Tarifvertragliches Betriebsverfassungsrecht: Rechtstatsachen und Rechtsfragen tarifvertraglicher Regelungen von Betriebsratsrechten [1 ed.] 9783428464616, 9783428064618


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German Pages 241 [242] Year 1988

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Tarifvertragliches Betriebsverfassungsrecht: Rechtstatsachen und Rechtsfragen tarifvertraglicher Regelungen von Betriebsratsrechten [1 ed.]
 9783428464616, 9783428064618

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Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht Band 91

Tarifvertragliches Betriebsverfassungsrecht Rechtstatsachen und Rechtsfragen tarifvertraglicher Regelungen von Betriebsratsrechten

Von

Andreas Michael Spilger

Duncker & Humblot · Berlin

ANDREAS MICHAEL SPILGER Tarifvertragliches Betriebsverfassungsrecht

Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht Band 91

Tarifvertragliches Betriebsverfassungsrecht Rechtstatsachen und Rechtsfragen tarifvertraglicher Regelungen von Betriebsratsrechten

Von Dr. Andreas Michael Spilger

Duncker & Humblot · Berlin

CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Spilger, Andreas Michael:

Tarifvertragliches Betriebsverfassungsrecht: Rechtstatsachen u. Rechtsfragen tarifvertragl. Regelungen von Betriebsratsrechten / von Andreas Michael Spilger. - Berlin: Duncker u. Humblot, 1988 (Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht; Bd. 91) Zugl.: Berlin, Freie Univ., Diss., 1987 ISBN 3-428-06461-5 NE:GT

Alle Rechte vorbehalten © 1988 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Satz: Klaus-Dieter Voigt, Berlin 61 Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61 Printed in Germany ISBN 3-428-06461-5

Meinen Eltern

Vorwort Die sogenannte Flexibilisierung der Wochenarbeitszeitdauer aufgrund jüngster Tarifabschlüsse hat in der Rechtswissenschaft zahlreiche und gegensätzliche Stellungnahmen zu den durch die neueren Tarifverträge auf­ geworfenen betriebsverfassungs- und tarifrechtlichen Problemen hervorge­ rufen. Mit Teilaspekten konnte sich zwischenzeitlich auch das Bundesar­ beitsgericht in seinem Beschluß vom 18. August 1987 (1 ABR 30/86) befas­ sen. Dabei wird erkennbar, daß zentrale Rechtsfragen hinsichtlich der betriebsverfassungsrechtlichen Kompetenz der Tarifpartner in der Vergan­ genheit letztlich nie abgeklärt worden sind. Die Divergenzen in der Diskus­ sion beruhen darauf, daß es an einer Zusammenfassung der vielfältigen Mei­ nungsströme fehlt und dadurch auch relativ gesicherte Erkenntnisse der Vergangenheit in Vergessenheit geraten zu sein scheinen. Hinzu kommt, daß die bisherige Auseinandersetzung völlig losgelöst von einer Untersuchung der realen Bedeutung betriebsverfassungsrechtlicher Regelungen in Tarif­ verträgen, dem tarifvertraglichen Betriebsverfassungsrecht, geführt wurde und wird. Die vorliegende Arbeit unternimmt es in dogmatischer Hinsicht, die zu den einzelnen Problemfeldern des tarifvertraglichen Betriebsverfassungs­ rechts bislang relevant gewordenen Meinungsströme zu ermitteln und zusammenzufassen, um wieder ein gewisses Maß an Rechtsklarheit in die Diskussion zu bringen. Im Mittelpunkt der Untersuchung steht eine Bestandsaufnahme der rechtsdogmatischen und rechtstatsächlichen Ent­ wicklung sowie, ausgehend von einer Tarifvertragsauswertung, der realen Bedeutung und Wirksamkeit tarifvertraglichen Betriebsverfassungsrechts. Deren Ziel ist es, die Erörterung des Problemkreises auf die bislang fehlende rechtstatsächliche Grundlage zu stellen. Darstellung des Diskussionsstan­ des und der Rechtswirklichkeit dienen als Basis für die rechtliche Bewer­ tung der relevanten tatsächlichen Erscheinungsformen tarifvertraglichen Betriebsverfassungsrechts. Die Untersuchung entstand während meiner Assistententätigkeit an der Universität Konstanz und lag im Wintersemester 1986/87 der Juristischen Fakultät der Freien Universität Berlin als Dissertation vor. Ich danke Herrn Prof. Dr. Hugo Seiter, der das Thema angeregt und mich in jeder Weise unterstützt hat. Mein Dank gilt auch Herrn Prof. Dr. Klaus Adomeit für die Erstattung des Zweitgutachtens, Herrn Prof. Dr. Karl Kreu­ zer für die mir gelassenen Freiräume, den Mitarbeitern des Bundesministe-

Vorwort

8

riums für Arbeit und Sozialordnung für die bei der Sammlung der Tarifver­ träge gewährte Unterstützung und Frau Dagmar Hezinger für ihre Geduld. Dank schulde ich Herrn Rechtsanwalt Norbert Simon vom Verlag Duncker & Humblot für die Aufnahme des Werkes in die Reihe „Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht". Kempten/Allgäu, im April 1988 Andreas Michael Spilger

Inhaltsverzeichnis

§ 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

I. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

II. Vorhaben und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21

III. Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21

Erster Teil 25

Der Stand der Diskussion

§ 2 Die Beurteilung der Zulässigkeit tarifvertraglichen Betriebsverfassungs­ rechts in Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25

I. Die Ausgangsfrage nach dem zwingenden abschließenden Charakter des gesetzlichen Betriebsverfassungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25

II. Der Grundkonsens bei Fragen der Organisation der Betriebsverfas­ sung und hinsichtlich der Einschränkbarkeit von Betriebsratsrechten

33

III. Der Streitstand hinsichtlich der übrigen Regelungsbereiche

.......

34

1. Einschaltung des Betriebsrats in Mitwirkungsrechte und Be­ schwerderecht des Arbeitnehmers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

34

2. Soziale Angelegenheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35

3. Fragen der Gestaltung von Arbeitsplatz, Arbeitsablauf und Ar­ beitsumgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38

4. Personelle Angelegenheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39

5. Wirtschaftliche Angelegenheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

46

§ 3 Die Frage nach dem personellen Umfang des tarifvertraglichen Betriebs­ verfassungsrechts in Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

48

§ 4 Die Forderungen der Gewerkschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

53

§ 5 Stellungnahme: Die Notwendigkeit einer rechtstatsächlichen Untersuchung tarifvertraglichen Betriebsverfassungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

57

10

Inhaltsverzeichnis Zweiter Teil Dogmengeschichtliche und rechtstatsächliche Entwicklung des tarifvertraglichen Betriebsverfassungsrechts bis zur Geltung des TVG

60

§ 6 Die Entwicklung vor der Kodifizierung des Tarifrechts ................ 60 I. Frühe Regelungen ........................................... 60 II. Rechtswirkungen ........................................... 67 § 7 Die Entwicklung während der Geltung von TVO, BRG und AOG ........ 69 I. Entwicklung während der Geltung von TVO und BRG ............ 69 II. Entwicklung während der Geltung des AOG .................... 70 III. Entwicklung nach dem Zusammenbruch 1945 .. . . . .. . ....... . . . . 70 § 8 Folgerungen und Überleitung ...................................... 71

Dritter Teil Das tarifvertragliche Betriebsverfassungsrecht als tatsächliche Erscheinung unter dem TVG seit Geltung des BetrVG 1952 und 1972: Tarifvertragsauswertung

73

§ 9 Herkunft und Auswahl des Tatsachenmaterials ......... . ............. 73 § 10 System und Inhalte tarifvertraglichen Betriebsverfassungsrechts unter Gel­ tung des BetrVG 1952 ............................................ 82 I. Errichtung einer anderen Vertretung der Arbeitnehmer mit Auswir­ kung auf Betriebsratsrechte .................................. 86 II. Geschäftsführung des Betriebsrats ............................. 86 III. Allgemeine Regeln für die Beteiligung des Betriebsrats ............ 88 IV. Regelungen über die Beteiligung des Betriebsrats in sozialen Angelegenheiten .................................................. 89 1. Arbeitszeit ................................ . .. . ........ . . 89

2. Arbeitsentgelt ........ . ................................... 95 3. Urlaub .................................................. 100 4. Berufsausbildung ......................................... 102 5. Wohlfahrtseinrichtungen und Sozialleistungen ................ 103

Inhaltsverzeichnis

11

6. Fragen der Ordnung des Betriebes und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb ........................................ 104 7. Unfall- und Gesundheitsschutz ............................. 104 8. Sonstige Regelungen ...................................... 105 9. Durchführung der Beteiligung, Zulassung von Betriebsvereinbarungen .................................................. 106 V. Regelungen über die Beteiligung des Betriebsrats in personellen An­ gelegenheiten (ausschließlich Rationalisierungsschutzbestimmungen) 107 1. Einstellung ..................................... ......... 108 2. Umgruppierung ..... ........ ............... ...... ........ 110 3. Versetzung .............................................. 111 4. Entlassung (Kündigung) ................................... 112 VI. Regelungen über die Beteiligung des Betriebsrats in wirtschaftlichen Angelegenheiten und Rationalisierungsschutzfragen .............. 113 § 11 System und Inhalte tarifvertraglichen Betriebsverfassungsrechts unter Geltung des BetrVG 1972 ......................................... 116 I. Errichtung einer zusätzlichen oder anderen Vertretung der Arbeitnehmer mit Auswirkung auf Betriebsratsrechte .................. 117 II. Geschäftsführung des Betriebsrats ............................. 117 III. Allgemeine Regeln für die Beteiligung des Betriebsrats ............ 120 IV. Einschaltung des Betriebsrats in Mitwirkungsrechte und Beschwerde­ recht des Arbeitnehmers .................... ................. 126 V. Regelungen über die Beteiligung des Betriebsrats in sozialen Angelegenheiten .................................................. 129 1. Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeit­ nehmer im Betrieb ........................................ 129 2. Arbeitszeit .............................................. 131 a) Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage .......................................... 131 b) Vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit ................................... 136 3. Arbeitsentgelt

........................................... 139

a) Zeit, Ort und Art der Auszahlung der Arbeitsentgelte ....... 139 b) Betriebliche Lohngestaltung ............................ 140 c) Festsetzung der Berechnungsfaktoren leistungsbezogener Entgelte ................................................. 149 4. Urlaub .................................................. 153

Inhaltsverzeichnis

12

5. Arbeitnehmerüberwachung durch technische Einrichtungen

155

6. Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz ..................... 157 7. Sozialeinrichtungen und -leistungen ......................... 159 8. Werkmietwohnungen ..................................... 162 9. Betriebliches Vorschlagswesen ............................. 162 10. Sonstige Fragen .......................................... 162 11. Durchführung der Beteiligung, Zulassung von Betriebsvereinbarungen .................................................. 166 VI. Beteiligung des Betriebsrats bei der Gestaltung von Arbeitsplatz, Arbeitsablauf und Arbeitsumgebung ............................. 166 VII. Regelungen über die Beteiligung des Betriebsrats in personellen An­ gelegenheiten (ausschließlich Rationalisierungsschutzbestimmungen) 173 1. Allgemeine personelle Angelegenheiten ...................... 174 2. Berufsbildung ........................................... 175 3. Personelle Einzelmaßnahmen ............................... 176 a) Einstellung ........................................... 176 b) Eingruppierung

179

c) Umgruppierung ....................................... 182 d) Versetzung ........................................... 184 e) Kündigung

186

VIII. Regelungen über die Beteiligung des Betriebsrats in wirtschaftlichen Angelegenheiten und Rationalisierungsschutzfragen .............. 189 1. Unterrichtung in wirtschaftlichen Angelegenheiten ............ 190 2. Betriebsänderungen ...................................... 192 3. Rationalisierungsschutzfragen .............................. 194 § 12 Zusammenfassung und weitere Ergebnisse der Auswertung ............ 198 I. Bedeutung und Haupttendenzen tarifvertraglichen Betriebsverfassungsrechts in der Tarifpraxis ................................ 198 II. Vergleich der Entwicklungslinien von gesetzlichem und tarifvertraglichem Betriebsverfassungsrecht .............................. 200 III. Bewertung des rechtstatsächlichen Befundes .................... 201

Inhaltsverzeichnis

13

Vierter Teil

Bewertung der tatsächlichen Erscheinungsformen

205

§ 13 Bewertung der tatsächlichen Erscheinungsformen aus betriebsverfassungsrechtlicher Sicht ................... ................ .. ............ 205 I. Wirksamkeitsbeurteilung unter Zugrundelegung der Grundstruktu­ ren tarifvertraglichen Betriebsverfassungsrechts und der jeweiligen herrschenden Meinung . ............... ...... ....... .... . ..... 205 II. Der betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz . ... 207 III. Die mittelbare Beschränkung von Betriebsratsrechten ............ 210 § 14 Bewertung der tatsächlichen Erscheinungsformen aus tarifrechtlicher Sicht .... .................................................. .. ... 211 I. Betriebsverfassungsnormen und „Doppelnormen" mit betriebsverfassungsrechtlichem Charakter .................................. 211 II. Der personelle Umfang von Betriebsverfassungsnormen und „Doppelnormen" mit betriebsverfassungsrechtlichem Charakter ... ..... 215 III. Tarifvertragliche Zulassungsnormen .. ... ..... ... ... ...... ..... 220 IV. Tarifvertragliche Bestimmungsklauseln .......... .............. 222 V. Die Bedeutung inhaltsgleicher Übernahme gesetzlich geregelter Betriebsratsrechte in Tarifverträge ............................... 227

Literaturverzeichnis

230

Abkürzungsverzeichnis A.A.,a.A. a.a.O. Abs., Abse. AcP a.E. AFG AG Amtsbl. Anh. Anl. Anm. Anm. d. Verf. AöR AOG AP ArbBl. ArbeitsStättVO ArbGer. ArbGG AR-Blattei ArbNErfG ARSt Art. ASiG Aufl. AuR BAG BAnz. BArbBl. BB BBiG Bd.,Bde.

anderer Ansicht am angeführten Ort Absatz, Absätze Archiv für die civilistische Praxis am Ende Arbeitsförderungsgesetz Aktiengesellschaft Amtsblatt Anhang Anlage Anmerkung Anmerkung des Verfassers Archiv für öffentliches Recht Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit vom 20. Januar 1934, RGBL I S. 45 Arbeitsrechtliche Praxis Arbeitsblatt Verordnung über Arbeitsstätten (Arbeitsstättenverordnung) Arbeitsgericht Arbeitsgerichtsgesetz Arbeitsrecht-Blattei Gesetz über Arbeitnehmererfindungen Arbeitsrecht in Stichworten Artikel Gesetz über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit (Arbeitssicherheitsgesetz) Auflage Arbeit und Recht Bundesarbeitsgericht Bundesanzeiger Bundesarbeitsblatt Der Betriebsberater Berufsbildungsgesetz Band,Bände

Abkürzungsverzeichnis Bensh.Sammlung betr. BetrVG BetrVG 1952 BetrVG 1972 BGB BGBL Bl. BlStSozArbR BPersVG BRG BT-Drucks. BT-Prot. BVerfG BVerfGE BVerwG bzw. CGB DAG DB ders. DGB d.h. Die AG dies. Diss. DJT Einl.

etc. f., ff. Fa. Fn.

gern. GewO GG GK-BetrVG GK-KR GmbH

15

Dersch/ Flatow/Gerstel/ A. Hueck/Nipperdey/Volkmar (Hrsg.), Entscheidungen des Reichsarbeitsgerichts und der Landesarbeitsgerichte, 1928 - 1938 (Verlag J.Bensheimer) betrifft, betreffend Betriebsverfassungsgesetz Betriebsverfassungsgesetz vom 11. Oktober 1952, BGBL I S. 681 Betriebsverfassungsgesetz vom 15.Januar 1972 Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Blatt Blätter für Steuerrecht, Sozialversicherung und Arbeitsrecht Bundespersonalvertretungsgesetz Betriebsrätegesetz vom 4.Februar 1920, RGBL I S. 147 Bundestagsdrucksache Bundestagsprotokoll Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht beziehungsweise Christlicher Gewerkschaftsbund Deutsche Angestellten-Gewerkschaft Der Betrieb derselbe Deutscher Gewerkschaftsbund das heißt Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift) dieselbe, dieselben Dissertation Deutscher Juristentag Einleitung et cetera folgende Firma Fußnote gemäß Gewerbeordnung Grundgesetz Gemeinschaftskommentar zum Betriebsverfassungsgesetz Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzgesetz und sonstigen kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften Gesellschaft mit beschränkter Haftung

16 GS HAG Hbd. Hinw. h.L. h.M. Hrsg. IG insbes. JArbSchG JurA Jus JZ KRG Nr. 22 KRG Nr.40 KSchG LAG Lfg. lit. Mio. NJW Nr., Nrn. NZA NZfA ÖTV o.J. o.O. RAG RArbBl. RdA RdNr., RdNrn. RG RGBl. RGZ Rücks.

s. s.

SAE

Abkürzungsverzeichnis Großer Senat Heimarbeitsgesetz Halbband Hinweis, Hinweisen herrschende Lehre herrschende Meinung Herausgeber Industriegewerkschaft insbesondere Gesetz zum Schutze der arbeitenden Jugend (Jugendarbeitsschutzgesetz) Juristische Analysen Juristische Schulung Juristenzeitung Kontrollratsgesetz Nr. 22 (Betriebsrätegesetz) vom 10. April 1946, Amtsbl.des Kontrollrats 1946 Nr. 6 S. 133 Kontrollratsgesetz Nr. 40 vom 30. November 1946, Amtsbl.des Kontrollrats 1946 Nr.12 S. 229 Kündigungsschutzgesetz Landesarbeitsgericht Lieferung Buchstabe Millionen Neue Juristische Wochenschrift Nummer, Nummern Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht (seit 1984) Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht (1921 - 1932) Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr ohne Jahr ohne Ort Reichsarbeitsgericht Reichsarbeitsblatt Recht der Arbeit Randnummer, Randnummern Reichsgericht Reichsgesetzblatt Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Rückseite Seite siehe Sammlung arbeitsrechtlicher Entscheidungen

Abkürzungsverzeichnis sog. SPD str. TVG TVO u.a. usw. v.a. Verf. vgl. Vorbern. WRV WSI WWI-Mitt. z.B. ZfA ZgStW ZHR Ziff. zit.

2 Spilger

17

sogenannt(e) Sozialdemokratische Partei Deutschlands strittig Tarifvertragsgesetz Tarifvertragsverordnung vom 23. Dezember 1918, RGBL I S. 1456 / 1. März 1928, RGBL I S. 46 unter anderem und so weiter vor allem Verfasser vergleiche Vorbemerkung Verfassung des Deutschen Reiches (Weimarer Reichsverfassung) vom 11. August 1919, RGBL 1383 Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut des DGB GmbH Mitteilungen des Wirtschaftswissenschaftlichen Institutes des DGB (jetzt: WSI-Mitt.) zum Beispiel Zeitschrift für Arbeitsrecht Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht Ziffer zitiert

§ 1 Einleitung I. Problemstellung Durch Inkrafttreten des TVG im Jahre 1 949 wurden als Neuerung gegen­ über dem früheren Rechtszustand tarifvertragliche Regelungen betriebsver­ fassungsrechtlicher Fragen mit Rechtsnormcharakter 1 und Tarifaußensei­ terwirkung2 ausgestattet, wodurch den Tarifvertragsparteien ein Rege­ lungsmittel zu eigenverantwortlicher Gestaltung der Betriebsverfassung in die Hand gegeben war. 3 Zu diesem Zeitpunkt gab es in Form des KRG Nr. 22 sowie der Betriebsrätegesetze der Länder4 ein nur sehr unvollständiges und vor allem uneinheitlich geregeltes Betriebsverfassungsrecht. Bereits 1 9 5 2 aber regelte der Gesetzgeber die Materie eingehender und einheitlich durch das BetrVG 1 9 5 2 , dessen betriebsverfassungsrechtlicher Teil durch das inhaltlich noch weitergehende derzeit geltende BetrVG 19 7 2 abgelöst wurde. Weder das alte noch das neue BetrVG haben das Verhältnis zur betriebsverfassungsrechtlichen Kompetenz der Sozialpartner deutlich gere­ gelt und eine Bestimmung darüber getroffen, ob sie das Betriebsverfas­ sungsrecht abschließend oder tarifdispositiv regeln wollten. Auch § 2 BetrVG 1952 bzw. § 2 Abs. 3 BetrVG 1 9 72 , wonach die „Aufgaben" der Koa­ litionen im jeweiligen Gesetz nicht berührt werden sollten bzw. sollen, sprach bzw. spricht eine betriebsverfassungsrechtliche Regelungsbefugnis nicht expressis verbis an. Die Folge der gesetzgeberischen Enthaltsamkeit hat die Arbeitsrechtswissenschaft gezwungen, sich mit dem Verhältnis des gesetzlichen Betriebsverfassungsrechts zur tarifvertraglichen Regelung von Betriebsratsrechten, dem tarifvertraglichen Betriebsverfassungsrecht, zu befassen. Dabei wird seit langem ein heftiger Streit um die Zulässigkeit tarifvertraglichen Betriebsverfassungsrechts ausgetragen, der noch heute andauert. Die Diskussion kreist(e) im wesentlichen um die Fragen, ob die Organisation der Betriebsverfassung sowie die Beteiligungsrechte des Betriebsrats ungeachtet ihrer Kodifizierung noch einer abweichenden Rege­ lung durch Tarifvertrag zugänglich sind und welcher personelle Umfang derartigen Regelungen zukommt. 1 Vgl. §§ 1 Abs. 1, 4 Abs. 1 TVG. 2 Vgl. § 3 Abs. 2 TVG. 3 Vgl. Herschel, ZfA 1973, 183 (187). 4 Übersicht bei Nipperdey / Säcker, in: Hueck / Nipperdey / Säcker, Lehrbuch Bd. II/2. Hbd., § 51 B III 2 (S. 1071). 2'

20

§ 1 Einleitung

Aktualität gewinnt die Problematik durch die sogenannte Flexibilisierung der Wochenarbeitszeitdauer auf Grund jüngster Tarifabschlüsse in der Metall- und Druckindustrie sowie in der Holz- und Kunststoffverarbeitenden Industrie Rhein­ land-Pfalz ab 1. April 1985: Kernproblem ist die Abstimmung der individuellen Wochenarbeitszeitdauer des einzelnen Arbeitnehmers und der Betriebszeit (Produk­ tions-Arbeitszeit) des Unternehmens. Laut Tarifvertrag haben die betrieblichen Sozialpartner, Arbeitgeber und Betriebsrat, diese Abstimmung vorzunehmen. Die Festlegung der Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit ist nach dem gesetzlichen Betriebsverfassungsrecht an sich nicht beteiligungspflichtig. Grundsätzlich sind nämlich Regelungen der Arbeitsdauer „sonstige Arbeitsbedingungen" im Sinne des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG 1972, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicher­ weise geregelt werden. Sie können daher nach dieser Vorschrift grundsätzlich nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Die zahlreichen und gegensätzlichen Stellungnahmen zu den durch die neueren Tarifverträge aufgeworfenen betriebsverfassungs- und tarifrecht­ lichen Probleme 5 lassen zum einen erkennen, daß zentrale Rechtsfragen tarif­ vertraglichen Betriebsverfassungsrechts in der Vergangenheit letztlich nie richtig abgeklärt worden sind. 6 In der Hauptsache resultieren die Divergen­ zen jedoch daraus, daß nie die Quintessenz der vielfältigen Meinungsströme, die sich zu Fragen tarifvertraglichen Betriebsverfassungsrechts gebildet haben, gezogen worden ist und dadurch auch relativ gesicherte Erkennt­ nisse wieder in Vergessenheit geraten zu sein scheinen. Vor allem aber kommt hinzu, daß die bisherige Diskussion völlig losgelöst von einer Unter­ suchung der realen Bedeutung tarifvertraglichen Betriebsverfassungsrechts geführt wurde7 • Verschiedentlich ist sogar behauptet worden, daß tarifver5 Man findet ganz unterschiedliche Antworten etwa auf die Fragen, ob und inwie­ weit die Regelung von Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis durch Tarifvertrag auf die betriebliche Ebene übertragen werden kann und ob die übertragene Tarifregelung oder die sie ausführende Betriebsvereinbarung auch für die nicht-tarifgebundenen Arbeitnehmer eines Betriebes gelten. Übersicht bei Buchner, DB 1985, 913. 6 So auch Buchner, DB 1985, 913 (914). 7 Auf das Fehlen einer umfassenden Auswertung hat bereits Däubler, Das Grund­ recht auf Mitbestimmung, 4.Aufl. 1976, S.94, hingewiesen. Eine Übersicht über tarif­ liche Regelungen der Beteiligung des Betriebsrats findet sich zwar bei Fitting / Krae­ geloh / Auffarth, BetrVG, 9. Aufl. 1971, S. 939 ff.; allerdings wurde sie - mit Stand vom 31. Dezember 1967 - noch unter Geltung des BetrVG 1952 zusammengestellt und gibt weder den genauen Inhalt der in Rede stehenden Bestimmungen wieder noch wer­ den diese einer Analyse unterzogen (vgl. auch dies., BetrVG, 7. Aufl.1966, § 50 RdNr. 33 und Anh. zu § 57). Ansonsten finden sich in der Literatur immer nur Einzelbei­ spiele, so etwa bei: Däubler, a.a.O., S. 94 ff.; Däubler / Hege, Tarifvertragsrecht, 2. Aufl.1981, S. 173 passim; Föhr, RdA 1977, 285 (286 - 288) ; Freund, Die Mitbestim­ mung des Betriebsrates in wirtschaftlichen Angelegenheiten als Gegenstand tariflicher Abmachungen, Diss. Köln 1966, S. 78; Löwisch, AuR 1978, 97 (98); ders., in: Galpe­ rin / Löwisch, BetrVG, § 91 RdNr. 15 ; G. Müller, RdA 1969, 227 (231); Zachert, Tarif­ vertrag, 1979, S. 154 - 156. Aus neuerer Zeit vgl. Hagemeier / Kempen / Zachert / Zilius, TVG, § 1 RdNr.166 ff., und (mit identischen Beispielen) Zachert, AuR 1985, 201 (203 f.) - beide allerdings auch im wesentlichen mit denselben Beispielen wie Zachert, Tarifvertrag, a.a.O., und Däubler / Hege, a.a.O. - sowie WSI-Tarifarchiv, Mitbestim­ mung durch Tarifvertrag - eine Beispielsammlung, 1985 (konnte nicht mehr berück­ sichtigt werden).

§ 1 Einleitung

21

tragliches Betriebsverfassungsrecht in der Tarifpraxis keine Rolle spiele. 8 Das Fehlen einer umfassenden Tarifvertragsauswertung verleitete j edoch zur Beschäftigung mit Fragen geringer praktischer Relevanz und zur Ver­ nachlässigung des Tarifalltags. Es hat in der Vergangenheit vor allem zu einer stark rechtspolitischen Argumentation geführt. II. Vorhaben und Gang der Untersuchung Die Untersuchung unternimmt es in dogmatischer Hinsicht, die zu den einzelnen Problemfeldern des tarifvertraglichen Betriebsverfassungsrechts bislang relevant gewordenen Meinungsströme zu ermitteln und zusammen­ zufassen, um wieder ein gewisses Maß an Rechtsklarheit in die Diskussion einzubringen. Insoweit wird bewußt weitgehend von eigenen Stellungnah­ men abgesehen. Diesem Vorhaben dient die Darstellung des gegenwärtigen Diskussionsstandes, die ergänzt wird um eine Darstellung der Haltung der Gewerkschaften. Im Mittelpunkt der Untersuchung steht eine umfassende Bestandsaufnahme der rechtsdogmatischen und rechtstatsächlichen Ent­ wicklung sowie der realen Bedeutung und Wirksamkeit tarifvertraglichen Betriebsverfassungsrechts. Deren Ziel ist es, die Erörterung des Problem­ kreises auf die bislang fehlende tatsächliche Grundlage zu stellen und zu testen, ob tarifvertragliches Betriebsverfassungsrecht eine diskutable Ergänzung legislativer Regelungen darstellt. Darstellung des Diskussions­ standes und der Rechtswirklichkeit dienen als Grundlage für die rechtliche Bewertung der relevanten tatsächlichen Erscheinungsformen. m. Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes Zum Gegenstand der Untersuchung werden nur Regelungen von Rechten des Betriebsrats (a) durch Tarifvertrag (b) gemacht. Zu Betriebsratsrechten

werden Beteiligungsrechte des Betriebsrats gerechnet sowie Bestimmungen über seine Geschäftsführung, soweit sie für die Rechtsstellung des Betriebs­ rates von Bedeutung sind (zum Beispiel Freistellungen von Betriebsrats­ mitgliedern von ihrer beruflichen Tätigkeit). ,,Beteiligungsrecht" wird im folgenden entsprechend dem Verständnis zum gesetzlichen Betriebsverfas­ sungsrecht als Oberbegriff der in ihrer Intensität sehr unterschiedlichen Rechte des Betriebsrats auf Teilnahme an den das betriebliche Geschehen (c) betreffenden Entscheidungen - wie das Recht auf Unterrichtung, Mitwir-:-

8 Vgl. Däubler, Das Grundrecht auf Mitbestimmung, 4. Aufl. 1976, S. 94; Däubler / Hege, Tarifvertragsrecht, 2. Aufl. 1981, S. 40; Fitting / Auffarth / Kaiser, BetrVG, Einl. S. 62 ; A. Müller, Das Mitbestimmungsgespräch 1 9 64, 82; Nikisch, Arbeitsrecht Bd. III, § 1 1 1 V 2 (S. 354); Spieker, WWI-Mitt. 1963, 241 (243) ; Wiedemann / Stumpf, TVG, § 3 RdNr. 66 (unklar § 1 RdNr. 249 a.E.).

22

§ 1 Einleitung

kung (Anhörung und Beratung) und Mitbestimmung (im Sinne von Wirk­ samkeftsvoraussetzung für eine Maßnahme) - gebraucht. 9 (a) Unberücksichtigt bleiben Regelungen über Rechte der Personalräte in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts. Das BPersVG, wel­ ches die Personalratsrechte regelt, steht nach seinen § § 3 und 97 1 0 nicht zur Disposition der Tarifvertragsparteien. Die Vereinbarungsbefugnisse der Sozialpartner sind auf dem Gebiet des Personalvertretungsrechts daher minimal. Unberücksichtigt bleiben ferner tarifliche Regelungen von Rechten

gewerkschaftlicher Vertrauensleute 11 , betrieblicher Vertrauensleute 1 2 , von Sprecherausschüssen für leitende Angestellte 13 , von Redaktionsvertretun­ gen oder -ausschüssen 14 , zusätzlicher oder anderer Vertretungen der Arbeit­ nehmer im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 bzw. 3 BetrVG 1972 (vgl. auch § 20 Abs. 3 BetrVG 1952) 1 5 sowie besonderer Vertretungen für das fliegende Per­ sonal von Luftfahrtunternehmen, die nach § 117 Abs. 2 BetrVG 1972 durch 9 Vgl. Richardi, in: Dietz/Richardi, BetrVG, Vorbern. § 74 RdNr.23.Fitting / Auf­ farth I Kaiser, BetrVG, § 1 RdNr. 42, und Kraft, in: GK-BetrVG, § 1 RdNr. 34, zählen

Unterrichtungsrechte bereits zu den Mitwirkungsrechten und nehmen daher nur eine Zweiteilung von Beteiligungsrechten in Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte vor. 10 Entsprechende Vorschriften enthalten die Landespersonalvertretungsgesetze. 11 Vgl. dazu Struck, Die rechtliche Zulässigkeit von Tarifverträgen zugunsten gewerkschaftlicher Vertrauensleute, Diss. Frankfurt 1981, mit Beispielen aus der Tarifpraxis; Weiss, Gewerkschaftliche Vertrauensleute.Verbesserung ihrer Arbeit im Betrieb, 1978, mit Material S. 98, und Wirtz, Die Stellung gewerkschaftlicher Ver­ trauensleute im Betrieb und in der Gewerkschaftsorganisation, Diss. Bielefeld 1978, mit Material in Anh. 1.- Hier ist schon strittig, ob es sich dabei überhaupt um Rege­ lungen betriebsverfassungsrechtlicher Fragen handelt.Bejahend: Blomeyer, DB 1977, 101 (107) ; Bötticher, RdA 1978, 133 (136); Struck, a.a.O., S.69 (bezüglich kündigungs­ schutzrechtlicher Gleichstellungen von gewerkschaftlichen Vertrauensleuten und Betriebsrat); Wirtz, a.a.O., S. 278. Dagegen: Bulla, BB 1975, 889 (892) ; Herschel, AuR 1977, 137 (141) ; Kraft, ZfA 1976, 243 (247) ; Richardi, RdA 1968, 427 (429) ; Wlotzke, RdA 1976, 80 (84) ; wohl auch Däubler, Gewerkschaftsrechte im Betrieb, 4. Aufl. 1985, S. 205 (,,Vertrauensleute keine betriebsverfassungsrechtliche sondern eine gewerk­ schaftliche Einrichtung"). 12 Diese spielen vor allem im Bereich der chemischen Industrie eine gewisse Rolle. Sie sollen ein Bindeglied zwischen Belegschaft und Betriebsrat sein. Soweit nicht lediglich eine faktische Übung besteht, beruht ihre Einrichtung auf Betriebsverein­ barungen. Vgl. Richardi, RdA 1984, 88 (96 f.). 13 Diese dienen der Repräsentation der vom gesetzlichen Betriebsverfassungsrecht nicht erfaßten leitenden Angestellten (vgl. § 5 Abs. 3 BetrVG 1972). Näher Richardi, RdA 1984, 88 (97). 14 Diese finden sich in Zeitungsverlagen und schränken den Tendenzschutz nach § 118 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG 1972 ein. Vgl. den bundesweiten Tarifvertrag über die Zusammenarbeit von Verleger und Redaktionen aus dem Jahre 1977, abgedruckt in RdA 1977, 237 f., und den ebenfalls 1977 in Pressebetrieben der SPD abgeschlossenen Tarifvertrag über die Zusammenarbeit von Verlegern und Redakteuren in den Redak­ tionen, abgedruckt in RdA 1977, 238 f. 15 Vgl.die Nachw.der (wenigen) bislang aufgrund der Ermächtigung in § 3 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG 1972 abgeschlossenen Tarifverträge (welche das institutionelle Gefüge der Betriebsverfassung betreffen) bei Fitting I Auffarth I Kaiser, BetrVG, § 14 RdNr. 21.

§ 1 Einleitung

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Tarifvertrag gebildet werden können 16 • Zu beachten ist allerdings, daß sich Tarifverträge über eine andere Vertretung der Arbeitnehmer auf die Rechts­ stellung eines bereits bestehenden Betriebsrats auswirken, sei es daß dessen Rechte zugunsten der anderen Vertretung beschränkt werden, sei es daß seine Amtszeit überhaupt endet (vgl. § 3 Abs. 3 BetrVG 1 9 7 2 und bereits § 20 Abs. 3 Satz 3 BetrVG 1952). Allein unter diesen Aspekten sind entspre­ chende Tarifregelungen für die Untersuchung von Relevanz und daher berücksichtigt worden. (b) Gegenstand der Untersuchung ist nicht die Regelung von Betriebsrats­ rechten in Betriebsvereinbarungen, soweit ein Eingehen darauf nicht uner­ läßlich ist. (c) Keine Berücksichtigung finden in der Untersuchung schließlich tarif­ vertragliche Regelungen der unternehmerischen Beteiligung durch Arbeit­ nehmervertreter im Unternehmensträger 17 , also unternehmensverfassungs­ rechtlicher (im Gegensatz zu betriebsverfassungsrechtlichen) 18 Fragen. Soweit ersichtlich erfolgte eine Regelung von Betriebsratsrechten im Zusammenhang mit entsprechenden Tarifverträgen bisher auch nur in wenigen Fällen 19 . Davon zu unterscheiden ist die Beteiligung des betriebs16 Für das fliegende Personal gilt das BetrVG 1972 nicht, vgl. § 117 des Gesetzes. Nachw. entsprechender von Luftfahrtunternehmen abgeschlossener Tarifverträge bei Fitting / Auftarth / Kaiser, BetrVG, § 117 RdNr. 2. Zum Inhalt des von der Deutschen Lufthansa AG abgeschlossenen Tarifvertrages etwa s. Däubler, Das Grundrecht auf Mitbestimmung, 4. Aufl. 1976, S. 94. 17 Zusammenstellung der Unternehmen, für die Unternehmensmitbestimmung ver­ einbart wurde im Bericht der Mitbestimmungskommission „Mitbestimmung im Unternehmen" , BT-Drucks. VI/334 vom 4. Februar 1970, Anl. 4 unter C (S.146 ff.). Zur Praxis derartiger Mitbestimmungsvereinbarungen Peus, Die AG 1982, 206 ff. Beispiele in BB 1959, 1028 (sog. ,,Lüdenscheider-Abkommen") und in Das Mitbestim­ mungsgespräch 5/1960, 14 (sog. ,,Halterner-Abkommen"). Zur rechtlichen Beurtei­ lung tarifvertraglich begründeter unternehmerischer Mitbestimmung Beuthien, ZfA 1983, 141 ff. ; ders., ZfA 1984, 1 ff. ; ders., ZHR 148 (1984), 95 ff. ; Zekom, Die AG 1960, 243 ff., 267 ff. 18 Kritisch zu dieser Unterscheidung Beuthien, ZfA 1983, 141 (143 f.). 1 9 Beispiel: Umwandlungssteuerrechtliche Gründe trugen dazu bei, daß gegen Ende der 5 0er Jahre mehrere Stahlunternehmen dazu übergingen, die verstreute Anzahl ihrer Tochtergesellschaften auf sich umzuwandeln und Einheitsunternehmen zu bilden. Das veranlaßte die Gewerkschaften und einige Unternehmensleitungen, über die Frage zu verhandeln, wie der mit dem Erlöschen der bis dahin selbständigen Tochtergesellschaften und mit dem entsprechenden Wegfall der entsprechenden Vor­ stände, Geschäftsführungen und Aufsichtsräte automatisch verbundenen Zurück­ drängung der unternehmensverfassungsrechtlichen Mitbestimmung entgegengetreten werden könne.Diese Verhandlungen führten u. a. zum sog. ,,Lüdenscheider-Abkom­ men" vom 19. August 1959, das von den Vorständen der Hoesch AG, der Klöckner­ Werke AG und der Ilseder Hütte einerseits und von den Vorständen des DGB, der IG Bergbau und der IG Metall andererseits unterzeichnet wurde (Abkommen wiederge­ geben in BB 1959, 1028). Danach traten an die Stelle der früheren Aufsichtsräte Bei­ räte. Die Arbeitnehmervertreter des Beirats der Werksgruppe Eisenverarbeitung waren dabei von den Betriebsräten ihrer Werksgruppe zu wählen. - Teilweise enthal­ ten entsprechende Tarifverträge Regelungen über den Erhalt von Betriebsverfas­ sungsstrukturen, also organisationsrechtliche Aspekte der Betriebsverfassung, Zachert, AuR 1985, 201 (203) mit Nachw.

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§ 1 Einleitung

verfassungsrechtlichen Organs Betriebsrat an unternehmerischen Angele­ genheiten gegenüber der (natürlichen oder juristischen) Person oder Gesell­ schaft des Privatrechts, die Unternehmensträger ist. 20 Insoweit handelt es sich um betriebsverfassungsrechtliche Beteiligungsrechte. 2 1

20 Beteiligungsrechte des Betriebsrats in typisch unternehmerischen Angelegenhei­ ten sieht das BetrVG 1972 etwa in seinen §§ 87 Abs. 1 Nm. 3 und 1 1 , 92 und 1 1 1 ff. in Fragen der Kurzarbeit, des Geldfaktors leistungsbezogener Entgelte, der Personal­ planung und von Betriebsänderungen vor; vgl. Beuthien, ZfA 1983, 141 (144); ders., ZfA 1984, 1 (7, 18); ders., ZHR 148 (1984), 95 (107). 21 Vgl. zu §§ 106 ff. BetrVG 1972 (Beteiligung des Betriebsrats in wirtschaftlichen Angelegenheiten) Löwisch, in: Galperin / Löwisch, BetrVG, vor § 106 RdNrn. 2, 4.

Erster Teil

Der Stand der Diskussion § 2 Die Beurteilung der Zulässigkeit tarifvertraglichen Betriebsverfassungsrechts in Rechtsprechung und Literatur I. Die Ausgangsfrage nach dem zwingenden abschließenden Charakter des gesetzlichen Betriebsverfassungsrechts

Zufolge Herschel ist bei der Aufnahme der betriebsverfassungsrechtlichen Normsetzungsbefugnis in das TVG im Jahre 1949 vor allem daran gedacht worden, den Tarifvertragsparteien ein Mittel zur Ausfüllung des Rahmens, welchen das KRG Nr. 22 gelassen hatte, zur Verfügung zu stellen. 1 Daraus könnte der Schluß gezogen werden, daß mit Inkrafttreten des BetrVG 1952, welches bereits eine recht weitreichende Kodifikation des Betriebsverfas­ sungsrechts brachte, der legislative Zweck des § 1 Abs. 1 TVG hinsichtlich der betriebsverfassungsrechtlichen Normsetzungsbefugnis in Wegfall gera­ ten ist. Methodisch mag der Wandel der Normsituation zu einer anderen Auslegung der betroffenen Norm, im Extremfall sogar zu deren Nichtan­ wendbarkeit führen. 2 § 1 Abs. 1 TVG erschöpft sich jedoch nicht in dem von Herschel mitgeteilten Zweck: Vor Aufnahme des Normtyps der Betriebsver­ fassungsnormen in das TVG ist der tarifvertraglichen Regelung betriebsver­ fassungsrechtlicher Fragen eine Rechtsnormqualität überwiegend abge­ sprochen worden. 3 Durch § 1 Abs. 1 TVG sollten daher gerade auch Fragen, deren Bedeutung über das Einzelarbeitsverhältnis hinausgehen - und das ist bei betriebsverfassungsrechtlichen Fragen der Fall -, tarifvertraglicher Normierung zugänglich gemacht werden. 4 Dafür aber besteht sicherlich 1 Hersehe!, ArbBl. 1949, 22 (24) ; ähnlich Bötticher, Anm. zu LAG Berlin vom 18. März 1964, SAE 1965, 14 (16); Buchner, in: AR-Blattei Teil D, Tarifvertrag V A Betriebsverfassungsnormen, 1973, I; A. Hueck, BB 1949, 530 (531) ; Nikisch, Arbeits­ recht Bd. II, § 73 V 1 (S. 304) ; Richardi, in: Dietz / Richardi, BetrVG, § 2 RdNr. 131. 2 Vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5. Aufl. 1983, S. 334 f. Zu dem Satz „cessante causa cessat lex" vgl. Krause, Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte 77 (1960) Kanonistische Abteilung 46 , 81 ff. 3 Näher unten § 6 II. und § 7 1. 4 Begründung zu § 3 Abs. 1 im Referentenentwurf einer Verordnung über den Tarifvertrag des Zentralamtes für Arbeit (sog. Lemgoer-Entwurf) vom März 1948, abgedruckt bei Wiedemann / Stumpf, TVG, Geschichte RdNr. 5 (S. 11 f.), und in ZfA 1973, 133 f. Richardi, in: Dietz / Richardi, BetrVG, § 2 RdNr. 127.

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I. Teil: Diskussionsstand

noch ein Bedürfnis, wie allein schon Ö ffnungsklauseln im geltenden gesetz­ lichen Betriebsverfassungsrecht zugunsten tarifvertraglichen Betriebsver­ fassungsrechts zeigen5 • Die Frage kann daher nur lauten, ob tarifvertrag­ liches Betriebsverfassungsrecht auch jenseits dieser Ö ffnungsklauseln zu­ lässig ist. Die Antwort hängt davon ab, ob dem gesetzlichen Betriebsverfas­ sungsrecht zwingender abschließender Charakter zukommt. 6 Unter Geltung des BetrVG 1952 und zum Teil noch heute wurde bzw. wird der abschließende Charakter des Gesetzes im wesentlichen damit begrün­ det, daß dieses der Betriebsverfassung eine Struktur gegeben habe, die nicht nur als „ein mögliches Modell" , sondern als „die schlechthin angemessene Gestaltung des Mitbestimmungsrechts " geachtet werden solle. 7 Auch stelle das Gesetz als Produkt eines erst nach hartem Ringen zustandegekommenen politischen Kompromisses einen erträglichen Ausgleich zwischen der Wah­ rung der Unternehmerfreiheit und der Gewährleistung von Selbstbestim­ mung und sozialem Schutz für die Arbeitnehmer dar, der durch abwei­ chende kollektivvertragliche Regelungen nicht erneut in Frage gestellt wer­ den dürfe. 8 Schließlich ist versucht worden, den abschließenden Charakter des gesetzlichen Betriebsverfassungsrechts aus der Entstehungsgeschichte des BetrVG 1 9 7 2 zu begründen: Während ursprünglich im Entwurf des Bun­ desministeriums für Arbeit und Sozialordnung für ein neues Betriebsverfas­ sungsgesetz in § 3 Abs. 1 Nr. 3 noch vorgesehen war, daß durch Tarifvertrag die Erweiterung der Aufgaben und Befugnisse der Vertretung der Arbeit­ nehmer in Angelegenheiten, die den Inhalt, den Abschluß oder die Beendi­ gung von Arbeitsverhältnissen betreffen, bestimmt werden könne, 9 hat 5 Vgl.§§ 3 Abs. 1, 38 Abs. 1 Satz 3, 47 Abs.4, 55 Abs. 3, 72 Abs.4, 76 Abs.8, 86, 117 Abs.2 BetrVG 1972. 6 Vgl. Schwendy, Abänderbarkeit betriebsverfassungsrechtlicher Rechtssätze durch Tarifvertrag und Betriebsvereinbarung, 1969, S. 7 passim; Thiele, in: GK­ BetrVG, Einl.RdNr.111 ff. 7 Siebert, BB 1958, 421; ders., RdA 1959, 167 (172) ; zustimmend Fauth, BlStSoz­ ArbR 1960, 28; Nikisch, Arbeitsrecht Bd.III, § 111 V 2 (S. 353 f.) ; ders., RdA 1964, 305 (307), und Richardi, Kollektivgewalt und Individualwille bei der Gestaltung des Arbeitsverhältnisses, 1968, S. 253. Ähnlich bereits Huber, Wirtschaftsverwaltungs­ recht Bd. II, 2. Aufl. 1954, § 99 I 3 a) ff. (S. 538 ff.), und Walter, BB 1953, 89 ff. Unter Geltung des BetrVG 1972 wie Siebert, a.a.O., oder ähnlich von Hoyningen-Huene, Betriebsverfassungsrecht, 1983, § 2 III (S.15) ; ders., NZA 1985, 9 (11) ; ders., NZA 1985, 169; Richardi, Recht der Betriebs- und Unternehmensmitbestimmung Bd. I, 2. Aufl. 1979, S.23 f.; ders., in: Dietz / Richardi, BetrVG, § 2 RdNr. 137; wohl auch Frauenkron, Betriebsverfassungsrecht, 1980, RdNr. 114. Bezogen auf §§ 106 ff. BetrVG 1972 ebenso Beuthien, ZHR 148 (1984), 95 (109), und Löwisch, in: Galperin / Löwisch, BetrVG, vor § 106 RdNr. 10. 8 Bötticher, Anm.zu LAG Berlin vom 18. März 1964, SAE 1965, 14 (16) ; Galperin, DB 1966, 620 (623 ff.) ; Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht Bd. II, 2. Aufl. 1954, § 99 I 3 a) (S. 538) ; Nipperdey, in: Hueck / Nipperdey, Lehrbuch Bd. II/1 Hbd., § 15 V 2 (S.296) ; Nipperdey I Säcker, in: Hueck / Nipperdey / Säcker, Lehrbuch Bd. II/2. Hbd., § 68 G (S. 1334), § 70 B V (S. 1402). 9 Regelungsentwurf abgedruckt in RdA 1970, 357, und bei Schütze / Schwaiger / Röglin, Synopse zum Betriebsverfassungsgesetz, 4. Aufl., o. J., S. 16.

§ 2 Beurteilung der Zulässigkeit in Rechtsprechung und Literatur

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schon der Regierungsentwurf diese Bestimmung fallengelassen 10 • Manche Autoren leiten daraus den gesetzgeberischen Willen her, daß Beteiligungs­ rechte des Betriebsrats keiner Regelung (insbesondere Erweiterung) durch Tarifvertrag zugänglich sind. 1 1 Die (überwiegende) Gegenmeinung sieht in der gesetzlichen Regelung des Betriebsverfassungsrechts lediglich Mindestbedingungen, die eine Regelung (insbesondere Erweiterung) der Betriebsratsrechte grundsätzlich zulasse. 12 Zum Teil 13 wird (zumindest) darauf verwiesen, daß sich aus der Entste­ hungsgeschichte kein Argument für einen abschließenden Charakter herlei­ ten lasse, weil es in der Begründung des Regierungsentwurfes zu § 3 BetrVG 1972 geheißen hatte : „Inwieweit von anderen als organisatorischen Vorschriften durch Tarifvertrag abgewichen werden kann, regelt der Entwurf - ebenso wie das geltende Recht grundsätzlich nicht. " 1 4 Nach dem zuletzt Gesagten wird zu Recht vertreten, daß sich aus der Entste­ hungsgeschichte des gesetzlichen Betriebsverfassungsrechts kein eindeuti­ ger Schluß (anders für die organisatorischen Vorschriften) ziehen läßt, ob es sich dabei um eine abschließende Regelung handelt oder nicht; 15 vielmehr 10 Regierungsentwurf abgedruckt in BT-Drucks.VI/1786 vom 29. Januar 1971 und in RdA 1971, 33. 11 Buchner, in: AR-Blattei Teil D, Tarifvertrag V A Betriebsverfassungsnormen, 1973, III 2 b) aa); ders., Die AG 1971, 135 (139); Erdmann / Jürging / Kammann, BetrVG, § 3 RdNr. 12; Meisel, Die Mitwirkung und Mitbestimmung des Betriebsrats in personellen Angelegenheiten, 5. Aufl. 1984, RdNr. 7; Rüthers, Tarifmacht und Mit­ bestimmung in der Presse, 1975 , S. 46; Stege / Weinspach, BetrVG, § 3 RdNr. 1. 12 Brecht, BetrVG, § 1 RdNr. 26 ff.; Bührig, in: Bührig (Hrsg.), Handbuch der Betriebsverfassung, 1953, S.73 (82 ff.); Däubler, Das Grundrecht auf Mitbestimmung, 4. Aufl. 1976, S.362 ff.; Däubler / Hege, Tarifvertragsrecht, 2. Aufl. 1981, S. 170 ff.; Fitting / Auffarth / Kaiser, BetrVG, § 1 RdNr.45 ff.; Gnade / Kehrmann / Schneider / Blanke, BetrVG, § 3 RdNr.1; Hagemeier / Kempen / Zachert / Zilius, TVG, § 1 RdNr. 173; Hess, in: Kammann / Hess / Schlochauer, BetrVG, vor § 1 RdNrn. 47 ff., 69 ff.; A. Hueck, BB 1952, 925 (926) ; ders., Probleme des Mitbestimmungsrechts, 1953, S. 17 f.; Hueck / Nipperdey / Stahlhacke, TVG, 4. Aufl. 1964, § 1 RdNr. 73 f.; Ritter, Vom Betriebsverfassungsgesetz 1972 abweichende Regelungen durch Tarifvertrag und Betriebsvereinbarung, Diss. Heidelberg 1974, S.38; Schwendy, Abänderbarkeit betriebsverfassungsrechtlicher Rechtssätze durch Tarifvertrag und Betriebsvereinba­ rung, 1969, S. 122; Sophos, Möglichkeiten der Erweiterung der Mitbestimmungs­ rechte des Betriebsrates durch Tarifvertrag, Diss. München 1977, S.198; Thiele, in: GK-BetrVG, Einleitung RdNr. 113 ff.; Weiss, BetrVG, § 2 RdNr. 12; Wiedemann / Stumpf, TVG, § 1 RdNr.250 ff.; Zachert, Tarifvertrag, 1979, S.156 f. 13 Däubler, Das Grundrecht auf Mitbestimmung, 4.Aufl.1976, S. 83, 362; Däubler / Hege, Tarifvertragsrecht, 2. Aufl. 1981, S.171 f.; Fitting / Auffarth / Kaiser, BetrVG, § 1 RdNr. 45; Ritter, Vom Betriebsverfassungsgesetz 1972 abweichende Regelungen durch Tarifvertrag und Betriebsvereinbarung, Diss. Heidelberg 1974, S.6 ff.; Richardi, in: Dietz / Richardi, BetrVG, § 2 RdNr. 135; Sophos, Möglichkeiten der Erweiterung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates durch Tarifvertrag, Diss. München 1977, S.7 ff.; Thiele, in: GK-BetrVG, Einleitung RdNr. 113; wohl auch Wie­ demann / Stumpf, TVG, § 1 RdNr.250. 14 Begründung abgedruckt in BT-Drucks.VI/1786 vom 29. Januar 1971, S. 36.

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I .Teil: Diskussionsstand

hat der Gesetzgeber bewußt eine Regelungslücke gelassen1 6 . Ebensowenig Aussagekraft 1 7 kommt daher auch der Ablehnung eines Antrages der SPD­ Fraktion während der Beratungen des BetrVG 1952 zu, der auf Einfügung eines § 89 a in das Gesetz abzielte: 1 8 „Das Recht der Tarifparteien zur Regelung betriebsverfassungsrechtlicher Fragen bleibt unberührt. " 19

Bereits nach dem ausdrücklichen Willen seiner Initiatoren hatte dieser Antrag nur klarstellenden Charakter. 2 0 Alle anderen (vor allem ältere) Versuche, die Autorität des gesetzlichen Betriebsverfassungsrechts für die Lösung des Problems einer Abänderbar­ keit heranzuziehen, müssen spätestens seit der Begründung des Regierungs­ entwurfs zu § 3 BetrVG 1972 daran scheitern, daß das Gesetz insoweit eine Regelungslücke aufweist: 2 1 Das gilt besonders für das Argument, BetrVG 1952 und BetrVG 1972 hätten einen Kompromißcharakter. Gerade aus dem - unbestrittenen! - Kompromißcharakter ließe sich darüber hinaus mit guten Gründen auch das Gegenteil schließen, nämlich daß in einer Angele­ genheit, in welcher die Ansichten so weit auseinandergehen, eine zwingende gesetzliche Regelung nicht am Platze22 oder daß diese nur einseitig zwin­ gend ist, daß sie also nur Mindestbedingungen enthalte23 . Außerdem haben 15 Hanau, RdA 1973, 281 (292); Thiele, in: GK-BetrVG, Einleitung RdNr. 113. Zum BetrVG 1952 bereits Thiel, Erweiterung der Beteiligungsrechte von Betriebsrat und Wirtschaftsausschuß durch Tarifvertrag, Diss. Münster 1966, S. 25. 16 Säcker, ZfA 1972 Sonderheft, 41 (46 f.); Thiele, in: GK-BetrVG, Einleitung RdNr. 117. 17 A.A. Erdmann / Jürging / Kammann, BetrVG, § 3 RdNr. 12; Galperin, BB 1966, 620 (622); Walter, BB 1953, 89 (91). 18 Thiele, in: GK-BetrVG, Einleitung RdNr. 113; Horchem, Die Erweiterung der im Betriebsverfassungsgesetz geregelten Mitbestimmungsrechte durch kollektive Ver­ einbarung, Diss. Köln 1954 (Maschinenschrift), S. 32 ff. mit weiteren Hinw.; A. Hueck, BB 1952, 925 (926 f.); Schwendy, Abänderbarkeit betriebsverfassungsrecht­ licher Rechtssätze durch Tarifvertrag und Betriebsvereinbarung, 1969, S. 12 ff.; Sophos, Möglichkeiten der Erweiterung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates durch Tarifvertrag, Diss. München 1977, S. 8. 19 BT-Prot. I/225. Sitzung vom 17 . Juli 1952, S. 10090. 20 Abgeordnete Richter, BT-Prot. 1/225. Sitzung vom 17 . Juli 1952, S. 10090 : ,,Wir sind der Meinung, daß dieses Gesetz nicht eine erschöpfende Regelung des Betriebs­ verfassungsrechts bringen kann und bringen soll"; Schwendy, Abänderbarkeit betriebsverfassungsrechtlicher Rechtssätze durch Tarifvertrag und Betriebsvereinba­ rung, 1969, S. 44; Sophos, Möglichkeiten der Erweiterung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates durch Tarifvertrag, Diss.München 1977, S. 8. 21 Säcker, ZfA 1972 Sonderheft, 41 (46); Thiele, in: GK-BetrVG, Einleitung RdNr. 117. 22 So ausdrücklich A. Hueck, BB 1952, 925 (927), und Schwendy, Abänderbarkeit betriebsverfassungsrechtlicher Rechtssätze durch Tarifvertrag und Betriebsvereinba­ rung, 1969, S. 17; ähnlich Neumann-Duesberg, Betriebsverfassungsrecht, S. 501. 23 So ausdrücklich Bührig, in: Bührig (Hrsg.), Handbuch der Betriebsverfassung, 1953, S. 73 (82 ff.); Fitting / Auffarth / Kaiser, BetrVG, § 1 RdNr. 45 ; A. Hueck, BB 1952, 925, 926; Schwendy, Abänderbarkeit betriebsverfassungsrechtlicher Rechts­ sätze durch Tarifvertrag und Betriebsvereinbarung, 1969, S. 17 f., 38 f., 45 ff.

§ 2 Beurteilung der Zulässigkeit in Rechtsprechung und Literatur

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auch dispositive Rechtssätze ihren eigenen Wert. 24 Gleiches gilt für die Argumentation, daß das gesetzliche Betriebsverfassungsrecht nur aus­ nahmsweise für bestimmte, genau umschriebene Sonderfälle eine abwei­ chende oder ergänzende Regelung betriebsverfassungsrechtlicher Fragen durch Tarifvertrag ausdrücklich zuläßt und daher ansonsten zweiseitig zwingenden Charakter haben müsse25 • Darüber hinaus hat A. Hueck über­ zeugend dargelegt, daß derartige Öffnungsklauseln überwiegend die Abwei­ chung von Organisationsnormen gestatten, die aber allgemeiner Ansicht nach2 6 zweiseitig zwingend sind, so daß die Gestattung einer Ausnahme insoweit unerläßlich ist. Aber auch soweit keine Organisationsnormen betroffen sind kann eine Öffnungsklausel erforderlich sein, wenn nämlich das gesetzliche Betriebsverfassungsrecht lediglich einseitig zwingend wäre, also eine Abweichung (nur) zu Lasten der Beteiligung grundsätzlich ausge­ schlossen ist. 2 7 Auch mit dem Umkehrschluß aus dem Vorhandensein von Öffnungsklauseln im gesetzlichen Betriebsverfassungsrecht läßt sich also die Frage nach seinem abschließenden Charakter nicht in die eine oder die andere Richtung überzeugend beantworten. Der Umstand, daß die Bestimmungen des TVG über Betriebsverfassungs­ normen (bislang) nicht aufgehoben worden sind und § 2 BetrVG 1952 sogar bestimmte, daß „die Aufgaben der Gewerkschaften und Vereinigungen der Arbeitgeber durch dieses Gesetz nicht berührt" werden, ist von der unter Geltung jenes Gesetzes herrschenden Meinung als Stütze ihrer Ansicht angesehen worden, daß den Sozialpartnern nach Erlaß des Gesetzes nicht die Zuständigkeit zur Regelung betriebsverfassungsrechtlicher Fragen genommen worden sei. 28 Über den Umfang der Regelungsbefugnis - oder 24 Vgl. Thiele, in: GK-BetrVG, Einleitung RdNr.115. 2 ; Adomeit, in: Hanau / Adomeit, Arbeitsrecht, 7. Aufl. 1983, D I 5 f (S. 103); Dietz, DB 1952, 969 (972): Die ausdrückliche Zulassung der Erweiterung in bestimmten Fra­ gen wäre nicht nur unverständlich, sondern schlechthin falsch, wenn das Gesetz kei­ nen abschließenden Charakter hätte; Erdmann / Jürging / Kammann, BetrVG, § 99 RdNr. 4; Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht Bd. II, 2. Aufl. 1954, § 99 I 3 (S. 539). 26 Statt aller Richardi, in: Dietz / Richardi, BetrVG, § 2 RdNr. 132 mit umfangrei­ chen Nachw. 27 A. Hueck, BB 1952, 925 (926); Fabricius, ZgStW 111 (1955), 354 (355, 364); Fit­ ting / Kraegeloh / Auffarth, BetrVG, 9.Aufl. 1971, § 1 RdNr. 27 ff.; Roesch, BlStSoz­ ArbR 1953, 106 (107); Schwendy, Abänderbarkeit betriebsverfassungsrechtlicher Rechtssätze durch Tarifvertrag und Betriebsvereinbarung, 1969, S. 9 ff.mit weiteren Hinw. 28 LAG Berlin vom 18. März 1964, BB 1965, 163 = BB 1964, 1631 = SAE 1965, 12 (13) mit Anm. von Bötticher; Biedenkopf, Grenzen der Tarifautonomie, 1964, S.265 (s. aber sogleich); Brandner, AuR 1958, 359 (362); Bührig, in: Bührig (Hrsg.), Hand­ buch der Betriebsverfassung, 1953, 73 (83); Dietz, BetrVG, 4. Aufl. 1967, § 2 RdNr. 15 ; ders., DB 1952, 969; Fabricius, ZgStW 111 (1955), 354 (355); Fitting / Kraegeloh / Auf­ farth, BetrVG, 9.Aufl. 1971, § 1 RdNr.28; Galperin, BB 1960, 453 (455); A. Hueck, BB 1952, 925 (927) ; ders., Probleme des Mitbestimmungsrechts, 1953, S. 17 ; Hueck / Nip­ perdey / Stahlhacke, TVG, 4. Aufl. 1964, § 1 RdNr.71; Nipperdey, in: Hueck / Nipper­ dey, Lehrbuch Bd. II/1. Hbd., § 15 V (S.294); Pöschke, AuR 1965, 257 (260 ff.) ; Roesch, BlStSozArbR 1953, 106 (107); Schwendy, Abänderbarkeit betriebsverfas-

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I. Teil : Diskussionsstand

umgekehrt: den der Tarifvertragsdispositivität des Gesetzes - gingen und gehen die Ansichten dann aber zum Teil erheblich auseinander. Auch unter Geltung des BetrVG 1 9 7 2 wird - vor allem aus § 2 Abs. 3 des Gesetzes, der inhaltsgleich mit § 2 BetrVG 1952 ist - argumentiert, daß das Gesetz die betriebsverfassungsrechtliche Regelungsbefugnis der Tarifpartner nach dem TVG nicht aufgehoben, sondern (grundsätzlich) erhalten habe. 2 9 Bezo­ gen auf die aus dem TVG und §§ 2 BetrVG 1952, 2 Abs. 3 BetrVG 1972 argu­ mentierende herrschende Meinung sind allerdings beachtliche Einwände erhoben worden. So hat Biedenkopf § 2 BetrVG 1952 einschränkend dahin­ gehend interpretiert, daß „Aufgabe" im Sinne dieser Vorschrift historisch zu verstehen sei. Zur Zuständigkeit tarifvertraglicher Regelungsbefugnis rechneten daher nur Tätigkeitsbereiche und -mittel, die von den Tarifver­ tragsparteien zur Zeit des Inkrafttretens des BetrVG 1952 in Anspruch genommen wurden. Nur diese Aufgaben blieben dann durch das Gesetz „unberührt" . Die institutionelle Mitbestimmung sei aber nach 1945 nicht durch Tarifvertrag zu verwirklichen gewesen. 30 Nach Galperin betrifft die Regelungsbefugnis im betriebsverfassungsrechtlichen Bereich nur die formale Rechtssetzungsbefugnis der Sozialpartner und ändere nichts an der Rangordnung von Gesetzes- und Tarifrecht. 3 1 Namentlich Erdmann32 , Huber33 und Walter34 haben vertreten, daß die gesetzliche Regelung des Betriebsverfassungsrechts jede Änderung durch Tarifvertrag ausschließe, soweit sie nicht selbst eine Änderungsmöglichkeit ausdrücklich vorsehe. 35 § 2 BetrVG 1952 wurde vereinzelt sogar als lediglich „ deklaratorisch" bezeichnet. 3 6 Ein völliger Ausschluß der Tarifvertragsparteien von der Regelung betriebsverfassungsrechtlicher Fragen wurde allerdings nur von sungsrechtlicher Rechtssätze durch Tarifvertrag und Betriebsvereinbarung, 1969, S. 34 ff. ; Sommer, in: AR-Blattei Teil D, Tarifvertrag V A Betriebsverfassungsnor­ men, 1955, III 2 a). 29 Beuthien, ZfA 1984, 1 (18); ders., ZHR 148 (1984), 95 (108); Däubler, Das Grund­ recht auf Mitbestimmung, 4. Aufl. 1976, S. 366 ; Däubler I Hege, Tarifvertragsrecht, 2. Aufl. 1981, S. 17 0 ; Fitting I Auffarth I Kaiser, BetrVG, § 1 RdNr. 46 ; Kraft, in: GK-BetrVG, § 2 RdNr. 47 ; Weiss, BetrVG, § 2 RdNr. 12; Wiedemann I Stumpf, TVG, § 1 RdNr. 250 . Zachert, AuR 1985, 2 01 (207, 208), hält allein die Existenz dieser Regelungsbefugnis für ausreichend. 30 Biedenkopf, Grenzen der Tarifautonomie, 1964, S. 274 ff. 31 Galperin, DB 1966, 620 (623) ; wohl auch G. Müller, DB 1962, 802 (804) ; ähnlich später: Brecht, BetrVG, § 1 RdNr. 27 ; Frauenkron, Betriebsverfassungsrecht, 1980, RdNr. 114; von Hoyningen-Huene, Betriebsverfassungsrecht, 1983 , § 2 III (S. 15) ; ders., NZA 1985, 169 (170). 32 Erdmann, BetrVG, 2. Aufl. 1954, § 90 Anm. 5 ff. 33 Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht Bd. II, 2 . Aufl. 1954, § 99 I 3 b) (S. 539). 34 Walter, BB 1953 , 89 (90 f.). 35 Ebenso neuerdings Reiche!, Tarifvertragsgesetz, 6. Aufl. 1984 (Stand der 4. Lfg. Februar 1984), § 1 Anm. 118. 36 Horchern, Die Erweiterung der im Betriebsverfassungsgesetz geregelten Mitbe­ stimmungsrechte durch kollektive Vereinbarung, Diss. Köln 1954 (Maschinenschrift), s. 27.

§ 2 Beurteilung der Zulässigkeit in Rechtsprechung und Literatur

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einer ausgesprochenen Mindermeinung vertreten. 37 Die Berufung auf die Aussage des § 2 Abs. 3 BetrVG 1 972, wonach die Aufgaben der Koalitionen, „insbesondere die Wahrnehmung der Interessen ihrer Mitglieder" , durch das Gesetz nicht berührt werden, hat Rüthers vor allem deswegen als wenig hilfreich bezeichnet, weil die Koalitionen bei betriebsverfassungsrechtli­ chen Fragen gerade nicht nur die Interessen ihrer Mitglieder, sondern zwin­ gend auch die der Außenseiter auf Arbeitnehmerseite regelten. 3 8 Es erscheint fraglich, ob, nachdem der Gesetzgeber selbst die Streitfrage durch das BetrVG 1972 nicht hat entscheiden wollen, auf die Argumentation zu § 2 BetrVG 1952 überhaupt noch zurückgegriffen werden kann, 3 9 nur weil diese Vorschrift eine inhaltsgleiche Nachfolgeregelung in § 2 Abs. 3 BetrVG 1972 gefunden hat. Andererseits mußte der Gesetzgeber, der § 2 Abs. 3 BetrVG 1972 in Kenntnis des heftigen Meinungsstreites und vor allem der aus § 2 BetrVG 1 952 argumentierenden herrschenden Meinung inhalts­ gleich gefaßt hat, damit rechnen, daß man ihn nicht an seinem Willen, son­ dern an seinen Regelungen festhalten40 und daraus eine Bestätigung der herrschenden Meinung folgern könnte. Das gilt um so mehr, als auch die Rechtsprechung bereits unter Geltung des BetrVG 1952 dazu neigte41 , eine Regelung betriebsverfassungsrechtlicher Fragen durch Tarifvertrag42 , ja selbst durch Betriebsvereinbarung43 , zuzulassen. Allerdings hatten die 37 So auch Buchner, in: AR-Blattei Teil D, Tarifvertrag V A Betriebsverfassungs­ normen, 1973, III 1. 38 Rüthers, Tarifmacht und Mitbestimmung in der Presse, 1975, S. 46 f. 3 9 So aber ausdrücklich Ritter, Vom Betriebsverfassungsgesetz 1972 abweichende Regelungen durch Tarifvertrag und Betriebsvereinbarung, Diss. Heidelberg 1974, S. 5 Fn. 3. 40 „ venire contra factum proprium" . 41 Thiele, i n : GK-BetrVG, Einleitung RdNr. 117. 42 BAG vom 12. Oktober 1955, AP Nr. 1 zu § 56 BetrVG 1952 mit Anm. von Küchen­ hoff; BAG vom 24. September 1959, AP Nr. 11 zu § 611 BGB Akkordlohn mit Anm. von Nikisch; BAG vom 8. Oktober 1959, AP Nr. 14 zu § 56 BetrVG 1952 mit Anm. von A. Hueck; BAG vom 23. März 1962 , AP Nr. 1 zu § 56 BetrVG 1952 Akkord mit Anm. von Küchenhoff; LAG Berlin vom 18. März 1964, BB 1965, 163 = DB 1964, 1631 = SAE 1965, 12 mit Anm. von Bötticher; LAG Düsseldorf vom 20. März 19 70, BB 19 70, 666 = JuS 197 0 , 540 (anders noch die Vorinstanz, ArbGer. Düsseldorf vom 25. Novem­ ber 1969, DB 1970, 353); LAG Hamm vom 7. Februar 1964, AuR 1964, 346 = DB 1964, 958 ; ArbGer. Kiel vom 15. Dezember 1967 , DB 1968, 1181; ArbGer. Marburg vom 1. Februar 1954, BB 1954, 837. Ablehnend ArbGer. Mannheim vom 25. Februar 1953, BB 1953, 355 = SAE 1953 Nr. 29. 43 BAG vom 29. Mai 1956, AP Nr. 2 zu § 184 BGB mit Anm. von A. Hueck; BAG vom 9. Mai 1958, AP Nr. 1 zu § 56 BetrVG 1952 Wohlfahrtseinrichtungen mit Anm. von Bettermann; BAG vom 13. Juli 1962, AP Nr. 3 zu § 57 BetrVG 1952 mit Anm. von Küchenhoff; BAG vom 25. März 1971, AP Nr. 5 zu § 57 BetrVG 1952 mit Anm. von Säcker; LAG Hannover vom 14. Dezember 1955, ARSt XVI, Nr. 576 ; LAG Hannover vom 9. November 1959 , ARSt XXIV, Nr. 18 ; ArbGer. Berlin vom 4. Februar 1955, SAE 1956, 68. Ablehnend für die Verlängerbarkeit der Frist des § 61 Abs. 2 Satz 1 BetrVG 1952 BAG vom 5. Februar 1971, AP Nr. 6 zu § 61 BetrVG 1952 mit Anm. von Richardi; ablehnend für personelle (nicht aber soziale) Angelegenheiten ArbGer. Hamburg vom 13. August 1956, ARSt XVII, Nr. 146.

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I. Teil: Diskussionsstand

Gerichte insgesamt bislang - insbesondere seit Geltung des BetrVG 1972 -44 wenig Gelegenheit zu Stellungnahmen. Die Entscheidungen betrafen nur Einzelaspekte und nicht alle Regelungsbereiche des gesetzlichen Betriebs­ verfassungsrechts. Zumeist lassen die Entscheidungsgründe eine Auseinan­ dersetzung mit den vielfältigen konträren Argumenten nicht erkennen. 45 Die Befürworter eines tarifdispositiven Charakters des gesetzlichen Betriebsverfassungsrechts schließen allerdings weder aus der ihrer Ansicht nach fortbestehenden betriebsverfassungsrechtlichen Regelungsbefugnis noch aus dem Fehlen einer den § § 3, 97 BPersVG entsprechenden Bestim­ mung (wonach Abweichungen durch Tarifvertrag unzulässig sind) im BetrVG auf eine schrankenlose Kompetenz der Tarifpartner in diesem Bereich. Vielmehr werden Einzelfragen streng nach dem positiven Recht des gesetzlichen Betriebsverfassungsrechts, getrennt nach einzelnen Regelungs­ bereichen, entschieden. 46 Diese Vorgehensweise erscheint widersprüchlich, soweit einerseits von einer Regelungslücke im gesetzlichen Betriebsverfas­ sungsrecht ausgegangen oder dieses für tarifdispositiv gehalten wird, ande­ rerseits zur Bestimmung des Umfangs der Regelungsbefugnis (stets ohne nähere Begründung! ) doch wieder das Gesetz als Maßstab herangezogen wird. Das gilt besonders für die Argumentation aus § 2 Abs. 3 BetrVG 1972 : Danach müßte jede Vorschrift des Gesetzes tarifdispositiv sein. Anders aus­ gedrückt: Träfe die Argumentation zu, dann enthielte das Gesetz nicht eine einzige zweiseitig zwingende Vorschrift. 47 Naheliegender wäre meines Erachtens daher für die Anhänger einer Dispositivität die Überprüfung der Grenzen betriebsverfassungsrechtlicher Regelungsbefugnis anhand außer­ betriebsverfassungsrechtlicher Regeln. 48 Dafür bieten sich insbesondere die Verfassung, das Gesellschaftsrecht und das Prinzip der Privatautonomie an. 49 Hier wird aus den oben50 dargelegten Gründen zunächst von einer der­ artigen Überprüfung abgesehen. Vielmehr soll im folgenden kurz skizziert werden, ob und welche Grenzen die herrschenden Befürworter einer grund­ sätzlichen Abänderbarkeit aus den einzelnen Regelungsbereichen des 44 BAG vom 5. März 1 974, AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Kurzarbeit mit Anm. von Wiese; BAG vom 2. Juli 1980, AP Nr. 5 zu § 1 0 1 BetrVG 1972 mit Anm. von Misera; LAG Düsseldorf vom 26. Oktober 1981, 10 TaBV 53/81, und vom 8. Juli 1982, 13 TaBV 37/81 (beide Entscheidungen unveröffentlicht) ; LAG Hamm vom 2 1 . Oktober 1 983 (rechtskräftig), DB 1 984, 670; LAG Köln vom 16. August 1984, DB 1985, 48. Eine Betriebsvereinbarung hatte nur die Entscheidung des LAG Berlin vom 10. April 1978, DB 1979, 45, zum Gegenstand. 45 Ähnlich Thiele, in: GK-BetrVG, Einleitung RdNr. 1 1 7 . 4 6 Vgl. z u dieser Vorgehensweise statt vieler Nipperdey, in: Hueck / Nipperdey, Lehrbuch Bd. II/1. Hbd., § 15 V (S. 294 ff.), und Wiedemann / Stumpf, TVG, § 1 RdNr. 250 ff. 47 Rüthers, Tarifmacht und Mitbestimmung in der Presse, 1975, S. 47. 48 So wohl auch Thiele, in: GK-BetrVG, Einleitung RdNr. 1 1 8. 49 Für die beiden letzten auch Thiele, in: GK-BetrVG, Einleitung RdNr. 119 f. 50 § 1 !!.

§ 2 Beurteilung der Zulässigkeit in Rechtsprechung und Literatur

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gesetzlichen Betriebsverfassungsrechts mehrheitlich gewinnen. 5 1 Eine Fest­ stellung kann bereits hier getroffen werden : Die Frage, ob die allgemeinen Regeln für die Beteiligung des Betriebsrats (§§ 74 ff. BetrVG 1 9 7 2 bzw. §§ 49 ff. BetrVG 1 9 5 2 ) einer Abänderung unterliegen bzw. unterlagen, ist, soweit ersichtlich, noch nicht gesondert untersucht worden. Der Grund dafür dürfte sein, daß sich diese Bestimmungen auf alle Regelungsbereiche der Beteiligung der Arbeitnehmerschaft beziehen52 und daher die Frage der Abänderbarkeit der allgemeinen Regeln vori der Frage der Abänderbarkeit der einzelnen Regelungsbereiche abhängig und je nach Regelungsbereich unterschiedlich zu beantworten ist .

II. Der Grundkonsens bei Fragen der Organisation der Betriebsverfassung und hinsichtlich der Einschränkbarkeit von Betriebsratsrechten Nach nahezu einhelliger Ansicht in der Literatur unterliegen die Bestim­ mungen des gesetzlichen Betriebsverfassungsrechts über die Organisation der Betriebsverfassung einer Abänderbarkeit durch Tarifvertrag nur inso­ weit, als das Gesetz eine Abweichung ausdrücklich gestattet. 5 3 Dazu zählen die gesetzlichen Bestimmungen des Arbeitnehmers und der leitenden Ange­ stellten, Wählbarkeit, Wahl, Organisation und Geschäftsführung54 des Betriebsrats . 55 Zu dem tarifresistenten Bereich gehören auch die Bestim­ mungen über die für die Betriebsorgane geltenden Verhaltensvorschriften wie der Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit nach § 2 Abs. 1 BetrVG 1 9 7 2 (vgl. § 49 Abs. 1 BetrVG 1952), das Verbot von Arbeitskämpfen und parteipolitischer Tätigkeit nach § 74 Abs. 2 BetrVG 1 9 7 2 (vgl. § 49 Abs. 5 1 Vgl. für die Zeit kurz nach Inkrafttreten des BetrVG 1952 die Übersicht von Hil­ ger, BB 1953, 353. 52 So für § 80 BetrVG 1972 etwa Fitting / Auffahrt / Kaiser, BetrVG, § 80 RdNr. 1. 53 Beuthien, ZfA 1 984, 1 (18); ders., ZHR 148 (1984), 95 (109); Däubler / Hege, Tarifvertragsrecht, 2. Aufl. 1981, S. 1 7 0 ; Fitting / Auftarth / Kaiser, BetrVG, § 1 RdNr. 45; Gnade / Kehrmann / Schneider / Blanke, BetrVG, § 3 RdNr. 1 ; Hagemeier / Kem­ pen / Zachert / Zilius, TVG, § 1 RdNr. 1 7 3 ; Hess, in: Kammann / Hess / Schlochauer, BetrVG, vor § 1 RdNr. 49; von Hoyningen-Huene, Betriebsverfassungsrecht, 1983, § 2 III (S. 14); Kraft, ZfA 1973, 243 (250); ders., in: GK-BetrVG, § 1 RdNr. 36; Löwisch / Marienhagen, in: Galperin / Löwisch, BetrVG, vor § 1 RdNr. 6 ; Richardi, in: Dietz / Richardi, BetrVG, § 2 RdNr. 132; Sahmer, Betriebsverfassungsgesetz, Stand der 18. Lfg. Mai 1985, § 3 Anm. 1 ; Stege / Weinspach, BetrVG, § 3 RdNr. 1 ; Thiele, in: GK-BetrVG, Einleitung RdNr. 1 1 0 ; Wiedemann / Stumpf, TVG, § 1 RdNr. 252. Einig­ keit bestand auch unter Geltung des BetrVG 1952, vgl. die zahlreichen Nachw. bei Richardi, a.a.O. Zum Teil a.A. aber Däubler, Das Grundrecht auf Mitbestimmung, 4. Aufl. 1976, S. 93 f., 3 8 1 ff. 54 A.A. aber Däubler, Das Grundrecht auf Mitbestimmung, 4. Aufl. 1976, S. 379 ff., und Däubler / Hege, Tarifvertragsrecht, 2. Aufl. 1981, S. 176, die eine sehr weitge­ hende Erweiterung der sächlichen und personellen Voraussetzungen der Geschäfts­ führung des Betriebsrats zulassen wollen. 55 Vgl. Wiedemann / Stumpf, TVG, § 1 RdNr. 2 5 2 ; ferner Erdmann, BetrVG, 2. Aufl. 1954, § 90 Anm. 9 a).

3 Spilger

I. Teil: Diskussionsstand

34

2 BetrVG 1952) sowie das Gleichbehandlungsgebot nach § 7 5 Abs. 1 BetrVG 1972 (§ 5 1 BetrVG 1952). 56 Die Auffassung der Literatur wird auch vom Bundesarbeitsgericht geteilt. So wurden die Bestimmungen über die Bil­ dung des Betriebsrats nach dem BetrVG 1952 57 und über die Betriebsrats­ wahl nach dem BetrVG 1 9 7 2 58 als unabdingbar angesehen. Auch der Gesetz­ geber ist davon ausgegangen, daß die organisatorischen Vorschriften des Gesetzes grundsätzlich zwingend sind. 5 9 Allgemeine Ansicht in der Litera­ tur war und ist auch, daß durch Tarifvertrag die gesetzlichen Befugnisse des Betriebsrats nicht geschmälert oder abgebaut werden dürfen. 60 Auch diese Ansicht ist von der Rechtsprechung bestätigt worden. 61

m.

Der Streitstand hinsichtlich der übrigen Regelungsbereiche 1. Einschaltung des Betriebsrats in Mitwirkungsrechte und Beschwerderecht des Arbeitnehmers

Ob die Beteiligungsrechte des Betriebsrats im Rahmen der betriebsverfas­ sungsrechtlichen Individualrechte des Arbeitnehmers nach § § 81 ff. BetrVG 1972 intensiviert werden können, ist bislang wenig erörtert worden. 62 In 5 6 Däubler / Hege, Tarifvertragsrecht, 2. Aufl. 1981, S. 177 ; Wiedemann / Stumpf, TVG, § 1 RdNr. 252 . Offenbar einschränkend für das Arbeitskampfverbot des Betriebsrats Däubler, Das Grundrecht auf Mitbestimmung, 4. Aufl. 19 76, S. 389 f. 57 BAG vom 1. Dezember 1961, AP Nr. 1 zu § 80 ArbGG 1953 mit Anm. von Neu­ mann-Duesberg. 5 8 BAG vom 16. Februar 1973, AP Nr. 1 zu § 19 BetrVG 1972 mit Anm. von Natzel. 59 Begründung zum Regierungsentwurf des BetrVG 1972, abgedruckt in BT­ Drucks. VI/1786 vom 29. Januar 1971, S. 36. 60 Däubler / Hege, Tarifvertragsrecht, 2. Aufl. 1981, S. 171; Fitting / Auffarth / Kaiser, BetrVG, § 1 RdNr. 45; Frauenkron, Betriebsverfassungsrecht, 1980, RdNr. 115; von Hoyningen-Huene, Betriebsverfassungsrecht, 1983, § 2 III (S. 14) ; Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht Bd. II, 2. Aufl. 1954, § 99 I 3 b) (S. 539); Kraft, in: GK­ BetrVG, vor § 92 RdNr. 13; Richardi, in: Dietz / Richardi, BetrVG, Vorbern. § 87 RdNr. 8, Vorbern. § 90 RdNr. 4, § 111 RdNr. 5; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 5. Aufl. 1983, § 202 V 1 (S. 1186); Wiedemann / Stumpf, TVG, § 1 RdNr. 253; Wiese, in: GK-BetrVG, § 87 RdNm. 4, 24 mit umfangreichen Nachw. , vor § 90 RdNr. 5; grund­ sätzlich auch Löwisch, in : Galperin / Löwisch, BetrVG, § 87 RdNr. 15, vor § 92 RdNr. 3, vor § 106 RdNr. 9. 61 BAG vom 5. März 1974, AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Kurzarbeit (Bl. 3 Rücks. f.) mit Anm. von Wiese; BAG vom 13. Juli 1977, AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 Kurzarbeit (Bl. 3) mit Anm. von Löwisch; letztlich auch BAG vom 8. Februar 1963, AP Nr. 4 zu § 56 BetrVG 1952 Akkord (Bl. 3 Rücks.) mit Anm. von Dietz, wo die tarifvertragliche Einräumung eines einseitigen Bestimmungsrechts in einer nach § 56 BetrVG 1952 beteiligungspflichtigen Angelegenheit zwar für zulässig erachtet wurde, jedoch nur unter der Voraussetzung, daß die Beteiligung des Betriebsrats in einem Nachprü­ fungsverfahren sichergestellt war (ob eine derartige Regelung unter Geltung des BetrVG 1972 zulässig wäre, hat BAG vom 5. März 1974, a.a.O. [Bl. 4 Rücks.] offenge­ lassen); LAG Hamm vom 19. August 1954, BB 1954, 804. In BAG vom 14. Februar 1967 , AP Nr. 9 zu § 56 BetrVG 1952 Wohlfahrtseinrichtungen (Bl. 2) mit Anm. von Galperin, werden Bedenken dagegen erhoben, daß ein Betriebsrat auf ihm zustehende gesetzliche Beteiligungsbefugnisse für die Zukunft verzichtet.

§ 2 Beurteilung der Zulässigkeit in Rechtsprechung und Literatur

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diesem Bereich wird lediglich diskutiert, ob § 86 Satz 1 BetrVG 1972, wonach durch Tarifvertrag Einzelheiten des Beschwerdeverfahrens nach § 85 BetrVG 1972 geregelt werden können, eine Regelung zuläßt, welche der Einigungsstelle nicht nur die Beurteilung der Berechtigung einer Beschwerde, sondern auch die Anordnung bestimmter Abhilfemaßnahmen zuweist. 63 Aus dieser Vorschrift wird auch hergeleitet, daß es möglich sei, durch Tarifvertrag eine betriebliche Beschwerdestelle zu errichten, die pari­ tätisch besetzt ist. 64 Schließlich ist die Frage aufgeworfen worden, ob § 86 Satz 2 BetrVG 1972, wonach ein Tarifvertrag anstelle der Einigungsstelle eine betriebliche Beschwerdestelle treten lassen kann, die Möglichkeit aus­ schließt, anstelle der Einigungsstelle eine tarifliche Schlichtungsstelle (gemäß § 76 Abs. 8 BetrVG 1972) mit der Behandlung der Beschwerde zu betrauen. 6 5 Diese Frage würde sich nicht stellen oder jedenfalls zu bejahen sein, wenn § 86 Satz 2 BetrVG 1972 insoweit dispositiv wäre. 2. Soziale Angelegenheiten

Das Bundesarbeitsgericht hat in vier Entscheidungen66 unter Geltung des BetrVG 1952 eine tarifvertragliche Erweiterung der Beteiligungsrechte des Betriebsrats in sozialen Angelegenheiten zugelassen und dies wie folgt begründet: ,,Durch Tarifvertrag können, wie § 4 Abs. 1 Satz 2 TVG hervorhebt, betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen geregelt werden. Die in § 56 BetrVG [1952, Anm. d. Verf.) vorgesehene gesetzliche Regelung der Mitbestimmung gilt nur, ,soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht'. Dieser Nebensatz hat seine Stellung vor den Worten ,in fol­ genden Angelegenheiten mitzubestimmen'. Mit der Überschrift ,Soziale An­ gelegenheiten' des Zweiten Abschnittes des Vierten Teils des BetrVG, in dem sich § 56 BetrVG selbst findet, ist das allgemeine Gebiet der dortigen Regelungen angegeben. Der Nebensatz ist daher auch auf den ganzen 62 Kraft, in: GK-BetrVG, vor § 81 RdNr. 30, hält die §§ 81 ff. BetrVG 1972 nur ihrem Schutzcharakter entsprechend für zwingend. Das würde einer Verstärkung nicht entgegenstehen. 63 Däubler, Das Grundrecht auf Mitbestimmung, 4. Aufl. 1976, S. 379. 6 4 Dafür: Fitting / Auffarth / Kaiser, BetrVG, § 86 RdNr. 4; Löwisch, in : Galperin / Löwisch, BetrVG, § 86 RdNr. 5. Dagegen: Hess, in: Kammann / Hess / Schlochauer, BetrVG, § 86 RdNr. 7 ; Richardi, in: Dietz / Richardi, BetrVG, § 86 RdNr. 9. 6 5 Dafür: Fitting / Auffarth / Kaiser, BetrVG, § 86 RdNr. 4; Löwisch, in: Galperin / Löwisch, BetrVG, § 86 RdNr. 5. Dagegen: Hess, in: Kammann / Hess / Schlochauer; BetrVG, § 86 RdNr. 7; Richardi, in: Dietz / Richardi, BetrVG, § 86 RdNr. 9. 66 BAG vom 12. Oktober 1955, AP Nr. 1 zu § 56 BetrVG 1952 mit Anm. von Küchen­ hoff; BAG vom 24. September 1959, AP Nr. 11 zu § 611 BGB Akkordlohn mit Anm. von Nikisch; BAG vom 8. Oktober 1959, AP Nr. 14 zu § 56 BetrVG 1952 mit Anm. von A. Hueck; BAG vom 23. März 1962 , AP Nr. 1 zu § 56 BetrVG 1952 Akkord mit Anm. von Küchenhoff. 3•

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I. Teil: Diskussionsstand

Bereich der sozialen Angelegenheiten bezogen. Dann kann aber die hier in Rede stehende Fassung des § 56 BetrVG nur bedeuten, daß insbesondere durch tarifliche Regelungen der Kreis der sozialen Angelegenheiten, bei denen der Betriebsrat mitzubestimmen hat, anders und insbesondere in einer gegenüber dem BetrVG erweiternden Art und Weise bestimmt werden kann. Eine Erweiterung des gleichberechtigten und erzwingbaren Mitbe­ stimmungsrechts in sozialen Angelegenheiten wäre nur dann nicht möglich, wenn der Nebensatz im Eingang des § 56 BetrVG hinter den Worten ,in fol­ genden Angelegenheiten' stünde. In diesem Fall wäre der Umfang der unmittelbar nach dem BetrVG mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten auf die unter § 56 Buchst. a) bis h) angegebenen Tatbestände beschränkt, und es wäre im BetrVG lediglich die Möglichkeit einer Aufweichung der Mitbestimmung vorgesehen. " Ob eine Erweiterung der Beteiligungsrechte des Betriebsrats in sozialen Angelegenheiten auch auf Grund des gegenüber dem BetrVG 1952 älteren § 1 Abs. 1 TVG möglich ist, hat das Gericht aus­ drücklich dahinstehen lassen. 67 Für zulässig gehalten wurde von der Rechtsprechung beispielsweise die Erstreckung des Beteiligungsrechts auf konkrete Einzelmaßnahmen, 6 8 die Herabsetzung des Tariflohns wegen Nichtarbeit oder Minderleistungsfähig­ keit, 69 den Ausfall der Arbeitszeit an bestimmten Tagen (mit entsprechender Entgeltminderung! ) 70 sowie die Einführung von Kurzarbeit und die Vertei­ lung der Wochenarbeitszeit auf die Werktage7 1 • Zum Teil handelt es sich dabei um Fragen, die auch nach dem BetrVG 1972 keiner Beteiligungs­ pflicht unterliegen. 67 BAG vom 24. September 1959, AP Nr. 11 zu § 611 BGB Akkordlohn (Bl. 4 Rücks., Bl. 5) mit Anm. von Nikisch; wortgleich BAG vom 8. Oktober 1959, AP Nr. 14 zu § 56 BetrVG 1952 (Bl. 5 Rücks. ) mit Anm. von A. Hueck (Ansatz dieser Begründung bereits in ArbGer. Marburg vom 1. Februar 1954, BB 1954, 837, und BAG vom 12. Oktober 1955, AP Nr. 1 zu § 56 BetrVG 1952 [Bl. 3] mit Anm. von Küchenhoff) ; dem BAG auch in der Begründung folgend LAG Hamm vom 7. Februar 1964, AuR 1964, 346 = DB 1964, 958. Gegen eine Erweiterung der Beteiligungsrechte in sozialen Angelegenhei­ ten nur ArbGer. Mannheim vom 25. Februar 1953, BB 1953, 355 = SAE 1953 Nr. 29. 68 BAG vom 12. Oktober 1955, AP Nr. 1 zu § 56 BetrVG 1952 (Bl. 2) mit Anm. von Küchenhoff; BAG vom 23. März 1962, AP Nr. 1 zu § 56 BetrVG 1952 Akkord mit Anm. von Küchenhoff (in der Entscheidung ging es um die Beteiligung des Betriebsrats an der Änderung von im einzelnen ausgehandelten Stückakkorden) ; LAG Düsseldorf vom 26. Oktober 1981, 10 TaBV 53/81, und vom 8. Juli 1982, 13 TaBV 37/82 (beide Entscheidungen unveröffentlicht; beide betr. Beteiligungsrecht bei der Anordnung von Überarbeit im Einzelfall ); LAG Hamm vom 21. Oktober 1977, DB 1978, 1452 (betr. Beteiligungsrecht bei der Leistungsbeurteilung im Einzelfall) ; ArbGer. Mar­ burg vom 1. Februar 1954, BB 1954, 837. 69 BAG vom 24. September 1959, AP Nr. 11 zu § 611 BGB Akkordlohn (Bl. 3, Bl. 4 Rücks. f. ) mit Anm. von Nikisch. 70 BAG vom 8. Oktober 1959, AP Nr. 14 zu § 56 BetrVG 1952 (Bl. 5 Rücks. ) mit Anm. von A. Hueck. 71 LAG Hamm vom 7. Februar 1964, AuR 1964, 346 (347 ) = DB 1964, 958. Für eine Erweiterbarkeit der Beteiligungspflicht in Fällen der Anordnung von Überarbeit wohl LAG Köln vom 16. August 1984, DB 1985, 48.

§ 2 Beurteilung der Zulässigkeit in Rechtsprechung und Literatur

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Die vom Bundesarbeitsgericht auf den Eingangssatz des § 56 Abs. 1 BetrVG 1952 gestützte Begründung ist zum Teil abgelehnt worden: Neu­ mann-Duesberg72 und Nikisch73 meinten, daß der Satzstellung der Vor­ schrift kaum die daraus hergeleitete Bedeutung zukommen könne. Som­ mer74 , Galperin 75 und Brecht76 haben eingewandt, daß der Tarifvorbehalt des § 56 Abs. 1 BetrVG 1 9 5 2 (der in § 87 Abs. 1 BetrVG 1 9 7 2 übernommen worden ist) nur materielle überbetriebliche Regelungen hinsichtlich der im nachfolgenden Katalog aufgeführten Angelegenheiten meine, nicht j edoch Regelungen, die jenen Katalog ergänzen oder erweitern. 7 7 Dieser Ansicht nach betrifft der Tarifvorbehalt also lediglich das Verhältnis zwischen Tarifvertrag und betrieblicher Beteiligung, nicht aber jenes zwischen Tarif­ vertrag und BetrVG. In einer späteren Entscheidung hat das Bundesarbeits­ gericht denn auch dahinstehen lassen, ob die „ tarifliche Regelung" , von der § 56 BetrVG 1952 sprach, sich auf das Beteiligungsrecht beziehe, zugleich aber anerkannt, daß es die dort genannten Angelegenheiten seien, deren tarifliche Regelung die notwendige Beteiligung des Betriebsrats ausschlös­ sen. 78 Auch in dieser Entscheidung wird aber gleichwohl bekräftigt, daß eine von § 56 BetrVG 1952 abweichende Regelung möglich sei. 79 Auch nach herrschender Meinung in der Literatur wird sowohl der gesetz­ liche Umfang der Beteiligungstatbestände sowie auch das Beteiligungsrecht des Betriebsrats in sozialen Angelegenheiten selbst für tarifvertraglich kon­ kretisier- und erweiterbar gehalten. Zum Teil wird darauf hingewiesen, daß sich aus § 88 BetrVG 1 9 7 2 (Vorläufer: § 57 BetrVG 1952), wonach freiwillige Betriebsvereinbarungen nicht nur über die dort aufgezählten, sondern auch über weitere Fragen abgeschlossen werden können, ergäbe, daß das Gesetz im sozialen Bereich nicht zwingend sei. 80 Das Bundesarbeitsgericht hat den Neumann-Duesberg, Betriebsverfassungsrecht, S. 502. Nikzsch, Anµi. zu BAG vom 24. September 1959, AP Nr. 11 zu § 611 BGB Akkordlohn (Bl.6 Rücks.); vgl. auch ders., Arbeitsrecht Bd.III, § 111 V 3 (S.356). 74 Sommer, Anm. zu BAG vom 12.Oktober 1955, in: AR-Blattei Teil D, Tarifvertrag 72 73

V A Betriebsverfassungsnormen, 1956, Entscheidungen 1, unter 2. 1s Galperin, B B 1960, 453 (457). 7 s Brecht, BetrVG, § 1 RdNr. 28. 77 Ähnlich auch Dietz, RdA 1962, 390 (391). 78 BAG vom 23.März 1962, AP Nr. 1 zu § 56 BetrVG 1952 Akkord (Bl. 1 Rücks.f.) mit Anm. von Küchenhoff. 79 BAG vom 23. März 1962, AP Nr. 1 zu § 56 BetrVG 1952 Akkord (Bl. 2 Rücks. ff.) mit Anm. von Küchenhoff.

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8 Für eine Erweiterbarkeit in sozialen Angelegenheiten haben sich ausgesprochen: Biedenkopf, Grenzen der Tarifautonomie, 1964, S. 295 ; Bogs, RdA 1956, 1 (4); Brecht, BetrVG, § 1 RdNr. 29; Bührig, in: Bührig (Hrsg.), Handbuch der Betriebsverfassung, 1953, S. 73 (86); Däubler, Das Grundrecht auf Mitbestimmung, 4. Aufl. 1976, S.367 ff.; Däubler / Hege, Tarifvertragsrecht, 2. Aufl. 1981, S. 173 f.; Fitting / Auf­ farth / Kaiser, BetrVG, § 1 RdNr. 47 ; Gnade / Kehrmann / Schneider / Blanke, BetrVG, § 87 RdNr. 7; Hanau, RdA 1973, 2 81 (293); Hensche, AuR 197 1, 33 (38) ; Hess, in: Kammann / Hess / Schlochauer, BetrVG, vor § 1 RdNr. 70 ff.; A. Hueck, BB 1952, 925 (928); Löwisch, in: Galperin / Löwisch, BetrVG, § 87 RdNr. 13; Maus, Tarifver-

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I. Teil: Diskussionsstand

Bereich der sozialen Angelegenheiten definiert als „das gesamte Gebiet der Arbeitsbedingungen im weitesten Sinne" . 81 Diese weite Definition wird allerdings nicht zum Anlaß genommen, eine schrankenlose Befugnis zur Erweiterung der erzwingbaren Beteiligung in sozialen Angelegenheiten anzunehmen. Vorausgesetzt wird vielmehr, daß es sich um Fragen handelt, die wesensmäßig als soziale Angelegenheiten im Sinne der § § 87 ff. BetrVG 1972 anzusehen sind. Gegenstand einer Erweiterung sollen daher nur solche betriebsbezogenen Arbeitsbedingungen sein können, die keinem anderen der vom BetrVG erfaßten Sachgebiete unterfallen, also weder die Beteili­ gung bei der Gestaltung von Arbeitsplatz, Arbeitsablauf und Arbeitsumge­ bung (§§ 90, 91 BetrVG 1972), in personellen (§ § 92 ff. BetrVG 1972) noch wirtschaftlichen Angelegenheiten (§§ 106 ff. BetrVG 1972) betreffen. 8 2 Nach Wiedemann / Stumpf soll insbesondere zu beachten sein, daß die Beteili­ gung in sozialen Angelegenheiten sich nur auf die Auswirkungen unterneh­ merischer Entscheidungen und nicht auf diese selbst bezögen. 83 3. Fragen der Gestaltung von Arbeitsplatz, Arbeitsablauf und Arbeitsumgebung

Eine Erweiterung der Beteiligungsrechte durch Tarifvertrag im Bereich der §§ 90, 9 1 BetrVG 1972 wird allgemein und grundsätzlich für zulässig gehalten. 84 Diskutiert wird in erster Linie, ob das Unterrichts- und Beratragsgesetz, 1956, § 1 RdNr. 1 5 8 ; Säcker, ZfA 1972 Sonderheft, 41 (70); Sophos, Mög­ lichkeiten der Erweiterung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates durch Tarif­ vertrag, Diss. München 1977, S. 26 ff.; Weiss, BetrVG, § 87 RdNr. 1 ; Wiedemann / Stumpf, TVG, § 1 RdNr. 254; Wiegand, Die Gestaltung des Mitbestimmungsrechts nach § 56 BetrVG durch Tarifvertrag und Betriebsvereinbarung, Diss. München 1964, S. 7 1 f. ; Wiese, in: GK-BetrVG, § 87 RdNrn. 6, 6 a. Gegen eine Erweiterbarkeit haben sich ausgesprochen: Buchner, in: AR-Blattei Teil D, Tarifvertrag V A Betriebsverfas­ sungsnormen, 1973, III 2 b) bb) ; ders., Die AG 1 9 7 1 , 135 (138); Erdmann, BetrVG, 2. Aufl. 1954, § 56 Anm. 6, § 57 Anm. 3, § 90 Anm. 9 b) ; Galperin, DB 1966, 620 (622); Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht Bd. II, 2 . Aufl. 1954, § 99 I 3 d) bb) (S. 540 f.); Kraft, ZfA 1973, 243 (251); Nikisch, Arbeitsrecht Bd. III, § 1 1 1 V 3 (S. 355 ff.); ders., RdA 1964, 305 (307 f.) ; Nipperdey / Säcker, in: Hueck / Nipperdey / Säcker, Lehr­ buch Bd. II/2. Hbd., § 70 V (S. 1402); Richardi, Kollektivgewalt und Individualwille bei der Gestaltung des Arbeitsverhältnisses, 1968, S. 254 f. ; ders., in: Dietz / Richardi, BetrVG, Vorbern. § 87 RdNr. 1 0 ; Ritter, Vom Betriebsverfassungsgesetz 1972 abwei­ chende Regelungen durch Tarifvertrag und Betriebsvereinbarung, Diss. Heidelberg 1974, S. 1 1 8 ; Siebert, BB 1958, 42 1 (422); Stege / Weinspach, BetrVG, § 87 RdNr. 6. BI BAG vom 8. Oktober 1959, AP Nr. 14 zu § 56 BetrVG 1952 (BI. 5 Rücks. f.) mit Anm. von A. Hueck. 82 Vgl. Däubler, Das Grundrecht auf Mitbestimmung, 4. Aufl. 1976, S. 3 6 8 ; Sophos, Möglichkeiten der Erweiterung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates durch Tarifvertrag, Diss. München 1977, S. 2 7 ; Wiedemann / Stumpf, TVG, § 1 RdNr. 254; Wiese, in: GK-BetrVG, § 87 RdNr. 7 . s3 Wiedemann / Stumpf, TVG, § 1 RdNr. 254 mit weiteren Nachw. ; ebenso Wiese, in: GK-BetrVG, § 87 RdNr. 7. 84 Däubler, Das Grundrecht auf Mitbestimmung, 4. Aufl. 1976, S. 370 f. ; Däubler / Hege, Tarifvertragsrecht, 2. Aufl. 1981, S. 174 f.; Fitting / Auffarth / Kaiser, BetrVG, § 1 RdNr. 4 7 ; Hofe, Betriebliche Mitbestimmung und Humanisierung der Arbeitswelt,

§ 2 Beurteilung der Zulässigkeit in Rechtsprechung und Literatur

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tungsrecht aus § 90 BetrVG 1972 zu einem echten Mitbestimmungsrecht ausgebaut werden kann, ob eine Konkretisierung oder Änderung der Tatbe­ standsvoraussetzungen des § 9 1 BetrVG 1 9 7 2 möglich und ob dem Betriebs­ rat auch ein Initiativrecht zur Beseitigung nicht menschengerechter Arbeitsbedingungen, die nicht auf einer arbeitstechnischen Änderung beru­ hen, einräumbar ist. 85 Während Däubler86 , Däubler / Hege8 7 und Zachert88 offenbar von einer schrankenlosen Regelungsbefugnis der Tarifvertragspar­ teien auf dem Gebiet der arbeitstechnischen Fragen ausgehen, vertreten Hofe 89 und Wiese90 für diesen Bereich die Ansicht, daß unternehmerische Entscheidungen jedenfalls keiner Mitbestimmung (im technischen Sinne) unterworfen werden dürften. 9 1 Hofe hält eine Regelung, wonach die Wirk­ samkeit von Maßnahmen der Arbeitssystemgestaltung von einer Zustim­ mung des Betriebsrats abhängig gemacht wird, für eine unzulässige Beschränkung der internen Geschäftsführungsbefugnis der Geschäftsfüh­ rung eines Unternehmens. Im übrigen seien aber gegen eine andere Ausge­ staltung der §§ 90, 9 1 BetrVG 1 9 7 2 keine rechtlichen Bedenken zu er­ heben. 9 2 4. Personelle Angelegenheiten

Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts zu Tarifregelungen, welche Beteiligungsrechte des Betriebsrats in personellen Angelegenheiten erwei­ tert hatten, erlauben keine Antwort auf die Frage, ob das Gericht das BetrVG in diesem Regelungsbereich als tarifdispositiv ansieht: 1978, S.155 ff.; Löwisch, in: Galperin / Löwisch, BetrVG, § 91 RdNr. 15a; Richardi, in: Dietz / Richardi, BetrVG, § 90 RdNr. 4; Sophos, Möglichkeiten der Erweiterung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates durch Tarifvertrag, Diss.München 1977, S. 29; Wiese, in: GK-BetrVG, vor § 90 RdNr. 5; Zachert, Tarifvertrag, 1979, S. 157. Ablehnend: Natzel, DB 1972, Beilage Nr. 24, 1 (4), und Ritter, Vom Betriebsverfas­ sungsgesetz 1972 abweichende Regelungen durch Tarifvertrag und Betriebsvereinba­ rung, Diss. Heidelberg 1974, S.119. 85 Däubler, Das Grundrecht auf Mitbestimmung, 4. Aufl.1976, S. 370 f.; Däubler / Hege, Tarifvertragsrecht, 2. Aufl. 1981, S. 174 f.; Fitting / Auffarth / Kaiser, BetrVG, § 1 RdNr. 47; Sophos, Möglichkeiten der Erweiterung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates durch Tarifvertrag, Diss. München 1977, S. 29; Zachert, Tarifvertrag, 1979, s. 157. 86 Däubler, Das Grundrecht auf Mitbestimmung, 4. Aufl.1976, S.370. 87 Däubler / Hege, Tarifvertragsrecht, 2.Aufl.1981, S.174 f. 88 Zachert, Tarifvertrag, 1979, S.157 . 8 9 Hofe, Betriebliche Mitbestimmung und Humanisierung der Arbeitswelt, 1978, S.162 f. 90 Wiese, in: GK-BetrVG, vor § 90 RdNr.5. 91 Ritter, Vom Betriebsverfassungsgesetz 1972 abweichende Regelungen durch Tarifvertrag und Betriebsvereinbarung, Diss.Heidelberg 1974, S. 119, hält ein Mitbe­ stimmungsrecht im Planungsstadium - allerdings ohne nähere Begründung - für ,,indiskutabel". 92 Hofe, Betriebliche Mitbestimmung und Humanisierung der Arbeitswelt, 1978, s.163 f.

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I.Teil: Diskussionsstand

In einer Entscheidung vom 2 3 . November 195 5 ist das Bundesarbeits­ gericht zwar davon ausgegangen, daß eine Tarifbestimmung, wonach die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber an die Zustim­ mung des Betriebsrats gebunden war, zulässig ist. 93 Das Gericht hat aber die Zulässigkeit einer Erweiterung des Beteiligungsrechts nicht im Hinblick auf das BetrVG 1952 erörtert; vielmehr betraf die Entscheidung den öffent­ lichen Dienst vor Erlaß von Personalvertretungsgesetzen. Das BetrVG 1952 war auf den zu beurteilenden Sachverhalt nach § 88 Abs. 1 und 2 BetrVG 1952 also gar nicht anwendbar. In einer Entscheidung vom 2. Juli 1980 lag dem Gericht eine Tarifregelung vor, welche die Einstellung eines Bewerbers an die (freie) Zustimmung des Betriebsrats band. 94 Zur Frage der Wirksamkeit dieser Bestimmung finden sich in den Entscheidungsgründen keine Ausführungen. Das Gericht hat sich lediglich damit beschäftigt, ob ein ohne Zustimmung des Betriebsrats mit dem Bewerber abgeschlossener Arbeitsvertrag zivilrechtlich wirksam ist. Alle übrigen Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts - sämtlich unter Geltung des BetrVG 1952 - betrafen lediglich Betriebsvereinbarungen (wes­ halb in den Entscheidungsgründen eine Auseinandersetzung mit einer etwa bestehenden betriebsverfassungsrechtlichen Regelungsbefugnis der Tarif­ vertragsparteien nicht erforderlich war und auch nicht erfolgte, was den Aussagewert insoweit mindert) : Für unzulässig gehalten wurde in der Entscheidung vom 5 . Februar 197 1 eine Verlängerung der Frist des § 6 1 Abs. 2 Satz 1 BetrVG 1952, wonach der Betriebsrat Bedenken gegen eine personelle Einzelmaßnahme innerhalb einer Woche geltend zu machen hatte, durch Vereinbarung zwischen Arbeit­ geber und Betriebsrat. Einer Fristverlängerung stünde insbesondere das Interesse des betroffenen Arbeitnehmers an baldiger Klärung seiner Situa­ tion entgegen. Sie stünde zudem im Widerspruch dazu, daß es sich bei den Regeln des Betriebsverfassungsrechts im Zweifel um solche zwingender Natur handle, die „im gewissen Sinne verfassungsrechtlichen Charakter" hätten und deshalb mit dem grundsätzlich dispositiven Vertragsrecht nicht ohne weiteres vergleichbar seien. 95 Unter ausdrücklicher Bezugnahme auf diese Begründung hat das Landesarbeitsgericht Berlin in einer Entschei­ dung vom 1 0. April 1978 jede Erweiterung der Mitbestimmung im Bereich der personellen Einzelmaßnahmen des § 99 BetrVG 1972 (durch BetriebsBAG vom 23. November 1955, AP Nr.1 zu § 184 BGB mit Anm.von Larenz. 94 BAG vom 2. Juli 1980, AP Nr.5 zu § 101 BetrVG 1972 mit Anm. von Misera (betr. § 3 Nr. 2 des Manteltarifvertrages für den Norddeutschen Rundfunk vom 9. Oktober 1954). 95 BAG vom 5. Februar 1971, AP Nr. 6 zu § 61 BetrVG 1952 (Bl. 2 Rücks. f.) mit Anm. von Richardi. 93

§ 2 Beurteilung der Zulässigkeit in Rechtsprechung und Literatur

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vereinbarung) für unzulässig gehalten. 96 Neben der Entscheidung des Bun­ desarbeitsgerichts vom 5. Februar 1971 und derjenigen des Landesarbeits­ gerichts Berlin liegt lediglich nur noch eine weitere die Erweiterung von Beteiligungsrechten des Betriebsrates in personellen Angelegenheiten ablehnende Entscheidung des Arbeitsgerichts Hamburg vor. Sie betrifft allerdings auch nur eine (gegenüber dem Tarifvertrag schwächere Rechts­ quelle der) Betriebsvereinbarung, in welcher dem Betriebsrat in personellen Angelegenheiten ein unbeschränktes Mitbestimmungsrecht eingeräumt worden war. 97 Drei weitere Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts (wie erwähnt noch unter Geltung des BetrVG 1952) beschäftigte die Frage, ob eine ordentliche Kündigung98 bzw. eine außerordentliche Kündigung99 durch Betriebsvereinbarung einem - über § 66 BetrVG 1952 hinausgehen­ den - Zustimmungsrecht des Betriebsrats unterworfen werden dürften. Ersteres hat das Gericht für zulässig erachtet. Hinsichtlich einer außeror­ dentlichen Kündigung wurde eine entsprechende Regelung zwar für unzu­ lässig gehalten. Unerörtert blieb aber, ob das BetrVG 1952 einer derartigen Betriebsvereinbarung entgegengestanden hätte. Das Gericht sah nämlich die Bestimmung bereits wegen Verstoßes gegen § 626 B GB als unwirksam an, da für den Streitfall zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat nicht die Ein­ schaltung einer unabhängigen Stelle vereinbart worden sei (Gedanke der unzulässigen Erschwerung des Rechts zur außerordentlichen Kündigung). Die Entscheidungen sind insofern überholt, als § 102 Abs. 6 BetrVG 1972 nunmehr die Vereinbarung eines Zustimmungserfordernisses zu Kündigun­ gen durch Betriebsvereinbarung gestattet. Entsprechendes gilt für zwei Ent­ scheidungen des Landesarbeitsgerichts Hannover aus der Zeit der Geltung des BetrVG 1952, in denen derartige Betriebsvereinbarungen für zulässig gehalten worden sind. 1 00 Von Bedeutung ist demgegenüber eine Entscheidung des Landesarbeits­ gerichts Berlin vom 18. März 1964, welche die Wirksamkeit einer Tarifrege­ lung bejahte, nach welcher die Einstellung oder die Entlassung von Arbeit­ nehmern von einer Zustimmung des Betriebsrats abhängig war. 1 0 1 In der recht ausführlichen Begründung vertritt das Gericht unter anderem die Ansicht, daß die Vertragsfreiheit die Vereinbarung beliebiger Regelungen erlaube. Sie würde durch § 1 TVG auch für die Regelung betriebsverfasLAG Berlin vom 10. April 1978, BB 1979, 45. 97 ArbGer. Hamburg vom 1 3 . August 1956, ARSt XVIII Nr. 146. 98 BAG vom 29. Mai 1956, AP Nr. 2 zu § 1 84 BGB mit Anm. von A. Hueck; BAG vom 1 3 . Juli 1962, AP Nr. 3 zu § 57 BetrVG 1952 mit Anm. von Küchenhoff. 99 BAG vom 1 1 . Juli 1958, AP Nr. 27 zu § 626 BGB mit Anm. von Hilger. 100 LAG Hannover vom 14. Dezember 1955, ARSt XVI Nr. 576; LAG Hannover vom 9. November 1959, ARSt XXIV Nr. 18. 101 LAG Berlin vom 18. März 1964, BB 1965, 163 = DB 1964, 1631 = SAE 1965, 12 mit Anm. von Bötticher (betr. § 10 Abs. 1 Satz 1 Manteltarifvertrag in der Zigaretten­ industrie Hamburg von 3 1 . Januar 1962). 96

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I. Teil: Diskussionsstand

sungsrechtlicher Fragen durch Tarifvertrag garantiert und jene Bestim­ mung sei durch § 2 BetrVG 1952 ausdrücklich bestätigt worden. Die Ver­ tragsfreiheit könne auch nicht durch die Konzeption eines betriebsverfas­ sungsgesetzlichen Strukturzwanges beseitigt werden. Gleiches gelte für das Argument vom Kompromißcharakter des Gesetzes. 1 0 2 Von Bedeutung sind auch eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 20. März 1970 1 0 3 und des Arbeitsgerichts Berlin vom 4. Februar 1955 1 04. In der Ent­ scheidung des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf wurde eine Tarifregelung für zulässig gehalten, nach welcher Einstellungen, Eingruppierungen, Umgruppierungen, Versetzungen und Entlassungen nur im Einvernehmen mit dem Betriebsrat zustande kommen sollten. Das Gericht befand, daß eine Erweiterung der personellen Beteiligungsrechte möglich sei, weil jede Art der Mitbestimmung dem Individualbereich (des Arbeitgebers, betroffener Arbeitnehmer) Grenzen setze. Auch werde der Arbeitgeber nicht hand­ lungsunfähig. Das Einigungsstellenverfahren ließe die Überprüfung einer Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats zu und auch sei der Gerichts­ weg gegen grob ermessensfehlerhafte Einigungsstellenentscheidungen eröffnet. Im übrigen habe der Gesetzgeber ja selbst das Einigungsstellenver­ fahren für einen adäquaten Weg zur Entscheidung von Konflikten erach­ tet. 1 05 In der Entscheidung des Arbeitsgerichts Berlin wurde (allerdings) eine Betriebsvereinbarung für zulässig gehalten, nach der dem Betriebsrat bei Einstellungen, Entlassungen und Versetzungen ein echtes Mitbestim­ mungsrecht eingeräumt worden war. Der Betriebsrat hatte der Einstellung eines Angestellten nicht zugestimmt. Aus den Entscheidungsgründen ist ersichtlich, daß das Arbeitsgericht eine Erweiterung der dem Betriebsrat eingeräumten Beteiligungsrechte in personellen Angelegenheiten für zuläs­ sig hielt. Es sah lediglich in der Betriebsvereinbarung nicht die Vorausset­ zungen gegeben, die den Betriebsrat zu einer Verweigerung der Zustimmung berechtigt hätten. 1 0& Aus neuerer Zeit ist schließlich noch die - rechtskräftige - Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Köln vom 24. November 1983 zu erwähnen. Das Gericht hat eine Tarifregelung für rechtswirksam gehalten, wonach jede Kündigung der vorherigen Zustimmung des Betriebsrats bedurfte, obwohl § 102 Abs. 6 BetrVG 1972 die Einführung eines Zustimmungserfordernisses für Kündigungen nur durch Betriebsvereinbarung ausdrücklich zuläßt. Die Entscheidung für die tarifvertragliche Erweiterbarkeit der Mitbestimmung 102 LAG Berlin vom 18. März 1964, BB 1965, 163 f. = DB 1964, 1 6 3 1 = SAE 1965, 12 (13 f.) mit Anm. von Bötticher. 103 LAG Düsseldorf vom 20. März 1970, BB 1970, 666 = Jus 1970, 540 (anders noch die Vorinstanz, ArbGer. Düsseldorf vom 25. November 1969, DB 1970, 353). 104 ArbGer. Berlin vom 4. Februar 1955, SAE 1956, 68. 1 0 5 LAG Düsseldorf vom 20. März 1970, BB 1970, 666 = JuS 1970, 540. 10s ArbGer. Berlin vom 4. Februar 1955, SAE 1956, 68.

§ 2 Beurteilung der Zulässigkeit in Rechtsprechung und Literatur

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bei Kündigungen wurde auf die betriebsverfassungsrechtliche Regelungsbe­ fugnis der Tarifpartner, den Vorrang des Tarifvertrages hinsichtlich der Regelung des Inhalts der Arbeitsverhältnisse und auf den (nicht näher begründeten) lediglich zugunsten der Arbeitnehmer dispositiven Charakter des BetrVG gestützt. 1 0 1 Der Entscheidungsüberblick zeigt, daß es an einer relevanten höchstrich­ terlichen oder verallgemeinerungsfähigen instanzgerichtlichen Rechtspre­ chung zur Frage der Abänderbarkeit der Beteiligungsrechte in personellen Angelegenheiten durch Tarifvertrag fehlt. In der Literatur gehen die Stel­ lungnahmen diesbezüglich weit auseinander. Dabei lassen sich vier Haupt­ strömungen feststellen: Eine ganze Reihe von Autoren lehnt eine Abänderbarkeit der Beteili­ gungsrechte im Sinne einer Erweiterung prinzipiell ab. 1 0 8 Hauptargumente dieser Autoren gegen eine Erweiterbarkeit sind - soweit nicht schon grund­ sätzlich die Dispositivität des gesetzlichen Betriebsverfassungsrechts, etwa auf Grund seiner Entstehungsgeschichte, geleugnet wird -: die Gefahr der Erkämpfbarkeit einer Erweiterung, der Eingriff in die unternehmerische Entscheidungsfreiheit (Personalpolitik) und vor allem die Einflußnahme auf nicht-organisierte Arbeitnehmer (§ 3 Abs. 2 TVG). 1 09 Eine entsprechend starke Gegenmeinung will eine Erweiterbarkeit zulas­ sen. 11 0 Hauptargument der Vertreter dieser Meinung ist - soweit nicht LAG Köln vom 24. November 1983, DB 1984, 670 f. Bötticher, Anm. zu LAG Berlin vom 18. März 1964, SAE 1965, 14 (15 f.); Erd: mann / Jürging / Kammann, BetrVG, § 99 RdNr. 4 (betr. § 99 BetrVG 1972); Hess, in: Kammann / Hess / Schlochauer, BetrVG, vor § 1 RdNr. 7 5 ; Huber, Wirtschaftsver­ waltungsrecht Bd. II, 2. Aufl. 1954, § 99 I 3 d) cc) (S. 541) ; Kraft, in: GK-BetrVG, vor § 92 RdNr. 21 ff. , § 102 RdNr. 119 ; Krahe, Das Problem der tariflichen Erweiterung des personellen Mitbestimmungsrechts, Diss. Köln 1968, S. 131; Meisel, Die Mitwir­ kung und Mitbestimmung des Betriebsrats in personellen Angelegenhei_ten, 5. Aufl. 1984, RdNr. 7 ff. ; Nipperdey, in: Hueck / Nipperdey, Lehrbuch Bd. II/1. Hbd., § 15 V 3 b) (S. 297) ; Nipperdey / Säcker, in: Hueck / Nipperdey / Säcker, Lehrbuch Bd. II/2. Hbd., § 71 D (S. 1450 ff.) ; Ritter, Vom Betriebsverfassungsgesetz 1972 abweichende Regelungen durch Tarifvertrag und Betriebsvereinbarung, Diss. Heidelberg 1974, S. 119 f., 120 ff. , 136 ; Schlochauer, in: Kammann / Hess / Schlochauer, BetrVG, § 102 RdNr. 188 (betr. Kündigung) ; Siebert, BB 19 58, 421 (423) ; Stege / Weinspach, BetrVG, §§ 99 - 101 RdNr. 10, § 102 RdNr. 18 (betr. § 99 BetrVG 1972 und Kündigung). 1 09 Ausführlich Kraft, in: GK-BetrVG, vor § 92 RdNr. 24 f. 110 Biedenkopf, Grenzen der Tarifautonomie, 1964, S. 289, 295 ; Bührig, in: Bührig (Hrsg.), Handbuch der Betriebsverfassung, 1953, S. 73 (86); Däubler, Das Grundrecht auf Mitbestimmung, 4. Aufl. 1976, S. 371 ff. ; Däubler / Hege, Tarifvertragsrecht, 2 . Aufl. 1981, S. 17 5 f. ; Fabricius, ZgStW 111 (1955), 354 (370 , 372 ) ; Fitting / Auffarth / Kaiser, BetrVG, § 1 RdNr. 47a; Gnade / Kehrmann / Schneider / Blanke, BetrVG, § 99 RdNr. 7 (betr. § 99 BetrVG 1972); A. Hueck, BB 1952, 925 (926); Maus, Tarifver­ tragsgesetz, 1956, § 1 RdNr. 160 ; Schuschke, Erweiterung der Mitwirkung und Mitbe­ stimmung des Betriebsrates bei Kündigungen durch Tarifvertrag oder Betriebsver­ einbarung, Diss. Köln 1966, S. 59 f., 104 f. (betr. Kündigung) ; Sommer, in: AR-Blattei Teil D, Tarifvertrag V A Betriebsverfassungsnormen, 1955, III 2 d) ; Sophos, Möglich­ keiten der Erweiterung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates durch Tarifver107

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I. Teil: Diskussionsstand

bereits prinzipiell eine Erweiterungsfähigkeit der Betriebsratsrechte auf die (behauptete) Dispositivität des gesetzlichen Betriebsverfassungsrechts gestützt wird -: § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG 1 9 7 2 weise darauf hin, daß der Betriebsrat seine Zustimmung zu einer personellen Maßnahme verweigern könne, wenn diese gegen einen Tarifvertrag verstoßen würde. Dann müsse ein Tarifvertrag auch eine personelle Maßnahme von einem gegenüber dem Gesetz erweiterten Beteiligungsrecht des Betriebsrats abhängig machen können. 1 1 1 Eine etwas weniger stark vertretene Meinung bejaht grundsätzlich eine Erweiterbarkeit der Betriebsratsrechte durch Tarifvertrag, macht aber zum Teil Einschränkungen: so dürfe etwa nach Brecht kein Streik um die Erwei­ terung geführt werden. Auch dürften personelle Einzelmaßnahmen im Sinne des § 99 BetrVG 1 9 72 nicht an ein uneingeschränktes Zustimmungs­ erfordernis geknüpft werden. Ein Zustimmungserfordernis bei außeror­ dentlichen Kündigungen verstoße gegen § 626 BGB und sei daher nicht ver­ einbar. 1 1 2 Auch Hueck / Nipperdey / Stahlhacke 1 13 und G. Hueck 1 14 , nach denen lediglich eine außerordentliche Kündigung keinem Zustirnmungser­ fordernis unterworfen werden könne und ansonsten 1 1 5 eine Erweiterbarkeit möglich sein soll, leiten ihre Bedenken aus § 626 BGB und nicht dem gesetz­ lichen Betriebsverfassungsrecht her. Dies ist auch der Standpunkt von Mon­ jau, der allerdings neben der außerordentlichen Kündigung auch den gesetzlichen Begriff des personellen Mitbestimmungsrechts einer tarifver­ traglichen Regelung für entzogen hält. 1 1 6 Neumann-Duesberg stellt etwa darauf ab, ob eine pers_onelle Maßnahme durch Tarifvertrag verboten wer­ den könnte. Soweit dies möglich sei, dürfe sie (etwa eine Kündigung) auch von der Zustimmung des Betriebsrats abhängig gemacht werden. 1 1 7 Wiede­ mann I Stumpf lassen eine Erweiterung der Beteiligungsrechte bei den all­ gemeinen personellen Maßnahmen, der Berufsbildung und allen personellen Einzelmaßnahmen mit Ausnahme der außerordentlichen Kündigung zu, soweit sich die Regelung an dem abgestuften System der Beteiligungsrechte und an dem Sachcharakter der Ablehnungsrechte nach den § § 90 Abs. 2, 102 Abs. 3 BetrVG 1972 orientiere. 1 1 8 Nach Etzel 1 1 9 und M. Wolf 20 darf ein trag, Diss. München 1977, S. 30 ff. ; Spieker, WWI-Mitt. 1963, 241 (242); Zachert, Tarifvertrag, 1979, S. 1 5 7 . 1 1 1 Vgl. z u dieser Argumentation statt aller Fitting / Auffarth / Kaiser, BetrVG, § 1 RdNr. 47a. 112 Brecht, BetrVG, § 1 RdNrn. 30, 3 1 . 1 13 Hueck / Nipperdey I Stahlhacke, TVG, 4. Aufl. 1964, § 1 RdNrn. 7 4 , 76. 1 1 4 G. Hueck, Kündigungsschutzgesetz, 10. Aufl. 1980, Einleitung RdNrn. 147 f., 149. 1 15 G. Hueck, Kündigungsschutzgesetz, 10. Aufl. 1980, Einleitung RdNr. 148, nur hinsichtlich der ordentlichen Kündigung ausdrücklich. 1 16 Monjau, DB 1967, 204 ff. 1 17 Neumann-Duesberg, Betriebsverfassungsrecht, S. 570 ff., 579, 582 ff. 1 18 Wiedemann / Stumpf, TVG, § 1 RdNr. 255.

§ 2 Beurteilung der Zulässigkeit in Rechtsprechung und Literatur

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Zustimmungserfordernis sowohl für ordentliche als auch für außerordentli­ che Kündigungen vereinbart werden. Bei Versagung der Zustimmung müsse allerdings eine Ersetzungsmöglichkeit vorgesehen sein, um den Arbeitgeber nicht ganz dem Betriebsrat auszuliefern und nicht unentrinnbar an ein unzumutbares Arbeitsverhältnis zu binden. Eine vierte und etwas gewichtigere Hauptgruppe schließlich differenziert ebenfalls nach Sachbereichen, geht aber von der grundsätzlichen Unzuläs­ sigkeit einer Erweiterung aus. Löwisch etwa will eine Erweiterung der Beteiligungsrechte nur hinsichtlich der § § 94, 95 und 96 BetrVG 1 9 7 2 zulas­ sen und hält ein Zustimmungserfordernis zu Kündigungen nur unter der Voraussetzung für statthaft, daß der Betriebsrat kein freies Verweigerungs­ recht habe. 1 21 Säcker hält eine Regelung nur für möglich, wenn sie zwar per­ sonelle Folgewirkung habe, der Sache nach aber zu den sozialen Angelegen­ heiten gehöre. 1 2 2 Innerhalb dieser Hauptgruppe wird schließlich von fast1 23 allen Autoren, die ansonsten eine Erweiterbarkeit ablehnen, die Vereinba­ rung eines Zustimmungsrechts zu Kündigungen entweder grundsätzlich 124 oder jedenfalls hinsichtlich eines (abgrenzbaren) schützenswerten Perso­ nenkreises (etwa älterer Arbeitnehmer) 1 2 5 für zulässig gehalten. Diese Aus­ nahme von der sonst ablehnenden Tendenz wird zum Teil damit begründet, daß es sich insoweit tarifrechtlich nicht um Betriebsverfassungs-, sondern um Beendigungsnormen handele (so daß gar keine Kollision mit dem gesetz­ lichen Betriebsverfassungsrecht vorliege). 1 26 Die Übersicht über den Streitstand in der Literatur ergibt, daß eine leicht überwiegende Meinung einer Erweiterbarkeit völlig oder mit einschränken­ der Tendenz gegenübersteht, daß aber mehrheitlich ein Zustimmungserfor­ dernis sowohl für die ordentliche Kündigung und überwiegend auch für die 119 120

Etzel, in: GK-KR, § 102 BetrVG RdNrn. 244, 252 ff. M. Wolf, in: GK-KR, Grunds. 428.

Löwisch, AuR 1978, 97 (98 f.); ders., in: Galperin / Löwisch, BetrVG, vor § 92 RdNrn. 3a ff., 6 f., 9. 122 Vgl. Säcker, ZfA 1972 Sonderheft, 4 1 (47 f.). 12 3 Anders G. Müller, DB 1962, 802 (804 f.), und RdA 1969, 227 (233), der nur eine Ausweitung gewisser Mitwirkungsrechte (sowie die Unterstellung von Beförderungen unter ein Mitbestimmungsrecht) für zulässig hält. 124 Buchner, in: AR-Blattei Teil D, Tarifvertrag V A Betriebsverfassungsnormen, 1973, III 2 b) cc) ; Hanau, RdA 1973, 281 (293); Richardi, Kollektivgewalt und Indivi­ dualwille bei der Gestaltung des Arbeitsverhältnisses, 1968, S. 260, 261 f. ; ders., in: Dietz / Richardi, BetrVG, § 2 RdNr. 139, Vorbern. § 92 RdNr. 8, § 102 RdNr. 289. 125 Löwisch, in: Galperin / Löwisch, BetrVG, vor § 92 RdNr. 9 (anders rioch ders., AuR 1978, 97 [991); Nikisch, RdA 1964, 305 (308, 309); ders., Arbeitsrecht Bd. III, § 1 1 1 V 4 (S. 358, 3 5 9 f.). 126 Buchner, in: AR-Blattei Teil D, Tarifvertrag V A Betriebsverfassungsnormen, 1973, III 2 b) cc) ; Nikisch, RdA 1964, 305 (308, 309) ; ders., Arbeitsrecht Bd. III, § 1 1 1 V 4 (S. 358, 3 5 9 f.); Richardi, Kollektivgewalt und Individualwille bei der Gestaltung des Arbeitsverhältnisses, 1968, S. 262; ders., in: Dietz / Richardi, BetrVG, § 1 RdNr. 48, § 2 RdNr. 139, Vorbern. § 92 RdNr. 8, § 102 RdNr. 289. 121

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I. Teil: Diskussionsstand

außerordentliche Kündigung für vereinbar gehalten wird, wobei zum Teil gewisse Vorbehalte hinsichtlich des Umfangs des Zustimmungsrechts (Per­ sonenkreis) bzw. seiner Stärke (Ersetzungsmöglichkeit) gemacht werden. 5. Wirtschaftliche Angelegenheiten

Zur Frage der Erweiterbarkeit der Beteiligungsrechte des Betriebsrats im Bereich der wirtschaftlichen Angelegenheiten liegt eine Stellungnahme der Rechtsprechung bislang nicht vor. In der Literatur wurde bisher vor allem diskutiert, ob der Katalog dessen, was nach dem Gesetz als Betriebsänderung galt bzw. gilt (§ 72 Abs. 1 BetrVG 1 9 5 2 , § 1 1 1 BetrVG 1 9 7 2), einer Erweiterung fähig ist, ferner, ob eine Betriebsänderung oder ein Interessenausgleich über die unternehme­ risch-wirtschaftliche Entscheidung als solche einem Zustimmungsrecht des Betriebsrats unterworfen werden können. Nach überwiegender Meinung unter Geltung des BetrVG 1 9 5 2 12 7 und herrschender Meinung seit Geltung des BetrVG 19 7 2 12 8 wird eine Abänder­ barkeit der gesetzlichen Beteiligungsrechte im Sinne einer Erweiterung für unzulässig gehalten. Hauptargument für die ablehnende Haltung war und 127 Gegen eine Erweiterbarkeit hatten sich ausgesprochen: Erdmann, BetrVG, 2. Aufl. 1954, § 72 Anm. 3, § 90 Anm. 9 d); Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht Bd. II, 2. Aufl. 1954, § 99 I 3 d) dd) (S. 541 ff.); Neumann-Duesberg, Betriebsverfassungsrecht, S. 599 ; Nikisch, RdA 1964, 3 05 (309); ders., Arbeitsrecht Bd. III, § 111 V 5 (S. 360 f.); Nipper­ dey, in: Hueck / Nipperdey, Lehrbuch Bd. II/1. Hbd., § 15 V 3 c) (S. 297); Nipperdey ! Säcker, in: Hueck / Nipperdey / Säcker, Lehrbuch Bd. II/2 . Hbd., § 72 D II (S. 1484); Richardi, Kollektivgewalt und Individualwille bei der Gestaltung des Arbeitsverhält­ nisses, 1968, S. 262 ff. ; Siebert, RdA 1958, 421 (424) ; Sommer, in: AR-Blattei Teil D, Tarifvertrag V A Betriebsverfassungsnormen, 1955, III 2 e). Für eine Erweiterbarkeit hatten sich ausgesprochen: Biedenkopf, Grenzen der Tarifautonomie, 1964, S. 288, 295; Bührig, in : Bührig (Hrsg.), Handbuch der Betriebsverfassung, 1953 , S. 73 (86 ) ; Fitting / Kraegeloh / Auffarth, BetrVG, 9. Aufl. 1971, § 75 RdNr. 4 ; Freund, Die Mit­ bestimmung des Betriebsrates in wirtschaftlichen Angelegenheiten als Gegenstand tariflicher Abmachungen, Diss. Köln 1966, S. 127 f. ; Hueck / Nipperdey / Stahlhacke, TVG, 4. Aufl. 1964, § 1 RdNr. 74; Maus, Tarifvertragsgesetz, 1956, § 1 RdNr. 160 ; Thiel, Erweiterung der Beteiligungsrechte von Betriebsrat und Wirtschaftsausschuß durch Tarifvertrag, Diss. Münster 1966, S. 71 ff. 128 Gegen eine Erweiterbarkeit sprechen sich aus: Beuthien, ZfA 1984, 1 (21) (diffe­ renzierend allerdings ders., JurA 19 70, 130 (141 f., 147), und ZHR 148 (1984), 95 (109) - dazu sogleich) ; Brecht, BetrVG, § 1 RdNr. 32 ; Buchner, in: AR-Blattei Teil D; Tarif­ vertrag V A Betriebsverfassungsnormen, 19 7 3 , III 2 b) dd) ; Fitting / Auffarth / Kaiser, BetrVG, § 1 RdNr. 47b; Hess, in: Kammann / Hess / Schlochauer, BetrVG, vor § 1 RdNr. 77 ff. ; Löwisch, AuR 19 78, 97 (99) ; ders., in: Galperin / Löwisch, BetrVG, vor § 106 RdNr. 10; Richardi, in: Dietz / Richardi, BetrVG, § 111 RdNr. 5, § 2 RdNr. 139 ; Ritter, Vom Betriebsverfassungsgesetz 19 72 abweichende Regelungen durch Tarifver­ trag und Betriebsvereinbarung, Diss. Heidelberg 19 74, S. 147 ; Wiedemann / Stumpf, TVG, § 1 RdNr. 256. Für eine Erweiterbarkeit sprechen sich aus: Däubler, Das Grund­ recht auf Mitbestimmung, 4. Aufl. 1976, S. 3 7 7 ff. ; Däubler / Hege, Tarifvertrags­ recht, 2. Aufl. 1981, S. 174 ; Sophos, Möglichkeiten der Erweiterung der Mitbestim­ mungsrechte des Betriebsrates durch Tarifvertrag, Diss. München 197 7 , S. 67 ff. ; Zachert, Tarifvertrag, 1979, S. 157 .

§ 2 Beurteilung der Zulässigkeit in Rechtsprechung und Literatur

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ist, daß sich der Gesetzgeber zugunsten einer im Grundsatz unangetasteten Entscheidungsfreiheit des Unternehmers in unternehmerisch-wirtschaftli­ chen Angelegenheiten entschieden habe, was im gesamten gesetzlichen Betriebsverfassungsrecht konsequent durchgeführt sei und auch dem aus­ schließlich arbeitsrechtlichen Charakter des BetrVG Rechnung trage. 129 Zum Teil wird auch formal argumentiert, daß die Bestimmungen über wirt­ schaftliche Angelegenheiten in den Bereich der Unternehmensverfassung gehörten, nach § 1 Abs. 1 TVG aber nur betriebsverfassungsrechtliche Fra­ gen einer Regelung durch Tarifvertrag zugänglich seien. 1 3 0 Die Gegenmeinung beruft sich entweder darauf, daß dem Gesetz kein Ver­ bot einer Erweiterung von Beteiligungsrechten zu entnehmen 131 und daß aus § 2 BetrVG 1952 (jetzt: § 2 Abs. 3 BetrVG 1972) eine Vermutung für die Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien abzuleiten sei 13 2 oder daß die Wettbewerbswirtschaft mit der aus ihr fließenden unternehmerischen Dis­ positionsfreiheit lediglich volkswirtschaftlichen Modellcharakter, nicht jedoch rechtliche Relevanz besitze l33 _ Eine kleine Gruppe von Autoren hat sich zu der Streitfrage differenziert geäußert. Nach A. Hueck, der sich für eine Erweiterbarkeit der Zuständig­ keiten von Wirtschaftsausschuß und Betriebsrat ausgesprochen hat, könne der Beteiligung des Betriebsrates keine Bedeutung im Verhältnis zu Dritten beigelegt werden. So dürfe zum Beispiel nicht die Gültigkeit eines zwischen dem Arbeitgeber und einem Dritten abgeschlossenen Vertrages von der Zustimmung des Betriebsrats abhängig gemacht werden. Betriebsverfas­ sungsrechtliche Normen des Tarifvertrages bezögen sich nur auf das Ver­ hältnis von Arbeitgeber und Arbeitnehmerschaft zueinander. 1 34 Fabricius 135 und Dietz 13 6 , die sich grundsätzlich gegen eine Abänderbarkeit der Betei­ ligungsrechte in wirtschaftlichen Angelegenheiten ausgesprochen hatten, vertraten zu § 75 BetrVG 1952, wonach in wirtschaftlichen Angelegenheiten 129 Vgl. zu dieser Argumentation Beuthien, ZfA 1984, 1 (2 1); Brecht, BetrVG, § 1 RdNr. 3 2 ; Buchner, in: AR-Blattei Teil D, Tarifvertrag V A Betriebsverfassungsnor­ men, 1 9 7 3 , III 2 b) dd) ; Löwisch, in : Galperin / Löwisch, BetrVG, vor § 1 0 6 RdNr. 1 0 ; Nikisch, Arbeitsrecht B d . III, § 1 1 1 V 5 ( S . 360 f.) ; Richardi, Kollektivgewalt und Indi­ vidualwille bei der Gestaltung des Arbeitsverhältnisses, 1968, S. 263 ff. ; Wiedemann I Stumpf, TVG, § 1 RdNr. 256. 1 3 0 Vgl. Fabricius, ZgStW 111 (1955), 354 (37 1) ; Sommer, in: AR-Blattei Teil D, Tarifvertrag V A Betriebsverfassungsnormen, 1955, III 2 e). 131 Fitting / Kraegeloh I Auffarth, BetrVG, 9 . Aufl. 1 9 7 1 , § 7 5 RdNr. 4 ; Hueck I Nipperdey / Stahlhacke, TVG, 4. Aufl. 1 9 64, § 1 RdNr. 74. 1 3 2 Biedenkopf, Grenzen der Tarifautonomie, 1964, S. 295. 13 3 Vgl. Däubler, Das Grundrecht auf Mitbestimmung, 4. Aufl. 1976, S. 378. 134 A. Hueck, BB 1 9 5 2 , 925 (928), und im Anschluß daran Spieker, WWI-Mitt. 1963, 241 (242), der - ebenso wie Beuthien, JurA 1970, 1 3 0 (145 f. mit Fn. 49) - diese Grenz­ ziehung als allgemein anerkannt bezeichnet. 135 Fabricius, ZgStW 1 1 1 (1955), 354 (37 1 , 372). 1 3 6 Dietz, BetrVG, 4. Aufl. 1 9 6 7 , § 49 RdNr. 39, § 72 RdNr. 7 , § 7 5 RdNm. 2, 7 .

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I. Teil: Diskussionsstand

durch Betriebsvereinbarung ein vom Gesetz abweichendes Verfahren zur Beilegung von Meinungsverschiedenheiten vereinbart werden konnte, die Ansicht, daß insoweit auch eine Regelung durch Tarifvertrag zulässig sei. Beuthien13 7 und Rumpff 3 8 schließlich erachten freiwillige Firmentarifver­ träge über die Erweiterung der Beteiligung in wirtschaftlichen Angelegen­ heiten für statthaft, wobei ersterer aus gesellschaftsrechtlichen Gründen nur verstärkte Mitwirkungsrechte für vereinbar hält und die Art, Zusam­ mensetzung und Anzahl der für wirtschaftliche Angelegenheiten zuständi­ gen Mitbestimmungsorgane als tarifresistent ansieht.

§ 3 Die Frage nach dem personellen Umfang des tarifvertraglichen Betriebsverfassungsrechts in Rechtsprechung und Literatur Äußerst kontrovers wird nicht nur die Frage diskutiert, ob und inwieweit das gesetzliche Betriebsverfassungsrecht einer Abänderbarkeit durch Tarif­ vertrag zugänglich ist, sondern auch, wer einer betriebsverfassungsrecht­ lichen Regelung durch Tarifvertrag unterworfen werden kann (ist). Grund­ voraussetzung für die Geltung von Tarifverträgen ist nach § 3 Abs. 1 TVG die beiderseitige Tarifgebundenheit von Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Dieses Prinzip erleidet aber - abgesehen von den Fällen einzelvertraglicher Bezugnahme auf einen Tarifvertrag - zwei Durchbrechungen. Durch die Möglichkeit, Tarifverträge für allgemeinverbindlich zu erklären, können die Rechtsnormen des für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrages in seinem Geltungsbereich auch die bisher nicht tarifgebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer erfassen (§ 5 Abs. 4 TVG). Nach § 3 Abs. 2 TVG gelten Rechtsnormen eines Tarifvertrages über betriebliche und betriebsverfas­ sungsrechtliche Fragen für alle Betriebe, deren Arbeitgeber tarifgebunden ist. Nach dem Gesetzeswortlaut wird also die Rechtswirkung von Betriebs­ und Betriebsverfassungsnormen nach § 4 Abs. 1 Satz 2, Satz 1 TVG auch auf nicht- oder anders-organisierte Arbeitnehmer (Außenseiter) ausgedehnt. Die Verfassungsmäßigkeit der hier interessierenden Regelung des § 3 Abs. 2 TVG ist lebhaft umstritten. Die erhobenen Hauptbedenken lassen sich wie folgt zusammenfassen: § 3 Abs. 2 TVG eröffne den Tarifvertragsparteien in mit Art. 9 Abs. 3 GG unvereinbarer Weise Rechtssetzungsbefugnis gegenüber Außenseitern. Eine 137 Beuthien, JurA 1970, 1 3 0 ( 1 4 1 f., 147), und ZHR 148 ( 1 9 84), 95 (109) (ablehnend hinsichtlich der Tarifdispositivität allerdings ders., ZfA 1984, 1 (21)). 138 Rumpf!, Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten, 2 . Aufl. 1 9 7 8 , S. 3 5 5 .

§ 3 Personeller Umfang: Rechtsprechung und Literatur

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Außenseitergeltung verletze das durch diese Verfassungsnorm gewährlei­ stete Recht der nicht-organisierten Arbeitnehmer, einer Koalition über­ haupt fernzubleiben (negative individuelle Koalitionsfreiheit),1 und ver­ stoße gegen das durch nämliche Bestimmung garantierte Recht der anders­ organisierten Arbeitnehmer auf Mitgliedschaft in einer anderen Koalition (negative wie positive individuelle Koalitionsfreiheit) 2 sowie das Recht auf Bestand jener anderen Koalition selbst (kollektive Koalitionsfreiheit) 3 . Ver­ einzelt wird auch die Befürchtung laut, daß eine Ausdehnung der Tarifbin­ dung auf Außenseiter im Extremfall einen Mitgliederschwund bei den Betriebs- und Betriebsverfassungsnormen vereinbarenden Gewerkschaften auslösen könnte, weil die Mitgliedschaft nicht mehr Voraussetzung dafür ist, in den Genuß jener Regelungen zu kommen. Dies könne zu einer Schwä­ chung der betroffenen Gewerkschaften führen, was aber einen Eingriff in deren durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistetes Recht auf Bestand (kollektive Koalitionsfreiheit) darstelle. 4 , 5 Gegen die Regelung des § 3 Abs. 2 TVG werden auch andere verfassungs­ rechtliche Bedenken erhoben. Insbesondere wird geltend gemacht, daß es den Tarifvertragsparteien für die Setzung von Rechtsnormen gegenüber Außenseitern an der erforderlichen Legitimation durch jene fehle (Verstoß gegen das Demokratieprinzip) und auch der Gesetzgeber unter Beachtung des Grundsatzes der Gewaltenteilung - jenseits der Art. 28 Abs. 2, 80 Abs. 1 GG - Rechtssetzungsgewalt nur delegieren könne, wenn sich die abgeleitete Rechtssetzung auf den Willen der Betroffenen (Verbandsbeitritt) zurück­ führen lasse. 6 Auch wird eingewandt, daß abgeleitete Rechtssetzung gegen1 Buchner, Tarifvertragsgesetz und Koalitionsfreiheit, Diss. München 1964, S.67 ff., insbes.S.68; sinngemäß ders., RdA 1966, 208 (209) ; ders., in: AR-Blattei Teil D, Tarifvertrag V A Betriebsverfassungsnormen, 1973, II 2, 4; Richardi, Kollektivge­ walt und Individualwille bei der Gestaltung des Arbeitsverhältnisses, 1968, S.214 f.; ders., in: Dietz / Richardi, BetrVG, § 2 RdNr. 127; Scholz, in: Maunz / Dürig, Grund­ gesetz, 6.Aufl.1985 (Stand der 24.Lfg.Januar 1985), Art.9 RdNr.236; Wagenitz, Die personellen Grenzen der Tarifmacht, 1972, S. 41 ff., 48 f., 57; Zöllner, RdA 1962, 453 (458), und ihm zustimmend Lieb, Arbeitsrecht, 3.Aufl.1984, § 6 III 2 (S.126) ; Zöllner, Die Rechtsnatur der Tarifnormen nach deutschem Recht, 1966, S. 22 f. 2 Buchner, Tarifvertragsgesetz und Koalitionsfreiheit, Diss. München 1964, S. 67 ff., 68; sinngemäß ders., RdA 1966, 208 (209); ders., in: AR-Blattei Teil D, Tarif­ vertrag V A Betriebsverfassungsnormen, 1973, II 2, 4; Richardi, Kollektivgewalt und Individualwille bei der Gestaltung des Arbeitsverhältnisses, 1968, S. 215. 3 Buchner, Tarifvertragsgesetz und Koalitionsfreiheit, Diss. München 1964, S. 67 ff., 68; ders., in: AR-Blattei Teil D, Tarifvertrag V A Betriebsverfassungsnor­ men, 1973, II 2, 4; Richardi, Kollektivgewalt und Individualwille bei der Gestaltung des Arbeitsverhältnisses, 1968, S.215. 4 Hagemeier / Kempen / Zachert / Zilius, TVG, § 3 RdNr. 17. Vgl. auch Däubler, Das Grundrecht auf Mitbestimmung, 4.Aufl.1976, S.291 f. 5 Vgl. zu den sich aus Art. 9 Abs. 3 GG ergebenden Freiheitsrechten im einzelnen Scholz, in: Maunz / Dürig, Grundgesetz, 6. Aufl. 1 985 (Stand der 24. Lfg. Januar 1985), Art. 9 Rd;Nrn.169 f., 221 ff., 239 ff., jeweils mit umfangreichen Nachw. 6 So oder ähnlich Buchner, RdA 1966, 208 (209); ders., in: AR-Blattei Teil D, Tarif­ vertrag V A Betriebsverfassungsnormen, 1973, II 3, 4; Kraft, ZfA 1973, 243 (249); Lieb, 4 Spilger

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I.Teil : Diskussionsstand

über Außenseitern jedenfalls staatlicher Rechtsaufsicht bedürfe, was in den Fällen des § 3 Abs. 2 TVG aber nicht vorgesehen ist. 7 Allerdings haben sich auch eine Außenseitergeltung betriebsverfassungs­ rechtlicher Regelungen prinzipiell ablehnende Autoren für eine begrenzte Gültigkeit des § 3 Abs. 2 TVG ausgesprochen. So wird vertreten, daß eine betriebsverfassungsrechtliche Normsetzungsbefugnis mit Außenseitergel­ tung nach § 3 Abs. 2 TVG jedenfalls insoweit möglich sei, als das BetrVG entsprechende Fragen tarifvertraglicher Regelung offenhält (Buchner, Kraft) 8 • Im Prinzip ist dies auch die Ansicht von Wagenitz, der allerdings zusätzlich noch prüft, ob die Unterstellung von Außenseitern unter die tarif­ vertragliche Normsetzungsmacht der Koalitionen in concreto zur Errei­ chung des verfassungsrechtlich gewollten Normzwecks, der kollektiven Ordnung des Arbeitslebens, notwendig, d. h. geeignet und erforderlich ist, und die betroffenen Außenseiter nicht unverhältnismäßig beschwert. 9 Von Lieb wird § 3 Abs. 2 TVG insoweit für gültig gehalten, als bei unmittel­ bar betriebsbezogenen, wesensgemäß auf den gegenständlich-räumlich bestimmten Betriebsbereich beschränkten Einrichtungen, deren Leistungen im Betriebsbereich in Anspruch genommen zu werden pflegen, eine unter­ schiedliche Behandlung von Außenseitern eine Diskriminierung darstellen würde, die mit Recht und Billigkeit nicht zu vereinbaren ist. 10 Richardi 1 1 und Zöllner12 halten eine Außenseitergeltung betriebsverfassungsrecht­ licher Normen insoweit für möglich, als es sich dabei nicht um belastende Regelungen handelt.1 3 Die Rechtsnatur der Allgemeinverbindlicherklärung von Ta;rifverträgen als Problem des Geltungsbereichs autonomer Normsetzung, Diss. München 1960, S.69 ff., 74 f. mit Fn.23 ; wohl auch ders., RdA 1967, 441 (447) ; Richardi, Kollektivgewalt und Indi­ vidualwille bei der Gestaltung des Arbeitsverhältnisses, 1968, S.2 14 ; ders., in: Dietz/ Richardi, BetrVG, § 2 RdNr. 127 ; ders., NZA 1984, 387 (388) ; Wagenitz, Die personel­ len Grenzen der Tarifmacht, 1972, S.32 ff., 57 ; Zöllner, RdA 1962, 453 (456 ff.), und ihm folgend Lieb, Arbeitsrecht, 3.Aufl. 1984, § 6 III 2 (S. 126) ; Zöllner, RdA 1964, 443 (446 f.) ; ders., Die Rechtsnatur der Tarifnormen nach deutschem Recht, 1966, S. 2 1 ff. 7 Buchner, Tarifvertrag und Koalitionsfreiheit, Diss. München 1964, S.68 ; wohl auch ders., in : AR-Blattei Teil D, Tarifvertrag V A Betriebsverfassungsnormen, 1973, II 3, 4; Richardi, Kollektivgewalt und Individualwille bei der Gestaltung des Arbeits­ verhältnisses, 1968, S.214; Wagenitz, Die personellen Grenzen der Tarifmacht, 1972, S.38 ff., 57 ; Zöllner, RdA 1962, 453 (456 f.), und ihm folgend Lieb, Arbeitsrecht, 3.Aufl. 1984, § 6 III 2 (S. 126) ; Zöllner, RdA 1964, 443 (446). 8 Buchner, Tarifvertragsgesetz und kollektive Koalitionsfreiheit, Diss. München 1964, S.80 ff.; ders., in: AR-Blattei Teil D, Tarifvertrag V A Betriebsverfassungsnor­ men, 1973, II 4; Kraft, ZfA 1973, 243 (249 ff.). 9 Wagenitz, Die personellen Grenzen der Tarifmacht, 1972, S.48 f., 67 ff. 10 Lieb, RdA 1967, 441 (447, 448) ; vgl. auch für Normen über betriebliche Fragen ders., Arbeitsrecht, 3.Aufl. 1984, § 6 III 2 (S. 125 f.).Vorbehaltlos für die Ungültigkeit ders. früher, Die Rechtsnatur der Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen als Problem des Geltungsbereichs autonomer Normsetzung, Diss. München 1960, S. 75 mit Fn.23. 1 1 Richardi, Kollektivgewalt und Individualwille bei der Gestaltung des Arbeits­ verhältnisses, 1968, S.237. 12 Zöllner, RdA 1962, 453 (458, 459) ; ders., RdA 1964, 443 (447).

§ 3 Personeller Umfang: Rechtsprechung und Literatur

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Die herrschende Meinung in der Literatur bejaht die Verfassungsmäßig­ keit des § 3 Abs. 2 TVG. 1 4 Die Begründungen gehen allerdings auseinander. Biedenkopf1 5 und im Anschluß daran Nipperdey 16 und Säcker17 leiten die Regelungsmacht über Außenseiter aus einer besonderen betriebsverfas­ sungsrechtlichen Zuständigkeit ab. Die Bindung der Außenseiter bestehe kraft Betriebszugehörigkeit. Betriebs- und Betriebsverfassungsnormen seien formelle Arbeitsbedingungen, die zwar den Außenseiter belasten kön­ nen, derer es aber bedürfe, weil die Arbeitnehmer in den Betrieb eingeglie­ dert seien und als Glied des Betriebes den einheitlichen Betriebserfordernis­ sen Rechnung tragen müßten. Im Bereich jener Normtypen sei eine Differen­ zierung zwischen Mitgliedern der Koalitionen und Außenseitern praktisch undurchführbar und im übrigen auch sachlich ungerechtfertigt. Auf die Pflicht zur Gleichbehandlung stellt auch Wiedemann 18 ab. Es sei nicht § 3 Abs. 2 TVG, der gegen die Verfassung verstoße, sondern § 3 Abs. 1 TVG, der mit unserem heutigen Gerechtigkeitsempfinden nicht mehr harmonisiere. Das Leistungs- wie das arbeitsrechtliche Schutzprinzip trügen und vertrü­ gen eine unterschiedliche Behandlung je nach dem Organisationsgrad nicht.

13 Für Normen über betriebliche Fragen auch Lieb, Arbeitsrecht, 3. Aufl. 1 9 84, § 6 III 2 (S. 126). 1 4 Adomeit, Rechtsquellenfragen im Arbeitsrecht, 1969, S. 157; ders., in: Hanau / Adomeit, Arbeitsrecht, 7. Aufl. 1983, C II 2 e (S. 59); Bettermann, in: Festschrift für Hans Carl Nipperdey Bd. II, 1965, S. 723 (734 f.) ; Beuthien, JurA 1970, 1 3 0 (143 f.); Biedenkopf, Grenzen der Tarifautonomie, 1964, S. 310 f. ; ders., in: Verhandlungen des 46. DJT Bd. !/Teil 1, 1966, S. 97 ( 1 1 4, 1 5 3 ff.) ; Bogs, in: Festschrift für Julius von Gierke, 1950, S. 39 (59 ff.); ders., RdA 1956, 1 (4) ; Bunge, Tarifinhalt und Arbeits­ kampf, 1980, S. 24 ff. , 37 f., 5 3 ; Däubler, Das Grundrecht auf Mitbestimmung, 4. Aufl. 1976, S. 280 ff. ; Gamillscheg, Die Differenzierung nach der Gewerkschaftszugehörig­ keit, 1966, S. 9 7 ; Hagemeier / Kempen / Zachert / Zilius, TVG, § 3 RdNr. 15 ff. ; Her­ schel, in: Festschrift für Walter Bogs, 1959, S. 125 (133); ders., RdA 1959, 3 6 1 (365); Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht Bd. II, 2. Aufl. 1954, § 94 III 1 c) (S. 437); Hueck I Nipperdey I Stahlhacke, TVG, 4. Aufl. 1964, § 1 RdNr. 69, § 3 RdNr. 3, § 4 RdNr. 89; Maus, Tarifvertragsgesetz, 1956, § 1 RdNrn. 150, 164; Nikisch, Arbeitsrecht Bd. II, § 71 I 2 (S. 262), § 71 IV 2 (S. 2 69), § 73 IV 1 (S. 300), § 80 II (S. 405); Nipperdey, in: Hueck / Nipperdey, Lehrbuch Bd. II/ 1 . Hbd., § 23 II (S. 482/483 Fn. 2 0 a), § 27 VII 2 (S. 549 f.); Nipperdey I Heussner, in: Jubiläumsschrift zum hundertjährigen Bestehen der deutschen Verwaltungsgerichtsbarkeit Bd. I, 1963, S. 2 1 1 (223 ff.); Peters / Ossen­ bühl, Die Übertragung von öffentlich-rechtlichen Befugnissen auf die Sozialpartner unter besonderer Berücksichtigung des Arbeitsschutzes, 1967, S. 1 1 8 ; Reichel, Tarif­ vertragsgesetz, 6. Aufl. 1984 (Stand der 4. Lfg. Februar 1 9 84), § 3 Anm. 2 0 ; Reuß, DB 1964, 1410 (1412); Säcker, Gruppenautonomie und Übermachtkontrolle im Arbeits­ recht, 1972, S. 3 3 1 ; ders., in: AR-Blattei Teil D, Tarifvertrag III Tarifgebundenheit, 1972, D VI; H. Schneider, in: Festschrift für Philipp Möhring, 1965, S. 5 2 1 (535); Söll­ ner, Arbeitsrecht, 8. Aufl. 1984, § 16 IV 1 (S. 140 f.) ; Wiedemann, RdA 1969, 3 2 1 (323); Wiedemann I Stumpf, TVG, § 3 RdNr. 67. 15 Biedenkopf, Grenzen der Tarifautonomie, 1964, S. 3 1 0 f. ; ders., in: Verhandlun­ gen des 46. DJT Bd. !/Teil 1, 1966, S. 97 ( 1 1 4, 153 ff.). 1 6 Nipperdey, in: Hueck / Nipperdey, Lehrbuch Bd. II/ 1 . Hbd., § 23 II (S. 482/483 Fn. 20 a). 17 Säcker, in: AR-Blattei Teil D, Tarifvertrag III Tarifgebundenheit, 1972, D VI. 1 8 Wiedemann, RdA 1969, 3 2 1 (323). 4'

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I. Teil: Diskussionsstand

Auch Reuß 1 9 und Däubler20 heben den Gerechtigkeitsgedanken hervor. Beuthien21 hält eine Befugnis auf Gewerkschaftsseite aus deren Vertre­ tungsanspruch für erklärbar. Die Mehrzahl der Autoren hält die Außen­ seiterwirkung betrieblicher und betriebsverfassungsrechtlicher Normen jedenfalls deshalb für verfassungsrechtlich unbedenklich, weil sie geeignet und erforderlich sei, eine sinnvolle Ordnung der Arbeits- und Wirtschafts­ bedingungen herzustellen (Wiedemann / Stumpf) 22 bzw. derartige Regelun­ gen sinnvollerweise nur für alle Belegschaftsmitglieder getroffen werden könnten (Däubler, Maus, Nikisch, Nipperdey, Reuß, Reichel, Säcker)23 , und gelangt damit zur Bejahung der Verfassungsmäßigkeit des § 3 Abs. 2 TVG. Ob die Rechtsprechung die dargestellte herrschende Lehre bestätigen würde, läßt sich nicht zuverlässig prognostizieren. So hat der Große Senat des Bundesarbeitsgerichts in seinem Beschluß vom 29. November 1967 zu den tarifvertraglichen Differenzierungsklauseln die Frage, ob § 3 Abs. 2 TVG den Tarifvertragsparteien für betriebliche und betriebsverfassungs­ rechtliche Normen eine Rechtssetzungsbefugnis gegenüber Außenseitern eröffnet, ausdrücklich offengelassen. 24 Das Bundesverfassungsgericht hat sich zur Verfassungsmäßigkeit jener Vorschrift bislang noch nicht geäußert. In zwei Entscheidungen, in denen es allerdings weder um Betriebs- noch um Betriebsverfassungsnormen ging, hat es eine Rechtssetzung der Tarifver­ tragsparteien gegenüber Außenseitern nur grundsätzlich für unzulässig gehalten. 25 Soweit der Inhalt der tarifvertraglichen Regelungen, auf die staatliche Rechtsnormen verweisen, im wesentlichen feststehe26 bzw. eine besondere Rechtfertigung vorhanden sei2 7 , könne aber nach Ansicht des Gerichts von einem unzulässigen Verzicht des Gesetzgebers auf seine Rechtssetzungsbefugnis zugunsten der Tarifvertragsparteien nicht die Rede 1 9 Reuß, DB 1964, 1410 (1412). Däubler, Das Grundrecht auf Mitbestimmung, 4. Aufl. 1976, S. 298 f. 2 1 Beuthien, JurA 1970, 130 (143 f.). 22 Wiedemann / Stumpf, TVG, § 3 RdNr. 67 (letztlich auch Däubler, Das Grund­ recht auf Mitbestimmung , 4. Aufl. 1976, S. 282 ff.). Mit diesem Begriff umschreibt das BVerfG allgemein die Funktionsgarantie des Art. 9 Abs. 3 GG; vgl. die Nachw. bei Scholz, in: Maunz / Dürig, Grundgesetz, 6. Aufl. 1985 (Stand der 24. Lfg. Januar 1985), Art. 9 RdNr. 260. 23 Däubler, Das Grundrecht auf Mitbestimmung, 4. Aufl. 1976, S. 298 f. ; Maus, Tarifvertragsgesetz, 1956, § 1 RdNr. 164; Nikisch, Arbeitsrecht Bd. II, § 7 1 I 2 (S. 262); Nipperdey, in: Hueck / Nipperdey , Lehrbuch Bd. II/1. Hbd., § 23 II (S. 482/483 Fn. 2 0 a) ; Reuß, DB 1964, 1410 (1412); Reichel, Tarifvertragsgesetz, 6. Aufl. 1984 (Stand der 4. Lfg. Februar 1984), § 3 Anm. 2 0 ; Säcker, in: AR-Blattei Teil D, Tarifvertrag III Tarifgebundenheit, 1972, D VI. 24 BAG GS vom 29. November 1967, AP Nr. 13 zu Art. 9 GG (Bl. 5 Rücks. f., Bl. 1 0 Rücks.). 2 5 BVerfG vom 24. Mai 1977, AP Nr. 15 zu § 5 TVG (Bl. 7 Rücks. f.) ; BVerfG vom 14. Juni 1983 , BVerfGE 64, 208 (2 14 f.). 26 Vgl. BVerfG vom 14. Juni 1983, BVerfGE 64, 208 (2 15 ); vgl. BVerfG vom 15. Juli 1969, BVerfGE 2 6 , 338 (366 f.). 21 BVerfG vom 24. Mai 1 9 7 7 , AP Nr. 1 5 zu § 5 TVG (Bl. 8). 20

§ 4 Forderungen der Gewerkschaften

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sein. Dementsprechend hat es selbst gegen das Rechtsinstitut der Allge­ meinverbindlicherklärung nach § 5 TVG, welches eine Tarifbindung von Außenseitern sogar über Betriebs- und Betriebsverfassungsnormen hinaus ermöglicht (vgl. § 5 Abs. 4 TVG), auch keine verfassungsrechtlichen Beden­ ken erhoben. 28 Auch die Heimarbeitsausschüsse nach § 19 des HAG hat es für befugt angesehen, Entgelte und sonstige Vertragsbedingungen mit nor­ mativer Wirkung für nicht-organisierte Heimarbeiter und Heimgewerbe­ treibende festzusetzen. 29 Im Lichte dieser Rechtsprechung, nach der die tarifliche Normsetzung gegenüber Außenseitern eine nur bei Vorliegen besonderer Sachgründe zulässige Ausnahme darstellt, also nicht generell ausgeschlossen ist, 30 läßt sich allenfalls vage vermuten, daß die Regelung des § 3 Abs. 2 TVG einer verfassungsrechtlichen Überprüfung standhalten würde. Immerhin umreißt die Vorschrift genau, welchen Tarifnormen erweiterte Rechtswirkung zukommen soll. Auch ließe sich die Verfolgung eines die Außenseiterwirkung rechtfertigenden Zwecks wohl begründen. Erinnert sei allein an das Hauptargument der herrschenden Lehre, wonach die Regelung des § 3 Abs. 2 TVG dem Umstand Rechnung trage, daß die Regelung betrieblicher und betriebsverfassungsrechtlicher Fragen sinn­ vollerweise nur betriebseinheitlich erfolgen könne.

§ 4 Die Forderungen der Gewerkschaften Das gesetzliche Betriebsverfassungsrecht hat die Vorstellungen vieler Gewerkschaften in der Bundesrepublik Deutschland nicht erfüllt. 1 Das zeigte sich besonders deutlich im Mai 1 9 52 , als die Gewerkschaften unter Führung des DGB ihre Mitglieder zum Kampf aufriefen, um vor den abschließenden Beratungen im Bundestag über das BetrVG 1 9 5 2 Änderun­ gen der Gesetzesvorlage im Sinne der (weitergehenden) gewerkschaftlichen Forderungen zu erzwingen. Neben Protestkundgebungen und anderen klei­ neren Streiks führte dieser Aufruf des DGB-Vorstandes vom 1 2 . Mai 1952 in der Zeit vom 2 7 . bis 2 9 . Mai jenes Jahres zu einer kurzen, das gesamte Bundesgebiet erfassenden Arbeitsniederlegung im Zeitungsgewerbe. 2 Die 28 BVerfG vom 24. Mai 1977, AP Nr. 15 zu § 5 TVG (Bl.5 ff.). 2 9 BVerfG vom 27. Februar 1973, AP Nr. 7 zu § 19 HAG (Bl. 4). 30 Seiter, AöR 1984, 88 (124). 1 So jüngst der DGB, Grundsätze des Deutschen Gewerkschaftsbundes zur Weiter­ entwicklung des Betriebsverfassungsrechts vom 5.Oktober 1982, Die Mitbestimmung 1983, 118. 2 Eingehende Schilderung bei Nipperdey, Die Ersatzansprüche für die Schäden, die durch den von den Gewerkschaften gegen das geplante Betriebsverfassungsgesetz geführten Zeitungsstreik vom 2 7. bis 29. Mai 1952 entstanden sind (Zeitungsstreik­ gutachten), 1953. Ob seither Arbeitskämpfe um betriebsverfassungsrechtliche Fragen geführt worden sind, konnte im Rahmen dieser Arbeit nicht nachgeprüft werden.

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I. Teil: Diskussionsstand

Gewerkschaften sind auf dem Gebiet des gesetzlichen Betriebsverfassungs­ rechts nicht zuletzt durch ihre Beschränkung auf gewisse Funktionen ent­ täuscht. 3 Zwar hat sich mancherorts der innerbetriebliche Gewerkschafts­ einfluß zugunsten der Betriebsräte verringert. 4 Noch nahezu 90 % der Betriebsratsmitglieder allerdings sind gewerkschaftlich organisiert. 5 Daher nimmt es nicht wunder, wenn von Gewerkschaftsseite - insbesondere vom DGB, aber auch der DAG - Forderungen erhoben werden, Rechtsstellung und Beteiligungsrechte des Betriebsrates durch Tarifverträge zu regeln (ver­ bessern) : Die Chance, eigene Vorstellungen durch Gesetzesänderungen rea­ lisieren zu können, scheint als gering eingeschätzt zu werden; 6 andererseits könnte der erwähnte hohe Organisationsgrad von Betriebsratsmitgliedern eine effektive Nutzung tarifvertraglich vereinbarter Betriebsratsrechte för­ dern. Das gilt um so mehr, als Betriebsräte mit ihren Beteiligungsrechten zum Teil selbst unzufrieden sind. Die im Rahmen des vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung im Jahre 1 9 84 herausgegebenen Forschungs­ berichts über Kündigungsschutz und Kündigungspraxis in der Bundesrepu­ blik Deutschland vorgenommene repräsentative Umfrage unter Betriebs­ räten hat zum Beispiel ergeben, daß von diesen bei Kündigungen ein Zustim­ mungsrecht oder eine Ausweitung der Widerspruchsgründe gewünscht wird. 7 Ursprünglich waren die Gewerkschaften noch zurückhaltend. 1964 meinte A. Müller als Leiter des Tarifarchivs des Wirtschaftswissenschaft­ liehen Instituts der Gewerkschaften, daß die Erweiterung des Mitbestim­ mungsrechts des Betriebsrats kein Hauptziel der gewerkschaftlichen Tarif­ politik sei. Dem Betriebsrat könnten nicht noch mehr Aufgaben und Funk­ tionen durch tarifvertragliche Vereinbarungen aufgebürdet werden. Die Betriebsräte seien bereits überfordert 8 (diese Auffassung haben übrigens auch mehrere Mitarbeiter des Bundesministeriums für Arbeit und Sozial­ ordnung in Bonn - Tarifregister - in Gesprächen mit dem Verf. vertreten: 3 Neumann-Duesberg, Betriebsverfassungsrecht, S. 38. Bereits 1960 Neumann-Duesberg, Betriebsverfassungsrecht, S.38. 5 So Hacker, in: Rüthers / Hacker (Hrsg.), Das Betriebsverfassungsgesetz auf dem Prüfstand, 1983, S. 91 (92). 6 Obwohl es an Vorschlägen für die Weiterentwicklung des gesetzlichen Betriebs­ verfassungsrechts nicht mangelt; vgl. nur DGB, Sozialpolitisches Programm vom März 1980, abgedruckt in RdA 1980, 221 (223); Issen (stellvertretender DAG-Vorsit­ zender), Süddeutsche Zeitung Nr. 47 vom 25./26. Februar 1984, S.5; W. Schneider, Die Mitbestimmung 1983, 117 ff.Zu den Vorschlägen seitens SPD und Gewerkschaf­ ten vgl. Seemann, Die Personalvertretung 1984, 41 (58 ff.). 1 Falke / Höland / Rhode / Zimmermann, in: Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung (Hrsg.), Forschungsbericht Kündigungspraxis und Kündigungsschutz in der Bundesrepublik Deutschland Bd.I, 1984, S. 222. a A. Müller, Das Mitbestimmungsgespräch 1964, 82 f. Vgl. aber auch Spieker, WWI-Mitt.1963, 241, 245: Nutzung der Tarifautonomie auch im Bereich der Betriebs­ verfassung. 4

§ 4 Forderungen der Gewerkschaften

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werde doch heutzutage vom Betriebsrat verlangt, sich in kompliziertesten Methoden der Lohnfindung zurechtzufinden, Personalpolitik zu betreiben und dergleichen mehr). In den Vorschlägen des DGB zur Änderung des BetrVG 1952 hat man sich dann aber doch wieder die Möglichkeit tarifver­ traglicher Regelung des Betriebsverfassungsrechts offenhalten wollen. So hieß es in § 1 Abs. 3 des DGB-Entwurfes zur Änderung des BetrVG 1 9 5 2 : ,,Durch Tarifvertrag können die Errichtung anderer Vertretungen der Arbeitneh­ mer bestimmt und über dieses Gesetz hinausgehende günstigere Rechte der Arbeit­ nehmer und ihrer Vertretungen vereinbart werden." 9

In der Begründung heißt es dazu: „In Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, ob und in welchem Umfang die Vorschriften dieses Gesetzes durch tarifliche Regelungen in anderer Weise gestaltet werden können. Damit aber die Tarifvertragsparteien die Möglichkeit haben, die unterschiedlichen Verhältnisse in den verschiedenen Wirtschaftszweigen auch im Rahmen der Betriebsverfassung zu berücksichtigen, ist die vorgeschlagene Rege­ lung erforderlich. Sie stellt sicher, daß nur solche tarifliche Vereinbarungen geschaffen werden, die für die betroffenen Arbeitnehmer gegenüber dem Gesetz günstigere Regelungen zum Inhalt haben.Im übrigen wird dadurch aber auch eine weitere fortschrittliche Entwicklung der gesamten Betriebsverfassung durch die Tarifvertragsparteien ermöglicht." 10

Bekanntlich ist § 1 Abs. 3 des DGB-Entwurfs nicht Gesetz geworden. Da er aus gewerkschaftlicher Sicht wohl nur klarstellenden Charakter haben sollte, werden von dieser Seite vom BetrVG abweichende Tarifverträge für zulässig gehalten, soweit sie nicht organisatorische Vorschriften des Geset­ zes betreffen oder Beteiligungsrechte beschränken. 1 1 (Dabei wird aber stets eingeräumt, daß die Rechtmäßigkeit derartiger Tarifverträge umstritten ist.) 12 Konsequenterweise ist dann auch auf dem 1 1 . Ordentlichen Bundes­ kongreß des DGB in Hamburg ein Antrag angenommen worden, wonach unter anderem eine Weiterentwicklung des Betriebsverfassungsrechts durch 9 § 1 Abs. 3 DBG-Entwurf abgedruckt in DGB, Vorschläge des DGB zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes, 1970, S. 1, ferner in RdA 1970, 237, und bei Schütze / Schwaiger / Röglin, Synopse zum Betriebsverfassungsgesetz, 4.Aufl., o.J., S. 15. 10 Begründung abgedruckt in DGB, Vorschläge des DGB zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes, 1970, S. 1, und in RdA 1970, 237 (237 f.). In diesen Zusammenhang gehört auch die Zielsetzung betriebsnaher Tarifpolitik; dazu aus­ führlich Heß, Zulässigkeit, Inhalt und Erstreikbarkeit betriebsnaher Tarifverträge, 1973, s. 2 ff. 11 Vgl. etwa Däubler, Das Grundrecht auf Mitbestimmung, 4. Aufl. 1976, S. 361 ff. (hinsichtlich organisatorischer Vorschriften zum Teil a.A. aber S. 93 f., 382 ff.); Däu­ bler / Hege, Tarifvertragsrecht, 2. Aufl. 198 1, S. 170 ff.; Gnade / Kehrmann / Schnei­ der / Blanke, BetrVG, § 3 RdNr. l ; Hagemeier / Kempen / Zachert / Zilius, TVG, § 1 RdNr. 173; Zachert, Tarifvertrag, 1979, S. 156 f. ; ders., AuR 1985, 201 (205 ff.). Aus älterer Zeit vgl. Spieker, WWI-Mitt. 1963, 241 f., 245. 12 Vgl. etwa Däubler, Das Grundrecht auf Mitbestimmung, 4. Aufl. 1976, S. 88 ff., 362 ff.; Däubler / Hege, Tarifvertragsrecht, 2. Aufl. 1981, S. 172; Spieker, WWI-Mitt. 1963, 241; Zachert, AuR 1985, 201 (205 ff.).

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I .Teil : Diskussionsstand

Tarifverträge sicherzustellen sei.1 3 In die gleiche Richtung weist das Sozial­ politische Programm des DGB vom März 1980, wo unter anderem gefordert wird, daß dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei jeder Einstellung und Entlassung einzuräumen sei und gleichzeitig die Nutzung und Verbes­ serung tariflicher Möglichkeiten der Beeinflussung betrieblicher Personal­ entscheidungen angeregt wird. 1 4 Auch Einzelgewerkschaften erheben For­ derungen nach tarifvertraglich begründeten Beteiligungsrechten. So hat Manz als Referatsleiter beim Hauptvorstand der Gewerkschaft Nahrung, Genuß, Gaststätten zur betrieblichen Beteiligung bei Arbeitsgestaltung und Maschinenbesetzung ausgeführt: „Um eine menschengerechte Arbeitsorganisation unter Berücksichtigung einer ausreichenden personellen Besetzung von Maschinen und Arbeitsgruppen zu gewährleisten, sind die notwendigen Mitbestimmungsrechte im Tarifvertrag zu vereinbaren." 1 5

Die IG Metall im Bezirk Stuttgart hat gefordert, eine Betriebsratsmitbe­ stimmung bei der Übernahme von Auszubildenden in ein Arbeitsverhältnis tarifvertraglich zu vereinbaren . 1 6 Erst jüngst hat W. Schneider von der Abteilung Arbeitsrecht beim DGB­ Bundesvorstand die alte DGB-Forderung nach einer Öffnungsklausel im BetrVG zugunsten einer tarifvertraglichen Weiterentwicklung des Betriebs­ verfassungsrechts wiederbelebt. Dadurch - so Schneider - würden praxis­ bezogene tarifliche Mitbestimmungen gerade dort ermöglicht, wo das Gesetz branchen- und betriebsspezifische Bestimmungen nicht vorsehen könne. 17 Interessant ist, daß diese Ausführungen am Ende eines Artikels gemacht werden, der sich an sich mit den Schwerpunkten einer für erfor­ derlich gehaltenen Weiterentwicklung des Betriebsverfassungsgesetzes beschäftigt. Daraus könnte man den Schluß ziehen, daß der DGB sein Ziel auf Änderungen des BetrVG - Verbesserung der Rechte bei Rationalisie­ rung, gleichberechtigte Mitbestimmung, Mitbestimmung bei Gestaltung der Arbeitsbedingungen und Personalpolitik, bezüglich der Personaldatenver­ arbeitung, Verstärkung der Beteiligung bei Kündigungen, Einigungsstellen­ zwang auch bei Interessenausgleich und mehr Schutz für Betriebsratstätig­ keiten - durch entsprechende Vereinbarungen in Tarifverträgen zu errei­ chen versuchen würde, wenn eine Novellierung des Gesetzes nicht realisier­ bar wäre. Dafür spricht auch, daß sich die Vorstellungen des DGB allgemein 13 Antrag Nr. 241, abgedruckt in DGB (Hrsg.), Angenommene Anträge und Ent­ schließungen, 11. Ordentlicher Bundeskongreß Hamburg 1978, 1978, S. 221. 14 DGB, Sozialpolitisches Programm vom März 1980, abgedruckt in RdA 1980, 221 (223). 15 Manz, Gewerkschaftliche Monatshefte 197 7 , 403 (406). 16 IG Metall (Hrsg.), metall Nr. 24 vom 24.November 1978, 13 (14). 17 W. Schneider, Die Mitbestimmung 1983, 117 (121).

§ 5 Notwendigkeit einer rechtstatsächlichen Untersuchung

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auf die Weiterentwicklung des Betriebsverfassungsrechts, nicht etwa nur des Betriebsverfassungsgesetzes beziehen. 1 8 Hinsichtlich der Außenseitergeltung betriebsverfassungsrechtlicher Nor­ men nach § 3 Abs. 2 TVG sind zwar Bedenken im Hinblick auf einen etwai­ gen Mitgliederschwund der Betriebsverfassungsnormen vereinbarenden Gewerkschaften erhoben worden. 1 9 Bei der Schaffung des TVG allerdings haben die Gewerkschaften gerade an der Außenseitergeltung betrieblicher und betriebsverfassungsrechtlicher Normen ein Interesse gezeigt. Andern­ falls hätten sie in die mißliche Lage kommen können, daß Außenseiter unter Umständen der betrieblichen Disziplin weniger unterworfen oder sonst weniger belastet worden wären als Organisierte. Eine solche Schlechterstel­ lung sollte also durch die Regelung des § 3 Abs. 2 TVG vermieden werden. 20

§ 5 Stellungnahme: Die Notwendigkeit einer rechtstatsächlichen Untersuchung tarifvertraglichen Betriebsverfassungsrechts Angesichts der aufgezeigten Diskussion und der gewerkschaftlichen For­ derungen stellt sich zunächst einmal die Frage, ob das umstrittene und von Gewerkschaftsseite für erforderlich gehaltene tarifvertragliche Betriebsver­ fassungsrecht überhaupt existiert und - bejahendenfalls - in welcher Aus­ prägung es vorkommt. Nur durch eine rechtstatsächliche Untersuchung läßt sich ermitteln, welche „ Effektivitätsquote" 1 § 1 Abs. 1 TVG hinsichtlich der betriebsverfassungsrechtlichen Normsetzungsbefugnis der Tarifvertrags­ parteien besitzt. Eine rechtstatsächliche Untersuchung des tarifvertraglichen Betriebsver­ fassungsrechts besitzt rechtliche wie rechtspolitische Relevanz: In § 2 I wurde bereits verschiedentlich bemerkt, daß der Gesetzgeber durch den Erlaß der Betriebsverfassungsgesetze keine Entscheidung dar­ über getroffen hat und treffen wollte, ob damit eine abschließende Regelung der Materie des Betriebsverfassungsrechts erfolgt ist. Folgert man daraus 18 Siehe DGB, Grundsätze des Deutschen Gewerkschaftsbundes zur Weiterent­ wicklung des Betriebsverfassungsrechts vom 5. Oktober 1982, Die Mitbestimmung 1983, 1 1 8, und W. Schneider, Die Mitbestimmung 1 9 8 3 , 1 1 7 ff.Für die angesprochene Vorgehensweise ausdrücklich Zachert, AuR 1985, 2 0 1 (209). 19 Hagemeier / Kempen / Zachert / Zilius, TVG, § 3 RdNr. 17. Einzelheiten oben § 3. 20 So zur Mitursache dieser Motivation für die Regelung in § 3 Abs. 2 TVG Her­ sehe!, ZfA 1973, 183 (191 f.). 1 Begriff von Geiger, Vorstudien zu einer Soziologie des Rechts, 1964, S. 35, 1 7 7 ; dazu Röhl, Das Dilemma der Rechtstatsachenforschung, 1974, S. 2 1 9 ff.

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I. Teil: Diskussionsstand

die Tarifdispositivität des gesetzlichen Betriebsverfassungsrechts, kommt man nicht umhin, die Grenzen der betriebsverfassungsrechtlichen Rege­ lungsbefugnis anhand außerbetriebsverfassungsgesetzlicher Regeln zu überprüfen. Die zentrale Vorschrift ist dabei Art. 9 Abs. 3 GG: Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist die historische Entwick­ lung bzw. sind die, historisch gesehen, typischen Funktionen von Gewerk­ schaften und Arbeitgeberverbänden ein maßgebliches Kriterium für die Absteckung der koalitionsmäßigen Funktionsbereiche im Rahmen des Art. 9 Abs. 3 GG. 2 Daraus folgt, daß es des Wissens um die dogmengeschichtliche und rechtstatsächliche Entwicklung des tarifvertraglichen Betriebsverfas­ sungsrechts bedarf, um festzustellen, ob dieses zum Kernbereich der von Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie zu rechnen ist. Namhafte Autoren verneinen diese Frage. 3 Ohne ihre Klärung erscheint die Diskussion um Zulässigkeit und Grenzen des tarifvertraglichen Betriebsverfassungs­ rechts sinnlos. Wäre sie wirklich zu verneinen, spräche in der Tat viel dafür, daß einer gesetzlichen Regelung des Betriebsverfassungsrechts abschließen­ der Charakter zukommt. Schwendy hat zwar auf die zentrale Bedeutung des Art. 9 Abs. 3 GG für die Lösung des Problems hingewiesen, 4 ist dabei aber fälschlich von einer fehlenden rechtlichen Relevanz tatsächlicher Verhält­ nisse ausgegangen5 • Schließlich vermag nur eine rechtstatsächliche Unter­ suchung des tarifvertraglichen Betriebsverfassungsrechts aufzuzeigen, welches Gewicht den dagegen erhobenen Bedenken (Gefahr des Aus-den­ Angeln-Hebens des BetrVG, Eingriff in die Rechtsstellung der Tarif­ außenseiter) zukommt und welche Regelungen für die Rechtspraxis aus betriebsverfassungsrechtlicher und tarifrechtlicher Sicht überhaupt erörte­ rungsbedürftig werden. Die rechtspolitische Bedeutung einer rechtstatsächlichen Untersuchung zeigt sich etwa darin, daß das gesetzliche Betriebsverfassungsrecht der tech­ nischen Revolution im Betrieb - genannt seien nur die Einführung neuer, die Arbeitsverfahren grundlegend ändernder Technologien sowie Einrichtun­ gen, die geeignet sind, das Verhalten und die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen - zum Teil nicht (mehr) gerecht wird. 6 Ohne eine umfassende 2 BVerfG vom 18. November 1954, AP Nr. 1 zu Art. 9 GG (Bl. 2 Rücks.); BVerfG vom 30. November 1965, AP Nr. 7 zu Art. 9 GG (Bl. 4); BVerfG vom 1. März 1979, AP Nr. 1 zu § 1 MitbestG (Bl. 23 Rücks.) mit Anm. von Wiedemann. Vgl. Scholz, in: Maunz / Dürig, Grundgesetz, 6. Aufl. 1985 (Stand der 24. Lfg. Januar 1985), Art. 9 RdNr. 262. 3 Biedenkopf, Grenzen der Tarifautonomie, 1 964, S. 319; Richardi, Kollektivgewalt und Individualwille bei der Gestaltung des Arbeitsverhältnisses, 1968, S. 246 mit Fn. 9 ; Rüthers, Tarifmacht und Mitbestimmung in der Presse, 1975, S. 47. 4 Schwendy, Abänderbarkeit betriebsverfassungsrechtlicher Rechtssätze durch Tarifvertrag und Betriebsvereinbarung, 1969, S. 71 ff. 5 Schwendy, Abänderbarkeit betriebsverfassungsrechtlicher Rechtssätze durch Tarifvertrag und Betriebsvereinbarung, 1969, S. 5 1 . 6 Vgl. etwa z u den Auswirkungen der neuen Informations- und Kommunikations­ techniken auf Beteiligungsrechte nach Personalvertretungsrecht und BetrVG 1972

§ 5 Notwendigkeit einer rechtstatsächlichen Untersuchung

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Tarifvertragsauswertung kann die Frage, ob hier wie in anderen Bereichen Betriebsratsrechte des gesetzlichen Betriebsverfassungsrechts überhaupt durch Tarifvertrag abänderungsbedürftig sind, nicht zuverlässig beantwor­ tet werden. Das Bild, welches die Tarifpraxis bietet, vermag zumindest Anregungen dafür zu geben, inwieweit vorhandenen praktischen Bedürfnis­ sen etwa bei künftigen Reformvorhaben für das gesetzliche Betriebsverfas­ sungsrecht Rechnung getragen werden könnte. In diesem Zusammenhang ist die Frage von Bedeutung, ob eine signifikante Wechselwirkung zwischen der Fortentwicklung des gesetzlichen Betriebsverfassungsrechts und dem tarifvertraglichen Betriebsverfassungsrecht besteht, insbesondere ob die Gewerkschaften ihre Forderungen nach einer Weiterentwicklung der Betriebsratsrechte - ungeachtet deren unbestreitbarer Verbesserung durch das BetrVG 1972 - mittels Tarifvertrag durchzusetzen versuchen.

den Zwischenbericht der Enquete-Kommission „Neue Informations- und Kommuni­ kationstechniken" , BT-Drucks. IX/2442 vom 28. März 1983, S. 1 1 1 ff. ; Seemann, Die Personalvertretung 1984, 41 (58 ff.) ; nur für das BetrVG 1972 W. Schneider, Die Mit­ bestimmung 1983, 1 1 7 f. Zachert, AuR 1985, 2 0 1 (209), sieht das BetrVG 1972 in wesentlichen Punkten als von der technologischen Entwicklung „überrollt" .

Zweiter Teil

Dogmengeschichtliche und rechtstatsächliche Entwicklung des tarifvertraglichen Betriebsverfassungsrechts bis zur Geltung des TVG § 6 Die Entwicklung vor der Kodifizierung des Tarifrechts I. Frühe Regelungen

Bis zum Aufkommen der Tarifverträge in der Frühzeit der Industrialisie­ rung lag die Entscheidungsmacht nicht nur über Löhne allein bei den Arbeitgebern. Diese bestimmten auch die übrigen Arbeitsbedingungen. 1 Daher dienten bereits frühe Tarifverträge nicht lediglich der kollektiven Absicherung von Lohnansprüchen, sondern zielten auf Arbeitnehmerschutz im weitesten Sinne ab. Wölbling berichtet für die Jahrhundertwende davon, daß die verhältnismäßig einfache Frage der Lohnhöhe weder juristisch noch praktisch Hauptinhalt der Tarifverträge sei. Vielmehr enthielten Tarifver­ träge damals vor allem auch Bestimmungen über die Form des Abschlusses von Arbeitsverträgen, über die Frage, ob im Zeit- oder Akkordlohn gearbei­ tet werden solle, über den Abschluß der Akkorde, über die Arbeitszeit, die Beschaffenheit der Arbeitsräume, über die Stellung von Maschinen, Werk­ zeugen und Hilfskräften, die Kündigungsfrist, über Entlassungsgründe und Arbeitsordnungen. 2 Ähnliches ist von Sinzheimer zu erfahren: Die Kollek­ tivvertragsparteien vereinbarten bereits sehr früh qualitative und quanti­ tative Besetzungsregeln, Normen über die Arbeitsumwelt, Rationalisie­ rungsschutzklauseln (etwa Kündigungsbeschränkungen, Gebot der „ Lang­ samarbeit " bei Absatzmangel und ähnliches), ja sogar Bestimmungen über die Arbeitsform (etwa Abschaffung der Heimarbeit). 3 Die wiedergegebenen Tarifinhalte dokumentieren den damals herrschenden Bedarf an Arbeitneh­ merschutzvorschriften. Weil der Fabrikherr in der Frühzeit der Industriali1 Vgl. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht Bd. II, 2. Aufl. 1954, § 93 I 1 b) (S. 4 1 7). 2 Wölbling, Der Akkordtarifvertrag und der Tarifvertrag, 1908, S. 277. Bei den Arbeits- oder Fabrikordnungen handelte es sich um einseitig vom Arbeitgeber ohne Beteiligung der Arbeitnehmer erlassene betriebliche Reglements. Sie enthielten Bestimmungen für die Arbeitsverhältnisse und hatten in ihrer Willkür häufig den Charakter von Polizeiordnungen (vgl. Neumann-Duesberg, Betriebsverfassungsrecht, S. 26). 3

Sinzheimer, Der korporative Arbeitsnormenvertrag 1. Teil, 1907, S. 34, 35, 36, 41,

46 f., 50, 5 1 .

§ 6 Entwicklung vor der Kodifizierung des Tarifrechts

61

sierung im Regelfall eine absolute Befehlsgewalt ausübte4 , wurde schon bald erkannt, daß ein effektiver Schutz der Arbeitnehmer vor vollkommener Fremdbestimmung auch ihre Beteiligung an den sie betreffenden Entschei­ dungen voraussetzt. Angesichts des zunehmenden Aufkommens von Tarif­ verträgen schien es insbesondere zweckmäßig, die Einhaltung dieser Kol­ lektivvereinbarungen - vor allem hinsichtlich der darin enthaltenen Schutz­ vorschriften - durch eine Arbeitnehmerinstanz im Betrieb überwachen zu lassen. Erstmals schlug der neoliberale Tübinger Staatsrechtler und Natio­ nalökonom von Mohl 1835 die Bildung von Arbeitervertretungen in den Betrieben sowie eine in den Vertretungen mitzuberatende Beteiligung am Gewinn vor. 5 Die Idee der betrieblichen Mitbestimmung war geboren. Auch der Tarifvertrag sollte zu ihrer Verwirklichung beitragen. Gesetzliche Regelungen über eine Arbeitnehmerbeteiligung im Betrieb ließen bis 1891 auf sich warten. Nach Novellierung der Gewerbeordnung durch das Arbeiterschutzgesetz vom 1. Juni 1891 6 ergab sich folgende Rechtslage: § 134 h GewO sah die Errichtung von Arbeiterausschüssen vor. § 134 b GewO bestimmte, daß mit Zustimmung eines ständigen Arbeiteraus­ schusses in die Arbeitsordnung Vorschriften über das Verhalten der Arbei­ ter bei der Benutzung der zu ihrem Besten getroffenen, mit dem Betriebe verbundenen Einrichtungen sowie über das Verhalten der minderjährigen Arbeiter außerhalb des Betriebes aufgenommen werden konnten. Nach § 134 d GewO konnte in Fabriken, in denen ein ständiger Arbeiterausschuß bestand, derselbe vor Erlaß oder Ergänzung betrieblicher Arbeitsordnungen zu deren Inhalt gehört werden. Da die Beteiligung der Arbeiterausschüsse lediglich fakultativ war, erlangten sie keine praktische Bedeutung. 7 Erst 1905 verschaffte die Novelle zum Preußischen Berggesetz von 1865 8 , beschränkt auf Preußen und den Sektor Bergbau, den Arbeitern durch Arbeiterausschüsse ausgeübte obligatorische Beteiligungsrechte auf perso­ nellem und sozialem Gebiet. Reichsrechtlich wurde die Bildung von Arbei­ ter- und Angestelltenausschüssen für kriegs- und versorgungswichtige gewerbliche Betriebe mit mehr als 50 Arbeitnehmern im Ersten Weltkrieg durch § 11 des Hilfsdienstgesetzes vom 5. Dezember 19169 vorgeschrieben . 10 4 Neumann-Duesberg, Betriebsverfassungsrecht, S. 25. 5 von Mahl, Archiv der politischen Oekonomie und Polizeiwissenschaft 2 (1 835), 141 (179 f.). 6 Gesetz betreffend die Abänderung der Gewerbeordnung, RGBl. S. 2 6 1 (.,lex Ber­ lepsch"). 1 Jacobi, Grundlehren des Arbeitsrechts, 1927, S. 1 3 ; Teuteberg, Geschichte der industriellen Mitbestimmung in Deutschland, 1961, S. 389. Vgl. auch Nipperdey / Säcker, in: Hueck / Nipperdey / Säcker, Lehrbuch Bd. II/2. Hbd., § 51 B I 2 (S. 1067). 8 Gesetz betreffend die Abänderung einzelner Bestimmungen des Allgemeinen Berggesetzes vom 24. Juni 1 865/1892 vom 14. Juli 1905, Gesetz-Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten, 1905, S. 307. 9 Gesetz über den vaterländischen Hilfsdienst, RGBl. S. 1333.

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II. Teil: Dogmengeschichtliche und rechtstatsächliche Entwicklung

Angesichts erst spät einsetzender und anfänglich nur unvollkommener Regelungen der Errichtung betrieblicher Belegschaftsvertretungen und ihrer Beteiligungsrechte durch Gesetz waren andere juristische Instrumente zur Durchsetzung des Mitbestimmungsgedankens gefordert : Etwas ungewohnt mutet die Errichtung und Beteiligung eines Arbeiter­ ausschusses in dem von Ernst Abbe gegründeten Stiftungsbetrieb der Opti­ schen Werkstätte von Carl Zeiss in Jena durch ·eine Stiftungsverfassung an. Nach einem „Musterarbeitsvertrag" (in Kraft ab 1 5 . Juli 1897) konnte ein Arbeiterausschuß von mindestens 12 volljährigen und mindestens ein Jahr im Betrieb tätigen Arbeitern gebildet werden, der auch ohne Aufforderung der Betriebsleitung zusammentreten durfte. Er hatte die Aufgabe, die Ein­ haltung des Musterarbeitsvertrages zu überwachen und das Recht, in allen Angelegenheiten von der Geschäftsleitung gehört zu werden. 1 1 Damit war dem Arbeiterausschuß ein den heutigen Anhörungsrechten des Betriebsrats vergleichbares Beteiligungsrecht eingeräumt worden. Sinzheimer hielt es sogar für denkbar, daß ein Arbeitgeber mit der Arbei­ terschaft seines Betriebes gemeinschaftliche Angelegenheiten vertragsmä­ ßig regele.1 2 Lotmar sah dagegen kollektive Angelegenheiten einer Regelung durch Individualvertrag für unzugänglich an. 1 3 Soweit die Frage, ob und mit welcher Wirkung betriebsverfassungsrechtliche Fragen im Einzelarbeits­ vertrag geregelt werden können, in der Literatur später überhaupt noch aufgeworfen wurde, wurde sie zu Recht mit der Bemerkung abgetan, daß sie sich zwar theoretisch stelle, aber praktisch ohne Bedeutung sei, weil es wenig wahrscheinlich und unzweckmäßig sei, daß ein Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern in den Einzelverträgen betriebsverfassungsrechtliche Rechte einräumt. 1 4 Schließlich gelang es den Gewerkschaften hier und da, betriebliche Belegschaftsvertretungen zwecks Wahrnehmung der wirt­ schaftlichen Interessen der Arbeitnehmer durchzusetzen 15 und tarifvertrag­ lich abzusichern. In Tabellen 1 und 2 wird ein Überblick über tarifvertrag­ lich anerkannte betriebliche Belegschaftsvertretungen und ihre Befugnisse bzw. Rechtsstellung aus der Zeit um die Jahrhundertwende gegeben. Tabelle 1 betrifft Arbeiterausschüsse, -kommissionen und Vertrauensleute, 10 Abrisse der Geschichte des gesetzlichen Betriebsverfassungsrechts finden sich in den meisten Kommentaren und Lehrbüchern zum BetrVG. 1 1 Inhaltswiedergabe des Musterarbeitsvertrages bei Imle, Gewerbliche Friedens­ dokumente, 1905, S. 175. Über weitere Gründungen von „Fabrikausschüssen" durch einzelne Industrielle berichtet Gamillscheg, in: Liber amicorum Adolf F. Schnitzer, 1979, S. 103 f. 12 Sinzheimer, Der korporative Arbeitsnormenvertrag L Teil, 1907, S. 6. 1 3 Lotmar, Der Arbeitsvertrag nach dem Privatrecht des Deutschen Reiches Bd. I, 1902, s. 763 f. 14 A. Hueck, BB 1952, 925. Zustimmend Fauth, BlStSozArbR 1960, 28, und Roesch, BlStSozArbR 1953, 106. 15 Vgl. Flatow / Kahn-Freund, Betriebsrätegesetz, 13. Aufl. 1931, S. 19.

§ 6 Entwicklung vor der Kodifizierung des Tarifrechts

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Tabelle 1 Arbeiterausschüsse, -kommissionen und Vertrauensleute 1. Tarifvertrag für Buch­ drucker Deutschland (gültig ab 1. Jan. 1907) zitiert nach Kulemann, Die Berufsvereine Bd. III 1908, s. 246.

„Es soll auf die Bildung von Arbeiterausschüssen hinge­ wirkt werden; deren Mitglie­ der können nur nach 14tägi­ ger Kündigung entlassen werden. "

Vgl. heute den umfassende­ ren Kündigungsschutz im Rahmen der Betriebsverfas­ sung (und Personalvertre­ tung) nach § 15 KSchG, wonach die Kündigung eines Betriebsratsmitglieds unzu­ lässig ist.

2. Tarifvertrag im Bres­ lauer Schlägergewerbe (1 Firma) (gültig ab 1. Okt. zitiert nach 1903), Inhaltswiedergabe (so auch im folgenden) bei Imle, Gewerbliche Frie­ densdokumente, 1905, S. 149.

Überwachung der Einhal­ tung des Tarifvertrages durch Arbeiterausschuß

Nach § 80 Abs. l Nr. l BetrVG 1972 hat der Betriebsrat u. a. die Aufgabe darüber zu wachen, ob die zugunsten der geltenden Arbeitnehmer Tarifverträge durchgeführt werden.

3. Tarifvertrag für die Maschinisten der Alster­ dampfer Hamburg (gül­ tig ab 1903), zitiert nach Imle, aaO, S. 187.

wie Nr. 2

wie Nr. 2

4. Tarifvertrag für Bau­ und Möbeltischler Düs­ seldorf (gültig ab 1 . April 1905), zitiert nach Imle, aaü, S. 2 1 3 .

Wenn über 8 Personen im Betrieb, wird Arbeiteraus­ schuß eingesetzt, der über Notwendigkeit von angeson­ nener Überarbeit mitent­ scheidet.

Nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG 1972 hat der Betriebsrat u. a. bei Verlängerung betriebs­ üblicher Arbeitszeit mitzu­ bestimmen.

5. Tarifvertrag für Parkett­ leger in Leipzig (gültig ab 8. März 1900), zitiert nach Imle, aaO, S. 222.

Bei Streitigkeiten schlichtet ein im Betrieb von den Arbei­ tern gewählter Vertrauens­ mann.

Nach § 74 Abs. 1 Satz 2 BetrVG 1972 haben Arbeit­ geber und Betriebsrat über strittige Fragen mit dem ern­ sten Willen zur Einigung zu verhandeln und Vorschläge für die Beilegung von Mei­ nungsverschiedenheiten zu machen. Vgl. auch §§ 82 Abs. 2 Satz 2, 83 Abs. 1 Satz 2 , 84 Abs. l Satz 2 un d § 8 5 Abs. 1 BetrVG 1972, wonach der Betriebsrat zur Ausübung des Mitwirkungs- und Be­ schwerderechts des einzelnen Arbeitnehmers hinzugezogen werden kann.

6. Tarifvertrag für Steinar­ beiter Freiburg (gültig ab 17. Mai 1 904), zitiert nach Imle, aaO, S. 405.

Arbeitgeber und Arbeiterkommission schlichten

wie Nr. 5

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II. Teil: Dogmengeschichtliche und rechtstatsächliche Entwicklung

Tabelle 1 : Fortsetzung 7 . Tarifvertrag für Lederarbeiter Frankenhausen (gültig ab 20. Juli 1903), zitiert nach Imle, aaO, s. 473.

Zwei Arbeiter in jeder Firma schlichten in Gemeinschaft mit Unternehmer

wie Nr. 5

8. Tarifvertrag für Lederarbeiter Fürth (gültig ab 6. März 1903), zitiert nach Imle, aaO, S. 4 73.

Fabrikkommission, welche alle Angelegenheiten in bezug auf Änderung der Arbeitszeit und des Fabrikpersonals (mit Ausschluß der Vorarbeiter) zu regeln hat. Die Kommission wird alle Jahre neu gewählt.

Vgl. das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in Arbeitszeitfragen nach § 87 Abs. 1 Nm. 2 und 3 BetrVG 1972 und in personellen Angelegenheiten nach §§ 99 ff. BetrVG 1972.

9. Tarifvertrag für Hafenarbeiter Bremerhaven (gültig ab 1. Mai 1903) zitiert nach Imle, aaO, s. 479.

Kommission von 2 Mann übermittelt Beschwerden an einen Unternehmervertreter.

Vgl. Nr. 5 aE

10. Tarifvertrag für Handels- und Vekehrsarbeiter Berlin (gültig ab l . Juli 1902), zitiert nach Imle, aaO, S. 503.

wie Nr. 2

wie Nr. 2

1 1 . Tarifvertrag für Straßenbahner Berlin (gültig ab 1899), zitiert nach Imle, aaO, S. 505.

In jedem Bahnhof Arbeiterausschuß, der ¼jährlich mit der Betriebsleitung konferiert.

Nach § 74 Abs. 1 Satz 1 BetrVG 1972 sollen Arbeitgeber und Betriebsrat mindestens einmal im Monat zu einer Besprechung zusammentreten.

12. Tarifvertrag für Fensterputzer Bremen (gültig ab 1. April 1904), zitiert nach Imle, aaO, S. 505.

wie Nr. 2

wie Nr. 2

13. Tarifvertrag für Transporter Brauereien Chemnitz und Umgebung (gültig ab 1 1 . März 1 904), zitiert nach Imle, aaO, s. 507.

Wo 20 Arbeiter im Betrieb Zunächst wie Nr. 2 . Vgl. die wird Arbeiterausschuß gebil- paritätische Einigungsstelle det. Im übrigen wie Nr. 2 . nach § 7 6 Abs. 2 BetrVG 1972 Kommt eine Einigung nicht und ihre Funktion nach Abs. l zustande, gibt es Möglichkeit dieser Vorschrift, Meinungszur Anrufung eines paritäti- verschiedenheiten zwischen sehen Schiedsgerichts. · Arbeitgeber und Betriebsrat beizulegen.

14. Tarifvertrag für Petroleumkutscher Hamburg (gültig ab l . Nov. 1901), zitiert nach Imle, aaO, s. 509.

Sind über 6 Kutscher vorhanden, schlichtet Arbeiterausschuß.

wie Nr. 5

15. Tarifvertrag für Brauer Chemnitz (gültig ab 9. März 1904), zitiert nach Imle, aaO, S. 523.

Bei über 20 beschäftigten Personen Arbeiterausschuß. Im übrigen wie Nm. 2 und 13.

wie Nr. 2 und 13

§ 6 Entwicklung vor der Kodifizierung des Tarifrechts

65

Tabelle 1 : Fortsetzung 16. Tarifvertrag für Brauer Eisenberg (gültig ab 1 . September 1903), zitiert nach Imle, aaO, s. 525.

wie Nr. 2, nur daß es „Kornmissionen" heißt.

wie Nr. 2

17. Tarifvertrag für Brauer Erlangen (Fa. Gebr. Reif) (gültig ab l. April 1903), zitiert nach Imle, aaO, s. 529.

wie Nr. 2

wie Nr. 2

18. Tarifvertrag für Brauer Greiz (gültig ab l . Mai 1903), zitiert nach Imle, aaO, S. 533.

Arbeiterausschuß schlichtet

wie Nr. 5

19. Tarifvertrag für Brauer Heinrichs (Thüringen) (gültig ab l. April 1904), zitiert nach Imle, aaO, s. 535.

wie Nr. 5, nur daß es heißt: „Arbeiterausschuß vermittelt" .

wie Nr. 5

20. Tarifvertrag für Bäcker in Brotfabriken Düsseldorf (gültig ab l. Aug. 1904), zitiert nach Imle, aaO, S. 555.

wie Nr. 5, nur daß es heißt: „Arbeiterausschuß und Betriebsleitung schlichten" .

wie Nr. 5

Tabelle 2 Gesellenausschüsse 1 6 . In beiden Tabellen gibt die 1. Spalte den Tarifvertrag mit sachlichem, persönlichem und räumlichem Geltungsbe­ reich, den Zeitpunkt des Inkrafttretens sowie einer laufenden Nummer an. In der 2. Spalte wird die tarifvertraglich geregelte Befugnis der Beleg­ schaftsvertretung bzw. ihre Rechtsstellung genannt. Die 3. Spalte gibt an, welcher Bestimmung heutigen Rechts, insbesondere des BetrVG 1 9 7 2 , die in der 2. Spalte genannte Bestimmung vergleichbar ist. Die Übersichten zeigen, daß die tarifvertraglichen Regelungen vielgestal­ tig und in beinahe allen Gewerbegruppen anzutreffen waren. Bemerkens­ wert ist, daß die Errichtung von Arbeiterausschüssen nicht lediglich fakul­ tativ wie in § 134 h GewO ab 1 8 9 1 war und ihre Befugnisse weit über die in § 134 b GewO eingeräumten Rechte hinausgingen. Auch beschränkten sich die Regelungen nicht wie die Novelle zum Preußischen Berggesetz im Jahre 1905 auf Preußen und den Bereich des Bergbaus. Schließlich ist zu vermer­ ken, daß viele Regelungen, welche sich heutzutage im gesetzlichen Betriebs­ verfassungsrecht finden, Vorläufer in entsprechenden oder ähnlichen tarif­ lichen Bestimmungen bereits aus der Zeit um die Jahrhundertwende haben. 16 Gesellenausschüsse waren zum Teil auch überbetrieblich tätig, wie sich bei­ spielsweise aus dem in Tab!:!lle 2 aufgeführten Tarifvertrag Nr. 30 ergibt: Danach hatten Gesellenausschüsse Uberwachungsaufgaben für ganze Innungsbezirke über­ nommen. 5 Spi!ger

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II. Teil: Dogmengeschichtliche und rechtstatsächliche Entwicklung Tabelle 2

Gesellenausschüsse 2 1 . Tarifvertrag für K.lempner Bremen (gültig ab 29. Mai 1906), zitiert nach Imle, aaO, S. 189.

wie Nr. 2, nur daß es „ Gesellenausschuß" heißt.

wie Nr. 2

22. Tarifvertrag für K.lempner in Neumünster (gültig ab l . Mai 1906), zitiert nach Imle, aaO, S. 193.

wie Nr. 2, nur daß es „ Gesellenausschuß" heißt.

wie Nr. 2

23. Tarifvertrag für Bauund Möbeltischler Pinneberg (gültig ab l. April 1903), zitiert nach Imle, aaO, S. 2 1 7 .

wie Nr. 5, nur daß es „ Gesellenausschuß" heißt.

wie Nr. 5

24. Tarifvertrag für Maler, Lackierer und Anstreieher Chemnitz (gültig ab 13. Mai 1904), zitiert nach Imle, aaO, S. 255.

wie Nr. 2, nur daß es „Gesellenausschuß" heißt.

wie Nr. 2

25. Tarifvertrag für Maler, Lackierer und Anstreieher Lübeck (gültig ab l . April 1903), zitiert nach Imle, aaO, S. 263.

wie Nr. 2, nur daß es heißt: „ Gesellenausschuß unter Vorsitz des Ladenmeisters " .

wie Nr. 2

26. Tarifvertrag für Tapezierer Bremen (gültig ab l . April 1904), zitiert nach Imle, aaO, S. 275.

wie Nr. 5, nur daß es heißt: „Innung und Gesellenausschuß schlichten" .

wie Nr. 5

2 7 . Tarifvertrag für Stukkateure München (gültig ab 4. Mai 1903), zitiert nach Imle, aaO, S. 287.

wie Nr. 2, nur daß es heißt: „Innung und Gesellenausschuß".

wie Nr. 2

28. Tarifvertrag für Baugewerbe Lübeck (gültig ab l. April 1903), zitiert nach Imle, aaO, S. 3 1 1 .

wie Nr. 2, nur daß es heißt: „Innung und Gesellenausschuß " .

wie Nr. 2

29-. Tarifvertrag für Baugewerbe Pinneberg und 7 1 Ortschaften (gültig ab l . April 1903), zitiert nach Imle, aaO, S. 3 1 1 .

wie Nr. 2, nur daß es heißt: „Innung und Gesellenausschuß " .

wie Nr. 2

30. Tarifvertrag für Steinsetzer Berlin (gültig ab l. April 1903), zitiert nach Imle, aaO, S. 391.

„Der Gesellenausschuß wird verpflichtet dafür zu sorgen, daß im Berliner und Steglitzer Innungsbezirke seitens auswärtiger Steinsetzer nicht über die heute festgelegten Höchstarbeitsbedingungen hinausgearbeitet wird."

wie Nr. 2

§ 6 Entwicklung vor der Kodifizierung des Tarifrechts

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Tabelle 2: Fortsetzung 3 1 . Tarifvertrag für Steinarbeiter Berlin (gültig ab 1. März 1900), zitiert nach Imle, aaO, S. 401.

Innung und Gesellenausschuß schlichten.

wie Nr. 5

32. Tarifvertrag für Töpfer Berlin und Vororte (gültig ab ! . Januar 1902), zitiert nach Imle, aaO, S. 415.

Innungsvorstand und Gesellenausschuß schlichten.

wie Nr. 5

3 3. Tarifvertrag für Ofensetzer Liegnitz (gültig ab 2 1 . Februar 1902), zitiert nach Imle, aaO, S. 421.

Gesellenausschuß setzt Abzug für minderwertige Arbeiten fest.

kein entsprechendes Beteiligungsrecht im BetrVG 1972 hinsichtlich der Entgelthöhe

34. Tarifvertrag für Schuhmacher Nürnberg (gültig ab 1. Oktober 1902), zitiert nach Imle, aaO, S. 461.

Innung und Gesellenausschuß schlichten.

wie Nr. 5

II. Rechtswirkungen Die wiedergegebenen Bestimmungen regelten kollektive Interessen. Sie betrafen die Interessenwahrnehmung der Arbeitnehmerschaft als solcher gegenüber dem Arbeitgeber durch Errichtung betrieblicher Belegschafts­ vertretungen sowie die Regelung ihrer Beteiligungsrechte. Sinzheimer hatte für solche Regelungen, deren Regelungsbereich mit demjenigen der Betriebsverfassungsnormen heutigen Tarifrechts vergleichbar ist, den Ober­ begriff „Organisationsnormen" geprägt, die zusammen mit den sogenannten „ Betriebsnormen" einen Unterfall der „ Solidarnormen" bildeten. 1 7 Unter Betriebsnormen verstand Sinzheimer Bestimmungen, deren Gegenstand meistens die Fürsorge für die Arbeiter durch die Anordnung einer bestimm­ ten sachlichen Betriebsgestaltung - etwa die Einrichtung von Baderäumen - betrafen, 1 8 unter Solidarnormen solche Bestimmungen, welche zwangs­ läufig kollektive Beziehungen regelten. 19 Da noch eine gesetzliche Regelung des Tarifrechts fehlte, unterstanden Tarifverträge und damit auch tarifver­ tragliche Regelungen wie die Solidarnormen (Betriebs- und Organisations­ normen) allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen, seit Inkrafttreten des BGB dessen Bestimmungen über schuldrechtliche Verträge, 20 wenn auch die 17 18 19

Sinzheimer, Der korporative Arbeitsnormenvertrag I.Teil, 1907, S.48 ff. Sinzheimer, Der korporative Arbeitsnormenvertrag I.Teil, 1907, S.49. Vgl.Sinzheimer, Der korporative Arbeitsnormenvertrag I. Teil, 1907, S. 3 und S.

49. 20 Vgl. Wiedemann / Stumpf, TVG, § 1 RdNr.1. 5•

68

II. Teil: Dogmengeschichtliche und rechtstatsächliche Entwicklung

Klagbarkeit durch das Reichsgericht definitiv erst mit Urteil vom 20. Januar 1 9 1 0 anerkannt wurde2 1 • Der Tarifvertrag berechti�te und verpflichtete aber nur die vertragschließenden Verbände. Bürgerlich-rechtlich war uner­ klärbar, wie tarifvertragliche Regelungen unmittelbare (normative) und unabdingbare Wirkung für die einzelnen Arbeitsverträge erlangen sollten, wie sie später in TVO und TVG angeordnet wurde. Insofern ist die Bezeich­ nung Solidarnorm irreführend. Eine normative Wirkung hätte nämlich nur positivrechtlich aus einem Gesetz hergeleitet werden können. Die Versuche von Lotmar22 , Katz23 und Rundstein24 , eine normative Wirkung von Tarif­ bestimmungen ohne gesetzliche Delegation zu begründen, sind mit Recht allgemein abgelehnt worden. 2 5 Man behalf sich damit, daß Tarifnormen kraft vermuteter Vereinbarung26 der Einzelvertragsparteien Eingang in die Einzelvertragsverhältnisse finden können sollten, was aber keine normative Wirkung und schon gar keine Unabdingbarkeit bedeutete. 27 Eine wirkliche Durchsetzung von tariflichen Regelungen individueller wie insbesondere der einer Individualvereinbarung unzugänglichen kollektiven Fragen durch Solidarnormen (Betriebs- wie Organisationsnormen) war mangels normati­ ver Wirkung nur auf dem Umweg über die Einwirkung der tarifvertrag­ schließenden Verbände auf ihre Mitglieder möglich. 2 8

21 RG vom 20. Januar 1 9 1 0 , RGZ 7 3 , 92 (99), in der Sache Arbeitgeber-Schutzver­ band der Holzindustrie Hamburg gegen Deutschen Holzarbeiterverband. 22 Lotmar, Archiv für soziale Gesetzgebung und Statistik 15 (1900), 1 (106 ff.); ders., Der Arbeitsvertrag nach dem Privatrecht des Deutschen Reiches Bd. I, 1902, s.780 ff. 23 Katz, Lücken im Arbeitsvertrage, 1922, S. 69 ff. 24 Rundstein, Die Tarifverträge und die moderne Rechtswissenschaft, 1906, s. 1 3 5 ff. 2s Insbesondere von Sinzheimer, Der korporative Arbeitsnormenyertrag II. Teil, 1908, S. 65 ff.; ders., Ein Arbeitstarifgesetz, 1 9 1 6 , S. 1 04. Vgl. ferner A. Hueck, Das Recht des Tarifvertrags, 1920, S. 85 ff.; ders., Das Tarifrecht, 1922, S. 2 2 ; Molitor, NZfA 1923, 41 (43 f.); Nipperdey, in: Hueck / Nipperdey, Lehrbuch Bd. II, 3. - 5 . Aufl. 1932, § 21 I (S. 247 Fn.2). 26 Nipperdey, in: Hueck / Nipperdey, Lehrbuch Bd. II/ 1 . Hbd., § 1 3 I 1 f) (S. 2 1 5 ) ; Sinzheimer, Der korporative Arbeitsnormenvertrag II.Teil, 1 9 0 8 , S. 34 f. 27 Vgl. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte Bd. IV, 2 . Aufl. 1982, S. 1256 mit Nachw. 28 Vgl. zu dieser Konstruktion statt vieler A. Hueck, Das Recht des Tarifvertrags, 1 920, S. 50 f. und S. 149; ders., Das Tarifrecht, 1922, S. 2 2 ; Molitor, Kommentar zur Tarifvertragsordnung, 1930, Anh. § 1 RdNr. 10 (S. 1 1 0 f.); Nipperdey, in: Hueck / Nipperdey, Lehrbuch Bd. II/ 1 . Hbd., § 13 I 1 f) (S. 2 1 5).

§ 7 Entwicklung während Geltung von TVO, BRG und AOG

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§ 7 Die Entwicklung während der Geltung von TVO, BRG und AOG I. Entwicklung während der Geltung von TVO und BRG Nach Ende des Ersten Weltkrieges wurde die Errichtung von Arbeiter­ und Angestelltenausschüssen am 2 3 . Dezember 1 9 1 8 durch den Rat der Volksbeauftragten in der TVO gesetzlich angeordnet, nachdem Arbeiteraus­ schüsse bereits in einer Vereinbarung (nach den Delegationsführern „Stin­ nes-Legien-Abkommen" genannt) zwischen Arbeitgeberverbänden und den Gewerkschaften vom 15. November 1 9 1 8 1 vorgesehen worden waren. An die Stelle der Regelungen über Arbeiter- und Angestelltenausschüsse in der TVO trat 1920 das BRG, wonach in allen Betrieben, die in der Regel minde­ stens 20 Arbeitnehmer beschäftigten, Betriebsräte zu errichten waren. Damit sollte einem entsprechenden Verfassungsauftrag in Art. 165 Abs. 2 WRV genügt werden. Auch unter der Herrschaft des BRG wurde - und zwar nicht selten -2 tarifvertraglich auf die Betriebsverfassung eingewirkt. 3 Die tarifvertrag­ schließenden Parteien wurden von der damals herrschenden Meinung, die sich auch auf die Gesetzesmaterialien berufen konnte, sogar für befugt gehalten, sich unabhängig vom BRG darüber zu einigen, sowohl den gesetz­ lichen Organen der Betriebsverfassung auf Arbeitnehmerseite weitere Rechte zuzuwenden, als das Gesetz diesen Organen verlieh, als auch andere Organe, als das Gesetz vorsah, anzuerkennen, und ihnen selbst weiterge­ hende als die gesetzlichen Aufgaben zuzuweisen. 4 Nach § 1 Abs. 1 TVO hat­ ten jedoch nur tarifvertragliche Bedingungen für den Abschluß von Arbeits­ verträgen normative Wirkung. Nur das individuelle Arbeitsverhältnis konnte daher normativ geregelt werden. Wie zur Zeit vor der Kodifizierung 1 Vereinbarung abgedruckt in RArbBL 1 9 1 8 , 874. 2 So A. Hueck, BB 1949, 530. 3 Vgl. die in folgenden Entscheidungen des RAG genannten Tarifverträge: RAG vom 7. November 1928, Bensh.Sammlung 4, 200 ff. mit Anm. von Flatow; RAG vom 19. Januar 1929, Bensh.Sammlung 5, 249 ff. mit Anm. von Flatow; RAG vom 1 5 . Juni 1929, Bensh.Sammlung 6, 182 ff.; RAG vom 29. Mai 1929, Bensh.Sammlung 6, 335 ff. mit Anm. von A. Hueck; RAG vom 19. Oktober 1929, Bensh.Sammlung 7, 181 ff. mit Anm. von Nipperdey. Vgl. ferner die Beispiele bei Flatow, NZfA 1924, 386 (395), und Vollbrecht, NZfA 1925, 2 1 1 ff. 4 Vgl. Begründung der Verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung zum Entwurf des BRG, Verfassunggebende Deutsche Nationalversammlung-Aktenstück Nr. 928, S. 2 2 ; Bericht des Ausschusses für soziale Angelegenheiten zum Entwurf des BRG, Verfassunggebende Deutsche Nationalversammlung-Aktenstück Nr. 1838, S. 1923 ; Feig / Sitzler, Betriebsrätegesetz, 13. und 14. Aufl. 193 1 , vor § 66 (S. 177); Flatow, NZfA 1924, 386 ff., 403 ; Flatow / Kahn-Freund, Betriebsrätegesetz, 13. Aufl. 1 9 3 1 , Einl. Nr. 5 (S. 29), vor § 1 Anm. V a; Mansfeld, Betriebsrätegesetz, 3. Aufl. 1930, vor § 66 Anm. 3 (S. 296); Vollbrecht, NZfA 1925, 211 ff. ; a. A. Nipperdey, in: Hueck / Nipperdey, Lehrbuch Bd. II, 3. - 5. Aufl. 1932, § 13 IV (S. 147).

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II. Teil: Dogmengeschichtliche und rechtstatsächliche Entwicklung

des Tarifrechts waren kollektive Bestimmungen nur schuldrechtlicher Ver­ einbarung zugänglich und begründeten wie bisher nur Einwirkungspflich­ ten der vertragschließenden Verbände auf ihre Mitglieder. Das galt gerade auch für kollektive Regelungen, welche die betriebliche Ebene betrafen, in der Terminologie Sinzheimers die Solidarnormen (Betriebs- wie Organisa­ tionsnormen). 5

II. Entwicklung während der Geltung des AOG Im Nationalsozialismus wurden 1 9 33 die Koalitionen und durch § 65 des Gesetzes zur Ordnung der nationalen Arbeit (AOG) vom 20. Januar 1 934 TVO und BRG beseitigt. Das „Führerprinzip " hielt Einzug im Arbeitsleben. An die Stelle der Tarifverträge traten die Tarifordnungen, die von Beamten der Arbeitsverwaltung, sogenannten „Treuhändern der Arbeit" , erlassen wurden. An die Stelle der Betriebsräte traten Vertrauensräte mit nur bera­ tender Funktion. Betriebsverfassungsrechtliche Fragen fielen schon ange­ sichts der umfassenden, nur durch das Gesetz beschränkten Machtvollkom­ menheit des „Betriebsführers" ganz weg. 6 Kollektive Angelegenheiten hätten aber auch in den Tarifordnungen keinen Platz gefunden, weil diese lediglich gegenseitige Verpflichtungen aus den Einzelarbeitsverträgen regeln konnten.7

III. Entwicklung nach dem Zusammenbruch 1945 Nach dem Zusammenbruch im Jahre 1945 wurde das AOG durch das KRG Nr. 40 vom 30. November 1946 mit Wirkung vom 1. Januar 1 947 außer Kraft gesetzt. Das KRG Nr. 22 vom 10. April 1946 gestattete erneut die Errichtung von Betriebsräten. 8 Da es nur ein Rahmengesetz war, erließen die Länder Betriebsrätegesetze, 9 was zu erheblicher Rechtszersplitterung 5 Die Frage war umstritten; grundsätzlich wurde den Solidarnormen keine norma­ tive Wirkung beigemessen (vgl.insbes. Barmann, in: Kaskel (Hrsg.), Hauptfragen des Tarifrechts, 1927 , S. 62 ff.). Normativen Charakter gestand man ihnen nur dann zu, wenn ihre Erfüllung Voraussetzung der Arbeitspflicht des Arbeitnehmers oder Gegenleistung war (so - insbes. auch für tarifvertraglich geregelte Betriebsratsrechte - vor allem Nipperdey, in: Hueck / Nipperdey, Lehrbuch Bd. II, 3.- 5. Aufl.1932, § 9 I 5 c) [S. 73 f.] mit Fn.52).Eine normative Wirkung hielten unter bestimmten Voraus­ setzungen ebenfalls für möglich: Jacobi, Grundlehren des Arbeitsrechts, 1927, S.192; Kahn-Freund, Umfang der normativen Wirkung des Tarifvertrags und Wiedereinstel­ lungsklausel, 1928, S. 8; Kaskel / Dersch, Arbeitsrecht, 4. Aufl. 1932, S. 107 ; Molitor, Kommentar zur Tarifvertragsverordnung, 1930, Anh. § 1 RdNr. 9 (S.110). 6 Hueck / Nipperdey / Dietz, Gesetz zur Ordnung der Nationalen Arbeit, 4. Aufl. 1943, § 1 Anm.1 ff. 7 Vgl. Mansfeld / Pohl / Steinmann / Kause, Die Ordnung der nationalen Arbeit, 1934, s. 367. B Zu der Frage, ob und inwieweit das BRG von 1920 wieder galt s.Loppuch, Kom­ mentar zum Betriebsrätegesetz (KRG Nr. 22), 1948, Art. XII Anm. 1 (S.102).

§ 8 Folgerungen und Überleitung

71

führte. Auch unter dem KRG Nr. 22 und den Landesbetriebsrätegesetzen wurden Gestaltungen des Betriebsverfassungsrechts durch Tarifvertrag, 10 ja sogar durch Betriebsvereinbarung 1 1 für zulässig gehalten. Die Frage, ob durch Beseitigung des AOG die TVO wiederaufgelebt oder ob ein Rechtszustand wie vor der Kodifizierung des Tarifrechts eingetreten war, 12 hatte keine Bedeutung für die Rechtswirkung der betriebsverfas­ sungsrechtliche Fragen in Tarifverträgen regelnden Organisationsnormen. Diesen wäre - wie oben13 gezeigt - in beiden Fällen keine normative Wir­ kung beizulegen gewesen.

§ 8 Folgerungen und Überleitung Der geschichtlich-rechtstatsächliche Überblick hat gezeigt, daß die Errichtung von Belegschaftsvertretungen und die Regelung ihrer Beteili­ gungsrechte durch Tarifvertrag schon vor Geltung des TVG und des GG zu den typischen Funktionen von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden gehört haben. Weil diese, historisch gesehen, typischen Funktionen ein maß­ gebliches Kriterium für die Absteckung des koalitionsmäßigen Funktions­ bereichs im Rahmen des Art. 9 Abs. 3 GG sind, 1 ist festzuhalten, daß dem historischen Kernbereich der Tarifautonomie die Kompetenz zu tariflicher Gestaltung der Betriebsverfassung innewohnt2 • Die gegenteilige Auffassung 9 Übersicht über diese Landesbetriebsrätegesetze bei Nipperdey / Säcker, in: Hueck / Nipperdey / Säcker, Lehrbuch Bd. II/2 . Hbd. , § 51 B III 2 (S. 1 0 7 1). 10 Vgl. z. B. BAG vom 1 2 . Oktober 1955, AP Nr. 1 zu § 56 BetrVG 1952 mit Anm. von Küchenhoff; BAG vom 2 3 . November 1955, AP Nr. 1 zu § 1 84 BGB mit Anm. von Larenz; LAG Freiburg vom 2 1 . Dezember 1 9 5 1 , DB 1952, 84. 11 BAG vom 6. November 1956, AP Nr. 1 4 zu § 626 BGB mit Anm. von Bötticher; BAG vom 2 1 . Februar 1958, AP Nr. 3 zu § 1 84 BGB (betr. KRG Nr. 22); LAG Frank­ furt vom 28. August 1952, AP 1953 Nr. 69 mit Anm. von G. Hueck (betr. das hessische Betriebsrätegesetz) ; LAG Freiburg vom 2 1 . Dezember 1 9 5 1 , DB 1 9 5 2 , 84 (betr. das badische Betriebsrätegesetz) ; LAG Hamm vom 2 5 . September 1 9 5 1 , DB 1952, 124 (betr. KRG Nr. 22); LAG Hamm vom 1 9 . Februar 1953, RdA 1953, 238 (betr. BRG von 1920). 12 Vgl. Hueck / Nipperdey / Stahlhacke, TVG, 4. Aufl. 1964, Einl. Anm. 6 (S. 13). Mit eingehender Begründung bejahte Loppuch, Kommentar zum Betriebsrätegesetz (KRG Nr. 22), 1948, Art. XII Anm. 1 ff. (S. 99 ff. , insbes. S. 102) und Art. V Anm. 3 (S. 70), die Fortgeltung der TVO. Dagegen aber BAG vom 12. Oktober 1955, AP Nr. 1 zu § 56 BetrVG 1952 (Bl. 2 Rücks.) mit Anm. von Küchenhoff. 1 a § 6 II. und § 7 I. 1 Vgl. oben § 5. 2 So auch Hersehe!, in: Verhandlungen des 46. DJT Bd. II/Teil D, 1967, S. 7 (31 f.); ders., AcP 1 7 0 (1970), 556 (558); A. Hueck, BB 1952, 925 (927); Meissinger, RdA 1956, 406 (407); G. Müller, RdA 1969, 227 (23 1 Fn. 3 9) ; Säcker, Grundprobleme der kollekti­ ven Koalitionsfreiheit, 1969, S. 58 ff. ; Schwendy, Abänderbarkeit betriebsverfas­ sungsrechtlicher Rechtssätze durch Tarifvertrag und Betriebsvereinbarung, 1969, S. 37; wohl auch Wiedemann / Stumpf, TVG, Einl. RdNr. 1 6 5 , die davon sprechen, daß

72

II. Teil: Dogmengeschichtliche und rechtstatsächliche Entwicklung

von Biedenkopf, Richardi4 und Rüthers 5 engt die Zuständigkeit der Tarif­ vertragsparteien zur Regelung betriebsverfassungsrechtlicher Fragen danach in unzulässiger Weise ein. Auch das Bundesverfassungsgericht hat die Betätigung der Koalitionen im Bereich der Betriebsverfassung dem Schutz des Art. 9 Abs. 3 GG unterstellt. 6 Allerdings war in keiner der zitier­ ten Entscheidungen darüber zu befinden, ob die Koalitionen kraft Verfas­ sungsrechts eine Zuständigkeit zur Regelung betriebsverfassungsrecht­ licher Fragen durch Tarifvertrag in Anspruch nehmen können. Mit der hier getroffenen Feststellung ist keine Aussage über den Umfang der betriebsverfassungsrechtlichen Regelungsbefugnis verbunden, sondern nur ihr grundsätzliches Vorhandensein bejaht. Erst jetzt gibt es einen Sinn, der Frage nachzugehen, ob, in welchem Umfang und in welcher Form auch nach Inkrafttreten des TVG am 2 2 . April 1 949 7 und ungeachtet des Inkraft­ tretens des BetrVG 1952 am 14. November 1 9 5 2 8 sowie später des BetrVG 1 9 7 2 am 1 9 . Januar 1 9 7 2 tarifvertragliches Betriebsverfassungsrecht ge­ schaffen worden ist (wird).

die Koalitionen auf eine betriebsverfassungsgesetzliche Zuständigkeit nicht angewie­ sen seien; vgl. auch dies., a.a.O., § 1 RdNr. 250. 3 Biedenkopf, Grenzen der Tarifautonomie, 1964, S. 319. 4 Richardi, Kollektivgewalt und Individualwille bei der Gestaltung des Arbeitsver­ hältnisses, 1968, S. 246. 5 Rüthers, Tarifmacht und Mitbestimmung in der Presse, 1975, S. 47. 6 BVerfG vom 1. März 1979, AP Nr. 1 zu § 1 MitbestG (Bl. 25 Rücks. mit Anm. von Wiedemann). Entsprechendes gilt für den Bereich der Personalvertretung, vgl. BVerfG vom 30.November 1965, AP Nr.7 zu Art. 9 GG (Bl.3 f.); BVerfG vom 26. Mai 1970, AP Nr. 16 zu Art. 9 GG (Bl. 4); BVerfG vom 23. März 1982, AP Nr. 1 zu § 48 LPVG Bremen (Bl. 2 Rücks.). 7 Auf die Länder der französischen Besatzungszone wurde das TVG erst durch Bundesgesetz vom 23. April 1953 (BGBL I S. 156) erstreckt. Bis zu diesem Zeitpunkt galt in den Ländern Rheinland-Pfalz, Baden, Württemberg-Hohenzollern und im bayerischen Kreis Lindau unterschiedliches Tarifrecht. 8 Erst hierdurch wurde die Zersplitterung des gesetzlichen Betriebsverfassungs­ rechts in der Bundesrepublik Deutschland beseitigt.

Dritter Teil

Das tarifvertragliche Betriebsverfassungsrecht als tatsächliche Erscheinung unter dem TVG seit Geltung des BetrVG 1952 und 1972: Tarifvertragsauswertung § 9 Herkunft und Auswahl des Tatsachenmaterials Zur Ermittlung und Darstellung der tarifvertraglichen Praxis der Rege­ lung von Betriebsratsrechten unter der Herrschaft des TVG wurden 300 Tarifverträge der privaten Wirtschaft l herangezogen, welche entsprechende Bestimmungen enthalten (künftig: ,,ausgewertete Tarifverträge"). Eine ent­ sprechende Sammlung wurde bei dem vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung in Bonn auf Grund des § 6 TVG geführten Tarifregister angelegt. Die Tarifvertragsparteien sind verpflichtet, dem Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung innerhalb eines Monats nach Abschluß die Urschrift oder eine beglaubigte Abschrift sowie zwei weitere Abschriften eines jeden Tarifvertrages und seiner Änderungen zu übersenden (vgl. § 7 Abs. 1 TVG). Das bedingt Vollständigkeit und Aktualität des Tarifregisters und bot bessere Voraussetzungen für eine umfangreiche Materialbeschaf­ fung als die Inanspruchnahme von Tarifsammlungen der Gewerkschaften oder Arbeitgeberverbände oder einzelner Landesministerien. 2 Auch sollte durch den Verzicht auf die Beschaffung von Tarifverträgen bei Gewerk­ schaften und Arbeitgeberverbänden der Gefahr parteiisch-motivierter Information vorgebeugt werden. Jährlich werden 7 000 bis 8 000 neue Tarifverträge registriert. 3 1982 kam es zu rund 7 200 Neuabschlüssen. 4 Im April 1983 waren etwa 42 000 Tarif­ verträge gültig (einschließlich der Tarifverträge im öffentlichen Dienst und einer Fülle von Lohn- und Gehaltstarifverträgen), darunter ca. 14 000 Fir1 Eine Berücksichtigung von Tarifverträgen für Betriebe und Verwaltungen des öffentlichen Rechts schloß die Themenstellung aus. Es geht um Betriebsrats-, nicht Personalratsrechte. 2 Vgl. z. B. Tarifarchiv des Hessischen Sozialministeriums; Tarifarchiv des WS! ; Tarifsammlung des Arbeitsministeriums Baden-Württemberg (Veröffentlichungen in 6 Bänden 1954 " 1963) ; Tarifsammlung des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und soziale Fürsorge (Veröffentlichungen in Loseblatt-Sammlung seit 1946); Tarifsammlung beim DAG-Bundesvorstand; Zentrale Tarifsammlung der IG Metall. 3 Gamillscheg, Arbeitsrecht Bd. II, 6. Aufl. 1984, S. 68. 4 Clasen (Mitarbeiter bei dem Tarifregister), BArbBl. 4/1983, 1 1 .

74

III. Teil: Tatsächliche Erscheinungsformen

mentarifverträge. 5 Angesichts dieser Masse mußte eine Auswahl getroffen werden. Die weitreichendste Beschränkung der Aussagekraft der Tarifver­ tragsauswertung ergibt sich demnach daraus, daß es sich nicht um eine Totalerhebung aller für die Themenstellung der Untersuchung einschlägi­ gen Tarifverträge handelt. In diesem Auswertungsteil geht es demzufolge weniger um quantitative Angaben mit Repräsentativitätsanspruch, sondern um eine mehr inhaltliche Erläuterung der Tarifbestimmungen, welche Betriebsratsrechte regeln. Der Auswertungsteil trägt damit insgesamt eher den Charakter eines kommentierten Materialteils. Es wurde darauf geachtet, eine Auswahl aus allen wichtigen Tarifvertrags­ typen zu treffen. Dieses Vorgehen war auch erforderlich, da Tarifverträge, die ausschließlich oder überwiegend betriebsverfassungsrechtliche Fragen regeln, in der Praxis nur in begrenzter Zahl abgeschlossen worden sind. 6 Die Übersicht in Tabelle 3 zeigt die Anzahl der ausgewerteten Tarifverträge nach Tarifvertragstypen bzw. -gegenständen insgesamt sowie aufgeschlüs­ selt nach Verbands- und Firmentarifverträgen. Die ausgewerteten Tarifverträge sind in folgenden Zeiträumen abge­ schlossen worden: unter Geltung des BetrVG 1952 (vom 14. November 1 9 5 2 bis zum 1 8 . Januar 1 9 7 2 ) : 6 9 (davon 6 Firmentarifverträge); unter Geltung des BetrVG 1 9 7 2 (ab 1 9 . Januar 1 9 7 2 ; Sammlung mit Hilfe der Mitarbeiter des Tarifregisters und der Tarifsammlung des Bayerischen Staatsministe­ riums für Arbeit und soziale Fürsorge 7 ergänzt bzw. vervollständigt bis Abschlußzeitpunkt Dezember 1 9 8 2 ) : 2 3 1 (davon 10 Firmentarifverträge). Die Berücksichtigung älterer, zum Teil noch unter Geltung des BetrVG 1 9 5 2 abgeschlossener Tarifverträge ergab sich aus dem Bemühen, die Entwick­ lung der Tarifpraxis seit Erlaß des TVG darzustellen und die Aktivitäten der Tarifpartner auf betriebsverfassungsrechtlichem Gebiet mit der Entwick5 Clasen, BArbBl. 4/1983, 1 1 . Ders., a.a.O., weist darauf hin, daß seit dem Inkraft­ treten des TVG im Jahre 1949 bis Ende 1982 mehr als 194.000 Tarifverträge abge­ schlossen und in das Tarifregister eingetragen worden sind. 6 Vgl. z. B. Tarifvertrag über die Betriebsverfassung im Baugewerbe vom 30. März 1953, geändert durch Tarifvertrag vom 29. September 1967, außer Kraft gesetzt zum 3 1 . März 1972, Inhaltswiedergabe bei Däubler, Das Grundrecht auf Mitbestimmung, 4. Aufl. 1976, S. 94 f., und Geerling, RdA 1953, 222 f. ; Tarifvertrag zwischen der Gewerkschaft ÖTV und der Versorgung und Verkehr Kiel GmbH vom 1 7 . Februar 1970, Inhaltswiedergabe bei W. Schneider, Das Mitbestimmungsgespräch 1970, 65, und Däubler, a.a.O., S. 96 f. ; Tarifvertrag über die Erweiterung der Mitbestimmungs­ rechte zwischen der Gewerkschaft OTV und dem Berufsförderungswerk Hamburg vom 2. Dezember 1 9 7 1 , abgedruckt bei Zachert, Tarifvertrag, 1979, S. 155 (vgl. dazu auch Hagemeier / Kempen / Zachert / Zilius, TVG, § 1 RdNrn. 169, 1 7 1 ) ; Tarifvertrag über die Betriebsverfassung im rheinisch-westfälischen Steinkohlenbergbau vom 12. Oktober 1976, Inhaltswiedergabe bei Föhr, RdA 1977, 285 ff. 7 Tarifsammlung des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und soziale Für­ sorge, Loseblatt-Sammlung, Teil A: Tarifverträge der privaten Wirtschaft. Diese Sammlung veröffentlicht alle Tarifverträge, deren räumlicher Geltungsbereich sich (auch) auf Bayern erstreckt.

§ 9 Herkunft und Auswahl des Tatsachenmaterials

75

lung des gesetzlichen Betriebsverfassungsrechts zu vergleichen. Dazu mußte der Untersuchungszeitraum entsprechend dem Fortschreiten der Gesetzge­ bung in diesem Bereich aufgegliedert werden. Für die Zeit vor Inkrafttreten des BetrVG 1952 aber nach Inkrafttreten des TVG vom 9 . April 1 949, also für einen Zeitraum von etwas mehr als drei Jahren, konnte aus technischen Gründen s kein Material beschafft werden. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird sich die Praxis in diesem Zeitraum aber wie nach dem Zusammen­ bruch 1945 bis zum Erlaß des TVG dargestellt haben. 9 Die folgende Über­ sicht in Tabelle 4 gibt an, welchen Gewerbegruppen 10 (unterteilt nach ein­ zelnen Gewerbezweigen bzw. abschließenden Firmen) die ausgewerteten Tarifverträge entstammen und welche Anzahl von Tarifverträgen auf jede Gewerbegruppe entfällt. Dabei können jedem Gewerbezweig bzw. jeder Firma auch mehrere Tarifverträge zugeordnet sein, etwa weil mehrere Tarifvertragstypen oder Verträge unterschiedlicher Geltungszeiträume her­ angezogen wurden. Bei der Auswahl der Tarifverträge wurde versucht, Industrie, Handwerk und Dienstleistungsgewerbe angemessen zu berück­ sichtigen. Zusätzlich sind in der Tabelle die räumlichen und persönlichen Geltungsbereiche der Tarifverträge angegeben. Erstere beachten wirt­ schaftsgeographische Schwerpunktstandarte. Auf seiten der vertragschließenden Gewerkschaften wurden nicht nur die im DGB organisierten berücksichtigt, sondern auch Tarifvertragsabschlüsse unter Beteiligung von DAG und CGB. Die Übersicht Tabelle 5 zeigt die aus­ gewerteten Tarifverträge nach den abschließenden Gewerkschaften. Die Gesamtanzahl der abgeschlossenen Tarifverträge (322) liegt dabei um 2 2 Tarifverträge höher als die Anzahl der ausgewerteten Tarifverträge (3 00), da auch Abschlüsse einzelner Tarifverträge durch mehrere Gewerkschaften berücksichtigt sind. Eine Beziehung zwischen der Anzahl der von den ein­ zelnen Gewerkschaften abgeschlossenen Tarifverträge zu der Anzahl der Zuordnungen der ausgewerteten Tarifverträge nach Gewerbegruppen 1 1 läßt sich aus der Übersicht nicht entnehmen, weil einige Gewerkschaften für mehr als eine Gewerbegruppe zuständig sind.

a Außerkraftgetretene Tarifverträge werden bei dem Tarifregister sukzessive ver­ filmt. Solche Tarifverträge zu sichten und für Auswertungszwecke zu kopieren ist mit erheblichem Aufwand an Arbeit und Kosten verbunden, dem der Ertrag kaum ent­ sprechen dürfte. 9 s. dazu oben § 7 III. 10 Einteilung und Numerierung entsprechend der Übung bei dem Tarifregister und der Tarifsammlung des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und soziale Für­ sorge, Loseblatt-Sammlung, Teil A: Tarifverträge der privaten Wirtschaft. 11 Oben Tabelle 4.

76

III. Teil: Tatsächliche Erscheinungsformen Tabelle 3 Übersicht über die Anzahl der ausgewerteten Tarifverträge nach Tarifvertragstypen bzw. -gegenständen insgesamt und aufgeschlüsselt nach Verbands- und Firmentarifverträgen

Anzahl der ausgewerteten Tarifverträge Typ des Tarifvertrages

Verbandsebene

Firmenebene

3

2

124

7

133

13

-

13

7

-

7

23

1

24

Gehaltstarifvertrag

8

1

9

Lohn- und Gehaltstarifvertrag

2

-

2

Selbständiger Tarifvertrag über Prämien- oder Akkordlohnarbeit

4

-

4

Selbständiger Tarifvertrag über Lohntarifschema

2

-

2

Selbständiger Gehaltsgruppentarifvertrag

2

-

2

Selbständiger Tarifvertrag zur Sicherung der Eingruppierung und bei Abgruppierung

1

-

1

Selbständiger Tarifvertrag über die Absicherung eines Teils eines 13. Monatsgehaltes

7

-

7

Selbständiger Tarifvertrag über Zulagen

4

-

4

Selbständiger Tarifvertrag über Sonderzahlungen

6

-

6

Selbständiger Tarifvertrag über vermögenswirksame Leistungen

16

-

16

Tarifvertrag, der ausschließlich oder überwiegend betriebsverfassungsrechtliehe Fragen regelt Allgemeiner Mantel- oder Rahmentarifvertrag Lohnrahmentarifvertrag Gehaltsrahmentarifvertrag Lohntarifvertrag

Insgesamt

§ 9 Herkunft und Auswahl des Tatsachenmaterials

77

Tabelle 3: Fortsetzung

Selbständiger Tarifvertrag über Leistungsbeurteilung

2

1

3

Selbständiger Tarifvertrag über Arbeitsplatz- und Verdienstsicherung

1

-

1

Selbständiger Tarifvertrag über Alterslohnsicherung

2

-

2

Selbständiger Tarifvertrag über Altersgehaltsicherung

2

-

2

Selbständiges Urlaubsabkommen

9

-

9

Selbständiges Urlaubsgeldabkommen

4

-

4

Selbständiges Schlichtungs-, Schiedsoder Einigungsstellenabkommen

2

-

2

Selbständiger Tarifvertrag über Wahl und Schutz gewerkschaftlicher Vertrauensleute*

4

1

5

Tarifvertrag über gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien

2

-

2

Abkommen für Auszubildende in der Berufsausbildung

2

-

2

Selbständiger Tarifvertrag zur Sicherung älterer Arbeitnehmer

3

-

3

Selbständiges Rationalisierungsschutzabkommen

13

1

14

Tarifvertrag über Einführung und Anwendung rechnergesteuerter Textsysteme

1

-

1

Tarifvertrag über die Zusammenarbeit von Verlegern und Redakteuren in den Redaktionen•

-

1

1

15

1

16

284

16

300

Sonstiger Tarifvertrag (insbes. Tarifverträge betr. die Verlängerung der Laufzeit älterer Tarifverträge oder deren Ergänzung oder Abänderung) Insgesamt

• Auswertung nur hinsichtlich auch in diesen Tarifverträgen vorkommender Regelungen von Betriebsratsrechten

78

III. Teil: Tatsächliche Erscheinungsformen Tabelle 4

Übersicht nach Gewerbegruppen (mit Anzahl der Zuordnungen) sowie einzelnen Gewerbezweigen (bzw. abschließenden Firmen) und räumlichen sowie persönlichen Geltungsbereichen, welchen die ausgewerteten Tarifverträge entstammen (pro Gewerbezweig bzw. Firma mehrere Tarifverträge möglich) Gewerbegruppe I (Landwirtschaft, Gärtnerei, Tierzucht) (1)

Raiffeisen Kraftfutterwerke, Bund, Arbeiter Gewerbegruppe m (Erdöl- und Erdgasgewinnung, Bergbau) (12)

Rheinisch-westfälischer Steinkohlenbergbau, Nordrhein-Westfalen, Arbeiter Rheinisch-westfälischer Steinkohlenbergbau, Nordrhein-Westfalen, Angestellte Rheinischer Braunkohlenbergbau, Nordrhein-Westfalen, Arbeiter und Angestellte Kali- und Steinsalzbergbau, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Südbaden, Arbeiter Kali- und Steinsalzbergbau, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Südbaden, Angestellte Gewerbegruppe IV (Steine, Erden, Keramik, Glas) (12)

Steine- und Erdenindustrie, Rheinland-Pfalz, und Feuerfestindustrie, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Arbeiter und Angestellte Feinkeramische Industrie, Bund, Arbeiter Feinkeramische Industrie, Baden-Württemberg, Bremen, Hamburg, Hessen, Nieder­ sachsen, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein, Saarland, Angestellte Hohlglaserzeugnisindustrie, Bund, Arbeiter - AGV Düsseldorf Glasindustrie, Bund, Angestellte Gewerbegruppe V - X (Hüttenindustrie, Metallhandwerk, Elektrohandwerk,

Metallindustrie, Elektroindustrie) (91)

Metallindustrie, Nordwürttemberg, Nordbaden, Arbeiter Metallindustrie, Nordwürttemberg, Nordbaden, Angestellte Metallindustrie, Südwürttemberg, Hohenzollern, Arbeiter Metallindustrie, Südwürttemberg, Hohenzollern, Angestellte Metallindustrie, Bayern, Arbeiter Metallindustrie, Bayern, Angestellte Metallindustrie, Hessen, Arbeiter Metallindustrie, Hessen, Angestellte Metallindustrie, Niedersachsen ohne westliches Niedersachsen und Oldenburg, Arbeiter Metallindustrie - Weiterverarbeitung - Nordrhein-Westfalen, Arbeiter und Angestellte Eisen- und Stahlindustrie Nordrhein-Westfalen und Klöcknerwerke Bremen, Osnabrück, Arbeiter und Angestellte Metallindustrie, Rheinland-Pfalz, Arbeiter Metallindustrie, Schleswig-Holstein, Arbeiter Eisen- und Metallindustrie, Saarland, Arbeiter Metallindustrie, Unterweser, Bremen, Arbeiter

§ 9 Herkunft und Auswahl des Tatsachenmaterials

79

Fa. Volkswagenwerk AG, Arbeiter Fa. Volkswagenwerk AG, Angestellte Metallverarbeitende Handwerke, Bayern, Arbeiter Metallverarbeitende Handwerke, Bayern, Angestellte Metallverarbeitende Handwerke, Nordrhein-Westfalen, Arbeiter Metallhandwerk einschließlich Kfz-Handwerk, Schleswig-Holstein, Arbeiter Kfz-Gewerbe und -Handel, Nordrhein-Westfalen, Arbeiter Kfz-Handel und -Handwerk, Bund, Angestellte Gewerbegruppe XI (Chemische Industrie) (40) Chemische Industrie, Bund, Arbeiter und Angestellte Kunststoffverarbeitende Industrie, Bund, Arbeiter und Angestellte Kunststoffverarbeitende Industrie, Nordbaden-Nordwürttemberg, Südbaden-Hohen­ zollern, Arbeiter Kunststoffverarbeitende Industrie, Hessen, Arbeiter Kunststoffverarbeitende Industrie, Hessen, Angestellte Chemische und kunststoffverarbeitende Industrie, Niedersachsen, Arbeiter Kunststoffverarbeitende Industrie, Rheinland-Pfalz, Arbeiter Fa. Deutsche TEXACO AG, Arbeiter und Angestellte Gewerbegruppe XII (Textilgewerbe) (10) Textilindustrie, Baden-Württemberg und bayerischer Landkreis Lindau, Arbeiter Textil- und Bekleidungsindustrie, Baden-Württemberg ohne Südbaden und baye­ rischen Landkreis Lindau, Angestellte Textilindustrie, Westfalen und Regierungsbezirk Osnabrück, Arbeiter Gewerbegruppe XIII (Papiergewerbe) (16) Papier, Pappe und Kunststoffe verarbeitende Industrie, Bund, Arbeiter Papier, Pappe und Kunststoffe verarbeitende Industrie, Nordrhein, Angestellte Papiererzeugende Industrie, Bund, Arbeiter Papiererzeugende Industrie, Westfalen, Regierungsbezirk Düsseldorf und Regierungs­ bezirk Köln, Rechtsrhein, Angestellte Gewerbegruppe XIV (Graphisches Gewerbe, Vervielfältigungsgewerbe) (6) Druckindustrie, Bund, Arbeiter Druckindustrie, Hamburg und Schleswig-Holstein, Angestellte Gewerbegruppe XV (Ledergewerbe, Plastikfolienverarbeitung, Segeltuchwaren, Raumausstatterhandwerk) (5) Ledererzeugende Industrie, Baden-Württemberg ohne Südbaden, Arbeiter Lederwaren- und Kofferindustrie, Hessen, Arbeiter Gewerbegruppe XVI (Kautschuk- und Asbestgewerbe) (4) Kautschuk- und Asbestindustrie, Hamburg, Schleswig-Holstein, Landkreis Harburg, Arbeiter und Angestellte

80

III. Teil: Tatsächliche Erscheinungsformen

Gewerbegruppe XVII - XVID (Holzgewerbe) (18) Sägeindustrie und übrige Holzbearbeitung, Bund ohne Bayern, Arbeiter und Ange­ stellte Holz- und Kunststoffverarbeitende Industrie und Handwerk, Hessen, Arbeiter Holz- und Kunststoffindustrie, Holzhandwerk, Baden-Württemberg, Nordrhein-West­ falen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Hamburg, Bremen, Arbeiter Gewerbegruppe XIX (Nahrungs- und Genußmittelgewerbe) (28) Zigarettenindustrie, Bund, Arbeiter Zuckerindustrie, Bund, Arbeiter und Angestellte Obst- und Gemüseverwertungsindustrie, Bund, Arbeiter und Angestellte Margarine- und Kunstspeisefettindustrie, Bund, Arbeiter Bäckerhandwerk, Bayern, Arbeiter und Angestellte Fleischwarenindustrie, Bayern, Arbeiter und Angestellte Fleischwarenindustrie, Nordrhein-Westfalen, Arbeiter Fleischerhandwerk, Bayern, Arbeiter und Angestellte Ernährungsindustrie, Nordrhein-Westfalen, Angestellte Brauereien und Handelsmälzereien, Nordrhein-Westfalen, Arbeiter und Angestellte Gewerbegruppe XX (Bekleidungsgewerbe) (14) Bekleidungsgewerbe, Bund, Arbeiter Bekleidungsindustrie, Bayern ohne Unterfranken, Arbeiter und Angestellte Bekleidungsindustrie, Niedersachsen und Bremen, Arbeiter Bekleidungsindustrie, Nordrhein, Arbeiter Bekleidungsindustrie, Nordrhein, Angestellte Schuhindustrie, Bund, Arbeiter Gewerbegruppe XXI (Bau- und Baunebengewerbe) (10) Baugewerbe, Bund, Arbeiter Baugewerbe, Bund, kaufmännische und technische Angestellte Baugewerbe, Bund, Poliere und Schachtmeister Maler- und Lackiererhandwerk, Bund ohne Saarland, Arbeiter Gewerbegruppe XXII (Wasser-, Gas- und Elektrizitätsgewinnung und -versorgung) (5) Energiewirtschaftliche Unternehmen, Hessen, Arbeiter und Angestellte Gas-, Wasser- und Elektrizitätswerke einschl. RWE AGV Essen, Bund, Arbeiter und Angestellte Gewerbegruppe XXIII (Reinigungsgewerbe) (6) Chemischreinigungs-, Färbereigewerbe, Wäschereien, Bund, Arbeiter Friseurhandwerk, Niedersachsen, Arbeiter

§ 9 Herkunft und Auswahl des Tatsachenmaterials

81

Gewerbegruppe XXIV (Großhandel) (2) Groß- und Außenhandel, Nordrhein-Westfalen, Arbeiter Groß- und Außenhandel, Nordrhein-Westfalen, Angestellte Gewerbegruppe XXV (Einzelhandel) (5) Einzelhandel, Bayern, Arbeiter und Angestellte Einzelhandel, Niedersachsen, Arbeiter und Angestellte Einzelhandel, Nordrhein-Westfalen, Arbeiter und Angestellte Gewerbegruppe XXVI (Zeitungsgewerbe und Hilfsgewerbe des Handels) (5) Wohnungswirtschaft, Bund, Angestellte Zeitungsverlagsgewerbe, Bund, Arbeiter und Angestellte Zeitungsverlagsgewerbe, Nordrhein-Westfalen, Angestellte Fa. Konzentration GmbH & Co KG, Bonn-Bad Godesberg Fa.Allgemeine Druck- und Presseverlags GmbH Hamburg, Fa. Neuer Vorwärts Verlag, Bonn, Fa. Sozialdemokratischer Pressedienst GmbH, Bonn, Angestellte Gewerbegruppe XXVIl (Banken, Sparkassen, Versicherungen) (3) Privates Versicherungsgewerbe, Bund, Arbeiter und Angestellte Gewerbegruppe XXVIII (Verkehrswesen) (3) Transport- und Verkehrsgewerbe, Hessen, Arbeiter Transport- und Verkehrsgewerbe, Hessen, Angestellte Fa.Versorgung und Verkehr Kiel GmbH, Arbeiter und Angestellte Gewerbegruppe XXIX (Hotel- und Gaststättengewerbe) (2) Hotel- und Gaststättengewerbe, Baden-Württemberg, Arbeiter und Angestellte Hotel- und Gaststättengewerbe, Niedersachsen ohne Verwaltungsbezirk Oldenburg, Arbeiter und Angestellte Gewerbegruppe XXX (Kunst, Unterhaltung, Film-, Funk- und Fernsehtechnik) (1) Technische Betriebe für Film und Fernsehen, Bund, Angestellte Gewerbegruppe XXXI (Gesundheitswesen, freie Berufe, privates Dienstleistungs­

gewerbe, Verbände) (1) Berufsförderungswerk Hamburg, Arbeiter und Angestellte

Unberücksichtigt blieb Gewerbegruppe II (Forstwirtschaft, Fischerei)

6 Spilger

82

III. Teil: Tatsächliche Erscheinungsformen Tabelle 5

Übersicht über die abschließenden Gewerkschaften bei den ausgewerteten Tarifverträgen (Mehrfachnennungen möglich) Abschließende Gewerkschaft

Anzahl der Tarifverträge

IG Bau, Steine, Erden

10

I G Bergbau und Energie

17 51 15 13 23 8 89 26

I G Chemie, Papier, Keramik I G Druck und Papier Gewerkschaft Handel, Banken, Versicherungen Gewerkschaft Holz und Kunststoff Gewerkschaft Leder IG Metall Gewerkschaft Nahrung, Genuß, Gaststätten Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr Gewerkschaft Textil und Bekleidung Deutsche Angestellten-Gewerkschaft Christlicher Gewerkschaftsbund Insgesamt

8 31 28 3 322

§ 10 System und Inhalte tarifvertraglichen Betriebs­ verfassungsrechts unter Geltung des BetrVG 1952 In den 69 ausgewerteten Tarifverträgen, die unter Geltung des BetrVG 1 9 5 2 abgeschlossen wurden, fanden sich 396 = 100 % (ausgewertete) Rege­ lungen, welche Betriebsratsrechte betrafen. Ein Großteil der Regelungen wiederholte sich wörtlich oder sinngemäß in mehreren Tarifverträgen. Wenn man die Wiederholungen außer acht läßt, so ergaben sich noch 1 3 3 = 100 % unterschiedliche Regelungen. Bei den folgenden Ausführungen wird neben der Anzahl der aufgefundenen Regelungen diejenige der unterschied­ lichen Bestimmungen in Klammern angegeben. Zu beachten ist, daß bei den sich anschließenden Qualifizierungen der Regelungen Mehrfachnennungen erfolgen, soweit sich die Tarifbestimmungen (auf Grund eines oder mehrerer Regelungsgegenstände) mehrfach einordnen ließen. Die Untersuchung för­ derte folgende Fallgruppen zutage: - 48 (8) = 1 2 , 1 2 % (6,01 %) Regelungen übernahmen gesetzliche Betriebs­ ratsrechte wörtlich in den Tarifvertrag oder verwiesen auf diese.

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163 (56) = 4 1 , 1 6 % (42 , 1 0 %) Regelungen enthielten Bestimmungen, wel­ che die nach dem BetrVG 1952 gegebenen gesetzlichen Betriebsratsrechte konkretisierten. Unter konkretisierenden Regelungen sollen hier solche Tarifbestimmungen verstanden werden, die ein Beteiligungsrecht des Betriebsrats in einer bestimmten Angelegenheit vorsehen, welches sich bei Subsumtion des gesetzlichen Beteiligungstatbestandes - jedenfalls nach überwiegender Ansicht -1 schon aus diesem ergeben hätte. Sah etwa ein Tarifvertrag vor, daß die Einführung von Betriebsferien nur mit Zustimmung des Betriebsrats erfolgen dürfe, so handelte es sich um eine Angelegenheit, die bereits nach § 56 Abs. 1 c) BetrVG 1 9 5 2 , wonach die Aufstellung des Urlaubsplans der Zustimmung des Betriebsrats bedurfte, mitbestimmungspflichtig war. 2 - In 19 ( 1 1 ) = 4, 79 % (8,27 %) Fällen wurden gesetzliche Betriebsratsrechte beschränkt. Dies geschah entweder dadurch, daß in Angelegenheiten, die nach dem Gesetz beteiligungspflichtig waren, von einer Beteiligungs­ pflicht abgesehen oder daß gesetzliche Beteiligungsrechte in jeweils schwächere Beteiligungsrechte umgewandelt wurden. Für die Beurtei­ lung, ob eine Beschränkung vorlag, wurde der Umfang und der Grad des betroffenen gesetzlichen Beteiligungsrechts zugrunde gelegt, welcher diesem eindeutig oder zumindest nach überwiegender Ansicht3 zukam. Beschränkungen im oben bezeichneten Sinn erfolgten in den wenigsten Fällen ausdrücklich ; sie ergaben sich regelmäßig erst aus dem Sinn der Tarifbestimmungen. Ein Beispiel für eine Beschränkung war eine Tarif­ regelung, nach der ein Mitbestimmungsrecht in einer sozialen Angelegen­ heit in ein bloßes Mitwirkungsrecht (in der Regelung handelte es sich um ein Anhörungsrecht) umgewandelt wurde. - 1 6 6 (58) = 4 1 , 9 1 % (43 ,60 %) Tarifregelungen enthielten Erweiterungen von Betriebsratsrechten. Entweder wurden Angelegenheiten, die nach dem Gesetz beteiligungsfrei waren, einer Beteiligung des Betriebsrats unterworfen oder gesetzlich vorgesehene Beteiligungsrechte in jeweils stärkere Beteiligungsrechte umgewandelt. Für die Frage, ob eine Angelegenheit nach dem Gesetz beteiligungsfrei war bzw. welchen Grad die gesetzlichen Beteiligungsrechte hatten, wurde 1 Waren Literatur und Rechtsprechung uneins, wurde von der Rechtsprechungs­ linie ausgegangen, soweit eine solche vorhanden war, grundsätzlich aber - bei Vor­ handensein - von höchstrichterlichen Entscheidungen, anderenfalls von der vorherr­ schenden Literaturmeinung. Zur Ermittlung des Streitstandes wurde häufig auf den 1 9 7 1 in 9. Aufl. erschienenen Kommentar von Fitting / Kraegeloh / Auffarth zum BetrVG 1952 zurückgegriffen, weil die übrigen Standardkommentare - insbes. von Dietz und Galperin / Siebert - ihre letzten Aufl. unter Geltung dieses Gesetzes bereits 1967 und früher erlebt hatten. 2 BAG vom 12. Oktober 1961, AP Nr. 84 zu § 6 1 1 BGB Urlaubsrecht (BI. 2) mit Anm. von Neumann-Duesberg; Dietz, BetrVG, 4. Aufl. 1967, § 56 RdNr. 1 1 7 ; Fitting / Kraegeloh / Auffarth, BetrVG, 9. Aufl. 1 9 7 1 , § 56 RdNr. 24. 6*

III. Teil: Tatsächliche Erscheinungsformen

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in Zweifelsfällen auch hier wieder die überwiegende Ansicht3 zugrunde gelegt. Beispiele: Nach § 56 Abs. 1 a) BetrVG 1952 hatte der Betriebsrat unter anderem über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit mitzube­ stimmen. Die Frage, ob und in welchem Umfang Kurzarbeit eingeführt werden sollte, wurde nach Rechtsprechung4 und herrschender Meinung in der Literatur 5 für beteiligungsfrei gehalten; das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats beschränkte sich danach auf die bloße Festsetzung der zeitlichen Lage der vom Arbeitgeber zulässigerweise eingeführten Kurz­ arbeit. Gleichwohl sahen viele Tarifbestimmungen ein Mitbestimmungs­ recht des Betriebsrats auch hinsichtlich der Einführung von Kurzarbeit vor und erhoben damit eine beteiligungsfreie Angelegenheit zu einer mit­ bestimmungspflichtigen. Insbesondere in selbständigen Rationalisie­ rungsschutzabkommen, aber auch in Mantel- und Rahmentarifverträgen waren Regelungen anzutreffen, welche die Kündigung älterer Arbeitneh­ mer von einer vorherigen Zustimmung des Betriebsrats abhängig mach­ ten, obwohl § 66 Abs. 1 BetrVG 1952 lediglich ein Anhörungsrecht vorge­ sehen hatte. Die Regelungen hatten damit ein Mitwirkungs(Anhörungs-)­ recht in ein (stärkeres) Mitbestimmungs(Zustimmungs-)recht umgewan­ delt. - 205 (75) = 5 1,76 % (56,39 %) der Bestimmungen sahen eine Beteiligung des Betriebsrats im Rahmen einer von den Tarifvertragsparteien selbst getroffenen Regelung vor. Damit ist folgendes gemeint : Zum einen können dem Betriebsrat durch Tarifvertrag lediglich Beteiligungsrechte hinsicht­ lich bestimmter Maßnahmen des Arbeitgebers übertragen werden (zum Beispiel durch eine Tarifbestimmung, nach welcher ordentliche Kündi­ gungen nur nach Zustimmung des Betriebsrats erklärt werden dürfen). Denkbar ist aber auch, daß der Tarifvertrag den Arbeitgeber zu einer bestimmten Maßnahme ermächtigt (etwa für Ruhegeldordnungen die Anpassung der betrieblichen Versorgungsleistungen an den veränderten Geldwert vorzunehmen) 6 und den Betriebsrat in irgendeiner Form an der Durchführung dieser Maßnahme beteiligt (im Beispielsfall etwa die Anpassung an den Geldwert von seiner Zustimmung abhängig macht). In letzterem Falle handelt es sich dann um die Übertragung eines Beteili­ gungsrechts im Rahmen einer vom Tarifvertrag selbst getroffenen Rege­ lung. Von den Beteiligungsrechte erweiternden Bestimmungen fanden 3 Wie diese ermittelt wurde s. Fn. 1. BAG vom 15. Dezember 196 1 , AP Nr. 1 zu § 56 BetrVG 1952 Arbeitszeit (Bl. 2, 3) mit Anm. von Küchenhaff; BAG vom 1 5 . Dezember 1961, AP Nr. 2 zu § 56 BetrVG 1952 Arbeitszeit (Bl. 2, 3) mit Anm. von Küchenhaff; BAG vom 15. Dezember 196 1 , AP Nr. 1 zu § 6 1 5 BGB Kurzarbeit (Bl. 2) mit Anm. von Neumann-Duesberg. 5 Vgl. die Nachweise für die Rechtslage unter Geltung des BetrVG 1952 bei Wiese, in: GK-BetrVG, § 87 RdNr. 77. A. A. waren Fitting I Kraegeloh I Auffarth, BetrVG, 9. Aufl. 1971, § 56 RdNr. 16a. 6 Vgl. jetzt § 16 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung. 4

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sich 117 (42) = 70,48 % (72,41 %) - das sind 2 9 , 5 3 % (3 1 , 5 7 %) der aufge­ fundenen (unterschiedlichen) Regelungen - im Rahmen einer von den Tarifvertragsparteien selbst geregelten Angelegenheit. Diese Regelungs­ struktur hat Bedeutung für die Frage der Zulässigkeit einer Erweiterung von Betriebsratsrechten, worauf später zurückzukommen sein wird. 7 - 23 (16) = 5,80 % (12,03 %) der Tarifbestimmungen enthielten bloße Unter­ richtungsrechte des Betriebsrats. Mitwirkungsrechte (Anhörungs- und Beratungsrechte) fanden sich in 53 (20) = 1 3 , 3 8 % (15,03 %) Bestimmun­ gen. Mitbestimmungsrechte (nach denen die Beteiligung des Betriebsrats Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Maßnahme des Arbeitgebers dar­ stellt) enthielten die Mehrzahl der Bestimmungen, nämlich 2 5 1 (75) = 63,38 % (56,39 %). 8 Darin enthalten sind Regelungen, welche als Mittel zur Regelung eines beteiligungspflichtigen Tatbestandes eine von Arbeitge­ ber und Betriebsrat abzuschließende Betriebsvereinbarung (oder Rege­ lungsabrede) vorschrieben; in diesen Fällen konnte der Arbeitgeber eine Maßnahme wirksam nicht alleine treffen. Weitere Bestimmungen etwa enthielten den bloßen Ausschluß von Beteiligungsrechten oder betrafen Ermächtigungen an Arbeitgeber und Betriebsrat, den Tarifvertrag ergän­ zende oder von ihm abweichende freiwillige Betriebsvereinbarungen abzuschließen. Sonstige Regelungen bezogen sich nicht unmittelbar auf Beteiligungsrechte des Betriebsrats, bildeten aber wichtige Vorausset­ zungen seiner Tätigkeit (etwa Vorschriften in betreff seiner Geschäftsfüh­ rung) ; sie waren daher auch zu berücksichtigen. Im folgenden werden die wichtigsten der aufgefundenen Bestimmungen nach ihrem Inhalt in Fallgruppen zusammengefaßt aufgeführt. Die Syste­ matik lehnt sich an den Aufbau des BetrVG 1 9 5 2 an. Soweit nicht anders vermerkt, haben die zitierten Regelungen dem Verf. im Wortlaut vorgelegen. Wegen der Fülle des Materials erschien es unzweckmäßig und auch wenig hilfreich, die Fundstelle(n) jeder einzelnen Regelung anzugeben, soweit deren Vorkommen an den meisten Tarifverträgen nachprüfbar ist. Quelle sind die in der für die Auswertung angelegten Sammlung9 enthaltenen Tarifverträge. Soweit allerdings ermittelt wurde, daß eine Regelung an anderer Stelle veröffentlicht ist, wurde diese angegeben bzw. danach zitiert. Wie sich zeigen wird, sprechen die nachstehenden Untersuchungen auch relativ viele betriebsverfassungsgesetzliche Tatbestände an. Sinn der Erör­ terung kann es daher nicht sein, diese jeweils in allen Einzelheiten darzu­ stellen. Das Gewicht wird vielmehr darauf gelegt, sie - gegebenenfalls nach grundsätzlicher Charakterisierung - den tarifvertraglichen Regelungen 7 Unten § 13 1. 8 Die Begriffe „Unterrichtungs- " , ,,Mitwirkungs- " und „Mitbestimmungsrecht" werden im technischen Sinne gebraucht. 9 s. oben § 9 .

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III. Teil: Tatsächliche Erscheinungsformen

gegenüberzustellen, um Gemeinsamkeiten und vor allem Unterschiede her­ auszuarbeiten.

I. Errichtung einer anderen Vertretung der Arbeitnehmer mit Auswirkung auf Betriebsratsrechte Abgesehen von den Tarifverträgen, welche Vorschriften über die Wahl und die Rechtsstellung gewerkschaftlicher Vertrauensleute enthielten und damit eine tarifliche Vertretung der Arbeitnehmer außerhalb des BetrVG 1 9 5 2 betrafen, gab es nach § 20 Abs. 3 dieses Gesetzes auch die Möglichkeit, für Betriebe, in denen wegen ihrer Eigenart der Errichtung von Betriebs­ räten besondere Schwierigkeiten entgegenstanden, durch Tarifvertrag die Errichtung einer anderen Vertretung der Arbeitnehmer des Betriebes zu bestimmen. Davon hat unter anderem der Tarifvertrag über die Betriebsver­ fassung im Baugewerbe vom 30. März 1 9 5 3 , geändert durch Tarifvertrag vom 2 9 . September 1 9 6 7 und außer Kraft gesetzt zum 3 1 . März 1 9 7 2 , Gebrauch gemacht. Danach gliederte sich die Betriebsvertretung in eine sogenannte Ständige Vertretung (Betriebsrat), in Baustellendelegierte und in Baustellenvertretungen. Hierbei hatte die Ständige Vertretung alle Auf­ gaben des gesetzlichen Betriebsrats, soweit diese Aufgaben durch den Tarif­ vertrag nicht den Baustellendelegierten oder den Baustellenvertretungen zustanden. Die Baustellenvertretung war vorgesehen für Baustellen, die so weit vom Sitz des Betriebes entfernt sind, daß eine tägliche Rückkehr der Arbeitnehmer nicht möglich war. Sie hatte alle Aufgaben des gesetzlichen Betriebsrats mit Ausnahme der Beteiligungsrechte in wirtschaftlichen Angelegenheiten. Für Baustellen in der Nähe des Betriebssitzes standen die Aufgaben des gesetzlichen Betriebsrats in allgemeinen, sozialen und perso­ nellen Angelegenheiten den Baustellendelegierten zu. 10 Der Tarifvertrag enthielt dadurch nicht lediglich eine Änderung des institutionellen Gefüges des BetrVG 1 9 5 2 , sondern führte gleichzeitig zu einer Beschränkung der Beteiligungsrechte des ständigen Betriebsrates durch Übertragung eines Teils seiner Aufgaben auf Außenstellen.

II. Geschäftsführung des Betriebsrats Relativ wenige Bestimmungen, und zwar 7 (4) = 1 , 7 6 % (3,00 %), befaßten sich mit der Geschäftsführung des Betriebsrats. Tarifregelungen, welche die Entsendung von Betriebsratsmitgliedern in und die Beteiligung des Betriebsrats durch paritätische Kommissionen betrafen, werden jeweils im Sachzusammenhang erörtert. 1 1 10 Inhaltswiedergabe des Tarifvertrages bei Däubler, Das Grundrecht auf Mitbe­ stimmung, 4. Aufl.1976, S. 94 f., und Geerling, RdA 1959, 222 f.

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Nach § 3 5 BetrVG 1952 war unter anderem ein Recht der Jugendvertre­ tung auf Teilnahme an Betriebsratssitzungen vorgesehen, in welchen über die Angelegenheiten der jugendlichen Arbeitnehmer verhandelt wurde. 2 (1) Tarifregelungen legten fest, daß „ bei der Mitwirkung und Mitbestimmung des Betriebsrats die Jugendvertretung heranzuziehen ist, sofern Angelegen­ heiten Jugendlicher behandelt werden" . Damit war klargestellt, daß mit dem Recht auf Teilnahme auch eine Pflicht des Betriebsrats korrespon­ dierte, für die Einladung der Jugendvertretung zu den Sitzungen Sorge zu tragen. Nach § 37 Abs. 2 BetrVG 1 9 5 2 konnte der Betriebsrat unter den dort genannten Voraussetzungen innerhalb der Arbeitszeit unter Fortzahlung der Arbeitsvergütung tätig werden. Tarifbestimmungen dehnten den Fort­ zahlungsanspruch auch auf Tätigkeiten aus, bei welchen die Voraussetzun­ gen des § 37 Abs. 2 BetrVG 1952 nicht gegeben waren oder ihr Vorliegen zumindest zweifelhaft werden konnte, wie zum Beispiel die Teilnahme an Veranstaltungen der Gewerkschaften. 1 2 In 2 (1) Regelungen etwa wurde bestimmt: „Die der Gewerkschaft angehörenden Betriebsratsmitglieder können zusätzlich zu den Sitzungen der Vertrauensleute eingeladen werden. Die durch die Teilnahme an diesen Sitzungen bedingte betriebliche Ausfallzeit wird mit dem Durchschnittsver­ dienst vergütet. "

Nach dieser Regelung konnte Freistellung von der Arbeit unter Behalt des Durchschnittsverdienstes selbst bei nicht konkret betriebsbezogenen Sit­ zungen erlangt werden, was nach § 37 Abs. 2 BetrVG 1 9 5 2 nicht möglich gewesen wäre. 1 3 Nach einer Tarifregelung wurden zwei Mitglieder des Betriebsrats sogar ständig von der Arbeit freigestellt. 1 4 Nach § 3 9 Abs. 1 BetrVG 1 9 5 2 hatte der Arbeitgeber die durch die Tätig­ keit des Betriebsrats entstehenden Kosten zu tragen. 2 (1) Tarifbestimmun­ gen sahen eine pauschale Abgeltung der Aufwendungen des Betriebsrats vor. Dies mag die Reaktionsmöglichkeiten des Betriebsrats vergrößern und sich insbesondere für größere Betriebe empfehlen. Problematisch erscheint, ob durch derartige Pauschalierungen die Geltendmachung höherer Geschäftsführungskosten ausgeschlossen ist und ausgeschlossen werden kann.

11 Bei Entgeltfragen, unten IV. 2 . 12 Vgl. Dietz, BetrVG, 4. Aufl. 1 9 6 7 , § 56 RdNr. 1 0 ; Fitting / Kraegeloh / Auffarth, BetrVG, 9. Aufl. 1 9 7 1 , § 3 7 RdNr. 1 7 . 1 3 Vgl. Fitting / Kraegeloh / Auffarth, BetrVG, 9. Aufl. 1 9 7 1 , § 37 RdNr. 1 7 . 14 § 1 Abs. 1 des zwischen der Gewerkschaft ÖTV und der Versorgung und Verkehr Kiel GmbH am 1 7 . Februar 1970 geschlossenen Tarifvertrages. Inhaltswiedergabe bei W. Schneider, Das Mitbestimmungsgespräch 1970, 65. Vgl. dazu auch Däubler, Das Grundrecht auf Mitbestimmung, 4. Aufl. 1976, S. 96.

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III. Teil: Tatsächliche Erscheinungsformen m. Allgemeine Regeln für die Beteiligung des Betriebsrats

Eine Reihe von Tarifbestimmungen konkretisierte das in § 49 BetrVG 1952 enthaltene Gebot „vertrauensvoller Zusammenarbeit" zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. 7 (1) Tarifregelungen etwa bestimmten, daß Streitigkeiten, die bei der Anwendung der zwischen den Tarifvertragspar­ teien abgeschlossenen Tarifverträge entstehen, zunächst durch Verhandlun­ gen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat geregelt werden und bei einem Mißlingen die beiderseitigen Vertreter der Tarifvertragsparteien herangezo­ gen werden sollten. Tarifregelungen, welche Streitvermeidung und -bei­ legung in Entgeltfragen betrafen, werden unter IV. 2. behandelt. Lediglich in 3 (1) Fällen war bestimmt, daß gemäß § 50 Abs. 5 BetrVG 1952 an Stelle der Einigungsstelle eine tarifliche Schlichtungsstelle ver­ bindlich zu entscheiden hatte. In 4 (1) Regelungen war ausdrücklich bestimmt, daß die Einigungsstelle nach § 50 Abs. 1 BetrVG 1952 verbindlich auch für die lediglich tarifver­ traglich vorgesehenen Fälle der Beteiligung des Betriebsrats entscheiden sollte. Das bedeutete neben einer Erweiterung der Betriebsratsrechte auch eine explizite Erweiterung der Zuständigkeiten der Einigungsstelle. Ein Beispiel dafür ist folgende Regelung: ,.Versetzungen erfolgen im Einvernehmen mit dem Betriebsrat. Wenn Einverneh­ men nicht erzielt werden kann, entscheidet die Einigungsstelle verbindlich." 15

Anzutreffen waren auch Regelungen, welche die Pflicht nach § 51 BetrVG 1952, alle Arbeitnehmer gleich zu behandeln, konkretisierten. Eine Tarif­ regelung bestimmte zum Beispiel: „Jugendliche haben Anspruch auf Gleichbehandlung, wenn sie die Arbeit von erwachsenen Arbeitnehmern vollwertig ausführen.Ob die Voraussetzungen erfüllt sind, wird zwischen Betriebsleitung und Betriebsrat unter Hinzuziehung des zuständigen Vorgesetzten festgestellt."

Zahlreich waren die Regelungen, welche die allgemeinen Aufgaben des Betriebsrats nach § 54 BetrVG 1952 näher ausgestalteten. Häufig wurden ihm auch darüber hinausgehende Aufgaben zugewiesen. Interessant erscheinen in diesem Zusammenhang 4 (1) Tarifbestimmungen, nach denen jeder Arbeitnehmer seine Ansprüche gegen den Arbeitgeber gegebenenfalls über den Betriebsrat geltend machen konnte. Eine derartige Einschaltung des Betriebsrats in die Geltendmachung individueller Ansprüche hatte das Gesetz nicht vorgesehen. Nach einer Tarifregelung wurde der Betriebsrat sogar ermächtigt, allgemeine Bekanntmachungen, Verfügungen und Anord­ nungen des Arbeitgebers, die das Arbeitsverhältnis berührten, mitzuunter15 An eine Zustimmung des Betriebsrats waren Versetzungen nach §§ 60 ff.BetrVG 1952 nicht gebunden.

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zeichnen. 16 Im Zusammenhang mit der Vorlagepflicht von Unterlagen an den Betriebsrat gemäß § 54 Abs. 2 BetrVG 1 9 5 2 finden sich eine Reihe von Regelungen, welche die Bestimmung konkretisierten oder eine Vorlage­ pflicht über die gesetzlich vorgesehenen Fälle hinaus anordneten. Beispiele: ,,Dem Betriebsrat sind alle Betriebsvereinbarungen auszuhändigen. " „Dem Betriebsrat sind die Durchschnittsverdienste der einzelnen Akkordgruppen schriftlich bekanntzugeben. " ,,Dem Betriebsrat ist auf Verlangen ungehindert Einsicht in alle Akkordberech­ nungsunterlagen, gegebenenfalls in einer Betriebsratssitzung, zu geben. " „Dem Betriebsrat sind vor Abschluß der Betriebsvereinbarung die zur Festlegung der Daten für die Prämienausgangsleistung notwendigen Unterlagen zur Verfü­ gung zu stellen und zu erläutern." IV. Regelungen über die Beteiligung des Betriebsrats in sozialen Angelegenheiten

3 1 7 (95) = 80,05 % (71 ,42 %) der ermittelten 3 9 6 (133) Regelungen betrafen Beteiligungsbefugnisse des Betriebsrats in sozialen Angelegenheiten im Sinne der §§ 56 ff. BetrVG 1952. Eine bloße Übernahme gesetzlicher Beteili­ gungsrechte erfolgte in 40 (4) Bestimmungen. 144 (48) Regelungen hatten im Hinblick auf die gesetzlich vorgesehenen Beteiligungsbefugnisse konkreti­ sierenden Charakter, 13 (8) Regelungen führten zu Beschränkungen von Betriebsratsrechten. Erweiterungen dieser Rechte fanden sich in 120 (35) Fällen. 192 (65) Fälle betrafen Beteiligungsrechte im Rahmen einer vom Tarifvertrag selbst getroffenen Regelung. 12 (8) Bestimmungen enthielten Unterrichtungsrechte, 18 (12) Mitwirkungsrechte und 230 (60) Mitbestim­ mungsrechte. Die übrigen Regelungen sahen zum Großteil die Zulässigkeit den Tarifvertrag ergänzender Betriebsvereinbarungen vor. 1. Arbeitszeit

1 3 8 (29) = 34,84 % (2 1 , 8 0 %) der Tarifregelungen betrafen Arbeitszeitfra­ gen. Die Bestimmung des § 56 Abs. 1 a) BetrVG 1952, wonach der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich des Beginns und Endes der täglichen Arbeitszeit und der Pausen hat, wurde in 30 (2) Tarifbestimmungen einfach aufgenommen. Beispiele: „Beginn und Ende der regelmäßigen Arbeitszeit und die Pausen werden mit dem Betriebsrat gemeinsam festgelegt. " 16 § 5 Abs. 1 des Tarifvertr!igs über die Erweiterung der Mitbestimmungsrechte zwischen der Gewerkschaft OTV und dem Berufsförderungswerk Hamburg vom 2. Dezember 1971, zitiert nach Zachert, Tarifvertrag, 1979, S. 155.

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III.Teil: Tatsächliche Erscheinungsformen

oder ,, ... im Einvernehmen mit dem Betriebsrat festgelegt. " ,,Die Arbeitszeit und die Freizeit für die Angehörigen der hauptamtlichen Feuer­ wehr werden gemäß § 56 BetrVG durch Betriebsvereinbarung nach Maßgabe der betrieblichen Erfordernisse unter Beachtung der arbeitszeitrechtlichen Vorschrif­ ten festgesetzt."

In dem letztgenannten Beispiel war allerdings auch eine Konkretisierung des gesetzlichen Beteiligungsrechts insofern erfolgt, als die Betriebsverein­ barung und damit auch der Betriebsrat auf eine sachlich gebotene Regelung festgelegt wurden. Entgegen der herrschenden Lehre 17 hatte das Bundesarbeitsgericht 18 ent­ schieden, daß zur Festlegung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit im Sinne des § 56 Abs. 1 a) BetrVG 1952 nicht die Verteilung der wöchent­ lichen Arbeitszeit auf die einzelnen Tage gehören sollte. Allein 14 (2) Tarif­ regelungen unterstellten diese Frage dennoch einer Beteiligungspflicht des Betriebsrats, möglicherweise um die durch den Widerspruch zwischen herr­ schender Lehre und Rechtsprechung aufgekommenen Zweifel an der Mitbe­ stimmungspflichtigkeit zu beseitigen. Beispiele : „Die Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit auf die einzelnen Werktage erfolgt mit Zustimmung des Betriebsrats." „Zur Erreichung eines arbeitsfreien Werktages kann die werktägliche Arbeitszeit im Einvernehmen mit dem Betriebsrat anders verteilt werden."

Denselben Zweck verfolgten solche Regelungen, nach welchen Sonn- und Feiertagsarbeit nur mit Zustimmung des Betriebsrats geleistet werden durfte. Auch hier ging es um die Verteilung von Arbeitszeit auf Wochentage: „Wenn Sonntags- oder Feiertagsarbeit aus wichtigen Gründen geleistet werden muß, so ist dies mit dem Betriebsrat zu vereinbaren" oder „An Sonn- und Feierta­ gen darf nur mit Zustinlmung des Betriebsrates und mit Genehmigung des zustän­ digen Gewerbeaufsichtsamtes gearbeitet werden"

waren mehrfach - 9 (2) Fälle - anzutreffende Regelungen. Nach nahezu einhelliger Meinung hatte sich das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 56 BetrVG 1952 nicht auf materielle Arbeitsbedin­ gungen bezogen. 1 9 Der Betriebsrat durfte daher den Umfang von Leistung des Arbeitnehmers und Gegenleistung des Arbeitgebers nicht mitbestimVgl.die umfangreichen Nachw.bei Dietz, BetrVG, 4. Aufl.1967, § 56 RdNr. 92. BAG vom 15. Dezember 1961, AP Nr. 1 zu § 56 BetrVG 1952 Arbeitszeit (Bl. 2 Rücks.) mit Anm. von Küchenhoff; BAG vom 15. Dezember 1961, AP Nr. 2 zu § 56 BetrVG 1952 Arbeitszeit (Bl. 2 Rücks.) mit Anm. von Küchenhoff ; BAG vom 15. Dezember 1961, AP Nr. 1 zu § 615 BGB Kurzarbeit (Bl.2) mit Anm. von Neumann­ Duesberg. 19 Vgl.statt vieler Dietz, BetrVG, 4.Aufl.1967, § 56 RdNr.24 ff.mit umfangreichen Nachw. RdNr.28. 17 18

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men. Demgemäß bezog sich das Mitbestimmungsrecht nach § 56 Abs. 1 a) BetrVG 1952 nach ständiger Rechtsprechung 20 und überwiegender Lehre21 nicht auf die - materielle - Frage der Dauer der Arbeitszeit, also weder auf die der täglichen noch der wöchentlichen22 Arbeitszeit. Mehrere Tarifrege­ lungen räumten dem Betriebsrat gleichwohl ein Mitbestimmungsrecht hin­ sichtlich dieser Fragen ein: „Wenn in einem Betriebe oder einer Betriebsabteilung regelmäßig weniger als 40 Stunden je Woche gearbeitet wird, so kann eine Verlängerung dieser Arbeitszeit bis zu 40 Stunden mit Zustimmung des Betriebsrats erfolgen."

Andere Tarifregelungen sahen für entsprechende Fälle nur ein Unterrich­ tungsrecht des Betriebsrats vor. Im Zusammenhang mit einer Beteiligung des Betriebsrats bei der Festlegung der Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit sind auch die Vorschriften zu nennen, nach denen dem Betriebsrat ein Mit­ wirkungsrecht bei der Feststellung, ob Arbeitsbereitschaft vorliegt, zukam. Beispiel: „Im Einzelfall ist mit dem Betriebsrat zu prüfen, ob in der Arbeitszeit regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft enthalten ist."

Im Falle einer positiven Feststellung sollte bei den betroffenen Arbeitneh­ mern eine über die tarifvertraglich vereinbarte Wochenarbeitszeit hinaus­ gehende wöchentliche Arbeitszeit zulässig sein. Die Einführung von Kurzarbeit, Mehrarbeit oder Überstunden (Überar­ beit)2 3 tangiert die Dauer der Arbeitszeit. Entsprechend der herrschenden Auffassung, die Dauer der Arbeitszeit unterliege als materielle Arbeitsbe­ dingung nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats, wurde auch bei Kurzar­ beit, Mehrarbeit und Überstunden angenommen, der Betriebsrat habe nicht darüber mitzubestimmen, ob und in welchem Umfang diese eingeführt wer­ den sollten; sein Mitbestimmungsrecht sei beschränkt auf die Festsetzung der zeitlichen Lage der vom Arbeitgeber zulässigerweise eingeführten Kurz­ arbeit, Mehrarbeit oder Überstunden. 24 Nach der in der Literatur25 auf 20 BAG vom 8. Oktober 1959, AP Nr. 14 zu § 56 BetrVG 1952 (BI. 4) mit Anm. von A. Hueck; BAG vom 15. Dezember 1961, AP Nr. 1 zu § 56 BetrVG 1952 Arbeitszeit (BI. 2 Rücks.) mit Anm. von Küchenhoff; BAG vom 15. Dezember 1961, AP Nr. 2 zu § 56 BetrVG 1952 Arbeitszeit (BI. 2 Rücks.) mit Anm. von Küchenhoff ; BAG vom 15. Dezember 1961, AP Nr. 1 zu § 615 BGB Kurzarbeit (BI.2) mit Anm.von Neumann­ Duesberg. 21 Vgl.die umfangreichen Nachw.bei Dietz, BetrVG, 4. Aufl. 1967, § 56 RdNr. 86. 22 Hierzu insbes. Nikisch, Arbeitsrecht Bd. III, § 113 I 2 (S. 391 f.), der darauf hin­ weist, daß § 56 Abs. 1 a) BetrVG 1952 von täglicher Arbeitszeit sprach. 23 Zum Unterschied zwischen Überstunden und Mehrarbeit vgl. Nikisch, Arbeits­ recht Bd. III, § 113 I 4 (S. 394). 24 Nachw. der Rechtsprechung zur Kurzarbeit oben Fn. 4. Dietz, BetrVG, 4. Aufl. 196'7, § 56 RdNrn.94 - 96 mit Nachw.; ausführlich Nikisch, Arbeitsrecht Bd. III, § 113 I 4, 5 (S.393 ff.); vgl. ferner für die Rechtslage unter Geltung des BetrVG 1952 die Nachw. bei Wiese, in: GK-BetrVG, § 87 RdNr. 77. A.A. waren Fitting / Kraegeloh / Auffarth, BetrVG, 9. Aufl. 1971, § 56 RdNrn. 16, 16a.

III. Teil: Tatsächliche Erscheinungsformen

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Ablehnung gestoßenen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts 26 sollte bei der Einführung von Kurzarbeit ein Mitbestimmungsrecht des Betriebs­ rats allerdings nur dann bestehen, wenn diese an einzelnen Tagen zu einer Änderung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit führte, nicht aber dann, wenn Kurzarbeit durch völligen Ausfall der Arbeit an bestimmten Tagen oder gar Wochen erreicht werden sollte. In 42 (7) Tarifregelungen wurden die nach überwiegender Ansicht mitbe­ stimmungsfreien Fälle gleichwohl einer Beteiligung des Betriebsrats unter­ stellt. Beispiele für Kurzarbeitsregelungen: „Einführung sowie Art und Weise der Durchführung von Kurzarbeit bedürfen der Zustimmung des Betriebsrats. " „Ändert sich die wirtschaftliche Lage des Betriebes oder einer Betriebsabteilung derart, daß eine Kürzung der regelmäßigen Arbeitszeit notwendig wird, so kann Kurzarbeit mit Zustimmung des Betriebsrats eingeführt werden. " „Wenn die betrieblichen Verhältnisse es erfordern, kann der Arbeitgeber mit Zustimmung des Betriebsrats für die gesamte Belegschaft Kurzarbeit einführen. " „Um Entlassungen z u vermeiden, kann die regelmäßige betriebliche Arbeitszeit im Einvernehmen mit dem Betriebsrat herabgesetzt werden."

In allen genannten Fällen wurde die Einführung von Kurzarbeit und ohne Rücksicht darauf, wie sie erreicht werden sollte, von einer Zustimmung des Betriebsrats abhängig gemacht. Ein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Art und Weise der Durchführung von Kurzarbeit, wie es im ersten Beispiel vorgesehen ist, hätte allerdings schon nach dem Gesetz bestanden, 2 7 sofern Kurzarbeit nicht durch völligen Ausfall von Arbeitszeit an Tagen oder Wochen erreicht werden sollte. Andere Tarifbestimmungen ließen es bei der Beteiligungspflicht solcher Arbeitszeitverkürzungsformen bewenden, die auch nach der Rechtsprechung mitbestimmungspflichtig gewesen wären. Mehrere Regelungen verlangten in solchen Fällen allerdings lediglich eine Anhörung des Betriebsrats vor Einführung von Kurzarbeit. Beispiele für Mehrarbeitsregelungen: „Mehrarbeit kann mit Zustimmung des Betriebsrates im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen durchgeführt werden. " „ Wenn Mehrarbeit aus wichtigem Grunde geleistet werden muß, s o ist dies mit dem Betriebsrat zu vereinbaren. " 25 Dietz, BetrVG, Auffarth, BetrVG, 9.

4. Aufl. 1967, § 5 6 RdNr. 99 mit Nachw.; Fitting / Kraegeloh / Aufl. 1 9 7 1 , § 56 RdNr. 1 6 a mit Nachw. 26 BAG vom 15. Dezember 1961, AP Nr. 1 zu § 56 BetrVG 1952 Arbeitszeit (Bl. 3) mit Anm. von Küchenhoff; BAG vom 1 5 . Dezember 1 9 6 1 , AP Nr. 2 zu § 56 Betr'VG 1952 Arbeitszeit (Bl. 3) mit Anm. von Küchenhoff; BAG vom 15. Dezember 1 9 6 1 , AP Nr. 1 zu § 615 BGB Kurzarbeit (Bl. 2) mit Anm. von Neumann-Duesberg. 27 Vgl. Dietz, BetrVG, 4. Aufl. 1967, § 56 RdNrn. 98, 99.

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7 (4) Tarifregelungen bestimmten, daß die Einführung von Kurz- oder Mehrarbeit in Eil- oder Notfällen ohne Beteiligung des Betriebsrats zulässig oder lediglich eine nachträgliche Unterrichtung ausreichend sein sollte. Bei­ spiele: ,,In Eilfällen ist der Betriebsrat nachträglich zu verständigen. " ,,In Notfällen ist der Betriebsrat nachträglich z u unterrichten. " „Bei betrieblich oder technisch notwendigen Sofortmaßnahmen ist die Einholung der Zustimmung des Betriebsrats zur Anordnung von Mehrarbeit nicht erforder­ lich." „In Eil- oder Notfällen, die keinen Aufschub dulden, kann die Betriebsleitung zuschlagspflichtige Mehrarbeit einseitig anordnen."

Soweit die Einführung von Kurz- oder Mehrarbeit nach herrschender Mei­ nung sowieso mitbestimmungsfrei war, stellten die zitierten Regelungen keine Beschränkungen gesetzlicher Beteiligungsrechte dar. Die Einräumung eines nachträglichen Unterrichtungsrechts brachte insoweit sogar eine Erweiterung der Beteiligungsbefugnisse. Soweit die Einführung von Kurz­ arbeit an einzelnen Tagen eine Änderung von Beginn oder Ende der Arbeits­ zeit erforderlich machte oder es um die Festsetzung der zeitlichen Lage der Mehrarbeitsstunden ging, bestand aber ein Mitbestimmungsrecht. 2 8 Ob Mit­ bestimmungsrechte in Eil- oder Notfällen wegfielen, war umstritten, aber herrschende Meinung. 29 Danach war der Betriebsrat allerdings nachträglich zu unterrichten und eine nachträgliche Einigung anzustreben bzw. unmit­ telbar nach gescheitertem Einigungsversuch die Einigungsstelle anzuru­ fen.3 0 Von diesem Standpunkt aus hatten die wiedergegebenen Regelungen insoweit deklaratorischen Charakter, als sie eine nachträgliche Unterrich­ tung genügen ließen; soweit sie allerdings von dem Erfordernis einer nach­ träglichen Einigung oder einer Beteiligung überhaupt absahen, wirkten sie beschränkend. Nach einer Tarifregelung war der Betriebsrat auch bei unvorhergesehener Mehrarbeit einzelner Arbeitnehmer nachträglich zu unterrichten, obwohl die Anordnung von Mehrarbeit als Einzelfall nach dem Gesetz in jedem Fall, also auch in Anbetracht der Lage der Mehrarbeitsstunden, beteiligungsfrei gewesen wäre. 3 1 In 1 1 (2) Regelungen war bestimmt, daß der an einzelnen 2a s. oben. 29 BAG vom 15. Dezember 1961, AP Nr. 1 zu § 56 BetrVG 1952 Arbeitszeit (Bl. 3 Rücks.) mit Anm. von Küchenhoff; Dietz, BetrVG, 4. Aufl. 1967, § 56 RdNrn. 51, 52 mit Nachw. A. A. etwa Fitting / Kraegeloh / Auftarth, BetrVG, 9. Aufl. 1971, § 56 RdNr. 6 a. 30 BAG vom 15. Dezember 1961, AP Nr. 1 zu § 56 BetrVG 1952 Arbeitszeit (Bl. 3 Rücks.) mit Anm. von Küchenhoff. Vgl. zur Rechtslage unter Geltung des BetrVG 1952 Wiese, in: GK-BetrVG, § 87 RdNr. 47 mit umfangreichen Nachw. 3 1 Nach h. M. bestand in sozialen Angelegenheiten kein Mitbestimmungsrecht in Einzelfällen. Ausführlich und mit umfangreichen Nachw. zum Rechtszustand unter Geltung des BetrVG 1952 Richardi, in: Dietz / Richardi, BetrVG, § 87 RdNr. 11.

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III. Teil: Tatsächliche Erscheinungsformen

Arbeitstagen eingetretene Arbeitsausfall zu einem im Einvernehmen mit dem Betriebsrat festzulegenden Zeitpunkt vor- oder nachgearbeitet werden konnte. · Derartige Arbeitszeitregelungen waren aber schon von § 56 Abs. 1 a) BetrVG 1 9 5 2 gedeckt, 32 so daß es sich bei den Bestimmungen um Konkre­ tisierungen handelte. Um weitere den Beginn und das Ende der täglichen

Arbeitszeit betreffende und die Bestimmung des § 56 Abs. 1 a) BetrVG 1 952 konkretisierende Tarifregelungen handelte es sich in folgenden Fällen:

,,Die Arbeitszeit beginnt und endet an der Arbeitsstelle. Bei Bauarbeiten von grö­ ßerer Ausdehnung an der vom Arbeitnehmer im Einvernehmen mit dem Betriebsrat zu bestimmenden Sammelstelle. " ,,Der Schichtenplan ist im Einvernehmen mit dem Betriebsrat zu erstellen. " „Arbeitsunterbrechungen (reine Wartezeiten) sollen soweit als möglich vermieden werden. Ist das nicht möglich, kann in der Produktion für Akkordgruppen und die ihnen zugeordneten Zeitlohnempfänger die Normal- und Schichtarbeit vor dem normalen Betriebsschluß durch den Betriebsleiter mit Zustimmung des Betriebsra­ tes beendet werden oder für den folgenden Tag ein späterer Arbeitsbeginn oder früherer Arbeitsschluß angesetzt werden. Der ausfallende Arbeitsverdienst wird vergütet. "

Auf die Dauer der Öffnung des Betriebes, die sogenannte Betriebszeit, hatte der Betriebsrat nach dem BetrVG 1 9 52 keinen Einfluß. 33 Ungeachtet dessen fanden sich Tarifregelungen, die dem Betriebsrat hinsichtlich des Betriebsschlusses bei besonderen Anlässen ein Mitbestimmungsrecht ein­ räumten. Die Feststellung, ob Arbeit mit Rücksicht auf Witterungseinflüsse einzu­ stellen, fortzusetzen oder wiederaufzunehmen war, durfte in wenigen Fällen

der Arbeitgeber allein treffen. Nach einer Regelung hatte er sich mit dem Betriebsrat wenigstens zu beraten. Nach dem .Gesetz wäre die Maßnahme erst beteiligungspflichtig geworden, wenn Beginn oder Ende der täglichen Arbeitszeit berührt worden wären. Die Entscheidung, daß die Arbeit zu unterbrechen ist, stellte auch keine nach § 56 Abs. 1 a) BetrVG 19 5 2 betei­ ligungspflichtige Festlegung einer Pause dar. 34 Reine Pausenregelungen (vgl. § 56 Abs. 1 a) BetrVG 1952), welche den Betriebsrat einbezogen hätten, fanden sich in wenigen Tarifverträgen. Wenn in mehreren Tarifbestimmungen die Festlegung des Termins der Schicht­ freizeit bei Wechselschichtarbeit nur im Einvernehmen mit dem Betriebsrat erfolgen konnte, so handelte es sich jedenfalls nicht um eine Pausenangele­ genheit. Schichtzeiten sind Erholungszeiten, die keine Pausen darstellen. 35 32 Vgl. Dietz, BetrVG, 4. Aufl. 1967, § 56 RdNr. 93; Fitting I Kraegeloh I Auffarth, BetrVG, 9. Aufl. 1 9 7 1 , § 56 RdNr. 18. 33 Fitting / Kraegeloh / Auffarth, BetrVG, 9. Aufl. 1 9 7 1 , § 5 6 RdNr. 16. 34 So zu Arbeitsunterbrechungen aus technischen Gründen Richardi, in: Dietz / Richardi, BetrVG, § 87 RdNr. 2 1 9 . 3 5 Vgl. Richardi, i n : Dietz / Richardi, BetrVG, § 87 RdNr. 2 14.

§ 10 System und Inhalte unter Geltung des. BetrVG 1952

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2. Arbeitsentgelt

87 (42) Tarifregelungen bezogen sich auf Entgeltfragen. Lediglich in 9 (1) Fällen wurde ein gesetzlich vorgesehener Beteiligungs­ tatbestand einfach in den Tarifvertrag aufgenommen. Es handelte sich dabei um die Bestimmung des § 56 Abs. 1 b) BetrVG 1952, wonach der Betriebsrat hinsichtlich der Zeit und des Ortes der Auszahlung der Arbeits­ entgelte ein Mitbestimmungsrecht hatte. Beispiele: ,,Der Zeitpunkt der Auszahlung wird durch Betriebsvereinbarung geregelt. " ,,Die Lohnzahlungstermine werden mit dem Betriebsrat vereinbart. " ,,Der Ort der Auszahlung wird im Einvernehmen mit dem Betriebsrat geregelt. "

7 (3) Tarifbestimmungen sahen die Errichtung von Lohn-, Prämien- oder Akkordlohnkommissionen unter Beteiligung des Betriebsrates vor. Bei­ spiele: „ Zur

B eilegung

von Meinungsverschiedenheiten werden in den Betrieben oder Lohnkommissionen gebildet. Sie bestehen aus einer gleichen Anzahl von sachkundigen Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern. Die Arbeit­ nehmervertreter werden vom Betriebsrat benannt; unter ihnen muß mindestens ein Betriebsratsmitglied sein. " Betriebsabteilungen

„Treten bei bestehender Prämienlohnvereinbarung Meinungsverschiedenheiten auf, über die eine Einigung zwischen Geschäftsleitung und Arbeitnehmer nicht erzielt werden kann, ist auf Antrag der Geschäftsleitung oder der/des Arbeitneh­ mer(s) die Prämienkommission mit dem Ziel einer Einigung einzuschalten. . . . [Besetzung wie oben]. " ,,Nach den betrieblichen Notwendigkeiten ist im Einvernehmen zwischen Betriebs­ leitung und B etriebsrat eine Kommission zu bilden, die bei Meinungsverschieden­ heiten über die Anwendung der Akkordgrundsätze zum Zwecke der Verständigung tätig wird."

In den genannten Fällen handelte es sich nicht um eine an die Stelle der Einigungsstelle tretende tarifvertragliche Schlichtungsstelle (vgl. § 50 Abs. 5 BetrVG 1952); erstere wurde hier nicht ersetzt. Gegenstand der Regelun­ gen war lediglich die Festlegung einer Modalität, wie die Mitbestimmung des Betriebsrats bei Meinungsverschiedenheiten in Entgeltfragen durchzu­ führen war. Die Entsendung von Betriebsratsmitgliedern in Kommissionen erscheint dabei nicht unproblematisch, da das Gesetz eine Delegation von Mitbestimmungsrechten nicht vorsah. 36 § 28 BetrVG 1952 ließ zwar die Bil­ dung eines die laufenden Geschäfte führenden Betriebsausschusses zu und der Betriebsrat hatte unbestrittenermaßen das Recht, Fachausschüsse zur Wahrnehmung bestimmter Aufgaben zu bilden37 . Beiden konnte aber die Willensbildung des Organs „Betriebsrat" nicht übertragen werden. Der 36 Vgl. Fitting / Kraegeloh / Auffarth, BetrVG, 9. Aufl. 1971, § 28 RdNr. 26. 3 7 Fitting / Kraegeloh / Auffarth, BetrVG, 9. Aufl. 1971, § 28 RdNr. 25.

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III. Teil: Tatsächliche Erscheinungsformen

Betriebsausschuß hatte zudem nur eine nach innen wirkende Geschäftsfüh­ rungsbefugnis. 38 Schrieb aber ein Tarifvertrag die Bildung von Kommissio­ nen der genannten Art vor, dürften die Tarifvertragsparteien auf Grund des Tarifvorrangs nach § 56 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG 195 2 in deren Ausge­ staltung frei gewesen sein. Alle weiteren das Arbeitsentgelt betreffenden Regelungen enthielten zum großen Teil Konkretisierungen von lit. g) und h) des § 56 Abs. 1 BetrVG 1 9 5 2 , betrafen also Fragen der Regelung von Akkord- und Stücklohnsätzen oder der Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen oder der Einführung neuer Entlohnungsmethoden. Die Regelungen im Wortlaut: „Die Akkordsätze einschließlich der Abgrenzung des an dem Akkordsystem zu beteiligenden Personenkreises werden zwischen Betriebsleitung und Betriebsrat vereinbart. " 3 9 „Die Akkordregelung ist unter Beachtung der nachstehenden Grundsätze zwischen Betriebsleitung und Betriebsrat schriftlich zu vereinbaren. " „Bei Gruppenakkorden ist den Beteiligten vor Beginn der Arbeit der Akkord und der Verteilungsschlüssel bekanntzugeben. Der Verteilungsschlüssel wird in der Regel nach dem tariflichen Akkordgrundlohn der an der Gruppe Beteiligten mit Zustimmung des Betriebsrats festgelegt. "

Häufig und vielfältig werden auch Prämienlohnfragen geregelt. § 5 6 Abs. 1 BetrVG 1952 erwähnte die Methode der Prämienentlohnung zwar nicht. Gleichwohl unterstand sie dem Mitbestimmungsrecht nach lit. g) oder jedenfalls lit. h) dieser Bestimmung. 40 Beispiele: „Für Arbeiten, die sich zur Ausführung im Akkord nicht eignen, können mit Zustimmung des Betriebsrats Prämien festgelegt werden. " ,, Die Prämiengrundsätze sind mit dem Betriebsrat z u vereinbaren. Prämiengrund­ . sätze sind: Prämienverfahren, Prämienansatz (technische und organisatorische Ansatzgrößen) und Prämienkurven. " ,, Zwischen Geschäftsleitung und Betriebsrat ist eine Betriebsvereinbarung abzu­ schließen, in der - soweit zutreffend - folgendes festzulegen ist . . . [Prämienarten, Prämienausgangsleistung, Prämienfunktionslinie, Risikosicherung, Zusatzprä­ mien] . " „ Die Prämienbedingungen un d die Prämiensätze sowie die Abgrenzung des an den Prämiensystemen zu beteiligenden Personenkreises werden zwischen Betriebslei­ tung und Betriebsrat vereinbart. " ,,Betriebshandwerker, die zum Bestand und zur Inganghaltung der bei Akkord­ oder Prämienarbeiten verwandten Betriebsmittel eingesetzt sind, sollen für diese

3 8 Str. aber h. M. , vgl. Fitting / Kraegeloh / Auffarth, BetrVG, 9. Aufl. 1 9 7 1 , § 2 8 RdNr. 2 1 ff. 3 9 Die Abgrenzung des Personenkreises war vom gesetzlichen Mitbestimmungs­ recht nicht erfaßt. 40 Vgl. Dietz, BetrVG, 4. Aufl. 1 9 6 7 , § 56 RdNr. 2 1 8 ; Fitting / Kraegeloh / Auffarth, BetrVG, 9 . Aufl. 1 9 7 1 , § 56 RdNr. 45.

§ 10 System und Inhalte unter Geltung des BetrVG 1952

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Zeit am Akkord- oder Prämienlohn beteiligt werden.Der Prozentsatz der Akkord­ oder Prämienbeteiligung ist gegebenenfalls nach Beratung mit dem Betriebsrat durch den Arbeitgeber festzulegen. "

Bei dieser letzten Regelung dürfte nach § 56 Abs. 1 h ) BetrVG 1 9 5 2 an sich kein bloßes Beratungsrecht, sondern ein Mitbestimmungsrecht bestanden haben. Daher beschränkte die Regelung die Betriebsratsrechte. Keine Beschränkung dürfte die folgende Regelung enthalten haben: „Die Prämiensätze sind vor ihrer betrieblichen Festsetzung zwischen Werksleitung und Betriebsrat zu beraten."

Hier war das Beratungsrecht dem Mitbestimmungsrecht nur vorgeschaltet. Eine Erweiterung des letzteren lag aber auch nicht vor, da die Beratung ähnlich wie die Unterrichtung - Vorstufe des Beteiligungsverfahrens ist41 • Außerdem erforderte das Gebot vertrauensvoller Zusammenarbeit (§ 49 Abs. 1 BetrVG 1952), daß Arbeitgeber und Betriebsrat in jedem Fall einer Meinungsverschiedenheit rechtzeitig mit dem ernsten Willen zur Einigung (§ 49 Abs. 3 BetrVG 1952) verhandelten. Anzutreffen waren Beteiligungsregelungen hinsichtlich Einsparungs-, Qualitäts-, Mengen- und Erfolgsprämien. Relativ häufig waren Regelungen, nach denen der Betriebsrat auch bei der Arbeitsbewertung, der Arbeitsplatzbewertung, der Vorgabezeitermittlung oder bei Zeitstudien zu beteiligen war: „Durch Betriebsvereinbarung im Einverständnis mit den Tarifvertragsparteien kann ein System der Arbeitsbewertung oder Arbeitsplatzbewertung nach analyti­ scher Arbeitsbewertung eingeführt und diesem System entsprechend entlohnt wer­ den." ,,Die Vorgabezeit ist mit dem Betriebsrat zu ermitteln."

Während der Beteiligung des Betriebsrats nach § 5 6 Abs. 1 h) BetrVG 1952 sicher auch die Ermittlung der Zeitvorgabe (Zeitfaktor) bei Zeitakkorden unterlag, lehnte die Rechtsprechung ein Mitbestimmungsrecht bei der Vor­ nahme von Zeitstudien ab. 42 Daher bestimmten mehrere Tarifverträge, daß der Betriebsrat schon bei der Einführung der Methoden vorbestimmter Zei­ ten zur betrieblichen Vorgabezeitermittlung oder bereits bei der Vornahme von Zeitstudien zu beteiligen sei. Im Zusammenhang mit der Arbeitsbewer­ tung erscheint auch folgende Regelung interessant: „Bei den Prämien ist auszugehen von einer bestimmten Leistung von Mensch und Maschine, die zwischen Betriebsleitung und Betriebsrat als normal vereinbart wird." 4 1 So zur Unterrichtung Richardi, in : Dietz/Richardi, BetrVG, Vorbern.§ 74 RdNr. 26. 42 Vgl. die umfangreichen Nachw.und die Kritik an dieser Rechtsprechung bei Fit­ ting / Kraegeloh /Auffarth, BetrVG, 9. Aufl. 1971, § 56 RdNr. 41. 7 Spilger

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III. Teil: Tatsächliche Erscheinungsformen

Zahlreiche Tarifregelungen sahen eine Beteiligung des Betriebsrats bei der Einführung bargeldloser Lohnzahlung und deren Abwicklung vor. Für die Art der Lohnzahlung hatte § 56 Abs. 1 b) BetrVG 1952 ein Mitbestim­ mungsrecht nicht ausdrücklich vorgesehen. Ob der Übergang auf bargeld­ lose Lohnzahlung von dieser Bestimmung erfaßt wurde, war umstritten aber herrschende Meinung. 43 Während § 56 Abs. 1 h) BetrVG 1952 lediglich ein Mitbestimmungsrecht bei der Einführung neuer Entlohnungsmethoden vorsah, unterstellten einige Tarifbestimmungen auch die Änderung von Entlohnungsmethoden einem Beteiligungsrecht, in den aufgefundenen Regelungen allerdings ledig­ lich einem Unterrichtungs- oder Mitwirkungs(Anhörungs- oder Beratungs-)­ recht : ,, Streben Betriebsleitung oder Betriebsrat eine Änderung bestehender Akkorde an, so ist rechtzeitig eine Verständigung über die erstrebte Neuregelung herbeizufüh­ ren."

6 (3) Tarifregelungen räumten dem Betriebsrat Mitbestimmungsrechte bei der Festlegung von Erschwernis-, Schmutz- oder Montagezulagen oder bezahlter Waschzeiten ein. Beispiel: ,,Der Personenkreis, für den bezahlte Waschzeiten in Frage kommt, wird im Ein­ vernehmen mit dem Betriebsrat festgelegt."

Entsprechendes gilt für Leistungszulagen: ,,Arbeiter(innen), die Tätigkeiten ausführen, die im unmittelbaren Zusammen­ hange mit Akkord- oder Prämienarbeit stehen oder deren Arbeitstempo unmittel­ bar von einer Maschine bestimmt wird, erhalten für ihre hierdurch bedingte Leistung eine angemessene Ausgleichszulage, die zwischen Firmenleitung und Betriebsrat zu vereinbaren ist."

In einigen Fällen wurde dem Betriebsrat nur ein Mitwirkungsrecht bei der Frage eingeräumt, ob bestimmten Arbeitnehmern im Hinblick auf erhöhte Leistungen eine Zulage gewährt werden sollte. Bemerkenswert ist, daß in allen vorgefundenen Bestimmungen über Zula­ gen ein Beteiligungsrecht auch für die Regelung an sich beteiligungsfreier Einzelfälle44 vorgesehen war und daß der Beteiligung nach § 56 BetrVG 1952 nicht unterlegene materielle Arbeitsbedingungen45 wie die der Entgelt­ höhe46 dieser doch unterstellt wurden.

43 BAG vom 19.April 1963, AP Nr.2 zu § 56 BetrVG 1952 Entlohnung (Bl.3 f.) mit Anm. von Küchenhoff; Fitting / Kraegeloh / Auffarth, BetrVG, 9. Aufl. 1971, § 56 RdNr.20. 44 Vgl. dazu oben Fn. 31. 45 Vgl. dazu bereits oben 1. mit Fn.19, 20, 21. 4 6 Dietz, BetrVG, 4.Aufl. 1967, § 56 RdNrn.215, 216 mit weiteren Nachw.

§ 10 System und Inhalte unter Geltung des BetrVG 1952

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Beteiligungsrechte in Einzelfällen und bezüglich materieller Arbeitsbe­ dingungen, also für an sich beteiligungsfreie Angelegenheiten, waren auch in Tarifbestimmungen über die Herabsetzung von Löhnen oder Gehältern aus besonderen Gründen vorgesehen. Zu nennen sind hier einmal die häufi­ gen Minderleistungsklauseln, die meistens wie folgt formuliert waren: „Mit Arbeitnehmern, die infolge ihrer körperlichen oder geistigen Beschaffenheit für die ihnen übertragenen Arbeiten minderleistungsfähig sind, kann gemeinsam mit dem Betriebsrat eine Entlohnung unter den tariflichen Sätzen vereinbart wer­ den. " „Erfolgt die Umsetzung [des Minderleistungsfähigen, Anm. . d. Verf.] auf einen Arbeitsplatz, für den ein niedrigeres Gehalt festgelegt ist, so wird das Gehalt im Einvernehmen mit dem Betriebsrat festgelegt." Auch in Fällen, in denen weder die körperliche noch die geistige Beschaffen­ heit des Arbeitnehmers für seine geringere Leistung ursächlich waren, wurde eine untertarifliche Entlohnung nach Beteiligung des Betriebsrats gestattet : ,,Der Arbeitnehmer, dessen ständige Leistungen den Anforderungen einer norma­ len Arbeitsleistung seiner Berufsgruppe nicht entspricht, kann unter den tarif­ lichen Sätzen entlohnt werden. Der Lohnsatz richtet sich nach dem Grad der Min­ derleistung. Er ist zwischen Betriebsleitung und Betriebsrat zu vereinbaren." In mehreren vergleichbaren Tarifregelungen wurde dem Betriebsrat ledig­ lich ein Mitwirkungsrecht bei der Feststellung der Voraussetzungen für eine Herabsetzung des Lohnes eingeräumt. Anzufügen ist, daß die Festsetzung untertariflicher Entlohnung wie in den Beispielen weder Ein- noch Umgruppierungen im Sinne des BetrVG 1 9 5 2 darstellten und somit auch kein gesetzliches Beteiligungsrecht nach dessen §§ 60 ff. ausgelöst hätte : In keiner der genannten Regelungen ging es - wie für Ein- bzw. Umgruppierungen erforderlich - um die Einstufung in die erste47 bzw. eine andere4 8 Tarifgruppe, sondern um die - beteiligungsfreie _49 individuelle Vereinbarung des Entgelts. Neben der Beteiligung des Betriebsrats hinsichtlich der Zeit und des Ortes der Auszahlung der Arbeitsentgelte wurden vielfach - 23 (3) Fälle - auch Regelungen über ein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Fälligkeit von Leistungen, der Festsetzung der Lohnabrechnungszeiträume sowie über Abschlagszahlungen getroffen. Diese Bestimmungen entsprachen dem gesetzlichen Mitbestimmungsrecht nach § 56 Abs. 1 h) BetrVG 1952 (,,Auf­ stellung von Entlohnungsgrundsätzen"), 50 enthielten also lediglich Konkre­ tisierungen. Vgl.Fitting / Kraegeloh I Auffarth, BetrVG, 9.Aufl. 1971, § 60 RdNr.11. Vgl. Dietz, BetrVG, 4. Aufl. 1967, § 60 RdNr. 13. 4 9 Dietz, BetrVG, 4. Aufl. 1967, § 60 RdNr. l l c. 5 ° Fitting I Kraegeloh I Auffarth, BetrVG, 9.Aufl. 1971, § 56 RdNr.47. 47

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7'

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III.Teil: Tatsächliche Erscheinungsformen

Auch folgende Tarifregelungen betrafen Entlohnungsgrundsätze:

,,Anspruch auf bezahlte Freistellung von der Arbeit besteht nach Absprache zwi­ schen Betriebsleitung und Betriebsrat abweichend von § 616 BGB nur in folgenden Fällen: . .. " Nach dieser Regelung war eine Beteiligung auch in Einzelfällen5 1 möglich. Eine weitere Regelung lautete :

,,Anstelle der Einzelberechnung kann nach Anhörung des Betriebsrats eine Pau­ schalabrechnung für mehrere Arbeiter vereinbart werden. " Nach § 5 6 Abs. 1 h ) BetrVG 1 9 5 2 hätte dem Betriebsrat hier - jedenfalls für die Frage, nach welchen Prinzipien diese Pauschalabgeltung zu bestimmen sein sollte, nicht aber hinsichtlich ihrer Höhe, weil es sich dabei um eine beteiligungsfreie materielle Angelegenheit 52 handelte - wohl ein Mitbestim­ mungs- und kein bloßes Mitwirkungs(Anhörungs-)recht zugestanden. Anderes gilt für folgende Vorschrift, die - nichtmitbestimmungspflichtige Einzelfälle betraf:

„Mehrarbeitslohn und -zuschlag können mit Einverständnis des Arbeitnehmers in Freizeit abgegolten werden. Darüber ist der Betriebsrat zu informieren. " Die Abgeltungsfrage wäre wohl auch schon deshalb und insoweit nach dem Gesetz beteiligungsfrei gewesen, als die Dauer der zu gewährenden Freizeit festzusetzen war, denn dabei handelte es sich wieder um eine materielle und daher beteiligungsfreie Angelegenheit 5 2 • Eine Einzelfallbeteiligung erfolgte auch in nachstehender Regelung:

„Wenn eine abwechselnde Beschäftigung mit Zeitlohnarbeit und in Akkordarbeit durch die Eigenart der Beschäftigung des Arbeitnehmers oder die Betriebsverhält­ nisse bedingt und unter Hinzuziehung des Betriebsrats vereinbart ist, so wird für die Dauer der Zeitlohnarbeit der für diese Arbeit betriebsübliche Zeitlohn verein­ bart." Bloße Konkretisierungen des § 56 Abs. 1 h) BetrVG 1 9 5 2 brachten die häufig anzutreffenden Regelungen, nach denen die Einführung von Akkord­ arbeit oder Prämienlohnarbeit nur mit Zustimmung des Betriebsrats erfol­ gen durfte. 3. Urlaub 36 ( 1 1 ) Tarifregelungen betrafen Urlaubsfragen. Die Bestimmung des § 5 6 Abs. 1 c ) BetrVG 1 9 5 2 , wonach der Betriebsrat bei der Aufstellung des Urlaubsplans mitzubestimmen hat, wurde in keine Regelung lediglich über­ nommen.

51 Vgl.zur Beteiligungsfreiheit von Einzelfällen in sozialen Angelegenheiten oben Fn. 31. 52 Vgl.dazu bereits oben 1.mit Fn. 19, 20, 2 1.

§ 10 System und Inhalte unter Geltung des BetrVG 1952

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Die Einführung von Betriebsferien ließ sich aus dem Wortlaut des Geset­ zes (,,Urlaubsplan" ) nicht eindeutig herleiten. Gleichwohl entsprach es herrschender Meinung, daß auch diese einheitliche Gewährung von Urlaub an alle Arbeitnehmer eines Betriebes dem gesetzlichen Beteiligungstatbe­ stand unterfallen sollte. 5 3 Dennoch bestimmten 10 (2) Tarifregelungen: „Sollen Betriebsferien eingeführt werden, so ist eine entsprechende Vereinbarung abzuschließen" oder ,, . ..so bedarf es der Zustimmung des Betriebsrats."

Bloße Konkretisierungen der Urlaubsplanfragen enthielten auch folgende Vorschriften: „Die Urlaubszeit wird im Einvernehmen zwischen Betriebsleitung und Betriebsrat festgelegt." ,,Der Urlaubsplan ist im Einvernehmen mit dem Betriebsrat nach den Erfordernis­ sen des Betriebes aufzustellen."

Hier war eine Festlegung des Betriebsrats auf ein sachliches Erfordernis erfolgt, die seinen Entscheidungsspielraum - das Gesetz enthielt keine der­ artige Einschränkung - einengte. Ähnlicher Fall - 7 (1) Regelungen -: „Bei der Festsetzung des Urlaubstermins werden die Wünsche der Arbeitnehmer soweit als möglich berücksichtigt; die Entscheidung der Betriebsleitung erfolgt im Einvernehmen mit dem Betriebsrat."

An sich mitbestimmungsfreie Einzelfälle54 fanden sich in Fragen der nicht zusammenhängenden Urlaubsgewährung - 9 (2) Fälle -: ,,Der Urlaub ist grundsätzlich zusammenhängend zu gewähren und zu nehmen. Eine abweichende Regelung aus zwingenden betrieblichen Gründen bedarf der Zustimmung des Betriebsrates." ,,Wünscht der Arbeitnehmer seinen Urlaub zu teilen und kommt es hierbei zu kei­ ner Einigung mit der Betriebsleitung, so entscheidet diese im Einvernehmen mit dem Betriebsrat."

Derartige Einzelfallbeteiligungen fanden sich auch in Regelungen, nach welchen Bummeltage auf den Urlaub anzurechnen waren (ob Fragen der Anrechnung nach dem Gesetz nicht grundsätzlich mitbestimmungsfrei waren, erschien fraglich. Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts war jedenfalls die Anrechnung von Kuren und Schonzeiten auf den Erholungs­ urlaub beteiligungsfrei) 55 : 53 BAG vom 12. Oktober 1961, AP Nr. 84 zu § 611 BGB Urlaubsrecht (Bl. 2) mit Anm.von Neumann-Duesberg; Dietz, BetrVG, 4. Aufl. 1967, § 56 RdNr.117 ; Fitting / Kraegeloh I Auffarth, BetrVG, 9. Aufl. 1971, § 56 RdNr. 24. 54 Dazu oben Fn.31. Nach h.M.bedurften erforderlich werdende Änderungen des Urlaubsplanes der Zustimmung nur, sofern sie nicht durch Umstände bedingt waren, die nur einzelne Arbeitnehmer betrafen; vgl.Dietz, BetrVG, 4.Aufl. 1967, § 56 RdNr. 120, und Fitting I Kraegeloh I Auffarth, BetrVG, 9.Aufl.1971, § 56 RdNr.23. 55 BAG vom 26.November 1964, AP Nr. 1 zu § 10 BUrlG Schonzeit (Bl. 4 Rücks. f.) mit Anm. von Nikisch.

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III.Teil: Tatsächliche Erscheinungsformen

„Der Anspruch auf bezahlten Urlaub wird mit Zustimmung des Betriebsrates um so viele Tage gekürzt, wie der Arbeitnehmer seit seinem letzten Urlaub oder, falls er noch keinen Urlaub bekommen hat, seit seinem Eintritt in den Betrieb unent­ schuldigt der Arbeit fern geblieben ist."

Weitere Regelungen betrafen vor allem Fragen der Berechnung oder des Auszahlungszeitpunktes des Urlaubsgeldes sowie der Urlaubsvergütung. In Fragen der Nachholung infolge von Arbeitsunfähigkeit ausgefallenen Urlaubs wurde der Betriebsrat des öfteren eingeschaltet, obwohl nur Einzel­ fälle in Betracht kamen. Beispiel : ,,Ob der durch Arbeitsunfähigkeit ausgefallene Urlaub im Anschluß an die Krank­ heit genommen werden kann, entscheidet die zuständige Personalabteilung im Ein­ vernehmen mit dem Betriebsrat."

§ 56 Abs. 1 c) BetrVG 1952 meinte nach herrschender Meinung mit ,,Urlaubsplan" nicht die - beteiligungsfreie - materielle Frage der Urlaubs­ dauer.5 6 Nach 2 (1) Tarifregelungen aber konnte der Betriebsrat zumindest auf die Gewährung und die Dauer eines tarifvertraglich vereinbarten Zusatz­ urlaubs Einfluß nehmen. 4. Berufsausbildung

Nach § 56 Abs. 1 d) BetrVG 1952 hatte der Betriebsrat auch bei der Durchführung der Berufsausbildung mitzubestimmen. Nach 2 (1) Tarifregelungen wurde dem Betriebsrat ein Beteiligungsrecht bei der „Ausbildung" eingeräumt: ,,Bei der Ausbildung bestimmt der Betriebsrat mit. "

Das BetrVG 1952 definierte den Begriff der Berufsausbildung nicht. Nach § 1 Abs. 1 des BBiG57 ist die Berufsbildung der Oberbegriff für Berufsausbil­ dung, berufliche Fortbildung und berufliche Umschulung. Diese Fälle waren von § 56 Abs. 1 d) BetrVG 1952 mit umfaßt. 58 Die Tarifregelung dürfte sich daher ebenfalls auf Ausbildung im weitesten Sinne bezogen und daher auch berufliche Fortbildung und Umschulung mit gemeint haben. In 2 (1) Regelungen wurde bestimmt, daß die Entscheidung über die Anrechnung einer Vorbildungszeit auf die Lehrzeit von der Ausbildungsver­ tretung im Einvernehmen mit dem Betriebsrat getroffen werden sollte. Hier handelte es sich um eine Konkretisierung des § 56 Abs. 1 d) BetrVG 1952.

56 Vgl. Dietz, BetrVG, 4. Aufl. 1967, § 56 RdNr.122; Fitting / Kraegeloh / Auffarth, BetrVG, 9. Aufl.1971, § 56 RdNr. 23. 5 7 Welches allerdings erst 1969 in Kraft getreten ist. 58 Fitting / Kraegeloh / Auffarth, BetrVG, 9. Aufl. 1971, § 56 RdNr. 28; ähnlich Dietz, BetrVG, 4.Aufl. 1967, § 56 RdNr. 124.

§ 10 System und Inhalte unter Geltung des BetrVG 1952

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5. Wohlfahrtseinrichtungen und Sozialleistungen

Mehrere Tarifregelungen tangierten die Vorschrift des § 5 6 Abs. 1 e) BetrVG 1952, wonach der Betriebsrat bei der Verwaltung von Wohlfahrts­ einrichtungen mitzubestimmen hatte. Beispiel: „Bei der Verwaltung von Kantinen, Speisewirtschaften und Verkaufsmagazinen hat der Betriebsrat mitzubestimmen. " Unter „Wohlfahrtseinrichtungen" im Sinne des § 56 Abs. 1 e ) BetrVG 1952 waren uneigennützige Einrichtungen zu verstehen, die der Arbeitgeber errichtete, um den Arbeitnehmern des Betriebes und ihren Angehörigen zusätzliche Vorteile zu gewähren. 59 Kantinen und (Werk-) Speisewirtschaf­ ten fielen unter diesen Begriff; 6 0 entsprechendes gilt wohl auch für Ver­ kaufsmagazine.61 Auch werksgeförderte Wohnungen konnten als Wohl­ fahrtseinrichtungen erscheinen. 6 2 Das Mitbestimmungsrecht des Betriebs­ rats bezog sich auf die Aufstellung der Grundsätze, nach denen diese Woh­ nungen zu vergeben waren, 63 nicht aber auf die Festsetzung des Mietzin­ ses 64 . Nach einer Tarifregelung sollte dagegen nicht nur Zuweisung und Kündigung mitbestimmungspflichtig sein, sondern auch die Festsetzung der Miethöhe. 6 5 Nach § 56 Abs. 1 e) BetrVG 1952 (anders für freiwillige Betriebsvereinbarungen, vgl. § 57 b) BetrVG 1952) mußte der Wirkungsbe­ reich der Wohlfahrtseinrichtung auf den Betrieb oder das Unternehmen beschränkt sein. Belegschaftsversicherungen bei großen Versicherungsge­ sellschaften, deren Wirkungskreis sich über den Bereich des Unternehmens erstreckte, gehörten demnach nicht hierzu. 6 6 Gleichwohl sahen mehrere Tarifregelungen auch in solchen Fällen eine Beteiligung des Betriebsrats vor. Beispiel: „Alle Werksangehörigen werden für den Todes- oder Invaliditätsfall als Folge eines Unfalls zu Lasten der . . . AG bei der . . . AG versichert. Die Höhe der Versicherungs­ leistungen und weitere Einzelheiten werden im Einvernehmen mit den Betriebs­ räten festgelegt. " Vgl. Fitting I Kraegeloh I Auffarth, BetrVG, 9. Aufl. 1971, § 56 RdNr. 3 1 . Fitting I Kraegeloh I Auffarth, BetrVG, 9. Aufl. 1 9 7 1 , § 56 RdNr. 34. 61 Vgl. für Verkaufsstellen Richardi, in: Dietz / Richardi, BetrVG, § 87 RdNr. 396. Anders, wenn nur verbilligter Warenbezug durch den Arbeitgeber bezweckt war: Fit­ ting I Kraegeloh I Auffarth, BetrVG, 9. Aufl. 1971, § 56 RdNr. 34a mit Nachw. 62 Dietz, BetrVG, 4. Aufl. 1967, § 56 RdNr. 131. 6 3 Dietz, BetrVG, 4. Aufl. 1967, § 56 RdNr. 131. 64 BAG vom 15. Januar 1960, AP Nr. 3 zu § 56 BetrVG 1952 Wohlfahrtseinrichtun­ gen (Bl. 1 Rücks.); Dietz, BetrVG, 4. Aufl. 1967, § 56 RdNr. 132 mit weiteren Nachw. 65 § 5 Abs. 3 des von der Gewerkschaft ÖTV mit der Versorgung und Verkehr Kiel GmbH am 17. Februar 1970 geschlossenen Tarifvertrages. Inhaltswiedergabe bei W. Schneider, Das Mitbestimmungsgespräch 1970, 65. Vgl. zu diesem Tarifvertrag auch Däubler, Das Grundrecht auf Mitbestimmung, 4. Aufl. 1976, S. 96. 66 Fitting I Kraegeloh I Auffarth, BetrVG, 9. Aufl. 1971, § 56 RdNr. 3 1a; im Ergeb­ nis auch Dietz, BetrVG, 4. Aufl. 1967, § 56 RdNr. 149. 59

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III.Teil: Tatsächliche Erscheinungsformen

Nach einer Tarifregelung sollte dem Betriebsrat ein Mitwirkungsrecht bei der Bestimmung des Personenkreises Sterbegeldberechtigter zustehen. Eine andere Bestimmung sah vor, daß beim Tode eines Arbeitnehmers dessen Ehegatte, sofern zum Todeszeitpunkt Ehegemeinschaft bestand, oder unter­ haltsberechtigte Kinder den vollen Netto-Monatslohn des Sterbemonats erhalten sollten. Im Einvernehmen mit dem Betriebsrat konnte zur Vermei­ dung unbilliger Härten im Einzelfall bezüglich des Empfängerkreises eine Sonderregelung getroffen werden. 6. Fragen der Ordnung des Betriebes und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb

Wenige Tarifregelungen sahen eine Beteiligung in Fragen der Ordnung des Betriebes oder des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb vor. In den meisten Fällen wurde der gesetzliche Beteiligungstatbestand des § 5 6 Abs. 1 f) BetrVG 1952 lediglich wiederholt. In einer Bestimmung wurde dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei der Bestimmung des Kreises der zum Tragen von Dienstkleidung Berechtigten und Verpflichteten in Kon­ kretisierung der gesetzlichen Regelung eingeräumt. 7. Unfall- und Gesundheitsschutz

Nach § 56 BetrVG 1952 war eine Mitbestimmung des Betriebsrates in Fra­ gen des Unfall- und Gesundheitsschutzes nicht vorgesehen. § 5 8 BetrVG 1952 enthielt allerdings eine Reihe von Mitwirkungsrechten auf diesem Gebiet. Die Vorschrift wurde ergänzt durch die Bestimmungen der §§ 54 Abs. 1 b) und 57 a) BetrVG 1952 sowie durch die Allgemeine Verwaltungs­ vorschrift über das Zusammenwirken der technischen Aufsichtsbeamten der Träger der Unfallversicherung mit den Betriebsvertretungen67 • Die genannten Bestimmungen waren an sich schon recht detailliert. Dennoch widmeten sich 13 (5) Tarifregelungen dem Gegenstand. In 3 (1) Fällen wurde die Bestimmung des § 58 Abs. 2 BetrVG 1952 wieder­ holt, wonach der Betriebsrat bei Einführung und Prüfung von Arbeits­ schutzeinrichtungen und bei Unfalluntersuchungen, die vom Arbeitgeber, den Gewerbeaufsichtsbeamten oder sonstigen in Betracht kommenden Stel­ len vorgenommen werden, hinzuzuziehen war. In mehreren Tarifregelungen wurde der Arbeitgeber verpflichtet, dem Betriebsrat vom Betriebsbesichti67 Vom 2 1. Juni 1968, BAnz. Nr. 116 (Rechtsgrundlage : §§ 712 Abs. 4, 769 Abs. 1 und 801 Abs. 1 RVO). Danach mußten die technischen Aufsichtsbeamten der Träger der Unfallversicherung mit den Betriebsräten zusammenwirken (§§ 1, 2 der Allgemei­ nen Verwaltungsvorschrift). Vorgesehen waren Erfahrungsaustausch (§ 3), gemein­ same Betriebsbesichtigungen (§ 4), Mitteilung von Unfallanzeigen (§ 5), Unterrich­ tungs-, Anhörungs- und Beratungsrechte (§§ 6 - 9).

§ 10 System und Inhalte unter Geltung des BetrVG 1952

105

gungsbericht der Berufsgenossenschaft Kenntnis zu geben. Nach § 4 Abs. 5 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift hatte diese Verpflichtung nur der technische Aufsichtsbeamte des Unfallversicherungsträgers. Nach § 7 1 9 Abs. 1 RVO hat der Unternehmer in Unternehmen mit mehr als 20 Beschäftigten einen oder mehrere Sicherheitsbeauftragte zu bestellen. Die Bestellung hat unter Mitwirkung des Betriebsrats zu erfolgen. In 2 (1) Tarifregelungen wurde die Bestellung an ein Einverständnis des Betriebs­ rats gebunden. Nach 2 (1) Regelungen sollte im Einverständnis mit dem Betriebsrat neben dem Sicherheitsbeauftragten auch ein Sicherheitsinge­ nieur bestellt werden. Nach § 7 1 9 Abs. 4 Satz 2 RVO soll der Arbeitgeber oder sein Beauftragter mindestens einmal im Monat mit dem Sicherheitsbeauftragten unter Beteili­ gung des Betriebsrats zum Zwecke des Erfahrungsaustausches zusammen­ treffen. 4 (1) Tarifregelungen bestimmten, daß diese zusammentreffen auch in jedem Bedarfsfall stattzufinden hatten. Mehrere Tarifbestimmungen enthielten schließlich folgende oder entsprechende Regelungen: „Die an gesundheitsgefährdenden Arbeitsplätzen beschäftigten Werksangehörigen erhalten täglich auf Kosten des Werkes bis zu ½ Liter Vollmilch.Der in Frage kom­ mende Personenkreis wird mit den Betriebsräten festgelegt." Diese Regelung dürfte eine Verstärkung des § 5 8 Abs. 1 BetrVG 19 5 2 ent­ halten haben. Danach war der Betriebsrat unter anderem verpflichtet, auf die Bekämpfung von Gesundheitsgefahren zu achten. Diesem Ziel diente die Ausgabe von Vollmilch. Allerdings legte § 58 Abs. 1 BetrVG 19 5 2 lediglich eine Mitwirkungspflicht (und damit auch ein Mitwirkungsrecht) fest. Die zitierte Tarifregelung dürfte demgegenüber ein Mitbestimmungsrecht ent­ halten haben. 8. Sonstige Regelungen

Eine Reihe von Tarifregelungen betrafen die sozialen Angelegenheiten insgesamt. So wurde etwa bestimmt: „Die Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nach dem Betriebsverfassungsgesetz in sozialen und personellen Angelegenheiten sind zu wahren." „Der Betriebsrat hat in allen sozialen Angelegenheiten, auch wenn sie nur einzelne Arbeitnehmer betreffen, mitzubestimmen. " 68 Die erste Regelung ist rein deklaratorisch. Die zweite Regelung hingegen weitete die Beteiligungsrechte auf Einzelfälle aus, die grundsätzlich nicht 68 § 8 des Tarifvertrages über die Erweiterung der Mitbestimmung zwischen der Gewerkschaft ÖTV und dem Berufsförderungswerk Hamburg vom 2.Dezember 1 971, zitiert nach Zachert, Tarifvertrag, 1979, S.155.

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III. Teil: Tatsächliche Erscheinungsformen

mitbestimmungspflichtig waren. 69 Zweifelhaft ist, ob sie dem Betriebsrat Mitbestimmungsrechte im technischen Sinn auch in solchen sozialen Ange­ legenheiten einräumen wollte, in denen nach dem Gesetz lediglich Mitwir­ kungsrechte vorgesehen waren. Mehrere Tarifbestimmungen räumten dem Betriebsrat Beteiligungsrechte in sozialen Angelegenheiten ein, die dem Katalog des § 56 BetrVG 1952 nicht zuzuordnen waren und deren Regelung das Gesetz lediglich freiwilli­ gen Betriebsvereinbarungen (§ 5 7 BetrVG 1952) überantwortet hatte: Es wurde etwa öfters bestimmt, daß der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei der Festsetzung der Entschädigung, die der Arbeitgeber an den Arbeit­ nehmer für die Verwendung eigenen Werkzeuges zahlen sollte, zustehe, Dabei handelte es sich um eine reine Aufwandsentschädigung, deren Rege­ lung nach § 56 BetrVG 1952 beteiligungsfrei war; Aufwandsentschädigun­ gen stellten keine Fragen der „Entlohnung" im Sinne des § 56 Abs. 1 h) BetrVG 1952 dar. 7 0 Mehrere Tarifregelungen sahen schließlich vor, daß zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat für Arbeitnehmer mit längerer Betriebszugehörigkeit län­ gere Kündigungsfristen zu vereinbaren waren oder vereinbart werden konn­ ten. Für eine derartige Angelegenheit war eine Beteiligungsbefugnis des Betriebsrats im Rahmen der - Einzelmaßnahmen betreffenden - personellen Angelegenheiten nicht vorgesehen. Bestimmungen über Kündigungsfristen, Kündigungstermine usw. werden daher zu den sozialen Angelegenheiten gerechnet. 71 Für die Regelung von Kündigungsfristen war aber in § 5 6 BetrVG 1952 kein Mitbestimmungstatbestand vorgesehen; allenfalls frei­ willige Betriebsvereinbarungen wären möglich gewesen. Soweit die ange­ sprochenen Tarifregelungen allerdings Arbeitgeber und Betriebsrat zum Abschluß entsprechender Betriebsvereinbarungen verpflichteten, dürfte der Arbeitgeber einem „ Kontrahierungszwang" unterlegen haben. 9. Durchführung der Beteiligung, Zulassung von Betriebsvereinbarungen

Bereits unter Geltung des BetrVG 1952 war anerkannt, daß die Mitbe­ stimmung des Betriebsrats in sozialen Angelegenheiten nicht nur im Wege der Betriebsvereinbarung, sondern auch durch formlose Regelungsabrede (Betriebsabsprache, betriebliche Einigung) ausgeübt werden konnte. 7 2 Dagegen wurde in 46 (29) der ausgewerteten Tarifregelungen bestimmt, daß 69 s. dazu oben Fn. 31. 70 Zur Abgrenzung zwischen Arbeitsentgelt und Aufwendungsersatz vgl. BAG vom 12. September 1959, AP Nr. 9 zu § 2 ArbKrankhG (Bl. 1 Rücks.) mit Anm. von Schelp. 71 Dietz, BetrVG, 4. Aufl. 1967 , § 57 RdNr. l c. 72 Vgl. die Nachw. von Rechtsprechung und Literatur aus der Zeit unter Geltung des BetrVG 1952 bei Löwisch, in: Galperin / Löwisch, BetrVG, § 77 RdNr. 100.

§ 10 System und Inhalte unter Geltung des BetrVG 1952

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eine Beteiligung mittels Betriebsvereinbarung durchzuführen sei, wodurch das Instrument der Regelungsabrede wohl ausgeschlossen werden sollte. Der Hintergrund für dieses Vorgehen dürfte in § § 56 Abs. 1 Eingangssatz, 59 BetrVG 1952 zu sehen sein. Danach gebührte schon für das BetrVG 1952 dem Tarifvertrag der Vorrang gegenüber einer betrieblichen Regelung (Sperrwirkung). Diese Sperrwirkung ließ sich nach § 59 BetrVG 1952 nur durch Zulassung einer Betriebsvereinbarung im Tarifvertrag selbst durch­ brechen. Demgemäß überantworteten nahezu alle eine Betriebsvereinba­ rung vorschreibenden Bestimmungen solche Gegenstände einer Regelung durch die Betriebspartner, die ohne Übertragung der Sperrwirkung zum Opfer gefallen wären. Das betrifft namentlich die Regelung materieller Arbeitsbedingungen. Beispiele für entsprechende Regelungen sind bereits wiedergegeben worden. Sie ermöglichten häufig eine Beteiligung des Betriebsrats über die gesetzlichen Beteiligungsrechte hinaus. Bei der Untersuchung konnten folgende Fallgruppen bei der Zulassung von Betriebsvereinbarungen ermittelt werden: - Zulassung ergänzender Betriebsvereinbarungen, - Zulassung abweichender Betriebsvereinbarungen und - Zulassung von Betriebsvereinbarungen zur Regelung genau bestimmter Angelegenheiten. Für alle drei Fälle erfolgte die Zulassung zum Teil unter dem Vorbehalt einer Genehmigung der abgeschlossenen Betriebsvereinbarung durch die Tarifvertragsparteien. V. Regelungen über die Beteiligung des Betriebsrats in personellen Angelegenheiten (ausschließlich Rationalisierungsschutzbestimmungen) Regelungen von Beteiligungsrechten des Betriebsrats in personellen Angelegenheiten im Sinne des § 60 Abs. 2 BetrVG 1952, die nicht im Zusam­ menhang mit tarifvertraglichem Rationalisierungsschutz standen, fanden sich in 33 (19) = 8,33 % (14,28 %) Tarifbestimmungen. Rationalisierungs­ schutzvorschriften betrafen zwar häufig personelle Folgen der Rationalisie­ rung. Da aber Rationalisierungen zumeist „Betriebsänderungen" nach § 72 BetrVG 1 95 2 , insbesondere Abs. 1 d), darstellten, die das Gesetz im Vierten Abschnitt bei den Beteiligungsrechten des Betriebsrats in „wirtschaftlichen Angelegenheiten" geregelt hatte, werden Beteiligungsrechte des Betriebs­ rats in Rationalisierungsschutzbestimmungen erst unter VI. behandelt. Eine bloße Übernahme gesetzlicher Beteiligungsrechte erfolgte in 2 (1) Bestimmungen. Konkretisierungen dieser Rechte enthielten 5 (3), Beschrän­ kungen 2 (1) und Erweiterungen 23 (13) Regelungen. 9 (5) Fälle betrafen

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III. Teil: Tatsächliche Erscheinungsformen

Beteiligungsrechte im Rahmen einer von den Tarifvertragsparteien selbst getroffenen Regelung. 2 (1) Bestimmungen enthielten Unterrichtungsrechte, 12 (7) Mitwirkungsrechte und 19 ( 1 1) Mitbestimmungsrechte. 1. Einstellung

§ 6 1 Abs. 1 BetrVG 1952 sah für Einstellungen ein Beteiligungsrecht 7 3 in der Form des Einspruchsrechts (negatives Konsensprinzip) vor. 7 4 Wenige

Tarifregelungen beließen es dabei. Beispiele für solche Regelungen:

„Die Mitbestimmung des Betriebsrates bei Wiedereinstellungen richtet sich nach § 61 BetrVG. " ,,Bei der Einstellung, Ausbildung und Entlassung bestimmt der Betriebsrat mit."

Im zweiten Beispiel dürfte keine Erweiterung des gesetzlichen Beteiligungs­ rechts dahingehend erfolgt sein, daß die Einstellung positiv der Zustim­ mung des Betriebsrats bedurfte. Dafür hätte sich die Tarifregelung deut­ licher ausdrücken müssen, wie es zum Beispiel folgende Bestimmungen - 5 (3) Fälle - taten: „Einstellungen haben im Einvernehmen mit dem Betriebsrat zu erfolgen. " 75 „Befristete Einstellungen oder Einstellungen für einen bestimmten Zweck haben im Einvernehmen mit dem Betriebsrat zu erfolgen." 76 ,,Einstellung und Entlassung der Arbeitnehmer erfolgt in Übereinstimmung zwi­ schen Betriebsleitung und Betriebsrat. " 77

Anders als bei Bestehen eines bloßen Einspruchsrechts durfte der Arbeitge­ ber nach den zitierten Regelungen Einstellungen nur nach vorheriger Zustimmung des Betriebsrats vornehmen. Das schwächere gesetzliche Ein­ spruchsrecht war hier al�o in ein stärkeres Zustimmungsrecht umgewandelt worden. Für die Verweigerung der Zustimmung wurde außerdem auf das Vorliegen besonderer Gründe, wie sie § 61 Abs. 3 BetrVG 1952 vorsah, ver­ zichtet. Während nach herrschender Meinung die Zustimmungsverweige73 Nach BAG vom 6. Juli 1962, AP Nr. 2 zu § 63 BetrVG 1952 (Bl. 1 Rücks.) mit Anm. von Nikisch, handelte es sich dabei nicht um ein Mitbestimmungs-, sondern lediglich um ein Mitbeurteilungsrecht. Die Frage war strittig ; vgl.die Nachweise bei Dietz, BetrVG, 4.Aufl. 1967, § 60 RdNr. 5. 74 Vgl.Dietz, BetrVG, 4. Aufl. 1967, Vorbern. § 60 RdNr. 3 . 7 5 § 11 des Manteltarifvertrages für die Angestellten in den technischen Betrieben für Film und Fernsehen vom 24. Januar 1963, zitiert nach G. Müller, RdA 1969, 227 (23 1). 76 § 15 Abs. 3 des Manteltarifvertrages für die kunststoffverarbeitende Industrie vom 26.Juni 1963, zitiert nach G. Müller, RdA 1969, 227 (23 1). 77 § 10 des Manteltarifvertrages Firma Kyriazi Berlin AG vom 1. März 1962 und § 10 des Manteltarifvertrages in der Zigarettenindustrie vom 1. März 1962, zitiert nach Freund, Die Mitbestimmung des Betriebsrates in wirtschaftlichen Angelegenheiten als Gegenstand tariflicher Abmachungen, Diss. Köln 1966, S. 78.

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rung zu einer Einstellung nach dem Gesetz ohne Folgen für deren Wirksam­ keit sein sollte, 78 war unter Geltung des BetrVG 1952 noch ungeklärt, ob demgegenüber eine tarifvertraglich vorgesehene positive Zustimmung auch eine Wirksamkeitsvoraussetzung für den mit einem Bewerber abgeschlosse­ nen Arbeitsvertrag darstellt79 . Das Bundesarbeitsgericht hat diese Frage erst in einer Entscheidung vom 2 . Juli 1980 zu § 3 Nr. 2 des Manteltarifver­ trages für den Norddeutschen Rundfunk vom 9. Oktober 1954 entschieden und verneint. 8 ° Die Frage, ob „Einstellung " im Sinne des § 61 BetrVG 1 952 lediglich die rechtliche Begründung des Arbeitsverhältnisses oder aber die tatsächliche Eingliederung einer Person als Arbeitnehmer in den Betrieb meinte, war strittig. 8 1 Eine überwiegende oder gar herrschende Ansicht hatte sich hierzu nicht herausgebildet. Wohl um Zweifel an der Mitbestim­ mungspflichtigkeit von tatsächlicher oder rechtlicher Einstellung zu besei­ tigen bestimmten 3 (1) Regelungen: „Einstellungen und Vereinbarungen des Arbeitsverhältnisses [Hervorhebung vom Verf.] erfolgen schriftlich unter Mitwirkung und Mitbestimmung des Betriebsrates aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen. "

Nach § 6 1 Abs. 1 BetrVG 1 9 5 2 hatte der Arbeitgeber bei jeder geplanten Einstellung den Betriebsrat unter anderem über die Person des Bewerbers Auskunft zu geben. Eine Tarifregelung konkretisierte diese Bestimmung wie folgt:

,.Schwerbeschädigte und Gleichgestellte sind verpflichtet, dieses bei der Einstel­ lung bekanntzugeben. Der Betriebsrat ist darüber zu informieren."

Nach einer Tarifregelung bedurften Einstellungsrichtlinien - insbeson­ dere personelle Fragebogen - der Zustimmung des Betriebsrats.82 Dies­ bezüglich hatte nach dem BetrVG 1952 kein Beteiligungsrecht bestanden. Im Zusammenhang mit Einstellungsfragen sind auch Beteiligungsrechte in betreff von Probezeiten in Einzelfällen zu erwähnen. In 3 (1) Fällen wurde dem Betriebsrat hier folgendes gesetzlich nicht vorgesehene Beteiligungs­ recht eingeräumt: „In Ausnahmefällen kann die Probezeit im Einvernehmen mit dem Betriebsrat um 1 Monat verlängert werden."

78 Vgl. die Nachw. bei Fitting / Kraegeloh/Auffarth, BetrVG, 9. Aufl. 1971, § 61 RdNr. 18. 7 9 Vgl. (für Abschlußverbote) Wiedemann/ Stumpf, TVG, § 4 RdNr. 175 mit Nachw. 0o BAG vom 2 . Juli 1980, AP Nr.5 zu § 101 BetrVG 1972 (BI.2 Rücks. ff.) mit Anm. von Misera. Näher zur tarifrechtlichen Problematik dieser Entscheidung unten § 14 I. 81 Vgl. Fitting / Kraegeloh /Auffarth, BetrVG, 9. Aufl. 1971, § 60 RdNr. 9. 02 § 4 Abs. 5 des zwischen der Gewerkschaft ÖTV und der Versorgung und Verkehr Kiel GmbH am 17.Februar 1970 geschlossenen Tarifvertrages.Inhaltswiedergabe bei W. Schneider, Das Mitbestimmungsgespräch 1970, 65.Vgl. dazu Däubler, Das Grund­ recht auf Mitbestimmung, 4. Aufl. 1976, S.96.

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III. Teil: Tatsächliche Erscheinungsformen

Zur „Einstellung" im Sinne der §§ 60 ff. BetrVG 1952 gehörte nach herr­ schender Meinung auch die Eingruppierung, 8 3 d. h. die erste Festsetzung der für die Entlohnung des Arbeitnehmers maßgebenden Lohngruppe. 84 In 4 (2) Fällen wurde das dem Betriebsrat insoweit zustehende Einspruchsrecht wiederum in ein Zustimmungsrecht verwandelt. Beispiel für eine derartige Regelung: „Der minderleistungsfähige Lohnempfänger ist verpflichtet, den ihm von der zuständigen Personalabteilung im Einvernehmen mit dem Betriebsrat angebotenen Arbeitsplatz anzunehmen. "

Nachdem eine Beteiligung nach dem Gesetz nach herrschender Meinung ohne Einfluß auf die Wirksamkeit der Eingruppierung sein sollte, 8 5 stellt sich - wie bei der Einstellung - die Frage, ob eine tarifvertraglich vorgese­ hene positive Zustimmung Wirksamkeitsvoraussetzung sein kann. Sie ist zu verneinen, weil auch ein positives Zustimmungsrecht - sei es nun gesetzlich oder tarifvertraglich vorgesehen - bei der Eingruppierung bereits aus der Natur der Maßnahme heraus nur ein Mitbeurteilungsrecht und kein Mitge­ staltungsrecht darstellt86 . In mehreren Fällen wurde der Betriebsrat schon vor der eigentlichen Eingruppierung beteiligt. Beispiel : ,.Für die Einstufung in Lohngruppen werden im Betrieb Richtbeispiele gebildet. Diese Richtbeispiele werden unter Anerkennung der Lohngruppenmerkmale des Lohntarifvertrages zwischen der Betriebsleitung und dem Betriebsrat festgelegt." 2. Umgruppierung

Die Beteiligungsrechte des Betriebsrats bei Umgruppierungen waren ent­ sprechend denen bei Einstellungen ausgestaltet (vgl. § 63 BetrVG 1952). Umgruppierung ist jede Veränderung der Einreihung in die Tarifgruppen. 87 Eine Beförderung, die diese Voraussetzungen erfüllt, ist also als Umgrup­ pierung anzusehen. 88 § § 63, 61 Abs. 1 BetrVG 1 9 5 2 , die bei geplanten Umgruppierungen unter anderem ein Auskunftsrecht des Betriebsrats vor­ sahen, konnten somit auch Beförderungen erfassen. Mehrere Tarifregelun-

83 Dietz, BetrVG, 4. Aufl. 1967, § 60 RdNr. 1 1 mit Nachw.; Fitting / Kraegeloh / Auffarth, BetrVG, 9. Aufl. 1 9 7 1 , § 60 RdNr. 1 1 . 84 Fitting / Kraegeloh / Auffarth, BetrVG, 9. Aufl. 1 9 7 1 , § 6 0 RdNr. 1 1 . 8 5 Vgl. nur Dietz, BetrVG, 4. Aufl. 1967, Vorbern. § 6 0 RdNr. 3 .

8 6 Vgl. z u dem ein positives Zustimmungsrecht enthaltenden § 99 BetrVG 1 972 jetzt BAG vom 22. März 1983, AP Nr. 6 zu § 101 BetrVG 1972 (Bl. 3) mit Anm. von Löwisch, und BAG vom 3 1 . Mai 1983, AP Nr. 27 zu § 1 1 8 BetrVG 1972 (BI. 5) mit Anm. von Misera. 87 Fitting / Auffarth / Kaiser, BetrVG, § 99 RdNr. 1 6 ; ebenso Fitting / Kraegeloh / Auffarth, BetrVG, 9. Aufl. 1 9 7 1 , § 60 RdNr. 13. 88 So schon zum BetrVG 1952 Dietz, BetrVG, 4. Aufl. 1967, § 60 RdNr. 13b; Fitting / Kraegeloh / Auffarth, BetrVG, 9. Aufl. 1 9 7 1 , § 60 RdNr. 1 3 .

§ 10 System und Inhalte unter Geltung des BetrVG 1952

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gen konkretisierten die lediglich von Umgruppierung sprechenden Vor­ schriften des Gesetzes und bestimmten: ,,Beförderungen sind dem Betriebsrat mitzuteilen. "

Damit waren allerdings gleichzeitig Beförderungen, die die Voraussetzun­ gen einer Umgruppierung nicht erfüllten, in den Rang beteiligungspflichti­ ger Angelegenheiten erhoben worden. Nach einer Tarifregelung hatte der Betriebsrat bei Umgruppierungen anders als nach dem Gesetz - nicht nur ein Einspruchs- sondern ein Zustim­ mungsrecht,89 wodurch seine Beteiligung allerdings nicht in den Rang eines Wirksamkeitserfordernisses erhoben worden ist. 90 3. Versetzung

Für Versetzungen bestanden nach § 63 BetrVG 1952 dieselben Beteili­ gungsrechte wie bei Einstellungen (Eingruppierungen) und Umgruppierun­ gen. Einige Tarifregelungen sahen vor, daß Versetzungen der positiven Zustimmung des Betriebsrates bedurften: ,,Versetzungen erfolgen im Einvernehmen mit dem Betriebsrat. Wenn Einverneh­ men nicht erzielt werden kann, entscheidet die Schiedsstelle (§ . . . ) verbindlich. "

Unter „Versetzung" im Sinne des BetrVG 1952 wurde allgemein die nicht nur vorübergehende Zuweisung eines anderen Arbeitsplatzes verstanden. 9 1 Nach mehreren Tarifregelungen waren aber sogar vorübergehende Zuwei­ sungen anderer Arbeitsplätze, also an sich beteiligungsfreie Umsetzungen 92 , einer Beteiligung durch den Betriebsrat unterstellt. In 2 (2) Fällen wurde dafür noch positiv die Zustimmung des Betriebsrats verlangt:

,,Bei betrieblichen Notwendigkeiten, insbesondere bei Inventur, Ausfall von Strom, Gas, Heizung, Material und bei Mangel an geeigneter Arbeit, sind die Arbeitnehmer verpflichtet, im Einvernehmen mit dem Betriebsrat vorübergehend auch andere zumutbare Arbeiten zu verrichten, als diejenigen, die sie bisher verrichtet haben und zu .anderen als zu den sonst üblichen Zeiten. " ,,Um Arbeitszeitverkürzungen, Aussetzen oder Entlassungen bei Mangel an geeig­ neter Arbeit zu vermeiden, können die Arbeitnehmer - soweit sie im Betrieb ver­ bleiben wollen - vorübergehend mit einer ihnen nach Meinung der Betriebsleitung und des Betriebsrats zumutbaren Arbeit beschäftigt werden. " 8 9 § 8 des zwischen der Gewerkschaft ÖTV und der Versorgung und Verkehr Kiel GmbH vom 1 7 . Februar 1970 geschlossenen Tarifvertrages. Inhaltswiedergabe bei W. Schneider, Das Mitbestimmungsgespräch 1970, 65. Vgl. dazu Däubler, Das Grund­ recht auf Mitbestimmung, 4. Aufl. 1976, S. 96. 9o s. oben 1 . mit Fn. 86 entsprechend. 91 Vgl. Fitting / Kraegeloh / Auffarth, BetrVG, 9. Aufl. 1 9 7 1 , § 60 RdNr. 18. 92 Zum Begriff vgl. Fitting / Kraegeloh / Auffarth, BetrVG, 9. Aufl. 1 9 7 1 , § 60 RdNr. 17; vgl. zur Abgrenzung von Versetzung und Umsetzung ferner die Negativum­ schreibung des Versetzungsbegriffs in § 60 Abs. 3 Satz 1 BetrVG 1952.

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III. Teil: Tatsächliche Erscheinungsformen

Eine weitere Regelung unterstellte ausdrücklich „Umsetzungen" der Mitbe­ stimmung durch den Betriebsrat. § 60 Abs. 3 Satz 3 BetrVG 1 9 5 2 ließ zwar zu, daß unter anderem durch Tarifvertrag der Begriff der Versetzung im ein­ zelnen näher umschrieben wurde. Nach herrschender Meinung war aber eine völlig vom Gesetz abweichende Ausgestaltung ausgeschlossen. 93 Diese mußte sich vielmehr im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften halten und durfte den Begriff der Versetzung nicht entgegen den gesetzlichen Vor­ schriften erweitern oder einengen. 94 Diesen Rahmen dürften die angespro­ chenen Tarifregelungen aber gesprengt haben. Die Beteiligung nach dem Gesetz stellte nach herrschender Meinung keine Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Versetzung dar. 9 5 Aber auch eine tarif­ vertraglich vorgesehene Zustimmung des Betriebsrats zu Versetzungen oder Umsetzungen dürfte entsprechend der Entscheidung des Bundesarbeitsge­ richts zu tarifvertraglichen Zustimmungserfordernissen bei Einstellungen 96 keine Wirksamkeitsvoraussetzung für diese personellen Maßnahmen gewe­ sen sein. 97 4. Entlassung (Kündigung)

§ 66 Abs. 1 BetrVG 1 9 5 2 hatte ein Anhörungsrecht des Betriebsrats vor jeder Kündigung vorgesehen. Mehrere Tarifregelungen übernahmen diese Beteiligungsbefugnis einfach in den Tarifvertrag: ,,Die Kündigung hat unter Mitwirkung und Mitbestimmung des Betriebsrates auf­ grund der gesetzlichen Bestimmungen zu erfolgen." ,, Die Bestimmung des § 66 BetrVG bleibt unberührt. " ,,Bei der Einstellung, Ausbildung und Entlassung bestimmt der Betriebsrat mit. "

Die letzte Bestimmung dürfte keine Verstärkung des Anhörungsrechts der­ gestalt begründet haben, daß es für die Kündigung auf eine Zustimmung des Betriebsrats angekommen wäre. Mehrere Tarifbestimmungen bauten das gesetzlich vorgesehene Anhörungsrecht zu einem Konsultationsrecht aus. Beispiel : ,,Im Zusammenhang mit der Kündigung einer im Betrieb tätigen gewerkschaft­ lichen Vertrauensperson sollen Arbeitgeberverband und Gewerkschaft um eine Stellungnahme gebeten werden . . . . In den Fällen, in denen der Betriebsrat eines Unternehmens ganz oder überwiegend aus Gewerkschaftsmitgliedern besteht, kann die Gewerkschaft das Konsultationsrecht auf diesen übertragen. " 93 Vgl. Dietz, BetrVG, 4 . Aufl. 1967, § 60 RdNr. 2 3 ; Fitting / Kraegeloh / Auftarth, BetrVG, 9. Aufl. 1 9 7 1 , § 60 RdNr. 22. 9 4 Fitting / Kraegeloh / Auffarth, BetrVG, 9. Aufl. 1 9 7 1 , § 60 RdNr. 22. 95 Vgl. etwa Dietz, BetrVG, 4. Aufl. 1967, Vorbern. § 60 RdNr. 3 . 9 6 BAG vom 2. Juli 1 9 8 0 , A P Nr. 5 zu § 1 0 1 BetrVG 1972 (Bl. 2 Rücks. ff.) mit Anm. von Misera. 97 Zur tarifrechtlichen Problematik dieser Entscheidung s. aber unten § 14 I.

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Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts stellte die vorherige Anhörung des Betriebsrats keine Wirksamkeitsvoraussetzung für die Kündigung dar. 98 5 (3) der aufgefundenen Tarifregelungen machten Kündigungen von einer Zustimmung des Betriebsrats abhängig. Beispiele : „Angestellten, die eine Werkszugehörigkeit von mindestens 25 Jahren haben und über 55 Jahre alt sind, kann nur mit Zustimmung des Betriebsrats gekündigt wer­ den. " „Bei Krankheiten sind Kündigungen nur mit Zustimmung des Betriebsrates und unter Berücksichtigung der gesetzlichen Bestimmungen zulässig. " 99

Diese Regelungen dürften als tarifvertragliche Beendigungsnormen100 (vgl. § 1 Abs. 1 TVG) mit unmittelbarer (normativer) und zwingender Wirkung (vgl. § 4 Abs. 1 TVG) die Beteiligung des Betriebsrats in den Rang eines (tarifrechtlichen) Wirksamkeitserfordernisses erhoben haben. Einer solchen Beurteilung steht auch nicht die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 2. Juli 1 9 8 0 entgegen, nach der eine tarifvertraglich vorgesehene Zustimmung des Betriebsrats zu Einstellungen keine Wirksamkeitsvoraus­ setzung sein son.1 0 1 VI. Regelungen über die Beteiligung des Betriebsrats in wirtschaftlichen Angelegenheiten und Rationalisierungsschutzfragen 21 (10) = 5 , 3 0 % ( 7 , 5 1 %) Tarifregelungen betrafen Beteiligungsrechte in wirtschaftlichen Angelegenheiten im Sinne der § § 67 ff. BetrVG 1 9 5 2 oder im Zusammenhang mit Vorschriften über den Schutz von Arbeitnehmern bei Rationalisierungen. Vorschriften letztgenannter Art bezogen sich zwar häufig auf personelle Folgen der Rationalisierung. Da aber Rationalisierun­ gen meistens Betriebsänderungen im Sinne des § 72 BetrVG 1 9 5 2 , insbeson­ dere des Abs. 1 d), darstellten, die das Gesetz im Vierten Abschnitt unter ,,wirtschaftlichen Angelegenheiten" geregelt hatte, erfolgt auch die Darstel­ lung in diesem Zusammenhang. 13 (6) Regelungen konkretisierten gesetzliche Beteiligungsrechte, 16 (8) erweiterten sie. Lediglich 2 (1) Bestimmungen enthielten Beteiligungsrechte 9 8 BAG vom 1 5 . September 1954, AP Nr. 1 zu § 66 BetrVG 1952 (BL 2) mit Anm. von A. Hueck; BAG vom 15. September 1954, AP Nr. 2 zu § 66 BetrVG 1952; BAG vom 27. Juni 1955, AP Nr. 4 zu § 66 BetrVG 1952 (BL 2); BAG vom 17. Juli 1956, AP Nr. 6 zu § 66 BetrVG 1952 (BL 1 Rücks.). 99 § 2 des Manteltarifvertrages in der Margarine- und Kunstspeisefett-Industrie vom 1 3 . März 1961 (gültig bis 30. Juni 1 964) für Arbeiter, abgedruckt bei Freund, Die Mitbestimmung des Betriebsrates in wirtschaftlichen Angelegenheiten als Gegenstand tariflicher Abmachungen, Diss. Köln 1966, S. 78. 1 0 0 So auch Wiedemann / Stumpf, TVG, § 1 RdNr. 239. 1 0 1 BAG vom 2 . Juli 1980, AP Nr. 5 zu § 1 0 1 BetrVG 1972 (BL 2 Rücks. ff.) mit Anm. von Misera. Begründung unten § 14 1.

8 Spi!ger

1 14

III. Teil: Tatsächliche Erscheinungsformen

in einer vom Tarifvertrag selbst getroffenen Regelung. Es fanden sich 6 (2) Unterrichtungs-, 15 (5) Mitwirkungs- und 4 (3) Mitbestimmungsrechte. Nach § 67 Abs. 2 BetrVG 1952 hatte nur ein Wirtschaftsausschuß

Anspruch auf Unterrichtung über die wirtschaftlichen Angelegenheiten des Unternehmens. Nach Abs. 3 dieser Vorschrift gehörten zu den wirtschaft­

lichen Angelegenheiten unter anderem Fabrikations- und Arbeitsmethoden und sonstige Vorgänge, welche die Interessen der Arbeitnehmer des Unter­ nehmens wesentlich berührten. In einer Tarifregelung wurde ein entspre­ chendes Unterrichtungsrecht auch dem Betriebsrat eingeräumt, war also auch nicht an das Bestehen eines Wirtschaftsausschusses gebunden: „Betriebsrat bzw. Gesamtbetriebsrat haben Anspruch auf mindestens jährliche Information über langfristige Tendenzen in der technischen Ausrüstung, Rationali­ sierungsvorhaben und damit zusammenhängende Personalfragen allgemeiner Natur. "

Nach § 72 BetrVG 1952 hatte der Betriebsrat bei geplanten Betriebsände­ rungen, die wesentliche Nachteile für die Belegschaft oder erhebliche Teile der Belegschaft zur Folge haben konnten, in Betrieben mit in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern ein „Mitbestimmungsrecht". Dieses gab dem Betriebsrat einmal einen Anspruch gegen den Unternehmer auf Unterrichtung von der geplanten Maßnahme vor deren Durchführung . 102

Der Unternehmer war ferner verpflichtet, mit dem Betriebsrat zu verhan­ deln, um möglichst eine Einigung (Interessenausgleich, vgl. § 72 Abs. 2 BetrVG 1952) zu erreichen. 103 Diese Rechte des Betriebsrats (bzw. Pflichten des Unternehmers) waren im Gesetz nicht ausdrücklich festgelegt. 13 (6) Tarifregelungen enthielten insoweit Konkretisierungen, wobei regelmäßig Rationalisierungsvorhaben oder -maßnahmen vorausgesetzt wurden. Bei­ spiele: ., Konkrete Rationalisierungs- und Änderungsabsichten im technischen oder orga­ nisatorischen Bereich mit personellen Auswirkungen sind rechtzeitig vorher mit dem Betriebsrat zu besprechen. " ., Sobald der Arbeitgeber überblicken kann, daß die Maßnahmen aus seinen Pla­ nungen personelle und soziale Auswirkungen (Umgruppierung, Versetzung, Ent­ lassung) haben können, ist der Betriebsrat zu unterrichten. Mit dem Betriebsrat sind die möglichen personellen und sozialen Auswirkungen unter Berücksichtigung des vorhandenen und verbleibenden Arbeitskräftepotentials zu beraten. " „Ist für den Arbeitgeber erkennbar, daß von einer Rationalisierungsmaßnahme betroffene Arbeitnehmer unter Minderung ihres Arbeitsverdienstes im Betrieb umgesetzt oder entlassen werden müssen, so sind mit dem Betriebsrat in vertrau102 BAG vom 2 0 . Januar 1961, AP Nr. 2 zu § 72 BetrVG 1952 (BI. 2) mit Anm. von Neumann-Duesberg; Dietz, BetrVG, 4. Aufl. 1967, § 72 RdNr. 37a; Fitting / Kraege­ loh / Auffarth, BetrVG, 9. Aufl. 197 1 , § 72 RdNr. 27. ioa BAG vom 20. Januar 1961, AP Nr. 2 zu § 72 BetrVG 1952 (BI. 2 Rücks.) mit Anm. von Neumann-Duesberg; Fitting / Kraegeloh / Auffarth, BetrVG, 9. Aufl. 1 971, § 72 RdNr. 30.

§ 10 System und Inhalte unter Geltung des BetrVG 1952

115

ensvoller Zusammenarbeit und gegenseitiger Konsultation die Möglichkeiten zu erörtern, durch die unter Beachtung der betrieblichen Belange soziale Härten ver­ mieden werden können. " ,,Sind im Zusammenhang mit Rationalisierungsmaßnahmen Lohnminderungen, Umschulungsmaßnahmen oder Entlassungen zu erwarten, so beraten Arbeitgeber und Betriebsrat in enger Zusammenarbeit die zu treffenden personellen Maßnah­ men. Die Zusammenarbeit muß rechtzeitig einsetzen. " „Sofern Betriebsänderungen wesentliche Nachteile für die Belegschaft z ur Folge haben können, sollen Arbeitgeber und Betriebsrat einen Interessenausgleich im Sinne von § 72 Abs. 2 BetrVG versuchen. " Abgesehen von der zuletzt genannten Tarifregelung ist allen Bestimmungen gemeinsam, daß sie die Beteiligungsrechte, die § 72 Abs. 1 BetrVG 1 9 5 2 ent­ halten hatte, nicht wie diese Vorschrift bei Betriebsänderungen, sondern in Fällen eines - in den Tarifverträgen regelmäßig definierten - Rationalisie­ rungsvorhabens gewährten. Anders als bei § 72 Abs. 1 BetrVG 1 9 5 2 war das Bestehen der Beteiligungsrechte auch nicht an das Vorhandensein einer Mindestanzahl von einundzwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern im Betrieb geknüpft. Die zitierten Regelungen hatten somit auch Erweiterun­ gen der Betriebsratsrechte gebracht. Zu beachten ist schließlich, daß keine der Tarifregelungen eine bloße Übernahme der Vorschrift des § 66 Abs. 2 BetrVG 1 952 darstellte. Nach dieser Bestimmung bestand ein Unterrich­ tungs- und Beratungsrecht in Fällen umfangreicher Einstellungen oder Ent­ lassungen. Die zitierten Tarifregelungen galten aber darüber hinaus auch für andere oder sogar alle übrigen personellen Maßnahmen. Anders als § 66 Abs. 2 BetrVG 1952 gaben sie die Beteiligungsrechte nicht nur dann, wenn die Anzahl von Einstellungen oder Entlassungen ein bestimmtes Verhältnis zur Zahl der Arbeitnehmer im Betrieb erreichten. Bemerkenswert ist schließlich, daß die meisten Tarifregelungen den Beteiligungszeitraum zwar nicht exakt festlegten, aber doch versuchten, Kriterien aufzustellen, wann der Betriebsrat eingeschaltet werden sollte. Zufolge eine Tarifregelung konnte der Betriebsrat bei fortbestehenden Meinungsverschiedenheiten über die Auswirkung von Rationalisierungs­ maßnahmen vom Arbeitgeber verlangen, daß dieser einen Arbeitsphysiolo­

gen bzw. ein Institut als Gutachter über die Belastung der betroffenen Arbeitnehmer bestellte.

Nach 2 (1) weiteren Bestimmungen sollte die Kündigung eines Arbeitneh­ mers als Folge von Rationalisierungsmaßnahmen, der das 5 5 . Lebensjahr

vollendet und dem Betrieb 20 Jahre ununterbrochen angehört hatte, erst mit Zustimmung des Betriebsrats wirksam werden. Im Falle der Zustimmungs­ verweigerung sollte die Einigungsstelle verbindlich entscheiden. Hier war sowohl eine Erweiterung des Betriebsratsrechts bei Kündigungen als auch eine Erweiterung der Zuständigkeit der Einigungsstelle (bezüglich eines lediglich tarifvertraglich vorgesehenen Beteiligungsrechts) erfolgt. 8'

116

III. Teil: Tatsächliche Erscheinungsformen

In einer weiteren Regelung wurde schließlich das Beteiligungsrecht des Betriebsrats bei Einstellungen von Arbeitnehmern, die infolge Rationalisie­ rungsmaßnahmen entlassen worden waren, erweitert. Beispiel: ,.Bei Vornahme von Einstellungen sind alle Arbeitnehmer, die ohne eigenes Ver­ schulden aus dem Betrieb entlassen wurden, bevorrechtigt anzufordern, sofern dieses von dem Betriebsrat gemeinsam mit der Gewerkschaft beantragt wird, Betriebsnotwendigkeiten nicht entgegenstehen und die Entlassung nicht länger als zwei Jahre zurückliegt."

§ 1 1 System und Inhalte tarifvertraglichen Betriebs­ verfassungsrechts unter Geltung des BetrVG 1972 In1 den 2 3 1 ausgewerteten Tarifverträgen, die unter Geltung des BetrVG 1972 abgeschlossen wurden, fanden sich 959 (420) = 100 % (100 %) ausge­ wertete Regelungen, welche Betriebsratsrechte betreffen. Bei einer Aufglie­ derung nach Fallgruppen ergibt sich folgendes Bild: - 7 8 (43) = 8 , 1 3 % (10,23 %) der Regelungen übernehmen gesetzliche Betei­ ligungsrechte in den Tarifvertrag oder verweisen auf diese. - 738 (284) = 76,95 % (67 , 6 1 %) konkretisieren gesetzliche Beteiligungs­ rechte. - 93 (3 7) = 9,69 % (8,80 %) beschränken gesetzliche Beteiligungsrechte. - Erweiterungen von Betriebsratsrechten finden sich in 303 (162) = 3 1 ,59 % (38,57 %) der Regelungen. - 469 (2 2 1) = 48,90 % (52,61 %) der Bestimmungen sehen eine Beteiligung des Betriebsrats im Rahmen einer vom Tarifvertrag selbst getroffenen Regelung vor. - Von den Beteiligungsrechte erweiternden Bestimmungen fanden sich 2 1 0 ( 1 1 9 ) = 69, 30 % (73,45 %) - das sind 2 1 ,89 % (28,28 % ) der aufgefundenen (unterschiedlichen) Regelungen - im Rahmen einer von den Tarifvertrags­ parteien selbst geregelten Angelegenheit. - 55 (3 9) = 5 , 7 3 % (9,28 %) der Tarifbestimmungen enthalten Unterrich­ tungsrechte des Betriebsrats. Mitwirkungsrechte (Anhörungs- und Bera­ tungsrechte) betreffen 169 (99) = 17,62 % (23,57 %) der Bestimmungen. Auf Mitbestimmungsrechte beziehen sich 740 (293) = 7 7 , 1 6 % (69,76 %) der Regelungen. 2

1 Darstellung und Qualifizierung wie oben Eingang zu § 10. 2 Sonstige Regelungen wie oben Eingang zu § 10.

§ 11 System und Inhalte unter Geltung des BetrVG 1972

117

I. Errichtung einer zusätzlichen oder anderen Vertretung der Arbeitnehmer mit Auswirkung auf Betriebsratsrechte Regelungen über die Errichtung einer zusätzlichen oder anderen Vertre­ tung der Arbeitnehmer mit Auswirkung auf die Betriebsratsrechte finden sich in den ausgewerteten Tarifverträgen nicht. II. Geschäftsführung des Betriebsrats 55 (3 1) = 5,73 % (7,38 %) der ausgewerteten Regelungen betreffen die Geschäftsführung des Betriebsrats. Allein 9 (9) Regelungen enthalten Vorschriften darüber, wer in bestimm­ ten beteiligungspflichtigen Angelegenheiten seitens der Arbeitnehmerschaft vom Arbeitgeber zuzuziehen ist. Solche Tarifregelungen nehmen also gewis­ sermaßen die Geschäftsordnung des Betriebsrats vorweg. So wird etwa bestimmt, daß Beteiligungsrechte vom Betriebsratsvorsitzenden oder einem Beauftragten oder sachverständigen Betriebsratsmitglied oder unter Hinzu­ ziehung oder sogar durch sachverständige Belegschaftsmitglieder, die nicht Betriebsratsmitglied sind, ausgeübt werden. Entsprechende Tarifregelungen sind problematisch; aus § 2 7 BetrVG 1972 ergibt sich, daß die Zuständigkeit zur Delegation von Aufgaben dem Betriebsrat und nicht den Tarifvertrags­ parteien zusteht. Nach § 27 Abs. 4 BetrVG 1972 können Betriebsräte mit weniger als neun Mitgliedern, die keinen Betriebsausschuß gemäß § 27 Abs. 1 BetrVG 1972 zu bilden haben, die laufenden Geschäfte auf den Vorsitzenden des Betriebsrats oder andere Betriebsratsmitglieder übertragen. Eine Tarifregelung konkre­ tisiert diese Bestimmung dahingehend, daß die laufenden Geschäfte von dem Vorsitzenden des Betriebsrats, bei seiner Verhinderung von seinem Stellvertreter, in Ausnahmefällen - insbesondere wenn der Vorsitzende und sein Stellvertreter verhindert sind - von einem anderen Mitglied des Betriebsrats geführt werden. 3 Recht häufig sind Regelungen - 3 7 (13) Fälle -, die von der Möglichkeit Gebrauch machen, Aufgaben zur selbständigen Entscheidung auf Mitglieder des Betriebsrats in Ausschüssen, deren Mitglieder vom Betriebsrat und vom Arbeitgeber benannt werden, zu übertragen (§ 28 Abs. 3 BetrVG 1972). Der­ artige Ausschüsse finden sich meistens in Form von paritätischen Lei­ stungsbeurteilungs-, Eingruppierungs-, Leistungsentlohnungs-, Preis-, Akkord- oder Prämienkommissionen. Daneben finden sich Regelungen über 3 § 1 des zwischen der IG Bergbau und Energie und dem Unternehmensverband Ruhrbergbau mit Wirkung ab 1. Januar 1977 abgeschlossenen Tarifvertrages über die Betriebsverfassung im rheinisch-westfälischen Steinkohlenbergbau. Inhaltswieder­ gabe bei Föhr, RdA 1977, 285 (286).

118

III.Teil : Tatsächliche Erscheinungsformen

paritätische Kommissionen, die bei der Schlichtung von Streitigkeiten in Fragen von Ausschußarbeit, Aufwandsentschädigungen oder Zuschlägen einzuschalten sind. Beispiele: „Beanstandungen der Leistungsbeurteilung können innerhalb von zwei Wochen durch den Zeitlohnarbeiter und innerhalb von vier Wochen durch den Betriebsrat beim Arbeitgeber angebracht werden.... Die Behandlung der Beanstandung hat unverzüglich in der paritätischen Kommission zu erfolgen.Die paritätische Kom­ mission besteht aus je 2 vom Betriebsrat und Arbeitgeber benannten Betriebsange­ hörigen. " 4 „Es wird eine paritätische Eingruppierungskommission gebildet. Sie setzt sich aus je 3 Vertretern des Arbeitgebers und der Arbeitnehmer zusammen. Die Vertreter des Arbeitgebers werden von diesem, die Vertreter der Arbeitnehmer vom Betriebsrat bestimmt. Mindestens einer der Arbeitnehmer-Vertreter muß dem Betriebsrat angehören. "

An dieser Regelung ist interessant, daß sie dem Betriebsrat erlaubt, seine Aufgaben auch auf Nicht-Betriebsratsmitglieder zu übertragen. Diese Dele­ gationsmöglichkeit sieht das Gesetz nicht vor. Eine Beteiligung von Arbeit­ nehmern, die nicht Betriebsräte sein müssen, in einer Kommission lassen auch folgende Regelungen zu: „Die einzelnen Akkordsätze sind unter Hinzuziehung mindestens eines mit der betreffenden Arbeit vertrauten Arbeitnehmers und eines sachverständigen Betriebsratsmitgliedes (Preiskommission) schriftlich zu vereinbaren." „Zur Behebung von Akkordstreitigkeiten ist eine Akkordkommission, in der Regel bestehend aus 2 Vertretern der Werksleitung und 2 sachkundigen Arbeitnehmern, von denen einer dem Betriebsrat angehören muß, zuzuziehen."

Weitere Beispiele : Nach einer Regelung ist bestimmt, daß bei Ausschuß, der durch grobe Fahr­ lässigkeit entstanden ist, die vom verursachenden Arbeiter ausgeführten Arbeitsgänge bis zur Dauer von 8 Stunden nicht vergütet werden. Weiter heißt es: ,, Ergeben sich über die Frage, ob der Ausschuß grob fahrlässig verschuldet ist, Mei­ nungsverschiedenheiten, so kann der betroffene Arbeitnehmer bei der Betriebslei­ tung oder beim Betriebsrat Einspruch erheben. Über den Einspruch entscheidet eine paritätische Kommission, der je 2 sachkundige Vertreter des Arbeitgebers und des Betriebsrats angehören." „Wird zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer über das Vorliegen der für die Gewährung der vorgenannten Aufwandsentschädigung bzw. Zuschläge erforderlichen Voraussetzungen keine Einigung erzielt, so entscheidet eine paritä­ tisch zusammengesetzte Kommission, bestehend aus dem verantwortlichen Be­ triebsleiter, dem zuständigen Meister, einem zu dieser Gruppe gehörenden Arbeit­ nehmer und einem Betriebsratsmitglied."

4 § 5 des Tarifvertrages zur Leistungsbeurteilung von Angestellten der Metallindu­ strie Nordrhein-Westfalens vom 19. Februar 1975. Inhaltswiedergabe bei Löwisch, AuR 1978, 97 (99).

§ 1 1 System und Inhalte unter Geltung des BetrVG 1972

119

Für den Fall, daß eine Kommission z u keiner Entscheidung kommt, sehen die Tarifregelungen unterschiedliche Verfahren vor. In den meisten Fällen wird angeordnet, daß sich Arbeitgeber und der gesamte Betriebsrat mit der Sache zu befassen haben; im Nichteinigungsfalle soll häufig die Einigungs­ stelle verbindlich entscheiden. Häufig wird auch bestimmt, daß die beider­ seitigen Organisationsvertreter der Tarifvertragsparteien zuzuziehen sind. Nach keiner Regelung soll allerdings die Kommission an die Stelle der Eini­ gungsstelle treten; geregelt wird nur eine Modalität der Ausübung von Betriebsratsrechten. 5 (5) Tarifregelungen betreffen Freistellungen von Betriebsratsmitglie­ dern von ihrer beruflichen Tätigkeit. Nach § 37 Abs. 6 BetrVG 1 9 7 2 sind Betriebsratsmitglieder von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts für die Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen zu befreien, die für die Betriebsratsarbeit erforderliche Kenntnisse vermitteln. Darüber hinaus hat jedes Betriebsratsmitglied nach § 37 Abs. 7 BetrVG 19 7 2 während seiner regelmäßigen Amtszeit Anspruch auf bezahlte Arbeitsbefreiung für die Dauer von drei Wochen zur Teilnahme an solchen Schulungs- und Bildungs­ veranstaltungen, die von der zuständigen oberen Arbeitsbehörde des Landes nach Beratung mit den Spitzenorganisationen der Gewerkschaften und Arbeitgebervereinigungen als geeignet anerkannt sind. Nach 3 (3) Regelun­ gen kann eine Freistellung auch für Schulungs- und Bildungsveranstaltun­ gen erfolgen, ohne daß die im Gesetz genannten Voraussetzungen vorliegen müssen. In 2 Fällen geschieht dies allerdings ohne Fortzahlung des Arbeits­ entgeltes. Beispiele für Freistellungen zu Schulungs- und Bildungszwecken: „Die Arbeitgeber erklären sich bereit, Betriebsratsmitgliedern oder einer gleichen Anzahl von anderen Arbeitnehmern nach Maßgabe der betrieblichen Möglichkei­ ten einmal im Jahr unbezahlte Freizeit bis zur Höchstdauer von drei Wochen zur Teilnahme an Schulungen und Ausbildungslehrgängen zu gewähren. " „In Betrieben mit über 100 Beschäftigten erhalten zwei Betriebsratsmitglieder, in Betrieben mit 20 bis 100 Beschäftigten erhält ein Betriebsratsmitglied einmal im Jahr eine Freistellung bis zur Höchstdauer von zwei Wochen unter Fortzahlung des Lohnes zur Teilnahme für von der Gewerkschaft durchgeführte Schulungen über Fragen der Betriebsverfassung und über Arbeitsstudien. "

Nach § 38 Abs. 1 BetrVG 1 9 72 sind für größere Betriebe generelle Freistel­ lungen von Betriebsratsmitgliedern vorzunehmen. In § 4 des zwischen der Industriegewerkschaft Bergbau und Energie und dem Unternehmensver­ band Ruhrbergbau mit Wirkung ab 1. Januar 1 9 7 7 abgeschlossenen Tarif­ vertrages über die Betriebsverfassung des rheinisch-westfälischen Stein­ kohlenbergbaus wird unter anderem in den Bergbaubetrieben wesentlich über diese Freistellungen hinausgegangen, was nach § 38 Abs. 1 BetrVG 197 2, wonach unter anderem durch Tarifvertrag andere Regelungen über die Freistellung vereinbart werden können, zulässig sein dürfte. 5

120

III. Teil: Tatsächliche Erscheinungsformen

Nach § 39 Abs. 1 BetrVG 1 9 7 2 sind Sprechstunden des Betriebsrats wäh­ rend der Arbeitszeit einzurichten. Nach einer Bestimmung ist der Betriebs­ rat zur Abhaltung von Sprechstunden auch außerhalb der Arbeitszeit berechtigt. Nach § 67 Abs. 3 Satz 2 BetrVG 1 9 7 2 soll der Betriebsrat Angelegenhei­ ten, die besonders jugendliche Arbeitnehmer betreffen, der betrieblichen Jugendvertretung zur Beratung zuleiten. In 2 (2) Regelungen wird dem

Betriebsrat die Beteiligung der Jugendvertretung in derartigen Fällen zur Pflicht gemacht. So muß etwa bei einem Auslegungsstreit aus einem Tarif­ abkommen für Auszubildende in der Berufsausbildung die Jugendvertre­ tung zu dem Verständigungsgespräch zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat hinzugezogen werden. In der anderen Regelung heißt es : „Beginn und Ende der täglichen Ausbildungszeit sowie der Pausen werden mit dem Betriebsrat, der vorher die Jugendvertretung zu hören hat, vereinbart."

III. Allgemeine Regeln für die Beteiligung des Betriebsrats 99 (50) = 10,32 % ( 1 1 , 9 0 %) der Regelungen betreffen allgemeine Fragen der Beteiligung des Betriebsrats. Eine bloße Übernahme gesetzlicher Rege­ lungen erfolgt in 4 (4) Bestimmungen. Konkretisierenden Charakter haben 82 (3 9), beschränkenden Charakter 33 (6) Bestimmungen. Erweiterungen finden sich in 6 1 (31) Fällen, Beteiligungsrechte im Rahmen einer von den Tarifvertragsparteien selbst getroffenen Regelung in 43 (26) Fällen. Im wesentlichen handelt es sich um Unterrichtungs-, Anhörungs- und Bera­ tungsrechte, teilweise im Zusammenhang mit Mitbestimmungsrechten. Mehrere Regelungen - 33 (3) - konkretisieren das sich aus § § 2 Abs. 1, 74 Abs. 1 Satz 2 BetrVG 1972 ergebende Gebot „vertrauensvoller Zusammen­ arbeit" zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. So wird beispielsweise bestimmt: ,,Bekanntmachungen der Betriebsleitung werden vor ihrem Aushang der Betriebs­ vertretung (Betriebsratsvorsitzender), Bekanntmachungen der Betriebsvertretung der Betriebsleitung zur Kenntnis vorgelegt. "

Diese Regelung gilt unabhängig von der Bestimmung des § 8 0 Abs. 2 Satz 1 BetrVG 1972, nach welcher dem Betriebsrat ein Unterrichtungsrecht an sich nur zur Durchführung seiner Aufgaben nach dem BetrVG zusteht. Mehrfach wird bestimmt : „Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer über die Durchführung und Anwendung dieses Tarifvertrages ist eine Einigung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber anzustreben. " 5 Inhaltswiedergabe der Regelung bei Föhr, RdA 1977, 2 8 5 (286). Vgl. dazu auch Hagemeier / Kempen / Zachert / Zilius, TVG, § 1 RdNr. 1 7 1 .

§ 1 1 System und Inhalte unter Geltung des BetrVG 1972

121

Vielfach ist folgende Regelung anzutreffen: „Streitigkeiten, die aus der Auslegung oder Durchführung eines zwischen den Tarifvertragsparteien abgeschlossenen Tarifvertrages entstehen, sind durch Ver­ handlungen zwischen Betriebsleitung und Betriebsrat zu regeln. Gelingt hierbei eine Verständigung nicht, so müssen die beiderseitigen Organisationsvertreter zugezogen werden." Diese Bestimmungen betreffen sowohl Rechtsfragen (,,Auslegung" ) wie Regelungsfragen (,,Durchführung"). Letztere fallen in die Kompetenz der betrieblichen Einigungsstelle nach § 76 Abs. 1 BetrVG 1 9 7 2 . 6 Insoweit ist die in der Tarifbestimmung vorgeschriebene Zuziehung der beiderseitigen Organisationsvertreter bei Nichteinigung einem späteren Einigungsstellen­ verfahren (nur) vorgeschaltet. In 18 (1) Fällen erfolgt für Entgeltfragen (Verdienstsicherungsregelungen) eine Erweiterung der Rechte des Betriebsrats aus § 75 Abs. 1 Satz 2 BetrVG 1972, wonach er auf die Vermeidung einer Benachteiligung älterer Arbeit­ nehmer zu achten hat. 7 1 6 (12) Bestimmungen beschäftigen sich mit der betrieblichen Einigungs­

stelle nach § 76 BetrVG 1 9 7 2 .

2 ( 2 ) Regelungen konkretisieren § 7 6 Abs. 2 Satz 1 BetrVG 1 9 7 2 , indem sie die Besetzung der Einigungsstelle verbindlich vorschreiben : ,.Die Einigungsstelle setzt sich aus dem Vorsitzenden und höchstens je drei Beisit­ zern zusammen. Der Vorsitzende muß Wirtschaftsfachmann und aufgrund seines Standesrechts zur Verschwiegenheit verpflichtet sein. Die Betriebsparteien einigen sich nach Inkrafttreten dieses Vertrages auf mindestens zwei Persönlichkeiten, die die vorgenannten Voraussetzungen erfüllen und bereit sind, gegebenenfalls dieses Amt zu übernehmen. " § 76 Abs. 2 Satz 1 BetrVG 1972 spricht demgegenüber nur von einer „glei­ chen Anzahl von Beisitzern" und einem „unparteiischen Vorsitzenden" . In 4 (3) Fällen wird ausdrücklich bestimmt, daß die nach § 7 6 BetrVG 1972 zu bildende Einigungsstelle auch in jenen Angelegenheiten verbindlich

zu entscheiden habe, die lediglich nach dem Tarifvertrag einer Beteiligungs­ pflicht des Betriebsrats unterliegen. Die der Beteiligungspflicht korrespon­

dierenden Beteiligungsrechte werden damit zu echten Mitbestimmungs­ rechten erhoben, weil über die Fälle, in denen nach dem Gesetz der Spruch der Einigungsstelle die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzt (vgl. § 76 Abs. 5 Satz 1 BetrVG 1972) hinausgegangen wird. Bei­ spiele:

6 Vgl. Richardi, in: Dietz / Richardi, BetrVG, § 76 RdNr. 1 8 ; Fitting I Auffarth I BetrVG, § 76 RdNr. 3 1 ; Löwisch, in: Galperin / Löwisch, § 76 RdNr. 2. 7 Näher dazu unten V. 3 . b).

Kaiser,

122

III. Teil: Tatsächliche Erscheinungsformen

„ Wird bei Anwendung dieses Tarifvertrages in Fragen des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats keine Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat erzielt, so entscheidet eine nach § 76 BetrVG zu bildende Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat." Fraglich ist, ob mit der zitierten Regelung auch dem Betriebsrat ein Initia­ tivrecht eingeräumt (vgl. § 76 Abs. 5 Satz 1, Halbsatz 2 BetrVG 1972) wer­ den sollte, wie es das Gesetz in den Fällen, in denen der Spruch der Eini­ gungsstelle die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzt, vor­ sieht. Eine etwas anders formulierte, aber der Sache nach gleichwertige Regelung, die unter anderem zugleich die Besetzung der Einigungsstelle vorschreibt, lautet : ,,In allen Fällen, in denen dieser Vertrag eine Einigung einschließlich Betriebsver­ einbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat vorsieht, und eine solche nicht zustande kommt, sind die Vertreter der vertragschließenden Parteien hinzuzuzie­ hen. Gelingt auch dann eine Übereinstimmung nicht, so ist die Angelegenheit einer Einigungsstelle vorzutragen, die aus je zwei von den Tarifvertragsparteien zu benennenden Vorsitzenden besteht, auf den sich die Parteien einigen sollen. Kommt eine Einigung über die Person des Vorsitzenden nicht zustande, so ent­ scheidet unter den Vorschlägen das Los verbindlich. Die Einigungsstelle regelt den Streitfall verbindlich." Von der Möglichkeit nach § 76 Abs. 8 BetrVG 1 9 72, daß an die Stelle der in § 76 Abs. 1 BetrVG 1 9 72 bezeichneten Einigungsstelle eine tarifliche Schlichtungsstelle tritt, haben 11 (8) Tarifverträge Gebrauch gemacht. In

den meisten Fällen wird die tarifliche Schlichtungsstelle zur verbindlichen Entscheidung ausdrücklich auch in den Fällen berufen, in denen ein Mitbe­ stimmungsrecht des Betriebsrats lediglich nach dem Tarifvertrag besteht.

Weitere Regelungen etwa knüpfen die Wirksamkeit von Einstellungen, Entlassungen oder Versetzungen an eine Zustimmung des Betriebsrats und ordnen an, daß bei einer Nichteinigung zwischen Arbeitgeber und Betriebs­ rat die tarifliche Schlichtungsstelle verbindlich zu entscheiden habe. 8 Das Verfahren vor tariflichen Schlichtungsstellen, die anstelle der Einigungs­ stelle nach BetrVG 1972 treten, wird sehr unterschiedlich gestaltet. Zum Teil wird diesem Verfahren etwa ein besonderes Güteverfahren vorgeschai­ tet (2 (1) Regelungen). Das Gebot des § 7 7 Abs. 2 Satz 1 BetrVG 1 9 7 2 , wonach Betriebsvereinba­ rungen schriftlich niederzulegen sind, wird nach einer Regelung auf jede Ver­ einbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, also auch auf Regelungs­ abreden erstreckt.

a Vgl.z.B. §§ 16 Nrn. 1, 3 b, 17 Nr. 2 des Manteltarifvertrages für die Zigaretten­ industrie in der Bundesrepublik Deutschland und West-Berlin vom 12. Dezember 1975, abgedruckt in der Tarifsammlung des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und soziale Fürsorge, TR 19 - 300 a 8; Inhaltswiedergabe bei Zachert, Tarifver­ trag, 1979, S. 141.

§ 11 System und Inhalte unter Geltung des BetrVG 1972

123

Nach § 77 Abs. 3 BetrVG 1 9 7 2 können Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicher­ weise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein (Tarifvorrang), wenn nicht ein Tarifvertrag den Abschluß ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zuläßt. Derartige Zulassungen wer­ den unten 9 behandelt. Hier von Interesse sind 4 (4) Tarifbestimmungen, die an dem Tarifvorrang nur festhalten, wenn eine tarifvertragliche Regelung tatsächlich erfolgt ist, eine Betriebsvereinbarung hingegen auch dann zulas­ sen, wenn Arbeitsbedingungen an sich üblicherweise durch Tarifvertrag geregelt zu werden pflegen. Beispiele: „Der Abschluß von Betriebsvereinbarungen ist insoweit zulässig, als diese nicht Angelegenheiten betreffen, die im Gesetz oder im Tarifvertrag bereits behandelt sind; . . . . " „Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bleibt unberührt, soweit nicht durch diesen Tarifvertrag eine abschließende Regelung getroffen ist. "

Das Behinderungsverbot von Betriebsräten nach § 78 Satz 1 BetrVG 1 9 7 2 , welches sich nicht nur an den Arbeitgeber, sondern auch a n jeden Dritten wendet, 10 wird in einer Tarifregelung um einen außerordentlichen Kündi­ gungsgrund gegenüber Arbeitskollegen des Betriebsrats ergänzt: „Tatsachen, die den Arbeitgeber zur fristlosen Kündigung berechtigen, können unter Berücksichtigung des § 626 Abs. 1 BGB insbesondere sein, wenn der Arbeit­ nehmer . . . Tätlichkeiten gegenüber dem Arbeitgeber, Mitgliedern des Betriebsrats oder anderen Betriebsangehörigen schuldhaft vornimmt und dadurch der Betriebs­ frieden erheblich beeinträchtigt wird."

Mit dieser Regelung erfolgt also eine Konkretisierung des § 104 BetrVG 1 9 7 2 (Entfernung betriebsstörender Arbeitnehmer), die neben die Sank­ tionsmöglichkeit nach § 1 1 9 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG 1 9 7 2 (Strafbewehrung des Behinderungsverbots) tritt. Die in § 80 BetrVG 1 9 7 2 umschriebenen „allgemeinen Aufgaben" des Betriebsrats werden in 38 (24) Fällen konkretisiert, in 23 (14) Fällen erwei­ tert. Beispiele:

Zu § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG 1 9 72: ,,Bei Verstößen gegen den Tarifvertrag seitens des Arbeitgebers oder von Arbeitnehmern hat der Betriebsrat auf Abstellung hin­ zuwirken. " ,,Arbeitgeber und Betriebsrat prüfen gemeinsam, ob die tariflichen Mindestbestimmungen eingehalten sind." Zu § 80 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG 1 9 72: ,,Arbeitgeber und Betriebsrat haben alle Mög­ lichkeiten der Aufgabenerweiterung und Aufgabenbereicherung auszuschöpfen. "

9

V. 11.

Vgl. Fitting I Auffarth / Kaiser, BetrVG, § 7 8 RdNr. 2 ; Löwisch, in: Galperin / Löwisch, BetrVG, § 78 RdNr. 5 ; Richardi, in: Dietz / Richardi, BetrVG, § 78 RdNr. 11; Thiele, in : GK-BetrVG, § 78 RdNr. 12. 10

124

III. Teil: Tatsächliche Erscheinungsformen

Erweiterungen der Aufgaben des Betriebsrats hinsichtlich der Förderung besonders schutzbedürftiger sowie älterer Arbeitnehmer (vgl. § 80 Abs. 1 Nrn. 4 und 6 BetrVG 1 9 72) in Entgeltfragen (Minderleistungsklauseln) fin­ den sich in 1 1 (4) Fällen.11 Zu § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG 1 9 72: .,Der im Lohnzahlungszeitraum ermittelte Ver­ dienst ( . . . ) aller Akkordarbeiter des Betriebes darf . . . 130 % der tariflichen Akkordlohnsumme des Betriebes nicht unterschreiten . . . Dem Betriebsrat ist der im Betriebsdurchschnitt erreichte Prozentsatz für jeden Lohnzahlungszeitraum mitzuteilen. " 12 „Die Abnahme der im Stückakkord, Zeitakkord oder Prämienarbeit angefertigten Artikel/Arbeiten erfolgt grundsätzlich kontinuierlich während des Produktions­ bzw. Arbeitsablaufes von den betrieblich dafür zuständigen, dem Betriebsrat bekanntzugebenden Stellen. " ,,Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat kalendervier­ teljährlich über die Lohn-/ Arbeitszeitwert-/und Gehaltsgruppendurchschnitte des Betriebes zu unterrichten und einmal jährlich mit ihm darüber zu beraten." 13 ,,Die Leistungszulagen und deren Änderung sind dem Betriebsrat schriftlich mit­ zuteilen. " ,,Die Beauftragten des Arbeitgebers für die Datenermittlung [es geht um die Vorgabezeitermittlung, Anm. d. Verf.] sind dem Betriebsrat namentlich schrift­ lich bekanntzugeben." ,,Der Zeitpunkt der Datenermittlung [wieder für die Vor­ gabezeitermittlung, Anm. d. Verf.] ist dem Betriebsrat und dem Arbeitnehmer min­ destens 24 Stunden vorher unter Angabe des Grundes mitzuteilen. " ,,Verlage, die ein rechnergesteuertes Textsystem einführen, unterrichten ihre Vertragsdrucke­ reien über in diesem Zusammenhang nicht durch eigene Arbeitnehmer zu beset­ zende Arbeitsplätze. . . . Die Vertragsdruckereien geben diese Informationen in geeigneter Weise an den Betriebsrat und an die Arbeitnehmer weiter, deren Arbeitsplätze von der Maßnahme des Verlages betroffen sind. " 14 Die letzte Regelung ist besonders interessant, dehnt sie doch das Unterrich­ tungsrecht des Betriebsrats über den Betrieb hinaus aus. Zu § 80 Abs. 2 Satz 2 BetrVG 1 9 72: ,,Nach Durchführung der Leistungbeurteilung . . . haben beauftragte Mitglieder des Betriebsrates Verfahren und Ergebnis der Beurteilung zu überprüfen. Hierzu sind den beauftragten Mitgliedern des Betriebs­ rates die erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen." ,,Der Betriebsrat benennt eines seiner Mitglieder als Sachverständigen für Zeitstudien. Der Sachver­ ständige kann sich über alle mit der Zeitermittlung zusammenhängenden Vorgänge informieren. Der Betriebsrat erhält Durchschrift der ermittelten Vorgabewerte. "

11 Näher unten V. 3. b). 12 § 4 Nrn. 4.6.2., 4.6.4. des Lohnrahmentarifvertrages II für die Metallindustrie Nordwürttemberg-Nordbaden vom 1. November 1973. Inhaltswiedergabe bei Löwisch, AuR 1978, 97 (98). 1 a § 6 des Tarifvertrages zur Sicherung der Eingruppierung und zur Verdienst­ sicherung bei Abgruppierung in der Metallindustrie Nordwürttemberg-Nordbaden vom 3. April 1978, abgedruckt bei Hagemeier / Kempen / Zachert / Zilius, TVG, § 1 RdNr. 1 6 7 ; Zachert, Tarifvertrag, 1979, S. 1 54, und in RdA 1978, 384 (385). 1 4 § 5 Abs. 1 des Tarifvertrages über die Einführung und Anwendung rechnerge­ steuerter Textsysteme vom 20. März 1978, abgedruckt in RdA 1 9 7 8, 1 1 6, und bei Zachert, Tarifvertrag, 1979, S. 154. Inhaltswiedergabe bei Hagemeiner / Kempen / Zachert / Zilius, TVG, § 1 RdNr. 167.

§ 1 1 System und Inhalte unter Geltung des BetrVG 1972

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Die letzte Regelung enthält eine Erweiterung des § 80 Abs. 2 Satz 2 BetrVG 1972. Nach dieser Bestimmung besteht ein Anspruch auf Vorlage von Unter­ lagen nur insoweit, als es zur Durchführung der Aufgaben des Betriebsrats nach dem Gesetz erforderlich ist. Nach Auffassung des Bundesarbeits­ gerichts aber sind bloße Zeitstudien noch nicht beteiligungspflichtig. 1 5 Insoweit hat der Betriebsrat daher auch keine Aufgabe nach dem Gesetz. Weitere Regelungen lauten: ,.Eine Liste der gültigen Akkordsätze ist dem Betriebsrat zu überlassen. " ,.Der Vor­ sitzende des Betriebsrats oder ein anderes sachverständiges Mitglied des Betriebs­ rats haben das Recht, die Unterlagen zur Ermittlung der Prämiengrundleistungen unter Wahrung des Betriebsgeheimnisses einzusehen. "

Bei der letzten Regelung fällt auf, daß das Informationsrecht - anders als im Gesetz - auf einen bestimmten Personenkreis beschränkt wird. In § 15 des zwischen der Industriegewerkschaft Bergbau und Energie und dem Unter­ nehmensverband Ruhrbergbau mit Wirkung ab 1 . Januar 1977 abgeschlos­ senen Tarifvertrages über die Betriebsverfassung des rheinisch-westfäli­ schen Steinkohlenbergbaus ist schließlich in Konkretisierung der Rechte aus § 80 Abs. 2 BetrVG 1972 bestimmt, daß dem Betriebsrat Messungen, ins­ besondere die Wettertemperaturen und die Wetteranalysen einschließlich der Staubproben, auf Wunsch durch Einsichtgewährung in die vorhandenen Unterlagen zur Kenntnis gebracht und erläutert werden. 1 6 Gerade diese Regelung zeigt, wie es die Tarifpraxis versteht, die gesetzlichen Beteili­ gungsrechte des Betriebsrats den branchenspezifischen Besonderheiten anzupassen. Zu § 80 Abs. 3 BetrVG 1 972: § 16 Nr. 4 des Manteltarifvertrages für die Zigaretten­ industrie in der Bundesrepublik Deutschland und West-Berlin bestimmt, daß der Betriebsrat bei Meinungsverschiedenheiten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat über die Auswirkung konkreter Rationalisierungs- und Änderungsabsichten im technischen oder organisatorischen Bereich mit personellen Auswirkungen verlan­ gen kann, daß der Arbeitgeber einen Arbeitsphysiologen bzw. ein Institut als Gut­ achter über die Belastung der betroffenen Arbeitnehmer bestellt.1 7

Damit wird über die Regelung des § 80 Abs. 3 Satz 1 BetrVG 1972 zweifach hinausgegangen: Zum einen bedarf es für die Hinzuziehung eines Sachver­ ständigen entgegen der gesetzlichen Bestimmung keiner besonderen Verein­ barung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat mehr; zum anderen ist für die 1 5 BAG vom 24. November 1981, AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betrie­ bes (Bl. 3) mit Anm. von Hersehe!; vgl. bereits BAG vom 14. Februar 1963, AP Nr. 22 zu § 66 BetrVG 1952 (Bl. 3) mit Anm. von Neumann-Duesberg. A. A. ist ein Großteil der Literatur, vgl. die Nachw. bei Wiese, in: GK-BetrVG, § 87 RdNr. 1 54 f. Näher unten V. 3. c). 1 6 Inhaltswiedergabe bei Föhr, RdA 1977, 285 (287). 1 7 Regelung abgedruckt in der Tarifsammlung des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und soziale Fürsorge, TR 19 - 300 a 8. Inhaltswiedergabe bei Zachert, Tarifvertrag, 1979, S. 142. Zu dieser Regelung vgl. auch Hagemeier / Kempen / Zachert / Zilius, TVG, § 1 RdNr. 1 7 0 .

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III. Teil: Tatsächliche Erscheinungsformen

Hinzuziehung nicht notwendig, daß sie zur ordnungsgemäßen Erfüllung der Aufgaben des Betriebsrats erforderlich ist. Nach anderen Tarifregelungen wird dem Betriebsrat das Recht eingeräumt, gewisse Angelegenheiten durch ,,sachverständige Betriebsratsmitglieder" oder „sachverständige Beleg­ schaftsmitglieder" überprüfen zu lassen. Insoweit handelt es sich allerdings nicht um Sachverständige im Sinne des § 80 Abs. 3 BetrVG 197 2 . 1 8 Daher bedarf es dazu auch nicht der in dieser Vorschrift vorgesehenen vorherge­ henden Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. Problematisch an den angesprochenen Tarifregelungen ist, daß sie zum Teil Beteiligungs­ rechte, die nach dem Gesetz dem Betriebsrat zustehen, lediglich durch sach­ verständige Betriebsratsmitglieder ausgeübt wissen wollen. Eine derartige Differenzierung mag in der Praxis angebracht sein, ist dem BetrVG 1972 allerdings fremd. IV. Einschaltung des Betriebsrats in Mitwirkungsrechte und Beschwerderecht des Arbeitnehmers

Das BetrVG 1972 sieht in §§ 81 ff. Mitwirkungsrechte und ein Beschwer­ derecht des Arbeitnehmers vor und weist in diesem Rahmen auch dem Betriebsrat bestimmte Aufgaben zu. Auch in 74 (43) = 7 , 7 1 % (10,23 %) der aufgefundenen Tarifregelungen erfolgt eine Einschaltung des Betriebsrats in Angelegenheiten einzelner Arbeitnehmer, wobei zum Teil über seine Befugnisse nach dem Gesetz hinausgegangen wird. Die meisten Bestimmungen beziehen sich auf Anhörungs-, Erörterungs­ und Beschwerderecht des Arbeitnehmers (vgl. §§ 82, 84, 85 BetrVG 1972).

Für den Fall der Leistungsbeurteilung Angestellter ist etwa vorgesehen, daß der Angestellte das Recht auf ein Überprüfungsgespräch mit dem beurtei­ lenden Vorgesetzten hat und hierzu einen Angestelltenvertreter aus dem Betriebsrat hinzuziehen kann. Eine weitere Bestimmung lautet: „Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer über die Durchführung und Anwendung dieses Tarifvertrages ist eine Einigung zwischen dem Betriebsrat und Arbeitgeber anzustreben. "

Nach dieser Regelung kann der Betriebsrat vermittelnd eingreifen, ohne vom Arbeitgeber hinzugezogen zu sein, wie es § 84 Abs. 1 Satz 2 BetrVG 1972 für das Beschwerdeverfahren vorsieht. Gleiches gilt für folgende Bestimmungen: ,,Wenn Meinungsverschiedenheiten darüber, ob ein vorgegebener Akkord den maß­ gebenden Bestimmungen entspricht, nicht zwischen dem Akkordarbeiter und dem zuständigen Zeitnehmer beigelegt werden können, so hat unter Hinzuziehung eines 1 8 Vgl. Fitting / Auffarth / Kaiser, BetrVG, § 80 RciNr. 2 5a; Löwisch, in: Galperin / Löwisch, BetrVG, § 80 RdNr. 42 ; Thiele, in: GK-BetrVG, § 80 RdNr. 58b.

§ 11 System und Inhalte unter Geltung des BetrVG 1972

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sachverständigen Betriebsratsmitgliedes oder eines vom Betriebsrat beauftragten sachverständigen Belegschaftsmitgliedes eine Nachprüfung zu erfolgen." ,,Der Arbeitnehmer haftet nur, wenn er rechtswidrig handelt und ihn ein . . . Ver­ schulden trifft. Zu Verhandlungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer über die Schuldfrage ist der Betriebsrat hinzuzuziehen, um vermitteln zu können. " „Gewährter unbezahlter Urlaub und Stunden, die der Arbeitnehmer ohne sachlich ausreichende Entschuldigung gefehlt hat, werden zeitanteilig [vom Monatslohn, Anm. d. Verf.] abgesetzt.. .. Fühlt sich ein Arbeitnehmer auf Grund dieser Rege­ lung benachteiligt, ist die Berechtigung des Lohnabzuges zwischen Betriebsleitung und Betriebsrat zu klären." „Fällt die Arbeit in eine höhere Lohngruppe, so ist nach Ablauf von 4 Wochen eine angemessene Entschädigung zu zahlen.Bestehen Meinungsverschiedenheiten über diese Entschädigung, ist der Betriebsrat hinzuzuziehen."

Weitere Bestimmungen - 3 6 (2 1) Fälle - enthalten Beteiligungsrechte hin­ sichtlich Arbeitszeit- bzw. Arbeitsentgeltregelungen einzelner Arbeitneh­ mer, ohne überhaupt nur eine Meinungsverschiedenheit zwischen Arbeitge­ ber und Arbeitnehmer vorauszusetzen und ohwohl insofern nach dem Gesetz - soweit keine Eingruppierung in Rede steht - nur kollektive Angele­ genheiten beteiligungspflichtig sind. Auf diese Bestimmungen wird im Zusammenhang mit Arbeitszeit- respektive Arbeitsentgeltfragen eingegan­ gen. 1 9 Hier ist aber festzuhalten, daß solche Bestimmungen auch über die Beteiligungsmöglichkeiten des Betriebsrats im Rahmen der §§ 81 ff. BetrVG 1 9 7 2 weit hinausgehen. Nach § 86 BetrVG 1 9 7 2 können unter anderem durch Tarifvertrag die Ein­ zelheiten des Beschwerdeverfahrens geregelt werden. Dabei kann bestimmt

werden, daß über die Berechtigung einer Beschwerde anstelle der Eini­ gungsstelle eine betriebliche Beschwerdestelle zu entscheiden hat. Von die­ ser Möglichkeit haben 12 (7) Regelungen Gebrauch gemacht. Sie finden sich vor allem auf dem Gebiet der Leistungsbeurteilung von Arbeitnehmern im Rahmen von Leistungszulagensystemen. So bestimmt beispielsweise § 7 Abs. 3 Nr. 8 . 1 . des Manteltarifvertrages vom 3 1 . Oktober 1 9 7 0 / 2 . November 1 9 7 0 (Stand 1. Juni 1 9 8 1 ) für Angestellte der bayerischen Metallindustrie: ,,Gegen das Ergebnis der Leistungsbeurteilung kann durch den Angestellten und/ oder den Betriebsrat Einspruch eingelegt werden. Wird durch den Arbeitgeber dem Einspruch nicht abgeholfen, so ist der Einspruch einer paritätischen Kommission vorzulegen und von dieser - gegebenenfalls nach Anhörung der Beteiligten - zu behandeln. Die paritätische Kommission besteht aus mindestens vier Mitgliedern. Zwei Mitglieder werden vom Arbeitgeber, zwei Mitglieder vom Betriebsrat benannt. Bei der Bestellung der Kommissionsmitglieder sind fachliche Gesichts­ punkte zu berücksichtigen. Einsprüche sind unverzüglich zu behandeln. " 20

19 Unten V.2.a), V. 3.b). 20 Regelung abgedruckt in der Tarifsammlung des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und soziale Fürsorge, TR 5/10 - 300 b 65.

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III. Teil: Tatsächliche Erscheinungsformen

Eine ähnliche Regelung enthält auch § 5 des Tarifvertrages zur Leistungs­ beurteilung von Angestellten der Metallindustrie Nordrhein-Westfalen vom 1 9 . Februar 1 9 7 5 , wo auch vorgesehen ist, daß im Falle einer Nichteinigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat die Einigungsstelle „nach § 87 Abs. 2 BetrVG" zu entscheiden hat. 2 1 Gemeinsam ist diesen Bestimmungen, daß ein Beschwerderecht (Einspruchs- oder Beanstandungsrecht) jeweils auch dem Betriebsrat und unabhängig vom Arbeitnehmer zusteht. Ob nach dem Gesetz insoweit ein Beteiligungsrecht besteht, erscheint sehr zweifelhaft. § 84 Abs. 1 Satz 2 BetrVG 1 9 7 2 setzt - wie bereits erwähnt - voraus, daß der Betriebsrat vom Arbeitnehmer in das Beschwerdeverfahren zugezogen wird. Die allgemeine Überwachungspflicht des § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG 19 7 2 bezieht sich nur auf die generelle Durchführung zugunsten der Arbeitneh­ mer geltender Regelungen, 22 also nicht auf die Durchführung eines Lei­ stungszulagensystems im Einzelfall. Insoweit läge auch nicht die „ Anwen­ dung" einer Entlohnungsmethode vor, die ein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG 1 9 7 2 auslösen würde. 23 Entsprechendes gilt für § 94 Abs. 2 Halbsatz 2 BetrVG 1 9 7 2 , wonach ein Mitbestimmungsrecht nur hinsichtlich allgemeiner Leistungsbeurteilung der Arbeitnehmer besteht. Auch eine nach § 99 BetrVG 1 9 72 beteiligungspflichtige Eingruppierung oder Umgruppierung liegt bei der individuellen Ermittlung von Leistungs­ zulagen nicht vor. 24 Nach § 83 Abs. 1 Satz 1 BetrVG 1 9 72 steht dem Arbeitnehmer ein beson­ deres Recht zu, in die über ihn geführten Personalakten Einsicht zu nehmen. Ein Betriebsratsmitglied hat ein Einsichtsrecht nach dem Gesetz nur dann, wenn es vom Arbeitnehmer hinzugezogen (§ 83 Abs. 1 Satz 2 BetrVG 1972) oder bevollmächtigt 25 worden ist. Bedenklich sind daher folgende Tarifbe­ stimmungen: „Für jeden Zeitlohnarbeiter wird eine Beurteilungskarte angelegt. Auf Verlangen ist dem Zeitlohnarbeiter und dem Betriebsrat Auskunft, ggf.Einblick in die Beur­ teilungskarte zu geben." ,,Der Betriebsrat oder der Betriebsausschuß kann Betriebsratsmitglieder der Ange­ stellten beauftragen, in der Personalabteilung in die Beurteilungsbögen einzelner Angestellter oder einer Gruppe von Angestellten - in der Regel einer Kostenstelle Einsicht zu nehmen." Das allgemeine Akteneinsichtsrecht des Betriebsrats nach § 80 Abs. 2 Satz 2 BetrVG 1 9 7 2 dürfte gegenüber den zitierten Bestimmungen in dem ZuzieInhaltswiedergabe bei Löwisch, AuR 1978, 97 (99). Stege / Weinspach, BetrVG, § 80 RdNr. 3; bezüglich individueller Vertragsge­ staltung ebenso Richardi, in: Dietz / Richardi, BetrVG, § 80 RdNr. 11 mit weiteren Nachw. 2 3 Vgl.Löwisch, in: Galperin / Löwisch, BetrVG, § 87 RdNr. 224. 24 s. näher unten VII. 3. b) (dort auch näher zu tarifvertraglichen Beanstandungs­ verfahren bei Ein- oder Umgruppierungen) und VII. 3. c). 25 Fitting / Auffarth / Kaiser, BetrVG, § 83 RdNr. 3 a. 21

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§ 11 System und Inhalte unter Geltung des BetrVG 1972

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hungserfordernis nach § 83 Abs. 1 Satz 2 BetrVG 1 9 7 2 eine Grenze insoweit erfahren haben, als es um die Einsichtnahme in Personalakten geht. Beur­ teilungskarten und -bögen einzelner Arbeitnehmer fallen aber unter den Terminus „Personalakte" . 26 Abschließend seien noch 3 (1) Regelungen erwähnt, wonach der Betriebs­ rat Individualansprüche von Arbeitnehmern gegenüber dem Arbeitgeber geltend machen kann. Beispiel : „Der Urlaubsanspruch erlischt am 3 1 . März des nachfolgenden Kalenderjahres, es sei denn, daß der Arbeitnehmer ihn vorher schriftlich oder durch den Betriebsrat geltend gemacht hat."

Derartige Regelungen werden mit dem Recht und der Pflicht des Betriebs­ rats aus § 85 Abs. 1 BetrVG 1 9 7 2 , Beschwerden von Arbeitnehmern entge­ genzunehmen und beim Arbeitgeber auf Abhilfe hinzuwirken, zu vereinba­ ren sein. Aus § 85 Abs. 2 Satz 3 läßt sich entnehmen, daß Gegenstand einer Beschwerde auch ein Rechtsanspruch eines Arbeitnehmers sein kann.

V. Regelungen über die Beteiligung des Betriebsrats in sozialen Angelegenheiten 704 (3 12) = 7 3 ,40 % (74,28 %) der ermittelten 9 5 9 (420) Regelungen betref­ fen Beteiligungsrechte des Betriebsrats in sozialen Angelegenheiten im Sinne der § § 87 ff. BetrVG 1 9 7 2 . Eine bloße Übernahme gesetzlicher Beteili­ gungsrechte erfolgt in 33 (23) Fällen. 6 56 (2 39) Regelungen enthalten Kon­ kretisierungen, 64 (3 1 ) Beschränkungen und 227 (108) Erweiterungen gesetzlicher Beteiligungsrechte. 430 (189) Fälle betreffen Beteiligungsrechte im Rahmen einer vom Tarifvertrag selbst getroffenen Regelung. 25 ( 1 5 ) Bestimmungen enthalten Unterrichtungsrechte, 69 (4 1) Mitwirkungsrechte und 684 (256) Mitbestimmungsrechte. 1. Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb

Maßnahmen, die die allgemeine Ordnung des Betriebs und (oder) das Verhalten der Arbeitnehmer oder Gruppen von ihnen im Betrieb regeln, sind nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG 1 9 7 2 mitbestimmungspflichtig. In den ausge­ werteten Tarifverträgen finden sich im wesentlichen Konkretisierungen dieses Mitbestimmungstatbestandes. Die allgemeine Ordnung im Betrieb betreffen etwa folgende Regelungen: „Für j eden Betrieb ist eine Arbeitsordnung mit dem Betriebsrat zu vereinbaren, die keine ungünstigeren Bestimmungen als dieser Manteltarifvertrag enthalten darf. " 26 Vgl. Löwisch, in: Galperin / Löwisch, BetrVG, § 83 RdNr. 3 a. 9 Spilger

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III. Teil: Tatsächliche Erscheinungsformen

„Die näheren Einzelheiten über Dienstkleidung und Schutzkleidung werden durch Betriebsvereinbarung geregelt." ,,Schutzkleidung und Werkzeuge dürfen nicht mit nach Hause genommen werden. Durch Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat kann eine andere Regelung getroffen werden. " ,,Arbeitgeber und Betriebsrat können vereinbaren, daß bei Kurzerkrankungen bis zu drei Tage auf die Nachweispflicht ganz oder teilweise verzichtet wird."

Auf das Verhalten von Arbeitnehmern im Betrieb oder an dieses anknüpfend beziehen sich folgende Tarifregelungen: „Jeder Mitarbeiter hat sich im Hinblick auf Ziff.2 c [danach hat der Arbeitnehmer die bestimmungswidrige Benutzung oder Mitnahme von Betriebsmaterial und Werkzeug zu unterlassen, Anm. d. Verf.] Kontrollen zu unterziehen, die von der Betriebsleitung unter Mitwirkung der Betriebsvertretung angeordnet werden. " „Ein Verstoß gegen Ziffern 2 und 3 [Verhaltensvorschriften für die Arbeitnehmer im Betrieb, Anm. d. Verf.] kann wie folgt geahndet werden: a) mündliche Verwar­ nung, b) schriftlicher Verweis, c) Bekanntmachung am Schwarzen Brett, d) Aus­ schluß von Prämien oder freiwilligen sozialen Leistungen, e) Auferlegung von Geldbußen bis zu 1/10 des Grundgehaltes. Vorstehende Maßnahmen können nur durch die Betriebsleitung oder ihren Beauftragten mit Zustimmung der Betriebs­ vertretung erfolgen, ausgenommen die mündliche Verwarnung, die durch die Betriebsleitung oder ihren Beauftragten allein verhängt wird."

Die letzte Regelung beschränkt das gesetzlich vorgesehene Mitbestim­ mungsrecht des Betriebsrats, soweit sie eine mündliche Verwarnung beteili­ gungsfrei stellt: Nicht zu den Fragen der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb rechnet zwar die Arbeitsanweisung; 27 auch Abmahnungen eines Arbeitnehmers bei Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten sind daher nicht mitbestimmungspflichtig. 28 Ist aber eine Rüge wie hier als „Verwarnung" oder „Verweis" in einem Katalog von Ordnungs­ strafen aufgenommen und damit formalisiert, beschränkt sie sich nicht auf die Vertragsverletzung und die Warnung vor den Folgen weiterer Vertrags­ pflichtverletzungen, sondern will darüber hinaus eine Strafcharakter tra­ gende Sanktion verhängen. Eine solche betriebliche Disziplinarstrafe unter­ liegt aber der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG 1972";29 und zwar auch dann, wenn es um die Verhängung im Einzelfall geht. 3 ° Konse­ quent bestimmen daher eine Reihe von Tarifregelungen, daß Ordnungsmaß­ nahmen auch im Einzelfall vom Arbeitgeber nur im Einvernehmen mit dem Betriebsrat festgesetzt werden dürfen.

27 Fitting / Auffarth / Kaiser, BetrVG, § 87 RdNr. 30; Löwisch, in: Galperin / Löwisch, BetrVG, § 87 RdNr. 60; Wiese, in: GK-BetrVG, § 87 RdNr. 60. 28 BAG vom 30. Januar 1979, AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 (Bl. 2) mit Anm. von Pfarr. 2 9 Vgl. BAG vom 7. November 1979, AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 Betriebsbuße (Bl. 3) mit Anm. von Herschel; Löwisch, in: Galperin / Löwisch, BetrVG, § 87 RdNr. 74. 30 BAG vom 5. Dezember 1975, AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Betriebsbuße (Bl. 2) mit Anm. von Konzen.

§ 1 1 System und Inhalte unter Geltung des BetrVG 1972

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Unmittelbar auf die Arbeitsleistung bezogen und als Arbeitsanweisung nach dem Gesetz beteiligungsfrei ist auch die Verpflichtung der Arbeitneh­ mer, etwa aus Kalkulationsgründen oder sonst zur Produktionsumstellung Arbeitsbelege auszufüllen. 3 1 Einige Tarifregelungen sehen demgegenüber vor, daß der Betriebsrat über die Anordnung des Ausfüllens von Arbeits­ belegen und die Fristen, innerhalb derer Belege über fertiggestellte Arbeiten abzugeben sind, mitzubestimmen habe. 2. Arbeitszeit

228 (75) = 2 3 , 77 % ( 1 7 , 8 5 %) der Tarifregelungen betreffen Arbeitszeitfra­ gen. Sie beziehen sich dabei etwa zu gleichen Teilen auf Angelegenheiten von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit, der Pausen und der Vertei­ lung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage einerseits (vgl. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG 1972) und Angelegenheiten betreffend die vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit anderer­ seits (vgl. § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG 1972). a) Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage Neben einer ganzen Reihe von Bestimmungen, die den Gesetzeswortlaut lediglich wiederholen, gibt es einige das gesetzliche Beteiligungsrecht hin­ sichtlich des Beginns und Endes der täglichen Arbeitszeit konkretisierende Regelungen. So bestimmt zum Beispiel § 3 Nr. 1 . 5 des Bundesrahmentarif­ vertrages vom 3 . Februar 1 9 8 1 für das Baugewerbe in der Bundesrepublik Deutschland und im Land Berlin, daß bei Baustellen von größerer Entfer­ nung die Arbeitszeit an der vom Arbeitgeber im Einvernehmen mit dem Betriebsrat zu bestimmenden Sammelstelle beginnt und endet, 32 was der Sache nach eine Beteiligung des Betriebsrats an der Festlegung der täg­ lichen Arbeitszeit bedeutet. Andere Regelungen lauten etwa: „Der Dienstplan [der nach dem Tarifvertrag die planmäßigen Dienste und die freien Tage enthält, Anm. d. Verf.] ist unter Mitwirkung des Betriebsrats zu erstellen und an geeigneter, allen beteiligten Arbeitnehmern zugänglicher Stelle auszuhängen." ,, Gleitende Arbeitszeit kann durch Betriebsvereinbarung eingeführt werden. "

3 1 BAG vom 9 . Dezember 1980, A P Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betrie­ bes (Bl. 2 Rücks. ) mit Anm. von Pfarr. 32 Regelung abgedruckt in der Tarifsammlung des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und soziale Fürsorge, TR 21 - 100 a 68. 9'

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III. Teil: Tatsächliche Erscheinungsformen

Sowohl die Aufstellung von Dienstplänen33 wie die Einführung sogenannter gleitender Arbeitszeit34 sind bereits nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG 1972 mitbestimmungspflichtig. 3 (2) Tarifregelungen beschränken dieses Betei­ ligungsrecht insofern, als sie eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat über gleitende Arbeitszeit nur unter Hinzuziehung der Tarifver­ tragsparteien zulassen bzw. für eine Aussetzung einer Regelung über glei­ tende Arbeitszeit eine bloße Unterrichtung des Betriebsrats durch den Arbeitgeber genügen lassen. Auch die Festlegung der Schichten bei Schichtarbeit unterfällt bereits dem gesetzlichen Mitbestimmungstatbestand. 35 Bloße Konkretisierungen enthalten daher etwa folgende Tarifregelungen : ,, Der Schichtenplan ist mit dem Betriebsrat zu vereinbaren. " „Im Einschichtbetrieb endet die Arbeitszeit regelmäßig am Freitag. Ausnahmen für bestimmte Arbeitsgruppen sind schriftlich mit dem Betriebsrat zu vereinbaren. "

Ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG 1972 besteht dort nicht, wo es nur um die Gestaltung eines oder mehrerer konkreter Arbeitsverhältnisse geht und wo besondere, nur einzelne Arbeitnehmer betreffende Umstände die Maßnahme veranlassen oder inhaltlich bestim­ men. So unterliegt es nicht mehr der Mitbestimmung, wenn der Arbeitgeber mit einzelnen Arbeitnehmern Arbeitszeitregelungen trifft, um deren persön­ lichen Bedürfnissen genügen zu können. 3 6 Die Arbeitszeitregelung für einen einzelnen Arbeitnehmer ist nur insoweit der Mitbestimmung unterworfen, als der Betriebsrat auf eine Beschwerde eines einzelnen Arbeitnehmers hin gemäß § 85 Abs. 2 BetrVG 1 9 7 2 die Einigungsstelle anrufen kann. 3 7 Dement­ sprechend bestimmen 2 (1) Tarifregelungen, daß bei der Aufstellung von Schichtenplänen die persönlichen Wünsche des einzelnen Arbeitnehmers im Rahmen der betrieblichen Erfordernisse berücksichtigt werden sollen und im Streitfall die Werksleitung im Einvernehmen mit dem Betriebsrat ent­ scheidet. Nach 3 (1) Tarifregelungen kommt es dagegen für eine Beteiligung des Betriebsrats auf eine Beschwerde des einzelnen Arbeitnehmers nicht an: „ Die Schichtzeiten werden jeweils mit der Betriebsvertretung entsprechend den Betriebsnotwendigkeiten festgelegt. Dabei können Schichtbeginn und Schicht­ ende, auch für einzelne Mitarbeiter, unterschiedlich festgelegt werden. "

33 Vgl. für die Aufstellung von Dienstplänen im Fahrdienst (zu § 56 Abs. l a) BetrVG 1952) BAG vom 4. Juni 1969, AP Nr. 1 zu § 16 BMT - G II (Bl. 2 Rücks.) mit Anm. von Herschel. 34 Allgemeine Meinung, vgl. Richardi, in: Dietz / Richardi, BetrVG, § 87 RdNr. 2 1 6 mit weiteren Nachw. 35 Vgl. Richardi, in: Dietz / Richardi, BetrVG, § 87 RdNr. 2 1 7 mit weiteren Nachw. 3 6 Ausführlich Löwisch, in: Galperin / Löwisch, BetrVG, § 87 RdNr. 7 mit Nachw. der Rechtsprechung. 37 Löwisch, in: Galperin / Löwisch, BetrVG, § 87 RdNr. 95 mit § 85 RdNr. 14.

§ 11 System und Inhalte unter Geltung des BetrVG 1972

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Nach mehreren Tarifregelungen sind kurzfristige Verlegungen der täg­ lichen Arbeitszeit in unvorhergesehenen Ausnahmefällen möglich; darüber ist ein Einvernehmen mit dem Betriebsrat herzustellen. Ist dies im begrün­ deten Ausnahmefall nicht möglich, soll eine nachträgliche Verständigung des Betriebsrats genügen. Überwiegend wird angenommen, daß ein Mitbe­ stimmungsrecht des Betriebsrats aus § 87 BetrVG 1 9 7 2 allenfalls in Not-, nicht aber in Eilfällen entfällt. 3 8 Die angesprochenen Tarifregelungen kön­ nen demgegenüber unter Umständen auch zu einem Wegfall des Mitbestim­ mungsrechts in Eilfällen, die sich als „begründeter Ausnahmefall" darstel­ len, führen. Hinsichtlich des Tatbestandes „ Verteilung der Arbeitszeit auf die einzel­ nen Wochentage" finden sich im wesentlichen nur konkretisierende Tarif­ regelungen. Beispiele: ,,Die Verteilung der regelmäßigen tariflichen Arbeitszeit auf die einzelnen Kalen­ dertage ist unter Beachtung der jeweiligen betrieblichen Erfordernisse zwischen Betriebsleitung und Betriebsrat zu vereinbaren. " „Die an einzelnen Werktagen regelmäßig ausfallende Arbeitszeit kann durch Betriebsvereinbarung auf andere Werktage verteilt werden. "

Die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage ist auch berührt, wenn es um Verteilung tariflicher Ruhetage oder Freischichten geht oder um die Festsetzung der Heimfahrt von Montagearbeitern. Mehrere Tarifverträge nehmen daher zur Klarstellung entsprechende Mitbestim­ mungsrechte des Betriebsrats auf, wie zum Beispiel § 6 Nr. 6 . 1 1.2. des Bun­ destarifvertrages (Neufassung) vom 30. April 1980 für die besonderen Arbeitsbedingungen der Montagearbeiter in der Eisen-, Metall- und Elek­ troindustrie, wo bestimmt ist : „Der Zeitpunkt der Heimfahrt wird unter Berücksichtigung der betrieblichen Erfordernisse und der Wünsche des Montagestammarbeiters durch den Arbeit­ geber - gegebenenfalls im Einvernehmen mit dem Betriebsrat - festgelegt. " 39

Um die - beteiligungspflichtige - Verteilung der Arbeitszeit geht es auch dann, wenn ein Wochentag völlig arbeitsfrei gestellt wird. 40 Davon zu unter­ scheiden ist die Schließung des Betriebes an bestimmten Tagen. Die Ent­ scheidung über die Öffnung des Betriebes und deren Dauer (Betriebs-Zeit) stellt eine unternehmerische Entscheidung dar, die mitbestimmungsfrei 38 BAG vom 5. März 1974, AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Kurzarbeit (BI.4 Rücks.) mit Anm.von Wiese, - betr. Eilfälle ; BAG vom 13. Juli 1977, AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 Kurzarbeit (BI. 4 Rücks. f.) mit Anm.von Löwisch, - betr. Eilfälle, für Notfälle offengelassen; vgl.eingehend mit Nachw.der Gegenmeinung Löwisch, in: Galperin/ Löwisch, BetrVG, § 87 RdNr. 22 ff. 39 Regelung abgedruckt in der Tarifsammlung des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und soziale Fürsorge, TR 5/10 - 3 10 a 33. 40 Richardi, in: Dietz/Richardi, BetrVG, § 87 RdNr. 212; vgl. Wiese, in: GK­ BetrVG, § 87 RdNr.76.

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III. Teil: Tatsächliche Erscheinungsformen

ist. 4 1 Gleichwohl setzen 2 (1) Tarifregelungen für einen wirksamen Betriebs­ schluß durch den Arbeitgeber eine Zustimmung des Betriebsrats voraus. Die meisten der hier mitzuteilenden Tarifregelungen betreffen sowohl die Lage der täglichen Arbeitszeit als auch die Verteilung der Arbeitszeit auf die Wochentage. Im Vordergrund stehen dabei Bestimmungen, nach denen dem

Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei der Einführung und Lage von Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit, der Verlegung von Arbeitszeit aus besonderen Anlässen oder zur Erreichung einer arbeitsfreien Zeit zusteht . In allen Fällen handelt es sich um bloße Konkretisierungen des gesetzlichen Beteiligungstatbestandes aus § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG 1972. 42 Beispiele: ,,Nachtarbeit, Arbeit an Sonntagen und gesetzlichen Feiertagen sind zuschlags­ pflichtig und werden im Einvernehmen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat geregelt. " ,,Notwendige Nacht-, Schicht-, Sonn- un d Feiertagsarbeit kann nur nach Verein­ barung mit dem Betriebsrat eingeführt werden, wobei berechtigte Wünsche der Arbeiter zu berücksichtigen sind. " „Arbeitszeit, die durch Betriebsferien, Volksfeste oder aus ähnlichem Anlaß an Werktagen ausfällt, kann durch Betriebsvereinbarung anderweitig verteilt wer­ den. " „Sofern der 24. Dezember (Heiligabend) und der 3 1 . Dezember (Silvester) nicht auf einen Sonnabend oder Sonntag fallen, ist durch Betriebsvereinbarung je ein Ruhe­ tag auf diese beiden Tage zu legen und dafür an zwei Sonnabenden der Monate November oder Dezember zu arbeiten. " ,,Die regelmäßige Arbeitszeit kann an einzelnen Werktagen, z. B. am Sonnabend, im Einvernehmen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat verkürzt werden oder ganz ausfallen und die dadurch ausfallende Arbeitszeit auf die übrigen Werktage derselben Woche verteilt werden."

Wie die drei letzten Beispiele schon andeuten, sind hier auch Regelungen über Vor- oder Nacharbeit zu erwähnen. Beispiele: „Wenn in Verbindung mit Feiertagen die Arbeitszeit an einem oder mehreren Werktagen ausfällt, um den Arbeitern eine länger zusammenhängende Freizeit zu gewähren, kann diese ausfallende Arbeitszeit nach Vereinbarung mit dem Betriebsrat an den Werktagen von 5 zusammenhängenden, die Ausfalltage ein­ schließenden Wochen, vor- oder nachgearbeitet werden. " ,,Die zeitliche Festlegung der Nachholstunden erfolgt durch Betriebsverein­ barung." „Die gemäß Absatz 2 ausgefallene Schicht ist nachzuholen . . . . Der Zeitpunkt des Nachholens ist mit dem Betriebsrat zu vereinbaren. "

Nach mehreren Tarifregelungen ist die zeitliche Durchführung der Nach­ arbeit „unter Berücksichtigung der betrieblichen und persönlichen Inter4 1 Vgl. Fitting I Auffarth I Kaiser, BetrVG, § 87 RdNr. 4 7 ; Löwisch, in: Galperin / Löwisch, BetrVG, § 87 RdNr. 9 6 a. 42 Vgl. Löwisch, in: Galperin / Löwisch, BetrVG, § 87 RdNr. 93.

§ 11 System und Inhalte unter Geltung des BetrVG 1972

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essen" mit dem Betriebsrat zu „beraten " . Damit ist wohl an eine Konkreti­ sierung des Gebotes vertrauensvoller Zusammenarbeit zwischen Arbeitge­ ber und Betriebsrat (§ 2 Abs. 1 BetrVG 1972) gedacht und keine Verkürzung des gesetzlichen Mitbestimmungsrechts auf ein bloßes Beratungsrecht beab­ sichtigt. Lediglich klarstellende Funktion haben auch solche Tarifbestim­ mungen, nach denen es einer Zustimmung des Betriebsrats nicht bedarf, wenn „einzelne" Arbeitnehmer ausgefallene Arbeitsstunden in der laufen­ den Woche vor- oder nacharbeiten. Auch nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG 1972 würde hier kein Mitbestimmungsrecht bestehen, denn nach dieser Vor­ schrift ist der Betriebsrat nur bei vorübergehender Verkürzung oder Verlän­ gerung der betriebsüblichen Arbeitszeit zu beteiligen. 43 Eine Erweiterung des gesetzlichen Beteiligungsrechts bedeutet es daher, wenn - wie mehrfach - bestimmt wird: „Fehlt der Arbeitnehmer ohne Entschuldigung oder ohne ausreichenden Grund, ist er auf Verlangen des Arbeitgebers im Einvernehmen mit dem Betriebsrat verpflich­ tet, die versäumte Arbeitszeit nachzuholen. " Die materielle Arbeitsbedingung der Dauer der (wöchentlichen) Arbeits­ zeit wird von § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG 1972 nicht erfaßt. 44 Dessenungeachtet räumen 10 (4) Tarifbestimmungen dem Betriebsrat - allerdings für eine begrenzte Zahl von Sachverhalten - auch diesbezüglich Beteiligungsrechte ein. Beispiel: „Ist für Maschinisten, . . . aus betriebsbedingten Gründen eine Überschreitung der in Ziffer (1) festgelegten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit erforderlich, kann diese im Einvernehmen mit dem Betriebsrat um höchstens 8 Stunden ausge­ dehnt werden." Weitere Fälle beziehen sich vor allem auf Fragen von Arbeitsbereitschaft. Bei Vorliegen von Arbeitsbereitschaft in erheblichem Umfang verlängert sich nach den meisten Tarifverträgen die regelmäßige wöchentliche Arbeits­ zeit der betroffenen Arbeitnehmer. Die Feststellung, an welchen Arbeits­ plätzen regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft vor­ liegt, wird aber grundsätzlich einer Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat überantwortet, wodurch der Betriebsrat Einfluß auf die Dauer der Arbeitszeit gewinnt. Auch die sogenannte Flexibilisierung der Wochen­ arbeitszeit aufgrund der neueren Tarifabschlüsse in der Metall- und der Druckindustri_e sowie der Holz- und Kunststoffverarbeitenden Industrie 43 Anders nur, wenn organisatorische oder technische Gründe bedingen, daß auch jeweils nur ein Arbeitnehmer etwa über das Schichtende hinausarbeitet, vgl. BAG vom 22. Februar 1983, AP Nr. 2 zu § 23 BetrVG 1972 (BI. 2) mit Anm. von von Hoynin­ gen-Huene. 44 BAG vom 21. November 1978, AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit (BI. 2 Rücks.) mit Anm. von Wiedemann / Moll. Diese Ansicht ist auch herrschend in der Literatur; vgl. die umfangreichen Nachweise -bei Löwisch, in: Galperin / Löwisch, BetrVG, § 87 RdNr. 85; a. A. Fitting / Auffarth / Kaiser, BetrVG, § 87 RdNr. 44 mit weiteren Nachw. der Gegenmeinung.

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III. Teil: Tatsächliche Erscheinungsformen

Rheinland-Pfalz ab 1. April 1 9 8 5 verlagert die Regelung von Fragen der Arbeitszeitdauer in einem vorgegebenen Rahmen auf die betriebliche Ebene. Dies ist aber - wie die vorstehend angesprochenen Fälle zeigen durchaus kein Novum. b) Vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit

Unter die vorübergehende Verkürzung der betriebsüblichen Arbeitszeit (§ 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG 1972) fällt vor allem die Einführung von Kurzar­ beit. Der Mitbestimmung unterliegt, ob und wie sie eingeführt werden soll. 45 Erfaßt wird dabei nicht nur eine Verkürzung der betriebsüblichen täglichen Arbeitszeit, sondern auch der Ausfall der Arbeitszeit an einem ganzen Tag. 46 Ungeachtet der damit gegenüber dem BetrVG 1952 umfassenden gesetz­ lichen Regelung sind Tarifbestimmungen betreffend Kurzarbeit häufig und vielgestaltig. Weitergehende Rechte als das Gesetz (etwa Beteiligungspflich­ tigkeit der Anordnung von Mehrarbeit oder Kurzarbeit in Auswirkung von Streiks entgegen der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts47 ) räumt keine der aufgefundenen Regelungen ein. Bedeutung haben diese allerdings insofern, als sie größtenteils allgemeine Voraussetzungen für die Zulässig­ keit von Kurzarbeit aufstellen, die erfüllt sein müssen, bevor es auf eine Beteiligung des Betriebsrats überhaupt ankommt. Mehrfach wird bestimmt, daß der Einführung von Kurzarbeit eine Beratung mit dem Betriebsrat vor­ auszugehen habe. Insoweit wird noch im Vorfeld der Mitbestimmung über die Einführung der Grundsatz vertrauensvoller Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat (§ 2 Abs. 1 BetrVG 1972) konkretisiert: „Der Arbeitgeber hat mit dem Betriebsrat vor Einführung einer verkürzten Arbeitszeit zu prüfen, ob nicht durch Einführung von Kurzarbeit finanzielle Nach­ teile für die Mehrheit der betroffenen Arbeitnehmer vermieden werden können, sofern die betrieblichen Belange dies zulassen. " „Die Gründe für die beabsichtigte Einführung von Kurzarbeit sind mit dem Betriebsrat eingehend zu erörtern."

45 Vgl. BAG vom 5. März 1974, AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1 972 Kurzarbeit (Bl. 2) mit Anm.von Wiese; h. M., vgl. Richardi, in: Dietz / Richardi, BetrVG, § 87 RdNr.244 mit umfangreichen Nachw. 46 Vgl. BAG vom 13. Juli 1977, AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 Kurzarbeit (Bl. 2 Rücks.f.) mit Anm. von Löwisch; h.M., vgl. Richardi, in: Dietz / Richardi, BetrVG, § 87 RdNr. 242 mit Nachw.; a.A. Fitting / Auffarth / Kaiser, BetrVG, § 87 RdNr. 50, die in diesem Fall § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG 1972 anwenden wollen, was aber im Ergebnis keinen Untetschied macht. 47 Vgl. BAG vom 24. April 1979, AP Nr. 63 zu Art. 9 GG Arbeitskampf (Bl. 3) mit Anm. von Rüthers / Klosterkemper; BAG vom 22. Dezember 1980, AP Nr. 70 zu Art.9 GG Arbeitskampf (Bl. 8), und BAG vom 22. Dezember 1980, AP Nr. 71 zu Art. 9 GG Arbeitskampf (Bl. 3 Rücks. f.) mit gemeinsamer Anm. von Richardi.

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Regelmäßig setzen Tarifbestimmungen eine Ankündigungsfrist und/oder besondere Umstände für die Einführung von Kurzarbeit voraus : „Kurzarbeit kann nach einer Ankündigungsfrist von acht Tagen im Einvernehmen mit dem Betriebsrat unter Beachtung des gesetzlichen Mitbestimmungsrechts ein­ geführt werden. " „Unter den im Arbeitsförderungsgesetz festgelegten Voraussetzungen kann die Werksleitung nach Vereinbarung mit dem Betriebsrat mit einer Ankündigung von einer Woche Kurzarbeit einführen. "

Mehrfach wird sogar der Inhalt einer abzuschließenden Betriebsvereinbarung detailliert vorgeschrieben. Beispiel: ,,Aus dringenden betrieblichen Erfordernissen, z. B. zur Vermeidung von Entlas­ sungen oder vorübergehenden Stillegungen, kann der Arbeitgeber nach Abschluß einer Betriebsvereinbarung für die gesamte Belegschaft oder für einen Teil (nicht einzelne Arbeitnehmer) eine kürzere als die regelmäßige Arbeitszeit einführen. Die Betriebsvereinbarung muß u. a. folgendes regeln: . . . [Beginn und Dauer der Kurz­ arbeit, Lage und Verteilung, Personenkreis, d. Verf.] . . . "

In einigen Fällen wird von einer Beteiligung des Betriebsrats abgesehen, ohne daß dies - nach dem Gesetz - durch das Vorliegen eines Notfalls gerechtfertigt wäre : ,,Beabsichtigt die Betriebsleitung wegen Absatzmangels oder aus sonstigen Grün­ den Kurzarbeit für den Gesamtbetrieb, für Betriebsteile oder für einzelne Mitarbei­ tergruppen einzulegen, so hat sie hierfür mit der Betriebsvertretung ein Abkommen zu treffen. Kommt dieses nicht rechtzeitig zustande, so ist die Betriebsleitung berechtigt, mit einer Frist von 3 Tagen Kurzarbeit anzuordnen. "

Besondere Gestaltungen finden sich im Baugewerbe. Hier geht es häufig um Fragen des Arbeitsausfalls durch Witterungseinflüsse. Nach einer Bestimmung hat der Arbeitgeber im Einvernehmen mit dem Betriebsrat darüber zu entscheiden, ob die Arbeit bei Schichtbeginn aufgenommen, während der Schicht unterbrochen oder eingestellt wird. Nach anderen Regelungen hat dies der Arbeitgeber nach „pflichtgemäßem Ermessen" zu entscheiden, während dem Betriebsrat nur ein Beratungsrecht zugestanden wird. 48 Durch das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG 1972 wer­ den zugleich die rechtlichen Möglichkeiten des Arbeitgebers zur Einwir­ kung auf die arbeitsvertragliche Stellung des Arbeitnehmers erweitert. Der Arbeitgeber ist nicht auf den Abschluß von Einzelvereinbarungen, Ände­ rungskündigungen oder die Ausübung seines durch Gesetz, Kollektiv- und Arbeitsvertrag bzw. die Treuepflicht beschränkten Direktionsrechts ange48 Vgl. z. B. § 5 Nr. 5.3. des Bundesrahmentarifvertrages vom 3. Februar 1981 für das Baugewerbe in der Bundesrepublik Deutschland und im Land Berlin, abgedruckt in der Tarifsammlung des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und soziale Fürsorge, TR 21 - 100 a 68.

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III. Teil: Tatsächliche Erscheinungsformen

wiesen. 49 Nur der Klarstellung dienen daher die häufig anzutreffenden Tarifbestimmungen, wonach die Einführung von Kurzarbeit, welcher der Betriebsrat zugestimmt hat, keiner Kündigung der Arbeitsverhältnisse bedarf bzw. ohne Rücksicht auf die Kündigungsfrist der einzelnen Arbeits­ verträge erfolgen kann. Unter die vorübergehende Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit (§ 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG 1972) fällt vor allem die Einführung von Über­ stunden (Überarbeit). Davon zu unterscheiden ist etwaige Mehrarbeit, die erst vorliegt, wenn die gesetzliche Höchstarbeitszeit von täglich 8 Stunden bzw. 48 Stunden wöchentlich bzw. 96 Stunden in zwei aufeinanderfolgen­ den Wochen überschritten wird. 50 Aber auch die Einführung von Mehrarbeit ist nach dem Gesetz dann beteiligungspflichtig, wenn sie zu einer vorüber­ gehenden Überschreitung der üblichen betrieblichen Arbeitszeit führt. Inter­ essant ist, daß sich zwar 29 (7) Tarifregelungen mit der Beteiligungspflich­ tigkeit von Mehrarbeit befassen, keine der ausgewerteten Bestimmungen aber mit Überstunden (Überarbeit). Geht man davon aus, daß den tarifver­ tragschließenden Parteien der Unterschied zwischen Überstunden und Mehrarbeit bewußt ist, verwundert dies auf den ersten Blick. Verständlich wird es aber, wenn man bedenkt, daß alle ausgewerteten Tarifverträge von einer achtstündigen täglichen Arbeitszeit ausgehen. Dann bedeutet bereits jede Überschreitung etwa der täglichen Arbeitszeit nicht nur Überstunden, sondern zugleich Mehrarbeit. Vergleichbar mit den Kurzarbeitregelungen knüpfen die Tarifverträge auch die Einführung von Mehrarbeit an besondere Voraussetzungen: „Bei dringenden betrieblichen Erfordernissen kann Mehrarbeit mit Zustimmung des Betriebsrats bis zu einer Arbeitszeit von insgesamt 10 Stunden täglich, jedoch höchstens bis zu 10 Mehrarbeitsstunden in der Woche vereinbart werden. " „Mehrarbeit ist, soweit irgend angängig, durch Neueinstellung von Arbeitskräften zu vermeiden. Ist dies nicht möglich, kann im Rahmen der gesetzlichen Bestimmun­ gen in dringenden Fällen zuschlagspflichtige Mehrarbeit verfahren werden. Dies ist durch Betriebsvereinbarung festzulegen. "

Für „dringende Sofortmaßnahmen" oder „unvorhergesehene Fälle" soll es nach einigen Regelungen lediglich auf eine nachträgliche Verständigung ankommen. Nach vorherrschender Ansicht in der Literatur entfällt ein Mit­ bestimmungsrecht aus dringenden, nicht vorhersehbaren betrieblichen Gründen dagegen nur, wenn der Arbeitgeber die Arbeitszeit für einen oder mehrere einzelne Arbeitnehmer kraft seines Direktionsrechts oder Einzel49 Wiese, in: GK-BetrVG, § 87 RdNr. 7 9 a ; vgl. auch Löwisch, in: Galperin / Löwisch, BetrVG, § 87 RdNr. 106. so Zum Unterschied vgl. eingehend Nikisch, Arbeitsrecht Bd. III, § 1 1 3 I 4 (S. 394); aus neuerer Zeit Richardi, in: Dietz / Richardi, BetrVG, § 87 RdNr. 241, und Wiese, in: GK-BetrVG, § 87 RdNr. 83.

§ 11 System und Inhalte unter Geltung des BetrVG 1972

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arbeitsvertrages vorübergehend ändert. 5 1 Demgemäß bestimmen mehrere Tarifverträge, daß die Mehrarbeit einzelner Arbeitnehmer in unvorhergese­ henen Fällen keiner Mitbestimmung des Betriebsrats bedarf. 3. Arbeitsentgelt

4 1 6 (163) = 43,37 % (3 8,80 %) der Tarifregelungen beziehen sich auf Arbeitsentgeltfragen. Im Vordergrund steht hierbei die Beteiligung des Betriebsrats bei Fragen der betrieblichen Lohngestaltung sowie der Festset­ zung der Berechnungsfaktoren leistungsbezogener Entgelte. a) Zeit, Ort und Art der Auszahlung der Arbeitsentgelte

Allein 76 (21) Tarifregelungen betreffen die Beteiligung des Betriebsrats bei Fragen von Zeit, Ort und Art der Auszahlung der Arbeitsentgelte. Mit Ausnahme von 3 (1) Bestimmungen handelt es sich lediglich um Konkreti­ sierungen des Mitbestimmungsrechts aus § 87 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG 1 9 7 2 . Manchmal kann zweifelhaft sein, was unter „Arbeitsentgelt" i m Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG 1972 zu verstehen ist. Die Vorschrift bezieht sich auf alle Leistungen, die der Arbeitnehmer im Rahmen des Arbeitsverhält­ nisses vom Arbeitgeber erhält. 52 Auch Sonderformen der Vergütung fallen darunter, wie zum Beispiel Urlaubsentgelt, Urlaubsgeld oder vermögens­ wirksame Leistungen. 53 Klarstellend bestimmen daher mehrere Tarifrege­ lungen, daß der Betriebsrat auch bei der Bestimmung des Zeitpunkts der Auszahlung von Urlaubsentgelt, 54 Urlaubsgeld oder vermögenswirksamen Leistungen mitzubestimmen habe. überhaupt beschäftigen sich die meisten Bestimmungen mit der Beteiligung des Betriebsrats bei Angelegenheiten der Auszahlungszeit der Arbeitsentgelte. Beispiele : ,,Die monatlichen Lohn- und Gehaltszahlungstermine werden durch Betriebsver­ einbarung festgelegt und durch Aushang bekanntgegeben. " „Durch Betriebsvereinbarung kann ein anderer Lohnzahlungszeitpunkt festgelegt werden." .,Der Zeitpunkt der Auszahlungen wird durch Betriebsvereinbarung geregelt. "

51 Fitting / Auffarth / Kaiser, BetrVG, § 87 RdNr. 54 mit weiteren Nachw. 52 Löwisch, in: Galperin / Löwisch, BetrVG, § 87 RdNr. 1 1 9 . 5 3 Wiese, in: GK-BetrVG, § 87 RdNr. 87 mit 135 f . 5 4 So z. B. § 14 C Nr. 2 des Manteltarifvertrages vom 3 1 . Oktober 1970 / 2 . Novem­ ber 1970 (Stand 1. Januar 1981) für Angestellte der bayerischen Metallindustrie, abgedruckt in der Tarifsammlung des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und soziale Fürsorge, TR 5/10 - 300 b 65.

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III.Teil: Tatsächliche Erscheinungsformen

Zur Auszahlungszeit gehört auch die Leistung von Abschlagszahlungen _ -,-, Dementsprechend wird vereinzelt bestimmt, daß die Leistung von Abschlagszahlungen durch Vereinbarung mit dem Betriebsrat zu regeln sei. Mehrfach wird auch das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats hinsichtlich der Art der Auszahlung der Arbeitsentgelte konkretisiert: ,,Die Einführung einer dieser Lohnzahlungsarten [gemeint: in Lohntüten oder bar­ geldlos durch Überweisung, Anm. d. Verf.] bedarf der Zustimmung des Betriebs­ rates." ,,Durch Betriebsvereinbarung kann auch bargeldlose Lohnzahlung eingeführt wer­ den. Bargeldlose Lohnzahlung kann jedoch nicht ohne Zustimmung des Betriebs­ rats erfolgen, d. h.die fehlende Zustimmung des Betriebsrats kann nicht durch eine Einigungsstelle ersetzt werden." 5 6 ,,Zeit, Ort und Art der Auszahlung (bar oder bargeldlos) sowie der Lohnabrech­ nungszeitraum und der Zeitpunkt der Abrechnung sind betrieblich zu verein­ baren."

Daß das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG 1972 mit „Art" der Auszahlung gerade auch bei Einführung der bargeldlosen Entlohnung besteht, ist unzweifelhaft. 57 Die zweite der zitierten Regelungen hat die Besonderheit, daß sie offenbar eine erzwingbare Betriebsvereinbarung nur auf Initiative des Betriebsrats, nicht aber auf die Initiative des Arbeitgebers hin für möglich hält. 58 Soweit die als letzte zitierte Regelung auch den ,,Lohnabrechnungszeitraum" einer betrieblichen Vereinbarung unterwirft, handelt es sich nicht um eine Konkretisierung von § 87 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG 197 2 , sondern von Nr. 10 dieser Bestimmung, weil die Berechnung des Arbeitsentgeltes nach der Arbeitszeit - zum Beispiel als Monatslohn - den Entlohnungsgrundsatz betrifft. 5 9 b) Betriebliche Lohngestaltung

Nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG 1972 hat der Betriebsrat mitzubestimmen in Fragen der betrieblichen Lohngestaltung. Dazu gehört nach dem Gesetz insbesondere die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und die Einfüh­ rung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Ände­ rung. 258 (113) Tarifbestimmungen beschäftigen sich mit BeteiligungsrechWiese, in: GK-BetrVG, § 87 RdNr. 88 mit Nachw. § 7 Nr.7.3.2.des Lohnrahmentarifvertrages II für die Metallindustrie Nordwürt­ temberg-Nordbaden vom 1. November 1973. Inhaltswiedergabe bei Löwisch, AuR 1978, 97 (104). 57 Vgl.BAG vom 8.März 1977, AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Auszahlung (Bl.2) mit Anm. von Wiedemann / Moll; Nachweise der Literatur bei Richardi, in: Dietz / Richardi, BetrVG, § 87 RdNr.280. 58 Ebenso zu dieser Regelung Löwisch, AuR 1978, 97 (104). 5 9 Vgl. Fitting / Auffarth / Kaiser, BetrVG, § 87 RdNr. 55; Wiese, in: GK-BetrVG, § 87 RdNrn.136a, 138. 55

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§ 1 1 System und Inhalte unter Geltung des BetrVG 1972

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ten in diesem Bereich. Allein in etwa einem Drittel der Regelungen - 7 9 (37) Fälle - werden dabei Sachverhalte, die nach dem Gesetz beteiligungsfrei sind, einer Mitbestimmungspflicht unterworfen. Die Definitionen dessen, was unter „Entlohnungsgrundsatz" zu verstehen ist, sind unterschiedlich. 6 0 Allgemein wird hierunter jede!lfalls die Primär­ entscheidung über das System verstanden, nach dem die Vergütung für einen Betrieb oder Betriebsteil oder Arbeitnehmergruppen zu erfolgen hat, 61 also zum Beispiel finale oder kausale Lohnberechnung, 6 2 Bestimmung der Vergütung nach Zeit-, Akkord- oder Prämienlohn, 63 Provisionssysteme usw. 64 Tarifregelungen legen häufig - 1 0 2 ( 44) Fälle - fest, unter welchen besonde­ ren Voraussetzungen eine Vereinbarung über den Entlohnungsgrundsatz zu treffen ist oder nennen ein Vergütungssystem, hinsichtlich dessen Aufstel­ lung sie dann an die Beteiligungspflichtigkeit erinnern. Beispiele: ,,Der Entlohnungsgrundsatz ist unter Berücksichtigung der betrieblichen Gege­ benheiten mit dem Betriebsrat zu vereinbaren." „Arbeiten, die sich nach übereinstimmender Ansicht von Betriebsleitung und Betriebsrat dafür eignen, sind unter gemeinsam festzulegenden Bedingungen in Akkordarbeit oder in Prämienarbeit auszuführen. " ,,Prämienlohnarbeit ist solche Arbeit, bei der vorher für einen bestimmten Arbeits­ erfolg (Güte, Materialeinsparung u. a.) eine Betriebsvereinbarung getroffen wird. "

§ 87 Abs. 1 Nr. 1 0 BetrVG 1 9 7 2 erfaßt - entgegen seinem insoweit mißverständlichen Wortlaut - auch die Änderung von Entlohnungsgrundsätzen. 6 5 Einige Tarifregelungen stellen wohl deshalb klar, daß etwa nicht nur die Einführung von Leistungsentlohnung, sondern auch deren Änderung (etwa Übergang vom Akkord- zum Prämienlohn) durch Betriebsvereinbarung zu regeln sei. Auch Beschränkungen von Beteiligungsrechten kommen im Bereich der Entlohnungsgrundsätze vor. So dürfen etwa nach mehreren Bestimmungen andere als im Tarifvertrag geregelte Entlohnungsgrundsätze zwischen Geschäftsleitung und Betriebsrat nur mit schriftlicher Zustimmung der Tarifvertragsparteien vereinbart werden; so läßt etwa § 2 Nr. 2 . 2 . 2 . des Lohnrahmentarifvertrages II für die Metallindustrie Nordwürttemberg­ Nordbaden vom 1. November 1 9 7 3 eine vom Tarifvertrag abweichende Regelung der Entlohnungsgrundsätze zu, schließt aber für diesen Fall die Vgl.Wiese, in: GK-BetrVG, § 87 RdNr. 137 mit umfangreichen Nachw. 61 Vgl. Wiese, in: GK-BetrVG, § 87 RdNr. 137. 6 2 Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 5. Aufl. 1983, § 235 II 10b) (S. 1 361). 63 Vgl. BAG vom 29. März 1 977, AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1 972 Provision (Bl. 3 Rücks.) mit Anm. von Schulze-Osterloh. 64 BAG vom 29. März 1977, AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Provision (Bl.4) mit Anm. von Schulze-Osterloh. 65 Vgl.nur Löwisch, in: Galperin / Löwisch, BetrVG, § 87 RdNr.220 mit Nachw. 60

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III.Teil : Tatsächliche Erscheinungsformen

Ersetzung des Einvernehmens durch die Einigungsstelle gemäß §§ 87 Abs. 2 , 7 6 Abs. 5 BetrVG 1 9 7 2 aus. 66 Dies leitet über z u der Frage, o b der Betriebs­ rat bei Einführung oder Änderung von Entlohnungsgrundsätzen überhaupt eine Regelung erzwingen kann, ihm also ein Initiativrecht zusteht. Beden­ ken dagegen sind erhoben worden, weil das Initiativrecht dazu führen könne, daß der Betriebsrat unangemessenen Einfluß auf lohnpolitische und damit unternehmerische Entscheidungen gewinne. 67 § 2 Nr. 2 . 3 . 3 . in Ver­ bindung mit Nr. 2 . 3 . 1 . des oben erwähnten Lohnrahmentarifvertrages bestimmt demgegenüber ausdrücklich, daß hinsichtlich der Neueinführung wie des Wechsels eines der im Vertrag genannten Entlohnungsgrundsätze sowohl dem Arbeitgeber als auch dem Betriebsrat ein Initiativrecht zustehe. 68 Das Bundesarbeitsgericht hat (später) bestätigt, daß sich ein Initiativrecht bereits aus dem BetrVG 1 9 7 2 ergibt. 69 Tarifregelungen, die Beteiligungsrechte des Betriebsrats hinsichtlich der

„Entlohnungsmethoden " - also der Art und Weise, in welcher der gewählte

Entlohnungsgrundsatz verfahrensmäßig durchgeführt wird -70 betreffen, finden sich in 81 (36) Fällen.

Nach mehreren Regelungen haben Arbeitgeber und Betriebsrat vor der Aufnahme von Verhandlungen über die Einführung neuer Entlohnungsme­ thoden sowie deren Änderung für alle Arbeitnehmer oder Gruppen von ihnen die Tarifvertragsparteien zu unterrichten. Einer derartigen Bindung unterliegt das gesetzliche Beteiligungsrecht des Betriebsrats nicht. Andere Tarifverträge wiederum überlassen Gegenstände einer betrieblichen Rege­ lung, die üblicherweise von den Tarifvertragsparteien selbst geregelt wer­ den. Beispiel: „Zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat kann ausnahmsweise ein anderer [als der im Tarifvertrag enthaltene, d. Verf.) Lohngruppenaufbau (summarische Betrach­ tungsweise) vereinbart werden."

Beim Akkordlohn ist die nähere Ausgestaltung der Entlohnung (Stück­ oder Zeitakkord, Einzel- oder Gruppenakkord) eine Frage der Entlohnungs­ methode im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG 1 9 7 2 . 7 1 Konsequent wird daher öfters bestimmt: Inhaltswiedergabe bei Löwisch, AuR 1978, 97 (104). Vgl. die umfangreichen Nachw. der Vertreter dieser Ansicht bei Wiese, in : GK­ BetrVG, § 87 RdNr.143a (S. 182). 68 Inhaltswiedergabe bei Löwisch, AuR 1978, 97 (99). 69 BAG vom 14.November 1974, AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 (BI.2) mit Anm.von Richardi; dies ist auch der Standpunkt der h.L., vgl. die umfangreichen Nachw. bei Wiese, in: GK-BetrVG, § 87 RdNr. 143 a. 70 Vgl.zu dieser Definition statt aller Richardi, in: Dietz/Richardi, BetrVG, § 87 RdNr.509 mit weiteren Nachw. 71 Vgl.für Einzel- und Gruppenakkord Stege / Weinspach, BetrVG, § 87 RdNr. 184 ; Wiese, in: GK-BetrVG, § 87 RdNrn.140 a, 150c. 66 67

§ 11 System und Inhalte unter Geltung des BetrVG 1972

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,,Arbeiten, die sich zur Ausführung im Akkord eignen, können als Stück- oder Zeit­ akkord durch Betriebsvereinbarung im Einzel- oder Gruppenakkord vergeben werden." „Die Einführung von Gruppenarbeit und die dabei zu beachtenden Grundsätze sind durch Betriebsvereinbarung festzulegen. " 72

Vor allem aber zählt die Einführung, Anwendung und Änderung von Grundsätzen zur Ermittlung der Zeitvorgabe (Zeitfaktor) bei Zeitakkorden zu den Entlohnungsmethoden. 73 Hinsichtlich der Vorgabezeitermittlung enthalten Tarifverträge häufiger Konkretisierungen des gesetzlichen Betei­ ligungsrechts : „Die im Betrieb anzuwendenden Methoden (einzeln oder in Kombination), ihre Anwendungsbereiche und Verwendungszwecke sind mit dem Betriebsrat zu ver­ einbaren. " ,,Soll i n Abweichung von Ziffer 6 die Vorgabezeitermittlung nach anderen Metho­ den, Grundsätzen oder unter Anwendung eines Zeitenkataloges erfolgen, so ist hierfür das Einvernehmen mit dem Betriebsrat herbeizuführen. "

Auch die Grundsätze über die Verteilung des Gruppenverdienstes bei Gruppenakkord gehören zu den Entlohnungsmethoden. Beispiele für ent­ sprechende Tarifregelungen: „Die Gruppengröße, die Gruppenzusammensetzung (fix oder variabel) sowie die Verteilung des Gruppenverdienstes werden, soweit sie nicht in der Betriebsverein­ barung enthalten sind, mit Zustimmung des Betriebsrats festgelegt. " 72 „Bei Gruppenakkorden sind in Zweifelsfällen die Grundsätze für die Verteilung der Mehrverdienste mit Zustimmung des Betriebsrates festzulegen. " „Werden Arbeiter verschiedener Lohngruppen im Gruppenakkord beschäftigt, so sind sie an dem Akkordergebnis entsprechend der tariflichen Regelung oder nach einem anderen Verteilungsschlüssel, der zwischen Werksleitung und Betriebsrat vereinbart wird, zu beteiligen. "

Beim Prämienlohn gehört die Bestimmung der Normalleistung, der Bezugsgröße, des Prämienansatzes und der Prämienkurve bereits zur betrieblichen Lohngestaltung (§ 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG 1972), 7 4 so daß § 87 Abs. 1 Nr. 1 1 BetrVG 1 9 72 hier eine geringere praktische Bedeutung als für den Akkordlohn hat. 75 Tarifregelungen sind zahlreich und vielfältig. Bei­ spiele: 72 § 3 . 1 3 des Lohnrahmentarifvertrages II vom 1 . November 1973 für die Metall­ industrie Nordwürttemberg-Nordbaden, abgedruckt bei Zachert, Tarifvertrag, 1979, S. 149. 73 Vgl. Fitting / Auffarth / Kaiser, BetrVG, § 87 RdNr. 136; Wiese, in: GK-BetrVG, § 87 RdNr. 140 a. 74 Löwisch, in: Galperin / Löwisch, BetrVG, § 87 RdNrn. 221, 245 ; Richardi, in: Dietz / Richardi, BetrVG, § 87 RdNrn. 503, 578, 626; Stege / Weinspach, BetrVG, § 87 RdNr. 182; Wiese, in: GK-BetrVG, § 87 RdNr. 1 54h (dabei werden diese Fragen - was keinen Unterschied macht - zum Teil bei den Entlohnungsgrundsätzen angesiedelt). 75 Löwisch, in: Galperin / Löwisch, BetrVG, § 87 RdNr. 245; vgl. aber - wegen der Mitbestimmungspflichtigkeit der „Geldseite" - unten c) .

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III.Teil: Tatsächliche Erscheinungsformen

,,Die Prämienbedingungen sind mit dem Betriebsrat zu vereinbaren." „Die Prämienbedingungen und der an der Prämie beteiligte Personenkreis sind durch Betriebsvereinbarung zu vereinbaren." ,,Die maßgeblichen Grundsätze und das System der Prämienentlohnung, insbeson­ dere die Prämiengrundleistung, werden durch Betriebsvereinbarung geregelt." Nach - wenigen - Tarifregelungen sind lediglich Prämienregelungen, die eine größere Anzahl von Arbeitnehmern betreffen, zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat zu vereinbaren, oder es wird für ausreichend angesehen, daß der Betriebsrat vor einer beabsichtigten Änderung der Prämiengrund­ leistungen unter Angabe von Gründen rechtzeitig informiert wird. Zur Beilegung von Prämienlohnstreitigkeiten haben die Tarifpartner zum Teil besondere Schlichtungsverfahren geschaffen. Namentlich im rheinisch­ westfälischen Steinkohlenbergbau ist vorgesehen, daß ein besonderer, von den Tarifparteien hauptamtlich bestellter Inspektor für Leistungsentloh­ nung bei Meinungsverschiedenheiten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat über die Prämiengrundlagen hinzuzuziehen ist. 76 Dieser hat die Prämien­ grundlagen zu überprüfen und einen Einigungsvorschlag zu machen. Dieses Schlichtungsverfahren ist in bezug auf das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG 1 9 7 2 neutral. Die formelle Ausgestaltung von sogenannten „ Leistungszulagen" wie Gratifikationen, Jahresabschlußvergütungen, Nachtschicht- und Erschwer­ niszulagen, Überstundenvergütungen oder Ergebnisbeteiligungen unter­ liegt als Frage der Entlohnungmethode bereits der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG 1 9 72. 77 Mehrere Tarifbestim­ mungen konkretisieren das gesetzliche Mitbestimmungsrecht, indem sie die Beteiligung des Betriebsrats bei der Festlegung der Grundsätze für die Gewährung von Zuschlägen für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit vor­ schreiben. Zu den Entlohnungsmethoden gehört auch die Frage, ob bei Entlohnung des Gaststättenpersonals mit Bedienungsgeldern die Verteilung nach dem Tronc- oder Serviersystem erfolgt, 78 ferner die Bestimmung von Wechseltä­ tigkeiten bei einem regelmäßigen Übergang von Akkordarbeit auf Zeitlohn­ arbeit oder die Zuteilung von Deputaten, welche Entgeltcharakter haben. 79 Tarifverträge stellen das öfters klar. Beispiele: 76 Tarifvertrag über allgemeine Arbeitsbedingungen vom 12. April 1975 für den rheinisch-westfälischen Steinkohlenbergbau. Inhaltswiedergabe des nach diesem Tarifvertrag ebenfalls vorgesehenen Gedinge-Schlichtungsverfahrens bei Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 5. Aufl. 1983, § 67 V 5 f. (S. 329 f.). 77 Vgl. Fitting / Auffarth / Kaiser, BetrVG, § 87 RdNr. 151; Stege / Weinspach, BetrVG, § 87 RdNr. 199. 78 Richardi, in: Dietz / Richardi, BetrVG, § 87 RdNr.510. 79 Vgl. Wiese, in: GK-BetrVG, § 87 RdNr. 87 ; Löwisch, in: Galperin / Löwisch, BetrVG, § 87 RdNrn. 218c, 229.

§ 11 System und Inhalte unter Geltung des BetrVG 1972

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„In Schankbetrieben und Hotelrestaurants kann mit Zustimmung des Betriebsrats . . . das Troncsystem eingeführt oder abgeschafft werden." „Handelt es sich bei dem Übergang von Akkordarbeit auf Zeitlohnarbeit um einen sich regelmäßig wiederholenden, durch die Betriebsverhältnisse zwingend beding­ ten Wechsel, so ist jeweils mit Beginn der neuen Beschäftigung der für diese Arbeit zustehende Lohn zu zahlen. Welche Arbeitsplätze als Wechseltätigkeiten gelten, wird zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat festgelegt. "

Ähnliche Regelungen finden sich auch für den Wechsel von Prämienlohn­ arbeit auf Zeitlohnarbeit. „In besonders gelagerten Fällen kann die Betriebsleitung im Einvernehmen mit der Betriebsvertretung die dem Bezugsberechtigten insgesamt zustehende Brikett­ menge unter die Familienmitglieder in einer die sozialen Verhältnisse berücksichti­ genden Weise verteilen."

Die letzte Regelung birgt ein Problem. Nach § 8 7 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG 1 9 72 besteht ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats hinsichtlich der betrieb­ lichen Lohngestaltung. Der Mitbestimmungstatbestand bezieht sich daher lediglich auf die Festlegung abstrakt-genereller (kollektiver), nicht aber individueller Grundsätze der Lohnfindung. 80 Auch § 99 BetrVG 19 72 (Ein­ gruppierung oder Umgruppierung) ist für letztere nicht einschlägig. 8 1 Die Regelung des Arbeitsentgelts einzelner Arbeitnehmer ist allenfalls insoweit der Mitbestimmung unterworfen, als der Betriebsrat auf eine Beschwerde eines einzelnen Arbeitnehmers hin gemäß § 85 Abs. 2 BetrVG 1 9 7 2 die Eini­ gungsstelle anrufen kann. 82 Ungeachtet dessen finden sich nicht selten Tarif­ regelungen, welche dem Betriebsrat ein Beteiligungsrecht auch dann zuge­ stehen, wenn es um die Lohnfindung bezüglich einzelner Arbeitnehmer geht (und diese auch keine Beschwerde führen), wie etwa bei der - nach Tarifver­ trag zulässigen - Zuweisung schlechter bezahlter Arbeit zur Vermeidung von Kurzarbeit, der Absetzung unbezahlten Urlaubs oder unentschuldigter Fehlzeiten vom Monatslohn oder der Festlegung der Einarbeitungszeit, für die ein besonderer Einarbeitungslohn zu zahlen ist. Während sich nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 1 BetrVG 1 9 7 2 auch auf die Entgelthöhe selbst bezieht, 83 betrifft § 87 Abs. 1 Nr. 1 0 BetrVG 80 Vgl. grundlegend BAG vom 29. März 1977, AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Provi­ sion (Bl. 3 Rücks.) mit Anm. von Schulze-Osterloh; weitere Nachw. der Rechtspre­ chung des BAG bei Richardi, in: Dietz / Richardi, BetrVG, § 87 RdNr. 499. 81 Dazu näher unten VII. 3 . b) und VII. 3. c). 82 Vgl. Löwisch, in: Galperin / Löwisch, BetrVG, § 85 RdNr. 14 und § 87 RdNr. 95 (dort für Arbeitszeitregelungen). 83 BAG vom 29. März 1977, AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Provision (Bl. 4) mit Anm. von Schulze-Osterloh; BAG vom 10. Juli 1979, AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 Lohnge­ staltung (Bl. 3 Rücks.) mit Anm. von Schulze-Osterloh; BAG vom 22. Januar 1980, AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung (Bl. 6) mit Anm. von Moll; BAG vom 1 3 . September 1 9 8 3 , B B 1983, 2051 (vorgesehen als A P Nr. 3 z u § 87 BetrVG 1 9 7 2 Prä­ mie). Ablehnend ein Teil der Literatur, insbes. Löwisch, in: Galperin / Löwisch,

10 Spilger

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III. Teil: Tatsächliche Erscheinungsformen

1972 - wie ausgeführt - lediglich die Grundlagen der Entgeltfindung und der betrieblichen Entgeltgerechtigkeit.84 Die Tarifpraxis sieht hier etwas anders aus. In immerhin 7 5 (33) der aufgefundenen Regelungen wird dem Betriebsrat in Entgeltfragen ein Beteiligungsrecht hinsichtlich der Entgelt­ höhe auch in Fällen eingeräumt, die nicht von § 87 Abs. 1 Nr. 1 1 BetrVG 1972 gedeckt sind. Vereinzelt wird sogar von der Initiative des Betriebsrats abhängig gemacht, ob eine bestimmte Leistung des Arbeitgebers mit Ent­ geltcharakter unter Berücksichtigung besonderer Verhältnisse im Betrieb überhaupt zu gewähren ist. Beteiligungsrechte hinsichtlich der Entgelthöhe sind vielfach vorgesehen in Bestimmungen über Vergütungsbestandteile, wie etwa in Regelungen über Rufbereitschaft, Waschzeiten, Über- und Mehrarbeit, allgemeinen Zulagen und Leistungs-, Erschwernis- sowie Einarbeitungszulagen, die regelmäßig auch keine die Mitbestimmungspflicht auslösenden „leistungs­ bezogenen Entgelte" im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 11 BetrVG 1972 darstel­ len.8 5 Beispiele: „Wird aus betrieblichen Gründen Rufbereitschaft erforderlich, so ist dafür eine Vergütung zu gewähren, die der Art und Dauer der Rufbereitschaft entspricht. Die notwendig werdenden Regelungen über Dauer und Vergütung werden durch Betriebsvereinbarung festgelegt. " „Der Personenkreis, der Zeitraum und die Gestaltung der Vergütung sind durch Betriebsvereinbarung zu regeln . " 86 „Umkleiden und Waschen gelten nicht als Arbeitszeit. Ausnahmen (z. B. bedingt durch starke Verschmutzung) werden durch Betriebsvereinbarung geregelt, wobei mindestens 10 Minuten zu vereinbaren sind."

(Als Folge ist die Waschzeit zu bezahlen.) „Bei besonders schmutzenden Arbeiten im Sinne des § 7 ist eine bezahlte Waschzeit betrieblich zu vereinbaren. " „Für Nebenarbeiten außerhalb der täglichen Arbeitszeit, wie z. B . . . . haben die daran beteiligten Arbeitnehmer, sofern diese Arbeiten nicht zu ihrer regelmäßigen BetrVG, § 87 RdNr. 242, Richardi, in: Dietz / Richardi, BetrVG, § 87 RdNr. 591 ff. mit weiteren Nachw. , und Stege / Weinspach, BetrVG, § 87 RdNr. 195 a. 84 Vgl. BAG vom 29. März 1977, AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Provision (Bl. 3 Rücks.) mit Anm. von Schulze-Osterloh; BAG vom 22. Januar 1980, AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung (Bl. 6) mit Anm. von Moll. Aus der Literatur vgl. nur Gnade / Kehrmann / Schneider / Blanke, BetrVG, § 87 RdNr. 197 ; Fitting / Auffarth / Kaiser, BetrVG, § 87 RdNr. 121; Löwisch, in: Galperin / Löwisch, BetrVG, § 87 RdNr. 218 ; Richardi, in: Dietz / Richardi, BetrVG, § 87 RdNr. 496 ; Stege / Weinspach, BetrVG, § 87 RdNr. 167 ; Wiese, in: GK-BetrVG, § 87 RdNr. 136 mit umfangreichen Nachw. 85 Vgl. Fitting / Auffarth / Kaiser, BetrVG, § 87 RdNr. 151. 86 § 4 Nr. 7 des Manteltarifvertrages für die Arbeitnehmer in der Eisen-, Metall­ und Elektroindustrie von Nordrhein-Westfalen vom 23. Januar 1975, gleichlautend § 5 Nr. 2 des Manteltarifvertrages für die Arbeiter und Angestellten in der Eisen- und Stahlindustrie von Nordrhein-Westfalen sowie Bremen, Georgsmarienhütte sowie Osnabrück vom 30. Januar 1975. Inhaltswiedergabe bei Löwisch, AuR 1978, 97 (98).

§ 11 System und Inhalte unter Geltung des BetrVG 1972

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Berufsarbeit gehören, Anspruch auf eine zusätzliche Vergütung. Die Vergütungen sind zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat zu vereinbaren." „Den Zeitlohnarbeitern wird eine Zulage gewährt, die im Gruppendurchschnitt mindestens 13 % des Grundlohnes beträgt. Sie wird im Einverständnis mit dem Betriebsrat festgelegt." ,,Die vereinbarten Gehälter sind Mindestgehälter. Die Bezahlung von Leistungszu­ lagen für Angestellte wird durch Betriebsvereinbarung geregelt."

Nach einer Regelung können aufgrund des Tarifvertrages gewährte Lei­ stungszulagen sogar nur im Einvernehmen mit dem Betriebsrat widerrufen werden. Beim Widerruf einzelner Leistungen handelt es sich auch nicht um eine (gemäß § 102 BetrVG 1972) beteiligungspflichtige Änderungskündi­ gung, weil hier in keinem Fall eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses in Rede steht. Vielfältig sind die Regelungen über Erschwerniszuschläge, die zum Teil neben einer Beteiligung des Betriebsrats hinsichtlich der Höhe des Zuschlags auch eine Mitbestimmung in Einzelfällen vorsehen. Daß bei indi­ vidueller Lohn- oder Gehaltsfindung § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG 1972 nicht einschlägig ist, wurde bereits oben87 erwähnt. Auch § 99 BetrVG 1972 (Ein­ gruppierung oder Umgruppierung) ist insoweit nicht erfüllt. 88 Allerdings kann es sich bei den Erschwerniszuschlägen unter den Voraussetzungen des § 91 BetrVG 1972 um Maßnahmen zum Ausgleich besonderer Belastungen handeln, welche der Betriebsrat verlangen und notfalls erzwingen kann. 89 Ohne daß die - strengen90 - Voraussetzungen des § 91 BetrVG 1972 erfüllt werden, finden sich in folgenden Tarifregelungen Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats : „Den beim Ofeneinsetzen und -austragen auf dem Glühboden und im Brennhaus im Ofen sowie bei Arbeiten in oder unter dem Tunnelofen beschäftigten Arbeitneh­ mern ist, wenn die Temperatur dabei 40 Grad übersteigt, eine Hitzezulage zu gewähren, deren Höhe zwischen Betriebsleitung und Betriebsrat zu vereinbaren und gesondert auszuweisen ist." „Bei der Heranziehung eines Arbeitnehmers zu Ladearbeiten, bei denen er nach übereinstimmender Auffassung der Betriebsleitung und des Betriebsrates in beson­ derem Maße Hitze, Staub oder Schmutz ausgesetzt ist, hat der Arbeitnehmer Anspruch auf einen besonderen Zuschlag. Die Höhe dieses Zuschlages ist zwischen Betriebsleitung und Betriebsrat zu vereinbaren. " ,,Arbeitern, die besonders nasse, besonders schmutzige oder besonders gesund­ heitsschädliche Arbeiten verrichten, ist eine entsprechende Vergütung zu zahlen. Ihre Höhe wird von Fall zu Fall zwischen dem einzelnen Arbeiter oder dem Betriebsrat und der Werksleitung vereinbart." 87 Siehe hinsichtlich der Bestimmung der Höhe einzelner Erschwerniszulagen aus­ drücklich BAG vom 22. Dezember 1981, AP Nr.7 zu § 87 BetrVG 1972 (Bl.2 Rücks. f.) mit Anm. von Heckelmann. 88 s.näher unten VII. 3. b) und VII. 3. c). 89 Näher unten VI. 90 Ebenso Wiese, in: GK-BetrVG, vor § 90 RdNr. 2.

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III. Teil: Tatsächliche Erscheinungsformen

„Sofern Angestellte unter nachhaltigen Erschwernissen arbeiten, erhalten sie eine angemessene Erschwerniszulage für die Dauer der Erschwernis. Die Gewährung der Erschwerniszulage unterliegt der Vereinbarung zwischen Betriebsleitung und Betriebsrat. " Hintergrund dafür, daß die Festsetzung der Erschwerniszulage auf die Betriebspartner übertragen wird, dürfte die Erkenntnis sein, daß auch detailliert formulierte Anspruchsvoraussetzungen im Tarifvertrag eine kon­ krete, an den j eweiligen betrieblichen, ja arbeitsplatzspezifischen Besonder­ heiten orientierte Beurteilung darüber, welches nun die angemessene Erschwerniszulage ist, nicht zu ersetzen vermögen. Nur wenige Tarifrege­ lungen allerdings sehen für den Fall, daß sich Arbeitgeber und Betriebsrat über die Gewährung einer Erschwerniszulage nicht einigen können, vor, daß die Einigungsstelle zur verbindlichen Entscheidung angerufen werden kann. Vereinzelt hat zuvor eine paritätische Kommission, der wenigstens ein Betriebsratsmitglied angehören muß, eine Vermittlung zu versuchen. Rege­ lungen, die Einarbeitungszuschläge betreffen, sind seltener. Beispiele :

,,Bei Einführung neuer Arbeitsverfahren oder -methoden, durch die in der Anlauf­ zeit Lohnminderungen eintreten, werden zur Einarbeitung zeitlich begrenzte Zuschläge gewährt. Ihre Höhe und Zeitdauer werden im Einzelfall zwischen Betriebsleitung und Betriebsrat festgelegt. " „Die Notwendigkeit, Höhe und Dauer sowie evtl. zeitlich begrenzte Abnahme des Zuschlags bis zur Erreichung einer für die jeweilige Tätigkeit in der Regel erforder­ lichen vollen Einarbeitung des Arbeitnehmers werden mit dem Betriebsrat verein­ bart. " Auch bei Entgeltabzügen wird der Betriebsrat öfters eingeschaltet, wie etwa in Fragen ob - lohnmindernde - Ausschußarbeit vorliegt oder in Fällen unentschuldigten und unentschuldbaren Fernbleibens von der Arbeit. Beteiligungsrechte hinsichtlich der Entgelthöhe finden sich schließlich in starkem Maße bei - zum Teil auf den Einzelfall zugeschnittenen -9 1 Rege­ lungen über die Grundvergütung. Hierher gehören zum Beispiel die häufi­ gen ( 1 8 gleichlautende) Verdienstsicherungsregelungen für ältere Arbeit­ nehmer:

.,Für Arbeitnehmer, die nach mindestens lOjähriger ununterbrochener Betriebszu­ gehörigkeit das 55. Lebensjahr oder nach 1 5jähriger Betriebszugehörigkeit das 50. Lebensjahr vollendet haben und unverschuldet an einen anderen Arbeitsplatz mit geringeren Anforderungen umgesetzt werden, ist betrieblich im Einvernehmen mit dem Betriebsrat eine Verdienstsicherung zu treffen." Weitere Regelungen finden sich für vorübergehende Umsetzungen, für deren Dauer bei Änderung der Anforderungen das angemessene Entgelt (nach den Tarifverträgen etwa Beibehaltung, Herabsetzung, gegebenenfalls 91 Dazu, daß bei individueller Lohn- und Gehaltsfindung § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG 1972 nicht einschlägig ist s. bereits oben; auch § 99 BetrVG 1972 (Ein- oder Umgrup­ pierung) ist insoweit nicht erfüllt, s. näher unten VII. 3. b) und VII. 3. c).

§ 1 1 System und Inhalte unter Geltung des BetrVG 1972

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auch Erhöhung des bisherigen Entgelts) zwischen Betriebsleitung und Betriebsrat festgelegt werden soll oder in anderen Sonderfällen: „Die Lohntafel sieht eine besondere Gruppe für angelernte Arbeiter und angelernte Arbeiterinnen vor. Diese Löhne werden individuell in den Betrieben unter Hinzu­ ziehung des Betriebsrats vereinbart, jedoch mit der Maßgabe, daß das bisherige Verhältnis dieser Löhne zum Facharbeiterlohn bzw. Arbeiterlohn in keinem Falle verschlechtert wird." „Gehaltssteigerungen werden nicht gewährt, wenn die dienstlichen Leistungen den Anforderungen nicht gerecht werden, die man billigerweise von der Stellung des betreffenden Angestellten erwarten darf. Wird von der Gehaltssteigerung abgese­ hen, so ist zuvor der Betriebsrat anzuhören. "

Eine große Gruppe bilden die Minderleistungsklauseln, die eine Herabset­ zung des Arbeitsentgeltes für minderleistungsfähige Arbeitnehmer nur unter Beteiligung des Betriebsrats zulassen: „Für ältere Angestellte, die infolge mehrjähriger Berufsunterbrechnung nicht mehr über die erforderlichen Berufskenntnisse und -fertigkeiten verfügen, können die tariflichen Gehaltssätze im Einvernehmen mit dem Betriebsrat für eine Einarbei­ tungszeit von drei Monaten unterschritten werden." „Mit einem im Zeitlohn beschäftigten Arbeitnehmer, der erheblich und nicht nur vorübergehend minderleistungsfähig ist, kann im Einvernehmen mit dem Betriebs­ rat - auf Verlangen des Arbeitnehmers unter Zuziehung der zuständigen Vertreter der Tarifvertragsparteien - eine vom Tarifvertrag abweichende Lohngestaltung getroffen werden; sie ist schriftlich zu vereinbaren. " ,,Mit Arbeitnehmern, die in ihrer Erwerbsfähigkeit beschränkt sind, kann im Ein­ vernehmen mit dem Betriebsrat und den Tarifvertragsparteien ein Lohn vereinbart werden, der den Tariflohn unterschreitet. "

Zu beachten ist, daß die genannten Beteiligungsrechte in betreff älterer oder besonders schutzbedürftiger Arbeitnehmer auch über die dem Betriebs­ rat bezüglich dieser Personen nach § § 75 Abs. 1 Satz 2, 80 Abs. 1 Nm. 4 und 6 BetrVG 1 9 7 2 zustehenden Aufgaben hinausgehen. Aus jenen gesetzlichen Regelungen lassen sich Beteiligungsbefugnisse bei individueller Lohn- oder Gehaltsbestimmung nicht entnehmen. Möglicherweise werden Verdienstsi­ cherungsregelungen einer Benachteiligung älterer Arbeitnehmer (§ 75 Abs. 1 Satz 2 BetrVG 1972) allerdings vorbeugen bzw. werden Minderleistungs­ klauseln einer Eingliederung, Einstellung oder Weiterbeschäftigung schutz­ bedürftiger oder älterer Arbeitnehmer (§ 80 Abs. 1 Nm. 4 und 6 BetrVG 1972) förderlich sein (bei den Minderleistungsklauseln etwa durch den Abbau von Beschäftigungshemmnissen).

c) Festsetzung der Berechnungsfaktoren leistungsbezogener Entgelte Nach § 87 Abs. 1 Nr. 11 BetrVG 1 9 72 hat der Betriebsrat ein Mitbestim­ mungsrecht bei der Festsetzung der Akkord- und Prämiensätze und ver­ gleichbarer leistungsbezogener Entgelte, einschließlich der Geldfaktoren.

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III. Teil: Tatsächliche Erscheinungsformen

82 (29) der aufgefundenen Tarifregelungen lassen sich diesem Bereich zuordnen. Die meisten Bestimmungen betreffen Berechnungsfaktoren des Akkord­

lohnes. Im Vordergrund stehen hierbei Konkretisierungen des gesetzlichen

Mitbestimmungsrechts bei Fragen der Ermittlung und Festlegung der Akkordvorgabe (der pro Leistungseinheit - Stück - festgesetzte Geldwert beim Geldakkord; die Zeit, die pro Leistungseinheit vorgegeben wird - Vor­ gabezeit - beim Zeitakkord). Zweifelhaft ist, ob nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 1 BetrVG 1 9 7 2 auch vorberei­ tende Maßnahmen, die für die Festsetzung der Akkordsätze von Bedeutung sind, erfaßt werden. Das gilt namentlich für Zeitstudien und Zeitaufnah­ men, die der Festsetzung der Vorgabezeiten für den Zeitakkord vorausge­ hen. 9 2 Entgegen einem Teil der Lehre93 ist das Bundesarbeitsgericht9 4 der Ansicht, daß das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 1 BetrVG 1 9 7 2 erst einsetze, wenn e s u m die Festlegung der Akkordsätze selbst gehe. Dem Arbeitgeber sei es nach dieser Bestimmung nicht verwehrt, in seinem Betrieb ohne Beteiligung des Betriebsrats etwa probeweise zu seiner eigenen Information oder als Hilfe zu seiner eigenen Entschließung über die Einfüh­ rung des Leistungslohnsystems Zeitstudien durchzuführen. Entgegen dieser Rechtsprechung sehen mehrere Tarifregelungen eine Beteiligung des Betriebsrats - allerdings nicht durch Mitbestimmungsrechte, sondern ledig­ lich vermittels Unterrichtungs-, Anhörungs- bzw. Beratungsrechten - auch bei der Vornahme von Zeitstudien oder allgemein hinsichtlich vorbereiten­ der Datenermittlungen durch den Arbeitgeber vor. In diesen Fällen, bei denen es sich um eine Datensammlung handelt, welche der eigentlichen Pla­ nung von Arbeitsverfahren und -abläufen vorausgeht, ist auch das Eingrei­ fen von § 90 BetrVG 1 9 7 2 fraglich. 9 5 Zu § 87 Abs. 1 Nr. 1 1 BetrVG 1972 ist strittig, ob die Mitbestimmung des Betriebsrats hinsichtlich der Vorgabezeitermittlung auch dann eingreift, wenn diese als bereits mitbestimmte Entlohnungsmethode nach bestimmten arbeitswissenschaftlichen Grundsätzen erfolgen soll, auch wenn es sich dann nur noch um ein Mitbeurteilungsrecht96 innerhalb der bei arbeitswis­ senschaftlichen Methoden verbleibenden Beurteilungsspielräume handeln 92 Wegen Tarifregelungen, die Beteiligungsrechte bei der Vorgabezeitermittlung durch aufzeichnende Geräte vorsehen s. unten V. 5 . 93 Fitting / Auffarth / Kaiser, BetrVG, § 87 RdNr. 144; Gnade / Kehrmann / Schneider / Blanke, BetrVG, § 87 RdNr. 2 3 5 ; Richardi, in: Dietz / Richardi, BetrVG, § 87 RdNr. 6 1 0 ; Wiese, in: GK-BetrVG, § 87 RdNr. 1 54f. A. A. Löwisch, in: Galperin / Löwisch, BetrVG, § 87 RdNr. 2 3 9 , und Stege / Weinspach, BetrVG, § 87 RdNr. 1 9 1 . 94 BAG vom 2 4 . November 1 9 8 1 , A P Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1 9 7 2 (Bl. 3 ) mit Anm. von Hersehe!; vgl. bereits BAG vom 14. Februar 1 9 6 3 , AP Nr. 22 zu § 66 BetrVG 1 9 5 2 (Bl. 3 ) mit Anm. von Neumann-Duesberg. 95 Dazu unten VI. 96 Vgl. Wiese, in: GK-BetrVG, § 87 RdNr. 1 5 4 a .

§ 1 1 System und Inhalte unter Geltung des BetrVG 1972

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kann. 9 7 Einige Tarifregelungen legen - offenbar in Kenntnis des Streits fest, daß auch in den genannten Fällen ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bestehe. Vereinzelt wird aber bestimmt, daß im Nichteini­ gungsfalle vom Arbeitgeber ermittelte Vorgabezeiten vorläufig Gültigkeit erlangen oder daß dem Betriebsrat nur hinsichtlich solcher Arbeitsplätze, an welchen bei fließender Fertigung der Arbeitstakt überstiegen wird, ein Mitbestimmungsrecht zustehe. In 13 (4) Fällen wird klargestellt, daß sich - entsprechend der zum Teil auf Ablehnung gestoßenen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts -98 die Mitbestimmung hinsichtlich der Festsetzung der Berechnungsfaktoren beim Akkordlohn auch auf die Höhe des Akkordrichtsatzes beziehen soll. Beim Zeitakkord gehört auch die Festlegung der Erholungszeiten zu den nach § 87 Abs. 1 Nr. 11 BetrVG 1 9 7 2 mitbestimmungspflichtigen Angele­ genheiten. 99 Vereinzelt wird dies in Tarifbestimmungen konkretisierend festgehalten. Alle übrigen den Akkordlohn betreffenden Tarifbestimmungen enthalten Regelungen über die Beilegung von Akkordstreitigkeiten. Es handelt sich dabei regelmäßig um Modalitäten der Beteiligung des Betriebsrats. Neben den bereits behandelten Akkordkommissionen 100 finden sich mehrfach fol­ gende oder gleichlautende Regelungen: ,,Meinungsverschiedenheiten aus einer Akkordvereinbarung sind unter Hinzuzie­ hung des zuständigen Mitgliedes der Betriebsvertretung zu klären. " „Bestehen Meinungsverschiedenheiten darüber, ob ein vorgegebener Akkord den tariflichen Bestimmungen entspricht, so hat unter Hinzuziehung eines sachver­ ständigen Betriebsratsmitglieds oder - falls ein solches nicht vorhanden ist - eines vom Betriebsrat beauftragten Belegschaftsmitglieds eine Nachprüfung nach der REFA-Methodenlehre zu erfolgen. " .,Wenn Meinungsverschiedenheiten darüber, ob ein vorgegebener Akkord den maß­ gebenden Bestimmungen entspricht, nicht zwischen dem Akkordarbeiter und dem zuständigen Zeitnehmer beigelegt werden können, so hat unter Hinzuziehung eines sachverständigen Betriebsratsmitgliedes oder eines vom Betriebsrat beauftragten sachverständigen Belegschaftsmitgliedes eine Nachprüfung zu erfolgen. " Die „Festsetzung" der Akkordsätze nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 1 BetrVG 1 9 7 2 bezieht sich zwar nicht auf die individuelle Lohnberechnung des einzelnen Akkordarbeiters, sondern auf ein bestimmtes Arbeitsvorhaben und einen 97 Dafür: BAG vom 28. Juli 1981, AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 Provision (Bl. 5) mit Anm. von Schulze-Osterloh, und die h. L., vgl. die Nachweise bei Löwisch, in: Galpe­ rin / Löwisch, BetrVG, § 87 RdNr. 283. Dagegen: vgl. die bei Löwisch, a.a.O., zitierten Autoren. 98 Vgl. bereits oben b) mit Fn. 83. 9 9 Gnade / Kehrmann / Schneider / Blanke, BetrVG, § 87 RdNr. 234; vgl. Wiese, in: GK-BetrVG, § 87 RdNrn. 7 5 a, 154 a. 100 Oben unter II.

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III. Teil : Tatsächliche Erscheinungsformen

bestimmten Arbeitsplatz. 101 Mehr als die Überprüfung des Zeitfaktors hinsichtlich des Arbeitsplatzes im einzelnen ist nach der zuletzt zitierten Regelung wohl auch nicht beabsichtigt, selbst wenn die Überprüfung an Meinungsverschiedenheiten mit einzelnen Arbeitnehmern anknüpfen soll. Bezüglich Prämienlohnfragen finden sich im wesentlichen vergleichbare Regelungen wie zum Akkordlohn, also insbesondere Bestimmungen dar­ über, ob sich das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats auch auf die Höhe des Prämiensatzes (die Geldseite) 1 02 und nicht lediglich auf die Prämien­ kurve 103 bezieht, und wie Prämienstreitigkeiten (Prämienkommissionen) 1 00 betrieblich zu klären sind. Beispiele: „Die Prämiensätze sind unter Hinzuziehung von mindestens einem erfahrenen Arbeitnehmer der beteiligten Arbeitergruppe im Einvernehmen zwischen Betriebs­ leitung und Betriebsrat festzusetzen und schriftlich zu vereinbaren." ,,Die Höhe der einzelnen Prämien ist durch Betriebsvereinbarung festzusetzen. Hierbei sollen objektive, meßbare Bezugsgrößen als Grundlagen dienen (t, m, kg, Stück usw.) unter Berücksichtigung einer normalen menschlichen Belastung. " „Die Prämienhöhe ist s o z u vereinbaren, daß unter Berücksichtigung der zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat festzulegenden normalen Ausbringung die an der Prä­ mie beteiligten Arbeitnehmer innerhalb des Lohnabrechnungszeitraumes minde­ stens einen Prämienverdienst erreichen, der 14 % über dem tariflichen Zeitlohn liegt."

Ganz deutlich ist insofern § 12 Nr. 3 des Lohnrahmenabkommens in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens vom 19. Februar 1975, wo Prämiensatz und -kurve gesondert genannt werden: „Die Mitbestimmung des Betriebsrats regelt sich nach § 87 Abs.1 Ziff.10 und 11 BetrVG. Danach sind insbesondere zu vereinbaren: Prämienverfahren. Bezugs­ größe, Prämiensatz, Anknüpfungspunkt, Prämienkurve bzw. Prämientabelle, Ver­ teilungsschlüssel. " 104

Bestimmungen hinsichtlich dem Akkord- oder Prämienlohn vergleichba­ rer leistungsbezogener Entgelte finden sich in den ausgewerteten Tarifver­

trägen selten. 5 (3) Regelungen betreffen den Gedingelohn, der die für den Bergbau typische Form der Leistungsentlohnung darstellt. Wegen der Ein­ zelheiten kann hier auf die Darstellung bei Schaub 105 verwiesen werden. Interessant an den Regelungen ist, daß Aufgaben des Betriebsrats zum Teil auf sogenannte „Vertreter der Gedingekameradschaft" und einen haupt­ amtlichen, von den Tarifvertragsparteien bestellten „Gedingeinspektor" 101 Vgl. Fitting / Auffarth/Kaiser, BetrVG, § 87 RdNr.147 ; Löwisch, in: Galperin/ Löwisch, BetrVG, § 87 RdNr.240. 102 Dazu vgl. bereits oben b) mit Fn.83. 1 0 3 So aber Löwisch, in: Galperin/ Löwisch, BetrVG, § 87 RdNr.247. 104 Inhaltswiedergabe der Regelung bei Löwisch, AuR 1978, 97 (98). 105 Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 5. Aufl.1983, § 67 V (S. 329 f.), insbes. § 67 V 6 (S. 330).

§ 11 System und Inhalte unter Geltung des BetrVG 1972

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übertragen werden, letzterer allerdings bei Überprüfung der Gedingever­ häl tnisse den Betriebsrat hinzuzuziehen hat. 4. Urlaub

Beteiligungsrechte des Betriebsrats in Urlaubsfragen finden sich in 45 (2 1) = 4,69 % (5 %) der Tarifregelungen. Der gesetzliche Mitbestimmungstatbestand des § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG 1972 spricht allgemein von Urlaub, meint also jede Form des Urlaubs. 1 0 6 Beabsichtigt der Arbeitgeber mit den Angehörigen einer Arbeitnehmer­ gruppe (zum Beispiel Gastarbeitern) eine Vereinbarung über unbezahlten Sonderurlaub zu treffen, dann soll nach einer Entscheidung des Bundes­ arbeitsgerichts das gesetzliche Mitbestimmungsrecht nur bestehen, wenn dieser Sonderurlaub in unmittelbarem Zusammenhang mit dem bezahlten Erholungsurlaub gewährt werden soll. 107 Demgegenüber hat das Landesar­ beitsgericht Stuttgart angenommen, daß auch ohne Bestehen dieses Zusam­ menhangs die Grundsätze für die Gewährung von unbezahltem Urlaub ebenfalls der Mitbestimmung des Betriebsrats unterlägen. 108 Dieser letztge­ nannten Ansicht scheinen auch vereinzelte Tarifregelungen zu folgen, wel­ che die Grundsätze unbezahlten Sonderurlaubs, der Arbeitnehmern zum Zwecke der beruflichen Fortbildung gewährt wird, einer Mitbestimmung durch den Betriebsrat auch dann unterwerfen, wenn der Sonderurlaub nicht im Zusammenhang mit Erholungsurlaub steht. Der größte Teil der aufgefundenen Tarifregelungen konkretisiert das gesetzliche Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze, wozu auch die Entscheidung darüber gehört, ob der Urlaub im Rahmen sogenannter Betriebsferien zu nehmen ist. 1 09 Beispiele dafür sind folgende Regelungen: ,,Die Verteilung des Urlaubs ist unter Berücksichtigung der betrieblichen Verhält­ nisse und der Urlaubswünsche der Angestellten zwischen Werksleitung und Betriebsrat zu regeln." „Der Urlaub wird zeitlich nach den betrieblichen Erfordernissen im Einvernehmen mit dem Betriebsrat festgelegt. Persönliche Wünsche des Arbeitnehmers sind mög­ lichst zu berücksichtigen."

1os Vgl.nur Wiese, in: GK-BetrVG, § 87 RdNr. 93. 107 BAG vom 18.Juni 1974, AP Nr.1 zu § 87 BetrVG 1972 Urlaub (Bl.2). 1 0s LAG Stuttgart vom 17.November 1972 - 6 BV 47/72 (unveröffentlicht), zitiert nach Vereinigung der Arbeitgeberverbände in Bayern (Hrsg.), Rechtsprechungsüber­ sicht zum Betriebsverfassungsgesetz, 12. Aufl. 1984, und Gnade I Kehrmann I Schneider / Blanke, BetrVG, § 87 RdNr.105. 1 09 BAG vom 28. Juli 1981, AP Nr.2 zu § 87 BetrVG 1972 Urlaub (Bl. 2 Rücks.) mit Anm.von Boldt.

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III. Teil: Tatsächliche Erscheinungsformen

„Soweit es die betrieblichen Verhältnisse erfordern, kann zwischen Betriebsleitung und Betriebsrat für den gesamten Betrieb oder für Betriebsteile Betriebsurlaub vereinbart werden. " ,,Werksferien sind spätestens bis zum Ablauf des 2. Kalendermonats des Urlaubs­ jahres mit dem Betriebsrat zu vereinbaren und bekanntzugeben. "

Unter „ Urlaubsplan " i m Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG 1 9 7 2 ist die Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubs der einzelnen Arbeitnehmer für das jeweilige Urlaubsjahr, bei Betriebsferien deren zeitliche Lage zu verste­ hen.11 0 Zum Teil wird darin nur ein vorläufiges Programm gesehen. 1 1 1 Meh­ rere Tarifbestimmungen scheinen der zuvor genannten Auffassung zu fol­ gen, wenn sie etwa bestimmen, daß sich die Mitbestimmung des Betriebsrats „ auch auf die zeitliche Lage des Urlaubs erstreckt" oder daß der „ Zeitpunkt des Urlaubsantritts allgemein im Einvernehmen zwischen Betriebsleitung und Betriebsrat geregelt" wird. Die der Vorbereitung des Urlaubsplans dienende formularmäßige Umfrage (Urlaubsliste) nach Wünschen hinsichtlich der Urlaubszeitpunkte fällt nicht unter § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG 1 9 7 2 . 1 1 2 Vereinzelt wird in Tarif­ verträgen dagegen bestimmt, daß die Urlaubsliste von der Betriebsleitung und dem Betriebsrat unter Berücksichtigung der betrieblichen Erforder­ nisse und der persönlichen Wünsche des Arbeitnehmers gemeinsam aufzu­ stellen sei. Wenn auch durch den Urlaubsplan die zeitliche Lage des Urlaubs einzel­ ner Arbeitnehmer festgelegt werden kann, so handelt es sich doch um einen kollektiven Tatbestand, weil es um die Koordinierung der Urlaubswünsche untereinander und mit den betrieblichen Interessen geht. 113 Nach § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG 1972 steht dem Betriebsrat darüber hinaus ein Mitbestim­ mungsrecht bei der Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubs für einzelne Arbeitnehmer zu, wenn zwischen dem Arbeitgeber und den beteiligten Arbeitnehmern kein Einverständnis erzielt wird. Das ist dann von Bedeu­ tung, wenn überhaupt kein Urlaubsplan oder nur ein unvollständiger Urlaubsplan aufgestellt worden ist oder Arbeitnehmer neu in den Betrieb eintreten.11 4 In Tarifbestimmungen wird die gesetzliche Regelung gelegent­ lich nur wiederholt. Mehrfach wird aber eine Beteiligung des Betriebsrats in Einzelfällen auch dann vorgeschrieben, wenn es gar nicht zu einer Mei110 Wiese, in: GK-BetrVG, § 87 RdNr. 97 mit weiteren Nachw. der zum Teil diver­ gierenden Ansichten. 1 1 1 So etwa von Löwisch, in: Galperin / Löwisch, BetrVG, § 87 RdNr. 131. 112 ArbGer. Stuttgart vom 4. Dezember 1974 - 10 BV 15/75 (unveröffentlicht), zitiert nach Löwisch, in: Galperin / Löwisch, BetrVG, § 87 RdNr. 130 (zustimmend) ; Richardi, in: Dietz / Richardi, BetrVG, § 87 RdNr. 298; Stege / Weinspach, BetrVG, § 87 RdNr. 101; Wiese, in: GK-BetrVG, § 87 RdNr. 99. 1 13 Ähnlich Wiese, in: GK-BetrVG, § 87 RdNr. 100. 1 1 4 Wiese, in: GK-BetrVG, § 87 RdNr. 101.

§ 11 System und Inhalte unter Geltung des BetrVG 1972

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nungsverschiedenheit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gekommen ist: ,,Die Betriebsleitung entscheidet nach Vereinbarung mit dem Betriebsrat, in wel­ cher Zeit die durch Krankheit ausgefallenen Urlaubstage nachgeholt werden." 1 1 5

„In sozialen Härtefällen ist eine Regelung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber anzustreben, wenn vom zusammenhängenden Grundurlaub abgewichen werden soll. "

Nach nahezu einhelliger Meinung bezieht sich das gesetzliche Mitbestim­ mungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG 1972 lediglich auf die Lage des Urlaubs, nicht aber auf die - materielle - Frage der Urlaubsdauer. 1 1 6 Daher unterliegen die Fragen, ob sich der einzelne Arbeitnehmer eine Schonzeit nach einer Kur oder unentschuldigte oder unentschuldbare Fehlzeiten auf den Erholungsurlaub anrechnen lassen muß, nicht dem gesetzlichen Mitbe­ stimmungstatbestand.1 1 7 Dem ist auch mit der Maßgabe zuzustimmen, als es sich in den genannten Fällen nicht um - beteiligungspflichtige - Regelungs­ fragen, sondern um Rechtsfragen handelt. 1 1 8 Demgegenüber enthalten fol­ gende Tarifbestimmungen Erweiterungen: ,,Zeiten einer mit Arbeitsunfähigkeit verbundenen Krankheit sowie Zeiten . .., dür­ fen nicht auf den Urlaub angerechnet werden. Bei anderweitig ärztlich verordne­ tem Erholungsaufenthalt bleibt die teilweise oder volle Anrechnung auf den Urlaub der vorherigen Vereinbarung mit der Geschäftsleitung unter Hinzuziehung des Betriebsrats überlassen." „Unentschuldigte Fehltage werden im Einvernehmen mit dem Betriebsrat von der Urlaubsdauer in Abzug gebracht." ,,Unentschuldbare Fehlschichten werden vom nächsten Tarifurlaub ohne Bezah­ lung abgezogen, soweit dies gesetzlich zulässig ist. Darüber, ob eine unentschul­ digte Fehlschicht vorliegt, entscheidet die Betriebsleitung nach Anhörung des Betriebsrats." 5. Arbeitnehmerüberwachung durch technische Einrichtungen

Nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG 1972 besteht bereits ein gesetzliches Mitbe­ stimmungsrecht des Betriebsrats hinsichtlich der Einführung und Anwen­ dung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten 1 1 5 So z.B.§ 14 A Nr.5 des Manteltarifvertrages vom 31. Oktober 1970 / 2.Novem­ ber 1970 (Stand 1. Januar 1981) für Angestellte der bayerischen Metallindustrie, abgedruckt in der Tarifsammlung des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und soziale Fürsorge, TR 5/10 - 300 b 65. 1 1s Vgl. nur Fitting / Auffarth / Kaiser, BetrVG, § 87 RdNr.62; Löwisch, in: Galpe­ rin / Löwisch, BetrVG, § 87 RdNr. 137; Richardi, in: Dietz / Richardi, BetrVG, § 87 RdNr. 306; Stege / Weinspach, BetrVG, § 87 RdNr. 97; Wiese, in: GK-BetrVG, § 87 RdNr. 94 (jeweils mit weiteren Nachw.). 1 1 7 Zum ersten Fall BAG vom 26.November 1964, AP Nr. 1 zu § 10 BUrlG Schon­ zeit (Bl. 4 Rücks.f.) mit Anm. von Nikisch; Löwisch, in: Galperin / Löwisch, BetrVG, § 87 RdNr. 137; Richardi, in: Dietz / Richardi, BetrVG, § 87 RdNr. 306. 1 1 s Vgl. Fitting / Auffarth / Kaiser, BetrVG, § 87 RdNr. 60.

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III. Teil: Tatsächliche Erscheinungsformen

oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen. Bei der Einführung von technischen Überwachungseinrichtungen können ferner Mitbestimmungs­ rechte nach § 87 Abs. 1 Nrn. 10 und 1 1 BetrVG 1972 sowie Unterrichtungs­ und Beratungsrechte nach § § 90, 9 1 , 106 Abs. 3 Nr. 5 und § 1 1 1 Nr. 5 BetrVG 1 9 7 2 in Betracht kommen. Zu Fragen technischer Verhaltens- und Lei­ stungsüberwachung liegt .,bereits eine Fülle arbeitsgerichtlicher Entschei­ dungen - gerade aus jüngster Zeit - vor. 1 1 9 Die Literatur zu dem Problem­ kreis ist nahezu unübersehbar geworden. 12 0 Beides dürfte damit zusammen­ hängen, daß eine § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG 1 9 72 entsprechende Vorschrift im BetrVG 1952 gefehlt hat und die Regelung im BetrVG 1 9 7 2 zu einer ganzen Reihe neuer Streitfragen führte, wie etwa die Diskussion um Bildschirm­ arbeitsplätze 121 und Personalinformationssysteme 122 zeigt. Angesichts dieser Umstände ist es nachgeradezu erstaunlich, daß sich nur 3 (3) Bestimmungen der ausgewerteten Tarifverträge mit Fragen technischer Überwachungsein­ richtungen beschäftigen. Werden Multimomentkameras zur Untersuchung des Arbeitsablaufes und zur Vorbereitung einer dem Leistungslohn gemäßen Arbeitsplatzgestaltung eingesetzt, so besteht nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei dem Einsatz dieser Kameras gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG 1 9 72 . 12 3 Eine der aufgefundenen Tarifrege­ lungen bestimmt hinsichtlich Datenermittlungen für Vorgabezeitfestset­ zungen beim Zeitakkord: ,,Die Verwendung von aufzeichnenden Geräten ist mit dem Betriebsrat zu verein­ baren."

Die Bedeutung dieser Bestimmung liegt darin, daß sie die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts verallgemeinert, indem nicht nur der Einsatz von Filmkameras, sondern jedes aufzeichnenden Gerätes einer Mitbestim­ mungspflicht des Betriebsrats unterworfen wird, und dies unabhängig von der Beobachtungsdauer und der Möglichkeit, Arbeitnehmer an ihrem Arbeitsplatz zu sehen. 12 4 Eine weitere, ebenfalls die der Vorgabezeitfest119 Vgl. die Rechtsprechungsübersicht bei Vereinigung der Arbeitgeberoerbände in Bayern (Hrsg.), Rechtsprechungsübersicht zum Betriebsverfassungsgesetz, 12. Aufl. 1984, S.117 ff., und die in Fn.121, 122 aufgeführten Entscheidungen des BAG. 120 Vgl. nur die Schrifttumsübersichten bei Löwisch, in : Galperin/ Löwisch, BetrVG, § 87 Schrifttum VI (S. 191), und Richardi, in: Dietz/Richardi, BetrVG, § 87 Schrifttum V (S. 1268). 121 Vgl. die Entscheidung des BAG zur Mitbestimmung bei der Einführung von Bildschirmarbeitsplätzen vom 6. Dezember 1983, NJW 1984, 1476 (1483 ff.) (vorgese­ hen als AP Nr.7 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung). 122 Vgl. die Entscheidung des BAG zur Mitbestimmung bei der Einführung compu­ tergestützter Berichtssysteme vom 14. September 1984, NJW 1985, 450 ff. 123 BAG vom 14. Mai 1974, AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung (Bl. 1 Rücks. f.) mit Anm.von Wiese. 124 Die Möglichkeit, Arbeitnehmer an ihrem Arbeitsplatz zu sehen, soll - abwei­ chend von der Entscheidung des BAG vom 14. Mai 1974, AP Nr.1 zu § 87 BetrVG 1972

§ 11 System und Inhalte unter Geltung des BetrVG 1972

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setzung vorausgehende Datenermittlung betreffende Tarifbestimmung begnügt sich mit einem bloßen Unterrichtungsrecht des Betriebsrats, bezieht sich allerdings auch auf alle automatisch registrierenden Geräte: „Werden Vorgänge mit automatisch registrierenden Geräten aufgenommen, so sind Arbeitnehmer und Betriebsrat rechtzeitig über Zeitraum und Zweck zu unterrich­ ten. " Obwohl nach dem Wortlaut des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG 1972 nur Einfüh­ rung und Anwendung technischer Überwachungseinrichtungen mitbestim­ mungspflichtig sind, ergibt sich aus dem Normzweck, daß der Betriebsrat auch die Abschaffung einer solchen Einrichtung initiieren kann. 125 Wohl weil vereinzelt geleugnet wird, daß das Recht zur Mitbestimmung aus § 8 7 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG 1972 ein Initiativrecht umschließe, 1 26 wird dies in der dritten aufgefundenen Bestimmung durch ausdrückliche Erwähnung von § 87 Abs. 2 BetrVG 1972 klargestellt: „Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten der Arbeitnehmer zu überwachen, unterliegen der Mitbestim­ mung des Betriebsrates gern. § 87 Abs. 1 Ziffer 6 und Abs. 2 BetrVG. " 6 . Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz

Im Rahmen der Arbeitssicherheit und des Gesundheitsschutzes ist der Betriebsrat nach Maßgabe der §§ 87 Abs. 1 Nr. 7, 89 BetrVG 1 9 7 2 und des § 9 des ASiG zu beteiligen (betrieblicher Arbeitsschutz im engeren Sinne). Daneben sind zu beachten das Überwachungsrecht des Betriebsrats nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG 1 9 7 2 sowie seine Rechte bei der Gestaltung von Arbeitsplatz, Arbeitsablauf und Arbeitsumgebung aus §§ 90, 91 BetrVG 1 9 7 2 (betrieblicher Arbeitsschutz im weiteren Sinne) 1 2 7 . Nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG 1 972 besteht ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats hinsichtlich Regelungen über Arbeitssicherheit und Gesund­ heitsschutz lediglich im Rahmen gesetzlicher Vorschriften oder der Unfall­ verhütungsvorschriften der Berufsgenossenschaften (heteronomer Arbeits­ schutz). Nach § 9 1 BetrVG 1 9 72 besteht ein Mitbestimmungsrecht zwar unabhängig eines derartigen Rahmens (autonomer Arbeitsschutz) 1 28 , dafür aber nur im Extremfall 1 29 des „ offensichtlichen Widerspruchs" der GestalÜberwachung (Bl. 1 Rücks. f.) mit Anm. von Wiese - nach einer Entscheidung des LAG Hamm vom 14. Januar, ARSt 1981, 126, Voraussetzung der Mitbestimmungs­ pflichtigkeit sein. 125 Richardi, in: Dietz / Richardi, BetrVG, § 87 RdNr. 335; Wiese, in: GK-BetrVG, § 87 RdNr. 107a. 126 So von Kamman, in: Kammann / Hess / Schlochauer, BetrVG, § 87 RdNr. 124. 127 Vgl. Fitting / Auffarth / Kaiser, BetrVG, vor § 89 RdNr. 2. 1 2 8 Fitting / Auffarth / Kaiser, BetrVG, vor § 89 RdNr. 2 ; Stege / Weinspach, BetrVG, § 87 RdNr. 119. 129 Vgl. Wiese, in: GK-BetrVG, vor § 90 RdNr. 2 : ,,strenge Voraussetzungen" .

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III. Teil: Tatsächliche Erscheinungsformen

tung von Arbeitsplatz, Arbeitsablauf und Arbeitsumgebung „zu den ge­ sicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen über die menschenge­ rechte Gestaltung der Arbeit " . Die Tarifregelungen, welche sich spezifisch mit Fragen der Arbeitssicherheit und des Gesundheitsschutzes (und nicht nur allgemein mit der Abwehr ungünstiger Auswirkungen130 auf den Arbeit­ nehmer) 1 3 1 beschäftigen, bringen im wesentlichen Konkretisierungen des Mitbestimmungsrechts aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG 1972 und setzen regel­ mäßig keine Extremfälle wie § 91 BetrVG 1972 voraus. „ Gesetzliche Vorschrift" im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG 1972 ist etwa § 23 des JArbSchG. 132 Danach dürfen Jugendliche unter anderem nicht mit Akkordarbeit oder in einer Arbeitsgruppe mit erwachsenen Arbeitneh­ mern, die Akkordarbeit verrichten, beschäftigt werden. Für den zweiten Fall gilt das nicht, soweit dies zur Erreichung des Ausbildungszieles Jugendlicher erforderlich ist (§ 23 Abs. 2 Nr. 1 in Verbindung mit Abs. 1 Nr. 2 JArbSchG). In Konkretisierung des gesetzlichen Beteiligungsrechts wird vereinzelt in Tarifverträgen bestimmt : .,Auszubildende können zur Vorbereitung auf eine künftige Akkordarbeit im letz­ ten Ausbildungsjahr zu Ausbildungszwecken in Vereinbarung mit dem Betriebsrat entsprechend beschäftigt werden, jedoch keinesfalls länger als der Ausbildungs­ zweck es erfordert. " § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG 1972 (und § 9 0 Satz 2 BetrVG 1972) wird auch konkretisiert durch § 15 Nr. 1 des Manteltarifvertrages vom 24. März 1979 für gewerbliche Arbeitnehmer, Angestellte und Auszubildende der chemi­ schen Industrie in der Bundesrepublik Deutschland und im Land Berlin, wo bestimmt wird : .,Arbeitgeber und Betriebsrat haben unter Beachtung des Betriebsverfassungsge­ setzes, der Arbeitsstättenverordnung und der Unfallverhütungsvorschriften darauf zu achten, daß Arbeitsräume, Arbeitsplätze, Arbeitsverfahren, Arbeitsabläufe und Arbeitsumgebung nach gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit so eingerichtet werden, daß soweit wie möglich Unfall- und Gesundheitsgefahren ausgeschlossen sind." 133 Die angesprochene ArbeitsStättVO enthält Rahmenvorschriften im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG 1972. 1 3 4 Tarifvertragliche Regelungen über Arbeitssicherheit und Gesundheits­ schutz werden in § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG 1972 nicht erwähnt. Manchmal 130 Etwa durch Aufgabenbereicherung, Anpassung der Bandgeschwindigkeit an die menschliche Leistungsfähigkeit, bezahlte Erholungspausen oder durch „menschenge­ rechte" Gestaltung der Arbeitsbedingungen (die nicht notwendig mit Arbeitssicher­ heit und Gesundheitsschutz einhergehen muß) und dergleichen. 131 Dazu unten VI. 132 Vgl. Fitting / Auffarth / Kaiser, BetrVG, vor § 89 RdNr. 53 Übersicht. 133 Regelung abgedruckt in der Tarifsammlung des Bayerischen Staatsministe­ riums für Arbeit und soziale Fürsorge, TR 11 - 100 ab 50. 134 Vgl. Fitting / Auffarth / Kaiser, BetrVG, vor § 89 RdNr. 50 Übersicht.

§ 11 System und Inhalte unter Geltung des BetrVG 1972

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werden gesetzliche Bestimmungen aber - gewissermaßen „nachrichtlich" in Tarifverträgen wiederholt oder sinngemäß übernommen, um dann an das Bestehen eines Beteiligungsrechts im Rahmen der entsprechenden Schutz­ vorschrift zu erinnern. Beispiele dafür sind die oben zitierte Regelung betref­ fend § 23 JArbSchG und folgende Bestimmung, die wohl § 1 5 Arbeits­ StättVO, worin Schallpegelgrenzwerte für Arbeitsräume festgelegt sind, im Auge hat: „Bei einer Dauerbelastung durch Lärm von 90 oder mehr dB(A) müssen die Betriebe unter Hinzuziehung des Betriebsrats geeignete technische Maßnahmen zur Lärm­ minderung ergreifen . . . Alle Maßnahmen werden unter Berücksichtigung der betrieblichen Verhältnisse und Notwendigkeiten im Einvernehmen mit dem Betriebsrat festgelegt. "

Nach § 89 Abs. 2 BetrVG 1 9 7 2 ist unter anderem der Arbeitgeber ver­ pflichtet, den Betriebsrat (oder die von ihm bestimmten Mitglieder des Betriebsrats) bei „ allen im Zusammenhang mit dem Arbeitsschutz oder der Unfallverhütung stehenden Besichtigungen und Fragen und bei Unfallun­ tersuchungen hinzuzuziehen" . Nach einer Tarifregelung ist er insbesondere bei Einführung und Prüfung von Einrichtungen des Arbeitsschutzes, der Unfallverhütung und der Betriebssicherheit „hinzuzuziehen" , wodurch das - allgemein gehaltene - Tatbestandsmerkmal „Fragen" in § 89 Abs. 2 BetrVG 1972 eine Konkretisierung erfährt. 7. Sozialeinrichtungen und -leistungen

Hinsichtlich Form, Ausgestaltung und Verwaltung von Sozialeinrichtun­ gen hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG 1 9 7 2 . Eine „Einrichtung" setzt eine gewisse Institutionalisierung voraus. 135 Soweit Sozialleistungen nicht institutionalisiert sind, kommt ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG 1972 in Betracht. 136 Der Unterschied der gesetzlichen Mitbestimmungstatbestände liegt darin, daß bei Sozialeinrichtungen Errichtung und Dotierung nicht dem Mitbe­ stimmungsrecht unterliegen, 137 wohl aber die Gewährung von Leistungen 135 BAG vom 13. Februar 1979, AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 197 2 Sozialeinrichtung (BI. 4 Rücks.) ; Fitting / Auffarth / Kaiser, BetrVG, § 87 RdNr. 9 2 ; Kammann, in: Kam­ mann / Hess / Schlochauer, BetrVG, § 87 RdNr. 142 ; Löwisch, in: Galperin / Löwisch, BetrVG, § 87 RdNr. 171. 136 Grundlegend (für Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung) BAG vom 12. Juni 1975, AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung (BI. 2 Rücks. ff.) mit Anm. von Richardi. Fitting / Auffarth / Kaiser, BetrVG, § 87 RdNr. 94; Kammann, in: Kammann / Hess / Schlochauer, BetrVG, § 87 RdNr. 144; Löwisch, in: Galperin / Löwisch, BetrVG, § 87 RdNrn. 218 c, 227, 229; Richardi, in: Dietz / Richardi, BetrVG, § 87 RdNr. 515 ff. ; Wiese, in: GK-BetrVG, § 87 RdNr. 135h ff. 137 Grundlegend BAG vom 13. März 197 3 , AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Werkmiet­ wohnungen (BI. 2 Rücks. f.) mit Anm. von Richardi; ausführlich mit weiteren Nachw. Löwisch, in: Galperin / Löwisch, BetrVG, § 87 RdNr. 186 ff.

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III. Teil: Tatsächliche Erscheinungsformen

im Einzelfall, 1 3 8 nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG 1972 hingegen ein Initiativ­ recht aber kein Mitbestimmungsrecht im Einzelfall besteht 139 . 1 1 (8) der aufgefundenen Tarifregelungen betreffen Beteiligungsrechte des Betriebsrats bezüglich Sozialeinrichtungen oder Sozialleistungen. Lediglich 4 (2) der Bestimmungen betreffen Sozialeinrichtungen. Erfor­ derlich für das gesetzliche Mitbestimmungsrecht ist, daß der Arbeitgeber oder ein Dritter auf seine Veranlassung die Sozialeinrichtung errichtet hat. 1 4 0 Sie verliert ihren Charakter nicht dadurch, daß sie von einem Dritten betrieben wird. 1 4 1 Das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG 1972 richtet sich aber deshalb nicht gegen den Dritten. Adressat bleibt viel­ mehr der Arbeitgeber. 1 42 Mißverständlich ist daher § 13 Nr. 2 Satz 1 des Bundesrahmentarifvertrages vom 3 . Februar 1 981 für das Baugewerbe in der Bundesrepublik Deutschland und im Land Berlin, wo bestimmt wird: ,,Bei der Verwaltung von Kantinen, Speisewirtschaften und Verkaufsmagazinen, die von Personen betrieben werden, welche am Baubetrieb beteiligt sind, hat der Betriebsrat mitzubestimmen. " 1 43 Auch hier wird gemeint sein, daß die Mitbestimmung bei der Verwaltung gegenüber dem Arbeitgeber besteht, der den Betrieb der genannten Sozial­ einrichtungen durch Dritte zuläßt oder veranlaßt. Dieser ist - wie bei der Verpachtung einer Sozialeinrichtung - gehalten, seine Befugnisse gegen­ über dem Dritten nur in Übereinstimmung mit dem Betriebsrat auszu­ üben. 1 44 Konsequent bestimmt daher § 13 Nr. 2 Satz 2 des eben angespro­ chenen Tarifvertrages auch: ,, Wird die Kantine an einen Dritten verpachtet, so hat der Arbeitgeber dafür zu sor­ gen, daß die Verwaltung der Kantine weiterhin der Kontrolle durch den Betriebsrat unterliegt. " 1 45 Gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien (vgl. § 4 Abs. 2 TVG) fallen nicht unter das gesetzliche Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG 1972, wenn - wie dort vorausgesetzt - ihr Wirkungsbereich nicht auf den Betrieb, das Unternehmen oder den Konzern beschränkt ist. 138 Vgl. Richardi, in: Dietz / Richardi, BetrVG, § 87 RdNr. 419 mit Nachw. 13 9 Vgl. Fitting / Autfarth / Kaiser, BetrVG, § 87 RdNr. 92; zur Frage des Initiativrechts s. bereits oben V. 3. b). 14 0 Richardi, in: Dietz / Richardi, BetrVG, § 87 RdNr. 392. 1 4 1 Richardi, in: Dietz / Richardi, BetrVG, § 87 RdNr. 412. 142 Richardi, in: Dietz / Richardi, BetrVG, § 87 RdNrn. 436, 420. 1 43 Regelung abgedruckt in der Tarifsammlung des Bayerischen Staatsministe­ riums für Arbeit und soziale Fürsorge, TR 21 - 100 a 68. 1 44 Vgl. (zur Verpachtung) Gnade / Kehrmann / Schneider / Blanke, BetrVG, § 87 RdNr. 167; Löwisch, in: Galperin / Löwisch, BetrVG, § 87 RdNr. 195; Wiese, in: GK­ BetrVG, § 87 RdNr. 124c. 145 Regelung abgedruckt in der Tarifsammlung des Bayerischen Staatsministe­ riums für Arbeit und soziale Fürsorge, TR 21 - 100 a 68.

§ 1 1 System und Inhalte unter Geltung des BetrVG 1972

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Die seltenen 146 tarifvertraglichen Regelungen gemeinsamer Einrichtungen sehen allerdings zum Teil doch gewisse Befugnisse des Betriebsrats vor, die allerdings nicht mit den Rechten aus § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG 1972 ver­ gleichbar sind. So bestimmt etwa § 6 Nr. 2 des Tarifvertrags über die Grün­ dung eines Unterstützungsvereins der chemischen Industrie in der Bundes­ republik Deutschland einschließlich West-Berlin vom 18. April 1975 (gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien für arbeitslose Chemie­ Arbeitnehmer) : „Anträge können vom Arbeitslosen unmittelbar sowie über den Arbeitgeber, seine Gewerkschaft oder den Betriebsrat an den Unterstützungsverein gestellt wer­ den. " 147

6 (5) Tarifregelungen betreffen Beteiligungsrechte des Betriebsrats im Zusammenhang mit Sozialleistungen. Die Bestimmungen gehen zum Teil über die gesetzlichen Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 8 bzw. Nr. 10 BetrVG 1972 hinaus, weil sie eine Beteiligung vorsehen, obwohl keine Sozialeinrichtung vorausgesetzt ist (Erweiterung zu Nr. 8) bzw. es um Einzelfälle oder das Ob oder die Höhe der Leistung geht (Erwei­ terung zu Nr. 10). Beispiele: ,,Bei einer nachgewiesenen Arbeitsunfähigkeit von mehr als 6 Wochen (42 Kalen­ dertage) hat der Arbeitgeber einen Zuschuß zu zahlen: . . . bei einem Unfall im Sinne der Reichsversicherungsordnung, . . . bis zu einer Dauer der Arbeitsunfähig­ keit von weiteren 20 Wochen, . . . Nach diesem Zeitpunkt auftretende Härtefälle können von der Geschäftsleitung unter Mitwirkung des Betriebsrates behoben wer­ den." ,,Beim Vorliegen eines besonderen Notstandes können den Arbeitnehmern Beihil­ fen bezahlt werden, deren Höhe durch Betriebsvereinbarung oder im Einzelfall im Einvernehmen mit dem Betriebsrat festzusetzen ist." ,,Das Bezugsrecht auf Invaliden-Deputatbriketts kann bei Aufnahme einer versi­ cherungspflichtigen Beschäftigung mit Zustimmung der Betriebsvertretung entzo­ gen werden. " 1 4 8

Eine weitere Regelung betrifft Hinterbliebenenbezüge (betriebliches Ster­ begeld) : „Bei mehreren Unterhaltsberechtigten bestimmt der Arbeitgeber im Einvernehmen mit der gesetzlichen Betriebsvertretung den Empfangsberechtigten. "

Weitere Bestimmungen konkretisieren lediglich das Mitbestimmungs­ recht aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG 1972. Beispiel: ,,Im Krankheitsfall wird gemäß dem Lohnfortzahlungsgesetz der Monatslohn ein­ schließlich des leistungsabhängigen Mehrverdienstes fortgezahlt . . . ReferenzpeVgl. Däubler / Hege, Tarifvertragsrecht, 2. Aufl. 1 9 8 1 , S. 40. Regelung abgedruckt in der Tarifsammlung des Bayerischen Staatsministe­ riums für Arbeit und soziale Fürsorge, TR 1 1 - 100 a 39 / TR 11 - 100 b 45. 148 Deputaten kommt Lohn(Entgelt)charakter im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 1 0 BetrVG 1 9 7 2 zu, vgl. Wiese, in: GK-BetrVG, § 87 RdNr. 8 7 . 146 147

1 1 Spilger

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III. Teil: Tatsächliche Erscheinungsformen

riode sind die letzten drei abgerechneten Kalendermonate, in denen der Arbeitneh­ mer gearbeitet hat. Diese Referenzperiode kann durch Betriebsvereinbarung aus­ gedehnt werden."

Obwohl ursprünglich der Fürsorgezweck der Lohnfortzahlung im Krank­ heitsfall im Vordergrund gestanden hat und Anlaß der Leistung ist, trägt diese Entgeltcharakter, 1 49 so daß bereits das gesetzliche Mitbestimmungs­ recht aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG 1972 hinsichtlich allgemeiner Lei­ stungsgrundsätze eingreift. 8. Werkmietwohnungen 9. Betriebliches Vorschlagswesen

Nach § 87 Abs. 1 Nr. 9 BetrVG 1972 hat der Betriebsrat ein Mitbestim­ mungsrecht hinsichtlich Zuweisung und Kündigung von Werkmietwohnun­ gen sowie der allgemeinen Festlegung der Nutzungsbedingungen. Nach § 87 Abs. 1 Nr. 12 BetrVG 1972 unterliegen Grundsätze über das betriebliche Vorschlagswesen seiner Mitbestimmung. Tarifvertragliche Beteiligungs­ rechte des Betriebsrats in diesen Fragen finden sich in keinem der ausge­ werteten Tarifverträge. Eine mögliche Erklärung für diese Enthaltsamkeit ist, daß die gesetzlichen Bestimmungen für ausreichend erachtet werden oder dem genannten Fragenkreis als Gegenstand von Tarifverhandlungen nur eine untergeordnete Bedeutung zukommt. Die zweite Vermutung wird hinsichtlich der Werkmietwohnungen dadurch gestützt, daß auch Tarifrege­ lungen hinsichtlich Sozialeinrichtungen selten sind 150 . Hinsichtlich des betrieblichen Vorschlagswesens mag es eine Rolle spielen, daß im Bereich der technischen Verbesserungsvorschläge allgemein angenommen wird, Arbeitnehmererfindungen 1 5 1 seien in ArbNErfG abschließend geregelt, wes­ wegen kein Raum für ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats sei. 152 10. Sonstige Fragen

22 (17) Tarifregelungen betreffen die gesetzlichen Beteiligungsrechte des Betriebsrats in sozialen Angelegenheiten entweder in ihrer Gesamtheit (erste Gruppe) oder lassen sich keinem der unter oben 1 . bis 9. fallenden Gegenstände zuordnen oder betreffen gleichzeitig mehrere von ihnen (zweite Gruppe). Siehe Wiese, in: GK-BetrVG, § 87 RdNr. 135 h mit weiteren Nachw. § 87 Abs.1 Nr.9 BetrVG 1972 ist nur ein Unterfall von § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG 1972, vgl.BAG vom 13.März 1973, AP Nr.1 zu § 87 BetrVG 1972 Werkmietwohnun­ gen (Bl. 2 Rücks.) mit Annl. von Richardi. 1 5 1 d.h.Erfindungen, die patent- oder gebrauchsmusterfähig sind. 152 Vgl.Richardi, in: Dietz / Richardi, BetrVG, § 87 RdNr. 636 mit Nachw. 149 150

§ 11 System und Inhalte unter Geltung des BetrVG 1972

163

Bei der ersten Gruppe handelt es sich einmal um Regelungen, die pauschal auf die Beteiligungsrechte des Betriebsrats in sozialen Angelegenheiten nach dem BetrVG verweisen, wohl um auch tarifvertraglich deren Einhal­ tung sicherzustellen. Ferner gehört hierzu folgende Regelung, welche den Tarifvorrang betrifft : ,,Die Tarifvertragsparteien sind sich darüber einig, daß dieser Tarifvertrag - unbe­ schadet des Regelungsverbotes nach § 77 Abs.3 BetrVG 1972 - nur Rechte im Rah­ men des § 87 BetrVG ganz oder teilweise abdingen kann."

Durch § § 77 Abs. 3 Satz 1 , 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG 1972 wird die Mit­ bestimmung des Betriebsrats im Bereich materieller Angelegenheiten und im Bereich formeller Angelegenheiten sowie seine Regelungszuständigkeit zum Abschluß freiwilliger Betriebsvereinbarungen in erheblichem Maße relativiert. 1 53 Während § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG 1972 in allen materiellen Fragen eine Sperrwirkung gegenüber betrieblichen Regelungen begründen kann, ist zweifelhaft, ob § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVGJ972 in formellen Angelegenheiten eine Sperrwirkung über die in § 87 Abs. 1 BetrVG 1 9 7 2 geregelten Gegenstände hinaus vermittelt. S o wird etwa zum Teil eine ana­ loge Anwendung von § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG 1972 im Bereich des § 91 BetrVG 1 97 2 befürwortet. 1 54 Nach der zitierten Regelung ist dies dage­ gen ausgeschlossen, was jedenfalls ein Stück Rechtsklarheit bezüglich der Reichweite von § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG 1 9 7 2 bringt. Die zweite Gruppe umfaßt im wesentlichen tarifvertragliche Beteili­ gungsrechte in Fragen, die nicht unter den Katalog des § 87 Abs. 1 BetrVG 1972 fallen und in denen nach dem Gesetz allenfalls freiwillige Betriebsver­ einbarungen (vgl. § 88 BetrVG 1 972) möglich sind. Hierher gehören einmal die Tarifregelungen, welche Beteiligungsrechte des Betriebsrats im Zusam­ menhang mit Aufwendungsersatzansprüchen des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber vorsehen. Insbesondere ein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 0 BetrVG 1 9 72 besteht hier nicht, da eine Aufwandsentschädigung keinen Lohn darstellt. 1 55 , 1 56 In Tarifverträgen wird hingegen etwa bestimmt: „Wird mit Zustimmung des Arbeitgebers eigenes Werkzeug benutzt, so ist dafür eine Entschädigung zu bezahlen, die durch Betriebsvereinbarung festgelegt wird." „Der Arbeitgeber übernimmt die Reinigung bzw. die Reinigungskosten der Arbeitskleidung.Einzelheiten werden durch Betriebsvereinbarung geregelt." Der Tarifvorrang im Betriebsverfassungsgesetz, 1980, S. 11. So v.a. von Löwisch, in : Galperin/ Löwisch, BetrVG, § 91 RdNr. 15b, und Wiese, in: GK-BetrVG, § 91 RdNr. 13 b. 155 Zur Abgrenzung zwischen Arbeitsentgelt und Aufwendungsersatz vgl. BAG vom 12. September 1959, AP Nr. 9 zu § 2 ArbKrankhG (Bl. 1 Rücks.) mit Anm. von Schelp. 166 Vgl.BAG vom 8.Dezember 1981, AP Nr.6 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung (Bl. 2 Rücks.) mit Anm. von Kraft; Löwisch, in : Galperin/ Löwisch, BetrVG, § 87 RdNr.218d; Wiese, in: GK-BetrVG, § 87 RdNr. 135r. 153

1 54

11'

Moll,

164

III. Teil: Tatsächliche E_rscheinungsformen

Häufiger sind Regelungen im Zusammenhang mit Aufwendungsersat:z;­ ansprüchen aus Anlaß von Dienstreisen: ,,Der notwendige Mehraufwand der Dienstreisen ist vom Arbeitgeber zu vergüten. Eine Regelung hierüber ist im Benehmen mit dem Betriebsrat unter Beachtung der Steuerrichtlinien zu treffen;" ···

Eingehende Bestimmungen über Fahrgeld, Entschädigung für Reisezeit und Fernauslösung trifft der Bundestarifvertrag (Neufassung) vom 30. April 1980 für die besonderen Arbeitsbedingungen der Montagearbeiter in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie. Nach § 6 Nr. 6.1.3. dieses Tarifvertra­ ges bedarf beispielsweise die Entscheidung der Zustimmung des Betriebs­ rats, ob bei der Feststellung des Zeitaufwandes für Dienstreisen oder der Entfernung zum Betrieb von dem entsendenden Betrieb oder der Wohnung ausgegangen wird. Nach § 6 Nr. 6 . 3 . 1 . Bundestarifvertrag wird diese betriebliche Regelung der Entschädigung notwendiger Reisezeit zugrunde­ gelegt. 1 5 7 Andere Tarifverträge enthalten vergleichbare Bestimmungen. Auch bei Erlaß von Dienstreiseordnungen, in denen die Erstattung von Dienstreisekosten geregelt wird, besteht kein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG 1972, weil die Erstattung von Reisekosten eben Auf­ wendungsersatz, nicht aber Lohn ist. iss Auch § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG 1972 ist hierfür nicht einschlägig, weil eine Dienstreiseordnung nur das Vertrags­ verhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber regelt. 1 59 Mehrere Tarif­ verträge bestimmen dagegen, daß in den Betrieben „Reisekostenordnungen" zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat zu vereinbaren sind. Fraglich ist, ob sogenannte „Auslösungen" einem gesetzlichen Mitbestim­ mungsrecht des Betriebsrats in Entgeltfragen unterliegen, obwohl es sich dabei im Regelfall nicht um Arbeitsentgelt, sondern um pauschalierten Auf­ wendungsersatz handelt. 160 Ausdrücklich bejaht wird in der Literatur ledig­ lich die (zum Teil: analoge) Anwendbarkeit von § 87 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG 1972 auf Auslösungen, 161 nicht aber von § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG 1972. Wohl zur Vermeidung von Streitfällen sehen (wenige) Tarifregelungen Beteiligungsrechte des Betriebsrats auch bezüglich Auslösungen vor. So ist 157 Regelung abgedruckt in der Tarifsammlung des Bayerischen Staatsministe­ riums für Arbeit und soziale Fürsorge, TR 5/10 - 310 a 33. 158 BAG vom 8. Dezember 1981, AP Nr. 6 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung (Bl. 2 Rücks.) mit Anm.von Kraft; Richardi, in: Dietz / Richardi, BetrVG, § 87 RdNr. 518; Stege / Weinspach, BetrVG, § 87 RdNr. 170. 159 BAG vom 8. Dezember 1981, AP Nr. 6 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung (Bl. 1 Rücks. f.) mit Anm. von Kraft; Fitting / Auffarth / Kaiser, BetrVG, § 87 RdNr. 31. 1 6 ° Kammann, in: Kammann / Hess / Schlochauer, BetrVG, § 87 RdNr. 88; Richardi, in: Dietz / Richardi, BetrVG, § 87 RdNr. 276; Wiese, in: GK-BetrVG, § 87 RdNr. 87 . 161 Fitting / Auffarth / Kaiser, BetrVG, § 87 RdNr. 57; Kammann, in: Kammann / Hess / Schlochauer, BetrVG, § 87 RdNr. 88; Richardi, in: Dietz / Richardi, BetrVG, § 87 RdNr. 276; Wiese, in: GK-BetrVG, § 87 RdNr. 87.

§ 1 1 System und Inhalte unter Geltung des BetrVG 1972

165

etwa nach einer Bestimmung für „entsandte Arbeitnehmer" für Arbeiten in Orten mit besonders hohen Lebenshaltungskosten (als Beispiel werden Kur­ orte genannt) ein höherer als der tarifvertragliche Auslösungssatz durch Betriebsvereinbarung festzulegen. So hat der Betriebsrat nach dem bereits oben erwähnten Bundestarifvertrag für die besonderen Arbeitsbedingungen der Montagearbeiter in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie mittelbar Einfluß auf die Feststellung, wann „Fernmontage" vorliegt, wodurch An­ sprüche auf „Fernauslösung" begründet werden können. 1 6 2 Durch freiwillige Betriebsvereinbarungen nach § 88 BetrVG 1972 können alle sozialen Fragen, die den Betrieb und die Arbeitnehmer des Betriebes betreffen, geregelt werden. 1 63 Das gilt nicht nur für alle formellen, sondern - allerdings unter Beachtung des Tarifvorranges nach §§ 77 Abs. 3 Satz 1, 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG 1972 - auch für alle materiellen Angelegen­ heiten. 1 64 Zum Teil finden sich insoweit konkretisierende Tarifregelungen. Beispiel: .,Die weiteren allgemeinen Rechte und Pflichten aus den Arbeitsverhältnissen kön­ nen durch Betriebsvereinbarung geregelt werden."

Auch die Festsetzung einer Altersgrenze von 65 Jahren für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gehört hierher. In einer Tarifregelung etwa ist bestimmt: „Betriebsvereinbarungen über eine Begrenzung des Beschäftigungsverhältnisses bei Erreichung einer bestimmten Altersgrenze (z. B. 65. Lebensjahr) sind zulässig. "

Derartige Betriebsvereinbarungen, in denen eine Altersgrenze festgelegt wird, bei deren Erreichung das Arbeitsverhältnis ohne weiteres endet, hat auch das Bundesarbeitsgericht für zulässig gehalten. 1 6 5 Nach einer Tarif­ regelung wird die Regelung aller Arbeitsbedingungen für bestimmte Sach­ verhalte einer abzuschließenden Betriebsvereinbarung überantwortet: „Für Fernreisefahrten im Gelegenheitsverkehr und Sonderfahrten werden die Arbeitsbedingungen durch Betriebsvereinbarung geregelt. "

Interessant a n dieser Bestimmung ist, daß nicht von einer freiwilligen Betriebsvereinbarung gesprochen wird. Damit wäre auch eine Regelung 162 § 6 Nrn. 6 . 1 . , 6 . 1 . 3 . mit § 6 Nr. 6.4. Bundestarifvertrag, Regelungen abgedruckt in der Tarifsammlung des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und soziale Fürsorge, TR 5/10 - 3 1 0 a 33. 1 6 3 Ständige Rechtsprechung des BAG, vgl. die Nachw. bei Richardi, in: Dietz / Richardi, BetrVG, § 87 RdNr. 5. 164 Vgl. entsprechende Rechtsprechungsnachw. bei Fitting / Auffarth / Kaiser, BetrVG, § 87 RdNr. 2, und Kammann, in: Kammann / Hess / Schlochauer, BetrVG, § 88 RdNr. 3. Stege / Weinspach, BetrVG, § 88 RdNr. 2; Wiese, in: GK-BetrVG, § 88 RdNr. 7 . 165 BAG vom 25. März 1 9 7 1 , A P Nr. 5 z u § 57 BetrVG 1952 (Bl. 2 Rücks. ff.) mit Anm. von Säcker. Näher zu den einzelnen Voraussetzungen Richardi, in: Dietz / Richardi, BetrVG, § 57 RdNr. 56.

166

III. Teil: Tatsächliche Erscheinungsformen

materieller Arbeitsbedingungen über §§ 8 7, 88 BetrVG 1 9 7 2 hinaus erzwingbar. 11. Durchführung der Beteiligung, Zulassung von Betriebsvereinbarungen

In 1 7 6 (74) Fällen der ausgewerteten Tarifregelungen wird bestimmt, daß die jeweils tarifvertraglich vorgesehene Beteiligung des Betriebsrats im Wege der Betriebsvereinbarung auszuüben ist. Inhalte, Zweck und Wirkung derartiger Regelungen sind die gleichen wie entsprechender Tarifbestim­ mungen unter Geltung des BetrVG 1 9 5 2 . Daher wird auf die Darstellung unter § 1 0 IV. 8. verwiesen.

VI. Beteiligung des Betriebsrats bei der Gestaltung von Arbeitsplatz, Arbeitsablauf und Arbeitsumgebung Bei der Gestaltung von Arbeitsplatz, Arbeitsablauf und Arbeitsumgebung ist der Betriebsrat nach Maßgabe der §§ 90, 9 1 BetrVG 1 9 7 2 zu beteiligen. Zweck dieser Vorschrift ist die Humanisierung der Arbeit. 1 66 Beteiligungs­ rechte, die bei einem der Gegenstände der §§ 90 f. BetrVG 19 72 ansetzen, können sich auch aus anderen Vorschriften, insbesondere aus §§ 80 Abs. 1 Nrn. 1 und 2, Abs. 2, 87 Abs. 1 Nrn. 6 und 7 , 10 6, 1 1 1 BetrVG 1 9 7 2 erge­ ben. 1 67 Bei §§ 1 0 6 ff. BetrVG 1 9 72 etwa ist die Zielrichtung zwar die Siche­ rung der wirtschaftlichen Interessen der Arbeitnehmer. 1 68 Soweit sich Rechte aus §§ 90 f. und §§ 106 ff. BetrVG 1 9 7 2 überschneiden, können sie aber nebeneinander bestehen. 1 69 Vergleichbare Überschneidungen finden sich auch bei den einschlägigen Tarifregelungen: Von den 55 (32) = 5 , 7 3 % (7 , 6 1 %) der aufgefundenen Bestimmungen, die sich mit der Zielrichtung der §§ 90, 9 1 BetrVG 1 972 decken, läßt sich etwa die Hälfte auch anderen Rege­ lungsbereichen zuordnen. Entscheidend für die Behandlung der Vorschrif­ ten an dieser Stelle war, daß zumindest auch eine Deckung mit dem Rege­ lungsbereich der § § 90, 9 1 feststellbar ist. Mit der Anwendbarkeit der §§ 90, 91 BetrVG 1 9 72 auf Tendenzbetriebe beschäftigt sich § 14 Abs. 1 des Tarifvertrages über Einführung und Anwen­ dung rechnergesteuerter Textsysteme vom 20. März 1 9 7 8 für die Betriebe 166 Wiese, in: GK-BetrVG, vor § 90 RdNr. la; Fitting / Auffarth / Kaiser, BetrVG, vor § 89 RdNr. 2, § 90 RdNr. 2. 1 57 Vgl. Löwisch, in: Galperin / Löwisch, BetrVG, Vorbemerkung vor § 90 RdNr. 2; Wiese, in: GK-BetrVG, vor § 90 RdNr. 1 mit weiteren Nachw. 166 Löwisch, in: Galperin / Löwisch, BetrVG, Vorbemerkung vor § 90 RdNr. 2; vgl. auch Richardi, in: Dietz / Richardi, BetrVG, § 90 Vorbern. RdNr. 3 ; Rumpf!, Mitbe­ stimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten, 2. Aufl. 1978, S. 35 f. 169 Vgl. Fitting / Auffarth / Kaiser, BetrVG, § 90 RdNr. 7; Löwisch, in: Galperin / Löwisch, BetrVG, Vorbemerkung vor § 90 RdNr. 2 ; Schlochauer, in: Kammann / Hess / Schlochauer, BetrVG, § 90 RdNr. 14; Wiese, in: GK-BetrVG, vor § 90 RdNr. 1 .

§ 1 1 System und Inhalte unter Geltung des BetrVG 1972

167

der Druckindustrie sowie Verlage von Zeitungen und Zeitschriften, wo bestimmt wird: „Bei der Einführung des rechnergesteuerten Textsystems sind die Vorschriften der §§ 90, 91 BetrVG zu beachten. Das gilt auch für Unternehmen, auf die § 1 1 8 BetrVG Anwendung findet. " 170

Nach § 1 18 Abs. 1 Satz 1 BetrVG 1972 finden auf Tendenzbetriebe (Unter­ nehmen) die Vorschriften des BetrVG 1972, insbesondere über die Betei­ ligung des Betriebsrats, keine Anwendung, ,,soweit die Eigenart des Unter­ nehmens oder des Betriebs dem entgegensteht". Die Beteiligungsrechte des Betriebsrats bei der Gestaltung von Arbeitsplatz, Arbeitsablauf und Arbeitsumgebung werden durch den Tendenzschutz allerdings nicht ein­ geschränkt. 1 7 1 Die zitierte Regelung besitzt daher nur deklaratorischen Charakter. 15 (8) Regelungen betreffen Mitwirkungsrechte in Fragen der Gestaltung von Arbeitsplatz, Arbeitsablauf und Arbeitsumgebung (vgl. § 90 BetrVG 1972). Nach § 90 Satz 1 BetrVG 1972 hat der Arbeitgeber den Betrjebsrat über die Planung bestimmter arbeitstechnischer Betriebsänderungen172 zu unter­ richten und die vorgesehenen Maßnahmen mit ihm zu beraten. Dies gilt nach § 90 Satz 1 Nr. 3 BetrVG 1972 unter anderem für die Planung von Arbeitsabläufen. Im Rahmen von Zeitstudien zur Vorgabezeitermittlung für den Zeitakkord wird die aufgewandte Arbeitszeit für jeden einzelnen Arbeitsablauf gemessen. 1 7 3 Fraglich ist nun, ob die Vornahme von Zeitstu­ dien nach § 90 BetrVG 1972 beteiligungspflichtig ist. 1 74 Das hängt entschei­ dend davon ab, was unter „Planung" zu verstehen ist. Teilweise wird ange­ nommen, daß der Betriebsrat schon in der Planentwicklung zu beteiligen ist. 1 7 5 überwiegend wird hingegen die Auffassung vertreten, Planung bedeute, daß unternehmerische Vorüberlegungen bereits abgeschlossen sein müssen. 17 6 Bloße Datensammlungen, wie sie auch Zeitmessungen und -studien darstellen, würden danach der eigentlichen Planung vorausgehen und von § 90 BetrVG 1972 nicht erfaßt. 1 77 Mehrere Tarifregelungen legen demgegenRegelung abgedruckt in RdA 1978, 1 1 7 . H. M., vgl. Richardi, in: Dietz / Richardi, BetrVG, § 1 1 8 RdNr. 129 mit weiteren Nachw. 112 Stege / Weinspach, BetrVG, § 90 RdNr. 3 . 173 Vgl. Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 5 . Aufl. 1983, § 64 I V 6 ( S . 3 1 3). 1 7 4 Daß § 80 Abs. 2 Satz 2 und § 87 Abs. 1 Nr. 1 1 BetrVG 1972 jedenfalls nach Ansicht des BAG ausscheiden, wurde bereits oben III. mit Fn. 15 bzw. V. 3. c) mit Fn. 94 gezeigt. 175 Gnade / Kehrmann / Schneider / Blanke, BetrVG, § 90 RdNr. 1 3 ; Löwisch, in: Galperin / Löwisch, BetrVG, § 90 RdNr. 6; Wiese, in: GK-BetrVG, § 90 RdNrn. 2, 2 a. 176 Richardi, in: Dietz / Richardi, BetrVG, § 90 RdNr. 1 5 ; Schlochauer, in: Kam­ mann / Hess / Schlochauer, BetrVG, § 90 RdNr. 3 ; Stege / Weinspach, BetrVG, § 90 RdNr. 8. 17 7 Vgl. Stege / Weinspach, BetrVG, § 90 RdNr. 8. 1 70 1 71

168

III.Teil: Tatsächliche Erscheinungsformen

über fest, daß der Betriebsrat oder ein von ihm zu benennender Sachver­ ständiger über alle mit der Zeitermittlung zusammenhängenden Vorgänge - zum Teil unter Angabe des Anlasses - zu informieren ist. Nach § 16 Nr. 4 a) des Manteltarifvertrages für die Zigarettenindustrie in der Bundesrepublik Deutschland und West-Berlin besteht ein „Anspruch auf mindestens jährliche Information über langfristige Tendenzen" unter anderem in der „ technischen Ausrüstung" . 1 78 Der Begriff „Tendenzen" dürfte dabei weiter sein als „ Planung" im Sinne des § 90 Satz 1 BetrVG 1 9 7 2 , weil unter „Tendenzen" auch nicht-finale (ungeplante) Entwicklun­ gen fallen. Das Mitwirkungsrecht nach § 90 Satz 1 BetrVG 1 9 7 2 bezieht sich nach Nr. 4 dieser Vorschrift auch auf die Planung der Arbeitsplätze. § 90 will nur die Auswirkungen der äußeren Bedingungen der Arbeit im weitesten Sinne auf die Anforderungen an die Arbeitnehmer erfassen. 1 79 Fragen der Personal­ planung (vgl. § 92 BetrVG 1972) gehören nicht dazu. 1 8 0 Demgegenüber unterstellt § 2 des Tarifvertrages zur Sicherung der Eingruppierung und zur Verdienstsicherung bei Abgruppierung in der Metallindustrie Nordwürt­ temberg-Nordbaden vom 3. April 1 9 78 auch personelle Fragen dem Mitwir­ kungsrecht aus § 90 BetrVG 1 9 72 , wenn dort bestimmt wird : ,,Maßnahmen, die zu einer Abgruppierung führen, ohne personen- oder verhaltens­ bedingt zu sein, sind dem Betriebsrat unter Berücksichtigung des § 90 BetrVG so rechtzeitig mitzuteilen, daß er noch vor der Durchführung der Maßnahmen Stel­ lung nehmen kann und seine Anregungen berücksichtigt werden können. Zweck, Art und Umfang der geplanten Maßnahmen sowie die voraussichtliche Zahl der in den einzelnen Lohn-/Arbeits-/Gehaltsgruppen betroffenen Arbeitnehmer sind hierbei bekanntzugeben. " 1 81 Zielrichtung des Mitwirkungsrechts aus § 90 BetrVG 1 972 ist die men­ schengerechte Arbeitsgestaltung (§ 90 Satz 2 BetrVG 1 972). 182 Mehrere Tarif­ regelungen konkretisieren dieses Ziel und gehen dabei zum Teil über ein bloß ergonomisches Verständnis der Menschengerechtigkeit der Arbeit hin­ aus : ,,Arbeitgeber und Betriebsrat haben unter Beachtung des Betriebsverfassungsge­ setzes, der Arbeitsstättenverordnung und der Unfallverhütungsvorschriften darauf zu achten, daß Arbeitsräume, Arbeitsplätze, Arbeitsverfahren, Arbeitsabläufe und Arbeitsumgebung nach gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen über

178 Regelung abgedruckt in der Tarifsammlung des Bayerischen Staatsministe­ riums für Arbeit und soziale Fürsorge, TR 19 - 300 a 8.Inhaltswiedergabe bei Zachert, Tarifvertrag, 1979, S. 142. 17 9 Löwisch, in: Galperin / Löwisch, BetrVG, § 90 RdNr.4. 180 Löwisch, in: Galperin / Löwisch, BetrVG, § 90 RdNr. 4. 181 Regelung abgedruckt in RdA 1978, 385, sowie bei Hagemeier / Kempen / Zachert / Zilius, TVG, § 1 RdNr. 167, und Zachert, Tarifvertrag, 1979, S. 154. 182 Vgl.Löwisch, in: Galperin / Löwisch, BetrVG, § 90 RdNr. 10.

§ 1 1 System und Inhalte unter Geltung des BetrVG 1 972

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die menschengerechte Gestaltung der Arbeit so eingerichtet sind, daß soweit wie möglich Unfall- und Gesundheitsgefahren ausgeschlossen sind. Arbeitsaufgaben sind hinsichtlich der Dauer und der Höhe der Belastung so zu gestalten, daß insbe­ sondere auch eine im Zusammenhang mit einer Leistungsvergütung zu erwartende gesteigerte Anstrengung der Arbeitnehmer nicht zu Unfall- und Gesundheitsgefah­ ren führt. " 183 „Arbeitgeber und Betriebsrat haben alle Möglichkeiten der Aufgabenerweiterung und Aufgabenbereicherung auszuschöpfen." 184 Auch hinsichtlich der Durchführung der Betriebsratsrechte aus § 90 BetrVG 1 972 finden sich konkretisierende Tarifregelungen, etwa dahinge­

hend, daß der Betriebsrat anhand von Unterlagen zu unterrichten sei, 185 oder daß bei Meinungsverschiedenheiten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat über die Belastung von Arbeitnehmern durch geplante Maßnah­ men der Betriebsrat verlangen kann, daß der Arbeitgeber einen Arbeitsphy­ siologen bzw. ein Institut als Gutachter bestellt 186 .

30 (15) Regelungen enthalten Mitbestimmungsrechte in Fragen der Gestaltung von Arbeitsplatz, Arbeitsablauf und Arbeitsumgebung. Während insoweit nach dem Gesetz ein Mitbestimmungsrecht nur unter den stren­ gen 187 Voraussetzungen besteht, daß Arbeitnehmer durch bestimmte arbeitstechnische Veränderungen, die den gesicherten arbeitswissenschaft­ lichen Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit offensichtlich widersprechen, in besonderer Weise belastet werden (vgl.§ 9 1 BetrVG 1 9 72), gewähren alle Tarifregelungen Mitbestimmungsrechte unter teilweisem oder sogar völligem Verzicht auf das Vorliegen der genannten Voraussetzungen. So kann der Betriebsrat etwa nach § 4 des Manteltarifvertrages vom 1 7 . Mai 1 9 7 9 für gewerbliche Arbeitnehmer der Bekleidungsindustrie i n der Bundesrepublik Deutschland Maßnahmen zur Abwendung von Mängeln der Arbeitsplatzgestaltung verlangen, ohne daß ein „offensichtlicher" Wider183 § 15 Nr. 1 des Manteltarifvertrages vom 24.März 1979 für gewerbliche Arbeitneh­ mer, Angestellte und Auszubildende der chemischen Industrie in der Bundesrepublik Deutschland und im Land Berlin, abgedruckt in der Tarifsammlung des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und soziale Fürsorge, TR 1 1 - 100 ab 50. 184 § 6 Nr. 6.3.1. des Lohnrahmentarifvertrages II für die Metallindustrie Nord­ württemberg-Nordbaden vom 1.November 1 973. Regelung abgedruckt bei Zachert, Tarifvertrag, 1 979, S. 149. Inhaltswiedergabe bei Hagemeier / Kempen / Zachert/ Zilius, TVG, § 1 RdNr. 170. 185 § 15 Nr.2 des Manteltarifvertrages vom 24. März 1979 für gewerbliche Arbeitneh­ mer, Angestellte und Auszubildende der chemischen Industrie in der Bundesrepublik Deutschland und im Land Berlin, abgedruckt in der Tarifsammlung des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und soziale Fürsorge, TR 1 1 - 100 ab 50. 186 § 16 Nr. 4 d) des Manteltarifvertrages für die Zigarettenindustrie in der Bundes­ republik Deutschland und West-Berlin, abgedruckt in der Tarifsammlung des Bayeri­ schen Staatsministeriums für Arbeit und soziale Fürsorge, TR 19 - 300 a 8. Inhalts­ wiedergabe bei Zachert, Tarifvertrag, 1 979, S. 142. 187 Wiese, in: GK-BetrVG, § 91 RdNr. l a.

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III. Teil: Tatsächliche Erscheinungsformen

spruch zu den gesicherten Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit vorliegt: „Die Arbeitsplätze, Arbeitsablauf und Arbeitsumgebung müssen menschengerecht im Sinne von § 90 BetrVG sein. Ist der Betriebsrat der Auffassung, daß der Arbeits­ platz diesen Anforderungen nicht entspricht, so kann er verlangen, daß Maßnah­ men zur Behebung der Mängel getroffen werden." 100

Die bereits oben angesprochene Regelung, wonach der Betriebsrat bei Meinungsverschiedenheiten mit dem Arbeitgeber über die Belastung von Arbeitnehmern durch geplante Maßnahmen die Zuziehung eines Arbeits­ physiologen bzw. eines Instituts als Gutachter verlangen kann, gibt dem Betriebsrat die Möglichkeit, die Berücksichtigung des Gutachtenergebnis­ ses durch Anrufung der paritätischen Schiedsstelle zu erzwingen. 189 Anders als in § 9 1 Satz 1 BetrVG 1 9 7 2 kommt es für sein Mitbestimmungsrecht weder darauf an, daß die Arbeitnehmer „besondere" Belastungen zu gewär­ tigen haben, noch muß die Belastung auf Änderungen beruhen, die den ,,gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen über die menschen­ gerechte Gestaltung der Arbeit " widersprechen. Weitere Regelungen sehen ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats zur Erreichung einer Abwendung, Milderung oder eines Ausgleichs von Bela­ stungen der Arbeitnehmer, die arbeitstechnisch bedingt sind, vor. D. h. es wird nicht nur auf das Vorliegen eines offensichtlichen Widerspruchs der Arbeitsumwelt zu den gesicherten Erkenntnissen über die menschenge­ rechte Gestaltung der Arbeit verzichtet, sondern insbesondere darauf, daß die Belastung auf einer arbeitstechnischen Änderung beruht. Fälle, in denen bestehende Verhältnisse im Betrieb den gesicherten arbeitswissenschaft­ lichen Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit widersprechen, werden von § 9 1 BetrVG 1 9 7 2 nicht erfaßt. 190 Demgemäß hat das Bundesarbeitsgericht auch entschieden, daß bei Einführung bezahlter Lärmpausen das Mitbestimmungsrecht aus § 9 1 BetrVG 1 9 7 2 nur gegeben sei, wenn die dort genannte besondere Belastung der Arbeitnehmer auf einer Änderung von Arbeitsplätzen, des Arbeitsablaufs oder der Arbeitsumge­ bung beruhe. 1 9 1 Demgegenüber bestimmt eine Tarifregelung: 100 Regelung abgedruckt in der Tarifsammlung des Bayerischen Staatsministe­ riums für Arbeit und soziale Fürsorge, TR 20 - 10 a 26. Inhaltswiedergabe bei Hage­ meier / Kempen / Zachert / Zilius, TVG, § 1 RdNr. 170. 189 § 16 Nr.4 d) und e) in Verbindung mit § 17 Nr.2 des Manteltarifvertrages für die Zigarettenindustrie in der Bundesrepublik Deutschland und West-Berlin, abgedruckt in der Tarifsammlung des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und soziale Fürsorge, TR 19 - 300 a 8. Inhaltswiedergabe bei Zachert, Tarifvertrag, 1979, S.142. 190 BAG vom 28. Juli 1981, AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitssicherheit (Bl. 4) mit Anm. von Richardi; ebenso die h. L., vgl. die Nachw. bei Löwisch, in: Galperin / Löwisch, BetrVG, § 91 RdNr. 2. 191 BAG vom 28. Juli 1981, AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitssicherheit (Bl. 3 Rücks.) mit Anm. von Richardi.

§ 11 System und Inhalte unter Geltung des BetrVG 1972

171

,.Erfordern Art und Dauer der Belastung an bestimmten Arbeitsplätzen Maßnah­ men zum Ausgleich der Belastung, sind durch Betriebsvereinbarung Ablöse- bzw. Pausensysteme festzulegen. Diese Ablösezeiten bzw. Pausen gelten als Arbeitszeit."

Nach der Formulierung der Bestimmung dürfte die entsprechende Betriebs­ vereinbarung erzwingbar sein, also ein Mitbestimmungsrecht vorliegen. Ob der Betriebsrat als Maßnahme zum Ausgleich (im Sinne des § 91 Satz 1 BetrVG 1972) von Belastungen gegebenenfalls Lohnzuschläge (Erschwer­ niszulagen etwa für Lärm, Schmutz oder Nachtschicht) verlangen kann, ist umstritten. 19 2 Jedenfalls sehen eine Reihe von Tarifregelungen, die zum Teil bereits oben193 wiedergegeben wurden, entsprechende Mitbestimmungs­ rechte vor. Dabei ist allen Bestimmungen gemeinsam, daß sie ein Mitbestim­ mungsrecht unabhängig davon gewähren, ob die Erschwernis (Belastung) erst infolge einer arbeitstechnischen Änderung eingetreten ist oder ob es sich dabei um bestehende Verhältnisse handelt. Auch wenn man also Lohn­ zuschläge als Ausgleichsmaßnahme im Sinne des § 91 Abs. 1 BetrVG 1972 auffaßt, gehen die entsprechenden Tarifregelungen noch über das gesetzli­ che Beteiligungsrecht hinaus. Schließlich gewähren mehrere Tarifregelungen ein Mitbestimmungsrecht in Fragen der Gestaltung von Arbeitsplatz, Arbeitsablauf und Arbeitsumge­ bung, ohne daß irgendeine Voraussetzung des gesetzlichen Mitbestim­ mungsrechts nach § 91 BetrVG 1972 gegeben wäre. Der überwiegende Teil bezieht sich dabei auf die Gestaltung von Arbeitsplatz und Arbeitsablauf. Nach einer Reihe von Regelungen unterliegt etwa die Frage, welche Arbei­ ten für weibliche Arbeitnehmer als ungeeignet anzusehen sind, der Verein­ barung zwischen Werksleitung und Betriebsrat. Ferner gibt es Tarifver­ träge, welche Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats über die personelle Besetzung von Maschinen festlegen. So bestimmt der Tarifvertrag über die Raiffeisen Kraftfutterwerke vom 28. November 1974, daß bei Arbeiten im Leistungslohn die personelle Besetzung, Abgrenzung der Produktionsab­ schnitte und Arbeitsstufen mit dem Betriebsrat zu vereinbaren ist. 1 94 § 7 Nr. 2 des Manteltarifvertrages vom 14. April 1980 für die Fleischwaren­ industrie in Bayern ordnet beispielsweise an: .,Die Regelung von Fließarbeiten und/oder Arbeiten, deren Ausführungsgeschwin­ digkeit überwiegend von Maschinen bestimmt wird, obliegt der Mitbestimmung des Betriebsrates.Dabei sind vom Betriebsrat besonders zu beachten: 1 9 2 Vgl. (bejahend) Fitting / Auffarth / Kaiser, BetrVG, § 91 RdNr. 9; Löwisch, in: Galperin / Löwisch, BetrVG, § 91 RdNr. 19 ; Wiese, in: GK-BetrVG, § 91 RdNr. 16. Ablehnend: Gnade / Kehrmann / Schneider / Blanke, BetrVG, § 91 RdNr. 14; Richardi, in: Dietz / Richardi, BetrVG, § 91 RdNr. 26; Schlochauer, in: Kammann / Hess / Schlochauer, BetrVG, § 91 RdNr.12; Stege / Weinspach, BetrVG, § 91 RdNr. 13. 1 93 V. 3. b). 1 94 Regelung zitiert nach Manz, Gewerkschaftliche Monatshefte 1977, 403 (406). Vgl. dazu auch Hagemeier / Kempen / Zachert / Zilius, TVG, § 1 RdNr. 170, und Zachert, Tarifvertrag, 1979, S. 154 f.

172

III. Teil: Tatsächliche Erscheinungsformen

a) Die Zusammensetzung der Arbeitsgruppen, b) Die Abstimmung der Geschwindigkeiten auf die menschliche Normalleistung, c) das gleiche Verhältnis zwischen Geschwindigkeitserhöhungen und Lohn- und Gehaltsanhebungen, gegebenenfalls die Einführung leistungsbezogener Entloh­ nungsmethoden, d) bezahlte Kurzpausen,

e) Bereitstellungen von Springern." 195

Mit derselben Zielrichtung - Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats zur Abmilderung ungünstiger Auswirkungen auf den Menschen - hat sich bereits § 6 des Lohnrahmentarifvertrages II für die Metallindustrie Nord­ württemberg-Nordbaden vom 1. November 1973 beschäftigt. Darin wird unter anderem bestimmt: ,,Bestehende Takte dürfen grundsätzlich nicht weiter aufgeteilt werden. Ihre wei­ tere Aufteilung wird jedoch zulässig, wenn Arbeitgeber oder Betriebsrat dies im Einzelfall oder für ähnlich gelagerte Fälle im Hinblick auf den technischen Ferti­ gungsstand und ökonomische Zwänge für geboten halten. Läßt sich durch Verkür­ zung besonders langer Takte für den Arbeitnehmer eine Arbeitserleichterung schaffen, so darf dies zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat vereinbart werden. " ( § 6 Nr. 6.3.2. Lohnrahmentarifvertrag II) l 96 „Bei Fließarbeit (Gruppenarbeit) ist die Anzahl der zur Besetzung der Bänder benötigten Arbeitnehmer und die Leistungsabstimmung je Arbeitsstation (Arbeits­ takt) mit dem Betriebsrat zu vereinbaren. " (§ 6 Nr. 6.4. Lohnrahmentarifvertrag !1) 197 ,,Die Anzahl der Springer ist mit dem Betriebsrat zu vereinbaren. " (§ 6 Nr. 6.5. Lohnrahmentarifvertrag II) l9 8

Nach § 6 Nr. 6.7. Lohnrahmentarifvertrag II entscheidet die Einigungsstelle nach § 76 BetrVG 1 9 7 2 über Streitigkeiten aus den zitierten Vorschriften verbindlich, 199 womit der Betriebsrat gegebenenfalls eine Regelung erzwin­ gen kann. Die bisher genannten Tarifregelungen sehen in Fragen der Gestaltung von Arbeitsplatz, Arbeitsablauf und Arbeitsumgebung eine Beteiligung des Betriebsrats ausdrücklich vor. Es existieren daneben aber eine Reihe von 195 Regelung abgedruckt in der Tarifsammlung des Bayerischen Staatsministe­ riums für Arbeit und soziale Fürsorge, TR 19 - 220 ab 53. Vgl. zu dieser Regelung auch Hagemeier / Kempen / Zachert / Zilius, TVG, § 1 RdNr. 170. 196 Regelung abgedruckt bei Zachert, Tarifvertrag, 1979, S. 150. Teilweise Inhalts­ wiedergabe: Hagemeier / Kempen / Zachert / Zilius, TVG, § 1 RdNr. 170; Löwisch, AuR 1978, 97 (98) ; ders., in: Galperin / Löwisch, BetrVG, § 91 RdNr. 15. 197 Regelung abgedruckt bei Zachert, Tarifvertrag, 1979, S. 150. Inhaltswiedergabe bei Löwisch, in: Galperin / Löwisch, BetrVG, § 91 RdNr. 1 5 . 198 Regelung abgedruckt bei Zachert, Tarifvertrag, 1979, S. 150. Inhaltswiedergabe bei Löwisch, AuR 1978, 97 (98); ders., in: Galperin / Löwisch, BetrVG, § 91 RdNr. 15. Vgl. auch Hagemeier / Kempen / Zachert I Zilius, TVG, § 1 RdNr. 170. 199 § 6 Nr. 6.7. Lohnrahmentarifvertrag II, abgedruckt bei Zachert, Tarifvertrag, 1979, s. 150.

§ 1 1 System und Inhalte unter Geltung des BetrVG 1972

173

Tarifverträgen, welche Maßnahmen zur Abwendung, Milderung oder zum Ausgleich arbeitstechnisch bedingter Belastungen selbst regeln. Das geschieht etwa durch Vereinbarung von Erholungszeiten bei Akkordarbeit, Festlegung der Bandgeschwindigkeit oder von Mindesttaktzeiten. Beispiels­ weise bestimmt § 6 Nr. 6.3 . 1 . des bereits angesprochenen Lohnrahmentarif­ vertrages II für die Metallindustrie Nordwürttemberg-Nordbaden vom 1 . November 1 9 7 3 : ,,Bei Fließ-, Fließband- und Taktarbeit hat im Hinblick auf die arbeitswissen­ schaftlichen Erkenntnisse die Arbeitsgestaltung vorrangig darauf gerichtet zu sein, die Abwechslungsarmut der Beschäftigung durch Aufgabenbereicherung und Auf­ gabenerweiterung in ihren ungünstigen Auswirkungen auf den Menschen abzumil­ dern. Diese Verpflichtung obliegt dem Arbeitgeber in erhöhtem Maße bei einer Neuplanung der Fließ-, Fließband- und Taktarbeit sowie in allen Fällen, in denen der Arbeitsinhalt soweit gesunken ist, daß der Zeitfaktor je Arbeitstakt nicht mehr als 1,5 Minuten beträgt . " 200

Handelt es sich bei derartigen Regelungen um die Vereinbarung einer arbeitswissenschaftlich begründeten Aussage, soll sie nach umstrittener Ansicht als „gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnis" das gesetzliche Mitbestl.mmungsrecht aus § 9 1 BetrVG 1972 - bei Üblichkeit der Regelung sogar über den Geltungsbereich eines entsprechenden Tarifvertrages hinaus - auslösen können. 201 Wenn man dem nicht folgt, wird eine solche Regelung jedenfalls wenigstens die Überwachungspflicht und das Unterrichtungs­ recht des Betriebsrats aus § 80 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 BetrVG 1 9 7 2 begründen, weil sie sich als eine zugunsten der Arbeitnehmer geltende Norm darstellt. VII. Regelungen über die Beteiligung des Betriebsrats in personellen Angelegenheiten (ausschließlich Rationalisierungsschutzbestimmungen)

1 3 6 (83) = 14, 1 8 % (19,76 %) der ermittelten 959 (420) Regelungen betref­ fen Beteiligungsrechte des Betriebsrats aus dem Bereich der personellen Angelegenheiten im Sinne des Fünften Abschnitts des BetrVG 1972. Vor­ schriften im Zusammenhang mit dem Schutz von Arbeitnehmern vor Ratio­ nalisierungen betreffen zwar zumeist deren personelle Folgen. Da Rationa­ lisierungsvorhaben aber nach § 1 0 6 Abs. 3 Nr. 4 BetrVG 1 9 7 2 ausdrücklich zu den wirtschaftlichen Angelegenheiten im Sinne jener Vorschrift gezählt werden und sich zumeist als geplante Betriebsänderungen im Sinne des § 1 1 1 BetrVG 1 9 7 2 darstellen, werden Beteiligungsrechte des Betriebsrats in Rationalisierungsschutzabkommen erst unter VIII. erörtert. Regelung abgedruckt bei Zachert, Tarifvertrag, 1979, S. 149. Ausführlich mit Darstellung des Streitstandes und Nachw. Löwisch, in: Galpe­ rin / Löwisch, BetrVG, § 91 RdNrn. 6 - 8. 200

201

174

III. Teil: Tatsächliche Erscheinungsformen

Eine bloße Übernahme gesetzlicher Beteiligungsrechte erfolgt in 4 1 (18) Fällen. 42 (29) Regelungen enthalten Konkretisierungen, 6 (3) Beschränkun­ gen und 94 (60) Erweiterungen gesetzlicher Beteiligungsrechte. 49 (36) Fälle betreffen Beteiligungsrechte im Rahmen einer vom Tarifvertrag selbst ge­ troffenen Regelung. 14 (9) Bestimmungen enthalten Unterrichtungsrechte, 62 (35) Mitwirkungsrechte und 61 (42) Mitbestimmungsrechte. 1. Allgemeine personelle Angelegenheiten

Unter „allgemeinen personellen Angelegenheiten" im Sinne des BetrVG 1 9 7 2 sind zu verstehen Fragen der Personalplanung, Ausschreibung von Arbeitsplätzen, Personalfragebogen, Formulararbeitsverträge, Beurteilungs­ grundsätze und Auswahlrichtlinien (vgl. §§ 92 - 95 BetrVG 1972). Es konnte keine Regelung ermittelt werden, welche sich mit Beteiligungs­ rechten im Bereich der Personalplanung (vgl. § 92 BetrVG 1972) beschäftigt und nicht in tarifvertraglichen Rationalisierungsschutzbestimmungen ent­ halten ist. Offenbar wird der gesetzliche Mitbestimmungstatbestand von den Tarifvertragsparteien für die „normale" Personalplanung für ausrei­ chend erachtet, während man Konkretisierungen oder Erweiterungen der Betriebsratsrechte im Zusammenhang mit rationalisierungsbedingter Per­ sonalabbauplanung für regelungsbedürftiger hält. Entsprechendes gilt für Tarifregelungen betreffend Beteiligungsrechte des Betriebsrats bei der Aus­ schreibung von Arbeitsplätzen. Nach § 94 Abs. 2 Halbsatz 1 BetrVG 1972 hat der Betriebsrat ein Mitbe­ stimmungsrecht, wenn in Formulararbeitsverträgen „persönliche Angaben" der Arbeitnehmer festgehalten werden sollen. Darüber gehen wenige Tarif­ regelungen hinaus. In 2 (2) Fällen wird etwa ein Beteiligungsrecht nicht nur bezüglich „persönlicher Angaben" , sondern allgemein hinsichtlich „Form und Grundsätze" schriftlicher Arbeitsverträge eingeräumt bzw. bestimmt, daß Vordrucke von Arbeitsverträgen vor ihrer Einführung generell mit dem Betriebsrat zu erörtern sind. Nach § 94 Abs. 2 Halbsatz 2 BetrVG 1972 besteht ferner ein Mitbestim­ mungsrecht hinsichtlich der Aufstellung allgemeiner Beurteilungsgrund­ sätze. Erfaßt wird davon aber nur die generelle Beurteilung von Arbeitneh­ mern. Soweit es sich um die Aufstellung von allgemeinen Beurteilungs­ grundsätzen im Rahmen eines Entgeltsystems handelt, richtet sich die Beteiligung nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 oder Nr. 1 1 BetrVG 1972 . 202 Der Unter202 Vgl. Fitting / Auffarth / Kaiser, BetrVG, § 87 RdNr. 150; Kraft, in: GK-BetrVG, § 94 RdNr. 9; Schlochauer, in: Kammann / Hess / Schlochauer, BetrVG, § 94 RdNr. 28; Stege / Weinspach, BetrVG, § 94 RdNr. 3 0 ; im Ergebnis ebenso Richardi, in: Dietz / Richardi, BetrVG, § 94 RdNr. 40. A. A. soweit es gleichzeitig um die allgemeine Beurteilung von Arbeitnehmern geht Löwisch, in: Galperin / Löwisch, BetrVG, § 94 RdNr. 26.

§ 11 System und Inhalte unter Geltung des BetrVG 1972

175

schied zwischen beiden Beteiligungstatbeständen besteht darin, daß § 94 BetrVG 1 9 7 2 im Gegensatz zu § 8 7 Abs. 1 Nr. 1 0 BetrVG 1972 nur ein Zustimmungs- und kein Initiativrecht des Betriebsrats kennt, 203 allerdings nicht dem Tarifvorbehalt nach § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG 1 9 7 2 unter­ liegt. Bei der Auswertung fanden sich ausschließlich Tarifregelungen ( 1 9 (8) Fälle) , die sich mit der Beteiligung des Betriebsrats bei der Aufstellung von Leistungsbeurteilungsgrundsätzen für die Bemessung von Leistungszulagen befassen. Insoweit handelt es sich nach dem oben Gesagten um die Gestal­ tung der Betriebsratsrechte bei der Einführung oder Anwendung von Ent­ lohnungsmethoden nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG 1 9 7 2 , 2 04 nicht aber bei der Aufstellung allgemeiner Beurteilungsgrundsätze nach § 94 BetrVG 1 9 7 2 . Die meisten Tarifverträge stellen dabei selbst allgemeine Leistungsbe­ urteilungsgrundsätze auf und gewährleisten eine Beteiligung des Betriebs­ rats im Rahmen eines Beanstandungsverfahrens 205 oder lassen die betrieb­ liche Vereinbarung vom Tarifvertrag abweichender Leistungsentlohnungs­ methoden zu. Mehrere Tarifbestimmungen sehen eine Beteiligung des Betriebsrats auch bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit oder erwarte­ ter bzw. erbrachter Leistungen einzelner Arbeitnehmer vor, wie zum Bei­ spiel die häufigen Minderleistungsklauseln, aber auch Leistungszulagenre­ gelungen. Hier entfällt eine Mitbestimmung nach § 94 Abs. 2 Halbsatz 2 BetrVG 1 9 7 2 jedenfalls schon deshalb, weil sich das Zustimmungsrecht danach nur auf die Aufstellung allgemeiner Beurteilungsgrundsätze, nicht aber auf die Beurteilung des einzelnen Arbeitnehmers selbst bezieht. 206 Insoweit kann aber gegebenenfalls eine nach § 99 BetrVG 1 9 7 2 beteili­ gungspflichtige Eingruppierung vorliegen, wenn eine entsprechende Lohn­ bzw. Gehaltsgruppe vorhanden ist. 20 1 2. Berufsbildung

Im Rahmen der beruflichen Berufsbildung ist der Betriebsrat nach § § 9 6 -

98 BetrVG 1 9 7 2 zu beteiligen. Nach § 1 Abs. 1 BBiG zählt zur „Berufsbil­

dung" unter anderem die „Berufsausbildung". 20 8 ,

20 9

Tarifabkommen für

203 H. M., vgl. statt aller Richardi, in: Dietz / Richardi, BetrVG, § 94 RdNr. 45, und Löwisch, in: Galperin / Löwisch, BetrVG, § 94 RdNr. 33. 204 § 87 Abs. 1 Nr. 1 1 BetrVG 1972 unterfallen Leistungszulagen nicht, vgl. Fitting / Auffarth / Kaiser, BetrVG, § 87 RdNr. 1 5 1 . 205 Vgl. etwa §§ 2, 3, 5 des Tarifvertrages zur Leistungsbeurteilung von Angestellten der Metallindustrie Nordrhein-Westfalens vom 19. Februar 1975. Teilweise Inhalts­ wiedergabe bei Löwisch, AuR 1978, 97 (99), und Stege / Weinspach, BetrVG, § 94 RdNr. 30. Näher zu derartigen Regelungen oben IV. 206 Vgl. Löwisch, in: Galperin / Löwisch, BetrVG, § 94 RdNr. 3 1 mit weiteren Nachw. Meise!, Die Mitwirkung und Mitbestimmung des Betriebsrats in personellen Angelegenheiten, 5. Aufl. 1984, RdNr. 192. 207 Vgl. bezüglich der angesprochenen Regelungen näher unten 3 . b). 208 Genannt werden ferner die berufliche Fortbildung und Umschulung.

176

III. Teil: Tatsächliche Erscheinungsformen

Auszubildende in der Berufsausbildung, die bei der Erhebung berücksich­ tigt wurden, sind also dem Regelungsbereich der Vorschriften des BetrVG 1972 über die Berufsbildung zuzurechnen. Weder in diesen Abkommen noch in allgemeinen Tarifverträgen konnten Regelungen über Betriebsratsrechte, die spezifisch Fragen der Berufsausbildung betreffen, ermittelt werden. Hier und da ist zwar bestimmt, daß Beginn und Ende der täglichen Ausbil­ dungszeit sowie die Pausen Auszubildender in der Berufsausbildung zwi­ schen Arbeitgeber und Betriebsrat zu vereinbaren seien. Insoweit liegt aber eine bloße Konkretisierung des Mitbestimmungsrechts in sozialen Angele­ genheiten (§ 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG 1972) vor. Hintergrund .der Enthaltsam­ keit der Tarifvertragsparteien könnte sein, daß auf dem Gebiet der Berufs­ bildung eine relativ hohe gesetzliche Regelungsdichte erreicht ist, und daher neben den Beteiligungsrechten aus §§ 96 ff. BetrVG 1972 die allgemeine Überwachungsaufgabe des Betriebsrats aus § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG 1972 zum Tragen kommt : ,,Arbeitnehmer" im Sinne dieser Vorschrift sind nach § 5 Abs. 1 BetrVG 1972 auch die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten. 3. Personelle Einzelmaßnahmen

Die große Masse tarifvertraglicher Regelungen von Beteiligungsrechten auf dem Gebiet der personellen Maßnahmen - 132 (77) Fälle - betrifft perso­ nelle Einzelmaßnahmen (zumeist im Sinne von § 99 Abs. 1 BetrVG 1972 Einstellung, Eingruppierung, Umgruppierung oder Versetzung -, aber auch die bloße Umsetzung, ferner Kündigungen). Dabei wiederum stehen Beteili­ gungsrechte im Zusammenhang mit Ein- oder Umgruppierungen im Vorder­ grund. a) Einstellung Bei Einstellungen ist der Betriebsrat nach Maßgabe des § 99 BetrVG 1972 zu beteiligen. Gemäß § 99 Abs. 1 Satz 1 , Satz 2 BetrVG 1972 muß ihn der Arbeitgeber über die geplante Einstellung unterrichten und seine Zustim­ mung dazu einholen. Mehrere Tarifregelungen enthalten zugleich Konkretisierungen und Erweiterungen des gesetzlichen Beteiligungstatbestandes hinsichtlich der Unterrichtungspflicht. So wird insbesondere bestimmt, daß der Arbeitgeber Auskunft über alle Bewerber und nicht lediglich über die für die Einstellung vorgesehene Person zu geben habe. Das entspricht zwar herrschender Mei­ nung zu § 99 Abs. 1 Halbsatz 1 BetrVG 1 9 7 2 , ist aber im einzelnen bestritten bezüglich vom Arbeitgeber nicht in Betracht gezogener Bewerber, Bewer20 9 Für den Begriff der Berufsbildung knüpft das BetrVG 1972 an § 1 Abs. 1 BBiG an, vgl. Meisel, Die Mitwirkung und Mitbestimmung des Betriebsrats in personellen Angelegenheiten, 5. Aufl. 1984, RdNr. 77.

§ 11 System und Inhalte unter Geltung des BetrVG 1972

177

bern, die ihre Bewerbung zurückgezogen haben, und solchen, die die Quali­ fikationsvoraussetzungen nicht erfüllen. 210 Andere Regelungen erstrecken die Auskunftspflicht über Personalangaben des Bewerbers auch auf etwaige dem Arbeitgeber bekanntgewordene ärztliche Feststellungen über Arbeits­ einsatzbeschränkungen des Bewerbers, was aber bereits vom Gesetz (§ 99 Abs. 1 Halbsatz 1 , Halbsatz 2 BetrVG 1 972) gedeckt sein dürfte. § 4 Abs. 3 des Tarifvertrages über die Einführung und Anwendung rechnergesteuerter Textsysteme vom 20. März 1978 schließlich bestimmt unter anderem, daß Arbeitgeber und Betriebsrat über die Auswahl von Bewerbern zur Beset­ zung freiwerdender Arbeitsplätze im rechnergesteuerten Textsystem zu beraten haben. 2 1 1 Eine Beratungspflicht ergibt sich aus § 99 Abs. 1 BetrVG 1972 zwar nicht ausdrücklich, dürfte aber als Vorstufe zum Zustimmungs­ recht aus dem Gebot vertrauensvoller Zusammenarbeit folgen (vgl. §§ 2 Abs. 1 , 74 Abs. 1 Satz 2 BetrVG 1972). Erweiterungen der Unterrichtungs­ pflicht nach dem Gesetz enthalten alle angesprochenen Tarifregelungen insofern, als sie für die Beteiligung des Betriebsrats - anders als § 99 Abs. 1 BetrVG 1972 - keinen Betrieb mit in der Regel mehr als zwanzig wahlbe­ rechtigten Arbeitnehmern voraussetzen. Eine Reihe von Regelungen - die ebenfalls nicht an das Erfordernis des Vorhandenseins von in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern im Betrieb anknüpft - baut das in § 99 Abs. 1 BetrVG 1972 vorgesehene Zustimmungsrecht noch weiter aus : Beispielsweise bestimmt § 16 Nr. 1 des Manteltarifvertrages für die Zigarettenindustrie in der Bun­ desrepublik Deutschland und West-Berlin vom 1 8 . Dezember 1 9 7 5 , daß die Einstellung (und Entlassung) von Arbeitnehmern in Übereinstimmung zwi­ schen Betriebsleitung und Betriebsrat zu erfolgen und im Falle der Nicht­ einigung eine (paritätische) Schiedsstelle zu entscheiden habe. 2 1 2 Andere Regelungen bestimmen, daß Zeitverträge für Aushilfskräfte zulässig seien, die Einstellung aber nur im Einvernehmen mit dem Betriebsrat erfolgen dürfe. Gemeinsam ist diesen Bestimmungen, daß eine Zustimmung des Betriebsrats zur Einstellung nicht nur aus den in § 99 Abs. 2 BetrVG 1972 genannten Gründen verweigert werden kann; ein Einvernehmensrecht wird ihm ohne eine derartige Bindung eingeräumt. Allerdings soll nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts weder die im Gesetz 213 noch die in einem Tarif2 10 Vgl. im einzelnen etwa Fitting / Auffarth / Kaiser, BetrVG, § 99 RdNr. 3 1, und Die Mitwirkung und Mitbestimmung des Betriebsrats in personellen Angele­ genheiten, 5.Aufl. 1984, RdNr.216. 2 11 Regelung abgedruckt in RdA 1978, 116. 2 1 2 Regelung abgedruckt in der Tarifsammlung des Bayerischen Staatsministe­ riums für Arbeit und soziale Fürsorge, TR 19 - 300 a 8.Inhaltswiedergabe bei Zachert, Tarifvertrag, 1979, S. 141. 2 13 BAG vom 2. Juli 1980, AP Nr. 9 zu Art. 33 Abs. 2 GG (Bl. 3 f.) mit Anm. von Misera in AP Nr.5 zu § 10 1 BetrVG 1972. Meise!,

1 2 Spilger

178

III. Teil: Tatsächliche Erscheinungsformen

vertrag2 1 4 vorgesehene positive Zustimmung des Betriebsrats zur Einstel­ lung Wirksamkeitsvoraussetzung für den mit einem Bewerber abgeschlosse­ nen Arbeitsvertrag sein. Diesen dürfe der Arbeitgeber solange die Zustim­ mung nicht vorliegt lediglich nicht beschäftigen. 2 1 5 Damit bliebe der Betriebsrat also in beiden Fällen auf die Einleitung des Verfahrens nach § 101 BetrVG 1972 beschränkt. 2 1 6 Nach mehreren Tarifregelungen wird schließlich die Vereinbarung einer gegenüber Tarifbestimmungen um mehr als einen Monat längeren Dauer einer Probezeit der Zustimmung des Betriebsrats unterworfen. Ein entsprechendes Mitbestimmungsrecht be­ steht dafür nach § 99 Abs. 1 BetrVG 1972 nicht. Allenfalls dann, wenn es sich um die Verlängerung eines ursprünglich auf kürzere Dauer befristeten Probearbeitsverhältnisses handelt, kann darin nach bestrittener Ansicht eine Einstellung im Sinne des § 99 Abs. 1 BetrVG 1972 angenommen werden. 2 1 7 Der Betriebsrat hat bei personellen Einzelmaßnahmen nach dem Gesetz kein Initiativrecht. 218 Er kann also etwa nicht die Einstellung einer bestimmten Person verlangen oder gar erzwingen. Demgegenüber bestimmt § 16 Nr. 2 des Manteltarifvertrages für die Zigarettenindustrie in der Bun­ desrepublik Deutschland und West-Berlin vom 18. Dezember 1 9 7 5 : „Arbeitnehmer, die aus betriebsbedingten Gründen entlassen wurden und deren Entlassung nicht länger als zwei Jahre zurückliegt, sind bevorzugt einzustellen, wenn Betriebsrat und Gewerkschaft das gemeinsam beantragen und dem betrieb­ liche Gründe nicht entgegenstehen . " 2 1 9

Darin ist eine erhebliche Erweiterung der Betriebsratsrechte gegenüber § 99 BetrVG 1972 zu sehen. Entsprechende Initiativrechte konnten in Tarifbe­ stimmungen, die eine Pflicht zur Wiedereinstellung nach Arbeitskämpfen (Wiedereinstellungsklauseln), etwa nach ausnahmsweise 220 lösender Aus­ sperrung, begründen, nicht ermittelt werden. 2 14 BAG vom 2. Juli 1980, AP Nr. 5 zu § 1 0 1 BetrVG 1972 (Bl. 2 Rücks. ff.) mit Anm. von Misera. In der Entscheidung ging es um § 3 Nr. 2 des Manteltarifvertrages für den Norddeutschen Rundfunk vom 9. Oktober 1 954. Näher zu ihrer tarifrechtlichen Pro­ blematik unten § 14 1. 215 BAG vom 2. Juli 1980, AP Nr. 9 zu Art. 33 Abs. 2 GG (Bl. 4) mit Anm. von Misera in AP Nr. 5 zu § 1 0 1 BetrVG 1972. 2 1 6 Ebenso Löwisch, in: Galperin / Löwisch, BetrVG, § 99 RdNrn. 1 1 8 und 7 1 für die Verletzung des gesetzlichen Zustimmungsrechts. 217 Vgl. zu den Gründen, die für die Annahme einer Einstellung sprechen Kraft, in: GK-BetrVG, § 99 RdNr. 16, und Richardi, in: Dietz / Richardi, BetrVG, § 99 RdNr. 27 mit weiteren Nachw. (beide bezüglich befristeter Arbeitsverhältnisse). 21 a Meisel, Die Mitwirkung und Mitbestimmung des Betriebsrats in personellen Angelegenheiten, 5. Aufl. 1984, RdNr. 2 14. 219 Regelung abgedruckt in der Tarifsammlung des Bayerischen Staatsministe­ riums für Arbeit und soziale Fürsorge, TR 19 - 300 a 8. 220 Grundsätzlich hat die Aussperrung nur suspendierende Wirkung, vgl. BAG GS vom 2 1 . April 1 9 7 1 , AP Nr. 43 zu Art. 9 GG Arbeitskampf (Bl. 8 Rücks.).

§ 11 System und Inhalte unter Geltung des BetrVG 1972

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b) Eingruppierung Das gesetzliche Beteiligungsrecht des Betriebsrats ist bei Eingruppierun­ gen genauso ausgestaltet wie jenes bei Einstellungen (vgl. § 99 BetrVG 197 2 ; Ausnahme : § 99 Abs. 1 Satz 2 BetrVG 1972). Überdurchschnittlich viele Tarifregelungen - 2 5 (8) Fälle - verweisen für Eingruppierungen lediglich auf die gesetzliche Regelung in § 99 BetrVG 197 2 . Relativ häufig - 52 (30) Fälle - sind aber auch Erweiterungen in diesem Bereich. Unter „ Eingruppierung " ist die Zuordnung des Arbeitnehmers zu der für ihn nach seiner vertraglich auszuübenden Tätigkeit maßgeblichen Vergü­ tungsgruppe des einschlägigen Tarifvertrages oder eines sonstigen für den Betrieb geltenden Vergütungsschemas zu verstehen. 2 21 Das Beteiligungs­ recht aus § 99 BetrVG 1972 ergänzt insoweit das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG 1972, welches bei der Festle­ gung abstrakter Regeln für die richtige Lohnfindung endet und den konkre­ ten Einzelfall der Lohnfindung ausspart. 222 Auch wenn es um einen konkre­ ten Einzelfall geht, kommt nach dem Gesagten allerdings keine Eingruppie­ rung in Betracht, wenn es an einem maßgeblichen Vergütungsschema fehlt, der Arbeitnehmer etwa außerhalb eines vorhandenen Vergütungsschemas steht22 3 . Insoweit handelt es sich nicht um eine nach dem Gesetz beteili­ gungspflichtige Einreihung in eine Gruppe, sondern um die Festsetzung des individuellen Arbeitsentgelts, welche der Mitbestimmung des Betriebsrats nicht unterliegt. 2 24 Dessenungeachtet sehen allein 30 (16) Tarifregelungen Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats in Fällen individueller Bestimmung von Entgelthöhen vor, ohne daß das Bestehen einer kollektiven Entgeltord­ nung vorausgesetzt wird. Diese Regelungen sind zum größten Teil bereits an anderer Stelle wörtlich zitiert worden. 2 25 Es handelt sich insbesondere um Mitbestimmungsrechte bei der individuellen Festsetzung von Leistungszu­ lagen, Einarbeitungslöhnen, Erschwemiszuschlägen, Verdienstsicherungs­ regeln und des Entgelts Minderleistungsfähiger. Daß insoweit auch andere gesetzliche Beteiligungsrechte (insbesondere aus § § 75 Abs. 1 Satz 2 , 80 Abs. 221 So etwa BAG vom 22. März 1983, AP Nr. 6 zu § 101 BetrVG 1972 (Bl. 3) mit Anm.von Löwisch, und BAG vom 31. Mai 1983, AP Nr. 27 zu § 118 BetrVG 1972 (Bl. 3 Rücks.) mit Anm.von Misera. 222 Löwisch, in: Galperin/ Löwisch, BetrVG, § 99 RdNr. 29 und auch § 87 RdNr. 224 ; ähnlich Meise!, Die Mitwirkung und Mitbestimmung des Betriebsrats in perso­ nellen Angelegenheiten, 5. Aufl. 1984, RdNr. 302. 223 Vgl. BAG vom 31. Mai 1983, AP Nr.27 zu § 1 18 BetrVG 1972 (Bl. 3 Rücks.) mit Anm.von Misera. 224 Vgl.Löwisch, in: Galperin/Löwisch, BetrVG, § 99 RdNr.29 a; ferner Richardi, in: Dietz/Richardi, BetrVG, § 99 RdNr. 47 mit weiteren Nachw. Eine individuelle Entgeltfestsetzung ist etwas anderes als eine individuelle Einstufung in ein kollekti­ ves Entgeltsystem. 225 Vgl.insbes. oben V. 3. b). 12'

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III. Teil: Tatsächliche Erscheinungsformen

1 Nm. 1, 4 und 6, 84 f., 87 Abs. 1 Nr. 1 0 und 1 1 , 91 Satz 1, 94 Abs. 2 BetrVG 1972 22 6) nicht in Betracht kommen, wurde bereits im jeweiligen Zusammen­ hang näher dargelegt. Auch soweit die angesprochenen Tarifregelungen wie § 99 Abs. 1 BetrVG 1972 hinsichtlich der Eingruppierung -22 7 im techni­ schen Sinne Mitbeurteilungsrechte des Betriebsrats (betreffend etwa die Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers, die Anforderungen des Arbeitsplat­ zes etc.) enthalten mögen, ändert das nichts daran, daß sie eben wegen des Verzichts auf das Vorliegen von Vergütungsschemata über das gesetzliche Beteiligungsrecht hinausgehen. Manche Tarifverträge bestimmen, daß betriebliche Tätigkeiten, die in den maßgeblichen Lohn- oder Gehaltsgruppenkatalogen nicht enthalten sind

(vor allem neue, infolge technischer Entwicklung noch nicht erfaßte Tätig­ keiten) im Einvernehmen mit dem Betriebsrat einzustufen sind. Solche generellen Einstufungen fallen nicht unter § 99 Abs. 1 BetrVG 1972. Sie stellen aber eine Konkretisierung des Mitbestimmungsrechts aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG 1972 dar, geht es doch letztlich um die Aufstellung einer betrieblichen Entgeltordnung zur Aufrechterhaltung der Entgeltgerechtig­ keit22 s Mehrfach wird angeordnet, daß die nach § 99 Abs. 1 BetrVG 1 972 vorge­ schriebene Unterrichtung schriftlich zu erfolgen habe oder daß das Ergebnis der Eingruppierung schriftlich niederzulegen sei. Darin dürfte (noch) eine Konkretisierung des gesetzlichen Beteiligungstatbestandes zu sehen sein. Beschränkungen der Betriebsratsrechte bei Eingruppierungen dürften allerdings solche Tarifbestimmungen mit sich bringen, die bei Meinungsver­ schiedenheiten zwischen Arbeitgeber über Ein- oder Umgruppierungen zwingend die Hinzuziehung der beiderseitigen Organisationsvertreter vor­ schreiben. Diese Regelungen erscheinen allerdings ganz sinnvoll, wenn dadurch noch vor Durchführung der aufwendigen Verfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG 1 972 (Zustimmungsersetzungsverfahren), § 100 BetrVG 1972 (Dringlichkeitsverfahren) oder § 101 BetrVG 1972 (Mitbestimmungssiche­ rungsverfahren) die Beilegung von Meinungsverschiedenheiten möglich ist. Das gilt besonders dann, wenn es etwa um die Interpretation abstrakter tarifvertraglicher Vergütungsgruppenregelungen geht. Hier sind die Ver­ tragschließenden die berufenen Kommentatoren der von ihnen getroffenen Vertragsbestimmungen. Besonders häufig - 16 (9) Fälle - sind Tarifregelungen, die eine Eingrup­ pierung an ein Einvernehmen mit dem Betriebsrat, also eine positive 226 Wegen § 99 Abs. 1 BetrVG 1972 (hinsichtlich Umgruppierungen) s. unten c). 227 BAG vom 22. März 1983, AP Nr. 6 zu § 1 0 1 BetrVG 1972 (Bl. 3) mit Anm. von Löwisch; BAG vom 3 1 . März 1983, AP Nr. 2 7 zu § 1 1 8 BetrVG 1972 (Bl. 5) mit Anm. von Misera. 228 Vgl. dazu Löwisch, in: Galperin / Löwisch, BetrVG, § 87 RdNr. 2 1 8 .

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Zustimmung, knüpfen. 22 9 Zwar enthält § 99 Abs. 1 BetrVG 1 9 7 2 gegenüber der Regelung unter Geltung des BetrVG 1 9 5 2 nunmehr selbst ein positives Zustimmungsrecht. Gleichwohl gehen die angesprochenen Regelungen über § 99 BetrVG 1972 insoweit hinaus, als sie für eine Beteiligung bei Eingrup­ pierungen weder einen Betrieb mit in der Regel mehr als zwanzig wahlbe­ rechtigten Arbeitnehmern noch eine Bindung einer Zustimmungsverweige­ rung an das Vorliegen besonderer Verweigerungsgründe (vgl. demgegenüber § 99 Abs. 2 BetrVG 1 9 72 ! ) vorsehen. Ebensowenig wie das gesetzliche Zustimmungsrecht ist aber das tarifvertraglich vorgesehene Einvernehmen Wirksamkeitsvoraussetzung einer Eingruppierung. Aus der Natur dieser personellen Maßnahme heraus kann es sich bei der Beteiligung des Betriebs­ rats stets nur um ein Mitbeurteilungs-, nicht aber um ein Mitgestaltungs­ recht handeln. 230 Der Betriebsrat hat bei personellen Einzelmaßnahmen - wie bereits er­ wähnt - kein Initiativrecht. 23 1 Demgegenüber bestimmt eine Tarifregelung, daß zur Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat über eine Höhereinstufung um eine Hauptlohngruppe die Einigungsstelle „nach § 76 Ziff. 5 BetrVG verbindlich" zu entscheiden habe. Nach § 76 Abs. 5 BetrVG 1972 wird die Einigungsstelle aber auch auf Antrag des Betriebsrats tätig. Nach § 86 BetrVG 1 9 7 2 können unter anderem durch Tarifvertrag die Einzelheiten des betrieblichen Beschwerdeverfahrens geregelt werden. Dabei kann bestimmt werden, daß über die Berechtigung einer Beschwerde anstelle der Einigungsstelle eine betriebliche Beschwerdestelle zu entschei­ den hat. Von dieser Möglichkeit wird auf dem Gebiete der Eingruppierung, aber auch der Umgruppierung, öfters Gebrauch gemacht. Beispiel für meh­ rere gleichlautende Regelungen: ,,Jede Eingruppierung ist dem Angestellten schriftlich mitzuteilen. Jede Eingrup­ pierung und Umgruppierung ist unter Angabe der Tätigkeitsbezeichnung ferner dem Betriebsrat und einer paritätischen Kommission schriftlich mitzuteilen. Diese Kommission besteht aus je 2 bis 3 vom Arbeitgeber und vom Betriebsrat benannten Angestellten des Betriebs.Für die Mitwirkung des Betriebsrats bei der Eingruppie­ rung und Umgruppierung gelten die gesetzlichen Vorschriften . .. Gegen eine Ein­ gruppierung oder Umgruppierung kann vom Angestellten oder vom Betriebsrat Einspruch bei der paritätischen Kommission eingelegt werden. "

229 Vgl.etwa die bei Raane, Das Mitbestimmungsgespräch 1981, 286 (287) genann­ ten Bestimmungen für die holzverarbeitende Industrie in Schleswig-Holstein, Nieder­ sachsen, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg. 2 3 0 So zum Zustimmungsrecht aus § 99 Abs. 1 BetrVG 1972 die bereits erwähnten Entscheidungen des BAG vom 22. März 1983, AP Nr. 6 zu § 101 BetrVG 1972 (Bl. 3) mit Anm. von Löwisch, und vom 3 1. Mai 1983 , AP Nr.27 zu § 118 BetrVG 1972 (Bl.5) mit Anm.von Misera. 2 3 1 Vgl.Richardi, in: Dietz / Richardi, BetrVG, § 99 RdNr. 143.

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Meistens wird dann weiter bestimmt, daß die Kommission das Recht habe, beim Arbeitgeber eine Änderung der Eingruppierung bzw. Umgruppierung zu beantragen. Für den Nichteinigungsfall wird überwiegend vorgesehen, daß Vertreter der tarifvertragschließenden Parteien zur Beilegung des Kon­ flikts zugezogen werden sollen. Bei diesen betrieblichen Beanstandungsver­ fahren dürfte es sich um Konkretisierungen der Beteiligungsrechte des Betriebsrats nach dem Gesetz handeln. In allen Fällen geht es um eine Modalität der Beteiligung bei Ein- und Umgruppierungen. Mit dem Verweis auf die „gesetzlichen Vorschriften" in der zitierten Regelung wird insbeson­ dere klargestellt, daß die Tätigkeit der Kommission (nach anderen Bestim­ mungen braucht derartigen Kommissionen überhaupt kein Betriebsratsmit­ glied anzugehören) die. Beteiligung des Betriebsrats nach §§ 99 ff. BetrVG 1972 nicht ersetzen soll, _sondern ihr nur vorgeschaltet werden kann. c) Umgruppierung

Das gesetzliche Beteiligungsrecht des Betriebsrats ist bei Umgruppierun­ gen ebenso ausgeschaltet wie jenes bei Einstellungen (Ausnahme: § 99 Abs. 1 Satz 2 BetrVG 1972) und Eingruppierungen (vgl. § 99 BetrVG 1972). Unter „Umgruppierung" ist die Änderung der Einreihung im Rahmen des maßgeblichen Entgeltschemas zu verstehen. 232 Die Änderung der Einrei­ hung wird dabei häufig durch eine Veränderung der Tätigkeit des Arbeit­ nehmers ausgelöst. 233 Eine nach § 99 BetrVG 1972 beteiligungspflichtige Umgruppierung liegt naturgemäß nicht vor, wenn es an einer maßgebenden kollektiven Entgeltgruppe fehlt. Hier ist die Lage also nicht anders wie bei der Eingruppierung: Selbst soweit die dort angesprochenen Tarifregelungen die Beteiligung des Betriebsrats an der individuellen Änderung des Entgelts eines Arbeitnehmers wegen der Veränderung seiner Tätigkeit (etwa weil er erst während seiner Beschäftigung minderleistungsfähig wird) vorsehen, wäre diese Entgeltänderung nach dem Gesetz auch keine beteiligungs­ pflichtige Umgruppierung. 23 4 Abgesehen davon, daß die Umgruppierung in einer Höher- oder Rückstu­ fung bestehen kann, handelt es sich im übrigen um den gleichen Vorgang wie bei der Eingruppierung235 . Daher wirft sie auch ähnliche Rechtsfragen wie diese auf. Auch die tarifvertraglichen Regelungen zu Umgruppierungen ent232 Das ist der Kern der überwiegend vertretenen Definitionen, vgl. Kraft, in: GK­ BetrVG, § 99 RdNr. 35 mit Nachw. 2 33 Vgl. Löwisch, in: Galperin / Löwisch, BetrVG, § 99 RdNr. 33. 234 H.M., vgl. Kraft, in: GK-BetrVG, § 99 RdNr. 4 1 ; Richardi, in: Dietz / Richardi, BetrVG, § 99 RdNr. 68; Schlochauer, in: Kammann / Hess / Schlochauer, BetrVG, § 99 RdNr. 34. 235 Richardi, in: Dietz / Richardi, BetrVG, § 99 RdNr. 53.

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sprechen denen zu Eingruppierungen. So finden sich etwa auch hier mehr­ fach Bestimmungen, nach denen das Zustimmungsrecht des Betriebsrats nicht der Bindung nach § 99 Abs. 2 BetrVG 1972 unterliegt. Auch hinsicht­ lich der Umgruppierung handelt es sich allerdings weder bei der gesetzlich noch der tarifvertraglich vorgesehenen Zustimmung um eine Wirksamkeits­ voraussetzung dieser personellen Maßnahme. Wie bei der Eingruppierung liegt vielmehr nur ein Mitbeurteilungsrecht vor. 236 Zur Vermeidung von Wiederholungen sollen im folgenden nur einige speziell die Umgruppierung betreffende Regelungen herausgegriffen werden. Zweifelhaft kann sein, ob eine Umgruppierung vorliegt, wenn die nach einem Tarifvertrag allgemein vorgesehene Gehaltssteigerung einem bestimmten Arbeitnehmer vom Arbeitgeber nicht gewährt wird, weil er die dafür im Tarifvertrag vorgesehenen Voraussetzungen nicht erfüllt: Gegen eine Umgruppierung spricht, daß der Arbeitnehmer von der Entgeltände­ rung tarifrechtlich gar nicht erfaßt wird, sich also auch nicht die Notwen­ digkeit einer Neueinstufung ergibt. Insbesondere handelt es sich nicht um die Übertragung einer niedriger zu bewertenden Tätigkeit. Auch betreffen die allgemein vorgesehenen Entgeltsteigerungen dieselbe Vergütungs­ gruppe. Andererseits entfaltet das Mitbeurteilungsrecht des Betriebsrats bei Umgruppierungen seine Bedeutung gerade dann, wenn mit dieser personel­ len Maßnahme keine Änderung der Tätigkeit des Arbeitnehmers verbunden ist, weil darin für den Arbeitnehmer mehr Mißtrauen in die Richtigkeit der Einstufung als sonst bestehen wird. 237 Aus § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG 197 2 folgt insbesondere, daß der Betriebsrat auch bei der Einstufung unter ande­ rem auf deren tarifvertragliche Zulässigkeit achtet : Für die •Mitbeurtei­ lungsnotwendigkeit macht es in der Sache keinen Unterschied, ob der Arbeitgeber eine Rückstufung vornimmt oder die ursprüngliche Einstufung bestätigt, indem er einen Arbeitnehmer bei allgemeiner Entgeltsteigerung unter Berufung auf tarifvertragliche Ausnahmeregelungen übergeht. Jeden­ falls bestimmen mehrere Tarifverträge, daß der Betriebsrat auch dann zu beteiligen ist, wenn der Arbeitgeber von einer Gehaltssteigerung ausnahms­ weise absehen will, weil er dies in concreto für tarifvertraglich zulässig erachtet. Ob eine „ Beförderung" eine Umgruppierung bedeutet, hängt allein davon ab, ob der Arbeitnehmer dadurch in eine andere Entgeltgruppe fällt . 238 Unabhängig von dieser Voraussetzung bestimmt aber etwa § 16 Nr. 3 a) des Manteltarifvertrages für die Zigarettenindustrie in der Bundesrepublik Deutschland und West-Berlin vom 18. Dezember 197 5, daß Beförderungen s. oben b) mit Fn. 227. Vgl.Richardi, in : Dietz/Richardi, BetrVG, § 99 RdNr.55 ; zustimmend Söllner, in : 25 Jahre Bundesarbeitsgericht, 1979, S.605 (609 f.). 238 Vgl. Richardi, in : Dietz/Richardi, BetrVG, § 99 RdNr.57. 236

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dem Betriebsrat mitzuteilen sind. 239 Damit besteht also auch hinsichtlich beteiligungsfreier Beförderungen wenigstens ein Unterrichtungsanspruch. Kontrovers sind die Ansichten zu der Frage, ob eine Umgruppierung im Sinne von § 99 Abs. 1 BetrVG 1972 auch dann vorliegt, wenn ein Arbeitneh­ mer ohne Zuweisung einer anderen Tätigkeit durch den Arbeitgeber in eine andere Entgeltgruppe „hineinwächst" , weil sich die Tätigkeit in ihrer Bedeutung oder in ihrem Umfang ändert. 240 Das Bundesarbeitsgericht und die herrschende Literatur haben die Frage verneint. 241 Mehrere Tarifrege­ lungen schließen hier einen Kompromiß : Sie bestimmen, daß der Anspruch auf die Zahlung gemäß einer höheren oder niedrigeren Entgeltgruppe nicht ausgelöst wird, wenn die höher- oder geringwertigere Tätigkeit einen bestimmten Mindestzeitraum nicht überschreitet. Solange liegt also sicher noch keine Umgruppierung vor. 242 Für die Zeit danach, in welcher nach herrschender Meinung das Hineingewachsensein in eine andere Vergü­ tungsgruppe keine beteiligungspflichtige Umgruppierung darstellen soll, wird dann entweder vorgeschrieben, daß nunmehr das Entgelt aus der ande­ ren Vergütungsgruppe zu bezahlen oder unter Beteiligung des Betriebsrats das angemessene Entgelt festzusetzen ist. Diese Beteiligung füllt dann die Lücke, welche § 99 Abs. 1 BetrVG 1972 - jedenfalls wenn man der herr­ schenden Meinung folgt - aufweist, wenn die Änderung der Tätigkeit des Arbeitnehmers nicht auf eine Maßnahme des Arbeitgebers zurückgeht. d) Versetzung

§§ 99 und 104 BetrVG 1 9 7 2 regeln die gesetzliche Beteiligung des Betriebsrats bei Versetzungen. Gemäß § 99 Abs. 1 Satz 1 , Satz 2 BetrVG 1972 muß ihn der Arbeitgeber über die geplante Versetzung unterrichten und seine Zustimmung dazu einholen. Nach § 104 Satz 1 BetrVG 1 9 7 2 kann der Betriebsrat vom Arbeitgeber die Versetzung eines betriebsstörenden Arbeitnehmers verlangen. „Versetzung" im Sinne des BetrVG 1 9 7 2 ist die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs, die voraussichtlich die Dauer von einem Monat überschrei­ tet oder die mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, 239 Regelung abgedruckt in der Tarifsammlung des Bayerischen Staatsministe­ riums für Arbeit und soziale Fürsorge, TR 19 - 300 a 8. 240 Vgl. zur Darstellung des Streitstandes mit Nachw. Richardi, in: Dietz / Richardi, BetrVG, § 99 RdNrn. 60 ff. 241 BAG vom 4. Oktober 1981, AP Nr. 49 zu § 22, 23 BAT 1975 (Bl. 3 Rücks.) mit Anm. von Clemens, und BAG vom 2. Dezember 1981, AP Nr. 52 zu § 22, 23 BAT 1975 (Bl. 5). So auch Löwisch, in: Galperin / Löwisch, BetrVG, § 99 Rdnr. 3 5 ; Schlochauer, in: Kammann / Hess / Schlochauer, BetrVG, § 99 RdNr. 3 3 ; Stege I Weinspach, BetrVG, §§ 99 - 1 0 1 RdNr. 129 f. A.A. BVerwG vom 1 7 . April 1970, AP Nr. 10 zu § 7 1 PersVG (Bl.1 Rücks.) ; Fitting I Auffarth I Kaiser, BetrVG, § 9 9 RdNr. 1 6 ; Richardi, in: Dietz / Richardi, BetrVG, § 99 RdNr. 60 ff. 242 Vgl. Löwisch, in: Galperin / Löwisch, BetrVG, § 99 RdNr. 34.

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unter denen die Arbeit zu leisten ist. Werden Arbeitnehmer nach der Eigen­ art ihres Arbeitsverhältnisses üblicherweise nicht ständig an einem bestimmten Arbeitsplatz beschäftigt, so gilt die Bestimmung des jeweiligen Arbeitsplatzes nicht als Versetzung (§ 95 Abs. 3 BetrVG 1 9 7 2). Selbst diese Legaldefinition kann in der betrieblichen Praxis unter Umständen noch zu Zweifeln an der Beteiligungspflichtigkeit einer Maßnahme des Arbeitgebers führen. Mehrere Tarifregelungen vermeiden es, die Beteiligung des Be­ triebsrats an einen Wechsel des „Arbeitsbereiches" zu knüpfen. Sie ziehen es vor, typische Versetzungsanlässe (etwa Betriebsstörungen, drohende Kurzarbeit, Minderleistungsfähigkeit von Arbeitnehmern) herauszugreifen, um dann konkrete Reaktionen des Arbeitgebers darauf einer Beteiligungs­ pflicht zu unterstellen. So werden etwa Zuweisungen eines anderen Arbeits­ platzes, schlechter bezahlter oder anderer Arbeiten einer Beteiligung unter­ stellt. Meistens wird dabei bereits das gesetzliche Beteiligungsrecht greifen. In manchen Fällen werden aber auch kürzerfristige (unter einem Monat lie­ gende) Zuweisungen eines anderen Arbeitsbereichs erfaßt, die auch nicht eine erhebliche Änderung der Arbeitsumstände zur Folge haben. Dadurch können im Einzelfall auch die an sich allein vom Direktionsrecht des Arbeitgebers abhängigen Umsetzungen243 beteiligungspflichtig werden. Nach einer Tarifbestimmung soll sogar ausdrücklich jede „Umsetzung" nur nach vorheriger Anhörung des Betriebsrats erfolgen können. Fälle der nicht ständigen Beschäftigung an einem bestimmten Arbeits­ platz im Sinne von § 95 Abs. 3 Satz 2 BetrVG 1972 sind vor allem der Arbeitseinsatz von Montagearbeitern, Bauarbeitern und angestellten Rei­ senden. 2 44 In der Bestimmung ihres jeweiligen Arbeitsplatzes liegt nach dem Gesetz keine Versetzung. Einschlägige Tarifverträge stellen das hin und wieder klar, wenn sie bestimmen, daß bei einer Entsendung anders als bei einer Versetzung gesetzliche Beteiligungsrechte des Betriebsrats nicht zu beachten sind. Eine „Beförderung" stellt nur dann eine Versetzung dar, wenn mit ihr die Zuweisung eines anderen Tätigkeitsbereichs verbunden ist; 245 es genügt etwa nicht, daß ein Vorarbeiter zum Werkmeister nur „ernannt" wird. 24 6 Nach § 1 6 Nr. 3 a) des Manteltarifvertrages für die Zigarettenindustrie in der Bundesrepublik Deutschland und West-Berlin vom 18. Dezember 1 9 7 5 ist demgegenüber jede Beförderung dem Betriebsrat wenigstens mitzutei­ len. 24 7 Nämlicher Tarifvertrag bestimmt in § 16 Nr. 3 b) auch : 243 Vgl. Fitting / Auffarth / Kaiser, BetrVG, § 99 RdNr. 26. 244 Vgl. Stege / Weinspach, BetrVG, §§ 99 - 101 RdNr. 168 . 24 5 Löwisch, in: Galperin / Löwisch, BetrVG, § 99 RdNr. 26 ; Richardi, in: Dietz / Richardi, BetrVG, § 99 RdNr. 80. 246 Richardi, in: Dietz / Richardi, BetrVG, § 99 RdNr. 80. 247 Regelung abgedruckt in der Tarifsammlung des Bayerischen Staatsministe­ riums für Arbeit und soziale Fürsorge, TR 19 - 300 a 8 .

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,,Versetzungen und das Anlernen von Zigarettenmaschinenführern, Packmaschinen­ errichtern und Errichtern der Kartonagenabteilung erfolgen im Einvernehmen mit dem Betriebsrat. Wenn Einvernehmen nicht erzielt werden kann, entscheidet die Schiedsstelle (§ 17 Nr. 2) verbindlich." (Die Schiedsstelle besteht aus zwei Arbeitgeber- und zwei Arbeitnehmer­ vertretern. Der Vorsitz wechselt von Fall zu Fall zwischen den Parteien. Entscheidungen ergehen mit einfacher Mehrheit ; der jeweilige Vorsitzende hat dabei zwei Stimmen). 24 8 Das nach dieser Regelung vorgesehene Einver­ nehmen des Betriebsrats dürfte entsprechend der Entscheidung des Bundes­ arbeitsgerichts zu tarifvertraglichen Zustimmungserfordernissen bei Ein­ stellungen249 keine Wirksamkeitsvoraussetzung für Versetzungen der in der Regelung genannten Arbeitnehmer sein und insoweit auch nicht über das Gesetz hinausgehen. 2 50 Die Bestimmung modifiziert das Gesetz allerdings insoweit, als anstelle des Zustimmungsersetzungsverfahrens nach § 99 Abs. 4 BetrVG 1 9 7 2 vor dem Arbeitsgericht eine Schiedsstelle verbindlich über Versetzungen entscheidet. Insbesondere wird der Betriebsrat nicht auf die Zustimmungverweigerungsgründe nach § 99 Abs. 2 BetrVG 19 7 2 be­ schränkt. e) Kündigung

§§ 1 0 2 , 103, 104 BetrVG 1 9 7 2 , § 3 KSchG und § 8 Abs. 1 AFG regeln die gesetzliche Beteiligung des Betriebsrats bei Kündigungen. Nach § 102 Abs. 1 BetrVG 1972 hat der Betriebsrat vor jeder Kündigung ein als Wirksam­ keitsvoraussetzung ausgestaltetes Anhörungsrecht sowie nach Abs. 3 dieser Vorschrift ein Widerspruchsrecht, das nach Abs. 5 einen Weiterbeschäfti­ gungsanspruch während eines Kündigungsschutzprozesses begründen kann. Nach § 102 Abs. 7 BetrVG 1 9 72 bleiben die Vorschriften über die Beteiligung des Betriebsrats nach dem KSchG und § 8 Abs. 1 AFG unbe­ rührt. Nach § 3 Satz 3 KSchG kann der gekündigte Arbeitnehmer einen Ver­ mittlungsversuch und eine Stellungnahme des Betriebsrats zu seinem Kün­ digungseinspruch erreichen. Nach § 17 Abs. 3 KSchG hat der Arbeitgeber den Betriebsrat über eine geplante Massenentlassung zu unterrichten. Nach § 1 7 Abs. 3 Satz 2 KSchG ist der Anzeige von einer Massenentlassung die 248 § 16 Nr. 3 b) und § 17 Nr. 2, abgedruckt in der Tarifsammlung des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und soziale Fürsorge, TR 19 - 300 a 8. Inhaltswieder­ gabe der Regelungen bei Zachert, Tarifvertrag, 1979, S.141. 249 BAG vom 2. Juli 1980, AP Nr. 5 zu § 101 BetrVG 1972 (Bl. 2 Rücks.) mit Anm. von Misera. Zur tarifrechtlichen Problematik dieser Entscheidung s. aber unten § 14 I. 250 Wie hier für die gesetzlich vorgesehene Zustimmung bei Einstellungen BAG vom 2.Juli 1980, AP Nr. 9 zu Art. 33 Abs.2 GG (Bl. 3 f.) mit Anm. von Misera in AP Nr. 5 zu § 101 BetrVG 1972.Auch Stege / Weinspach, BetrVG, §§ 99 - 101 RdNr. 152, übertragen diese Entscheidung auf Versetzungen. Vgl. ferner Richardi, in: Dietz / Richardi, BetrVG, § 99 RdNr. 238 (Zustimmung des Betriebsrats rechtsdogmatisch keine Wirksamkeitsvoraussetzung).

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Stellungnahme des Betriebsrats beizufügen. Nach § 8 Abs. 1 AFG ist der Arbeitgeber verpflichtet, dem Präsidenten des Landesarbeitsamts unver­ züglich schriftlich Mitteilung zu machen, wenn erkennbare Veränderungen des Betriebs innerhalb der nächsten zwölf Monate voraussichtlich zu Mas­ senentlassungen führen werden. Auch dieser Mitteilung ist eine Stellung­ nahme des Betriebsrats beizufügen. Nach § 104 Satz 1 BetrVG 1972 schließ­ lich kann der Betriebsrat vom Arbeitgeber die Entlassung eines betriebsstö­ renden Arbeitnehmers verlangen. Mehrere Tarifregelungen betreffen das Anhörungsrecht des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 BetrVG 1972. Vereinzelt wird bestimmt, daß der Arbeitge­ ber dem Betriebsrat vor einer geplanten Kündigung Gelegenheit zur Stel­ lungnahme zu geben oder sogar mit ihm darüber zu beraten hat. Eine Bera­ tung mit dem Betriebsrat verlangt das Gesetz nicht. 251 Anhörung im Sinne des § 102 Abs. 1 BetrVG 1972 ist zwar mehr als bloße Information, jedoch weniger als Beratung. 252 Zum Teil wird aber ein Erörterungsanspruch des Betriebsrats aus dem Gebot vertrauensvoller Zusammenarbeit (vgl. §§ 2 Abs. 1, 74 Abs. 1 Satz 2 BetrVG 1972) hergeleitet. 253 Während nach dem Gesetz die Anhörung vor jeder - auch der außerordentlichen - Kündigung zu erfolgen hat, 254 wird vereinzelt bestimmt, daß mündlich ausgesprochene fristlose Entlassungen dem Betriebsrat lediglich nachträglich mitzuteilen sind. Die in der Literatur von wenigen Autoren vertretene Auffassung, daß in Fällen grober Vertragsverletzungen des Arbeitnehmers die Anhörung des Betriebsrats vor Ausspruch der Kündigung unzumutbar und deshalb die Berufung auf die fehlende Anhörung im Kündigungsschutzprozeß rechts­ mißbräuchlich sei, 2 5 5 hat sich nicht durchsetzen können. Überwiegend wird angenommen, daß in solchen Fällen das Anhörungsverfahren durchzufüh­ ren sei, der Arbeitnehmer aber vorläufig von der Arbeit suspendiert werden könne. 256 Löwisch erwägt allerdings, ob nicht beim Vorliegen sachlicher vernünftiger Gründe tarifvertraglich die nachträgliche Durchführung des Anhörungsverfahrens vorgesehen werden kann. Dabei hat er zwar die ordentliche Kündigung in der Bauwirtschaft im Auge, bei der die Kündi251 Löwisch, in: Galperin / Löwisch, BetrVG, § 102 RdNr. 40; Meisel, Die Mitwir­ kung und Mitbestimmung des Betriebsrats in personellen Angelegenheiten, 5. Aufl. 1984, RdNr. 454. 2 5 2 Kraft, in: GK-BetrVG, § 102 RdNr. 1 6 mit weiteren Nachw. 253 So etwa von Kraft, in: GK-BetrVG, § 102 RdNr. 16 mit weiteren Nachw. 254 BAG vom 28. Februar 1974, AP Nr. 2 zu § 102 BetrVG 1972 (Bl. 2 f.) mit Anm. von Richardi. 255 Nachw. bei Löwisch, in: Galperin / Löwisch, BetrVG, § 102 RdNr. 50. 2 5 6 Vgl. Löwisch, in: Galperin / Löwisch, BetrVG, § 102 RdNr. 50 mit weiteren Nachw. Im einzelnen divergieren die Ansichten, insbes. dazu, ob das Entgelt fortzu­ zahlen ist und ab wann die Freistellung einsetzt (vor oder nach Einleitung des Anhö­ rungsverfahrens). Dem soll hier nicht weiter nachgegangen werden; vgl. dazu Meisel, Die Mitwirkung und Mitbestimmung des Betriebsrats in personellen Angelegenhei­ ten, 5. Aufl. 1 984, RdNm. 449 und 482 mit Fn. 362.

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gungsfristen zum Teil schon kürzer seien als die in § 102 Abs. 2 BetrVG 19 7 2 vorgesehene Anhörungsfrist. 257 Entsprechendes muß dann aber erst recht für die fristlose Kündigung gelten. § 102 BetrVG 1 9 7 2 setzt nicht voraus, daß Kündigungen der Zustimmung des Betriebsrats bedürfen. Nach § 102 Abs. 6 BetrVG 19 7 2 können Arbeit­ geber und Betriebsrat allerdings ein derartiges Zustimmungserfordernis vereinbaren und bestimmen, daß bei Meinungsverschiedenheiten über die Berechtigung der Nichterteilung der Zustimmung die Einigungsstelle ent­ scheidet. Daß eine entsprechende Regelung auch durch Tarifvertrag getrof­ fen werden kann, sieht das Gesetz aber nicht vor. Ungeachtet dessen gibt es eine ganze Reihe von Tarifverträgen, welche Kündigungen einem Zustim­ mungsrecht des Betriebsrats unterwerfen. Dabei lassen sich drei wesent­ liche Fallgruppen feststellen: Relativ selten sind Regelungen, die jede Kün­ digung, gleichgültig gegenüber welchem Arbeitnehmer, von einer Zustim­ mung des Betriebsrats abhängig machen. So bestimmt etwa § 16 Nr. 1 in Verbindung mit § 17 Nr. 2 des Manteltarifvertrages für die Zigarettenindu­ strie in der Bundesrepublik Deutschland und West-Berlin vom 18 . Dezem­ ber 1 9 7 5 unter anderem, daß Entlassungen von Arbeitnehmern nur in Über­ einstimmung zwischen Betriebsleitung und Betriebsrat erfolgen dürfen und im Streitfalle eine paritätisch besetzte Schiedsstelle zu entscheiden habe. 258 Häufiger sind die Bestimmungen, in denen besondere Zulässigkeitsvoraus­ setzungen einer Kündigung geregelt werden und welche in diesem Zusam­ menhang ein Zustimmungsrecht des Betriebsrats vorsehen. Beispiel: „Bei einer wesentlichen Verringerung der Leistungsfähigkeit kann, auch ohne daß die Voraussetzungen für eine Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsrente vorliegen, eine Änderungskündigung mit dem Ziel der Weiterbeschäftigung auf einem geeig­ neten Arbeitsplatz im Einvernehmen mit dem Betriebsrat ausgesprochen werden." Am meisten verbreitet sind solche Regelungen, die eine ordentliche Kündbarkeit Angehöriger bestimmter Arbeitnehmergruppen, vor allem älterer Arbeitnehmer, grundsätzlich ausschließen und nur noch für bestimmte Fälle (,.Betriebsstillegung" , ,.sachlich begründete Fälle ") und/oder mit Zustim­ mung des Betriebsrats zulassen. Nach einem vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung im Jahre 1 9 84 herausgegebenen Forschungsbericht über Kündigungsschutz und Kündigungspraxis in der Bundesrepublik Deutsch­ land konnten in 3 1 2 analysierten repräsentativen Tarifverträgen allein 2 7 derartige Regelungen ermittelt werden. 2 5 9 Tarifregelungen, welche eine 257

Löwisch, in: Galperin / Löwisch, BetrVG, § 102 RdNr.52.

Regelungen abgedruckt in der Tarifsammlung des Bayerischen Staatsministe­ riums für Arbeit und soziale Fürsorge, TR 1 9 - 300 a 8.Inhaltswiedergabe bei Zachert, Tarifvertrag, 1 9 7 9 , S. 1 4 1 . 259 Falke / Höland / Rhode / Zimmermann, in: Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung (Hrsg.), Forschungsbericht Kündigungspraxis und Kündigungsschutz in der Bundesrepublik Deutschland Bd.II, 1 984, S. 948. 258

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Zustimmung des Betriebsrats zu Kündigungen erfordern, dürften als tarif­ vertragliche Beendigungsnormen260 (vgl. § 1 Abs. 1 TVG) mit unmittelbarer (normativer) und zwingender Wirkung (vgl. § 4 Abs. 1 TVG) zu qualifizieren sein, welche die Beteiligung des Betriebsrats in den Rang einer (tarifrecht­ lichen) Wirksamkeitsvoraussetzung261 erheben. Einer solchen Beurteilung steht auch nicht die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 2. Juli 1980 entgegen, nach der eine tarifvertraglich vorgesehene Zustimmung des Betriebsrats zu Einstellungen kein Wirksamkeitserfordernis sein soll. 262 Schließlich finden sich auch andere tarifrechtliche Erschwerungen der Kündbarkeit von Arbeitnehmern, in denen zwar nicht die Zustimmung des Betriebsrats zu Kündigungen, aber seine Beteiligung an der Beseitigung anderer Kündigungshemmnisse vorgesehen ist. So können etwa nach einer Regelung Arbeiter, die 20 Jahre ununterbrochen bergbaulichen Betrieben angehören und mindestens 45 Jahre alt sind, nur entlassen werden, wenn zuvor ein Interessenausgleich zustande gekommen ist, wobei der Betriebsrat wegen des Interessenausgleichs gehört werden muß. Das BetrVG 1972 sieht keine Beteiligung des Betriebsrats in Fällen, in denen das Arbeitsverhältnis aus anderen Gründen als durch Kündigung sei­ tens des Arbeitgebers endet, vor. Das gilt insbesondere hinsichtlich des Zeit­ ablaufs zulässig befristeter Arbeitsverhältnisse. 2 6 3 Tarifverträge im Bauge­ werbe, die zum Teil vorsehen, daß eine Befristung von Arbeitsverhältnissen „zum Saisonschluß" zulässig ist, verlangen allerdings, daß die „Festsetzung des Saisonschlusses" im Einvernehmen mit dem Betriebsrat zu erfolgen hat. VIII. Regelungen über die Beteiligung des Betriebsrats in wirtschaftlichen Angelegenheiten und Rationalisierungsschutzfragen

Lediglich 21 (17) = 2,18 % (4,04 %) der Tarifregelungen betreffen Beteili­ gungsrechte des Betriebsrats in wirtschaftlichen Angelegenheiten im Sinne der §§ 106 - 113 BetrVG 1972 oder stehen im Zusammenhang mit Vorschrif­ ten über den Schutz von Arbeitnehmern vor Rationalisierungen. Vorschrif­ ten letztgenannter Art beziehen sich zwar zumeist auf personelle Folgen von Rationalisierungen, Da Rationalisierungsvorhaben aber in § 106 Abs. 3 Nr. So auch Wiedemann / Stumpf, TVG, § 1 RdNr. 239. Für Betriebsvereinbarungen nach § 102 Abs. 6 BetrVG 1972 ist das allgemeine Meinung, vgl. nur Meisel, Die Mitwirkung und Mitbestimmung des Betriebsrats in personellen Angelegenheiten, 5. Aufl. 1984, RdNr. 637. 262 BAG vom 2 . Juli 1980, AP Nr. 5 zu § 1 0 1 BetrVG 1972 (Bl. 2 Rücks. ff.) mit Anm. von Misera (Begründung unten § 14 I.). 2 6 3 H.M., vgl. nur Fitting / Auffarth / Kaiser, BetrVG, § 102 RdNr. 10, und Meisel, Die Mitwirkung und Mitbestimmung des Betriebsrats in personellen Angelegenhei­ ten, 5. Aufl. 1984, RdNr. 393. 260

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III. Teil: Tatsächliche Erscheinungsformen

4 BetrVG 1972 ausdrücklich zu den wirtschaftlichen Angelegenheiten im Sinne dieser Vorschrift gezählt werden und sich meistens als geplante Betriebsänclerungen im Sinne des § 111 BetrVG 1972 darstellen, 2 6 3 • erfolgt auch die Untersuchung diesbezüglicher Regelungen in diesem Zusammen­ hang. Überschneidungen zwischen tarifvertraglichen Beteiligungsrechten in wirtschaftlichen Angelegenheiten und anderen Angelegenheiten kommen dabei - wie bei den gesetzlichen Beteiligungsrechten - nicht nur im Bereich der personellen Angelegenheiten, sondern insbesondere auch im Zusam­ menhang mit Fragen der Gestaltung von Arbeitsplatz, Arbeitsablauf und Arbeitsumgebung vor264 . Entscheidend für die Behandlung von Tarifrege­ lungen an dieser Stelle war, daß zumindest auch eine Deckung mit der Ziel­ richtung der § § 106 ff. BetrVG 1972 - Sicherung der wirtschaftlichen Inter­ essen der Arbeitnehmer -265 feststellbar ist. Eine bloße Übernahme oder Beschränkung gesetzlicher Vorschriften erfolgt in keiner Tarifregelung. 18 (14) Regelungen enthalten Konkretisie­ rungen, 12 (8) Erweiterungen. 15 (11) Fälle betreffen Beteiligungsrechte im Rahmen einer vom Tarifvertrag selbst getroffenen Regelung. 7 (7) Bestim­ mungen enthalten Unterrichtungsrechte, 13 (11) Mitwirkungsrechte und 5 (5) Mitbestimmungsrechte. Die weitaus meisten Regelungen fanden sich in Tarifverträgen über den Schutz von Arbeitnehmern vor Rationalisierungen. 1. Unterrichtung in wirtschaftlichen Angelegenheiten

Nach dem Gesetz ist in allen Unternehmen mit in der Regel mehr als ein­ hundert ständig beschäftigten Arbeitnehmern ein Wirtschaftsausschuß zu bilden (§ 106 Abs. 1 Satz 1 BetrVG 1972). Dieser Wirtschaftsausschuß hat eine Doppelfunktion: Er soll die in § 106 Abs. 3 BetrVG 1972 aufgezählten ,,wirtschaftlichen Angelegenheiten" mit dem Unternehmer beraten, ande­ rerseits auch den Betriebsrat unterrichten (§ § 106 Abs. 1 Satz 2, 108 Abs. 4 BetrVG 1972). Der Unternehmer hat den Wirtschaftsausschuß rechtzeitig und umfassend über die wirtschaftlichen Angelegenheiten unter Vorlage 263 a Für umfangreicheren Personalabbau im Zusammenhang mit Rationalisierun­ gen etwa läßt sich dies nun schon aus Abs. 1 Eingangssatz der neuen Vorschrift des § 112 a BetrVG 1972 folgern, wo vorausgesetzt wird, daß eine geplante Betriebsände­ rung im Sinne des § 111 Satz 2 Nr. 1 auch allein in der Entlassung von Arbeitneh­ mern bestehen kann. So auch Fitting I Auffarth I Kaiser / Heither, Nachtrag, § 111 BetrVG RdNr. 19 mit Nachw. der durch § 112a Abs. 1 Eingangssatz BetrVG 1972 bestätigten ständigen Rechtsprechung des BAG. 26 4 Dazu bereits oben VI. Zum Verhältnis der Beteiligungsrechte aus §§ 106 ff. BetrVG 1972 zu anderen gesetzlichen Beteiligungsrechten vgl. etwa Löwisch, in: Gal­ perin / Löwisch, BetrVG, vor § 106 RdNrn. 5 und 6. S.auch Rumpf!, Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten, 2. Aufl. 1978, S. 27 f. 265 Löwisch, in: Galperin / Löwisch, BetrVG, Vorbemerkung vor § 90 RdNr. 2; vgl. auch Richardi, in: Dietz / Richardi, BetrVG, § 90 Vorbern. RdNr. 3; Rumpff, Mitbe­ stimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten, 2. Aufl. 1978, S.35 f.

§ 11 System und Inhalte unter Geltung des BetrVG 1972

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der erforderlichen Unterlagen zu unterrichten (§ 1 0 6 Abs. 2 BetrVG 1972). Zwar werden die Mitglieder des Wirtschaftsausschusses vom Betriebsrat bestimmt (§ 107 Abs. 2 Satz 1 BetrVG 1 9 72 ) ; auch kann der Betriebsrat mit der Mehrheit der Stimmen seiner Mitglieder beschließen, die Aufgaben des Wirtschaftsausschusses einem Ausschuß des Betriebsrats zu übertragen. Nach der Konzeption des Gesetzes aber hat der Betriebsrat als solcher kein Unterrichtungs- oder Beratungsrecht in wirtschaftlichen Angelegenheiten im Sinne des § 106 Abs. 3 BetrVG 1 9 7 2 . Das wirkt sich in Unternehmen, in denen kein Wirtschaftsausschuß gebildet werden kann, dahin aus, daß der Betriebsrat auf Unterrichtungs- oder Beratungsrechte aus § § 90, 92 und 1 1 1 BetrVG 1 9 7 2 angewiesen ist. Diese Beteiligungsrechte können sich zwar im Einzelfall mit dem Regelungsbereich der in § 1 0 6 Abs. 3 BetrVG 1972 aufge­ zählten Gegenstände decken; grundsätzlich haben §§ 90 und 92 BetrVG 1972 aber eine andere Zielrichtung als die Sicherung der wirtschaftlichen Interessen der Arbeitnehmer, worum es bei §§ 106 ff. BetrVG 1 9 7 2 geht, 266 und § 1 1 1 BetrVG 1 9 7 2 knüpft eine Beteiligung an strengere Voraussetzun­ gen (zum Beispiel „wesentliche" oder „ grundlegende" Veränderungen) als § 1 0 6 BetrVG 1 9 7 2 . So nimmt es nicht wunder, daß in der Praxis der Tarif­ verträge - vor allem im Zusammenhang mit Rationalisierungsschutzvor­ schriften - Informations- und Beratungsrechte in wirtschaftlichen Angele­ genheiten im Sinne von § 106 Abs. 3 BetrVG 1 9 7 2 ausdrücklicli auch dem Betriebsrat eingeräumt werden, und zwar zum Teil ohne daß die Vorausset­ zungen entsprechender Beteiligungsrechte nach § § 90, 92 oder 1 1 1 BetrVG 1972 vollständig erfüllt sind. Das betrifft insbesondere Informations- und Beratungsrechte im Zusammenhang mit Rationalisierungsvorhaben (vgl. § 1 0 6 Abs. 3 Nr. 4 BetrVG 1 972). So bestimmt etwa § 1 6 Nr. 4 b) des Mantel­ tarifvertrages für die Zigarettenindustrie in der Bundesrepublik Deutsch­ land und West-Berlin vom 18. Dezember 1 9 75 unter anderem, daß konkrete Rationalisierungsabsichten im technischen oder organisatorischen Bereich rechtzeitig vorher mit dem Betriebsrat zu besprechen sind. 267 Geregelt wer­ den aber auch Beteiligungsrechte im Zusammenhang mit Fabrikations- und Arbeitsmethoden (vgl. § 1 0 6 Abs. 3 Nr. 5 BetrVG 1972). So bestimmt zum Beispiel § 16 Nr. 4 a) des angeführten Manteltarifvertrages für die Zigaret­ tenindustrie unter anderem, daß Betriebsrat bzw. Gesamtbetriebsrat ,,Anspruch auf mindestens jährliche Information über langfristige Tenden­ zen in der technischen Ausrüstung" haben. Eine die Fabrikations- und Arbeitsmethoden betreffende Regelung enthält auch § 15 Nr. 2 Satz 2 des 266 Vgl. Löwisch, in: Galperin / Löwisch, BetrVG, Vorbemerkung vor § 90 RdNr. 2 ; vgl. auch Richardi, in : Dietz / Richardi, BetrVG, § 90 Vorbern. RdNr. 3, un d Rumpf!, Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten, 2 . Aufl. 1978, S. 3 5 f. 267 Regelung abgedruckt in der Tarifsammlung des Bayerischen Staatsministe­ riums für Arbeit und soziale Fürsorge, TR 19 - 300 a 8. Inhaltswiedergabe bei Zachert, Tarifvertrag, 1979, S. 142. Zu dieser Regelung vgl. auch Hagemeier / Kempen / Zachert / Zilius, TVG, § 1 RdNr. 1 7 0 .

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III. Teil: Tatsächliche Erscheinungsformen

Manteltarifvertrages vom 24. März 1979 für gewerbliche Arbeitnehmer, Angestellte und Auszubildende der chemischen Industrie in der Bundesre­ publik Deutschland und im Land Berlin, wo bestimmt wird, daß der Arbeit­ geber den Betriebsrat rechtzeitig über die Planung von technischen Anla­ gen, Arbeitsverfahren, Arbeitsabläufen und Arbeitsplätzen nach Möglich­ keit anhand von Unterlagen zu unterrichten und die vorgesehenen Maßnah­ men mit ihm zu beraten habe. 2 6 8 Bezüglich des Unterrichtungsrechts und der Beratungspflicht ist zwar dem Betriebsrat eine Beteiligung hinsichtlich der genannten Gegenstände schon nach § 90 BetrVG 1972 gesichert. In wirt­ schaftlichen Angelegenheiten (anders § 80 Abs. 2 Satz 2 BetrVG 1972) ist allerdings eine Unterrichtung anhand von Unterlagen lediglich gegenüber dem Wirtschaftsausschuß vorgesehen (vgl. § § 106 Abs. 2, 108 Abs. 3 BetrVG 1972). Unter § 106 Abs. 3 Nr. 5 BetrVG 1972 dürfte auch die Einführung von technischen Überwachungseinrichtungen fallen. 269 Tarifregelungen, die Beteiligungsrechte in diesem Bereich betreffen, wurden bereits oben2 70 behandelt. Darin, daß diese auch dem Betriebsrat Mitwirkungsrechte in Angelegenheiten nach § 106 Abs. 3 Nr. 5 BetrVG 1972 einräumen, liegt allerdings keine Erweiterung dieser Vorschrift, denn der Betriebsrat hat hinsichtlich der Einführung technischer Überwachungseinrichtungen aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG 1972 ein eigenes Mitbestimmungsrecht. Regelungen über Beteiligungsrechte des Wirtschaftsausschusses in wirt­ schaftlichen Angelegenheiten konnten in keinem der ausgewerteten Tarif­ verträge ermittelt werden. 2. Betriebsänderungen

Die Vorschriften der §§ 1 1 1 - 1 1 3 BetrVG 1972 behandeln die Beteili­ gungsrechte des Betriebsrats bei Betriebsänderungen, die wesentliche Nachteile für die Arbeitnehmer zur Folge haben können. Was als Betriebsänderung im Sinne von § 1 1 1 Satz 1 BetrVG 1972 anzuse­ hen ist, wird nach herrschender Meinung im Katalog von Satz 2 dieser Vor­ schrift erschöpfend aufgezählt. 2 7 1 In diesem Zusammenhang ist Abschnitt I. 3. des Tarifvertrages über die Zusammenarbeit von Verlegern und Redak­ teuren in den Pressebetrieben der SPD von 1977 von besonderem Interesse, wo bestimmt wird: 268 Regelung abgedruckt in der Tarifsammlung des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und soziale Fürsorge, TR 11 - 100 ab 50. 269 Vgl. Fitting / Auffarth / Kaiser, BetrVG, § 87 RdNr. 65. 270 s. oben V. 5. 27 1 Vgl. die umfangreichen Nachweise auch der Gegenmeinung bei Richardi, in: Dietz / Richardi, BetrVG, § 111 RdNrn. 17 - 19. Das BAG hat die Frage in seiner Ent­ scheidung vom 17. August 1982, AP Nr. 11 zu § 111 BetrVG 1972 (Bl. 2 Rücks.) mit Anm. von Richardi, ausdrücklich offengelassen. Eingehend Rumpf!, Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten, 2. Aufl. 1978, S. 229 ff.

§ 1 1 System und Inhalte unter Geltung des BetrVG 1972

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,,Eine Änderung der Grundhaltung der Zeitung durch Änderung der Eigentums­ verhältnisse gilt als Maßnahme im Sinne des § 1 1 1 BetrVG 1972. " 272

Nach § 118 Abs. 1 Satz 2 BetrVG 1972 bleibt zwar § 111 BetrVG 1972 auch in Tendenzbetrieben insoweit anwendbar, als darin der Ausgleich oder die Milderung wirtschaftlicher Nachteile für die Arbeitnehmer infolge von Betriebsänderungen geregelt wird. Die Änderung der Grundhaltung einer Zeitung durch Änderung der Eigentumsverhältnisse dürfte aber schwerlich unter die in § 111 Satz 2 BetrVG 1972 genannten Maßnahmen zu subsumie­ ren sein: Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts273 und herr­ schender Meinung in der Literatur274 stellt bereits eine Betriebsveräußerung keine Stillegung des Betriebs im Sinne von § 111 Satz 2 Nr. 1 BetrVG 1972 dar. Der Gesetzgeber hat durch Einfügung des § 6 13a BGB durch § 122 BetrVG 1972 die Rechtsfolgen eines Betriebsübergangs durch Rechtsge­ schäft allgemein geregelt, so daß der Betriebsrat wegen des Betriebsinha­ berwechsels nach dem Gesetz kein Beteiligungsrecht hat. 275 Fraglich ist auch, ob die Änderung der Grundhaltung einer Zeitung sich als grund­ legende Änderung des Betriebszwecks im Sinne von § 111 Satz 2 Nr. 4 BetrVG 1972 darstellt. Dies muß im Hinblick auf den Tendenzschutz nach § 118 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG 1972 aber verneint werden, dessen Sinn es ist, gerade Tendenzänderungen beteiligungsfrei zu halten. 276 Daran kann sich aber nichts ändern, wenn sich die Änderung des Betriebszwecks und der Tendenz decken. Nach Unterrichtung und Beratung über geplante Betriebsänderungen ist im Gesetz ein Interessenausgleich vorgesehen. Dieser kann nach der Kon­ zeption des Gesetzes nur freiwillig zustande kommen. 2 77 Daß ein Interessen­ ausgleich anzustreben ist, folgt aus § 74 Abs. 1 Satz 2 BetrVG 1972 , wonach Arbeitgeber und Betriebsrat über strittige Fragen mit dem ernsten Willen zur Einigung zu verhandeln und Vorschläge für die Beilegung von Mei­ nungsverschiedenheiten zu machen haben. 278 In mehreren Tarifregelungen wird dies lediglich klargestellt, indem Unternehmer und Betriebsrat ver­ pflichtet werden, einen Interessenausgleich zu versuchen. 272 Regelung abgedruckt in RdA 1977, 238. Zu diesem und anderen Tarifverträgen vergleichbaren Inhalts s. Hagemeier / Kempen / Zachert I Zilius, TVG, § 1 RdNr. 172, und Zachert, Tarifvertrag, 1979, S. 156. 273 BAG vom 4. Dezember 1979, AP Nr. 6 zu § 111 BetrVG 1972 (Bl. 2) mit Anm. von Seiter; BAG vom 2 1 . Oktober 1980, AP Nr. 8 zu § 1 1 1 BetrVG 1972 (Bl. 3) mit Anm. von Seiter. Vgl. bereits BAG vom 24. Juli 1979, DB 1980, 1 64. 274 Vgl. die Nachw. bei Richardi, in: Dietz / Richardi, BetrVG, § 1 1 1 RdNr. 84, und Seiter, Betriebsinhaberwechsel, 1980, S. 1 2 1 . 275 Vgl. Richardi, in: Dietz / Richardi, BetrVG, § 1 1 1 RdNr. 84. 276 So auch Rüthers, Tarifmacht und Mitbestimmung in der Presse, 1975, S. 43. 277 Vgl. Fitting / Autfarth / Kaiser / Heither, Nachtrag, §§ 1 1 2 , 1 12a BetrVG RdNr. l; Richardi, in: Dietz / Richardi, BetrVG, § 1 1 2 RdNr. 1 3 ; Rumpf!, Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten, 2. Aufl. 1978, S. 286. 278 Wohl auch Fitting / Autfarth / Kaiser / Heither, Nachtrag, § § 1 1 2 , 1 12a BetrVG, RdNr. 5. 1 3 Spilger

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III. Teil: Tatsächliche Erscheinungsformen 3. Rationalisierungsschutzfragen

Abkommen zum Schutz von Arbeitnehmern vor Rationalisierungen oder entsprechende Vorschriften als Teil anderer Tarifverträge enthalten regel­ mäßig die Feststellung eines Sachverhalts der Rationalisierung aufgrund bestimmter arbeitsorganisatorischer, ablauftechnischer oder technologi­ scher Änderungen. 279 Ein gutes - weil typisches - Beispiel für die Umschrei­ bung des Rationalisierungsbegriffs bietet § 13 I des Manteltarifvertrages vom 24. März 1979 für gewerbliche Arbeitnehmer, Angestellte und Auszu­ bildende der chemischen Industrie in der Bundesrepublik Deutschland und im Land Berlin, wo der vom Tarifvertrag verwendete Rationalisierungsbe­ griff erläutert wird: ,,Führen betriebliche Maßnahmen, die eine rationellere Arbeitsweise bezwecken, die jedoch nicht unmittelbar durch Absatzrückgang bedingt sind (Rationalisie­ rungsmaßnahmen), unmittelbar oder infolge einer dadurch bedingten Umsetzung zu Lohn- oder Gehaltsminderungen, Umschulungsmaßnahmen oder Entlassungen, so gelten die folgenden Bestimmungen. Rationalisierungsmaßnahmen sind unter den Voraussetzungen der Ziffer 1 : Der Einsatz von Maschinen, Anlagen oder Verfahren mit größerer technischer Lei­ stungsfähigkeit; höhere Mechanisierung oder Automatisierung der bisherigen Maschinen und Anla­ gen; wesentliche Änderungen der fertigungstechnischen Arbeitsmethoden, wesentliche organisationstechnische Umgestaltungen des betrieblichen Arbeitsablaufs und die Vergabe betrieblicher Dienstleistungsarbeiten an Spezialunternehmen, wenn diese Maßnahmen eine Gruppe oder mehrere Gruppen von Beschäftigten betreffen; Stillegungen von Produktionen oder Verwaltungen in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit ihrer Verlegung innerhalb des Unternehmens an einen anderen Ort. " 28D

An solche oder ähnliche Bestimmungen knüpfen dann meistens Regelun­ gen über die Sicherung der Qualifikation, des sozialen Status und der Arbeitsplätze der betroffenen Arbeitnehmer an. 2 8 1 Fast immer werden in diesem Zusammenhang auch Betriebsratsrechte geregelt . 2 82 In der Mehrzahl der Fälle wird sich ein Unterrichtungs- und Beratungsrecht bereits aus §§ 111 ff. BetrVG 1972 ergeben, weil die tarifvertraglichen Bestimmungen 27 9 Vgl. Pornschlegel, RdA 1978, 155 (160) ; Rumpf!, Mitbestimmung in wirtschaft­ lichen Angelegenheiten, 2.Aufl. 1978, S. 356. 28D Regelung abgedruckt in der Tarifsammlung des Bayerischen Staatsministe­ riums für Arbeit und soziale Fürsorge, TR 11 - 100 ab 50. 28 1 Vgl. die Zusammenstellung der einzelnen Regelungsinhalte bei Pornschlegel, RdA 1978, 155 (169), und Rumpf!, Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenhei­ ten, 2.Aufl. 1978, S. 356. 282 Anders Rumpf!, Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten, 2. Aufl. 1978, S. 356: ,,zuweilen".

§ 11 System und Inhalte unter Geltung des BetrVG 1972

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des Rationalisierungsbegriffs auch den Begriff der Betriebsänderung nach § 1 1 1 Satz 2 BetrVG 1 9 7 2 einschließen. Auch § § 90 und 92 BetrVG 1 9 7 2 werden häufig erfüllt sein. Die gesetzlichen Beteiligungsrechte bleiben dabei von Rationalisierungsschutzvorschriften in Tarifverträgen unbe­ rührt. 28 3 Für Sozialplanregelungen ist dies durch Ausschluß des Tarifvor­ ranges nach § 77 Abs. 3 BetrVG 1 9 7 2 durch § 1 1 2 Abs. 1 Satz 4 BetrVG 1 9 7 2 ausdrücklich festgelegt. All dies ändert aber nichts daran, daß Rationalisie­ rungsschutzregelungen einschließlich der in ihnen enthaltenen institutio­ nellen Bestimmungen über Betriebsratsrechte eine eigenständige Bedeutung behalten: so werden - wie bereits oben284 erwähnt - Informations- und Beratungsrechte in wirtschaftlichen Angelegenheiten nach § 1 0 6 Abs. 3 BetrVG 1 9 7 2 vereinzelt auch dem Betriebsrat eingeräumt, während nach dem Gesetz insoweit der Wirtschaftsausschuß zuständig ist. Die Beteili­ gungsrechte bestehen also auch dann, wenn wegen der Größe des Unterneh­ mens (vgl. § 106 Abs. 1 BetrVG 1972) gar kein Wirtschaftsausschuß zu bil­ den ist. Entsprechendes gilt im Verhältnis zu den Beteiligungsrechten aus §§ 1 1 1 ff. BetrVG 1972 . Diese bestehen nur in Betrieben mit in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern. Die Rationalisierungs­ schutzregeln differenzieren demgegenüber nicht nach der Betriebsgröße. Schließlich enthalten derartige Bestimmungen selbst Regelungen der sozia­ len Auswirkungen, die durch geplante Betriebsänderungen entstehen285 und schalten - wie bereits erwähnt - häufig den Betriebsrat in die nähere Ausge­ staltung auf betrieblicher Ebene ein. Zwar werden in Rationalisierungs­ schutzabkommen im wesentlichen ähnliche Fragen wie in Sozialplänen geregelt. 286 Ein konkurrierender Sozialplan hat aber nicht Vorrang vor einem Tarifvertrag. Vielmehr bestimmt sich das Verhältnis nach dem Gün­ stigkeitsprinzip. Der Sozialplan kann daher die Leistungen eines Tarifver­ trages nur ergänzen oder verbessern, nicht aber unterschreiten. 2 87 Daraus folgt zwar nicht, daß im Rahmen von Rationalisierungsschutzabkommen vorgesehene Betriebsratsrechte rechtlich stärker sind als die bei der Auf­ stellung eines Sozialplanes nach §§ 1 1 2 , 1 1 2 a BetrVG 1 9 7 2 . 288 Erweitert wird aber unter Umständen die Einflußmöglichkeit des Betriebsrats auf die 283 Vgl. Pornschlegel, RdA 1978, 155 (160); Richardi, in : Dietz/ Richardi, BetrVG, § 111 RdNr. 6; Rumpf!, Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten, 2. Aufl. 1978, S. 228, 356. 284 s. oben 1. 285 Vgl.Richardi, in: Dietz/Richardi, BetrVG, § 111 RdNr. 6. 286 Rumpf!, Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten, 2. Aufl. 1978, s. 357. 287 Vgl.Richardi, in : Dietz/Richardi, BetrVG, § 112 RdNr. 88 mit weiteren Nachw. 288 Einige Rationalisierungsschutzbestimmungen stellen das selbst klar, vgl. etwa § 13 VIII Nr. 3 des Manteltarifvertrages vom 24. März 1979 für gewerbliche Arbeit­ nehmer, Angestellte und Auszubildende der chemischen Industrie in der Bundesrepu­ blik Deutschland und im Land Berlin, abgedruckt in der Tarifsammlung des Bayeri­ schen Staatsministeriums für Arbeit und soziale Fürsorge, TR 11 - 100 ab 50.

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inhaltliche Ausgestaltung der Rationalisierungsfolgeregelungen, wenn der Tarifvertrag insoweit Untergrenzen festlegt. Im Zusammenhang mit Rationalisierungsvorhaben oder -maßnahmen enthalten die meisten ausgewerteten einschlägigen Tarifverträge Beteili­ gungsrechte des Betriebsrats in Entgeltfragen, der Personal- (insbesondere der Personalabbau-)planung sowie bei rationalisierungsbedingten Einzel­ maßnahmen (insbesondere Abgruppierungen und Entlassungen). Beteiligungsrechte in Entgeltfragen, die aus Anlaß von Rationalisierungs­ maßnahmen auftreten, finden sich vor allem bei der Festlegung von Über­ brückungsgeldern, Ausgleichszahlungen, Verdienstsicherungen, Abfindun­ gen und Anwartschaftssicherungen bei der betrieblichen Altersversorgung. Hierher gehören auch Beteiligungsrechte im Zusammenhang mit rationali-· sierungsbedingten Umgruppierungen289 und Änderungskündigungen. In vielen Fällen handelt es sich um die Konkretisierung von Betriebsratsrech­ ten aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 und § 99 BetrVG 1972. Zum Teil werden aber auch materielle Arbeitsbedingungen einer Regelung auf betrieblicher Ebene überantwortet. Das gilt vor allem für Verdienstsicherungsabkommen. Im Rahmen durch Rationalisierungsvorhaben veranlaßter Personalpla­ nung wird im wesentlichen nur das ohnehin nach § 92 Abs. 1 BetrVG 1972 gegebene Unterrichtungs- und Beratungsrecht wiederholt oder konkreti­ siert. Insbesondere wird bestimmt, daß eine Beratung über geplante Maß­ nahmen rechtzeitig zu erfolgen hat. 29 0 Meistens hat die Beratung der allge­ meinen personellen Fragen im Zusammenhang mit der Beratung über die geplante Rationalisierungsmaßnahme selbst zu erfolgen. 2 9 1 Öfters wird bestimmt, daß die Beratungspflicht nicht gegeben ist, wenn laufende Verän­ derungen im Betrieb in ihren personellen und sozialen Auswirkungen im Verhältnis zur Betriebsgröße nur wenige Arbeitnehmer betreffen. Manch­ mal werden nach dem Gesetz beteiligungsfreie Umsetzungen einem Bera289 Vgl. etwa § 2 des Tarifvertrages zur Sicherung der Eingruppierung unci zur Ver­ dienstsicherung bei Abgruppierung in der Metallindustrie Nordwürttemberg-Nord­ baden vom 3. April 1978, abgedruckt bei Hagemeier I Kempen / Zachert / Zilius, TVG, § 1 RdNr. 167, bei Zachert, Tarifvertrag, 1979, S. 154, und in RdA 1978, 384 (3 85). Zu den Entstehungsgründen dieses Tarifvertrages vgl. Mayer / Ralfs, Rationali­ sierung und Rationalisierungsschutz, 2. Aufl. 1984, S. 56 ff. 290 Vgl. etwa § 13 II des bereits erwähnten Manteltarifvertrages vom 24. März 1979 für gewerbliche Arbeitnehmer, Angestellte und Auszubildende der chemischen Indu­ strie in der Bundesrepublik Deutschland und im Land Berlin, abgedruckt in der Tarifsammlung des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und soziale Fürsorge, TR 1 1 - 100 ab 50. Ähnlich § 16 Nr. 4 a) des Manteltarifvertrages vom 18. Dezember 1975 für die Zigarettenindustrie in der Bundesrepublik Deutschland und West­ Berlin, abgedruckt in der Tarifsammlung des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und soziale Fürsorge, TR 19 - 300 a 8. Inhaltswiedergabe bei Zachert, Tarifver­ trag, 1979, S. 142. Zu dieser Regelung vgl. auch Hagemeier / Kempen / Zachert / Zilius, TVG, § 1 RdNr. 170. 291 Beispiele bei Pornschlegel, RdA 1978, 1 5 5 (160).

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tungsrecht des Betriebsrats unterstellt, wenn sie aufgrund einer Rationali­ sierungsmaßnahme erfolgen. Tarifvertragliche Beteiligungsrechte bei rationalisierungsbedingten per­ sonellen Einzelmaßnahmen finden sich vor allem im Zusammenhang mit Umsetzungen, Umgruppierungen, Versetzungen, Umschulungen, Kündi­ gungen und Kündigungsbeschränkungen. In dem vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung im Jahre 1984 herausgegebenen Forschungsbe­ richt über Kündigungsschutz und Kündigungspraxis in der Bundesrepublik Deutschland konnten etwa in 1 1 9 analysierten repräsentativen Ra tionalisie­ rungsschutzabkommen allein 20 Bestimmungen ermittelt werden, nach denen gegenüber Angehörigen bestimmter Arbeitnehmergruppen keine rationalisierungsbedingten Kündigungen ausgesprochen werden dürfen, wovon nur mit Zustimmung des Betriebsrats eine Ausnahme gemacht wer­ den kann. 292 Ein Zustimmungserfordernis für Kündigungen sieht das gesetzliche Beteiligungsrecht aus § 102 BetrVG 1 9 7 2 nicht vor. Nach § 102 Abs. 6 BetrVG 1972 kann dies an sich nur auf betrieblicher Ebene vereinbart werden. Vereinzelt finden sich auch Regelungen, welche den Stellenwechsel der von rationalisierungsbedingten Kündigungen bedrohten Arbeitnehmer fördern oder bereits rationalisierungsbedingt gekündigten Arbeitnehmern zu einer späteren Wiedereinstellung verhelfen sollen. Dabei wird der Betriebsrat etwa dergestalt beteiligt, daß man ihm Informationsrechte gegenüber dritten (tarifgebundenen) Arbeitgebern bezüglich bei diesen frei­ werdender Stellen einräumt 293 oder den Betriebsrat bei der Auswahl tarif­ vertraglich wiedereinzustellender Arbeitnehmer hinzuzieht. Aus § 99 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 BetrVG 1972 folgt demgegenüber kein Anspruch auf Beteili­ gung bei der Bewerberauswahl: Bestehen tarifvertragliche (wie häufig in Wiedereinstellungsklauseln) oder betriebliche (vgl. § 85 BetrVG 1972) Aus­ wahlrichtlinien, so muß der Arbeitgeber nach dem Gesetz dem Betriebsrat nur ermöglichen zu überprüfen, ob diese Richtlinien eingehalten worden sind. 294 Ist das nicht der Fall, kann der Betriebsrat nur die Zustimmung zur Einstellung verweigern. § 99 BetrVG 1 9 7 2 gibt ihm aber kein Recht, selbst Vorschläge für eine Einstellung zu machen, 295 also keine (Mit-)Auswahl­ befugnis. 292 Falke / Höland / Rhode / Zimmermann, in: Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung (Hrsg.), Forschungsbericht Kündigungspraxis und Kündigungsschutz in der Bundesrepublik Deutschland Bd. II, 1984, S. 945. 293 Vgl. etwa § 5 Abs. 1 des Tarifvertrages über die Einführung und Anwendung rechnergesteuerter Textsysteme vom 20. März 1978, abgedruckt in RdA 1978, 1 1 6, und bei Zachert, Tarifvertrag, 1979, S. 154. Inhaltswiedergabe bei Hagemeier / Kem­ pen / Zachert I Zilius, TVG, § 1 RdNr. 1 6 7 . 294 Meise!, Die Mitwirkung und Mitbestimmung des Betriebsrats i n personellen Angelegenheiten, 5. Aufl. 1984, RdNr. 2 1 6 (für betriebliche Auswahlrichtlinien). 295 Meise!, Die Mitwirkung und Mitbestimmung des Betriebsrats in personellen Angelegenheiten, 5. Aufl. 1984, RdNr. 214.

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III. Teil: Tatsächliche Erscheinungsformen

§ 12 Zusammenfassung und weitere Ergebnisse der Auswertung I. Bedeutung und Haupttendenzen tarifvertraglichen Betriebsverfassungsrechts in der Tarifpraxis Auch nach gesetzlicher Regelung des Betriebsverfassungsrechts durch das BRG 192 0, BetrVG 1952 und BetrVG 197 2 ist die tarifvertragliche Regelung von Rechtsstellung und Beteiligungsrechten des Betriebsrats typischer Gegenstand koalitionsmäßiger Betätigung geblieben. Entgegen aller anderslautenden Stimmen 1 sind derartige Regelungen auch ausgesprochen häufig und vielgestaltig. Die Tarifpraxis kümmert sich jedenfalls im Bereich der sozialen und personellen Angelegenheiten wenig um die fortdauernd umstrittene Frage nach dem abschließenden Charakter des gesetzlichen Betriebsverfassungsrechts. 2 Selten sind zwar Tarifverträge, die sich nur oder überwiegend mit betriebsverfassungsrechtlichen Fragen beschäftigen. 3 Regelungen dieser Materie finden sich aber in allen Vertragstypen und unter Beteiligung aller bei der Auswertung berücksichtigter Gewerkschaften. Die ausgewerteten Firmentarifverträge enthalten regelmäßig keine weiterge­ henden Bestimmungen als Verbandstarifverträge. Die weitreichendsten Bestimmungen trifft man in der Metallindustrie, der Druckindustrie, der chemischen Industrie und in der Zigarettenindustrie. Besonders regional unterschiedliche Entwicklungen konnten nicht festgestellt werden. Besondere Bedeutung hatten und haben Regelungen von Betriebsrats­ rechten in sozialen, personellen und wirtschaftlichen Angelegenheiten. Einen großen Raum nehmen auch Bestimmungen über allgemeine Fragen der Beteiligung des Betriebsrats ein. Zunehmend beschäftigen sich die Tarifverträge aber mit der Einschaltung des Betriebsrats in Mitwirkungs­ rechte und Beschwerderecht des Arbeitnehmers und in Fragen der Gestal­ tung von Arbeitsplatz, Arbeitsablauf und Arbeitsumgebung. Bei den sozialen Angelegenheiten stehen Bestimmungen im Vordergrund, welche eine Beteiligung des Betriebsrats bei der Festlegung der täglichen Arbeitszeit, der Anordnung von Mehr-, Über- oder Kurzarbeit, der Festle­ gung und Kontrolle von Akkorden und der Einstufung in Lohngruppen vor­ sehen. Bereits als Regelfall läßt sich nachweisen, daß der Betriebsrat auch in die grundsätzliche oder nähere Regelung materieller Arbeitsbedingungen und bei Individualmaßnahmen eingeschaltet wird. Damit werden der gesetzlichen Beteiligung prinzipiell nicht unterliegende Fragen dieser doch 1 Nachw. oben § 1 I. Fn. 8. 2 Weitergehend - allerdings unter Berufung auf Einzelbeispiele - Hagemeier I Kempen / Zachert / Zilius, TVG, § 1 RdNr. 173, und Zachert, Tarifvertrag, 1979, S. 156. 3 So auch Wiedemann / Stumpf, TVG, § 1 RdNr. 249.

§ 12 Zusammenfassung und weitere Ergebnisse der Auswertung

199

unterstellt. Verschiedentlich anzutreffen ist auch die Ausschaltung von Beteiligungsrechten in Eilfällen. Vor allem in Entgeltfragen werden für die Durchführung der Beteiligung häufig paritätische Kommissionen vorgese­ hen. Bei Fragen der Gestaltung von Arbeitsplatz, Arbeitsablauf und Arbeits­ umgebung stehen Unterrichtungs-, Anhörungs- und Beratungsrechte im Vordergrund. Dort allerdings, wo von Gewerkschaftsseite ein Akzent tarif­ vertraglichen Betriebsverfassungsrechts gefordert wird - etwa auf dem Gebiet der Personaldatenverarbeitung oder neuer Informations- und Kom­ munikationstechniken - konnte bislang nur ausnahmsweise - so etwa in der Druckindustrie - der Abschluß besonderer Tarifverträge festgestellt wer­ den. 4 Bei der Regelung von Beteiligungsrechten des Betriebsrats in personellen Angelegenheiten waren und sind die Tarifvertragsparteien zurückhaltender als bei den sozialen Angelegenheiten. Allerdings zeichnet sich die Tendenz ab, daß dem Betriebsrat im Rahmen rationalisierungsbedingter personeller Einzelmaßnahmen vermehrt weitergehende als die gesetzlichen Beteili­ gungsrechte eingeräumt werden. In wirtschaftlichen Angelegenheiten stehen Unterrichtungs- und Bera­ tungsrechte im Zusammenhang mit Betriebsänderungen, insbesondere Rationalisierungsvorhaben, im Vordergrund. Schwerpunkt sind hier Rege­ lungen, nach welchen die sozialen und personellen Folgen von Betriebsän­ derungen, insbesondere Rationalisierungen, unter Beteiligung des Betriebs­ rats aufgefangen werden sollen. Einschränkungen oder Erweiterungen gegenüber gesetzlichen Beteili­ gungsrechten finden sich überwiegend im Zusammenhang mit Gegenstän­ den, für die der Tarifvertrag selbst eine Regelung getroffen oder einen Rah­ men aufgestellt hat. Das gilt in besonderem Maße für die Fälle der Einschal­ tung des Betriebsrats in die Regelung materieller Arbeitsbedingungen. Ent­ sprechungen finden sich aber auch im Bereich der personellen Angelegen­ heiten, dort vor allem im Zusammenhang mit Kündigungsregelungen. Ein­ schränkungen von Betriebsratsrechten erfolgen zumeist dergestalt, daß der Betriebsrat bei der Ausübung seiner Rechte auf „betriebliche Notwendig­ keiten" , die „Bedürfnisse des Betriebes " oder ähnliches festgelegt wird. Die Frage, ob Betriebsratsrechte durch Tarifvertrag auch beschränkt oder gar ausgeschlossen werden können, wird - wie in § 2 II. gezeigt - einhellig abge­ lehnt. Dabei ist allerdings selten berücksichtigt worden, daß aufgrund des in §§ 87 Abs. 1 Eingangssatz, 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG 1 9 7 2 (vgl. § § 56 Abs. 1 Eingangssatz, 59 BetrVG 1952) festgelegten Tarifvorranges Betriebsrats4 Vgl. auch Zwischenbericht der Enquete-Kommission „Neue Informations- und Kommunikationstechniken" , BT-Drucks.IX/2442 vom 28.März 1983, S. 1 1 1 .

200

III.Teil: Tatsächliche Erscheinungsformen

rechte häufig verdrängt werden. 5 So hängt etwa das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in Entgeltfragen nach § 87 Abs. 1 Nm. 10 und 1 1 BetrVG 1972 wegen des Tarifvorranges davon ab, in welchem Umfang die Tarifver­ tragsparteien von ihrer Regelungskompetenz Gebrauch machen bzw. Gebrauch zu machen pflegen. Diese Beschränkungen betreffen in vielen Fällen dabei nicht nur die Einführung von Lohngrundsätzen, sondern häu­ fig auch die Wahl eines bestimmten Akkordsystems mitsamt der Entschei­ dung über das Verfahren bei der Festsetzung der Zeitfaktoren. 6 All diese Regelungen werden eine Gestaltung von Betriebsratsrechten gar nicht zum Ziel haben (sie erwähnen den Betriebsrat häufig auch nicht). Gleichwohl gestalten sie die betriebsverfassungsrechtliche Stellung des Betriebsrats mittelbar über den Tarifvorrang zum Teil recht massiv. Man kann entspre­ chende Bestimmungen daher als mittelbare Beschränkung von Betriebsrats­ rechten bezeichnen. II. Vergleich der Entwicklungslinien von gesetzlichem und tarifvertraglichem Betriebsverfassungsrecht Setzt man die Aktivitäten der Tarifvertragsparteien qualitativ in Bezug zur Entwicklung der Gesetzgebung auf dem Gebiet des Betriebsverfas­ sungsrechts, ist festzustellen, daß tarifvertragliches Betriebsverfassungs­ recht unter Geltung des BetrVG 1952 häufig spätere Regelungen durch das BetrVG 1 972 vorweggenommen hat. 7 Vielfach wurden durch die Neukodifi­ kation8 Streitfragen, mit denen das alte Gesetz behaftet war, entsprechend der Tarifpraxis entschieden. 9 Zwar hat das BetrVG 1972 unter anderem die Beteiligungsrechte des Betriebsrats gegenüber dem BetrVG 1952 - insbe­ sondere in sozialen und personellen Angelegenheiten - erheblich ausgebaut, was zum Teil durch Schaffung neuer Beteiligungstatbestände, 10 zum Teil durch Umwandlung bekannter Beteiligungsrechte in jeweils stärkere Befugnisse 1 1 geschah. Dies legt die Vermutung nahe, daß die Bedeutung des 5 A.A. Heyer, Betriebliche Normsetzung und Tarifautonomie, Diss. Berlin 1983, S.103. 6 Vgl. zum BetrVG 1952 Hilger, in: Hilger (Hrsg.), Akkord und Prämie, 2. Aufl. 1967, s. 160 f., 176, 215. 7 Vgl. z.B. § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG 1972 gegenüber § 56 Abs. 1 a) BetrVG 1952 (Mitbestimmung auch bei der Frage, ob und in welchem Umfang Überstunden oder Kurzarbeit eingeführt werden). B Darum und nicht um eine bloße Novellierung handelt es sich beim BetrVG 1972, Fitting / Auftarth / Kaiser, BetrVG, Einl. S. 66. 9 Vgl. z. B. § 87 Abs. 1 Nr.2 BetrVG 1972 einerseits und § 56 Abs. 1 a) BetrVG 1952 andererseits (Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Werktage), § 89 Abse. 2 - 4 BetrVG 1972 (Beteiligung des Betriebsrats bei Arbeitsschutzfragen). 10 Vgl. z.B.§ 87 Abs. 1 Nrn. 6, 9, 12 BetrVG 1972. 1 1 Vgl.z.B. § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG 1972 gegenüber §§ 57, 58 BetrVG 1952 (statt Zulassung freiwilliger Betriebsvereinbarungen Schaffung eines neuen Mitbestim-

§ 12 Zusammenfassung und weitere Ergebnisse der Auswertung

201

tarifvertraglichen Betriebsverfassungsrechts unter Geltung des BetrVG 1 9 7 2 zurückgegangen ist. Die Vermutung trifft aber weder in qualitativer noch quantitativer Hinsicht zu. Auch unter Geltung des neuen Gesetzes hat die Tarifpraxis - wie in § 1 1 gezeigt - Betätigungsfelder gefunden. Ebenso wie unter Geltung des BetrVG 1 9 5 2 werden in den Tarifverträgen Betriebs­ ratsrechte geregelt, an deren Regelungsbedürfnis der Gesetzgeber bei Kon­ zipierung des Gesetzes nicht gedacht haben mag oder die er gar nicht regeln wollte. Auch die unter Geltung des BetrVG 1 9 7 2 vereinbarten Bestimmun­ gen weichen zum Teil erheblich vom Plan des Gesetzgebers ab. Quantitativ betrachtet ist zwar seit Geltung des BetrVG 1 9 7 2 keine signifikante Zunahme tarifvertraglichen Betriebsverfassungsrechts festzustellen. 1 2 Ungeachtet der angesprochenen qualitativen Veränderungen dieses Geset­ zes gegenüber dem BetrVG 1 9 5 2 ist aber auch keine Abnahme zu konstatie­ ren. Die Entwicklung des tarifvertraglichen Betriebsverfassungsrechts erfolgt also offenbar relativ unbeeinflußt von der des gesetzlichen Betriebs­ verfassungsrechts in dem Sinne, daß selbst qualitative Verbesserungen des Gesetzes für die Arbeitnehmerschaft nicht zu einem Rückgang des tarifver­ traglichen Handlungsbedarfs führen. Die Unabhängigkeit von der Entwick­ lung des gesetzlichen Betriebsverfassungsrechts zeigt sich nicht zuletzt auch darin, daß sich die Präferenzen für die Regelung der einzelnen Angelegen­ heiten, die Art vereinbarter Beteiligungsrechte und der Regelungsstruktu­ ren seit dem Übergang vom BetrVG 1 9 5 2 zum BetrVG 1 9 72 nicht wesentlich verschoben haben (vgl. die Gegenüberstellungen in den Tabellen 6, 7 und 8 auf den S. 202 und 2 0 3 ) . III. Bewertung des rechtstatsächlichen Befundes Die eingangs 1 3 aufgeworfene Frage, ob tarifvertragliches Betriebsverfas­ sungsrecht eine diskutable Ergänzung des gesetzlichen Betriebsverfas­ sungsrechts darstellt, ist mit einem eindeutigen Ja zu beantworten. Die umfangreichen Aktivitäten der Tarifvertragsparteien zeigen, daß auch mungsrechts), § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG 1 9 7 2 gegenüber § 66 Abs. 1 BetrVG 1 9 5 2 (Anhörung vor Kündigung als Wirksamkeitserfordernis). 12 Für die Auswertung waren 69 Tarifverträge aus der Geltungszeit des BetrVG 1 952, hingegen 2 3 1 aus der Geltungszeit des BetrVG 1 9 7 2 herangezogen worden. Dabei wurden „für das bloße Auge" im zweiten Zeitraum weit stärkere Aktivitäten festgestellt. Mathematisch läßt sich mittels eines Chi-Quadrat-Tests prüfen, ob diese Zunahme lediglich durch Zufall erklärbar anzusehen ist (größere Anzahl ausgewerte­ ter Tarifverträge) oder signifikant ist. Ein Signifikanzwert von p = 0 , 0 5 entspricht einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 5 %. Bei einer höheren Irrtumswahrscheinlich­ keit als 5 % wird in den Natur- und Sozialwissenschaften üblicherweise ein getesteter Zusammenhang als nicht signifikant verworfen (Einzelheiten enthält j edes Statistik­ Lehrbuch). Getestet wurde die Signifikanz der Zunahme der unterschiedlichen Rege­ lungen jeweils aller eingangs zu § 10 und § 1 1 gebildeten Fallgruppen. Dabei ergab sich, daß alle Steigerungen (mehr oder weniger) auf Zufall beruhen. 13 § 1 II.

202

III.Teil: Tatsächliche Erscheinungsformen Tabelle 6

Übersicht über die Rangfolge der unterschiedlichen Regelungen der einzelnen Angelegenheiten unter Geltung von BetrVG 1952 und BetrVG 1972 Anzahl der unterschiedlichen Regelungen (Geltungszeitraum BetrVG 1952/BetrVG 1972) (Insgesamt: 133/420; Mehrfachnennungen möglich)

Gegenstand

Andere Vertretung der Arbeitnehmer mit Auswirkung auf Betriebsratsrechte Geschäftsführung des Betriebsrates Allgemeine Regeln über die Beteiligung des Betriebsrates Einschaltung des Betriebsrates in Mitwirkungsrechte und Beschwerderecht des Arbeitnehmers Soziale Angelegenheiten, insbes. - Arbeitszeit - Arbeitsentgelt - Urlaub Gestaltung von Arbeitsplatz, Arbeitsablauf und Arbeitsumgebung Personelle Angelegenheiten Wirtschaftliche Angelegenheiten

Rangfolge (Geltungszeitraum BetrVG 1952/ BetrVG 1972)

1/0

8/11

4/31

7/8

4/50

7/5

-/43

-/6

95/312 29/75 42/163 11/21

1/1 3/4 (b/b)* 2/2 (a/a)* 5/10 (c/c)*

-/32

-/7

19/83 10/17

4/3 6/9

• = Rangfolge innerhalb der sozialen Angelegenheiten

Tabelle 7

Übersicht über die Rangfolge der unterschiedlichen vereinbarten Beteiligungsrechte unter Geltung von BetrVG 1952 und BetrVG 1972

Beteiligungsrechte

Unterrichtungsrechte Mitwirkungsrechte (Anhörungsund Beratungsrechte) Mitbestimmungsrechte

Anzahl der unterschiedlichen vereinbarten Beteiligungsrechte (Geltungszeitraum BetrVG 1952/BetrVG 1972)

Rangfolge (Geltungszeitraum BetrVG 1952/ BetrVG 1972)

16/39

3/3

20/99

2/2

75/293

1/1

203

§ 12 Zusammenfassung und weitere Ergebnisse der Auswertung Tabelle 8 Übersicht über die Rangfolge der unterschiedlichen Regelungsstrukturen unter Geltung von BetrVG 1952 und BetrVG 1972

Regelungsstrukturen

Übernahme gesetzlicher Betriebsratsrechte Konkretisierungen Beschränkungen Erweiterungen Beteiligung des Betriebsrates im Rahmen einer vom Tarifvertrag selbst getroffenen Regelung Erweiterung im Rahmen einer vom Tarifvertrag selbst getroffenen Regelung

Anzahl der unterschiedlichen Regelungsstrukturen (Geltungszeitraum BetrVG 1952/BetrVG 1972) (Insgesamt: 133/420; Mehrfachnennungen infolge Mehrfachzuordnungen)

Rangfolge (Geltungszeitraum BetrVG 1952/ BetrVG 1972)

8/43

6/5

56/284 11/37 58/162

3/1 5/6 2/3

75/221

1/2

42/119

4/4

neben dem gesetzlichen Betriebsverfassungsrecht ein Bedürfnis nach tarif­ vertraglichen Regelungen der Betriebsratsrechte besteht. Werden gesetz­ liche Betriebsratsrechte konkretisiert, so liegt der Hauptgrund dafür ganz offensichtlich in den oftmals (notwendig) abstrakten Formulierungen des gesetzlichen Betriebsverfassungsrechts. Dessen Inhalt läßt sich - wie gese­ hen - häufig nur sehr mühevoll unter Zuhilfenahme von Gerichtsentschei­ dungen und Literatur erschließen. Konkretisierenden Tarifbestimmungen kommt insoweit eine ganz wichtige Erläuterungsfunktion - gerade für die betriebliche Praxis - zu. Vor allem aber können sie Zweifel an der Beteili­ gungspflichtigkeit bestimmter Maßnahmen des Arbeitgebers - hervorgeru­ fen durch divergierende Gerichtsentscheidungen und Literaturmeinungen beheben helfen. 14 Novellierungen des gesetzlichen Betriebsverfassungs­ rechts erscheinen im Hinblick darauf nur bedingt erfolgversprechend. Ein zu hoher Abstraktionsgrad gesetzestechnischer Formulierungen wird immer wieder rechtliche Streitfragen auslösen, mit denen schon das geltende Gesetz überfrachtet ist. Werden gesetzliche Betriebsratsrechte erweitert, so geschieht das meist dort, wo das Gesetz entsprechende Bestimmungen (etwa branchen- oder betriebsspezifischer 15 Art) nicht vorsehen kann. Werden 14 Ähnlich Löwisch, AuR 1978, 97 (98).

204

III. Teil: Tatsächliche Erscheinungsformen

wie dies überwiegend geschieht - Betriebsratsrechte im Rahmen einer vom Tarifvertrag selbst getroffenen Regelung vorgesehen, ermöglicht dies die verstärkte Überwachung der Einhaltung für besonders wichtig erachteter Tarifbestimmungen. Diese Intention lag bereits der tarifvertraglichen Rege­ lung von Rechten von Arbeitnehmervertretungen vor Kodifizierung des Betriebsverfassungsrechts zugrunde. 1 6 Auch wird dadurch die Möglichkeit betriebsnäherer betrieblicher Regelungen eröffnet. Neben diesen Funktio­ nen des tarifvertraglichen Betriebsverfassungsrechts ist nochmals darauf hinzuweisen, daß das tarifvertragliche Betriebsverfassungsrecht häufig spätere Entwicklungen des gesetzlichen Betriebsverfassungsrechts vorge­ zeichnet hat. Die immer wieder gegen tarifvertragliches Betriebsverfassungsrecht erhobenen Bedenken, daß damit das gesetzliche Betriebsverfassungsrecht aus den Angeln gehoben werden könnte, haben sich jedenfalls bisher nicht bestätigt. Von der Intensität bisher tarifvertraglich vereinbarter Betriebs­ ratsrechte aus gesehen machen die Tarifvertragsparteien einen eher mode­ raten Gebrauch entsprechender Regelungen. Insbesondere werden unter­ nehmerische Leitentscheidungen davon weitgehend unberührt gelassen. Entsprechendes gilt für die Bedenken, bei Erweiterungen von Betriebsrats­ rechten durch Tarifvertrag könnte über § 3 Abs. 2 TVG zu weit in die Rechtsstellung (die Arbeitsverhältnisse) der Tarifaußenseiter eingegriffen werden: Die meisten Erweiterungen finden sich im Rahmen vom Tarifver­ trag selbst getroffener Regelungen. Wie noch näher zu zeigen sein wird 1 7 betrifft die Einschaltung des Betriebsrats in die nähere Ausgestaltung des Tarifvertrags bzw. in die Regelung von Abweichungen von ihm dabei zumeist nur die tarifgebundenen Arbeitnehmer. In Anbetracht der derzeitigen tatsächlichen Funktion des tarifvertrag­ lichen Betriebsverfassungsrechts und im Interesse der weiteren Entwicklung des Betriebsverfassungsrechts erscheint es wenig sinnvoll, die Regelung von Betriebsratsrechten durch Tarifvertrag zu restringieren. Der Umstand, daß tarifvertragliches Betriebsverfassungsrecht durchaus auch heute noch eine typisch koalitionsmäßige Betätigung darstellt, würde dies im Hinblick auf Art. 9 Abs. 3 GG auch erheblichen rechtlichen Bedenken aussetzen.

15 Daß ein Bedarf an betriebsspezifischer Regelung der Beteiligungsrechte des Betriebsrats etwa bei der Einführung neuer Technologien im Betrieb besteht, zeigt der Abschluß freiwilliger Betriebsvereinbarungen auf diesem Gebiet in einer Reihe von Betrieben. Zu diesem Zweck haben die Gewerkschaften Musterbetriebsverein­ barungen entworfen (vgl. Zwischenbericht der Enquete-Kommission „Neue Informa­ tions- und Kommunikationstechniken" , BT-Drucks. IX/2442 vom 28. März 1983,

s. 1 1 5).

Vgl. Tabelle 1 (§ 6 I.), Tarifverträge Nm. 2, 3, 10, 12, 15, 1 6, 17. 11 Unten § 14 II. 16

Vierter Teil

Bewertung der tatsächlichen Erscheinungsformen § 13 Bewertung der tatsächlichen Erscheinungsformen aus betriebsverfassungsrechtlicher Sicht I. Wirksamkeitsbeurteilung unter Zugrundelegung der Grundstrukturen tarifvertraglichen Betriebsverfassungsrechts und der jeweiligen herrschenden Meinung Wie sich bereits eingangs zu § 10 ergeben hat, lassen sich die Regelungen betriebsverfassungsrechtlicher Fragen durch Tarifvertrag auf bestimmte Grundstrukturen reduzieren: (1) Regelungen, welche gesetzliche Bestimmungen in den Tarifvertrag übernehmen oder auf diese verweisen; (2) Regelungen, welche gesetzliche Bestimmungen konkretisieren; (3) Regelungen, welche Betriebsratsrechte beschränken; (4) Regelungen, welche Betriebsratsrechte erweitern; (5) Regelungen, welche eine Erweiterung im Rahmen eines vom Tarifver­ trag selbst geregelten Sachverhalts vornehmen. Aus betriebsverfassungsrechtlicher Sicht lassen sich gegen die Typen (1) und (2) keine Wirksamkeitsbedenken erheben. Auch Verfechter einer Nicht­ abänderbarkeit des gesetzlichen Betriebsverfassungsrechts haben etwa gegen konkretisierende Regelungen keine Einwände. 1 Problematisch werden hingegen Typen (3), (4) und (5). Bei Zugrundelegen der in § 2 1. - III. ermittelten jeweiligen herrschenden oder auch überwie­ genden Meinung ergibt sich folgendes Bild: Regelungstyp (3) ist wegen Verstoßes gegen das gesetzliche Betriebsver­ fassungsrecht unabhängig vom betroffenen Regelungsbereich unzulässig. 2 Betroffen von diesem Unwirksamkeitsurteil sind insbesondere solche Rege­ lungen, welche den Betriebsrat bei der Ausübung seiner Rechte pauschal auf ,,betriebliche Notwendigkeiten" , die „Bedürfnisse des Betriebes " oder ähn1 Ganz deutlich Erdmann / Jürging / Kammann, BetrVG, § 99 RdNr. 5. Zum Problem der mittelbaren Beschränkungen von Betriebsratsrechten s. unten III. 2

206

IV.Teil: Bewertung der tatsächlichen Erscheinungsformen

liches festlegen. Nach § 2 Abs. 1 BetrVG 1972 (früher: § 49 Abs. 1 BetrVG 1952) findet eine Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat nicht nur zum Wohl des Betriebes, sondern auch - kumulativ, nicht alter­ nativ - zum Wohl der Arbeitnehmer statt. Interessen des Betriebes einerseits und der Belegschaft andererseits müssen sich aber nicht decken. Das zeigt bzw. zeigte das Gesetz selbst durch Erwähnung auch des Wohles der Arbeit­ nehmer in den angeführten Bestimmungen. Sie wäre sinnlos, wollte man nur auf die Bedürfnisse des Betriebes abstellen. Seit Inkrafttreten des BetrVG 1972 sind unzulässig auch die öfters anzutreffenden Ermächtigungen an den Arbeitgeber, in Eilfällen Maßnahmen ohne die dafür gesetzlich vorgesehene Beteiligung des Betriebsrats zu treffen. 3 Anders als unter Geltung des BetrVG 1952 entfallen nämlich nach dem BetrVG 1972 gesetzliche Betei­ ligungsrechte nach herrschender Meinung in Eilfällen nicht. 4 Entgegen­ stehende Tarifbestimmungen stellen daher - allgemein unzulässige Beschränkungen der Betriebsratsrechte dar. Etwas anderes gilt für plötz­ liche, nicht vorhersehbare und schwerwiegende Situationen, also echte Not­ fälle, und zwar gerade auch im Hinblick auf den Grundsatz vertrauensvoller Zusammenarbeit des oben erwähnten § 2 Abs. 1 BetrVG 1952 : Insoweit kön­ nen nach herrschender Meinung auch gesetzliche Beteiligungsrechte entfal­ len.5 Dann schränken aber auch entsprechende Tarifregelungen die Beteili­ gungsrechte des Betriebsrats gegenüber dem Gesetz nicht ein, wenn sie für Notfälle in an sich beteiligungspflichtigen Angelegenheiten (gegebenenfalls vorläufige) einseitige Maßnahmen des Arbeitgebers zulassen. Bei Regelungstyp (4) hängt nach herrschender Meinung die Wirksam­ keitsbeurteilung davon ab, welchem betriebsverfassungsrechtlichen Rege­ lungsbereich die jeweilige Bestimmung zuzuordnen ist. Zulässig wäre danach eine Erweiterung von Betriebsratsrechten lediglich in sozialen Angelegenheiten, bei Fragen der Gestaltung von Arbeitsplatz, Arbeitsablauf und Arbeitsumgebung, in personellen Angelegenheiten bei Kündigungen und zum Teil im Rahmen der betriebsverfassungsrechtlichen Individual­ rechte des Arbeitnehmers. Im übrigen sind Erweiterungen unzulässig. Die Wirksamkeit von Erweiterungen im Rahmen der allgemeinen Regeln für die Beteiligung des Betriebsrats dürfte davon abhängig sein, auf welchen 3 In BAG vom 5.März 1974, AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Kurzarbeit (Bl.4 Rücks.) mit Anm.von Wiese, wurde allerdings offengelassen, ob dies auch für eine Tarifrege­ lung gilt, die es dem Betriebsrat ermöglicht, eine die zunächst einseitig getroffene Maßnahme korrigierende Entscheidung der Einigungsstelle herbeizuführen (unter Geltung des BetrVG 1952 wurde eine derartige Regelung für zulässig gehalten von BAG vom 8. Februar 1963, AP Nr. 4 zu § 56 BetrVG 1952 Akkord [Bl. 3 Rücks.] mit Anm.von Dietz). 4 Nachw. zur Rechtslage s.oben § 10 IV.1. Fn.29 - betr. BetrVG 1952 - und § 11 V. 2.a) Fn.36 - betr.BetrVG 1972. 5 Nachw.zur Rechtslage bei Notfällen wie Fn. 4; wie hier Fitting / Auffarth/ Kai­ ser, BetrVG, § 87 RdNr.22 mit weiteren Nachw.

§ 13 Bewertung aus betriebsverfassungsrechtlicher Sicht

207

betriebsverfassungsgesetzlichen Regelungsbereich sich die Erweiterung selbst bezieht. Eine Besonderheit stellt Regelungstyp (5) dar. Wie bereits erwähnt geht es bei diesem Regelungstyp um Bestimmungen, die ein gegenüber dem Gesetz erweitertes Beteiligungsrecht im Rahmen einer vom Tarifvertrag selbst gegebenen Regelung vorsehen. Hierher gehören etwa die häufigen Einbezie­ hungen des Betriebsrats in die Regelung materieller Arbeitsbedingungen (etwa Arbeitszeitdauer, Höhe des Arbeitsentgelts). Verbreitet ist diese Rege­ lungstechnik auch in personellen Angelegenheiten. Beispiel dafür sind die eine Kündbarkeit älterer Arbeitnehmer grundsätzlich ausschließenden Regelungen, die eine Kündigung im Falle einer Zustimmung des Betriebs­ rats dann aber doch erlauben. Die Wirksamkeit von Regelungstyp (5) läßt sich nicht nach dem zu Regelungstyp (4) Gesagten beurteilen. Soweit eine Regelung danach wirksam wäre, trifft dies zwar auch für Regelungstyp (5) zu, nicht aber umgekehrt. Vielmehr wird ein Tarifvertrag überall dort, wo er eine Maßnahme des Arbeitgebers völlig verbieten (zum Beispiel Ausschluß der Kündbarkeit langjähriger Mitarbeiter) oder von einer Bedingung (zum Beispiel für die Zahlung eines Zuschlags) abhängig machen kann, auch eine Beteiligung des Betriebsrats fordern dürfen. Daher kann ein Tarifvertrag im Rahmen der Regelung einer materiellen Arbeitsbedingung die Einschal­ tung des Betriebsrats vorsehen (für die Durchführung der Beteiligung durch ergänzende Betriebsvereinbarung folgt dies bereits aus § 77 Abs. 3 Satz 2 BetrVG 1 9 7 2 - Vorläufer: § 5 9 BetrVG 1 9 5 2 a.E.) oder die Wirksamkeit auch von Einzelmaßnahmen an seine Zustimmung knüpfen. Voraussetzung ist nur, daß er die Angelegenheit selbst zulässigerweise regeln kann. Das gesetzliche Betriebsverfassungsrecht jedenfalls steht dem nicht entgegen. 6 IT. Der betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz

Jedoch werden gegen Regelungstyp (5) in letzter Zeit Bedenken aus dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz erhoben, 7 so­ weit eine Einschaltung des Betriebsrats in die Regelung materieller Arbeits­ bedingungen erfolgt (was - wie rechtstatsächlich nachgewiesen wurde schon lange gängige Tarifpraxis ist) : § 75 Abs. 1 BetrVG 1972 (Vorläufer: 6 Vgl. mit zum Teil abweichenden Begründungen Buchner, in: AR-Blattei Teil D, Tarifvertrag V A Betriebsverfassungsnormen, 1973 III 2 b) bb) ; Neumann-Duesberg, Betriebsverfassungsrecht, S. 504; Nikisch, RdA 1964, 305 (309); ders., Arbeitsrecht Bd. III, § 111 V 3 (S. 357), § 111 V 4 (S. 360 ) ; Richardi, Kollektivgewalt und Indivi­ dualwille bei der Gestaltung des Arbeitsverhälntisses, 1968, S. 262 ; ders., in: Dietz / Richardi, BetrVG, § 2 RdNr. 139, Vorbern. § 87 RdNr. 42 ; ders., Recht der Betriebs­ und Unternehmensmitbestimmung Bd. I, 2. Aufl. 1979, S. 24; Siebert, BB 1958, 421 (422). 7 Betr. Regelungstyp (4) bereits Bötticher, Anm. zu LAG Berlin vom 18. März 1964, SAE 1965, 14 (15).

208

IV.Teil: Bewertung der tatsächlichen Erscheinungsformen

§ 5 1 BetrVG 1 9 5 2 ) hindert Arbeitgeber und Betriebsrat grundsätzlich, in Betriebsvereinbarungen zwischen organisierten und nicht-organisierten Arbeitnehmern zu differenzieren. In den neueren Tarifverträgen über die Einführung und Anwendung flexibler Arbeitszeiten im Betrieb - um ein aktuelles Beispiel zu wählen - wird nun die Festlegung der individuellen Arbeitszeitdauer einer Regelung durch Betriebsvereinbarung überlassen. 8 Von Hoyningen-Huene 9 , Löwisch 10 und Richardi 1 1 sehen darin eine Rege­ lung betreffend den Inhalt der Arbeitspflicht, aber weder eine betriebliche noch eine betriebsverfassungsrechtliche Bestimmung, und gelangen daher auch nicht zur Annahme einer Außenseitergeltung gemäß § 3 Abs. 2 TVG . 1 2 Andererseits soll die Geltung einer durch Tarifvertrag vorgesehenen Betriebsvereinbarung auch nicht auf die tarifgebundenen Arbeitnehmer beschränkt werden können, da § 75 Abs. 1 BetrVG 1 9 7 2 eine Differenzie­ rung nach der Gewerkschaftszugehörigkeit verbietet. Der tarifgebundene Arbeitnehmer brauche nicht hinzunehmen, daß nur seine Arbeitszeit ver­ kürzt wird (und damit selbst bei Eintreten der vorgesehenen Entgeltaus­ gleichsregelungen nicht durch Arbeit im bisherigen Umfang ein höheres Arbeitsentgelt erzielt werden kann), nicht aber die seiner nicht-tarifgebun­ denen Arbeitskollegen. 13 Während Richardi die Regelung, mit der die Tarif­ vertragsparteien die Betriebspartner ermächtigen, die individuelle Arbeits­ zeitdauer durch Betriebsvereinbarung festzulegen, durch Übertragung d'es Günstigkeitsprinzips nach § 4 Abs. 3 TVG auf Betriebsvereinbarungen zu retten scheinen will, 14 wird sie von von Hoyningen-Huene 15 und von Löwisch 16 wegen Verstoßes gegen § 75 Abs. 1 BetrVG 1 9 7 2 für unwirksam gehalten. 8 Vgl. etwa § 2 Nr. 1 Abs. 2 Gemeinsamer Manteltarifvertrag für Arbeiter und Angestellte in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie des Landes Hessen, gültig ab 1.April 1985, abgedruckt bei Richardi, NZA 1984, 387. 9 von Hoyningen-Huene, NZA 1985, 9 (11, 14). 10 Löwisch, DB 1984, 2457. 11 Richardi, NZA 1984, 387 (387 f., 389); ders., NZA 1985, 172 (173). 12 Näher zur Frage der Außenseiterwirkung der „Doppelnormen" mit betriebsver­ fassungsrechtlichem Charakter unten § 14 II., hinsichtlich tarifvertraglich zugelasse­ ner Betriebsvereinbarungen unten § 14 III. 1 3 von Hoyningen-Huene, NZA 1985 , 9 (11) ; Löwisch, DB 1984, 2457, 2458; ders., NZA 1985 , 170 (172); Richardi, NZA 1984, 387 (389) ; ders., NZA 1985, 172 (174); wohl auch Schüren, RdA 1985, 22 (27). 14 Richardi, NZA 1984, 387 (389 f.); ders., NZA 1985, 172 (174). Das BAG hat eine Übertragung des Günstigkeitsprinzips nur restriktiv zugelassen, was aber einer gün­ stigeren Einzelabmachung über materielle Arbeitsbedingungen regelmäßig nicht ent­ gegensteht (vgl.insbes.BAG vom 12.August 1982, AP Nr.4 zu § 77 BetrVG 1972 [Bl.2 Rücks. f.) mit Anm.von Hanau in AP Nr.6 zu § 77 BetrVG 1972, und die Darstellung der Rechtsprechung bei Fitting / Auffarth / Kaiser, BetrVG, § 77 RdNr. 40 f.). Zur Problematik des Günstigkeitsprinzips bei sinkenden Arbeitszeiten Adomeit, Das Arbeitsrecht und unsere wirtschaftliche Zukunft, 1985, S. 17 mit S. 13 ff., und Joost, ZfA 1984, 173 ff. 1 5 von Hoyningen-Huene, NZA 1985, 9 (11); ders., NZA 1985, 169 f. 1s Löwisch, DB 1984, 2457 (2458) ; ders., NZA 1985, 170 (172).

§ 13 Bewertung aus betriebsverfassungsrechtlicher Sicht

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Diese Argumentation überzeugt nicht. Unterstellt, die problematisierten Regelungen gälten wirklich nur für Tarifgebundene,1 2 so würde die Diffe­ renzierung nicht aufgrund der gewerkschaftlichen Einstellung, sondern kraft der zwingenden Wirkung des Tarifvertrages erfolgen. Aus diesem Grunde ist etwa nach herrschender Meinung der tarifgebundene Arbeit­ geber auch nicht verpflichtet, aufgrund des Gleichheitssatzes einem Außen­ seiter das zu gewähren, was er aufgrund eines Tarifvertrages den tarifge­ bundenen Arbeitnehmern leisten muß. 1 7 Auch umgekehrt (wenn die Benach­ teiligung der organisierten Arbeitnehmer auf Tarifvertrag beruht) kann nichts anderes gelten. Selbst wenn die Gewerkschaftszugehörigkeit aus­ schlaggebend für die unterschiedliche Behandlung wäre, muß man fragen, ob nicht die negative Koalitionsfreiheit der Tarifaußenseiter die Differen­ zierung geradezu gebietet, d. h. einen sachlichen Differenzierungsgrund abgibt. Im übrigen ist der Betriebsrat bereits nach dem Betriebsverfas­ sungsgesetz selbst, etwa in §§ 2 Abs. 1 , 80 Abs. 1 Nr. 1, 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG 1 9 7 2 , zur Berücksichtigung geltender Tarifverträge angehalten, obwohl diese natürlich nicht immer für alle Arbeitnehmer des Betriebes maßgeblich sind. Dessenungeachtet läßt das Gesetz vor allem aber in § § 77 Abs. 3 Satz 2 , 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG 1 9 7 2 auch zu, einen Tarif­ vertrag für eine Regelung durch Betriebsvereinbarung - auch materieller Fragen - offenzuhalten. 1 8 Schließlich sollte es Sache der Gewerkschaften bleiben, ob sie aus übergeordneten Erwägungen ihre Mitglieder benachtei­ ligende Tarifverträge abschließen und dadurch einen Mitgliederschwund riskieren. 1 9 Hanau hat auf die unabsehbaren Folgen der Annahme eines Ver­ stoßes gegen § 7 5 Abs. 1 BetrVG 1 9 7 2 hingewiesen: Wäre sie zutreffend, müßten zum Beispiel Mehrarbeit und Kurzarbeit stets im ganzen Betrieb eingeführt werden, auch wenn nur bei einzelnen Arbeitnehmergruppen ein betriebliches Bedürfnis dafür besteht. 20 Soweit die oben angesprochenen Tarifverträge den Betriebsparteien die Möglichkeit lassen, unterschiedliche individuelle Arbeitszeiten festzulegen, kommt die Gleichbehandlungspflicht auch innerhalb des Kreises der orga­ nisierten Arbeitnehmer zum Tragen. Differenzierungen zwischen nicht ver­ gleichbaren Arbeitnehmern dürften aber durch betriebliche Bedürfnisse weitgehend zu rechtfertigen sein. 21 17 BAG vom 20. Juli 1960, AP Nr. 7 zu § 4 TVG (Bl. 1 Rücks.) mit Anm. von G. Hueck; Fitting / Auffarth / Kaiser, BetrVG, § 75 RdNr. 16; Gnade / Kehrmann / Schneider / Blanke, BetrVG, § 75 RdNr. 16 ; Löwisch, in: Galperin / Löwisch, BetrVG, § 75 RdNr.20; Wiedemann / Stumpf, TVG, § 3 RdNr. 125. 1 8 Vgl.Hersehe!, AuR 1984, 321 (322). A. A. Richardi, NZA 1985, 172 (174). 19 Ähnlich Ziepke, BB 1985, 281 (286), wenn er auf den freien Entschluß des betrof­ fenen organisierten Arbeitnehmers auf Mitgliedschaft in seiner Gewerkschaft ver­ weist. 20 Hanau, NZA 1985, 74 (75). 21 Buchner, DB 1985, 913 (919 f.).

1 4 Spilger

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IV. Teil: Bewertung der tatsächlichen Erscheinungsformen

III. Die mittelbare Beschränkung von Betriebsratsrechten Wie bereits oben22 erwähnt, sind im Verlauf der Diskussion über die Zulässigkeit eines tarifvertraglichen Betriebsverfassungsrechts mittelbare Beschränkungen von Betriebsratsrechten aus dem Blickwinkel gekommen. Aus betriebsverfassungsrechtlicher Sicht begegnen diese Beschränkungen grundsätzlich keinen Bedenken, sind sie doch nach § 87 Abs. 1 Eingangs­ satz, 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG 1972 (vgl. §§ 56 Abs. 1 Eingangssatz, 59 BetrVG 1 952) zulässig, soweit der Tarifvorrang reicht. Allerdings betonen Schaub23 und Wiedemann / Stumpf (für den Bereich der sozialen Angelegen­ heiten) 2 4 , daß den Betriebspartnern ein Kernbereich zu eigenverantwort­ licher Regelung überlassen bleiben müsse. Dies sei im Hinblick auf deren Sachnähe, auf die zwingend vorgesehene Schlichtungsmöglichkeit und das Bedürfnis nach betriebseinheitlichen Regelungen geboten. 2 5 Soweit eine mittelbare Beschränkung von Beteiligungsrechten qua Tarif­ vorrang erfolgt und zulässig ist, bestehen auch keine Bedenken dagegen, daß im Rahmen der die Sperrwirkung auslösenden Tarifbestimmung Betriebs­ ratsrechte geregelt werden. Wenn nämlich die Beschränkung oder gar der Ausschluß von Beteiligungsbefugnissen insoweit möglich ist, muß erst recht die - gegebenenfalls modifizierte - Rückgewähr dieser Befugnisse durch die entsprechende Tarifregelung zulässig sein. Es besteht eine Parallele zu dem oben I. angesprochenen Regelungstyp (5) insoweit, als auch dort die Rege­ lung von Betriebsratsrechten im Rahmen einer tariflichen Regelung in der Sache selbst erfolgt, nur mit dem Unterschied, daß es dort um eine Erweite­ rung von Rechten geht, bei der Rückgewähr von Rechten im Rahmen mittel­ barer Regelungen die Befugnisse aber hinter dem gesetzlich Vorgesehenen zurückbleiben. Ein plastisches Beispiel sind die häufig vorgesehenen Lohn­ kommissionen. Derartige Regelungen tangieren - als organisatorische Vor­ schriften über die Art und Weise der Betriebsratsbeteiligung -2 6 Fragen der Geschäftsführung des Betriebsrats, welche nach nahezu einhelliger Mei­ nung tarifvertraglicher Gestaltung entzogen sind. 2 7 Regelt aber ein Tarif­ vertrag die Angelegenheit, in deren Überwachung oder Konkretisierung eine Kommission eingeschaltet wird, selbst, dann ist er aufgrund des Tarif­ vorranges frei in der Ausgestaltung der Kommission und des Verfahrens ihrer Beteiligung.

22 23 24 2s 26 27

§ 12 I. Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 5. Aufl. 1983, § 202 V 1 (S. 1 1 86). Wiedemann I Stumpf, TVG, § 1 RdNr. 2 54. Vgl. Wiedemann I Stumpf, TVG, § 1 RdNr. 254. Vgl. Wiedemann I Stumpf, TVG, § 1 RdNr. 257. s. oben § 2 II.

§ 14 Bewertung aus tarifrechtlicher Sicht

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§ 14 Bewertung der tatsächlichen Erscheinungsformen aus tarifrechtlicher Sicht I. Betriebsverfassungsnormen und „Doppelnormen" mit betriebsverfassungsrechtlichem Charakter

Bei den tarifvertraglichen Bestimmungen über Rechtsstellung und Betei­ ligungsrechte des Betriebsrats handelt es sich um Regelungen betriebsver­ fassungsrechtlicher Fragen im Sinne des § 1 Abs. 1 TVG, welche das Gesetz mit Rechtsnormcharakter (vgl. §§ 1 Abs. 1, 4 Abs. 1 Satz 2, Satz 1 TVG) aus­ gestattet hat. Die Aufnahme dieses Normtyps in das Gesetz hatte zwei Gründe: Einmal war daran gedacht, den Tarifvertragsparteien ein Regelungsmittel zur Aus­ füllung des Rahmens, welchen das KRG Nr. 22 gelassen hatte, zur Verfü­ gung zu stellen. 1 Ferner sollte erreicht werden, daß auch Regelungen, deren Bedeutung über das einzelne Arbeitsverhältnis hinausreicht, tariflicher Normierung zugänglich gemacht werden können, 2 nachdem eine normative Wirkung von Solidamormen - und dazu rechneten die betriebsverfassungs­ rechtliche Fragen betreffenden Organisationsnormen -3 bislang überwie­ gend abgelehnt worden war4. Über § 4 Abs. 1 Satz 2 TVG gilt die unmittelbare (normative) und zwin­ gende Wirkung von Inhalts-, Abschluß- und Beendigungsnormen nach § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG „entsprechend" für Rechtsnormen über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen. Die „entsprechende" Anordnung der Normwirkung jener anderen Normtypen trägt dem Umstand Rechnung, daß es Betriebsverfassungsnormen nicht mit den Arbeitsbedingungen in den Einzelarbeitsverhältnissen zu tun haben. Nach der von A Hueck 5 begründe­ ten und herrschenden Lehre6 entfalten betriebliche und betriebsverfas1 s. bereits oben § 2 I.mit Nachw.in Fn.1. 2 Begründung zu § 3 Abs. 1 im Referentenentwurf einer Verordnung über den Tarifvertrag des Zentralamtes für Arbeit (sog. Lemgoer-Entwurf) vom März 1948, abgedruckt bei Wiedemann / Stumpf, TVG, Geschichte RdNr.5 (S.11 f.), und in ZfA 1973, 133 f.; Richardi, in: Dietz / Richardi, BetrVG, § 2 RdNr.127 . Vgl. auch Nikisch, Arbeitsrecht, Bd. II, § 73 V 1 (S. 304). 3 Vgl.oben § 6 II.; Koselke, BB 1949, 83; ders., in: Gesetz und Recht 1949, Heft 69 70, S.51. 4 Vgl.oben § 6 II., § 7 1., § 7 III. 5 A. Hueck, BB 1949, 530 (532). 6 A.Hueck gefolgt sind Buchner, RdA 1966, 208 (209); ders., in: AR-Blattei Teil D, Tarifvertrag V A Betriebsverfassungsnormen, 19 73 II 1; Dieterich, Die betrieblichen Normen nach dem Tarifvertragsgesetz vom 9. 4. 1949, 1964, S.14, 85 ff.; Dietz, BetrVG, 4. Aufl. 1967, § 2 RdNr. 22; Hueck / Nipperdey / Stahlhacke, TVG, 4. Aufl. 1964, § 4 RdNr. 89; Maus,. Tarifvertragsgesetz, 1956, § 1 RdNr. 156 ; Nipperdey, RdA 1949, 81 (85); ders., in: Hueck / Nipperdey, Lehrbuch Bd. 11/1. Hbd., § 15 IV (S. 291); Richardi, Kollektivgewalt und Individualwille bei der Gestaltung des Arbeitsverhält­ nisses, 1968, S. 236 ; ders., in: Dietz / Richardi, BetrVG, § 2 RdNr. 125; Schulz, 14 •

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IV.Teil: Bewertung der tatsächlichen Erscheinungsformen

sungsrechtliche Normen ihre Wirkung denn auch lediglich in einem „betrieblichen Rechtsverhältnis" , an dem einerseits der Arbeitgeber und andererseits die Belegschaft, vertreten durch den Betriebsrat, beteiligt ist. Diese Erklärung der Rechtsnormwirkung betriebsverfassungsrechtlicher Normen ist zutreffend, soweit Tarifregelungen nur das Verhältnis zwischen dem Betriebsrat und dem Arbeitgeber als den Organen der Betriebsverfas­ sung betreffen (zum Beispiel Unterrichtungs-, Anhörungs- oder Beratungs­ rechte in Angelegenheiten allgemeiner Natur; rein organisatorische Vor­ schriften). Nun hat die rechtstatsächliche Umschau aber eine Vielzahl von Regelungen zutage gefördert, die Beteiligungsrechte des Betriebsrats an individuelle Angelegenheiten der Arbeitnehmer berührenden Maßnahmen enthalten. Zu nennen sind etwa Vorschriften über die Beteiligung des Betriebsrats bei Streitigkeiten über Einzelansprüche aus dem Arbeitsver­ hältnis oder bei personellen Einzelmaßnahmen, etwa Einstellungen und Entlassungen, welche über den Rahmen des gesetzlich Vorgesehenen hin­ ausgehen. Derartige Bestimmungen lassen sich gleichzeitig unterschied­ lichen Normtypen des Tarifrechts zuordnen. Bei den beispielhaft genannten Regelungen handelt es sich etwa einerseits um Inhaltsnormen - bzw. Abschluß- bzw. Beendigungsnormen (vgl. § 1 Abs. 1 TVG) - andererseits gleichzeitig um Betriebsverfassungsnormen, so daß man von „Doppelnor­ men" mit betriebsverfassungsrechtlichem Charakter sprechen kann. Auf­ grund des nicht-betriebsverfassungsrechtlichen Normteils beherrschen jene ,,Doppelnormen" - im Gegensatz zu „reinen" Betriebsverfassungsnormen nicht nur das „betriebliche Rechtsverhältnis " , sondern auch die Arbeitsver­ hältnisse. Der Doppelnormcharakter führt also auch zu einer Inhaltswir­ kung der Regelungen. 7 Umfang und Wirkung tariflicher Betriebsnormen, Diss. München 1965, S.110 ff.; Sommer, in: AR-Blattei Teil D, Tarifvertrag V A Betriebsverfassungsnormen, 1955, II; Wagenitz, Die personellen Grenzen der Tarifmacht, 1972, S. 53 ff.; Zigan / Sabin, Tarifvertragsgesetz, 1949, § 1 Anm. 10; Zöllner, RdA 1962, 453 (459). A.A. Lieb, RdA 1967, 441 (445ff.), und Nikisch, Arbeitsrecht Bd. II, § 73 IV 1 (S.301), § 80 II 2 (S. 405), die Betriebsnormen den Inhaltsnormen gleichsetzen, und Wiedemann / Stumpf, TVG, § 1 RdNr. 246, welche die Konstruktion eines betrieblichen Rechtsverhältnisses für überflüssig halten. 7 Doppelnormcharakter und Inhaltswirkung nehmen an (dahinter: Normtyp, der zugleich als Betriebsverfassungsnorm qualifiziert wird, wenn Beteiligung des Betriebsrats vorgesehen ist): LAG Köln vom 24. November 1983 (rechtskräftig), DB 1984, 670 (671) - Beendigungsnorm; Bötticher, Anm. zu LAG Berlin vom 18. März 1964, SAE 1965, 14 (15) - Inhalts-, Abschluß-, Beendigungsnorm; Dietz, BetrVG, 4. Aufl. 1967, § 2 RdNr.22 - Inhaltsnormen; Hanau, NZA 1985, 7 3 (75 f.) - betr.Inhalts­ norm; Hersehe!, BArbBL 1950, 377 (379) - Inhalts- und Abschlußnormen; A. Hueck, BB 1949, 530 (531 f.) - Inhalts- und Abschlußnormen; Hueck / Nipperdey / Stahl­ hacke, TVG, 4. Aufl. 1964, § 1 RdNr. 77, § 4 RdNr. 90 - Inhalts-, Abschluß-, Beendi­ gungsnormen, § 1 RdNr. 58 - Inhaltsnorm in Form tarifvertraglicher Bestimmungs­ klausel; Küchenhof!, Anm. zu BAG vom 12. Oktober 1955, AP Nr. 1 zu § 56 BetrVG 1952 (Bl. 6); Linnenkohl / Rauschenberg, BB 1984, 2197 (2202) - Inhaltsnormen; Nikisch, Arbeitsrecht Bd. II, § 80 III 2 (S. 407) - Inhalts- und Abschlußnormen; Nip­ perdey, RdA 1949, 81 (86) - Inhalts-, Abschluß-, Beendigungsnormen; ders., in:

§ 14 Bewertung aus tarifrechtlicher Sicht

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,,Inhaltswirkung" bedeutet nun nicht, daß jedem Arbeitnehmer dann, wenn eine „Doppelnorm" die Beteiligung des Betriebsrats an einer ihn be­ treffenden Maßnahme vorsieht, ein Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Einhaltung dieser Vorschrift und bei Nichtbeachtung demnach ein Zurück­ behaltungsrecht 8 zusteht. Seine (eigene) Beteiligung kann nur der Betriebs­ rat gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG 1 9 7 2 (Vorläufer: § 54 Abs. 1 b) BetrVG 1952) verlangen. Inhaltswirkung bedeutet vielmehr, daß sich etwa jeder betroffene Arbeitnehmer selbst auf die Unwirksamkeit einer ohne die vorgeschriebene notwendige Beteiligung des Betriebsrats getroffene Maß­ nahme9 berufen kann (beispielsweise die Rechtsunwirksamkeit einer Kün­ digung, die ohne die tarifvertraglich vorgesehene Zustimmung des Betriebs­ rats erklärt wird). Daher bedarf es auch gar nicht der Zubilligung eines Zurückbehaltungsrechts, weil der Normverstoß in aller Regel anders als Hueck / Nipperdey, Lehrbuch Bd. II/1. Hbd., § 15 II 8 d) (S. 282) - Inhalts- und Been­ digungsnormen, § 15 II 10 (S. 288) - Inhaltsnorm in Form tarifvertraglicher Bestim­ mungsklausel; Rewolle, DB 1950, 1 1 ; Richardi, Kollektivgewalt und Individualwille bei der Gestaltung des Arbeitsverhältnisses, 1968, S. 237, 243, 262 - Inhalts- und Abschlußnormen; ders., Recht der Betriebs- und Unternehmensmitbestimmung Bd. I, 2. Aufl. 1979, S. 24 - wohl Inhaltsnormen (anders aber ders., in: Dietz / Richardi, BetrVG, § 1 RdNr. 48, Vorbern. § 87 RdNr. 13, und NZA 1985, 172 [173] : Qualifizier­ barkeit von Inhaltsnormen auch als Betriebsverfassungsnormen abgelehnt) ; Sommer, in: AR-Blattei Teil D, Tarifvertrag V A Betriebsverfassungnormen, 1955, IV 3 Abschluß- und Inhaltsnormen; Wagenitz, Die personellen Grenzen der Tarifmacht, 1972, S. 61, 71 ff. - Inhalts- und Abschlußnormen; Wiedemann / Stumpf, TVG, § 1 RdNr. 239 - Beendigungsnorm, § 4 RdNr. 177 - Abschluß- und Inhaltsnormen. Diese Sichtweise liegt unausgesprochen auch folgenden Entscheidungen zugrunde, in denen es um vom BetrVG abweichende tarifvertragliche Regelungen ging: BAG vom 23. November 195 5, AP Nr. 1 zu § 184 BGB (BI. 1 Rücks.) mit Anm. von Larenz; BAG vom 8. Oktober 1959, AP Nr. 14 zu § 56 BetrVG 1952 (BI. 5 Rücks. f.) mit Anm. von A. Hueck; LAG Berlin vom 18. März 1964, BB 1965, 163 = DB 1964, 1631 = SAE 1965, 12 (13) mit Anm. von Bötticher; LAG Düsseldorf vom 20. März 1970, BB 1970, 666 ; LAG Hamm vom 7. Februar 1964, AuR 1964, 346 (347) = DB 1964, 958; ArbGer. Kiel vom 15. Dezember 1967, DB 1968, 1 1 8 1 ; ArbGer. Marburg vom 1. Februar 1954, BB 1954, 837. ,,Reine" Betriebsverfassungsnormen nehmen an: Maus, Tarifvertragsge­ setz, 1956, § 1 RdNr. 164 (bloße „Reflexwirkung") - anders aber § 1 RdNr. 125 Inhaltsnorm in Form tarifvertraglicher Bestimmungsklausel mit betriebsverfas­ sungsrechtlichem Charakter; Zigan / Sabin, Tarifvertragsgesetz, 1949, § 1 Anm. 10; scheinbar auch BAG vom 2. Juli 1980, AP Nr. 5 zu § 101 BetrVG 1972 (BI. 2 Rücks.) mit Anm. von Misera - allerdings nur für einen sogleich zu besprechenden nicht ver­ allgemeinerungsfähigen Sonderfall und mit angreifbarer Begründung. 8 Auch wegen Verletzung gesetzlicher Betriebsverfassungsnormen gibt es (daher) kein Arbeitsverweigerungsrecht, - betr. § 102 Abs. 1 BetrVG 1972 - BAG vom 14. Februar 1978, AP Nr. 58 zu Art. 9 GG Arbeitskampf (BI. 3 Rücks. f.) mit Anm. von Konzen; Rüthers, JZ 1970, 625 (630 f.); Seiter, ZfA 1970, 355 (357); ders., Streikrecht und Aussperrungsrecht, 1975, S. 431 Fn. 9; ders., Gemeinsame Anm. zu den Urteilen des BAG vom 14. Februar 1978, SAE 1980, 154 (156); Söllner, ZfA 1973, 1 (19 ff.). A. A. Säcker, JurA 1970, 165 (169). 9 Auch die Verletzung eines notwendigen gesetzlichen Mitbestimmungsrechts wirkt sich nach ständiger Rechtsprechung des BAG in der Weise „auf die Einzelar­ beitsverhältnisse" aus, ,,daß die einseitig vom Arbeitgeber getroffenen Maßnahmen insoweit unwirksam sind, wie dadurch Einzelansprüche der Arbeitnehmer vereitelt oder geschmälert werden" , BAG vom 13. Juli 1977, AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 Kurzarbeit (BI. 5) mit Anm. von Löwisch.

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IV. Teil: Bewertung der tatsächlichen Erscheinungsformen

durch Arbeitsverweigerung wird geltend gemacht werden können (im Bei­ spielsfall etwa in einem Kündigungsschutzprozeß durch Klage auf Feststel­ lung, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist). Keine Inhaltswirkung im oben bezeichneten Sinne soll nach einer Ent­ scheidung des Bundesarbeitsgerichts eine Tarifnorm (es ging um § 3 Nr. 2 des Manteltarifvertrages für den Norddeutschen Rundfunk vom 9. Oktober 1 954) entfalten, die eine Einstellung eines Arbeitnehmers an eine Zustim­ mung des Betriebsrats knüpft. 1 0 Ein ohne Zustimmung des Betriebsrats mit einem Bewerber geschlossener Arbeitsvertrag soll danach zivilrechtlich wirksam sein. Das Gericht gelangt zu diesem Ergebnis unter anderem durch einen Vergleich mit der Rechtslage nach dem BetrVG 1 9 7 2 . Aus der Struktur des Gesetzes ergäbe sich, daß eine personelle Maßnahme (mit Ausnahme der Kündigung) in ihrer Wirksamkeit nicht von einer Beteiligung des Betriebs­ rats abhänge. Die Rechtsfolgen fehlender Beteiligung seien im Gesetz ausdrücklich geregelt. Danach sei der Betriebsrat auf die Einleitung des Verfahrens nach § 1 0 1 BetrVG 1 9 7 2 beschränkt. Die Rechtsfolge einer unterlassenen tarifvertraglich vorgesehenen Zustimmung zu einer Einstel­ lung könne demgegenüber nicht stärker sein. 1 1 Meines Erachtens ist dieser Schluß nicht zwingend. Man könnte auch zu einem anderen Ergebnis gelangen, wenn man entsprechende Tarifregelun­ gen als tarifvertragliche Abschlußnormen mit betriebsverfassungsrecht­ lichem Charakter auffaßt: Abschlußnormen kommt nach § 4 Abs. 1 TVG unmittelbare und zwingende Wirkung zu; eine in Widerspruch zur Abschluß­ norm vorgenommene Maßnahme ist aber rechtsunwirksam. Mit tarifrecht­ lichen Fragen hat sich das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung überhaupt nicht auseinandergesetzt. Jedenfalls ist diese nicht verallgemeine­ rungsfähig. Sie betrifft nur das Zustimmungserfordernis zu Einstellungen und allenfalls noch Versetzungen, bei denen das Verfahren nach § 1 0 1 BetrVG 1 9 7 2 Anwendung findet, insbesondere aber nicht Kündigungen, wo das nicht nicht Fall ist (§ 1 0 1 BetrVG 1 9 7 2 gilt zwar auch für Ein- und Umgruppierungen; da Beteiligungsrechte des Betriebsrats insoweit aber aus der Natur der Maßnahme heraus nur Mitbeurteilungs- und keine (konstitu­ tiven) Mitgestaltungsrechte darstellen, 1 2 scheidet schon von daher eine Inhaltswirkung auch einer tarifrechtlichen Regelung aus). Hinsichtlich Kündigungen wird die eigene Ansicht noch dadurch unterstützt, daß selbst Normen einer Betriebsvereinbarung nach § 1 02 Abs. 6 BetrVG 1 9 7 2 , die 10 BAG vom 2. Juli 1980, AP Nr. 5 zu § 1 0 1 BetrVG 1972 (Bl. 2 Rücks. ff.) mit Anm. von Misera. 1 1 BAG vom 2. Juli 1980, AP Nr. 5 zu § 1 0 1 BetrVG 1972 (Bl. 2 Rücks., Bl. 3, Bl. 4) mit Anm. von Misera. 12 BAG vom 22. März 1983, AP Nr. 6 zu § 101 BetrVG 1972 (Bl. 3) mit Anm. von Löwisch; BAG vom 3 1 . Mai 1983, AP Nr. 27 zu § 1 1 8 BetrVG 1972 (Bl. 5) mit Anm. von Misera.

§ 14 Bewertung aus tarifrechtlicher Sicht

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Kündigungen einer Zustimmung des Betriebsrats unterstellen, allgemein Inhaltswirkung zuerkannt wird. 1 3 II. Der personelle Umfang von Betriebsverfassungsnonnen und „Doppelnormen" mit betriebsverfassungsrechtlichem Charakter

Nach wie vor umstritten ist die Frage, welchen personellen Umfang „Dop­ pelnormen" mit betriebsverfassungsrechtlichem Charakter haben. In § 3 wurde dargelegt, daß § 3 Abs. 2 TVG nach überwiegender Meinung den Tarifvertragsparteien für Betriebsverfassungsnormen in verfassungsgemä­ ßer Weise Rechtssetzungsbefugnis gegenüber Außenseitern einräumt. Soweit „reine" Betriebsverfassungsnormen vorliegen, wird das den Außenseiter nicht stören, weil sich deren Wirkung auf das „betriebliche Rechtsverhält­ nis" beschränkt. Problematisch wird es aber bei den „Doppelnormen" mit betriebsverfassungsrechtlichem Charakter, da diesen auch Inhaltswirkung zukommt: Bei ihnen stellt sich die Frage, ob ihr nicht-betriebsverfassungs­ rechtliches an der Außenseiterwirkung ihres betriebsverfassungsrechtlichen Elements teilnimmt, obwohl es für sich genommen - etwa als Inhalts-, Abschluß- oder Beendigungsnorm - nur für tarifgebundene Arbeitnehmer gelten würde (vgl. §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 Satz 1 TVG). Zu dieser Frage haben sich zwei Meinungsströme herausgebildet. Die Befürworter einer Außenseiterwirkung stellen darauf ab, daß es sich bei den „Doppelnormen" eben auch um Betriebsverfassungsnormen handle bzw. hinsichtlich der Frage nach dem personellen Umfang derartiger Rege­ lungen ihr betriebsverfassungsrechtliches Element den Ausschlag gebe (vor­ gehe) 14 , was nach § 3 Abs. 2 TVG erweiterte Rechtswirkung zur Folge habe. 1 5 Vereinzelt wird auch (ausdrücklich) 16 vertreten, daß es sich bei 13 Vgl. nur Meisel, Die Mitwirkung und Mitbestimmung des Betriebsrats in perso­ nellen Angelegenheiten, 5. Aufl. 1984, RdNr. 637. 1 4 Diese letzte und öfters anzutreffende Formulierung ist insofern mißverständlich, als man daraus entnehmen könnte, daß es sich bei derartigen Regelungen dann nur um Betriebsverfassungsnormen handeln soll. Selbst so verstanden ändert sich am Ergebnis dadurch aber nichts, weil sich die Herauskehrung des Charakters als Betriebsverfassungsnorm nur auf den Umfang der Normwirkung bezieht und die Inhaltswirkung nicht in Frage gestellt wird. 15 LAG Köln vom 24. November 1983 (rechtskräftig), DB 1984, 670 (671) - Beendi­ gungsnorm; Hanau, NZA 1985, 73 (75 f.) - Inhaltsnormen; A. Hueck, BB 1949, 530 (531 f.) - Inhalts- und Abschlußnorm; Hueck I Nipperdey I Stahlhacke, TVG, 4. Aufl. 1964, § 1 RdNr. 77, § 4 RdNr. 90 - Inhalts-, Abschluß- und Beendigungsnormen; Lin­ nenkohl I Rauschenberg, BB 1984, 2197 (2202) - Inhaltsnormen; Nikisch, Arbeitsrecht Bd. II, § 80 III 2 (S. 407) - Inhalts- und Abschlußnormen; Nipperdey, RdA 1949, 8 1 (86) - Inhalts-, Abschluß- und Beendigungsnormen; ders., in: Hueck / Nipperdey, Lehrbuch Bd. II/1. Hbd. , § 15 II 8 d) (S. 282) - Inhalts- und Beendigungsnormen, § 15 II 10 (S. 2 88) - Inhaltsnorm in Form tarifvertraglicher Bestimmungsklausel; Wiede­ mann / Stumpf, TVG, § 1 RdNr. 239 - Beendigungsnorm, § 4 RdNr. 1 7 7 - Inhalts- und Abschlußnormen. 1s Vgl. Fn. 14!

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IV. Teil: Bewertung der tatsächlichen Erscheinungsformen

den in Rede stehenden Regelungen allein um Betriebsverfassungsnormen handle. 1 7 Zu diesem Normtyp gehöre notwendig auch die Tangierung der Einzelarbeitsverhältnisse, da Normen, die nur den Betriebsrat oder nur den Arbeitgeber betreffen, als betriebsverfassungsrechtliche Tarifnormen gar nicht denkbar seien. 1 8 Eine leicht überwiegende Meinung lehnt eine Außenseiterwirkung von Normen mit Inhaltswirkung ab, auch wenn sie im Zusammenhang mit einem Beteiligungsrecht des Betriebsrats stehen. Zum Teil wird vertreten, daß es sich zwar dann um Doppelnormen handle, diese aber aufgrund ihres Charakters auch als Inhalts-, Abschluß- oder Beendigungsnormen nach §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 Satz 1 TVG Einfluß nur auf die Arbeitsverhältnisse Tarifge­ bundener erlangen dürften bzw. der Charakter als Inhalts-, Abschluß- oder Beendigungsnorm hinsichtlich der Frage nach dem personellen Umfang derartiger Regelungen den Ausschlag gebe (vorgehe). 1 9 Relativ oft wird gel­ tend gemacht, daß es sich bei den in Rede stehenden Regelungen überhaupt nicht um Betriebsverfassungsnormen, sondern um reine Inhalts-, Abschluß­ oder Beendigungsnormen handle. Eine vorgesehene Beteiligung des Betriebsrats sei lediglich Gültigkeitsvorausstzung derartiger Bestimmun­ gen2 0 bzw. stelle nur einen Deckmantel dar, unter dem eine Umgehung der §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 Satz 1 TVG versucht werde2 1 . Vertreter der eine Außenseitergeltung betriebsverfassungsrechtlicher Normen ablehnenden Meinung22 bieten als Ersatz für die fehlende Rechts­ normwirkung Mittel des Einzelarbeitsvertragsrechts an: Belastende Be17 Maus, Tarifvertragsgesetz, 1956, § 1 RdNr. 164 (anders aber § 1 RdNr. 125) ; Zigan I Sabin, Tarifvertragsgesetz, 1949 , § 1 Anm. 10. 1 8 Maus, Tarifvertragsgesetz, 1956, § 1 RdNr. 164, der insofern von einer „Reflex­ wirkung" spricht. 19 Beuthien, JurA 197 0, 130 (143) ; Bötticher, Anm. zu LAG Berlin vom 18. März 1964, SAE 1965, 14 (15) - Inhalts-, Abschluß-, Beendigungsnorm; Dietz, BetrVG, 4. Aufl. 1967, § 2 RdNr. 22 - Inhaltsnormen; Hersehe!, BArbBl. 1950, 377 (379) - Inhalts­ und Abschlußnormen; Richardi, Kollektivgewalt und Individualwille bei der Gestal­ tung des Arbeitsverhältnisses, 1968, S. 237, 243, 262 - Inhalts- und Abschlußnormen (anders aber ders., nächste und übernächste Fn. : Doppelnormcharakter verneint) ; Wagenitz, Die personellen Grenzen der Tarifmacht, 1972 , S. 61, 71 ff. - Inhalts- und Abschlußnormen; Ziepke, BB 1985, 281 (286) - Inhaltsnormen; wohl auch Sommer, in: AR-Blattei Teil D, Tarifvertrag V A Betriebsverfassungsnormen, 1955, IV 3 Inhalts- und Abschlußnormen. 20 So oder ähnlich Buchner, in: AR-Blattei Teil D, Tarifvertrag V A Betriebsverfas­ sungsnormen, 1973, III 2 b) bb) ; Galperin, BB 1960, 453 (456) ; Richardi, in: Dietz / Richardi, BetrVG § 1 RdNr. 48, Vorbern. § 87 RdNr. 12 f., ders., NZA 1984, 387 (388) - anders aber ders., vorige Fn. : Doppelnormcharakter bejaht; Siebert, RdA 1958, 421 (422). 21 So oder ähnlich von Hoyningen-Huene, NZA 1985, 9 (11, 14) ; Kraft, in: GK­ BetrVG, vor § 92 RdNr. 25; Löwisch, DB 1984, 2457 ; ders., NZA 1985, 170 (171) ; Richardi, in: Dietz / Richardi, BetrVG, § 1 RdNr. 48 ; ders., NZA 1985, 172 (173) anders aber ders., vorletzte Fn. : Doppelnormcharakter bejaht; Schüren, RdA 1985, 22 (27); wohl auch Hagemeier I Kempen I Zachert I Zilius, TVG, § 3 RdNr. 12. 22 Wegen des Umfanges der jeweiligen Ablehnung vgl. bereits oben § 3.

§ 14 Bewertung aus tarifrechtlicher Sicht

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triebsverfassungsnormen können danach gegenüber Außenseitern nur durch das Direktionsrecht des Arbeitgebers als „ dogmatische Brücke" durchge­ setzt werden. 23 Soweit selbst eine Außenseiterwirkung begünstigender Betriebsverfassungsnormen verneint wird, könnten sich umgekehrt Rechte für die nicht-organisierten Arbeitnehmer nur aus der arbeitsvertraglichen Pflicht des Arbeitgebers zur Gleichbehandlung seiner Arbeitnehmer erge­ ben. 24 Lieb schließlich verweist auf die Möglichkeit, zur Regelung der Fra­ gen des § 3 Abs. 2 TVG auf das Institut der betriebseinheitlich geltenden Betriebsvereinbarung zurückzugreifen. 2 5 Eine überzeugende Klärung der Streitfrage hat auch die Entscheidung des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 2 9 . November 1 9 6 7 zu den tarifvertraglichen Differenzierungsklauseln nicht gebracht. So hat das Gericht zwar entschieden, daß Rechtsnormen eines Tarifvertrages, die den Inhalt, den Abschluß oder die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ordnen, weder zugunsten noch zu Lasten der Außenseiter ohne besondere staatliche Ermächtigung oder Mitwirkung eine Regelung treffen könnten. 2 6 Die Frage, ob Betriebsverfassungsnormen nach § 3 Abs. 2 TVG in verfassungsmäßiger Weise Außenseiterwirkung verliehen wird, hat das Gericht dagegen aus­ drücklich offengelassen27 und Inhalts-, Abschluß- oder Beendigungsnormen mit betriebsverfassungsrechtlichem Charakter wurden überhaupt nicht angesprochen. Entsprechendes gilt für die bereits in § 3 wiedergegebene Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Tarifnormerstreckung auf Außenseiter zulässig ist. Gleichwohl weisen jene Entscheidungen in die richtige Rich­ tung. Entscheidend für die Außenseitergeltung nach § 3 Abs. 2 TVG ist, wel­ che Regelungen im Sinne dieser Vorschrift noch als (auch) ,,betriebsverfas­ sungsrechtlich" bezeichnet werden können: Keinesfalls kann man jede Regelung, die auch ein Beteiligungsrecht des Betriebsrats enthält, unbese­ hen unter den Begriff der Betriebsverfassungsnormen „packen " . Eine solche Vorgehensweise beseitigte die gesetzgeberische Unterscheidung zwischen Inhalts-, Abschluß- und Beendigungsnormen, deren Geltung beiderseitige Tarifgebundenheit voraussetzt, und betriebsverfassungsrechtlichen Normen, deren Geltung lediglich die Tarifgebundenheit des Arbeitgebers voraus23 Richardi, Kollektivgewalt und Individualwille bei der Gestaltung des Arbeits­ verhältnisses, 1968, S. 226, 2 3 7 ; Wagenitz, Die personellen Grenzen der Tarümacht, 1972, S. 58, 60 f. Für Normen über betriebliche Fragen bereits Zöllner, RdA 1962, 453 (459). 24 Wagenitz, Die personellen Grenzen der Tarifmacht, 1972, S. 5 8 f. 25 Lieb, Die Rechtsnatur der Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen als Problem des Geltungsbereichs autonomer Normsetzung, Diss. München 1 960, S. 7 5 Fn. 2 3 ; vgl. für belastende Normen über betriebliche Fragen auch ders., Arbeitsrecht, 3. Aufl. 1984, § 6 III 2 (S. 126). 26 BAG GS vom 29. November 1 96 7 , AP Nr. 1 3 zu Art. 9 GG (BI. 6 f.). 2 7 BAG GS vom 29. November 1 9 6 7 , AP Nr. 1 3 zu Art. 9 GG (BI. 5 Rücks. f. , BI. 1 0 Rücks.).

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setzt, und stellte damit das Regel- (beiderseitige Tarifgebundenheit als Gel­ tungsvoraussetzung) / Ausnahmesystem (unter bestimmten Bedingungen Tarifgeltung auch ohne beiderseitige Tarifgebundenheit) des TVG auf den Kopf. 28 Allein die Aufnahme eines Beteiligungsrechts in eine Tarifbestim­ mung kann also nicht dazu führen, daß ein Außenseiter von einer Regelung erfaßt wird, die ihn ohne Beteiligung des Betriebsrats (als Inhalts-, Abschluß- oder Beendigungsnorm) nie erfassen würde. Dies gilt aber nicht nur für die Außenseiter belastenden Regelungen über die Beteiligung des Betriebsrats (etwa im Zusammenhang mit Einstellungen, da sonst Gefahr der Schaffung eines „closed shop" bestünde), sondern auch für begünsti­ gende Regelungen, an deren Außenseitergeltung die Gewerkschaften kein Interesse haben können, 2 9 bzw. durch welche deren Recht auf kollektive Koalitionsfreiheit ausgehöhlt werden würde. 30 Da,s bedeutet nun aber nicht eine Sinnentleerung des § 3 Abs. 2 TVG, da ,,reine" Betriebsverfassungsnormen von der Einschränkung des persönli­ chen Geltungsbereichs auf Tarifgebundene nicht betroffen sind. Auch wird man selbst Regelungen mit Inhaltswirkung die erweiterte Rechtsnormwir­ kung gemäß § 3 Abs. 2 TVG dann zuerkennen müssen, wenn sie einen not­ wendig betriebseinheitlichen Geltungsanspruch besitzen. 3 1 Die Beantwor­ tung der Frage, wann ein derartiger Geltungsanspruch besteht, könnte etwa davon abhängig gemacht werden, ob die fragliche Norm die Regelung im Interesse der gesamten Belegschaft oder lediglich im Individualinteresse der Arbeitnehmer trifft. Die Beantwortung der Frage, wann ein betriebseinheitlicher Geltungs­ anspruch einer Doppelnorm anzunehmen ist, kann Schwierigkeiten bereiten, wenn eine tarifvertragliche Bestimmung lediglich besagt, daß der Betriebs­ rat bei einer bestimmten Maßnahme des Arbeitgebers (etwa Einstellung oder Kündigung) zu beteiligen ist. Dann muß - wie ausgeführt - gefragt werden, ob die Norm die Regelung im Interesse der gesamten Belegschaft Hagemeier / Kempen / Zachert / Zilius, TVG, § 3 RdNr. 12. 2 9 Vgl. dazu Däubler, Das Grundrecht auf Mitbestimmung, 4. Aufl. 1976, S. 295 f. 30 Das wirft die Frage auf, ob eine Regelung, der keine Außenseitergeltung nach § 3 Abs. 2 TVG zukommt, rechtsdogmatisch überhaupt noch (auch) als Betriebsverfas­ sungsnorm qualifiziert werden kann. Sie ist zu bejahen, denn Regelungen über Rechtsstellung und Beteiligungsrechte des Betriebsrats unterscheiden sich von ande­ ren Normtypen nicht nur durch den Umfang ihrer Rechtsnormwirkung, sondern gerade auch dadurch, daß sie das „betriebliche Rechtsverhältnis" betreffen und in ihrer Bedeutung daher über das einzelne Arbeitsverhältnis hinausreichen. Anders: Auch wenn man bei „Doppelnormen" mit Rücksicht auf ihren Charakter als Inhalts-, Abschluß- oder Beendigungsnorm auf eine Außenseitergeltung verzichtet, bleibt für ihr betriebsverfassungsrechtliches Element ein Bedeutungsrest. 31 Gegen Bedenken aus dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungs­ grundsatz, wenn es an dem betriebseinheitlichen Geltungsanspruch fehlt und die Rechtsnormwirkung sich daher auf Tarifgebundene beschränkt, vgl. bereits die Aus­ führungen oben § 13 II. Zu den nicht-tarifvertraglichen Möglichkeiten einer Erfas­ sung auch der Außenseiter soeben oben. 28

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oder lediglich im Individualinteresse der Arbeitnehmer trifft. Knüpft zum Beispiel eine Norm die Einstellung bestimmter Arbeitnehmer auf bestimmte Arbeitsplätze an die Zustimmung des Betriebsrats, hängt die Frage nach dem betriebseinheitlichen Geltungsanspruch (und damit der Außenseiter­ wirkung) davon ab, ob die Regelung zum Schutz der bereits beschäftigten Arbeitnehmer getroffen ist (dann Außenseiterwirkung, da nur betriebs­ einheitliche Entscheidung möglich) 3 2 oder ob nur der Bewerber auf den Arbeitsplatz vor möglichen Gefahren geschützt werden soll (dann keine Außenseiterwirkung). 33 Einfacher ist die Frage nach dem betriebseinheitlichen Geltungsanspruch dann zu beantworten, wenn die Tarifvertragsparteien selbst eine bestimmte Angelegenheit regeln und den Betriebsrat zur Festlegung von Modalitäten, Einzelheiten, Ergänzungen oder Abweichungen einschalten. Häufig anzu­ treffen sind etwa Bestimmungen über die Einführung oder Anwendung von Entlohnungsgrundsätzen (zum Beispiel Akkord-, Prämien- oder Gruppen­ lohn), die dem Betriebsrat ausdrücklich ein weites Feld von Beteiligungs­ rechten einräumen (wie etwa bei der Entscheidung über die Wahl der Methode, nach welcher Daten für die Ausführung der Arbeit ermittelt wer­ den). Häufig sind auch Regelungen, welche die Länge der Pausen festlegen, deren Verteilung über die tägliche Arbeitszeit aber einer zwischen Arbeit­ geber und Betriebsrat zu treffenden Vereinbarung überlassen. In all diesen Fällen ergibt sich in der Regel schon aus dem Geltungsumfang der von den Tarifvertragsparteien gegebenen Regelung die Reichweite der zu ihrer Aus­ füllung eingeschalteten Betriebsratsrechte: Entlohnungssysteme, Urlaubs­ und Versorgungsordnungen, die Bestimmung der täglichen Arbeitszeit, der Lage der Pausen oder der Zeit der Lohnzahlung lassen sich nur betriebsein­ heitlich regeln. 3 4 Die Beteiligung des Betriebsrats an der näheren Ausgestal­ tung der entsprechenden tarifvertraglichen Regelungen kann dann auch nur betriebseinheitlich, d. h. auch mit Wirkung für Außenseiter, sein. Die Betei­ ligungsbefugnis hätte keinen betriebseinheitlichen Geltungsanspruch, wenn ein Tarifvertrag etwa eine Bestimmung untertariflicher Entlohnung durch den Arbeitgeber (zum Beispiel wegen des Alters, der Invalidität oder sonsti­ ger Gründe der Minderleistungsfähigkeit von Arbeitnehmern - Minderlei­ stungsklauseln - ) von einer Beteiligung des Betriebsrats abhängig macht: Die tarifliche Entlohnung gilt nur für die tarifgebundenen Arbeitnehmer (Ausnahme: bei Allgemeinverbindlichkeit eines Tarifvertrages oder Bezug32 Daher wird es sich im Beispielsfall neben einer Abschlußnorm mit betriebsver­ fassungsrechtlichem Charakter auch um eine Betriebsnorm handeln. 33 Ähnlich (für Abschlußverbote) Wiedemann / Stumpf, TVG, § 4 RdNr. 175. 34 Auch in diesen Beispielsfällen wird es sich daher auch um Betriebsnormen han­ deln. Ein Indiz für einen betriebseinheitlichen Regelungsumfang der Tarifbestim­ mung kann § 87 Abs. 1 BetrVG 1972 geben: Die dort aufgeführten Angelegenheiten lassen sich auch durch Betriebsvereinbarung nur betriebseinheitlich regeln. Gleiches muß dann auch für tarifvertragliche Regelungen entsprechenden Inhalts gelten.

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IV.Teil: Bewertung der tatsächlichen Erscheinungsformen

nahme von Außenseiter-Arbeitsverträgen auf den entsprechenden Tarif­ vertrag). Auch Abweichungen hiervon können dann nur für Tarifgebundene gelten. Die Beteiligung des Betriebsrats an der näheren Regelung der Abweichung ist auch hier wieder vom Umfang der tarifvertraglichen Rege­ lung bestimmt, also von vornherein auf tarifgebundene Arbeitnehmer beschränkt. Den gegen eine Außenseitergeltung erhobenen Bedenken wird die „ Spitze" dadurch genommen, daß allein ca. 4,4 Mio. Arbeitnehmer durch allgemeinverbindliche Tarifverträge erfaßt werden35 und in der Praxis die einzelarbeitsvertragliche Bezugnahme auf einen Tarifvertrag zur Regel geworden ist36 . Zufolge den Materialien zum Bericht zur Lage der Nation 1 9 7 2 wird der überwiegende Teil der Arbeitsverhältnisse in der Bundes­ republik Deutschland heute unmittelbar oder mittelbar von Tarifverträgen gestaltet. 37 Clasen spricht von einem nahezu lückenlosen Netz von Tarifver­ trägen für Wirtschafts- und Dienstleistungsbereiche, in denen rund 90 % aller Arbeitnehmer beschäftigt sind. 38 Von einer Außenseiterstellung des durch eine Betriebsverfassungsnorm betroffenen nicht-organisierten Arbeitnehmers kann jedenfalls dann keine Rede mehr sein, wenn die Allgemeinverbindlichkeit des Tarifvertrags bzw. die Bezugnahme des Arbeitsvertrags auf den Tarifvertrag sich - wie ge­ wöhnlich - auf das gesamte Tarifvertragswerk beziehen und damit auch darin enthaltene Betriebsverfassungsnormen mit einschließen. m. Tarifvertragliche Zulassungsnormen Sehr häufig machen die Tarifvertragsparteien von der Möglichkeit Gebrauch, die Sperrwirkung des Tarifvertrages gegenüber einer Beteiligung des Betriebsrats (§§ 77 Abs. 3 Satz 1, 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG 1972 § 5 9 BetrVG 1952) durch Zulassung ergänzender Betriebsvereinbarungen 35 So für den Stand vom 1.Januar 1979 Der Bundesminister für Arbeit und Sozial­ ordnung (Hrsg.), Sozialpolitische Informationen, 1979, S. 206. Danach waren am

1. Januar 1979 insgesamt 585 Tarifverträge allgemeinverbindlich, insbes. auf den Gebieten Baugewerbe, Steine- und Erdenindustrie, Textilindustrie, Bekleidungsin­ dustrie, Brot- und Backwarenindustrie, Bäckereihandwerk, Groß- und Außenhandel, Einzelhandel, Gebäudereinigerhandwerk, Hotel- und Gaststättengewerbe. Jährliche Dokumentation (seit 1964) der für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge und der Aufhebung von Allgemeinverbindlicherklärungen finden sich bei G. Müller (Hrsg.), Das Arbeitsrecht der Gegenwart (Zeitschrift ab 1964). 3 6 Nach von Hoyningen-Huene, RdA 1974, 138 (139), ist die einzelvertragliche Bezug­ nahme auf den Tarifvertrag „ein häufig anzutreffendes Phänomen". Vgl. auch Nikisch, Arbeitsrecht Bd. II, § 71 I 2 (S. 262) : ,,Gleichmäßige Anwendung tariflicher Arbeitsbedingungen auf alle Arbeitnehmer eines Betriebes wenigstens in der Praxis der größeren Betriebe". 37 BT-Drucks.VI/3080 vom 8.Februar 1972, S. 176. 38 Clasen (Mitarbeiter bei dem Tarifregister des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung), BArbBl.4/1983, 11.

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(vgl. § 77 Abs. 3 Satz 2 BetrVG 1972 - § 59 BetrVG 1952) zu durchbrechen. Entsprechende Klauseln werden als tarifvertragliche Zulassungsnormen bezeichnet. 39 Da sie dem Betriebsrat die Möglichkeit eröffnen, mit dem Arbeitgeber Betriebsvereinbarungen über Angelegenheiten zu schließen, die aufgrund des Tarifvorranges ansonsten nicht möglich wären, betreffen sie die Rechtsstellung des Betriebsrats (und des Arbeitgebers) und stellen daher Betriebsverfassungsnormen dar. Da Adressat der Zulassung Betriebsrat und Arbeitgeber als Organe der Betriebsverfassung und nicht die einzelnen Arbeitnehmer sind, hat in bezug auf diese die Frage nach der Außenseitergeltung gemäß § 3 Abs. 2 TVG keine Bedeutung. Die Rechtsnormwirkung der Zulassungsnormen selbst beherrscht lediglich das „ betriebliche Rechtsverhältnis" zwischen Betriebs­ rat und Arbeitgeber. Umstritten ist nun, ob der nach dem Gesetz im Falle tarifvertraglicher Zulassung erlaubten Betriebsvereinbarung Außenseiter­ wirkung auch insoweit zukommt, als sie Tarifregelungen ergänzt, die selbst - als Inhalts-, Abschluß- oder Beendigungsnormen - nur für tarifgebundene Arbeitnehmer Geltung haben. Hier drängt sich auf den ersten Blick eine Parallele zu den soeben behandelten Doppelnormen mit betriebsverfas­ sungsrechtlichem Charakter auf. Gleichwohl ist die Frage anders als dort keine tarifrechtliche, sondern eine betriebsverfassungsrechtliche, 40 geht es doch darum zu klären, ob der ergänzenden Betriebsvereinbarung selbst Außenseiterwirkung zukommt. Nur eine Mindermeinung verneint dies. 41 Es wird geltend gemacht, daß durch die Zulassung ergänzender Betriebsvereinbarungen auf betrieblicher Ebene keine faktische Allgemeinverbindlichkeit geschaffen werden dürfe. 42 Nach herrschender Meinung hingegen bedeutet eine tarifvertragliche Zulassungsklausel eine Erstreckung der ergänzten Tarifregelung auf die Außenseiter. Buchner weist mit Recht darauf hin, daß durch die ergänzende Betriebsvereinbarung betriebliches Recht und nicht aus der tariflichen Rechtssetzungsmacht abgeleitete Ausführungsvorschriften zu den Tarif­ rechtsnormen gesetzt werde. 4 3 In die gleiche Richtung zielt die Argumenta­ tion von Hanau, wonach der Tarifvertrag bei Zulassung einer Ergänzung selbst gerade keine abschließende Regelung treffe. 44 Auch der Einwand von Thiele, wonach eine Betriebsvereinbarung dem Grundsatz der Gleichbe39

Vgl. Wiedemann / Stumpf, TVG, § 1 RdNr. 123. 40 Ihre Erörterung in § 14 schien durch eben jene Parallele und zur Kenntlich­ machung der Unterschiede geboten. 4 1 Löwisch, DB 1984, 2457 (2458); ders., NZA 1985, 170 ( 1 7 1 ) - anders ders., in: Galperin / Löwisch, BetrVG, § 77 RdNr. 2 9 ; Ziepke, BB 1985, 2 8 1 (286). 42 Löwisch, DB 1 984, 2457 (2458). 43 Buchner, DB 1985, 913 (918). 44 Hanau, NZA 1985, 7 3 (74 f., 7 6).

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IV. Teil: Bewertung der tatsächlichen Erscheinungsformen

handlung aller Betriebsangehörigen (also auch der Außenseiter) Rechnung tragen müsse, 4 5 erscheint beachtlich. 4 6 Der herrschenden Meinung ist zuzustimmen. Die Interessen der Tarifau­ ßenseiter sind gewahrt, weil es sich bei einer ergänzenden Betriebsvereinba­ rung um betriebliche Rechtssetzung handelt und das die Arbeitnehmerschaft dabei repräsentierende Organ „ Betriebsrat" seine Legitimation durch Wah­ len bezieht, an denen sich die gesamte Belegschaft beteiligen kann, also auch die Außenseiter. Auch die Interessen der sich auf die Möglichkeit einer ergänzenden Betriebsvereinbarung einlassenden tarifschließenden Gewerk­ schaft sind gewahrt, da sie an der Beseitigung der Sperrwirkung des Tarif­ vertrages in Kenntnis der Außenseitergeltung einer ergänzenden Betriebs­ vereinbarung selbst mitwirkt.

IV. Tarifvertragliche Bestimmungsklauseln Es ist eine in Tarifverträgen öfters anzutreffende Erscheinung, daß die Tarifvertragsparteien gewisse Arbeitsbedingungen nicht abschließend und in allen Einzelheiten festlegen und die Konkretisierung (Ergänzung oder Veränderung von Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis) des dadurch geschaf­ fenen Spielraums der Bestimmung einer im Tarifvertrag bezeichneten Stelle oder Person überlassen. 4 7 Häufig geht es dabei um die Entscheidung von Fragen, die rechtlich betrachtet einen unbestimmten Rechtsbegriff darstel­ len (zum Beispiel ob ein „ dringendes betriebliches Bedürfnis" für den Aus­ fall von Arbeitszeit vorliegt oder ähnliches). Die zur Entscheidung Berufe­ nen können beispielsweise Arbeitnehmer und Arbeitgeber gemeinsam48 , der einzelne Arbeitgeber48 oder eine dritte, paritätisch besetzte Stelle sein. 49 Hier von Interesse sind die häufig anzutreffenden Regelungen, nach denen der Arbeitgeber die Bestimmung treffen darf, dabei aber den Betriebsrat zu beteiligen hat (wie etwa bei der Festsetzung des Entgelts Minderleistungs­ fähiger aufgrund einer sogenannten Minderleistungsklausel). Daß der BeThiele, in: GK-BetrVG, § 77 RdNr.111. Eine Außenseitergeltung tarifvertraglich zugelassener ergänzender Betriebs­ vereinbarungen bejahen auch ArbGer. Pforzheim vom 25. Oktober 1956, Der Arbeit­ geber 1956, 819 (820); Fitting / Auffarth / Kaiser, BetrVG, § 77 RdNr. 63; Gnade / Kehrmann / Schneider / Blanke, BetrVG, § 77 RdNr. 42; Hess, in: Kammann / Hess / Schlochauer, BetrVG, § 77 RdNr. 10; Küttner / Schlüpers Oehmen / Rebe!, DB 1985, 172 (173); Löwisch, in: Galperin / Löwisch, BetrVG, § 77 RdNr.30 (anders ders., Fn. 41); von Stebut, RdA 1974, 332 (340 f.); wohl auch Linnenkohl / Rauschenberg, BB 1984, 2197 (2198 f.) - ,,betriebliche Arbeitszeitgestaltung" . 47 Wiedemann / Stumpf, TVG, § 1 RdNr.296. 48 Auch in diesen Fällen spricht man von Zulassungsnormen.Der Tarifvertrag wird dabei insoweit zu dispositivem Recht, was nach § 4 Abs. 3 TVG zulässig ist. Anders als bei den unter III.erörterten Zulassungsnormen erfolgt die Konkretisierung hier aller­ dings nicht durch Betriebsvereinbarung, sondern auf individualvertraglicher Ebene. 49 Wiedemann / Stumpf, TVG, § 1 RdNr. 297 ff. 45

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triebsrat an der Bestimmung beteiligt werden kann, ist allgemein aner­ kannt. 5 0 Der Umfang der Beteiligungsmöglichkeit hängt davon ab, inwie­ weit eine Delegation von Befugnissen auf die Betriebspartner über den Rah­ men des gesetzlichen Betriebsverfassungsrechts hinaus zulässig ist. 51 Dieser Frage wurde bereits in § 2 I. - III. und § 13 I. nachgegangen. Arbeitgeber und Betriebsrat haben bei entsprechenden Regelungen die Bestimmung dann gemeinsam vorzunehmen, sei es daß der Betriebsrat anzuhören ist, sei es daß er zustimmen muß. Bei Klauseln, welche die genaue Bestimmung der Arbeitsbedingungen einer Partei oder Dritten überlassen, handelt es sich um eine besondere Art der Inhaltsnormen52 , die Bestimmungsklauseln53 (früher auch „ arbeitsver­ tragliche Bestimmungsklauseln" genannt) 54 • Keine tarifvertraglichen Bestimmungsklauseln sind die tarifvertraglichen Schieds-, insbesondere Schiedsgutachtenklauseln: Anders als Bestimmungsklauseln dienen sie nicht rechtsgestaltender Vertragsergänzung, sondern ermöglichen es einer bestimmten Stelle, das Gericht bindende Feststellungen rechtsstreiterheblicher Tatfragen zu treffen. Ihr Gegenstand ist also die Entscheidung von Rechtsstreitig­ keiten aus dem Arbeitsverhältnis.55

Strittig ist, ob eine Bestimmungsklausel, die eine Beteiligung des Betriebsrats an der Konkretisierung von Pflichten aus dem Arbeitsver­ hältnis vorsieht, gleichzeitig eine Betriebsverfassungsnorm darstellt und ihr daher nach § 3 Abs. 2 TVG Außenseitergeltung zukommt. 5 6 Das Bundes­ arbeitsgericht hat diese Frage bislang ausdrücklich offen bzw. unerörtert 50 Vgl. BAG vom 24. September 1959, AP Nr. 1 1 zu § 6 1 1 BGB Akkordlohn (Bl. 5) mit zustimmender Anm. von Nikisch (Bl. 6); BAG vom 29. Januar 1969, AP Nr. 20 zu § 611 BGB Akkordlohn (Bl. 3) mit Anm. von Gaul; Buchner, DB 1985, 913 (922); Hanau, NZA 1985, 73 (76); Hilger, in: Hilger (Hrsg.), Akkord und Prämie, 2. Aufl. 1967, S. 2 3 1 ; von Hoyningen-Huene, Die Billigkeit im Arbeitsrecht, 1978, S. 149. 5 1 Wiedemann / Stumpf, TVG, § 1 RdNr. 299. Daher hat sich etwa von Hoyningen­ Huene, NZA 1985, 169 (170), gegen die Möglichkeit der Einschaltung des Betriebsrats für den Fall ausgesprochen, daß diesem dadurch ein gesetzlich nicht vorgesehenes Beteiligungsrecht - dort: bei der Bestimmung der Arbeitszeitdauer - verschafft wird. 52 Vgl. BAG vom 29. Januar 1969, AP Nr. 20 zu § 6 1 1 BGB Akkordlohn (Bl. 3) mit insoweit zustimmender Anm. von Gaul (Bl. 5); Hanau, NZA 1985, 73 (77); Nikisch, Arbeitsrecht Bd. II, § 73 II 3 (S. 289). 53 Wiedemann / Stumpf, TVG, § 1 RdNr. 296. 54 Nipperdey, in: Hueck / Nipperdey, Lehrbuch Bd. 11/1. Hbd., § 1 5 II 1 0 (S. 287); Wiedemann / Stumpf, TVG, § 1 RdNr. 296. 55 Maus, Tarifvertragsgesetz, 1956, § 1 RdNrn. 115 und 124; Nikisch, Arbeitsrecht Bd. II, § 74 V 3 (S. 323); Wiedemann / Stumpf, TVG, § 1 RdNr. 3 1 0 . 5 6 Bejahend: Nipperdey, in: Hueck / Nipperdey, Lehrbuch Bd. 11/1. Hbd., § 1 5 I I 1 0 (S. 2 8 8 ) ; Hueck / Nipperdey / Stahlhacke, TVG, 4. Aufl. 1964, § 1 RdNr. 58; Maus, Tarifvertragsgesetz, 1956, § 1 RdNr. 125. Verneinend: Buchner, in: AR-Blattei Teil D, Tarifvertrag V A Betriebsverfassungsnormen, 1973, III 2 b) bb) ; ders., DB 1985, 913 (923); Galperin, BB 1960, 453 (456): selbst als Betriebsverfassungsnormen keine Außenseitergeltung; Hanau, NZA 1985, 73 (77); Nikisch, Anm. zu BAG vom 24. Sep­ tember 1959, AP Nr. 1 1 zu § 6 1 1 BGB Akkordlohn (Bl. 6 Rücks.); wohl auch Fauth, BlStSozArbR 1960, 28, 29, und Hagemeier / Kempen / Zachert / Zilius, TVG, § 1 RdNr. 200.

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IV. Teil: Bewertung der tatsächlichen Erscheinungsformen

gelassen. 57 Sie kann nicht anders als bei anderen „Doppelnormen" mit betriebsverfassungsrechtlichem Charakter beantwortet werden: Bei der Tätigkeit des Bestimmens handelt es sich - anders als bei der Ausfüllung einer tarifvertraglichen Zulassungsnorm durch Betriebsvereinbarung -58 nicht um eigene betriebliche Normsetzung, welche auch für Außenseiter gel­ ten würde. Vielmehr geht die normative Wirkung ungeachtet dessen, daß es einer Beteiligung des Betriebsrats bedarf, von einer tariflichen Inhaltsnorm aus. 59 Damit kann sie grundsätzlich 60 nur tarifgebundene Arbeitsverhält­ nisse erfassen.s 1 Die Besonderheit tarifvertraglicher Bestimmungsklauseln liegt allerdings nicht in ihrer tarifrechtlichen Wirkweise, sondern darin, daß sie auf die Bestimmung der Leistung durch Arbeitgeber und Betriebsrat die bürger­ lich-rechtlichen Vorschriften der §§ 3 1 7 - 3 1 9 BGB zur Anwendung brin­ gen, welche Regelungen für Fälle nachträglicher Vertragsergänzung durch (einen) Dritte(n) treffen : Daß es sich um Tarifverträge handelt, welche die Bestimmungsklauseln enthalten, hindert die Anwendung jener Vorschriften nicht, da Tarifverträge als Verträge dem allgemeinen Vertragsrecht des BGB unterstehen, soweit sich nicht aus ihrem normativen Charakter etwas ande57 Vgl.BAG vom 24.September 1959, AP Nr.11 zu § 611 BGB Akkordlohn (Bl.5) mit Anm. von Nikisch, bzw. BAG vom 29. Januar 1969, AP Nr. 20 zu § 611 BGB Akkordlohn (Bl. 3) mit Anm. von Gaul. 58 s. oben III. Soweit ersichtlich ist in der Entscheidung des BAG vom 29. Januar 1969, AP Nr.20 zu § 611 BGB Akkordlohn mit Anm.von Gaul, eine derartige Zulas­ sungsnorm, die eine Ergänzung durch Betriebsvereinbarung vorsieht, wie eine tarif­ vertragliche Bestimmungsklausel behandelt worden. Ansonsten ist aber wohl stets davon ausgegangen worden, daß eine Bestimmung - anders als zugelassene ergän­ zende Betriebsvereinbarungen - nur dazu dienen soll, im Tarifvertrag offengelassene Fragen für einzelne Arbeitsverhältnisse zu regeln (vgl. Löwisch, NZA 1985, 170 [172) mit Rechtsprechungsbeispielen, gegen Hanau, NZA 1985, 73 (76 f.); von Hoyningen­ Huene, Die Billigkeit im Arbeitsrecht, 1978, S. 151). Auch finden - wie sogleich zu zeigen sein wird - auf Bestimmungsklauseln §§ 315 ff. BGB Anwendung. .,Bestim­ mung" im Sinne dieser Vorschriften ist aber eine rechtsgeschäftliche empfangs­ bedürftige Willenserklärung (vgl. statt vieler Söllner, in: MünchKomm, BGB, 2.Aufl. 1985, § 315 RdNr. 18), keine normative Betriebsvereinbarung. Auch soweit das BAG in anderen Entscheidungen Betriebsvereinbarungen einer Billigkeitskontrolle unter­ zogen hat (vgl. die Nachw. bei Fitting / Auffarth / Kaiser, BetrVG, § 77 RdNr. 73), was nach §§ 315, 319 BGB an sich nur für die Fälle rechtsgeschäftlicher Leistungsbestim­ mung und auf Gestaltungsklage hin vorgesehen ist, liegt dem nicht die Qualifizierung tarifvertraglicher Zulassungsnormen (im obigen Sinne) als Bestimmungsklauseln zugrunde. 59 Dies wird aus einer Entscheidung des BAG vom 28. November 1984, DB 1985, 132 - dort allerdings bezogen auf ein tarifliches Bestimmungsrecht des Arbeitgebers deutlich, wo es (133) heißt, daß die durch Ausübung des Bestimmungsrechts getrof­ fene Regelung den Tarifinhalt ergänze und damit Normen schaffe, die wie Tarifvor­ schriften wirkten und auch deren rechtliches Schicksal teilten. 60 Zu der Ausnahme im Falle eines notwendig betriebseinheitlichen Geltungsan­ spruchs s. oben II. 61 Vgl. Buchner, DB 1985, 913 (922 f.). So auch ArbGer. Karlsruhe vom 23. April 1987, 3 Ca 33/87, unveröffentlicht, betr. Teilziff. 331, 332 des Manteltarifvertrages für den Südwestfunk.

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res ergibt. 62 Auch kommt § 3 1 7 BGB nicht nur dann in Frage, wenn die Lei­ stung überhaupt nicht bestimmt ist, sondern auch dann, wenn die Leistung zwar bestimmt, aber ihre Veränderung, Aufhebung oder die Verlängerung der Verpflichtung vorgesehen und einer bestimmten Stelle übertragen ist.6 3 Ob Arbeitgeber und Betriebsrat auch als „ Dritte" im Sinne des § 3 1 7 Abs. 1 BGB angesehen werden können, kann zweifelhaft sein, weil der Arbeitge­ ber Vertragspartei zwar nicht des Tarifvertrages (abgesehen von Firmenta­ rifverträgen) aber doch des Arbeitsvertrages ist, dessen Inhalt bestimmt werden soll. Hätte er allein die Bestimmung zu treffen, müßte § 3 1 5 BGB und nicht § 3 1 7 BGB herangezogen werden. 64 Der Betriebsrat hingegen ist, vom Einzelarbeitsverhältnis her gesehen, Dritter. 65 Wenn Arbeitgeber und Betriebsrat, also eine Vertragspartei gemeinsam mit einem Dritten, die Auf­ gabe des Dritten erfüllen, erscheint es aber gerechtfertigt zu sein, § 3 1 7 BGB wenigstens entsprechend anzuwenden. 66 Aus der Anwendbarkeit der § § 3 1 7 - 3 1 9 BGB ergeben sich zusätzlich zu den tarifrechtlichen Rechtswirkungen von Bestimmungsklauseln noch wei­ tere Folgen: Ist die Bestimmung Arbeitgeber und Betriebsrat als Dritten im Sinne des § 3 1 7 Abs. 1 BGB überlassen, so ist nach dieser Vorschrift im Zweifel anzu­ nehmen, daß sie nach billigem Ermessen (und nicht im Sinne des § 3 1 9 Abs. 2 BGB nach freiem Belieben) zu treffen ist. Daraus folgt : bei offenbar unbil­ liger Leistungsbestimmung kann der betroffene Arbeitnehmer nach § 3 1 9 6 2 Hilger, BB 1956, 10 (13) ; vgl. auch Nipperdey, in: Hueck / Nipperdey, Lehrbuch Bd.11/1.Hbd., § 12 I 2 a) (S.208) ; sehr einschränkend Wiedemann I Stumpf, TVG, § 1 RdNr.10.Für analoge Anwendung BAG vom 29.Januar 1969, AP Nr.20 zu § 611 BGB Akkordlohn (Bl. 3) mit einschränkender Anm. von Gaul (Bl. 4 Rücks. ff., Bl. 6, Bl. 7 Rücks.) ; von Hoyningen-Huene, Die Billigkeit im Arbeitsrecht, 1978, S. 149. 63 Nipperdey, in: Hueck / Nipperdey, Lehrbuch Bd.II/1. Hbd., § 15 II 10 (S.287 Fn. 138). 6 4 Der Unterschied liegt in Folgendem: Obliegt die Vertragsergänzung einer Partei (§ 315 BGB), so ist die gerichtliche Kontrolle zum Schutz der anderen Vertragspartei schärfer; nach § 315 Abs. 3 BGB hat das Gericht schlechthin nachzuprüfen, ob die getroffene Bestimmung „der Billigkeit entspricht". Obliegt die Vertragsergänzung dagegen einem neutralen Dritten (§§ 317 ff.BGB), so beschränkt sich die gerichtliche Kontrolle darauf, ob die getroffene Bestimmung „offenbar unbillig" ist (§ 319 Abs.1 BGB). Der Dritte hat also einen gewissen Spielraum (Hilger, in: Hilger (Hrsg.), Akkord und Prämie, 2.Aufl.1967, S.231). 65 Str.aber h. M., vgl.die Nachw.bei Hilger, in: Hilger (Hrsg.), Akkord und Prämie, 2. Aufl. 1967, S.231; von Hoyningen-Huene, Die Billigkeit im Arbeitsrecht, 1978, s.149 f. 66 BAG vom 24. September 1959, AP Nr. 11 zu § 611 BGB Akkordlohn (Bl. 5) mit zustimmender Anm. von Nikisch (Bl. 6 Rücks.); BAG vom 29. Januar 1969, AP Nr.20 zu § 611 BGB Akkordlohn (Bl. 3) mit Anm. von Gaul; Fauth, BlStSozArbR 1962, 28 (29); Hilger, BB 1956, 10 (13) ; dies., in: Hilger (Hrsg.), Akkord und Prämie, 2. Aufl. 1967, S. 231; von Hoyningen-Huene, Die Billigkeit im Arbeitsrecht, 1978, S. 150; im Ergebnis auch Nipperdey, in: Hueck / Nipperdey, Lehrbuch Bd. 11/1.Hbd., § 15 II 10 (S. 288). Nicht differenzierend Wiedemann I Stumpf, TVG, § 1 RdNr. 301. Vgl. auch Herschel, Anm.zu BAG vom 28.März 1973, AP Nr. 2 zu § 319 BGB (Bl.4 Rücks. f.).

15 Spilger

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IV. Teil: Bewertung der tatsächlichen Erscheinungsformen

Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 BGB Klage auf Leistungsbestimmung durch das Arbeitsgericht (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 a) ArbGG) erheben. 67 Das gleiche kommt nach § 3 19 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BGB dann in Betracht, wenn Arbeitgeber und Betriebsrat die Bestimmung nicht treffen können oder wollen, oder wenn sie sie verzögern. Ein Fall des Nichtkönnens liegt auch dann vor, wenn es zwischen ihnen zu keiner Einigung kommt. 68 Aus § 3 1 7 Abs. 2 Halbsatz 1 BGB, wonach bei Bestimmung durch mehrere Dritte im Zweifel Übereinstimmung erforderlich ist, folgt, daß eine einsei­ tige Leistungsbestimmung, etwa durch den Arbeitgeber, im Falle der Nicht­ einigung unwirksam wäre. Unwirksam wäre die einseitige Festsetzung sicher auch wegen Mißachtung der tariflichen Bestimmungsklausel, soweit diese nicht nur Anhörung, sondern Zustimmung des Betriebsrats erfor­ dert. 69 Der Arbeitgeber könnte nur vorläufig die nach seiner Ansicht an­ gemessene Leistung vornehmen. 70 Die gegenteilige Stellungnahme des Betriebsrats kann vom Arbeitgeber nach § 3 19 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BGB durch Anrufung des Arbeitsgerichts angegriffen werden. 7 1 Man könnte auf den Gedanken verfallen, daß im Streitfalle zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat die Einigungsstelle gemäß § 76 BetrVG 1972 zur Entscheidung berufen ist. Diese ist nach Abs. 1 jener Vorschrift für die Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zwischen Arbeitgeber und 67 Vgl. BAG vom 29. Januar 1969, AP Nr. 20 zu § 6 1 1 BGB Akkordlohn (Bl. 4) mit einschränkender Anm. von Gaul (Bl. 4 Rücks. ff., Bl. 6, Bl. 7 Rücks.); vgl. auch BAG vom 28. März 1973, AP Nr. 2 zu § 3 1 9 BGB (Bl. 3 Rücks.) mit zustimmender Anm. von Hersehe/ (Bl. 4 Rücks. f.); von Hoyningen-Huene, Die Billigkeit im Arbeitsrecht, 1978, S. 1 5 0 ; Nikisch, Anm. zu BAG vom 24. November 1959, AP Nr. 1 1 zu § 6 1 1 BGB Akkordlohn (Bl. 6 Rücks.). 68 BAG vom 29. Januar 1969, AP Nr. 20 zu § 611 BGB Akkordlohn (Bl. 4) mit inso­ weit zustimmender Anm. von Gaul (Bl. 6 Rücks.) ; Fauth, BlStSozArbR 1960, 28 (29); Nikisch, Anm. zu BAG vom 24. September 1959, AP Nr. 1 1 zu § 611 BGB Akkordlohn (Bl. 6 Rücks.). Vgl. Söllner, in: MünchKomm, BGB, 2. Aufl. 1985, § 3 1 9 RdNr. 9. A. A. insoweit von Hoyningen-Huene, Die Billigkeit im Arbeitsrecht, 1978, S. 150 mit Fn. 61. 69 I m Ergebnis auch BAG vom 2 4 . September 1 9 5 9 , A P Nr. 1 1 z u § 6 1 1 BGB Akkordlohn (Bl. 5 Rücks.) mit zustimmender Anm. von Nikisch (Bl. 5 Rücks., Bl. 6 Rücks.); wohl auch BAG vom 29. Januar 1969, AP Nr. 20 zu § 6 1 1 BGB Akkordlohn (Bl. 2 Rücks. f., Bl. 4) mit einschränkender Anm. von Gaul (Bl. 6); Fauth, BlStSozArbR 1960, 28 (30); Hilger, BB 1956, 10 (14); im Ergebnis auch von Hoyningen-Huene, Die Billigkeit im Arbeitsrecht, 1978, S. 1 5 0 ; wohl auch Nikisch, Arbeitsrecht Bd. II, § 73 II 3 (S. 289). Hierin zeigt sich, daß die Beteiligung des Betriebsrats etwa auch bei der Ausfüllung eines unbestimmten Rechtsbegriffs (z. B. ,,Minderleistungsfähigkeit" , „Vorliegen eines dringenden betrieblichen Bedürfnisses" ) konstitutiv un d insofern anders ist, als bei Ein- oder Umgruppierung. Letzere vollziehen sich automatisch ent­ sprechend den tatsächlichen Gegebenheiten. Dort ist die Beteiligung daher auch nur Mitbeurteilung (vgl. die Nachw. oben § 1 1 Fn. 2 2 7), während bei einer Bestimmungs­ klausel die tatsächlichen Voraussetzungen (z. B. Grad der Minderleistungsfähigkeit) erst festgelegt werden müssen. 70 Nipperdey, in Hueck / Nipperdey, Lehrbuch Bd. II/1. Hbd., § 15 II 10 (S. 288). 71 Vgl. Hilger, BB 1956, 1 0 (14).

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Betriebsrat, Gesamtbetriebsrat und Konzernbetriebsrat zuständig, wobei nicht nach dem Anlaß der Meinungsverschiedenheiten differenziert wird. 7 2 Auch der Streit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat um eine Leistungs­ bestimmung ließe sich zwanglos unter die gesetzliche Zuständigkeitsum­ schreibung subsumieren. Fraglich ist aber, ob der Spruch der Einigungs­ stelle die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat über die im BetrVG bezeichneten Fälle hinaus ersetzen kann, konkreter, ob der Tarif­ vertrag, in welchem sich eine Bestimmungsklausel findet, eine Zuständig­ keit der Einigungsstelle zur verbindlichen Entscheidung begründet und begründen kann. Schon unter Geltung des BetrVG 1952 war für die sozialen Angelegenheiten anerkannt, daß etwa eine Erweiterung der erzwingbaren Mitbestimmung durch Tarifvertrag zur Folge hatte, daß jeder Betriebspart­ ner auch gegen den Willen des anderen einen Spruch der Einigungsstelle herbeiführen konnte. 7 3 Auch heute halten etwa Fitting / Auffarth / Kaiser die Erweiterung der Zuständigkeit der Einigungsstelle zur verbindlichen Entscheidung durch Tarifvertrag insbesondere im sozialen Bereich und bei der menschengerech­ ten Gestaltung der Arbeit für zulässig. 74 Hilger hat aber überzeugend darge­ tan, daß die Entscheidungsbefugnis der Einigungsstelle niemals rechtlich weitergehen kann, als die Wirkung einer unmittelbaren Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. 75 Auch die Einigungsstelle muß sich an den in der Bestimmungsklausel gegebenen Beurteilungsspielraum halten. Auch ihr Spruch könnte von jedem einzelnen Arbeitnehmer (und auch vom Arbeitge­ ber) nach § 3 1 9 Abs. 1 BGB vor dem Arbeitsgericht angefochten werden. Weil das Nachprüfungsrecht des Gerichts durch die Einschaltung der Eini­ gungsstelle mittels Tarifvertrag damit nicht ausgeschlossen ist, erscheint es zumindest unzweckmäßig, die Einigungsstelle überhaupt zu bemühen. V. Die Bedeutung inhaltsgleicher Übernahme gesetzlich geregelter Betriebsratsrechte in Tarifverträge Recht oft übernehmen die Tarifvertragsparteien gesetzliche Vorschriften in den Tarifvertrag oder verweisen darauf. Handelt es sich bei diesen Vor­ schriften um dispositives Recht, können sie durch die Aufnahme in den Tarifvertrag den Charakter unabdingbarer Tarifnormen bekommen, weil sie an der allgemeinen Unabdingbarkeit der Tarifnormen nach § 4 Abs. 1 TVG teilnehmen. 76 Voraussetzung ist aber, daß die Tarifvertragsparteien auch So wohl auch Thiele, in: GK-BetrVG, § 76 RdNr. 6. 73 Dütz, Die gerichtliche Überprüfung der Sprüche von betriebsverfassungsrecht­ lichen Einigungs- und Vermittlungsstellen, 1966, S. 26. 74 Fitting / Auffarth I Kaiser, BetrVG, § 7 6 RdNr. 30. 7 5 Hilger, BB 1956, 1 0 (13). 72

15 '

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IV. Teil: Bewertung der tatsächlichen Erscheinungsformen

den unverkennbaren Willen gehabt haben, der aufgenommenen gesetzlichen Vorschrift Unabdingbarkeit zu verleihen. 77 Andernfalls handelt es sich bei der übernehmenden oder verweisenden Tarifbestimmung lediglich um eine sogenannte „neutrale " Regelung, die keine Tarifnorm im Rechtssinne dar­ stellt. 7 8 Tarifverträge nehmen mitunter auch gesetzliche Vorschriften über die Beteiligungsbefugnisse des Betriebsrats in Tarifverträge auf. Anzutreffen sind Tarifbestimmungen, welche Vorschriften des BetrVG wörtlich wieder­ holen. Es finden sich ferner Formulierungen wie zum Beispiel „ das Mitbe­ stimmungsrecht des Betriebsrats in personellen Angelegenheiten richtet sich nach BetrVG" , ,,in sozialen Angelegenheiten hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht nach Maßgabe des § 87 BetrVG" , ,, die Mitbestim­ mungsrechte des Betriebsrats nach dem BetrVG bleiben von der tarif­ vertraglichen Regelung unberührt" oder ähnliche. Es stellt sich die Frage, welcher rechtliche Gehalt derartigen Tarifregelungen zukommt. Sieht man die Vorschriften des BetrVG schon als jedenfalls einseitig zwin­ gendes Recht an, 79 fehlt ein Bedürfnis, sie durch Aufnahme in den Tarifver­ trag mit Unabdingbarkeit auszustatten. Übernehmende oder verweisende Tarifregelungen sind insoweit überflüssig und entbehren insoweit eines eigenständigen rechtlichen Gehalts. Allerdings können die Tarifvertragsparteien mit der Aufnahme gesetz­ licher Vorschriften über Beteiligungsbefugnisse auch ein anderes Ziel ver­ folgen, welches die aufnehmenden Tarifregelungen nicht zu bloßen „neutra­ len" Bestimmungen herabsinken läßt: Aufgrund des in §§ 77 Abs. 3 Satz 1 , 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG 1 9 7 2 (Vorläufer: § 59 BetrVG 1952) festge­ legten Tarifvorrangs können, wie schon erwähnt, gesetzliche Beteiligungs­ rechte des Betriebsrats eingeschränkt oder ausgeschlossen sein, wenn die Voraussetzungen der zitierten Vorschriften gegeben sind. 8 0 Mitunter kann aber das Vorliegen dieser Voraussetzungen zweifelhaft sein und demzufolge auch die Frage auftauchen, ob und inwieweit Beteiligungsrechte des Betriebsrats entfallen oder bestehenbleiben. Zweifelhaft kann insbesondere sein, ob die Tarifvertragsparteien eine abschließende Regelung haben tref­ fen wollen oder ob dem Betriebsrat noch ein gewisser Spielraum verbleiben sollte. In all diesen Fällen kann eine Regelung, derzufolge die gesetzlichen Beteiligungsrechte des Betriebsrats unberührt bleiben oder in bestimmten Angelegenheiten nicht ausgeschlossen sein sollen, große Bedeutung erlanMaus, Tarifvertragsgesetz, 1956, § 1 RdNr. 1 14. Maus, Tarifvertragsgesetz, 1956, § 1 RdNr. 1 14. 7 s Nipperdey, in: Hueck / Nipperdey, Lehrbuch Bd. II/ 1 . Hbd., § 15 II 5 e) ß) (S. 259). 79 Vgl. oben § 2 I. 00 Oben § 12 I. und § 1 3 III. 76

77

§ 14 Bewertung aus tarifrechtlicher Sicht

229

gen, indem sie Zweifel an der Beteiligungspflichtigkeit beseitigt. Bedeutung haben übernehmende oder verweisende Bestimmungen insbesondere aber auch dann, wenn die Voraussetzungen der Sperrwirkung nach § § 77 Abs. 3 Satz 1, 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG 1 972 (§ 59 BetrVG 1952) unzweifel­ haft gegeben sind. Die übernehmende oder verweisende Vorschrift kann dann die Funktion haben, die Sperrwirkung zu durchbrechen und dadurch den Charakter einer Zulassungsnorm erlangen. s 1 Es ist daher festzuhalten, daß Tarifbestimmungen, welche gesetzliche Vorschriften über Beteiligungsrechte des Betriebsrats in den Tarifvertrag aufnehmen, jedenfalls dann ein eigenständiger rechtlicher Gehalt zukommt, wenn sie das Verhältnis von Tarifvertrag und gesetzlichem Beteiligungs­ recht des Betriebsrats im obigen Sinne regeln. Es handelt sich dann nicht um bloße „neutrale" Regelungen, sondern um echte Tarifnormen, und zwar um Betriebsverfassungsnormen82 mit den sich daraus ergebenden tarif­ rechtlichen Rechtswirkungen.

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