das Panel stimmte mit dieser Ansicht in seiner Entscheidung nicht überein und entschied: Kanada habe sich entschlossen, seine Verteidigung auf die Exportmöglichkeiten auszurichten. Folglich habe Kanada keine detaillierten Argumente hinsichtlich der Subventionierung vorgebracht. Kanada habe lediglich betont, dass seiner Ansicht nach die relevanten Maßnahmen keine Subvention darstellen. Kanada habe sich in Bezug auf die Exportbedingungen verteidigt, da es davon ausging, dass das Panel Brasiliens diesbezügliche Behauptung verwerfe. Damit habe Kanada die Möglichkeit ignoriert, dass das Panel zugunsten von Brasilien hinsichtlich der Exportbedingungen entscheiden könne. Wenn das Panel gegen Kanada zu entscheiden habe, sei es verpflichtet, Feststellungen bezüglich der behaupteten Subvention zu treffen. Wäre dem Panel jedoch aufgrund Kanadas Entscheidung, sich bezüglich dieser Streitfrage nicht zu verteidigen, verwehrt, Informationen einzuholen, wäre die für eine Entscheidung über die Subventionierung erforderliche Tatsachenkenntnis des Panels äußerst gering. Aus diesem Grund könne Kanadas Argumentation nicht gefolgt werden, dass die Entscheidung einer Partei, sich hinsichtlich eines bestimmten Punktes nicht zu verteidigen, das Panel an der Einholung diesbezüglicher Informationen hindere.39 Der Appellate Body schloss sich diesen Ausführungen des Panels an.40 38 39 40
WTO-Dok. WT/DS58/AB/R Rn. 104 ff. WTO-Dok. WT/DS70/R Rn. 9.83. WTO-Dok. WT/DS70/AB/R Rn. 192 u. 217 ff.
A. Verfahrensgrundsätze
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In Australia – Subsidies Provided to Producers and Exporters of Automotive Leather betonte das Panel im Rahmen von Art. 4 Abs. 2 des SCM Agreement, wonach der Antrag auf Konsultationen Angaben der verfügbaren Beweise zu enthalten hat, dass die Eilnatur eines Verfahrens nach Art. 4 das generelle Recht eines Panels zur Einholung von Informationen nicht beschränke. Ein Panel habe gemäß Art. 13 Abs. 2 des DSU das grundsätzliche Recht auf Information. Wenn Australiens Ansicht richtig sei, dass die beschwerdeführende Partei nur diejenigen Beweise und Argumente nutzen darf, die im Antrag auf Konsultationen enthalten gewesen sind, wäre ein Panel zwar befugt, Informationen von den Parteien einzuholen. Die beschwerdeführende Partei dürfte sich dann aber nur auf die in ihrem Antrag auf Konsultationen enthaltenen Tatsachen berufen, während die beklagte Partei neue Informationen in den Prozess einführen könnte, die von der beschwerdeführenden Partei nicht widerlegt werden könnten, da sie ja auf den Tatsachenvortrag aus ihrem Antrag auf Konsultationen beschränkt sei. Dieses Ergebnis könne Art. 4 Abs. 2 des SCM Agreement aber nicht bezwecken.41 In Argentina – Measures Affecting the Export of Bovine Hides and Import of Finished Leather behauptete Argentinien, das Panel habe keine objektive Beurteilung der Angelegenheit vorgenommen, da es der Anfrage beider Streitparteien nicht nachgekommen sei, den Internationalen Währungsfonds hinsichtlich bestimmter Aspekte der streitigen Besteuerung zu konsultieren und von ihm Informationen einzuholen. Dazu führte der Appellate Body aus, so wie ein Panel bei der Entscheidung frei sei, auf welche Art und Weise es Expertenrat einhole, habe das Panel genauso die Freiheit, diesen überhaupt einzuholen. Das DSU gebe einem Panel verschiedene Mittel und Instrumente an die Hand, um seiner Aufgabe nach Art. 11 des DSU nachzukommen. Gemäß seiner Ausführungen in EC – Measures Concerning Meat and Meat Products (Hormones), gebe Art. 13 des DSU einem Panel die Möglichkeit, Informationen und fachlichen Rat einzuholen, so wie es im Einzelfall angemessen sei. Das DSU überlasse die Entscheidung, ob die Konsultation von Sachverständigen erforderlich sei, dem verständigen Ermessen eines Panels. Im vorliegendem Fall habe das Panel innerhalb der Schranken seines Ermessens gemäß Art. 11 und 13 des DSU gehandelt, indem es entschieden habe, weder den Internationalen Währungsfonds zu konsultieren noch Informationen von ihm zu erbitten.42
41 42
WTO-Dok. WT/DS126/R Rn. 9.28. WTO-Dok. WT/DS56/AB/R Rn. 82 ff.
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Teil 3: Tatsachenermittlung im Panel- und Rechtsmittelverfahren
In India – Quantitative Restrictions on Imports of Agricultural, Textile and Industrial Products konsultierte das Panel den Internationalen Währungsfonds (IWF) bezüglich Indiens Zahlungsbilanzsituation. In diesem Zusammenhang trat die Frage auf, ob im Lichte des Art. XV:2 des GATT 1994, der von Konsultationen der Vertragsparteien mit dem IWF spricht, auch ein Panel in solche Konsultationen mit dem IWF eintreten könne. Das Panel führte dazu aus, Art. 13 Abs. 1 des DSU ermächtige ein Panel, den IWF zu konsultieren, um relevante Informationen bezüglich Indiens Währungsreserven und Zahlungsbilanzsituation zu erhalten, damit es die Behauptungen der Streitparteien bewerten könne. Darüber hinaus sei für die Zwecke dieses Streitverfahrens nicht erforderlich, über das Ausmaß des Art. XV:2 des GATT 1994 zu entscheiden. Das Panel habe im vorliegenden Verfahren einige Bewertungen vom IWF erhalten. Unabhängig davon, ob die Bestimmungen des Art. XV:2 des GATT 1994 auch Panels einbezögen, habe ein Panel gemäß Art. 11 des DSU die Verantwortung, eine objektive Beurteilung der Tatsachen des Falles und deren Vereinbarkeit mit dem in das WTO Agreement integrierten GATT 1994 vorzunehmen.43 Zu der Frage, wie weit die Befugnis eines Panels geht, Informationen und zusätzliche Beweise einzuholen, hat sich der Appellate Body auch bereits geäußert: In Japan – Measures Affecting Agricultural Products stellte er fest, dass, obwohl einem Panel weite Befugnis bei der Tatsachenfeststellung gemäß Art. 13 des DSU eingeräumt werde, diese Befugnis nicht derart ausgeübt werden dürfe, dass im Ergebnis die beschwerdeführende Partei von der Darlegung eines prima facie-Falles einer Vertragsverletzung befreit werde. Art. 13 des DSU gebe einem Panel das Recht, von jeder einschlägigen Stelle Informationen zu erbitten und von Sachverständigen oder Sachverständigengruppen Gutachten zu bestimmten Aspekten der streitigen Angelegenheit einzuholen. In seinem Bericht in US – Import Prohibition of Certain Shrimp and Shrimp Products habe er die „umfassende Natur“ dieser Befugnis festgestellt und ausgeführt, dass sie unerlässliche Voraussetzung für die in Art. 11 des DSU statuierte Pflicht sei, „eine objektive Beurteilung der vor ihm liegenden Angelegenheit vorzunehmen, einschließlich einer objektiven Beurteilung des Sachverhalts und der Anwendbarkeit sowie der Vereinbarkeit mit den einschlägigen unter die Vereinbarung fallenden Übereinkommen“. Die vorliegende Angelegenheit stelle einen unter das SPS Agreement fallenden Streit dar. Art. 11 Abs. 2 des SPS Agreement ermächtige Panels ausdrücklich, sich bei Streitigkeiten unter diesem Abkommen, die wissenschaftliche oder technische Fragen beträfen, von Experten beraten zu lassen. 43
WTO-Dok. WT/DS90/R Rn. 5.12.
A. Verfahrensgrundsätze
57
Jedoch könne diese Befugnis durch ein Panel nicht derart ausgenutzt werden, zugunsten der beschwerdeführenden Partei zu entscheiden, die aufgrund mangelnder Vorlage von Tatsachen und Beweisen keinen prima facie-Fall einer Vertragsverletzung dargelegt habe. Ein Panel könne zwar Auskünfte und Rat von Experten und Gremien einholen, um Hilfe beim Verständnis und der Beurteilung des beigebrachten Beweises und der von den Parteien vorgetragenen Argumenten zu erhalten, aber nicht, um schlüssigen Vortrag für die klagende Partei zu beschaffen. Im vorliegenden Fall habe das Panel korrekt gehandelt, indem es Informationen und fachlichen Rat von Experten eingeholt habe, um Hilfe beim Verständnis und der Beurteilung der von den Vereinigten Staaten und Japan vorgebrachten Beweise und Argumente hinsichtlich der behaupteten Verletzung von Art. 5 Abs. 6 des SPS Agreement zu erhalten. Jedoch sei das Panel fehlerhaft vorgegangen, indem es die Informationen und den fachlichen Rat der Experten als Basis für seine Entscheidung einer Unvereinbarkeit mit Art. 5 Abs. 6 herangezogen habe, während die Vereinigten Staaten einen prima facie Fall einer Unvereinbarkeit mit Art. 5 Abs. 6 nicht dargelegt hätten.44 Die Ansicht des Appellate Body ist überzeugend. Die Befugnis zur Sachverhaltsaufklärung von Amts wegen führt nicht zur Geltung der Untersuchungsmaxime. Die zur Entscheidungsfindung erforderlichen tatsächlichen Umstände sind grundsätzlich von den Parteien vorzutragen und zu beweisen. Dies ergibt sich auch aus der Souveränität der Streitparteien. Reichen die Beweise einer Partei nicht aus, kann das Panel gemäß Art. 13 des DSU die erforderlichen Nachweise beschaffen. Jedoch darf das Recht zur Aufklärung des Sachverhalts nicht dazu führen, dass das Panel von sich aus Tatsachen berücksichtigt, welche die Parteien nicht vorgetragen haben. Das Panel darf also keinen neuen Sachverhalt von Amts wegen in den Prozess einführen. Die Beweiserhebung des Panels setzt beweisbedürftigen, streitigen Sachvortrag der Parteien voraus. Dies ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus dem Vertrag, wird jedoch von den Streitbeilegungsorganen vorausgesetzt. Wie oben bereits ausgeführt, hat das Panel in Canada – Measures Affecting the Export of Civilian Aircraft Informationen bezüglich der strittigen Subventionierung eingeholt, nachdem Kanada eine solche lediglich bestritten, (Gegen-)Beweise hierfür aber nicht vorgelegt hatte. Es handelte sich damit um beweisbedürftigen, streitigen Sachvortrag. Insofern knüpft das WTO-Streitbeilegungsverfahren an die Tradition des erstinstanzlichen Verfahrens im kontinentaleuropäischen Recht an.45 44 45
WTO-Dok. WT/DS76/AB/R Rn. 127 ff. Gallagher, S. 28.
58
Teil 3: Tatsachenermittlung im Panel- und Rechtsmittelverfahren
c) Fragerecht der Streitbeilegungsorgane Das Panel hat das Sach- und Streitverhältnis mit den Parteien in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu erörtern.46 Dazu werden die Verhandlungen in der Sache durchgeführt. Das Panel hat bei Unklarheiten ein umfassendes Fragerecht. Anhang 3 Abs. 8 des DSU sieht vor: Das Panel kann jederzeit entweder im Verlauf einer Sitzung oder schriftlich Fragen an die Parteien richten und sie um Erklärungen bitten.
Darüber hinaus wird auch aus Art. 13 Abs. 1 des DSU das Recht eines Panels hergeleitet, von den Streitparteien Informationen zu erbitten und Fragen an sie zu richten.47 In Canada – Measures Affecting the Export of Civilian Aircraft diskutierte der Appellate Body die Befugnis eines Panels, Fragen an die Streitpartei bezüglich des Rechtsstreits zu richten und deren Pflicht, auf diese zu antworten. Kanada hatte in diesem Rechtsstreit zuvor den Standpunkt vertreten, rechtlich nicht dazu verpflichtet zu sein, auf die Anfrage des Panels Informationen bezüglich der streitigen Maßnahme beizubringen. Der Appellate Body führte hierzu aus, das Wort „soll“ in Art. 13 Abs. 1 S. 3 des DSU sei im Kontext des gesamten Art. 13 normativ gebraucht. Mitglieder seien mit anderen Worten verpflichtet, umgehend und umfassend auf eine Anfrage des Panels auf Erteilung von Informationen zu reagieren.48 Nach der Formulierung des Art. 13 des DSU könne die Befugnis eines Panels so ausgeübt werden, dass Informationen nicht nur von jeder Einzelpersonen oder jedem Gremien unter der Hoheitsgewalt eines Mitglieds der WTO erbeten und erhalten werden können, sondern auch von jedem Mitglied, erst recht von einem Mitglied, das Partei des Rechtsstreits vor dem Panel sei. Dies verdeutliche Satz 3 des Art. 13 Abs. 1, der lautet „Ein Mitglied soll umgehend und umfassend auf einen Antrag eines Panels auf Erteilung von Informationen reagieren, die das Panel für notwendig und angebracht hält“.49 Durch die Fragen des Panels sollen der Inhalt des Parteivorbringens und das von den Parteien verfolgte Prozessziel klargestellt werden. Ziel ist, dass 46
Anhang 3 des DSU. Genauso im deutschen Zivilprozessrecht § 139 Abs. 1
ZPO. 47
WTO Secretariat, Handbook, S. 106; Ohlhoff, in: Prieß/Berrisch, S. 722 f. Rn. 98 f. 48 WTO-Dok. WT/DS70/AB/R Rn. 187. 49 Ebd., Rn. 185.
A. Verfahrensgrundsätze
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sich die Parteien über alle erheblichen Tatsachen vollständig erklären, ungenügende Angaben ergänzen und Beweismittel bezeichnen und vorlegen, so dass der Rechtsstreit sachgerecht erledigt werden kann.50 Die Parteien haben zu den Fragen des Panels Stellung zu nehmen, wollen sie keine Rechtsnachteile erleiden, denn das Panel kann negative Schlussfolgerungen aus der Weigerung einer Partei, erbetene Informationen beizubringen, ziehen.51 In diesem Zusammenhang hat das Panel den Parteien eine Frist zur Beantwortung einzuräumen52 oder die mündliche Verhandlung zu vertagen53, um den Parteien eine sachgerechte Beantwortung zu ermöglichen. Darüber hinaus dient das Fragerecht eines Panels auch der Verständigung zwischen ihm und den Parteien. Ein Panel darf die Parteien nicht mit seiner tatsächlichen und rechtlichen Würdigung überraschen. Es darf zwar Schlüsse aus vorgetragenen Tatsachen ziehen, die keine Partei zuvor gezogen hat, muss die Parteien aber darauf hinweisen, wenn deren Schlussfolgerungen nicht zwingend sind und eine Würdigung entgegen dem gemeinsamen Eindruck der Parteien erfolgt.54 Das Streitbeilegungsverfahren der WTO sieht hierzu ein besonderes Verfahren vor, das den Streitparteien zum einen umfassende Möglichkeit zur Stellungnahme zu den tatsächlichen Feststellungen des Panels bietet, zum anderen die frühzeitige Kenntnis dieser Feststellungen des Panels. Art. 15 Abs. 1 und 2 des DSU bestimmen: (1) Nach Erörterung der unterbreiteten Erwiderungen und mündlichen Ausführungen legt das Panel den Streitparteien die beschreibenden Teile (Sachlage und Beweisführung) seines Berichtsentwurfs vor. Innerhalb einer vom Panel festgelegten Frist legen die Parteien schriftlich ihre Stellungnahmen vor. (2) Nach Ablauf der Frist für den Eingang der Stellungnahmen der Streitparteien händigt das Panel den Parteien einen Zwischenbericht aus, der sowohl die beschreibenden Teile als auch die Feststellungen und Schlussfolgerungen des Panels enthält. Innerhalb eines vom Panel festgesetzten Zeitraums kann eine Partei schriftlich beantragen, dass das Panel bestimmte Aspekte des Zwischenberichts vor der Verteilung des Abschlussberichts an die Mitglieder überprüft. Auf Antrag einer Partei beraumt das Panel eine weitere Sitzung mit den Parteien über die in der schriftlichen Stellungnahme genannten Punkte an.
50 51 52 53 54
Vgl. zum deutschen Zivilprozessrecht Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 78. s. hierzu Teil 3 D. IV. 1. b). Ebenso im deutschen Zivilprozessrecht § 139 Abs. 5 ZPO. s. im deutschen Zivilprozessrecht BGH NJW 1981, 1378. Vgl. zum deutschen Zivilprozessrecht Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 78.
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Teil 3: Tatsachenermittlung im Panel- und Rechtsmittelverfahren
d) Prozessförderungs- und Wahrheitspflicht der Parteien Die Prozessförderungspflicht der Parteien eines WTO-Streitbeilegungsverfahrens ergibt sich aus Art. 3 Abs. 10 des DSU: Es wird davon ausgegangen, dass Anträge auf einen Vergleich und die Inanspruchnahme der Streitbeilegungsverfahren nicht als streitige Handlungen beabsichtigt oder zu betrachten sind und dass sich beim Entstehen einer Streitigkeit alle Mitglieder nach Treu und Glauben an diesen Verfahren beteiligen in dem Bemühen, die Streitigkeit beizulegen.
Der Beschleunigungsgrundsatz fordert insbesondere von den Parteien, den Fortgang des Verfahrens zu fördern. Stünde es den Parteien frei, ihre Angriffsund Verteidigungsmittel bis zum Ende der zweiten Verhandlung des Panels mit den Parteien zurückzuhalten, könnte das Streitbeilegungsverfahren nicht zügig erledigt werden. Die Parteien haben daher ihre gesamten Angriffs- und Verteidigungsmittel möglichst frühzeitig und konzentriert vorzubringen.55 Die Verletzung der Prozessförderungspflicht kann unter Umständen mit dem Ausschluss des Parteivorbringens sanktioniert werden (sog. Präklusion).56 Der Appellate Body hat in India – Patent Protection for Pharmaceutical and Agricultural Chemical Products dargelegt, dass die Streitparteien von Beginn an sowohl in Bezug auf die streitigen Beschwerden als auch auf die zugrunde liegenden Tatsachen zum gegenseitigen Entgegenkommen verpflichtet sind. So muss ein Klagebegehren deutlich formuliert sein. Tatsachen sind freiwillig offenzulegen. Dies gilt sowohl während der Konsultationsphase als auch im formalisierten Panelverfahren. Auch der im DSU angelegte Grundsatz des fairen Verfahrens erfordert insbesondere in den Konsultationen das gegenseitige Entgegenkommen. Das Klagebegehren und die während der Konsultationen beigebrachten Tatsachen gestalten den Kern und den Umfang des späteren Panelverfahrens.57 Beispielhaft hat der Appellate Body in US – Tax Treatment of „Foreign Sales Corporations“ eine Verletzung der Prozessförderungspflicht beschrieben. Die Vereinigten Staaten hatten den Appellate Body in diesem Verfahren ersucht, die Beschwerde der Europäischen Gemeinschaften zurückzuweisen, weil deren Ersuchen um Konsultationen keine Angaben zu den verfügbaren Beweisen für das Bestehen und die Art der betreffenden Subventionen gemäß Art. 4 Abs. 2 des Subventionsübereinkommens enthalten habe. 55
Ebenso im deutschen Zivilprozessrecht § 282 ZPO. s. zum verspäteten Vorbringen Teil 3 D. III. 4. Darüber hinausgehend im deutschen Zivilprozessrecht § 296 Abs. 1, 2 ZPO. 57 WTO-Dok. WT/DS50/AB/R Rn. 94. 56
A. Verfahrensgrundsätze
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Der Appellate Body stellte hierzu fest, dass seit dem Antrag auf Konsultationen der Europäischen Gemeinschaften und der erstmaligen Erhebung dieses Einwandes durch die Vereinigten Staaten bereits ein Jahr vergangen war. Angesichts der Tatsache, dass Konsultationen im Rahmen von drei Treffen durchgeführt worden waren und die Vereinigten Staaten jenen Einwand nicht im Rahmen der zwei Treffen des Streitbeilegungsgremiums erhoben hatten, bei denen der Antrag auf Einsetzung eines Panels auf der Tagesordnung stand, könnten sich die Vereinigten Staaten jetzt nicht darauf berufen, dass das Begehren der Europäischen Gemeinschaften gemäß Art. 3 des Subventionsübereinkommens zurückzuweisen und die diesbezüglichen Feststellungen des Panels abzuändern seien. Zur weiteren Begründung führte der Appellate Body aus, Art. 3 Abs. 10 des DSU verpflichte Mitglieder der WTO, sich im Falle des Entstehens einer Streitigkeit nach Treu und Glauben am Verfahren in dem Bemühen zu beteiligen, die Streitigkeit beizulegen. Die Erfüllung dieser Pflicht erfordere, dass die beklagte Partei dem Panel, dem DSB und der klagenden Partei Verfahrensmängel umgehend anzeige, so dass Korrekturen zur Lösung der Streitigkeit rechtzeitig vorgenommen werden könnten. Die Verfahrensregeln des DSU dienten der Förderung der Streitbeilegung, nicht der Entwicklung von Prozesstechniken. Sie sollten die faire, umgehende und effektive Beilegung von Handelsstreitigkeiten sicherstellen.58 Hiernach sind die Parteien also zum rechtzeitigen Sachvortrag verpflichtet. Sie sollen nicht aus taktischen Gründen eine Entscheidung herauszögern oder auf einer „formalen“ Entscheidung, die den Streit nicht inhaltlich beilegt, bestehen. Eine besondere Ausprägung der Prozessförderungspflicht der Parteien ist deren Wahrheitspflicht. Gemäß dem Beibringungsgrundsatz tragen die Parteien den relevanten Prozessstoff zwar in eigener Verantwortung vor, sie sind aber verpflichtet, ihn wahrheitsgemäß und vollständig vorzutragen.59 Diese Pflicht impliziert Art. 3 Abs. 10 des DSU. Die Parteien dürfen nicht bewusst unwahre Tatsachen vorbringen. Ebenso wenig dürfen vom Gegner vorgetragene Tatsachen bewusst der Wahrheit zuwider bestritten werden. Die Parteien dürfen aber Behauptungen aufstellen, über deren Wahrheit sie sich nicht sicher sind. Damit besteht keine Pflicht zur objektiven Wahrheit, da ansonsten keine Klärung im Wege der Beweiserhebung erreicht werden könnte.60 58 59 60
WTO-Dok. WT/DS108/AB/R Rn. 166. Ebenso im deutschen Zivilprozessrecht § 138 Abs. 1 ZPO. s. zum deutschen Zivilprozessrecht Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 77.
62
Teil 3: Tatsachenermittlung im Panel- und Rechtsmittelverfahren
Eine Partei braucht der anderen aber kein Prozessmaterial zu liefern. Die Prozessförderungspflicht der Parteien hat dort ihre Grenze, wo eine Partei gezwungen würde, der Gegenpartei zum Erfolg zu verhelfen.61 Da auch das Panel die Pflicht hat, das Verfahren zu fördern, müssen die Parteien und das Panel zum Zwecke einer effektiven, umgehenden Streiterledigung zusammenarbeiten. Ein Panel kann Fragen und Anregungen an die Parteien richten, auf welche die Parteien reagieren müssen. Diese Kooperation modifiziert den Beibringungsgrundsatz, verdrängt ihn aber nicht, da es einer Partei im Endeffekt selbst überlassen ist, auf eine entsprechende Frage oder Anregung des Panels zu reagieren.62 Das Panel hat keine Zwangsmittel zur Durchsetzung seiner Verfügungen, denn es hat die Souveränität der am Verfahren beteiligten Staaten zu respektieren und kann keine Zwangsmaßnahmen gegen sie verhängen oder Zwangsmittel ausüben.63 Dies auch nicht gegenüber Einzelpersonen, da eine solche Befugnis, die weitreichende persönliche Konsequenzen nach sich ziehen kann, ausdrücklich im DSU kodifiziert sein müsste und vor diesem Hintergrund auch die Inanspruchnahme von Rechtshilfe nicht in Betracht kommt. Ein praktisches Bedürfnis hierfür besteht aber auch nicht, da die Panels von der Weigerung einer Partei, Informationen beizubringen oder aussagebereite Zeugen zu benennen, negative Schlüsse ziehen können.64
III. Beschleunigungsgrundsatz und Zeitlimits Die zeitnahe und strukturierte Beilegung von Streitigkeiten ist von großer Bedeutung. Auf diese Weise wird die schädigende Wirkung ungelöster internationaler Handelskonflikte verhindert und das Ungleichgewicht zwischen stärkeren und schwächeren Akteuren verringert, indem ihre Streitigkeiten auf der Grundlage von Regeln beigelegt werden und nicht die Macht eines Staates das Ergebnis bestimmt.65 So wie die richtige Entscheidung einer Streitigkeit gehört auch die umgehende zu einem gerechten Rechtssystem.66 Die zügige Beilegung von Streitigkeiten war ein wichtiges Ergebnis der Verhandlungen der Uruguay Runde.67 Konsequenterweise enthält das DSU eine Reihe von Zeitbeschränkungen hinsichtlich der verschiedenen Phasen 61 62 63 64 65 66 67
s. insbesondere zur pre-trial discovery des common law Teil 3 C. IV. Vgl. im deutschen Zivilprozessrecht Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 78. s. zur Souveränität der Staaten Doehring, §§ 13, 16 u. 17. s. hierzu Teil 3 D. IV. 1. b). WTO Secretariat, Handbook, S. 1. Ebd., S. 6. Ebd.
A. Verfahrensgrundsätze
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des Streitbeilegungsprozesses.68 Aufgrund knapp bemessener Fristen wird dem Ziel der Beschleunigung des Verfahrens Rechnung getragen.69 Dieses Ziel wird in Art. 3 Abs. 3 des DSU wie folgt beschrieben: Die sofortige Klärung von Situationen, in denen ein Mitglied der Auffassung ist, dass Vorteile, die sich für das Mitglied mittelbar oder unmittelbar aufgrund der unter die Vereinbarung fallenden Übereinkommen ergeben, durch Maßnahmen eines anderen Mitglieds geschmälert werden, trägt wesentlich zum wirksamen Funktionieren der WTO und zur Erhaltung eines ausgewogenen Verhältnisses zwischen den Rechten und Pflichten der Mitglieder bei.
Gemäß Art. 4 Abs. 3 und 7 des DSU sollen Konsultationen grundsätzlich nicht länger als zwei Monate andauern. Das Panelverfahren ist nach Art. 12 Abs. 3 und 8 sowie Anhang 3 Abs. 12 des DSU regelmäßig auf sechs Monate beschränkt. Gemäß Art. 17 Abs. 5 des DSU ist das Revisionsverfahren binnen zwei bis drei Monaten zu beenden. Vor diesem Hintergrund verläuft das Streitbeilegungssystem der WTO sehr zügig und oftmals wesentlich schneller als vergleichbare nationale oder internationale Verfahren.70
IV. Vertraulichkeit Das Panelverfahren im WTO-Streitbeilegungsprozess ist vertraulich.71 Es ist als zwischenstaatliches Verfahren konzipiert und erfordert daher ein hohes Maß an Vertraulichkeit. Nur Mitglieder der Verhandlungsdelegationen der Staaten – keine Beobachter – sind zur Teilnahme am Verfahren zugelassen.72 Eine Öffnung des völkerrechtlich einzuordnenden Streitbeilegungsprozesses ist von den Mitgliedstaaten nicht gewollt.73 Dem Grundsatz der Vertraulichkeit wird in vielen Vorschriften des DSU Rechnung getragen: Art. 18 Abs. 2 des DSU (ähnlich Anhang 3 Abs. 3 des DSU): Schriftliche Vorlagen an das Panel oder das Berufungsgremium werden vertraulich behandelt; sie werden den Streitparteien jedoch zugänglich gemacht. Diese Vereinbarung hindert eine Streitpartei nicht daran, Stellungnahmen zu ihrer eigenen Position der Öffentlichkeit bekannt zu geben. Die Mitglieder behandeln Informationen vertraulich, die ein anderes Mitglied, das diese als vertraulich bezeichnet, dem Panel oder dem Berufungsgremium vorgelegt hat. Eine Streitpartei 68 69 70 71 72 73
Palmeter/Mavroidis, § 4.15, S. 161. Ohlhoff, in: Prieß/Berrisch, S. 687 Rn. 13; WTO Secretariat, Handbook, S. 6. WTO Secretariat, Handbook, S. 7. Gallagher, S. 34. Ebd. Ebd.
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Teil 3: Tatsachenermittlung im Panel- und Rechtsmittelverfahren
stellt auch auf Antrag eines Mitglieds eine nicht vertrauliche Zusammenfassung der in seinen Vorlagen enthaltenen Informationen zur Verfügung, die der Öffentlichkeit bekannt gegeben werden könnte.
Anhang 3 Abs. 2 Satz 1 des DSU: Die Panelsitzungen sind nicht öffentlich.
Art. 4 Abs. 6 des DSU: Die Konsultationen sind vertraulich und lassen die Rechte jedes Mitglieds in weiteren Verfahren unberührt.
Art. 13 Abs. 1 Satz 4 des DSU: Vertrauliche Informationen, die erteilt werden, dürfen nicht ohne die förmliche Genehmigung durch die Einzelperson, das Gremium oder die Behörden des Mitglieds offengelegt werden, welche die Informationen erteilt.
Art. 17 Abs. 10 Satz 1 des DSU: Die Verfahren vor dem Berufungsgremium sind vertraulich.
Dementsprechend soll ein Panel vertrauliches Tatsachen- und Beweismaterial der Parteien akzeptieren und ihre weitere Offenlegung schützen. Dieses Verfahren wird zunehmend häufiger, da Panels geheime Wirtschaftsinformationen der betroffenen nationalen Industrie erhalten, um beispielsweise Feststellungen über das Bestehen von Subventionen treffen zu können. In Argentina – Measures Affecting Imports of Footwear, Textiles, Apparel and Other Items akzeptierte das Panel daher Rechnungen, die als Beweis vorgelegt wurden, in denen der Importeur und alle relevanten Daten, die ihn oder den Exporteur hätten identifizieren können, geschwärzt waren, mit der Begründung, dass es oftmals Praxis in Streitigkeiten wie dem vorliegenden sei, dass die Parteien vertrauliche Handelsinformationen wie die Namen und andere Informationen der betroffenen privaten Akteure schützten.74 Obwohl eine Streitpartei nicht gezwungen werden kann, vertrauliche Informationen dem Panel beizubringen, kann sich diese aber nicht auf Vertraulichkeit als Grund für ihre Weigerung, positiven Beweis beizubringen, berufen.75
V. Grundsatz des „Due Process“ Der Grundsatz des „due process“ (rechtsstaatliches, faires Verfahren)76 gilt auch im WTO-Streitbeilegungsverfahren. Er stellt einen allgemeinen 74
WTO-Dok. WT/DS56/R Rn. 6.53 ff. Panel Bericht Indonesia – Certain Measures Affecting the Automobile Industry, WTO-Dok. WT/DS54/R, WT/DS55/R, WT/DS59/R, WT/DS64/R Rn. 14.235. 76 s. im deutschen Recht Art. 20 und 103 Abs. 1 GG. 75
A. Verfahrensgrundsätze
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Rechtsgrundsatz in internationalen Verfahren dar.77 Er umfasst u. a. folgende Komponenten: den Anspruch auf rechtliches Gehör, das Prinzip der Gleichheit der Parteien vor Gericht, den Anspruch auf Kenntnis des Verfahrensgegenstands sowie die Grundsätze audi alteram partem und nemo iudex in sua causa.78 Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK79 umschreibt den vorgenannten wesentlichen Inhalt jenes Grundsatzes wie folgt: Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Fristen verhandelt wird.
Die Streitbeilegungsorgane haben die Geltung des Grundsatzes des rechtsstaatlichen, fairen Verfahrens indirekt anerkannt und einzelne Komponenten ausdrücklich im WTO-Verfahren für gültig erklärt. So führte der Appellate Body in US – Tax Treatment of „Foreign Sales Corporations“ aus: Art. 3 Abs. 10 des DSU verpflichte Mitglieder der WTO, sich im Falle des Entstehens einer Streitigkeit nach Treu und Glauben am Verfahren in dem Bemühen zu beteiligen, die Streitigkeit beizulegen. Dies sei ein besonderer Ausdruck des Grundsatzes des fairen Verfahrens, wie er zugleich genereller Rechtsgrundsatz und Grundsatz des internationalen Rechts sei. Dieser durchdringende Grundsatz verpflichte sowohl das klagende als auch das beklagte Mitglied, den Anforderungen des DSU (und verwandter Übereinkommen) nach Treu und Glauben nachzukommen. In Erfüllung dieses Grundsatzes werde der klagenden Partei ebenso wie der beklagten Partei umfassender Schutz und die Möglichkeit zur Verteidigung eingeräumt, so wie es durch den Kanon und den Geist der Verfahrensregeln beabsichtigt sei. Derselbe Grundsatz von Treu und Glauben erfordere, dass die beklagte Partei dem Panel, dem DSB und der klagenden Partei Verfahrensmängel umgehend anzeige, so dass Korrekturen zur Lösung der Streitigkeit rechtzeitig vorgenommen werden könnten.80 Hier wird deutlich, dass im Rahmen von WTO-Streitigkeiten, die regelmäßig sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht sehr komplex 77
Sandrock, S. 65 ff.; Gaffney, S. 1195. s. hierzu ausführlich Gaffney, S. 1173; Ruttley, Due Process; Thomas, JWT 1997, 45. 79 Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950, veröffentlicht in Bundesgesetzblatt 1954 II S. 14, abgedruckt in Sartorius II (Beck Verlag), Internationale Verträge – Europarecht, Text Nr. 130. 80 WTO-Dok. WT/DS108/AB/R Rn. 166. 78
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Teil 3: Tatsachenermittlung im Panel- und Rechtsmittelverfahren
sind, die Beachtung des Grundsatzes des fairen Verfahrens und in diesem Rahmen insbesondere der Anspruch auf rechtliches Gehör von großer Bedeutung ist. Die Streitparteien bringen eine beträchtliche Anzahl von Daten und Dokumenten in Bezug auf die angegriffene Maßnahme bei und sie machen hierzu sehr detaillierte rechtliche Ausführungen. Die Parteien benötigen daher Zeit, diese tatsächlichen und rechtlichen Argumente vorzubereiten und auf die Argumente der Gegenpartei zu antworten. So erhält jede Streitpartei vor der Entscheidung des Panels die Möglichkeit, sich zum eigenen und gegnerischen Standpunkt zu äußern. Art. 4 Abs. 7 des DSU lautet: Kann eine Streitigkeit durch die Konsultationen nicht innerhalb von sechzig Tagen nach Eingang des Antrags auf Konsultationen beigelegt werden, so kann die beschwerdeführende Partei die Einsetzung eines Panels beantragen. Die beschwerdeführende Partei kann die Einsetzung eines Panels innerhalb der Frist von sechzig Tagen beantragen, wenn die in Konsultationen stehenden Parteien gemeinsam der Auffassung sind, dass es in den Konsultationen nicht gelungen ist, die Streitigkeit beizulegen.
Art. 6 Abs. 1 des DSU: Falls die beschwerdeführende Partei dies beantragt, wird ein Panel spätestens auf der nächsten DSB-Sitzung nach derjenigen eingesetzt, auf der der Antrag zum ersten Mal als DSB-Tagesordnungspunkt erscheint, sofern das DSB auf dieser Sitzung nicht durch Konsens beschließt, kein Panel einzusetzen.
Art. 11 Satz 3 des DSU: Die Panels sollen sich regelmäßig mit den Streitparteien beraten und ihnen ausreichend Gelegenheit geben, eine für alle Seiten zufriedenstellende Lösung zu finden.
Eine weitere Ausprägung des rechtsstaatlichen, fairen Verfahrens enthält Art. 18 Abs. 1 des DSU, der eine ex parte Kommunikation der Streitparteien mit dem Panel oder dem Appellate Body ausschließt: Es darf keine einseitigen Mitteilungen an das Panel oder das Berufungsgremium über Angelegenheiten geben, die dem Panel oder Berufungsgremium vorliegen.
Darüber hinaus hat der DSB für sämtliche mit der Streitbeilegung befassten Mitglieder und Angestellten von Organen oder Institutionen der WTO einen Verhaltenskodex („Rules of Conduct“)81 aufgestellt, der die Integrität, Unparteilichkeit und Unabhängigkeit82, Objektivität sowie die Vertraulichkeit des Streitbeilegungsverfahrens sichern und bewahren soll.83 Diese Ver81
WTO-Dok. WT/DSB/RC/1, im Internet unter www.wto.org. Vgl. hierzu auch Art. 8 Abs. 1 und 2 des DSU. 83 Ohlhoff, in: Prieß/Berrisch, S. 715 Rn. 82; vgl. auch Weiler, S. 191; Wiers, S. 265. 82
A. Verfahrensgrundsätze
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haltensregeln gelten für alle offiziellen Akteure des Verfahrens wie die Panelmitglieder, Mitglieder des Appellate Body, Sachverständige und Experten usw., um Interessenkonflikte zu vermeiden.84 So dürfen jene Beteiligten beispielsweise Informationen, die sie im Rahmen ihrer Tätigkeit erlangt haben, nicht zu ihrem eigenen oder zu fremdem Vorteil nutzen, keine Kommunikation ex parte über den Rechtsstreit führen oder sonst Auskunft über den Verfahrensstand oder andere Fragen im Zusammenhang mit dem Verfahren geben.85 Besondere Bedeutung kommt dem Grundsatz des „due process“ im Rahmen von Streitigkeiten zu, wenn Entwicklungsländer beteiligt sind.86 Das DSU enthält hierfür spezielle Sonderregelungen. Art. 24 Abs. 1 des DSU bestimmt grundsätzlich: In allen Phasen der Ermittlung der Gründe für eine Streitigkeit und ein Streitbeilegungsverfahren, an denen ein Mitglied, das ein am wenigsten entwickelter Staat ist, beteiligt ist, wird der speziellen Lage der Mitglieder, die am wenigsten entwickelte Staaten sind, besonders Rechnung getragen. In diesem Zusammenhang halten sich die Mitglieder gebührend davor zurück, im Rahmen dieser Verfahren Angelegenheiten aufzuwerfen, an denen ein Mitglied, das ein am wenigsten entwickelter Staat ist, beteiligt ist. Wird festgestellt, dass ein Zunichtemachen oder eine Schmälerung auf eine Maßnahme zurückgeht, die von einem Mitglied, das ein am wenigsten entwickelter Staat ist, ergriffen wurde, so halten sich die beschwerdeführenden Parteien bei einem Antrag auf Entschädigung oder auf Genehmigung der Aussetzung von Zugeständnissen oder anderen Pflichten aufgrund dieser Verfahren gebührend zurück.
Für das Streitbeilegungsverfahren speziell ist in Art. 27 Abs. 2 des DSU geregelt: Das Sekretariat hilft zwar den Mitgliedern auf deren Antrag bei einer Streitbeilegung, doch kann außerdem die Notwendigkeit bestehen, Mitgliedern, die Entwicklungsstaaten sind, bei einer Streitbeilegung zusätzlich juristischen Rat und rechtliche Hilfe zukommen zu lassen. Zu diesem Zweck stellt das Sekretariat jedem Mitglied, das Entwicklungsstaat ist und das einen entsprechenden Antrag stellt, einen befähigten Rechtsgelehrten der WTO-Dienste für technische Zusammenarbeit zur Verfügung. Dieser Fachmann hilft dem Mitglied, das Entwicklungsstaat ist, in einer Weise, welche die Unparteilichkeit des Sekretariats weiterhin gewährleistet.
Folglich werden allen Akteuren in einem WTO-Streitbeilegungsverfahren Regeln an die Hand gegeben, um ein faires Verfahren sowie unbeeinflusste 84
WTO Secretariat, Handbook, S. 26 f. Rule VII der Rules of Conduct for the Understanding on Rules and Procedures Governing the Settlement of Disputes, angenommen am 3. Dezember 1996, WTODok. WT/DSB/RC/I, im Internet unter www.wto.org. 86 s. ausführlich zu Entwicklungsländern im WTO-Streitbeilegungsverfahren Borght, JIEL 1999, 723; Chaytor, in: Cameron/Campbell, S. 250. 85
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Teil 3: Tatsachenermittlung im Panel- und Rechtsmittelverfahren
und unbefangene Entscheidungen sicherzustellen.87 Auch der Appellate Body hat betont, dass sich alle Beteiligten einer Streitigkeit fair begegnen sollen.88 Ein Verstoß gegen den Grundsatz des „due process“ stellt einen Verfahrensfehler dar, der von der betroffenen Partei durch Rechtsmittel geltend gemacht werden kann. In Australia – Measures Affecting Importation of Salmon führte der Appellate Body aus, Art. 12 Abs. 2 des DSU bestimme, dass die Panelverfahren ausreichend flexibel sein sollen, damit hochwertige Panelberichte sichergestellt sind, ohne die Panelverhandlung ungebührlich zu verzögern. Jedoch müsse ein Panel ebenso das Gebot des rechtsstaatlichen Verfahrens beachten, das beinhalte, den Parteien die angemessene Möglichkeit einzuräumen, auf den von der Gegenseite beigebrachten Beweis zu antworten.89 In demselben Fall führte der Appellate Body fort, ein fundamentaler Grundsatz des rechtsstaatlichen Verfahrens sei, dass einer Partei die Möglichkeit einzuräumen ist, auf die gegen sie gerichtete Beschwerde zu reagieren. Im vorliegenden Fall habe das Panel Australien die Möglichkeit zur Verteidigung eingeräumt, indem es Australien gewährte, eine dritte schriftliche Vorlage beizubringen. Das Panel habe den Grundsatz des rechtsstaatlichen Verfahrens beachtet, indem es Australien die geforderte zusätzliche Zeit eingeräumt habe.90 Den Streitparteien ist es somit auch nicht verboten, zusätzlichen Beweis nach der ersten Sitzung des Panels in der Sache beizubringen.91 Dazu hat das Panel in Argentina – Measures Affecting Imports of Footwear, Textiles, Apparel and Other Items ausgeführt, dass – bis die WTO-Mitglieder besondere und speziellere Regeln diesbezüglich verabschiedeten – das Hauptaugenmerk des Panels darauf zu richten sei, sicherzustellen, dass das faire und rechtsstaatliche Verfahren beachtet und allen Streitparteien die Chance zur bestmöglichen Verteidigung eingeräumt wird.92 Im Ergebnis geht das WTO-Streitbeilegungsverfahren folglich über eine reine Mediation hinaus Es handelt sich vielmehr um ein gerichtliches Verfahren mit justizförmigen Abläufen.
87 88 89 90 91 92
WTO Secretariat, Handbook, S. 26. Gallagher, S. 38. WTO-Dok. WT/DS18/AB/R Rn. 272. Ebd., Rn. 278. Palmeter/Mavroidis, § 4.09, S. 125 ff. WTO-Dok. WT/DS56/R Rn. 6.55.
B. Ablauf des Panelverfahrens
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B. Ablauf des Panelverfahrens I. Antrag auf Einsetzung eines Panels Das Panelverfahren beginnt mit dem Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Einsetzung eines Panels. Art. 6 Abs. 2 des DSU bestimmt: Der Antrag auf Einsetzung eines Panels muss schriftlich erfolgen. Er muss Angaben enthalten, ob Konsultationen stattgefunden haben, die einzelnen strittigen Maßnahmen nennen und eine kurze Zusammenfassung der Rechtsgrundlage der Beschwerde geben, die zur Verdeutlichung des Problems ausreicht. Beantragt der Antragsteller die Einsetzung eines Panels, das nicht das übliche Mandat hat, so muss der schriftliche Antrag den vorgeschlagenen Wortlaut des besonderen Mandats enthalten.
Zu den Voraussetzungen, die ein Antrag auf Einsetzung eines Panels erfüllen muss, äußerte sich das Panel in EC – Regime for the Importation, Sale and Distribution of Bananas. Um die Mindestvoraussetzungen des Art. 6 Abs. 2 des DSU zu erfüllen, sei der Antrag auf Einsetzung eines Panels hinreichend bestimmt, wenn er die Vorschriften der spezifischen Übereinkommen enthalte, die nach Ansicht der beschwerdeführenden Partei von der beklagten Partei verletzt werden. Der Appellate Body stimmte diesem Standpunkt zu. Es sei ausreichend, dass die beschwerdeführende Partei diejenigen Bestimmungen der spezifischen Übereinkommen aufliste, die nach seiner Ansicht verletzt sind. Detaillierte Ausführungen dazu, welche Aspekte des Sachverhaltes sich auf welche spezifische Bestimmung der Übereinkommen beziehen, seien nicht erforderlich. Es bestehe ein signifikanter Unterschied zwischen den Verletzungsrügen in dem Antrag auf Einsetzung eines Panels, welche das Mandat des Panels gemäß Art. 7 des DSU bilden, und den die Beschwerde begründenden Argumenten, die in der ersten schriftlichen Vorlage, der widerlegenden Vorlage sowie in der ersten und zweiten Sitzung des Panels mit den Parteien dargelegt und erläutert werden.93 Nach Art. 6 Abs. 2 des DSU seien jegliche Beschwerden, nicht aber die begründenden Argumente im Antrag auf Einsetzung eines Panels ausreichend zu spezifizieren, um es der beklagten Partei und den Drittbeteiligten zu ermöglichen, die rechtliche Grundlage für die Etablierung eines Panels nachvollziehen zu können. Wenn eine Verletzungsrüge im Antrag auf Einsetzung eines Panels nicht spezifiziert sei, könne ein fehlerhafter Antrag nicht später durch die Argumentation in der ersten schriftlichen Vorlage, in 93
Diese Ausführungen wiederholte der Appellate Body in Inda – Patent Protection for Pharmaceutical and Agricultural Chemical Products – Complaint by the United States, WTO-Dok. WT/DS50/AB/R Rn. 88.
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Teil 3: Tatsachenermittlung im Panel- und Rechtsmittelverfahren
einer anderen Vorlage oder einem Statement während des Panelprozesses der klagenden Partei geheilt werden.94 Sowohl die „Verletzungsrügen“ als auch die „Argumente“ seien dabei vom „Beweis“ zu unterscheiden, den die klagende oder beklagte Partei präsentiere, um ihre Tatsachenbehauptungen und Argumente zu belegen.95 Der Antrag gemäß Art. 6 Abs. 2 des DSU bildet folglich die Grundlage des weiteren Panelverfahrens. Er ist spezifiziert zu stellen und muss den Gegenstand der Beschwerde ausweisen. Die Beibringung des Tatsachenstoffes, die Beweisangebote sowie die Rechtsausführungen sind dem späteren Panelverfahren vorbehalten.96
II. Zeitplan und Arbeitsverfahren Nachdem das Streitbeilegungsgremium auf der Grundlage des Antrags auf Einsetzung eines Panels das Mandat des Panels gemäß Art. 7 des DSU sowie die Mitglieder des Panels gemäß Art. 8 des DSU bestimmt hat, beginnt dessen Arbeit. Zunächst hat das Panel umgehend einen Zeitplan gemäß Art. 12 Abs. 3 des DSU aufzustellen: Nach Rücksprache mit den Streitparteien legen die Panel-Mitglieder sobald wie möglich und nach Möglichkeit innerhalb einer Woche, nachdem die Zusammensetzung und das Mandat des Panels vereinbart wurden, den Zeitplan für die Panelverhandlung fest, wobei gegebenenfalls Art. 4 Absatz 9 Berücksichtigung findet.
Dieser Zeitplan enthält die Bestimmung von Fristen für die schriftlichen Vorlagen der Parteien, die Anberaumung der Termine für die Sitzungen des Panels mit den Parteien und die Vorlage der Berichte des Panels. Auch ist ein konkretes Arbeitsverfahren gemäß Art. 12 Abs. 1 des DSU zu verabschieden: Die Panels sollen die Arbeitsverfahren in Anhang 3 befolgen, sofern das Panel nicht nach Rücksprache mit den Streitparteien etwas anderes beschließt.
Die Arbeitsverfahren haben den formellen Ablauf eines Panelverfahrens zum Gegenstand. Das DSU enthält lediglich Rahmenregeln zum Verfahrensablauf, so dass die Panels diese Regeln mit konkreten Inhalten füllen und eigene detaillierte und spezielle Arbeitsverfahren direkt nach ihrer Einsetzung aufstellen. Diese Arbeitsverfahren ergänzen die Arbeitsverfahren in Anhang 3 des DSU und enthalten beispielsweise Regelungen zu dem Ab94 95 96
WTO-Dok. WT/DS27/AB/R Rn. 141 ff. WTO-Dok. WT/DS98/AB/R Rn. 139. Palmeter/Mavroidis, § 4.04, S. 99 ff.
B. Ablauf des Panelverfahrens
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lauf der Präsentation des Vortrags der Streitparteien im Rahmen der Panelmeetings, Zeitlimits für die Beibringung von Beweisen und die Form der schriftlichen Vorlagen, einschließlich elektronischer Kopien.97
III. Erste schriftliche Vorlagen der Parteien Nachdem vom Panel ein Zeitplan für das Verfahren im Einvernehmen mit den Streitparteien verabschiedet worden ist, beginnt das Verfahren in der Sache regelmäßig mit ersten schriftlichen Vorlagen der Streitparteien.98 Anhang 3 Abs. 4 des DSU hat diese Schriftsätze zum Inhalt: Vor der ersten Sitzung des Panels mit den Parteien in der Sache leiten die Streitparteien dem Panel schriftliche Vorlagen zu, in denen sie den Sachverhalt und ihre Argumente darlegen.
Regelungen zu den Zeitlimits dieser schriftlichen Vorlagen enthält Art. 12 Abs. 4 bis 6 des DSU: (4) Bei der Festlegung des Zeitplans für die Panelverhandlung räumt das Panel den Streitparteien genügend Zeit ein, damit sie ihre Vorlagen vorbereiten können. (5) Die Panels sollen für die schriftlichen Vorlagen der Parteien genaue Stichtage festlegen, und die Parteien sollen diese Stichtage einhalten. (6) Jede Streitpartei hinterlegt ihre schriftlichen Vorlagen beim Sekretariat zur sofortigen Übermittlung an das Panel und die andere Streitpartei oder die anderen Streitparteien. Die beschwerdeführende Partei unterbreitet ihre erste Vorlage vor der ersten Vorlage der erwidernden Partei, sofern das Panel nicht bei der Festlegung des in Absatz 3 bezeichneten Zeitplans und nach Rücksprache mit den Streitparteien entscheidet, dass die Parteien ihre ersten Vorlagen gleichzeitig unterbreiten. Wird für die Hinterlegung der ersten Vorlagen eine zeitliche Abfolge entschieden, so legt das Panel einen festen Zeitplan für den Eingang der Vorlage der erwidernden Partei fest. Alle weiteren schriftlichen Vorlagen werden gleichzeitig unterbreitet.
Die Sitzungen des Panels mit den Parteien werden durch die schriftlichen Vorlagen vorbereitet. Dieses schriftliche Vorverfahren ist zwingend vorgeschrieben, einen frühen ersten Termin gibt es nicht.99 In den schriftlichen Vorlagen haben die Parteien ihre tatsächlichen und rechtlichen Angriffs- und Verteidigungsmittel möglichst vollständig vorzutragen, so dass es der gegnerischen Partei ermöglicht wird, Informationen bezüglich der Widerlegung einer Behauptung einzuholen und zu beschaffen.100 97
Ebd., S. 108. WTO Secretariat, Handbook, S. 54. 99 Anders im deutschen Zivilprozessrecht §§ 272 Abs. 2, 275 ZPO. 100 Palmeter/Mavroidis, § 4.13, S. 156. 98
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Teil 3: Tatsachenermittlung im Panel- und Rechtsmittelverfahren
Die erste schriftliche Vorlage der klagenden Partei enthält normalerweise den Text oder andere Informationen bezüglich der streitgegenständlichen Maßnahme, Übersetzungen und die rechtlichen Ausführungen, warum die Maßnahme der beklagten Partei ihrer Ansicht nach mit den WTO-Bestimmungen unvereinbar sei.101 Die Antwort der beklagten Partei hat eine ausführliche Verteidigung zum Inhalt.102 Das Panel bestimmt für die vorbereitenden Schriftsätze Fristen.103 Mit den Regelungen zu den Vorlagen der Parteien orientiert sich das Streitbeilegungsverfahren der WTO an anderen internationalen Verfahren,104 in denen die umfangreiche schriftliche Vorbereitung der Sitzungen durch den Austausch von Schriftsätzen und Dokumenten üblich ist.105 Durch diese Vorgehensweise können relativ kurze Verhandlungen abgehalten werden. Auch wenn die WTO-Mitgliedstaaten ständige Delegationen am Sitz der WTO in Genf unterhalten, sind dennoch am Verfahren Personen beteiligt, die weltweit heranzurufen sind, so dass kurz abgehaltene Verhandlungen in Genf einem praktischen Bedürfnis entsprechen. Die Sitzungen umfassen in der Regel jeweils zwei Tage.106
IV. Sitzungen und zweite schriftliche Vorlagen Der Ablauf der Sitzungen des Panels mit den Parteien ist umfassend in Anhang 3 des DSU geregelt. Dessen Abs. 2 und 5 bis 10 bestimmen: (2) Die Panelsitzungen sind nicht öffentlich. Die Streitparteien und andere interessierte Parteien nehmen an den Sitzungen des Panels nur teil, wenn sie vom Panel dazu aufgefordert werden. [. . .] (5) In der ersten Sitzung in der Sache mit den Parteien fordert das Panel die beschwerdeführende Partei auf, ihren Fall darzulegen. Anschließend und noch während derselben Sitzung wird die beklagte Partei aufgefordert, ihren Standpunkt darzulegen. (6) Alle Dritten, die dem DSB ihr Interesse an der Streitigkeit angezeigt haben, werden schriftlich gebeten, ihre Auffassungen auf einer hierzu bestimmten Sit101
Ebd., S. 157. Cameron/Orava, in: Cameron/Campbell, S. 228; White, ebd., S. 123. 103 Ebenso im deutschen Zivilprozessrecht §§ 276 Abs. 1 und 3, 277 ZPO. 104 WTO Secretariat, Handbook, S. 54 f. 105 So für den Internationalen Gerichtshof Art. 43 IGH-Statut und Art. 45 der Verfahrensordnung des Internationalen Gerichtshofs in der am 5. Dezember 2000 geänderten Fassung vom 14. April 1978, nicht veröffentlicht im Bundesgesetzblatt, abgedruckt in Sartorius II (Beck Verlag), Internationale Verträge – Europarecht, Text Nr. 3. 106 White, in: Cameron/Campbell, S. 122. 102
B. Ablauf des Panelverfahrens
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zung während der ersten Sitzung des Panels in der Sache darzulegen. Diese Dritten dürfen während dieser gesamten Sitzung anwesend sein. (7) Förmliche Darstellungen werden in einer zweiten Sitzung in der Sache vorgebracht. Die beklagte Partei hat zuerst das Recht gehört zu werden; ihr folgt die beschwerdeführende Partei. Vor der Sitzung legen die Parteien dem Panel schriftliche Darstellungen vor. (8) Das Panel kann jederzeit entweder im Verlauf einer Sitzung oder schriftlich Fragen an die Parteien richten und sie um Erklärung bitten. (9) Die Streitparteien und Dritte, die nach Art. 10 DSU aufgefordert wurden, ihre Auffassungen darzulegen, stellen dem Panel eine schriftliche Fassung ihrer mündlichen Erklärungen zur Verfügung. (10) Im Interesse einer vollständigen Transparenz erfolgen die in den Absätzen 5 bis 9 bezeichneten Darlegungen, Darstellungen und Erklärungen in Anwesenheit der Parteien. Darüber hinaus werden die schriftlichen Vorlagen jeder Partei einschließlich etwaiger Bemerkungen zu dem beschreibenden Teil des Berichts sowie Antworten auf Fragen des Panels der anderen Partei oder anderen Parteien zur Verfügung gestellt.
Die Sitzungen der Panels mit den Streitparteien werden protokolliert.107 Der Ablauf der Sitzungen und deren Inhalte können auf diese Weise später nachvollzogen werden. Panels erlauben den Streitparteien oftmals, sich gegenseitig schriftliche oder mündliche Fragen zu stellen.108 Um allerdings zu vermeiden, dass überlange Ausführungen zu Rechtsfragen gemacht werden, kann die Erlaubnis auf tatsächliche Fragen beschränkt werden.109 Die Streitparteien werden oftmals von den Panels ersucht, Kopien ihrer Antworten auf Fragen, einschließlich der Fragen des Panels, der anderen Streitpartei zu übermitteln.110 Die zweite schriftliche Vorlage nach der ersten Sitzung des Panels mit den Parteien stellt für die beklagte Partei die Möglichkeit einer zweiten Widerlegung und Verteidigung dar, nachdem bereits die erste Vorlage als Antwort der beklagten Partei auf die Klage der beschwerdeführenden Partei konzipiert war. Für die klagende Partei ist die zweite schriftliche Vorlage ein wesentlich entscheidenderes Dokument. Neben den mündlichen Ausführungen während der zweiten Sitzung des Panels mit den Parteien ist dies ihre einzige Möglichkeit, die Argumente der antwortenden Partei zu widerlegen, da die erste schriftliche Vorlage der beklagten Partei regelmäßig nach der ersten Vorlage der klagenden Partei beigebracht wird.111 107 108 109 110 111
WTO Secretariat, Handbook, S. 55. White, in: Cameron/Campbell, S. 123. Palmeter/Mavroidis, § 4.14, S. 159 f. Ebd. Ebd., S. 160.
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Teil 3: Tatsachenermittlung im Panel- und Rechtsmittelverfahren
Ebenso wichtig wie die zweite schriftliche Vorlage der Parteien ist auch die zweite Sitzung des Panels mit den Streitparteien. Zu dieser Zeit hatte das Panel Gelegenheit, die Parteien während der ersten Sitzung anzuhören, möglicherweise hat es die Antworten der Parteien auf seine Fragen erhalten und es wird all dieses Vorbringen reflektieren. Die zweite Sitzung stellt normalerweise die letzte Möglichkeit des Panels dar, Informationen von den Streitparteien zu erbitten und ihre Antworten im Hinblick auf Streitpunkte zu hören, die das Panel beschäftigen. In der Regel ist dies auch die letzte Möglichkeit der Parteien, ihren Vortrag schlüssig darzustellen.112 Die Panels verlangen mittlerweile oftmals in ihren speziellen Arbeitsverfahren zusammenfassende Stellungnahmen der Vorlagen von den Parteien, die sie dann den beschreibenden Teilen ihrer Berichtsentwürfe zugrunde legen.113
V. Beschreibende Teile des Berichtsentwurfs und Zwischenbericht Das Streitbeilegungsverfahren der WTO enthält in Art. 15 Abs. 1 und 2 des DSU Besonderheiten: (1) Nach Erörterung der unterbreiteten Erwiderungen und mündlichen Ausführungen legt das Panel den Streitparteien die beschreibenden Teile (Sachlage und Beweisführung) seines Berichtsentwurfs vor. Innerhalb einer vom Panel festgelegten Frist legen die Parteien schriftlich ihre Stellungnahmen vor. (2) Nach Ablauf der Frist für den Eingang der Stellungnahmen der Streitparteien händigt das Panel den Parteien einen Zwischenbericht aus, der sowohl die beschreibenden Teile als auch die Feststellungen und Schlussfolgerungen des Panels enthält. Innerhalb eines vom Panel festgesetzten Zeitraums kann eine Partei schriftlich beantragen, dass das Panel bestimmte Aspekte des Zwischenberichts vor der Verteilung des Abschlussberichts an die Mitglieder überprüft. Auf Antrag einer Partei beraumt das Panel eine weitere Sitzung mit den Parteien über die in der schriftlichen Stellungnahme genannten Punkte an.
Die Parteien erhalten mit diesen Bestimmungen die Möglichkeit, die Richtigkeit der tatsächlichen Teile des Berichts des Panels zu überprüfen.114 Dazu werden die Zwischenberichte der Panels den Streitparteien zweimal während des Verfahrens übermittelt. Parteien können aber zu diesem Zeitpunkt nur noch ihre Darstellungen klarstellen. Neue Behauptungen oder 112
Ebd. Panel Report Argentina – Definitive Safeguard Measures on Imports of Preserved Peaches, WTO-Dok. WT/DS238/R Rn. 4.2; WTO Secretariat, Handbook, S. 55. 114 Gallagher, S. 29. 113
C. Tatsachenvortrag und Beweisführung der Parteien
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neue Beweise können sie nicht mehr liefern.115 Vielmehr sollen zu diesem frühen Zeitpunkt den Streitparteien die Tatsachenfeststellungen des Panels aufgezeigt werden. Sie sollen die Möglichkeit der Richtigstellung und der gütlichen Einigung erhalten.116 Der erste Zwischenbericht wird nach der Betrachtung der Gegenschriftsätze der Parteien erstellt. Zu diesem Zeitpunkt enthält der Bericht des Panels nur die „beschreibenden“ Teile – eine Stellungnahme zu den Tatsachen und eine Zusammenfassung der Argumente der Streitparteien. Diese Vorgehensweise erfolgte auch unter dem GATT-Streitbeilegungssystem. In der Praxis sind die Panels nahezu immer mit den Anmerkungen der Streitparteien zu den „beschreibenden“ Teilen des Berichts einverstanden.117 Nach der Betrachtung der Kommentare der Streitparteien zu den beschreibenden Teilen des Panelberichts erstellt das Panel einen Zwischenbericht, der nicht nur die beschreibenden Teile enthält, sondern auch die Feststellungen und Schlussfolgerungen.118
VI. Abschlussbericht Die Arbeit des Panels endet mit der Erstellung des Abschlussberichts gemäß Art. 15 Abs. 2 Satz 4 und Abs. 3 des DSU: (2) Erhält das Panel von keiner Partei eine Stellungnahme innerhalb des dafür vorgesehenen Zeitraums, so wird der Zwischenbericht als der Abschlussbericht des Panels betrachtet und umgehend an die Mitglieder verteilt. (3) Die Feststellungen in dem Abschlussbericht enthalten eine Erörterung der in der Zwischenprüfung vorgelegten Beweisführung. Die Zwischenprüfung erfolgt innerhalb des in Art. 12 Absatz 8 festgelegten Zeitraums.
C. Tatsachenvortrag und Beweisführung der Parteien I. Gegenstand des Tatsachenvortrages und des Beweises Die Parteien eines Streitbeilegungsverfahrens haben nach dem Beibringungsgrundsatz den Prozessstoff in das Verfahren einzubringen. Es ist an ihnen, die für ihren Vortrag erheblichen Tatsachen zu beweisen und so das Panel von der Richtigkeit ihrer Behauptungen zu überzeugen. 115 Appellate Body Report EC – Trade Description of Sardines, WTO-Dok. WT/ DS231/AB/R Rn. 301; Palmeter/Mavroidis, § 4.18, S. 166 ff.; White, in: Cameron/ Campbell, S. 125. 116 WTO Secretariat, Handbook, S. 57; Palmeter/Mavroidis, § 4.18, S. 166 ff. 117 Ebd. 118 Ebd.
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Teil 3: Tatsachenermittlung im Panel- und Rechtsmittelverfahren
Ein Panelverfahren ist auf die Feststellung der Vereinbarkeit oder Unvereinbarkeit einer Maßnahme mit dem WTO-Vertragswerk gerichtet.119 Dazu hat das Panel gemäß Art. 11 des DSU eine objektive Beurteilung des der Streitigkeit zugrundeliegenden Sachverhalts vorzunehmen.120 Was zum Sachverhalt gehört und was dementsprechend die Parteien vorzutragen und zu beweisen haben, ist in Art. 11 des DSU jedoch nicht bestimmt. Im deutschen Verfahrensrecht gehört zum Sachverhalt das tatsächliche Geschehen, das zur Klage geführt hat.121 Danach sind Tatsachen konkrete, nach Zeit und Raum bestimmte, der Vergangenheit oder der Gegenwart angehörige Geschehnisse oder Zustände der Außenwelt und des menschlichen Seelenlebens.122 Davon, dass Tatsachen in diesem Sinne auch im WTOStreitbeilegungsverfahren zum Sachverhalt gehören, kann ohne weiteres ausgegangen werden. Jedoch besteht in einem Verfahren unter dem DSU die Besonderheit, dass nur hoheitliche Maßnahmen den Gegenstand einer Beschwerde bilden können.123 Maßnahme im Sinne von Art. 6 Abs. 2 des DSU kann jedes Handeln, aktive Tun oder Unterlassen eines Mitglieds der WTO ungeachtet dessen sein, ob es sich um rechtlich verbindliche oder unverbindliche Maßnahmen handelt. Hierunter fallen Gesetze, Verordnungen, Einzelakte, Entscheidungen und Praktiken.124 Im kontinentaleuropäischen Rechtskreis sind in erster Linie Tatsachen im oben bezeichneten Sinne und nicht Rechtsnormen Gegenstand des Beweises.125 Für letztere gilt der Grundsatz iura novit curia.126 Doch wird u. a. für ausländisches Recht eine Ausnahme gemacht, da regelmäßig nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Richter dieses Recht kennt.127 Das ausländische Recht kann auch einem Beweisverfahren unterworfen werden, ohne dass es dadurch zu einer Tatsache wird.128 Es wird vielmehr tatsachenähnlich behandelt.129 Im angloamerikanischen Rechtskreis ist der Begriff „fact“ von vornherein weiter gefasst. Hier gilt ausländisches Recht auch als Tatsache und derje119
Palmeter/Mavroidis, § 4.09, S. 129. Art. 11 des DSU. 121 Thomas/Putzo, Einl II Rn. 24. 122 BGH NJW 1981, 1562; Zöller/Greger, § 286 Rn. 9; Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 113 I. 123 WTO Secretariat, Handbook, S. 40; Palmeter/Mavroidis, § 4.09, S. 129. 124 WTO Secretariat, Handbook, S. 39. 125 Ohlhoff, in: Prieß/Berrisch, S. 706 Rn. 62. 126 MünchKommZPO/Prütting, § 284 Rn. 43. 127 s. § 293 ZPO. 128 MünchKommZPO/Prütting, § 284 Rn. 43. 129 Ebd., § 293 Rn. 16 ff. 120
C. Tatsachenvortrag und Beweisführung der Parteien
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nige, der sich darauf beruft, muss dieses benennen und gegebenenfalls beweisen.130 Im WTO-Streitbeilegungsverfahren ist ausländisches Recht mit nationalem Recht gleichzusetzen. Die Panels haben zwar umfangreiche Kenntnisse des WTO-Vertragswerkes. Wie Spruchkörpern allgemein in internationalen Verfahren fehlen ihnen aber in der Regel detaillierte Kenntnisse der nationalen Rechtsordnungen und Rechtsnormen der Mitgliedstaaten. Vor diesem Hintergrund hat sich der Appellate Body bereits in umfangreichem Maße zur Prüfung nationaler Rechtsvorschriften durch die Streitbeilegungsorgane geäußert: In India – Patent Protection for Pharmaceutical and Agricultural Chemical Products vertrat Indien den Standpunkt, dass nationales Recht als eine Tatsache einzuordnen sei, die von derjenigen Partei dargelegt werden müsse, die sich auf dieses Recht berufe, und dass das Panel Indien um Anleitung hinsichtlich der Interpretation des streitigen indischen Rechts hätte ersuchen müssen. Dazu führte der Appellate Body aus, im Völkerrecht könne ein internationales Gericht nationales Recht auf unterschiedliche Weise einordnen. Nationales Recht könne als Beweis von Tatsachen dienen und Beweis für die Staatenpraxis liefern. Darüber hinaus könne nationales Recht für die Vereinbarkeit oder Unvereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen herangezogen werden und damit als Rechtsfrage zu behandeln sei. So habe beispielsweise der Ständige Internationale Gerichtshof131 in Certain German Interests in Polish Upper Silesia angemerkt: „Es möge die Frage gestellt werden, ob nicht Schwierigkeiten von der Tatsache resultierten, dass sich das Gericht mit dem polnischen Recht vom 14. Juli 1920 beschäftigen müsste. Dies scheine jedoch nicht der Fall zu sein. Vom Standpunkt des Internationalen Rechts aus und dem Gericht als seinem Organ, sei nationales Recht lediglich eine Tatsache, welche den Willen und die Handlungen des Staates darstelle, in der gleichen Weise wie rechtliche Entscheidungen und Verwaltungsmaßnahmen. Sicherlich sei das Gericht nicht dazu aufgerufen, das polnische Recht als solches zu interpretieren. Aber es gebe nichts, was das Gericht daran hindern könne, die Frage zu entscheiden, ob bei der Anwendung jenen Rechts Polen in Übereinstimmung mit seinen Verpflichtungen gegenüber Deutschland gemäß der Genfer Konvention gehandelt habe.“132 130
Hay, Kapitel 3 D I 8. Anmerkung der Verfasserin: Vorläufer des Internationalen Gerichtshofs. s. zum Ständigen Internationalen Gerichtshof und Internationalen Gerichtshof ausführlich Döhring, Völkerrecht, Rn. 468 ff.; Ipsen, Völkerrecht, § 62 Rn. 35 ff. 132 [1926], PCIJ Reports, Series A, No. 7, p. 19, zitiert nach WTO Secretariat, Analytical Index, XXIXC Domestic Law Fn. 399. 131
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Teil 3: Tatsachenermittlung im Panel- und Rechtsmittelverfahren
Hieraus folgerte der Appellate Body, dass eine Untersuchung der einschlägigen Aspekte des nationalen indischen Rechts, insbesondere der relevanten Verwaltungsvorschriften des Patents Act, entscheidend für die Beantwortung der Frage sei, ob Indien seinen Verpflichtungen nach Art. 70.8(a) des TRIPS Agreement nachgekommen ist. Hinsichtlich dieser Entscheidung habe es für das Panel keinen anderen Weg als eine Untersuchung des indischen Rechts gegeben. Aber wie im oben dargestellten Fall vor dem Ständigen Internationalen Gerichtshof habe das Panel das indische Recht nicht als solches interpretiert. Vielmehr habe das Panel das indische Recht allein zum Zwecke der Beurteilung untersucht, ob Indien seine Verpflichtungen nach dem TRIPS Agreement erfüllt habe. Der Standpunkt, das Panel habe diesbezüglich anders handeln müssen, würde bedeuten, dass lediglich Indien beurteilen könnte, ob das indische Recht mit Indiens Verpflichtungen gemäß den WTO-Übereinkommen vereinbar sei. Dies könne selbstverständlich so nicht sein. Frühere GATT- und WTO-Panels hätten ebenso eine detaillierte Untersuchung des nationalen Rechts eines Mitgliedstaates durchgeführt, um die Vereinbarkeit des nationalen Rechts mit den einschlägigen GATT/WTOVerpflichtungen zu beurteilen. Beispielsweise habe das Panel in US – Section 337 of the Tariff Act of 1930 eine ausführliche Untersuchung der einschlägigen Gesetzgebung und Praxis der Vereinigten Staaten durchgeführt. Dieser Fall erscheine dem vorliegenden vergleichbar.133 In US – Sections 301–310 of the Trade Act of 1974 führte das Panel aus, seine Aufgabe sei die Untersuchung der sections 301–310 zum Zwecke der Entscheidung, ob die Vereinigten Staaten ihre WTO-Verpflichtungen erfüllen. Mit dieser Vorgehensweise interpretiere es – wie bereits vom Appellate Body in India – Patent Protection for Pharmaceutical and Agricultural Chemical Products ausgeführt – US-amerikanisches Recht nicht als solches wie bei der Interpretation von Bestimmungen der erfassten WTO-Übereinkommen. Stattdessen habe es die sections 301–310 als Tatbestandsmerkmale dahingehend zu prüfen, ob diese ein US-amerikanisches Handeln zum Inhalt haben, das gegen die WTO-Verpflichtungen verstößt. In dieser Hinsicht seien auch die Regeln für die Verteilung der Beweislast zum Nachweis der Tatsachen anwendbar. Darüber hinaus stellte das Panel fest, dass in sections 301–310 und in WTO-Bestimmungen verwendete Termini nicht notwendigerweise dieselbe Bedeutung haben. Beispielsweise müsse das Wort „Feststellung“ in section 304 und 306 nicht immer dieselbe Bedeutung haben wie in Art. 23 Abs. 2 (a) des DSU.134 133
WTO-Dok. WT/DS50/AB/R Rn. 65 ff.
C. Tatsachenvortrag und Beweisführung der Parteien
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In US – Anti-Dumping Act of 1916 – Complaint by the European Communities baten die Europäischen Gemeinschaften das Panel im Zusammenhang mit der Untersuchung des Act of 1916, sich nicht von den verwendeten Termini der US-amerikanischen Gerichte leiten und beeinflussen zu lassen. Dagegen vertraten die Vereinigten Staaten den Standpunkt, die korrekte Interpretation des Act of 1916 sei eine nachzuweisende Tatsache, so wie es anerkannter Grundsatz des internationalen Rechts sei, dass nationales Recht eine vor internationalen Gerichten zu beweisende Tatsache sei. Bezugnehmend auf die Ausführungen des Appellate Body in India – Patent Protection for Pharmaceutical and Agricultural Chemical Products erklärte das Panel, es verstehe den vom Appellate Body verwendeten Begriff „Untersuchung“ so, dass ein Panel die Bestimmung des nationalen Rechts eines Staates durch diesen selbst nicht als feststehend annehmen müsse. Ein Panel könne die Aktivitäten der nationalen Gesetzgeber analysieren und entscheiden, ob die Darstellung der Rechtswirkungen durch den betroffenen Staat mit den Rechtsnormen des Mitgliedstaates übereinstimme. Auf diese Weise sei die Feststellung möglich, ob das nationale Recht in seiner tatsächlichen Anwendung mit den Verpflichtungen des Mitglieds nach den WTO-Übereinkommen vereinbar ist.135 Weiter stellte das Panel in dieser Entscheidung fest, dass sowohl die klagende als auch die beklagte Partei auf US-amerikanische Gerichtsentscheidungen Bezug genommen hatten. Im Zusammenhang mit der Betrachtung des case law hinsichtlich des 1916 Act erinnerte das Panel daran, dass der Internationale Gerichtshof im Falle Elettronica Sicula S. p .A. (ELSI)136 auf die Entscheidung des Ständigen Internationalen Gerichtshofs im Brazilian Loans Case137 Bezug genommen habe, auf den im vorliegenden Fall auch die Vereinigten Staaten in ihrem Schriftsatz verwiesen hätten. Danach habe der internationale Spruchkörper, wenn der Inhalt einer nationalen Rechtsnorm und eine Entscheidung eines nationalen Gerichts erheblich sind, die nationale Rechtsprechung näher zu betrachten und zu ermitteln, wie es tatsächlich angewendet wird. Lasse sich dies nicht feststellen, etwa weil die Rechtsprechung nicht einheitlich ist, sei diejenige Interpretation heranzuziehen, die dem anzuwendenden nationalen Recht am weitesten entspricht.138 134
WTO-Dok. WT/DS152/R Rn. 7.18 und 7.20. WTO-Dok. WT/DS136/R Rn. 6.51. 136 [1989], ICJ Reports, p. 15 at p. 47, para. 62, zitiert nach WTO Secretariat, Analytical Index, XXIXC Domestic Law Fn. 406, im Internet unter www.icj-cij.org. 137 [1929], PCIJ Reports, Series A, Nos. 20/21, im Internet unter www.icj-cij.org. 138 Ebd., p. 124, zitiert nach WTO Secretariat, Analytical Index, XXIXC Domestic Law Fn. 407. 135
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Teil 3: Tatsachenermittlung im Panel- und Rechtsmittelverfahren
Dieser Vorgehensweise schloss sich das Panel an und betonte, dass seine Untersuchung des nationalen Rechts nicht dazu führt, dass es seine eigene unabhängige Interpretation des nationalen Rechts entwickelt, sondern dass es diejenige Interpretation der relevanten Urteile heranzieht, die dem nationalen Recht am nächsten kommt, um den vor ihm liegenden Rechtsstreit zu lösen. Dies würde nicht zu einer Interpretation des US-amerikanischen Rechts führen, wie von den Vereinigten Staaten befürchtet.139 Aus diesen Entscheidungen wird deutlich, dass die Streitbeilegungsorgane das nationale Recht der Streitparteien in ihre Sachverhaltsuntersuchung einbeziehen und darüber Beweis erheben (können). Hieraus zu schließen, dass im WTO-Streitbeilegungsverfahren nationales Recht eine Tatsachenfrage sei, geht aber zu weit.140 Eine definitive dogmatische Einordnung des nationalen Rechts (Tatsache oder Recht) nehmen die Streitbeilegungsorgane gerade nicht vor. Sie führen aus, nationales Recht könne einerseits Beweis für Tatsachen sein und Beweise für die Staatenpraxis liefern. Andererseits könne es die Vereinbarkeit oder Unvereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen beinhalten und belegen. Diese Ausführungen sprechen mehr für die Unterscheidung nach deutschem Recht. Im Ergebnis gehören jedenfalls die nationalen Rechtsnormen der Mitgliedstaaten zum Sachvortrag der Parteien. Die Streitparteien haben das nationale Recht und dessen Anwendung darzulegen. Nationale Rechtsnormen können Beweisgegenstand einer Beweisaufnahme sein, denn nur in seltenen Fällen haben Panelmitglieder – vielleicht aufgrund ihrer Herkunft – Kenntnis von diesen Rechtsvorschriften.141
II. Informationsbeschaffung der Parteien 1. Vorprozessuale Informationsmöglichkeiten Die Informationsbeschaffung der beschwerdeführenden Partei spielt im Streitbeilegungsverfahren der Welthandelsorganisation eine bedeutende Rolle. Die klägerische Partei benötigt für eine erfolgreiche Klage Informationen über alle relevanten Tatsachen. Das beschwerdeführende Mitglied soll bereits in seinem Antrag auf Einsetzung eines Panels gemäß Art. 6 Abs. 2 des DSU den Gegenstand und den Grund der Beschwerde konkret bezeichnen. Dieser Antrag setzt keine Beweislieferung voraus. Allerdings ist jeder klagenden Streitpartei zu empfehlen, bereits mit dem Antrag auf 139 140 141
WTO-Dok. WT/DS136/R Rn. 6.53. So aber Palmeter/Mavroidis, § 4.09, S. 129. Ohlhoff, in: Prieß/Berrisch, S. 706 Rn. 62.
C. Tatsachenvortrag und Beweisführung der Parteien
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Einsetzung eines Panels möglichst viele Details und Nachweise relevanter Korrespondenz beizubringen.142 Das DSU regelt die Informations- und Beweisbeschaffung der klagenden Partei nicht. Insbesondere ist die im US-amerikanischen Recht verankerte pre-trial discovery vertraglich nicht vorgesehen.143 Der beschwerdeführenden Partei wird damit kein vorprozessuales generelles Recht auf Beschaffung von Informationen, die sie nicht ohnehin besitzt, eingeräumt.144 Darüber hinaus ist das Panelverfahren aufgrund des Beschleunigungsgrundsatzes zeitlich sehr knapp konzipiert, so dass für eine aufwendige Tatsachenermittlung und Beweiserhebung in diesem Rahmen auch kein Raum besteht. Vor diesem Hintergrund spielt sich die Informationsbeschaffung meistens im Vorfeld eines Handelsstreits unter dem DSU ab. Sie ist in besonderem Maße davon abhängig, ob überhaupt eine Beschwerde erhoben wird, da aufgrund des Prozessrisikos nicht einfach ohne jegliche Information und Beweise geklagt werden kann.145 Ein Handelsstreit hat in der Regel eine lange Vorgeschichte. Aufgrund der weltweiten Möglichkeiten zur Kommunikation und Informationsbeschaffung erhalten andere Mitgliedstaaten bereits häufig, bevor eine Maßnahme eines anderen Staates erlassen wird, von deren Planung Kenntnis. Auch wenn ihnen Detailwissen fehlt, können sie sich bereits zu diesem frühen Zeitpunkt mit der geplanten Maßnahme und deren Auswirkungen auseinandersetzen. Das WTO-Streitbeilegungsverfahren wird von den Regierungen der Mitgliedstaaten geführt. Jedoch sind es zumeist private Wirtschaftsakteure als Exporteur oder Importeure, die von den nachteiligen Auswirkungen einer möglicherweise mit den WTO-Bestimmungen nicht vereinbaren Maßnahme direkt betroffen sind. Dasselbe gilt für andere Nichtregierungsorganisationen mit einem grundsätzlichen Interesse an einer streitigen Maßnahme.146 Oftmals haben daher jene Wirtschaftszweige zunächst einmal die eigene Regierung für die Probleme mit der Maßnahme eines anderen Staates zu sensibilisieren. Das bedeutet gleichzeitig, dass sie den eigenen Staat mit Informationen versorgen müssen und Beweise zu liefern haben. Einige WTOMitgliedstaaten haben interne Gesetze und Verordnungen verabschiedet, 142
Ebd. s. zur pre-trial discovery ausführlich Kane, S. 88 ff.; Schack, S. 44 ff. 144 s. auch Teil 3 C. IV. 145 Im Gegensatz zum U. S.-amerikanischen Recht. s. zum Inhalt der dortigen Klageschrift Schack, S. 40 f. 146 WTO Secretariat, Handbook, S. 9. 143
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nach denen private Parteien ihre Regierungen um die Erhebung einer WTOKlage ersuchen können.147 Auf diese Weise kann die nationale Wirtschaft Einfluss und Druck auf die Regierungen der Mitgliedstaaten ausüben, ein Streitbeilegungsverfahren in Gang zu bringen.148 Sowohl die Privatwirtschaft als auch die Regierungen der Mitgliedstaaten haben umfangreiche vorprozessuale Informationsmöglichkeiten. a) Informationsmöglichkeiten der Wirtschaft Die von einer staatlichen Maßnahme einer ausländischen Regierung betroffene Wirtschaft versucht zunächst durch Lobbying auf jenen Staat einzuwirken, dass die betreffende Maßnahme rückgängig gemacht oder abgeändert wird. Zur Vorbereitung dieser Aktivitäten werden bereits bestmöglich Informationen eingeholt. Aus den dann erfolgten Gesprächen zwischen den importierenden oder exportierenden Firmen oder Investoren mit den Regierungsvertretern des ausländischen Mitgliedstaates können zusätzliche Informationen gewonnen werden. Darüber hinaus können die internationalen Handelskammern kontaktiert, die ausländische und weltweite Finanzpresse und das Internetangebot des betroffenen Mitgliedstaates bzw. seiner Regierung aufmerksam studiert werden. Eine weitere bedeutende Informationsquelle sind die Berichte unter dem Trade Policy Review Mechanism, die auf den Internetseiten der WTO veröffentlicht werden.149 Dieser Mechanismus hat die periodische Überprüfung der Handelspolitiken der Mitgliedstaaten der WTO zum Ziel.150 Er ist integraler Bestandteil der WTO-Rechtsordnung und als Anhang 3 zum WTO Agreement verabschiedet worden.151 Der Trade Policy Review Body, der dem Allgemeinen Rat der WTO untersteht, evaluiert die nationalen Volkswirtschaften im Hinblick auf ihre Handelsaktivitäten. Auf diese Weise entsteht ein periodisches Berichtssystem über die nationalen Handelsmaßnahmen der einzelnen WTO-Mitgliedstaaten.152 147 s. beispielsweise sections 301 et seq. of the United States Trade Act of 1974 (im Internet unter www.osec.doc.gov/ogc/occic/301.html) und Trade Barriers Regulation of the European Communities, Council Regulation (EC) No 3286/94 of December 1994 (im Internet unter www.europa.eu.int). 148 s. zur Rolle der Privatwirtschaft im WTO-Streitbeilegungsverfahren Jansen, ZeuS 2000, 293; Trachtman/Moremen, S. 221. 149 Gallagher, S. 58 f. 150 Tietje, in: Prieß/Berrisch, S. 665 Rn. 1. 151 Ebd. 152 s. hierzu ausführlich Tietje, in: Prieß/Berrisch, Teil C. I. 1.
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b) Informationsmöglichkeiten der Regierungen der Mitgliedstaaten Die Regierungen der Mitgliedstaaten arbeiten Hand in Hand mit ihrer nationalen Wirtschaft, den Konsumenten oder anderen Lobbyisten, um sicherzustellen, dass ihre eigenen Bürger und ihre nationale Wirtschaft Vorteile aus jeder Möglichkeit der Welthandelsorganisation ziehen.153 Stoßen die privaten Wirtschaftsakteure bei ihren Versuchen der Informationsbeschaffung auf Widerstand oder „taube Ohren“, ist es Sache der Regierung, insbesondere des Wirtschaftsministeriums, das betreffende WTO-Mitglied zu konsultieren. Hierfür können die diplomatischen Kontakte genutzt werden.154 Häufig findet daher ein mündlicher, aber auch schriftlicher Austausch in Form von Mitteilungen, Briefen oder auch formalen diplomatischen Stellungnahmen zwischen den Regierungen der zwei oder mehr Volkswirtschaften über die streitige Maßnahme statt,155 aus denen weitere Informationen diesbezüglich gewonnen werden können. 2. Konsultation a) Ziel und Zweck des obligatorischen Konsultationsverfahrens Die Parteien einer Streitigkeit haben vor dem Antrag auf Einsetzung eines Panels vertrauliche Konsultationen durchzuführen.156 Dazu ist das beschwerdeführende Mitglied verpflichtet, ein schriftliches Konsultationsbegehren an das gegnerische Mitglied zu richten. Dieses Begehren wird dem Streitbeilegungsgremium angezeigt und muss die strittigen Maßnahmen, die Rechtsgrundlage sowie eine Begründung der Beschwerde enthalten.157 Ziel der Konsultationen ist eine für beide Seiten zufriedenstellende Lösung des Konfliktes.158 Erst wenn das gegnerische Mitglied die ihm gesetzten Fristen zur Stellungnahme159 verstreichen lässt oder keine einvernehmliche Lösung erzielt wird, kann der Beschwerdeführer die Einsetzung eines Panels verlangen.160 Entscheidend ist aber auch, dass die Konsultationen von den Streitparteien nach Treu und Glauben und nicht als streitiges Verfahren durch153
Gallagher, S. 3. Ebd., S. 58 f. 155 Ebd., S. 6. 156 Art. 4 des DSU; s. zu den Konsultationen ausführlich Horlick, S. 685; Wethington, S. 583. 157 Art. 4 Abs. 4 des DSU. 158 Art. 4 Abs. 3 und Abs. 5 des DSU. 159 Art. 4 Abs. 3 des DSU. 160 Art. 4 Abs. 3 und Abs. 7 des DSU. 154
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zuführen sind.161 Diese Verpflichtung hat der Appellate Body bereits verdeutlicht: In India – Patent Protection for Pharmaceutical and Agricultural Chemical Products betonte er, dass das Konsultationsverfahren insbesondere deswegen eine wichtige Rolle spielt, weil oft erst in diesem Stadium geklärt werden kann, welche Rechts- und Tatsachenfragen eigentlich umstritten sind. Deshalb seien die Streitparteien von Beginn an sowohl in Bezug auf die streitigen Beschwerden als auch auf die zugrundeliegenden Tatsachen zu gegenseitigem Entgegenkommen verpflichtet.162 In Brazil – Export Financing Programme for Aircraft stellte er dementsprechend klar, dass (ein) Ziel der Konsultationsphase die Sachverhaltsaufklärung ist.163 Damit haben die Konsultationen neben dem Ziel der einvernehmlichen Streitbeilegung auch die Sachverhaltsaufklärung zum Zweck. Dies ermöglicht den Parteien, den dem Streit zugrundeliegenden Sachverhalt zu klären sowie Missverständnisse auszuräumen. So erhält die klagende Partei Informationen der beklagten Partei über die streitige Maßnahme, letztere erfährt, wie sie ihre sachgemäße Verteidigung aufzubauen hat. Insgesamt bilden in der Regel die Informationen, die während der Konsultationsphase erlangt werden, die Grundlage für das weitere Panelverfahren.164 Eine Sonderbestimmung in Bezug auf die Sachverhaltsaufklärung enthält das SCM Agreement. Art. 4 Abs. 2 lautet: Das Ersuchen um Konsultationen nach Absatz 1 enthält Angaben zu den verfügbaren Beweisen für das Bestehen und die Art der betreffenden Subvention.
Und Art. 7 Abs. 2 bestimmt weiter: Das Ersuchen um Konsultationen gemäß Absatz 1 enthält Angaben zu den verfügbaren Beweisen in bezug auf a) das Bestehen und die Art der betreffenden Subventionen und b) die Schädigung des inländischen Wirtschaftszweigs oder die Zunichtemachung bzw. Schmälerung oder die ernsthafte Schädigung165 der Interessen des Mitglieds, das um Konsultationen ersucht.
Folglich hat die beschwerdeführende Partei in einem Verfahren unter dem SCM Agreement ihre Informationen über die streitgegenständliche 161
Art. 4 Abs. 3 des DSU. WTO-Dok. WT/DS50/AB/R Rn. 94. 163 WTO-Dok. WT/DS46/AB/R Rn. 60. 164 WTO Secretariat, Handbook, S. 44 f., 48. 165 Originalfußnote: Bezieht sich der Antrag auf eine Subvention, von der angenommen wird, dass sie zu einer ernsthaften Schädigung im Sinne von Art. 6 Absatz 1 führt, so können die verfügbaren Beweise für eine ernsthafte Schädigung auf den Beweis der Einhaltung bzw. der Nichteinhaltung der Bedingungen des Artikel 6 Absatz 1 beschränkt werden. 162
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Subventions- oder Ausgleichsmaßnahme, die sie vor dem streitigen Verfahren ermittelt hat, offenzulegen und so der beklagten Partei die Gründe ihrer Beschwerde zu erklären. Als Umkehrschluss lässt sich daraus für alle übrigen Fallkonstellationen ableiten, dass – im Gegensatz zur pre-trial discovery im US-amerikanischen Recht166 – keine WTO-Streitpartei im Rahmen der Konsultationen verpflichtet ist, die Gegenpartei mit sämtlichen verfügbaren Informationen zu versorgen. b) Vertraulichkeit der Konsultationen Die zu Beginn eines Streitbeilegungsverfahren vorgeschriebenen Konsultationen zwischen den Streitparteien finden in vertraulichem Rahmen statt.167 Art. 4 Abs. 6 des DSU stellt klar: Die Konsultationen sind vertraulich und lassen die Rechte jedes Mitglieds in weiteren Verfahren unberührt.
Die Konsultationen sind ein bilateraler Prozess, ohne die Einbeziehung des Streitbeilegungsgremiums, eines Panels oder des WTO-Sekretariats. Über die Konsultationen wird kein offizielles Protokoll erstellt.168 Demzufolge hat ein Panel keinerlei Kenntnis darüber, was während der Konsultationsphase zwischen den Streitparteien diskutiert wurde und ist dementsprechend auch nicht in der Lage, diesbezüglich eine Entscheidung zu treffen. Einzige Aufgabe des Panels ist es, sicherzustellen, dass Konsultationen tatsächlich durchgeführt wurden.169 Zugeständnisse einer Partei im Rahmen der Konsultationsphase erfolgen ohne Anerkennung einer Rechtspflicht.170 Ein Kompromissangebot oder eine (Teil-)Änderung der streitigen Maßnahme durch die betreffende Streitpartei begründet kein Zugeständnis der Unvereinbarkeit mit dem geltenden WTO-Recht.171 Im Laufe der Panelverfahren entstand vor diesem Hintergrund die Problematik, ob Informationen, die während der Konsultationsphase erlangt wurden, vorgebracht und berücksichtigt werden durften. Würde bei der Berücksichtigung nicht gegen Art. 4 Abs. 6 des DSU verstoßen, wonach die Rechte jedes Mitglieds in weiteren Verfahren unberührt bleiben? 166
Kane, S. 88 ff. Zum Prinzip der Vertraulichkeit im WTO-Streitbeilegungsverfahren allgemein s. Kessie, S. 1. 168 Palmeter/Mavroidis, § 4.02, S. 64. 169 WTO Secretariat, Handbook, S. 46; Palmeter/Mavroidis, § 4.02, S. 64. 170 Ebd., S. 63. 171 Ebd., S. 64. 167
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In Korea – Taxes on Alcoholic Beverages argumentierte Korea vor dem Panel, die beschwerdeführende Partei habe die Pflicht zur Vertraulichkeit gemäß Art. 4 Abs. 6 des DSU verletzt, indem sie in ihren schriftlichen Vorlagen auf Informationen verwies, die Korea während der obligatorischen Konsultationen beigebracht hatte. Das Panel führte dazu in einer nicht vom Appellate Body überprüften Entscheidung aus, dass Vertraulichkeit bei den Konsultationen zwischen den Streitparteien zwar absolut erforderlich sei, die Parteien jedoch nicht dadurch die Vertraulichkeit verletzten, dass sie während des Panelverfahrens Informationen bekannt gäben, die sie während der Konsultationen erhalten hätten. Grundsätzlich – so das Panel – sei die in Art. 4 Abs. 6 des DSU verankerte Vertraulichkeit absolut erforderlich für sinnvolle, in freier Verantwortung der Parteien durchgeführte Konsultationen. Diese Vertraulichkeit gehe jedoch nur soweit, dass die Parteien verpflichtet seien, während der Konsultationen erhaltene Informationen nicht an Dritte weiterzugeben, die an den Konsultationen nicht beteiligt gewesen sind.172 Sinn und Zweck der Konsultationen sei auch die Möglichkeit der Parteien, korrekte und relevante Informationen einzuholen. Diese dienten als Grundlage einer einvernehmlichen Lösung, oder im Falle des Scheiterns als Sachverhaltsgrundlage, die dem Panel präsentiert werden kann. Nach Ansicht des Panels würde es den Streitbeilegungsprozess beeinträchtigen, wenn die während der Konsultationen erhaltenen Informationen später im Panelverfahren nicht durch eine Partei genutzt werden könnten. Daher sei vorliegend keine Verletzung des Vertraulichkeitsgrundsatzes durch die klagende Partei bezüglich der Preisgabe von Informationen gegeben, die während der Konsultationsphase von Korea erlangt wurden.173 In Australia – Subsidies Provided to Producers and Exporters of Automotive Leather wiederholte das Panel die Entscheidung aus Korea – Taxes on Alcoholic Beverages. In diesem Fall forderte die beklagte Partei, Australien, dass die Bekanntgabe von Informationen, welche die klagende Partei, die Vereinigten Staaten, während der Konsultationsphase in einem früheren von den Vereinigten Staaten begehrten Panelverfahren, in dem das Panel zwar eingesetzt, aber nicht zusammen gekommen und im Ergebnis nie aktiv geworden war, erhalten hatte, im zweiten (diesem) Panelverfahren für unzulässig erklärt würde. Das Panel lehnte diesen Antrag Australiens ab. Art. 4 Abs. 6 des DSU habe nicht zur Folge, dass während der Konsultationsphase bekannt gewordene Tatsachen und Informationen in einem Panelverfahren nicht genutzt 172 Art. 4 Abs. 11 des DSU enthält die Möglichkeit für andere Mitglieder, die ein wesentliches Handelsinteresse an den Konsultationen haben, an ihnen teilzunehmen. 173 WTO-Dok. WT/DS75/R, WT/DS84/R Rn. 10.23.
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werden könnten, das – wie im vorliegenden Fall – denselben Streit zwischen den Parteien betreffe. Art. 11 des DSU verpflichte ein Panel dazu, eine objektive Beurteilung der vor ihm liegenden Angelegenheit vorzunehmen. Wie bereits an früherer Stelle diskutiert, müssten jegliche Beweisregeln, die aufgestellt würden, mit dieser Verpflichtung übereinstimmen. Das Panel habe zuvor in Korea – Taxes on Alcoholic Beverages das Recht einer WTO-Streitpartei bestätigt, während der Konsultationsphase erlangte Informationen im Panelprozess zu nutzen. Entsprechend könne das Panel im vorliegenden Fall, in dem es keine Drittbeteiligten gab, die möglicherweise Informationen aus den Konsultationen hätten erfahren können, keinen Grund dafür erkennen, die von den Vereinigten Staaten vorgelegte „Anlage 2“ zu ihrem Schriftsatz aus seiner Betrachtung auszuschließen, nur weil diese Anlage aufgrund von Informationen aus den Konsultationen des ersten Verfahrens erstellt worden sei. Australien habe nicht einmal konkret dargelegt, dass die Vereinigten Staaten überhaupt neue Tatsachenkenntnisse aus den früheren Konsultationen erlangt hätten. Damit gebe es keinen Grund, bestimmten Tatsachenvortrag der Vereinigten Staaten nicht zu beachten.174 In EC – Anti-Dumping Duties on Imports of Cotton-Type Bed Linen from India bezog sich das Panel ebenso auf die Feststellungen des Panels in Korea – Taxes on Alcoholic Beverages. In diesem Fall präsentierte Indien Mitschriften von den mit den Europäischen Gemeinschaften gehaltenen Konsultationssitzungen, um den angeblichen bösen Willen („bad faith“) der Europäischen Gemeinschaften während der Konsultationen zu demonstrieren. Obwohl das Panel feststellte, dass das von Indien vorgelegte Material sich nicht auf einen spezifischen rechtlichen Anspruch bezog und im Ergebnis für den Fall irrelevant war, entschied es, diesen Tatsachenvortrag nicht von vornherein auszuschließen, da die während der Konsultationsphase erhaltenen Informationen in einem späteren Panelverfahren präsentiert werden könnten.175 Gleichwohl lehnte es das Panel in US – Restrictions on Imports of Cotton and Man-made Fibre Underwear aber ab, von der klagenden Partei Costa Rica beigebrachtes Beweismaterial zuzulassen, das Vergleichsangebote der Vereinigten Staaten während der Konsultationen betraf, da solche Angebote keine rechtlichen Konsequenzen für das spätere Streitverfahren hätten. Costa Rica hatte dem Panel zuvor Informationsmaterial vorgelegt, welches die bilateralen Verhandlungen zwischen Costa Rica und den Vereinig174 175
WTO-Dok. WT/DS126/R Rn. 9.32 ff. WTO-Dok. WT/DS141/R Rn. 6.32 ff.
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ten Staaten nach der Verhängung der streitigen Maßnahmen, insbesondere Vergleichsangebote der Vereinigten Staaten in Bezug auf die Höhe der verhängten Maßnahmen, betraf. Aus der Sicht des Panels stelle der Wortlaut von Art. 4 Abs. 6 des DSU klar, dass im Rahmen von Konsultationen unterbreitete Vergleichsangebote in Fällen, in denen eine einvernehmliche Lösung nicht erreicht wurde, keine rechtliche Bedeutung für das weitere Verfahren hätten, soweit sie Rechte der Streitparteien beträfen. Konsequenterweise werde das Panel seine Feststellungen nicht auf solche Informationen stützen.176 Im Ergebnis kann der Grundsatz aufgestellt werden, dass zwar erlangte Informationen aus der Konsultationsphase vorgebracht und verwertet werden dürfen, die Berücksichtigung konkreter Vergleichsangebote aber mit Art. 4 Abs. 6 des DSU unvereinbar ist.
III. Darlegungslast und Beweisantritt der Streitparteien Das WTO-Streitbeilegungsverfahren ist durch den Verhandlungsgrundsatz geprägt. Vor diesem Hintergrund ist es Aufgabe der Streitparteien, die Tatsachen in den Prozess einzuführen. So stehen zu Beginn der Sachverhaltsermittlung in einem Panelverfahren die Tatsachenbehauptungen der Streitparteien. Dies bestimmt insbesondere Anhang 3 Abs. 4 des DSU: Vor der ersten Sitzung des Panels mit den Parteien in der Sache leiten die Streitparteien dem Panel schriftliche Vorlagen zu, in denen sie den Sachverhalt177 und ihre Argumente darlegen.
Das DSU schweigt jedoch dazu, was die Streitparteien jeweils im Einzelnen darzulegen haben. Im deutschen Recht bestimmt dies die sogenannte Darlegungslast (Behauptungslast). Durch sie wird geregelt, welche konkreten Tatsachenbehauptungen eine Partei aufstellen muss, um die abstrakten Tatbestandsvoraussetzungen einer begehrten Rechtsfolge zu erhalten.178 Dabei folgt die Darlegungslast in allen wesentlichen Fragen der Beweislast, insbesondere richtet sich auch ihre Verteilung nach der Beweislastverteilung.179 Diese Grundsätze lassen sich ohne weiteres auf das WTO-Streitbeilegungsverfahren übertragen, da auch hier die Verhandlungsmaxime gilt. Während sich die Streitbeilegungsorgane nicht ausdrücklich zu der Verteilung der Darlegungslast in einem Panelverfahren geäußert haben, setzen sie 176 177 178 179
WTO-Dok. WT/DS24/R Rn. 7.26 f. Hervorhebung der Verfasserin. MünchKommZPO/Prütting, § 286 Rn. 134. Ebd., Rn. 135.
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eine solche nicht zuletzt dadurch voraus, dass sie bereits umfangreich zur Verteilung der Beweislast (burden of proof) Stellung genommen haben. An dieser Stelle soll jedoch nur knapp beschrieben werden, wie die Beweislast – und damit auch die Darlegungslast – in einem WTO-Streitbeilegungsverfahren nach der WTO-Spruchpraxis verteilt ist. Die Einzelheiten zur Beweislast werden dann an dogmatisch richtiger Stelle am Ende des Entscheidungsprozesses des Panels dargestellt.180 In Turkey – Restrictions on Imports of Textile and Clothing Products beschrieb das Panel die Verteilung der Beweislast wie folgt: (a) es ist an der beschwerdeführenden Partei, die behauptete Verletzung zu beweisen; (b) es ist an der Partei, die sich auf eine Ausnahme oder eine positive Verteidigung beruft, zu beweisen, dass die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind; und (c) eine Partei, die eine Tatsache behauptet, hat diese zu beweisen.181 Im Ergebnis geht hieraus hervor, dass die Streitparteien die jeweils für sie günstigen Tatsachen darzulegen haben.182 Während die klagende Partei die Feststellung begehrt, dass die streitige Maßnahme WTO-Vertragsbestimmungen verletzt und Handelsvorteile zunichte macht oder schmälert,183 will sich die beklagte Partei hiergegen verteidigen, indem sie entweder die Vertragskonformität darlegt oder die Maßnahme als vertraglich zulässige Ausnahme beschreibt. Darüber hinaus haben die Streitparteien aufgrund der Geltung der Verhandlungsmaxime ihre Behauptungen auch zu beweisen. Dies hat der Appellate Body in US – Measures Affecting Imports of Woven Wool Shirts and Blouses from India als selbstverständlich wie folgt beschrieben: Ein juristisches Regelsystem, das den Rechtssatz enthält, dass die bloße Behauptung eines Anspruchs für deren Beweis ausreicht, könne nicht funktionieren. Es sei daher kaum verwunderlich, dass verschiedene internationale Gerichte, darunter auch der Internationale Gerichtshof, grundsätzlich und folgerichtig die Regel akzeptiert und angenommen haben, dass die Par180
s. Teil 3 D. IV. 4. WTO-Dok. WT/DS34/R Rn. 9.57; ebenso Panel Report Argentina – Measures Affecting Imports of Footwear, Textiles, Apparel and other Items, WT/DS56/R Rn. 6.34. 182 Sandrock, S. 182. 183 Auf die Nichtverletzungsbeschwerde gemäß Art. XXIII:1(b) und die Situationsbeschwerde gemäß Art. XXIII:1(b) wird hier nicht näher eingegangen werden, da ihnen in der Praxis nicht die Bedeutung einer Verletzungsbeschwerde zukommt. 181
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tei, die eine Tatsache behauptet, für die Beibringung des entsprechenden Beweises verantwortlich ist.184 Wie – insbesondere in welcher Form – die Beweise von den Streitparteien beizubringen sind, stellt aber weder das DSU klar, noch haben sich die Streitbeilegungsorgane hierzu explizit geäußert. Die WTO-Praxis entspricht dabei wiederum der allgemeinen Prozesspraxis – wie auch der deutschen. Der Beweisantritt erfolgt hier durch einen Beweisantrag der Partei. Mit einem solchen Antrag verlangt sie vom Gericht, es möge eine bestimmte Tatsachenbehauptung durch ein bestimmtes Beweismittel zu seiner Überzeugung feststellen.185 Wie im deutschen und US-amerikanischen Recht erfolgt der Beweisantritt im vorbereitenden Schriftsatz und in der mündlichen Verhandlung.186 Die Streitparteien tragen ihre jeweiligen Tatsachenbehauptungen schriftlich und mündlich (auch konkludent) vor und benennen gleichzeitig die sich auf sie beziehenden Beweismittel, über die das Panel im Anschluss Beweis erheben, sie würdigen und aus ihnen die erforderlichen Schlussfolgerungen ziehen kann.187
IV. Keine allgemeine Informationspflicht der Parteien Das DSU sieht bezüglich eines WTO-Streitbeilegungsverfahren keine allgemeine Informationspflicht einer Streitpartei dahingehend vor, die Gegenseite mit allen relevanten Informationen oder Unterlagen zu versorgen, die diese nicht selbst besitzt. Der geltende Grundsatz der Prozessförderungspflicht der Parteien geht soweit nicht.188 Ein Panel kann aber aufgrund des ihm zustehenden Fragerechts gemäß Art. 13 des DSU189 eine Partei ersuchen, die in ihrem Besitz befindlichen Urkunden und Dokumente, auf die sie sich selbst bezogen oder die Gegenpartei konkret hingewiesen hat, vorzulegen.190 Dieses Recht des Panels kann allerdings nicht mit Zwangsmitteln durchgesetzt, lediglich im Rahmen der Beweiswürdigung negativ bewertet werden.191 184
WTO-Dok. WT/DS33/AB/R Rn. 14; Kazazi, S. 117. s. zum deutschen Prozessrecht MünchKommZPO/Prütting, § 284 Rn. 81. 186 s. zum deutschen Prozessrecht §§ 130 Nr. 5, 137 ZPO. Zum US-amerikanischen Recht vgl. Schack, S. 40 ff., 64 ff. 187 s. zu der Beweiserhebung (einschließlich der Beweismittel) und der Beweiswürdigung ausführlich Teil 3 D. III. und IV. 188 s. oben Teil 3 A. II. 3. d). 189 s. oben Teil 3 A. II. 3. c). 190 Ähnlich im deutschen Zivilprozessrecht §§ 142 Abs. 1, 423 ZPO. 191 Ähnlich im deutschen Zivilprozessrecht §§ 286, 427 ZPO. 185
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Das SCM Agreement enthält in Art. 6 Abs. 6 und Anhang 5 eine Sonderregel, die der beklagten Partei Ansprüche auf Informationen, die Vorlage und Herausgabe von Unterlagen einräumt: Jedes Mitglied, das eine auf seinem Markt eintretende ernsthafte Schädigung geltend macht, stellt vorbehaltlich des Absatzes 3 des Anhangs V den Streitparteien gemäß Artikel 7 und der nach Artikel 7 Absatz 4 eingesetzten Sondergruppe192 alle einschlägigen Informationen zur Verfügung, die es über die Änderung der Marktanteile der Streitparteien sowie über die Preise der betreffenden Waren erhalten kann.
Im Übrigen wird in Art. 3 Abs. 10 des DSU eine prozessuale Aufklärungspflicht gesehen: Es wird davon ausgegangen, dass Anträge auf einen Vergleich und die Inanspruchnahme der Streitbeilegungsverfahren nicht als streitige Handlungen beabsichtigt oder zu betrachten sind und dass sich beim Entstehen einer Streitigkeit alle Mitglieder nach Treu und Glauben an diesen Verfahren beteiligen in dem Bemühen, die Streitigkeit beizulegen.
In Argentina – Measures Affecting Imports of Footwear, Textiles, Apparel and Other Items machte das Panel in einer vom Appellate Body nicht überprüften Entscheidung Anmerkungen zur Aufklärungspflicht der Streitparteien und zur Mitarbeit bei der Präsentation der Tatsachen und Beweise vor dem Panel. Eine mit der Beweislast zusammenhängende Regel sei die Pflicht zur Mitarbeit der Streitparteien bei der Präsentation der Tatsachen und Beweise vor dem Panel. Insbesondere sei hier die Rolle der beklagten Partei im Prozess zu betonen. Es sei bereits häufig betont worden, dass die Idee einer friedlichen Streitbeilegung vor internationalen Gerichten im Wesentlichen auf der Prämisse der Zusammenarbeit der Streitparteien beruhe. In diesem Zusammenhang sei es ein wichtiger Grundsätze, dass der Prozessgegner verpflichtet ist, das Gericht mit den relevanten Dokumenten zu versorgen, die sich in seinem alleinigen Besitz befinden. Diese Verpflichtung entstehe erst, wenn die beschwerdeführende Partei ihr Möglichstes getan habe, Beweise vorzulegen und einen prima facie-Fall einer Vertragsverletzung darzulegen. Zu betonen sei aber, dass die „discovery“ von Dokumenten in seiner common lawBedeutung in internationalen Gerichtsverfahren keine Anwendung findet.193 Damit wird der Besonderheit des WTO-Streitbeilegungsverfahrens Rechnung getragen, dass die darlegungs- und beweispflichtige Partei in der Regel die näheren Umstände der Verabschiedung einer Maßnahme durch ein anderes Mitglied nicht kennt.194 Die Aufklärungspflicht der nichtbeweisbe192 193 194
Anmerkung der Verfasserin: gemeint ist ein Panel. WTO-Dok. WT/DS56/R Rn. 6.40, 6.58. Cameron/Gray, S. 278 ff.
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lasteten Partei besteht dort, wo sie im alleinigen Besitz der erheblichen Unterlagen und Dokumente ist. Sie darf aber nicht dazu führen, dass die beweisbelastete Partei von konkretem Tatsachenvortrag und entsprechendem Beweisantritt befreit wird.
V. Schutz von Geschäftsgeheimnissen In einem WTO-Streitbeilegungsverfahren sind in der Regel vertrauliche Wirtschaftsinformationen der von einer staatlichen Maßnahme betroffenen Industrie erheblich und damit Gegenstand der Sachverhaltsaufklärung eines Panels. Von großer Bedeutung ist daher der Schutz von Geschäftsgeheimnissen der betroffenen Unternehmen im Panelverfahren.195 Das DSU enthält abgesehen von den Bestimmungen zur Vertraulichkeit keine zusätzlichen Regeln zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen. Dabei müssen im Streitbeilegungsverfahren oftmals höchst vertrauliche Geschäftsgeheimnisse zur Begründung oder Widerlegung einer Klage vorgebracht werden und gelangen so zur Kenntnis der Gegenpartei. Lediglich Art. 17 Abs. 7 des Antidumping Agreement hat für Streitigkeiten unter diesem Abkommen den besonderen Schutz von Geschäftsgeheimnissen zum Inhalt: Die der Sondergruppe196 übermittelten vertraulichen Informationen dürfen ohne förmliche Zustimmung der diese Informationen übermittelnden Person, Stelle oder Behörde nicht preisgegeben werden. Werden derartige Informationen von der Sondergruppe verlangt und wird ihrer Preisgabe durch die Sondergruppe nicht zugestimmt, so wird mit Zustimmung der die Informationen übermittelnden Person, Stelle oder Behörde eine nichtvertrauliche Zusammenfassung dieser Informationen verlangt.
Die Fragen nach der vertraulichen Behandlung von Geschäftsgeheimnissen tritt in den Panelverfahren zunehmend auf. Der Appellate Body hat in US – Definitive Safeguard Measures on Import of Wheat Gluten from the European Communities den Konflikt zwischen dem Geheimnisschutz, dem Anspruch auf rechtliches Gehör und dem Recht des Panels auf Information als „serious systemic issue“ bezeichnet.197 Vertrauliche Wirtschaftsinformationen müssen erstens aufgrund der Natur einer WTO-Streitigkeit und zweitens wegen der Komplexität der Sachverhalte präsentiert werden. Panels erhalten jene Informationen beispielsweise für die Feststellungen des Bestehens einer Subventionen. Sie haben 195 196 197
Ohlhoff, EuZW 2002, 549, 559. Anmerkung der Verfasserin: gemeint ist das Panel. WTO-Dok. WT/DS166/AB/R Rn. 170.
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darauf mit der Verabschiedung spezieller Arbeitsverfahren reagiert, in denen Vereinbarungen wie die Rückgabe vertraulicher Dokumente und die Vernichtung erhaltener Kopien nach dem Ende des Verfahrens enthalten sind.198 Panels und der Appellate Body sind bereits mit Situationen konfrontiert worden, in denen eine Streitpartei Dokumente vorgelegt hat, deren vertrauliche Informationen unkenntlich gemacht worden waren. In Argentina – Measures Affecting Imports of Footwear, Textiles, Apparel and Other Items akzeptierte das Panel Rechnungen, die als Beweis vorgelegt wurden, in denen der Importeur und alle relevanten Daten, die ihn oder den Exporteur hätten identifizieren können, geschwärzt waren, mit der Begründung, dass es häufige Praxis in Streitigkeiten wie dem vorliegenden sei, dass die Parteien vertrauliche Handelsinformationen wie die Namen und andere Informationen der betroffenen privaten Akteure schützen.199 Dieses Vorgehen wird in der Wissenschaft und Wirtschaft begrüßt, gilt aber zu Recht als nicht weitreichend genug, da der Zugang der Gegenseite zu Informationen nicht gänzlich ausgeschlossen wird.200 In einem Streitbeilegungsverfahren sind viele und unterschiedlichste Akteure involviert. Da es den Streitparteien erlaubt ist, Rechtsanwälte in ihre Delegationen aufzunehmen201, muss sichergestellt werden, dass auch diese Berater die Verfahrensregeln und insbesondere die Regeln über die Verschwiegenheit beachten.202 Die zur Sicherung der Vertraulichkeit eines WTO-Streitbeilegungsverfahrens verabschiedeten Rules of Conduct sind hierfür nicht ausreichend.203 Insgesamt ist daher im Rahmen der Reform des DSU dem besonderen Schutz von Geschäftsgeheimnissen Rechnung zu tragen. Damit würde das Vertrauen der Mitglieder in das WTO-Streitbeilegungssystem gestärkt. Sie könnten sich darauf verlassen, dass ihre vertraulichen Daten nicht unbefugt genutzt werden und würden auf diese Weise eher Dokumente präsentieren und offen legen, die sie ansonsten zurückhalten. Dies würde die Tatsachenermittlung im Ganzen erheblich erleichtern. 198 Panel Report US – Definitive Safeguard Measures on Imports of Wheat Gluten from the European Communities, WTO-Dok. WT/DS166/R Rn. 8.7, 8.10; Gallagher, S. 29. 199 WTO-Dok. WT/DS56/R Rn. 6.53 ff. 200 Ohlhoff, EuZW 2002, 549, 559; White, in: Camerion/Campbell, S. 128 ff. 201 s. zur Beteiligung von Rechtsberatern am Verfahren Ehrenhaft, S. 963; Martha, JWT 1997, 83. 202 Ohlhoff, EuZW 2002, 549, 559. 203 Ebd.
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VI. Mehrere Beschwerdeführer und Beteiligung von „Dritten“ Nationale Handelsmaßnahmen einzelner WTO-Mitglieder haben oftmals nicht nur Auswirkungen auf den Handel mit einem anderen Mitgliedstaat, sondern betreffen den Handel mit vielen Mitgliedern. Daher haben häufig mehrere Parteien Interesse am Ausgang eines Streitbeilegungsverfahrens.204 Das DSU sieht zunächst die Möglichkeit eines Panelverfahrens für mehrere Beschwerdeführer vor. Art. 9 des DSU bestimmt: (1) Wenn mehr als ein Mitglied die Einsetzung eines Panels wegen derselben Angelegenheit beantragt, kann ein einziges Panel zur Prüfung dieser Beschwerden eingesetzt werden, wobei die Rechte aller betroffenen Mitglieder berücksichtigt werden. Nach Möglichkeit soll immer ein einziges Panel zur Prüfung solcher Beschwerden eingesetzt werden. (2) Das einzige Panel führt seine Prüfung so durch und unterbreitet seine Ergebnisse dem DSB derart, dass die Rechte, welche die Streitparteien gehabt hätten, wenn mehrere Panels die Beschwerden geprüft hätten, nicht beeinträchtigt werden. Auf Antrag einer Streitpartei legt das Panel getrennte Berichte über die betreffende Streitigkeit vor. Die schriftlichen Vorlagen jedes einzelnen Beschwerdeführers werden den anderen Beschwerdeführern zur Verfügung gestellt, und jeder Beschwerdeführer hat das Recht, anwesend zu sein, wenn einer der anderen Beschwerdeführer vor dem Panel seine Stellungnahme abgibt. (3) Wird mehr als ein Panel zur Prüfung der Beschwerden über dieselbe Angelegenheit eingesetzt, so sind soweit möglich dieselben Einzelpersonen in den getrennten Panels tätig, und der Zeitplan für das Panelverfahren über diese Streitigkeiten wird abgestimmt.
Aus dieser Vorschrift geht hervor, dass – auch wenn mehrere Beschwerdeführer die Einsetzung eines Panels wegen derselben Angelegenheit beantragen – jeder einzelne Beschwerdeführer und die gegnerische Partei genau dieselben prozessualen Rechte und Pflichten haben, wie sie die Parteien im Fall eines einzelnen Beschwerdeführers haben.205 Jeder Beschwerdeführer hat danach auch das Recht, im Falle des Unterliegens der gegnerischen Partei von dieser die Beseitigung der angegriffenen Maßnahme zu verlangen.206 Zur Durchsetzung kann er vertragliche Zugeständnisse aussetzen.207 Hiervon klar abzugrenzen ist die Verfahrensbeteiligung von „Dritten“. Art. 10 des DSU definiert „Dritte“ und deren Rechte wie folgt: 204
WTO Secretariat, Handbook, S. 52. s. zur einfachen und notwendigen Streitgenossenschaft im deutschen Zivilprozessrecht §§ 59 bis 63 ZPO. Zur weitergehenden „class action“ im U. S.-amerikanischen Recht Kane, S. 255 ff. 206 Art. 22 Abs. 1 des DSU. 207 Art. 22 Abs. 2 und 3 des DSU. 205
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(1) Während des Panelverfahrens wird den Interessen der Streitparteien und denen anderer Mitglieder eines unter die Vereinbarung fallenden Übereinkommens, das in der Streitigkeit zur Entscheidung steht, voll Rechnung getragen. (2) Jedes Mitglied, das ein wesentliches Interesse an einer Angelegenheit hat, mit der ein Panel befasst ist, und das dem DSB sein Interesse angezeigt hat (im Folgenden als „Dritter“ bezeichnet), hat die Möglichkeit, vom Panel gehört zu werden und dem Panel schriftliche Vorlagen zu unterbreiten. Diese Vorlagen werden auch an die Streitparteien verteilt und finden Eingang in den Panelbericht. (3) Dritte erhalten die Vorlagen der Streitparteien für die erste Sitzung des Panels. (4) Ist ein Dritter der Auffassung, dass eine Maßnahme, die bereits Gegenstand eines Panelverfahrens ist, Vorteile zunichte macht oder schmälert, die sich für ihn aus einem unter die Vereinbarung fallenden Übereinkommen ergeben, so kann dieses Mitglied die aufgrund dieser Vereinbarung üblichen Streitbeilegungsverfahren in Anspruch nehmen. Eine derartige Streitigkeit wird nach Möglichkeit an das ursprüngliche Panel verwiesen.
Mitgliedstaaten der Welthandelsorganisation, die nicht Beschwerdeführer sind, können sich danach an einem Streitbeilegungsverfahren beteiligen und auf dieses in gewissem Umfang Einfluss nehmen. So erhalten Dritte im oben bezeichneten Sinne die ersten schriftlichen Vorlagen der Parteien. Die Möglichkeit zur eigenen Stellungnahme wird ihnen in der ersten Sitzung des Panels mit den Streitparteien eingeräumt.208 Sie erhalten aber grundsätzlich keine Einsicht in die der ersten mündlichen Sitzung nachfolgenden Schriftsätze und haben auch nicht das Recht, an der zweiten mündlichen Verhandlung teilzunehmen.209 Gleichwohl ist Drittbeteiligten schon gestattet worden, an der zweiten Sitzung des Panels in der Sache teilzunehmen, jedoch nicht, eine zweite schriftliche Vorlage zu unterbreiten.210 Die Beteiligung von Dritten nach Art. 10 des DSU ist nicht mit der Nebenintervention im deutschen Recht211 und den im U. S.-amerikanischen Recht vorgesehenen vielfältigen Möglichkeiten der Drittbeteiligung212 gleichzusetzen. Dritte in einem WTO-Streitbeilegungsverfahren können keine eigenen Beweisanträge stellen und sind nicht befugt, das gesamte Prozessmaterial einzusehen. Dies geht als Umkehrschluss aus Art. 10 Abs. 3 und Anhang 3 Abs. 6 des DSU hervor, die „lediglich“ die Vorlage eigener Stellungnahmen 208 209 210 211 212
Anhang 3 Abs. 6 des DSU. Ohlhoff, in: Prieß/Berrisch, S. 702 Rn. 54; WTO Secretariat, Handbook, S. 50. WTO-Dok. WT/DS27/R Rn. 7.8. §§ 66 ff. ZPO. s. ausführlich Schack, S. 43 f.
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Teil 3: Tatsachenermittlung im Panel- und Rechtsmittelverfahren
bis zur ersten Sitzung des Panels, die Einsicht in die ersten schriftlichen Stellungnahmen der Streitparteien und die Anwesenheit während der ersten Sitzung des Panels mit den Streitparteien erlauben. Sie haben vor diesem Hintergrund nicht das Recht, vom Panel eine Sachverhaltsaufklärung von Amts wegen gemäß Art. 13 des DSU zu verlangen. Zudem können Dritte kein Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Panels einlegen. Dies ist gemäß Art. 17 Abs. 4 des DSU ausdrücklich den Streitparteien vorbehalten. Gleiches gilt für die Aussetzung von Zugeständnissen nach Art. 22 des DSU. Eine „Rechtskrafterstreckung“ der Berichte der Streitbeilegungsorgane auf Dritte gibt es folglich nicht. Unter dem GATT nahmen Dritte mit der Zustimmung der Streitparteien öfter am Verfahren teil als dies unter dem DSU der Fall ist.213 Dies erklärt sich aufgrund vorgenannter eingeschränkter Rechte nach Art. 10 des DSU und der Möglichkeit, als einer von mehreren Beschwerdeführern ein Panelverfahren gemäß Art. 9 des DSU in Gang zu setzen und so die umfassenden Rechte einer Streitpartei zu erhalten. Im Hinblick auf die Sachverhaltsaufklärung können Dritte gemäß Art. 10 des DSU dennoch eine wichtige Rolle spielen. Sie können ein Panel zwar nicht zur Sachverhaltsaufklärung zwingen, gleichwohl aber zusätzliche Informationen beibringen und hierdurch das Panel faktisch veranlassen, weitere Tatsachen zu ermitteln. Von der Drittbeteiligung gemäß Art. 10 des DSU ist im weiteren die Beteiligung von Nichtmitgliedstaaten zu differenzieren. Diese ist im DSU nicht vorgesehen und ist von den WTO-Mitgliedstaaten auch nicht gewollt, da jene Staaten Rechte nach den WTO-Übereinkommen nicht verfolgen können, die sie selbst – da nicht Vertragspartei – nicht zu erfüllen haben und deren Erfüllung von anderen Staaten im Rahmen eines WTO-Streitbeilegungsverfahrens nicht verlangt werden kann. Zu den im DSU ebenfalls nicht geregelten, gleichwohl in der Praxis bereits vorgelegten amicus curiae-Schreiben von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) siehe die Ausführungen zu den Sachverständigen unten.214
213 214
Palmeter/Mavroidis, § 4.09, S. 74. Teil 3 D. III. 2. b) (3).
D. Tatsachenermittlung durch das Panel
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D. Tatsachenermittlung durch das Panel I. Tatsachenprüfung durch das Panel 1. Prüfungsumfang Die Pflicht zur Sachverhaltsuntersuchung eines Panels im Streitbeilegungsverfahren der Welthandelsorganisation bestimmt Art. 11 Satz 2 des DSU: Demgemäß nimmt das Panel eine objektive Beurteilung der vor ihm liegenden Angelegenheit vor, einschließlich einer objektiven Beurteilung des Sachverhalts215 und der Anwendbarkeit sowie der Vereinbarkeit mit den einschlägigen unter die Vereinbarung fallenden Übereinkommen [. . .].
Die in Art. 11 des DSU bezeichnete „vor ihm liegende Angelegenheit“ wird durch das Mandat des Panels bestimmt. Dieses richtet sich nach Art. 7 Abs. 1 des DSU, in der Regel dem Standardmandat, das folgenden Inhalt hat: Sie prüfen im Licht der einschlägigen Bestimmungen in (Bezeichnung des/der unter die Vereinbarung fallenden Übereinkommen/s, auf das/die sich die Streitparteien beziehen) die von (Name der Partei) in Dokument . . . dem DSB unterbreitete Angelegenheit und treffen Feststellungen, die den DSB bei seinen in diesem/ diesen Übereinkommen vorgesehenen Empfehlungen oder Entscheidungen unterstützen.
Dieses Standardmandat bildet grundsätzlich den Gegenstand und den Umfang der Untersuchung durch ein Panel. Ein Mitgliedstaat stellt zuvor gemäß Art. 6 Abs. 2 des DSU den Antrag, eine bestimmte Maßnahme eines anderen Mitgliedes auf ihre Vereinbarkeit mit den einschlägigen Bestimmungen der WTO-Übereinkommen zu überprüfen. Auf diesem Antrag basiert dann das vom DSB festzulegende Mandat des Panels. Der Appellate Body hat bereits umfangreich zur Prüfungskompetenz eines Panels Stellung genommen und die Bedeutung des Mandats für die Paneluntersuchung klargestellt. Dabei hat er Panels korrigiert, die ihre Kompetenzen seiner Ansicht nach zu weit ausgelegt hatten. In Brazil – Measures Affecting Desiccated Coconut betonte der Appellate Body zunächst die Bedeutung des Panelmandats. Dieses sei aus zwei Gründen wichtig: Erstens erfülle das Mandat einen bedeutenden Zweck, nämlich den des fairen Verfahrens. Es gebe den Parteien und Drittbeteiligten die erforderlichen Informationen in Bezug auf die streitigen Beschwerden und die Möglichkeit, auf den Vortrag der beschwerdeführenden Partei zu ant215
Hervorhebung der Verfasserin.
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Teil 3: Tatsachenermittlung im Panel- und Rechtsmittelverfahren
worten. Zweitens begründe es die Entscheidungskompetenz des Panels, indem es die streitigen Verletzungsrügen genau definiere.216 Unterstrichen wurde die Bedeutung des Mandats auch in EC – Regime for the Importation, Sale and Distribution of Bananas.217 Einen Fall, in dem das Panel seine Prüfungskompetenz überschritten hatte, sah der Appellate Body in India – Patent Protection for Pharmaceutical and Agricultural Chemical Products – Complaint by the United States. Der dem Panel eingeräumte Prüfungsumfang, so der Appellate Body, werde durch das in Art. 7 des DSU geregelte Mandat bestimmt. Ein Panel dürfe nur diejenigen Rügen betrachten, für die es die Befugnis gemäß dem Mandat besitze. Es dürfe keine Entscheidungskompetenz ausüben, die es nicht innehabe. Im vorliegenden Fall sei die Prüfung von Art. 63 des TRIPS Agreement von der im Mandat definierten Entscheidungskompetenz des Panels nicht erfasst gewesen. Daher habe das Panel nicht die Befugnis zur Betrachtung der hilfsweise erhobenen Rüge der Vereinigten Staaten gemäß jener Bestimmung gehabt. Das Panel hatte zuvor entschieden, sämtliche Verletzungsrügen, die bis zum Ende der ersten Sitzung des Panels mit den Parteien dargelegt worden waren, zu berücksichtigen, also auch zusätzliche Rügen, die nicht im Mandat des Panels gemäß Art. 7 des DSU bezeichnet waren. Diese Entscheidung beruhte wiederum auf dem Vorbringen der Vereinigten Staaten, während der Konsultationsphase dieses Rechtsstreits habe Indien die Existenz bestimmter Verwaltungsvorschriften nicht offengelegt. Daher hätten sie keinerlei Kenntnis davon haben können, dass sich Indien gegenüber dem Panel auf diese berufen würde. Daher sei auch die Rüge nach Art. 63 des TRIPS Agreement nicht in den Antrag auf Einsetzung eines Panels aufgenommen worden. Der Appellate Body führte dazu aus, es gebe im DSU keine Grundlage dafür, dass die klagende Partei eine zusätzliche Verletzungsrüge außerhalb des Panelmandats in der ersten Sitzung geltend machen könne. Ein Panel sei an sein Mandat gebunden und könne dies nicht eigenmächtig erweitern. Das Klagebegehren und die während der Konsultationen beigebrachten Tatsachen gestalteten den Kern und den Umfang des späteren Panelverfahrens. Sei eine Streitpartei der Auffassung, dem Panel seien nicht alle entscheidungserheblichen Tatsachen bekannt, könne sie das Panel um ergänzende Tatsachenfeststellung ersuchen. Diese zusätzliche Tatsachenfeststellung habe aber keinen Einfluss auf das Mandat des Panels und könne damit auch das Klagebegehren nicht abändern.218 216 217 218
WTO-Dok. WT/DS22/AB/R Rn. 21. WTO-Dok. WT/DS27/AB/R Rn. 142. WTO-Dok. WT/DS50/AB/R Rn. 92 f.
D. Tatsachenermittlung durch das Panel
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In Korea – Definitive Safeguard Measures on Imports of Certain Dairy Products stellte der Appellate Body den Unterschied zwischen den im Mandat enthaltenen Verletzungsrügen und den ihnen zugrundeliegenden Tatsachen und Argumenten klar. Korea hatte in seiner Rechtsmittelbeschwerde argumentiert, das Panel hätte bestimmte von ihm vorgebrachte Rügen berücksichtigen müssen. Dieses habe das Panel mit der Begründung abgelehnt, Parteien eines Rechtsstreits könnten im Verlauf des Panelverfahrens keine neuen Rügen mehr vorbringen. Der Appellate Body stimmte der Auffassung zu, dass eine neue Verletzungsrüge nach Bestimmung des Panelmandats nicht mehr vorgebracht werden könne. Verletzungsrügen, die nicht im Antrag auf Einsetzung eines Panels bezeichnet worden seien, könnten nach Antragstellung nicht mehr erhoben werden. Mit „Rüge“ meine er eine Beschwerde, dass die beklagte Partei Zugeständnisse aus einer bezeichneten Vorschrift eines bestimmten Übereinkommens verletzt, zunichte gemacht oder geschmälert habe. Solch eine Verletzungsrüge müsse von dem ihr zugrunde liegenden Tatsachenvortrag und den Argumenten der klagenden Partei unterschieden werden. Letztere würden in den schriftlichen Vorlagen sowie in den Sitzungen des Panels mit den Parteien dargelegt und vorgetragen. Bereits in EC – Measures Concerning Meat and Meat Products (Hormones) habe er den beträchtlichen Spielraum betont, den ein Panel bei der Behandlung der von den Parteien vorgetragenen sachlichen und rechtlichen Argumente habe. Zwar sei es einem Panel nicht erlaubt, Verletzungsrügen zu behandeln, die nicht von seinem Mandat umfasst seien. Jedoch werde die Möglichkeit eines Panels nicht durch das DSU begrenzt, sämtlich Argumente der Streitparteien zu betrachten und seine eigene rechtliche Begründung zur Entscheidung über sein Mandat zu entwickeln.219 Insgesamt hat der Appellate Body damit klargestellt, dass das Mandat gemäß Art. 7 des DSU für das Panel zwingend und ausschließlich ist. Es ist nicht befugt, über den Streitgegenstand hinaus tatsächliche oder rechtliche Untersuchungen anzustellen. Die beklagte Partei soll nicht mit neuen Verletzungsrügen überrascht werden mit der Folge, dass sie sich aufgrund der Kürze des Panelverfahrens nicht mehr angemessen verteidigen kann. Sie könnte gehindert sein, erforderliche Tatsachen vorzutragen und entsprechende Beweise beizubringen. Insoweit wird dem Grundsatz des fairen Verfahrens Rechnung getragen. Zudem ist das Panelverfahren aufgrund des Beschleunigungsgrundsatzes zügig abzuschließen. Es soll nicht mit immer neuen Klageanträgen überfrachtet werden, die dann zu einer Ausweitung der Sachverhaltsermittlung und Beweisaufnahme führte. Demnach ist es ei219
WTO-Dok. WT/DS26/AB/R, WT/DS48/AB/R Rn. 156.
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nem Panel verwehrt, ein Klagebegehren zu berücksichtigen, wenn dieses nicht im Standardmandat spezifiziert worden ist.220 2. Prüfungsmaß Welches Prüfungsmaß von den Panels bei der Sachverhaltsermittlung in einem WTO-Streitbeilegungsverfahren einzuhalten ist, wird durch das DSU nicht explizit geregelt. Für das Antidumping-Recht bestimmt Art. 17 Abs. 6 des Antidumping Agreement ein besonderes Prüfungsmaß, nach dem sowohl tatsächlich als auch rechtlich lediglich eine beschränkte Überprüfung der Entscheidungen nationaler Behörden im Rahmen des Streitbeilegungsverfahrens zulässig ist.221 Art. 17 Abs. 6 lautet: Bei der Überprüfung der in Absatz 5 genannten Angelegenheit: i) stellt die Sondergruppe zwecks Beurteilung des Sachverhalts fest, ob die Sachverhaltsfeststellung der Behörden richtig und die Sachverhaltswürdigung unparteiisch und objektiv war. War die Sachverhaltsfeststellung richtig und die Sachverhaltswürdigung unparteiisch und objektiv, so kann die Würdigung nicht verworfen werden, auch wenn die Sondergruppe möglicherweise zu einer anderen Schlussfolgerung gekommen wäre; ii) legt die Sondergruppe die maßgeblichen Bestimmungen dieses Übereinkommens gemäß den üblichen Regeln für die Auslegung des Völkerrechts aus. Stellt die Sondergruppe fest, dass eine maßgebliche Bestimmung des Übereinkommens mehr als eine Auslegung zulässt, so erklärt sie die Maßnahme der Behörden als mit dem Übereinkommen vereinbar, sofern sich diese Maßnahme auf eine der zulässigen Auslegungen stützt.
Nach dieser Vorschrift hat ein Panel die Tatsachenfeststellungen und Entscheidungen der nationalen Behörden als mit dem Antidumping Agreement vereinbar anzuerkennen, auch wenn das Panel die der Entscheidung der nationalen Behörde zugrundeliegende Tatsachengrundlage anders bewertet hätte.222 Der Appellate Body hat in seiner bisherigen Entscheidungspraxis für alle übrigen, nicht unter das Antidumping Agreement fallenden Streitigkeiten, das vom Panel anzuwendende Prüfungsmaß aus Art. 11 des DSU abgeleitet. So äußerte er sich in EC – Measures Concerning Meat and Meat Products (Hormones) auf die Rechtsmittelbeschwerde der Europäischen Gemeinschaften, das Panel habe seiner Tatsachenuntersuchung ein mit dem DSU nicht konformes Prüfungsmaß bei der Bewertung der streitigen Maßnahmen und des ihr vorgelegten wissenschaftlichen Beweismaterials angelegt. 220 221 222
Lichtenbaum, S. 1225. Ohlhoff, in: Prieß/Berrisch, S. 720 Rn. 95. WTO Secretariat, Handbook, S. 104.
D. Tatsachenermittlung durch das Panel
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Das anzulegende Prüfungsmaß, so der Appellate Body, ergebe sich aus Art. 11 des DSU in Verbindung mit dem einschlägigen WTO-Übereinkommen. Danach sei weder eine Überprüfung der Maßnahmen nationaler Behörden de novo, also eine völlige Neubewertung der dieser Maßnahme zugrundeliegenden Tatsachengrundlage unabhängig von der Entscheidung der nationalen Behörden, vorzunehmen, noch habe sich ein Panel den Tatsachenfeststellungen und Bewertungen der nationalen Behörden völlig unterzuordnen. Ein Panel habe vielmehr eine „objektive Beurteilung der Angelegenheit“ vorzunehmen. Das anzuwendende Prüfungsmaß in Verfahren wie dem vorliegenden unter dem SPS Agreement müsse den in diesem Übereinkommen enthaltenen Ausgleich zwischen der von den Mitgliedstaaten gegenüber der WTO zugestandenen und der den Mitgliedern selbst verbleibenden Tatsachenfeststellungs- und Rechtsprechungskompetenz wiederspiegeln. Die Anwendung eines nicht im Text des SPS Agreement enthaltenen Prüfungsmaßes könne zu einer Veränderung dieser Balance führen. Weder ein Panel noch der Appellate Body sei dazu ermächtigt.223 In US – Restrictions on Imports of Cotton and Man-made Fibre Underwear untersuchte das Panel das anzuwendende Prüfungsmaß in Fällen, die das Agreement on Textiles and Clothing betrafen. In einer nicht vom Appellate Body überprüften Entscheidung hielt das Panel fest, sich den tatsächlichen Feststellungen der nationalen Behörden unterzuordnen, könne die in Art. 11 des DSU vorgesehene „objektive Beurteilung“ nicht sicherstellen.224 Die Funktion des Panels sei die objektive Bewertung der von den nationalen Behörden durchgeführten Untersuchung, der ihren Maßnahmen zugrunde liegenden Tatsachen. Das Panel bezog sich insoweit auf eine Reihe von Panelberichten im Kontext von Antidumping- und Kompensationsmaßnahmen, in denen klargestellt worden war, dass es nicht Aufgabe der Panels sei, in eine Überprüfung de novo einzusteigen. Aus seiner Sicht gelte dasselbe für ein im Kontext des Agreement on Textiles and Clothing verhandelndes Panel, wenn es ebenfalls eine Maßnahme einer nationalen Behörde zu überprüfen habe, die eine Beschränkung gemäß der einschlägigen WTO-Bestimmungen verhänge. Damit bilde Art. 11 des DSU in Verbindung mit dem Agreement on Textiles das hier einschlägige Prüfungsmaß. Die Pflicht einer objektiven Beurteilung des Sachverhalts verlange, in eine Untersuchung einzusteigen, ob die nationale Behörde bei der Bestim223 224
WTO-Dok. WT/DS26/AB/R, WT/DS48/AB/R Rn. 115 ff. WTO-Dok. WT/DS24/R Rn. 7.10.
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mung einer Maßnahme alle ihr vorliegenden relevanten Tatsachen berücksichtigt hat, ob eine angemessene Begründung vorgenommen wurde, wie die Maßnahme durch die Tatsachen als Ganzes gestützt wird und ob die Maßnahme mit den internationalen Verpflichtungen des betroffenen Mitgliedstaates übereinstimmt.225 Im Ergebnis verstehen die Streitbeilegungsorgane die Pflicht eines Panels zur objektiven Beurteilung des Sachverhalts gemäß Art. 11 des DSU also dahingehend, dass sie die Tatsachen, die einer Maßnahme einer nationalen Behörde zugrunde liegen, nicht völlig neu zu ermitteln und zu bewerten haben (de novo Überprüfung), die Bewertungen und Entscheidungen der nationalen Behörden aber auch nicht schlichtweg zu akzeptieren haben („völliges Unterordnen“).226 Die Panels müssen vielmehr kritisch untersuchen, ob die zuständigen Behörden ihre Maßnahme ausreichend begründet sowie ihr Wesen und die Komplexität der erfassten Daten ausreichend gewürdigt haben.227 Auf diese Aspekte haben sie ihre Sachverhaltsaufklärung auszurichten. Kommen sie – außerhalb einer Streitigkeit unter dem Antidumping Agreement – zu einem anderen Ergebnis als die nationalen Behörden, können sie die betreffende Maßnahme mit dem entsprechenden WTO-Übereinkommen für unvereinbar erklären. Die vorgenannte WTO-Spruchpraxis ist insbesondere in Amerika auf erhebliche Kritik gestoßen.228 Aufgrund des Souveränitätsgedankens wird die vollständige Unterordnung unter die Entscheidung der nationalen Behörden gefordert.229 Eine solche Beschränkung würde jedoch einen erheblichen Kompetenzverlust seitens der Panels bei der Tatsachenüberprüfung bedeuten. Indem sie nicht in eine de novo Überprüfung einsteigen, tragen sie dem Souveränitätsgedanken in genügendem Maße Rechnung und belassen den Mitgliedsstaaten einen eigenen Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum. Gleichwohl sollte die Befugnis eines Panels zur Überprüfung nationaler Entscheidungen, das Prüfungsmaß, im DSU spezifiziert werden, um diesbezüglich Klarheit zu schaffen und zu verdeutlichen, dass die Panels ein beschränktes Prüfungsmaß anwenden. 225
Ebd., Rn. 7.12 f. WTO Secretariat, Handbook, S. 103 f. 227 Appellate Body Report, US – Safeguard Measures on Imports of Fresh, Chilled or Frozen Lamb Meat from New Zealand and Australia, WTO-Dok. WT/ DS177/AB/R, WT/DS178/AB/R Rn. 103 ff. 228 Croley/Jackson, in: Petersmann, S. 185, 185 ff.; dies., American JIL 1996, 193, 193 ff.; s. auch Behboodi, JIEL 2000, 563. 229 Vgl. Ehlermann, JIEL 2003, 695, 701 ff.; zur Problematik insgesamt Davey, JIEL 2001, 79; Horlick/Clarke, in: Petersmann, S. 313. 226
D. Tatsachenermittlung durch das Panel
103
Zu beachten ist in diesem Zusammenhang auch, dass neues Tatsachenund Beweismaterial, das bei der Entscheidung der nationalen Behörden noch nicht existierte, vom Panel bei der Bewertung der Entscheidung der nationalen Behörde nicht zu berücksichtigen ist.230 So führte das Panel in US – Measures Affecting Imports of Woven Wool Shirts and Blouses from India aus, Informationen und Beweise, die nach der Verabschiedung der streitigen Maßnahme entwickelt worden seien, von ihm nicht betrachtet würden. Es überprüfe lediglich das Beweismaterial, welches vom Mitglied bei seiner Entscheidung herangezogen wurde.231 Konkret wies das Panel in EC – Measures Concerning Meat and Meat Products (Hormones) Beweismaterial zurück, das nicht der streitigen Maßnahme der Europäischen Gemeinschaften zugrunde lag. Diese hätten keinerlei Beweis dafür erbracht, dass die nun im Prozess vorgelegten Studien oder die darin enthaltenen Schlussfolgerungen tatsächlich bei der Verabschiedung der Maßnahme berücksichtigt worden seien. Das Panel habe als Streitbeilegungsorgan weder den Prüfungsauftrag noch das Mandat, die Risikobewertung der Europäischen Gemeinschaften im Lichte des „neuen Beweismaterials“ nochmals zu überprüfen oder eine eigene Risikobewertung vorzunehmen.232 Folglich billigen die Panels den WTO-Mitgliedstaaten insgesamt einen eigenen Beurteilungs- und Entscheidungsspielraum bezüglich der ihrer Maßnahme zugrunde liegenden Tatsachen zu. Neue Informationen und neues Beweismaterial können jedoch von der nationalen Behörde nicht nachgeschoben werden. Dies ist auch vor dem Hintergrund sachgerecht, dass ansonsten erst einmal eine WTO-widrige Maßnahme verhängt werden könnte, für die erst im nachhinein eine Grundlage geschaffen würde. Hiervon zu trennen ist die Frage, ob ein Panel eine nationale Maßnahme, die eine vorherige WTO-vertragswidrige Maßnahme abändert oder beseitigt, zu berücksichtigen hat. Ist diese nachträgliche Maßnahme vom Panelmandat gemäß Art. 7 des DSU nicht erfasst, ist dem Panel ihre Berücksichtigung ebenfalls verwehrt.233
II. Prozessökonomie Das Mandat des Panels gemäß Art. 7 des DSU kann mehrere Verletzungsrügen der beschwerdeführenden Partei umfassen. Denn häufig behaup230 231 232 233
WTO Secretariat, Handbook, S. 104. WTO-Dok. WT/DS33/R Rn. 7.20 f. WTO-Dok. WT/DS26/R, WT/DS48/R Rn. 8.114 f. Vgl. Teil 3 D. I. 1.
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tet diese Partei, dass die streitige Maßnahme eines anderen Mitgliedstaates verschiedene WTO-Vertragsbestimmungen gleichzeitig verletzt.234 Fraglich ist dann, ob die Panels daraufhin über alle von der beschwerdeführenden Partei gerügten Verletzungen des WTO-Rechts entscheiden müssen oder ob sie nach der Feststellung, dass die Maßnahme mit einer WTOVorschrift unvereinbar ist, die weiteren erhobenen Verletzungsrügen nicht mehr überprüfen müssen. Diese Frage hat konsequenterweise Auswirkungen auf den Umfang der Sachverhaltsermittlung, denn wenn ein Panel nach der Feststellung, dass die streitige Maßnahme gegen eine WTO-Bestimmung verstößt, die mögliche Unvereinbarkeit mit den übrigen Bestimmungen nicht mehr zu untersuchen hat, müsste sie auch den diesbezüglichen Sachverhalt nicht weiter aufklären. Der Appellate Body hat bereits in zahlreichen Entscheidungen die Praxis der Panels bestätigt, Prozessökonomie bei der Prüfung einzelner Rügen auszuüben und die Entscheidung über diejenigen Verletzungsrügen offen zu lassen, die nicht streitentscheidend sind. In US – Measures Affecting Imports of Woven Wool Shirts and Blouses from India nahm das Panel selbst zur Prozessökonomie Stellung. Die beschwerdeführende Partei könne von einem Panel die Lösung der Streitigkeit verlangen. Wenn dieses der Auffassung sei, dass die streitige Angelegenheit durch die Beurteilung nur einzelner (nicht aller) erhobenen Verletzungsrügen gelöst werden könne, sei es berechtigt, so zu verfahren. Aus diesem Grund behandelte das Panel in diesem Verfahren nur diejenigen Verletzungsrügen, die es zur Entscheidungsfindung für erforderlich hielt. Der Appellate Body bestätigte die Auffassung des Panels mit der Begründung, weder Art. 11 des DSU noch die frühere Praxis unter dem GATT verpflichte ein Panel, sämtliche vorgebrachten Verletzungsrügen zu untersuchen. Frühere GATT- und WTO-Panels hätten regelmäßig nur solche Streitfragen angesprochen, die sie für die Lösung der Angelegenheit zwischen den Parteien für erforderlich hielten und hätten es abgelehnt, andere Streitpunkte zu entscheiden. Wenn also ein Panel zu der Feststellung gekommen sei, dass die streitgegenständliche Maßnahme mit einer einzelnen Bestimmung des GATT 1947 nicht in Einklang stehe, habe es die Untersuchung nicht fortgesetzt, ob die Maßnahme auch mit anderen GATT-Bestimmungen unvereinbar sei, deren Verletzung von der klagenden Partei ebenso angeführt worden war. In neuerer WTO-Praxis hätten es Panels ebenfalls unterlassen, jede einzelne Verletzungsrüge zu untersuchen. Sie hätten nur zu denjenigen Feststellungen getroffen, die ihres Erachtens nach für die Lösung der Angelegenheit erforderlich waren. 234
WTO Secretariat, Handbook, S. 102.
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Zwar hätten einige GATT- und WTO-Panels auch umfangreichere Feststellungen getroffen, indem sie Streitpunkte betrachtet und bewertet hätten, die für die Entscheidung der konkreten Angelegenheit nicht erforderlich waren. Das DSU verpflichte die Panels hierzu aber nicht.235 Indiens Argument sei zurückzuweisen, Panels seien gemäß Art. 3 Abs. 2 des DSU dazu verpflichtet, jegliche erhobenen Verletzungsrügen zu behandeln. Unter Berücksichtigung des ausdrücklichen Ziels des Streitbeilegungssystems fordere Art. 3 Abs. 2 des DSU ein Panel und den Appellate Body gerade nicht auf, außerhalb des Kontextes der Lösung der vorliegenden Streitigkeit durch weitere Ausführungen zu einzelnen Bestimmungen der WTO-Übereinkommen „Recht zu setzen“.236 Die Vereinigten Staaten vertraten in US – Imposition of Countervailing Duties on Certain Hot-Rolled Lead and Bismuth Carbon Steel Products Originating in the United Kingdom als beklagte Partei den Standpunkt, das Panel habe aus prozessökonomischen Gründen nicht alle Streitfragen zu behandeln gehabt. Der Appellate Body wies diese Auffassung zurück und betonte, ein Panel sei niemals zur Ausübung von Prozessökonomie verpflichtet. Die Vereinigten Staaten schienen davon auszugehen, sein Bericht in US – Measures Affecting Imports of Woven Wool Shirts and Blouses from India stelle einen generellen Grundsatz auf, dass Panels keine Streitpunkte behandeln dürften, die für die Lösung des Streits unerheblich seien. Dieses gebe seine Entscheidung aber nicht her.237 Gleichwohl distanzierte sich der Appellate Body in Argentina – Safeguard Measures on Imports of Footwear von der Vorgehensweise des Panels. Dieses hatte nach der Feststellung, dass die Tatbestandsvoraussetzungen „vermehrte Importe“ und „ernsthafte Verletzung“ nicht gegeben seien, eine Prüfung der Kausalität zwischen diesen beiden Voraussetzungen vorgenommen. Eine solche Beurteilung sei doch logischerweise nicht möglich, so der Appellate Body.238 In weiteren Entscheidungen verdeutlichte der Appellate Body die Grenzen der Prozessökonomie: In Australia – Measures Affecting Importation of Salmon führte er aus, das Recht zur Ausübung von Prozessökonomie dürfe nicht dazu führen, dass lediglich eine Teilentscheidung einer Streitigkeit ergeht. Das Prinzip der Prozessökonomie müsse unter Berücksichtigung von Art. 3 Abs. 7 des 235 236 237 238
WTO-Dok. WT/DS33/AB/R Rn. 18 f. Ebd. WTO-Dok. WT/DS138/AB/R Rn. 71, 73. WTO-Dok. WT/DS121/AB/R Rn. 145.
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DSU („positive Lösung einer Streitigkeit“) angewandt werden. Einen Streit nur zum Teil zu entscheiden, sei eine fehlerhafte Ausübung der Prozessökonomie. Ein Panel habe diejenigen Verletzungsrügen zu behandeln, bezüglich derer eine Feststellung erforderlich sei, um eine effektive Beilegung von Streitigkeiten zugunsten aller Mitglieder sicherzustellen.239 So befand der Appellate Body in Japan – Measures Affecting Agricultural Products eine rechtsfehlerhafte Ausübung der Prozessökonomie durch das Panel. Ähnlich wie im Streit Australia – Measures Affecting Importation of Salmon war er der Auffassung, das Panel habe sich prozessökonomisch fehlerhaft verhalten und dadurch nur eine Teilentscheidung der Streitigkeit getroffen. Das Panel hatte in seinem Bericht ausgeführt, dass die von Japan verhängten vielfältigen Testverpflichtungen gegen Art. 2 Abs. 2 des SPS Agreement verstießen und dass es daher nicht erforderlich gewesen sei zu untersuchen, ob diese Testverpflichtungen auf einer Risikobewertung in Übereinstimmung mit Art. 5 Abs. 1 und 5 Abs. 2 des SPS Agreement basierten. Der Appellate Body stellte jedoch fest, das Panel habe zuvor nur eine Unvereinbarkeit der Testverpflichtungen mit Art. 2 Abs. 2 in Bezug auf einzelne – nicht aller – betroffenen Produkte getroffen. Das Panel habe befunden, dass nicht bewiesen worden sei, dass die auf jene Produkte gerichteten Testverpflichtungen mit Art. 2 Abs. 2 unvereinbar seien. Die Begründung des Panels, es habe keine Notwendigkeit bestanden, auch Art. 5 Abs. 1 zu untersuchen, da bereits festgestellt worden sei, dass die Testverpflichtungen mit Art. 2 Abs. 2 unvereinbar seien, sei fehlerhaft. Denn in Bezug auf andere betroffene Produkte habe noch die Notwendigkeit einer Untersuchung bestanden, ob die diesbezüglichen Testverpflichtungen mit Art. 5 Abs. 1 unvereinbar seien. Damit habe das Panel die Prozessökonomie fehlerhaft angewandt, da eine Feststellung gemäß Art. 5 Abs. 1 hinsichtlich der übrigen betroffenen Produkte erforderlich gewesen sei, um den Streit wirksam beizulegen.240 In Canada – Certain Measures Affecting the Automotive Industry rügte der Appellate Body das Panel, nicht ausdrücklich betont zu haben, Prozessökonomie auszuüben, als es eine der Verletzungsrügen der klagenden Partei nicht untersuchte. Aus der Sicht des Panels war es nicht erforderlich, eine Entscheidung bezüglich der alternativen Verletzungsrüge der Europäischen Gemeinschaften 239 240
WTO-Dok. WT/DS18/AB/R Rn. 223. WTO-Dok. WT/DS76/AB/R Rn. 111.
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gemäß Art. 3.1(a) des SCM Agreement zu treffen, da es zuvor bereits eine Verletzung von Art. III:4 des GATT 1994 und Art. XVII des GATS festgestellt hatte. Daher hatte das Panel in zulässiger Weise prozessökonomisch die ebenfalls erhobene Verletzungsrüge gemäß Art. 3.1(a) nicht mehr untersucht. Aus Gründen der Transparenz und Fairness, so der Appellate Body, sei ein Panel aber in solchen Fällen dazu verpflichtet, ausdrücklich hinzuzufügen, dass es bestimmte Verletzungsrügen aus prozessökonomischen Gründen nicht anspreche. Bloßes Schweigen sei hier unzureichend.241 Damit ist einem Panel die Entscheidung überlassen, ob es einzelne erhobene Verletzungsrügen offen lässt, wenn sie nicht streitentscheidend sind. Die Entscheidung, nicht alle Verletzungsrügen zu untersuchen, kann dann auch Auswirkungen auf den Umfang der Sachverhaltsfeststellungen durch das Panel haben. Wenn für die offen gelassenen Rügen weitere Untersuchungen zum Sachverhalt erforderlich wären, können diese unterbleiben. Auf diese Weise kann auf zeitlich kürzerem Wege eine Beilegung des Streits erfolgen und dem Beschleunigungsgrundsatz Rechnung getragen werden. Übt ein Panel Prozessökonomie aus, kann sich im Rahmen der Rechtsmittelinstanz für den Appellate Body aber ein Problem ergeben. Verwirft der Appellate Body dort eine bestimmte Entscheidung eines Panels und stellt er stattdessen auf andere als diejenigen Rechtsnormen ab, die das Panel zuvor aus prozessökonomischen Gründen nicht untersucht hat, kann es der Fall sein, dass ihm für die rechtliche Bewertung einer möglichen Vertragsverletzung Tatsachenfeststellungen fehlen, die das Panel zuvor in der Ausübung von Prozessökonomie nicht getroffen hat. Da der Appellate Body gemäß Art. 17 Abs. 6 des DSU keine Kompetenz zur verbindlichen Tatsachenfeststellung inne hat, er den Rechtsstreit aber auch nicht an das Panel zurückverweisen kann, sieht er sich insoweit einer konfliktreichen Lage gegenüber.242
III. Beweiserhebung des Panels Die rechtliche Schlussfolgerung eines Panels, dass die streitige Maßnahme der beklagten Partei WTO-Vertragsbestimmungen verletzt, hängt von der Feststellung der Nichterfüllung derjenigen Tatbestandsmerkmale ab, welche das WTO-Recht für die Vertragskonformität einer Maßnahme aufstellt. Hierzu muss der den Tatbestandsmerkmalen zugrundeliegende Sachverhalt vom Panel mit Hilfe der Streitparteien aufgeklärt und festgestellt werden. Dies geschieht durch die Beweiserhebung, die im DSU 241 242
WTO-Dok. WT/DS139/AB/R, WT/DS142/AB/R Rn. 116 f. s. hierzu Teil 3 E. III. und IV.
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zwar nicht ausdrücklich geregelt ist, deren Gehalt aber aufgrund der Geltung der Verhandlungsmaxime und einiger DSU-Regelungen bestimmt werden kann. 1. Grundsätze der Beweiserhebung a) Flexibilität des Panels Panels wird gemäß Art. 12 Abs. 2 des DSU Flexibilität bei der Verfahrensgestaltung einschließlich der Beweiserhebung eingeräumt.243 Es steht in ihrem Ermessen, unter Beachtung der Verfahrensgrundsätze, insbesondere der Verhandlungsmaxime, der Vertraulichkeit und der Parteiöffentlichkeit sowie dem Anspruch auf rechtliches Gehör, das Verfahren zu gestalten.244 Aufgrund der Verhandlungsmaxime ist es zunächst Aufgabe der Streitparteien, die erheblichen Tatsachen in den Prozess einzuführen und diesbezüglich Beweis anzutreten.245 Das DSU enthält jedoch keine ausdrücklichen Bestimmungen hinsichtlich der Vorlage, Beibringung oder Hinlänglichkeit von Beweisen.246 Ebenso unterscheidet das DSU nicht zwischen dem Streng- und Freibeweis.247 Bis auf die Regeln des Art. 13 des DSU zum Sachverständigenbeweis enthält das DSU keinerlei Bestimmungen zum Beweisverfahren und den Beweismitteln. Dass im WTO-Streitbeilegungsverfahren (entsprechend der Definition des deutschen Prozessrechts)248 nicht mit dem Streng-, sondern mit dem Freibeweis die Überzeugung des Panels herbeigeführt wird, geht indirekt aus dem Panelbericht in Indonesia – Certain Measures Affecting the Automobile Industry. Hier war das Panel mit einer Situation konfrontiert, in welcher die beschwerdeführende Partei Zeitungsartikel zum Beweis der behaupteten nachteiligen Auswirkungen auf ihre eigene Industrie vorlegte. Das Panel stellte dazu fest, dass die Beweise der beschwerdeführenden Partei in Bezug auf die geplante Einführung neuer Automobil-Modelle sehr allgemein gehalten seien. Mit der Ausnahme von Zeitungsberichten und 243
Ohlhoff, in: Prieß/Berrisch, S. 723 Rn. 101. s. Teil 2 B. und Teil 3 A. II.–V. 245 s. Teil 3 C. III. 246 Palmeter/Mavroidis, § 4.09, S. 116. 247 Differenziert im deutschen Zivilprozessrecht § 284 ZPO (Strengbeweis), §§ 273 Abs. 2 Nr. 2, 358 a S. 2 Nr. 2 ZPO (Freibeweis). 248 s. zur Unterscheidung im deutschen Zivilprozessrecht MünchKommZPO/Prütting, § 284 Rn. 26. 244
D. Tatsachenermittlung durch das Panel
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Briefen, die von General Motors, Ford und Chrysler stammten, sei kein Dokumentenmaterial zum Beweis vorgelegt worden. Im Rahmen der WTO-Streitbeilegung gebe es, so das Panel, keine strengen Regeln hinsichtlich der Zulässigkeit von Beweisen wie Zeitungsartikeln oder des Erfordernisses, tatsächliche Behauptungen mit Informationsquellen zu belegen. Der von einer streitigen Maßnahme eines Mitgliedstaates betroffenen Industrie stünden aber sicherlich reichlich Beweise zur Verfügung, um die Verletzungsrüge der beschwerdeführenden Partei zu unterstützen. Solche Beweise wären beispielsweise aktuelle Businesspläne und andere interne Planungsunterlagen. Die Tatsache, dass Firmendokumente nicht vorgelegt worden seien und die beschwerdeführende Partei stattdessen Zeitungsartikel über ihre eigenen Industrieaktivitäten vorgelegt habe, lasse das Panel zu dem Schluss kommen, dass die negativen Auswirkungen der streitigen Subventionen nicht durch „positiven Beweis“ nachgewiesen worden sei.249 Aus dieser Entscheidung kann gefolgert werden, dass die Situation im Hinblick auf die zur Verfügung stehenden Beweise (Beweismittel) durchaus anders bewertet werden kann, wenn sich also eine Partei auf Presseartikel beruft, um die Aktivitäten der anderen Partei oder deren Industrie nachzuweisen, und diese Artikel den einzig verfügbaren Beweis für diese Partei darstellen.250 Ein Panel ist vor diesem Hintergrund nicht an bestimmte Beweismittel gebunden. Wäre dies von den Mitgliedstaaten gewollt, hätten sie die entsprechenden Beweismittel im DSU kodifiziert. Indem sie ein verbindliches Beweisverfahren nicht verabschiedet haben, kann hieraus geschlossen werden, dass ein Panel bei der Bestimmung des Beweisverfahrens frei ist, vorausgesetzt, es beachtet die Verfahrensgrundsätze und die Grenzen der DSU-Bestimmungen. Es hat danach die Möglichkeit, jegliche Beweise in der ihm geeignet erscheinenden Form zu erheben.251 Dazu ist ein Einverständnis der Parteien gemäß Art. 13 des DSU nicht erforderlich. Jedoch muss die Beweiserhebung im Prozess erfolgen, denn die Parteien müssen die Möglichkeit haben, sich über sie zu unterrichten und zu den Ergebnissen Stellung zu nehmen. Insoweit muss dem Anspruch auf rechtliches Gehör Rechnung getragen werden.252 Um den Inhalt der Verhandlung festzuhalten, wird über die Sitzungen des Panels mit den Streitparteien in der 249 WTO-Dok. WT/DS54/R, WT/DS55/R, WT/DS59/R, Rn. 14.233 ff. 250 Palmeter/Mavroidis, § 4.09, S. 134. 251 Anders im deutschen Zivilprozessrecht § 284 S. 2 ZPO. 252 s. hierzu Teil 3 A. V.
WT/DS64/R
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Teil 3: Tatsachenermittlung im Panel- und Rechtsmittelverfahren
Sache Protokoll geführt.253 Im Übrigen wird der festgestellte Sachverhalt im Panelbericht festgehalten.254 Im Ergebnis wird – wie internationalen Gerichten allgemein – auch den WTO-Panels bei der Beweiserhebung Flexibilität eingeräumt.255 b) Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme Die Beweisaufnahme ist im DSU nicht geregelt. Da die WTO-Mitgliedstaaten nichts anderes kodifiziert haben, gilt für die Beweisaufnahme das Prinzip der Unmittelbarkeit, das heißt, die Verhandlung der Parteien und die Beweisaufnahme findet unmittelbar vor dem Panel statt, ohne dass richterliche Mittelspersonen eingeschaltet werden.256 Der Einsatz eines beauftragten oder ersuchten Richters zur prozessökonomischen Verfahrensgestaltung257 hätte von den WTO-Mitgliedstaaten im DSU ausdrücklich kodifiziert werden müssen, denn es ist nicht ersichtlich, dass sich die Mitglieder mit einer Beweisaufnahme anderer Personen oder Institutionen als dem Panel/den Panelmitgliedern, deren Ergebnis für sie ja auch bedeutende rechtliche Folgen haben kann, einverstanden erklären würden. Ein Panel ist vor diesem Hintergrund nicht befugt, eine entsprechende Verfahrensregel aufzustellen. Es würde damit die ihm von den Mitgliedern eingeräumten Kompetenzen überschreiten. Hiervon zu trennen ist die Frage, ob ein Panel die Beweisaufnahme im Rahmen einer Videokonferenz beispielsweise mit Sachverständigen, die nicht vor Ort in Genf an den Sitzungen teilnehmen können, vornehmen darf.258 Dies ist im DSU nicht geregelt. Wenn ein Panel dabei die Verfahrensgrundsätze, insbesondere die Parteiöffentlichkeit und den Anspruch auf rechtliches Gehör, sowie die Verfahrensbestimmungen des DSU beachtet, ist es durchaus befugt, eine solche doch eher „technische“ Verfahrensregel in Ausübung seiner ihm eingeräumten Verfahrensgestaltungsmöglichkeiten gemäß Art. 12 Abs. 1 und 2 des DSU aufzustellen. Denn Videokonferenzen können Zeit und Reisekosten 253 WTO Secretariat, Handbook, S. 55. Ebenso im deutschen Zivilprozessrecht §§ 160, 510 a ZPO. 254 Art. 15 des DSU. Ebenso der Tatbestand im deutschen Zivilprozessrecht § 313 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 ZPO. 255 Vgl. Ohlhoff, in: Prieß/Berrisch, S. 723 Rn. 101. 256 Ebenso im deutschen Zivilprozessrecht § 128 Abs. 1, 355, 279 Abs. 2 ZPO. 257 s. zu möglichen Ausnahmen vom Unmittelbarkeitsgrundsatz im deutschen Zivilprozessrecht § 355 S. 2 ZPO. 258 s. zur Möglichkeit von Videokonferenzen im deutschen Zivilprozessrecht § 128 a ZPO.
D. Tatsachenermittlung durch das Panel
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sparen und zur beschleunigten Erledigung des Verfahrens beitragen,259 was insbesondere in internationalen Verfahren von großer Bedeutung ist. Eine unzulässige Begründung von Rechten und Pflichten der WTO-Mitgliedstaaten (Art. 3 Abs. 2 des DSU) wäre hierin nicht zu sehen. c) Beweisbedürftigkeit und Erheblichkeit des Beweisthemas (1) Beweisbedürftigkeit Die Beweisbedürftigkeit und damit die Erforderlichkeit und Notwendigkeit des Beweises in einem WTO-Streitverfahren wird durch die Verhandlungsmaxime geprägt. Dabei entscheidet das Verhalten der Parteien in weitem Umfang über die Beweisbedürftigkeit. Obwohl diese im DSU nicht ausdrücklich geregelt ist, kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass die von der gegnerischen Partei zugestandenen260 und nicht bestrittenen261 sowie die offenkundigen262 Behauptungen in der Regel nicht Gegenstand einer weiteren Sachverhaltsermittlung des Panels gemäß Art. 13 des DSU sind. Da ein Panel die Verhandlungsmaxime und den Beschleunigungsgrundsatz zu beachten hat, ist es nicht gehalten, jede Behauptung einer Partei auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Die Befugnis zur Ausübung von Prozessökonomie im Hinblick auf Verletzungsrügen263 kann auch dahin verstanden werden, dass ein Panel grundsätzlich – und damit auch in Bezug auf die Beweisbedürftigkeit einer Tatsache – Prozessökonomie ausüben kann. Die Pflicht zur objektiven Beurteilung des Sachverhalts gemäß Art. 11 des DSU stellt hier die Grenze dar. Ist also ein Panel der Überzeugung, dass eine von beiden Parteien übereinstimmend vorgetragene Tatsache in Wahrheit nicht gegeben ist, kann es über den Parteivortrag hinaus gemäß Art. 13 des DSU eine eigene Sachverhaltsaufklärung betreiben. Ein solcher Fall ist aber eher theoretischer Natur, da in der Regel zumindest eine Partei kein Interesse an einer wahrheitswidrigen Behauptung hat, die – wenn für die andere Partei günstig – oftmals für sie selbst nachteilig ist und daher von ihr bestritten wird. Regelmäßig sind daher die streitigen Tatsachenbehauptungen der Parteien beweisbedürftig.264 259
Vgl. im deutschen Zivilprozessrecht Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 115. Im deutschen Prozessrecht ist das Zugeständnis ausdrücklich in § 288 ZPO geregelt. 261 Ebenso ausdrücklich im deutschen Zivilprozessrecht § 138 Abs. 2 bis 4 ZPO. 262 Im deutschen Zivilprozessrecht ausdrücklich § 291 ZPO. 263 s. Teil 3 D. II. 264 So wie im deutschen Zivilprozessrecht als auch im US-amerikanischen Recht. s. zum letzteren Schack, S. 46. 260
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(2) Erheblichkeit des Beweisthemas Im deutschen Prozessrecht soll eine Tatsache nur dann Beweisgegenstand sein, wenn sie für die Entscheidung des Rechtsstreits erheblich ist. Dabei ist alles, aber auch nur das erheblich, was auf die Entscheidung des Panels von Einfluss ist, bei dessen Berücksichtigung die Entscheidung anders ausfallen würde als ohne ihre Berücksichtigung.265 Dabei kann eine tatsächliche Behauptung unmittelbar oder mittelbar erheblich sein. Sie ist unmittelbar erheblich, wenn sich aus ihr unmittelbar ein Tatbestandsmerkmal der anzuwendenden Rechtsnorm ergibt. Sie ist hingegen mittelbar erheblich, wenn von ihr aus erst auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer unmittelbar erheblichen Tatsache geschlossen werden soll, sie also nur mittelbar für die Feststellung der Wahrheit des unmittelbar erheblichen Umstandes von Bedeutung ist.266 Dementsprechend richtet sich der unmittelbare Beweis auf Tatsachen, die unmittelbar ein Tatbestandsmerkmal als vorhanden oder als nicht vorhanden ergeben soll. Der mittelbare oder Indizienbeweis bezieht sich auf andere, tatbestandsfremde Tatsachen, die erst den Schluss auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines derartigen Merkmals ermöglichen. Bei der Beweisaufnahme ist das Indiz Beweisgegenstand wie die unmittelbar erhebliche Tatsache und wird durch Beweismittel dargetan, ist aber nicht selbst Beweismittel. Das Gericht muss sich in seinem Urteil sorgfältig mit allen Indizien auseinandersetzen und ihren Indizwert überprüfen.267 Diese Grundsätze können auch für das WTO-Streitbeilegungsverfahren herangezogen werden. Zur Begründung wird auf die obigen Ausführungen zur Ausübung von Prozessökonomie durch ein Panel verwiesen.268 2. Beweismittel Jede Beweiserhebung hat das Ziel, in dem Richter die Überzeugung vom Vorliegen des behaupteten Sachverhalts zu begründen. Eine solche Überzeugung kann der Richter entweder durch eigene Wahrnehmung oder durch Mitteilung fremder Wahrnehmung und schließlich durch Vorlage von Schriftstücken und deren Einsichtnahme erlangen. Diese Träger von Anschauung oder Übermittlung werden Beweismittel genannt.269 265
Schellhammer, Teil 7, Kapitel 3. Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 111. 267 Ebd., § 109. 268 s. Teil 3 D. II. und III. 1. b). 269 s. stellvertretend für die meisten Rechtssysteme zum deutschen Zivilprozessrecht MünchKommZPO/Prütting, § 284 Rn. 49. 266
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Bis auf den Sachverständigenbeweis (Art. 13 des DSU) enthält das DSU keine Regeln in Bezug auf die Beweismittel. Im Folgenden werden die Beweismittel der Verfahrenspraxis beschrieben und erörtert, welche Beweismittel das DSU – wenn auch nicht ausdrücklich, so doch indirekt vorsieht. a) Urkunden und Augenschein Gegenstand einer WTO-Streitigkeit sind regelmäßig die von einem Mitgliedstaat erlassenen Rechtsakte, Gesetze, Verordnungen oder auch Einzelakte und deren Anwendungspraxis. Folglich stellt zunächst der Text dieser Maßnahmen die tatsächliche Grundlage einer Streitigkeit dar.270 Er wird in Form von Urkunden oder anderen schriftlichen Dokumenten vorgelegt, zwischen denen als Beweismittel im Streitbeilegungsverfahren nicht unterschieden wird.271 Beide Formen von Dokumenten werden vom Panel in Augenschein genommen.272 Theoretisch möglich ist auch eine Augenscheinnahme vor Ort in den Mitgliedstaaten, beispielsweise zum Beweis der konkreten Anwendungspraxis der streitigen Maßnahme. Aufgrund der Natur einer WTO-Streitigkeit ist dies jedoch regelmäßig nicht erforderlich und hat auch noch nicht stattgefunden. Insoweit hätte ein Panel die Grenzen des Art. 13 Abs. 1 des DSU und die Souveränität des betroffenen Staates zu beachten. Aufgrund der Parteiöffentlichkeit der Beweisaufnahme hätten beide Streitparteien das Recht, an der Augenscheinnahme vor Ort anwesend zu sein. Dies hätte der betroffene Staat wiederum zu dulden. Erklärt er sich damit nicht einverstanden, hätte eine Augenscheinnahme vor Ort zu unterbleiben. b) Sachverständige In einem Streitbeilegungsverfahren unter der WTO geht es – wie bereits ausgeführt – zumeist um eine hoheitliche Vorschrift eines Mitgliedstaates. Während der diesbezügliche Gesetzestext häufig ohne weitere Probleme als Urkunde oder Dokument in Schriftform vorgelegt werden kann, da er regelmäßig veröffentlicht und einem breiten Publikum zugänglich gemacht wird,273 ergibt sich sein Verständnis oftmals nicht unmittelbar aus dem Wortlaut. 270 271 272
Palmeter/Mavroidis, § 4.09, S. 116. Anders der Urkundenbeweis im deutschen Zivilprozessrecht (§§ 415 ff. ZPO). s. weitergehend zum Augenschein im deutschen Zivilprozessrecht §§ 371 ff.
ZPO. 273
s. zur Informationsbeschaffung der Parteien Teil 3 C. II.
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Zunächst müssen die sprachlichen Barrieren mit einer Übersetzung überwunden werden. Diese Übersetzungen werden von Sachverständigen vorgenommen.274 Darüber hinaus muss ein juristischer Experte den Panels das Recht des nationalen Staates, dessen Bedeutung, Auslegung und Anwendung anhand der Übersetzung erläutern, da ein Panel in der Regel über keine spezifischen Kenntnisse des streitigen nationalen Rechts verfügt.275 Häufig enthalten WTO-Streitigkeiten komplexe tatsächliche Fragen von technischer oder wissenschaftlicher Natur, beispielsweise wenn das Bestehen oder der Grad eines Gesundheitsrisikos eines bestimmten Produkts Gegenstand des Streits zwischen den Parteien ist.276 Auch diesbezüglich sind Experten zu konsultieren und deren Gutachten als Beweismittel in den Prozess einzuführen. (1) Sachverständige der Parteien In der WTO-Verfahrenspraxis führen die Streitparteien als Anlage zu ihren schriftlichen Vorlagen Sachverständigengutachten als Beweismittel in den Prozess ein. Die klagende Partei hat oftmals bereits im Vorfeld einer Streitigkeit Gutachten über die Maßnahme der beklagten Partei eingeholt, hat den Gesetzestext bereits zum eigenen Verständnis übersetzen und bewerten lassen. Diese Gutachten können dann auch im Panelverfahren vorgelegt werden.277 Aber auch die beklagte Partei hat häufig vor der Einführung der streitgegenständlichen Maßnahme Experten konsultiert, um einen sinnvollen und wirksamen Rechtsakt zu verabschieden. Erhält sie Kenntnis darüber, dass ein WTO-Mitgliedstaat seine Maßnahme durch ein Panel überprüfen lassen möchte, kann sie sich bereits auf ein solches Verfahren einstellen und zusätzliche Gutachten und Expertenrat einholen. Auch diese Stellungnahmen können im Streitbeilegungsverfahren vorgelegt werden.278 Zu beachten ist aber, dass diese von den Parteien in das Streitverfahren eingebrachten Expertengutachten nicht mit dem Beweismittel des Sachverständigengutachtens im deutschen Zivilprozessrecht gleichzusetzen sind.279 274 275 276 277 278 279
ZPO.
Pauwelyn, ICLQ 2002, 325, 325. s. zum nationalen Recht als Gegenstand der Tatsachenermittlung Teil 3 C. I. WTO Secretariat, Handbook, S. 25. Pauwelyn, ICLQ 2002, 325, 333 f. Ebd. s. zum Sachverständigengutachten im deutschen Verfahrensrecht §§ 402–414
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Vielmehr kommen sie den Sachverständigen der Parteien im US-amerikanischen Recht, den sogenannten „expert witnesses“, gleich.280 Sie sind zwar an sich Beweismittel, ihnen kommt aber aufgrund der potentiellen Unparteilichkeit nicht die Bedeutung des Sachverständigengutachtens im deutschen Prozessrecht zu. Siehe zu letzteren sogleich die Ausführungen zu den Sachverständigen des Panels. (2) Sachverständige der Panels Das Panel darf die Parteien zum Nachweis des nationalen Rechts auffordern, ist aber nicht auf die beigebrachten Nachweise beschränkt. Es kann gemäß Art. 13 des DSU von Amts wegen Sachverständige konsultieren und andere Erkenntnisquellen nutzen. Dies steht im Ermessen des Panels.281 Die drei Mitglieder eines Panels sind Experten auf dem Gebiet des internationalen Handels, aber nicht notwendigerweise im Bereich nationaler juristischer, technischer oder wissenschaftlicher Fragen.282 Daher kann das Panel die Begutachtung dieser Fragen durch Sachverständige anordnen. Dieses haben die Parteien zu dulden,283 beispielsweise, wenn beide Streitparteien Expertenstudien vorlegen und von denselben wissenschaftlichen Dokumenten unterschiedliche und gegensätzliche Schlüsse ziehen.284 Die Sachverständigen des Panels sind zur Neutralität und Vertraulichkeit verpflichtet.285 Der abschließende Panelbericht enthält in der Regel eine Auseinandersetzung mit den schriftlichen Antworten der Experten auf die Fragen des Panels und eine Abschrift der Diskussion im Rahmen der Sitzung mit den Parteien, zu der die Experten geladen wurden.286 Art. 13 des DSU lautet wie folgt: (1) Jedes Panel hat das Recht, von jeder Einzelperson oder jedem Gremium, die es für geeignet hält, Informationen oder fachlichen Rat einzuholen. Bevor ein 280 s. zu den „expert witnesses“ im US-amerikanischen Prozessrecht ausführlich Kane, S. 150 ff.; Schack, S. 65. 281 s. zur Sachverhaltsaufklärung von Amts wegen Teil 3 A. II. 3. b). 282 WTO Secretariat, Handbook, S. 25. 283 Ebenso im deutschen Zivilprozessrecht § 144 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 ZPO. 284 So in US – Import Prohibition of Certain Shrimp and Shrimp Products, WTO-Dok. WT/DS58/R Rn. 5.1. 285 Rule II und VII der Rules of Conduct for the Understanding on Rules and Procedures Governing the Settlement of Disputes, angenommen am 3. Dezember 1996, WTO-Dok. WT/DSB/RC/I, im Internet unter www.wto.org. 286 WTO Secretariat, Handbook, S. 26. s. zum Vorschlag der Einführung eines „Kreuzverhörs“ der Sachverständigen Timura, S. 727 ff.
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Panel jedoch Informationen oder fachlichen Rat von einer Einzelperson oder einem Gremium unter der Hoheitsgewalt eines Mitglieds einholt, unterrichtet es die Behörden des betreffenden Mitglieds. Ein Mitglied soll umgehend und umfassend auf einen Antrag eines Panels auf Erteilung von Informationen reagieren, die das Panel für notwendig und angebracht hält. Vertrauliche Informationen, die erteilt werden, dürfen nicht ohne die förmliche Genehmigung durch die Einzelperson, das Gremium oder die Behörden des Mitglieds offengelegt werden, welche die Informationen erteilt. (2) Die Panels können von jeder einschlägigen Stelle Informationen erbitten und Sachverständige befragen, um deren Gutachten zu bestimmten Aspekten der Angelegenheit einzuholen. Bei einer von einer Streitpartei aufgeworfenen Sachfrage, die eine wissenschaftliche oder technische Angelegenheit betrifft, kann ein Panel einen schriftlichen Gutachterbericht von einer Sachverständigengutachtergruppe einholen. Die Regeln über die Einsetzung einer solchen Gruppe und deren Verfahrensordnung sind in Anhang 4 dargelegt.287 287 Anhang 4 des DSU: Sachverständigengutachtergruppe Die folgenden Regeln und Verfahren finden auf Sachverständigengutachtergruppen Anwendung, die nach Art. 13.2 DSU eingesetzt werden. 1. Sachverständigengutachtergruppen unterstehen dem Panel. Ihr Mandat und die Einzelheiten ihrer Arbeitsverfahren werden vom Panel bestimmt; sie erstatten dem Panel Bericht. 3. Staatsangehörige der Streitparteien dürfen nur mit dem gemeinsamen Einverständnis in einer Sachverständigengutachtergruppe tätig sein, es sei denn, es liegen außergewöhnliche Umstände vor, unter denen das Panel der Auffassung ist, dass das erforderliche spezielle wissenschaftliche Fachwissen sonst nicht zur Verfügung steht. Angehörige des öffentlichen Dienstes der Streitparteien dürfen nicht in einer Sachverständigengutachtergruppe tätig sein. Die Mitglieder der Sachverständigengutachtergruppen sind in ihrer persönlichen Eigenschaft und nicht als Vertreter einer Regierung oder einer Organisation tätig. Die Regierungen oder Organisationen dürfen ihnen deshalb keine Weisungen zu Fragen erteilen, mit denen eine Sachverständigengutachtergruppe befasst ist. 4. Die Sachverständigengutachtergruppen dürfen von jeder Stelle, die sie für geeignet halten, Informationen und fachlichen Rat einholen. Bevor eine Sachverständigengutachtergruppe jedoch Informationen oder fachlichen Rat von einer Stelle unter der Hoheitsgewalt eines Mitglieds einholt, unterrichtet sie die Regierung des betreffenden Mitglieds. Jedes Mitglied reagiert umgehend und vollständig auf jedes Ersuchen einer Sachverständigengutachtergruppe um Informationen, welche die Gruppe für notwendig und geeignet hält. 5. Die Streitparteien haben Zugang zu allen einer Sachverständigengutachtergruppe zur Verfügung gestellten sachdienlichen Informationen, sofern sie nicht vertraulich sind. Der Sachverständigengutachtergruppe zur Verfügung gestellte vertrauliche Informationen dürfen nicht ohne förmliche Genehmigung der Regierung, der Organisation oder der Person, welche die Informationen zur Verfügung gestellt hat, freigegeben werden. Wird die Sachverständigengutachtergruppe um solche Informationen gebeten, wird die Freigabe der Informationen durch die Sachverständigengutachtergruppe jedoch nicht genehmigt, so wird von der Regierung, der Organisation oder der Person, welche die Informationen zur Verfügung gestellt hat, eine nicht vertrauliche Zusammenfassung der Informationen beigebracht.
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Auch die dem DSU unterfallenden Übereinkommen enthalten besondere Bestimmungen zu Sachverständigen und Experten. Art. 11 Abs. 2 des SPS Agreement: Geht es bei einem Streitfall im Rahmen dieses Abkommens um wissenschaftliche oder technische Fragen, so soll sich die Sondergruppe288 von Sachverständigen beraten lassen, die von der Sondergruppe im Benehmen mit den Streitparteien ausgewählt werden. Zu diesem Zweck kann die Sondergruppe, wenn sie dies für zweckmäßig hält, auf Ersuchen einer Streitpartei oder von sich aus eine beratende technische Sachverständigengruppe einsetzen oder die zuständigen internationalen Organisationen konsultieren.
Art. 14 Abs. 2 und 3 des TBT Agreement: (2) Eine Sondergruppe (Panel) kann auf Ersuchen einer Streitpartei oder von sich aus eine technische Sachverständigengruppe einsetzen, um in Fragen technischer Natur, die eine eingehende Prüfung durch Sachverständige erfordern, Unterstützung zu gewähren. (3) Für technische Sachverständigengruppen gelten die in Anhang 2 aufgeführten Verfahren.
Art. 24 Abs. 1 und 3 des SCM Agreement: (1) Es wird ein Ausschuss für Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen aus Vertretern aller Mitglieder eingesetzt. [. . .] (3) Der Ausschuss setzt eine Ständige Sachverständigengruppe aus fünf unabhängigen Personen ein, die auf den Gebieten Subventionen und Handelsbeziehungen besondere Sachkenntnis besitzen. Die Sachverständigen werden vom Ausschuss gewählt, und jedes Jahr wird einer von ihnen ersetzt. Wie in Art. 4 Absatz 5 vorgesehen kann die PGE ersucht werden, eine Sondergruppe zu unterstützen. Der Ausschuss kann auch Gutachten über das Vorliegen und die Art einer Subvention einholen.
In der Praxis hat sich die Einsetzung einer Sachverständigengutachtergruppe gemäß Art. 13 Abs. 2 in Verbindung mit Anhang 4 des DSU nicht durchgesetzt. Vielmehr haben Panels bislang ausschließlich Einzelexperten konsultiert und deren separate Gutachten eingeholt. So entschloss sich das Panel in EC – Measures Concerning Meat and Meat Products (Hormones) dazu, nicht einen einheitlichen Bericht der Sachverständigen anzufordern, sondern es bat jeden einzelnen Sachverständigen, seinen Standpunkt separat darzulegen.289 6. Die Sachverständigengutachtergruppe legt den Streitparteien den Entwurf eines Berichts mit der Bitte der Stellungnahme vor, um deren Stellungnahme zu erwirken und diese gegebenenfalls im Abschlussbericht zu berücksichtigen, der auch den Streitparteien übermittelt wird. Der Schlussbericht der Sachverständigengutachtergruppe dient nur der Beratung. 288 Anmerkung der Verfasserin: gemeint ist das Panel. 289 WTO-Dok. WT/DS26/R, WT/DS48/R Rn. 8.7 ff.
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Der Appellate Body untersuchte daraufhin die Kritik der Europäischen Gemeinschaften in Bezug auf die Auswahl und die Inanspruchnahme der Experten durch das Panel. Er führte aus, ein Panel habe die Entscheidungsbefugnis, ob Rat von einzelnen wissenschaftlichen Experten oder von einer Gruppe solcher Experten eingeholt wird und könne im erstgenannten Fall Einzelfallregeln für solche Konsultationen festlegen. Sowohl Art. 11 Abs. 2 des SPS Agreement als auch Art. 13 des DSU ermöglichten es Panels, Informationen und Rat, die sie in einem bestimmten Fall für geeignet hielten, einzuholen. In Streitigkeiten, die wissenschaftliche oder technische Streitfragen beträfen, hindere weder Art. 11 Abs. 2 des SPS Agreement noch Art. 13 des DSU Panels daran, einzelne Experten zu konsultieren. Vielmehr überließen beide Bestimmungen die Entscheidung der verständigen Umsicht eines Panels, ob die Einsetzung einer Sachverständigengutachtergruppe erforderlich und angemessen sei. Die in Anhang 4 des DSU dargelegten Regeln und Verfahren seien in Situationen anwendbar, in denen Sachverständigengutachtergruppen eingesetzt würden. Vorliegend sei dies jedoch nicht der Fall. Folglich gebe es im Rahmen der Entscheidung eines Panels, die Meinung individueller wissenschaftlicher Experten einzuholen, kein rechtliches Hindernis, in Abstimmung mit den Streitparteien Einzelfallregeln für dieses besondere Verfahren aufzusetzen.290 In Australia – Measures Affecting Importation of Salmon wurde das Panel durch keine der Streitparteien ersucht, Sachverständigenrat einzuholen. Es widersprach aber auch keine der Parteien einer solchen Beweiserhebung. So wurden vier Experten vom Panel auf Vorschlag der Parteien und einer internationalen Organisation, des Office International des Épizooties, ausgewählt. In Absprache mit den Parteien bereitete das Panel spezifische Fragen an die Experten vor, die dann jedem einzelnen Experten separat zur Beantwortung vorgelegt wurden. Die Experten wurden gebeten, diejenigen Fragen schriftlich zu beantworten, die sie aufgrund ihrer Qualifikation beantworten konnten. Die schriftlichen Vorlagen der Parteien und die schriftlichen Versionen ihrer mündlichen Statements wurden jedem Experten vorgelegt. Die schriftlichen Antworten der Experten wurden im Anschluss den Streitparteien zur Stellungnahme übermittelt. Darüber hinaus wurden die Experten zu einer Sitzung des Panels mit den Streitparteien geladen, um ihre Antworten auf die Fragen zu diskutieren.291 In Japan – Measures Affecting Consumer Photographic Film and Paper beauftragte das Panel eine aus zwei Mitgliedern bestehende Sachverständi290 291
WTO-Dok. WT/DS26/AB/R, WT/DS48/AB/R Rn. 148. WTO-Dok. WT/DS18/R Rn. 6.1 ff.
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gengruppe, um fachlichen Rat in Bezug auf schwierige Übersetzungsfragen einzuholen.292 Im Ergebnis hat der Appellate Body also die Praxis der Panels im Hinblick auf ihre weit gefasste Befugnis bei der Einsetzung von Experten und Sachverständigen bestätigt.293 In diesem Rahmen haben die Panels umfangreiche Möglichkeiten, Sachverständige zu konsultieren und zu befragen. Zum einen steht ihnen das Sekretariat mit einer Liste geeigneter und bereits früher konsultierter Sachverständiger zur Seite.294 Darüber hinaus können sie auf die unterschiedlichen Fachgruppen im Rahmen der WTO zurückgreifen, so beispielsweise die Permanent Group of Experts (PGE) nach dem SCM Agreement. Im Rahmen der Kooperation mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank können auch deren Experten um Gutachten gebeten werden.295 Die verhältnismäßig umfangreichen Regelungen in Bezug auf die vom Panel konsultierten Sachverständigen verdeutlichen das Recht des Panels auf Information und den Stellenwert eines Sachverständigengutachtens im Streitbeilegungsverfahren. Darüber hinaus waren bei der Verabschiedung des Art. 13 des DSU auch die völkerrechtlichen Aspekte der Konsultation von Experten zu beachten. So wurde festgelegt, dass, bevor Informationen eingeholt werden, die WTO-Mitgliedstaaten von der Anfrage in Kenntnis zu setzen sind, deren Hoheitsgewalt die gewählten Auskunftsquellen unterworfen sind. Zwar sind die auf diese Weise angegangenen WTO-Mitgliedstaaten grundsätzlich verpflichtet, Anfragen gemäß Art. 13 Abs. 1 S. 2 des DSU umgehend und in vollem Umfang zu entsprechen. Eine inhaltliche Kontrolle der Anfrage durch den angegangenen Mitgliedstaat soll jedoch regelmäßig nicht stattfinden. Über die Notwendigkeit und Angemessenheit der Informationsbeschaffung soll allein das jeweils anfragende Panel zu befinden haben. Dennoch ist das vorherige Inkenntnissetzen des betroffenen Mitgliedstaates mehr als nur eine Formalität oder Höflichkeit. Die Zwischenschaltung der von der Anfrage mittelbar betroffenen WTO-Mitgliedstaaten folgt aus dem völkerrechtlichen Souveränitätsgedanken und ermöglicht den betreffenden Souveränen, im Einzelfall aus nationalen Interessen die Auskunftserteilung sowie die Sachverhaltsermittlung durch den Sachverständigen vor Ort zu untersagen. 292 293 294 295
WTO-Dok. WT/DS44/R Rn. 1.9 f. Gallagher, S. 35. Pauwelyn, ICLQ 2002, 325, 336. Ebd.
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Darüber hinaus bedarf die Kundgabe vertraulicher Informationen der förmlichen Zustimmung der auskunftsgebenden Stelle des betroffenen WTO-Mitgliedstaates.296 Entsprechendes muss für die Sachverhaltsermittlung durch den Sachverständigen vor Ort gelten, da ansonsten die Vorgaben des Art. 13 Abs. 1 des DSU umgangen würden. (3) Amicus curiae Eingaben von NGOs Eine besondere Fragestellung hat sich im WTO-Streitbeilegungsverfahren unter anderem im Hinblick auf den Sachverständigenbeweis ergeben: Die Berücksichtigung von amicus curiae Eingaben von Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Das GATT 1947 zog während seines vierzigjährigen Bestehens nahezu keine öffentliche Aufmerksamkeit auf sich. Hingegen stößt die Welthandelsorganisation seit ihrer Gründung auf ein Interesse auf Seiten der Zivilgesellschaft, das in seinen quantitativen Ausmaßen heute kaum einer anderen internationalen Organisation zukommt.297 Zum einen liegt dies an dem weiten sachlichen Anwendungsbereich der Rechtsordnung der Welthandelsorganisation, der nahezu jeden Sachverhalt von ökonomischer Relevanz entweder unmittelbar oder mittelbar betrifft, zum anderen geht die Auseinandersetzung mit der WTO über den rein juristischen Gesichtspunkt hinaus.298 Das Welthandelsrecht wird als fundamentale Gefahr für den Umweltschutz empfunden. Ökologische, ökonomische, soziale und humanitäre Probleme gehen mit der Globalisierung einher. Viele Nichtregierungsorganisationen befassen sich heute auf qualitativ hohem Niveau mit diesen Problemen sowie komplexen Rechts- und Politikfragen, die im Zusammenhang mit der WTORechtsordnung stehen.299 Gemäß Art. 10 Abs. 2 des DSU haben Drittbeteiligte die Möglichkeit, im Panelverfahren gehört zu werden und schriftliche Stellungnahmen abzugeben, wenn sie dem DSB ihr Handelsinteresse anzeigen. Diese Stellungnahmen werden später im Panelbericht berücksichtigt.300 Drittbeteiligte im Sinne des Art. 10 des DSU können aber nur Mitgliedstaaten der WTO sein. Sind Parteien des Streitbeilegungsverfahrens der Welthandelsorganisation grundsätzlich nur Staaten, schließt das die Verfahrensbeteiligung nichthoheitlicher Subjekte nicht grundsätzlich aus.301 296 297 298 299 300 301
Letzel, S. 277. Tietje, in: Prieß/Berrisch, S. 67 Rn. 80. Ebd. Ebd., Rn. 81. Fudali, S. 50; Hilpold, S. 31. Ebd., S. 31.
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Konkrete Regelungen zu einer direkten Einbindung privater Akteure in Entscheidungsfindungsprozesse der WTO und insbesondere in das Streitbeilegungsverfahren bestehen nicht. Ausgangspunkt für die rechtliche Betrachtung der Beziehung der Welthandelsorganisation zur Zivilgesellschaft ist Art. V:2 des WTO-Übereinkommens302: Der Allgemeine Rat kann geeignete Vorkehrungen für Konsultationen und Zusammenarbeit mit nichtstaatlichen Organisationen treffen, die sich mit Angelegenheiten befassen, die mit denen der WTO im Zusammenhang stehen.
Diese Befugnis liegt den vom Allgemeinen Rat verabschiedeten Richtlinien über die Modalitäten der Zusammenarbeit zwischen der Welthandelsorganisation und den Nichtregierungsorganisationen zugrunde.303 Diese allgemein gehaltenen Richtlinien sehen einen verbesserten öffentliche Zugang zu offiziellen Dokumenten der WTO und einen intensiveren Kontakt und Informationsaustausch des Sekretariats zu den NGOs vor. Im abschließenden Abs. 6 der Richtlinien heißt es dann aber relativierend, dass die WTO sowohl ein rechtlich verbindlicher zwischenstaatlicher Vertrag mit Rechten und Pflichten für ihre Mitglieder als auch ein Forum für Verhandlungen ist.304 Diese Klassifizierung der WTO stehe dagegen, NGOs eine direkte Partizipationsmöglichkeit in der Organisation einzuräumen.305 Die engere Einbindung von NGOs in die Welthandelspolitik habe auf nationaler Ebene zu erfolgen, denn dort sei die prinzipielle Verantwortung für eine Politikgestaltung verankert, um entgegengesetzte Interessen auszugleichen.306 Trotz jener einschränkenden Klausel des Absatzes 6 der Richtlinien entwickelte das WTO-Sekretariat seither umfangreiche und unterschiedliche Aktivitäten zur Kontaktpflege mit den Nichtregierungsorganisationen.307 So ist hier die Bereitstellung nahezu aller offiziellen Dokumente der WTO im Internet308, die Erstellung einer speziellen Seite für NGOs auf der Homepage der WTO sowie die Institutionalisierung zahlreicher persönlicher Kontakte zwischen NGOs, Sekretariatsbediensteten und WTO-Mitgliedern zu nennen.309 Letzteres betrifft die Erlaubnis der Teilnahme von NGOs an den Ministerkonferenzen einschließlich der ihnen diesbezüglich umfangreich zur Verfügung gestellten logistischen Ressourcen ebenso wie regelmäßige Infor302
Tietje, in: Prieß/Berrisch, S. 67 Rn. 82. Guidelines for Arrangements on Relations with Non-Governmental Organizations, WTO-Dok. WT/L/162, im Internet unter www.wto.org. 304 Tietje, in: Prieß/Berrisch, S. 67 f. Rn. 82. 305 Ebd., S. 68 Rn. 82. 306 Ebd. 307 Ebd., S. 68 Rn. 83. 308 Zur Veröffentlichung von offiziellen WTO-Dokumenten s. die Decision on Derestriction des Allgemeinen Rates, WTO-Dok. WT/L160/Rev.1. 309 Tietje, in: Prieß/Berrisch, S. 68 Rn. 83. 303
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Teil 3: Tatsachenermittlung im Panel- und Rechtsmittelverfahren
mationsveranstaltungen des WTO-Sekretariats für NGOs sowie verschiedene Symposien zu speziellen Themen, die für NGOs von besonderem Interesse sind.310 Eine Öffnung des WTO-Streitbeilegungsverfahrens hat die vielbeachtete Entscheidung des Appellate Body in US – Import Prohibition of Certain Shrimp and Shrimp Products im Jahre 1998 bewirkt.311 Zu klären war die Frage, ob NGOs, die sich mit Umweltschutzanliegen beschäftigen, im Laufe eines WTO-Streitbeilegungsverfahrens spontan, das heißt ohne gezielte Aufforderung seitens des Panels, Schriftsätze einreichen konnten. Diskutiert wurde dies unter dem Begriff der amicus curiae briefs, einer Einrichtung des US-amerikanischen Verfahrensrechts, welche Stellungnahmen Dritter, die das Gericht von der Richtigkeit eines bestimmten Prozessergebnisses überzeugen wollen, zum Gegenstand hat.312 Ansatzpunkt dazu war das in Art. 13 des DSU geregelte Recht des Panels auf Information. Während die klagenden Parteien in diesem Rechtsstreit das Panel ersuchten, den Inhalt der von den Nichtregierungsorganisationen beigebrachten Stellungnahmen nicht zu berücksichtigen, drängten die Vereinigten Staaten als beklagte Partei das Panel, in ihnen enthaltene relevante Informationen zu berücksichtigen. Das Panel befand, unerbetene Informationen von Nichtregierungsorganisationen zu akzeptieren, sei aus seiner Sicht unvereinbar mit den derzeit geltenden Bestimmungen des DSU. Aus diesem Grund habe es die Parteien darüber informiert, dass es nicht beabsichtige, diese Dokumente zu berücksichtigen.313 Der Appellate Body betonte zu Beginn seiner Ausführungen, dass Zugang zum Streitbeilegungsverfahren der WTO lediglich deren Mitglieder haben. Dieser Zugang sei unter dem WTO Agreement und den unter diese Vereinbarung fallenden Übereinkommen in der derzeitigen Fassung Individuen oder internationalen Organisationen, ob staatlich oder nichtstaatlich verwehrt. Nur Mitgliedstaaten könnten Parteien eines Rechtsstreits werden, für den ein Panel eingesetzt würde und nur Mitglieder, die ein wesentliches Interesse an einer Angelegenheit hätten, mit der ein Panel befasst sei, könnten Drittbeteiligte im Verfahren vor dem Panel werden. Folglich hätten lediglich Mitgliedstaaten, die Streitparteien oder Drittbeteiligte in einem Panelverfahren seien, das Recht, dem Panel Vorlagen zu unterbreiten und 310
Ebd.; Marceau/Pedersen, JWT 1999, 5, 11 ff. Hilpold, S. 32. 312 Ebd.; Letzel, S. 257. s. zum Institut der „amicus curiae briefs“ des US-amerikanischen Prozessrechts Schack, S. 54 (mit weiteren Literaturangaben). 313 WTO-Dok. WT/DS58/R Rn. 7.8. 311
D. Tatsachenermittlung durch das Panel
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diese Vorlagen durch das Panel betrachten zu lassen. Damit korrelierend sei ein Panel rechtlich dazu verpflichtet, lediglich die Vorlagen der Streitparteien und Dritter in einem Panelverfahren entgegenzunehmen und gebührend zu berücksichtigen. Dies seien grundlegende Rechtssätze, die jedoch nicht die von der beschwerdeführenden Partei behaupteten Rechtsfehler durch das Panel regelten. Vielmehr sei davon die Frage betroffen, wozu ein Panel unter dem DSU berechtigt sei.314 Der Appellate Body befand im weiteren, das Panel habe sich in seiner rechtlichen Interpretation von Art. 13 des DSU geirrt und führte aus, unerbetene Informationen von Nichtregierungsquellen zu akzeptieren, sei nicht unvereinbar mit den Bestimmungen des DSU. Er betonte die „umfassende Natur“ der Befugnis eines Panels, Informationen im Kontext eines Streitfalles einzuholen. Die weit gefasste Befugnis eines Panels, von jeder Einzelperson oder jedem Gremium, die es für geeignet halte, oder von jeder einschlägigen Stelle Informationen oder fachlichen Rat einzuholen, sei zu unterstreichen. Diese Befugnis umfasse mehr als nur die Möglichkeit und die Auswahl der Quelle einer Information oder eines Rates, die es einhole. Sie umfasse auch die Entscheidung, solch eine Information nicht einzuholen. Ein Panel habe ebenso die Befugnis, Informationen zu akzeptieren oder abzulehnen, die es eingeholt und erhalten habe. Es liege speziell im Aufgabengebiet und in der Befugnis eines Panels, den Bedarf an Information und Rat in einem spezifischen Fall zu bestimmen, die Annehmbarkeit und Relevanz der erhaltenen Information und des erhaltenen Rats zu ermitteln und zu entscheiden, welches Gewicht dieser Information oder diesem Rat zuzuschreiben ist oder zu entscheiden, dass dem Erhaltenen überhaupt kein Gewicht beigemessen werden soll. Das DSU räume mit Art. 12 und 13 einem Panel weitläufige und umfangreiche Befugnisse ein, den Prozess zu übernehmen und zu kontrollieren, indem es sich selbst über die relevanten Tatsachen des Streits sowie über die anzuwendenden rechtlichen Normen informiere. Diese Befugnis sei erforderlich, damit das Panel gemäß Art. 11 des DSU eine objektive Beurteilung der vor ihm liegenden Angelegenheit, einschließlich einer objektiven Beurteilung des Sachverhalts und der Anwendbarkeit sowie der Vereinbarkeit mit den einschlägigen unter die Vereinbarung fallenden Übereinkommen, vornehmen könne.315 Im Weiteren führte der Appellate Body aus, das Wort „einholen“ in der Wendung „Informationen einholen“ in Art. 13 Abs. 1 des DSU sei nicht in 314 315
WTO-Dok. WT/DS58/AB/R Rn. 101. WTO-Dok. WT/DS58/AB/R Rn. 104 ff.
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Teil 3: Tatsachenermittlung im Panel- und Rechtsmittelverfahren
einer übermäßig „formalen und technischen“ Weise zu verstehen. Unter Berücksichtigung der weit gefassten Befugnis des Panels, Informationen einzuholen, die den Panelprozess nicht übermäßig verzögerten, entfalle der Unterschied zwischen erbetenen und nicht erbetenen Informationen aus praktischen und sachdienlichen Zwecken. Dass das Verständnis des Wortes „einholen“ durch das Panel unnötig formal und technisch sei, werde deutlich, sollte eine Einzelperson oder ein Gremium zuerst das Panel um die Erlaubnis bitten, eine Stellungnahme oder Eingabe einzureichen. In diesem Fall könnte es das Panel ablehnen, das Schreiben zuzulassen. Das Panel könnte aber auch – ohne den Panelprozess übermäßig zu verzögern – eine Stellungnahme oder Eingabe unter angemessenen Bedingungen zulassen. Jedenfalls sei das Panel verpflichtet, sich mit den Streitparteien abzusprechen. In einer solchen Situation entfalle aber der Unterschied zwischen erbetenen und unerbetenen Informationen. Ein Panel könne ihm unterbreitete Informationen und Ratschläge akzeptieren und berücksichtigen oder sie zurückweisen, ob es sich nun um vom Panel erbetene Informationen handelt oder nicht. Die Tatsache, dass ein Panel Informationen motu proprio erbeten habe, binde das Panel nicht, die Informationen, die es dann tatsächlich erhalte, zu akzeptieren und zu berücksichtigen. Der Umfang der Befugnis des Panels, das Verfahren zur Tatsachenfeststellung und die rechtliche Würdigung zu gestalten, mache deutlich, dass ein Panel nicht mit Informationen überschüttet werde müsse, es sei denn, das Panel selbst entscheide, überschüttet werden zu wollen. Im vorliegenden Fall hatte das Panel vorgeschlagen, dass jede der Parteien ihm die umstrittenen Dokumente der NGOs als Teil der eigenen Vorlagen unterbreiten könne. Daraufhin hatten die Vereinigten Staaten „Section III“ des vom Center for International Environmental Law vorgelegten Dokuments als Anhang zu ihrer zweiten Vorlage an das Panel angefügt. Das Panel hatte daraufhin der gegnerischen Partei Frist von zwei Wochen zur Antwort gegeben. Der Appellate Body kommentierte dieses Vorgehen, die praktische Verfügung des Panels sei unabhängig von der rechtlichen Würdigung des Wortes „einholen“ in Art. 13 Abs. 1 des DSU durch das Panel. So betrachtet stelle die tatsächliche Entscheidung des Panels über die streitigen Eingaben weder einen Rechtsirrtum noch einen Fehlgebrauch seiner diesbezüglichen Befugnis dar. Das Panel sei berechtigt gewesen, den Teil des Dokuments, den die Vereinigten Staaten ihrer zweiten Vorlage angehängt hätten, so wie jeden anderen Teil der Schriftsätze der Vereinigten Staaten zu berücksichtigen.
D. Tatsachenermittlung durch das Panel
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Im Ergebnis war der Appellate Body also der Ansicht, das Panel habe sich in seiner rechtlichen Würdigung geirrt, dass die Annahme nicht erbetener Informationen von nichtstaatlichen Quellen unvereinbar mit den Bestimmungen des DSU sei. Gleichzeitig kam es zu dem Schluss, das Panel habe innerhalb des Umfangs seiner Befugnisse gemäß Art. 12 und 13 des DSU gehandelt, indem es jeder Streitpartei erlaubt habe, Eingaben von nichtstaatlichen Organisationen oder Teile davon ihren eigenen Vorlagen anzuhängen.316 In US – Imposition of Countervailing Duties on Certain Hot-Rolled Lead and Bismuth Carbon Steel Products Originating in the United Kingdom bestätigte der Appellate Body jene Entscheidung.317 Zusätzliche Verfahrensregeln in Bezug auf amicus curiae-Eingaben im Rechtsmittelverfahren stellte er in EC – Measures Affecting Asbestos and Asbestos-Containing Products auf, entschied sich aber in diesem Fall, keine Eingaben zuzulassen.318 Die Spruchpraxis des Appellate Body ist auf erhebliche Kritik bei einigen der WTO-Mitgliedstaaten gestoßen.319 Es hat sich herauskristallisiert, dass fundamentale Unterschiede zwischen den Positionen der einzelnen Staaten bestehen.320 Insbesondere eine erhebliche Zahl an Entwicklungsländer ist der Ansicht, der Appellate Body habe mit seiner Spruchpraxis zu den amicus curiaeEingaben seine Kompetenzen überschritten.321 Dabei setzen sich viele NGOs gerade für die Belange der Entwicklungsländer ein. Dieses Engagement wird aber oftmals von den betroffenen Ländern nicht gewünscht. Sie sind strikt gegen eine Öffnung der Welthandelsorganisation gegenüber der Zivilgesellschaft mit der Begründung, die Welthandelsorganisation sei zwischenstaatlich konzipiert und diene dem Ausgleich staatlicher Interessen.322 Die Frage, ob private Verbände oder NGOs zwar nicht als (Dritt-)Partei, aber doch im Rahmen von amicus curiae Eingaben am Verfahren mitwirken 316
Ebd., Rn. 80 ff. WTO-Dok. WT/DS138/AB/R Rn. 36 ff. 318 WTO-Dok. WT/DS135/AB/R Rn. 39 ff. 319 Vgl. Ohlhoff, in: Prieß/Berrisch, S. 702 Rn. 55. 320 WTO Secretariat, Handbook, S. 9. 321 Decision by the Appellate Body Concerning Amicus Curiae Briefs, Statement by Uruguay at the General Council on 22 November 2000, WTO-Dok. WT/GC/38; Joint Statement by the SAARC Commerce Ministers on the Forthcoming Fourth WTO Ministerial Conference at Doha, Communication from Sri Lanka, WTO-Dok. WT/L/412 Rn. 9, im Internet unter www.wto.org. 322 Joint Statement by the SAARC Commerce Ministers on the Forthcoming Fourth WTO Ministerial Conference at Doha, Communication from Sri Lanka, WTO-Dok. WT/L/412 Rn. 9. 317
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Teil 3: Tatsachenermittlung im Panel- und Rechtsmittelverfahren
können, wird auch in der Literatur intensiv diskutiert.323 Vielfach wird die Ansicht vertreten, der Appellate Body habe die Entscheidung des Panels in US – Import Prohibition of Certain Shrimp and Shrimp Products richtigerweise abgeändert, da diese Haltung in ihrer Unbegründetheit und Willkür gerade eine Verletzung des Art. 11 impliziere.324 In Bezug auf die Tatsachenermittlung eines Panels liegt der Vorteil einer Öffnung des Streitbeilegungsverfahrens gegenüber nichtstaatlichen Organisationen auf der Hand.325 Diese verfügen häufig über ein detailliertes Expertenwissen und sind gerade hinsichtlich Themen wie Umwelt-, Gesundheits- und Konsumentenschutz oftmals wesentlich engagierter als die Regierungsvertreter.326 NGOs können ebenso für neutrale Informationen wie Sachverständige sorgen. Natürlich verfolgen viele NGOs mit ihren Aktivitäten Interessen und Ziele, die auch ideologisch gefärbt sein können. Die Gefahr, dass sie keine objektiven Stellungnahmen abgeben, kann zum einen dadurch gebannt werden, dass die Stellungnahmen wie die Gutachten der Experten der Parteien oder derer gemäß Art. 13 des DSU den Parteien zur Stellungnahme übermittelt werden und auf diese Weise kritisch überprüft werden. Zum anderen laufen die NGOs selbst Gefahr, dass ihren Berichten durch die Streitbeilegungsorgane keine Beachtung geschenkt wird, wenn sie unsachlich sind und das Verfahren schlicht verzögern. Der informelle Nutzen von amicus curiae-Eingaben kann damit nicht hoch genug eingeschätzt werden. Nicht zu übersehen sind natürlich auch die Herausforderungen, die ein solcher Ansatz für ein Streitbeilegungsverfahren bedeutet, welches noch ausgeprägte politisch-diplomatische Elemente aufweist. Eine unbeschränkte Zulassung von Stellungnahmen der NGOs kann zu Problemen bei der Kontrolle und der Prozessökonomie eines Streitbeilegungsverfahrens führen. Nicht nur die Quantität der Eingaben kann möglicherweise vom Panel kaum zu bewältigen sein. Auch die Prüfung der Berechtigung des Vertretungsanspruchs, die Garantie der Vertraulichkeit des Verfahrens und die Einschränkung der Möglichkeiten zur diplomatischen Streitbeilegung können Probleme bereiten.327 Diesen Gefahren könnte aber mit detaillierten 323
s. Covelli, S. 125; Footer, in: Petersmann, S. 211; Fudali, S. 49 ff.; Marceau/ Stilwell, S. 155; Mavroidis, European integration and int. coordination 2002, S. 317; ders., JWT 1998, 147; Ohlhoff, EuZW 2002, 549; ders., EuZW 1999, 139; Reinisch/Irgel, S. 127; Umbricht, S. 773. 324 Hilpold, S. 32; Trebilcock/Howse, S. 66. 325 s. zur Forderung nach mehr Transparenz Debevoise, S. 817; Waincymer, S. 797. 326 Hilpold, S. 31. 327 Ebd., 31 f.
D. Tatsachenermittlung durch das Panel
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Verfahrensvorschriften entgegengetreten werden, die insbesondere der Vertraulichkeit und dem Beschleunigungsgrundsatz Rechnung tragen. Im Ergebnis kann das Recht von Nichtregierungsorganisationen, Eingaben zu machen, nicht mehr prinzipiell in Frage gestellt werden.328 Da es derzeit aber noch im Ermessen eines Panels bzw. des Appellate Body steht, solche Eingaben zu berücksichtigen, wären detaillierte Verfahrensregeln zu begrüßen, um Sicherheit und Vorhersehbarkeit auch im Ablauf des Streitbeilegungsverfahrens zu gewährleisten. Ob die obligatorische Einbindung in Zukunft jedoch geregelt wird, ist bislang zweifelhaft. Im Rahmen der Verhandlungen zur Reform werden entsprechende Vorschläge diskutiert.329 Insbesondere aber die ablehnende Haltung der erstarkten Entwicklungsländer lässt befürchten, dass eine Umsetzung in naher Zukunft nicht zu erwarten ist. c) Zeugen und Parteivernehmung Gegenstand einer WTO-Streitigkeit ist grundsätzlich eine hoheitliche Maßnahme. Handelt es sich dabei um ein Gesetz, eine Verordnung oder einen Einzelakt werden zu ihrem Beweis Urkunden und Dokumente, zu ihrem Verständnis Sachverständigengutachten vorgelegt oder eingeholt. Zum Nachweis der Verbindlichkeit einer hoheitlichen Maßnahme, der Anwendungspraxis oder den Auswirkungen dieser Maßnahme kommt auch die Benennung von Zeugen bzw. die Vorlage von Zeugenaussagen in Betracht.330 So versuchte beispielsweise das Panel in US – Anti-Dumping Act of 1916 – Complaint by the European Communities, die Reichweite und die Wirkung des 1916 Act anhand von öffentlichen Erklärungen unterschiedlicher Beamter der Vereinigten Staaten zu bestimmen. Es wurde untersucht, ob diese Erklärungen rechtlich bindende Verpflichtungen der Vereinigten Staaten im internationalen Recht statuieren können.331 In der bisherigen Verfahrenspraxis wurden Zeugen als Beweismittel nur selten benannt.332 In der letzten Zeit ist jedoch eine Zunahme der Vorlage von Zeugenaussagen zu verzeichnen.333 328
Tietje, in: Prieß/Berrisch, S. 68 Rn. 84. s. zu den aktuellen Reformvorschlägen der Mitgliedstaaten die Internetseite der Welthandelsorganisation www.wto.org. 330 s. zum Zeugenbeweis im deutschen Zivilprozessrecht §§ 373 ff. ZPO. 331 WTO-Dok. WT/DS136/R Rn. 6.63. 332 Gallagher, S. 33. 333 Palmeter/Mavroidis, § 4.09, S. 123. 329
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Teil 3: Tatsachenermittlung im Panel- und Rechtsmittelverfahren
Es bleibt abzuwarten, wie die Panels auf diese Beweisangebote reagieren. Sie haben zu beachten, dass die Zeugenvernehmung im angloamerikanischen und kontinentaleuropäischen Rechtskreis völlig unterschiedlich verläuft. Während im US-amerikanischen Recht die Vernehmung der Zeugen Sache der Parteien ist und sie zum Kreuzverhör berechtigt sind,334 ist es im deutschen Recht grundsätzlich Aufgabe des Richters, die Zeugen zu vernehmen.335 Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass – im Gegensatz zum angloamerikanischen Recht – die Versicherung an Eides Statt im deutschen Zivilprozessrecht nur im Rahmen der Glaubhaftmachung als Beweismittel zulässig ist336 und schriftliche Zeugenaussagen im Hauptverfahren grundsätzlich die Ausnahme bilden.337 Hier ist ein Ausgleich der unterschiedlichen Rechtstraditionen vorzunehmen. Die Vertreter des kontinentaleuropäischen Rechtskreises sind vor den ihnen unbekannten Vernehmungsmethoden des Kreuzverhörs zu schützen, andererseits sollten schriftliche Zeugenaussagen entsprechend der Tradition des angloamerikanischen Rechtskreises ohne weiteres zulässig sein. Vor diesem Hintergrund wären zusätzliche Verfahrensregeln im DSU (so wie zum Sachverständigenbeweis) im Rahmen einer etablierten Praxis der Benennung von Zeugen bzw. der Vorlage von Zeugenaussagen als Beweismittel angezeigt. Im Übrigen kennt das DSU die Parteivernehmung als Beweismittel nicht.338 Der Parteiauskunft aufgrund von Fragen des Panels gemäß Art. 13 Abs. 1 des DSU kommt nicht die Bedeutung des ebenfalls in dieser Bestimmung vorgesehenen Sachverständigengutachtens bei und ist nicht Beweismittel. d) Amtliche Auskunft Gemäß Art. 13 Abs. 1 des DSU ist ein Panel auch befugt, Auskünfte von nationalen Behörden einzuholen. So kann auf deren Sachkunde zurückgegriffen und anhand deren Ausführungen die streitige Maßnahme nachvollzogen und ihre Anwendung festgestellt werden. Im WTO-Streitbeilegungsverfahren ist daher auch die amtliche Auskunft als Beweismittel 334
s. zum US-amerikanischen Recht Kane, S. 173 f.; Schack, S. 65 f. Vgl. im deutschen Zivilprozessrecht §§ 273, 278, 279, 355 ZPO. 336 s. zum deutschen Zivilprozessrecht § 294 ZPO. Zu den „depositions“ im USamerikanischen Recht Kane, S. 133 ff.; Schack, S. 47. 337 Vgl. im deutschen Zivilprozessrecht § 377 Abs. 3 ZPO; Zöller/Greger, § 377 Rn. 5 f. 338 Anders im deutschen Zivilprozessrecht §§ 445 ff. 335
D. Tatsachenermittlung durch das Panel
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anerkannt.339 Auf diese Weise wird in Bezug auf eine nationale Behörde oder einen staatlichen Beamten der Zeugen- und Sachverständigenbeweis ersetzt. 3. Beweisverbote Fraglich ist, ob jede Beweisführung, die den Parteien eines WTO-Streitverfahrens möglich ist, und jede Sachverhaltsermittlung des Panels auch rechtlich zulässig ist. Das DSU enthält hierzu keine Regelung. Im deutschen Zivilprozessrecht wird zwischen Beweiserhebungs- und Beweisverwertungsverboten differenziert.340 Unter die Beweiserhebungsverbote fällt beispielsweise der Ausforschungsbeweis. Beweisverwertungsverbote bestehen bei Beweismitteln, die rechtswidrig erlangt sind (heimliche Tonbandaufnahmen, Diebstahl und Unterschlagung von Dokumenten).341 Die Zulässigkeit bestimmter Beweise wird anhand einer Abwägung der verschiedenen rechtlich geschützten Güter bestimmt.342 Diese Grundsätze über die Beweisverbote können auch auf das WTOStreitbeilegungsverfahren übertragen werden. Da die nichtbeweisbelastete Streitpartei grundsätzlich nicht zur umfassenden Aufklärung des Sachverhalts verpflichtet ist,343 ist ein Ausforschungsbeweis der gegnerischen Partei unzulässig. Darüber hinaus ist auch die Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen sowie die Einholung amtlicher Auskünfte ohne Einhaltung der Voraussetzung des Art. 13 Abs. 1 des DSU (Unterrichtung des betreffenden Mitglieds) unzulässig. Beweismittel, die WTO-vertragswidrig und unter Verstoß gegen die völkerrechtlich gewährleistete Souveränität der Staaten erlangt wurden, dürfen in den Prozess nicht eingeführt bzw. nicht in die Bewertung des Panels einfließen. Einen speziellen Fall stellt hier die Verwertung von Vergleichsangeboten einer Streitpartei im Rahmen der Konsultationsphase im späteren Panelverfahren dar.344 Die Beweisverbote hindern jedoch ein Panel nicht, eine Sachverhaltsermittlung gemäß Art. 13 des DSU in rechtlich zulässiger Weise vorzunehmen. 339 Ebenso im deutschen Zivilprozessrecht. s. ausführlich Baumbach/Lauterbach/ Albers/Hartmann, Übers § 373 Rn. 32 ff. 340 s. ausführlich Stein/Jonas/Leipold, § 284 Rn. 54 ff.; MünchKommZPO/Prütting, § 284 Rn. 62 ff. 341 Ebd. 342 Ebd. 343 s. Teil 3 C. IV. 344 s. Teil 3 C. II. 2. b).
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Teil 3: Tatsachenermittlung im Panel- und Rechtsmittelverfahren
4. Verspätetes Beweisvorbringen („Präklusion“) Das DSU enthält keine ausdrückliche Fristbestimmung für die Beibringung von Beweisen. Art. 12 Abs. 5 des DSU lautet: Die Panels sollen für die schriftlichen Vorlagen der Parteien genaue Stichtage festlegen, und die Parteien sollen diese Stichtage einhalten.
Diese Vorschrift betrifft lediglich das schriftliche Vorverfahren. Was aber gilt in Bezug auf die Beibringung von Tatsachen und Beweisen im Anschluss oder nach Schluss der letzten Sitzung des Panels in der Sache mit den Parteien? Die Arbeitsverfahren nach Anhang 3 des DSU verpflichten die Panels jedenfalls nicht zur Verhängung strikter und zügig ablaufender Stichtage für die Vorlage von Schriftsätzen und Beweisen.345 Einige WTO-Panels waren bereits mit Situationen konfrontiert, in denen eine Streitpartei erst in der zweiten mündlichen Verhandlung (bzw. kurz davor) neues Beweismaterial vorlegte. In Argentina – Measures Affecting Imports of Footwear, Textiles, Apparel and Other Items machte Argentinien in seinem Rechtsmittel geltend, das Panel habe nicht in Übereinstimmung mit Art. 11 des DSU gehandelt, indem es bestimmten Beweis der Gegenpartei, der Vereinigten Staaten, zugelassen habe, der erst zwei Tage vor der zweiten Sitzung des Panels mit den Streitparteien beigebracht worden war. Der Appellate Body stellte daraufhin fest, die Arbeitsverfahren nach dem DSU in ihrer derzeitigen Form bestimmten keine Ausschlussfristen für die Beibringung von Beweisen. Art. 11 des DSU sehe keine Zeitlimits für die Beibringung von Beweisen vor. Art. 12 Abs. 1 des DSU ordne an, dass das Panel den in Anhang 3 niedergelegten Arbeitsverfahren folgt. Ebenso erlaube Art. 12 Abs. 1 des DSU, von dem vorgegebenen Arbeitsverfahren nach Absprache mit den Streitparteien abzuweichen. Das Arbeitsverfahren in Anhang 3 etabliere ebenfalls keine strikten Fristen für die Präsentation eines Beweises durch eine Streitpartei. Es verbiete die Beibringung zusätzlicher Beweise nach dem ersten Zusammentreffen des Panels mit den Streitparteien nicht. Das Arbeitsverfahren nach Anhang 3 sehe zwei Abschnitte in einem Panelprozess vor. Die beschwerdeführende, primär beweisbelastete Partei solle während der ersten Phase ihren Tatsachenvortrag einschließlich der diesbezüglichen Beweise präsentieren. In der zweiten Phase sei es generell erlaubt, die jeweiligen Behauptungen und Argumente der anderen Partei zu widerlegen. 345
Palmeter/Mavroidis, § 4.09, S. 116. Weiter im deutschen Zivilprozessrecht §§ 296, 139 Abs. 5, 283 ZPO (sog. „nachgelassener Schriftsatz“). s. darüber hinaus zur Wiedereröffnung der Verhandlung § 156 ZPO.
D. Tatsachenermittlung durch das Panel
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Das Arbeitsverfahren enthalte keine strikten Fristbestimmungen. Das Panel hätte es gleichwohl ablehnen können, den zusätzlichen Dokumentenbeweis der Vereinigten Staaten zuzulassen, und ihn als verspätet zurückweisen können. Das Panel habe sich jedoch stattdessen entschieden, diesen Beweis zuzulassen. Gleichzeitig habe es Argentinien zugestanden, innerhalb von zwei Wochen auf diesen Beweis zu antworten. Argentinien vertrat hierzu den Standpunkt, es sei ihm unmöglich gewesen, die vorgelegten handschriftlich verfassten Zolldokumente zu entziffern und auf sie zu antworten, da identifizierende Namen, Zollidentifikationsnummern und teilweise auch Produktbezeichnungen geschwärzt gewesen seien. Der Appellate Body antwortete, das Panel hätte Argentinien genauso gut eine längere Frist als zwei Wochen zur Erwiderung auf den zusätzlichen Beweis gewähren können. Der Panelbericht enthalte aber keinerlei Anhaltspunkt dafür, dass Argentinien zu dieser oder zu einer späteren Zeit das Panel explizit um eine längere Frist zur Erwiderung auf den von den Vereinigten Staaten vorgebrachten zusätzlichen Beweis gebeten habe. Ebenso habe Argentinien keine widerlegenden Dokumente oder Stellungnahmen bezüglich irgendeines der zusätzlichen Dokumente der Vereinigten Staaten beigebracht. Obwohl ein anderes Panel hätte anders verfahren können, habe das Panel im vorliegenden Fall nicht gegen Art. 11 des DSU verstoßen. Ein Panel könne neue Beweise, die erst zwei Tage vor der zweiten Sitzung vorgelegt werden, ablehnen. Eine Pflicht hierzu bestehe jedoch nicht.346 In Canada – Measures Affecting the Export of Civilian Aircraft bat Kanada das Panel um eine Vorabentscheidung hinsichtlich der Streitfrage, ob die klagende Partei neue Beweise oder Behauptungen nach dem Ende der ersten Sitzung des Panels in der Sache mit den Parteien beibringen dürfe. Das Panel führte dazu in einer vom Appellate Body nicht überprüften Entscheidung aus, es sei nicht verpflichtet, neuen Tatsachenvortrag nach der ersten Sitzung in der Sache von seiner Betrachtung auszuschließen. Eine rechtliche Grundlage für eine solche Verpflichtung sei nicht zu erkennen. Eine zwingende Regel, welche die Beibringung von neuen Beweisen durch die beschwerdeführende Partei nach der ersten Sitzung in der Sache ausschließe, wäre unzweckmäßig, da es Situationen geben könne, in denen sie neue Beweise beibringen müsse, um Behauptungen der beklagten Partei zu widerlegen. Darüber hinaus könne es Fälle wie den vorliegenden geben, in denen eine Partei neue Beweise aufgrund einer Frage des Panels im Rahmen der zweiten Sitzung beibringen müsse. 346
WTO-Dok. WT/DS56/AB/R Rn. 79 ff.
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Teil 3: Tatsachenermittlung im Panel- und Rechtsmittelverfahren
Keine Regel des DSU und des Anhangs 3 (Arbeitsverfahren) weise darauf hin, dass die Beibringung neuen Beweises anders zu behandeln sei als das Aufstellen neuer Behauptungen. Es seien Situationen vorstellbar, in denen die beklagte Partei während der ersten Sitzung in der Sache dem Panel Informationen beibringe, die eine plausible Grundlage für eine neue Behauptung der klagenden Partei biete. Vorausgesetzt, die neue Behauptung falle unter das Mandat des Panels, und vorausgesetzt, das Recht auf ein faires Verfahren der beklagten Partei und das damit einhergehende Recht auf Verteidigung würden beachtet, gebe es keinen Grund, dass neue Behauptungen notwendigerweise durch das Panel zurückgewiesen werden müssten, nur weil sie nach der ersten Sitzung in der Sache beigebracht wurden. Einwände der beklagten Partei, die nach der ersten Sitzung in der Sache vorgebracht werden, seien wie neues Vorbringen der klagenden Partei zu behandeln. Obwohl es natürlich wünschenswert sei, dass Einwände so früh wie möglich vorgetragen würden, gebe es keine Pflicht, dass solches Vorbringen vor dem Ende der ersten Sitzung beigebracht werden müsste. Vorausgesetzt, das Gebot des fairen Verfahrens werde beachtet, sei die Erhebung neuer Einwände nach der ersten Sitzung des Panels mit den Parteien nicht ausgeschlossen.347 In Australia – Measures Affecting Importation of Salmon akzeptierte das Panel ein von der klagenden Partei vorgelegtes Beweisdokument, das erst nach einer vom Panel gesetzten Frist beigebracht wurde, da es Teil einer Stellungnahme der Partei zu einem Sachverständigengutachten war.348 Hingegen wies das Panel ein anderes Beweisstück des Klägers zurück, welches erst nach der zweiten Sitzung und nach der Zusammenkunft mit den Experten vorgelegt wurde.349 Im Ergebnis bestimmt das Panel für die vorbereitenden Schriftsätze zwar Fristen und Stichtage,350 so dass deren Nichtbeachtung theoretisch zur Nichtzulassung oder Zurückweisung des verspäteten Vorbringens führen kann.351 Dies wird in der Praxis aufgrund der großen Bedeutung eines Streitverfahrens für das betroffene WTO-Mitglied jedoch restriktiv gehandhabt. Die Panels verhängen trotz des Beschleunigungsgrundsatzes keine strikten Fristen für die Beibringung von neuen Tatsachen und Beweisen. Im Interesse einer möglichst erschöpfenden Aufarbeitung des Sachverhalts und 347 348 349 350 351
WTO-Dok. WT/DS70/R Rn. 9.77. WTO-Dok. WT/DS18/R Rn. 8.5. Ebd., Rn. 8.4. Ebenso im deutschen Zivilprozessrecht §§ 276 Abs. 1 und 3, 277 ZPO. Ähnlich im deutschen Zivilprozessrecht § 296 ZPO.
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einer sachgerechten Entscheidung ist dieses Vorgehen zu begrüßen. Wenn der jeweiligen Gegenpartei die Möglichkeit zur Stellungnahme und hierfür ausreichend Zeit eingeräumt wird, wird auch dem Gebot eines fairen Verfahrens nachgekommen. Dieses Vorgehen dient dem Ziel einer positiven Lösung einer WTO-Streitigkeit gemäß Art. 3 Abs. 7 des DSU. Aus Gründen der Prozessökonomie hat ein Panel auch das Ermessen, anders zu verfahren.
IV. Beweiswürdigung und Sachverhaltsfeststellungen des Panels 1. Beweiswürdigung a) Freiheit des Panels bei der Beweiswürdigung Die Beweiswürdigung durch ein Panel ist im DSU nicht explizit geregelt.352 Wie im Einzelnen ein Panel die ihm vorliegenden Informationen zu beurteilen und zu würdigen hat, lässt sich nur mittelbar aus einigen Vorschriften des DSU ableiten. So bestimmt Art. 11 Satz 2 des DSU folgende Pflicht des Panels: Demgemäß nimmt das Panel eine objektive Beurteilung der vor ihm liegenden Angelegenheit vor, einschließlich einer objektiven Beurteilung des Sachverhalts und der Anwendbarkeit sowie der Vereinbarkeit mit den einschlägigen unter die Vereinbarung fallenden Übereinkommen [. . .].
Art. 14 Abs. 1 bis 3 des DSU regeln: (1) Die Beratungen des Panels sind vertraulich. (2) Die Berichte der Panels werden in Abwesenheit der Streitparteien unter Berücksichtigung der unterbreiteten Informationen und der abgegebenen Stellungnahmen erstellt. (3) Die von einzelnen Panel-Mitgliedern im Panelbericht geäußerten Auffassungen sind anonym.
Diese Vertragsbestimmungen setzen eine Beweiswürdigung durch ein Panel voraus. Welche Freiheiten und Grenzen in diesem Rahmen dem Panel eingeräumt sind, lassen sie aber offen. Dass die Beweiswürdigung grundsätzlich in den Verantwortungsbereich des Panels fällt, belegt ein Umkehrschluss aus Art. 4 Abs. 5 des SCM Agreement. Nach dieser Vertragsbestimmung gilt: 352 s. hingegen zur ausdrücklich geregelten freien Beweiswürdigung im deutschen Zivilprozessrecht § 286 Abs. 1 S. 1 ZPO.
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Teil 3: Tatsachenermittlung im Panel- und Rechtsmittelverfahren
Nach ihrer Einsetzung kann die Sondergruppe353 die Ständige Sachverständigengruppe354 (in diesem Übereinkommen „PGE“ genannt) um Hilfe bei der Klärung der Frage bitten, ob die betreffende Maßnahme eine verbotene Subvention darstellt. Auf entsprechenden Antrag prüft die PGE unverzüglich die Beweise für das Bestehen und die Art der betreffenden Maßnahme und gibt dem Mitglied, das diese Maßnahme anwendet oder beibehält, Gelegenheit, nachzuweisen, dass die betreffende Maßnahme keine verbotene Subvention darstellt. Die PGE legt ihre Schlussfolgerungen der Sondergruppe innerhalb einer von der Sondergruppe festgelegten Frist vor. Die Schlussfolgerungen der PGE zu der Frage, ob die betreffende Maßnahme eine verbotene Subvention darstellt oder nicht, werden von der Sondergruppe ohne Änderung angenommen.
Während ein Panel also in einem solchen Verfahren aufgrund expliziter vertraglicher Regelung an die Feststellungen der Ständigen Sachverständigengruppe gebunden ist, obliegt ihr in den übrigen Fällen die Beweiswürdigung selbst. Nach der Spruchpraxis des Appellate Body ist die Beweiswürdigung Teil der einem Panel obliegenden Pflicht zur objektiven Beurteilung der vor ihm liegenden Angelegenheit. So führte er in Korea – Taxes on Alcoholic Beverages aus, die Beweiswürdigung falle unter die Pflicht des Panels gemäß Art. 11 des DSU.355 Zuvor hatte der Appellate Body in EC – Measures Concerning Meat and Meat Products (Hormones) ausgeführt, die Pflicht zur objektiven Beurteilung des Sachverhalts enthalte unter anderem die Verpflichtung, die vorgelegten Beweise zu berücksichtigen und auf dieser Grundlage eine Tatsachenfeststellung vorzunehmen. Grundsätzlich sei es Aufgabe des Panels zu entscheiden, welche Beweise es berücksichtige, um Tatsachen festzustellen. Realistisch gesehen könne ein Panel nicht alle Stellungnahmen der beratenden Sachverständigen im Einzelnen berücksichtigen. Einem Panel sei bei der Entscheidung, welche Stellungnahmen erheblich sind und auf welche sie Bezug nimmt und sie näher erörtert, ein weiter Beurteilungsspielraum zugebilligt werden.356 In Australia – Measures Affecting Importation of Salmon beanstandete Australien in seinem Rechtsmittel, das Panel habe entgegen Art. 11 des DSU die ihm präsentierten relevanten Beweise teilweise bzw. vollständig unberücksichtigt gelassen. Der Appellate Body führte in diesem Zusammenhang aus, ein Panel sei nicht dazu verpflichtet, den von den Streitparteien vorgelegten Beweisen 353 354 355 356
Anmerkung der Verfasserin: gemeint ist ein Panel. Originalfußnote 7): Nach Art. 24 eingesetzt. WTO-Dok. WT/DS75/AB/R, WT/DS84/AB/R Rn. 161 f. WTO-Dok. WT/DS26/AB/R, WT/DS48/AB/R Rn. 132 f., 135, 138.
D. Tatsachenermittlung durch das Panel
135
die Bedeutung und das Gewicht beizumessen, welches ihm die Parteien beimäßen.357 In India – Quantitative Restrictions on Imports of Agricultural Equipment argumentierte Indien, das Panel habe entgegen Art. 11 des DSU seine Pflicht zur objektiven Beurteilung des Sachverhalts auf den Internationalen Währungsfonds übertragen. Dazu führte der Appellate Body aus, das Panel habe in seinem Bericht zwar den Antworten auf die Fragen an den IWF erhebliches Gewicht beigemessen. Aber nichts im Panelbericht weise darauf hin und stütze Indiens Argumentation, dass das Panel seine Pflicht einer objektiven Beurteilung der Angelegenheit auf den IWF delegiert habe. Eine genaue Durchsicht des Panelberichts ergebe, dass das Panel nicht einfach die Antworten des IWF übernommen habe. Es habe die Erkenntnisse des IWF kritisch bewertet und ebenso andere Fakten und Ansichten bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt.358 Daraus sei zu schließen, dass das Panel eine objektive Beurteilung der vor ihm liegenden Angelegenheit vorgenommen habe.359 Dass sich die Beweiswürdigung des Panels auf den Prozessstoff insgesamt und nicht isoliert auf einzelne Beweise der Parteien zu beziehen hat, geht aus weiteren Entscheidungen der Streitbeilegungsorgane hervor. Korea machte in Korea – Definitive Safeguard Measures on Imports of Certain Dairy Products geltend, das Panel hätte bei der Feststellung einer Vertragsverletzung allein auf die von der beschwerdeführenden Partei vorgelegten Beweise abstellen müssen. Der Appellate Body stimmte dieser Ansicht nicht zu und führte aus, das Panel habe die Pflicht, jegliche ihm vorliegenden Beweise zu untersuchen und zu berücksichtigen, nicht nur die von der beschwerdeführenden Partei. Es habe hierzu die Relevanz und die Beweiskraft jedes einzelnen Beweismittels zu bewerten. Der von Korea vorgelegte Bericht der koreanischen Behörden, der unter anderem den Aspekt eines ernsthaften Schadens der betroffenen nationalen Industrie zum Gegenstand habe, sei für die Tatsachenbestimmung des Panels sehr relevant gewesen.360 In India – Quantitative Restrictions on Imports of Agricultural, Textile and Industrial Products trug Indien vor, das Panel habe die Regeln zur Beweislast nicht korrekt angewandt. Das Panel habe nicht analysiert, ob die Vereinigten Staaten einen prima facie Fall dargelegt hätten, bevor es die Antworten des Internationalen Währungsfonds auf die Fragen des Panels und die Beweise Indiens betrachtet habe. 357 358 359 360
WTO-Dok. WT/DS18/AB/R Rn. 267. WTO-Dok. WT/DS90/AB/R Rn. 149. Ebd., Rn. 151. WTO-Dok. WT/DS98/AB/R Rn. 137.
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Teil 3: Tatsachenermittlung im Panel- und Rechtsmittelverfahren
Der Appellate Body führte dazu aus, ein Panel sei nicht zu einer ausdrücklichen Feststellung verpflichtet, dass ein prima facie Fall dargelegt worden sei. Zur Unterstützung seiner Argumentation habe Indien auf den Bericht des Appellate Body in EC – Measures Concerning Meat and Meat Products (Hormones) verwiesen, in dem der Appellate Body ausgeführt habe, dass das Panel in Übereinstimmung mit seiner Entscheidung in US – Measures Affecting Imports of Woven Wool Shirts and Blouses from India die Prüfung jeder einzelnen Vorschrift mit einer Untersuchung zu beginnen habe, ob die beschwerdeführende Partei hinlänglich Tatsachen und Beweise präsentiert habe, dass die Maßnahmen der beklagten Partei mit dem relevanten Übereinkommen unvereinbar seien. Erst nachdem eine solche prima facie-Feststellung durch das Panel getroffen worden sei, könnten die Beweise der beklagten Partei betrachtet werden. Hiernach sei das Panel aber im vorliegenden Fall nicht zu der Entscheidung verpflichtet, dass ein prima facie Fall dargelegt worden ist, bevor es die Antworten des Internationalen Währungsfonds oder der anderen konsultierten Experten betrachte. Die Berücksichtigung der Antworten der Sachverständigen könnte durchaus der Entscheidung dienen, ob ein prima facie Fall dargelegt sei. Es sei nicht zu beanstanden, dass das Panel bei der Feststellung, ob die Vereinigten Staaten einen prima facie-Fall dargelegt hätten, die Antworten Indiens auf die Argumente der Vereinigten Staaten berücksichtigt habe. Mit dieser Vorgehensweise habe das Panel seiner Ansicht nach nicht Indien die Beweislast zugewiesen. Das Panel habe durch seine Vorgehensweise keinen Rechtsfehler begangen.361 Insgesamt steht es also im alleinigen Verantwortungsbereich eines Panels, wie es zu einer tatsächlichen Feststellung gelangt.362 Dass es nach freier Überzeugung entscheidet, ob eine tatsächliche Behauptung wahr oder nicht wahr ist, geht auch daraus hervor, dass es abweichende Meinungen einzelner Panel-Mitglieder geben kann.363 Dies ist zwar eher die Ausnahme (der vorgenannte Fall ist bislang der einzige), es bedeutet aber zugleich, dass auch subjektive Elemente die Beweiswürdigung durch ein Panel, das in der Regel aus drei Fachleuten besteht, bestimmen. Da die Beweiswürdigung als Teil der objektiven Beurteilung des Sachverhalts gemäß Art. 11 des DSU anzusehen ist, unterliegt sie damit bestimmten Grenzen wie der Begründungspflicht.364 So können Fehler in der Beweiswürdigung von der Rechtsmittelinstanz überprüft werden.365 361
WTO-Dok- WT/DS90/AB/R Rn. 141 ff. Gallagher, S. 33. 363 So in US – Import Measures on Certain Products from the European Communities, WTO-Dok. WT/DS165/R Rn. 7.1. 364 s. sogleich Teil 3 D. V. 1. c). 362
D. Tatsachenermittlung durch das Panel
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b) Negative Schlussfolgerungen Die Streitparteien sind nach der Prozessförderungspflicht zu vollständigem und wahrheitsgemäßem Vortrag verpflichtet. Weist der Tatsachenvortrag der Parteien jedoch aus der Sicht des Panels Lücken auf oder erscheint er ihm unklar, kann das Panel Fragen an die betreffende Partei stellen, zu deren Beantwortung diese verpflichtet ist.366 Aufgrund des völkerrechtlichen Souveränitätsgedankens hat das Panel aber keine Befugnis gegenüber den Streitparteien und anderen am Streitbeilegungsprozess Beteiligten wie Zeugen und Sachverständigen, Zwangsmittel zur Vorlage von Beweisen anzuordnen. Damit die Streitparteien nicht in dem Bewusstsein, zur Sachverhaltsaufklärung nicht „gezwungen“ werden zu können, entscheidungserhebliche Informationen zurückhalten, kann das Panel aus der Weigerung einer Partei, Tatsachen vorzutragen und Beweise zu liefern, im Rahmen der Beweiswürdigung negative Schlüsse ziehen und unterstellen, dass die verweigerten Informationen für die betreffende Partei nachteilig gewesen wären.367 So sprach der Appellate Body diesen Aspekt in Canada – Measures Affecting the Export of Civilian Aircraft an. Kanada hatte es in diesem Fall während der Konsultationsphase abgelehnt, Brasilien solche Informationen zur Verfügung zu stellen, die später auch durch das Panel erbeten wurden. Brasilien rügte vor dem Appellate Body, dass das Panel nicht die Schlussfolgerung gezogen habe, dass die von Kanada zurückgehaltenen Informationen gegen Kanadas und für Brasiliens Position sprächen, die Schuldenfinanzierung der Behörde sei eine verbotene Exportsubvention gemäß Art. 3.1(a) des SCM Agreement. Aus der Sicht des Appellate Body konnte das Panel Schlussfolgerungen aus den ihm vorliegenden Tatsachen ziehen, einschließlich der Tatsache, dass Kanada es abgelehnt habe, vom Panel erbetene Informationen beizubringen. Ein Panel habe auch die Befugnis, negative Schlussfolgerungen zu ziehen. Im vorliegenden Fall habe das Panel, indem es entschieden habe, keine negativen Schlüsse zu ziehen, seine Befugnis gemäß den Bestimmungen des DSU ausgeübt.368 Darüber hinaus gehe aus den Prozessunterlagen nicht hervor, dass das Panel einen Fehler bei der Beweiswürdigung begangen habe. Im Gegenteil unterstützten sämtliche in den Prozessunterlagen enthaltenen Tatsachen die 365 366 367 368
s. ausführlich Teil 3 E. II. s. oben Teil 3 A. II. 3. c). Gallagher, S. 29. WTO-Dok. WT/DS70/AB/R Rn. 202 f.
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Teil 3: Tatsachenermittlung im Panel- und Rechtsmittelverfahren
Feststellungen des Panels. Brasilien habe das Panel nicht überzeugen können, die von ihm geforderten Schlussfolgerungen zu ziehen. Aus diesem Grund ließ der Appellate Body die non liquet-Feststellung des Panels bestehen und wies Brasiliens darauf gerichtetes Rechtsmittel zurück.369 In US – Definitive Safeguard Measures on Imports of Wheat Gluten from the European Communities erhoben die Europäischen Gemeinschaften eine ähnliche Beschwerde in ihrem Rechtsmittel wie die Brasiliens in vorgenannter Entscheidung. Der Appellate Body wies jedoch auch diese Beschwerde mit der Begründung zurück, abgesehen davon, dass die Vereinigten Staaten es abgelehnt hätten, bestimmte vom Panel gemäß Art. 13 Abs. 1 des DSU erbetene Informationen beizubringen, sei von den Europäischen Gemeinschaften weder klargestellt worden, welche Tatsachen eine besondere Schlussfolgerung stützten, noch welche Schlussfolgerungen das Panel hätte aus diesen Tatsachen ziehen sollen. Sie hätten lediglich vorgetragen, das Panel habe zu ihren Gunsten entscheiden sollen. Wie bereits in Canada – Measures Affecting the Export of Civilian Aircraft betont, habe ein Panel gemäß Art. 11 des DSU Schlussfolgerungen auf der Grundlage des gesamten Tatsachenstoffes des Beweisprotokolls zu ziehen.370 Wenn es eine Partei ablehne, vom Panel gemäß Art. 13 des DSU erbetene Informationen beizubringen, sei diese Weigerung eine der entscheidenden Tatsachen des Beweisprotokolls, die bei der Entscheidung, die richtige Schlussfolgerung zu ziehen, berücksichtigt werden müsse. Wenn ein Panel in einem solchen Fall jedoch andere entscheidende Tatsachen ignoriere und unberücksichtigt lasse, würde es rechtsfehlerhaft keine objektive Beurteilung gemäß Art. 11 des DSU vornehmen. Wie das Panel im vorliegenden Fall ausgeführt habe, habe es andere Tatsachen im Beweisprotokoll gegeben, die das Panel in seiner objektiven Beurteilung zu berücksichtigen hatte. Die diesbezügliche Beschwerde der Europäischen Gemeinschaften sei demnach zurückzuweisen.371 Die Ausführungen des Appellate Body sind insgesamt überzeugend. Er bestätigt, dass das Panel die Befugnis zur negativen Bewertung nicht beigebrachter Informationen hat, stellt zugleich aber auch klar, dass es hierzu nicht verpflichtet ist.
369 370 371
Ebd., Rn. 204 f. Ebd. WTO-Dok. WT/DS166/AB/R Rn. 173 ff.
D. Tatsachenermittlung durch das Panel
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c) Wesentliche Begründung der Tatsachenfeststellungen Ein Panel hat seine tatsächlichen Feststellungen im Rahmen eines Streitbeilegungsverfahrens zu begründen. So bestimmt Art. 12 Abs. 7 des DSU: Gelingt es den Streitparteien nicht, eine für alle Beteiligten zufriedenstellende Lösung zu finden, so legt das Panel dem DSB seine Feststellungen in Form eines schriftlichen Berichts vor. In solchen Fällen legt das Panel die Sachverhaltsfeststellungen, die Anwendbarkeit der einschlägigen Bestimmungen und die wesentliche Begründung ihrer Feststellungen und Empfehlungen dar.
Unter Feststellungen sind sowohl die tatsächlichen als auch die rechtlichen Schlussfolgerungen zu verstehen. In welchem Umfang ein Panel diese Feststellungen zu begründen hat, war Gegenstand einiger dem Appellate Body zur Überprüfung gestellter Entscheidungen. In Korea – Taxes on Alcoholic Beverages vertrat Korea die Ansicht, das Panel habe gegen seine Pflicht aus Art. 12 Abs. 7 des DSU verstoßen und keine wesentliche Begründung seiner Feststellungen und Empfehlungen geliefert. Der Appellate Body konkretisierte die Wendung „wesentliche Begründung“ nicht, stellte jedoch fest, das Panel habe eine detaillierte und vollständige Grundlage für seine Feststellungen und Empfehlungen beigebracht. Das Panel habe in umfangreichem Maße die widerstreitenden Aspekte herausgearbeitet und berücksichtigt. Die vom Panel angeführte Begründung seiner Feststellungen und Empfehlungen stimme möglicherweise nicht mit der von Korea begehrten überein, sie sei aber für die Erfüllung der Pflicht nach Art. 12 Abs. 7 des DSU absolut ausreichend.372 In Chile – Taxes on Alcoholic Beverages erhob Chile ebenfalls die Beschwerde, das Panel sei seiner Pflicht nach Art. 12 Abs. 7 des DSU nicht nachgekommen, indem es keine wesentliche Begründung seiner Feststellungen geliefert habe. Der Appellate Body wies auch diese Ansicht zurück: Korea habe in Korea – Taxes on Alcoholic Beverages eine ähnliche Auffassung geäußert. In jenem Verfahren habe das Panel aber seine Feststellungen detailliert und vollständig begründet. Aus der Sicht des Appellate Body habe das Panel auch in diesem Verfahren eine solide Grundlage für seine Feststellungen und Empfehlungen geliefert, wie von Art. 12 Abs. 7 des DSU verlangt. Das Panel habe die relevanten Tatsachen untersucht, die Anwendung der einschlägigen Vertragsbestimmungen verdeutlicht und Gründe für seine Schlussfolgerungen angeführt. Daher sei die Ansicht Chiles zu372
WTO-Dok. WT/DS75/AB/R Rn. 168.
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Teil 3: Tatsachenermittlung im Panel- und Rechtsmittelverfahren
rückzuweisen, das Panel habe keine wesentliche Begründung seiner Feststellungen und Empfehlungen gemäß Art. 12 Abs. 7 des DSU geliefert.373 In Argentina – Safeguard Measures on Imports of Footwear behauptete Argentinien, das Panel habe gegen Art. 12 Abs. 7 des DSU verstoßen. Der Appellate Body hingegen erklärte, das Panel habe eine umfangreiche tatsächliche Untersuchung der streitigen Behauptungen und eine detaillierte rechtliche Würdigung vorgenommen. Wie in Korea – Taxes on Alcoholic Beverages und Chile – Taxes on Alcoholic Beverages habe das Panel auch im vorliegenden Fall eine umfangreiche tatsächliche Untersuchung und rechtliche Würdigung der streitigen Behauptungen und Rechtsansichten der Parteien durchgeführt. Es habe zahlreiche tatsächliche Feststellungen getroffen, indem es die Beweise, die den argentinischen Behörden bei deren Maßnahme vorlagen, als auch die anderen dem Panel vorgelegten Beweise im Detail betrachtet habe. Es habe in umfangreichem Maße ausgeführt, wie und warum es zu seinen tatsächlichen und rechtlichen Schlussfolgerungen gelangt sei. Obwohl Argentinien möglicherweise mit der vom Panel gelieferten Begründung – ebenso wie der Appellate Body selbst nicht mit allen Schlussfolgerungen des Panels – einverstanden sei, habe das Panel eine wesentliche Begründung gemäß Art. 12 Abs. 7 des DSU vorgelegt.374 Vor diesem Hintergrund dient die gemäß dem DSU erforderliche „wesentliche Begründung“ als Nachweis einer sachgerechten Lösung der Streitigkeit durch das Panel. Sie macht die Entscheidung nachvollziehbar und erklärlich. Dadurch wird das Panel gleichzeitig gezwungen, ihre Tatsachenfeststellungen und ihre Beweiswürdigung auf objektive Kriterien zu stützen und die Gründe hierfür zu benennen. Hat ein Panel sich von unsachlichen Erwägungen leiten lassen, geht dies aus der Entscheidungsbegründung hervor und kann dann im Rahmen eines Rechtsmittels beanstandet werden. Das Erfordernis einer „wesentlichen Begründung“ zwingt das Panel, sich detailliert mit dem Ergebnis der Beweisaufnahme auseinanderzusetzen. Zwar braucht es nicht alles, was es für unerheblich hält, zu erörtern und es hat nicht auf jede Behauptung der Parteien oder jedes Beweismittel ausführlich einzugehen. Doch hat es insgesamt seine sachgerechte Beurteilung zu belegen.
373 374
WTO-Dok. WT/DS87AB/R, WT/DS110/AB/R Rn. 78. WTO-Dok. WT/DS121/AB/R Rn. 149.
D. Tatsachenermittlung durch das Panel
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2. Beweismaß Eine Bestimmung zum Beweismaß ist im DSU nicht enthalten. Das Beweismaß bezeichnet die Anforderungen an die Beweisstärke und die Sicherheit für den Richter in einem Rechtssystem, die verlangt wird, damit der Richter eine Tatsachenbehauptung seinem Urteil als bewiesen zugrunde legen darf.375 Im deutschen Zivilprozessrecht ist der Beweis geführt, wenn das Gericht von der Wahrheit der zu beweisenden Tatsache überzeugt ist.376 Das Hauptverfahren verlangt den sogenannten „Vollbeweis“, eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit.377 Hingegen will die Glaubhaftmachung im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes dem Gericht lediglich einen gewissen Grand von Überzeugung vermitteln.378 Letztere stellt einen Nachweis überwiegender Wahrscheinlichkeit dar.379 Nach dem Sprachgebrauch im common law ist das Beweismaß (standard of proof) in Zivilsachen generell die überwiegende Wahrscheinlichkeit („preponderance of evidence“).380 Welches Beweismaß die Streitbeilegungsorgane ihren Entscheidungen zugrunde legen, lässt sich beispielhaft aus den Ausführungen des Appellate Body in India – Patent Protection for Pharmaceutical and Agricultural Chemical Products und den vom Panel in dieser Entscheidung verwendeten Begriffen ableiten. Indien argumentierte in diesem Fall vor dem Appellate Body, das Panel habe unzutreffender Weise von der beschwerdeführenden Partei, den Vereinigten Staaten, lediglich verlangt, ‚begründete Zweifel‘ hinsichtlich einer Vertragskonformität mit Art. 70.8 des TRIPS Agreement darzulegen. Im Anschluss sei es Indiens Aufgabe gewesen, diese Zweifel zu zerstreuen. Der Appellate Body bestätigte jedoch die Entscheidung des Panels und wies Indiens Einwand zurück. Das Panel habe auf den Bericht des Appellate Body in US – Measures Affecting Imports of Woven Wool Shirts and Blouses from India verwiesen, wonach eine Partei, die eine Verletzung eines 375
MünchKommZPO/Prütting, § 284 Rn. 23. s. im deutschen Zivilprozessrecht § 286 ZPO (Regelbeweismaß der ZPO). Ausführlich Stein/Jonas/Leipold, § 286 Rn. 1 ff.; MünchKommZPO/Prütting, § 286 Rn. 28 ff.; Thomas/Putzo, § 286 Rn. 2. 377 MünchKommZPO/Prütting, § 286 Rn. 35 ff. 378 Thomas/Putzo, § 294 Rn. 1. 379 So im deutschen Zivilprozessrecht § 920 Abs. 2 ZPO. Glaubhaftmachung im deutschen Prozessrecht nur, wenn sie vom Gesetz ausdrücklich zugelassen wird. s. hierzu insgesamt Rosenberg/Schwab/Gottwald, § 112. 380 Schack, S. 67. 376
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WTO-Übereinkommens durch ein anderes Mitglied behaupte, diese Behauptung darlegen und beweisen müsse. In diesem Fall seien es die Vereinigten Staaten, die eine Verletzung von Art. 70.8 des TRIPS Agreement durch Indien behaupteten. Daher sei es an den Vereinigten Staaten, entsprechenden Beweis beizubringen und rechtliche Argumente vorzutragen um zu belegen, dass Indiens Verhalten nicht mit der gemäß Art. 70.8 übernommenen Verpflichtung übereinstimme. Aus seiner Sicht hätten die Vereinigten Staaten solche Beweise und Argumente erfolgreich geliefert. Dann sei es an Indien gewesen, Beweise und Argumente zur Widerlegung dieser Behauptung beizubringen. Diesem sei Indien nach Überzeugung des Panels nicht nachgekommen.381 Aus den Absätzen 7.35 und 7.37 des Panelberichts gehe hervor, dass das Panel im vorliegenden Fall korrekt vorgegangen sei. Danach hätten die Vereinigten Staaten Beweise und Argumente zur Untermauerung ihrer Behauptung vorgebracht. Auch Indien habe widerlegende Beweise und Argumente vorgelegt. Indien habe jedoch die Formulierung ‚begründete Zweifel‘ des Panels missverstanden. Das Panel habe die Vereinigten Staaten nicht lediglich dazu verpflichtet, ‚begründete Zweifel‘ zu erheben. Vielmehr sei das Panel, nachdem es die Vereinigten Staaten zum Nachweis eines prima facie-Falles aufgefordert und Indiens Gegenbeweise und Gegenargumente betrachtet hatte, zu dem Schluss gelangt, dass es ‚begründete Zweifel‘ daran habe, dass den „Verwaltungsvorschriften“, auf die sich Indien berufen habe, im Rahmen einer Gültigkeitsklage vor einem indischen Gericht vorrangige Anwendung vor den zwingenden Vorschriften des indischen Patent Act, auf den die Vereinigten Staaten verwiesen hätten, eingeräumt würden. Im Ergebnis habe sich die Formulierung ‚begründete Zweifel‘ auf die Überzeugung des Panels bezogen.382 Neben der Formulierung „begründete Zweifel“ (reasonable doubts) hatte das Panel ausgeführt, die Vereinigten Staaten hätten ihre Behauptungen „in überzeugender Weise“ (persuasive manner) dargelegt. Im Ergebnis ist hieraus abzuleiten, dass die Panels ihren Feststellungen eine sichere Überzeugung zugrunde legen. Sie selbst wählen Formulierungen wie „we believe“ und „we find“ und nicht „it is probably“ (wahrscheinlich). Insgesamt kommt es auch im WTO-Streitbeilegungsverfahren auf die Überzeugungsbildung eines vernünftigen Urteilers an. Das DSU überlässt es dem Panel, sich seine Überzeugung nach der Bedeutung der Tatsachen, den Beweisschwierigkeiten, den Beweisen, die aus der Sicht des Panels den Par381 382
WTO-Dok. WT/DS50/R Rn. 7.40. WTO-Dok. WT/DS50/AB/R Rn. 73 ff.
D. Tatsachenermittlung durch das Panel
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teien zugänglich sind, und den spezifischen Umständen des einzelnen Falles zu bilden.383 Es ist entscheidend, dass sich ein Panel so eine sichere Überzeugung zu bilden vermag. 3. Prima facie Fall gemäß Art. 3 Abs. 8 des DSU Wie bereits unter dem GATT 1947 ist die direkte oder indirekte Zunichtemachung oder Schmälerung eines Handelsvorteils gemäß den bestehenden Verträgen durch ein Mitglied grundsätzliche Voraussetzung einer Beschwerde im Streitbeilegungsverfahren.384 Art. XXIII:1(a) bestimmt: Ist eine Vertragspartei der Auffassung, dass Zugeständnisse oder sonstige Vorteile, die sich mittelbar oder unmittelbar aufgrund dieses Abkommens für sie ergeben, zunichte gemacht oder geschmälert werden, oder dass die Erreichung eines der Ziele dieses Abkommens dadurch behindert wird, dass eine andere Vertragspartei ihre Verpflichtungen aus diesem Abkommen nicht erfüllt, so kann diese Vertragspartei zur Erzielung einer befriedigenden Regelung der Angelegenheit der anderen Vertragspartei und sonstigen Vertragsparteien, die sie als beteiligt ansieht, schriftliche Vorstellungen oder Vorschläge machen.
In der Streitbeilegungspraxis unter dem GATT 1947 hat sich seit Beginn der 60er Jahre durchgesetzt, dass ein Verstoß gegen das GATT 1947 prima facie die Wirkung hat, Begünstigungen des Beschwerdeführers aus dem Abkommen zunichte zu machen oder zu beeinträchtigen.385 Diese Praxis wurde im DSU ausdrücklich kodifiziert. Art. 3 Abs. 8 des DSU lautet: In Fällen, in denen Pflichten aus einem unter die Vereinbarung fallenden Übereinkommen verletzt werden, wird die Maßnahme prima facie als Fall der Zunichtemachung oder Schmälerung von Vorteilen betrachtet. Das heißt, es wird gewöhnlich angenommen, dass ein Verstoß gegen die Regeln eine nachteilige Auswirkung auf andere Mitglieder hat, die Vertragsparteien des betreffenden unter die Vereinbarung fallenden Übereinkommens sind, und dass es in solchen Fällen dem Mitglied, gegen das die Beschwerde vorgebracht wird, obliegt, die Anschuldigung zu widerlegen.
Wie diese Vorschrift im Hinblick auf die Beweisführung der Streitparteien und die Tatsachenfeststellungen des Panels, bezogen auf den Teilaspekt der Zunichtemachung und Schmälerung von Handelsvorteilen einer Beschwerde, dogmatisch einzuordnen ist, geht aus ihr nicht eindeutig hervor. Im deutschen Recht wird die Wendung „prima facie“ beim sogenannten Anscheinsbeweis verwandt. Bei diesem wird von einer feststehenden Ursa383
Palmeter/Mavroidis, § 4.09, S. 133 f. Ohlhoff, in: Prieß/Berrisch, S. 685 f. Rn. 11. 385 Panel Report, Uruguay Recourse to Article XXIII, GATT-Dok. L/1923, BISD 11S/95. 384
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che auf einen bestimmten Erfolg oder umgekehrt geschlossen,386 vorausgesetzt, dass sich unter Berücksichtigung aller Einzelumstände und besonderen Merkmale des Sachverhalts ein für die zu beweisende Tatsache nach der Lebenserfahrung typischer Geschehensablauf ergibt.387 Der Gegenbeweis wird hier dadurch geführt, dass die gegnerische Partei konkrete Tatsachen behauptet und nachweist, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines abweichenden Geschehensablaufs im konkreten Fall ergibt.388 Das US-amerikanische Recht kennt das Institut des prima facie Beweises. Hierbei wird eine Tatsache zugunsten einer Partei unterstellt, bis dieser erste Anschein von der Gegenpartei widerlegt ist.389 Insbesondere der zweite Satz des Art. 3 Abs. 8 des DSU könnte aber auch auf eine sogenannte „gesetzliche Vermutung“ schließen lassen. Im deutschen Recht stellt bei einer gesetzlichen Vermutung das Gesetz für das Vorhandensein einer Tatsache eine Vermutung auf.390 Dabei ist nur die Ausgangstatsache von der beweisbelasteten Partei zu behaupten und zu beweisen. Die vermutete Tatsache bzw. das vermutete Recht muss nicht einmal behauptet werden.391 Der Beweis des Gegenteils ist in diesem Fall, wenn gesetzlich nicht ausdrücklich ausgeschlossen, zulässig. Er ist seiner Natur nach Hauptbeweis, somit erst dann geführt, wenn das Gegenteil voll bewiesen ist und sich hieraus ergibt, dass der vermutete Rechtszustand nicht oder anders besteht.392 Auch im US-amerikanischen Recht gibt es gesetzliche Vermutungen (presumptions). Hier wird aufgrund einer Rechtsvorschrift von einer Tatsache automatisch das Vorliegen einer anderen Tatsache abgeleitet.393 Wie Art. 3 Abs. 8 des DSU vor diesem Hintergrund einzuordnen ist, lässt sich anhand der WTO-Spruchpraxis zu dieser Vertragsbestimmung ableiten. In EC – Regime for the Importation, Sale and Distribution of Bananas wurde die Feststellung des Panels von den Europäischen Gemeinschaften beanstandet, ihre Vertragsverletzung stelle einen prima facie Fall der Zunichtemachung oder Schmälerung von Vorteilen im Sinne des Art. 3 Abs. 8 des DSU dar. 386
BGH NJW 1997, 528. BGH NJW 1996, 1828; NJW 2001, 1140. 388 MünchKommZPO/Prütting, § 286 Rn. 65. 389 Garner/McDaniel/Schultz, Stichwort: evidence, prima facie evidence. 390 So §§ 1117 Abs. 3, 938, 1253 Abs. 2, 1377 Abs. 1 und 3, 2009 des Bürgerlichen Gesetzbuchs. 391 Thomas/Putzo, § 292 Rn. 3. 392 Ebd., § 292 Rn. 4. 393 Garner/McDaniel/Schultz, Stichwort: presumption. 387
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Der Appellate Body stellte hierzu fest, dass die Europäischen Gemeinschaften mit ihrer Rechtsbeschwerde die Vermutung (presumption) der Zunichtemachung oder Schmälerung mit der Begründung zu widerlegen versuchten, dass die Vereinigten Staaten bisher nicht eine einzige Banane nach Europa exportiert und daher keinen Handelsschaden erlitten hätten. Die beiden Aspekte der Zunichtemachung oder Schmälerung von Handelsvorteilen und die konkrete Situation der Vereinigten Staaten, so der Appellate Body, hingen eng miteinander zusammen. Die Vereinigten Staaten seien ein Produzent von Bananen, so dass ein mögliches Exportinteresse der Vereinigten Staaten nicht ausgeschlossen werden könne. Darüber hinaus könne der nationale Bananenmarkt der Vereinigten Staaten durch die Bananenimportregeln der Europäischen Gemeinschaften und deren Auswirkungen auf das weltweite Angebot und den Weltpreis betroffen sein. Diese Aspekte seien für die Entscheidung relevant, ob die Europäischen Gemeinschaften die Vermutung der Zunichtemachung oder Schmälerung von Handelsvorteilen widerlegt haben. Ein ähnlicher Fall sei in US – Taxes on Petroleum and Certain Imported Substances (Superfund)394 gegeben gewesen, auf den sich das hiesige Panel bezogen habe. Dort habe das Panel untersucht, ob Maßnahmen mit lediglich unbedeutenden Auswirkungen auf den Exportumfang Vorteile gemäß Art. III:2 des GATT 1947 zunichte gemacht oder geschmälert haben. Das GATT-Panel habe in jenem Fall gefolgert und dadurch die Sichtweise früherer Panels bestätigt, dass Art. III:2(1) nicht dahingehend ausgelegt werden könne, dass Erwartungen an Exportvolumen Schutz erführen. Vielmehr schütze diese Vorschrift Erwartungen an das konkurrierende Verhältnis von importierten und heimatlichen Produkten. Eine jener Bestimmung zuwiderlaufende Veränderung dieses Verhältnisses müsse daher automatisch als Zunichtemachung oder Schmälerung von Vorteilen betrachtet werden. Die Behauptung, die mit Art. III:2(1) des GATT 1947 unvereinbare Maßnahme habe keine oder nur eine unbedeutende Auswirkung, stellte aus der Sicht des Panels keine ausreichende Erklärung dar, dass die Vorteile aus dieser Bestimmung nicht zunichte gemacht oder geschmälert worden seien, auch wenn eine solche Widerlegung grundsätzlich möglich sei. Das GATT-Panel habe daher entschieden, die Vorlagen der Streitparteien in Bezug auf die Handelsauswirkungen der unterschiedlichen Besteuerung nicht zu untersuchen. Der Appellate Body entschied, dass die Begründung des Panels in US – Taxes on Petroleum and Certain Imported Substances (Superfund) auch im vorliegenden Fall einschlägig sei und übernahm sie.395 394 395
GATT-Dok. BISD 34S/136 Rn. 5.1.9. WTO-Dok. WT/DS27/AB/R Rn. 251 ff.
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In Turkey – Restrictions on Imports of Textile and Clothing Products argumentierte die Türkei, selbst wenn ihre mengenmäßigen Beschränkungen auf Textil- und Bekleidungsimporte aus Indien eine Verletzung des WTORechts darstellten, habe Indien keine Zunichtemachung oder Schmälerung von WTO-Vorteilen nach Art. 3 Abs. 8 des DSU erlitten. Dazu führte die Türkei aus, die Importe von Textilien und Bekleidung aus Indien hätten seit dem Inkrafttreten der streitigen türkischen Maßnahme sogar noch zugenommen. Das Panel verwarf dieses Argument in einer nicht vom Appellate Body überprüften Entscheidung. Aus seiner Sicht sei es nicht möglich, die Auswirkungen der mengenmäßigen Beschränkungen von denen anderer Faktoren abzugrenzen. Selbst wenn die Türkei darlegen könne, dass Indiens Gesamtexporte von Textilprodukten und Bekleidung in die Türkei im Gegensatz zu früheren Jahren zugenommen hätten, würde dies nicht ausreichen, die Vermutung (presumption) der Zunichtemachung oder Schmälerung, verursacht durch das Bestehen von WTO-vertragswidrigen Importbeschränkungen, zu widerlegen. Vielmehr sei von der Türkei zu beweisen, dass derzeit Indiens Exporte genau in dem Umfang bestehen, wie sie bestünden, wenn es keine WTO-vertragswidrigen Mengenbeschränkungen auf Importe aus Indien gebe. Die Türkei habe dem Panel insgesamt unzureichende Informationen geliefert, um zu widerlegen, dass die Einführung jener Importbeschränkungen in Bezug auf bestimmte Textil- und Bekleidungsprodukte die Vorteile Indiens gemäß dem GATT/WTO zunichte gemacht oder geschmälert hätten.396 Die Streitbeilegungsorgane verwenden in oben genannten Entscheidungen den Begriff der „presumption“, der Vermutung. Dies ist ein Indiz dafür, dass es sich bei Art. 3 Abs. 8 des DSU trotz der irreführenden Bezeichnung „prima facie“ nicht um einen Anscheinsbeweis, sondern um eine gesetzliche (oder besser: vertraglich vereinbarte) Vermutung handelt. Darüber hinaus betreffen die oben aufgezeigten Fälle nicht einen typischen Geschehensablauf entsprechend der Definition im deutschen Prozessrecht. Von den Streitbeilegungsorganen werden – wie aus vorgenannten Entscheidungen hervorgeht – hohe Anforderungen an die Widerlegung der Zunichtemachung oder Schmälerung von Handelsvorteilen gestellt. Die Erschütterung des Hauptbeweises, die Darlegung der ernsthaften Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs, wird von den Streitbeilegungsorganen indirekt als nicht ausreichend bezeichnet. Sie verlangen vielmehr den vollen Beweis des Gegenteils. Auch wenn die beklagte Partei das Gegenteil der in Art. 3 396
WTO-Dok. WT/DS34/R Rn. 9.204.
D. Tatsachenermittlung durch das Panel
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Abs. 8 des DSU enthaltenen Vermutung beweisen muss, bedeutet dies nicht – wie vom WTO Secretariat vertreten – eine Umkehr der Beweislast.397 Auch wenn die Widerlegung einer Vermutung praktisch gleichbedeutend ist mit einer Umkehr der Beweislast, ist doch dogmatisch ein Unterschied zu machen. Im Ergebnis stellt Art. 3 Abs. 8 des DSU nach alldem eine Vermutung, nicht einen Anscheinsbeweis dar. In der Praxis hat die mögliche Widerlegung der Vermutung der nachteiligen Auswirkung einer Maßnahme auf andere Mitglieder theoretische Natur.398 In der bisherigen Spruchpraxis haben die Panels und der Appellate Body alle Versuche einer Beweisführung der beklagten Partei zurückgewiesen, eine Zunichtemachung oder Schmälerung von Handelsvorteilen liege nicht vor. In der Regel zitieren Panels Art. 3 Abs. 8 des DSU nur kurz am Ende ihres Panelberichts, wenn sie zuvor eine Verletzung einer WTO-Vertragsbestimmung festgestellt haben und die beklagte Partei nicht ernsthaft versucht, die Vermutung des Art. 3 Abs. 8 des DSU zu widerlegen.399 Vor diesem Hintergrund wurde denn auch die Voraussetzung der Zunichtemachung oder Schmälerung von Handelsvorteilen für eine Beschwerde nicht in das Allgemeine Übereinkommen über den Handel mit Dienstleistungen (GATS) vom 15. April 1994 aufgenommen. Art. XXIII:1 des GATS lautet: Sollte ein Mitglied der Auffassung sein, dass ein anderes Mitglied seine Pflichten oder seine spezifischen Verpflichtungen nach diesem Übereinkommen nicht erfüllt, so kann es sich mit dem Ziel, eine für beide Seiten befriedigende Lösung der Angelegenheit zu erreichen, auf die Vereinbarung über Streitbeilegung berufen.
Das Konzept der Zunichtemachung oder Schmälerung findet im Streitbeilegungsverfahren aber noch bei der Bestimmung der Höhe von Sanktionen zur Durchsetzung von Entscheidungen des Streitbeilegungsgremiums Anwendung.400 Art. 22 Abs. 4 des DSU bestimmt: Der von dem DSB genehmigte Umfang einer Aussetzung von Zugeständnissen oder sonstigen Pflichten muss dem Umfang der zunichte gemachten oder geschmälerten Vorteile entsprechen.
397
WTO Secretariat, Handbook, S. 31. Panel Report, Taxes on Petroleum and Certain Imported Substances (Superfund), GATT-Dok. L/6175, BISD 34S/136 Rn. 5.1.7; Letzel, S. 280 ff.; Martha, Journal of Int. Arbitration 67, 78 ff. 399 WTO Secretariat, Handbook, S. 31 f. 400 Im Übrigen bestimmt dieses Konzept noch den Prüfungsmaßstab bei den Nichtverletzungs- und Situationsbeschwerden. 398
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Teil 3: Tatsachenermittlung im Panel- und Rechtsmittelverfahren
4. Beweislast Auch wenn die relevanten Tatsachen einer Streitigkeit nicht zur Überzeugung des Panels festgestellt werden konnten, ist dennoch eine Entscheidung zu treffen. Dies gebietet nicht zuletzt Art. 3 Abs. 7 Satz 2 des DSU, wonach Ziel des WTO-Streitbelegungsmechanismus die positive Lösung einer Streitigkeit ist. Bereits in den ersten WTO-Streitverfahren stellte sich wegen der vorgenannten Situation die Frage nach der Beweislast, zu der das DSU keine ausdrückliche Bestimmung enthält. Hier ist entsprechend der Spruchpraxis der WTO-Streitbeilegungsorgane ein Rückgriff auf allgemeine Rechtsgrundsätze des Völkerrechts möglich, zu denen die Regeln über die Beweislast zählen.401 Damit ist ihr Gehalt in einem WTO-Streitbeilegungsverfahren aber noch nicht geklärt. Im deutschen Recht wird zwischen der subjektiven (formellen) und der objektiven (materiellen) Beweislast unterschieden.402 Danach wird die subjektive Beweislast als die den Prozessparteien erwachsende Notwendigkeit bezeichnet, zur Abwendung des Prozessverlustes all das zu beweisen, das streitig und zur Überzeugung des Gerichts von der Richtigkeit der anspruchsbegründenden bzw. anspruchsvernichtenden Tatsachen erforderlich ist.403 Die objektive Beweislast bezeichnet den der beweisfällig gebliebenen Partei drohenden Rechtsnachteil, den Prozess wegen der Nichterweislichkeit der den prozessualen Anspruch tragenden Tatsachenbehauptungen zu verlieren.404 Im angloamerikanischen Recht umfasst der Begriff „burden of proof“ zwei unterschiedliche Inhalte: Einerseits umschreibt dieser Begriff die Last einer Partei, genug Beweise vorzulegen, um es dem Richter zu erlauben, die Frage der Jury vorzulegen, oder, wenn keine Jury vorhanden ist, die Anhörung fortzusetzen. Hier ist jedoch keine Beweisführung zur vollen Überzeugung des Gerichts erforderlich. Es reicht vielmehr, Beweise vorzulegen, aus denen sich tatsächliche Streitpunkte ergeben, die es rechtfertigen, eine Hauptverhandlung abzuhalten.405 Diese Beweise müssen nicht unbedingt ausreichend sein, um den Fall endgültig zu gewinnen.406 401
Sandrock, S. 150 ff. Zöller/Greger, Vor § 284 Rn. 18. 403 Ebd. 404 Zöller/Greger, Vor § 284 Rn. 18. s. ausführlich zur Beweislast im deutschen Zivilprozessrecht Stein/Jonas/Leipold, § 286 Rn. 25 ff. 405 Schack, S. 60. s. zum „summary judgment“ ausführlich Kane, S. 160 ff. 406 Pauwelyn, JIEL 1998, 227, 229. 402
D. Tatsachenermittlung durch das Panel
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Andererseits bedeutet der Begriff „burden of proof“ die Last einer Partei, das Gericht bis zum Ende des Verfahrens von dem Wahrheitsgehalt der vorgebrachten Behauptungen zu überzeugen. Dies wird auch als „burden of persuasion“ bezeichnet. Im Zweifel wird zu Gunsten der Gegenpartei entschieden, die nicht die Last trägt, das Gericht zu überzeugen.407 Vor diesem Hintergrund ist als allgemeiner Rechtsgrundsatz zur Beweislast anerkannt, dass sie die grundlegende Last beschreibt, welche einer Partei obliegt, das Gericht von der Wahrheit einer Behauptung zu überzeugen und welche nicht im Verlauf der Verhandlung auf eine andere Partei übergehen kann.408 Jede Partei trägt danach die Beweislast für diejenigen Tatsachen, auf die sie sich beruft.409 Diese Grundsätze sind auf das WTO-Streitbeilegungsverfahren übertragbar. Bestätigt wird dies durch die Entscheidungen und Ausführungen der Streitbeilegungsorgane. In US – Measures Affecting Imports of Woven Wool Shirts and Blouses from India äußerte sich der Appellate Body zur Frage der Beweislast wie folgt: Ein juristisches Regelsystem, das den Rechtssatz enthält, dass die bloße Behauptung eines Anspruchs für deren Beweis ausreicht, kann nicht funktionieren. Daher ist es allgemein anerkannter Kanon im civil law, common law und den meisten Rechtssystemen, dass die Beweislast diejenige Partei, entweder Kläger oder Beklagten, trifft, welche die beweispflichtige Behauptung aufstellt. Es ist daher kaum verwunderlich, dass verschiedene internationale Gerichte, darunter auch der Internationale Gerichtshof, grundsätzlich und folgerichtig die Regel akzeptiert und angenommen haben, dass die Partei, die eine Tatsache behauptet, für die Beibringung des entsprechenden Beweises verantwortlich ist.410 Im Kontext des GATT 1994 und des WTO-Übereinkommens variiere es von Maßnahme zu Maßnahme, Vorschrift zu Vorschrift und Fall zu Fall, welcher und in welchem Umfang Beweis erforderlich sei, um eine Behauptung zu beweisen.411 Das Panel fasste in Turkey – Restrictions on Imports of Textile and Clothing Products, in einer Entscheidung, die dem Appellate Body gegenüber nicht beanstandet wurde, die Beweislastregeln gemäß der WTO-Spruchpraxis wie folgt zusammen: 407 408 409 410 411
Ebd.; Martha, Journal of Int. Arbitration 1997, 67, 67. Pauwelyn, JIEL 1998, 227, 230. Sandrock, S. 151 f.; Cameron/Gray, JCLQ 2001, 248, 277. WTO-Dok. WT/DS33/AB/R Rn. 14 mit Verweis auf Kazazi, S. 117. Ebd.
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Teil 3: Tatsachenermittlung im Panel- und Rechtsmittelverfahren
(a) es ist an der beschwerdeführenden Partei, die behauptete Verletzung zu beweisen; (b) es ist an der Partei, die sich auf eine Ausnahme oder eine positive Verteidigung beruft, zu beweisen, dass die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind; und (c) eine Partei, die eine Tatsache behauptet, hat diese zu beweisen.412 In vielen Entscheidungen der Streitbeilegungsorgane sind diese in vorgenannter Entscheidung explizit aufgestellten Grundsätze wiederholt worden. Auch bereits zuvor sind diese Beweislastgrundsätze auf konkrete Bestimmungen der WTO-Übereinkommen angewandt worden.413 Die Rechtsfolgen einer Situation, in der bestimmte Tatsachen ungewiss bzw. unklar bleiben oder den vorgelegten widerstreitenden Beweisen gleiches Gewicht beizumessen ist, beschrieb das Panel in US – Sections 301–310 of the Trade Act of 1974. Beide Parteien, so das Panel, hätten im vorliegenden Fall detailliert zu den tatsächlichen und rechtlichen Aspekten der Streitigkeit vorgetragen, so dass es seine Aufgabe sei, sämtliche vorgebrachten Beweise im Protokoll aufzunehmen und zu entscheiden, ob die Europäischen Gemeinschaften als beschwerdeführende Partei, welche die „originale Beweislast“ trage, das Panel von der Stichhaltigkeit ihrer Beschwerde überzeugt habe. Sollten alle vorgelegten Beweise der Streitparteien gleichgewichtig und so eine Tatsache ungewiss bleiben, gingen die verbliebenen Zweifel zulasten der beschwerdeführenden Partei und zugunsten der Vereinigten Staaten als beklagte Partei.414 Diese grundsätzlichen Ausführungen der Streitbeilegungsorgane zur Beweislast und deren konkrete Anwendung überzeugen.415 Zu kritisieren ist aber, dass die Panels und der Appellate Body den Begriff der Beweislast (burden of proof) extensiv und dabei oftmals terminologisch unsauber ge412 WTO-Dok. WT/DS34/R Rn. 9.57; ebenso Panel Report Argentina – Measures Affecting Imports of Footwear, Textiles, Apparel and other Items, WT/DS56/R Rn. 6.34. 413 s. auszugsweise Appellate Body US – Measures Affecting Imports of Woven Wool Shirts and Blouses from India, WTO-Dok. WT/DS33/AB/R Rn. 16 ff.; India – Quantitative Restrictions on Imports of Agricultural, Textile and Industrial Products; WTO-Dok. WT/DS90/AB/R Rn. 136; EC – Measures Concerning Meat and Meat Products (Hormones), WTO-Dok. WT/DS26/AB/R, WT/DS48/AB/R Rn. 104; WTO-Dok. WT/DS46/RW Rn. 6.22; Brazil – Export Financing Programme for Aircraft, WTO-Dok. WT/DS46/AB/R Rn. 140 f. 414 WTO-Dok. WT/DS152/R Rn. 7.14. 415 So auch Gallagher, S. 32; Martha, Journal of Int. Arbitration 1997, 67, 75 ff.; Pauwelyn, JIEL 1998, 227, 227 ff.; ders., JIEL 1999, 641, 645 ff.
E. Rechtsmittel
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brauchen. Beispielsweise verwenden sie ihn auch für die Bezeichnung des Beweismaßes (standard of proof). Irreführender Weise ist häufig auch von einem „Wechsel der Beweislast auf die beklagte Partei“ (the burden of proof shifts to the respondent) die Rede. An dieser Stelle ist zu betonen, dass – wie oben bereits ausgeführt – die Beweislast nicht wechselt oder auf die gegnerische Partei übergeht. Vielmehr trägt die beschwerdeführende Partei während des gesamten Prozesses die Beweislast für die von ihr behauptete WTO-Vertragsverletzung, die beklagte Partei hingegen die Beweislast für die Vertragskonformität der streitigen Maßnahme bzw. für die Erfüllung der Voraussetzungen einer in den WTO-Übereinkommen eingeräumten Ausnahme. Ob eine einzelne Bestimmung den Charakter einer Ausnahme besitzt, ist im Einzelnen Auslegungsfrage. Insoweit ist jede Vorschrift einzeln zu betrachten und danach die Beweislast zu bestimmen.416
E. Rechtsmittel Während das Panelverfahren in seinen Grundzügen dem Streitbeilegungsverfahren des GATT 1947 entspricht, stellt das Recht der Parteien, Rechtsmittel zur Überprüfung der Panelberichte beim Appellate Body als zweite Instanz einzulegen, eine wesentliche Reform gegenüber dem früheren Verfahren dar.417 Sie ist die am deutlichsten sichtbare Neuerung im WTOStreitbeilegungssystem und gibt diesem gegenüber dem früheren GATTSystem einen weit höheren juristischen Charakter.418 Denn mit der Errichtung des Appellate Body hat das rechtliche System der Welthandelsorganisation ein wesentliches Merkmal ausgereifter Rechtssysteme erhalten: die Trennung der Rechtssetzungsmacht von derjenigen anderer Organe der Organisation.419 Das Berufungsverfahren stellt gleichzeitig den Ausgleich für die automatische Annahme der Panelberichte durch die WTO-Mitgliedstaaten dar.420 Ebenso sorgt der Appellate Body für die Verwirklichung von Sicherheit und Vorhersehbarkeit im multilateralen Handelssystem, da er – im Gegensatz zu den derzeit noch ad hoc besetzten Panels – aus ständigen Mitgliedern besteht und damit als Garant für eine konstante Entscheidungspraxis steht.421 416 Martha, Journal of Int. Arbitration 1997, 67, 78 ff.; Pauwelyn, JIEL 1998, 227, 227 ff.; ders., JIEL 1999, 641, 645 ff. 417 Ohlhoff, in: Prieß/Berrisch, S. 726 Rn. 104. 418 Gallagher, S. 41. 419 Palmeter/Mavroidis, § 6.06, S. 227. 420 Gallagher, S. 36; WTO Secretariat, Handbook, S. 22. 421 Gallagher, S. 41.
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Teil 3: Tatsachenermittlung im Panel- und Rechtsmittelverfahren
Die Befugnisse des Appellate Body bestimmt Art. 17 Abs. 13 des DSU: Das Berufungsgremium kann die rechtlichen Feststellungen und die Schlussfolgerungen des Panels bestätigen, abändern oder aufheben.
Im Folgenden wird untersucht, welche Kompetenzen der Appellate Body selbst in Bezug auf die Tatsachenermittlung in einem Streitbeilegungsverfahren hat und inwieweit er die Feststellungen des Panel überprüfen und ergänzen kann.
I. Beschränkte Prüfungskompetenz des Appellate Body Art. 17 Abs. 6 des DSU regelt die Prüfungskompetenz des Appellate Body wie folgt: Ein Rechtsmittel beschränkt sich auf die in dem Panelbericht behandelten Rechtsfragen und auf die Rechtsauslegung durch das Panel.
Als Grundsatz kann daher festgehalten werden, dass der Appellate Body keine Berufungs-, sondern eine Revisionsinstanz darstellt. Seine Prüfungskompetenz beschränkt sich auf die rechtlichen Aspekte einer Streitigkeit und erstreckt sich nicht auch auf die tatsächlichen. Diese beschränkte Kompetenz erkennt auch der Appellate Body an. In einigen Entscheidungen hat er in grundsätzlicher Weise den Umfang seiner Prüfungskompetenz beschrieben und dabei auch zu der Unterscheidung zwischen Tatsachen- und Rechtsfragen Stellung genommen: Anlässlich der Beschwerde der Europäischen Gemeinschaften in EC – Measures Concerning Meat and Meat Products (Hormones), das Panel habe keine objektive Beurteilung der Tatsachen gemäß Art. 11 des DSU vorgenommen, unterschied der Appellate Body in diesem Kontext zwischen tatsächlichen und rechtlichen Fragen. Gemäß Art. 17 Abs. 6 des DSU sei die Rechtsmittelüberprüfung auf die in dem Panelbericht behandelten Rechtsfragen und die Rechtsauslegung des Panels beschränkt. Im Unterschied zu rechtlichen Interpretationen oder rechtlichen Schlussfolgerungen seien Tatsachenfeststellungen eines Panels grundsätzlich nicht Gegenstand der Überprüfung durch den Appellate Body. Die Entscheidung, ob ein bestimmtes Ereignis in Zeit und Raum stattgefunden habe oder nicht, sei eine typische Tatsachenfrage. Beispielsweise sei die Frage, ob die streitige EUVerordnung internationale Standards, Richtlinien oder Empfehlungen bezüglich eines der reglementierten Wachstumshormone übernommen habe, eine Tatsachenfrage. Auch seien die Bestimmung der Glaubwürdigkeit, die angemessene Gewichtung und die Würdigung eines beigebrachten Beweisstückes Teil des Tatsachenfindungsprozesses. Dieser sei grundsätzlich dem Panel als Tatsacheninstanz überlassen. Die Vereinbarkeit oder Unvereinbarkeit
E. Rechtsmittel
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einer bewiesenen Tatsache oder einer Reihe von Tatsachen mit der einschlägigen Vertragsbestimmung sei hingegen eine rechtliche Streitfrage.422 Seine in vorgenannter Entscheidung aufgestellten Grundsätze in Bezug auf den Tatsachenfindungsprozess des Panels wandte der Appellate Body im Folgenden auf konkrete Einzelfragen an. In Australia – Measures Affecting Importation of Salmon räumte Australien ein, dass das Panel die Beweislast richtig zugeordnet habe, so wie deren Kriterien vom Appellate Body in US – Measures Affecting Imports of Woven Wool Shirts and Blouses from India und in der speziellen Anwendung des SPS-Übereinkommens in EC – Measures Concerning Meat and Meat Products (Hormones) entwickelt worden seien. Jedoch habe das Panel die aufgestellten Grundsätze zur Beweislast falsch angewandt und bei der Betrachtung der ihm vorliegenden Beweise nicht ausreichend untersucht, ob Kanada einen Verstoß Australiens gegen Art. 5 Abs. 1, Abs. 5 und Abs. 6 des SPSÜbereinkommens in Bezug auf die streitigen Maßnahmen bewiesen habe. Kern der Beschwerde Australiens, so der Appellate Body, sei nicht die Verteilung der Beweislast, sondern die Beweiswürdigung des Panels bei der Feststellung, Kanada habe einen prima facie-Fall einer Unvereinbarkeit mit Art. 5 Abs. 1, Abs. 5 und Abs. 6 des SPS-Übereinkommens dargelegt und bewiesen. Die Beweiswürdigung der von Kanada beigebrachten Beweise sei jedoch eine Frage der Tatsachenbewertung und falle daher nicht in den Prüfungsbereich des Appellate Body gemäß Art. 17 Abs. 6 des DSU.423 In India – Quantitative Restrictions on Imports of Agricultural, Textile and Industrial Products äußerte sich der Appellate Body zu Indiens Auffassung, der von den Vereinigten Staaten beigebrachte Beweis habe keinen prima facie Fall belegen können, dass Indiens beschränkende Maßnahmen nicht gerechtfertigt seien. Der Appellate Body bezog sich auf seine Ausführungen in EC – Measures Concerning Meat and Meat Products (Hormones): Die Entscheidung, ob ein vorgelegtes Beweisstück echt bzw. glaubwürdig sei, und die angemessene Gewichtung und Würdigung eines beigebrachten Beweisstücks sei Teil des Tatsachenfindungsprozesses. Dies liege grundsätzlich im Ermessen des Panels als Tatsacheninstanz.424 Diesen Verweis führte der Appellate Body auch in Korea – Taxes on Alcoholic Beverages an.425 422 423 424 425
WTO-Dok. WTO-Dok. WTO-Dok. WTO-Dok.
WT/DS26/AB/R, WT/DS48/AB/R Rn. 132. WT/DS18/AB/R Rn. 259 ff. WT/DS90/AB/R Rn. 143 f. WT/DS75/AB/R, WT/DS84/AB/R Rn. 143.
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In Korea – Taxes on Alcoholic Beverages verdeutlichte der Appellate Body, er könne die Entscheidung des Panels weder im Hinblick auf die Würdigung des Beweiswertes wissenschaftlicher Studien noch bezüglich eventueller Mängel dieser Studien abändern. Die Untersuchung und Bewertung des beigebrachten Beweises falle grundsätzlich in das Ermessen des Panels als Tatsacheninstanz und nicht in den Überprüfungsbereich der Rechtsmittelsinstanz. Der Appellate Body könne die Entscheidung des Panels nicht aufgrund einer eigenen Würdigung des Beweiswertes von Studien (im vorliegenden Fall der „Dodwell Studie“, des „Sofres Report“ und der „Nielsen Studie“) und ihrer eventuellen Mängel abändern. Ebenso wenig könne er die angemessene Bewertung des vorgelegten Beweises im Hinblick auf Marketingstudien, Produktionsmethoden, Geschmack, Farbe, Verbrauch und Preise überprüfen.426 Die grundsätzlichen Ausführungen des Appellate Body zum Unterschied zwischen dem Tatsachenfindungsprozess und der rechtlichen Würdigung sind überzeugend. Das von ihm genannte Beispiel einer Tatsachenfrage verdeutlicht jedoch, dass sich auf den ersten Blick der Unterschied zwischen einer Tatsachen- und einer Rechtsfrage nicht ohne weiteres ergibt.427 Insoweit resultiert die Schwierigkeit daraus, dass ein Panel auch über nationale Rechtsakte Beweis zu erheben hat und so die Grenzen zwischen den dem Panel vorbehaltenen tatsächlichen Feststellungen und der Behandlung von Rechtsfragen, auf die sich der Appellate Body zu beschränken hat, fließend sind. Was letzterer im Einzelnen überprüfen kann, ist durchaus nicht einfach zu bestimmen und hat den Appellate Body schon in Argumentationsschwierigkeiten gebracht. Siehe hierzu weiter unten die Ausführungen zur Vervollständigung der Tatsachenfeststellungen eines Panels durch den Appellate Body.
II. Überprüfung der Beweiswürdigung des Panels Der Appellate Body erkennt entsprechend vorgenannten Ausführungen an, dass der Tatsachenfindungsprozess und die Beweiswürdigung dem Panel überlassen sind. Denkbar ist jedoch, dass ein Panel bei der Tatsachenermittlung und der Beweiswürdigung so eklatante Fehler begeht, dass sich diese auf einen Rechtsfehler belaufen. Beispielsweise kann ein Panel gegen Verfahrensgrundsätze verstoßen. Diese Verletzung würde einen Verfahrensfehler bedeuten, der vom Appellate Body überprüft werden könnte. Denn die dem Appellate Body gemäß Art. 17 Abs. 6 des DSU eingeräumte Überprüfung 426 427
Ebd., Rn. 161 f. Vgl. Joergens, S. 193 ff.; Lugard, S. 323 ff.; Vermulst/Mavroidis/Waer, S. 1.
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von Rechtsfragen und Rechtsauslegungen des Panels bedeutet, dass der Appellate Body die Tatsachenfeststellung des Panels zwar nicht überprüfen kann, jedoch eine Prüfung einer Beschwerde dahingehend, dass Panel habe keine objektive Beurteilung des Sachverhalts nach Art. 11 des DSU vorgenommen, durchaus vornehmen kann.428 Entsprechende Beschwerden seitens der Streitparteien, die eine behauptete fehlerhafte Beweiswürdigung eines Panels zum Gegenstand haben, hat es bereits in zahlreicher Form gegeben. Der Appellate Body hat in diesem Zusammenhang in US – Import Prohibition of Certain Shrimp and Shrimp Products in grundsätzlicher Weise ausgeführt, er sehe sich darauf beschränkt, die Beweiswürdigung des Panels auf Willkür zu überprüfen. Die Entscheidung des Panels, bestimmte zur Verfügung stehende Informationen nicht zu verwenden, könne rechtsfehlerhaft sein und ein späteres Rechtsmittel begründen.429 Was der Appellate Body unter „Willkür“ versteht, erläuterte er in vorgenannter Entscheidung nicht weiter. Er nannte lediglich das Beispiel der Nichtbeachtung von zur Verfügung stehenden Beweisen. Weitere Ausführungen machte er dazu in EC – Measures Concerning Meat and Meat Products (Hormones). Mit ihrem Rechtsmittel machten die Europäischen Gemeinschaften in diesem Verfahren geltend, das Panel habe sowohl die ihm vorgelegten Beweise als auch die Stellungnahme des vom Panel eingesetzten Sachverständigen unbeachtet gelassen und falsch bewertet, so dass eine Verletzung von Art. 11 des DSU vorliege. Der Appellate Body führte hierzu aus, nicht jeder Fehler eines Panels bei der Beweiswürdigung stelle einen Verstoß gegen Art. 11 des DSU dar. Eine Verletzung dieser Bestimmung liege erst bei einem gravierenden Fehlschluss vor, der die Frage nach Treu und Glauben eines Panels aufwerfe. Die Pflicht zur objektiven Beurteilung des Sachverhalts, so der Appellate Body, enthalte unter anderem die Verpflichtung, die vorgelegten Beweise zu berücksichtigen und auf dieser Grundlage eine Tatsachenfeststellung vorzunehmen. Das vorsätzliche Nichtberücksichtigen, Entstellen oder falsche Darstellen der Beweise sei unvereinbar mit der objektiven Beurteilung eines Sachverhaltes. Ein solches Vorgehen in einem juristischen Verfahren impliziere nicht nur eine falsche Beurteilung in der Beweiswürdigung, sondern einen gravierenden Fehler, der die Frage nach der Redlichkeit eines Panels auf den Plan rufe. Die Behauptung, ein Panel habe den beigebrachten Beweis missachtet oder entstellt, beinhalte im Endeffekt, das Panel habe der 428 429
Gallagher, S. 36. WTO-Dok. WT/DS58/AB/R Rn. 110.
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beweisbeibringenden Partei die grundlegende Fairness oder was in vielen Rechtssystemen als Rechtsstaatlichkeit oder „natural justice“ bezeichnet werde, verweigert. Dies sei im vorliegenden Fall aber nicht gegeben.430 In Korea – Taxes on Alcoholic Beverages stellte der Appellate Body fest, das Ermessen eines Panels bei der Beweiswürdigung sei nicht unbegrenzt. Die angemessene Beweiswürdigung sei in jedem Fall Gegenstand der von Art. 11 des DSU umschriebenen Pflicht, eine objektive Beurteilung der dem Panel vorliegenden Angelegenheit vorzunehmen. Eine behauptete Verletzung dieser Vorschrift könne vom Appellate Body überprüft werden. So habe er sich auch in EC – Measures Concerning Meat and Meat Products (Hormones) mit der Frage auseinandergesetzt, ob das Panel die ihm vorliegenden Beweise unbeachtet, entstellt oder falsch dargestellt habe.431 Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass der Appellate Body einen von ihm zu überprüfenden Fehler in der Beweiswürdigung annimmt, wenn ein Panel ohne sachlichen Grund und ohne Begründung einen Sachverhalt als gegeben annimmt, der sich so nicht aus den ihm objektiv vorliegenden Informationen und Beweisen ergibt, und sich das Panel über die gebotene sachliche Würdigung hinwegsetzt, und erst recht, wenn es Beweise bewusst falsch würdigt. Im Weiteren hat der Appellate Body die Mindestvoraussetzungen des Parteivortrages im Hinblick auf eine möglicherweise erfolgreiche Beschwerde, das Panel habe im Rahmen der Beweiswürdigung Fehler begangen, aufgestellt. In US – Definitive Safeguard Measures on Imports of Wheat Gluten from the European Communities beanstandeten die Europäischen Gemeinschaften, dass das Panel nicht die ihrer Ansicht nach erforderliche nachteilige Schlussfolgerung von der Weigerung der Vereinigten Staaten, erbetene Informationen beizubringen, gezogen habe. Dies stelle einen Verstoß gegen Art. 11 des DSU dar. Schlussfolgerungen aus bestimmten Tatsachen zu ziehen, so der Appellate Body, liege im Ermessen des Panels und falle unter die Pflichten nach Art. 11 des DSU. Bei der Überprüfung der Schlussfolgerungen, die das Panel aus den in den Prozessunterlagen enthaltenen Tatsachen gezogenen habe, sei es nicht seine Aufgabe, von neuem die Tatsachenbewertung des Panels vorzunehmen und für sich selbst zu entscheiden, welche Schlüsse er aus ihnen ziehen würde. Vielmehr habe er zu entscheiden, ob das Panel sein Ermessen gemäß Art. 11 des DSU unangemessen ausgeübt habe, in430 431
WTO-Dok. WT/DS26/AB/R, WT/DS48/AB/R Rn. 132 f., 135, 138. WTO-Dok. WT/DS75/AB/R, WT/DS84/AB/R Rn. 161 f.
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dem es zwingende Schlüsse aus dem vorliegenden Tatsachenmaterial nicht gezogen habe. Ein Beschwerdeführer habe insoweit die Art und Weise, in der ein Panel sein Ermessen unangemessen ausgeübt habe, genau zu bezeichnen. Unter Berücksichtigung des gesamten Tatsachenmaterials habe der Beschwerdeführer zumindest die Tatsachen in den Prozessunterlagen zu bezeichnen, aus denen das Panel bestimmte Schlussfolgerungen habe ziehen sollen, zudem die tatsächlichen oder rechtlichen Schlüsse aufzuzeigen, die das Panel aus diesen Tatsachen habe ziehen sollen, und schließlich zu erklären, warum sich die Ermessensentscheidung des Panels auf einen Verstoß gegen Art. 11 DSU belaufe. Abgesehen von der Tatsache, dass die Vereinigten Staaten vom Panel erbetene Informationen verweigerten, hätten die Europäischen Gemeinschaften keine andere detaillierte Begründung geliefert, warum das vom Panel ausgeübte Ermessen, eine mit ihrer Position nicht übereinstimmende Schlussfolgerung zu ziehen, einen Verstoß gegen Art. 11 des DSU darstelle. Daher sei das Argument der Europäischen Gemeinschaften insoweit zurückzuweisen.432 Im Ergebnis hält der Appellate Body also die Rechtsmittelbeschwerde, ein Panel habe gegen seine Pflichten nach Art. 11 des DSU verstoßen, für zulässig. An die Begründetheit dieser Beschwerde stellt er jedoch hohe Anforderungen mit der Folge, dass eine solche Beschwerde nur sehr schwer darzulegen ist.433 Dies ist jedoch konsequent und überzeugend, um einerseits die dem Panel eingeräumte Freiheit bei der Beweiswürdigung zu gewährleisten und andererseits die aus dem DSU hervorgehende Kompetenzverteilung zwischen den Panels und dem Appellate Body zu wahren.
III. Vervollständigung der Tatsachenfeststellungen des Panels Die beschränkte Kompetenz des Appellate Body gemäß Art. 17 Abs. 6 des DSU, die im Panelbericht behandelten Rechtsfragen und die Rechtsauslegung durch das Panel zu überprüfen, bereitet einige Probleme. Denn ihm ist gemäß Art. 17 Abs. 13 des DSU die Kompetenz eingeräumt, eine Entscheidung des Panels zu bestätigen, aufzuheben oder abzuändern. In den beiden letztgenannten Fällen, der Aufhebung oder der Abänderung einer Entscheidung kann der Appellate Body in die vom DSU nicht gere432 433
WTO-Dok. WT/DS166/AB/R Rn. 173 ff. Gallagher, S. 37.
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gelte Lage geraten, dass er zwar zu einer anderen rechtlichen Schlussfolgerung als das Panel gelangt, ihm dazu jedoch tatsächliche Feststellungen seitens des Panels fehlen. Dies vor dem Hintergrund, dass sich ein Panel in der Regel prozessökonomisch verhält, es also lediglich die aus seiner Sicht für die Entscheidung der Streitigkeit erheblichen und erforderlichen Tatsachen untersucht und keine Sachverhaltsermittlung bezüglich anderer Rechtsvorschriften vornimmt, wenn es bereits zu einer Entscheidung gelangt ist, für die ein möglicher Verstoß gegen andere Vorschriften nicht weiter von Bedeutung ist.434 Gemäß dem DSU hat der Appellate Body in einem solchen Fall an sich nicht die Befugnis, selbst die entsprechenden Tatsachen festzustellen, was auch zu einer erneuten Beweiserhebung führen könnte. Im Rahmen der Streitbeilegung unter dem DSU trat daher schnell die Frage auf, ob der Appellate Body in dem zuvor beschriebenen Fall aus pragmatischen Gründen befugt ist, die tatsächliche Bewertung des Panels zu ergänzen oder eine neue Bewertung vorzunehmen. Eine solche Befugnis schloss der Appellate Body in Canada – Measures Affecting the Export of Civilian Aircraft kategorisch aus. Hier war das Panel zu der Feststellung gelangt, es sei kein prima facie Fall dargelegt worden, dass die streitige Maßnahme einen Vorteil verleihe, und dementsprechend eine Subvention gemäß Art. 1 des SCM Agreement darstelle. Der Appellate Body äußerte sich daraufhin zu der Ansicht Brasiliens, das Panel habe die Tatsachen falsch bewertet. Nach der Auffassung des Appellate Body fiel diese Frage nicht in den Überprüfungsbereich der Rechtsmittelinstanz. Art. 17 Abs. 6 des DSU sehe vor, dass sich ein Rechtsmittel auf die in dem Panelbericht behandelten Rechtsfragen und auf die Rechtsauslegung durch das Panel beschränke. Grundsätzlich seien neue Argumente nicht per se vom Prüfungsbereich des Appellate Body ausgeschlossen, nur weil sie neu seien. Würde er jedoch über die von Brasilien vorgebrachte Frage entscheiden, habe er neuen Tatsachenvortrag zu erbitten, entgegenzunehmen und zu betrachten, der nicht bereits vom Panel untersucht worden sei. Aus seiner Sicht schließe Art. 17 Abs. 6 des DSU eine solche Untersuchung eindeutig aus.435 In weiteren Entscheidungen urteilte der Appellate Body entsprechend. In den folgenden Fällen sah er sich befugt, die Analyse des Panels zu vervollständigen: In Canada – Certain Measures Concerning Periodicals hob der Appellate Body die Entscheidung des Panels in Bezug auf das Tatbestandsmerkmal der „gleichartigen Waren“ gemäß Art. III:2 des GATT 1994 auf. 434 435
s. hierzu oben Teil 3 D. II. WTO-Dok. WT/DS70/AB/R Rn. 211.
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In diesem Zusammenhang äußerte er sich zu der Frage, ob er die Untersuchung des Panels vervollständigen bzw. ergänzen könne. Im konkreten Fall, so der Appellate Body, würde dies die Fortsetzung der Untersuchung bedeuten, ob die streitigen Waren in der Bedeutung des Art. III:2(2) des GATT 1994 „unmittelbar konkurrierend oder zum gleichen Zweck geeignet“ seien. Er setzte sodann die Untersuchung des Panels mit der Begründung fort, Art. III:2(1) und Art. III:2(2) des GATT 1994 seien Teil einer „logischen Fortsetzung der rechtlichen Prüfung“. Bei der Untersuchung, ob bestimmte importierte und inländische Waren „gleichartige Waren“ sind, seien rechtliche Regeln auf Tatsachen anzuwenden, so der Appellate Body. Im Rahmen jeder Untersuchung des Art. III:2(1) des GATT 1994 müsse die „Gleichartigkeit“ eng und auf einer Fall zu Fall-Basis ausgelegt werden. Aufgrund der fehlenden Tatsachenfeststellungen des Panels sei es ihm nicht möglich, die Untersuchung bezüglich des Tatbestandsmerkmals „gleichartige Waren“ fortzusetzen. Gleichwohl biete der Panelbericht eine ausreichende Tatsachengrundlage für eine Entscheidung des Appellate Body in Bezug auf eine Vereinbarkeit der streitigen Maßnahme mit Art. III:2(2).436 In einer ähnlichen Situation fand sich der Appellate Body in US – Standards for Reformulated and Conventional Gasoline wieder. Nachdem er die Entscheidung des Panels bezüglich des ersten Teils des Art. XX(g) des GATT 1994 aufgehoben und die Untersuchung des Art. XX(g) fortgesetzt hatte, untersuchte er die Vereinbarkeit der streitigen Maßnahme mit den Kopfbestimmungen des Art. XX, basierend auf den tatsächlichen Feststellungen, die im Panelbericht enthalten waren.437 In Australia – Measures Affecting Importation of Salmon ergänzte der Appellate Body die Untersuchung des Panels mit der Begründung, in bestimmten Fällen könne er, wenn er eine rechtliche Entscheidung des Panels aufhebe, einen Aspekt, der nicht speziell vom Panel angesprochen worden sei, untersuchen und entscheiden, um den Streit zwischen den Parteien beizulegen. So sei er beispielsweise in US – Standards for Reformulated and Conventional Gasoline, Canada – Certain Measures Concerning Periodicals, EC – Measures Affecting the Importation of Certain Poultry Products und US – Import Prohibition of Certain Shrimp and Shrimp Products vorgegangen. In diesem Fall hob der Appellate Body die Entscheidung des Panels auf, dass die streitige SPS-Maßnahme nicht auf einer Risikobewertung basiere. 436 437
WTO-Dok. WT/DS31/AB/R Rn. 24 ff. WTO-Dok. WT/DS2/AB/R Rn. 22 ff.
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Teil 3: Tatsachenermittlung im Panel- und Rechtsmittelverfahren
Er war der Ansicht, er habe die Untersuchung des Panels weiterzuführen, ob die streitige SPS-Maßnahme nicht doch auf einer Risikobewertung beruhe. Eine Entscheidung sei ihm in dem Umfang möglich, in dem sie auf den tatsächlichen Feststellungen des Panels und/oder den nicht verwendeten Tatsachen im Panelbericht basiere.438 In den nachfolgenden Fällen sah sich der Appellate Body jedoch nicht befugt, die Analyse des Panels weiterzuführen: In US – Tax Treatment for „Foreign Sales Corporations“ führten die Vereinigten Staaten gegenüber dem Appellate Body aus, dass die streitige Maßnahme zur Vermeidung doppelter Besteuerung ausländischer Einkommen erlassen worden sei und sie folglich nicht unter die Bestimmung der verbotenen Exportsubventionen in Art. 3 Abs. 1 (a) des SCM Agreement falle. Der Appellate Body entschied, dass die diesbezüglich Entscheidung nicht von seiner Prüfungskompetenz nach Art. 17 Abs. 6 des DSU umfasst sei, da dieser Vortrag der Vereinigten Staaten weder eine im Panelbericht behandelte Rechtsfrage noch eine Rechtsauslegung durch das Panel betreffe. Vielmehr sei das Panel nicht ersucht worden, diesen Vortrag der Vereinigten Staaten zu behandeln. Dieser neue Vortrag verpflichte den Appellate Body, rechtliche Fragen zu behandeln, die sich erheblich von denen unterschieden, mit denen das Panel konfrontiert war, und für die neuer Tatsachenvortrag und neue Beweise erforderlich seien.439 In Korea – Definitive Safeguard Measures on Imports of Certain Dairy Products hatte der Appellate Body aufgrund der Anfrage der Europäischen Gemeinschaften zu entscheiden, ob er die Ausführungen des Panels ergänzen und entscheiden solle, dass Korea auch seine Verpflichtungen gemäß Art. XIX des GATT 1994 verletzt habe, indem es eine Schutzmaßnahme entgegen Art. XIX:1(a) des GATT 1994 verhängt habe. Der Appellate Body lehnte diese Entscheidung mit der Begründung ab, ihm lägen unzulängliche tatsächliche Feststellungen vor.440 Darüber hinaus stellte er in demselben Fall fest, die Entscheidung, ob Korea Art. 5 Abs. 1 Satz 2 des Agreement on Safeguard Measures verletzt habe, erfordere die Feststellung, ob die mengenmäßigen Beschränkungen Koreas unter dem Durchschnittsniveau von Importen in den letzten drei repräsentativen Jahren lägen, für die Statistiken vorhanden seien, und wenn dem so sei, ob Korea eine ausreichende Begründung vorgelegt habe, wie sie Art. 5 Abs. 1 Satz 2 verlange. Er entschied ebenfalls, dass keine ausrei438 439 440
WTO-Dok. WT/DS18/AB/R Rn. 117 f. WTO-Dok. WT/DS108/AB/R Rn. 103. WTO-Dok. WT/DS98/AB/R Rn. 92.
E. Rechtsmittel
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chende Tatsachengrundlage bestehe, auf der er die Untersuchung des Panels fortsetzen könne. Denn das Panel habe keinerlei tatsächliche Feststellungen hinsichtlich des Durchschnittsniveaus der streitigen Importe in den drei letzten repräsentativen Jahren getroffen. Das Durchschnittsniveau der Importe während dieses Zeitraums sei ebenfalls streitig zwischen den Parteien. Damit sei der Appellate Body gemäß seiner Prüfungskompetenz nach Art. 17 des DSU nicht in der Lage, die Untersuchung in diesem Fall zu ergänzen und eine Entscheidung bezüglich der Vereinbarkeit von Koreas Schutzmaßnahme mit Art. 5 Abs. 1 Satz 2 des Agreement on Safeguard Measures zu treffen.441 In EC – Measures Affecting Asbestos and Asbestos-Containing Products spezifizierte der Appellate Body noch einmal die Bedingungen, unter denen er sich selbst für kompetent erachtet, die Untersuchung des Panels fortzusetzen und zu ergänzen. Demnach sieht er sich dazu ermächtigt, wenn ausreichende tatsächliche Feststellungen durch das Panel vorliegen und die erforderliche zusätzliche Untersuchung mit den tatsächlichen Feststellungen des Panels eng verbunden ist. Nachdem er im konkreten Fall eine vom Panel abweichende Schlussfolgerung gezogen hatte, war die Frage zu klären, ob er die streitige Maßnahme im Hinblick auf eine Vereinbarkeit mit anderen Bestimmungen des TBT Agreement überprüft. In früheren Entscheidungen hatte er gelegentlich die Untersuchung des Panels ergänzt, um insbesondere eine sofortige Streitbeilegung im Sinne von Art. 3 Abs. 3 des DSU zu erleichtern. Dies setzte aber voraus, dass die in den Unterlagen des Panels enthaltenen Tatsachen eine ausreichende Grundlage für seine Untersuchung boten. Wo dies nicht der Fall war, hat er die Untersuchung nicht fortgesetzt. Im vorliegenden Fall hätte der Appellate Body bei der Fortsetzung der Untersuchung Vertragsbestimmungen anzuwenden gehabt, die zuvor weder von einem Panel noch vom Appellate Body angewandt oder konkretisiert worden waren. Deshalb entschied sich der Appellate Body, die Untersuchung des Panels in dieser Hinsicht nicht fortzusetzen.442 Im Ergebnis entscheidet der Appellate Body korrekterweise von Fall zu Fall, ob ihm für die Ergänzung der rechtlichen Analyse des Panels genügend tatsächliche Feststellungen zur Verfügung stehen. Ist dies nicht der Fall, lehnt er konsequent eine diesbezügliche rechtliche Entscheidung ab und setzt sich damit nicht dem Vorwurf aus, sich hinsichtlich der Tatsachenfeststellung und einer eventuellen Beweiserhebung Kompetenzen anzumaßen, die ihm nach dem DSU nicht eingeräumt sind. Dennoch bestehen 441 442
Ebd., Rn. 102. WTO-Dok. WT/DS135/AB/R Rn. 78 ff.
162
Teil 3: Tatsachenermittlung im Panel- und Rechtsmittelverfahren
Unsicherheiten. Teilweise wird aus den Ausführungen des Appellate Body im Hinblick auf die materiellen Rechtsnomen der WTO-Übereinkommen die Unterscheidung zwischen Tatsachen- und Rechtsfragen nicht deutlich.443 Hier ist wiederum zu beachten, dass sich die tatsächlichen Feststellungen in einem WTO-Streitbeilegungsverfahren in der Regel auf nationale Rechtsakte beziehen, so dass die Abgrenzung zwischen Tatsachen- und Rechtsfragen nicht auf den ersten Blick zu erkennen ist. Um insoweit zu einer pragmatisch und rechtlich einwandfreien Lösung zu gelangen sei auf die folgenden Ausführungen zur Schaffung einer Zurückverweisungsmöglichkeit verwiesen.
IV. Fehlende Zurückverweisungsmöglichkeit des Appellate Body Die große Bedeutung des Appellate Body im WTO-Streitbeilegungsverfahren wird insgesamt sehr hervorgehoben.444 Dieser ist jedoch gemäß dem DSU nicht mit einer der wichtigsten Befugnisse einer Rechtsmittelinstanz ausgestattet, nämlich der Kompetenz zur Zurückverweisung eines Falles an die untere Instanz – das Panel –, gegen dessen Entscheidung Rechtsmittel eingelegt worden ist.445 Die fehlende Zurückverweisungsmöglichkeit des Appellate Body hat bedeutende politische Folgen.446 Ebenso hat es wichtige praktische Auswirkungen für die Streitparteien.447 Kommt der Appellate Body zu dem Schluss, eine Entscheidung des Panels aufzuheben oder abzuändern, sind wie oben ausgeführt seine Möglichkeiten beschränkt, die rechtliche Analyse des Panels zu ergänzen. Dies ist ihm nur möglich, wenn ausreichende tatsächliche Feststellungen des Panels gegeben sind, was oftmals nicht der Fall ist, da das Panel zuvor prozessökonomisch entschieden hat. Konsequenterweise hat er den Rechtsmittelkläger in einer solchen Situation darauf zu verweisen, einen Panelprozess von neuem zu beginnen.448 Dies ist äußerst unbefriedigend, denn dass der Appellate Body die Parteien auf ein neues Verfahren zu verweisen hat, nachdem ein Verfahren beispielsweise bereits über ein Jahr andauert und das Panel sich aus Gründen der Prozessökonomie dazu entschied, nicht alle geltend gemachten Ansprü443 444 445 446 447 448
Vgl. Palmeter/Mavroidis, § 6.06, S. 228 ff. Vgl. Bourgeois, S. 152ff.; Palmeter/Mavroidis; § 6.06, S. 227. Ebd. Palmeter, JWT 1998, 41, 41 ff. Palmeter/Mavroidis, § 6.06, S. 227 f. Ebd.
E. Rechtsmittel
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che zu untersuchen, stellt für die meisten WTO-Mitglieder ein inakzeptables Ergebnis dar.449 Um diesem unbefriedigenden Ergebnis Abhilfe zu leisten, haben bereits einige Panels behelfsmäßig und entgegen dem an sich geltenden Grundsatz der Prozessökonomie für den potentiellen Fall einer erfolgreichen Revision vorsorglich die übrigen Rechtsfragen geprüft und gleichzeitig auch die damit einhergehenden tatsächlichen Feststellungen getroffen.450 Hierzu sind die Panels aber keineswegs verpflichtet. Wenn sie in rechtmäßiger Weise Prozessökonomie ausüben, kommt der Appellate Body immer wieder in den Konflikt, die Untersuchung des Panels zu vervollständigen. Würde sich der Appellate Body dazu entschließen, selbst tatsächliche Feststellungen zu treffen, einschließlich der Durchführung einer Beweiserhebung, wäre diese Praxis vielleicht aus oben genannten Erwägungen zu begrüßen. Insgesamt wäre sie jedoch bedenklich, da dem Appellate Body einerseits eine solche Kompetenz gemäß dem DSU nicht eingeräumt ist, und sich andererseits eine de novo Überprüfung des Appellate Body auf eine endgültige Entscheidung belaufen würde. Sie könnte effektiv nicht mehr überprüft werden, da der „zweite Blick“, den normalerweise die Rechtsmittelinstanz ausübt, fehlt.451 Dies kann von den WTO-Mitgliedstaaten nicht gewollt sein. Im Rahmen der Reform des Streitbeilegungsmechanismus sollte daher der Vorschlag, eine Möglichkeit der Zurückweisung eines Falles an die untere Panelinstanz zu schaffen, falls in der Revision Tatsachenfragen aufgeworfen werden, die noch nicht vom Panel entschieden wurden, unbedingt aufgegriffen werden. Dies wäre eine sinnvolle Neuerung.452 Sie würde zu mehr Rechtssicherheit und Akzeptanz der Entscheidungen der Streitbeilegungsorgane führen, auch wenn durch sie der Beschleunigungsgrundsatz betroffen würde und Streitbeilegungsverfahren zeitlich insgesamt länger dauerten. Dem wiederum könnte mit der Schaffung der Möglichkeit einer einstweiligen Verfügung Rechnung getragen werden.
449
Ebd. Panel Report, India – Patent Protection for Pharmaceutical and Agricultural Chemical Products – Complaint by the United States, WTO-Dok. WT/DS50/R Rn. 6.11, 7.44; Panel Report, Canada – Measures Affecting the Importation of Milk and the Exportation of Dairy Products, WT/DS103/R, WT/DS113/R Rn. 7.117. 451 Palmeter/Mavroidis, § 6.06, S. 228 ff. 452 So auch Berrisch, S. 73; Bourgeois, S. 152 ff. 450
Teil 4
Gesamtbetrachtung Mit Gründung der Welthandelsorganisation zum 1. Januar 1995 wurde das Welthandelssystem auf ein ausgewogenes Fundament gestellt und den durch die Mitgliedstaaten politisch beherrschten Organen der Organisation ein judikativer Mechanismus gegenüber gestellt sowie ein rechtlich ausgewogenes institutionelles System errichtet.1 So hat auch mit der Annahme der Vereinbarung über Regeln und Verfahren zur Beilegung von Streitigkeiten (DSU) für die Lösung von Handelsstreitigkeiten des internationalen Wirtschaftsrechts eine neue juristische Ära Einzug gehalten.2 Die umfangreiche und zunehmende Inanspruchnahme der WTO-Streitbeilegungsgremien durch die WTO-Mitglieder zeigt, dass sie zu diesem automatischen System Vertrauen gefasst haben.3 Die den Handelsstreitigkeiten zugrunde liegenden Sachverhalte werden zunehmend komplexer. Während frühere GATT-Panels dazu neigten, die WTO-rechtlichen Aspekte der streitigen Maßnahme eines Mitgliedstaates übermäßig zu betonen, wird die Tatsachenkomponente einer Streitigkeit von den WTO-Panels zunehmend im Detail untersucht.4 Das DSU enthält nur rudimentäre Regelungen im Hinblick auf die Tatsachenermittlung. Gleichwohl bilden diese Vertragsbestimmungen die Grundlage jeder Tatsachenuntersuchung durch ein Panel. Herauszuheben ist hier neben Art. 11 insbesondere Art. 13 des DSU, aus dem umfangreiche Regeln zur Tatsachenfeststellung wie die Sachverhaltsaufklärung von Amts wegen, das Fragerecht der Streitbeilegungsorgane und auch der Verhandlungsgrundsatz abgeleitet werden können. Den Streitbeilegungsorganen der WTO kommt eine große Bedeutung bei der Konkretisierung der wenigen Vorschriften des DSU zur Tatsachenermittlung zu. Dieser verantwortungsvollen Aufgabe werden sie gerecht. 1 2 3 4
Ohlhoff, in: Prieß/Berrisch, S. 682 Rn. 2. Palmeter/Mavroidis, § 4.01, S. 85. Gallagher, S. 43. Palmeter/Mavroidis, § 4.09, S. 116.
Teil 4: Gesamtbetrachtung
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Da die von der Welthandelsorganisation umfassten multilateralen und plurilateralen Handelsabkommen die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Staaten regeln und somit Teil des Wirtschaftsvölkerrechts sind, können die Panels und der Appellate Body zur Konkretisierung der Bestimmungen des DSU auf die Rechts- und Hilfsquellen des Völkerrechts zurückgreifen. So können zur Auslegung der DSU-Vertragsbestimmungen das Völkergewohnheitsrecht und zum Schließen von Vertragslücken die allgemeinen Rechtsgrundsätze im Völkerrecht wie beispielsweise die Regeln zur Beweislast herangezogen werden. Häufig nutzen die Streitbeilegungsorgane frühere Berichte von (GATT-) Panels und Berichte des Appellate Body als Hilfsquellen. Auf diese Weise wird eine etablierte WTO-Spruchpraxis auch zu Verfahrensvorschriften geschaffen. Den Panels wird gemäß Art. 12 Abs. 2 des DSU bei der Verfahrensgestaltung, insbesondere der Tatsachenermittlung, Ermessen eingeräumt. Gemäß Art. 12 Abs. 1 des DSU können sie eigene (technische) Verfahrensregeln für den konkreten Einzelfall aufstellen. Sie haben sich in diesem Rahmen aber an die ihnen eingeräumten (beschränkten) Kompetenzen, die Verfahrensgrundsätze und die Vertragsbestimmungen zu halten und dürfen diese nicht außer Acht lassen bzw. sich über sie hinwegsetzen. Vor diesem Hintergrund lassen sich für den Streitbeilegungsmechanismus Verfahrensgrundsätze wie den Dispositionsgrundsatz und die Verhandlungsmaxime (einschließlich deren Beschränkungen) aufstellen. Hier ist die Prozessförderungspflicht der Streitparteien hervorzuheben, da es grundsätzlich an ihnen ist, den Sachverhalt einer Streitigkeit vor den WTO-Streitbeilegungsorganen aufzuklären. Den Panels wird insoweit jedoch auch gemäß Art. 13 des DSU eine eigene Befugnis zur Sachverhaltsaufklärung eingeräumt. In der konkreten Verfahrenspraxis haben die Panels bei der Tatsachenermittlung den Grundsatz des fairen Verfahrens zu beachten, wonach keine Partei mit nachträglichen Beweisen überrascht werden darf und jede Streitpartei das Recht eingeräumt werden muss, auf die Behauptungen und Beweise der Gegenpartei angemessen zu reagieren. In diesem Rahmen ist auch sicherzustellen, dass Geschäftsgeheimnisse der betroffenen Wirtschaft gewahrt werden. Aus den Bestimmungen des DSU und den Berichten der Streitbeilegungsorgane lassen sich im weiteren Regeln zur Beweiserhebung ableiten. Jene enthalten oftmals keine expliziten Regeln, setzen solche aber indirekt voraus. Zu kritisieren ist in diesem Zusammenhang, dass die Panels und der Appellate Body teilweise wie selbstverständlich von bestimmten Grundsät-
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Teil 4: Gesamtbetrachtung
zen und Regeln ausgehen, obwohl diesbezüglich in den unterschiedlichen Rechtskreisen oftmals gegensätzliche Regelungen bestehen. Hier sollten sie die von ihnen verwendeten Rechtsbegriffe häufiger definieren. Insbesondere die Tatsachenermittlung im Streitbeilegungsverfahren der WTO steht zwischen der Verschiedenheit des angloamerikanischen und des kontinentaleuropäischen Rechtskreises. So ist ein Panel immer wieder mit unterschiedlichen Rechtsauffassungen der Streitparteien über die Bedeutung einer Bestimmung des DSU – insbesondere Art. 13 des DSU – konfrontiert. So ist beispielsweise die im kontinentaleuropäischen Rechtskreis beheimatete Sachverhaltsaufklärung von Amts wegen eines Panels für Vertreter des angloamerikanischen Rechts befremdlich, was zur Folge hat, dass deren Umfang von ihnen immer wieder moniert wird. Obwohl anhand der Bestimmungen des DSU und der Entscheidungen der Streitbeilegungsorgane viele Aspekte der Tatsachenermittlung geklärt werden können, bestehen weiterhin Unsicherheiten, zum Beispiel in Bezug auf die amicus curiae-Eingaben von Nichtregierungsorganisationen und die Beweismittel, hier insbesondere den Zeugenbeweis. Zudem besteht der Bedarf der Schaffung einer Zurückverweisungsmöglichkeit des Appellate Body. So sollten zur Weiterentwicklung der Sicherheit und Vorhersehbarkeit im multilateralen Handelssystem auch in Bezug auf die Tatsachenermittlung im Streitbeilegungsverfahren jene Aspekte im DSU ausdrücklich kodifiziert bzw. klarifiziert werden. Insoweit ist der Forderung des Appellate Body nach detaillierteren Vertragsbestimmungen nachzukommen. Zu beachten ist im Rahmen der Reformdiskussion5 aber, dass das WTOStreitbeilegungssystem als zwischenstaatliches Verfahren auch als diplomatisches Verfahren zu werten ist und Konfliktlösungen möglichst in gegenseitigem Einvernehmen herbeigeführt werden sollen. Ziel ist es demnach nicht, das DSU als ausgefeiltes „Verfahrensrecht“ zu gestalten und spezielle Prozesstechniken zu entwickeln, sondern vielmehr, die positive Lösung einer Streitigkeit gemäß Art. 3 Abs. 7 S. 2 des DSU sicherzustellen. Insgesamt sollte die Reform des Streitbeilegungsmechanismus nicht zum Opfer der schwierigen Verhandlungen im Rahmen der Neuen Handelsrunde 5 s. hierzu Bourgeois, S. 148 f.; Berrisch, S. 69; Borght, American University ILR 1999, 1223; Clough, S. 252; Davey, JWT 2000, 167; ders., JIEL 2003, 177; Ehlermann, JWT 2002, 605; Fudali, S. 39; Hecht, S. 657; Hilpold, S. 32; Jackson, in: Krueger, S. 161; ders., in: From GATT to the WTO, S. 67; Kessie, S. 1; Kim, S. 457; Leier, S. 204; McRae, JIEL 2004, 3; Palmeter, JWT 1998, 41; Petersmann, JIEL 2003, 237; Ragosta/Joneja/Zeldovich, S. 697; Schoenbaum, S. 647; Barnaby Stewart, S. 25; Wolff, S. 417; Ziegler, S. 439. Zu den aktuellen Reformvorschlägen der Mitgliedstaaten vgl. auch die Internetseite der Welthandelsorganisation www. wto.org.
Teil 4: Gesamtbetrachtung
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werden. Denn unabhängig von einer Einigung hinsichtlich einer weiteren Handelsliberalisierung kommt dem Streitbeilegungsverfahren erhebliche Bedeutung zu, da mit ihm das „politische Armdrücken“ durch ein juristisches Verfahren ersetzt oder zumindest ergänzt wird.6 Im Ergebnis würden detailliertere Verfahrensvorschriften zur Tatsachenermittlung in einem WTO-Streitbeilegungsverfahren zu einer weiteren Stärkung des juristischen Systems7 und der Sicherheit und Vorhersehbarkeit im multilateralen Handelssystem führen.
6 Vgl. Hans-Joachim Prieß in Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 8. Oktober 2003. 7 Vgl. Ehlermann, JIEL 2003, 695, 706 ff.
Anhang: Panel Working Procedures (Beispiel) Folgende Arbeitsverfahren hat das Panel in US – Definitive Safeguard Measures on Imports of Certain Steel Products, Panel Report WT/DS248/R, WT/DS249/R, WT/ DS251/R WT/DS252/R, WT/DS253/R, WT/DS254/R, WT/DS258/R, WT/DS259/ R, circulated 11 July 2003, in Para. 6.1 verabschiedet: 1. In its proceedings the Panel shall follow the relevant provisions of the DSU. In addition, the following working procedures shall apply. 2. The panel shall meet in closed session. The parties to the dispute, and interested third parties, shall be present at the meeting only when invited by the Panel to appear before it. 3. The deliberations of the Panel and the documents submitted to it shall be kept confidential. Nothing in the DSU shall preclude a party to a dispute from disclosing statements of its own positions to the public. Members shall treat as confidential information submitted by another Member to the Panel which that Member has designated as confidential. Where a party to a dispute submits a confidential version of its written submissions to the Panel, it shall also, upon request of a Member, provide a non-confidential summary of the information contained in its submissions that could be disclosed to the public. 4. Before the first substantive meeting of the Panel with the parties, the parties to the dispute shall transmit to the Panel written submissions in which they present the facts of the case and their arguments. Third parties may transmit to the Panel written submissions after the first written submissions of the parties have been submitted. 5. Within seven days following the date for filing a submission, each of the parties and third parties is invited to provide the Panel with an executive summary of their submissions. The executive summaries will be used only for the purpose of assisting the Panel in drafting a concise factual and arguments section of the Panel report to the Members. They shall not in any way serve as a substitute for the submissions of the parties in the Panel’s examination of the case. The executive summary to be provided by each party should not exceed 15 pages in length and shall summarize the content of the written submissions. In relation to the executive summaries to be provided by the United States, it is allowed an additional 15 pages to address issues that have been raised in the submissions of one or more of the other parties that are specific to those parties and which are not common to the other parties. The summary to be provided by each third party shall summarize their written submissions, as applicable, and should not exceed 5 pages in length. 6. At its first substantive meeting with the parties, the Panel shall ask the Complaining Parties to present their cases. Subsequently, and still at the same meeting, the United States will be asked to present its point of view. The parties will then be
Anhang
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allowed an opportunity for final statements, with the Complaining Parties presenting their statements first. 7. All third parties which have notified their interest in the dispute to the Dispute Settlement Body shall be invited in writing to present their views during a session of the first substantive meeting of the Panel set aside for that purpose. All such third parties may be present during the entirety of this session. 8. Formal rebuttals shall be made at a second substantive meeting of the Panel. The United States shall have the right to take the floor first, to be followed by the Complaining Parties. The parties shall submit, prior to that meeting, written rebuttals and executive summaries to the Panel. 9. The Panel may at any time put questions to the parties and to the third parties and ask them for explanations either in the course of a meeting or in writing. Answers to questions shall be submitted in writing by the date(s) specified by the Panel. Answers to questions after the first meeting shall be submitted in writing, at a date to be determined by the Panel. 10. A party shall submit any request for a preliminary ruling not later than its first submission to the Panel. If the Complaining Parties request such a ruling, the United States shall submit its response to the request in its first submission. If the United States request such a ruling, the Complaining Parties shall submit their responses to the request prior to the first substantive meeting of the Panel, at a time to be determined by the Panel in light of the the request. Exceptions to this procedure will be granted upon a showing of good cause. 11. Parties shall submit all factual evidence to the Panel no later than during the first substantive meeting, except with respect to evidence necessary for purposes of rebuttal submissions, or answers to questions or provided that good cause is shown. In all cases, the other party(ies) shall be accorded a period of time for comment, as appropriate. 12. The parties to the dispute have the right to determine the composition of their own delegations. The parties shall have the responsibility for all members of their delegations and shall ensure that all members of the delegation act in accordance with the rules of the DSU and the Working Procedures of this Panel, particularly in regard to confidentiality of the proceedings. 13. The parties to the dispute and any third party invited to present its views shall make available to the Panel and the parties to the dispute a written version of their oral statements, preferably at the end of the meeting, and in any event not later than the day following the meeting. Parties and third parties are encouraged to provide the Panel and other participants in the meeting with a provisional written version of their oral statements at the time the oral statement is presented. 14. In the interest of full transparency, the presentations, rebuttals and statements shall be made in the presence of the parties. Moreover, each party’s written submissions, including responses to questions put by the Panel, shall be made available to the other party or parties. 15. To facilitate the maintenance of the record of the dispute, and to maximize the clarity of submissions, in particular the references to exhibits submitted by parties,
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parties shall sequentially number their exhibits throughout the course of the dispute. For example, exhibits submitted by the United States could be numbered USA-1, USA-2, etc. If the last exhibit in connection with the first submission was numbered USA-5, the first exhibit of the next submission thus would be numbered USA-6. 16. Following issuance of the interim report, the parties shall have one week to submit written requests to review precise aspects of the interim report – unless the Panel decides otherwise at the second substantive meeting of the parties and/or to request a further meeting with the Panel. The right to request such a meeting must be exercised no later than at that time. Following receipt of any written requests for review, if no further meeting with the Panel is requested, the parties shall have the opportunity, within 2 weeks, to submit written comments on the other party’s written requests for review. Such comments shall be strictly limited to responding to the other party’s or parties’ written request for review. 17. The following procedures regarding service of documents shall apply: a. Each party shall serve its submissions directly on the other party. Each party shall, in addition, serve its first written submission on third parties. Each third party shall serve its submissions on the parties and other third parties. Parties and third parties shall confirm, at the time a submission is provided to the Panel, that copies habe been served as required. b. The parties and the third parties shall provide their written submissions to the Dispute Settlement Registrar by 5:30 p. m. on the deadlines established by the Panel and by 5:00 p. m. if the deadline falls on a Friday. If, due to exceptional circumstances, it is not possible for submissions to be provided to the Registrar by the times stipulated, parties should agree otherwise with the Secretary to the Panel, Ms Dariel De Sousa. The parties and the third parties shall provide the Panel with 10 paper copies of their written submissions. All these copies must be filed with the Dispute Settlement Registrar, Mr. Ferdinand Ferranco (Office 3154). c. Ten copies of all submissions (oral and written), exhibits and other documents relating to this dispute must be submitted to the Panel through the WTO Secretariat when the original documents are filed with the Secretariat. d. At the time they provide paper copies of their submissions, the parties and third parties shall also provide the Panel with an electronic copy of the submissions on a diskette or as an e-mail attachment, in a format compatible with the Secretariat’s software (e-mail to the Dispute Settlement Registrar . . ., with a copy to the Secretary to the Panel, . . .).
Entscheidungsregister Das Register enthält die in der Arbeit zitierten Entscheidungen der WTO-Streitbeilegungsorgane. Sie sind geordnet nach den Kurzbezeichnungen, wie sie u. a. im WTO Analytical Index – Guide to WTO Law and Practice, 2. Aufl. 2007, Cambridge, hrsg. vom Sekretariat der Welthandelsorganisation, verwendet werden. Argentina – Footwear (EC)
Argentina – Safeguard Measures on Imports of Footwear, Panel Report WT/DS121/R, angenommen am 12.01. 2000, geändert durch Appellate Body Report WT/ DS121/AB/R
Argentina – Preserved Peaches
Argentina – Definitive Safeguard Measures on Imports of Preserved Peaches, Panel Report WT/DS238/R, angenommen am 14.02.2003
Argentina – Textiles and Argentina – Measures Affecting Imports of Footwear, Apparel Textiles, Apparel and Other Items, Panel Report WT/ DS56/R, angenommen am 22.04.1998, geändert durch Appellate Body Report WT/DS56/AB/R Australia – Automotive Leather II
Australia – Subsidies Provided to Producers and Exporters of Automotive Leather, Panel Report WT/DS126/R, angenommen am 16.06.1999
Australia – Automotive Leather II (Art. 21.5 – US)
Australia – Subsidies Provided to Producers and Exporters of Automotive Leather – Recourse to Article 21.5 of the DSU by the United States, Panel Report WT/ DS126/RW, angenommen am 01.02.2000
Australia – Salmon
Australia – Measures Affecting Importation of Salmon, Panel Report WT/DS18/R, angenommen am 06.11.1998, geändert durch Appellate Body Report WT/DS18/AB/R
Brazil – Aircraft
Brazil – Export Financing Programme for Aircraft, Panel Report WT/DS46/R, angenommen am 20.08.1999, geändert durch Appellate Body Report WT/DS46/AB/R
Brazil – Aircraft (Art. 21.5 – Canada)
Brazil – Export Financing Programme for Aircraft – Recourse by Canada to Article 21.5 of the DSU, Panel Report WT/DS46/RW, angenommen am 04.08.2000, geändert durch Appellate Body Report WT/DS46/AB/RW
Brazil – Desiccated Coconut
Brazil – Measures Affecting Desiccated Coconut, Panel Report, WT/DS22/R, angenommen am 20.03.1997, bestätigt durch Appellate Body Report WT/DS22/AB/R
Canada – Aircraft
Canada – Measures Affecting the Export of Civilian Aircraft, Panel Report WT/DS70/R, angenommen am
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Entscheidungsregister 20.08.1999, bestätigt durch Appellate Body Report WT/ DS70/AB/R
Canada – Autos
Canada – Certain Measures Affecting the Automotive Industry, Panel Report WT/DS139/R, WT/DS142/R, angenommen am 19.06.2000, geändert durch Appellate Body Report WT/DS139/AB/R, WT/DS142/AB/R
Canada – Dairy
Canada – Measures Affecting the Importation of Milk and the Exportation of Dairy Products, Panel Report WT/DS103/R, WT/DS113/R, angenommen am 27.10. 1999, geändert durch Appellate Body Report WT/ DS103/AB/R, WT/DS113/AB/R
Canada – Periodicals
Canada – Certain Measures Concerning Periodicals, Panel Report WT/DS31/R, angenommen am 30.07.1997, geändert durch Appellate Body Report WT/DS31/AB/R
Chile – Alcoholic Beverages
Chile – Taxes on Alcoholic Beverages, Panel Report WT/DS87/R, WT/DS110/R, angenommen am 12.01. 2000, geändert durch Appellate Body Report WT/ DS87/AB/R, WT/DS110/AB/R
EC – Asbestos
European Communities – Measures Affecting Asbestos and Asbestos-Containing Products, Panel Report WT/ DS135/R, angenommen am 05.04.2001, geändert durch Appellate Body Report WT/DS135/AB/R
EC – Bananas III
European Communities – Regime for the Importation, Sale and Distribution of Bananas, Panel Report WT/ DS27/R, angenommen am 25.09.1997, geändert durch Appellate Body Report WT/DS27/AB/R
EC – Bed Linen
European Communities – Anti-Dumping Duties on Imports of Cotton-Type Bed Linen from India, Panel Report WT/DS141/R, angenommen am 12.03.2001, geändert durch Appellate Body Report WT/DS141/AB/R
EC – Computer Equipment
European Communities – Customs Classification of Certain Computer Equipment, Panel Report WT/DS62/R, WT/DS67/R, WT/DS68/R, angenommen am 22.06.1998, geändert durch Appellate Body Report WT/DS62/AB/R, WT/DS67/AB/R, WT/DS68/AB/R
EC – Hormones (Canada)
EC – Measures Concerning Meat and Meat Products (Hormones) – Complaint by Canada, Panel Report WT/ DS48/R, angenommen am 13.02.1998, geändert durch Appellate Body Report WT/DS26/AB/R, WT/DS48/ AB/R
EC – Hormones (US)
EC – Measures Concerning Meat and Meat Products (Hormones) – Complaint by the United States, Panel Report WT/DS26/R, angenommen am 13.02.1998, geändert durch Appellate Body Report WT/DS26/AB/R, WT/ DS48/AB/R
Entscheidungsregister
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EC – Poultry
European Communities – Measures Affecting the Importation of Certain Poultry Products, Panel Report WT/ DS69/R, angenommen am 23.07.1998, geändert durch Appellate Body Report WT/DS69/AB/R
EC – Sardines
EC – Trade Description of Sardines, Panel Report WT/ DS231/R, angenommen am 10.06.2002, geändert durch Appellate Body Report WT/DS231/AB/R
Guatemala – Cement I
Guatemala – Anti Dumping Investigation Regarding Portland Cement from Mexico, Panel Report WT/ DS60/R, angenommen am 25.11.1999, geändert durch Appellate Body Report WT/DS60/AB/R
India – Patents (US)
India – Patent Protection for Pharmaceutical and Agricultural Chemical Products – Complaint by the United States, Panel Report WT/DS50/R, angenommen am 16.01.1998, geändert durch Appellate Body Report WT/ DS50/AB/R
India – Quantitative Restrictions
India – Quantitative Restrictions on Imports of Agricultural, Textile and Industrial Products, Panel Report WT/ DS90/R, angenommen am 22.09.1999, geändert durch Appellate Body Report WT/DS90/AB/R
Indonesia – Autos
Indonesia – Certain Measures Affecting the Automobile Industry, Panel Report WT/DS54/R, WT/DS55/R, WT/ DS59/R, WT/DS64, angenommen am 23.07.1998
Japan – Agricultural Products II
Japan – Measures Affecting Agricultural Products, Panel Report WT/DS76/R, angenommen am 19.03.1999, geändert durch Appellate Body Report WT/DS76/AB/R
Japan – Alcoholic Beverages II
Japan – Taxes on Alcoholic Beverages, Panel Report WT/DS8/R, WT/DS10/R, WT/DS11/R, angenommen am 01.11.1996, geändert durch Appellate Body Report WT/DS8/AB/R, WT/DS10/AB/R, WT/DS11/AB/R
Japan – Film
Japan – Measures Affecting Consumer Photographic Film and Paper, Panel Report WT/DS44/R, angenommen am 22.04.1998
Korea – Alcoholic Beverages
Korea – Taxes on Alcoholic Beverages, Panel Report WT/DS75/R, WT/DS84/R, angenommen am 17.02.1999, in der durch den Appellate Body geänderten Fassung WT/DS75/AB/R, WT/DS84/AB/R
Korea – Dairy
Korea – Definitive Safeguard Measure on Imports of Certain Dairy Products, Panel Report WT/DS98/R, angenommen am 12.01.2000, geändert durch Appellate Body Report WT/DS98/AB/R
Thailand – H-Beams
Thailand – Anti-Dumping Duties on Angles, Shapes and Sections of Iron or Non-Alloy Steel and H-Beams from Poland, Panel Report WT/DS122/R, angenommen am
174
Entscheidungsregister 05.04.2001, geändert durch Appellate Body Report WT/ DS122/AB/R
Turkey – Textiles
Turkey – Restricitons on Imports of Textile and Clothing Products, Panel Report WT/DS34/R, angenommen am 19.11.1999, geändert durch Appellate Body Report WT/ DS34/AB/R
US – 1916 Act (EC)
United States – Anti-Dumping Act of 1916 – Complaint by the European Communities, Panel Report WT/ DS136/R, angenommen am 26.09.2000, bestätigt durch Appellate Body Report WT/DS136/AB/R, WT/ DS162/AB/R
US – 1916 Act (Japan)
United States – Anti-Dumping Act of 1916 – Complaint by Japan, Panel Report WT/DS162/R, angenommen am 26.09.2000, bestätigt durch Appellate Body Report WT/ DS136/AB/R, WT/DS162/AB/R
US – Certain EC Products
United States – Import Measures on Certain Products from the European Communities, Panel Report WT/ DS165/R, angenommen am 10.01.2001, geändert durch Appellate Body Report WT/DS165/AB/R
US – FSC
United States – Tax Treatment for „Foreign Sales Corporations“, Panel Report WT/DS108/R, angenommen am 20.03.2000, geändert durch Appellate Body Report WT/ DS108/AB/R
US – Gasoline
United States – Standards for Reformulated and Conventional Gasoline, Panel Report WT/DS2/R, angenommen am 20.05.1996, geändert durch Appellate Body Report WT/DS2/AB/R
US – Lamb
United States – Safeguard Measures on Imports of Fresh, Chilled or Frozen Lamb Meat from New Zealand and Australia, Panel Report WT/DS177/R, WT/DS178/R, angenommen am 16.05.2001, geändert durch Appellate Body Report WT/DS177/AB/R, WT/DS178/AB/R
US – Lead and Bismuth II
United States – Imposition of Countervailing Duties on Certain Hot-Rolled Lead and Bismuth Carbon Steel Products Originating in the United Kingdom, Panel Report WT/DS138/R, angenommen am 07.06.2000, bestätigt durch Appellate Body Report WT/DS138/AB/R
US – Section 301 Trade Act
United States – Sections 301–310 of the Trade Act of 1974, Panel Report WT/DS152/R, angenommen am 27.01.2000
US – Shrimp
United States – Import Prohibition of Certain Shrimp and Shrimp Products, Panel Report WT/DS58/R, angenommen am 06.11.1998, geändert durch Appellate Body Report WT/DS58/AB/R
Entscheidungsregister
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US – Shrimp (Art. 21.5 – Malaysia)
United States – Import Prohibition of Certain Shrimp and Shrimp Products – Recourse to Article 21.5 of the DSU by Malaysia, Panel Report WT/DS58/RW, angenommen am 21.11.2001, geändert durch Appellate Body Report WT/DS58/AB/RW
US – Steel Safeguards
United States – Definitive Safeguard Measures on Imports of Certain Steel Products, Panel Report WT/ DS248/R, WT/DS249/R, WT/DS251/R, WT/DS252/R, WT/DS253/R, WT/DS254/R, WT/DS258/R, WT/ DS259/R, angenommen am 11.07.2003
US – Underwear
United States – Restrictions on Imports of Cotton and Man-made Fibre Underwear, Panel Report WT/DS24/R, angenommen am 25.02.1997, geändert durch Appellate Body Report WT/DS24/AB/R
US – Wheat Gluten
United States – Definitive Safeguard Measures on Imports of Wheat Gluten from the European Communities, Panel Report WT/DS166/R, angenommen am 19.01. 2001, geändert durch Appellate Body Report WT/ DS166/AB/R
US – Wool Shirts and Blouses
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Sachregister Abschlussbericht 75 Allgemeine Rechtsgrundsätze 20, 38, 64 f., 149 Amicus curiae Eingaben von NGOs 24, 96, 120 f., 166 Amtliche Auskunft 53, 128 f. Anscheinsbeweis 143, 146 f. Anspruch auf Kenntnis des Verfahrensgegenstandes 65 Anspruch auf rechtliches Gehör 65 Antrag auf Einsetzung eines Panels 47, 69 f., 80, 83, 99 Anwendungspraxis 19, 24, 113, 127 Appellate Body (Ständiges Berufungsgremium) 12, 14, 151 f. Arbeitsverfahren 22, 29 f., 70 f., 93, 130 f., 168 f. Audi alteram partem 65 Aufklärungspflicht 90 f. Augenschein 113 Ausforschungsbeweis 129
Beweiserhebung 107 f. Beweiserhebungsverbot 129 Beweisführung 75 f. Beweislast 20, 24, 38, 88 f., 148 f. Beweismaß 141 f., 151 Beweismittel 112 f. Beweisverbote 129 f. Beweisverwertungsverbot 129 Beweiswürdigung 133 f. Burden of proof 148 f.
Begründung der Tatsachenfeststellungen 139 f. Beibringungsgrundsatz 48 f., 52, 61 f., 75 f. Berichtsentwurf 74 f. Berufung 14, 151 f. Beschleunigungsgrundsatz 60, 62 f., 81, 99, 107, 111, 127, 132, 163 Beschwerdeführer (mehrere) 94 f. Beweis, mittelbarer und unmittelbarer 38, 112 Beweisantrag 90 Beweisantritt 53, 88 f. Beweisaufnahme 110 f. Beweisbedürftigkeit 111
EMRK 65 Entscheidungen 13, 38 f. Erheblichkeit des Beweisthemas 112 Ermessen/Flexibilität des Panels 29 f., 52, 108 f., 127, 133, 154 f.
Civil law 16, 19 f. Common law 16, 19 f. Darlegungslast 88 f. Discovery 20, 81, 85, 91 Dispositionsgrundsatz 46 f. Dispute Settlement Understanding (DSU) 12 Drittbeteiligung 94 f. Due Process 64 f.
Fragerecht 58 f., 90 Freibeweis 108 f. GATT 12, 15, 22, 33 f., 38 f., 120, 151 GATT-Panels 38 f. Geschäftsgeheimnisse 63, 92 f. Gesetzliche Vermutung 144 Gleichheit der Parteien 65
Sachregister Handelsrunde 23, 166 Handelsstreitigkeiten 13, 15, 26 Indizienbeweis 112 Informationsbeschaffung der Parteien 25, 80 f., 119 Informationspflicht der Parteien 90 f. Iura novit curia 51, 76 Judikative 26, 165 Konsultationen 13, 25, 46, 83 f. Kontradiktorisches Verfahren 51 Kreuzverhör 115, 128 Mandat des Panels 13, 31, 47 f., 69 f., 97 f., 132 Multilaterales Handelssystem 12 Nationale Rechtsvorschriften/ Maßnahmen 75 f., 80 Nationales Zivilverfahrensrecht 16 Nebenintervention 94 f. Negative Schlussfolgerungen 59, 137 f. Negatives Konsensprinzip 14 Nemo iudex in sua causa 65 Panel (Schiedskörper) 12 f., 26 f. Parteiverhandlung 14 Parteivernehmung 127 f. Präklusion 60 f., 130 f. Präzedenzfälle 38 f. Pre trial discovery 20, 81, 85 Prima facie Beweis 143 f. Prima facie Fall 143 f. Private Wirtschaftssubjekte 20 Prozessleitung 48, 51 f. Prozessökonomie 103 f., 157 f. Prüfungskompetenz des Appellate Body 152 f. Prüfungskompetenz des Panels 97 f. Prüfungsmaß 100 f.
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Recht auf Information 18, 52 f., 58 f., 115 f. Rechtsauslegung 14, 17, 26, 152 f. Rechtsetzungskompetenz 21, 26 f., 38 f., 43 f. Rechtsfragen 75 f. Rechtskreise 15, 19, 24 Rechtsmittel 14, 17, 151 f. Rechtsquellen 19, 33 f. Rechtsterminologie 24 Reform 21 f., 45, 93, 127, 151, 166 f. Revision 151 f. Rules of Conduct 66, 93 Sachverhaltsaufklärung von Amts wegen 48 f. Sachverhaltsermittlung 46 f. Sachverhaltsfeststellung 133 f. Sachverständige 113 f. Schriftliche Vorlagen der Parteien 71 f., 88 Schriftliches Vorverfahren 71 f. Sekretariat 25, 44 f., 67, 85, 119, 121 f. Sicherheit und Vorhersehbarkeit im multilateralen Handelssystem 12, 43 f., 127, 151, 166 Sitzungen 72 f. Sonderregeln 18 f., 33 Souveränitätsgedanke 97 f., 137 f. Spruchpraxis 38 f., 43 f. Standardmandat 47 Statut des Internationalen Gerichtshofs 33 Streitbeilegungsgremium 12 f., 23, 46 f., 61, 70, 83 f. Streitbeilegungsorgane 13, 26 f., 28, 38 f. Streitbeilegungssystem 12 f., 24, 26 f. Streitgegenstand 18, 47, 97 f. Strengbeweis 108 Tatsachen 75 f. Tatsachenfeststellung 74 f., 97 f.
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Sachregister
Tatsachen-/Rechtsfragen (Abgrenzung) 152 f., 157 f. Tatsachenprüfung des Panels 97 f. Tatsachenvortrag 75 f. Trade Policy Review Mechanism 82 Untersuchungsgrundsatz 48 f. Urkunden 113 Uruguay-Runde 22 f., 26, 39, 62 Verfahrensgestaltungsmöglichkeiten 29 f. Verfahrensgrundsätze 46 f. Verfahrensregeln 17, 24, 29 f., 33 f. Vergleich 48, 60 Verhandlungsgrundsatz 48 f., 88 f., 107 f. Vertragsinterpretation 19 f., 26 f., 28 f., 34 f. Vertragskonkretisierung 19 f., 26 f., 29 f.
Vertraulichkeit 63 f., 85 f., 92 f. Videokonferenz 110 f. Völkerrecht 16, 20, 33 f., 38, 43, 63, 77, 119 f., 129, 137, 148, 165 Völkerrechtliches Gewohnheitsrecht 20, 33 f., 165 Wahrheits- und Prozessförderungspflicht der Parteien 60 f., 137 f. Welthandelsorganisation 11 f. Wiener Vertragsrechtskonvention 35 f. Wirtschaftsinformationen 63 f., 92 f. Zeitlimits 62 f., 103 f., 130 f. Zeitplan 70 f. Zeugen 127 f. Zivilprozessordnung 25 Zurückverweisungsmöglichkeit des Appellate Body 162 f. Zwischenbericht 74 f.