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German Pages 314 Year 2008
Hamburger Studien zum Europäischen und Internationalen Recht Band 48
Entwicklungsgemeinschaften in der WTO Die internen Rechtsordnungen der regionalen Integrationsgemeinschaften zwischen Entwicklungsländern und ihre Stellung im Recht der Welthandelsorganisation
Von
Sabine Pellens
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
SABINE PELLENS
Entwicklungsgemeinschaften in der WTO
Hamburger Studien zum Europäischen und Internationalen Recht Herausgegeben von Thomas Bruha, Meinhard Hilf, Hans Peter Ipsen †, Rainer Lagoni, Gert Nicolaysen, Stefan Oeter
Band 48
Entwicklungsgemeinschaften in der WTO Die internen Rechtsordnungen der regionalen Integrationsgemeinschaften zwischen Entwicklungsländern und ihre Stellung im Recht der Welthandelsorganisation
Von
Sabine Pellens
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
Der Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Hamburg hat diese Arbeit im Jahre 2007 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten # 2008 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0945-2435 ISBN 978-3-428-12528-9 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Vorwort Diese Arbeit wurde von der Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Hamburg im Wintersemester 2006/2007 als Dissertation angenommen. Zu ihrer Entstehung haben viele beigetragen. Ich danke insbesondere meinem Doktorvater Professor Dr. Meinhard Hilf für die Betreuung der Arbeit und die interessanten und anregenden Jahre, die ich als wissenschaftliche Mitarbeiterin an seinem Lehrstuhl verbringen durfte. Professor Dr. Stefan Oeter danke ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens, dem Verlag und den Herausgebern für die Aufnahme der Arbeit in die Schriftenreihe. Für zahlreiche fachliche Diskussionen und vielfältige Unterstützung bei der Entstehung der Arbeit gilt mein besonderer Dank Hartmut Pellens. Cordula Eubel und Jonas Viering danke ich für ihre sprachlichen und interdisziplinären Anregungen. Gewidmet ist die Arbeit meinen Eltern, Uta und Peter Mengelkoch. So wie sie mich immer großartig unterstützt und gefördert haben, haben sie mir auch unermüdlich geholfen, diese Arbeit fertig zu stellen. Berlin, im Oktober 2007
Sabine Pellens
Inhaltsübersicht Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
27
Erstes Kapitel Ein neuer Begriff mit einer langen Geschichte
29
§ 1 Einführung des Begriffs Entwicklungsgemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
29
§ 2 Geschichte der regionalen Integration zwischen Entwicklungsländern . . . .
39
§ 3 Die ökonomische Bewertung im Wandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
45
§ 4 Zunehmende Bedeutung der Entwicklungsgemeinschaften in der Praxis . .
56
Zweites Kapitel Interne Rechtsordnungen bestehender Entwicklungsgemeinschaften
63
§ 5 Ambivalenz zwischen Panafrikanismus und bewaffneten Konflikten in Afrika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
63
§ 6 Integrationsskepsis in Asien und der Pazifikregion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
98
§ 7 Erfolgsgeschichte der regionalen Integration in Lateinamerika und der Karibik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 § 8 Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Integrationsabkommen als Instrumente zur Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149
Drittes Kapitel Das WTO-Recht als äußerer rechtlicher Rahmen
159
§ 9 Konfliktpotential: Präferenzen versus Meistbegünstigung . . . . . . . . . . . . . . . 159 § 10 Allgemeine WTO-Integrationsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 § 11 Sonderrecht der Entwicklungsländer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 § 12 Streit um die Einordnung der Entwicklungsgemeinschaften . . . . . . . . . . . . . 243
8
Inhaltsübersicht Viertes Kapitel Schlussfolgerungen für Doha und danach
§ 13 Die Doha-Entwicklungsrunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 § 14 Verhandlungsstand zu Absatz 29 der Ministererklärung von Doha . . . . . . . 255 § 15 Behandlung der Entwicklungsgemeinschaften bei unveränderter Vertragslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 § 16 Plädoyer für eine neue WTO-Integrationsordnung zur Förderung von Entwicklungsgemeinschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 Anhang I: IIEntwicklungsländer. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 Anhang II: IEntwicklungsgemeinschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 Anhang III: GATT-/WTO-Notifizierung bestehender Entwicklungsgemeinschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309
Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
27
Erstes Kapitel Ein neuer Begriff mit einer langen Geschichte
29
§ 1 Einführung des Begriffs Entwicklungsgemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Begriff der Integration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Lücke in der Terminologie zur Differenzierung zwischen Integrationsgemeinschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Unterscheidung nach Integrationszielen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Unterscheidung nach den beteiligten Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Unterscheidung nach Regionalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Defizite der bisherigen Unterscheidungen im Zusammenhang mit der Integration zwischen Entwicklungsländern . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Merkmale des hier vorgeschlagenen Begriffs Entwicklungsgemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Integrationsgemeinschaft mit dem Ziel der Entwicklung . . . . . . . . II. . . . zwischen Entwicklungsländern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. . . . derselben geographischen Region . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
29 29
§ 2 Geschichte der regionalen Integration zwischen Entwicklungsländern A. Erste regionale Integrationsbestrebungen als Folge der Entkolonialisierung nach dem Zweiten Weltkrieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die Förderung der Entwicklungsgemeinschaften durch die Wirtschaftskommissionen der Vereinten Nationen und die Idee der collective self-reliance in den 1970er Jahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Neue Welle von Entwicklungsgemeinschaften und die Idee des open regionalism in den 1990er Jahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
39
§ 3 Die ökonomische Bewertung im Wandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Argumente gegen die regionale wirtschaftliche Integration zwischen Entwicklungsländern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Argumente für die regionale wirtschaftliche Integration zwischen Entwicklungsländern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Empfehlungen für die neue Generation von Entwicklungsgemeinschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
30 30 31 31 32 32 33 36 38
39
39 43 45 46 49 52
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Inhaltsverzeichnis
§ 4 Zunehmende Bedeutung der Entwicklungsgemeinschaften in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 Zweites Kapitel Interne Rechtsordnungen bestehender Entwicklungsgemeinschaften § 5 Ambivalenz zwischen Panafrikanismus und bewaffneten Konflikten in Afrika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Ein vertragsfreundlicher Kontinent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Panafrikanismus, Organisation der Afrikanischen Einheit (OAU) und Afrikanische Union (AU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Afrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (AEC) . . . . . . . . . . . . . . 1. Entstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ziele und Instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Institutionelle Struktur und Entscheidungsmechanismen . . . . . 4. Streitbeilegungsmechanismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zahlreiche regionale und sub-regionale Integrationsabkommen . . B. Nordafrika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Union des arabischen Maghreb (UMA/AMU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Große Arabische Freihandelszone (GAFTA) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Sahel- und Saharastaatengemeinschaft (CEN-SAD) . . . . . . . . . . . . . C. Westafrika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rat der Verständigung (EC) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Wirtschaftsgemeinschaft westafrikanischer Staaten (ECOWAS) . . 1. Entstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ziele und Instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Institutionelle Struktur und Entscheidungsmechanismen . . . . . 4. Streitbeilegungsmechanismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Umsetzung und aktuelle Tendenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Mano River Union (MRU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Westafrikanische Wirtschafts- und Währungsunion (UEMOA) . . . D. Zentralafrika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zentralafrikanische Wirtschafts- und Währungsunion (CEMAC) II. Wirtschaftsgemeinschaft der Großen-Seen-Staaten (ECGLC/CEPGL) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Wirtschaftsgemeinschaft Zentralafrikanischer Staaten (ECCAS/CEEAC) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Süd- und Ostafrika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrika (SADC) . . . . . . . 1. Entstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ziele und Instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis 3. Institutionelle Struktur und Entscheidungsmechanismen . . . . . 4. Streitbeilegungsmechanismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Umsetzung und aktuelle Tendenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zollunion des Südlichen Afrika (SACU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Gemeinsamer Markt für das östliche und südliche Afrika (COMESA) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Entstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ziele und Instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Institutionelle Struktur und Entscheidungsmechanismen . . . . . 4. Streitbeilegungsmechanismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Umsetzung und aktuelle Tendenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ostafrikanische Gemeinschaft (EAC) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Entstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ziele und Instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Institutionelle Struktur und Entscheidungsmechanismen . . . . . 4. Streitbeilegungsmechanismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Umsetzung und aktuelle Tendenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Intergouvernementale Entwicklungsbehörde (IGAD) . . . . . . . . . . . VI. Indische-Ozean-Kommission (IOC/COI) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 6 Integrationsskepsis in Asien und der Pazifikregion . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Überblick über Entwicklungsgemeinschaften in Asien und der Pazifikregion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Pazifik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Handelsvereinbarung der Pazifischen Inselstaaten (PICTA) . . . . . II. Melanesische Speerspitzengruppe (MSG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Süd- und Südostasien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vereinigung südostasiatischer Nationen (ASEAN)/ASEANFreihandelszone (AFTA)/ASEAN-Wirtschaftsgemeinschaft . . . . . 1. Entstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ziele und Instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Institutionelle Struktur und Entscheidungsmechanismen . . . . . 4. Streitbeilegungsmechanismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Umsetzung und aktuelle Tendenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Südasiatische Vereinigung für regionale Zusammenarbeit (SAARC)/Südasiatische Freihandelszone (SAFTA) . . . . . . . . . . . . 1. Entstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ziele und Instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Institutionelle Struktur und Entscheidungsmechanismen . . . . . 4. Streitbeilegungsmechanismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Umsetzung und aktuelle Tendenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Asien-Pazifik-Handelsabkommen (APTA) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11 88 89 89 90 91 91 92 93 93 94 94 94 95 95 96 96 96 97 98 98 98 100 100 101 101 101 102 105 106 107 109 109 109 111 112 112 112
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Inhaltsverzeichnis D. West- und Zentralasien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 II. Golfkooperationsrat (GCC) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114
§ 7 Erfolgsgeschichte der regionalen Integration in Lateinamerika und der Karibik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Überblick über Entwicklungsgemeinschaften in Lateinamerika und der Karibik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Lateinamerika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Lateinamerikanische Integrationsassoziation (ALADI) . . . . . . . . . 1. Entstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ziele und Instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Institutionelle Struktur und Entscheidungsmechanismen . . . . 4. Streitbeilegungsmechanismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Umsetzung und aktuelle Tendenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Andengemeinschaft (CAN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Entstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ziele und Instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Institutionelle Struktur und Entscheidungsmechanismen . . . . 4. Streitbeilegungsmechanismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Umsetzung und aktuelle Tendenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Gemeinsamer Markt des Südens (MERCOSUR) . . . . . . . . . . . . . . . 1. Entstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ziele und Instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Institutionelle Struktur und Entscheidungsmechanismen . . . . 4. Streitbeilegungsmechanismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Umsetzung und aktuelle Tendenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zentralamerikanischer Gemeinsamer Markt (MCCA)/Zentralamerikanisches Integrationssystem (SICA) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Entstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ziele und Instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Institutionelle Struktur und Entscheidungsmechanismen . . . . 4. Streitbeilegungsmechanismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Umsetzung und aktuelle Tendenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Karibik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Karibischer Gemeinsamer Markt (CARICOM) . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Entstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ziele und Instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Institutionelle Struktur und Entscheidungsmechanismen . . . . 4. Streitbeilegungsmechanismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Umsetzung und aktuelle Tendenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Organisation Ostkaribischer Staaten (OECS) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Entstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
116 116 119 120 120 120 121 121 122 122 122 124 124 126 127 129 129 129 130 133 134 136 136 137 138 139 140 141 141 141 142 143 144 145 146 146
Inhaltsverzeichnis 2. 3. 4. 5.
Ziele und Instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Institutionelle Struktur und Entscheidungsmechanismen . . . . . Streitbeilegungsmechanismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Umsetzung und aktuelle Tendenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
§ 8 Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Integrationsabkommen als Instrumente zur Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Interne Integration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Außenhandel und Außenbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Verteilung der Gewinne und Verluste der Integration . . . . . . . . . . . . . . . . D. Vorkehrungen der Integrationsabkommen zur Sicherung ihrer Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
13 147 147 148 148 149 149 152 154 156
Drittes Kapitel Das WTO-Recht als äußerer rechtlicher Rahmen
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§ 9 Konfliktpotential: Präferenzen versus Meistbegünstigung . . . . . . . . . . . . A. Das Prinzip der allgemeinen Meistbegünstigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Warenhandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Handel mit Dienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Handelsbezogene Rechte zum Schutz des geistigen Eigentums . . B. Zollzugeständnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Weiteres materielles WTO-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Streitbeilegungsmechanismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Ausnahmevorschriften zur Konfliktlösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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§ 10 Allgemeine WTO-Integrationsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Artikel XXIV GATT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Verhandlungsgeschichte des Artikels XXIV GATT . . . . . . . . . . . . . II. Ziel der Ausnahme des Artikels XXIV GATT . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zulässige Integrationsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Freihandelszone . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zollunion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Übergangsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Keine weiteren Integrationsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Voraussetzungen für die Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Erfassung annähernd des gesamten Handels . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Keine höhere Belastung von dritten WTO-Mitgliedstaaten als vor der Gründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zeitplan für Interimsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Materielle persönliche Anforderungen an die Integrationsgemeinschaften? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis V. Notifizierungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Rechtsfolgen bei Erfüllung/Nichterfüllung der Voraussetzungen VII. Die Praxis der GATT-Arbeitsgruppen und des Regionalausschusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Entscheidungen im Streitbeilegungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Justitiabilität des Artikels XXIV GATT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Umgehung einer Entscheidung über die Kompatibilität mit Artikel XXIV GATT in dem Streit „European Communities – Regime for the Importation, Sale and Distribution of Bananas“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. „Turkey – Restriction on imports of textile and clothing products“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Justitiabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Chapeau des Artikels XXIV Absatz 5 GATT . . . . . . . . . . . d) Artikel XXIV Absatz 8 a) i) und ii) GATT . . . . . . . . . . . . . e) Artikel XXIV Absatz 5 a) GATT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Auslegung im Lichte des Artikels XXIV Absatz 4 GATT g) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. „Canada – Certain Measures Affecting the Automotive Industry“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Weitere GATT-Vorschriften, die die regionale Integration betreffen . . C. Artikel V und Vbis GATS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
§ 11 Sonderrecht der Entwicklungsländer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Historische Hintergründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Geschichte der Entwicklungsländer im Welthandel . . . . . . . . . . . . II. Rolle der Entwicklungsländer in der WTO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Spezielle Vorschriften für Entwicklungsländer im GATT . . . . . . . . . . . . I. Artikel XVIII GATT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Teil IV des GATT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ermächtigungsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsnatur der Ermächtigungsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Streitbeilegungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) „United States Customs User Fee“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) „United States – Denial of Most-Favoured-Nation Treatment as to Non-Rubber Footwear from Brazil“ . . . . . . . . . c) „EC – Tariff Preferences“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Insbesondere: Absatz 2 c) Ermächtigungsklausel . . . . . . . . . . . . . . 1. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Umfang der Ausnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
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3. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) „Vereinbarungen, die weniger entwickelte Vertragsparteien schließen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) „Zum [. . .] Abbau oder zur [. . .] Beseitigung von Zöllen“ c) „Zur [. . .] Beseitigung nichttariflicher Maßnahmen“? . . . . . d) Erleichterung und Förderung des Handels der Entwicklungsländer – Keine Hemmnisse oder ungebührlichen Schwierigkeiten für den Handel aller Vertragsparteien des GATT 1994 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Kein Hindernis für die Verringerung oder Beseitigung von Zöllen und sonstigen Handelsbeschränkungen auf Meistbegünstigungsbasis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Graduierung gemäß Absatz 7 Satz 2 Ermächtigungsklausel 4. Notifizierungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Spezielle Vorschriften für Entwicklungsländer im übrigen WTO-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. WTO-Übereinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Dienstleistungshandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Handelsbezogene Rechte des geistigen Eigentums . . . . . . . . . . . . . IV. Handelsbezogene Investitionsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Streitbeilegungsmechanismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Abkommen über Ursprungsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Entwicklung als Prinzip der WTO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Ableitung eines allgemeinen WTO-internen Prinzips der Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Entwicklungsvölkerrechtliche Grundsätze als externe Prinzipien 1. Entwicklungsvölkerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Recht auf Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Materielle Staatengleichheit, Affirmative Action . . . . . . . . . . . 4. Staatenverantwortlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Solidaritätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Das Selbstbestimmungsrecht der Völker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Prinzipien-orientiertes Verständnis des WTO-Rechts . . . . . . . . . . .
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§ 12 Streit um die Einordnung der Entwicklungsgemeinschaften . . . . . . . . . A. Unterschiedliche Notifizierungspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Umstrittenes Verhältnis Artikel XXIV GATT – Absatz 2 c) Ermächtigungsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Umstrittenes Verhältnis Artikel XXIV GATT – Teil IV GATT . . . . . . . D. Waiver: Ein schlechter Kompromiss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Keine Erfahrung mit Artikel V Absatz 3 GATS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis Viertes Kapitel Schlussfolgerungen für Doha und danach
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§ 13 Die Doha-Entwicklungsrunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 § 14 Verhandlungsstand zu Absatz 29 der Ministererklärung von Doha . . 255 A. Entscheidungsentwurf zu den Verfahren: Transparency Mechanism for Regional Trade Agreements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 B. Diskussionen über die Regeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 § 15 Behandlung der Entwicklungsgemeinschaften bei unveränderter Vertragslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Keine Klärung des Verhältnisses von Artikel XXIV GATT und Absatz 2 c) Ermächtigungsklausel anhand allgemeiner Auslegungs- und Konfliktregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Lösung im Wege der praktischen Konkordanz der Prinzipien der Nichtdiskriminierung und der Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Konkretisierung der Optimierungsgebote mit Hilfe von Empfehlungen und Studien internationaler Organisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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§ 16 Plädoyer für eine neue WTO-Integrationsordnung zur Förderung von Entwicklungsgemeinschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 Anhang I: IIEntwicklungsländer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 Anhang II: IEntwicklungsgemeinschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 Anhang III: GATT-/WTO-Notifizierung bestehender Entwicklungsgemeinschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309
Tabellen- und Abbildungsverzeichnis Tabelle 1: Entwicklung des Anteils von Exporten aus Entwicklungsländern nach Zielländern: Die Bedeutung des Süd-Süd-Handels in Exporten der Entwicklungsländer (1980–2002, in %) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Tabelle 2: Entwicklung des Anteils von Süd-Süd-Exporten an den WeltExporten: Bedeutung des Süd-Süd-Handels in Exporten der Welt insgesamt (1980–2002, in Mio. US-$ und %) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Tabelle 3: Umfang des Süd-Süd-Handels (hier einschließlich Mittel- und Osteuropa einschließlich Russlands): Durchschnitt der Jahre 2000–2002 (in Mrd. US-$ und %) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Tabelle 4: Anteile der einzelnen Regionen am Süd-Süd-Handel (hier einschließlich Mittel- und Osteuropa einschließlich Russlands): Durchschnitt der Jahre 2000–2002 (in % des gesamten Süd-SüdHandels) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Tabelle 5: Anteile des Süd-Süd-Handels am gesamten Handel der einzelnen Regionen (hier einschließlich Mittel- und Osteuropa einschließlich Russlands): Durchschnitt der Jahre 2000–2002 (in %) . . . . . . . . . . . .
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Tabelle 6: Entwicklung der Exporte innerhalb ausgewählter Entwicklungsgemeinschaften (1990–2003, in Mio. US-$) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Tabelle 7: Entwicklung der Anteile der Exporte innerhalb ausgewählter Entwicklungsgemeinschaften an den Gesamtexporten der jeweiligen Entwicklungsgemeinschaft (1990–2003, in %) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Tabelle 8: Wertentwicklung der innergemeinschaftlichen und der Gesamtexporte ausgewählter Entwicklungsgemeinschaften (1990 = 100) . .
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Abbildung 1: Entwicklungsgemeinschaften in Afrika: „The African Galaxy“ . .
73
Abbildung 2: Integration in der Region Asien und Pazifik: „The noodle bowl“
99
Abbildung 3: Handelsabkommen in Amerika: „The Spaghetti Bowl: Trade Agreements Signed and Under Negotiation in the Americas“ . . . 118
Abkürzungsverzeichnis ABl. Abs. ACFTA ACS ADB AEC AFAS AFDI AFTA AIA AICO AKP AL ALADI ALALC ANZCERTA APTA ASA ASEAN ATC AU BCEAO BCIE BDEAC
Amtsblatt Absatz ASEAN-China Free Trade Area (ASEAN-CHINA-Freihandelszone) Association for Caribbean States (Vereinigung Karibischer Staaten) African Development Bank (Afrikanische Entwicklungsbank) African Economic Community (Afrikanische Wirtschaftsgemeinschaft) ASEAN Framework Agreement on Services (ASEAN-Rahmenübereinkommen über Dienstleistungen) Annuaire Français de Droit International ASEAN Free Trade Area (ASEAN-Freihandelszone) ASEAN Investment Area (ASEAN-Investitionsraum) ASEAN Industrial Cooperation Scheme (ASEAN-Programm zur industriellen Zusammenarbeit) Afrikanische, karibische und pazifische Staaten Arabische Liga Asociación Latinoamericana de Integración (Lateinamerikanische Integrationsassoziation) Asociación Latinoamericana de Libre Comercio (Lateinamerikanische Freihandelsassoziation) Australia New Zealand Closer Economic Relations Trade Agreement (Handelsvereinbarung zwischen Australien und Neuseeland) Asia-Pacific Trade Agreement (Asien-Pazifik-Handelsabkommen) Association of South-East Asia (Vereinigung von Südostasien) Association of South-East Asian Nations (Vereinigung der südostasiatischen Nationen) Agreement on Textiles and Clothing (Textil- und Bekleidungsabkommen der WTO) African Union (Afrikanische Union) Banque Centrale des États de l’Afrique de l’Ouest (Zentralbank der Westafrikanischen Staaten) Banco Centroamericano de Integración Económica (Zentralamerikanische Bank der Wirtschaftlichen Integration) Institution de Financement du Développement (Entwicklungsfinanzinstitution Zentralafrikas)
Abkürzungsverzeichnis BDEGL
BEAC BISD Buchst. CAEU CAN CARICOM CARIFTA CBI CCJ CDB CEAO CEMAC CEN-SAD CEPAL CEPT-AFTA Agreement
CEWARN CIDA CILSS COBAC COE COMESA CRTA CSME
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Banque de Développement des États des Grands Lacs, Development Bank of the Great Lakes States (Entwicklungsbank der Großen-Seen-Staaten) Banque des États de l’Afrique Centrale (Bank der Zentralafrikanischen Staaten) Basic Instruments and Selected Documents Buchstabe Council of Arab Economic Unity (Rat der Arabischen Wirtschaftsunion) Comunidad Andina (Andengemeinschaft) Caribbean Common Market (Karibischer Gemeinsamer Markt) Caribbean Free Trade Association (Karibische Freihandelsassoziation) Cross Border Inititative (Grenzüberschreitende Initiative) Caribbean Court of Justice (Karibischer Gerichtshof) Caribbean Development Bank (Karibische Entwicklungsbank) Communauté économique de l’Afrique de l’Ouest (Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft) Communauté Économique et Monétaire de l’Afrique Centrale (Zentralafrikanische Wirtschafts- und Währungsgemeinschaft) Communauté des États Sahelo-Sahariens, Economic Community of Sahelo-Saharian States (Sahel- und Saharastaatengemeinschaft) Comisión Económica para América Latina y el Caribe (Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Lateinamerika) Agreement on the Common Effective Preferential Tariff (CEPT) Scheme for the ASEAN Free Trade Area (Vereinbarung über ein System des gemeinsamen effektiven Präferenzzolls für die ASEAN-Freihandelszone) Conflict Early Warning and Early Response Mechanism (Konfliktfrühwarnmechanismus der IGAD) Canada International Development Agency Comité Inter-États de Lutte Contre la Sécheresse dans le Sahel, Permanent Interstate Committee for Drought Control Commission Bancaire de l’Afrique Centrale (Bankkommission Zentralafrikas) Committee of Expert (Expertenausschuss aus hochrangigen Wirtschaftsbeamten der SAFTA) Common Market for Eastern and Southern Africa (Gemeinsamer Markt für das östliche und südliche Afrika) Committee on Regional Trade Agreements (Ausschuss des Allgemeinen Rats für regionale Handelsabkommen, Regionalausschuss) CARICOM Single Market and Economy (Einheitlicher Markt und einheitliche Wirtschaft der CARICOM)
20 CTCA
Abkürzungsverzeichnis
Commission for Technical Cooperation in Africa South of the Sahara (Kommission für technische Zusammenarbeit in Afrika südlich der Sahara) DDA Doha Development Agenda (Entwicklungsrunde von Doha) ders. derselbe dies. dieselben DR-CAFTA MCCA-Freihandelsabkommen mit der Dominikanischen Republik und den USA DSU Dispute Settlement Understanding (Vereinbarung über Regeln und Verfahren zur Beilegung von Streitigkeiten) EAC East African Community (Ostafrikanische Gemeinschaft) EAFTA East Asia Free Trade Area (Ostasiatische Freihandelszone) ebd. ebenda EC Entente Council/Conseil de l’Entente (Rat der Verständigung) ECA Economic Commission for Africa (Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Afrika) ECCAS/CEEAC Economic Community of Central African States/Communauté Économique des États d’Afrique Centrale (Wirtschaftsgemeinschaft der Zentralafrikanischen Staaten) ECCM East Caribbean Common Market (Ostkaribischer Gemeinsamer Markt) ECDC Economic Cooperation among Developing Countries (Wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Entwicklungsländern) EC-Fund Mutual Aid and Loan Guaranty Fund of the Entente Council (Hilfs- und Garantiefonds des EC) ECGLC/CEPGL Economic Community of the Great Lakes Countries/Communauté Économique des Pays des Grands Lacs (Wirtschaftsgemeinschaft der Großen-Seen-Staaten) ECO Economic Cooperation Organization (Organisation wirtschaftlicher Zusammenarbeit) ECOMOG ECOWAS Military Observer Group (Militärische Beobachtergruppe der ECOWAS) ECOSOC Economic and Social Commission (Wirtschafts- und Sozialkommission der AEC) ECOTA Economic Cooperation Organization Trade Agreement (Präferenzhandelsabkommen der ECO) ECOWAS Economic Community of West African States (Wirtschaftsgemeinschaft westafrikanischer Staaten) ECSC Eastern Caribbean Supreme Court (Oberster Gerichtshof der OECS-Mitgliedstaaten) EFTA European Free Trade Association (Europäische Freihandelsvereinigung) EG Europäische Gemeinschaft EGKS Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl
Abkürzungsverzeichnis et al. EU EuGRZ Euratom EWG f./ff. FAZ Fn. FS FTAA/ALCA FTD G-3 GAFTA GATS GATT GATT-Dok. GCC GRBDO GS GSP GSTP
GYIL Hrsg. ICLQ IGAD IGADD IGEG IGH ILM IMF insb. IOC/COI IPbürgR
21
und andere Europäische Union Europäische Grundrechte-Zeitschrift Europäische Atomgemeinschaft Europäische Wirtschaftsgemeinschaft folgende Frankfurter Allgemeine Zeitung Fußnote Festschrift Free Trade Area of the Americas/Área de Libre Comercio de las Américas (Freihandelszone der Amerikas) Financial Times Deutschland Group of Three (Gruppe der Drei) Greater Arab Free Trade Area (Große Arabische Freihandelszone) General Agreement on Trade in Services (Allgemeines Übereinkommen über den Handel mit Dienstleistungen) General Agreement on Tariffs and Trade (Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen) Dokument, das in einer offiziellen Reihe des GATT-Sekretariats veröffentlicht ist Gulf Cooperation Council (Golfkooperationsrat) Gambia River Basin Organization (Gambia-Flussbettorganisation) Gedenkschrift Generalized System of Preferences (Allgemeines Präferenzsystem) Global System for Trade Preferences among Developing Countries (Globales Zollpräferenzsystem zwischen Entwicklungsländern) German Yearbook of International Law Herausgeber International and Comparative Law Quaterly Inter-Gouvernmental Authority on Development (Zwischenstaatliche Entwicklungsbehörde) Inter-Governmental Authority on Drought and Development (Zwischenstaatliche Dürre- und Entwicklungsbehörde) Inter-Governmental Expert Group (Expertengruppe zur Handelsliberalisierung der SAARC) Internationaler Gerichtshof International Legal Materials International Monetary Fund (Internationaler Währungsfonds) insbesondere Indian Ocean Commission/Commission de l’Océan Indien (Kommission des Indischen Ozeans) Internationaler Pakt über Bürgerliche und Politische Rechte
22 IPwirtR ITC J. Comm. Mkt. Studies JIEL JIR JWT JWTL LIEI MCCA MERCOSUR MFN MRU MSG m. w. N. NAFTA NBA NGR OAS OAU ODECA OECD OECS OPEC ORRC PACER PAFMECA PICTA
Abkürzungsverzeichnis Internationaler Pakt über Wirtschaftliche, Soziale und Kulturelle Rechte International Trade Center (Internationales Handelszentrum) Journal of Common Market Studies Journal of International Economic Law Jahrbuch für Internationales Recht Journal of World Trade Journal of World Trade Law Legal Issues of Economic Integration Mercado Comffln Centroamericano (Zentralamerikanischer Gemeinsamer Markt) Mercado Commffln del Sur (Gemeinsamer Markt des Südens) General Most-Favoured-Nation Treatment (Allgemeine Meistbegünstigung) Mano River Union Melanesian Spearhead Group (Melanesische Speerspitzengruppe) mit weiteren Nachweisen North American Free Trade Association (Nordamerikanische Freihandelsvereinigung) Niger Basin Authority (Niger-Flussbettbehörde) Negotiating Group on Rules (Verhandlungsgruppe zu den WTO-Regeln) Organization of American States (Organisation der Amerikanischen Staaten) Organization of African Unity (Organisation der Afrikanischen Einheit) Organización de Estados Centroamericanos (Organisation zentralamerikanischer Staaten) Organisation for Economic Cooperation and Development (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) Organization of Eastern Caribbean States (Organisation ostkaribischer Staaten) Organization of the Petroleum Exporting Countries (Organisation erdölexportierender Länder) other restricting regulations of commerce (andere beschränkende Handelsregeln) Pacific Agreement on Closer Economic Relations (Pazifisches Übereinkommen über engere Wirtschaftsbeziehungen) Pan African Freedom Movement of East and Central Africa (Pan-afrikanische Friedensbewegung in Ost- und Zentralafrika) Pacific Island Countries Trade Agreement (Handelsvereinbarung der Pazifischen Inselstaaten)
Abkürzungsverzeichnis PTA
RabelsZ RdC RIFF RIW Rn. RTA S. SAARC SACU SADC SADCC SAEU SAFTA SAI SAPTA SAT SAYIL SCA SCMCA SDT SELA SICA SIECA SITCA SMC s. o.
23
Preferential Trade Area for Eastern and Southern African States (Präferenzhandelszone für die Staaten des östlichen und südlichen Afrika) Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Recueil des Cours Regional Integration Facilitation Forum (Forum zur Erleichterung der regionalen Integration) Recht der Internationalen Wirtschaft Randnummer Regional Trade Agreements (Regionale Handelsabkommen) Seite South Asian Association for Regional Cooperation (Südasiatische Vereinigung für regionale Zusammenarbeit) Southern African Customs Union (Zollunion des Südlichen Africa) Southern African Development Community (Entwicklungsgemeinschaft des Südlichen Afrika) Southern African Development Coordination Conference (Konferenz des Südlichen Afrika zur Entwicklungszusammenarbeit) South Asian Economic Union (Südasiatische Wirtschafts- und Währungsunion) South Asian Free Trade Area (Südasiatische Freihandelszone) Sistema Andino de Integracion (Andenintegrationssystem) South Asian Preferential Trade Arrangement (Südasiatische Präferenzhandelsvereinbarung) substantially-all-the-trade (annähernd der gesamte Handel) South African Yearbook of International Law Secretaría del Consejo Agropecuario Centroamericano (Sekretariat des Zentralamerikanischen Landwirtschaftsrats) Secretaría del Consejo Monetario Centroamericano (Sekretariat des Zentralamerikanischen Währungsrats) Special and Differential Treatment (spezielle und differenzierte Behandlung von Entwicklungsländern) Latin American Economic System (Lateinamerikanisches Wirtschaftssystem) Sistema de la Integración Centroamericana (Zentralamerikanisches Integrationssystem) la Secretaría de Integración Económica Centroamericana (Sekretariat der zentralamerikanischen wirtschaftlichen Integration) la Secretaría de Integración Turística Centroamericana (Sekretariat der Zentralamerikanischen Tourismusintegration) SAFTA Ministerial Council siehe oben
24 SPARTECA SPS s. u. SZ TRIMs TRIMs-Übereinkommen TRIPS
UDAO UDE UDEAC UDEAO UEA UEAC UEMOA UMA/AMU UMAC UN UNCATD I UNCTAD UNCTAD-Dok. UNDP UNESCAP
UNESCO
UN GA Res.
Abkürzungsverzeichnis South Pacific Regional Trade and Economic Cooperation Agreement Agreement on the Application of Sanitary and Phytosanitary Measures siehe unten Süddeutsche Zeitung Trade-related Investment Measures (handelsbezogene Investitionsmaßnahmen) Übereinkommen über handelsbezogene Investitionsmaßnahmen Agreement on Trade-related Aspects of Intellectual Property Rights (Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte und Rechte des geistigen Eigentums) Union douanière de l’Afrique de l’Ouest (Westafrikanische Zollunion) Union dounanière équatoriale (Zollunion der Äquatorzone) Union douanière et économique de l’Afrique centrale (Zentralafrikanische Zoll- und Wirtschaftsunion) Union dounanière des États de l’Afrique de l’Ouest (Zollunion Westafrikanischer Staaten) Unified Economic Agreement (Vereinigtes Wirtschaftsabkommen) Union Économique en Afrique Central (Zentralafrikanische Wirtschaftsunion) Union Économique et Monétaire Ouest Africaine (Westafrikanische Wirtschafts- und Währungsunion) Union du Maghreb Arab/Arab Maghreb Union (Union des arabischen Maghreb) Union Monétaire en Afrique Centrale (Zentralafrikanische Währungsunion) United Nations (Vereinte Nationen) Erste Handels- und Entwicklungstagung der Vereinten Nationen United Nations Conference on Trade and Development (Handelsund Entwicklungskonferenz der Vereinten Nationen) Dokument, das in einer offiziellen Reihe der UNCTAD veröffentlicht ist United Nations Development Program (Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen) United Nations Economic and Social Commission for Asia and the Pacific (Wirtschafts- und Sozialkommission der Vereinten Nationen für Asien und den Pazifik) United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization (Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft, Kultur und Kommunikation) Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen
Abkürzungsverzeichnis UNO vgl. Vol. VRÜ WISA WTO WTO-Dok. WTO-DSB WTO-Übereinkommen WVK Y. U. N. ZaöRV ZEuS ZvglRWiss
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United Nations Organisation (Organisation der Vereinten Nationen) vergleiche Volume Verfassung und Recht in Übersee West Indies Associated States Council of Ministers (Ministerrat der Vereinigten Westindischen Staaten) World Trade Organisation (Welthandelsorganisation) Dokument, das in einer offiziellen Reihe der WTO veröffentlicht ist Dispute Settlement Body (Streitbeilegungsorgan der WTO) Übereinkommen über die Errichtung der WTO Wiener Vertragsrechtskonvention United Nations Yearbook Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht Zeitschrift für Europarechtliche Studien Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft
Einleitung Eine Studie der Weltbank aus dem Jahr 2005 rät Entwicklungsländern zur Verbesserung ihres Lebensstandards eine dreifache Strategie: „autonomous liberalization, active multilateralism, and open regionalism“.1 Die Entwicklungsländer sollen danach ihre Märkte eigenständig liberalisieren, aktiv am multilateralen Handelssystem der Welthandelsorganisation (WTO) teilnehmen und sich an regionalen Handelsabkommen beteiligen. Dabei geht es sowohl um Handelsabkommen, an denen Industrie- und Entwicklungsländer, als auch um solche, an denen ausschließlich Entwicklungsländer beteiligt sind. Tatsächlich sind die meisten Entwicklungsländer schon längst Mitglied der WTO und zugleich mindestens eines regionalen Handelsabkommens. Derzeit bestehen etwa 30 regionale Integrationsgemeinschaften, an denen ausschließlich Entwicklungsländer beteiligt sind. Prominente Beispiele sind der Gemeinsame Markt des Südens (MERCOSUR) und die ASEAN-Freihandelszone (AFTA). Viele andere sind nur wenigen Interessierten bekannt, eine vollständige Zusammenstellung existiert bislang nicht. Während dieses Spiel – es sei hier einmal so genannt –, zu dessen Teilnahme die Weltbank auffordert, also bereits lebhaft im Gange ist, stehen die Spielregeln noch nicht fest. Typischerweise sehen die regionalen Handelsabkommen Präferenzen vor, die im Handel mit den Mitgliedstaaten des jeweiligen Abkommens, nicht aber gegenüber anderen WTO-Mitgliedern gewährt werden. Sie verstoßen so zumindest gegen das Meistbegünstigungsprinzip der WTO. Unter welchen Voraussetzungen diese Verstöße gerechtfertigt und die Handelsabkommen somit WTO-rechtlich zulässig sind, ist bislang ungeklärt. Zwar steht – um im Bild zu bleiben – der Schiedsrichter bereits auf dem Platz. Denn der Appellate Body als oberste Instanz der Streitbeilegung der WTO hat bereits entschieden, dass die in Frage kommenden Normen justitiabel sind.2 Die Spieler können jedoch bislang nicht 1
World Bank (Hrsg.), Global Economic Prospects 2005, S. 126. Vgl. zu Artikel XXIV GATT insbesondere Appellate Body Report vom 22. Oktober 1999 in der Sache „Turkey – Restrictions on Imports of Textile and Clothing Products“, WTO-Dok. WT/DS34/AB/R, angenommen am 19. November 1999; zur Ermächtigungsklausel: Appellate Body Report vom 7. April 2004 in der Sache „European Communities – Conditions for the Granting of Tariff Preferences to Developing Countries“, WTO-Dok. WT/DS246/AB/R, angenommen am 20. April 2004. 2
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Einleitung
vorhersehen, welche dieser materiellen Regeln der Schiedsrichter anwenden wird und wie er sie auslegt. Denn zwischen den Mitgliedstaaten und in den zuständigen Organen wird seit vielen Jahren über diese Fragen gestritten. Eine politische Entscheidung darüber wurde bislang ebenso vermieden, wie die Inanspruchnahme des Streitbeilegungsmechanismus. Die Literatur begnügt sich, soweit sie sich überhaupt damit befasst, im Wesentlichen damit, die Unklarheit zu benennen. Die vorliegende Arbeit soll dazu beitragen, den Spielern und Zuschauern Klarheit über das bereits laufende Spiel und die Spielregeln zu verschaffen. Dabei stehen die regionalen Integrationsgemeinschaften ausschließlich zwischen Entwicklungsländern im Mittelpunkt. Für sie werden sogleich der Begriff „Entwicklungsgemeinschaften“ eingeführt und ihre historischen und wirtschaftlichen Hintergründe sowie ihre zunehmende Bedeutung in der Praxis dargestellt (Erstes Kapitel). Welche Quantität und Qualität diese Gemeinschaften bereits erreicht haben, wird bei der nachfolgenden nach Kontinenten gegliederten Bestandsaufnahme und dem Vergleich ihrer internen Rechtsordnungen deutlich (Zweites Kapitel). Der umstrittene äußere rechtliche Rahmen ergibt sich aus dem Konfliktpotential mit dem WTO-Recht und den darin zur Konfliktlösung vorgesehenen Regeln für Integrationsgemeinschaften einerseits und Entwicklungsländer andererseits (Drittes Kapitel). In der aktuellen WTO-Handelsrunde von Doha steht die Verbesserung der Regeln für Integrationsgemeinschaften unter Berücksichtigung der damit zusammenhängenden Entwicklungsaspekte auf dem Programm.3 Der aktuelle Verhandlungsstand hierzu und die Unterbrechung der gesamten Verhandlungen lassen es unwahrscheinlich erscheinen, dass sich die Regeln für Entwicklungsgemeinschaften schon bald klären lassen. Die vorliegende Arbeit schließt daher sowohl mit Vorschlägen de lege lata für die Auslegung im Falle weitgehend unveränderter Vertragslage als auch de lege ferenda für eine Neuregelung (Viertes Kapitel).
3 Ziffer 2 der Ministererklärung von Doha vom 14. November 2001, WTO-Dok. WT/MIN(01)/DEC/1 vom 20. November 2001.
I soon realized that a discussion of present-day integration projects . . . would bear little fruit without considering the theoretical issues involved. Bela Balassa, The Theory of Economic Integration, 1961, S. ix.
Erstes Kapitel
Ein neuer Begriff mit einer langen Geschichte § 1 Einführung des Begriffs Entwicklungsgemeinschaft Gegenstand dieser Arbeit sind Entwicklungsgemeinschaften. Der Begriff der Entwicklungsgemeinschaft soll damit neu ins Wirtschaftsvölkerrecht eingeführt werden. Namenspate ist die Entwicklungsgemeinschaft des Südlichen Afrika (Southern African Development Community, SADC). In ihr haben sich die 14 südlichsten Staaten Afrikas mit dem Ziel der gemeinsamen Entwicklung zusammengeschlossen. Entsprechend steht der Begriff Entwicklungsgemeinschaft für Integrationsgemeinschaften zwischen Entwicklungsländern einer Region mit dem Ziel der gemeinsamen Entwicklung. Er soll eine Lücke in der bisherigen Terminologie des Wirtschaftsvölkerrechts schließen.
A. Begriff der Integration Integration bedeutet die Eingliederung in ein größeres Ganzes, die Herstellung einer Einheit. Bei der Integration von Staaten bilden diese eine Gemeinschaft. Es wird Souveränität auf die Gemeinschaft übertragen und politische Willensbildung vergemeinschaftet. Kulturell kann diese Integration darüber hinaus als Vorgang beschrieben werden, in dessen Verlauf sich das Gefühl der Bürger für die Zusammengehörigkeit verstärkt, während das Bewusstsein der Unterschiedlichkeit und trennenden Umstände abnimmt.1 Bei der wirtschaftlichen Integration werden Handelsschranken zwischen den Staaten der Gemeinschaft abgebaut und der Wirtschaftsverkehr innerhalb der Gemeinschaft erleichtert. Die nationalen Wirtschafts- und Außenwirtschaftspolitiken werden koordiniert. So wird ein gemeinsamer Wirtschaftsraum gebildet. Die wirtschaftliche Integration stellt einen Prozess mit eigenen Institutionen und Mechanismen dar, die dafür sorgen, 1 So Basedow, Der MERCOSUR als Integrationsmodell, in: Basedow/Samtleben (Hrsg.), Wirtschaftsrecht des MERCOSUR, S. 9, 11.
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dass die Vergemeinschaftung quasi automatisch voran schreitet.2 Dadurch ist sie quantitativ und qualitativ mehr als eine schlichte wirtschaftliche Kooperation.3
B. Lücke in der Terminologie zur Differenzierung zwischen Integrationsgemeinschaften I. Unterscheidung nach Integrationszielen Es werden verschiedene Formen der wirtschaftlichen Integration unterschieden. Allgemein anerkanntes Unterscheidungsmerkmal ist die Intensität der angestrebten Integration:4 In einer Freihandelszone werden alle Zölle und teilweise auch mengenmäßige Beschränkungen zwischen den beteiligten Staaten abgeschafft. Jedoch behält jeder Staat seine eigenen Zollsätze gegenüber Drittstaaten. Beispiele sind die Europäische Freihandelsvereinigung (European Free Trade Association, EFTA) und die Nordamerikanische Freihandelsvereinigung (North American Free Trade Association, NAFTA). Eine Zollunion hat darüber hinaus einen gemeinsamen Außenzoll gegenüber Drittstaaten. Klassisches Beispiel für eine Zollunion ist der Deutsche Zoll- und Handelsverein von 1834. Ein Gemeinsamer Markt ist eine Zollunion mit höherem Integrationsgrad, in dem auch der Personen-, Dienstleistungs-, Kapital- und Zahlungsverkehr liberalisiert ist. Die Produktionsfaktoren sollen diskriminierungsfrei in jedem Mitgliedstaat eingesetzt werden können. Die Europäische Gemeinschaft (EG)5 war ein Gemeinsamer Markt, bis sie durch die Verwirklichung des Vertrages von Maastricht zur Wirtschaftsunion wurde. 2 Vgl. ausführlich zur wirtschaftlichen Integration: Behrens, Integrationstheorie, RabelsZ 1981, S. 8 ff.; zur völkerrechtlichen Integrationstheorie vgl. Petersmann, Wirtschaftsintegrationsrecht und Investitionsgesetzgebung der Entwicklungsländer, S. 46 ff., 51; zu den Integrationstheorien insbesondere im Zusammenhang mit der europäischen Integration vgl. Craig/De Bfflrca, EU Law, S. 5 ff. mit zahlreichen Nachweisen. 3 Zur Abgrenzung zwischen wirtschaftlicher Integration und wirtschaftlicher Kooperation vgl. Balassa, The Theory of Economic Integration, S. 2. 4 Vgl. zum Folgenden statt vieler: Balassa, The Theory of Economic Integration, S. 2; Dolzer, Wirtschaft und Kultur im Völkerrecht, in: Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, S. 469, 516 m. w. N.; Frankel, Regional Trading Blocs in the World Economic System, S. 12 ff. 5 Hier und im Folgenden wird der Begriff der Europäischen Gemeinschaft (EG) verwendet, soweit es nicht konkret um historische Dokumente oder Handlungen ihrer Vorgängerin, der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) geht. Die EG ist Mitglied der WTO, auch wenn in den Dokumenten der WTO stets der Begriff der
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In einer Wirtschaftsunion werden darüber hinaus die nationalen Wirtschaftspolitiken vereinheitlicht. Sofern davon die Geldpolitik umfasst ist, handelt es sich um eine Wirtschafts- und Währungsunion. Beispiel ist die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion. Häufig bilden dieselben Staaten zunächst eine Freihandelszone und vereinbaren erst nach und nach weitere Integrationsstufen. Andere Integrationsgemeinschaften werden von vornherein mit dem Ziel der Bildung einer Wirtschafts- und Währungsunion gegründet. Die anderen Integrationsstufen können lediglich als Etappen auf dem Weg dahin betrachtet werden. II. Unterscheidung nach den beteiligten Staaten Eine weitere Einteilung ist die nach den beteiligten Staaten. Abkommen, an denen ausschließlich Industriestaaten beteiligt sind, werden teilweise mit dem Zusatz „Nord-Nord-“, solche zwischen Industrie- und Entwicklungsländern mit dem Zusatz „Nord-Süd-“ und solche allein zwischen Entwicklungsländern mit „Süd-Süd-“ gekennzeichnet. Eine ebenso einheitliche Terminologie wie zu den Integrationsstufen gibt es hier allerdings bislang nicht. III. Unterscheidung nach Regionalität Weiter lassen sich die Integrationsgemeinschaften danach einteilen, ob ihre Mitgliedstaaten zur selben oder zu unterschiedlichen Regionen gehören. Diese Unterscheidung wird aber nicht immer vorgenommen. Vielfach werden die Begriffe Regional Trade Agreements (RTA) und Regionalismus als Oberbegriffe verwendet.6 Sie dienen dann allein der Abgrenzung vom multilateralen Handelssystem der WTO. Nach diesem Verständnis sagt „regional“ weder etwas darüber aus, ob die beteiligten Staaten geographisch derselben Region angehören7 noch, ob zwei oder mehr Staaten beteiligt sind. Europäischen Gemeinschaften verwendet wird, der die Europäische Atomgemeinschaft (Euratom) umfasst. Die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) besteht nicht mehr. Die Europäische Union (EU) ist lediglich das so genannte Dach über den Europäischen Gemeinschaften und weiteren EU-Politiken. Es fehlt ihr bislang an der Anerkennung ihrer Rechtspersönlichkeit. 6 So etwa in allen Veröffentlichungen der WTO; vgl. auch Schiff/Winters, Regional Integration and Development, S. 2 für die Veröffentlichungen der Weltbank; UNCTAD, Multilateralism and Regionalism: The New Interface, S. 1. 7 Vgl. Hummer, Integration in Lateinamerika und der Karibik, VRÜ 2005, S. 6, 12: „Es ist wohl eines der größten Rätsel der an Inkonsistenzen keineswegs armen lateinamerikanischen Integrationsdoktrin, dass sie bis heute nicht in der Lage war, eine von mir bereits 1975 (!) umfassend begründete Umgestaltung dieses fälsch-
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Ist also etwa von „Süd-Süd-RTA“ die Rede, ist zwar klar, dass es sich um ein Abkommen ausschließlich zwischen Entwicklungsländern handelt. Offen bleiben jedoch die Ziele des Abkommens, ob es sich um ein bilaterales Abkommen oder eine Gemeinschaft handelt und ob die beteiligten Staaten zu einer geographischen Region gehören. IV. Defizite der bisherigen Unterscheidungen im Zusammenhang mit der Integration zwischen Entwicklungsländern Die Integrationsgemeinschaften zwischen Entwicklungsländern verfolgen stets das Ziel der gemeinsamen Entwicklung. Die wirtschaftliche Integration wird als ein Instrument zur Erreichung dieses Ziels eingesetzt.8 Die jeweils aktuell angestrebte Integrationsstufe ist insofern von untergeordneter Bedeutung. Zugleich ergeben sich aus der Mitgliedschaft Besonderheiten. Die Gemeinschaften müssen auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ihrer Mitgliedstaaten Rücksicht nehmen. Sie sind häufig finanziell schlecht ausgestattet. Die Märkte sind anders strukturiert als die von Industriestaaten. Dritte müssen ihnen gegenüber die für ihre Mitgliedstaaten geltenden Sonderregeln für Entwicklungsländer beachten. Die Regionalität spielt für Integrationsgemeinschaften zwischen Entwicklungsländern eine besondere Rolle, da mit der angestrebten Entwicklung unter anderem der Aufbau von Infrastrukturen, die Befriedung der Region oder die Bewältigung besonderer natürlicher Herausforderungen einhergehen können. Von den bislang gebräuchlichen Unterscheidungsmerkmalen und Begriffen wird somit eine Kategorie von wirtschaftlichen Integrationsgemeinschaften begrifflich nicht als eigene erfasst, die tatsächlich klar abgegrenzt ist und schon lange eine bedeutende Rolle spielt.
C. Merkmale des hier vorgeschlagenen Begriffs Entwicklungsgemeinschaft Eine Entwicklungsgemeinschaft ist dadurch gekennzeichnet, dass sie zum Ziel der gemeinsamen Entwicklung ausschließlich von Entwicklungsländern derselben Region gegründet wird. licherweise geographisch konnotierten ‚Regionalismus‘- und ‚Subregionalismus‘Konzepts zu übernehmen und es juristisch richtigzustellen.“ (Fußnoten nicht wiedergegeben.) 8 Vgl. schon Balassa, The Theory of Economic Integration, S. 6.
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I. Integrationsgemeinschaft mit dem Ziel der Entwicklung . . . Der Begriff der Entwicklung ist in der Wissenschaft genauso heftig und andauernd umstritten9, wie die Ursachen von so genannter Unterentwicklung10 und die Strategien zu deren Bekämpfung (Entwicklungspolitik)11. Für die so genannten Modernisierungstheoretiker bedeutet Entwicklung Aufholen und Nachahmen des Vorbilds (westlicher) Industriegesellschaften.12 Gegenpol im Sinne einer eigenständigen und ganzheitlichen Entwicklung ist eine Definition der Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft, Kultur und Kommunikation (UNESCO) in ihrer „Weltdekade für kulturelle Entwicklung“, nach der es sich um einen Prozess handelt, der „alles umfasst, was das Wohl der Gesellschaften, das Aufblühen ihrer Kultur, die aktive Teilnahme der Gesellschaften an ihrem Fortschreiten herbeiführen soll. Das lässt sich nicht vorstellen ohne eine Bewährung der fundamentalen geistigen, gesellschaftlichen und menschlichen Werte, auf denen das Leben in den verschiedenen, so unterschiedlichen Gesellschaften beruht; mehr noch, der Sinn für diese Werte muss gestärkt werden.“13
Der Entwicklungsbegriff des Dag Hammarskjöld-Berichts von 1975 enthielt die Ziele Befriedigung der Grundbedürfnisse, Selbstachtung der Person und Freiheit von innerer und äußerer Fremdbestimmung. Der Rio-Bericht formulierte 1977 sechs Leitprinzipien: Gleichheit, Freiheit, Demokratie und Partizipation, Solidarität, kulturelle Verschiedenheit und gesunde Umwelt.14 Nohlen/Nuscheler schlagen das „magische Fünfeck von Entwicklung“ vor, das sich aus den Elementen Wachstum, Arbeit, Gleichheit/Gerechtigkeit, Partizipation und Unabhängigkeit zusammensetzt.15 Eine solche Definition von Entwicklung durch die Formulierung von Zielen erzeugt das zusätzliche Problem der Zielkonflikte.16 9 Vgl. Streitstand bei Dams, Entwicklung, Entwicklungspolitik, in: Görres-Gesellschaft (Hrsg.), Staatslexikon, Zweiter Band, Spalten 294 ff. 10 Vgl. Nohlen/Nuscheler, Was heißt Unterentwicklung?, in: dies. (Hrsg.), Handbuch der Dritten Welt, Band 1, S. 31 ff. 11 Vgl. Nuscheler/Klingebiel, Entwicklungspolitik, internationale, in: Nohlen (Hrsg.), Lexikon der Politik, Band 6, S. 108 ff. 12 Vgl. Nohlen/Nuscheler, Was heißt Entwicklung?, in: dies. (Hrsg.), Handbuch der Dritten Welt, Band 1, S. 55, 59. 13 Zitiert nach Nohlen/Nuscheler, Was heißt Entwicklung?, in: dies. (Hrsg.), Handbuch der Dritten Welt, Band 1, S. 55, 60. 14 Nohlen/Nuscheler, Was heißt Entwicklung?, in: dies. (Hrsg.), Handbuch der Dritten Welt, Band 1, S. 55, 65. 15 Nohlen/Nuscheler, Was heißt Entwicklung?, in: dies. (Hrsg.), Handbuch der Dritten Welt, Band 1, S. 55, 65. 16 Dams, Entwicklung, Entwicklungspolitik, in: Görres-Gesellschaft (Hrsg.), Staatslexikon, Zweiter Band, Spalte 294, 298.
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1. Kap.: Ein neuer Begriff mit einer langen Geschichte
Vom Brundtland-Bericht wurde 1987 das Konzept des „sustainable development“ eingeführt. Es setzte nicht mehr auf nachholende, sondern auf nachhaltige bzw. dauerhafte Entwicklung. Dadurch sollte aber nicht ein Anspruch der Entwicklungsländer auf Aufholen in Frage gestellt werden.17 Auch die Weltbank griff das neue Konzept auf und entwickelte aus ihrem Wachstumskonzept das des sustainable growth.18 Dieser moderne Entwicklungsbegriff wurde in der Folgezeit um die Elemente Menschenrechte und Demokratie erweitert.19 Erst recht findet sich nach herrschender Auffassung keine völkerrechtlich verbindliche Definition.20 Versuche von Konkretisierungen finden sich aber immer wieder, insbesondere im Zusammenhang mit der Proklamation eines Rechts auf Entwicklung.21 Die so genannte Banjul-Charta, die Afrikanische Charta der Menschenrechte und Rechte der Völker22, die auf zwei Ministerkonferenzen der Staaten der Organisation der Afrikanischen Einheit (OAU) erarbeitet und am 27. Juni 1981 in Nairobi verabschiedet wurde, enthält die einzige als solche anerkannte Positivierung des Rechts auf Entwicklung. Ihr Artikel 22 lautet: 17 Heute wird der Begriff der nachhaltigen Entwicklung vor allem im Zusammenhang mit Umweltschutzzielen und nur selten für die Verbesserung der Situation der Entwicklungsländer verwendet. Zum überaus modernen Begriff der nachhaltigen Entwicklung vgl. z. B. Bende-Nabende, Globalization, FDI, Regional Integration and Sustainable Development, S. 13 f. 18 Nohlen/Nuscheler, Was heißt Entwicklung?, in: dies. (Hrsg.), Handbuch der Dritten Welt, Band 1, S. 55, 61. 19 Vgl. für die EG z. B. die Entschließung des Rates und der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten über Menschenrechte, Demokratie und Entwicklung vom 28. November 1991 sowie die Note des Generalsekretärs der Vereinten Nationen zur Vorlage an die 2. Weltmenschenrechtskonferenz am 4. Juni 1993 unter dem programmatischen Titel „Human Rights, Democracy and Development: Lessons from the Field“, UN-Dok. A/CONF.157/PC/61/Add.13, sowie das Schlussdokument der Konferenz, die Wiener Erklärung und Aktionsprogramm, UN-Dok. A/Conf.157/23, in deutscher Übersetzung abgedruckt in: Europa-Archiv, 1993, S. D 498 ff. dort insbesondere Nr. 8 Satz 1. Vgl. Odendahl, Das Recht auf Entwicklung – The Right to Development, S. 138, 146. 20 So auch De Waart, Implementing the Right to Development, S. 191: „There is no single definition of development in social sciences, let alone in law.“ 21 Das Recht auf Entwicklung wurde in den 60er Jahren geistesgeschichtlich vorbereitet, als „geistiger Vater und Schöpfer des Rechts auf Entwicklung“ wird aber der ehemalige Präsident des Obersten Gerichtshofes in Senegal und Richter am IGH Kéba M’Baye angesehen, der in einem Vortrag über das Recht auf Entwicklung als Menschenrecht am Institut International de Droit de l’Homme in Straßburg den ersten Versuch unternahm, das Recht auf Entwicklung zu definieren. Es ist hinsichtlich seines rechtlichen Gehalts und Inhalts höchst umstritten. Vgl. dazu ausführlich Odendahl, Das Recht auf Entwicklung – The Right to Development, S. 111 ff. m. w. N. 22 Abgedruckt in: EuGRZ 1986, S. 677 ff.
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„(1) Alle Völker haben ein Recht auf eigene wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung unter angemessener Berücksichtigung ihrer Freiheit und Identität sowie auf gleichmäßige Beteiligung an dem gemeinsamen Erbe der Menschheit. (2) Die Staaten sind, einzeln oder gemeinsam, verpflichtet, die Ausübung des Rechts auf Entwicklung sicherzustellen.“
Die Generalversammlung der Vereinten Nationen verwendet den Begriff des Rechts auf Entwicklung immer häufiger. Artikel 1 der Erklärung zum Recht auf Entwicklung vom 4. Dezember 1986 konkretisiert dessen Inhalt wie folgt: „(1) Das Recht auf Entwicklung ist ein unveräußerliches Menschenrecht, kraft dessen alle Menschen und Völker Anspruch darauf haben, an einer wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und politischen Entwicklung, in der alle Menschenrechte und Grundfreiheiten voll verwirklicht werden können, teilzuhaben, dazu beizutragen und daraus Nutzen zu ziehen. (2) Das Menschenrecht auf Entwicklung bedingt auch die volle Verwirklichung des Rechts der Völker auf Selbstbestimmung, wozu vorbehaltlich der entsprechenden Bestimmungen der beiden internationalen Menschenrechtspakte auch die Ausübung ihres unveräußerlichen Rechts auf uneingeschränkte Souveränität über alle ihre natürlichen Reichtümer und Ressourcen gehört.“23
Nach der Präambel dieser Resolution ist Entwicklung „ein umfassender wirtschaftlicher, sozialer, kultureller und politischer Prozess, der die ständige Steigerung des Wohls der gesamten Bevölkerung und aller Einzelpersonen auf der Grundlage ihrer aktiven, freien und sinnvollen Teilhabe am Entwicklungsprozess und an der gerechten Verteilung der daraus erwachsenden Vorteile zum Ziel hat.“24
Hilfreicher als diese verschiedenen umstrittenen oder vagen Definitionen sind Näherungen an den Begriff. So beschreiben Nohlen/Nuscheler Entwicklung als „ein in den verschiedensten Zusammenhängen verwendeter, entsprechend vieldeutiger, definitorisch kaum exakt erfassbarer und dem Meinungs- und Ideologiestreit entrückbarer Begriff. Die Schwierigkeiten einer Definition, die begriffslogischen Forderungen nach Klarheit, Eindeutigkeit und intersubjektiver Überprüfbarkeit gerecht wird, liegen erstens im nicht-statischen Wesen und Wortsinn von Entwick23 Resolution der UN-Generalversammlung Nr. 41/12 vom 4. Dezember 1986. Nach herrschender Meinung handelt es sich trotz dieser Formulierung nicht um ein Recht im normativen Sinn. Wegen der immer häufigeren Postulierung, vor allem in Resolutionen der UN-Generalversammlung, könnte man aber von einer normativen Verdichtung sprechen. So sieht es Scharpenack, der das Recht auf Entwicklung auch in seiner kollektiven Komponente als Richtlinie versteht, die bei künftigen völkerrechtsrelevanten Handlungen zu beachten sei. Auf einen subjektiven Anspruch der Staaten auf Entwicklung und auf eine Definition des konkreten Gehalts von Entwicklung konnte sich die Staatengemeinschaft bisher nicht einigen. Vgl. dazu ausführlich Scharpenack, Das „Recht auf Entwicklung“, S. 268 ff. et passim. 24 Resolution der UN-Generalversammlung Nr. 41/12, Präambel 2. Spiegelstrich.
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1. Kap.: Ein neuer Begriff mit einer langen Geschichte
lung: Der Begriff ist wie sein Gegenstand dauernder Veränderung unterworfen. Zweitens ist jeder Begriff von Entwicklung – weil er sich nicht auf einen statischen Zustand, sondern auf ein Ziel bezieht – ein normativer Begriff, abhängig von individuellen und kollektiven Wertvorstellungen in Raum und Zeit.“25
Verbindet man die genannten Elemente, stellt sich Entwicklung als dynamischer Prozess dar, der auf die Verbesserung der Situation eines Landes und der Menschen, die dort leben, gerichtet ist. Dabei muss es den Betroffenen selbst überlassen bleiben, zu bewerten, worin eine solche Verbesserung besteht.26 Jedenfalls reicht allein die Verbesserung der wirtschaftlichen Situation nicht aus. Es gehören dazu Mindeststandards hinsichtlich Ernährung, Gesundheit, Bildung und Rechtssicherheit. Wirtschaftliche Entwicklung bedeutet in Entwicklungsländern mehr als den von den Industriestaaten durch wirtschaftliche Integration angestrebten Abbau von Handelsschranken. Es geht vielmehr auch um den Aufbau von regionalen Infrastrukturen, Bildungseinrichtungen, verlässlichen Rechtsrahmen sowie anderen Grundlagen für Produktion und Handel. II. . . . zwischen Entwicklungsländern . . . Da schon der Begriff der Entwicklung umstritten ist, verwundert es wenig, dass auch über die Merkmale des Begriffs Entwicklungsland zahlreiche Meinungsverschiedenheiten bestehen. Wohl deshalb existiert im Völkerrecht keine verbindliche Definition des Begriffs „Entwicklungsland“.27 Insbesondere im GATT/WTO-Recht gibt es keine eindeutige Definition, welche Länder Entwicklungsländer sind. Artikel XVIII Absatz 4 a) GATT bezieht sich auf diejenigen Länder, deren Wirtschaft nur einen niedrigen Lebensstandard zulässt und sich in den Anfangsstadien der Entwicklung befindet. Gemäß den Anmerkungen und ergänzenden Bestimmungen zu Artikel XVIII Absätze 1 und 4, Ziffer 2 GATT sind „in den Anfangsstadien ihrer Entwicklung“ nicht nur solche Länder, die „ihre wirtschaftliche Entwicklung erst begonnen haben“, sondern auch solche, die „ihre Wirtschaft industrialisieren, um eine übermäßige Abhängigkeit von der Grundstoffproduktion zu beseitigen“. Eine genauere Bestimmung findet sich nicht. Daneben werden in den Abkommen auch die Begriffe Entwicklungsländer oder weniger entwickelte Vertragsparteien verwendet, aber an keiner Stelle defi25 Nohlen/Nuscheler, Was heißt Entwicklung?, in: dies. (Hrsg.), Handbuch der Dritten Welt, Band 1, S. 55, 56. 26 Eine weitergehende Frage, die hier nicht erörtert werden kann, ist, wie der Willensbildungsprozess der betroffenen Menschen zur Zielbestimmung stattfinden könnte. 27 Vgl. Petersmann, Die Dritte Welt und das Wirtschaftsvölkerrecht, ZaöRV 1976, 492, 543 ff.
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niert. Daraus folgt eine willkürlich wirkende politische Praxis im Umgang mit den speziellen Vorschriften für Entwicklungsländer.28 Sowohl die WTO als auch ihre Mitgliedstaaten vermeiden beharrlich jede verallgemeinerungsfähige Konkretisierung. Die Mitgliedstaaten entscheiden letztlich selbst, ob sie bzw. ihre Handelspartner zu den Entwicklungsländern zählen.29 Einigkeit besteht lediglich über die am wenigsten entwickelten Länder. Sie werden von den Vereinten Nationen in einer in regelmäßigen Abständen aktualisierten Liste geführt. Zurzeit werden dort 50 Staaten genannt30, von denen 31 Staaten WTO-Mitglieder sind. Gemäß Artikel XI Absatz 2 WTOÜbereinkommen nimmt die WTO-Rechtsordnung auf den Standard der Vereinten Nationen Bezug. In der Praxis haben die verschiedenen internationalen Organisationen unabhängig voneinander eigene Definitionskriterien entworfen, die sich hauptsächlich an den wirtschaftlichen Leistungsdaten der Staaten orientieren. Seit den 1970er Jahren wird versucht, den komplexen Vorgang der Entwicklung durch quantitative Messverfahren zu erfassen. Die internationalen Organisationen, die für ihre Vergleichsstatistiken solide und von den nationalen statistischen Ämtern akzeptierte Indikatoren benötigen, setzen die Indikatorenforschung immer weiter fort. Die gefundenen Indikatoren sind zahlreich und zumeist umstritten.31 Versuche, die verschiedenen Indikatoren zu einem Gesamtindikator zusammenzufassen, sind bislang gescheitert.32 Über die Jahre haben die internationalen Organisationen jeweils für sich festgelegt, wie sie in Statistiken den Begriff „Entwicklungsland“ verwenden, ohne damit rechtlich relevante Aussagen treffen zu wollen. Wesentliche Abgrenzungskriterien sind dabei das Bruttoinlandsprodukt und das Bruttonationaleinkommen jeweils pro Kopf der Bevölkerung.33 Andere wirtschaftliche Daten, Gesundheits- und Bildungsindizes sowie das Selbstverständnis der Staaten werden in unterschiedlichem Maße berücksichtigt.34 28
Vgl. dazu ausführlich Verdirame, The Definition of Developing Countries under GATT and Other International Law, GYIL 1996, S. 164 ff. 29 Vgl. Behrens, GATT-Regeln und Entwicklungsländer, Schriften des Vereins für Socialpolitik 1996, S. 225, 238. Zu der rechtlichen Unsicherheit, die das mit sich bringt vgl. unten unter § 11 B. IV. 3. a. 30 UNCTAD (Hrsg.), The Least Developed Countries Report 2004, UNCTADDok. UNCTAD/LDC/2004, S. 318; vgl. unten Anhang I. 31 Nohlen/Nuscheler, Indikatoren von Unterentwicklung und Entwicklung, in: dies. (Hrsg.), Handbuch der Dritten Welt, Band 1, S. 76 ff. 32 Dams, Entwicklung, Entwicklungspolitik, in: Görres-Gesellschaft (Hrsg.), Staatslexikon, Zweiter Band, Spalte 294, 297. 33 So insbesondere die Abgrenzung der Weltbank, vgl. etwa World Bank (Hrsg.), Global Development Finance 2006, S. 204 f. sowie den Glossar der Weltbank unter http://www.worldbank.org/depweb/english/beyond/global/glossary.html.
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1. Kap.: Ein neuer Begriff mit einer langen Geschichte
Überwiegend wird eine Dreiteilung zwischen fortgeschrittenen Volkswirtschaften, Ländern im Übergang zur Marktwirtschaft und Entwicklungsländern vorgenommen.35 Die umfassendste Liste von Entwicklungsländern ist die der Vereinten Nationen, die ebenfalls von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Organisation for Economic Cooperation and Development, OECD) verwendet wird. Danach sind Entwicklungsländer alle Staaten und abhängigen Gebiete in Afrika, in Amerika außer Kanada und den USA, in Asien außer Japan und in Ozeanien außer Australien und Neuseeland.36 In den Statistiken der Handels- und Entwicklungskonferenz der Vereinten Nationen (United Nations Conference on Trade and Development, UNCTAD) zum internationalen Handel werden von dieser Gruppe Israel sowie Südost-Europa und die Gemeinschaft unabhängiger Staaten (in etwa entsprechend der oben genannten Kategorie der Länder im Übergang zur Marktwirtschaft) ausgenommen.37 Zur Festlegung des Untersuchungsgegenstandes wird im Folgenden die Liste der UNCTAD zu Grunde gelegt.38 III. . . . derselben geographischen Region Entwicklungsgemeinschaften haben zumindest drei Mitgliedstaaten. Alle Mitgliedstaaten gehören jeweils zur selben geographischen Region. Soweit nicht ausdrücklich anders angegeben, wird der Begriff „regional“ im Folgenden ausschließlich in seiner geographischen Bedeutung verwendet. Zugleich soll er die hier gemeinten Gemeinschaften mit mindestens drei Mitgliedstaaten von bilateralen Abkommen abgrenzen. 34 Vgl. Verdirame, The Definition of Developing Countries under GATT and Other International Law, GYIL 1996, S. 164, 181 ff. 35 So insbesondere der Internationale Währungsfonds, vgl. IMF (Hrsg.), World Economic Outlook, September 2003, S. 163 ff., der allerdings seit 2004 nur noch zwei Kategorien ausweist, nämlich fortgeschrittene Volkswirtschaften einerseits und aufstrebende Märkte und Entwicklungsländer andererseits; vgl. zur Änderung der Kategorisierung: IMF (Hrsg.), World Economic Outlook, April 2004, S. 176; sowie zu den aktuellen Zahlen: IMF (Hrsg.), World Economic Outlook, April 2006, S. 172 ff. 36 United Nations (Hrsg.), Standard Country or Area Codes for Statistical Use, Series M, M, No. 49, Rev. 4, veröffentlicht unter: http://unstats.un.org/unsd/ methods/m49/m49regin.htm; OECD (Hrsg.), Glossary of Statistical Terms, veröffentlicht unter: http://stats.oecd.org/glossary/detail.asp?ID=6326. 37 UNCTAD (Hrsg.), Handbook of Statistics 2005, UNCTAD-Dok. TD/STAT.30, S. x f. Umstritten ist darüber hinaus der Entwicklungslandstatus von Südafrika, vgl. dazu ausführlich Weusmann, Die Europäische Union und Südafrika, S. 68 ff. m. w. N. 38 Siehe Anhang I.
§ 2 Geschichte der regionalen Integration
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Region wird als Oberbegriff verwendet. Auch Gemeinschaften, die nicht alle Staaten einer Region umfassen, werden als regionale Gemeinschaften bezeichnet. Die Begriffe „Sub-Region“ und „sub-regional“ werden nur im Einzelfall verwendet, wenn es auf die Abgrenzung zu Gemeinschaften ankommt, die alle Staaten einer Region umfassen.
§ 2 Geschichte der regionalen Integration zwischen Entwicklungsländern Bei der Gründung von Entwicklungsgemeinschaften können drei KernPhasen ausgemacht werden. Eine erste fand direkt nach oder sogar gleichzeitig mit der Entkolonialisierung statt. Eine zweite verlief parallel zum Projekt einer Neuen Weltwirtschaftsordnung in den 1970er Jahren und die dritte, die für die aktuell existierenden Gemeinschaften die wichtigste und prägendste war, in den 1990er Jahren.39
A. Erste regionale Integrationsbestrebungen als Folge der Entkolonialisierung nach dem Zweiten Weltkrieg Nach dem Zweiten Weltkrieg begannen mit den ersten Entkolonialisierungen auch die ersten regionalen Integrationsbestrebungen. Insbesondere in Afrika und Asien erhofften sich die neuen Staaten durch Zusammenschlüsse die bessere Verteidigung ihrer Unabhängigkeit. Sie knüpften dabei entweder an Beziehungen vor der Kolonialzeit an oder sie übernahmen die von den Kolonialmächten eingerichteten Handelsregionen und Handelsgemeinschaften.40 Die damals vorherrschende Handelsstrategie war die Importsubstitution, mit der man die wirtschaftliche Abhängigkeit von den Industriestaaten, d.h. insbesondere den ehemaligen Kolonialmächten, verhindern wollte.
B. Die Förderung der Entwicklungsgemeinschaften durch die Wirtschaftskommissionen der Vereinten Nationen und die Idee der collective self-reliance in den 1970er Jahren Bereits in den 1950er und 1960er Jahren hatten die Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Afrika (Economic Commission for Africa, 39
Eine ähnliche Einteilung, allerdings beschränkt auf den afrikanischen Kontinent findet sich bei Pennetta, Le organizzazioni internazionali dei paesi in via di sviluppo, Band 1, S. 51 m. w. N. Pennetta nennt die dritte Phase die neo-liberale, in der die Entwicklungsländer allen Widerstand gegen das Wirtschaftssystem der Industriestaaten aufgegeben haben. 40 Vgl. dazu im Einzelnen unten unter § 5 und § 6.
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1. Kap.: Ein neuer Begriff mit einer langen Geschichte
ECA) und die Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Lateinamerika (Comisión Económica para América Latina y el Caribe, CEPAL) die Zusammenarbeit zwischen Entwicklungsländern unterstützt. Insbesondere der damalige Vorsitzende der CEPAL Raffll Prebisch setzte sich vehement für die so genannte Süd-Süd-Kooperation zur Entwicklung der Entwicklungsländer unabhängig von den Industrieländern ein. Als Raffll Prebisch erster UNCTAD-Generalsekretär wurde, weitete er die Idee von Lateinamerika auf alle Entwicklungsländer aus.41 Im Anschluss an die erste UNCTAD-Konferenz schlossen sich am 15. Juni 1964 77 Entwicklungsländer in der Gruppe der 77 in diesem Sinne zusammen. Die Gruppe der 77, die ihren Namen trotz der gestiegenen Zahl der Mitglieder42 beibehalten hat, ist auch heute noch das wichtigste und umfassendste Koordinierungsorgan der Entwicklungsländer.43 In ihrer Erklärung zur Genfer Schlussakte der UNCTAD, ebenfalls vom 15. Juni 1964, führte die Gruppe der 77 den Begriff der Neuen Weltwirtschaftsordnung in die internationale Diskussion ein.44 Umfassende Konzepte zur Neuen Weltwirtschaftsordnung wurden mit der Deklaration45 und dem Aktionsprogramm46 über die Errichtung einer Neuen Weltwirtschaftsordnung von der 6. Sondergeneralversammlung der Vereinten Nationen am 1. Mai 1974 verabschiedet.47 Die Ziele wurden in der Literatur unter der Parole „Wohlstand für alle“ zusammengefasst.48 Zurückgehend auf eine Initiative des mexikanischen Präsidenten Luis Echeverria auf der dritten Session der Welthandelskonferenz 1972 in Santiago de Chile und auf der Grundlage der genannten Deklaration und des Aktionsprogramms wurde am 12. Dezember 1974 die „Charta der wirtschaftlichen Rechte und Pflichten der Staaten“ im Plenum der Generalversammlung der Vereinten Nationen (United Nations, UN) als Resolution mit 120 Stimmen gegen 6 Ablehnun41
Mahiou, Le cadre juridique de la coopération Sud-Sud, RdC 1993, S. 9, 61. Siehe Anhang I. 43 Nohlen/Nuscheler, „Ende der Dritten Welt“?, in: dies. (Hrsg.), Handbuch der Dritten Welt, Band 1, S. 18, 22. 44 UNCTAD-Dok. E/Conf.46/L.28 Annex B; vgl. dazu Odendahl, Das Recht auf Entwicklung – The Right to Development, S. 87. 45 UN-Resolution 3201 (S-VI); abgedruckt in: Mutharika, The International Law of Development, Band 1, S. 616 ff.; in deutscher Übersetzung abgedruckt in: Schweitzer, Rudolf, Friedensvölkerrecht, S. 701 ff. 46 UN-Resolution 3202 (S-VI); abgedruckt in: Mutharika, The International Law of Development, Band 1, S. 618 ff.; in deutscher Übersetzung abgedruckt in: Schweitzer, Friedensvölkerrecht, S. 705 ff. 47 Odendahl, Das Recht auf Entwicklung – The Right to Development, S. 88. 48 Zieger, Völkerrechtliche Fragen einer „Neuen Weltwirtschaftsordnung“, in: Institut für Völkerrecht der Universität Göttingen (Hrsg.), Wirtschaft und Technik im Völkerrecht, S. 121, 138. 42
§ 2 Geschichte der regionalen Integration
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gen und bei 10 Enthaltungen angenommen.49 In Absatz 4 der Präambel wird als Ziel der Charta formuliert, „die Errichtung der neuen Weltwirtschaftsordnung zu fördern, die auf Gerechtigkeit, souveräner Gleichheit, gegenseitiger Abhängigkeit, gemeinsamem Interesse und der Zusammenarbeit aller Staaten ungeachtet ihres wirtschaftlichen und sozialen Systems beruht.“
In den 1970er Jahren versuchte die „Bewegung der Blockfreien“, der sich rund 80% der Entwicklungsländer angeschlossen hatten, den Forderungen der Gruppe der 77 nach einer Neuen Weltwirtschaftsordnung politischen Nachdruck zu verleihen.50 Sie wurden durch die erfolgreiche Kartellbildung der Organisation erdölexportierender Länder (Organization of the Petroleum Exporting Countries, OPEC) und die stürmischen Nord-SüdKonferenzen zunächst politisch gestärkt.51 Das Aktionsprogramm zur Neuen Weltwirtschaftsordnung sah vielfältige Förderungen der Süd-Süd-Kooperation vor.52 In den 1970er Jahren gewann dadurch das Konzept der collective self-reliance an Akzeptanz. Durch die verstärkte Zusammenarbeit der Entwicklungsländer sowie durch eine gewerkschaftsähnliche Kampfstrategie sollte die Verhandlungsmacht der Entwicklungsländer verbessert werden.53 Den in den Nord-Süd-Beziehungen liegenden Ungleichgewichten und Abhängigkeiten wollte man durch collective self-reliance begegnen.54 Dazu gehörte die Economic Cooperation among Developing Countries (ECDC). Dieses am Konzept der collective self-reliance orientierte Aktionsprogramm der Gruppe der 77 sah in der ver49 UN-Resolution 3281 (XXIX) = Y. U. N. 28 (1974), 403 = ILM 1975, 251; abgedruckt in: Mutharika, The International Law of Development, Band 1, S. 627 ff.; in deutscher Übersetzung abgedruckt in: Wulff, Entwicklungshilfe zwischen Völkerrechtsordnung und Weltwirtschaftssystem, S. 180 ff.; Ablehnungen: Belgien, Bundesrepublik Deutschland, Dänemark, Großbritannien, Luxemburg, USA; Enthaltungen: u. a. Frankreich, Italien, Japan; dazu Tomuschat, Die Charta der wirtschaftlichen Rechte und Pflichten der Staaten, ZaöRV 1976, S. 444 ff.; Schütz, Solidarität im Wirtschaftsvölkerrecht, S. 65 ff.; Odendahl, Das Recht auf Entwicklung – The Right to Development, S. 100, 102 ff. 50 Nohlen/Nuscheler, „Ende der Dritten Welt“?, in: dies. (Hrsg.), Handbuch der Dritten Welt, Band 1, S. 18, 22. 51 Nohlen/Nuscheler, „Ende der Dritten Welt“?, in: dies. (Hrsg.), Handbuch der Dritten Welt, Band 1, S. 18, 19 f. 52 UN-Resolution 3202 (S-VI) Kapitel VII; vgl. auch UN-Resolution 3201 (S-VI) Nr. 4s. Vgl. Kaltenborn, Entwicklungsvölkerrecht und Neugestaltung der internationalen Ordnung, S. 46. 53 Nohlen/Nuscheler, „Ende der Dritten Welt“?, in: dies. (Hrsg.), Handbuch der Dritten Welt, Band 1, S. 18, 19, Hörmann, Süd-Süd-Beziehungen, in: Nohlen (Hrsg.), Lexikon der Politik Bd. 6, S. 515 ff. 54 Entwicklungspolitisches Glossar, in: Nohlen/Nuscheler (Hrsg.), Handbuch der Dritten Welt, Band 1, S. 486.
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1. Kap.: Ein neuer Begriff mit einer langen Geschichte
stärkten wirtschaftlichen Zusammenarbeit unter den Entwicklungsländern – als Gegenpol zur internationalen Arbeitsteilung – eine Chance, mehr politische und wirtschaftliche Unabhängigkeit und größere Verhandlungsmacht gegenüber den Industrieländern zu gewinnen.55 In diesem politischen Klima wurden zahlreiche Entwicklungsgemeinschaften gegründet oder vertieft.56 Die Idee der collective self-reliance und der Süd-Süd-Kooperation, aber auch der regionalen Zusammenarbeit und Integration zwischen Entwicklungsländern ist von dem Konzept der „Dissoziation“ abzugrenzen. Dessen Vertreter erhofften von dem vollständigen Abbruch aller Geschäftsbeziehungen oder sogar sämtlicher Außenbeziehungen der Entwicklungs- zu den Industrieländern die ungestörte Möglichkeit zur internen Restrukturierung der Entwicklungsländer. Teilweise wurde diese Idee zusammen mit der Süd-Süd-Kooperation und der regionalen Integration vorgetragen.57 Die Konzepte gehören aber nicht zwangsläufig zusammen. Insbesondere muss regionale Integration nicht völlige Abkopplung vom Weltwirtschaftssystem bedeuten.58 Vielmehr ging es darum, die Voraussetzungen für Eigenständigkeit zu schaffen, insbesondere durch den gezielten Ausbau binnenwirtschaftlicher Strukturen und Potentiale, vor allem zur Ernährungssicherung, durch die Qualifizierung der Bevölkerung und den Aufbau regionaler Wirtschaftsräume. Im so genannten „verlorenen Jahrzehnt“ der 1980er Jahre beherrschten die Verschuldungskrise und ihre Folgen die Entwicklungspolitik. Der Internationale Währungsfonds (International Monetary Fund, IMF) und die Weltbank gewannen wieder an Einfluss, den sie gegen die Idee einer Neuen 55 Entwicklungspolitisches Glossar, in: Nohlen/Nuscheler (Hrsg.), Handbuch der Dritten Welt, Band 1, S. 474. Über die Empfehlung der Zusammenarbeit hinaus wurde sogar die Auffassung vertreten, das von einigen angenommene Recht auf Entwicklung als eigenständiges Grundprinzip der Völkerrechtsordnung begründe auch für die Entwicklungsländer eine Pflicht zur internationalen Zusammenarbeit im Entwicklungsbereich. Vgl. Odendahl, Das Recht auf Entwicklung – The Right to Development, S. 224 m. w. N. Auch wurde zum Teil eine zusätzliche Solidarverpflichtung der Entwicklungsländer angenommen. So empfiehlt die UNIDO-Erklärung von Lima (Peru) über industrielle Entwicklung und Zusammenarbeit vom 26. März 1975 in ihrer Nr. 36: „Soweit Entwicklungsländer über genügende finanzielle Mittel verfügen, sollten sie die Möglichkeit prüfen, die am wenigsten entwickelten Länder durch finanzielle und technische Hilfe zu unterstützen.“ In deutscher Übersetzung abgedruckt in: Opitz/Rittberger (Hrsg.), Forum der Welt, S. 372 ff.; vgl. Odendahl, Das Recht auf Entwicklung – The Right to Development, S. 226. 56 Dazu im Einzelnen das Zweite Kapitel. 57 So v. a. Senghaas, Weltwirtschaftsordnung und Entwicklungspolitik: Plädoyer für Dissoziation. 58 Vgl. aber Menzel, 40 Jahre Entwicklungsstrategie = 40 Jahre Wachstumsstrategie, in: Nohlen/Nuscheler (Hrsg.), Handbuch der Dritten Welt, Band 1, S. 147.
§ 2 Geschichte der regionalen Integration
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Weltwirtschaftsordnung einsetzten. Die Idee der collective self-reliance verlor wegen der unterschiedlichen Interessenlagen der einzelnen Entwicklungsländer und der Abhängigkeit der meisten Entwicklungsländer vom Export in die westlichen Industrieländer an Bedeutung.59 Im April 1988 schlossen 48 Mitgliedstaaten der Gruppe der 77 das Abkommen über ein Global System for Trade Preferences among Developing Countries (GSTP), in dem sie sich verpflichteten, sich gegenseitig Zollpräferenzen einzuräumen.60 Unterschiedliche Entwicklungsniveaus und Interessen verhinderten jedoch ein wirklich „globales System von Handelspräferenzen“. Es hatte zunächst mehr symbolische als praktische Bedeutung.61
C. Neue Welle von Entwicklungsgemeinschaften und die Idee des open regionalism in den 1990er Jahren Nach den Misserfolgen der ersten Entwicklungsgemeinschaften stellten die Staaten fest, dass sie jeweils einzeln noch größere Schwierigkeiten hatten, ihre Entwicklungsziele zu erreichen. So zog der tansanische Präsident Julius Nyerere einige Jahre nach dem Scheitern der Ostafrikanischen Gemeinschaft bei einem erneuten Treffen der Staatschefs Bilanz: „Die Auflösung der Gemeinschaft ist zu kostspielig für jedes einzelne unserer Länder sowie für Ostafrika im Ganzen gewesen. Sie führt zu einer nutzlosen Verdopplung wesentlicher Infrastrukturen. Die Handelsstrukturen haben sich aufgelöst. Wir haben bei unserem Versuch, isoliert öffentliche Dienste anzubieten, die des regionalen Vorgehens bedurft hätten, Nachteile erlitten. Und wir haben in unseren wirtschaftlichen Diskussionen, die wir einzeln mit anderen Ländern der Welt geführt haben, festgestellt, dass es noch leichter geworden ist, die Interessen Ostafrikas unberücksichtigt zu lassen.“62 59
Nohlen/Nuscheler, „Ende der Dritten Welt“?, in: dies. (Hrsg.), Handbuch der Dritten Welt, Band 1, S. 18, 20. 60 Entwicklungspolitisches Glossar, in: Nohlen/Nuscheler (Hrsg.), Handbuch der Dritten Welt, Band 1, S. 476; Michaelis/Jessen, WTO und Entwicklung, in: Hilf/ Oeter, WTO-Recht, S. 601, 614 f.; vgl. auch die Homepage der Gruppe der 77: http://www.g77.org/gstp/index.htm. 61 Entwicklungspolitisches Glossar, in: Nohlen/Nuscheler (Hrsg.), Handbuch der Dritten Welt, Band 1, S. 476. 62 Eigene Übersetzung der Erklärung von Julius Nyerere, zitiert bei Mahiou, Le cadre juridique de la coopération Sud-Sud, RdC 1993, S. 9, 86: „La dissolution de la Communauté a été trop onéreuse pour chacun de nos pays, ainsi que pour l’Afrique de l’Est dans son ensemble. Elle se conduit à une duplication inutile de certaines infrastructures essentielles. Les structures des échanges se sont trouvées disloquées. Nous avons souffert pour essayer de fournir isolément ces services publics qui requièrent une action régionale. Et nous avons constaté que, dans nos discussions économiques menées séparément avec d’autres pays du monde, il était devenu encore plus facile de faire peu de cas des intérêts de l’Afrique de l’Est.“
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1. Kap.: Ein neuer Begriff mit einer langen Geschichte
Als Reaktion auf die negativen Erfahrungen der 1980er Jahre sowohl mit der weltweiten collective self-reliance als auch mit einzelstaatlichem Vorgehen gab es zu Beginn der 1990er Jahre zahlreiche neue regionale Initiativen zu Kooperation und Integration.63 Auch wenn die Idee einer Neuen Weltwirtschaftsordnung weitgehend gescheitert war, wirkten einige ihrer Elemente dabei als Ziele nach.64 Die Gipfelkonferenz der Blockfreien hatte bereits 1986 die Bildung der SüdKommission beschlossen. Ihr gehörten 26 hochrangige Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und gesellschaftlichen Organisationen an. Den Vorsitz übernahm der frühere tansanische Präsident Julius Nyerere. Die Kommission legte im August 1990 ihren viel beachteten Bericht „The Challenge to the South“ vor, dessen Kerngedanken in den Formeln self-reliant development und Süd-Süd-Kooperation verdichtet werden können. Die ECDC sollte als Mittel der Gegenmachtbildung wiederbelebt werden.65 Die Neugründungen von Entwicklungsgemeinschaften in den 1990er Jahren waren noch stärker als zuvor wirtschaftlich motiviert und ausgerichtet.66 Gründe für regionale Integration sind die Hoffnung auf Verbesserung des Marktzugangs und die Förderung der Handelsgewinne durch Rationalisierung und Spezialisierung.67 Viele der Entwicklungsländer versuchen, durch Entwicklungsgemeinschaften den grenzüberschreitenden Handel zu erleichtern und so die Absatzmärkte und damit die Attraktivität für Investoren zu vergrößern. Besonders im lateinamerikanischen Raum zeigen diese Bemühungen bereits Erfolge.68 Politisch erhoffen sich viele Entwicklungsländer den Abbau von Spannungen, einen besseren politischen Zusammenhalt zur regionalen Sicherheit und gemeinsamen industriellen Entwicklung sowie eine Stärkung der Verhandlungsmacht gegenüber anderen Ländern. Langfristige Ziele der Handels- und Wirtschaftspolitik sind zudem: Hilfe bei der Durchsetzung von 63 Nohlen/Nuscheler, „Ende der Dritten Welt“?, in: dies. (Hrsg.), Handbuch der Dritten Welt, Band 1, S. 18, 20; vgl. zur Wiederbelebung der Integrationsbestrebungen zwischen Entwicklungsländern auch: Robson, The Changing International Economic System, in: Maasdorp (Hrsg.), Can South and Southern Africa Become Globally Competitive Economies?, S. 33, 38 ff. 64 Vgl. Kaltenborn, Entwicklungsvölkerrecht und Neugestaltung der internationalen Ordnung, S. 50. 65 Entwicklungspolitisches Glossar, in: Nohlen/Nuscheler (Hrsg.), Handbuch der Dritten Welt, Band 1, S. 486. 66 Siehe zur neuen Welle der regionalen Integration zwischen Entwicklungsländern in den 1990er Jahren auch Pennetta, Le organizzazioni internazionali dei paesi in via di sviluppo, Band 1, S. 2, 12. 67 York, Regional Integration and Developing Countries, S. 26. 68 Vgl. Kaltenborn, Entwicklungsvölkerrecht und Neugestaltung der internationalen Ordnung, S. 61 f.
§ 3 Die ökonomische Bewertung im Wandel
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Reformen gegenüber heimischen protektionistischen Kräften, wirtschaftliche Unabhängigkeit von den Industriestaaten, industrielle Diversifizierung und Integration in den Welthandel.69 Die neue Welle der regionalen Integration ist sicherlich auch eine Reaktion auf den durch die Globalisierung verstärkten Konkurrenzdruck sowie auf die erfolgreiche Integration von Industriestaaten. Insbesondere EG und NAFTA werden zugleich als positive Vorbilder und als Bedrohung empfunden. Die Angst des Ausgeschlossenseins hat nicht nur die Anstrengungen zur Aufnahme in diese wirtschaftlich bedeutsamen Gemeinschaften befördert, sondern auch die Bereitschaft zum Abschluss eigener Integrationsverträge.70 Immer öfter findet der Begriff des „open regionalism“ Verwendung. Er ist nicht eindeutig definiert und wird mit leicht unterschiedlichen Bedeutungen gebraucht. Bei den offenen Regionalisierungsstrategien geht es vor allem darum, die Gewinne der regionalen Integration auch Drittstaaten ohne Diskriminierung zugute kommen zu lassen. Innerhalb der regionalen Gemeinschaften sollen der Handel liberalisiert und die Märkte integriert werden. Gleichzeitig sollen die Hürden für Investitionen aus und den Handel mit dem Rest der Welt gesenkt werden. Die Konkurrenzfähigkeit der regionalen Produkte soll durch gemeinsamen technologischen Fortschritt verbessert werden und nicht so sehr durch Steigerung des intraregionalen Handels, jedenfalls nicht durch Abschottung der Märkte nach außen. Dies soll die Staaten der Region besser in den Welthandel einbinden.71 Teilweise wird die Offenheit für neue Mitgliedstaaten aus der ganzen Welt als Charakteristikum genannt, die lediglich bereit sein müssen, sich den Gemeinschaftszielen anzuschließen. Als typisches und erfolgreiches Beispiel des offenen Regionalismus gilt die Vereinigung der südostasiatischen Nationen (Association of South-East Asian Nations, ASEAN).72
§ 3 Die ökonomische Bewertung im Wandel Über Jahrzehnte stritten Gegner und Befürworter der regionalen Integration vehement über deren wirtschaftliche Auswirkungen auf die Mitgliedstaaten, Drittstaaten und den Welthandel insgesamt.73 Insbesondere in Be69
York, Regional Integration and Developing Countries, S. 26. Vgl. Oman, Globalization and Regionalization: The Challenge for Developing Countries, S. 29. 71 Naon, Sovereignty and Regionalism, Law and Policy in International Business 1996, S. 1073, 1075. 72 Naon, Sovereignty and Regionalism, Law and Policy in International Business 1996, S. 1073, 1085 ff. 70
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zug auf Entwicklungsgemeinschaften schienen Studien internationaler Organisationen den Gegnern Recht zu geben. Erst in den letzten Jahren hat sich das Blatt gewendet. Untersuchungen über die neue Welle von Entwicklungsgemeinschaften aus den 1990er Jahren kommen zu positiven Ergebnissen. Statt des Streits über das „ob“ von Entwicklungsgemeinschaften dominiert nunmehr die Suche nach dem „wie“ die wirtschaftswissenschaftliche Debatte.
A. Argumente gegen die regionale wirtschaftliche Integration zwischen Entwicklungsländern Die Gegner regionaler wirtschaftlicher Integration berufen sich auf Jacob Viner, der in seinem grundlegenden Werk „The Customs Union Issue“ 1950 die Unterscheidung zwischen Handel schaffenden („trade-creating“) und Handel umlenkenden („trade-diverting“) Effekten74 regionaler Integration eingeführt hat. Als Beispiel zieht Viner die Gründung einer Zollunion mit zwei Mitgliedstaaten heran. Die Abschaffung oder Herabsetzung der Binnenzölle zwischen den Mitgliedstaaten könne zu zwei unterschiedlichen Szenarien führen. Im ersten Fall importiere ein Mitgliedstaat Güter neu aus dem anderen Mitgliedstaat, die er zuvor nicht importiert habe, da der Preis für das geschützte heimische Gut günstiger gewesen sei, als der für das gleiche Gut aus einem anderen Staat zuzüglich des Zolls. In diesem Fall werde durch den Abbau der Binnenzölle die Produktion an einen kostengünstigeren Standort verlagert und Handel neu geschaffen. In Zollunionen, in denen dieser Handel schaffende Effekt überwiege, profitiere zumindest ein Mitgliedstaat, beide könnten profitieren, zusammen jedenfalls gewönnen sie gegenüber der Situation vor Schaffung der Integrationsgemeinschaft, die Welt insgesamt gewinne. Drittstaaten verlören zumindest zunächst, auf lange Sicht könnten sie vom gestiegenen Wohlstand der Integrationsgemeinschaft profitieren.75 Der Abbau der Binnenzölle könne aber dazu führen, dass ein Mitgliedstaat Güter neu aus dem anderen Mitgliedstaat importiere, die er zuvor aus einem Drittstaat importiert habe, da der Preis dort sogar einschließlich des Zolls am günstigsten gewesen sei. Aufgrund der Zollbegünstigung unter den Mitgliedstaaten werde in diesem Fall die Produktion an einen Standort 73 Nachfolgend werden einige Literaturstimmen beispielhaft zitiert. Für einen detaillierteren Überblick über die Debatte vgl. Panagariya, The Regionalism Debate: An Overview, The World Economy 1999, S. 477. 74 Viner, The Customs Union Issue, S. 44. 75 Viner, The Customs Union Issue, S. 43 f.
§ 3 Die ökonomische Bewertung im Wandel
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mit höheren Produktionskosten verlagert. Statt Handel neu zu schaffen, werde der Handel auf einen ungünstigeren Produktionsstandort umgelenkt. Überwiege dieser Handel umlenkende Effekt einer Zollunion, schade dies zumindest einem Mitgliedstaat, es könne beiden schaden, jedenfalls erlitten beide zusammen ebenso einen Schaden wie die Drittstaaten und die Welt insgesamt.76 Viner benannte also sowohl Chancen als auch Risiken von Zollunionen. Er wird häufig als Gegner der regionalen Wirtschaftsintegration zitiert, da er der erste war, der überhaupt Risiken benannte. Bis dahin war man davon ausgegangen, dass regionale Wirtschaftsintegration nur Vorteile, jedenfalls keine Nachteile mit sich bringen könne. Die Gegner regionaler wirtschaftlicher Integration meinen, dass die Handel umlenkenden Effekte häufig überwiegen werden und somit sowohl den Mitgliedstaaten (jedenfalls insgesamt betrachtet), Drittstaaten und der Welt insgesamt schaden.77 Andere Kritiker befassen sich vor allem mit dem Verhältnis der regionalen Integration zum Multilateralimus des GATT bzw. der WTO. Bhagwati prägte 1991 in diesem Zusammenhang für die regionalen Handelsblöcke den in der Folge viel zitierten Begriff der Stolpersteine („stumbling blocks“) auf dem Weg zum GATT-weiten Freihandel. Sie könnten die Kapazität der Entscheidungsträger binden und vom Welthandel ablenken. Die Fragmentierung des Welthandels wäre die Folge.78 Folgende weitere Argumente werden gegen regionale Wirtschaftsintegration im Allgemeinen formuliert: Die Vermehrung der regionalen Handelsabkommen binde die Verhandlungs-Ressourcen sowie die Aufmerksamkeit der politischen Entscheidungsträger; konkurrierende regionale Handelsabkommen könnten zu unvereinbaren Regelungsstrukturen und Normen führen; durch die Schaffung von alternativen Rechtsrahmen und Streitbeilegungsmechanismen könnten die regionalen Handelsabkommen die Disziplin und Effizienz des multilateralen Rechtsrahmens schwächen.79 Neben dieser allgemeinen Ablehnung regionaler Wirtschaftsintegration gibt es konkrete Kritik gegenüber der regionalen wirtschaftlichen Integration zwischen Entwicklungsländern als Entwicklungsstrategie. 76
Viner, The Customs Union Issue, S. 43 f. Als vehementen Gegner der regionalen Integration vgl. etwa Ariff, Regional Integration and Global Free Trade: Working at Cross Purposes?, in: Saavedra Rivano/Hosono/Stallings (Hrsg.), Regional Integration and Economic Development, S. 131 ff. 78 Bhagwati, The World Trading System at Risk, 73 f., 77. 79 Zusammenstellung bei World Bank, Global Economic Prospects 2005, S. 133. 77
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Da das durchschnittliche Zollniveau in Entwicklungsländern höher sei, als in Industrieländern, wird hier insbesondere eine Handelsumlenkung zum Nachteil aller befürchtet.80 Diese Befürchtung wurde jedenfalls in der Anfangszeit der Entwicklungsgemeinschaften durch das ausdrückliche Ziel der Importsubstitution, die nichts anderes ist als die Viner’sche Handelsumlenkung, zusätzlich genährt. Konzepte der Importsubstitution wurden vor allem von den ersten Entwicklungsgemeinschaften nach der Entkolonialisierung verfolgt.81 Sie waren der Hoffnung auf wirtschaftliche Unabhängigkeit von den Industriestaaten und später den negativen Außenhandelsbilanzen der meisten Entwicklungsländer geschuldet.82 Weiter wird angeführt, dass die möglichen gemeinsamen Märkte von Entwicklungsländern zu klein seien, um neue Skalenvorteile bei der Produktion von Gütern zu erschließen.83 Bei erheblichen Unterschieden in der Größe und dem Entwicklungsstand zwischen den Entwicklungsländern einer Region führten Entwicklungsgemeinschaften zur weiteren Marginalisierung der kleineren, weniger entwickelten Staaten, allein die ohnehin am besten entwickelten Staaten einer Region könnten von ihnen profitieren.84 Die negativen Effekte für einzelne Mitgliedstaaten führten zudem zu Streit über Umverteilungsmaßnahmen.85 Regionale Integration berge die Gefahr des regionalen Protektionismus. Das bedeute für die noch am Anfang ihrer Entwicklung stehenden Volkswirtschaften, dass sie sich mangels Wettbewerbs im eigenen Land nicht optimal ausrichteten, sondern Strukturen bildeten, die im Welthandel nicht konkurrenzfähig seien.86 Dieses Risiko sei besonders groß, wenn eine Ent80 Schweickert, Regional Integration – A Worthwhile Strategy for Catching Up?, S. 31 et passim. 81 Siehe dazu oben unter § 2 A. 82 Vgl. zum Problem des Außenhandelsbilanzdefizits als Motiv für regionale Integration zwischen Entwicklungsländern: Elkan, Measuring the Impact of Economic Integration Among Developing Countries, J. comm. Mkt. Studies 1975, S. 56, 57. 83 Schweickert, Regional Integration – A Worthwhile Strategy for Catching Up?, S. 31 et passim. 84 Matsebula/Simelane, in: Maasdorp, Can South and Southern Africa Become Globally Competitive Economies?, S. 53, 54; Langhammer/Hiemenz, Regional Integration Among Developing Countries, S. 15 f.; vgl. auch McCarthy, Regional Integration of Developing Countries at Different Levels of Economic Development, Transnational Law and Contemporary Problems 1994, S. 1, 14. 85 Schweickert, Regional Integration – A Worthwhile Strategy for Catching Up?, S. 31 et passim; Langhammer/Hiemenz, Regional Integration Among Developing Countries, S. 67 f. 86 Vgl. Oman, Globalization and Regionalization: The Challenge for Developing Countries, S. 15 f.
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wicklungsgemeinschaft schon von vornherein auf Importsubstitution ausgerichtet sei.87 Die ohnehin geringen Verhandlungskapazitäten würden durch die Verhandlungen zu Entwicklungsgemeinschaften unnötig gebunden und verhinderten die angemessene Teilnahme an den multilateralen Verhandlungen der WTO. Zugleich werde die beabsichtigte Stärkung der Verhandlungsmacht durch interne Interessenunterschiede verhindert. Die Vorzugsbehandlungen der Industriestaaten gegenüber einigen Entwicklungsländern, wie z. B. die Lomé-Vereinbarung unterminiere den Zusammenhalt zwischen den Entwicklungsländern und den Willen zur regionalen Integration.88 Auch könnten Lobbyisten ihre Interessen auf regionaler Ebene besonders gut durchsetzen. Auf dieser Ebene könne sich dann das Missverhältnis zwischen den tatsächlichen Interessen der betroffenen Bevölkerung und dem Einfluss der Interessenvertreter eines zahlenmäßig unbedeutenden Bevölkerungsteils bzw. sogar der Interessenvertreter von Unternehmen aus Drittstaaten noch vergrößern.89
B. Argumente für die regionale wirtschaftliche Integration zwischen Entwicklungsländern Das erste Argument für die regionale Integration an sich folgt der klassischen Handelstheorie der absoluten Kostenvorteile von Adam Smith und der komparativen Kostenvorteile von David Ricardo und John Stuart Mill. Danach ist die erstrebte bessere Ausnutzung von Skalenvorteilen ein dynamischer Effekt der regionalen Integration. Die Schaffung einer Integrationsgemeinschaft führe zur Vergrößerung des Marktes und fördere die Produktion großer Stückzahlen und damit Skalenvorteile, so dass die Produktionskosten pro Stück sänken. Diese Vergrößerung sei wirtschaftlich vorteilhaft, wenn dadurch die Produktionskosten pro Stück auf ein Niveau unter den Produktionsstückkosten von Herstellern außerhalb der Zollunion gesenkt werden könnten und so eine höhere Nachfrage geschaffen werden könne. Wenn die Mitgliedstaaten unterschiedliche komparative Kostenvorteile hätten, eröffne dies die Möglichkeit der Spezialisierung zwischen den verschiedenen Industriezweigen. Je größer die relativen Kostenunterschiede für die Herstellung in den verschiedenen Industriezweigen seien, desto stärker werde die Spezialisierung ausfallen. Die Spezialisierung führe zur Förderung 87 Balassa/Stoutjesdijk, Economic Integration Among Developing Countries, J. comm. Mkt. Studies 1975, S. 37. 88 York, Regional Integration and Developing Countries, S. 26. 89 Vgl. Oman, Globalization and Regionalization: The Challenge for Developing Countries, S. 15 f.
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des Handels innerhalb der Industrie.90 Die Skalenvorteile würden durch die Verbesserung der Mobilität der Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital erleichtert, so dass die sich vergrößernden Industrien auf größere Bestände der von ihnen benötigten Produktionsfaktoren zurückgreifen könnten.91 Im Verhältnis zum multilateralen Handelssystem der WTO werden folgende Argumente für die regionale Wirtschaftsintegration im Allgemeinen angeführt: Regionale Abkommen könnten helfen, für eine Liberalisierung zu sensibilisieren und schrittweise Fortschritte im Handel zu erzielen. Die Zahl und Reichweite regionaler Handelsabkommen auszuweiten, könne die Opposition gegen multilaterale Liberalisierung aufbrechen, da jede erfolgreiche regionale Handelsvereinbarung den Wert von Präferenzmargen und damit die diskriminierenden Auswirkungen vermindere. Regionale Handelsabkommen dienten häufig vor allem der Bildung von strategischen und/oder politischen Allianzen oder dem Erreichen inländischer Reformen und nicht so sehr der Handelsliberalisierung, insofern müssten sie nicht mit den multilateralen Bemühungen konkurrieren. Schließlich könnten regionale Abkommen in einigen – insbesondere regulierungsintensiven – Bereichen die gegenüber der WTO erfolgreichere Alternative sein, um nicht auf den kleinsten gemeinsamen Nenner festgelegt zu werden.92 Neben diesen allgemeinen werden für Entwicklungsgemeinschaften auch spezielle Argumente genannt. Entwicklungsgemeinschaften seien ein Mittel zur Durchbrechung des schädlichen Einflusses nationaler Oligopole und Interessengruppen. Sie könnten eine Reformgesetzgebung vorantreiben und eine Garantiefunktion für die Stabilität eines wirtschaftlichen und politischen Systems übernehmen, da es leichter sein könne, Reformen auf Druck von außen durchzusetzen, und regionale Vorschriften anschließend schwerer zu ändern seien als nationale Gesetze.93 Die Beseitigung von inneren sowie äußeren Zollbarrieren durch Entwicklungsgemeinschaften könne nicht so schnell rückgängig gemacht werden wie unilaterale Maßnahmen. Die so 90
Die klassische Handelstheorie der absoluten Kostenvorteile als Grund für den Freihandel geht zurück auf Smith, The Wealth of Nations (1776). Ricardo, The principles of Political Economy and Taxation (1948) entwickelte daraus die Theorie der komparativen Kostenvorteile. 91 Die „Theory of factor endowment“ stammt von Heckscher, The Effects of Foreign Trade on Distribution of Income, Economisc Tidskrift 1919, S. 497 ff. und Ohlin, Inter-regional and International Trade; vgl. ausführlicher Bende-Nabende, Globalisation, FDI, Regional Integration and Sustainable Development, S. 31 f. 92 Zusammenstellung bei World Bank, Global Economic Prospects 2005, S. 133 f.; vgl. auch die ausführliche Abwägung bei Zahrnt, How Regionalization Can be a Pillar of a More Effective World Trade Organization, JWT 2005, S. 671 ff. 93 Oman, Globalization and Regionalization: The Challenge for Developing Countries, S. 15.
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gesteigerte Sicherheit des Zugangs zu einem größeren Markt solle sowohl den internationalen Handel als auch ausländische Direktinvestitionen stimulieren.94 Zudem könne regionale Integration wegen der geographischen, aber häufig auch kulturellen und historischen Nähe der Mitgliedstaaten Harmonisierungen in einem Maße erreichen, das auf globaler Ebene nicht möglich wäre. All dies könne helfen, Investoren aus Drittstaaten anzuziehen und erleichtere den Weg zur globalen Handelsliberalisierung.95 Regionale Integration könne ein erster Schritt in die Weltwirtschaft sein, indem sie die Wettbewerbsfähigkeit der Region und damit ihr Wachstum und ihre dynamische Wettbewerbsposition im Welthandel fördere.96 Regionale Integration müsse nicht die Abschottung nach außen und von den Industriestaaten bedeuten. Regionale Integration könne als Entwicklungsstrategie eingesetzt werden und mit Exportförderung einhergehen.97 Entwicklungsgemeinschaften könnten Unternehmen und Produzenten aus Entwicklungsländern helfen, den Handel mit den anderen Mitgliedstaaten zu erlernen, ohne dem vollen globalen Wettbewerb ausgesetzt zu sein.98 Entwicklungsgemeinschaften könnten darüber hinaus einen von vornherein regionalen Aufbau der Verkehrs- und Kommunikationsnetze gewährleisten. Als Währungsunionen könnten sie zur Stabilisierung der Währungen und der Wechselkurse beitragen. Neben diesen entwicklungspolitischen und wirtschaftlichen Vorteilen könnten Entwicklungsgemeinschaften durch eine gebündelte Interessenwahrnehmung z. B. nach dem Vorbild der EG langfristig die Stellung der Entwicklungsländer in der WTO verbessern. Es müsste dann z. B. nicht mehr jedes einzelne Entwicklungsland mit Personal, Kenntnissen und technischer Ausstattung in Genf vertreten sein, sondern es könnte ein Beauftragter der jeweiligen Entwicklungsgemeinschaft die Stimmen aller Mitglieder wahrnehmen. Weitere zunächst nichtwirtschaftliche Vorteile sind die mögliche Befriedung einer Region und die größere Freiheit der Bürger etwa durch Arbeitnehmerfreizügigkeit.99 94 Vgl. Bende-Nabende, Globalisation, FDI, Regional Integration and Sustainable Development, S. 18. 95 Oman, Globalization and Regionalization: The Challenge for Developing Countries, S. 15. 96 Vgl. Oman, Globalization and Regionalization: The Challenge for Developing Countries, S. 16. 97 So schon 1975: Balassa/Stoutjesdijk, Economic Integration Among Developing Countries, J. comm. Mkt. Studies 1975, S. 37, 39. 98 Zusammenstellung bei World Bank, Global Economic Prospects 2005, S. 133 f. 99 Vgl. ausführlich zu den Vor- und Nachteilen von Arbeitnehmerfreizügigkeit in Entwicklungsgemeinschaften Mengelkoch, The Right to Work in SADC Countries, S. 15 ff.
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1. Kap.: Ein neuer Begriff mit einer langen Geschichte
C. Empfehlungen für die neue Generation von Entwicklungsgemeinschaften Heute wird die regionale Integration weitgehend als komplementäre Struktur zur WTO anerkannt. Den Entwicklungsländern wird die regionale Integration als Entwicklungsstrategie empfohlen. Im Mittelpunkt aktueller Untersuchungen steht die Frage nach der richtigen Ausgestaltung von Entwicklungsgemeinschaften.100 Die WTO-Mitgliedstaaten haben schon in der Ministererklärung von Singapur 1996 anerkannt, dass Regionalabkommen Entwicklungsländern helfen können, sich in das internationale Handelssystem zu integrieren.101 In Ziffer 4 der Ministererklärung von Doha vom 14. November 2001 haben sie zwar ihre Festlegung auf die WTO als einziges Forum zur Liberalisierung und Regelung des Welthandels betont. Zugleich haben sie anerkannt, dass regionale Integration eine wichtige Rolle bei der Förderung der Liberalisierung und Ausweitung des Handels und zur Unterstützung der Entwicklung spielen kann.102 Der sog. Sutherland-Report der WTO bezeichnet es jedenfalls als „verständlich“, dass kleine Gruppen von Entwicklungsländern Entwicklungsgemeinschaften schätzen, um ihren Weg in den globalen Wettbewerb zu finden und dafür zu lernen.103 Auch einzelne WTO-Mitglieder, u. a. die EG, empfehlen den Entwicklungsländern ausdrücklich die Teilnahme an Entwicklungsgemeinschaften als Entwicklungsstrategie. Die regionale Integration ist ein Förderziel im Lomé-Nachfolgeabkommen von Cotonou von 2000 mit den afrikanischen, karibischen und pazifischen (AKP-)Staaten (Artikel 28 ff. Abkommen von Cotonou).104 Anstelle der GATT-widrigen Präferenzen der Lomé I–IV-Ver100
Vgl. Page, Regionalism Among Developing Countries, S. 4. Singapore Ministerial Declaration vom 13. Dezember 1996, WTO-Dok. WT/ MIN(96)/DEC, S. 2: „[Regional agreements] can promote further liberalization and may assist least-developed, developing and transition economies in integrating into the international trading system.“ 102 Ziffer 4 der Ministererklärung von Doha vom 14. November 2001, WTODok. WT/MIN(01)/DEC/1, lautet: „We stress our commitment to the WTO as the unique forum for global trade rule-making and liberalization, while also recognizing that regional trade agreements can play an important role in promoting the liberalization and expansion of trade and in fostering development.“ 103 Sutherland et al., The Future of the WTO – Addressing Institutional Challenges in the New Millennium, Report by the Consultative Board to the DirectorGeneral Supachai Panitchpakdi, 2004, S. 20. 104 Partnerschaftsabkommen zwischen den Mitgliedern der Gruppe der Staaten in Afrika, im Karibischen Raum und im Pazifischen Ozean einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits, unterzeichnet in Cotonou am 23. Juni 2000 (Abkommen von Cotonou), 2000/483/EG, ABl. L 317 101
§ 3 Die ökonomische Bewertung im Wandel
53
träge sollen Wirtschaftspartnerschaftsabkommen zwischen der EU und einzelnen regionalen Gruppen von Entwicklungsländern, zumeist bereits bestehenden Entwicklungsgemeinschaften, geschlossen werden.105 Ebenso wurde in der Abschlusserklärung der dritten Konferenz der Vereinten Nationen zu den am wenigsten entwickelten Ländern in Brüssel im Jahr 2001 regionale Integration zwischen Entwicklungsländern als Ziel formuliert.106 Die Canada International Development Agency (CIDA) hat sich in ihrer Entwicklungsstrategie „Africa 21“ zum Ziel gesetzt, die regionale Integration in Afrika zu unterstützen.107 Nachdem Studien anderer internationaler Organisationen der regionalen Integration und insbesondere den Entwicklungsgemeinschaften zunächst sehr skeptisch gegenüber standen108, betonen sie mittlerweile deren Chancen.109 Selbst in einer aktuellen Veröffentlichung der Weltbank, die bisher zu den Skeptikern gehörte110, wird ein differenziertes Bild gezeichnet.111 An vom 15. Dezember 2000. Vgl. dazu Sheppard, The Lomé Convention in the Next Millenium: Modification of the Trade/Aid Package and Support for Regional Integration, Kansas Journal of Law and Public Policy 1998, 84 ff. 105 In einem Berichtentwurf über die Auswirkungen der WPA auf die Entwicklung „betont“ der Entwicklungsausschuss des Europäischen Parlaments, „wie wichtig es ist, dass eine weitgehende intraregionale Integration verwirklicht ist, bevor ein Programm über interregionale Integration initiiert wird“; EG-Dok. 2005/2162(INI) vom 11.1.2006, PE 367.627v01-00, PR\593412DE.doc, S. 7; zum Stand der Verhandlungen über die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen vgl. UNCTAD, Developments and Issues in the Negotiations on Economic Partnership Agreements between African ACP States and the EU, UNCTAD-Dok. UNCTAD/ DITC/TNCD/2005/11. 106 United Nations, Report of the Third United Nations Conference on the Least Developed Countries, Held in Brussels, Belgium, from 14 to 20 May 2001, UN-Dok. A/CONF.191/13, S. 47. 107 Vgl. Kiplagat, An Institutional and Structural Model for Successful Economic Integration in Developing Countries, Texas International Law Journal 1994, S. 39, 63 f. 108 So z. B. World Bank (Hrsg.), Trade Blocks, 2000; Yeats, What Can Be Expected from African Regional Trade Arrangements? Some Empirical Evidence, World Bank Paper No. 2004; überwiegend skeptisch auch noch Schiff/Winters, Regional Integration and Development, World Bank 2003, S. 209 ff.; Hoekman/Schiff/Winters, Regionalism and Development: Main Messages from Recent World Bank Research. 109 Positiv insbesondere Cernat, Assessing Regional Trade Arrangements: Are South-South RTAs More Trade Diverting?, UNCTAD Policy Issues in International Trade and Commodities Study Series No. 16; UNCTAD (Hrsg.), Multilateralism and Regionalism: The New Interface, S. 17 ff. Für Afrika weiterhin skeptisch bleibt jedoch ein Arbeitspapier des Internationalen Währungsfonds: Yang/Gupta, Regional Trade Arrangements in Africa: Past Performance and the Way Forward. 110 Siehe oben 1. Kapitel Fn. 108.
54
1. Kap.: Ein neuer Begriff mit einer langen Geschichte
der These, bei der Integration zwischen Entwicklungsländern überwögen stets die negativen Effekte, wird nicht festgehalten. Vielmehr kommen die Autoren auf Grund der Erfahrung der letzten 40 Jahre zu dem Ergebnis, dass der Erfolg einer Integrationsvereinbarung von ihrer Ausgestaltung und tatsächlichen Umsetzung abhänge.112 Die Weltbank rät den Entwicklungsländern zu der eingangs erwähnten dreifachen Entwicklungsstrategie: eigenständige Liberalisierung ihrer Märkte, aktive Teilnahme am multilateralen Handelssystem der Welthandelsorganisation (WTO) und Beteiligung an regionalen Handelsabkommen.113 Als regionale Handelsabkommen empfiehlt sie sowohl Nord-Süd-Abkommen als auch Entwicklungsgemeinschaften. Die Studie sieht den Vorteil von Entwicklungsgemeinschaften vor allem in anderen als handelspolitischen Gewinnen, etwa durch Grenzübergänge, Infrastruktur, Normen und regulatorische Rahmen, und die damit zusammenhängenden Umsetzungsinstitutionen.114 Die UNCTAD geht sogar ausdrücklich von Handel schaffenden Effekten der Entwicklungsgemeinschaften aus.115 In den neueren Studien werden den Entwicklungsgemeinschaften folgende Strategien empfohlen:116 • starkes und anhaltendes politisches Engagement; Einigkeit über die Ziele sowie über Kosten und Gewinne der Integration, um gegebenenfalls langfristige Integrationsziele auch gegenüber kurzfristigen nationalen Zielen durchzusetzen; • niedrige Außenhandelsbarrieren, insbesondere -zölle, keine Importsubstitutierung; • Beseitigung aller Zölle und nicht-tarifären Handelshemmnisse; möglichst umfassende Liberalisierung aller Handelssektoren einschließlich der Dienstleistungen; Inländergleichbehandlung; nicht-restriktive Ursprungsregeln; Vereinbarungen zu Investitionen; • effektive Umverteilungsmechanismen, allerdings nicht in Form von finanziellen Kompensationsmechanismen, sondern durch die Freizügigkeit der Produktionsfaktoren, insbesondere Arbeit; 111
World Bank (Hrsg.), Global Economic Prospects 2005. World Bank (Hrsg.), Global Economic Prospects 2005, S. 72 ff. 113 World Bank (Hrsg.), Global Economic Prospects 2005, S. 126. 114 World Bank (Hrsg.), Global Economic Prospects 2005, S. 148. 115 UNCTAD (Hrsg.), Multilateralism and Regionalism: The New Interface, 2005. 116 Die Auflistung ist aus den Empfehlungen der folgenden Studien zusammengestellt: York, Regional Integration and Developing Countries, OECD 1993; World Bank (Hrsg.), Global Economic Prospects 2005; UNCTAD (Hrsg.), Multilateralism and Regionalism: The New Interface, 2005. 112
§ 3 Die ökonomische Bewertung im Wandel
55
• Wirtschaftsintegration im weiteren Sinne zur Steigerung der wirtschaftlichen Effizienz und des wirtschaftlichen Wachstums; vertiefte Integration in den Bereichen der Regulierung und Infrastruktur; Stärkung der Integration auf den Gebieten, die eine starke Öffentliche-Güter-Dimension haben; • Förderung flexibler Industriestrukturen für neue Spezialisierungen und Diversifizierungen, um komparative Vorteile ausnutzen zu können und den Export höherwertiger Produkte zu fördern; • konsequente Umsetzung der Vereinbarungen. Die Annäherung von Befürwortern und Gegnern hängt wohl maßgeblich mit der neuen Generation von Entwicklungsgemeinschaften zusammen. Viele der neuen Entwicklungsgemeinschaften erfüllen bereits einige der genannten Kriterien oder bemühen sich jedenfalls darum. Mehrere der Entwicklungsländer, die Mitgliedstaaten der Entwicklungsgemeinschaften sind, gestalten ihre Wirtschaftspolitiken im Sinne einer offenen Marktwirtschaft um und haben Strategien zur Importsubstitution aufgegeben. Häufiger als früher geht die regionale Integration mit einer Öffnung in das multilaterale Handelssystem einher. Auch werden sich die Staaten zunehmend ihrer Interdependenz bewusst.117 Zudem haben viele Staaten aus den Erfahrungen gelernt und berücksichtigen dies beim Abschluss neuer Integrationsvereinbarungen. So sieht etwa MERCOSUR die Freizügigkeit aller Produktionsfaktoren einschließlich Arbeit vor, um so die Vor- und Nachteile der Integration gleichmäßiger zu verteilen, ohne zweifelhafte Kompensationsmaßnahmen ergreifen zu müssen. Auch regelt MERCOSUR sowohl die Beseitigung der tarifären als auch der nicht-tarifären Handelshemmnisse und schließt neue Gebiete wie den Handel mit Dienstleistungen und die Inländerbehandlung (national treatment) von Investitionen mit ein.118 Bhagwati lieferte mit seinem Bild der Stolpersteine zugleich das der „Bausteine“ („building blocks“) für das multilaterale Handelssystem der GATT/WTO, in die die regionalen Integrationsgemeinschaften verwandelt werden sollten.119 Andere wählten gegensätzliche Begriffe wie „Mühlsteine“ („millstones“) um den Hals auf dem Weg zum Erfolg des weltweiten Freihandels oder „Treppenstufen“ („stepping stones“) auf dem Weg dorthin.120 Die neue Generation der Entwicklungsgemeinschaften stellt keine Stolpersteine für das multilaterale Handelssystem mehr dar. Auch kommt es 117 York, Regional Integration and Developing Countries, S. 12; Laird, Fostering Regional Integration, in: OECD (Hrsg.), Regionalism and its Place in the Multilateral Trade System, S. 15. 118 York, Regional Integration and Developing Countries, S. 12. 119 Bhagwati, The World Trading System at Risk, S. 77. 120 Schiff/Winters, Regional Integration and Development, S. 209.
56
1. Kap.: Ein neuer Begriff mit einer langen Geschichte
– jedenfalls in erster Linie – nicht darauf an, dass sie Bausteine für dieses sind. Wollte man dieses Wortspiel weiter treiben, so könnte man Entwicklungsgemeinschaften wohl am ehesten als Eckpfeiler (corner stones) bezeichnen. Sie sollen entsprechend der Empfehlung der Weltbank gleichwertig mit den drei anderen Eckpfeilern – eigenständige Liberalisierung, aktive Teilnahme am multilateralen Handelssystem der WTO und so genannte Nord-Süd-Abkommen mit Industrieländern – die Entwicklung der Entwicklungsländer tragen.
§ 4 Zunehmende Bedeutung der Entwicklungsgemeinschaften in der Praxis Die Empfehlungen zur Beteiligung an Entwicklungsgemeinschaften stehen in Übereinstimmung mit der Praxis. Die Zahl der Entwicklungsgemeinschaften steigt stetig, neue werden gegründet, alte wiederbelebt.121 Von 144 Entwicklungsländern122 sind 126 Mitglied mindestens einer Entwicklungsgemeinschaft, davon 83 in mindestens zwei.123 Zugleich vertiefen viele Entwicklungsgemeinschaften die Integration, indem sie etwa von einer Zollunion zum gemeinsamen Markt werden124 und/oder neue Bereiche wie den Handel mit Dienstleistungen oder den Schutz geistigen Eigentums in die Integrationsvereinbarungen einbeziehen.125 Ein weiterer Bedeutungszuwachs rührt von der ebenfalls steigenden Zahl von „bilateralen“ Abkommen zwischen Entwicklungsgemeinschaften und Drittstaaten bzw. anderen Integrationsgemeinschaften her.126 Es ist daher sowohl mit einer weiteren absoluten Erhöhung des Handels der Entwicklungsgemeinschaften als auch mit einer Vergrößerung des Anteils dieses Handels am Welthandel zu rechnen.127 Welche Rolle die Entwicklungsgemeinschaften schon jetzt im Welthandel spielen, zeigt eine aktuelle Studie der UNCTAD.128 Ihre Ergebnisse bestäti121 UNCTAD (Hrsg.), Multilateralism and Regionalism: The New Interface, S. 4; United Nations (Hrsg.), Bilateralism and Regionalism in the Aftermath of Cancffln: Re-establishing the Primacy of Multilateralism, S. 8 ff. 122 Ohne abhängige Gebiete. 123 Vgl. hierzu die Übersicht in Anhang I. 124 Vgl. zu den Integrationsstufen oben unter § 1 B. I. 125 Dazu im Einzelnen unten das Zweite Kapitel. 126 United Nations (Hrsg.), Bilateralism and Regionalism in the Aftermath of Cancffln: Re-establishing the Primacy of Multilateralism, S. 11 f. 127 Vgl. UNCTAD (Hrsg.), Multilateralism and Regionalism: The New Interface, S. 16. 128 UNCTAD (Hrsg.), Multilateralism and Regionalism: The New Interface, 2005.
§ 4 Bedeutung der Entwicklungsgemeinschaften in der Praxis
57
Tabelle 1 Entwicklung des Anteils von Exporten aus Entwicklungsländern nach Zielländern: Die Bedeutung des Süd-Süd-Handels in Exporten der Entwicklungsländer (1980–2002, in %)129 1980
1990
1998
1999
2000
2001
2002
100
100
100
100
100
100
100
Industrieländer
69
58
57
58
57
56
55
Entwicklungsländer
26
34
39
38
39
40
42
Welt
Tabelle 2 Entwicklung des Anteils von Süd-Süd-Exporten an den Welt-Exporten: Bedeutung des Süd-Süd-Handels in Exporten der Welt insgesamt (1980–2002, in Mio. US-$ und %)130 1980 Welt
1990
1998
1999
2000
2001
2002
2.000.949 3.436.380 5.383.780 5.571.175 6.287.738 6.065.269 6.306.330
SSH*
155.144
278.327
592.597
624.873
784.462
749.845
836.467
Anteil
7,8
8,1
11,0
11,2
12,5
12,4
13,3
* Süd-Süd-Handel
gen sowohl die bereits gestiegene Bedeutung der Entwicklungsgemeinschaften als auch weitere Steigerungspotentiale. Wie aus den obigen beiden Tabellen (Tabellen 1 und 2) hervorgeht, macht der so genannte Süd-Süd-Handel, d.h. Exporte aus Entwicklungsländern in Entwicklungsländer, bereits einen Anteil von 13% des Welthandels und von 42% aller Exporte aus Entwicklungsländern aus. Damit hat sich der Süd-Süd-Handel in den letzten 20 Jahren fast verdoppelt. Diese Zahlen umfassen allerdings neben dem Handel innerhalb der Entwicklungsgemeinschaften den interregionalen Handel, insbesondere im Rahmen des GSTP. Bei der folgenden Aufteilung auf die Regionen ergibt sich, dass deutlich mehr als die Hälfte des Süd-Süd-Handels insgesamt jeweils intraregional 129 UNCTAD (Hrsg.), Multilateralism and Regionalism: The New Interface, S. 17 Tabelle 4. 130 UNCTAD (Hrsg.), Multilateralism and Regionalism: The New Interface, S. 17 Tabelle 5.
58
1. Kap.: Ein neuer Begriff mit einer langen Geschichte Tabelle 3 Umfang des Süd-Süd-Handels (hier einschließlich Mittel- und Osteuropa einschließlich Russlands): Durchschnitt der Jahre 2000–2002 (in Mrd. US-$ und %)131
Mittel-/ Osteuropa
Afrika
Mittlerer Osten
Asien*
Süd-SüdHandel
Wachstum 1990–2002
Importregion
Lateinam./ Karibik
Exportregion
Lateinam./Karibik
58,5
3,0
3,6
3,8
14,8
83,7
7,5
Mittel-/Osteuropa
4,8
53,3
2,3
4,4
14,4
79,2
–1,2
Afrika
4,7
0,8
11,2
3,3
18,3
38,3
9,4
Mittlerer Osten
3,2
1,9
9,8
15,8
72,0
102,7
7,7
Asien*
27,5
14,7
18,4
30,9
374,0
465,5
11,9
Süd-Süd-Handel
98,9
73,7
45,3
58,2
493,5
769,5
8,0
1990
1,3
2,9
0,6
0,7
3,9
9,4
2002
1,5
1,2
0,7
1,0
8,0
12,5
Anteil an den Exporten der gesamten Welt (in %)
* nur Entwicklungsländer
stattfindet (Tabelle 3), 49% allein zwischen den Entwicklungsländern Asiens (Tabelle 4). In den Entwicklungsländern Asiens ist mit 34,6% auch der Anteil des intraregionalen Handels am gesamten Handel der Region am höchsten, gefolgt von der Region Lateinamerika und Karibik mit 16,6% bzw. Mittelund Osteuropa mit 22,6%, sofern man diese Region – wie die den Tabellen zugrunde liegenden Quellen – zum Süd-Süd-Handel zählt (Tabelle 5). Weiter heruntergebrochen auf die jeweiligen Entwicklungsgemeinschaften stellen sich die Anteile der Exporte innerhalb der jeweiligen Gemeinschaft an ihren gesamten Exporten wie folgt dar (Tabellen 6 und 7). 131 Kuwayama, Latin American South-South Integration and Cooperation: From a Regional Public Goods Perspective, S. 10 Tabelle 1.
§ 4 Bedeutung der Entwicklungsgemeinschaften in der Praxis
59
Tabelle 4 Anteile der einzelnen Regionen am Süd-Süd-Handel (hier einschließlich Mittel- und Osteuropa einschließlich Russlands): Durchschnitt der Jahre 2000–2002 (in % des gesamten Süd-Süd-Handels)132
Mittel-/ Osteuropa
Afrika
Mittlerer Osten
Asien*
Süd-SüdHandel
Importregion Lateinam./ Karibik
Exportregion
Lateinam./Karibik
7,6
0,4
0,5
0,5
1,9
10,9
Mittel-/Osteuropa
0,6
6,9
0,3
0,6
1,9
10,3
Afrika
0,6
0,1
1,5
0,4
2,4
5,0
Mittlerer Osten
0,4
0,2
1,3
2,1
9,4
13,3
Asien*
3,6
1,9
2,4
4,0
48,6
60,5
12,8
9,6
5,9
7,6
64,1
100,0
Süd-Süd-Handel * nur Entwicklungsländer
Tabelle 5 Anteile des Süd-Süd-Handels am gesamten Handel der einzelnen Regionen (hier einschließlich Mittel- und Osteuropa einschließlich Russlands): Durchschnitt der Jahre 2000–2002 (in %)133 Importregion Mittel-/ Osteuropa
Afrika
Mittlerer Osten
Asien*
Süd-SüdHandel
Lateinam./ Karibik
Exportregion
Lateinam./Karibik
16,6
0,9
1,0
1,1
4,2
23,7
Mittel-/Osteuropa
2,0
22,6
1,0
1,9
6,1
33,5
Afrika
3,4
0,6
7,9
2,3
12,9
27,1
Mittlerer Osten
1,3
0,7
3,9
6,3
28,6
40,7
Asien*
2,5
1,4
1,7
2,9
34,6
43,1
Süd-Süd-Handel
4,8
3,6
2,2
2,8
23,9
37,3
* nur Entwicklungsländer 132 Kuwayama, Latin American South-South Integration and Cooperation: From a Regional Public Goods Perspective, S. 11 Tabelle 3. 133 Kuwayama, Latin American South-South Integration and Cooperation: From a Regional Public Goods Perspective, S. 11 Tabelle 2.
60
1. Kap.: Ein neuer Begriff mit einer langen Geschichte
Tabelle 6 Entwicklung der Exporte innerhalb ausgewählter Entwicklungsgemeinschaften (1990–2003, in Mio. US-$)134
CAN CACM CARICOM MERCOSUR COMESA ECCAS ECOWAS SADC CEMAC UEMOA ASEAN GCC SAARC
1990
1995
1999
2000
2001
1.312 667 456 4.127 890 163 1.532 1.058 139 621 27.365 6.906 863
4.812 1.594 877 14.199 1.027 163 1.875 4.124 120 560 79.544 6.832 2.024
3.929 2.175 1.146 15.313 1.122 179 2.285 4.224 126 805 77.889 7.306 2.180
5.116 2.418 1.076 17.910 1.281 196 2.811 4.453 101 741 98.060 7.218 2.593
5.461 2.394 1.231 15.760 1.385 217 2.767 4.122 119 775 86.331 6.943 2.827
2002
2003
5.070 4.781 2.598 3.288 1.252 1.538 10.573 13.383 1.465 1.812 193 236 3.192 3.541 4.240 5.345 120 157 857 1.043 91.765 102.281 6.905 7.864 2.998 3.869
Tabelle 7 Entwicklung der Anteile der Exporte innerhalb ausgewählter Entwicklungsgemeinschaften an den Gesamtexporten der jeweiligen Entwicklungsgemeinschaft (1990–2003, in %)135
CAN CACM CARICOM MERCOSUR COMESA ECCAS ECOWAS SADC CEMAC UEMOA ASEAN GCC SAARC
1990
1995
1999
2000
2001
2002
2003
4,1 15,2 8,0 8,9 6,3 1,4 8,0 3,1 2,3 13,0 19,0 8,0 3,2
12,0 21,8 12,1 20,3 6,0 1,5 9,0 10,6 2,1 10,3 24,6 6,8 4,4
8,8 13,6 16,3 20,6 6,3 1,3 10,3 11,9 1,7 13,1 21,7 6,7 4,0
8,5 14,8 14,4 20,0 4,9 1,1 9,5 12,0 1,0 13,1 23,0 4,5 4,1
10,3 15,5 13,9 16,9 6,1 1,3 9,6 10,2 1,3 13,6 22,4 4,5 4,3
9,5 11,0 12,5 11,3 5,4 1,1 11,5 9,3 1,4 12,1 22,7 4,6 4,2
7,4 11,9 12,5 11,8 5,8 1,1 9,8 10,0 1,4 12,8 21,2 4,2 4,5
§ 4 Bedeutung der Entwicklungsgemeinschaften in der Praxis
61
Tabelle 8 Wertentwicklung der innergemeinschaftlichen und der Gesamtexporte ausgewählter Entwicklungsgemeinschaften (1990 = 100)136 1990 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 CARICOM
Innerg.
100
200
214
225
251
236
270
275
337
Gesamt
100
116
111
99
113
123
147
168
207
MERCOSUR Innerg.
100
414
501
493
371
434
382
256
324
Gesamt
100
138
148
144
139
168
183
195
236
Innerg.
100
139
134
129
126
144
156
165
204
Gesamt
100
138
136
118
126
188
161
196
224
Innerg.
100
443
442
365
399
421
390
401
505
Gesamt
100
113
116
101
94
99
109
125
145
Innerg.
100
307
312
255
285
358
315
335
374
Gesamt
100
221
231
222
240
281
256
267
324
COMESA
SADC
ASEAN
Verglichen mit dem Anteil der Exporte innerhalb der EG (67% im Jahr 2003) und der NAFTA (56% im Jahr 2003) jeweils am gesamten Export dieser Gemeinschaften137 sind diese Anteile bei den Entwicklungsgemeinschaften extrem gering. Selbst Spitzenreiter ASEAN erreicht lediglich 21,2%, Tabellenletzter ECCAS nur 1,1%. Auch ist es kaum zu nennenswerten Steigerungen dieses Anteils in den letzten zehn Jahren gekommen. Dies liegt allerdings zum Teil daran, dass der Handel einiger Entwicklungsgemeinschaften mit Drittstaaten in ähnlichem Maße wie der innergemeinschaftliche Handel gestiegen ist (Tabelle 8). Die Entwicklungsgemeinschaften haben somit – wenn auch noch nicht in ausreichendem Maße – sowohl den innergemeinschaftlichen als auch den Handel mit Drittstaaten bereits gefördert. 134 UNCTAD Tabelle 6. 135 UNCTAD Tabelle 6. 136 UNCTAD Tabelle 7. 137 UNCTAD
(Hrsg.), Multilateralism and Regionalism: The New Interface, S. 18 (Hrsg.), Multilateralism and Regionalism: The New Interface, S. 18 (Hrsg.), Multilateralism and Regionalism: The New Interface, S. 19 (Hrsg.), Multilateralism and Regionalism: The New Interface, S. 4.
62
1. Kap.: Ein neuer Begriff mit einer langen Geschichte
Die Zahlen zeigen aber auch ein erhebliches Steigerungspotential sowohl für den Handel mit Drittstaaten als auch – insbesondere angesichts der Vergleichszahlen aus EU und NAFTA – für den innergemeinschaftlichen Handel. Inwieweit die Entwicklungsgemeinschaften dieses Potential in Zukunft nutzen können, hängt von ihrer jeweiligen Ausgestaltung und von den Impulsen durch das multilaterale Handelssystem der WTO ab – die Themen der folgenden Kapitel.
These . . . FTAs . . . create a „spaghetti bowl“. . . Jagdish Bhagwati, Foreign Affairs 2005, S. 2 ff.
Zweites Kapitel
Interne Rechtsordnungen bestehender Entwicklungsgemeinschaften § 5 Ambivalenz zwischen Panafrikanismus und bewaffneten Konflikten in Afrika Die meisten Entwicklungsgemeinschaften bestehen in Afrika.1 Alle 53 afrikanischen Staaten können als Entwicklungsländer eingeordnet werden, 32 davon gelten als am wenigsten entwickelte Länder.2 Als Entwicklungsstrategie fördert die zur Afrikanischen Union gehörende (Gesamt-)Afrikanische Wirtschaftsgemeinschaft die regionale Integration in allen Teilen des Kontinents. Während die Verträge häufig von der Idee der Zusammengehörigkeit der afrikanischen Staaten getragen sind, scheitert ihre Umsetzung gelegentlich an politischen oder militärischen Auseinandersetzungen zwischen den Vertragsparteien.
A. Ein vertragsfreundlicher Kontinent I. Panafrikanismus, Organisation der Afrikanischen Einheit (OAU) und Afrikanische Union (AU) „Africa must unite“ – die Forderung, die dem Besucher der Homepage der Afrikanischen Union (African Union, AU)3 beim Anklicken entgegenblinkt, stammt von Kwame Nkrumah.4 Der damalige ghanaische Staatspräsident stellte sie 1963 als einer der Begründer des Panafrikanismus. Damals konnte er allerdings noch nicht ahnen, wie weit sie führen würde. Selbst innerhalb der panafrikanischen Bewegung waren ihre Ziele umstritten. 1 2 3 4
Nämlich 17 von 29, vgl. Anlage II. Vgl. Anlage I. Http://www.africa-union.org. Nkrumah, L’Afrique doit s’unir.
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2. Kap.: Rechtsordnungen bestehender Entwicklungsgemeinschaften
Die pan-afrikanische Idee war von den Afro-Amerikanern Marcus Garvey und Burghardt Dubois ins Leben gerufen worden. Dubois erarbeitete eine Erklärung der Rechte schwarzafrikanischer Völker und organisierte zwischen 1919 und 1945 fünf pan-afrikanische Kongresse – den fünften in Manchester zusammen mit seinem Freund Nkrumah, der zu dieser Zeit in England studierte.5 Einige afrikanische Führer übernahmen die Idee des vereinten Afrika, um kulturelle Gemeinsamkeiten und den Beitrag der afrikanischen Kulturen zur menschlichen Zivilisation zu unterstreichen. Sie wurde im Kampf gegen die Kolonialisierung aufgegriffen und bei der Befreiung und der Gründung der jungen afrikanischen Staaten verwendet. Welche Bedeutung der Panafrikanismus nach der Befreiung von den Kolonialmächten für den Kontinent haben sollte, war zwischen denjenigen, die wie Nkrumah eine sofortige politische Einheit forderten, und denjenigen, die ihn lediglich als Solidaritätsbekundung zwischen souveränen Staaten verstanden, umstritten. Diese Positionen standen sich gegenüber6, als einige frühe sub-regionale Zusammenschlüsse und pan-afrikanische Bewegungen7 1993 die Organisation der Afrikanischen Einheit (Organization of African Unity, OAU) gründeten, der bald alle afrikanischen Staaten angehörten. Unter der Führung Nkrumahs strebte die OAU in ihren Gründungsjahren ein föderalistisches System mit einer kontinentalen Regierung und einer pan-afrikanischen Armee an.8 Aufgabe der OAU blieb aber zunächst die Förderung politischer Kooperation und Solidarität.9 Die wesentlichen Ziele der OAU waren gemäß Artikel II der OAU-Charta10, den Kontinent von Kolonialisierung und Apartheid zu befreien, die Einheit und Solidarität der afrikanischen Staaten zu fördern, die Entwicklungszusammenarbeit zu koordinieren und intensivieren, die Souveränität 5
Vgl. Decraene, Le panafricanisme. Mahiou, Le cadre juridique de la coopération Sud-Sud, RdC 1993, S. 9, 144. 7 Dabei handelte es sich um die: Conference of Independent African States, 22. April 1958; Union of African States, 24. Dezember 1960; African States of the Casablanca Charter, 7. Januar 1961; African and Malagasy Union, 12. September 1961; Ghana-Guinea Union, 23. November 1958; Pan African Freedom Movement of East and Central Africa (PAFMECA); und die Organization of Inter-African and Malagasy States, 25. Januar 1962. Die Commission for Technical Cooperation in Africa South of the Sahara (CTCA) und der Scientific Council for Africa South of the Sahara traten dem OAU-Rahmenprogramm am 1. Januar 1965 bei. Vgl. O’Brien et al., A Geographically Based Introduction to Regional Intergovernmental Organizations, S. 55 Fn. 34. 8 Vgl. Nkrumah, L’Afrique doit s’unir. 9 O’Brien et al., A Geographically Based Introduction to Regional Intergovernmental Organizations, S. 55. 10 Die OAU-Charta ist veröffentlicht unter: http://www.au2002.gov.za/docs/ key_oau/oau_charter.htm. 6
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und territoriale Integrität der Mitgliedstaaten zu sichern sowie die internationale Zusammenarbeit im Rahmen der Vereinten Nationen zu fördern. Dazu sollten die Mitgliedstaaten ihre Politiken in den folgenden Bereichen koordinieren und harmonisieren: politische und diplomatische Zusammenarbeit, Verteidigung und Sicherheit sowie wirtschaftliche Entwicklung, einschließlich Transport, Kommunikation, Erziehung, Kultur, Gesundheit, Ernährung, Wissenschaft und Technik. Ein wichtiges Prinzip war gemäß Artikel III der OAU-Charta, sich nicht in innerstaatliche Angelegenheiten der Mitgliedstaaten einzumischen. Die OAU hat einige wichtige Programme und Mechanismen eingeleitet. Durch die Einführung des Mechanismus zur Prävention von, dem Umgang mit und der Bewältigung von Konflikten auf dem Gipfel vom 28.–30. Juni 1993 in Kairo gab die OAU ihr Nicht-Einmischungsprinzip auf und stärkte so ihre Kompetenzen im Bereich der Sicherheit und Verteidigung erheblich.11 Zum Ende der 1990er Jahre drohte sich die OAU in ein reines Gesprächsforum zu verwandeln. Um dies zu verhindern und den Integrationsprozess zu beschleunigen12, gründeten die afrikanischen Staats- und Regierungschefs die AU.13 Mit mehr Kompetenzen und einer verbesserten institutionellen Struktur löste die AU die OAU am 26. Mai 2001 ab.14 Ziele der AU sind gemäß Artikel 3 des AU-Vertrags unter anderem, größere Einheit und Solidarität zwischen den afrikanischen Ländern und Völkern zu erreichen; die Souveränität, territoriale Integrität und Unabhängigkeit der Mitgliedstaaten zu verteidigen; die politische und sozioökonomische Integration des Kontinents zu beschleunigen; Frieden, Sicherheit und Stabilität auf dem Kontinent sowie die nachhaltige Entwicklung auf wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Ebene ebenso zu fördern wie die Integration der afrikani11 O’Brien et al., A Geographically Based Introduction to Regional Intergovernmental Organizations, S. 56. 12 Erklärung der Staats- und Regierungschefs vom 9. September 1999 (Sirte-Declaration), http://www.au2002.gov.za/docs/key_oau/sirte.htm. 13 Mitgliedstaaten sind Ägypten, Algerien, Angola, Äquatorialguinea, Äthiopien, Benin, Botsuana, Burkina Faso, Burundi, Côte d’Ivoire, Demokratische Republik Kongo, Dschibuti, Eritrea, Gabun, Gambia, Ghana, Guinea, Guinea-Bissau, Kamerun, Kap Verde, Kenia, Komoren, Lesotho, Liberia, Libyen, Madagaskar, Malawi, Mali, Mauretanien, Mauritius, Mosambik, Namibia, Niger, Nigeria, Republik Kongo, Ruanda, Sambia, São Tomé und Príncipe, Senegal, Seychellen, Sierra Leone, Simbabwe, Somalia, Südafrika, Sudan, Swasiland, Tansania, Togo, Tschad, Tunesien, Uganda, Westsahara (Territorium derzeit von Marokko verwaltet) sowie Zentralafrikanische Republik. 14 Der Gründungsvertrag vom 11. Juli 2000 ist veröffentlicht unter http://www. africa-union.org/root/au/AboutAU/Constitutive_Act_en.htm. Vgl. hierzu und zum Folgenden Heyns/Baimu/Killiander, The African Union, GYIL 2003, S. 252, 259 ff.; Maluwa, The Constitutive Act of the African Union and Institution-Building in Postcolonial Africa, Leiden journal of international law 2003, S. 157 ff.
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2. Kap.: Rechtsordnungen bestehender Entwicklungsgemeinschaften
schen Volkswirtschaften und dafür zu sorgen, dass der Kontinent seine berechtigte Rolle in der Weltwirtschaft und in internationalen Verhandlungen spielen kann.15 II. Die Afrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (AEC) 1. Entstehung In den Anfangsjahren hatte sich die OAU vor allem auf die Stärkung der neuen afrikanischen Staaten und deren Souveränität konzentriert. Wirtschaftliche Fragen hatte sie der ECA überlassen.16 Als mit der Austrocknung der Sahelzone die wirtschaftlichen Probleme des Kontinents immer drängender wurden, wandte sich auch die OAU diesen Fragen zu. Inhaltlich schwenkte sie auf die Linie der ECA ein. Sie förderte zunächst die Bildung sub-regionaler Wirtschaftskooperationen, legte aber später den Schwerpunkt auf das Ziel einer einheitlichen Wirtschaftsgemeinschaft. Gemeinsam waren OAU und ECA die treibende Kraft hinter dem so genannten Lagos-Aktionsplan, der hierzu im April 1980 von den OAU-Staats- und Regierungschefs beschlossen wurde.17 Der Lagos-Aktionsplan stellte Strategien für die wirtschaftliche Entwicklung Afrikas auf und befürwortete tiefere regionale Wirtschaftskooperationen. Tatsächlich wurden daraufhin neue regionale Wirtschaftsvereinbarungen geschlossen und alte wiederbelebt.18 Zugleich versuchte das OAU-Generalsekretariat zusammen mit der Afrikanischen Entwicklungsbank (African Development Bank, ADB) und der ECA sowie weiteren Agenturen der Vereinten Nationen die wirtschaftliche Zusammenarbeit und Integration des gesamten afrikanischen Kontinents voranzutreiben. Der Lagos-Aktionsplan sah bereits die Gründung einer Gesamtafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft als Fernziel vor. In seiner Folge wurden die ersten offiziellen Entwürfe eines Vertrages über eine afrikanische Wirtschaftsgemeinschaft vorbereitet.19 Am 3. Juni 1991 schlossen die Staatschefs den Abuja-Vertrag zur Gründung der Afrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (African Economic Community, AEC).20 Im April 1994 war der Vertrag bereits von 35 OAU-Mit15 Vgl. dazu im Einzelnen Magliveras/Naldi, The African Union – a New Dawn for Africa?, ICLQ 2002, S. 415 ff. 16 Mahiou, Le cadre juridique de la coopération Sud-Sud, RdC 1993, S. 9, 147 f. 17 Mahiou, Le cadre juridique de la coopération Sud-Sud, RdC 1993, S. 9, 147 f. 18 UNCTAD (Hrsg.), Handbook of Economic Integration and Cooperation Groupings of Developing Countries, Vol. I, S. 7. 19 Mahiou, Le cadre juridique de la coopération Sud-Sud, RdC 1993, S. 9, 148 f.; UNCTAD (Hrsg.), Handbook of Economic Integration and Cooperation Groupings of Developing Countries, Vol. I, S. 8.
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gliedstaaten ratifiziert worden, so dass er gemäß seinem Artikel 101 am 12. Mai 1994 in Kraft trat. Beim 33. Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der OAU am 2. und 3. Juni 1997 nahm die AEC ihre Tätigkeit auf.21 Mittlerweile sind alle OAU/AU-Mitgliedstaaten, das heißt alle Staaten des Afrikanischen Kontinents, zugleich Mitgliedstaaten der AEC.22 2. Ziele und Instrumente Gemäß Artikel 4 AEC-Vertrag sind die Ziele der AEC, (a) die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung und die Integration der afrikanischen Volkswirtschaften zu fördern, um die wirtschaftliche Unabhängigkeit zu erhöhen und eine endogene und eigenständige Entwicklung zu erreichen; (b) auf kontinentaler Ebene einen Rahmen für die Entwicklung, Mobilisierung und Nutzung der menschlichen und materiellen Ressourcen Afrikas zu etablieren, um eine eigenständige Entwicklung zu befördern; (c) die Zusammenarbeit in allen Gebieten zu fördern, um den Lebensstandard der afrikanischen Völker zu heben und die wirtschaftliche Stabilität zu erhalten und zu erhöhen, enge und friedliche Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten zu fördern und zu Fortschritt, Entwicklung und wirtschaftlicher Integration des Kontinents beizutragen sowie (d) die Politiken der bestehenden und zukünftigen Wirtschaftsgemeinschaften zu koordinieren und zu harmonisieren, um eine kontinentale Gemeinschaft schrittweise zu verwirklichen. Gemäß Artikel 6 Absatz 1 AEC-Vertrag soll eine vollständige kontinentale Wirtschaftsunion innerhalb von 34 Jahren seit Errichtung der AEC im Jahr 1997 in sechs Phasen verwirklicht werden. In einer ersten Phase, die nicht länger als fünf Jahre dauern sollte (also bis 1999), sollten gemäß Artikel 6 Absatz 2 a AEC-Vertrag die bestehenden regionalen Wirtschaftsgemeinschaften gestärkt werden und in Regionen, in denen noch keine bestehen, neue geschaffen werden. Die Wirtschafts- und Sozialkommission (ECOSOC) der AEC nahm zu diesem Zweck am 25. Februar 1998 ein Protokoll über die Beziehungen zwischen der AEC und anderen regionalen wirtschaftlichen Vereinbarungen an.23 Diese erste Phase ist 20 Die englische Fassung des Vertrages ist abgedruckt in: ILM 1991, S. 1245–1282 und veröffentlicht unter http://www.iss.co.za/AF/RegOrg/unity_to_union/pdfs/oau/ treaties/AEC_Treaty_1991.pdf. 21 Pennetta, Le organizzazioni internazionali dei paesi in via di sviluppo, Band 1, S. 44 m. w. N. 22 s. o. 2. Kapitel Fn. 13; vgl. die Liste der Unterzeichnungen und Ratifizierungen des AEC-Vertrages: http://www.africa-union.org/root/au/Documents/Treaties/List/ Treaty%20Establishing%20the%20African%20Economic%20Community.pdf. 23 Das Protokoll ist veröffentlicht unter http://www.iss.co.za/AF/RegOrg/unity_ to_union/pdfs/aec/recprotocol.pdf.
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2. Kap.: Rechtsordnungen bestehender Entwicklungsgemeinschaften
nahezu verwirklicht. Derzeit erkennt die AU acht regionale Gemeinschaften an, auf die sich die Mitgliedstaaten konzentrieren sollen.24 Lediglich die Union des arabischen Maghreb und Libyen beteiligen sich bislang nicht an der AEC. In einer zweiten Phase gemäß Artikel 6 Absatz 2 b AEC-Vertrag, die nicht länger als acht Jahre dauern soll (also bis 2007), sollen (1) in jeder einzelnen Regionalgemeinschaft die bestehenden Zölle und nicht-tarifären Handelshemmnisse, Zollverpflichtungen und Steuern stabilisiert und Studien für einen Zeitplan für die Beseitigung aller Zölle und nicht-tarifären Handelshemmnisse für den regionalen und innergemeinschaftlichen Handel sowie die Harmonisierung der Außenzölle erstellt werden; (2) die sektorale Integration auf regionalem und kontinentalem Niveau auf allen Aktionsfeldern gestärkt werden, insbesondere denen des Handels, der Landwirtschaft, Währung und Finanzen, Transport und Kommunikation sowie Industrie und Energie; (3) die Aktivitäten der bestehenden und zukünftigen Wirtschaftsgemeinschaften koordiniert und harmonisiert werden. In den meisten der Regionalgemeinschaften wird dieses Ziel voraussichtlich plangemäß in 2007 erreicht werden. Die dritte Phase gemäß Artikel 6 Absatz 2 c AEC-Vertrag soll nicht länger als zehn Jahre (also bis 2017) dauern. In ihr soll auf der Ebene jeder einzelnen Wirtschaftsgemeinschaft eine Freihandelszone errichtet werden. Dazu sollen in jeder Wirtschaftgemeinschaft jeweils die Zeitpläne für die schrittweise Beseitigung der tarifären und nicht-tarifären Handelshemmnisse für den jeweils innergemeinschaftlichen Handel eingehalten und jeweils eine Zollunion durch die Annahme eines gemeinsamen Außenzolltarifs errichtet werden. Die höchstens zweijährige vierte Phase (bis 2019) gemäß Artikel 6 Absatz 2 d AEC-Vertrag dient der Koordinierung und Harmonisierung der Systeme von Zöllen und nicht-tarifären Hemmnissen der einzelnen regionalen Wirtschaftsgemeinschaften in Hinblick auf die Errichtung einer kontinentalen Zollunion mit einem gemeinsamen Außenzoll. In der fünften Phase, die vier Jahre nicht überschreiten soll (bis 2023), soll gemäß Artikel 6 Absatz 2 e AEC-Vertrag ein Gemeinsamer Afrikanischer Markt geschaffen werden, und zwar durch: (1) die Annahme einer gemeinsamen Politik in verschiedenen Bereichen (Landwirtschaft, Transport und Kommunikation, Industrie, Energie, Wissenschaft und Forschung); (2) die Harmonisierung der Währungs-, Finanz- und Fiskalpolitiken; (3) die 24 Das sind ECOWAS, COMESA, ECCAS, SADC, IGAD, AMU, CEN-SAD und EAC; Beschluss der AU-Versammlung vom 1.–2. Juli 2006, AU-Dok. Assembly/ AU/DEc.112(VII). Zur Auflösung der Abkürzungen und den einzelnen Gemeinschaften sogleich.
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Einführung des Prinzips der Personenfreizügigkeit sowohl als Wohn- als auch als Niederlassungsfreiheit; und (4) die Festsetzung eigener Finanzmittel der AEC25. In der letzten, sechsten Phase gemäß Artikel 6 Absatz 2 f AEC-Vertrag, die fünf Jahre nicht überschreiten soll (bis 2028), sollen (1) die Struktur des Gemeinsamen Afrikanischen Marktes konsolidiert und gestärkt werden durch die Freizügigkeit von Personen, Waren, Kapital und Dienstleistungen; (2) der Politik-, Wirtschafts-, Sozial- und der Kultursektor gestärkt werden und sowohl ein einheitlicher Binnenmarkt als auch eine pan-afrikanische Wirtschafts- und Währungsunion gegründet werden; sowie schließlich (3) (a) eine Afrikanische Währungsunion mit einer Afrikanischen Zentralbank und einer einheitlichen afrikanischen Währung eingesetzt werden; (b) die Struktur eines pan-afrikanischen Parlaments geschaffen werden, dessen Mitglieder direkt von allen Bürgern der Mitgliedstaaten gewählt werden; (c) die Aktivitäten von regionalen Wirtschaftsgemeinschaften harmonisiert und koordiniert werden; (d) Strukturen für afrikanische multinationale Unternehmen in allen Sektoren geschaffen werden und (e) Strukturen für Exekutivorgane der AEC geschaffen werden. Mit dieser klaren Planung wurden die Konsequenzen aus gescheiterten Integrationsprozessen in den afrikanischen Regionen gezogen. Sie lässt dennoch genügend Spielraum für unvorhergesehene Ereignisse und erscheint jedenfalls für die ersten Phasen hinsichtlich der Zeiträume realistisch.26 Es bleiben aber auch Fragen offen: Der AEC-Vertrag nennt nur das Ziel des freien Personenverkehrs. Wie dieses Prinzip auf dem afrikanischen Kontinent angesichts der ohnehin großen Schwierigkeiten mit extrem unterschiedlichen Lohnniveaus, Arbeitslosigkeit, illegaler Migration und Xenophobie umgesetzt werden soll, wird offen gelassen. Zur Kapitalverkehrsfreiheit sind die Regelungen des AEC-Vertrages etwas präziser, allerdings nur soweit es um afrikanisches Kapital geht. Zu nicht-afrikanischem Kapital, das für die Wirtschaft der afrikanischen Staaten eine große praktische Bedeutung hat, schweigt der Vertrag. Dabei käme es hier insbesondere darauf an, die Grundlage für Harmonisierungsregeln zu legen und die Risiken einer selbstzerstörerischen Konkurrenz um Kapital aus den Industrieländern zu minimieren.27 Höchste Priorität der gemeinsamen Politiken haben wegen der existentiellen Schwierigkeiten im Bereich der Ernährung die Landwirtschaft und Nah25 Vgl. zu dem vorgesehenen Haushalt und den dafür von den Mitgliedstaaten aufzubringenden Beiträgen Artikel 82 des AEC-Vertrages. 26 So auch Mahiou, Le cadre juridique de la coopération Sud-Sud, RdC 1993, S. 9, 167. 27 Mahiou, Le cadre juridique de la coopération Sud-Sud, RdC 1993, S. 9, 178 ff.
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2. Kap.: Rechtsordnungen bestehender Entwicklungsgemeinschaften
rungsmittelsicherheit. Der AEC-Vertrag sieht dazu vor, 1. gemeinsam die Produktionsverluste zu verringern durch Kampf gegen Naturkatastrophen (Trockenheit), Landplagen (Heuschrecken und Landwirtschaftskrankheiten), 2. die Produktion und Produktivität zu steigern und dabei die Arbeitsplätze in der Landwirtschaft beizubehalten und 3. regionale und kontinentale Abkommen zu schließen, um die Lebensmittelsicherheit zu garantieren und im Falle schwerer Hungersnöte Hilfe zu leisten. Die Idee, eine afrikanische Börse der Grundnahrungsmittel zu gründen, wird hingegen nicht weiter erläutert.28 Für die Industriepolitik gibt der AEC-Vertrag zwei Schwerpunkte vor: die Spezialisierung und Komplementarität sowohl zwischen den Staaten als auch zwischen den Regionen sowie gemeinsame Industrieprojekte. Eine Lücke besteht hinsichtlich der Nord-Süd-Beziehungen. Dazu wird lediglich festgestellt, dass die Beziehungen verbessert werden müssen.29 Eine Vorbedingung für die Schaffung des gemeinsamen Marktes ist der Fortschritt der gemeinsamen Politik im Bereich Transport und Kommunikation. Die Distanzen auf dem afrikanischen Kontinent sind lang und die Transport- und Kommunikationswege auch unabhängig davon ungenügend. Viele Teile des Kontinents sind nicht miteinander verbunden. In manchen Fällen bestehen Flugverbindungen nur über Europa. Auch Telefonverbindungen führen teilweise von einem afrikanischen Land über Frankreich oder Großbritannien ins andere. Viele Gebiete sind nicht durch Schienennetze und nur sehr unzureichend durch Straßen erschlossen. Zur Abhilfe bedarf es hier vor allem finanzieller Mittel. Der AEC-Vertrag sieht hierzu vor, Übereinkommen zu Eisenbahnnetzen und deren Ausstattung zu treffen, um Spannungsunterbrechungen zu vermeiden; die verschiedenen Transportmittel zu koordinieren, damit sie sich effizienter ergänzen; Vereinbarungen über den Flugverkehr zu schließen, um die bestehenden Mittel besser und rentabler zu nutzen; sowie gemeinsame oder regionale Transportunternehmen zu schaffen.30 Artikel 79 AEC-Vertrag sieht die Möglichkeit zur differenzierten Behandlung von am wenigsten entwickelten Staaten sowie von landlocked, semilandlocked und Inselstaaten vor. Gemäß Artikel 5 Absatz 3 AEC-Vertrag stellt eine Vertragsverletzung den Bruch von Völkerrecht dar, der Staatenverantwortlichkeit nach sich zieht. Die AEC kann danach Sanktionen gegen den verletzenden Staat verhängen. Zu den möglichen Sanktionen gehören die Aussetzung von Rechten und Privilegien der AEC-Mitgliedschaft. 28 29 30
Mahiou, Le cadre juridique de la coopération Sud-Sud, RdC 1993, S. 9, 180. Mahiou, Le cadre juridique de la coopération Sud-Sud, RdC 1993, S. 9, 182. Mahiou, Le cadre juridique de la coopération Sud-Sud, RdC 1993, S. 9, 183.
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3. Institutionelle Struktur und Entscheidungsmechanismen Die Organe der AEC sind gemäß Artikel 7 AEC-Vertrag die Versammlung der Staats- und Regierungschefs, der Ministerrat, das Panafrikanische Parlament, die Wirtschafts- und Sozialkommission, der Gerichtshof, das Generalsekretariat sowie spezialisierte technische Komitees. Die meisten dieser Organe sind zugleich solche der AEC und der AU. Entscheidungen der Versammlung der Staats- und Regierungschefs binden gemäß Artikel 10 Absatz 2 AEC-Vertrag die Mitgliedstaaten, die anderen Organe der Gemeinschaft und die regionalen und sub-regionalen Gemeinschaften. Entscheidungen der Versammlung werden einstimmig gefällt oder, wenn eine Einstimmigkeit nicht erreicht wird, mit Zweidrittel-Mehrheit. Lediglich für die Anrufung des Gerichtshofs wegen Verletzung des Vertrages oder des Gemeinschaftsrechts durch einen Mitgliedstaat oder ein Organ genügt die absolute Mehrheit. Jeder Staat hat eine Stimme, unabhängig von seiner Einwohnerzahl oder seiner Wirtschaftskraft. Von einigen Autoren wird für Entscheidungen im Rahmen der AEC eine Gewichtung der Stimmen gefordert.31 Das Parlament, dessen Gründung durch den AEC-Vertrag bereits vorgesehen war, ist durch ein Ergänzungsprotokoll, das am 14. Dezember 2003 in Kraft getreten ist, errichtet worden. 4. Streitbeilegungsmechanismus Das zweite wichtige Organ, das durch den AEC-Vertrag neu eingeführt wurde, ist der Gerichtshof. Gemäß Artikel 18 AEC-Vertrag kann der Gerichtshof sowohl beratend als auch streitentscheidend tätig werden. Die Entscheidungen des Gerichtshofes sind gemäß Artikel 19 AEC-Vertrag für die Mitgliedstaaten und die AEC-Organe bindend. Klageberechtigt sind im Vertragsverletzungsverfahren die Versammlung der Staats- und Regierungschefs und die Mitgliedstaaten (Artikel 18 AEC-Vertrag). Gemäß Artikel 87 AECVertrag müssen die Mitgliedstaaten jedoch vor der Anrufung des Gerichtshofes einen Versuch der gütlichen Streitbeilegung unternehmen. Kritik wird daran geäußert, dass auf Gemeinschaftsseite nur die Versammlung Klage erheben kann, da sie einerseits bei gravierenden Fällen sich möglicherweise nicht auf eine gerichtliche Lösung einigen kann, sich andererseits als höchstes Organ bei ihren jährlichen Treffen kaum mit allen relevanten Fällen wird beschäftigen können. Kritisiert wird zudem, dass die regionalen und sub-regionalen Organisationen zwar vor dem Gerichtshof wegen Vertrags31 So Mahiou, Le cadre juridique de la coopération Sud-Sud, RdC 1993, S. 9, 153 f. m. w. N.
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verletzungen verklagt werden dürfen, selbst aber keinerlei Klagerecht vor dem Gerichtshof haben.32 III. Zahlreiche regionale und sub-regionale Integrationsabkommen Durch den AEC-Vertrag werden die regionalen und sub-regionalen Gemeinschaften wichtiger Bestandteil der kontinentalen Integrationsstrategie. Das AEC-Arbeitsprogramm 1997–2000 konzentrierte sich auf die Stärkung bereits bestehender regionaler Vereinbarungen, um diese eines Tages in einer einheitlichen Wirtschaftsunion aufgehen zu lassen. Davon gab es bereits zahlreiche. Die ersten stammen aus den 1950er und 1960er Jahren als Reaktion auf die Kolonialisierung und Entkolonialisierung.33 In den 1960er und 1970er Jahren förderte die ECA das Entstehen neuer Entwicklungsgemeinschaften.34 Dem diente ebenfalls der Lagos-Aktionsplan von 1980.35 Parallel zur Errichtung der AEC gab es in den 1990er Jahren eine neue Welle von Gründungen und Wiederbelebungen regionaler Integrationsgemeinschaften. Ursprung dieser neuen Versuche, die auf eine Geschichte mit vielen Misserfolgen zurückblicken musste, war unter anderem die Befreiung Südafrikas von der Apartheid. Südafrika wurde nach dem Ende der Apartheid ein attraktiver möglicher Partner für Kooperations- und Integrationssysteme. Zudem wurden sich viele afrikanische Staaten, nachdem sie die erste Enttäuschung über gescheiterte Versuche überwunden hatten, bewusst, dass viele Hindernisse für ihre Entwicklung unilateral nicht zu beseitigen waren.36 Die Entwicklungsgemeinschaften in Afrika überschneiden sich stark nach Zielen und Mitgliedstaaten. Die von der AEC beabsichtigte Konsolidierung ist bislang nicht geglückt. Die Vertragsfreudigkeit zeigt sich eindrucksvoll in der nachfolgenden Darstellung der afrikanischen Entwicklungsgemeinschaften (Abbildung 1). Im Folgenden werden die Entwicklungsgemeinschaften der verschiedenen afrikanischen Regionen vorgestellt. Dabei werden sektorale Gemeinschaften wie die Flussbettgemeinschaften Gambia River Basin Organization (GRBDO)37 und Niger Basin Authority 32
Mahiou, Le cadre juridique de la coopération Sud-Sud, RdC 1993, S. 9, 164. s. o. unter § 2 A. 34 s. o. unter § 2 B. 35 s. o. unter § 5 A. II. 1. 36 Naon, Sovereignity and Regionalism, Law and Policy in International Business 1996, S. 1073, 1126. 37 Mitgliedstaaten sind Gambia, Guinea, Guinea-Bissau, Senegal. 33
Gambia
Benin Niger Togo Burkina Faso Côte d’Ivoire
Ghana Nigeria
Mauritania
CSSS Cape Verde
Libya Morocco Tunisia
Algeria
SADC
Namibia Swaziland
CBI
Mauritius Malawi Seychelles Zambia Comoros Zimbabwe Madagascar
Mozambique
South Africa Botswana Lesotho
SACU
Djibouti Ethiopia Eritrea Sudan
IOC
Reunion
Somalia
IGA IGAD
Nile River Basin
Kenya * Uganda *
Egypt
COMESA
Abbildung 1: Entwicklungsgemeinschaften in Afrika: „The African Galaxy“ 38
CLISS
Tanzania
EAC
DR Congo Angola
Central African Rep. Chad Gabon Equat. Guinea Rep. Congo Burundi Rwanda
CEMAC São Tomé & Principe
Cameroon
ECCAS
Permanent Interstate Cmtte on Drought Contr. in the Sahel
CILSS
Economic Community of Central African States
ECCAS
Southern African Development Community
CSSS
ECGLC
Community of SahelSaharan States
Economic Community for Great Lake Countries
WAEMU West African Economic and Monetary Union
SADC
Southern African Customs Union
Indian Ocean Commission
IOC SACU
Inter-Governmental Authority for Government
IGAD
ECOWAS Economic Community of Western African States
East African Cooperation
EAC
COMESA Common Market for Eastern and Southern Africa
Economic and Monetary Community of Central Africa
Cross Border Initiative
CEMAC
CBI
ACRONYMS AMU Arab Maghreb Union
38 Grafik übernommen aus Yang/Gupta, Regional Trade Arrangements in Africa: Past Performance and the Way Forward, S. 11 Figure 1. Die hier aufgeführten Zusammenschlüsse Nile River Basin und CBI sind keine Entwicklungsgemeinschaften. Es fehlt die Greater Arab Free Trade Area (GAFTA), s. u. unter § 5 B. II.
Monetary
Free trade
Customs unions
ManoRiver Union
Liberia Guinea Sierra Leone
Guinea-Bissau Mali Senegal
WAEMU
Conseil de L’Entente
ECOWAS
AMU
African Union
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2. Kap.: Rechtsordnungen bestehender Entwicklungsgemeinschaften
(NBA)39 und das Permanent Interstate Committee for Drought Control in the Sahel (CILSS)40 nicht berücksichtigt. Auch das Regional Integration Facilitation Forum (RIFF), Nachfolger der Cross Border Inititative (CBI) stellt keine Entwicklungsgemeinschaft, sondern lediglich ein regionales Forum zur Erleichterung von Integration dar.41
B. Nordafrika I. Union des arabischen Maghreb (UMA/AMU) Beim Maghreb-Gipfel 1989 gründeten die fünf Maghreb-Staaten die Union des arabischen Maghreb (Union du Maghreb Arabe, UMA, bzw. Arab Maghreb Union, AMU).42 Der Gründungsvertrag von Marrakesh wurde am 17. Februar 1989 unterzeichnet und trat am 1. Juli 1989 in Kraft. Darin sind als Ziele u. a. die schrittweise Einführung der Freizügigkeit von Personen, Dienstleistungen, Waren und Kapital, die Schaffung einer Freihandelszone, einer Zollunion, eines gemeinsamen Marktes und schließlich einer Wirtschaftsunion vorgesehen.43 Die Instabilität der Region sowie Grenzstreitigkeiten haben jedoch die regionale Zusammenarbeit im Rahmen von UMA/AMU behindert und schließlich zum Stillstand gebracht. Wegen eines Streits zwischen Marokko und Algerien über die Westsahara wurden die Gipfel ab 1993 ausgesetzt.44 Bei einem OAU-Gipfel 1999 befürworteten die UMA/AMU-Mitgliedstaaten eine Mediation durch die Vereinten Nationen in der Westsahara, die zur Wiederaufnahme der Zusammenarbeit im Jahr 2001 führte.45 Ihren Zielen im Bereich des Handels scheint sie dadurch aber bislang nicht näher gekommen zu sein.46 39 Mitgliedstaaten sind Benin, Burkina Faso, Côte d’Ivoire, Guinea, Kamerun, Mali, Niger, Tschad; offizielle Homepage: http://www.abn.ne. 40 Mitgliedstaaten: Burkina Faso, Gambia, Guinea-Bissau, Kap Verde, Mali, Mauretanien, Niger, Senegal, Tschad; Offizielle Homepage: http://www.cilss.bf. 41 Vgl. http://www.comesa.int/institutions/NO’N-COMESA/regional_integration. Beteiligte Staaten: Burundi, Kenia, Komoren, Madagaskar, Malawi, Mauritius, Namibia, Ruanda, Seychellen, Swasiland, Tansania, Uganda, Sambia, Simbabwe. 42 Mitglieder sind: Algerien, Libyen, Marokko, Mauretanien und Tunesien. Offizielle Homepage: http://www.maghrebarabe.org. 43 UNCTAD (Hrsg.), Handbook of Economic Integration and Cooperation Groupings of Developing Countries, Vol. I, S. 9. 44 O’Brien et al., A Geographically Based Introduction to Regional Intergovernmental Organizations, S. 60. 45 Vgl. Mitteilungen unter http://www.maghrebarabe.org. 46 Trade Policy Review Tunisia, Report by the Secretariat, Revision, WTO-Dok. WT/TPR/S/152/Rev.1 vom 31. Oktober 2005, S. 21.
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II. Große Arabische Freihandelszone (GAFTA) Unter dem Begriff der „Joint Arab Economic Action“ („al- ‘Amal al-iqtisa¯dı¯ al-‘arabı¯ al-musˇtarak“) wurden seit der Gründung der Arabischen Liga ˙ (AL)47 1945 immer wieder Versuche unternommen, in deren Rahmen eine intra-arabische wirtschaftliche Kooperation und Integration zu verwirklichen. Unter anderem wurde 1957 das „Abkommen über die Arabische Wirtschaftseinheit“ („Ittifa¯qı¯ya al-Wahda al-iqtisa¯dı¯ya al-‘arabı¯ya“) ge˙ schlossen. Für die Implementierung des˙ Vertrages wurde 1964 der Council of Arab Economic Unity (CAEU)48 geschaffen, der noch im selben Jahr die Gründung eines „Gemeinsamen Arabischen Marktes“ („as-Su¯q al-‘arabı¯ya al-musˇtaraka“) beschloss.49 Als alle Versuche scheiterten, konzentrierte man sich in den 80er Jahren zunächst auf die Förderung der subregionalen wirtschaftlichen Zusammenarbeit, allein der 1981 von Saudi-Arabien, Kuwait, Bahrein, Katar, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Oman gegründete Gulf-Cooperation Council (GCC)50 überstand.51 Wohl auch aus Angst vor negativen Auswirkungen der Uruguay-Runde auf die vereinzelten Staaten hat die AL nichtsdestotrotz mit dem Beschluss Nr. 1317 ihres Wirtschafts- und Sozialrates über die Errichtung der „Greater Arab Free Trade Area“ („Mintaquat at-tig˘a¯ra al-‘arabı¯ya al-kubra¯“, ˙ GAFTA) vom 17. Februar 1997 einen Neubeginn des wirtschaftlichen In52 tegrationsprozesses beschlossen. Kernstück ist ein detailliertes Durchführungsprogramm, das auf den Bestimmungen des Abkommens zur Erleichterung und Entwicklung des Handelsaustauschs unter den arabischen Staaten vom 27. Februar 1981 aufbaut, welches bislang 18 von 22 Mitgliedstaaten der AL unterzeichnet haben.53 Das Programm ist zum 1. Januar 1998 in Kraft getreten. Es regelt den stufenweisen Abbau der tarifären und nicht-tarifären Hemmnisse im Handel mit Gütern arabischen Ursprungs innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren.54 Zölle, Abgaben und Steuern mit zollähnlicher Wirkung auf alle unter den Mitgliedstaaten gehandelten Güter sollen 47
Offizielle Homepage: http://www.arableagueonline.org/las/index.jsp (arabisch). Http://www.caeu.org.eg. 49 Englert, Die Große Arabische Freihandelszone, S. 2. 50 Vgl. dazu unten unter § 6 D. II. 51 Zu den Hintergründen des Misserfolgs ausführlich Englert, Die Große Arabische Freihandelszone, S. 6. 52 Vgl. den Auftrag der Konferenz der Arabischen Liga zur Vorbereitung einer solchen Freihandelszone im Konfenrenzbeschluss von Kairo vom 21.–23. Juni 1996, abgedruckt in englischer Sprache in: ILM 1996, S. 1280 ff. 53 Mitglieder sind Ägypten, Bahrain, Irak, Jemen, Jordanien, Katar, Kuwait, Libanon, Libyen, Marokko, Oman, Palästinensische Gebiete, Saudi Arabien, Somalia, Sudan, Syrien, Tunesien, Vereinigte Arabische Emirate. 54 Englert, Die Große Arabische Freihandelszone, S. 2. 48
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2. Kap.: Rechtsordnungen bestehender Entwicklungsgemeinschaften
um jährlich zehn Prozentpunkte gesenkt werden. Allerdings sind verschiedene Ausnahmeklauseln enthalten (zugunsten von Religion und Gesundheit, unter bestimmten Bedingungen für eine begrenzte Zahl landwirtschaftlicher Erzeugnisse sowie unter bestimmten Voraussetzungen zeitlich begrenzt auch für Industriegüter).55 Es gelten das Prinzip der Inländerbehandlung und gemeinsame Ursprungsregeln. Die Mitgliedstaaten verpflichten sich auf den Grundsatz der Transparenz und den Austausch von Daten und Informationen. Es ist ihnen gestattet, untereinander zusätzliche Vereinbarungen zu treffen, die dem Liberalisierungszeitplan des Programms vorgreifen. Den arabischen Staaten, die von den Vereinten Nationen als am wenigsten entwickelt klassifiziert werden, sowie den Palästinensischen Gebieten wird eine Sonderbehandlung eingeräumt.56 Die Vorschriften sind in einen institutionellen Teil zur Durchführung und Überwachung eingebettet.57 Wichtigstes Organ, das die Implementierung des Programms sicherstellen soll, ist der Wirtschafts- und Sozialrat der AL.58 Am 1. Januar 2005 hatten alle Mitgliedstaaten den Zollabbau vollendet, lediglich die am wenigsten entwickelten Staaten Jemen, Somalia und Sudan machen von den ihnen gewährten längeren Fristen Gebrauch.59 Bislang wird die GAFTA als Erfolg bewertet. Als nächste Schritte werden eine Arabische Zollunion und schließlich ein Gemeinsamer Markt in Erwägung gezogen.60 Vier der Mitgliedstaaten der GAFTA, Ägypten, Jordanien, Marokko und Tunesien, haben am 25. Februar 2004 das Abkommen von Agadir als weiteres Freihandelsabkommen geschlossen. Bislang haben es aber erst Ägypten und Tunesien ratifiziert.61 III. Sahel- und Saharastaatengemeinschaft (CEN-SAD) Die Sahel- und Saharastaatengemeinschaft (Economic Community of Sahelo-Saharian States, CEN-SAD) wurde 1998 vom libyschen Revolutions55
Englert, Die Große Arabische Freihandelszone, S. 17 f. Englert, Die Große Arabische Freihandelszone, S. 17 f. 57 Englert, Die Große Arabische Freihandelszone, S. 17 f. 58 Trade Policy Review Tunisia, Report by the Secretariat, Revision, WTO-Dok. WT/TPR/S/152/Rev.1 vom 31. Oktober 2005, S. 20. 59 Trade Policy Review Tunisia, Report by the Secretariat, Revision, WTO-Dok. WT/TPR/S/152/Rev.1 vom 31. Oktober 2005, S. 20. 60 United Nations Economic and Social Commission for Western Asia (Hrsg.), Annual Review of Developments in Globalization and Regional Integration in the Countries of the ESCWA Region, Summary, S. 11. 61 Trade Policy Review Tunisia, Report by the Secretariat, Revision, WTO-Dok. WT/TPR/S/152/Rev.1 vom 31. Oktober 2005, S. 20 f. 56
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führer Qadafi initiiert.62 Die Entstehungsgeschichte von CEN-SAD ist anfänglich eng mit den wirtschafts- und sicherheitspolitisch geprägten saharischen Ambitionen der libyschen Revolutionsführung verbunden. Libyens Schwarzafrikapolitik sollte dem Kontinent eine antikoloniale, antiimperialistische, antiisraelische und antifranzösische, zugleich pro-islamische Ausrichtung geben.63 In Artikel I des Gründungsvertrages sind sozioökonomisch ausgerichtete Ziele genannt, deren Endstufe die Bildung einer umfassenden Wirtschaftsunion ist. Das wichtigste Lenkungsgremium ist gemäß Artikel IV des Gründungsvertrages die Konferenz der Staatschefs, die als höchstes Gremium die von den nachgeordneten Gremien ausgearbeiteten Beschlüsse und Empfehlungen ratifiziert und in Kraft setzt oder eigene Entscheidungen fällt. Das zweitwichtigste Lenkungsgremium ist der Exekutivrat, der sich aus den Ministern für Äußeres, Wirtschaft/Finanzen/Planung und Inneres/Öffentliche Sicherheit jedes Mitgliedstaates zusammensetzt, die die Pläne und Programme der Gemeinschaft entwerfen und die Treffen und Entscheidungen der Konferenz der Staatschefs vorbereiten und umsetzen. Das Generalsekretariat am Hauptsitz von CEN-SAD in Tripolis hat den Auftrag, die Umsetzung der von der Konferenz der Staatschefs und dem Exekutivrat gefassten Beschlüsse vorzunehmen und zu überwachen und das ordnungsgemäße Funktionieren beider Gremien zu gewährleisten. Daneben bestimmt der Gründungsvertrag als Organe zur Verwirklichung der wirtschaftlichen und soziokulturellen Zielsetzungen eine Entwicklungsbank und einen Wirtschafts-, Sozial- und Kulturrat.64 Beim 5. CEN-SAD-Gipfel am 14.–15. März 2003 in Niamey (Niger) wurde der Grundsatzbeschluss zur Einführung der CEN-SAD Free Trade Area gefasst.65 Inwieweit diese in die Praxis umgesetzt wird, muss sich erst noch erweisen.
62 Die Mitgliederzahl ist bereits von sechs auf 23 angewachsen; Mitglieder sind: Ägypten, Benin, Burkina Faso, Côte d’Ivoire, Dschibuti, Eritrea, Gambia, Ghana, Guinea-Bissau, Liberia, Libyen, Mali, Marokko, Niger, Nigeria, Senegal, Sierra Leone, Somalia, Sudan, Togo, Tschad, Tunesien, Zentralafrikanische Republik; vgl. die offizielle Homepage: www.cen-sad.org. 63 Mattes, Die Sahel- und Saharastaatengemeinschaft (SinSad), in: Nabers/Ufen, Regionale Integration – Neue Dynamiken in Afrika, Asien und Lateinamerika, S. 137. 64 Mattes, Die Sahel- und Saharastaatengemeinschaft (SinSad), in: Nabers/Ufen, Regionale Integration – Neue Dynamiken in Afrika, Asien und Lateinamerika, S. 137, 141 ff. 65 Mattes, Die Sahel- und Saharastaatengemeinschaft (SinSad), in: Nabers/Ufen, Regionale Integration – Neue Dynamiken in Afrika, Asien und Lateinamerika, S. 137, 147.
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2. Kap.: Rechtsordnungen bestehender Entwicklungsgemeinschaften
C. Westafrika I. Rat der Verständigung (EC) Die älteste noch bestehende sub-regionale Organisation Afrikas befindet sich im Westen des Kontinents. Der Rat der Verständigung (Entente Council/Conseil de l’Entente, EC)66 wurde am 9. Mai 1959 gegründet. Er ersetzte die wenige Monate zuvor geschaffene Union Sahel-Benin in der Teilnachfolge der 1958 aufgelösten französischen Kolonialföderation FranzösischWestafrika. Ursprünglich war er als politisches Forum entwickelt worden, durchlief aber verschiedene Phasen. In den 1970er Jahren konzentrierte sich die Organisation auf die wirtschaftliche Entwicklung. Diese sollte in erster Linie durch den Mutual Aid and Loan Guaranty Fund of the Entente Council (EC-Fund) erreicht werden. Aus diesem Fonds werden Anleihegarantien vergeben und alle wirtschaftlichen Aktivitäten des EC abgewickelt.67 Erst in den letzten Jahren knüpfte der EC an seine politische Zielsetzung an, indem er eine Sicherheitskonvention über Beistand und Zusammenarbeit verabschiedete. Diese wurde aber bislang nicht umgesetzt. Projekte des EC liegen in den Bereichen Zoll- und Steuerreformen, wirtschaftliche und soziale Entwicklung, Erziehung und Gesundheit, Information, Justizwesen, Transport und Kommunikation. Sein landwirtschaftliches Programm ist vor allem der Viehzucht und der Lebensmittelproduktion gewidmet.68 II. Wirtschaftsgemeinschaft westafrikanischer Staaten (ECOWAS) 1. Entstehung Wesentlich bedeutender ist die 1975 gegründete Wirtschaftsgemeinschaft westafrikanischer Staaten (Economic Community of West African States, ECOWAS).69 Die Initiative ging auf die Zusammenarbeit zwischen dem frankophonen Togo und dem anglophonen Nigeria zurück. Beiden ging es unter anderem darum, die Abhängigkeit der frankophonen Staaten von Frankreich zu reduzieren. Wegen anfänglicher Skepsis traten die anderen frankophonen Staaten erst Mitte der 1970er Jahre bei. Dazu trugen folgende 66 Gründungsmitglieder waren: Côte d’Ivoire, Dahomey (heute: Benin), Obervolta (heute: Burkina Faso) und Niger. Togo trat 1966 bei. 67 Vgl. ausführlich zum EC-Fund Pennetta, Il Conseil de l’Entente, in: La Comunità internazionale 1999, S. 56, 58 ff. 68 O’Brien et al., A Geographically Based Introduction to Regional Intergovernmental Organizations, S. 58. 69 Offizielle Homepage: http://www.ecowas.int.
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Gründe bei: Nach Militärputschen in Benin und Niger kamen Regime an die Macht, die sich von Frankreich distanzieren wollten. Die Hauptopponenten Senegal und Côte d’Ivoire gelangten zu der Erkenntnis, dass regionale Politik nicht gegen, sondern nur mit dem damals übermächtig erscheinenden Nigeria erfolgreich sein könne. Nigeria gewann durch seinen Ölreichtum an wirtschaftlicher Macht und konnte während der ersten AKP-EG-Verhandlungen zum Lomé-Abkommen die afrikanischen Interessen überzeugend vertreten.70 Wichtig waren außerdem das Vorbild der EG sowie die intensive Forschungs- und Lobbyarbeit der ECA.71 Gründungsmitglieder waren Benin, Burkina Faso, Côte d’Ivoire, Gambia, Ghana, Guinea, Guinea-Bissau, Liberia, Mali, Mauretanien, Niger, Nigeria, Senegal, Sierra Leone und Togo. Kap Verde trat etwas später bei. Mauretanien erklärte 2001 seinen Austritt mit der Begründung, dass es sich mehr der Region des Maghreb zugehörig fühle.72 Um die anfangs zögerliche Integration zu beschleunigen, wurde der ECOWAS-Vertrag 1993 geändert.73 2. Ziele und Instrumente Ziel der ECOWAS ist gemäß Artikel 3 ECOWAS-Vertrag, die wirtschaftliche Zusammenarbeit und Integration zu stärken und eine Wirtschafts- und Währungsunion zu gründen, um wirtschaftliches Wachstum und Entwicklung in Westafrika zu fördern. Schrittweise sollen die Zölle und Abgaben mit gleicher Wirkung auf den Handel zwischen den Mitgliedstaaten abgeschafft werden. Gleichzeitig sollen alle quantitativen und bürokratischen Beschränkungen des Handels sowie alle anderen Hindernisse für die Freizügigkeit von Waren, Dienstleistungen und Kapital aufgehoben werden. In den Mitgliedstaaten sollen Programme und Projekte aufgestellt werden, um die Politiken zu harmonisieren und die ECOWAS-Projekte in allen wichti70
Van der Boom, Die „Economic Community of West African States“ – Regionale Integration unter schlechten Rahmenbedingungen, in: Nabers/Ufen, Regionale Integration – Neue Dynamiken in Afrika, Asien und Lateinamerika, S. 95, 96 f. 71 Van der Boom, Die „Economic Community of West African States“ – Regionale Integration unter schlechten Rahmenbedingungen, in: Nabers/Ufen, Regionale Integration – Neue Dynamiken in Afrika, Asien und Lateinamerika, S. 95, 97. 72 Van der Boom, Die „Economic Community of West African States“ – Regionale Integration unter schlechten Rahmenbedingungen, in: Nabers/Ufen, Regionale Integration – Neue Dynamiken in Afrika, Asien und Lateinamerika, S. 95, 98. 73 Vgl. dazu UNCTAD (Hrsg.), Handbook of Economic Integration and Cooperation Groupings of Developing Countries, Vol. I, S. 16 f. Der ECOWAS-Vertrag in seiner aktuellen Fassung von 1993 ist veröffentlicht unter http://www.iss.co.za/AF/ RegOrg/unity_to_union/pdfs/ecowas/3ECOWASTreaty.pdf.
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gen Wirtschaftsbereichen zu fördern und eine ungleichmäßige Entwicklung der Mitgliedstaaten auszugleichen. ECOWAS wird gemäß Artikeln 70 ff. ECOWAS-Vertrag durch eine Gemeinschaftsabgabe („Community levy“) finanziert, die sich als ein Prozentsatz (derzeit 0,5%) der gesamten Importzölle für Wareneinfuhren aus Drittländern berechnet. 3. Institutionelle Struktur und Entscheidungsmechanismen Die ECOWAS-Institutionen sind in Kapitel 3 des ECOWAS-Vertrages von 1993 geregelt. Dort sind die Behörde (Authority) der Staats- und Regierungschefs, der Ministerrat, das Gemeinschaftsparlament, der Wirtschaftsund Sozialrat, der Gemeinschaftsgerichtshof, das Exekutivsekretariat, der Fonds für Zusammenarbeit, Kompensation und Entwicklung sowie spezialisierte technische Kommissionen vorgesehen (Artikel 6 ECOWAS-Vertrag). Oberstes Organ ist die Behörde der Staats- und Regierungschefs (Authority of Heads of State and Government), die mindestens einmal im Jahr zusammentritt (Artikel 7 ECOWAS-Vertrag). Die Entscheidungen der Behörde der Staats- und Regierungschefs werden je nach Gegenstand einstimmig oder mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der Mitgliedstaaten gefasst; sie binden die Mitgliedstaaten und die Institutionen der Gemeinschaft (Artikel 9 ECOWAS-Vertrag). Der Ministerrat setzt sich gemäß Artikeln 10 ff. ECOWAS-Vertrag aus je zwei Ministern jedes Mitgliedstaates zusammen. Der Ministerrat ist für das Funktionieren und die Entwicklung der Gemeinschaft verantwortlich. Der Rat handelt durch Verordnungen, die für alle ihm untergeordneten Institutionen sowie im Falle der Bestätigung durch die Behörde der Staats- und Regierungschefs für die Mitgliedstaaten bindend sind. Das Exekutivsekretariat gemäß Artikel 17 ECOWAS-Vertrag umfasst fünf spezialisierte Kommissionen und wird von einem Exekutivsekretär geleitet, der für jeweils vier Jahre ernannt wird. Zur Errichtung des Gemeinschaftsparlaments gemäß Artikel 13 ECOWASVertrag wurde 1994 ein Protokoll beschlossen, das erst am 14. März 2002 in Kraft trat. Es hat 115 Sitze, die abhängig von der Größe der Bevölkerung der Mitgliedstaaten mit einem Minimum von fünf Sitzen vergeben werden. Die Mitglieder des Gemeinschaftsparlaments sollen in direkter allgemeiner Wahl von den Bürgern der Mitgliedstaaten jeweils für fünf Jahre gewählt werden. Bis es zu solchen Wahlen kommt, werden die Mitglieder von den nationalen Parlamenten aus deren Mitte bestimmt. Das Gemeinschaftsparlament hat überwiegend beratende Funktion. Zu seinen Zuständigkeiten gehören Menschenrechte und Grundfreiheiten.74 74
Vgl. http://www.ecowas.int.
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Der Wirtschafts- und Sozialrat soll gemäß Artikel 14 ECOWAS-Vertrag als beratendes Gremium fungieren. Seine Gründung steht noch aus. 4. Streitbeilegungsmechanismus Streitigkeiten über die Auslegung und Anwendung des Vertrages sollen gemäß Artikel 76 ECOWAS-Vertrag durch einvernehmliche Vereinbarung gelöst werden. Nur wenn das nicht möglich ist, kann jede Streitpartei, jeder Mitgliedstaat sowie die Behörde der Staats- und Regierungschefs den Gerichtshof anrufen. Entscheidungen des Gerichtshofs sind gemäß Artikel 76 Absatz 2 ECOWAS-Vertrag endgültig und unanfechtbar. Sie binden gemäß Artikel 15 ECOWAS-Vertrag nicht nur die Mitgliedstaaten und ECOWASOrgane, sondern auch natürliche und juristische Personen. 5. Umsetzung und aktuelle Tendenzen ECOWAS ist eine der regionalen Säulen der AEC. Sie hat Programme oder Instrumente zur Wirtschaftsintegration, insbesondere Handelsliberalisierung und Währungskooperation, zur Energiepolitik und Infrastrukturentwicklung, zur industriellen Zusammenarbeit, für die Landwirtschaft, zum Schutz der natürlichen Ressourcen und der Umwelt, für Gesundheit und soziale Belange, Reisen, Verkehr und Kommunikation entwickelt.75 In der Praxis verläuft die wirtschaftliche Integration in ECOWAS langsam. Freizügigkeit ist bereits teilweise verwirklicht. Die geplante Freihandelszone, der gemeinsame Außenzoll und eine gemeinsame Währung sind nicht im zunächst vorgesehenen Zeitplan eingerichtet worden. Hemmnisse sind die politische Instabilität Nigerias, die historisch bedingte Trennlinie zwischen anglophonen und frankophonen Staaten und die starken wirtschaftlichen Unterschiede zwischen relativ entwickelten Staaten – Nigeria, Côte d’Ivoire, Senegal und Ghana – und den teilweise kaum überlebensfähigen Klein-, Binnen- und Wüstenstaaten.76 Dazu kommt, dass der regionalen Integration von ihren Mitgliedstaaten nur eine niedrige Priorität eingeräumt wird.77 Auch die wirtschaftlichen Ausgangsbedingungen sind schwierig: niedriger Diversifizierungsgrad, starke Defizite im Bildungssystem und politische Instabilität.78 75 O’Brien et al., A Geographically Based Introduction to Regional Intergovernmental Organizations, S. 57. 76 Van der Boom, Die „Economic Community of West African States“ – Regionale Integration unter schlechten Rahmenbedingungen, in: Nabers/Ufen, Regionale Integration – Neue Dynamiken in Afrika, Asien und Lateinamerika, S. 95, 99 f. 77 Van der Boom, Die „Economic Community of West African States“ – Regionale Integration unter schlechten Rahmenbedingungen, in: Nabers/Ufen, Regionale Integration – Neue Dynamiken in Afrika, Asien und Lateinamerika, S. 95, 103 ff.
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Erfolgreich sind die Einführung und Ausweitung des ECOWAS Friedensund Sicherheitsmandates. In den frühen 1990er Jahren setzte ECOWAS die ECOWAS Military Observer Group (ECOMOG) ein, um die Konflikte in Sierra Leone und Liberia zu beenden. Im Oktober 1998 beschlossen die Regierungschefs die bis dahin ad hoc ECOMOG in eine permanente stand-by force umzuwandeln. Die Entscheidung über humanitäre Hilfe soll von dem neuen Amt für Operationen, Friedenssicherung und humanitäre Angelegenheiten getroffen werden.79 III. Mano River Union (MRU) Am 3. Oktober 1973 wurde die Mano River Union (MRU) als Zollunion zwischen Liberia und Sierra Leone gegründet. Guinea trat 1980 bei. Ihr Ziel ist gemäß der Mano-River-Erklärung die Ausweitung des Handels und die gleichmäßige Verteilung der Gewinne aus der wirtschaftlichen Liberalisierung sowie die Stärkung der industriellen Entwicklung und die schrittweise Entwicklung einer gemeinsamen Zollpolitik. Die MRU förderte und verwirklichte gemeinsame Entwicklungsprojekte. Auf einigen Gebieten, z. B. bei der Koordinierung der industriellen Entwicklung, arbeitete die MRU mit ECOWAS zusammen.80 Bis 1994 wurden regelmäßig hochrangige Treffen abgehalten. Die Konflikte zwischen Liberia und Sierra Leone haben allerdings die Zusammenarbeit erschwert und letztlich unterbrochen. Im November 1998 trafen sich die Mitgliedstaaten, um ihre Nicht-AngriffsVerträge zu erneuern.81 IV. Westafrikanische Wirtschafts- und Währungsunion (UEMOA) Mit ECOWAS überschneidet sich nach Mitgliedern und Zielen die Westafrikanische Wirtschafts- und Währungsunion (Union Économique et Monétaire Ouest Africaine, UEMOA)82, die 1994 als Nachfolgerin der 1962 ent78 Van der Boom, Die „Economic Community of West African States“ – Regionale Integration unter schlechten Rahmenbedingungen, in: Nabers/Ufen, Regionale Integration – Neue Dynamiken in Afrika, Asien und Lateinamerika, S. 95, 111. 79 O’Brien et al., A Geographically Based Introduction to Regional Intergovernmental Organizations, S. 57 f. 80 UNCTAD (Hrsg.), Handbook of Economic Integration and Cooperation Groupings of Developing Countries, Vol. I, S. 35. 81 O’Brien et al., A Geographically Based Introduction to Regional Intergovernmental Organizations, S. 59. 82 Vgl. die offizielle Homepage: http://www.uemoa.int/index.htm; vgl. auch http://www.izf.net/izf/Institutions/Integration/Default.htm.
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standenen Union Monétaire Ouest Africaine (UMOA)83 gegründet wurde.84 Die Entstehung der UMOA wurde von Frankreich gefördert, um die besonderen wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zu seinen ehemaligen Kolonien zu wahren und die befürchtete Vormachtstellung des anglophonen Westafrika, insbesondere Nigerias und Ghanas, abzublocken. Insoweit steht sie in Konkurrenz zu ECOWAS.85 Die am 17. April 1973 durch den Vertrag von Abidjan86 gegründete Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (Communauté économique de l’Afrique de l’Ouest, CEAO)87, der zeitweise dieselben Mitgliedstaaten wie der Westafrikanischen Währungsunion angehörten88, wurde wegen der Umwandlung der UMOA in die UEMOA am 15. März 1994 von den Staatschefs aufgelöst.89 Mitglieder der UEMOA sind die westafrikanischen Mitgliedstaaten der CFA-Zone.90 Sie ist Teil der Kooperationsanstrengungen, die die Staaten der CFA-Zone seit der CFA-Abwertung am 1. Januar 1994 unternehmen, um die Währungsunion nicht durch eine disparate Wirtschaftsentwicklung in den Mitgliedstaaten zu gefährden.91 Sie hat das Ziel, einen Gemeinsamen Markt in Westafrika zu schaffen und die wirtschaftliche Entwicklung und 83 Diese wiederum folgte der 1959 gegründeten West African Economic Community. 84 Der Gründungsvertrag in seiner aktuellen Fassung ist veröffentlicht unter http://www.uemoa.int/actes/2003/TraitReviseUEMOA.pdf. 85 Kohnert, Die UEMOA und die CFA-Zone – Eine neue Kooperationskultur im frankophonen Afrika?, in: Nabers/Ufen, Regionale Integration – Neue Dynamiken in Afrika, Asien und Lateinamerika, S. 95, 115 f. 86 Der Vertragstext ist abgedruckt in: Belaouane-Gherari/Gherari, Les organisations régionales africaines, S. 138 ff. 87 Mitgliedstaaten waren Benin, Burkina Faso, Côte d’Ivoire, Mali, Mauretanien, Niger und Senegal. Vorgängerorganisationen waren die aus dem kolonialen Zollgebiet Französisch Westafrika hervorgegangene Westafrikanische Zollunion (UDAO) von 1959 und deren direkte Nachfolgerin Zollunion Westafrikanischer Staaten (UDEAO) von 1966. 88 Nur Mauretanien war 1994 Mitglied der CEAO, nicht aber der UMOA. 89 Vgl. zur CEAO: Gautron, La Communauté économique de l’Afrique de l’Ouest: antécédents et perspectives, AFDI, 1975, S. 200 ff.; Mahiou, Le cadre juridique de la coopération Sud-Sud, RdC 1993, S. 9, 111 ff.; UNCTAD (Hrsg.), Handbook of Economic Integration and Cooperation Groupings of Developing Countries, Vol. I, S. 29; zum regionalen Machtkampf zwischen der CEAO und ECOWAS vgl. Mahiou, Le cadre juridique de la coopération Sud-Sud, RdC 1993, S. 9, 137 ff. 90 Gründungsmitglieder sind: Benin, Burkina Faso, Côte d’Ivoire, Mali, Niger, Senegal und Togo. Guinea-Bissau trat 1997 bei. 91 Ausführlicher Kohnert, Die UEMOA und die CFA-Zone – Eine neuer Kooperationskultur im frankophonen Afrika?, in: Nabers/Ufen, Regionale Integration – Neue Dynamiken in Afrika, Asien und Lateinamerika, S. 95, 115 ff. m. w. N.
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finanzielle Stabilität ihrer Mitgliedstaaten zu fördern.92 Sie versucht multilaterale Überwachungsmechanismen zur Harmonisierung der Wirtschaftspolitiken zu schaffen, die nationalen Politiken zu koordinieren und die Gesetzgebung zu harmonisieren.93 Lenkungsorgane sind die Konferenz der Staatschefs, der Ministerrat und die UEMOA-Kommission. Sie werden vom Gerichtshof, dem Rechnungshof und einem interparlamentarischen Komitee kontrolliert. Die Zentralbank der Westafrikanischen Staaten (Banque Centrale des États de l’Afrique de l’Ouest (BCEAO)) und die Westafrikanische Entwicklungsbank (Banque Ouest-Africaine de Développement) sind eigenständige internationale Organisationen.94 Die enge Zusammenarbeit mit dem IMF, der Weltbank und Frankreich, die die UEMOA mit beträchtlichen finanziellen Mitteln unterstützten, verhalf ihr zunächst zum Erfolg.95 Auch die Vollendung der Zollunion zeigt positive Effekte.96 Die weiteren Erfolgsaussichten leiden unter der Krise in der Côte d’Ivoire. Problematisch ist des Weiteren die Frage der Anbindung des CFA an den Euro.97
D. Zentralafrika I. Zentralafrikanische Wirtschafts- und Währungsunion (CEMAC) Zur Franc-Zone mit dem CFA-Franc als gemeinsamer Währung gehören nicht nur westafrikanische, sondern auch zentralafrikanische Staaten. Parallel zur UEMOA gründeten die zentralafrikanischen CFA-Staaten 1994 die Zentralafrikanische Wirtschafts- und Währungsgemeinschaft (Communauté 92 Vgl. dazu Chidjou, Régionalisation, mondialisation, et développement: les processus d’intégration dans les Unions européenne et africaine à travers les exemples des PECO et de l’UEMOA, Revue juridique et politique des états francophones 2004, S. 3, 6 ff. 93 O’Brien et al., A Geographically Based Introduction to Regional Intergovernmental Organizations, S. 58. 94 Http://www.uemoa.int/organes/organisation.htm. 95 Ausführlicher Kohnert, Die UEMOA und die CFA-Zone – Eine neuer Kooperationskultur im frankophonen Afrika?, in: Nabers/Ufen, Regionale Integration – Neue Dynamiken in Afrika, Asien und Lateinamerika, S. 95, 115 ff. m. w. N. 96 Yang/Gupta, Regional Trade Arrangements in Africa: Past Performance and the Way Forward, S. 16. 97 Ausführlicher Kohnert, Die UEMOA und die CFA-Zone – Eine neuer Kooperationskultur im frankophonen Afrika?, in: Nabers/Ufen, Regionale Integration – Neue Dynamiken in Afrika, Asien und Lateinamerika, S. 95, 115 ff. m. w. N.
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Economique et Monétaire de l’Afrique Centrale CEMAC).98 Mit Inkrafttreten des Gründungsvertrages99 im Juni 1999 ersetzte sie die bereits Mitte der 1960er Jahre gegründete Zentralafrikanische Zoll- und Wirtschaftsunion (Union douanière et économique de l’Afrique centrale, UDEAC).100 Die CEMAC besteht aus zwei Säulen, der Wirtschaftsunion (Union Economique en Afrique Centrale, UEAC) und der Währungsunion (Union Monétaire en Afrique Centrale, UMAC). In beiden Säulen wollen die Mitgliedstaaten gemäß Artikel 1 CEMAC-Vertrag von einer Kooperation zu einer Integration übergehen. Lenkungsorgane sind gemäß Artikel 2 CEMAC-Vertrag die Konferenz der Staatschefs, der UEAC-Ministerrat, das UMAC-Ministerkomitee, das CEMAC-Sekretariat (Secrétariat Exécutif) sowie ein Zwischen-StaatsKomitee (Comité Inter-Etats). Mit der Kontrolle sind der Gerichtshof und die interparlamentarische Kommission beauftragt. Die interparlamentarische Kommission soll durch ein Gemeinschaftsparlament ersetzt werden. Als spezialisierte Organe wurden die Bank der Zentralafrikanischen Staaten (Banque des États de l’Afrique Centrale, BEAC), die Bankkommission Zentralafrikas (Commission Bancaire de l’Afrique Centrale, COBAC) sowie die Entwicklungsfinanzinstitution (Institution de Financement du Développement, BDEAC) in die CEMAC einbezogen. Bislang konnte CEMAC keine größere praktische Bedeutung erlangen. II. Wirtschaftsgemeinschaft der Großen-Seen-Staaten (ECGLC/CEPGL) Mit Vertrag vom 20. September 1976 wurde die Wirtschaftsgemeinschaft der Großen-Seen-Staaten (Economic Community of the Great Lakes Coun98
Vgl. http://www.izf.net/izf/Institutions/Integration/Default.htm. Der Gründungsvertrag der CEMAC ist veröffentlicht unter http://www.izf.net/ izf/Institutions/Integration/AfriqueCentrale/TexteBase/traité%20cemac.htm. 100 Mitglieder sind: Äquatorialguinea (seit 1983), Gabun, Kamerun, Republik Kongo, Tschad und Zentralafrikanische Republik. Vorgängerorganisation der UDEAC war die Union dounanière équatoriale (UDE) vom 23. Juni 1959, die 1961 in die Union douanière équatoriale-Cameroun (UDE-Cameroun) umgewandelt wurde. Weiterer Nachfolger der UDE war der Fonds de Solidarité de l’UDEAC. Die Zentralafrikanische Republik und der Tschad traten aus UDEAC im April 1968 aus, um mit Kongo-Kinshasa die Union der Zentralafrikanischen Staaten zu gründen, die aber nur von kurzer Dauer war. Im Dezember 1968 wurde die Zentralafrikanische Republik, im Dezember 1984 der Tschad wieder Mitglied der UDEAC. Vgl. O’Brien et al., A Geographically Based Introduction to Regional Intergovernmental Organizations, S. 64 Fn. 54; UNCTAD (Hrsg.), Handbook of Economic Integration and Cooperation Groupings of Developing Countries, Vol. I, S. 44. 99
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tries/Communauté Économique des Pays des Grands Lacs, ECGLC/ CEPGL) gegründet.101 Der Gründungsvertrag trat am 6. April 1977 in Kraft. Dadurch wurden wirtschaftliche Verbindungen, die vor der Kolonialisierung und während der belgischen Kolonialverwaltung Burundis, Ruandas und Zaires (heute: Demokratische Republik Kongo) bestanden hatten, auf einer neuen Grundlage wieder aufgegriffen. Ziel ist die Förderung der wirtschaftlichen Integration und die Sicherheit der Mitgliedstaaten durch die Schaffung eines Rahmens für die Koordinierung und Harmonisierung der Politiken und Aktionen in den Bereichen Soziales, Wirtschaft, Handel, Wissenschaft, Kultur, Politik, Militär, Finanzen, Technik und Tourismus.102 Organe der CEPGL sind die Konferenz der Regierungschefs, der Ministerrat, das ständige Direktionssekretariat und ein Streitschlichtungsgremium, das bei Rechtsstreitigkeiten gehört werden kann, dessen Meinungen aber keine Bindungswirkung entfalten. Die Konferenz der Staatschefs hat darüber hinaus bei seiner ersten ordentlichen Sitzung im September 1977 die Entwicklungsbank der Großen-Seen-Staaten (Development Bank of the Great Lakes States, BDEGL) geschaffen.103 In den 1980er Jahren war die Organisation aktiv, aber die hochrangigen Treffen wurden zu Beginn der 1990er Jahre wegen der Konflikte in den drei Staaten eingestellt und bislang nicht wieder aufgenommen.104 III. Wirtschaftsgemeinschaft Zentralafrikanischer Staaten (ECCAS/CEEAC) Bei einer Konferenz der Staatschefs von ECGLC/CEPGL und UDEAC (jetzt CEMAC) im Dezember 1981 wurde die Gründung der Economic Community of Central African States/Communauté Économique des États d’Afrique Centrale (ECCAS/CEEAC) aufgrund einer Empfehlung der OAU (jetzt AU) im Rahmen des Lagos-Aktionsplanes beschlossen.105 Der Gründungsvertrag wurde am 18. Oktober 1983 unterzeichnet und trat am 18. Dezember 1984 in Kraft.106 ECCAS/CEEAC soll die Aktivitäten von CEPGL und UDEAC (jetzt CEMAC) zusammenführen. Fernziel ist ein zentralafri101
Mitgliedstaaten sind: Burundi, Demokratische Republik Kongo, Ruanda. O’Brien et al., A Geographically Based Introduction to Regional Intergovernmental Organizations, S. 65. 103 UNCTAD (Hrsg.), Handbook of Economic Integration and Cooperation Groupings of Developing Countries, Vol. I, S. 50 ff. 104 Vgl. O’Brien et al., A Geographically Based Introduction to Regional Intergovernmental Organizations, S. 65. 105 Mitgliedstaaten sind: Angola, Äquatorialguinea, Burundi, Demokratische Republik Kongo, Gabun, Kamerun, Republik Kongo, Ruanda, Sao Tomé und Principe, Tschad und Zentralafrikanische Republik. 102
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kanischer Gemeinsamer Markt als Baustein für einen gesamtafrikanischen Gemeinsamen Markt. Der ECCAS/CEEAC-Gründungsvertrag sieht Institutionen und Mechanismen vor.107 Tatsächlich war die Arbeit der ECCAS/ CEEAC jedoch wegen fehlender finanzieller Mittel und der Konflikte im Gebiet der Großen Seen über Jahre unterbrochen. Die AEC hat im Jahr 1999 die Bedeutung der ECCAS/CEEAC als wesentliche Wirtschaftsgemeinschaft in Zentralafrika bestätigt. Die Arbeit wurde mit neuen finanziellen Mitteln wieder aufgenommen, bislang jedoch ohne nennenswerte Integrationserfolge.108
E. Süd- und Ostafrika I. Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrika (SADC) 1. Entstehung Im Süden Afrikas schlossen sich 1980 neun Staaten als Southern African Development Coordination Conference (SADCC) zusammen, um einen politischen und wirtschaftlichen Block gegen Südafrika zu bilden. Nach Ende der Apartheid sollte Südafrika selbst Mitglied werden. Dies wurde zum Anlass genommen, die Konferenz umzugestalten. Der Ministerrat der SADCC nahm 1992 einen Plan an, nach dem eine Wirtschaftsgemeinschaft mit gemeinsamen Politiken insbesondere in den Bereichen Handel und Wechselkurse entstehen sollte.109 Auf dieser Grundlage wurde die Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrika (Southern African Development Community, SADC)110 gegründet.111 Eine Initiative, SADC und PTA (heute COMESA112) zusammenzuführen, die sich hinsichtlich ihrer Mitgliedschaft und ihrer Ziele überschneiden, wurde von der Mehrheit der Mitglieder kurz 106 UNCTAD (Hrsg.), Handbook of Economic Integration and Cooperation Groupings of Developing Countries, Vol. I, S. 35. Der Vertrag ist in seiner englischen Fassung abgedruckt in: ILM 1984, S. 945 ff. 107 UNCTAD (Hrsg.), Handbook of Economic Integration and Cooperation Groupings of Developing Countries, Vol. I, S. 40. 108 Vgl. http://www.africa-union.org/Recs/ECCASoverview.pdf. 109 Vgl. zur Geschichte der SADCC: UNCTAD (Hrsg.), Handbook of Economic Integration and Cooperation Groupings of Developing Countries, Vol. I, S. 68 ff. 110 Mitgliedstaaten sind: Angola, Botsuana, die Demokratische Republik Kongo, Lesotho, Malawi, Mauritius, Mosambik, Namibia, Sambia, Seychellen, Simbabwe, Südafrika, Swasiland und Tansania. 111 Vgl. dazu Mengelkoch, The Right to Work in SADC Countries, S. 31; der SADC-Gründungsvertrag vom 17. August 1992 ist in der englischen Fassung abgedruckt in: ILM 1993, 120 und veröffentlicht unter http://www.sadc.int/english/ documents/legal/treaties/declaration_and_treaty_of_sadc.php. 112 Dazu unten unter § 5 E. III.
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darauf abgelehnt.113 Die aktuelle Fassung des SADC-Vertrages trat am 14. August 2001 in Kraft.114 2. Ziele und Instrumente Ziele der SADC sind gemäß Artikel 5 SADC-Vertrag u. a. Entwicklung, wirtschaftliches Wachstum und die Erhöhung des Lebensstandards zu erreichen, Armut und Krankheit – insbesondere HIV – zu bekämpfen, die Beschäftigung zu erhöhen, die historischen, sozialen und kulturellen Gemeinsamkeiten der Völker der Region zu stärken und gemeinsame politische Werte und Ziele zu fördern sowie Demokratie, Frieden, Sicherheit und Stabilität zu festigen und zu erhalten. Um die Entwicklung und Integration der Region in diesem Sinne zu verwirklichen, sollen die Mitgliedstaaten auf allen erforderlichen Gebieten gemäß Artikel 21 SADC-Vertrag zusammenarbeiten. Die Kooperations- und Integrationsmechanismen sollen von den Mitgliedstaaten gemäß Artikel 22 SADC-Vertrag in einzelnen Protokollen vereinbart werden. Gemäß Artikel 28 SADC-Vertrag soll SADC überwiegend aus Beiträgen der Mitgliedstaaten finanziert werden. 3. Institutionelle Struktur und Entscheidungsmechanismen Oberstes Organ ist gemäß Artikel 10 SADC-Vertrag die Gipfelkonferenz der Staats- und Regierungschefs, die mindestens zweimal jährlich zusammentritt. Ihre Entscheidungen werden einstimmig getroffen und sind bindend. Auf der Ebene der Gipfelkonferenz ist das neue „Organ on Politics, Defence and Security“ angesiedelt (Artikel 10a SADC-Vertrag)115. Der Rat gemäß Artikel 12 SADC-Vertrag setzt sich aus den Außenministern der Mitgliedstaaten zusammen und tagt häufiger. Er entwirft Programme und Richtlinien. Ein gemeinsamer Ministerausschuss überwacht die Durchführung des Vertrages gemäß Artikel 12 SADC-Vertrag. Daneben gibt es einen ständigen Ausschuss von Regierungsbeamten, der den Rat fachlich beraten soll (Artikel 13 SADC-Vertrag). Ausführendes Organ ist das Sekretariat mit Sitz in Botsuana (Artikel 14). Ihm sitzt gemäß Artikel 15 SADC-Vertrag der Exekutivsekretär vor. Das Se113 O’Brien et al., A Geographically Based Introduction to Regional Intergovernmental Organizations, S. 60. 114 Der SADC-Vertrag in seiner aktuellen Fassung ist veröffentlicht unter http:// www.issafrica.org/AF/RegOrg/unity_to_union/pdfs/sadc/sadctreatynew.pdf. 115 Vgl. dazu den Strategic Indicative Plan for the Organ on Politics, Defence and Security Cooperation vom vom 5. August 2004 http://www.sadc.int/english/ documents/sipo/sipo_en.pdf.
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kretariat ist durch die Vertragsänderung von 2001 erheblich gestärkt worden. Zuvor wurden die einzelnen Programme von dezentralisierten Koordinationseinheiten, die bei nationalen Fachministerien angesiedelt waren, entworfen und durchgeführt. Jedem Mitgliedstaat war dazu die Verantwortung für ein Fachgebiet übertragen worden. Diese Arbeitsweise wurde maßgeblich für die geringen Integrationserfolge der SADC verantwortlich gemacht. Das Sekretariat wird daher derzeit ausgebaut und umstrukturiert.116 Nationalausschüsse unter Beteiligung der Zivilgesellschaft gemäß Artikel 16a SADC-Vertrag sollen helfen, die SADC-Politiken in den Mitgliedstaaten umzusetzen. 4. Streitbeilegungsmechanismus Das Gericht gemäß Artikel 16 SADC-Vertrag wird derzeit eingerichtet. Bei der Gipfelkonferenz am 18. August 2005 wurden bereits die Richter ernannt.117 5. Umsetzung und aktuelle Tendenzen SADC betreibt Programme in den Bereichen Qualifizierung von Arbeitnehmern, Wissenschaft und Forschung, Information, Lebensmittelsicherheit, natürliche Ressourcen und Umweltmanagement, Transport und Kommunikation sowie Energie und Bergbau. Am bedeutendsten hinsichtlich Finanzvolumen und Anzahl der Projekte ist der Transport- und Kommunikationssektor. Zudem bemüht sich SADC um die Stärkung von Demokratie und dem Grundsatz des guten Regierens, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten, Armutsbekämpfung, regionaler Solidarität sowie Frieden und Sicherheit. Es wird ein Rahmenprogramm zur Friedenserhaltung entwickelt und es hat bereits gemeinsame Militärübungen gegeben.118 Das neue Organ on Politics, Defence and Security soll diesen Bereich weiter voranbringen. SADC ist eine der regionalen Säulen der AEC.119 Von Anfang an gab es Bemühungen, die wirtschaftliche Zusammenarbeit und Integration zu stär116
Vgl. Organogramm nach dem Beschluss des SADC-Rates vom 25. Februar 2005, http://www.sadc.int/english/about/structure/SADC%20Structure%20250 22005.pdf. 117 2005 SADC Summit Communiqué vom 18. August 2005, Absatz 40, http:// www.sadc.int/index.php?action=a2001&news_id=489&language_id=1. 118 O’Brien et al., A Geographically Based Introduction to Regional Intergovernmental Organizations, S. 61. 119 Vgl. dazu Maluwa/Laddie/Montague, The African Union, the Southern African Development Community, and the New Partnership for Africa’s Development: Some Observations on the South Africa’s Contribution to International Law-making and Institution-building in Africa 1994–2004, SAYIL 2004, S. 5, 14 ff.
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ken. Ziele sind insbesondere, grenzüberschreitende Investitionen und Handel zu fördern, Freizügigkeit der Produktionsfaktoren sowie von Gütern und Dienstleistungen herzustellen und die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu erhöhen. Lange Zeit wurde aber der langsame Integrationsprozess der SADC beklagt. Die meisten SADC-Protokolle zur Einführung der Integrationsmechanismen wurden über Jahre hinweg nicht ratifiziert. Erst Ende der 1990er Jahre kam neuer Schwung in den Integrationsprozess. Der SADC-Vertrag erhielt seine aktuelle Fassung und die meisten Protokolle wurden von den meisten Mitgliedstaaten ratifiziert. Sie sind in den Jahren 1999–2001 in Kraft getreten. Dazu gehört das Handelsprotokoll vom 24. August 1996, das am 25. Januar 2000 in Kraft getreten ist.120 Südafrika hatte es erst ratifiziert, nachdem es seinen bilateralen Handelsvertrag mit der EU ausverhandelt hatte.121 Danach errichtet SADC eine Freihandelszone bis 2008. Hiervon erhofft man sich neue Impulse für den Integrationsprozess. Dazu soll ebenfalls der „Regional Indicative Strategic Development Plan (RISDP)“, der zusammen mit der Vertragsänderung 2001 von der Gipfelkonferenz beschlossen wurde, beitragen.122 Erste Erfolge auf dem Weg zur Freihandelszone durch Zollkonzessionen, die Harmonisierung von Zoll- und Handelsdokumentationen sowie Verhandlungen über Ursprungsregeln sind bereits sichtbar.123 SADC beabsichtigt, die Handelsliberalisierung auf den Handel mit Dienstleistungen auszuweiten. Die Verhandlungen hierzu haben zwar noch nicht begonnen.124 Insgesamt scheint der Wille zur tatsächlichen Integration aber gefestigter zu sein, als nach dem Vertragsschluss von 1992. II. Zollunion des Südlichen Afrika (SACU) Die Zollunion des Südlichen Afrika (Southern African Customs Union, SACU) ist eine der ältesten Zollunionen der Welt.125 Bereits 1910 hatten Kolonialbeamte für Südafrika und einige kleinere Nachbarstaaten eine Zollunionsvereinbarung geschlossen126, die am 1. März 1970 vom SACU-Vertrag abgelöst wurde.127 Eine umfassende Revision des SACU-Vertrages 120
Das Handelsprotokoll ist veröffentlicht unter: http://www.sadc.int/index.php? action=a2001&news_id=489&language_id=1. 121 Dazu ausführlich Weusmann, Die Europäische Union und Südafrika. 122 Vgl. http://www.sadc.int/english/documents/risdp/index.php. 123 Trade Policy Review Southern African Customs Union, Report by the Secretariat, WTO-Dok. WT/TPR/S/114 vom 24. März 2003, S. 13 f. 124 Trade Policy Review Southern African Customs Union, Report by the Secretariat, WTO-Dok. WT/TPR/S/114 vom 24. März 2003, S. 14. 125 Trade Policy Review Southern African Customs Union, Report by the Secretariat, WTO-Dok. WT/TPR/S/114 vom 24. März 2003, S. 5. 126 Page, Regionalism Among Developing Countries, S. 58.
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konnte am 21. Oktober 2002 abgeschlossen werden und trat am 15. Juli 2004 in Kraft.128 Zwischen den Mitgliedstaaten besteht Freizügigkeit für Güter und ein gemeinsamer Außenzolltarif. Die bisherigen Integrationsfortschritte wurden vom WTO-Sekretariat im Rahmen des Trade Policy Review Mechanism positiv bewertet.129 Gemäß Artikel 2 SACU-Vertrag sind die weiteren Ziele: (a) den grenzüberschreitenden Güterhandel zwischen den Mitgliedstaaten zu erleichtern; (b) effektive, transparente und demokratische Institutionen zu schaffen, die ausgeglichene Handelsgewinne der Mitgliedstaaten sichern werden; (c) faire Wettbewerbsbedingungen im gemeinsamen Zollgebiet zu fördern; (d) die Investitionschancen des Gemeinsamen Zollgebiets erheblich zu erhöhen; (e) die wirtschaftliche Entwicklung, Diversifizierung, Industrialisierung und Wettbewerbsfähigkeit der Mitgliedstaaten zu erhöhen; (f) die Integration der Mitgliedstaaten in die Weltwirtschaft durch verstärkten Handel und Investitionen zu fördern; (g) die Zolleinkünfte sowie die von den Mitgliedstaaten erhobenen Verbrauchs- und Mehrwertsteuern ausgeglichen aufzuteilen; sowie (h) die Entwicklung gemeinsamer Politiken und Strategien zu erleichtern. Gemäß Artikel 7 SACU-Vertrag werden folgende Organe neu errichtet: Ministerrat, Zollunionskommission, Sekretariat, Zollbehörde, technische Verbindungsausschüsse sowie ein Ad-hoc-Gericht. Das Ad-hoc-Gericht entspricht gemäß Artikel 12 SACU-Vertrag den WTO-Panels. Seine Entscheidungen sind endgültig und bindend. Artikel 32 bis 37 und Anhang A SACU-Vertrag etablieren einen neuen gemeinsamen Pool der Einkünfte und eine Formel zu deren Aufteilung. III. Gemeinsamer Markt für das östliche und südliche Afrika (COMESA) 1. Entstehung SADC und SACU überschneiden sich nach Mitgliedern und Zielen mit dem Gemeinsamen Markt für das östliche und südliche Afrika (Common Market for Eastern and Southern Africa, COMESA)130, der 1994 als Nach127
Mitgliedstaaten sind: Botsuana, Lesotho, Namibia (seit 1990), Südafrika und Swasiland. 128 Vgl. die offizielle Hompage: http://www.sacu.int; der Vertrag ist veröffentlicht unter: http://www.sacu.int/Portals/4/sacu%20agreement.pdf; McCarthy, The Southern African Customs Union in Transition, African Affairs 2003, S. 605, 620 ff. 129 Trade Policy Review Southern African Customs Union, Report by the Secretariat, WTO-Dok. WT/TPR/S/114 vom 24. März 2003. 130 Mitglieder sind: Ägypten, Angola, Äthiopien, Burundi, Demokratische Republik Kongo, Dschibuti, Eritrea, Kenia, Komoren, Libyen, Madagaskar, Malawi,
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folger der Präferenzhandelszone für die Staaten des östlichen und südlichen Afrika (Preferential Trade Area for Eastern and Southern African States, PTA) gegründet wurde.131 Die PTA war seinerzeit durch Vertrag vom 21. Dezember 1981 im Rahmen des Lagos-Aktionsplanes gegründet worden, um einen gemeinsamen Markt zu schaffen.132 COMESA ist das Ergebnis dieser Bemühungen. 2. Ziele und Instrumente Das Ziel von COMESA ist gemäß Artikel 3 COMESA-Vertrag das nachhaltige Wachstum und die Entwicklung der Mitgliedstaaten, die gemeinsame Entwicklung in allen Bereichen der Wirtschaft zur Erhöhung des Lebensstandards der Bevölkerung und der Stärkung der Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten, die Förderung von Investitionen, Wissenschaft und Technologie, die Zusammenarbeit zur Förderung des Friedens, der Sicherheit und Stabilität der Region, zur Stärkung der Beziehungen zum Rest der Welt und zur Entwicklung gemeinsamer Positionen in internationalen Foren und schließlich zur Förderung und Umsetzung der Ziele der AEC. Zur Erreichung dieser Ziele sieht Artikel 4 COMESA-Vertrag u. a. die Beseitigung aller nichttarifären Handelshemmnisse innerhalb des Gemeinsamen Marktes und Maßnahmen zur Handelserleichterung und gemeinsame Ursprungsregelungen sowie die Errichtung einer Zollunion vor. Weiter sind Zusammenarbeit und Harmonisierungen in den Bereichen Transport und Kommunikation, Industrie und Energie, Währung und Finanzen, Landwirtschaft sowie soziale und wirtschaftliche Entwicklung vorgegeben. Im Bereich Währung und Finanzen wird Dienstleistungs- und Kapitalfreiheit angestrebt sowie die Vorbereitung einer Währungsunion. Dadurch soll gemäß Artikel 177 COMESA-Vertrag nach und nach eine Wirtschaftsgemeinschaft für das südliche und östliche Afrika aufgebaut werden, die gemäß Artikel 178 COMESA-Vertrag in eine organische Einheit der AEC umgewandelt werden kann. Seinen Haushalt bestreitet COMESA aus einer Gemeinsamen-Markt-Abgabe und aus eigenes Einkommen erbringenden Aktivitäten.133 Mauritius, Ruanda, Sambia, Seychellen, Simbabwe, Sudan, Swasiland, und Uganda. Vgl. die offizielle Homepage: http://www.comesa.int. 131 Die englische Fassung des Gründungsvertrages vom 5. November 1993 ist abgedruckt in: ILM 1994, S. 1067 sowie veröffentlicht unter http://www.comesa.int/ comesa%20treaty/comesa%20treaty/Multi-language_content.2005-07-01.3414/en. 132 Der PTA-Gründungsvertrag ist in seiner englischen Fassung abgedruckt in ILM 1982, S. 479 ff. Zur PTA vgl. ausführlich UNCTAD (Hrsg.), Handbook of Economic Integration and Cooperation Groupings of Developing Countries, Vol. I, S. 57 ff. 133 O’Brien et al., A Geographically Based Introduction to Regional Intergovernmental Organizations, S. 62.
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3. Institutionelle Struktur und Entscheidungsmechanismen Gemäß Artikel 7 COMESA-Vertrag sind die COMESA-Organe: Behörde der Staatschefs (Authority), Rat der Minister, Gerichtshof, Ausschuss der Zentralbankdirektoren, Intergouvernementaler Ausschuss, Technische Ausschüsse, Sekretariat und Beratungsausschuss. Entscheidungen der Behörde der Staatschefs und des Ministerrates werden gemäß Artikel 8 und 9 COMESA-Vertrag einstimmig getroffen, der Ministerrat kann auch mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder entscheiden. Richtlinien und Entscheidungen der Behörde der Staats- und Regierungschefs binden gemäß Artikel 8 COMESA-Vertrag die Mitgliedstaaten und die Organe (außer dem Gerichtshof), Verordnungen, Richtlinien und Entscheidungen des Ministerrates binden gemäß Artikel 9 COMESAVertrag die Mitgliedstaaten und untergeordnete Organe. Dem Sekretariat steht gemäß Artikel 17 COMESA-Vertrag der Generalsekretär vor, der von der Behörde der Staats- und Regierungschefs ernannt wird. Er repräsentiert COMESA. 4. Streitbeilegungsmechanismus Eine herausgehobene Position hat der COMESA-Gerichtshof.134 Er entscheidet gemäß Artikel 19 COMESA-Vertrag Streitigkeiten über die Auslegung des COMESA-Vertrages. Seine Mitglieder werden gemäß Artikel 20 COMESA-Vertrag von der Behörde der Staats- und Regierungschefs bestimmt. Mitgliedstaaten können den Gerichtshof anrufen, wenn sie der Ansicht sind, dass ein Akt des Rates ultra vires ergangen ist oder der Rat gegen den Vertrag verstößt (Artikel 24 COMESA-Vertrag). Antragsberechtigt in Vertragsverletzungsverfahren gegen Mitgliedstaaten sind die Mitgliedstaaten und unter bestimmten Voraussetzungen auch das Sekretariat mit Genehmigung des Rates (Artikel 24–26 COMESA-Vertrag). Gutachten über die Auslegung des Vertrages können von der Behörde der Staats- und Regierungschefs, dem Rat und den Mitgliedstaaten beantragt werden (Artikel 32 COMESA-Vertrag). Die Auslegung des Vertrages durch den COMESA-Gerichtshof hat Vorrang vor Entscheidungen nationaler Gerichte (Artikel 29 COMESA-Vertrag). Wenn eine Auslegungsfrage noch nicht vom COMESA-Gerichtshof entschieden wurde, müssen nationale Gerichte diese vorlegen, wenn sie für einen von ihnen zu entscheidenden Rechtsstreit relevant ist (Artikel 30 COMESA-Vertrag). Der Rat und die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um den Ent134 Oduor, Resolving Trade Disputes in Africa: Choosing Between Multilateralism and Regionalism: The Case of COMESA and the WTO, Tulane journal of international and comparative law 2005, S. 177, 200 ff.
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scheidungen des Gerichtshofs Geltung zu verschaffen. Werden Entscheidungen nicht beachtet, kann der Gerichtshof Sanktionen verhängen (Artikel 34 COMESA-Vertrag). 5. Umsetzung und aktuelle Tendenzen COMESA spielt eine einflussreiche und wichtige Rolle innerhalb der AEC.135 Als eine der ersten sub-regionalen Gemeinschaften in Afrika hat COMESA nicht auf Import-Substitution oder staatliche Intervention, sondern auf Öffnung nach außen und Förderung des privaten Sektors gesetzt.136 Seine Integration schreitet voran. Bemerkenswert ist die große Bedeutung, die COMESA der Privatisierung der wirtschaftlichen Aktivitäten und Marktpolitiken (Artikel 151 f. COMESA-Vertrag) und privaten Investitionen (einschließlich ausländischen) (Artikel 159 ff. COMESA-Vertrag) beimisst, und die wichtige Rolle, die er den Unternehmen der Mitgliedstaaten bei der Formulierung der COMESA-Politiken zuschreibt.137 Ein Beratender Ausschuss bietet gemäß Artikel 18 COMESA-Vertrag den Rahmen für die Einbindung des privaten Sektors. Die Vereinbarkeit von COMESA mit SADC und SACU ist bisher ungeklärt.138 Die Gründung der Gerichtshöfe von SADC und SACU wird die Frage der jeweiligen Jurisdiktion der drei Gerichtshöfe der Region aufwerfen. IV. Ostafrikanische Gemeinschaft (EAC) 1. Entstehung Mit Vertrag vom 30. November 1999 gründeten Kenia, Tansania und Uganda die Ostafrikanische Gemeinschaft (East African Community, EAC).139 Dem ging eine lange und wechselvolle Geschichte der Zusammenarbeit und Integration zwischen diesen Staaten voraus.140 135 O’Brien et al., A Geographically Based Introduction to Regional Intergovernmental Organizations, S. 62. 136 Vgl. Naon, Sovereignity and regionalism, Law and Policy in International Business 1996, S. 1073, 1148. 137 Vgl. Naon, Sovereignity and regionalism, Law and Policy in International Business 1996, S. 1073, 1135 ff. m. w. N. 138 O’Brien et al., A Geographically Based Introduction to Regional Intergovernmental Organizations, S. 62. 139 Der Gründungsvertrag ist auf der offiziellen Homepage der EAC veröffentlicht: http://www.eac.int/documents/EAC%20Treaty.pdf. 140 Vorgänger-Organisationen waren die Zollunion zwischen Kenia und Uganda von 1917, die East African High Commission (1948–1961), die East African Com-
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2. Ziele und Instrumente Gemäß Artikel 5 des EAC-Vertrages ist es das Ziel der EAC, Politiken und Programme zur Erweiterung und Vertiefung der Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten in politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Feldern, Wissenschaft und Technologie, Verteidigung, Sicherheit und rechtlichen Angelegenheiten zu entwickeln. Dazu sollen die Mitgliedstaaten eine Zollunion, einen Gemeinsamen Markt, anschließend eine Währungsunion und schließlich eine politische Föderation gründen. Gemäß der Präambel des EAC-Vertrages sehen die Mitgliedstaaten dies als Schritt auf dem Weg zur Afrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft und Politischen Union. 3. Institutionelle Struktur und Entscheidungsmechanismen Gemäß Artikel 9 EAC-Vertrag hat EAC die folgenden Organe: den Gipfel der Staats- und Regierungschefs, den Ministerrat, den Koordinationsausschuss, die Fachausschüsse, den Ostafrikanischen Gerichtshof, die Ostafrikanische Parlamentarische Versammlung sowie das Sekretariat. Gemäß Artikel 12 Absatz 3 und Artikel 15 Absatz 4 EAC-Vertrag entscheiden der Gipfel der Staats- und Regierungschefs und der Ministerrat jeweils mit Einstimmigkeit. Verordnungen, Richtlinien und Entscheidungen des Ministerrats binden gemäß Artikel 16 EAC-Vertrag die Mitgliedstaaten sowie die anderen Organe (außer dem Gipfel der Staats- und Regierungschefs, dem Gerichtshof und der Parlamentarischen Versammlung, soweit diese zuständig sind). Die Mitglieder der Parlamentarischen Versammlung werden von den Mitgliedern der mitgliedstaatlichen parlamentarischen Versammlungen gewählt (Artikel 50 EAC-Vertrag). Sie wird als Legislativorgan bezeichnet (Artikel 49 EAC-Vertrag). Sie muss dem Haushalt zustimmen (Artikel 49 EAC-Vertrag). Legislativakte der EAC müssen von der Parlamentarischen Versammlung beschlossen und von den Staatschefs bestätigt werden (Artikel 62 EAC-Vertrag). mon Services Organisation (1948–1961), die East African Community (1967–1977) sowie die East African Co-operation (1993–1999); vgl. dazu O’Brien et al., A Geographically Based Introduction to Regional Intergovernmental Organizations, S. 63. Die Ostafrikanische Gemeinschaft von 1967 war nach dem Zentralamerikanischen Gemeinsamen Markt (CACM) der zweite Gemeinsame Markt zwischen Entwicklungsländern und der erste in Afrika. Auszüge aus dem Gründungsvertrag der Ostafrikansichen Gemeinschaft sind abgedruckt in: Colliard/Manin, Droit international et histoire diplomatique, Band 2, S. 675 ff. Vgl. zur Ostafrikanischen Gemeinschaft von 1967 im Einzelnen: Mahiou, Le cadre juridique de la coopération Sud-Sud, RdC 1993, S. 9, 73 ff.
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4. Streitbeilegungsmechanismus Der Gerichtshof hat gemäß Artikel 23 ff. EAC-Vertrag umfassende Jurisdiktion über die Auslegung und Anwendung des EAC-Vertrages (Artikel 27 EAC-Vertrag). Er entscheidet über Vertragsverletzungen der EAC-Organe sowie der Mitgliedstaaten. Seine Entscheidungen sind bindend und unanfechtbar (Artikel 35 EAC-Vertrag). Sie haben Vorrang vor Entscheidungen der nationalen Gerichte der Mitgliedstaaten (Artikel 33 EAC-Vertrag). Die nationalen Gerichte haben eine Vorlagepflicht, wenn sie über Vorschriften des Vertrages oder Rechtsakte der EAC entscheiden müssten (Artikel 34 EAC-Vertrag). Aktiv legitimiert sind sowohl die Mitgliedstaaten und der Generalsekretär mit Zustimmung des Rates (Artikel 28 f. EAC-Vertrag) als auch natürliche und juristische Personen mit Sitz innerhalb der EAC (Artikel 30 EAC-Vertrag). 5. Umsetzung und aktuelle Tendenzen Bislang wird der Integrationsplan der EAC eingehalten. Die EAC-Zollunion ist gemäß Artikel 75 EAC-Vertrag und dem Protokoll vom 2. März 2004 zur Einführung der EAC-Zollunion141 am 1. Januar 2005 verwirklicht worden.142 V. Intergouvernementale Entwicklungsbehörde (IGAD) 1986 entstand die Inter-Governmental Authority on Drought and Development (IGADD), die 1996 in die Inter-Governmental Authority on Development (IGAD) umgewandelt wurde.143 IGADD war seinerzeit gegründet worden, um Lebensmittelsicherheit, den Umgang mit der Dürre und nachhaltige Entwicklung zu fördern. Artikel 7 IGAD-Vertrag144 ergänzt dazu u. a. die Förderung gemeinsamer Entwicklungsstrategien und die Harmonisierung der Handels-, Zoll- und Infrastrukturpolitik. Ausländischer, grenzüberschreitender und heimischer Handel und Investitionen sollen ebenso gefördert werden wie Güter-, Dienstleistungs-, Personen- und Niederlassungsfreiheit. Die Friedenssicherung und Stabilität in der Region sollen gestärkt werden. 141 Das Protokoll ist veröffentlicht unter http://www.eac.int/EAC_CuctomsUnion Protocol.pdf. 142 Vgl. http://www.eac.int/news_2005_01_update-EAC_CU.htm. 143 Mitgliedstaaten sind: Äthiopien, Dschibuti, Eritrea, Kenia, Somalia, Sudan und Uganda. Vgl. die offizielle Homepage: http://www.igad.org. 144 Der IGAD-Gründungsvertrag ist veröffentlicht unter http://www.igad.org/ about/agreement_establishing_igad.pdf.
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Seine wichtigsten Organe sind gemäß Artikel 8 IGAD-Vertrag die Versammlung der Staats- und Regierungschefs, der Ministerrat und das Botschafterkomitee. Letzteres ist das eigentliche politische Organ, das die Durchführung der IGAD-Programme überwacht. Wichtigstes Verwaltungsgremium ist das Sekretariat. Durch ein Partnerschafts-Forum, eine Gruppe von bilateralen und internationalen Entwicklungsagenturen, zieht IGAD auch Unterstützung aus dem Ausland an.145 Zwar hat die AEC IGAD zu einer ihrer Säulen erklärt. Im Bereich der wirtschaftlichen Zusammenarbeit gibt es allerdings bislang kaum Erfolge. Seine Bedeutung erlangt IGAD als politische Regionalorganisation insbesondere durch die Friedensprozesse für Sudan und Somalia sowie durch das Konfliktpräventionsprojekt (Conflict Early Warning and Early Response Mechanism, CEWARN)146.147 VI. Indische-Ozean-Kommission (IOC/COI) Ebenfalls im Südosten Afrikas wurde 1982 die Indian Ocean Commission/Commission de l’Océan Indien (IOC/COI) gegründet, die wirtschaftlichen und kulturellen Zielen zum Zweck der Entwicklungszusammenarbeit gewidmet ist.148 Dazu führt die IOC/COI Programme auf den Gebieten Handelsaustausch, Seeverkehr, Tourismus, Fischerei, regionale Industriezusammenarbeit, Nachhaltigkeit der Umwelt und Entwicklung kleinerer Unternehmen durch. Die Mitgliedstaaten wollen den politischen und strategischen Dialog stärken.149 Organe sind der IOC/COI-Rat, das Komitee der Ständigen Verbindungsbeamten, technische Ausschüsse und das Generalsekretariat.150 Die praktischen Erfolge der IOC/COI sind bislang gering.
145 O’Brien et al., A Geographically Based Introduction to Regional Intergovernmental Organizations, S. 63. 146 Vgl. http://www.cewarn.org. 147 Terlinden, IGAD, S. 2. 148 Mitgliedstaaten sind: Komoren, Madagaskar, Mauritius, Seychellen und Frankreich (für Réunion); offizielle Homepage: http://www.coi-info.org. 149 O’Brien et al., A Geographically Based Introduction to Regional Intergovernmental Organizations, S. 63. 150 O’Brien et al., A Geographically Based Introduction to Regional Intergovernmental Organizations, S. 63.
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2. Kap.: Rechtsordnungen bestehender Entwicklungsgemeinschaften
§ 6 Integrationsskepsis in Asien und der Pazifikregion A. Überblick über Entwicklungsgemeinschaften in Asien und der Pazifikregion In der Region Asien-Pazifik gibt es die geringsten regionalen und subregionalen Integrationsbestrebungen. Anders als in Afrika gibt es keine panasiatische und insgesamt nur sechs regionale Entwicklungsgemeinschaften. Im Vergleich zu Afrika sind die Überschneidungen der Mitgliedschaften relativ gering. Dennoch ergibt sich mittlerweile ein unübersichtliches Bild, wie die folgende Abbildung (Abbildung 2) verdeutlichen mag. Sie berücksichtigt nicht nur die im Folgenden behandelten Entwicklungsgemeinschaften, sondern auch Abkommen, an denen Industrie-151 und/oder ehemalige Ostblockstaaten beteiligt sind, sowie regionenübergreifende und bilaterale Abkommen.
B. Pazifik Zur Pazifikregion gehören sowohl die pazifischen Inselstaaten, die Entwicklungsländer sind, als auch die Industrieländer Australien und Neuseeland. Nicht Gegenstand dieser Arbeit sind die Handelsvereinbarung zwischen Australien und Neuseeland (ANZCERTA152) sowie die Vereinbarungen und Organisationen, an denen sowohl die pazifischen Inselstaaten als auch Australien und Neuseeland beteiligt sind (SPARTECA153, Pacific Island Forum154, Pacific Community155). 151 Zu nennen ist hier insbesondere die Wirtschaftliche Asien-Pazifik Zusammenarbeit (Asia-Pacific Economic Cooperation, APEC) zwischen Australien, Brunei, Chile, China, Hongkong, Indonesien, Japan, Kanada, Malaysia, Mexiko, Neuseeland, Papua-Neuguinea, Peru, Philippinen, Russland, Singapur, Südkorea, Taiwan, Thailand, USA und Vietnam. Vgl. dazu die offizielle Homepage der APEC: http://www. apec.org. 152 Australia New Zealand Closer Economic Relations Trade Agreement. 153 Das South Pacific Regional Trade and Economic Cooperation Agreement von 1981 gewährt Waren aus den pazifischen Inselstaaten zollfreien Zugang zu den Märkten Australiens und Neuseelands. 154 Das Pacific Island Forum hieß bis 1999 South Pacific Forum. Die Mitgliedstaaten schlossen 2001 das Pacific Agreement on Closer Economic Relations (PACER); offizielle Homepage: http://www.forumsec.org. Zur Geschichte vgl. O’Brien et al., A Geographically Based Introduction to Regional Intergovernmental Organizations, S. 83 ff.; UNCTAD (Hrsg.), Handbook of Economic Integration and Cooperation Groupings of Developing Countries, Vol. I, S. 112 ff. 155 Von den Kolonialmächten 1947 mit dem Namen South Pacific Community gegründet; Mitglieder sind neben Australien, Neuseeland und den pazifischen Inselstaaten Frankreich, Großbritannien und die USA; vgl. O’Brien et al., A Geographically Based Introduction to Regional Intergovernmental Organizations, S. 83 ff.
ECOTA Afghanistan Azerbaijan Iran (Islamic Republik of) Turkey Turkmenistan
EEU
CACO
Belarus*
Kazakhstan Kyrgyzstan Tajikistan Uzbekistan
Russian Federation
Georgia
SAFTA
BIMSTEC
Maldives
Bhutan Nepal
Bangkok Agreement Bangladesh India Pakistan
Sri Lanka
Lao People’s Democratic Republic
ASEAN
Armenia Cambodia
Myanmar
APEC
Thailand
Brunei Darussalam Indonesia Malaysia Philippines Singapore Vietnam
China Republic of Korea Chile* Hong Kong, China Japan Mexico* Russian Federation
SPARTECA
Taiwan Province of China
ANZCERTA
United States of America
New Zealand
PICTA
Australia
MSG Papua New Guinea
Fiji Solomon Islands Vanuatu Cook Islands Kiribati Marshall Islands Micronesia (Federated States of) Nauru Niue Samoa Tonga Tuvalu
block refers to regional arrangements line refers to some of the major bilateral or plurilateral agreements in force or under negotiation * Belarus, Chile and
Mexico are not ESCAP members
Abbildung 2: Integration in der Region Asien und Pazifik: „The noodle bowl“ 156 156 Grafik übernommen aus United Nations Economic and Social Commission for Asia and the Pacific (UNESCAP) (Hrsg.), Multilateralizing Regionalism: Towards an Integrated and Outward-Oriented Asia-Pacific Economic Area, S. 6. Die Grafik berücksichtigt auch die in der vorliegenden Arbeit nicht behandelten Integrationsgemeinschaften, an denen Industriestaaten und/oder Staaten des ehemaligen Ostblocks beteiligt sind, sowie bilaterale Abkommen. Nicht berücksichtigt ist der Golfkooperationsrat (GCC), dessen Mitgliedschaft sich nicht mit der der abgebildeten Gemeinschaften überschneidet (dazu unter § 6 D. I.). Zu den Mitgliedern der PICTA vgl. § 6 B. I.
100
2. Kap.: Rechtsordnungen bestehender Entwicklungsgemeinschaften
I. Handelsvereinbarung der Pazifischen Inselstaaten (PICTA) Die Entwicklungsländer im Pacific Island Forum haben die Handelsvereinbarung der Pazifischen Inselstaaten (Pacific Island Countries Trade Agreement, PICTA)157 geschlossen, die am 13. April 2003 in Kraft getreten ist.158 Danach richten diese Staaten nach und nach eine Freihandelszone bis 2010 ein. Den am wenigsten entwickelten Ländern und den kleinen Inselstaaten (Small Island Countries) wird eine längere Übergangsfrist bis 2012 gewährt. PICTA sieht keine eigenen Institutionen vor. Als Sekretariat dient gemäß Artikel 30 PICTA das Sekretariat des Pacific Island Forum. Streitigkeiten, die nicht gelöst oder durch Mediation beigelegt werden können, sollen durch einen von den streitenden Parteien zu benennenden Schiedsrichter nach den Schiedsregeln des Vertrages entschieden werden (Artikel 22 PICTA). II. Melanesische Speerspitzengruppe (MSG) Das Handelsabkommen der Melanesischen Speerspitzengruppe (Melanesian Spearhead Group, MSG) von 1984 gewährt159 zollfreien Handel für ausgewählte Produkte zwischen den Mitgliedstaaten Fidschi, Papua-Neuguinea, Solomonen und Vanuatu.160 Organ der MSG ist der Gipfel der Staatsund Regierungschefs, der gemäß Artikel 18 des MSG-Handelsabkommens jährlich zusammentritt. Ein ständiges Sekretariat soll eingerichtet werden. Die MSG versteht sich als Sub-Region zum Pacific Island Forum. Mitgliedern des Pacific Island Forum steht grundsätzlich der Beitritt zur MSGHandelsvereinbarung frei. Die MSG will sich wohl zur Freihandelszone weiterentwickeln und den Handel mit Dienstleistungen und die Rechte des geistigen Eigentums einbeziehen.161 157 Der Vertrag ist veröffentlicht unter http://www.forumsec.org/_resources/main/ files/PICTA_text.pdf. 158 Vertragsstaaten sind die Cook-Inseln, Fidschi, Kiribati, Nauru, Niue, PapuaNeuguinea, Samoa, Solomonen, Tonga und Vanuatu; noch nicht unterzeichnet und/ oder ratifiziert haben Mikronesien, Palau, Marshallinseln und Tuvalu; vgl. den Status Report vom 10. Februar 2006 unter http://www.forumsec.org/_resources/main/ files/PICASST_status_report.pdf. 159 Der Vertrag ist im Rahmen seiner Notifikation bei der WTO veröffentlicht unter WTO-Dok. WT/COMTD/21. 160 Vgl. die Notifikation bei der WTO durch Papua-Neuguinea vom 7. Oktober 1999, WTO-Dok. WT/COMTD/N/9. 161 Vgl. Informationen der Regierung von Fidschi zur Überarbeitung der MSGHandelsvereinbarung unter http://www.fiji.gov.fj/publish/page_3937.shtml. Über die Pläne der MSG und die praktischen Fortschritte scheint es keine Veröffentlichungen zu geben.
§ 6 Integrationsskepsis in Asien und der Pazifikregion
101
C. Süd- und Südostasien Süd- und Südostasien ist zwischen der erfolgreichen Vereinigung südostasiatischer Nationen (ASEAN) im Südosten und der bislang weniger erfolgreichen Südasiatischen Vereinigung für regionale Zusammenarbeit (SAARC) im Süden aufgeteilt. Länder aus beiden Teilen der Region haben sich auf Initiative der Wirtschafts- und Sozialkommission für Asien und den Pazifik (UNESCAP) in der Asien-Pazifik-Handelsvereinbarung (APTA) zusammengeschlossen. Ein weiterer Zusammenschluss aus Ländern beider Teile der Region ist BIMST-EC (Bangladesh-India-Myanmar-Sri LankaThailand-Economic Co-operation), die im Juni 1997 gegründet wurde. Neben den im Namen genannten sind Bhutan und Nepal seit Februar 2004 Mitglieder.162 Bislang handelt es sich dabei allerdings noch um eine lose Kooperation. Auf das geplante Rahmenabkommen zur Gründung einer Freihandelszone konnte man sich bislang nicht einigen.163 BIMST-EC wird daher im Folgenden nicht eigens behandelt. I. Vereinigung südostasiatischer Nationen (ASEAN)/ASEAN-Freihandelszone (AFTA)/ASEAN-Wirtschaftsgemeinschaft 1. Entstehung Die Regionale Kooperation in Südostasien begann in den frühen 1960er Jahren zwischen Indonesien, Malaysia, den Philippinen, Singapur und Thailand.164 Zwar gab es Konflikte zwischen diesen Staaten, insbesondere zwischen Singapur und Malaysia sowie zwischen Malaysia und Indonesien, doch teilten sie die Besorgnis über die Militärmacht China sowie teilweise über kommunistische Unruhen im jeweils eigenen Land.165 Am 8. August 162
Vgl. die offizielle Homepage unter: http://www.bimstec.org. Ein Entwurf vom 15. Januar 2004 ist veröffentlicht unter: http://www. bimstec.org/ftagreement/3.htm. 164 So wurde am 31. Juli 1961 durch die Erklärung von Bangkok die Vereinigung von Südostasien (Association of South-East Asia, ASA) zur Förderung der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Entwicklung der Sub-Region gegründet. Die Vereinigung zerbrach jedoch bald an den Streitigkeiten zwischen den Mitgliedstaaten, insbesondere dem philippinisch-malayischen Territorialstreit um Sabah. Vgl. UNCTAD (Hrsg.), Handbook of Economic Integration and Cooperation Groupings of Developing Countries, Vol. I, S. 103; Ufen, Die ASEAN – Ein südostasiatischer Modellfall regionaler Kooperation?, in: Nabers/Ufen, Regionale Integration – Neue Dynamiken in Afrika, Asien und Lateinamerika, S. 23, 24. 165 O’Brien et al., A Geographically Based Introduction to Regional Intergovernmental Organizations, S. 90; Ufen, Die ASEAN – Ein südostasiatischer Modellfall 163
102
2. Kap.: Rechtsordnungen bestehender Entwicklungsgemeinschaften
1967 gründeten diese fünf Staaten in Bangkok/Thailand die Vereinigung der südostasiatischen Nationen (Association of South-East Asian Nations, ASEAN)166, der Brunei Darussalam 1984 beitrat. In den späten 1990er Jahren erreichte ASEAN sein Ziel, alle südostasiatischen Staaten zu umfassen, durch den Beitritt der Länder Vietnam 1995, Myanmar (Birma) und Laos 1997 sowie Kambodscha 1999.167 Damit gehören zu ASEAN heute fast 550.000.000 Menschen.168 2. Ziele und Instrumente Ziele der ASEAN sind gemäß Absatz 2 der Gründungserklärung von Bangkok die Beschleunigung des wirtschaftlichen Wachstums, des sozialen Fortschritts und der kulturellen Entwicklung; die Förderung von Frieden und Stabilität in der Region; die wirtschaftliche, soziale, kulturelle, technische und wissenschaftliche Zusammenarbeit; Ausbildungs- und Forschungshilfe für Mitgliedstaaten zur Erziehung und auf anderen Gebieten; Zusammenarbeit in den Bereichen Landwirtschaft, Handel und Infrastrukturentwicklung sowie die Zusammenarbeit mit internationalen und anderen regionalen Organisationen dieser und anderer Regionen. Wegen der gespannten Sicherheitslage in der Region zur Zeit der ASEAN-Gründung und in den Jahren danach169 war das überragende Prinzip das der Nicht-Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Mitgliedstaaten.170 1971 einigten sich die Mitgliedstaaten auf eine Erklärung zur Gründung einer „Zone of Peace, Freedom and Neutrality in Southeast Asia“.171 In den 1990er Jahren stieg ASEANs Bedeutung als Sicherheitsforum. Mit der ASEAN-Declaration on the South China Sea riefen die Mitregionaler Kooperation?, in: Nabers/Ufen, Regionale Integration – Neue Dynamiken in Afrika, Asien und Lateinamerika, S. 23, 25. 166 Die Gründungserklärung Association of Southeast Asian Nations Declaration vom 8. August 1967 ist abgedruckt in: ILM 1967 S. 1233 ff. und auf der offiziellen Homepage der ASEAN veröffentlicht: http://www.aseansec.org/1629.htm. 167 O’Brien et al., A Geographically Based Introduction to Regional Intergovernmental Organizations, S. 83, 90. 168 So ASEAN, Annual Report 2004–2005, S. 100 als Schätzung für 2004. 169 Dazu Ufen, Die ASEAN – Ein südostasiatischer Modellfall regionaler Kooperation?, in: Nabers/Ufen, Regionale Integration – Neue Dynamiken in Afrika, Asien und Lateinamerika, S. 23, 25 ff. 170 Vgl. ausführlich zum Prinzip der Nichteinmischung und seiner Befolgung bzw. Verstößen dagegen: Ufen, Die ASEAN – Ein südostasiatischer Modellfall regionaler Kooperation?, in: Nabers/Ufen, Regionale Integration – Neue Dynamiken in Afrika, Asien und Lateinamerika, S. 23, 42 ff. 171 Http://www.aseansec.org/1215.htm; vgl. dazu O’Brien et al., A Geographically Based Introduction to Regional Intergovernmental Organizations, S. 91.
§ 6 Integrationsskepsis in Asien und der Pazifikregion
103
gliedstaaten 1992 zur friedlichen Lösung des Streits über das Gebiet der South China Sea auf, das verschiedene ASEAN-Mitgliedstaaten wie auch China für sich reklamierten. Ein Vertrag von 1995 erklärte die ASEAN-Region zur nuklearfreien Zone und bannte Besitz, Gebrauch sowie Tests von Nuklearwaffen.172 1994 fand das erste Treffen des ASEAN Regional Forum statt, das jedes Jahr die Außenminister aus mehr als 20 Staaten zusammenbringt, um Fragen der Sicherheit der Region zu diskutieren.173 Erste Versuche der wirtschaftlichen Kooperation durch den Treaty of Amity and Cooperation in South-East Asia von 1976174 und das Preferential Trading Arrangement von 1977175 waren wenig erfolgreich.176 Dies änderte sich erst 1992, als die Staats- und Regierungschefs beim vierten ASEAN-Gipfel in Singapur übereinkamen, zum Januar 1993 die ASEANFreihandelszone (ASEAN Free Trade Area, AFTA) zu gründen.177 Absatz 5 der Singapur-Erklärung sieht die Verwirklichung der AFTA innerhalb von 15 Jahren vor. Weitere Ziele der wirtschaftlichen Zusammenarbeit sind danach die Förderung verstärkter Investitionen, industrieller Verbindungen und der Komplementarität durch die Einführung neuer Maßnahmen und die Anpassung bestehender Kooperationsmethoden; die Förderung der Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Kapitalmärkte und die Erleichterung des freien Kapitalverkehrs; die Verstärkung der Handelsförderung und Verhandlungen für ASEAN-Landwirtschaftsprodukte zur Steigerung der 172 Ausführlicher zur Sicherheitskooperation Ufen, Die ASEAN – Ein südostasiatischer Modellfall regionaler Kooperation?, in: Nabers/Ufen, Regionale Integration – Neue Dynamiken in Afrika, Asien und Lateinamerika, S. 23, 31 ff. 173 O’Brien et al., A Geographically Based Introduction to Regional Intergovernmental Organizations, S. 92. 174 Treaty of Amity and Cooperation in Southeast Asia vom 24. Februar 1976, veröffentlicht unter http://www.aseansec.org/1217.htm; vgl. dazu: Entwicklungspolitisches Glossar, in: Nohlen/Nuscheler (Hrsg.), Handbuch der Dritten Welt, Band 1, S. 469. 175 Agreement on ASEAN Preferential Trading Arrangements vom 29. Januar 1979; der Text ist abgedruckt bei: Davidson (Hrsg.), Law and Practice Under the GATT and Other Trading Arrangements: The Association of Southeast Asian Nations. Dazu ausführlich: UNCTAD (Hrsg.), Handbook of Economic Integration and Cooperation Groupings of Developing Countries, Vol. I, S. 105; Naon, Sovereignty and Regionalism, S. 1086 f.; Ufen, Die ASEAN – Ein südostasiatischer Modellfall regionaler Kooperation?, in: Nabers/Ufen, Regionale Integration – Neue Dynamiken in Afrika, Asien und Lateinamerika, S. 23, 37 m. w. N. 176 Fabricotti, The ASEAN Free Trade Area (AFTA) and its Compatibility With the GATT/WTO, AYIL 2003, S. 37, 37 m. w. N. 177 Singapur-Erklärung vom 28. Januar 1992, abgedruckt in: ILM 1992, S. 498. Vgl. zur Geschichte der wirtschaftlichen Integration in ASEAN Tan, Will ASEAN Economic Integration Progress Beyond a Free Trade Area?, ICLQ 2004, S. 935, 388 ff.
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2. Kap.: Rechtsordnungen bestehender Entwicklungsgemeinschaften
Wettbewerbsfähigkeit und der Ausweitung von Landwirtschaftsexporten in die internationalen Märkte; die Verstärkung der Zusammenarbeit zur Verbesserung der Transportwege; die Verbesserung der Kommunikationsinfrastruktur; die Zusammenarbeit mit Drittstaaten und regionalen und multilateralen Organisationen insbesondere mit dem Ziel eines nachhaltigen und dynamischen Wachstums in der asiatisch-pazifischen Region und der Förderung eines offenen und freien Welthandelssystems. Die Singapur-Erklärung erkennt ebenfalls in Absatz 5 an, dass sub-regionale Vereinbarungen zwischen einzelnen ASEAN-Mitgliedstaaten oder zwischen Mitgliedstaaten und Drittstaaten die ASEAN-Zusammenarbeit vervollständigen und Handels- und Investitionsmöglichkeiten ankurbeln könnten. Zusammen mit der Singapur-Erklärung unterzeichneten die ASEAN-Mitgliedstaaten das Rahmenübereinkommen über die Verbesserung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit in ASEAN (Framework Agreement on Enhancing ASEAN Economic Cooperation)178 und die Vereinbarung über ein System des gemeinsamen effektiven Präferenzzolls für die ASEAN-Freihandelszone (Agreement on the Common Effective Preferential Tariff (CEPT) Scheme for the ASEAN Free Trade Area, CEPT-AFTA Agreement)179. Die Zusammenarbeit in den Bereichen geistiges Eigentum, Dienstleistungshandel, Industrieförderung und Investitionen ist durch eigene Rahmenübereinkommen geregelt.180 178 Framework Agreement on Enhancing ASEAN Economic Cooperation vom 28. Januar 1992, abgedruckt in: ILM 1992, S. 506 ff.; siehe auch Protocol to amend the Framework Agreement on Enhancing ASEAN Economic Cooperation vom 15. Dezember 1995, veröffentlicht unter: http://www.aseansec.org/2083.htm. 179 Agreement on the Common Effective Preferential Tariff (CEPT) Scheme for the ASEAN Free Trade Area (CEPT-AFTA Agreement) vom 28. Januar 1992, abgedruckt in: ILM 1992, S. 513 ff. und veröffentlicht unter http://www.aseansec.org/ 1164.htm; siehe auch Protocol to amend the CEPT-AFTA Agreement vom 15. Dezember 1995, abgedruckt in: ILM 1996, S. 1081 ff. 180 Dies sind insbesondere: Framework Agreement on Intellectual Property Cooperation vom 15. Dezember 1995, abgedruckt in ILM 1996, S. 1074, veröffentlicht unter: http://www.aseansec.org/2193.htm; Framework Agreement on Services (AFAS) vom 15. Dezember 1995, abgedruckt in ILM 1996, S. 1077, veröffentlicht unter: http://www.aseansec.org/2208.htm; Framework Agreement on the ASEAN Investment Area (AIA) vom 8. Oktober 1998, veröffentlicht unter http://www. aseansec.org/2280.htm; ASEAN Industrial Cooperation (AICO) Scheme vom 27. April 1996, veröffentlicht unter: http://www.aseansec.org/1948.htm; Ha Noi Plan of Action vom 15. Dezember 1998, veröffentlicht unter http://www.aseansec. org/687.htm; vgl. dazu Fabricotti, The ASEAN Free Trade Area (AFTA) and its Compatibility With the GATT/WTO, AYIL 2003, S. 37, 46 f. m. w. N.; Menon, The Enlargement of ASEAN and its Impact on Regional Integration, in: Adhikari, Ramesh/Athukorala (Hrsg.), Developing Countries in the World Trading System, S. 165, 173 ff.
§ 6 Integrationsskepsis in Asien und der Pazifikregion
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Bei einem Gipfeltreffen in Bali im Oktober 2003 einigten sich die Staatsund Regierungschefs auf die Declaration of ASEAN Concord II 181. Darin wird die Bildung einer ASEAN Security Community, einer ASEAN-Wirtschaftsgemeinschaft (ASEAN Economic Community182) und einer ASEAN Social and Cultural Community vereinbart. Während die Konzepte für die ASEAN Security Community und die ASEAN Social and Cultural Community überwiegend vage Absichtserklärungen enthalten, sind die Ausführungen zur ASEAN Economic Community wesentlich konkreter.183 Bis 2020 soll gemäß Absatz B. 1. der ASEAN Concord II-Erklärung ein gemeinsamer Markt für den freien Verkehr von Gütern, Dienstleistungen und Investitionen sowie einen weitgehend freien Kapitalhandel geschaffen werden. Dabei soll darauf geachtet werden, dass die Entwicklung der CLMV-Länder besonders gefördert und der Entwicklungsunterschied zu den wirtschaftlich stärkeren ASEAN-6 verringert wird. 3. Institutionelle Struktur und Entscheidungsmechanismen ASEAN besitzt keine supranationale Integrationsstruktur.184 Höchstes Gremium ist gemäß Absatz 3 (a) der Bangkok-Erklärung der ASEAN-Gipfel, das Treffen der Staats- und Regierungschefs. Er findet vertragsgemäß alle drei Jahre statt. Seit 1995 gibt es jährliche informelle Treffen.185 Das jährliche Außenministertreffen ist für die Koordinierung der Aktivitäten von ASEAN zuständig. Das jährliche Wirtschaftsministertreffen koordiniert die wirtschaftliche Zusammenarbeit. Außen- und Wirtschaftsminister treffen sich zudem regelmäßig gemeinsam. Es finden weitere Ministertreffen statt. Ein stehendes Komitee gemäß Absatz 3 (b) der Bangkok-Erklärung, dem der Außenminister des jeweiligen Gastgeberlandes des Außenministertreffens vorsitzt, koordiniert die ASEAN-Aktivitäten zwischen den Außenministertreffen. Weitere Komitees werden für spezielle Aufgaben eingesetzt. Um die Beziehungen zu anderen Ländern und Internationalen Organisationen zu stärken, unterhält ASEAN Außenstellen in elf Hauptstädten außer181 Declaration of ASEAN Concord II (Bali Concord II) vom 7. Oktober 2003, veröffentlicht unter: http://www.aseansec.org/15159.htm. 182 Die offizielle Abkürzung AEC wird hier nicht verwendet, um keine Verwechselungen zur Afrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (AEC) hervorzurufen. 183 Vgl. ausführlich: Ufen, Die ASEAN – Ein südostasiatischer Modellfall regionaler Kooperation?, in: Nabers/Ufen, Regionale Integration – Neue Dynamiken in Afrika, Asien und Lateinamerika, S. 23, 29. 184 Entwicklungspolitisches Glossar, in: Nohlen/Nuscheler (Hrsg.), Handbuch der Dritten Welt, Band 1, S. 469. 185 Ufen, Die ASEAN – Ein südostasiatischer Modellfall regionaler Kooperation?, in: Nabers/Ufen, Regionale Integration – Neue Dynamiken in Afrika, Asien und Lateinamerika, S. 23, 31.
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2. Kap.: Rechtsordnungen bestehender Entwicklungsgemeinschaften
halb der Region.186 Das ASEAN-Sekretariat, das 1976 durch ein spezielles Übereinkommen eingeführt wurde187, hat seinen Sitz in Jakarta. Seinen Vorsitz hat der Generalsekretär.188 Ein Organ mit supranationalen Befugnissen oder supranationale Regeln, die direkt in den Mitgliedstaaten anwendbar wären, gibt es nicht.189 Gemäß der ASEAN Concord II-Erklärung sollen stärkere Institutionen für die ASEAN Economic Community geschaffen werden. Vorschläge hierfür werden derzeit diskutiert. 4. Streitbeilegungsmechanismus Ebenso fehlte lange Zeit ein unabhängiges regionales Streitbeilegungsgremium.190 Ein 1996 eingeführter Streitbeilegungsmechanismus für Streitigkeiten im Zusammenhang mit den wirtschaftlichen ASEAN-Übereinkommen191 blieb unbefriedigend, da letztlich entscheidend die aus Vertretern der Mitgliedstaaten zusammengesetzten politischen Gremien waren (vgl. insbesondere Artikel 7 Absatz 4 und Artikel 8 Absatz 2 des Streitschlichtungsmechanismus-Protokolls). Im Zusammenhang mit dem Beschluss zur Gründung der ASEAN Economic Community haben sich die Mitgliedstaaten in Absatz B. 3. der ASEAN Concord II-Erklärung zur Stärkung des Institutionellen Rahmens und insbesondere des Streitbeilegungsmechanismus entschieden.192 Während die übrigen institutionellen Änderungen noch nicht beschlossen sind, ist das Protocol on Enhanced Dispute Settlement Mechanism vom 29. November 2004 (DSM-Protokoll 2004) bereits in Kraft getreten.193 186 UNCTAD (Hrsg.), Handbook of Economic Integration and Cooperation Groupings of Developing Countries, Vol. I, S. 105. 187 Vgl. Fabricotti, The ASEAN Free Trade Area (AFTA) and its Compatibility with the GATT/WTO, AYIL 2003, S. 37, 38 Fn. 3; vgl. auch Protocol Amending the Agreement on the Establishment of the ASEAN Secretariat vom 23. Juli 1997, veröffentlicht unter http://www.aseansec.org/1878.htm. 188 UNCTAD (Hrsg.), Handbook of Economic Integration and Cooperation Groupings of Developing Countries, Vol. I, S. 104. 189 Ufen, Die ASEAN – Ein südostasiatischer Modellfall regionaler Kooperation?, in: Nabers/Ufen, Regionale Integration – Neue Dynamiken in Afrika, Asien und Lateinamerika, S. 23, 31. 190 Naon, Sovereignty and Regionalism, Law and Policy in International Business 1996, S. 1073, 1086. 191 Protocol on Dispute Settlement Mechanism vom 20. November 1996, veröffentlicht unter: http://www.aseansec.org/16654.htm. 192 Declaration of ASEAN Concord II (Bali Concord II) vom 7. Oktober 2003, s. o. 2. Kapitel Fn. 181. 193 Http://www.aseansec.org/16754.htm.
§ 6 Integrationsskepsis in Asien und der Pazifikregion
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Danach wird ein Streitbeilegungsmechanismus in Anlehnung an den der WTO eingeführt. Das Treffen der höheren Wirtschaftsbeamten (Senior Economic Officials Meeting, SEOM) ist weiterhin für die Einrichtung eines Expertengremiums (Panel) zuständig (Artikel 5 DSM-Protokoll 2004), wenn ein Streit nicht zuvor im Wege der Schlichtung, Mediation oder Vermittlungsdienste (good offices) gelöst werden konnte (Artikel 4 DSM-Protokoll 2004). Das Panel untersucht die Fakten und die Rechtslage und unterbreitet dem SEOM seine Ergebnisse und einen Entscheidungsvorschlag (Artikel 7 DSM-Protokoll 2004). Neu ist die Einrichtung eines ständigen Appellate Body als zweite Instanz der Streitschlichtung. Sie kann von den Streitparteien gegen den Entscheidungsvorschlag des Panel angerufen werden (Artikel 12 DSM-Protokoll 2004). Er kann den Vorschlag des Panel aufrechterhalten oder ändern. Statt wie zuvor mit Mehrheit über die Annahme dieses Vorschlags zu entscheiden, nimmt nun das SEOM den Entscheidungsvorschlag des Panel bzw. des Appellate Body an, wenn es nicht einstimmig gegen die Annahme stimmt (Artikel 9, 12 Absatz 13 DSM-Protokoll 2004). Die angenommene Entscheidung ist für die streitenden Parteien bindend, das SEOM überwacht ihre Umsetzung und setzt sie gegebenenfalls durch (Artikel 15 f. DSM-Protokoll 2004). 5. Umsetzung und aktuelle Tendenzen Die AFTA ist nach einer Verkürzung der Errichtungsfrist zunächst auf zehn194, dann auf neun Jahre195 seit 2002 zwischen den sechs Gründungsmitgliedern der ASEAN (ASEAN-6) vollendet. Den anderen ASEAN-Staaten (CLMV) wurde eine längere Übergangszeit gewährt (2006 bzw. 2008).196 Im Rahmen des CEPT gelten für den überwiegenden Intrahandel nur noch Importzölle von maximal 5%.197 Das Abkommen erfasst mehr als 85% des Handels zwischen den ASEAN-Mitgliedstaaten.198 Die meisten Sektoren wurden liberalisiert. Ausnahmen sind bestimmte nicht verarbeitete landwirtschaftliche Produkte.199 194 Protocol to amend the Framework Agreement on Enhancing ASEAN Economic Cooperation vom 15. Dezember 1995, veröffentlicht unter: http://www.aseansec.org/ 2083.htm. 195 Ziff. 2.1 des Ha Noi Plan of Action vom 15. Dezember 1998, veröffentlicht unter http://www.aseansec.org/687.htm. 196 Menon, The Enlargement of ASEAN and its Impact on Regional Integration, in: Adhikari/Athukorala, Developing Countries in the World Trading System, S. 165, 166 f. 197 Abidin, Combining Integration and Development Strategies: The Malysian Perspective, in: Saavedra Rivano/Hosono/Stallings (Hrsg.), Regional Integration and Economic Development, S. 102, 107. 198 O’Brien et al., A Geographically Based Introduction to Regional Intergovernmental Organizations, S. 91.
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2. Kap.: Rechtsordnungen bestehender Entwicklungsgemeinschaften
Beim letzten ASEAN-Gipfel am 12. Dezember 2005 haben die Staatsund Regierungschefs angesichts guter Wirtschaftsdaten in Erwägung gezogen, das Zieldatum für die Vollendung der ASEAN Economic Community von 2020 auf 2015 vorzuverlegen.200 Zunehmend gewinnt die seit Dezember 1997 institutionalisierte Zusammenarbeit der ASEAN mit China, Japan und Südkorea (ASEAN+3) an Bedeutung. Seit 1994 diskutierten die Außenminister dieser Staaten über sicherheitspolitische Fragen im Rahmen der Post Ministerial Conference (PMC). Mittlerweile trifft sich die ASEAN+3 jeweils im Anschluss an die informellen und formellen ASEAN-Gipfel und hat sich als neues asiatisches Kooperationsforum etabliert.201 Die Einrichtung einer ostasiatischen Freihandelszone (East Asia Free Trade Area, EAFTA) wird in Erwägung gezogen.202 Diese Entwicklung ist insofern von besonders positiver Bedeutung, als Ostasien bislang der einzige Teil Asiens ist, in dem es keine zwischenstaatlichen Organisationen gibt.203 Die seit langem anhaltenden Spannungen zwischen Nord- und Südkorea und zwischen China und Taiwan sowie ein bilaterales Verteidigungsbündnis zwischen Japan und Südkorea und die engen Beziehungen dieser beiden Staaten zu den USA haben bis zur Kooperation im Rahmen der ASEAN+3 Bemühungen um regionale Zusammenarbeit verhindert.204 Bereits 2002 haben die ASEAN-Mitgliedstaaten und China die Einrichtung der ASEAN-CHINA-Freihandelszone (ASEAN-China Free Trade Area, ACFTA) beschlossen, die bis 2010 zwischen China und ASEAN-6 und bis 199 Abidin, Combining Integration and Development Strategies: The Malysian Perspective, in: Saavedra Rivano/Hosono/Stallings (Hrsg.), Regional Integration and Economic Development, S. 102, 107. 200 Chairman’s Statement of the 11th ASEAN Summit „One Vision, One Identity, One Community“ vom 12. Dezember 2005, veröffentlicht unter: http://www. aseansec.org/18040.htm. 201 Ufen, Die ASEAN – Ein südostasiatischer Modellfall regionaler Kooperation?, in: Nabers/Ufen, Regionale Integration – Neue Dynamiken in Afrika, Asien und Lateinamerika, S. 23, 30; ausführlich Nabers, Neuer Regionalismus in Ostasien – Das Forum der ASEAN+3, in: Nabers/Ufen, Regionale Integration – Neue Dynamiken in Afrika, Asien und Lateinamerika, S. 53 ff. 202 Vgl. ASEAN Plus Three Cooperation, http://www.aseansec.org/16581. 203 Ostasiatische Staaten sind: China, Japan, Mongolei, Nordkorea, Südkorea und Taiwan. Einige dieser Staaten gehören transkontinentalen Organisationen an. Zu China vgl. Jianming, Economic Globalization, Regional Economic Integration and China’s Economic Development Strategy, in: Saavedra Rivano/Hosono/Stallings (Hrsg.), Regional Integration and Economic Development, S. 110 ff.; zu den aktuellen Entwicklungen in Ostasien vgl. Choi, Regional Economic Integration in East Asia: Prospects and Jurisprudence, JIEL 2003, S. 49 ff. 204 O’Brien et al., A Geographically Based Introduction to Regional Intergovernmental Organizations, S. 84.
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2015 für die CLMV-Länder vollendet sein soll. Ein entsprechendes Rahmenabkommen ist seit 2005 in Kraft.205 ACFTA wird mit 1,7 Milliarden Menschen und einem gemeinsamen Bruttoinlandsprodukt von US-$ 2 Billionen die größte Freihandelszone der Welt.206 II. Südasiatische Vereinigung für regionale Zusammenarbeit (SAARC)/Südasiatische Freihandelszone (SAFTA) 1. Entstehung In Südasien begann der Entkolonialisierungsprozess nach dem Zweiten Weltkrieg zwar ebenfalls 1947, doch die erste Kooperationsgemeinschaft, die Südasiatische Vereinigung für regionale Zusammenarbeit (South Asian Association for Regional Cooperation, SAARC), wurde erst 1985 gegründet.207 Das größte Hindernis für eine Zusammenarbeit waren die fortgesetzten Streitigkeiten zwischen Indien und Pakistan, die in der Zeit von 1947 bis 1971 drei Kriege zwischen den beiden Ländern hervorriefen und im Kaschmir- und anderen Konflikten fortgesetzt werden. Während des Kalten Krieges wurden die Beziehungen zudem dadurch erschwert, dass Indien Verbündeter der damaligen Sowjetunion und Pakistan Verbündeter der USA war.208 Mitglieder der SAARC sind Bangladesh, Bhutan, Indien, Malediven, Nepal, Pakistan und Sri Lanka. Auf der ersten Gipfelkonferenz in Dhaka am 7. und 8. Dezember 1985 wurde die SAARC-Charta209 unterzeichnet.210 2. Ziele und Instrumente Die Ziele umfassen gemäß Artikel 1 der SAARC-Charta die Verbesserung der Wohlfahrt, der Lebensqualität und des wirtschaftlichen Wachs205
Die Verträge sind veröffentlicht unter: http://app.fta.gov.sg/asp/fta/china_ text2.asp. Vgl. dazu Greenwald, The ASEAN-China Free Trade Area (ACFTA): A Legal Response to Chinas’s Economic Rise?, Duke Journal of Comparative & International Law 2006, S. 193 ff. 206 Vgl. Ansprache des ASEAN-Generalsekretärs Ong Keng Yong vor dem Gipfel der chinesischen Wirtschaftsführer am 11. Oktober 2004 in Singapur, veröffentlicht unter: http://www.aseansec.org/16463.htm. 207 Http://www.saarc-sec.org/main.php. 208 O’Brien et al., A Geographically Based Introduction to Regional Intergovernmental Organizations, S. 83. 209 Die SAARC-Charta ist veröffentlicht unter: http://www.saarc-sec.org/main. php?id=10&t=4. 210 UNCTAD (Hrsg.), Handbook of Economic Integration and Cooperation Groupings of Developing Countries, Vol. I, S. 98.
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2. Kap.: Rechtsordnungen bestehender Entwicklungsgemeinschaften
tums; die Zusammenarbeit in wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen, technischen und wissenschaftlichen Bereichen; die Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern, die nicht Mitgliedstaaten sind; die Repräsentanz der Mitgliedstaaten in internationalen Foren; die Eigenständigkeit der Region; sowie der Dialog zwischen den Mitgliedstaaten. Zu den Gründungsprinzipien gehören der Respekt für die mitgliedstaatliche Souveränität und Nicht-Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Mitgliedstaaten. Den Absichtserklärungen zur regionalen Zusammenarbeit folgten bisher nur wenige konkrete Schritte (z. B. die Einrichtung einer Nahrungsmittelreserve). Die Kooperation wird u. a. durch das Übergewicht Indiens und den Konflikt zwischen Indien und Pakistan weiterhin erschwert.211 Am ehesten greifbar sind die Ergebnisse bei der Förderung des Freihandels. Die Mitgliedstaaten haben 1991 ein hochrangiges Komitee zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit eingesetzt, um Programme zur wirtschaftlichen und Handelszusammenarbeit zu entwickeln und durchzuführen. Infolge des Colombo Gipfels von 1991 wurde ebenfalls eine Expertengruppe zur Handelsliberalisierung (Inter-Governmental Expert Group, IGEG) eingesetzt. Diese legte die Grundlage für die Südasiatische Präferenzhandelsvereinbarung (South Asian Preferential Trade Arrangement, SAPTA) von 1993, die 1995 in Kraft trat.212 Im Rahmen von SAPTA haben die SAARC-Mitgliedstaaten ihre Zölle und anderen Handelsbarrieren leicht reduziert. Nach und nach wurde die Produktpalette, für die das Abkommen gilt, erweitert.213 Wichtiger war, dass die Mitgliedstaaten durch SAPTA ihren Dialog aufrechterhielten.214 Angesichts der geringen Auswirkungen von SAPTA auf den Handel der SAARC-Mitgliedstaaten wurde bei dem SAARC-Gipfel 1997 die Gründung einer Südasiatischen Freihandelszone (South Asian Free Trade Area, SAFTA) vorgeschlagen. Das in der Folgezeit von einer Expertengruppe erarbeitete SAFTA-Abkommen wurde am 6. Januar 2004 geschlossen und ist am 1. Januar 2006 in Kraft getreten.215 Im Rahmen des Handelsliberalisierungsprogramms gemäß Artikel 7 SAFTA-Abkommen sollen die Zölle für innerhalb der Region produzierte Güter nach und nach reduziert werden, so dass sie 2016 noch maximal 5% betragen und damit die Freihandelszone vollendet ist. Um den am wenigsten entwickelten Mit211 Entwicklungspolitisches Glossar, in: Nohlen/Nuscheler (Hrsg.), Handbuch der Dritten Welt, Band 1, S. 484. 212 SAPTA ist veröffentlicht unter: http://www.saarc-sec.org/main.php?id= 44&t=2.1. 213 UNCTAD (Hrsg.), Handbook of Economic Integration and Cooperation Groupings of Developing Countries, Vol. I, S. 100. 214 Baysan/Panagariya/Pitigala, Preferential Trading in South Asia, S. 3. 215 Das SAFTA-Abkommen ist veröffentlicht unter: http://www.saarc-sec.org/ data/agenda/economic/safta/SAFTA%20AGREEMENT.pdf.
§ 6 Integrationsskepsis in Asien und der Pazifikregion
111
gliedstaaten schon früher die Vorteile der Freihandelszone zuteil werden zu lassen, verpflichten sich Indien, Pakistan und Sri Lanka, ihre Zölle bereits bis zum 1. Januar 2009 auf 0–5% zu reduzieren (sog. early harvest). Auch im Übrigen werden den am wenigsten entwickelten Mitgliedstaaten gemäß Artikel 11 SAFTA-Abkommen Sonderrechte gewährt (Special and Differential Treatment, SDT). Fernes Ziel, das noch nicht im Vertrag fixiert ist, ist die Verwirklichung einer Wirtschafts- und Währungsunion (South Asian Economic Union, SAEU) bis 2020.216 3. Institutionelle Struktur und Entscheidungsmechanismen Die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten treffen sich zumindest einmal im Jahr bei einem Gipfel, um die organisatorischen Richtlinien und Politiken von SAARC festzulegen. Die Außenminister kommen zumindest zweimal pro Jahr zusammen und formulieren die Politiken, entscheiden über neue Bereiche der Zusammenarbeit und schafft neue Zusammenarbeitsmechanismen. Ein ständiges Komitee leitender Beamter regelt die Verwaltungs- und finanziellen Angelegenheiten von SAARC.217 Daneben gibt es für jedes der zwölf Gebiete der Zusammenarbeit ein technisches Komitee, das für die Durchführung der Programme auf seinem Gebiet zuständig ist. Dem SAARC-Sekretariat in Kathmandu/Nepal steht ein Generalsekretär vor, der vom Ministerrat gewählt wird.218 Die Mitgliedstaaten finanzieren die SAARC-Aktivitäten und den Haushalt des Sekretariats nach einem festen Schlüssel. SAARC hat weitere regionale Körperschaften eingesetzt, insbesondere einen Fonds für regionale Projekte, einen Südasiatischen Entwicklungsfonds und einen Regionalfonds.219 Durch Artikel 10 SAFTA-Abkommen wird zusätzlich der SAFTA-Ministerrat (SAFTA Ministerial Council, SMC) als höchstes Entscheidungsgremium der SAFTA geschaffen. Er setzt sich aus den Wirtschafts- und Handelsministern der Mitgliedstaaten zusammen. Er tagt mindestens einmal im Jahr und wird durch einen Expertenausschuss aus hochrangigen Wirtschaftsbeamten beraten (Committee of Experts, COE).
216
Vgl. http://www.saarc-sec.org/main.php?t=2.1.6. O’Brien et al., A Geographically Based Introduction to Regional Intergovernmental Organizations, S. 89. 218 UNCTAD (Hrsg.), Handbook of Economic Integration and Cooperation Groupings of Developing Countries, Vol. I, S. 99. 219 O’Brien et al., A Geographically Based Introduction to Regional Intergovernmental Organizations, S. 90. 217
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2. Kap.: Rechtsordnungen bestehender Entwicklungsgemeinschaften
4. Streitbeilegungsmechanismus Das COE ist zugleich Streitbeilegungsorgan im Streitbeilegungsverfahren gemäß Artikel 20 SAFTA-Abkommen. Seine Entscheidungen können von einer der am Streit beteiligten Parteien vor dem SMC angefochten werden. Ein gegenüber den politischen Organen eigenständiges Streitbeilegungsorgan gibt es nicht. 5. Umsetzung und aktuelle Tendenzen Das Liberalisierungsprogramm der SAFTA hat erst 2006 begonnen. Über den praktischen Erfolg lässt sich daher noch nichts sagen. Eine Prognose der Weltbank ist in Bezug auf den Handel wegen der schlechten wirtschaftlichen Ausgangsbedingungen eher skeptisch. Sie sieht aber Vorteile u. a. in der Möglichkeit, die Feindschaft zwischen Pakistan und Indien aufzubrechen, und im gemeinsamen Aufbau von Infrastrukturen, insbesondere Straßen, Schienen, Brücken und Telekommunikationslinien.220 III. Asien-Pazifik-Handelsabkommen (APTA) Einige Mitgliedstaaten von ASEAN und SAARC haben sich durch die Bangkok-Vereinbarung vom 31. Juli 1975221 zusammengeschlossen.222 Sie war von der Wirtschafts- und Sozialkommission der Vereinten Nationen für Asien und den Pazifik ((United Nations) Economic and Social Commission for Asia and the Pacific, (UN)ESCAP) initiiert worden. Ziel der BangkokVereinbarung ist gemäß Artikel 2 die wirtschaftliche Entwicklung durch einen kontinuierlichen Prozess der Handelsausweitung zwischen den Entwicklungsländern der ESCAP. Dazu sollen vor allem gegenseitig günstige Maßnahmen zur Handelsliberalisierung ergriffen werden. Im Mittelpunkt stehen dabei Zollkonzessionen. Mit einer Vertragsänderung vom 2. November 2005 haben die Vertragsparteien den Namen der Vereinbarung von Bangkok-Vereinbarung in AsienPazifik-Handelsabkommen (Asia-Pacific Trade Agreement, APTA)223 geän220 Baysan/Panagariya/Pitigala, Preferential Trading in South Asia, S. 15 ff. et passim. 221 Der Text der Bangkokvereinbarung ist auf der offiziellen Homepage der UNESCAP veröffentlicht: http://www.unescap.org/tid/BKK.asp. 222 Mitgliedstaaten sind heute: Bangladesh, China, Indien, Laos, Republik Korea und Sri Lanka. 223 Der aktuelle Vertragstext ist veröffentlicht unter: http://www.unescap.org/tid/ apta/ta_amend.pdf.
§ 6 Integrationsskepsis in Asien und der Pazifikregion
113
dert (Artikel 40 APTA). Neu eingefügt sind die Ursprungsregeln (Rules of Origin) in Artikel 8 i. V. m. Anlage 2 APTA sowie die Aufforderung an die Mitgliedstaaten in Artikel 29 APTA, neue Mitgliedstaaten zu werben. Neu ist auch die Schaffung eines Ministerrats gemäß Artikel 23 APTA, der die Umsetzung des Vertrages überwachen soll. Anderes Organ bleibt gemäß Artikel 22 APTA der Ständige Ausschuss aus Vertretern der Mitgliedstaaten, der mindestens einmal im Jahr zusammentritt und die notwendigen Maßnahmen ergreift, um den Vertrag umzusetzen. Er ist gemäß Artikel 20 APTA zugleich für die Streitbeilegung zuständig. Der Ständige Ausschuss entscheidet einstimmig, wo das nicht möglich ist, mit Zwei-Drittel-Mehrheit (Artikel 24 APTA). Das ESCAP-Sekretariat fungiert zugleich als Sekretariat der APTA. Im Rahmen der Bangkok-Vereinbarung/APTA haben sich die Mitgliedstaaten bereits zahlreiche Zollpräferenzen zugestanden. Dem Ziel der Steigerung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten sind sie damit jedoch nur wenig näher gekommen, so dass die Bangkok-Vereinbarung in der Praxis bislang keine bedeutende Rolle spielte.224 Ob sich daran durch die Vertragsänderung, eine dritte erfolgreiche Handelsrunde, die von Oktober 2001 bis Mitte 2005 stattfand, und die Bemühungen um weitere Mitgliedstaaten etwas ändern wird, muss sich erst noch zeigen.225
D. West- und Zentralasien I. Überblick Die Länder des Nahen Ostens sind teilweise an Integrationsbestrebungen mit nordafrikanischen Staaten beteiligt, die zur Gründung der GAFTA geführt haben. Die Schwierigkeiten der regionalen Integration im arabischen Raum sowie die Große Arabische Freihandelszone (GAFTA) wurden bereits oben unter § 5 B. II. dargestellt. Die 1985 von Iran, Pakistan und Türkei gegründete Organisation wirtschaftlicher Zusammenarbeit (Economic Cooperation Organization, ECO) wurde 1992 durch den Beitritt von sechs Staaten der ehemaligen Sowjetunion in Zentralasien und dem Kaukasus226 sowie Afghanistans erweitert. Ein Präferenzhandelsabkommen (Economic Cooperation Organization Trade 224 UNCTAD (Hrsg.), Handbook of Economic Integration and Cooperation Groupings of Developing Countries, Vol. I, S. 97. 225 Vgl. ESCAP (Hrsg.), Facts About the Bangkok Agreement, S. 5. 226 Aserbaidschan, Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan.
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2. Kap.: Rechtsordnungen bestehender Entwicklungsgemeinschaften
Agreement, ECOTA)227 ist seit 2003 in Kraft. ECO fällt durch die überwiegende Beteiligung ehemaliger Ostblockstaaten, also nicht Entwicklungsländern, aus dem Untersuchungsbereich dieser Arbeit heraus.228 Es verbleibt für die weitere Untersuchung allein der Golfkooperationsrat (GCC). II. Golfkooperationsrat (GCC) Es gibt keine Regionalorganisation, die alle Länder des Nahen Ostens umfasst. Der Golfkooperationsrat (Gulf Cooperation Council, GCC) besteht aus den sechs Staaten des Persischen Golfs.229 Am 25. Mai 1981 wurde die Gründungscharta in Abu Dhabi/Vereinigte Arabische Emirate unterzeichnet.230 Ziel ist gemäß Artikel 4 GCC-Charta die Förderung der wirtschaftlichen und politischen Zusammenarbeit. Die Wirtschafts-, Finanz- und Währungspolitiken sollen koordiniert und vereinheitlicht werden, die Zusammenarbeit in wissenschaftlichen und technischen Bereichen soll gefördert und Joint Ventures und andere Zusammenarbeit im privaten Sektor unterstützt werden. Die Mitgliedstaaten sollen hinsichtlich der Grundnahrungsmittel autark werden. Weitere Ziele des GCC sind die Harmonisierung der Vorschriften über Handel, Zollangelegenheiten und Kommunikation, Erziehung und Kultur, soziale und Gesundheitsangelegenheiten, Information und Tourismus sowie Gesetzgebungs- und Verwaltungsangelegenheiten. Wichtigstes Ziel ist die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten. Bei einem Gipfeltreffen im November 1981 in Riyadh beschlossen die Mitgliedstaaten, einen Gemeinsamen Markt zu schaffen, und nahmen eine Wirtschaftscharta an, nach der vom 1. Dezember 1981 an die nationalen Märkte den regionalen Waren geöffnet werden sollten. 1983 trat die erste Stufe eines Vereinigten Wirtschaftsabkommens (Unified Economic Agreement, UEA) in Kraft.231 Dieses umfasst Handel, Kapitalverkehr, Wirtschaftsentwicklung, technische Bereiche, Verkehr und Kommunikation sowie 227 ECOTA ist veröffentlicht unter: http://www.ecosecretariat.org/ftproot/ Documents/Agreements/ECOTA.htm. 228 Weitere Informationen finden sich auf der offiziellen Homepage der ECO http://www.ecosecretariat.org sowie bei Pennetta, Le organizzazioni internazionali dei paesi in via di sviluppo, Band 1, S. 40 Fn. 74 m. w. N.; O’Brien et al., A Geographically Based Introduction to Regional Intergovernmental Organizations, S. 84; UNCTAD (Hrsg.), Handbook of Economic Integration and Cooperation Groupings of Developing Countries, Vol. I, S. 87. 229 Mitgliedstaaten sind: Bahrain, Katar, Kuwait, Oman, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate. Vgl. Die offizielle Homepage des GCC: http:// www.gcc-sg.org. 230 Die GCC-Charta ist veröffentlicht unter: http://www.gcc-sg.org/CHARTER. html. 231 Das UEA ist veröffentlicht unter: http://www.gcc-sg.org/Economic.html.
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Finanz- und Währungsangelegenheiten. Es stellt zudem eine Grundlage für die Harmonisierung der Industrie- und Planungspolitiken dar. Im Rahmen der UEA haben die Mitgliedstaaten des GCC den Handel mit Landwirtschafts- und Industrieprodukten mit einem Mehrwert, der sich auf mindestens 40 Prozent des Gesamtwertes beläuft, vollständig liberalisiert. Seit dem 1. Januar 2003 gilt in der GCC-Zollunion232 ein gemeinsamer Außenzolltarif von 5%. 2010 soll eine gemeinsame Währung eingeführt werden.233 Während die GCC-Charta regionale Sicherheit noch nicht erwähnte, haben die Mitgliedstaaten 1987 einen Pakt über die Zusammenarbeit in regionalen Sicherheitsfragen geschlossen. Im Zusammenhang mit dem Golfkrieg 1991 haben die GCC-Mitgliedstaaten zusammen mit Ägypten und Syrien die Erklärung von Damaskus unterschrieben, die die Gründung einer regionalen Friedenserhaltungstruppe vorsieht.234 Der GCC wird gemäß Artikel 6 ff. GCC-Charta von einem Höchsten Rat geleitet, der sich aus den Staatschefs der Mitgliedstaaten zusammensetzt und einmal jährlich zusammentritt. Ein Ministerrat gemäß Artikel 11 GCCCharta, der aus den Außenministern und anderen höheren Ministern besteht, trifft sich alle drei Monate. Daneben treffen sich die Verteidigungs-, Innenund Außenminister gelegentlich, um Fragen der Verteidigungszusammenarbeit und der gemeinsamen Sicherheitspolitik zu erörtern. Das Sekretariat gemäß Artikel 14 GCC-Charta befindet sich in Riyadh. Ihm steht ein Generalsekretär vor. Der GCC wird gemäß Artikel 18 GCC-Charta zu gleichen Teilen von den Mitgliedstaaten finanziert. Die Mitgliedstaaten haben 1984 eine Golf-Investitionskörperschaft gegründet, um Entwicklungsprojekte zu finanzieren. Der GCC unterstützt Institutionen finanziell, die in den Bereichen Bau und Energie forschen.235 Als Streitschlichtungsmechanismus fungiert eine Streitschlichtungskommission, die gemäß Artikel 10 GCC-Charta vom Höchsten Rat ad hoc berufen wird. Insbesondere im wirtschaftlichen Bereich ist der GCC in der Praxis sehr erfolgreich.236 232
Vgl. http://www.gcc-sg.org/gcc_customsunion.html. United Nations Economic and Social Commission for Westen Asia, Annual Review of Developments in Globalization and Regional Integration in the Countries of the ESCWA Region, Summary, S. 12. 234 O’Brien et al., A Geographically Based Introduction to Regional Intergovernmental Organizations, S. 88. 235 O’Brien et al., A Geographically Based Introduction to Regional Intergovernmental Organizations, S. 89. 236 United Nations Economic and Social Commission for Westen Asia, Annual Review of Developments in Globalization and Regional Integration in the Countries of the ESCWA Region, Summary, S. 11. 233
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2. Kap.: Rechtsordnungen bestehender Entwicklungsgemeinschaften
§ 7 Erfolgsgeschichte der regionalen Integration in Lateinamerika und der Karibik A. Überblick über Entwicklungsgemeinschaften in Lateinamerika und der Karibik „Unidad, unidad, unidad, debe ser nuestra divisa!“237 Fast 150 Jahre vor Nkrumahs „Africa must unite“ verfolgte der venezolanische Staatsmann und General Simón Bolívar im Kampf gegen die Kolonialmächte bereits die panamerikanische Idee eines geeinten und von Europa und den USA unabhängigen Lateinamerikas. Die Integration der lateinamerikanischen Staaten scheiterte jedoch trotz der Befreiung von Spanien und Portugal an den gegenläufigen Interessen in der Region.238 Tatsächlich erfolgte die erste Welle der regionalen Integration erst in den 1960er Jahren. Sie ging auf die Arbeit der CEPAL239 unter der Leitung von Raffll Prebisch zurück. Diese hatte einen Rückgang des intraregionalen Handels in Südamerika beobachtet. Hauptursache waren aus der Sicht der CEPAL die unterschiedlichen Marktstrukturen der grundstofferzeugenden Länder einerseits und der Industriestaaten andererseits, die zu einer Verlangsamung des Wachstums der Exportgewinne für die weniger entwickelten Länder führten. Die CEPAL wollte dem durch Importsubstitution, den Aufbau einer eigenen Produktionsgüterindustrie sowie die wirtschaftliche Zusammenarbeit der lateinamerikanischen Länder in einem gemeinsamen Markt begegnen.240 Eine von der CEPAL eingerichtete Arbeitsgruppe erarbeitete in den Jahren 1958/1959 Empfehlungen für die Errichtung einer lateinamerikanischen Freihandelszone, die allmählich in eine Zollunion umgewandelt werden sollte. Ziel war ein gemeinsamer Markt, dem alle Länder Lateinamerikas beitreten könnten.241 Als Ergebnis der sich an diese Empfehlung anschließenden kontroversen Diskussionen wurden 1960 die Lateinamerikanische Freihandelszone 237 „Einheit, Einheit, Einheit. Das sei unsere Losung!“, Simón Bolívar bei seiner Rede zum Amtsantritt als Präsident von Kolumbien am 15. Februar 1819, San Tomé de Angostura (heute: Ciudad Bolívar, Venezuela), veröffentlicht in Bolívar, Escritos fundamentales. 238 Haller, MERCOSUR, S. 6 m. w. N. 239 Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Lateinamerika, siehe dazu bereits oben unter § 2 B. 240 Haller, MERCOSUR, S. 8 m. w. N.; Nogués/Quintanilla, Latin America’s Integration and the Multilateral Trading System, in: de Melo/Panagariya, New Dimensions in Regional Integration, S. 278, 280 ff. m. w. N. 241 Haller, MERCOSUR, S. 8 m. w. N.
§ 7 Erfolgsgeschichte der Integration in Lateinamerika und der Karibik
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(ALALC, heute: ALADI) sowie der Zentralamerikanische Gemeinsame Markt (MCCA) gegründet.242 Fünf Jahre später kam die Karibische Freihandelsassoziation (CARIFTA, heute: CARICOM) hinzu. Zu einem Zusammenschluss aller Staaten der Region Lateinamerika und Karibik ist es nie gekommen. Vielmehr bestehen diese drei ursprünglichen Gemeinschaften heute als ALADI, MCCA und CARICOM fort. Ihre Mitgliedschaft überschneidet sich nicht. CARICOM umfasst die karibischen Staaten, MCCA die mittelamerikanischen, ALADI das übrige Lateinamerika. Innerhalb dieser Entwicklungsgemeinschaften haben sich jeweils kleinere Entwicklungsgemeinschaften gebildet, insbesondere die Andengemeinschaft, MERCOSUR und die Gruppe der Drei243 in ALADI und die Organisation Ostkaribischer Staaten (OECS) in CARICOM. Wie in der Region Asien-Pazifik wird auch hier das Bild vor allem durch verschiedene bilaterale Abkommen sowie Abkommen mit den Industriestaaten USA und Kanada unübersichtlich, die nicht Gegenstand dieser Arbeit sind. Von besonderer Bedeutung ist insofern die NAFTA244.245 Weiterer Einflussfaktor außerhalb der Entwicklungsgemeinschaften ist die geplante Freihandelszone der Amerikas (Free Trade Area of the Americas/Àrea de Libre Comercio de las Américas, FTAA/ALCA), die auf die Initiative „Enterprise for the Americas“ des früheren US-amerikanischen Präsidenten George Bush (senior) zurückgeht.246 Als Mitgliedstaaten verhandeln darü242
Hummer, Integration in Lateinamerika und der Karibik, VRÜ 2005, S. 6, 8; Haller, MERCOSUR, S. 8 m. w. N. 243 Die aktuell durch den Austritt Venezuelas zum bilateralen Abkommen wird, siehe dazu unten unter § 7 B., insbesondere 2. Kapitel Fn. 249. 244 Mitgliedstaaten sind Kanada, Mexiko und USA; vgl. die offizielle Homepage des NAFTA-Sekretariats: http://www.nafta-sec-alena.org; dort ist das NAFTA-Übereinkommen veröffentlicht unter: http://www.nafta-sec-alena.org/DefaultSite/index_e. aspx?CategoryId=42. 245 Relevant ist auch das neue Freihandelsübereinkommen zentralamerikanischer Staaten und der Dominikanischen Republik mit den USA (CAFTA-DR) vom 5. August 2004 (veröffentlicht unter: http://www.ustr.gov/Trade_Agreements/Bilateral/ CAFTA/CAFTA-DR_Final_Texts/Section_Index.html). Unterzeichnerstaaten sind Costa Rica, Dominikanische Republik, El Salvador, Guatemala, Honduras, Nicaragua und USA. Costa Rica hat noch nicht ratifiziert. Das Abkommen ist zwischen den USA und El Salvador sowie Honduras und Nicaragua am 1. März 2006 bzw. am 1. April 2006 in Kraft getreten; vgl Pressemitteilung der US-Regierung vom 31. März 2006: http://www.ustr.gov/Document_Library/Press_Releases/2006/ March/Statement_of_USTR_Portman_Regarding_Entry_Into_Force_of_the_ US_-_Central_America_-_Dominican_Republic_Free_Trade_Agreement_(CA.html. Ausführlicher zum CAFTA-DR: CEPAL (Hrsg.), Latin American and the Caribbean in the World Economy 2004/2005 Trends, S. 104 ff. 246 Gitli/Ryd, Latin American Integration and the Enterprise for the Americas Initiative, JWT 1992, S. 26 ff.
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2. Kap.: Rechtsordnungen bestehender Entwicklungsgemeinschaften
FTAA
Bahamas Haiti
USA
Canada-CA-4 USA-CACM
Canada
USA-Chile
Nicaragua
MERCOSUR Uruguay
CACM
Costa Rica
Brazil
Argentina
Chile
El Salvador Guatemala Honduras Dominican Republic
Paraguay
Mexico
Panama
CARICOM Trinidad & Dominica Suriname Tobago Jamaica St. Lucia Belize St. Kitts & Nevis Grenada Barbados Guyana St. Vincent & the Grenadines Antigua & Barbuda
Colombia Peru Ecuador
Bolivia
Venezuela
AC ALADI
First-generation agreement
ALADI
Second-generation agreement
Agreement under negotiation
Customs Union (CU)
Reciprocal agreement: CU-country
Non-reciprocal agreement: CU-country
Abbildung 3: Handelsabkommen in Amerika: „The Spaghetti Bowl: Trade Agreements Signed and Under Negotiation in the Americas“247
ber die 35 Mitgliedstaaten der Organisation der Amerikanischen Staaten (Organization of American States, OAS), d.h. alle unabhängigen Staaten Amerikas, bis auf Kuba.248 247 Abbildung übernommen aus Inter-American Development Bank (Hrsg.), Beyond Border: The New Regionalism in Latin America, S. 64, Abbildung 3.2. Bei genauerem Hinsehen erkennt man die Entwicklungsgemeinschaften fast ohne sich überschneidende Mitgliedschaften: oben rechts MERCOSUR, unten rechts die Andengemeinschaft (hier abgekürzt: CA), etwa in der Mitte die Gruppe der Drei (Mexiko, Kolumbien, Venezuela), alle zusammen im hellen Kreis der ALADI; davon getrennt links oben MCCA und links unten CARICOM. Nicht abgebildet ist die OECS innerhalb der CARICOM. 248 Mitgliedstaaten sind Antigua-Barbuda, Argentinien, Bahamas, Barbados, Belize, Bolivien, Brasilien, Chile, Costa Rica, Dominika, Dominikanische Republik, Ecuador, El Salvador, Grenada, Guatemala, Guyana, Haiti, Honduras, Kanada, Kolumbien, Kuba (wobei die kubanische Regierung seit 1962 von wichtigen Teilen der Zusammenarbeit ausgeschlossen ist), Jamaica, Mexiko, Nicaragua, Panama, Paraguay, Peru, St. Kitts und Nevis, St. Lucia, St. Vincent und die Grenadinen, Suriname, Trinidad und Tobago, Uruguay, Venezuela und die USA. Vgl. die offizielle Homepage der FTAA: http://www.ftaa-alca.org/, dort ist u. a. der aktuelle dritte Entwurf des FTAA-Übereinkommens vom 21. November 2003 veröffentlicht:
§ 7 Erfolgsgeschichte der Integration in Lateinamerika und der Karibik
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Einen Überblick über die regionale Integration in Amerika – und zugleich die Veranschaulichung der Bhagwati’schen „Spaghetti Bowl“ – soll Abbildung 3 bieten.
B. Lateinamerika In Lateinamerika bestehen vier Entwicklungsgemeinschaften: ALADI, die Andengemeinschaft, MERCOSUR und MCCA. Andere Organisationen und Abkommen in dieser Region sind keine Entwicklungsgemeinschaften, sie werden daher nicht ausführlich dargestellt. Venezuela hat seinen Austritt aus der Gruppe der Drei erklärt.249 Diese wird dadurch zum bilateralen Abkommen.250 Die Rio-Gruppe ist ein Beratungs- und Koordinierungsmechanismus251; das Lateinamerikanische Wirtschaftssystem (Latin American Economic System, SELA) will die regionale Zusammenarbeit und wirtschaftliche Integration fördern, nicht aber selbst begründen252; das Mandat des Amazonas-Kooperationsrats (Amazonian Cooperation Council) ist auf die Erhaltung der Umwelt und den nachhaltigen Gebrauch der natürlichen Ressourcen in der Region beschränkt253; das Lateinamerikanische Parlament (Latin American Parliament) ist dem Eurohttp://www.ftaa-alca.org/FTAADraft03/Index_e.asp; vgl. dazu z. B. Rivas-Campo/ Benke, FTAA Negotiations: Short Overview, JIEL 2003, S. 661 ff. 249 Vgl. die Pressemitteilung der venezuelanischen Regierung (ohne Datum), veröffentlicht unter: http://www.mre.gov.ve/Noticias/A2006/comunic-142.htm. 250 1990 bildeten Kolumbien, Mexiko und Venezuela die Gruppe der Drei (Group of Three, G-3), um die Handelsliberalisierung voranzutreiben. Das Freihandelsabkommen der G-3 wurde am 13. Juni 1994 geschlossen und trat ein Jahr später in Kraft. Darin verpflichteten sich die G-3-Mitgliedstaaten zu einem zehnjährigen Handelsliberalisierungsprogramm. Sie waren zudem im Rahmen der Association of Caribbean States (ACS) um die weitere karibische Integration bemüht. G-3 spielte eine wichtige politische Rolle, die vor allem im zentralamerikanischen Friedensprozess zum Ausdruck kam. Vgl. O’Brien et al., A Geographically Based Introduction to Regional Intergovernmental Organizations, S. 77. 251 Mitgliedstaaten sind: Argentinien, Bolivien, Brasilien, Chile, Costa Rica, Dominikanische Republik, El Salvador, Ecuador, Guatemala, Honduras, Kolumbien, Mexiko, Nicaragua, Panama, Paraguay, Peru, Uruguay, Venezuela; vgl. O’Brien et al., A Geographically Based Introduction to Regional Intergovernmental Organizations, S. 80. 252 Mitgliedstaaten sind Argentinien, Bahamas, Barbados, Belize, Bolivien, Brasilien, Chile, Costa Rica, Dominikanische Republik, Ecuador, Guatemala, Guyana, Haiti, Honduras, Jamaika, Kolumbien, Kuba, Mexiko, Nicaragua, Panama, Paraguay, Peru, Suriname, Trinidad und Tobago, Uruguay und Venezuela; vgl. O’Brien et al., A Geographically Based Introduction to Regional Intergovernmental Organizations, S. 81 sowie die offizielle Homepage: http://www.sela.org. 253 Mitgliedstaaten sind Bolivien, Brasilien, Ecuador, Guyana, Peru, Suriname und Venezuela; vgl. O’Brien et al., A Geographically Based Introduction to Regional Intergovernmental Organizations, S. 79 f.
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2. Kap.: Rechtsordnungen bestehender Entwicklungsgemeinschaften
parat nachgebildet und dient in erster Linie dem Schutz der Menschenrechte254. I. Lateinamerikanische Integrationsassoziation (ALADI) 1. Entstehung Die Lateinamerikanische Integrationsassoziation (Latin American Integration Association, LAIA bzw. Asociación Latinoamericana de Integratión, ALADI)255 ersetzte im März 1981256 die Lateinamerikanische Freihandelsassoziation (Latin American Free Trade Association, LAFTA, bzw. Asociación Latinoamericana de Libre Comercio, ALALC)257, nachdem der Versuch ALALCs, ein Freihandelsabkommen zu schaffen, erfolglos geblieben war.258 2. Ziele und Instrumente Im Gegensatz zur ALALC, die eine Multilateralisierung der Präferenzen anstrebte, legt die ALADI ihr Hauptaugenmerk auf bilaterale Liberalisierungsmechanismen im Rahmen von multilateralen Regionalpräferenzen. Die 1986 verabschiedete Charta von Buenos Aires enthält ein abgestuftes System von Handels- und Zollpräferenzen, das die Entwicklungsunterschiede 254
Mitgliedstaaten sind Argentinien, Bolivien, Brasilien, Chile, Costa Rica, Ecuador, El Salvador, Guatemala, Honduras, Kolumbien, Kuba, Mexiko, Nicaragua, Panama, Paraguay, Uruguay und Venezuela. Vgl. O’Brien et al., A Geographically Based Introduction to Regional Intergovernmental Organizations, S. 80. 255 Http://www.aladi.org. 256 Der Gründungsvertrag von Montevideo wurde am 12. August 1980 unterzeichnet und trat am 18. März 1981 in Kraft. Die englische Übersetzung ist abgedruckt in: ILM 1981 S. 672 ff. sowie unter http://www.aladi.org/nsfaladi/juridica. nsf/inicio2004i. 257 ALALC war am 18. Februar 1960 durch den Vertrag (ebenfalls) von Montevideo gegründet worden. Der Vertrag sah die Errichtung einer Freihandelszone innerhalb von zwölf Jahren vor. Der Vertrag von Montevideo vom 18. Februar 1960 ist im spanischen Original veröffentlicht unter www.aladi.org. Siehe ausführlicher zur ALALC Haller, MERCOSUR, S. 7 ff. m. w. N.; Tussie, Latin American Integration: From LAFTA to LAIA, JWTL 1982, S. 399, 400 ff.; zur Rechtsnachfolge der ALADI vgl. Hummer, Die „Lateinamerikanische Integrationsassoziation“ (ALADI) als Rechtsnachfolger der „Lateinamerikanischen Freihandelsassoziation“ (ALALC), VRÜ 1980, S. 361 ff. sowie Hummer, Rechtsfragen aus Anlaß der Sukzession der ALALC durch die ALADI, in: GS Constantinesco, S. 259 f. 258 Die Mitgliedstaaten von ALADI sind die elf ALALC-Mitglieder Argentinien, Bolivien, Brasilien, Chile, Ecuador, Kolumbien, Mexiko, Paraguay, Peru, Uruguay und Venezuela. ALADI steht gemäß Artikel 58 Absatz 1 Satz 1 des MontevideoVertrages von 1980 allen lateinamerikanischen Staaten offen.
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der Mitgliedsländer berücksichtigt.259 ALADI-Mitgliedstaaten gehören ebenfalls zur Andengemeinschaft, zu MERCOSUR oder zur Gruppe der Drei. Diese sich überschneidenden Mitgliedschaften sind konform mit dem Ziel ALADIs gemäß Artikel 2 Montevideo-Vertrag von 1980, den gegenseitigen Handel zwischen allen lateinamerikanischen Staaten zu fördern und zu regeln und die wirtschaftliche Integration voranzutreiben.260 Fernziel ist gemäß Artikel 1 Montevideo-Vertrag von 1980 die Errichtung eines Lateinamerikanischen Gemeinsamen Marktes. 3. Institutionelle Struktur und Entscheidungsmechanismen Der Gründungsvertrag von Montevideo etablierte in Kapitel VI drei politische und ein technisches Organ. Der Außenministerrat ist gemäß Artikel 30 Montevideo-Vertrag das höchste Entscheidungsgremium der ALADI. Die Konferenz zur Evaluierung und Konvergenz gemäß Artikel 34 MontevideoVertrag setzt sich aus Bevollmächtigten aller Mitgliedstaaten zusammen, sie bewertet die vertraglich festgelegten Regeln und überwacht deren Einhaltung. Das aus ständigen Vertretern der Mitgliedstaaten zusammengesetzte Vertreterkomitee soll als ständiges Organ die Regierungen mindestens einmal im Jahr zusammenrufen und dadurch den Abschluss von regionalen Liberalisierungsabkommen vorantreiben (Artikel 35 Montevideo-Vertrag). Das Generalsekretariat besitzt keine eigene Entscheidungskompetenz, sondern hat gemäß Artikel 38 Montevideo-Vertrag organisatorische und repräsentative Aufgaben. Es wird von einem Generalsekretär geleitet, der vom Rat berufen wird.261 Der Rat der Außenminister, die Konferenz und das Komitee treffen ihre Entscheidungen gemäß Artikel 43 Satz 1 Montevideo-Vertrag mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen. Gemäß Satz 2 darf es bei einzelnen im Vertrag aufgezählten Sachbereichen darüber hinaus keine Gegenstimmen geben. 4. Streitbeilegungsmechanismus Ein eigener Streitbeilegungsmechanismus ist für ALADI nicht vorgesehen. 259 Entwicklungspolitisches Glossar, in: Nohlen/Nuscheler (Hrsg.), Handbuch der Dritten Welt, Band 1, S. 468. 260 O’Brien et al., A Geographically Based Introduction to Regional Intergovernmental Organizations, S. 80. 261 Vgl. Haller, MERCOSUR, S. 19 ff.; UNCTAD (Hrsg.), Handbook of Economic Integration and Cooperation Groupings of Developing Countries, Vol. I, S. 124.
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5. Umsetzung und aktuelle Tendenzen Wenn auch die weitgesteckten Ziele der ALADI bislang nicht erreicht wurden, so hat sie doch die regionale Wirtschaftsintegration erfolgreich gefördert. Bislang sind im Rahmen der ALADI mehr als 80 Abkommen zwischen Mitgliedstaaten und mehr als 30 zwischen ALADI- und Drittstaaten aus Zentralamerika und der Karibik geschlossen worden. ALADI selbst ist mangels verbindlicher Regeln und wegen der fehlenden Übertragung von Hoheitsrechten als Integrationsmechanismus weitgehend von anderen Zusammenschlüssen verdrängt worden. Als Diskussionsforum für Fragen lateinamerikanischer Integration und als Ordnungssystem für den Abschluss von Liberalisierungsabkommen beschränkter Reichweite ist es aber weiter anerkannt.262 II. Andengemeinschaft (CAN) 1. Entstehung Im Übereinkommen von Cartagena263 schlossen sich am 26. Mai 1969 Bolivien, Chile, Kolumbien, Ecuador und Peru zum Andenpakt in einer subregionalen Wirtschaftsgemeinschaft zur schnelleren Integration innerhalb der ALALC (heute: ALADI) zusammen.264 1974 trat Venezuela bei, 1976 schied Chile aus. Ziele waren der Abbau der Handelsschranken, ein gemeinsamer Außenzolltarif, ein gemeinsames Industrialisierungsprogramm sowie die Harmonisierung der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Innerhalb von zehn Jahren sollte eine Zollunion entstehen.265 Der ursprüngliche Vertrag war von der lateinamerikanischen Rechtsdoktrin zur regionalen Integration und den wirtschaftlichen Vorstellungen der CEPAL geprägt. Er enthielt ein dirigistisches und in hohem Maße protektionistisches Integrationsprogramm. Der Andenpakt verfolgte Import-Substitutionsstrategien und wehrte ausländische Investitionen von außerhalb der Sub-Region ab.266 262
Haller, MERCOSUR, S. 23 m. w. N. Agreement on Andean Subregional Integration vom 26. Mai 1969, englische Übersetzung der ursprünglichen Fassung abgedruckt in: ILM 1969, S. 910 ff.; englische Übersetzung der aktuellen Fassung veröffentlicht unter: http://www.comunida dandina.org/ingles/normativa/ande_trie1.htm. 264 Vgl. UNCTAD (Hrsg.), Handbook of Economic Integration and Cooperation Groupings of Developing Countries, Vol. I, S. 135. 265 Vgl. zum Andenpakt in seiner ursprünglichen Form: Garcia-Amador, The Andean Legal Order. A New Community Law; Carraud, L’integration des pays andins; vgl. zur Entwicklung vor der Acta di Trujillo: Mahiou, Le cadre juridique de la coopération Sud-Sud, RdC 1993, S. 9, 89 ff. 263
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Der Andenpakt erreichte schon bald die Ausweitung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten. Die Absprachen über gemeinsame Industrialisierungsprogramme scheiterten jedoch am Hang zum Protektionismus, der durch die Wirtschaftskrise der 1980er Jahre noch verstärkt wurde.267 Die Guerilla-Bewegung vor allem in Peru, der Drogenhandel, die Misere der Landwirte, die prekäre soziale Situation in den Großstädten und die heftige Überschuldung der Mitgliedstaaten trugen weiter zum Erlahmen des Integrationsprozesses bei.268 Die Fristen für die Liberalisierung des Handels und die Einführung eines gemeinsamen Außenzolls konnten nicht eingehalten werden.269 Am 12. Mai 1987 wurde die Vereinbarung von Cartagena durch das Protokoll von Quito überarbeitet. Schon hier ließ sich eine Öffnungstendenz erkennen.270 In den 1990er Jahren haben die Mitgliedstaaten ihren Integrationsprozess im Kontext mit den weltweiten Veränderungen evaluiert und daraufhin Institutionen und Politiken wesentlich umgestaltet. In der Akte von Barahona haben die Staats- und Regierungschefs der Andenpaktstaaten 1991 die Förderung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit und Integration in folgenden Schritten beschlossen: die Einführung einer Freihandelszone, ein gemeinsamer Außenzoll, die Abschaffung von Subventionen, die Harmonisierung der makroökonomischen Politiken, die Einleitung von Verhandlungen mit anderen lateinamerikanischen und karibischen Staaten und mit MERCOSUR sowie mit der EG über wirtschaftliche Vereinbarungen und Liberalisierungen, ferner die Unterstützung der US-amerikanischen Initiative „Enterprise for the Americas“271 und die erfolgreiche Beendigung der Uruguay-Runde der WTO.272 Dazu wurde das Übereinkommen von Cartagena am 10. März 1996 durch das Protokoll von Trujillo geändert und die Andengemeinschaft (Comunidad Andina, CAN) geschaffen.273 266 Mahiou, Le cadre juridique de la coopération Sud-Sud, RdC 1993, S. 9, 89 f.; Naon, Sovereignity and Regionalism, Law and Policy in International Business 1996, S. 1073, 1109. 267 Vgl. UNCTAD (Hrsg.), Handbook of Economic Integration and Cooperation Groupings of Developing Countries, Vol. I, S. 138. 268 Mahiou, Le cadre juridique de la coopération Sud-Sud, RdC 1993, S. 9–194 (108); vgl. zu diesen und weiteren Ursachen der „Krise“ des Andenpakts: VargasHidalgo, The Crisis of the Andean Pact: Lessons for Integration Among Developing Countries, J. Common Mkt. Stud. 1979, S. 213, 216 ff. 269 Entwicklungspolitisches Glossar, in: Nohlen/Nuscheler (Hrsg.), Handbuch der Dritten Welt, Band 1, S. 469. 270 Naon, Sovereignity and Regionalism, Law and Policy in International Business 1996, S. 1073, 1109. 271 Siehe dazu oben unter § 7 A. und 2. Kapitel Fn. 248. 272 Naon, Sovereignity and Regionalism, Law and Policy in International Business 1996, S. 1073, 1118 m. w. N.
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Am 26. April 2006 trat Venezuela insbesondere wegen eines von ihm abgelehnten Freihandelsabkommens der CAN mit den USA aus.274 Als Mitglieder verbleiben Bolivien, Ecuador, Kolumbien und Peru. 2. Ziele und Instrumente Die Ziele der CAN sind gemäß Artikel 1 des Übereinkommens von Cartagena in seiner aktuellen Fassung (Cartagena-Ü)275 die ausgeglichene und gerechte Entwicklung der Mitgliedstaaten durch Integration sowie wirtschaftliche und soziale Kooperation; die Steigerung des Wachstums und die Schaffung von Arbeitsplätzen; die Erleichterung der regionalen Integration mit dem Ziel einer schrittweisen Schaffung eines gemeinsamen lateinamerikanischen Marktes; die Verringerung der außenwirtschaftlichen Verwundbarkeit; die Stärkung der sub-regionalen Solidarität und Verringerung der Entwicklungsunterschiede, die zwischen den Mitgliedstaaten bestehen. 3. Institutionelle Struktur und Entscheidungsmechanismen CAN gilt als die Entwicklungsgemeinschaft mit der best-entwickelten institutionellen Struktur, dem Andenintegrationssystem (Sistema Andino de Integracion, SAI). Das SAI wurde durch das Protokoll von Trujillo276 nach dem Vorbild der Institutionen der EG geschaffen. Höchstes Organ des SAI ist gemäß Artikel 11 Cartagena-Ü der Anden-Präsidentenrat. Er setzt sich aus den Staatschefs der Mitgliedstaaten zusammen. Der Anden-Präsidentenrat erlässt Richtlinien für die politische Orientierung der verschiedenen Sachbereiche der Andenintegration. Diese Richtlinien müssen von anderen Gremien des Anden-Integrationssystems umgesetzt werden, die dafür vom Anden-Präsidentenrat bestimmt werden. Der Anden-Präsidentenrat ist gemäß Artikel 12 Cartagena-Ü unter anderem dafür zuständig, die Politiken hinsichtlich der sub-regionalen Integration zu definieren; er gibt die Richtung vor und fördert Aktionen im gemeinsamen Interesse der Sub-Region 273 Das Trujillo-Protokoll ist veröffentlicht unter: http://www.comunidadandina. org/normativa/tratprot/trujillo.htm (nur spanische Originalfassung). Zu Entstehungsgeschichte und zum Einfluss der Erfahrungen der Europäischen Gemeinschaft auf das Trujillo-Protokoll: Da Cruz Vilaça/Sobrino Heredia, The European Union and the Transformation of the Andean Pact Into the Andean Community: From the Trujillo Protocol to the Sucre Act, European Foreign Affairs Review 1998, S. 13, 18 ff. 274 Vgl. Pressemitteilung des CAN-Generalsekretariats vom 22. April 2006, veröffentlicht unter: http://www.comunidadandina.org/prensa/notas/np22-4-06a.htm; FAZ vom 6. Juli 2006, S. 6 „Venezuela tritt dem Mercosur bei“ a. E. 275 Veröffentlicht unter: http://www.comunidadandina.org/ingles/normativa/ande_ trie1.htm. 276 Siehe 2. Kapitel Fn. 273.
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und zur Koordinierung der Körperschaften und Institutionen des SAI. Der Anden-Präsidentenrat bewertet die Entwicklung und Ergebnisse des AndenWirtschaftsintegrationssystems und berät und äußert sich zu Berichten, Initiativen und Empfehlungen der anderen Organe des SAI. Gemäß Artikel 14 Cartagena-Ü sind die Staatschefs der Mitgliedstaaten jeweils für ein Kalenderjahr (in alphabetischer Reihenfolge der Mitgliedstaaten) Vorsitzender des Präsidentenrates und als solcher höchster Repräsentant der CAN. Der Andenaußenministerrat gemäß Artikel 15 ff. Cartagena-Ü setzt sich aus den Außenministern der Mitgliedstaaten zusammen. Er ist das wichtigste politische Organ des SAI, das für die Erreichung der Integrationsziele und die Außenpolitik der CAN verantwortlich ist. Er ist dafür zuständig, die Außenpolitiken der Mitgliedstaaten in Angelegenheiten von sub-regionalem Interesse zu formulieren. Er koordiniert die Aktivitäten der verschiedenen Organe und Institutionen des SAI gegenüber Drittstaaten und die gemeinsame Position der Mitgliedstaaten in internationalen Verhandlungen und Foren. Der Andenaußenministerrat vertritt CAN in Angelegenheiten von gemeinsamem Interesse. Er empfiehlt oder ergreift Maßnahmen zur Erreichung der Ziele der Andengemeinschaft. Er überwacht die Übereinstimmung der Vorschriften der CAN mit denen von LAIA. Er setzt Richtlinien um, die der Anden-Präsidentenrat an ihn richtet und überwacht die Umsetzung von Richtlinien, die der Anden-Präsidentenrat an andere Organe richtet (Artikel 16 Cartagena-Ü). Der Andenaußenministerrat gibt Erklärungen ab und trifft Entscheidungen im Konsensverfahren; Entscheidungen sind Teil des CAN-Gemeinschaftsrechts (Artikel 17 Cartagena-Ü). Die CAN-Kommission gemäß Artikel 21 ff. Cartagena-Ü setzt sich aus jeweils einem bevollmächtigten Repräsentanten jedes Mitgliedstaates zusammen. Gemäß Artikel 2 Cartagena-Ü ist sie insbesondere mit der Formulierung, Inkraftsetzung und Bewertung der sub-regionalen Andenintegration auf den Gebieten des Handels und der Investitionen betraut, erforderlichenfalls in Zusammenarbeit mit dem Außenministerrat. Sie trifft zudem die erforderlichen Maßnahmen zur Erreichung der Ziele der Andengemeinschaft und zur Umsetzung der Richtlinien des Anden-Präsidentenrates. Die Kommission kann sich mit den zuständigen Ministern und Staatssekretären treffen, um Fachthemen zu behandeln, um Normen zu erwägen, um die Koordination der Entwicklungspläne und die Harmonisierung der Wirtschaftspolitiken der Mitgliedstaaten zu erleichtern oder um Kenntnis von den Problemen von gemeinsamem Interesse zu erlangen und sie zu lösen. Sie trifft Entscheidungen gemäß Artikel 26 Cartagena-Ü mit absoluter Mehrheit der Mitglieder (mit Ausnahme bestimmter Materien, die nur durch absolute Mehrheit der Mitglieder und ohne Gegenstimme entschieden werden dürfen). Die Entscheidungen der CAN-Kommission sind gemäß Artikel 25
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Cartagena-Ü Teil des Gemeinschaftsrechts. Insofern hat sie an den Legislativbefugnissen des Andenaußenministerrates Teil. Gleichzeitig koordiniert sie die ausführenden Gremien. Das CAN-Generalsekretariat in Lima/Peru ist gemäß Artikel 29 ff. Cartagena-Ü ihr technisches und ausführendes Organ. Es darf nur die Interessen der Andenregion insgesamt fördern. Das Generalsekretariat äußert sich durch Beschlüsse, die Teil des CAN-Gemeinschaftsrechts sind. Zu den Aufgaben des Generalsekretariats gehört gemäß Artikel 30 Cartagena-Ü die Anwendung des Andengemeinschaftsvertrages, die Evaluierung der Zielerreichung sowie die Durchsetzung des Andenrechts. Dem CAN-Generalsekretariat steht der Generalsekretär gemäß Artikel 32 ff. Cartagena-Ü vor. Gemäß Artikel 42 Cartagena-Ü ist das Andenparlament das beratende Organ des SAI. Es soll die Völker der CAN repräsentieren. Seine Mitglieder sollen in allgemeiner und direkter Wahl gewählt werden. Solange für die Wahlen kein Ergänzungsprotokoll beschlossen wurde, soll sich das Andenparlament aus Repräsentanten der Nationalkongresse zusammensetzen. Ein entsprechendes Ergänzungsprotokoll ist bislang noch nicht ratifiziert.277 Das Andenparlament hat gemäß Artikel 43 Cartagena-Ü allein Beratungsund Vorschlags-, aber keine (Mit-)Entscheidungsrechte. 4. Streitbeilegungsmechanismus Gemäß Artikel 40 Cartagena-Ü wacht der CAN-Gerichtshof über die Einhaltung des CAN-Gemeinschaftsrechts. Die Einzelheiten werden gemäß Artikel 41 Cartagena-Ü durch den Gerichtshof-Gründungsvertrag278 und die ergänzenden Protokolle geregelt. Gemäß Artikel 2–4 Gerichtshof-Gründungsvertrag hat das CAN-Gemeinschaftsrecht Vorrang vor dem nationalen Recht der Mitgliedstaaten und ist in den Mitgliedstaaten direkt anwendbar. Der Gerichtshof setzt sich aus jeweils einem unabhängigen Richter aus den fünf Mitgliedstaaten zusammen (Artikel 5 ff. Gerichtshof-Gründungsvertrag). Der CAN-Gerichtshof ist zuständig für die Entscheidung in Nichtigkeitsverfahren (Acción de Nulidad, Artikel 17 ff. Gerichtshof-Gründungsvertrag), Nichterfüllungsverfahren (Acción de Incumplimiento, Artikel 23 ff. Gerichtshof-Gründungsvertrag), Vorabentscheidungsverfahren (Interpretación Prejudicial, Artikel 32 ff. Gerichtshof-Gründungsvertrag), von Unterlassungs277
Das noch nicht ratifizierte Ergänzungsprotokoll zur Gründung des Andenparlaments ist in englischer Übersetzung veröffentlicht unter http://www.comunidadan dina.org/ingles/normativa/ande_trie5.htm. 278 Die englische Übersetzung des Gerichtshof-Gründungsvertrags in seiner aktuellen Fassung ist veröffentlicht unter: http://www.comunidadandina.org/ingles/ normativa/ande_trie2.htm.
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oder Untätigkeitsklagen (Recurso por Omisión o Inactividad, Artikel 37 Gerichtshof-Gründungsvertrag) und Arbeitsrechtsstreitigkeiten innerhalb der Organe und Institutionen des SAI (Jurisdicción Laboral, Artikel 40 Gerichtshof-Gründungsvertrag). Er kann die Funktion eines Schiedsgerichts übernehmen (Función Arbitral, Artikel 38 ff. Gerichtshof-Gründungsvertrag). Im Nichtigkeitsverfahren kann der CAN-Gerichtshof Entscheidungen des Außenministerrats und der CAN-Kommission sowie Beschlüsse des Generalsekretariats auf Antrag eines Mitgliedstaats, des Außenministerrats, der CAN-Kommission, des Generalsekretariats oder einer in ihren Rechten betroffenen natürlichen oder juristischen Person ganz oder teilweise für nichtig erklären. Im Nichterfüllungsverfahren entscheidet der CAN-Gerichtshof auf Antrag des Generalsekretariats oder eines Mitgliedstaats oder einer in ihren Rechten betroffenen natürlichen oder juristischen Person, wenn deren Anzeige beim Generalsekretariat zuvor folgenlos blieb, darüber, ob ein Mitgliedstaat seine Verpflichtungen aus dem Gemeinschaftsrecht erfüllt hat. Hilft der betroffene Mitgliedstaat dem Verstoß nicht ab, kann der CAN-Gerichtshof Maßnahmen zur Durchsetzung anordnen. Nationale Gerichte müssen dem CAN-Gerichtshof Fragen zum CAN-Gemeinschaftsrecht, die in letztinstanzlich anhängigen Verfahren streitentscheidend sind, im Vorabentscheidungsverfahren vorlegen. Die Entscheidung darüber ist für das vorlegende nationale Gericht bindend. Nimmt der Außenministerrat, die CAN-Kommission oder das Generalsekretariat eine Maßnahme nicht vor, für die er/sie/es nach dem CAN-Gemeinschaftsrecht ausdrücklich zuständig ist, sind der Außenministerrat, die CAN-Kommission, das Generalsekretariat, die Mitgliedstaaten sowie in ihren Rechten oder Interessen betroffene juristische und natürliche Personen im Untätigkeits- oder Unterlassungsverfahren aktivlegitimiert. Gemäß Artikel 41 Gerichtshof-Gründungsvertrag bedürfen die Entscheidungen des CAN-Gerichtshofs keiner offiziellen Bestätigung und keines Exequatur in den Mitgliedstaaten. 5. Umsetzung und aktuelle Tendenzen Die Freihandelszone ist 1993 zwischen Bolivien, Ecuador, Kolumbien und Venezuela in Kraft getreten. Seit dem 1. Januar 2006 ist sie mit Peru verwirklicht.279 Seit 1995 ist ein gemeinsamer Außenzolltarif in Kraft.280 Die Außenzölle werden nur langsam abgebaut, der Durchschnitt liegt aktu279 Pressemitteilung der CAN vom 10. Januar 2006, veröffentlicht unter: http:// www.comunidadandina.org/ingles/press/press/np10-1-06.htm.
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ell bei 13,6%, der höchste bei 20%.281 Die gemeinsame Außenhandelspolitik verbessert sich, so treten die CAN-Mitgliedstaaten u. a. seit 1998 bei den Verhandlungen zur FTAA mit einheitlicher Stimme auf.282 Die Kommission hat des weiteren Schritte zur Harmonisierung der nationalen Wirtschaftspolitiken, u. a. des Schutzes des geistigen Eigentums unternommen und Normen zum Schutz des Wettbewerbs, zur Liberalisierung auf dem Gebiet ausländischer Investitionen und zur bevorzugten Behandlung von multinationalen Andenunternehmen eingeführt.283 Das Protokoll von Sucre von 1997 sieht eine gemeinsame Außenpolitik und die Liberalisierung des Handels mit Dienstleistungen vor. Die Andrés-Bello-Vereinbarung fördert die Integration in den Bereichen Erziehung, Technologie und Kultur. Die Hipólitho-Unanue-Vereinbarung soll die Gesundheitsbedingungen verbessern und die Simón-Rodríguez-Vereinbarung fördert die Sozial- und Arbeitsintegration. Die beiden letztgenannten Vereinbarungen schließen Drittstaaten der Region ein. 1998 wurde das Anden-Komitee der Umweltregierungsagenturen eingesetzt, um eine ausgeglichene Wirtschafts-, Sozialund Umweltentwicklungsstrategie zu entwickeln.284 Nach dem Austritt Venezuelas mit Wirkung zum 26. April 2006 muss Venezuela die bestehenden Vereinbarungen weitere fünf Jahre einhalten. CAN setzt eine Arbeitsgruppe ein, die Regelungen für diese Übergangszeit und den Anschluss treffen soll.285 Beim Dritten Südamerikagipfel am 8. Dezember 2004 beschlossen die Mitgliedstaaten der Andengemeinschaft und des MERCOSUR in der Erklärung von Cuzco, die Südamerikanische Gemeinschaft der Nationen zu gründen. Die CAN-MERCOSUR- und Peru-MERCOSUR-Freihandelsabkommen sind am 1. Januar 2005 in Kraft getreten. Durch sie sind 80% des Handels bereits ab In-Kraft-Treten liberalisiert worden. Für die weiteren 20% sollen die Zölle für nicht sensible Produkte bis 2014 und für sensible Produkte bis 2019 abgeschafft werden.286 Als spätere Ziele wurden von einigen Staatschefs die Schaffung einer südamerikanischen Wirtschaftsunion und sogar einer politischen Union genannt.287 280 Gonzáles-Vigil, Andean Community Trade Flows and Policies in the Nineties, in: Saavedra Rivano/Hosono/Stallings (Hrsg.), Regional Integration and Economic Development, S. 11, 23. 281 Vgl. http://www.comunidadandina.org/ingles/quienes/results.htm. 282 Vgl. http://www.comunidadandina.org/ingles/quienes/events.htm. 283 Vgl. ausführlich Naon, Sovereignity and Regionalism, Law and Policy in International Business 1996, S. 1073, 1118 ff. m. w. N. 284 O’Brien et al., A Geographically Based Introduction to Regional Intergovernmental Organizations, S. 78. 285 Vgl. Pressemitteilung des CAN-Generalsekretariats vom 22. April 2006, veröffentlicht unter: http://www.comunidadandina.org/prensa/notas/np22-4-06a.htm.
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III. Gemeinsamer Markt des Südens (MERCOSUR) 1. Entstehung Der Gemeinsame Markt des Südens (Mercado Commffln del Sur, MERCOSUR288) wurde am 26. März 1991 durch den Vertrag von Asunción289 im Rahmen der ALADI290 ins Leben gerufen.291 Durch ihn schlossen sich Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay zusammen, die mit den Ergebnissen von ALADI unzufrieden waren. Dem waren bilaterale Verträge zwischen Argentinien und Brasilien vorausgegangen.292 Der Vertrag von Asunción trat am 30. November 1991 in Kraft. Mit Aufnahmeprotokoll vom 4. Juli 2006 wurde Venezuela in den MERCOSUR aufgenommen. Es soll bis 2014 schrittweise vollwertiges Mitglied werden.293 2. Ziele und Instrumente Artikel 1 Vertrag von Asunción sieht die Errichtung des MERCOSUR zum 31. Dezember 1994 vor. In dem „gemeinsamen Markt“ sollen die Verkehrsfreiheit von Waren, Dienstleistungen und Produktionsfaktoren u. a. 286
Villarreal, Trade Integration in the Americas, CRS Report for Congress vom 22. November 2005, S. 25; CEPAL (Hrsg.), Latin American and the Caribbean in the World Economy 2004/2005 Trends, S. 104. 287 Villarreal, Trade Integration in the Americas, CRS Report for Congress vom 22. November 2005, S. 25. 288 Bzw. – portugiesisch – Mercado Comum do Sul, MERCOSUL. 289 Der Vertrag von Asuncion vom 26. März 1991 ist in englischer Übersetzung veröffentlicht in: ILM 1991 S. 1044 ff. sowie unter http://www.sice.oas.org/trade/ mrcsr/mrcsrtoc.asp. Die offizielle Homepage des MERCOSUR ist http://www. mercosur.int/msweb. 290 Dazu siehe oben unter § 7 B. I. 291 Zum Verhältnis von MERCOSUR zu ALADI vgl. die Notifizierung von MERCOSUR beim GATT durch das ALADI-Sekretariat, GATT-Dok. L/6985 vom 5. März 1992; sowie den Beitrag des Repräsentanten von Brasilien bei der Sitzung des GATT-Rates am 18. Februar 1992, GATT-Dok. C/M/254 Ziffer 13. 292 Vgl. zur Geschichte: Arnaud, MERCOSUR, S. 131 ff.; Wehner, Der Mercosur, S. 47 ff.; zu den bilateralen Verträgen zwischen Argentinien und Brasilien: Haller, MERCOSUR, S. 24 ff. m. w. N.; Valls Pereira, Toward the Common Market of the South: Mercosur’s Origins, Evolution, and Challenges, in: Roett (Hrsg.), Mercosur: Regional Integration, World Markets, S. 7, 8 f.; vgl. insbesondere den Integrationspakt Acto para la integración Argentino-Brasileña vom 29. Juli 1986, in englischer Übersetzung abgedruckt in: ILM 1988, S. 901 ff. 293 Vgl. die Mitteilung auf der offiziellen Homepage des MERCOSUR: http:// www.mercosur.int/msweb/principal/contenido.asp, dort ist auch das Aufnahmeprotokoll veröffentlicht.
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durch die Abschaffung von Zöllen und nichttarifären Beschränkungen des Warenhandels erreicht werden. Es sollen ein gemeinsamer Außenzolltarif und eine gemeinsame Außenhandelspolitik geschaffen sowie die Positionen in regionalen und internationalen Wirtschaftsforen koordiniert werden. Um einen echten Wettbewerb zwischen den Mitgliedstaaten zu ermöglichen, sollen die makro-ökonomischen und die notwendigen sektoralen Politiken koordiniert werden. Zur Stärkung des Integrationsprozesses sollen die Mitgliedstaaten ihre Gesetzgebung in den relevanten Bereichen harmonisieren.294 Insbesondere passen die Mitgliedstaaten gemäß Artikel 4 Vertrag von Asunción ihre nationalen Politiken an, um gemeinsame Wettbewerbsregeln zu schaffen. Waren, die aus einem Mitgliedstaat stammen, werden gemäß Artikel 7 Vertrag von Asunción in den anderen Mitgliedstaaten hinsichtlich der internen Steuern der Mitgliedstaaten wie nationale Produkte behandelt. In Anhang 2 zum Vertrag von Asunción haben sich die Mitgliedstaaten auf gemeinsame Ursprungsregeln geeinigt. Eine besondere Behandlung der relativ weniger entwickelten Mitgliedstaaten sieht der Vertrag von Asunción nicht vor. Allerdings wurden Paraguay und Uruguay gemäß Artikel 6 Vertrag von Asunción längere Übergangszeiten gewährt. In der Praxis zeichnet sich eine gelegentliche Vorzugsbehandlung dieser beiden Staaten ab.295 1994 haben die MERCOSUR-Mitgliedstaaten das Colonia-Protokoll für die gegenseitige Förderung und den Schutz von Investitionen innerhalb von MERCOSUR sowie ein Protokoll über die Förderung und den Schutz von Investitionen aus Drittstaaten beschlossen.296 3. Institutionelle Struktur und Entscheidungsmechanismen Durch Artikel 9 Vertrag von Asunción wurden zwei Organe geschaffen: Der Rat des Gemeinsamen Marktes (Consejo Mercado Comffln, CMC) als höchstes politisches Organ sowie die Gemeinsame-Markt-Gruppe (Grupo Mercado Comffln) als ausführendes Organ. Der Rat des Gemeinsamen Marktes setzt sich aus den Außen- und Wirtschaftsministern der Mitgliedstaaten zusammen. Er ist für die politische 294
Vgl. zu den Integrationszielen ausführlich: Wehner, Der Mercosur, S. 63 ff. Naon, Sovereignty and Regionalism, Law and Policy in International Business 1996, S. 1073, 1096. 296 Vgl. dazu ausführlicher Naon, Sovereignty and Regionalism, Law and Policy in International Business 1996, S. 1073, 1105 m. w. N. 295
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Leitung von MERCOSUR verantwortlich und trifft die erforderlichen Entscheidungen zur Erreichung der Vertragsziele. Jedes Land hat eine Stimme, Entscheidungen erfordern Einstimmigkeit. Für die Gemeinsame-Markt-Gruppe benennt jeder Mitgliedstaat vier Repräsentanten und vier Stellvertreter, die das Außenministerium, das Wirtschaftsministerium und die Zentralbank der Mitgliedstaaten repräsentieren. Ihre wichtigsten Aufgaben sind es, Empfehlungen für die Durchführung des Vertrages zu erarbeiten, die Einhaltung der Ratsentscheidungen zu überwachen, die Arbeitsgruppen zu koordinieren und zu leiten, den Kontakt zur Parlamentskommission zu halten sowie Vorschläge für die Umsetzung des Handelsliberalisierungsprogramms, die Koordinierung der makro-ökonomischen und sektoralen Politiken und die Aushandlung von Vereinbarungen mit internationalen Organisationen und Drittländern zu unterbreiten. Gemäß Artikel 13 Vertrag von Asunción hat die Gruppe zahlreiche Arbeitsgruppen errichtet. Das Sekretariat hat die Verwaltung für die Arbeitsgruppen inne. Es findet seine Rechtsgrundlage in Artikel 15 Vertrag von Asunción und hat seinen Sitz in Montevideo. Es wird von der Gruppe kontrolliert. Angesichts der nahenden Verwirklichung der Freihandelszone und Zollunion passten die Mitgliedstaaten die institutionelle Struktur 1994 durch das Protokoll von Ouro Preto297 den zu erwartenden Anforderungen an. Gemäß Artikel 1 Protokoll von Ouro Preto gibt es seitdem sechs Organe: Der Rat des Gemeinsamen Marktes und die Gemeinsame-Markt-Gruppe bleiben bestehen, das Sekretariat wird eigenständiges Organ. Zudem werden die MERCOSUR-Handelskommission (Comisión de Comercio del Mercosur), die Gemeinsame Parlamentarische Kommission (Comisión Parlamentaria Conjunta) sowie ein Beratendes Wirtschafts- und Sozialforum (Foro Consultativo Económico Social) geschaffen. Zusätzlich zu den Funktionen, die der Vertrag von Asunción dem Rat zuschreibt, sieht das Protokoll von Ouro Preto vor, dass der Rat alle Kompetenzen ausübt, die MERCOSUR als Rechtspersönlichkeit übertragen wurden, insbesondere Vereinbarungen mit Drittstaaten, Ländergruppen oder internationalen Organisationen zu verhandeln und durchzuführen (Artikel 8 Protokoll von Ouro Preto). Die Gruppe erhält gemäß Artikel 14 Protokoll von Ouro Preto zusätzlich die Aufgabe, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Ratsentscheidungen umzusetzen. Die Handelskommission setzt sich aus Mitgliedern und Stellvertretern zusammen, die von den Mit297 Protokoll von Ouro Preto über die institutionelle Struktur von MERCOSUR vom 17. Dezember 1994; in englischer Übersetzung veröffentlicht in: ILM 1995 S. 1248 sowie unter http://www.sice.oas.org/trade/mrcsr/ourop/index.asp.
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gliedstaaten bestimmt werden (Artikel 17 Protokoll von Ouro Preto). Sie soll die Gruppe unterstützen (Artikel 16 Protokoll von Ouro Preto) und die Anwendung der Abkommen mit Drittstaaten oder internationalen Organisationen sowie der internen Rechtsinstrumente überprüfen (Artikel 19 Protokoll von Ouro Preto). Um die Inkorporation der MERCOSUR-Vorschriften in die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten zu erleichtern, hat das Protokoll von Ouro Preto die Gemeinsame Parlamentskommission als neues MERCOSUR-Organ geschaffen (Artikel 22–27 Protokoll von Ouro Preto). Wie das Andenparlament ist sie aus Repräsentanten der Mitgliedstaaten zusammengesetzt, die von den jeweiligen Kongressen oder Nationalversammlungen bestimmt werden. Anders als die Andengemeinschaft hat MERCOSUR nicht die Absicht geäußert, das EU-Modell zu verfolgen und Direktwahlen einzuführen. Aufgabe der Gemeinsamen Parlamentskommission ist vor allem die Beschleunigung der nationalen Verfahren zur Umsetzung der MERCOSUR-Vorschriften. Um Unternehmern und Geschäftsleuten eine Einflussmöglichkeit auf die Politiken von MERCOSUR zu geben, wird durch das Protokoll von Ouro Preto ein wirtschaftlich-soziales Beratungsforum eingeführt (Artikel 28–30 Protokoll von Ouro Preto), das sich aus Repräsentanten des Unternehmer- und Arbeitssektors der Mitgliedstaaten zusammensetzt. Es unterbreitet der Gruppe Vorschläge zu unternehmerischen, sozialen und wirtschaftlichen Fragen. Artikel 2 Protokoll von Ouro Preto bestimmt, dass der Rat des Gemeinsamen Marktes, die Gemeinsame-Markt-Gruppe und die MERCOSURHandelskommission ermächtigt sind, Maßnahmen mit Bindungswirkung zu ergreifen. Der Rat kann dazu Entscheidungen treffen (Artikel 9 Protokoll von Ouro Preto), die Gruppe Resolutionen annehmen (Artikel 15 Protokoll von Ouro Preto) und die Handelskommission Richtlinien erlassen (Artikel 20 Protokoll von Ouro Preto). Alle Entscheidungsformen binden die Mitgliedstaaten und müssen, falls erforderlich, in nationales Recht umgesetzt werden. Den Mitgliedstaaten verbleibt dennoch großer Einfluss, da gemäß Artikel 37 Protokoll von Ouro Preto für alle Entscheidungsformen zum Zustandekommen Konsens bei Anwesenheit von Vertretern aller Mitglieder erforderlich ist. Zudem müssen gemäß Artikel 40 Protokoll von Ouro Preto alle Normen, die von MERCOSUR-Organen angenommen werden, anschließend von den Mitgliedstaaten intern gemäß den jeweiligen nationalen Vorschriften für die Übernahme internationaler Regeln bestätigt werden. Erst wenn alle Mitgliedstaaten dem Sekretariat mitgeteilt haben, dass sie die notwendigen Schritte unternommen haben, um die Normen in nationales Recht umzusetzen, gibt das Sekretariat dies wiederum allen Mitgliedstaaten bekannt, und die Regelungen treten 30 Tage nach dieser Bekanntgabe in allen Mitgliedstaaten gleichzeitig in Kraft.
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Rat und Gruppe haben Hilfsorgane und weitere institutionelle Mechanismen eingeführt.298 4. Streitbeilegungsmechanismus Der Streitschlichtungsmechanismus, der zunächst in Anhang III des Vertrages von Asunción vorgesehen war, wurde 1991 durch das Protokoll von Brasilia299 und 2002 durch das Protokoll von Olivos300 jeweils grundlegend überarbeitet. Das Protokoll von Olivos ist im Januar 2004 in Kraft getreten. Dadurch ist ein dreistufiges Verfahren eingeführt worden. Vorgerichtlich sollen gemäß Artikel 4 f. Protokoll von Olivos direkte Verhandlungen zwischen den streitenden Parteien geführt werden – auf Wunsch der Parteien gegebenenfalls gemäß Artikel 6 ff. Protokoll von Olivos unter Beteiligung der Gruppe. Bleibt dies erfolglos, entscheiden in erster Instanz Ad-hoc-Schiedsgerichte (Tribunal Arbitral ad hoc), die aus drei von den streitenden Parteien von einer Liste ausgewählten Schiedsrichtern zusammengesetzt sind (zu den Einzelheiten vgl. Artikel 9 ff. Protokoll von Olivos). Die streitenden Parteien können gegen den Schiedsspruch gemäß Artikel 17 ff. Protokoll von Olivos Revision bei einem neuen ständigen Revisionsgericht (Tribunal Permanente de Revisión) einlegen. Das Ständige Revisionsgericht ist aus fünf von den Mitgliedstaaten im Verfahren gemäß Artikel 18 Protokoll von Olivos bestimmten Schiedsrichtern zusammengesetzt. Die Ad-hoc-Schiedsgerichte und das Ständige Revisionsgericht entscheiden ausschließlich über Streitigkeiten zwischen den Mitgliedstaaten über die Auslegung, Anwendung oder Nichterfüllung des Vertrages von Asunción, des Protokolls von Ouro Preto, der dazu gehörenden Protokolle und Übereinkommen, der Entscheidungen des Rates des Gemeinsamen Marktes, der Resolutionen der Gruppe und der Richtlinien der Kommission des Gemeinsamen Marktes. Bestimmte Verfahrensarten sind nicht vorgesehen. Die MERCOSUR-Organe sowie natürliche und juristische Personen sind nicht klageberechtigt. Natürliche und juristische Personen können etwaige Beschwerden allein im Verfahren gemäß Artikel 39 ff. Protokoll von Olivos an ihre jeweilige nationale Sektion der Gruppe richten. Die Ad-hoc-Schiedsgerichte und das Ständige Revisionsgericht entscheiden gemäß Artikel 34 Protokoll von Olivos auf der Grundlage des Vertrags 298
Siehe dazu im Einzelnen Haller, MERCOSUR, S. 107 ff. Protocolo de Brasilia para la Solucion de Controversias vom 17. Dezember 1991, in englischer Übersetzung abgedruckt in: ILM 1997, S. 693 ff. 300 Protocolo de Olivos para la Solución de Controversias en el MERCOSUR vom 18. Februar 2002, veröffentlicht unter: http://www.sice.oas.org/Trade/MRCSR/ olivos/polivos_s.asp (nur im spanischen und portugiesischen Original). 299
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von Asunción, des Protokolls von Ouro Preto, den dazu gehörenden Protokollen und Übereinkommen, den Entscheidungen des Rates des Gemeinsamen Marktes, den Resolutionen der Gruppe und den Richtlinien der Kommission des Gemeinsamen Marktes sowie den Grundsätzen und Regeln des internationalen Rechts, die im Einzelfall anwendbar sind. Die Schiedssprüche der Ad-hoc-Schiedsgerichte bzw. im Falle der Revision des ständigen Revisionsgerichts sind gemäß Artikel 33 Protokoll von Olivos in den Mitgliedstaaten ipso facto und ohne weitere Umsetzungsmaßnahmen gültig und gemäß Artikel 26 Protokoll von Olivos für die am Streit beteiligten Mitgliedstaaten bindend. Sie müssen gemäß Artikel 27 ff. Protokoll von Olivos von den unterlegenen Mitgliedstaaten umgesetzt werden. Andernfalls können gemäß Artikel 31 f. Protokoll von Olivos von der jeweils anderen Partei Kompensationsmaßnahmen ergriffen werden. Wenn die streitenden Mitgliedstaaten dies vereinbaren, entscheidet das ständige Revisionsgericht gemäß Artikel 23 Protokoll von Olivos als erste und einzige Instanz. Das ständige Revisionsgericht kann gemäß Artikel 3 Protokoll von Olivos beratende Gutachten (Opiniones consultativas) erstatten, wenn der Rat des Gemeinsamen Marktes entsprechende Mechanismen einführt. Neu ist ebenfalls die Regelung in Artikel 1 Absatz 2 Protokoll von Olivos, nach der der klagende Staat zwischen den Streitbeilegungsmechanismen des MERCOSUR, der WTO oder eines anderen Handelsabkommens wählen kann. Ist ein Handelsstreit in einem dieser Fora begonnen, darf er bei keinem anderen mehr verhandelt werden – unabhängig von der getroffenen Entscheidung. Diese Klausel bezieht sich ihrem Sinn und Inhalt nach allein auf WTO-Recht, das in das Recht des MERCOSUR implementiert wurde.301 5. Umsetzung und aktuelle Tendenzen Die MERCOSUR-Mitgliedstaaten haben von Anfang an große Anstrengungen unternommen, um ihren Handel zu liberalisieren und einen gemeinsamen Außenzoll einzuführen. Entgegen den Prognosen von Wirtschaftswissenschaftlern und Politikern302 hat das Liberalisierungsprogramm schon schnell zu einem erheblichen Anstieg des Warenhandels zwischen den Mitgliedstaaten geführt.303 Seit dem 1. Januar 2000 ist der Warenhandel für 301
Valladão/Guerrieri, EU-Mercosur Relations and the WTO Doha Round, S. 161. 302 Silva/Andrade/Torrance, Macroeconomic Coordination and Policy Problems of Regional Blocs: Reflections on the MERCOSUR Experiment, in: Saavedra Rivano/Hosono/Stallings (Hrsg.), Regional Integration and Economic Development, S. 68, 70.
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Produkte frei, die aus einem Mitgliedstaat stammen. Ausgenommen sind der Zucker- und der Automobilsektor. Wann diese beiden Sektoren in die gemeinsame Handelspolitik einbezogen werden, ist noch nicht absehbar.304 Der gemeinsame Außenzolltarif ist seit Januar 1995 in Kraft. Er lässt allerdings einige Ausnahmen durch CMC-Entscheidungen zu. Im Dezember 2004 hat der CMC eine Entscheidung angenommen, nach der Gütern, die aus Drittstaaten importiert werden, der MERCOSUR-Ursprungsstatus zuerkannt werden soll, wenn diese der gemeinsamen Zollpolitik entsprechen. Bis 2008 sollen ein gemeinsamer Zollkodex sowie ein Verteilungsschlüssel für die Zolleinkünfte eingeführt und die Dokumente und technischen Hilfsmittel bei der Zollerhebung vereinheitlicht und verknüpft werden.305 Ein Vergaberechts-Protokoll von 2003 ist noch nicht von den Mitgliedstaaten ratifiziert worden. Das Montevideo-Protokoll von 1997 sieht die Liberalisierung des Dienstleistungshandels innerhalb von zehn Jahren vor. Es ist am 7. Dezember 2005 in Kraft getreten.306 Zur Koordination der makroökonomischen Politiken ist 2000 eine Grupo Monitoreo Macroecónomico eingesetzt worden, die sich aus Repräsentanten der Finanzministerien und Zentralbanken zusammensetzt.307 Von der Verwirklichung seiner Ziele ist MERCOSUR jedoch noch weit entfernt. Sowohl im Hinblick auf den Freihandel innerhalb des MERCOSUR als auch auf den gemeinsamen Außenzolltarif gibt es immer noch zu viele Ausnahmen. Die Fortschritte bei der technischen und Zollharmonisierung sind kleiner als erwartet, es werden neue Ausnahmebestimmungen eingeführt. Die getroffenen Vereinbarungen werden nicht immer eingehalten und nicht hinreichend in nationales Recht umgesetzt. Die Handelsstreitigkeiten zwischen den Mitgliedstaaten mehren sich308 und der Streitbeilegungsmechanismus war bislang zu schwach, um Rechtssicherheit für ausländische Investitionen zu bieten.309 Inwieweit die Änderungen durch das 303 UNCTAD (Hrsg.), Handbook of Economic Integration and Cooperation Groupings of Developing Countries, Vol. I, S. 143; Kaltenborn, Entwicklungsvölkerrecht und Neugestaltung der internationalen Ordnung, S. 61, Fn. 158. 304 Trade Policy Review, Report by the Secretariat, Uruguay, vom 12. April 2006, WTO-Dok. WT/TPR/S/163, S. 22. 305 Trade Policy Review, Report by the Secretariat, Uruguay, vom 12. April 2006, WTO-Dok. WT/TPR/S/163, S. 22. 306 Trade Policy Review, Report by the Secretariat, Uruguay, vom 12. April 2006, WTO-Dok. WT/TPR/S/163, S. 22 f. 307 MERCOSUR-Dok. CMC/DEC/30/00. 308 Vgl. etwa die Darstellungen einiger Handelskonflikte innerhalb des MERCOSUR bei Cason, On the Road to Southern Cone Economic Integration, Journal of Interamerican Studies and World Affairs 2000, S. 23, 29 ff.; Salomão Filho, Der MERCOSUL als Marktregelung, in: Basedow/Samtleben (Hrsg.), Wirtschaftsrecht des MERCOSUR, S. 29, 33 ff.
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Protokoll von Olivos diese Situation in der Praxis verbessern, muss sich erst noch erweisen. Die Spannungen zwischen den Mitgliedstaaten könnten sich durch die Aufnahme Venezuelas noch verstärken.310 Zur Gründung der Südamerikanischen Gemeinschaft der Nationen zwischen MERCOSUR und CAN vgl. bereits oben unter § 7 B. II. 5. IV. Zentralamerikanischer Gemeinsamer Markt (MCCA)/ Zentralamerikanisches Integrationssystem (SICA) 1. Entstehung Nach einer Reihe von bilateralen und multilateralen Vereinbarungen schlossen El Salvador, Guatemala, Honduras und Nicaragua unter Mitwirkung der CEPAL am 13. Dezember 1960 in Managua/Nicaragua den Allgemeinen Vertrag zur Wirtschaftlichen Integration (Tratado General de Integración Económica Centroamericana, MCCA-Vertrag)311 zur Gründung des Zentralamerikanischen Gemeinsamen Marktes (Mercado Comffln Centroamericano, MCCA). Der Vertrag ist am 4. Juni 1961 in Kraft getreten. Im Juli 1962 ist Costa Rica beigetreten.312 Durch das Protokoll von Guatemala vom 29. Oktober 1993313 ist der MCCA als wirtschaftliches Teilsystem (Subsistema de Integración Económica Centroamericana) mit Wirkung zum 17. August 1995 in das Zentralamerikanische Integrationssystem eingefügt worden. Das Zentralamerikanische Integrationssystem (Sistema de la Integración Centroamericana, SICA) war durch das Protokoll von Tegucigalpa vom 15. Dezember 1991314 als Nachfolger der Organisation zentralamerikanischer Staaten (Organización 309 CEPAL (Hrsg.), Latin America and the Caribbean in the World Economy 2004/2005 Trends, S. 101. 310 Zur Aufnahme Venezuelas oben unter § 7 B. III. 1., insbesondere S. 129; zu dem Konfliktpotential insbesondere wegen der Politk von Venezuelas Präsidenten Hugo Chávez, vgl. FAZ vom 6. Juli 2006, S. 6 „Venezuela tritt dem Mercosur bei“. 311 Der Vertragstext ist in englischer Übersetzung veröffentlicht unter http:// www.sice.oas.org/trade/camertoc.asp. 312 Vgl. dazu im einzelnen UNCTAD (Hrsg.), Handbook of Economic Integration and Cooperation Groupings of Developing Countries, Vol. I, S. 129 ff.; Mahiou, Le cadre juridique de la coopération Sud-Sud, RdC 1993, S. 9, 59 ff. 313 Protocolo al Tratado General de Integración Económica Centroamericana (Protocolo de Guatemala) vom 29. Oktober 1993 in der durch die Änderung (Enmienda) vom 27. Februar 2002 mit Wirkung vom 17. Mai 2003 geänderten Fassung veröffentlicht unter: http://www.sieca.org.gt/publico/IntegracionEcoCA/Marco Legal/Protocolos/4ProtocolodeGuatemala.htm.
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de Estados Centroamericanos, ODECA) zur Stärkung der regionalen Kooperation in den Bereichen Wirtschaft, Soziales, Politik und Umwelt gegründet worden. Einen eigenen Integrationsmechanismus hatte es zunächst nicht vorgesehen.315 Auch wenn der Begriff des MCCA im Protokoll von Guatemala nicht mehr erwähnt wird, wird er doch bis heute im allgemeinen Sprachgebrauch auch für die aktuellen Entwicklungen verwendet. 2. Ziele und Instrumente Ziel war gemäß Artikel I MCCA-Vertrag die Gründung eines Gemeinsamen Marktes und einer Zollunion. Instrumente waren gemäß Artikel II MCCA-Vertrag die Verwirklichung einer Freihandelszone und eines gemeinsamen Zollregimes. Dazu sah der MCCA-Vertrag in Artikeln III ff. Maßnahmen zur Beseitigung von Beschränkungen des Warenhandels, in Artikel XV den freien Transit und Transport von Gütern, in Artikel XVI Inländergleichbehandlung von Infrastrukturunternehmen aus den jeweils anderen MCCA-Mitgliedstaaten, in Artikel XVII die industrielle Integration, in Artikel XVIII die Gründung der Zentralamerikanischen Bank der wirtschaftlichen Integration (Banco Centroamericano de Integración) und in Artikel XIX die Vereinheitlichung von Steueranreizen zur Förderung der industriellen Entwicklung vor. Gemäß Artikel 1 Protokoll von Guatemala verpflichten sich die Mitgliedstaaten des MCCA316 eine zentralamerikanische Wirtschaftsunion zu errichten. Sie soll die Entwicklungsmöglichkeiten der Mitgliedstaaten maximieren und sie schneller und effektiver in die internationale Wirtschaft einbinden. Als Schritte zur Verwirklichung sind in den folgenden Artikeln eine Freihandelszone, gemeinsame Außenhandelsbeziehungen, eine Zollunion und die Verkehrsfreiheit der Produktionsfaktoren vorgesehen. Zudem sollen gemäß 314 Protocolo de Tegucigalpa a la Carta de la Organización de Estados Centroamericanos (ODECA) vom 13. Oktober 1991, in Kraft getreten am 23. Juli 1992, veröffentlicht unter: http://www.sice.oas.org/trade/sica/SG121391.asp. 315 Mitgliedstaaten sind: Belize, Costa Rica, El Salvador, Guatemala, Honduras, Nicaragua und Panama; die schrittweise Aufnahme der Dominikanischen Republik ist beschlossen; vgl. die offizielle Homepage der SICA: http://www.sgsica.org/und die relevanten Verträge unter: http://www.sice.oas.org/trade/sica/SGindice.asp sowie Hummer, Integration in Lateinamerika und der Karibik, VRÜ 2005, S. 6, 54 f.; O’Brien et al., A Geographically Based Introduction to Regional Intergovernmental Organizations, S. 77; UNCTAD (Hrsg.), Handbook of Economic Integration and Cooperation Groupings of Developing Countries, Vol. I, S. 131. 316 Für die weiteren SICA-Mitgliedstaaten Belize und Panama erwachsen aus dem Protokoll keine Rechte oder Verpflichtungen, sich an dem wirtschaftlichen Teilsystem zu beteiligen.
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Artikel 20 ff. Protokoll von Guatemala mitgliedstaatliche Regelungen harmonisiert und notwendige gemeinsame Politiken entwickelt werden, u. a. in den Bereichen Tourismus, Landwirtschaft, Industrie, Wettbewerb, technische Normen, Verbraucherschutz, Infrastrukturdienstleistungen und Finanzen. Gemäß Artikeln 32 ff. Protokoll von Guatemala sollen regionale Strategien zur Verbesserung der Produktivität entwickelt und ausgeführt werden.
3. Institutionelle Struktur und Entscheidungsmechanismen Das Protokoll von Guatemala hat in Artikel 37 für das Teilsystem der zentralamerikanischen wirtschaftlichen Integration folgende spezielle Organe innerhalb der institutionellen Struktur der SICA etabliert: den Rat der Minister der wirtschaftlichen Integration (el Consejo de Ministros de Integración Económica), den intersektoralen Rat der Minister der wirtschaftlichen Integration (el Consejo Intersectorial de Ministros de Integración Económica), den sektoralen Rat der Minister der wirtschaftlichen Integration (el Consejo de Ministros Sectorial de Integración Económica) und das Exekutivkomitee der Wirtschaftlichen Integration (el Comité Ejecutivo de Integración Económica). Als technische und Verwaltungsorgane sieht es vier Sekretariate vor: das Sekretariat der zentralamerikanischen wirtschaftlichen Integration (la Secretaría de Integración Económica Centroamericana, SIECA), das Sekretariat des Zentralamerikanischen Landwirtschaftsrats (la Secretaría del Consejo Agropecuario Centroamericano, SCA), das Sekretariat des Zentralamerikanischen Währungsrats, (la Secretaría del Consejo Monetario Centroamericano, SCMCA) und das Sekretariat der Zentralamerikanischen Tourismusintegration (la Secretaría de Integración Turística Centroamericana, SITCA). Eine der weiteren Institutionen ist die Zentralamerikanische Bank der Wirtschaftlichen Integration (el Banco Centroamericano de Integración Económica, BCIE). Die Ministerräte (Artikel 38 ff. Protokoll von Guatemala) setzen sich aus den jeweils zuständigen Ministern der Mitgliedstaaten zusammen. Ihre Aufgabe ist die Koordination, Harmonisierung oder Vereinheitlichung der nationalen Wirtschaftspolitiken. Vorschläge für allgemeine Politiken und grundlegende Richtlinien müssen der Zentralamerikanischen Präsidentenversammlung, dem höchsten Organ der SICA, vom Rat der Minister der Wirtschaftlichen Integration vorgelegt werden. Die Politiken und Richtlinien, die das Teilsystem betreffen, werden direkt von den Organen des Teilsystems ausgeführt. Der Rat der Minister der Wirtschaftlichen Integration verabschiedet Verordnungen über Bildung und Funktionsweise aller anderen Organe.
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Das Exekutivkomitee ist organisatorisch vom Rat der Minister der wirtschaftlichen Integration abhängig. Es setzt sich aus jeweils einem ständigen Vertreter und einem weiteren alternierenden Beamten des Wirtschaftsministeriums jedes Mitgliedstaates zusammen (Artikel 42 Protokoll von Guatemala). Es verabschiedet Pläne, Programme und Projekte, etwa als Verwaltungsakte, um die Entscheidungen des Rates der Minister der Wirtschaftlichen Integration auszuführen. SIECA überwacht die Einhaltung des Protokolls von Guatemala und führt die Arbeiten und Studien durch, die ihm von den anderen Organen aufgegeben werden (Artikel 44 Protokoll von Guatemala). Die Entscheidungen der Organe werden gemäß Artikel 52 Protokoll von Guatemala allein durch die konsensuale Annahme durch alle Mitglieder bindend. Verwaltungsakte sind gemäß Artikel 55 Protokoll von Guatemala unter anderem Verordnungen, die allgemeinen Charakter haben und bindend und in den Mitgliedstaaten direkt anwendbar sind. 4. Streitbeilegungsmechanismus Auf der Grundlage von Artikel 35 des Protokolls von Tegucigalpa hat der Rat der Minister der Wirtschaftlichen Integration durch die Resolution Nr. 106-2003 vom 17. Februar 2003 einen Mechanismus zur Beilegung von Handelsstreitigkeiten geschaffen.317 Dieser Mechanismus ist gemäß Artikel 3 Resolution Nr. 106-2003 auf Streitigkeiten zwischen Mitgliedstaaten im Zusammenhang mit der Anwendung oder Auslegung der Instrumente der wirtschaftlichen Integration für die intraregionalen Handelsbeziehungen beschränkt. Gemäß Artikel 4 Resolution Nr. 106-2003 können Streitigkeiten, die sich auch auf WTO-Recht beziehen, nach Wahl des Klägers entweder nach der Resolution oder dem WTO-Streitbeilegungsmechanismus gelöst werden. Sobald der Streit anhängig ist, ist das gewählte Forum exklusiv für die Entscheidung der Sache zuständig. Die Streitbeilegung gemäß der Resolution Nr. 106-2003 beginnt gemäß Artikel 7 ff. mit Konsultationen zwischen den streitenden Mitgliedstaaten gegebenenfalls unter Beteiligung des Rates der Minister der Wirtschaftlichen Integration. Nur wenn diese nicht erfolgreich sind, kann jede der streitenden Parteien die Einrichtung eines Ad-hoc-Schiedsgerichts verlangen (Artikel 15 ff. Resolution Nr. 106-2003). Dieses entscheidet unanfechtbar und für die am Streit beteiligten Mitgliedstaaten bindend. 317 Resolución No. 106-2003 (COMIECO XXVI) vom 17. Februar 2003, veröffentlicht unter http://www.sieca.org.gt/SIECA.htm.
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Ein ständiges Gericht, Klagemöglichkeiten der Organe oder von natürlichen oder juristischen Personen sind nicht vorgesehen. 5. Umsetzung und aktuelle Tendenzen Der Handel innerhalb des MCCA stieg gleich nach der Gründung beträchtlich an, führte jedoch zu einer ungleichen Verteilung der Vor- und Nachteile des erweiterten Marktes. Schon 1969 trug dies zum bewaffneten Konflikt zwischen Honduras und El Salvador (sog. Fußballkrieg) und zur Krise der Organisation bei. Die Krise hielt an. Der Entwurf eines Vertrages zur Gründung einer Zentralamerikanischen Wirtschafts- und Sozialgemeinschaft wurde nie unterzeichnet. Rezession und politische Konflikte in der gesamten Sub-Region brachten die Zusammenarbeit in den 1980er Jahren fast gänzlich zum Stillstand.318 In den 1990er Jahren wurde sie dann schrittweise wieder aufgenommen. SICA trägt durch seine neuen funktionierenden Strukturen maßgeblich zur Verbesserung des Integrationsprozesses bei.319 Einige Mitgliedstaaten haben innerhalb des MCCA kleinere Freihandelszonen gegründet, die aber in der Praxis keine wesentliche Bedeutung erlangt haben.320 Die Freihandelszone ist ganz überwiegend verwirklicht, der Intrahandel steigt seit einer Baisse in den 1980er Jahren kontinuierlich mit besonderen Zuwächsen in den Jahren 2002–2005. Die Exporte in Drittstaaten steigen ebenfalls, wenn auch mit geringeren Zuwachsraten als der Intrahandel.321 Mit einem Aktionsplan der Staats- und Regierungschefs des SICA vom 9. März 2006 wird ein neuer Versuch zur Vollendung der Zollunion in Zentralamerika unternommen.322 318
Mahiou, Le cadre juridique de la coopération Sud-Sud, RdC 1993, S. 9, 70 ff. Kritisch hierzu O’Keefe, The Central American Integration System (SICA) at the Dawn of a New Century: Will the Central American Isthmus Finally be Able to Achieve Economic and Political Unity?, Florida Journal of International Law 2001, S. 243, 256 ff. 320 Vgl. Hummer, Integration in Lateinamerika und der Karibik, VRÜ 2005, S. 6, 50 f. 321 SIECA, Estado de situación de la integración económica centroamericana (Juni 2006), veröffentlicht auf der offiziellen Homepage des Ständigen Sekretariats des MCCA unter: http://www.sieca.org.gt/Sitio_publico/IntegracionEcoCA/Estado_ Situacion_Integracion_Junio0906.htm. 322 SIECA, Estado de situación de la integración económica centroamericana (Juni 2006), veröffentlicht auf der offiziellen Homepage des Ständigen Sekretariats des MCCA unter: http://www.sieca.org.gt/Sitio_publico/IntegracionEcoCA/Estado_ Situacion_Integracion_Junio0906.htm. 319
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Von aktueller Bedeutung ist das Freihandelsabkommen zwischen den MCCA-Staaten, der Dominikanischen Republik und den USA (DRCAFTA).323
C. Karibik In der Karibik gibt es zwei Entwicklungsgemeinschaften: CARICOM und OECS. Dagegen ist die Vereinigung Karibischer Staaten (ACS) ein Forum zur Intensivierung der Wirtschaftsbeziehungen und zur Kooperation in den Bereichen Politik, Kultur und Technologie. Ein eigener Integrationsmechanismus ist von ACS bislang nicht installiert.324 I. Karibischer Gemeinsamer Markt (CARICOM) 1. Entstehung Der Karibische Gemeinsame Markt (Caribbean Common Market, CARICOM)325 trat 1973 durch den Vertrag von Chaguaramas326 an die Stelle der CARIFTA. Der CARIFTA-Gründungsvertrag war im Mai 1966 unterzeichnet worden.327 Er war der EFTA nachgebildet. Schon in den ersten 323
Siehe oben 2. Kapitel Fn. 245. Die Association for Caribbean States (ACS) wurde 1994 geschaffen. Mitglieder sind Antigua und Barbuda, Bahamas, Barbados, Belize, Costa Rica, Dominica, Dominikanische Republik, El Salvador, Grenada, Guatemala, Guyana, Haiti, Honduras, Jamaika, Kolumbien, Kuba, Mexiko, Nicaragua, Panama, St. Kitts und Nevis, St. Lucia, St. Vincent und die Grenadinen, Suriname, Trinidad und Tobago sowie Venezuela. Vgl. dazu die offizielle Homepage des ACS-Sekretariats: http://www. acs-aec.org sowie Hummer, Integration in Lateinamerika und der Karibik, VRÜ 2005, S. 9, 55; O’Brien et al., A Geographically Based Introduction to Regional Intergovernmental Organizations, S. 81. Der ACS-Gründungsvertrag vom 24. Juli 1994 ist veröffentlicht unter: http://www.sice.oas.org/GEN_COOP/acs2.asp. 325 Gründungsmitglieder sind Barbados, Guyana, Jamaica und Trinidad und Tobago. Im Juli 1974 sind Antigua (heute Antigua und Barbuda), Belize, Dominica, Grenada, Montserrat, St. Lucia and St. Vincent (heute St. Vincent und die Grenadinen) und St. Kitts-Nevis-Anguilla (heute St. Kitts und Nevis) beigetreten. Bahamas trat im Juli 1983 der Gemeinschaft, aber nicht dem gemeinsamen Markt bei. Suriname wurde 1995 Mitglied, Haiti 2002. Vgl. die offizielle Homepage der CARICOM: http://www.caricom.org. 326 Der Treaty Establishing the Caribbean Community vom 4. Juli 1973 trat am 1. August 1973 in Kraft. Er ist in seiner ursprünglichen Fassung veröffentlicht in: ILM 1973, S. 1033 ff. Die aktuelle Fassung, der Revised Treaty of Chaguaramas establishing the Caribbean Community including the CARICOM Single Market and Economy, ist veröffentlicht unter: http://www.caricom.org/jsp/community/revised_ treaty-text.pdf. Diese Fassung ist am 1. Januar 2006 in Kraft getreten. Bislang haben zwölf der 15 Mitgliedstaaten den revidierten Vertrag unterzeichnet und ratifiziert, es fehlen Bahamas, Haiti und Montserrat. 324
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Jahren stieg der Handel zwischen den Mitgliedstaaten erheblich an, jedoch überwiegend in den entwickelteren unter den Mitgliedstaaten.328 Um einen Ausgleich schaffen zu können, ist mit der Gründung der CARICOM das Ziel der Handelsliberalisierung um das Ziel der regionalen Integration erweitert worden. Am 1. Januar 2006 ist die revidierte Fassung des Gründungsvertrages in Kraft getreten (im Folgenden: CARICOM-Vertrag).329 2. Ziele und Instrumente In der Präambel nimmt der CARICOM-Vertrag Bezug auf Entscheidungen der Mitgliedstaaten, in denen diese sich zur vertieften regionalen Wirtschaftsintegration durch die Einrichtung des einheitlichen Marktes und der einheitlichen Wirtschaft der CARICOM (CARICOM Single Market and Economy, CSME) verpflichten, um nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung auf der Grundlage internationaler Wettbewerbsfähigkeit, koordinierter Wirtschafts- und Außenpolitiken, funktionaler Kooperation und verstärkten Handels sowie wirtschaftlicher Beziehungen mit Drittstaaten zu erreichen. Ziele der CARICOM sind gemäß Artikel 6 CARICOM-Vertrag verbesserte Lebens- und Arbeitsstandards; Vollbeschäftigung; beschleunigte, koordinierte und nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung und Konvergenz; Ausweitung des Handels und der wirtschaftlichen Beziehungen mit Drittstaaten; Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit; erhöhte Produktion und Produktivität; größerer wirtschaftlicher Einfluss und größere Effektivität der Mitgliedstaaten in Verhandlungen mit Drittstaaten, Staatengruppen und anderen Einheiten; verstärkte Koordination der Außen- und Wirtschaftspolitiken der Mitgliedstaaten sowie verbesserte funktionale Zusammenarbeit, insbesondere effizientere gemeinsame Dienstleistungen und Aktivitäten zum Wohle der Bevölkerung, verstärkte Förderung der Verständigung unter den Völkern und ihrer sozialen, kulturellen und technologischen Entwicklung und Intensivierung von Aktivitäten in den Bereichen Gesundheit, Erziehung, Transport und Telekommunikation. Dazu legt der CARICOM-Vertrag in Artikel 7 den Grundsatz der Nichtdiskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit und Artikel 8 den Grundsatz der Meistbegünstigung (Most Favoured Nation) fest. 327 Agreement establishing the Caribbean Free Trade Association vom 15. Dezember 1965 in seiner zuletzt gültigen Fassung veröffentlicht in: ILM 1968, S. 935 ff. 328 Vgl. UNCTAD (Hrsg.), Handbook of Economic Integration and Cooperation Groupings of Developing Countries, Vol. I, S. 145. 329 Zur neueren Geschichte der CARICOM vgl. Housty, Addressing Market Access and Entry Barriers Through Regional Integration to Maximizing Development Gains: The CARICOM Experience, in: UNCTAD (Hrsg.), Multilateralism and Regionalism: The New Interface, S. 137, 137 ff.
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Um die Ziele zu erreichen, regelt der CARICOM-Vertrag in den folgenden Kapiteln die Niederlassungs-, Dienstleistungs- und Kapitalfreiheit einschließlich der Arbeitnehmerfreizügigkeit (zunächst beschränkt auf qualifizierte Arbeitnehmer, Artikel 46) (Artikel 30 ff.), die Entwicklung gemeinsamer Politiken in den Bereichen Industrie, Landwirtschaft, Unterstützungsmaßnahmen (u. a. Bildung, Forschung, Umweltschutz, geistiges Eigentum, technische Standards, Investitionen, Infrastruktur) (Artikel 51 ff.), eine gemeinsame Handelspolitik (Artikel 78 ff.), eine gemeinsame Transportpolitik (Artikel 134 ff.), die Förderung benachteiligter Staaten und Sonderregelungen für weniger entwickelte Länder (Artikel 142 ff.) sowie Wettbewerbsregeln und Verbraucherschutz (Artikel 168 ff.). Die gemeinsame Handelspolitik gemäß Artikel 79 ff. CARICOM-Vertrag sieht die Errichtung eines gemeinsamen offenen Marktes mit Waren- und Dienstleistungsfreiheit vor. Die Außenhandelspolitiken sollen koordiniert und ein gemeinsamer Außenzoll geschaffen werden. In Artikel 84 werden gemeinsame Ursprungsregeln festgelegt. Es werden Maßnahmen zur Förderung des Exports und Befreiung des Transitverkehrs vorgesehen. Mengenmäßige Beschränkungen für Waren aus Mitgliedstaaten sind grundsätzlich unzulässig. Bestimmte Subventionen werden verboten, Anti-DumpingMaßnahmen unter bestimmten Voraussetzungen zugelassen. 3. Institutionelle Struktur und Entscheidungsmechanismen Die beiden wichtigsten Organe der CARICOM sind gemäß Artikel 10 CARICOM-Vertrag die Konferenz der Regierungschefs (Conference of Heads of Government) als oberstes Organ und der Gemeinschaftsministerrat (Community Council of Ministers) als zweithöchstes Organ. Die Konferenz der Regierungschefs der Karibischen Gemeinschaft gibt gemäß Artikel 12 CARICOM-Vertrag die Gemeinschaftspolitiken vor und ist für die Lösung von Konflikten und die Beziehung zu anderen internationalen Organisationen und Drittstaaten verantwortlich. Sie kann den anderen Organen und Institutionen und dem Sekretariat Weisungen erteilen. Die Konferenz der Regierungschefs trifft Entscheidungen gemäß Artikel 28 CARICOM-Vertrag einstimmig. Diese Entscheidungen sind bindend. Der Gemeinschaftsministerrat entwickelt gemäß Artikel 13 CARICOMVertrag die strategischen Pläne zur Umsetzung der von der Konferenz der Regierungschefs vorgegebenen Politiken und koordiniert die Maßnahmen in den Bereichen wirtschaftliche Integration, funktionale Zusammenarbeit und Außenbeziehungen. Er mobilisiert und verteilt im Auftrag der Konferenz finanzielle Ressourcen und überwacht und bewertet die Durchführung von Projekten. Der Gemeinschaftsministerrat trifft Entscheidungen gemäß Arti-
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kel 29 CARICOM-Vertrag mit einer Mehrheit von drei Vierteln der Mitgliedstaaten. Diese Entscheidungen sind bindend. Die Konferenz der Regierungschefs und der Gemeinschaftsministerrat werden insbesondere durch die weiteren Organe gemäß Artikel 10 und 14 ff. CARICOM-Vertrag unterstützt, das sind der Finanz- und Planungsrat (Council for Finance and Planning), der Wirtschafts- und Entwicklungsrat (Council for Trade and Economic Relations), der Rat für Außen- und Gemeinschaftsbeziehungen (Council for Foreign and Community Relations) und der Rat für menschliche und soziale Entwicklung (Council for Human and Social Development). Weitere Gremien und Institutionen werden in Artikel 18 ff. CARICOM-Vertrag etabliert bzw. bestehende Institutionen assoziiert. Zu letzteren gehören gemäß Artikel 23 CARICOM-Vertrag die Karibische Entwicklungsbank (Caribbean Development Bank, CDB) und das Sekretariat der Organisation der Ost-karibischen Staaten (Secretariat of the Organisation of Easten Caribbean States). Wichtigstes Verwaltungsorgan ist das Sekretariat gemäß Artikel 23 CARICOM-Vertrag. Ihm steht gemäß Artikel 24 CARICOM-Vertrag ein Generalsekretär vor, der von der Konferenz der Regierungschefs gewählt wird und die Gemeinschaft repräsentiert. Gemäß Artikel 27 CARICOM-Vertrag fassen die CARICOM-Organe und -Gremien ihre Entscheidungen im Regelfall mit einer einfachen Mehrheit der Mitgliedstaaten. Dies gilt zwingend für die Verfahrensregeln, die sich die Organe und Gremien selbst geben sollen. 4. Streitbeilegungsmechanismus Der Streitbeilegungsmechanismus der CARICOM wird in Artikel 187 ff. CARICOM-Vertrag in der hier zugrunde gelegten revidierten Fassung neu geregelt. Danach müssen streitende Parteien zunächst versuchen, Streitigkeiten durch Vermittlungsdienste (good offices), Mediation, Konsultationen oder Güteverfahren beizulegen. Erst wenn dieser Versuch scheitert, stehen den Parteien Schieds- und Gerichtsverfahren offen (Artikel 188 Absatz 2 CARICOM-Vertrag). Das Schiedsverfahren kann eine der streitenden Parteien nur mit Zustimmung der anderen Partei einleiten (Artikel 204 CARICOM-Vertrag). Das Schiedsgericht besteht aus drei Schiedsrichtern, die nach den Regeln der Artikel 205 ff. CARICOM-Vertrag ad hoc aus einer vom Generalsekretär vorgehaltenen Liste ausgewählt werden. Gemäß Artikel 207 Absatz 7 CARICOM-Vertrag sind Schiedssprüche unanfechtbar und binden die Mitgliedstaaten, die an dem Streit beteiligt sind. Gemäß Artikel 211 CARICOM-Vertrag hat der Gerichtshof (Caribbean Court of Justice, CCJ)330 die zwingende und ausschließliche Jurisdiktion
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über Streitigkeiten, die die Auslegung und Anwendung des CARICOMVertrages betreffen, einschließlich Streitigkeiten zwischen Mitgliedstaaten, Streitigkeiten zwischen Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft, Vorlagen nationaler Gerichte und – in Ausnahmefällen – Anträgen von natürlichen und juristischen Personen, soweit sie jeweils die Auslegung und Anwendung des CARICOM-Vertrages betreffen. Zu den vorlageberechtigten nationalen Gerichten gehören nicht nur die der Mitgliedstaaten, sondern auch der Ostkaribische Oberste Gerichtshof (Eastern Caribbean Supreme Court). Zudem hat der Gerichtshof die ausschließliche Jurisdiktion in Bezug auf Gutachten zur Auslegung und Anwendung des CARICOM-Vertrages, die von an einem Streit beteiligten Mitgliedstaaten oder der Gemeinschaft beantragt werden können. Die nationalen Gerichte sind zur Vorlage verpflichtet, wenn eine Frage der Auslegung oder Anwendung des CARICOM-Vertrages in einem anhängigen Rechtsstreit entscheidend ist (Artikel 214 CARICOM-Vertrag). Natürliche und juristische Personen des privaten Rechts sind gemäß Artikel 222 CARICOM-Vertrag nur klageberechtigt, wenn der Gerichtshof ihnen im Einzelfall das Klagerecht einräumt. Kumulative Voraussetzungen dafür sind, dass sie geltend machen, in einem ihnen vom CARICOM-Vertrag direkt zu ihrem Vorteil gewährten Recht verletzt zu sein, und der Mitgliedstaat, der für das Einklagen dieser Rechte zuständig gewesen wäre, dies unterlassen oder sich ausdrücklich mit der Klage der Privatperson einverstanden erklärt hat, und der Gerichtshof entschieden hat, dass es im Interesse der Gerechtigkeit liege, die Klage zuzulassen. Mitgliedstaaten, Organe, Gremien der Gemeinschaft, sowie alle juristischen und natürlichen Personen, auf die sie anwendbar sind, sind verpflichtet, die Urteile des Gerichtshofs unverzüglich umzusetzen (Artikel 215 CARICOMVertrag). Die Urteile gelten ipso facto (Artikel 216 CARICOM-Vertrag). Bei Bekanntwerden neuer Tatsachen kann der Gerichtshof seine Urteile auf Antrag und unter den Voraussetzungen des Artikels 219 CARICOM-Vertrag ändern. Im Übrigen sind die Urteile gemäß Artikel 221 CARICOM-Vertrag für die streitenden Parteien verbindlich und unanfechtbar. 5. Umsetzung und aktuelle Tendenzen Die hier zugrunde gelegte revidierte Fassung des CARICOM-Vertrages ist am 1. Januar 2006 in Kraft getreten. Bislang haben zwölf der 15 Mitgliedstaaten den revidierten Vertrag unterzeichnet und ratifiziert, es fehlen 330 McDonald, The Caribbean Court of Justice: Enhancing the Law of International Organizations, Fordham International Law Journal 2004, S. 930 ff.
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2. Kap.: Rechtsordnungen bestehender Entwicklungsgemeinschaften
Bahamas, Haiti und Montserrat. Von den zwölf, die ratifiziert haben, haben ihn bereits elf in nationales Recht umgesetzt, hier fehlt Grenada.331 Die Warenverkehrsfreiheit ist im Wesentlichen, die Kapital- und Dienstleistungsfreiheit teilweise verwirklicht. Soweit die Mitgliedstaaten den revidierten CARICOM-Vertrag bereits in nationales Recht umgesetzt haben, ermöglichen ihre Gesetze die Freizügigkeit qualifizierter Arbeitnehmer und erleichtern die Reise zwischen den Mitgliedstaaten (u. a. durch einen gemeinsamen Reisepass). Der gemeinsame Außenzolltarif ist bereits zwischen zehn Mitgliedstaaten vollständig und die Harmonisierung der relevanten Gesetze ist teilweise verwirklicht.332 CARICOM hat erhebliche Fortschritte in der Wahrnehmung der gemeinsamen Interessen der Mitgliedstaaten in internationalen Verhandlungen erreicht. So konnten die Mitgliedstaaten eine Schlüsselrolle bei der Verhandlung von Verträgen zwischen den AKP-Staaten und der EG einnehmen. Sie verhandeln gemeinsamen im Rahmen der Gründung der FTAA, der WTO und der Wirtschaftspartnerschaftsvereinbarungen mit der EU.333 II. Organisation Ostkaribischer Staaten (OECS) 1. Entstehung Die Organisation ostkaribischer Staaten (Organization of Eastern Caribbean States, OECS)334 ersetzte den Ministerrat der westindischen assoziier331 So die Angaben auf der offiziellen Homepage des CARICOM „Establishment of the CARICOM Single Market and Economy: Summary of Status of Key Elements“ vom März 2006, veröffentlicht unter: http://www.caricom.org/jsp/single_ market/csme_summary_key_elements_jun_06.pdf. Vgl. Auch WTO, Trade Policy Review, Trinidad and Tobago, Report by the Secretariat, vom 17. August 2005, WT/TPR/S/151, S. 20 f. 332 So die Angaben auf der offiziellen Homepage des CARICOM „Establishment of the CARICOM Single Market and Economy: Summary of Status of Key Elements“ vom März 2006, veröffentlicht unter: http://www.caricom.org/jsp/single_ market/csme_summary_key_elements_jun_06.pdf. Vgl. auch CEPAL (Hrsg.), Latin America and the Caribbean in the World Economy 2004/2005 Trends, S. 108 ff., 116 f. sowie Housty, The Caribbean Court of Justice: Enhancing the Law of International Organizations, in: UNCTAD (Hrsg.), Multilateralism and Regionalism: The New Interface, S. 137, 139 f. 333 Housty, The Caribbean Court of Justice: Enhancing the Law of International Organizations, in: UNCTAD (Hrsg.), Multilateralism and Regionalism: The New Interface, S. 137, 140 f. 334 Vollmitglieder sind: Antigua und Barbuda, Dominica, Grenada, Montserrat (britisches Überseegebiet), St. Kitts und Nevis, St. Lucia, St. Vincent und die Grenadinen. Anguilla und die Britischen Virgin-Inseln (beide britische Überseegebiete) sind assoziierte Mitglieder.
§ 7 Erfolgsgeschichte der Integration in Lateinamerika und der Karibik
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ten Staaten (West Indies Associated States Council of Ministers, WISA) von 1966 und den Ostkaribischen Gemeinsamen Markt (East Caribbean Common Market, ECCM) von 1968, nachdem die ostkaribischen Inselstaaten von Großbritannien unabhängig geworden waren.335 Der Gründungsvertrag von Basseterre wurde am 18. Juni 1981 unterzeichnet und ist am 2. Juli 1981 in Kraft getreten.336 2. Ziele und Instrumente Ziele der OECS sind gemäß Artikel 3 Vertrag von Basseterre u. a. die Förderung der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und auf regionaler und internationaler Ebene sowie der Einheit und Solidarität der Mitgliedstaaten; die Verteidigung ihrer Souveränität, territorialen Integrität und Unabhängigkeit; die Unterstützung der Mitgliedstaaten bei der Verwirklichung ihrer Verpflichtungen und Verantwortlichkeiten gegenüber der Internationalen Gemeinschaft und in Hinblick auf das Völkerrecht; die Harmonisierung der Außenpolitiken der Mitgliedstaaten und die Gründung und Unterhaltung von Abkommen über gemeinsame Überseevertretungen und gemeinsame Dienstleistungen; die Förderung der wirtschaftlichen Integration zwischen den Mitgliedstaaten. 3. Institutionelle Struktur und Entscheidungsmechanismen Die wichtigsten Organe der OECS sind gemäß Artikel 5 ff. Vertrag von Basseterre die Behörde der Regierungschefs (Authority of Heads of Government) als oberstes Entscheidungsgremium sowie das OECS-Sekretariat (Central Secretariat) zur Koordination der OECS-Funktionen. Die Behörde der Regierungschefs tagt mindestens zweimal im Jahr. Entscheidungen werden einstimmig getroffen und binden die Mitgliedstaaten und die OECSInstitutionen. Die Minister und Regierungsgesandte treten in Komitees für Auswärtige Angelegenheiten, Verteidigung und Sicherheit, wirtschaftliche Angelegenheiten und rechtliche Angelegenheiten zusammen. Daneben gibt es einige spezialisierte Agenturen, u. a. für zivile Luftfahrt, Arzneimittelversorgung und Telekommunikation, und gemeinsame Übersee-Vertretungen in Brüssel, Ottawa und Genf. 335
O’Brien et al., A Geographically Based Introduction to Regional Intergovernmental Organizations, S. 74; UNCTAD (Hrsg.), Handbook of Economic Integration and Cooperation Groupings of Developing Countries, Vol. I, S. 152 ff. 336 Der Treaty Establishing the Organisation of Eastern Caribbean States ist veröffentlicht in: ILM (1981), S. 1167 ff. sowie auf der offiziellen Hompage der OECS unter: http://www.oecs.org/Documents/treaties/oecs_treaty.pdf.
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2. Kap.: Rechtsordnungen bestehender Entwicklungsgemeinschaften
Die Mitgliedstaaten haben eine gemeinsame Zentralbank zur Harmonisierung der Währungs- und Fiskalpolitik. Die Bank gibt den ostkaribischen Dollar als gemeinsame Währung heraus. Die OECS-Mitgliedstaaten verfügen darüber hinaus über einen gemeinsamen Obersten Gerichtshof (Eastern Caribbean Supreme Court, ECSC). Er hat unbeschränkte Jurisdiktion in den Mitgliedstaaten.337 4. Streitbeilegungsmechanismus Die Entscheidung des ECSC über Streitigkeiten hinsichtlich der Auslegung und Anwendung des Vertrags von Basseterre ist nicht vorgesehen. Vielmehr sollen solche Streitigkeiten gemäß Artikel 14 Vertrag von Basseterre freundschaftlich beigelegt werden, bzw., falls das nicht möglich ist, von einer Schlichtungskommission (Conciliation Commission) gemäß Anhang A zum Vertrag von Basseterre entschieden werden. Ihre Entscheidungen sind für die am Streit beteiligten Mitgliedstaaten bindend und unanfechtbar. 5. Umsetzung und aktuelle Tendenzen Durch die gemeinsamen Agenturen, Vertretungen, die gemeinsame Zentralbank und den gemeinsamen Obersten Gerichtshof ist die Integration der OECS-Mitgliedstaaten insgesamt relativ weit fortgeschritten. Die Mitgliedstaaten beabsichtigen die weitergehende wirtschaftliche Integration. Diese wird ebenfalls von einer aktuellen Studie der Weltbank empfohlen.338 Bei ihrem 43. Treffen vom 21.–23. Juni 2006 hat die Behörde der Regierungschefs eine Absichtserklärung angenommen, in der sie sich verpflichtet, eine OECS-Wirtschaftsunion (OECS Economic Union) zum 1. Juli 2007 zu errichten.339 Über den Gründungsvertrag wird derzeit beraten.340
337
So die Information auf der offiziellen OECS-Homepage unter: http://www. oecs.org/inst_ecsc.htm. 338 World Bank (Hrsg.), Organization of Eastern Caribbean States – Towards a New Agenda for Growth, Report No. 31863-LAC vom 7. April 2005. 339 Der Wortlaut der Absichtserklärung ist enthalten in: OECS, Communiqué, 43rd Meeting of the OECS Authority, 21–23 June 2006, veröffentlicht auf der offiziellen Homepage der OECS: www.oecs.org. 340 OECS, Communiqué, 43rd Meeting of the OECS Authority, 21–23 June 2006, veröffentlicht auf der offiziellen Homepage der OECS: www.oecs.org.
§ 8 Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Integrationsabkommen
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§ 8 Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Integrationsabkommen als Instrumente zur Entwicklung Die Betrachtung der einzelnen Entwicklungsgemeinschaften zeigt nicht nur die quantitative Ausbreitung, die die Entwicklungsgemeinschaften als Entwicklungsstrategie erfahren haben. Es wird ebenso deutlich, wie weit bei vielen von ihnen die Integration qualitativ vorangeschritten ist. Dabei weisen die Integrationsabkommen zahlreiche Gemeinsamkeiten, aber auch einige Unterschiede auf. Beide sollen im Folgenden an den Empfehlungen internationaler Organisationen341 für die Entwicklungsgemeinschaften gemessen werden. Diese Empfehlungen beziehen sich auf die interne Integration, den Außenhandel, die Verteilung der Gewinne und Verluste der Integration sowie die Umsetzung der Integrationsabkommen.
A. Interne Integration An den dargestellten Zielen und Instrumenten der einzelnen Entwicklungsgemeinschaften lässt sich erkennen, dass ihr Schwerpunkt zumeist auf der internen Integration liegt. Empfohlen werden den Entwicklungsgemeinschaften hierzu u. a. die Förderung interner flexibler Industriestrukturen für neue Spezialisierungen und Diversifizierungen, die vertiefte Integration in den Bereichen Regulierung, Infrastruktur und öffentliche Güter sowie die Beseitigung der Zölle und nichttarifären Handelshemmnisse in allen Handelssektoren, einschließlich der Dienstleistungen und Vereinbarungen zu Investitionen.342 Fast alle dargestellten Integrationsabkommen erfassen in ihren Zielsetzungen die Zusammenarbeit in Bezug auf Industrieförderung und Infrastruktur. Zur Industrieförderung ist zumeist eine Harmonisierung der Industriepolitik der Mitgliedstaaten vorgesehen (vgl. die Verträge von AEC343, ECOWAS344, MRU345, COMESA346, ASEAN347, GCC348, MCCA349, CARICOM350). Zum Aufbau gemeinsamer Infrastrukturen wird teilweise 341 342 343 344 345 346 347 348 349
Dazu siehe oben unter § 3 C. Dazu siehe oben unter § 3 C. s. o. unter § 5 A. II. 2. s. o. unter § 5 C. II. 2. s. o. unter § 5 C. III. s. o. unter § 5 D. III. 2. s. o. unter § 6 C. I. 2. s. o. unter § 6 D. II. s. o. unter § 7 B. IV 2.
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2. Kap.: Rechtsordnungen bestehender Entwicklungsgemeinschaften
im Infrastrukturbereich eine schnellere oder vertieftere Integration vorgesehen als in anderen Bereichen, etwa die verstärkte Integration im Infrastrukturbereich gemäß Artikel 6 AEC-Vertrag351 und Inländergleichbehandlung von Infrastrukturunternehmen in Artikel XVI MCCA-Vertrag352. Die Erfolge sind davon abhängig, welche finanziellen Mittel zur Verfügung gestellt werden. Positives Beispiel ist insofern SADC, die einen Großteil der finanziellen Mittel für Umsetzungsprogramme in den Transport- und Kommunikationssektor investiert.353 Gemeinsame Investititonsregeln sind sowohl darauf gerichtet, grenzüberschreitende Investitionen innerhalb einer Entwicklungsgemeinschaft zu fördern (z. B. in SADC354, IGAD355, ASEAN356, CARICOM357), als auch Anreize für Investoren für Drittstaaten zu schaffen (z. B. in SACU358, COMESA359, CAN360, MERCOSUR361). Traditionell spielen in einigen Integrationsabkommen die Lebensmittelsicherheit (z. B. in der AEC362 und der IGAD363) und die Landwirtschaft (z. B. in der AEC364) eine herausgehobene Rolle. Die umfassendsten Regelungen beziehen sich in allen Integrationsabkommen auf den Warenhandel. In einigen Entwicklungsgemeinschaften sind Freihandelszonen bereits weitgehend vollendet, etwa die AFTA365, die CAN-Freihandelszone366, die MERCOSUR-Freihandelszone (allerdings noch mit bedeutenden Ausnahmen)367, die MCCA-Freihandelszone368 sowie die CARICOM-Freihandelszone369. Andere planen die Errichtung einer Freihandelszone in den nächsten Jahren, z. B. SADC für 2008370. 350 351 352 353 354 355 356 357 358 359 360 361 362 363 364 365 366 367 368
s. o. s. o. s. o. s. o. s. o. s. o. s. o. s. o. s. o. s. o. s. o. s. o. s. o. s. o. s. o. s. o. s. o. s. o. s. o.
unter unter unter unter unter unter unter unter unter unter unter unter unter unter unter unter unter unter unter
§ § § § § § § § § § § § § § § § § § §
7 C. I. 2. 5 A. II. 2. 7 B. IV. 2. 5 E. I. 5. 5 E. I. 5. 5 E. V. C. I. 2. 7 C. I. 2. 5 E. II. 5 E. III. 2. 7 B. II. 5. 7 B. III. 2. 5 A. II. 2. 5 E. V. 5 A. II. 2. 6 C. I. 2. 7 B. II. 2. und 5. 7 B. III. 5. 7 B. IV. 5.
§ 8 Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Integrationsabkommen
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Teilweise wird darüber hinaus als Fernziel die Formierung einer Wirtschaftsgemeinschaft angestrebt, etwa die ASEAN Wirtschaftsgemeinschaft als gemeinsamer Markt mit freiem Verkehr von Waren, Dienstleistungen und Investitionen sowie weitgehend freiem Kapitalhandel bis 2020371, die COMESA-Wirtschafts- und Währungsunion gemäß Artikel 4 COMESA-Vertrag372, die OECS-Wirtschaftsunion373, der gemeinsame lateinamerikanische Markt der CAN gemäß Artikel 1 Cartagena-Ü374, sowie der einheitliche Binnenmarkt (einschließlich Dienstleistungsfreiheit) und die panafrikanische Wirtschafts- und Währungsunion gemäß Artikel 6 AEC-Vertrag375. In einigen Entwicklungsgemeinschaften ist dazu die Kapital- und/oder die Dienstleistungsfreiheit bereits zum Teil verwirklicht, z. B. in CARICOM.376 Teilweise gibt es bereits gemeinsame Währungen. Hier zeigt sich, dass die Entwicklungsgemeinschaften nicht immer der Reihenfolge der an der EG orientierten wirtschaftlichen Integrationstheorien folgen. Einige bilden eine Währungsunion, ohne die in der Theorie vorigen Schritte – etwa eine Freihandelszone – verwirklicht zu haben. So haben UEMOA und CEMAC bei ihrer Gründung den CFA-Franc als gemeinsame Währung vorgefunden.377 OECS hat frühzeitig den ostkaribischen Dollar als gemeinsame Währung eingeführt, da sich jeweils eigene Währungen in den sehr kleinen ostkaribischen Inselstaaten nicht lohnen würden.378 Insgesamt ist eine Ausweitung der Integrationsabkommen über die klassischen Bereiche hinaus etwa auf geistiges Eigentum, Wettbewerb und Dienstleistungen zu beobachten, z. B. als Unterstützungsmaßnahmen gemäß Artikel 51 ff. CARICOM-Vertrag. Weitere Bereiche stehen an, z. B. die Vergabe öffentlicher Aufträge, wie das noch nicht ratifizierte Vergaberechtsprotokoll in MERCOSUR zeigt.379 Eine bedeutende Rolle spielen in der Praxis die Friedenserhaltung und militärische Zusammenarbeit, so in ECOWAS380, SADC381, IGAD (Konfliktfrühwarnmechanismus CEWARN)382, ASEAN383 und GCC384. 369 370 371 372 373 374 375 376 377 378 379 380
s. o. s. o. s. o. s. o. s. o. s. o. s. o. s. o. s. o. s. o. s. o. s. o.
unter unter unter unter unter unter unter unter unter unter unter unter
§ § § § § § § § § § § §
7 5 6 5 7 7 5 7 5 7 7 5
C. I. 5. E. I. 5. C. I. 2. E. III. 2. C. II. 5. B. II. 2. und 5. A. II. 2. C. I. 5. C. IV. und D. I. C. II. 5. B. III. 5. C. II. 5.
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2. Kap.: Rechtsordnungen bestehender Entwicklungsgemeinschaften
B. Außenhandel und Außenbeziehungen In Bezug auf den Außenhandel werden niedrige Außenhandelsbarrieren, insbesondere -zölle empfohlen und vehement vor Importsubstitutierung gewarnt.385 In der Praxis zeigen sich Chancen in der gemeinsamen Interessenwahrnehmung gegenüber Drittstaaten und internationalen Organisationen sowie Schwierigkeiten im Zusammenhang mit Mehrfachmitgliedschaften. Einige der Entwicklungsgemeinschaften sind bereits als Zollunion gegründet, z. B. SACU.386 Andere haben sie im Laufe des Integrationsprozesses überwiegend verwirklicht, jedenfalls gemeinsame Außenzolltarife installiert (z. B. EAC387, GCC388, CAN389, CARICOM390) oder streben sie für die Zukunft an, wie COMESA391, MCCA392 und AEC.393 Die Absenkung der Außenhandelsbarrieren, insbesondere der Außenzolltarife ist unterschiedlich erfolgreich. Positives Beispiel ist GCC mit einem gemeinsamen Außenzolltarif von 5%.394 CAN gelingt die Absenkung nur langsam. Der Durchschnitt des gemeinsamen Außenzolls liegt aktuell bei 13,6%, der höchste bei 20%.395 Das Ziel der Importsubstituierung besteht aber in keiner der Entwicklungsgemeinschaften mehr. In vielen Entwicklungsgemeinschaften wird sogar ausdrücklich eine Öffnung in den Welthandel angestrebt. In Artikel 2 f SACU-Vertrag ist die Integration der Mitgliedstaaten in die Weltwirtschaft als Ziel festgeschrieben.396 COMESA war von Anfang an auf die Öffnung nach außen gerichtet, wie sich in den Zielen gemäß Artikel 3 COMESAVertrag widerspiegelt.397 Ziel der AFTA gemäß Absatz 5 der Singapur-Erklärung ist u. a. die Zusammenarbeit mit regionalen und multilateralen Or381 382 383 384 385 386 387 388 389 390 391 392 393 394 395 396 397
s. o. unter § 5 E. I. 5. s. o. unter § 5 E. V. s. o. unter § 6 C. I. 1. s. o. unter § 6 D. II. Dazu siehe oben unter § 3 C. s. o. unter § 5 E. II. s. o. unter § 5 E. IV. 5. s. o. unter § 6 D. II. s. o. unter § 7 B. II. 5. s. o. unter § 7 C. I. 5. s. o. unter § 5 E. III. 2. s. o. unter § 7 B. IV. 5. s. o. unter § 5 A. II. 2. s. o. unter § 6 D. II. s. o. unter § 7 B. II. 5. s. o. unter § 5 E. II. s. o. unter § 5 E. III. 2 und 5.
§ 8 Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Integrationsabkommen
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ganisationen zur Förderung eines offenen und freien Welthandelssystems.398 CARICOM-Ziel gemäß Artikel 6 CARICOM-Vertrag ist die Ausweitung des Handels und der wirtschaftlichen Beziehungen mit Drittstaaten. Die gemeinsame Handelspolitik gemäß Artikel 79 ff. CARICOM-Vertrag sieht die Errichtung eines gemeinsamen offenen Marktes vor.399 Fortschritte machen viele der Entwicklungsgemeinschaften bei der gemeinsamen Wahrnehmung von Interessen in regionalen und internationalen Foren. Sie schließen wichtige Handelsübereinkommen für ihre Mitgliedstaaten. Für ASEAN gilt dies vor allem für Vereinbarungen mit Drittstaaten der Region.400 CAN-Mitgliedstaaten treten bei den Verhandlungen zur FTAA mit einheitlicher Stimme auf, sie haben zusammen mit den MERCOSURMitgliedstaaten beschlossen, die Südamerikanische Gemeinschaft der Nationen zu gründen.401 MCCA hat ein bedeutendes Freihandelsabkommen mit der Dominikanischen Republik und den USA (DR-CAFTA) geschlossen.402 CARICOM spielt eine Schlüsselrolle in den Verhandlungen zwischen der EG und den AKP-Staaten, die CARICOM-Mitgliedstaaten verhandeln gemeinsam in der WTO, der FTAA und den Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit der EG (WPA).403 SACU-Mitgliedstaaten treten im Verhältnis zur WTO gemeinsam auf, sie nehmen gemeinsam am Trade Policy Review Mechanism teil.404 Einige Entwicklungsgemeinschaften unterhalten sogar gemeinsame Außenvertretungen, so die OECS.405 Zur Einpassung ins multilaterale Handelssystem trägt eine neuere Tendenz bei, in einigen Bereichen, etwa Subventionen und Antidumping, Vorschriften aus dem WTO-Recht zu übernehmen. In diesem Zusammenhang stehen neuere Regelungen in den Streitbeilegungsmechanismen von MERCOSUR und MCCA, nach denen der klagende Staat zwischen den Streitbeilegungsmechanismen der WTO oder des MERCOSUR bzw. MCCA wählen kann. Sobald der Streit anhängig ist, ist das gewählte Forum exklusiv für die Entscheidung der Sache zuständig.406 Schwierigkeiten sind hinsichtlich der gemeinsamen Wahrnehmung von Außenhandelsbeziehungen im südlichen und östlichen Afrika entstanden. Südafrika räumte einem bilateralen Handelsabkommen mit der EG Priorität 398 399 400 401 402 403 404 405 406
s. o. s. o. s. o. s. o. s. o. s. o. s. o. s. o. s. o.
unter unter unter unter unter unter unter unter unter
§ § § § § § § § §
6 7 6 7 7 7 5 7 7
C. I. 2. C. I. 2. C. I. 5. B. II. 5. B. IV. 5. C. I. 5. E. II. C. II. 5. B. III. 4; § 7 B. IV. 4.
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2. Kap.: Rechtsordnungen bestehender Entwicklungsgemeinschaften
vor den Verhandlungen innerhalb der SADC ein.407 Südafrika ist damit zudem aus den Verhandlungen der WPAs mit der EG ausgeklammert. Zudem hat es einige Zeit gedauert, bis sich die Staaten einigen konnten, welche Entwicklungsgemeinschaften welche Staaten bei der Verhandlung der WPAs vertreten sollten. Für einige ist dies SADC, für andere COMESA.408 Die SACU-Staaten sind überwiegend vom bilateralen Abkommen zwischen Südafrika und der EG umfasst. Die Handelsbeziehungen werden dadurch unnötig verkompliziert. Daran zeigt sich das Problem der Mehrfachmitgliedschaften. Insbesondere die Verhältnisse der horizontalen Mehrfachmitgliedschaften, die vor allem in Afrika bestehen, sind ungeklärt. Wünschenswert wäre mittelfristig, diese horizontalen Mehrfachmitgliedschaften aufzulösen. Entsprechende Versuche und Initiativen der AEC sind bislang gescheitert. Zu den horizontalen Mehrfachmitgliedschaften finden sich Regelungen in den Verträgen der AEC, ALADI und CARICOM. Gemäß Artikel 10 Absatz 2 AEC-Vertrag binden Entscheidungen der Versammlung der Staatsund Regierungschefs die regionalen Gemeinschaften, diese können zudem wegen Verletzungen des AEC-Vertrages vor dem panafrikanischen Gerichtshof verklagt werden.409 ALADI hat gemäß Artikel 2 Montevideo-Vertrag das Ziel, die wirtschaftliche Integration zwischen den Staaten Lateinamerikas voranzutreiben, Fernziel war ursprünglich die Errichtung eines Lateinamerikanischen Gemeinsamen Marktes.410 Gemäß Artikel 23 CARICOMVertrag ist das OECS-Sekretariat als assoziierte Institution in die CARICOM eingebunden.411 Zugleich erkennen viele der neueren Integrationsabkommen in Afrika die Förderung und Umsetzung der Ziele der AEC als eigene Ziele an, z. B. Artikel 3, 178 COMESA-Vertrag412, Präambel EAC-Vertrag413.
C. Verteilung der Gewinne und Verluste der Integration Wie sich an der Darstellung der einzelnen Mitgliedschaften gezeigt hat, bestehen in Entwicklungsgemeinschaften häufiger als bei sonstigen Integrationsgemeinschaften erhebliche Unterschiede hinsichtlich der Größe und 407
s. o. unter § 5 E. I. 5. Vgl. European Commission (Hrsg.), EPA – A new Approach in the Relations Between European Union and Eastern and Southern Africa Countries, S. 7 ff. 409 s. o. unter § 5 A. II. 2. und 4. 410 s. o. unter § 7 B. I. 2. 411 s. o. unter § 7 C. I. 3. 412 s. o. unter § 5 E. III. 2. 413 s. o. unter § 5 E. IV. 2. 408
§ 8 Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Integrationsabkommen
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des Entwicklungsstandes. Dies führt zur asymmetrischen Verteilung der Gewinne und Verluste aus der Integration. Zumeist profitiert der am weitesten entwickelte Mitgliedstaat. Es ist möglich, dass einzelne kleinere Mitgliedstaaten nur Verluste erleiden. Diese Effekte werden als core-periphery- oder insbesondere im Zusammenhang mit Mehrfachmitgliedschaften, in deren Zentrum ein relativ weit entwickelter Staat steht, als hub-and-spoke414-Effekte bezeichnet. So stieg etwa der Handel innerhalb des MCCA gleich nach seiner Gründung beträchtlich an, führte jedoch zu einer ungleichen Verteilung der Vor- und Nachteile des erweiterten Marktes. Schon 1969 trug dies zum bewaffneten Konflikt zwischen Honduras und El Salvador („Fußballkrieg“) und zur Krise der Organisation bei.415 Eine weitere Empfehlung zielt daher darauf ab, die bei den einzelnen Mitgliedstaaten entstehenden Vor- und Nachteile der Integration zu bestimmen und etwaige Ungleichgewichte durch Umverteilungsmechanismen auszugleichen. Dabei werden direkte Zahlungen als wenig effektiv angesehen.416 Andere Ausgleichsmöglichkeiten bestehen etwa in einem Technologietransfer oder der vertieften Integration in Bereichen, in denen der bzw. die im Übrigen benachteiligten Staaten komparative Vorteile haben. Häufig werden ärmeren Mitgliedstaaten die Freizügigkeit von Arbeitnehmern und Dienstleistungen zu Gute kommen. Ausdrücklich werden solche Überlegungen in der Praxis in Zollunionen angestellt, die gezwungen sind, sich über die Verteilung der Zolleinnahmen zu einigen, z. B. die MRU417. SACU hat in Artikel 32 bis 37 und Anhang A ihres im Jahr 2006 in Kraft getretenen Vertrags einen neuen gemeinsamen Pool der Einkünfte und eine komplizierte Formel zu deren gerechter Aufteilung etabliert.418 MERCOSUR will bis 2008 einen Verteilungsschlüssel für Zolleinkünfte einführen.419 CARICOM ist die einzige Entwicklungsgemeinschaft, die bisher nachweislich die Integration über eine Freihandelszone (CARIFTA) hinaus vertieft hat, um Gewinne und Verluste gerechter zu verteilen. Wie MCCA hatte CARIFTA die Erfahrung gemacht, dass der Handel zwischen den Mitgliedstaaten in den ersten Jahren nach der Gründung 1966 erheblich anstieg, die Gewinne jedoch überwiegend in den entwickelteren unter den Mitgliedstaaten eintraten.420 414 415 416 417 418 419 420
Radnabe und Speichen. s. o. unter § 7 B. IV. 5. Dazu siehe oben unter § 3 C. s. o. unter § 5 C. III. s. o. unter § 5 E. II. s. o. unter § 7 B. III. 5. s. o. unter § 7 C. I. 1.
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2. Kap.: Rechtsordnungen bestehender Entwicklungsgemeinschaften
Viele Integrationsabkommen sehen Sonderregeln zur bevorzugten Behandlung der am wenigsten entwickelten Länder vor, z. B. die Verträge der AEC421, GAFTA422, PICTA423 und SAFTA424. Hingegen wird bislang nicht in hinreichendem Maße berücksichtigt, welche Bereiche der Integration im Einzelfall den besonders kleinen und wirtschaftlich schwächsten Staaten nützen und wie etwa der Technologietransfer in diese Staaten angeregt werden kann.
D. Vorkehrungen der Integrationsabkommen zur Sicherung ihrer Umsetzung Als eines der größten Probleme werden die Defizite bei der Umsetzung der Integrationsabkommen angesehen. Dadurch wird der Erfolg der Entwicklungsgemeinschaften gefährdet und die Verlässlichkeit für Investoren aus Drittstaaten in Frage gestellt.425 Es stellt sich daher die Frage, wie die Integrationsabkommen versuchen, ihre Umsetzung zu sichern. In Betracht kommen neben Umsetzungsplänen und Monitoring-Verfahren vor allem Institutionen, die das Umsetzungsinteresse der Gemeinschaft vertreten sowie Institutionen, die die Umsetzung überwachen. Einen detaillierten Umsetzungsplan mit Zeitangaben sieht vor allem Artikel 6 AEC-Vertrag426 vor. Der AEC-Vertrag beinhaltet darüber hinaus in Artikel 5 Absatz 3 AEC-Vertrag Möglichkeiten der Versammlung der Staatschefs, Vertragsverletzungen zu sanktionieren. Nur wenige Entwicklungsgemeinschaften haben einflussreiche Organe, die allein dem Gemeinschaftsinteresse verpflichtet sind. Allein CAN hat mit der CAN-Kommission gemäß Artikel 21 ff. Cartagena-Ü ein Organ, das mit der EG-Kommission als sog. Motor der Gemeinschaft vergleichbar ist.427 Eine ähnliche Rolle könnten die zum Teil in den neueren Abkommen gestärkten Sekretariate der Entwicklungsgemeinschaften einnehmen, etwa in MERCOSUR.428 Als Organe zur Überwachung der Vertragsumsetzung kommen traditionell Parlamente und Gerichte in Betracht. Einige Entwicklungsgemeinschaften haben in den letzten Jahren Parlamente oder parlamentarische Versamm421 422 423 424 425 426 427 428
s. o. unter § 5 A. II. 2. s. o. unter § 5 B. II. s. o. unter § 6 B. I. s. o. unter § 6 C. II. 2. Dazu siehe oben unter § 3 C. s. o. unter § 5 A. II. 2. s. o. unter § 7 B. II. 3. s. o. unter § 7 B. III. 3.
§ 8 Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Integrationsabkommen
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lungen installiert. Deren Kompetenzen sind allerdings rein beratend, so dass sie bei der Umsetzung allenfalls eine Transparenzfunktion erfüllen können – so etwa in ECOWAS429, EAC430 und CAN431. Gemeinschaftsfreundlicher sind die überwiegend neuen Streitbeilegungsmechanismen. Gerichtshöfe, die abschließend und bindend über die Auslegung und Anwendung des jeweiligen Gemeinschaftsrechts entscheiden, haben ECOWAS432, COMESA433, EAC434, CAN435, MERCOSUR436 und CARICOM437. SACU hat ein neues Ad-hoc-Gericht.438 Das SADC-Gericht gemäß Artikel 16 SADC-Vertrag befindet sich im Aufbau.439 Auch die bislang ohne supranationale Integrationsstruktur erfolgreiche ASEAN hat sich für die Einführung von Institutionen entschieden. Ein Streitbeilegungsmechanismus nach dem Vorbild der WTO wurde bereits im November 2004 eingeführt.440 Gerade in Afrika sind bislang in einigen Entwicklungsgemeinschaften Integrationsfortschritte verhindert worden, weil die nationalen Politiker nicht bereit waren, Souveränität abzugeben. Gestärkte Sekretariate und Gerichtshöfe mit der Kompetenz, für die Mitgliedstaaten bindende Entscheidungen zu fällen, sind hier nur ein erster Schritt. Integration und Entwicklung in bestehenden Entwicklungsgemeinschaften sind unabhängig von Verträgen und Institutionen zum Erliegen gekommen, wo politisch oder wirtschaftlich besonders wichtige Mitgliedstaaten politisch instabil sind oder Grenzstreitigkeiten und sonstige politische und militärische Konflikte zwischen den Mitgliedstaaten schwelen, etwa in UMA441, ECOWAS442, MRU443, UEMOA444, ECGLC/CEPGL445 und ECCAS/ 429 430 431 432 433 434 435 436 437 438 439 440 441 442 443 444
s. o. s. o. s. o. s. o. s. o. s. o. s. o. s. o. s. o. s. o. s. o. s. o. s. o. s. o. s. o. s. o.
unter § 5 C. II. 4. unter § 5 E. IV. 3. und 4. unter § 7 B. II. 3. unter § 5 C. II. 4. unter § 5 E. III. 2. unter § 5 E. IV. 3. und 4. unter § 7 B. II. 4. unter § 7 B. III. 4. unter § 7 C. I. 4. unter § 5 E. II. unter § 5 E. I. 4. unter § 6 C. I. 4. unter § 5 B. I. unter § 5 C. II. 5. unter § 5 C. III. § 5 C. IV.
158
2. Kap.: Rechtsordnungen bestehender Entwicklungsgemeinschaften
CEEAC446. Die Beispiele von SAARC/SAFTA447 und MCCA448 zeigen allerdings, dass solche Konflikte nicht unüberwindbar sind und die regionale Integration zur Fortsetzung des Dialogs und Überwindung von Konflikten beitragen kann.
445 446 447 448
s. o. s. o. s. o. s. o.
unter unter unter unter
§ § § §
5 5 6 7
D. II. D. III. C II. B. IV. 5.
Article XXIV of GATT contains one of the most troublesome provisions of GATT. John H. Jackson, World Trade and the Law of GATT, 1969, S. 575.
Drittes Kapitel
Das WTO-Recht als äußerer rechtlicher Rahmen § 9 Konfliktpotential: Präferenzen versus Meistbegünstigung Entwicklungsgemeinschaften sind nur einer der Eckpfeiler, die die Entwicklung tragen soll. Ein anderer ist das multilaterale Handelssystem. Tatsächlich sind die meisten Mitgliedstaaten der Entwicklungsgemeinschaften zugleich Mitglieder der WTO. Es gibt keine Entwicklungsgemeinschaft, die nicht mindestens ein Mitglied hat, das Mitglied der WTO ist.1 Damit beide Eckpfeiler zugleich tragen und die Doppelmitglieder ihren vertraglichen Verpflichtungen gegenüber WTO und dritten WTO-Mitgliedstaaten nachkommen können, müssen die Entwicklungsgemeinschaften die rechtlichen Rahmenbedingungen des WTO-Rechts einhalten. Die Wiener Vertragsrechtskonvention (WVK)2 hilft ihnen jedenfalls im Außenverhältnis zu WTO-Mitgliedstaaten, die nicht zur selben Entwicklungsgemeinschaft gehören, nicht weiter. Die Rechte und Pflichten aus dem WTO-Übereinkommen können gemäß Artikel 40 Absatz 4 WVK allenfalls mit Wirkung für die Parteien einer Änderungsübereinkunft, d.h. des jeweiligen Entwicklungsgemeinschaftsvertrages, geändert werden. Entsprechend gelten die Konfliktregeln der WVK nur im Verhältnis derjenigen Staaten zueinander, die Parteien beider sich widersprechender Verträge sind. Lex specialis können die Regelungen der Entwicklungsgemeinschaftsver1
Vgl. Anhang II. Vienna Convention on the Law of Treaties vom 23. Mai 1969, veröffentlicht in United Nations, Treaty Series, Vol. 1155, S. 331 ff.; in deutscher Übersetzung veröffentlicht in BGBl. 1985 II, S. 926 ff. Die Geltung der WVK im WTO-Recht ist allgemein anerkannt, vgl. dazu Appellate Body Report „United States – Standards for Reformulated and Conventional Gasoline“, WTO-Dok. WT/DS2/AB/R vom 29. April 1996, angenommen am 20. Mai 1996, unter III. B.; ausführlich Neumann, Die Koordination des WTO-Rechts mit anderen völkerrechtlichen Ordnungen, S. 344 ff. m. w. N.; Pauwelyn, Conflict of Norms in Public International Law, S. 29 et passim. 2
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3. Kap.: Das WTO-Recht als äußerer rechtlicher Rahmen
träge schon der Sache nach allenfalls im Verhältnis der Mitgliedstaaten der jeweiligen Entwicklungsgemeinschaft sein. Die lex posterior-Regel gilt gemäß Artikel 30 Absatz 4 WVK nur im Verhältnis zwischen Staaten, die Vertragsparteien beider Verträge sind. Gemäß Buchst. b) gilt gegenüber Drittstaaten weiter der ältere Vertrag, dem beide Parteien als Vertragsparteien angehören. Dabei sind Konflikte zwischen Rechtsordnungen unvermeidbar: Kennzeichnend für Entwicklungsgemeinschaften ist die gegenseitige präferentielle Behandlung ihrer Mitgliedstaaten. Darin liegt stets ein Verstoß gegen das WTO-Prinzip der allgemeinen Meistbegünstigung. Weitere Konflikte kommen je nach Ausgestaltung der jeweiligen Entwicklungsgemeinschaft hinzu.
A. Das Prinzip der allgemeinen Meistbegünstigung I. Warenhandel Artikel I Absatz 1 Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen (General Agreement on Tariffs and Trade, GATT) sieht vor, dass alle Vorteile, die von einem WTO-Mitgliedstaat für eine Ware im grenzüberschreitenden Warenverkehr gewährt werden, welche aus einem anderen Land stammt oder für dieses bestimmt ist, automatisch für alle gleichartigen Waren gewährt werden müssen, die aus einem anderen WTO-Mitgliedstaat stammen oder für diesen bestimmt sind:3 „Bei Zöllen und Belastungen aller Art, die anlässlich oder im Zusammenhang mit der Einfuhr oder Ausfuhr oder bei der internationalen Überweisung von Zahlungen für Einfuhren oder Ausfuhren auferlegt werden, bei dem Erhebungsverfahren für solche Zölle und Belastungen, bei allen Vorschriften und Förmlichkeiten im Zusammenhang mit der Einfuhr oder Ausfuhr und bei allen in Artikel III Absätze 2 und 4 behandelten Angelegenheiten werden alle Vorteile, Vergünstigungen, Vorrechte oder Befreiungen, die eine Vertragspartei für eine Ware gewährt, welche aus einem anderen Land stammt oder für dieses bestimmt ist, unverzüglich und bedingungslos für alle gleichartigen Waren gewährt, die aus den Gebieten der anderen Vertragsparteien stammen oder für diese bestimmt sind.“4 3 Die offiziellen Dokumente der WTO sind in der englischen, französischen und spanischen Fassung authentisch. Soweit nicht anders angegeben, sind wörtliche Zitate hier und im Folgenden der deutschen Übersetzung entnommen, die die EUKommission anlässlich der Ratifikation des WTO-Übereinkommens angefertigt und im Amtsblatt veröffentlicht hat; ABl. Nr. L 336 vom 23. Dezember 1994, S. 1 ff., abgedruckt bei Hilf/Schorkopf (Hrsg.), WTO-Recht. Die englische Originalfassung wird jeweils in der Fußnote ergänzt. Fußnoten werden nicht wiedergegeben. 4 „With respect to customs duties and charges of any kind imposed on or in connection with importation or exportation or imposed on the international transfer of
§ 9 Konfliktpotential: Präferenzen versus Meistbegünstigung
161
Es handelt sich also um ein Gleichbehandlungsgebot, wobei Maßstab die Importe aus und Exporte in das Land sind, das diesbezüglich am günstigsten behandelt wird.5 Artikel I Absatz 1 GATT gilt für Zölle und nicht-tarifäre Handelshemmnisse und sowohl für so genannte De-jure-Diskriminierungen als auch für so genannte De-facto-Diskriminierungen. De-jure-Diskriminierungen sind solche, die ausdrücklich an den Ursprung einer Ware anknüpfen. De-factoDiskriminierungen sind scheinbar ursprungsneutral. Sie knüpfen an andere Produkteigenschaften an, die tatsächlich nur von Waren aus bestimmten Ursprungsländern erfüllt werden.6 Das Meistbegünstigungsprinzip (allgemeine Meistbegünstigung – General Most-Favoured-Nation (MFN) Treatment) ist das zentrale Prinzip des GATT.7 Seine Geschichte reicht weit in die Zeit vor dem GATT zurück. Es war Bestandteil der Vereinbarung des Völkerbundes von 1925 bis 1936.8 Im GATT wird es in einigen weiteren Artikeln für bestimmte Fragen wiepayments for imports or exports, and with respect to the method of levying such duties and charges, and with respect to all rules and formalities in connection with importation and exportation, and with respect to all matters referred to in paragraphs 2 and 4 of Article III, any advantage, favour, privilege or immunity granted by any contracting party to any product originating in or destined for any other country shall be accorded immediately and unconditionally to the like product originating in or destined for the territories of all other contracting parties.“ 5 Jackson, The World Trading System, S. 157. 6 Vgl. dazu Appellate Body Report „Canada – Certain Measures Affecting the Automotive Industry“, WTO-Dok. WT/DS139/AB/R und WTO-Dok. WT/DS142/ AB/R, angenommen am 19. Juni 2000, Absatz 79 in Bestätigung des Panel Reports „Canada – Certain Measures Affecting the Automotive Industry“, WTO-Dok. WT/DS139/R und WTO-Dok. WT/DS142/R, Absatz 10.40: „We see no basis in the text of Article I:1 to hold that, [. . .], the consistency of that measure with Article I:1 depends solely on whether or not there are restrictions on the origin of products [. . .]. Rather, we believe that account should also be taken of the possibility that the limitation of the exemption to certain importers may by itself have a discriminatory impact on the treatment of like products of different origins.“; Bender, GATT 1994, in Hilf/Oeter (Hrsg.), WTO-Recht, S. 167, 179 f.; Berrisch, Das Allgemeine Zollund Handelsabkommen (GATT 1994), in: Prieß/Berrisch (Hrsg.), WTO-Handbuch, S. 71, 101 f. 7 Vgl. dazu die Appellate Body Report „Canada – Certain Measures Affecting the Automotive Industry“, WTO-Dok. WT/DS139/AB/R und WTO-Dok. WT/ DS142/AB/R, angenommen am 19. Juni 2000, Absatz 69: „The most-favourednation principle has been a cornerstone of the GATT and is one of the pillars of the world trading system.“, sowie Bender, GATT 1994, in Hilf/Oeter (Hrsg.), WTORecht, S. 167, 179 f. und Göttsche, WTO als Rechtsordnung, in Hilf/Oeter (Hrsg.), WTO-Recht, S. 99, 117; Berrisch, Das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen (GATT 1994), in: Prieß/Berrisch (Hrsg.), WTO-Handbuch, S. 71, 80, 96. 8 Zur Geschichte des Meistbegünstigungsprinzips vgl. Jackson, World Trade and the Law of GATT, S. 249 f. m. w. N.
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3. Kap.: Das WTO-Recht als äußerer rechtlicher Rahmen
derholt9, die Zusatzvereinbarungen zum GATT enthalten ähnliche Formulierungen10. Tatsächlich verliert das Meistbegünstigungsprinzip allerdings durch die verschiedenen Ausnahmebestimmungen an Bedeutung. So sind etwa die Meistbegünstigungszölle der EG nur noch gegenüber neun Handelspartnern anwendbar.11 Allen anderen Handelspartnern gegenüber gelten Sonderbestimmungen etwa gemäß Artikel XXIV GATT, der Ermächtigungsklausel, Allgemeinen Präferenzsystemen oder dem sog. „Everything but Arms“-Beschluss zugunsten der am wenigsten entwickelten Länder.12 Das Meistbegünstigungsprinzip soll absichern, dass alle GATT-Prinzipien und Zugeständnisse, die im Laufe von Handelsrunden gegeben werden, gleichermaßen von allen Ländern gegenüber allen Handelspartnern eingehalten werden. Die Gleichbehandlung der Importe verschiedener Herkunft soll dazu führen, dass diese von dem preisgünstigsten ausländischen Anbieter bezogen werden und damit die komparativen Kostenvorteile des Welthandels realisiert werden.13 Sie beruht also ebenso wie die regionale Wirtschaftsintegration auf der klassischen Handelstheorie der absoluten Kostenvorteile von Adam Smith und der komparativen Kostenvorteile von David Ricardo und John Stuart Mill.14 Gleichzeitig soll verhindert werden, dass bestimmte Herkunftsländer, insbesondere kleine oder politisch schwache Staaten diskriminiert und vom Welthandel ausgeschlossen werden.15 Mit der Meistbegünstigungsklausel geraten die Mitgliedstaaten der Entwicklungsgemeinschaften regelmäßig in Konflikt. Durch den besonderen 9 So in Artikel III:7, IV (b), V:2, V:5, V:6, IX:1, XIII:1, XVII:(a), XVIII:20, XX; vgl. dazu Aufstellung bei Senti, WTO, Rn. 383. 10 So Anhang 2 Ziffer 1 Landwirtschaftsabkommen, Artikel 2 Übereinkommen über die Anwendung gesundheitspolizeilicher und pflanzenschutzrechtlicher Maßnahmen (SPS), Artikel 7:1(c) Textilabkommen, Artikel 2 Abkommen über das Versandwesen, Präambel und Artikel 1 Übereinkommen über Einfuhrlizenzverfahren; vgl. dazu Senti, WTO, Rn. 384. 11 Australien, Hongkong, Japan, Kanada, Korea, Neuseeland, Singapur, Taipeh, USA; vgl. Sutherland et al., The Future of the WTO – Adressing Institutional Challenges in the New Millennium, Report by the Consultative Board to the DirectorGeneral Supachai Panitchpakdi, 2004, S. 21, Fn. 11. 12 So Sutherland et al., The Future of the WTO – Adressing Institutional Challenges in the New Millennium, Report by the Consultative Board to the DirectorGeneral Supachai Panitchpakdi, 2004, S. 21. 13 Jackson, The World Trading System, S. 158 f. 14 Siehe dazu oben unter § 3 B.; ausführlich zu den ökonomischen Theorien des Welthandels: Jackson, The World Trading System, S. 11 ff.; Oeter, Ökonomische Grundlagen des Weltwirtschaftsrechts, in: Hilf/Oeter (Hrsg.), WTO-Recht, S. 21, 23 ff. m. w. N.; Sykes, Comparative Advantage and the Normative Economics of International Trade, JIEL 1998, S. 25 ff. 15 WTO (Hrsg.), Regionalism and the World Trading System, S. 5 f.; Stoll/Schorkopf, WTO, Rn. 119 m. w. N.
§ 9 Konfliktpotential: Präferenzen versus Meistbegünstigung
163
Abbau der Handelsschranken innerhalb der Entwicklungsgemeinschaften werden Waren aus anderen Mitgliedstaaten der jeweiligen Entwicklungsgemeinschaft gegenüber Waren aus dritten WTO-Mitgliedstaaten bevorzugt behandelt. Rechtswirkung der Meistbegünstigungsklausel ist, dass Drittstaaten ihre Einhaltung verlangen können und Anspruch auf ihre Gewährung haben. Der innerhalb einer Entwicklungsgemeinschaft gegenseitig gewährte präferentielle Marktzugang müsste somit auf gleiche Art und Weise den Produkten aus Drittstaaten gewährt werden. Eine entsprechende Forderung der Drittstaaten müsste erfüllt werden, ohne dass dafür eine Gegenleistung verlangt werden könnte. Soweit ein Abweichen von der Meistbegünstigung nicht durch eine Ausnahmevorschrift gerechtfertigt ist, führt dies also nicht zur Ungültigkeit der betreffenden Verträge. Vielmehr besteht die Rechtswirkung darin, dass die gewährten Privilegierungen über die Vertragsparteien hinaus bei entsprechenden Forderungen auf Dritte ausgedehnt werden müssen. II. Handel mit Dienstleistungen In der Uruguay-Runde wurde erstmals der Handel mit Dienstleistungen in die Vereinbarungen einbezogen. In dem dazu geschlossenen Allgemeinen Übereinkommen über den Handel mit Dienstleistungen (General Agreement on Trade in Services, GATS) wurde ebenfalls die Meistbegünstigung als zentrales Prinzip vereinbart. Artikel II Absatz 1 GATS formuliert in Anlehnung an Artikel I GATT: „Jedes Mitglied gewährt hinsichtlich aller Maßnahmen, die unter dieses Übereinkommen fallen, den Dienstleistungen und Dienstleistungserbringern eines anderen Mitglieds sofort und bedingungslos eine Behandlung, die nicht weniger günstig ist als diejenige, die es den gleichen Dienstleistungen oder Dienstleistungserbringern eines anderen Landes gewährt.“16
Auch hier wird dieses Prinzip für spezielle Fragen in den weiteren Artikeln des GATS wörtlich oder sinngemäß wiederholt.17 Die Pflicht zur Meistbegünstigung erfasst alle GATS-relevanten Maßnahmen der Mitgliedstaaten. Sie erstreckt sich sowohl auf Dienstleistungen als auch auf Dienstleistungserbringer anderer WTO-Mitgliedstaaten, nicht auf die Dienstleistungsnutzer.18 16
„With respect to any measure covered by this Agreement, each Member shall accord immediately and unconditionally to services and service suppliers of any other Member treatment no less favourable than that it accords to like services and service suppliers of any other country.“ 17 So in Artikel VII Absatz 3, VIII, X, XII, XIV, XV, XVI, XXI; vgl. Aufstellung bei Senti, WTO, Rn. 385.
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3. Kap.: Das WTO-Recht als äußerer rechtlicher Rahmen
Ein Konflikt entsteht wie mit der Meistbegünstigungsklausel im GATT, soweit die Entwicklungsgemeinschaften den Handel mit Dienstleistungen in ihre präferentiellen Vereinbarungen einbeziehen.19 III. Handelsbezogene Rechte zum Schutz des geistigen Eigentums Das in der Uruguay-Runde geschlossene Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte und Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS) soll gemäß seiner Präambel einerseits dem Schutz und der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums dienen, andererseits verhindern, dass dadurch wiederum neue Handelsschranken entstehen: „Von dem Wunsch geleitet, Verzerrungen und Behinderungen des internationalen Handels zu verringern, und unter Berücksichtigung der Notwendigkeit, einen wirksamen und angemessenen Schutz der Rechte des geistigen Eigentums zu fördern sowie sicherzustellen, dass die Maßnahmen und Verfahren zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums nicht selbst zu Schranken für den rechtmäßigen Handel werden, . . .“20
Dem zweitgenannten Ziel dient unter anderem die Meistbegünstigungsklausel des Artikels 4 TRIPS: „In Bezug auf den Schutz des geistigen Eigentums werden Vorteile, Vergünstigungen, Sonderrechte und Befreiungen, die von einem Mitglied den Angehörigen eines anderen Landes gewährt werden, sofort und bedingungslos den Angehörigen aller anderen Mitglieder gewährt.“21
Damit erfasst die Meistbegünstigung nicht nur die im TRIPS ausdrücklich geregelten Mindestrechte, sondern alle Normen der WTO-Mitgliedstaaten zum Immaterialgüterschutz.22 18 Pitschas, Übereinkommen über den Handel mit Dienstleistungen (GATS), in: Prieß/Berrisch (Hrsg.), WTO-Handbuch, S. 495, 512. 19 Die Liberalisierung des Dienstleistungshandels ist in AEC, UMA, ECOWAS, SADC, MSG, ASEAN, CAN, MERCOSUR und CARICOM vorgesehen und in einigen dieser Gemeinschaften bereits teilweise verwirklicht; vgl. dazu die Ausführungen oben im 2. Kapitel. 20 „Desiring to reduce distortions and impediments to international trade, and taking into account the need to promote effective and adequate protection of intellectual property rights, and to ensure that measures and procedures to enforce intellectual property rights do not themselves become barriers to legitimate trade; . . .“. 21 „With regard to the protection of intellectual property, any advantage, favour, privilege or immunity granted by a Member to the nationals of any other country shall be accorded immediately and unconditionally to the nationals of all other Members.“ 22 Michaelis/Bender, Handelsrelevante Aspekte des geistigen Eigentums (TRIPS), in: Hilf/Oeter (Hrsg.), WTO-Recht, S. 435, 444.
§ 9 Konfliktpotential: Präferenzen versus Meistbegünstigung
165
Die meisten der genannten Entwicklungsgemeinschaften geraten mit dieser Vorschrift nicht in Konflikt, da sie selbst keine Vorschriften und damit auch keine gegenseitigen Vergünstigungen hinsichtlich der Rechte des geistigen Eigentums vorsehen.23
B. Zollzugeständnisse Gemäß Artikel II Absatz 1 a) GATT gewährt jeder WTO-Mitgliedstaat dem Handel der anderen Mitgliedstaaten eine nicht weniger günstige Behandlung, als in dem betreffenden Teil der entsprechenden Zollzugeständnisliste im Rahmen des GATT vorgesehen ist. Eine Rücknahme von Zollzugeständnissen ist somit nicht zulässig. Sofern Entwicklungsgemeinschaften Zollunionen bilden, geraten einzelne Mitgliedstaaten mit Artikel II Absatz 1 a) GATT in Konflikt, wenn sie für einzelne Waren einen gemeinsamen Außenzoll vereinbaren, der höher liegt, als der von ihnen in den GATT-Listen zugestandene Zoll.24
C. Weiteres materielles WTO-Recht Denkbar sind Widersprüche der internen Rechtsordnungen der Entwicklungsgemeinschaften zu den Regeln und Definitionen des sonstigen materiellen WTO-Rechts, z. B. in den Bereichen der (präferentiellen) Ursprungsregeln, Antidumpingzölle, Subventionen, Ausnahmen i. S. d. Artikels XX GATT und Artikels XIV GATS etwa zum Schutze der öffentlichen Ordnung oder der Umwelt, gesundheitspolizeiliche und pflanzenschutzrechtliche Maßnahmen, handelsbezogene Investitionsmaßnahmen, Ausnahmen zugunsten weniger bzw. der am wenigsten entwickelten Länder oder über die Vergabe öffentlicher Aufträge. Hierauf im Einzelnen einzugehen, würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Grob skizziert lässt sich feststellen, dass Widersprüche zwar den Handel erschweren, indem sie insbesondere Entwicklungsländern mit geringen Verwaltungskapazitäten unnötig viel Aufwand bereiten. Eine Harmonisierung ist wünschenswert. In der Regel führen diese Unterschiede aber nicht zu Rechtskonflikten. Die Regeln und Definitionen der Entwicklungsgemeinschaften können nur für den Intrahandel gelten, nicht für die Beziehungen zu dritten WTO-Mitgliedstaaten. Wer23 Zusammenarbeit oder gemeinsame Vorschriften über die Rechte des geistigen Eigentums beabsichtigen aber u. a. MSG, ASEAN, CAN und CARICOM; vgl. dazu oben die Ausführungen im 2. Kapitel. 24 Zollunionen sind bereits mehr oder weniger vollständig verwirklicht in: MRU, UEMOA, SACU, EAC, GCC, CAN, MERCOSUR und CARICOM. AEC, UMA, GAFTA, COMESA, MCCA und ECOWAS streben die Bildung einer Zollunion an; vgl. dazu die Ausführungen oben im 2. Kapitel.
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3. Kap.: Das WTO-Recht als äußerer rechtlicher Rahmen
den die Drittstaaten dadurch benachteiligt, stellt sich die Frage, ob es sich um nichttarifäre Handelshemmnisse handelt, die gegen den allgemeinen Meistbegünstigungsgrundsatz verstoßen. Maßstab sind dann die bereits genannten Artikel I Absatz 1 GATT, II Absatz 1 GATS und 4 TRIPS.
D. Streitbeilegungsmechanismus Das „Herzstück der WTO“ ist ihr Streitbeilegungssystem.25 Fast alle Entwicklungsgemeinschaften haben eigene Streitbeilegungsmechanismen oder sind dabei, solche aufzubauen.26 Kompetenzkonflikte sind damit vorprogrammiert, so genanntes forum shopping27 wird befürchtet. Auch hierzu würde eine angemessene Analyse an dieser Stelle zu weit führen.28 Grundsätzlich lässt sich sagen, dass die WTO-Streitbeilegungsgremien die ausschließliche Jurisdiktion jedenfalls in Bezug auf die Anwendung des WTO-Rechts haben. Die Streitbeilegungsmechanismen der Entwicklungsgemeinschaften gelten allein für die Auslegung und Anwendung ihres internen Gemeinschaftsrechts. Zu Überschneidungen kann es kommen, wenn Gemeinschaftsrecht völkerrechtskonform im Lichte von WTO-Normen auszulegen ist bzw. andernfalls gegen WTO-Recht verstößt. Hier lassen die bisherigen Regelungen Wünsche offen, z. B. nach einer Vorlagepflicht der Streitbeilegungsgremien der Integrationsgemeinschaften gegenüber dem Dispute Settlement Body der WTO (WTO-DSB) für den Fall, dass die Auslegung von WTO-Recht in einem anhängigen Verfahren streitentscheidend ist. Die von einigen Entwicklungsgemeinschaften, insbesondere dem MCCA und MERCOSUR, getroffenen Kompetenzregeln sind zwar ein Schritt in die richtige Richtung. Durch sie wird den Klägern freigestellt, ob sie ein Verfahren vor dem Streitbeilegungsgremium der Ge25 Hilf, Das Streitbeilegungssystem der WTO, in: Hilf/Oeter (Hrsg.), WTO-Recht, S. 505, 506. 26 Vgl. die Ausführungen oben im 2. Kapitel. 27 Vgl. Kwak/Marceau, Overlaps and Conflicts of Jurisdiction between the World Trade Organization and Regional Trade Agreements, Annuaire Canadien de Droit international 2003, S. 83, 96. 28 Vgl. aber Kwak/Marceau, Overlaps and Conflicts of Jurisdiction between the World Trade Organization and Regional Trade Agreements, Annuaire Canadien de Droit international 2003, S. 83 ff.; Oduor, Resolving Trade Disputes in Africa: Choosing Between Multilateralism and Regionalism: The Case of COMESA and the WTO, Tulane journal of international and comparative law 2005, S. 177 ff.; Pauwelyn, Going Global, Regional or Both? Dispute Settlement in the Southern African Development Community (SADC) and Overlaps with the WTO and Other Jurisdictions, Minnesota journal of global trade 2004, S. 231 ff.
§ 10 Allgemeine WTO-Integrationsordnung
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meinschaft oder dem WTO-DSB führen wollen. Ist die Sache einmal anhängig, ist für sie der Weg zu dem jeweils anderen Streitbeilegungsgremium versperrt. Eine solche Regelung kann jedoch nicht wirksam die Jurisdiktion des WTO-DSB einschränken. Dies sind jedoch Detailfragen, die im Zusammenhang mit dem Nebeneinander weltweiter und regionaler Integration aufkommen.29 Sie beeinflussen nicht die grundsätzliche Vereinbarkeit der Entwicklungsgemeinschaften mit dem Recht der WTO.
E. Ausnahmevorschriften zur Konfliktlösung Es verbleibt somit vor allem der Konflikt der Entwicklungsgemeinschaften mit dem Allgemeinen Meistbegünstigungsprinzip sowie gegebenenfalls mit Artikel II Absatz 1 a) GATT über die Zollzugeständnislisten. Zur Lösung sieht das WTO-Recht verschiedene Ausnahmefälle vor, in denen Verstöße durch Integrationsgemeinschaften unter bestimmten Voraussetzungen gerechtfertigt sein können. Zugleich gelten für die Mitgliedstaaten der Entwicklungsgemeinschaften Sonderregeln für Entwicklungsländer. In welchem Verhältnis die allgemeine WTO-Integrationsordnung und die Sonderregeln für Entwicklungsländer zueinander stehen, welche Voraussetzungen also für die Vereinbarkeit des Rechts der Entwicklungsgemeinschaften mit WTORecht gelten, ist umstritten. Mit diesen Themen beschäftigen sich die folgenden drei Paragraphen.
§ 10 Allgemeine WTO-Integrationsordnung Regionale Integration zwischen Staaten gab es schon lange vor den ersten Bemühungen um eine Welthandelsordnung.30 Das GATT 1947 als Vorläufer 29 Vgl. dazu ausführlich Kwak/Marceau, Overlaps and Conflicts of Jurisdiction Between the World Trade Organization and Regional Trade Agreements, Annuaire Canadien de Droit international 2003, S. 83 ff. 30 Schon 1547–48 gab es Vorschläge für eine Union zwischen England und Schottland, und 1603 die Union of Crowns, 1703 etablierte der Act of Union of England and Scotland eine politische und ökonomische Union. In Frankreich schlug Colberts Plan 1664 fehl, alle Provinzen des Königtums in eine Zollunion mit internem Freihandel zu vereinen, erst von der Revolutionsregierung 1789/90 wurden alle internen Handelsschranken aufgehoben. In Kanada haben Ontario, Quebec, Nova Scotia und New Brunswick 1850 Freihandel von Lebensmitteln und Rohstoffen vereinbart, als eine einheitliche Union wurde 1854 ein Reziprozitätsvertrag mit den USA vereinbart, mit dem alle gegenseitigen Importzölle auf Naturprodukte abgeschafft wurden; 1867 etablierte die Kanadische Konföderation den internen Freihandel. In den USA haben die Amerikanischen Kolonien zunächst ihre verschiedenen Zollsysteme beibehalten. Die 1789 angenommene Verfassung verbot den einzelnen
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3. Kap.: Das WTO-Recht als äußerer rechtlicher Rahmen
der WTO musste mit diesem von ihm vorgefundenen Phänomen umgehen. Mit einem generellen Verbot wären die meisten Vertragsparteien des GATT nicht einverstanden gewesen. Das GATT/WTO-Recht versucht daher das Verhältnis zwischen regionaler und weltweiter Integration durch einige Vorschriften möglichst im Sinne des freien Handels auf beiden Ebenen zu klären. Danach rechtfertigt regionale Integration unter bestimmten Voraussetzungen Verstöße gegen WTO-Recht. Für den Warenhandel wurde die Integrations-Ausnahme schon früh in Artikel XXIV GATT geregelt und seitdem noch nicht wesentlich geändert. In der Uruguay-Runde wurde lediglich eine Vereinbarung über die Auslegung des Artikels XXIV GATT getroffen: „Understanding on the Interpretation of Article XXIV of the GATT“. Am 6. Februar 1996 folgte die Errichtung des Regionalausschusses, dessen Verfahrensordnung am 2. Oktober 1996 beschlossen wurde. Hinsichtlich des neu erfassten Handels mit Dienstleistungen wurde in der Uruguay-Runde eine Ausnahme für Integrationsgemeinschaften in Artikel V GATS vorgesehen. Hingegen wurde in dem in der Uruguay-Runde geschlossenen TRIPS über die handelsbezogenen Rechte des geistigen Eigentums die Beziehung zwischen dieser Vereinbarung und regionalen Vereinbarungen zum geistigen Eigentum unberücksichtigt gelassen. Artikel XXIV GATT, die Vereinbarung über dessen Auslegung und die Entscheidung zur Errichtung des Regionalausschusses und dessen Verfahrensordnung sowie Artikel V und Vbis GATS bilden die Grundlagen der „WTO-Integrationsordnung“.31 Für den Warenhandel können Ausnahmen für Integrationsgemeinschaften zudem gemäß der so genannten Großvater(grandfather clause, Artikel I Absatz 2 GATT) und der so genannten Verzichtsklausel (waiver clause, Artikel XXV Absatz 5 GATT) geltend gemacht werden. Weiter ließe sich Ziffer 2.c) Ermächtigungsklausel in Bezug auf den Warenhandel zur WTO-Integrationsordnung zählen. Da diese aber nicht vorrangig als Teil einer Integrationsordnung, sondern als Ausnahmevorschrift für Entwicklungsländer beschlossen wurde, wird sie nicht an dieser Stelle, Staaten irgendwelche Belastungen auf den Handel mit anderen Staaten zu erheben. 1833 wurde der Deutsche Zollverein etabliert, der von 1834 bis 1871 bestand. Weitere Beispiele lassen sich finden. Vgl. WTO (Hrsg.), Regionalism and the World Trading System, S. 6; Machlup, A History of Thought on Economic Integration; Haberler, Integration and Growth of the World Economy in Historical Perspective, The American Economic Review, 1964, S. 1 ff. 31 So Senti, WTO, Rn. 979, der den Begriff der WTO-Integrationsordnung geprägt hat.
§ 10 Allgemeine WTO-Integrationsordnung
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sondern im Zusammenhang mit den Sonderregeln für Entwicklungsländer erörtert.32
A. Artikel XXIV GATT I. Verhandlungsgeschichte des Artikels XXIV GATT Artikel XXIV GATT ist die bedeutendste Ausnahme von den Regeln des GATT. Er rechtfertigt insbesondere umfassende Abweichungen von der Meistbegünstigungsklausel. So ist es nicht verwunderlich, dass man um ihn in besonderem Maße gerungen hat. Wichtigstes Ziel des GATT war das Wachstum des Welthandels auf der Grundlage der weltweiten Nicht-Diskriminierung. Insbesondere die USA wollten Präferenzhandel mit allen Mitteln verhindern.33 Gleichzeitig waren auch sie an einem politisch geeinten und wirtschaftlich starken Europa interessiert.34 Daher akzeptierten die USA von Anfang an eine Ausnahme für Zollunionen mit einer gemeinsamen Handelspolitik und einem gemeinsamen Außenzoll. Eine entsprechende Klausel war bereits in den Vorschlägen der USA von 1945 für die Verhandlungen enthalten35, die zum Statutenentwurf der Internationalen Handelsorganisation (ITO-Charter) und schließlich zum GATT 1947 geführt haben.36 Die Aufzählung der Kriterien erfolgte ein Jahr später im Entwurf der ITO-Charter. Danach darf die Bildung einer Zollunion nicht mit einer Zollerhöhung für Drittstaaten verbunden sein. Die Zollunion hat grundsätzlich annähernd den gesamten Handel zu erfassen. Es ist nicht erlaubt, sich auf einzelne Produkte oder Produktgruppen zu beschränken.37 Dieser Vorschlag ging in seiner ursprünglichen Form als Artikel 44 in die Havanna-Charta und als Artikel XXIV in das GATT ein.38 32
s. u. unter § 11 B III. WTO (Hrsg.), Regionalism and the World Trading System, S. 8. 34 Bhagwati, The World Trading System at Risk, S. 65; Senti, WTO, S. 452 Rn. 978. 35 U. S. Department of State, Proposals for Expansion of World Trade and Employment, Publication No. 2411, November 1945, Washingotn DC, S. 18, zitiert nach Jackson, World Trade and the Law of GATT, S. 577; vgl. zur Entstehungsgeschichte des Artikels XXIV GATT auch Steinberger, GATT und regionale Wirtschaftszusammenschlüsse, S. 94 ff. 36 Jackson, World Trade and the Law of GATT, S. 577; WTO (Hrsg.), Regionalism and the World Trading System, S. 8. 37 U. S. Department of State, Suggested Charter for an International Trade Organization of the United Nations, Publication No. 2598, September 1946, Washington, DC, Artikel 33, S. 25, zitiert nach Jackson, World Trade and the Law of GATT, S. 577. 33
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3. Kap.: Das WTO-Recht als äußerer rechtlicher Rahmen
Nicht vorgesehen war in diesen ersten Texten hingegen eine Ausnahmeregelung für Freihandelszonen sowie für Übergangsvereinbarungen, die zu Zollunionen oder Freihandelszonen führen. Für Übergangsvereinbarungen wurde die praktische Notwendigkeit von den Vertragsparteien anerkannt und in den Artikel XXIV GATT noch vor Abschluss im Oktober 1947 eingefügt.39 Nach Abschluss des GATT dauerte die Arbeit an einer ITO-Charter auf einer Konferenz der Vereinten Nationen über Handel und Beschäftigung von November 1947 bis März 1948 in Havanna an. Am Ende kamen die GATT-Vertragsparteien zu einem ersten Treffen zusammen. Dort unterbreiteten Libanon und Syrien unterstützt von einigen anderen Entwicklungsländern den Vorschlag, auch Freihandelszonen in die Ausnahmeregelung des Artikels XXIV GATT aufzunehmen, in der die Mitgliedstaaten gegenseitig ihre Handelsschranken aufheben, nach außen aber ihre unterschiedlichen nationalen Handelspolitiken aufrechterhalten. Ein Verzicht auf das Erfordernis der gemeinsamen Außenhandelspolitik sei den Bedürfnissen der Integration zwischen Entwicklungsländern besser angepasst.40 Der Vorschlag wurde schließlich angenommen und 1948 ins GATT aufgenommen.41 Seitdem blieb der Artikel XXIV GATT im Wesentlichen unverändert. Selbst in der Uruguay-Runde wurden lediglich einige Klarstellungen durch die Auslegungsvereinbarung, aber keine Änderung vorgenommen. II. Ziel der Ausnahme des Artikels XXIV GATT Artikel XXIV Absatz 4 GATT benennt den Sinn und Zweck der Ausnahme: „Die Vertragsparteien erkennen an, dass es wünschenswert ist, durch freiwillige Vereinbarungen zur Förderung der wirtschaftlichen Integration der teilnehmenden Länder eine größere Freiheit des Handels herbeizuführen. Sie erkennen ferner an, dass es der Zweck von Zollunionen und Freihandelszonen sein soll, den Handel zwischen den teilnehmenden Gebieten zu erleichtern, nicht aber dem Handel anderer Vertragsparteien mit diesen Gebieten Schranken zu setzen.“42 38 Jackson, World Trade and the Law of GATT, S. 577 m. w. N.; Senti, WTO, Rn. 977; WTO (Hrsg.), Regionalism and the World Trading System, S. 8. 39 Jackson, World Trade and the Law of GATT, S. 577 m. w. N.; WTO (Hrsg.), Regionalism and the World Trading System, S. 8. 40 WTO (Hrsg.), Regionalism and the World Trading System, S. 8; Jackson, World Trade and the Law of GATT, S. 577 f. 41 WTO (Hrsg.), Regionalism and the World Trading System, S. 8: „as a means of blunting developing-country demands for a legitimization of preferences“. 42 „The contracting parties recognize the desirability of increasing freedom of trade by the development, through voluntary agreements, of closer integration between the economies of the countries parties to such agreements. They also recog-
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Die GATT-Vertragsstaaten waren sich grundsätzlich einig, dass Integration auch im kleineren Rahmen, zumindest in Form von Zollunionen und Freihandelszonen, die Freiheit des Handels nicht beschränkt, sondern vergrößert. Daher soll die Bildung von weitergehenden Integrationsgemeinschaften durch das GATT nicht behindert werden. Gleichzeitig wird das Ziel deutlich, bestimmte Bedingungen für diese Integrationsgemeinschaften aufzustellen. Durch diese Bedingungen sollen welthandelsfeindliche von welthandelsfreundlichen Integrationsgemeinschaften unterschieden werden und nur letztere sollen für die GATT-Vertragsparteien zulässig sein. III. Zulässige Integrationsformen Ein Zollgebiet, das sich aus zwei oder mehreren Zollgebieten zusammensetzt, bildet gemäß Artikel XXIV Absatz 8 GATT eine Freihandelszone oder Zollunion. Neben diesen beiden Integrationsformen sind nach dem GATT nur Übergangsvereinbarungen zulässig, die zu einer dieser beiden Formen führen. Andere Formen der Integration können Verstöße gegen das GATT nicht rechtfertigen. 1. Freihandelszone Eine Freihandelszone i. S. d. Artikels XXIV GATT ist gemäß Absatz 8 b) ein Zusammenschluss von Partnerstaaten, die zwar untereinander die Zölle und beschränkenden Handelsvorschriften für annähernd den gesamten Handel mit ursprünglich aus ihren Gebieten stammenden Waren – Ursprungsprodukten – beseitigt haben, die aber gegenüber Drittstaaten weiterhin die verschiedenen Zolltarife der einzelnen Partnerstaaten anwenden.43 2. Zollunion Gemäß Absatz 8 a) ist eine Zollunion i. S. d. Artikel XXIV GATT ein Zusammenschluss von Partnerstaaten, die untereinander die Zölle und beschränkenden Handelsvorschriften für annähernd den gesamten Handel benize that the purpose of a customs union or of a free-trade area should be to facilitate trade between the constituent territories and not to raise barriers to the trade of other contracting parties with such territories.“ Artikel XXIV Absatz 4 GATT wird ganz überwiegend nicht als zusätzliche Voraussetzung, sondern als allgemeines Prinzip, das zur Auslegung des Artikels XXIV GATT herangezogen werden kann, angesehen, so schon Jackson, World Trade and the Law of GATT, S. 600. 43 „A free-trade area shall be understood to mean a group of two or more customs territories in which the duties and other restrictive regulations of commerce (except, where necessary, those permitted under Articles XI, XII, XIII, XIV, XV and XX) are eliminated on substantially all the trade between the constituent territories in products originating in such territories.“
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seitigt haben und die gegenüber Drittstaaten im Wesentlichen dieselben Zölle und Handelsvorschriften, insbesondere einen einheitlichen Außenzolltarif anwenden.44 Eine Zollunion ist also im Wesentlichen eine Freihandelszone, deren Mitglieder zusätzlich einen gemeinsamen Außenzolltarif anwenden. 3. Übergangsvereinbarung Gemäß Artikel XXIV Absatz 5 c) GATT sind vorläufige Vereinbarungen zulässig, die zur Bildung einer Zollunion oder Freihandelszone notwendig sind.45 4. Keine weiteren Integrationsformen Andere Formen der Integration kennt Artikel XXIV GATT nicht. Zum einen formuliert er keine Anforderungen an intensivere Integrationsformen, insbesondere einen Gemeinsamen Markt oder eine Währungsunion.46 Dies mag damit zusammenhängen, dass in der Zeit, als Artikel XXIV GATT entstanden ist, andere Formen vertiefter Integration nicht vorhersehbar waren.47 Integrationsgemeinschaften mit einem gemeinsamen Markt und/oder einer gemeinsamen Währung sind in der Regel zugleich Freihandelszonen und/oder Zollunionen und müssen insofern die für diese geltenden Anforderungen erfüllen. Problematisch wäre lediglich, wenn die gegen das GATT verstoßende Regelung nicht für die Bildung der Freihandelszone oder Zollunion, sondern allein wegen des gemeinsamen Markts oder der gemeinsamen Währung erforderlich wäre. Zum anderen sieht Artikel XXIV GATT keine Präferenzabkommen mit geringerer Integrationsintensität als Freihandelszonen vor. Insbesondere muss die Integration annähernd den gesamten Handel betreffen.48 44 „A customs union shall be understood to mean the substitution of a single customs territory for two or more customs territories, so that i) duties and other restrictive regulations of commerce (except, where necessary, those permitted under Articles XI, XII, XIII, XIV, XV and XX) are eliminated with respect to substantially all the trade between the constituent territories of the union or at least with respect to substantially all the trade in products originating in such territories, and, ii) subject to the provisions of paragraph 9, substantially the same duties and other regulations of commerce are applied by each of the members of the union to the trade of territories not included in the union“. 45 „[O]r the adoption of an interim agreement necessary for the formation of a customs or of a free-trade area“. 46 Zu den üblichen Formen der Wirtschaftsintegration vgl. oben unter § 1 A. II. 47 So Hilpold, Regional Integration According to Article XXIV GATT – Between Law and Politics, Max Planck UNYB 2003, S. 219, 227.
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Auf den ersten Blick erscheint es widersprüchlich, nur Integrationsformen zuzulassen, die zu einem möglichst umfangreichen Abweichen vom Prinzip der Meistbegünstigung führen.49 Dieser Regelung liegt die Annahme zugrunde, dass weniger integrierte Regionalabkommen häufiger Handel umlenkend und seltener Handel schaffend sind als Freihandelszonen und Zollunionen.50 Umgehungen des Meistbegünstigungsprinzips sollen verhindert werden. Würden auch Abkommen mit geringerer Integrationsintensität zugelassen, würde zwar möglicherweise pro Abkommen weniger Handel dem Meistbegünstigungsprinzip entzogen, die Hürden für weitere Abkommen wären aber wesentlich niedriger. Auf diese Weise würde wahrscheinlich letztlich sogar mehr Handel nach den Regeln der Präferenzabkommen und nicht nach der Meistbegünstigungsklausel getrieben werden. Das Kriterium unterschiede im Übrigen die politisch unvermeidbaren von den nicht relevanten Zusammenschlüssen.51 Insgesamt werden Freihandelszonen und Zollunionen als der Ausweitung des Welthandels förderlich angesehen, Präferenzabkommen mit geringerer sachlicher Reichweite nicht.52 IV. Voraussetzungen für die Zulässigkeit In Artikel XXIV GATT werden die Voraussetzungen für die vertragliche Zulässigkeit von Zollunionen, Freihandelszonen und Übergangsvereinbarungen konkretisiert: 1. Erfassung annähernd des gesamten Handels Artikel XXIV Absatz 8 Buchstaben a)53 und b)54 GATT enthält sowohl für die Zollunionen als auch für Freihandelszonen das „substantially-all-the48
Dazu sogleich unter § 10 A. IV. So Dam, The GATT, Law and International Economic Organization, S. 289; Haight, Customs Unions and Free-Trade Areas under GATT, JWTL 1972, S. 398. 50 Vgl. Hilpold, Regional Integration According to Article XXIV GATT – Between Law and Politics, Max Planck UNYB 2003, S. 219, 231; Benedek, Die Rechtsordnung des GATT aus völkerrechtlicher Sicht, S. 64. 51 Roessler, The Relationship Between Regional Integration Agreements and the Multilateral Order, S. 5 f. 52 So sagte der berühmte U. S.-Beamte Clair Wilcox während der Verhandlungen zu Artikel XXIV GATT: „A customs union (with 100% preferences) creates a wider trading area, removes obstacles to competition, makes possible a more economic allocation of resources and thus operates to increase production and raise planes of living. A preferential system (less than 100%) on the other hand, retails internal barriers, obstructs economy in production, and restrains the growth of income and demand. [. . .] A customs union is conducive to the expansion of trade on a basis of multilateralism and non-discrimination; a preferential system is not.“ Zitiert nach Bhagwati, The World Trading System at Risk, S. 65. 49
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trade“ (SAT)-Erfordernis. Danach müssen die Zölle und beschränkenden Handelsvorschriften „für annähernd den gesamten Handel oder wenigstens für annähernd den gesamten Handel mit den aus den teilnehmenden Gebieten der [jeweiligen Zoll-]Union stammenden Waren“ bzw. „für annähernd den gesamten Handel mit den aus den teilnehmenden Gebieten der [jeweiligen Freihandels-]Zone stammenden Waren beseitigt werden.“ Auch diese unbestimmte Formulierung „annähernd den gesamten Handel“ führt von Anfang an zu Meinungsverschiedenheiten. In der Literatur wurden Prozentsätze zwischen 51 und 99 vorgeschlagen.55 In der Diskussion über die Konformität der EWG mit Artikel XXIV GATT waren einige GATT-Vertragsparteien der Ansicht, dass „annähernd der gesamte Handel“ nur dann einbezogen sei, wenn es sich um mindestens 80% des Handels handele.56 Andere hingegen lehnten einen festen Prozentsatz mit der Begründung ab, jede Zollvereinbarung könne nur nach ihren Auswirkungen insgesamt beurteilt werden.57 Umstritten ist darüber hinaus, inwieweit die Formulierung „annähernd der gesamte Handel“ nur Aussagen über die Quantität des Handels insgesamt oder auch über den Ausschluss von Handelssektoren treffen soll. Überwiegend wird angenommen, es dürfe kein wesentlicher Sektor vom Liberalisierungsprogramm des Regionalabkommens der Freihandelszone oder der Zollunion ausgeschlossen sein. Problematisch wurde dies in der Praxis vor allem im Zusammenhang mit dem Ausschluss der Landwirtschaft. So konnte die zuständige GATT-Arbeitsgruppe keine Einigkeit darüber erzielen, ob die EFTA die Anforderungen des Artikel XXIV Absatz 8 GATT erfüllte, obwohl sie wesentliche Teile des Handels mit landwirtschaftlichen Produkten von ihrer Freihandelsvereinbarung ausnahm.58 In der Uruguay-Runde wurde diese Voraussetzung nicht behandelt. Immerhin wurde in der Präambel der Auslegungsvereinbarung im dritten Ab53
Siehe oben 3. Kapitel Fn. 44. Siehe oben 3. Kapitel Fn. 43. 55 Vgl. Hilpold, Regional Integration According to Article XXIV GATT – Between Law and Politics, Max Planck UNYB 2003, S. 219, 235 m. w. N. 56 Vgl. GATT, BISD 6th S (1958), S. 99. 57 Vgl. GATT (Hrsg.), Analytical Index, Genf 1994, S. 766. 58 GATT-Dok. L/1235 vom 4. Juni 1960, insbesondere Absatz 54: „There was, therefore, a divergence of view regarding the justification for including, in estimating the amount of trade within the free-trade area to be freed from barriers in terms of Article XXIV, the trade in agriculture products where imports were freed in the case of one member State only. In the time at its disposal, the Working Party was unable to reach agreement concerning the interpretation which should be given to the relevant provisions of Article XXIV.“; siehe dazu Hilpold, Regional Integration According to Article XXIV GATT – Between Law and Politics, Max Planck UNYB 2003, S. 219, 235; Jackson, World Trade and the Law of GATT, S. 607 ff. 54
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satz anerkannt, dass der Beitrag einer Zollunion oder Freihandelszone zur Ausweitung des Welthandels verringert wird, wenn ein wesentlicher Handelssektor ausgeschlossen wird.59 Probleme wirft darüber hinaus die Formulierung „beschränkende [. . .] Handelsvorschriften“ („other restrictive regulations of commerce“, ORRC) auf. Umstritten ist insbesondere, ob hierunter präferentielle Ursprungsregeln fallen. 2. Keine höhere Belastung von dritten WTO-Mitgliedstaaten als vor der Gründung Gemäß Artikel XXIV Absatz 5 GATT dürfen durch die Gründung von Freihandelsvereinbarungen oder Zollunionen Zölle und andere Handelsregulierungen, die für den Handel mit dritten GATT-Vertragsstaaten auferlegt werden, nicht höher oder stärker beschränkend sein als die Belastung durch Zölle und Handelsregulierungen, die vorher in den Gründungsterritorien galten.60 Dabei sind für Zollunionen gemäß Absatz 5 a) jeweils die Gesamtbelastung, für Freihandelszonen gemäß Absatz 5 b) jeweils die einzelnen Zölle und Belastungen vor und nach der Gründung der Zollunion bzw. der Freihandelszone zu vergleichen. Bereits seit der Londoner Konferenz des Vorbereitungsausschusses 1946 stritt man über die Frage, ob die Begriffe „Gesamtheit“ und „allgemeine Belastung“ sich auf den arithmetischen Durchschnitt aller Zollpositionen 59 Absatz 3 der Präambel der Auslegungsvereinbarung lautet: „Recognizing also that such contribution is increased if the elimination between the constituent territories of duties and other restrictive regulations of commerce extends to all trade, and diminished if any major sector of trade is excluded“. 60 Zollunionen und Übergangsvereinbarungen, Artikel XXIV Absatz 5 a) GATT: „with respect to a customs union, or an interim agreement leading to a formation of a customs union, the duties and other regulations of commerce imposed at the institution of any such union or interim agreement in respect of trade with contracting parties not parties to such union or agreement shall not on the whole be higher or more restrictive than the general incidence of the duties and regulations of commerce applicable in the constituent territories prior to the formation of such union or the adoption of such interim agreement, as the case may be;“ Freihandelszonen und Übergangsvereinbarungen, Artikel XXIV Absatz 5 b) GATT: „with respect to a free-trade area, or an interim agreement leading to the formation of a free-trade area, the duties and other regulations of commerce maintained in each of the constituent territories and applicable at the formation of such free-trade area or the adoption of such interim agreement to the trade of contracting parties not included in such area or not parties to such agreement shall not be higher or more restrictive than the corresponding duties and other regulations of commerce existing in the same constituent territories prior to the formation of the free-trade area, or interim agreement as the case may be“.
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oder auf die Zollbelastung eines einzelnen Produkts beziehen sollten.61 Ebenso war umstritten, ob die gemäß den Zollbindungen anwendbaren oder nur die tatsächlich angewandten Zölle der Berechnung zugrunde gelegt werden sollten.62 Ziffer 2 der Auslegungsvereinbarung konkretisiert die Bewertung in Bezug auf Zollunionen als eine „Gesamtbewertung der gewogenen durchschnittlichen Zollsätze und der tatsächlich erhobenen Zölle“ auf der Grundlage von „Einfuhrstatistiken für einen vorausgegangenen repräsentativen Zeitraum [. . .] für die einzelnen Tariflinien in Wert und Mengen und untergliedert nach WTO-Ursprungsland“, wobei „als Zölle und Belastungen die tatsächlich angewendeten Zollsätze berücksichtigt“ werden.63 Für die gesamte Zollbelastung ist somit das Verhältnis zwischen dem gesamten Importwert und den tatsächlichen Zolleinnahmen entscheidend.64 Problematisch sind dabei Prohibitivzölle, die so hoch sind, dass sie den Import verhindern, also zu keinen Zolleinnahmen führen und daher bei dieser Bewertungsmethode nicht berücksichtigt werden.65 Die Auslegungsvereinbarung verweist in Ziffer 2 a. E. darauf, dass die Gesamtbewertung der Belastung durch andere Handelsregelungen, also nichttarifäre Handelshemmnisse wie mengenmäßige Beschränkungen, schwierig sei und „die Prüfung einzelner Maßnahmen, Regelungen, einbezogener Waren und betroffener Handelsströme erforderlich sein kann.“66 61
Vgl. GATT, Analytical Index, S. 747. Hilpold, Regional Integration According to Article XXIV GATT – Between Law and Politics, Max Planck UNYB 2003, S. 219, 234; zu den Auslegungsstreitigkeiten im Folgenden insbesondere in der GATT-Arbeitsgruppe, die die GATT-Konformität der EWG bewerten sollte, vgl ausführlich Jackson, World Trade and the Law of GATT, S. 610 ff. m. w. N. 63 Ziffer 2 der Auslegungsvereinbarung lautet: „The evaluation under paragraph 5 a) of Article XXIV of the general incidence of the duties and other regulations of commerce applicable before and after the formation of a customs union shall in respect of duties and charges be based upon an overall assessment of weighted average tariff rates and of customs duties collected. This assessment shall be based on import statistics for a previous representative period to be supplied by the customs union, on a tariff-line basis and in values and quantities, broken down by WTO country of origin. The Secretariat shall compute the weighted average tariff rates and customs duties collected in accordance with the methodology used in the assessment of tariff offers in the Uruguay Round of Multilateral Trade Negotiations. For this purpose, the duties and charges to be taken into consideration shall be the applied tares of duty. It is recognized that for the purpose of the overall assessment of the incidence of other regulations of commerce for which quantification and aggregation are difficult, the examination of individual measures, regulation, products covered and trade flows affected may be required.“ 64 Senti, WTO, Rn. 992. 65 Senti, WTO, Rn. 992 Fn. 265. 66 Siehe oben 3. Kapitel Fn. 63. 62
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3. Zeitplan für Interimsvereinbarungen Hinsichtlich der Übergangsvereinbarungen werden darüber hinaus ein Plan und ein Zeitplan für die Bildung einer Zollunion oder einer Freihandelszone innerhalb eines angemessenen Zeitraums verlangt.67 Die Auslegungsvereinbarung konkretisiert diese Voraussetzung dahingehend, dass die „angemessene Zeitspanne“ nur im Ausnahmefall zehn Jahre überschreiten dürfe. Dann müsse dem Rat für Warenverkehrsfreiheit eine ausführliche Begründung für die Notwendigkeit eines längeren Zeitraums geliefert werden.68 4. Materielle persönliche Anforderungen an die Integrationsgemeinschaften? Gemäß Artikel XXIV Absatz 5 GATT schließt das GATT unter bestimmten Voraussetzungen nicht aus, dass „Gebiete von Vertragsparteien zu Zollunionen oder Freihandelszonen zusammengeschlossen“ werden. Vereinzelt ist aus dieser Formulierung abgeleitet worden, dass die Ausnahme des Artikels XXIV Absätze 4 bis 9 GATT nicht für Zollunionen, Freihandelszonen oder Interimsvereinbarungen gelte, an denen Nicht-WTO-Mitglieder beteiligt seien. Für Abkommen mit Drittstaaten sei die Befreiung gemäß Artikel XXIV Absatz 10 GATT geschaffen worden. Diese Auslegung werde durch entsprechende Regelungen im Entwurf der ITO-Charter sowie einzelne Stellungnahmen innerhalb früher GATT-Arbeitsgruppen bestätigt.69 Diese restriktive Auslegung ist in der Praxis nicht aufgegriffen worden. Es lässt sich ihr entgegenhalten, dass die entsprechende Regelung im Entwurf der ITO-Charter gerade nicht ins GATT übernommen wurde. Artikel XXIV Absatz 4 Satz 2 GATT erkennt die handelserleichternde Wirkung von Zollunionen und Freihandelszonen an, ohne nach Teilnehmern zu unterscheiden. Ein Vorteil von regionalen Integrationsgemeinschaften ist es, dass durch sie Handelsschranken auch von Staaten abgebaut wer67 Artikel XXIV Absatz 5 c) GATT: „any interim agreement referred to in sub-paragraphs 5 a) and b) shall include a plan and schedule for the formation of such a customs union or of such a free-trade area within a reasonable length of time.“ 68 Ziffer 3 der Auslegungsvereinbarung: „The ‚reasonable length of time‘ referred to in paragraph 5 c) of Article XXIV should exceed 10 years only in exceptional cases. In cases where Members parties to an interim agreement believe that 10 years would be insufficient they shall provide a full explanation to the Council for Trade in Goods of the need for a longer period.“ 69 Steinberger, GATT und regionale Wirtschaftszusammenschlüsse, S. 129 ff., 196 Choi, Legal Problems of Making Regional Trade Agreements with Non-WTOMembers, JIEL 2005, S. 825, 834 ff., 836.
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den, die nicht am multilateralen Handelssystem der WTO teilnehmen. Je nach Ausgestaltung der Integrationsabkommen wird der faktische Anwendungsbereich von WTO-Regeln durch die Übernahme in diese Abkommen räumlich erweitert. Einen Grund, weshalb Abkommen, an denen Drittstaaten beteiligt sind, anders behandelt werden sollten, als solche ausschließlich zwischen WTO-Mitgliedstaaten, ist nicht ersichtlich. Auch die systematische Auslegung widerlegt seit der Uruguay-Runde die restriktive Auffassung. Denn Artikel V Absatz 1 GATS ist diesbezüglich klar formuliert. Er lässt Übereinkünfte zu, „die den Handel mit Dienstleistungen zwischen oder unter den Vertragsparteien der Übereinkunft liberalisiert“. Eine Beschränkung der zulässigen Vertragsparteien einer solchen Übereinkunft enthält Artikel V GATS nicht.70 In der Praxis wird der Handel mit Dienstleistungen regelmäßig erst nach dem Warenhandel liberalisiert. Eine unterschiedliche Behandlung der Freihandelszonen und Zollunion gemäß Artikel XXIV GATT und der Integrationsgemeinschaften gemäß Artikel V GATS in Bezug auf die an ihnen teilnehmenden Staaten liefe daher ins Leere. V. Notifizierungspflicht Aus Artikel XXIV Absatz 7 Buchstabe a) GATT71 ergibt sich eine Notifizierungspflicht für die Vertragsparteien des GATT, die einer Zollunion, einer Freihandelszone oder einer Übergangsvereinbarung beitreten wollen, gegenüber den VERTRAGSPARTEIEN72. Sie ist als Pflicht formuliert. Da Absatz 5, der die Voraussetzungen benennt, nicht auf die Notifizierung ver70
Dies räumt auch Choi ein: Choi, Legal Problems of Making Regional Trade Agreements with Non-WTO-Members, JIEL 2005, S. 825, 806. Sein Ergebnis, WTO-Mitgliedstaaten, die Abkommen i. S. d. Artikels XXIV GATT mit Drittstaaten schließen wollten, müssten zunächst Abkommen gemäß Artikel V GATS schließen und hoffen, dass sie die beteiligten Drittstaaten im Rahmen der Dienstleistungsintegration von einem WTO-Beitritt überzeugen könnten, kann kaum überzeugen. 71 „Any contracting party deciding to enter into a customs union or free-trade area, or an interim agreement leading to the formation of such a union or area, shall promptly notify the CONTRACTING PARTIES and shall make available to them such information regarding the proposed union or area as will enable them to make such reports and recommendations to contracting parties as they may deem appropriate.“ 72 Das GATT 1947 verwendete den Begriff VERTRAGSPARTEIEN in Großbuchstaben, soweit die gemeinsam handelnden Vertragsparteien gemeint waren. Das GATT 1994 behält diese Verwendung bei. Sie wird im Folgenden übernommen. In Absatz 2 b) des einführenden Texts zum GATT 1994 wird erläutert, dass die Verweise auf die gemeinsam handelnden Vertragsparteien in wenigen bestimmten Fällen als Verweise auf die WTO verweisen. Im Übrigen wird die Ministerkonferenz der WTO beauftragt, die Aufgaben zuzuweisen, die das GATT den gemeinsam handelnden Vertragsparteien überträgt.
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weist, ist davon auszugehen, dass es sich nicht um eine weitere Zulässigkeitsvoraussetzung handelt. Sie ist jedenfalls bislang in der Praxis noch nie als solche geprüft oder auch nur ins Gespräch gebracht worden. Der zeitliche Rahmen, innerhalb dessen die Notifizierung zu erfolgen hat, ist durch die Formulierungen „beschließt, [. . .] beizutreten“ („deciding to enter“ und „notifiziert dies unverzüglich“ („shall promptly notify“) nur unzureichend geregelt. Deren Auslegung ist umstritten. Es wird vertreten, dass die Notifizierung zumindest vor Inkrafttreten des Integrationsabkommens erfolgen müsse. Tatsächlich wurden bisher zahlreiche Abkommen erst nach ihrem Inkrafttreten notifiziert.73 Während diese Notifizierungspflicht zunächst lediglich als solche bestand, und vom GATT nicht ausdrücklich eine Prüfung vorgesehen war74, schreibt die Auslegungsvereinbarung eine Prüfung fest. Gemäß Ziffer 7 der Auslegungsvereinbarung75 werden alle Notifizierungen nach Artikel XXIV Absatz 7 Buchstabe a) GATT von einer Arbeitsgruppe anhand der GATTVorschriften geprüft. Ihre Feststellungen legt die Arbeitsgruppe dem Rat für Warenverkehr vor, der an die Mitglieder die für angemessen erachteten Empfehlungen richtet. Hinsichtlich der Übergangsvereinbarungen kann die Arbeitsgruppe darüber hinaus in ihrem Bericht angemessene Empfehlungen zu dem vorgesehenen Zeitrahmen und den erforderlichen Maßnahmen aussprechen. Falls erforderlich, kann sie gemäß Ziffer 876 eine weitere Prüfung der Übereinkunft veranlassen. Als Arbeitsgruppe in diesem Sinne wurde 1996 der Regionalausschuss eingesetzt. VI. Rechtsfolgen bei Erfüllung/Nichterfüllung der Voraussetzungen Gemäß Artikel XXIV Absatz 5 GATT schließt das GATT die den genannten Definitionen und Voraussetzungen entsprechenden Integrations73
WTO, Negotiating Group on Rules, Compendium of Issues Related to Regional Trade Agreements, Background Note by the Secretariat, TN/RL/W/8/Rev.1 vom 1. August 2002, S. 5. 74 Zur Praxis unter dem GATT 1947 siehe unten unter § 10 A. VII. 75 „All notifications made under paragraph 7 a) of Article XXIV shall be examined by a working party in the light of the relevant provisions of GATT 1994 and of paragraph 1 of this Understanding. The working party shall submit a report to the Council for Trade in Goods on its findings in this regard. The Council for Trade in Goods may make such recommendations to Members as it deems appropriate.“ 76 „In regard to interim agreements, the working party may in its report make appropriate recommendations on the proposed time-fame and on measures required to complete the formations of the customs union or free-trade area. It may if necessary provide for further review of the agreement.“
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gemeinschaften nicht aus („shall not prevent“).77 GATT-Vertragsparteien verstoßen somit nicht gegen das Meistbegünstigungsprinzip oder andere Vorschriften des GATT, wenn sie Zollunionen, Freihandelszonen oder Übergangsvereinbarungen gründen oder beitreten, die die zwei genannten Voraussetzungen erfüllen, und den geplanten Beitritt notifizieren. Einer Zollunion, die die Voraussetzungen des Artikels XXIV Absatz 5 a) GATT erfüllt, kommt zudem die Privilegierung gemäß Artikel XXIV Absatz 6 GATT zugute. WTO-Mitgliedstaaten, die zur Teilnahme an einer Zollunion Zollsätze entgegen Artikel II GATT erhöhen wollen, müssen zwar das Änderungsverfahren gemäß Artikel XXVIII GATT einhalten. Bei der ausgleichenden Regelung wird aber zu ihren Gunsten der Ausgleich berücksichtigt, der sich bereits aus der Herabsetzung der entsprechenden Zollsätze der anderen an der Zollunion teilnehmenden Gebiete ergibt. Auch hier wird somit eine Gesamtbetrachtung vorgenommen. Bei Vorliegen der Voraussetzungen tritt der Ausnahmetatbestand automatisch ein. Es bedarf nach dem Wortlaut des Artikels XXIV GATT keiner weiteren Prüfung oder Genehmigung durch die Vertragsparteien. Die Auslegungsvereinbarung sieht zwar in Ziffer 778 eine Prüfung vor, sie zieht aber lediglich die schon in Artikel XXIV GATT genannten „Empfehlungen“ an die Mitglieder nach sich.79 Selbst solche „Empfehlungen“ sind bislang noch nie ausgesprochen worden.80 Aus dieser Prüfungs- und Empfehlungsbefugnis der WTO kann nicht auf ein Bewilligungserfordernis geschlossen werden. Dies folgt auch aus dem Umkehrschluss zu Absatz 10, der Ausnahmen für den Fall vorsieht, dass die VERTRAGSPARTEIEN einen entsprechenden Vorschlag annehmen. Eine solche Regelung ist in den Absätzen 5–9 nicht enthalten. Für den Fall, dass die Voraussetzungen nicht vollständig erfüllt werden, sieht Artikel XXIV Absatz 10 GATT die Möglichkeit vor, dass die GATTVertragsparteien „Vorschläge“ mit einer 2/3-Mehrheit „annehmen“, die zwar nicht mit den genannten Erfordernissen in Einklang stehen, aber „zur Bildung einer Zollunion oder einer Freihandelszone im Sinne dieses Artikels führen.“81 Danach wird der Ausnahmetatbestand erst durch den Beschluss der GATT-Vertragsparteien erfüllt. 77
Der „chapeau“ des Absatzes 5 lautet: „Accordingly, the provisions of this Agreement shall not prevent, as between the territories of contracting parties, the formation of a customs union or free-trade area or the adoption of an interim agreement necessary for the formation of a customs union or of a free-trade area; Provided that [. . .]“. 78 Siehe oben 3. Kapitel Fn. 75. 79 So auch Steinberger, GATT und regionale Wirtschaftszusammenschlüsse, S. 197. 80 So Senti, WTO, Rn. 995.
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Im Übrigen führt die Nichterfüllung der Voraussetzungen des Artikels XXIV GATT dazu, dass die Ausnahme nicht greift und es bei einem Verstoß gegen das GATT bleibt. In den meisten Fällen geht es dabei um einen Verstoß gegen die Meistbegünstigungsklausel. Deren Rechtswirkung ist, dass dritte WTO-Mitglieder Anspruch auf eine ebenso günstige Behandlung haben, wie die Mitglieder der nicht mit Artikel XXIV GATT konformen Integrationsgemeinschaft.82 VII. Die Praxis der GATT-Arbeitsgruppen und des Regionalausschusses Vor Gründung der WTO wurden zur Prüfung der Vereinbarkeit von Regionalabkommen mit Artikel XXIV GATT Ad-hoc-Arbeitsgruppen eingesetzt, die auf der Grundlage des Einstimmigkeitsprinzips arbeiteten. Von 1947 bis 1994 waren 98 Vereinbarungen gemäß Artikel XXIV GATT notifiziert worden.83 Von 69 Arbeitsgruppen, die ihre Arbeit bis Ende 1994 vollendet hatten, konnten lediglich sechs Einigkeit über die Frage der Konformität der von ihnen zu untersuchenden Zollunion oder Freihandelszone mit Artikel XXIV GATT erzielen.84 Der bedeutendste dieser Fälle war die Zollunion zwischen der Tschechischen und der Slowakischen Republik nach dem Auseinanderfallen der Tschechoslowakischen Republik am 1. Januar 1993.85 Vor allem hinsichtlich der EWG zeigten sich erhebliche Differenzen. Die Arbeitsgruppe gelangte in ihrem Bericht von 1958 zu keinen einheitlichen Schlussfolgerungen. Umstritten war insbesondere die Bewertung der EWGRegeln im Bereich der Landwirtschaft.86 In Bezug auf die Assoziation der überseeischen Länder und Gebiete stellte sie fest, dass die Vorschläge der EWG mit Artikel XXIV GATT unvereinbar seien.87 Über die Vereinbarkeit 81 „The CONTRACTING PARTIES may by a two-thirds majority approve proposals which do not fully comply with the requirements of paragraphs 5 to 9 inclusive, provided that such proposals lead to the formation of a customs union or a free-trade area in the sense of this Article.“ 82 Dazu oben unter § 9 A I. 83 Vgl. Zusammenstellung bei WTO, Regionalism and the World Trading System, S. 77 ff.; nachgedruckt bei Hummer/Weiss, Vom GATT 1947 zur WTO ’94, S. 191. 84 WTO, Regionalism and the World Trading System, S. 3. 85 GATT-Dok. L/7212 vom 30. April 1993, Add. 1 vom 12. Mai 1993 und GATT-Dok. L/7501 vom 15. Juli 1994; siehe auch Hilpold, Regional Integration According to Article XXIV GATT – Between Law and Politics, Max Planck UNYB 2003, S. 219, 236 Fn. 43 m. w. N. sowie Sutherland et al., The Future of the WTO – Addressing Institutional Challenges in the New Millennium, Report by the Consultative Board to the Director-General Supachai Panitchpakdi, 2004, S. 22. 86 BISD 6 S (1958), 68 ff.
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3. Kap.: Das WTO-Recht als äußerer rechtlicher Rahmen
der EWG wurde nie abschließend entschieden.88 Mittlerweile ist die EG neben ihren Mitgliedstaaten formal Mitglied der WTO. Hierin liegt wohl ein De-facto-Anerkenntnis ihrer grundsätzlichen Zulässigkeit. Über die Konformität einzelner Maßnahmen, Vertragsänderungen und Erweiterungen mit Artikel XXIV GATT wird dadurch allerdings keine Aussage getroffen. Stärker noch als bei der EWG ließ der weitgehende Ausschluss der Landwirtschaft aus der EFTA die Arbeitsgruppe an der GATT-Konformität der EFTA zweifeln. Auch hier erging keine Entscheidung.89 Wegen der zunehmenden Bedeutung und Proliferation von regionalen Handelsabkommen wurde am 6. Februar 1996 auf Vorschlag Kanadas der Regionalausschuss (Ausschuss des Allgemeinen Rats für regionale Handelsabkommen, Committee on Regional Trade Agreements, CRTA, im Folgenden: Regionalausschuss) gegründet.90 Er soll vor allem die regionalen Handelsabkommen auf ihre Vereinbarkeit mit den verschiedenen WTOVorschriften prüfen und den regionalen Integrationsgemeinschaften gegebenenfalls Änderungen empfehlen sowie Vorschläge zu einer wirksameren Prüfung regionaler Integrationsgemeinschaften erarbeiten.91 Bislang hat der Regionalausschuss zwar die Prüfung zahlreicher Integrationsgemeinschaften durchgeführt, sich aber in keinem (!) Fall auf einen abschließenden Bericht einigen können. Teilweise wird dies darauf zurückgeführt, dass die beteiligten Mitgliedstaaten befürchten, der Inhalt des Berichts könnte anschließend in einem etwaigen Streitbeilegungsverfahren gegen sie verwendet werden.92 Die Schwäche des Verfahrens des Regionalausschusses stellt einen Hauptkritikpunkt an dem ohnehin immer wieder kritisierten Artikel XXIV GATT dar.93 Einige Kritiker gehen davon aus, dass Artikel XXIV GATT aus diesem Grund bislang ohne Einfluss auf die tatsächliche Entwicklung geblieben ist.94 Änderungsvorschläge betreffen unter anderem den Zeitpunkt der Prüfung, der nach Ansicht mancher vor den Abschluss der regionalen Verein87
BISD 6 S (1958), S. 76, 87 ff., 96. Vgl. Benedek, Die Rechtsordnung des GATT aus völkerrechtlicher Sicht, S. 66 f. 89 BISD 9 S (1961), S. 70 ff. 90 WTO-Dok. WT/L/127 vom 7. Februar 1996. 91 Senti, WTO – System und Funktionsweise der Welthandelsordnung, Rn. 313. 92 WTO, Negotiating Group on Rules, Compendium of Issues Related to Regional Trade Agreements, Background Note by the Secretariat, TN/RL/W/8/Rev.1 vom 1. August 2002, S. 8. 93 Benedek, Die Rechtsordnung des GATT aus völkerrechtlicher Sicht, S. 65 f. 94 Vgl. WTO, Regionalism and the World Trading System, S. 3 ff.; vgl. auch Jackson, World Trade and the Law of GATT, S. 621. 88
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barung oder deren Änderung verlegt werden sollte. In diesem Zusammenhang wird erwogen, die einzelnen Abkommen in einem gemeinsamen Forum zu prüfen. So könnte man sich generell über die Auslegung der Regeln einigen und müsste nicht in jedem Einzelfall wieder diskutieren. Zugleich wären die Beteiligten sich ihrer Doppelrolle als Mitglieder einer regionalen Gemeinschaft und Dritte hinsichtlich einer anderen bewusst.95 Weiter mehren sich die Stimmen, die darauf hinweisen, dass bei der Prüfung die Wirkung sich überschneidender Integrationsgemeinschaften berücksichtigt werden sollte.96 VIII. Entscheidungen im Streitbeilegungsverfahren In der Uruguay-Runde ist die Vereinbarung über Regeln und Verfahren zur Beilegung von Streitigkeiten (Dispute Settlement Understanding, DSU) geschlossen worden. Unter dem GATT 1947 waren seit Mitte der 1950er Jahre Expertengremien (GATT 1947-Panel) für die Streitbeilegung zuständig. Ihre Entscheidungsvorschläge (Panel Reports) wurden allerdings gemäß dem Prinzip des positiven Konsenses erst wirksam, wenn sie von allen GATT-Vertragsparteien angenommen wurden. Diese Blockademöglichkeit insbesondere der jeweils unterlegenen Partei schwächte zumindest das Vertrauen in die Wirksamkeit des Streitbeilegungssystems.97 Mit dem DSU ist das Streitbeilegungsverfahren zu den Expertengremien (Panel) um eine zweite ständige Streitbeilegungsinstanz (Appellate Body) und ein übergeordnetes, politisches Entscheidungsgremium (Dispute Settlement Body) ergänzt worden.98 Scheitern Konsultationen, Gute Dienste, Vergleich und/oder Vermittlung, setzt der Dispute Settlement Body auf Antrag einer beschwerdeführenden Partei gemäß Artikel 6 DSU ein Panel ein. Das Panel-Verfahren endet gemäß Artikel 12 Absatz 7 DSU mit der Vorlage eines Berichts, in dem das Panel seine Sachverhaltsfeststellungen, die Rechtslage und einen begründe95
WTO, Regionalism and the World Trading System, S. 4. Vgl. Darstellung bei Kodama, Asia Pacific Economic Integration and the GATT/WTO Regime, S. 167 ff. 97 Hilf, Das Streitbeilegungssystem der WTO, in: Hilf/Oeter (Hrsg.), WTO-Recht, S. 505, 507 f. 98 Hilf, Das Streitbeilegungssystem der WTO, in: Hilf/Oeter (Hrsg.), WTO-Recht, S. 505, 509; einen Überblick über die wesentlichen Änderungen durch das DSU bietet ders., Streitbeilegung in der Welthandelsorganisation (WTO), in: Marauhn (Hrsg.), Streitbeilegung in den internationalen Wirtschaftsbeziehungen, S. 1, 6 ff.; ders., Allgemeine Prinzipien in der welthandelsrechtlichen Streitbeilegung, in: Hatje (Hrsg.), Der Binnenmarkt als Daueraufgabe, S. 173, 176 ff. 96
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3. Kap.: Das WTO-Recht als äußerer rechtlicher Rahmen
ten Entscheidungsvorschlag darlegt (Panel Report). Hiergegen können die streitenden Parteien beim Appellate Body Rechtsmittel erheben, der im Verfahren gemäß Artikel 17 DSU einen entsprechenden Bericht erstellt (Appellate Body Report). Der Panel Report bzw., falls Rechtsmittel erhoben wurden, der Appellate Body Report wird vom Dispute Settelement Body angenommen, sofern seine Mitglieder nicht innerhalb von 60 bzw. 30 Tagen im Konsens beschließen, ihn nicht anzunehmen (Prinzip des negativen Konsenses, Artikel 16 Absatz 4, 17 Absatz 14 DSU). 1. Justitiabilität des Artikels XXIV GATT Unter dem GATT 1947 war es umstritten, ob Artikel XXIV GATT justitiabel oder lediglich der politischen Beurteilung durch eine Arbeitsgruppe zugänglich ist. Zwar hat es verschiedene Versuche von GATT-Panels gegeben, Artikel XXIV GATT auszulegen.99 Doch keiner der Panel-Reports erreichte die zur Annahme erforderliche Einstimmigkeit der GATT-VERTRAGSPARTEIEN. Von einigen ist daraus abgeleitet worden, dass ein Panel nicht die Kompetenz habe, über diese Frage zu entscheiden, sondern dies allein Aufgabe des Regionalausschusses sei, oder dass die Prüfungskompetenz der Panels zumindest stark eingeschränkt sei.100 In Ziffer 12 der Auslegungsvereinbarung wird klargestellt, dass Artikel XXIV GATT uneingeschränkt justitiabel ist. Dort heißt es: „Die Mitglieder können sich in Bezug auf alle Angelegenheiten, die sich aus der Anwendung der Bestimmungen des Artikels XXIV betreffend Zollunionen, Frei[handels]zonen oder vorläufige Übereinkünfte zur Bildung einer Zollunion oder Frei[handels]zone ergeben, auf die Artikel XXII und XXIII des GATT 1994, ergänzt und ausgelegt durch die Streitbeilegungsvereinbarung, berufen.“101 99 „European Community – Tariff Treatment on Imports of Citrus Fruit from Certain Countries of the Mediterranean Region“, Panel Report vom 7. Februar 1985, GATT-Dok. L/5776, nicht angenommen; „EEC – Member States Import Regimes for Bananas“ („EC – Bananas I“), Panel Report vom 3. Juni 1993, DS32/R, nicht angenommen; „EEC – Member States Import Regimes for Bananas“ („EC – Bananas II“), Panel Report vom 11. Februar 1994, DS38/R, nicht angenommen. Von den Parteien erwähnt, aber nicht vom Panel aufgegriffen wurde Artikel XXIV GATT ferner in: „German Exchange Rate Scheme for Deutsche Airbus“, Panel Report vom 4. März 1992, SCM/142 (Artikel XXIV Absatz 4 GATT); „Panel on Newsprint“, Panel Report vom 17. Oktober 1984, GATT-Dok. L/5680 (Artikel XXIV Absatz 6 GATT). 100 So etwa Indien in seiner Argumentation im Fall „India – Quantitative Restrictions on Imports of Agricultural, Textile and Industrial Products“: Panel Report vom 6. April 1999, WTO-Dok. WT/DS90/R; Appellate Body Report vom 23. August 1999, WTO-Dok. WT/DS90/AB/R, angenommen am 22. September 1999. Vgl. Appellate Body Report, WTO-Dok. WT/DS90/AB/R, Absätze 11 und 12.
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Während das Panel im Streitfall „Turkey – Restrictions on Imports of Textile and Clothing Products“ die Frage der Vereinbarkeit eher der politischen Einschätzung überlassen wollte102, hat der Appellate Body festgestellt, dass dies eine justitiable Rechtsfrage sei, aufgrund derer die Vereinbarkeit eines Präferenzabkommens punktuell beurteilt werden könne103. Diese Auffassung wurde im Fall „Canada – Certain Measures Affecting the Automotive Industry“ bestätigt.104 2. Umgehung einer Entscheidung über die Kompatibilität mit Artikel XXIV GATT in dem Streit „European Communities – Regime for the Importation, Sale and Distribution of Bananas“ Der Rechtsstreit „European Communities – Regime for the Importation, Sale and Distribution of Bananas“105 wurde um die WTO-Konformität der Bananenmarktordnung der EG geführt.106 Diese sah den präferentiellen Zugang von Bananen aus den AKP-Staaten gemäß den mit diesen Staaten geschlossenen Lomé IV-Vereinbarungen vor.107 101
„The provisions of Articles XXII and XXIII of GATT 1994 as elaborated and applied by the Dispute Settlement Understanding may be invoked with respect to any matters arising from the application of those provisions of Article XXIV relating to customs unions, free-trade areas or interim agreements leading to the formation of a customs union or free-trade area.“ Klammerzusatz nicht in der Übersetzung durch die EU. 102 Panel Report „Turkey – Restrictions on Imports of Textile and Clothing Products“ vom 31. Mai 1999, WTO-Dok. WT/DS34/R, Absatz 9.121 und 9.153. 103 Appellate Body Report „Turkey – Restrictions on Imports of Textile and Clothing Products“ vom 22. Oktober 1999, WTO-Dok. WT/DS/34/AB/R, angenommen am 19. November 1999, Absatz 60; ausführlicher dazu unten unter § 10 A. VIII. 3. b) 104 Panel Report „Canada – Certain Measures Affecting the Automotive Industry“ vom 11. Februar 2000, WTO-Dok. WT/DS139/R und WTO-Dok. WT/DS142/R, Absätze 6.119 und 10.55 f. und WTO-Dok. WT/DS139/AB/R und WTO-Dok. WT/ DS142/AB/R, Appellate Body Report „Canada – Certain Measures Affecting the Automotive Industry“ vom 31. Mai 2000, angenommen am 19. Juni 2000, Absatz 185. 105 „European Communities – Regime for the Importation, Sale and distribution of Bananas“: Panel Report vom 22. Mai 1997, WTO-Dok. WT/DS27/R/ECU, WTO-Dok. WT/DS27/R/GTM, WTO-Dok. WT/DS27/R/MEX, WTO-Dok. WT/ DS27/R/USA; Appellate Body Report vom 9. September 1997, WTO-Dok. WT/ DS27/AB/R, angenommen am 25. September 1997. 106 Verordnung des Rates (EWG) Nr. 404/93 vom 13. Februar 1993 über die Gemeinsame Marktordnung für Bananen, ABl. L 47 vom 25. Februar 1993, S. 1. 107 AKP-EWG-Abkommen von Lomé vom 28. Februar 1975, ABl. Nr. L 25 vom 30. Januar 1976, S. 2 (Lomé I); Zweites AKP-EWG-Abkommen vom 31. Oktober 1979, ABl. L 347 vom 22. Dezember 1980, S. 147 (Lomé II); Drittes AKPEWG-Abkommen vom 8. Dezember 1984, ABl. L 86 vom 31. März 1986, S. 3
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3. Kap.: Das WTO-Recht als äußerer rechtlicher Rahmen
Bereits unter dem GATT 1947 hatten die Lomé-Vereinbarungen und die sich darauf gründende Bananenmarktordnung der EWG zu Streitigkeiten geführt. Es wurden zwei so genannte Bananen-Panel 108 eingesetzt, deren Entscheidungen aber nicht angenommen wurden. Die GATT 1947-Panel-Entscheidungen befassten sich im Kern mit der Frage der Vereinbarkeit der Lomé-Vereinbarung und der Bananenmarktordnung mit Artikel XXIV und Teil IV des GATT. Beide Panels entschieden, dass die präferentielle Behandlung der Bananen-Importe aus AKP-Staaten gemäß der jeweils streitgegenständlichen Fassung der EWG-Bananenmarktordnung gegen Artikel 1 Absatz 1 GATT verstoße und nicht durch Artikel XXIV GATT gerechtfertigt sei. Die Lomé-Vereinbarungen stellten demnach mangels Reziprozität keine Freihandelszonen im Sinne des Artikels XXIV GATT dar, da sie lediglich einseitige Präferenzen gewährten. Teil IV des GATT gewähre selbst keine Ausnahmen von Artikel I GATT und ändere nicht die Anforderungen des Artikels XXIV GATT.109 Zwar hatte die EWG die Annahme der Panel-Entscheidungen verhindert und bestritt auch weiterhin deren Richtigkeit. Dennoch erwirkte sie in der Folge die Erteilung einer Befreiung (waiver) gemäß Artikel XXV Absatz 5 GATT für die Lomé IV-Vereinbarung.110 Dabei wies sie ausdrücklich darauf hin, dass ihr Antrag auf Erteilung der Befreiung nichts an ihrer Position ändere, dass die Lomé-Konvention vollständig mit den Verpflichtungen aus Artikel XXIV GATT im Lichte des Teils IV GATT vereinbar sei.111 Weder das Panel noch der Appellate Body gingen auf das Argument der EG ein, die Bananenmarktordnung sei durch Artikel XXIV GATT gerechtfertigt.112 Sie befassten sich stattdessen mit der Auslegung des Lomé(Lomé III); Viertes AKP-EWG-Abkommen vom 15. Dezember 1989, ABl. L 229 vom 17. August 1991, S. 3 (Lomé IV). 108 „EEC – Member States Import Regimes for Bananas“ („EC – Bananas I“), Panel Report vom 3. Juni 1993, DS32/R, nicht angenommen; „EEC – Member States Import Regimes for Bananas“ („EC – Bananas II“), Panel Report vom 11. Februar 1994, DS38/R, nicht angenommen; s. o. 3. Kapitel Fn. 99. 109 „EC – Bananas I“, Panel Report vom 3. Juni 1993, DS32/R, Rz. 358 ff., 364 ff.; „EC – Bananas II“, Panel Report vom 11. Februar 1994, DS38/R, Rz. 156 ff., 162 ff. 110 The Fourth ACP-EEC Convention of Lomé, Decision of the Contracting Parties of 9 December 1994, GATT-Dok. L/7604, 19 December 1994 (the „Lomé Waiver“); EC – The Fourth ACP-EC Convention of Lomé, Extension of Waiver, Decision of the WTO General Council of 14 October 1996, WTO-Dok. WT/L/186, 18 October 1996; dazu ausführlich Noor-Abdi, The Lomé IV Convention: The Legal and Socio-Economic Aspects of African, Caribbean and Pacific States (ACP) and the European Community (EC) Cooperation. 111 The Fourth ACP-EEC Convention of Lomé, Decision of the Contracting Parties of 9 December 1994, GATT-Dok. L/7604, 19 December 1994, 5. Beweggrund. 112 Appellate Body Report, WTO-Dok. WT/DS27/AB/R, Absatz 25.
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Waiver 113. Dabei kam der Appellate Body zu dem Schluss, dass die Bananenmarktordnung nicht von dem Lomé-Waiver gedeckt sei.114 3. „Turkey – Restriction on imports of textile and clothing products“ In dem Rechtsstreit zwischen Indien und der Türkei „Turkey – Restrictions on imports of textile and clothing products“115 bezog der Appellate Body zum ersten Mal zur Bedeutung und Auslegung des Artikels XXIV GATT Stellung. a) Sachverhalt Dem Streit lag eine Entscheidung des Türkei-EG-Assoziationsrates vom 6. März 1995 zugrunde. Die Entscheidung sollte im seit Abschluss des Freihandelsabkommens 1963 währenden Integrationsprozess zwischen der Türkei und der EG dazu dienen, die Zollunion zu vollenden. Artikel 12 Absatz 2 der Entscheidung verpflichtete die Türkei, in Übereinstimmung mit Artikel XXIV GATT im Textilsektor im Wesentlichen die gleiche Handelspolitik anzuwenden wie die EG, einschließlich der Vereinbarungen über den Handel mit Textilien und Kleidung.116 Daraufhin führte die Türkei mengen113
Appellate Body Report, WTO-Dok. WT/DS27/AB/R, Absatz 164 ff. Als Reaktion darauf schlossen die EG und die AKP-Staaten später das Abkommen von Cotonou; vgl. dazu oben unter § 3 C. Für das Abkommen von Cotonou und die Übergangszeit hat die WTO-Ministerkonferenz jeweils einen waiver erteilt, WTO-Dok. WT/MIN(01)/16 und WTO-Dok. WT/MIN(01)/15 vom 14. November 2001. Zu den Schwierigkeiten des neuen Systems im Hinblick auf die Vereinbarkeit mit WTO-Recht vgl. Matambalya/Wolf, The Cotonou Agreement and the Challenges of Making the New EU-ACP Trade Regime WTO Compatible, JWT 2001, S. 123–144. 115 „Turkey – Restrictions on imports of textile and clothing products“: Panel Report vom 31. Mai 1999, WTO-Dok. WT/DS34/R; Appellate Body Report vom 22. Oktober 1999, WTO-Dok. WT/DS34/AB/R, angenommen am 19. November 1999; siehe auch die Besprechungen von Hilpold, Regional Integration According to Article XXIV GATT – Between Law and Politics, Max Planck UNYB 2003, S. 219–260; Mathis, WTO, Turkey – Restrictions on Imports of Textile and Clothing Products, LIEI 2000, S. 103 ff.; Marceau/Reiman, When and How Is a Regional Trade Agreement Compatible with the WTO?, LIEI 2001, S. 297, 312 ff.; v. Bogdandy/Makatsch, Collision, Co-existence or Co-operation? Prospects for the Relationship Between WTO Law and European Union Law, in: de Bfflrca/Scott (Hrsg.), The EU and the WTO-Legal and Constitutional Issues, 2001, 131; Cremona, Neutrality or Discrimination? The WTO, The EU and External Trade, in: de Bfflrca/Scott, ebd., 151; Pauwelyn, The Puzzle of WTO Safeguards and Regional Trade Agreements, JIEL 2004, S. 109, 132 ff. 116 Artikel 12 Absatz 2 des Beschlusses 1/95 des Türkei-EG-Assoziationsrates vom 6. März 1995, ABl. EG 1996 Nr. L 35, S. 1 ff. gemäß Assoziierungsabkom114
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mäßige Beschränkungen für 19 Kategorien von aus Indien importierten Textil- und Bekleidungsprodukten ein, die gegen Artikel XI und XIII des GATT und gegen Artikel 2.4 des Textil- und Bekleidungsabkommens („Agreement on Textiles and Clothing“, ATC) verstießen. Die Parteien stritten im Wesentlichen darüber, ob diese Verstöße durch Artikel XXIV GATT gerechtfertigt waren. b) Justitiabilität Das Panel entnahm Absatz 12 der Auslegungsvereinbarung die Kompetenz zur Prüfung der Vereinbarkeit einzelner Maßnahmen mit Artikel XXIV GATT.117 Es ließ hingegen ausdrücklich offen, ob die Streitbeilegungsorgane die Vereinbarkeit einer Zollunion oder einer Freihandelszone insgesamt mit Artikel XXIV GATT prüfen dürfen oder ob dafür ausschließlich der Regionalausschuss zuständig sei.118 Der Appellate Body ging weiter. Er stellte in einem obiter dictum119 fest, dass die Streitbeilegungsorgane umfassende Prüfungskompetenz hätten.120 Dazu verwies er auf seine Entscheidung „India – Quantitative Restrictions on Imports of Agricultural, Textile and Industrial Products“.121 Dort ging es um die Abgrenzung der Kompetenzen des Dispute Settlement Body gegenüber dem Zahlungsbilanzausschuss und dem Allgemeinen Rat. Der Appellate Body kam zu dem Schluss, dass die Streitschlichtungsverfahren wie sie in Artikel XXIII GATT und dem DSU vorgesehen seien, ohne Einschränkung für alle Streitigkeiten im Zusammenhang mit zahlungsbilanzbezogenen Handelsbeschränkungen zur Verfügung stünden.122 In diesem Sinne hatte bereits das zuständige GATT 1947-Panel im Fall „Republic of Korea – Restrictions on Imports of Beef “123 entschieden. Ein men zwischen der EWG und ihren Mitgliedstaaten und der Türkei zur Bildung einer Assoziierung, ABl. EWG 1964 Nr. L 217, S. 3687 ff.: „In conformity with the requirements of article XXIV of the GATT Turkey will apply as from the entry into force of this Decision, substantially the same commercial policy as the Community in the textile sector including the agreements or arrangements on trade in textile and clothing.“ 117 Panel Report WTO-Dok. WT/DS34/R vom 31. Mai 1999, Rz. 9.49 ff. 118 Panel Report WTO-Dok. WT/DS34/R vom 31. Mai 1999, Rz. 9.52 ff. 119 Kritisch hierzu Hilpold, Regional Integration According to Article XXIV GATT – Between Law and Politics, Max Planck UNYB 2003, S. 219, 245 f. 120 Appellate Body Report, WTO-Dok. WT/DS34/AB/R, Absatz 60. 121 „India – Quantitative Restrictions on Imports of Agricultural, Textile and Industrial Products“: Panel Report vom 6. April 1999, WTO-Dok. WT/DS90/R; Appellate Body Report vom 23. August 1999, WTO-Dok. WT/DS90/AB/R, angenommen am 22. September 1999. 122 Appellate Body Report, WTO-Dok. WT/DS90/AB/R, Absätze 80–95.
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Mitgliedstaat, der sich im Zusammenhang mit einer zahlungsbilanzbezogenen Handelsbeschränkung in einem seiner Rechte aus dem GATT verletzt sehe, könne wählen, ob er gemäß Artikel XXIII GATT ein Streitbeilegungsverfahren nach Artikel XXIII GATT einleite oder das Verfahren gemäß Artikel XVIII Absatz 12 GATT beschreite. Wähle der betroffene Mitgliedstaat das Verfahren nach Artikel XXIII GATT, würden dadurch nicht die Kompetenzen des Ausschusses für zahlungsbilanzbezogene Handelsbeschränkungen oder des Allgemeinen Rats verletzt.124 Indien hatte dem im Fall „Turkey – Restrictions on imports of textile and clothing products“ entgegengehalten, das WTO-Übereinkommen habe eine komplexe institutionelle Struktur geschaffen. Es gelte daher im WTO-Recht ein Prinzip der institutionellen Balance. Um die Balance zwischen den rechtsprechenden und den politischen Organen der WTO zu bewahren, dürfe das Streitschlichtungsverfahren nicht angewandt werden, soweit für die Prüfung der Rechtmäßigkeit bestimmter Maßnahmen spezielle politische Organe zuständig seien. Der Appellate Body folgte dieser Argumentation nicht. Es gebe kein Prinzip der institutionellen Balance im WTO-Recht.125 Durch eine mögliche Prüfung im Streitbeilegungsverfahren würden die materiellen Rechte der Entwicklungsländer gemäß Artikel XVIII GATT nicht eingeschränkt. Im Gegenteil würde es eine Einschränkung der Rechte der anderen von Artikel-XVIII-Maßnahmen betroffenen Mitgliedstaaten bedeuten, wenn diesen nicht der Weg nach Artikel XXIII GATT eröffnet sei. Auch mache die Zulassung des Streitschlichtungsverfahrens keineswegs die Kompetenzen des Ausschusses für zahlungsbilanzbezogene Handelsbeschränkungen und des Allgemeinen Rats überflüssig. Denn die beiden Verfahren unterschieden sich in Natur, Reichweite, Zeitpunkt und Rechtsfolge voneinander.126 Aus denselben Gründen sei den Streitbeilegungsgremien in Fragen der zahlungsbilanzbezogenen Handelsbeschränkungen kein judicial restraint auferlegt.127 Zwar hatte der Appellate Body im Fall „India – Quantitative Restrictions on Imports of Agricultural, Textile and Industrial Products“ das Verhältnis 123 „Repbulic of Korea – Restrictions on Imports of Beef “, complaint by Australia, angenommen am 7. November 1989, BISD 36S/202–234; „Repbulic of Korea – Restrictions on Imports of Beef “, complaint by New Zealand, angenommen am 7. November 1989, BISD 36S/234–268; „Repbulic of Korea – Restrictions on Imports of Beef “, complaint by the United States, angenommen am 7. November 1989, BISD 36S/268–306; hier complaint by the United States, Absätze 117 und 118. 124 Appellate Body Report, WTO-Dok. WT/DS90/AB/R, Absätze 96–98. 125 Appellate Body Report, WTO-Dok. WT/DS90/AB/R, Absatz 100. 126 Appellate Body Report, WTO-Dok. WT/DS90/AB/R, Absätze 101–105. 127 Appellate Body Report, WTO-Dok. WT/DS90/AB/R, Absätze 106–109.
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von Artikel XVIII zu Artikel XXIII GATT noch vom Verhältnis von Artikel XXIV zu Artikel XXIII GATT abgegrenzt, um sich nicht mit anders lautenden Vorschlägen der Panel in den Verfahren EC – Citrus und EC – Bananas I auseinandersetzen zu müssen.128 Der Verweis auf diesen Report im Fall „Turkey – Restrictions on imports of textile and clothing products“ kann jedoch nur so verstanden werden, dass die dort angestellten Erwägungen auf das Verhältnis der Zuständigkeiten des Regionalausschusses zum Streitbeilegungsverfahren übertragen werden sollen. c) Chapeau des Artikels XXIV Absatz 5 GATT Der Appellate Body folgte dem Panel zwar in dem Ergebnis für den konkreten Rechtsstreit, die streitgegenständlichen Maßnahmen der Türkei seien nicht durch Artikel XXIV GATT gerechtfertigt. Er änderte aber die Begründung. Dies ergab sich insbesondere aus seiner Interpretation des Artikels XXIV GATT und des daraus von ihm abgeleiteten Prüfungsprogramms. Die Zentrale Vorschrift zur Entscheidung des Falles sei der chapeau von Artikel XXIV Absatz 5 GATT.129 Der chapeau von Artikel XXIV Absatz 5 GATT war bis dahin nie als eigenständige Prüfungsvoraussetzung berücksichtigt worden. Er lautet: „Demgemäß schließt dieser Absatz nicht aus, daß Gebiete von Vertragsparteien zu Zollunionen oder Freihandelszonen zusammengeschlossen oder vorläufige Vereinbarungen [. . .] abgeschlossen werden; Voraussetzung hierfür ist:“.130
Wegen der Formulierung und wegen seiner systematischen Stellung, insbesondere dem Zusammenhang mit Artikel XXIV Absatz 4 GATT entnahm der Appellate Body dieser Vorschrift, dass die Regelungen des GATT die Gründung einer Zollunion nicht unmöglich machen sollen. Insofern stelle Artikel XXIV GATT eine Rechtfertigung, bzw. Ausnahme oder Verteidigungsmöglichkeit („defence“) gegenüber der Feststellung eines Verstoßes gegen andere GATT-Vorschriften dar.131 Zweitens ergebe sich daraus, dass diese Rechtfertigung einer GATT-widrigen Maßnahme nur insoweit gelte, wie ein Verbot der Maßnahme die Bildung der Zollunion verhindern würde.132 Es sei daher stets umfassend zu prüfen, ob die streitgegenständliche Maßnahme zu einer GATT-konformen 128
Appellate Body Report, WTO-Dok. WT/DS90/AB/R, Absatz 100. Appellate Body Report, WTO-Dok. WT/DS34/AB/R, Absatz 43. 130 „Accordingly, the provisions of this Agreement shall not prevent, as between the territories of contracting parties, the formation of a customs union or of a freetrade area or the adoption of an interim agreement [. . .]; Provided that:“. 131 Appellate Body Report, WTO-Dok. WT/DS34/AB/R, Absatz 45. 132 Appellate Body Report, WTO-Dok. WT/DS34/AB/R, Absatz 46. 129
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Zollunion gehöre und ob sie zu deren Gründung erforderlich sei. Dabei müsse die Definition der Zollunion in Artikel XXIV Absatz 8 a) i) und ii) GATT herangezogen werden. Drittens ergebe sich aus der Formulierung „Voraussetzung hierfür ist:“ („provided that:“) im chapeau des Artikels XXIV Absatz 5 GATT, dass Artikel XXIV GATT immer nur dann zur Verteidigung einer Maßnahme angeführt werden könne, wenn die Zölle und anderen Handelsbeschränkungen die Voraussetzungen des Artikels XXIV Absatz 5 a) GATT erfüllten.133 d) Artikel XXIV Absatz 8 a) i) und ii) GATT Ohne eine Definition des SAT-Erfordernisses des Artikels XXIV Absatz 8 a) i) GATT zu geben, weist der Appellate Body darauf hin, dass diese Vorschrift den Mitgliedstaaten eine gewisse Flexibilität hinsichtlich der Liberalisierung des internen Handels bei der Gründung einer Zollunion lasse. Ebenso belasse Artikel XXIV Absatz 8 a) ii) GATT den Mitgliedstaaten eine gewisse Freiheit hinsichtlich der Anpassung ihrer Außenhandelspolitiken mit Drittstaaten. Es müssten danach nicht dieselben, sondern eben nur „im Wesentlichen dieselben Zölle und Handelsvorschriften“ angewandt werden. Dabei stimmt der Appellate Body mit dem Panel überein, dass „im Wesentlichen“ („substantially“) sowohl quantitativ als auch qualitativ zu verstehen sei. Er widerspricht aber der vom Panel gegebenen Interpretation des Artikels XXIV Absatz 8 (a) ii GATT. Die Formulierung „im Wesentlichen“ belasse zwar eine gewisse Flexibilität bei den Mitgliedstaaten einer Zollunion auch hinsichtlich der Außenhandelspolitik. Jedoch bedeute „im Wesentlichen“ mehr als nur eine Vergleichbarkeit der Vorschriften mit ähnlichen Auswirkungen („similar effects“), sondern vielmehr eine sich eng annähernde Gleichheit („sameness“), ein höherer Grad der Gleichheit.134 e) Artikel XXIV Absatz 5 a) GATT Zur Auslegung des Artikels XXIV Absatz 5 a) GATT bezieht sich der Appellate Body auf die Konkretisierung in Ziffer 2 der Auslegungsvereinbarung.135 Er stimmt dem Panel zu, dass es sich bei der Bewertung, ob eine bestimmte Zollunion mit Artikel XXIV GATT kompatibel sei, um einen ökonomischen Test handele.136 133
Appellate Body Report, WTO-Dok. WT/DS34/AB/R, Absätze 52 ff. Appellate Body Report, WTO-Dok. WT/DS34/AB/R, Absätze 46 ff. 135 Appellate Body Report, WTO-Dok. WT/DS34/AB/R, Absätze 52 ff. 136 Appellate Body Report, WTO-Dok. WT/DS34/AB/R, Absätze 52 ff. mit Verweis auf Panel Report WTO-Dok. WT/DS34/R vom 31. Mai 1999, Rz. 9.120. 134
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f) Auslegung im Lichte des Artikels XXIV Absatz 4 GATT Der Text des chapeau von Artikel XXIV Absatz 5 GATT müsse zudem in seinem Kontext ausgelegt werden. Insbesondere sei die in Artikel XXIV Absatz 4 GATT genannte Zielsetzung zu berücksichtigen, da sich darauf die einleitende Formulierung „Demgemäß“ („accordingly“) beziehe.137 Danach müsse der Zweck einer Zollunion die Vereinfachung des Handels zwischen ihren Mitgliedstaaten und nicht die Errichtung von Handelsbarrieren gegenüber Drittstaaten sein. Daraus resultiere, dass die Gründungsmitglieder einer Zollunion immer eine Abwägung treffen müssten. Dieser Aspekt werde in der Präambel der Auslegungsvereinbarung besonders hervorgehoben. Diese Zwecksetzung in Absatz 4 stelle zwar keine eigene Zulässigkeitsvoraussetzung für eine Zollunion als Rechtsfertigungsgrund dar. Die in Artikel XXIV, einschließlich des chapeau von Absatz 5, genannten Voraussetzungen müssten aber im Lichte der in Absatz 4 genannten Zwecksetzung ausgelegt werden. Der chapeau könne ohne die ständige Bezugnahmen auf Absatz 4 nicht richtig ausgelegt werden.138 g) Ergebnis Daraus ergeben sich für den Appellate Body zwei Voraussetzungen für eine Rechtfertigung gemäß Artikel XXIV GATT: Erstens muss die gegen andere GATT-Vorschriften verstoßende Maßnahme anlässlich der Gründung einer Zollunion, die die Erfordernisse der Absätze 8 a) und 5 a) erfüllt, eingeführt werden. Zweitens muss die Partei, die sich auf Artikel XXIV GATT als Rechtsfertigungsgrund beruft, nachweisen können, dass die Bildung der Zollunion ausgeschlossen wäre, wenn die streitgegenständliche Maßnahme nicht eingeführt werden dürfte.139 Im konkreten Fall hatte die Türkei argumentiert, die EG hätte, wenn die Türkei nicht die streitgegenständlichen mengenmäßigen Beschränkungen auf Textilien und Bekleidungsprodukte aus Indien eingeführt hätte, diese Produkte vom Freihandel zwischen der Türkei und der EG ausgeschlossen, um Handelsumlenkungen zu verhindern. Die türkischen Exporte dieser Produkte betrügen aber 40% der gesamten Exporte der Türkei in die EG. In diesem Fall sei die SAT-Voraussetzung des Artikels XXIV Absatz 8 a) GATT nicht mehr eingehalten. Der Appellate Body schließt sich dem Panel an, das diese Argumentation der Türkei nicht anerkannt hat. Auch ohne die 137 138 139
Appellate Body Report, WTO-Dok. WT/DS34/AB/R, Absätze 56 ff. Appellate Body Report, WTO-Dok. WT/DS34/AB/R, Absatz 57. Appellate Body Report, WTO-Dok. WT/DS34/AB/R, Absatz 58.
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Einführung der streitgegenständlichen mengenmäßigen Beschränkungen sei die Bildung einer Zollunion zwischen der Türkei und der EG möglich gewesen, die dem Erfordernis des Artikels XXIV Absatz 8 a) GATT gerecht werde. Artikel XXIV Absatz 8 a) GATT gewähre den Gründungsmitgliedern einer Zollunion eine gewisse Flexibilität bei der Liberalisierung ihres internen Handels. Andere Maßnahmen seien denkbar gewesen, um eine Handelsumlenkung zu verhindern. So habe die EG zum Beispiel Ursprungsregeln annehmen können und zwischen Textil- und Bekleidungsprodukten aus der Türkei und aus Drittstaaten, einschließlich Indien, differenzieren können, wie sie es auch als vorläufige Lösung vor Einführung der mengenmäßigen Beschränkungen durch die Türkei getan habe. Der Appellate Body schließt daraus, dass das Verbot der streitgegenständlichen Maßnahme die Gründung der Zollunion zwischen der Türkei und der EG eben nicht im Sinne des chapeau des Artikels XXIV Absatz V GATT verhindere.140 Gegenüber dem vorherigen Verständnis des Artikels XXIV GATT entwickelt der Appellate Body auf diese Weise ein neben den Erfordernissen der Absätze 5 a) und 8 a) bestehendes drittes Erfordernis aus dem chapeau des Absatzes 5 und misst diesem Erfordernis eine hohe Bedeutung bei. Die Rechtfertigung einer Maßnahme durch Artikel XXIV GATT ist danach nur möglich, wenn diese Maßnahme unbedingt erforderlich ist, um eine Zollunion i. S. d. Artikels XXIV Absätze 8 a) und 5 a) GATT zu gründen und wenn sie nicht durch eine GATT-konforme Maßnahme ersetzt werden kann. Schließlich deutet der Appellate Body in dieser Entscheidung an, dass Artikel XXIV GATT viele Fragen offen lässt, über die in diesem Fall aber nicht zu entscheiden gewesen sei.141 Diese Entscheidung, insbesondere das Kriterium der Erforderlichkeit einer Maßnahme zur Bildung einer Zollunion, hat der Appellate Body in „Argentina – Safeguard Measures on Imports of Footwears“142 bestätigt. Da dort Artikel XXIV GATT nach seiner Auslegung nicht zu berücksichtigen war, ergaben sich keine neuen Aspekte.
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Appellate Body Report, WTO-Dok. WT/DS34/AB/R, Absatz 62. Appellate Body Report, WTO-Dok. WT/DS34/AB/R, Absatz 65. 142 Appellate Body Report „Argentina – Safeguard Measures on Imports of Footwears“, WTO-Dok. WT/DS121/AB/R vom 14. Dezember 1999, angenommen am 12. Januar 2000, Absätze 99 ff., insbesondere Absatz 109; vgl. dazu Pauwelyn, The Puzzle of WTO Safeguards and Regional Trade Agreements, JIEL 2004, S. 109, 121 ff. 141
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3. Kap.: Das WTO-Recht als äußerer rechtlicher Rahmen
4. „Canada – Certain Measures Affecting the Automotive Industry“ Im Fall „Canada – Certain Measures Affecting the Automotive Industry“143 berief sich Kanada gegenüber dem Panel zur Rechtfertigung von Verstößen gegen Artikel I Absatz 1 GATT auf Artikel XXIV GATT. Diese Rechtfertigung wurde vom Panel zurückgewiesen, da es sich bei den angegriffenen Maßnahmen um Ausnahmen von Importzöllen gegenüber Mitgliedstaaten der NAFTA und bestimmten Drittstaaten gleichermaßen handele und somit Artikel XXIV GATT schon von vornherein keinesfalls anwendbar sein könne.144 Zwar wurde der Appellate Body angerufen, dabei wurden aber von keinem der Berufungsführer (appellants), insbesondere nicht von Kanada, die Ausführungen des Panels zu Artikel XXIV GATT angegriffen, so dass sich der Appellate Body dazu nicht zu äußern hatte.145
B. Weitere GATT-Vorschriften, die die regionale Integration betreffen Daneben betreffen die Großvater- sowie die Verzichtsklausel regionale Integrationsgemeinschaften. Sonderbestimmungen für den Grenzverkehr enthält Artikel XXIV Absatz 3 GATT. Die Großvaterklausel (grandfather clause) sieht in Artikel I Absatz 2 GATT vor, dass bestimmte, bei Abschluss des GATT 1947 bereits existierende Handelsvereinbarungen vom Meistbegünstigungsprinzip ausgenommen wurden, insbesondere die Britischen Commonwealth-Präferenzen146, die Benelux-Zollunion, die Französische Union sowie das Präferenzabkommen der USA und Chiles,147 die Präferenzen der USA gegenüber Kuba148 und die Präferenzen zwischen Palästina und Jordanien149. Allerdings ist diese Ausnahmeregelung auf den Integrationsstand vom April 1947 be143 „Canada – Certain Measures Affecting the Automotive Industry“: Panel Report vom 11. Februar 2000, WTO-Dok. WT/DS139/R und WTO-Dok. WT/ DS142/R; Appellate Body Report vom 31. Mai 2000, WTO-Dok. WT/DS139/AB/R und WTO-Dok. WT/DS142/AB/R, angenommen am 19. Juni 2000. 144 Panel Report, WTO-Dok. WT/DS139/R und WTO-Dok. WT/DS142/R, Absätze 10.51–10.57. 145 Appellate Body Report, WTO-Dok. WT/DS139/AB/R und WTO-Dok. WT/ DS142/AB/R, Absatz 83. 146 Anhang A des GATT. 147 Anhänge B bis E des GATT. 148 Artikel I Absatz 2c) GATT. 149 Anhang F des GATT.
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schränkt und hat durch die erfolgreichen Zollverhandlungsrunden im Rahmen des GATT weitgehend an Bedeutung verloren.150 Die Verzichtsklausel (waiver clause) in Artikel XXV Absatz 5 GATT sieht die Möglichkeit der Gewährung von Befreiungen (waiver) vor, die von den gemeinsam handelnden Vertragsstaaten in zwei Fällen für sektorale Freihandelsvereinbarungen gewährt wurden, 1953 für die EGKS151 und 1965 für den Auto-Pakt zwischen Kanada und den USA.152 Einige Befreiungen wurden für präferentielle Nord-Süd-Abkommen erteilt.153 Hierzu gehört der so genannte Lomé-Waiver von 1994 für die vierte Lomé-Konvention zwischen der EG und den AKP-Staaten.154 Seit Inkrafttreten des WTO-Übereinkommens ist die Verzichtsklausel auch in Artikel IX Absätze 3 und 4 WTO-Übereinkommen verankert. Danach besteht die Möglichkeit, ein Mitglied von einer Verpflichtung aus einem der Multilateralen Handelsübereinkommen, zu denen das GATT zählt, zu entbinden. Voraussetzung sind wie bei Artikel XXV Absatz 5 GATT außergewöhnliche Umstände. Allerdings bedarf es für einen Verzicht gemäß Artikel IX Absätze 3 und 4 WTO-Übereinkommen einer ¾-Mehrheit der Mitglieder. Demgegenüber verlangt Artikel XXV Absatz 5 GATT eine 2/ 3-Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Im Kollisionsfall hat die Norm des WTO-Übereinkommens gemäß Artikel XVI Absatz 3 WTO-Übereinkommen Vorrang.155 Schließlich ist Artikel XXIV Absatz 3 GATT zu berücksichtigen. Danach sind die Bestimmungen des GATT „nicht so auszulegen, dass sie Vorteile ausschließen, a) die eine Vertragspartei ihren Nachbarländern zur Erleichterung des Grenzverkehrs gewährt oder b) die dem Handel mit dem Freistaat Triest von benachbarten Ländern gewährt werden, sofern diese Vorteile zu den Bestimmungen der nach dem Zweiten Weltkrieg geschlossenen Friedensverträge nicht im Widerspruch stehen.“156 150 Senti, S. 452 Rn. 978; eine ausführliche Darstellung der historischen Präferenzen findet sich in: Jackson, John H., World Trade and the Law of GATT, Indianapolis u. a. 1969, S. 264 ff.; vgl. auch Then de Lammerskötter, WTO und Regional Trade Agreements (RTAs), S. 132 f. m. w. N. 151 Entscheidung vom 10. November 1952, 1S/17, in deutscher Übersetzung abgedruckt bei Hummer/Weiss, Vom GATT 1947 zur WTO ’94, S. 240 ff. 152 GATT, BISD 13 S (1965), S. 112; BISD 14 S (1966), S. 37, 181. 153 Vgl. die Übersicht „Regional and Preferential Agreements Covered by GATT/ WTO Waivers“, WTO-Dok. WT/REG/W/3 vom 20. Juni 1996, Annex 2 C. 154 Entscheidung vom 9. Dezember 1994, gültig bis 29. Februar 2000, GATTDok. L/7604. 155 Vgl. Schmahl, „Enabling Clause“ versus Meistbegünstigungsprinzip, AVR 2004, S. 389, 395 Fn. 23. 156 „The provisions of this Agreement shall not be construed to prevent: a) Advantages accorded by any contracting party to adjacent countries in order to facili-
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C. Artikel V und Vbis GATS Artikel V GATS sieht hinsichtlich des Handels mit Dienstleistungen eine Ausnahme vom Meistbegünstigungsprinzip für wirtschaftliche Integration und Artikel Vbis GATS für Übereinkünfte über integrierte Arbeitsmärkte vor. In Anlehnung an Artikel XXIV GATT stellt Artikel V GATS dafür bestimmte Bedingungen an die Form der Integrationsgemeinschaft: „Dieses Übereinkommen hindert die Mitgliedstaaten nicht daran, Vertragspartei einer Übereinkunft zu sein oder eine Übereinkunft zu schließen, die den Handel mit Dienstleistungen zwischen oder unter den Vertragsparteien der Übereinkunft liberalisiert; jedoch muß eine solche Übereinkunft a) einen beträchtlichen sektoralen Geltungsbereich haben und b) vorsehen, daß praktisch jede Diskriminierung im Sinne des Artikels XVII zwischen oder unter den Vertragsparteien in den Sektoren, für die Buchstabe a) gilt, ausgeschlossen ist oder beseitigt wird durch i) Abschaffung bestehender diskriminierender Maßnahmen und/oder ii) Verbot der Einführung mehr oder stärker diskriminierender Maßnahmen entweder bei Inkrafttreten der Übereinkunft oder auf der Grundlage eines angemessenen Zeitplans; ausgenommen sind Maßnahmen, die nach den Artikeln XI, XII, XIV und XIV bis zulässig sind.“157
Artikel V GATS lässt Integrationsgemeinschaften zu, ohne dabei die Beschränkung auf und Unterscheidung zwischen Freihandelszonen und Zollunionen des Artikels XXIV GATT aufzugreifen. Unterabsatz a) des Artikels V Absatz 1 GATS bezieht sich auf die Reichweite der Integrationsgemeinschaften und verlangt einen „beträchtlichen sektoralen Geltungsbereich“. Was das im Einzelnen bedeutet, ist umstritten.158 In einer Fußnote heißt es dazu, diese Bedingung betreffe die Zahl tate frontier traffic; b) Advantages accorded to the trade with the Free Territory of Trieste by countries contiguous to that territory, provided that such advantages are not in conflict with the Treaties of Peace arising out of the Second World War.“ 157 „This Agreement shall not prevent any of its Members from being a party to or entering into an agreement liberalizing trade in services between or among the parties to such an agreement, provided that such agreement: a) has substantial sectoral coverage, and b) provides for the absence or elimination of substantially all discrimination, in the sense of Article XVII, between or among the parties, in the sectors covered under subparagraph a), through: i) elimination of existing discriminatory measures, and/or ii) prohibition of new or more discriminatory measures, either at the entry into force of that agreement or on the basis of a reasonable timeframe, except for measures permitted under Articles XI, XII, XIV and XIVbis.“ 158 Marceau/Reimann, When and How Is a Regional Trade Agreement Compatible with the WTO?, LIEI 2001, S. 297, 324.
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der Sektoren, Handelsvolumen und Art der Erbringung. Um diese Bedingung zu erfüllen, sollte in den Vereinbarungen keine Art der Erbringung von vornherein ausgeschlossen sein.159 Unterabsatz b) enthält ein „substantially all discrimination“-Erfordernis, das dem SAT-Erfordernis gemäß Artikel XXIV Absatz 8 a) und b) GATT entspricht. Auch hier sind die Einzelheiten in der Praxis umstritten.160 Innovativ gegenüber Artikel XXIV GATT ist Absatz 2 des Artikel V GATS. Danach wird bei der Bewertung der in Absatz 1 b) genannten Kriterien ein umfassender Prüfungsmaßstab zugrundegelegt: „Bei der Feststellung, ob die unter Absatz 1 Buchstabe b) aufgeführten Bedingungen erfüllt sind, kann das Verhältnis berücksichtigt werden, in dem die Übereinkunft zu dem umfassenden Prozess der wirtschaftlichen Integration oder der Handelsliberalisierung unter den betroffenen Ländern steht.“161
Anders als Artikel XXIV GATT enthält Artikel V GATS eine Flexibilisierungsklausel für Entwicklungsländer.162 Artikel V Absatz 4 GATS greift die Grundsätze des Artikels XXIV Absätze 4 und 5 GATT auf: „Eine Übereinkunft nach Absatz 1 ist so zu gestalten, daß der Handel zwischen den Vertragsparteien erleichtert wird, und darf für Mitglieder, die der Übereinkunft nicht angehören, das allgemeine Niveau der Hemmnisse für den Dienstleistungshandel in den jeweiligen Sektoren oder Teilsektoren gegenüber dem vor dem Abschluß der Übereinkunft geltenden Niveau nicht erhöhen.“163 159 „This condition is understood in terms of number of sectors, volume of trade affected and modes of supply. In order to meet this condition, agreements should not provide for a priori exclusion of any mode of supply.“ 160 Marceau/Reimann, When and How Is a Regional Trade Agreement Compatible with the WTO?, LIEI 2001, S. 297, 324. 161 „In evaluating whether the conditions under paragraph 1 (b) are met, consideration may be given to the relationship of the agreement to a wider process of economic integration or trade liberalization among the countries concerned.“ 162 „a) Where developing countries are parties to an agreement of the type referred to in paragraph 1, flexibility shall be provided for regarding the conditions set out in paragraph 1, particularly with reference to subparagraph (b) thereof, in accordance with the level of development of the countries concerned, both overall and in individual sectors and subsectors. b) Notwithstanding paragraph 6, in the case of an agreement of the type referred to in paragraph 1 involving only developing countries, more favourable treatment may be granted to juridical persons owned or controlled by natural persons of the parties to such an agreement.“ Dazu unten unter § 11 C. II. 163 „Any agreement referred to in paragraph 1 shall be designed to facilitate trade between the parties to the agreement and shall not in respect of any Member outside the agreement raise the overall level of subsectors compared to the level applicable prior to such an agreement.“
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3. Kap.: Das WTO-Recht als äußerer rechtlicher Rahmen
Die wirtschaftliche Bewertung, inwieweit diese Voraussetzung eingehalten ist, fällt hier schwerer als für den Warenhandel, da auf Dienstleistungen keine Zölle, sondern Handelsregeln anwendbar sind, die sich von Land zu Land stark unterscheiden. Zudem sind über den Handel mit Dienstleistungen kaum verlässliche Daten verfügbar, die man der notwendigen wirtschaftlichen Bewertung zugrunde legen könnte.164 Artikel V Absatz 7 GATS sieht parallel zu Artikel XXIV Absatz 7 GATT die Notifizierung der Dienstleistungsabkommen beim Rat für den Handel mit Dienstleistungen vor.165 Die Prüfung erfolgt im Regionalausschuss. Bei 38 Notifzierungen gemäß Artikel V GATS seit Inkrafttreten ist nur in einem Fall keine Prüfung verlangt worden. Trotzdem liegt bislang kein Prüfbericht vor. Artikel Vbis GATS lässt darüber hinaus die volle Integration von Arbeitsmärkten zu, wenn die Staatsangehörigen der teilnehmenden Staaten von der Pflicht zur Beschaffung von Aufenthalts- und Arbeitserlaubnissen freigestellt werden und eine Notifizierung beim Rat für den Handel mit Dienstleistungen erfolgt.166 Die erste und bislang einzige Auslegung des Artikel V GATS im Streitbeilegungsverfahren erfolgte in dem Rechtsstreit „Canada – Certain Measures Affecting the Automotive Industry“.167 Die USA (in ihrer third-party submission) und Kanada beriefen sich zur Rechtfertigung einer bevorzugenden Behandlung von Dienstleistern aus den USA, die gegen Artikel II GATS verstieß, auf Artikel V Absatz 1 GATS. Das Panel schloss eine solche Rechtfertigung gemäß Artikel V Absatz 1 GATS im zu entscheidenden Fall aus. Artikel V Absatz 1 GATS könne schon keine Anwendung finden, 164 Marceau/Reimann, When and How Is a Regional Trade Agreement Compatible with the WTO?, LIEI 2001, S. 297, 325. 165 „Members which are parties to any agreement referred to in paragraph 1 shall promptly notify any such agreement and any enlargement or any significant modification of that agreement to the Council for Trade in Services. They shall also make available to the Council such relevant information as may be requested by it. The council may establish a working party to examine such an agreement or enlargement or modification of that agreement to report to the Council on its consistency with this Article.“ 166 „This Agreement shall not prevent any of its Members from being a party to an agreement establishing full integration of the labour markets between or among the parties to such an agreement, provided that such an agreement: exempts citizens of parties to the agreement from requirements concerning residency and work permits; is notified to the Council for Trade in Services.“ 167 „Canada – Certain Measures Affecting the Automotive Industry“: PanelReport vom 11. Februar 2000, WTO-Dok. WT/DS139/R und WTO-Dok. WT/ DS142/R; Appellate Body Report vom 31. Mai 2000, WTO-Dok. WT/DS139/AB/R und WTO-Dok. WT/DS142/AB/R, angenommen am 19. Juni 2000.
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da die streitige Vorzugsbehandlung nicht innerhalb der NAFTA, sondern unilateral gewährt worden sei. Zudem werde die streitgegenständliche Ausnahme von Importzöllen nur einer kleinen Anzahl von Herstellern und Händlern aus den USA gewährt, kämen den anderen Herstellern und Händlern aus den USA und Kanada dagegen nicht zugute. Da so die meisten Dienstleistungen und die meisten Dienstleister von der Vorzugsbehandlung ausgeschlossen seien, sei das Erfordernis des Artikels V Absatz 1 (b) GATS „the absence or elimination of substantially all discrimination, in the sense of Article XVII“ nicht erfüllt. Sinn und Zweck dieser Vorschrift sei es, jede Diskriminierung zwischen den Dienstleistungen und den Dienstleistern der Vertragsparteien einer Wirtschaftsintegrationsvereinbarung zu beseitigen. Darüber hinaus betreffe Artikel V Absatz 1 GATS Vereinbarungen, die den Handel mit Dienstleistungen liberalisierten. Typischerweise sollte also durch eine solche Vereinbarung zwischen den Vertragsparteien ein höheres Liberalisierungsniveau erreicht werden als zwischen den WTOMitgliedstaaten. Artikel V Absatz 1 GATS solle gleichzeitig höhere Liberalisierung auf regionaler Ebene ermöglichen und die Unterminierung des Meistbegünstigungsprinzips des GATS durch kleinere Präferenzabkommen verhindern. Auch deswegen könne die Vorzugsbehandlung von nur einigen ausgewählten Dienstleistungen und Dienstleistern innerhalb einer Integrationsvereinbarung nicht durch Artikel V Absatz 1 GATS gerechtfertigt sein, auch wenn die Integrationsvereinbarung selbst eine solche selektive Vorzugsbehandlung innerhalb ihres Anwendungsbereiches zulasse.168 Der Appellate Body musste sich in diesem Fall nicht zu Artikel V GATS äußern, da er zu dem Schluss kam, dass das Panel schon die Verletzung des Artikels II Absatz 1 GATS nicht hinreichend substantiiert dargelegt habe, so dass die Frage einer möglichen Rechtfertigung keine Rolle mehr spielte.169
§ 11 Sonderrecht der Entwicklungsländer Entwicklungsgemeinschaften sind jedenfalls WTO-rechtlich zulässig, wenn sie die in der allgemeinen WTO-Integrationsordnung formulierten Voraussetzungen erfüllen.170 Da sich die Entwicklungsgemeinschaften ausschließlich aus Entwicklungsländern zusammensetzen, ergibt sich eine weitere Möglichkeit der Rechtfertigung aus dem Sonderrecht der Entwicklungsländer. Sowohl im GATT als auch im übrigen WTO-Recht sind zahlreiche 168 Panel Report, WTO-Dok. WT/DS139/R und WTO-Dok. WT/DS142/R, Absätze 10.265–10.272. 169 Appellate Body Report, WTO-Dok. WT/DS139/AB/R und WTO-Dok. WT/ DS142/AB/R, Absatz 183. 170 Dazu soeben unter § 10.
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Vorschriften historisch gewachsen, die nur für Entwicklungsländer gelten. Sie verdichten sich, verstärkt durch die Grundsätze des Entwicklungsvölkerrechts, zu einem Prinzip der WTO. Insbesondere mit Ziffer 2 c) Ermächtigungsklausel bietet das WTO-Recht eine eigene Vorschrift zur Integration zwischen Entwicklungsländern.
A. Historische Hintergründe I. Geschichte der Entwicklungsländer im Welthandel Die Wurzeln der Geschichte der Entwicklungsländer in der Weltwirtschaft liegen in der Kolonialzeit. Viele der heutigen Entwicklungsländer wurden zwischen dem 15. und 20. Jahrhundert kolonialisiert. Ein gewichtiger Grund der Kolonialstaaten für den Erwerb und Erhalt von Kolonien war die wirtschaftliche Ausbeutung der Kolonien. Dabei war das einzige Ziel die Förderung der Interessen des jeweiligen Kolonialstaates. So verwundert es wenig, dass positive Nebeneffekte für die Bevölkerung der Kolonien, insbesondere in der Gesundheitsversorgung und der Infrastruktur, weit hinter den negativen zurückblieben. Die Existenz des Sklavenhandels sowie seine Art und sein Umfang veranschaulichen nur allzu deutlich das ursprüngliche Verhältnis zwischen Kolonien und Kolonialstaaten, die sich heute als Entwicklungs- und Industrieländer gegenüberstehen.171 Ende des 19. Jahrhunderts gab es erste entwicklungspolitische Ansätze, die allerdings zunächst auf humanitäre und karitative Bemühungen im sozialen Bereich beschränkt blieben.172 In der Völkerbundsatzung von 1919 enthielt Artikel 23 entwicklungspolitische Zielvorgaben, insbesondere humanitäre Bestimmungen zum Schutz der Bevölkerung in den Kolonien gegen unwürdige Arbeitsbedingungen, staatliche Willkür, Menschenhandel und Krankheit. In Absatz (e) werden darüber hinaus der Abbau von Handelsschranken und die Schaffung eines gerechteren Handelssystems durch einzelstaatliche Maßnahmen als Ziele genannt. Tatsächlich änderte sich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wenig an den weltwirtschaftlichen Verhältnissen.173 Wirtschaftsnationalismus und Wirtschaftsdirigismus sind wohl für die tief greifende Weltwirtschaftskrise der Jahre 1929 bis 1932 verantwortlich zu machen. Zwischen den beiden Weltkriegen stiegen die USA zur weltweit führenden Wirtschaftsmacht auf. Deren protektionistische Wirtschaftspolitik beeinflusste 171 Vgl. ausführlicher Odendahl, Das Recht auf Entwicklung – The Right to Development, S. 3 ff. m. w. N. 172 Odendahl, Das Recht auf Entwicklung – The Right to Development, S. 6. 173 Odendahl, Das Recht auf Entwicklung – The Right to Development, S. 8.
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entscheidend das heutige Weltwirtschaftssystem und festigte dabei das starke wirtschaftliche Missverhältnis zwischen Industrie- und Entwicklungsländern.174 Nach dem zweiten Weltkrieg begann die Hochphase der Entkolonialisierung.175 Die ehemaligen Kolonien wurden zu selbstbestimmten Staaten und mit zunehmender Entkolonialisierung wuchs der Stimmenanteil der Entwicklungsländer in der neu gegründeten Organisation der UNO. Damit entstand ein Forum, in dem fast alle Staaten der Welt vertreten waren und in dem sich Industrie- und Entwicklungsländer auseinandersetzen konnten.176 Die politischen Rahmenbedingungen für die Weltwirtschaftsordnung nach dem Zweiten Weltkrieg wurden zunächst durch die Satzung der Vereinten Nationen vom 26. Juni 1945 gesetzt. Sie beschränkte sich auf die Normierung einer allgemeinen völkerrechtlichen Verantwortlichkeit der UNO selbst und ihrer Mitglieder für die internationale Wohlfahrt in Kapitel IX. Diese Verantwortlichkeit erstreckt sich heute insbesondere auf die Entwicklung in den Entwicklungsländern. Das Wohlfahrtförderungsgebot hat eine konkretisierende Auslegung erfahren, nach der sich daraus entwicklungsspezifische Verhaltensschranken und Unterlassungspflichten, nicht aber positive Leistungspflichten ergeben.177 Die heutige Welthandelsordnung geht zurück auf die „UN-Konferenz für Handel und Vollbeschäftigung“ in Havanna 1948. Am 24. März 1948 wurde die „Havanna-Charta“ unterzeichnet, die Fragen des Außenhandels und internationalen Wettbewerbs regeln sollte und die Gründung der Internationalen Handelsorganisation „International Trade Organization, ITO“ vorsah.178 Verhandlungsziel vor allem der USA war eine weitgehende Handelsliberalisierung. Die Entwicklungsländer, die eine Mehrheit von 32 Staaten hatten, wollten ihre besonderen Entwicklungsbedürfnisse in der Charta berücksichtigt sehen.179 Infolgedessen wurde in den Zielkatalog als Kapitel 1 Artikel 1 Ziffer 2 Havanna-Charta neben dem Wirtschaftswachstum als Beitrag zu einer ausgeglichenen Weltwirtschaft, dem Marktzugang unter gleichen Bedingungen, dem Abbau der Zölle und anderer Handelsschranken, der Ver174 Zieger, Völkerrechtliche Fragen einer „Neuen Weltwirtschaftsordnung“, in: Institut für Völkerrecht der Universität Göttingen (Hrsg.), Wirtschaft und Technik im Völkerrecht, S. 121, 131 m. w. N.; Odendahl, Das Recht auf Entwicklung – The Right to Development, S. 9. 175 Vgl. Ziegler, Völkerrechtsgeschichte, §§ 45 II, 48 II 4., 49 II. 176 Vgl. Ziegler, Völkerrechtsgeschichte, § 49 I. 177 Schütz, Solidarität im Wirtschaftsvölkerrecht, S. 55. 178 Text abgedruckt in: ILQ 2 (1948), 283 ff.; zum Hintergrund vgl. Jackson, World Trade and the Law of GATT, S. 36 ff., 42 ff. sowie Ruge, Der Beitrag von UNCTAD zur Herausbildung des Entwicklungsvölkerrechts, S. 17 ff. 179 Schütz, Solidarität im Wirtschaftsvölkerrecht, S. 51.
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meidung störender Maßnahmen im Welthandel und der Erleichterung der Lösung internationaler Wirtschaftsprobleme die Aufgabe aufgenommen, die Entwicklung der Mitgliedstaaten zu fördern, insbesondere derjenigen, die sich noch in einer frühen Phase ihrer industriellen Entwicklung befinden. Artikel 1 Absatz 3 Havanna-Charta legte als Hauptaufgabe der ITO die „Hebung des Lebensstandards, Vollbeschäftigung und Schaffung der Voraussetzungen für Fortschritt und Entwicklung auf wirtschaftlichem und sozialem Gebiet, wie sie in Artikel 55 der [UN-]Charta gekennzeichnet sind“ fest. Artikel 1 Absatz 4 Havanna-Charta sah die Förderung der Entwicklungsländer vor. Ziel sei es, „die industrielle sowie die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung zu unterstützen und anzuregen, besonders hinsichtlich derjenigen Länder, deren industrielle Entwicklung sich noch im Anfangsstadium befindet.“ Eine Konkretisierung findet sich in Kapitel III „Economic Development and Reconstruction“. Dort ist neben einer Zusammenarbeitspflicht hinsichtlich der Beschaffung von Kapital und technischer Hilfe in Artikel 15 die Möglichkeit der Gewährung von Handelspräferenzen z. B. zum Schutz neu aufzubauender Industrien vorgesehen.180 Zudem enthält die Havanna-Charta in Kapitel IV eine Regelung über zwischenstaatliche Grundstoffabkommen, die vor allem die Realisierung fairer Preise für Verbraucher und Erzeuger zum Ziel haben. Diese Konzeption der HavannaCharta zeigt, dass schon 1948 eine wachsende Mehrheit der Staaten zur Beseitigung der Entwicklungsdefizite der Entwicklungsländer von den auf einer formellen Gleichheit der am Handel Beteiligten aufbauenden marktwirtschaftlichen Grundprinzipien zugunsten einer materiellen Gleichheitskriterien berücksichtigenden gemischten Ordnung abweichen wollte.181 Nicht nur, aber auch wegen dieser Elemente scheiterte die Ratifizierung der Charta im US-amerikanischen Kongress. Die Charta trat nie in Kraft. Lediglich die handelsliberalen Teile wurden schon zuvor in das GATT aufgenommen. Zwar verpflichtete das GATT 1947 zur Beachtung der Grundsätze der Havanna-Charta, u. a. über wirtschaftliche Entwicklung und Rohstoffabkommen, diesem Passus kam aber nur noch die Bedeutung einer Interpretationshilfe für die Auslegung des GATT zu. Er ist nie praktisch relevant geworden.182
180 Artikel 15 Absatz 1 Havanna-Charta sollte lauten: „Die Mitgliedstaaten erkennen an, dass besondere Umstände, namentlich die Notwendigkeiten der wirtschaftlichen Entwicklung oder des Wiederaufbaus, den Abschluss neuer Präferenzabkommen zwischen zwei oder mehreren Ländern im Hinblick auf die Programme für die wirtschaftliche Entwicklung oder den Wiederaufbau eines oder mehrer von ihnen rechtfertigen können.“ 181 So jedenfalls Schütz, Solidarität im Wirtschaftsvölkerrecht, S. 52. 182 Schütz, Solidarität im Wirtschaftsvölkerrecht, S. 53.
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Das GATT 1947 ignorierte weitgehend die Entwicklungsproblematik.183 Es finden sich immerhin einige Regelungsansätze für eine Sonderbehandlung der Entwicklungsländer. So enthält Artikel XI Absatz 2 a) GATT 1947 eine Ausnahmeregelung zum Verbot mengenmäßiger Ausfuhrbeschränkungen und -verbote für den Fall eines Mangels an Lebensmitteln oder anderen wichtigen Erzeugnissen im ausführenden Mitgliedstaat. Artikel XI Absatz 1 GATT 1947 lässt Einfuhrbeschränkungen zum Schutz der finanziellen Auslandsposition und der Zahlungsbilanz eines Mitgliedstaates zu. Artikel XVIII Absatz 1 GATT 1947 lässt eine Durchbrechung der zentralen GATTGrundsätze der Meistbegünstigung, der Nicht-Diskriminierung und der Gegenseitigkeit insbesondere dann zu, wenn die Einrichtung oder Entwicklung besonderer Zweige der Industrie oder der Landwirtschaft protektionistische Maßnahmen seitens eines Mitgliedstaates rechtfertigen. Diese Normen stellten aber nur vereinzelte Ausnahmen im Regelungssystem des GATT 1947 dar und sollten und konnten nicht zur Bewältigung der Entwicklungsproblematik dienen. Im Gegenteil – die verschiedenen wirtschaftlichen Ausgangsbedingungen von Entwicklungs- und Industrieländern blieben von dem am Ziel des Freihandels ausgerichteten GATT 1947 fast vollständig unberücksichtigt. Dass sich die Diskrepanz vergrößerte, wird teilweise der nahezu ausnahmslosen Anwendung der Grundsätze der Nicht-Diskriminierung und der Gegenseitigkeit zugeschrieben.184 Nach ersten entwicklungspolitischen Initiativen der Vereinten Nationen und ihrer Sonderorganisationen in den 1940er und 1950er Jahren185 riefen die Vereinten Nationen im Jahre 1961 ihre erste Entwicklungsdekade aus. Schwerpunkt war zunächst die Entwicklungshilfe und die Begründung von Leistungspflichten der Industriestaaten.186 Am 8. Dezember 1962 beauftragte die Generalversammlung der Vereinten Nationen den Wirtschafts- und Sozialrat (ECOSOC) mit der Einberufung der UNCTAD, die vom 23. März bis zum 16. Juni 1964 in Genf tagte. Am 30. Dezember desselben Jahres setzte die Generalversammlung die UNCTAD durch die Resolution 1995 (XIX) als ein ständiges Organ der Vereinten Nationen ein. Die Hauptaufgabe der UNCTAD sollte es sein, die Entwicklungsländer bei der Ausdehnung ihres Warenverkehrs zu unterstützen.187 183 Vgl. Odendahl, Das Recht auf Entwicklung – The Right to Development, S. 27 ff. 184 Zieger, Völkerrechtliche Fragen einer „Neuen Weltwirtschaftsordnung“, S. 131 m. w. N.; Odendahl, Das Recht auf Entwicklung – The Right to Development, S. 29 f. 185 Vgl. Odendahl, Das Recht auf Entwicklung – The Right to Development, S. 30 ff. 186 Graf Vitzthum, in: ders. (Hrsg.), Völkerrecht, Rn. 209.
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Bei der ersten Handels- und Entwicklungstagung der Vereinten Nationen (UNCTAD I) 1964 wurden verschiedene Grundsätze der wirtschaftlichen Entwicklung aufgestellt.188 Sie beeinflusste den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte von 1966. Die UNCTAD II im Jahre 1968 erreichte – auf Initiative der „Gruppe der 77“ – die Freistellung der Entwicklungsländer vom Gegenseitigkeitsprinzip des GATT, Artikel XXVI Absatz 8 GATT. Die Erfolge der ersten Entwicklungsdekade waren im Übrigen dennoch gering. Die Entwicklungsländer bezweifelten zunehmend die Möglichkeit, einen beschleunigten Entwicklungsprozess durch ein offenes Weltwirtschaftssystem breit voran zu treiben. Die Expansion der Weltwirtschaftsbeziehungen und des Warenhandels in den sechziger Jahren hatte fast ausschließlich die Volkswirtschaften der Industrieländer begünstigt.189 Zu Beginn der zweiten Entwicklungsdekade und bei der UNCTAD III 1971 waren die Fronten zwischen Entwicklungsländern, die in den internationalen Gremien über die Stimmenmehrheit verfügten, und den Industrieländern verhärtet. In den 1970er Jahren verfolgten die Entwicklungsländer die Idee einer entwicklungsländerorientierten Neuen Weltwirtschaftsordnung.190 Zurückgehend auf eine Initiative des mexikanischen Präsidenten Luis Echeverria auf der dritten Session der Welthandelskonferenz 1972 in Santiago de Chile und auf der Grundlage der genannten Deklaration und des Aktionsprogramms, wurde am 12. Dezember 1974 die „Charta der wirtschaftlichen Rechte und Pflichten der Staaten“ im Plenum der UN-Generalversammlung als Resolution mit 120 Stimmen gegen 6 Ablehnungen und bei 10 Enthaltungen angenommen.191 In Absatz 4 der Präambel wird als Ziel der Charta formuliert, 187
Scharpenack, Das „Recht auf Entwicklung“, S. 30. UN GA Res. 1995 (XIX) vom 30. Dezember 1964. 189 Odendahl, Das Recht auf Entwicklung – The Right to Development, S. 83 f. 190 Vedross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 506 mit ausführlichen weiteren Nachweisen. Zur Neuen Weltwirtschaftsordnung; Zieger, Völkerrechtliche Fragen einer „Neuen Weltwirtschaftsordnung“, in: Institut für Völkerrecht der Universität Göttingen (Hrsg.), Wirtschaft und Technik im Völkerrecht, S. 121; 138 ff.; sowie bereits oben unter § 2 B. 191 Resolution 3281 (XXIX) = Y. U. N. 1974, 403 = ILM 1975, 251; abgedruckt in: Mutharika, The International Law of Development, Band 1, S. 627 ff.; in deutscher Übersetzung abgedruckt in: Wulff, Entwicklungshilfe zwischen Völkerrechtsordnung und Weltwirtschaftssystem, S. 180 ff.; Ablehnungen: Belgien, Bundesrepublik Deutschland, Dänemark, Großbritannien, Luxemburg, USA; Enthaltungen: u. a. Frankreich, Italien, Japan; dazu Tomuschat, Die Charta der wirtschaftlichen Rechte und Pflichten der Staaten. Zur Gestaltungskraft von Deklarationen der UN-Generalversammlung, ZaöRV 1976, S. 444 ff.; Schütz, Solidarität im Wirtschaftsvölkerrecht, S. 65 ff.; Odendahl, Das Recht auf Entwicklung – The Right to Development, S. 100, 102 ff. 188
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„die Errichtung der neuen Weltwirtschaftsordnung zu fördern, die auf Gerechtigkeit, souveräner Gleichheit, gegenseitiger Abhängigkeit, gemeinsamem Interesse und der Zusammenarbeit aller Staaten ungeachtet ihres wirtschaftlichen und sozialen Systems beruht.“
An mehreren Stellen ist von gemeinsamer Verantwortlichkeit der Staatengemeinschaft und von der notwendigen Berücksichtigung der spezifischen Bedürfnisse der Entwicklungsländer die Rede.192 Es handelt sich dabei aber im Wesentlichen um Empfehlungen und nicht um Verpflichtungen der Staaten. Zudem mangelte es, wie das Abstimmungsergebnis zeigt, am für die Praxis entscheidenden Staatenkonsens. Zwar ging die Konfrontationsphase Mitte der 1980er Jahre in einen ruhigeren Nord-Süd-Dialog über, dennoch brachte auch die III. Entwicklungsdekade keinen Durchbruch zugunsten der Entwicklungsländer. Die Industrieländer dominierten deutlich die Verhandlungen. Die Bedeutung der UNCTAD trat wieder hinter die der GATT-Verhandlungen zurück. Ende der 1980er Jahre hatten viele Regierungen insbesondere der fortgeschritteneren Entwicklungsländer ihre Entwicklungsstrategie geändert. Isolation, Protektionismus und Importsubstitution hatten zu keinen nennenswerten Entwicklungserfolgen geführt. Stattdessen setzte man auf den so genannten Washingtoner Consensus, d.h. Wettbewerbsorientierung, weltwirtschaftliche Öffnung und Exportdiversifizierung.193 Diese Strategie bewirkte allerdings in vielen Ländern zunächst eher das Gegenteil, da sie politisch und institutionell nicht hinreichend auf die Öffnung zum weltwirtschaftlichen Wettbewerb vorbereitet waren.194 Inzwischen besteht wohl weitgehend Einigkeit, dass die Teilnahme am weltwirtschaftlichen Wettbewerb eine wichtige, aber nicht die einzige Voraussetzung für wirtschaftliche Entwicklung ist.195 Die WTO ist das Forum, in dem die Entwicklungsländer ihre Handelsinteressen vertreten und durchsetzen müssen.196 192 Vgl. im einzelnen Schütz, Solidarität im Wirtschaftsvölkerrecht, S. 68 ff. mit weiteren Nachweisen und Belegen. 193 Siehe dazu Wiemann, Die Entwicklungsländer vor der neuen WTO-Runde, Aus Politik und Zeitgeschichte B 46–47/99, S. 32. 194 Wiemann, Die Entwicklungsländer vor der neuen WTO-Runde, Aus Politik und Zeitgeschichte B 46–47/99, S. 32, 33. 195 Etwas vorsichtiger formuliert Oeter, Ökonomische Grundlagen des Weltwirtschaftsrechts, in: Hilf/Oeter (Hrsg.), WTO-Recht, S 21, 30 ff. m. w. N. zur Entwicklungsökonomie: „Auch als Entwicklungsstrategie kann (dosierter) Freihandel also durchaus vorteilhaft sein.“ Zu den wirtschaftlichen Entwicklungsstrategien bereits oben unter § 3 C. 196 In Ziffer 4 der Ministererklärung von Doha vom 14. November 2001, WTODok. WT/MIN(01)/DEC/1, haben die WTO-Mitgliedstaaten ihre Festlegung auf die WTO als einziges Forum zur Liberalisierung und Regelung des Welthandels betont.
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II. Rolle der Entwicklungsländer in der WTO Während das GATT 1947 von elf Industrieländern, elf Entwicklungsländern und einem Staatshandelsland geschlossen wurde, sind heute von 149 WTO-Mitgliedstaaten 102 Entwicklungsländer, davon 31 am wenigsten entwickelte Länder.197 Die Entwicklungsländer stellen also mehr als zwei Drittel der Mitgliedstaaten der WTO. Dem entspricht weder der Anteil dieser Länder am Welthandel noch ihr Einfluss in der WTO. Zugleich ist die Außenhandelsabhängigkeit der Entwicklungsländer wesentlich höher als die der Industrieländer. Einige strukturelle Benachteiligungen von Entwicklungsländern, die von Anfang an am GATT bemängelt wurden, bestehen in der WTO weiter.198 Zu den liberalisierten Warenmärkten zählen zwar die für Entwicklungsländer besonders wichtigen Rohstoffmärkte. Agrarprodukte und Textilien werden aber nur sehr zögerlich einbezogen. Bei den Zollverhandlungen sind die Entwicklungsländer durch ihre wirtschaftliche Schwäche benachteiligt, da sie für Zollzugeständnisse, die für sie besonders interessant wären, zumeist keine Gegenleistung anzubieten haben. Immerhin profitieren sie durch die Meistbegünstigungsregel von den durch andere Staaten ausgehandelten Zollsenkungen.199 Die wesentliche Neuerung der Uruguay-Runde für die Entwicklungsländer ist die Idee der schrittweisen Integration der Entwicklungsländer in die Verpflichtungen aus der nunmehr einheitlichen WTO-Mitgliedschaft. Entwicklungsländern sollen nur noch übergangsweise Ausnahmen gewährt werden, z. B. zehn Jahre hinsichtlich der Landwirtschaft, acht bei Subventionen und fünf bzw. zehn bei geistigen Eigentumsrechten.200 Lediglich für die am wenigsten entwickelten Länder gelten ständige Ausnahmen fort. Der De-facto-Status und die Mitgliedschaft à la carte wurden abgeschafft. Die Vereinbarung über die Zahlungsbilanzbestimmungen vom 15. April 1994 führte zu einer Verschärfung durch Zeitpläne für den Abbau mengenmäßiger Beschränkungen und Verpflichtungen zur Begründung, Proportionalität und Transparenz von Schutzmaßnahmen.201 Für die Entwicklungsländer günstige Ergebnisse der Uruguay-Runde sind ein verbesserter Marktzugang bei tropischen und landwirtschaftlichen Produkten und bei den Textilien sowie die Abschaffung der Zulässigkeit freiwilliger Exportbeschränkungen 197
Vgl. Anhang I. Vgl. Feuer, L’Uruguay Round, Les Pays en Développement et le Droit International du Développement, Annuaire Français de Droit International 1994, S. 758 ff. 199 Vgl. Behrens, GATT-Regeln und Entwicklungsländer, Schriften des Vereins für Socialpolitik 1996, S. 225, 231 f. 200 Benedek, Die Entwicklungsländer in der WTO, ZEuS, S. 41, 46. 201 Benedek, Die Entwicklungsländer in der WTO, ZEuS, S. 41, 46. 198
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auf Grundlage des Artikels XIX GATT, zu deren Auferlegung Entwicklungsländer häufig genötigt worden waren.202 Diese Ergebnisse werden etwas dadurch getrübt, dass die Übergangszeiten recht großzügig bemessen sind, die Liberalisierung des Agrarhandels wird (wenn überhaupt) nur sehr langsam geschehen und im Textilbereich wurden bislang zunächst die am wenigsten sensiblen Produktgruppen von mengenmäßigen Beschränkungen befreit.203 Im Hinblick auf die Verbesserung des Marktzuganges vor allem bei Textilien und Agrarerzeugnissen zeigt sich, dass es sich bei den Entwicklungsländern nicht um eine homogene Gruppe von Staaten mit gleichgerichteten Interessen handelt. Auch wenn man langfristig daraus wirtschaftliche Vorteile für alle WTO-Mitgliedstaaten, auch alle Entwicklungsländer unter ihnen, erwartet, so sind doch kurzfristig nur die lieferstarken Textilexportländer bzw. die agrarexportierenden Länder die Gewinner der neuen Vereinbarungen. Gerade unter den besonders armen Entwicklungsländern finden sich aber auch solche Länder, denen nur durch die Quoten im Textilhandel Marktanteile gesichert wurden bzw. die auf Nahrungsmittelimporte angewiesen sind. Kurzfristig steht zu befürchten, dass die schwächeren Textilexporteure verdrängt werden und die notwendigen Lebensmittelimporte im Preis steigen.204 Die Entwicklungsländer bemängeln vielfach ihre zunehmende Marginalisierung. Durch die Liberalisierung werde ihre wirtschaftliche Eigenständigkeit gefährdet. In der Praxis wird die Komplexität der Tätigkeit der WTO zum Problem. Die Kapazitäten vieler Entwicklungsländer reichen nicht aus, die stark gestiegene Zahl der Sitzungen und die hohe Zahl an Dokumenten zu bewältigen. Etwa 30 Entwicklungsländer sind nicht in Genf vertreten. Selbst für den Zugang zum Datensystem der WTO fehlt es bei einigen Ländern am technischen Know-how.205 Diese praktischen Probleme verstärken die politische Marginalisierung der Entwicklungsländer in den Entscheidungsprozessen der WTO. Die WTO versucht sowohl durch rechtliche als auch durch technischpraktische Maßnahmen die Stellung der Entwicklungsländer in der WTO zu verbessern.206 Im Mittelpunkt stehen dabei die am wenigsten entwickelten Länder. So wurde bei der Ministerkonferenz 1996 in Singapur ein „umfas202
Benedek, Die Entwicklungsländer in der WTO, ZEuS 2000, S. 41, 47. Wiemann, Die Entwicklungsländer vor der neuen WTO-Runde, Aus Politik und Zeitgeschichte B 46–47/99, S. 32, 34 f. 204 Wiemann, Die Entwicklungsländer in der WTO, DIE Analysen und Stellungnahmen 1/1998, S. 2. 205 Benedek, Die Entwicklungsländer in der WTO, ZEuS 2000, S. 41, 48. 206 Zur Implementierung der Sonderregeln für Entwicklungsländer vgl. Mukerji, Developing Countries and the WTO, Issues of Implementation, JWT 2000, S. 33, 39 ff. 203
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sender und integrierter Aktionsplan der WTO für die am wenigsten entwickelten Länder“ angenommen, der vor allem zu einer Reihe von Tagungen führte. 1997 wurde ein so genannter „Integrierter Rahmenansatz für technische Hilfe für die am wenigsten entwickelten Länder“ („Integrated Framework approach“) zusammen mit UNCTAD und dem Internationalen Handelszentrum (International Trade Center, ITC) sowie dem IMF, der Weltbank und dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (United Nations Development Program, UNDP) vereinbart. Im Juni 1999 wurde im Allgemeinen Rat der WTO eine allgemeine Ausnahmegenehmigung für Zollpräferenzen zugunsten der am wenigsten entwickelten Länder beschlossen.207 Der „WTO Global Trust Fund“, in den WTO-Mitglieder freiwillig einzahlen können, wurde gegründet, um technische Hilfe für Entwicklungsländer zu finanzieren.208 Vertreter von Entwicklungsländern werden in den letzten Jahren stärker bei der Besetzung von wichtigen Positionen in der WTO berücksichtigt.209 Von vielen wird zumindest die erhöhte Transparenz und Berechenbarkeit nationaler Wirtschaftspolitik und die dadurch steigende Glaubwürdigkeit für ausländische Investoren als großer Vorteil aller Entwicklungsländer aus der Uruguay-Runde bewertet.210
B. Spezielle Vorschriften für Entwicklungsländer im GATT I. Artikel XVIII GATT Artikel XVIII GATT ist die ursprünglich einzige entwicklungsbezogene Regelung des GATT. In Ziffer 1 der Präambel des Artikels XVIII GATT erkennen die Vertragsparteien an, „dass sich die Ziele dieses Abkommens leichter durch eine fortschreitende Entwicklung der Wirtschaft erreichen lassen und dass dies insbesondere für die Vertragsparteien gilt, deren Wirtschaft nur einen niedrigen Lebensstandard zulässt und sich in den Anfangsstadien der Entwicklung befindet“.211 Aus diesem Grund erlaubt Arti207 Waiver-Entscheidung des Allgemeinen Rats der WTO vom 15. Juni 1999, WTO-Dok. WT/L/304. 208 WTO, Pressemitteilung PRESS/145 vom 4. November 1999. 209 Benedek, Die Entwicklungsländer in der WTO, ZEuS 2000, S. 41, 50. 210 So auch Wiemann, Die Entwicklungsländer in der WTO, DIE, Analysen und Stellungnahmen 1/1998, S. 4. 211 „The contracting parties recognize that the attainment of the objectives of this Agreement will be facilitated by the progressive development of their economies, particularly of those contracting parties the economies of which can only support low standards of living and are in the early stages of development.“
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kel XVIII GATT unter bestimmten Voraussetzungen die Änderung und Rücknahme von Zollzugeständnissen zur Errichtung eines Wirtschaftszweiges (Abschnitt A), Ausnahmen vom Verbot mengenmäßiger Beschränkungen gemäß Artikel XI GATT zum Schutz der Zahlungsbilanz (Abschnitt B) sowie – subsidiär – zur Errichtung eines Wirtschaftszweiges (Abschnitt C). Bisher ging man davon aus, dass die den Entwicklungsländern in Artikel XVIII GATT eingeräumten Maßnahmen in der Praxis eine untergeordnete Rolle spielen.212 Insbesondere Abschnitte A und C kommen kaum zur Anwendung, da die tatbestandlichen Voraussetzungen des Abschnittes B geringer sind.213 Abschnitt B wird allerdings von einigen Entwicklungsländern zur freien Gestaltung ihrer Außenhandelsordnungen genutzt.214 Dies hat zu Streit über die Reichweite des Abschnitts B geführt.215 Der Ausschuss für Handel und Entwicklung ist beauftragt, die praktischen Auswirkungen der Anwendung des Artikels XVIII GATT zu untersuchen.216 II. Teil IV des GATT 1965 wurde das GATT um seinen Teil IV ergänzt, der unter der Überschrift „Handel und Entwicklung“ spezielle Maßnahmen zur Förderung des Handels und der Entwicklung der sich entwickelnden Vertragsstaaten vorsieht. Artikel XXXVI Absatz 1 a) GATT wiederholt, dass die Erhöhung des Lebensstandards und die fortschreitende Entwicklung aller Vertragsparteien zu den grundlegenden Zielen des GATT gehören.217 Artikel XXXVI Absatz 3 GATT erklärt es daher zur Notwendigkeit, „tatkräftige Anstrengungen zu unternehmen, damit die weniger entwickelten Vertragsparteien einen den Bedürfnissen ihrer wirtschaftlichen Entwicklung entsprechenden Anteil am Wachstum des Welthandels erreichen.“218 212
Scharpenack, Das „Recht auf Entwicklung“, S. 135 m. w. N.; Benedek, Die Rechtsordnung des GATT aus völkerrechtlicher Sicht, S. 70. 213 Michaelis/Jessen, WTO und Entwicklung, in: Hilf/Oeter (Hrsg.), WTO-Recht, S. 601, 610. 214 Michaelis/Jessen, WTO und Entwicklung, in: Hilf/Oeter (Hrsg.), WTO-Recht, S. 601, 610. 215 Vgl. den Rechtsstreit „India – Quantitative Restrictions on Imports of Agricultural, Textile and Industrial Products“: Panel Report vom 6. April 1999, WTODok. WT/DS90/R; Appellate Body Report vom 23. August 1999, WTO-Dok. WT/ DS90/AB/R, angenommen am 22. September 1999. 216 WTO, Ministererklärung von Doha vom 14. November 2001, WTO-Dok. WT/ MIN(01)/DEC/1, Ziffer 12. 217 „The contracting parties, a) recalling that the basic objectives of this Agreement include the raising of standards of living and the progressive development of the economies of all contracting parties, and considering that the attainment of these objectives is particularly urgent for less-developed contracting parties [. . .].“
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Die einzige konkret bindende Bestimmung in Teil IV ist Artikel XXXVI Absatz 8 GATT, der die Entwicklungsländer von der Reziprozitätspflicht des GATT befreit: „Die entwickelten Vertragsparteien erwarten keine Gewährung der Gegenseitigkeit für die von ihnen in Handelsverhandlungen übernommenen Verpflichtungen zum Abbau oder zur Beseitigung von Zöllen und von sonstigen Beschränkungen des Handels der weniger entwickelten Vertragsparteien.“219
Dieser Grundsatz wird in einer Anmerkung zu diesem Artikel konkretisiert. Danach sollten die entwickelten Länder von den weniger entwickelten Ländern keine Beiträge erwarten, die mit den individuellen Bedürfnissen auf dem Gebiet der Entwicklung, der Finanzen und des Handels unvereinbar sind.220 Damit sind die Entwicklungsländer von der linearen Verhandlungsregel ausgenommen worden, sie können sich also nur durch ausdrückliche selbst gewählte Zugeständnisse verpflichten. Diese Befreiung der Entwicklungsländer vom Reziprozitätsprinzip wurde in die Ermächtigungsklausel von 1979 und in die Eröffnungserklärung der Uruguay-Runde von Punta del Este 1986 übernommen. Die Befreiung beschränkt sich auch hier dem Wortlaut nach auf Gegenleistungen, die mit den finanziellen und handelspolitischen Bedürfnissen der einzelnen Entwicklungsländer unvereinbar sind. Die Entscheidung darüber, welche Gegenleistungen in diesem Sinne vereinbar oder unvereinbar sind, ist bislang in der Praxis der Selbstbeurteilung der betroffenen Staaten überlassen worden.221 In Artikel XXXVII Absatz 4 GATT erklären sich die weniger entwickelten Vertragsparteien bereit, im Rahmen ihrer Möglichkeiten Maßnahmen zugunsten der am wenigsten entwickelten Länder zu ergreifen. Bei den Verhandlungen über die Formulierung des Teils IV 1964 hatten vor allem Brasilien, Chile und Indien gefordert, eine Ausnahmeregelung zu 218
„There is need for positive efforts designed to ensure that less-developed contracting parties secure a share in the growth in international trade commensurate with the needs of their economic developments.“ 219 „The developed contracting parties do not expect reciprocity for commitments made by them in trade negotiations to reduce or remove tariffs and other barriers to the trade of less-developed contracting parties.“ 220 „It is understood that the phrase ‚do not expect reciprocity‘ means, in accordance with the objectives set forth in this Article, that the less-developed contracting parties should not be expected, in the course of trade negotiations, to make contributions which are inconsistent with their individual development, financial and trade needs, taking in consideration past trade developments.“ 221 Vgl. Behrens, GATT-Regeln und Entwicklungsländer, Schriften des Vereins für Socialpolitik 1996, S. 225, 238.
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Artikel I GATT festzuschreiben.222 Dadurch sollte die Möglichkeit geschaffen werden, wirtschaftlich schwachen Staaten Präferenzen zu gewähren, ohne sie gemäß dem Meistbegünstigungsprinzip auch allen anderen GATTVertragsparteien gewähren zu müssen. Die Forderungen führten zwar zu der Differenzierung zwischen Entwicklungs- und Industrieländern, die Möglichkeit einer Präferenzbehandlung wurde dadurch aber noch nicht eingeräumt.223 Das hielt die Befürworter nicht von der Präferenzbehandlung für und zwischen Entwicklungsländern ab. Australien führte 1966 ein begrenztes Zollpräferenzsystem zugunsten von Entwicklungsländern ein.224 1967 schlossen Indien, die Vereinigte Arabische Republik (Ägypten) und Jugoslawien eine Präferenzhandelsvereinbarung.225 Beide Vereinbarungen wurden dem GATT gemäß Teil IV GATT notifiziert. Da darin jedenfalls explizit keine Rechtsgrundlage für Präferenzhandelsabkommen enthalten war, wurden für beide Vereinbarungen spezielle Ausnahmebeschlüsse gefasst, ohne allerdings einen waiver i. S. d. Artikels XXV Absatz 5 GATT zu gewähren.226 III. Ermächtigungsklausel 1. Entstehungsgeschichte Insbesondere das australische Präferenzsystem führte zu einer intensiveren Debatte über die Präferenzbehandlung von Entwicklungsländern.227 Diese Debatte führte 1971 zum Vorschlag der UNCTAD, ein Allgemeines Präferenzsystem (Generalized System of Preferences, GSP) zu etablieren.228 Die Präferenzen sollten allein den Entwicklungsländern zugute kommen. Kein Drittstaat sollte seine Rechte aus der Meistbegünstigungsklausel geltend machen können, um ebenfalls in den Genuss der Präferenzen zu kom222 Committee on the Legal and Institutional Framework of GATT in Relation to Less-Developed Countries, Proposed Chapter on Trade and Development, Comparative Provisions on Five Submissions, GATT-Dok. L/2147 vom 24. Februar 1964. 223 Yusuf, „Differential and More Favourable Treatment“: The GATT Enabling Clause, JWTL 1980, S. 488, 489. 224 Beschrieben in GATT, Tariff Preferences for Less-Developed Countries, Request for a Waiver by Australia, GATT-Dok. L/2443 vom 4. Juni 1965. 225 Trade expansion and Economic Co-operation Agreement between India, the United Arab Republic and Yugoslavia, Addendum, GATT-Dok. L/2980/Add.1 vom 4. Juni 1968. 226 Yusuf, „Differential and More Favourable Treatment“: The GATT Enabling Clause, JWTL 1980, S. 488, 489, 499 m. w. N. 227 Senti, WTO, Rn. 395. 228 Agreed Conclusions of the Special Committee on Preferences, UNCTADDok. TD/B/330, 1. Teil.
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men.229 Die GATT-Vertragsparteien einigten sich darauf, ein solches Allgemeines Präferenzsystem einzuführen. Um den Konflikt mit Artikel I GATT zu lösen, schlug das GATT-Sekretariat drei mögliche Lösungen vor: Die Erteilung eines waiver, eine Ergänzung des GATT oder eine einstimmige Erklärung der Vertragsparteien, die die Präferenzen für eine bestimmte Zeit zulassen würde.230 Das Sekretariat wies zugleich darauf hin, dass die in Artikel XXV Absatz 5 GATT vorausgesetzten „außergewöhnlichen Umstände“ nicht für ein generelles Präferenzsystem erfüllt sein könnten und dass Artikel XXV Absatz 5 GATT Ausnahmen zugunsten einer Vertragspartei zulasse, nicht zugunsten einer ganzen Gruppe von Ländern. Eine Ergänzung des GATT sei hingegen unpraktisch, da gemäß Artikel XXX GATT Einstimmigkeit erforderlich sei, um Artikel I GATT zu ändern.231 Zudem nehme dieses Verfahren zu viel Zeit in Anspruch. Das GATT-Sekretariat empfahl daher eine einstimmige Erklärung der Vertragsparteien, durch die Zollpräferenzen zeitlich beschränkt zugelassen würden.232 Dieser Empfehlung kamen die GATT-Vertragsparteien nicht nach. Sie entschieden sich vielmehr dafür, zunächst einen allgemeinen waiver gemäß Artikel XXV Absatz V GATT für die Dauer von zehn Jahren zu erteilen, der ihrer jährlichen Kontrolle unterlag.233 Schon zwei Jahre später wurde im Rahmen der Tokio-Runde auf Antrag der Entwicklungsländer die so genannte Framework-Gruppe eingesetzt, die eine permanente Regelung der Präferenzen zugunsten von Entwicklungsländern ausarbeiten sollte. Daraus entstand die so genannte Enabling Clause (Ermächtigungsklausel), die 1979 während der Tokio-Verhandlungsrunde beschlossen wurde.234 Zur Verhandlungsgeschichte der Ermächtigungsklau229 Agreed Conclusions of the Special Committee on Preferences, UNCTADDok. TD/B/330, 1. Teil, unter IX. 230 Yusuf, „Differential and More Favourable Treatment“: The GATT Enabling Clause, JWTL 1980, S. 488, 490 m. w. N. 231 Vgl. heute auch Artikel X Absatz 2 WTO-Übereinkommen. 232 Yusuf, „Differential and More Favourable Treatment“: The GATT Enabling Clause, JWTL 1980, S. 488, 490 f. m. w. N. 233 „[. . .] the provision of Article I shall be waived for a period of ten years to the extent necessary to permit developed contracting parties, [. . .] to accord preferential tariff treatment to the products originating in developing countries and territories [. . .] without according such treatment to like products of other contracting parties [. . .]“.Generalized System of Preferences, Entscheidung vom 25. Juni 1971, GATT-Dok. L/3545 vom 28. Juni 1971, veröffentlicht in: Hummer/Weiss, Vom GATT ’47 zur WTO ’94, S. 257 f., Buchst. a). 234 Differential and more favourable treatment, reciprocity and fuller participation of developing countries, Entscheidung vom 28. November 1979, GATT-Dok. L/4903 vom 3. Dezember 1979, deutsche Übersetzung bei Hummer/Weiss, Vom
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sel ist wenig veröffentlicht, es gibt keine offizielle Erläuterung zu ihr und ihrer Entstehung. Zwei Annahmen scheinen bei der Entscheidung über die Ermächtigungsklausel eine Rolle gespielt zu haben: Erstens ging man davon aus, dass die wirtschaftswissenschaftlichen Theorien zur Handelsliberalisierung für ärmere Länder nicht gälten und daher die Forderung von gegenseitigen Handelszugeständnissen ihnen gegenüber unangebracht seien. Zweitens nahm man an, dass die gegenseitigen Handelszugeständnisse zwischen Entwicklungsländern ohnehin irrelevant seien, da ihre Märkte zu klein seien. Heute werden beide Annahmen in dieser Allgemeinheit kaum noch geteilt.235 2. Anwendungsbereich Absatz 1 der Ermächtigungsklausel lautet: „Ungeachtet des Artikels I des Allgemeinen Abkommens können die Vertragsparteien den Entwicklungsländern eine differenzierte und günstigere Behandlung gewähren, ohne diese Behandlung den anderen Vertragsparteien zu gewähren.“236
Aus diesem Wortlaut ergibt sich eine klare Begrenzung: Die Formulierung in Absatz 1: „Ungeachtet des Artikels I des Allgemeinen Abkommens [. . .]“ macht deutlich, dass im Folgenden eine Ausnahme zu Artikel I GATT formuliert wird. Verstöße gegen andere Regeln des GATT werden durch die Ermächtigungsklausel nicht gerechtfertigt. Auch gemäß dem WTO-Übereinkommen verbleibt die Ermächtigungsklausel als Ausnahme allein im Bereich des Warenhandels. Eine Ausweitung auf die neuen Regelungsbereiche Dienstleistungen, Schutz des geistigen Eigentums und Investitionsmaßnahmen findet nicht statt. Die Fortgeltung der Ermächtigungsklausel folgt aus Artikel 1 b) GATT 1994. Danach sind alle Entscheidungen der VERTRAGSPARTEIEN zum GATT 1947 Teil des GATT 1994 – d.h. sie gelten weiter im Anwendungsbereich des GATT, werden aber nicht automatisch auf die Anwendungsbereiche des GATS oder TRIPS übertragen. In den weiteren Absätzen der Ermächtigungsklausel werden die Gebiete aufgezählt, für die die spezielle und differenzierte Behandlung zugunsten GATT ’47 zur WTO ’94, S. 259 ff. Dieser Übersetzung sind die folgenden wörtlichen Zitate aus der Ermächtigungsklausel in deutscher Sprache entnommen. 235 Sutherland et al., The Future of the WTO – Addressing Institutional Challenges in the New Millennium, Report by the Consultative Board to the DirectorGeneral Supachai Panitchpakdi, 2004, S. 24. 236 „Notwithstanding the provisions of Article I of the General Agreement, contracting parties may accord differential and more favourable treatment to developing countries, without according such treatment to other contracting parties.“
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von Entwicklungsländern (special and differential treatment, SDT) zulässig ist, und die Voraussetzungen konkretisiert. Bekanntester Anwendungsbereich der Ermächtigungsklausel ist gemäß Absatz 2 a) das GSP, wie es in der Entscheidung der Vertragsparteien vom 25. Juni 1971 festgelegt wurde. Die Befristung des GSP auf zehn Jahre wurde aufgehoben.237 In Absatz 2 b) Ermächtigungsklausel wird die differenzierende und begünstigende Behandlung von Entwicklungsländern in Bezug auf nicht tarifäre Maßnahmen zugelassen, die durch multilaterale Abkommen im Rahmen des GATT geregelt werden. Dieser Absatz bezieht sich in erster Linie auf die sechs in der Tokio-Runde geschlossenen multilateralen Vereinbarungen über nicht tarifäre Handelsbeschränkungen.238 In den meisten dieser Abkommen sind SDT-Bestimmungen vorgesehen.239 Dieses Anwendungsgebiet hat in der Rechtspraxis bislang wenig Bedeutung erlangt. Gemäß Absatz 2 c) ist die Ermächtigungsklausel ebenfalls auf folgende präferentielle Handelsabkommen zwischen Entwicklungsländern anwendbar: „regionale oder weltweite Vereinbarungen, die weniger entwickelte Vertragsparteien zum gegenseitigen Abbau oder zur gegenseitigen Beseitigung von Zöllen und – in Übereinstimmung mit den Kriterien oder Bedingungen, die von den VERTRAGSPARTEIEN festgelegt werden können – zum gegenseitigen Abbau oder zur gegenseitigen Beseitigung nichttariflicher Maßnahmen auf Erzeugnisse, die diese weniger entwickelten Länder voneinander einführen, schließen“.240 237 Absatz 2 a) lautet: „The provisions of paragraph 1 apply to the following: (a) Preferential tariff treatment accorded by developed contracting parties to products originating in developing countries in accordance with the Generalized System of Preferences“. In der Fußnote wird das „Generalized System of Preferences“ konkretisiert: „As described in the Decision of the CONTRACTING PARTIES of 25 June 1971, relating to the establishment of ‚generalized, non-reciprocal and non discriminatory preferences beneficial to the developing countries‘ (BISD 18S/24).“ 238 Agreement on Interpretation and Application of Articles VI, XVI, and XXIII of the General Agreement (dealing with subsidies and countervailing duties); Agreement on Technical Barriers to Trade (often referred to as the standards code); Agreement on Implementation of Article VII of the General Agreement (relating to Customs valuation); Agreement on Government Procurement; Agreement on Import Licensing Procedures; Agreement on Implementation of Article VI of the General Agreement (which deals with Anti-dumping). 239 Dazu ausführlich Yusuf, „Differential and More Favourable Treatment“: The GATT Enabling Clause, JWTL 1980, S. 488, 495 ff. m. w. N. 240 „[R]egional or global arrangements entered into amongst less-developed contracting parties for the mutual reduction or elimination of tariffs and, in accordance with criteria or conditions which may be prescribed by the CONTRACTING PARTIES, for the mutual reduction or elimination of non-tariff measures, on products imported from one another“. Dazu im Einzelnen ausführlich unten unter § 11 B. IV.
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Absatz 2 d) weitet den Anwendungsbereich schließlich auf die Sonderbehandlung der am wenigsten entwickelten Länder aus: „besondere Behandlung zugunsten der am wenigsten entwickelten Länder unter den Entwicklungsländern im Rahmen allgemeiner oder spezifischer Maßnahmen zugunsten der Entwicklungsländer.“241
Zuvor war im GATT an keiner Stelle Bezug auf die am wenigsten entwickelten Länder genommen worden. In der Ministererklärung von Tokio haben die Vertragsparteien diese erstmals als eigene relevante Kategorie anerkannt.242 3. Rechtsnatur der Ermächtigungsklausel Mit der Ermächtigungsklausel, insbesondere ihrem Absatz 2 a) wurde der GSP-Waiver abgelöst. Sie selbst ist kein waiver, sondern Bestandteil des GATT.243 Die Ermächtigungsklausel ist gemäß Artikel 1 b) GATT 1994 Teil des GATT 1994, das danach Entscheidungen der VERTRAGSPARTEIEN im Rahmen des GATT 1947244 einschließt.245 4. Streitbeilegungsverfahren a) „United States Customs User Fee“ Im Fall „United States Customs User Fee“ entschied ein GATT 1947-Panel, dass die Verletzung des Artikels I GATT nur durch die Ermächtigungs241 „[S]pecial treatment on the least developed among the developing countries in the context of any general or specific measures in favour of developing countries.“ 242 GATT, Declaration of Ministers Approved at Tokyo on 14 September 1973, para. 6. Doc. of MIN (73)1 of 14 Sept. 1973: „The Ministers recognize that the particular situation and problems of the least developed among the developing countries shall be given special attention, and stress the need to ensure that these countries receive special treatment in the context of any general or specific measures taken in favour of the developing countries during the negotiations.“; vgl. Yusuf, „Differential and More Favourable Treatment“: The GATT Enabling Clause, JWTL 1980, S. 488, 500. 243 Howse, India’s WTO Challenge to Drug Enforcement Conditions in the European Community Generalized System of Preferences: A Little Known Case with Major Repercussions for „Political“ Conditionality in US Trade Policy, Chicago Journal of International Law 2003, S. 385, 390. 244 „[. . .] (iii) decisions on waivers granted under Article XXV of GATT 1947 and still in force on the date of entry into force of the WTO Agreement; and (iv) other decisions of the CONTRACTING PARTIES to GATT 1947“. 245 So WTO-Sekretariat, Legal Note on Regional Trade Arrangements under the Enabling Clause, 13. Mai 2003, WTO-Dok. WT/COMTD/W/114, S. 3.
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klausel gerechtfertigt sein könne, wenn sie dem GSP oder anderen multilateralen Instrumenten unter dem GATT entsprächen.246 b) „United States – Denial of Most-Favoured-Nation Treatment as to Non-Rubber Footwear from Brazil“ 1992 prüfte ein GATT 1947-Panel in dem Fall „United States – Denial of Most-Favoured-Nation Treatment as to Non-Rubber Footwear from Brazil“247, ob die Ermächtigungsklausel Ausgleichszölle rechtfertigen könnte, die andernfalls eine Verletzung von Artikel I GATT darstellen würden. Das Panel entschied, die Ermächtigungsklausel beschränke die präferenzielle Behandlung durch entwickelte Länder zugunsten von Entwicklungsländern gemäß dem allgemeinen Präferenzsystem auf Zollpräferenzen.248 An der Justitiabilität der Ermächtigungsklausel ließen die beiden GATT 1947-Panel keine Zweifel erkennen. c) „EC – Tariff Preferences“ In dem Verfahren „EC – Tariff Preferences“249 griff Indien das Zollpräferenzsystem der EG gegenüber Entwicklungsländern gemäß der EG-Verordnung 2501/2001 vom 10. Dezember 2001250 an. Streitgegenstand war insbesondere das so genannte Drogenabkommen in Artikel 10 der Verordnung. Die allgemeinen Zollpräferenzen für alle Entwicklungsländer gemäß Artikel 7 und die an die Erfüllung von arbeits- und umweltschutzrechtlichen Standards geknüpften Sonderpräferenzen gemäß Artikel 8 der Verordnung standen grundsätzlich allen Entwicklungsländern offen. Gemäß Artikel 10 der Verordnung sollten zwölf in einem Anhang 246 Panel Report „United States Customs User Fee“, GATT-Dok. L/6264 vom 25. November 1987, Absatz 122. 247 Panel Report „United States – Denial of Most-Favoured-Nation Treatment as to Non-Rubber Footwear from Brazil“, GATT-Dok. DS18/R vom 10. Januar 1992, angenommen am 19. Juni 1992. 248 „It was clear that the Enabling Clause expressly limits the preferential treatment accorded by developed contracting parties in favour of developing contracting parties under the Generalized System of Preferences to tariff preferences only.“ Panel Report, GATT-Dok. DS18/R, Absatz 6.15. 249 Appellate Body Report „European Communities – Conditions for the Granting of Tariff Preferences to Developing Countries“ vom 7. April 2004, WTO-Dok. WT/ DS246/AB/R, angenommen am 20. April 2004; vgl. dazu Schmahl, „Enabling Clause“ versus Meistbegünstigungsprinzip, AVR 2004, S. 389 ff.; Bartels, The WTO Enabling Clause and Positive Conditionality in the European Community’s GSP Program, JIEL 2003, S. 507 ff. 250 ABl. L 346 vom 31. Dezember 2001, S. 1.
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aufgezählten begünstigten Staaten zusätzliche Zollermäßigungen für bestimmte Produkte, u. a. Textilien, gewährt werden. Dadurch wollte die EG diese ausgewählten Länder dabei unterstützen, ihre Volkswirtschaften auf andere Produkte als Drogen umzustellen. Indien machte geltend, diese Regelung verstoße gegen Artikel I Absatz 1 GATT 1994 und sei nicht durch die Ermächtigungsklausel gerechtfertigt. Wesentlicher Gegenstand des Streits war die Frage, ob diese Regelung durch Absatz 2 a) Ermächtigungsklausel gerechtfertigt sein könne und wer dafür die Beweislast trage. Die EG verteidigte sich unter anderem mit dem Argument, die Ermächtigungsklausel stelle eine Spezialregelung für Entwicklungsländer aufgrund von Unterschieden zwischen den Mitgliedstaaten dar. Im Verhältnis zu Artikel I Absatz 1 GATT 1994 handele es sich somit nicht um eine Ausnahme, sondern vielmehr um eine Spezialregelung.251 Sowohl die Parteien als auch Panel und Appellate Body gingen davon aus, dass die Ermächtigungsklausel als Entscheidung im Sinne des Absatzes 1 b) iv) GATT 1994 Teil des GATT 1994 ist.252 Die Justitiabilität der Ermächtigungsklausel wurde nicht in Frage gestellt. Der Appellate Body bestätigte die Entscheidung des Panel, dass die Ermächtigungsklausel eine Ausnahme zur Meistbegünstigungsklausel in Artikel I Absatz 1 GATT 1994 darstelle.253 Abweichend von der Entscheidung des Panel führte der Appellate Body aber weiter aus, die Ermächtigungsklausel habe einen besonderen Status, der sich vor allem im Streitbeilegungsverfahren auswirke: Da die Ermächtigungsklausel der wirtschaftlichen Entwicklung von Entwicklungsländern dienen solle und jede Maßnahme gemäß der Ermächtigungsklausel gegen Artikel I GATT 1994 verstoße, müsse ein Beschwerdeführer im Streitbeilegungsverfahren nicht nur eine Verletzung von Artikel I GATT 1994 rügen, sondern zugleich vortragen, dass diese nicht durch die Ermächtigungsklausel gerechtfertigt sei.254 Nur so könne der Streitgegenstand hinreichend präzise benannt werden.255 Dies ändere aber nichts daran, dass die Darlegungs- und Beweislast den von der Maßnahme Begünstigten, also den Beschwerdegegner treffe.256 251 WTO-Dok. WT/DS246/AB/R, Absatz 13 mit Verweis auf die nicht veröffentlichte „European Communities’ appellant’s submission“, Absatz 51. 252 WTO-Dok. WT/DS246/R, Absatz 7.32 f.; WTO-Dok. WT/DS246/AB/R, Absatz 90 und Fn. 192. 253 WTO-Dok. WT/DS246/AB/R, Absatz 90, 99; WTO-Dok. WT/DS246/R, Absatz 7.53. 254 WTO-Dok. WT/DS246/AB/R, Absatz 110. 255 WTO-Dok. WT/DS246/AB/R, Absatz 113. 256 WTO-Dok. WT/DS246/AB/R, Absatz 115.
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3. Kap.: Das WTO-Recht als äußerer rechtlicher Rahmen
Im Weiteren beziehen sich Streit und Entscheidungen auf Fragen zu Absatz 2 a) Ermächtigungsklausel. Im Ergebnis stellte der Appellate Body fest, dass Absatz 2 a) Ermächtigungsklausel nur nicht diskriminierende Präferenzen zulasse und die EG nicht nachgewiesen habe, dass das Drogenabkommen nicht diskriminierend sei. Absatz 2 c) Ermächtigungsklausel war bislang nicht Gegenstand von Streitbeilegungsverfahren. IV. Insbesondere: Absatz 2 c) Ermächtigungsklausel Von besonderer Relevanz für die Entwicklungsgemeinschaften ist Absatz 2 c) Ermächtigungsklausel. Sie gestattet Präferenzabkommen zwischen Entwicklungsländern und könnte damit Rechtfertigung für Entwicklungsgemeinschaften sein, soweit diese allein gegen Artikel I GATT verstoßen. 1. Entstehungsgeschichte Wie es dazu gekommen ist, dass Absatz 2 c) in die Ermächtigungsklausel aufgenommen wurde, lässt sich nicht mehr im Einzelnen nachvollziehen. Absatz 2 c) Ermächtigungsklausel findet keinen Vorgänger in dem GSPwaiver von 1971, als dessen Nachfolger die Ermächtigungsklausel verstanden wird. Einen Vorläufer hatte sie aber in einer Ausnahmeregelung für die regionale Integration von Entwicklungsländern im Entwurf der ITO-Charter. Dass diese nicht ins GATT übernommen wurde, lag wohl vor allem in technischen Problemen begründet. Die damals bestehenden Anwendungsfälle wurden speziell in Artikel I GATT von der Meistbegünstigungsverpflichtung ausgenommen.257 2. Umfang der Ausnahme Wie für die anderen Ausnahmebestimmungen der Ermächtigungsklausel ergibt sich aus dem Wortlaut des Absatzes 1) eine klare Begrenzung auf die Rechtfertigung von Verstößen gegen Artikel I GATT. Erlaubt werden gemäß Absatz 2 c) Ermächtigungsklausel regionale und weltweite Vereinbarungen zur gegenseitigen Reduzierung oder Beseitigung von Zöllen und – „in Übereinstimmung mit den Kriterien oder Bedingungen, die von den VERTRAGSPARTEIEN festgelegt werden können“ – von nichttarifären Maßnahmen. 257
Jackson, World Trade and the Law of GATT, S. 578.
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3. Voraussetzungen Die Voraussetzungen der Rechtfertigung des Absatzes 2 c) Ermächtigungsklausel waren bislang weder Gegenstand der Streitbeilegung noch vertiefter wissenschaftlicher Diskussion. Im Wege der Auslegung lassen sich folgende wesentliche Voraussetzungen ermitteln: Vereinbarungen zum Abbau oder zur Beseitigung von Zöllen und nichttariflichen Maßnahmen sind gerechtfertigt, wenn sie ausschließlich zwischen Entwicklungsländern geschlossen werden und sie für den Handel aller anderen WTO-Mitglieder keine Hemmnisse errichten oder ungebührliche Schwierigkeiten bereiten. Damit ist Absatz 2 c) Ermächtigungsklausel zugleich flexibler und strenger als Artikel XXIV GATT. Im Einzelnen: a) „Vereinbarungen, die weniger entwickelte Vertragsparteien schließen“ Gemäß Absatz 2 c) Ermächtigungsklausel muss es sich zunächst um Vereinbarungen handeln, „die weniger entwickelte Vertragsparteien schließen“. Am Ende des Absatzes heißt es „diese weniger entwickelten Länder“. Absatz 1 Ermächtigungsklausel spricht von „Entwicklungsländern“. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Ermächtigungsklausel die Begriffe Entwicklungsländer und weniger entwickelte Länder nicht ebenso wie der allgemeine Sprachgebrauch und andere internationale Organisationen synonym verwenden würde. Weder aus der Ermächtigungsklausel noch aus dem sonstigen GATT- und WTO-Recht ergibt sich jedoch eine konkrete Definition des Begriffes Entwicklungsland.258 Vielmehr bestimmen die WTO-Mitglieder selbst, ob sie sich bzw. ihre Handelspartner als Entwicklungsländer einstufen. Dabei stimmen Selbst- und Fremdeinschätzung nicht immer überein. Während die Selbsteinschätzung der ursprünglichen Mitglieder der WTO bislang überwiegend anerkannt wurde, spielt die Anerkennung durch die anderen WTO-Mitglieder bei der Verhandlung von Beitrittsbedingungen für Neumitglieder gemäß Artikel XII WTO-Übereinkommen eine erhebliche Rolle.259 Dies gilt insbesondere für China. China hielt in den Verhandlungen daran fest, dass es Entwicklungsland sei und alles Sonderrecht für Entwicklungsländer in der WTO in Anspruch nehmen können sollte.260 Andere Mitglie258
Siehe dazu bereits oben unter § 1 B. II. Michaelis/Jessen, WTO und Entwicklung, in: Hilf/Oeter (Hrsg.), WTO-Recht, S. 601, 608; Stoll/Schorkopf, WTO, S. 21. Als bislang einziger Mitgliedstaat ließ Mexiko seinen Status als Entwicklungsland im Zeitpunkt des Beitritts im Beitrittsprotokoll festhalten, vgl. Benedek, Die Rechtsordnung des GATT aus völkerrechtlicher Sicht, S. 413. 259
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der waren der Ansicht, China könne wegen seiner Größe, des schnellen Wachstums und des Übergangsstadiums der chinesischen Volkswirtschaft nicht als Entwicklungsland behandelt werden.261 Es wurde deshalb ein pragmatischer Ansatz gewählt, indem zahlreiche detaillierte Spezialregeln für China ausgehandelt wurden.262 Ergebnisse sind ein über 900 Seiten umfassender Bericht der Arbeitsgruppe zum WTO-Beitritt Chinas263 sowie ein mehrere Hundert Seiten starkes Beitrittsprotokoll.264 Inwieweit China in Zukunft die WTO-Sonderrechte der Entwicklungsländer, insbesondere aus der Ermächtigungsklausel, für sich in Anspruch nehmen kann, soweit nicht eine der Spezialregelungen für China greift, ist darin nicht geregelt. Tatsächlich ist mittlerweile ein Freihandelsabkommen zwischen China und ASEAN265 gemäß Absatz 2 c) Ermächtigungsklausel notifiziert worden.266 Umgekehrt wird Südafrika, das sich selbst als Industrienation versteht und bislang keine Sonderrechte für Entwicklungsländer für sich in Anspruch nahm, von anderen WTO-Mitgliedstaaten als Entwicklungsland behandelt. Südafrika wurde von der EG in das gemäß Absatz 2 a) Ermächtigungsklausel notifizierte Allgemeine Präferenzsystem zugunsten von Entwicklungsländern aufgenommen, ohne dass sein Entwicklungslandstatus geprüft worden wäre.267 260 WTO, Ministerial Conference, Fourth Session, Doha 9–13 November, 2001, Report of the Working Party on the Accession of China, WTO-Dok. WT/MIN(01)/3 vom 10. November 2001, Absatz 8. Vgl. zu den Verhandlungen im Allgemeinen Hilf/Feddersen, GATTing China into the WTO, in: Abbott (Hrsg.), China in the World Trading System, S. 87 ff.; Feddersen/Mengelkoch, Die Öffnung der Volksrepublik China in die Weltwirtschaft, ZVglRWiss 2000, S. 86 ff. 261 WTO, Ministerial Conference, Fourth Session, Doha 9–13 November, 2001, Report of the Working Party on the Accession of China, WTO-Dok. WT/MIN(01)/3 vom 10. November 2001, Absatz 9. 262 WTO, Ministerial Conference, Fourth Session, Doha 9–13 November, 2001, Report of the Working Party on the Accession of China, WTO-Dok. WT/MIN(01)/3 vom 10. November 2001, Absatz 9. Vgl. beispielhaft zu dem speziellen Schutzmaßnahmenmechanismus für China Hilf/Bender, Der Schild gegen den Drachen, RIW 2004, S. 62 ff. 263 WTO, Ministerial Conference, Fourth Session, Doha 9–13 November, 2001, Report of the Working Party on the Accession of China, WTO-Dok. WT/MIN(01)/3 vom 10. November 2001. 264 WTO, Protocol on the Accession of the People’s Republic of China, WTODok. WT/L/432 vom 23. November 2001. Vgl. zum Beitrittsprotokoll Hilf, L’Accession de la Chine à l’OMC, Etudes en l’honneur de Jean Claude Gautron, S. 657 ff.; zur Umsetzung der Beitrittsdokumente Hilf/Göttsche, Chinas Beitritt zur WTO, RIW 2003, S. 161 ff. 265 Vgl. dazu oben unter § 6 C. I. 266 Vgl. dazu unten unter § 12 A. I. 267 Vgl. dazu ausführlich Weusmann, Die Europäische Union und Südafrika, S. 72 f. m. w. N.
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Das Selbsteinschätzungsprinzip gilt also nicht unbegrenzt. Als gemischtes Selbst- und Fremdeinschätzungsprinzip führt es zu erheblicher Rechtsunsicherheit. Für sämtliche Vorschriften des WTO-Sonderrechts der Entwicklungsländer heißt das, dass ihr persönlicher Anwendungsbereich nicht fest definiert ist. Im Zusammenhang mit Absatz 2 c) Ermächtigungsklausel wird diese Unsicherheit dadurch vervielfacht, dass er nur für Vereinbarungen gilt, die ausschließlich von Entwicklungsländern geschlossen werden. Der Status jedes einzelnen Vertragsstaates ist somit für die Frage der Übereinstimmung mit WTO-Recht relevant. Das Problem stellt sich etwa für SADC, da der Status seines Mitgliedstaates Südafrika umstritten ist. Ebenso gilt es für Vereinbarungen, an denen ehemalige Staatshandelsländer beteiligt sind, solange nicht im Selbst- und Fremdverständnis geklärt ist, ob sie Entwicklungs- bzw. Industrieländer sind oder eine eigene Gruppe der Transformationsländer bilden. Eine Normierung oder die Anerkennung der Liste einer anderen internationalen Organisation, etwa wie die Bezugnahme in Artikel XI Absatz 2 WTO-Übereinkommen auf die von den Vereinten Nationen anerkannten am wenigsten entwickelten Länder268, wäre im Sinne der Rechtssicherheit wünschenswert. Ein zweites Problem, das mit der Formulierung „weniger entwickelte Vertragsparteien“ verknüpft ist, ist die Frage, ob Absatz 2 c) Ermächtigungsklausel allein Zusammenschlüsse rechtfertigt, an denen ausschließlich WTO-Mitgliedstaaten beteiligt sind.269 Dafür spricht auf den ersten Blick der Wortlaut. Systematik, Vertragshistorie und Sinn und Zweck ergeben jedoch, dass eine solche Begrenzung nicht besteht. Die eigentliche Regelung wird in Absatz 1 Ermächtigungsklausel getroffen. Dort heißt es: „[. . .] können die Vertragsparteien den Entwicklungsländern eine differenzierte und günstigere Behandlung gewähren [. . .]“. Absatz 2 c) Ermächtigungsklausel beschreibt einen Anwendungsbereich des Absatzes 1. Danach können weniger entwickelte WTO-Mitglieder anderen Entwicklungsländern, seien sie WTOMitglieder oder Drittstaaten, eine differenzierte und günstigere Behandlung gewähren, wenn sie mit ihnen eine Vereinbarung im Sinne des Absatzes 2 c) Ermächtigungsklausel schließen. Die Formulierung „weniger entwickelte Vertragspartei“ zu Beginn des Absatzes 2 c) Ermächtigungsklausel ist gewählt, um diejenigen Entwicklungsländer, die als WTO-Mitglieder an Artikel I Absatz 1 GATT verpflichtet sind, von ihrer Meistbegünstigungspflicht unter bestimmten Voraussetzungen zu befreien. Nicht-WTO-Mitglieder be268
Vgl. oben unter § 1 A. II. Dies bejahend Choi, Legal Problems of Making Regional Trade Agreements with Non-WTO-Members, JIEL 2005, S. 825 ff. 269
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dürfen einer solchen Befreiung nicht. Am Ende des Absatzes 2 c) Ermächtigungsklausel, in dem es um den Handel innerhalb einer Vereinbarung geht, ist die Formulierung „[. . .] die diese weniger entwickelten Länder voneinander einführen [. . .]“ gewählt. Das Ziel der Ermächtigungsklausel, die Förderung der Entwicklungsländer, ist nicht auf WTO-Mitglieder beschränkt. Entsprechend sind Begünstigte der präferentiellen Behandlung seitens der entwickelten Vertragsparteien gemäß Absatz 2 a) Ermächtigungsklausel ebenso wie diejenigen gemäß dessen Vorgänger, dem GSP-Waiver, alle Entwicklungsländer und nicht nur die weniger entwickelten Vertragsparteien. Es ist kein Grund ersichtlich, warum für Vereinbarungen im Sinne des Absatzes 2 c) Ermächtigungsklausel etwas anderes gelten sollte. b) „Zum [. . .] Abbau oder zur [. . .] Beseitigung von Zöllen“ Die Vereinbarungen zwischen den Entwicklungsländern müssen gemäß Absatz 2 c) Ermächtigungsklausel zum gegenseitigen Abbau oder zur gegenseitigen Beseitigung von Zöllen geschlossen sein. Diese Anforderung ist also wesentlich schwächer als die des Artikels XXIV Absatz 8 GATT. Hiernach müssen Freihandelszonen oder Zollunionen zur Beseitigung von Zöllen und Handelsbarrieren im Intrahandel führen, um GATT-Verstöße zu rechtfertigen. Für die Präferenzvereinbarungen gemäß Absatz 2 c) Ermächtigungsklausel genügt es hingegen, wenn die Zölle im Intrahandel nur abgebaut werden sollen. Ob dies letztlich zu einer Beseitigung führen soll, ist irrelevant. Die Vereinbarungen gemäß Absatz 2 c) Ermächtigungsklausel dürfen aber zur Beseitigung von Zöllen führen. Eine Obergrenze für die zulässige Herabsetzung im Intrahandel sieht der Wortlaut von Absatz 2 c) Ermächtigungsklausel nicht vor.270 In einem zweiten Punkt sind die Anforderungen des Absatzes 2 c) Ermächtigungsklausel geringer als die des Artikels XXIV Absatz 8 GATT: Absatz 2 c) Ermächtigungsklausel enthält kein SAT-Erfordernis. Der Alles-oder-Nichts-Ansatz des Artikels XXIV GATT findet in Absatz 2 c) Ermächtigungsklausel somit keine Berücksichtigung. Die Formulierung „zum [. . .] Abbau oder zur [. . .] Beseitigung von Zöllen“ stellt insofern keine Voraussetzung dar, sondern umschreibt den Anwendungsbereich. Ohne Zollabbau im Intrahandel käme es nicht zum 270 Zur Frage, ob sich eine solche Beschränkung aus dem Verhältnis zwischen Absatz 2 c) Ermächtigungsklausel und Artikel XXIV GATT ergibt, siehe unten unter § 12.
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Verstoß gegen das Meistbegünstigungsprinzip gemäß Artikel I Absatz 1 GATT. c) „Zur [. . .] Beseitigung nichttariflicher Maßnahmen“? Fraglich ist, ob auch Vereinbarungen zur Beseitigung nichttarifärer Handelshemmnisse gemäß Absatz 2 c) Ermächtigungsklausel gerechtfertigt sein können. Absatz 2 c) Ermächtigungsklausel enthält diesbezüglich den Einschub „in Übereinstimmung mit den Kriterien oder Bedingungen, die von den VERTRAGSPARTEIEN festgelegt werden können“. Bislang ist eine solche Festlegung nicht erfolgt. Das WTO-Sekretariat nennt es daher eine offene Frage, ob Absatz 2 c) Ermächtigungsklausel für den Abbau oder die Beseitigung von nichttarifären Handelshemmnissen gilt.271 Würde er nicht gelten, wäre sein Anwendungsbereich insoweit kleiner als der des Artikels XXIV GATT, der nach richtiger Auffassung auch für nichttarifäre Handelshemmnisse gilt, wie der Appellate Body im Fall „Turkey – Restrictions on imports of textile and clothing products“ für mengenmäßige Beschränkungen im Sinne des Artikels XI GATT grundsätzlich anerkannt hat.272 Wie diese Frage zu entscheiden ist, richtet sich nach der Auslegung des Einschubs in Artikel 2 c) Ermächtigungsklausel. Soll den VERTRAGSPARTEIEN die Möglichkeit eingeräumt werden, über die Aufnahme des Abbaus von nichttarifären Handelshemmnissen in den Anwendungsbereich zu entscheiden? Oder sollen sie die Möglichkeit erhalten, den durch Artikel 2 c) Ermächtigungsklausel eröffneten Anwendungsbereich einschränkend zu regeln? Die Formulierung „Kriterien oder Bedingungen, die [. . .] festgelegt werden können“ spricht eher für letztere Auslegung. Sowohl der Anwendungsbereich der Meistbegünstigung gemäß Artikel I Absatz 1 GATT273 als auch der des Artikels XXIV GATT beschränken sich nicht auf Zölle. Es ist kein Grund ersichtlich, warum Absatz 2 c) Ermächtigungsklausel anders ausgelegt werden sollte. Vereinbarungen zum Abbau nichttarifärer Handelshemmnisse sind in den Anwendungsbereich des Absatzes 2 c) Ermächtigungsklausel einzubeziehen. Dadurch wird allerdings nicht die Begrenzung des Anwendungsbereichs in Absatz 1 Ermächtigungsklausel auf Ausnahmen vom Allgemeinen Meistbegünstigungsgrundsatz gemäß Artikel I Absatz 1 GATT aufgehoben. Eine Rechtfertigung von Verstößen etwa gegen die spezielle Meistbegüns271 WTO-Sekretariat, WTO-Sekretariat, Legal Note on Regional Trade Arrangements under the Enabling Clause, 13. Mai 2003, WTO-Dok. WT/COMTD/W/114, S. 3. 272 Siehe dazu oben unter § 10 A. VIII. 3. 273 Vgl. Bender, GATT 1994, in: Hilf/Oeter (Hrsg.), WTO-Recht, S. 167, 179.
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tigung gemäß Artikel XIII GATT kann Absatz 2 c) Ermächtigungsklausel nicht bieten. d) Erleichterung und Förderung des Handels der Entwicklungsländer – Keine Hemmnisse oder ungebührlichen Schwierigkeiten für den Handel aller Vertragsparteien des GATT 1994 Absatz 3 a) Ermächtigungsklausel ergänzt als Voraussetzung, die Vereinbarung müsse so gestaltet sein, dass sie den Handel der Entwicklungsländer erleichtere und fördere, ohne Hemmnisse für den Handel aller anderen Vertragsparteien zu errichten oder ungebührliche Schwierigkeiten zu schaffen.274 An dieser Stelle sind die Voraussetzungen der Ermächtigungsklausel strenger als die des Artikels XXIV GATT. Dort heißt es in Absatz 4, dass es Zweck von Zollunionen und Freihandelszonen sein solle, den Handel zwischen den teilnehmenden Gebieten zu erleichtern, nicht aber dem Handel anderer Vertragsparteien mit diesen Gebieten Schranken zu setzen. Der erste Teil der Voraussetzung des Absatzes 3 a) Ermächtigungsklausel dürfte bei Vereinbarungen im Sinne des Absatzes 2 c) Ermächtigungsklausel in der Regel erfüllt sein. Der Abbau von Zöllen und gegebenenfalls nichttarifären Handelshemmnissen erleichtert und fördert den Intrahandel zwischen den Vertragspartnern dieser Vereinbarungen. Schwieriger ist die Frage zu beantworten, in welchen Fällen eine Vereinbarung zwischen Entwicklungsländern Hemmnisse oder ungebührliche Schwierigkeiten für den Handel aller GATT-Vertragsparteien bereitet. Der entsprechende Satz in Artikel XXIV Absatz 4 GATT wird als Zielvorgabe und Auslegungsmaßstab, nicht als konkrete Voraussetzung verstanden.275 Artikel XXIV Absatz 4 GATT wird durch die Voraussetzungen in Artikel XXIV Absatz 8 GATT – die Beseitigung aller Zölle und nichttarifären Handelsbeschränkungen für annähernd den gesamten Handel – und Absatz 5 – keine höheren Zölle oder restriktiveren Handelsbeschränkungen gegenüber Drittstaaten als vor der Gründung der Freihandelszone oder Zollunion – konkretisiert. Im Gegensatz zu Artikel XXIV Absatz 4 GATT ist Absatz 3 a) Ermächtigungsklausel nicht allein als Zielvorgabe, sondern als Zulässigkeitsvoraussetzung formuliert. Zugleich fehlen ihr weitere, konkretisierende Normen. Als Auslegungshilfe kann das Verständnis von Artikel XXIV GATT heran274
„[. . .] shall be designed to facilitate and promote the trade of developing countries and not to raise barriers to or create undue difficulties for the trade of any other contracting parties“. 275 Vgl. oben unter § 10 A. VIII. 3. f).
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gezogen werden. Die Voraussetzungen gemäß Artikel XXIV Absatz 8 GATT sind in Absatz 2 c) Ermächtigungsklausel gerade nicht vorgesehen. Der Alles-oder-nichts-Ansatz des Artikels XXIV GATT schien den GATT-Vertragsparteien in Bezug auf Vereinbarungen zwischen Entwicklungsländern also zumindest nicht vorrangig. Er kann daher nicht über Absatz 3 a) Ermächtigungsklausel für Vereinbarungen gemäß Absatz 2 c) Ermächtigungsklausel eingeführt werden. Etwas anderes gilt für die Voraussetzung des Artikels XXIV Absatz 5 b) GATT: keine höheren Zölle oder restriktiveren Handelsbeschränkungen gegenüber Drittstaaten als vor Gründung der Freihandelszone oder Zollunion. Sie konkretisiert die Zielvorgabe des Artikels XXIV Absatz 4 GATT, ohne zu Absatz 2 c) Ermächtigungsklausel im Widerspruch zu stehen. Absatz 2 c) Ermächtigungsklausel sieht eine Rechtfertigung allein für den Abbau von Zöllen und anderen Handelsbeschränkungen im Handel zwischen den Parteien einer Vereinbarung für Produkte, die aus ihren Staaten stammen, vor. Insofern stellt die Voraussetzung des Absatzes 3 a) Ermächtigungsklausel klar, dass die in Absatz 2 c) Ermächtigungsklausel nicht erwähnten Maßnahmen im Handel mit Drittstaaten nicht zu seinem Anwendungsbereich gehören. Zur Konkretisierung des Absatzes 3 a) Ermächtigungsklausel kann daher Artikel XXIV Absatz 5 b) GATT herangezogen werden. Hemmnisse oder ungebührliche Schwierigkeiten für den Handel aller GATT-Vertragsparteien würden entstehen, wenn die Vertragsparteien einer Vereinbarung gemäß Absatz 2 c) Ermächtigungsklausel diese zum Anlass nehmen würden, Zölle oder Handelsvorschriften für den Handel mit Drittstaaten einzuführen, die höher sind, als die entsprechenden Zölle und Handelsvorschriften, die in den teilnehmenden Gebieten vor Abschluss der Vereinbarung bestanden. Artikel XXIV Absatz 5 a) GATT und Absatz 2 der Auslegungsvereinbarung zu Artikel XXIV GATT helfen insoweit nicht weiter, als diese sich allein auf Zollunionen beziehen. Absatz 2 c) Ermächtigungsklausel berechtigt gerade nicht zu einer gemeinsamen Außenhandelsregelung. Es kommt also wie für Freihandelszonen gemäß Artikel XXIV Absatz 5 b) GATT darauf an, dass keine höheren Zölle und einschränkenderen Handelsvorschriften eingeführt werden. Eine Betrachtung der jeweiligen Gesamtbelastung vor und nach Gründung wie bei einer Zollunion reicht nicht. Insofern ist Absatz 2 c) Ermächtigungsklausel strenger als Artikel XXIV GATT, da er nicht die Möglichkeit der Errichtung einer Zollunion vorsieht, bei der der Vorher-Nachher-Vergleich anhand einer Gesamtbetrachtung vorgenommen werden kann. Zudem fehlt es an einer Privilegierung bei der Nachverhandlung von Zollzugeständnissen mit dritten WTO-Mitgliedern i. S. d. Artikels XXIV Absatz 6 GATT.276 276
Siehe dazu oben unter § 10 A. VI.
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e) Kein Hindernis für die Verringerung oder Beseitigung von Zöllen und sonstigen Handelsbeschränkungen auf Meistbegünstigungsbasis Einen Schritt weiter geht die Voraussetzung gemäß Absatz 3 b) Ermächtigungsklausel. Danach darf die differenzierte und günstigere Behandlung innerhalb der Vereinbarungen gemäß Absatz 2 c) Ermächtigungsklausel kein Hindernis für die Verringerung oder Beseitigung von Zöllen und sonstigen Handelsbeschränkungen auf Meistbegünstigungsbasis darstellen.277 Diese Voraussetzung ist vor dem Hintergrund des in den 1970er Jahren vorherrschenden Verständnisses der Rivalität von Regionalismus und Universalismus zu verstehen.278 Sie zielt gegen die frühen Entwicklungsgemeinschaften, deren ausdrückliche Ziele Abschottung und Importsubstitution waren.279 Heute sind viele Entwicklungsgemeinschaften bereits dem open regionalism verpflichtet.280 Einige haben die Förderung des Multilateralismus in die Gemeinschaftsziele aufgenommen und/oder erleichtern ihn durch gemeinsame Positionen und Verhandlungsführung in den multilateralen Verhandlungen.281 f) Graduierung gemäß Absatz 7 Satz 2 Ermächtigungsklausel Wenig Aufmerksamkeit hat bislang die Graduierungsklausel in Absatz 7 Satz 2 Ermächtigungsklausel gefunden. Sie lautet: „Die weniger entwickelten Vertragsparteien erwarten, daß ihre Fähigkeit, Leistungen zu erbringen oder ausgehandelte Zugeständnisse zu gewähren oder andere gegenseitig vereinbarte Maßnahmen im Rahmen der Bestimmungen und Verfahren des Allgemeinen Abkommens zu treffen, mit der fortschreitenden Entwicklung ihrer Wirtschaft und Verbesserung ihrer Handelssituation zunimmt, und erwarten folglich, verstärkt an den Rechten und Verpflichtungen aus dem Allgemeinen Abkommen teilzunehmen.“282 277 „[. . .] shall not constitute an impediment to the reduction or elimination of tariffs and other restrictions to trade on a most-favoured-nation basis“. 278 Vgl. oben unter § 3 A. und B. 279 Dazu bereits oben unter § 2 B. 280 Vgl. oben unter § 2 C. 281 Vgl. dazu die Darstellungen der einzelnen Entwicklungsgemeinschaften oben im 2. Kapitel. 282 „Less-developed contracting parties expect that their capacity to make contributions or negotiated concessions or take other mutually agreed action under the provisions and procedures of the General Agreement would improve with the progressive development of their economies and improvement in their trade situation and they would accordingly expect to participate more fully in the framework of rights and obligations under the General Agreement.“
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Danach sind Ausnahmen für Entwicklungsländer, insbesondere die Ermächtigungsklausel abhängig vom jeweiligen Entwicklungsstand anzuwenden. Die Formulierung „[d]ie weniger entwickelten Länder erwarten“ schafft allerdings für sich betrachtet keine streng anzuwendende Ausnahme von der Ausnahme. Sie ist eher eine Absichtserklärung der Entwicklungsländer und Aufforderung an sie, Ausnahmen nur so weit in Anspruch zu nehmen, wie dies nach ihrem Entwicklungsstand erforderlich ist.283 Es könnte allenfalls diskutiert werden, ob es eine rechtsmissbräuchliche Inanspruchnahme von Sonderrechten geben kann, die etwa in Bereichen genutzt werden, in denen ein Entwicklungsland bereits einen relativ hohen Entwicklungsstand erreicht hat. Im Zusammenhang mit Entwicklungsgemeinschaften würde sich dann die Frage stellen, ob es für die Anwendbarkeit des Absatz 2 c) Ermächtigungsklausel auf den Entwicklungsstand der Entwicklungsgemeinschaft insgesamt oder einzelner Mitgliedstaaten ankommt. 4. Notifizierungspflicht Gemäß Absatz 4 Ermächtigungsklausel284 muss jede Vertragspartei, die Vorkehrungen trifft, um eine Vereinbarung i. S. d. Absatzes 2 c) Ermächtigungsklausel einzuführen, dies den VERTRAGSPARTEIEN notifizieren und ihnen alle von ihnen im Zusammenhang mit diesen Vorkehrungen für angemessen erachteten Angaben mitteilen sowie eine angemessene Gelegenheit zu Konsultationen innerhalb kürzester Frist bieten. Wie Artikel XXIV Absatz 7 a) GATT formuliert Absatz 4 Ermächtigungsklausel eine Pflicht, aber keine Zulässigkeitsvoraussetzung. Die in der Praxis gelegentlich geäußerte Auffassung, es bestehe schon keine Rechtspflicht zur Notifizierung, findet im Text der Ermächtigungsklausel keine Grundlage.285 283 So auch Hummer, Rechtsfragen aus Anlaß der Sukzession der ALALC durch die ALADI, in: GS Constantinesco 1983, S. 259, 275. 284 „Any contracting party taking action to introduce an arrangement . . . shall: (a) notify the CONTRACTING PARTIES and furnish them with all the information that they may deem appropriate relating to such action. (b) afford adequate opportunity for prompt consultations at the request of any interested party with respect to any difficulty or matter that may arise. The CONTRACTING PARTIES shall, if requested to do so by such contracting party, consult with all contracting parties concerned with respect to the matter with a view to reaching solutions satisfactory to all such contracting parties.“ 285 So auch WTO-Sekretariat, Legal Note on Regional Trade Arrangements under the Enabling Clause, 13. Mai 2003, WTO-Dok. WT/COMTD/W/114, S. 5 das zudem auf folgende terms of reference des Regionalausschusses verweist: „Having regard to agreements which are required to be notified [. . .] under [. . .] the 1979 Decision on Differential and More Favourable Treatment, Reciprocity and Fuller Participation of Developing Countries; [. . .]“ (WTO-Dok. WT/L/127).
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Die Frage, wann eine Vereinbarung im Sinne von Absatz 2 c) Ermächtigungsklausel notifiziert werden muss, ist durch die Formulierung des Absatzes 4 nur unzureichend geregelt. Danach trifft die Verpflichtung zur Notifizierung diejenige Vertragspartei, „die Vorkehrungen trifft, um eine Regelung nach den Absätzen 1, 2 und 3 einzuführen [. . .]“ („taking action to introduce an arrangement“). Daraus könnte man ablesen, dass die Notifizierungspflicht entsteht, sobald ein Mitgliedstaat der WTO auch nur einen Schritt unternimmt, um eine Vereinbarung im Sinne der Ermächtigungsklausel zu schließen. Spätestens jedenfalls entsteht sie bei Inkrafttreten dieser Vereinbarung.286 Danach können keine Schritte zur Einführung („introduction“) mehr unternommen werden.287 Soweit Präferenzabkommen zwischen Entwicklungsländern in der Praxis notifiziert wurden, geschah dies überwiegend erst nach Inkrafttreten. Der Ermächtigungsklausel lässt sich nicht entnehmen, welchem Gremium gegenüber die Notifizierung zu erfolgen hat.288 In Betracht kommen der 286 So WTO-Sekretariat, Legal Note on Regional Trade Arrangements under the Enabling Clause, 13. Mai 2003, WTO-Dok. WT/COMTD/W/114, S. 5. 287 Das CRTA hat bei seinem Treffen am 2. Mai 1997 ein nicht bindendes, freiwilliges Dokument des Vorsitzenden „Guidelines on Procedures to Facilitate and Improve the Examination Process“ zur Kenntnis genommen. Darin heißt es: „1. With the aim of enhancing transparency and assisting the Committee in its work, WTO Members engaged in the process of establishing a RTA are invited to share with the Committee relevant information in the early stages of such a process, prior to making the formal notification. 2. Opportunity will be provided at meetings of the Committee, separately from the process of examination, for Members to seek information on RTAs that have not yet been notified. [. . .] I. Notification by the Parties [. . .] 4. The Parties to a RTA should supply the relevant treaties or agreements to the Secretariat together with the text of the notification for circulation to Members as official WTO documents. After consideration by the relevant WTO body, the terms of reference for the examination of a notified RTA, if any, are adopted by that body and the examination is referred to the Committee [. . .]“ (WTO-Dok. WT/REG/W/15). 288 Absatz 4 a) Ermächtigungsklausel spricht lediglich von einer Notifizierung der VERTRAGSPARTEIEN. Gemäß Artikel 2 der Explanatory Notes of the GATT 1994 soll die Ministerkonferenz Zuständigkeiten der VERTRAGSPARTEIEN, die keinem bestimmten WTO-Gremium zugewiesen sind, einem solchen zuweisen: „The references to the CONTRACTING PARTIES acting jointly in Articles XV:1, XV:2, XV:8, XXXVIII and the Notes Ad Article XII and XVIII; and in the provisions on special exchange agreements in Articles XV:2, XV:3, XV:6, XV:7 and XV:9 of GATT 1994 shall be deemed to be references to the WTO. The other functions that the provisions of GATT 1994 assign to the CONTRACTING PARTIES acting jointly shall be allocated by the Ministerial Conference.“ (Hervorhebung hinzugefügt.) Unter dem GATT 1947 war die Verantwortlichkeit für die Einhaltung der Ermächtigungsklausel dem Committee on Trade and Development zugewiesen worden. Seit dem Inkrafttreten der WTO im Januar 1995 hat die Ministerkonferenz keine der Zuständigkeiten und Funktionen im Zusammenhang mit der
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Ausschuss für Handel und Entwicklung (Committee on Trade and Development) und der Regionalausschuss. Die Praxis unter dem GATT 1947, Präferenzabkommen zwischen Entwicklungsländern beim Ausschuss für Handel und Entwicklung zu notifizieren, wird bislang unter dem GATT 1994 fortgeführt.289 Absatz 4 b) Ermächtigungsklausel verlangt, dass den anderen Mitgliedstaaten eine angemessene Gelegenheit für unverzügliche Konsultationen zu gewähren ist („adequate opportunity for prompt consultations on issues they deem appropriate and any difficulties that may arise“). Auch diesbezüglich ist nicht ausdrücklich geregelt, wo, d.h. in welchem Gremium diese Konsultationen stattfinden sollen. Absatz 9 Ermächtigungsklausel sieht vor, dass die Vertragsparteien an Vereinbarungen zur Prüfung des Funktionierens der Bestimmungen der Ermächtigungsklausel mitarbeiten.290 Bislang gibt es keinerlei Entscheidung über die Prüfung von Vereinbarungen gemäß der Ermächtigungsklausel.291 Es stellt sich also wieder die Frage, ob diese Konsultationen im Ausschuss für Handel und Entwicklung oder im Regionalausschuss stattfinden sollen. In den Verfahrensvorschriften des Ausschusses für Handel und Entwicklung werden Konsultationen nicht genannt. Vorgesehen ist immerhin, dass die Mitglieder dort die Anwendung oder den Gebrauch der SDT-Vorschriften in regelmäßigen Abständen prüfen („review periodically“).292 Ebenso sehen die Terms of Reference des Regionalausschusses die Prüfung („examination“) aller Integrationsgemeinschaften vor. In Bezug auf die Integrationsgemeinschaften gemäß der Ermächtigungsklausel haben also beide Gremien Prüfungskompetenz. Ein Unterschied zwischen den FormulierunVerwaltung der Ermächtigungsklausel einschließlich des Absatzes 2 c) irgendeinem der WTO-Gremien zugewiesen. Immerhin errichtete die Ministerkonferenz den Ausschuss für Handel und Entwicklung und später den Regionalausschuss. Die Mandate beider könnten jeweils als Begründung der Zuständigkeit zur Entgegennahme der Notifizierungen unter der Ermächtigungsklausel herangezogen werden. Vgl. im Einzelnen WTO-Sekretariat, Legal Note on Regional Trade Arrangements under the Enabling Clause, 13. Mai 2003, WTO-Dok. WT/COMTD/W/114, S. 3 ff. m. w. N. 289 Das entspricht der Auffassung des Vorsitzenden des Ausschusses für Handel und Entwicklung (vgl. WTO-Dok. WT/COMTC/M/4, Absatz 55) und den Vorgaben des Technical Cooperation Handbook on Notification Requirements (so WTO-Sekretariat, Legal Note on Regional Trade Arrangements under the Enabling Clause, 13. Mai 2003, WTO-Dok. WT/COMTD/W/114, S. 7). 290 „The contracting parties will collaborate in arrangements for review of the operation of these provisions, bearing in mind the need for individual and joint efforts by contracting parties to meet the development needs of developing countries and the objectives of the General Agreement.“ 291 WTO-Sekretariat, Legal Note on Regional Trade Arrangements under the Enabling Clause, 13. Mai 2003, WTO-Dok. WT/COMTD/W/114, S. 7. 292 WTO-Dok. WT/L/46 Absätze 3 und 4.
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gen „examine“ und „review“ ist nicht auszumachen. Beide schließen Konsultationen ein.293 In der Praxis sind Vereinbarungen, die unter der Ermächtigungsklausel notifiziert werden, Gegenstand der auf die Notifizierung folgenden Sitzung des Ausschusses für Handel und Entwicklung. MERCOSUR ist der einzige Fall einer Integrationsgemeinschaft, die unter der Ermächtigungsklausel notifiziert worden ist, mit der sich der Regionalausschuss beschäftigt hat.294
C. Spezielle Vorschriften für Entwicklungsländer im übrigen WTO-Recht I. WTO-Übereinkommen Schon in der recht kurzen Präambel des Übereinkommens zur Errichtung der Welthandelsorganisation (WTO-Übereinkommen) finden sich Hinweise auf das Bemühen der Vertragsparteien, sich der Entwicklungsproblematik anzunehmen: Im ersten Absatz wird neben der Erhöhung des Lebensstandards, der Sicherung der Vollbeschäftigung, eines hohen und ständig steigenden Umfangs des Realeinkommens und der wirksamen Nachfrage sowie der Ausweitung des Waren- und Dienstleistungshandels auch das Ziel einer nachhaltigen Entwicklung („sustainable development“) formuliert. Dabei geht es vorwiegend um den Schutz und die Erhaltung der Umwelt sowie die Steigerung der dafür erforderlichen Mittel. Die Erhöhung des Lebensstandards ist zwar nicht auf Entwicklungsländer beschränkt. Für sie hat dieses Ziel aber eine wesentlich höhere Bedeutung als für die Industriestaaten und gehört zur Entwicklung.295 Die Kernaussage für die Entwicklungsländer wird im folgenden zweiten Absatz getroffen: „In der Erkenntnis, daß es positiver Bemühungen bedarf, damit sich die Entwicklungsländer, insbesondere die am wenigsten entwickelten unter ihnen, einen Anteil am Wachstum des internationalen Handels sichern, der den Erfordernissen ihrer wirtschaftlichen Entwicklung entspricht“.296 293 WTO-Sekretariat, Legal Note on Regional Trade Arrangements under the Enabling Clause, 13. Mai 2003, WTO-Dok. WT/COMTD/W/114, S. 8. 294 WTO-Sekretariat, Legal Note on Regional Trade Arrangements under the Enabling Clause, 13. Mai 2003, WTO-Dok. WT/COMTD/W/114, S. 8. 295 Vgl. zum Begriff der Entwicklung oben unter § 1 B. I. 296 „Recognizing further that there is need for positive efforts designed to ensure that developing countries, and especially the least developed among them, secure a share in the growth in international trade commensurate with the needs of their eco-
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Im weiteren Text des Übereinkommens wird das Entwicklungsziel nur an zwei Stellen konkretisiert: Artikel V Absatz 7 WTO-Übereinkommen sieht die Einsetzung eines Ausschusses für Handel und Entwicklung (Committee on Trade and Development) durch die Ministerkonferenz vor. Ausschussmitglieder können Vertreter aller Mitgliedstaaten sein. Wie die anderen Ausschüsse soll er die Aufgaben erfüllen, welche ihm das WTO-Übereinkommen und die Multilateralen Handelsübereinkommen bzw. der Allgemeine Rat übertragen. Besonders erwähnt wird, dass der Ausschuss für Handel und Entwicklung im Rahmen seiner Aufgaben in regelmäßigen Abständen die besonderen Bestimmungen zugunsten der am wenigsten entwickelten Mitgliedstaaten prüfen soll. Den am wenigsten entwickelten Mitgliedstaaten gilt auch eine Ausnahmeregelung in Artikel XI WTO-Übereinkommen über die ursprüngliche Mitgliedschaft der Vertragsparteien des GATT 1947 in der WTO. Absatz 2 versucht zu verhindern, dass dadurch eine Überforderung der am wenigsten entwickelten Länder entsteht: „Die am wenigsten entwickelten Länder, die von den Vereinten Nationen als solche anerkannt sind, brauchen Verpflichtungen und Zugeständnisse nur insoweit zu übernehmen, als diese mit ihren jeweiligen Entwicklungs-, Finanz- und Handelserfordernissen oder ihrer administrativen und institutionellen Leistungsfähigkeit vereinbar sind.“297
II. Dienstleistungshandel Das GATS überlässt es jedem einzelnen Mitgliedstaat, zu erklären, welche Dienstleistungsbranchen er dem GATS unterstellt, und eröffnet zudem weitgehende Ausnahmen vom Meistbegünstigungs- und Inländerprinzip. Damit kam man auch den Entwicklungsländern entgegen, die Bedenken gegen eine zu schnelle Öffnung ihrer technologisch wenig entwickelten Dienstleistungsbranchen hatten.298 Mittlerweile zeigt sich allerdings, dass nomic development“. Auch aus der Zielvorgabe des vierten Absatzes: „to develop an integrated, more viable and durable multilateral trading system encompassing the General Agreement on Tariffs and Trade [. . .]“ ist in der Literatur abgeleitet worden, dass sich die WTO auf Dauer nicht der Aufgabe, eine Neue Weltwirtschaftsordnung zu schaffen bzw. die „Neue Entwicklungspartnerschaft“ praktisch umzusetzen, entziehen könne (so Odendahl, Das Recht auf Entwicklung – The Right to Development, S. 150). Dies erscheint allerdings als eher gewagte Auslegung, die sicherlich keine Ansprüche der Entwicklungsländer normativ zu untermauern vermag. 297 „The least-developed countries recognized as such by the United Nations will only be required to undertake commitments and concessions to the extent consistent with their individual development, financial and trade needs or their administrative and institutional capabilities.“ 298 Wiemann, Die Entwicklungsländer vor der neuen WTO-Runde, Aus Politik und Zeitgeschichte B 46–47/99, S. 32, 37; zur Ausnutzung dieser sektoriellen Liberalisierung vgl. Michaelis/Jessen, WTO und Entwicklung, in: Hilf/Oeter (Hrsg.), WTO-Recht, S. 601, 616.
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Entwicklungsländer häufig hinsichtlich arbeitsintensiver Dienstleistungen und einige fortgeschrittene Entwicklungsländer gerade bei modernen Dienstleistungen wie Computersoftware und Datenverarbeitung im Vorteil sind.299 Es sind daher vor allem Industrieländer, die eine weitere Öffnung des Handels mit Dienstleistungen verhindern wollen. Sie fürchten nicht nur die wirtschaftliche Konkurrenz der Entwicklungsländer, sondern auch eine durch Dienstleistungsimporte stark ansteigende Zuwanderung.300 Zwar sieht das GATS in Absatz 2 der Präambel als Ziel die Weiterentwicklung der Entwicklungsländer vor („the development of developing countries“). Sonderbestimmungen für Entwicklungsländer finden sich aber lediglich in Artikel III Absatz 4 GATS (flexiblere Frist für die Errichtung von Auskunftsstellen), Artikel IV GATS (lediglich Hinweis auf die Belange der wirtschaftlich schwachen und der am wenigsten entwickelten Länder), Artikel V Absatz 3 GATS (weniger strenge Maßstäbe an Integrationsgemeinschaften zwischen Entwicklungsländern als zwischen Industrieländern) sowie Artikel XXV GATS (technische Zusammenarbeit). Für die Entwicklungsgemeinschaften ist allein Artikel V Absatz 3 GATS relevant. Er lässt für Entwicklungsländer eine flexible Handhabung der Anforderungen an Integrationsgemeinschaften, insbesondere des SAT-Erfordernisses zu: „a) Sofern Entwicklungsländer Vertragsparteien einer Übereinkunft der in Absatz 1 genannten Art sind, sind die in Absatz 1, insbesondere unter Buchstabe b), genannten Bedingungen im Einklang mit dem Entwicklungsstand der betroffenen Länder im allgemeinen sowie in einzelnen Sektoren und Teilsektoren flexibel zu handhaben. b) Ungeachtet des Absatzes 6 kann bei Übereinkünften der in Absatz 1 genannten Art, sofern nur Entwicklungsländer beteiligt sind, juristischen Personen, die sich im Eigentum oder unter der Kontrolle natürlicher Personen der Vertragsparteien einer solchen Übereinkunft befinden, eine günstigere Behandlung gewährt werden.“301 299 Vgl. Sauvé, Developing Countries and the GATS 2000 Round, JWT 2000, S. 85, 86. 300 Wiemann, Die Entwicklungsländer vor der neuen WTO-Runde, Aus Politik und Zeitgeschichte B 46–47/99, S. 32, 38. 301 „a) Where developing countries are parties to an agreement of the type referred to in paragraph 1, flexibility shall be provided for regarding the conditions set out in paragraph , particularly with reference to subparagraph (b) thereof, in accordance with the level of development of the countries concerned, both overall and in individual sectors and subsectors. b) Notwithstanding paragraph 6, in the case of an agreement of the type referred to in paragraph 1 involving only developing countries, more favourable treatment may be granted to juridical persons owned or controlled by natural persons of the parties to such an agreement.“
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Unterabsatz a) gilt für Entwicklungsländer, die Vertragsparteien eines Nord-Süd-Abkommens sind, genauso wie für Entwicklungsgemeinschaften (sowie für überregionale Süd-Süd-Abkommen). Unterabsatz b) gilt ausschließlich für Entwicklungsgemeinschaften (sowie für überregionale SüdSüd-Abkommen). Im Gegensatz zu den Regelungen für den Warenhandel werden hier alle Formen von Integrationsgemeinschaften in einer Vorschrift geregelt. Streitigkeiten über das Verhältnis verschiedener Normen zueinander bestehen hier nicht. Es wird klar benannt, was für alle Integrationsgemeinschaften, was für Nord-Süd- und was für Süd-Süd-Abkommen gilt. In Absatz 3 a) ist eine Graduierung nach Entwicklungsstand verbindlich vorgesehen. III. Handelsbezogene Rechte des geistigen Eigentums Artikel 6 der Präambel des TRIPS nennt die „besonderen Bedürfnisse der am wenigsten entwickelten Mitgliedsländer“ und das Ziel, in diesen Ländern „eine gesunde und tragfähige technologische Grundlage zu schaffen“.302 Die Entwicklungsländer insgesamt und ihre Interessen werden in der Präambel nicht berücksichtigt. Eine Sonderbehandlung wird den Entwicklungsländern im TRIPS nur hinsichtlich der Übergangsfristen gewährt. Für Entwicklungsländer gilt gemäß Artikel 65 Absatz 2 TRIPS eine Anpassungsfrist von fünf Jahren, für die am wenigsten entwickelten Länder gemäß Artikel 66 Absatz 1 TRIPS eine Anpassungsfrist von zehn Jahren mit der Möglichkeit einer weiteren Verlängerung. Artikel 66 Absatz 2 TRIPS verpflichtet die entwickelten Länder zur Förderung des Technologietransfers in die am wenigsten entwickelten Länder, Artikel 67 TRIPS zur technischen Zusammenarbeit auf Anfrage und zu gegenseitig vereinbarten Bedingungen zugunsten von Entwicklungsländern. Das TRIPS ist gegen den Widerstand der Entwicklungsländer in das Paket der Uruguay-Runde aufgenommen worden. Tatsächlich bringt es den meisten Entwicklungsländern nur Nachteile durch aufwendige Gesetzgebung und Schaffung institutioneller Voraussetzungen zur Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte sowie höhere Preise für patent- oder markenrechtlich geschützte Güter. Nur wenige fortgeschrittene Entwicklungsländer haben ein eigenes Interesse an verbessertem Schutz für eigene technologische Entwicklungen und zur Förderung ausländischer Investitionen und Firmenkooperationen in Hochtechnologiesektoren.303 302 „Recognizing also the special needs of the least-developed country Members in respect of maximum flexibility in the domestic implementation of laws and regulations in order to enable them to create a sound and viable technological base“. 303 Wiemann, Die Entwicklungsländer vor der neuen WTO-Runde, Aus Politik und Zeitgeschichte B 46–47/99, S. 32 (38).
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Streitigkeiten ergeben sich aus dem TRIPS vor allem bei Medikamenten zur Heilung oder Linderung lebensbedrohlicher Krankheiten wie HIV/ AIDS. Sie sind für einige Entwicklungsländer nicht nur gesundheitspolitisch, sondern auch wirtschaftlich von immenser Bedeutung, aber in ihren patentrechtlich geschützten Originalformen unbezahlbar. Ein anderes aktuelles Streitthema zwischen Entwicklungs- und Industrieländern ist die Patentierbarkeit von Saatgut und anderen biotechnologischen Entwicklungen. Das biologische Ausgangsmaterial oder traditionelle Saatgutentwicklungen, wie sie in Entwicklungsländern vorhanden sind, sind nicht patentierbar. Die aus diesen Ursprungsprodukten von Biotechnologiefirmen aus Industrieländern entwickelten Produkte werden hingegen patentiert und entsprechend zu höheren Preisen verkauft.304 IV. Handelsbezogene Investitionsmaßnahmen Zum Teil werden die im Übereinkommen über handelsbezogene Investitionsmaßnahmen (Trade Related Investment Measures, TRIMs) (TRIMsÜbereinkommen) vorgesehenen Einschränkungen bei Investitionsauflagen als Benachteiligung für Entwicklungsländer angesehen, denen dadurch versagt wird, das Modell der erfolgreichen südost- und ostasiatischen Staaten zum Aufbau und Schutz neuer industrieller Kerne zu verfolgen. Andererseits werden gerade die Entwicklungsländer als Profiteure einer transparenten und bedingungslosen Investitionspolitik gesehen.305 Artikel 4 TRIMsÜbereinkommen gestattet ausnahmsweise zeitweilige Handelsauflagen für Direktinvestitionen, um entwicklungsländerspezifische Ziele im Sinne des Artikels XVIII GATT zu erreichen, d.h. zum Schutz der infant industry oder zur Abwendung von Zahlungsbilanzkrisen.306 V. Streitbeilegungsmechanismus Das DSU sieht zahlreiche Sonderregeln für Entwicklungsländer vor, etwa die Berücksichtigung von Interessen der Entwicklungsländer in Konsultatio304 Vgl. Hörmann, WTO und Menschenrechte, in: Hilf/Oeter (Hrsg.), WTORecht, S. 647, 654 ff. m. w. N. 305 Wiemann, Die Entwicklungsländer vor der neuen WTO-Runde, Aus Politik und Zeitgeschichte B 46–47/99, S. 32, 36. 306 „A developing country Member shall be free to deviate temporarily from the provisions of Article 2 to the extent and in such a manner as Article XVIII of GATT 1994, the Understanding on the Balance-of-Payments Provisions of GATT 1994, and the Declaration on Trade Measures Taken for Balance-of-Payments Purposes adopted on 28 November 1979 (BISD 26S/205–209) permit the Member to deviate from the provisions of Articles III and XI of GATT 1994“.
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nen (Artikel 4 Absatz 10 DSU), die Wahl eines Panel-Mitgliedes aus einem Entwicklungsland bei Streitigkeiten zwischen einem Industrie- und einem Entwicklungsland (Artikel 8 Absatz 10), die Verlängerung von Fristen im Konsultations- und Panelverfahren zugunsten von Entwicklungsländern (Artikel 12 Absatz 10 DSU), die Angabe des berücksichtigten Sonderrechts der Entwicklungsländer in Panel-Berichten (Artikel 12 Absatz 11 DSU), besondere Prüfpflichten des Dispute Settlement Body bei der Überwachung der Umsetzung von Empfehlungen und Entscheidungen in Angelegenheiten, an denen Entwicklungsländer beteiligt sind (Artikel 21 Absätze 2, 7 und 8 DSU).307 Ein gewichtiger Nachteil des Streitbeilegungssystems ist für die Entwicklungsländer, dass die Position der einzelnen Mitgliedstaaten von ihrem wirtschaftlichen Drohpotential abhängt, das sie für etwaige Vergeltungsmaßnahmen realisieren könnten.308 Artikel 22 DSU bietet zwar die Möglichkeit des finanziellen Ausgleichs. Auch er ist aber nur als Verhandlungsergebnis der streitenden Parteien möglich, so dass das wirtschaftliche Drohpotential eines Staates den Ausschlag geben wird.309 Je nach Einzelfall ist es für das betroffene Entwicklungsland von größerem Nachteil als für das Industrieland, dem gegenüber es Handelszugeständnisse aussetzt. Während der größere Markt des Industrielandes nur marginal beeinträchtigt wird, erleidet das Entwicklungsland einen wirtschaftlichen Nachteil, indem es seine Konsumenten von bestimmten Einfuhren abschneidet.310 Zudem gibt es Situationen, in denen ein Entwicklungsland von der Einleitung eines Streitbeilegungsverfahrens gegen ein Geberland Abstand nimmt, um Entwicklungshilfezahlungen nicht zu gefährden.311 307 Vgl. im Einzelnen: Kufuor, From the GATT to the WTO – The Developing Countries and the Reform of the Procedure for the Settlement of International Trade Disputes, JWT 1997, S. 117 ff. 308 So Behrens, GATT-Regeln und Entwicklungsländer, Schriften des Vereins für Socialpolitik 245 (1996), S. 225–243 (233), der als Beispiel den Streit Nicaragua/ US – Imports of sugar from Nicaragua, GATT, Basic Instruments and Selected Documents, 31st Suppl. (1985) 67 ff. nennt. Ein GATT-Panel hatte auf Ersuchen Nicaraguas die Rücknahme einer GATT-widrigen Beschränkung der Zuckereinfuhrquoten aus Nicaragua in die USA empfohlen. Die USA wies stattdessen auf die Möglichkeit Nicaraguas hin, Gegenmaßnahmen gemäß Artikel XXIII GATT zu ergreifen. Nicaragua hatte aber selbst keine Zugeständnisse gemacht, die es hätte zurücknehmen können. Der GATT-Verstoß blieb damit in der Welt und konnte nicht vergolten werden. 309 Behrens, GATT-Regeln und Entwicklungsländer, Schriften des Vereins für Socialpolitik 245 (1996), S. 225–243 (233). 310 Hilf, Das Streitbeilegungssystem der WTO, in: Hilf/Oeter (Hrsg.) (Hrsg.), WTO-Recht, S. 505, 535. 311 Hilf, Das Streitbeilegungssystem der WTO, in: Hilf/Oeter (Hrsg.) (Hrsg.), WTO-Recht, S. 505, 535; zur tatsächlichen Beteiligung von Entwicklungsländern an
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VI. Abkommen über Ursprungsregeln Zwar sieht der Text des Abkommens über Ursprungsregeln keine Sonderbestimmungen für Entwicklungsländer vor, in einer „Gemeinsamen Erklärung in Bezug auf präferenzielle Ursprungsregeln“, die dem Abkommen als Anhang II beigefügt ist, wird aber die Gewährung präferenzieller Ursprungsregeln für Entwicklungsländer unter bestimmten Voraussetzungen, die vor allem die Transparenz betreffen, zugelassen.
D. Entwicklung als Prinzip der WTO I. Ableitung eines allgemeinen WTO-internen Prinzips der Entwicklung Bereits aus dem GATT 1947 nach der Tokio-Runde wurde wegen der zahlreichen Sonderregeln für Entwicklungsländer ein „das ganze Recht des GATT durchdringender Grundsatz der besonderen Berücksichtigung der Bedürfnisse der wirtschaftlichen Entwicklung der Entwicklungsländer“ abgeleitet.312 In der WTO ist dieser Grundsatz zu einem allgemeinen Prinzip der Entwicklung fortentwickelt worden. Zwar wird an mehreren Stellen weiterhin konkret auf das Ziel der wirtschaftlichen Entwicklung Bezug genommen.313 Zusätzlich werden aber die Ziele der Entwicklung (ohne Spezifizierung)314 und der Erhöhung des Lebensstandards315 formuliert. Diese Formulierungen zeugen von einem umfassenden, nicht auf wirtschaftliche Aspekte beschränkten Entwicklungsbegriff. Das „Prinzip der nachhaltigen Entwicklung“316 reicht als Ausdruck der Durchdringung des WTO-Rechts von der Berücksichtigung der Entwicklungsbelange nicht aus. Auch wenn das Konzept der nachhaltigen Entwicklung („sustainable development“) 1987 durch den Brundtland-Bericht für WTO-Streitbeilegungsverfahren vgl. Brewer/Young, WTO-Disputes and Developing Countries, JWT 1999, S. 169, 173 ff. 312 So Benedek, Die Rechtsordnung des GATT aus völkerrechtlicher Sicht, S. 72; siehe auch ebd., S. 45, 54. 313 So in Ziffer 1 der Präambel des Artikel XVIII GATT, in Artikel XXXVI Absatz 3 GATT und in Absatz 2 der Präambel zum WTO-Übereinkommen. 314 So in Absatz 2 der Präambel zum GATS. 315 So bereits seit 1964 in Artikel XXXVI Absatz 1 a) GATT und neu an prominenter Stelle als erstgenanntes Ziel in Absatz 1 der Prämbel zum WTO-Übereinkommen. 316 Vgl. Hilf, Power, Rules and Principles – which Orientation for WTO/GATT Law?, JIEL 2001, 111, 118 f.; Hilf, Allgemeine Prinzipien in der welthandelsrechtlichen Streitbeilegung, in: Hatje (Hrsg.), Das Binnenmarktrecht als Daueraufgabe, Europarecht Beiheft 1/2002, S. 173, 185.
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die dauerhafte Entwicklung von Entwicklungsländern eingeführt wurde317, wird er zunehmend häufig nur noch mit Umweltschutzzielen in Verbindung gebracht. Die Zusammenfassung von Umweltschutz- und Entwicklungsbelangen in einem Prinzip verschleiert zudem die Konflikte zwischen Umweltschutz- und Entwicklungszielen und lässt ein Zurückdrängen der Entwicklungsbelange befürchten. Die teilweise ebenfalls als Prinzip bezeichnete SDT ist mehr Instrument als Prinzip und deckt jedenfalls nur einen Teilbereich des allgemeinen Prinzips der Entwicklung, wie es hier angenommen wird, ab. II. Entwicklungsvölkerrechtliche Grundsätze als externe Prinzipien In der Spruchpraxis des Appellate Body ist anerkannt, dass das GATT nicht in „clinical isolation“ vom übrigen Völkerrecht zu verstehen ist.318 Zu dem im WTO-Recht zu berücksichtigenden Völkerrecht gehören die allgemeinen Völkerrechtsprinzipien.319 Für die Frage nach der WTO-rechtlichen Zulässigkeit von Entwicklungsgemeinschaften sind vor allem die Grundsätze des Entwicklungsvölkerrechts relevant. 1. Entwicklungsvölkerrecht Als Entwicklungsvölkerrecht wird überwiegend die Gesamtheit der völkerrechtlichen Bestimmungen bezeichnet, deren Ziel und Zweck die Förderung des wirtschaftlich-strukturellen Aufbaus und die Behebung von Notsituationen in weniger entwickelten Staaten sind.320 Weiter geht die funktio317
Siehe dazu oben unter § 1 B. I. Dies entschied der Appellate Body in seinem ersten Bericht: Appellate Body Report „United States – Standards for Reformulated and Conventional Gasoline“, WTO-Dok. WT/DS2/AB/R vom 29. April 1996, angenommen am 20. Mai 1996, unter III. B. zu Artikel 31 WVK. 319 So Pauwelyn, The Role of Public International Law in the WTO: How far can we go?, AJIL 2001, S. 535, 575; Hilf/Göttsche, The Relation of Economic and Non-Economic Principles in International Law, International Economic Governance and Non-Economic Concerns: New Challenges for the International Legal Order, S. 5, 28 m. w. N. 320 Die Idee und den Begriff des Entwicklungsvölkerrechts führte André Philip auf einem internationalen Kolloquium vom 27.–29. Mai 1965 in Nizza zum Thema „L’adaptation de l’O. N. U. au monde d’aujourd’hui“ ein (in: Association Française pour le Développement du Droit Mondial (Hrsg.), L’adaptation de l’O. N. U. au Monde d’Aujourd’hui, S. 129 ff.). Sie wurden im selben Jahr von Michel Virally in seinem Aufsatz „Vers un Droit International du Développement“ aufgegriffen (Virally, AFDI 1965, S. 3 ff.). Schon kurz zuvor hatte Wolfgang Friedmann über 318
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nale Begriffsbestimmung nach der „Finalität der Weltwirtschaftsreform zugunsten der Dritten Welt.“321 Die Wurzeln des Entwicklungsvölkerrechts liegen in der Hauptphase der Entkolonialisierung zwischen 1945 und 1965. Die dadurch neu entstandenen wirtschaftlich schwachen Staaten suchten nach Wegen, um ihre strukturelle Entwicklung zu sichern, ohne ihre gerade erst errungene nationale Selbstbestimmung aufgeben zu müssen.322 Sie stießen auf eine „euro-zentrierte“323 Völkerrechtstradition, die weitgehend an den wirtschaftlichen Interessen der westlichen Industrieländer orientiert war.324 Das Entwicklungsvölkerrecht umfasst alle Regelungen, die in den Nord-Süd- und den Süd-Süd-Beziehungen Anwendung finden.325 Die umstrittenste Frage im Entwicklungsvölkerrecht ist die nach dem rechtlichen Gehalt und Inhalt eines möglichen Rechts auf Entwicklung. Von diesem Ausgangspunkt ausgehend umfasst das Entwicklungsvölkerrecht Fragen nach Solidarität und Kooperation, Souveränität und (materieller) Staatengleichheit, nach einer Demokratisierung des Völkerrechts und einer Umgestaltung des traditionellen in ein soziales Völkerrecht und deren Auswirkungen auf Rechte und Pflichten der Industrie- und Entwicklungsländer. Schwerpunkte bilden die Bereiche: Entwicklungshilfe, Handel mit Rohstoffen, das Recht des geistigen Eigentums sowie die ausgleichende Bevorzugung wirtschaftlich benachteiligter Staaten im Welthandel.326 2. Recht auf Entwicklung Eine im Vordringen befindliche Meinung in der aktuellen völkerrechtlichen Literatur sieht in dem Recht auf Entwicklung selbst ein Grundprinzip das „international economic development law“ als neuen Teil des Völkerrechts geschrieben (Friedmann, Columbia Law Review 1962, S. 1147, 1164 f.). Zu der gesamten Entwicklung ausführlich Kaltenborn, Entwicklungsvölkerrecht und Neugestaltung der internationalen Ordnung, insb. S. 19 ff. 321 So Petersmann, „Entwicklungsvölkerrecht“, „Droit International Du Développement“, „International Economic Development Law“: Mythos oder Wirklichkeit?, JIR 1994, S. 145, 146. 322 Odendahl, Das Recht auf Entwicklung – The Right to Development, S. 47. 323 Benedek, Entwicklungsvölkerrecht – neuer Bereich oder neue Perspektive (Gestaltwandel) im Völkerrecht?, in: Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Graz (Hrsg.): Reformen des Rechts, S. 881, 883. 324 Benedek, Entwicklungsvölkerrecht – neuer Bereich oder neue Perspektive (Gestaltwandel) im Völkerrecht?, in: Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Graz (Hrsg.): Reformen des Rechts, S. 881, 883; Bennigsen, Das „Recht auf Entwicklung“ in der internationalen Diskussion, S. 36. 325 Kaltenborn, Entwicklungsvölkerrecht und Neugestaltung der internationalen Ordnung, S. 143. 326 Zur Demokratisierung und zum sozialen Völkerrecht vgl. Benningsen, Das „Recht auf Entwicklung“ in der internationalen Diskussion, S. 37.
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der Völkerrechtsordnung. Dabei wird ihm eine Doppelnatur zugesprochen, nach der das Recht auf Entwicklung sowohl ein übergreifendes Menschenrecht als auch ein Verfassungsprinzip des Entwicklungsvölkerrechts sei.327 Einigkeit besteht darüber, dass ein wesentliches Element des Rechts auf Entwicklung in der Verknüpfung mit anderen Menschenrechten besteht. In seiner kollektiven Dimension gehören dazu das Recht der Völker auf Selbstbestimmung, das Recht jedes Staates auf aktive und friedliche Koexistenz, das Recht, in Frieden zu leben, das Recht der Staaten auf vollständige Souveränität über ihre Ressourcen und Wirtschaft, das Recht eines jeden Staates, sein Entwicklungsmodell und sein politisches, ökonomisches und soziales System zu wählen sowie das Recht der Staaten auf Partizipation in den Fragen der Weltwirtschaft, der Entwicklung und des Friedens.328 Mit Blick auf den Welthandel sind aus dem Recht auf Entwicklung drei Leitprinzipien abgeleitet worden: Währungsstabilität, Beseitigung internationaler Handelsschranken und entwicklungsfördernde Bevorzugung der Entwicklungsländer auf dem Weltmarkt. Die Umsetzung der beiden letztgenannten Ziele soll im Rahmen von GATT/WTO und UNCTAD erfolgen. Daneben werden speziellere Leitsätze hinsichtlich des Rohstoffmarktes, der Kontrolle transnationaler Unternehmen, des Verschuldungsproblems, der Weltmeeresordnung sowie des Technologietransfers aus dem Recht auf Entwicklung hergeleitet. Bislang bleibt es bei allgemeinen Zielvorgaben und Leitprinzipien. Es gibt keinen gesicherten Bestand eines allgemeinen Staatenkonsenses, der zu konkreten Einzelansprüchen oder -pflichten aus dem Recht auf Entwicklung im Welthandel führen könnte.329 Das Recht auf Entwicklung wird von dem Recht auf Entwicklung anderer Völkerrechtssubjekte beschränkt. Auch den westlichen Industrieländern steht grundsätzlich ein Recht auf eine zukünftig noch weiterreichende Entwicklung zu. Dieses umfasst aber keinesfalls einen Anspruch auf vollständige Besitzstandswahrung im Sinne einer völkerrechtlichen Verbürgung ihres derzeitigen Entwicklungsstandes. Nationale und weltwirtschaftliche Zustände und Prozesse können auch als Fehlentwicklungen anzusehen sein, die gegen das Recht auf Entwicklung anderer Rechtssubjekte verstoßen können.330 327
So Odendahl, Das Recht auf Entwicklung – The Right to Development, S. 191 m. w. N. 328 Aufzählung bei Scharpenack, Das „Rechts auf Entwicklung“, S. 101 mit Verweis auf die Deklaration zum Recht auf Entwicklung von 1986 sowie den beiden Pakten über bürgerliche und politische sowie wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. 329 Vgl. Odendahl, Das Recht auf Entwicklung – The Right to Development, S. 277 ff. m. w. N. 330 Odendahl, Das Recht auf Entwicklung – The Right to Development, S. 221.
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3. Materielle Staatengleichheit, Affirmative Action Zu den Grundprinzipien der Völkerrechtsordnung gehört die Staatengleichheit, die über den Grundsatz souveräner Gleichheit des Artikels 2 Nr. 1 UN-Charta eine völkervertragsrechtliche Bestätigung erfahren hat. Das Meistbegünstigungsprinzip der WTO ist Teil des Prinzips der Staatengleichheit. Während über die Zugehörigkeit der formellen Gleichheit vor dem Recht zum Kernbestand der Staatengleichheit Einigkeit besteht, ist die Frage nach einer darüber hinausgehenden Garantie einer materiellen Gleichheit umstritten. Von den Befürwortern wird auf dieser Grundlage das Prinzip einer kompensatorischen Ungleichheit (affirmative action) in das Völkerrecht eingeführt. Daraus soll die Rechtspflicht der Industrienationen zur globalen Umverteilung folgen. Das Hauptargument für diese Ausweitung des Gleichheitsprinzips ist die Feststellung, formale Gleichbehandlung ökonomisch Ungleicher führe lediglich zu einer systemimmanenten Verfestigung und Ausweitung dieser Ungleichheit. Die zumindest teilweise Anerkennung der Notwendigkeit einer solchen Ausweitung des Gleichheitsprinzips ist in der Präferenzbehandlung der Entwicklungsländer durch verschiedene Einzelregelungen zu sehen.331 Ein über diese Einzelregelungen hinausgehendes allgemeines Prinzip der materiellen Staatengleichheit, aus dem sich weitere Pflichten der Industrieländer zur präferenziellen bzw. umgekehrt diskriminierenden Behandlung der Entwicklungsländer ableiten ließen, ist bislang jedenfalls noch nicht allgemein anerkannt.332 4. Staatenverantwortlichkeit Ein weiteres Grundprinzip der Völkerrechtsordnung ist die Verantwortlichkeit der Staaten für ihnen zurechenbare Völkerrechtsverletzungen. Hieraus folgt insbesondere ein Schadensersatzanspruch des durch einen solchen Völkerrechtsverstoß kausal (und schuldhaft; str.) geschädigten Staates. Daraus wurde sowohl in der Staatenpraxis als auch in der Literatur häufig ein Wiedergutmachungsanspruch der Entwicklungsländer für erlittene koloniale Ausbeutung abgeleitet. Dies wird von der herrschenden Meinung wohl zutreffend, schon wegen der mangelnden Bestimmbarkeit und Übereinstimmung des beschriebenen schädigenden Sachverhalts, der schädigenden Staaten, des Kompensationsanspruches und der Kompensationsberechtigten abgelehnt.333 331 332
Odendahl, Das Recht auf Entwicklung – The Right to Development, S. 167 f. Ablehnend etwa Schütz, Solidarität im Wirtschaftsvölkerrecht, S. 133.
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5. Solidaritätsprinzip Das Völkerrechtsprinzip der Solidarität lässt sich aus den Artikeln 55 f. und dem Gesamtcharakter der UN-Charta ableiten, der als prägendes Leitbild ein verbindliches internationales Sozialprinzip zugrunde liegt.334 Es enthält verschiedene Teilprinzipien. Hinsichtlich seiner Inhalte und der von ihm ausgehenden Rechtsbindungswirkungen ist es umstritten. Seine Existenz ist aber weitgehend anerkannt.335 Nach einer Auffassung lassen sich aus dem Solidaritätsprinzip keine positiven Leistungspflichten, sondern allenfalls entwicklungsspezifische Verhaltensschranken und Unterlassungspflichten ableiten.336 Die Solidarität konkretisiere sich aber zu einem allgemeinen Grundsatz einer am Maßstab der Entwicklungsbedürfnisse differenzierten präferenziellen Behandlung der Entwicklungsländer durch die internationalen Organisationen, ihre Mitgliedstaaten und die Vertragsstaaten sonstiger multi- und bilateraler Abkommen.337 6. Das Selbstbestimmungsrecht der Völker Dieses Grundprinzip wird ausdrücklich in Artikeln 1 Nr. 2 und 55 Absatz 1 UN-Charta sowie in Artikel 1 Absatz 1 Satz 1 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte (IPbürgR)338, Artikel 1 Absatz 1 Satz 1 des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (IPwirtR)339 sowie in der Präambel Absatz 14 der „Friendly Relations Declaration“340 genannt. Die zwingende Rechtsnatur wurde insbesondere in Nr. 2 des Schlussdokuments der 2. Weltmenschenrechtskonferenz der Vereinten Nationen vom 25. Juni 1993 bestätigt.341 Inhaltlich verbürgt das Selbstbestimmungsrecht der Völker zwei Arten von Einzelrechten: 333 So auch Odendahl, Das Recht auf Entwicklung – The Right to Development, S. 170 ff. 334 Odendahl, Das Recht auf Entwicklung – The Right to Development, S. 179. 335 Vgl. ausführlich Schütz, Solidarität im Wirtschaftsvölkerrecht. 336 Schütz, Solidarität im Wirtschaftsvölkerrecht, S. 132. 337 So Schütz, Solidarität im Wirtschaftsvölkerrecht, S. 364. 338 Vom 19. Dezember 1966, in deutscher Übersetzung veröffentlicht in BGBl. 1973 II, S. 1534 ff. 339 Vom 19. Dezember 1966, in deutscher Übersetzung veröffentlicht in BGBl. 1973 II, S. 1570 ff. 340 UN-Generalversammlung, Resolution Nr. 2625 (XXV) vom 24. Oktober 1970, in deutscher Übersetzung abgedruckt in: Dt. Übersetzung aus vereinte Nationen, Heft 4/1978, S. 138. 341 UN-Dokument A/Conf.157/23; in deutscher Übersetzung abgedruckt in: Europa-Archiv 1993, S. D 498, 500.
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3. Kap.: Das WTO-Recht als äußerer rechtlicher Rahmen
die äußere Selbstbestimmung, d.h. das Recht auf vollständige Unabhängigkeit von anderen Staaten, und die innere Selbstbestimmung, d.h. das Recht auf freie Gestaltung der nationalen Rechtsordnung. Für beide Elemente ist unbestritten, dass das Selbstbestimmungsrecht der Völker allen Staaten einen umfassenden Anspruch auf wirtschaftliche Selbstbestimmung garantiert.342 III. Prinzipien-orientiertes Verständnis des WTO-Rechts Das Prinzipien-orientierte Verständnis des WTO-Rechts knüpft an den letzten Absatz der Präambel zum WTO-Übereinkommen an. Dort wird auf die „fundamentalen Grundsätze dieses multilateralen Handelssystems“ („the basic principles [. . .] underlying this multilateral trading system“) Bezug genommen, die es zu wahren gelte. Daraus ist in Übereinstimmung mit der Spruchpraxis des Appellate Body zu schließen, dass das WTO-Recht nicht nur aus einzelnen konkreten Regeln besteht, sondern darüber hinaus aus allgemeinen internen und externen Rechtsprinzipien.343 Diese allgemeinen Rechtsprinzipien können zwar nicht eine konkrete Regel des WTO-Rechts ausschalten.344 Aus ihnen folgen keine konkreten Ansprüche.345 Sie sind aber stets zu berücksichtigende „Optimierungsgebote“.346 Als solche sind sie bei der Auslegung der Regeln zu berücksichtigen. Es ist ihnen soweit wie möglich Raum zu geben, wenn nicht gegenläufige Prinzipien eine Ausbalancierung erfordern.347 Aus ihnen kann im Einzelfall eine Ermessens342 Reinhard, Rechtsgleichheit und Selbstbestimmung der Völker in wirtschaftlicher Hinsicht, S. 64 ff. 343 Hilf, Die Konstitutionalisierung der Welthandelsordnung, in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht Bd. 40, S. 257, 266 f.; Hilf, Power, Rules and Principles in WTO/GATT Law, JIEL 2001, S. 111 ff.; Hilf, Allgemeine Prinzipien in der welthandelsrechtlichen Streitbeilegung, in: Hatje (Hrsg.), Das Binnenmarktrecht als Daueraufgabe, Europarecht Beiheft 1/2002, S. 173 ff.; Hilf/Göttsche, The Relation of Economic and Non-Economic Principles in International Law, International Economic Governance and Non-Economic Concerns: New Challenges for the International Legal Order, S. 5 ff.; Göttsche, Die Anwendung von Rechtsprinzipien in der Spruchpraxis der WTO-Rechtsmittelinstanz, S. 122 ff. 344 Hilf, Power, Rules and Principles in WTO/GATT Law, JIEL 2001, S. 111, 128. 345 So Kaltenborn, Entwicklungsvölkerrecht und Neugestaltung der internationalen Ordnung, S. 144 f. 346 Hilf, Allgemeine Prinzipien in der welthandelsrechtlichen Streitbeilegung, in: Hatje (Hrsg.), Das Binnenmarktrecht als Daueraufgabe, Europarecht Beiheft 1/2002, S. 173, 187; Kaltenborn, Entwicklungsvölkerrecht und Neugestaltung der internationalen Ordnung, S. 144 f. mit Verweis auf Alexy, Theorie der Grundrechte. 347 Hilf, Allgemeine Prinzipien in der welthandelsrechtlichen Streitbeilegung, in: Hatje (Hrsg.), Das Binnenmarktrecht als Daueraufgabe, Europarecht Beiheft 1/2002, S. 173, 187.
§ 12 Streit um die Einordnung der Entwicklungsgemeinschaften
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begrenzung etwa bei der Entschließung über die Gewährung von Vorzugsbehandlungen folgen.348 In Grenzfällen ist sogar ein Ermessensausschluss und damit eine Entscheidungsbindung vorstellbar.349 Zugleich können die allgemeinen internen und externen Rechtsprinzipien die Mitgliedstaaten verpflichten, in Verhandlungen über eine rechtliche Konkretisierung des jeweiligen Prinzips zu treten, sowie sich aller rechtlichen und tatsächlichen Maßnahmen zu enthalten, die dessen Verwirklichung entgegenwirken.350 In diesem Sinne ist das Prinzip der Entwicklung bei der Auslegung und Fortentwicklung des WTO-Rechts zu berücksichtigen.
§ 12 Streit um die Einordnung der Entwicklungsgemeinschaften Die Entwicklungsgemeinschaften sind jedenfalls zulässig, wenn sie die Voraussetzungen der allgemeinen WTO-Integrationsordnung einhalten. Aber auch die Sonderregeln für Entwicklungsländer bieten mehrere Anknüpfungspunkte für eine WTO-rechtliche Rechtfertigung. In der Praxis ist die Einordnung der Entwicklungsgemeinschaften in diese Ausnahmesysteme bislang fast ausschließlich in Bezug auf den Warenhandel relevant geworden. Diese Praxis bestätigt nach fast 40 Jahren die Einschätzung von John H. Jackson: „Article XXIV of GATT contains one of the most troublesome provisions of GATT.“ Trouble, was mit den Begriffen Mühe oder – umgangssprachlich – Zoff übersetzt werden kann, verursacht nicht nur die Subsumtion bestehender Integrationsgemeinschaften unter die Formulierungen des Artikels XXIV GATT. Auch das Verhältnis von Artikel XXIV GATT zum Sonderrecht der Entwicklungsländer ist nicht ausdrücklich geregelt und heftig umstritten. Für den Dienstleistungshandel besteht dieses Problem nicht: Das Sonderrecht der Entwicklungsländer ist in Artikel V GATS, der Vorschrift über die Integrationsgemeinschaften, geregelt. Artikel V GATS ist allerdings in der Praxis noch nicht mit Leben erfüllt.
A. Unterschiedliche Notifizierungspraxis Unter dem GATT 1947 waren die meisten Entwicklungsgemeinschaften nicht notifiziert. Vor Einführung der Ermächtigungsklausel 1979 wurden acht Entwicklungsgemeinschaften als Zollunionen, Freihandelszonen oder 348
Scharpenack, Das „Recht auf Entwicklung“, S. 272. So Schütz, Solidarität im Wirtschaftsvölkerrecht, S. 364. 350 So Kaltenborn, Entwicklungsvölkerrecht und Neugestaltung der internationalen Ordnung, S. 144 f. 349
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3. Kap.: Das WTO-Recht als äußerer rechtlicher Rahmen
Übergangsvereinbarungen gemäß Artikel XXIV GATT351 und drei gemäß Teil IV GATT352 notifiziert. Fünf Entwicklungsgemeinschaften wurden unter dem GATT 1947 gemäß der Ermächtigungsklausel notifiziert.353 In der WTO ist die Notifizierungsquote gestiegen. Auch einige bereits zuvor in Kraft getretene Entwicklungsgemeinschaften haben sich nach mehrjährigem Bestehen endlich notifiziert, z. B. ECOWAS 2005 ihren 1993 in Kraft getretenen Vertrag. Von 29 heute bestehenden Entwicklungsgemeinschaften sind insgesamt 16 bei der WTO notifiziert, davon drei – CARICOM354, MCCA355 und SADC356 – gemäß Artikel XXIV GATT. Neun bestehende Entwicklungsgemeinschaften sind gemäß Absatz 2 c) Ermächtigungsklausel notifiziert.357 Drei weitere wurden ohne Angabe einer Vertragsgrundlage angemeldet358 351 Vgl. die Übersicht über alle Notifizierungen gemäß Artikel XXIV GATT 1947 von 1947 bis 1994 in: WTO, Regionalism and the World Trading System, S. 77 ff., abgedruckt in: Hummer/Weiss, Vom GATT ’47 zur WTO ’94, S. 192 ff. Alle notifizierten Entwicklungsgemeinschaften sind hier und bei den folgenden Zahlen berücksichtigt, auch wenn es sich um die Vorgänger- bzw. Nachfolgergemeinschaft einer ebenfalls mitgezählten Entwicklungsgemeinschaft handelt. 352 Dabei handelte es sich um ALALC (Vorgänger von ALADI, vgl. GATT, Committee on Trade and Development, CM.TD/W/223 vom 7. Februar 1975, Ziffer 1; GATT, Committee on Trade and Development, Background Note for Review of Implementation of Part IV – Prepared by the Secretariat, COM.TD/W/ 227 vom 14. Mai 1975, Ziffer 29), das Bangkok Agreement (Vorgänger von APTA, Notifizierung mitgeteilt in: GATT-Dok. L/4418 vom 7. Februar 1977) und ASEAN Preferential Trading Arrangement (Vorgänger von AFTA, Notifizierung mitgeteilt in: GATT-Dok. L/4581 vom 1. November 1977). 353 Vgl. die Übersicht über alle Notifizierungen gemäß der Ermächtigungsklausel von 1947 bis 1994 in: WTO, Regionalism and the World Trading System, S. 77 ff., abgedruckt in: Hummer/Weiss, Vom GATT ’47 zur WTO ’94, S. 217 ff. Diese Übersicht umfasst allerdings auch die o. g. gemäß Teil IV GATT notifizierten Entwicklungsgemeinschaften. 354 Notifizierung mitgeteilt in: GATT-Dok. L/4083 vom 14. Oktober 1974. 355 Notifizierung mitgeteilt in: GATT-Dok. L/1425 vom 24. Februar 1961. 356 Notifizierung mitgeteilt in: WTO-Dok. WT/REG176/N/1 vom 9. August 2004. 357 AFTA (Notifizierung mitgeteilt in: GATT-Dok. L/7111 vom 30. Oktober 1992), ALADI (Notifizierung mitgeteilt in: GATT-Dok. L/5342 vom 1. Juli 1982), CAN (Notifizierung mitgeteilt in: GATT-Dok. L/6737 vom 12. Oktober 1990), EAC (Notifizierung mitgeteilt in: WTO-Dok. WT/COMTD/N/14 vom 11. Oktober 2000), ECOWAS (Notifizierung mitgeteilt in: WTO-Dok. WT/COMTD/N/21 vom 26. September 2005), MERCOSUR (Notifizierung mitgeteilt in: GATT-Dok. L/6985 vom 5. März 1992), MSG (Notifizierung mitgeteilt in: WTO-Dok. WT/ COMTD/N/9 vom 7. Oktober 1999), SAPTA (Notifizierung mitgeteilt in: WTODok. WT/COMTD/10 vom 25. April 1997) und UEMOA (Notifizierung mitgeteilt in: WTO-Dok. WT/COMTD/N/11 vom 3. Februar 2000). 358 CEMAC (Notifizierung mitgeteilt in: WTO-Dok. WT/COMTD/N/13 vom 29. September 2000), COMESA (Notifizierung mitgeteilt in: WTO-Dok. WT/
§ 12 Streit um die Einordnung der Entwicklungsgemeinschaften
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und werden von der WTO unter der Ermächtigungsklausel geführt.359 Eine Entwicklungsgemeinschaft ist gemäß Teil IV GATT notifiziert360, wird von der WTO aber ebenfalls unter der Ermächtigungsklausel geführt.361 CARICOM ist als einzige Entwicklungsgemeinschaft zusätzlich gemäß Artikel V GATS notifiziert.362 Über die Motive der einzelnen Entwicklungsgemeinschaften, ob und gemäß welcher Vertragsgrundlage sie eine Notifizierung vornehmen, ist nichts veröffentlicht. Es ist davon auszugehen, dass diejenigen, die sich gemäß Artikel XXIV GATT notifiziert haben, dadurch ihre Festlegung zur Einhaltung der multilateralen Handelsregeln manifestieren wollten.
B. Umstrittenes Verhältnis Artikel XXIV GATT – Absatz 2 c) Ermächtigungsklausel Das Verhältnis von Artikel XXIV GATT zu Absatz 2 c) Ermächtigungsklausel ist sowohl in der Literatur als auch zwischen den Mitgliedstaaten andauernd umstritten.363 Teilweise wird angenommen, den Entwicklungsländern werde durch Absatz 2 c) Ermächtigungsklausel neben Freihandelszonen und Zollunionen als dritte Möglichkeit der Abschluss präferenzieller Abkommen unterhalb der Schwelle zu einer Freihandelszone zugebilligt. Der Begriff „regionale Vereinbarung“ in Absatz 2 c) Ermächtigungsklausel beziehe sich daher ausschließlich auf Präferenzabkommen und nicht auf weitergehende Integrationsabkommen.364 Zudem sehe die Ermächtigungsklausel nur eine Ausnahme von Artikel I GATT vor. Sie könne daher keine Ausnahmen von Artikel XXIV GATT rechtfertigen. Die anderen verstehen Absatz 2 c) Ermächtigungsklausel als lex specialis zu Artikel XXIV GATT im Hinblick auf regionale Handelsabkommen zwiCOMTD/N/3 vom 29. Juni 1995), GCC (Notifizierung mitgeteilt in: GATT-Dok. L/5676 vom 11. Oktober 1984). 359 Vgl. WTO, Regional Trade Agreements notified to the GATT/WTO and in Force, by type of agreement, Datenbank (Stand: 15. Juni 2006), zugänglich unter: http://www.wto.org/english/tratop_e/region_e/region_e.htm. 360 Bangkok Agreement/APTA, Notifizierung mitgeteilt in: GATT-Dok. L/4418 vom 7. Februar 1977. 361 Vgl. WTO, Regional Trade Agreements notified to the GATT/WTO and in Force, by type of agreement, Datenbank (Stand: 15. Juni 2006), zugänglich unter: http://www.wto.org/english/tratop_e/region_e/region_e.htm. 362 Notifizierung mitgeteilt in: GATT-Dok. S/C/N/229 vom 19. Februar 2003. 363 WTO (Hrsg.), Regionalism and the World Trading System, S. 7. 364 Haller, MERCOSUR, S. 320.
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3. Kap.: Das WTO-Recht als äußerer rechtlicher Rahmen
schen Entwicklungsländern. Die Einhaltung der Voraussetzungen der Ermächtigungsklausel rechtfertige daher die Entwicklungsgemeinschaften, ohne dass es auf die Einhaltung der Voraussetzungen des Artikels XXIV GATT 1994 ankomme.365 In diesem Sinne wird in der Ermächtigungsklausel eine Ausnahme von Artikel XXIV GATT für Integrationsvereinbarungen zwischen Entwicklungsländern gesehen.366 Zwischen den Mitgliedstaaten der WTO ist diese Kontroverse gelegentlich im Regionalausschuss festgestellt worden.367 Entbrannt ist sie im Zusammenhang mit MERCOSUR: Am 17. Februar 1992 wurde MERCOSUR gemäß der Ermächtigungsklausel notifiziert.368 Zwischen den GATT-Vertragsparteien entspann sich daraufhin ein Streit, ob MERCOSUR gemäß der Ermächtigungsklausel zu prüfen sei oder stattdessen oder zusätzlich eine Prüfung im Verfahren und an den Maßstäben gemäß Artikel XXIV GATT vorzunehmen sei.369 Dabei wurde nicht die Eigenschaft der MERCOSUR-Mitgliedstaaten als Entwicklungsländer in Frage gestellt. Vielmehr ging es um das Ziel des MERCOSUR, einen gemeinsamen Markt zu errichten.370 Insbesondere die USA wiesen darauf hin, dass der geplante gemeinsame Markt 200 Millionen Menschen und ein Bruttoinlandsprodukt von nahezu einer halben Billion US-Dollar umfassen und damit erhebliche Handels- und wirtschaftliche Implikationen für Lateinamerika und den Rest der Welt haben würde.371 Angesichts dessen könne die Ermächtigungsklausel Artikel XXIV GATT nicht ersetzen. Wegen der Bedeutung von MERCOSUR müsse eine Prüfung gemäß Artikel XXIV GATT stattfinden.372 Nach informellen Konsultationen haben die WTO-Mitgliedstaaten schließlich einen Kompromiss für das weitere Vorgehen in Bezug auf MERCOSUR gefunden. Das Verhältnis zwischen Artikel XXIV GATT und Ab365 Vgl. WTO-Sekretariat, Legal Note on Regional Trade Arrangements under the Enabling Clause, 13. Mai 2003, WTO-Dok. WT/COMTD/W/114, S. 2. 366 So Hummer/Weiss, Vom GATT ’47 zur WTO ’94, S. 248; Senti, WTO – System und Funktionsweise der Welthandelsordnung, Rn. 502. 367 Vgl. etwa WTO-Dok. WT/REG/W/37 vom 3. März 2000 Absatz 32, insb. Fn. 74; GATT-Dok. C/M/254 Absatz 13, GATT-Dok. C/M/255 Absatz 9. 368 GATT-Dok. L/6985 vom 5. März 1992. 369 GATT, Council Overview of Developments in International Trade and the Trading Systems – Annual Report by the Director General, GATT-Dok. C/RM/ OV/3, S. 18. 370 GATT, Protokoll der Ratssitzung vom 18. Februar 1992, GATT-Dok. C/M/254, Ziffer 13. 371 GATT, Protokoll der Ratssitzung vom 18. März 1992, GATT-Dok. C/M/255, Ziffer 9. 372 GATT, Protokoll der Ratssitzung vom 18. März 1992, GATT-Dok. C/M/255, Ziffer 9.
§ 12 Streit um die Einordnung der Entwicklungsgemeinschaften
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satz 2 c) Ermächtigungsklausel wurde dabei freilich nicht geklärt. Man einigte sich darauf, dass MERCOSUR Gegenstand einer vertieften Prüfung durch eine Arbeitsgruppe im Lichte der Ermächtigungsklausel und des Artikels XXIV GATT anhand eigener Verfahrensregeln sui generis werden solle.373 Nach seiner Einsetzung übernahm der Regionalausschuss die Prüfung.374 Überwiegend ging es dabei um die Erfüllung der Voraussetzungen des Artikels XXIV GATT.375 Die tatsächliche Prüfung ist am 19. Mai 2006 abgeschlossen worden. Das Sekretariat ist damit beauftragt, einen Bericht zu entwerfen.376 Dieses Vorgehen ist bislang nicht wiederholt worden. Soweit andere bestehende Entwicklungsgemeinschaften gemäß Absatz 2 c) Ermächtigungsklausel notifiziert worden sind, wurde dies von den WTO-Mitgliedstaaten ohne Beanstandung zur Kenntnis genommen. In keinem dieser Fälle wurde überhaupt eine Prüfung angeordnet, d.h. noch nicht einmal anhand Absatz 2 c) Ermächtigungsklausel. Dabei stehen einige dieser Gemeinschaften MERCOSUR an wirtschaftlicher Bedeutung nicht nach. Dies gilt insbesondere für die ASEAN-Freihandelszone AFTA, die ebenso unbeanstandet gemäß Absatz 2 c) Ermächtigungsklausel notifiziert worden ist, wie das Rahmenübereinkommen, das zur Freihandelszone zwischen ASEAN und China führen soll (ACFTA)377. Wird ACFTA verwirklicht, wird sie mit 1,7 Milliarden Menschen und einem gemeinsamen Bruttoinlandsprodukt von 2 Billionen US-$ die größte Freihandelszone der Welt sein.378
373 „To examine the Southern Common Market Agreement (MERCOSUR) in the light of the relevant provisions of the enabling clause and of the GATT 1994, including Article XXIV, and to transmit a report and recommendations to the Committee on Trade and Development for submission to the General Council, with a copy of the report transmitted as well to the Council for Trade in Goods. The examination in the Working Party will be based on a complete notification and on written questions and answers.“ Wiedergegeben in: WTO-Sekretariat, Legal Note on Regional Trade Arrangements under the Enabling Clause, 13. Mai 2003, WTO-Dok. WT/COMTD/W/114, S. 10 f. 374 WTO (Hrsg.), Analytical Index, Article I GATT 1994, Absatz 41. 375 Die Arbeit der Arbeitsgruppe und des Regionalausschusses lässt sich nachvollziehen anhand der WTO-Dok. mit den Dokumentennummern, die mit WTODok. WT/COMTD/1 beginnen. 376 WTO-Dok. WT/COMTD/1/Add.16 vom 16. Mai 2006. 377 Notifizierung mitgeteilt in: WTO-Dok. WT/COMTD/N/20 vom 21. Dezember 2004. 378 Siehe dazu bereits oben unter § 6 C I.
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3. Kap.: Das WTO-Recht als äußerer rechtlicher Rahmen
C. Umstrittenes Verhältnis Artikel XXIV GATT – Teil IV GATT Ebenso ungeklärt ist das Verhältnis von Artikel XXIV zu Teil IV GATT. Insbesondere vor Vereinbarung der Ermächtigungsklausel beriefen sich mehrere Entwicklungsgemeinschaften auf Teil IV GATT.379 In den in der Folge eingerichteten Arbeitsgruppen unter dem GATT 1947 war die Möglichkeit der Rechtfertigung von Ausnahmen zu Artikel I GATT und zu Artikel XXIV GATT umstritten. Sowohl die ersten Handelsabkommen in ASEAN als auch die BangkokVereinbarung (später umbenannt in APTA)380 waren gemäß Teil IV GATT notifiziert worden.381 Einige Mitglieder der in beiden Fällen eingerichteten Arbeitsgruppen wandten ein, dass Teil IV GATT keine Rechtfertigung für Verstöße gegen das übrige GATT-Recht vorsehe.382 In beiden Fällen beschloss die Arbeitsgruppe schließlich eine Empfehlung an den GATT-Rat, die Durchführung des jeweils geprüften Vertrages unter ausdrücklicher Bezugnahme auf Teil IV, insbesondere Artikel XXXVII Absatz 4 GATT, zuzulassen.383 Dabei blieb offen, ob es sich um einen waiver i. S. v. Artikel XXV Absatz 5 GATT handeln sollte. Einige Mitglieder hatten dies gefordert, der Vorsitzende verwies diesbezüglich auf Teil IV GATT. Der Wortlaut der empfohlenen Ratsentscheidung bezieht sich allein auf Teil IV GATT. Der Vertreter der USA ließ protokollieren, dass er davon ausgehe, dass die Entscheidung die Voraussetzungen des Artikels XXV Absatz 5 GATT erfülle. Der GATT-Rat nahm beide vorgeschlagenen Beschlüsse unverändert an.384 Bei einer Diskussion in der GATT 1947-Arbeitsgruppe zu dem gemäß Artikel XXIV GATT notifizierten CARICOM verwies dessen Vertreter auf Teil IV GATT, um etwaige Abweichungen von Artikel XXIV GATT zu rechtfertigen.385 Die Arbeitsgruppe stellte fest, CARICOM stehe in Übereinstimmung mit Artikel XXIV GATT.386 379
s. o. 3. Kapitel Fn. 352. Siehe dazu oben unter § 6 C. III. 381 s. o. 3. Kapitel Fn. 352. 382 GATT-Dok. L/4635 vom 1. März 1978 (zur Bangkok-Vereinbarung), Absatz 17, Annex; GATT-Dok. L/4735 vom 1. Dezember 1978 (zu den ASEAN-Präferenzhandelsabkommen), Absatz 20, Annex. 383 GATT-Dok. L/4635 vom 1. März 1978 (zur Bangkok-Vereinbarung), Absatz 5; GATT-Dok. L/4735 vom 1. Dezember 1978 (zu den ASEAN-Präferenzhandelsabkommen), Absatz 9. 384 GATT-Dok. C/M/124 vom 5. April 1978 (zur Bangkok-Vereinbarung), Absatz 3; GATT-Dok. C/M/132 vom 13. Februar 1979 (zum ASEAN-Präferenzhandelsabkommen), Absatz 2. 385 GATT-Dok. L/4470 vom 2. Februar 1977, Absatz 11. 380
§ 12 Streit um die Einordnung der Entwicklungsgemeinschaften
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Vor Einführung des Teils IV GATT berief sich CACM, der unter Artikel XXIV GATT notifiziert worden war, für den die Arbeitsgruppe aber keine Übereinstimmung mit Artikel XXIV GATT feststellte387, zur Verteidigung generell auf den niedrigen Entwicklungsstand der Vertragsstaaten.388 Ebenfalls wurde und wird Teil IV von entwickelten WTO-Mitgliedern angeführt, die Entwicklungsländern präferenziellen, nicht-reziproken Zugang gewährten389, z. B. von der EG hinsichtlich der Lomé-Abkommen.390 In dem Rechtsstreit über das vierte Lomé-Abkommen „European Communities – Regime for the Importation, Sale and Distribution of Bananas“391 entschied das Panel, dass die von der EU gewährten Präferenzen für Bananenimporte aus den AKP-Staaten nicht mit Artikel I GATT vereinbar seien. Teil IV GATT rechtfertige nicht das Abweichen vom Reziprozitätsprinzip in Freihandelszonen mit Entwicklungsländern. Der Appellate Body nahm zu dieser Frage nicht Stellung.392
D. Waiver: Ein schlechter Kompromiss Für überregionale Süd-Süd-Abkommen und für Nord-Süd-Abkommen wurden die rechtlichen Unklarheiten häufig durch spezielle waiver gemäß Artikel XXV Absatz 5 GATT für den Einzelfall gelöst. Beispiele sind das Global System of Trade Preferences der „Gruppe der 77“393, das GSP, bevor es in die Ermächtigungsklausel aufgenommen wurde394, die allgemeine Ausnahmegenehmigung für Zollpräferenzen von Entwicklungsländern zugunsten der am wenigsten entwickelten Länder395 sowie der LoméIV-waiver.396 386
GATT-Dok. L/4470 vom 2. Februar 1977, Absatz 13. GATT-Dok. L/1770 vom 17. Mai 1962. 388 GATT-Dok. L/1782 vom 25. Mai 1962. 389 WTO (Hrsg.), Regionalism and the World Trading System, S. 7. 390 Vgl. dazu bereits oben unter § 10 A. VIII 2. 391 „European Communities – Regime for the Importation, Sale and Distribution of Bananas“: Panel Report vom 22. Mai 1997, WTO-Dok. WT/DS27/R/ECU, WTO-Dok. WT/DS27/R/GTM, WTO-Dok. WT/DS27/R/MEX, WTO-Dok. WT/ DS27/R/USA; Appellate Body Report vom 9. September 1997, WTO-Dok. WT/ DS27/AB/R, angenommen am 25. September 1997. 392 Vgl. dazu bereits oben unter § 10 A. VIII 2. 393 Agreement on the Global System of Trade Preferences Among Developing Countries (GSTP), deutsche Übersetzung bei Hummer/Weiss, Vom GATT’ 47 zur WTO’ 94, S. 263 ff. Dazu bereits oben unter § 2. B. 394 Dazu bereits oben unter § 11 B. III. 1. 395 WTO-Dok. WT/L/304 vom 15. Juni 1999. 396 Vgl. dazu bereits oben unter § 10 A. VIII 2. 387
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3. Kap.: Das WTO-Recht als äußerer rechtlicher Rahmen
Auch in den GATT 1947-Arbeitsgruppen zu CARICOM und ASEAN wurde ein solches Vorgehen in Bezug auf Entwicklungsgemeinschaften vorgeschlagen.397 Auf den ersten Blick erscheint dies als günstige Lösung, bei der die Besonderheiten eines jeden Einzelfalls berücksichtigt werden können. Bei genauerem Hinsehen entpuppt sich diese Praxis zumindest auf längere Sicht jedoch als schlechter Kompromiss: Es ist schon zweifelhaft, ob Artikel XXV Absatz 5 GATT von der Systematik des GATT her die richtige Norm ist. Denn waiver sollen gemäß Artikel XXV Absatz 5 GATT lediglich für Ausnahmefälle gelten und werden auf eine bestimmte Zeit beschränkt. Es widerspricht damit dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift, sie auf Fälle anzuwenden, deren Existenz und Vermehrung gerade gefördert werde soll. Jedenfalls ist ein solcher waiver für die Entwicklungsgemeinschaften eine zu unsichere Grundlage, da er immer nur auf bestimmte Zeit erteilt wird und implizit bedeutet, dass die Gemeinschaft eigentlich GATT-widrig ist.
E. Keine Erfahrung mit Artikel V Absatz 3 GATS CARICOM ist bislang die einzige Entwicklungsgemeinschaft, die gemäß Artikel V GATS notifiziert ist. Der Regionalausschuss hat die tatsächlichen Prüfungen hierzu abgeschlossen. Ein Bericht liegt noch nicht vor. Inwieweit Artikel V Absatz 3 GATS eine Rolle spielt und wie dessen recht weite Formulierung konkretisiert wird, zeichnet sich noch nicht ab.
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Dazu soeben unter § 12 C.
We are fully committed to the development dimension of Doha and the need to improve the participation of developing countries, including through south-south trade and enhanced regional integration. G 8 Statement on Trade, St. Petersburg, 16. Juli 2006, Absatz 4.
Viertes Kapitel
Schlussfolgerungen für Doha und danach § 13 Die Doha-Entwicklungsrunde Ein erheblicher und weiter steigender Teil des Welthandels und des Handels der Entwicklungsländer läuft an der WTO vorbei, ohne dass die WTORegeln auf ihn Einfluss hätten. Denn die WTO-Mitgliedstaaten können sich nicht über deren Auslegung einigen, die vorgesehene Prüfung findet de facto nicht statt. Dies hat sich nach Gründung der WTO in der UruguayRunde noch verschlechtert. Das Augenmerk richtet sich daher auf die erste Handelsrunde nach Uruguay. Seit Inkrafttreten des GATT 1947 hat es bereits acht Handelsrunden gegeben, die zum Teil nach dem Ort ihrer Eröffnung benannt sind.1 In ihnen wurde über weitere Zollsenkungen und die Weiterentwicklung des multilateralen Handelssystems verhandelt. Die achte Handelsrunde, die in Uruguay begann, war mit der Gründung der WTO, der Einbeziehung des Dienstleistungshandels und der handelsbezogenen Aspekte des geistigen Eigentums und der Einführung des neuen verbindlichen Streitbeilegungssystems – um nur einige Errungenschaften zu nennen – insgesamt die bisher erfolgreichste. Möglicherweise haben gerade dieser Erfolg sowie die Ausweitung und Vertiefung dazu geführt, dass der multilaterale Motor auf dem Weg zur neunten Handelsrunde erheblich ins Stottern geraten ist. Als Sinnbilder der gescheiterten Bemühungen, auf der dritten WTO-Ministerkonferenz von Seattle 1999 die „Millenium-Runde“ zu eröffnen, gingen die Aufnahmen von teils gewalttätigen so genannten Globalisierungsgegnern um die Welt. Dass man sich nicht auf ein Verhandlungsmandat einigen konnte, lag allerdings nur zum Teil an den Protesten und der negativen öffentlichen Wahrneh1 Genf (1947); Annecy (1949); Torquay (1950); Genf (1956); Dillon (1960–1961); Kennedy (1964–1967); Tokyo (1973–1979) und Uruguay (1986–1994).
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4. Kap.: Schlussfolgerungen für Doha und danach
mung. Als weitere Gründe werden die mangelhafte Vorbereitung und Leitung der Konferenz durch die USA, die mangelnde Kompromissbereitschaft vieler Mitgliedstaaten, u. a. der EG und der USA sowie die Unzufriedenheit der meisten Entwicklungsländer genannt.2 Die Entwicklungsländer hatten den Eindruck, die Verlierer der UruguayRunde zu sein. Die von ihnen erhofften Vorteile einer Handelsliberalisierung waren ihnen wegen der Aufrechterhaltung hoher Handelsbarrieren in den Bereichen Textilien und Landwirtschaft weitgehend verwehrt geblieben. Zugleich sahen sie sich mit Umsetzungsverpflichtungen konfrontiert, deren Kosten und weit reichende politische Auswirkungen sie nicht vorhergesehen hatten. Insbesondere in den Bereichen Dienstleistungen, geistige Eigentumsrechte, technische und Gesundheitsstandards kam und kommt es für sie zu erheblichen Schwierigkeiten bei der Implementierung.3 Die Entwicklungsländer forderten daher die von den Industriestaaten zugesagten Zugeständnisse im Agrar- und Textilbereich, die verstärkte Berücksichtigung ihres Entwicklungsstandes sowie Nachbesserungen im Zusammenhang mit den Implementierungsverpflichtungen.4 Die EG versuchte, ihre protektionistische Landwirtschaftspolitik so lange wie möglich zu verteidigen. Die USA verweigerten sich den an sie gestellten Forderungen nach einer Mäßigung ihrer Antidumping-Praxis. Stattdessen wollten sowohl die EG als auch die USA – zusätzlich angetrieben durch die Forderungen der Globalisierungsgegner – Sozial- und Umweltstandards einführen. Dies betrachteten die Entwicklungsländer als Affront, deren komparative Kostenvorteile dadurch verringert worden wären.5 Erst zwei Jahre später, bei der vierten WTO-Ministerkonferenz in Doha (Katar), konnten sich die Mitgliedstaaten auf die Eröffnung einer neuen Handelsrunde einigen. In den Absätzen 12 ff. der Ministererklärung von Doha vom 14. November 2001 wurde ein Arbeitsprogramm beschlossen, das folgende Bereiche umfasst: Implementierungsschwierigkeiten, Landwirtschaft, Dienstleistungen, Marktzugang für nicht-landwirtschaftliche Produkte, geistige Eigentumsrechte, Investitionen, Wettbewerbspolitik, Öffentliches Beschaffungswesen, Handelserleichterung (insbesondere durch Beschleunigung der Zollverfahren), WTO-Regeln, Streitbeilegung, Umweltschutz, Elektronischer Handel, kleine Volkswirtschaften, Verschuldung und 2 Hörmann, Post-Uruguay-Prozess, in: Hilf/Oeter (Hrsg.), WTO-Recht, S. 681, 686 ff. m. w. N.; Stoll/Schorkopf, WTO, S. 268. 3 Hörmann, Post-Uruguay-Prozess, in: Hilf/Oeter (Hrsg.), WTO-Recht, S. 681, 682. 4 Wiemann, Die Entwicklungsländer vor der neuen WTO-Runde, Aus Politik und Zeitgeschichte B 46–47/99, S. 32, 32. 5 Vgl. Hörmann, Post-Uruguay-Prozess, in: Hilf/Oeter (Hrsg.), WTO-Recht, S. 681, 686 ff. m. w. N.; Stoll/Schorkopf, WTO, S. 268.
§ 13 Die Doha-Entwicklungsrunde
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Finanzpolitik, Technologietransfer, Technische Zusammenarbeit und Kapazitätsaufbau (Capacity Building), am wenigsten entwickelte Länder sowie SDT.6 Gemäß Absatz 47 Satz 1 der Ministererklärung von Doha sollen die Verhandlungen, der Beschluss und das Inkrafttreten der Verhandlungsergebnisse zu den verschiedenen Bereichen – mit Ausnahme derjenigen zum Streitbeilegungsmechanismus – eine Einheit bilden (single undertaking). Satz 2 lässt die vorzeitige Umsetzung von Vereinbarungen, die bereits zu einem frühen Zeitpunkt getroffen werden, sowohl als provisorische als auch als endgültige zu. Um die Entwicklungsaspekte zu betonen, wird das Arbeitsprogramm Doha Development Agenda und die aktuelle Runde Doha Development Round genannt. Zu dem Bereich WTO-Regeln gehören neben Antidumping und Subventionen die Regionalen Handelsabkommen. In Absatz 29 der Ministerklärung von Doha einigten sich die Mitgliedstaaten auf ein Verhandlungsmandat zur Klarstellung und Stärkung der Regeln und Verfahren in Bezug auf regionale Handelsabkommen. Diese Verhandlungen sollen gemäß Satz 2 die Entwicklungsaspekte von regionalen Handelsabkommen berücksichtigen.7 Hinsichtlich der Entwicklungsaspekte wurde in Doha damit ein Vorschlag Jamaikas auf der WTO-Konferenz in Seattle 1999 aufgegriffen.8 Danach sollten die relevanten Bestimmungen der Artikel XXIV GATT und V GATS – insbesondere die Kriterien des „annähernd gesamten Handels“ und des „beträchtlichen sektoralen Geltungsbereichs“ – geprüft werden. Ziel sei, Entwicklungsländern einen angemessenen Spielraum für die Bewältigung der Anpassungskosten der Handelsliberalisierung zu verschaffen und zu gewährleisten, dass regionale Handelsabkommen einen nachhaltigen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung leisten.9 Dass mit der Einigung auf das Arbeitsprogramm nicht alle Probleme beseitigt waren, zeigte sich spätestens bei der nächsten Ministerkonferenz 2003 in Cancffln. Dort sollte der weitere Verhandlungsplan vereinbart werden. Doch die Konferenz scheiterte an ähnlichen Konflikten wie bereits die von Seattle. Auslöser waren vor allem die Themen Wettbewerb, Investitio6 Ministererklärung von Doha vom 14. November 2001, WTO-Dok. WT/ MIN(01)/DEC/1 vom 20. November 2001. 7 Ministererklärung von Doha vom 14. November 2001, WTO-Dok. WT/ MIN(01)/DEC/1 vom 20. November 2001, Ziffer 29: „We also agree to negotiations aimed at clarifying and improving desciplines and procedures under the existing WTO provisions applying to regional trade agreements. The negotiations shall take into account the developmental aspects of regional trade agreements.“ 8 WTO-Dok. WT/GC/W/369 vom 13. Oktober 1999. 9 Borrmann/Großmann/Koopmann, Die WTO-Kompatibilität der Wirtschaftspartnerschaftsabkommen zwischen der EU und den AKP-Staaten, S. 38.
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4. Kap.: Schlussfolgerungen für Doha und danach
nen, Öffentliches Beschaffungswesen und Handelserleichterungen. Bei Verhandlungen Ende Juli 2004 in Genf konnte die gegenseitige Blockade aufgelöst werden.10 Es wurde ein verkleinertes Arbeitsprogramm, das Doha Work Programme verabschiedet.11 Darin wurden insbesondere die Themen Wettbewerb, Investitionen und öffentliches Beschaffungswesen aufgegeben. Auf dieser Grundlage wurden die Verhandlungen von einem besonderen Ausschuss, dem Verhandlungsausschuss (Trade Negotiating Committee) unter Vorsitz des WTO-Generaldirektors geleitet. Zu den Einzelthemen wurden sieben Verhandlungsgruppen gebildet: Marktzugang, Regeln, Handel und Umwelt, TRIPS, Streitschlichtung, Landwirtschaft und Dienstleistungen. Die Verhandlungen kamen überwiegend schlecht voran. Ein kleines positives Signal konnte die Ministerkonferenz von Hong Kong im Dezember 2005 setzen, bei der ein Zeitplan zum Abschluss der Verhandlungen bis zum Ende des Jahres 2006 beschlossen wurde.12 Danach sollten die Arbeitsgruppen in zahlreichen Bereichen bis zum 30. April 2006 ihre Arbeit vollenden. Dieser Termin wurde nicht eingehalten. Ein Ministertreffen vom 28. Juni bis 1. Juli 2006 in Genf, bei dem zur Überwindung der Schwierigkeiten eine Einigung über Eckpunkte der Marktöffnung bei Industrie- und landwirtschaftlichen Gütern erzielt werden sollte, scheiterte.13 Auch Konsultationen des WTO-Generalsekretärs Pascal Lamy mit einzelnen Mitgliedstaaten haben nicht zum erwünschten Erfolg geführt. Bei einem Treffen der sechs führenden Industrie- und Schwellenländer (G-6: Australien, Brasilien, EG, Indien, Japan, USA) am 24. Juli 2006 konnte kein Kompromiss erzielt werden. Im Zentrum des Streits stehen die Industriezölle der relativ weit entwickelten Entwicklungsländer (so genannte Schwellenländer), insbesondere Brasilien, Indien und China, sowie die Agrarzölle der EG und die Agrarsubventionen der USA. Daraufhin wurden die Gespräche der DohaRunde in allen Verhandlungsgremien auf unbestimmte Zeit ausgesetzt. Die Kommentatoren lasten vor allem den USA, aber auch der EG an, keine hinreichenden Zugeständnisse zum Abbau des Agrarprotektionismus signalisiert zu haben.14 Ob die Doha-Entwicklungsrunde wieder aufgenommen 10 Vgl. Hörmann, Post-Uruguay-Prozess, in: Hilf/Oeter (Hrsg.), WTO-Recht, S. 681, 694 ff. m. w. N. 11 Doha Work Programme, Decision adopted by the General Council on 1 August 2004, WTO-Dok. WT/L/579 vom 2. August 2004. 12 Ministererklärung von Hong Kong vom 18. Dezember 2005, WTO-Dok. WT/ MIN(05)/DEC vom 22. Dezember 2005. 13 Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, Stand der Welthandelsrunde (Doha Development Agenda, DDA): Juli 2006, veröffentlicht unter: http:// www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/W/wto-handelsrunde-stand-juli2006,property =pdf,bereich=bmwi,sprache=de,rwb=true.pdf. 14 Welthandelsgespräche auf unbestimmte Zeit vertagt, FAZ vom 25. Juli 2006, S. 1 f.; Schmid/v. Hardenberg, Schwarzer Tag für den Welthandel, FTD vom
§ 14 Verhandlungsstand zu Absatz 29 der Ministererklärung von Doha
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und zu einem Erfolg geführt werden kann, ist ungewiss. Der indische Wirtschaftsminister Nath beschrieb ihren Zustand so: „Die Runde ist noch nicht tot, sie befindet sich zurzeit irgendwo zwischen Intensivstation und Krematorium.“15
§ 14 Verhandlungsstand zu Absatz 29 der Ministererklärung von Doha Das Verhandlungsmandat gemäß Absatz 29 der Ministererklärung von Doha, die Regeln und Verfahren über regionale Handelsabkommen klarzustellen und zu stärken und dabei die Entwicklungsaspekte zu beachten, ist nicht geändert worden. Für die Vorbereitung in diesem Bereich ist die Verhandlungsgruppe zu den WTO-Regeln (Negotiating Group on Rules, NGR) zuständig. Gemäß dem Zeitplan der Ministererklärung von Hong Kong sollte sie bis zum 30. April 2006 eine vorläufige Entscheidung zur Transparenz der Verfahren erarbeiten. Ein Vorschlag in Bezug auf die Regeln sollte bis zum Ende des Jahres 2006 vorliegen.16
A. Entscheidungsentwurf zu den Verfahren: Transparency Mechanism for Regional Trade Agreements Zwar wurde der Termin 30. April 2006 in Bezug auf die Verfahren wie in den anderen Bereichen nicht eingehalten. Die NGR einigte sich aber mit 25. Juli 2006, S. 1; Herbermann, Welthandelsrunde gescheitert, SZ vom 25. Juli 2006, S. 17, Beise, Das Debakel von Genf, SZ vom 25. Juli 2006, S. 17. 15 Welthandelsgespräche auf unbestimmte Zeit vertagt, FAZ vom 25. Juli 2006, S. 1 f. 16 Ministerkonferenz von Hong Kong, 13.–18. Dezember 2005, Doha Work Programme, Ministererklärung vom 18. Dezember 2005, WTO-Dok. WT/MIN(05)/DEC, Annex D II: „1. We welcome the progress in negotiations to clarify and improve the WTO’s disciplines and procedures on regional trade agreements (RTAs). Such agreements, which can foster trade liberalization and promote development, have become an important element in the trade policies of virtually all Members. Transparency of RTAs is thus of systemic interest as are disciplines that ensure the complementarity of RTAs with the WTO. 2. We commend the progress in defining the elements of a transparency mechanism for RTAs, aimed, in particular, at improving existing WTO procedures for gathering factual information on RTAs, without prejudice to the rights and obligations of Members. We instruct the Negotiating Group on Rules to intensify its efforts to resolve outstanding issues, with a view to a provisional decision on RTA transparency by 30 April 2006. 3. We also note with appreciation the work of the Negotiating Group on Rules on WTO’s disciplines governing RTAs, including inter alia on the ‚substantially all the trade‘ requirement, the length of RTA transition periods and RTA developmental aspects. We instruct the Group to intensify negotiations, based on text proposals as soon as possible after the Sixth Ministerial Conference, so as to arrive at appropriate outcomes by end 2006.“
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4. Kap.: Schlussfolgerungen für Doha und danach
relativ geringer Verspätung am 10. Juli 2006 auf einen Entscheidungsentwurf. Er lag dem Verhandlungsausschuss (Trade Negotiations Committee) als einziger ausverhandelter Erfolg dieser Runde vor.17 Inhalt des Entscheidungsentwurfs ist ein Transparenzmechanismus (Transparency Mechanism for Regional Trade Agreements), der in Übereinstimmung mit Absatz 47 Satz 2 der Ministererklärung von Doha vom Allgemeinen Rat der WTO bereits vor Abschluss der Doha-Entwicklungsrunde vorläufig umgesetzt werden sollte. Wie damit nach dem Aussetzen der Verhandlungen umgegangen wird, ist noch nicht bekannt. Gemäß Absatz 23 des Entscheidungsentwurfs sollte der Transparenzmechanismus anhand der Erfahrungen mit seiner vorläufigen Anwendung geprüft und gegebenenfalls geändert werden, um als Teil der gesamten Ergebnisse der Doha-Entwicklungsrunde endgültig beschlossen zu werden. Artikel XXIV GATT, Artikel V GATS und die Ermächtigungsklausel, einschließlich der Bestimmungen über die Notifizierung von Abkommen, sollen gemäß der Präambel und Absatz 1 des Entscheidungsentwurfs nicht berührt werden. Ziel des Vorschlags ist allein die Verbesserung der Transparenz. Im Vorfeld war in der NGR unter anderem sehr streitig diskutiert worden, ob das Transparenzverfahren auch für Abkommen gemäß der Ermächtigungsklausel gelten sollten.18 Nachdem man diese Frage grundsätzlich positiv entschieden hatte, schlossen sich zwei weitere Streitpunkte an: zum einen, ob das Transparenzverfahren für Abkommen gemäß der Ermächtigungsklausel wie die anderen im Regionalausschuss oder stattdessen im Ausschuss für Handel und Entwicklung durchgeführt werden sollte.19 Hier setzten sich diejenigen Entwicklungsländer durch, die eine Behandlung im 17 Bericht des Vorsitzenden der NGR an den Verhandlungsausschuss, WTO-Dok. TN/RL/18 vom 13. Juli 2006, der Entscheidungsentwurf ist im Anhang veröffentlicht. 18 Bericht des Vorsitzenden der NGR an den Verhandlungsausschuss, WT-Dok. TN/RL/15 vom 30. November 2005, Absatz 20; vgl. die schriftlichen Beiträge der WTO-Mitgliedstaaten zur NGR, WTO-Dok. TN/RL/W/114 vom 6. Juni 2003 (Indien), Absatz III; TN/RL/W/117 vom 11. Juni 2003 (Australien, Chile, Hong Kong, China, Korea, Neuseeland) Absatz 11; sowie die Zusammenfassungen der Diskussionen in der NGR durch das WTO-Sekretariat, WTO-Dok. TN/RL/M/15 vom 15. Juni 2004, Absatz 10; TN/RL/M/23 vom 22. Februar 2005; TN/RL/M/30 vom 22. August 2005, Absätze 18 ff. 19 Bericht des Vorsitzenden der NGR an den Verhandlungsausschuss, WT-Dok. TN/RL/17 vom 1. Mai 2006, Absatz 6; vgl. die schriftlichen Beiträge der WTOMitgliedstaaten zur NGR, WTO-Dok. TN/RL/W/32 vom 25. November 2002 (Türkei), Absatz 3; TN/RL/W/117 vom 11. Juni 2003 (Australien, Chile, Hong Kong, China, Korea, Neuseeland) Absatz 11; TN/RL/W/167 vom 8. Dezember 2004, Absatz 3; sowie die Zusammenfassung der Diskussionen im NGR durch das WTOSekretariat, WTO-Dok. TN/RL/M/5 vom 8. Januar 2003, Absätze 33 ff.
§ 14 Verhandlungsstand zu Absatz 29 der Ministererklärung von Doha
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Ausschuss für Handel und Entwicklung verlangt hatten (Absatz 18 Entscheidungsentwurf). Zum anderen wurde kontrovers diskutiert, ob neben den Abkommen gemäß Absatz 2 c) Ermächtigungsklausel auch andere Abkommen gemäß der Ermächtigungsklausel, z. B. das GSP, dem Transparenzmechanismus unterfallen sollten. Hier setzten sich letztlich diejenigen durch, die dies nicht vom Verhandlungsmandat gemäß Absatz 29 Satz 2 der Ministererklärung von Doha gedeckt sahen.20 Der Anwendungsbereich ist durch die Definition des Begriffs „regional trade agreements“ („RTAs“) zu Beginn des Entscheidungsentwurfs beschränkt. RTAs sind danach gegenseitig präferentielle Handelsabkommen („trade agreements of a mutually preferential nature“).21 Die Abkürzung RTAs wird im Folgenden für die Beschreibung des Transparenzmechanismus in diesem Sinne verwendet. Sobald WTO-Mitgliedstaaten an neuen Verhandlungen zum Schluss eines RTA beteiligt sind, sollen sie sich bemühen, dies der WTO mitzuteilen (Absatz 1 a) Entscheidungsentwurf). Mitgliedstaaten, die an einem neu unterzeichneten RTA teilnehmen, sollen der WTO die dazu öffentlich zugänglichen Informationen übersenden (Absatz 1 b) Entscheidungsentwurf). Die Notifizierung neuer RTAs soll so früh wie möglich erfolgen, spätestens direkt nach der Ratifizierung oder der Entscheidung eines Teilnehmers, die wesentlichen Teile des Übereinkommens anzuwenden, jedenfalls vor Anwendung der Präferenzbehandlung zwischen den teilnehmenden Staaten (Absatz 2 Entscheidungsentwurf). Bei der Notifizierung ist die WTO-Vertragsgrundlage anzugeben und sind die relevanten Dokumente beizufügen (Absatz 3 Entscheidungsentwurf). Im Zentrum des Transparenzmechanismus steht ein Befassungsverfahren durch die WTO-Mitgliedstaaten (Absätze 5 ff. Entscheidungsentwurf). Für die Befassung ist der Begriff consideration gewählt. Es bestand keine Einigkeit darüber, ob im Hinblick auf die gemäß der Ermächtigungsklausel notifizierten RTAs ein Prüfungsrecht (examination) der WTO-Mitgliedstaaten besteht.22 Die Befassung soll in einem einzigen formellen Treffen stattfinden, im Übrigen soll der Informationsaustausch schriftlich erfolgen (Absatz 11 Entscheidungsentwurf). Zum Zeitpunkt der Notifizierung stellt das WTO-Sekretariat in Absprache mit den Parteien einen Zeitplan für eine Befassung mit dem RTA durch die 20 Bericht des Vorsitzenden der NGR an den Verhandlungsausschuss, WT-Dok. TN/RL/17 vom 1. Mai 2006, Absatz 6. 21 Damit weicht die WTO von ihrem sonstigen Sprachgebrauch ab, der auch North-South-RTAs kennt, die häufig gerade nicht gegenseitige, sondern einseitige Handelspräferenzen begründen. 22 Vgl. die Zusammenfassung der Diskussion im NGR durch das WTO-Sekretariat, WTO-Dok. TN/RL/M/23 vom 22. Februar 2005, Absatz 8.
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4. Kap.: Schlussfolgerungen für Doha und danach
WTO-Mitgliedstaaten innerhalb eines Jahres auf (Absatz 6 Entscheidungsentwurf). Der Entscheidungsentwurf enthält dazu die folgenden Vorgaben: Innerhalb von zehn – bzw. 20, soweit an dem RTA Entwicklungsländer beteiligt sind – Tagen übermitteln die Parteien dem WTO-Sekretariat die in einem Anhang aufgelisteten Daten (Absätze 7 a), 8 Entscheidungsentwurf). Soweit an einem RTA ausschließlich Entwicklungsländer beteiligt sind, wird gemäß Absatz 4 dieses Anhangs auf die technischen Einschränkungen bei der möglichen Datenerhebung Rücksicht genommen. Das WTO-Sekretariat bereitet daraus und gegebenenfalls zusätzlichen Informationen aus anderen Quellen einen Tatsachenbericht (factual presentation) vor (Absatz 7 b) Entscheidungsentwurf). Er darf keine juristische Wertung enthalten, nicht in einem Streitbeilegungsverfahren verwendet werden und begründet keine neuen Rechte oder Pflichten der Mitgliedstaaten (Absätze 9 und 10 Entscheidungsentwurf). Der Tatsachenbericht und die darüber hinausgehenden Informationen der Parteien werden spätestens acht Wochen vor dem formellen Treffen verteilt. Spätestens vier Wochen vor dem formellen Treffen übermittelt das Sekretariat den am RTA beteiligten Parteien die schriftlichen Fragen und Anmerkungen der WTO-Mitgliedstaaten. Zusammen mit den Antworten werden sie spätestens drei Tage vor dem formellen Treffen an alle WTO-Mitgliedstaaten verteilt (Absatz 12 Entscheidungsentwurf). Am Ende der jeweiligen Implementierungsfrist sollen die teilnehmenden Staaten der WTO einen kurzen schriftlichen Bericht über die Umsetzung der notifizierten Liberalisierungsverpflichtungen erstatten (Absatz 15 Entscheidungsentwurf). Die Notifzierung von Änderungen bereits bestehender RTAs soll so bald wie möglich nach dem Auftreten der Änderungen erfolgen. Mit ihr sollen eine Zusammenfassung der Änderungen sowie die relevanten Dokumente übermittelt werden (Absätze 14–16 Entscheidungsentwurf). Die Berichte über die Implementierung sowie über notifizierte Änderungen werden nur auf Anforderung von den Mitgliedstaaten erörtert (Absatz 16 Entscheidungsentwurf). Andere Mitgliedstaaten können der WTO jederzeit Informationen über beliebige RTAs im Rahmen des Transparenzmechanismus zukommen lassen (Absatz 20 Entscheidungsentwurf). Das WTO-Sekretariat richtet eine öffentlich zugängliche Datenbank zu jedem RTA ein. Es veröffentlicht die von den RTAs erhaltenen Informationen, Dokumente und Berichte sowie die Protokolle der formellen Treffen zur Befassung und verteilt in regelmäßigen Abständen Synopsen zu den erhaltenen Dokumenten an die WTO-Mitgliedstaaten (Absätze 2, 13, 17, 21 Entscheidungsentwurf). Auf Anfrage leistet das WTO-Sekretariat Entwicklungsländern technische Unterstützung bei der Umsetzung des Transparenzmechanismus (Absatz 19 Entscheidungsentwurf).
§ 14 Verhandlungsstand zu Absatz 29 der Ministererklärung von Doha
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Der Transparenzmechanismus soll auf alle RTAs angewendet werden. Soweit für bestehende RTAs eine Notifizierung oder Prüfung bereits erfolgt ist, gelten nur die nicht jeweils darauf bezogenen Vorschriften (Absatz 22 Entscheidungsentwurf).
B. Diskussionen über die Regeln Der WTO-Generaldirektor Pascal Lamy begrüßte das Zustandekommen des Entscheidungsvorschlags zum Transparenzmechanismus mit den Worten: „This decision will help break the current logjam in the WTO on regional trade agreements.“23 Blockade und Stillstand bestanden und bestehen vor allem wegen des Dissenses über die Auslegung und mögliche Änderung der Artikel XXIV GATT, V GATS und des Absatzes 2 c) Ermächtigungsklausel. In der NGR haben nur wenige Mitgliedstaaten dazu bislang Position bezogen. Wegen fehlender konkreter Vorschläge der Mitgliedstaaten ruhen die Verhandlungen im NGR diesbezüglich seit Januar 2006.24 Bis dahin waren vor allem technische Überlegungen zum „substantially all the trade“-Erfordernis, der Länge der Übergangszeiten für Übergangsvereinbarungen und den möglichen Einschluss von SDT-Regeln in Artikel XXIV GATT diskutiert worden. Der Schwerpunkt lag bei den beiden erstgenannten Themen.25 Zu der Frage, wann ein Handelsabkommen annähernd den gesamten Handel im Sinne des Artikels XXIV Absatz 8 a) und b) GATT erfasst, wurde über quantitative Elemente diskutiert, insbesondere, ob die Prüfung anhand des Handels oder der Zolltariflinien (tariff lines) oder in einer Kombination aus beidem vorgenommen werden sollte. Umstritten waren weiter die jeweiligen Maßstäbe und Gewichtungen, das Niveau der Produktspezifikation (HS disaggregation) zur Berechnung, der Nicht-Ausschluss wesentlicher Sektoren sowie die Beziehung anderer beschränkender Handelsregelungen und präferentieller Ursprungsregeln zum „substantially all the trade“-Erfordernis. Die Diskussion über qualitative Elemente dieses Erfordernisses wurden auf einen späteren Zeitpunkt vertagt.26 23 WT, Pressemitteilung vom 10. Juli 2006, veröffentlicht unter: http://www.wto. org/english/news_e/news06_e/rta_july06_e.htm. 24 Bericht des Vorsitzenden der NGR an den Verhandlungsausschuss, WTO-Dok. TN/RL/16 vom 28. März 2006, Absatz 10. 25 Bericht des Vorsitzenden der NGR an den Verhandlungsausschuss, WTO-Dok. TN/RL/16 vom 28. März 2006, Absatz 10; Bericht des Vorsitzenden der NGR an den Verhandlungsausschuss, WT-Dok. TN/RL/15 vom 30. November 2005, Absatz 21. 26 Bericht des Vorsitzenden der NGR an den Verhandlungsausschuss, WT-Dok. TN/RL/15 vom 30. November 2005, Absatz 22.
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4. Kap.: Schlussfolgerungen für Doha und danach
In Bezug auf die Übergangsvereinbarungen schien die grundsätzliche Frist von zehn Jahren gemäß der Auslegungsvereinbarung zu Artikel XXIV GATT die Zustimmung der meisten Mitgliedstaaten zu finden. Die Ansichten gingen jedoch darüber auseinander, wann diesbezüglich ein Ausnahmefall vorliegt, der eine Verlängerung der Frist erlaubt, insbesondere, ob die Ausnahme nur Entwicklungsländern offen stehen sollte.27 Die Entwicklungsaspekte durchzogen alle Teile der Debatte. Sie bezogen sich vorwiegend auf Artikel XXIV GATT. Die Vorstellungen divergierten, ob und, wenn ja, wie weit und wie detailliert SDT-Regeln in Artikel XXIV GATT aufgenommen werden sollen.28 Dabei ging es vorrangig um die Anwendung des Artikels XXIV GATT auf Nord-Süd-Abkommen29, insbesondere vor dem Hintergrund der aktuellen Verhandlungen über Wirtschaftspartnerschaftsabkommen der EG mit den AKP-Staaten.30 Während insbesondere die EG und die AKP-Staaten SDT-Regeln für Nord-Süd-Abkommen für unerlässlich hielten31, gab es auch einige grundsätzlich skeptische Stimmen, die auf die möglichen negativen Auswirkungen auf nicht an diesen Abkommen beteiligte Entwicklungsländer hinwiesen.32 Diskutiert wurden Vorschläge zu SDT-Regeln für die Berechnung des SAT-Erfordernisses33, die Bestimmung der „anderen beschränkenden Han27 Bericht des Vorsitzenden der NGR an den Verhandlungsausschuss, WTO-Dok. TN/RL/15 vom 30. November 2005, Absatz 23. 28 Bericht des Vorsitzenden der NGR an den Verhandlungsausschuss, WTO-Dok. TN/RL/15 vom 30. November 2005, Absatz 24. 29 Vgl. die schriftlichen Beiträge der AKP-Staaten zur NGR, WTO-Dok. TN/ RL/W/155 vom 28. April 2004 (AKP-Staaten), Absätze 5, 12; sowie die Zusammenfassungen der Diskussionen in der NGR durch das WTO-Sekretariat, WTODok. TN/RL/M/15 vom 15. Juni 2004, Absätze 20 f.; TN/RL/M/24 vom 23. März 2005, Absatz 18; TN/RL/M/27 vom 30. Juni 2005, Absatz 22; TN/RL/M/30 vom 22. August 2005, Absätze 25 ff. 30 Vgl. die Zusammenfassungen der Diskussionen in der NGR durch das WTOSekretariat, WTO-Dok. TN/RL/M/15 vom 15. Juni 2004, Absätze 20 f.; TN/ RL/M/30 vom 22. August 2005, Absatz 27. 31 Vgl. die schriftlichen Beiträge der AKP-Staaten und der EG zur NGR, WTODok. TN/RL/W/155 vom 28. April 2004 (AKP-Staaten), Absätze 5, 12; sowie TN/ RL/W/179 vom 12. Mai 2005 (EG), Absätze 16 ff. 32 Vgl. die Zusammenfassungen der Diskussionen in der NGR durch das WTOSekretariat, WTO-Dok. TN/RL/M/30 vom 22. August 2005, Absatz 27; TN/ RL/M/32 vom 9. Dezember 2005, Absätze 12 ff. 33 Vgl. die schriftlichen Beiträge der WTO-Mitgliedstaaten zur NGR, WTO-Dok. TN/RL/W/32 vom 25. November 2002 (Türkei), Absatz 4; TN/RL/W/179 vom 12. Mai 2005 (EG), Absatz 18; sowie die Zusammenfassungen der Diskussionen in der NGR durch das WTO-Sekretariat, WTO-Dok. TN/RL/M/15 vom 15. Juni 2004, Absätze 20 f.; TN/RL/M/16 vom 12. Juli 2004, Absatz 10; TN/RL/M/24 vom 23. März 2005, Absatz 18; TN/RL/M/27 vom 30. Juni 2005, Absatz 16, 22, 23; 31 f.; TN/RL/M/29 vom 15. Juli 2005, Absätze 9, 14; TN/RL/M/30 vom
§ 14 Verhandlungsstand zu Absatz 29 der Ministererklärung von Doha
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delsregeln“ (other restricting regulations of commerce, ORRC)34, die Länge der Übergangszeit bei Interimsvereinbarungen35, in Bezug auf die Ursprungsregeln36 und auf Asymmetrien, d.h. eine Lockerung der Reziprozitätspflicht37 sowie bei etwaigen qualitativen Maßstäben38. Für die SATBestimmung ist eine Marge von 10% ins Gespräch gebracht worden39, im Übrigen sind die Vorschläge kaum konkretisiert worden. In Bezug auf die Ermächtigungsklausel wurde zwar mehrfach betont, es sollten die bisherigen Regeln einschließlich der Ermächtigungsklausel sowie ihr Verhältnis zu Artikel XXIV GATT geklärt werden.40 Der Inhalt der Ermächtigungsklausel war jedoch nicht Thema der bisherigen Verhandlungen. Zum Verhältnis zu Artikel XXIV GATT wurden lediglich zwei Positionen geäußert: 22. August 2005, Absätze 15, 25 ff.; TN/RL/M/32 vom 9. Dezember 2005, Absätze 12 ff. 34 Vgl. die Zusammenfassungen der Diskussionen in der NGR durch das WTOSekretariat, WTO-Dok. TN/RL/M/15 vom 15. Juni 2004, Absätze 20 f.; TN/ RL/M/27 vom 30. Juni 2005, Absatz 23. 35 Vgl. die schriftlichen Beiträge der WTO-Mitgliedstaaten zur NGR, WTO-Dok. TN/RL/W/32 vom 25. November 2002 (Türkei), Absatz 4; TN/RL/W/179 vom 12. Mai 2005 (EG), Absatz 18; sowie die Zusammenfassungen der Diskussionen in der NGR durch das WTO-Sekretariat, WTO-Dok. TN/RL/M/15 vom 15. Juni 2004, Absätze 20 f.; TN/RL/M/16 vom 12. Juli 2004, Absatz 10; TN/RL/M/24 vom 23. März 2005, Absatz 21; TN/RL/M/27 vom 30. Juni 2005, Absätze 10, 14, 16, 23; TN/RL/M/29 vom 15. Juli 2005, Absatz 14; TN/RL/M/30 vom 22. August 2005, Absätze 15, 25 ff.; TN/RL/M/32 vom 9. Dezember 2005, Absätze 12 ff. 36 Vgl. die Zusammenfassung der Diskussionen in der NGR durch das WTO-Sekretariat, WTO-Dok. TN/RL/M/16 vom 12. Juli 2004, Absatz 10. 37 Vgl. die schriftlichen Beiträge der WTO-Mitgliedstaaten zur NGR, WTO-Dok. TN/RL/W/32 vom 25. November 2002 (Türkei), Absatz 4; TN/RL/W/179 vom 12. Mai 2005 (EG), Absatz 18; sowie die Zusammenfassungen der Diskussionen in der NGR durch das WTO-Sekretariat, WTO-Dok. TN/RL/M/15 vom 15. Juni 2004, Absätze 20 f.; TN/RL/M/27 vom 30. Juni 2005, Absatz 16; TN/RL/M/30 vom 22. August 2005, Absätze 15, 25 ff. 38 Vgl. die Zusammenfassung der Diskussionen in der NGR durch das WTO-Sekretariat, WTO-Dok. TN/RL/M/27 vom 30. Juni 2005, Absatz 28. 39 Vgl. die Zusammenfassungen der Diskussionen in der NGR durch das WTOSekretariat, WTO-Dok. TN/RL/M/29 vom 15. Juli 2005, Absatz 9; TN/RL/M/30 vom 22. August 2005, Absätze 18 ff. 40 Vgl. die schriftlichen Beiträge der WTO-Mitgliedstaaten zur NGR, WTO-Dok. TN/RL/W/2 vom 24. Februar 2002 (Australien), Absatz 2. A.; TN/RL/W/14 vom 9. Juli 2002 (EG und ihre Mitgliedstaaten), Absatz 4; TN/RL/W/32 vom 25. November 2002 (Türkei), Absatz 4; TN/RL/W/165 vom 8. Oktober 2004 (Japan), Absatz 5; sowie die Zusammenfassungen der Diskussionen in der NGR durch das WTO-Sekretariat, WTO-Dok. TN/RL/M/2 vom 1. August 2002, Absätze 18, 31; TN/RL/M/4 vom 8. November 2002, Absatz 3; TN/RL//M/9 vom 10. Juli 2003, Absatz 7; TN/RL/M/30 vom 22. August 2005, Absätze 18 ff.
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4. Kap.: Schlussfolgerungen für Doha und danach
Die einen forderten, die Ermächtigungsklausel müsse unverändert bestehen bleiben.41 Auf Abkommen, die gemäß der Ermächtigungsklausel notifiziert würden, sei Artikel XXIV GATT nicht anwendbar.42 Es dürfe nicht zwischen Entwicklungsländern oder zwischen Süd-Süd-Abkommen differenziert werden.43 Die Verhandlungen zu Artikel XXIV GATT dürften keine Auswirkungen auf die Rechte der Entwicklungsländer gemäß der Ermächtigungsklausel haben.44 Die Ermächtigungsklausel sei vom Doha-Verhandlungsmandat nicht umfasst.45 Die anderen forderten, bei Süd-Süd-Abkommen müsse nach ihrem Anteil am Welthandel, den Auswirkungen auf Dritte und dem Entwicklungsstand ihrer Mitglieder differenziert werden, ohne dies weiter zu konkretisieren.46 Es wurde zu bedenken gegeben, dass die Ermächtigungsklausel ohnehin nur von beschränkter Reichweite sei und viele Süd-Süd-Abkommen die Grenzen der Ermächtigungsklausel längst überschritten hätten.47 Man habe zu 41
Vgl. die schriftlichen Beiträge der WTO-Mitgliedstaaten zur NGR, WTO-Dok. TN/RL/W/151 vom 23. April 2004 (Chile), Absatz 6; TN/RL/W/155 vom 28. April 2004 (AKP-Staaten), Absätze 5, 12; sowie die Zusammenfassungen der Diskussionen in der NGR durch das WTO-Sekretariat, WTO-Dok. TN/RL/M/16 vom 12. Juli 2004, Absatz 10; TN/RL/M/30 vom 22. August 2005, Absätze 25 ff.; TN/RL/M/32 vom 9. Dezember 2005, Absätze 12 ff.; Onguglo/Ito, In Defence of the ACP Submission on Special and Differential Treatment in GATT Article XXIV, European Centre for Development Policy Management, Discussion Paper No. 67, October 2005, Ziffer 61. 42 Vgl. den schriftlichen Beitrag der AKP-Staaten zur NGR, WTO-Dok. TN/ RL/W/155 vom 28. April 2004 (AKP-Staaten), Absätze 5, 12; sowie die Zusammenfassungen der Diskussionen in der NGR durch das WTO-Sekretariat, WTODok. TN/RL/M/15 vom 15. Juni 2004, Absätze 20 f.; TN/RL/M/30 vom 22. August 2005, Absatz 15. 43 Vgl. den schriftlichen Beitrag Chinas zur NGR, WTO-Dok. TN/RL/W/185 vom 22. Juli 2005 (China), Absatz 6; sowie Onguglo/Ito, In Defence of the ACP Submission on Special and Differential Treatment in GATT Article XXIV, European Centre for Development Policy Management, Discussion Paper No. 67, October 2005, Ziffer 55. 44 Vgl. den schriftlichen Beitrag Chinas zur NGR, WTO-Dok. TN/RL/W/185 vom 22. Juli 2005 (China), Absatz 6. 45 Vgl. die Zusammenfassung der Diskussionen in der NGR durch das WTO-Sekretariat, WTO-Dok. TN/RL/M/4 vom 8. November 2002, Absatz 3; sowie Onguglo/Ito, In Defence of the ACP Submission on Special and Differential Treatment in GATT Article XXIV, European Centre for Development Policy Management, Discussion Paper No. 67, October 2005, Ziffer 54. 46 Vgl. den schriftlichen Beitrag der EG zur NGR, WTO-Dok. TN/RL/W/179 vom 12. Mai 2005 (EG), Absätze 5, 16; sowie die Zusammenfassungen der Diskussionen in der NGR durch das WTO-Sekretariat, WTO-Dok. TN/RL/M/27 vom 30. Juni 2005, Absätze 23, 31 f.; TN/RL/M/29 vom 15. Juli 2005, Absätze 5, 18 f. 47 Vgl. die Zusammenfassung der Diskussionen in der NGR durch das WTO-Sekretariat, WTO-Dok. TN/RL/M/15 vom 15. Juni 2004, Absätze 23, 24.
§ 15 Behandlung bei unveränderter Vertragslage
263
geringe Kenntnisse über die Süd-Süd-Abkommen48, aber es sei fraglich, ob die Ermächtigungsklausel der Entwicklung tatsächlich förderlicher sei als Artikel XXIV GATT.49 Es ist derzeit weder absehbar, ob die Verhandlungen der Doha-Entwicklungsrunde wieder aufgegriffen werden, noch wie sie gegebenenfalls für die materiellen Regeln zur regionalen Integration verlaufen könnten.
§ 15 Behandlung der Entwicklungsgemeinschaften bei unveränderter Vertragslage Ob und – wenn ja – wann die Doha- oder eine neue Runde zu Vertragsänderungen führen wird und wie etwaige Änderungen der Artikel XXIV GATT, V GATS und Absatz 2 c) Ermächtigungsklausel aussehen könnten, ist völlig offen. Die Behandlung der Entwicklungsgemeinschaften muss sich zumindest in den kommenden Jahren nach der bestehenden Vertragslage richten. Dazu müssen in erster Linie das Verhältnis von Artikel XXIV GATT und Absatz 2 c) Ermächtigungsklausel geklärt und zudem Leitlinien für die Auslegung dieser Vorschriften sowie des Artikels V GATS entwickelt werden.
A. Keine Klärung des Verhältnisses von Artikel XXIV GATT und Absatz 2 c) Ermächtigungsklausel anhand allgemeiner Auslegungs- und Konfliktregeln Der Streit zwischen den WTO-Mitgliedstaaten über das Verhältnis von Artikel XXIV GATT und Absatz 2 c) Ermächtigungsklausel, wie er sowohl im Regional- und im Handels- und Entwicklungsausschuss50 als auch in der NGR51 offensichtlich geworden ist, rührt daher, dass Artikel XXIV GATT und die Ermächtigungsklausel und die dahinter stehenden Prinzipien jeweils als in sich geschlossenes System betrachtet werden. Bei Auslegung innerhalb ihres jeweiligen Systems sind die unterschiedlichen Positionen konsequent. Im WTO-Recht gelten nach allgemeiner Auffassung die Auslegungsregeln der WVK.52 Die allgemeine Auslegungsregel 48 Vgl. die Zusammenfassung der Diskussionen in der NGR durch das WTO-Sekretariat, WTO-Dok. TN/RL/M/32 vom 9. Dezember 2005, Absatz 19. 49 Vgl. die Zusammenfassung der Diskussionen in der NGR durch das WTO-Sekretariat, WTO-Dok. TN/RL/M/16 vom 12. Juli 2004, Absatz 7. 50 Dazu siehe oben unter § 12. 51 Dazu siehe oben unter § 14. 52 Vgl. oben unter 3. Kapitel Fn. 2.
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4. Kap.: Schlussfolgerungen für Doha und danach
des Artikels 31 WVK umfasst Wortlaut, Systematik sowie Ziel und Zweck einer Regelung. Ergänzendes Auslegungsmittel ist gemäß Artikel 32 WVK die Vertragshistorie. Der Wortlaut des Artikels XXIV Absätze 4 bis 10 GATT trifft eine abschließende Regelung für alle Freihandelszonen und Zollunionen. Systematisch ist Artikel XXIV GATT als Ausnahme vom GATT und insbesondere vom Meistbegünstigungsprinzip gemäß Artikel I Absatz 1 GATT eng auszulegen. Ausnahmen von den Voraussetzungen dieser Ausnahme lässt das nicht zu. Ziel und Zweck ist es in Übereinstimmung mit der Vertragshistorie, Integrationsgemeinschaften nur in einer Weise zuzulassen, die den freien Welthandel gemäß dem Meistbegünstigungsprinzip möglichst wenig beeinträchtigt. Man hat dazu bestimmte Kriterien in Artikel XXIV GATT festgelegt, um zulässige welthandelsfreundliche von unzulässigen welthandelsfeindlichen Integrationsgemeinschaften zu unterscheiden.53 Dem würde es widersprechen, diese Kriterien für einen großen Teil der Integrationsgemeinschaften, nämlich für diejenigen zwischen Entwicklungsländern, unabhängig von ihren Auswirkungen auf den Welthandel vollständig außer Acht zu lassen. Diese Auslegung orientiert sich daran, der Meistbegünstigungsklausel und dem dahinter stehenden Nichtdiskriminierungsprinzip möglichst weitgehende Geltung zu verschaffen. Auf der anderen Seite steht Absatz 2 c) Ermächtigungsklausel, dessen Wortlaut die von manchen angenommene Beschränkung auf Präferenzabkommen unterhalb der Schwelle der Freihandelsabkommen nicht zulässt. Vielmehr ist ausdrücklich nicht nur die Reduzierung, sondern auch die Beseitigung von Zöllen und nichttarifären Maßnahmen vorgesehen.54 Absatz 2 c) Ermächtigungsklausel sieht zwar nicht wie Artikel XXIV GATT ein SAT-Erfordernis vor. Er enthält aber auch keinen Hinweis auf eine Obergrenze, welchen Anteil am Intrahandel der Zollabbau oder die Zollbeseitigung betreffen darf. Eine solche Regelung ist sinnvoll auch nicht vorstellbar. Denn dann wäre ein schrittweiser Abbau von Handelshemmnissen bzw. eine schrittweise Einbeziehung von Handelsbereichen in das Präferenzabkommen zugunsten des in Artikel XXIV GATT angestrebten vollständigen Abbaus für annähernd den gesamten Handel blockiert. Systematisch ist auch bei Absatz 2 c) Ermächtigungsklausel zu berücksichtigen, dass es sich um eine Ausnahme von Artikel I Absatz 1 GATT handelt. Anders als Artikel XXIV GATT ist Absatz 2 c) Ermächtigungsklausel aber nicht negativ auf die Verhinderung welthandelsfeindlicher Integrationsgemeinschaften, sondern positiv auf die Förderung der Integration zwischen Entwicklungsländern gerichtet. Im Vordergrund steht der Zusammenhang 53 54
Vgl. oben unter § 10 A. II. Vgl. oben unter § 11 IV. 3. b) und c).
§ 15 Behandlung bei unveränderter Vertragslage
265
mit der Ermächtigungsklausel insgesamt als Instrument der SDT und dem übrigen Sonderrecht der Entwicklungsländer. Daraus folgt eine weite Auslegung des Anwendungsbereichs des Absatzes 2 c) Ermächtigungsklausel. Eine Einschränkung durch Artikel XXIV GATT würde dem widersprechen. Die Vertragshistorie zu Absatz 2 c) Ermächtigungsklausel ist nicht bekannt. Diese Auslegung orientiert sich daran, der speziellen und differenzierten Behandlung der Entwicklungsländer und dem dahinter stehenden Prinzip der Entwicklung möglichst weitgehende Geltung zu verschaffen. Die allgemeinen Regeln über den Anwendungsvorrang lex posterior und lex specialis, deren Geltung im WTO-Recht weitgehend anerkannt ist55, helfen nicht weiter. Artikel XXIV GATT und die Ermächtigungsklausel wurden gleichzeitig durch das WTO-Übereinkommen in ihrer Geltung bestätigt, so dass die lex posterior-Regel ins Leere geht. Die Frage, welche der beiden Vorschriften in Bezug auf Entwicklungsgemeinschaften lex specialis ist, steht im Mittelpunkt des Streits. Artikel XXIV GATT ist die spezielle Regelung für Zollunionen und Freihandelszonen. Absatz 2 c) Ermächtigungsklausel ist die spezielle Regelung für Integrationsgemeinschaften zwischen Entwicklungsländern. Jeweils für sich ausgelegt gelten somit sowohl Artikel XXIV GATT als auch Absatz 2 c) Ermächtigungsklausel für die Entwicklungsgemeinschaften. Keine dieser Normen genießt in Bezug auf Entwicklungsgemeinschaften Anwendungsvorrang. Dieses Patt entsteht dadurch, dass beide Normen jeweils im Lichte der verschiedenen hinter ihnen stehenden Prinzipien ausgelegt werden.
B. Lösung im Wege der praktischen Konkordanz der Prinzipien der Nichtdiskriminierung und der Entwicklung Um das Patt dieser Normen aufzulösen, muss das Verhältnis der hinter ihnen stehenden Prinzipien geklärt werden: das Nichtdiskriminierungsprinzip und das Prinzip der Entwicklung. Beide sind gewichtige WTO-Prinzipien, die nicht per se in ein Rangverhältnis gebracht werden können. Vielmehr gilt das Prinzip praktischer Konkordanz. Das Prinzip praktischer Konkordanz wurde von Konrad Hesse zur harmonischen Auslegung in die (deutsche) Verfassungsinterpretation eingeführt. Es bedeutet, dass verfassungsrechtlich geschützte Rechtsgüter in der Problemlösung einander so zugeordnet werden müssen, dass jedes von ihnen Wirklichkeit gewinnt. Im Wege der Optimierung müssen beiden Gütern 55
Siehe dazu bereits oben unter § 9, insbesondere 3. Kapitel Fn. 2.
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4. Kap.: Schlussfolgerungen für Doha und danach
Grenzen gezogen werden, damit beide zur optimalen Wirksamkeit gelangen können. Anders als bei einer Güterabwägung im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung darf dabei nicht ein Rechtsgut zur Gänze und damit zugleich die Einheit der Verfassung preisgegeben werden.56 Nichts anderes kann im Völkerrecht57, insbesondere im WTO-Recht58, für die allgemeinen Rechtsprinzipien gelten. Das WTO-Recht stellt eine einheitliche Rechtsordnung dar. Ihr liegen verschiedene allgemeine Rechtsprinzipien zugrunde, die es gemäß dem letzten Absatz der Präambel des WTO-Übereinkommens zu wahren gilt. Der Auftrag der Wahrung dieser Prinzipien verbietet es, eines für das andere preiszugeben. Vielmehr handelt es sich um Optimierungsgebote59, die im Wege der praktischen Konkordanz insgesamt so weit wie möglich zu verwirklichen sind. Dass dieser Gedanke dem Völkerrecht nicht fremd ist, zeigt die Formulierung des Artikels 31 Absatz 3 c) WVK. Danach sind bei der Auslegung eines Vertrages außer dem Zusammenhang u. a. „jeder in den Beziehungen zwischen den Vertragsparteien anwendbare einschlägige Völkerrechtssatz“ „in gleicher Weise“ zu berücksichtigen. Zwar wird diese Vorschrift gemeinhin als Begründung der dynamischen Auslegung des Völkerrechts verstanden, da sie sich nicht allein auf Völkerrechtssätze bezieht, die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses galten. Die Formulierung „in gleicher Weise“ offenbart jedoch das Vorverständnis der Vertragsparteien der WVK, dass verschiedene Völkerrechtssätze nicht gemäß einer Rangfolge, sondern harmonisch im Sinne einer praktischen Konkordanz zu berücksichtigen sind.60 Das Nichtdiskriminierungsprinzip und das Prinzip der Entwicklung sind daher bei der Anwendung des Artikels XXIV GATT und des Absatzes 2 c) Ermächtigungsklausel auf die Entwicklungsgemeinschaften in Einklang zu bringen. Beide Prinzipien stehen in der Rechtsordnung der WTO nicht für sich allein, sondern sollen denselben Zielen dienen, an erster Stelle der „Erhöhung 56 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rn. 72. 57 Für die Geltung des Prinzips praktischer Konkordanz im allgemeinen Völkerrecht auch Fischer-Lescano, Die Emergenz der Globalverfassung, ZaöRV 2003, S. 717, 746 ohne Begründung. 58 Zu ähnlichen Ergebnissen führt die harmonisierende Auslegung – vgl. Neumann, Die Koordination des WTO-Rechts mit anderen völkerrechtlichen Ordnungen, S. 335 ff. – sowie die Vermutung der Konfliktfreiheit – vgl. Göttsche, Die Anwendung von Rechtsprinzipien in der Spruchpraxis der WTO-Rechtsmittelinstanz, S. 187 f. 59 Siehe dazu bereits oben unter § 11 D. III. 60 Ähnlich Neumann, Die Koordination des WTO-Rechts mit anderen völkerrechtlichen Ordnungen, S. 336.
§ 15 Behandlung bei unveränderter Vertragslage
267
des Lebensstandards“ gemäß Absatz 1 der Präambel des WTO-Übereinkommens. Gemeint ist der Lebensstandard in allen WTO-Mitgliedstaaten. Daraus ergibt sich, dass weder die Meistbegünstigung als Instrument des Nichtdiskriminierungsprinzips noch die bevorzugende und differenzierende Behandlung der Entwicklungsländer als Instrument des Prinzips der Entwicklung einen Selbstzweck darstellen. Vielmehr sollen sie zur Verwirklichung des jeweiligen Prinzips und des beiden gemeinsamen Ziels der Erhöhung des Lebensstandards aller beitragen. Weiteres Ziel, dem beide Prinzipien dienen, ist die Ausweitung der Produktion und des Handels mit Waren und Dienstleistungen gemäß dem ersten Absatz der Präambel des WTO-Übereinkommens.61 Die Abschaffung bestehender und die Verhinderung neuer Diskriminierungen ist Voraussetzung für den freien Welthandel. Zugleich ist ohne Entwicklung in dem größeren Teil der Mitgliedstaaten keine Produktionsausweitung und damit keine Handelsausweitung möglich. Umgekehrt haben die Entwicklungsländer und Entwicklungsgemeinschaften bei dem Versuch, ihre Märkte abzuschotten, die Erfahrung gemacht, dass ohne Beteiligung am Welthandel keine dauerhafte Entwicklung möglich ist. Aus der Optimierung der Prinzipien der Entwicklung und der Nichtdiskriminierung folgt für das Verhältnis zwischen Artikel XXIV GATT und der Ermächtigungsklausel, dass keine der beiden Vorschriften ausschließlich Anwendung auf Entwicklungsgemeinschaften finden kann. Weder darf Artikel XXIV GATT auf Entwicklungsgemeinschaften angewandt werden, ohne den Entwicklungslandstatus und das in der Ermächtigungsklausel konkretisierte Prinzip der Entwicklung zu berücksichtigen. Noch darf Absatz 2 c) Ermächtigungsklausel gleichermaßen auf alle Entwicklungsgemeinschaften angewandt werden, ohne die Auswirkung auf den Welthandel gemäß der zu Artikel XXIV GATT entwickelten Grundsätze zu berücksichtigen. Vielmehr sind bis zu einer Vertragsänderung stets beide Normen in der Verbindung miteinander heranzuziehen. Ob Verstöße gegen WTO-Recht durch die Teilnahme von WTO-Mitgliedstaaten an Entwicklungsgemeinschaften gerechtfertigt sind, richtet sich somit für den Warenhandel nach Absatz 2 c) Ermächtigungsklausel i. V. m. Artikel XXIV GATT, für den Dienstleistungshandel nach Artikel V GATS.
61 Richtig weisen Stoll/Schorkopf, WTO, S. 67 darauf hin, dass die Liberalisierung des Welthandels kein Selbstzweck ist, sondern dem vorrangigen Ziel der Erhöhung des Lebensstandards zu dienen bestimmt ist.
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4. Kap.: Schlussfolgerungen für Doha und danach
C. Konkretisierung der Optimierungsgebote mit Hilfe von Empfehlungen und Studien internationaler Organisationen Die Auslegung von Absatz 2 c) Ermächtigungsklausel i. V. m. Artikel XXIV GATT hat genauso wie die von Artikel V GATS auch im Übrigen im Lichte der Optimierung der Prinzipien der Nichtdiskriminierung und der Entwicklung zu erfolgen. Für die Entwicklungsgemeinschaften heißt das, dass sie der Entwicklung ihrer jeweiligen Region dienen müssen. Die Entwicklung soll die Grundlage für eine Ausweitung des Welthandels und dadurch für die Erhöhung des Lebensstandards aller schaffen. Die Entwicklungsgemeinschaften müssen so ausgestaltet sein, dass sie sich ins multilaterale Handelssystem der WTO einfügen. Durch sie verursachte Diskriminierungen dürfen nur so weit gehen und so lange andauern, wie es zur Erreichung der Entwicklung zwingend erforderlich ist. Auf der anderen Seite muss die WTO-Integrationsordnung so ausgestaltet sein, dass sie die so gearteten Entwicklungsgemeinschaften unterstützt und fördert. Was das für die Ausgestaltung der Entwicklungsgemeinschaften und der WTO-Integrationsordnung im Detail bedeutet, ist nicht einfach festzustellen. Es handelt sich um komplexe Zusammenhänge, die zum Teil erst noch erforscht werden müssen. Eine Konkretisierung der Optimierungsgebote bei der Auslegung der bestehenden Verträge kann insoweit nur mit Hilfe aktueller Forschungsergebnisse erfolgen. Die WTO und ihre Mitgliedstaaten haben daher bei der Auslegung die Studien der internationalen Organisationen heranzuziehen. Die Studienergebnisse und daraus folgenden Empfehlungen der internationalen Organisationen werden so als völkerrechtliches soft law62 zur Hilfe bei der Auslegung und Konkretisierung der WTO-Regeln, um die Prinzipien der Nichtdiskriminierung und der Entwicklung zu optimieren. Auslegungsgrenze ist der Wortlaut der Verträge. Die Empfehlungen internationaler Organisationen zeigen einerseits, dass für den Erfolg von Entwicklungsgemeinschaften ebenso wie für den anderer Integrationsgemeinschaften niedrige Außenhandelsbarrieren sowie die möglichst umfassende Beseitigung von Handelshemmnissen und die möglichst umfassende Liberalisierung aller Handelssektoren im Intrahandel eine wichtige Rolle spielen. Andererseits machen sie deutlich, dass auch andere Fak62 Zum soft law-Charakter von Empfehlungen internationaler Organisationen und zur Bedeutung von soft law im Völkerrecht vgl. Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, §§ 545 f., 654 ff.
§ 15 Behandlung bei unveränderter Vertragslage
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toren den Erfolg der Entwicklungsgemeinschaften maßgeblich beeinflussen können. Dazu gehören die vertiefte Integration in den Bereichen der Regulierung und Infrastruktur und in Bezug auf öffentliche Güter, die Förderung flexibler Industriestrukturen für neue Spezialisierungen und Diversifizierungen, effektive Umverteilungsmechanismen und die konsequente Umsetzung der Vereinbarungen.63 Das heißt für die Anwendung der WTO-Regeln auf Entwicklungsgemeinschaften, dass, wenn Entwicklungsgemeinschaften von sich aus die Verwirklichung einer Freihandelszone oder einer Zollunion anstreben, sie zunächst anhand derselben Kriterien im Sinne des Artikels XXIV GATT in Bezug auf SAT und die Belastung Dritter zu beurteilen sind wie andere Integrationsgemeinschaften. Denn diesbezüglich gelten grundsätzlich dieselben Erfolgskriterien. Zugleich müssen die anderen Erfolgskriterien in die Betrachtung von Entwicklungsgemeinschaften einbezogen werden. Denn es geht nicht um die nichtdiskriminierende Anwendung des Artikels XXIV GATT als Selbstzweck, sondern um die Erfolgsaussichten der Entwicklungsgemeinschaften als Rechtfertigung für die Abweichung insbesondere von der Allgemeinen Meistbegünstigung. Im Einzelfall kann es dafür wichtiger sein, dass eine Entwicklungsgemeinschaft die vertiefte Integration in den Bereichen Regulierung, Infrastruktur und öffentliche Güter weitgehend umgesetzt hat, als dass die Liberalisierung frühzeitig alle Handelssektoren umfasst. Für den Handel mit Dienstleistungen ist eine solche Berücksichtigung in Artikel V Absatz 2 GATS bereits für alle Integrationsgemeinschaften vertraglich vorgesehen. Danach kann bei der Prüfung, ob praktisch jede Diskriminierung beseitigt ist, „das Verhältnis berücksichtigt werden, in dem die Übereinkunft zu dem umfassenden Prozess der wirtschaftlichen Integration [. . .] unter den betroffenen Ländern steht.“ In Bezug auf Entwicklungsgemeinschaften wird der Ermessensspielraum durch die Optimierung zur Verwirklichung des Entwicklungsprinzips auf Null reduziert. Der weitere Integrationsprozess ist zu berücksichtigen. Die Beurteilung muss sich an den Erfolgsaussichten für die Entwicklung der Region orientieren, da diese letztlich allen zugute kommen soll. Der Rechtsgedanke des so ausgelegten Artikels V Absatz 2 GATS ist auf Absatz 2 c) Ermächtigungsklausel in Verbindung mit Artikel XXIV GATT zu übertragen. Ein Minus bei der Erfüllung der allgemeinen Kriterien für Integrationsgemeinschaften kann durch ein Plus bei den sonstigen Erfolgskriterien für Entwicklungsgemeinschaften ausgeglichen werden. Soweit sich daraus eine besondere und differenzierte Behandlung der Entwicklungsgemeinschaften ergibt, ist dabei die Graduierungsklausel des 63
Vgl. oben unter § 3 C.
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4. Kap.: Schlussfolgerungen für Doha und danach
Absatz 7 Satz 2 Ermächtigungsklausel zu berücksichtigen. Sie ist zumindest Maßstab für die Prüfung, ob die Inanspruchnahme der Sonderregeln für Entwicklungsländer rechtsmissbräuchlich ist. Denn auch die besondere und differenzierte Behandlung der Entwicklungsländer ist kein Selbstzweck. Sie soll ebenfalls der Entwicklung für die Erhöhung des Lebensstandards dienen. Wo dies nicht der Fall ist, gibt es keinen Grund zur Abweichung vom Nichtdiskriminierungsgrundsatz. Bei der Anwendung der Graduierungsklausel sind die Auswirkungen der Entwicklungsgemeinschaft auf Drittstaaten und das multilaterale System zu berücksichtigen. Dabei müssen die Effekte von Mehrfachmitgliedschaften und sich überschneidenden Integrationsgemeinschaften einbezogen werden. Ein besonderes Gewicht kommt den Auswirkungen auf andere Entwicklungsländer zu, die nicht an der jeweiligen Entwicklungsgemeinschaft beteiligt sind. Darüber hinaus sind die bestehenden Verträge so auszulegen, dass die WTO und ihre Mitgliedstaaten die Entwicklungsgemeinschaften, die die Erfolgskriterien erfüllen (wollen), auf ihrem Weg unterstützen und fördern. Dazu wäre der bereits im Entwurf beschlossene Transparenzmechanismus ein wichtiger Schritt. Eine der Schwierigkeiten der Entwicklungsgemeinschaften, die sich negativ auf die Erreichung ihres Ziels der gemeinsamen Entwicklung auswirkt, ist die mangelnde Umsetzung ihrer Verträge. Sie benötigen in erster Linie interne Organe, die die Umsetzung vorantreiben und überwachen.64 Die WTO kann die Umsetzung fördern, indem sie externen Sachverstand einbringt und technische Unterstützung etwa bei der Sammlung und Auswertung von Daten durch ihr Sekretariat leistet. Dies kann den Zuständigen innerhalb der Entwicklungsgemeinschaften Entscheidungshilfen bieten. Die Transparenz kann zudem ein günstiges öffentliches Klima für erforderliche Umsetzungsschritte erzeugen.
§ 16 Plädoyer für eine neue WTO-Integrationsordnung zur Förderung von Entwicklungsgemeinschaften Aus den Optimierungsgeboten folgt die Pflicht, nötigenfalls entsprechende Vertragsregelungen zu schaffen. Zwar lassen die geltenden WTO-Regeln genug Spielraum, sie im soeben skizzierten Sinne prinzipienkonform auszulegen. Der andauernde Streit in der Praxis über ihre Auslegung machen aber eine Neuregelung erforderlich. Seit Gründung der WTO konnte er in keinem Einzelfall zu einer Einigung gebracht werden. Dies führt zu willkürlichen Einzelfallinterventionen, wie der Vergleich des mehrjährigen Streits um MERCOSUR zur kaum beachteten Notifizierung der ASEAN64
s. o. unter § 8 D.
§ 16 Plädoyer für eine neue WTO-Integrationsordnung
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Freihandelszone AFTA und der ASEAN-China-Freihandelszone ACFTA gemäß Absatz 2 c) Ermächtigungsklausel zeigt, für die noch nicht einmal eine Prüfung im Rahmen der Ermächtigungsklausel gefordert wurde. Rechtsunsicherheit für alle Beteiligten ist die Folge. Es reicht nicht aus, den Entwicklungsländern die regionale Integration im Rahmen verschiedener internationaler Organisationen und in NordSüd-Verträgen immer wieder als Entwicklungsstrategie zu empfehlen. Wenn die Empfehlung ernst gemeint ist und Wirkung zeigen soll, muss ihnen auch in der WTO ein unterstützender Rechtsrahmen zur Verfügung gestellt werden. Zugleich verliert die WTO ihre Glaubwürdigkeit, wenn sie einen bedeutenden und weiter steigenden Teil des Welthandels an sich vorbei laufen lässt, ohne in irgendeiner Weise darauf Einfluss zu nehmen.65 Einzelne Entwicklungsländer sehen in neuen klareren Rechtsregeln vor allem eine Einschränkung ihrer Souveränität sowie bürokratische Hürden, für deren Überwindung es ihnen an Kapazitäten mangelt. Richtig ist, dass mit der Einbindung in das multilaterale Handelssystem ein Verlust an außenhandelspolitischer Souveränität einhergeht. Dies gilt für alle WTO-Mitgliedstaaten, wie sich insbesondere im verbindlichen Streitbeilegungsverfahren manifestiert – so gestaltet die EG nicht nur ihre Bananenmarktordnung, sondern auch ihre Vertragsbeziehungen zu den AKP-Staaten grundlegend um, weil sie im so genannten Bananenstreit vor dem DSB unterlegen ist.66 Es sollten in dieser Frage die Alternativen bedacht werden. Denn ohne Rechtsregeln gälte im Welthandel – wie überall – das Recht des Stärkeren ohne Korrektiv. Ähnliche Folgen haben schwach ausgestaltete Rechtsregeln. Absatz 2 c) Ermächtigungsklausel und Artikel XXIV GATT sind dadurch sehr geschwächt, dass sie nicht eindeutig sind. Das zeigt sich zum einen darin, dass die EG wegen ihrer wirtschaftlichen Stärke in der Praxis akzeptiert wurde, obwohl zumindest in ihrer Anfangszeit als EWG Bedenken gegenüber Konformität mit Artikel XXIV GATT bestanden. Auf der anderen Seite musste MERCOSUR insbesondere auf Drängen der USA in eine Prüfung anhand der Kriterien des Artikels XXIV GATT einwilligen, obwohl MERCOSUR selbst davon überzeugt war, dass Absatz 2 a) Ermächtigungsklausel die richtige Rechtsgrundlage sei. Ein gemeinsam beschlossener äußerer Rechtsrahmen bedeutet nicht nur einen Souveränitätsverlust, sondern gibt auch im positiven Sinne Standards 65 So auch Hilpold, Regional Integration According to Article XXIV GATT – Between Law and Politics, Max Planck UNYB 2003, S. 219, 242 für Artikel XXIV GATT, den er als „blind spot“ des im Übrigen verrechtlichten Systems der WTO bezeichnet. 66 Siehe oben unter § 10 A. VIII. 2.
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4. Kap.: Schlussfolgerungen für Doha und danach
vor und kann das Aushandeln der Integrationsabkommen der Entwicklungsgemeinschaften erleichtern. Zugleich haben die Entwicklungsländer ein Interesse daran, dass die Integrationsgemeinschaften, an denen sie nicht beteiligt sind, klaren Regeln unterliegen. Denn darin werden Handelsschranken zu attraktiven Märkten abgebaut, ohne dass die nicht beteiligten Staaten daran über die Meistbegünstigungsklausel teilhaben würden. Dies gilt für größere Entwicklungsgemeinschaften, bei denen es stets nicht nur Entwicklungsländer als Mitglieder, sondern auch Entwicklungsländer als Dritte gibt, genauso wie für Nord-Nord- und Nord-Süd-Gemeinschaften. Insgesamt ist davon auszugehen, dass die weitere Verrechtlichung des multilateralen Handelssystems im Allgemeinen sowie in Bezug auf die regionale Integration im Besonderen den Entwicklungsländern mittelfristig zu Gute kommt.67 Wegen der zahlreichen Erscheinungsformen und Zusammenhänge in der Praxis ist ein harmonisches System zu finden, das alle Formen der Integration erfasst, insbesondere Entwicklungsgemeinschaften und die Integration im Bereich des Dienstleistungshandels. In Bezug auf die in ein solches System eingebetteten Regeln für Entwicklungsgemeinschaften lassen sich aus den bisherigen Feststellungen folgende Eckpunkte ableiten: • Die Ausgestaltung der Regelung muss von der harmonischen Optimierung der Prinzipien der Nichtdiskriminierung und der Entwicklung geleitet sein. Ziel ist die Erhöhung des Lebensstandards für alle. • Die Rechtfertigung für eine Abweichung von anderen WTO-Regeln, insbesondere der Allgemeinen Meistbegünstigung ist die Aussicht auf eine erfolgreiche Entwicklung der jeweiligen Region, die unmittelbar oder mittelbar der Erhöhung des Lebensstandards aller zu Gute kommt. • Die so ausgestalteten Entwicklungsgemeinschaften sollten durch die WTO-Regeln nicht nur als Ausnahme zugelassen, sondern gefördert werden. Die Regeln müssen so ausgestaltet sein, dass sie keine zusätzlichen Hemmnisse bereiten, sondern positive Maßstäbe für sinnvolle regionale Integration bieten und interne Verhandlungspositionen stärken, die nach derzeitigem Kenntnisstand dem Ziel der regionalen Entwicklung förderlich sind. • Sonderregeln für Entwicklungsgemeinschaften gegenüber anderen Integrationsgemeinschaften sind nur zulässig, soweit und so lange sie der erfolgreichen Entwicklung der jeweiligen Region förderlich sind. Bei einer entsprechenden Graduierung sind zugleich die Auswirkungen auf das 67 In diesem Sinne auch Oeter, Gemeinwohl in der Völkerrechtsgemeinschaft, in: Brugger/Kirste/Anderheiden (Hrsg.), Gemeinwohl in Deutschland, Europa und der Welt, S. 215, 231 f.
§ 16 Plädoyer für eine neue WTO-Integrationsordnung
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multilaterale Handelssystem und auf Drittstaaten, insbesondere Entwicklungsländer, zu beachten. Dabei sollten die Effekte von Mehrfachmitgliedschaften und hub-and-spoke-Systemen berücksichtigt werden. • Es muss eine Regelung für den persönlichen Anwendungsbereich der Vorschriften gefunden werden, d.h. eine Einigung darüber, welche Länder Entwicklungsländer im Sinne dieser Vorschriften sind. Hierbei könnte wie für die am wenigsten entwickelten Länder auf die Aufstellung der UNCTAD zurückgegriffen werden. Jedenfalls ist ein weiter persönlicher Anwendungsbereich zu wählen, der sachlich durch die soeben vorgeschlagene Graduierungsregelung beschränkt wird. • Es sind Erfolgskriterien festzulegen, die als Maßstab dienen, ob eine Entwicklungsgemeinschaft der erfolgreichen Entwicklung der Region im Einklang mit dem multilateralen Handelssystem dient. Dazu soll das WTO-Sekretariat eigene Forschungen anstellen und ergänzend die Studienergebnisse und Empfehlungen anderer internationaler Organisationen berücksichtigen. • Nach dem bisherigen Stand der Erkenntnisse dürfen als Erfolgskriterien nicht nur dieselben wie für andere Integrationsgemeinschaften gelten, die sich auf den Liberalisierungstand und die Auswirkungen auf Dritte und Welthandel beziehen. Für die Entwicklungsgemeinschaften sind der Integrationsstand in den Bereichen der Regulierung, Infrastruktur und öffentliche Güter, die Förderung flexibler Industriestrukturen für neue Spezialisierungen und Diversifizierungen, effektive Umverteilungsmechanismen sowie Mechanismen und/oder Institutionen zur Sicherung der konsequenten Umsetzung der Integrationsvereinbarungen zu ergänzen. Ein Minus bei der Erfüllung eines Erfolgskriteriums muss durch ein Plus bei der Erfüllung eines anderen ausgeglichen werden können. Dies gilt ohne Einschränkung zwischen den für alle Integrationsgemeinschaften geltenden Erfolgskriterien und den speziell für Entwicklungsgemeinschaften geltenden Erfolgkriterien sowie zwischen Kriterien, die sich auf den Handel mit Gütern, und Kriterien, die sich auf den Handel mit Dienstleistungen beziehen. • Regelungen für Übergangsvereinbarungen sind so auszugestalten, dass sie den Entwicklungsgemeinschaften bei ihrer Gründung und in der Aufbauphase zuverlässige Größen für die Kalkulation von Gewinnen und Einbußen an die Hand gibt. • Die Notifizierung vor Inkrafttreten eines Integrationsabkommens muss Vorraussetzung für die Ausnahmewirkung gegenüber Verstößen gegen sonstiges WTO-Recht sein. Nur so können die positiven Wirkungen des Transparenzmechanismus auf die Umsetzung des Integrationsabkommens und die Transparenz für die Handelspartner gesichert werden.
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4. Kap.: Schlussfolgerungen für Doha und danach
• Die Notifizierung und die Durchführung des Transparenzmechanismus sollten für alle Integrationsgemeinschaften vor demselben WTO-Gremium erfolgen. Nur so kann die Einheitlichkeit des Integrationssystems sichergestellt werden. In dem bisherigen System ist vorstellbar, dass eine Entwicklungsgemeinschaft in Bezug auf den Warenhandel beim Ausschuss für Handel und Entwicklung und in Bezug auf Dienstleistungen beim Regionalausschuss behandelt wird. In einem einheitlichen Gremium kann dem Aspekt der Graduierung besser Rechnung getragen werden. • Der Transparenzmechanismus in der vom NGR vorgeschlagenen Form sollte um einen regelmäßigen Kontrollmechanismus zur Begleitung der Implementierung und Aufrechterhaltung der Ziele der Entwicklungsgemeinschaften ergänzt werden. Dieser könnte an den Trade Policy Review Mechanism angelehnt werden.68 Denkbar ist auch die Anwendung des Trade Policy Review Mechanism jeweils auf eine Entwicklungsgemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten statt auf die einzelnen Staaten, wie dies bei SACU bereits praktiziert wird. • Das WTO-Sekretariat ist mit der technischen Unterstützung der Entwicklungsländer und Entwicklungsgemeinschaften zu beauftragen, um den zusätzlichen bürokratischen Aufwand aufzufangen, der durch die Regeln entsteht. • Zugleich ist nach Möglichkeiten zu suchen, wie die Entwicklungsgemeinschaften in Bezug auf die Kapazitäten der Entwicklungsländer effizienzsteigernd eingesetzt werden können. In diesem Sinne sollte die Möglichkeit geschaffen werden, Entwicklungsgemeinschaften – ähnlich wie die EG – als Mitglieder in die WTO aufzunehmen. Gemeinsame Ursprungsregeln würden den Aufwand der Zollabwicklung nicht nur in Entwicklungsländern erheblich vermindern. In dem entstehenden Mehrebenensystem sollten zur Vermeidung von doppelten Zuständigkeiten langfristig das Subsidiaritätsprinzip69 und eine Hierarchie der Streitbeilegungsmechanismen einführt werden. • Schließlich sollte die neue Integrationsordnung rückwirkend auf bestehende Integrationsgemeinschaften anwendbar sein, da solche bereits die meisten Handelsbeziehungen regeln. 68 So auch Sutherland et al., The Future of the WTO – Addressing Institutional Challenges in the New Millennium, Report by the Consultative Board to the Director-General Supachai Panitchpakdi, 2004, S. 27; Then de Lammerskötter, WTO und Regional Trade Agreements (RTAs), S. 239; Borrmann/Großmann/Koopmann, Die WTO-Kompatibilität der Wirtschaftspartnerschaftsabkommen zwischen der EU und den AKP-Staaten, S. 41. 69 Zur Subsidiarität als Element der konstitutionellen Strukturen der Welthandelsordnung vgl. Hilf, Konstitutionelle Strukturen der Welthandelsordnung, in: Hopt/ Katzenbach/Straubhaar (Hrsg.), Herausforderungen der Globalisierung, S. 109, 120 f.
§ 16 Plädoyer für eine neue WTO-Integrationsordnung
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Die Entwicklungsgemeinschaften haben sich in den letzten Jahren überwiegend als reformfähig gezeigt. Sie haben erhebliche Anstrengungen unternommen, um sich zum Vorteil aller ins multilaterale Handelssystem einzufügen.70 Es ist jetzt an der WTO und ihren Mitgliedstaaten, eine Integrationsordnung zu schaffen, die die Entwicklungsgemeinschaften unterstützt und fördert.71 Es wäre tragisch, wenn dies gerade an der Integrationsunfähigkeit der WTO und einer Politik der Abschottung wichtiger WTO-Mitglieder scheitern würde.
70 71
Vgl. dazu oben das 2. Kapitel, insbesondere § 8. Vgl. zu dieser Anforderung an die WTO-Integrationsordnung § 15 C.
Zusammenfassung Seit Beginn der Entkolonialisierung schließen sich Entwicklungsländer in regionalen Integrationsgemeinschaften zusammen. Ziel ist stets die gemeinsame Entwicklung. Aktuell bestehen etwa 30 solcher Gemeinschaften. Bekannte Beispiele sind MERCOSUR und ASEAN, andere haben bislang weniger Aufmerksamkeit auf sich ziehen können. Für diese Gemeinschaften fehlt es bislang an einem gemeinsamen, zu anderen Formen der Integration klar abgegrenzten Begriff. Die vorliegende Arbeit führt den Begriff Entwicklungsgemeinschaft ein, um diese terminologische Lücke zu schließen. Namenspate ist die Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrika (Southern African Development Community, SADC). Während die Effekte der regionalen Integration zwischen Entwicklungsländern unter Wirtschaftswissenschaftlern lange Zeit umstritten waren, wird sie heute überwiegend als ein Eckpfeiler einer erfolgreichen Entwicklung empfohlen. Ein weiterer Eckpfeiler ist die Teilnahme der Entwicklungsländer am multilateralen Handelssystem der Welthandelsorganisation (World Trade Organization, WTO). Die neueren Studien internationaler Organisationen – etwa der Weltbank, der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Organisation for Economic Cooperation and Development, OECD) und der Konferenz für Handel und Entwicklung der Vereinten Nationen (United Nations Conference on Trade and Development, UNCTAD) – beschäftigen sich nicht mehr mit der Frage, ob Entwicklungsländer regionale Integrationsgemeinschaften bilden und stärken sollen, sondern allein, wie diese Integration zum Erfolg geführt werden kann. Dafür werden insbesondere folgende Erfolgskriterien genannt: möglichst umfassende interne Liberalisierung, vertiefte Integration in den Bereichen Regulierung und Infrastruktur, Förderung flexibler Industriestrukturen für neue Spezialisierungen und Diversifizierungen, effektive Mechanismen zur Verteilung der Gewinne und Verluste der Integration zwischen den Mitgliedstaaten, niedrige Außenhandelsbarrieren sowie die konsequente Umsetzung der Integrationsabkommen. Die vorliegende Arbeit untersucht die internen Rechtsordnungen der bestehenden Entwicklungsgemeinschaften und vergleicht sie im Hinblick auf die Erfüllung der genannten Erfolgskriterien. Die einzige kontinentweite Entwicklungsgemeinschaft und die meisten Entwicklungsgemeinschaften insgesamt befinden sich in Afrika. Von der
Zusammenfassung
277
Idee des Panafrikanismus positiv getragen, zeigt sich der afrikanische Kontinent vertragsfreudig. Die Umsetzung der Integrationsabkommen scheitert allerdings insbesondere dort, wo wichtige Mitgliedstaaten politisch instabil sind oder politische oder militärische Konflikte zwischen den Mitgliedstaaten nicht ausgeräumt werden können. Ein weiteres Problem sind die Mehrfachmitgliedschaften afrikanischer Staaten in verschiedenen Entwicklungsgemeinschaften. Bemerkenswert ist hingegen der stringente Zeitplan der Afrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (African Economic Community, AEC) für die gesamtafrikanische Integration, zu der die anderen afrikanischen Entwicklungsgemeinschaften zusammenwachsen sollen. In Asien und der pazifischen Region herrschte lange Zeit Integrationsskepsis vor, was sich noch heute in der geringen Zahl asiatischer Entwicklungsgemeinschaften zeigt. Diejenigen, die es gibt, haben zudem nur schwach ausgeprägte institutionelle Strukturen. Insbesondere die wirtschaftlich erfolgreiche ASEAN ist dabei, dies zu ändern. In Lateinamerika und der Karibik verläuft die regionale Integration kontinuierlich und überwiegend erfolgreich. Die Entwicklungsgemeinschaften erfassen die meisten Handelssektoren. Insbesondere die Andengemeinschaft verfügt über weit reichende institutionelle Strukturen. Insgesamt zeigt sich, dass die meisten Entwicklungsgemeinschaften große Anstrengungen unternehmen, um die genannten Erfolgskriterien zu erfüllen. Insbesondere die Öffnung ins multilaterale Handelssystem schreitet voran. Keine Entwicklungsgemeinschaft verfolgt mehr das Ziel der Importsubstituierung. Viele haben sich dem Ziel der Öffnung in die Weltwirtschaft verpflichtet. Einige haben ihre Außenhandelsbarrieren bereits erheblich gesenkt. Immer mehr Entwicklungsgemeinschaften bündeln die Interessen ihrer Mitgliedstaaten in Verhandlungen mit Drittstaaten, innerhalb anderer regionaler Integrationszusammenhänge und innerhalb der WTO. Der Blick in die andere Richtung, nämlich auf die WTO, ist weniger erfreulich. Ihr und ihren Mitgliedstaaten ist es bislang nicht gelungen zu klären, unter welchen Voraussetzungen die Entwicklungsgemeinschaften mit dem Recht der WTO vereinbar sind. Die vorliegende Arbeit untersucht das Konfliktpotential, die Ausnahmevorschriften des WTO-Rechts für Integrationsgemeinschaften und für Entwicklungsländer und den sich daraus ergebenden Streit um die Einordnung der Entwicklungsgemeinschaften. Indem sich die Mitglieder der Entwicklungsgemeinschaften gegenseitig eine präferentielle Behandlung gewähren, verstoßen sie jedenfalls gegen den allgemeinen Meistbegünstigungsgrundsatz. Danach muss ein WTO-Mitgliedstaat allen anderen WTO-Mitgliedstaaten alle Handelsvorteile zu Gute kommen lassen, die er dem von ihm in Bezug auf den jeweiligen Handelsgegenstand am meisten begünstigten Staat gewährt. Die allgemeine Meist-
278
Zusammenfassung
begünstigung ist Ausdruck des Prinzips der Nichtdiskriminierung. Sie ist insbesondere in Artikel I Absatz 1 des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (General Agreement on Tariffs and Trade, GATT) und in Artikel II Absatz 1 des Abkommens über den Handel mit Dienstleistungen (General Agreement on Trade in Services, GATS) festgeschrieben. Ein Verstoß gegen WTO-Recht, insbesondere gegen die allgemeine Meistbegünstigung, ist beim Warenhandel für Freihandelszonen und Zollunionen gemäß Artikel XXIV GATT, beim Handel mit Dienstleistungen für Integrationsgemeinschaften gemäß Artikel V GATS gerechtfertigt. Die Voraussetzungen des Artikels XXIV GATT sind im Einzelnen umstritten, Artikel V GATS hat bisher erst wenige praktische Konkretisierungen erfahren. Während Artikel V GATS Integrationsgemeinschaften zwischen Entwicklungsländern eine gewisse Flexibilität zugesteht, ist in Artikel XXIV GATT keine ausdrückliche Ausnahme für Entwicklungsländer zugelassen. Zugleich bilden zahlreiche Normen des GATT und des übrigen WTORechts ein Sonderrecht der Entwicklungsländer. Daraus leitet die vorliegende Arbeit ein allgemeines Prinzip der Entwicklung ab. Für die Entwicklungsgemeinschaften von besonderer Bedeutung ist Absatz 2 c Ermächtigungsklausel.1 Er lässt Präferenzabkommen zwischen Entwicklungsländern als Ausnahme von Artikel I Absatz 1 GATT zu. Auch hier ist die Auslegung der einzelnen Voraussetzungen nicht geklärt. Jedenfalls sind sie insgesamt geringer als die des Artikels XXIV GATT. Dies wirft die Frage des Verhältnisses dieser beiden Vorschriften zueinander auf. Der Streit hierüber hält in der Praxis seit vielen Jahren an und führt zu nicht vorhersehbaren und willkürlichen Ergebnissen. So einigte man sich in Bezug auf MERCOSUR trotz der Notifizierung gemäß der Ermächtigungsklausel wegen seiner wirtschaftlichen Bedeutung auf eine Prüfung anhand der strengeren Kriterien des Artikels XXIV GATT. Zur ASEAN-Freihandelszone sowie zum Rahmenübereinkommen für eine Freihandelszone zwischen ASEAN und China, die die größte Freihandelszone der Welt wird, die ebenfalls beide gemäß der Ermächtigungsklausel notifiziert wurden, wurde noch nicht einmal eine Überprüfung anhand der Ermächtigungsklausel beantragt. Auch in der Rechtswissenschaft konnte das Verhältnis der beiden Vorschriften zueinander bislang nicht geklärt werden. Die vorliegende Arbeit zeigt auf, dass der Streit vor allem daher rührt, dass bislang beide Vorschriften jeweils in ihrem eigenen Kontext ausgelegt wurden. Artikel XXIV GATT wird als Ausnahme von der allgemeinen 1 Differential and more favourable treatment, reciprocity and fuller participation of developing countries (sog. Enabling Clause), Entscheidung vom 28. November 1979, GATT-Dok. L/4903 vom 3. Dezember 1979, deutsche Übersetzung bei Hummer/Weiss, Vom GATT ’47 zur WTO ’94, S. 259 ff.
Zusammenfassung
279
Meistbegünstigung gemäß Artikel I Absatz 1 GATT im Lichte des Prinzips der Nichtdiskriminierung interpretiert. Absatz 2 c Ermächtigungsklausel wird vor allem als Teil der Vorschriften zur besonderen und differenzierten Behandlung der Entwicklungsländer im Lichte des Prinzips der Entwicklung gesehen. Das Verhältnis der beiden Normen kann nicht anhand der allgemeinen Auslegungsmethoden und Konfliktregeln geklärt werden. Die vorliegende Arbeit entwickelt die Lösung im Wege der praktischen Konkordanz zwischen den dahinter stehenden Prinzipien der Nichtdiskriminierung und der Entwicklung. Beide Prinzipien stehen in der WTO-Rechtsordnung nicht allein, sondern sollen denselben Zielen dienen, an erster Stelle der Erhöhung des Lebensstandards sowie – nachrangig – der Ausweitung der Produktion und des Handels mit Waren und Dienstleistungen gemäß Absatz 1 der Präambel des WTO-Übereinkommens. Aus der Optimierung der Prinzipien der Entwicklung und der Nichtdiskriminierung folgt für das Verhältnis zwischen Artikel XXIV GATT und der Ermächtigungsklausel, dass keine der beiden Vorschriften ausschließlich Anwendung auf Entwicklungsgemeinschaften finden kann. Ob Verstöße gegen WTO-Recht durch die Teilnahme von WTO-Mitgliedstaaten an Entwicklungsgemeinschaften gerechtfertigt sind, richtet sich somit für den Warenhandel nach Absatz 2 c) Ermächtigungsklausel i. V. m. Artikel XXIV GATT, für den Dienstleistungshandel nach Artikel V GATS. Für die Entwicklungsgemeinschaften heißt das, dass sie der Entwicklung ihrer jeweiligen Region dienen müssen. Die Entwicklung soll die Grundlage für eine Ausweitung des Welthandels und dadurch für die Erhöhung des Lebensstandards aller schaffen. Die Entwicklungsgemeinschaften müssen so ausgestaltet sein, dass sie sich ins multilaterale Handelssystem der WTO einfügen. Durch sie verursachte Diskriminierungen dürfen nur so weit gehen und so lange andauern, wie es zur Erreichung der Entwicklung zwingend erforderlich ist. Auf der anderen Seite muss die WTO-Integrationsordnung so ausgestaltet sein, dass sie die so gearteten Entwicklungsgemeinschaften unterstützt und fördert. Um herauszufinden, was das im Detail bedeutet, sind die WTO und ihre Mitgliedstaaten verpflichtet, die Zusammenhänge zu erforschen und aktuelle Forschungsergebnisse und Empfehlungen internationaler Organisationen zu berücksichtigen. Es sind daher die dargestellten Erfolgskriterien zur Auslegung heranzuziehen. Aus den Prinzipien der Nichtdiskriminierung und der Entwicklung als Optimierungsgeboten folgt weiter die Pflicht, neue klarere WTO-Regeln zu vereinbaren, um die bisherige willkürliche Handhabung zu beenden. Die zuständige Arbeitsgruppe im Rahmen der Doha-Entwicklungsrunde konnte
280
Zusammenfassung
sich zwar auf einen Transparenzmechanismus für alle Integrationsgemeinschaften einigen. Für die materiellen Regeln über die Entwicklungsgemeinschaften zeichneten sich in den Diskussionen aber noch nicht einmal Lösungsansätze ab. Wegen der Kompromissunfähigkeit in den Bereichen Landwirtschaft und Industriezölle sind die Verhandlungen der Doha-Runde insgesamt für unbestimmte Zeit unterbrochen worden. Die vorliegende Arbeit schließt mit detaillierten Eckpunkten für eine Neuregelung in dieser oder einer späteren Runde. Leitgedanke ist dabei die harmonische Optimierung der Prinzipien der Nichtdiskriminierung und der Entwicklung zum Ziel der Erhöhung des Lebensstandards für alle. Die Rechtfertigung für eine Abweichung von anderen WTO-Regeln, insbesondere der Allgemeinen Meistbegünstigung ist die Aussicht auf eine erfolgreiche Entwicklung der jeweiligen Region, die unmittelbar oder mittelbar der Erhöhung des Lebensstandards aller zu Gute kommt. Die so ausgestalteten Entwicklungsgemeinschaften sollten durch die WTO-Regeln nicht nur als Ausnahme zugelassen, sondern gefördert werden. Die Regeln müssen so ausgestaltet sein, dass sie keine zusätzlichen Hemmnisse bereiten, sondern positive Maßstäbe für sinnvolle regionale Integration bieten und interne Verhandlungspositionen stärken, die nach derzeitigem Kenntnisstand dem Ziel der regionalen Entwicklung förderlich sind.
Anhang I
Entwicklungsländer1 Entwicklungsländer2
G 773 LLDC4 WTO5 Entwicklungsgemeinschaften
Afghanistan
×
Ägypten
×
Algerien
×
× ×
AU/AEC, CEN-SAD, COMESA, GAFTA AU/AEC, UMA/AMU
Amerika Samoa (USA) Angola
×
Antigua und Barbuda
×
Äquatorialguinea
×
Argentinien
×
×
×
AU/AEC, COMESA, ECCAS/CEEAC, SADC
×
CARICOM, OECS
×
AU/AEC, CEMAC, ECCAS/CEEAC ×
ALADI, MERCOSUR
Aruba (Niederlande) Äthiopien
×
Bahamas
×
Bahrain
×
Bangladesch
×
Barbados Belize 1
×
AU/AEC, COMESA, IGAD CARICOM ×
GAFTA, GCC
×
APTA, SAARC/SAFTA
×
×
CARICOM
×
×
CARICOM, MCCA/SICA
×
Stand: Juli 2006. Entwicklungsländer, vgl. UNCTAD, Handbook of Statistics (TD/STAT.30), 2005, S. xi. 3 Mitglieder der Gruppe der 77 (Group of 77), vgl. offizielle Homepage: http:// www.g77.org/main/gen_info_2.htm. 4 Am wenigsten entwickelte Länder, vgl. UNCTAD, Handbook of Statistics (TD/STAT.30), 2005, S. xiii. 5 Mitglieder der Welthandelsorganisation (World Trade Organization), vgl. offizielle Homepage: http://www.wto.org/english/thewto_e/whatis_e/tif_e/org6_e.htm. 2
282
Anhang I: Entwicklungsländer
Entwicklungsländer2
G 773 LLDC4 WTO5 Entwicklungsgemeinschaften
Benin
×
×
×
AU/AEC, CEN-SAD, EC, ECOWAS, UEMOA
Bhutan
×
×
Bolivien
×
×
ALADI, CAN
Botsuana
×
×
AU/AEC, SACU, SADC
Brasilien
×
×
ALADI, MERCOSUR
Bermuda SAARC/SAFTA
Britische Jungferninseln
OECS
Brunei Darussalam
×
×
ASEAN/AFTA
Burkina Faso
×
×
×
AU/AEC, CEN-SAD, EC, ECOWAS, UEMOA
Burundi
×
×
×
AU/AEC, COMESA, ECCAS/ CEEAC, ECGLC/CEPGL
Chile
×
×
ALADI
China
×
×
APTA
Cookinseln
PICTA
Costa Rica
×
×
MCCA/SICA
Côte d’Ivoire
×
×
AU/AEC, CEN-SAD, EC, ECOWAS, UEMOA
Demokratische Republik Kongo
×
Demokratische Volksrepublik Korea (Nordkorea)
×
Dominica
×
×
Dominikanische Republik
×
×
Dschibuti
×
Ecuador
×
×
AU/AEC, COMESA, ECCAS/CEEAC, ECGLC/CEPGL, SADC
CARICOM, OECS
×
AU/AEC, CEN-SAD, COMESA, IGAD
×
×
ALADI, CAN
El Salvador
×
×
MCCA/SICA
Eritrea
×
×
AU/AEC, CEN-SAD, COMESA, IGAD
Anhang I: Entwicklungsländer Entwicklungsländer2
283
G 773 LLDC4 WTO5 Entwicklungsgemeinschaften
Falklandinseln (Großbritannien) Fidschi
×
×
MSG, PICTA
Gabun
×
×
AU/AEC, CEMAC, ECCAS/CEEAC
Gambia
×
×
AU/AEC, CEN-SAD, ECOWAS
Ghana
×
×
AU/AEC, CEN-SAD, ECOWAS
Grenada
×
×
CARICOM, OECS
Guatemala
×
×
MCCA/SICA
Guinea
×
×
×
AU/AEC, ECOWAS, MRU
Guinea-Bissau
×
×
×
AU/AEC, CEN-SAD, ECOWAS, UEMOA
Guyana
×
×
CARICOM
Haiti
×
×
CARICOM
Honduras
×
×
MCCA/SICA
Französisch-Guinea (Frankreich) Französisch-Polynesien (Frankreich)
×
Guadeloupe (Frankreich) Guam (USA)
×
Hongkong
×
Indien
×
×
APTA, SAARC/SAFTA
Indonesien
×
×
ASEAN/AFTA
Irak
×
Iran
×
Jamaika
×
Jemen
×
Jordanien
×
Jungferninseln (USA/Großbritannien) Kaiman-Inseln
GAFTA
× ×
CARICOM GAFTA
×
GAFTA
284
Anhang I: Entwicklungsländer
Entwicklungsländer2
G 773 LLDC4 WTO5 Entwicklungsgemeinschaften
Kambodscha
×
Kamerun
×
Kap Verde
×
Katar
×
×
GAFTA, GCC
Kenia
×
×
AU/AEC, COMESA, EAC, IGAD
Kiribati
×
×
ASEAN/AFTA
×
AU/AEC, CEMAC, ECCAS/CEEAC
×
AU/AEC, ECOWAS
×
PICTA
Kolumbien
×
×
Komoren
×
Kuba
×
×
Kuwait
×
×
Laos
×
×
Lesotho
×
×
Libanon
×
Liberia
×
Libyen
×
×
ALADI, CAN AU/AEC, COMESA, IOC/COI
GAFTA, GCC APTA, ASEAN/AFTA
×
AU/AEC, SACU, SADC GAFTA
×
AU/AEC, CEN-SAD, ECOWAS, MRU AU/AEC, CEN-SAD, COMESA, GAFTA, UMA/AMU
Macau
×
Madagaskar
×
×
×
AU/AEC, COMESA, IOC/COI
Malawi
×
×
×
AU/AEC, COMESA, SADC
Malaysia
×
×
ASEAN/AFTA
Malediven
×
×
×
SAARC/SAFTA
Mali
×
×
×
AU/AEC, CEN-SAD, ECOWAS, UEMOA
Marokko
×
×
CEN-SAD, GAFTA, UMA/AMU
Marshallinseln
×
×
AU/AEC, UMA/AMU
×
AU/AEC, COMESA, IOC/COI, SADC
Martinique (Frankreich) Mauretanien
×
Mauritius
×
×
Anhang I: Entwicklungsländer Entwicklungsländer2
G 773 LLDC4 WTO5 Entwicklungsgemeinschaften
Mexiko
×
Mikronesien
×
Mongolei
×
ALADI
×
Montserrat (Großbritannien)
CARICOM, OECS
Mosambik
×
×
×
AU/AEC, SADC
Myanmar
×
×
×
ASEAN/AFTA
Namibia
×
×
AU/AEC, SACU, SADC
Nauru Nepal
285
PICTA ×
×
×
SAARC/SAFTA
×
MCCA/SICA
×
AU/AEC, CEN-SAD, EC, ECOWAS, UEMOA
×
AU/AEC, CEN-SAD, ECOWAS
Neukaledonien (Frankreich) Nicaragua
×
Niederländisch-Antillen (Niederlande) Niger
×
Nigeria
×
×
Niue
PICTA
Northern Mariana Islands (USA) Oman
×
Osttimor
×
Pakistan
×
Palästinensische Gebiete
×
Palau
×
Panama
×
×
MCCA/SICA
Papua-Neuguinea
×
×
MSG, PICTA
Paraguay
×
×
ALADI, MERCOSUR
Peru
×
×
ALADI, CAN
Philippinen
×
×
ASEAN/AFTA
Puerto Rico (USA)
×
GAFTA, GCC
×
SAARC/SAFTA GAFTA
286
Anhang I: Entwicklungsländer
Entwicklungsländer2
G 773 LLDC4 WTO5 Entwicklungsgemeinschaften
Republik Kongo
×
Republik Korea (Südkorea)
×
AU/AEC, CEMAC, ECCAS/CEEAC
×
APTA
Réunion (Frankreich)
IOC/COI
Ruanda
×
×
×
AU/AEC, COMESA, ECCAS/ CEEAC, ECGLC/CEPGL
Salomonen
×
×
×
MSG, PICTA
Sambia
×
×
×
AU/AEC, COMESA, SADC
Samoa
×
×
PICTA
São Tomé und Príncipe
×
×
AU/AEC, ECCAS/CEEAC
Saudi-Arabien
×
Senegal
×
Seychellen
×
Sierra Leone
×
Simbabwe
×
×
GAFTA, GCC
×
AU/AEC, CEN-SAD, ECOWAS, UEMOA AU/AEC, COMESA, IOC/COI, SADC
×
×
AU/AEC, CEN-SAD, ECOWAS, MRU
×
×
AU/AEC, COMESA, SADC
Singapur
×
×
ASEAN/AFTA
Somalia
×
Sri Lanka
×
×
APTA, SAARC/SAFTA
St. Kitts und Nevis
×
×
CARICOM, OECS
St. Lucia
×
×
CARICOM, OECS
St. Vincent und die Grenadinen
×
×
CARICOM, OECS
Südafrika
×
×
AU/AEC, SACU, SADC
Sudan
×
×
AU/AEC, CEN-SAD, GAFTA, IGAD
St. Helena (Großbritannien)
St. Pierre und Miquelon (Frankreich)
×
AU/AEC, CEN-SAD, COMESA, GAFTA, IGAD
Anhang I: Entwicklungsländer Entwicklungsländer2
287
G 773 LLDC4 WTO5 Entwicklungsgemeinschaften
Suriname
×
×
CARICOM
Swasiland
×
×
AU/AEC, COMESA, SACU, SADC
Syrien
×
GAFTA
Taiwan Tansania
×
Thailand
×
Togo
×
×
×
×
AU/AEC, EAC, SADC
×
ASEAN/AFTA
×
AU/AEC, CEN-SAD, EC, ECOWAS, UEMOA
Tokelau (Neuseeland) Tonga
×
Trinidad und Tobago
×
Tschad
×
Tunesien
×
PICTA
×
Türkei
×
CARICOM
×
AU/AEC, CEMAC, CEN-SAD, ECCAS/CEEAC
×
AU/AEC, CEN-SAD, GAFTA, UMA/AMU
×
Turks- und Caicosinseln Tuvalu
×
Uganda
×
×
×
AU/AEC, COMESA, EAC, IGAD
Uruguay
×
×
ALADI, MERCOSUR
Vanuatu
×
Venezuela
×
×
ALADI, MERCOSUR
Vereinigte Arabische Emirate
×
×
GAFTA, GCC
Vietnam
×
×
MSG, PICTA
ASEAN/AFTA
Wallis und Futuna (Frankreich) Zentralafrikanische Republik
×
×
×
AU/AEC, CEMAC, CEN-SAD, ECCAS/CEEAC
Anhang II
Entwicklungsgemeinschaften1 Akronym
Bezeichnung
Mitgliedstaaten
AU/AEC
Afrikanische Union (African Union)/Afrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (African Economic Community)
Ägypten, Algerien, Angola, Äquatorialguinea, Äthiopien, Benin, Botsuana, Burkina Faso, Burundi, Côte d’Ivoire, Demokratische Republik Kongo, Dschibuti, Eritrea, Gabun, Gambia, Ghana, Guinea, Guinea-Bissau, Kamerun, Kap Verde, Kenia, Komoren, Lesotho, Liberia, Libyen, Madagaskar, Malawi, Mali, Mauretanien, Mauritius, Mosambik, Namibia, Niger, Nigeria, Republik Kongo, Ruanda, Sambia, São Tomé und Príncipe, Senegal, Seychellen, Sierra Leone, Simbabwe, Somalia, Südafrika, Sudan, Swasiland, Tansania, Togo, Tschad, Tunesien, Uganda, Westsahara2, Zentralafrikanische Republik
ALADI
Lateinamerikanische Integrationsassoziation (Asociatión Latinoamericana de Integratión)
Argentinien, Bolivien, Brasilien, Chile, Ecuador, Kolumbien, Mexiko, Paraguay, Peru, Uruguay, Venezuela
APTA
Asien-Pazifik-Handelsabkommen (Asia-Pacific Trade Agreement)
Bangladesch, China, Indien, Laos, Republik Korea, Sri Lanka
ASEAN/ AFTA
Vereinigung südostasiatischer Nationen/ASEAN Freihandelszone (Association of South-East Asian Nations/ASEAN Free Trade Area)
Brunei Darussalam, Indonesien, Kambodscha, Laos, Malaysia, Myanmar, Philippinen, Singapur, Thailand, Vietnam
1 2
Stand: Juli 2006. Territorium, derzeit von Marokko verwaltet.
Anhang II: Entwicklungsgemeinschaften
289
Akronym
Bezeichnung
Mitgliedstaaten
CAN
Andengemeinschaft (Comunidad Andina)
Bolivien, Ecuador, Kolumbien, Peru
CARICOM
Karibischer Gemeinsamer Markt Antigua und Barbuda, Bahamas, (Caribbean Common Market) Barbados, Belize, Dominica, Grenada, Guyana, Jamaika, Haiti, Montserrat, St. Kitts und Nevis, St. Lucia, St. Vincent und die Grenadinen, Suriname, Trinidad & Tobago
CEMAC
Zentralafrikanische Wirtschaftsund Währungsunion (Communauté Economique et Monétaire de l’Afrique Centrale)
Äquatorialguinea, Gabun, Kamerun, Republik Kongo, Tschad, Zentralafrikanische Republik
CEN-SAD
Sahel- und Saharastaatengemeinschaft (Economic Community of Sahelo-Saharian States)
Ägypten, Benin, Burkina Faso, Côte d’Ivoire, Dschibuti, Eritrea, Gambia, Ghana, Guinea-Bissau, Liberia, Libyen, Mali, Marokko, Niger, Nigeria, Senegal, Sierre Leone, Somalia, Sudan, Togo, Tschad, Tunesien, Zentralafrikanische Republik
COMESA
Gemeinsamer Markt für das östliche und südliche Afrika (Common Market for Eastern and Southern Africa)
Ägypten, Angola, Äthiopien, Burundi, Demokratische Republik Kongo, Dschibuti, Eritrea, Kenia, Komoren, Libyen, Madagaskar, Malawi, Mauritius, Ruanda, Sambia, Seychellen, Simbabwe, Sudan, Swasiland, Uganda
EAC
Ostafrikanische Gemeinschaft (East African Community)
Kenia, Tansania, Uganda
EC
Rat der Verständigung (Entente Council/Conseil de l’Entente)
Benin, Burkina Faso, Côte d’Ivoire, Niger, Togo
ECCAS/ CEEAC
Wirtschaftsgemeinschaft Zentralafrikanischer Staaten (Economic Community of Central African States/Communauté Economique des Etats d’Afrique Centrale)
Angola, Äquatorialguinea, Burundi, Demokratische Republik Kongo, Gabun, Kamerun, Republik Kongo, Ruanda, São Tomé und Príncipe, Tschad, Zentralafrikanische Republik
ECGLC/ CEPGL
Wirtschaftsgemeinschaft der Burundi, Demokratische Republik Große-Seen-Staaten (Economic Kongo, Ruanda Community of the Great Lakes Countries/Communauté Economique des Pays des Grands Lacs)
290
Anhang II: Entwicklungsgemeinschaften
Akronym
Bezeichnung
Mitgliedstaaten
ECOWAS
Wirtschaftsgemeinschaft westafrikanischer Staaten (Economic Community of West African States)
Benin, Burkina Faso, Côte d’Ivoire, Gambia, Ghana, Guinea, Guinea-Bissau, Kap Verde, Liberia, Mali, Niger, Nigeria, Senegal, Sierra Leone, Togo
GAFTA
Große Arabische Freihandelszone (Greater Arab Free Trade Area)
Ägypten, Bahrain, Irak, Jemen, Jordanien, Katar, Kuwait, Libanon, Libyen, Marokko, Oman, Palästinensische Gebiete, Saudi-Arabien, Somalia, Sudan, Syrien, Tunesien, Vereinigte Arabische Emirate
GCC
Golfkooperationsrat (Gulf Cooperation Council)
Bahrein, Katar, Kuwait, Oman, Saudi-Arabien, Vereinigte Arabische Emirate
IGAD
Intergouvernementale Entwicklungsbehörde (Inter-Gouvernmental Authority on Development)
Äthiopien, Dschibuti, Eritrea, Kenia, Somalia, Sudan, Uganda
IOC/COI
Indische-Ozean-Kommission (Indian Ocean Commission/ Commission de l’Océan Indien)
Komoren, Madagaskar, Mauritius, Seychellen, Réunion/Frankreich
MCCA/SICA Zentralamerikanischer Gemeinsamer Markt/Zentralamerikanisches Integrationssystem (Mercado Comffln Centroamericano/Subsistema de Integración Económica Centroamericana)
Belize, Costa Rica, El Salvador, Guatemala, Honduras, Nicaragua, Panama
MERCOSUR Gemeinsamer Markt des Südens (Mercado Commffln del Sur)
Argentinien, Brasilien, Paraguay, Uruguay, Venezuela
MRU
Manu River Union
Guinea, Liberia, Sierre Leone,
MSG
Melanesische Speerspitzengruppe (Melanesian Spearhead Group)
Fidschi, Papua-Neuguinea, Salomonen, Vanuatu
OECS
Organisation ostkaribischer Staaten (Organization of Eastern Caribbean States)
Antigua und Barbuda, Britische Jungferninseln, Dominica, Grenada, Montserrat, St. Kitts und Nevis, St. Lucia, St. Vincent und die Grenadinen
PICTA
Handelsvereinbarung der Pazifischen Inselstaaten (Pacific Island Countries Trade Agreement)
Cookinseln, Fidschi, Kiribati, Nauru, Niue, Papua-Neuguinea, Samoa, Salomonen, Tonga, Vanuatu
Anhang II: Entwicklungsgemeinschaften
291
Akronym
Bezeichnung
Mitgliedstaaten
SAARC/ SAFTA
Südasiatische Vereinigung für regionale Zusammenarbeit/ Südasiatische Freihandelszone (South Asian Association for Regional Cooperation/South Asian Free Trade Area)
Bangladesch, Bhutan, Indien, Malediven, Nepal, Pakistan, Sri Lanka
SACU
Zollunion des Südlichen Afrika (Southern African Customs Union)
Botsuana, Lesotho, Namibia, Südafrika, Swasiland
SADC
Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrika (Southern African Development Community)
Angola, Botsuana, Demokratische Republik Kongo, Lesotho, Malawi, Mauritius, Mosambik, Namibia, Sambia, Seychellen, Simbabwe, Südafrika, Swasiland, Tansania
UEMOA
Westafrikanische Wirtschaftsund Währungsunion (Union économique et Monétaire Ouest Africaine)
Benin, Burkina Faso, Côte d’Ivoire, Guinea-Bissau, Mali, Niger, Senegal, Togo
UMA/AMU
Union des arabischen Maghreb (Union du Maghreb Arabe bzw. Arab Maghreb Union)
Algerien, Libyen, Marokko, Mauretanien, Tunesien
Anhang III
GATT-/WTO-Notifizierung bestehender Entwicklungsgemeinschaften1 Norm
Datum
Mitteilung
Prüfung
AFTA
EK2
30.10.92
L/7111
Prüfung nicht gefordert
ALADI
EK
01.07.82
L/5342
Prüfung nicht gefordert
APTA
Teil IV GATT
02.11.76
L/4418
Bericht angenommen, C/M/124 v. 05.04.78
AFTA
EK
30.10.92
L/4581
Prüfung nicht gefordert
CAN
EK
12.10.90
L/6737
Prüfung nicht gefordert
CARICOM
Art. XXIV GATT
14.10.74
L/4083
Bericht der Arbeitsgruppe, L/4470 v. 02.02.1977
Art. V GATS
19.02.03
S/C/N/229
tatsächliche Prüfung abgeschlossen
o. A.3
29.09.00
WT/COMTD/ N/13
Prüfung nicht gefordert
COMESA
o. A.
29.06.95
WT/COMTD/ N/3
Prüfung nicht gefordert
EAC
EK
11.10.00
WT/COMTD/ N/14
Prüfung nicht gefordert
AEC
CEMAC CEN-SAD
EC ECCAS/ CEEAC ECGLC/ CEPGL
1 2 3
Stand: Juli 2006. Ermächtigungsklausel (Enabling Clause). Notifizierung erfolgte ohne Angabe einer Norm.
Anhang III: Notifizierungen
293
Norm
Datum
Mitteilung
Prüfung
EK
26.09.05
WT/COMTD/ N/21
Prüfung nicht gefordert
o. A.
11.10.84
L/5676
Prüfung nicht gefordert
MCCA/SICA
Art. XXIV GATT
24.02.61
L/1425
Bericht der Arbeitsgruppe, L/1770 v. 17.05.62
MERCOSUR
EK
05.03.92
L/6985
tatsächliche Prüfung abgeschlossen
EK
07.10.99
WT/COMTD/ N/9
Prüfung nicht gefordert
EK
25.04.97
WT/COMTD/ 10
Prüfung nicht gefordert
SADC
Art. XXIV GATT
09.08.04
WT/REG176/ N/1
tatsächliche Prüfung noch nicht begonnen
UEMOA
EK
03.02.00
WT/COMTD/ N/11
Prüfung nicht gefordert
ECOWAS GAFTA GCC IGAD IOC/COI
MRU MSG OECS PICTA SAARC/ SAFTA SACU
UMA/AMU
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Sachwortverzeichnis Abkommen über die Arabische Wirtschaftseinheit 75 Abkommen über Ursprungsregeln 236 Abkommen von Agadir 76 Abkommen von Cotonou 52, 183 (Fn. 114) Affirmative Action 240 Afrika 63 ff. Afrikanische Entwicklungsbank, ADB 66 Afrikanische Union, AU 63 ff., 86 Afrikanische Wirtschaftsgemeinschaft, AEC 66 ff., 81, 87, 92, 94, 97, 150 ff., 154, 156, 164 (Fn. 19), 165 (Fn. 24) AKP 52, 79, 146, 153, 185 ff., 195, 249, 260, 271 ALALC 117, 120, 122, 244 (Fn. 352) Allgemeine Meistbegünstigung 160 ff., 199, 203, 206, 211, 217 f., 221 ff., 226, 231, 240, 264, 267, 269, 272 Andengemeinschaft, CAN 122 ff., 136, 150 ff., 156, 164 (Fn. 19), 165 (Fn. 23 f.), 244 (Fn. 357) Appellate Body 183 ff., 199, 217 ff., 223, 237, 242, 249 Arbeitnehmerfreizügigkeit 51, 54 ASEAN-Freihandelszone, AFTA 101 ff., 152, 244 (Fn. 352, 357), 247, 271 ASEAN-Wirtschaftsgemeinschaft 101 ff. Asien 98 ff. Asien-Pazifik-Handelsabkommen, APTA 101, 112 f., 244 (Fn. 352), 245 (Fn. 360), 248
Ausschuss für Handel und Entwicklung 209, 229, 231, 256 f., 274 Außenbeziehungen 152 ff. Außenhandel 152 ff. Banjul-Charta 34 Banque Centrale des États de l’Afrique de l’Ouest, BCEAO 84 Banque des États de l’Afrique Centrale, BEAC 85 Banque Ouest-Africaine de Développement 84 Befassungsverfahren 257 Bewegung der Blockfreien 41 Brundtland-Bericht 236 f. Canada International Development Agency, CIDA 53 CARIFTA 117, 141, 155 CFA-Franc 84, 151 CFA-Staaten 84 CFA-Zone 83 Charta der wirtschaftlichen Rechte und Pflichten der Staaten 40 f., 204 Collective self-reliance 39 ff. Commonwealth-Präferenzen 194 Communauté Économique de l’Afrique de l’Ouest, CEAO 83 Council of Arab Economic Unity, CAEU 75 Cross Border Initiative, CBI 73 f. Dag Hammarskjöld-Bericht 33 Dienstleistungshandel 54 ff., 149 ff., 163 ff., 168, 178, 196 ff., 213, 231 ff., 243, 251 ff., 267, 269, 272 ff.
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Sachwortverzeichnis
Dispute Settlement Body, DSB 166 f., 183 Dispute Settlement Understanding, DSU 183, 234 f. Dissoziation 42 Doha-Entwicklungsrunde 251 ff., 263 DR-CAFTA 153 Economic Cooperation among Developing Countries, ECDC 41, 44 Economic Cooperation Organization, ECO 113 EFTA 30, 141, 174, 182 Entwicklung 33 ff., 149 ff., 236 ff., 265 Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrika, SADC 29, 68 (Fn. 24), 87 ff., 91, 94, 150, 154, 157, 164 (Fn. 19), 221 Entwicklungsland/Entwicklungsländer 31 f., 36 ff., 40 ff., 46 ff., 49 ff., 63, 199 ff., 219 ff., 230 ff. Entwicklungsvölkerrecht 237 f. Ermächtigungsklausel 162, 211 ff., 218 ff., 243 ff. 263 ff. Europäische Gemeinschaft, EG 30, 45, 51 f., 61 f., 79, 123 f., 146, 151, 153 f., 162, 182, 185 ff., 195, 216 ff., 252 ff., 260, 271 Everything but Arms-Beschluss 162 Forum Shopping 166 Free Trade Area of the Americas, FTAA 117, 128, 146, 153 Freihandelszone 30 f., 171 Friendly Relations Declaration 241 Gambia River Basin Organization, GRBDO 72 ff. GATS 163 f., 196 ff., 250 GATT-Arbeitsgruppen 181 Gemeinsamer Arabischer Markt 75 Gemeinsamer Markt 30
Gemeinsamer Markt des Südens, MERCOSUR 55, 121, 123, 128, 129 ff., 150 f., 153, 155 f., 164 (Fn. 19), 165 (Fn. 24), 166, 230, 244 (Fn. 357), 246 f. 270 f. Gemeinsamer Markt für das östliche und südliche Afrika, COMESA 68 (Fn. 24), 87, 91 ff., 149 ff., 154, 157, 165 (Fn. 24), 244 (Fn. 358) Generalized System of Preferences, GSP 211, 214 ff., 222, 249, 257 Gesamter Handel 173 Gewinne und Verluste der Integration 154 Global System for Trade Preferences among Developing Countries, GSTP 43, 57, 249 Globalisierung 45 Golfkooperationsrat, GCC 75, 114 ff., 152, 165 (Fn. 24), 244 f. (Fn. 358) Grandfather Clause 168, 194 Große Arabische Freihandelszone, GAFTA 75 f., 113, 156, 165 (Fn. 24) Gruppe der 77 40 ff., 204, 249 Handelsliberalisierung 51, 197, 201, 213 Handelsvereinbarung der Pazifischen Inselstaaten, PICTA 100, 156 Havanna-Charta 169 f., 201 f. Hub and spoke-Effekt 155, 273 Importsubstituierung, Importsubstitution 39, 48, 54 f., 116, 152, 205, 226 Indische-Ozean-Kommission, IOC/ COI 97 Inländerbehandlung 55, 76 Integration 29 ff., 149 ff. Integrationsabkommen 149 ff. Integrationsbestrebungen 39 Integrationsgemeinschaft 29 ff., 46 Integrationsprozess 152
Sachwortverzeichnis
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Integrationsstufe 32 Integrationsziele 30 f., 54 Interessenwahrnehmung 152 f. Intergouvernementale Entwicklungsbehörde, IGAD 96 Interimsvereinbarungen 177 Internationale Handelsorganisation, ITO 169, 201 Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte, IPbürgR 241 Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Recht, IPwirtR 241 Internationaler Währungsfonds, IMF 42, 84 Internationales Handelszentrum, ITC 208 Interne Integration 149 ITO-Charter 169, 177
Materielle Staatengleichheit, Affirmative Action 240 Mehrfachmitgliedschaft 155 Meistbegünstigungsprinzip 160 ff., 199, 203, 206, 211, 217 f., 221 ff., 226, 231, 240, 264, 267, 269, 272 Melanesische Speerspitzengruppe, MSG 100, 164 (Fn. 19), 165 (Fn. 23), 244 (Fn. 357) Menschenrecht auf Entwicklung 35, 239 Millenium-Runde 251 Ministererklärung von Doha 255 Ministerkonferenz von Doha 252 Ministerkonferenz von Hong Kong 254 Ministerkonferenz von Seattle 252 Modernisierungstheorie 33 Multilateralismus 47, 226
Karibik 116 ff., 141 Karibischer Gemeinsamer Markt, CARICOM 117, 141 ff., 149 ff., 164 (Fn. 19), 165 (Fn. 23, 24), 244 f., 248, 250 Klassische Handelstheorie 49, 162 Kolonialisierung 64 Konfliktlösung, Ausnahmevorschriften 167 Kostenvorteile 49, 162
NAFTA 30, 45, 61 f., 117, 194, 199 Negotiating Group on Rules, NGR 255 Neue Weltwirtschaftsordnung 39 ff., 204 Nichtdiskriminierungsprinzip 266 Nicht-Einmischungsprinzip 65 Nicht-tarifäre Handelshemmnisse 54 f. Niger Basin Authority, NBA 72 ff. Nordafrika 74 Notifizierung 178, 227 ff., 243 f., 256 ff.
Lagos-Aktionsplan 66, 72, 86, 92 Lateinamerika 116 ff., 119 Lateinamerikanische Integrationsassoziation, ALADI 117, 120 ff., 129, 154 Liberalisierung 50 ff., 174, 191, 193, 199, 201, 213, 252 f., 268 f. Lomé-Abkommen 49, 52, 79, 185 f., 195, 249 Mano River Union, MRU 82, 149, 155, 157, 165 (Fn. 24)
Ökonomische Bewertung 45 Open Regionalism 43 ff. Optimierungsgebot 242 Organisación de Estados Centroamericanos, ODECA 136 f. Organisation der Afrikanischen Einheit, OAU 34, 63 ff. Organisation erdölexportierender Länder, OPEC 41
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Sachwortverzeichnis
Organisation ostkaribischer Staaten, OECS 117, 146 ff., 151, 153 f. Organization of American States, OAS 118 Ostafrika 87 Ostafrikanische Gemeinschaft, EAC 94 ff., 154, 165 (Fn. 24), 244 (Fn. 357) Other restrictive regulations of commerce, ORRC 175, 260 f. Panafrikanismus 63 ff. Pazifikregion 98 ff. Permanent Interstate Committee for Drought Control in the Sahel, CILSS 74 Präferenzen 159 ff. Prinzip der Entwicklung 236, 243, 265 f. Prinzip der Nichtdiskriminierung 265 f. Prinzipienorientiertes Verständnis des WTO-Rechts 242 Protektionismus 48 Prüfungsrecht 257 Rat der Verständigung, EC 78 Recht auf Entwicklung 35, 238 ff. Rechtsprinzipien 242 Regional Integration Facilitation Forum, RIFF 74 Regional Trade Agreements, RTA 31, 257 f. Regionalausschuss 179, 181 ff., 188, 198, 229, 256, 274 Regionale Integration 39, 46 Regionalismus 31 f., 226 Regionalität 31 f. Sahel- und Saharastaatengemeinschaft, CEN-SAD 68 (Fn. 24), 76 f. Schutz des geistigen Eigentums 164 f. Sektorale Gemeinschaften 72
Selbstbestimmungsrecht der Völker 242 f. Selbsteinschätzungsprinzip 219, 221 Self-reliance 39, 44 Skalenvorteile 49 f. Soft law 268 Solidaritätsprinzip 241 Southern African Development Coordination Conference, SADCC 87 Spezialisierung 44, 49 f., 55, 269, 273 Staatengleichheit 238, 240 Staatenverantwortlichkeit 240 Sub-Region 39 Substantially-all-the-trade (SAT)-Erfordernis 173 f., 191 f., 197, 222, 232, 260, 264, 269 Südasiatische Freihandelszone, SAFTA 109 ff. Südasiatische Präferenzhandelsvereinbarung, SAPTA 110, 244 (Fn. 357) Südasiatische Vereinigung für regionale Zusammenarbeit, SAARC 109 ff., 158 Südasien 101 Südostasien 101 Süd-Süd-Handel 57 ff. Süd-Süd-Kooperation 41 Süd- und Ostafrika 87 Sustainable development 34, 230, 236 f. Sustainable growth 34 Sutherland-Report 52 Teil IV des GATT 209 ff. Trade-creating 46 Trade-diverting 46 Trade Negotiating Committee 254 Transparenzmechanismus 256 ff. TRIMs 234 TRIPS 164 f., 233 f. Übergangsvereinbarung 172 Umverteilung 54
Sachwortverzeichnis UNCTAD 40, 54, 56, 203 ff., 211, 239 Union des Arabischen Maghreb, UMA/ AMU 74 ff., 164 (Fn. 19), 165 (Fn. 24) Union Économique en Afrique Centrale, UEAC 85 Union Monétaire en Afrique Centrale, UMAC 85 Union Monétaire Ouest Africaine, UMOA 83 Ursprungsregeln 54, 165, 175, 193, 236, 259, 274 Uruguay-Runde 163 f., 168, 170, 174, 178, 183, 206, 208, 233, 252 Vereinigung südostasiatischer Nationen, ASEAN 45, 61, 101 ff., 112, 151, 153, 157, 164 (Fn. 19), 165 (Fn. 23), 244 (Fn. 352), 247 f., 250, 270 f. Vereinte Nationen, UN 40, 203 f. Verhandlungskapazität 49 Verlorenes Jahrzehnt 42 Völkerbundsatzung 200 Waiver 186, 195, 211, 249 f. Waiver Clause 168 Warenhandel 160 Weltbank 34, 42, 53 f., 56, 84, 112, 148, 208 Weniger entwickelte Vertragsparteien 219 Westafrika 78 Westafrikanische Wirtschafts- und Währungsunion, UEMOA 82 ff., 151, 165 (Fn. 24), 244 (Fn. 357) Westasien 113 Wiener Vertragsrechtskonvention, WVK 159, 263 Wirtschaftliche Integration 29, 46 Wirtschaftsgemeinschaft der GroßenSeen-Staaten, ECGLC/CEPGL 85 f.
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Wirtschaftsgemeinschaft Westafrikanischer Staaten, ECOWAS 68 (Fn. 24), 78 ff., 164 (Fn. 19), 165 (Fn. 24), 244 Wirtschaftsgemeinschaft Zentralafrikanischer Staaten, ECCAS/CEEAC 68 (Fn. 24), 86 f., 157 f. Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Afrika, ECA 39 f., 66, 72, 79 Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Lateinamerika, CEPAL 40, 116, 122, 136 Wirtschaftspartnerschaftsabkommen, WPA 53, 153 f. Wirtschafts- und Sozialkommission der Vereinten Nationen für Asien und den Pazifik, UNESCAP 101, 112 Wirtschafts- und Sozialrat, ECOSOC 203 Wirtschafts- und Währungsunion 31, 151 Wirtschaftsunion 30 f. WTO Global Trust Fund 208 Zentralafrikanische Wirtschafts- und Währungsunion, CEMAC 84 f., 151, 244 (Fn. 358) Zentralamerikanischer Gemeinsamer Markt, MCCA 117, 136 ff., 150, 153, 155, 165 (Fn. 24), 166 Zentralamerikanisches Integrationssystem, SICA 136 ff. Zentralasien 113 Zölle 54 Zollunion 30, 47, 152, 171 Zollunion des Südlichen Afrika, SACU 90 f., 94, 152 ff., 165 (Fn. 24), 274 Zollzugeständnisse 165, 167, 206, 209, 225